Japanische Wirtschaft: Grundlagen [13. Aufl., (1. deutschsprachige Aufl.). Reprint 2018] 9783486789089, 9783486234367

Endlich ist diese exzellente Darstellung der japanischen Wirtschaft von japanischen Volks- und Betriebswirten in deutsch

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German Pages 494 [500] Year 1997

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Table of contents :
Inhalt
Wirtschaftsreader – zu diesem Buch
Vorwort
Abkürzungen
1 Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft
2 Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft
3 Die Wirtschaftspolitik Japans
4 Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion
5 Finanzmärkte und Geldpolitik
6 Industriestruktur und technischer Fortschritt
7 Unternehmensführung und industrielle Organisation
8 Arbeitskräfte und Arbeitsproblematik
9 Lebensstandard und Problemfelder des Geldwertes
10 Regionalwirtschaft und regionale Disparitäten
11 Außenhandel, Zahlungsbilanz und Wechselkurse
12 Entwicklungen der Weltwirtschaft und die Rolle Japans
Schlußkapitel
Index
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Japanische Wirtschaft: Grundlagen [13. Aufl., (1. deutschsprachige Aufl.). Reprint 2018]
 9783486789089, 9783486234367

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Japanische Wirtschaft Grundlagen

Herausgegeben von

Hisao Kanamori und

Yutaka Kosai Aus dem Japanischen übersetzt von

Sabine Dahlhausen, Bernd Engel, Arne Holzhausen, Vasco Honig, Cornelia Kriesel, Elisabeth Leibold, Jörg Lodedau, Nauka Miura

Dreizehnte Auflage (Erste deutschsprachige Auflage)

R. Oldenbourg Verlag München Wien

© der japanischen Originalausgabe 1994 by Hisao Kanamori and Yutaka Kosai. Published in Japan by TOYO KEIZAI Inc., Tokyo. Titel: NIHON KEIZAI TOKUHON, 13th ed.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Japanische W i r t s c h a f t : Grundlagen / hrsg. von Hisao Kanamori und Yutaka Kosai. Aus dem Japan, übers, von Sabine Dahlhausen ... - 13. Aufl., (1. deutschsprachige Aufl.). - München ; Wien : Oldenbourg, 1997 Einheitssacht.: Nihon-keizai-tokuhon ISBN 3-486-23436-6

© 1997 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-23436-6

Inhalt

V

Inhalt

Wirtschaftsreader - zu diesem Buch Vorwort

XV XIX

1 Entwicklungssehritte der j a p a n i s c h e n Wirtschaft

1

1.1 Wirtschaftsentwicklung vor dem Krieg

1

1.1.1 Die wirtschaftlichen Erfolge der Edo-Zeit

1

1.1.2 Die Reformen zu Beginn der Meiji-Zeit

2

1.1.3 Fortschritte bei der Industrialisierung

4

1.2 Wiederaufbau der Wirtschaft in der Nachkriegszeit 1.2.1 Überwindung der Inflation nach dem Krieg

6 6

1.2.2 Der Korea-Krieg und die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Vorkriegsniveaus 1.3 Hohes Wirtschaftswachstum und Liberalisierung des Außenhandels

8 11

1.3.1 Fortschritte durch Investitionen in den technischen Fortschritt . . . . 11 1.3.2 Der Übergang zu einem freien Wirtschaftssystem

14

1.3.3 Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft

15

1.4 Exogener Schock und Anpassung an einen mittleren Wachstumspfad . . . . 17 1.4.1 Aufwertung des Yen und Wechsel zum flexiblen Wechselkurssystem . 17 1.4.2 Die Ölkrisen

18

1.4.3 Anpassung an einen mittleren Wachstumspfad

21

1.5 Wandel zu international harmonischen Wirtschaftsstrukturen 1.5.1 Leistungsbilanzüberschüsse und der Maekawa-Report

22 22

1.5.2 Binnenmarktinduzierter Konjunkturaufschwung und Aktienpreisinflation 24 1.5.3 Abflauende Konjunktur und Wiederzunahme der Zahlungsbilanzüberschüsse

26

1.5.4 Japans Rolle in der Weltwirtschaft

27

VI

Inhalt

2 Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft ..29 2.1 Bestimmung und Schwankungen des Bruttosozialprodukts

