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German Pages 427 [428] Year 2003
Hammerich · Jeder für sich und Amerika gegen alle?
Entstehung und Probleme des Atlantischen Bündnisses bis 1956 Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 5
R. Oldenbourg Verlag München 2003
Jeder für sich und Amerika gegen alle? Die Lastenteilung der NATO am Beispiel des Temporary Council Committee 1949 bis 1954
Von Helmut R. Hammerich
R. Oldenbourg Verlag München 2003
— Für meine Familie —
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Die vorliegende Publikation beruht auf einer Dissertation, die im Wintersemester 2002 von der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam angenommen wurde.
© 2003 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Str. 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier (chlorfrei gebleicht). Satz: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Grafiken: Bernd Nogli, Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Druck und Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH, München ISBN 3-486-56758-6
Inhalt Vorwort Danksagung I.
II.
Einleitung
IX XI 1
1. Inhaltliche Vorüberlegungen 2. Literatur und Quellenlage 3. Methodische Überlegungen und Begriffsbestimmungen Lasten und Lastenteilung Interdependenzen
3 11 16 18 19
Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung? Westeuropa und die Notwendigkeit einer gerechten Lastenteilung
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1. Von der ökonomischen zur militärischen Eindämmung. Die Aufrüstung Westeuropas nach 1945 a. Die politische, wirtschaftliche und militärische Westbindung Westeuropas 1947 bis 1954 Die politisch-ideologische Westorientierung Die Integration der Wirtschaft Westeuropas Die militärische Integration Westeuropas und die Aufrüstung des Westens b. Die Entwicklung der NATO vom »Papiertiger« zum verteidigungsfähigen Bündnis Die Gründungsphase: »All SHAPE, no arms« Der Ausbau des Bündnisses Die Lastenteilung der NATO 2. Die Unvereinbarkeit der Aufrüstung mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau a. Die Streitkräfteziele der NATO und ihre schwierige Umsetzung Der Medium Term Defence Plan (MTDP) Der Ist-Stand im Jahre 1951 Lücken- und Kostenberechnungen der USA und der NATO b. Die Auswirkungen der Aufrüstung in Großbritannien und Frankreich Großbritannien Frankreich
21 21 24 29 36 45 46 60 63 72 72 72 74 79 82 83 93
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Inhalt
Britische und französische Interessen für eine bündnisinterne Lösung des Lastenproblems c. Die Auswirkungen der Aufrüstung auf die übrigen Mitgliedstaaten Benelux Skandinavische NATO-Partner Die »Südstaaten« Kanada Positive Auswirkungen der Aufrüstung Die Interessen der kleineren NATO-Partner für eine Bündnislösung III. Die Bündnislösung: Der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen durch das Temporary Council Committee 1. Die NATO reagiert: Burden-Sharing 1949 bis 1951 a. Das Scheitern des bündnisexternen Vorgehens b. Die Vorgängergremien des TCC Defense Financial and Economic Committee (DFEC) Economic and Financial Working Group (GTEF) Financial and Economic Board (FEB) Ad-hoc-Committee 8 (AC/8) c. Die NATO-Ratstagung in Ottawa und das neue Lastenteilungsprojekt Die Notwendigkeit eines neuen Projektes Die Idee des Temporary Council Committee Die Zustimmung zum neuen Projekt im Atlantikrat 2. Das TCC und die Ratstagung in Lissabon 1952. Die erste gemeinsame Streitkräfteplanung als Bündniskompromiß a. Organisation und Vorgehensweise Personelle Zusammensetzung und Arbeitsgliederung Die Auswertung des statistischen Materials und erste Ergebnisse b. Multinationale Zusammenarbeit und der lange Weg zum Bündniskompromiß Die Zusammenarbeit im Exekutivbüro und in den Arbeitsgruppen Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten Die Ratstagung in Rom im November 1951 c. Der Abschlußbericht und die Empfehlungen für den Nordatlantikrat Die Diskussion der Vorschläge im TCC und der Bündniskompromiß Die eingeschränkte Zustimmung der Militärs
106 108 110 116 122 126 130 131 133 133 133 139 139 141 147 152 154 154 156 160 162 162 162 182 194 194 203 220 224 231 237
Inhalt
Der Abschluß- und der Zusatzbericht und die Empfehlungen an den Nordadantikrat d. Die Ratstagung in Lissabon als Erfolg des TCC Die Lissaboner Streitkräfteziele Der deutsche finanzielle Verteidigungsbeitrag Die Empfehlungen für eine Reorganisation der NATO e. Die Ratstagung in Lissabon als Erfolg der NATO? Die nichtmilitärische Zusammenarbeit Lissabon als vordergründiger Erfolg der NATO IV. Die Folgen des Bündniskompromisses. Vom »Papiertiger« zur multinationalen Organisation
VII
243 255 255 258 284 293 293 294 303
1. Souveräne Staaten im »Bündniszwang« 303 a. Britische »Defence Policy and Global Strategy« 304 Die Churchill-Regierung und der neue Sparkurs 304 Das neue Strategiepapier 305 »Radical Review« und Einsparungen im Verteidigungshaushalt 309 b. Die amerikanische Initiative: Eisenhower's »New Look« 313 Die Truman-Administration und die Lissaboner Streitkräfteziele ...313 Die Eisenhower-Administration und der »New Look« 315 Das neue Strategiepapier NSC 162/2 317 c. Auswirkungen der Reduzierungsabsichten auf die Bündnispartner 322 2. Die NATO als Element der militärischen, wirtschaftlichen und politischen Interdependenzen in Westeuropa 324 a. Militärstrategischer Wandel innerhalb der NATO: MC 48 und die Massive Vergeltung 324 Die Jahreserhebung 1952 und Lord Ismays Initiative 324 Die Krise der Allianz im Frühjahr 1953 335 MC 48 und der Strategiewechsel im Jahre 1954 346 b. Vom Washingtoner Vertrag zur multinationalen Organisation 356 Organisatorischer Wandel 356 Das interdependente Verteidigungsbündnis 358 Die Grenzen einer multinationalen Organisation 363 V.
Zusammenfassung
Abkürzungen Archivquellen Literatur Abbildungsnachweis Personenregister Zum Autor
365 373 376 383 409 410 415
Vorwort Die Thematik des vorliegenden Bandes ist in zweierlei Hinsicht beachtenswert. Zum einen ist die Frage der Lastenteilung innerhalb der Ν ordadan tischen Allianz gerade nach den historischen Entscheidungen über die Aufnahme von drei ehemaligen Mitgliedsländern des Warschauer Paktes im Jahre 1999 und von weiteren sieben ehemaligen Ostblockstaaten im Jahre 2004 noch wichtiger geworden. Von zwölf Gründungs- auf dann 26 Mitgliedsstaaten angewachsen, wird die NATO auf ihre bewährten Mechanismen der muldnationalen Zusammenarbeit zurückgreifen müssen, um auch in Zukunft eine gerechte Lastenteilung wenigstens in Ansätzen zu erreichen. Allein die Erweiterungskosten werden von der RAND Corporation auf über 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Aufteilung dieser Summe zwischen den alten und neuen Mitgliedstaaten stellt eine ähnlich große Herausforderung dar wie die der ersten (hier näher betrachteten) Aufteilung der erheblichen Kosten der Aufrüstung im Zuge des Koreakrieges. Zum anderen verheißt der Titel »Jeder für sich und Amerika gegen alle?« aber auch Aufschluß über die gerade während des Irak-Krieges im Jahre 2002 formulierte Frage, welche Regierung welche Einflußmöglichkeiten auf die Entwicklungen der internationalen Beziehungen ausüben kann und soll. Sind wir wirklich in einem »Amerikanischen Jahrhundert« (Harold Evans), oder lassen zahlreiche internationale Organisationen den kleineren Bündnispartnern Einflußmöglichkeiten offen, um dem »empire by integration« (Geir Lundestad) Kompromisse abzuringen? Mit den Forschungen für seine Buchreihe »Entstehung und Probleme des Atlantischen Bündnisses bis 1956« hat das Militärgeschichtliche Forschungsamt bereits Ende der achtziger Jahre die Nordatlantische Allianz als eine eigenständig handelnde Größe auf internationalem Parkett in den Mittelpunkt der historischen Analyse gestellt. Dem früheren Projekdeiter, Dr. Norbert Wiggershaus, ging es darum, die Anfänge der NATO in ihrer politischen, wirtschaftlichen und natürlich militärischen Dimension zu untersuchen und dabei aufzuzeigen, welche Bedeutung der als Militärbündnis konzipierten multinationalen Organisation für die enge Zusammenarbeit zwischen Nordamerika und Westeuropa von 1949 bis 1956 zukam. Die NATO ist trotz oder gerade wegen zahlreicher ernster Krisen auch heute noch handlungsfähig und lebendig. Der Autor fragt nach dem »Erfolgsrezept« der Allianz und analysiert das Spannungsfeld zwischen militärischer Aufrüstung und wirtschaftlichem Wiederaufstieg der Mitgliedstaaten zu Beginn der fünfziger Jahre. Die bündnisinterne Lastenteilung drohte zunächst zu einem zentralen Desintegrationsfaktor zu werden, der 1951/52 durch einen hochrangig besetzten, zeitlich befristeten Ausschuß, das
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Vorwort
Temporary Council Committee, entschärft wurde. Das TCC bildete eine Schnittstelle innerhalb der Allianz, die politische, militärische und wirtschaftliche Interessen sowohl des Bündnisses selbst als auch der einzelnen Mitgliedstaaten zusammenführte. Ein hart umkämpfter Bündniskompromiß brachte den Ausgleich zwischen den hohen Forderungen der Militärs und den begrenzten wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der beteiligten Regierungen. Damit konnte die erste ernsthafte Krise der jungen Allianz überwunden werden. Der übergewichtige Bündnispartner USA war dabei gezwungen worden, Rücksicht auf die übrigen Mitgliedstaaten zu nehmen. Diese neue und rasch institutionalisierte Form multinationaler Zusammenarbeit führte zu richtungsweisenden Ergebnissen für die weitere Entwicklung der NATO als funktionstüchtige Organisation. Dem Projektcharakter entsprechend wertete der Autor umfangreiches Aktenmaterial zahlreicher in- und ausländischer Archive aus und konnte dabei Ansätze der klassischen Diplomatie- als auch der Struktur- und Wirtschaftsgeschichte unter einer transnationalen Perspektive erfolgreich verbinden. Ähnlich den westeuropäischen Bündnispartnern in der Frühphase des Kalten Krieges sind es heute die mittel- und osteuropäischen Partnerstaaten, die sich sowohl von der NATO als auch von der EU politische, wirtschaftliche und militärische Sicherheit versprechen. Angesichts der funktionierenden Bündnismechanismen wage ich die Prognose, daß die NATO auch weitere 50 Jahre eine tragende Säule der Sicherheitsarchitektur der demokratischen Welt bleiben wird. Dr. Jörg Duppler Kapitän zur See Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
Danksagung Die vorliegende Arbeit ist die leicht gekürzte und überarbeitete Fassung meiner Studie über die Lastenteilung der Nordatlantischen Allianz in den fünfziger Jahren, die im Wintersemester 2002 von der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen wurde. Ich danke an erster Stelle meinen Doktorvätern Professor Dr. Manfred Görtemaker und Professor Dr. Hans-Erich Volkmann, die meine Forschungstätigkeit über die Jahre wohlwollend und kritisch begleitet haben. Sie standen jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung, gewährten aber ebenso selbstverständlich und geduldig den nötigen Freiraum. Meinen Kollegen und Kameraden im Militärgeschichtlichen Forschungsamt, vor allem im ehemaligen Forschungsbereich IV (Internationale Militärgeschichte seit 1945), möchte ich ebenfalls herzlich danken, an erster Stelle Oberst Dr. Norbert Wiggershaus, der mein Verständnis für ein multinationales Projekt weckte, und Oberst Dr. Klaus A. Maier, dem Spiritus rector, der mich für das Thema begeistern konnte. Aber auch meinen letzten Forschungsbereichsleitern, Oberst Dr. Hans-Joachim Harder und Leitender Wissenschaftlicher Direktor Dr. Bruno Thoß, die den Abschluß der Arbeit mit Rat und Tat begleiteten, bin ich zu Dank verpflichtet. Oberst Dr. Harder bin ich besonders für die Gewährung meines wohl schönsten Archivaufenthaltes in der Fondation Jean Monnet pour l'Europe in Lausanne mit Blick auf den Lac Lemon verbunden. Wichtige Stützen waren mir auch Wissenschaftlicher Direktor Dr. Dieter Krüger und Oberstleutnant Dr. Winfried Heinemann durch ihre nie erlahmende Aufmerksamkeit für meine Arbeit. Die »Krügersche Kaffeerunde« war mir durch ihre angenehmen Ablenkungen und die anregenden Gespräche eine stete Motivationsquelle. Vor allem meine lieben Mitstreiter Dr. Kerstin von Lingen (Ehrenmitglied besagter Runde) und Major Dr. Armin Wagner seien hier für alle »Morgenlandfahrer« genannt. Stellvertretend für die freundlichen und kooperativen Angestellten zahlreicher Archive und Bibliotheken im In- und Ausland möchte ich mich bei Robert Jurquet und seinem Stab um Anne-Marie Smith in der ehemaligen Registratur der NATO in Brüssel recht herzlich bedanken; ihre Hinweise auf relevantes Aktenmaterial waren mehr als hilfreich, ihre Betreuung vorbildlich. Die Vorbereitungen zur Drucklegung der Disseration hat in bewährter Weise das Team der Schriftleitung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes besorgt, allen voran ihr loiter Dr. Arnim Lang; Mag. phil. Michael Thomae kümmerte sich in kollegialer Weise um das Lektorat, Dipl. phil. Marina Sandig um die Bildrechte,
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Danksagung
Carola Klinke trug die Hauptlast der Textgestaltung, für die Gestaltung und Bearbeitung der Karten, Graphiken und Bilder zeichnen Dipl.-Ing. Bernd Nogli und seine Kolleginnen der Karten- und Zeichenstelle verantwortlich. Rückblickend auf die Anfänge unbedingt ein herzliches Dankeschön an meinen Geschichtslehrer Studiendirektor Hans Ludwig Megges vom Friedrich-RückertGymnasium in Ebern und an meine akademischen Lehrer an der Universität der Bundeswehr in München, Professor Dr. Walter Demel und Privatdozent Dr. Uwe Puschner, die meine Leidenschaft für die Geschichtswissenschaften zu entfachen wußten. Die notwendigen Weichen, aus dem Hobby einen »Beruf« zu machen, stellte mein letzter Bataillonskommandeur in Eutin, Oberstleutnant Joachim Diedrichs. Er ließ den Truppenoffizier zur rechten Zeit ziehen und stellte damit auch in meinem Falle seine Fürsorge unter Beweis. Schließlich ein tief dankbares Lächeln für meine Familie: meinen Eltern für alles, auch für das Refugium im schönen Frankenland während der Schreib- und Prüfungsphase; meiner Frau Susanne, meinen Kindern Maximilian und Alicia für die Geduld und das Gefühl, auch ohne Orden und Titel nicht ganz unwichtig zu sein; der Rückhalt, der Ansporn und auch die kleinen Sticheleien - »Was macht die Diss?« - aus Lichtenfels, Ebern, Bamberg und Oldenburg ermöglichten erst das Zustandekommen dieser Arbeit. Meiner Familie sei deshalb das Buch gewidmet. Helmut R. Hammerich
I. Einleitung Über fünfzig Jahre Nordatlantische Allianz, die den Kalten Krieg überstanden hat und angesichts der sicherheits- und stabilitätspolitischen Herausforderungen in Europa heute lebendiger denn je erscheint, lassen die Frage nach einem »Erfolgsrezept« aufkommen. Vor allem für Politikwissenschaftler eröffnet sich hier ein interessantes Forschungsfeld 1 . Historiker richten ihren Blick aufgrund der Aktenlage eher auf die Aufbau- und Konsolidierungsphase der N A T O , also die fünfziger und sechziger Jahre. D o c h auch und gerade für die Frühphase stellt sich die Frage, wie die politische und militärische Zusammenarbeit innerhalb einer Allianz von damals noch zwölf bzw. 15 souveränen Staaten überhaupt funktionieren konnte 2 . In der umfangreichen Literatur über die Geschichte der N A T O wie über die Außen- und Sicherheitspolitik der jeweiligen Mitgliedstaaten lassen sich zahlreiche und teilweise sehr unterschiedliche Antworten finden. Sie reichen von der Dominanz der USA über Interdependenz-Ansätze bis hin zu neueren Studien, die den großen Einfluß der kleineren Bündnispartner nachweisen 3 . Schwieriger wird es allerdings, wenn von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit die Rede ist, obwohl sich ebenso schnell die Frage stellt, wer überhaupt für die Kosten der gewaltigen militärischen Aufrüstung in den Anfangsjahren der Allianz aufgekommen ist und welchen Einfluß die Folgen dieser Aufrüstung auf die Bündnis-, aber auch auf die Außen- und Sicherheitspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten hatten. Ein, wenn nicht das zentrale Thema der Allianzgeschichte war und ist deshalb das »Burden-Sharing«. Die Regierungen der Mitgliedstaaten erkannten bei der Umsetzung der Artikel des Washingtoner Vertrages rasch seine Auswirkungen auf die Bereiche Politik, Wirtschaft und Militär. Bereits die ersten Ansätze einer multinationalen Organisation in Form der zweimal im Jahr tagenden Außenminister und der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Paris zeigten, daß die militärisch definierte Aufgabe der gemeinsamen Sicherheit und Verteidigung zu kurz griff. Gerade im Zeitalter der Weltkriege Siehe z.B. Kugler, C o m m i t m e n t to Purpose; Duignan, N A T O . Its Past, Present, and Future. Z u den Gründungsmitgliedern der Allianz, den U S A , Großbritannien, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Norwegen, Dänemark, Island, Italien und Portugal, kamen 1952 Griechenland und die Türkei und im Jahre 1955 die Bundesrepublik Deutschland hinzu. Die nächste Erweiterung der N A T O erfolgte im Jahre 1982 mit dem Beitritt Spaniens, erst im Jahre 1999 traten mit Polen, Tschechien und Ungarn die ersten Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis bei. Kaplan, T h e L o n g Entanglement; Williams, North Atlantic Treaty Organization. Williams' bibliographisches Werk bietet mit rund 900 besprochenen Titeln einen ersten Überblick über die Literatur zur Geschichte des Bündnisses.
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I. Einleitung
erforderte die Sicherheit und Verteidigung in einem Bündnis die Mobilisierung aller relevanten Ressourcen. Auf nationaler Ebene hatten die USA Vorbildcharakter, denn das im Zweiten Weltkrieg erfolgreiche korporative Regierungssystem wurde hier für die anstehende Konversion und Abrüstung nach 1945 weitergeführt. Dadurch entwickelten sich die USA im Zuge des eskalierenden Kalten Krieges zu einem »National Security State«. Der umfassende Sicherheitsbegriff beinhaltete sowohl wirtschaftliche Stärke als auch militärische Schlagkraft. Beide Bereiche waren zwei Seiten einer Medaille. Sowohl die Truman- als auch die EisenhowerAdministration war bestrebt, keine Seite auf Kosten der anderen obenauf liegen zu lassen. Die unterschiedlichsten Interessengruppen wiederum sorgten dafür, daß die Medaille nicht zum Ruhen kam 4 . Die gemeinsame Verteidigung im Rahmen der NATO erforderte ebenfalls die Koordinierung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beiträge der Mitgliedstaaten, hier allerdings durch eine multinationale Organisation. Wegen der noch fehlenden organisatorischen Strukturen übernahmen in den ersten Jahren der Allianz zahlreiche zeitlich befristete Komitees diese Funktion. Das für die Entwicklung funktionierender Organisationsstrukturen wohl wichtigste Gremium war das Temporary Council Committee (TCC), das von Oktober 1951 bis Februar 1952 in Paris arbeitete und auf Ministerebene das bis dahin ungeklärte Problem der bündnisinternen Lastenteilung löste. Die multinationale Zusammenarbeit im TCC offenbarte auf der einen Seite das Bestreben der Nationalstaaten, ihre Interessen im NATO-Rahmen durchzusetzen. Auf der anderen Seite wachte Washington mit Argusaugen darüber, daß die westeuropäischen Bündnispartner neben der zugesagten Militärhilfe angemessene Eigeninitiative entwickelten. Gemeinsame Verteidigungsanstrengungen waren der Preis für die begehrte US-Außenhilfe. Die schwierige Zusammenarbeit in einer multinationalen Organisation »Jeder für sich und Amerika gegen alle« umschreibt daher das Kernproblem der Lastenteilung5. Am Beispiel des TCC lassen sich interessante Einblicke sowohl in die politische als auch in die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit in der Frühphase der Allianz gewinnen sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Nordatlantischen Allianz als Element der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interdependenzen in den westeuropäischen und transatlantischen Beziehungen der fünfziger Jahre aufzeigen. Das TCC war der Geburtshelfer der Nordatlantischen Allianz als funktionierende multinationale Organisation und schuf die Voraussetzungen für das Bündnis, um als eigenständiger Akteur auf der internationalen Bühne agieren zu können.
Hogan, A Cross of Iron; Offner, Another Such Victory. Angelehnt an das Motto und den Filmtitel »Jeder für sich und Gott gegen alle« der KasparHauser-Verfilmung von Werner Herzog aus dem Jahre 1974 nach dem Roman von Jakob Wassermann.
I. Einleitung
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Die schwierige Zusammenarbeit in einer multinationalen Organisation.
1. Inhaltliche Vorüberlegungen Die Nordatlantische Allianz ist eines der, wenn nicht das erfolgreichste und dauerhafteste Militärbündnis in der Geschichte der internationalen Beziehungen. Mehr als fünfzig [ahre verfolgten erst zwölf, dann 16 und seit 1999 19 Mitgliedstaaten gemeinsame Bündnisziele. Die nicht immer konfliktfreie Zusammenarbeit wurde auch nach dem Ende des Kalten Krieges aufrechterhalten, was auf einen qualitativen Unterschied zu zahlreichen vergangenen Kriegsallianzen oder W'ehrbünden hinweist. Die N A T O präsentiert sich als lebendige Gemeinschaft und als geeignete multinationale Organisation, um koordinierte sicherheits- und stabilitätspolitische Maßnahmen für ein friedliches Zusammenleben in einem sich allmählich einigenden Europa durchzuführen. O b sie den neuen Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus ebenfalls gewachsen sein wird, m u ß sich noch zeigen. Z u m ersten Mal in ihrer Geschichte trat am 1. Oktober 2001 der Bündnisfall ein, nachdem die USA Terroranschlägen ausgesetzt waren, die nach Artikel 5 des N A T O Vertrages als ein bewaffneter Angriff gegen alle Mitgliedstaaten gewertet wurden. Alle Bündnispartner sind demnach aufgefordert, den USA nach eigenem Ermessen Beistand zu leisten, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzu-
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I. Einleitung
stellen und zu erhalten 6 . Mit diesem Passus ist die Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten gewährleistet und der Charakter der NATO als multinationale Organisation verdeutlicht. Allerdings ist die Frage der angemessenen Unterstützung auch und vor allem eine Frage der Lastenteilung 7 . Wer stellt welche Ressourcen zur Verfügung, wie solidarisch verhält sich die Regierung eines jeden Mitgliedstaates in dieser Ausnahmesituation? Bereits der fünfzigste Jahrestag der Unterzeichnung des Washingtoner Vertrages am 4. April 1999 stand im Schatten der Militäreinsätze von Luft- und Seestreitkräften zahlreicher NATO-Staaten gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Nach 50 Jahren in »Frieden und Freiheit« und zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges setzte die Atlantische Allianz zum ersten Mal unabhängig von den Vereinten Nationen militärische Mittel ein, um ein politisches Ziel, hier die Beendigung der Vertreibung der albanischen Bevölkerung des Kosovo durch serbische Verbände, durchzusetzen 8 . Dieser Militäreinsatz in Jugoslawien verursachte auf beiden Seiten nicht nur unersetzliche menschliche und wirtschaftliche Verluste, er kostete die NATO auch rund 20 Milliarden Dollar. Die Aufteilung dieser Kosten stellte nachträglich eine Herausforderung für die bündnisinterne Lastenteilung dar. Die Summe wurde zunächst von den am Einsatz beteiligten Staaten getragen, indem sie Personal und Material für die gemeinsamen Operationen abstellten. Dieses in der Allianz übliche Verfahren der Lastenteilung hat sich in der Geschichte der NATO gegen andere Finanzierungsmodelle, wie das eines gemeinsamen Verteidigungsbudgets, durchgesetzt. Einer der großen Nachteile dieser Praxis ist die Möglichkeit des Trittbrettfahrens, also bestimmten Staaten den Vortritt bei der Bereitstellung von Ressourcen zu überlassen. Schon früh warfen daher im Kosovo-Konflikt die Medien die Frage auf, ob die Lasten gerecht verteilt seien. Sie wiesen nach, daß bestimmte Staaten, zum Beispiel die USA, Großbritannien und Frankreich, einen weitaus größeren Teil der Lasten trugen als andere Bündnispartner, etwa die Bundesrepublik Deutschland oder Italien. So leistete Bonn nur fünf Prozent der Gesamtkosten, hingegen die Vereinigten Staaten rund 75 Prozent. Nach dem international üblichen Vergleichsmaßstab des Anteils der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt der NATO-Staaten hätte die Bundesrepublik aber zwölf Prozent tragen müssen 9 . 6 7
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9
Artikel 5 des NATO-Vertrages, abgedr. in Basic Documents, S. 1 2 - 1 5 , hier S. 13. Robertson, Lord George, N A T O and the Future of Global Security. Speech at the Opening Ceremony of the Potsdam Center for Transadantic Security and Militär)' Affairs, University of Potsdam, 4.3.2002. Der Washingtoner Vertrag von 1949 deckte diesen Einsatz nicht ab, woraufhin eine heftige Diskussion zwischen Staats- und Völkerrechtlern geführt wurde, in der die Befürworter vor allem den Aspekt der Nothilfe hervorgekehrten. Siehe z.B. Eckart Klein, Keine innere Angelegenheit. Warum die NATO-Aktion im Kosovo aus völkerrechtlicher Sicht zulässig war, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.6.1999, S. 15. Allgemein Joetze, Der letzte Krieg in Europa? Wolfgang Hoffmann, Offene Rechnungen. Wie die NATO-Partner die Kosten des Krieges kalkulieren, in: Die Zeit, 22.4.1999, S. 27. In Zusammenarbeit mit Honorarprofessor Dr. Jürgen Schnell, ehemals stellvertretender Generalinspekteur, und der Universität der Bundeswehr Mün-
I. Einleitung
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Bereits während der Gründungszeremonie im Jahre 1949 in der Constitution Hall in Washington dachte einer der späteren Generalsekretäre, Dirk Stikker, über diesen Desintegrationsfaktor nach, als eine Militärkapelle das Stück »I've got Plenty of Nothin'« aus Gershwins Oper »Porgy and Bess« spielte und damit indirekt die drückende Frage, wer für welche Kosten aufkommen sollte, vorwegnahm 1 0 . Der Nordatlantikvertrag bietet keine Bestimmungen zur Lösung dieses Problems. Die Artikel des Vertrages geben nur allgemein gehaltene Ziele vor. Wirtschaftliche Fragen werden in den Artikeln 2 und 3 behandelt. Diese fordern die Bündnispartner auf, Gegensätze zwischen den Vertragsparteien auf dem Gebiet der Außenwirtschaftspolitik zu beseitigen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verbessern. Artikel 3 verweist zur Umsetzung des Zieles eines ständigen Ausbaus der Streitkräfte auf Eigenleistung und gegenseitige Hilfe". Es ist daher nicht verwunderlich, daß das Problem der Lastenteilung in den folgenden Jahren ein Desintegrationsfaktor für das Bündnis wurde und sich die Suche nach einem angemessenen Verfahren der Lastenteilung zu einem »Dauerbrenner« allianzinterner Zusammenarbeit entwickelte. Fünfzig Jahre Nordatlantische Allianz zeigen aber auch die Zufriedenheit mit dem praktizierten bündnisinternen Lastenteilungsverfahren. Daß sich ein solches Verfahren innerhalb der N A T O durchsetzen konnte, war der Arbeit des TCC zu verdanken. Das junge Bündnis hatte im Jahre 1951 einen Punkt ereicht, an dem die Streitkräfteplanungen der Militärs für eine gemeinsame Verteidigung nicht mehr mit den wirtschafts- und finanzpolitischen Planungen der Mitgliedstaaten übereinstimmten. Das zeitgenössische Schlagwort »Invasion oder Inflation« spiegelte diese erste Bündniskrise wieder, welche weder mittels der bestehenden Bündnisstrukturen noch durch bilaterale Abkommen zu überwinden war. Das in dieser Studie näher zu betrachtende Komitee setzte sich aus Finanzexperten im Ministerrang aller Mitgliedstaaten zusammen. Die junge Allianz sollte durch einen Bündniskompromiß lebens- und funktionsfähig gehalten werden. Dazu mußten die Forderungen der Militärs mit den wirtschafts- und finanzpolitischen Zielen der jeweiligen Regierungen in Einklang und eine wie auch immer geartete Lastenteilung auf den Weg gebracht werden. Das TCC brauchte dafür ein knappes halbes Jahr. Der Abschlußbericht als Ergebnis des langen Kompromißbildungsprozesses enthielt zahlreiche Empfehlungen, die während der Nordatlantikratssitzung im Februar 1952 in Lissabon von allen Mitgliedstaaten angenommen wurden. Die Ergebnisse der Ministerrunde bildeten zum einen die Grundlage für eine klare Definition der
chen wurden dafür die Kosten des militärischen Einsatzes im Kosovo nach den ersten vier Wochen hochgerechnet. Dabei gingen die deutschen Berechnungen von einer unveränderten Finsatzintensität aus, die amerikanischen von einer flexiblen. Die Intensität erhöhte sich jedoch von Woche zu Woche, die oben genannten Zahlen sind daher eher gering geschätzt. Stikker, Bausteine für eine neue Welt, S. 321. Zum Dauerproblem des Burden-Sharing siehe auch Knapp, Ökonomische Aspekte, der hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedingungsfaktoren der Allianz von einem Desiderat der Forschung spricht, welches bis heute besteht. Zum Vertragstext siehe Ismav, NATO. The First Five Years, S. 1 7 - 1 9 . Zur rechtswissenschaftlichen Interpretation des Vertragswerkes siehe Ipsen, Rechtsgrundlagen und Institutionalisierung der atlantisch-westeuropäischen Verteidigung, S. 3 2 - 3 7 .
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I. Einleitung
Lasten, der Auswirkungen dieser Lasten auf die Mitgliedstaaten und der Belastbarkeit der einzelnen Bündnispartner. Zum anderen bot der Bündniskompromiß eine Lösung des Lastenteilungsproblems und Vorschläge zu grundlegenden organisatorischen Veränderungen der Bündnisstrukturen, die eine gerechte Lastenteilung und damit auch die Lebensfähigkeit der multinationalen Organisation gewährleisteten. Denn nur mit finanzierbaren ausgewogenen Streitkräfteplanungen, umgesetzt und kontrolliert durch eine bündniseigene Organisation, war der Bündniszweck überhaupt zu realisieren. Das TCC fand eine Form der multinationalen Zusammenarbeit, die eine Kompromißbildung garantierte und den notwendigen Konsens der Regierungen im Nordatlantikrat vorbereiten half. Die praktizierte Kooperation der zwölf nationalen Delegationen war richtungsweisend und beispielgebend für die weitere gemeinsame Arbeit innerhalb der Nordatlantischen Allianz. Es ist daher kaum verwunderlich, daß die heutigen zivilen Strukturen der Allianz weitgehend auf die Empfehlungen des TCC aus dem Jahre 1952 zurückgehen. Erstaunlich ist vielmehr, daß es bisher noch keine Studie zu diesem für die Entwicklung der NATO als multinationale Organisation entscheidenden Ausschuß gibt. Folgende Fragestellungen werden in diesem Zusammenhang untersucht und beantwortet: 1. Welche Lasten entstanden den Mitgliedstaaten durch die gemeinsame Verteidigung, und wie kam es zur Forderung nach einer gerechten Lastenteilung innerhalb der NATO? 2. Wie wurde das Problem innerhalb der Allianz gelöst? 3. Welche Formen multinationaler Zusammenarbeit wurden dabei entwickelt? Wer dominierte, wer gab nach? Wie kam der Bündniskompromiß zustande? Wo lagen die Grenzen der multinationalen Zusammenarbeit im Bündnis? 4. Welche politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interdependenzen in Westeuropa und Nordamerika wirkten im Bündnis? War die NATO ein Element dieser Interdependenzen? 5. Welche Bedeutung hatte das TCC für die weitere organisatorische Entwicklung der NATO? Ziel der Arbeit ist es deshalb, das von Beginn der NATO an vorherrschende Problem der Lastenteilung darzustellen, die Verfahrensweisen des Bündnisses zur Lösung dieses Problems am Beispiel der Arbeit des Temporary Council Committee zu untersuchen und die Arbeitsergebnisse des TCC hinsichtlich der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interdependenzen zwischen den Mitgliedstaaten in der Frühphase der Allianz zu analysieren sowie zu bewerten, ob die NATO als Element dieser Interdependenzen angesehen werden kann. Die Diskussionen um eine Lastenteilung fanden stets auf zwei Ebenen statt. Zum einen waren dies die außerhalb des NATO-Rahmens stattfindenden Debatten über eine gerechte Teilung und um eine angemessene Unterstützung der Sicherheitsbemühungen der westeuropäischen Staaten in den fünfziger Jahren. Zum anderen gab es die bündnisintemen Diskussionen und Projekte. Dabei beeinflußten sich diese unterschiedlichen Ansätze naturgemäß wechselseitig, jedoch wird hier nur auf die bündnisinternen Abläufe eingegangen; diese werden hinsichtlich der im
I. Einleitung
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betrachteten Zeitraum vorherrschenden Art der Zusammenarbeit analysiert. W o es für den Gesamtzusammenhang notwendig ist, werden die Verteilungsdiskussionen außerhalb der Nordatlantischen Allianz berücksichtigt. Es geht in dieser Studie nicht um die verschiedenen volkswirtschaftlichen Ansätze zur Erfassung des Problems der Lastenteilung und um die praktische Lösung durch eine mathematische Formel, obwohl manche wirtschaftswissenschaftliche Modelle zu Ergebnissen kommen, die auch für die historische Analyse interessant sind 12 . Deshalb wird nur dort auf das im betrachteten Zeitraum benutzte volkswirtschaftliche Instrumentarium eingegangen, wo es zur Erklärung der bündnisinternen Zusammenarbeit notwendig ist. Denn die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen, beispielsweise die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch das Bruttosozialprodukt auszudrükken oder die Pro-Kopf-Ausgaben für die Verteidigung als eine angemessene Größe zur Bestimmung der Verteidigungslasten eines Staates zu bewerten, führten immer wieder zu Unstimmigkeiten. Nicht zuletzt war eine NATO-Definition der Verteidigungsausgaben für die bündnisinterne Lastenteilung entscheidend 13 . In seinem Standardwerk über den »Fünfzigjährigen Krieg« teilt Georges-Henri Soutou die Geschichte des Kalten Krieges in acht Phasen, die wie in Wellenbewegungen Entspannungsphasen nach größeren Krisen folgen lassen, bis die OstWest-Konfrontation schließlich 1989 ein Ende fand. Dabei legt Soutou die Entstehungsphase in den Zeitraum von 1941 bis 1947. Die Jahre bis 1953 brachten die ersten großen Krisen des Kalten Krieges, die Jahre bis 1955 wiederum werden der ersten Entspannungsphase zugeordnet 14 . Bereits einige Jahre zuvor unterteilte Karl Dietrich Bracher das erste Jahrzehnt nach dem »Epochenjahr« 1947 in ein kämpferisches erstes Jahrfünft bis 1952 und ein auf Koexistenz gründendes zweites Jahrfünft, ehe ab 1957/58 bis zu Beginn der sechziger Jahre wieder mehr die Konfrontation zwischen Ost und West im Vordergrund stand 15 . Eine ähnliche zeitliche Aufteilung des Kalten Krieges nimmt John P.D. Dunbabin in seinem voluminösen Werk »The Cold War. The Great Powers and their Allies« vor. Er gliedert die erste Phase des Kalten Krieges in drei Teilphasen, welche die Zeiträume von 1945 bis 1950, von 1950 bis 1953 und von 1953 bis 1955/56 umfassen. Die dritte Phase beginnt mit dem Tode Iosif V. Stalins, der allerdings bereits 1952 Anzeichen für eine Annäherung an den Westen erkennen ließ 16 . Vor allem seine Bereitschaft zu Verhandlungen über Korea und die Gedanken zu einer friedlichen Koexistenz in seinem 1952 in Moskau erschienenen Buch »Economic Problems of Socialism in
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Vgl. die These von Olson/Zeckhauser, »An Economic Theory of Alliances«, wonach die Großen einer Allianz durch die schwächeren Partner ausgenutzt werden. Einen Überblick über die wirtschaftswissenschaftlichen Allianzmodelle bieten Beer, The Political Economy of Alliances, und Sandler/Hartley, The Political Economy of NATO. Grundsätzlich ist die Messung der Militärausgaben am Sozialprodukt methodisch problematisch. Siehe dazu Köllner, Militär und Finanzen, S. 148. Soutou, I.a guerre de cinquantes ans. Bracher, Die Krise Europas seit 1917, S. 255. Dunbabin, The Cold War. The Great Powers and their Allies, S. 122. Zur kritischen Bewertung des Stalinschen »Friedenskampfes« Wettig, Von der Entmilitarisicrung zur Aufrüstung, S. 28.
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I. Einleitung
the USSR«, so Dunbabin, seien Hinweise hierfür gewesen. Allerdings sollte erst nach seinem Tod und mit der Bereitschaft seines Nachfolgers Georgij M. Malenkov zu Gesprächen mit den USA ein sichtbarer Wandel eintreten, der sich schließlich in den Gipfelkonferenzen der Jahre 1954 bis 1956 manifestierte. Hans-Peter Schwarz geht am weitesten mit seiner These, die fünfziger Jahre als Epochenzäsur zu verstehen. Er teilt dazu die politischen Entwicklungen nach 1945 in eine Phase der »Unsicherheit« bis 1951 und ab 1952/53 in eine Phase der Stabilität17. Vor allem im Bereich der Weltwirtschaft und der Sicherheit, so Schwarz, seien ab 1952 die Grundstrukturen internationaler Beziehungen gefestigt und durch die »Westbindung als Totalität«, nicht nur auf Deutschland bezogen, mit dem entscheidenden Pfeiler der politisch-ideologischen Westorientierung der Bundesrepublik ergänzt worden 18 . Insgesamt läßt sich feststellen, daß bis 1952/53 eher von einer unruhigen Zeit, ab 1953/54 von einer Phase der Stabilität gesprochen werden kann. Die Lastenteilung beschäftigte die Allianz bereits im Jahr ihrer Gründung. Erste organisatorische Maßnahmen zur Koordinierung der finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen der gemeinsamen Verteidigungsmaßnahmen im Bündnisrahmen wurden bereits während der zweiten Ratstagung im November 1949 mit der Gründung des Defence Financial and Economic Board unter der Leitung von W. Averell Harriman beschlossen. Die vorliegende Untersuchung setzt daher mit dem Jahr 1949 ein, auch wenn einzelne Aspekte einen Rückblick in die Jahre davor notwendig machen. Dieser Rückblick drängt sich dort auf, wo die ökonomische Eindämmungspolitik der USA und Westeuropas betrachtet wird oder wo ein Vergleich mit den Lastenteilungsverfahren des Brüsseler Paktes (Westunion) sinnvoll erscheint. Das Jahr 1954 als Zäsur in einer militärgeschichtlichen Untersuchung der Nordatlantischen Allianz läßt sich in Anlehnung an die genannten Ansätzen vor allem im Wandel der strategischen Planungen der N A T O begründen. Lag bis 1952/53 der Schwerpunkt der Verteidigungsplanungen auf dem konventionellen Bereich, so wurde mit der Annahme des Strategiepapiers MC 48 durch den Nordatlantikrat im Dezember 1954 der Wandel hin zur atomaren Abschreckung und zur Übernahme der amerikanischen Strategie der »massive retaliation« endgültig vollzogen. Damit setzte sich letztlich die US-Politik des »New Look« im gesamten westlichen Bündnis durch - ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte des Nordatlantischen Bündnisses 19 . Auf militärpolitischer Ebene bedeutete diese Zäsur einen vollständigen Wandel mit weitreichenden Auswirkungen in den Bereichen 17 18
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Schwarz, Die Fünfziger Jahre als Epochenzäsur. Ebd., S. 491. Diese drei Kernbereiche der Westbindung, die Schwarz im Falle Deutschlands feststellt, gelten ebenso für alle anderen NATO-Staaten Westeuropas und umschreiben die Themenfelder der historischen Analyse der internationalen Geschichte der Nachkriegszeit. Gregor)' Pedlow unterstreicht in seiner ausgezeichneten Einleitung, The Evolution of N A T O Strategy, zum Dokumentenband N A T O Strategy Documents, S. XI - XXV, die Bedeutung des NATO-Strategiepapiers MC 48 von 1954 für den Wandel von der konventionellen Verteidigung hin zur »Massiven Vergeltung«, der eigentlich mit dem NATO-Strategiepapier MC 14/2 aus dem Jahre 1957 verbunden wird.
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Außen- und Innenpolitik sowie Äußere Sicherheit und Wirtschaft der NATOMitgliedstaaten 20 . Die oben genannten Epocheneinteilungen lassen eine Gemeinsamkeit erkennen, die auch für die vorliegende Arbeit interessant ist. Soutou, Bracher, Dunbabin und Schwarz sind sich einig, daß es in den Jahren 1952/53 zu einem Wandel hin zu einer Phase der Stabilität und zu einer »ersten Entspannung« nach dem Tode Stalins kam. Die Mitgliedstaaten der N A T O lösten das dringliche Problem der Lastenteilung im Februar 1952 durch einen Bündniskompromiß, der zum ersten Mal in der Geschichte der Allianz eine abgestimmte und gemeinsame Verteidigungsplanung und die dazugehörige Ressourcenverteilung fesdegte. Dabei wurden vor allem die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten abgesteckt. Die hektische Aufrüstung nach dem Ausbruch des Koreakrieges wurde so durch die Notwendigkeiten der nationalen Volkswirtschaften gebremst. Die Hinwendung zur atomaren Abschreckung als Ausgleich der gescheiterten konventionellen Aufrüstung bereitete den Boden für eine längere Phase der bündnisinternen Stabilität im Sinne von vorläufiger Planungssicherheit und kurzfristiger Endastung der Volkswirtschaften. Diese bündnispolitische Entwicklung ist ein Element der »Stabilisierung« des Kalten Krieges als Form der globalen Auseinandersetzung zwischen Ost und West. Im ersten Teil der Studie soll die Arbeit des TCC in den historischen Gesamtrahmen eingeordnet werden. Entscheidend für das Entstehen des Problems der Lastenteilung war der Wandel von der ökonomischen zur militärischen Eindämmung der Sowjetunion durch die USA und ihre NATO-Partner. Für Westeuropa ergab sich daraus ein Dilemma zwischen wirtschaftlichem Wiederaufbau und militärischer Aufrüstung nach dem Beginn des Koreakrieges. Die Folgen dieser forcierten Aufrüstung führten zu einer ersten Bewährungsprobe für den Zusammenhalt der jungen Allianz. Der Schwerpunkt wird deshalb in der Betrachtung der Streitkräfteziele der NATO, der praktischen Umsetzung dieser Ziele und in der Untersuchung der finanziellen, wirtschaftlichen und innenpolitischen Folgen der Aufrüstung liegen. Die Betrachtung des Lösungsversuchs der NATO, der letztlich einen Wandel der Strategie von der konventionellen Verteidigungsfähigkeit zur atomaren Abschreckung brachte, bietet im zweiten Teil zum einen den historischen Abriß und die Bewertung der früheren Lastenteilungsprojekte, andererseits wird das TCC als erfolgreiches Lastenteilungsprojekt in die Geschichte der NATO eingeordnet. Dieser Teil ist ebenso der Entstehung des TCC, seiner Zusammensetzung sowie der Arbeit und den Ergebnissen gewidmet. Dabei stehen die personelle Zusammensetzung und die internen Abläufe der Zusammenarbeit im Vordergrund; sie bilden die Grundlagen für die Analyse des Strategiewechsels und der politischen Vgl. die umfassende Darstellung des ersten Strategiewandels innerhalb der N A T O von Wampler, Ambiguous Legacy. Wampler betont die wirtschaftlichen Faktoren, die entscheidend für einen Wandel von der konventionellen zur atomaren Planung und Rüstung der N A T O als vermeintlich kostengünstigere Alternative waren, ohne die wirtschaftlichen Auswirkungen der konventionellen Aufrüstung auf die NATO-Mitgliedstaaten zu untersuchen und damit die Grundlagen seiner Studie zu schaffen.
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und wirtschaftlichen Interdependenzen im dritten Kapitel. Die fur die NATO typische Kompromißfindung konnte nur durch die Aufgabe nationaler Empfindlichkeiten und durch das Zurücknehmen nationalstaatlicher Eigeninteressen erreicht werden. Die erfolgreiche Zusammenarbeit sollte dabei die personelle Zusammensetzung des TCC garantieren. Der Umgang miteinander wurde für die zukünftige Kooperation der Partnerstaaten innerhalb der Allianz richtungsweisend. Die wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Bündniskompromisses erlaubten es kaum einem Mitgliedstaat, die hochgesteckten Streitkräfteziele zu erfüllen. Vielmehr reagierten die starken Bündnispartner USA und Großbritannien ab 1952/53 mit Reduzierungen im konventionellen Bereich und mit der Schwerpunktsetzung bei der Entwicklung der atomaren Waffen als vermeintlich kostengünstigere Alternative. Für die übrigen Bündnispartner, die ebenfalls ihre nationalen Verteidigungsbudgets schrittweise reduzierten, bestand die Hoffnung, daß eine neue NATO-Strategie mit weniger konventionellen Waffen, gestützt auf die von den USA und Großbritannien finanzierten Nuklearwaffen, das Ende der kostspieligen Aufrüstung bedeutete. Die neuen Schwierigkeiten, die sich mit der Einsatzplanung der Nuklearwaffen ergaben, ganz zu schweigen von den erheblichen Kosten, die der atomare Rüstungswetdauf ab Mitte der fünfziger Jahre mit sich brachte, waren in den Jahren 1952 bis 1954 auf politischer Ebene noch nicht absehbar oder wurden bewußt verdrängt 21 . Im dritten Teil sollen schließlich die Auswirkungen der Empfehlungen des TCC auf die Entwicklung der NATO untersucht werden. Die mangelhafte Umsetzung der Lissaboner Streitkräfteziele durch die Mitgliedstaaten, allen voran Großbritannien und die USA, deutete auf die Schwerpunktverlagerung von der konventionellen zur atomaren Kriegführung hin und führte zum ersten Strategiewechsel im Bündnis. Allerdings setzte sich dabei weder die britische noch die amerikanische Regierung mit ihren Vorstellungen unbehindert durch. Vielmehr zwangen die durch die Empfehlungen des TCC institutionalisierten Wege der Kompromißfindung London und Washington, dieses Problem innerhalb des Bündnisses zu lösen. Hierfür war die organisatorische Weiterentwicklung der Allianz ebenso entscheidend wie das Bewußtsein der Mitgliedstaaten, nationale Interessen in den verschiedenen Bündnisgremien zu formulieren und in Abstimmung mit den nationalen Interessen der übrigen NATO-Partner durchzusetzen. Schließlich wird der Frage nachgegangen, inwieweit die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interdependenzen in der Frühphase der NATO zu einer Teilaufgabe nationaler Souveränität geführt haben. Damit wird die Allianz neben anderen multi- und supranationalen Organisationen als Element dieser Interdependenzen in Westeuropa definiert. Die Lastenteilung der NATO am Beispiel des TCC offenbarte bereits in den fünfziger Jahren die Grenzen, aber auch die Chancen politischer und wirtschaftlicher Kooperation zwischen den Partnerstaaten im Bündnisrahmen und ermöglichte der NATO erste eigenständige Schritte als multinationale Organisation. Die
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Hierzu Maier, Die Kontrolle über die Atomwaffen in der NATO 1949-56.
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multinationale Zusammenarbeit im Zuge des Lastenteilungsprojektes TCC setzte Maßstäbe für die bündnisinterne Lösung zukünftiger Probleme. 2. Literatur und Quellenlage Zum 50. Jahrestag der Gründung der NATO blieben die erwarteten Publikationen zur Geschichte des Bündnisses aus. Nur einige wenige Werke erregten Aufmerksamkeit. Der »Grandseigneur« der Allianzgeschichte, Lawrence S. Kaplan, legte seine Summa »The Entangling Alliance. NATO's First Fifty Years« vor. Kaplan hatte als Lehrstuhlinhaber und Vorsitzender des Lyman L. Lemnitzer Center for NATO and European Union Studies an der Kent State University zu Beginn der achtziger Jahre die Allianz als eigenständiges Forschungsobjekt innerhalb der Geschichte der internationalen Beziehungen entdeckt. Sein Verständnis von dieser multinationalen Organisation ging weit über das einer Aneinanderreihung von militär- und sicherheitspolitischen Analysen der einzelnen Mitgliedstaaten hinaus und betonte den Subjektcharakter der Nordatlantischen Allianz innerhalb der internationalen Beziehungen. Neben Kaplans Forschungen konnte auch das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) in Potsdam mit der Veröffentlichung der ersten Bände der Reihe »Entstehung und Probleme des Atlantischen Bündnisses bis 1956« neueste Forschungsergebnisse zur Geschichte der NATO vorstellen 22 . Im Jubiläumsjahr wurden zudem zahlreiche wissenschaftliche Tagungen durchgeführt, deren Resultate nun in veröffentlichter Form vorliegen. Die Komplexität einer multinationalen Geschichtsschreibung verdeutlichen vor allem die Tagungsbände, die HansJoachim Harder für das MGFA im Jahre 2000 und Gustav Schmidt im Jahre 2001 herausgegeben haben 23 . Vor allem die drei Bände des »International Congress on the History and Politics of NATO from 1949 to 1999«, der in Brüssel und Bonn im Mai 1999 unter Leitung Gustav Schmidts stattfand, sind mit über 60 Beiträgen ein gewichtiger Beleg für Hans-Peter Schwarz' Feststellung, daß »bei dem Studium der internationalen Institutionen und der Rückkoppelungsprozesse in die nationalen Systeme [...] die wichtigsten zeitgeschichtlichen Forschungsaufgaben der kommenden Jahrzehnte fliegen]«24. Einen guten Uberblick über multinationale Forschungsansätze und die frühe Literatur zur Geschichte der NATO bietet der vor mehreren Jahren vom MGFA herausgegebene Tagungsband »Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956« 25 .
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Kaplan, The Entangling Alliance; Heinemann, Vom Zusammenwachsen des Bündnisses; Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedstaaten. Von Truman bis Harmel; A History of NATO. Siehe zur Tagung des MGFA auch Hammerich, Von Truman bis Harmel. Schwarz, Fragen an das 20. Jahrhundert, S. 13. Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956.
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Speziell zur Wirtschaftsgeschichte der N A T O ist die Literaturlage hingegen weniger ergiebig. Zwar fehlt es nicht an Arbeiten aus nationalem Blickwinkel hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Aufrüstung in den fünfziger Jahren, jedoch lassen sich zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bündnis nur kleinere Beiträge in Sammelbänden oder Zeitschriften finden26. Allerdings bieten zahlreiche Werke über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte sowie einzelne Spezialstudien zu bestimmten Themen, wie etwa zur Rüstungskooperation, Einblicke in das Innenleben der Nordatlantischen Allianz27. Die Frage nach der Priorität zwischen dem wirtschaftlichen Wiederaufbau und der militärischen Aufrüstung Westeuropas wird hingegen kaum hinreichend beantwortet. Zahlreiche Untersuchungen kommen zu dem Schluß, daß die Aufrüstung die Wirtschaft überlagerte. Daß dies nur für einen kurzen Zeitraum zutrifft und sich langfristig gesehen der wirtschaftliche Wiederaufstieg durchsetzte, ja sogar die militärstrategischen Planungen in seinem Sinne beeinflussen konnte, wird die vorliegende Studie zeigen28. Zahlreiche Arbeiten zum Kalten Krieg gewähren Einblicke in nationale Entwicklungen, die durch den internationalen Rahmen der globalen Auseinandersetzung zwischen den USA und der Sowjetunion beeinflußt wurden29. Zum eigentlichen Thema findet sich noch weniger. Zwar wird das TCC in fast allen Werken zur Geschichte der N A T O genannt und kurz behandelt, wie zum Beispiel in Lawrence S. Kaplans »Community of Interests« oder in Ine Megens' lesenswerter Dissertation über die Niederlande und die US-Außenhilfe in den fünfziger Jahren 30 . Jedoch stand dabei stets der Aspekt des »Closing the gap«Projektes zur Erfüllung der militärischen Forderungen als Gegenleistung für die US-Außenhilfe im Vordergrund. Einzig Robert A. Wampler bietet in seiner umfangreichen und beeindruckenden Dissertation über den Strategiewechsel der N A T O von 1948 bis 1957 eine ausführlichere Darstellung der Arbeit und der Ergebnisse des TCC 3 1 . Allerdings konnte Wampler keine NATO-internen Akten auswerten und nimmt daher auch keine Analyse der wirtschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der N A T O vor. Ebenso kommen bei ihm die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Aufrüstung ab 1950/51 zu kurz. Denn gerade diese führten zu dem in jenen Jahren nach der deutschen Wiederbewaffnung wohl
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Beispielhaft seien hier genannt Abelshauser, Rüstung; Maier, Finance and Defense; Gordon, Economic Aspects of Coalition Diplomacy. Etwa Kieninger, Double Containment. Aus der Perspektive der Regierung in Ottawa wird hier überzeugend nachgewiesen, welche nationalen Interessen sich im muldnationalen Rahmen der N A T O durchsetzen ließen. Etwa Knapp, Ökonomische Aspekte, S. 309. Überblickswerke z.B. Dunbabin, The Cold War. The Great Powers and their Allies; Ost-WestBeziehungen. Konfrontation und Detente. Beide Werke zeichnen sich durch den umfassenden und interdisziplinären Ansatz zur Aufarbeitung dieser globalen Auseinandersetzung aus. Kaplan, Α Community of Interests, S. 162-168; Megens, American Aid to N A T O Allies, S. 122-128. Wampler, Ambiguous Legacy, S. 166-277.
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größten Problem innerhalb der Allianz, dem Burden-Sharing 32 . Trotzdem kommt Wampler zu dem Schluß, daß es in erster Linie finanz- und wirtschaftspolitische Rücksichtnahmen waren, die die politische Führung des Bündnisses im Zuge des »New Look« der Eisenhower-Administration zu einem Strategiewechsel in den Jahren 1952 bis 1954 bewegten 33 . Wie wichtig dabei das Lastenteilunsprojekt TCC sowohl vom Ergebnis als auch von den Erfahrungen der bündnisinternen Zusammenarbeit her war, zeigt allerdings erst der Blick in die Allianzstrukturen. Zu Beginn der fünfziger Jahre gab es wenige vergleichbare Organisationen, die unterhalb der seltenen Gipfeltreffen der Regierungschefs und neben den bilateralen Verhandlungswegen die Geschicke der Staaten beeinflußten. Neben der NATO-Literatur sind zahlreiche Werke zur Geschichte des Kalten Krieges mit Schwerpunkt Westeuropa für das Thema relevant. Vor allem Marc Trachtenbergs »A Constructed Peace. The Making of the European Settlement, 1945-1963« bietet mit seinem Erklärungsansatz, daß durch die Lösung des »Sicherheitsproblems Deutschland« ein stabiles internationales System in Europa aufgebaut werden konnte, den Rahmen für die vorliegende Arbeit. Die von ihm unter dem Begriff »NATO System« subsumierten Interdependenzen im Nordatlantischen Bündnis spielten dabei eine entscheidende Rolle34. Wie wichtig die auf demokratischen Grundsätzen beruhende amerikanische Hegemonie in Westeuropa für das Nordadantische Bündnis war, weist John Lewis Gaddis in seinem neuesten Werk zum Kalten Krieg nach35. Letzte Forschungen betonen die breiten Freiheitsund Entscheidungsspielräume, die diese »gebändigte Macht« 36 ihren Verbündeten gewährte 37 . In diesem Zusammenhang müssen auch die ertragreichen Forschungsprojekte zum Kalten Krieg, allen voran das »Cold War International History Project« und das »Nuclear History Program« mit ihren interessanten Zeitschriften, Reihen und Einzelpublikationen genannt werden 38 . Die »New Cold War History«, die vor allem durch die Öffnung zahlreicher osteuropäischer Archive an Fahrt gewann, rundet das Bild ab und gewährt durch die veröffentlichten Forschungsergebnisse vor al-
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Zur Problematik der Lastenteilung innerhalb der N A T O siehe Duke, The Burden-Sharing Debate; Foot, Defence Burden-Sharing in the Atlantic Community; Kennedy, Burden Sharing in NATO. Zum »New Ix>ok« Bowie/Immerman, Waging Peace; Peter, Abschrecken und Überleben im Nuklearzeitalter; Beglinger, »Containment« im Wandel; Gaddis, Strategies of Containment. Trachtenberg, A Constructed Peace. Gaddis, We Now Know. Kritisch dazu: Ixffler, The Cold War. Junker, Die internationalen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg, S. 24. Lundestad, »Empire« by Integration. I.undestad prägte in den achtziger Jahren die treffende Bezeichung »Empire by Invitation« für die USA nach 1945. Siehe auch Duignan/Gann, The Rebirth of the West. und die Buchreihe »Nuclear History Program«, hrsg. von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen, Berlin. Einen guten Überblick bietet Bischof, Eine historiographische Einführung. Die Ära des Kalten Krieges und Österreich.
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lern des »Parallel History of N A T O and Warsaw Pact Project« Einblick in ähnlich gelagerte Probleme der Warschauer Vertragsorganisation39. Studien zur amerikanischen, britischen und französischen Nachkriegsgeschichte müssen ebenfalls berücksichtigt werden, verdeutlichen sie doch die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge internationaler Zusammenarbeit nach 1945 aus Sicht der jeweiligen nationalen Regierungen und anderen nationalen Interessenvertretern40. Hier ist vor allem die Studie von Melvyn P. Leffler »A Preponderance of Power. National Security, the Truman Administration and the Cold War« zu nennen, die ausführlich die Sicherheitspolitik der USA der Jahre 1945 bis 1953 mit all ihren innen- und außenpolitischen, aber auch volkswirtschaftlichen Verflechtungen und deren Auswirkungen auf die Nordatlantische Allianz behandelt. Auch wirtschaftshistorische Werke, wie das von Francis H. Heller herausgegebene »Economics and the Truman Administration«, in dem Historiker und Zeitzeugen zur Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik der USA während der Präsidentschaft Trumans zu Wort kommen, oder die Studie von Alec Cairncross »British Economy since 1945«, die auch auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Aufrüstung in den fünfziger Jahren eingeht, sind für die Verflechtung der Bereiche Verteidigung, Politik und Wirtschaft interessant41. Literatur über Politiker und Entscheidungsträger auf dem Felde der Außenund Sicherheitspolitik und der Wirtschaft soll das Bild vervollständigen. Hier seien beispielhaft die biographischen Studien über Harry S. Truman, W. Averell Harriman oder Jean Monnet genannt, die den entscheidenden Einfluß einzelner Politiker auf die Nachkriegsentwicklung Westeuropas unterstreichen und für die Einordnung des Themas unumgänglich sind42. Eine gute Ergänzung bieten die veröffentlichten und teilweise bearbeiteten Aufzeichnungen und Memoiren wichtiger Persönlichkeiten, etwa die Erinnerungen Jean Monnets, Hugh Gaitskells, Lord Ismays und Dean Achesons 43 . Aber auch die Tagebücher »mittlerer Entscheidungsträger« wie Robert Marjolin, dem damaligen Generalsekretär der O E E C und Mitarbeiter des TCC, oder Sir Robert Hall, von 1950 bis 1953 Direktor der Economic Section des britischen Kabinetts, dessen Abteilung zusammen mit Sir Edwin Plowdens Central Economic Planning Staff für die volkswirtschaftlichen Planungen Großbritanniens und speziell für die Bearbeitung der TCC-Anfragen zuständig war, gewähren einen sehr guten Einblick in die Arbeit der verschiedenen nationalen wie multinationalen Planungsgruppen, die
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. Zur Einführung siehe Lunak, Reassessing the Cold War Alliances. Beispielhaft British Foreign Policy 1945-56; Young, France, the Cold War and the Western Alliance; Dean Acheson and the Making of the U.S. Foreign Policy. Leffler, A Preponderance of Power; Economics and the Truman Administration; Cairncross, The British Economy since 1945. Hamby, Man of the People; Abramson, Spanning the Century; Duchene, Jean Monnet; Roussel, Jean Monnet 1899-1979. Monnet, Erinnerungen eines Europäers; Gaitskell, The Diaries; Ismay, The Memoirs; Acheson, Present at the Creation.
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sich mit der wirtschaftlichen Kooperation der NATO-Mitgliedstaaten in den fünfziger Jahren zu befassen hatten44. Als gedruckte Quellen sind die »Foreign Relations of the United States« (FRUS) mit den Bänden zu Themen wie »National Security Affairs« und »Foreign Economic Policy« für die vorliegende Studie ebenso wichtig wie die »Documents on British Policy Overseas« (DBPO), hier vor allem die Serie 2, welche die Jahre 1950 bis 1955 umfaßt. Leider beginnen die »Documents diplomatiques fran^ais«, herausgegeben vom französischen Außenministerium, erst mit dem Jahre 1954, wie sich überhaupt die Archivlage in Frankreich gerade für den Bereich der Sicherheitspolitik sehr schwierig gestaltet. Für die Betrachtung kleinerer Bündnispartner bieten die Außenministerien Kanadas und Belgiens die »Documents on Canadian External Relations« bzw. die »Documents diplomatiques beiges«. In den National Archives in Maryland sind die Akten des Department of State, des Department of Defense, des Department of the Treasury und der Joint Chiefs of Staff wichtig. Die besonders zur Thematik NATO und Westeuropäische Sicherheit relevanten Akten sind für den bearbeiteten Zeitraum zugänglich, auch wenn einzelne Bestände noch geschlossen sind45. Für das Thema relevant sind auch die Akten der Economic Cooperation Administration/Mutual Security Agency, da diese Verwaltung ständig mit der Koordinierung der US-Wirtschafts- und Militärhilfe und damit mit den Verteidigungsbemühungen der westeuropäischen Staaten betraut war. Im Public Ricord Office in Kew wurden vor allem die Premierminister- und Kabinettsakten sowie die Überlieferung des Schatzamtes und des Verteidigungsministeriums, hier vorwiegend der Chiefs of Staff, ausgewertet. Die Akten des Foreign Office bieten auch einen guten Einblick in außenpolitische Entscheidungsprozesse anderer NATO-Partnerstaaten. Ein Aktenbestand der National Archives of Canada in Ottawa mit Material des Kabinetts und des Verteidigungsministeriums wurde ebenfalls eingesehen und beleuchtet die Rolle eines »kleineren« Bündnispartners. Kanada legte von Anfang an großen Wert auf die Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit gemäß Artikel 2 des Nordatlantikvertrages und spielte von daher eine besondere Rolle nicht nur in der Entstehungs-, sondern auch in der Entwicklungsgeschichte der NATO. Die Fähigkeit der Kanadier, wahlweise auf der Klaviatur der NATO und des Commonwealth zu spielen, zeigt die frühe Einsicht Ottawas in die Nützlichkeit der neuen internationalen Organisation als Plattform für nationale Außenpolitik 46 . Für die deutsche Beteiligung an den Verhandlungen eines finanziellen Verteidigungsbeitrages wurden Akten im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg und im Bun44
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Marjolin, Meine Leidenschaft Huropa; Hall, The Robert Hall Diaries; Roll, Crowded Hours; Plowden, An Industrialist in the Treasury. Interessant wären so z.B. die Records of Frank C. Nash, Assistant to the Secretary of Defence for International Security Affairs, NA, RG 330/14, gewesen, die trotz schriftlichem Antrag nicht herabgestuft wurden. Hierzu v.a. Kieninger, Double Containment, S. 23 - 1 1 3 .
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desarchiv in Koblenz benutzt. Vor allem Akten der Dienststelle Blank, des Bundeskanzleramtes und des Ministeriums für den Marshall-Plan konnten dort ausgewertet werden. Die NATO selbst stellte bis 1999 nur Mitarbeitern oder Soldaten mit einer Sicherheitsüberprüfung Akten für die historische Auswertung zur Verfügung. Seit dem Frühjahr 1999 sind die meisten Akten der zentralen Registratur der Jahre 1949 bis 1958, immerhin rund 35 000 Dokumente, jedem Wissenschafder in einem Archivgebäude in Brüssel zugänglich. Die Bestände gewähren Einblick in die interne Zusammenarbeit der muldnationalen Organisation, bieten darüber hinaus über die Botschafter- und Komiteeakten auch Zugang zu den nationalen Bereichen der Sicherheits-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten47. Allerdings muß dabei beachtet werden, daß die »Private Council Meetings« und andere inoffizielle Zirkel weiterhin nur über Gesprächsnotizen, Tagebucheintragungen und sonstige indirekte Überlieferungen nachvollzogen werden können. Schließlich konnten einige Nachlässe eingesehen und ausgewertet werden. Hier sei vor allem der erst vor wenigen Jahren freigegebene Nachlaß von Harriman in der Library of Congress in Washington erwähnt, der hinsichtlich seiner Arbeit im TCC erstmalig benutzt wurde48. Auch die Nachlässe von Monnet und Marjolin in der Fondation Jean Monnet pour l'Europe (FJM) in Lausanne wurden eingesehen und hinsichtlich der Arbeit der beiden im TCC ausgewertet49. Als nützlich erwies sich auch die Interviewreihe der FJM50. 3. Methodische Überlegungen und Begriffsbestimmungen Um die Arbeit des TCC als Schnittstelle zwischen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen sowohl der Allianz als auch der einzelnen Mitgliedstaaten analysieren zu können, sind einige Anmerkungen zum methodischen Ansatz der Arbeit notwendig. Bereits zu Beginn der achtziger Jahre legten die Herausgeber der »Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte« einen Schwerpunkt ihrer Veröffentlichungen auf die Untersuchung der europäischen Integrationspolitik und begründeten dies mit folgender Feststellung:
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Einen ersten Bestandsüberblick gewährt die Informationsbroschüre The N A T O Archives. Im Internet sind die Bestandsübersichten ebenfalls abrufbar: . W. Averell Harriman, Papers in the Manuscript Division of the Library of Congress, Washington, D.C., hier v.a. Special Files, Public Service Truman Administration, N A T O TCC, 1 9 5 0 - 1 9 5 2 , Boxes 2 7 5 - 2 7 8 . Fondation Jean Monnet pour l'Europe (FJM), Lausanne, Fonds AMI Communaute Europeenne de Defense, Dossier AMI 10 (TCC) und AMI 28 (ΟΤΑΝ), und Fonds ARM (Robert Marjolin) 4 (Travaux de L'OECE). Zur Interviewreihe, zur Arbeit und zu den Veröffentlichungen der FJM siehe Rieben, Reconcilier et unir les europeens.
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»Die Multilateralisierung der Innen- und Außenpolitik im westeuropäischen Raum verlangt von der Zeitgeschichtsforschung in verstärktem Maße transnationale Perspektiven51.« Selbstverständlich müssen darüber hinaus weitere Politikfelder wie Wirtschaftsund Finanz- und natürlich Sicherheitspolitik miteinbezogen werden. Gerade zu Beginn der fünfziger Jahre fanden der Wiederaufbau und die Aufrüstung des Westens im multilateralen Zusammenspiel statt 52 . In seinem vielbeachteten Aufsatz »Fragen an das 20. Jahrhundert« fordert, wie bereits erwähnt, auch Hans-Peter Schwarz, vermehrt multilateral konzipierte Forschungsprojekte durchzuführen und damit die nationalgeschichtliche Sicht zu ergänzen 53 . Ein Forschungsobjekt wie das Temporar)' Council Committee der N A T O bietet die besten Voraussetzungen zu einer solchen Untersuchung aus transnationaler Perspektive. Zum einen ging es um das Lastenproblem, welches eine politische, eine wirtschaftliche, eine finanzielle und nicht zuletzt eine militärische Dimension besaß. Zum anderen standen sich im TCC eine Vielzahl nationaler Interessenvertreter gegenüber, die gemeinsam das Lastenproblem im Interesse des Bündnisses lösen sollten. Daß die dazu notwendige Kompromißfindung für die zukünftige multinationale Zusammenarbeit richtungsweisend war, unterstreicht die Bedeutung dieses zeitlich befristeten Ausschusses für die Entwicklung der Nordadantischen Allianz. Sowohl klassisch diplomatiegeschichtliche als auch strukturgeschichtliche und wirtschaftshistorische Analysen sind notwendig, um das komplexe Phänomen der multinationalen Zusammenarbeit in einem Militärbündnis beschreiben und untersuchen zu können 54 . Darüber hinaus war auch auf politikwissenschaftliche Erkenntnisse zurückzugreifen, die im Rahmen der Geschichte der internationalen Beziehungen Anwendung finden können. Vor allem im Bereich der Integrationsund Interdependenzforschung konnten Begrifflichkeiten übernommen werden. Neben der Lektüre zum Beispiel der Werke Ernst-Otto Czempiels und Thomas Risse-Kappens war die Auswertung der »Diplomatie History«, herausgegeben vom Verband der Historiker für amerikanische Außenpolitik, ebenso ertragreich wie die des »Journal of European Integration History«, herausgegeben vom Historischen Komitee der Europäischen Union 55 . Nicht zuletzt machte die komplexe Thematik der Lastenteilung die Einbeziehung volkswirtschaftlicher Erkenntnisse über Verteidigungsausgaben und militärisches Budgetwesen unabdingbar. Hier waren es vor allem die Schriften Helmut Manevals und Lutz Köllners, die Einblick in den Zu-
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Anmerkung zum Artikel von dl Nolfo, Das Problem der europäischen P.inigung, S. 145. Siehe Krüger, Sicherheit durch Integration? Schwarz, I'"ragen an das 20. Jahrhundert, S. 13 f. Interessant auch der kulturgeschichtliche Ansatz bei Lehmkuhl, Diplomatiegeschichte. Zu modernen Ansätzen der Geschichte der internationalen Beziehungen siehe Conze, »Moderne Politikgeschichte«. Conze fordert darin eine Beachtung der Interdependenzen innen-, außen-, wirtschafts- und außenwirtschaftspolitischer Handlungsstränge. O.empiel, Machtprobe; Risse-Kappen, Cooperation among Democracies.
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sammenhang von Militärausgaben und volkswirtschaftlicher Belastbarkeit gewährten56. Die vorliegenden historischen Analysen orientieren sich an der Vorgehensweise eines Gustav Schmidt, Gilbert Ziebura oder Alan Milward, die in vorbildlicher Weise verschiedene Methoden miteinander verknüpfen, um sowohl die Vorteile eines strukturgeschichtlichen als auch des klassisch diplomatiegeschichtlichen Ansatzes zu nutzen 57 . Wie richtungsweisend die Arbeiten der genannten Historiker sind, zeigt deren besondere Berücksichtigung in der ersten umfassenden disziplingeschichtlichen und methodologischen Verortung der »Internationalen Geschichte« durch deutsche Historiker 58 . Der Autor war sich stets bewußt, daß ein solch umfassender Ansatz Gefahren birgt. Allein der Versuch, zwölf unterschiedliche Nationen in verschiedenen Bereichen untersuchen zu wollen, kann keine umfassende und abschließende Analyse ergeben. Angriffsflächen wurden daher bewußt dort in Kauf genommen, wo es galt, aussagekräftige und allgemeingültige Ergebnisse in einem vertretbaren Rahmen zu präsentieren. Sofern möglich, wird in solchen Fällen zumindest auf weiterführende und tiefergehende Untersuchungen verwiesen. Die Aussicht, Licht in das Dunkel multinationaler Zusammenarbeit innerhalb der Nordatlantischen Allianz zu bringen, ließ solche Gefahren und Angriffsflächen für Kritik jedoch akzeptabel erscheinen. Lasten und Lastenteilung Die Lasten der gemeinsamen Verteidigung innerhalb der NATO sind vielfaltig. Sie reichen von den reinen Militärausgaben für Personal, Material und Infrastruktur über indirekte Lasten durch volkswirtschaftliche und politische Auswirkungen von Verteidigungsausgaben bis hin zu schwer definierbaren Lasten etwa im sozialen Bereich durch die Stationierung fremder Truppen. Der gewählte kostenorientierte 56 57
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Maneval, Die Belastbarkeit der Volkswirtschaften mit Verteidigungsausgaben, und Köllner, Militär und Finanzen. Schmidt, Die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Dimensionen der britisch-amerikanischen Beziehungen; Ziebura, Die Rolle der Sozialwissenschaften. Der »Primatstreit« wird nach Ziebura von Schmidt verlassen. Demnach sind Schmidts Untersuchungen der Rückwirkungen der Außen- und Außenwirtschaftspolitik auf die Innenpolitik richtungsweisend. Ziebura wiederum versucht zwei Analyseebenen, das »globale System« und die innergesellschaftlichen Machtverhältnisse, miteinander zu verknüpfen, um die Schnittstellen innerer, äußerer und internationaler Politik offenlegen und ihre Wirkungen auf die politischen Akteure bestimmen zu können (S. 96). Gleichermaßen interessant ist der Hinweis auf die interdependente Welt und die wachsende Bedeutung der internationalen Kooperation, wenn auch der Autor nicht davon überzeugt ist, daß damit das Konzept des »Nationalen Interesses« obsolet sei (S. 100). Vielmehr gewinnt bei intensiver Analyse der multinationalen NATO der Ansatz Alan Milwards, The European Rescue of the Nation State, an Uberzeugungskraft, wonach die Nationalstaaten nur durch die multi- und sogar supranationalen Organisationen überleben konnten. Internationale Geschichte, hier v.a. Wilfried Loths Einleitung, S. VII-XIV, und Anselm DoeringManteuffel, Internationale Geschichte als Systemgeschichte, S. 93-115.
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Lastenbegriff ist deshalb eine Einschränkung auf die rein finanzielle Seite der gemeinsamen Verteidigung. Zwar gibt es innerhalb der N A T O weitaus mehr Lasten, doch die ausgewählten sind, wie später noch gezeigt wird, quantifizierbar und erfassen zudem die Hauptarten. Für die vorliegende Studie sind daher die Kosten für Personal, Material, Infrastruktur und Verwaltung Lasten der gemeinsamen Verteidigung im eigentlichen Sinne 59 . Auf den Unterschied zwischen den Begriffen »Lastenverteilung« und »Lastenteilung« muß in diesem Zusammenhang ebenfalls hingewiesen werden. Der erste geht über den zweiten hinaus, indem er das aktive Verteilen der gemeinsamen Lasten beschreibt, während die Lastenteilung die Definition und die Übernahme bestimmter Lasten durch die Mitgliedstaaten umfaßt. Wie noch zu zeigen sein wird, ging die N A T O nur im Bereich der Infrastruktur- und Verwaltungskosten über die Lastenteilung hinaus und verteilte nach einem festen Schlüssel die in diesen Bereichen anfallenden Kosten 60 . Deshalb soll im folgenden auch nur von der Lastenteilung der Allianz gesprochen werden. Interdependenzen Die zunehmende Vernetzung von Staaten und Gesellschaften, die mit der internationalen wirtschaftlichen Verflechtung bereits vor dem klassischen Industriezeitalter begann, erfordert auch für die Zeitgeschichte neue Begrifflichkeiten 61 . Der Begriff der Interdependenz, etabliert vor allem in den Wirtschaftswissenschaften, erweist sich für die historische Analyse durch seine definitorische Breite als sperrig. Er wird bei historischen Untersuchungen häufig verwendet, erschließt sich meist auch aus dem Kontext, wird aber selten näher definiert 62 . Die Politikwissenschaften liefern dagegen aussagekräftige Definitionen. Nach der wohl gängigsten, aber auch ungenauen von Robert O. Keohane und Joseph S. Nve ist Interdependenz dann gegeben, wenn ein Staat von externen Kräften festgelegt oder zumindest beeinflußt wird 63 . Helen Leigh-Phippard hat Anfang der neunziger Jahre den erfolgreichen Versuch unternommen, diese und andere Interdependenzbegriffe für die histori59
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Zu den finanziellen Lasten der gemeinsamen Verteidigung der N A T O werden aber ebenso die Devisenverluste der Bündnispartner gerechnet, die Truppen in fremden Staaten stationieren. Vgl. Thiel, Devisenausgleich und Lastenteilung. Dieser Aspekt fand in letzter Zeit vermehrt die Aufmerksamkeit der Historiker. Zur Begrifflichkeit siehe Maneval, Probleme der westlichen Allianz aus ökonomischer Sicht. Maneval unterscheidet die miteinander verknüpften Probleme der Belastbarkeit und der Lastenteilung, die für die vorliegende Studie entscheidend sind. Das Lastenteilungsverfahren der N A T O beruht auf einer ständigen Analyse der Belastbarkeit der Mitgliedstaaten. Die Lastenteilung definiert Maneval als passive Aufteilung der Lasten auf die Bündnispartner (S. 50 f.). Der Begriff Lastenteilung kommt auch dem englischen »Burden-Sharing« näher. Landes, Wohlstand und Armut der Nationen, v.a. S. 7 8 - 2 0 4 . Zum Methodischen siehe Kaiser, Globalisierung und Geschichte. So z.B. bei Volkmann, Zur Interdependenz von Politik, Wirtschaft und Rüstung im NS-Staat. Vgl. auch Politik, Wirtschaft und Internationale Beziehungen. Keohane/Nye, Power and Interdependence; dies., Power and Interdependence Revisited.
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I. Einleitung
sehe Arbeit nutzbar zu machen 64 . Dabei geht sie von Edward L. Morse aus, der Interdependenz als einen Zustand definiert, in dem ein Staat in einem Bündnis immer von der Handlung eines anderen oder mehrerer Staaten beeinflußt wird 65 . Zwar bleiben Kernbereiche staatlichen Handelns in nationaler Verantwortung, jedoch wirken auch auf diese die Verflechtungen auf internationalem Parkett. Leigh-Phippard erweitert den Begriff durch die Verknüpfung dieser interdependenten Beziehungen mit dem Kosten-Nutzen-Faktor. Die Staaten würden sich demnach überlegen, welche Alternativen es zu diesen abhängigen Beziehungen gebe und ob diese geeigneter seien, die nationalen Ziele umzusetzen. Gibt es keine Alternativen, dann kommt es letztlich durch die interdependenten Beziehungen zu Kompromißlösungen auf internationaler Ebene. Außenpolitische Abhängigkeiten, so die Autorin, werden dabei bis zu einem gewissen Grade hingenommen, als Lösungsweg für eine Kompromißfindung sogar benötigt. Interdependenz innerhalb der NATO definiert Leigh-Phippard deshalb als Verhältnis der Staaten untereinander, in dem die Aktionen eines Staates so lange von den Aktionen eines oder mehrerer anderer Staaten beeinträchtigt oder beeinflußt werden, bis der Eigennutz des Staates das starke Interesse an der funktionierenden Gemeinschaft überwiegt. Diese Definition soll auch für die hier betrachteten politischen, wirtschaftlichen und militärischen gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den NATO-Staaten gelten, die eine Kompromißlösung in der schwierigen Frage der Lastenteilung innerhalb des Nordatlantischen Bündnisses überhaupt erst ermöglichten.
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Leigh-Phippard, Congress and US Militär)- Aid to Britain, S. 10-43, v.a. S. 17 f. Morse, Modernization and the Transformation of International Relations.
»You can't go in and pound the table and put ever}· last cent you have got into guns when people are starving and children are crying at their mother's feet.« Dwight D. Eisenhower*
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung? Westeuropa und die Notwendigkeit einer gerechten Lastenteilung 1. Von der ökonomischen zur militärischen Eindämmung. Die Aufrüstung Westeuropas nach 1945 a. Die politische, wirtschaftliche und militärische Westbindung Westeuropas 1947 bis 1954 Bereits während des Zweiten Weltkrieges zeichnete sich die offene Konfrontation zwischen den beiden Supermächten USA und Sowjetunion ab. Der seit 1917 schwelende Ost-West-Konflikt entwickelte sich durch die Spannungen innerhalb der Kriegsallianz ab 1943/44 zum Kalten Krieg 2 . Jost Dülffer sieht die Anfänge des Kalten Krieges in Asien. Dort wurde das politische Umdenken der amerikanischen Administration hinsichtlich einer sowjetischen Expansionspolitik im Einsatz der Atombombe deutlich. Die »Entfaltung des Kalten Krieges in Europa« in den Jahren 1944 bis 1947 verdeutlichte einen grundsätzlichen Wandel der Europa- und Deutschlandpolitik der USA, der sich in der Rede von Außenminister James F. Byrnes im September 1946 manifestierte 3 . Die USA hatten damit fast alle Pläne für eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Moskau zu den Akten gelegt. Die beiden anderen Siegermächte, Großbritannien und Frankreich, erkannten dabei früh ihre untergeordnete Rolle, die sie in dieser globalen Auseinandersetzung einnehmen
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Transcript of briefings, 22.7.1951, zit. nach Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 399, Anm. 2. Jost Dülffer, Jalta, 4. Februar 1945, S. 1 3 4 - 1 5 2 , geht dabei von vier »negativen Testfällen« aus: einem möglichen Sonderfrieden, den Kriegsmateriallieferungen der USA an die Sowjetunion, der zweiten Front und der territorialen Gestaltung Europas durch Vorentscheidungen im Krieg. Ebd., S. 1 5 3 - 2 0 0 . Die Anfänge des Ost-West-Konfliktes werden in zahlreichen Darstellungen in die Jahre des Ersten Weltkrieges gelegt, etwa Powaski, The Cold War; l i n k , Der Ost-WestKonflikt. Zum Kalten Krieg siehe auch Loth, Die Teilung der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, so Geir Lundestad, W h y was there a Cold War?, S. 4, »trafen sich die Hauptakteure im Herzen Europas, in Deutschland«.
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mußten, ganz zu schweigen von den übrigen europäischen Staaten4. Diese mußten ihre nationalen Interessen vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges mehr oder weniger unabhängig auf einen der beiden Kontrahenten ausrichten 5 . Auch der Status der Neutralität bewahrte nicht vor einer Grundsatzentscheidung zwischen West und Ost6. Der Kampf um die Interessensphäre Europa war dabei nur ein Schauplatz dieser globalen Auseinandersetzung, die den Charakter eines »Kalten Weltkrieges« annahm 7 . Asien und der Nahe Osten boten ebenso viele Austragungsorte wie in späteren Jahren Lateinamerika und Afrika 8 . Doch die Alte Welt war entscheidend für die globale Stützpunktpolitik der USA und für eine Nachkriegsordnung nach amerikanischem Muster. Nicht zuletzt deshalb intensivierten die Vereinigten Staaten ihr Engagement für ein demokratisches Europa und gegen eine sowjetische Dominanz. Melvyn P. Leffler stellt daher auch in seinem Standardwerk über die Sicherheitspolitik der USA nach 1945 fest, daß das Containment viel früher als mit George F. Kennans berühmtem Telegramm aus Moskau begonnen und Europa dabei im Schwerpunkt der Sicherheitsinteressen der USA gelegen habe 9 . Auf mannigfaltige Weise führte die Truman-Administration diese Eindämmung der sowjetischen Expansion durch. Die ersten Jahre nach 1945 waren von einer amerikanischen Abrüstungsphase gekennzeichnet; das Engagement lag dafür im wirtschaftlichen und politischen Bereich. Dabei zeigte die amerikanische Doppelstrategie der Stärkung der Verbündeten bei gleichzeitiger Schwächung der Kommunisten im westlichen Lager und der Eindämmung der sowjetischen Machtentfaltung erste Erfolge. Diese »doppelte Eindämmung« im Sinne Wilfried Loths, also die wirtschaftliche Stabilisierung Europas bei gleichzeitiger Abwehr des sowjetischen Einflusses, stieß allerdings dort auf ihre Grenzen, wo die
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1948 schrieb der italienische Botschafter Quaroni: »Die Realität will es, daß wir wie alle anderen Länder Europas nicht mehr unabhängig sind [...] wir sind so frei, ins Gravitationsfeld Rußlands einzutreten, wie Polen frei ist, dies gegenüber Amerika zu tun.« Zit. nach di Nolfo, Das Problem der europäischen Einigung als ein Aspekt der italienischen Außenpolitik 1945-1954, S. 161. Allgemein zum Kalten Krieg in Europa siehe die noch immer lesenswerten Hillgruber, Europa in der Weltpolitik der Nachkriegszeit, und Yergin, Shattered Peace. Zu den neueren Werken über den Kalten Krieg mit der deutschen Frage als Kernproblem siehe Ball, The Cold War. An International History. Stalin als Verursacher bei Gaddis, We Now Know, S. 292-294. Des weiteren The Origins of the Cold War in Europe; Dunbabin, The Cold War. The Great Powers and their Allies; The Cold War 1945-1991; Ost-West-Beziehungen. Konfrontation und Detente; Young, Cold War Europe; Dockrill, The Cold War 1945-1963. Junker, Politik, S. 17. Zur amerikanischen Stützpunktpolitik in anderen Teilen der Welt siehe z.B. Mclntyre, Background to the ANZUS-Pact. Leffler, A Preponderance of Power, S. 5 5 - 9 9 , hier S. 6 0 - 6 3 . Leffler sieht ein Bündel von Motiven für das europapolitische Engagement der Truman-Regierung, zu dem er auch den Erhalt der wirtschaftlichen Prosperität der USA durch die Erschließung des Absatzmarktes Europa zählt. Gegen eine ausschließliche Begründung durch Vertreter des revisionistischen Ansatzes siehe Loth, Die doppelte Eindämmung.
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Regierung in Moskau auf die strikte Abriegelung ihres eigenen Machtbereiches setzte und vor keiner Konfrontation zurückzuschrecken schien10. Die politischen Ereignisse Ende der vierziger Jahre, vor allem die Tschechoslowakeikrise 1948, ließen daher die Rolle der Militärs für das Containment an Bedeutung gewinnen, und spätestens mit Beginn des Koreakrieges war der Militärapparat ein entscheidendes Mittel zur Durchsetzung dieser Politik11. Der Wandel von der ökonomischen zur militärischen Zügelung der Sowjetunion durch die USA und ihre Verbündeten im Zuge der sich verschärfenden Ost-West-Konfrontation kennzeichnet die »klassische Periode des Kalten Krieges von 1943 bis 1953«12. Die ökonomische Eindämmung begann 1947 mit der Verkündung der TrumanDoktrin im März und der Idee eines Europäischen Wiederaufbauprogramms, vorgetragen durch Dean Acheson im Mai in Cleveland 13 . Der Politische Planungsstab des State Department unter Kennan definierte zur Umsetzung dieser Idee die wirtschaftliche Stabilisierung Europas als einen Pfeiler der neuen US-Politik zur Eindämmung der sowjetischen Expansion. Mit dem Scheitern der Pariser DreiMächte-Konferenz im Sommer 1947 und der Ablehnung der Einladung zu einer europäischen Konferenz in Paris durch sieben osteuropäische Regierungen und Finnland wurde am 12. Juli 1947 das Committtee of European Economic Cooperation (CEEC) gegründet. Damit und mit der folgenden Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) war die Kooperation auf wirtschaftlichem Gebiet zwischen 16 westeuropäischen Staaten und der Beginn der ökonomische Eindämmung der osteuropäischen Staaten besiegelt. Zudem waren die ersten Weichen für eine umfassende Westbindung der CEEC-Staaten und für ein Engagement der USA in Europa im wirtschaftlichen Bereich gestellt. Doch die Wirtschaft war nur ein Standbein der enger werdenden Beziehungen zwischen den Staaten Westeuropas und den USA in der Nachkriegszeit. In Anlehnung an Hans111
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Zum Begriff der »doppelten Eindämmung« als Umschreibung der erfolgreichen Strategie der USA gegen eine sowjetische Expansion und gegen ein erneutes Erstarken Deutschlands siehe hingegen den Sammelband Die doppelte Eindämmung. Diese von George F. Kennan geprägte Phase des Kalten Krieges beschreibt Stephanson, Kennan and the Art of Foreign Policy. Einen guten Überblick über die Jahre 1945 bis 1950 liefert auch Wiggershaus, Von Potsdam zum Pleven-Plan. Zum Koreakrieg, wenn auch mit Schwerpunkt auf den Auswirkungen für eine deutsche Wiederbewaffnung, siehe Mai, Westliche Sicherheitspolitik im Kalten Krieg. Dülffer, Der Kalte Krieg, S. 501. Hardach, Der Marshall-Plan, S. 41. Vgl. auch Gimbel, T h e Origins of the Marshall Plan. Gegen eine Trennung der Bereiche argumentiert Schwartz, »Cold War« Continuities. Für S c h w a n z ist der Wille der USA zur Errichtung einer freien Weltwirtschaft das Motiv für die Eindämmungspolitik gegen die Sowjetunion, aber auch gegen Deutschland und Japan. Die Unzulänglichkeit dieses in den sechziger Jahren aufkommenden revisionistischen Ansatzes, der die USA als Hauptakteur des Kalten Krieges ausmachte, wies bereits )ohn Lewis Gaddis 1972 in »The United States and the Origins of the Cold W a r 1941 - 1 9 4 7 « nach. Der postrevisionistische Ansatz wiederum setzte sich in der Geschichtswissenschaft durch, auch wenn sich nicht bestreiten läßt, daß Ansätze wie der Schwartzsche interessante Antworten und Mosaiksteine für eine umfassende Erklärung des Phänomens Kalter Krieg lieferten. Allerdings kann Gaddis in seinem neuesten Werk » W e know now. Rethinking the Cold War History« durchaus als Traditionalist bezeichnet werden, wenn er Stalin die Hauptschuld an der Intensität des Kalten Krieges zuschreibt.
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Peter Schwarz' Überlegungen zur Westbindung der Bundesrepublik lassen sich für die Zeit von 1947 bis 1954 auch für die Entwicklung Westeuropas insgesamt drei Bereiche nennen, die den historischen Rahmen der Lastenteilung der NATO bilden: die politisch-ideologische Westorientierung, die wirtschaftliche sowie die militärische Integration der westeuropäischen Staaten. In der neueren Forschung über die transatlantischen Beziehungen nach 1945 wird deutlich, daß für den umfassenden Begriff der »Westernisierung«, der weit über den der »Amerikanisierung« hinausgeht, die genannten Bereiche ebenfalls entscheidend sind14. Die politisch-ideologische
Westorientierung
Die politisch-ideologische Westorientierung der Staaten Westeuropas zeigt sich an zwei Entwicklungen der Nachkriegszeit. Zum einen muß die Integration Westeuropas genannt werden, die vor allem im institutionell-organisatorischen Bereich durchaus positive Ergebnisse im betrachteten Zeitraum hervorbrachte. Zum anderen zeigen die unterschiedlichen innenpolitischen Entwicklungen Gemeinsamkeiten auf, welche die Westbindungen verdeutlichen. Als Klammer dieser Neuorientierung bzw. Neufindung der westeuropäischen Staaten im Zuge des Kalten Krieges dienten die strategischen Überlegungen der Vereinigten Staaten von Amerika zur Neuordnung der Welt nach 1945. Die »Nationale Sicherheit« der USA verlangte sehr früh die Einbindung der Alten Welt, aber auch Asiens und Afrikas in die geostrategische Vision von einer Machtverteilung um Rohstoffe, industrielle Infrastruktur und Stützpunkte 15 . In seiner Jahresansprache zum Haushalt 1952 vor dem Kongreß im Januar 1951 verdeutlichte US-Präsident Harry S. Truman, was dies hinsichtlich der Staaten Westeuropas bedeute: Die USA könnten es sich unter keinen Umständen leisten, die freien Nationen Westeuropas sowjetischer Herrschaft zu überlassen, ohne daß damit ein großer Machtverlust für die USA und ein nicht mehr aufzuholendes Übergewicht der Sowjetunion bei der Grundversorgung mit Kohle und Stahl und im Bereich der menschlichen Ressourcen verbunden
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Schwarz, Die fünfziger Jahre als Epochenzäsur. Zu dem umfassenden Konzept der »Westernisierung«, dem Prozeß des »Ideenverkehrs« und der langfristigen Durchsetzung anglo-amerikanischer liberaler Werte siehe Doering-Manteuffel, Amerikanisierung - Westernisierung. Vortrag am Zentrum für Zeithistorische Forschung ([ZZF), Potsdam, 12.5.1999; ders., Wie westlich sind die Deutschen? Vgl. auch zum selben Thema die Tagung des DHI »Amerikanisierung und Westernisierung« Westeuropas nach 1945, 2 5 . - 2 7 . 3 . 1 9 9 9 in Washington, D.C., und die Konferenzunterlagen im Internet unter . Interessant ist in diesem Zusammenhang die bislang ungelöste Frage, welche Bedeutung das Militär für die »zweite Westernisierung« nach 1945 hatte. Siehe hierzu und im folgenden den umfassenden Begriff bei Leffler, Preponderance of Power, S. 1 - 2 4 . Zur unterschiedlichen Definition des Begriffs Nationale Sicherheit siehe The National Security. Vgl. auch Power, Economics, and Security. In dieser Festschrift für Klaus E. Knorr wird im ersten Teil v.a. die Wirtschaftsmacht als entscheidende Komponente der nationalen Sicherheit hervorgehoben. Zur geostrategischen Vorstellung der Truman-Administration siehe Fröhlich, Zwischen selektiver Verteidigung und globaler Eindämmung, S. 1 2 5 - 1 5 0 und 239-320.
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wäre 16 . Diese Motivation für ein aktives Engagement, in den folgenden Jahren immer wieder innenpolitisch hinterfragt, erklärt die politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der westeuropäischen Staaten durch die USA. Wie wichtig dabei die Rohstoffrage war, zeigt ein Vergleich der Stahlproduktion in Europa um 1950. Dabei läßt sich eine allgemeine Stahlknappheit feststellen, die zu erheblichen Schwierigkeiten in der Nachkriegsentwicklung der osteuropäischen Volkswirtschaften führen sollte. Zwar klagten auch die westeuropäischen Staaten über eine Kohle- und Stahlknappheit, doch relativiert sich dieses Lamento, wenn das Produktionspotential aller osteuropäischen Staaten einschließlich der DDR mit rund 8,5 Millionen Tonnen Stahl dem Frankreichs mit 8,7 Millionen Tonnen im Jahre 1950 gegenübergestellt wird 17 . Die rasante Entwicklung im Bereich der Schwerindustrie in den folgenden Jahren war sicherlich zu einem Großteil der forcierten Aufrüstung geschuldet und ging zu Lasten der Investition in andere Wirtschaftssektoren und zu Lasten des Konsums. Sowohl in Ost- als auch in Westeuropa blieb aus unterschiedlichen Gründen nur ein Weg zur Verbesserung dieser Situation: das Bemühen um Integration. Klaus Schwabe verdeutlicht die Geschichte der Integration Westeuropas von 1945 bis 1954 an vier »Organisationsversuchen«: der OEEC, dem Brüsseler Pakt, dem Europarat und der Montanunion. Schwabes Ansatz macht deutlich, wie die von Winston Churchill am 19. Dezember 1946 in Zürich ausgesprochene Idee des Zusammenlebens der europäischen Staaten als eine Art Vereinigte Staaten von Europa bis in die Mitte der fünfziger Jahre umgesetzt wurde: Im Ergebnis blieb es bei Versuchen, die in wenigen Fällen »sektoraler Integration« erfolgreich verliefen, ansonsten jedoch im Ansatz steckenblieben 18 . Dennoch dürfen die damit geschaffenen Institutionen in ihren Auswirkungen für die Westbindung und für die europäische Zusammenarbeit nicht unterschätzt werden. Auch wenn der supranationale Ansatz Frankreichs am Widerstand der britischen Regierungsverantwortlichen scheiterte bzw. sich auf wenige sektorale Projekte ohne britische Beteiligung reduzierte, so müssen die wechselseitigen Abhängigkeiten berücksichtigt werden, die sich aus allen Integrationsversuchen ergaben und die Durchsetzung gemeinsamer politischer Ziele erst ermöglichten. Bereits mit der 1948 ins Leben gerufenen OEEC, welche die Verteilung der Marshall-Plan-Hilfen vornehmen und umsetzen sollte, war eine solche multinationale Plattform geschaffen, die auch die politische Integration der westeuropäischen "•· r
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Public Papers o f the Presidents o f the Unites States: Harry S. Truman ( 1 9 5 2 - 1953), S. 61 - 106. Neumann, Probleme der osteuropäischen Wirtschaftsintegration, S. 163. Interessant wäre eine Untersuchung der Frage, wie sich die Aufrüstung in West- und Osteuropa der fünfziger und sechziger Jahre auf die Entwicklung der Rohstoffindustrien dieser Staaten auswirkte und welche Ressourcen v o m zivilen in den militärischen Bereich flössen und damit den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach 1 9 4 5 beeinträchtigten. Schwabe, The Cold W a r and European Integration; ders., Der Stand der Bemühungen um Zusammenarbeit und Integration. Vgl. Lipgens, Die Anfänge der europäischen Einigungspolitik, und Die Integration Furopas. Der Sammelband gibt einen guten Überblick über die politikwissenschaftliche Forschung, deren Methoden und Ergebnisse, v.a. die funktionalistische Integrationstheorie, aber ebenso die Interdependenzansätze, auch für die historische Analyse interessant sind.
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Staaten voranbrachte. Zwar bewerten wirtschaftshistorische Studien über die Nachkriegszeit die OEEC für die wirtschaftliche Integration Westeuropas als eher unbedeutend, jedoch wird dieses Urteil vor allem in neueren Studien, die sich mit der OEEC als multinationaler Organisation befassen und nicht von einer nationalstaatlichen Betrachtungsweise ausgehen, revidiert19. Zumindest blieb die OEEC mit ihrem gutfunktionierenden institutionellen Aufbau eine Bühne multinationaler Verhandlungen, die damit einen Beitrag zur verbesserten Zusammenarbeit im europäischen, mit dem Beitritt der USA und Kanadas ab 1951 im atlantischen Rahmen leistete. Vielleicht erfüllte sie nicht die hochgesteckten Erwartungen bezüglich ihrer starken Wirkung auf die wirtschaftliche, aber auch politische Integration Westeuropas, jedoch war sie durch ihre zahlreichen Mitgliedsländer eine geeignetere Plattform als alle anderen bestehenden Organisationen. Nach Alan S. Milward sei damals allein die Möglichkeit der wirtschaftlichen und politischen Eingliederung und Einbindung Westdeutschlands durch die OEEC Anlaß genug gewesen, sich für den Erhalt der OEEC einzusetzen 20 . Einen weiteren Integrationsfaktor stellte das sicherheitspolitische Vertragswerk des Brüsseler Paktes aus dem Jahr 1948 dar. Ernest Bevins Grundidee einer »Western Union« reduzierte sich zwar innerhalb weniger Monate auf den rein militärischen Aspekt, doch zumindest bildeten einige Artikel den Ausgangspunkt für eine verbesserte Zusammenarbeit in anderen Politikfeldern. Nicht zuletzt sollte der im Brüsseler Vertrag vorgesehene Konsultativrat das Gremium der ersten Verhandlungen über eine politische Organisation werden, die in der Gründung des Europarates mündeten. Im Konsultativrat, der aus den fünf Außenministern der Paktstaaten bestand, wurden zudem zahlreiche Probleme und Fragen erörtert, die vorher nur auf bi- oder trilateralem Wege besprochen worden waren. Großbritannien, Frankreich und die Beneluxländer verstanden diese Zusammenarbeit auch als Signal an die USA, Vorleistungen für die gemeinsame Sicherheit zu erbringen. Ähnlich den Rahmenbedingungen für die US-Wirtschaftshilfe sollten diese Vorleistungen Washingtons sicherheitspolitisches Engagement in Westeuropa stärken21. Die militärische Zusammenarbeit im Brüsseler Pakt und später in der NATO entfaltete eine erhebliche politische Integrationskraft. Spätestens ab 1950 beeinflußte die rasche Aufrüstung naturgemäß den wirtschaftlichen Wiederaufstieg und die politische Stabilität Westeuropas. Die wachsende Rüstungsindustrie konkurrierte mit der zivilen Industrie um Rohstoffe und Arbeitskräfte. Diese Schnittstelle der Bereiche
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Milward, The Reconstruction of Western Europe, S. 469, bewertet die OEEC insgesamt als einen gescheiterten Integrationsversuch. Dagegen argumentieren Hogan, The Marshall Plan, und in einer neueren Studie Bührer, Westdeutschland in der OEEC. Zwar läßt der Titel ebenfalls auf eine narionalstaatliche Sichtweise schließen, jedoch gelingt es Bührer immer wieder, den multinationalen Charakter der OEEC in den Vordergrund seiner Untersuchung zu stellen. Vgl. auch Explorations in OEEC History. Nach Milward, NATO, OEEC, and the Integration of Europe, S. 245, gab es bereits ab 1949 Überlegungen in der US-Administration, die OEEC zugunsten der NATO zu schwächen. Schwabe, Der Stand der Bemühungen, S. 30. Zum Brüsseler Vertrag Krieger, Gründung und Entwicklung des Brüsseler Paktes, und Gersdorff, Die Gründung der NATO.
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Politik, Wirtschaft und Militär konnte nur durch multilaterale Absprachen innerhalb der OEEC und anderen internationalen Organisationen abgedeckt werden. Die NATO entwickelte sich deshalb im Laufe der fünfziger Jahre zu einer funktionierenden multinationalen Organisation, deren Integrationskraft für die westeuropäischen Mitgliedstaaten, aber auch für die atlantischen Gemeinschaft eine eigene Studie wert wäre. Demgegenüber wird in neueren Werken die NATO als Hemmschuh für die europäische Integration bezeichnet 22 . Die Konstituierung des Europarats im August 1949 in Straßburg war ein erster Meilenstein auf dem Weg zur Integration Westeuropas. Der aufgrund einer Entschließung des Kongresses der Europäischen Unionsbewegung in Den Haag 1948 und der Initiative der Signatarstaaten des Brüsseler Paktes gegründete Rat verbesserte durch seine Organe, das Ministerkomitee und die parlamentarische Versammlung, die multinationale Zusammenarbeit in politischen, kulturellen, rechtlichen und sozialen Fragen. Allgemein anerkannte Konventionen und Chartas wiesen den Weg einer langsamen Angleichung unterschiedlicher Rechtsnormen und Verwaltungsverfahren. Seine Hauptfunktion als Bühne der programmatischen Diskussion um die Form der »Europäischen Einigung« führte zwar zu einer Institutionalisierung des von Großbritannien bevorzugten konföderativen Modells. Jedoch war damit zumindest ein weiteres Signal für die Westbindung der westeuropäischen Staaten gesetzt. Kennzeichnend für die ersten Nachkriegsjahre waren daher die gegenläufigen Integrationskonzepte, die sich entweder auf intergouvernementale oder auf supranationale Strukturen stützten. Mit dem Schuman-Plan des Jahres 1950 erreichten die Integrationsbemühungen eine neue Qualität. Dieser sollte zwar in erster Linie die unterschiedlichen Wirtschaftsinteressen der Vertragspartner zusammenführen, jedoch stellte er durch die gemeinsame Wirtschaftspolitik für Kohle und Stahl einen ersten grundlegenden Schritt zu einer politischen Einheit Europas dar 23 . Er war die Antwort der »föderativen Kräfte« auf die unbefriedigende Gesamtlösung durch den Europarat und der Versuch, eine supranationale Lösung in kleinen Schritten durchzusetzen. Die beiden anderen supranationalen Projekte, die von Paris initiierte Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die italienisch-französische Europäische Politische Gemeinschaft (EPG), waren ein weiterer Beweis für den Willen einiger Staaten zu einer neuen zwischenstaatlichen Zusammenarbeit und deren gemeinsames Ziel einer neuen europäischen Ordnung nach westlicher Prägung. Das Scheitern dieser hochgesteckten Ziele bis 1954 wies die Grenzen der politischen Integration, die vor allem am starren Festhalten der Einzelstaaten an ihren Souveränitätsrechten scheiterte. Allerdings bedeutete dieses Scheitern, wie Peter Fischer in seiner Abhandlung über die EPG feststellt, das Ende der von Frankreich dominierten europäischen Integrationspolitik, mit der letztlich ebenfalls nationalstaatli-
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Krüger, Sicherheit durch Integration?; The Fremder of National Sovereignity. Siehe zum Schuman-Plan v.a. Diebold, The Schuman Plan; Die Anfange des Schuman-Plans; I.ovett, The U.S. and the Schuman-Plan.
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che Interessen durchgesetzt werden sollten24. Erst in den achtziger Jahren sollte ein neuer Versuch einer politischen Gemeinschaft durch das direkt gewählte Europäische Parlament unternommen werden, der allerdings bisher auch zu keinem nennenswerten Ergebnis führte. Dennoch zeigen die Ansätze, daß die westeuropäischen Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur die Westbindung im Sinne einer Bindung an die Staaten Nordamerikas beabsichtigten. Vielmehr ging es um den Zusammenschluß freier demokratischer Staaten über nationalstaatliche Grenzen hinweg und unter Aufgabe von Teilsouveränitäten, wenn es galt, nationale Interessen in einem multinationalen Rahmen abzustimmen und im Konsens international durchsetzen zu können 25 . Neben diesem institutionell-organisatorischen Bereich verdeutlichen auch die innerstaatlichen Entwicklungen Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg die politisch-ideologische Westorientierung. Diese zeigen große Gemeinsamkeiten auf, die für die fünfziger Jahre charakteristisch waren 26 . Vor allem die Schwäche des demokratischen Sozialismus, das Zurückdrängen der kommunistischen Parteien und das Erstarken christlich-demokratischer und anderer konservativer Kräfte machten deutlich, daß der Kalte Krieg auch innenpolitische Dimensionen besaß, welche vor allem im Falle Frankreichs und Italiens erhebliche außenpolitische Auswirkungen hatten. Die kommunistische Gefahr in diesen Ländern und deren Bekämpfung waren Teil des aktiven Prozesses der Westbindung, und die Überwindung der innenpolitischen Instabilität nach 1945 war Ausdruck einer erfolgreichen politisch-ideologischen Westorientierung der Staaten Westeuropas 27 , der Antikommunismus dabei eine entscheidende Gemeinsamkeit. Immer wieder flackerte kommunistischer Widerstand gegen die »Verwestlichung« der westeuropäischen Staaten auf, der sich in Streiks, aber auch in Angriffen auf Persönlichkeiten aus den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Führungskreisen äußerte. So wurde zum Beispiel Feldmarschall Bernhard Law Montgomery im Januar 1950 in Amsterdam während einer Grachtentour von kommunistischen Studenten mit Steinen beworfen, danach öffentlich sein Porträt verbrannt 28 . Der politische Kampf gegen diesen Widerstand zog sich bis Mitte der fünfziger Jahre hin, ehe nach einer ruhi-
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Fischer, Das Projekt einer Europäischen Politischen Gemeinschaft. Vgl. auch Boldt, Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur Politischen Union. Umso mehr überzeugt der Ansatz Milwards, The European Rescue of the Nation-State, der die nationalstaatlichen Interessen als die Triebkräfte des Integrationsprozesses in Europa ansieht. Siehe z.B. die Bewertung der Europapolitik Frankreichs durch Poidevin, Die europapolitischen Initiativen Frankreichs des Jahres 1950. Siehe Laqueur, Europa auf dem Weg zur Weltmacht, S. 1 7 5 - 1 9 1 , und Duignan/Gann, The Rebirth of the West, S. 1 7 7 - 3 0 1 . Vor allem Frankreich war mit seinen zahlreichen Regierungen der Vierten Republik zwischen 1948 und 1958 und der starken kommunistischen Partei ein Unsicherheitsfaktor in Westeuropa. Laqueur, Europa auf dem Weg zur Weltmacht, S. 181. Daily Mail vom 14.1.1950, zit. nach Hamilton, Monty. The Field-Marshal, S. 802. Dieses Verhalten ist um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß Montgomery der »Befreier« der Niederlande war.
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gen Phase dieser Kampf erneut, diesmal vorwiegend gegen die revoltierenden Studenten, ab Mitte der sechziger Jahre aufflammte 29 . Für diese innerstaatlichen Entwicklungen sind die kulturellen Bindungen Westeuropas zu den Vereinigten Staaten von immenser Bedeutung, und dies nicht nur in den klassischen Sparten wie Musik und Literatur, sondern ebenso in den Bereichen Konsum und Lebensstil. Das Vorbild USA im Bereich der »Massenkultur« war für die Nachkriegsgeneration in Westeuropa über die Medien, über die Besatzungstruppen und durch vielfältige Austauschprogramme präsent und prägend 30 . Der »American Way of Life« hatte jedoch seinen Preis und konnte nur bei einem gewissen Maß an wirtschaftlichem Wohlstand gelebt werden. Der wechselseitige Antrieb durch diese politischen und kulturellen Westbindungen auf der einen und durch wirtschaftliche und später militärische Bindungen auf der anderen Seite garantierte letztlich den Erfolg der »Westernisierung« der westeuropäischen Staaten. Die Integration der Wirtschaft
Westeuropas
Dem bereits während des Zweiten Weltkrieges von den USA forcierten Versuch, ein stabiles, auf den Prinzipien eines liberalen und multilateralen Freihandels beruhendes Weltwirtschaftssystem zu begründen, war mit der Blockbildung im Zuge des Kalten Krieges kein umfassender Erfolg beschieden. Zwar war der Großteil der Nationen, auch die osteuropäischen Zentralverwaltungswirtschaften, am Welthandel beteiligt, doch eine einheitliche, globale und voll integrierte Weltwirtschaft sollte sich nicht durchsetzen. Darüber konnten auch nicht die Erfolgsmarken amerikanischer Weltwirtschaftspolitik hinwegtäuschen 31 . Diese waren zum einen die Versuche zur Liberalisierung des Welthandels durch die allgemeinen Forderungen in der Atlantic-Charta von 1941, die weitergehenden Vorschläge der »HavannaCharta« aus dem Jahre 1945 und die daraus übernommenen Grundlagen des Allgemeinen Zollabkommens (GATT) im Herbst 1947. Die zweite Erfolgsmarke war die amerikanische Initiative, ein neues Weltwährungssystem aufzubauen und die Konvertibilität der verschiedenen Währungen zu erreichen. 44 Nationen schlossen im Sommer 1944 das Abkommen von Bretton Woods über die Errichtung des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Weltbank (IBRD). Der Marshall-Plan der USA mit dem Ziel, die westeuropäischen Volkswirtschaften innerhalb von vier Jahren zum außenwirtschaftlichen Gleichgewicht zu Dabei traten die orthodoxen kommunistischen Parteien eher in den Hintergrund und überließen das E;eld der »Neuen Linken«. Siehe Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 4 7 5 - 5 2 5 . Zur Nachkriegskultur in Europa siehe Laqueur, F.uropa auf dem Weg zur Weltmacht, S. 341 - 3 6 4 . Laqueur sieht jedoch neben der »Amerikanisierung der europäischen Massenkultur« (S. 343) einen gravierenden und eher zunehmenden Unterschied zwischen den Kulturen Europas und Amerikas. Siehe zur Amerikanisierung der Weltwirtschaft Dethloff, The United States and the Global F.conomy, S. 1 - 8 8 . Dethloff spricht von der Wirtschaftshegemonie der USA zwischen 1950 und 1970, die durch den nordamerikanischen Handel, die Expansion der US-Wirtschaftsunternehmen und die Militärausgaben der USA in aller Welt erzielt wurde.
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fuhren, sollte anstatt des verfehlten globalen Ansatzes neue Wege der regionalen Wiederaufbaubemühungen weisen 32 . Dabei wurde von der Truman-Administration zuerst an den wirtschaftlichen Wiederaufstieg West- und Südeuropas durch die von den USA forcierte Aufgabe des Handels-Bilateralismus gedacht. Die damit verbundenen Folgen der Eindämmung der politischen Macht der kommunistischen Parteien waren ein willkommenes wie auch erwartetes Nebenprodukt der US-Außenhilfe. Die verantwortlichen Wirtschaftsexperten hatten meist an den bekannten Ostküsten-Universitäten studiert, waren europaorientierte Internationalisten und sahen aufgrund ihrer Berufserfahrung in der freien Wirtschaft diesen Bereich als den entscheidenden fur die internationalen Beziehungen an. Dean Acheson, W. Avereil Harriman, Charles E. Bohlen, John J. McCloy, William L. Clayton, Richard M. Bisseil Jr., Charles P. Kindleberger, Walt Rostow, Paul G. Hoffman und die Dulles-Brüder bildeten so eine »transnationale Elite«, die in wichtigen Positionen innerhalb der US-Administration wirkten und in enger Zusammenarbeit mit einigen europäischen Politikern die Weichen für die Nachkriegszeit stellten33. Diese »Marshall-Planer« orientierten sich bei der Ausgestaltung der Initiative zum einen an der föderativen Verfassungstradition ihrer Heimat, zum anderen zogen sie Lehren aus der Geschichte. Anders als im Versailler Vertrag sollten keine Grenz- und Reparationsregelungen, keine Zoll- und Kartellhindernisse das wirtschaftliche, aber auch politische Zusammenleben der Staaten Westeuropas behindern. Und ähnlich den gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen der USA in der »Großen Depression« und im Zweiten Weltkrieg sollte ein geeintes Westeuropa nach den Regeln des »New Deal« den gemeinsamen Aufbruch in den Wiederaufbau wagen 34 . Das Ziel des Marschall-Planes war vor allem die Überwindung der Dollarlücke durch ausgeglichene Zahlungsbilanzen. Das zweite Hauptziel war die Integration der Westzonen Deutschlands in die »westliche Welt« 35 . Als ein Nebenprodukt erwarteten die amerikanischen Wirtschaftsplaner zudem die langsame, aber stetige Spaltung des Sowjetblockes durch wirtschaftliche Zwänge in den osteuropäischen Satellitenstaaten36. Allerdings gelang es den USA langfristig nicht, aus den regionalen Wiederaufbaumaßnahmen eine transatlantische Wirtschaftsorganisation aufzubauen. Den Teilnehmerländern reichten vorerst die Lieferungen aus Nordamerika; die Versorgungsengpässe und der Nachholbedarf an Investitionen ließen den Wunsch nach organisatorischer Bindung an die Vereinigten Staaten in den Hintergrund treten. Die beeindruckenden Dollar- und Hilfslieferungen aus den USA zeigten rasch positive Wirkungen, ein Scheitern des hochgesteckten Zieles zeichnete sich jedoch bereits 1949 ab37. Zwar war im Jahre 1948 in fast allen west32 33 34 35 36 37
Vgl. Pollard, Economic Security. Zur transnationalen Elite siehe Heideking, Pragmatismus und kontinentale Vision. Holtfrerich/Frühbrodt, Die Neugestaltung der US-Wirtschaftspolitik nach 1945. Siehe zur strategischen Beurteilung des Marshall-Plans für die USA Leffler, The United States and the Strategie Dimensions of the Marshall-Plan. Zur Dauer dieser langsamen Spaltung siehe Maier, Dissolution. The Crisis of Communism. Hardach, Der Marshall-Plan, S. 11 und 135-150. Vgl. auch Hogan, The Marshall Plan; Wexler, The Marshall Plan Revisited.
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europäischen Staaten das Vorkriegsproduktionsniveau wieder erreicht bzw. teilweise überschritten worden — so lag die Industrieproduktion 1947 bereits sieben Prozent über dem Stand von 1938 —, jedoch krankte der Marshall-Plan an der mangelnden Aufnahmebereitschaft des amerikanischen Marktes für Importe aus Europa 38 . Der Handel erholte sich deshalb auch langsamer und erreichte erst ab Mitte 1949 das Vorkriegsniveau. Die Nachkriegsrezession in den USA 1948 wirkte sich zudem dramatisch auf die bestehende Exportschwäche der europäischen Volkswirtschaften auf dem amerikanischen Markt aus. Die US-amerikanische Einfuhr ging stark zurück. Die westeuropäische Ausfuhr in die USA betrug in der ersten Hälfte 1950 weniger als ein Drittel der amerikanischen Ausfuhr nach Westeuropa. Die Gold- und Dollarreserven schrumpften dadurch deutlich. Diese Situation verschärfte sich noch, nachdem die Truman-Administration auf den Ausbruch des Koreakrieges volkswirtschaftlich mit dem »Defense Production Act« vom September 1950, der die Drosselung der privaten Nachfrage über Preis- und Lohnkontrollen bis ins Jahr 1953 fesdegte, reagiert hatte. Diese Lenkungsmaßnahmen und die Bewirtschaftung von Rohstoffen beeinflußten auch die europäischen Wirtschaften 39 . So wirkte sich die durch die US-Rohstofflenkung bedingte Stahl- und vor allem Kohleknappheit negativ auf die Industrieproduktion der Westeuropäer aus, da die Preise für diese Rohstoffe in Europa von 1950 bis Ende 1951 um bis zu 170 Prozent stiegen. Dazu kam, daß das Währungsabkommen von Bretton Woods aus dem Jahre 1944 mit seinen festen Wechselkursen und dem US-Dollar als Leitwährung zunehmend die exportorientierten westeuropäischen Staaten gefährdete, mußten doch die notwendigen Rohstoffimporte mit den »teuren« Dollars bezahlt werden. Hingegen wurden die Exporte in zahlreiche Länder gegen deren nationale Währungen geliefert. Aus dieser Situation heraus entstand das wohl größte Problem der westeuropäischen Wirtschaft nach 1945: das Zahlungsbilanzdefizit, oft auch mit dem plakativen Wort »Dollarlücke« umschrieben 40 . Großbritannien beispielsweise erlebte so eine Entwicklung der Zahlungsbilanz von einem Uberschuß von 300 Millionen Pfund im Jahre 1950 zu einem Defizit von 370 Millionen im Jahre 1951. Wirtschaftsexperten empfahlen Gegenmaßnahmen wie Steigerung der Produktion und des Außenhandels in Westeuropa sowie »Dollarhilfen«. Die USA beschränkten sich, auch mit Rücksicht auf ihren Binnenhandel, auf das letztere Mittel. Dazu wurde die OEEC gegründet, um in erster Linie die Verteilung der US'8
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Hardach, Der Marshall-Plan, S. 149. Zur grundsätzlichen Kritik am Marshall-Plan siehe Milward, The Reconstruction of Western Europe. Milward sieht im US-Engagement einen Hcmmschuh für die Integration Westeuropas. Zur Debatte über die Auswirkungen des Marshall-Plans, v.a. gegen die positive Bewertung eines Michael Hogan, siehe Milward, Was the Marshall Plan Necessary? Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 3 - 1 3 . Abelshauser betont die positiven Auswirkungen des Koreakrieges auf die volkswirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik in seiner Monographie Die Langen Fünfziger Jahre; ders., Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Siehe \X'ee, Der gebremste Wohlstand, S. 3 5 - 4 1 und 4 8 9 - 5 1 2 . Vgl. auch Buchheim, Die Bundesrepublik und die Überwindung der Dollarlücke.
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Wirtschaftshilfe durch die Westeuropäer vornehmen zu lassen. Die Economic Cooperation Administration (ECA) übernahm die amerikanische Verwaltung der Hilfen. Allerdings änderten diese Zahlungen nichts an den Ursachen der Zahlungsbilanzschwierigkeiten. Erst mit Beginn der Europäischen Zahlungsunion (EZU) im Jahre 1950 wurden verschiedene westeuropäische Währungen neu bewertet und eine innereuropäische Konvertierbarkeit hergestellt, die auch eine Anpassung an den Dollar zuließ und die Situation etwas entspannte. Mittels eines multilateralen Verrechnungs- und Kreditsystems regelte die EZU den Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der OEEC und endastete damit die Devisenreserven der Mitgliedstaaten. Der innereuropäische Handel profitierte von diesem Regelwerk; bis 1958 wickelte die EZU schließlich rund zwei Drittel der internationalen Wirtschaftstransaktionen ab41. Der Weg zu einem einheitlichen Markt in Westeuropa wurde dadurch und durch die geförderte Modernisierung der westeuropäischen Industrie geebnet. Allerdings darf die OEEC in ihren Auswirkungen auf die wirtschaftliche und politische Integration auch nicht überbewertet werden. Kein Teilnehmerland war bereit, nationale Interessen aufzugeben, um die verschiedenen Wiederaufbauprogramme koordiniert durchzuführen. Vielmehr versuchten die Staaten, die OEEC als multinationale Bühne zur Durchsetzung ihrer nationalen Ziele zu benutzen. Die Vorstellungen der US-Administration, über die OEEC zu einer solchen koordinierten Vorgehensweise in Westeuropa zu gelangen, blieb Illusion42. Weitaus erfolgreicher war die Gründung der Montanunion, die im Juli 1952 in Kraft trat. Zwar war das vorrangige Ziel, die geordnete Versorgung der sechs Mitgliedstaaten mit Kohle und Stahl sicherzustellen, eher unspektakulär, doch erwies sich mit den Jahren die stetige Wirkung dieser sektoralen Integration für das Entstehen einer Europäischen Gemeinschaft. So bewertet zwar John Gillingham in seinem Standardwerk über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) den ersten Versuch einer westeuropäischen supranationalen Institution für gescheitert, sieht jedoch den großen Wert der EGKS für die Westintegration der Mitgliedstaaten 43 . Durch die Auflösung der Konkurrenz zwischen der französischen und deutschen Schwerindustrie war ein Meilenstein für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit gesetzt worden, der zugleich Voraussetzung und Beginn der für 41
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Kaplan/Schleiminger, The European Payments Union, S. 2. Kaplan und Schleiminger sehen in der Aufrüstungsphase nach Beginn des Korea-Krieges die erste, erfolgreich bestandene Bewährungsprobe für die westeuropäische wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ebd., S. 119-135. Vgl. auch Dickhaus, It's only the Provisional. Siehe zur Kritik an der OEEC Hitchcock, France, the Western Alliance, and the Origins of the Schuman Plan. Eine weitere Erschwernis für die Erfolgsaussichten der OEEC war die lose Anbindung der Briten an jede Form eines kontinentaleuropäischen wirtschaftlichen Integrationsmechanismus. Ebd., S. 613. Gillingham, Coal, Steel, and the Rebirth of Europe, S. 364. Vgl. auch Diebold, The SchumanPlan; Die Anfänge des Schuman-Plans; Spierenburg/Poidevin, The History of the High Authority. Diebold, The Schuman Plan, S. 622-668, spricht in seiner klassischen Studie von einer »Partial integration«, die durch die Montanunion als pragmatische Lösung der westeuropäischen Wirtschaftsprobleme erreicht wurde.
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die Entstehung der Europäischen Gemeinschaften (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und E U R A T O M 1958) war 44 . Weitere, weniger ambitionierte Ansätze für eine funktionalistische Integration Westeuropas waren der Stikker-Plan, der Pflimlin- oder der Mansholt-Plan. Zwar scheiterten diese Lösungsversuche für bestimmte transnationale Wirtschaftsfragen in den Bereichen Industrie, Handel und Landwirtschaft, gingen aber in ihren Ansätzen über die bestehende wirtschaftliche Zusammenarbeit hinaus und zeigten zumindest medienwirksam die Wege einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit 45 . Trotz dieser institutionellen Integrationsversuche durch die westeuropäischen Staaten blieb die Dollarlücke weiterhin bestehen, und die Dollartransfers im Rahmen des ERP schienen das erfolgversprechendste Mittel zu deren Überwindung zu sein. Diese Dollarzahlungen der USA an die westeuropäischen Staaten veränderten jedoch in den Jahren 1948 bis 1952 grundlegend ihren Charakter. Waren die Marshall-Plan-Hilfen der ersten Jahre eindeutig wirtschaftlichen bzw. zivilen Zwecken dienlich, so verlagerte sich ab dem Haushaltsjahr 1950/51 die Auslandshilfe der USA in den militärischen Bereich. Im »Mutual Security Act« von 1951 wurden schließlich alle US-Auslandshilfen zusammengefaßt und durch die Verwaltung für Gemeinsame Verteidigung (Mutual Security Agency, MSA) unter W. Avereil Harriman neu verteilt. Am Beispiel Frankreichs läßt sich diese Entwicklung deutlich nachvollziehen: Schon 1951 flössen 25 Prozent der ERP-Hilfe in den militärischen Bereich. In der ersten Hälfte des Jahres 1952 stieg dieser Anteil sogar auf 90 Prozent 46 . Wann sich der Wandel von der wirtschaftlichen zur militärischen USAußenhilfe vollzog, ist nicht eindeutig eingrenzbar, da verschiedene Entscheidungsträger der US-Administration unterschiedliche Vorstellungen über die Ziele der gesamten US-Außenhilfe hatten. Avereil Harriman betonte noch im April 1949, daß es zwar wichtig sei, militärische Stärke in Westeuropa herzustellen, diese dürfe jedoch nicht im Widerspruch zum wirtschaftlichen Wiederaufbau stehen. Auch Acheson kam im Sommer 1949 zu einer ähnlichen Auffassung und sah die Aufrüstung Westeuropas als die Hausmauern an, die gefährdet wären, wenn man zu ihrer Herstellung Material aus dem Fundament des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs nähme 47 . Die US-Administration gelangte mit dem Strategiepapier NSC 68
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Mine interessante Neubewertung der Wurzeln des Schuman-Plans bei Hitchcock, France, the Western Alliance, and the Origins of the Schuman Plan. Hitchcock sieht im Schuman-Plan einen Versuch der französischen Regierung, die europapolitische Initiative zurückzugewinnen, die im Zuge der Frage der deutschen Wiederbewaffnung verloren gegangen schien. Zudem garanrierte der Plan eine politische und wirtschaftliche Machtbalance zwischen Frankreich und Westdeutschland. Vgl. zu den einzelnen Plänen und dem starken Engagement der niederländischen Regierung für die Integration Westeuropas The Netherlands and the Integration of F.urope. Hardach, Der Marshall-Plan, S. 1 2 9 - 1 3 4 und 2 3 7 - 2 4 5 . Vgl. auch Daniel, Dollardiplomaue in Furopa. Interessant ist die bisher so geringe Beachtung der US-Außenhilfe in der Forschung, obwohl sie von den Bezieherstaaten als Weiterführung der Dollarhilfen angesehen wurde und vom Umfang her immerhin rund ein Drittel der Gesamthilfe von 1948 bis 1953 ausmachte. Zit. nach Bovle, Britain, America and the Transition from Economic to Military Assistance, S. 528.
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und nach Beginn des Koreakrieges zumindest zu der Überzeugung, daß die Westeuropäischen Staaten weitaus mehr für die gemeinsame Verteidigung leisten könnten, als bis dahin erfolgt war. Doch dies war nicht gleichzusetzen mit einer Schwerpunktverlagerung vom wirtschaftlichen Wiederaufbau zur militärischen Verteidigungsfähigkeit. Jener wurde nämlich stets als Voraussetzung der Aufrüstung angesehen. Denn bereits die Ziele des Marshall-Plans implizierten die Notwendigkeit der militärischen Verteidigung der wirtschaftlichen Basis 48 . Die Frage nach der Priorisierung stellte sich daher zwischen den Bündnispartnern neu und war nicht minder umstritten: Welchen militärischen Beitrag kann ein NATOPartner finanzieren, ohne dabei seine wirtschaftliche Stabilität zu gefährden? Die USA verlangten in dieser Frage naturgemäß mehr Eigenleistung der Westeuropäer bei weniger US-Hilfe. Die NATO-Partner steckten hingegen die Grenzen der Aufrüstung enger und forderten mehr, zumindest aber kontinuierliche US-Hilfe. Spätestens im Frühjahr 1950 setzte die Truman-Administration den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westeuropa mit dem Ziel der militärischen Aufrüstung wenigstens gleich 49 . Die westeuropäischen Bündnispartner reagierten auf die US-amerikanische Prioritätenverlagerung zur Jahreswende 1950/51, allen voran Großbritannien mit seinem ehrgeizigen Drei-Jahres-Verteidigungsprogramm über 4,7 Milliarden Pfund. Auch die anderen NATO-Staaten zogen mit erhöhten Verteidigungsbudgets nach und rüsteten auf 50 . Dieser Prioritätenwechsel sowie die folgenden hohen Verteidigungsausgaben stellten das bisher Erreichte in Frage. Die wirtschaftliche Gesamtentwicklung Europas seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war beachtlich. Die Industrieproduktion und die landwirtschaftlichen Erträge waren ab 1948 zufriedenstellend und erreichten bzw. übertrafen Ende 1951 die im ERP festgelegten Quoten. Die Investitionstätigkeit verbesserte sich 1949/50, und die Bruttoinvestitionen in Europa stiegen im Durchschnitt jährlich um rund neun Prozent. Die Gründung der EZU ebnete den Weg für eine Liberalisierung des Handels in Europa durch die schrittweise Aufhebung der mengenmäßigen Importbeschränkungen 51 . Um so tiefer mußten die weltpolitischen Entwicklungen mit dem Ausbruch des Koreakrieges auf die Wirtschaftsexperten wirken, die sich bislang ohne Störungen von außen auf den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Westeuropas konzentrieren konnten. Die starke Aufrüstung erzeugte zunächst einen inflationären Druck, der sich allerdings rasch zu einer neuen »Dollarkrise« entwickelte. Diese wog um so schwerer, weil der
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Diese Intcrdependenz zwischen den wirtschaftlichen und militärischen Planungen der USA ab 1948/49 arbeitet Leffler, The United States and the Strategie Dimensions of the Marshall-Plan, S. 295, deutlich heraus. Tracy Voorhees schlug im Mai 1950 die Zusammenlegung aller US-Hilfslieferungen in ein Paket vor. Ebd., S. 301. Damit war die Idee der Mutual Security Agency geboren, welche die amerikanische Wirtschafts- und die Militärhilfe zusammen verwaltete. Knapp, Ökonomische Aspekte, S. 299, sieht diesen Prioritätenwechsel bereits Ende 1949. Wexler, The Marshall Plan Revisited, S. 197-199. Damit war ein erster wichtiger Schritt hin zu einem gemeinsamen europäischen Markt vollzogen. Vgl. die Einschätzung Marjoüns, Meine Leidenschaft Europa, S. 251.
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Koreaboom durch Produktionsausweitung, Exportsteigerung und dem Anwachsen von Gold- und Dollarreserven anfänglich positive Auswirkungen auf das westeuropäische Wirtschaftswachstum hatte 52 - allerdings nur zeitlich befristet, ehe Anfang 1951 Zahlungsbilanzschwierigkeiten auftraten. Mitte 1951 erreichte das europäische Zahlungsbilanzdefizit gegenüber der übrigen Welt sogar den größten Umfang seit 194753. Erst 1954 sollten sich diese Defizite verringern, und Ende der fünfziger Jahre war das »Dollarproblem« für Europa endgültig gelöst, die »Dollarlücke« überwunden. Damit war eine Voraussetzung für ein beständiges Wirtschaftswachstum geschaffen, das als »Goldenes Zeitalter« in die Geschichte einging und den Zeitraum von 1950 bis 1973 umfaßte 54 . Die anfänglichen Turbulenzen und Schwierigkeiten, zu denen auch die hohen Verteidigungsausgaben zwischen 1950/51 und 1953/54 gezählt werden müssen, wurden im europäischen Rahmen überwunden 55 . Ein weiterer Ansatzpunkt der wirtschaftlichen Eindämmung war der Versuch der USA, den Ost-West-Handel zu kontrollieren. Es gelang der TrumanAdministration allerdings nicht, ihre Exportverbote für eine Fülle strategisch wichtiger Güter auch bei den westeuropäischen Partnerstaaten durchzusetzen, geschweige denn die alten Handelsbeziehungen zu zerstören. Für die westeuropäischen Staaten, deren Exporte einen hohen Anteil am Bruttosozialprodukt ausmachten, waren diese Handelsbeziehungen für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg zu wichtig — wichtiger zumindest als die zeitweise angedrohte Einstellung der USWirtschaftshilfe. Ab 1949 schlossen sich zwar die meisten westeuropäischen Regierungen den Exportkontrollen der US-Administration an, lehnten jedoch einen Handelskrieg weiterhin ab. Der Kompromiß lag in der Gründung des multinationalen Coordinating Committee (COCOM) im November 194956. Die Lasten der Exportbeschränkungen sollten so gerecht verteilt werden. Der restriktive Warenaustausch schadete dadurch den osteuropäischen Staaten mehr als den westeuropäischen Handelspartnern, welche die Verluste durch einen verstärkten innereuropäischen Handel kompensieren konnten. Dieser Bereich der wirtschaftlichen Integration wiederum diente somit indirekt der Verstärkung der Westbindung, auch wenn dem amerikanischen Vorschlag zur Einbindung des COCOM in die NATO nicht entsprochen wurde 57 . Damit blieb das Gremium ohne institutionelle Veran52
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Vor allem für die Bundesrepublik Deutschland kann daher vom »Korea-Boom« gesprochen werden. Durch freie Kapazitätsreserven konnte die Nachfrage nach Investitionsgütern und Rohstoffen befriedigt werden, über die die Staaten Westeuropas spätestens nach den ersten Aufrüstungsbemühungen nicht mehr verfügten. Siehe Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 6 3 - 8 4 . Eine kritische Neubewertung bei Lindlar, Das mißverstandene Wirtschaftswunder. Hierzu und im folgenden Marjolin, Meine Leidenschaft Europa, S. 2 5 8 - 2 7 0 und 275. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme, S. 285 - 503. Economic Growth in Europe since 1945, hier der gelungene Überblick, S. 1 - 3 7 . Dieser Band bietet eine gute Einführung in die Wirtschaftsgeschichte Europas seit 1945 und besticht durch seine knappen und informativen Länderstudien zu zahlreichen westeuropäischen Staaten. Lesenswert auch Bittner, Das westeuropäische Wirtschaftswachstum. Cain, Exporting the Cold War. Vgl. auch Mastanduno, Economic Containment, S. 6 4 - 107. Tclegr. Harnman an Hoffman, 5.11.1949, FRUS 1949, Vol. 5, S. 169-171.
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kerung, die eine Verknüpfung der strategischen Wirtschaftsfragen mit den politischen und militärischen Interessen garantiert hätte. Die Arbeit des COCOM kann wenigstens bis 1954 dennoch als eine — wenn auch schmale — Säule des Containment bewertet werden. Um allerdings der Militärmacht Sowjetunion etwas Adäquates entgegenstellen zu können, bedurfte es intensiver Bemühungen im militärischen Bereich 58 . Die militärische Integration Westeuropas und die Aufrüstung des Westens Melvyn P. Leffler verknüpfte in seiner Analyse der strategischen Dimensionen des Marshall-Plans den wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas nach 1945 mit der Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und politischen Grundlagen auch militärisch abzusichern. Zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schlossen bereits Großbritannien und Frankreich einen Sicherheitspakt, der allerdings noch gegen eine erneute Aggression Deutschlands gerichtet war. Dieser Vertrag von Dünkirchen war die Ausgangsbasis für eine gemeinsame Verteidigungsplanung in Westeuropa, die sich vor allem nach den Ereignissen in der Tschechoslowakei im Februar 1948 aufdrängte. Der Rio-Pakt wiederum, im September 1947 zwischen den USA und den meisten lateinamerikanischen Staaten abgeschlossen, diente den westeuropäischen Staaten als Vorbild für eine regionale Gruppierung zur gemeinsamen Verteidigung gemäß der Charta der Vereinten Nationen 59 . Der Brüsseler Vertrag vom März 1948 zwischen Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden hatte den Aufbau eines gemeinsamen Verteidigungssystems und die dafür erforderliche Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit auf anderen Gebieten zum Ziel. Dazu legte der Artikel 5 eine enge Beistandsverpflichtung im Falle eines Angriffes auf einen der Vertragspartner fest; weitere Artikel sahen eine politische Organisation vor, die diese Ziele durchsetzen sollte. Bereits kurz nach der Vertragsunterzeichnung erkannten die Bündnispartner, daß sie ohne die Hilfe oder vielmehr ohne ein aktives militärisches Engagement der USA in Westeuropa nicht in der Lage waren, die für notwendig erachteten Anstrengungen für eine gemeinsame Verteidigung zu leisten. Vor allem die im September 1948 eingerichtete Western European Defence Organization mit Feldmarschall Montgomery als Vorsitzendem des Commander-in-Chief-Committees stellte als militärische Organisation des Brüsseler Vertragswerkes die Unzulänglichkeiten der westeuropäischen Streitkräfte und der Rüstungsindustrie fest60. Nach dem schleichenden Prioritätenwandel innerhalb der US-Administration und dem innenpolitischen Mastanduno, Economic Containment, S. 33 und 82, spricht in diesem Zusammenhang von COCOM als »Zusatz« der Sicherheitspolitik der NATO. Anfang 1952 waren die Embargo-Listen der USA und der COCOM fast identisch. Damit hatte sich nach Mastanduno die Strategie der »Economic Warfare« auch in Westeuropa durchgesetzt. 59 Zu den verschiedenen strategischen Ansätzen siehe die Beiträge im Sammelband From Reconstruction to Integration. '·" Siehe zur Kritik Montgomery's am Zustand der westeuropäischen Streitkräfte Hamilton, Monty. The Field-Marshal, S. 753-758. Vgl. auch Krieger, Gründung und Entwicklung des Brüsseler Paktes, S. 203 f. 58
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Klärungsprozeß durch die Vandenberg-Resolution war der Weg frei für eine amerikanische Teilnahme an der gemeinsamen Verteidigung Westeuropas 61 . Mit den erfolgreich abgeschlossenen geheimen Verhandlungen zwischen den Brüsseler Vertrags Staaten sowie den USA und Kanada über die Gründung der Nordatlantischen Allianz war das Ziel der Westeuropäer, forciert vor allem durch den britischen Außenminister Bevin, die USA militärisch in Westeuropa einzubinden, erreicht 62 . Mit der Gründung dieser Allianz im April 1949 entwickelten sich die westeuropäischen NATO-Staaten zu »sicherheitspolitischen Trittbrettfahrern«. Denn im Verständnis dieser Staaten sollten die USA mit dem bis zum Jahre 1952 laufenden European Recovery Program (ERP) zum einen den wirtschaftlichen Gesundungsprozeß in Westeuropa garantieren, andererseits mit ihren im NATO-Vertrag eingegangenen Verpflichtungen den wirtschaftlichen Wiederaufbau militärisch absichern 63 . Die Vereinigten Staaten hingegen wollten in beiden Bereichen von Anfang an die aktive Teilnahme der westeuropäischen Staaten, um eine langfristige Festlegung amerikanischer Kräfte und Mittel in Westeuropa zu vermeiden 64 . Im Jahre 1948 wurde die Gründung des Brüsseler Paktes als Beweis für den Selbstverteidigungswillen der Westeuropäer angesehen, ein Jahr später der Nordatlantikvertrag ratifiziert und danach das Militär}' Assistance Program (MAP) im Oktober 1949 vom US-Präsidenten erlassen 65 . Die US-Militärhilfe für Europa, zur damaligen Zeit nur Teil einer globalen Auslandshilfe, wurde frühzeitig an Bedingungen geknüpft. So mußten die Bezieher-Staaten bilaterale Verträge mit den USA abschließen, und die NATO-Staaten sollten erst einen gemeinsamen Verteidigungsplan vorlegen, ehe die ersten Mittel fließen konnten. Damit war schon bald allen beteiligten Regierungen klar, daß die USA die angebotenen Zahlungen und Materiallieferungen auch als direktes Druckmittel benutzten, um mehr Engagement der Europäer auf dem wirt-
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Arthur Λ. Vandenberg, republikanischer Vorsitzender des außenpolitischen Senatsausschusses, konnte im Juni 1948 mit Unterstützung des demokratischen Vorsitzenden T o m Conallv die Resolution 239 durchsetzen, wonach sich die USA zur Stärkung der eigenen Sicherheit auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen kollektiven Verteidigungsbündnissen anschließen konnten. Damit hatte Präsident Truman den Isolationismus der USA endgültig überwunden. Siehe dazu Hudson, Vandenberg reconsidered. Kaplan, N A T O and the United States. Vgl. auch Krieger, Die Ursprünge der langfristigen Stationierung amerikanischer Streitkräfte in Furopa. Für die britische Auffassung siehe I.eigh-Phippard, Congress and US Military Aid to Britain, S. 1 8 - 2 3 . Für Frankreich siehe die Ausführungen Hüsers, Frankreichs »doppelte Deutschlandpolitik«, S. 2 0 3 - 2 1 1 und 6 5 9 - 6 6 5 . Siehe dazu I.effler, A Preponderance of Power, S. 2~~-286. Die f rage der kurz- bzw. langfristigen US-Bindung an Westeuropa wird ausführlich bei Condit, The Test of War, behandelt. Feinen ausgezeichneten Uberblick über die US-Außen- und Sicherheitspolitik bietet Mai, Dominanz oder Kooperation im Bündnis? Dieser Aufsatz, der den Bogen von den nationalen Interessen der XATO-Mitgliedstaaten über gemeinsame Bündnisinteressen bis hin zur schwierigen Kooperation innerhalb der N A T O spannt, bot dem Autor mannigfache Anregungen für die Beschäftigung mit der Allianz und der multinationalen Zusammenarbeit im Bündnis zu Beginn der fünfziger (ahre.
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schaftlichen und militärischen Sektor zu erzielen66. Die Trennung des ERP und des Mutual Defence Assistant Programs (MDAP) sowie die zögerliche Umsetzung der Ziele des Nordatlantik-Vertrages durch die Westeuropäer waren dafür deutliche Zeichen. Aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges entwickelten enge Vertraute Trumans Pläne, die zukünftige Außen-, Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik Washingtons durch eine kleine Elite aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung formulieren zu lassen. Dieser korporative Ansatz, mit dem in erster Linie die dringlichen Probleme der wirtschaftlichen Konversion und der militärischen Abrüstung gelöst werden sollten, trug 1947 in der Gründung des National Security Council (NSC) erste Früchte. Der NSC entwickelte sich im Laufe der Truman-Administration zum bedeutendsten und einflußreichsten Gremium für abgestimmte Regierungsentscheidungen im sich verschärfenden Kalten Krieg 67 . Ab Mitte 1949 begann sich die Außen- und Sicherheitspolitik der USA als Reaktion auf die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe im August und die Ausrufung der Volksrepublik China im Oktober zu ändern 68 . Vor allem die sowjetischen Atombomben, welche die US-Stabschefs bis 1950 auf rund 30 hochrechneten, und der starke Ausbau der strategischen Bomberflotte des Typs TU-4 beunruhigten die USRegierung und brachten Truman, der bis 1950 für Kürzungsvorschläge des Verteidigungshaushaltes sehr zugänglich war, zu einer Überprüfung seiner außen- und sicherheitspolitischen Überzeugungen 69 . Die amerikanische Außenpolitik gegenüber der Sowjetunion entwickelte sich so unter Acheson und Paul Nitze zur verschärften Eindämmung auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet, vom Nationalen Sicherheitsrat im NSC 68 zu Beginn des Jahres 1950 festgelegt 70 . Mit dieser Form der politischen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion erklärte sich George F. Kennan als damaliger Direktor des Policy Planning Staff (PPS) nicht einverstanden. Zwar manifestierte sich in seinem »Long Telegram« von 1946 und seinem Artikel »The Sources of Soviet Conduct« in den »Foreign Affairs« von 1947 66
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Siehe dazu Hardach, Der Marshall-Plan, S. 243-246. Indirekte Einflußmöglichkeiten der USA waren z.B. durch das Truman-Atdee-Abkommen von 1950 auf dem Weltrohstoffmarkt oder durch COCOM gegeben. Vgl. dazu auch Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 3 - 2 0 . Sale, The Shaping of Containment. Die umfassende Einbettung des NSC als ein Pfeiler des »National Security State« beschreibt Hogan, A Cross of Iron. Dagegen Offner, Another Such Victory. Siehe zum Wandel der US-Außen- und Sicherheitspolitik ab 1949/50 Leffler, A Preponderance of Power, S. 266-397; Condit, The Test of War, S. 1 - 4 0 und 223-242. Condit zeigt sehr deutlich, wie lange die Reaktionszeit des US-Budgetierungssystems auf einen Wandel der Außen- und Sicherheitspolitik war. Hogan, A Cross of Iron, S. 265-314. Vgl. auch Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen im »Kalten Krieg«, S. 26; Heuser, NSC 68 and the Soviet Threat. Vgl. Combs, The Compromise that never was; Gaddis, Strategies of Containment. Zum Text des Dokumentes siehe FRUS 1950, Vol. 1, S. 234-292. Fautua, The »Long Pull« Army, betont die durch das NSC 68 verursachte Schwerpunktverlagerung der amerikanischen Militärplanungen von der strategischen Luftstreitmacht zu einem ausgewogenen Streitkräfteaufbau, um den vielseitigen Bedrohungen durch die Sowjetunion begegnen zu können. Kritisch dagegen Johnston, The Construction of NATO's Medium Term Defence Plan.
II. W i r t s c h a f t l i c h e r W i e d e r a u f s t i e g o d e r militärische A u f r ü s t u n g ?
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die US-Politik der Eindämmung gegenüber der Sowjetunion. Jedoch sprach sich Kennan in erster Linie für eine Politik der ökonomischen und politischen Rekonstruktion und Stabilisierung Westeuropas durch das European Recovery Program und für die Gründung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OEEC) aus, die bis 1949/50 von den USA verfolgt wurde und unter anderem radikale innenpolitische Veränderungen in den westeuropäischen Ländern, v.a. in Italien und Frankreich, verhindern sollte71. Paul Nitze, der federführende Autor von NSC 68, wurde Nachfolger Kennans als Direktor des PPS - ein deutliches Signal für eine veränderte Politik des Containment. Die im NSC 68 geforderte konventionelle Aufrüstung der westeuropäischen Staaten wurde von den USA unter der Voraussetzung einer europäischen Selbsthilfe mitfinanziert. Mit dem Beschluß des Kongresses vom Oktober 1949, den Mutual Defense Assistance Pact, der den NATO-Staaten bis 1950 1 Milliarde US-Dollar einbringen sollte, durchzuführen, begann die Schwerpunktverlagerung von der wirtschaftlichen zur militärischen Eindämmungspolitik 72 . Im Mai 1950 versuchte Acheson diese Verlagerung den Bündnispartnern während der NATO-Ratstagung in London verständlich zu machen. Das State Department erarbeitete dazu ein Memorandum über den Aufbau der Verteidigungsfähigkeit des Westens, in dem der militärischen Aufrüstung der gleiche Stellenwert beigemessen wurde wie dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg73. Die westeuropäischen Partner sahen die Dinge ein wenig anders. Die Kriegsgefahr stuften sie weniger bedrohlich ein als ihre amerikanischen Verbündeten, die atomare Schlagkraft des Strategie Air Command beruhigte zudem, und die wirtschaftlichen und politischen Probleme waren greifbarer"4. Die wirtschaftliche Stabilität wurde deshalb, wenn schon offiziell nicht mehr als vorranging, so doch zumindest als eine notwendige Basis der Verteidigungsanstrengungen betrachtet. Der Ausbruch des Koreakrieges verlieh den Schlußfolgerungen Nitzes allerdings an Ί
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Fröhlich, Zwischen selektiver Verteidigung und globaler Eindämmung, S. 2 3 9 - 2 7 2 , bietet einen guten Überblick über die Entstehung des N S C 68 und ordnet diese sogenannte risikomindernde Strategie und die alternative »kostenmindernde« Strategie, wie sie Kennan verfolgte, in eine fast zyklische Strategieentwicklung der USA bis zur Reagan-Administration ein. Siehe Callahan, Dangerous Capabilities; Combs, T h e Compromise that never was. Vgl. auch Leffler, A Preponderance of Power, S. 3 5 5 - 3 6 0 , der das NSC 68 als K o n d n u u m mit militärischer Prägung bewertet. Memorandum (Memo) »Building up the Defensive Strength of the West«, 3.5.1950, I R L S 1950, Vol. 3, S. 8 5 - 9 0 . Darin wird auch der Aufbau von »balanced collective forces« der Vorzug vor »balanced national forces« gegeben. Siehe die Berichte Achesons aus London, FRUS 1950, Vol. 3, S. 1 0 5 - 1 2 2 . I-'ür die teilweise jungen Demokratien waren die wirtschaftlichen und politischen Probleme der Nachkriegszeit durchaus existenzbedrohend. Die zeitgenössische Bedrohungsperzeption mußte daher auch nach innen gerichtet sein, und ihre Ergebnisse konkurrierten naturgemäß mit den außenpolitischen Gefahren. Vgl. Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen im »Kalten Krieg«. Die F^inschätzung der Kriegsgefahr, die in der Literatur häufig als ausschlaggebend für den nachlassenden Verteidigungswillen der westeuropäischen NATO-Partner angeführt wird, verliert unter diesem Gesichtspunkt stark an Gewicht. Osgood z.B., N A T O . The Entangling Alliance, S. 6 4 - 1 0 1 , erwähnt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mißt ihnen aber keine sonderliche Bedeutung im polidschen lintscheidungsprozeß der Regierungen zu.
40
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Gewicht und ließ die US-Regierung die Notwendigkeit erkennen, neben erhöhten Militärhilfen an die NATO-Partner auch die eigenen Leistungen zu verstärken. In den USA begann daraufhin eine dramatische Aufrüstung. Innerhalb eines Jahres konnten die Streitkräfte personell mehr als verdoppelt werden. Waren Mitte 1950 noch zehn Divisionen einsatzbereit, so belief sich die Zahl ein Jahr später bereits auf 18 Divisionen. Im Jahre 1955 waren 20 Divisionen mit insgesamt rund anderthalb Millionen Soldaten aufgestellt und ausgerüstet — im Vergleich zum Personalstand 1950 fast eine Verdreifachung 75 . Der US-Verteidigungshaushalt stieg durch mehrere Zusatzhaushalte im Haushaltsjahr 1951 von 13,3 auf rund 49 Milliarden Dollar an76. Volkswirtschaftlich betrachtet bedeutete diese Anstrengung eine Steigerung des Anteils der Militärausgaben am Bruttosozialprodukt der Vereinigten Staaten von vier bis fünf Prozent in den Jahren 1947 bis 1951 auf rund 16 Prozent im Haushaltsjahr 1952. Der Anteil der Verteidigungsausgaben an den gesamten Staatsausgaben betrug 1953 sogar 60 Prozent 77 . Allerdings war für den Aufbau und den Unterhalt einer so starken Armee auch eine gesunde wirtschaftliche Basis notwendig. Die US-Wirtschaft, seit 1945 in einem mühsamen Ubergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft und seit 1950 durch wachsende Erfolge im Bereich des privaten Konsums auf diesem Kurs bestätigt, zeigte sich dem Ansinnen der Regierung nach erneuter Umstellung auf eine »kriegsähnliche Wirtschaft« gegenüber unwillig 78 . Nicht zuletzt deshalb rief der Präsident im Dezember 1950 den nationalen Notstand aus. Das bereits vorher eingerichtete Office of Defense Mobilization unter Charles E. Wilson versuchte die private Nachfrage durch Kontrollmechanismen zu senken und koordinierte die Rohstoffbewirtschaftung und die Industrieproduktion. »Defense Orders« waren vor allen anderen Aufträgen auszuführen und bedeuteten eine Prioritätenfestlegung der Industrieproduktion. Des weiteren wurde eine nationale Vorratswirtschaft aufgebaut, die bei gleichzeitiger Begrenzung der privaten Lagerhaltung rüstungswichtige Güter und Rohstoffe sammelte. Die damit einhergehende enorme Nachfrage hatte eine Preissteigerung
"5
7(1 77
78
Fautua, The »Long Pull« Army, S. 115. Krst der Korea-Krieg habe dcmnach den Aufrüstungsschub der USA ausgelöst, NSC 68 alleine hätte diesen Wandel nicht bewirken können. Ebd., S. 117. Siehe auch Johnston, The Construction of NATO's Medium Term Defence Plan, S. 99-110. Siehe hierzu und im folgenden Condit, The Test of War, S. 223-260. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der US-Verteidigungsausgaben siehe Cypher, Military Expenditures. Cypher betont die langfristig positiven Auswirkungen der Verteidigungsausgaben v.a. durch die staatlich garantierte Nachfrage nach Rüstungsgütern, die zur Stabilisierung der USWirtschaft in den sechziger und siebziger Jahren beitrug. Der positive Zusammenhang zwischen Militärausgaben und Wirtschaftswachstum wird jedoch von anderen Wirtschaftshistorikern bezweifelt, so von Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 4. Schon früh wies der Vorsitzende des US-Council of Economic Advisers, l^eon H. Keyserling, auf die möglichen negativen Folgen einer Aufrüstung auf die volkswirtschaftliche Entwicklung der USA hin. Memo Keyserling für den NSC, 8.12.1950, FRUS 1950, Vol. 1, S. 427-431. Im selben Monat übergab Keyserling eine Veröffentlichung des CEA, »The Economics of National Defense«, an den Präsidenten mit ähnlichen Warnungen vor einer überstürzten Aufrüstung der USA. Siehe Keyserling, The View from the Council of Economic Advisers.
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
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US-Verteidigungsausgaben 1947 bis 1953 (in Mrd. Dollar) 70
65,0
60
60
-48,3-
50
50
40
40
30
20
70
30
~26;8"
15.9
19,5
20,3
20
10
10
0 47/48
48/49
49/50
50/51
51/52
52/53 © MGFA
Quelle Memo CPD, April 1952, NA, RG 56/E 198, Box 89.
04706-04
auf d e m Weltmarkt etwa für Metalle u n d Mineralien zur F o l g e , die zur weltweiten D o l l a r k n a p p h e i t erheblich beitrug - 9 . D i e g e f o r d e r t e U m s t e l l u n g v o n der Friedens- zur R ü s t u n g s p r o d u k t i o n verlief nicht o h n e Schwierigkeiten. In den U S A k a m es in dieser Zeit des U m b r u c h s zuerst zu F n t l a s s u n g e n in der Stahl- und Automobilindustrie als den beiden hauptsächlich b e t r o f f e n e n Industriezweigen, da sich neben d e m erzwungenen R ü c k g a n g der zivilen P r o d u k t i o n auch n o c h zahlreiche R ü s t u n g s v o r h a b e n verzögerten und damit Leerlauf an den P r o d u k t i o n s b ä n d e r n entstehen ließen. D i e Industriellen b e g a n n e n g e g e n das R ü s t u n g s p r o g r a m m der Regierung S t u r m zu laufen. F i n e durch den Präsidenten angeordnete Verstaatlichung der Stahlindustrie, die per Gericht wieder z u r ü c k g e n o m m e n werden mußte, verdeutlichte die verfahrene Situation im J a h r e 1952 8 ". D e r Rücktritt Charles F . Wilsons markierte schließlich das Scheitern der Regierungspläne. D i e R ü s t u n g s g ü t e r mußten parallel zu den K o n s u m g ü t e r n hergestellt werden. D i e v o n der U S - R e g i e r u n g g e f o r d e r t e Priorisierung der A u f r ü s t u n g z u g u n s t e n der Wirtschaft konnte innenpolitisch nicht durchgesetzt werden. Letztlich blieb der durchschnittlich h o h e Verteidigungsetat der T r u m a n -
lunen knappen und hervorragenden Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung der L'SA in jenen Jahren gibt John W. Snvder, ehemals Secretary o f the Treasury, T h e Treasury and Iiconomic Policy, S. 2 3 - 3 6 . Vgl. auch Pollard, T h e N a t i o n a l Security State reconsidered. Siehe dazu auch die A u s f ü h r u n g e n T r u m a n s , M e m o i r s , S. 4 6 5 - 4 7 8 .
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Ära der einzige, wenn auch gewaltige Beweis der Umsetzung der Empfehlungen des NSC 6881. Außenpolitisch schien die Verlagerung der sicherheitspolitischen Schwerpunktbildung leichter zu erreichen zu sein. Der US-Kongreß sah als eine Möglichkeit die Kürzung der US-Wirtschaftshilfe und die Steigerung der Militärhilfe an Westeuropa, um die eigene Volkswirtschaft zu entlasten und die Westeuropäer zu mehr Verteidigungsanstrengungen zu veranlassen 82 . Die ECA trat diesem Ansinnen mit dem Argument entgegen, daß die bisher durchgeführte Wirtschaftshilfe vor allem in Westeuropa das Fundament für eine Wiederaufrüstung geschaffen habe und die Voraussetzung für eine Erhöhung der Verteidigungsanstrengungen sei. Nur mit der Weiterführung des ERP könne der bestehende Lebensstandard gehalten und damit der Wille zur Verteidigung erhöht werden. Ein Kompromiß unter sicherheitspolitischen Vorzeichen war die Zusammenführung der verschiedenen USAußenhilfe-Programme. Bereits im November 1950 stellte das amerikanische Außenministerium in einem Memorandum über die Außenhilfe fest: »the distinction between aid in support of foreign military effort abroad and aid for economic recovery is largely artificial« 83 . Harry S. Truman schlug deshalb im Mai 1951 dem Kongreß ein Mutual Security Program (MSP) vor, das die laufenden Wirtschaftshilfen mit den erforderlichen Militärhilfe-Programmen verbinden sollte84. Im Oktober wurde der Vorschlag angenommen und statt der ECA die Mutual Security Agency unter W. Avereil Harriman eingerichtet. Im September 1951 stimmte der Kongreß Ausgaben in Höhe von rund 7,5 Milliarden US-Dollar für die gesamte US-Außenhilfe zu, wovon rund 6 Milliarden für Westeuropa vorgesehen waren. Die Ausrüstungs- und Materiallieferungen aus diesem Programm waren beeindruckend. Allein im zweiten Halbjahr 1951 wurden nach Berechnungen des Pentagon rund 7000 Kampffahrzeuge, 30 000 Lastkraftwagen, 10 000 Geschütze, 300 Kriegsschiffe und 1000 Flugzeuge nach Westeuropa geliefert 85 . Im MSP waren alle US-Außenhilfe-Programme zu einem globalen Sicherheitsprogramm mit militäri-
81
82
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Hogan, A Cross of Iron, S. 291-314, verdeutlicht den Kampf um die Ausprägung des »National Security State« zwischen den »Falken«, die den Schwerpunkt in der Außen- und Sicherheitspolitik und im Aufbau eines schlagkräftigen Instrumentariums dafür sahen, und den Gemäßigten, die keinen »Garrison State« entstehen lassen wollten. Truman und später Eisenhower, so Hogan, verfolgten einen Mittelweg, um allen Interessen gerecht zu werden. Dagegen Offner, Another Such Victor)1. Siehe zur Lastenverteilungsdiskussion im amerikanischen Kongreß im Januar 1951, bekannt als »Great Debate«, Kaplan, Λ Community of Interest, S. 149-151. Memo »Legislation for Foreign Aid Programs«, 16.11.1950, FRUS 1950, Vol. 1, S. 407-413. Siehe hierzu Hardach, Der Marshall-Plan, S. 129-134. Vgl. auch Hogan, The Marshall Plan, S. 380-427, und Condit, The Test of War, S. 395-412. Condit, The Test of War, S. 420; Leigh-Phippard, Congress and US Military Aid to Britain, S. 81; Kaplan, Α Community of Interest, S. 173. Allgemein zum Mutual Security Programme siehe Byrne, The United States and Mutual Security; Kretschmar, Auslandshilfe.
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
US-Finanz- und Militärhilfe an die Bündnispartner 1949 bis 1953 (in Mrd. Dollar) 3,5
3,5 3,096
3,0
3,0
2,5
2,5
2,254
2,0
2,0 1,575
1,5
1,5
-1,3581,012
1,0
0,5
1,0
0,5
0,0
0,0 1949
1950
1951
1952
1953 © MGFA 04707-05
Quelle: NATO Press Release, No. 67,15.12.1953, BA-MA, BW 3/183.
schem S c h w e r p u n k t z u s a m m e n g e f ü h r t und v o r d e r g r ü n d i g die wirtschaftliche Stabilität der A u f r ü s t u n g untergeordnet 8 6 . D i e U S - R e g i e r u n g sah nun auch für die N A T O - P a r t n e r die Zeit g e k o m m e n , ebenfalls den S c h w e r p u n k t v o n d e m wirtschaftlichen a u f den militärischen Bereich zu verlagern. I m m e r m e h r setzte sich die A u f f a s s u n g bei amerikanischen Politikern und K o n g r e ß a b g e o r d n e t e n durch, daß g e n ü g e n d Wirtschaftshilfe geleistet w o r d e n sei und m a n v o n den W e s t e u r o p ä e r n einen größeren Beitrag zur militärischen Sicherheit verlangen könne, o h n e damit d e n wirtschaftlichen Wiederaufstieg zu gefährden 8 ". D a b e i w u r d e unter d e m B e g r i f f Verteidigungsbeitrag nicht nur die Aufstellung und der Unterhalt v o n Streitkräften verstanden, s o n d e r n auch die Entwicklung u n d P r o d u k t i o n v o n R ü s t u n g s g ü t e r n . D i e w e s t e u r o p ä i s c h e Rüstungsindustrie lag nach d e m Zweiten Weltkrieg, bis auf wenige A u s n a h m e n , a m B o d e n . D i e T r u m a n - A d m i n i s t r a t i o n verlangte d e n n o c h v o n den w e s t e u r o p ä i s c h e n B ü n d -
Y g l . z u m W a n d e l d e r P r i o r i t ä t e n H o g a n , T h e R i s e a n d Fall o t F c o n o m i c D i p l o m a c y . D i e Ministerien blieben weiterhin für die Verteilung der U S - H i l f e n verantwortlich, u n d der M S Λ blieb nur die
schwierige
Aufgabe
der
Koordination
mit
dem
Schwerpunkt
\X'csteuropa/XAT().
Vgl.
S u m m a r y o f t h e F u n c t i o n s o f M S A O f f i c e s , 3 0 . 1 0 . 1 9 5 2 , Χ Α , R G 4 6 9 , S T 2 1 6 , B o x 6. S i e h e d a z u B o v l e , B r i t a i n , A m e r i c a a n d t h e T r a n s i t i o n f r o m F c o n o m i c to Military V g l . d a z u a u c h d i e detaillierten
Ausführungen
bei W a m p l e r ,
W a m p l e r b e r ü c k s i c h d g t a l l e r d i n g s in s e i n e m W e r k N A T O - S t a a t e n ü b e r h a u p t nicht.
Ambiguous
Assistance.
L e g a c y , S. 5 2 - 1 1 8 .
Frankreich nur b e d i n g t und die
kleineren
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
nispartnern, »to increase and expedite its production of military equipment as much as its financial and economic situation will permit« 88 . Dabei konnten die angesprochenen Staaten bereits auf eine Verdoppelung ihrer Rüstungsproduktion seit 1949 von jährlich rund 700 Millionen auf etwa 1,5 Milliarden Dollar zurückblicken. Doch das amerikanische Außenministerium sah die Notwendigkeit einer weiteren Verdoppelung, um im Verbund mit der eigenen Rüstungsproduktion genügend Militärmaterial und Ausrüstung für den raschen Streitkräfteaufbau der NATO garantieren zu können. Nicht zuletzt aufgrund dieser Forderungen sahen sich die Bündnispartner gezwungen, den Schwerpunkt der Außen- und Sicherheitspolitik auf die Verteidigungsanstrengungen zu legen. Bereits während der vierten Atlantikrat-Sitzung im Mai 1950 in London wurde eine Resolution verabschiedet, welche die Gleichstellung der wirtschaftlichen Stabilität mit der militärischen Aufrüstung festlegte, auch wenn der Gesamttenor eine gesunde wirtschaftliche Basis als Grundvoraussetzung für mehr Verteidigungsanstrengungen unterstrich 89 . In Anbetracht dieses langsamen Wandels innerhalb der NATO baten die Vereinigten Staaten in einem Memorandum ihres Außenministers an alle NATO-Staaten im Juli 1950 um Informationen über die möglichen Eigenleistungen, um ihre Verteidigungsanstrengungen nach dem Ausbruch des Koreakrieges zu verstärken, und darüber, welche zusätzlichen Rüstungsprogramme mit US-Hilfe aufgelegt werden könnten 90 . In bilateralen Gesprächen und im diplomatischen Notenaustausch reagierten die Westeuropäer darauf eher zurückhaltend. Nach amerikanischer Einschätzung waren die Stellungnahmen der westeuropäischen Partner enttäuschend und unangemessen. Die vorgeschlagenen Erhöhungen der Verteidigungsausgaben hätten nur eine Gesamtsteigerung der gemeinsamen Verteidigungsausgaben von 16 Prozent erzielt, und kaum ein Staat, außer Großbritannien und Frankreich, erreichte einen zehnprozentigen Anteil der Verteidigungsausgaben am jeweiligen Bruttosozialprodukt. Insgesamt, so schlossen die zuständigen Bearbeiter der US-Außen- und Verteidigungsministerien und der Verwaltung für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (ECA), würden die Westeuropäer zu wenig für die gemeinsame Verteidigung leisten91. Hatten die Experten des Pentagon eine finanzielle Erhöhung der Militäraus88
89
'•»
91
Extracts from a Briefing-Book for Eisenhower, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 1 - 6 , hier S. 2, zu den Rüstungsproduktionszahlen siehe S. 3. Resolution 4/3, 25.5.1950, NISCA 7/6/1. Noch zu Beginn des Jahres 1951 bescheinigte das State Department den Bündnispartnern eine mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit einer forcierten Aufrüstung. Dafür wurden die geringer eingeschätzte Bedrohung durch den Koreakrieg, innenpolitische Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Aufrüstung und das Warten auf weitere US-Außenhilfe verantwortlich gemacht. Siehe Briefing-Book, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 1 - 6 , hier S. 5. Telegr. Acheson, 22.7.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 138-141. Vorbereitet wurde dieses Telegr. durch eine interministerielle Arbeitsgruppe einige Tage vorher in Washington, die die Forderung nach mehr Eigenleistung der Westeuropäer festschrieb. Zu den Teilnehmern zählten Paul Nitze, Lyman L. Lemnitzer und William C. Foster. Siehe Memo of meeting, 19.7.1950, LC, Harriman Papers, Box 278. Memo FMACCD-15/1 »Appraisal of European Offers of Increased Defence Expenditures«, 18.8.1950, NA, RG 330/44, Box 2. Das Foreign Military Assistant Coordinating Committee war
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
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NATO-Verteidigungsausgaben 1949 bis 1954 im Vergleich (in Mrd. Dollar)
© MGFA
Quelle: NATO M2 (57) t, 19.12.1957, BA-MA, BW 3/183.
04708-04
g a b e n v o n rund 10 bis 12 Milliarden D o l l a r ausgerechnet, so s u m m i e r t e n sich die A n g e b o t e einer freiwilligen E r h ö h u n g der W e s t e u r o p ä e r g e r a d e einmal auf 3,5 Milliarden, d.h. rund 1 Milliarde w e n i g e r als die geplante zusätzliche US-Militärhilfe für 1951 9 2 . Die Vereinigten Staaten g a b e n sich mit d e m Verhalten ihrer N A T O Partner nicht z u f r i e d e n u n d v e r s u c h t e n mittels einer Ü b e r p r ü f u n g der g e l t e n d e n M i l i t ä r p l a n u n g e n der N A T O , die b e s t e h e n d e n L ü c k e n detailliert n a c h z u w e i s e n und damit den W e s t e u r o p ä e r n die z w i n g e n d e N o t w e n d i g k e i t für g r ö ß e r e Verteidig u n g s a n s t r e n g u n g e n v o r A u g e n zu führen. b. Die Entwicklung der N A T O v o m »Papiertiger« zum verteidigungsfähigen Bündnis D e r S t r e i t k r ä f t e a u f b a u des W e s t e n s v o l l z o g sich z u m größten Teil im R a h m e n der N o r d a t l a n t i s c h e n Allianz mit d e m Ziel, die V e r t e i d i g u n g s f ä h i g k e i t W e s t e u r o p a s ein i n t e r m i n i s t e r i e l l e s G r e m i u m , b e s t e h e n d teidigungsministeriums und der Verwaltung a r b e i t e t e m i n i s t e r i u m s ü b e r g r e i f e n d e 1-'ragen T e s t o f W ar, S. 3 9 6 f. S i e h e W ' a m p l e r , A m b i g u o u s L e g a c v , S. 59; R u l e s , S. 39.
aus Vertretern des l'S-Außenministeriums, des Verf ü r W i r t s c h a f t l i c h e Z u s a m m e n a r b e i t ( M C A ) , u n d beund Probleme der US-Militärhilfe. Siehe Oondit, T h e C o n d i t , T h e T e s t o f W a r , S. 3 1 5 ; D u f f i c l d , P o w e r
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
herzustellen. Der Streitkräfteaufbau der NATO war jedoch eingebunden in die zivile und militärische Organisation des Bündnisses; seine Grenzen wurden von den militärstrategischen Planungen der NATO bestimmt. Die Entwicklung der NATO von April 1949 bis Ende 1954 läßt sich grob in zwei Phasen einteilen: die Gründungs- und die Ausbauphase. Dabei werden in der umfangreichen Literatur über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte durchaus weitere Unterteilungen vorgenommen, jedoch läßt sich allein aus organisatorischen und strategischen Gesichtspunkten innerhalb der Allianz ein Wandel in der Zeit von 1952 bis 1954 feststellen 93 . In diesen Jahren veränderte die Allianz ihr Antlitz grundlegend. Waren die Jahre davor von organisatorischen Änderungen und Erweiterungen geprägt, so wurde mit der Tagung des Nordadantikrates in Lissabon im Jahre 1952 eine funktionsfähige und langfristige Organisationsstruktur festgelegt, die eine stabile Ausbauphase garantierte. Im strategischen Bereich standen vor 1952/53 die konventionelle Verteidigungsfähigkeit und die atomare Abschreckung durch die strategischen Luftstreitkräfte der USA im Vordergrund. Danach legte sich die Allianz langfristig auf die atomare Abschreckung und die massive Vergeltung fest. Für diese ersten fünf Jahre läßt sich zwar keine konsequente Umsetzung der Artikel des Nordadantik-Vertrages feststellen, jedoch wurden organisatorische Strukturen, schlagkräftige Verbände und nicht zuletzt politische Konsultationsmechanismen geschaffen, welche die Nordatlantische Allianz von einem sicherheitspolitischen Signal zu einem funktionierenden Bündnis werden ließen. Äußerliches Kennzeichen dieser Entwicklung war der Wandel der offiziellen Bezeichnung von »N.A.T.« für Bündnisangelegenheiten zu »N.A.T.O.« für Belange der »Nordadantischen Vertragsorganisation« in der Aktenführung der meisten Mitgliedstaaten 94 . Die Gründungsphase:
»All SHAPE, no arms«95
A m 4. April 1949 unterzeichneten in Washington neben den USA und Kanada zehn westeuropäische Staaten — Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Italien, Großbritannien, Portugal, Island, Dänemark und Norwegen — den Nordatlantikvertrag 96 . Nachdem die Vereinigten Staaten von Amerika von dem Willen der westeuropäischen Kernstaaten zur Selbstverteidigung durch den Abschluß des Brüsseler Vertrages im März 1948 überzeugt worden waren, konnte eine amerikanische militärische Bindung auf dem Kontinent innenpolitisch diskutiert und 93
94
95
96
Eine Dreiteilung der ersten fünf Jahre bei Ismay, ΝΛΤΟ. The First Five Years, S. 2 3 - 4 8 , die bei näherer Betrachtung ebenfalls eine Zweiteilung mit dem Einschnitt der Ratstagung in Lissabon 1952 ist. Auch die drei Kapitel der Geschichte der NATO von Robert E. Osgood lassen eine Zweiteilung in eine konventionelle und eine atomare Phase der Entwicklung des Bündnisses erkennen. Siehe Osgood, NATO. The Entangling Alliance, S. 146. Eine Zweiteilung bis 1958 nimmt auch Lawrence S. Kaplan in seinem Werk NATO and the United States vor. Zur Bedeutung dieses Buchstabens siehe auch Pedlow, Putting the >0< to NATO. Vgl. auch Kaplan, The Long Entanglement. Die NATO wurde in den Anfangsjahren intern mit der Venus von Milo verglichen: »All SHAPE, no arms.« Zur Gründungsphase umfassend Gersdorff, Die Gründung der NATO.
II. W i r t s c h a f t l i c h e r W i e d e r a u f s t i e g o d e r militärische A u f r ü s t u n g ?
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schließlich nach der sogenannten Vandenberg-Deklaration, die am 2. Juli 1948 als Resolution von Präsident Truman angenommen wurde, außenpolitisch durchgesetzt werden 97 . Die bereits wenige Tage nach Verabschiedung des Brüsseler Paktes begonnenen Geheimverhandlungen zur Gründung einer Adantischen Allianz zwischen den USA, Kanada und Großbritannien führten zur ersten offiziellen Vorstellung der Idee durch den kanadischen Premierminister Louis St. Laurent im kanadischen Unterhaus im April 1948. Von Juli 1948 bis März 1949 fanden dann Verhandlungen zwischen den drei erstgenannten Staaten und den Mitgliedstaaten des Brüsseler Paktes statt. Nachdem der Vertragstext über ein politisches Bündnis ausgehandelt worden war, wurden Portugal, Italien, Dänemark, Norwegen und Island zur Teilnahme an den Vertragsverhandlungen eingeladen. Wenige Wochen später kam es zu einer wegweisenden Zusammenkunft von Regierungsvertretern der zukünftigen NATO-Staaten sowie dem amerikanischen Präsidenten, US-Außenminister Acheson und USVerteidigungsminister Louis A. Johnson im Weißen Haus 98 . Die Amerikaner unterbreiteten an diesem Abend allen Gästen ihre Forderungen für die kommenden Jahre, um erfolgreich eine gemeinsame Verteidigung aufbauen zu können. Truman verlangte die Aufgabe traditioneller nationaler Interessen und die engere Zusammenarbeit in den Bereichen Kolonial-, Verteidigungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Deutschland- und Europapolitik. Johnson erläuterte den Bereich der gemeinsamen Verteidigungspolitik und erklärte, daß die notwendige Aufrüstung Westeuropas nicht ohne Einschränkungen des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs durchzuführen sei. Diese Aussage stieß naturgemäß auf Kritik der westeuropäischen Regierungsvertreter. Vor allem der britische Außenminister Bevin und sein französischer Amtskollege Robert Schuman wiesen auf die sicherheitspolitische Wirkung einer gesunden wirtschaftlichen Basis hin. Der Zusammenhang zwischen militärischer Aufrüstung und US-Außenhilfe war schnell hergestellt. Ebenso schnell konterte Acheson allerdings mit dem deutlichen Hinweis, daß der US-Kongreß von den Westeuropäern Taten sehen wolle, um weitere Hilfen zu genehmigen 99 . Der belgische Außenminister Paul-Henri Spaak faßte die amerikanischen Vorstellungen zu einer Umsetzung des Nordatlantik-Vertrages zusammen, dankte für die offenen Worte und versprach, daß die westeuropäischen NATO-Partner sicherlich darüber nachdenken würden. Der Spannungsbogen zwischen militärischer Aufrüstung und wirtschaftlichem Wiederaufstieg zeichnete sich also bereits vor der Gründung der Allianz deutlich ab. Ob die zukünftigen Bündnispartner Lehren aus dem Gespräch zogen, war angesichts der zögerlichen Reaktion der
Zum Brüsseler Vertrag Krieger, Gründung und Fintwicklung des Brüsseler Paktes. Siehe auch den kurzen Uberblick über die Entstehungsgeschichte der N A T O von Wovkc, Gründung und Entwicklung der N A T O 1 9 4 8 - 1 9 5 0 . Siehe hierzu und im folgenden Wiebes/Zeeman, Eine Lehrstunde in Machtpolitik. Diese Dokumentation einer Gesprächsaufzeichnung v o m 3.4.1949 verdeutlicht die Probleme der Umsetzung des Nordatlantik-Yertragcs, die bereits vor Unterzeichnung des Vertragswerkes bekannt waren. In den folgenden fünf Jahren sollte sich allerdings zeigen, daß die Lehrstunde keine einseitige »Belehrung« im Sinne der Autoren war. Allgemein zum schwierigen innenpolitischen Verfahren um die US-Außenhilfe siehe Lindsav, Congress and the Politics of U.S. Foreign Policv.
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Westeuropäer allerdings mehr als fraglich. Zumindest fand am nächsten Tag die Unterzeichnung des Adantikvertrages in Washington durch die Vertreter der zwölf Mitgliedstaaten statt. Neben Dirk Stikker schrieb auch Lester Β. Pearson in seinen Erinnerungen über diesen Tag, daß das in der Constitution Hall in Washington stattfindende Zeremoniell musikalisch von einer Militärkapelle der US-Marines umrahmt wurde, die bezeichnenderweise das Stück »I've got Plenty of Nothin'« aus »Porgy and Bess« zuerst spielte und damit unbewußt die Lage des Bündnisses preisgab100. Diesen Eindruck bestätigte auch der erste französische Botschafter bei der NATO, Herve Alphand, der in seinen Erinnerungen über die erste Sitzung des Adantikrates auf der Ebene der stellvertretenden Außenminister im Juli 1950 in London anmerkte: »Es war noch nichts getan: es gab keinen Plan für eine gemeinsame Streitmacht, kein Programm für die Finanzierung ihrer Bewaffnung, keine Vorgabe für ihre Zusammensetzung, ihre Führung, keine Vereinbarung über die Produktion, die Bekämpfung der Inflation, die daraus resultieren könnte, keine Fesdegung für die gemeinsam zu verfolgende Politik in allen Bereichen: Diplomatie, Verteidigung, Strategie, Finanzwesen, Industrie, Wirtschaft 101 .«
Diese Einschätzung der organisatorischen und militärischen Mängel des neuen Bündnisses ein Jahr nach der Unterzeichnung des Nordatlantik-Vertrages war kaum verwunderlich, zu sehr fehlte es an einer koordinierten Zusammenarbeit der militärischen und zivilen Gremien. Doch das Gewicht des eben geschaffenen Bündnisses war so schlecht nicht, sieht man einmal von den harten Fakten völlig unzureichender einsatzbereiter Truppen in Westeuropa und der mangelnden Organisationsstruktur der NATO in den Jahren 1949 und 1950 ab102. Immerhin gelang es den USA mittels des Nordatlantik-Vertrages und zusätzlicher bilateraler Abkommen mit den NATO-Partnern, ihr Stützpunktsystem in Westeuropa erheblich auszubauen. Als Beispiele seien nur die portugiesischen Azoren oder das zu Dänemark gehörende Grönland genannt 103 . Diese Stützpunkte waren zur damaligen Zeit notwendig, um mit den strategischen Bomberverbänden im Verteidigungsfall atomare Kampfmittel einsetzen zu können, und ergänzten die bereits vor allem in Großbritannien bestehenden Stützpunkte 104 . Auch die militärisch nutzbaren Häfen 100 101
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Stikker, Bausteine für eine neue Welt, S. 321; Pearson, Mike, S. 37. Alphand, L'etonnement d'etre, S. 218 f. Interessant ist die umfassende Betrachtungsweise Alphands und die Andeutung der zahlreichen Probleme bei einer Aufstellung von Streitkräften im atlantischen Rahmen. Im Gegensatz zur Sowjetunion rüsteten die meisten Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges massiv ab. So waren etwa im Jahre 1947 nur noch rund 1,5 Millionen von vormals 12 Millionen Amerikanern unter Waffen, die Verteidigungsausgaben erreichten in jenem Jahr mit rund 10 Milliarden Dollar einen Tiefstpunkt. Siehe Pollard, The National Security State Reconsidered. Der amerikanische Verteidigungshaushalt blieb bis nach Beginn des Korea-Krieges mit durchschnittlich rund 14 Milliarden Dollar pro Jahr niedrig, das US-Heer wurde noch 1949 reduziert. Zum Verteidigungsabkommen zwischen Portugal und den USA von 1951 siehe Grollen, Portugal. Bereits 1955 verfügten die USA über rund 450 Stützpunkte in 36 Staaten der Welt, mit 26 Staaten hatten die USA politische und/oder militärische Bündnisse abgeschlossen. Bohlen, Witness to History, S. 303. Die von Kennan bezeichneten »stepping stone countries« waren Norwegen, Dänemark, Portugal und Island. Siehe Memo of the 13th meeting of the Working Group Partici-
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der Mitgliedstaaten für eine mögliche Nachschubverbindung oder die strategisch günstige Lage etwa Norwegens zur Installierung von Radar- und Fernmeldeanlagen nahe der Hauptseeverbindungen der sowjetischen Marine begünstigten die Ausgangslage für die westliche Verteidigung 105 . Das größte nutzbare Potential lag allerdings in den volkswirtschaftlichen Voraussetzungen, welche die Gemeinschaft der zwölf Bündnispartner mitbrachten 106 . Ein Vergleich der Bevölkerungszahlen, der Rohstoffaufkommen, der Produktionskapazitäten und des Technologie- und Wissenschaftsstandards zeigte bereits in den Anfangsjahren die Überlegenheit der Allianz. Allerdings waren sich die Mitglieder des Militärausschusses der NATO früh im klaren darüber, daß das westliche System größere Schwierigkeiten bei der militärischen Nutzung dieser überlegenen Ressourcen haben würde als die Sowjetunion und ihre Satelliten10"7. Diese aus militärischer Sicht gesehene »Systemschwäche« sollte erheblich zur Verschärfung des Gegensatzes zwischen der Aufrüstung und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau zu Beginn der fünfziger Jahre beitragen; sie war im Grunde genommen das Hauptproblem einer gerechten Lastenteilung. Schließlich war die schon vor dem Vertragsabschluß geplante Militärhilfe der USA an Staaten Westeuropas zur Unterstützung der westeuropäischen Selbstverteidigung eine willkommene Gabe, mit der sich nach der Gründung der NATO rechnen ließ108. Zuerst neben den, dann als Substitution für die Marshall-Plan-Hilfen sollten diese finanziellen und materiellen Zuwendungen in den folgenden Jahren eine bedeutende Rolle für die verschiedenen Lastenteilungsprojekte der NATO spielen. Der Nordatlantikrat als oberstes Gremium mit den Außenministern der zwölf Mitgliedstaaten tagte zum ersten Mal im September 1949 in Washington unter dem Vorsitz Dean Achesons. Er richtete zur Ausarbeitung koordinierter Verteidigungspläne gemäß Artikel 3 des Vertrages einen aus den Verteidigungsministern der Mitgliedstaaten bestehenden Verteidigungsausschuß (Defence Council, DC) ein, der wiederum von den Generalstabschefs der Bündnisstaaten, dem Militärausschuß (Military Council, MC), unterstützt wurde. Auf der Tagesordnung der zweiten Sitzung im November 1949 in Washington stand die Lösung der Probleme, die durch pating in the Washington Kxploratory Talks on Security, 2.9.1948, FRUS 1948, Vol. 3, Part 1, S. 2 2 6 - 2 2 8 , hier S. 227. ιπ.ΐ l-'raye, Denmark, Norway and Iceland. Outline Report of the NSC 135 Furopean Working Group, 2.1.1953, LC, Harriman Papers, Box 334. In dieser Analyse der Bedeutung 1 Europas sowohl für die L'SA als auch für die Sowjetunion werden v.a. die yolkswirtschaftlichen Voraussetzungen Westeuropas herausgestellt. Demnach wäre der Verlust Westeuropas »a major catastrophe to U.S. security interests« gewesen (S. 16). " r Siehe Memo »Relative Strength and Capabilities of N A T O and Soviet Bloc Forces«, |P (52) 9 (Final), 18.1.1952, PRO, D F F F 4 / 5 1 , oder MC 33, 10.11.1951, PRO, PRKM 11/369, über den Vergleich der Kräfte und Möglichkeiten der N A T O und des Ostblocks. Diese volkswirtschaftlichen Überlegungen beeinflußten bereits seit 1949 stark die Sicherheitspolitik der L'SA. Siehe Memo Thorp an den Außenminister, 5.4.1950, FRL'S 1950, Vol. 1, S. 218 f. Thorp weist auf die volkswirtschaftliche Überlegenheit der USA und der NATO-Partner hm, welche die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion entscheiden würden. Vgl. auch Pollard, Jxonomic Security, S. 23 7 . " " Zur Entstehung und Durchführung der US-Militärhilfc nach 1945 siehe Kaplan, A Community of Interests; Byrne, The United States and Mutual Security; Pach, Arming the Free World.
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die Kosten der Verteidigungsbemühungen entstanden. Die im Artikel 2 festgeschriebene wirtschaftliche Zusammenarbeit sollte durch einen Wirtschaftlichen und Finanziellen Verteidigungsausschuß (Defence Financial and Economic Committee, DFEC) mit den Finanzministem der jeweiligen Staaten realisiert werden. Dieser hatte die allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Richtlinien für die Verteidigungsprogramme auszuarbeiten und die dafür verfügbaren Ressourcen der Mitgliedstaaten festzustellen. Der Ausschuß arbeitete wie jener für Verteidigung direkt für den Nordatlantikrat, was die Dominanz der Außenminister in den ersten zwei Jahren der Zusammenarbeit im Bündnis unterstrich. Ein in London etablierter ständiger Arbeitsstab vertrat die Finanzminister während deren Abwesenheit und analysierte die nationalen Verteidigungshaushalte der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Auswirkungen der Aufrüstung auf die jeweilige Volkswirtschaft 109 . Diese wirtschaftliche Organisationsleiste wurde um ein rüstungswirtschaftliches Gremium, den Militärischen Produktionsausschuß (Military Production and Supply Board, MPSB), ergänzt. Rüstungsexperten überprüften in neun »Task Forces« alle Produktionsbereiche und -anlagen der Bündnisstaaten und erarbeiteten Empfehlungen für eine Koordinierung und Verbesserung der Rüstungsproduktion sowie der Rohstoffergänzung für Rüstungsprojekte 110 . Ein erstes Ergebnis war das High Priority Production Program (HPPP), aufgelegt im August 1950, um die Produktionsengpässe vor allem im Bereich der Herstellung von Kampfflugzeugen und Panzern zu überwinden. Diese erste Organisationsstruktur erinnerte, wie bereits erwähnt, stark an die des Brüsseler Paktes. Selbst die Bezeichnungen der einzelnen Ausschüsse wurden übernommen, denn bereits 1948 gab es neben dem Military Committee ein Financial and Economic Committee oder ein Military Supply Board. Die Überprüfung der Streitkräfteplanungen der Militärs durch Wirtschaftsund Finanzexperten war ebenfalls bereits angedacht und durch die Einrichtung entsprechender Ausschüsse vorbereitet. Wird jedoch dabei berücksichtigt, daß fünf von zwölf Gründungsmitgliedern der NATO auch die Western Union bildeten und sich seit März 1948 mit ähnlichen Fragen der Aufrüstung und deren Auswirkungen befaßten, so scheint es nur folgerichtig, daß an Bewährtem festgehalten und dies auf die neue Organisation übertragen wurde 111 .
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Ismay, NATO. The First Five Years, S. 2 5 - 3 0 . Zur zivilen Entwicklung der NATO-Organisation vgl. auch Jordan, The NATO International Staff/Secretariat. Die Hauptaufgabe des DFEC bestand darin, »to advise the Council on the financial and economic apects of measures for the defence of the North Atlantic area.« Text des White Papers der NAT, Januar 1950, PRO, Τ 225/84. In der Praxis bedeutete dies das Auffinden von finanziellen und wirtschaftlichen Ressourcen der Mitgliedstaaten für die gemeinsame Verteidigung. Zur Rüstungsproduktion siehe Megens, Problems of Military Production Co-ordination. Vgl. auch Hartley, NATO Arms Co-operation. Memos »Western Union Defence Supply«, ER (L) (48) 194, 24.11.1948, PRO, Τ 229/702, und »Western Union Defence Requirements and the Costs«, COS (50) 97, 24.3.1950, PRO, DEFE 5/20.
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Die NATO 1950
Quelle: NATO Committee Structure, June 19S0, PRO, Τ 225/84.
: © MGFA
04709-05
Eine für das Bündnis entscheidende Verbesserung war die Einrichtung der Ratsstellvertreter, die ab Mai 1950 ständig in L o n d o n tagten. Wie die Erinnerungen von Herve Alphand verdeutlichen, machten die großen Schwierigkeiten in der Z u s a m m e n a r b e i t der militärischen und der zivilen - hier der wirtschaftlichen Ausschüsse ein solches koordinierendes G r e m i u m notwendig. V o r allem die D u r c h f ü h r u n g der Verteidigungsplanungen war v o n der nicht abgestimmten Arbeit der Ausschüsse betroffen, da die militärische Seite z u s a m m e n mit d e m Rüstungsproduktionsausschuß u m finanzielle Richtlinien bat, während die zivilen G r e m i e n nach Ausrüstungsforderungen und deren Kosten verlangten, u m einen finanziellen R a h m e n berechnen zu können 1 1 2 . Die ständigen Vertreter der Außenminister bei der N A T O garantierten eine kontinuierliche politische Arbeit und die Koordination der verschiedenen Gremien 1 1 3 . Eine weitere N e u e r u n g u n d ein Hinweis auf die wachsende Verflechtung der Sicherheitspolitik mit anderen Politikfeldern war die E i n b i n d u n g der Wirtschafts- und Finanzminister seit der Nordatlantikratstagung
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Siehe zu dieser P r o b l e m a t i k einen v o r l ä u f i g e n g e m e i n s a m e n Bericht des L'S-Yertcidigungs- u n d A u ß e n m i n i s t e r i u m s ü b e r die U m s e t z u n g des Ν o r d a t l a n t i k - V e r t r a g e s , 2~.4.1950, I R L S 1950. Vol. 3, S. ~ 2 - ~ 5 . Vgl. a u c h | o r d a n , T h e N A T O I n t e r n a t i o n a l S t a f f / S e c r e t a r i a t , S. 1 9 - 3 2 . Allerdings kritisierte M o n t g o m e r v die B e s e t z u n g dieser w i c h t i g e n P o s t e n mit » M ä n n e r n aus der zweiten Reihe«, die eine 1 uhrungsrolle dieses G r e m i u m s nicht d u r c h s e t z e n k o n n t e n . Siehe H a m i l t o n , M o n t y . T h e 1-ield-Marshal, S. ~T>8 f.
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im September 1951114. Diese Tagung kann auch als Wegmarke der Allian2 gewertet werden, die deutlich auf den Schwerpunkt der Wirtschaftlichkeit innerhalb des Bündnisses hinwies. Denn mit der Entscheidung der Ratsstellvertreter vom Mai 1951, die Verteidigungs-, Wirtschafts- und Finanzminister in den Nordadantikrat aufzunehmen und diesen Gesamtrat zum einzigen Organ auf Ministerebene werden zu lassen, war auf politischer Ebene das nachvollzogen, was auf militärischer Ebene die Ernennung Dwight D. Eisenhowers zum Obersten Alliierten Befehlshaber Europa (SACEUR) und die Einrichtung des NATO-Hauptquartiers bedeutete: eine einheitliche Führung. Allerdings fehlte es an einer dem Weltkriegshelden vergleichbaren politischen Führungspersönlichkeit, die dem Atlantikrat ständig vorsaß 115 . Zumindest gelang es aber durch diese organisatorischen Veränderungen, die bisherige Hierarchie unter den Ministerausschüssen (Außen-, Verteidigungs-, dann erst Finanzminister) zu beseitigen, die den politischen Entscheidungsprozessen innerhalb der Mitgliedstaaten überhaupt nicht gerecht geworden war. Auch die Rats Stellvertreter erlangten damit größere Bedeutung, denn sie waren von da an mehr als nur Vertreter der Außenminister, sie vertraten nunmehr die Regierungen der Mitgliedstaaten. Ein kleines internationales Sekretariat unterstützte die Arbeit der Ratsstellvertreter und ihres Vorsitzenden Charles M. Spofford. Wie ernst die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme des Streitkräfteaufbaus innerhalb der NATO genommen wurden, zeigt sich in der Einrichtung des Wirtschafts- und Finanzbüros (Financial and Economic Board, FEB) im Mai 1951, welches sich auf einen amerikanischen Vorschlag zurückführen läßt. Dabei betonte der NATOVertreter der USA im März 1951, daß eine Maximierung der Verteidigungsbemühungen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer gesunden wirtschaftlichen Basis der Mitgliedstaaten oberstes Ziel des Bündnisses sein müsse 116 . Das FEB setzte sich aus nationalen Vertretern der NATO-Staaten zusammen, die zumeist gleichzeitig die Wirtschaftsexperten dieser Staaten in der OEEC waren. Der Militärische Produktionsausschuß wurde indes im Dezember 1950 durch ein ständiges Büro für Rüstungsproduktion (Defence Production Board, DPB) in London mit erhöhten Vollmachten abgelöst. Dieses sollte die für den Mittelfristigen Verteidigungsplan (MTDP) anfallenden materiellen Anforderungen bearbeiten und die dafür notwendigen Rüstungsproduktionsprogramme der Mitgliedstaaten 114
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Der innerhalb der NATO als »Canadian Proposal« bekannte Vorschlag, alle Minister, die mit den Belangen der Sicherheit des Westens betraut waren, zusammenarbeiten zu lassen, zeigt die frühe Erkenntnis der Bündnispartner, sich auf den umfassenden Sicherheitsbegriff der USA einlassen zu müssen, um mit den anfallenden Problemen der Verteidigungsbeiträge fertig zu werden. Memo ISAC, 21.5.1951, über die Organisation der NATO, NA, RG 469, ST 60, Box 1. Der kanadische Vorschlag vom November 1950 führte zur Zusammenlegung der verschiedenen Ministerausschüsse unter einen einheitlichen Nordatlantikrat. Siehe Memo Pearson »North Atlantic Reorganisation«, 17.11.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 461-464. Zu den organisatorischen Änderungen siehe Communique Issued bv the Chairman of the North Atlantic Council Deputies, 5.5.1951, FRUS 1951, Vol. 3, P a r t i , S. 156-159. Siehe Memo »Establishment of a ΝΑΤΟ-ΙΈΒ«, 15.3.1951, NATO, NISCA, 4/1/4. Dabei muß allerdings der Schwerpunkt berücksichtigt werden, den die Amerikaner eindeutig der Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft beimaßen.
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Die NATO Ende 1951 Nordatlantikrat
Ratsstellvertreter Internationaler Stab
Quelle: NATO W o Service, 10.1t.t851. BA-MA, BW 3/183.
© MGFA
04710-03
koordinieren. Das D P B verdeutlicht den Einfluß der USA auf die Gestaltung der Allianzstrukturen, da es ein Äquivalent des amerikanischen O f f i c e of D e f e n c e Mobilization unter Charles F . Wilson war, welches in den Vereinigten Staaten die R o h s t o f f b e w i r t s c h a f t u n g koordinierte und die Rüstungsproduktion mit der Industrieproduktion abstimmte"". Auch die personelle F ü h r u n g durch einen amerikanischen Wirtschaftskapitän, William R. Herod, unterstreicht dies. Die ständigen Bündnisgremien w u r d e n durch zahlreiche zeitlich befristete Arbeitsgruppen oder Komitees unterstützt, eingerichtet von den Ratsstelh'ertretern für die Lösung bestimmter Probleme. N o c h stärker als im zivilen setzten sich die USA im militärischen Bereich durch. W ä h r e n d der ersten Ratstagung in Washington wurde die grundlegende militärische Organisationsform des Bündnisses festgelegt. D e r Militärausschuß (Militarv C o m mittee, MC]) in L o n d o n setzte sich aus elf Stabschefs der Mitgliedstaaten und einem Diplomaten aus Island z u s a m m e n und arbeitete d e m Yerteidigungsausschuß in Fragen der strategischen Planungen zu. D e r Militärausschuß k o n n t e dabei auf die Ständige G r u p p e (SG), die aus \ ' e r t r e t e r n der l ' S A , Großbritanniens und Frankreichs bestand, zurückgreifen. Die Ständige G r u p p e tagte in Washington und war wegen ihrer strategischoperativen Planungsaufgaben im Pentagon untergebracht. O b w o h l formell unterhalb des Militarv Committee angesiedelt, entwickelte sie aufgrund ihrer Exklusivität G m e i n , T h e Test of War, S. 342.
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und Nähe zu den Joint Chiefs of Staff eine gewisse Unabhängigkeit von den Bündnisgremien in Westeuropa. Um aber die Belange der Militärs aller Bündnispartner berücksichtigen zu können, wurde nach einem Vorschlag des niederländischen Generals Hendrik Johan Kruls und des kanadischen Generals Charles Foulkes im Dezember 1950 das Military Representative Committee (MRC) in Washington eingesetzt. Diesem Ausschuß aus nationalen Verbindungsoffizieren war die Ständige Gruppe bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1966 formell unterstellt118. Fünf Regionale Planungsgruppen — eine gemeinsame Kommandostruktur fehlte noch — waren mit der Ausarbeitung und Durchführung der Verteidigungsmaßnahmen betreut119. Einen qualitativen Sprung im militärischen Bereich vollzog die Allianz im Herbst 1950, nachdem die Kampfhandlungen in Korea zur Planung einer massiven Aufrüstung auch innerhalb der NATO geführt hatten. Die Ratstagung im September 1950 beschloß die Grundlagen für den Aufbau einer integrierten Streitmacht unter einem einheitlichen Oberbefehl. Die USA boten dafür vier in Westeuropa stationierte Divisionen an und stellten im Dezember General Eisenhower als Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte zur Verfügung 120 . Damit fielen auch die drei Regionalen Planungsgruppen für das Europäische Operationsgebiet weg. Die restlichen Planungsgruppen wurden mit den Jahren ebenfalls aufgelöst und durch Kommandobereiche mit einem NATO-Oberbefehlshaber ersetzt. Allerdings verhinderten nationale Interessen, alte Rivalitäten und nicht zuletzt persönliche Animositäten zwischen ranghohen Militärs eine militärisch sinnvolle Lösung. Die Einrichtung des Obersten Alliierten Befehlshabers Adantik (SACLANT) und des Oberbefehlshabers Alliierte Streitkräfte Europa Süd (CINCSOUTH) sind Beispiele solcher internen Konflikte. Hart erkämpfte Bündniskompromisse, die in erster Linie dem politischen Frieden innerhalb der Allianz geschuldet waren, brachten bis 1954 eine Kommandostruktur hervor, die in vielen Fällen erst durch das persönliche Engagement der Inhaber dieser Dienstposten funktionstüchtig wurde 121 . Eine ausgewogene kollektive Streitmacht war dagegen vorrangiges Ziel der NATOPlanungen. Das bisherige Konzept der ausgewogenen nationalen Streitkräfte hatte sich damit erübrigt, wenn auch auf nationale Eigenheiten Rücksicht genommen werden sollte122. Sowohl für die Aufstellung der Streitkräfte als auch für die finan-
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Zur Militärorganisation der NATO siehe Bland, The Military Committee of the North Adantic Alliance, zur SG und zum MRC S. 113-166. Die Planungsgruppen unterstützten den Wunsch der USA, keine zu engen Bindungen zur Allianz zu knüpfen. Vgl. Woyke, Gründung und Entwicklung der NATO 1948-1950, S. 223. Vgl. auch Jordan, The NATO International Staff/Secretariat, S. 19-32. Zur Ernennung Eisenhowers siehe die Ausführungen Trumans, Memoirs, Vol. 2, S. 257 f. Vgl. auch Eisenhower, The Papers, Vol. 12. Von den ursprünglichen Regionalen Planungsgruppen blieb nur die Canada-U.S. Regional Planning Group (CUSRPG) bestehen. Zur Entwicklung der NATO-Kommandostruktur Pedlow, Creation and Evolution of the Commanding Structure. Die britische Regierung hinterfragte das neue Konzept der ausgewogenen kollektiven Streitmacht ebenso wie die Niederlande. Beide Staaten waren mit Rücksicht auf ihre traditionellen Rollen als
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zielle und materielle Unterstützung durch die USA benötigte die NATO strategische Konzepte, die in Streitkräfteziele und in Kostenberechnungen umgesetzt werden konnten. Verschiedene Strategiepapiere schrieben die grundlegenden Ziele der Atlantischen Allianz fest. Die Sicherung der politischen und territorialen Integrität der Mitgliedstaaten sollte durch die Verhinderung der sowjetischen politischen Einflußnahme, durch die Abschreckung der Sowjetunion vor einer militärischen Aggression und durch die eigene Verteidigungsfähigkeit im Falle eines Krieges gewährleistet werden. Diese Ziele waren Konstanten in der Bündnisgeschichte, ihre Durchführung variierte. Das erste NATO-Strategiepapier legte der Militärausschuß im Oktober 1949 vor, es fand aber aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen über eine Festschreibung des Einsatzes von Atomwaffen nicht die Zustimmung der Außenminister 123 . Ein vom amerikanischen Verteidigungsminister Johnson eingebrachter Kompromißvorschlag, der den Einsatz von strategischen atomaren Waffen nur noch als eine Option von vielen festschrieb, führte im Dezember 1949 zum ersten offiziellen Strategiepapier DC 6/1, das auf der Ratstagung in Washington im Januar 1950 angenommen wurde. Dieses Dokument beinhaltete die oben genannten Ziele der Allianz und unterstrich das Hauptziel der Verteidigungsfähigkeit, welches durch die maximalen militärischen Anstrengungen der Bündnispartner bei minimalem Aufwand in den Bereichen Finanzen, Personal und Material erreicht werden sollte — ein Ansatz, der schwer lösbare Konflikte innerhalb des Bündnisses erwarten ließ, da dieser Passus keine Prioritätenfestlegung darstellte, sondern durch seine Doppelforderung ohne Hinweis auf eine vorgegebene Ausgangsbasis das Lastenproblem der Allianz vorwegnahm 1 - 4 . Für die Streitkräfteplanungen bedurfte es jedoch neben diesen allgemeinen Aussagen detaillierter Richtlinien, die 1950 durch die Dokumente MC 14 im März und DC 13 im April angenommen wurden. Das erste Richtlinienpapier beinhaltete Anweisungen für die regionalen Planungsgruppen, die Verteidigung so weit ostwärts wie möglich vorzusehen und dabei Waffen aller Art zu berücksichtigen. Das zweite Papier war bereits eine Umsetzung erster Verteidigungsplanungen und der Grundsätze aus DC 6/1 und MC 14. Detailliert Wiarden vier Operationsphasen vorgestellt, die im Falle einer militärischen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion ablaufen sollten. Nur die Anfangsphase war voll ausgearbeitet. Ein vorläufiger
Seefahrtnationen um den Erhalt solch nationaler Eigenheiten bemüht. Bericht der NAC-Sitzung vom 26. Mai 1950, CP (50) 118, PRO, CAB 129/40. 123 MC 3, 19.10.1949, und die überarbeitete Version DC 6, 1.12.1949. Siehe auch im folgenden Pedlow, The Involution of N A T O Strategy, zu den Texten der Strategiepapiere den Dokumentenanhang in seiner Ediuon N A T O Strategy Documents. '-•< DC 6/1, 1.12.1949, in: N A T O Strategy Documents, S. 5 7 - 6 4 , hier S. 61. Die Konkurrenz der Bereiche »militärische Aufrüstung« und »wirtschaftliche Stabilität« war bekannt, wurde jedoch mit Floskeln wie »werden koordiniert« oder »sollen berücksichugt werden« vorerst zurückgestellt.
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Ansatz der dafür benötigten Streitkräfte führte zum ersten Mittelfristigen Verteidigungsplan, der bis 1954 umgesetzt werden sollte125. Diese Grundlagenpapiere wurden vor dem Hintergrund der weltpolitischen Ereignisse erarbeitet; sie gewannen durch zahlreiche Änderungen und Ergänzungen für den forcierten Streitkräfteaufbau der NATO nach Ausbruch des Koreakrieges noch an Bedeutung. War die NATO bis Mitte 1949 ein Bündnis mit mehr politischem Charakter, so änderte sich dies im Herbst 1949, ausgelöst durch die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe im August und durch die Ausrufung der Volksrepublik China im Oktober. Die Politik der Eindämmung und die gewaltige Aufrüstung der USA nach Beginn des Koreakrieges hatten erhebliche Auswirkungen auf die Streitkräfteplanungen der NATO. Der bisher gültige Verteidigungsplan der USA, seit 1947 konzipiert und weiterentwickelt, sah einen geordneten Rückzug der westeuropäischen Streitkräfte zu den Pyrenäen vor. Amerikanische und britische Schiffe sollten im schlimmsten Falle so viele Soldaten wie möglich retten, um danach eine Wiedereroberung Westeuropas, verbunden mit einem atomaren strategischen Luftkrieg gegen die Sowjetunion, durchzuführen 126 . Diese Planungen ließen sich mit den Interessen der westeuropäischen Partner nicht in Einklang bringen, obwohl der Mitte 1949 überarbeitete amerikanische Verteidigungsplan »Offtackle« die strategische Bedeutung Westeuropas für die USA unterstrich und deshalb nicht mehr zwangsläufig eine Aufgabe Zentraleuropas vorsah. Vor allem Großbritannien und Frankreich forderten, die Verteidigung am Rhein aufzunehmen. Die Verteidigung Westeuropas von Beginn eines Krieges an war im Gegensatz zu den amerikanischen Planungen die verständliche Priorität der Westeuropäer. Die westeuropäischen NATO-Staaten orientierten sich schließlich an den Ausarbeitungen des Brüsseler Paktes, die vom britischen Feldmarschall Montgomery erarbeitet worden waren, und gingen im Rahmen der regionalen Verteidigungsplanungen von einer sogenannten Vorneverteidigung aus. Die dafür vorgesehene Linie Rhein-Ijssel ließ auch die Frage der Verteidigung des westdeutschen Gebietes und in der Folge die eines deutschen Verteidigungsbeitrages aufkommen 127 . Vor allem die Niederländische Regierung, allen voran Außenminister Dirk Stikker, sah einen deutschen Verteidigungsbeitrag für unerläßlich an, um ihr gesamtes Staatsgebiet eingebunden zu wissen. Die dritte und vierte Tagung des Atlantikrates im Januar und Mai 1950 brachten der NATO die ersten umfassenden Verteidigungspläne für den Nordatlantischen Raum. Die Ständige Gruppe hatte
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MC 14, DC 13, 28.3.1950 in: NATO Strategy Documents, S. 8 5 - 1 0 5 und 107-178. Die Streitkräfteforderungen für 1954 bildeten die Grundlage für die Verteidigungsprogramme der Mitgliedstaaten. Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 161 -177; Greiner, Die alliierten militärstrategischen Planungen, S. 163-196. Siehe eine gute und knappe Zusammenfassung der strategischen Planungen auch bei Kugler, Laying the Foundations, S. 3 4 - 4 7 . Greiner, Zur Rolle Kontinentaleuropas. Zum deutschen Verteidigungsbeitrag die umfassende Darstellung in Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1 - 4 . Zur Rolle Montgomery's als Befürworter einer deutschen Wiederbewaffnung Hamilton, Monty. The Field-Marshal, S. 767-776.
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v o m Militärausschuß den A u f t r a g erhalten, ein strategisches K o n z e p t zu erarbeiten, das die U S A als V o r a u s s e t z u n g für die ersten Militärhilfen an die W e s t e u r o p ä e r gefordert hatten. D a s v o m Militärausschuß a m 28. M ä r z 1950 als M C 14 a n g e n o m m e n e Papier legte die V o r n e v e r t e i d i g u n g der N A T O fest u n d w i c h damit v o n weiterhin g ü l d g e n P l a n u n g e n der U S A ab, die l a g e b e z o g e n einen g e o r d n e t e n R ü c k z u g und eine W i e d e r e r o b e r u n g W e s t e u r o p a s vorsahen 1 2 8 . Erst mit B e g i n n des K o r e a k r i e g e s änderte die U S - A d m i n i s t r a t i o n ihre P l a n u n g e n zur V e r t e i d i g u n g W e s t e u r o p a s , löste sich v o r d e r g r ü n d i g v o m G r u n d s a t z der A u f g a b e n t e i l u n g innerhalb der Allianz u n d entwickelte das K o n z e p t der integrierten Streitkräfte. A m e r i k a n i s c h e Streitkräfte sollten in W e s t e u r o p a ihren Beitrag zur g e m e i n s a m e n V e r t e i d i g u n g leisten, o h n e allerdings damit eine multilaterale A b s p r a c h e auf strategischer E b e n e zu v e r b i n d e n . Im Gegenteil sprechen jüngste Darstellungen eher v o n einer F e s t s c h r e i b u n g des »peripheralism« W a s h i n g t o n s . Die strikte T r e n n u n g der E n t s c h e i d u n g s m a c h t ü b e r den Einsatz der A - W a f f e n i m W e i ß e n Haus v o n jener über die konventionellen Streitkräfte der N A T O im Nordatlantikrat blieb weiterhin bestehen, a m e r i k a n i s c h e Strategiekonzepte w u r d e n u n a b h ä n g i g v o n der Atlantischen Allianz entwickelt 12 '-'.