29

2.1.1 Bestimmung des Bruttosozialprodukts

29

2.1.2 Lagerhaltungszyklus

30

2.1.3 Wirtschaftswachstum und Investitionszyklen

32

2.2 Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

35

2.2.1 Datierung der Konjunkturzyklen

35

2.2.2 Glättung der Konjunkturzyklen

40

2.2.3 Entstehung und Zusammenbruch der bubble economy

43

2.3 Das japanische Wirtschaftswachstum 2.3.1 Ursachen für das Hochwachstum

45 45

2.3.2 Abschwächung der Wachstumsrate und exportgeleitetes Wachstum 49 2.3.3 Reformen für ein auf die Inlandsnachfrage gestütztes Wachstum . . 53

3 Die Wirtschaftspolitik Japans

55

3.1 Wirtschaftspolitik

55

3.1.1 Die elementaren Wirtschaftsfaktoren und ihre Funktionen

55

3.1.2 Der Staat als Wirtschaftsakteur

56

3.1.2.1 Wirtschaftspolitik und ökonomische Gesellschaft

56

3.1.2.2 Grenzen des staatlichen Handelns

58

3.1.2.3 Überlegungen hinsichtlich der Rolle des Staates

58

3.1.2.4 Die Rolle der Wirtschaftspolitik

64

3.1.3 Welche politischen Instrumente existieren?

68

3.2 Die Rolle von Wirtschaftsplänen in der Wirtschaftspolitik

73

3.2.1 Der Charakter der japanischen Wirtschaftspläne

73

3.2.2 Die Verbindung zu Wirtschaftsplänen mit anderen Plänen

74

3.2.3 Die japanische Wirtschaftspolitik anhand der Wirtschaftspläne 3.3 Wirtschaftspolitik der Nachkriegszeit

. . . 75 79

3.3.1 Wirtschaftspolitik während der Wiederaufbauphase nach dem Krieg 79 3.3.2 Die Politik in der Periode des hohen Wirtschaftswachstums