'•2H Zu den sich widersprechenden Planungen siehe Johnston, The Construction of N A T O ' s Medium Term Defence Plan. Johnstons These tst, daß bereits die ersten strategischen Planungen der N A T O nuklear ausgerichtet waren. Der konventionelle Charakter war demnach nur der Deckmantel, um die unterschiedlichen strategischen Interessen der L'SA und der Westeuropäer nicht zu einem offenen Streit auswachsen zu lassen. P.bd,S. 81-89.
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Immerhin beinhaltete DC 13 zwei grundlegende Prinzipien des Bündnisses: den Aufbau ausgewogener gemeinsamer Streitkräfte und eine Verteidigung östlich des Rheins. Damit stand neben der geplanten strategisch-atomaren Kriegführung mittels der US-Luftwaffe die konventionelle Kriegführung durch die NATOStreitkräfte in Westeuropa fest, auch wenn für eine solche Vorneverteidigung ein angemessener Verteidigungsbeitrag der westeuropäischen Bündnispartner erforderlich war 130 . Daraus ergab sich der Schritt zu einer deutschen Beteiligung fast zwangsläufig. Während der fünften Ratstagung in New York im September 1950 unterbreitete Acheson einen »Paketvorschlag« zur Durchsetzung dieses Konzeptes: Die USA, so Acheson, wollten sich am Aufbau der integrierten Militärorganisation der NATO durch erhöhte finanzielle Zuwendungen, durch Verstärken der USTruppen in Westeuropa und einen Oberbefehlshaber vor Ort beteiligen, wenn die Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen und einen wie auch immer gearteten deutschen Verteidigungsbeitrag diskutieren würden 131 . Obwohl sich die französische Regierung generell gegen einen deutschen Verteidigungsbeitrag aussprach und die britische Regierung noch im Juli 1950 Ablehnung bekundete, zwangen die Aussichten auf rund 4 Milliarden Dollar Militärhilfe bis 1952, vier weitere US-Divisionen in Europa und General Eisenhower als SACEUR zum Einlenken 132 . Während der sechsten Ratstagung im Dezember 1950 in Brüssel forderte der Atlanükrat die Mitgliedstaaten deshalb auf, einen deutschen Verteidigungsbeitrag für den Westen zu beschließen. Die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs sollten zusammen mit der Regierung der Bundesrepublik darüber verhandeln. Damit erfüllte sich langsam aber sicher, was in »Le Monde« zur Frage des deutschen Verteidigungsbeitrages bereits im Frühjahr 1949 geschrieben stand: »le rearmement de l'Allemagne est contenu dans le pacte de 1'Atiantique comme le germe dans l'oeuf« 133 . Mit der Annahme des neuen Konzeptes durch den Atlantikrat im Dezember hatte sich die »Forward Strategy« mit einem deutschen Verteidigungsbeitrag im Rahmen einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und einer integrierten
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Fautua, The »Long Pull« Army, S. 115, macht für diesen Wandel der amerikanischen Militärplanungen das NSC 68 und den Ausbruch des Korea-Krieges verantwortlich. Auch betont er die Rechtfertigung für den Heeresaufbau, die das amerikanische Heer nach Jahren der Reduzierungen daraus ziehen konnte. Zur frühen Planung einer Wiederbewaffnung siehe Wiggershaus, Die Entscheidung für einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag 1950, S. 325-402; Mai, Westliche Sicherheitspolitik im Kalten Krieg, und v.a. Gehrz, Dean Acheson. Wie schwer Acheson die Entscheidung fiel, Druck auf die westeuropäischen Bündnispartner auszuüben, um einem deutschen Verteidigungsbeitrag zuzustimmen, beschreibt Lincoln Gordon. Im Gegensatz zu den Ausführungen Achesons in Present at the Creation erinnert sich Gordon an ein Gespräch Achesons mit seinen Beratern, in dessen Verlauf er Zweifel an dieser Vorgehensweise geäußert habe. Siehe Second Oral Memoir with Lincoln Gordon, 22.7.1975, HSTL, Oral Histories, S. 7 4 - 1 7 0 , hier S. 138-142. Le Monde, 6.4.1949, zit. nach Hüser, Frankreichs »doppelte Deutschlandpolitik«, S. 696.
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Streitmacht unter einheitlichem NATO-Oberbefehl auch als politische Richtlinie innerhalb der N A T O durchgesetzt 134 . Die N A T O hatte demgegenüber allerdings mehr praktische Probleme bei der Umsetzung der konventionellen Verteidigungsplanungen. Im Mittelfristigen Verteidigungsplan waren nur grobe Ziele und schätzungsweise Angaben für die Mitgliedstaaten festgelegt worden. Daraus sollten nun die NATO-Gremien Pläne für die Produktion von Rüstungsgütern, für den Einsatz von Personal und für die Finanzierung erstellen. Dies war unmöglich, da weder die eine noch die andere Seite ohne sichere Zahlen, die von dem jeweils anderen Gremium zu erarbeiten waren, solche Pläne aufstellen konnte. Der britische General Sir Ian Jacob kritisierte dies in einem Bericht an den britischen Premierminister Churchill im Dezember 195113-\ Er bescheinigte dem Bündnis Ineffizienz und Entscheidungsschwäche. Die grundlegenden wirtschaftlichen Probleme, so Jacob, würden nur sehr langsam gelöst. Die Regierungen der westeuropäischen Mitgliedstaaten hätten noch nicht den Ernst der Lage erkannt und seien noch zu sehr auf ihre wirtschaftliche Stabilität fixiert. Allerdings sei es sehr schwierig, eine parallel zur O E E C arbeitende NATO-Wirtschaftsorganisation aufzubauen, was zu einer personellen Vermischung der O E E C und des Finance and Economic Board der N A T O in Paris geführt und die Effizienz des NATO-Gremiums beeinträchtigt habe 136 . Der Bericht des britischen Generals wurde zu einem wichtigen Positionspapier Londons bei der Frage nach einer Reorganisation des Bündnisses im Zuge des T C C Projektes Ende 1951. Trotz der Koordinierungsprobleme waren in den ersten beiden Jahren nach Vertragsabschluß die Ansätze für eine dauerhafte und funktionsfähige Allianz vorhanden, die es in den folgenden Jahren auszubauen galt. Im ersten Jahr des Bündnisses sei eine Organisation geschaffen, ein militärisches Konzept beschlossen und die ersten Schätzungen der für die Verteidigung des Gebietes der N A T O notwendigen Streitkräfte vorgenommen worden, so US-Verteidigungsminister J o h n s o n 1 " . Allerdings war der militärische Teil von Anfang an effektiver, entwickelte rasch ein Eigenleben und überbetonte dadurch häufig die rein militärischen Fragen der Allianz. Dies lag naturgemäß auch am Selbstbewußtsein und Selbstverständnis der amerikanischen Militärs in Westeuropa, die den beeindruckend modernen amerikanischen Militärapparat hinter sich wußten. Herve Alphand, der französische Ratsstellvertreter, erinnerte sich an die Einführungsgespräche der Ratsstellvertreter mit dem
"4
1,6
Auch die amerikanischen Militärplanungen hatten ab N o v e m b e r 1950 mit dem |OW"P » R E A P E R « eine Verteidigung der Linie Rhein-Alpen—Piave berücksichtigt. Siehe Poole, The History o f the Joint Chiefs o f Staff, S. 1 7 1 f. Sir Ian ]acobs war von Churchill im N o v e m b e r 1951 mit der Oberprüfung der interalliierten Zusammenarbeit und der N A T O - M a s c h i n e r i e beauftragt worden. V o r g a n g jacob-Report v o m 15.11.1951, P R O , 1·Ό 3 7 1 / 9 6 5 8 6 . Siehe auch die Stellungnahmen zum Bericht von F.den und Butler, 21. und 29.12.1951, P R O , P R E M 1 1 / 1 6 0 . Brief Jacob an Harriman mit der Z u s a m m e n f a s s u n g seiner E m p f e h l u n g e n an Churchill, 8.12.1951, L C , Harriman Papers, B o x 277. Poole, T h e History o f the Joint Chiefs o f Staff, S. 1 8 0 - 184.
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SACEUR im Jahre 1951, die dieses Selbstverständnis verdeutlichten. Eisenhower habe auf die Frage, wie man in Verbindung bleiben soll, selbstbewußt mit Mae West geantwortet: »Kommen Sie zu mir herauf, wenn Sie mir etwas zu sagen haben138!« Dieser von Eisenhower sicherlich in pragmatischer Absicht geäußerte Satz verdeutlicht das Verständnis für die frühe zivil-militärische Zusammenarbeit innerhalb der NATO. Dieses Verständnis sollte in den folgenden Jahren noch zu erheblichen Problemen innerhalb des Bündnisses führen, als den Forderungen der Militärs der politische Wille und der Sachverstand der Wirtschafts- und Finanzexperten entgegengesetzt wurde 139 . Doch während der ersten Jahre der gemeinsamen Verteidigung war für die Westeuropäer der Beistandsartikel 5 des Nordatlantik-Vertrages wichtiger als die damit verbundene kostspielige Aufrüstung für die eigene Verteidigungsbereitschaft. Man verließ sich sowohl militärisch als auch wirtschaftlich ganz auf den großen Partner. Die USA hingegen verknüpften spätestens ab Ende 1949 die militärische und finanzielle Hilfe mit der Bedingung an die Europäer, das Bündnis im Sinne des Mittelfristigen Verteidigungsplans auszugestalten. Letztlich überzeugte erst der Ausbruch des Koreakrieges die westeuropäischen Bündnispartner, allen voran Großbritannien und Frankreich, von der Notwendigkeit erhöhter Verteidigungsanstrengungen. Die NATO entwickelte unter diesen Einflüssen ihre ersten effektiven Organisationsstrukturen, die allerdings ihren Preis in einem steigenden finanziellen Aufwand für die Mitgliedstaaten hatten. Der Ausbau des Bündnisses Die Ausbauphase ab 1952 war durch die erste Erweiterung des Kreises der Vertragspartner geprägt. Griechenland und die Türkei stießen in jenem Jahr zum Bündnis. Auch die Verhandlungen um einen deutschen Verteidigungsbeitrag fielen in diese Zeit und liefen bis 1954 parallel zur NATO-Entwicklung im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, wurden jedoch innerhalb der NATO durch einen finanziellen Verteidigungsbeitrag bereits 1951 als indirekte Erweiterung akzeptiert140. Der wohl gewaltigste Schritt hin zum funktionsfähigen Bündnis vollzog sich aufgrund der Empfehlungen des TCC. Die darauf beruhenden Beschlüsse der NATO-Ratssitzung in Lissabon im Februar 1952 veränderten die Bündnisstruktur, indem ein ständiger NATO-Rat mit Botschaftern der Mitgliedstaaten und ein internationaler Stab unter der Leitung eines Generalsekretärs in Paris eingerichtet wurden. Damit hörten die Ratsstellvertreter, das DPB und das FEB zu bestehen auf bzw. fanden sich personell in die neue Bündnisstruktur inte138 139
140
Alphand, L'etonnement d'etre, S. 223. Zur militärischen Entwicklung der NATO-Organisadon vgl. auch Woyke, Die Militärorganisation der NATO 1949-1955. Charles E. Bohlen, Witness to History, S. 304, bezeichnet diese Aufrüstungsphase als die »Militarisierung der NATO« und bewertet sie als Fehler der TrumanRegierung, da sie nur Probleme wie wirtschaftliche Schwierigkeiten der Bündnispartner und die Rüstungsspirale mit der Sowjetunion nach sich zog. Siehe zum deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrag Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 88-127.
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griert. Zudem beschloß die wirtschaftliche Organisationsstruktur eine gemeinsam finanzierte Infrastrukturplanung und -durchführung und setzte mit der Gründung eines Annual Review Committee eine Prüfstelle für die jährlichen Fortschritte der Allianz beim Aufbau einer integrierten Streitmacht durch. Die verfügbaren Streitkräfte, die noch unter dem Nachfolger von Eisenhower als SACEUR, US-General Matthew B. Ridgway, bis 1953 aufgebaut wurden, erreichten mit 15 aktiven Divisionen eine beachtliche Größe, die sein Nachfolger General Alfred Gruenther noch um zwei einsatzbereite Divisionen erhöhen konnte. Diese Streitmacht bestand aus sechs amerikanischen, fünf französischen, vier britischen und zwei belgischen Divisionen. Die Entwicklung hin zur atomaren Kriegführung war 1954 ebenfalls eingeleitet, denn innerhalb der US-Streitkräfte in Europa waren erste Einheiten mit der 280-mm-Haubitze für atomare Geschosse und Batterien mit der Trägerrakete »Honest John« und der Lenkrakete »Corporal« ausgerüstet 141 . Die »Pariser Jahre«, die sich ab 1952 über einen Zeitraum von fast 15 Jahren erstrecken sollten, können sicherlich als Konsolidierungsphase des Bündnisses bezeichnet werden. Infolge zahlreicher Allianzkrisen ab dem »Krisenjahr 1956« bewährten und verbesserten sich die Mechanismen, die seit dem TCC-Projekt eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Bündnis garantierten 142 . Die ersten Jahre der politischen Führung der N A T O im Palais de Chaillot waren von zwei Problemen gekennzeichnet. Zum einen mußten sich die bestehenden und die neuen NATO-Gremien bewähren. Zum anderen galt es, den deutschen Verteidigungsbeitrag im Rahmen des schwierigen Streitkräfteaufbaus durchzusetzen. Erst 1955 sollte durch die Erweiterung des Bündnisses um die Bundesrepublik Deutschland die langjährige Allianzstruktur erreicht werden, die zusammen mit einer neuen NATO-Strategie ab 1954 eine bündnisinterne Stabilität garantierte. Dazu wurden die strategischen Planungen auf die oben genannten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen abgestimmt. Im Dezember 1952 nahm der Nordatlantikrat das strategische Konzept MC 3/5 (Final) an, welches die bestehenden Planungen zusammenfaßte, ohne dabei jedoch nennenswerte Änderungen aufzuweisen. Das Ziel der Bündnispartner, »adequate military strength accompanied by economy of effort, resources and manpower« sicherzustellen, war eine erneute Betonung des Wirtschaftlichkeitsfaktors innerhalb der Allianz 143 . Die nachfolgenden Verteidigungsprinzipien unterstrichen diesen und wiesen auf die Bedeutung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der wirtschaftlichen Stabilität als wichuge Elemente der Verteidigung hin. Parallel dazu überarbeitete die Ständige Gruppe die strategischen Richtlinien MC 14 und DC 13 und entwickelte eine neue MC 14/1, die der Militärausschuß Anfang Dezember 1952 genehmigte und der Ministerrat in Paris im selben Monat 141
142
i«
Zur Bilanz des Streitkräfteaufbaus siehe Ridgway, Soldier, S. 241 f. Ridgway kritisierte dennoch die mangelnden konventionellen Kräfte der NATO, sah das Erreichte aber zumindest als ausreichendes Abschreckungspotential gegenüber der Sowjetunion an. Zu den Krisen der Allianz Heinemann, Vom Zusammenwachsen des Bündnisses, und Das internationale Krisenjahr 1956. N A T O Strategy Documents, S. 188.
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annahm. Darin wurden bereits die konventionellen Lücken berücksichtigt und die Forderung nach konsequenter Steigerung der NATO-Streitkräfte festgeschrieben. Ebenso wurde der Einsatz atomarer Waffen als möglicher Ausgleich für fehlende konventionelle Kräfte angedeutet 144 . Damit war zwar der strategische Wechsel von der konventionellen Verteidigungsfähigkeit zur atomaren Abschreckung noch nicht vollzogen, MC 14/1 zeigte aber bereits die Richtung zukünftiger Lösungsmöglichkeiten der Allianz bei einem Scheitern der hochgesteckten konventionellen Streitkräfteziele. Im darauffolgenden Jahr sollte, ausgelöst durch die neue Regierung in Washington, ein Umdenken in strategischen Fragen stattfinden. Nachdem die Briten bereits 1952 über eine zeitliche Streckung der Streitkräfteziele nachdachten, vollzogen auch die Amerikaner den Schritt zu weniger konventionellen Streitkräften und mehr taktischen Nuklearwaffen. Die Verteidigungsbemühungen wurden mit der Drohung an die Sowjetunion abgesichert, im Falle von Feindseligkeiten atomare Waffen wie alle anderen Waffenarten einzusetzen 145 . Diese neuen Grundsätze, die der amerikanische Sicherheitsrat in seinem Papier NSC 162/2 vom 30. November 1953 niederlegte, hatten naturgemäß Auswirkungen auf die strategischen Planungen der NATO. Dabei lag das vorrangige Interesse des NATOOberbefehlshabers in der Einbindung der atomaren Waffen in den Verantwortungsbereich des SACEUR. Unter General Alfred Gruenther, dem dritten SACEUR, wurde eine Arbeitsgruppe beim Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte in Europa (SHAPE) mit der Lösung dieses Problems beauftragt. Die Ergebnisse dieses »New Approach« faßte die Ständige Gruppe im Dokument MC 48 zusammen; im Herbst 1954 nahm es der Militärausschuß an. Die Annahme durch den Atlantikrat während der Tagung in Paris im Dezember 1954 machte es zum Grundlagenpapier der NATO-Strategie. Damit war der strategische Wandel auch innerhalb der NATO vollzogen, denn neuere Untersuchungen sehen im MC 48 bereits die Kernpunkte der Strategie der Massiven Vergeltung enthalten, die das spätere Dokument MC 14/2 so berühmt machten 146 . Nach den ersten drei Aufbaujahren mit dem Schwerpunkt der Bündnisorganisation in London folgte also in Paris als dem neuen Ort der Allianzgremien eine zweite Phase; die NATO hatte sich zu einer effizienten und funktionstüchtigen multinationalen Organisation entwickelt. Am schwierigsten war in der Anfangszeit die Umsetzung der militärischen Planungen in effektive Streitkräfte. Auf Worte der politischen Vertreter der Bündnisstaaten sollten durch die Aufstellung von nationalen Streitkräften unter dem NATO-Oberbefehl Taten folgen. Doch dieser Schritt bedeutete hohe Kosten, die wirtschaftliche und finanzielle Auswirkungen und innenpolitische und soziale Probleme nach sich ziehen sollten. Diese »negativen« Auswirkungen der militärischen Aufrüstung gefährdeten den wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas und führten zu einem Zielkonflikt innerhalb der Regie144 145 146
Ebd., S. XVI f. Zu MC 3/5 und MC 14/1 siehe ebd., S. 1 8 5 - 1 9 2 und 193-228. Grundlegend zum Strategiewechsel der USA Peter, Abschrecken und Uberleben im Nuklearzeitalter, und Dockrill, Eisenhower's New Look. Heuser, NATO, Britain, Prance and the FRG; Wampicr, Ambiguous Legacy.
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Bündnissysteme im Sommer 1955 i. £ L Mitgliedstaaten NATO, CENTO, SEATO und ANZUS und durch Verträge dem westlichen Verteidigungssystem angeschlossen Sowjetunion und Staaten des Warschauer • Paktes, Rotchina und andere kommunistische Staaten Asiens j I sonstige Staaten Θ
JAPAN
KANADA
CHINA
SOWJETUNION INDIEN
Quelle: F.-W. Engel, Handbuch der NATO, Frankfurt a.M. 1957
MGFA 04721-05
r u n g e n der Mitgliedstaaten u n d innerhalb des Bündnisses. Der W a n d e l v o m B ü n d nis auf d e m Papier zur v e r t e i d i g u n g s f a h i g e n Organisation mit einsatzbereiten Streitkräften hatte d a h e r einen A u s g a n g s p u n k t : die wirtschaftlichen u n d finanziellen Lasten der g e m e i n s a m e n V e r t e i d i g u n g s a n s t r e n g u n g e n . Diese führten ab 1952 einerseits zu einer Reorganisation der Allianzstrukturen mit d e m L r g e b n i s einer effizienten und wirtschaftlich h a n d e l n d e n internationalen Organisation und z u m anderen zu einer quantitativen V e r r i n g e r u n g der Streitkräfteziele u n d zur S c h w e r p u n k t v e r l a g e r u n g auf die N u t z u n g der » n e u e n W a f f e n « . Die b ü n d n i s i n t e r n e Lastenteilung, einer der g r ö ß t e n D e s i n t e g r a t i o n s f a k t o r e n in der G e s c h i c h t e der N o r d atlantischen Allianz, w u r d e durch einen B ü n d n i s k o m p r o m i ß i m Jahre 1952 g r u n d sätzlich gelöst. Die L ö s u n g brachte allerdings einen sich jährlich w i e d e r h o l e n d e n D i s k u s s i o n s p r o z e ß mit sich, w e n n es d a r u m ging, die nationalen Beiträge für die g e m e i n s a m e V e r t e i d i g u n g in Paris z u s a m m e n z u f a s s e n u n d vergleichend zu b e w e r -
D/e hMstenteilung
der AVI TO
Die Hauptschwierigkeit bei der Lastenteilung ergab sich aus der Z u s a m m e n s e t z u n g des G e s a m t v e r t e i d i g u n g s b e i t r a g e s der N A T O aus den nationalen Verteidigungshaushalten der Mitgliedstaaten (wie auch heute noch). Diese B u d g e t s mit ihren unterschiedlichen D e f i n i t i o n e n v o n V e r t e i d i g u n g s a u s g a b e n w a r e n k a u m sinnvoll m i t e i n a n d e r zu vergleichen. S o zählten beispielsweise in G r o ß b r i t a n n i e n die Pensi-
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Verteidigungsausgaben im Vergleich zum Nationaleinkommen 1951 (jeweils pro Kopf in Dollar) 2000
191$
1800 1600 1400 1200 1000
USA
800 600 400 200 0
482,6 Westeuropäische NATOStaaten Nationaleinkommen
302 33,125 Verteidigungsausgaben
Quelle: ECABriefing-Paper 8b, 13.7.1951. NA. RS 469/216, Βαχ 8.
onszahlungen zu den Verteidigungsausgaben, während sie in anderen Staaten zu den Sozialausgaben gerechnet wurden. Auch die unterschiedliche Besoldungsstruktur der Armeen erschwerte einen Vergleich. Die britische Armee zahlte beispielsweise in den fünfziger Jahren ihren Generalen weitaus mehr als die französische Armee. Ein amerikanischer Soldat kostete 1951 rund 9955 Dollar, während ein Soldat aus Westeuropa durchschnittlich nur rund 2500 bis 3000 Dollar im Jahr kostete 147 . Die erste Aufgabe, vor der sich die Wirtschaftsgremien des Bündnisses gestellt sahen, war daher eine Definition des Begriffs der Verteidigungslasten. Gestaltete sich schon die quantitative Erfassung schwierig, so war eine qualitative Bewertung fast unmöglich. Zu unterschiedlich wirkten sich die Lasten auf die jeweilige volkswirtschaftliche Entwicklung der Bündnisstaaten aus, zu ungenau waren die volkswirtschaftlichen Vergleichszahlen wie Lebensstandard oder Volkseinkommen pro Kopf. Eine qualitative Bewertung führte zu Widersprüchen: etwa durch die Feststellung, daß die USA 1951 für Verteidigung - gemessen in Prozent vom Bruttosozialprodukt — am meisten ausgaben. Im Gegensatz zum französischen Volk jedoch, das für einen kleineren Anteil fünf Monate im Jahr arbeitete, mußte die amerikanische Bevölkerung für die Verteidigungsausgaben Washingtons drei Monate weniger aufbringen 148 .
147 14B
Testimony Milton Katz at the Senate Briefing at OSR, 9.7.1951, NA, RG 469, ST 60, Box 12 (R-T). Bericht Bidault an Harriman, 3.12.1951, LC, Harriman Papers, Box 275. Unberücksichtigt bleiben weitere qualitative Lasten wie die Stationierung von atomaren Waffenträgern.
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Die qualitative Bewertung der Lasten wurde aufgrund der Interpretationsmöglichkeiten durch die Mitgliedstaaten in den Hintergrund gedrängt. Es blieb bei einer quantitativen Erfassung der Lasten nach der Definition der Verteidigungsausgaben der N A T O aus dem Jahre 1950 149 . Ein nächster Schritt war die Lastenteilung innerhalb des Bündnisses. Dabei ging die NATO von zwei Grundsätzen aus: einem gemeinsamen Ziel der Mitgliedstaaten im Aufbau einer angemessenen Streitmacht und der Verteilung der anfallenden Lasten nach einem multilateralen Beschluß gleichmäßig auf alle Schultern 150 . Die Umsetzung dieser Grundsätze verlangte allerdings eine vorherige inhaltliche Verständigung. Und hier lag eine weitere Schwierigkeit, denn bereits der Begriff der »angemessenen Streitmacht« wurde unterschiedlich interpretiert. Die USA vertrauten auf ihre Joint Chiefs of Staff, die aus einem Verständnis der globalen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion heraus anders argumentierten als die britischen Chiefs of Staff; diese hatten in erster Linie die Commonwealth-Interessen im Auge. Die Verteidigungsplanungen der N A T O wurden deshalb ständig auf ihre Angemessenheit hin überprüft und mehrmals verändert, was wiederum die Arbeit der Wirtschaftsexperten erschwerte, deren Grundlage einer Kosten- und damit Lastenberechnung variierte. Die Forderung nach einer gemeinsam beschlossenen gleichmäßigen Verteilung bot ebenfalls weite Interpretationsmöglichkeiten. Was bedeutete in diesem Zusammenhang »gleichmäßig«, wie sollte eine Verteilung aussehen? War die N A T O überhaupt in der Lage, einen multilateralen Beschluß zu fassen, der die Souveränität der Mitgliedstaaten im Bereich der Sicherheitspolitik einschränkte? Ein gemeinsames Verteidigungsbudget, wie es für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft vorgesehen war, wäre eine mögliche Lösung — durch eine gemeinsam beschlossene Lastenteilungsformel — gewesen 151 . Doch dies hätte bedeutet, daß die Mitgliedstaaten zum einen ihre Kompetenz, ihren angemessenen nationalen Verteidigungsbeitrag selbst zu definieren, abgegeben hätten. Zum anderen wäre das einem Souveränitätsverzicht bei der Budgetierung gleichgekommen, eine der Grundfesten nationalstaatlicher Unabhängigkeit. Eine pragmatische Variante, die nationalen Beiträge zusammenzurechnen und einen internen Vergleich als Maßstab für die gleichmäßige Teilung der Lasten durchzuführen, setzte sich durch. Diese hatte jedoch den großen Nachteil, daß das Bündnis ein ständiges Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit einrichten mußte. Während bei einer langfristigen Quote nur die Prüfung der Beitragszahlungen in den Fonds angefallen wäre, barg der Weg über die nationalen Beiträge die Gefahr der ständigen Veränderun14''
Mine erste Definition lieferte der ständige Arbeitsstab des ersten Wirtschaftsauschusses der NATO, FKC-Staff (50) D-8/17, 25.10.1950, N'ISCA 7/7/1. Demnach fielen unter Verteidigungsausgaben Personalkosten, Rüstungsprodukrions- und andere Beschaffungsprogramme, militärische und andere Anlagen, laufende und sonstige Kosten. Nicht berücksichtigt wurden z.B. Pensionen, Kriegsschäden, Kosten der zivilen Verteidigung und der Atomenergie. Leichte Änderungen ergaben sich 1951 in einer erweiterte Definition durch das 1-T.B (D/D 214). '5" Memo »Bürden Sharing«, 17.2.1953, NISCA 7/7/1. 1,1 Zum KVG-I'inanzsvstem siehe Köllner/Volkmann, I-inanzwissenschaftliche, fmanzwirtschaftliche und finanzpolitische Aspekte eines deutschen Beitrags zur KV'G.
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gen, da die einzelnen Verteidigungsbudgets innenpolitisch umstritten und dadurch wenig verläßlich waren. Durch diese pragmatische Lösung des Vergleichs nationaler Lasten konkurrierten die sicherheitspolitischen Forderungen der Militärs für eine gemeinsame Verteidigung mit den wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Zielen der einzelnen Nationen. Bereits ein Jahr nach Gründung der Allianz beeinflußte daher die forcierte Aufrüstung im Zuge des Koreakrieges den wirtschaftlichen Wiederaufbau der westeuropäischen Staaten erheblich. Es galt zu bedenken, ob die Volkswirtschaften in der Lage waren, sowohl Kanonen als auch Konsumgüter zu produzieren, oder ob der Rüstungsproduktion Priorität vor der Produktion ziviler Güter eingeräumt werden mußte. Diese Frage betraf allerdings nicht nur das atlantische Bündnis. Auch der Streitkräfteaufbau des Warschauer Paktes stellte die osteuropäischen Mitgliedstaaten vor erhebliche volkswirtschaftliche Probleme. Nach Stalins Tod war es Nikita Chruscev, der die wirtschaftliche Stabilität als eine Waffe im Kalten Krieg begriff 152 . Die Streitkräftereduzierungen der Sowjets hatten neben außenpolitischen Motiven in erster Linie wirtschafts- und finanzpolitische Hintergründe. Vor allem die offenen Stellen in den Wachstumssektoren Kohle, Stahl und Landwirtschaft sollten durch ehemalige Soldaten besetzt werden. Die finanziellen Einsparungen wiederum sollten in die Modernisierung der Truppe und die Weiterentwicklung der atomaren Bewaffnung investiert, aber auch in den Konsum gelenkt werden. Das Schlagwort »More bang for a buck« wurde in der Literatur in »More rubble for the Ruble« umgemünzt 153 . Der Zielkonflikt zwischen militärischer Sicherheit und volkswirtschaftlicher Stabilität prägte die Auseinandersetzung um eine gerechte Lastenteilung im Bündnis. Er war der Antrieb für einen Bündniskompromiß durch das TCC im Februar 1952, der einen Strategiewechsel von der konventionellen Verteidigungsfähigkeit zur atomaren Abschreckung zur Folge hatte. Dieser Zusammenhang wird in der Literatur zwar thematisiert und anerkannt, zumeist jedoch ohne die dafür entscheidenden wirtschaftlichen und politischen Folgen der Aufrüstung zu untersuchen 154 . Der Wandel begann bereits mit der Feststellung des TCC im Jahre 1952, daß die militärischen Planungen zur Verteidigung Westeuropas nicht zu finanzieren seien, zeitlich gestreckt werden müßten und in erster Linie als Abschreckungspotential dienten. Das Nachlassen des Verteidigungswillens im Zuge der »ersten Entspannung« verstärkte nur den Druck auf Washington und London, sich der Neuerungen der atomaren Waffentechnik zu bedienen, um die konventionellen Unzulänglichkeiten ausgleichen und die Kosten der Aufrüstung senken zu können. Neben der allianzinternen Suche nach einem gerechten Verfahren wurde immer wieder von außen auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Einzelne Regie152 Friedman, The Fifty-Year War, S. 211 - 216. 153 Evangelista, »Why Keep Such an Army?«, S. 7. Zu den Schwierigkeiten, die eine einseitige Truppenreduzierung Moskaus für die Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes mit sich brachte, Mastny, The Soviet Union and the Origins of the Warsaw Pact. 154 So bei Kunz, Butter and Guns, oder bei Wampler, Ambiguous Legacy, der sich zumindest bemüht, die vielfältigen Auswirkungen der Aufrüstung anzureißen. Ausgabenorientiert, ohne die Folgen zu analysieren, bleibt auch Hogan, A Cross of Iron.
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rungsmitglieder der Bündnisstaaten wiesen in der Presse auf die Überlastung ihrer Staaten hin und forderten mehr Entlastung durch die wirtschaftsstärkeren Partner 155 . Im Gegenzug beklagten vor allem amerikanische Kongreßabgeordnete während der Verhandlungen über die US-Außenhilfe die mangelnde Bereitschaft der westeuropäischen NATO-Partner zur Übernahme angemessener Verteidigungsbeiträge und mahnten eine Bündnisformel zur Lastenteilung an. Die Regierungen der westeuropäischen NATO-Staaten sahen die Allianz als geeignetes Forum für die Überprüfung der weitreichenden Forderungen der Militärs und für eine angemessene Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Belange. Die US-Administration hingegen nutzte die Bündnisorganisation als Plattform, um die aus ihrer Sicht notwendigen militärischen Planungen durchzusetzen und die Partner zu einer angemessenen und eigenverantwortlichen Beteiligung an der gemeinsamen Verteidigung zu bringen. Diese gegensätzlichen Auffassungen konnten nur in Ansätzen überbrückt werden und ziehen sich durch die gesamte Bündnisgeschichte. Auf nationaler Ebene entwickelte sich durch die Aufrüstung eine Konkurrenz zwischen den »Militärexperten«, in erster Linie den Generalstabschefs und Verteidigungsministern, und den »Finanzexperten«, vor allem den Finanz- und Wirtschaftsministern. Rückendeckung erhielt die erste Gruppe zumeist von den Außenministern, welche die multilateralen sicherheitspolitischen Absprachen als bindend ansahen. Die zweite Gruppe wiederum sah die Gefahr eines wirtschaftlichen Niederganges, verbunden mit gesellschaftlicher und politischer Instabilität im westlichen Lager. Diese Gruppe wurde durch die Öffentlichkeit unterstützt, die natürlich die negativen Auswirkungen der Verteidigungsausgaben beklagte. Der Druck der öffentlichen Meinung wog viel, denn keine Regierung wollte wegen ihrer Sicherheitspolitik abgewählt werden. Diese »doppelte Verzahnung« der Bereiche Verteidigung und Wirtschaft auf internationaler und nationaler Ebene bedeutete eine große Herausforderung für das junge Bündnis, da das Erreichen des Bündniszwecks den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen voraussetzte. Innerhalb der N A T O wurde deshalb noch im Gründungsjahr ein Ausschuß installiert, der sich unter dem Vorsitz des amerikanischen Wirtschaftsexperten W. Avereil Harriman mit diesen Fragen befassen sollte 156 . Es zeigte sich jedoch bald, daß die Thematik zu komplex war, als daß man sie durch einen kleinen Arbeitsstab hätte lösen können. Auch eine organisatorische Trennung der Bereiche »Statistik und Überprüfung der nationalen Verteidigungsbeiträge« und »Überprüfung ungenutzter Ressourcen« vom Aufgabenbereich der Lastenteilung brachte keine Verbesserungen. In der Praxis bedeutete diese Trennung, daß der eigentlichen Lastenteilung nur ein kleiner Bereich innerhalb der Organisationsstrukturen der Allianz zukam. Darüber hinaus konnte vorerst kein der Militärorganisation gleichgestelltes gewichtiges Gremium entwickelt werden. Doch wie so viele Bündniskonflikte mit dem »Trial and error«-Verfahren gelöst wurden, so zeichnete sich 15S 1V|
S o z.B. Stikker, T h e Functional Approach to European Integration. E m e n ersten Überblick über die Gcschichte der Lastenteilung bieten Steinberg, Rethinking the Debate on Burden-Sharing, und Bare, Burden-Sharing in N A T O .
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auch im Bereich der Lastenteilung nach einigen Anfangsschwierigkeiten eine Kompromißlösung ab. Mehrere Projekte, die solcherart scheiterten, erbrachten zumindest gute Arbeitsergebnisse und Erfahrungen, die in Nachfolgeprojekte einflossen. Auch die Auswertung bereits funktionierender Gremienstrukturen, wie die der Brüsseler Vertragsorganisation, brachte interessante Vorläufer zutage. So stellte etwa der britische Kabinettsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa bereits im Jahre 1948 fest, daß innerhalb der Westunion geeignete Gremien eingerichtet worden waren, um die Frage des Ausgleichs der militärischen Forderungen mit den wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der Brüsseler Vertragstaaten zu lösen 157 . Doch allen Lastenteilungsprojekten der NATO bis Ende 1951 war nicht der erhoffte Durchbruch beschieden. Erst das hochrangig besetzte und direkt dem Atlantikrat zuarbeitende TCC erstellte innerhalb weniger Monate grundlegende Empfehlungen und erzielte während der Ratstagung in Lissabon im Februar 1952 eine langfristige Kompromißlösung, die bis in die heutige Zeit Gültigkeit besitzt. Dies war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gerechten Lastenteilung, bedeutete aber zugleich das Ende der bündnisinternen Bemühungen. Denn mit der organisatorischen Festlegung auf eine sogenannte Rechnungsstelle wurden der seit 1949 eingeschlagene Weg in Richtung Koordinierung der unterschiedlichen nationalen Verteidigungsbeiträge ausgebaut und damit gleichzeitig Alternativlösungen, wie die eines gemeinsamen Verteidigungsbudgets, endgültig aufgegeben. Eine gerechte Lastenteilung durch eine mathematische Formel und einen internationalen Fonds konnte sich daher ab Herbst 1951 nur im Bereich der Infrastrukturmaßnahmen durchsetzen. Aufbauend auf dem Infrastrukturprogramm der Westeuropäischen Verteidigungsorganisation, die gerade in diesem Bereich mit ihrer Gremiumsarbeit richtungsweisend für die organisatorische Entwicklung der NATO war, wurde während der Ratstagung in Ottawa eine weitere Tranche beschlossen 158 . Neben den fünf bestehenden Beitragszahlern - Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden — beteiligten sich auch die USA und Kanada am Aufbau von Flugplätzen, Hauptquartieren und sonstigen festen Einrichtungen, die für die gemeinsame militärische Nutzung vorgesehen waren. Nach der Ratstagung in Lissabon trugen alle NATO-Mitgliedstaaten durch einen festgelegten Beitrag zur Durchführung des gemeinsamen Infrastrukturprogrammes bei. Damit hatte sich das Bündnis für eine 157
158
Note »Western Union Defence Supply«, ER (L) (48) 194, 25.11.1948, PRO, Τ 229/702. Das Five-Power Military Supply Board oder das Financial and Economic Committee werden hier genannt. Neben diesen ersten multilateralen organisatorischen Antworten auf die wachsenden Interdependenzen von Politik, Wirtschaft und Verteidigung reagierte auch die britische Verwaltung darauf mit internen, ministeriumsübergreifenden Gremien, die entweder den jeweiligen Ministern oder direkt dem Kabinett zuarbeiteten. Zur Definition von Infrastrukturmaßnahmen der NATO siehe NATO-Press Release, 1.12.1952, BA-MA, BW 3/183 (der Bestand BW 3 enthält NATO-Akten, die gem. Release of NATO Info, DES [92] 1, Januar 1992, herabgestuft sind). Zur Bedeutung der Westunion oder Brüsseler Vertragsorganisation für die organisatorische Entwicklung der NATO Kaplan, Die Westunion und die militärische Integration Europas. Die Westunion wird demnach völlig unterschätzt und wartet auf eine ihrer Bedeutung gerechtwerdenden Einordnung in die Geschichte des Kalten Krieges.
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Grundstruktur entschieden, die eine gerechte Lastenteilung nur in geringem Maße zuließ. Die einzelnen Staaten konnten zwar durch den statistischen Nachweis der Unzulänglichkeit ihres Verteidigungsbeitrages und mit dementsprechenden Ratsbeschlüssen außenpolitisch unter Druck gesetzt werden, blieben jedoch letztlich in ihrem Budgetrecht souverän 159 . Die Geschichte der Lastenteilung ist ohne die Berücksichtigung zahlreicher Resolutionen des Kongresses der Vereinigten Staaten nicht vollständig. Denn es waren, wie oben angedeutet, wechselwirksame Entwicklungen, welche die Lastenteilung der N A T O prägten 160 . Während sich die nationalen Parlamente in Westeuropa eher mit der Frage beschäftigten, wie die Aufrüstung zu finanzieren sei, kam in den USA im Laufe der Verhandlungen der US-Außenhilfe die eigentliche Frage der Lastenteilung auf, wer für welche Kosten der gemeinsamen Verteidigung aufkommen sollte. Bereits im Dezember 1950 kritisierte daher der frühere Präsident Herbert C. Hoover die Unterstützung der Westeuropäer durch die Truman-Regierung. Seiner Meinung nach sollten die Staaten Westeuropas ihre eigene Verteidigung sicherstellen. Mit dem Vorwurf Senator Robert A. Tafts, der Präsident habe seine Befugnisse bei der Zusicherung von vier US-Divisionen für Westeuropa überschritten, weitete sich dieser Streit im Januar 1951 zur »Great Debate« aus 161 . Dabei argumentierten die Gegner eines amerikanischen Engagements immer wieder mit der mangelnden Bereitschaft der westeuropäischen Regierungen, angemessene Streitkräfte aufzubauen. Vielmehr wurde ihnen unterstellt, nur an ihren wirtschaftlichen Wiederaufstieg zu denken. Für die NATO-Partner war diese Diskussion deswegen nicht unerheblich, weil sie auf die jährlich vom Kongreß beschlossene Wirtschaftsund Militärhilfe angewiesen waren. Für die US-Administration wiederum war es wichtig, Eigenleistungen Westeuropas präsentieren zu können, um damit die Außenhilfe zu rechtfertigen. Diese Auseinandersetzungen müssen in erster Linie als innenpolitische Machtkämpfe zwischen der Legislative und Exekutn-e der Vereinigten Staaten angesehen werden, hatten aber auch erhebliche Auswirkungen auf das Nordatlantische Bündnis. Die durch die Medien informierte Öffentlichkeit wurde über die Unzulänglichkeiten der NATO aufgeklärt und kritisierte zu Recht ein steuerintensives außenpolitisches Engagement der Truman-Regierung durch die Entsendung von Soldaten, Materiallieferungen und Dollartransfers nach Westeuropa. Mit der Annahme der Senatsresolution 99, die nachträglich das Vorgehen Trumans billigte, weitere Truppenentsendungen aber vom Votum der Legislative abhängig machte, verstummte die »Great Debate«. Allerdings sollte sich unter den Kongreßabgeordneten ein Ressentiment gegenüber der westeuropäischen Verteidigungsbereitschaft halten,
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Linen guten Überblick bietet Tonelson, Ν Λ Τ Ο Burdcn-Sharing. In der Literatur werden sogar die Kongreßverhandlungen als das eigentliche »Burden-Sharing« angesehen. Siehe Duke, The Burden-Sharing Debate. Duke zählte zwischen 1951 und 1989 rund 40 Kongreßcingaben zum Thema Lastenteilung zwischen den L SA und W esteuropa. Lbd., S. 238-242. Keplev, The Senate and the Great Debate of 1951. λ'gl. auch Patterson, Mr. Republican.
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das in den folgenden Jahrzehnten immer wieder aufflammte 162 . 1966 ging es in der sogenannten Mansfield Resolution um die Frage, welche Lasten die westeuropäischen Bündnispartner übernehmen konnten und ob ein Teilabzug der in Westeuropa stationierten US-Truppen möglich sei163. Doch diesmal waren die Vorzeichen andere: Im Gegensatz zu den fünfziger Jahren steckten die USA Mitte der sechziger Jahre in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und hatten zudem die Lasten des Vietnamkrieges zu tragen. Hinzu kamen der Rückzug Frankreichs aus der militärischen Kommandostruktur der NATO und der damit notwendig gewordene Abzug der US-Truppen und vor allem der US-Einrichtungen aus diesem Partnerland. Die Johnson-Administration versuchte angesichts ihrer Zahlungsbilanzschwierigkeiten, die Kosten der Stationierung der US-Streitkräfte durch »Offset-Vereinbarungen«zu senken. Das jeweilige Gastland sollte dabei einen entsprechenden Devisenausgleich an die Regierung in Washington leisten. Dies war ein neuer Aspekt der Lastenteilung, der neben bilateralen Verhandlungen auch eine bündnisinterne Lösung erforderte. Das finanzielle Angebot der Bündnispartner wurde 1970 von Richard Nixon überraschend abgelehnt. Angesichts der Größenordnung des westeuropäischen Angebots versprach sich der amerikanische Präsident mehr von einer Zusage der Bündnispartner, ihre Verteidigungsanstrengungen zu verstärken. Damit war der Ansatz einer neuen Lastenteilung auf der Ebene der Devisenausgleichszahlungen gescheitert 164 . 1971 wurde schließlich der Antrag Senator Mike Mansfields, amerikanische Truppen aus Europa abzuziehen, abgewiesen. Dies bedeutete allerdings keineswegs, daß damit die Befürworter einer Reduzierung der US-Truppen zum Schweigen gebracht worden wären. Insgesamt blieb es bei den in den fünfziger Jahren beschlossenen Grundsätzen der Lastenteilung innerhalb der Allianz, auch wenn zahlreiche Initiativen wie Henry A. Kissingers »Europajahr 1973« oder die »Drei-Prozent-Lösung« im Zuge des Langfristigen Verteidigungsprogramms der NATO im Jahre 1977 neue Ansätze brachten. Die von Präsident Jimmy Carter initiierte langfristige Festlegung aller Bündnispartner auf eine jährliche Steigerung der Verteidigungsbeiträge um drei Prozent war der letzte emstzunehmende Versuch, etwas an der bestehenden Lastenteilung zu verändern. Trotz eines Nordatlantikratsbeschlusses ließen die Jahre 1978 bis 1980 erkennen, daß die westeuropäischen Bündnispartner ihren selbstauferlegten Verpflichtungen nicht nachkamen. Im Gegenteil reduzierten sie zum Teil
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Auf den Punkt brachte dieses Ressentiment der amerikanische Finanzminister Snyder im Herbst 1951, als er bei einem Dinner gegenüber dem britischen Schatzkanzler äußerte, daß die USA immer die Milchkuh seien und die amerikanischen Steuerzahler für alles aufkommen müßten. Siehe Gaitskell, The Diaries, S. 281. Vgl. Fürst, Der U.S. Kongreß und die amerikanische NATO-Politik. Diese politikwissenschaftliche Dissertation bietet einen guten Uberblick über die einzelnen Kongreßdebatten zur Lastenteilung. Thiel, Devisenausgleich und Lastenteilung. Vgl. auch Rosenbach, Der Preis der Freiheit, und Zimmermann, »... they have got to put something in the family pot!«.
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in erheblichem Maße ihre Verteidigungsbudgets 165 . In den neunziger Jahren wurde die Lastenteilung der N A T O vor allem durch die Kosten der Erweiterung nach dem Beitritt der osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn und Tschechien sowie durch den eingangs beschriebenen Einsatz auf dem Balkan geprägt 166 . Die Kosten für den Beitritt der ehemaligen Vertragspartner des Warschauer Paktes halten sich noch in Grenzen, da die Modernisierung der Armeen erst anläuft und eine starke Eigenleistung dieser Staaten gefordert ist. Dennoch wird bereits jetzt über die Vorund Nachteile und über mögliche Auswirkungen der »NATOisierung« der nationalen Streitkräfte auf die volkswirtschaftliche Entwicklung nachgedacht 16 ". Während die Osterweiterung bisher zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten führte, wurden die anfallenden Kosten für den Einsatz der Streitkräfte auf dem Balkan nach bewährter Weise geteilt. Jeder Bündnispartner, der sich an den Kampfeinsätzen beteiligte, entschied souverän über die Höhe der Truppenpräsenz, auch wenn dabei bündnisinterne Vorgaben berücksichtigt wurden. Auch die multinationale Kontingendösung zur Friedenssicherung nach der Beendigung der Kampfeinsätze entspricht dem Verfahren der Lastenteilung der NATO und verspricht, ein erneuter Erfolg der multinationalen Zusammenarbeit im Bündnisrahmen zu werden. Welche Bedeutung die Kostenfrage und die Frage der Lastenteilung für die Aufbauphase der jungen Allianz hatte, soll im folgenden gezeigt werden. Dabei war der Wandel von der konventionellen Aufrüstung hin zur atomaren Kriegführung in erster Linie wirtschafts- und finanzpolitischen Erfordernissen geschuldet, die sich aus den Belastungen der westeuropäischen Volkswirtschaften durch die hohen Verteidigungsbeiträge für das Bündnis ergaben. Dazu werden die Streitkräfteplanungen der USA und der N A T O betrachtet und die verschiedenen Ansätze zum »Closing the gap« zwischen den politisch vereinbarten Streitkräftezielen und den tatsächlich aufgestellten Streitkräften der Bündnispartner bis 1952 kurz vorgestellt, ehe auf die innenpolitischen, wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der steigenden Verteidigungsausgaben eingegangen wird. Diese forderten eine bündnisinterne Lösung des Problems der Lastenteilung heraus.
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Siehe zur Drei-Prozent-Lösung Duke, The Burden-Sharing Debate, S. 7 2 - 7 6 , und Stuart/Tow, The Limits of Alliance, S. 84 - 87. Zur traditionellen Frage der Lastenteilung hinsichtlich einer globalen Sicherheitsarchitektur durch die USA und Westeuropa siehe Shifüng into Neutral? Vgl. z.B. Keson, Sobie potrzebm.
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2. Die Unvereinbarkeit der Aufrüstung mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau a. Die Streitkräfteziele der NATO und ihre schwierige Umsetzung Der Medium Term Defence Plan (MTDP) Um die strategischen Ziele der NATO in operative Optionen umsetzen zu können, mußten die militärischen Planungsstäbe Streitkräfteforderungen erarbeiten. Diese Forderungen dienten wiederum als Grundlage für den Aufbau der NATOStreitkräfte und für die Anteile der nationalen Armeen der Bündnispartner, die der NATO unterstellt wurden. Zudem setzten diese Streitkräfteforderungen einen ersten Rahmen für die jeweiligen Verteidigungsanstrengungen und -haushalte. So entwarf die Ständige Gruppe zur Umsetzung des ersten Strategiepapiers DC 6/1 vom Dezember 1949 und parallel zu den strategischen Richtlinien MC 14 vom März 1950 einen Verteidigungsplan, der von den Regionalen Planungsgruppen vorbereitet worden war. Dieser noch als »Medium Term Plan« bezeichnete erste Verteidigungsplan für das Jahr 1954 berücksichtigte die bestehenden nationalen Verteidigungsziele der Mitgliedstaaten für 1951 und rechnete die Gesamtstreitkräfte für das Jahr 1954 für eine erfolgreiche Verteidigung entlang der Linie RheinIjssel und der italienisch-österreichischen Alpen hoch. Insgesamt sollte die NATO gemäß DC 13 vom April 1950 im Zieljahr 1954 über 90 Divisionen, rund 8000 Kampfflugzeuge und 2324 Kriegsschiffe verfügen 168 . 1951 sollten davon bereits 27 Divisionen zur Verteidigung Westeuropas bereitstehen. Dieses Ziel wurde jedoch nicht erreicht. 1950 verfügte die NATO erst über 14 Divisionen unterschiedlichster Qualität hinsichtlich Ausbildung und Ausrüstung und über etwa 1000 Flugzeuge. Dem standen zirka 25 einsatzbereite sowjetische Divisionen in Ostdeutschland und Polen sowie weitere zehn bis 15 einsatzbereite Divisionen in Osteuropa mit etwa 6000 Flugzeugen gegenüber, die innerhalb der ersten 30 Tage eines Krieges auf 100 bis 140 Divisionen verstärkt werden konnten 169 . Bereits bei diesen ersten Streitkräftezielen zeigte sich, daß die Ständige Gruppe von ihrem Selbstverständnis her 168 NATO Strategy Documents, S. X I - X I V . Pedlow stellt in seiner Einleitung fest, daß bereits vor dem Korea-Krieg alle Elemente der späteren Strategiepapiere bis hin zum Einsatz atomarer Waffen zur Verteidigung Westeuropas im Strategiepapier DC 13 niedergeschrieben waren. Vgl. zu DC 13 auch Johnston, The Construction of NATO's Medium Term Defence Plan, S. 9 6 - 9 8 . 1(,1) Siehe zu den Streitkräfteberechnungen der Sowjetunion Karber/Combs, The United States, ΝΛΤΟ, and the Soviet Threat to Western Europe. Dabei wird die magische Zahl von 175 einsatzbereiten sowjetischen Divisionen und jenen der Satellitenstaaten, die sowohl in der Propaganda des Kalten Krieges als auch in der Literatur über den Kalten Krieg zu finden ist, angezweifelt. Karber und Combs werden allerdings von Duffield, Progress, Problems and Prospects, und Evangelista, The »Soviet Threat«, stark kritisiert. Berücksichtigt werden müssen in diesem Zusammenhang zeitgenössische Bedrohungsanalysen, wie das Dokument MC 33, 10.11.1951, welche von übertriebenen Zahlen ausgingen, jedoch in die Planungen der NATO einflossen. Siehe MC 33 »Estimate of Strength and capabilities of NATO and Soviet Bloc«, PRO, PREM 11/369, 10.11.1951.
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wenig Rücksicht auf die neun anderen Bündnisstaaten nahm und ohne Konsultation der NATO-Partner die Streitkräfteforderungen aufstellte 170 . Nach einer heftigen Kontroverse zwischen den amerikanischen und britischen Stabschefs über die unterschiedlichen Bedrohungsanalysen und nach einer Einigung auf die oben erwähnten einsatzbereiten sowjetischen Divisionen gelang es innerhalb der NATO, einen zweiten Verteidigungsplan zu entwickeln, der bereits die Streitkräfteforderungen gezielt an die jeweiligen Mitgliedstaaten richtete. Der im Oktober 1950 vom Verteidigungsausschuß als DC 28 angenommene Verteidigungsplan (MTDP) sah mittelfristig einen Streitkräfteumfang in Zentraleuropa von 32 einsatzbereiten Divisionen und einen Aufwuchs innerhalb der ersten 90 Tage von 58 Divisionen vor. Langfristig wurden in diesem Dokument 49 einsatzbereite Divisionen mit einem Aufwuchs nach 90 Tagen auf 95 Divisionen festgeschrieben. Zudem sollten ständig 915 Kriegsschiffe und rund 9000 einsatzbereite Flugzeuge zur Verfügung stehen 171 . Diese Streitkräfteforderungen waren der Ausgangspunkt für zahlreiche Überprüfungen durch die verschiedensten Gremien der NATO mit dem vorrangigen Ziel, die Planungen mit den bestehenden Verbänden der Bündnispartner in Einklang zu bringen. Doch die Zahlen des DC 28 waren bereits im Herbst 1951 überholt 1 " 2 . Nach der Indienststellung von SHAPE wurden diese Streitkräfteplanungen daher von General Eisenhowers Stab überarbeitet. Die Schwerpunktsetzung auf eine Verteidigung ostwärts des Rheins stand dabei im Vordergrund und erklärt die erhöhten Forderungen und die frühere Einsatzbereitschaft der Reservetruppen bereits nach 30 Tagen. Zudem wollte der neue SACEUR starke Marine- und Luftwaffenverbände an den Flanken, der Ostsee und dem Mittelmeer aufstellen, um den »Flaschenhals« Westeuropa bei einem Angriff sowjetischer Kräfte von beiden Seiten eindrücken zu können 173 . Eisenhowers Vorstellungen wurden während der NATO-Ratstagung in Rom im November 1951 von den Verteidigungsministern als MC 26/1 angenommen. Demnach sollten innerhalb von 30 Tagen nach Ausbruch von Feindseligkeiten 98, davon 46 sofort einsatzbereite Divisionen bereitstehen 174 . Diese Zahlen bildeten die Grundlage für sämtliche bündnisinterne Überprüfungen und Kostenberechnungen der folgenden Jahre, wenn auch noch laufenBland, The Military Committee of the North Atlantic Alliance, S. 140. Vgl. auch Duffield, Power Rules, S. 2 8 - 7 4 . r l Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 244 f. Abweichende Zahlen bietet die britische Überlieferung, die im Heeresbereich von einer Gesamtforderung von 46 einsatzbereiten Divisionen ausgeht. Siehe M e m o »Revised Medium Term Force Requirements«, C O S (51) 605, 22.10.1951, PRO, D F T E 5/34. Leichte Abweichungen auch bei Johnston, The Construction of N A T O ' s Medium Term Defence Plan, S. 111. rDabei müssen mehrere Ansätze unterschieden werden: militärische Überprüfungen mit dem Ziel, die Streitkräfte den operativen Planungen anzupassen oder die bestehenden Lücken zu schließen, und weitergehende Überprüfungen wie die Kostenbestimmung der militärischen Planungen oder die Durchführung des M T D P in rüstungswirtschaftlicher Hinsicht. Zum strategischen Konzept Eisenhowers siehe seine Ausführungen im Weißen Haus am 31.1.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part. 1, S. 4 4 9 - 4 5 8 . S H A P E erarbeitete das Dokument SC, 20/32, welches, leicht modifiziert, als MC 26/1 angenommen wurde. Vgl. Duffield, Power Rules, S. 52. r4 Siehe hierzu und im folgenden Duffield, T h e Soviet Military Threat to Western Europe.
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de Projekte mit den alten Forderungen aus DC 28 arbeiteten. An diesen Planungen hielten auch die USA fest; im Gegenteil wurde im Dokument NSC 114/1 vom Oktober 1951 die Gefahr einer sowjetischen Aggression sogar noch höher eingeschätzt als in NSC 68. Auch folgte der Hinweis darauf, daß die Ziele des MTDP nur mit einer erheblichen Steigerung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Anstrengungen zu erreichen seien. Das Jahr 1954 wurde als das Schlüsseljahr für eine erfolgreiche Durchführung des überarbeiteten MTDP angesehen 175 . Eisenhowers Vorstellungen stellten so den Höhepunkt der Streitkräfteforderungen innerhalb der NATO dar, deuteten jedoch bereits die politischen und wirtschaftlichen Grenzen der forcierten Aufrüstung des Bündnisses an. Der Ist-Stand im Jahre 1951 Bevor die Lücken zwischen den hohen militärischen Forderungen und den von den einzelnen Staaten leistbaren Streitkräftekontingenten errechnet werden konnten, mußte sich der NATO-Oberbefehlshaber ein Bild über die zum Zeitpunkt seiner Amtseinführung bereits aufgestellten Verbände und Einheiten machen. Dazu reiste General Eisenhower im Januar 1951 für drei Wochen durch sämtliche Staaten, die ihm Streitkräfte unterstellt hatten176. Sehr schnell wurde dem ehemaligen Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg klar, daß seine bestehende Streitmacht für die Erfüllung der hochgesteckten militärischen Ziele unzureichend war. In einem Bericht an Präsident Truman schrieb er, er sei zwar von der Einstellung der meisten Regierungen hinsichtlich einer raschen Aufrüstung positiv überrascht, jedoch von der Durchführung der Verteidigungsprogramme mehr als enttäuscht. Allerdings berichtete der General auch von der großen Armut, die er in Westeuropa kennenlernen mußte, und zweifelte daran, daß die westeuropäischen Staaten in absehbarer Zeit einen ähnlich großen Anteil ihrer Volkseinkommen für die Verteidigung aufbringen könnten wie die USA 177 .
North Atlantic Treaty Medium Term Defence Plan and related United States Assistance, Paper prepared by the ISAC, FRUS 1951, Vol. 3, S. 193-197. Siehe auch Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 93 - 95. 1 7 ' Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 2 4 - 3 2 ; FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 400-458; Protokoll einer Sondersitzung des kanadischen Verteidigungsausschusses mit General Eisenhower vom 26.1.1951, PAC, RG 2/18, Vol. 244. Zur Vorbereitung seiner Reise erhielt Eisenhower ein Briefing-Book des State Department, welches gezielte Informationen zum Stand der Aufrüstung im Bereich Streitkräfte und Rüstungsproduktion enthielt. Auszüge in FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 1 - 6 . 177 Siehe hierzu und im folgenden Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 2 4 - 3 2 , und FRUS, 1951, Vol. 3, S. 400-458. Vgl. Truman, Memoirs, S. 258 f. In dieser frühen Einschätzung der wirtschaftlichen Probleme der Bündnispartner stand Eisenhower nicht alleine. Auch Thomas D. Cabot, Director of International Security Affairs, kam zu einem ähnlichen Schluß, als er sich im März 1951 in London und Paris einen Eindruck von der Entwicklung der NATO machte. Siehe Telegr. Cabot an Acheson, 27.3.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 103-105. 175
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Der erste NATO-Oberbefehishaber, besichtigung in Europa 1951.
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General Dwight D. Eisenhower, lvährend seiner Truppen-
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Vor allem die Beneluxländer und die skandinavischen NATO-Partner verfugten über keine nennenswerten Landstreitkräfte 178 . Belgien hatte zwar eine InfanterieDivision in Deutschland stationiert, jedoch behinderten vor allem Ausrüstungslükken den raschen Aufwuchs von weiteren drei Divisionen. Die Niederlande verfügten mit rund 60 000 Soldaten über ausreichendes Personal zur Aufstellung von Großverbänden, Anfang 1951 war aber noch keine Organisation im Divisionsrahmen erfolgt. Die fehlende Ausrüstung der Soldaten mit schweren Waffen war auch hier ein Hauptgrund der Verzögerungen im Streitkräfteaufbau. Dazu kam das militärische Engagement der Niederländer in Indonesien bis 1949, dessen negative Auswirkungen auf die Moral der Truppe und auf die schwierige Modernisierung der Armee bis Mitte der fünfziger Jahre wirksam waren 179 . Schließlich behinderte die starke niederländische Marine eine Haushaltsmittelverlagerung hin zu Heer und Luftwaffe, was den NATO-Planungen entsprochen hätte. Gab die Regierung im Jahre 1948 noch rund acht Prozent des Bruttosozialproduktes für die Verteidigung aus, so sank der Anteil nach dem Ende des Kolonialkrieges um fast die Hälfte. Die USA konnten sich mit diesem geringen Verteidigungsaufwand nicht zufrieden geben und signalisierten dies der niederländischen Regierung bereits im Herbst 1950180. Dänemark und Norwegen wiederum unterstellten dem SACEUR in dieser Anfangsphase nur ihre Besatzungstruppen in Deutschland in einer Größenordnung von rund 6000 Soldaten. Allerdings waren die skandinavischen Staaten in erster Linie für die NATO-Stützpunktpolitik interessant und weniger wegen ihrer Streitkräfte 181 . Die ab Mai 1951 in Deutschland zusätzlich stationierten US-Streitkräfte für Westeuropa verstärkten Eisenhowers Streitmacht immerhin um vier weitere Divisionen 182 . Nach innenpolitischen Schwierigkeiten in den Vereinigten Staaten über die selbständige Entscheidung des Präsidenten, Truppen nach Europa zu entsenden, und einer Kongreßresolution im April 1951, die eine weitere Entsendung von amerikanischen Truppen der Zustimmung des Kongresses unterwarf, bildeten nun fünf einsatzbereite US-Divisionen vorerst die Kernverbände einer Verteidigung Westeuropas 183 . Bereits im Jahre 1950 nahm sich ein niederländischer Karikaturist dieses Themas vor dem Hintergrund des Pleven-Planes an:
178 179 180 181
182 183
Siehe zu den Streitkräftezahlen Keesing's Archiv der Gegenwart, 21.1.1951, S. 2784. Van der Harst, The Build-up of the Dutch Army, S. 9. Aide memoire US Embassy to the Dutch Ministry of Foreign Affairs, 28.10.1950, zit. nach Megens, American AW to NATO Allies, S. 101 f. Entscheidend für die NATO und für die USA im Falle Dänemark war das Verteidigungsabkommen über Grönland von 1951, welches den USA drei größere Flugplätze garantierte. Siehe Petersen, Dänemark und die atlantische Allianz. Auch Norwegen war bis Mitte der fünfziger Jahre v.a. wegen seiner Stützpunkte für Interkontinentalbomber und für Radar- und Fernmeldeanlagen interessant. Siehe dazu Pharo/Eriksen, Norwegen und die NATO 1950-1956. Siehe zur Stationierung der US-Streitkräfte Huston, Outposts and Allies, S. 8 7 - 127. Zur »Great Debate« in den USA siehe Kepley, The Senate and the Great Debate of 1951. Vgl. auch Condit, The Test of War, S. 339-341, und Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 221-224.
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Insgesamt waren im April 1951 ganze 16 Divisionen mit unterschiedlichsten Graden der Einsatzbereitschaft und Ausrüstung aufgestellt. Die Luftstreitkräfte waren mit weniger als 1000 Flugzeugen nicht viel beeindruckender, nur im Bereich der Seestreitkräfte konnte Eisenhower einigermaßen zufrieden sein 184 . Angesichts dieser Situation und der nationalen Planungen war der NATO-Oberbefehlshaber von der Notwendigkeit überzeugt, die Ziele des überarbeiteten MTDP erreichen zu müssen. Unterstützt wurde Eisenhower von weiteren hohen Militärs wie Montgomery und General Sir Ian Jacob, die ebenfalls große Lücken zwischen den NATOPlänen und den bestehenden nationalen Streitkräften konstatierten und zusammen mit den verantwortlichen Stellen in Washington auf die Durchführung der beste -
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Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 226. Vgl. dagegen die wenigen einsatzbereiten Streitkräfte der Brüsseler-Pakt-Staaten Anfang 1950, die Montgomery beklagt. Kr ging im Mai 1950 von 10 kriegsuntauglichen Divisionen und 370 Flugzeugen aus und sprach von einer »extreme weakness« des Brüsseler Paktes. Siehe Hamilton, Montv. The Field-Marshal, S. 7 6 2 f.
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henden Planungen drängten 185 . An W. Avereil Harriman, dem damaligen Sonderberater Präsident Trumans für Außenpolitik, berichtete Eisenhower dazu über jedes einzelne Land und über die jeweiligen Probleme beim Aufbau der Streitkräfte für die NATO. Er bescheinigte dabei jedem NATO-Partner bis auf die Niederlande den Willen zur Aufrüstung und erste Anfangserfolge durch erweiterte Verteidigungsbudgets und Erhöhung der Wehrdienstzeiten. Kritische Punkte waren allerdings die mangelnde Ausrüstung für die zusätzlichen Soldaten und Einheiten, die im zögerlichen Verhalten der Staaten hinsichtlich Aufbau und Erweiterung ihrer eigenen Rüstungsindustrie lag, aber auch mit der unzureichenden Ausrüstungshilfe durch die USA zu erklären war. Eisenhower betonte dabei die Bedeutung der USAußenhilfe, die allerdings an Bedingungen wie Maximierung der westeuropäischen Verteidigungsanstrengungen geknüpft werden müsse 186 . Eisenhowers Einschätzung des Willens der Westeuropäer zur Selbstverteidigung sollte sich in den folgenden Monaten als richtig erweisen. Die Bereitschaft der Bündnispartner, die Forderungen des MTDP zu erfüllen, erhielten durch die Europareise des US-Generals Auftrieb. Bereits nach weniger als einem Jahr zeigten seine Bemühungen um eine forcierte Aufrüstung in seinem Befehls- und Kommandobereich erste Erfolge. Verbunden war dies allerdings mit dem politischen Druck der USA auf die einzelnen Bündnispartner, mehr für die Verteidigung zu tun, und mit der Aussicht auf weitere amerikanische Außenhilfe vor allem in Form von militärischen Ausrüstungsgütern. Im Dezember 1951 konnte Eisenhower bereits auf 35 verhältnismäßig gut ausgebildete und ausgerüstete aktive und Reservedivisionen sowie auf rund 3000 Flugzeuge zurückgreifen 187 . Dennoch stellte der Militärausschuß der NATO im November 1951 in seiner Studie MC 33 fest, daß derzeit die NATO-Streitkräfte nicht ausreichten, um die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten davon abzuhalten, das gesamte oder weite Teile des NATO-Territoriums in Kontinentaleuropa zu erobern. Zudem seien die für die Jahre 1954 geplanten Streitkräftezahlen zu gering für die Durchführung einer »Forward Strategy«188.
Siehe Bericht General Jacob, 12.12.1951, PRO, PREM 11/160. Montgomery hatte sich schon in den Jahren zuvor mit seiner offenen Kritik an den Verteidigungsanstrengungen Westeuropas zum »Schwarzseher« entwickelt. Vgl. Hamilton, Monty. The Field-Marshal, S. 7 6 2 - 7 6 8 und 779-812. Auch in späteren Jahren tat er sich als Kritiker der NATO in verschiedenen Memoranden hervor. Siehe z.B. Memo vom 26.6.1953 an die britische Regierung (hier an Schatzkanzler Butler) und an Lord Ismay über den Zustand der NATO 1953, PRO, Τ 235/57. 186 Brief Fisenhower an Harriman, 14.1.1951, in: Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 24 - 32. Bedeutung erlangte dieser Brief erst mit der Ernennung Harrimans zum Vorsitzenden des Exekutivbüros des TCC im November 1951 und zum Chef der Mutual Security Agency im April 1952, als er die amerikanischen Interessen innerhalb der NATO vertrat und für die Verteilung der zusammengefaßten US-Wirtschafts- und Militärhilfe verantwordich war. 187 Siehe zur Bilanz der Arbeit Eisenhowers Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 226. Zur Würdigung seiner Arbeit als SACEUR siehe auch Truman, Memoirs, S. 258. '»8 Estimate of Strength and Capabilities of NATO and Soviet Bloc (MC 33), 10.11.1951, PRO, PREM 11/369. 185
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Lücken- und Kostenberechnungen
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der USA und der NATO
Die Bestandsaufnahme des SACEUR im Januar 1951 bei den bestehenden Verbänden und damit des Verteidigungswillens der Westeuropäer war nur eine von vielen Überprüfungen der Umsetzung der Streitkräfteforderungen. Dabei muß zwischen Uberprüfungen der bestehenden Streitkräftelücken und der dabei anfallenden Kostenberechnungen unterschieden werden. Wie bereits gezeigt, gaben sich die USA ab Mitte 1950 mit der Aufrüstung der NATO-Partner nicht mehr zufrieden und initiierten eine bündnisinterne Bestandsaufnahme der Streitkräftelücken. Die amerikanischen Joint Chiefs of Staff (JCS) nahmen sich im Frühjahr 1951 auf Anregung der Ständigen Gruppe der Berechnung dieser Lücken an. In Streitkräftezahlen ausgedrückt fehlten am D-Day rund vier Divisionen, 30 bzw. 90 Tage danach elf bis zwölf Divisionen 189 . Parallel dazu errechnete das aus Vertretern verschiedener Ministerien bestehende International Security Affairs Committee (ISAC) die finanzielle Lücke zwischen dem bisherigen Streitkräfteaufkommen und den Forderungen der NATO 19 ". Die Ergebnisse waren schockierend. Allein der Ausrüstungsbereich bedurfte je nach Berechnungsgrundlage zusätzlich zwischen 18,5 und 25 Milliarden US-Dollar. Dieses Manko wird noch bedeutender bei der Betrachtung der über drei Jahre verteilten Gesamtsumme von rund 50 bis 60 Milliarden Dollar, welche die USAdministration grob als Kosten für den MTDP in Westeuropa im Jahre 1950 berechnet hatte 191 . General Omar N. Bradley ließ die fehlenden Marine- und Luftwaffenstreitkräfte zusammenstellen und kam auf 277 Großkampfschiffe und 42 Flugzeugstaffeln 192 . Nach Einschätzung der Joint Chiefs of Staff fehlten rund 3200 Artilleriegeschütze, 8000 Kampfpanzer und 9300 Halbkettenfahrzeuge. Auch hier wird die Größenordnung durch eine Vergleichszahl deutlich: Im Jahre 1950 verfügte Großbritannien über insgesamt 6000 Kampfpanzer 193 . Das Ausrüstungsproblem erschwerte die zahlenmäßig weit hinter den Planungen zurückstehenden Waffen- und Materiallieferungen aus den USA. Bis linde 1951 wurde Militärausrüstung Siehe Condit, The Test of W ar, S. 3 7 1 . D-Dav war die Bezeichnung tür den Tag, an dem eine kriegerische Auseinandersetzung begann. In den Planungen kommt auch häufig die Bezeichnung M-Dav auf. M-Dav stand für den Tag der Mobilmachung, der durchaus auch der D-Dav sein konnte. M + 3 0 war demnach der 30. Tag nach der Mobilmachung. Kbd., S. 3""5. ,'"1 Siehe W'ampler, Ambiguous Legacy, S. 1 4 1 - 1 5 0 . Die Zahlen geben allerdings nur einen Hindruck über die Cjrößenordnung der Lücken wider. Zu sehr unterschieden sich die einzelnen Studien über die Streitkräftelücken in ihren Grundannahmen, in den zugrundeliegenden Streitkräftctorderungen, in den einbezogenen Verbänden und nicht zuletzt in den nicht standardisierten Kostenvoranschlägen tür einzelne Positionen. Zur Zusammensetzung und Verantwortlichkeit des ISAC siehe Memo Harlan Cleveland, 12.3.1951, \'A, RG 469, Τ 60, Box 3 (C-D). '*'« Siehe Minute Sheet »Dcfense-NATO. I-inancial and Fconomic Working 1950«, 8.12.1950, PAC, RG 25, Β 3 (Washington I'.mbassv), V o l . 2 1 5 0 , File 119, und Report to the NSC, 8.12.1950, I-'RUS 1950, Vol. 1, S. 434. Vgl. auch Condit, T h e Test of War, S. 3 7 0 - 3 7 3 . 1 ' ) - Siehe Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 18^ und 189. So hatte Großbritannien z.B. Anfang der fünfziger jähre keine der sowjetischen MIG-15 vergleichbare Maschine und bat um kanadische Hilfslieferungen des Typs F 86. Siehe PAC, DKA 50011-40, Vol. 1. I9"> Siehe den Bericht einer Sondersitzung des kanadischen Verteidigungskomitees anläßlich eines Besuches des britischen Verteidigungsministers Shinwell, 3.11.1950, PAC, RG 2, 18, Vol. 244.
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im Wert von nur rund fünf Prozent des gesamten Militärhilfeetats der USA nach Westeuropa geschafft. So waren bis Mitte 1951 von den für Frankreich vorgesehenen 2148 Kampfpanzern nur zirka 500 Stück geliefert worden. Zudem verweigerte Frankreich die Annahme des veralteten Panzertyps M-42 (Baujahr 1944), der kaum gegen den verbesserten T-34 antreten konnte. Die neuen Panzer des Typs M-43 gingen erst im Februar 1952 in Serie und waren in erster Linie für die US-Armee vorgesehen 194 . Der Zustand der einzelnen nationalen Streitkräfte war somit bis zum Jahre 1951 als wenig hoffnungsvoll zu bezeichnen. Erschwerend kam hinzu, daß General Bradley aus den Studien über die Ausrüstungslücken des M T D P folgerte, die westeuropäischen NATO-Staaten wollten nur zehn Prozent der Rechnung zahlen, während 90 Prozent von den USA aufgebracht werden sollten195. Bradleys Folgerungen warfen ein schlechtes Licht auf die Bereitschaft der Westeuropäer, sich selbst zu verteidigen und im Gegenzug zur US-Außenhilfe erhöhte Verteidigungsanstrengungen zu leisten. Auch die Ergebnisse der anderen Studien schienen diesen Eindruck zu verstärken, die sich zusammenfassend wie folgt lasen: Insgesamt waren Ende 1951 nur rund 50 Prozent der für Verteidigung des NATOGebietes als notwendig erachteten Landstreitkräfte einsatzbereit196. Darüber hinaus fehlten im Bereich der Länderbeiträge ungefähr zehn Prozent der Landstreitkräfte, etwa 30 Prozent der Luftstreitkräfte und durchschnittlich 30 Prozent des geplanten Großgerätes für die Jahre 1952 bis 1954 197 . Drei Wege zur Beseitigung der Lücke boten sich an: erstens eine weitere Erhöhung der US-Streitkräfte in Westeuropa, zweitens ein militärischer Beitrag der Bundesrepublik Deutschland für das Bündnis und drittens die nochmalige Aufstockung der westeuropäischen NATO-Streitkräfte. Neben den ersten beiden, mit großen politischen Problemen verbundenen Losungen schien der dritte Weg eine rasche Umsetzung der amerikanischen Vorstellungen zu garantieren. Hatte Acheson bereits im Januar 1951 die Bündnispartner zu mehr Eigenleistungen aufgefordert, um die Streitkräfteziele des M T D P zu erfüllen, so nutzte die US-Administration nun das »Gap-Konzept«, um den Westeuropäern zu zeigen, wie die vereinbarten Ziele zu erreichen waren198. Der nächste Schritt der USA war folglich der Versuch, das Schließen der Lücken zu institutionalisieren und mit den jeweiligen Regierun-
19" NATO: Rache in Rom, in: Der Spiegel, 28.11.1951, S. 17 f. Vgl. Pach, Arming the Free World, S. 231. Die Priorität der Ausrüstung durch das amerikanische Verteidigungsministerium lag naturgemäß zuerst bei den US-Streitkräften in Korea und in den USA, ehe an Lieferungen nach Westeuropa gedacht wurde. Dennoch kritisierten die NATO-Staaten diese »Verteilungspolitik« als dem Charakter der gegenseitigen Hilfe und der gemeinsamen Sicherheit abträglich. 1« Draft Record of a DOS-JCS-meeting, 7.3.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 8 2 - 8 6 . 1,6 Wampler, Ambiguous Legacy, S. 34. 197 Memo »Equipment Gap«, 13.12.1951, PRO, Τ 225/195, und Memo »GAP in F T 1953/54«, 21.5.1951, NA, RG 469, Τ 60, Box 3 (C-D). 198 Telegr. Acheson an verschiedene diplomatische und FXA-Vertretungen, 15.1.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 2 9 - 3 4 , und Telegr. Spofford an Acheson, 4.7.1951, ebd., S. 213-216.
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gen in Verhandlungen über weitere US-Außenhilfe zu treten oder vielmehr diese Problemlösung innerhalb der N A T O anzuregen 199 . Allerdings hatte diese Vorgehensweise ein Revidieren der Streitkräfteziele nach oben zur Folge, um die entstandenen Lücken überhaupt schließen zu können. Die westeuropäischen NATO-Staaten waren damit und mit der Auflage der Erfüllung der Streitkräfteziele für die Zuteilung der amerikanischen Außenhilfe durch die USRegierung in Bedrängnis geraten, was eine Reaktion der Bündnispartner geradezu herausforderte. Im September 1951 beantragte daher der britische Vertreter bei der NATO eine Überprüfung des MTDP mit dem Ziel, einem »Closing the gap«Projekt zuvorzukommen und die aus Sicht der britischen Regierung überzogenen Streitkräfteziele nach unten zu revidieren. Die Vertreter der USA und Frankreichs wehrten sich gegen den britischen Vorschlag mit dem Hinweis, daß der MTDP ministeriell beschlossen worden und deshalb unantastbar sei, zudem würde bereits eine bündnisinterne Untersuchung zur Beseitigung der bestehenden Lücken im Verantwortungsbereich des Militär)' Representative Committee (MRC) laufen. Die daraus resultierende Studie, MRC 5/1, welche Vorschläge für die anstehende NATO-Ratstagung in Ottawa unterbreitete, bestätigte die Befürchtungen der Briten hinsichtlich einer weiteren Streitkräfteerhöhung. Das Vereinigte Königreich sollte zu den bisher geforderten vier sofort einsatzbereiten Divisionen eine und zu den nach 90 Tagen geforderten neun zwei zusätzliche Divisionen stellen 200 . Auch die Stabschefs der amerikanischen, französischen, britischen und kanadischen Luftwaffen ermittelten im Juni 1951 einen deutlichen Mehrbedarf an Flugzeugen (festgeschrieben im sogenannten Paris-Plan). Allerdings weigerte sich in diesem Fall der kanadische Premierminister St. Laurent, Änderungen an den beschlossenen Zahlen vorzunehmen, ehe nicht die Ständige Gruppe eine teilstreitkraftübergreifende Studie aller nationalen Verteidigungsprogramme erstellt habe 201 . In beiden Fällen zeigt sich der Versuch der Bündnispartner, ihre nationalen Interessen — unter Berücksichtigung der innenpolitischen Schwierigkeiten, die sich aus der Finanzierung der nationalen Verteidigungsbeiträge ergaben — innerhalb der Allianz durchzusetzen und sich dabei auf bestehende Planungen oder laufende Überprüfungen dieser Planungen zu berufen. Diese oben bereits aus militärischer Sicht bezeichnete »Systemschwäche« wirkte sich immer wieder auf die Entwicklung der NATO aus. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellte, war die nach den »Yardsticks« der Aufrüstung, also nach den Kosten der Aufstellung dieser Streitkräfte, nach den Auswirkungen der erhöhten Verteidigungsausgaben auf die Volkswirtschaften der Bündnisstaaten und die sich daraus ergebenden innenpolitischen Schwierigkeiten, die eine weitere Aufrüstung im Sinne der Amerikaner er'>'> Telegr. Webb, Acting Seer of State, an Spofford, 17.8.1951, FRUS 1951, V o l . 3 , P a r t i , S. 2 4 8 - 2 5 3 . i " Memo Chiefs of Staff, COS (51) 512, 6.9.1951, PRO, D F F F 5/33, und Memo Joint Planning Staff J Ρ (51) 150 (final), 3.9.1951, PRO, D F F F 6/18. Die zusätzlichen Divisionen ergeben sich allerdings im Vergleich zum Dokument DC 28, nicht zu den Forderungen aus MC 26/1. 2111 Protokoll der 76. Sitzung des kanadischen Verteidigungsausschusses, 26.6.1951, PAC, RG 2 Β 2, Vol. 244.
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schwerten oder sogar verhinderten. Am Beispiel der zwei größten westeuropäischen Bündnispartner sollen im folgenden Antworten auf diese Fragen gefunden werden. b. Die Auswirkungen der Aufrüstung in Großbritannien und Frankreich
Als General Eisenhower während seiner Antrittsreise als SACEUR in Norwegen Station machte und neben dem Stand der Aufrüstung auch einen Einblick in die ärmlichen Verhältnisse der norwegischen Bevölkerung gewinnen konnte, machte er sich zum ersten Mal Gedanken über diese sogenannten Yardsticks, an denen die Bündnispartner ihre Verteidigungsbeiträge messen mußten. Dem ranghöchsten kommandierenden General der N A T O war sehr früh klar, daß sich die militärischen Forderungen an den wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der Bündnispartner zu orientieren hatten, und daß bei aller militärischer Planung auch auf die nationalen Volkswirtschaften Westeuropas Rücksicht genommen werden mußte202. Bereits im Juli 1950 war auch Präsident Truman durch Verteidigungsminister Johnson über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der NATOStreitkräfteplanungen unterrichtet worden. Die Einschätzung der TeilstreitkraftMinister und die der Joint Chiefs of Staff kamen in einem Memorandum zum Ausdruck: »Most of the N A T O countries find themselves in the position where the charges on their budgets which will result from carrying out the Medium Term Plan will be most difficult to bear 203 .«
Großbritannien und Frankreich waren neben den Vereinigten Staaten die NATOPartner mit dem größten Militärpotential in Westeuropa. Gerade deshalb bieten sich diese Staaten zur tieferen Analyse der Auswirkungen der Verteidigungsbeiträge an. Zudem gibt es kein Mitgliedsland, welches in vergleichender Betrachtung als das klassische NATO-Beispiel dienen könnte. Zu unterschiedlich waren und sind die Partnerstaaten in ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammensetzung, zu unterschiedlich ihre nationalen sicherheitspolitischen Interessen, die in keinem Fall deckungsgleich mit den wenigen gemeinsamen Zielen der Nordatlantischen Allianz sind. Letztlich waren alle Bündnisstaaten mit den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Aufrüstung der frühen fünfziger Jahre belastet; das wiederum führte zu innenpolitischen Schwierigkeiten.
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Protokoll einer Sondersitzung des kanadischen Verteidigungsausschusses mit General Eisenhower, 26.1.1951, PAC, R G 2 / 1 8 , Vol.244. Dennoch hielt Eisenhower an den Streitkräftezielen des M T D P fest, im Gegenteil wollte er durch erhöhte Streitkräfteforderungen die Lücken alsbald geschlossen wissen. Als Ausgleich sollten die Westeuropäer mit mehr US-Außenhilfe in Form von Militärausrüstung bedacht werden. Memo for the Secretary of Defense, 13.7.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 133 f. Allerdings folgerten die Militärexperten, daß eine zukünftige amerikanische Militärhilfe für Westeuropa von dem Willen der westeuropäischen Staaten, ihren vollen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung zu tragen, abhängig sein müsse. Ebd., S. 134.
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Großbritannien Die nationalen Interessen Großbritanniens blieben auch nach dem Krieg nach Westen ausgerichtet und wurden prägnant von Churchill während der Tagung der britischen Konservativen im Oktober 1948 in seiner berühmten »Drei-KreiseTheorie« formuliert. Danach besaß Großbritannien eine Schlüsselstellung in der Schnittmenge der drei Interessengebiete Commonwealth, USA und Europa. Diese sollte dazu genutzt werden, eine globale Gleichgewichtspolitik innerhalb einer atlantischen Gemeinschaft durchzusetzen und gleichzeitig die eigene »Weltmachtposition« unangetastet zu lassen 204 . Sämtliche militärischen Strategiepapiere der Chiefs of Staff dieser Jahre gingen daher von diesem globalen Ansatz der britischen Regierung aus und planten für drei Hauptschauplätze eines zukünftigen Krieges — für Westeuropa, den Nahen Osten und Ostasien 205 . Der Weltmachtanspruch führte in den fünfziger Jahren zur britischen Enthaltsamkeit hinsichtlich der französischen Integrationspolitik in Europa. Von London wurde eine Sonderrolle oder vielmehr die Scharnierfunktion zwischen den USA und Kanada auf der einen und Westeuropa auf der anderen Seite angestrebt. Dies hatte jedoch zur Folge, daß das Inselreich nur bis 1948/49 eine einflußreiche Position bei der Gestaltung des westlichen Lagers ausfüllte, während die Jahre nach der NATO-Gründung und der Beginn des Koreakrieges den Verlust dieser Position mit sich brachten. Nach 1954 war es an Frankreich und an der Bundesrepublik Deutschland, die Europapolitik zu dominieren 206 . Großbritannien gab zwischen 1947 und 1950 mit durchschnittlich rund sechs Prozent seines Bruttosozialproduktes mehr für Verteidigungszwecke als die übrigen westeuropäischen Staaten aus, im Jahre 1950 sogar mehr als die USA. Dies war unter anderem der Preis für die britische »Weltmachtpolitik«, also der Versuch, über den Zweiten Weltkrieg hinaus eine entscheidende Großmacht auf internationalem Parkett zu bleiben und die überseeischen Interessen mit Militärgewalt zu wahren. Der stellvertretende Premierminister Clement Attlee formulierte bereits 1943 diese Auffassung, als er von dem strategischen Ziel der Erhaltung des britischen Commonwealth als internationale Einheit und als Voraussetzung für eine gewichtige Rolle zwischen den USA und der Sowjetunion in einer neuen Weltordnung sprach20". Allerdings war in jenen ersten Jahren nach dem Ende des Weltkrieges dieser Schwerpunkt der Ressourcenverteilung umstritten. Für 1948 schlug Hbersold, Machtverfall und Machtbewußtsein, S. 2 4 9 - 3 3 2 und 4 0 7 - 4 1 7 . Siehe auch Ovendale, Britische Außen- und Bündnispolitik. 2"5 Defence Policy and Global Strategy, D O (50) 45, 7.6.1950, und Defence Policy and Global Strategy Paper, D (52) 26, 17.6.1952, PRO, CAB 131/9 und 12. Vgl. auch Bayiis/Macmillan, The British Global Strategy Paper. 21,6 Hinen guten Überblick über und wichtige Dokumente zur britischen Außen- und Sicherheitspolitik bietet British Defence Policy since 1945. 2ir Barnett, The Lost Victory, S. 51. Wenn auch umstritten, bieten die Studien Barnetts ausgezeichnete Hinblicke in das brirische Großmachtsystem der Kriegs- und Nachkriegszeit und nachvollziehbare Gründe für die globale Überdehnung der britischen Kräfte in den vierziger und fünfziger (ahren. Vgl. auch Barnett, The Audit of War; ders., The Collapse of British Power. 2114
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Premier Attlee deshalb dem Kabinett eine erste Reduzierung der Streitkräfteplanungen vor, die jedoch nicht konsequent durchgeführt wurde. Der neue Schatzkanzler Sir Stafford Cripps erklärte entgegen der Auffassung des Außenministeriums die volkswirtschaftliche Gesundung als das vorrangige Ziel der Regierung, doch auch er konnte eine Verlagerung der Staatsausgaben vom Verteidigungssektor auf Investitionen und Konsum nicht durchsetzen. Mit den weltweiten Auswirkungen des Kalten Krieges und den damit verbundenen Gefahren für den Bestand des Commonwealth, wie zum Beispiel der im Juni 1948 ausgebrochene Bürgerkrieg in Malaya, eine der wichtigsten Dollarquellen Großbritanniens durch die Produktion von Kautschuk und Zinn für den Weltrohstoffmarkt, waren neue Begründungen für die hohen Verteidigungsausgaben rasch gefunden: der gemeinsame Kampf mit den USA gegen den Kommunismus. Doch damit stellte sich zugleich die Kostenfrage für eine hohe Militärpräsenz. Anfang 1949 setzten die Chiefs of Staff eine Arbeitsgruppe ein, um das Problem der Formulierung von Streitkräftezahlen zu lösen. Die Frage war, nach welchem gegebenen Fixum die Regierung bei ihren Verteidigungsplanungen vorgehen sollte: entweder nach einem fixen Budget als Obergrenze der Verteidigungsausgaben oder einer klaren politischen Vorgabe, nach der die Streitkräfteziele und danach die Kosten errechnet werden konnten. Die Entscheidung fiel im Februar 1949 zugunsten eines fixen Budgets von jährlich 700 Millionen Pfund 208 . Die Dollarkrise im Jahre 1949 verstärkte die Argumentation des Schatzkanzlers, nicht nur von einem festen Verteidigungsbudget auszugehen, sondern dieses auch noch herabzusetzen. Die Forderungen des Verteidigungsministers nach jährlich rund 800 Millionen Pfund für die Durchsetzung der globalen Interessen Großbritanniens erklärte Cripps für überzogen und drohte mit der Kürzung im sozialen Bereich, um die Verteidigungsausgaben in solchen Höhen finanzieren zu können. Ein Kompromiß für das Haushaltsjahr 1950/51 in Höhe von 780 Millionen (rund 2 Milliarden Dollar) wurde im Kabinett im Januar 1950 beschlossen und beendete vorerst den Richtungsstreit zwischen Außen- und Verteidigungsministerium und dem Schatzamt 209 . Diese hier nur kurz angedeutete Auseinandersetzung in der britischen Regierung war auch innerhalb der NATO ein großes Problem. In den Anfangsjahren der Allianz setzten sich die militärstrategischen Überlegungen und die Bedrohungsanalysen als Vorgaben für eine »unkontrollierte« Streitkräfteplanung der Militärs durch. Nach Beginn des Koreakrieges stellten die Briten eine Heeresbrigade für Korea auf und erhöhten ihre Verteidigungsausgaben im Haushaltsjahr 1950/51 für zusätzliche Ausrüstung um 100 Millionen Pfund Sterling. Zudem forderten die Vereinigten Staaten von Amerika auch Großbritannien im Juli 1950 auf, deutlich mehr für die gemeinsame Verteidigung zu tun als bisher. Bereits nach wenigen 2»8 Siehe Barnett, The host Victor)·, S. 87-102. ™ Memo »Defence Estimates 1950/51«, 29.1.1950, PRO, Τ 225/75. Bereits vier Wochen später informierte der britische Verteidigungsminister seine Kabinettskollegen, mit dem beschlossenen Verteidigungshaushalt nicht alle laufenden Rüstungsproduktionsprogramme erfüllen zu können. F.ine zehnprozentige Steigerung wurde daher als dringend erforderlich angesehen.
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Tagen reagierte die britische Regierung mit der Verkündung eines neuen DreiJahres-Programmes über 3,4 Milliarden Pfund; das stellte eine fast fünfzigprozentige Steigerung zu den bis dahin gültigen Planungen dar. Bedingung dafür war eine Weiterführung der Marshall-Plan-Hilfen und eine zusätzliche, garantierte US-Hilfe in Höhe von 550 Millionen Pfund (rund 1,45 Milliarden US-Dollar), um die für zusätzliche Rüstungsprojekte erforderlichen Rohstoffe und Maschinenteile aus den USA beziehen zu können 210 . Eine britische Arbeitsgruppe unter der Leitung von Sir Edwin Plowden, die sich mit den Verteidigungsausgaben befaßte, verdeutlichte den amerikanischen ECA-Vertretern die Notwendigkeit der Vorgehensweise der britischen Regierung, um die wirtschaftliche Gesundung des Landes sicherstellen zu können. Ein jährlicher Verteidigungshaushalt von 950 Millionen Pfund war demnach die maximale Obergrenze für Großbritannien und bedeutete einen der USA vergleichbaren Anteil des Nationaleinkommens für Verteidigungszwecke. Die Arbeitsgruppe versuchte auch Druck auf die US-Vertreter auszuüben, indem sie das britische Angebot an die Presse weitergeben wollte. Dies lag jedoch nicht im amerikanischen Interesse, da europäische Forderungen ungünstig für die Kongreßverhandlungen um weitere Außenhilfe für Westeuropa gewesen wären 2 ". Die USAdministration ging daher auf solche Forderungen nicht ein, setzte sich nach Gesprächen mit Attlee, Gripps und Sir Roger Makins über den Verzicht auf bestimmte Dollarforderungen durch und ließ die diesbezüglichen britischen Anfragen offiziell unbeantwortet. Auch verweigerte sich das Pentagon einer bilateralen Zusammenarbeit in Fragen der NATO-Streitkräfteplanung mit Großbritannien 212 . Bereits im September 1950 beschloß das Kabinett eine Erhöhung des 3,4Milliarden-Pfund-Programms um weitere 200 Millionen, um die zusätzlichen Personalkosten und die Aufwendungen für eine Verlängerung der Wehrdienstzeit auf 24 Monate zu tragen 213 . Doch diese Erhöhung der britischen Verteidigungsausgaben für die Jahre 1951 bis 1954 bedeutete noch nicht das Ende der Planungen. Der US-Botschafter in London, Lewis W. Douglas, beschwerte sich bei Acheson über die mangelnde Einsicht der Briten in die Notwendigkeit einer raschen gemeinsamen Aufrüstung. Er warf den britischen Behörden eine »Business as usual«Mentalität vor 214 . Acheson forderte daraufhin die britische Regierung auf, mehr für die gemeinsame Verteidigung zu leisten und mit den USA den westeuropäischen
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Cabinet Memo, CP (50) 181, 31.7.1950, PRO, CAB 129/41. Das britische Kabinett sah einen maximalen Verteidigungsbeitrag ohne US-Hilfe für 1951/52 von 950 Millionen Pfund als durchführbar an. Allerdings wurde bereits auf die möglichen Ι-'olgen für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg hingewiesen. Siehe auch die Minutes of Meeting, CM (50) 52nd meeting, 1.8.1950, PRC), CAB 128/18. Bericht des US-Botschafters in London, 2.8.1950, I R L S 1950, Vol. 3, S. 1669-1674. General Bradley warnte vor einem gemeinsamen Stab und setzte stattdessen mit der Htablierung der Ständigen Gruppe im Pentagon ein Zeichen. Memo of Conversation, 12. 7 .1950, l-'RUS 1950, Vol. 3, S. 1655 f. Plowden, An Industrialist in the Treasurv, S. 99. Telegr. Douglas an Acheson, 9.8.1950, I : ' R U S 1950, Vol. 3, S. 1673-1678. Siehe auch die Erinnerungen Plowdens, An Industrialist in the Treasurv, S. 100, der von Douglas namentlich genannt wird.
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NATO-Partnern ein Vorbild für die Aufrüstung zu sein. Während der bilateralen Gespräche mit der US-Administration Anfang Dezember 1950 in Washington über die Lage in Korea und einen möglichen Einsatz von Atombomben verdeutlichte Acheson den Willen der amerikanischen Regierung, die Notwendigkeiten der gemeinsamen Verteidigung vor alle anderen Interessen zu stellen215. Die britischen Regierungsvertreter hingegen unterstrichen ihren Standpunkt in einem Grundlagenpapier über das eigene Verteidigungsprogramm, in dem auf die große Bedeutung einer gesunden, effizienten und wachsenden Wirtschaft für einen angemessenen Verteidigungsbeitrag hingewiesen wurde. Dennoch wurde im Schlußkommunique vom 8. Dezember 1950 die rasche Steigerung der militärischen Fähigkeiten beider Staaten für beschlossen erklärt. Zwar konnte sich die britische Regierung im wirtschaftlichen Bereich mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung durchsetzen, jedoch bedeutete die Lesart im Schlußkommunique eine indirekte Prioritätenverlagerung. Denn der Rüstungsindustrie wurde der Vorrang vor der zivilen Wirtschaft eingeräumt, die knappen Rohstoffe sollten zuerst für die Rüstungsindustrie verwendet, die Forderungen der zivilen Wirtschaft nur so weit als möglich erfüllt werden 216 . Hinsichtlich der amerikanischen Außenhilfe konnte die britische Regierung ihre Vorstellungen von vermehrten Dollar-Transfers ebenfalls nicht durchsetzen. Die US-Administration lehnte eine bilaterale Klärung dieser Frage ab und verwies auf das geplante Lastenteilungsprojekt innerhalb der NATO. Zudem sollten keine Marshall-Plan-Hilfen mehr für den Ausgleich von Zahlungsbilanzschwierigkeiten gezahlt, sondern in erster Linie militärische Ausrüstungsgüter geliefert werden. Am Jahresende war dem britischen Premier Attlee klar, daß er, wollte er nicht die besonderen Beziehungen Großbritanniens zu den USA beschädigen, eine deutliche Steigerung der britischen Militärausgaben durchzusetzen hatte217. Bevin verkündete daher bereits während der NATO-Ratstagung in Brüssel den Willen Großbritanniens, weiterhin mehr für die gemeinsame Verteidigung auszugeben. Nachdem britische Wirtschaftsexperten unter der Leitung von Plowden über Weihnachten und Silvester die Maximalgrenzen eines neuen britischen Verteidigungsbudgets von 1951 bis 1954 festgelegt hatten, beschloß das britische Kabinett im Januar 1951 eine weitere Erhöhung des Drei-Jahres-Programms auf 4,7 Milliarden Pfund (rund 13 Milliarden US-Dollar). Damit war innerhalb von zwei Jahren eine Verdoppelung der Verteidigungsausgaben und ein Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt von 14 Prozent erreicht worden 218 . Offensichtlich wurde der Wechsel der Prioritäten schließlich im Economic Survey für 1951, in dem die britische Regierung erklärte, daß nunmehr die Erfüllung des Aufrüstungsprogramms das 2>5 Minute of Meeting, 6.12.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 1739-1746. Im Anhang dazu findet sich das Grundlagenpapier über das britische Verteidigungsprogramm. 216 Text des Schlußkommuniques, 8.12.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 1783-1787. 217 Minutes of meeting, CAB (50) 87th, 18.12.1950, PRO, CAB 128/18. Zudem war klar, daß Großbritannien wegen der vorerst guten Gesamtwirtschaftslage und der steigenden Währungsreserven keine Marshall-Plan-Hilfe mehr erhalten sollte. 218 Plowden, An Industrialist in the Treasury, S. 108-111.
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erste Ziel sei 219 . Allerdings war der hohe Verteidigungsetat mit Bedingungen an die USA verbunden, die vor allem eine rasche Lieferung von Maschinenteilen für die britische Rüstungsindustrie und eine ausreichende Versorgung mit Rohstoffen beinhalteten. Der britische Vorstoß, sich auf bilateralem Wege und damit im Gegensatz zu den übrigen westeuropäischen Staaten in bevorzugter Weise mit den USA über US-Außenhilfe und Streitkräfteplanungen zu einigen, war allerdings gescheitert. Für die N A T O stellte Großbritannien Ende 1950 rund drei Infanterie-Divisionen und einen größeren gepanzerten Verband, die britische Marine 90 größere Kriegsschiffe und die königliche Luftwaffe 950 Flugzeuge verschiedenen Typs 22 ". Zwei Jahre später waren die britischen Verbände für die Verteidigung des NATOGebietes stark angewachsen, die Heeresverbände beispielsweise auf viereinhalb Divisionen; die britische Luftwaffe hatte rund 1500 Flugzeuge, wovon allerdings nur 466 direkt dem SACEUR unterstellt waren. Der Rest unterstand nationalem britischen Oberkommando und war für die Verteidigung der Insel vorgesehen. Die königliche Marine bestand 1952 aus über 200 größeren Kriegsschiffen, einschließlich der Reserveflotte. Diese Armada setzte sich aus neun Flugzeugträgern, 24 Kreuzern, rund 100 Zerstörern und 150 Fregatten zusammen 221 . In Großbritannien hatten die hohen Verteidigungsausgaben eine starke Belastung der Volkswirtschaft und innenpolitische Schwierigkeiten zur Folge. Zu Beginn der fünfziger Jahre schwankte die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens. War für 1950 eine erfolgreiche Bilanz zu ziehen, so verschlechterte sich die Lage bereits ein Jahr später, was sich an dem steigenden Zahlungsbilanzdefizit verdeutlichen läßt. Die britische Zahlungsbilanz entwickelte sich von einem Überschuß von 300 Millionen Pfund im Jahre 1950 zu einem Defizit von 370 Millionen im Jahre 1951. Hauptsächlich war diese Entwicklung mit den Terms of Trade zu begründen, die sich im Juni 1951 durch Importpreissteigerungen von 60 Prozent bei einer Exportpreissteigerung von 26 Prozent innerhalb von 18 Monaten umkehrten 222 . Auch das bedrohliche Sinken der Gold- und Dollarreserven zeigte seine Wirkung. Für die britische Wirtschafts- und Finanzpolitik der frühen fünfziger Jahre war eine ausgeglichene Zahlungsbilanz das vorrangige Ziel. Daraus erklärt sich das Verhalten der zur Vorsicht mahnden »Treasurv-mandarins« hinsichtlich weiterer Staatsausgaben für Verteidigungszwecke. Noch vor dem Kabinettsbeschluß über das neue Verteidigungsprogramm berichtete daher das Economic 21'; Peter, Großbritannien, der deutsche Verteidigungsbeitrag und die Wirtschaftskrise 1951, S. 126. 22,1
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Poole, The Historv of the Joint Chiefs of Staff, S. 208. Memo »Status of Forces in Western Europe«, Π.3.1952, Ν Λ, RG 59/740.5, Box 3448; Der britische Marinehaushalt 1952/53, in: Wehrwissenschaftliche Rundschau. Zeitschrift für die Europäische Sicherheit, 2 (1952), 7, S. 368. Oairncross, The British Economy since 1945, S. 101. Grundlegend auch das Memo des britischen Schatzkanzlers Butler »Economic Position, Analysis and Remedies«, C (51) 1, 31.10.1951, PRO, CAB 129/48. Allein die teuren Kohleimporte aus den USA nach Westeuropa verschlangen 1951/52 rund 75 Prozent der US-Wirtschaftshilfe für Europa. Vgl. dazu Volle, Die europäische Kohlenwirtschaft, S. 4827.
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Planning Board über die voraussichtlichen Folgen derart hoher Verteidigungsausgaben. Vor allem in den Bereichen der metallverarbeitenden Industrie, der Bauwirtschaft und im Textilbereich würden sich rasch negative Entwicklungen ergeben 223 . Volkswirtschaftlich betrachtet wäre zudem die Investitionstätigkeit vom Rüstungsprogramm betroffen. Diesen Bericht nahm Schatzkanzler Hugh Gaitskell zur Grundlage für eine Kabinettsvorlage, in der er vor den Auswirkungen eines Verteidigungsprogramms in Höhe von 4,7 Milliarden Pfund warnte. Er betonte dabei bereits den Grundsatz der Abschreckung oder Kriegsverhinderung und wies auf den gefährlichen Ansatz hin, die Kriegstüchtigkeit sicherstellen zu wollen. Viel wichtiger sei es, sich über die Folgen für die zivile Wirtschaft im klaren zu sein. Die Rüstungsproduktion, so Gaitskell, bringe naturgemäß den Abzug von Produktionskapazitäten, von Arbeitskräften und Rohstoffen mit sich, die sonst im zivilen Bereich Verwendung fänden — und dies, obwohl die britische Wirtschaft mit voller Kraft laufe und ein Arbeitskräftemangel herrsche. Auch im Rohstoffsektor müsse mit Schwierigkeiten gerechnet werden, da bereits ohne die Nachfrage der Rüstungsindustrie eine Kohleknappheit durch Kürzungen der teuren Kohleimporte zu bemerken sei. So berichtete die »Times« im Februar 1951 über die von Minister für Treib- und Brennstoffversorgung Philip J. Noel-Baker vorgenommene Kürzung bei der Zuteilung von Kohle für die Industrie, um wenigstens die Versorgung der Kraftwerke sicherstellen zu können. Das Versorgungsministerium hingegen mußte die Produktionszahlen für zivile Personen- und Lastkraftwagen deutlich senken, um der Kohle- und damit auch der Stahlknappheit zu begegnen 224 . Das Economic Steering Committee des britischen Kabinetts schlug sogar eine fünfzigprozentige Kürzung der Produktionszahlen von Waschmaschinen, Kühlschränken und Grammophonen vor, um sowohl Arbeitskräfte für den Export und für den Verteidigungssektor frei zu bekommen, als auch Stahl einzusparen. Kürzungen der Produktionszahlen bei Metallspielwaren sollten so rund 10 000 Tonnen Stahl einsparen und 7000 Arbeiter freisetzen 225 . Auch Gaitskell sah im Industriesektor die drei Bereiche Metall, Bau und Textil als besonders betroffen an und führte am Beispiel der militärischen Flugzeugproduktion aus, daß diese bereits die zivile überholt habe und alle freien Kapazitäten an Rohstoffen und Arbeitskräften binde. Zudem müßten nach dem neuen Verteidigungsprogramm etwa 250 000 weitere Arbeiter in den nächsten zwei Jahren rekrutiert werden, um die Streitkräftezahlen der Luftwaffe einhalten zu können. Auch auf das drohende Exportproblem durch steigende Rohstoffpreise und durch weniger Fertigprodukte für den Export und die erhöhte Rüstungsproduktion wies Gaitskell bereits im Januar 1951 hin. Fiskal223
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Memo »The Economic Implications of the Defence Proposais«, EPB (51) 2, 17.1.1951, PRO, CAB 134/214. Großbritannien: Wirtschaft. Parteien. Kohle, in: Keesing's Archiv der Gegenwart, 2.2.1951, S. 2797. Vgl. auch Volle, Die europäische Kohlenwirtschaft. Immerhin wurden in den großen Industrieländern Westeuropas zu Beginn der fünfziger Jahre noch rund 90 Prozent des Gesamtbedarfs an Wärme und Antriebskraft aus Kohle gewonnen. Ebd., S. 4818. Report on Restriction of Production of Goods for Home Consumption, ES (51) 62, 19.10.1951, PRO, CAB 134/226.
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politisch hätte dem Schatzkanzler zufolge der private Konsum vor allem durch Steuererhöhungen eingeschränkt werden müssen, um den Export und die Investitionen nicht zu verringern. Insgesamt stehe die britische Gesellschaft zum ersten Mal seit Ende des Weltkrieges vor Einbußen im Lebensstandard — und dies bei steigenden Lebenshaltungskosten 226 . Die kritische Stellungnahme Gaitskells sollte sich in den folgenden Jahren als richtig erweisen, auch wenn es zuerst den Anschein hatte, als ob sich der Wächter der Staatsfinanzen vor weiteren Militärausgaben scheute. Auf den Punkt brachte diese ernste Lage Premier Attlee gegenüber der Truman-Regierung bereits im Dezember in Washington. Der amerikanische Präsident war von der britischen Lagebeurteilung stark beeindruckt und erinnerte sich an Attlees Worte, als er hinsichtlich weiterer Sparmaßnahmen zur Steigerung der Verteidigungsanstrengungen sagte: »we can't cut back much more; we don't have any fat left to sweat of« 227 . Insgesamt läßt sich ein Zusammenhang zwischen den hohen Rüstungsausgaben der britischen Regierung und dem Wirtschaftswachstum erkennen, auch wenn die Aufrüstung kein hinreichender Grund zur Erklärung des vergleichsweise niedrigen britischen Wirtschaftswachstums ist. Werner Abelshauser sieht diesen Zusammenhang zwischen Rüstung und Wirtschaftswachstum hingegen als nicht zwingend an und kommt für Großbritannien zu dem Umkehrschluß, daß die Wachstumsschwäche nicht durch eine Überlastung durch Militärausgaben und Rüstung verursacht worden sei, sondern im Gegenteil die schlechte Wirtschaftslage hohe Rüstungsausgaben nicht zugelassen habe. Alec Caimcross wies diesen Zusammenhang ebenfalls nach. Er betont dabei die indirekte Auswirkung der westlichen Aufrüstung wie die steigenden Importpreise durch Rohstoffknappheit, vernachlässigt aber auch nicht die direkten Eolgen der britischen Aufrüstung 228 . Es ist sicherlich schwierig, das komplexe Problem einer Wachstumsschwäche erklären zu wollen. Unmöglich ist es mit einem monokausalen Ansatz der Verteidigungsausgaben. Deutlich erkennbar sind allerdings die negativen Auswirkungen der hohen Rüstungsausgaben auf die Volkswirtschaft. Die Schlußfolgerung Abelshausers über die geringen Auswirkungen der Verteidigungsausgaben auf die wirtschaftliche Gesamtlage Großbritanniens kann daher nicht geteilt werden, zumindest nicht für die Jahre 1949 bis 1954. Allein die überlieferten Akten des britischen Schatzamtes, des Central Planning Staff und anderer Regierungsstellen lassen auf den großen Einfluß dieser Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und, nicht minder bedeutend, auf die politischen Entschei-
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Memo GaitskeU, CP (51) 20, 19.1.1951, PRO, CAB 129/44. Siehe auch seine Aufzeichnungen vom Januar 1951, GaitskeU, The Diaries, S. 220-229. Allein die Erhöhung der Wehrdienstzeit von 18 auf 24 Monate zog einen Ausfall von rund 100 000 Industriearbeitern nach sich. Siehe Memo CP (50) 188, 9.8.1950, PRO, CAB 129/41. 22" Truman, Memoirs, S. 405. Vgl. zum Besuch britischer Regierungsvertreter in Washington im Dezember 1950 FRUS 1950, Vol. 3, S. 1706-1782. 228 Abelshauser, Rüstung, S. 103. Zur Hinschätzung der Auswirkungen von Verteidigungsausgaben Caimcross, The British Economy since 1945, S. 102; Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 12.
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dungsträger schließen229. Kohle, Stahl und Maschinenbau, Schlüsselindustrien des Vereinigten Königreiches, waren zugleich die Industriezweige, die am härtesten von der Aufrüstung betroffen waren. Denn allein die metallverarbeitende Industrie und der Maschinenbau produzierten im Betrachtungszeitraum 50 Prozent der britischen Exporte 230 . Volkswirtschaftlich schädlich waren daher die eingeschränkten Exportmöglichkeiten gerade dieser Produktionszweige, die zusätzlich durch teure (Dollar-)Rohstoffimporte für die Rüstungsproduktion belastet waren 231 . Dazu kamen die Auswirkungen der Ubergangszeit, die durch die auszubauende Rüstungsindustrie gekennzeichnet war und das profitable Geschäft mit zivilen Gütern zusätzlich einschränkte. Die Folge dieser Entwicklungen, verstärkt durch die unerwarteten Dollardefizite der anderen Sterling-Länder, war eine negative Zahlungsbilanz Großbritanniens, verbunden mit dem Verlust wichtiger Gold- und Dollarreserven. Das britische Schatzamt sah nur eine erfolgversprechende Rezeptur, einer drohenden Inflation vorzubeugen: Produktionssteigerungen im Kohle- und Stahlbereich, um sowohl die Aufrüstung als auch Exportsteigerungen durchführen zu können. Dagegen sprachen jedoch die schlechten Arbeitsverhältnisse und niedrigen Beschäftigtenzahlen in diesen Industriezweigen. Bereits im Jahre 1951 versuchte deshalb das britische Schatzamt auf die hohe Arbeitslosigkeit in Italien aufmerksam zu machen. Rasch waren sich beide Regierungen einig, und ein Jahr später arbeiteten bereits rund 10 000 Italiener im Vereinigten Königreich 232 . Erste Streiks gegen die möglichen Lohnbrecher und innenpolitische Verwicklungen folgten im Frühjahr 1952. Das zweigleisige Vorgehen der britischen Regierung, sowohl für die Aufrüstung als auch für den Export zu produzieren, führte zu keinem Erfolg. In der metallverarbeitenden Industrie läßt sich diese Entwicklung nachweisen: Bei einer geringen Produktionssteigerung von 1950 bis 1953 verdoppelte sich die Produktion für Verteidigungszwecke, während die Investitionsquote in diesem Zeitraum fast gleich blieb und die Exportquote sogar leicht sank233. Es zeigte sich bereits Ende 1951, daß die britische Wirtschaft nicht in der Lage war, eine für die Aufstellung der hohen Streitkräftezahlen angemessene Rüstungsproduktion durchzuführen und gleichzeitig eine exportorientierte zivile Produktion anzukurbeln, und dies, obwohl Siehe die regelmäßigen Berichte des Economic Steering Committee übet die Auswirkungen der Verteidigungsausgaben, PRO, CAB 134/263, 264 und 884. Siehe die Memoiren von Gaistkell, Plowden, Roll, Hall und vgl. zahlreiche Studien zu dieser Frage wie Chalmers, Paying for Defence; Barnett, The Lost Victor}'; Leigh-Phippard, Congress and US Militär}' Aid to Britain, usw. 230 Siehe Peter, Großbritannien, der deutsche Verteidigungsbeitrag und die Wirtschaftskrise 1951, S. 125 f. 231 Siehe Cairncross, The British Econom}' since 1945, S. 99-104. 2 , 2 Großbritannien: Italiener in die Gruben, in: Der Spiegel, 10.5.1952, S. 19; Bericht »Italian Labour in the Coal Mines«, C (52) 132, 22.8.1952, PRO, CAB 129/53. Allgemein zu dieser Problematik Sturm-Martin, Zuwanderungspolitik in Großbritannien und Frankreich. 2 " Economic Survey 1954, EA (54) 23rd, 3.3.1954, PRO, CAB 134/851. Vgl. auch Cairncross, The British Economy since 1945, S. 103. Interessant ist auch die gleichbleibende Rate der Konsumgüterproduktion für den britischen Markt. Einzig die Automobilindustrie konnte im zivilen Bereich mit den Steigerungsraten für die Aufrüstung mithalten. 229
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Großbritannien im Gegensatz zu Frankreich auf vorhandene Rüstungsbetriebe zurückgreifen konnte. Eine weitere negative Auswirkung des hohen Verteidigungshaushaltes war die innenpolitische Schwächung der Labour-Regierung. Diese war nach 1945 mit dem Ziel angetreten, das Land wirtschaftlich wieder aufzubauen und einen vorbildlichen Sozialstaat zu etablieren. Dieser Wohlfahrtsstaatsgedanke mußte jedoch bald zugunsten eines Arrangements mit den USA hinsichtlich eines erhöhten Verteidigungshaushaltes aufgegeben werden, was schließlich nach vielen Kabinettsdebatten zu einer Schwerpunktverlagerung der britischen Staatsausgaben von den sozialen Leistungen hin zu Verteidigungsausgaben führte 234 . Bereits im August 1950 protestierte der Arbeitsminister und Vater des britischen Wohlfahrtsstaates Aneurin Bevan gegen diese Regierungspläne und lehnte Einsparungen oder Steuererhöhungen zur Finanzierung der erhöhten Verteidigungsausgaben strikt ab. Wenn überhaupt, so sollte seiner Meinung nach die Deckung der Ausgaben durch eine Steigerung des Nationaleinkommens gewährleistet werden 235 . Der Schatzkanzler hingegen, obwohl den hohen Verteidigungsausgaben kritisch gegenüberstehend, verteidigte die Schwerpunktverlagerung auf die Außen- und Sicherheitspolitik und nutzte die Gelegenheit, einen innerparteilichen »Reinigungsprozeß« anzustoßen, der vor allem gegen Bevan gerichtet war. Im März 1951 griff Bevan die Verteidiger des Gesamtbudgets, welches durch Steuererhöhungen finanziert werden sollte, massiv an. Einen Monat später verkündete er seinen Unwillen, einer Regierung anzugehören, die den Kranken und Patienten Kosten aufbürde 236 . Nach der Verkündung des Gesamtbudgets im April 1951 mit dem darin enthaltenen hohen Verteidigungsetat spitzte sich die Regierungskrise zu. Gaitskell, erfreut über den geringen Widerstand gegen die allgemeinen Steuererhöhungen, bestand auch auf die Einführung der Teilkostenübernahme bei Brillen im Gesundheitswesen. Bevan wiederum kritisierte erneut das Aufrüstungsprogramm, das er für undurchführbar hielt. Im Mai 1951 erklärten schließlich Bevan, Harold Wilson, Präsident des Board of Trade, und John Freeman, parlamentarischer Staatssekretär im Versorgungsministerium, ihren Rücktritt 23 ". Zumindest indirekt war damit die Labour-Regierung durch das Verteidigungsprogramm innerparteilich in eine Krise geraten, die durch den Tod Bevins im Mai 1951 und die Krankheit Attlees, die ihn zeitweise zum Regieren aus dem Krankenhaus heraus zwang, noch verstärkt wurde. Innenpolitisch war es schwierig, eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes zu begründen. Gerade in der Woche im Februar 1951, in der Attlee die zusätzlichen Verteidigungsausgaben verkündete, stiegen die Kohlepreise, und die britische Regierung mußte die Fleischrationen kürzen. Auch die drastische Erhöhung der Wehrdienstzeit in Großbritannien auf 24 Monate im fahre 1951 trug kaum zur Minute of Meeting, CM (50) 52nd meeting, 1.8.1950, PRO, CAB 128/18. Vgl. auch Plowden. An Industrialist in the Treasury, S. 98 - 110, und Brookshire, Clement Attlee, S. 7 6 - 146. Minute of meeting, CM (50) 52nd meeting, 1.8.1950, PRC), CAB 128/18. 2·"' Siehe zur innerparteilichen Debatte Gaitskell, The Diaries, S. 2 3 8 - 2 4 7 und 2 5 4 - 2 5 7 . r r Siehe zu den Folgen der Aufrüstung in Großbritannien Cairncross, The British F.conomy since 1945, S. 9 9 - 104. Vgl. zu den Rücktritten Gaitskell, The Diaries, S. 255 ff.
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Beliebtheit der Regierung bei, was die Labour-Regierung sogar dazu bewog, bei ihren NATO-Partnern um eine solidarische Erhöhung der Wehrdienstzeiten zu bitten. Damit sollte nachträglich internationaler Druck auf die britische Regierung in dieser Frage erzielt werden. Doch leider waren die Antworten mehr als zurückhaltend238. Die Bilanz für die britischen Wähler nach sechs Jahren Regierungsarbeit war daher sehr durchwachsen. Rationierungen waren noch an der Tagesordnung, Steuererhöhungen und Preissteigerungen ließen die Lebenshaltungskosten steigen, und der Privatkonsum wurde seitens der Regierung bewußt eingeschränkt. Der britische Schatzkanzler fürchtete zu Recht die öffentliche Reaktion und schätzte die Chancen einer Wiederwahl der Labour-Regierung als gering ein239. Acht Monate später sollte sich seine pessimistische Einschätzung bewahrheiten. Die neue konservative Regierung unter Winston Churchill trat mit dem Ziel einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz an und vertrat ein Sparkonzept für die öffentlichen Haushalte240. Von Beginn der Regierungstätigkeit an waren Kürzungen des Verteidigungshaushaltes daher Bestandteil wirtschafts- und finanzpolitischer Überlegungen. Bezeichnenderweise war das erste Memorandum der neuen Regierang daher auch der Wirtschaftslage des Landes gewidmet, und Schatzkanzler Richard A. Butler unterstrich die Forderung nach Entlastung der Wirtschaft durch Importkürzungen, währungspolitische Maßnahmen, Investitionen und vor allem durch die Reduzierung der Staatsausgaben241. Entscheidend für die weitere Entwicklung der britischen Verteidigungsausgaben war allerdings eine Passage, die fast unbemerkt im Zuge der geforderten Steigerungen der Kohle- und Stahlproduktion, des Maschinenbaus und des Exports blieb. Butler erklärte nämlich, daß vor allem den Exporten der Vorrang vor Verteidigungsforderungen gegeben werden müsse. Das Kabinett begrüßte die Initiative des Schatzkanzlers, ließ weitere Wirtschaftsexperten zu Worte kommen und diskutierte das Problem im November 1951 mit dem Ergebnis, daß deutliche Einsparungen bei den Staatsausgaben geplant wurden, um die ernste Wirtschaftslage in den Griff zu bekommen. Churchill forderte von allen Ministern, in ihren Bereichen nach Einsparmöglichkeiten zu suchen242. Allerdings sollte es noch einige Monate dauern, ehe nennenswerte Einsparungen im Verteidigungsbereich erzielt werden konnten. Vorher mußten dazu innerhalb der NATO die außenpolitischen Rahmenbedingungen verändert werden. Zumindest wurde bereits kurz nach dem Regierungswechsel über den Wert der nuklearen Abschreckung als Substitut für kostspielige konventionelle Streit-
Memo CP (50) 191, 15.8.1950, PRO, CAB 129/41. Frankreich z.B. fragte sofort nach den wirtschaftlichen Hilfen für den Arbeitskräfteausfall bei einer Erhöhung der Dienstzeiten. Auch die Niederlande wiesen auf mögliche wirtschaftliche Auswirkungen hin. Siehe Gaitskell, The Diaries, S. 229. 240 Poden, Economic Aspccts of British Perceptions of Power. Vgl. auch Howard, RAB, S. 178-220. 241 Memo »Economic Position, Analysis and Remedies«, C (51) 1, 31.10.1951, PRO, CAB 129/48. Siehe auch die Ausführungen Butlers, The Art of the Possible, S. 156-183, zum Regierungswechsel. Vgl. Howard, RAB, S. 178-193. 242 Cabinet Conclusions, CC (51) 2nd, 1.11.1951, PRO, CAB 128/23. 238
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kräfte nachgedacht 243 . Diese unabhängig von den USA oder dem Bündnis laufenden Überlegungen standen jedoch im Gegensatz zu den gemeinsamen Verteidigungsplanungen der N A T O mit dem Schwerpunkt der konventionellen Verteidigungsfähigkeit. Insgesamt führten die wechselseitigen Auswirkungen der Aufrüstung und der politischen und wirtschaftlichen Lage Großbritanniens mit zum Sturz der Regierung Attlee und veranlaßten die nachfolgende Regierung unter Winston Churchill, über Kürzungen der Verteidigungsausgaben nachzudenken und gleichzeitig die USA um stärkere Unterstützung auf dem Verteidigungssektor zu bitten. Die Gefahr einer Wirtschaftskrise, ausgelöst oder zumindest verstärkt durch einen hohen Verteidigungshaushalt, ließ die eines Krieges vorerst in den Hintergrund rücken. Die außen- und sicherheitspolitische Schwerpunktsetzung der britischen Regierung auf die wirtschaftliche Gesundung schaffte die Voraussetzungen für ein Umdenken von der konventionellen hin zur atomaren Verteidigung bzw. Abschreckung, weil man in der Nutzung der »neuen Waffen« zuerst einmal eine kostengünstigere Alternative zu den herkömmlichen Waffenarsenalen sah 244 . Frankreich Frankreich ging doch noch als »vierte Siegermacht« aus dem Zweiten Weltkrieg hervor und konnte seine Weltmachtposition weiter beanspruchen, obwohl es an den dafür notwendigen Ressourcen fehlte 245 . Die für diese Position entscheidende Kolonialfrage versuchte Paris durch eine enge politische und wirtschaftliche Einbindung der früheren Kolonialstaaten unter dem Dach der Französischen Union zu lösen. Vor allem die afrikanischen Besitzungen Algerien, Tunesien und Marokko sollten so im französischen Einflußbereich gehalten werden. Dies gelang der Regierung jedoch nur bis Ende 1954, als ein jahrelanger Krieg in Algerien begann, der Frankreich eine dem Indochinakrieg vergleichbare Bürde auferlegte 246 . Allerdings war die französische Außenpolitik der Vierten Republik weniger klar umrissen als die Großmachtpläne Charles de Gaulles. Das Ende seiner provisorischen Regierung im Jahre 1946 hinderte ihn vorerst an der Umsetzung dieser Vorstellungen, während die ihm nachfolgenden zahlreichen Regierungskoalitionen dagegen versuchten, die französischen Interessen in Europa, Afrika und Indochina so gut als möglich zu wahren 2 4 7 . Ihr Hauptanliegen war allerdings eindeutig der innere Wiederaufbau Frankreichs. Dietmar Hüser erklärt dies in seiner beeindruckenden Studie über Frankreichs »doppelte Deutschlandpolitik« mit den unterschiedlichen Clark/Weehler, The British Origins of Nuclear Strategy, S. 156; Bavlis, Ambiguity and Deterrence. Zu Churchills zweiter Regierungszeit siehe Young, Winston Churchill's Last Campaign. 244 Siehe Bavlis/Macmillan, The British Global Strategy Paper. 245 So schätzte Raymond Aron bereits 1945, daß Frankreich für Jahre nicht über die notwendigen materiellen Ressourcen einer Weltmacht verfugen werde. Zit. nach Hüser, Frankreichs »doppelte Deutschlandpolitik«, S. 714. Siehe auch Soutou, France and the Cold War, und ders., Frankreich und das adantische Bündnis 1 9 4 9 - 1 9 5 6 . 246 Siehe zur Kolonialfrage nach 1945 Bracher, Die Krise F.uropas seit 1917, S. 3 4 4 - 3 5 6 . Vgl. auch Grosser, Das Bündnis, S. 1 8 5 - 2 1 8 . 2 J " Vgl. auch Frank, The French Alternative; Girault, Decision Makers. 24ί
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Schwerpunkten de Gaulies und seiner Nachfolger. Während de Gaulle auf das »Primat der Politik« gegenüber den USA, Großbritannien und der Sowjetunion setzte, versuchten die nachfolgenden Regierungen mittels des »Primats der Ökonomie« in erster Linie die innenpolitischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu lösen 248 . Die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch Großbritannien unterstützten die französischen Regierungskoalitionen zu Beginn der fünfziger Jahre in der Ausgestaltung der Französischen Union, da vor allem die Stützpunkte in Nordafrika strategische Bedeutung für die gemeinsame Verteidigung des Westens besaßen 249 . Diese Unterstützung fand einen Höhepunkt in der Aufnahme der französischen Departements in Algerien in den Artikel 6 des Nordatlantik-Vertrages, der die territoriale Integrität der Bündnisstaaten definiert 250 . Aber auch die französischen Interessengebiete in Indochina sollten für die USA strategisch und geopoütisch noch an Bedeutung gewinnen, wie das amerikanische Engagement im ersten Indochinakrieg bis 1954, mehr noch im eigentlichen Vietnamkrieg ab 1965 bewies 251 . Europapolitisch versuchte Frankreich seiner Weltmachtrolle dadurch gerecht zu werden, daß es durch Initiativen hinsichtlich einer Integration auf politischem, wirtschaftlichem und militärischem Gebiet die Führungsrolle in Europa beanspruchte. Dabei war der supranationale Ansatz der französischen Europapolitik in erster Linie eine Antwort auf das ungelöste Deutschlandproblem und auf die Gefahr eines unkontrollierten Wiedererstarkens des östlichen Nachbarn. Sowohl der Schuman-, als auch der Pleven-Plan sollten Frankreich dabei gleichzeitig eine Führungs- und Kontrollfunktion garantieren252. Der französische Außenminister Georges Bidault, der sich bereits im Herbst 1947 um ein amerikanisches Engagement in Westeuropa bemühte, wollte eine gleichberechtigte Rolle Frankreichs als einer der »Großen Drei« erlangen253. Auch hier rückte das Motiv, eine entscheidende Rolle in Europa einzunehmen und nicht auf die Stufe Italiens oder anderer westeuropäischer Staaten abzurutschen, in den Vordergrund. Denn mit der Führung, zumindest mit einer Sonderrolle in Westeuropa war wiederum Frankreichs Weltmachtstellung gesichert. Daß diese Rechnung nicht aufging, die US A und Großbritannien Hüser, Frankreichs »doppelte Deutschlandpolitik«, S. 718. Hüser stellt für die französische Deutschlandpolitik der frühen fünfziger Jahre interessante Wechselwirkungen von Innen- und Außenpolitik, der Wirtschaft und Gesellschaft Frankreichs fest, die auch für die vorliegende Betrachtung der nationalen Interessen innerhalb der NATO wichtig sind. 2 « Memo on French North Africa by PPS, 22.3.148, FRUS 1948, Vol. 3, S. 683 f., zit. nach Stuart/Tow, The Limits of Alliance, S. 188. So begannen die USA bereits 1951 mit dem Aufbau von 7 Flugplätzen in Marokko. Siehe Ismay, NATO. The First Five Years, S. 40. Trotz der Unterstützung kritisierten die USA v.a. vor den Vereinten Nationen die Vorgehensweise der französischen Kolonialverwaltung. 250 Zum Vertragstext siehe Ismay, NATO. The First Five Years, S. 17-21. 251 Neben den Verlusten an Menschenleben sprechen Wirtschaftsexperten von Kosten in Indochina von rund 170 Milliarden Dollar bis 1954 und von 515 Milliarden zwischen 1965 und 1972. Siehe Tertrais, L'impact economique et financier des deux guerres d'Indochine, S. 216. Vgl. zum amerikanischen Engagement Duiker, U.S. Containment Policy and the Conflict in Indochina. 252 Poidevin, Die europapolitischen Initiativen Frankreichs des Jahres 1950. 253 Melandri, France and the Adantic Alliance 1950-1953; Harrison, The Reluctant Ally, S. 8 - 1 5 . 248
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in erster Linie Weltmachtpolitik ohne Frankreich betrieben, beweisen nicht zuletzt die amerikanische Einschätzung der mangelnden Stärke Frankreichs sowie die bilateralen Verhandlungen über die Atomwaffen und die Politik im Nahen Osten zwischen den USA und Großbritannien und ohne den Bündnispartner Frankreich. Um so mehr mußte der französischen Regierung im betrachteten Zeitraum daran gelegen sein, wenigstens innerhalb der NATO zu den Führungsmächten zu gehören und diesen Anspruch mit einem angemessenen Anteil an den Verteidigungsanstrengungen zu rechtfertigen 254 . In einem ersten Memorandum an das US-Außenministerium antwortete die französische Regierung Anfang August 1950 auf die amerikanische Anfrage nach möglichen Steigerungen der Verteidigungsanstrengungen. Darin verdeutlichen die Franzosen, daß ihr Verteidigungsbudget in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen sei und im Jahre 1950 eine Höhe von rund 500 Milliarden Francs (etwa 1,4 Milliarden US-Dollar) erreicht habe. Dies entsprach bei Verwendung der NATO-Standards für Verteidigungsausgaben einem Anteil von 8,2 Prozent des Nationaleinkommens Frankreichs 255 . Darüber hinaus verwies die französische Regierung auf eine vom Kabinett beschlossene Anhebung dieser Ausgaben, welche die Neuaufstellung von 15 Divisionen für die Verteidigung Westeuropas bis 1953 mit einem Kostenumfang von rund 2000 Milliarden Francs (etwa 5,7 Milliarden US-Dollar) gewährleisten sollte. Betrachtet man die Gesamtausgaben für den Verteidigungssektor in Frankreich, so wurden diese von 1949 bis 1952 fast verdreifacht. Allerdings machte die französische Regierung von vornherein klar, daß für eine solche zusätzliche Aufrüstung ausreichende Hilfe durch die Atlantikpaktstaaten nach Frankreich fließen müsse. Auch wurde auf die wirtschaftliche Stabilität hingewiesen, die auf keinen Fall gefährdet werden dürfe, zumal Frankreich im Gegensatz zu anderen Bündnispartnern erhebliche Wiederaufbauarbeit zu leisten habe und den Einsatz in Indochina als schwerwiegenden Beitrag im gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus ansehe. Schließlich schlug die französische Regierung ein gemeinsames Verteidigungsbudget innerhalb der NATO vor, um die hohen Kosten der von den USA geforderten Aufrüstung gerecht auf alle Schultern verteilen zu können. Dabei war für Paris wichtig, daß die neuen Verteidigungsplanungen nicht als zusätzliche nationale Anstrengungen, sondern vielmehr als ein gemeinsames Unternehmen der atlantischen Staatengemeinschaft betrachtet würden. Doch diese Idee fand erst später Eingang in die Planungen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Innerhalb der N A T O blieb es bei den nationalen --14 Zur Rinschätzung der Stärke Frankreichs siehe M e m o from the Director of the Office of I European Affairs to the Secretary of State, 14.2.1949, I ; R l ' S 1949, Vol. 4, S. 120 f., zit. nach Harrison, The Reluctant Ally, S. 13. Ministerpräsident Pleven kritisierte während bilateraler Gespräche in Washington im Januar 1951 die USA und Großbritannien für ihre »Anglo-Saxon show« innerhalb der N A T O . 1-RL'S 1951, Vol. 4, Part 1, S. 324. Präsident Truman versicherte Pleven, daß dies nicht in seinem Sinne sei, und garantierte der französischen Regierung die Beteiligung an allen (iesprächen. 255 Siehe hierzu und im folgenden First French M e m o on National Defence, 5.8.1950 (engl. Übers.), PRO, Τ 225/82.
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Militärhilfe aus den USA für die westeuropäischen Bündnispartner. Kontingenten, die durch die Staaten finanziert und durch das Bündnis lediglich koordiniert und militärisch gefuhrt wurden 256 . Ein britischer Schatzamt-Mitarbeiter entlarvte dabei das Hauptproblem des französischen Finanzierungsansatzes über ein gemeinsames Budget, welches durch gemeinsame Kredite aufrechterhalten werden sollte, mit der handschriftlichen Randbemerkung: »collective borrowing! from whom?« 257 . Wie für Großbritannien war auch für Frankreich die amerikanische Wirtschaftsund Militärhilfe von Beginn der Aufrüstung im Jahre 1949 an ein entscheidender Faktor. Sowohl in bilateralen Gesprächen mit den USA wie mit Großbritannien als auch während zahlreicher Tagungen im Tripartite-Rahmen wurde über den Umfang, die Dauer und die Verteilung der US-Außenhilfe diskutiert 258 . J e weniger bei diesen Verhandlungen für die französische Regierung herauskam, desto wichtiger wurde der Bündnisrahmen für die Durchsetzung der nationalen Interessen. Die französischen Streitkräfte einschließlich der Gendarmerie umfaßten 1950 bereits 659 000 Mann. Davon waren rund 150 000 Soldaten und Gendarmen in Indochina gebunden, die dort im turnusmäßigen Wechsel für zwei Jahre Dienst taten. Für die Verteidigung des NATO-Territoriums stellte Frankreich Ende 1950 drei in Deutschland stationierte Divisionen, die nur 70 Prozent ihrer Gesamtstärke umfaßten, und zwei weitere nicht voll einsatzbereite Divisionen im Heimatland. Vor Zur Geschichte der F V G siehe Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft; Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1 9 4 5 - 1 9 5 6 , Bd 2. 257 Second French M e m o on Defence to the U.S. Gouvernment, 17.8.1950, PRO, Τ 225/82. 25» Telegr. Bruce an Acheson, 18.4.1951, FRUS 1951, V o l . 4 , Part 1, S. 3 8 3 - 3 8 7 . Bruce berichtet von den innerparteilichen Schwierigkeiten, aber auch den innenpolitischen Problemen, die der französischen Regierung aus den ergebnislosen Verhandlungen über die US-Außcnhilfc für Frankreich im Jahre 1951 erwuchsen. 256
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dem Verteidigungsausschuß der kanadischen Regierung im November 1950 betonte der französische Verteidigungsminister Jules Moch, daß sich das französische Verteidigungsbudget seit Beginn des Koreakrieges verdoppelt habe 259 . Die folgenden Jahre standen im Zeichen der Truppenaufstellung für die 20 geplanten Divisionen bis 1953. Doch obwohl die große Militärparade zur 2000-Jahr-Feier von Paris im Juli 1951 sehr beeindruckend gewesen sein muß, blieb das hochgesteckte Ziel der Pleven-Regierung unerreicht 260 . Im Januar 1953 bestand die französische Armee lediglich aus 13 Divisionen, wovon eine in Nordafrika stationiert war. Einsatzbereit waren fünf Divisionen mit rund 85 000 Soldaten, wovon drei in Deutschland stationierte Divisionen nach britischer Einschätzung gut bis sehr gut ausgebildet waren. Drei weitere Divisionen hatten mit ungefähr 30 000 Soldaten einen erhöhten Bereitschaftsgrad. Die restlichen Divisionen waren Reservedivisionen und nur teilmobilisiert 261 . Die französische Luftwaffe verfügte Ende 1951 über zirka 300 Flugzeuge verschiedener Typen, während die französische Marine auf etwa 20 größere Kriegsschiffe, Schlachtschiffe, Flugzeugträger und Kreuzer zurückgreifen konnte 262 . Allein diese zahlenmäßige Auflistung zeigt schon den Schwerpunkt der allianzinternen Aufgabenverteilung. Frankreich stellte zu Beginn der fünfziger Jahre das Hauptkontingent an Landstreitkräften, während die Luft- und Seestreitkräfte in erster Linie von den USA und Großbritannien gestellt wurden. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Einschätzung Frankreichs durch den Berater für NATO-Fragen im State Department, Ridgway B. Knight, vom Februar 1952, der trotz der fortgeschrittenen Gespräche über einen deutschen Verteidigungsbeitrag das französische Verteidigungsprogramm als den Schlüssel für die Verteidigung Westeuropas ansah, da Frankreich im strategischen Herz der NATO in Europa lag 263 . Die Vereinigten Staaten unterstützten daher die gewaltigen Aufrüstungsbemühungen der Vierten Republik mit Zuwendungen aus dem MDAP. Nachdem Frankreich bereits einen Löwenanteil an der gesamten Marshall-Plan-Hilfe erhalten hatte, flössen mehr als 50 Prozent der gesamten militärischen Ausrüstungshilfe der USA für Europa nach Frankreich. Irwin Wall, der über den Einfluß der USA auf die Fintwicklung Frankreichs nach 1945 schrieb, bezeichnet das MDAP sogar als französisches Militärhilfeprogramm. Philippe Vial wies nach, daß der finanzielle Umfang der gesamten US-Militärhilfe für Frankreich bis 1963 ungefähr der gesamten Marshall-Plan-Hilfe an Frankreich entsprach. Allein der Marinehaushalt Special meeting of the Cabinet Defence Committee, 7.11.1950, PAC, RG 2, 18, Vol. 244. Vgl. auch Moch, Histoire de rearmament allemand. 2i,n Zur 2000-Jahr-Feier in Pans und zur »Armee-Woche« mit den großen Militärparaden siehe einen Bericht über Frankreich in der amerikanischen Zeitschrift The Atlantic Monthly, Vol. 93 (1951), 3, S. 4 - 8 . Memo »The I-rench Armv« von Alexander an Churchill, 26.6.1953, PRO, P R F M 11/613. Zu den Zahlen siehe Report by the Joint Planning Staff, J P (51) 220 (Final), 3.1.1952, PRO, DFTH 6/19. Vgl. auch den Bericht der Chiefs of Staff »Tables of National Force Contributions«, COS (52) 204, 8.2.1952, PRO, DFF'E 5/37, und »Agenda for the NAC session«, AOC (50) 43, 13.9.1950, PRO, CAB 134/37. 2f.3 Telegr. Knight an Bonbright, 25.2.1952, NA, RG 59/740.5, Box 3448. 25,)
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L'AIDE
AMERICAINE
Carrefour, Paris. war demnach in den Jahren 1950 bis 1956 bis zu 50 Prozent fremdfinanziert264. Allerdings gab es zwischen der US-Administration und der französischen Regierung Unstimmigkeiten über die Verwendung des französischen Verteidigungsbudgets. Die US-Vertreter waren während der bilateralen Gespräche im Oktober 1950 in Washington verärgert, daß das französische Verteidigungsministerium trotz dieser enormen Ausrüstungshilfen einen großen Anteil der verfügbaren Mittel vor dem Hintergrund einer deutschen Wiederbewaffnung in die Rüstungsindustrie steckte265. Wie diese Verärgerung in der Presse wiedergegeben wurde, zeigt die oben abgebildete Karikatur aus Frankreich, die Ende 1951 auch »Der Spiegel« abdruckte. Erst mit der qualitativen Veränderung der US-Militärhilfe in Form von Offshore-Aufträgen, zumeist für Militärbauten und Infrastrukturmaßnahmen, aber auch durch gezielte amerikanische Aufträge für die französische Rüstungsindustrie 264
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Vial, L'aide americaine au rearmement francais. Vgl. auch Wall, The United States and the Making of Postwar France, S. 188. Zu den Minister-Gesprächen in Washington vom 13. bis 18.10.1950 siehe FRUS 1950, Vol. 3, Part 1, S. 1396-1434. Vgl. auch Lynch, The Economic Effects of the Korean War in France, S. 6 - 8 . Lynch sieht einen der Gründe für die Instabilität der Wirtschaft Frankreichs darin, daß die französische Regierung die Aufrüstung durch eine Produkuonsausweitung finanzieren wollte, was wiederum teure Rohstoffimporte nach sich zog.
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gaben die USA ab Mitte 1951 den Versuch der Beeinflussung der französischen Budgetverteilung auf 266 . Drei Gründe sprachen im Falle Frankreichs gegen hohe Verteidigungsausgaben für NATO-Streitkräfte zu Beginn der fünfziger Jahre: erstens die ungünstige volkswirtschaftliche Gesamdage der Nation, zweitens die finanziellen Belastungen durch den Indochinakrieg und drittens die instabile innenpolitische Lage. Um so mehr mußten erhöhte Verteidigungsanstrengungen und deren Finanzierung politische und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Nach den schwierigen Jahren 1945 bis 1948 erholte sich Frankreich dank des Monnet-Planes langsam, aber beständig. Früher als in Großbritannien wurden bereits 1949 sämtliche Rationierungsmaßnahmen aufgehoben. In jenem Jahr fielen weiterhin fast alle staatlichen Marktbeschränkungen weg, die Industrieproduktion übertraf das Vorkriegsniveau, und das Generalkommissariat für Modernisierung und Ausrüstung unter der Leitung von Jean Monnet bereitete erfolgreich politische Entscheidungen mit volkswirtschaftlicher Tragweite vor. Zudem gelang dieser Koordinierungsstelle die Zusammenführung der Träger des Wirtschaftslebens, die bestimmten Prioritätenlisten zustimmten, um damit zum Beispiel staatliche Investitionen zu steuern 26 ". Unter dem Einfluß des Koreakrieges begannen die amerikanischen ECA-Mitarbeiter die geringen Ausgaben Frankreichs für die Verteidigung zu kritisieren. Statt in die Tourismusbranche zu investieren, sollte Frankreich die zu langsam aufwachsende französische Armee voranbringen. Unter dem Druck der USA verlagerte sich deshalb die Schwerpunktsetzung der französischen Regierung ab 1951 vom Wiederaufbau und von der Modernisierung des Staates hin zur Verteidigung. So gab die französische Regierung im Jahre 1951 den größten Teil der gesamten Staatsausgaben für das Militär aus, während die Gesamtinvestitionen erst auf Rang drei nach den zivilen Staatsausgaben rangierten. Das Jahr 1952 brachte sogar eine deutliche Senkung des investiven Anteils um fast vier Prozent, während der Anteil für die Verteidigungsausgaben um fast sechs Prozent stieg 268 . Jean Monnet, der sich der Folgen, aber auch der Notwendigkeit der Aufrüstung Frankreichs bewußt war, trat freiwillig kürzer mit seinen Forderungen nach staatlichen Investitionskrediten für seinen Modernisierungsplan. Für 1951 verlangte er nur noch 370 Milliarden Francs statt der eigentlich geplanten 462, nach einer Gegenüberstellung der Investitionsplanungen für die Streitkräfte revidierte er seine Forderungen sogar auf 335 Milliarden 269 . Zwar erreichte Monnet schließlich im Juni 1951 einen höheren Anteil an den Investitionen für seinen Plan, doch war klar, Wall, T h e United States and the Making of Postwar France, S. 218 f. Allgemein zu den Offshore Aufträgen als zusätzliche Form der US-Außenhilfc siehe Leigh-Phippard, Congress and US Military Aid to Britain, S. 9 6 - 1 0 1 . 2,r Siehe Remond, Frankreich im 20. )ahrhundert, Bd 1, S. 4 7 2 - 4 8 4 . [ean Monnet und sein Mitarbeiterstab spielten eine wichtige Rolle in der westeuropäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der OFF.C und der N A T O . 2(iH Briefing-Book France 1953, 14.2.1953, NA, RG 469, ST 217, Box 1. 2'''' Siehe zu dem Streit um die Verwendung der Gegenwertmittel und der Investitionen Bossuat, La France, l 'aide americaine et la construction europeenne, vol. 1, S. 4 8 7 - 4 9 1 . 266
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daß die Aufrüstung ihren Preis hatte. Deutlich wurde dies auch an dem Einmischungsversuch der amerikanischen Verwaltung für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (ECA) in das Investitionsprogramm Anfang 1951, als die US-Vertreter die Verwendung der Gegenwertmittel für den sozialen Wohnungsbau festlegen wollten. Hintergrund dieser ungewöhnlichen Verwendung war der Propagandaeffekt, den sich die amerikanische Verwaltung im Arbeitermilieu erhoffte. Allerdings war damit auch die Grenze der zivilen Verwendung der Gegenwertmittel erreicht. Bereits die Restbeträge für das Jahr 1951 waren für den französischen Verteidigungshaushalt vorgesehen, nur noch ein Drittel der Summe flöß in den sozialen Wohnungsbau. Mit der Übernahme der ECA durch die Verwaltung für Gemeinsame Verteidigung (MSA) im Sommer 1951 traten die sozialen Zielsetzungen der ECA endgültig in den Hintergrund 270 . Dennoch konnte Frankreich in den nächsten Jahren keine deutlichen Fortschritte beim Aufbau der für die NATO-Planungen so wichtigen Landstreitkräfte erzielen. Zu sehr lasteten die Ausgaben für die Kämpfe in Indochina und die für den Wirtschaftsplan auf dem Staatshaushalt. Dies führte dazu, daß Frankreich Ende 1952 mit zehn präsenten Divisionen nur rund ein Drittel der für die NATO insgesamt eingeplanten Streitkräfte aufgestellt hatte. Diese Divisionen waren mit amerikanischem Ausrüstungsmaterial ausgestattet271. Die französische Rüstungsindustrie stand nach dem Weltkrieg vor einem Neuanfang, erst Ende 1952 konnte ein Regiment mit französischen leichten Kampfpanzern und anderen Gefechtsfahrzeugen ausgerüstet werden. Der Ausstoß an Kampfpanzern war 1952 mit rund 100 Stück sehr gering, wenn er mit der britischen Panzerproduktion verglichen wird, die bereits 1950 rund 500 Stück lieferte272. Einzig die militärische Luftfahrtindustrie machte deutliche Fortschritte, allerdings auch nur durch die Unterstützung der USA und Kanadas mit Flugzeugteilen, Trainingsprogrammen für Piloten und Offshore-Aufträgen 273 . Die jährliche Produktionsmenge an Militärflugzeugen betrug 1951 rund 200 Maschinen, ein Jahr später bereits etwa 300 Maschinen 274 . Getrübt wurden diese Entwicklungen durch die ständig hohe Inflationsrate und die kaum steuerbare Lohn-Preis-Spirale. 1952 verzeichnete Frankreich eine Preissteigerung von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zwischen 1950 und 1952 stiegen die Groß- und Einzelhandelspreise sogar um 26 Prozent. Dagegen konnten die von der Regierung um zehn bis 15 Prozent erhöhten Minimallöhne nicht mithalten. Das Ergebnis war eine Streikwelle im März Ebd.; Memo »ECA Policy on the French Housing Problem and the Military Rearmament Program«, 25.8.1950, NA, RG 469, ST 58, Box 1. 27> Siehe Annual Review France for 1952, PRO, FO 371/107433. 272 Memo »Tank requirements and production«, COS (50) 367, 19.9.1950, PRO, DEFE 5/24. 273 Offshore-Aufträge waren Aufträge der amerikanischen Industrie oder Regierung an westeuropäische Unternehmen, die mit Dollars bezahlt und deren Erzeugnisse dann an das Herstellerland oder an andere NATO-Staaten durch die USA als End-item-Hilfe weitergegeben wurden. Das entlastete die US-Industrie, sparte Transportkosten ein, die Erzeugerstaaten erzielten DollarGewinne und die Rüstungsindustrie wurde gefördert. Das erste große britische Rüstungsprogramm dieser Art war die Produktion von Centurion-Panzern für Norwegen und Dänemark von 1952 bis 1954. Siehe Leigh-Phippard, Congress and US Military Aid to Britain, S. 96-101. 274 Siehe Briefing-Book France 1953, 14.2.1953, NA, RG 469, ST 217, Box 1. 270
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195 1 275. Zudem wirkten sich die hohen Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt Ende 1951 auch auf die Zahlungsbilanz Frankreichs negativ aus. Finanzminister Maurice Petsche wollte 1951 das Zahlungsbilanzdefizit mittels eines Importprogramms für Konsumgüter bekämpfen, um den heimischen Konsum anzuregen und dadurch auch die Staatseinnahmen zu erhöhen 276 . Er hoffte dabei auf eine Unterstützung durch die USA. Die Gold- und Dollarreserven Frankreichs reichten dazu allein nicht aus. Die USA unterstützten die Vierte Republik nach anfänglichen erfolglosen Versuchen der Beeinflussung der französischen Wirtschaftspolitik mit den Gegenwertmitteln aus dem ERP 277 . Doch sowohl diese als auch die US-Wirtschafts- und Militärhilfe brachten keine Stabilität. Petsches Nachfolger Rene Mayer drohte Washington schließlich mit Kürzungen der Dollarimporte bis zu 40 Prozent, falls nicht genügend US-Wirtschaftshilfe geleistet würde. Die Staatsausgaben Frankreichs stiegen durch die erhöhten Verteidigungsausgaben, die 1952 bereits einen Anteil von 12,5 Prozent des Bruttosozialproduktes erreichten. Allerdings kann daraus nicht gefolgert werden, daß die Aufrüstung nicht finanzierbar war, sondern eher das Gesamtbudget, natürlich mit einem hohen Verteidigungsetat, Schwierigkeiten bereitete 278 . Zudem sprachen die hohen Verteidigungsausgaben gegen einen starken Privatkonsum. Ab 1952 versuchte deshalb der neue Ministerpräsident Antoine Pinav vor allem das Preisniveau durch einen harten Sparkurs zu senken. Unterstützend sollten freiwillige Preisreduzierungen der Industrie wirken. Daraufhin entwarf der erfolgreiche Modedesigner Jacques Fath ein elegantes Cocktailkleid, nannte es nach Pinays Wirtschaftsprogramm »Verteidigung des Franc« und setzte mit rund 300 Dollar wunschgemäß einen niedrigen Preis fest2"9. Das Programm zur »Verteidigung des Franc« hatte jedoch keinen Erfolg. Zwar wurde eine kurzfristige Preisstabilität erreicht, jedoch konnten die danach notwendigen Exportsteigerungen nicht erzielt werden. Die französische Regierung mußte schließlich unter anderem auch Kürzungen des Verteidigungshaushaltes in Erwägung ziehen. Die Militärausgaben für den Krieg in Indochina schränkten ebenfalls die Handlungsfreiheit der französischen Regierung hinsichtlich der NATO-Aufrüstung ein. Annual Review France for 1951/1952, PRO, FO 371/101728, und I ; Q 371/107433. Vgl. I.vnch, The F.conomic Effects of the Korean War in France, S. 12. Nach Lynch prophezeite das französische Finanzministerium bereits im |uli 1950 den Anstieg der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt bei westlicher Lagerhaltung strategischer Rohstoffe. Die negativen Folgen für Frankreich würden durch die militärische Aufrüstung nur noch verstärkt werden, was auf Kosten des Lebensstandards oder der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität ginge. 2~6 Siehe Fditonal Note Nr. 1 7 3 »France«, FRUS, 1951, Vol. 4, S. 404 f., und Telegr. Acheson an US-Botschaft in Paris, 3.7.1951, ebd., S. 4 0 6 - 4 0 9 . 2~~ Siehe Wall, The United States and the Making of Postwar France, S. 1 7 2 - 2 0 4 . Gegenwertmittel oder Counterpart-Funds wurden durch die westeuropäischen Staaten angelegt, indem die Unternehmen den Gegenwert der Dollarlieferungen in nationaler Währung bezahlen mußten. Das so angesammelte Kapital konnte mit Zustimmung der US-Stellen wieder investiert werden. Diese Finschätzung wurde bereits im März 1951 vom amerikanischen Außenministerium formuliert. Background Memo »Visit to the U.S. of Vincent Auriol, President of the French Republic«, FRUS 1951, Vol. 4, Part 1, S. 3 4 9 - 3 6 2 , hier S. 351. 2~'> Frankreich: Geheime Versuchung, in: Der Spiegel, 16. 7 .1952, S. 1 6 - 2 1 .
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Die Kosten für sieben Jahre Indochinakrieg lassen sich auf 4,9 Milliarden Dollar (Wechselkurs 1952) hochrechnen. Im Vergleich entsprach diese Summe der gesamten US-Wirtschafts- und Militärhilfe an Frankreich zwischen 1945 und 1952280. Allein für das Jahr 1953 wurden Ausgaben in Höhe von 1,25 Milliarden Dollar eingeplant. Damit waren bis 1954 durchschnittlich rund 30 Prozent der gesamten Verteidigungsausgaben Frankreichs bereits festgelegt und nicht für die Verteidigung Westeuropas verfügbar 281 . Auch die personelle Bindung von Soldaten belastete den Streitkräfteaufbau in Westeuropa. Verteidigungsminister Moch erklärte während einer Gesprächsrunde mit seinem britischen Kollegen Emanuel Shinwell im August 1950 in Paris, daß von den derzeit rund 400 000 Soldaten mehr als die Hälfte Dienst in Indochina leiste282. Rund ein Viertel aller Offiziere und ungefähr 40 Prozent aller Unteroffiziere waren dort stationiert, was zu einem erheblichen Mangel an Ausbildern in Frankreich selbst führte. Die jährlichen Verluste verschärften diese kritische Lage zusätzlich, denn pro Jahr verlor Frankreich durch Tod oder Verwundung so viele Offiziere, wie in St. Cyr pro Jahr ausgebildet wurden. Der französische Botschafter in Großbritannien, Rene Massigü, rechnete 1953 die verfügbaren Streitkräfte hoch, die bei einer Beendigung des Indochinakrieges für einen Streitkräftezuwachs der NATO frei würden, und kam auf rund zehn zusätzliche einsatzbereite Divisionen 283 . Vor allem Robert Schuman und Jean Monnet versuchten außenpolitisch alles, um auf der einen Seite den französischen Einsatz an Personal und Material als Beitrag für den Westen anerkannt zu bekommen, auf der anderen Seite eine Mithilfe in Indochina, zumindest aber einen Ausgleich in Westeuropa zu erreichen. Diese »NATOisierung« des Indochinakonfliktes, wie sie Edgar Faure in seinen Memoiren beschreibt, barg allerdings die Gefahr, daß sich letztlich die USA des Problems annahmen und nicht die NATO 284 . Die Vereinigten Staaten sahen die doppelte Belastung, forderten jedoch für die hohe US-Hilfe Erfolge an beiden Fronten. Frankreich hingegen war sich des Scheiterns eines doppelten Militäreinsatzes bereits 1952 voll bewußt, was sich mit der Durchführung einer zurückhaltenden, defensiven Kriegführung des Nachfolgers von Marschall Jean-Marie Gabriel de Lattre de Tassigny, General Raoul Salan, in Indochina andeutete 285 . Immerhin er280 Briefing-Book France für 1953, 14.2.1953, NA, RG 469, ST 217, B o x t . Vgl. dagegen die Berechnungen des französischen Botschafters in London, Rene Massigli, der auf eine geringere Summe von rund 3,5 Milliarden Dollar kommt. Brief Massigü, 16.5.1953, PRO, PREM 11/613. Bossuat, La France, l'aide americaine et la construction europeenne, vol. 2, S. 860, errechnet aus französischen Akten eine Gesamtsumme von rund 4,7 Milliarden bis Ende 1951. 281 Eine interessante Zusammenfassung der Belastungen Frankreichs durch den Indochina-Krieg bietet Tertrais, L'impact economique et financier des deux guerres d'Indochine. 282 Record of a meeting, 23.8.1950, PRO, Τ 225/82. Vgl. auch die Zahlen Massigiis, Note of the French Effort in Indo-China, 16.5.1953, PRO, PREM 11/613. 2« Ebd. und Telegr. Alexander an Churchill, 22.5.1953, PRO, PREM 11/613. 284 Faure, Memoires, vol. 1, S. 385 f. Vgl. auch Bossuat, La France, l'aide americaine et la construction europeenne, vol. 2, S. 824. 285 Marschall Jean de Lattre de Tassigny verstarb überraschend im Januar 1952. Vgl. Lattre de Tassigny, Ne pas subir.
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reichte Paris bis 1952, daß die US-Regierung über ein Drittel der Kosten für diesen Krieg aufbrachte bzw. zumindest durch Gegenleistungen finanzierte. Im letzten Kriegsjahr wuchs dieser Anteil sogar auf 80 Prozent der Gesamtkosten 2 8 6 . Allerdings wurde damit die Lösung des französischen Zahlungsbilanzdefizits von den Vorgängen in Indochina abhängig. Durch das finanzielle Engagement der USA in dieser Region erwuchs wiederum auch das amerikanische Verlangen nach politischen und wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Zwar arbeiteten die amerikanischen Behörden für die Verteilung der direkten Hilfen an die Staaten Indochinas mit der französischen Verwaltung vor Ort zusammen, jedoch war das Ergebnis der US-Außenhilfe eine stärkere Unabhängigkeit der drei assoziierten Staaten Laos, Kambodscha und Vietnam von Frankreich. Die Kolonialmacht wiederum wollte sich nicht verdrängen lassen und nutzte den K a m p f gegen den Kommunismus, den die USA in dieser Region noch nicht führen wollten, als Rechtfertigung für ihren Verbleib. Dazu mußte ein teurer Krieg finanziert werden. Insgesamt bedeutete der Indochinakrieg eine erhebliche Belastung der französischen Volkswirtschaft und Gesellschaft. Die Folgen für den französischen NATO-Beitrag waren ebenfalls nicht unerheblich. Für die Verteidigung Westeuropas blieben weniger finanzielle Ressourcen und für die NATO-Streitkräfte weniger französische Soldaten und Ausrüstung übrig. Die innenpolitische Situation Frankreichs zu Beginn der fünfziger Jahre erschwerte einen hohen französischen Verteidigungsbeitrag, und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Verteidigungsanstrengungen wiederum sollten innenpolitische Folgen bis hin zu einem Regierungswechsel nach sich ziehen. Die französische Nationalversammlung war nach den Wahlen des Jahres 1951 in das sprichwörtlich gewordene »Hexagon« verwandelt worden. Sechs größere Gruppierungen verfügten über jeweils rund 100 Sitze und waren so auf wechselnde Bündnisse angewiesen. Dies führte naturgemäß zu unterschiedlichen Regierungskoalitionen, allein zwischen 1950 und 1954 wurden neun verschiedene Ministerpräsidenten gewählt. Die einzige Konstante dieser Jahre war Robert Schuman, der fast fünf Jahre das Amt des Außenministers bekleidete28^. Die amerikanische Regierung war nach 1945 zum einen durch diese ständigen Fluktuationen, zum anderen durch den starken kommunistischen Einfluß in Frankreich irritiert. Ähnlich wie in Italien spielte die kommunistische Partei innenpolitisch eine bedeutende Rolle. Mit fünf Millionen Stimmen war sie 1953 die stärkste Partei Frankreichs und mit 100 Sitzen die zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung 288 . Als Argument gegen eine französische Aufrüstung und die Verteidigungspläne des Brüsseler Paktes, später der N A T O , erklärte die Kommunistische Partei Frankreichs ab Februar 1949, daß das 2«f, Tertrais, L ' impact economique et financier des deux guerres d'Indochine, S. 214. Vgl. auch Bossuat, L a France, l'aid americaine et la construction europeenne, vol. 1, S. 4 0 4 - 4 0 9 . Irwin Wall, T h e L'nited States and the Making o f Postwar France, S. 234 f., betont v.a. das Ziel der französischen Regierung, die Dollarlücke zu schließen. R e m o n d , Frankreich im 20. Jahrhundert, Bd 1, S. 5 1 0 - 5 1 6 . Vgl. auch Weisenfeld, Geschichte Frankreichs seit 1945. Siehe Briefing-Book F'rance für 1953, 14.2.1953, N A , R G 469, S T 217, B o x 1, S. 25.
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französische Volk nie Krieg gegen die Sowjetunion führen werde, auch nicht bei einer sowjetischen Aggression. Die Regierung entfernte daraufhin alle Sympathisanten aus der Verwaltung, was wiederum eine Propagandaschlacht durch die Kommunisten auslöste. Die »Partisans de la paix« mit ihrem Symbol der Friedenstaube von Picasso wurden zu Mahnern und Gegnern einer von den Amerikanern initiierten Aufrüstung Frankreichs 289 . Die USA befürchteten eine schleichende Unterwanderung der Wirtschaft, aber ebenso des Militärs, denn auch die größte französische Gewerkschaft CGT stand unter kommunistischem Einfluß. So wurde der Kampf gegen die Kommunisten Frankreichs zu einem der Hauptmotive der US-Hilfe. Ein anderes, damit in Zusammenhang stehendes Motiv war der »AntiAmerikanismus«, der sich in Frankreich ausbreitete. Das ging von Anti-RidgwayProtesten, die sich gegen den früheren US-Oberbefehlshaber in Korea, ab Juni 1952 NATO-Oberbefehlshaber, richteten und zeitweise zu Krawallen ausarteten, bis hin zu Demonstrationen gegen den US-Admiral und späteren Oberbefehlshaber der alliierten Truppen William Fechteier in Südeuropa. »U.S. go home!« und »Ridgway la Peste« lauteten die Rufe und die Mauerparolen, welche die Ankunft amerikanischer Truppen in Bordeaux und La Pallice, die Stationierung in Orleans und Verdun und nicht zuletzt die Einrichtung des NATO-Hauptquartiers in Fontainbleau bei Paris begleiteten 290 . Jede Schiffsladung mit Materiallieferungen für Frankreichs Wirtschaft oder Verteidigung wurde deshalb medienwirksam inszeniert, von den Gegnern jedoch als »Coca-Colanisation« angeprangert. Immer wieder brachten die Kommunisten die negativen Folgen, wie höhere Steuern und sinkenden Lebensstandard, aber auch die amerikanischen Einmischungsversuche in die französische Verteidigungs- oder Kolonialpolitik, zur Sprache. Auch dadurch taten sich die verschiedenen französischen Regierungen zu Beginn der fünfziger Jahre schwer, Mehrheiten für höhere Verteidigungsausgaben zu finden. Rücktritte verschiedener Minister wegen der hohen Verteidigungsausgaben, etwa des Landwirtschaftsministers Paul Autier im Jahre 1951, waren die Folge der innenpolitischen Auseinandersetzung um die Aufrüstung 291 . Schließlich scheiterte sogar eine Regierung an den Folgen der Aufrüstungspläne. Nach dem Sturz der zweiten Pleven-Regierung im Januar 1952 bildete Edgar Faure eine »Links-Mitte-Koalition«, die nur rund sechs Wochen im Amt sein sollte. Das Erbe der Pleven-Regierung wog schwer, der Haushaltsentwurf war noch nicht durchgesetzt, und die Nationalversammlung verweigerte sich Faures Vorschlägen einer Steuererhöhung um 15 Prozent, um den neuen Haushalt finanzieren zu können. Das Hauptproblem der Faure-Regierung war eine Außenhandelskrise, die sich in einem Handelsbilanzdefizit mit den Vereinigten Staaten und mit den westeuropäischen Nachbarn manifestierte. Vor allem die verschiedenen Importprogramme wie das zusätzliche Kohle-Importprogramm vom Herbst 1951 führten zu Verlu289 Siehe Remond, Frankreich im 20. Jahrhundert, Bd 1, S. 493-499. 290 Ebd.; siehe auch Grosser, Das Bündnis, S. 169, und Annual Review France for 1951, III. International Affairs, S. 4., PRO, F'O 371/101728. 251 Zum Rücktritt Autiers siehe Milward, The Iiuropean Communities, Great Britain and NATO.
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sten bei den Währungsreserven. Gegenüber Harriman beschrieb Finanzminister Mayer die kritische Situation der französischen Wirtschaftslage und betonte, daß durch die für die Produktion und die Rüstung notwendigen Importe von Rohstoffen die Währungsreserven auf die gefährliche Marke von 165 Millionen Dollar geschrumpft seien292. Zudem mußte das Defizit innerhalb der EZU mit einem Griff in die Goldreserven bekämpft werden, wodurch diese um rund ein Fünftel schrumpften. Dies führte zu einer ähnlich kritischen Situation wie 1947; damals griffen die USA Frankreich mit einer Soforthilfe unter die Arme 293 . Doch nicht nur die Handelsprobleme, sondern auch die hohen Verteidigungsausgaben führten zum Zahlungsbilanzdefizit, das durch die geplanten Steuermehreinnahmen abgedeckt werden sollte. Trotz der verschiedenen US-Hilfen im Gesamtwert von etwa 900 Millionen Dollar zeichnete sich keine grundlegende Verbesserung dieser Situation ab. Hinzu kamen außenpolitische Festlegungen auf eine kurzfristige Steigerung der Streitkräfteplanungen durch die NATO-Ratsbeschlüsse in Lissabon im Februar 1952. Das hieß für Frankreich eine Erhöhung der Staatsausgaben. In bilateralen Gesprächen versuchte Faure gegenüber Acheson und anderen amerikanischen Regierungsmitgliedern auf die innenpolitischen Folgen dieser Festlegungen hinzuweisen. Er verdeutlichte den Amerikanern, daß er die durch die Beschlüsse entstehende finanzielle Lücke entweder durch Einsparungen im Verteidigungshaushalt oder durch Steuererhöhungen ausgleichen müsse. Da es absurd sei, zuerst Streitkräfteerhöhungen zuzustimmen und dann Einsparungen im Verteidigungsbereich durchzuführen, bliebe nur, die Steuerschraube anzuziehen. Die politischen Konsequenzen einer solchen Lösung seien abzusehen 294 . In der Einschätzung dieser Problematik durch Ridgwav B. Knight wurden die Folgen offen angesprochen. Faure könne sich bei einer Steuerfinanzierung des erhöhten Verteidigungsbudgets nur noch wenige Wochen halten. Kein Experte glaube an die Fähigkeit der französischen Regierung, die neuen Streitkräfteplanungen erfolgreich umzusetzen 295 . Diese Einschätzung sollte sich bewahrheiten. Die Steuerpläne der Regierung Faures wurden Ende Februar durch die Stimmen der Kommunisten und der Gaullisten in der Nationalversammlung abgeschmettert. Faure trat nach dieser Niederlage als Ministerpräsident zurück. Die neue Regierung unter Antoine Pinav
->2 Brief Mayer an Harriman, 22.10.1951, LC, Harriman Papers, Box 275. Harriman betonte in seinem Antwortschreiben, er hoffe, daß Frankreich keine Maßnahmen treffe, die zu Lasten des französischen Verteidigungsbeitrages gingen. Lynch, France and the International Economy, S. 1 3 4 - 1 3 7 . Vgl. auch Grosser, Das Bündnis, S. 233 f. Zur amerikanischen Einschätzung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Frankreichs siehe auch den Briefwechsel zwischen Henry R. Labouisse, Chief Special Mission for Fxonomic Cooperation, und Harlan Cleveland, Assistant Director for Europe, MSA, März 1952, NA, RG 59/740.5, Box 3448. Beide sahen die Zahlungsbilanzschwierigkeiten und die Lasten der Verteidigung nur als Faktoren für eine Verschlechterung der französischen Wirtschaftslage an. 2,4 Siehe zu den bilateralen Verhandlungen in Lissabon Telegr. U.S. Del an DOS, 25.2.1952, F'RL'S 1952 - 54, Vol. 5, Part 1, S. 141 - 146. Memo Kmght an Bonbnght, 25.2.1952, NA, RG 59/740.5, Box 3448. Vgl. auch Grosser, Das Bündnis, S. 168 - 170 und 230 - 233.
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konnte daraufhin nur gebildet werden, weil Steuererhöhungen zum Defizitausgleich von vornherein ausgeschlossen wurden. Frankreich war zu Beginn der fünfziger Jahre wirtschaftlich und politisch nicht in der Lage, gleichzeitig den Wiederaufbau und die Modernisierung des Landes zu finanzieren, in Indochina Krieg zu führen und eine große Landstreitmacht für die NATO aufzubauen. Die beiden ersten Ziele waren für alle Regierungskoalitionen vorrangig. Innenpolitisch war eine Aufrüstung zugunsten der wirtschaftlichen Gesundung Frankreichs nicht durchsetzbar gewesen, was der Sturz der Regierung Faure zeigte. Ein sofortiger Rückzug aus Indochina war ebenfalls undenkbar 296 . So konzentrierte sich die politische Führung auf den Versuch, wenigstens die Kosten des Indochinakrieges durch die US-Außenhilfe zu finanzieren und den Verteidigungsbeitrag für die NATO-Streitkräfte einzufrieren. Eine Aufrüstung Frankreichs als Hauptstreitmacht in Westeuropa blieb von Anfang an Illusion. Letztlich entschied sich auch Frankreich für die Kürzung der Militärausgaben und schuf damit weitere Voraussetzungen für eine neue Planung der N ATO, das gesamte Verteidigungskonzept zeitlich und auf mehr NATO-Mitglieder auszudehnen und den Schwerpunkt auf die atomare Kriegführung zu legen. britische und französische Interessen für eine bündnisinterne Lösung des Lastenproblems Die wechselseitigen Auswirkungen der forcierten Aufrüstung Großbritanniens und Frankreichs ab 1950 und der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen dieser Staaten steckten die Grenzen des Lastenproblems ab. Auf der einen Seite standen die militärischen Forderungen der Nordatlantischen Allianz, die, angetrieben durch die Aufrüstungsvorstellungen der US-Regierung, außen- und sicherheitspolitisch durch die britische und französische Regierung unterstützt und innerhalb der NATO akzeptiert wurden. Auf der anderen Seite gab es politische und wirtschaftliche Notwendigkeiten, noch verstärkt durch die Auswirkungen der erhöhten Verteidigungsbudgets. Die daraus entstehenden Widersprüchlichkeiten der außen-, innenund wirtschaftspolitischen Ziele sowohl Großbritanniens als auch Frankreichs bildeten das komplexe Lastenproblem, das innerhalb der Regierungsbehörden in zwei Aspekte zerfiel. Erstens galt es, das Finanzierungsproblem der Aufrüstung zu lösen. Zweitens waren die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Verteidigungslasten abzuschwächen. Die britische Regierung war vor allem an der Lösung des Finanzierungsproblems interessiert. Zunächst kamen jedoch dafür nur wenige Möglichkeiten in Frage. Die erste war eine Weiterführung der MarshallPlan-Hilfe und eine Militärhilfe aus den USA. Wie oben gezeigt, war der britische Vorstoß, außerhalb der Reihe der westeuropäischen Bittsteller bilaterale Abkommen mit den USA abzuschließen, gescheitert. Auch der Tripartite-Ansatz mit französischer Beteiligung zeigte sehr schnell, daß es dabei eher um die Behebung der 2%
Memo »La Conference de Lisbonne«, 12.2.1952, FJM, AMI 29/2/3. Indochina wird dabei an erster Stelle genannt, gefolgt von dem NATO-Beitrag und dem NATO-Infrastrukturprogramm.
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französischen Probleme ging denn um britische Sorgen 297 . Einzig der bündnisinterne Weg versprach für die britische Regierung erfolgreich zu sein, und so legte London den Schwerpunkt auf den Ansatz einer gerechten Lastenteilung innerhalb der Allianz. Dabei ging es aus britischer Sicht in erster Linie um die Zuweisung und Verteilung der US-Militärhilfe, koordiniert als zusammengefaßte USAußenhilfe durch die Verwaltung für Gemeinsame Verteidigung (MSA). Waren die USA nicht mehr bereit, Zahlungsbilanzdefizite durch Dollartransfers abzugleichen, so wollte die britische Regierung wenigstens die Kohle- und Stahlknappheit durch Rohstofflieferungen aus den USA oder durch Dollartransfers für den Import von Rohstoffen bekämpfen. Sie war dabei bemüht, den größten Anteil an der USHilfe zu bekommen 2 9 8 . In einer Ratsresolution über eine gerechte Lastenverteilung sollte deutlich auf die hohen Belastungen der westeuropäischen NATO-Staaten hingewiesen und damit vor allem den US-Repräsentanten und Kongreßabgeordneten das bestehende Verteidigungsprogramm als die absolute Obergrenze britischer Leistungsfähigkeit verdeutlicht werden. Schließlich ließ sich die britische Regierung eine Hintertür durch die Verknüpfung der beiden Ziele offen, indem sie der US-Administration klar machte, daß bei zu geringen US-Hilfen die Belastbarkeit der britischen Volkswirtschaft überschritten und die Kürzung der bestehenden und der geplanten Verteidigungsetats die Folge wäre 299 . Das Foreign Office schlug deshalb eine gemeinsame Vorgehensweise mit Frankreich vor, um die USA davon zu überzeugen, daß mehr Verteidigungsanstrengungen die wirtschaftliche und politische Stabilität in beiden Staaten ernsthaft gefährdeten. Gemeinsam müsse man sich auch für mehr US-Außenhilfe engagieren, jedoch nur unter der Prämisse, daß Frankreich nicht zu viel vom Kuchen abbekomme 3 "". Die französische Regierung wiederum setzte neben der Forderung nach weiterer US-Wirtschaftshilfe auf die Indochina-Karte, um die volkswirtschaftlichen und innenpolitischen Probleme im Zuge der Aufrüstung zu lösen. Auch sie versuchte die US-Administration unter Druck zu setzen und drohte mit der Nichteinhaltung der Streitkräfteziele, wenn nicht zumindest die Ausgaben für den Krieg in Indochina, der als Beitrag im weltweiten Kampf gegen den Kommunismus angesehen wurde, durch die US-Außenhilfe abgedeckt würden 3 " 1 . Wie oben gezeigt, versuchte die französische Regierung von Anfang an eine Lösung innerhalb der N A T O durch ein gemeinsames Budget zu erreichen. Doch weder die Vereinigten Staaten Vgl. die Einschätzung Achesons während der Tripartitc-Gespräche in Washington im September 1951, Present at the Creation, S. 5 5 1 - 5 6 1 . Vgl. auch die Zusammenfassung bei Gaitskell, The Dianes, S. 2 8 2 - 2 8 8 . ™ Cabinet Paper, CP (51) 239, 30.8.1951, PRO, CAB 129/47. In diesem Memo erklärt Premier Attlee seine Ziele für die Verhandlungen mit den USA und Frankreich in Washington und Ottawa im Herbst 1951. Vgl. auch Telegr. FO an UK Deputy on NAC, 10.11.1951, PRO, Τ 225/195. - » Telegr. Morrison an 1 ; 0 , 16.9.1951, PRO, Τ 225/193. Der damalige britische Außenminister kündigte bei einer weiteren Verschlechterung der Zahlungsbilanz einen Prioritätenwechsel von der Verteidigung zum Export an. Dann, so Morrison, wäre auch das gesamte 4,^-MilliardenDollar-Programm in Frage gestellt. >"" Telegr. FX) an UK Deputy on NAC, 10.11.1951, PRO, Τ 225/195. 31,1 Memo des französischen Außenministeriums, 25.9.1951, FJM, AMI 10/17.
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¥j)bert Matjolin, Generalsekretär der OHEC und Vorsitzender des Temporary Analysis Staff'des TCC 1951/52.
Economic
noch Großbritannien ließen sich darauf ein und setzten vorerst auf bündnisexterne Verhandlungen. Allerdings brachten diese keine entscheidende Beantwortung der Frage, und so setzte die französische Regierung erneut ihre Hoffnungen auf das Bündnis. Frankreich übernahm schließlich sogar die Initiative für eine endgültige Bündnislösung der Lastenteilung. c. Die Auswirkungen der Aufrüstung auf die übrigen Mitgliedstaaten Die Brisanz der Aufrüstung hinsichtlich des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Westeuropas hatte die OEEC sehr frühzeitig erkannt. Bereits im September 1950 diskutierten die Delegationsleiter der Executive Committees die Auswirkungen der Aufrüstung auf die OEEC-Staaten. Mit seinem Memorandum vom 27. September 1950 lieferte Generalsekretär Robert Marjolin daraufhin auch die erste seriöse Studie zu dieser Problematik 302 . Demnach stellten vor allem wirtschaftliche und innenpolitische Schwierigkeiten die Prioritätensetzung der Ressourcenverteilung zugunsten des Militärs schnell in Z u m Treffen der Delegationsleiter siehe M e m o Storr, 20.9.1950, F J M , A R M 4/7/12. Zum Mem o Marjolins siehe: Die Auswirkungen der Rüstungsanstrengungen der Atlantikpaktstaaten auf die Europäische Wirtschaft, in: Huropa-Archiv, 6 (1951), Folge 1, S. 3631 - 3 6 3 8 .
II. W i r t s c h a f t l i c h e r W i e d e r a u f s t i e g o d e r militärische A u f r ü s t u n g ?
109
Frage. Wie bereits für Großbritannien und Frankreich gezeigt, erwuchs aus den Lasten der gemeinsamen Verteidigung das Dilemma der Unvereinbarkeit von militärischer Aufrüstung und wirtschaftlichem Wiederaufstieg Westeuropas. Zwischen 1949 und 1951 konnten die westeuropäischen NATO-Staaten nach Berechnungen der ECA ihre Verteidigungsausgaben von 4,4 auf rund 8 Milliarden Dollar fast verdoppeln 303 . Diese Steigerung drückte sich auch in einem höheren Gesamtanteil der Verteidigungsausgaben an der Summe der Bruttosozialprodukte der westeuropäischen Bündnispartner von 4,9 Prozent auf 7,6 Prozent aus. Dabei muß natürlich berücksichtigt werden, daß die unterschiedlichen Verteidigungsbeiträge der einzelnen NATO-Partner das Gesamtbild ergeben und die oben gezeigten erheblichen Beiträge Großbritanniens und Frankreichs die teilweise geringen Anteile etwa Norwegens oder Dänemarks mehr als ausglichen. Die ECA stellte fest, daß im Sommer 1951 rund zwei Millionen westeuropäische Soldaten rekrutiert waren, während die USA etwa drei Millionen Mann unter Waffen hatten. Dies wurde vor allem durch eine drastische Erhöhung der Wehrdienstzeiten in zahlreichen NATO-Staaten erreicht, die im Durchschnitt zwischen 18 und 24 Monaten betrugen, während sie vor 1950 bei 12 bis 18 Monaten lagen. Damit, so schloß die ECA, sei der Verteidigungsaufwand der westeuropäischen Staaten vor dem Zweiten Weltkrieg (Vergleichsjahr 1938) bereits überschritten. Der Personal- und Materialabfluß aus der zivilen Produktion in den militärischen Bereich gefährdete ebenfalls die Wirtschaftsplanungen der OEEC. Ab 1951 sollte die Gesamtproduktion Westeuropas um 25 Prozent gesteigert werden, um sowohl den wirtschaftlichen Wiederaufstieg als auch die Aufrüstung finanzieren zu können 304 . Allerdings war eine solche Steigerung nur möglich, wenn in den Schlüsselindustrien genügend Ressourcen vorhanden waren. Doch der Aufbau der nationalen Rüstungsindustrien und die Aufstellung neuer Verbände in den NATO-Staaten konterkarierten diese Pläne. Daran änderte vorerst auch die auf Initiative der USA, Großbritanniens und Frankreichs im Februar 1951 in Washington gegründete Internationale Rohstoffbehörde (IMC) nichts. Die Hauptaufgabe dieser Behörde, der bis 1952 immerhin 28 Staaten angehörten, lag in der Eindämmung des Konkurrenzkampfes auf den Rohstoffmärkten, der Lösung der Rohstoffknappheit und die Rohstoffpreissenkung. In sieben Ausschüssen erarbeiteten Finanzexperten Empfehlungen für die Mitgliedstaaten, deren Umsetzung vor allem im Bereich der Kontrollmaßnahmen erste Flrfolge für eine Stabilisierung der Rohstofflage sorgten. Doch auch eine multilaterale Koordinierung der Versorgung in diesem Bereich brachte keine nennenswerte Entlastung der NATO-Staaten, was nicht zuletzt daran lag, daß die IMC sich nicht speziell mit den rüstungswichtigen Ressourcen befaßte 303 .
-1"-' EGA Bnehng-Paper »General Questions and Answers on European Defense F.ffort and European Morale«, 13.7.1951, NA, RG 469, ST 216, Box 8. 1114 Volle, Die europäische Kohlcnwirtschaft. 31,5 Siehe zur allgemeinen Kritik an der IMC Draft U.S. comments on the report of the N A T O T C C , 15.1.1952, I X , Harriman Papers, Box 275. Siehe auch: Kritik und Rechtfertigung der IMG, in: Iiuropa-Archiv, 7 (1952), Folge 2, S. 4649.
110
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Das britische Schatzamt faßte die Rohstoffproblematik Ende 1951 in einem Bericht des Economic Planning Board zusammen. Darin wurde betont, daß vor allem im Metallbereich, aber auch bei der Kohle vers orgung, die wiederum Voraussetzung für eine funktionierende Stahlproduktion war, nurmehr durch eine erweiterte internationale Zusammenarbeit auf den Ebenen Commonwealth, IMC und NATO zufriedenstellende Lösungen gefunden werden könnten, die sowohl Steigerungen der Rüstungsproduktion als auch der zivilen Produktion ermöglichen würden 306 . Spätestens seit Herbst 1951 war auch Washington klar, daß die Rohstoffknappheit ein Haupthindernis für die weitere Aufrüstung Westeuropas darstellte und die westeuropäischen Partner nicht mehr für die gemeinsame Verteidigung leisten konnten oder vielmehr wollten. Zu sehr lasteten wirtschaftliche und innenpolitische Probleme, aber auch praktische Probleme der Aufrüstung, wie fehlende Ausrüstung für die aufgestellten Truppenteile oder mangelnde Materiallieferungen aus den USA, auf den politischen Entscheidungsträgern der Mitgliedstaaten 307 . Die Grenzen der gemeinsamen Verteidigung waren also 1951 bereits erreicht, in Teilbereichen sogar schon überschritten. Dean Acheson spricht in seinen Erinnerungen von einer Stagnationsphase der NATO. Lord Ismay betonte den wirtschaftlichen Engpaß innerhalb der NATO, welcher grundlegende Änderungen erforderlich mache, während General Eisenhower bezogen auf den Streitkräfteaufbau von einer kritischen Zeit der NATO sprach308. Im folgenden sollen diese Grenzen, die durch die Auswirkungen der Verteidigungsausgaben auf die übrigen NATOMitgliedstaaten erreicht bzw. überschritten wurden, näher betrachtet werden. Benelux Die kleineren Staaten konnten sich dem politischen und, durch die Abhängigkeit der US-Außenhilfe von der Aufrüstungsleistung, auch dem wirtschaftlichen Druck der Großen Drei nicht entziehen und rüsteten ebenfalls ab Ende 1950 auf. Belgien verdoppelte von 1950 bis 1952 seine Verteidigungsausgaben und erreichte so einen Anteil von 5,4 Prozent des Bruttosozialproduktes 309 . Die Streitkräfte konnten damit in diesem Zeitraum von 72 000 Soldaten im Jahre 1950 auf 145 000 im Jahre 1952 ebenfalls verdoppelt werden. Die dafür notwendige Erhöhung der Wehrdienstzeit stieß jedoch auf erhebliche innenpolitische Probleme, so daß nur eine Verlängerung von zwölf auf 21 Monate durchgesetzt werden konnte 310 . Für eine » 507 308
309
310
Report on the economic outlook for 1952, EPB (51) 15,19.11.1951, PRO, CAB 134/214. US-Geheimstudie des Verteidigungsministeriums, 4.12.1951, NA, RG 330/44, Box 16. Siehe Acheson, Present at the Creation, S. 551-561; Ismay, NATO. The First Five Years, S. 4 0 - 4 4 , und Brief Eisenhower an Truman, 23.1.1952, in: Public Papers of the Presidents of the United States: Harry S. Truman (1952-1953), S. 450 f. Grundlegend zur Aufrüstung Belgiens nach 1945 De Vos, Belgie en het streven naar militaire integratie. Siehe zu Belgien und den Niederlanden De Vos, U.S. Forces in Belgium since 1944, und van der Harst, U.S. Forces in the Netherlands. Vgl. auch die britische Zusammenfassung einer NATOStudie »Provisional Results of the Examination of Politico-Economic Capabilities«, 24.11.1951, PRO, Τ 235/34.
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
111
US-Ausbildungshilfe für die westeuropäischen Bündnispartner. Steigerung der
Indu-
strieproduktion
und
der
Rohstoffgewin-
nung waren
die
Ar-
beitskräfte notwendig, die
durch
längerte
eine
ver-
Wehrdienst-
zeit a u s g e f a l l e n w ä r e n . Die
Auswertung
der
belgischen
Angaben
über
Yerteidi-
ihren
gungsbeitrag
für
die
N A T O ergab, daß im S o m m e r 1951 b e r e i t s rund der b e i t s k r ä f t e M i l i t ä r d i e n s t leisteten. V o n
1951 bis 1 9 5 3 z o g d a s
sieben
Prozent
männlichen
Ar-
Yerteidigungspro-
g r a m m d u r c h s c h n i t t l i c h e t w a f ü n f P r o z e n t d e r W e r k t ä t i g e n B e l g i e n s ab. D e s w e g e n u n d w e g e n d e r n i e d r i g e n P r o d u k t i v i t ä t m u ß t e die b e l g i s c h e R e g i e r u n g i m K o h l e b e r g b a u a u f a u s l ä n d i s c h e A r b e i t s k r ä f t e z u r ü c k g r e i f e n , die b e r e i t s i m H e r b s t gut
die
H ä l f t e der Bergarbeiter
stellten^".
Neben
diesem
1951
Arbeitskräftemangel
w i r k t e n sich die Y e r t e i d i g u n g s a u s g a b e n indirekt d u r c h H n t l a s t u n g s m a ß n a h m e n d e r belgischen
Regierung aus. S o w u r d e der P r i v a t k o n s u m durch fiskalische
Mittel
e i n g e s c h r ä n k t , z u m B e i s p i e l d u r c h die H r h ö h u n g d e r H i n k o m m e n s s t e u e r o d e r die H e r a b s e t z u n g d e s K r e d i t v o l u m e n s f ü r d e n p r i v a t e n W o h n u n g s b a u . A b e r a u c h die Wirtschaft erfuhr durch Kxportauflagen
für k n a p p e R o h s t o f f e und
strategische
Güter Beschränkungen'12. D i e V e r e i n i g t e n S t a a t e n u n t e r s t ü t z t e n die A u f r ü s t u n g d u r c h b e a c h t l i c h e Materia l l i e f e r u n g e n u n d D o l l a r - T r a n s f e r s i m Z u g e d e s Military A s s i s t a n c e
Programme.
Im Zeitraum von
militärischer
1 9 5 0 bis
1953 e r r e i c h t e n
119 M i l l i o n e n T o n n e n
G ü t e r i m W e r t v o n r u n d 1,1 Milliarden D o l l a r B e l g i e n u n d L u x e m b u r g . D i e belgis c h e R ü s t u n g s i n d u s t r i e n a h m e i n e n r a s a n t e n A u f s c h w u n g u n d steigerte ihre P r o d u k t i o n i n n e r h a l b v o n zwei J a h r e n u m 4 0 P r o z e n t . B e l g i e n k o n n t e im J a h r e 1 9 5 2
'·>
» r i e f s u m m a r y o f B e l g i u m ' s reply. K B / O 26, 11.1951, N I S C A , T C C / 3 , und T e l e g r . Roll an K O . 15.11.1951, P R O , Τ 2 2 5 / 1 9 5 . D i e britische R e g i e r u n g orientierte sich an dieser L ö s u n g d e s Arb e i t s k r ä t t e p r o b l e m s im B e r g b a u und plante d e n Kinsarz italienischer (Grubenarbeiter. B r i e f s u m m a r y o f B e l g i u m ' s reply, K B / ' D 26, " 1 1 . 1 9 5 1 , X I S C A . T C C / 3 . In der b e l g i s c h e n A n t w o r t n o t e zu d e m Ν A T O - l · r a g e b o g e n w e r d e n diese n e g a t i v e n A u s w i r k u n g e n a u f g e f ü h r t , k ö n n e n j e d o c h nicht ü b e r die g u t e v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e G e s a m t l a g e B e l g i e n s h i n w e g t ä u s c h e n .
112
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
bis auf die schweren Waffen alles militärisch notwendige Material selbst herstellen. Der belgische Karabiner der Firma F.N. Herstal wurde sogar in den meisten NATO-Staaten das Standard-Infanteriegewehr 313 . Für Belgien wirkten sich die Aufrüstungsanstrengungen wegen der stabilen gesamtwirtschaftlichen Lage im Betrachtungszeitraum kaum aus314. Dennoch war es kein Befürworter weiterer Aufrüstungsschritte, zu sehr war die heimische Industrie auf zivile Produktion fixiert. Die Einschätzung der USA, daß die belgische Regierung weitaus mehr für die gemeinsame Verteidigung ausgeben könne, zeigt sich in einem Telegramm Achesons an die US-Botschaft in Brüssel. Darin beklagt er den Widerwillen der Regierung, trotz der stabilen Wirtschaftslage mehr für die gemeinsame Verteidigung auszugeben als Dänemark oder Portugal. Der amerikanische Außenminister Schloß, daß Belgien damit keinen angemessenen Anteil der Lasten trage315. Diese Einschätzung der belgischen Leistungsfähigkeit bzw. -Willigkeit sollte in den folgenden Jahren die NATO-internen Bemühungen um eine gerechte Lastenteilung prägen. Die belgische Regierung wiederum betonte in zahlreichen Gesprächen mit dem amerikanischen Botschafter, der Verteidigungshaushalt gehe an die Grenzen des wirtschaftlich Möglichen. Der belgische Außenminister Paul van Zeeland bot sich sogar im Frühjahr 1951 zu einem klärenden Gespräch mit Acheson an, um dies zu verdeutlichen 316 . Wie stark die Vorstellungen eines angemessenen Beitrages für die gemeinsame Verteidigung auseinandergingen, zeigt ein amerikanisches Memorandum, das die bilateralen Verhandlungen mit Belgien über weitere US-Außenhilfe dokumentiert. Darin forderte der zuständige Bearbeiter in Washington eine Verdoppelung des bisherigen belgischen Verteidigungshaushaltes von 250 (1951) auf 500 Millionen US-Dollar für das Jahr 1952317. Im Gegenzug ließ sich die belgische Regierung 1951 sogar zu Falschinformationen an die NATO über das eigene Wirtschaftswachstum hinreißen, um die Erhöhung des Nationaleinkommens von 1949 bis 1950 zu verschleiern und damit weitergehende Forderungen der NATO zu verhindern. Eine interne Studie mit dem Zusatz »objektive
3>3
De Vos, U.S. Forces in Belgium since 1944, S. 199. Armargoud/Pollard/De Brabander, Westeuropa. Vgl auch eine Studie des amerikanischen Außenministeriums, 8.5.1950, FRUS 1950, Vol. 3, Part 1, S. 1347-1355. •"5 Telegr. Acheson an US-Botschaft in Belgien, 4.5.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 275-279. Acheson stellt fest, daß der unangemessene Anteil Belgiens im Vergleich zu den anderen NATOPartnern »sticks out like a sore thumb«. Darüber würden auch die ständigen Beteuerungen und Ausreden nicht hinwegtäuschen. Er warnte vor Kürzungen der US-Außenhilfe, wenn sich die belgische Regierung nicht zu einer Steigerung ihrer Verteidigungsausgaben bereiterkläre. 316 Telegr. Murphy an Acheson, 9.5.1951 und 27.8.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 280 f. und 285-288. 3 , 7 Memo Gordon für ISAC »Bilateral Negotiation with Belgium«, 20.2.1951, NA, RG 59 Lot Files 1175 Β, Box 1. Auch Gordon beklagte die Unbeweglichkeit der belgischen Verhandlungspartner hinsichtlich einer freiwilligen Erhöhung der Verteidigungsausgaben und forderte, die USAußenhilfe als »conditional aid« für vermehrte Ausgaben und erhöhte Rüstungsproduktion anzuwenden. 3,4
II. W i r t s c h a f t l i c h e r W i e d e r a u f s t i e g oder militärische A u f r ü s t u n g ?
113
Schätzung« errechnete eine Wachstumsrate von 9,1 Prozent, wohingegen die »für das Ausland« bestimmte Studie nur eine Rate von 6,1 Prozent aufwies 318 . Der belgische Premierminister Joseph Pholien mußte während eines innenpolitischen Streites mit der sozialistischen Oppositionspartei zugeben, daß er bewußt das Wachstum des belgischen Nationaleinkommens um umgerechnet rund 200 Millionen Dollar gesenkt hatte. Damit sollte verhindert werden, daß innerhalb der N A T O nach der Aufteilung dieser Summen gefragt würde. Allerdings zeigen Studien des FEB aus dieser Zeit, daß sich der NATO-Finanz- und Wirtschaftsausschuß über die gute Wirtschaftslage Belgiens im klaren war und diesen Unstimmigkeiten wenig Wert beimaß. Im Gegenteil mißtrauten die Finanzexperten der Allianz, allen voran die Briten, der belgischen Regierung schon länger. Das britische Mutual Aid Committee (MAC), zuständig für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der NATO, berichtete im September 1951 von der Arbeit des FEB und bescheinigte dem belgischen Vertreter einen großen Ideenreichtum, das Verteidigungsprogramm des kleinen Bündnispartners größer erscheinen zu lassen, als es eigentlich war. Wer zu wenig für die gemeinsame Verteidigung beitrage, so wurde aus Paris gemeldet, könne an der Nervosität vor allem der belgischen, kanadischen und dänischen Delegierten abgelesen werden 319 . Das MAC machte im Herbst 1951 auch den Vorschlag, die Uberschüsse Belgiens innerhalb der EZU durch vermehrte Rüstungsausgaben auszugleichen und damit die Gesamtbilanz zu entlasten 320 . Dies war ein deutlicher Hinweis darauf, wie die wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas mit den Verteidigungsausgaben der westeuropäischen NATO-Staaten verwoben war. Im Gegensatz zu Belgien bedeuteten die Aufrüstungsprogramme für die anderen NATO-Partner eine erhebliche volkswirtschaftliche Belastung, die sich auch auf die innenpolitischen Verhältnisse auswirkte, wie die folgenden Beispiele zeigen. Die Niederlande zögerten in den Anfangsjahren der Allianz, ihren Verpflichtungen zum Aufbau einer Armee von fünf Divisionen, einer Luftwaffe mit 21 Flugstaffeln und der immerhin viertgrößten NATO-Marine bis 1954 nachzukommen. Für die niederländische Regierung stellten Verteidigungsausgaben unnötige Ii« Oer üble Eindruck, in: Der Spiegel, 28.11.1951, S. 18 f. Vgl. auch die Hinweise auf unzuverlässige Angaben der belgischen Regierung für das Ι Έ Β : »Economic note for use in connection with the examination of the Belgian reply«, 10.11.1951, N A T O NISCA, TCC/3. Interim-Report of FEB, M A C (51) 129, 4.9.1951, PRO, C A B 134/491. Großbritannien war einer der großen Fürsprecher einer weiteren Aufrüstung Belgiens in den folgenden Burden-SharingProjekten der N A T O . Das Mutual Aid Committee des britischen Kabinetts war ab 195Ü für alle interministeriellen Fragen zuständig, die sich aus der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen ergaben. In erster Linie war dies die US-Wirtschafts- und Militärhilfe. Das Atlantic Official Committee (AOC) war für die sicherheitspolitischen Fragen und für den britischen Ratsstellvertrcter bei der N A T O zuständig. Der Verteidigungsausschuß wiederum richtete ein Economic Steering Committee ein, welches die Minister beriet und dem Wirtschaftsplanungsausschuß (EPB) berichtete. Damit stellte sich die britische Regierung ab Herbst 1950 administrativ auf die Interdependenz der Bereiche Politik, Wirtschaft und Verteidigung ein; dies zeigt aber auch das planerische Übergewicht des Schatzamtes. Siehe M e m o »Committee Structure«, 14.9.1950, PRO, Τ 273/291. Memo of meeting, M A C (51) 42nd, 24.8.1951, PRO, C A B 134/489.
114
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Finanzausgaben dar, noch dazu bei den gültigen NATO-Verteidigungsplanungen, die nicht das gesamte Staatsgebiet umfaßten 321 . Dazu kamen die Kampfhandlungen in Indonesien bis 1949, die sich negativ auf die Moral und Ausbildung der niederländischen Truppen auswirkten. Gegenüber Seiden Chapin, US-Botschafter in Den Haag, beklagte General Eisenhower den Widerwillen der niederländischen Regierung, adäquate Streitkräfte für die NATO aufzustellen 322 . Nach der Europareise Eisenhowers verstärkten daher die US-Diplomaten, welche die bilateralen Verhandlungen über die US-Hilfe für 1952 führten, den politischen Druck auf die Niederlande. Dirk Stikker, Außenminister der Niederlande, war sich dieser Problematik bewußt und setzte sich für eine Aufrüstung ein, war allerdings im Kabinett fast allein. Nur Kriegsminister Hendrik Lambertus s'Jacob unterstützte in Teilen die Auffassungen Stikkers und versprach Eisenhower, sich für eine Erhöhung der Wehrdienstzeit stark zu machen. Der Rest des Kabinetts scharte sich um Premier Willem Drees, der die Aufrüstung so gering halten wollte, um dafür gerade noch amerikanische Außenhilfe zu erlangen, und Finanzminister Piet Lieftinck, der sogar für eine Kürzung des Verteidigungshaushaltes war323. Nach der Veröffentlichung des bitteren Briefes Eisenhowers an Chapin in der Presse kam es zu heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen, an denen nicht zuletzt Anfang 1951 die Regierung Drees scheiterte. Allerdings wurde kurz nach Eisenhowers Besuch auch der niederländische Generalstabschef Kruls entlassen, weil er in Übereinstimmung mit Eisenhower öffentlich die Regierung wegen ihrer schlechten Verteidigungspolitik angegriffen hatte324. Die neue Regierung, wiederum unter Drees, aber in anderer Zusammensetzung, einigte sich schließlich auf ein jährliches Verteidigungsbudget von 1,5 Milliarden Gulden (rund 395 Millionen Dollar) bis 1954, was eine Verdoppelung der bisherigen Verteidigungsausgaben darstellte. Die zusätzlichen Ausgaben sollten über Reduzierungen von Agrarsubventionen, durch Steuererhöhungen und eine erhöhte Staatsverschuldung finanziert werden 325 . 321
322
323
324 325
Siehe Kersten, Die Außen- und Bündnispolitik der Niederlande 1940-1955, und van der Harst, U.S. Forces in the Netherlands, S. 230. Einen ausgezeichneten Überblick über die Aufrüstungsphase in den Niederlanden gibt van der Harst in einem Working Paper der EUI, The Build-Up of the Dutch Army. Zur Nachkriegssituation der Niederlande siehe Manning, Die Niederlande und Europa. Vgl. auch The Netherlands and the Integration of Europe. Memo of special meeting CDC »Eisenhower's Visit to Canada«, 26.1.1951, PAC, RG 2 Β 2, Vol. 244. Vgl. auch den Brief Eisenhowers an Harriman, 14.1.1951, in: Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 2 0 - 2 7 . Eisenhower brachte seine Unzufriedenheit über die Einstellung der niederländischen Regierung auch gegenüber dem US-Botschafter Seiden Chapin zu Ausdruck. Ebd., S. 2 0 - 2 4 . Zur niederländischen Sicherheitspolitik nach 1945 siehe van der Harst, From Neutrality to Alignment. Vgl. auch Honig, Defense Policy in the North Atlantic Alliance. Siehe zum Streit zwischen Militärs und Verteidigungsminister Schulten, Die militärische Integration aus Sicht der Niederlande, S. 97-100. Siehe Megens, American Aid to NATO Allies, S. 108-114 und 123. Megens unterstreicht den Einfluß der amerikanischen Regierung durch bilaterale Verhandlungen über US-Außenhilfe auf diese Entscheidung. Vgl. zur Aufrüstungsdebatte auch die Erinnerungen des Generalstabschefs Kruls, Generaal in Nederland.
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
115
Der neue Kriegsminister Cornells Staf forcierte ab März 1951 den Streitkräfteaufbau mit dem Ziel, der N A T O bis 1954 fünf, wenigstens aber vier Divisionen zur Verfügung zu stellen. Dazu wurden die Wehrdienstzeit von zwölf auf 20 Monate und die Einstellungstermine von zwei auf drei pro Jahr erhöht. Dies bedeutete wiederum einen Mehrbedarf an Ausrüstung, der durch amerikanische Materiallieferungen und durch nationale Rüstungsprodukdonssteigerungen gedeckt werden sollte. Somit machte die niederländische Regierung deutlich, daß diese Mehrausgaben nur bei zusätzlicher US-Militärhilfe und bei einem Ausgleich für die Exportverluste, die durch die vermehrte Rüstungsproduktion entstünden, durchführbar seien. Zudem stellten die geplanten Ausgaben die maximale Obergrenze bis 1954 dar. Eine weitere Anhebung der Militärausgaben kam wegen der negativen Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz und der innenpolitischen Schwierigkeiten nicht in Frage. Immer wieder wiesen niederländische Finanzexperten auf die hohe Steuerquote hin, die in erster Linie wegen der Finanzierung der Verteidigungsausgaben auf der Gesellschaft lastete. So war der Anteil der Steuern am Bruttosozialprodukt mit 28 Prozent eine der höchsten Quoten in Westeuropa, übertroffen nur von Großbritannien und Norwegen 326 . Dem Wiederaufbau kam innenpolitisch im betrachteten Zeitraum Priorität zu, die Aufrüstung blieb auch während der gezielten Einflußnahme der US-Administration auf die niederländische Sicherheitspolitik nach Beginn des Koreakrieges nur ein untergeordnetes Ziel. Die Niederlande weigerten sich deshalb 1952 strikt, die von der NATO empfohlenen Erhöhung der finanziellen Beiträge zu akzeptieren 32 ". Die USA wiederum sahen in dem Verteidigungsbudget keinen adäquaten Beitrag für die gemeinsame Verteidigung. Vor allem wurde die Verwendung der Gelder kritisiert, wie zum Beispiel für das aus Sicht Washingtons überdimensionale Flottenprogramm 328 . Allerdings waren die USA nicht in der Lage, die wachsenden niederländischen Truppen ausreichend zu beliefern. Dies führte dazu, daß die erste einsatzbereite Division mit kanadischem Material ausgerüstet werden mußte 329 . Damit hatte die niederländische Regierung einen Grund, nach weiterer USAußenhilfe zu fragen. Die USA wiederum schätzten die wirtschaftliche Situation der Niederlande so ein, daß sie zumindest weitere Rüstungsprogramme durchführen könne. Das Angebot von Offshore-Aufträgen wurde damit verbunden, und die Drees-Regierung schlug den Bau von Minensuchern in heimischen Werften vor. }2(>
So z.B. Hirschfeld im November 1951 vor dem TCC, zit. nach van der Harst, The Build-up of the Dutch Armv, S. 28. Zu den Steuerquoten siehe Memo »Relationships of U.S. and F.uropean Security«, 31.7.1951, Ν A, RG 469, Τ 60, Box 3. •12~ Zur Prioritäten frage siehe Manning, Die Niederlande und Ruropa, S. 6. Vgl. auch Megens, American Aid to N A T O Allies, S. 202 f. ",28 Van der Harst, The Build-up of the Dutch Armv, S. 17; Megens, American Aid to N A T O Allies, S. 1 0 3 - 1 0 6 . Megens weist nach, daß das Marineprogramm wegen laufender Verträge nicht mehr zurückgefahren werden konnte. Kbd., S. 162 f. S 3 ' Diese Engpässe kamen durch die Ausrüstungspriorität für die US-Truppen in Korea ab Juli 1950 zustande. Allerdings wurden die Lieferungen ab Herbst 1950 intensiviert und machten schließlich während der fünfziger Jahre rund die Hälfte der gesamten Ausrüstung der niederländischen Streitkräfte aus. Siehe Siccama, The Netherlands depillarized.