80

Inhalt

VII

3.3.3 Makroökonomische Politik nach der ersten Ölkrise

82

3.3.4 Der Übergang zur Politik des stabilen Wachstums

83

3.3.5 Politik der Strukturanpassung

84

3.3.6 Die internationale Zusammenarbeit in der Wirtschaftspolitik

85

3.3.7 Die Aufgaben einer neuen Wirtschaftspolitik

86

4 Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

91

4.1 Die Aufgaben der Staatsfinanzen

91

4.1.1 Ressourcenallokation zum öffentlichen Sektor und deren Verwendung . 91 4.1.2 Umverteilung des Einkommens

92

4.1.3 Stabilisierung der Wirtschaft

93

4.2 Aufbau der Staatsfinanzen

95

4.2.1 Der Staatsetat

95

4.2.2 Etatarten

95

4.2.3 Erstellung, Durchführung und Rechnungsabschluß des Etats

98

4.2.4 Das staatliche Investitions- und Kreditprogramm 4.3 Steuern, öffentliche Anleihen und Ausgaben

100 106

4.3.1 Steuern

107

4.3.2 Jüngste Entwicklungen im Steuersystem

113

4.3.2.1 Einführung und Revision der Verbrauchsteuer

113

4.3.2.2 Schaffung einer Bodenpreissteuer

116

4.3.2.3 Zwischenbericht der Regierungskommission zum Steuersystem

118

4.3.2.4 Durchführungsbeschluß zur Senkung der Einkommen- und Einwohnersteuer

120

4.3.3 Öffentliche Anleihen

121

4.3.4 Ausgaben

129

4.4 Kommunalfinanzen

133

4.4.1 Was sind die Kommunalfinanzen?

133

4.4.2 Einnahmen der Kommunen

136

VIII

Inhalt

4.4.2.1 Kommunalsteuer

136

4.4.2.2 Zuteilungsteuer an die Kommunen

137

4.4.2.3 Transfersteuer an die Kommunen

138

4.4.2.4 Kommunalanleihen

139

4.4.3 Ausgaben der Kommunen

141

4.5 Finanzaufgaben der Zukunft

141

5 Finanzmärkte und Geldpolitik

147

5.1 Wirtschaftliehe Aktivitäten und die Aufgaben des Finanzsektors

147

5.1.1 Investitionen, Ersparnisse, Kapitalangebot und Kapitalnachfrage

. 147

5.1.2 Konstellation der Kapitalströme

149

5.1.3 Wandel der Finanzstrukturen

153

5.2 Die Finanzinstitute und ihre Geschäftsbereiche

155

5.2.1 Finanzinstitute und Geldvermögen

155

5.2.2 Geschäftsbereichsregulierungen und ihre Revision

160

5.3 Finanzmarkt und Zinsstruktur

163

5.3.1 Kurzfristiger Finanzmarkt

165

5.3.1.1 Interbankenmärkte

165

5.3.1.2 Offenmärkte

166

5.3.2 Obligationenmarkt

167

5.3.3 Aktienmarkt und Bildung der Aktienkurse

169

5.3.3.1 Grundsätzliches zum Aktienmarkt

169

5.3.3.2 Kursturbulenzen und ihre Ursachen

171

5.3.4. Zinsen

172

5.3.4.1 Aufgabe der Zinsen

172

5.3.4.2 Japans Zinsstruktur

174

5.3.5 Internationalisierung der Finanzgeschäfte 5.4 Makroökonomie und Geldmarkt

178 180

5.4.1 Geld und Wertpapiere

180

5.4.2 Geldnachfrage

182

Inhalt

IX

5.4.3 Geldangebot

183

5.4.4 A u f g a b e des Geldmarktes

185

5.5 Geldpolitik

186

5.5.1 Ziele der Geldpolitik

186

5.5.2 Instrumente der Geldpolitik

187

5.5.2.1 Refinanzierungspolitik

187

5.5.2.2 A n - und Verkaufsoperationen bei Obligationen und W e c h s e l n (Offenmarktgesehäfte)

188

5.5.2.3 Mindestreservepolitik

189

5.5.3 Transmissionsmeehanismen der Geldpolitik

190

5.5.4 Politische Reaktionen auf Liberalisierung und Internationalisierung des Finanzbereichs

192

6 Industriestruktur und technischer Fortschritt

197

6.1 Industriestruktur Japans

197

6.1.1 W a s bedeutet „Industriestruktur"?

197

6.1.2. Wirtschaftswachstum und Industriestruktur

200

6.2 R e s s o u r c e n - und Energieprobleme

205

6.2.1 A u s w i r k u n g e n der Ölkrisen a u f die japanische Wirtschaft

205

6.2.2 Strukturwandel der Industrie a u f g r u n d der Ölkrisen

206

6.3 Technischer Fortschritt und Industriestruktur

208

6.3.1 Technischer Fortschritt

208

6.3.2 Japans technologisches Entwicklungspotential

212

6.4 Strukturanpassung im internationalen Kontext 6.4.1 Internationaler Handel und Industriestruktur

214 214

6.4.2 Strukturanpassung im internationalen Kontext durch die A u f w e r t u n g des Yen 6.5 Die Industriestruktur der Zukunft

215 219

6.5.1 Entwicklung der Informationalisierung und Tertiärisierung

221

6.5.2 Die rapide A u s w e i t u n g des Dienstleistungssektors

222

X

Inhalt

6.5.3 Spitzentechnologie als Wegbereiterin des technischen Fortschritts 226 6.6 Belebung des Agrarsektors

228

6.6.1 Die Lage der Agrarwirtschaft heute

229

6.6.2 Der Agrarsektor im internationalen Wettbewerb

231

6.6.3 Zukünftige Aufgaben der japanischen Agrarwirtschaft

231

7 Unternehmensführung und industrielle Organisation

233

7.1 Japanische Unternehmensführung

233

7.1.1 Die Besonderheiten der japanischen Unternehmensführung

233

7.1.2 Reagibilität der japanischen Unternehmensführung

242

7.2 Antimonopolgesetz und Japans Marktstruktur

246

7.2.1 Der Aufbau des Antimonopolgesetzes

246

7.2.2 Japans Marktstruktur

248

7.3 Jüngste Entwicklungen in der Unternehmensführung und industriellen Organisation

253

7.3.1 Globalisierung des Unternehmensverhaltens und der industriellen Organisation

254

7.3.2 Veränderungen des Unternehmensverhaltens als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen

257

7.3.3 Japanische Unternehmenspraxis im Zeichen der Wirtschaftsstreitigkeiten

260

8 Arbeitskräfte und Arbeitsproblematik

265

8.1 Arbeitsangebot

265

8.1.1 Bevölkerung

265

8.1.2 Erwerbsquote

267

8.1.3 Qualität der Arbeitskräfte

271

8.1.4 Problematik der ausländischen Arbeitnehmer

273

8.2 Nachfrage nach Arbeitskräften 8.2.1 Wandel der langfristigen Nachfrage nach Arbeitskräften

275 276

Inhalt

XI

8.2.2 Kurzfristige Konjunkturschwankungen und Personalanpassungen . 278 8.2.3 Technischer Fortschritt, Arbeitskräfteeinsparung, Direktinvestitionen und langfristige Nachfrage nach Arbeitskräften 8.3 Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