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Insgesamt war nach anfänglichen Schwierigkeiten eine gute Zusammenarbeit auf dem Verteidigungssektor zwischen den USA, den Niederlanden und der NATO erreicht, zumindest solange die Obergrenzen der bestehenden Verteidigungsausgaben anerkannt blieben330. Allerdings gelang es den USA nicht, einen Prioritätenwechsel der niederländischen Regierung vom wirtschaftlichen Wiederaufbau zur Aufrüstung zu bewirken. Selbst Luxemburg, das vor dem Zweiten Weltkrieg fast keine bewaffneten Streitkräfte unterhielt, Schloß sich dem Aufrüstungsprogramm der NATO ab 1950 an und stellte bis 1952 einen einsatzbereiten Verband mit rund 4500 Soldaten auf 3 1 . Allerdings konnte Luxemburg nicht viel mehr Soldaten rekruderen, zum einen wegen des ständigen Arbeitskräftemangels, zum anderen wegen der Budgetbeschränkungen für den Verteidigungssektor. Vom Bruttosozialprodukt wurden im Jahre 1950 nur anderthalb Prozent für Verteidigungszwecke ausgegeben, im Jahre 1952 waren es immerhin 5,2 Prozent. Die Größenordnung der Verteidigungsausgaben wird im Falle Luxemburgs in totalen Zahlen deutlicher: So gab der kleine NATO-Partner 1952 für das Militär umgerechnet rund 9,5 Millionen US-Dollar aus332. Damit bildete er das Schlußlicht innerhalb der Allianz. Trotz dieses niedrigen Beitrages für die gemeinsame Verteidigung Westeuropas war sich die Regierung des Großherzogtums der Auswirkungen verstärkter Aufrüstungsbemühungen bewußt und forderte früh eine Unterstützung durch US-Außenhilfe und Abhilfe durch ausländische Gastarbeiter. General Eisenhower schätzte die großherzogliche Armee vor allem wegen ihrer hohen Kampfmoral. Bei den allianzinternen Planungen war der Beneluxstaat dagegen eher für Infrastruktureinrichtungen wichtig 333 . Skandinavische
NATO-Partner^34
Innerhalb der Allianz kann Dänemark als Nachzügler bezeichnet werden. Nach dem »Beitritt in letzter Minute«, nachdem die bevorzugte Alternative einer skandinavischen Verteidigungsunion gescheitert war, zeichnete sich die dänische Regierung in der Allianz durch Zurückhaltung und ein zögerliches und abwartendes Verhalten mit Blick auf die Politik Norwegens aus335. Dies war vor allem Ausdruck Summary »The Status of Negotiations re Defense Expenditures«, 9.10.1951, NA, RG 469/Τ 60, Box 3. Diese Zusammenfassung der ECA für Harriman stellt die Verhandlungen der USA mit jedem einzelnen westeuropäischen NATO-Partner seit 1949 dar und bewertet die Verteidigungsbereitschaft dieser Staaten. 331 Stein, Benelux Security Cooperation, S. 22. Vgl. auch Govaerts, Belgium, Holland, and Luxembourg. "2 Digest of the Luxembourg Annex to the BLEU Reply to TCC-D (51) 6, November 1951, NA, RG 330/44, Box 15. 3 , 3 Zur Einschätzung der luxemburgischen Streitkräfte siehe Notes on a meeting at the White House, 31.1.1951, PRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 453. 334 Gute Überblicksbeiträge sind Giesen, Choosing or Refuting Europe?, und Ingimundarson, Between Solidarity and Neutrality, S. 269-274. 335 Petersen, Dänemark und die atlantische Allianz, und Einhorn, National Security and Domestic Politics in Post-War Denmark, S. 13-22. Zur Skandinavischen Verteidigungsunion vgl. auch Haskel, The Scandinavian Option. 330
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
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der mangelnden Einbindung dänischen Territoriums in die Verteidigungsplanungen der NATO. Noch im Juni 1950 äußerte sich Außenminister Gustav Rasmussen besorgt über diese Pläne, die Dänemark nur bedingt einschlossen. Erst nach dem Beginn des Koreakrieges und den amerikanischen Bemühungen um eine Aufrüstung in Westeuropa begann sich die dänische Zurückhaltung zu legen 336 . Die Regierung in Kopenhagen bot im August 1950 eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben für 1951 und 1952 um rund 50 Prozent an. Doch die Umsetzung dieses Angebotes bereitete der Regierung von Ministerpräsident Hans Hedtoft große Schwierigkeiten. In Dänemark traf nämlich die mit der Aufrüstungsphase verbundene Steigerung der Weltrohstoffpreise mit einer Expansion der Industrie in der sonst agrarisch geprägten Volkswirtschaft zusammen 33 ". Die industrielle Produktionsrate sank und verschlechterte damit die Exportmöglichkeiten. Dennoch wollte die Regierung Hedtoft die den USA angebotene Steigerung des Verteidigungshaushaltes durchsetzen. Dazu sollte eine progressive »Verteidigungssteuer« eingeführt werden, die neben einer Militäranleihe die Finanzierung der Rüstungsausgaben zu gewährleisten hatte 338 . Zwar stimmte das dänische Parlament dem erweiterten Verteidigungsbudget zu, doch bei den Finanzierungsplänen der Regierung ließ sich keine Einigung erzielen. Der Premierminister löste daraufhin das Folkedng (Untere Kammer) auf und rief Neuwahlen aus. Das Scheitern der Regierung war zwar weniger den neuen Streitkräfteplanungen zuzuschreiben als den angedrohten Steuererhöhungen, jedoch kam es aufgrund der sicherheitspolitischen Entscheidungen 1950 zu Neuwahlen und zum anschließenden Rücktritt der Regierung. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen im Zuge des Koreakrieges und die danach einsetzende Aufrüstungsphase ließen eine weitere Erhöhung der dänischen Verteidigungsausgaben fraglich erscheinen. Die Verschlechterung der Terms of Trade verursachten in Dänemark ab 1949 ein erhebliches Zahlungsbilanzdefizit. Nur durch Exportsteigerungen, die wiederum auf Kosten des inländischen Konsums gingen, war dieses Problem zu lösen, und so standen die Verteidigungsausgaben auch in Dänemark dem wirtschaftlichen Wiederaufbau im Wege 339 . Die Dollarreserven sollten bis Anfang 1952 so stark sinken, daß die internationale Zahlungsfähigkeit in Frage gestellt war. Teure Kohleimporte aus den USA, als Ersatz für die Lieferungen aus Polen, erschwerten diese Lage. Die dänische Regierung machte im Herbst 1951 die N A T O darauf aufmerksam, daß eine weitere Aufrüstung eine radikale Änderung der bisherigen Wirtschaftspolitik bedeuten würde
Zum NATO-Beitritt Dänemarks siehe Petersen, Isolation oder Verstrickung. Vgl. auch Heisler, Denmark's Quest for Security, und Villaume, Neither Appeasement nor Servility. "" MSA-Memo »Denmark 1945-1952«, Februar 1953, NA, RG 469/ST217, Box 1. Neben einer kleinen Küstenmarine verfügte Dänemark 1954 über rund 10 000 Heeressoldaten und 200 Düsenjäger. Siehe Memo »5 Jahre NATO« (dt. Übers.), 5.4.1954, BA-MA, BW 9/3655. 3 , 8 Petersen, Isolation oder Verstrickung, S. 178. Vgl. auch den Rückblick auf diese innenpolitischen Schwierigkeiten während der TCC-Verhandlungen ein )ahr später, »Denmark's reply to the Questionnaire TCC-D (51) 5«, 31.10.1951, BA-MA, BW 3/91. i y ) Brief summary of Denmark's reply to questionnaire TCC-D (51) 6, o.D., NA, RG 330/44, Box 15. 316
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und innenpolitisch kaum durchzusetzen sei. Denn die dänischen Wähler mußten bereits mit Rationierungen von Zucker, Kaffee und Kohle leben, und weitere Einschränkungen drohten die Opposition zu stärken. Der »Atlantische Block« im Folketing, der gegen die Gerechtigkeitspartei, die Radikalen und Kommunisten die Aufrüstung durchzusetzen hatte, hatte sich in wechselnden Regierungskoalitionen mit dieser sicherheitspolitischen Bürde zu behaupten. Erschwerend kamen die langwierigen Verhandlungen mit den USA über die Stationierung von Luftwaffeneinheiten auf dänischem Territorium hinzu. Sowohl die NATO-Gegner im eigenen Land als auch die Sowjetunion setzten in dieser Frage in Form von Protestnoten und Pressekampagnen den Hebel an. Erfolg war den Radikalen allerdings erst vergönnt, als der »Atlantische Block« wegen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten bei der Bekämpfung der Außenhandelsdefizite zerbrach und die Sozialdemokraten mit den NATO-Gegnern zusammenarbeiteten 340 . Der Preis für diese Unterstützung war eine Kürzung der Staatsausgaben auf dem Verteidigungssektor und eine Reduzierung der Wehrdienstzeit im Jahre 1954341. In Norwegen wirkte sich der Einfluß Washingtons auf die Aufrüstung nachweisbar erst ab 1954 aus, obwohl gerade Eisenhowers »Continental Strategy«, also die Verteidigung von den Flanken her, eine strategische Aufwertung Norwegens mit sich brachte 342 . Bis 1954 unternahm die norwegische Regierung allerdings sehr wenig, um den NATO-Anforderungen gerecht zu werden 343 . Zwar hatte Oslo als Gründungsmitglied der NATO die Einbeziehung der »Nordstaaten« in die Verteidigung Westeuropas durchgesetzt und sogar mit einem eigenen Kommandobereich, AFNORTH, aufwerten können, jedoch lag der Schwerpunkt der Regierungsarbeit eindeutig auf dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg 344 . Selbst der engagierte Außenminister Halvard Lange, der zu einer Integrationsfigur innerhalb der Allianz werden sollte, konnte an diesem Primat der Innenpolitik nichts ändern. Eine hohe Investitionstätigkeit, gefolgt von Produktivitätssteigerungen, ließ die wirtschaftliche Entwicklung seit 1945 günstig verlaufen. Bereits 1946 war das Vorkriegsproduktionsniveau erreicht, bis 1949 konnte auch die Exportgüterindustrie nachziehen. Die erfolgreichen Wiederaufbaujahre von 1946 bis 1952 spiegelten sich auch im ansteigenden Bruttosozialprodukt Norwegens wider. Eine durchschnittliche jährliche Steigerung um sechs Prozent und eine Gesamtsteigerung um Siehe Olesen, The Dilemmas of Interdependence, S. 4 8 - 5 3 . ™ Siehe Memo »Defence of the Northern Flank«, 18.5.1953, PRO, PREM 11/369. Vgl. auch Einhorn, National Security and Domestic Politics in Post-War Denmark, S. 24 f. Die Folge dieser Politik war eine negative Einschätzung der dänischen Verteidigungsbereitschaft. Das britische Verteidigungsministerium sah sowohl in Dänemark als auch in Norwegen einen politischen und militärischen Schwachpunkt innerhalb der Allianz. 342 Zu den Planungen des State Department für eine Zusammenarbeit mit Norwegen im wirtschaftlichen und militärischen Bereich siehe Policy Statement, Relations of the U.S. with Norway, 15.9.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 1530-1539. Allgemein zur Bedeutung der skandinavischen Staaten für die USA siehe Lundestad, America, Scandinavia, and the Cold War. 343 Froland, Choosing the Peripher)'. 344 Allgemein zur Sicherheitspolitik Norwegens siehe Pharo/Eriksen, Norwegen und die NATO 1950-1956, und Riste, Was 1949 a Turning Point? Vgl. auch Riste, Der widerstrebende Europäer. 340
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43 Prozent waren das Ergebnis. Allerdings brachte diese positive Entwicklung auch eine gewisse Abhängigkeit von den USA mit sich, da die Marshall-Plan-Hilfen an Norwegen rund 20 Prozent der Investitionen in jenen Jahren ausmachten 345 . Die Regierungspolitik in Sachen Landesverteidigung blieb trotz umfassender Militärhilfe aus den USA, dem Infrastrukturfonds der NATO und einer regen Tätigkeit der Militär}- Assistance Advisory Group (MAAG) der Amerikaner sehr zurückhaltend 346 . Zu sehr fürchtete die norwegische Regierung die Reaktionen der Sowjetunion, aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen wie Konsum- und Investitionsrückgänge und den Verlust von dringend benötigten Arbeitskräften durch eine wachsende Armee 347 . Deshalb war auch die Wehrdienstzeit auf zwölf Monate festgelegt, während in anderen NATO-Staaten bis zu 24 Monate gedient werden mußte. Damit erreichte Norwegen auch nicht seinen von der NATO geforderten Personalstand, und im Herbst 1951 war sogar das gelieferte Rüstungsmaterial mangels Soldaten nicht einsatzbereit348. Die Regierung in Oslo entschuldigte sich mit dem Hinweis auf zu großen Enthusiasmus, der zu überhöhten Streitkräftezielen geführt habe. Eine quantitative Einschränkung sollte die qualitative Steigerung der norwegischen Streitkräfte garantieren. Erst ein Regierungswechsel Ende 1951 brachte eine grundlegende Änderung durch ein neues Verteidigungsprogramm, das mehr Truppen garantierte und damit schließlich im Jahre 1954 zur Erfüllung der NATO-Pflichten führte349. Die forcierte Aufrüstung in Norwegen schränkte tatsächlich das ambitionierte Wiederaufbauprogramm der Osloer Regierung ab 1952 ein350. Doch auch die »leichte« Aufrüstung vor 1952 hatte erhebliche Auswirkungen. Durch die steigenden Verteidigungsausgaben zur Durchführung des MTDP fehlte es an finanziellen Ressourcen für das ambitionierte Investitions-, Industrieund Hausbauprogramm. Auch die Subventionspolitik wurde von der Aufrüstung beeinträchtigt. Während die Jahre 1946 bis 1949 von einem wachsenden Subventionsvolumen gekennzeichnet waren, fielen die Subventionen von 1950 bis 1952 Zur wirtschaftlichen Entwicklung Norwegens nach 1945 siehe Hodne, The Norwegian Economy, S. 1 3 0 - 1 7 9 , zu den Zahlenangaben S. 175 f. Insgesamt flössen von 1948 bis 1951 426,5 Millionen US-Dollar an F.RP-Geldern nach Norwegen. Ein Dank war sicherlich die Verleihung des Friedensnobelpreises an George C. Marshall im Jahre 1953. Siehe Cole, Norwav and the United States, S. 126. >4f] Allein zwischen 1951 und 1956 erhielt Norwegen jährlich rund 24 Millionen Dollar aus dem Infrastrukturfonds der N A T O . Dazu kamen rund 70 Millionen US-Militärhilfe. Siehe Tamnes, Defence of the Northern Flank, S. 180 f. ,J ~ Zur besonderen Rolle Norwegens mit seiner Grenze zur Sowjetunion siehe das Telegr. des USBotschafters Bay an Acheson, 25.10.1951, FRUS 1951, Vol. 4, P a r t i , S. 7 6 2 - 7 6 5 . Vgl. auch Riste, T h e Norwegian Intelligence Service. Siehe M e m o »Further Action re M D A P Deliveries to Norway«, EGG (51) D-33, 8.10.1951, LG, Harriman Papers, Box 276. Vgl. auch Cole, Norway and the United States, S. 1 4 0 - 145. 349 Tamnes, Norway's Struggle for the Northern Flank, S. 221 f., betont die konstante Weigerung Norwegens, NATO-Verbände in Friedenszeiten zu stationieren. Vgl. auch Telegr. Bav an Acheson, 25.10.1951, FRUS 1951, Vol. 4, Part 1, S. 7 6 2 - 7 6 5 . Neben einer kleinen Manne verfügte Oslo 1954 über zwei aktive Brigaden mit rund 12 000 Soldaten und über rund 200 Düsenjäger. Siehe M e m o »5 Jahre N A T O « (dt. Übers.), 5.4.1954, ΒΛ-ΜΛ, B W 9/3655. ",ä" Brunddand, Norwegian Security Policy, S. 186. Brunddand weist auch die indirekten Folgen der innenpolitischen Aufrüstungsdebatte für den Premier-Wechsel im Jahre 1953 nach. 345
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deutlich ab. Anteilig an den Staatsausgaben sanken die Nahrungs- und Handelssubventionen von einem Höchststand von 22 Prozent im Jahre 1949 auf 16 Prozent ein Jahr später. Auf diesem Niveau blieben die Subventionen, bis sie 1953 sogar auf 14 Prozent der Staatsausgaben fielen 351 . Die Rationierungen von Kaffee, Zucker und Bekleidung wurden wegen der hohen Militärausgaben bis 1952 aufrechterhalten, ebenso wurden Importe streng lizenziert. Neben der Aufrüstung gefährdeten die Abwertung der Krone 1949 und die steigenden Welthandelspreise im Zuge des Koreakrieges den wirtschaftlichen Wiederaufstieg. Vor allem die steigenden Lebenshaltungskosten, rund 15 Prozent mehr in den Jahren 1950 und 1951, waren Ausdruck dieser Belastungen. Die Inflationsgefahr wurde durch drastische Steuermaßnahmen bekämpft, die auch der Finanzierung der Rüstungsausgaben dienen sollten352. In den monatlichen Wirtschaftsberichten des Foreign Office über Norwegen wurde im Frühjahr 1953 auf die einschränkende Wirkung des norwegischen Verteidigungshaushaltes auf die wirtschaftliche Entwicklung hingewiesen 353 . Allerdings muß im Falle Norwegens auch beachtet werden, daß die Wirtschaft von den Aufrüstungsprogrammen der anderen NATO-Staaten profitierte. Der Export in den Bereichen Transport, Metalle und Maschinenbau sowie Fette und Öle konnte 1951/52 ausgeweitet werden. Die positive Wirkung, die zu einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz, später sogar zu Dollarüberschüssen führte, blieb allerdings auch der amerikanischen Regierung nicht verborgen und stellte eine Angriffsfläche für weitere Aufrüstungsforderungen dar354. Um so wichtiger war der norwegischen Regierung, die Frage einer gerechten Lastenteilung innerhalb der NATO voranzubringen. Bereits während der EisenhowerReise durch Westeuropa im Januar 1951 sprach der damalige Verteidigungsminister Jens Christian Hauge das bisher ungelöste Problem an. Doch Eisenhower wies darauf hin, daß er den Gesamtverteidigungsplan durchzusetzen habe und nur zu einem Zwölftel als Norweger denken könne. Eine gerechte Lastenteilung könne zudem erst dann in Angriff genommen werden, wenn jedes Mitgliedsland den größtmöglichen Beitrag leiste355. Immerhin überzeugten die Gespräche den SACEUR von der Schwierigkeit, eine angemessene Formel für eine gerechte Lastenteilung zu finden. Die großen volkswirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Das Hausbauprogramm der Labour-Regierung von 1949-1952 war dennoch sehr erfolgreich. Doch zumindest der Einbruch im Jahre 1951 — die Zahl der fertiggestellten Wohnungen sank um rund 20 Prozent - läßt sich mit den hohen Militärausgaben erklären. Siehe Hodne, The Norwegian Economy, S. 157, 169. 352 Siehe »Annual Report Norway 1951«, 23.4.1952, PRO, FO 371/100647. In Norwegen sollte z.B. eine hohe Umsatzsteuer und sogar die Besteuerung von Eistüten Gelder für die Aufrüstung bringen. Siehe den Artikel Norway and Denmark, in: The Adantic Monthly, 93 (1951), 6, S. 15-18. 353 Siehe »Economic Report Norway 03/53«, 15.4.1953, PRO, FO 371/106371. Vgl. auch die Hinweise im »Annual Review Norway 1952«, 17.3.1953, PRO, FO 371/106361. 354 Siehe das Schreiben von Harlan Cleveland, MSA, an Harriman, 4.2.1952, LC, Harriman Papers, Box 275. Cleveland betont die stabile Regierung in Oslo als Kernpunkt weiterer Forderungen. 355 Telegr. des US-Botschafters Gifford an Acheson, 14.1.1951, FRUS 1951, Vol. 3, P a r t i , S. 421-424. Vgl. auch das Schreiben Eisenhowers an Harriman vom selben Tag, Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 2 4 - 3 2 . 351
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Bündnispartnern, wie der Lebensstandard oder das Lohngefüge, so Eisenhower zwei Wochen später vor dem kanadischen Verteidigungsausschuß, müßten dabei vermehrt in den Vordergrund rücken. Der etablierte Maßstab — der prozentuale Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt - sei mehr als unzureichend 356 . Da Island keine eigenen Streitkräfte unterhielt, können in diesem Zusammenhang nur die Stützpunkte für die Alliierten und ihre wirtschaftlichen und innenpolitischen Auswirkungen auf das Gasdand untersucht werden 357 . Zwar Schloß sich Island den nordischen Nachbarstaaten Dänemark und Norwegen an und ließ keine Stationierung fremder Truppen in Friedenszeiten zu, änderte allerdings während des Koreakrieges diese Haltung und ließ den Flughafen von Keflavik durch amerikanische Truppen nutzen 358 . Die Folgen der Stationierung amerikanischer Soldaten für die überwiegend vom Fischexport lebenden Isländer waren eine erhöhte Baunachfrage, die zu einem akuten Arbeitskräftemangel führte, der wiederum Gastarbeiter aus Dänemark und Deutschland nach Island zog. Preissteigerungen durch die erhöhte Nachfrage nach Konsumgütern erregten ebenso die Gemüter wie die sozialen Auswirkungen durch die Stationierung junger Soldaten und deren Umgang mit isländischen Frauen den Zorn der Einheimischen, die bis 1951 mehr oder weniger isoliert vom Rest der Welt leben konnten 359 . Innenpolitisch führte die Truppenpräsenz der USA zu einer Welle des Nationalismus, die in der Gründung der Partei der Nationalen Erhaltung ihren Höhepunkt fand. Zwar war keine Regierung durch diese nationalistische oder durch die starke kommunistische Partei ernsthaft gefährdet, jedoch zeigten sich erste Anzeichen einer Unzufriedenheit mit der Sicherheitspolitik der Sozialdemokraten, später der Konservativen. In den folgenden Jahren versuchte die isländische Regierung dann auch, das Verteidigungsabkommen zu verändern und die Truppenpräsenz zu vermindern. Diese Versuche gipfelten 1956 in einer Resolution des isländischen Parlamentes, die den Abzug der Amerikaner forderte. Die Wahlkampfidee der Fortschrittspartei erwies sich jedoch als Bumerang, denn die Kommunisten gingen erfolgreich aus der Wahl im Sommer hervor und wurden sogar in die Regierungsverantwortung eingebunden. Damit war Island zu einer Gefahr für die Sicherheitsinteressen der NATO geworden. Schließ,5f>
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-,äbella figura«< auf den Punkt 369 . Die Aufrüstungsbemühungen Italiens seit 1950 wurden von Ministerpräsident Alcide de Gasperi auch mehr als Voraussetzung für weitere US-Außenhilfe angesehen denn als ernsthafter Versuch, die NATO-Streitkräfte zu stärken. Im Gegenzug verlangten die USA einen angemessenen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung und nicht zuletzt einen italienischen Verteidigungshaushalt, der deutlich über der Summe der US-Außenhilfe lag 370 . Ende 1950 kritisierte Acheson das italienische Kabinett, es unterschätze die Kriegsgefahr und sehe die Währungsstabilität für wichtiger an als den Streitkräfteaufbau 371 . Auch eine Kabinettsumbildung im Juli 1951 brachte keine nennenswerten Änderungen der Sicherheitspolitik Italiens. Zwar wurde eine deutliche SteigeM Telegr. Mallet an Bcvm, 5.2.1951, PRO, FO 371, W T 1191/2, zit. nach Varsori, Italy and Western Defence 1 9 4 8 - 5 5 , S. 202 f. Varsori schätzt die Bedeutung Italiens innerhalb der Ν Λ Τ Ο zwischen 1949 und 1955 als gering ein. Die Ν Λ Τ Ο wiederum wurde im Palazzo Chigi als Instrument zur wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung des eigenen Landes angesehen. 5711 Das State Department war bei einer Außenhilfe für das Haushaltsjahr 1952 von 275 Millionen Dollar mit einem Verteidigungsbudget von 400 Millionen nicht zufrieden. M e m o Perkins an Webb, 4.3.1951, 1 ; RUS 1951, Vol. 4, Part 1, S. 577 f., und Telegr. Acheson an Dunn, 16.2.1951, ebd., S. 572 f. Telegr. Acheson an die US-Botschaft in Rom, 2.12.1950, F R U S 1950, Vol. 3, S. 1 5 0 1 - 1 5 0 3 . Achcson betonte, daß die USA keinen Druck auf Italien ausübten. Allerdings wären Steigerungen im Verteidigungsetat möglich, ohne damit die wirtschafdiche Stabilität zu gefährden.
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rung der Verteidigungsausgaben zwischen 1949 und 1951 von jährlich 457 auf 847 Millionen Dollar erzielt, und seit dem Korea-Krieg konnte der Verteidigungshaushalt um 79 Prozent, die Rüstungsproduktion um 50 Prozent gesteigert werden. Doch blieb die ECA davon überzeugt, daß Italien mehr tun könne 372 . Die italienische Regierung sah sich dagegen weiterhin aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen zu größeren Aufrüstungsschritten nicht in der Lage. Während der bilateralen Gespräche in Washington im September 1951 führte der italienische Finanzminister Guiseppe Pella, ein Gegner der forcierten Aufrüstung, aus, daß die italienische Wirtschaft nicht zuletzt durch die Marshall-Plan-Hilfen stabilisiert werden konnte 373 . Dennoch waren weiterhin große interne und externe finanzielle Probleme zu lösen, wie die inflationäre Entwicklung oder das Dollardefizit. Auch die hohe Arbeitslosigkeit in Italien war eine schwere Belastung für die volkswirtschaftliche Entwicklung 3 " 4 . Dazu kamen die indirekten Auswirkungen der Aufrüstung, wie die steigenden Rohstoffpreise, und volkswirtschaftliche Grundbedingungen, etwa das niedrige Pro-Kopf-Einkommen, welche vermehrten Rüstungsausgaben entgegenstanden. Deshalb waren auch Steuererhöhungen zur Finanzierung der Aufrüstung ungeeignet, da der Lebensstandard zu sinken und die schwache finanzielle Stabilität zusammenzubrechen drohte. Einzig eine Investitions- und Produktionssteigerung in der Rüstungsindustrie durch ausländisches Kapital wurde als zweckmäßig angesehen 375 . Das Zögern der italienischen Regierung, den Rüstungssektor zu priorisieren, wird durch die Arbeit des Comitato italiano ricostruzione (CIR) im Bereich der Investitionslenkung verdeutlicht. Eine Prioritäten-Liste für staatliche Investitionen aus dem Jahre 1951 führte die Landwirtschaft an, gefolgt von der Energiewirtschaft. Wie wichtig die wirtschaftliche Sicherheit für die innenpolitische Stabilität Italiens war, verdeutlichte eine Studie der ECA zu den Wahlen in Italien und Frankreich vom Juli 1951. Darin wurde davor gewarnt, daß jeder dritte Italiener kommunistisch wähle und die Kommunisten immer dann Zuwachs erführen, wenn wirtschaftliche Unzufriedenheit herrsche. Eine Stärkung der kommunistischen Partei stelle allerdings die US-Außenhilfe generell in Frage, die doch gerade zur Stärkung der demokratischen Parteien dienen solle 376 . Ein weiterer entscheidender - Smith, The United States, Italv and NATO, S. 135. Siehe auch Varsori, Italiens Außen- und Bündnispolitik 1949-1956. Minutes of Meetings »Italian Economic Problems«, 25.9.1951, FRUS 1951, Vol. 4, P a r t i , S. 706-713. Siehe auch Acheson, Present at the Creation, S. 571 -573. Vgl. zur Wirtschaftspolitik Italiens bis 1950 Esposito, America's Feeble Weapon. 3 4 Vgl. zur wirtschaftlichen Lage Italiens 1951 die Antwort der italienischen Regierung auf den Fragebogen TCC D (51) 6, November 1951, NA, RG 330/44, Box 14. Allerdings gab es auch in Italien zahlreiche Wirtschaftsexperten, die in der staatlichen Unterstützung der Rüstungsindustrie einen Ausweg aus der hohen Arbeitslosigkeit sahen. Siehe Smith, The United States, Italv and NATO, S. 104-141. 3"5 Siehe Sebesta, American Military Aid and European Rearmament, S. 292 f. Sebesta erwähnt auch das sog. Malvestiti-Memo vom Dezember 1950, welches die möglichen Auswirkungen des italienischen Verteidigungsprogrammes auf die wirtschaftliche Entwicklung auflistete (S. 293). Memo ECA/MSA »French and Italian Elections«, 6.7.1951, NA, RG 469, ST 60, Box 9 (M-P). r
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Grund für die zögerliche Haltung Roms gegenüber einer forcierten Aufrüstung war die von den USA abweichende Bedrohungsanalyse. Weniger eine globale Auseinandersetzung mit der Sowjetunion als vielmehr eine Aggression Jugoslawiens im Zuge der Triestkrise wurde zum Motor der italienischen Sicherheitspolitik377. Diese vorrangige Frage ließ die Planungen der NATO für eine Gesamtverteidigung Westeuropas zumindest in den Hintergrund rücken bzw. wurde die Aufrüstung von der erfolgreichen Lösung dieser Frage abhängig gemacht. Selbst der Koreakrieg konnte nur kurzfristig die Bedrohungsvorstellung der italienischen Regierung verändern. Dazu kam ihre Verärgerung über eine knappe Zuteilung der MDAPLieferungen für Westeuropa. So erreichten 1950 nur etwa vier Prozent der Gesamtlieferungen italienische Häfen378. Die US-Regierung hingegen wollte erst einen angemessenen Verteidigungs- und Rüstungsproduktionsplan sehen, ehe umfangreiche Lieferungen durchgeführt wurden. In Anbetracht all dieser Überlegungen entschloß sich die Regierung in Rom bereits im Frühjahr 1951 zu einer zeitlichen Ausdehnung des zusätzlichen Verteidigungshaushaltes von rund 400 Millionen US-Dollar auf drei Jahre (1950 bis 1953). Finanzminister Pella betonte, daß neben der Aufrüstung auch ein ziviles Investitionsprogramm zu finanzieren und eine Steigerung des Lebensstandards zu gewährleisten seien379. Eine Priorisierung der militärischen Aufrüstung vor dem Ziel des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs wurde somit auch in Italien nicht erreicht. Diese Politik entsprach allerdings den grundsätzlichen außen-, aber auch innenpolitischen Zielen Italiens nach 1945: »die Beseitigung des Kriegserbes, den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die Anerkennung der legitimen Rolle Italiens im internationalen System der Nachkriegszeit«380. Kanada Kanada nahm im Bündnis von Anfang an eine Sonderrolle ein. Von den Großen Drei nicht als gleichwertig anerkannt, war der nordamerikanische Staat dennoch ein wichtiger Partner, der seine unabhängige Position durch seine Führungsrolle in der Runde der »Kleinen« aufwerten konnte381. Neben den USA finanzierte Kanada seit 1950 ein Militärhilfeprogramm für westeuropäische NATO-Staaten, bezog keine US-Außenhilfe und bewies damit seine herausgehobene Position auch und gerade Zur Bedrohungsanalyse siehe Nuti, Security and Perceptions of Threat in Italy in the Early Cold War Years. Zur Triestkrise siehe Heinemann, Vom Zusammenwachsen des Bündnisses, S. 11-70. Smith, The United States, Italy and NATO, S. 135. 379 Ebd., S. 139; Sebesta, American Military Aid and European Rearmament, S. 293 f. 380 Di Nolfo, Das Problem der europäischen Einigung als ein Aspekt der italienischen Außenpolitik 1945-1954, S. 165. Carlo Sforza, langjähriger Außenminister Italiens, sah dementsprechend die wirtschaftliche Zusammenarbeit als das vorrangige Ziel italienischer Außenpolitik an. Siehe Smith, The United States, Italy and NATO, S. 168. Vgl. auch Sforza, Cinque anni a Palazzo Chigi. 381 Letourneau, Die strategische Dimension der kanadischen Außen- und Bündnispolitik; Mackenzie, The ABCs of Canada's International Economic Relations. 377
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gegenüber Frankreich und Großbritannien 382 . Die kanadische Außen- und Sicherheitspolitik nach 1945 war von der Idee der Gemeinschaft der westlichen Demokratien im atlantischen Rahmen geprägt. Die NATO wurde von der kanadischen Regierung, allen voran von Politikern wie Lester Β. Pearson, Escott Reid und Louis St. Laurent, deshalb nicht nur als ein militärisches Bündnis, sondern auch und vor allem als eine politische und wirtschaftliche Wertegemeinschaft aufgefaßt 383 . Gleichzeitig sahen kanadische Politiker in der N A T O ein Instrument des »Double containment«, gerichtet sowohl gegen die Bedrohung der Sowjetunion als auch gegen die Übermacht der USA. Die bündnisinterne, multinationale Zusammenarbeit mit dem übermächtigen Nachbarn erschien Ottawa als Garant für Unabhängigkeit und nationale Eigenstaatlichkeit 384 . Parallel dazu setzte Kanada auf eine enge rüstungswirtschaftliche Kooperation mit den USA, um im Kriegs falle einen nordamerikanischen Wirtschaftsraum schaffen zu können 385 . Dies bedeutete auf der anderen Seite, keine rasche Aufstellung von Streitkräften vorzunehmen, zumal eine Stationierung umfangreicher kanadischer Streitkräfte in Westeuropa nicht vorgesehen war 386 . Die alte Militärausrüstung aus britischer Produktion sollte durch neues Material aus den USA ersetzt werden. Dadurch konnte die alte, aber noch kriegstaugliche britische Ausrüstung an die westeuropäischen Staaten geliefert werden. Eine generelle Unterstützung der westeuropäischen wirtschaftlichen und militärischen Stabilität wurde jedoch von der kanadischen Regierung abgelehnt 38 ". Zu sehr fürchtete die Regierung in Ottawa maßlose Forderungen der NATO-Partner an das wirtschaftsstarke Kanada. Deshalb sollte eine genau festgelegte kanadische Militärhilfe im NATO-Rahmen frühzeitig die Grenzen dieser I.eistungen abstekken. Im August 1950 wurden die Planungsdaten durch das kanadische Kabinett beschlossen und der N A T O übergeben. Schwerpunkt der Militärhilfe waren Rüstungsgüter britischer Abstammung (für rund drei Divisionen), aber auch aus kanadischer Produktion, und Ausbildungsprogramme für westeuropäische Luftwaf-
Allgemein zur Sicherheitspolitik Kanadas siehe I.etourneau, Kanada und die Sicherheit Westeuropas. Vgl. auch Whitaker/Marcuse, Cold War Canada. 381 Siehe Im Spannungsfeld des Atlantischen Dreiecks; Dewitt/Levton-Brown, Canada's International Security Policy. Zum Ilinfluß kanadischer Politiker während der Gründungsphase der N A T O siehe Reid, Times of Fear and Hope; Pearson, Mike. 31,4 Kieninger, Double Containment, S. 1 6 1 - 1 6 9 und 4 5 5 - 4 6 2 . 1K5 Memo des kanadischen Ministeriums für Handel und Verkehr »Planned and possible Deliveries of Milkan- Flquippment from Canadian Ressources«, 21.8.1950, PAC, D N D 111-21-01 (D 2"?). Siehe auch YX'ürzler, Die Anfange kanadischer Militärhilfe für die europäischen NATO-Partner, S. 111. •W(i Kanada stellte der N A T O 1951 in Westeuropa eine Infantenebrigade (mit 6000 Soldaten), ein Jahr später eine Luftuaffendivision mit vier Düsenjägergeschwadern (F-86-F.) und 1954 36 Schiffe (ein Flugzeugträger, Zerstörer, Kreuzer und Minensucher) zur Verfügung. Siehe M e m o »5 Jahre N A T O « , 5.4.1954 (dt. Übers.), ΒΛ-ΜΛ, B W 9/3655. w " Würzler, Die Anfänge kanadischer Militärhilfe für die europäischen NATO-Partner. Vgl. auch Fayrs, In Defence of Canada, S. 1 9 0 - 2 7 4 .
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
fen-Soldaten. Die finanzielle Obergrenze lag bei 300 Millionen Kanadischen Dollar für die nächsten eineinhalb Jahre 388 . Obwohl, vielleicht gerade weil die kanadische Wirtschaft nach 1949 prosperierte, standen vor allem die Finanzexperten und die Sozialpolitiker einem steigenden Verteidigungshaushalt skeptisch gegenüber. Die sozialliberale Regierung unter St. Laurent stand zwar unumstößlich zu den Zielen der NATO, wollte aber auch das soziale System Kanadas ausbauen und die wirtschaftliche Entwicklung durch Steuersenkungen unterstützen. Steigende Staatsausgaben, auch für das Militär, konnten hingegen nur durch Steuererhöhungen oder durch eine größere Staatsverschuldung finanziert werden 389 . Daß es erst 1950 zu einer Militärhilfe für die Partnerstaaten kam, hing unter anderem auch daran, daß der Wahlkampf im Frühjahr 1949 nicht mit Ankündigungen höherer Steuern zur Finanzierung steigender Verteidigungsausgaben getrübt werden sollte. Doch auch nach der Wahl blieb das kanadische Kabinett zögerlich, mehr Staatsausgaben für das Militär zu verwenden. Die möglichen negativen Auswirkungen erhöhter Verteidigungsausgaben sollten durch ein interministerielles »Panel on the Economic Aspects of Defence Questions« aus den stellvertretenden Ministern und aus Vertretern der Bank of Canada frühzeitig erkannt werden 390 . In einem Memorandum des Ministeriums für Handel und Verkehr, das dem Panel unterbreitet wurde, kamen im Sommer 1951 Experten zwar zu dem Schluß, daß die Auswirkungen der Verteidigungsausgaben insgesamt durch die Volkswirtschaft getragen werden könnten. Das Handelsministerium listete jedoch die Auswirkungen dieser Beiträge auf und stellte fest, daß in einer Zeit der Hochbeschäftigung ein erhöhtes Verteidigungsprogramm auf Kosten anderer Bereiche durch den Verlust wichtiger Ressourcen ginge. Wegen der fehlenden rüstungsindustriellen Produktionskapazitäten flöß zudem ein Großteil dieser staatlichen Ausgaben ins Ausland. Die Steuererhöhungen zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben schränkten auch in Kanada den Privatkonsum ein und führten zu Preissteigerungen. Der Privatkonsum, aber auch die Privatinvestitionen ließen nach391. Trotz dieser Feststellungen wuchs der Anteil der Militärausgaben am Bruttosozialprodukt von 1,4 Prozent im Jahre 1947 auf 8,8 Prozent im Jahre 1952. Diese Ausgaben machten rund 45 Prozent der gesamten Staatsausgaben aus und waren der viertgrößte Verteidigungsbeitrag innerhalb der NATO 392 . Zwar beteiligte sich Kanada ab 1951 nur mit einer Infanterie-Brigade an der Truppenpräsenz in 388
Militärausrüstung britischer Herkunft wurde v.a. zur Ausstattung belgischer, niederländischer und luxemburgischer Verbände verwendet. Im März 1951 stimmte das kanadische Kabinett dem Vorschlag des Verteidigungsministers zu, Ausrüstung und Munition für eine Division nach britischem Muster nach Belgien zu liefern. Brief Robertson an Bryce, 9.3.1951, PAC, RG 2 Β 2, Vol. 136. Weitere Ausrüstung in dieser Größenordnung ging an die niederländische und italienische Armee. Die großherzogliche Armee erhielt v.a. Artilleriegeschütze. Siehe Telegr. Heeney an den kanadischen Botschafter in Washington, D.C., 30.4.1951, PAC, DEA 50030-L-40, Vol. 3. 389 Eayrs, In Defence of Canada, S. 197. 390 Telegr. Pearson an den kanadischen Hochkommissar in London, 13.3.1951, PAC, DEA 50030L-40, Vol. 3. 39> Memo »Current Economic Conditions«, 20.6.1951, PAC, RG 2 Β 2, Vol. 134. 392 Bercuson, Canada, NATO, and Rearmament, S. 104.
II. Wirtschaftlicher W i e d e r a u f s t i e g o d e r militärische A u f r ü s t u n g ?
129
Westeuropa, doch die Ende 1952 in Frankreich stationierten modernen kanadischen Kampfflugzeuge stellten nach Einschätzung amerikanischer Militärs den größten Anteil an der Erweiterung der Luftverteidigung Westeuropas 393 . Allerdings sollte der Beitrag für 1952 den Höhepunkt der kanadischen Verteidigungsausgaben nach dem Zweiten Weltkrieg darstellen. Innenpolitische Schwierigkeiten, ausgelöst durch Steuererhöhungen und Eingriffe in die Sozialleistungen, aber auch die wachsende Unzufriedenheit über immer höhere Forderungen durch die USA und andere NATO-Partner führten zu einem Umdenken der kanadischen Regierungsvertreter 394 . Neben der Forderung nach weiteren Rüstungsmateriallieferungen wurde auch die Iieferung von strategisch wichtigen Rohstoffen wie Aluminium und Kupfer beantragt. Vor allem Finanzminister Douglas Abbott verweigerte sich diesen Forderungen des Verteidigungsministeriums und der N A T O . Bereits 1950 mußte er sich indes der »Wehrfraktion« fügen und seinen gesamten Haushalt wegen des neuen Verteidigungsbudgets umstellen. Zwei Jahre später konnte er sich dann im Kabinett durchsetzen, und es kam zu einer ersten Kürzung des für 1952 geplanten kanadischen Verteidigungshaushaltes um immerhin rund 20 Prozent 395 . Die Regierung in Ottawa war Ende 1951 aufgrund innenpolitischer Rücksichtnahmen und der hohen Staatsausgaben für ihre sozial- und wirtschaftspolitischen Ziele nicht bereit, mehr als bisher für die gemeinsame Verteidigung auszugeben 396 . Zwar hatten im Falle Kanadas die hohen Verteidigungsausgaben keine negativen — höchstens störende — Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, jedoch erforderten die oben genannten Auswirkungen bereits eine sicherheitspolitische Kurskorrektur. Die finanziellen Grenzen der gemeinsamen Verteidigung waren für die Regierung St. Laurent bei einer Höhe von rund 2,4 Milliarden Kanadischen Dollar für das Haushaltsjahr 1952/53 erreicht 39 ". E b d . K a n a d a beteiligte sich darüber hinaus mit einer Infantene-Brigade an den U N - T r u p p e n in Korea. Die Aufstellung zweier Brigaden, der 25. und der 27. G I B , stieß bereits innenpolitisch auf großen Widerstand. W4 M e m o »Current E c o n o m i c Situation«, 22.1.1952, P A C , R G 2 Β 2, Vol. 214. E m halbes J a h r nach dem oben genannten M e m o stellt das kanadische Handelsministerium fest, daß die eigene Rüstungsindustrie die meisten zusätzlichen Ressourcen binde und einzelne Industriezweige wegen der vollen Auslastung keine zusätzliche Produktion für den Pnvatkonsum durchführen könnten. Auch der E x p o r t könne aufgrund der Ressourcenknappheit nicht vorangebracht werden. D a s State Department veranschlagte einen möglichen Verteidigungshaushalt von 2,5 Milliarden Kanadischen Dollar für 1951 statt der geplanten 1,9 Milliarden. Diese Schätzung hätte für Kanada bedeutet, daß rund 55 Prozent der gesamten Staatsausgaben für das Militär aufgebracht worden wären. 1,5 Eayrs, In D e f e n c e o f Canada, S. 293. Diese Kürzungsvorschläge wurden bei den TCC-Verhandlungen entwickelt. D e r kanadische Einanzminister A b b o t t mußte sich Eorderungen nach mehr Militärhilfe erwehren. yx, [ } e r Premierminister sah etwa die fehlende Akzeptanz in der Öffentlichkeit für die zum Privatkonsum in Konkurrenz stehende Lagerhaltung strategisch wichtiger Güter. Die Öffentlichkeit würde dies, so St. Laurent, als Kriegsvorbereitung ansehen und nicht als Teil der Abschreckung. M e m o o f Cabinet D e f e n c e Committee meeting, 8.11.1951, P A C , R G 2 Β 2, Vol. 244. y>~ Brief Pearson an St. Laurent, 31.1.1952, P A C , D E A 50011-40, Vol. 1. Pearson stimmte Abbott zu, daß diese Obergrenze nicht überschritten werden dürfe. Allerdings warnte Pearson den Premier vor den außenpolitischen Folgen von Kürzungen des bestehenden Verteidigungsbeitrages. w
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
Positive Auswirkungen der Aufrüstung Neben den negativen müssen auch die positiven Auswirkungen der Aufrüstung angesprochen werden. Die US-Regierung investierte in den ersten zwanzig Jahren des Kalten Krieges über 60 Prozent des Staatshaushaltes in die Verteidigung. Von diesen Ausgaben profitierten vor allem die Staaten im Westen, wie Californien und Utah, durch die Ansiedelung von Unternehmen der Luftfahrt- und Kommunikationsindustrie. Doch auch die staatliche Förderung des Bergbaus für rüstungswirtschaftlich wichtige Rohstoffe in Colorado oder New Mexico hatte Folgen für die regionale Wirtschaftsentwicklung. Michael J. Hogan bewertet diese Ausgaben sogar als den größten Einzelfaktor des starken amerikanischen Wirtschaftswachstums nach 1945.358 Die forcierte Aufrüstung Westeuropas ab 1950 wirkte sich aber auch auf dem Kontinent, wie bei Belgien und Norwegen angedeutet, in vielfältiger Weise positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Militärische Infrastrukturmaßnahmen, vor allem der Straßenbau, dienten in Friedenszeiten dem zivilen Handel und Verkehr. Staatliche Nachfrage durch militärische Behörden an zivile Firmen im Bereich Bau und Bauunterhaltung, Verpflegung, Bekleidung usw. förderte ebenso die Wirtschaft wie die dadurch entfachte Produktion von rüstungswichtigen Rohstoffen und Militärmaterial durch zivile Firmen. Das Militär als großer staatlicher Arbeitgeber darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. Staatliche Rüstungsbetriebe schufen neue Arbeitsplätze und garantierten in den Jahren der Aufrüstung eine beständig gute Auftragslage. Der Export von Rüstungsgütem und die damit verbundenen Deviseneinkünfte schlugen ebenfalls positiv zu Buche. Schließlich profitierte auch der Bereich der Forschung und Entwicklung von den staatlichen Aufträgen und nutzte die nicht geheimgehaltenen Forschungs- und Entwicklungsergebnisse für die Zivilproduktion 399 . Allerdings sind diese Erfolge im betrachteten Zeitraum zu vernachlässigen oder wurden in den Augen der Zeitzeugen von den negativen Auswirkungen überlagert. Zu Beginn der fünfziger Jahre war nur die britische Rüstungsindustrie so weit ausgebaut, daß positive Impulse auf die wirtschaftliche Gesamtlage hätten ausgehen können 400 . Die damaligen staatlichen Finanzspritzen waren konjunkturpolitische Maßnahmen, die für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der meisten Staaten Westeuropas unnötig waren. Es bedurfte keiner staatlichen Lenkung, da eine große Nachfrage nach zivilen Produkten gegeben war. Im Gegenteil gefährdete der Abzug von Ressourcen die Befriedigung dieser Nachfrage. Der Import rüstungswichtiger Rohstoffe führte zu Zahlungsbilanzschwierigkeiten, die wiederum zu Preissteigerungen, 358 399
400
Hogan, A Cross of Iron, S. 471 - 745. Vgl. auch The Rise of the Gunbelt. Zur schwierigen Frage des Einflusses von Rüstungsausgaben auf die wirtschaftliche Entwicklung siehe Köllner, Militär und Finanzen, S. 117-132. Die Economic Section stellte 1952 fest, daß die einzige Wachstumsbranche die Rüstungsindustrie sei. Rund 2 Millionen Beschäftigte und damit 8,8 Prozent der arbeitenden Bevölkerung waren damals bereits im Verteidigungssektor tätig. Diese Arbeitsplätze wurden als besonders sicher eingestuft. Memo »Production and Employment Prospects for 1953«, ES (EP) (52) 2, 19.12.1952, PRO, CAB 134/890.
II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
131
was schließlich den Lebensstandard beeinträchtigte. Einzig die Sicherstellung von Arbeitsplätzen durch Regierungsaufträge im Rüstungsbereich und durch eine personelle Erweiterung der Armee fallen rückblickend ins Gewicht. Zudem kann erst mit der Existenz einer starken Rüstungsindustrie von nachweisbaren posidven Auswirkungen gesprochen werden. Der berühmte »Militär-Industrielle Komplex«, vor dem Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede 1961 warnte, entwickelte sich in den westeuropäischen Staaten, wenn überhaupt davon gesprochen werden kann, erst Mitte der sechziger Jahre 401 . Allerdings wurde im vorangegangenen Jahrzehnt der Grundstein für eine westeuropäische Rüstungsindustrie gelegt, die in den folgenden Jahrzehnten des Kalten Krieges, vor allem bei einer schlechten Wirtschaftslage, ein wichtiger Stabilitätsfaktor war. Die Interessen der kleineren NATO-Partner für eine
Bündnislösung
Die meisten Mitgliedsstaaten hatten zu Beginn der fünfziger Jahre wirtschaftliche Probleme, die durch erhöhte Verteidigungsausgaben noch verstärkt wurden. Zumeist schränkte die Aufrüstung und damit eine Verlagerung der zivilen Produktion in den Rüstungsbereich die Exportmöglichkeiten ein. Der Export wiederum war die einzige Chance, an die für die wirtschaftliche Stabilität so dringend benötigten Dollars zu gelangen. Dazu kamen innenpolitische Schwierigkeiten, die durch Steuererhöhungen, Rationierungen, Subventionskürzungen und erhöhte Staatsverschuldung zur Finanzierung der Verteidigungshaushalte ausgelöst wurden und den jeweiligen Regierungen die Grenzen sicherheitspolitischer Entscheidungsfreiheit wiesen. Dennoch versuchten viele Staaten, ihren Bündnisverpflichtungen nachzukommen und erhöhten ihre Verteidigungsprogramme. Dabei hofften die Regierungen auf zusätzliche US-Militärhilfe, die insgesamt als das Movens für steigende Verteidigungsausgaben angesehen werden kann. Der Sommer 1951 zeigte die oben beschriebenen Auswirkungen der Aufrüstung deutlich. Sie führten zu einem Streit um Prioritäten, der zumeist innenpolitische Konsequenzen mit sich brachte. Die Wählerschaft der westlichen Demokratien war nicht bereit, für die militärische Aufrüstung höhere Steuern zu bezahlen, Rationierungen und andere Einschränkungen des Privatkonsums hinzunehmen und nicht zuletzt Jugendjahre durch lange Militärdienstzeiten zu verlieren. Die schon angesprochene Systemschwäche im Bereich der militärischen Nutzung vorhandener Ressourcen zeigte also Wirkung. Die kleineren Partner bevorzugten einen bündnisinternen Weg, da dieser Rahmen genügend Spielraum für ein zurückhaltendes Vorgehen bot. Denn in erster Iinie wurden die großen Partner begutachtet und um mehr Eigenleistung gebeten. Die übrigen Mitgliedstaaten konnten im Schatten dieser Verhandlungen bleiben und im Bedarfsfall Koalitionen mit anderen kleinen Partnern bilden, um zu hohen Forderungen der »Großen« zu begegnen. Auch versprachen sich die Regierungen der kleineren Bündnispartner von Verhandlungen über die Verteilung der gesamten 4111
Meeker, The Military-Industrial Complex. Vgl. auch den Sammelband The Militan-Industrial Complex. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nach Mechtersheimcr, Der MilitärIndustrielle Komplex, keinen solchen Block.
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II. Wirtschaftlicher Wiederaufstieg oder militärische Aufrüstung?
US-Außenhilfe an Westeuropa im Gegenzug zu hohen Verteidigungsanstrengungen mehr als von bilateralen Festlegungen. Diese berücksichtigten meist nicht den sicherheitspolitischen Gesamtrahmen. Das zu erwartende Kuchenstück einer Gesamthilfe erschien größer, als der von den USA unilateral zugewiesene Teil. Die wirtschaftliche und innenpolitische Stabilität stand dabei immer im Vordergrund der Regierungen der NATO-Mitgliedstaaten und wies damit die Grenze der Gemeinschaft innerhalb der Allianz. Denn die nationalen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Ziele sollten entweder im Zuge bündnispolitischer Kompromißlösungen oder sogar noch vor diesen erreicht werden. Erleichterungen im Bereich der nationalen Verteidigungsbeiträge, mehr US-Außenhilfe in Form von Dollars und Militärausrüstung, aber auch in Form von Offshore-Aufträgen sollten den notwendigen Spielraum zur Umsetzung dieser Ziele schaffen. Diese Vorgehensweise sollte schließlich zu einer zeitlichen Streckung der Verteidigungsprogramme und zur besonderen Berücksichtigung der modernen und vermeintlich kostengünstigeren Waffentechnik führen. Allerdings blieb es erneut den großen Partnern der USA überlassen, dies in Tripartite-Gesprächen mit der Truman-Administration durchzusetzen. Zumindest sollte für Westeuropa eine Reduzierung der Eigenleistungen und eine Erhöhung der US-Außenhilfe erreicht werden. Doch die bi- und trilateralen Verhandlungen brachten kein Ergebnis, weil die USA die Gunst der Stunde nutzen wollten, um das Problem der Lastenteilung im größtmöglichen Rahmen endgültig zu lösen.
»One year ago the Russians could have marched across Europe to the Channel virtually unopposed. Today, however, they would be confronted at every step with another committee 1 .«
III. Die Bündnislösung: Der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen durch das Temporary Council Committee 1. Die N A T O reagiert: Burden-Sharing 1949 bis 1951 a. Das Scheitern des bündnisexternen Vorgehens Die Versuche Frankreichs und Großbritanniens, in bi- und trilateralen Gesprächen mit den USA zu Reduzierungen der konventionellen Aufrüstung zu gelangen, führten zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen für die Bündnispartner in Westeuropa. Allerdings wurden durchaus die Probleme der beiden Staaten angesprochen und Vorschläge zu NATO-internen Lösungen entwickelt. So machte bereits während der Vorbereitungen zu den Tripartite-Verhandlungen zwischen den USA, Großbritannien und Frankreich Herve Alphand im April 1950 den Vertretern der USA deutlich, daß seine Regierung die negativen wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der NATO-Verteidigungsplanungen fürchte 2 . Während der Verhandlungen wurden deshalb Unterausschüsse eingerichtet, die sich mit den unterschiedlichsten Problemen befassen sollten. Ein Unterausschuß, mit der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den »Großen Drei« beschäftigt, kam unter anderem zu dem Ergebnis, daß die NATO unbedingt eine organisatorische Antwort auf die Komplexität der anfallenden Aufgaben finden müsse. Die Gründung einer ständigen Organisation mit einem Rat der Stellvertreter und diversen Fachgremien wurde vorgeschlagen. Eine der Hauptaufgaben dieser Organisation sollte die Analyse der wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Auswirkungen der NATO-Verteidigungspläne sein. Bei der den Tripartite-Verhandlungen folgen1 2
M e m o »Organization for International Security«, 21.5.1951, N A , RG 469, ST 60, Box 1 (A-C). Telegr. U.S. Del at the Tripartitc Prep Meetings to Acheson, 29.4.1950, I R L S 1950, Vol. 3, S. 897. Kin knappes ]ahr später sollten sich diese Befürchtungen bewahrheiten. Siehe Summary of a Statement »Economic Consequences of Rearmament«, 27.2.1951, D-D (51) 56, NISCA 4/1/4. Darin führt Alphand die Auswirkungen der Aufrüstung für l-'rankreich vor den Ratsstellvertretern aus.
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III. Die Bündnislösung
den Ratstagung der NATO in London im Mai 1950 wurde dieser Vorschlag umgesetzt, und die Rats Stellvertreter wurden eingesetzt. Acheson telegraphierte allerdings Präsident Truman, daß dieser Ansatz mehr der Stützung eines forcierten Streitkräfteaufbaus als einer besonderen Berücksichtigung der negativen Folgen der Aufrüstung diene 3 . Immerhin wiesen die Diskussionen mit den Außenministern der NATO-Partnerstaaten im Rahmen der Ratstagung in Richtung künftiger Überlegungen, die »Harmonisierung« der Beiträge nicht über den Plänen für einen gemeinsamen und koordinierten Streitkräfteaufbau zu vergessen. Der belgische Außenminister Paul van Zeeland betonte dies nachdrücklich: »Effort must be [...] harmonized, not only must effort be in military fields but in economic, social and psychological spheres«4. Unterstützt wurde er von seinen niederländischen und norwegischen Kollegen, Dirk Stikker und Halvard Lange, die sich ebenfalls für eine stärkere Berücksichtigung der Auswirkungen der Aufrüstung und für eine engere Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich aussprachen. Welchen Einfluß die kleineren Bündnispartner bereits in der Frühphase des Bündnisses hatten, zeigt deren erfolgreiches Anstoßen des Lastenteilungsgedankens. Die Hinweise der drei Außenminister führten neben der Forderung des Atlantikrates, die Frage der »balanced collective forces« rasch zu lösen, zu einer weiteren Forderung, nämlich die Lastenteilung endlich in Angriff zu nehmen. Bei den Tripartite-Gesprächen in London stellte eine Untergruppe dieselbe Frage hinsichtlich der Rüstungsproduktion: »How can the financial cost of carrying out the necessary programme for the production of material and equippment be most equitable distributed between the various participadng countries (taking into account the necessity of maintaining their economic, financial and social stability?)5.« Daß diese Aufgabe innerhalb der NATO gelöst werden sollte, zeichnete sich ebenfalls bereits in London ab. Acheson, Bevin und Schuman kamen angesichts der Forderungen der kleineren Bündnispartner überein, daß alle wirtschaftlichen Probleme im Zusammenhang mit der Verteidigung durch die NATO und nicht durch die OEEC zu bearbeiten seien6. Mit dieser Festlegung war der Streit aber keineswegs beigelegt, der bereits 1949 über die Zuständigkeiten in Fragen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Aufrüstung entbrannt war. Mit der Verlagerung der Wirtschaftshilfe in den Bereich der Aufrüstung und der Auflösung der US-Behörde für den Marshall-Plan (ECA) ergab sich die Frage nach der Neuverteilung der zusammengefaßten US-Militärhilfe. Das britische Schatzamt sah die Möglichkeit, die dauerhafte Regelung innerhalb der OEEC zu überwinden und schlug vor, daß die NATO an die Stelle der OEEC treten solle. Die USA hingegen wünschten sich die OEEC als verlängerten Arm der NATO in 3 4 5
f>
Telegr. U.S. Del at the Tripartite Prep Meetings to Acheson, 2.5.1950, S. 905 f.; Telegr. Acheson an Truman, 18.5.1950, ebd., S. 123-125. Telegr. Acheson an DOS, 16.5.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 105-108, hier S. Telegr. U.S. Del at the Tripartite Prep Meetings an Acheson, 4.5.1950, S. 908-910, hierS. 909. Telegr. Achcson an DOS, 16.5.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 659-661, hier S.
FRUS 1950, Vol. 3, 105. FRUS 1950, Vol. 3, 660.
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
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Wirtschafts fragen, nicht zuletzt, um der europäischen Integration neue Schubkraft zu verleihen 7 . Allerdings zeigten sich sehr schnell Widerstände. Allein die neutralen OEEC-Mitgliedstaaten wie Schweden und die Schweiz verweigerten sich einer verteidigungspolitischen Ausrichtung der multinationalen Zusammenarbeit. Des weiteren zeigten sich die Allianzstrukturen noch nicht reif für eine solche globale Aufgabe, zumal die NATO-Wirtschaftsexperten in den meisten Fällen OEEC-Beamte waren. Vieles sprach aber dafür, die OEEC nach Ablauf des ERP aufzulösen oder in die N A T O zu integrieren. Der Generalsekretär der OEEC, Robert Marjolin, erkannte bereits Ende 1950 die Gefahr, seine Organisation könne »amalgamiert« werden 8 . Ihm war allerdings auch klar, daß die wirtschaftlichen Probleme Westeuropas nicht getrennt von der Aufrüstung gelöst werden konnten. Er setzte sich daher sehr früh für eine Klärung der Aufgabenteilung und für den Erhalt der OEEC ein. Sein Trumpf im Ärmel war, daß die OEEC über eine festgefügte und erfahrene Bürokratie verfügte, die seit 1948 auf eine erfolgreiche Arbeit auf internationalem Parkett zurückblicken konnte. So war die Verteilung der Marshall-Plan-Hilfe nach der Gründung der OEEC von den Westeuropäern selbst vorgenommen und nach anfänglichen Schwierigkeiten im August 1949 durch die sogenannte Snov-MarjolinFormel dauerhaft gelöst worden 9 . Auch umfaßte die OEEC mit den neutralen Staaten Schweden, Schweiz, Irland, Österreich und der Bundesrepublik Deutschland gewichtige Mitglieder, die keine NATO-Mitgliedstaaten waren. Mit dem Beitritt der USA und Kanadas im Jahre 1951 war sie zudem das Gremium für die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Atlantischen Gemeinschaft geworden. Marjolin trat nicht zuletzt deshalb für die Übernahme der Rohstoffrage zur Versorgung der Rüstungswirtschaft und für die Lastenteilung im Zuge der Aufrüstung durch die OEEC ein. Den Vorteilen der Wirtschaftsorganisation gegenüber der NATO stand allerdings ein schwerwiegendes praktisches Problem im Wege: Kaum ein Land war gewillt oder in der Lage, eine Doppelbesetzung mit Finanzexperten durchzuführen. Vor allem die kleineren Staaten wie die Niederlande plädierten daher eher für ein Zusammenlegen der Wirtschaftsgremien unter eine Dachorganisation. Dirk Stikker setzte sich etwa für eine Unterabteilung innerhalb der OEEC ein, die für die NATO arbeiten würde. Damit sollte eine Parallelorganisation verhindert werden 10 . Das amerikanische Außenministerium war hingegen für eine Aufgabenteilung, denn es wurde der OEEC nicht zugetraut, sowohl ihre Hauptaufgabe, die Förderung des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs Westeuropas, als auch die rüstungswirt-
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Milward, N A T O , O E E C , and the Integration of Europe. Marjolins Gesprächsnotiz über ein Dinner mit Vertretern der N A T O , 5.12.1950, I*')M, A R M 4/7/16. Vier Weise fanden 1948 bereits eine erste Formel, die allerdings bei der zweiten Verteilung wegen unklarer konstanter Größen nicht mehr anwendbar war. Marjolin, Meine Leidenschaft Europa, S. 2 5 2 - 2 5 5 . Vgl. auch Bührer, Westdeutschland in der O E E C , S. 9 0 - 9 7 U nd 2 3 5 - 2 4 3 . Allerdings war diese Formel auch einer der Gründe für die US-Administration, die zukünftige Verteilung der vereinten Militär- und Wirtschaftshilfe nicht aus der Hand zu geben. Vgl. die Einschätzung des britischen Schatzamtes, 20.11.1950, PRO, Τ 235/9. Brief Lintern an Marjolin, 26.8.1950, FJM, A R M 4/7/2.
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III. Die Bündnislösung
schaftlichen Probleme der NATO zu lösen. Auch wollte das amerikanische Außenministerium die OEEC erhalten, um den großen Kreis der westeuropäischen Staaten zusammenzuhalten und vor allem die Westintegration Deutschlands weiter voranzutreiben. Die NATO hingegen sollte eine gutfunktionierende Wirtschaftsorganisation aufbauen, deren Dienstposten nicht zwangsläufig mit den nationalen Vertretern bei der OEEC besetzt werden mußten11. Allerdings sprach auch einiges dafür, die OEEC als allein zuständige Organisation auszubauen, denn gerade in Fragen der Produktion von rüstungswirtschaftlich wichtigen Gütern hätten dann die Ressourcen der Nicht-NATO-Staaten einbezogen und damit die Folgen der Aufrüstung für die NATO-Mitgliedstaaten abgemildert werden können 12 . Schließlich sollte zumindest eine örtliche Zusammenlegung vollzogen werden, um eine reibungslose Zusammenarbeit sicherzustellen. Dabei war es der US-Administration egal, ob die OEEC nach London oder die NATO nach Paris ginge 13 . Die britische Regierung war für die Auflösung der OEEC und für eine Stärkung der wirtschaftlichen Verantwortung der NATO. Die Hauptgründe für diese Haltung lagen in der Einschätzung des Foreign Office, die OEEC sei nur eine Verteilerstelle für die US-Wirtschaftshilfe und Großbritannien darin ein Bittsteller wie alle anderen Staaten gegenüber den USA, während innerhalb der NATO von einer gleichberechtigten Position, ja sogar von einer privilegierten Position gegenüber den »Kleinen Neun« gesprochen werden könne 14 . Der britische Schatzkanzler Hugh Gaitskell sprach daher Anfang 1951 sehr abträglich über die Wirtschaftsorganisation und die Furcht zahlreicher Politiker, liebgewonnene Ämter in Paris aufgeben zu müssen. Die OEEC zeichne sich durch ihre Anti-NATO-Haltung aus. Der italienische Finanzminister Pella sei ein Paradebeispiel für die Kritiker der dort als »gang of militarists« bezeichneten NATO, die sich in Paris sammeln würden
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Memo Withman, DOS, Office of European Regional Affairs, 6.9.1950, NA, RG 59, Lot File 1175 B. Zum Wandel der Vorstellungen der Truman-Administration vgl. auch Bührer, Westdeutschland in der OEEC, S. 235-237; Hogan, The Marshall Plan, S. 344-351. Hogan geht vom Wunsch der US-Administration aus, die OEEC als Wirtschaftsgremium der NATO auszubauen, der sich allerdings in der Praxis nicht durchsetzen ließ. Telegr. Wood an Bonsal, 11.8.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 665-668. Gerade die Rohstoffproblematik sollte mit der Gründung der International Materials Conference (IMC) im Januar 1951 akut werden, da die Verteilung der Rohstoffe nach den Aufrüstungsanstrengungen vorgenommen werden sollte. Erst ein »OEEC-Sitz« im IMC-Leitungsgremium brachte eine akzeptable Lösung für die Staaten Westeuropas. Siehe Bührer, Westdeutschland in der OEEC, S. 236 f. Vgl. auch Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 6, und Hogan, The Marshall Plan, S. 360. Die amerikanische Regierung war allerdings ab Ende 1949 von der Wirkung der OEEC auf die politische Integration Westeuropas enttäuscht. Vor allem Avereil Harriman, damals U.S. Special Representative in Europe, setzte deshalb auf die NATO als den neuen Motor der Integration. Siehe Milward, NATO, OEEC, and the Integration of Europe, S. 241 f. Bericht des kanadischen Außenministeriums über die OEEC, 9.4.1952, PAC, RG 25 Β 3, 864, Vol. 2138. Darin wird die britische Auffassung von der OEEC als »club of beggars« bestätigt. Vor allem Sir Edmund Hall-Patch und Sir Roger Makins wurden in diesem Bericht als OEECGegner eingestuft. Vgl. auch Telegr. Acheson an Spofford, 16.12.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 682-685, hier S. 682.
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
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und nur an die wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas dächten 15 . Robert Marjolin schreibt wiederum in seinen Memoiren, wie es zum Bruch zwischen ihm und Gaitskell gekommen sei, als der britische Schatzkanzler während eines Essens beim französischen Finanzminister Maurice Petsche Marjolin unterstellte habe, er wolle nur seinen »eigenen Laden« und seine persönliche Stellung retten 16 . Die meisten Mitgliedstaaten, allen voran Frankreich, bevorzugten hingegen die Lösung, einen Wirtschaftsarm der N A T O in Paris zu etablieren. Dies nicht zuletzt wegen der Überlegung, die nationalen Vertretungen bei der OF1EC zugleich für die Wirtschaftsgremien der N A T O verantwortlich zu machen. Zudem schien eine Verlagerung der OEEC nach London für die neutralen Staaten schwierig, da dies ein eindeutiges Bekenntnis zur N A T O gewesen w ä r e n . Nach einem Vorstoß der US-Administration gegenüber der Regierung in London im Februar 1951 einigte man sich auf Paris als gemeinsamen Ort der Wirtschaftsgremien l s . Damit war die Entscheidung getroffen, beide Organisationen in den Bereichen Wirtschaft und Rüstungswirtschaft parallel arbeiten zu lassen, so daß die OEEC nicht für die Lastenteilung innerhalb der NATO zuständig wurde 19 . Zur Freude Marjolins betonten während der Nordatlantikratstagung im Dezember 1952 in Paris Acheson und Sir Anthony E.den erneut, daß die OEEC für die meisten wirtschaftlichen Fragen Westeuropas allein zuständig bleibe 31 . Doch die Trennungslinien zwischen beiden multinationalen Organisationen verlief unscharf. Letztlich kam es zu einem praktikablen Kompromiß, mit dem die getrennte Arbeit zwischen den Wirtschaftsgremien der NATO und den Gremien der OEEC durch eine starke personelle Verzahnung fast überwunden wurde. Der Grundsatz »avoiding duplication of work« galt sowohl für die NATO als auch für die OEEC. Bereits im November 1950 war ein informelles Abkommen geschlossen worden, welches die informelle Zusammenarbeit regelte 21 . Im Frühjahr 1951 wurde mit der Gründung des Financial 15
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211 21
Tagebucheintragung Gaitskell, 10.1.1951, in: Gaitskell, The Diaries, S. 225. Gaitskell schreibt: »We are now going to make an effort to kill bv kindness.« Marjolin, Meine Leidenschaft Europa, S. 272. Für Marjolin war die Existenzbedrohung der OF.EC mit der Auflösung des FEB der N A T O 1952 überwunden. Fortan war die OEF.C alleinverantwortlich für die Bearbeitung der Wirtschaftsfragen. Telegr. Acheson an Spofford, 16.12.1950, F R U S 1950, Vol. 3, S. 683. Die O E E C legte in dieser Hinsicht sehr großen Wert auf Diskretion. Marjolin, gegen jegliche Art offener Abkommen mit der Ν Λ Τ Ο , lehnte einen Expertenaustausch größeren Umfangs ab und verbat sich eine Bezahlung der abgestellten OEEC-Mitarbeiter durch die NATO. Siehe Memo »Informal meeting between Marjolin and the N A T O W G of Twelve«, 3.11.1950, FJM, A R M 4/7/15. Telegr. Acheson an die Botschaften in London und Paris, 15.2.1951, LC, Harriman Papers, Box 277. Darin gibt Acheson Anweisungen für ein Treffen des US-Botschafters in London mit Attlee. Bereits im November 1950 kam es zu einem internen A b k o m m e n zwischen Marjolin und Vertretern der N A T O , welches die Zusammenarbeit der beiden Organisationen regelte. Siehe M e m o »Informal meeting between Marjolin and the N A T O W G of Twelve« 3.11.1950, FJM, A R M , 4/7/15. Darin wurde v.a. das Erstellen von Zusatzfragebogen mit militärischer Relevanz und die Analyse der nationalen Antworten auf die Fragebogen der O E E C in Aussicht gestellt. Siehe M e m o » O E E C - N A T O Relations«, 3.3.1953, FJM, ARM, 4/7/25. M e m o »Informal meeting between Marjolin and the N A T O W G of Twelve«, 3.11.1950, FJM, A R M 4 / 7 / 1 5 . Vgl. auch das geheime Gespräch zwischen Hall Patch und dem schweizerischen
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III. Die Bündnislösung
and Economic Board (FEB) das Personalproblem akut. Die fehlenden Finanz- und Wirtschaftsexperten ließen nur eine »Inner and outer circle«-Lösung zu, die NATOStaaten verließen sich auf die Flexibilität ihrer Beamten, sowohl den Hut des OEECMitarbeiters als auch den der NATO zu tragen. Damit war das grundsätzliche Problem zwischen der NATO und der OEEC zwar nicht gelöst, jedoch funktionierten, unter dem Stillschweigen der Neutralen, der Austausch an Informationen, die Zuarbeit durch Wirtschaftsanalysten, informelle Gesprächsrunden und sogar zeitlich befristete Personalabstellungen seitens der OEEC fur die NATO 22 . Dabei wurde das »Doublehat«-Prinzip, das eigentlich die besondere Aufgabe der internationalen Beamten als Angehörige einer internationalen Organisation und zugleich als Interessenvertreter der jeweiligen Nation charakterisiert, erweitert23. Offiziell gab es keine Zusammenarbeit der OEEC mit der NATO. Unter Duldung der neutralen Staaten griff die NATO aber auf Ergebnisse und Erfahrungen der OEEC-Arbeit, wie Analysen der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten, zurück. Diese Praxis ging soweit, daß die Arbeitsgruppen des Nordatlantikpaktes Zugang zu allen Dokumenten bekamen 24 . Vor allem die Erfahrungen der OEEC bei den statistischen Erhebungen und den jährlichen Berichten wurden innerhalb der NATO genutzt und bildeten die Grundlage der eigenen statistischen Verfahrensweisen durch Fragebogen und der Umsetzung dieser Daten im »Annual Review« ab 1952.25 Die Kritik der neutralen Staaten an dieser stillen, aber effektiven Kooperation hielt sich in Grenzen. Dies lag zum einen an den frühzeitigen Verhandlungen Dirk Stikkers mit der schwedischen und der schweizerischen Regierung, andererseits an der grundsätzlichen »Westbindung« auch der Nicht-NATO-Staaten. Diese waren zwar offiziell neutral und für eine strikte Trennung zwischen OEEC und NATO, sahen aber die für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wichtigen Absprachen im rüstungswirtschaftlichen Bereich als sinnvoll an26. Das hieß jedoch nicht, daß ihre OEEC-Delegierten Bauer, 16.9.1950, über die mögliche Zusammenarbeit, PRO, Τ 229/188. Zum Verhältnis NATO-Neutrale siehe auch den Beitrag Mantovani, Die Schweiz und die NATO. 22 Bereits 1950, während einer Dinner-Party zwischen OEEC und NATO-Vertretern in Paris, wurde festgestellt, daß es nicht möglich sei, die Bereiche Aufrüstung und Wirtschaftsprobleme Westeuropas zu trennen. Siehe Gesprächsnotiz, 5.12.1950, FJM, 4/7/16. Der Zusammenarbeit zwischen OEEC und NATO wurde bisher noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Für die Integrationsgeschichte Westeuropas könnte damit die Brücke zwischen der rein militärischen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit geschlagen werden. Der Nachlaß Marjolin bietet dazu im Sous-Dossier 4/7 »Relations OECE-NATO (1950-53)« interessantes Material. Vgl. auch Milward, NATO, OEEC and the Integration of Europe. 23 Siehe grundsätzlich zum »Double-hat«-Prinzip Erdmenger, Diener zweier Herren? 24 Nach der Ratstagung in Lissabon und der Einrichtung des zivilen »Hauptquartiers« in Paris kam erneut die Idee einer Fusion der beiden Organisationen, zumindest als eine Art Büro- und Verwaltungsgemeinschaft, auf. Vgl. die Berichte des deutschen OEEC-Vertreters Werkmeister an den Bundesminister für den Marshall-Plan, Franz Blücher, BArch, Β 146/437. 25 Memo »The OEEC and its assistance to NATO«, 23.3.1953, NA, RG 330/44, Box 3. Vgl. auch das Memo »OEEC-NATO Relations 1950-1953«, 3.3.1953, FJM, ARM, 4/7/25. 26 Zu den Gesprächen Stikkers siehe Telegr. Bonsai an Hoffman, 12.8.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 668-672, hier S. 671. Stikker war in seiner Doppelfunktion als Vorsitzender des OEEC-Rates
III. Die Bündnislösung
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Regierungen für eine grundsätzliche Zusammenarbeit zwischen N A T O und OEEC offen waren. Jeder Einzelfall wurde daher innerhalb der OEEC beraten und jede personelle und materielle Unterstützung für die N A T O von der Zustimmung der »Neutralen« abhängig gemacht 27 . Wie stark die Verflechtungen zwischen OEEC und NATO waren, zeigen jene NATO-Gremien, die sich mit den Lasten der Aufrüstung und den finanziellen und wirtschaftlichen Fragen des Bündnisses beschäftigten 28 . Hinsichtlich der Lastenteilung läßt sich jedoch festhalten, daß die OEEC keine Zuständigkeit zur Lösung der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme einer Aufrüstung in Westeuropa erhielt. Zwar waren die Wirtschaftsexperten in Paris die erste Anlaufstelle für die Militärorganisation, um an nationale Wirtschaftsdaten zu gelangen und um personelle und materielle Ressourcen für die NATO nutzen zu können, jedoch scheiterte der Versuch, die OEEC zum Wirtschaftsarm der N A T O auszubauen. Vor allem die Regierung in Washington wollte einen möglichen Rückzug der neutralen Staaten vermeiden, was in amerikanischer Lesart eine Schwächung des westlichen Lagers bedeutet hätte 20 . Das Lastenteilungsproblem mußte zwangsläufig innerhalb der Nordatlantischen Allianz gelöst werden. b. Die Vorgängergremien des TCC Defense Financial and Economic Committee
(DFEC)
Bereits während der ersten NATO-Ratstagung 1949 wurde den zukünftigen Problemfeldern Wirtschaft und Finanzen Aufmerksamkeit geschenkt. Zuständig für diesen Bereich innerhalb des Bündnisses wurde der auf der zweiten Ratstagung beschlossene Wirtschaftliche und Finanzielle Verteidigungsausschuß, welcher sich aus den Finanz- und Wirtschaftsministern oder im Ministerrang stehenden Persönlichkeiten zusammensetzte und direkt dem NATO-Rat zuarbeiten sollte. Den Vorsitz dieser Ministerrunde führten für ein Jahr die USA, die als ersten Vorsitzenden W. Averell Harriman, damals ECA-Sonderbotschafter der USA in Europa, bestimmt hatten; danach wechselte der Vorsitz in alphabetischer Reihenfolge. Das DFEC richtete in London eine ständige Arbeitsgruppe ein, die als ziviles Gegenstück zum Militärausschuß angesehen wurde 30 . und, in seiner Figenschaft als Außenminister der Niederlande, Angehöriger des NATO-Rats für diese Aufgabe prädestiniert. Siehe auch seine Ausführungen im Oral Historv Interview bv Theodore A. Wilson, 14.7.1970, HSTL. 2~ Vor allem Schweden und die Schweiz waren gegen eine Aufweichung der OKIiC zugunsten der N A T O . Siehe hierzu Brief Werkmeister, deutscher OF.FC-Vcrtreter, an Blücher, 29.11.1950, mit einem Brief des schwedischen Außenministers an Dirk Stikker, 5.11.1951, BArch, Β 146/43". 2K Die enge Zusammenarbeit zwischen N A T O und O F F C und die starke Verflechtung der Bereiche Rüstung und Wirtschaft in den frühen fünfziger Jahren wären eine eigene Studie wert. Die Öffnung des NATO-Archivs in Brüssel und die Sammlung der verfilmten Akten der OKKC in der FUI in Florenz erleichtern ein solches Vorhaben. -'·> M e m o »OF.FC-NATO-Relations 1950-1953«, 3.3.1953, F|M, A R M 4/7/25. Memos D - D (51) 86 (Final) und D - D (51) 121, 27.4. und "1.5.1951, NISCA, 4/1/4.
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III. Die Bündnislösung
Die Hauptaufgabe dieses ersten Gremiums für wirtschaftliche und finanzielle Belange in der N A T O war die Feststellung des Sachstandes mittels einer gesicherten statistischen Grundlage. Damit sollten die Gesamtausgaben der NATO-Staaten für die Verteidigung, ihre möglichen finanziellen und wirtschaftlichen Ressourcen für die Rüstungsproduktion und für gegenseitige Militärhilfe sowie die anfallenden Lasten der Verteidigungsprogramme aufgelistet werden 31 . Voraussetzung hierfür waren eine genaue Definition der Verteidigungslasten und eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage, die einen Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Bürden der einzelnen Mitgliedsländer überhaupt erst ermöglichte. Diese komplexe Aufgabe führte naturgemäß zu Schwierigkeiten. Zu viele Unterausschüsse mit teilweise sich überschneidenden Teilaufgaben kamen nur sehr langsam voran. Die für die Vereinigten Staaten unbefriedigende Arbeit des D F E C in den beiden letzten Bereichen wird aus einem Bericht über den Fortschritt der Durchführung der Nordatlantikvertragsbestimmungen durch das Office of European Regional Affairs vom April 1950 deutlich. Darin werden dem D F E C durchaus Erfolge bei der Überprüfung der nationalen Verteidigungsbudgets bescheinigt, allerdings habe sich dieses Gremium nur dieser Aufgabe gewidmet, während die wichtigeren Bereiche der Ressourcen und der Lasten überhaupt nicht in Angriff genommen worden seien32. Immerhin wurde dem D F E C zugestanden, daß es vor der schwierigen Aufgabe stand, einen Teufelskreis zu durchbrechen, nämlich den Forderungen der Militärplaner nach Informationen über die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten, ohne die keine Kostenrechnung durchführbar war, auf der einen Seite nachzukommen; andererseits galt es auch die Forderungen der Wirtschaftsexperten nach Informationen über die Kosten und Lasten des Streitkräfteaufbaus, Basis wiederum für die Berechnung dieser Möglichkeiten, zu erfüllen. Ein erster Versuch, diesen gordischen Knoten zu durchtrennen, wurde während einer Ministerrunde Ende März und bei einer Tagung des Verteidigungsrates Anfang April 1950 unternommen. Die militärische Seite versicherte, genaue Angaben über den Stand der Aufrüstung, über die fehlende Ausrüstung für den Militärischen Produktions- und Versorgungsausschuß (MPSB) und eine Schätzung der Gesamtkosten der Aufrüstung zu liefern. Darüber hinaus sollte der Militärausschuß genaue Streitkräftezahlen für die vorgesehenen nationalen Aufrüstungsprogramme erstellen. Im Gegenzug erwartete der Verteidigungsausschuß — zur notwendigen Steigerung des Streitkräfteaufbaus — eine Studie über die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Staaten. Dafür anerkannte der Defence Council (DC) wiederum den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, also eine maximale Berücksichtigung der wirtschaftlichen und finanziellen Grenzen bei der militärischen Planung. Die Schwierigkeit bei der Umsetzung dieser Arbeiten war, daß innerhalb des D F E C gegensätzliche Auffassungen über die Interpretation der Richtlinien bestanden. Vor allem die Briten unter ihrem Schatzkanzler Sir Stafford Cripps handelten 31
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Telegr. Breithut, Senior U.S. Rep on the PWS of the DFEC, an Harriman, 31.1.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 13. Draft Report on Progress in Implementing the NAT, 27.4.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 72-75.
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nach dem Grundsatz »Economy and Finance First!«. Darin wurden sie von anderen Mitgliedstaaten wie Belgien und Italien unterstützt. So war unklar, welche Funktion das DFEC im Rahmen der NATO haben sollte: die des Mahners gegenüber den Militärplanern oder die des Unterstützers der Militärplaner 33 . Zudem, so die Einschätzung des amerikanischen Außenministeriums, sei derzeit keine Nation bereit, einem Ad-hoc-Komitee weitreichende Kompetenzen zuzugestehen, das die nationalen Bereiche der Volkswirtschaft beeinflussen könnte. Die Hauptprobleme seien deshalb zu 90 Prozent politischer, nur zu zehn Prozent wirtschaftlicher Natur34. Nach der Einrichtung des Rates der Stellvertreter wurde der Arbeitsstab des DFEC diesem direkt unterstellt. Das hatte den Vorteil, ständig auf die nationalen Vertreter zurückgreifen zu können, führte aber in der Praxis zu keinen nennenswerten Verbesserungen. Sehr schnell war den Beteiligten klar, daß diese organisatorische Veränderung für die Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Allianz nicht ausreichte. Vor allem Koordinierungsprobleme in der Zusammenarbeit mit den militärischen Stellen erschwerten die Arbeit des Ausschusses. Weiterhin forderten die Wirtschaftsexperten zuerst umfangreiche Informationen über den geplanten Streitkräfteaufbau, um die Kosten der Aufrüstung kalkulieren zu können. Die Militärs hingegen forderten zuerst eine Auflistung der vorhandenen Ressourcen als Grundlage ihrer Streitkräfteplanungen 35 . Der gordische Knoten blieb ungelöst, und Anfang 1951 wurde im Zuge der Reorganisation der Bündnisstrukturen über ein neues Wirtschaftsgremium, das Financial and Economic Board, nachgedacht, das die bis dahin bestehenden Gremien aufnehmen sollte. Economic and Financial Working Group (GTEF) Ein zweiter Arm der zivilen NATO-Organisation auf dem Sektor der Wirtschaft und Finanzen entwickelte sich im Herbst 1950 ebenfalls im Zuständigkeitsbereich der Ratsstellvertreter. Die ersten Versuche, auch die Auswirkungen der Verteidigungsanstrengungen in die Verteidigungsplanungen einzubeziehen, wurden durch den Ausbruch des Koreakrieges in den Hintergrund gedrängt. Vielmehr fragte die US-Administration ihre NATO-Partner Ende Juli 1950 nach den Möglichkeiten und Fähigkeiten verstärkter Verteidigungsbemühungen und nach Rüstungsprogrammsteigerungen als Gegenleistung für weitere US-Außenhilfe. Die französische Regierung nahm die Gelegenheit im GTEF wahr, erneut auf das Lastenproblem hinzuweisen. In mehreren Memoranden an die US-Regierung schlug sie einen gemeinsamen Rüstungsfonds vor, nachdem Jean Monnet die Grundsätze einer gerechten Lastenteilung entwickelt hatte:
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Position Paper »Increased self-help«, DOS, Office of European Regional Affairs, 13.4.1950, NA, RCi 59, Lot I ; ile NAT Econ and Mil Ass Affairs Div, Box 2. Memo »Accomplishments of the DFEC«, 12.4.1950, ebd. Siehe zur britischen Einschätzung der DFEC-Arbeit das Memo »NATO Organisation« des Atlantic (Official) Committee (AOC), 15.3.1951, PRO, CAB 134/39.
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III. Die Bündnislösung
»The Atlantic Pact forms the legal framework which will make possible cohesion of forces and spreading of burdens in the diplomatic, military and economic fields36.« Dazu war von jedem Land ein angemessener Beitrag zu leisten, der den jeweiligen wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten entsprechen sollte. Paris erhoffte sich natürlich in erster Linie eine weitreichende Unterstützung des Indochinakrieges durch die USA und die anderen NATO-Partner. Großbritannien sah in diesem Ansatz keine befriedigende Lösung für eine faire Lastenteilung. Das britische Schatzamt erinnerte an die bisher erfolglosen Ansätze innerhalb der Western Union, ein gemeinsames Militärbudget durch eine mathematische Formel zu definieren. Zudem war eine Lösung nicht nachvollziehbar, die das britische Parlament von seinem Budgetrecht, auch in einem Teilbereich wie dem der Rüstungsproduktion für die NATO, entbunden hätte. Vielmehr sollten weitere bilaterale Verhandlungen mit den USA um eine langfristige Außenhilfe die Auswirkungen der Aufrüstung lindern37. Die Vereinigten Staaten sahen den französischen Vorstoß als Verzögerungstaktik für einen raschen Streitkräfteaufbau an und hielten an ihrer Auffassung fest, den MTDP konsequent umzusetzen. Ein Lastenteilungsverfahren kam deshalb nur in Verbindung mit der Zusage der NATO-Partner, den Streitkräfteaufbau durchzuziehen, in Betracht 38 . Schließlich wurde innerhalb der NATO über die französische Initiative diskutiert. Die Ratsstellvertreter setzten dazu Ende August eine Arbeitsgruppe ein, deren Abschlußbericht jedoch ebenfalls keine Unterstützung brachte 39 . Rückblickend war der französische Plan eines gemeinsamen Rüstungspools, der Jean Monnet zugeschrieben werden muß, die Wurzel der bündnisinternen Lastenteilung. Denn die Grundsätze einer gerechten Lastenteilung, die darin entwickelt wurden, galten für alle weiteren Projekte der Nordatlantischen Allianz 40 . Offen blieb die Frage, was unter einer angemessenen Streitmacht und was unter fairer Lastenteilung zu verstehen war. Das erste Lastenteilungsprojekt ging auf eine britische Initiative im September 1950 zurück, die während der trilateralen Gespräche in Washington diskutiert wurde. Vor allem der britische Außenminister Bevin legte dabei großen Wert auf die Lösung der Frage der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Aufrüstung41. Ein Ergebnis der Außenministerkonferenzen in Washington und New Second French Memo on Defence to the US-Gouvernment, 17.8.1950, PRO, Τ 225/82. Zur Arbeit Monnets im Sommer 1950 siehe Schroder, Jean Monnet und die amerikanische Unterstützung für die europäische Integration, S. 141 -148. " Bericht Compton, 1.9.1950, PRO, Τ 225/82. 38 Telegr. Bruce an Acheson, 28.7.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 151-159. US-Botschafter David Bruce beurteilte den französischen Vorschlag als einen ersten Schritt zu einer qualitativen Veränderung der NATO mit weitreichenden Kompetenzen. Allerdings sah er keine Konzepte zur Umsetzung dieses Vorschlages innerhalb der französischen Verwaltung. w Note on Meeting of NAC Deputies, 5.9.1950, PRO, Τ 225/82. 40 Am 30.11.1950 übernahmen die Ratsstellvertreter diese Grundsätze, siehe D-D/199, zit. nach Notes on the Origins of the Work of T.C.C. des Central Economic Planning Staffs vom November 1951, PRO, Τ 239/378. 41 Siehe zur britischen Initiative Memo Economic Aid and Washington Talks, MAC (51) 172 (2nd rev.), 20.12.1951, PRO, Τ 237/82. Darin spricht sich das Foreign Office die erste Anregung zu einer bündnisinternen Lastenteilung zu, was allerdings angesichts der französischen Initiative für 36
III. Die Bündnislösung
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York kurz vor der fünften Atlantikratsitzung im September 1950 war daher, neben der Ankündigung der Paket-Lösung Achesons, die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die sich mit den finanziellen Problemen der Aufrüstung beschäftigen sollte. Dieser Arbeitsgruppe gehörten Paul Nitze, Herve Alphand und der britische Botschafter Sir Oliver Franks an. Acheson machte jedoch im Laufe dieser Gespräche deutlich, daß die Truman-Administration in erster Linie die Rüstungsproduktion vorantreiben und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten erst später analysieren wolle. Zudem wurde eine mögliche Lastenteilung von der Erfüllung des MTDP abhängig gemacht 42 . Unter Federführung Paul Nitzes entstand ein Memorandum, das ein Verfahren für die gerechte Verteilung der wirtschaftlichen Lasten bei der Durchführung des Mittelfristigen Verteidigungsplanes vorschlug. Im Vorwort wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß damit die verschiedenen französischen Vorschläge ersetzt seien. Die Empfehlung bestand darin, eine Auflistung der militärischen Erfordernisse auf der Grundlage und zur Umsetzung des Mittelfristigen Verteidigungsplans zu erstellen 43 . Mittels dieser Listen sollten dann Personalplanungen und Produktionsprogramme für jedes Mitgliedsland erarbeitet werden. Die hierbei anfallenden Kosten sollten wiederum von den Regierungen aufgelistet werden, um damit die eigentlichen Verteidigungslasten abzüglich der Ausgaben für die bestehenden nationalen Verteidigungspläne errechnen zu können. So sollte eine gerechte Lastenteilung und eine Verteilung der Dollar-Hilfe ähnlich einer progressiven Besteuerung durch das Bündnis vorgenommen werden. Nitze war sich bewußt, daß nur die souveräne Entscheidung der Nationalstaaten über ihren Verteidigungshaushalt zu einem gemeinsamen NATO-Verteidigungsprogramm führen konnte, ganz zu schweigen von einer »Verteilung« der Budgetgelder durch die NATO. Allerdings mußten die verschiedenen Haushalte innerhalb der NATO koordiniert und bei Bedarf modifiziert werden, was naturgemäß einen Eingriff in die Souveränität der Bündnispartner darstellte. Die Ratsstellvertreter bestätigten die Grundsätze des »Nitze-Memos« Ende Oktober 1950. Dirk Stikker riet — zwecks Verbindung zwischen NATO und OEEC —, eine Arbeitsgruppe aus zwölf Vertretern der NATOStaaten zu schaffen. Stikkers Hintergedanke war, damit auch die unabhängige Rolle der OEEC gegenüber der NATO zu stärken 44 . Die Ratsstellvertreter nahmen den Vorschlag an und beschlossen die Einrichtung der GTEF, um die Grundsätze des
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einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt vom August 1950 nicht korrekt ist. Allerdings bleibt den Briten der Verdienst, die Idee der I.astenteilung in ein Projekt umgesetzt zu haben. Siehe zu diesen Gesprächen im August und September 1950, I'RL'S 1950, Vol. 3, S. 1108-1301, hier S. 1 1 9 1 - 1 1 9 7 und 1198-1202. Memo »Suggested method for arriving at an equitable distribution of economic burdens in earn i n g out the MTDP«, 17.9.1950, ΝΛ, RG 59, 740.5. Vgl. auch Telegr. Acheson an Spofford, 17.10.1950,1'RUS 1950, Vol. 3, S. 386 f. Siehe Hogan, The Marshall Plan, S. 346. Dirk Stikker war trotz seiner Doppelrolle als Präsident des Ministerrates der ORKC und als Mitglied des NATO-Rates überzeugt, daß die OKF.C für alle Wirtschaftslagen zuständig bleiben müsse. Siehe Stikker, Bausteine für eine neue Welt, S. 353 f.
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III. Die Bündnislösung
Pressefoto der neuernannten Katsstellvertreter
der NATO 1950 in Ljondon.
Nitze-Memorandums in die Praxis umzusetzen 45 . Der Arbeitsstab wurde in London eingerichtet und berichtete direkt den Finanzministern der Bündnisstaaten 46 . Das sogenannte Nitze-F^xercise stützte sich auf die Wirtschaftsdaten der OEEC und auf die militärischen Planungsdaten der NATO 47 . Die Arbeitsgruppe setzte sich aus Mitarbeitern der OEEC-Delegationen der NATO-Staaten sowie amerikanischen und kanadischen Vertretern zusammen. Washington schickte bezeichnen-
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Resolution on suggested method for arriving at an equitable distribution on economic burdens in e a r n i n g out the M T D P , D-D/162 (Final), 25.10.1950, NISCA 7/7/1. Die Ratsstellvertretcr ließen sich vorher durch die »Working Group on Production and Finance«, auch als »Working Group of Seven« bekannt, von der Wichtigkeit der Ergebnisse einer neuen Arbeitsgruppe überzeugen. Siehe Telegr. Douglas an Acheson, 20.10.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 3 9 9 - 4 0 1 . Die Working Group of Seven hatte die Aufgabe, organisatorische Probleme der N A T O hinsichtlich einer koordinierten Rüstungsproduktion zu lösen. Siehe Bericht von Eric Roll, britischer Vertreter in dieser Arbeitsgruppe, M A C (50) 40, 9.11.1950, PRO, Τ 235/9. D-D/162 (Final), 25.10.1950, NISCA, 7/7/1. Vgl. auch die Serie GTEF-D, R/M (Documents, Records of Meetings and Notices). Die Abkürzung G T E F läßt sich auf die französische Bezeichnung der Arbeitsgruppe zurückführen. Siehe zum Nitze-Projekt FRUS 1950, Vol. 3, S. 387, 393 und 1429. Zwar gab der Direktor des Policy Planning Staff des D O S dem Projekt seinen Namen, jedoch arbeitete er selbst nie für die N A T O . Siehe M e m o »Bürden Sharing«, 17.2.1953, NISCA, 7/7/1.
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
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derweise einen Oberst, um die Bedeutung des MTDP als Grundlage des Projektes zu unterstreichen 48 . Die GTEF griff auf die Erfahrung der OEEC-Mitarbeiter bei statistischen Erhebungen zurück und erarbeitete einen Zusatzfragebogen zum dritten OEECBericht. Drei Bereiche sollten durch dieses statistische Material abgedeckt werden. Der erste Bereich umfaßte die internen wirtschaftlichen Auswirkungen, der zweite den Außenhandel und der dritte sollte Aufschluß über die für die Aufrüstung notwendigen Rohstoffmengen bringen 49 . Im Dezember verteilte die GTEF Fragebogen an die Mitgliedstaaten, die bis Januar 1951 zu beantworten waren. Dabei dienten die nationalen Verteidigungsplanungen als Grundlage, und in einem Zusatz sollten auch die höheren Ausgaben für den MTDP ihre Berücksichtigung finden. Schwierigkeiten bereitete der Arbeitsgruppe die unzureichende Beschreibung von Verteidigungsausgaben. Denn der Wirtschafts- und Finanzausschuß hatte bisher keine praktikable Definition geliefert; dadurch fielen die nationalen Angaben so unterschiedlich aus, daß sie kaum miteinander zu vergleichen waren 50 . Das mühsame Unterfangen wurde bald hinterfragt, doch hielt zum Beispiel die britische Regierung daran fest, weil sie wußte, daß die US-Administration großen Wert auf den Abschluß der Arbeit legte. Gerade deshalb war es für die Briten wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, daß jedes Ergebnis von den jeweiligen Regierungen überprüft werden müsse und das ganze Unternehmen nur als ein theoretischer Ansatz verstanden werde 51 . Die GTEF verlegte ihren Sitz Anfang 1951 von London nach Paris, um besser mit der OEEC zusammenarbeiten zu können. Bis Mai wurden die Fragebogen ausgewertet. Die gestellte Aufgabe war damit allerdings noch nicht gelöst. Immerhin gelang es einer Untergruppe, der »Working Group of Twelve«, grundsätzliche Aussagen über umfassende Länder-Fragebogen für zukünftige Lastenteilungsprojekte zu treffen und den Ratsstellvertretern im März 1951 zur Zustimmung vorzulegen. Die Arbeitsgruppe selbst sollte nur noch einen Sachstandsbericht über die Auswirkungen der Aufrüstung erarbeiten und keine Empfehlungen für eine Lastenteilung aussprechen 52 . Dieser Wandel in der Aufgabenstellung wurde im Zwischenbericht des Vorsitzenden der GTEF, Eric Roll, begründet. Es sei unmöglich, in der Kürze der Zeit und mit dem vorliegenden statistischen Material eine einfache Formel für eine Lastenteilung im Sinne einer progressiven Besteuerung zu erarbeiten. Vielmehr 48
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Dabei handelte es sich um Colonel Charles H. Bonesteel, F.xecuitve Director, European Coordinating Committee, MDAP. Bonesteel wurde als Special Assistant von General Lyman I.. Ix-mnitzer, Vorsitzender der U.S.Joint Chiefs of Staff 1 9 5 9 - 1 9 6 2 , im Z u s a m m e n h a n g mit der Kuba-Krise bekannt. Vgl. Binder, Lemnitzer, S. 258 f. Working Paper »Supplementary Directives for N A T O Member Countries«, 17.11.1950, PRC), Τ 235/9. Telegr. Franks an Foreign Office, 10.11.1950, PRO, Τ 235/9. Die US-Administration nahm sich dieser Aufgabe an und entwickelte Vorschläge für Basisdaten. Zur Definition der »Defence Expenditures« siehe D F E C Staff (50) D-8/17-20, NISCA, 7/7/1. Minutes of Meetings, M A C (51) 3rd meeting, 16.1.1951, PRO, C A B 134/489. Report of the Group of Twelve, D - D (51) 84, 2.5.1951, PRO, Τ 230/492.
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III. Die Bündnislösung
bleibe nichts anderes übrig, als zuerst eine Studie für jedes Land zu erstellen und danach einen Ländervergleich durchzuführen. Unter den neuen Voraussetzungen tagten die Vertreter der Mitgliedstaaten bis Anfang Mai, ehe die GTEF, neben zwei weiteren Arbeitsgruppen, im Financial and Economic Board aufging 53 . Das erste bündnisinterne Lastenteilungsprojekt scheiterte unter anderem deshalb, weil das Nitze-Memorandum zwar eine Verteilung der US-Militärhilfe durch ein internationales Gremium ähnlich der OEEC vorschlug, jedoch gleichzeitig nicht auf bilaterale Abkommen verzichten wollte 54 . Damit war das Verfahren nicht viel besser als das des ERP und zwang die NATO-Partner erneut in die Rolle der Bittsteller. Darüber hinaus erforderte das Prinzip der gerechten Lastenteilung zeitraubende Studien und langwierige Diskussionen über die Begriffe Gerechtigkeit und Lasten. Zudem sahen die westeuropäischen NATO-Partner das Vorhaben unabhängig vom MTDP, im Gegenteil als Möglichkeit der Überprüfung und Kürzung des MTDP und seiner Folgekosten. Vor allem in London wirkte sich das Projekt auf die politische Entscheidungsfindung über die Steigerung der Verteidigungsausgaben aus. Robert Hall, damals Direktor der Economic Section im Cabinet Office, erinnerte sich, die Erhöhung sei nur unter dem Kalkül zustande gekommen, daß das Nitze-Projekt für Großbritannien erfolgreich laufe. Dies bedeutete sowohl die Anerkennung des britischen Verteidigungsbeitrages als Maximalbeitrag als auch die Zuteilung von US-Außenhilfe 55 . Die US-Administration hingegen wollte die Verteilung ihrer Militärhilfe ohne Einfluß von außen vornehmen und sich nicht das wirksamste Druckmittel zur Durchsetzung der Verteidigungsplanungen aus der Hand nehmen lassen. Das Nitze-Projekt sollte vielmehr den Schwerpunkt auf die Teilung der Lasten legen und den Nachweis erbringen, alle NATO-Staaten trügen ihren Anteil an der gemeinsamen Verteidigung. Dieser Nachweis war die Voraussetzung, innenpolitisch weitere US-Außenhilfe durchsetzen zu können. Der MTDP bildete dafür die Grundlage, und nicht, wie von anderen NATO-Partnern gefordert, die nationalen Verteidigungsprogramme. Allerdings argwöhnten die Bündnispartner, daß sich die US-Administration durchaus der Gefahren eines Lastenteilungsverfahrens bewußt war. Eine Note des kanadischen Außenministeriums stellte fest, daß ein solches Projekt ebenso die Unzulänglichkeiten der US-Leistungen aufzeigen könnte 56 . Die Truman-Regierung kam schließlich zu dem Schluß, das gesamte Nitze-Projekt sei nutzlos, weil von unrealistischen Verteidigungsprogrammen ohne gemeinsame Basis ausgegangen worden sei. Ende August 1951 erklärten die Vereinigten Staaten deshalb, der MTDP sei zu erfüllen. Auch könnten die Westeuropäer ohne ernsthafte volkswirtschaftliche Schwierig-
M Memo RoH, D-D (51) 84, 28.3.1951, NISCA, 7/7/2. 54 Siehe zur Kritik der französisichen Regierung Telegr. Acheson an Spofford, 19.10.1950, FRUS 1950, Vol. 3, S. 391-393, hier S. 392. Zur Kritik der britischen Regierung siehe Hall, The Robert Hall Diaries, S. 118, 135 und 150. 55 Hall, The Robert Hall Diaries, S. 155 f. und 165. Siehe auch die Aufzeichnungen des britischen Schatzkanzlers Gaitskel], The Diaries, S. 207-211. μ Memo »N.A.T.O. burden-sharing exercise«, 17.11.1950, PAC, RG 25, Β 3, Vol. 2150.
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
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keiten durchaus mehr zur gemeinsamen Verteidigung beitragen 57 . Der Ansatz, eine Formel für eine gerechte Lastenteilung zu finden, die sich an der progressiven Besteuerung mancher Mitgliedstaaten orientierte, war nach mehrmonatigen Arbeiten gescheitert. Das Lastenteilungsverfahren hingegen wurde unter anderen Vorzeichen weitergeführt. Financial and Economic Board (FEB) In einem Memorandum über die Besetzung der US-Vertreter bei den Wirtschaftsund Rüstungsgremien der NATO wurde seitens des State Department nunmehr die Errichtung eines mit »senior economic officials« besetzten Gremiums vorgeschlagen. Dieses noch als »Finance and Economic Board« bezeichnete Gremium sollte für die notwendige Zusammenarbeit im Bereich der wirtschaftlichen Mobilisierung und der Sicherstellung der wirtschaftlichen Stabilität der Mitgliedstaaten verantwortlich sein58. Damit reagierte die Truman-Administration auf die schleppenden Bemühungen der Mitgliedstaaten, die militärischen Forderungen des MTDP umzusetzen und sich durch die Lastenteilungsprojekte eher von den Forderungen zu distanzieren, als Wege zu deren Umsetzung zu suchen. Hinzu kam der innenpolitische Druck, dem Kongreß für die nächsten Verhandlungen über Außenhilfe Eigenleistungen durch die Westeuropäer präsentieren zu müssen 59 . Gegenüber den NATO-Partnern verdeutlichte Acheson deshalb im Februar 1951, es komme darauf an, »to maximize defense effort while maintaining sound basic economic structures«60. Um dieses Ziel rascher umsetzen zu können, sollte ein Passus in den Aufgabenkatalog eingefügt werden, der es dem FEB ermöglicht hätte, direkt Empfehlungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten auszusprechen. Im März diskutierten die Ratsstellvertreter den amerikanischen Vorschlag, lehnten aber zum Großteil die weitgehenden Befugnisse des FEB ab. Vor allem der kanadische Vertreter Dana Wilgress verdeutlichte die Abneigung Ottawas, ein Gremium einzurichten, das Entscheidungen mit Bindungscharakter für die Regierungen fällte. Zudem sprachen sich die Kandier sowohl gegen den amerikanischen als auch den britischen Ansatz für eine Lastenteilung aus. Der US-Regierung wurde vorgeworfen, sie wolle nur Schuldige für die Streitkräftelücken suchen und Druck auf die Mitgliedstaaten "
Stellungnahme S p o f f o r d s , D - D (51) 199, 2 3 . 8 . 1 9 5 1 , N 1 S C A , 7/7/3. Vgl. auch die Aufzeichnungen Robert Halls, 2 9 . 8 . 1 9 5 1 , der diese Stelllungnahme als »bomb-shell« bezeichnete, Hall, The Robert Hall Diaries, S. 165. 5S Memo o f Understanding between the Departments o f State and Defense and the F.CA, 1 5 . 2 . 1 9 5 1 , FRUS 1 9 5 1 , Vol. 3, Part 1, S. 4 7 - 5 2 , hier S. 51. Erschwert wurde das Verfahren durch die »Great Debate«, geführt seit Januar 1951 im Kongreß. Siehe Kepley, The Senate and the Great Debate o f 1 9 5 1 . Zwar ging es in der Debatte um das Recht des Präsidenten, Truppen ohne Zustimmung des Kongresses nach I-.uropa zu entsenden, jedoch stand dabei auch die Frage nach den Eigenleistungen der Bündnispartner im Hintergrund. Vgl. auch Acheson, Present at the Creation, S. 4 8 8 - 4 9 6 und Anm. 143. « Brief Werkmeister an Minister Blücher, 2 9 . 1 1 . 1 9 5 1 , BArch, Β 1 4 6 / 4 3 " . Darin berichtet der deutsche Chefdelegierte von einem Protestschreiben des schwedischen Außenministers an den Vorsitzenden der O F F C , Dirk Stikker. D e m n a c h sah sich Schweden als Sprecher aller »NichtN A T O - S t a a t e n « und setzte sich vehement gegen eine Veränderung der O K F . C ein. > 6 ' Z u m Neutralitätsproblem allgemein siehe Mantovani, Die Schweiz und die N A T O . 1M Tclegr. Nr. 393 Pearson an High Commissioner in U K , 13.2.1952, D o c u m e n t s on Canadian Fxternal Relations, Vol. 18 (1952), Nr. 4 2 1 , S. 6 9 0 - 6 9 2 . 165 Zur Rolle Goodpasters siehe die Finschätzung G o r d o n s , Oral Memoir o f Lincoln G o r d o n , H S T L , S. 151 f.