279 281

8.3.1 Arbeitslosigkeit

281

8.3.2 Historische Veränderungen der Arbeitslosenquote in Japan

282

8.3.3 Arbeitslosenquoten im internationalen Vergleich

284

8.3.4 Arbeitslosigkeit und Wirtschaftspolitik

286

8.4 Löhne und Arbeitszeiten

287

8.4.1 Tarifverhandlungen durch die Frühjahrsoffensive

288

8.4.2 Lohndifferenzen

290

8.4.3 Arbeitszeit

292

8.5 Das „japanische Beschäftigungssystem"

295

8.5.1 Unternehmensgewerkschaften

296

8.5.2 Das System der lebenslangen Beschäftigung

297

8.5.3 Das Senioritätssystem

299

8.5.4 Die Zukunft des japanischen Beschäftigungssystems

300

9 Lebensstandard und Problemfelder des Geldwertes

303

9.1 Gegenwärtiger Lebensstandard und relevante Problemstellungen

303

9.1.1 Einkommen, Ersparnis und Vermögen

303

9.1.1.1 Einkommen

303

9.1.1.2 Ersparnis und Vermögen

305

9.1.2 Änderungen im Konsumverhalten

306

9.1.3 Überalterung der Bevölkerung und soziale Sicherung

309

9.1.3.1 Staatliche Rentenversicherung

312

9.1.3.2 Krankenversicherung

314

9.1.3.3 Soziale Dienste

316

9.1.4 Für mehr Lebensqualität 9.1.4.1 Charakteristika der Zeiteinteilung der Arbeitnehmer

317 318

XII

Inhalt

9.1.4.2 Wohn- und Lebensverhältnisse

319

9.1.4.3 Korrektur des Wohlstandskonzepts und neue Formen des menschlichen Miteinander 9.2 Problemfelder des Geldwertes 9.2.1 Problemfelder des Geldwertes

323 326 326

9.2.1.1 Inflation

326

9.2.1.2 Preisgefälle zwischen In- und Ausland

328

9.2.2 Entwicklung des Geldwertes

329

9.2.2.1 Die Phase hohen Wirtschaftswachstums

329

9.2.2.2 Die erste und zweite Ölkrise

331

9.2.2.3 Geldwertstabilität und Schwankungen der Vermögenswerte 333 9.2.3 Preispolitik

340

9.2.3.1 Nachfragepolitik

340

9.2.3.2 Angebotspolitik

341

9.2.3.3 Wettbewerbspolitik

341

9.2.3.4 Preisinformationspolitik

342

9.2.3.5 Direkte Preiskontrolle

342

10 Regionalwirtschaften und regionale Disparitäten

345

10.1 Regionale Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur

345

10.1.1 Das Territorium Japans und die Bevölkerungsverteilung

345

10.1.2 Regionale Einkommens- und Wirtschaftsstruktur

347

10.2 Migration und ihr sozio-ökonomischer Hintergrund 10.2.1 Nachkriegsmigration 10.2.2 Die Hyperkonzentration auf Tokyo und deren Hauptursachen 10.2.3 Die Attraktivität Tokyos für die junge Generation

349 349 . . . 353 356

10.3 Die Verschärfung regionaler Probleme und die Entwicklung der Regionalpolitik

360

10.3.1 Das Problem der Überbevölkerung im Ballungsraum Tokyo

360

10.3.2 Das Problem der Entvölkerung der provinzialen Gebiete

365

Inhalt

XIII

10.3.3 Die Reaktion der Politik auf die regionalen Probleme

368

10.3.4 Ausbau des Sozialkapitals

372

10.4 Die Lage der Regionalwirtschaften und die Aktivierung der Regionen . . 375 10.4.1 Die langanhaltende Rezession und die Regionalwirtschaften . . . . 375 10.4.2 Anzeichen für Veränderungen in der Hyperkonzentration auf Tokyo 378 10.4.3 Aufgaben für die Schaffung attraktiver Regionen