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Frühstadium zeigten sich erste Differenzen, die erst nach »heißen« Diskussionen ausgeräumt werden konnten 166 . Jean Monnet, der dem gesamten TCC-Projekt recht skeptisch gegenüberstand, war davon überzeugt, die Streitkräfteforderungen der Militärs seien unrealistisch und überzogen, und die erste Priorität aller Bemühungen stehe dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg Westeuropas zu. Ein weiterer Grund seiner Skepsis war die NATO selbst, die nicht in sein Konzept der europäischen Integration durch ein System supranationaler Organisationen paßte 167 . Der pragmatische Vorsatz für seine Arbeit im Exekutivbüro war daher, den Nachweis zu führen, daß die Streitkxäfteziele für 1952 nicht realisierbar waren, ganz zu schweigen von den Planungen bis 1954. Er wollte das Augenmerk auf die bereits bestehenden Streitkräfte lenken und Wege finden, deren Einsatzbereitschaft herzustellen oder zu erhöhen. Damit verwehrte er sich den Vorstellungen Harrimans und Plowdens, anhand einer Planungsgröße für das Jahr 1954 die entstehenden Lücken zu füllen. Auch der Vorstoß der Amerikaner, die Folgen einer Steigerung aller Verteidigungshaushalte um 30 Prozent zu diskutieren, stieß bei Monnet auf Ablehnung. Während Plowden nach Rücksprache mit dem Foreign Office in der Frage der langfristigen Planung Harriman unterstützte, kritisierte er wie sein französischer Kollege den Vorschlag, eine Diskussion über mögliche Steigerungen zu führen 168 . In beiden Fällen wurde schließlich ein für alle Seiten zufriedenstellender Kompromiß gefunden. Monnet setzte sich dahingehend durch, daß in den zukünftigen Fragebogen auch ein Sachstandsbericht über bereits bestehende Streitkräfte gefordert wurde. Damit war seines Erachtens eine realistische Ausgangsbasis für das weitere Vorgehen gegeben. Im Gegenzug erklärte er sich bereit, die Streitkräfteplanungen für die Jahre 1953 und 1954 sowie die errechneten Lücken in das Projekt einzubeziehen 169 . Die Frage der zusätzlichen Steigerung aller Verteidigungsausgaben konnte ebenfalls gelöst werden, nachdem London und Paris eine geschätzte Steigerung von 15 Prozent vorgeschlagen hatten und man sich in der Mitte traf. Die Mitgliedstaaten wurden später im Fragebogen aufgefordert, die Auswirkungen einer zwanzigprozentigen Erhöhung ihrer Verteidigungsbudgets zu diskutieren 170 . Dieser Punkt war ein Zugeständnis an die Truman-Administration, die sich davon eine überzeugende Grundlage für die Verhandlungen mit dem Kongreß über weitere US-Außenhilfe an Westeuropa erhoffte. Telegr. Plowden an FO, Nr. 302, 9.10.1951, PRO, Τ 225/193. Darin berichtet Plowden von »stürmischen« Gesprächen zwischen Harriman und Monnet. 167 Monnets Grundsätze für die TCC-Arbeit brachte er bereits in das Memo des französischen Außenministeriums über das zukünftige Gremium vom 25.9.1951 ein, FJM, AMI 10/1/7. Zu seiner Kritik an der NATO als multinationale Organisation siehe Telegr. Plowden an FO, Nr. 735, 13.10.1951, PRO, Τ 225/194. Darin zitiert er Monnet, der die Forderungen der Militärs als »astronomical« bezeichnete. Vgl. auch Plowden, An Industrialist in the Treasury, S. 128 f. 168 Telegr. Plowden an FO, Nr. 735, 13.10.1951, PRO, Τ 225/194. κ» Telegr. Plowden an FO, Nr. 302, 9.10.1951, PRO, Τ 225/193. Plowden erläuterte den Kompromiß auch vor den Chiefs of Staff, COS (51) 161st meeting, 15.10.1951, PRO, DEFR 4/47. 170 Telegr. Plowden an FO, Nr. 735, 13.10.1951, PRO, Τ 225/194. Zur Frage nach der zwanzigprozentigen Steigerung siehe Draft UK-Submission to the TCC, 19.10.1951, Section E, PRO, Τ 235/34. 164
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Nach der Klärung dieser Grundsatzfragen kam das Exekutivbüro sehr schnell über das weitere Vorgehen überein; die Vorschläge wurden auf der dritten und vierten Sitzung des Temporar)' Council Commitee Mitte Oktober 1951 angenommen 171 . So setzte sich das TCC das Ziel, nach einer eingehenden Bestandsaufnahme anhand von Fragebogen und bereits vorliegendem statistischem Material der vorangegangenen Lastenteilungsprojekte und der OEEC erste Ergebnisse zu diskutieren. Die Abschlußberichte des SCS und des TEAS sollten dann die Grundlage für Gespräche zwischen dem Exekutivbüro und nationalen Delegationen bilden, um die vorläufigen Empfehlungen des TCC mit den zuständigen Ministern der Partnerstaaten abzustimmen. Nach diesen Gesprächen sollten schließlich die Drei Weisen den Abschlußbericht mit den endgültigen Empfehlungen für den Nordatlantikrat verfassen und ihn während der nächsten Ratstagung präsentieren 172 . Der erste Schritt zur Erfüllung des umfangreichen Aufgabenkataloges war die Bestandsaufnahme über die bisherigen Verteidigungsbemühungen der Mitgliedstaaten. Dazu sollten Fragebogen für die jeweiligen Länder detailliertere wirtschaftliche und militärische Planungsdaten liefern als die der Vorläufer-Projekte. In einer Nachtsitzung arbeitete der Stab des Exekutivbüros einen Vorschlag aus, der nicht den Intentionen des US-Vertreters entsprach. Roll und Hirsch konnten Gordon jedoch davon überzeugen, entgegen seiner Instruktionen aus Washington Aussagen über eine mögliche US-Außenhilfe zu machen. Dafür zeigten sich die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs damit einverstanden, Auskünfte über eine fiktive zwanzigprozentige Erhöhung einzuholen — und dies, obwohl man sich auf ein Vorgehen geeinigt hatte, das einen Maximal-Verteidigungsbeitrag der jeweiligen Bündnispartner zur Grundlage nahm. Damit wiederum hatte sich Monnet durchgesetzt, der eine obere Grenze aller Verteidigungsausgaben bis 1954 festlegen wollte P 3 . Am nächsten Morgen wurde der Vorschlag bereits im Exekutivbüro diskutiert. Dabei kam es ebenfalls zu einer Frontbildung, diesmal zwischen Plowden und Monnet gegen Harriman, der allgemeingehaltene Informationen über die Finanzausgaben der Mitgliedstaaten haben wollte, am besten als Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt ausgedrückt. Diese finanzielle Größe sollte dann vom SCS in Personal-, Rüstungs-, und Ausrüstungspläne umgerechnet werden. Dieser Eingriff in die Souveränität der Staaten war für die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs nicht akzeptabel, und Harriman ließ sich vom Alternativvorschlag überzeugen, den Staaten zu überlassen, wie und mit welchen finanziellen Mitteln sie die Streitkräfteforderungen der Ständigen Gruppe umsetzen würden. Harriman gab auch in der Frage nach, die Aussagen über eine zwanzigprozentige >"' Summary Reports of the 3rd and 4th meeüng, TCC-R (51) 3 und 4, 15.10.1951, ΒΛ-ΜΛ, BW 3/91. Vgl. auch Telegr. Harriman an Acheson, 12.10.1951, FRL'S 1951, Vol. 3, P a r t i , S. 314 f. Zum Vorgehen siehe Memo TCC Plan of Work, TCC/D-(51) 12 (Final), 12.10.1951, ΒΑ-ΜΛ, BW 3/91. Siehe auch Memo Gordon, 6.10.1951, FRUS 1951, Vol. 3, P a r t i , S. 2 9 ^ - 3 0 4 , und Telegr. Roll an Rickett, 1.11.1951, PRO, Τ 235/34, und Plowden, An Industrialist in the Treasury, S. 127. '"S Telegr. Roll an FO, Nr. 320 und 322, 12.10.1951, PRO, Τ 235/193.
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Steigerung der nationalen Verteidigungshaushalte sowohl auf den militärischen als auch auf den wirtschaftlichen Bereich zu untersuchen. Gegen ein damit verbundenes Spekulieren auf ein zweites — zusätzliches — Streitkräfteprogramm, das auf keiner realistischen Basis gestanden hätte, verwahrten sich Monnet und Plowden erfolgreich. Es blieb bei der Forderung im Fragebogen, nur zu den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen einer möglichen Anhebung um 20 Prozent Stellung zu nehmen. 174 Schließlich widersetzten sich Plowden und Monnet auch noch dem Versuch Washingtons, die Mitgliedstaaten zu Auskünften darüber zu bewegen, wie deren volkswirtschaftliche Gesamtleistung gesteigert werden könne — noch dazu unter der Annahme, die Friedenswirtschaft einzuschränken und eine Teilmobilisierung durchzuführen. Alle Vorschläge der amerikanischen Seite deuteten darauf hin, Washington gehe es vor allem darum, die Steigerungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten in den Bereichen Finanzwesen, Rüstungswirtschaft und Verteidigung auszuloten und daraufhin durch den SCS nachzuweisen, wie die entstandenen Lücken im Streitkräfteprogramm zu schließen seien' 75 . Doch das gemeinsame Vorgehen Plowdens und Monnets und das Einlenken Harrimans in den entscheidenden Punkten verhinderten eine für Washington wunschgemäße Lösung. Vielmehr einigte man sich schließlich auf zwei Fragebogen, die deutlich die Handschrift der Westeuropäer trugen. Der zweite Fragebogen - über die wirtschaftlichen Aspekte der Aufrüstung — wurde sogar intern als »Monnet-Inventory« bezeichnet und unterstrich den Verhandlungserfolg vor allem des französischen Vertreters im TCC 176 . Folgende Hauptpunkte deckten die neuen Fragebogen, die ab Mitte Oktober den Regierungen der Bündnispartner vom Obersten Hauptquartier (SHAPE) zur Bearbeitung zugingen, ab: — Die Einsatzbereitschaft der bestehenden Verbände und deren Ausrüstung zum 31. Dezember 1951 sowie die Planungen bis 1954 im sechsmonatigen Intervall. — Die Frage nach den maximalen Verteidigungsausgaben hinsichtlich Verbänden und Ausrüstung bis 1954, um die militärischen Forderungen der Ständigen Gruppe zu erfüllen, aber ohne eine allgemeine »wirtschaftliche Mobilmachung« zu erreichen. Diese Informationen sollten vor allem die Summe der von den NATO-Staaten erwarteten End-item-Hilfe und der generellen Wirtschaftshilfe, die für die Durchführung der Programme erforderlich waren, ergeben. — Informationen über die politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und Auswirkungen des Streitkräfteaufbaus, vor allem über die Auswirkungen einer zwanzigprozentigen Steigerung der Verteidigungsausgaben auf die Volkswirtschaft der einzelnen Länder und die Hauptwirtschaftssektoren. ™ Telegr. Plowden an FO, Nr. 737, 13.10.1951, PRO, Τ 235/194. Ebd. Vgl. auch Plowdens Stellungnahme vor den Chiefs of Staff, COS (51) 161st meeting, 15.10.1951, PRO, D E F E 4/47. Darin machte Plowden deutlich, wie wichtig es sei, einen geeigneten Kandidaten für den SCS zu finden, der ein Gegengewicht zu General McNarney darstellen könnte. Mitte Oktober wurde ein ziviler Mitarbeiter des britischen Verteidigungsministeriums, Richard R. Powell, in den SCS berufen. ™ Plowden ν ϋ Γ den Chiefs of Staff, COS (51) 161st meeting, 15.10.1951, PRO, DEFE 4/47. 175
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Der erste Fragebogen mit militärischem Charakter hatte in Eisenhowers Stab Zustimmung gefunden 1 " 7 . Neben den in den beiden Fragebogen abgedeckten Aspekten der gemeinsamen Verteidigung wurden zwei entscheidende Fragen zusätzlich durch externe Gremien behandelt und für das TCC aufbereitet: die westeuropäische Rüstungsproduktion sowie ein deutscher Verteidigungsbeitrag. Der Wiederaufbau der westeuropäischen Rüstungsindustrie hatte für Washington einen hohen Stellenwert, auch weil in den Kongreßverhandlungen die Militärhilfe für Westeuropa von der Eigenleistung der Bündnispartner abhängig gemacht wurde. Im Oktober 1951 wurde Harriman über das unzureichende Produktionsniveau der westeuropäischen Bündnispartner informiert. Erste Schätzungen ließen den Schluß zu, daß deren gesamte Rüstungsproduktion weniger als die Hälfte der amerikanischen Materiallieferungen an Westeuropa ausmache. Damit war Harriman, der als Direktor der Mutual Security Agency im Februar 1952 um die Höhe der weiteren Außenhilfe zu kämpfen hatte, in einer schlechten Verhandlungsposition gegenüber den Kongreßabgeordneten. Diese konnten zu Recht fragen, ob die Empfängerstaaten ihrerseits genügend leisten oder sich auf die Dollar- und Materiallieferungen aus Amerika verlassen würden. Eine Kürzung der Hilfen wurde innerhalb der Mutual Security Administration allerdings als kontraproduktiv für die Rüstungsproduktion in Westeuropa bewertet, da ein Ausbleiben von Rüstungsgütern, hier vor allem Vorleistungen, aufgrund mangelnder Industriekapazitäten nicht aufgefangen werden konnte 1 " 8 . Harriman nutzte das laufende TCC-Projekt, um auch diese Frage innerhalb der N A T O zu diskutieren, und forderte einen Sachstandsbericht. Dazu beauftragte er Mitte Oktober das Defence Planning Board mit einem Bericht für das TCC, um über die aktuellen Produktionszahlen und über die freien Kapazitäten der westeuropäischen Staaten informiert zu werden. Mit den Ergebnissen, die bereits nach einer Woche vorliegen sollten, wollte Harriman dann die vom SCS aufgezeigten Materiallücken vergleichen. Er sah darin die Grundlage für eine mögliche Zusatzproduktion in Westeuropa 1 " 9 . Auch hier zeigte sich die Grundeinstellung Washingtons, das gesamte TCC-Projekt für eine Steigerung der westeuropäischen Verteidigungsbemühungen zu nutzen und durch die Nordatlantische Allianz die Zustimmung der Partnerstaaten zu erzielen. In diesem Zusammenhang muß der seit 1950 diskutierte deutsche Verteidigungsbeitrag genannt werden, denn auch dadurch versprach sich Washington eine Stärkung der gemeinsamen Verteidigung in Westeuropa. Angesichts der diplomatischen Fortschritte im Rahmen der EVG-Verhandlungen war diese Forderung nicht verwunderlich. Bereits im vorläufigen Arbeitsplan des TCC wurde daher festge-
" Questionnaire to permit a realistic analysis of our military position, T C C - D (51) 5, 14.10.1951, und Questionnaire for preliminary country analysis of politico-economic capabilities in relation to defence requirements, TCC-D (51) 6, 14.10.1951, ΒΛ-ΜΛ, BW'3/91. Siehe auch Telegr. Roll an I-'O, 17.10.1951, PRO, Τ 225/194. r s Telegr. Lincoln an Harriman, 18.10.1951, LC, Harriman Papers, Box 277. rt> Draft Letter Harriman to Herod, KB-D (51) 3, 15.10.1951, ΒΑ-ΜΛ, BW 3/94. r
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schrieben: »In all aspects of its work, the TCC will assume a German contribution to Western defence 180 .« Das Temorary Council Committee ging davon aus, ein wie auch immer gearteter deutscher Verteidigungsbeitrag sei daher nur im Rahmen der EVG möglich. Es bat die Pariser EVG-Konferenz und die Londoner Tripartite-Gruppe um Klärung der Besatzungskostenfrage und die Hochkommissare um die notwendigen Informationen über den geplanten militärischen und finanziellen Anteil. Eine direkte Verbindungsaufnahme mit der westdeutschen Regierung wurde nicht in Betracht gezogen. Vor allem Jean Monnet hatte erhebliche Bedenken, in der Frühphase der Verhandlungen mögliche Entscheidungen durch direkte Kontakte zwischen der NATO und der Regierung in Bonn vorwegzunehmen 181 . Zahlreiche weitere Anfragen an NATO-Behörden und an die OEEC, für das Lastenteilungsprojekt relevantes Informationsmaterial zu übermitteln, beendeten die mühsame Materialbeschaffung. Damit war eine ausreichende und dem komplexen Problem angemessene statistische Grundlage geschaffen. Durch die gründliche Vorgehensweise des Exekutivbüros, sowohl alle militärisch als auch alle wirtschaftlich relevanten Daten zu erhalten, unterschied sich das TCC bereits deutlich von seinen Vorgängergremien. Andererseits wurde dadurch aber auch das Hauptproblem des Projektes, der Zeitfaktor, verschärft. Denn nicht nur mußten die Stäbe auf die ausstehenden Antworten warten, sondern anschließend die Menge an Zahlenmaterial und Texten auch verwerten. 18-Stunden-Tage und Wochenendarbeit waren daher in den Arbeitsgruppen an der Tagesordnung. Die Regierungsstellen der Mitgliedstaaten hatten wiederum mit der Beantwortung der Fragebogen die größte Mühe, denn die geforderten Informationen waren nichts anderes als ein Offenlegen ihrer bisher geheimgehaltenen Verteidigungsund Rüstungsplanungen. Entsprechend zurückhaltend und zögerlich wurden die Vorlagen für das TCC zusammengestellt. In Washington waren sowohl die Mitarbeiter des State Department als auch des Pentagon über den multilateralen Charakter des Projektes irritiert. Verteidigungsminister Robert A. Lovett wollte zum Beispiel den Eindruck vermeiden, das TCC nähme entscheidenden Einfluß auf die Höhe zukünftiger US-Außenhilfe für die Bündnispartner. Zudem wollte er ein Nachdenken über eine Steigerung der US-Verteidigungsausgaben um 20 Prozent sowie eine indirekte Einflußnahme auf den amerikanischen Streitkräfteaufbau durch eine multinationale Organisation verhindern 182 . •w Draft Plan of Work, TCC-D (51) 2, 10.10.1951, BA-MA, BW 3/91. Zu den multinationalen Arbeitsgruppen und Konferenzen siehe Meier-Dörnberg, Die Planung des Verteidigungsbeitrages, S. 649-714. Vgl. auch FRUS 1951, Vol. 3, Part 2, S. 1647-1746. Zur Einbeziehung der Bundesrepublik in das TCC-Projekt siehe Memo Monnet an Harriman, 15.10.1951, LC, Harriman Papers, Box 275. Monnet sprach sich darin gegen eine direkte Verbindungsaufnahme mit Bonn aus. 182 Memo by Ridgway B. Knight, 26.10.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 333 f. Vgl. auch Condit, The Test of War, S. 374. Memo Knight, 29.10.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 337-340. Darin berichtet Knight über die Gespräche, die Harriman in Washington führte, um alle Informationen zu erhalten und damit ein Vorbild für die übrigen NATO-Staaten zu schaffen.
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General Joseph T. McNarrtej, Vorsitzender des Screening and Costing Staff des TCC 1951/52. Nur das vehemente Auftreten jj Avereil Harrimans garantierte das I 'β» |υ Gelingen der Fragebogenaktion. Kr ließ Lovett wissen, daß eine Verweigerungshaltung der USA I das gesamte TCC-Projekt gefähre , I de. Z u m einen, so Harriman, hatI ten die übrigen Bündnispartner I Anspruch darauf, im Gegenzug I zur Freigabe ihrer Planungsdaten I die der USA einzusehen. AndeI rerseits sei Washington nicht der I Generalinspektor der N A T O , der I alle Bündnismitglieder überprüfen I dürfe, sich selbst aber jeglicher Uberprüfung entziehe. Dies wider»* i t * f . J sprach dem neuen Geist der multinationalen Zusammenarbeit, der eine Voraussetzung für die Mitarbeit Harrimans in Paris war 1 *'. In diesem Sinne sprach Harriman auch vor dem T C C und deren untergeordneten A r b e i t s g r u p p e n ' I n London tat man sich mit der Weitergabe der geheimsten Landesverteidigungsplanungen ebenfalls schwer und hinterfragte immer wieder den Sinn einzelner Punkte. Beispielsweise war den Militärs nicht einsichtig, w a r u m auch die Streitkräfte aufgelistet werden sollten, die nicht der N A T O unterstanden. Die Stabschefs verweigerten sich zunächst diesem Ansinnen der Allianz und rieten den britischen Vertretern in Paris, vorerst die Unwissenden zu spielen. Die damit g e w o n n e n e Zeit nutzten die britischen Stabschefs, um sich eine stichhaltige Begründung zurechtzulegen: aus Sicherheitsgründen und aus Rücksichtnahme auf die Commonwealth-Staaten, so die offizielle Verlautbarung aus London, könnten derartige Informationen nicht weitergegeben werden. Intern waren die Militärs nach Rücksprache mit dem Foreign Office bereit, die Fragen zu beantworten, wenn Washington ebenfalls auf diese f ragen reagiere 1 8 5 . McXarnev " " Telegr. H a r r i m a n an Bisseil, 2 0 . 1 0 . 1 9 5 1 , I RL S 1951, Vol. 3. Part 1, S. 3 2 6 f. In d i e s e m Telegr., das a u c h an A c h e s o n , Lovett, Snvder, u.a. ging, b e t o n t e der V o r s i t z e n d e des I . x e k u t i v b ü r o s , » T ( . ( . will in mv opinion tail it w e a d o p t the role ot I n s p e c t o r G e n e r a l , rather than o n e of a Participant in a c o m m o n u n d e r t a k i n g « (S. 32~). ,s4 T C C A ' R / 1 & 2 , Report ot the 1st'session ot the T C C , 9 . 1 0 . 1 9 5 1 . Β Λ - Μ Λ , B\Y 3/91. "maximum Telegr. Acheson, 17.11.1951, FRL'S 1951, Vol. 4, Part 1, S. 4 4 2 - 4 4 4 . - 5 " Telegr. Plouden an Makins, 10.11.1951, PRO, Τ 235/34. Über Italien urteilte Harriman ähnlich wie über Frankreich und warf der italienischen Delegation vor, die gemeinsame Verteidigung nicht ernst genug 7.u nehmen. 2_r
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war es für Harriman entscheidend, keine Zusagen in dieser Richtung geben zu müssen, auch wenn er persönlich von der Notwendigkeit weiterer Dollar- und anderer Hilfslieferungen an die Verbündeten überzeugt war 251 . Auch die Regierungsstellen in Washington hatten großes Interesse daran, die Position ihres Verhandlungsführers einzugrenzen. Das Verteidigungsministerium sah der Offenlegung der eigenen Planungen vor einem NATO-Gremium mit großer Skepsis entgegen, ganz zu schweigen von der drohenden Einflußnahme auf die amerikanische Sicherheitspolitik durch andere Nationen. Minister Lovett bestand auf einem klärenden Gespräch mit Harriman und verdeutlichte seinem Freund, daß die Bündnisbeziehungen und daraus resultierende Verpflichtungen auf keinen Fall Regierungsentscheidungen verändern dürften 252 . Harriman wiederum warnte davor, dies von den westeuropäischen Bündnispartnern zu verlangen, während Washington jede Beeinflussung ablehne, und verdeutlichte diesen Desintegrationsfaktor am Beispiel der Rüstungslieferungen der USA nach Westeuropa. Die zugesagten Lieferungen verzögerten sich durch die Forderungen der amerikanischen Verbände in Korea, der Präsident und seine Berater waren jedoch nicht bereit, die Rüstungsproduktion weiter zu forcieren. Damit kam Washington seinen eingegangenen Bündnisverpflichtungen nicht nach, forderte dies aber gleichzeitig von seinen Bündnispartnern. Harriman sah daher in einer flexiblen Vorgehensweise im TCC die Lösung dieses Widerspruchs und warb für ein größeres Entgegenkommen Washingtons hinsichtlich der Forderungen der Westeuropäer nach Soforthilfen aus den USA. Acheson, Bissell und Eisenhower unterstützten Harriman und verteidigten seine Zusagen an bestimmte Nationen als Voraussetzung für eine erfolgreiche TCC-Arbeit 253 . Nach wiederholter Überzeugungsarbeit in Washington konnte Harriman schließlich in Paris die Vorstellungen seiner Regierung mit denen der Bündnispartner in Einklang bringen. Dies erreichte er mit seinem Verhandlungsgeschick, aber auch mit seiner Fähigkeit, einen »Gemeinschaftsgeist« unter den Bündnispartnern zu wecken. Vor allem im Briefwechsel mit Jean Monnet werden diese Begabungen deutlich. Immer wieder gelang es Harriman, seinen französischen Kollegen zu besänftigen und davon zu überzeugen, wie wichtig der erfolgreiche Abschluß der TCC-Arbeit für die weitere Entwicklung der Nordatlantischen Allianz sei254.
Telegr. Plowden an Makins, 10.11.1951, PRO, Τ 235/34. Dieser Grundsatz ließ sich jedoch nicht durchhalten, wenn die TCC-Arbeit zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden sollte. 252 Memo Ridgway B. Knight, 26.10.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 333 f. Robert A. Lovett war ein Jugendfreund Harrimans und Lovetts Vater ein enger Mitarbeiter von Harrimans Vater bei der Union Pacific. Auch die Studienzeit in Yale und ihre ersten Jahre im Eisenbahnbcreich und an der Wall Street verbrachten sie gemeinsam. Siehe Isaacson/Thomas, The Wise Men, S. 21. 253 Zu den Absprachen Harrimans in Washington Wampler, Ambiguous Legacy, S. 208-216. Siehe z.B. Telegr. Harriman an Lovett, 31.10.1951; Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 680-682. 254 Vor allem Brief Harriman an Monnet, 21.12.1951, LC, Harriman Papers, Box 276. Darin verdeutlicht Harriman seine Einschätzung des TCC-Projektes als »the most important development in NATO since the creation of SHAPE and the appointment of General Eisenhower« und bat Monnet, trotz der oft hitzigen Verhandlungen weiter am gemeinsamen Ziel des Projektes festzu251
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Im Rückblick bewertete Plowden die Bemühungen des ExekutivbüroVorsitzenden als erfolgreich, weil er die französischen Vertreter davon überzeugen konnte, daß ein weiteres Beharren auf ihren Standpunkten zum Scheitern des gesamten Projektes geführt hätte. Dabei halfen Harriman die guten persönlichen Kontakte zu seinen Mitstreitern, die er in zahlreichen Abendveranstaltungen pflegte. Diese »inoffiziellen Arbeitstreffen« boten die Möglichkeit, in entspannter Runde die hitzigen Diskussionen des Tages zu beenden und Mißverständnisse auszuräumen sowie eine Atmosphäre der Gleichberechtigung zu erzeugen 255 . Ein weiterer gewichtiger Grund für das Einlenken Frankreichs war die Rolle Harrimans als aktiver Befürworter seiner Hilfegesuche. Er und sein Mitarbeiterstab hielten einen mehrmonatigen direkten Draht nach Washington aufrecht, dessen Bedeutung keine Gespräche auf Regierungsebene aufwiegen konnten. Denn im Gegensatz zum Verteilungskampf um die Wirtschaftshilfe durch die O E E C , in dem es um eine von den U S A vorgegebene Summe ging, wurde innerhalb der N A T O multinational über die Höhe der zukünftigen US-Außenhilfe diskutiert und über Harriman und Eisenhower Einfluß auf die Kongreßverhandlungen und die Haltung der Washingtoner Regierung genommen. Die Vertreter aller Mitgliedstaaten sahen daher zu Recht in Harriman den Schlüssel zur Durchsetzung ihrer Forderungen nach zusätzlichen Dollars und Rüstungsmaterial. Ein gutes Verhältnis zum amerikanischen Vertreter galt als unabdingbar und erklärt die Bereitschaft aller Mitgliedstaaten, ihrerseits Zugeständnisse an Washington zu machen 256 . Im SCS dominierten augenscheinlich die Amerikaner. Einerseits lag dies an der zupackenden Art General McNarneys, zum anderen an der schlichten Tatsache, daß von den knapp 150 Mitarbeitern des SCS über die Hälfte Amerikaner waren. Zudem entsprachen der Aufbau und die Vorgehensweise des Stabes dem amerikanischen Vorbild im Pentagon und ließen den übrigen Mitarbeitern kaum Gestaltungsspielraum 257 . Um so intensiver bemühten sich allerdings diese, ihren Einfluß geltend zu machen und die Dominanz der Amerikaner einzuschränken. Wie bereits angedeutet, kritisierte schon während der ersten SCS-Sitzung der Vertreter Portugals die von McNarnev vorgeschlagene personelle und nationale Zusammensetzung des Stabes. Unterstützt wurde er dabei von den Vertretern der Niederlande und Italiens, die sich ebenfalls für eine Einbindung der »Little Nine« aussprachen. Der portugiesische Offizier schlug einen vierten SCS-Direktor vor, ausgewählt von General Eisenhower aus seinem internationalen Stab. Die Wahl sollte nicht auf halten. Siehe auch Telegr. Harriman an Monnet v o m 16.10.1951 und 31.1.1952, F j M , AMI 1 0 / 0 / 0 / 1 und 1 0 / 8 / 9 . 255 Plowden, An Industrialist in the Treasury, S. 129. 256 Die Einschätzung der Rolle Harrimans traf zu, wie die Berichte über seinen Einsatz für weitere Unterstützungsmaßnahmen für Westeuropa zeigen. Etwa Telegr. Roll an F O , 16.11.1951, P R O , Τ 2 2 5 / 1 9 5 . Darin dokumentiert Roll den Einsatz des Amerikaners für eine weitere Dollarhilfe an Frankreich und Großbritannien während der Verhandlungen mit Vertretern der L'S-Regierung. 25 ~ T O C - S C S , Staff Organization, o.D., L C , Harriman Papers, B o x 2 7 8 . Zur Rolle McNarnevs siehe Brief Monnet an Harriman, 20.1.1952, L C , Harriman Papers, Box 275. Monnet zeigte sich stark beeindruckt und gab seiner H o f f n u n g Ausdruck, daß dessen weitere Verwendung in der N A T O gesichert werde (»very important place in the new N A T O org.«).
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einen Italiener fallen, um eine »Big Four«-Konstellation zu verhindern. McNamey sprach sich zuerst gegen diesen Vorschlag aus, da in seinen Augen ein erweiterter Kreis von Militärexperten seine Arbeit nur verzögere 258 . Nach Rücksprache McNarneys mit dem Exekutivbüro konnte während der sechsten TCC-Sitzung eine Einigung erzielt werden. Zuvor hatte sich Harriman in Gesprächen mit seinen TCC-Kollegen davon überzeugen können, daß es vielen nationalen Vertretern im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz wichtig war, den Vorschlag anzunehmen. Daraufhin setzte sich Harriman für den vierten Mann ein und erhielt von Eisenhower einen Personalvorschlag. So konnte schließlich der Forderung Portugals entsprochen werden, und der belgische General Lucien Leboutte wurde in das Direktorium des SCS aufgenommen 259 . Darüber hinaus regte Harriman an, jedes Mitgliedsland durch einen Verbindungsoffizier— ausgestattet mit einem Beobachterstatus — vertreten zu lassen. Immerhin garantierten diese Beobachter eine gewisse Transparenz, die eine frühzeitige Einwirkung auf die Arbeitsgruppe überhaupt erst ermöglichte. Den wohl größten Erfolg dieser Einflußnahme stellte das Abweichen McNarneys von seiner eigenen Zielsetzung dar. In der ersten SCS-Sitzung hatte der amerikanische General verdeutlicht, er wolle keine Änderungen am Medium Term Defence Plan vornehmen, sondern diesen zu minimalen Kosten erfüllen. Auch gegenüber den für die Streitkräfteplanungen verantwortlichen Militärs der Ständigen Gruppe sprach er sich Mitte Oktober gegen Änderungen oder Verzögerungen aus 260 . Den westeuropäischen NATO-Partnern gelang es jedoch anhand der vorliegenden Zahlen, den amerikanischen General von seiner Zielsetzung abzubringen. Dazu bedurfte es zahlreicher inoffizieller Gespräche der sogenannten Inner Group, aber auch des Einflusses der übrigen nationalen Vertreter, die ihre Ansprechpartner im TCC frühzeitig auf den Klärungsbedarf hinsichtlich der Aufgaben des SCS hinwiesen. So mußte McNamey bereits während der sechsten TCCSitzung Zugeständnisse an die Bündnispartner machen, indem er erklärte, nicht die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit der NATO-Staaten bewerten zu wollen bzw. keine Empfehlungen an das Exekutivbüro auszusprechen, ohne vorher die betreffenden Staaten zu konsultieren261. Entscheidender Einfluß auf die Haltung McNarneys wurde in der Inner Group, also zwischen den amerikanischen, britischen und französischen Vertretern des SCS, ausgeübt. Vor allem der britische Vertreter Powell vermochte in zahlreichen Gesprächen McNamey aufgrund der überzeugenden Aktenlage von seiner starren Haltung abzubringen. Unterstützt
Zu den Vorschlägen und der Reaktion McNarneys siehe Memo Lincoln, 26.10.1951, LC, Harriman Papers, Box 278. 2M Zu den Verhandlungen während der sechsten TCC-Sitzung siehe TCC-R (51) 6, 26.10.1951, BA-MA, BW 3/91. Norwegen verzichtete aufgrund des TCC-Sekretärs Nielsen auf eine Kandidatur. 2«' S C S - D / 1 »Opening Statement Gen. McNarney«, 20.10.1951, BA-MA, BW 3/94. Vgl. auch den Bericht des britischen Vertreters über die erste Sitzung: Telegr. O E E C (U.K. Del), 20.11.1951, PRO, Τ 225/194. Zur Aussprache mit der S G siehe Telegr. BJSM, Washington to Ministry of Defense, 17.10.1951, PRO, Τ 225/194. 261 Summary Report of the 6th meeting of the T C C , T C C - R / 6 , 26.10.1951, BA-MA, BW 3/91. Vgl. auch Telegr. Plowden an FO, 28.10.1951, PRO, Τ 235/34. 258
III. Die Bündnislösung
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wurde Powell dabei von Plowden, der sich im entscheidenden Moment der SCSDiskussion direkt an Harriman wandte und ihn bat, ebenfalls auf McNarney einzuwirken. Als Experte mußte McNarney zudem einsehen, daß das statistische Material gegen eine forcierte Aufrüstung der westeuropäischen Bündnisstaaten sprach. So schlug der als Vorsitzender des SCS dem Exekutivbüro schließlich Streitkräftereduzierungen, niedrigere Bereitschaftsgrade oder eine zeitliche Streckung der Aufstellungsphase der Streitkräfte vor 262 . Dieser Erfolg der multinationalen Stabsarbeit wurde jedoch nicht nur durch das selbstbewußte Auftreten der nationalen Vertreter gegenüber General McNarney erreicht, sondern vor allem auch durch das Selbstverständnis, mit dem der amerikanische General in die multinationale Zusammenarbeit ging. In persönlichen Gesprächen mit seinem britischen Kollegen und in seiner Antrittsrede vor dem SCSPersonal verdeutlichte er, daß »the Committee and the working teams should regard themselves as international and free to make recommendations in the general interest of N.A.T.O. defence which might not be consonant with national views263.« Er selbst wurde von allen seinen nationalen Verpflichtungen entbunden, wie Harriman vor dem TCC betonte, und war als internationaler Beamter nur der N A T O verpflichtet 264 . Daß McNarnevs Aussage kein Lippenbekenntnis blieb, zeigt die Auswertung der Sitzungsprotokolle des SCS. Demnach war der amerikanische General nach der Aufgabe seiner ersten Zielgröße vor allem an einem brauchbaren Abschlußbericht für das Exekutivbüro interessiert. Der Inhalt des Berichtes und die möglichen Empfehlungen jedoch blieben im Verantwortungsbereich der Arbeitsgruppen und waren nicht Ergebnis der Omnipräsenz der Amerikaner 265 . Allerdings darf nicht übersehen werden, daß die nationalen Vertreter im SCS, meist im Dienstgrad eines Oberstleutnant oder Oberst, wenig Einflußmöglichkeiten auf die Vorgänge in den Arbeitsgruppen hatten. Auf dieser Ebene kann jedoch von einer guten Zusammenarbeit der USA, Großbritanniens und Frankreichs gesprochen werden, von den übrigen NATO-Partnern durch stille, aber »wachsame« Präsenz hingenommen. McNarney selbst konnte auf eine erfolgreiche SCS-Arbeit zurückblicken, hatte er doch eine Kompromißlösung gefunden, die sowohl die Nöte der Bündnispartner als auch die Forderungen der Militärs berücksichtigte. Diese Mischung aus Reduzierungen der Gesamtstreitkräfteplanungen, zeitlicher Streckung der Aufstellungsphase, Erhöhung der Flugzeugzahlen und verschiedener nationaler Divisionen sowie einer Prioritätenfestlegung für die Ausrüstung sofort einsatzbereiter Verbände wurde schließlich von allen Beteiligten akzeptiert.
2M
Zum Kinfluß der Briten auf McNarney siehe Telegr. Plowden an FO, 9.12.1951, PRO, Τ 235/34. Vgl. auch Summary report of a meeting of the Directorate, SCS-R/9, 1.11.1951, ΒΛ-ΜΛ, B W 3/94. Dabei traf sich die Inner Group fast regelmäßig vor den SCS-Sitzungen, um vorab Probleme zu diskutieren. Zit. nach Telegr. Powell an K ) , 20.10.1951, PRO, Τ 225/194. Vgl. auch SCS-D/1 .»Opening statement Gen. McNarney«, 20.10.1951, ΒΛ-ΜΛ, BW 3/94. Harriman während der 4. TCC-Sitzung am 9. Oktober, TCC-R (51) 4, 11.10.1951, ΒΛ-ΜΛ, B W 3/91. Siehe die Sitzungsprotokolle SCS R/1-R/25, BA-MA, BW 3/94.
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Im Temporary Economic Analysis Staff (TEAS) konnte der durch seine OEEC-Tätigkeit in multinationaler Zusammenarbeit wohl erfahrenste Mitarbeiter des TCC-Projektes, Robert Marjolin, von Beginn an ein ausgewogenes und auf Gleichberechtigung basierendes Arbeitsklima schaffen. Seine Mitarbeiter, zum großen Teil ebenfalls OEEC-Mitarbeiter, taten das übrige. Der Versuch Washingtons, den Wirtschaftsstab hauptsächlich Empfehlungen zur Produktionssteigerung der westeuropäischen Wirtschaft erarbeiten zu lassen, scheiterte am Einspruch der übrigen Bündnispartner. Noch vor der Gründung des Wirtschaftsstabes präsentierte die amerikanische Delegation ein informelles Schreiben, das die amerikanischen Vorstellungen über die bündnisinterne Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich des TCC-Projektes beinhaltete. Der Schwerpunkt einer zukünftigen Arbeitsgruppe sollte demnach im Aufzeigen von Engpässen in der Rüstungsproduktion und damit zusammenhängenden Produktionszweigen der Mitgliedstaaten liegen, um auf dieser Grundlage geeignete Maßnahmen für eine umfassende Produktionserweiterung in Westeuropa vorzuschlagen 266 . Harriman wollte den Wirtschaftsstab ebenfalls als »Skalpell« — ein Bild des State Department — einsetzen, um damit ganz gezielt die Schwächen der westeuropäischen Rüstungsproduktion offenzulegen und die von der OEEC angekündigte Produktionssteigerung der westeuropäischen Wirtschaft auch für die Aufrüstung zu nutzen 267 . Die westeuropäischen Bündnispartner hingegen sahen in einer professionellen Auswertung der Fragebogen die einzige Möglichkeit, die negativen Auswirkungen der Aufrüstung angemessen darzustellen und die wirtschaftlichen und finanziellen Grenzen der Streitkräfteplanungen der NATO aufzuzeigen. So setzten sich Plowden und Monnet für eine Schwerpunktverlagerung der Aufgaben für den TEAS ein, welcher die amerikanische Delegation schließlich zustimmte. Marjolins Mitarbeiter konnten sich auf die Aus- und Bewertung der Länderdaten konzentrieren; Empfehlungen für eine Rüstungsproduktionssteigerung blieben eine »particular task« des Arbeitsstabes268. Damit war ein erster Kompromiß erzielt, der zum einen die Interessen Washingtons berücksichtigte, realistische Steigerungsmöglichkeiten im Rüstungsbereich zu finden, aber ebenso dem Willen der westeuropäischen Bündnispartner entsprach, ihre Argumente gegen weitere Aufrüstungsschritte und für eine Fortsetzung der US-Außenhilfe vor einem NATO-Gremium darzulegen. Allerdings kam es nach dem Kompromiß darauf an, die jeweiligen Interessen in der Praxis der Auswertearbeit zu berücksichtigen. Doch hier zeigten sich rasch die Folgen der Eigendynamik einer bündnisinternen Zusammenarbeit. Was General McNarney für seinen Stab gefordert hatte, wurde im TEAS praktiziert: Ohne Rücksicht auf die nationalen Interessen und Befindlichkeiten der einzelnen Bündnispartner werteten die Finanz- und Wirtschaftsexperten die vorliegenden Antwortbogen aus. Dies zeitigte für einzelne Staaten zwar unangenehme Ergebnisse, wie die vom TEAS vorgeschlagene Steigerung des belgischen Verteidigungshaushaltes um 2«· Telegr. Plowden an HO, Nr. 709, 10.10.1951, PRO, Τ 225/193. w Memo Harriman, EB-D (51) 5, 18.10.1951, BA-MA, BW 3/94. 2«* Telegr. Plowden an FO, Nr. 760, 19.10.1951, PRO, Τ 225/194.
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
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44 Prozent, doch insgesamt wurde den westeuropäischen Bündnispartnern bescheinigt, daß sie im Gegensatz zu den USA und Kanada vor allem aufgrund wirtschaftlicher und finanzieller Schwierigkeiten nur unter bestimmten Voraussetzungen zu zusätzlichen Anstrengungen für die gemeinsame Verteidigung in der Lage seien 269 . Nachweisbare Defizite wurden offen angesprochen, so die weiteren Steigerungsmöglichkeiten der Verteidigungsausgaben in den USA und Kanada, aber auch in den skandinavischen Bündnisstaaten. Die Schlußfolgerungen des TEAS können ebenfalls als Kompromiß angesehen werden, wenn dieser auch nicht durch Einflußnahmen von außen zustande gekommen ist. Vielmehr lieferte die professionelle Stabsarbeit ein Ergebnis, mit dem alle Beteiligten und Betroffenen leben konnten. Zwar schlug der TEAS für alle Bündnisstaaten bis auf Großbritannien, Portugal und Island eine deutliche Anhebung der jeweiligen Verteidigungsausgaben vor, was den Interessen Washingtons entgegenkam, doch formulierte der Stab auch Bedingungen, die als Voraussetzungen für eine Steigerung bewertet wurden. Diese Bedingungen kamen wiederum den westeuropäischen Bündnispartnern entgegen, ließ sich doch damit der Ball an die Amerikaner zurückgeben. Insgesamt war der TEAS für die multinationale Kooperation innerhalb der NATO richtungsweisend, was jedoch angesichts der personellen Zusammensetzung und der Arbeitsorganisation, die wiederum stark am Vorbild der OEEC ausgerichtet war, wenig überrascht. Ahnlich der Western Union im militärischen Bereich, diente die OEEC in weit größerem Rahmen als Vorbild für die zivile Zusammenarbeit im Bündnis als bisher in der Forschung berücksichtigt. Die bündnisinterne Zusammenarbeit in den Arbeitsgremien des TCC verdeutlichte allen Beteiligten rasch, daß die nationalen Ziele nur durch einen Kompromiß durchzusetzen waren, wollte man das allgemeine Bündnisziel — eine Stärkung der gemeinsamen Verteidigung — nicht aus den Augen verlieren. Die Arbeitsgruppen leisteten dazu nicht nur die notwendige Vorarbeit, sondern zeigten in der Form bereits den Weg für eine zukünftig erfolgreiche multinationale Zusammenarbeit innerhalb der NATO. Der eigentliche Kompromiß mußte jedoch im TCC, also auf nationaler Ebene, gefunden werden und wurde im direkten Gespräch zwischen dem erweiterten Exekutivbüro und den zuständigen Ministern der Bündnisstaaten vorbereitet. I Verhandlungen mit den
Mitgliedstaaten
Noch während die Fragebogen zu den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Aufrüstung durch den Stab um Marjolin ausgewertet wurden, berieten sich Vertreter des Exekutivbüros Anfang November mit Vertretern aller Mitgliedstaaten und drei Monate später auch mit den deutschen Ministern Fritz Schäffer,
-{> M e m o »Politico-economic possibilities«, 29.11.1951, I-AS (51) Π , ΒΛ-ΜΑ, B W 3/93. Zu Belgien siehe M e m o »EPU«, 27.11.1951, R A S (51) 13, ebd. Darin unterstreicht der TF.AS v.a. die Wichtigkeit der HZU auch für die rüstungswirtschaftliche Zusammenarbeit in Westeuropa.
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Ludwig Erhard und Franz Blücher, die einen finanziellen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik aushandelten 270 . Den Mitgliedern des Exekutivbüros dienten die von den Arbeitsstäben zusammengestellten Fragenkataloge als Leitfaden, um offengebliebene Fragen oder unklare Antworten doch noch beantwortet oder präzisiert zu bekommen. Zudem nutzten die Vertreter der Großen Drei die Gelegenheit, über die Antwortbogen hinausgehende Fragen zu stellen. Diese sollten den Regierungen in Washington, London und Paris allgemeine Informationen über den Verteidigungswillen, über innenpolitische und volkswirtschaftliche Schwierigkeiten sowie über bündniskonformes Verhalten der übrigen Mitgliedstaaten liefern, an die sonst nur unter erschwerten Bedingungen zu gelangen war 271 . So informierte etwa zum Beispiel der britische Vertreter sofort nach der Befragung der US-Delegation über die bis dahin unklare Entwicklung der amerikanischen Zahlungsbilanz. Diese neuen Kenntnisse konnten im Foreign Office wiederum in Argumente für ein größeres Engagement der Amerikaner umgesetzt werden 272 . Darin lag auch die Brisanz und die Bedeutung der Länderbefragungen: Kabinettsmitglieder von Regierungen souveräner Staaten stellten sich in einer in der Geschichte des Bündnisses einmaligen Situation den Fragen zeitlich befristeter Beamter einer multinationalen Organisation; für die Entwicklung der NATO zu einer funktionstüchtigen Organisation ein entscheidender Schritt, denn die direkten Verhandlungen zwischen Vertretern der NATO und den Mitgliedstaaten waren qualitativ höher zu bewerten als die TCC- oder die Atlantikratssitzungen, die ausschließlich nationale Vertreter an einen Tisch führten. Umso interessanter gestaltete sich die Frage, inwieweit die Bündnispartner in dieser frühen Phase des TCC-Projektes bereit waren, eigene Interessen für das gemeinsame Ziel der Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses aufzugeben oder zumindest einzuschränken 273 . Um die Bedeutung dieser Gesprächsrunde für das TCC-Projekt hervorzuheben, bat General Eisenhower die meisten Verteidigungsminister um enge Zusammenarbeit innerhalb der Allianz: 270
271
272
273
Zum deutschen Verteidigungsbeitrag siehe Folder »Analysis of politico-economic capabilities of Germany to assess the German Contribution to Western Defence«, NISCA, TCC/6. Vgl. zum deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrag auch Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 88-185. Zu den Länderbefragungen siehe Summary Records of Country Reviews, EB/CR-1-21, 6.11.-1.12.1951, BA-MA, BW 3/94. In den FRUS-Bänden finden sich dazu leider keine brauchbaren Dokumente, obwohl das Editorial Note die Bedeutung dieser Sitzungen für das TCCProjekt unterstreicht. Siehe FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 346-356. Telegr. Roll an FO, Nr. 852, 13.11.1951, PRO, Τ 225/195. Roll berichtet von den eindringlichen Fragen Plowdens an Richard M. Bissell Jr., dem amtierenden Ixiter der ECA und US-Vertreter für Wirtschaftsfragen während der Länderbefragungen. Vgl. auch EB/CR-7, 13.11.1951, BA-MA, BW 3/94. Zur Frage der Souveränitätseinschränkung durch Interdependenz in den internationalen Beziehungen siehe zur NATO, Campbell, Consultation and Consensus in NATO. Allgemein zur Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität als Kennzeichen der Nachkriegszeit siehe Milward, The European Rescue of the Nation-State. Vor allem in den Politikwissenschaften wird der Souveränitätsverlust durch Interdependenz diskutiert, etwa in: Interdependence on Trial; Risse-Kappen, Cooperation among Democracies; New Thinking in International Relations Theory.
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»I feel that this operation is a very important one to our c o m m o n purpose since it seems certain to result in concerted action programs f o r increased military effectiveness and security 274 .«
Dieser frühe Lackmustest für die Bündnisreife der Mitgliedstaaten fiel allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, nicht zufriedenstellend aus. Dabei wurde die Bündnisreife in jenen Jahren zwar nicht näher definiert, jedoch am bündnis- und vertragskonformen Verhalten der einzelnen Partnerstaaten indirekt bewertet. Vor allem die Bereitschaft, nationalstaatliche Ziele aufgrund gemeinsamer Bündnisziele zurückzustellen, war ein Gradmesser hierfür 275 . Die Befragung der Minister durch die NATO-Beamten auf Zeit entwickelte sich allerdings rasch zu einer Präsentation nationalstaatlichen Souveränitätswillens. Nicht nur die Regierungen unterstrichen ihren Unwillen, mehr in die gemeinsame Verteidigung zu investieren, der N A T O wurde auch verdeutlicht, daß sie nur Vorschlagsrecht besitze und letztlich die Regierungen über diese Vorschläge zu entscheiden hätten. Darüber hinaus wurde die Plattform TCC dazu benutzt, direkt Forderungen an die USA zu stellen. Im Falle Frankreichs, aber auch Großbritanniens und in geringerem Maße Italiens arteten diese Forderungen in regelrechte Nötigungen gegenüber Washington aus. Wie bereits in den schriftlichen Stellungnahmen betonten die Vertreter Belgiens und Dänemarks, daß die Grenzen der Belastbarkeit bereits überschritten seien. Der dänische Vertreter bei der OEEC und im FEB, Evvind Bartels, schränkte diese Aussage aber ein und verdeutlichte gegenüber Plow'den, sein Land könne durchaus mehr leisten als angegeben 2 " 6 . Gegenüber Harrimans Vertreter Gordon führte Bartels aus, daß auch sein Finanzminister und sein Außenminister dieser Auffassung seien, sie Verteidigungsminister Petersen und andere Kabinettsmitglieder aber nicht überzeugen könnten. Er bat daher dringend darum, die Befragung dazu zu nutzen, massiven Druck auf die dänischen Vertreter auszuüben, um in Kopenhagen eine Steigerung der Verteidigungsausgaben innenpolitisch durchsetzen zu können. Damit hatte sich der Repräsentant eines Mitgliedslandes über die Belange seiner Regierung gestellt, um Bündnisinteressen zu verfolgen 27- . Dieses beispielhafte Verhalten eines »NATO-Beamten« war allerdings die Ausnahme, zu stark blieben in dieser Frühphase der multinationalen Zusammenarbeit die Bindungen der TCC-Mitarbeiter an ihre zuständigen Ministerien in den jeweiligen Heimatländern gekoppelt. Die Anregungen des Dänen führten zu neuen Forderungen gegenüber Kopenhagen, mehr für die gemeinsame Verteidigung zu leisten. Bereits während der Befragung durch das Elxekutivbüro wurden der im VerBrief Fisenhower an Cornells Staf, 2.11.1951, Fisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 684 f. Fine Annäherung an den Begriff »Bündnisreife« über kollektive Werte bei Risse-Kappen, Cooperation among Democracies, S. 194-226. -"'> Telegr. FO an L'K F m b Copenhagen vom 19.11. 1951, PRO, Τ 235/36. 2~~ Memo Gordon für Harriman, 7.11.1951, I,C, Harriman Papers, Box 275. Das Interessante an diesem Beispiel ist die Tatsache, daß sich gerade der F'inanzminister für eine Steigerung der Verteidigungsausgaben aussprach, während der Verteidigungsminister keine Frhöhung seines Fiats wollte. Uber das komplizierte Bündnisverhalten Dänemarks in einem spieltheorerischen Ansatz siehe Snyder, The Securitv Dilemma. r4
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gleich zu anderen Bündnispartnern geringe Anteil der Verteidigungsausgaben an den Staatsausgaben und die hohe Konsumquote kritisiert. Die dänische Delegation ging jedoch auf diese Argumentation nicht ein, betonte vielmehr die Budgetgrenzen und beanstandete die statistischen Verfahren der NATO. Dabei arbeitete vor allem Kopenhagen mit statistischen Tricks, wie der SCS feststellen mußte. Die erste Zusammenstellung der Gesamtverteidigungsausgaben wurde zu Preisen vom April 1951 vorgenommen, während die zweite Aufstellung mit Oktoberpreisen rechnete. Unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Preissteigerung reduzierte sich dadurch die Gesamtsumme für Verteidigungsausgaben, was allerdings den wachsamen Augen der Finanzexperten des SCS nicht entging 278 . London forderte daraufhin eine Steigerung der dänischen Verteidigungsausgaben, signalisierte allerdings Plowden, diese Forderung angesichts der guten Handelsbeziehungen und der wichtigen Nahrungsmittelverträge mit dem skandinavischen Staat von einem anderen nationalen Vertreter formulieren zu lassen279. Im Falle Belgiens mißtrauten die Drei Weisen den ihnen vorliegenden Angaben, nachdem bereits im Sommer in der Presse über falsche Angaben an die NATO berichtet worden war. Diese wurden deshalb durch das FEB und andere Informationsquellen, wie dem Mutual Aid Committee in London oder der OEEC in Paris, ergänzt und abgeglichen 280 . Dennoch pochte der belgische Finanzminister Jan van Houtte während der Befragung darauf, daß seine Regierung das Maximum an Verteidigungsausgaben politisch durchgesetzt habe und an keine weiteren Steigerungen zu denken sei. Der Ton der Befragung verschärfte sich nach den Ausführungen des Ministers aus Brüssel, denn die Aktenlage des Exekutivbüros sprach eine ganz andere Sprache. Pierre Uri brachte die Kritik am Bündnispartner Belgien auf den Punkt: »the disproportion between the burden assumed by Belgium and that shouldered by the other countries was particularly serious 281 .«
Harriman stimmte dem Mitarbeiter Monnets zu und Schloß: »Belgium was not making a physical effort equal to that of other countries282.« Angesichts der guten Wirtschaftslage und der ausgezeichneten Position innerhalb der EZU forderten die Briten schließlich eine Erhöhung auch der belgischen Verteidigungsausgaben 283 . Die harsche Kritik am Verteidigungsaufwand der Belgier zeigte bei den belgischen Vertretern keine Wirkung. Im Gegenteil kritisierten diese wiederum die unausgereiften statistischen Verfahren der Arbeitsgruppen und sahen in der Schlußfolgerung des Exekutivbüros, aufgrund der guten volkswirtschaftlichen Gesamtlage Zu der Befragung der dänischen Delegation um Finanzminister Kristensen und Außenminister Kraft am 11.11.1951 siehe EB/CR-8&9, 13.11.1951, BA-MA, BW 3/94. 27S Telegr. FO an Plowden, Nr. 415, 19.11.1951, PRO, Τ 235/36. Das FO wußte das Verhalten Bartels zu schätzen und bat um Stillschweigen gegenüber anderen dänischen Vertretern. 280 Siehe »Economic note for use in connection with the examination of the Belgian reply«, 10.11.1951, NATO NISCA, TCC/3. 281 EB/CR-15&16, 21. und 26.11.1951, BA-MA, BW 3/94. 282 Ebd. 2»3 Telegr. FO an U.K. Del OEEC, 14.11.1951, PRO, Τ 225/195. 278
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Belgiens einen erhöhten Verteidigungsbeitrag zu fordern, eine Bestrafung der erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik Brüssels. Die Befragung der belgischen Vertreter durch das Exekutivbüro hinterließ bei beiden Parteien einen unangenehmen Eindruck, der sich vor allem auf das weitere Verhalten der belgischen Vertreter im TCC-Projekt auswirken sollte. Die Drei Weisen waren sich einig, daß das kleine Partnerland kein bündniskonformes Verhalten an den Tag legte, während der belgische Finanzminister größte Zweifel am gesamten TCC-Projekt hegte. In einem internen Schreiben wurde die Verhandlungsführung der Drei Weisen beklagt. Trotz der nach eigenem Urteil hervorragenden Präsentation durch Finanzminister van Houtte habe das Urteil von vornherein festgestanden. Plowden und Harriman hätten die belgische Delegation zudem mit Vorwürfen überschüttet und massiv unter Druck gesetzt, um mehr Verteidigungsleistungen versprochen zu bekommen. Die Konsequenz für die Regierung aus dieser Vorgehensweise sei Standhaftigkeit und das Beharren auf nationaler Souveränität. Falls dies aus außenpolitischen Gründen nicht möglich sei, wäre eine Finanzierung weiterer Aufrüstungsmaßnahmen durch US-Außenhilfe und durch die Auszahlung der belgischen Überschüsse bei der Europäischen Zahlungsunion dringend notwendig 284 . Die Befragungen der anderen Bündnispartner brachten keinen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen, sondern eine Verhärtung der Positionen. Verhandlungsbereit zeigten sich die Regierungsvertreter nur in Detailfragen, wenn es beispielsweise um Ausbildungsschwerpunkte oder um die Zusammensetzung von Verbänden ging. Konkrete Fragen nach der Steigerungsfähigkeit und -Willigkeit beantworteten sie hingegen mit dem Hinweis auf die bereits erreichten Grenzen oder mit Gegenforderungen nach weiterer Außenhilfe. Immer wieder wurde, wie im Falle der Niederlande, argumentiert, das bestehende Verteidigungsprogramm sei »the limit to what could be done« 285 . Auch der stellvertretende portugiesische Ministerpräsident Costa Leite ließ keinen Zweifel daran, daß »anv increase in the size of this force is physically impossible 286 .« Selbst der wirtschaftlich leistungsstarke Bündnispartner Kanada, der neben den USA zusätzliche Wirtschaftshilfe für Westeuropa bereitstellen sollte 2ir , berief sich auf seinen bestehenden hohen Verteidigungsbeitrag. Finanzminister Abbott lehnte daher vor dem Exekutivbüro weitere Ausgaben Kanadas ab, zumal er gegenüber Plowden das Verhalten der westeuropäischen Bündnispartner kritisierte. Diese würden, anstatt mehr eigene Kohle zu produzieren, lieber mit Hilfe der Dollartransfers die teure Kohle aus den USA importieren. Die Regierung in Ottawa, sonst Befürworter und Vorreiter einer Verbesserung der nichtmilitärischen ZuSchreiben Ockrent an Silvcrcruvs, 16.11.1951, in: Documents diplomatiques beiges 1941-1960, Tome II, S. 4 5 6 - 4 5 8 . MS KB/CR-2, 11.11.1951, BA-MA, BVV 3/94. F.B/CR-21, 1.12.1951, BA-MA, BVV 3/94. 2 , r Zu den l : orderungen Washingtons an Kanada siehe Report Bernstein, 21.11.1951, NA, RG 4 6 9 / S T 6 0 , Box 5. Darin berichtet eine Mitarbeiterin der MSA über ihre Beratertätigkeit in Paris. Zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit Kanadas durch das Foreign Office siehe Telegr. Nr. 393, 15.11.1951, PRO, Τ 225/195. 284
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sammenarbeit innerhalb der Allianz, lehnte vorerst die Vorschläge des Exekutivbüros ab und stellte das laufende Verteidigungsprogramm als das Maximum dar288. Wiederholt drohten die nationalen Vertreter auch damit, daß bei einer Kürzung der laufenden US-Außenhilfe neu über die Zusammensetzung der Staatsausgaben nachgedacht werden müsse, was sicherlich nicht zum Wachstum der jeweiligen Verteidigungshaushalte beitrage. Waren die Bündnispartner mit solchen Drohungen recht zurückhaltend, so zeigten sich die Delegationen aus Frankreich, Großbritannien und in gewissem Maße auch die italienische kompromißloser. Die Vertreter Frankreichs ließen keinen Zweifel daran aufkommen, daß weitere Steigerungen unmöglich seien. Verteidigungsminister Georges Bidault und Finanzminister Mayer gingen dabei nach britischer Einschätzung jedoch zu weit, indem sie den USA drohten, das französische Verteidigungsprogramm anteilig der ausbleibenden US-Außenhilfe zu kürzen. Dieser Ansatz war nicht im Sinne der gemeinsamen Lastenteilung, zeigte aber auch, daß die französische Regierung mit dem Rücken zur Wand stand289. Mehrmals antwortete Mayer auf die drängenden Fragen der NATO-Experten nach Steigerungsmöglichkeiten des französischen Verteidigungshaushaltes: Frankreich leiste bereits das Maximale, und angesichts der Ausgaben für den Krieg in Indochina seien die nationalen Ressourcen erschöpft. In den vorbereitenden Gesprächen hatte Monnet bereits darauf hingewiesen, daß die französische Regierung den Anstrengungen in Indochina den Vorrang vor denen für das Bündnis gebe. Diese Prioritätenfesdegung würde nur bei einer amerikanischen Übernahme der finanziellen Lasten für den Indochinakrieg verändert. Im Antwortbogen ging die Regierung in Paris davon aus, daß die Finanzierung des gesamten Rüstungsprogramms für 1952 in Höhe von umgerechnet rund 1,3 Milliarden US-Dollar durch Zahlungen aus Washington gedeckt würde 290 . Zum Erstaunen der anwesenden Vertreter Washingtons argumentierten die Franzosen, ein genauer Finanzplan zur Realisierung der Pariser Verteidigungsplanungen könne erst dann vorgelegt werden, wenn Klarheit über die Dollartransfers herrsche. Plowden telegrafierte nach London, die französische Delegation setze den Amerikanern mittels des TCC-Projektes das Messer auf die Brust: »They did, however, make it clear that if aid were not enough to cover their nonfinanced production programme of about $ 1330 million in 1 9 5 2 it would be cut by the extent of the shortfall. If, however, the aid which they received from outside fell below the $ 900 million required to cover their dollar deficit in 1951/52, the whole of their Memo of Meeting Cabinet Defence Committee, 81st meeting, 12.12.1951, Ρ AC, RG 2 Β 2, Vol. 244. Je mehr Kanada eine direkte Verteidigung des nordamerikanischen Kontinents, v.a. hinsichtlich des Luftraumes, planen mußte, desto weniger Ressourcen standen für die Verteidigung Westeuropas bereit. Siehe Letourneau, Die strategische Dimension der kanadischen Außenund Bündnispolitik, S. 34. 289 Telegr. U.K. Del OEEC an FO, 12. und 13.11.1951, PRO, Τ 235/36. Zur Befragung der französischen Delegation siehe EB/CR-10&11, 17. und 19.11.1951, BA-MA, BW 3/94. 2» Telegr. OEEC (U.K. Del) an FO, Nr. 390, 7.11.1951, PRO, Τ 235/36. Die Briten warfen Frankreich vor, weniger mit dem Verteidigungshaushalt Schwierigkeiten zu haben als mit den notwendigen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen, die in London als Voraussetzungen für die Durchführung der bestehenden französischen Aufrüstungspläne angesehen wurden. 288
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economic programme would have to be changed, including a reduction in defence expenditure. This reduction would, roughly speaking, equal the amount by which foreign aid fell below $ 900 million, since only thus would the inflationär)· pressure be eliminated 291 .«
In einer vertraulichen Sitzung ging Harriman auf die französischen Forderungen dahingehend ein, daß er unter Vorbehalt der Kongreßbeschlüsse ankündigte, die erste Schätzung des französischen Dollardefizits für 1951/52 über rund 600 Millionen US-Dollar durch US-Außenhilfe abdecken zu können. Er reagierte auf die Nötigung der Franzosen relativ gelassen, was damit zusammenhing, daß Washington und Paris bereits ab August direkte Verhandlungen über das Dollarproblem führten. Ende Oktober schrieb Mayer an Harriman mit der dringenden Bitte, endlich auf die vermehrten Gesuche aus Paris zu reagieren. Doch Washington wollte erst die bündnisinterne Überprüfung abwarten und überbrückte die Zeit bis November mit verständnisvollen, aber unkonkreten Antwortschreiben. Parallel zu den Auswertungen der französischen Antwortbogen schrieb der amerikanische Botschafter in Paris, David K.E. Bruce, an das State Department, Washington solle angesichts der gewandelten Einstellung der französischen Regierung hinsichtlich eines deutschen Verteidigungsbeitrages darauf achten, daß Frankreich angemessene Streitkräfte in Westeuropa aufstellen könne. Er warnte vor der möglichen Reaktion der Pariser Regierung, bei eigenen Streitkräftereduzierungen in Westeuropa kein überlegenes deutsches Militär zu dulden 292 . Einen Tag nach der Befragung der französischen Delegation lud der französische Ministerpräsident zum Abendessen. Damit bot sich die Gelegenheit, erneut mit den amerikanischen Gästen über das Dollarproblem zu sprechen. In dieser Runde wurden die entscheidenden Weichen gestellt, eine Arbeitsgruppe des TCC bereitete mögliche Optionen für Washington vor, und eine Diskussion zwischen den Vertretern des Pentagon und der ECA tat schließlich ihr übriges. Am 20. November wurde Truman über die Notwendigkeit der US-Außenhilfe an Frankreich über insgesamt 650 Millionen Dollar informiert und gebeten, von seinen Möglichkeiten Gebrauch zu machen und Militär- in Wirtschaftshilfe umzuwandeln. Damit sollten 300 Millionen Dollar als direkte Wirtschaftshilfe nach Paris transferiert werden 293 . Nach zweiwöchigen bilateralen Verhandlungen gelang es schließlich den Franzosen, mittels des TCC-Projektes die drängende Frage der zukünftigen USAußenhilfe zu lösen und ihr Verteidigungsprogramm von den Dollartransfers aus Washington abhängig zu machen. Dieses Vorgehen, von Harriman frühzeitig als Erpressungsversuch entlarvt, war nicht gerade bündniskonform. Paris nutzte die NATO-Plattform, um die zähflüssigen bilateralen Verhandlungen voranzutreiben 21)1
Telegr. Plowden an F ( ) , Nr. 855, 13.11.1951, PRO, Τ 235/36. Fine kurze Zusammenfassung der Befragung siehe auch bei Hall, The Robert Hall Dianes, S. 180. Telegr. Bruce, 10.11.1951, FRUS 1951, Vol. 4, Part 1, S. 4 3 7 - 4 3 9 . Zu den bilateralen Verhandlungen siehe ebd., S. 4 2 4 - 4 7 9 . Telegr. W e b b an Truman, 20.11.1951, ebd., S. 4 4 5 - 4 5 0 . Auch Acheson wandte sich aus Pans an Truman und überzeugte ihn von der Dringlichkeit der US-Außenhilfe an Frankreich. Zur TOCArbeitsgruppe siehe Telegr. Roll an FO, Nr. 902, 29.11.1951, PRO, Τ 235/36.
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und zu einem für Frankreich erfolgreichen Abschluß zu bringen. Die USA gingen auf die Forderungen schließlich ein, um die gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen in Westeuropa nicht zu gefährden. Acheson betonte in einem Gespräch mit französischen Regierungsvertretern Mitte November nicht ohne Grund, daß er die nächsten 90 Tage als die wichtigsten für die Entwicklung der Nordatlantischen Allianz ansehe, um einen gemeinsamen und ausgewogenen Streitkräfteplan, einen handfesten TCC-Abschlußbericht und die Lösung der Frage eines deutschen Verteidigungsbeitrages zu erzielen. Für die Durchsetzung dieser außenpolitischen Ziele war Washington schließlich bereit, viele Dollars fließen zu lassen294. Für das TCC-Projekt waren die Ergebnisse der bilateralen Verhandlungen hinsichtlich einer gerechten Lastenteilung allerdings wenig hilfreich. Gerade die kleineren Bündnispartner mußten zusehen, wie die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten Frankreichs angegangen wurden, während Washington die zurückhaltend formulierten Forderungen der kleineren Staaten einfach überhörte. Britische Experten kritisierten zudem, daß eine Hilfszusage in dieser Größenordnung den Spielraum der Großmacht USA entscheidend einschränke und vor allem die von London erwarteten Dollartransfers begrenze. Plowden bekam aus London die Anweisung, im weiteren TCC-Projekt auf die Überlastung der Franzosen hinzuweisen und gleichzeitig eine kritische Haltung gegenüber den Zusagen aus Washington einzunehmen. Die Experten des Foreign Office waren der Überzeugung, daß die Franzosen noch nicht alle Eigenkräfte mobilisiert hatten und auf Kosten der übrigen »hilfsbedürftigen« Staaten am TCC-Projekt vorbei den größten Kuchen vom amerikanischen Hilfsangebot abzubekommen versuchten. Plowden sollte deshalb den Finger in die französische Wunde legen und nach mehr Eigenleistungen fragen, um die in den Augen Londons ungerechtfertigten Forderungen zu drosseln 295 . Doch auch die Delegation aus London war in dieser Hinsicht nicht besser, obwohl der Auftritt des Schatzkanzlers und der Militärs sowohl von Harriman als auch in Regierungskreisen und im Foreign Office gelobt wurde 296 . Dies lag an der ausgezeichneten Vorbereitung der britischen Präsentation durch das Foreign Office und das Schatzamt. Drehbuchmäßig antworteten die Briten auf die erwarteten Fragen, und immer wieder wurden die britischen Ziele für das TCC-Projekt betont297. Dank dieser Vorarbeiten gelang es sowohl den Militärs als auch den Finanzexperten, im Gegensatz zu den französischen und anderen Kollegen, keine 295
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297
Telegr. Acheson, 17.11.1951, ebd., S. 442-444. Memo »The French Submission to the T.C.C.«, o.D., PRO, Τ 235/36. Zwei Anhänge zeigen die akribische Auswertearbeit des TEAS unter Marjolin im Falle Frankreichs, die in einen Katalog von Empfehlungen für wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen mündete. Harriman zeigte sich nicht nur von den ernsthaften Zahlungsbilanzschwierigkeiten beeindruckt, sondern v.a. von dem Willen Londons, die anstehenden Probleme zu lösen. Telegr. Plowden an FO, Nr. 426,15.11.1951, PRO, Τ 225/195. So Memo »U.K. Case at T.C.C.« by Compton, 9.11.1951, oder Memo »North Atlantic T.C.C.« by Clarke, 12.11.1951, PRO, Τ 235/37. Vor allem das zweite Memo listet die Fragen auf, die der Schatzkanzler nach Einschätzung seiner Mitarbeiter unbedingt in der Lage sein müßte zu beantworten.
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Fragen des Exekutivbüros und der beigezogenen Experten offenzulassen. Bereits der Auftritt der Delegation aus dem Verteidigungsministerium unter der Leitung von Sir Maurice Dean überzeugte vor allem Harriman und McNarney, daß sich die Briten schon in der Phase der Problemlösung befänden, indem sie zum Beispiel versuchten, britische Streitkräfte für die NATO aus Malaya - Kolonial- und GhurkaTruppen — freizubekommen. Deutlich wurde von Dean darauf hingewiesen, daß das Ausbleiben von Rüstungsmateriallieferungen schwerwiegende Folgen für die Aufstellung der geplanten Verbände habe 298 . In der Nachmittagssitzung gab Schatzkanzler Butler eine Stellungnahme ab, die den Anwesenden verdeutlichen sollte, daß London allen Bündnisverpflichtungen nachkommen wolle. Allerdings sei es unsinnig, dabei den Ruin der wirtschaftlichen Basis Großbritanniens in Kauf zu nehmen 299 . Deshalb forderte er schnelle Hilfe durch den Bündnispartner USA, die er in einer Sondersitzung näher definieren wollte. Zum Leidwesen der belgischen Beisitzer wurden, wie im Falle Frankreichs, nach einer allgemeingehaltenen Diskussionsrunde die Details unter den Großen Drei besprochen. Dies widersprach zwar dem Grundsatz der Gleichberechtigung der kleineren Bündnispartner, doch die Belgier beruhigte der Hinweis, daß die Ergebnisse der Dreier-Gespräche ohnehin im TCC diskutiert würden 300 . Einzig in der von Marjolin angeschnittenen Kohlefrage kam es zu Differenzen zwischen Monnet und Baron Snoy, einem der belgischen Beisitzer, auf der einen und Butler auf der anderen Seite. Monnet sprach die nachlassenden Kohleexporte aus Großbritannien an und wies nach, daß die Briten 1951 dreimal so viel Kohle verbrauchten wie die Franzosen und doppelt soviel wie die Westdeutschen. Butler verwies gut vorbereitet auf die bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Steigerung der britischen Kohleförderung und versicherte eine Besserung der Lage. Baron Snoy, unterstützt von Harriman, warnte hingegen vor weiteren Dollarverlusten der westeuropäischen Bündnispartner, falls britische Kohle durch teure Importe aus den USA ersetzt werden müßte. Für Monnet war die Lösung der Kohlefrage eine der vordringlichsten Aufgaben, auch für den Rüstungsbereich in Europa, und er kritisierte das zögerliche Verhalten der Londoner Regierung, Einwanderungsprogramme für italienische Bergarbeiter zu forcieren 301 . Insgesamt näherten sich jedoch die Briten ihrem vorrangigen Ziel, das Verteidigungsprogramm über 4,7 Milliarden Pfund als Maximalprogramm anerkannt zu bekommen. Darüber hinaus, so die Abgesandten, benötige London zur Durchführung des Rüstungsproduktionsplans zusätzliche 1,5 Millionen Tonnen Stahl pro Zur Befragung der britischen Delegation siehe EB/CR-13&14, 16.11.1951, ΒΛ-ΜΛ, BW 3/94. Siehe zur Zusammenfassung der militärischen Befragung auch Telegr. Coleridge an 1Ό, 14.11.1951, PRO, Τ 225/195. ->'' Butler verdeutlichte erneut, daß es seine vorrangige Aufgabe sei, »to restore soundness to the country's economy.« EB-D/55 (Final) vom 19.11.1951, N I S C A , T C C / 5 . Siehe auch die Tagebucheintragungen Halls, der als Finanzexperte bei der Befragung dabei war. Hall, The Robert Hall Diaries, S. 180 f. Vgl. auch Telegr. Plowden an FO, Xr. 425, 15.11.1951, PRO, Τ 225/195. 3,11 Telegr. Plowden an FO, Nr. 425, 15.11.1951, PRO, Τ 225/195. Zur britischen Kohleknappheit siehe das Memo »Goal Budget 1952« des Central F.conomic Planning Staff, 12.11.1951, PRO, Τ 229/411.
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Jahr, US-Wirtschaftshilfe in Höhe von 600 Millionen Dollar bis Mitte 1952 und schließlich weitere Ausrüstungslieferungen aus den USA. Harriman war von der britischen Präsentation in Paris überzeugt, auch wenn er die Forderungen als unrealistisch ansah 302 . Während eines Abendessens erklärte er, daß er in Washington höchstens 300 Millionen Wirtschaftshilfe durchsetzen könne. Doch Butler blieb vorerst bei seinen Ansprüchen, die er gegenüber seinen Kabinettskollegen als »an opening bid« bezeichnete 303 . Intern wurde das amerikanische Angebot allerdings bereits als ausreichend bewertet 304 . Der elegant verpackte Forderungskatalog, von britischer Seite als Bedingung für die Erfüllung des britischen Streitkräfteprogramms verstanden, zeigte den belgischen Beisitzern, worauf es im TCC-Projekt augenscheinlich ankam. Das Exekutivbüro wollte neben hohen Streitkräftezahlen bereits veranlaßte oder auch nur geplante Regierungsmaßnahmen präsentiert bekommen, die zu Hoffnungen auf weitere Steigerungen im Streitkräfteaufbau Anlaß boten. Wurde diese Voraussetzung erfüllt, so war die amerikanische Seite weiteren Bedingungen gegenüber aufgeschlossen. Allerdings wurde im Falle der Brüsseler Regierung bereits dem ersten Wunsch des Exekutivbüros nach einem angemessenen Verteidigungsbeitrag nicht entsprochen. Für das TCC-Projekt war die britische Präsentation hinsichtlich des Gleichberechtigungsgedankens unbefriedigend ausgefallen. Nach Frankreich war es einer weiteren Großmacht innerhalb der Allianz gelungen, Washington aufgrund seiner Bedeutung für die NATO Hilfszusagen abzuringen. Die militärischen und wirtschaftlichen Pfunde, mit denen die Delegationen aus Paris und London wuchern konnten, waren für die kleinen Bündnispartner, auch wenn sie vereint auftraten, unerreichbar. Welche Drohungen konnten in ihrem Falle die USA schon beeindrucken?! Die italienische Delegation versuchte sich an dieser Herausforderung und stimmte mit ihrer Befragung durch das Exekutivbüro die Washingtoner Regierung auf eine nicht unerhebliche Außenhilfe ein. Der Regierung in Rom kam zugute, daß Italien im Laufe der bilateralen Verhandlungen mit den USA immer mehr in eine Sonderrolle hineinwuchs. Der Hauptgrund für eine besondere Behandlung durch Washington war das große kommunistische Wählerpotential und die dadurch anhaltende innenpolitische Instabilität. Italien kam daher eine nicht unerhebliche Bedeutung in der amerikanischen Europapolitik zu. Diese Einschätzung nutzte Ministerpräsident de Gasperi und formulierte früh Bedingungen oder vielmehr Gegenleistungen für eine forcierte Aufrüstung der italienischen Streitkräfte, etwa politische Forderungen nach einer Lösung der Friedensvertragsregelung und der Triest-Frage, aber ebenso wirtschaftspolitisch motivierte nach weiterer USZu den Forderungen siehe Cabinet Conclusions, CC (51) 6th conclusion, 12.11.1951, PRO, CAB 128/23. Zu den Gesprächen siehe Telegr. U.K.Del OI-EC an FO, 14. und 15.11.1951, PRO, Τ 225/195. 362 Telegr. Plowden an Hall Patch, Nr. 310, 11.10.1951, PRO, Τ 225/193. 363 Telegr. Roll an Compton, 22.10.1951, PRO, Τ 235/34. Roll bittet dann alle Verteiler um absolute Diskretion, um zu verhindern, daß die Regierungskreise in Washington über Jxmdon von Harrimans Praxis erfahren. Siehe Berichtsentwürfe, T C G - D R / M 1, Dezember 1951, ΒΛ-ΜΛ, BW 3/93.
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tivbüro autorisierte Entwurf an die Vertreter der übrigen Staaten verteilt, um darüber im TCC zu diskutieren. Noch vor dem Treffen des TCC veröffentlichte die »New York Herald Tribüne« einen Artikel mit der für die weitere Arbeit nicht sehr förderlichen Schlagzeile »Harriman Group Finds Goals of NATO Generals too High«. Diese Zusammenfassung der TCC-Arbeit mit ihrer Spitze gegen die maßlosen Militärs zeigte Wirkung 365 . Tags darauf bezogen sich einige Vertreter im TCC auf die Schlußfolgerungen des amerikanischen Journalisten und versuchten, die Streitkräfteziele von den politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen abhängig zu machen. Portugal und Italien konnten eine Passage in der Einleitung durchsetzen, die auf die Bedeutung der innenpolitischen Stabilität, die Steigerung des Wirtschaftswachstums und des Lebensstandards sowie den Abbau der Arbeitslosigkeit für die gemeinsame Verteidigung in manchen Bündnisländern verwies. Harriman stimmte dem Vorschlag zu, unterschätzte dabei jedoch die Interpretationsmöglichkeit dieser Zeilen. Daraus konnten sehr schnell Bedingungen für weitere Aufrüstungsschritte werden. Doch dem TCC-Vorsitzenden lag an einer raschen Zustimmung des TCC zum Entwurf, um noch im Dezember den Abschlußbericht vorlegen zu können. Vor allem deshalb ließ er sich im Gegensatz zu Textveränderungen auf keine Vorschläge zu zeitlichen Verzögerungen ein. Die Vertreter Dänemarks, Norwegens und Kanadas scheiterten daher mit ihrem Vorstoß, nach der Zustimmung den Entwurf in die Hauptstädte zu senden. Harriman, unterstützt von Monnet, warnte davor, das gemeinsame Ziel aus den Augen zu verlieren und die Ergebnisse der harten Arbeit auf dem Altar der nationalen Bedenkenträger zu opfern. Jede Regierung, so der Vorsitzende, würde den Entwurf mit Blick auf die Auswirkungen auf das eigene Land zerpflücken. Ein Bericht aus Sicht der NATO wäre damit unmöglich, ganz zu schweigen von der zeitlichen Verzögerung des gesamten Projektes. Damit war allen Anwesenden klar, daß es um Zustimmung oder Ablehnung des Entwurfes ging. Die Vertreter des TCC hatten also auftragsgemäß für die Regierungen zu sprechen. Der Entwurf wurde daraufhin mit einigen Detailänderungen einstimmig angenommen 366 . Der Arbeitsstab des Exekutivbüros überarbeitete ihn in den folgenden Tagen, am 10. Dezember ging er dann an die Regierungen der NATO-Staaten 367 . Die Stellvertreter der Drei Weisen faßten in der ersten Dezemberwoche auch die Ergebnisse des SCS und des TEAS zusammen. Es wurde festgehalten, daß der geplante Streitkräfteaufbau in den Jahren 1951 bis 1954 insgesamt rund 74 Milliarden US-Dollar kosten werde. Davon sollten die westeuropäischen NATO-Staaten 44,5 Milliarden tragen und die USA Ausrüstung und andere Militärhilfe über rund 20 Milliarden beisteuern. Die sich daraus ergebende finanzielle Lücke von rund 9,5 Milliarden sollte mit einer Steigerung der westeuropäischen Verteidigungsausgaben TCC-D/20, 2.12.1951, BA-MA, BW 3/91. Der Zeitungsartikel ist dem Memo James S. Billups, 5.12.1951, NA, RG 330/44, Box 9, beigefügt. » Summary Reports of the 9th and 10th meeting of the TCC, TCC-R 9/10, 4.12.1951, BA-MA, BW 3/91. Vgl. auch Telegr. U.S. Del an DOS, 4.12.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 363-368. 3«7 Siehe Telegr. U.S. Del an DOS, 10.12.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 373 f.
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um etwa 3 Milliarden, einschließlich einer Wirtschaftshilfe Kanadas von 700 Millionen, gefüllt werden. Damit blieben rund 6,5 Milliarden ungedeckt 368 . Allerdings tat sich eine weitere Lücke im Bereich der Ausrüstung der westeuropäischen Streitkräfte auf, die einschließlich der Ausrüstungsnachfrage durch einen deutschen Beitrag auf 6 Milliarden hochgerechnet wurde. Und schließlich mußten noch die Zahlungsbilanzschwierigkeiten berücksichtigt werden, die sich auf rund 7 Milliarden bis 1954 beliefen 369 . Auf dieser Grundlage erarbeitete das Exekutivbüro Empfehlungen, die in erster Linie die finanzielle Lücke von zirka 20 Milliarden Dollar bis Ende 1954 decken sollten. Ein weiteres Ergebnis war die Empfehlung zur Umsetzung der gemeinsamen Forderung nach dem schnellstmöglichen Aufbau ausgeglichener und einsatzbereiter Streitkräfte. Dieser sollte durch eine genaue Festlegung der Ziele bis 1952, vorläufiger Ziele bis 1953 und geplanter Ziele bis 1954 realisierbar und überprüfbar sein. Mit diesem zeitlichen Ablaufplan wurden die militärischen Forderungen für die sofort einsatzbereiten Streitkräfte des überarbeiteten M T D P , der als MC 2 6 / 1 in Rom vorgelegt worden war, nur wenig unterschritten 370 . Der Entwurf, soweit er die Regierungsstellen in der Kürze der Zeit überhaupt in Auszügen erreichte, stieß in zahlreichen Hauptstädten im Detail auf wenig Gegenliebe. Nach einem Abgleich des Berichtsentwurfes mit den nationalen Zielen wurde die Kridk über die Vertreter in Paris für die anstehenden Beratungen des Abschlußberichtes im T C C weitergegeben. Die Diskussion der Vorschläge im TCC und der Bündniskompromiß In London wurde der Entwurf der Drei Weisen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Edmund Compton, Staatssekretär im Schatzamt, faßte drei Tage nach dessen Eingang die mit den zuständigen Ministerien abgestimmte Einschätzung für Plowden zusammen. Die britische Regierung zeigte sich demnach mit der Arbeit ihres Vertreters in Paris zufrieden, weil es ihm gelungen war, Forderungen der Allianz nach weiteren Aufrüstungsschritten Großbritanniens zu verhindern. Zudem hatte Plowden durch seine festgeschriebenen Bedingungen für die Durchführung der britischen Verteidigungsplanungen, die Lösung der Stahlfrage und der Zahlungsbilanzschwierigkeiten den politischen Spielraum Londons gewahrt. Allerdings gab Compton auch die Enttäuschung der britischen Regierung über den Entwurf weiter. Vor allem die Feststellung, die USA würden bereits genügend für die gemeinsame Verteidigung leisten, entsprach keineswegs den Intentionen Großbritanniens. Die aufgezeigten Lücken durch eine Steigerung der westeuropäischen .v.s Report on N A T O by the Director of Mutual Security, 17.1.1952, in: Executive Sessions of the Senate Foreign Relations Committee (Historical Series), Vol. 4, S. 95-118, hier S. 106 f. w> Telegr. U.S. Del an DOS, 7.12.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 371 f., und Summary of the TCC Report, 6.2.1952, FRUS 1952 - 54, Vol. 5, Part 1, S. 203 - 206. r " Zum Vergleich der Streitkräftezahlen siehe Poole, The Historv of the Joint Chiefs of Staff, S. 2 7 5 - 2 7 9 , und Condit, The Test of War, S. 373 - 3 7 7 . Die Kürzungsvorschläge bezogen sich in erster Linie auf die mobilmachungsfähigen Heeresverbände und auf Schiffe, während die Zahl der Flugzeuge durch die Einbeziehung der Reserven als sofort verfügbare Kräfte anstieg.
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III. Die Bündnislösung
und kanadischen Verteidigungsanstrengungen zu schließen, klang angesichts der fehlenden Hilfszusagen aus Washington für die Jahre nach 1954 weder im Schatzamt noch im Foreign Office sehr überzeugend. Vielmehr warnte Compton seinen Kollegen in Paris, nicht zu sehr ins Fahrwasser Harrimans zu geraten; er solle vielmehr die Interessen Londons im Auge behalten. Harrimans Bestrebungen zu unterstützen, von den übrigen Bündnispartnern mehr Eigenleistungen zu verlangen, sei angesichts möglicher Kürzungen des britischen Verteidigungshaushaltes nicht sinnvoll371. Für Plowden waren dies völlig neue Töne, die seine bisherige Verhandlungsführung in Frage stellten. Denn das bestehende umfangreiche Aufrüstungsprogramm Großbritanniens war bis dahin das As in seinem Ärmel, mit dem er gegenüber den anderen Bündnispartnern hoch pokern konnte. Nun sollte er sich plötzlich zurückhalten und sogar versuchen, die Position der USA anzugreifen. London wiederum sah einen Erfolg des Lastenteilungsprojektes nur bei einer Einbeziehung der Wirtschaftskraft des großen Partners gegeben. Dementsprechend wurde der britische Vertreter instruiert, in den anstehenden TCC-Verhandlungen die wirtschaftlichen Möglichkeiten der USA noch einmal ins Spiel zu bringen 372 . Plowden zeigte daraufhin und nach sechs Wochen harter Arbeit in Paris gegenüber Robert Hall, Direktor der Economic Section, eine gewisse Amtsmüdigkeit und wünschte sich eine Verwendung in London. Doch gerade in der entscheidenden Phase des Projektes war er sich auch darüber im klaren, daß er vorerst nur zu den Sitzungen des Economic Planning Board und den damit verbundenen Koordinierungsgesprächen nach London reisen konnte. Dort wurde ihm die Wichtigkeit des TCC-Projekts für Churchill und Butler verdeutlicht und wie sehr seine Arbeit als einer der Drei Weisen auch von der neuen konservativen Regierung geschätzt werde373. So blieb Plowden nichts anderes übrig, als in der anstehenden Verhandlungsrunde des Exekutivbüros und des TCC noch einmal im Sinne seiner Regierung zu intervenieren und Nachbesserungen des Berichtsentwurfes zu erwirken. Am 12. Dezember sandte Monnet den Entwurf mit einem kurzen Begleitschreiben an seine Regierung. Er sah vorerst keine Veranlassung, die verschiedenen Regierungsstellen in Paris um eine Stellungnahme zu bitten. Erst der vom TCC angenommene Bericht sollte seines Erachtens durch ein interministerielles Gremium bearbeitet werden. Diese Vorgehensweise entsprach seiner Intention, die Fäden so lange in den Händen zu halten, bis ein endgültiger Abschlußbericht vorlag, der von den jeweiligen Regierungen kommentiert werden mußte. Für die anstehenden TCC-Verhandlungen hatte sich Monnet deshalb selbst zum Ziel gesetzt, den Lastenteilungs- und den Empfehlungscharakter des Berichtes zu schärfen. Monnet bewertete den vorliegenden Entwurf als einen großen Schritt nach vorn, erkannte aber auch Mängel. Wie die Regierung in London kritisierte er den Freibrief für die USA, aufgrund politischer Faktoren keine weiteren Steigerungen ihrer Verteidi171
372 373
Schreiben Compton an Plowden, 13.12.1951, PRO, Τ 235/35. Butlers Paraphe vom 14.12. bestätigte die Ausführungen Comptons. Bericht Compton an Armstrong, 14.12.1951, PRO, Τ 235/35. Hall, The Robert Hall Diaries, S. 183; Plowden, An Industrialist in the Treasury, S. 130 f.
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gungsanstrengungen vornehmen zu müssen. Die erkannten Lücken durch die westeuropäischen Bündnispartner schließen zu lassen, schien ihm nicht empfehlenswert. U m so wichtiger war ihm die Rückversicherung durch den Empfehlungscharakter des TCC-Abschlußberichtes, der eine Zustimmung, zumindest eine Stellungnahme der souveränen Mitgliedstaaten erforderte 374 . In Washington wurde der Entwurf von Acheson vor allem aufgrund zahlreicher Ungenauigkeiten hinsichtlich der zukünftigen US-Außenhilfe für Westeuropa kritisiert. Gegenüber Harriman betonte er, daß wegen der kurzen Bearbeitungszeit nur einige Hinweise auf inhaltliche Widersprüche und Ungenauigkeiten aus Washington kämen. Diese Hinweise verdeutlichten den amerikanischen Wunsch, die Eigenleistungen der westeuropäischen Bündnispartner im Bericht nicht überzubewerten. Vor allem die Rüstungsproduktion, mit Offshore-Aufträgen aus den USA unterstützt und gefördert, sollte als Testfall für die Bereitschaft der Westeuropäer zu Eigenleistungen verstanden werden. Eür mögliche Dollartransfers spielten nach Acheson dabei weniger die Bedürfnisse und Wünsche der Staaten eine Rolle, als vielmehr die Produktionszahlen für Flugzeuge und Panzer. 375 Die übrigen Bündnispartner sahen in der Vorgehensweise der Drei Weisen einen erneuten Versuch der Großen, den Zeitdruck zur Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen. Sie forderten daher eine zeitliche Streckung des Projektes, um ihre Regierungen über die amerikanischen Vorschläge zu informieren und Direktiven aus den Hauptstädten für die weitere Verhandlungsführung zu erhalten r f '. So war beispielsweise Ottawa weniger gut informiert als die Regierungen der Drei Weisen. Nur drei Telegramme des kanadischen Vertreters, in denen er die Kernaussagen des Entwurfes zusammenfaßte, bildeten die Grundlage für eine erste Kritik am Arbeitsergebnis des TCC. Mit großer Verwunderung nahmen die Kabinettsmitglieder die Forderungen aus Paris nach zusätzlicher kanadischer Militärhilfe auf. Finanzminister Abbott, der sich während der Verhandlungen mit den Drei Weisen immer wieder gegen höhere Verteidigungsausgaben ausgesprochen hatte, forderte eine harte Linie und eine klare Absage an die NATO. Premier St. Laurent bewertete das bestehende Verteidigungsprogramm als das maximal mögliche, sah aber unter bestimmten Voraussetzungen einen Spielraum für zusätzliche kanadische Wirtschaftshilfe an die Partnerstaaten r "'. Der zuständige Ausschuß des Außenministeriums begrüßte die militärischen Empfehlungen des Berichtentwurfes, sprach sich aber hinsichtlich der Mehrforderungen ebenfalls für eine Absage Kanadas ausrs. Schreibon Monnet an Schuman, 12.12.1951, in: |ean Monnet - Robert Schuman. Correspondence, S. 118. Siehe auch Note sur les Travaux du CTG,'25.12.1951, FJM, AMI 10/10/18. Telegr. Acheson an Harriman, 13.12.1951, NA, RG 59, 740.5/12-1351, Box 3482. Vgl. dort auch Anm. 1 zum Briefing Memo, 17.12.1951, F R U S 1951, Vol. 3, Part 1, S. 389. r(' M e m o Gordon an Harriman, 7.12.1951, LG, Harriman Papers, Box 275. r ~ Memo of Meeting Cabinet Defence Committee, 81st meeting, 12.12.1951, PAG, RG 2 Β 2, Vol. 244. r 8 Minutes of Meeting of Dcpartemental Committee on N A T G Affairs, 15.12.1951, DF.A files, 50030-A)-40, ζ it. nach Eayrs, In Defence of Canada, S. 295 f. r4
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Insgesamt wurden weniger die militärischen Teile des Entwurfes kritisiert als vielmehr jene mit wirtschafts- und finanzpolitischen Empfehlungen, die zusätzliche Staatsausgaben bedeuteten. Die Regierungen instruierten ihre Vertreter im TCC, die nationalen Interessen im Auge zu behalten und Mehrforderungen zu verhindern. Harrimans Wunsch, die Delegierten könnten dem gesamten Berichtsentwurf ohne Rücksprache mit den jeweiligen Regierungen zustimmen, ging daher nicht in Erfüllung. Zwar waren jene zu allgemeinen Aussagen durchaus bereit; in Detailfragen, die konkrete Verbindlichkeiten nach sich zu ziehen drohten, versicherte man sich dann doch lieber der Zustimmung der zuständigen Minister. Wie wichtig dieser Aspekt für das Gelingen des gesamten Lastenteilungsprojektes war, sollten die folgenden Abschlußgespräche Mitte Dezember in Paris zeigen. Es bedurfte allerdings noch zäher Verhandlungen im großen Kreis, bis der langersehnte Bündniskompromiß erzielt werden konnte. Die Drei Weisen sahen sich in den vier Verhandlungstagen Mitte Dezember mit zahlreichen Verbesserungs- und Änderungsvorschlägen konfrontiert. Für die Vertreter der kleineren Bündnispartner bestand erst jetzt die Möglichkeit, Einfluß auf den Abschlußbericht auszuüben. Sie beklagten erneut den Termindruck bei der Vorbereitung auf diese wichtige Verhandlungsrunde. Harriman wollte allerdings keine Zeit mehr verlieren, gestand dem TCC den Freitagnachmittag für weitere Vorbereitungsgespräche zu, drängte jedoch auf die Zustimmung zum Entwurf in dieser Verhandlungsrunde. Der niederländische Vertreter wies darauf hin, daß eine Zustimmung der Regierungen unter diesen Umständen unmöglich sei379. Auch hielt er die wirtschafts- und finanzpolitischen Empfehlungen für die einzelnen Mitgliedstaaten — in einem gesonderten Teil des Berichtes — als zu detailliert und gegenüber souveränen Nationalstaaten als unangemessen. Aus seiner Sicht war es dadurch nicht möglich, die nationalen Interessen mit denen des Bündnisses in Einklang zu bringen. Er verlangte deshalb, die Verhandlungsrunde dafür zu nutzen, die Detailkritik jedes einzelnen Mitgliedslandes zu diskutieren, ehe der Bericht als Ganzes angenommen werden konnte. Der Vertreter Den Haags war sich dabei der Solidarität des belgischen, dänischen, norwegischen und italienischen TCCVertreters sicher, denn auch ihnen verlief die letzte Phase des Lastenteilungsprojektes zu schnell. Monnet sprach sich indes vehement gegen eine zeitraubende Detaildiskussion aus und mahnte erneut an, die Kernaussagen und den Überblickscharakter des Berichtes nicht aus den Augen zu verlieren, nur um die Berücksichtigung der nationalen Interessen im Kleingedruckten zu überprüfen. Der Kern der Auseinandersetzungen war damit umrissen. Die TCC-Vertreter sollten seines Erachtens endlich Farbe bekennen und auftragsgemäß im Namen ihrer Regierungen dem Berichtsentwurf zustimmen. Der dänische Finanzminister Kristiensen fand den Ausweg aus diesem Dilemma, indem er einen Zusatzbericht zum Abschlußbericht vorschlug. Dieser sollte vom Exekutivbüro auf der Grundlage der Stellungnahmen der einzelnen Regierun"9 Summary Records of the 11th-16th Meetings of the TCC, 20.12.1951, BA-MA, BW 3/91. Siehe auch Telegr. U.S. Del an DOS, 17.12.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 379-381.
III. Die Bündnislösung
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gen erstellt und vom TCC kurz vor der Ratstagung in Lissabon beschlossen werden. Harriman stimmte unter der Bedingung zu, daß die TCC-Vertreter ihrerseits angesichts eines solchen Zusatzes doch noch den Entwurf bejahten. Während des gemeinsamen Mittagessens wurde der dänische Vorschlag schließlich allgemein als gangbarer Weg hin zu einem Bündniskompromiß beurteilt 380 . Bereits der erste Verhandlungstag war trotz der kritischen Stimmen der kleineren Bündnispartner sehr vielversprechend zu Ende gegangen. Nach einem Statement General Eisenhowers vor dem TCC ging es in die zweite Verhandlungsrunde, um die wirtschafte- und finanzpolitisch relevanten Kapitel des Berichtsentwurfes zu beraten. Erneut versuchten der italienische und der belgische Vertreter, die Zustimmung zum Entwurf durch das TCC hinauszuzögern, um mit den Hauptstädten die Details absprechen zu können. Doch Harriman, diesmal neben Monnet und Plowden auch vom norwegischen und dänischen Vertreter unterstützt, blieb hart. Er kam seinen zögerlichen Kollegen jedoch entgegen, indem er auf einen weiteren Vorschlag des dänischen Finanzministers einging und ein Vorwort in Aussicht stellte. Darin sollten alle widrigen Umstände, unter denen die Vertreter der Bündnisstaaten dem Bericht zustimmten, genannt werden. Ein solcher Freibrief, so Harrimans Kalkül, mußte auch den letzten Zauderer überzeugen, seine Befugnisse als TCC-Vertreter mit gutem Gewissen voll ausschöpfen zu können. Diese Rechnung ging auf, nachdem Plowden die dänischen Vorschläge zusammengefaßt und den Bündniskompromiß umrissen hatte. Die TCC-Vertreter sollten demnach den Berichtsentwurf grundsätzlich billigen, in einem ausführlichen Vorwort Einschränkungen und Bedingungen erklären und den Regierungen in einem Zusatzbericht die Möglichkeit geben, selbst zu den Empfehlungen Stellung zu nehmen. Das TCC Schloß sich Plowdens Marschroute für das Finale der Projektarbeit an 381 . Während der folgenden Diskussionsrunde über Inhalt und Formulierungen der einzelnen Kapitel des Entwurfes versuchte der eine oder andere TCC-Vertreter, die Anliegen seiner Regierung einzubringen. Plowden sah dabei keine Chance, im Sinne Londons die Möglichkeiten der USA zur Steigerung ihrer Außenhilfe auszuloten. Vielmehr blieb ihm nichts anderes übrig, als über Details wie Offshore Regelungen oder Ausrüstungslieferungen die Leistungen der USA zu erhöhen. Harriman kam seinem britischen Kollegen entgegen, indem er bilaterale Gespräche über die speziellen Probleme Londons in Aussicht stellte und allgemeine Formulierungen, zum Beispiel über eine Beschleunigung der Offshore-Aufträge, in den Bericht einfügen ließ. Ebenso trat der TCC-Vorsitzende dem kanadischen Vertreter entgegen, der sich gemäß Regierungsanweisung gegen eine Steigerung des kanadischen Verteidigungshaushaltes und der kanadischen Militärhilfe an Westeuropa aussprach. Harriman kündigte auch in diesem Falle bilaterale Vereinbarungen zwischen Washington und Ottawa an, um Detailprobleme zu lösen. Im Gegenzug »' »ι
Tclegr. Plowden an Ι·Ό, Nr. 946, 14.12.1951, PRO, Τ 235/35. Summary Record of the 13th Meeting of the TCC, TCC-R/13, 20.12.1951, Β Λ-.MA, BW 3/91. Vgl. auch 1-RL'S 1951, Vol. 3, Part 1, S. 3 8 1 - 3 8 4 .
236
III. Die Bündnislösung
General Eisenhower verabschiedet sich im Mai 1952 von den NATO-Mitarbeitern
in Paris.
gestand er der kanadischen Delegation zu, ihren bisher geleisteten Beitrag für die gemeinsame Verteidigung durch anschauliches Zahlenmaterial über die Militärausgaben Kanadas in Westeuropa im Bericht zu unterstreichen. Monnets Ziele, den Lastenteilungsaspekt und den Empfehlungscharakter zu schärfen, wurden durch das geplante ausführliche Vorwort und den Zusatzbericht erreicht. Jedes Land hatte sich demnach mit den Empfehlungen auseinanderzusetzen, die das TCC als unabhängiges NATO-Gremium erarbeitet hatte. Eine Garantie für die Übernahme der Lasten sollten das Jahreserhebungsverfahren und die organisatorische Stärkung der Allianz bringen 182 . Die letzte Verhandlungsrunde des Jahres 1951 endete mit der Zustimmung aller TCC-Vertreter zu dem mit Änderungsvorschlägen versehenen Berichtsentwurf des Exekutivbüros. Darüber hinaus einigte man sich auf das weitere Vorgehen, vor der Ratstagung in Lissabon einem vom Exekutivbüro erarbeiteten Zusatzbericht und einem Resolutionsentwurf für den Nordatlantikrat zuzustimmen. Nach vier Tagen hatte Harriman einen Bündniskompromiß durchgesetzt, der allerdings ohne die Vorschläge und Verbesserungshinweise der kleineren Bündnispartner kaum zustande gekommen wäre. Das Erfolgsrezept des TCC-Vorsitzenden lag zum einen Summary Record of the 15th Meeting of the TCC, 20.12.1951, Β Λ - Μ Λ , B W 3/91.
III. Die Bündnislösung
237
in seiner Bereitschaft begründet, auf die Kritik und die Verbesserungsvorschläge der übrigen Mitgliedstaaten einzugehen, zum anderen in seiner Hartnäckigkeit, den Berichtsentwurf endlich zum Abschluß zu bringen. Harrimans militärischer Berater konnte an das Verteidigungsministerium berichten: »the closing sessions of TCC have been a success entirely due to chairman whose personal efforts have forced agreement [...] and whose suggestions and leadership [...] have overcome antagonism and misunderstandings, turning the twelve ministers into a Noneffective working team on the final draft385.« Die kleineren Bündnispartner wiederum hatten sich insoweit durchgesetzt, als daß ihre Vertreter zwar dem Entwurf in ihrer Eigenschaft als NATO-Vertreter zustimmten, den Regierungen durch den Zusatz jedoch einen Handlungsspielraum verschafften, über die Empfehlungen des TCC beraten und als souveräne Staaten Stellung nehmen zu können. Einen Tag nach Abschluß der TCC-Sitzungen ging Harriman an die Offendichkeit und präsentierte den erzielten Kompromiß. Dabei machte er deutlich, daß das Ziel der Projektarbeit der Aufbau gemeinsamer Streitkräfte sei. Die TCC-Empfehlungen sollten die Grundlage bilden, um bestehende Verbände rasch einsatzbereit zu bekommen und die Neuaufstellung von Verbänden zu gewährleisten. Harriman wies allerdings auch darauf hin, daß die Aufrüstung der Allianz nur auf einer gesunden wirtschaftlichen und sozialen Basis der Mitgliedstaaten erreichbar sei. Notwendig seien deshalb eine zufriedenstellende wirtschaftliche Wachstumsrate sowie die Lösung des Kohleproblems und der Zahlungsbilanzschwierigkeiten in Westeuropa 384 . Der erfolgreiche Abschluß der Hauptarbeit des TCC fand im Gegensatz zu den ersten kritischen Veröffentlichungen in der Presse kaum Widerhall. Die Schlagzeile, die Politiker der Bündnisstaaten müßten die Militärs der NATO bremsen, war sicherlich auch auflagenträchtiger, als einen multinationalen Kompromiß zu präsentieren 385 . Die eingeschränkte
Zustimmung der Militärs
Jedoch mußten neben den Interessen der Regierungen auch die der Militärs im Diskussionsprozeß berücksichtigt werden. Notwendig waren vor allem die Zustimmung des SACEUR, der schließlich mit den verfügbaren Verbänden im Ernstfall ein erfolgreiches Verteidigungsgefecht führen sollte, und der Ständigen Gruppe bzw. des Militärausschusses als den wichtigsten politikberatenden Militärgremien innerhalb der Allianz. General Eisenhower hatte einen entscheidenden Anteil am erfolgreichen Zustandekommen des TCC-Berichtes. Er pflegte den direkten Kontakt zu Harriman und ließ sich mehrmals pro Woche durch seinen Verbindungsoffizier Goodpaster über die Fortschritte des TCC-Projektes informieren. Darüber hinaus arbeiteten die zuständigen SHAPE-Abteilungen eng mit dem SCS und der
w w
Tclegr. Lincoln an DOD, 18.12.1951, zit. nach I-'Rl'S 1951, Vol. 3, Part 1, S. 388, Anm. 3. Statement Harriman, 18.12.1951, N A T O Press Releases, Final Communiques 1950-58, BA-MA, BW 3/183.
•'«s Züricher Zeitung, 20.12.1951, BArch, Β 146/437.
238
III. Die Bündnislösung
Arbeitsgruppe des Exekutivbüros zusammen 386 . Bereits kurz nach der Übernahme des NATO-Oberbefehls in Europa hatte sich Eisenhower an Harriman als den geeigneten Ansprechpartner in Washington gewandt, um den Präsidenten und die für seine Arbeit wichtigen Ministerien und Behörden einzubeziehen. Seit dieser Zeit fand ein reger Gedankenaustausch zwischen ihnen statt, der sich ein halbes Jahr später auch positiv auf die Zusammenarbeit zwischen dem TCC und SHAPE auswirkte 387 . Eisenhower sah einen Schwerpunkt seiner Arbeit darin, das Vertrauen der westeuropäischen Bündnispartner in die Allianz zu stärken und einen Gemeinschaftsgeist zu schaffen. Den Ansatz, auf Ministerebene ein umfassendes Lastenteilungsprojekt durchzuführen, das die Streitkräfteplanungen auf die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten abstimmen sollte, unterstützte er von Anfang an. Obwohl er sich noch im Frühjahr 1951 für weitreichende Aufrüstungsschritte ausgesprochen hatte, hielt er nichts davon, Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben, um einen bestimmten Prozentsatz ihres Bruttosozialproduktes für die gemeinsame Verteidigung vorzusehen. Vielmehr sollte das Gemeinschaftsgefühl die Bündnispartner verpflichten, so viel für die Aufrüstung auszugeben wie politisch und wirtschaftlich tragbar war 388 . Im Sommer 1951 warnte Eisenhower Washington vor den Gefahren des Aufbaus einer angemessenen Streitmacht; er hatte dabei die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Aufrüstung im Blick. Die Truman-Administration solle, bei allen militärischen Forderungen, den wirtschaftlichen Wohlstand und die soziale Sicherheit in Westeuropa als Teil der Sicherheit dieser Region berücksichtigen. Mit diesem umfassenden Sicherheitsbegriff ging der ranghöchste NATO-General in Europa weit über die Vorstellungen anderer hoher Militärs oder führender Politiker hinaus und unterstützte indirekt die Wirtschaftsexperten der ECA und der OEEC, die auftragsgemäß den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Westeuropas im Auge hatten389. Dies bedeutete aber nicht, daß Eisenhower seinen eigentlichen Auftrag, die Verteidigung Westeuropas vorzubereiten und im Ernstfall durchzuführen, aus den Augen verlor. Vielmehr forderte er von den Bündnispartnern bis 1952 einsatzbereite Verbände in ausreichender Zahl, um einen möglichen Angreifer abzuschrecken. In den Folgejahren wollte er dann neue Verbände aufstellen und ausbilden, um mittelfristig eine verteidigungsbereite Streitmacht kommandieren zu können. Während eines Empfangs für das TCC Anfang Dezember in Marly verdeutlichte der SACEUR seine Auffassung über die Aufgaben des Lastenteilungsprojektes. In seinem Vortrag betonte er die Bedeutung der Moral für militärische Führer. Um die Moral der Mitgliedstaaten zu heben, sollte die NATO als Garant für die Freiheit gelten und die Überlegenheit des Westens gegenüber der Sowjetunion und deren Verbündeten verdeutlicht wer386
387
388 389
Zur Rolle Goodpasters siehe sein Schreiben an den Autor vom 2.8.2001 und das Oral Memoir of Lincoln Gordon 1977, HSTL, S. 150 f. Zum Beginn der engen Zusammenarbeit zwischen Eisenhower und Harriman siehe Brief Eisenhower an Harriman und Truman, 24.2.1951, in: Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 64-69. Brief Eisenhower an Harriman, 12.5.1951, ebd., S. 273-276. Brief Eisenhower an Harriman, 30.6.1951, ebd., S. 397-399. Vgl. auch Ambrose, Eisenhower.
III. Die Bündnislösung
239
den. Das T C C könne diese Überlegenheit festschreiben und mit einem überzeugenden Bericht auf die Moral der Bündnispartner einwirken 390 . Eisenhower unterstützte das Projekt, indem er sich an einzelne Politiker wandte und dessen Bedeutung für die gemeinsame Verteidigung herausstellte. In seiner Ermunterung an zahlreiche Verteidigungsminister, der Vorgehensweise der Drei Weisen vorbehaltlos zu folgen, betonte er den umfassenden Ansatz des TCC. Die erstmalige Zusammenarbeit zwischen ziviler und militärischer Seite, so der S A C E U R , garantiere einen Bündniskompromiß, der den zukünftigen Streitkräfteaufbau auf eine solide Basis stelle 391 . E s war auch Eisenhower, der für die Idee der zeitlich gestaffelten Jahresprogramme und die festen Streitkräfteziele für 1952 eintrat. Darin sah er die Gewähr, bis Ende 1952 über eine angemessene Zahl gut ausgerüsteter und einsatzbereiter Verbände zu verfügen, was sein Credo seit seiner Forderung vor dem Nordatlantikrat in R o m nach mehr einsatzbereiten Verbänden durch die Koordinierung der nationalen Aufrüstungsschritte war 392 . Die zeitliche Staffelung des Streitkräfteaufbaus durchbrach eine bis dahin bestehende Übereinkunft bei den gemeinsamen Militärplanungen, ein Jahr der maximalen Bedrohung festzulegen, bis zu dem die Planungen umgesetzt werden sollten. General Eisenhower war ein Gegner dieser Planungsfixierung, er sprach sich vielmehr für den raschen Aufbau einer Abschreckungsstreitmacht auf. Unter dem Schutz dieser Streitmacht sei dann mittelfristig ein qualitativer und quantitativer Ausbau der gemeinsamen Streitkräfte möglich. Mit dieser zeitlich gestreckten Streitkräfteplanung unter Berücksichtigung der Interessen der Bündnisstaaten werde das Vertrauen der N A T O Partner in die Fähigkeit der Allianz gestärkt 393 . Nach der Zustimmung des T C C zum Berichtsentwurf zeigte sich auch Eisenhower mit dessen militärischen Empfehlungen einverstanden und war davon überzeugt, daß die Umsetzung der Vorschläge zu einem raschen Erstarken der gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit beitrage. Allerdings äußerte sich der S A C E U R nicht zum Gefechtswert der Streitkräfte, sondern sprach nur allgemein vom erreichbaren Aufbau einer glaubhaften Abschreckung in Westeuropa. E r bot sich an, seine Zustimmung zum Abschlußbericht in einer offiziellen Stellungnahme vor dem T C C zu wiederholen 394 . Harriman nahm dieses Angebot dankend an, wußte er doch um die Wirkungsmächtigkeit des Kriegshelden in der Öffentlichkeit. Eisenhower verdeutlichte vor dem T C C am 15. Dezember, er sei mit den militärischen Planungen des SCS und des Exekutivbüros einverstanden. Er bezeichnete die empfohlenen " Kisenhower, The F.isenhower Diaris, fiintr. vom 10.10.1951; F.isenhower, The Papers, Vol. 12, S. 629 f. Vgl. auch Telegr. Plowden an FO, Nr. 704, 9.10.1951, PRO, Τ 225/193. Wl B n e f Harriman an Cornells Staf, Georges Bidault, Randolfo Pacciardi und andere, 2.11.1951, in: Eisenhower, The Papers, Vol. 12, S. 684 f. 392 Zu Fisenhowers Stellungnahme in Rom siehe Telegr. Acheson an D O S , 2~!. 11.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 7 3 0 - 7 3 5 . Hr forderte die Bereitschaft der Bündnispartner, die nadonale Souveränität zu poolen (S. 734). Schreiben Andrew J. Goodpaster, General, U.S. Armv (Ret.), an den Autor, 2.8.2001. Telegr. F.isenhower an Harriman, 14p],12.1951, FRL'S 1951, Vol. 3, Part 1, S. 3 7 7 - 3 7 9 . Dieses Telegr. findet sich mit genauer Datierung als T C C - D / 2 3 , 14.12.1951, BA-MA, BW 3 / 9 1 , in den NATO-Akten wieder. TO
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III. Die Bündnislösung
festen Streitkräfteziele für 1952 als ausreichend, um eine überzeugende Abschrekkungsstreitmacht in Westeuropa aufzubauen. Auch mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung der Planungen bewertete er in einem begrenzten Ausmaße als unbedenklich. Großen Wert legte er auf die Feststellung, daß durch den zuversichtlichen Abschlußbericht des TCC zum ersten Mal in der Geschichte der NATO ein realistischer und abgestimmter Streitkräfteplan möglich sei. Durch das Offenlegen der nationalen Verteidigungsprogramme, während des Zweiten Weltkrieges ein Ding der Unmöglichkeit, und durch die bündnisinterne Abstimmung der militärischen Forderungen mit den wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten entwickle sich die Allianz zu einer wirklichen Gemeinschaft 395 . Eisenhowers ausgezeichneter internationaler Ruf garantierte nicht nur eine positive öffentliche Resonanz, sondern auch einen Schutz gegen die TCC-Kritiker unter den Militärexperten. Nicht umsonst hatte Harriman großen Wert auf die Einbeziehung der Militärs gelegt und Mitte November an Eisenhower geschrieben, um negative Stellungnahmen zu den vorläufigen Ergebnissen des TCC zu verhindern 396 . Die Ständige Gruppe und der Militärausschuß in Washington wurden ebenfalls in das TCC-Projekt einbezogen. Im Gegensatz zu Eisenhower kritisierte die Ständige Gruppe jedoch im Dezember 1951 die Streitkräfteziele des SCS und stellte fest, daß die Forderungen des MC 26/1, die auch der SACEUR unterschrieben hatte, für eine erfolgreiche Verteidigung notwendig seien. Die Stabschefs betonten: »it seems militarily unsound to state that a force of 31 divisions available between D and D+3 days, backed up by 4200 aircraft would be able to prevent an initial disaster397.« Damit war eine grundlegende Meinungsverschiedenheit zwischen dem TCC und den militärischen Spitzengremien der NATO offengelegt. Die Ständige Gruppe ging von einem Lastenteilungsprojekt aus, das die militärischen Forderungen und deren Umsetzung zum Ziel hatte. Das TCC versuchte jedoch nach Einschätzung der Ständigen Gruppe, nur die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der Bündnispartner auszuloten und als Vorgabe für die militärischen Planer zu definieren. Bereits während eines Arbeitstreffens Ende Oktober signalisierten die Militärs aus Washington, sie seien mit der Schwerpunktsetzung des SCS auf den kurzfristigen Streitkräfteaufbau bis Ende 1952 nicht einverstanden. Die Streitkräfteplanungen der Ständigen Gruppe waren auf das Zieljahr 1954 ausgerichtet, so daß eine Kürzung oder eine zeitliche Streckung die Gesamtplanung gefährdete 398 . Die Ständige Gruppe warnte vor neuen Zielgrößen durch das Lastenteilungsprojekt, welche eine Lücke von zehn Divisionen und zudem eine zusätzliche Reduzierung der Einsatzbereitschaft sowie erhebliche Ausrüstungsmängel zur Folge hätten. Für die Luftstreitkräfte wurde der drohende Schwund an Reserven, Rede Eisenhowers vor dem TCC, TCC-D/25, 15.12.1951, BA-MA, BW 3/91. Brief Harriman an Eisenhower, 17.11.1951, LC, Harriman Papers, Box 275. Report by the International Planning Team to the SG on SCS 33 (Pinal), SG 172, 5.12.1951, NISCA, TCC/15. 398 Telegr. Roll an Ι Ό , Nr. 804, 30.10.1951, PRO, Τ 225/194. Roll berichtet darin über ein Treffen zwischen der Arbeitsgruppe des Exekutivbüros und Vertretern der SG, des SCS und SHAPE. 3,6
III. Die Bündnislösung
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NATO-Divisionen 100
100
M-Day
M+3
M+30
M-Day
Quelle: Poole, The Hietory of the Joint Chiefs of Staff, S. 2?β.
M+3
M+30
M-Day
M+3
M+30 © MG FA 04715-04
für die Marineverbände mögliche Lücken bei Begleitschiffen, Minensuchern und Flugzeugträgern angemahnt 3 9 9 . Diese Unstimmigkeiten konnten auf der Arbeitsebene nicht überwunden werden und führten schließlich zu einer direkten Auseinandersetzung innerhalb der amerikanischen Administration. Der Vorsitzende des Exekutivbüros verlangte von General Bradlev, d e m Vorsitzenden der Ständigen Gruppe, die Streitkräftezahlen des TCC-Berichts als ausreichend für eine Verteidig u n g Westeuropas einzuschätzen. Bradlev weigerte sich und machte deutlich, daß zwar eine zeitliche Verzögerung unter bestimmten Voraussetzungen vorstellbar sei, jedoch keine Kürzung der Forderungen des M C 26/1. Schließlich seien die Streitkräftezahlen von den Operateuren ausgearbeitet worden, die im Falle eines Angriffs mit diesen Verbänden kämpfen müßten, während das T C C aufgrund politischer Rücksichtnahmen nur das Stichjahr 1952 im Auge habe, ohne die Zeit danach genügend zu beachten 4 "". In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der amerikanischen Joint Chiefs of Staff hatte Bradlev seit 1950 den schleppenden Streitkräfteaufbau der N A T O kritisiert. Zwar bewertete er die ersten Schritte des Bündnisses, die Verteidigungsbereitschaft des Westens zu stärken, positiv, jedoch entlarvte er die vielen gemeinsamen Erklärungen der N A T O - P a r t n e r für eine forcierte Aufrüstung als Papierkram. Auch die Gremienarbeit der zahlreichen Komitees hielt Bradlev größtenteils für v "'
M C 39, 2.2.1952, N I S C A , T C C / 1 5 . M e m o of Meetings S C S , SG und I-lxecutive Bureau, 13.12.1951, N I S C A , TCC/"". Z u m Streit zwischen Harriman und Bradlev siehe auch Acheson, Present at the Creation, S. 623.
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III. Die Bündnislösung
überflüssig. Meistens gehe es um dieselben Fragen, wer welche Streitkräfte stelle, wer die Verbände finanziere und wer diese im Ernstfall kommandiere 401 . Wie nicht anders zu erwarten, standen die Joint Chiefs of Staff den Ergebnissen des TCC ebenfalls skeptisch gegenüber. Sie sahen die Planungsgrundlagen mit dem Zieljahr 1954 durch den TCC-Bericht in Frage gestellt und forderten Verteidigungsminister Lovett auf, den Empfehlungen nur bedingt zuzustimmen. Eine genauere Prüfung der Statistiken in Washington sollte dann zeigen, ob mit den neuen Planungen ein angemessener Streitkräfteaufbau bis 1954 überhaupt möglich sei. Am Zieljahr und an den Streitkräftezielen sollte aus Sicht des Verteidigungsministeriums allerdings festgehalten werden 402 . Eingeschränkte Unterstützung fanden die Joint Chiefs of Staff durch die Stabschefs in London. Die britischen Chiefs of Staff hatten ebenfalls Bedenken, bewiesen allerdings größere Flexibilität, indem sie den Streitkräftezielen des TCC grundsätzlich zustimmten und sich mit einem verzögerten Streitkräfteaufbau einverstanden erklärten. Dazu hatten direkte Gespräche mit Vertretern des Exekutivbüros des TCC und die fortgeschrittenen Überlegungen der britischen Luftwaffe hinsichtlich der atomaren Abschreckung beigetragen 403 . Angesichts der Einwände der amerikanischen und britischen Stabschefs bat Acheson Harriman um Formulierungen im Abschlußbericht, die Bradley und weitere kritische Stabschefs zufriedenstellen sollten. Ein Passus im Resolutionsentwurf für den Nordatlantikrat brachte schließlich die Lösung. Demnach würden die empfohlenen Streitkräfteziele eine Aufrüstung gewährleisten, die mittelfristig auch eine Umsetzung der Streitkräfteforderungen der Militärs mit sich bringe. Damit hatte die Ständige Gruppe erreicht, daß ihre Forderungen anerkannt wurden und Grundlage für deren zukünftige Überprüfungen blieben 404 . Schon im Dezember hatte die Ständige Gruppe deshalb ihr niederschmetterndes Urteil über die Streitkräfteplanungen des TCC dahingehend abgeschwächt, daß die Bewertung »unsound« gestrichen und durch den Begriff »overly optimistic« ersetzt wurde 405 . Es blieb jedoch bei der Einschätzung, die vom SCS vorgeschlagenen Streitkräfte hätten zwar eine abschreckende Wirkung, jedoch garantierten sie auf keinen Fall die gewünschte Verteidigungsfähigkeit. Hartnäckig blieben die Militärs in Washington daher bei ihrer Forderung der Umsetzung der Streitkräftezahlen des MC 26/1. Sie begründeten dies mit ihrem beruflichen Selbstverständnis, sowohl die notwendigen Operationsplanungen durchzuführen, als auch die dazu benötigten Verbände zu fordern. Die daraus entstehenden Pro4°1
Bradley/Blair, A General's Life, S. 557 und 648 f. Draft Memo »'TCC Report« for the Secretary of Defense, o.D., LC, Harriman Papers, Box 275. Vgl. auch Gondii, The Test of War, S. 375 f.; Poole, The History of the Joint Ghiefs of Staff, S. 278 f. Die JCS stimmten allerdings auch zahlreichen Empfehlungen des TGC vorbehaltlos zu. 403 Zur Reaktion der COS siehe Report of the TGC, COS (52) 35, 14.1.1952, und U.K. Submission to T.C.C., COS (52) 62, 24.1.1952, PRO, DEFE 5/36. Zu den Verhandlungen der Chiefs of Staff und dem Exekutivbüro siehe Memo de Havilland, 9.11.1951, PRO, FO 371/96583. Zu den atomaren Überlegungen siehe Telegr. CAS an U.K. Del an SG, 10.1.1952, PRO, Τ 235/35. 4°4 Telegr. Nash an Foster, 21.2.1952, FRUS 1952-54, Vol. 5, Part 1, S. 119 f. 4"5 SG 172/2, 12.12.1951, NISCA, TCC/15. 402
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bleme sollten dann auf politischer Ebene gelöst werden. Angesichts des Widerstandes der Wirtschafts- und Finanzminister, den das Lastenteilungsprojekt deutlich werden ließ, näherten sich die Militärs den TCC-Ergebnissen dahingehend an, daß über eine modifizierte Bedrohungsanalyse zumindest eine zeitliche Streckung des Streitkräfteaufbaus möglich schien. In der Stellungnahme der Ständigen Gruppe wiederholten sich zwar die grundlegenden Bedenken, doch insgesamt wurde den TCC-Empfehlungen unter folgenden Bedingungen schließlich zugestimmt 406 : - MC 26/1 sollte weiterhin Planungsgrundlage bleiben; - das Risiko neuer Streitkräftezahlen und neuer Planungsgrößen sollte bekannt sein; - das Ziel weiterhin der rasche und effektive Streitkräfteaufbau bleiben; - jedes Land sollte von der Notwendigkeit einer raschen und umfangreichen Aufrüstung überzeugt sein; - eine deutsche Beteiligung an der gemeinsamen Verteidigung mit 12 Kampfgruppen sollte garantiert sein. - Eine jährliche Überprüfung des Streitkräfteaufbaus durch die Ratsstellvertreter sollte eingeführt werden, um die vom TCC empfohlene jahresweise Aufstellung neuer Verbände praktikabel und überprüfbar zu machen. Damit werde zwar das bestehende Prinzip der Planerfüllung durchbrochen, doch akzeptierte die Ständige Gruppe einen jährlich überprüften Streitkräfteaufbau angesichts der politischen Bedenken gegen einen Mehrjahresplan. - Schließlich sollten die durch eine Annahme der TCC-Empfehlungen erwarteten Lücken bei den Truppenzahlen und bei der Ausrüstung mittels einer Modifizierung der Verteidigungsplanungen ausgeglichen werden. Kurz vor der Ratstagung in Lissabon bestätigte der Militärausschuß nach einer letzten Absprache zwischen der Ständigen Gruppe und dem Exekutivbüro das Papier MC 39 (Final). Damit hatten die entscheidenden Militärgremien der NATO den Empfehlungen des TCC zugestimmt. Die Ständige Gruppe und der Militärausschuß konnten sich allerdings nur unter Vorbehalt den Ergebnissen des Lastenteilungsprojektes anschließen. Sie hielten an ihren einmal beschlossenen Streitkräfteforderungen fest, die sie aufgrund politischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Bedenken nicht überarbeiten wollten. Den Primat der Politik anerkennend, verschlossen sie sich jedoch nicht einer abgeänderten Streitkräfteplanung 41 r . Der Abschluß- und der Zusat^bericht und die Empfehlungen
an den
Kordatlantikrat
Der umfangreiche Abschlußbericht des TCC vom 18. Dezember 1951 gliederte sich in acht Teile, in denen die Empfehlungen zum Streitkräfteaufbau, der wirtschafdiche und finanzielle Rahmen für die Umsetzung und die Bedingungen für
4I*'
Report bv the SG to the MC on Military Comments on the T C C Report, MC 39, 2.2.1952, NISCA, T C C / 1 5 . Vgl. auch F|M, AMI 10/7/3. 4"~ Zu den Gesprächen zwischen SG und Fxekutivbüro siehe M e m o Slessor, 18.2.1952, PRO, I-O 371/102501.
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III. Die Bündnislösung
das Erreichen der empfohlenen Ziele ausgeführt waren. Der achte Teil war der beigefügte Bericht des SCS 408 . In den Kapiteln zum Streitkräfteaufbau stellte das TCC fest, die Streitkräfteziele des MC 26/1 seien unrealistisch. Es schlug daher einen neuen, ausgewogenen Streitkräfteaufbau mit dem Ziel vor, 25 sofort einsatzbereite Divisionen bis 1952 und 41 Divisionen bis 1954 aufzustellen. Zum Vergleich: Die Ständige Gruppe hatte bis 1954 46 sofort einsatzbereite Divisionen gefordert. Auch die Planungszahlen für die Reservedivisionen wurden deutlich abgesenkt. Für die Luftstreitkräfte sprach sich das TCC für die Indienststellung von etwas über 4000 Flugzeugen bis 1952 und knapp 10 000 bis Ende 1954 aus. Um die leicht erhöhten Forderungen von rund 700 zusätzlichen Flugzeugen erfüllen zu können, nahm das T C C die sofortige Einbeziehung der einsatzbereiten Reserve in Kauf. Die Zielgrößen für die Beschaffung von Kampfschiffen wurden für Ende 1954 um über 30 Prozent reduziert409. Damit waren die im MTDP vorgesehenen mittelfristigen Zielgrößen im Heeresund Marinebereich deutlich reduziert worden, die Ziele bis 1952 jedoch angehoben. Dies entsprach dem Grundsatz Qualität vor Quantität, also zuerst die bestehenden aktiven und Reserveverbände einsatzbereit zu bekommen und dann erst neue Verbände aufzustellen. Die neuen Streitkräfteziele ermöglichten nach Einschätzung des SCS Einsparungen für die westeuropäischen Bündnispartner in Höhe von rund 9 Milliarden US-Dollar, erforderten aber dennoch zusätzliche Verteidigungsausgaben von etwa 2,8 Milliarden bis Ende 1954. In diesen Steigerungen war jedoch bereits der deutsche finanzielle Verteidigungsbeitrag berücksichtigt. Detaillierte Pläne zur Produktion und Lieferung von Rüstungsgütern für die militärische Infrastruktur, für Ausbildungsprogramme usw. sollten zusätzliche Kosteneinsparungen bringen. Die Kernaussage der Wirtschafts- und Finanzkapitel war, daß die bisherigen Militärausgaben der meisten NATO-Staaten deren volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt hatten. Alle NATO-Staaten waren nach Einschätzung des TCC in der Lage, die neuen Streitkräfteplanungen zu erfüllen, einige Staaten vermochten sogar ihren Verteidigungsetat ohne negative volkswirtschaftliche Auswirkungen aufzustocken. Zu diesen Staaten zählten Norwegen und Dänemark mit einer zumutbaren Steigerung der Militärausgaben um 20 Prozent, Belgien sogar um 30 Prozent. Nicht umsonst war Belgien nach Bekanntwerden dieses Ergebnisses ein vehementer Kritiker des gesamten Projektes. Das TCC machte diese Steigerungen jedoch von einigen Bedingungen abhängig, denen die Teile III bis V gewidmet waren. Die zusätzlichen Verteidigungsausgaben sollten nicht auf Kosten der Investitionen und des Konsums gehen, sondern vielmehr über ein allgemeines Wirtschaftswachstum finanziert werden: 408 T C C Final Report, 18.12.1951, NISCA, T C C / 1 2 , und FJM, AMI 1 0 / 5 / 2 . 41)9
Zu den Zahlen siehe auch Briefing Memo for Acheson, 17.12.1951, FRUS 1951, Vol. 3, Part 1, S. 389, und Military Comments on the T.C.C. Report, C O S (52) 104, 8.2.1952, PRO, F O 371/102385.
III. Die Bündnislösung
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»The prime requisite for the carrying out of the rearmament program is the attainment of a satisfactory rate of general economic expansion, as agreed by the Gouvernments in the O E E C declaration on the expansion of output410.« Demnach war eine allgemeine Steigerung der Bruttosozialprodukte bis 1954 von rund 14 Prozent nötig, um die zusätzlichen Verteidigungsausgaben ohne Probleme finanzieren zu können. Zudem mußte eine ausreichende Versorgung mit Rohstoffen zu stabilen Preisen sichergestellt werden, wobei vor allem die kritische Situation in den Bereichen Kohle, Stahl und Elektrizität betont wurde. Auch die Lösung des Arbeitskräftemangels in der Rüstungsindustrie und Maßnahmen gegen eine steigende Inflationsrate sowie gegen Zahlungsbilanzschwierigkeiten wurden für unabdingbar gehalten. Schließlich unterstrich das T C C auch die Bedeutung der Europäischen Zahlungsunion für den innereuropäischen Warenaustausch. Deren Weiterbestehen und die Einbeziehung der westdeutschen Ressourcen wurden als wichtige Voraussetzungen zur Steigerung der Verteidigungsbereitschaft der westeuropäischen NATO-Staaten definiert. Eine gesicherte US-Außenhilfe, ergänzt durch Offshore-Programme und Ausrüstungslieferungen, erachtete man ebenfalls für notwendig, um die Aufrüstung zu finanzieren. Die Militärs bestanden auf zusätzlichen Soldaten, einer besseren Ausbildung und einer Prioritätenliste für die Ausrüstung bestehender Verbände. Darüber hinaus sollten militärinterne Sparmaßnahmen, weniger Ausgaben für Nicht-NATOStreitkräfte und mit der N A T O abgestimmte Beschaffungsmaßnahmen die Kosten minimieren. Ein entscheidendes Kapitel war den organisatorischen Bedingungen gewidmet, erforderlich aus Sicht des T C C für die Umsetzung der neuen Streitkräfteziele. Die N A T O sollte sich durch eine Reorganisation vom Papiertiger zu einer funktionierenden multinationalen Organisation entwickeln. Dazu sei ein ständig tagender Nordatlantikrat, ein ziviler Generalsekretär, ein Internationaler Stab und ein Jahreserhebungsverfahren für die kontinuierliche Kontrolle des gemeinsam beschlossenen Streitkräfteaufbaus erforderlich, um bestehenden Mängeln der ineffizienten Verwaltung, dem Chaos der unzähligen Gremien und dem fehlenden Gegengewicht zur militärischen Organisation zu begegnen 411 . In den Länderberichten faßte das T C C die speziellen Empfehlungen für jedes Mitgliedsland zusammen, die der SCS und der T E A S in den vergangenen vier Monaten erarbeitet hatten. Die Sprache dieser Kurzberichte war deutlich. E s wurden die Staaten benannt, die nach Einschätzung des T C C bisher zu wenig für die gemeinsame Verteidigung ausgegeben hatten und nun als Ergebnis des Lastenteilungsprojektes aufgefordert wurden, zukünftig mehr zu leisten. Luxemburg bescheinigten die Experten einen im Vergleich zu seiner Wirtschaftskraft relativ bescheidenen Verteidigungshaushalt. Höhere Militärausgaben und kostenlose Stahllieferungen an bedürftige Mitgliedstaaten sollten die Bündnistreue beweisen. Die
COS (52) 104, 8.2.1952, PRO, FO 371/102385, Part III: Economic Conditions for the Fulfilment o f the TCC Plan o f Action. Im August 1951 hatte die OF.FC eine Steigerung der Gesamtproduktion Westeuropas um 25 Prozent empfohlen. TCC Final Report, 18.12.1951, NISCA, T C C / 1 2
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III. Die Bündnislösung
empfohlene Steigerung des dänischen Verteidigungsetats sei durch höhere Steuern zu finanzieren. Zahlungsbilanzschwierigkeiten sollten gemäß dem TCC durch weniger Importe von Konsumgütern bekämpft werden. Ähnliche Ratschläge für fiskal- und außenwirtschaftspolitische Maßnahmen der Regierungen wurden nach Rom, Paris, Den Haag und Oslo versandt 412 . Aber auch die Staaten, die das Gütesiegel der Allianz erhielten, kamen nicht um gutgemeinte Ratschläge umhin. Großbritannien etwa sollte trotz der ausreichenden Militärausgaben Maßnahmen treffen, um die hohe Inlandsnachfrage zu drosseln und die Finanzstabilität zu erhalten. Zudem wurde London angehalten, die britische Kohleproduktion im gesamteuropäischen Interesse zu fördern und dafür mehr Arbeitskräfte zu gewinnen. Ausländischen Bergleuten, vor allem aus Italien, war dazu die Immigration zu ermöglichen. Zuvor sollte die britische Regierung jedoch den Widerstand der Gewerkschaften gegen den Zuzug billiger Arbeitskräfte durch eine geeignete Lohnpolitik brechen. Selbst preispolitische Maßnahmen, Mengenbeschränkungen bei kohleintensiven Produktionszweigen und Energiesparprogramme zur Reduzierung des hohen Kohlenverbrauchs wurden vorgeschlagen, um den wertvollen Rohstoff für die Rüstungsindustrie verfügbar zu machen 413 . Die Vereinigten Staaten blieben von Steigerungsforderungen verschont, mußten sich aber ebenfalls mit diversen Empfehlungen zur Unterstützung der Aufrüstungsschritte in Westeuropa auseinandersetzen. Ohne Zahlen zu nennen, forderte das TCC von Washington mehr Materiallieferungen, eine höhere und längerfristige Außenhilfe sowie mehr Rohstoffe für die übrigen Bündnispartner. Washington sollte auch eine höhere Quote für Importe aus Westeuropa erwirken. Eine gesamtwirtschaftlich unbedenkliche Steigerung der US-Verteidigungsausgaben wurde grundsätzlich für möglich angesehen, wenn dies für die gemeinsame Verteidigung notwendig seien sollte. Diese Empfehlungen boten naturgemäß Angriffsflächen für die NATO-Mitgüedstaaten, bedeuteten sie doch einen Eingriff in die wirtschafts- und verteidigungspolitischen Kompetenzen der jeweiligen Regierungen und damit in die nationale Souveränität. Die Vertreter des Exekutivbüros hingegen waren der Überzeugung, mit ihren Arbeitsergebnissen werde die ihnen gestellte Aufgabe bewältigt. Harriman faßte dies wie folgt zusammen: »The TCC has made an appraisal of the present status of NATO defence, the maximum effecitve forces which can be achieved in the short-term future and the steps that need to be taken now for future build-up414.« Die Drei Weisen hatten zudem die kritischen Stellungnahmen des TCC in den Länderberichten dahingehend abgeschwächt, daß sie die Empfehlungen im Teil VI ausdrücklich nur als Gedankenanstoß für die Regierungen verstanden wissen wollten. Die Empfehlungen in den Teilen I bis V hingegen wurden den Regierungen mit dem Ziel übermittelt, diese anzunehmen, die Mitgliedstaaten deshalb aufgefordert, die Empfehlungen bis Mitte Januar zu kommentieren und an das ExekutivbüEbd., Part VI: Country Annexes. t » Summary of the Report of the T.C.C., EPB (52) 1, 3.1.1952, PRO, CAB 134/877. 4 , 4 Harriman, zit. nach Ismay, NATO. The First Five Years, S. 46. 412
III. Die Bündnislösung
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ro zurückzusenden. Auf dieser Grundlage sollten danach der Zusatzbericht und der Entwurf für einen dementsprechenden Ratsbeschluß erarbeitet werden. Die Reaktionen der Regierungen auf den Bericht waren unterschiedlich. Neun von zwölf Staaten stimmten dem TCC-Bericht grundsätzlich oder voll zu, während sich Belgien und Luxemburg dagegen aussprachen; Dänemark enthielt sich einer Bewertung. Allerdings bedeutete diese allgemeine Zustimmung nicht die generelle Annahme aller Empfehlungen des Berichtes. Vielmehr zeigte eine genauere Auswertung der Antwortnoten durch das Exekutivbüro, daß auch die fünf Bündnispartner, die sich grundsätzlich mit dem Abschlußbericht einverstanden erklärt hatten, einige Vorbehalte hegten. Vor allem die vorgeschlagenen Steigerungen der Verteidigungshaushalte wurden von den einzelnen Staaten kritisiert und mit eigenen Vorstellungen relativiert. Die nationalen Steigerungsangebote blieben dabei deutlich hinter denen des TCC zurück 415 . Im Detail beschwerten sich die NATOStaaten, die mehr für die gemeinsame Verteidigung leisten sollten, über das unfaire Vorgehen der Großen Drei. Ein Mitarbeiter Harrimans hatte den Vorsitzenden des Exekutivbüros bereits im Dezember vor jenen Staaten gewarnt, die hinsichtlich der Arbeitsergebnisse wohl die größten Schwierigkeiten bereiten könnten: Italien, Belgien, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Kanada 416 . Zwar wurde nach dieser Einschätzung Belgien erst an zweiter Stelle genannt, jedoch entwickelte sich die belgische Regierung zum Hauptkritiker des TCC und zum Wortführer für den Protest der unzufriedenen Bündnisstaaten. In der scharf formulierten belgischen Antwortnote auf den TCC-Bericht hieß es dazu: »It is the opinion of the Belgian Government that procedure followed during the T.C.C. meetings calls for strict reservations41".« Demnach habe das Exekutivbüro wie ein Direktorat gearbeitet und zu wenig Zeit für gleichberechtigte Diskussionen vorgegeben. Der Abschlußbericht sei über die Köpfe der anderen TCC-Teilnehmer von den USA, Großbritannien und Frankreich entwickelt worden. Eine genaue Untersuchung und Bearbeitung sei wegen der zeitlichen Auflagen kaum gegeben gewesen. Darüber hinaus lag ein zweiter Kritikpunkt in den fehlenden statistischen Grundlagen. Objektive Kriterien für eine gerechte Lastenverteilung seien nicht festgelegt worden. Schließlich warf die belgische Regierung dem TCC vor, seine Kompetenzen weit überschritten und mit seinen Empfehlungen in die souveränen Rechte der Mitgliedstaaten eingegriffen zu haben. Solch eine Vorgehensweise entsprach nach belgischer Einschätzung nicht den Vorgaben der Ratsbeschlüsse in Ottawa. Aufgrund der schwerwiegenden
415
416
4r
Summary of Country Comments, 3.2.1952, NISCA, TCC/16. Durchschnittlich waren die nationalen Angebote um rund 20 bis 30 Prozent niedriger als die des TCC. Memo Lindeman, 14.12.1951, LC, Harriman Papers, Box 275. Demnach wurde das Konfliktpotenual-Ranking von Italien angeführt, gefolgt von Belgien, Dänemark, Kanada, den Niederlanden und Norwegen. Memo for Harriman, 29.12.1951, LC, Harriman Papers, Box 275. Die Kritik der belgischen Regierung am Vorgehen des TCC war scharf formuliert. Die Randbemerkungen Harrimans verdeutlichen aber auch, daß manche Kritikpunkte nicht gerechtfertigt waren und nur aufgeführt wurden, um den Protestcharakter der Antwortnote zu unterstreichen.
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III. Die Bündnislösung
Mängel des Lastenteilungsverfahrens und in der Überzeugung, einen angemessenen Beitrag der gemeinsamen Verteidigung zu tragen, lehnte die belgische Regierung die Empfehlungen des TCC hinsichtlich einer Steigerung der Verteidigungsausgaben ab: »Belgian Gouvernment therefore finds it necessary to reject in their totality the recommendations made by the three members of the Exekutivbüro with respect to increased expenditures418.« Die ablehnende Haltung der Regierung in Brüssel konnte nur durch das engagierte Auftreten Harrimans relativiert werden. Die Drei Weisen benötigten die Zustimmung aller Bündnispartner zu den TCC-Empfehlungen als Grundlage einer Ratsresolution. Monnet forderte Harriman deshalb auf, persönlich eine Protestnote nach Brüssel zu senden und Washington über die bilateralen Außenhilfe-Verhandlungen den notwendigen Druck aufbauen zu lassen. Im Vorfeld der Tagung in Lissabon schrieb der Vorsitzende des Exekutivbüros deshalb mehrmals an den belgischen Ministerpräsidenten, nachdem bereits die Presse über die Mißtöne innerhalb der NATO berichtet hatte419. Auch US-Botschafter Robert D. Murphy und Sonderbotschafter William H. Draper traten in Verhandlungen mit der belgischen Regierung, um die Rücknahme der negativen Antwortnote zu erwirken. Beide übermittelten die Verärgerung Washingtons über die unangemessene Antwortnote aus Brüssel und drohten damit, den »Fall Belgien« während der Atlantikratssitzung zu verhandeln. Auf keinen Fall sollte das TCC-Projekt am Protest eines einzelnen Bündnispartners scheitern. Murphy insistierte während eines Gesprächs mit dem belgischen Außenminister, die Haltung der Regierung in Brüssel zu revidieren. Zudem übermittelte er die Verärgerung Harrimans, der die Kritik am TCC-Projekt persönlich nahm und nicht nachvollziehen konnte. Trotz der Einwände van Zeelands verdeutlichte Murphy den Willen Washingtons, das Lastenteilungsprojekt zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Dafür sei auch die Zustimmung Belgiens erforderlich 420 . Draper war im Falle eines Beharrens der Belgier befugt, eine harte Antwortnote der USA an alle Mitgliedstaaten zu verteilen. Diese Note sollte dazu beitragen, den widerspenstigen Partner zu isolieren und zum Einlenken zu bewegen. Um der Regierung in Brüssel die Chance zu geben, das Gesicht zu wahren, schlug das Exekutivbüro vor, nicht die gesamte Antwortnote zurückzunehmen. Vielmehr sollten die Kapitel über die bündnisinterne Zusammenarbeit herausgenommen werden und die Grundlage für eine Diskussion im TCC bilden. Für den Zusatzbericht sollten dagegen nur die Kapitel herangezogen werden, die sich mit den militärischen sowie wirtschafts- und finanzpolitischen Empfehlungen des TCC befaß-
418
419
420
Belgische Antwortnote, TCC-CC/1, 9.1.1952, NISCA, TCC/14. Vgl. auch die Zusammenfassung durch Porter, MSA, 8.1.1952, NA, RG 59, 740.5/1-852, Vol. 3447. Record of Conversation, 15.1.1952, PRO, Τ 235/35; New York Herald Tribune, 8.1.1952, LC, Harriman Papers, Box 275. Zusammenfassung des Gespräches zwischen Paul van Zeeland und Robert D. Murphy, 15.1.1952, in: Documents diplomatique beiges 1941-1960, vol. 2, S. 461 -463.
III. Die Bündnislösung
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ten 421 . U m einer drohenden bündnisweiten Isolierung zu entgehen, suchte die belgische Regierung Verbündete im Kreise der Unzufriedenen. So bat sie zum Beispiel Kanada, sich am Protest gegen das gesamte Lastenteilungsprojekt zu beteiligen. Doch die Regierung in Ottawa wollte nicht so weit gehen, das TCC-Projekt als solches in Frage zu stellen. Vielmehr galt es, die verbleibende Zeit bis zur Ratstagung in Lissabon dazu zu nutzen, das Ergebnis für Kanada zu verbessern. Zudem wurde der Regierung St. Laurent aus London und aus Washington signalisiert, wie wichtig der erfolgreiche Abschluß des Lastenteilungsprojektes für das junge Bündnis sei. Die Taktik, Brüssel auf seinem gefährlichen Weg der Infragestellung des gesamten Projektes zu isolieren, schien aufzugehen. Ohne einen Verbündeten war der Widerstand gegen das bündnisinterne Verfahren aussichtslos. Ein Regierungswechsel brachte schließlich die Wende. Der TCC-Vertreter Belgiens, Finanzminis t e r j a n van Houtte, wurde Anfang 1952 zum Premierminister ernannt und signalisierte alsbald die grundsätzliche Zustimmung zu den TCC-Empfehlungen. Die neue Regierung nahm die interne Kritik am TCC-Projekt zurück und reihte sich mit einer überarbeiteten Antwortnote wieder in die Bündnisgemeinschaft ein. Vor dem TCC entschuldigte sich der Vertreter Belgiens für die mißverständlichen Passagen in der ersten Antwortnote, beteuerte den Willen seiner Regierung, am erfolgreichen Abschluß des TCC-Projektes mitzuwirken und präzisierte einige Aussagen. Immerhin gelang es der belgischen Delegation, nachträglich den Zusatzbericht in zwei Punkten zu ergänzen. Zum einen wurde die Bedeutung der Länderantworten unterstrichen, zum anderen der Grundsatz der gerechten Lastenteilung als Prinzip der NATO betont 422 . Ein für alle Seiten angenehmerer Weg der Zustimmung war der über die Zusicherung zusätzlicher Dollarhilfen aus Washington. Italien bejahte daher in seiner Antwortnote den TCC-Bericht zwar grundsätzlich, sprach sich aber gegen weitere Aufrüstungsschritte aus. Zusätzliche Verteidigungsausgaben wollte die Regierung in Rom nur bei einer angemessenen Außenhilfe von rund 200 Millionen US-Dollar für das Haushaltsjahr 1952 und bei der Zusicherung weiterer Hilfe über 1952 hinaus durchführen 423 . Die folgenden Verhandlungen waren der Fortführung der seit September 1951 laufenden bilateralen Verhandlungen zwischen Rom und Washington über US-Außenhilfe sowie der Lösung der Triest-Frage geschuldet. Hatte der italienische Premier de Gasperi im Herbst 1951 noch die USA mit dem Hinweis auf die innenpolitische Bedrohung durch die Kommunistische Partei Italiens und die ausstehende Einbeziehung Triests in das NATO-Gebiet unter Druck gesetzt, so sah sich die italienische Regierung wiederum von den Amerikanern be«> Background Paper DOS, 6.2.1952, FRUS 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 5, Part 1, S. 2 0 6 - 2 0 8 . Das amerikanische Außenministerium bewertete die belgische Antwort als ein »ill-tempered blast at TCC procedures and recommendations«. Ebd., S. 208. Zur Strategie der Isolierung siehe Telegr. Roll an Plowden, 10.1.1952, PRO, Τ 235/35. Zum Vorschlag des F.xekutivbüros siehe Record of Conversation, 15.1.1952, PRO, Τ 235/35. Statement by the Belgian Delegation, TCC-D/32, TCC-D/33, 6. und 7.2.1952, BA-MA, BW 3/91. 4 - 3 Memo Davton, Special Mission to Italv to Harnman, 17.2.1952, LC, Harriman Papers, Box 2 7 5. Siehe auch die italienische Antwortnote, TCC-CC/9, 23.1.1952, BA-MA, BW 3/93.
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drängt. Diese verlangten nun für weitere US-Außenhilfe die Zustimmung zum TCC-Bericht und die Durchführung der TCC-Empfehlungen. Der Druck wurde durch die Ankündigung verstärkt, die Außenhilfe für 1952 im Vergleich zum Vorjahr erheblich zu kürzen 424 . Die Außenhilfe für 1952 betrug schließlich 199,6 Millionen US-Dollar, etwa 80 Millionen weniger als im Vorjahr. Dafür flössen seit Ende 1951 zusätzlich 140 Millionen, und damit der zweitgrößte Anteil an den neuen Offshore-Programmen, Richtung Rom. Unter diesen Voraussetzungen beschloß die christdemokratische Regierung im Juli eine dreizehnprozentige Steigerung des Verteidigungsbudgets auf immerhin rund 1 Milliarde Dollar für 1952/53, um die TCC-Empfehlungen umsetzen zu können 425 . Die Regierung der Niederlande gab ihre grundsätzliche Zustimmung zum TCCBericht und erklärte, über die Empfehlungen nachzudenken. Die empfohlene Steigerung ihres Verteidigungsbudgets in den folgenden Jahren lehnten die Holländer allerdings ab426. Dänemark stimmte nach anfanglicher Enthaltung den Empfehlungen des TCC unter Vorbehalt zu, wehrte sich aber gegen eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben und wollte nur einen Teil der vorgeschlagenen Steigerung durchführen. Nach bilateralen Verhandlungen mit der US-Administration lenkte die Regierung in Kopenhagen ein und erhöhte schließlich das Verteidigungsbudget von 87,75 Millionen (1951/52) auf 131,3 Millionen Dollar (1952/53), also um immerhin fast 50 Prozent 427 . Norwegen, von Harrimans Stab als weniger kritisch eingestuft, sah sich aufgrund der stabilen innenpolitischen und wirtschaftlichen Lage außerstande, die Empfehlungen zu einer Steigerung der Verteidigungsausgaben zu ignorieren. Außenminister Lange informierte das Storting Anfang März über die erfolgreiche Tagung und betonte, die Ergebnisse zögen keine Änderungen der bestehenden Planungen nach sich428. Bis 1954 erhöhten sich die Staatsausgaben für Verteidigungszwecke dennoch deutlich, was allerdings zu innenpolitischen Schwierigkeiten und indirekt zum Wechsel des Premierministers im Jahre 1953 führte 429 . Zu den Verhandlungen im September 1951 siehe US Minutes of Italian Prime Minister De Gasperi's Private Meeting with the Secretary of State, 24. und 25.9. 1951, FRUS 1951, Vol. 4, Part 1, S. 677 und S. 700. 425 Sebesta, American Military Aid and European Rearmament, und Smith, The United States, Italy, and NATO, S. 139-144. « Niederländische Antwortnote, TCC-CC/4, 17.1.1952, BA-MA, BW 3/93. Vgl. Auch Megens, American Aid to NATO Allies, S. 124 f., und Harst, European Union and Atlantic Partnership, S. 186-195. 427 Tclegr. Freund, London, an DOS, 21.2.1952, NA, RG 59, 740.5/2-2152, Vol. 3448, und Telegr. Roll an Plowden, 13.1.1952, PRO, Τ 235/35. Zu den Zahlen siehe NATO Press Release, 12.3.1953, BA-MA, BW 3/183. 428 Translation of Lange's specch to the Storting, 7.3.1952, NA, RG 59, 740.5/3-752, Vol. 3448. 429 Annual Report Norway 1951, 23.4.1952, PRO, FO 371/100647. Norwegen begann 1949 mit einem kleinen Verteidigungsbudget von 370 Millionen Kronen aufzurüsten und erreichte durch die TCC-Empfehlungen ein Budget von über 1 Milliarde Kronen ab 1953. Siehe Press Release Nr. 67, 15.12.1953, BA-MA, BW 3/183. Zur innenpolitischen Auseinandersetzung siehe Brundtland, Norwegian Security Policy. 424
III. Die Bündnislösung
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Kanada war im Gegensatz zu Norwegen mit den Ergebnissen mehr als unzufrieden, denn das TCC schlug eine auf drei Jahre verteilte Erhöhung der Verteidigungsausgaben um 700 Millionen Dollar kanadischer Prägung vor. Allerdings sollten diese zusätzlichen Summen als Wirtschaftshilfe, vor allem in Form von Rohstoffen, an die westeuropäischen NATO-Staaten fließen. Finanzminister Abbott sprach sich vehement gegen eine Erhöhung des kanadischen Verteidigungshaushaltes über 2,4 Milliarden aus, im Gegenteil entwickelte sein Ministerium Kürzungspläne um rund 400 Millionen. 430 . Außenminister Pearson hingegen forderte, vor allem mit Rücksicht auf die ernste Lage der Allianz, zumindest den festgelegten Verteidigungsbeitrag zu leisten und eine zusätzliche Außenhilfe in Höhe von 375 Millionen (rund 30 Prozent weniger als die TCC-Empfehlungen). In einem Brief appellierte Pearson an seinen Premier, die vom Finanzminister aufgezeigten wirtschaftlichen und finanziellen Gefahren eines großen Verteidigungsbudgets zugunsten der politischen und militärischen Sicherheit des Westens zu tragen 431 . Wenige Tage später bekundete St. Laurent während einer Sitzung des Verteidigungsausschusses seine grundsätzliche Bereitschaft, für die zusätzliche Außenhilfe im Parlament zu kämpfen 432 . Das Kabinett einigte sich schließlich auf eine zusätzliche Außenhilfe von 100 Millionen Dollar und einen Gesamtverteidigungshaushalt von 2,1 Milliarden für 1952/53, welche schließlich vom Parlament auch genehmigt wurden. Damit setzte sich Finanzminister Abbott, der große Schwierigkeiten damit hatte, daß eine internationale Bürokratie Einfluß auf seine Finanzpolitik nehmen wollte, im Kabinett gegen den Außenminister durch. Den TCC-Empfehlungen wurde damit nur zum Teil entsprochen, und es bewahrheitete sich die Prognose Abbotts vor dem Exekutivbüro, daß das kanadische Parlament zu keinen Erhöhungen bereit sein werde, eher zu Kürzungen des Verteidigungsbudgets, welches bereits rund 60 Prozent der Staatsausgaben ausmachte 433 . Bereits im Januar 1952 führten London und Washington Gespräche, die auch die Ergebnisse des TCC-Projektes zum Inhalt hatten. Dabei kam es der TrumanAdministration darauf an, die volle Zustimmung der Churchill-Regierung zum Abschlußbericht und eine Garantie für die Durchführung des britischen Verteidigungsprogramms zu erhalten. Churchill hingegen wollte von der US-Regierung die Bedingungen erfüllt haben, um das beschlossene Verteidigungsprogramm durchführen zu können. Nachdem bereits im November die US-Außenhilfe an London geregelt und im Dezember die Militärlieferungen im TCC-Abschlußbericht festgeschrieben worden waren, stand nun die Bekämpfung der Stahlknappheit auf dem Programm. Eine Arbeitsgruppe löste das Problem mit dem Vorschlag, Großbritannien mit 1,25 Millionen Tonnen Stahl zu unterstützen. Im Gegenzug sollte London Zinn und Kupfer zu Sonderkonditionen in die USA liefern und sich für
41,1
4.1 4.2 413
Rccord of Conversation with Λ. Hceney by Roger Makins, 19.1.1952, PRC), PRF.M 11/155. Vgl. auch F.avrs, In Defence of Canada, S. 295 - 300. Brief Pearson an St. Laurent, 31.1.1952, PAC, DF.A 50011-40, Vol. 1. Cabinet Defence Committee, 83rd meeting, 12.2.1952, PAC, RG 2, 18, Vol. 213. F.avrs, In Defence of Canada, S. 294.
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III. Die Bündnislösung
die Aufrüstungsempfehlungen des TCC aussprechen 434 . Ein gemeinsames Kommunique beschloß die mehrtägigen Verhandlungen. Darin wurden keine Detailvereinbarungen niedergeschrieben, vielmehr der gemeinsame Geist betont: »Throughout our talks we have been impressed by the need to strengthen the North Adantic Treaty Organization by every means within our power and in full accord with our fellow members. We are resolved to build an Adantic Community, not only for immediate defense, but for enduring progress435.« Londons Bedingungen waren von Washington im großen und ganzen erfüllt worden, so daß einer endgültigen Zustimmung zu den TCC-Empfehlungen und einem erfolgreichen Abschluß des Lastenteilungsprojektes aus der Sicht der ChurchillRegierung nichts mehr im Wege stand436. Washington wiederum stimmte den TCC-Empfehlungen voll zu und unterstrich die Bedeutung der modifizierten Streitkräfteziele als Grundlage einer wirksamen Abschreckung bei gleichzeitiger wirtschaftlicher und finanzieller Sicherheit Westeuropas. Die durch die Joint Chiefs of Staff erwirkten Einschränkungen bei den Streitkräftezielen erschienen durch vorsichtige Formulierungen eher gering. Immerhin wurde das Urteil über die Angemessenheit der abgeänderten Streitkräfteplanungen durch das TCC als vorläufig bezeichnet. Zur Freude der Bündnispartner stellte Washington weitere USAußenhilfe in einer Größenordnung in Aussicht, die den TCC-Empfehlungen voll entsprach. Allerdings wurde diese erneut von den Kongreßverhandlungen und vor allem von den »Gegenleistungen« der Bündnispartner abhängig gemacht. Die USRegierung erkannte auch die Forderungen des TCC, bei der Beseitigung des Dollarproblems und der Rohstoffengpässe in Westeuropa zu helfen, als berechtigt an437. Entscheidend für den erfolgreichen Abschluß der TCC-Arbeit war nach Einschätzung der Drei Weisen ein inhaltlich von allen Mitgliedstaaten getragener Zusatzbericht. Während die Bedingungen für die Akzeptanz der TCC-Empfehlungen durch bilaterale Gespräche der Bündnisstaaten mit den USA verhandelt wurden, erarbeitete das Exekutivbüro die Entwürfe dazu sowie jene für die Ratsresolution. Nur so war es möglich, bis zur Ratstagung eine Resolution vorzubereiten. London fürchtete eine Diskussion um Details, die das Ende des Projektes bedeutet hätte. Plowden schlug deshalb vor, den Zusatzbericht als offizielle, grundsätzliche Zustimmung aller Mitgliedstaaten zum Abschlußbericht zu veröffentlichen und im Gegenzug alle Antwortnoten mit der Detailkritik an den Länderempfehlungen als Anhang zu berücksichtigen 438 . Harriman stimmte dem zu, wollte aber im Gegen«4 Minutes of Meeting, 8.1.1952, FRUS 1952-1954, Vol. 5, Part 1, S. 794 - 802. Vgl. auch Hall, The Robert Hall Diaries, S. 191 -195. 435 Communique Issued by President Truman and Prime Minister Churchill, 9.1.1952, FRUS 1952 -1954, Vol. 5, Part 1, S. 837 - 839. « Cabinet Conclusions, CC (52) 7th Conclusions, 25.1.1952, PRO, CAB 128/24. 437 Memo »U.S. Comments on the Report of the NATO T.C.C.«, handed over by the Charge d'Affaires of the United States of America, 23.1.1952, PRO, FO 371/100151. 43fl Memo »The TCC Supplementary Report« by Plowden, 17.2.1952, und Telegr. Plowden an Harriman und Monnet, Nr. 388, 19.1.1952, PRO, Τ 235/35; Draft Supplementary Report, TCC-D/28, 4.2.1952, BA-MA, BW 3/91.
III. D i e Bündnislösung
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satz zu Plowden den Diskussionsprozeß mit einigen Partnerstaaten fortsetzen. Plowden und Monnet sprachen sich jedoch vehement gegen weitere Diskussionsrunden und für einen raschen Abschluß der TCC-Arbeit aus. Mit dem Hinweis auf die laufenden bilateralen Verhandlungen über die US-Außenhilfe, die von der USAdministration auch für den Zustimmungsprozeß zum TCC-Bericht genutzt wurden, erarbeitete das Exekutivbüro den Zusatzbericht schließlich nach den britischen Vorstellungen 439 , bestehend aus der Zusammenfassung der T C C - E m p f e h lungen und den nationalen Kommentaren, einigen Bemerkungen zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten und einem umfangreichen Anhang mit Berichten zu Infrastrukturmaßnahmen, zum Streitkräfteaufbau und zu den nationalen Antwortnoten. Ebenso wurde darin die breite Zustimmung der N A T O Partner zum TCC-Bericht und zu den gemeinsamen Streitkräftezielen bei gleichzeitiger Anerkennung der wirtschaftlichen und finanziellen Grenzen unterstrichen. Die Kritik einiger Bündnisstaaten an den Methoden des T C C konnte mit dem Hinweis auf die ständige Verbesserung der Analyseverfahren im Zuge der Jahreserhebungen berücksichtigt werden. Ebenso wurde einem Wunsch Belgiens entsprochen, die gerechte Lastenteilung als ständige Aufgabe der Bündnisorganisation und die Notwendigkeit bestimmter wirtschaftlicher Voraussetzungen zur Durchführung des Streitkräfteaufbaus zu betonen. Einschränkungen ergäben sich demnach zum Beispiel aus einer Verschlechterung der Zahlungsbilanzen mancher Staaten seit der Fragebogenaktion im Oktober 1951 oder aus weiteren Engpässen im Rohstoffbereich. Schließlich wurde noch die Finanzierung des Infrastrukturprogramms geregelt, die den »Third Slice« über rund 500 Millionen US-Dollar sicherstellen sollte44*'. Parallel zur Erstellung des Zusatzberichtes entwarf das Exekutivbüro die Resolution für den Atlantikrat. Nach einem kurzen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte und die Aufgaben des T C C sollte dieses Papier nach dem Wunsch der Drei Weisen feststellen, daß der kontinuierliche Streitkräfteaufbau und die Weiterentwicklung der Allianz als multinationale Organisation mit allen verfügbaren Mitteln betrieben werden müsse. Voraussetzung dafür sei die Annahme der Streitkräfteziele, die Akzeptanz eines deutschen Verteidigungsbeitrages und der Beschluß über die Reorganisation der Bündnisstrukturen. Der Nordatlantikrat stimmte in dem Entwurf auch der Vorgehensweise des T C C , den angewandten statistischen Methoden und dem Ausblenden der neuen Waffentechnik zu und forderte die Regierungen auf, sich an den zukünftigen Jahreserhebungen zur Sicherstellung der Durchführung der Streitkräfteplanungen zu beteiligen. Zudem erkannte das höchste Gremium der N A T O an, daß der vom T C C empfohlene Streitkräfteaufbau eine erhebliche abschreckende Wirkung entfalte, auch wenn ein Restrisiko nach Erreichen der Streitkräfteziele bestehen bleibe. Die Auswirkungen 4W
44,1
Telegr. Harriman an Plowden, 20.1.1952, und Telegr. Plowden an Harriman, Nr. 472, 24.1.1952, PRO, Τ 235/35. Supplementary Report o f the TCC, 19.2.1952, ΒΑ-ΜΛ, B\V 3 / 9 3 . Vgl. auch l-'RUS 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 5, Part 1,S. 2 1 1 - 2 1 8 .
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III. Die Bündnislösung
der neuen Waffen fänden vorerst keine Berücksichtigung, diese sollten aber in zukünftigen Planungen einbezogen werden. Schließlich wurden die militärischen Gremien angewiesen, auf der Grundlage der TCC-Berichte den beschlossenen Streitkräfteaufbau zu koordinieren und durchzuführen. Die gesamte NATOMaschinerie sollte umorganisiert und gestärkt werden, um die Umsetzung der neuen Planungen zu gewährleisten. Die Regierungen hingegen wurden aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Streitkräfteziele zu erfüllen. Die Fähigkeit, die erforderlichen Mittel aufzubringen, wurden der Gemeinschaft als Ganzes bescheinigt, vor allem bei einem allgemeinen Wirtschaftswachstum. Im Entwurf wurde aber auch auf die nicht unerheblichen Schwierigkeiten mancher Mitgliedstaaten hingewiesen, die es gemeinsam zu bekämpfen galt. Besonders betont wurde die Notwendigkeit, die Zahlungsbilanzprobleme in den Griff zu bekommen, die Konsumgüternachfrage zu drosseln und die Rohstoffgewinnung zu erweitern. Die notwendigen Arbeitskräfte für die Kohle- und Stahlgewinnung sollten durch eine flexible Ein- und Auswanderungsgesetzgebung gewährleistet werden. Als entscheidend hierfür erachtete der Nordatlantikrat eine verbesserte wirtschaftliche Zusammenarbeit der westeuropäischen Bündnispartner. Für die Bekämpfung der Dollarlücke warb der Nordatlantikrat für eine Exportoffensive der westeuropäischen Staaten in den Dollarraum und für weitere Dollartransfers in Form von Offshore-Aufträgen. Der damit einhergehende Ausbau der westeuropäischen Rüstungsindustrie wurde angesichts der Ausrüstungslücken besonders begrüßt, ebenso die erfolgreiche Arbeit der Europäischen Zahlungsunion; deren Weiterbestehen sei ein wichtiger unterstützender Faktor für den Aufbau der NATO-Streitkräfte. Schließlich wurden die neuen Mitgliedstaaten Türkei und Griechenland aufgefordert, sich an den Jahreserhebungsverfahren zu beteiligen. Zwei Anhänge brachten darüber hinaus eine Klärung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Ständigen Gruppe und des SACEUR 441 . Während der vorletzten Verhandlungsrunde Anfang Februar diskutierte das TCC den Zusatzbericht sowie den Resolutionsentwurf. Harriman faßte die zurückliegende Arbeit des Exekutivbüros an den Entwürfen zusammen und appellierte an die TCC-Vertreter, am erfolgreichen Abschluß des Lastenteilungsprojektes mitzuwirken. Nach dem Statement des belgischen Wirtschaftsministers Jean Duvieusart schlossen sich dem Aufruf Harrimans die Vertreter Dänemarks, Frankreichs, Italiens und Kanadas an. Alle sprachen sich für die Annahme der vorliegenden Entwürfe aus und präsentierten militärische und politische Vorableistungen ihrer Regierungen, die im Vorgriff auf die gemeinsame Resolution in Lissabon bereits umgesetzt worden waren. Einige Details standen auch noch einmal zur Debatte, berücksichtigt teilweise in Um- und Neuformulierungen ähnlich dem belgischen Einwurf. Eine abschließende Verhandlungsrunde des TCC wurde notwendig, da
441
Draft Resolution, TCC-D/27, 3.2.1952, BA-MA, BW 3/91, und Resolution on the Reports of the Temporar}' Council Committee, C9-D/20, 23.2.1952, NISCA, TCC/16.
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
255
die entgültige Bewertung der Militärs noch ausstand und die Regierungen den letzten Fassungen der Entwürfe zustimmen sollten 442 . Kurz vor der Ratstagung trat das TCC dann zur letzten Verhandlungsrunde zusammen. Dabei kam Harriman den Militärs neuerlich entgegen, indem er in der Endfassung des Zusatzberichtes auf einige absehbare Mängel in der Umsetzung der vom TCC empfohlenen Streitkräfteziele hinwies. Bei den nationalen Vertretern warb er für die Zustimmung zu abgeschwächten Einsatzgraden für die geplanten Verbände. Die Ministerkollegen waren jedoch in dieser Frage genauso zurückhaltend wie bei der Reorganisation der Bündnisstrukturen, stimmten allerdings nach einer kurzen Diskussion den Vorschlägen Harrimans zu und versicherten, auch das Einverständnis ihrer Regierungen zu den Änderungen zu erwirken. So endete die letzte Sitzung des TCC mit einem grundsätzlichen Ja der TCC-Vertreter zu dem Zusatzbericht und dem Entwurf der Ratsresolution, jedoch verbunden mit dem erneuten Hinweis auf die souveräne Entscheidungsfreiheit der Regierungen 443 . d. Die Ratstagung in Lissabon als Erfolg des TCC Die hissaboner
Streitkräfteyiele
Die Ratstagung in Portugal sollte nach den Vorstellungen der Truman-Administration unter allen Umständen Ergebnisse hinsichtlich eines deutschen Verteidigungsbeitrages und der gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen bringen. Gegenüber Robert Schuman betonte Acheson die Dringlichkeit von Entscheidungen für die Verteidigungsfähigkeit des Westens; die Ratstagungen in Ottawa und Rom hatten in seinen Augen keine nennenswerten Fortschritte gebracht. Daß dem amerikanischen Außenminister sehr daran gelegen war, zeigen die klaren Worte, die er gegenüber seinem französischen Kollegen fand: »Ottawa and Rome have passed without mark of progress. The world cannot and should not be asked to face another postponment of hope - which is failure444.« Diese in erster Linie auf einen deutschen Verteidigungsbeitrag gemünzten Aussagen galten jedoch ebenso für die Lastenteilung und die Reorganisation der Bündnisstrukturen, wie seine Hoffnungen bezüglich der Ratstagung in Iissabon zeigten. Seine Wunschliste war gleichbedeutend mit der Tagesordnung. Die Resolution C 9-D/20, die das Exekutivbüro auf der Grundlage des TCC-Abschlußberichtes entworfen hatte, beinhaltete bereits diese entscheidenden Ergebnisse. Bei der dritten Plenarsitzung am 23. Februar wurde abschließend über den TCC-Bericht und 442
443
444
Statement Harriman, TCC-D/30, 9.2.1952, und Summary Records of the l 7 t h - 2 0 t h Meetings, TCC-R/17-20, 6.2. - 8.2.1952, ΒΛ-ΜΑ, B\V 3/92. Zur letzten Sitzungsrunde siehe Summary Records of the 2 1 s t - 2 3 r d Meetings, TCC-R/21-23, 17.2.-19.2.1952, Β Λ - Μ Α , B W 3 / 9 1 . Vgl. auch Telegr. Acheson an DOS, 20.2.1952, FRL'S 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 5, Part 1, S. 219 f., und Telegr. Roll an K ) , 20.2.1952, PRO, Τ 235/35. Schreiben Acheson an Schuman, 4.2.1952, I-'RL'S 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 5, Part 1, S. 1 9 - 2 3 . Schuman bat zuvor um eine Verschiebung der Ratstagung wegen der innenpolitischen Diskussion um einen deutschen Verteidigungsbeitrag. Ebd., S. 1 f.
256
III. Die Bündnislösung
über den Entwurf der Ratsresolution verhandelt. Harriman hatte bereits zwei Tage vorher in einer Erklärung die Ergebnisse des Lastenteilungsprojektes zusammengefaßt und die beiden Vorlagen den anwesenden Ministern erläutert. Diese waren mit der Zustimmung ihrer Regierungen nach Portugal gereist, so daß der Vorsitzende des Nordatlantikrates, Lester Β. Pearson, das Verfahren abkürzen konnte. Während der Finanzminister Italiens, Frankreichs Premierminister und der stellvertretende Premier Portugals die Ergebnisse des TCC lobten und die Zustimmung ihrer Regierungen übermittelten, nutzte Eden die Gelegenheit, um noch einmal auf die schwierige Lage Großbritanniens hinzuweisen 445 . Das britische Kabinett hatte erst drei Tage zuvor auf Empfehlung des Mutual Aid Committee über die Zustimmung Londons verhandelt und war dem Vorschlag Edens gefolgt, dem TCC-Entwurf der Resolution zuzustimmen. Allerdings wollte Eden auch einige Vorbehalte äußern, die das MAC trotz der erfolgreichen bilateralen Verhandlungen mit Washington zu Papier gebracht hatte. So wiederholte er vor dem Nordatlantikrat die Bedingungen für die Durchführung der Streitkräfteziele und des umfangreichen britischen Verteidigungsprogramms: die Lösung des Zahlungsbilanzproblems durch Dollartransfers, die ausreichende Versorgung mit Rohstoffen und die Weiterführung der vom TCC vorgegebenen Lastenteilung 446 . Nach diesen Stellungnahmen und einer Aussprache über die Übereinkunft der Verteidigungsminister zu den Streitkräfteplanungen stimmte der Nordatlantikrat dem TCC-Bericht zu und nahm die Resolution am 23. Februar 1952 an. Es folgten noch Empfehlungen für eine Reorganisation sowie die Finanzierung der gemeinsamen Infrastrukturmaßnahmen, die jedoch getrennt behandelt wurden. Damit war das Lastenteilungsprojekt beendet. Eine letzte Presseerklärung des TCC über den Inhalt der Resolution am nächsten Tag setzte den Schlußpunkt 447 . Im Abschlußkommunique standen, nach sechs Tagen und fünf Plenarsitzungen, der Beitritt Griechenlands und der Türkei, die nicht-militärische Zusammenarbeit innerhalb der Allianz, die Fortschritte der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und die Zusammenarbeit zwischen dieser und der NATO, die Ziele der NATO und nicht zuletzt die drei für die weitere Entwicklung des Bündnisses entscheidenden Ergebnisse des Lastenteilungsprojektes im Vordergrund: die gemeinsamen Streitkräfteziele, der finanzielle deutsche Verteidigungsbeitrag und die Reorganisation der Bündnisstrukturen 448 . Über die festen Streitkräfteziele wurde noch bis kurz vor dieser Sitzung heftig diskutiert, nachdem die Kommentare der Militärs zu einigen Irritationen geführt 445
446
447 448
Zu der Sitzung siehe Summary Record, C9-R/4, 23.2.1952, NISCA, TCC/16, und Telegr. Acheson an DOS, 23.2.1952, FRUS 1952-54, Vol. 5, Part 1, S. 150-154. Zur Zustimmung des britischen Kabinetts siehe Memo Eden, C (52) 49, 19.2.1952, und Cabinet Conclusions, CC (52) 20th conclusions, 20.2.1952, PRO, CAB 129/49 und PREM 11/155. Zur Presseerklärung siehe Telegr. Acheson an DOS, 24.2.1952, NA, RG 59, 740.5, Box 3448. Final Communique of the Ninth Session of the North Ariantic Cuncil, 26.2.1952, FRUS 1952-54, Vol.5, P a r t i , S. 177-179. Zu den wichtigen Konferenzdokumenten siehe ebd., S. 176-255. Eine gute Zusammenfassung der Ratstagung bietet Maier, Die internationalen Auseinandersetzungen um die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland, S. 9 9 - 1 0 9 .
III. Die Bündaislösung
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Lissaboner Streitkräfteziele: Heeresdivisionen (Stand 1952) 60
50
40
30
20
10
Μ
M+3
Quelle: NATO Press Release, 20.8.1952, BA-MA, BW 3/183.
M+15
M+30
M+90 I © MGFA i 04716-03
hatten. Der Verteidigungsausschuß stimmte nach mehreren Gesprächsrunden ebenfalls den Streitkräftezielen des T C C zu. Die Verteidigungsminister unterstützten damit die Einschränkungen der Ständigen Gruppe und des Militärausschusses und forderten darüber hinaus von den Bündnisstaaten, alles dafür zu tun, die Reserveverbände schneller aufzustellen als geplant 449 . Der Nordatlantikrat beschloß daraufhin in seiner vierten Plenarsitzung am 23. Februar die Streitkräfteziele des T C C als Basis für die weitere Aufrüstung 45 ". Demnach sollten dem S A C E U R bis Ende 1954 42 sofort einsatzbereite Divisionen und 30 Tage nach einer Mobilmachung rund 90 Divisionen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus waren etwa 500 Kriegsschiffe und 10 000 Flugzeuge bereitzustellen. Bis Ende 1952 sagten die Bündnispartner die Aufstellung von insgesamt zirka 50 Divisionen (M+30) sowie die Anschaffung von 460 Kriegsschiffen und 4000 Flugzeugen zu 451 . Mit diesen sogenannten Lissaboner Streitkräftezielen und der Betonung der abschreckenden Wirkung eines zeitlich gestreckten und leicht reduzierten Streitkräfteaufbaus mit erhöht einsatzbereiten Verbänden bis Ende 1952 war auch der Streit zwischen 44 M e m o Schäffer, Erhard, Blücher, 31.1.1952, ΒΛ-ΜΛ, B W 3/93. Z u m Vergleich: Die Bundesrepublik verfügte im Jahre 1950 über ein Einfuhr-Volumen von 13,5 Milliarden DM und 1951 über geschätzte Bundessteuereinnahmen von 11,35 Milliarden. Siehe Schreiben Blücher an Adenauer, 29.5.1951, Nachlass Blücher, BArch, Ν 1080/80. Zur Sondersitzung des Kabinetts siehe Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd 5 (1952), S. 81 f. 514 Abschrift zweier Briefe Adenauers an Kirkpatrick und McClov, 9. und 10.1.1952, BArch, 512
Ν 1080/80.
515
Siehe Herbst, Option für den Westen, S. 1 1 1 - 1 1 5 , und Volkmann, Die innenpolitische Dimension.
272
III. Die Bündnislösung
werden konnte. Wie die Bündnisstaaten hoffte die Bundesregierung darüber hinaus auf eine Bestätigung ihrer Berechnungen, hier vor allem auf die Berücksichtigung der Haushaltsausgaben für Besatzungskosten, Berlinhilfe, Bundesgrenzschutz und Ruhegehälter für ehemalige Wehrmachtangehörige, und auf die Zustimmung des von Bonn angebotenen Globalbeitrages durch ein hochrangiges NATO-Gremium. Eine Erhöhung des Maximalangebotes der Bundesregierung wurde mit dem Drohbild der Gefährdung der finanziellen Stabilität und schwerer sozialer Spannungen von deutscher Seite ausgeschlossen 516 . Eine allgemeine Kritik an der bisherigen bündnisinternen Berechnung der Lasten wurde zudem in das Memorandum der drei zuständigen Minister aufgenommen. Es ergab sich eine rechnerische Schieflage durch den Verzicht auf eine Länder-Vergleichsgröße, mit der das Verhältnis der Pro-Kopf-Ausgaben für die gemeinsame Verteidigung hätte gegengerechnet werden können. Bonn schlug dafür einen Pro-Kopf-Betrag des Bruttosozialproduktes für ein NATO-Jahr vor und stellte auch eine Vergleichsrechnung an, die, wie nicht anders zu erwarten, deutliche Unterschiede zugunsten Westdeutschlands aufwies. Ein »gerechter« Lastenanteil der Bundesrepublik im Vergleich zum Pro-KopfIndex würde demnach einen Verteidigungsbeitrag von 9 Milliarden Mark für das NATO-Jahr 1952/53 ergeben 5 ". Naturgemäß war der Finanzminister mit den Vorbereitungen der TCCVerhandlungen beschäftigt. Doch die Art und Weise, wie Schäffer diese neue Aufgabe anging, stieß nicht nur die Westmächte vor den Kopf. Intern beklagten sich auch die Minister Erhard und Blücher über die Federführung durch ihren Ministerkollegen. Blücher kritisierte die mangelnde Informationspolitik und die unzureichende Abstimmung zwischen den Ministerien. Der Vizekanzler vertrat bereits Ende 1951 gegenüber Adenauer die Auffassung, die Frage des finanziellen Verteidigungsbeitrages sei interministeriell zu bearbeiten, um nicht nur die haushälterischen Belange berücksichtigt zu sehen518. Ludwig Erhard hatte in einer Kabinettssitzung Anfang Januar auf die Komplexität des Problems eines finanziellen deutschen Verteidigungsbeitrages hingewiesen und Schäffer aufgefordert, die zu-
Memo Schäffer, Erhard, Blücher, 31.1.1952, BA-MA, BW 3/93. Vor allem die hohe Steuerlast der Westdeutschen infolge der Finanzierung der Verteidigungsleistungen wurde dabei durch einen für die Bundesrepublik positiven Ländervergleich unterstrichen. 517 Ebd. Der Finanzminister ging dabei von den 12,8 Prozent am BSP zu Faktorkosten Großbritanniens, die London gemäß der NATO-Berechnungen an Verteidigungslasten zu tragen hatte, und von dem Pro-Kopf-Index von 795 US-Dollar (Preisbasis Oktober 1951) für Großbritannien aus. Im Umkehrschluß kam Schäffer dann bei einem Pro-Kopf-Index von 525 Dollar für die Bundesrepublik auf eine Belastung von 8,4 Prozent, was zu einer niedrigeren Gesamtbelastung von 9 Milliarden DM führte. Diese Summe, die in der Literatur immer wieder ohne Begründung als Schäffers Zielgröße für das deutsche Rechnungsjahr genannt wird, beruht auf diesen Berechnungen. Siehe Köllner/Volkmann, Finanzwissenschaftliche, finanzwirtschaftliche und finanzpolitische Aspekte eines deustchen Beitrages zur EVG, S. 852; Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 94, oder Henzler, Fritz Schäffer, S. 409. 518 Brief Blücher an Adenauer, 17.12.1951, BArch, Ν 1080/80. 516
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
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ständigen Ministerien rechtzeitig zu beteiligen 519 . Die Frage blieb bis Ende Januar offen, denn noch am 25. Januar kritisierte Erhard gegenüber dem Finanzminister die ungeklärten Zuständigkeiten und weigerte sich unter diesen Bedingungen, die Verantwortung für mögliche wirtschaftspolitische Folgen zu übernehmen 520 . Dabei hatte Adenauer schon im Dezember die drei zuständigen Minister im Auge und unterrichtete die Hohen Kommissare Anfang Januar über die Vertretung der deutschen Interessen durch die Herren Blücher, Erhard und Schäffer 521 . Doch auch durch diese Festlegung ließ sich der Finanzminister nicht das Heft aus der Hand nehmen. Sein Verhalten läßt sich nur damit erklären, daß er zu diesem Zeitpunkt nicht nur um zukünftige Militärausgaben direkt mit der AHK verhandelte. Parallel liefen die nicht unwichtigen Gespräche zur Regelung der Vorkriegs- und Nachkriegsschulden Deutschlands in London 522 . Auch diese zukünftigen Ausgaben, ganz zu schweigen von den drohenden Reparations- und Wiedergutmachungszahlungen, mußten bei der Festlegung der Gesamtsumme für einen Verteidigungsbeitrag berücksichtigt werden. Dies war nach Meinung Schäffers nur zu erreichen, wenn die Vorbereitungen in einer Hand blieben523. Immerhin kam es vor den Verhandlungen in Paris zu sechs Gesprächsrunden zwischen Blücher, Erhard, Schäffer und deren Experten. Das Vorgehen wurde in Paris noch einen Tag vor den Verhandlungen mit dem Exekutivbüro abgestimmt 524 . Die erste Besprechung fand am 4. Februar unter der Leitung Drapers, der für den abwesenden Harriman die USA vertrat, statt525. Bereits in seinen Begrüßungsworten stellte Draper fest, daß das TCC keine Entscheidungen treffe, sondern nur Empfehlungen ausspreche. Monnet relativierte dies, indem er gegenüber der deutschen Delegation betonte, daß die NATO vom folgenden Grundsatz ausginge: Alle an der Verteidigung des Westens beteiligten Staaten müßten bis zur Grenze ihrer Leistungskraft gehen, ohne diese jedoch zu überschreiten. Auf der Grundlage des deutschen Memorandums und des Antwortkataloges der Bundesregierung folgte eine Diskussion, in der die deutschen
Brief und Briefentwurf Blücher an Adenauer, 6.12.1951 und 23.1.1952, BArch, Ν 1080/80. Im Brief vom Dezember 1951 schlägt Blücher nach Verhandlungen in London eine hochrangige Arbeitsgruppe aus Vertretern aller zuständigen Ministerien für die anstehenden Aufgaben vor. 52,1 Schreiben Erhard an Schäffer, 25.1.1952, BArch, X 1080/93. 521 Brief Adenauer an Kirkpatrick, 9.1.1952, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1952, S. 23 f. 522 Hierzu Abs, Fintscheidungen: 1 9 4 9 - 1 9 5 3 . Die Entstehung des Londoner Schuldenabkommens. Nach Abs war die Anerkennung der deutschen Auslandsschulden die Voraussetzung für den Hintritt der Bundesrepublik in die Weltwirtschaft. Immerhin erreichten allein die Vorkriegsschulden eine jährliche Rückzahlungsrate von rund 1,5 Milliarden DM. 521 Köllner/Volkmann, Finanzwissenschaftliche, finanzwirtschaftliche und finanzpolitische Aspekte eines deutschen Beitrages zur EVG, S. 849 f., und Henzler, Fritz Schäffer, S. 408 f. Zu den Wiedergutmachungszahlungen an Israel siehe Schwarz, Adenauer. Der Aufstieg, S. 8 9 7 - 9 0 6 , und Wolffsohn, Die deutsch-israelischen Wiedergutmachungsabkommen. 524 Terminkalender Blücher, BArch, Ν 1080/294-6 (1952). Die Experten oder Sachverständigen waren Dr. Heinz-Maria Oeftering, Dr. Hans Strathus, Dr. Friedrich Karl Viaion, Dr. Helmut Meinhold, Dr. Günther Schleiminger und Dr. Alfred Bohnen. 525 Report of Meeting, 4.2.1952, T C C - G / 9 und G/15, 8.2. und 16.2.1952, ΒΛ-ΜΛ, BW 3/93.
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III. Die Bündnislösung
Die drei Weisen aus Bonn 1952: Finan^inister Frit% Schäffer, Wirtschafts?mnister Erhard und Marsball-Plan-Minisier Frarn^ Blücher.
Fudwig
Vertreter nochmals die sehr optimistische Einschätzung der deutschen Wirtschaftskraft durch die AHK und durch das Exekutivbüro des TCC kritisierten526. Erhard versuchte zu verdeutlichen, daß der erweiterte Handlungsspielraum durch eine höhere wirtschaftliche Wachstumsrate keineswegs nur für Verteidigungszwecke genutzt werden dürfe. Dies wäre nur auf Kosten der Investitionsquote oder des Privatverbrauchs möglich gewesen, was aus Sicht der Bundesregierung nicht akzeptabel war. Schäffer wies darauf hin, daß er unter diesen Bedingungen gemäß deutschem Grundgesetz sogar zum Rücktritt verpflichtet sei. Seine Verhandlungspartner kritisierten diese Haltung und verwiesen auf die Belastungen der NATO-Mitgliedstaaten. Zwei Argumente des deutschen Vertreters wurden indessen mehr oder weniger akzeptiert: zum einen Schäffers Kritik an einem Sachverständigengutachten zur Steuerbelastung in Westdeutschland im Vergleich zu den USA, Großbritannien und Frankreich. In diesem Gutachten blieben nach Schäffers Auffassung die Sozialversicherungsbeiträge und die Soforthilfe unberücksichtigt. Bei angemessener Berücksichtigung dieser staatlichen Zwangsbeiträge, kam der Finanzminister zum Schluß, würde das tatsächliche Steueraufkommen im Vergleich zu den genannten Staaten eine weitaus höhere Belastung für den deutschen Steuerzahler bedeuten. Zum anderen wies die deutsche Delegation überzeugend auf den deutlich niedrigeren bundesrepublikanischen Lebensstandard im Vergleich zu den anderen Staaten hin. Marjolin bestätigte diese Einschätzungen aus Sicht der OEEC, wies aber darauf hin, daß ein Land wie Italien unter rein wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkten überhaupt keinen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung leisten dürfte. Er forderte daher die Bundesregierung auf, den Privatkonsum zumindest für die 526
Replies by the Representatives of the German Federal Government, 6.2.1952, PRO, Τ 235/42. Das deutsche M e m o hatte einen Fragenkatalog des Exekutivbüros herausgefordert, der am 3.2.1952 in Bonn einging. Die Fragen zielten auf die Weigerung der Bundesregierung, mehr als die im M e m o angegebenen Leistungen für die gemeinsame Verteidigung zu erbringen.
III. Die Bündnislösung
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kommenden Jahre zu drosseln, um einen angemessenen Verteidigungsbeitrag leisten zu können 5 2 7 . Der Vorsitzende des T E A S kritisierte auch die im deutschen Memorandum zu pessimistische Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten der deutschen Volkswirtschaft. Erhard widersprach dem und warnte davor, ungedeckte Zukunftswechsel in einer frühen Phase der deutschen Verteidigungsvorbereitungen einzulösen — noch dazu, wenn die belebende Wirkung von Verteidigungsausgaben, die er aufgrund der inflatorischen Tendenz solcher Ausgaben nicht erkennen könne, als Garantie dafür gelte. Die allgemeine Aussprache endete ohne erkennbare Ergebnisse und wurde im kleineren Kreis fortgesetzt. Die Drei Weisen forderten in dieser Runde von der Bundesregierung ähnliche Opfer wie die von Washington, London und Paris erbrachten, bestehend vor allem aus einem Einfrieren des Lebensstandards und des Privatverbrauchs sowie aus Einschränkungen bei den Investitionen. Monnet ließ sich nicht durch Schäffers Gegenargumente davon abbringen, daß Bonn mehr zu leisten imstande sei, als es auf dem Papier anbot. Auch Draper hielt daran fest; zudem sei der Verteidigungsbeitrag Bonns der Prüfstein für weitere finanzielle und materielle Unterstützung aus den USA. Die Vertreter der westeuropäischen NATO-Partner hatten auf diese Drohung im November entgegnet, der bestehende Dollar- und Warenfluß sei eine Grundvoraussetzung für weitere Rüstungsanstrengungen. Wirtschaftsminister Erhard hielt ebenso dagegen und betonte, daß auch für seine Regierung weitere US-Außenhilfe notwendig sei, um einen Verteidigungsbeitrag zu erbringen. Monnet leistete Erhard angesichts der angespannten Wirtschaftslage Frankreichs bewußt Schützenhilfe. Für alle beteiligten Staaten sei das angestrebte Aufrüstungsprogramm auf lange Sicht nur durch wirtschaftliche Expansion und mittelfristig einzig durch eine Fortsetzung der USAußenhilfe nach Westeuropa zu gewährleisten. Nach diesem ersten Gedankenaustausch wurde eine knappe Woche später eine zweite Verhandlungsrunde eingeleitet. Erneut zuerst im großen Kreis versuchte die deutsche Delegation, das Angebot von 10,8 Milliarden Mark für das N A T O - R e c h nungsjahr 1 9 5 2 / 5 3 zu verteidigen 528 . Schäffer konnte für diese Gesprächsrunde stärkere Geschütze auffahren, denn einige Tage zuvor hatten die Fraktionen der Freien Demokraten, der C D U / C S U und der Deutschen Partei (DP) einen nicht unwichtigen Antrag im Bundestag gestellt. Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, bei der Festlegung des westdeutschen Verteidigungsbeitrages auf Gleichberechtigung zu achten und die deutschen Sonderbelastungen durch die NATO-Gremien angemessen angerechnet zu bekommen. Auch wurde die hohe Steuerbelastung beklagt und weitere Steuererhöhungen zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben praktisch ausgeschlossen. Der Bundestag nahm den Antrag 52
Z u r ersten Gesprächsrunde am 4 . 2 . 1 9 5 2 siehe Gedächtnisprotokolle, 9 . 2 . 1 9 5 2 , B A r c h , Β 1 2 6 / 1 4 2 0 8 , und 1 1 . 2 . 1 9 5 2 , Β Α - Μ Λ , B W 9 / 3 2 1 1 ; Telegr. Bruce an D O S , 5 . 2 . 1 9 5 2 , Ν Λ , R G 59, 740.5/2-552. Aufzeichnungen Yialons, 1 1 . 2 . 1 9 5 2 , in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1952, S. 1 2 7 - 1 3 5 . Vgl. auch die Gedächtnisprotokolle, 13. und 1 4 . 2 . 1 9 5 2 , B A r c h , Β 1 2 6 / 1 4 2 0 8 , und den B e r i c h t des amerikanischen B o t s c h a f t e r s in Frankreich Bruce, 1 2 . 2 . 1 9 5 2 , F R L ' S 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 5, Part 1, S. 3 2 f.
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III. Die Bündnislösung
noch am selben Tag an, ebenso wie einen zweiten Antrag, diesmal zur Beendigung des Besatzungsregimes 529 . Dieser forderte die Auflösung aller »Dienstgruppen im Dienste der alliierten Streitkräfte«, um einen einheitlichen deutschen Verteidigungsbeitrag zu gewährleisten. Darüber hinaus wurde erneut eine angemessene Berücksichtigung der Sonderlasten (Flüchtlings- und Berlinfrage, Bereitschaftspolizei) angemahnt 530 . Schäffer wies gegenüber den Drei Weisen darauf hin, daß der Gleichberechtigungsgedanke einen entscheidenden Einfluß auf die innenpolitische Debatte um einen deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrag habe. Wirtschaftsminister Erhard betonte, das Angebot der Bundesregierung stelle aufgrund der Finanz- und Wirtschaftslage Westdeutschlands einen Maximalbeitrag dar. Ähnlich der Argumentation der französischen und italienischen Delegation im November wies Vizekanzler Blücher schließlich noch auf die Gefahr der »bolschewistischen Unterwanderung« Westdeutschlands hin, wenn der Lebensstandard aufgrund der Aufrüstung sinke. Auf die Drei Weisen hatten derartige Bedrohungsszenarien kaum Wirkung 531 . Viel zu oft waren sie in den vergangenen Monaten mit dieser Argumentationsführung konfrontiert worden. Monnet kritisierte die deutschen Vertreter als erster und warf Erhard vor, nichts neues zur Diskussion beizutragen. Der TCC-Vertreter Frankreichs trat weiterhin für einen erhöhten Aufwand Westdeutschlands für die gemeinsame Verteidigung ein532. Der britische Vertreter Schloß sich dem an. Harriman beendete schließlich die Verhandlungen, denn seine Worte brachten die notwendige Klärung dahingehend, daß der deutschen Delegation kein Verhandlungsspielraum zugebilligt wurde. Er betonte, das TCC müsse zu einer Entscheidung kommen, die sowohl die Interessen der Nordatlantischen Allianz als auch die der Bundesregierung berücksichtige. Allerdings sei es ausgeschlossen, für die wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Belange aller Staaten eine Formel zu finden. Deshalb verabreiche das TCC wie ein Arzt Medizin, ohne sich um deren Geschmack zu kümmern 533 . Damit war die deutsche Delegation entlassen. Eine Expertenrunde klärte im Anschluß noch einige Detailfragen, letztendlich blieb jedoch der Bundesregierung nichts anderes übrig, als auf die Empfehlungen des TCC über die Höhe des deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrages zu warten. Die Gespräche in Paris zwischen den Vertretern der NATO und den deutschen Ministern und deren Sachverständigen verliefen trotz der klaren Worte Harrimans in einer angenehmen Atmosphäre, die von gegenseitigem Respekt geprägt war. Vor 529 Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Anlagen zu den stenographischen Berichten, Bd 15, Drucksache 3077, und Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte, Bd 10, S. 8242. 530 Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Anlagen zu den stenographischen Berichten, Bd 15, Drucksache 3079 und Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte, Bd 10, S. 8242. 531 Aufzeichnung Viaions, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1952, S. 131. 532 Paris schlug im laufenden Verfahren einen Gesamtbeitrag von 11,7 Milliarden DM oder rund elf Prozent des westdeutschen Bruttosozialproduktes vor. TCC-G/10, 8.2.1952, BA-MA, BW 3/93. 533 Ebd., S. 132 f.
III. Die Bündnislösung
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allem die detaillierte Sachkenntnis des deutschen Finanzministers beeindruckte die Verhandlungspartner der N A T O 5 3 4 . Ähnlich der gut vorbereiteten Präsentation der britischen Delegation im November überzeugte auch die deutsche Abordnung in Paris. Allerdings gelang es den Deutschen nicht, ihre Ziele in vollem Umfange zu erreichen. Im Gegensatz zu den Briten lag der Schwerpunkt der deutschen Argumentationsführung zu sehr auf der Kritik an den Berechnungsgrundlagen der N A T O , die nach Schäffer ein zu rosiges Bild von der Stärke der deutschen Wirtschaft entstehen ließ. Die Briten vermochten ihre Wirtschaftskraft pessimistischer zu entwerfen, was auch den letzten Zweifler von der guten Zahlungsmoral Londons überzeugen mußte. Die Drei Weisen, allen voran Harriman, waren sich von Anfang an einig darüber, daß die Beurteilung der deutschen Leistungsfähigkeit durch das Exekutivbüro einen Sonderfall im TCC-Projekt darstelle. Vor allem politische Erwägungen hatten zu den inoffiziellen Gesprächen mit deutschen Ministern vor einem N A T O Gremium geführt. Die »Terms o f Reference« des T C C enthielten hingegen keine genauen Vorgaben für diesen Fall, was den amerikanischen Vertreter dazu veranlaßte, die Ergebnisse der Fragebogenaktion und der Verhandlungsrunden mit Blücher, Schäffer und Erhard nicht in der Ministerrunde zu diskutieren. Vielmehr schlug er im Januar seinen zwei Kollegen aus London und Paris vor, den deutschen Fall nur innerhalb des Exekutivbüros abzuhandeln. Damit werde auf der einen Seite Adenauers Wünschen entsprochen, auf der anderen Seite eine offizielle Stellungnahme des T C C — und damit der N A T O — zu einem deutschen Verteidigungsbeitrag vermieden 535 . Bereits einige Tage vorher hatte eine Abstimmung zwischen den Außenministerien der drei Mächte stattgefunden. Die USA und Frankreich plädierten für das später von Harriman vorgeschlagene Vorgehen, während Großbritannien das gesamte T C C einbeziehen wollte 536 . Paris argumentierte vor allem mit dem Drohpotential gegenüber Moskau, das offizielle Gespräche zwischen der N A T O und der Regierung in Bonn in sich berge. London Schloß sich der Argumentation an, nachdem Adenauers Einverständnis mit der Federführung der Drei Weisen und den inoffiziellen Verhandlungen bekannt geworden war. Am 1. Februar informierte Harriman die Ministerrunde des T C C schriftlich über die geplante Vorgehensweise und über die Bedeutung eines deutschen finanziellen Beitrages für die gemeinsame Verteidigung des Westens 5 3 7 . Eine Woche später berichtete der Vorsitzende des T C C während der 19. Sitzung über den Sachstand und betonte, daß die Drei Weisen als »advisers at an intermediate stage o f the work beeing carried out by the
Während der Gespräche vom 4.2. riet Monnet Finanzmimster Schäffer, ob semer Sachkenntnis und großen Fachkompetenz für das Amt des ersten Finanzministers eines vereinigten F.uropas zu kandidieren. Gesprächsprotokoll Viaion, 9.2.1952, BArch, Β 126/14208. 5,5 Telegr. Harriman an Plowden, 20.1.1952, PRO, Τ 235/35. Siehe auch Plowdens Antwort, nachdem er die Vorschläge mit Monnet besprochen und akzeptiert hatte. Telegr. Plowden an Harriman, 24.2.1952, P R O , Τ 235/35. Telegr. Crawford (FO) an Compton, 18.1.1952, PRO, Τ 235/42. 5·'" Memo Hamman, T C C - D / 2 6 , 1.2.1952, ΒΑ-ΜΛ, B W 3/91. 514
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III. Die Bündnislösung
Paris Conference and the London Committee« 538 agierten. Die Vertreter der übrigen Bündnisstaaten schienen vorerst zufriedengestellt, zumindest regte sich während der TCC-Sitzungen, die den deutschen Verteidigungsbeitrag auf der Tagesordnung hatten, kein Widerstand. Bonn formulierte die inoffizielle Zusammenarbeit mit der NATO am vorsichtigsten. In der Pressemitteilung vom 19. Februar hieß es: »Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Alliierte Hohe Kommission haben die Mitglieder des Arbeitsausschußes des Vorläufigen Ausschußes des Rates der
NATO in deren privater Eigenschaft gebeten, zu prüfen [,..]«539. Für die praktische Arbeit hatten diese Stellungnahmen und Absprachen keine nennenswerten Auswirkungen. Alle Gremien des TCC waren an der Berechnung und Festlegung des finanziellen Beitrages Bonns für die gemeinsame Verteidigung beteiligt. Die Arbeitsgruppe des TCC und der TEAS werteten die deutschen Memoranden und den Antwortbogen, die Stellungnahmen der Militärs, die der EVGKonferenz und der Tripartite-Gruppe in London in bewährter Weise aus und formulierten für die Drei Weisen die Fragen für die Verhandlungen mit den deutschen Ministern. Der SCS stellte die Kosten für den Aufbau deutscher Streitkräfte als Grundlage für die Gegenrechnung des empfohlenen finanziellen Gesamtbeitrages zusammen. 540 Die Stellvertreter der Drei Weisen faßten alle Informationen zusammen und erarbeiteten erste Empfehlungen, die auf einen größeren Beitrag Westdeutschlands als den von Schäffer angebotenen hinausliefen. Dabei ist interessant festzustellen, daß die Argumentation in der Aktenführung auf einer rein qualitativen Bewertung der deutschen Leistungsfähigkeit beruhte. Die Zahlenangaben blieben hingegen vorerst offen 541 . So forderte Etienne Hirsch die Gleichbehandlung Westdeutschlands aufgrund der beeindruckenden wirtschaftlichen Entwicklung der jungen Republik. Vor allem im internationalen Vergleich, so der Franzose, schnitten die Deutschen — wegen der fehlenden Belastung durch die Aufrüstung — in den Bereichen Konsum und Investitionen viel besser ab, als die USA, Großbritannien und natürlich Frankreich selbst. Der Schluß lag nahe, für Bonn einen ähnlich hohen Beitrag wie für Frankreich zu verlangen, in Zahlen ausgedrückt 11,7 Milliarden Mark oder rund elf Prozent des Sozialproduktes für das NATO-Haushaltsjahr 1952/53 542 . Hirschs Memorandum zeigt zahlreiche Parallelen zu dem Abschlußbericht des Exekutivbüros auf, welcher am 14. Februar 1952 vorgelegt wurde. Der Kreis um Monnet scheint die Fäden bei der endgültigen Festlegung des deutschen Verteidigungsbeitrages in den Händen gehalten zu haben 543 . 538 Sitzungsprotokoll, TCC-R/18, 7.2.1952, BA-MA, BW 3/91. 535 Pressemitteilung Nr. 205/52,19.2.1952, BArch, Β 146/437. 5« Siehe EB-D/14 und EB-D/16, 29.10. und 1.11.1951, BA-MA, BW 3/94. Zur Vorarbeit General Gruenthers siehe sein Schreiben an Harriman, SHAPE/617/51, 29.10.1951, NISCA. 541 Memo »Defence Contribution of the German Federal Republic«, G/3 (rev.), 1.2.1952, BA-MA, BW 3/93. 5« Memo by the French Member der TCC-WG, 8.2.1952, FJM, AMI 10/8/17. 5« Report on Germany's Contribution to Defense, 1952/53, G/13 (rev.), 14.2.1952, BA-MA, BW 3/93.
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A m 13. Februar beschlossen die Drei Weisen aufgrund der Vorarbeit ihrer Experten, einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag in Höhe von 11,25 Milliarden Mark für 1 9 5 2 / 5 3 zu empfehlen. Damit lagen sie gemäß der deutschen Definition um 450 Millionen über d e m deutschen Angebot, nach der N A T O - D e f i n i t i o n sogar um 2,25 Milliarden 544 . D a s v o m Exekutivbüro erstellte Empfehlungsschreiben wurde der Bundesregierung über die Alliierte Hohe Kommission übermittelt. Adenauer erhielt während der Außenministerkonferenz in L o n d o n Kenntnis v o m Bericht der Drei Weisen und wurde von E d e n zu einer Stellungnahme aufgefordert. D e r Kanzler ließ sich jedoch zu keinen grundsätzlichen Aussagen bewegen 5 4 5 . Vielmehr beauftragte er telefonisch Schäffer und Erhard mit einer Stellungnahme, die rechtzeitig zur N A T O - R a t s t a g u n g in Lissabon fertiggestellt sein sollte 546 . Schäffer kritisierte intern die Empfehlungen der Drei Weisen und betonte die politische Entscheidungsfreiheit der Bundesregierung, sich den Empfehlungen anzuschließen oder auch nicht. Obwohl nach außen hin ein K o m p r o m i ß erzielt worden sei, sei durch die Nichtanerkennung eines Teils der Berlinhilfe das Gesamtergebnis unbefriedigend 54 ". In einem Gespräch mit Harris deutete Schäffer bereits Widerstand gegen das TCC-Gutachten an. Ungeachtet aller Absprachen nahm der streitbare Finanzminister dann auch noch gegen das Gutachten öffentlich Stellung, was zu einigem Wirbel im Kabinett und zu großer Verärgerung in amerikanischen Regierungskreisen führte. Während der Atlantikratstagung in Lissabon wurde dann grundsätzlich einem militärischen Verteidigungsbeitrag und den Empfehlungen des T C C hinsichtlich eines finanziellen Verteidigungsbeitrages der Bundesrepublik zugesummt 5 4 8 . E n d e Februar verhandelten in Mehlem Vertreter der Bundesregierung mit den Hohen Kommissaren 5 4 9 . A u f die Frage McCloys, o b die Bundesregierung den Vorschlag der Drei Weisen annehme, antwortete Schäffer ausweichend mit der Bereitschaft, »die Empfehlungen grundsätzlich zugrunde zu legen« 550 , und verwies auf die offenen Fragen, an erster Stelle natürlich die abzugsfähigen Positionen, die einer endgültigen Regelung des Globalbeitrages im Wege standen. D e r Finanzminister versuchte erneut, die Besatzungskostenregelung als Bedingung für eine Festlegung des Globalbeitrages anerkannt zu bekommen. D o c h McClov und Kirkpatrick widersetzten sich einer von B o n n festgelegten Summe von monatlich Tclegr. Plowden an Butler, 13.2.1952, P R O , Τ 2 3 5 / 4 2 . Protokoll zur Außenministerkonferenz, Vormittagssitzung, 18.2.1952, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1952, S. 1 5 5 - 1 6 0 . 546 Gesprächsnotiz, 18.2.1952, BArch, Ν 1 0 8 0 / 8 0 . Acheson hatte Adenauer in L o n d o n um eine rasche lintscheidung gebeten und unterstrich die Bedeutung, die er dem rechtzeitigen Abschluß der Finanzverhandlungen beimaß. Siehe Protokoll zur Außenministerkonferenz, Yormittagssitzung, 18.2.1952, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1952, S. 1 5 5 - 1 6 0 . 54~ Sitzungsprotokoll, 19.2.1952, BArch, Β 1 4 6 / 4 3 7 . 548 Resolution über die deutsche Teilnahme an der Verteidigung des Westens, 22.2.1952, N I S C A , C 9 - D / 1 9 , und dt. Übers., B A - M A , B W 9 / 2 0 5 1 . 54 ' J Wortprotokoll der Sitzung, 22.2.1952, in: Adenauer und die Hohen K o m m i s s a r e 1952, S. 2 0 - 2 3 . " " F.bd.,S. 20. 544
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500 Millionen Mark bis zum Inkrafttreten des EVG-Vertrages und forderten 100 Millionen mehr. Man traf schließlich eine stille Vereinbarung, die 500 Millionen seitens der Alliierten nicht zu überschreiten. Für beide Seiten ließ dieses Vorgehen eine Hintertür für Mehrforderungen seitens der AHK oder für Einsparungsvorschläge seitens Bonns offen. Die Vereinbarung sollte durch einen Schriftwechsel zwischen der Bundesregierung und der Kommission bestätigt werden. Am nächsten Tag wurde schließlich eine endgültige Übereinstimmung über die Höhe der von der Bundesregierung zu leistenden Besatzungskosten und Verteidigungsausgaben für das Haushaltsjahr 1952/53 erzielt. Acheson hatte einen persönlichen Appell an Adenauer gerichtet, im Sinne der Adantischen Allianz eine staatsmännische Entscheidung zu treffen und Detailfragen in den Hintergrund zu stellen551. Am 26. Februar erklärte die Bundesregierung dann in einem Kommunique ihre Bereitschaft, ihren Verteidigungsbeitrag für das NATO-Jahr 1952/53 gemäß den Empfehlungen des TCC zu leisten. Es folgte die Festschreibung des Globalbeitrages in Höhe von insgesamt 8,8 Milliarden Mark von April 1952 bis März 1953, aufgeteilt in Zahlungen für die Besatzungskosten, ab August 1952 »Stationierungskosten für alliierte Truppen im Bundesgebiet« genannt, und zur Aufstellung deutscher Verbände im Rahmen der EVG. Dieser Finanzvertrag mit den drei Westmächten legte eine monatliche Rate von 850 Millionen Mark für das NATO-Jahr 1952/53 und vier Monatsraten zu einer halben Milliarde für die Besatzungskosten bis August 1952 fest. Hochgerechnet auf das NATO-Haushaltsjahr war so von der Bundesrepublik eine Gesamtsumme von 9,85 Milliarden zu leisten552. Adenauer informierte offiziell am 29. Februar den Geschäftsführenden Vorsitzenden der Kommission über die Bereitschaft der Bundesregierung, auf der Grundlage der TCC-Empfehlungen den genannten finanziellen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung des Westens nach Inkrafttreten des Generalverträges und des Vertrages über die Errichtung der EVG zu leisten553. Adenauer bat hinsichtlich der Besatzungskosten, diese in der »Vorvertragszeit« so gering wie möglich zu halten und nicht über monatlich 500 Millionen Mark anwachsen zu lassen. Die bestätigende Antwort der Außenminister der USA, Großbritanniens und Frankreichs bildeten den Abschluß der Verhandlungen für das erste Haushaltsjahr. Eine Regelung für die Folgejahre sollte durch das während der Ratstagung in Lissabon beschlossene Jahreserhebungsverfahren der NATO gefunden werden. Zudem wurde Bonn wie den meisten NATO-Mitgliedstaaten eine Außenhilfe in Aussicht gestellt, falls die erwartete Steigerung der deutschen Wirtschaftsleistung nicht eintreten würde 554 . Die Ansprüche der Bundesregierung auf abzugsfahige Ausga551 Telegr. McCloy an DOS, 23.2.1952, FRUS 1952-54, Vol. 5, Part 1, S. 256 f. Zu Achesons Appell siehe ebd., S. 260 f., und die Antwort Adenauers in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1952, S. 61 f. 552 Finanzpolitische Mitteilungen, Nr. 7, 4.3.1952, BA-MA, BW 9/3069. Zum Kommunique siehe Europa-Archiv, 7 (1952), S. 4797. 553 Schreiben Adenauer an McCloy, 29.2.1952, BA-MA, BW 9/3069. 55t Schreiben Acheson, Eden, Schuman an Adenauer (Ubers.), 29.2.1952, BA-MA, BW 9/3069.
III. D i e B ü n d n i s l ö s u n g
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ben blieben aufrecht und sollten ebenfalls im Zuge des Jahreserhebungsverfahrens der N A T O geprüft werden. Diese Bedingungen kamen dem Finanzminister sehr entgegen, denn die vorläufig festgesetzte Summe konnte ohne Steuererhöhungen und ohne Einschränkungen im sozialen Bereich finanziert werden. Allerdings mußten die Länder indirekt einen Anteil an den Kosten übernehmen, denn Schäffer gelang ein Finanzierungsschub für die Verteidigungslasten durch die Erhöhung der Bundesanteile an der Einkommens- und Körperschaftssteuer von 27 auf 37 Prozent, die er gegen den Widerstand der Länder im Juli 1952 durchsetzen konnte 555 . Die ersten Erfahrungen der Bundesregierung mit dem Nordatlantischen Bündnis wurden insgesamt positiv bewertet. Der Bündniskompromiß hatte Empfehlungscharakter, was für die praktische Umsetzung weiteren Verhandlungsspielraum brachte. Im Gegensatz zu den NATO-Mitgliedstaaten, die während der Lissaboner Ratstagung den Empfehlungen des T C C zustimmten, hatte sich Bonn nur gegenüber den USA, Großbritannien und Frankreich zu verantworten. Bei den Nachverhandlungen mit der Hohen Kommission kam ein zweiter Kompromiß zustande, der aus Sicht der Bundesregierung die Forderungen der N A T O abschwächte und keine endgültige Fesdegung eines Globalbeitrages bedeutete. Darüber hinaus wurde nach Einschätzung des Finanzministers der Inflationsgefahr wirksam entgegengetreten, und den deutschen Steuerzahlern wurden keine neuen Lasten auferlegt 556 . Dieser »doppelte Kompromiß« war der Erfolg Fritz Schäffers, der damit den hohen Eintrittspreis, den sein Kanzler für die Aufnahme in den Kreis der westlichen Sicherheitspartner zu zahlen bereit war, deutlich reduzieren konnte. Adenauer war sich dessen voll bewußt und bedankte sich Ende Mai 1952 zur Verwunderung Schäffers mit ungewohnt herzlichen Worten für dessen unermüdlichen Einsatz bei der Regelung des deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrages 55 ". Die Hartnäckigkeit des Finanzministers wurde auch von den Hohen Kommissaren goutiert. Während eines feierlichen Banketts der Alliierten Hohen Kommission zu den Vertragsabschlüssen schrieb Kirkpatrick auf die Tischkarte Schäffers »Unserem Finanzdiktator«, und Andre Fran^ois-Poncet ließ sich sogar zu einem »Unserem Tyrannen«
Siehe die Kabincttsprotokolle der 201., 209., 213., 2 2 7 , 230. Sitzung und der Sondersitzung, 7.5.1952, in: Die Kabincttsprotokolle der Bundesregierung, Bd 5, S. 99 f., 188, 229, 389 f., 412 f. und 264 f. N o c h am 28.2.1952 hatten die Ministerpräsidenten der Länder diese l'inanzierungshilfe für den deutschen Verteidigungsbeitrag entschieden abgelehnt, denn in seiner Gesetzesvorlage v o m 1.2. hatte Schäffer sogar 40 Prozent gefordert, was zu einer mehrmonatigen parlamentarischen Auseinandersetzung führte. Krst im Vermittlungsausschuß konnte der K o m p r o m i ß von 37 Prozent erziehlt werden, nachdem das Angebot des Bundesrates über eine Hrhöhung um 32 Prozent wiederum von Schäffer abgelehnt worden war. Vgl. auch Henzler, 1'ritz Schäffer, S. 3 5 0 - 3 6 3 , 412. 5si' Z u Schäffers Bewertung siehe sein Schreiben an Adenauer, 24.2.1952, BArch, Β 126/51516. M* Schreiben Adenauers an Schäffer, 30.5.1952, BArch, Β 126/51517. Darin führte der Kanzler aus: »Ihr N a m e wird mit der Überwindung der Kriegsfolgen und der Wiederherstellung der deutschen Souveränität unlösbar verbunden sein.« Zit. nach Henzler, l'ritz Schäffer, S. 413. 55S
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hinreißen 558 . Die USA, Großbritannien und Frankreich waren im großen und ganzen ebenfalls mit der Übereinkunft zufrieden. Noch in letzter Minute konnten französische Bedenken hinsichtlich der Höhe des deutschen Beitrages für die EVG ausgeräumt werden. Schuman hatte befurchtet, Bonn würde mit der Verknüpfung des EVG-Anteils mit den Stationierungskosten seine Stimmrechte innerhalb der zukünftigen EVG erhöhen wollen. Eine Fußnote, die Schuman als Kenntnisnahme und nicht als Anerkennung der deutschen Wünsche interpretieren konnte, setzte schließlich den Endpunkt unter die schwierigen Verhandlungen 559 . Die britischen Militärs zeigten sich jedoch hinsichtlich der Ausrüstung einer zukünftigen deutschen Armee skeptisch, mußte dies ja zu Lasten der NATO-Staaten gehen. Darüber hinaus sah das Kabinett in London voraus, daß die zu erwartenden zusätzlichen Belastungen durch den drohenden Wegfall der Besatzungskostenübernahme durch Bonn beträchtlich sein würden 560 . Obwohl sich die kleineren Bündnispartner mit dem Vorgehen der Drei Weisen einverstanden gezeigt hatten, kritisierten vor allem die Beneluxstaaten im nachhinein das aus ihrer Sicht unbefriedigende Entscheidungsverfahren. Zum einen beklagte sich der niederländische TCC-Vertreter über die Nichtbeteiligung des gesamten TCC, vor allem hinsichtlich des fehlenden Aktenzugangs. Zum anderen, und darin wurde er von seinem belgischen Kollegen unterstützt, seien die Rahmenbedingungen des deutschen Beitrages besser als die eigenen im TCC-Bericht bewertet worden 561 . Die Drei Weisen ließen sich jedoch nach Abschluß der TCCArbeit auf keine Diskussion mehr ein und appellierten an die Bündnissolidarität, einen wie auch immer definierten deutschen Beitrag als allgemeine Endastung aller Mitgliedstaaten der NATO zu betrachten. Mit dem Hinweis auf ein neues Spiel im neuen NATO-Jahr, dann mit einer möglichen Beteiligung anderer Bündnispartner, mußten sich die Kritiker erst einmal zufriedengeben 562 . Insgesamt wurde die grundsätzliche Bereitschaft Bonns, die Empfehlungen eines NATO-Gremiums anzunehmen und einen angemessenen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung zu leisten, allenthalben begrüßt. Acheson sah in den Finanzvereinbarungen einen wichtigen Mosaikstein auf dem Weg zur Aufstellung deutscher Streitkräfte und lobte Adenauer für sein Engagement, im Interesse der Adantischen Allianz noch im Nachklang der Ratstagung in Lissabon eine politische Entscheidung getroffen zu haben 563 . Seinem Präsidenten gegenüber betonte Acheson die Bedeutung dieses
w8 Der Spiegel, 4.6.1952, S. 24. 559 Tclegr. Acheson an DOS, 26.2.1952, und Minutes Laukhuff-Reinstein, 1.4.1952, FRUS 1952-54, Vol. 5, Part 1, S. 170-174. Zu den Sicherheitskontrollen und den Sondervereinbarungen im Rahmen der EVG-Verhandlungen, mit denen die Zustimmung Paris erzielt wurde, siehe Lappenküper, Die deutsch-französischen Beziehungen, S. 616-637. 560 Memo, COS (52) 25 rev., 23.1.1952, und Memo »German Contribution«, C (52) 141 rev., 3.5.1952, PRO, DEFE 5/36, und CAB 129/53. 561 Zur Kritik der kleineren Bündnispartner siehe Statement Harriman, TCC-R/18, o.D., BA-MA, BW 3/91. 5 •'> ' »Reorganization of NATO«, C9-D/4 (Revise), 29.2.1952, I-'RUS 1 9 5 2 - 5 4 , Vol.5, P a r t i , S. 1 9 8 - 2 0 3 . Telegr. Acheson an DOS, 25.2.1952, FRUS 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 5, Part 1, S. 15" f.; Final Communique of the Ninth Session of the North Atlantic Council, C9-D/22 (Final), 25.2.1952, BA-MA, B\V 3/183.
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Militärische und zivile Spitze der NATO: General Eisenhower und Lord Ismay 1952. Kompromisses und schrieb seinem Außenminister: »Le NATO est ainsi entre dans la phase de Taction601.« Der Anteil des TCC darf hierbei nicht unterschätzt werden. Der Bündniskompromiß, den die Ratsstellvertreter fanden, wäre ohne die grundlegende Feststellung der Notwendigkeit einer Reorganisation durch das TCC und ohne die zukunftsweisenden Ideen eines Monnet oder Harriman kaum möglich gewesen. Die im TCC angedachte Ausschußorganisation wurde im Mai 1952 während der Eröffnungssitzung der ständigen Vertreter unter dem Vorsitz des ersten Generalsekretärs Lord Ismay diskutiert und vorbereitet. Für die bündnisinterne Lastenteilung brachte die neue Ausschußorganisation trotz der Enttäuschung Monnets ein wichtiges Ergebnis: Von nun an waren alle Mitgliedstaaten zu einer regelmäßigen Offenlegung ihrer Verteidigungsanstrengungen und ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit verpflichtet. Im Gegenzug konnten die Regierungen von der NATO erwarten, daß ihre wie auch immer gearteten politischen, wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Schwierigkeiten angemessen berücksichtigt würden. Durch das Jahreserhebungsverfahren wurde die bündnisinterne Lastenteilung eine Selbstverständlichkeit. Die Zeiten der »Notoperationen« durch zeitlich befristete Ausschüsse waren für diesen entscheidenden Bereich der gemeinsamen Verteidigung vorbei. Eine der vornehmsten Aufgaben des Generalsekretärs der NATO war es denn auch, diese regelmäßigen Ausschußarbeiten zu kontrollieren und die Ergebnisse dem Nordatlantikrat vorzustellen.
Schreiben Monnet an Schuman, 10.4.1952, F|M, ΛΜΙ 10/10/37.
III. Die Bündnislösung
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Die NATO 1 9 5 4
Quelle: ismay, NATO. The First Fere Years, S. 57.
e. Die Ratstagung in Lissabon als Ertolg der NATO? Die nichtmilitärische
Zusammenarbeit
Ein weiteres und in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht unwichtiges Ergebnis der Tag u n g in Portugal war die Z u s t i m m u n g des Atlantikrates zum Bericht des Komitees der Atlantischen Gemeinschaft 6 " 2 . Die fünf Außenminister, seit der Ottawa-Tagung um eine Verbesserung der Zusammenarbeit auf nichtmilitärischem Gebiet bemüht, legten ihre Empfehlungen während der dritten Plenarsitzung am 22. l ebruar vor"'·'. Eine Arbeitsgruppe hatte im Januar und hebruar 1952 bereits auf die gute wirtschaftliche und administrative Zusammenarbeit durch das TCC-Projekt hingewiesen. Auch die Anstrengungen um eine Reorganisation und die Einbeziehung Westdeutschlands stießen auf positive Resonanz. Als wichtige Schritte auf dem W eg zu einer Nordatlantischen Gemeinschaft wurde eine Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der außenpolitischen Konsultationsmechanismen empfohlen. Als wünschenswert wurde darüber hinaus eine erhöhte Mobilität von Ar"'> Le Monde, 27.2.1952, S. 1, zit. nach Sous Dossier AMI 9 / 5 9e session du Counsil Atiantique 1952, FJM, AMI 9 / 5 / 1 2 .
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in London, Paris and Lisbon the things we have been working for for the last three or four years610.« Snyder dankte dem Präsidenten und bewertete die Ergebnisse der Tagung: »in that some fundamental decisions were made that are certain to accelerate the European defense force build-up, and I think we are entering the period now where progress will become achievment611.« Neben der Einigung auf einen deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrag war aus amerikanischer Sicht wichtig, daß den Partnerstaaten ein gemeinsam beschlossener Streitkräfteaufbau und, damit verbunden, Steigerungen der Verteidigungsausgaben abgerungen werden konnten. Wie wichtig dies vor allem für die innenpolitische Diskussion um die US-Außenhilfe war, zeigt die Rede Trumans über das AußenhilfeProgramm für 1953 vor dem Kongreß zwei Wochen nach der Ratstagung in Lissabon. Der Präsident nutzte die Ergebnisse des TCC als Begründung für seine Forderungen nach fortgesetzter Außenhilfe in Höhe von insgesamt 7,9 Milliarden Dollar, davon 6 Milliarden für Westeuropa. Im Gegensatz zu früheren Debatten war es nun möglich, die Militär- und Wirtschaftshilfe an einem festen Streitkräfteplan auszurichten und dem Kongreß die Ergebnisse der Lissaboner Ratstagung als Beweis für das Engagement der westeuropäischen Bündnispartner zu präsentieren612. Ein weiterer Erfolg war die Tatsache, daß die USA keine zusätzlichen Steigerungen ihrer Verteidigungsanstrengungen durchführen mußten. Zwar bescheinigte das TCC Washington die dazu notwendigen wirtschaftlichen Möglichkeiten, bewertete aber die politischen Grenzen für eine Steigerung als unüberwindbar 613 . Schließlich bedeutete das Scheitern des westeuropäischen Versuches, die Verteilung der US-Außenhilfe multinational zu organisieren, daß der US-Administration ein wichtiges Druckmittel gegenüber den Partnerstaaten für die anstehende Umsetzung der Lissaboner Streitkräfteziele blieb. Diese Erfolge der USA innerhalb der NATO wurden allerdings durch die Zugeständnisse an die westeuropäischen NATO-Partner erheblich eingeschränkt. Großbritannien war wie die USA und Portugal von Forderungen nach Steigerungen des Verteidigungsbeitrages verschont geblieben. Noch während der abschließenden Ratssitzung zum TCC-Bericht am 23. Februar wiederholte Außenminister Eden die Ziele der britischen Regierung, daß das bestehende 4,7-MilliardenPfund-Programm das Maximum sei, das zudem nur bei entsprechenden Dollarhilfen zur Lösung der Zahlungsbilanzschwierigkeiten sowie bei ausreichender Versorgung mit den Rohstoffen Kohle und Stahl und einer gerechten Lastenteilung im
Remarks of the President, in: Public Papers of The Presidents of the United States: Harry S. Truman (1952- 1953), Dok. 135, S. 480. 611 Ebd. 6 , 2 Special Message to the Congress on the Mutual Security Program, 6.3.1952, in: Public Papers of the Presidents of the United States: Harr)' S. Truman, Dok. Nr. 55, S. 182-184. f>i3 Vgl, Jen kritischen Bericht des britischen Fxonomic Planning Board zur Behandlung der USA durch das TCC, I-PB (52) 1, 3.1.1952, PRO, CAB 134/877. Demnach wurden nur den USA politische Grenzen zuerkannt, während diese bei allen anderen Staaten nicht endastend wirkten. 610
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Bündnis realisierbar sei 614 . Dementsprechend erkannte das TCC den britischen Verteidigungsbeitrag als das zum damaligen Zeitpunkt äußerst Machbare an. Damit war es der britischen Regierung gelungen, ihre nationalen Ziele innerhalb der N A T O zum größten Teil durchzusetzen, auch wenn dafür Zugeständnisse wie die Verlegung des NATO-Hauptquartiers nach Paris in Kauf genommen werden mußten. Vor dem Unterhaus bewertete Eden denn auch die Ratstagung in Lissabon als einen außenpolitischen Erfolg der Churchill-Regierung. Vor allem die Bedingungen für die Durchführung, die nach Edens Einschätzung keineswegs in der Hand der britischen Regierung lagen, boten auf weite Sicht eine Art Hintertür für zukünftige Streitkräftereduzierungen: »I need hardly remind the House at this time that finance is the key to most of our problems« 615 . Damit sprach der britische Außenminister indirekt auch die Bedeutung der Lastenteilung innerhalb der Allianz an, die vom Schatzkanzler während einer Kabinettssitzung kurz vor der Tagung in Lissabon noch als völlig unzureichend bezeichnet worden war 616 . Der britischen Regierung war es während des TCCProjektes nicht gelungen, direkt auf die Höhe der US-Außenhilfe, geschweige denn auf deren Verteilung Einfluß zu nehmen. Der Hebel Lastenteilung sollte deshalb in den folgenden Monaten Anwendung finden, als es galt, einen neuen sicherheitspolitischen Kurs zur Lösung der volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten zu finden. Für Frankreich brachte die Ratstagung wenig. Die französische Regierung unter Premier Faure erlitt nach der Tagung in Portugal ein innenpolitisches Debakel. Dies lag an seiner Zustimmung zu den hohen Streitkräftezielen und dem Versuch, die dadurch entstehenden Lasten durch Steuererhöhungen zu finanzieren. War es der Pleven-Regierung im November 1951 noch gelungen, der Truman-Administration eine Außenhilfe von rund 650 Millionen US-Dollar abzuringen, um ihr Verteidigungsprogramm für 1952 durchführen zu können, so sah sich Pleven bereits wenige Wochen später gezwungen, um weitere US-Hilfe zu bitten 6 ' - . Der Premier erklärte sowohl Eisenhower als auch Harriman und Bruce, er sehe keine Möglichkeiten, die vom TCC geforderten französischen Streitkräfte und gleichzeitig die steigenden Kosten für den Krieg in Indochina und die wichtigen Dollarimporte zu finanzieren. Die dazu notwendigen Steuererhöhungen seien innenpolitisch mit seiner Minderheitsregierung nicht durchzusetzen. Die Pleven-Regierung steckte in einem Dilemma: Auf der einen Seite drohte Verteidigungsminister Bidault mit seinem Rücktritt, wenn die Verteidigungsausgaben nicht ein sicherheitspolitisch notwendiges Minimum erreichen würden; ein Rücktritt Bidaults wurde von Pleven als das Ende seiner Regierungskoalition eingeschätzt. Andererseits ließ die Mehr^
Extract from Summary Record G 9-R/4, Meeting, 23.2.1952, NISCA, TCC/16. Vgl. auch Telegr. U.S. Del an DOS, 23.2.1952, FRUS 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 5, Part 1, S. 150-154, hier S. 151. ( ' 15 Extract Debates of the House o f C o m m o n s , 28.2.1952, PRO, PREM 11/369. ' '
M e m o »Defence and the Balance of Payments«, 5.5.1952. PRC), Τ 225/210. Darin wird von der Defence Policy and Material Division des Schatzamtes festgestellt, daß die hohen Verteidigungsausgaben mit den steigenden Unterhaltskosten eine schwere Belastung für die wirtschaftliche Kntwicklung darstellten. Auch auf die Devisenabflüsse durch die Truppen in Deutschland bei wegfallenden Besatzungskosten wurde bereits hingewiesen. Memo Butler »The F c o n o m i c Situation«, C (52) 8, 19.1.1952, PRO, C A B 129/49. Zum Kabinettsbeschluß siehe C C (52) 57th conclusions, 29.5.1952, PRO, C A B 128/125. Die Stabschefs waren noch 1951 davon ausgegangen, daß die Sowjetunion keinen heißen Krieg riskieren würde. Dies war eine nicht unwichtige Voraussetzung für die politisch gewollte Verzögerung des britischen Verteidigungsprogramms. Siehe C O S (51) 70, 10.11.1951, PRO, D F F F 5/35. M e m o F.den, C (52) 202, 18.6.1952, PRO, C A B 129/53. Die Stabschefs warnten davor, Fdens Vorschläge einer Truppenreduzierung in Westdeutschland im Pentagon bekannt werden zu lassen. C O S (52) 98th meeting, 8.7.1952, PRO, D F F F 4/55. Report »Defence and Kconomy Policy«, 20.9.1952, PRO, Τ 225/310. Siehe auch J o h n s t o n , Mr. Slessor Goes to Washington, S. 367, Anm. 7. Osgood, N A T O . T h e Flntangling Alliance, S. 88 f., sieht darin bereits den vollzogenen Wandel britischer Sicherheitspolitik hin zur atomaren Abschreckung. Doch die C O S bekamen vom Kabinett erst im April 1952 den Auftrag, über Änderungen der bestehenden Strategie nachzudenken.
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IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
Churchill nur unter Vorbehalt angenommen worden waren, und nach einer Einweisung des Premiers in die strategischen Operationsplanungen der amerikanischen Luftwaffe in Washington wurden die britischen Stabschefs Ende April 1952 beauftragt, die bestehenden sicherheitspolitischen Richtlinien zu überdenken 10 . Drei Monate später präsentierten sie dem Verteidigungsausschuß ihren Bericht »Defence Policy and Global Strategy«, der das Strategiepapier aus dem Jahre 1950 ablösen sollte11. Darin begründeten die Stabschefs die Notwendigkeit eines Strategiewechsels sowohl Großbritanniens als auch der NATO mit der beeindruckenden Atomstreitmacht der Vereinigten Staaten und der wirtschaftlichen Situation. Nach der bereits angesprochenen Einweisung in die atomaren Operationsplanungen der britischen Delegation in Washington schlossen die britischen Militärs, daß die hohen konventionellen Streitkräfteziele angesichts der abschreckenden Wirkung und des kriegsentscheidenden Potentials der strategischen Luftwaffe der USA sowie der verfügbaren taktischen Atomwaffen zur Diskussion gestellt werden müßten. Denn die konventionelle Aufrüstung habe bereits die Grenze der Belastbarkeit der Volkswirtschaften der westeuropäischen Bündnisstaaten überschritten. »Over-expenditure on rearmament, leading to the ruin of the economy of Western Europe, would be to play the Communist game and to present Russia with a bloodless victory« 12 .
Die Stabschefs sahen einen Ausweg für die Finanzierung der langfristigen Kosten der gemeinsamen Verteidigung im Aufbau einer schlagkräftigen, an den wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten der Bündnispartner ausgerichteten Abschrekkungsstreitmacht. Damit hatten sich auch die Militärs der Argumentation der britischen Regierung mit dem Schwerpunkt der Wirtschaftlichkeit angenähert und diese zur Grundlage einer Überprüfung des britischen Verteidigungsprogramms gemacht. Dies war eine grundlegende Neuerung zu den britischen Strategiepapieren der Nachkriegzeit bis 1952. Zum ersten Mal wurden volkswirtschaftliche Gesichtspunkte als bestimmende Rahmengröße der militärischen Planungen akzeptiert. Der Bericht war nicht umsonst vom Verteidigungsminister unter der Vorgabe in Auftrag gegeben worden, »to reconsider the United Kingdom rearmament programme on the assumption that it would be necessary for economic reasons to accept drastic cuts in planned defence expenditure in the coming years 13 .«
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Baylis/Macmillan, The British Global Strategy Paper. Zu den bilateralen Gesprächen siehe FRUS 1952-54, Vol. 6, Part 1, S. 730-861, zum Briefing Lovetts über die atomare Bewaffnung der USA S. 846 und 852 f. Report by the COS »Defence Policy and Global Strategy«, D (52) 26, 17.6.1952, PRO, CAB 131/12. Zum Vorgängerbericht siehe DO (50) 45, 7.6.1950, PRO, CAB 131/9, und Documents on British Policy Overseas, Series 2, Vol. 4, S. 411 -431. D (52) 26, 17.6.1952, S. 7, PRO, CAB 131/12. Die COS wiesen dabei auf die Langfristigkeit des Kalten Krieges hin und nahmen damit den »Long Haul«-Ansatz der Eisenhower-Administration vorweg. Ebd., S. 18. Vgl. auch Baylis/Macmillan, The British Global Strategy Paper, S. 204. Die Autoren verschweigen aber den politischen Auftrag an die britischen Stabschefs mit all seinen Vorgaben.
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Allerdings kamen die Stabschefs zu keinen weitreichenden Kürzungsvorschlägen, sondern wiesen in ihrer Schlußbemerkung darauf hin, daß Kürzungsvorschläge neue Risiken in sich bergen würden, die nur angesichts einer drohenden wirtschaftlichen Katastrophe hinnehmbar seien. Eine eigene Atomstreitmacht hingegen wurde aufgrund der politischen Einflußmöglichkeiten auf die US-Regierung vorgeschlagen. Darüber hinaus wurde sie als ein Garant der eigenen Unabhängigkeit und Weltmachtposition angesehen' 4 . Die Mittel für eine atomare Aufrüstung sollten durch Kürzungen der konventionellen Streitkräfte frei werden, wobei sich die Stabschefs bewußt waren, daß sie damit gegen die gemeinsam in Lissabon beschlossenen Streitkräfteziele argumentierten 15 . Darauf wiesen sie in ihrer Vorbemerkung hin, gaben aber auch gegenüber dem Atlantikrat an, die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und politischen Vorgaben berücksichtigen zu müssen. Diese waren immerhin eine offiziell akzeptierte Begründung für Einsparungen im Verteidigungshaushalt. Neben der Erklärung vor dem N A T O - R a t wurde noch die Abstimmung der neuen Strategie mit der Truman-Administration im Vorfeld angeraten, um einer gemeinsamen Bündnisstrategie nicht entgegenzuarbeiten. Anfang Juni stimmten sie dem Bericht grundsätzlich als Basis einer Uberprüfung der bestehenden Verteidigungsprogramme zu. Auch erste Truppenreduzierungen und Programmeinsparungen wurden beschlossen und sollten durch die Einbeziehung nuklearer Gefechtsfeldwaffen ausgeglichen werden. Der Stabschef der Royal Air Force, General Sir J o h n Slessor, wurde ermächtigt, eine Kurzfassung des Berichtes mit den Joint Chiefs o f Staff in Washington zu diskutieren 16 . Die Stabschefs gingen mit ihrer Berücksichtigung der neuen Waffen über die innerhalb der N A T O geleistete Arbeit des T C C hinaus und wiesen den Weg für eine moderne und ausgewogene Streitkräfteplanung. Darin lag auch eine versteckte Kritik an der bestehenden NATO-Strategie. Nach britischer Auffassung stütze sich diese zu sehr auf die konventionellen Streitkräfte, die von den Mitgliedstaaten nicht zu finanzieren seien n . Slessor wurde zum Verfechter der neuen Strategie, zumal er die in Lissabon beschlossenen Streitkräfteziele als Bedrohung des Friedens ansah. In seinen Augen erhöhten starke konventionelle Kräfte das Risiko eines konventionellen Krieges in Europa. Dagegen bildeten die Nuklearwaffen eine weitaus effi-
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Churchill sprach 1 9 5 4 davon, daß es für eine G r o ß m a c h t entscheidend sei, A t o m w a f f e n zu entwickeln und zur Verfügung zu haben. I m m e r wieder zeigt sich bei dieser Frage die Furcht der Regierenden in L o n d o n , international ins zweite Glied zu treten. Siehe »Decision to produce hydrogen weapons«, C C 4 8 (54) 5, 1 6 . 6 . 1 9 9 4 , P R O , C A B 1 2 8 / 2 7 , in: British D e f e n c e Policy since 1 9 4 5 , S. 105.
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D i e wenigen Kürzungsvorschläge b e z o g e n sich in erster Linie auf geplante Streitkräfte, nicht auf bestehende Verbände. D i e s erschien den C O S aufgrund der politischen Auswirkungen auf das Bündnis und auf die U S A nicht realisierbar. Siehe C O S (52) 36, 1 5 . 7 . 1 9 5 2 , P R O , D F F F 5 / 4 0 , S. 29. Baylis, Ambiguity and D e t e r r e n c e , S. 1 6 4 , sieht in den unzureichenden Kürzungsvorschlägen einen G r u n d für den Ausschluß der Stabschefs v o m Radical Review, der auf ministerieller F b e n e durchgeführt wurde. D (52) 8th meeting, 9 . 7 . 1 9 5 2 , und C O S (52) 3 6 , 1 5 . 7 . 1 9 5 2 , P R O , C A B 1 3 1 / 9 bzw. D F F F . 5 / 4 0 . Baylis/Macmillan, T h e British G l o b a l Policy Paper, S. 2 1 9 - 2 2 2 . Vgl. auch Clark/WTieeler, T h e British Origins o f Nuclear Strategy, S. 1 7 8 - 1 8 2 .
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zientere Abschreckung 18 . Ende Juli besprach er die britischen Strategieüberlegungen mit den Joint Chiefs of Staff. Die Amerikaner zeigten Verständnis, auch wenn General Bradley den Optimismus nicht teilen wollte, den die Briten, aber ebenso der Stabschef der US-Luftwaffe, General Nathan F. Twining, hinsichtlich der abschreckenden Wirkung der neuen Waffen bekundeten. Im Gegensatz zu Slessor wurde die Kriegsgefahr bis 1954 von den JCS höher eingeschätzt, und Bradley sah erst ab 1956 die von den Briten vorgeschlagenen Kompensationsmöglichkeiten für konventionelle Streitkräfte durch Nuklearwaffen 19 . Für die Stabschefs waren die britischen Vorschläge nur bei einer stabilen Lage im Nahen Osten und in Südostasien akzeptabel, da nach ihrer Einschätzung die Sowjetunion bereits ab 1954 Atomschläge gegen die USA oder Westeuropa führen konnten. Immerhin stellte Slessor am Ende der Gespräche fest, daß die JCS und die Vertreter des State Department grundsätzlich dem britischen Strategiewechsel zugestimmt hatten. Die Differenzen, vor allem die Truppenreduzierungspläne Londons, sollten allerdings innerhalb der Allianz geprüft werden. Letztlich reduzierten sich die strittigen Fragen auf jene nach dem Zeitpunkt. Die Briten hielten Reduzierungen bereits vor 1954 für möglich, die US-Amerikaner erst ab dem Jahr 1956. Der Ständigen Gruppe sollte deshalb auf Vorschlag Bradleys Gelegenheit gegeben werden, über eine neue NATO-Strategie nachzudenken. Diese bereits in Lissabon angeregte Strategiediskussion sollte dann die Begründung für neue Streitkräfteplanungen liefern. Slessor legte dabei großen Wert darauf, daß die überarbeiteten britischen Streitkräfteplanungen einer neuen Strategie und nicht wirtschaftlichen Schwierigkeiten zugeschrieben würden. Es dürfe auf keinen Fall der Eindruck entstehen, als sei London nicht in der Lage, den in Lissabon eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen 20 . Dagegen bestanden die USA darauf, die in Lissabon gemeinsam beschlossenen konventionellen Streitkräfte aufzustellen. Die britischen Stabschefs stellten daraufhin im September 1952 fest, unter den bestehenden finanziellen, aber auch rüstungsindustriellen Rahmenbedingungen sei eine moderne und angemessene Ausrüstung der bis 1954 aufgestellten Verbände erst 1958 möglich21. Damit zeichnete sich bereits geraume Zeit vor dem eigentlichen Zieljahr ab, daß die westeuropäischen NATO-Staaten den militärstrategischen Planungen innerhalb des Bündnisses zwar in der Theorie gefolgt waren, in der Praxis aber nicht bereit oder in der Lage waren, diese auch umzusetzen. Die Truman-Administration überprüfte ihre militärstrategischen Planungen jedoch nicht und folgte den britischen Überlegungen zu einem Strategiewechsel nur bedingt. Die EisenhowerRegierung hingegen kam im Zuge einer neuen Strategiediskussion zu ähnlichen Schlüssen, was zumindest auf eine Berücksichtigung der Überlegungen Londons schließen läßt. Andrew M. Johnston legt überzeugend dar, daß die Joint Chiefs of
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Baylis/Macmiüan, The British Global Policy Paper, S. 164-166. Telegr. Bruce an FO, 1.8.1952, PRO, DEFE 7/677. Bruce berichtet darin von einem Treffen mit den JCS und Vertretern des DOS, Matthews, Nitze, Perkins und Byroade, am 31.7.1952. Statement Slessor, Annex to COS (52) 114th meeting, 12.8.1952, PRO, DEFE 4/55. Report by the COS, Defence Programme, D (52) 41, 29.9.1952, PRO, CAB 131/12.
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Staff bereits unter Bradley, später unter Arthur Radford, im Gegensatz zu den britischen Stabschefs die moderne Waffentechnik neben den starken konventionellen Streitkräften nutzen wollten und sich der Schwerpunkt der Militärplanungen deshalb bereits unter Truman auf die US-Luftwaffe verlagerte 22 . Die USA wollten bis 1956 eine verteidigungsfähige konventionelle Streitmacht in Europa durch die NATO und eine starke nukleare Streitmacht unter nationalem Kommando aufbauen. Bis dahin gab ein Strategiewechsel wenig Grund zu Truppenreduzierungen und ebensowenig zu Einsparungen im Verteidigungshaushalt. Die Regierung in London wollte aber mit dem Strategiewechsel sofortige Truppenreduzierungen und größere Einsparungen rechtfertigen. Damit hatte sich erneut eine gegensätzliche Interpretation ergeben, die an jene des Jahre 1951 erinnerte, als die USA ihre Außenhilfe von umfassenden Verteidigungsprogrammen und die westeuropäischen Bündnispartner ihre Verteidigungsprogramme von hohen Hilfszusagen aus Washington abhängig gemacht hatten. »Radical Review« und Einsparungen im
Verteidigungshaushalt
Trotz der Vorbehalte, die das britische Strategiepapier im Pentagon und im State Department auslöste, setzte die neue Regierung in London auf eine strenge Uberprüfung der Verteidigungsausgaben. Während einer Kabinettssitzung im November wurden für diesen sogenannten Radical Review die Weichen gestellt. Dabei ging es um das Verteidigungsbudget für das Haushaltsjahr 1953. Dieses noch von der Atdee-Regierung mit einem Umfang von 1,8 Milliarden Pfund beschlossene Budget war bereits unter dem Einfluß der Stabschefs auf 1,72 und danach nochmals durch eine Initiative des Verteidigungsministers Earl Alexander of Tunis auf 1,68 Milliarden reduziert worden. Doch damit war der Schatzkanzler noch immer nicht einverstanden, vielmehr schlug er ein Gesamtvolumen von 1,6 Milliarden vor 23 . Dies war für den Verteidigungsminister, der eine Untergrenze von 1,645 Milliarden Pfund für unbedingt notwendig hielt, nicht akzeptabel 24 . Bei den Vorbereitungen auf diese entscheidende Kabinettssitzung war es schon zu einer heftigen Kontroverse zwischen den Stabschefs und dem Schatzamt gekommen. Während die Finanzexperten die Forderungen der Militärs als völlig überzogen und nicht mit der Regierungspolitik vereinbar hielten, forderten die Militärs die Regierung auf, den Johnston, Mr. Slessor Goes to Washington, S. 361 und 365, weist darauf hin, daß weder das Projekt »Solarium« noch die NSC-Sitzungen über NSC 162/2 eine Berücksichtigung des Global Strategy Paper von 1952 erkennen lassen. Lediglich die US-Luftwaffe habe die neue Strategie Londons als Argumentationshilfe für die Durchsetzung der eigenen Teilstreitkraftinteressen genutzt. Siehe auch Greiner, Die Entwicklung der Bündnisstrategie. 23 Memo »Defence and Economy Policy«, C (52) 320, 3.10.1952, PRO, CAB 129/55. Butler sprach sich darin für ein Maximalbudget von 1,55 Milliarden aus. Seine Zahlen in der Kabinettssitzung waren bereits ein Zugeständnis an die Forderungen der Stabschefs, die wiederum in einem Bericht gegen die Vorschläge Butlers protestierten. Siehe Report bv the COS, Defence Programme, D (52) 45, 31.10.1952, PRO, CAB 131/12. 2"> D (52) 46, 5.11.1952, PRO, CAB 131/12. F.arl Alexander of Tunis betonte dann zum wiederholten Male, daß sein Kompromißvorschlag das Minimum der militärischen Forderungen darstelle und unbedingt zu finanzieren sei. 22
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weltweiten militärischen Verpflichtungen mit einem angemessenen Budget nachzukommen oder über eine Änderung der britischen Weltmachtpolitik nachzudenken25. Nach einer heißen Diskussion, bei der sich mehrere Minister für eine weitere Reduzierung der Verteidigungsausgaben aussprachen, warnte Eden vor den außenpolitischen Folgen: Kürzungen des britischen Verteidigungshaushaltes könnten das Vertrauen der NATO-Mitgliedstaaten in Großbritannien als zweitstärksten NATO-Partner unterlaufen. Allerdings unterstützte auch er den Vorschlag Butlers, anhand der fixen Zahlen für 1953/54 eine grundlegende Überprüfung der Verteidigungsgausgaben durchzuführen. Premier Churchill unterbreitete mit einer Obergrenze von 1,61 Milliarden Pfund einen Kompromißvorschlag, der vom Kabinett beschlossen wurde. Darüber hinaus stimmte das Kabinett dem Schatzkanzler zu, für 1953 eine finanzielle Obergrenze von 480 Millionen Pfund für Rüstungsgüter aus dem metallverarbeitenden Sektor festzulegen, um die negativen Auswirkungen auf die Exportindustrie zu bekämpfen. Schließlich nahm es zur Kenntnis, daß der Premier, zusammen mit seinem Schatzkanzler, dem Außenminister und dem Verteidigungsminister, einen »Radical Review« der geplanten Verteidigungsausgaben über 1953 hinaus durchführen würde 26 . Mit ausschlaggebend für diese Uberprüfung war sicherlich die nachlassende Bereitschaft der USA, Militärhilfe nach Westeuropa zu liefern. Butler informierte im Frühjahr 1953 seinen Premier über diese Entwicklungen, die auch für London nicht ohne Folgen bleiben sollten27. Die kommenden Jahre waren dann auch von weiteren Kürzungen der britischen Verteidigungsausgaben gekennzeichnet. Ein ministerieller Unterausschuß unter Leitung von Sir Norman Brook untersuchte weitere Kürzungsmöglichkeiten, ohne militärischen Rat einholen zu müssen. Eine der Vorgaben Churchills war, die britischen Überseeinteressen mit weniger Mitteln zu wahren. Doch der Brook-Bericht unterstrich die Forderungen der Militärs, daß Steigerungen der Verteidigungsausgaben durchzuführen seien, wenn man allen Aufträgen gerecht werden wolle. Sei dies politisch nicht gewollt, sondern vielmehr Einsparungen im Verteidigungshaushalt, dann müsse ein grundlegender Wandel in der britischen Sicherheitspolitik unter Aufgabe verschiedener weltweiter Verpflichtungen erfolgen 28 . Der Ausschuß »either HMG must change their policy, or they must provide the military resources required to carry out«. Ebd., S. 1. Siehe auch Memo »Defence Programmes 1952 to 1956«, 31.2.1953, PRO, Τ 234/276. Vgl. auch COS (52) 135th meeting, 23.9.1952, PRO, DEFE 4/56. Bei der Lektüre dieser Dokumente kommt man nicht umhin, an die Situation der Bundeswehr knapp fünfzig Jahre später zu denken, die bei sinkendem Verteidigungsbudget verstärkt internationale Verpflichtungen zu erfüllen hat. Auch im Falle der Bundesrepublik setzte sich der Finanzminister mit seinen Sparplänen gegen den Verteidigungsminister und die Militärs durch. 2f> CC (52) 94th conclusions, 7.11.1952, PRO, CAB 128/25. Vgl. auch Baylis, Ambiguity and Deterrence, S. 152-177. Baylis geht in erster Linie auf den internen Streit zwischen den Teilstreitkräften ein, die damit auf die Kürzungsvorschläge des Brook-Ausschusses reagierten. 27 Telcgr. Butler an Churchill, 24.4.1953, PRO, PREM 11/369. 28 Dieser Schwerpunktstreit wurde bereits ein Jahr zuvor vom Verteidigungsminister in einem Brief an Churchill eingeleitet. Darin forderte Alexander, Einsparungen im Verteidigungshaushalt konsequenterweise mit weniger Verpflichtungen zu koppeln. Dazu konnte sich der Premier allerdings nie durchringen. Siehe Brief Alexander an Churchill, 3.10.1952, PRO, DEFE 7/677. 25
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unterbreitete dazu mehrere Vorschläge, die im Sommer 1953 mit den zuständigen Ministern diskutiert wurden 29 . Butler setzte sich erneut für eine Reduzierung der Verteidigungsausgaben ein. Versorgungsminister Duncan Sandys fand schließlich eine Kompromißlösung. Er ging von einer »Blitzkriegstrategie« aus, welche es erlaubte, nur die Streitkräfte aufzustellen und auszurüsten, die in den ersten sechs Wochen eines Krieges benötigt würden. Churchill schloß sich dieser Lösung an und forderte die Stabschefs in der sogenannten Juni-Direktive auf, Einsparungen über 308 Millionen Pfund für das Haushaltsjahr 1955 vorzuschlagen. Dies ließ sich allerdings nur durch Truppenreduzierungen realisieren. Der britische Verteidigungsminister wies daraufhin seine Stabschefs an, auch über Reduzierungen der NATO-Verpflichtungen nachzudenken 30 . Im Ergebnis machten die Militärs Vorschläge, die nur der Hälfte der vorgegebenen Summe entsprachen. Butler kam dem Verteidigungsminister mit einem Budgetvorschlag entgegen, der rund 100 Millionen Pfund über seinem ersten Vorschlag lag. Allerdings schrieb er an Earl Alexander of Tunis: »You will understand that, by naming this figure of £ 1,650 m., I am taking for the Government and the country a great risk31.« Doch das britische Kabinett entschied sich für die Vorschläge des Schatzkanzlers und beschloß ein Verteidigungsbudget von 1,569 Milliarden Pfund für 1955. Damit hatte sich der Schatzkanzler im großen und ganzen mit seinen Vorstellungen über die zukünftige Wirtschafts-, aber auch Sicherheitspolitik durchgesetzt, selbst wenn er ebenfalls Zugeständnisse an die Forderungen der Militärs machen mußte. Der Verteidigungsminister, die Teilstreitkraftminister und die Stabschefs mußten mit den Einsparungen für die kommenden Jahre planen und hatten nicht verhindern können, daß die Verteidigung offiziell hinter das gesamtwirtschaftliche Wachstum gestellt wurde. In den Folgejahren blieb es bei der Konkurrenz zwischen den Planungen der Militärs und den Vorstellungen der Finanzexperten. Trotz der erreichten Reduzierungen schlug das Schatzamt im Juni 1956 ein neues Lastenteilungsprojekt innerhalb der N A T O vor, um die hohen Kosten für die gemeinsame Verteidigung in Europa gerechter zu verteilen. Dies war ein deutliches Signal der britischen Finanzpolitiker, über weitere Reduzierungen nachzudenken 32 .
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M e m o »Defence Programmes 1952 to 1956«, 31.2.1953, PRO, Τ 234/2" 7 6. Vgl. auch Clark/ Wheeler, The British Origins of Nuclear Strategy, S. 1 8 3 - 1 8 8 . Note by the Secretary of Defence, C O S (53) 328, 8.7.1953, PRO, DliFI·; 5/47. Die britischen Streitkräfte sollten demnach dreigeteilt werden. Kategorie 1 bildeten die Truppen, die für den Friedensbetrieb notwendig waren, Kategorie 2 waren Truppen, die für die ersten sechs Wochen benötigt wurden, und Kategorie 3 umfaßte Aufwuchsverbände, um Reserven für den Kampf nach den ersten sechs Wochen zu schaffen. Auch hier drängt sich der Vergleich zur derzeitigen Gliederung der Bundeswehr in Militärische Grundorganisation, Krisenreaktionskräfte und Hauptverteidigungskräfte auf. Siehe Weißbuch 1994, S. 93. M e m o »Defence Programmes 1952 to 1956«, 31.2.1953, PRO, Τ 234/2^6, S. 11. Draft Memo »Sharing the Common Defence Burden«, 4.6.1956, PRO, Τ 234/33. Unter Bezugnahme auf Artikel 6 des II. Protokolls des Brüsseler Vertrages sollte die britische Regierung den Adantikrat auffordern, die finanziellen Bedingungen des britischen NATO-Beitrages zu überprüfen.
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IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
Parallel zu den Einsparungsdiskussionen lief nach dem ersten erfolgreichen Atombombentest im Oktober 1952 ein ausgedehntes Atomprogramm mit der Errichtung mehrerer Atomreaktoren an. Allerdings wurden die Kosten dieser atomaren Aufrüstung nicht zu den Verteidigungsausgaben gezählt, sondern als Ausgaben des Versorgungsministeriums verbucht. Offiziell gab es keine Trennung zwischen der Atomwaffenproduktion und der Atomenergiegewinnung, obschon in den Akten die Reaktoren für die Produktion von Plutonium gekennzeichnet waren. Die finanziellen Ausgaben für das britische Atomprogramm waren mit 45,7 Millionen Pfund für 1953/54 und 76 Millionen für 1955/56 vergleichsweise gering und unterstützten die These zahlreicher Finanzexperten, daß die Abstützung der Militärstrategie auf die atomare Abschreckung kostengünstiger sei als ein vergleichbarer konventioneller Streitkräfteaufbau 33 . Im Juni 1954 beschloß der britische Verteidigungsausschuß daher, auch Wasserstoffbomben zu entwickeln und zu bauen. Das Kabinett stimmte Ende Juli zu. Damit war ein weiterer Schritt zur Nuklearisierung der britischen Sicherheitspolitik bei gleichzeitiger Reduzierung der Verteidigungsausgaben vollzogen 34 . Fünf Jahre nach der Weichenstellung in Lissabon wurde ein Endpunkt unter diese Entwicklung mit dem Sandys-Weißbuch gesetzt, welches die Wehrpflicht ab 1962 abschaffte und die Atomwaffen zum Schwerpunkt einer kostengünstigeren Verteidigung Großbritanniens erklärte. Mit diesem Grundlagenpapier zog die britische Regierung die Konsequenzen aus den weltpolitischen, den wirtschaftlichen und den waffentechnischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Erneut wurde auf die negativen Auswirkungen der hohen Verteidigungsausgaben bis 1954 hingewiesen und der Schluß gezogen, Truppenreduzierungen seien auch und gerade in Europa notwendig. Für 1957 wurde dementsprechend das niedrigste Verteidigungsbudget in Großbritannien seit 1951 festgelegt35. Die Verteidigungsausgaben, gemessen am Anteil des Bruttosozialproduktes, sanken so nach einem Höchststand von 9,7 Prozent im Jahre 1953 auf durchschnittlich rund sieben Prozent bis 1961 und etwa sechs Prozent in den sechziger Jahren. Auch die preisbereinigten Ausgaben erreichten bis Ende der sechziger Jahre nicht mehr die Zahl von 1953, sondern sanken, wenn auch langsam, so doch stetig36.
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Memo »Atomic Expenditure«, 5.1.1956, PRO, Τ 235/1500. Zu diesen niedrigen Kosten müssen allerdings noch die Kosten für den Bau der Reaktoren und die der Rohstoffbeschaffung hinzugefügt werden. Zur Entwicklung des britischen Atomarsenals siehe auch Leigh-Phippard, Congress and US Militär)' Aid to Britain, S. 1 0 7 - 1 1 7 . Demnach bezog London ab 1955 amerikanische KorporalIxnkwaffensysteme, die zwei Jahre später in der britischen Armee eingeführt wurden. 1958 erhielt die RAF Thor-Raketen, die im »Dual key«-Verfahren genutzt wurden. Dockrill, British Defence since 1945, Appendix II, S. 1 3 9 - 1 4 5 . Die Truppen im Nahen Osten (nach britischem Verständnis die Region Ägypten, Türkei und Iran) und in Südostasien sollten allerdings nicht reduziert werden. Vgl. auch Baylis, Ambiguity and Deterrence, S. 1 7 8 - 2 0 5 . Dockrill, British Defence since 1945, Appendix IV, S. 151.
IV. D i e F o l g e n des B ü n d n i s k o m p r o m i s s e s
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b. Die amerikanische Initiative: Eisenhower's »New Look«
Die Truman-Administration
und die Ussaboner
Streitkräfte^ele
Mit dem Ausscheiden Eisenhowers als SACEUR Ende Mai 1952 verlor das Bündnis nicht nur einen hervorragenden Oberkommandierenden, sondern auch die Integrationsfigur und den Motor der militärischen Aufrüstung in Westeuropa. Sein Nachfolger, General Matthew B. Ridgway, war zwar ein ähnlich begabter militärischer Führer, doch seine Fähigkeiten zur multinationalen Zusammenarbeit wurden bereits nach wenigen Wochen innerhalb des NATO-Hauptquartiers kritisiert37. Allerdings hatte Ridgway nicht nur gegen den nachlassenden Verteidigungswillen der Westeuropäer und für einen forcierten Streitkräfteaufbau zu kämpfen, sondern auch noch gegen die ersten Sparpläne der Truman-Administration im Verteidigungssektor 38 . Ende 1951 war dem Präsidenten klar, daß das hohe Niveau der amerikanischen Verteidigungsausgaben langfristig nicht zu halten war, ohne negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche und innenpolitische Entwicklung der Vereinigten Staaten zu haben 39 . Im Haushaltsjahr 1952 mußte Finanzminister Snyder zudem mit einem erheblichen Defizit leben und kritisierte Trumans Steuerpolitik, welche die gesamten Verteidigungsausgaben über eine Steuerquote, die weit über der im Zweiten Weltkrieg lag, finanzieren sollte 40 . Truman entschloß sich, durch eine zeitliche Streckung des Streitkräfteaufbaus Reduzierungen der hohen Verteidigungsausgaben durchzuführen. Trotz der Kritik seiner militärischen Berater forderte der Präsident Ende Januar vom Kongreß die Zustimmung zu einem Verteidigungshaushalt von 51,2 Milliarden US-Dollar 41 . Die Kongreßverhandlungen zeigten, daß die Militärs verzweifelt versuchten, Einsparungen zu verhindern. General Hamilton, Monty. T h e Field-Marshal, S. 8 2 9 - 8 3 1 . Montgomery hatte mit Ridgway, der während des Zweiten Weltkrieges unter Montgomerys K o m m a n d o kämpfte und nun sein Vorgesetzter war, seine Schwierigkeiten. Der britische Feldmarschall hatte schließlich erheblichen Anteil an der Rückversetzung Ridgways nach Washington und der Ernennung seines und F.isenhowers Favoriten, General Alfred M. Gruenther, zum S A C E U R im Juli 1953. In seinen Memoiren betonte Ridgway, daß seine Sache im Gegensatz zu Eisenhowers politischer Aufgabe der Einigung auf eine gemeinsame Verteidigung eine militärische und viel schwierigere war. Er sollte die Durchsetzung der gemeinsam beschlossenen Streitkräfteziele gewährleisten. Ridgway, Soldier, S. 239. Diese Einschätzung teilte auch Eisenhower, der zu seiner Verwendung als S A C E U R bemerkte, »super-diplomat, super-economist, and spare-time soldier.« Zit. nach N A T O Review. 50th Anniversar}· Commemorative Edition, S. 8. Seit 1950 waren trotz des kontinuierlichen Wirtschaftswachstums Auswirkungen der von Truman forcierten Aufrüstung erkennbar. Preissteigerungen, Steuererhöhungen, aber auch unbezahlte Rüstungsverträge und eine steigende Staatsverschuldung, die 1953 fast die gesetzlich vorgegebene Höchstgrenze von 275 Milliarden Dollar erreichte, zeigten die Grenzen der militärischen Aufrüstung. Siehe Dockrill, Eisenhower's N e w Look National Security Policy, S. 19. Snyder, The Treasury and Economic Policy, S. 30. Im Gegensatz zu Snyder war der Vorsitzende des Council of Economic Advisers, I x o n Η. Keyserling, überzeugt, alle Staatsausgaben durch ein staatlich gefördertes Wirtschaftswachstum finanzieren zu können. Truman entschied sich für einen Mittelweg, der rückblickend als sehr erfolgreich bezeichnet werden kann. Keyserling, The View from the Council of Fxonomic Advisers, S. 7 9 - 9 5 . Hierzu und im folgenden Poole, The History of the |oint Chiefs of Staff, S. 1 0 9 - 1 3 9 , und Condit, The Test of War, S. 2 6 1 - 3 0 5 .
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IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
Bradley betonte vor dem zuständigen Kongreßausschuß, solche Kürzungen würden »militarily disastrous« sein42. Doch die Ergebnisse in Lissabon ermutigten nicht nur die Truman-Administration, sondern auch die amerikanische Legislative, Einsparungen im Verteidigungssektor durchzuführen. Acheson bewertete die Ergebnisse der Arbeit des TCC wie folgt: »It seemed to me, therefore, that the main lines of military policy, as laid down in the TCC reports, for 1952 and 1953 were correct; in other words, not to attempt to create forces beyond the capacity of ourselves and our allies to maintain, but to create sufficient force to make any action by the Sovjet Union in Europe too dangerous to be attempted 43 .«
Damit war der gedankliche Schritt von der konventionellen Verteidigungsfähigkeit zur atomaren Abschreckung, aber auch Kriegführung vorbereitet. Das Prinzip »Abschreckung« konnte nur die Nutzung der neuen Waffen bedeuten; die konventionelle Verteidigungsfähigkeit hatte sich als zu kostspielig erwiesen. Eine Truppenreduzierung bzw. eine Kürzung der Verteidigungsausgaben für konventionelle Streitkräfte war eigentlich nur die Konsequenz solcher Überlegungen, und der Kongreß verabschiedete im Juli 1952 einen Verteidigungshaushalt für die Teilstreitkräfte in Höhe von 46,2 Milliarden Dollar. Auch die US-Außenhilfe für das Haushaltsjahr 1952 wurde reduziert. Truman trat bereits mit einem moderaten Vorschlag von 5,24 Milliarden Militär- und 2,25 Milliarden Wirtschaftshilfe für Westeuropa vor den Kongreß, konnte der Legislative aber nur eine Außenhilfe in Höhe von 4,77 Milliarden Militär- und 1,44 Milliarden Wirtschaftshilfe für Westeuropa abringen 44 . Die Joint Chiefs of Staff reagierten auf die sich ändernden politischen Rahmenbedingungen und wiederholten im August 1952, daß sich an den Grundannahmen des NSC 68 und folgender Einschätzungen nichts geändert habe. Sie schlossen aber mit der Empfehlung, den Schwerpunkt der Verteidigungsplanungen auf die Erfordernisse des Kalten Krieges zu legen und nicht auf eine militärische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion. Allerdings wurde ebenso darauf hingewiesen, daß zur Erfüllung aller militärischen Verpflichtungen höhere Verteidigungsbeiträge notwendig wären 45 . Eine von Truman gewünschte Überprüfung der gesamten 42
« 44
45
Zit. nach Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 112. Während der Kongreßverhandlungen wurde deutlich, daß ein Großteil der Abgeordneten die fortwährende Unterstützung der westeuropäischen NATO-Staaten ablehnte. Senator Conally, Vorsitzender des Foreign Relations Committee, sagte dazu: »Throwing our money away in a lot of these countries is weakening us and making Russia all the stronger.« Ebd., S. 115. Memo Acheson, 8.1.1952, FRUS 1952-54, Vol.6, P a r t i , S. 730-739, hier S. 737, über ein Dinner zwischen Regierungsvertretern der USA und Großbritannien auf der S.S. »Williamsburg«. Bei diesen Summen muß berücksichtigt werden, daß es sich dabei um Defense Portions des Gesamtverteidigungshaushaltes handelte. Die Gesamtausgaben für die nationale Sicherheit, wozu die Kosten für Verwaltung, Rüstungsproduktion, Forschung, Atomenergie, Zivile Verteidigung usw. zählten, machten durchschnittlich nochmal soviel aus, wie die reinen »Armeekosten« für die Teilstreitkräfte. Siehe Condit, The Test of War, S. 303, zu den Zahlen ebd., S. 422. Die Serie NSC 135 war das Ergebnis einer Oberprüfung der Verteidigungsfähigkeit und der Sicherheitspolitik der USA. Siehe FRUS 1952-54, Vol. 2, P a r t i , S. 56-165, v.a. NSC 135/3, 25.9.1952, ebd., S. 142-156.
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Verteidigungsprogramme durch Acheson, Lovett und Harriman beschäftigte den Präsidenten an seinem letzten Arbeitstag im Weißen Haus. Sie brachte allerdings keine überraschenden Neuigkeiten. Im Gegenteil kamen auch die Experten der verschiedenen Ministerien zu dem Ergebnis, eine Sicherheitspolitik der Stärke könne nur mit ausreichenden finanziellen Mitteln durchgeführt werden. Der Streitkräfteaufbau innerhalb der NATO bis 1955 wurde als nicht angemessen für eine erfolgreiche Verteidigung angesehen, ebenso auch die Abstützung auf die atomaren Waffen — angesichts der steigenden Atomwaffenproduktion der Sowjetunion. Einzig die langfristig angelegte Erhöhung der Verteidigungsprogramme garantiere eine solide Sicherheitspolitik. Diese Langfristigkeit der militärischen Aufrüstung sollte zum einen den geplanten Streitkräfteaufbau gewährleisten, zum anderen die abschreckende Wirkung untermauern 46 . Doch Truman hatte sich bereits Anfang Januar zwischen den Alternativen Wirtschaftlichkeit und Steigerung der Militärausgaben für ersteres entschieden. Die Teilstreitkräfte sollten nach seinen Vorstellungen mit einer Summe von rund 40 Milliarden US-Dollar im Haushaltsjahr 1954 auskommen. Zu Kongreßverhandlungen über einen revidierten Budgetansatz kam es jedoch erst unter Präsident Eisenhower, der ab dem 20. Januar 1953 die Regierungsgeschäfte in Washington übernahm 4 ". Die FJsenhower-Administration
und der »Keiv Look«
Die neue Administration war gegen die Truman-Regierung mit dem Ziel angetreten, die Steuerlast der Wähler und die Staatsausgaben zu senken, das Haushaltsdefizit auszugleichen und das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Bereits wenige Tage nach seiner Amtsübernahme ließ Präsident Eisenhower daher seine militärischen Berater über die Grundlagen der nationalen Sicherheitspolitik diskutieren. Während der ersten NSC-Sitzungen, mit dem Finanzminister als zusätzlichem Mitglied, formulierte Eisenhower sein Ziel: »to figure out a preparedness program that will give us a respectable position without bankrupting the nation«48. Eisenhower sah darin keinen Widerspruch und definierte nationale Stärke mit den Elementen Sicherheit und Wohlstand. Wie wichtig ihm eine neue Wirtschaftspolitik mit dem Ziel eines ausgeglichenen Bundesbudgets war, zeigen seine Memoiren. Darin kommt er zu dem Schluß, daß vor allem die hohen Verteidigungsausgaben
4"
48
NSC 141, 19.1.1953, FRUS 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 2, Part 1, S. 2 0 9 - 2 2 2 . Vgl. auch Poole, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 123 und 1 2 6 - 1 2 9 . Zudem kam eine Überprüfung der bestehenden l'S-Streitkräfte durch die J C S im NSC 142 vom Februar 1953 zum Frgebnis, daß die Streitkräfte kaum in der Lage waren, ihre Aufträge zu erfüllen, geschweige denn mit neuen Krisen fertig zu werden. Siehe Watson, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 3. Zur Kontinuität amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik siehe auch Beglinger, »Containment« im Wandel, S. 21 - 6 1 . Für Truman war diese Fntscheidung eine »F.ntweder-Oder«-Lösung, erst Fisenhower gelang der Schritt zum »Sowohl als auch«. Memo of Discussion at the 131st meedng of the NSC, 11.2.1953, FRL'S 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 2, Part 1, S. 236 f. Der neue Finanzminister Humphrey betonte zudem die Absicht, daß alle größeren politischen Fntscheidungsvorbereitungen von einer Fünschätzung der daraus folgenden Kosten begleitet werden sollten.
316
IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
für die schwere Last der amerikanischen Steuerzahler verantwortlich seien49. Eisenhower zog auch hier die Lehren aus seinen Erfahrungen als SACEUR in Westeuropa, wo er die Auswirkungen der Aufrüstung beobachten konnte und zum ersten Mal über die Zusammenhänge zwischen militärischer Stärke und volkswirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nachgedacht hatte. Die Wurzeln des »New Look« lassen sich mithin auf seine Vorstellungen zurückführen, die er als NATO-Oberbefehlshaber entwickelt hatte und als Präsident konsequent umsetzte. Entscheidend war neben den wirtschafts- und innenpolitischen Überlegungen auch der langsame Wandel der Bedrohungsperzeption nach dem Tode Stalins und dem Ende des Koreakrieges. Das Kriegsrisiko wurde mit der Verfügbarkeit von Atomwaffen auf beiden Seiten als geringer eingeschätzt 50 . Eine Gruppe ziviler Berater sollte zur Umsetzung seines Zieles dem neubesetzten NSC beigeordnet werden und die Verteidigungsprogramme in Relation zu ihren Kosten setzen. Zudem sollte das Planning Board des NSC, früher als »Senior Staff« für politische Empfehlungen zuständig, eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ministerien garantieren 51 . NSC 149/2 vom März 1953 war ein erstes Ergebnis dieser Neuerungen und legte den Schwerpunkt der US-Sicherheitspolitik auf die wirtschaftliche Stabilität als Garant einer langfristigen Uberlebensstrategie der westlichen Welt. Schon die Bezeichnung dieses Grundlagendokumentes als »Basic National Security Policies and Programs in Relation to their Costs« wies auf die Bedeutung einer kostenbewußten Überprüfung der gültigen Streitkräfteplanungen hin52. Das Ziel waren Einsparungen von rund 5 Milliarden Dollar durch eine Reduzierung der amerikanischen Streitkräfte um 250 000 Soldaten und durch Einsparungen in anderen Bereichen. Diese Studie war die Voraussetzung für eine revidierte Fassung des letzten Truman-Budgets für das Haushaltsjahr 1954 und eine Abkehr von der bis dahin gängigen Planung auf ein Zieldatum hin. Damit war ein prägender Begriff der neuen Strategie entwickelt, der während der NATO-Ratstagung im April 1953 in Paris den Verbündeten als »Long Haul« vorgestellt wurde53. Eine von den Joint Chiefs of Staff überarbeitete Version dieser neuen Richtlinien war das NSC 153/1 vom Juni, welches zwei Bedrohungen der Vereinigten Staaten herausstellte: Die erste Bedrohung ging direkt von der Sowjetunion und der kommunistischen Welt aus, die zweite von den hohen Kosten für die Bekämpfung der Sowjetunion und der damit verbundenen wirtschaftlichen Schwächung
49 50 51
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Eisenhower, The White House Years. Mandate for Change, S. 107-133. Johnston, Mr. Slessor Goes to Washington, S. 366. Editorial Note, ebd., S. 244 f. Vgl. auch Watson, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 1 - 9 . Eisenhower wertete den NSC auf — und die wöchentlichen Besprechungen des NSC wurden wichtiger als die Kabinettssitzungen. Der Begriff »Nationale Sicherheit« wurde um die Aspekte innenpolitische und wirtschaftliche Stabilität erweitert. Siehe Challener, The National Security Policy from Truman to Eisenhower, S. 48. Siehe FRUS 1952-54, Vol. 2, Part 1, S. 307. Vgl. Wampler, Ambiguous Legacy, S. 470-477. Zur Ratstagung im April 1953 in Paris siehe FRUS 1952-54, Vol. 5, Part 1, S. 368-397. Zur Bedrohungsperzeption Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen im »Kalten Krieg«, S. 3 7 - 4 5 .
IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
317
der USA. Eisenhower selbst wies auf die Gefahr hin, daß die Sowjetunion die Vereinigten Staaten durch ein Wettrüsten in den finanziellen Ruin treiben: »It has been coldly calculated by the Sovjet leaders, for by their military threat they have hoped to force upon America and the free world an unbearable security burden leading to economic disaster54.« Der Präsident war davon überzeugt, daß die grundlegende Systemschwäche der westlichen Demokratien hinsichtlich ihres Mobilisierungspotentials für Militärausgaben von den Sowjets erkannt und ausgenutzt werde. Parallel zur Überarbeitung der vorliegenden Strategiepapiere regte er daher mit dem »Projekt Solarium« eine grundsätzliche Überprüfung der nationalen Sicherheitspolitik durch drei unterschiedlich zusammengesetzte Arbeitsgruppen an, deren Ergebnisse wiederum vom NSC-Planungsstab zusammengefaßt, diskutiert und überarbeitet wurden 55 . Das neue Strategiepapier
ΝSC 162/2
Im Oktober 1953 legte der Planungsstab dem Nationalen Sicherheitsrat das NSC 162 vor, das der Präsident nach einigen Änderungen unterzeichnete. Das Strategiepapier war die neue Grundlage der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik für die nächsten Jahre und löste das NSC 68 der Truman-Regierung ab 56 . Saki Dockrill faßt die Neuerungen des NSC 162/2 wie folgt zusammen: 1. Die strategischen Planungen sollten kein Zieldatum berücksichtigen, sondern ohne zeitliches Limit realisiert werden. 2. Die amerikanischen Streitkräfte sollten weltweit reduziert werden, die Einsparungen dazu dienen, die wirtschaftliche und innenpolitische Stabilität zu garantieren. 3. Die atomaren Waffen sollten zur Abschreckung dienen, bei Versagen der Abschreckung aber auch wie andere Waffen eingesetzt werden. 4. Die Vereinigten Staaten sollten sich vermehrt auf Bündnisse kollektiver Sicherheit konzentrieren 5 ". Dies macht deutlich, daß die neue Strategie keine grundlegende Änderung der nationalen Sicherheitspolitik der USA brachte, sondern lediglich einen neuen Weg der Rede Eisenhower, 19.5.1953, zit. nach Beglinger, »Containment« im Wandel, S. I 7 7 . Vgl. auch die Tagebuchaufzeichnungen vom 2.7.1953, Eisenhower, The Eisenhower Diaries, S. 2 4 2 - 2 4 5 . 55 Zum »Projekt Solarium« siehe Beglinger, »Containment« im Wandel, S. 144-164. Der Autor beurteilt allerdings die Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen als wenig nützlich für die Eormulierung einer neuen Strategie. Vgl. auch Gaddis, Strategies of Containment, S. 146-149. Gaddis sieht darin eher die Grundlage für den »New Look«, wozu aus allen Arbeitsergebnissen steinbruchartig Teile herangezogen wurden. * Mit dem Strategiepapier NSC 5501 vom 7.1.1955 wurde eine jährliche Überprüfung und Anpassung der nationalen Sicherheitspolitik eingeleitet, ohne aber grundsätzliche Änderungen zu bringen. Siehe Watson, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 55. Trachtenberg, A Constructed Peace, S. 152, verweist auf die Bedeutung des J C S Report vom 8.8.1953 als Grundlage des Strategiewandels. 5~ Dockrill, Eisenhower's New Look National Secuntv Policy, S. 2. Die Autorin weist nach, daß der »New Look« in erster Linie die Finanzierbarkeit einer langjährigen Abschreckung zum Ziel hatte und nicht nur auf die nuklearen Waffen abgestützt war. Schlagwörter wie »roll back«, »liberation« oder »massive retaliation« werden von Dockrill eher der politischen Propaganda zugeordnet. 54
318
IV. Die Folgen des Bündaiskompromisses
US-Delegation bei der NATO in Paris 1953 (v.l.n.r.: US-Botschafter James Dunn, Außenminister John 1'oster Dulles, ΝΑΤΟ-Generalsekretär Lord Ismay, MSA-Direktor Harold Ei. S fassen, ΝΑΊΌ-Botschafter der USA William H. Draper Jr.). Zielerreichung einschlug 58 . Der neue Vorsitzende der amerikanischen Joint Chiefs of Staff, Admiral Radford, vertrat diesen von ihm als »New Look« bezeichneten Ansatz vor den Militärs mit der Betonung einer Kostenreduzierung und der Schwerpunktverlagerung auf die Luftstreitkräfte und auf die atomaren Waffen 59 . Ziel dieser neuen Strategie war die Absicht der Eisenhower-Administration, die Initiative im Kalten Krieg bei niedrigeren Kosten wiederzuerlangen 60 . Dabei hatte der spätere Außenminister Dulles bereits 1952 ein Konzept der »strategischen Asymmetrie« formuliert, welches in den Jahren 1950 und 1951 Gestalt angenom-
59
611
Zu dieser Einschätzung gelangte der kanadische Botschafter in Washington A.D.P. Heeney bereits Anfang 1954, als er in einem brillant geschriebenen M e m o an Pearson die neue Verteidigungspolitik der USA zusammen faßte. Siehe M e m o Heenev an Pearson, 22.1.1954, PAC, D E A 50030-L-40, Vol. 2 (1954). Siehe hierzu und im folgenden Watson, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 3 5 - 3 9 , 2 8 5 - 2 8 8 und 3 1 6 - 3 2 1 . Zum Begriff »New Look« siehe Eisenhower, The White House Years. Mandate for Change, S. 449. Vgl. auch Bowie/Immcrman, Waging Peace. Zur Bewertung des »New Look« siehe Gaddis, Strategies of Containment, S. 1 4 6 - 149. Gaddis sieht im Zurückerlangen der Initiative eine entscheidende Voraussetzung für die Kostenminimierung. Ebd., S. 161. Wie wichtig für den ehemaligen Militär Eisenhower die Rückgewinnung der Initiative war, unterstreicht auch Merz, Eisenhower and the Planning of American Grand Strategy.
IV. D i e F o l g e n des B ü n d n i s k o m p r o m i s s e s
319
men hatte. Im November 1951, als das TCC in Paris über den ausgewogenen konventionellen Streitkräfteaufbau diskutierte, sprach sich Dulles für eine Abschrekkung durch eine »deterrent of retaliatory power« aus und nahm damit die Strategie der »massive retaliation« vorweg 61 . Im Jahre 1952 modifizierte er hingegen seine Vorstellungen dahingehend, daß trotz der Drohung des sofortigen strategischatomaren Gegenschlages eine gewisse flexible Reaktionsfähigkeit mit verschiedenen Eskalationsstufen einbezogen werden müsse 62 . Die Nuklearwaffen bildeten zwar den Kern dieser Strategie, aber auch der Einsatz herkömmlicher Waffen, die psychologische Kriegführung, Geheimdienstaktionen und Gipfeldiplomatie sollten als Teile dieser sicherheitspolitischen Klaviatur gelten. Folgerichtig erkannte Eisenhower die Möglichkeit, durch die Abstützung auf die neuen Waffen Reduzierungen bei der konventionellen Bewaffnung durchzuführen. Der Schritt zu einer gleichwertigen Nutzung von konventionellen und atomaren Waffen im Falle eines Krieges war im Herbst 1953 vollzogen. NSC 162/2 führte dazu aus: »In the event of hostilities, the United States will consider nuclear weapons to be as available for use as other munitions61.« Eisenhower selbst wollte den »New Look« nicht als »new concept« verstanden wissen. Vielmehr sollte dieser eine Neuverteilung der amerikanischen Ressourcen und dann erst eine Schwerpunktverlagerung auf die abschreckende und vernichtende Wirkung der Nuklearwaffen bringen. Dadurch, so Eisenhower, sei zugleich eine Reduzierung der Streitkräfte, die Modernisierung der bestehenden Verbände sowie ein Ausbau der strategischen Reserven und der strategischen Luftflotte möglich 64 . Der Schritt zur »Massive Retaliation« als gültige Strategie der Abschreckung war insofern folgerichtig, als die Schwerpunktverlagerung auf die neuen Waffen und deren Trägersysteme ein gewaltiges Arsenal entstehen ließ, welches genutzt werden mußte. Dieses Arsenal wuchs von rund 1000 Atomwaffen am Ende der Truman-Regierung auf etwa 19 000 am Ende der Eisenhower-Regierung an 65 . Allerdings zeigten militärische Auseinandersetzungen auf »Nebenkriegsschauplätzen« wie Indochina, Taiwan und den Inseln Quemov und Matsu und nicht 61
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63 M
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Dazu Görtemaker, |ohn Foster Dulles. Görtemaker weist darauf hin, daß die Vorstellungen Dulles' durch Fisenhower abgemildert und in eine neue Strategie kanalisiert wurden. Vor allem der Befreiungsrethorik seines Außenministers stand der Präsident skeptisch gegenüber. Dulles, Λ Policy of Boldness. Gaddis, Containment and the Logic of Strategy, definiert die asymmetrische Strategie als eine, die größere Risiken in Kauf nimmt, um Kosten zu reduzieren. NSC 162/2, 30.10.1953, FRUS 1 9 5 2 - 5 4 , Vol. 2, Part 1, S. 5 7 7 - 5 9 7 , hier S. 593. {Eisenhower, T h e White House Years. Mandate for Change, S. 451 - 4 5 3 . Rosenberg, Realm and Responsibility, S. 42, sieht im Aufbau der atomaren Streitmacht auch ein weiteres politisches Ziel Eisenhowers, die N A T O nach dem Scheitern der 1EVG und der schwierigen konventionellen Aufrüstung zusammenzuhalten. Challener, The National Security Policy from Truman to Fisenhower, S. 53. Dulles selbst sprach sich jedoch gegen eine mißverständliche Interpretation seiner Rede vor dem Council on Foreign Reladons im Januar 1954 aus und betonte, daß nicht in jedem Konflikt zwangsläufig der [Einsatz von Atomwaffen erfolge. Fr wußte nur zu gut, welche Geister er geweckt hatte. Siehe Gaddis, Strategies of Containment, S. 1 5 0 - 1 6 1 . Vgl. auch Peter, Abschrecken und Überleben im Atomzeitalter, S. 1 4 4 - 1 5 5 . Z u m Redetext siehe DOS-Press Release, 12.1.1954, in: Circular Document 5/54, 26.1.1954, PAC, D F A 50011-40, Vol. 2.
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IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
zuletzt Korea auch die Grenzen dieser Strategie. Gerade die Lehren aus dem von Eisenhower beendeten Koreakrieg wiesen auf die Bedeutung konventioneller Streitkräfte, die reduziert werden sollten, für solche Konflikte hin66. Auf der anderen Seite ließ die erfolgreiche Aufholjagd der Sowjetunion im atomaren Bereich die Strategie in eine Sackgasse laufen, die 1958 selbst Dulles anerkennen mußte 67 . Allerdings war auch klar, daß beide Reaktionspotentiale gleichzeitig nicht zu finanzieren waren und die Problematik zu Beginn der Eisenhower-Regierung wieder anstünde. Dazu kamen noch unabsehbare Kosten der nationalen Verteidigung, wie die Frühwamsysteme und die atomaren Gefechtsfeldwaffen, die eine hohe Prioritätsstufe in der entsprechenden Militärstrategie der Joint Chiefs of Staff besaßen. Vor allem die im »Projekt Vista« bereits 1952 nachgewiesenen Einsatzmöglichkeiten der Nuklearwaffen in einem konventionellen Krieg zum Ausgleich mangelnder Truppenstärken boten eine vermeintlich kostengünstige Lösung des Aufrüstungsproblems 68 . Doch diese Lösung brachte neben der Entlastung der Bündnispartner neue Lasten für die USA als Atommacht, die vor allem vom amerikanischen Finanzministerium und vom Budgetbüro abgelehnt wurden. Bereits damals wollten aber weder Eisenhower noch Dulles die Unterordnung der Sicherheitspolitik unter die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die von Finanzminister George M. Humphrey gewünschte Schwerpunktsetzung der Regierungspolitik auf ein ausgeglichenes Budget wurde von Dulles ebenso kritisiert wie ein einseitiges Kürzungsprogramm der Streitkräfte, ohne vorher andere Staatsausgaben auf den Prüfstand gestellt zu haben 69 . Dennoch war sich der Außenminister der Notwendigkeit von Einsparungen bewußt. Die Widerstände gegen die Reduzierungsabsichten der neuen Regierung waren groß. Interne Streitigkeiten der Militärs über die Bedeutung der einzelnen Teilstreitkräfte bei der Zuteilung der schwindenden Haushaltsmittel waren auch durch die Neubesetzung der JCS nicht auszuräumen. Vor allem das Heer, das die größten Reduzierungen durchzuführen hatte, aber auch die Marine, die zugunsten der Luftwaffe Einsparungen vornehmen mußte, protestierten gegen Eisenhowers Sparpläne. Allerdings war die Ausgangssituation der Kritiker schwierig angesichts der Tatsache, daß die Kürzungsvorschläge der frühere Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte ausgesprochen hatte und der militärische Expertenrat, den zum Beispiel General Ridgway in seiner Eigenschaft als Stabschef des ameri('6
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Frühe Mahner waren v.a. Ridgway und sein Nachfolger als Chief of the Army, Maxwell D. Taylor, die die atomare Aufrüstung auf Kosten der Bodentruppen kritisierten und vor der irrigen Annahme warnten, »more bang for a buck« zu erhalten. Siehe Taylor, The Uncertain Trumpet, S. 13-16. Dazu Dulles am 30.4.1958: »The fact is, that our present policies are running into a dead end.« Zit. nach Challencr, The National Security Policy from Truman to Eisenhower, S. 65. Ein Jahr zuvor hatte bereits Henry Kissinger in seinem Buch »Nuclear Weapons and Foreign Policy«, auf die Gefahren des Einsatzes von Atomwaffen in begrenzten Konflikten hingewiesen. Zu den verteidigungspolitischen Richtlinien JCS 2101/113 siehe Peter, Abschrecken und Überleben im Nuklearzeitalter, S. 138-144, und Watson, The History of the Joint Chiefs of Staff, S. 2 6 - 3 2 . Zum »Projekt Vista« siehe Elliot, Project Vista and Nuclear Weapons in Europe. Memo of Discussion at the 165th meeting of the NSC, 7.10.1953, FRUS 1952-54, Vol. 2, Part 1, S. 514-534, hier S. 517-519.
IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
321
kanischen Heeres gegen die Schwächung der amerikanischen Armee einbrachte, teilweise relativiert wurde 70 . Zahlreiche Kongreßabgeordnete hingegen beklagten, die Reduzierungen Eisenhowers griffen zu kurz. Senator Robert A. Taft warf dem Präsidenten im April 1953 vor, sein Verteidigungshaushalt für 1954 sei 50 Prozent höher als notwendig und Ausdruck der anhaltenden Macht der Militärs. Der erste republikanische Haushalt seit 20 Jahren sei deshalb nicht ausgeglichen. Der Senator warf dem Präsidenten Wählerbetrug und die Fortsetzung der Politik Trumans vor 71 . Eisenhower mußte zwar auf den »rechten Flügel« seiner Partei Rücksicht nehmen, wenn er sein Regierungsprogramm im Kongreß durchsetzen wollte, dennoch gelang es ihm bis 1956, seine Vorstellungen - die Kürzung der Staatsausgaben und Ausgleich des Staatshaushaltes — umzusetzen, ohne dabei die nationale Sicherheitspolitik zu vernachlässigen. Dabei richtete er sich nach einer Forderung, die von Verteidigungsminister Charles E. Wilson markant formuliert worden war, nämlich »More bang for the buck« zu erhalten, also für eine bestimmte Summe aus dem Staatshaushalt, die für die nationale Verteidigung vorgesehen war, einen wirkungsvolleren Output in Form von gesteigerter Feuerwirkung zu bekommen als in den vergangenen Jahren. Dieser Ansatz lief auf die Nutzung der neuen Waffen hinaus, beinhaltete aber auch Einsparungen im Verteidigungsbudget 72 . Kontinuierliche Kürzungen der Verteidigungsausgaben waren Teil dieses Ansatzes und brachten bis Mitte 1957 eine Reduzierung der Streitkräfte von 20 auf 14 Divisionen und damit rund 30 Prozent weniger Heeressoldaten als 1953. Die Marine mußte auf etwa 125 000 Seeleute und einige Kriegsschiffe verzichten, während die Luftwaffe von 115 auf 137 Staffeln anwuchs und nur eine Verlangsamung der Wachstumsrate hinnehmen mußte. Allerdings blieben die Verteidigungsausgaben, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau, während der Regierungszeit relativ stabil. John Lewis Gaddis bewertete den »New Look« daher auch als erfolgreiche Strategie hinsichtlich des Gleichgewichtes der nationalen Ziele und der Ressourcen der USA" 3 . Die Verteidigungsausgaben der Vereinigten Staaten waren, gemessen am Anteil des Bruttosozial""
^2
Ridgway war ein ausgesprochener Gegner von Truppenreduzierungen. Seine Erfahrungen in Korea zeigten ihm, daß der Einsatz kriegsuntauglicher Verbände an vorderster Front unverantwortlich war. Er selbst beriet die Politik daher als reiner Militär und verlangte von ihr, Verantwortung zu übernehmen, wenn andere als militärische Gründe für eine Reduzierung sprechen würden. Ridgway nahm es deshalb nicht hin, als über seinen Kopf hinweg Entscheidungen getroffen und mit dem Hinweis auf die Zustimmung durch die J C S vor die Öffentlichkeit gebracht wurden. Siehe Ridgway, Soldier, S. 2 8 6 - 2 9 4 . Ridgway blieb ein Kritiker der Haushaltseinsparungen und urteilte noch kurz vor seiner Pensionierung 1955, daß die amerikanischen Streitkräfte nicht in der Lage seien, ihren Auftrag zu erfüllen. Ebd., S. 327. Eisenhower, The White House Years. Mandate for Change, S. 451. Siehe auch Morgan, Eisenhower versus »The Spenders«, S. 1 - 4 8 und 53 f. Zu Wilsons Ausspruch siehe Kaplan, N A T O and the United States, S. 59. Dieser »Slogan« wurde ebenso in der amerikanischen Presse breitgetreten und damit auch bei den Bündnispartnern aufgenommen, so z.B. in Kanada. Telegr. Heeney an Pearson, 22.1.1954, PAC, 50011-40, Vol. 2. Zu den Zahlen siehe Morgan, Eisenhower versus »The Spenders«, S. 54 f.; Gaddis, Strategies of Containment, S. 161. Gaddis betont aber auch, daß dieses Urteil nicht von den Zeitgenossen Eisenhowers getragen worden sei. Ebd., S. 165.
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I V . D i e Folgen des Bündniskompromisses
US-Verteidigungsausgaben 1951 bis 1955 (in Mrd. Dollar) 60 49,727
50
51,591 50 44,707 42,297
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40 34,618
30
30
20
-Εί 20
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10
0
1951
1952
1953
1954
1955
Quelle: NATO M2 (56) 2, 14.12.1956, BA-MA, BW 3/1«3.
Ί© MGFA
a 04717-03
Produktes, mit fast 14 Prozent im Jahre 1953 auf dem Höhepunkt angekommen. In den darauffolgenden Jahren sank dieser Anteil - nach dem Vietnamkrieg sogar auf durchschnittlich fünf bis sechs Prozent. Allerdings spiegelt diese Betrachtung die Entwicklung der Verteidigungsausgaben nicht vollständig wider. Eine vor wenigen Jahren veröffentlichte Studie zeigt die preisbereinigten realen Ausgaben von 1951 bis 1995. Die Autoren stellten fest, daß die Summe des »Spitzenjahres« 1953 bereits während des Vietnamkrieges und ab 1984 bis 1993 deutlich übertroffen worden sei74. c. Auswirkungen der Reduzierungsabsichten auf die Bündnispartner Daß diese Entwicklung zu einem Nachlassen des Verteidigungswillen der westeuropäischen Bündnispartner beitragen würde, war bereits 1953 absehbar. Dabei zielte NSC 162/2 doch darauf ab, daß die Vereinigten Staaten nur mit Hilfe ihrer Verbündeten die Erfordernisse der Verteidigung meistern konnten. Doch dazu bedurfte es der militärischen Vorbildfunktion der USA, die sie 1952/53 zwar behielten, jedoch unter veränderten Vorzeichen. Sowohl die Reduzierungen im konventionellen Bereich als auch die Aufrüstung im atomaren Bereich ermutigten die
Zu den Prozentangaben siehe Gaddis, Strategies o f Containment, S. 359. Zu den preisbereinigten Summen Gholz, Come home, America, S. 12.
IV. D i e Folgen des B ü n d n i s k o m p r o m i s s e s
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kanadischen und westeuropäischen Bündnispartner, den USA zu folgen und ebenfalls Kürzungen der Verteidigungsausgaben durchzuführen. So regte der kanadische NATO-Botschafter Wilgress während der Ratstagung im April 1954 in Paris an, auch für Kanada einen »New Look« auf den Streitkräfteaufbau zu werfen und eine Truppenreduzierung in Westeuropa vorzunehmen, um die kontinentale - sprich nordamerikanische — Verteidigung stärken zu können. In den Folgejahren kam es denn auch zu deutlichen Reduzierungen der Verteidigungsausgaben. Bereits bei der Jahreserhebung 1954 wurde Ottawa ein Abweichen von den Lissaboner Streitkräftezielen und eine Reduzierung der Verteidigungsausgaben durch das Annual Review Committee (ARC) nachgewiesen. Der Verteidigungsbeitrag im Jahre 1952 bildete den Höhepunkt der kanadischen Aufrüstungsbemühungen. Mit 8,8 Prozent des Bruttosozialproduktes und rund 45 Prozent der Staatsausgaben für die Verteidigung war Kanada zeitweilig der viertgrößte Bündnispartner. Doch bereits fünf Jahre später hatte Ottawa die Ausgaben auf 5,2 Prozent bzw. 27 Prozent gesenkt. Der Schwerpunkt der Verteidigungsplanungen lag ab Ende der fünfziger Jahre bei der Landesverteidigung, was angesichts des niedrigeren Verteidigungshaushaltes natürlich zu Lasten der NATO gehen mußte" 5 . Auch Belgien sah sich hinsichtlich der sicherheitspolitischen Entwicklungen in London und Washington veranlaßt, den eigenen Verteidigungshaushalt zu überprüfen. Bereits Anfang 1953 gab es im belgischen Außenministerium Bestrebungen, das hohe Niveau der Verteidigungsausgaben zu verlassen und die Staatsausgaben im Verteidigungssektor zugunsten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu reduzieren. Als Begründung wurde das Grundprinzip der gerechten Lastenteilung angeführt, wenn auch mit anderen Vorzeichen: »Wenn ein oder mehrere Länder der Meinung sind, ihre Planungen nach unten korrigieren zu müssen, so haben die anderen das gute Recht, ihre Leistungen ebenfalls noch einmal zu überdenken 6.« Auch die übrigen Bündnispartner gewannen dieser Argumentationsführung etwas ab und prüften ihrerseits die gemeinsam beschlossenen Streitkräfteziele und den finanziellen Aufwand der Umsetzung der Planungen. Um die Durchführung der Streitkräfteziele zu retten, mußten sich die vom TCC empfohlenen Kontrollmechanismen, vor allem das Jahreserhebungsverfahren, bewähren. Die Rolle des ersten Generalsekretärs der N A T O war dabei ebenso entscheidend wie das Funktionieren der neuen Gremien. Die durch das Lastenteilungsprojekt des TCC gewonnenen Erfahrungen sollten sich dabei auszahlen. Die Regierungen der Mitgliedstaaten konnten zwar über ihr Verteidigungsbudget souverän entscheiden, waren jedoch nach den Fortschritten der multinationalen Zusammenarbeit seit der Ratstagung in Lissabon einem gewissen Bündniszwang ausgesetzt. Die einzige Möglichkeit, dem
6
Schreiben Wilgress an DMA, 25.2.1954, PAC, DF.A 50115-P-40, Vol. 2; M e m o »Draft Country Report on Canada« by the Annual Review Committee, 16.11.1954, in: Documents on Canadian External Relations, Vol. 20, S. 5 0 5 - 5 1 0 . Zu den Verteidigungsbudgetänderungen siehe Bercuson, Canada, X A T O , and Rearmament, S. 1 0 3 - 105. Memo »Belgien im Atlandkpakt«, Belgisches Außenministerium, 5.1.1953, in: Documents diplomatique? beiges 1941 - 1 9 6 0 , vol. 2, S. 4 6 9 - 4 7 2 , hier S. 4^0 (Übers, des Autors).
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IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
zu entgehen, war die Änderung der strategischen Rahmenbedingungen innerhalb der Allianz. Ein bündnisinterner Strategiewechsel mußte Auswirkungen auf die konventionellen Streitkräfteziele haben und die notwendige Begründung für Einsparungen bei den Verteidigungsausgaben liefern. Die Nordatlantische Allianz war daher wenige Monate nach dem wichtigen Bündniskompromiß erneut Schauplatz nationaler Interessenkonflikte. Diesmal ging es um die perspektivische Frage nach der Bedeutung atomarer Waffen für die gemeinsame Verteidigung.
2. Die NATO als Element der militärischen, wirtschaftlichen und politischen Interdependenzen in Westeuropa a. Militärstrategischer Wandel innerhalb der NATO: MC 48 und die Massive Vergeltung Die Jahreserhebung
1952 und Lord Ismajs Initiative
Innerhalb der NATO zeichnete sich Mitte 1952 ein Umdenken ab. Air Marshai Slessor hatte bereits im Februar Harriman gebeten, die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der neuen Waffen, vor allem ihre ergänzende Wirkung zu den konventionellen Streitkräften, in die TCC-Arbeit miteinzubeziehen. Denn die hohen konventionellen Streitkräfteforderungen, die sich im TCC-Bericht abzeichneten, beurteilte er als »an economic impossibility, a logistical nightmare and a strategic nonsense« 77 . Dieser Aspekt wurde vom TCC jedoch nicht mehr berücksichtigt. Allein aufgrund der fehlenden Zeit war es nicht möglich, auch noch Informationen über die Einsatzmöglichkeiten und -optionen der Atomwaffen, noch dazu unter den geltenden Bestimmungen des MacMahon-Act von 1946, durch die US-Militärs zu erhalten. Slessor unternahm einen erneuten Anlauf im Sommer 1952, indem er das Global Strategy Paper dazu benutzte, neben den USA auch der NATO neue strategische Überlegungen abzuverlangen. John Baylis schreibt dem britischen Strategiepapier von 1952 daher auch zwei grundsätzliche Ziele zu. Es sollte eine Reaktion auf die neue Regierungspolitik Churchills sein und zudem sowohl der US-Regierung als auch den anderen NATO-Partnern die Unangemessenheit der gültigen NATOStrategie verdeutlichen 78 . Gemäß der Ratsresolution vom Februar 1952 lief jedoch bereits eine interne Überprüfung der Streitkräfteziele unter Einbeziehung der neuen Waffen durch den neuen SACEUR. Ergebnisse ließen allerdings auf sich warten, was die britischen Bemühungen bremste. Die Arbeiten an dieser RidgwayZit. nach Johnston, Mr. Slessor Goes to Washington, S. 376. Telegr. Slessor an Harriman vom 18.2.1952, LC, Harriman Papers, Box 275. Darin schlägt Slessor auch eine Passage für den TCCBericht vor, der die waffentechnischen Entwicklungen im atomaren Bereich berücksichtigt. Baylis, Ambiguity and Deterrence, S. 152. Zu Slessors erneutem Versuch, die britischen Überlegungen auf die NATO zu übertragen, siehe Johnston, Mr. Slessor Goes to Washington, S. 383 f.
I V . D i e F o l g e n des B ü n d n i s k o m p r o m i s s e s
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Studie zogen sich bis in den S o m m e r 1 9 5 3 hin und verzögerten dadurch eine Grundsatzdiskussion über einen Strategiewechsel innerhalb der Allianz. D a s neugeschaffene Annual Review C o m m i t t e e (ARC) hingegen arbeitete nach Lissabon auf H o c h t o u r e n . Z u r nächsten Ratstagung im D e z e m b e r 1 9 5 2 sollten die festen Streitkräfteziele für 1 9 5 3 , die vorläufigen für 1 9 5 4 und die geplanten für 1 9 5 5 festgelegt werden. D a z u prüfte der Ausschuß nach dem Muster des T C C Projektes die bisherige Aufstellung und Ausrüstung der Verbände, die laufenden Verteidigungsprogramme und die finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten. Parallel dazu wurde im Frühjahr 1 9 5 2 eine Studie des Pentagon erarbeitet, welche im Gegensatz zum A R C nicht dem Streitkräfteumfang nachging, sondern die K o s t e n der in Lissabon beschlossenen Streitkräfte errechnete. Diese beliefen sich für 1 9 5 2 / 5 3 auf rund 67 Milliarden Dollar, von denen aber nur etwa die Hälfte durch die westeuropäischen Verteidigungsbeiträge abgedeckt war. D a s amerikanische Verteidigungsministerium zog davon n o c h 15 Milliarden Militär- und sonstige Außenhilfe ab, so daß eine finanzielle Lücke von insgesamt 2 0 Milliarden blieb" 9 . Die Ständige Gruppe, die wiederum die Streitkräfteziele für die Jahre nach 1 9 5 5 vorschlagen sollte und sich dazu am M C 2 6 / 1 orientierte, forderte im M R C 12 v o m Mai 1952 statt der 9 0 notwendigen Divisionen nach 1 9 5 4 eine E r h ö h u n g auf 9 8 Divisionen für 1955. Wampler weist nach, daß die Joint Chiefs o f S t a f f sogar eine Zahl von 126 Divisionen für 1 9 5 5 befürworteten, dies allerdings im politischen Umfeld der Einsparungen und Kürzungen im amerikanischen Verteidigungshaushalt und bei sinkender US-Außenhilfe keine Aussicht auf E r f o l g hatte*". Acheson befand die Vorschläge einer E r h ö h u n g der Streitkräfte erwartungsgemäß für unrealistisch und wirtschaftlich nicht tragbar* 1 . Daraufhin legte im S e p t e m b e r der sogenannte B o o t h - A u s s c h u ß Verteidigungsminister Lovett eine neue Aufstellung vor, die zur Grundlage des amerikanischen Anteils im Jahreserhebungserfahren für 1 9 5 2 wurde. Heeresgeneral Donald P. B o o t h , von Poster im S o m m e r 1952 zur Vorbereitung der amerikanischen Verhandlungsposition im Jahreserhebungsverfahren eingesetzt, schlug neben einer grundsätzlichen Überprüfung der Ν ATO-Strategie auch einen unter den Beschlüssen von Lissabon liegenden Streitkräfteaufbau für 1953 und einen leicht über den für 1954 geplanten Streitkräfteaufbau liegenden für 1 9 5 5 vor* 2 . Diese neuen Zahlen waren dem wirtschaftlichen und finanziellen Rahmen der westeuropäischen N A T O - P a r t n e r geschuldet und wurden nicht unbedingt als militärisch angemessen bewertet. D e r Vorteil dieser Zahlen lag in ihrer Realisierbarkeit, die auch o h n e E r h ö h u n g der U S Außenhilfe nicht beeinträchtigt worden wäre*'. D e n n o c h gab es Schwierigkeiten, sich innerhalb der N A T O auf feste Streitkräftezahlen für 1 9 5 3 zu einigen. Die '' *"
Siehe Condit, T h e T e s t ot War, S. 3 8 0 , und \\ ampler, Ambiguous I.egacv, S. 3 - 5 . Wampler, Ambiguous I.egacv, S. 3~6 t. D e m n a c h war eine Krhöhung der Streitkräfteziele durch das A R C abhängig von weiterer l'S-Außenhiltc. Auch dies war durch den neuen Sparkurs T r u m a n s nicht durchsetzbar.
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B r i e f A c h e s o n an Lovett, 19.6.1952, l-'RL'S 1 9 5 2 - 5 4 . Vol. 5, Part 1, S. 3 0 1 - 3 1 ) 8 . Z u m B o o t h - A u s s c h u ß siehe Wampler, Ambiguous I.egacv, S. 3 8 2 - 3 8 8 . 1 :bd., S. 4 1 8 f.; Condit, T h e T e s t ot War, S. 3 8 2 f.
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IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
britischen Vertreter im ARC verwiesen erneut auf die atomare Waffenwirkung und die daraus abgeleiteten konventionellen Kürzungsvorschläge, während die Franzosen die Sache hinauszögerten und erst einen Informationsaustausch mit dem Pentagon über die amerikanischen Verteidigungsausgaben und US-Außenhilfe-Planungen forderten. Dazu kam die Zufriedenheit mit dem bisher Erreichten. Die festen Streitkräfteziele für 1952 über 25 einsatzbereite und sofort mobilmachungsfähige Divisionen konnten erfolgreich durchgeführt werden. Auch die Reserve- und Marineeinheiten waren wie geplant in einem akzeptablen Einsatzgrad aufgestellt. Einzig die Flugzeugzahlen bereiteten Kopfschmerzen. Von den für 1952 vorgesehenen rund 4000 Stück waren Ende des Jahres nur 3200 verfügbar, wovon wiederum lediglich 2000 voll einsatzbereit waren. Trotz der Erfolge bei den Bodentruppen war der SACEUR mit dem Streitkräfteaufbau daher noch nicht zufrieden 84 . In Anbetracht des nachlassenden Rüstungswillens der westeuropäischen Regierungen wollte sich Ridgway auf die qualitative Verbesserung seiner bestehenden Streitkräfte konzentrieren und von der Aufstellung neuer Verbände absehen. Diese Hinwendung zum Ausbau der bestehenden Verbände war auch hinsichtlich der gewaltigen und bis dahin kaum berücksichtigten Unterhaltungskosten eine angemessene Reaktion auf die schwieriger werdende Neuaufstellung von Divisionen. Allerdings barg diese Schwerpunktverlagerung auf der anderen Seite die Gefahr, den stagnierenden Verteidigungswillen der westeuropäischen NATO-Partner noch zu unterstützen. Immerhin wurden durch diese Entwicklungen im Streitkräfteaufbau der NATO die Ergebnisse des TCC im Hinblick auf die Finanzierungsprobleme bestätigt. Der erneute Versuch der Militärs, den konventionellen Streitkräfteaufbau zu forcieren und über die politischen Vorgaben hinauszugehen, war gescheitert. Wieder bremste die zivile Seite der Allianz mit Unterstützung des amerikanischen Außenministeriums die NATO-Generale aus. Doch die Erfolge bei der Durchführung der festen Streitkräfteziele für das Jahr 1952 täuschten auch die zivilen Beamten nicht darüber hinweg, daß das in Lissabon beschlossene Aufrüstungspaket bei einer reduzierten US-Außenhilfe schwer umzusetzen war. Acheson hatte bereits im Mai gegenüber Lovett darauf hingewiesen und eine Dezimierung der militärischen Ressourcen um immerhin 8 Milliarden Dollar in den Haushaltsjahren 1953 und 1954 angedeutet. Allerdings sollten nach der Einigung auf gemeinsame Streitkräfteziele in Lissabon auch Erfolge bei der Durchführung dieser Planungen vermeldet werden. Und die Ergebnisse der Aufrüstungsbemühungen der Mitgliedstaaten waren ja durchaus sehenswert. Neben den neuaufgestellten Heeresverbänden konnten auch beim gemeinsamen Infrastrukturprogramm große Fortschritte erzielt werden. Innerhalb von drei Jahren hatte die NATO immerhin etwa 100 Flugplätze und ein weitverzweigtes Informations- und Nachschubnetz, vor allem für Treibstoff, geplant und teilweise eingerichtet85. Zum Vergleich stan-
Memo »Rearmament and Public Opinion«, C (52) 25 7 , 2 3 Λ 1 9 5 2 , PRO, CAB 129/53. Memo »Press Criticism of Lord Ismay«, 8.8.1952, PRO, FO 3^1/102465, beigefügte Presseartikel z.B. des Fxonormst vom 2. und des Daily Herald vom 7.8.1952. Auch das amerikanische Außenministerium wurde auf die schlechte Presse der N A T O aufmerksam und hoffte, durch Stellungnahmen der jeweiligen Regierungen Klarheit zu schaffen. Siehe Telegr. Bruce an die Botschafter in London und Paris sowie an Draper, 16.8.1952, FRL'S 1952-54, Vol. 5, P a r t i , S. 3 1 3 - 3 1 5 .
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IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
/ inst/wis I Joncl J JHY! lswtiy, erster CiHienilsi-kntiir der Χ. 17 '() 1 952.
IV. Die Folgen des Bündniskompromisses
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zu veröffentlichen 88 . Der amerikanische NATO-Botschafter Draper bewertete Ismays Vorschläge zur Verbesserung des Streitkräfteaufbaus zwar als konstruktiv, war jedoch ebenfalls gegen eine Veröffentlichung. Ismav ging nach Drapers Einschätzung einen konsequenten Weg, als er die Schwierigkeiten der Umsetzung der Lissaboner Beschlüsse erkannt hatte. Beeinflußt von den Strategiediskussionen in London, kam Ismay demnach zu dem Schluß: »that the present defence plans must be modified along the lines of putting more in the shop window and less in the back of the store, on the basic assumption that if war comes the crucial battle will be fought in the first 6 weeks during which period retaliation would have a chance to make its weight felt85.« Damit hatte sich der Generalsekretär den neuen Strategieüberlegungen Londons verschrieben und setzte sich nunmehr für eine qualitative Veränderung der Lissaboner Streitkräfteziele ein. Acheson befaßte sich seit Anfang September mit dem Ismay-Papier, dem er große Bedeutung beimaß, zumal einige informelle Ratstagungen nach Bekanntwerden des Papiers zeigten, daß auch zahlreiche andere Bündnispartner, allen voran Frankreich, ähnliche Überlegungen anstellten und grundsätzlich ein Abgehen von den Lissaboner Streitkräftezielen und eine Diskussion über die bestehende NATO-Strategie forderten 9 ". Der amerikanische Außenminister begrüßte daher die Initiative Ismays und stimmte einer NATO-internen Diskussion über Veränderungen der gültigen Strategie zu. Dabei war er sich der Schwächen der westeuropäischen Bündnispartner bewußt, als er im Januar 1953 das NSC 141 mit der Feststellung unterschrieb: »the Western European countries will not or cannot increase appreciably the proportion o f their total output which they are n o w allocating to defense. The limiting factors, on both the rate o f build-up and ultimate force goals are essentially economic and political 91 .«
Damit hatte Acheson eine Bedingung, die für den weiteren Streitkräfteaufbau gestellt worden war, als unerfüllbar erklärt. Dennoch wollte er gleichzeitig und getrennt von einer Strategiediskussion ein erfolgreiches Annual Review sehen, um dem nachlassenden Verteidigungswillen etwas entgegensetzen zu können 92 . Die Präsentation weiterer fester Streitkräfteziele für 1953 während der Atlantikratstagung Ende 1952 schien ihm besonders geeignet, einen Schlußstrich unter die pressewirksame Diskussion zu ziehen. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn das Uberprüfungsverfahren nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Die Diskussion über Wampler, Ambiguous Legacy, S. 384. Telegr. Draper an DOS, 26.8.1952, FRUS 1952-54, Vol. 5, Part 1, S. 3 1 5 - 3 1 7 .