380

11 Außenhandel, Zahlungsbilanz und Wechselkurse

385

11.1 Außenhandel

385

11.1.1 Theorem der komparativen Kostenvorteile

385

11.1.2 Economiesofscale

388

und Außenhandel

11.1.3 Änderungen der Ein- und Ausfuhrstruktur 11.2 Internationale Zahlungsbilanz

391 396

11.2.1 Internationale Zahlungsbilanz - eine Einführung

396

11.2.2 Entwicklung der Zahlungsbilanz und politische Reaktionen

399

11.2.3 Determinanten der Leistungsbilanz

405

11.3 Wechselkurse und internationales Währungssystem

409

11.3.1 Vom System der festen Wechselkurse zum System der flexiblen Wechselkurse

409

11.3.2 Tasten nach einem neuen System

412

11.3.3 Wechselkursdeterminanten

413

11.4 Protektionismus und freier Außenhandel

415

12 Entwieklungen der Weltwirtschaft und die Rolle Japans

419

12.1 Entwicklungen der Weltwirtschaft

420

12.1.1 Die hektischen 70er Jahre

420

12.1.2 Die Weltwirtschaft der 80er Jahre und die Reagonomics

421

12.1.3 Die Weltwirtschaft zu Anfang der 90er Jahre

422

12.1.4 Amerika setzt auf seine wirtschaftliche Wiedergeburt

423

12.1.5. Übergang zur Marktwirtschaft in der Sowjetunion und in Osteuropa 424

XIV

Inhalt 12.1.6 Verzögerungen bei der Europäischen Währungsunion

426

12.1.7 Aufstieg der Länder Asiens

427

12.2 Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten

428

12.2.1 Wandel des internationalen Kapitalverkehrs

430

12.2.2 Internationalisierung des Yen und Japan money

432

12.3 Veränderungen des Welthandelssystems

435

12.3.1 Das GATT und die Uruguay-Runde

436

12.3.2 Regionalismus und Tripolarisierung der Welt

439

12.3.3 Rascher Anstieg der Direktinvestitionen

443

12.4 Globaler Beitrag Japans

443

12.4.1 Offene Fragen der Weltwirtschaft

443

12.4.2 Japans Beitrag zur Weltwirtschaft

446

Schlußkapitel Situation und Aufgaben der japanischen Wirtschaft

453

1. Die Heisei-Rezession

453

2. Der Hiraiwa-Report

456

3. Mittel- und langfristige Perspektiven der japanischen Wirtschaft

456

Index

461

Vorwort

XV

Wirtschaftsreader - zu diesem Buch Was ist Müll? Während der „Wahrig" dieses Wort lakonisch mit „Kehricht, Asche, Abfalle" in die Ecke des Unbrauchbaren verweist und nur widerstrebend einräumt, daß es sich ursprünglich um „Zerriebenes, Zermahlenes" handele, etymologisch verwandt mit „Mehl", widmen aktuelle enzyklopädische Lexika dem Müll ganze Seiten. Und dabei geht es weniger um dessen Unbrauchbarkeit, sondern — im Gegenteil - um die Frage: Was geschieht mit dem Müll? Je nach Weltsicht der Autoren wird dabei im ersten Fall der Aspekt der Beseitigung bzw. der Lagerung, im zweiten Falle der der Wiederverwertung hervorgehoben. Als Kinder haben wir gelernt: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Die spezifische Botschaft dieses Sprichworts ließ sich nur entschlüsseln, wenn vorausgesetzt wurde, daß es beim Hobeln nicht um Späne geht, sondern um jenen Teil des Materials, der von den Spänen befreit erst seiner eigentlichen Bestimmung nachkommen kann. Doch genug des Herumstochems in unserem kollektiven Bewußtsein vom Müll. Heute hat sich, anknüpfend an jenes Wissen um den Kreislauf der Dinge, welches frühgeschichtlich bereits dem Menschen verfügbar, jedoch lange Zeit durch die in der Industrialisierung kulminierende, zunehmende Spezialisierung verdrängt worden war, erneut die Einsicht Bahn gebrochen, daß es eigentlich keinen Müll gibt. Der Müll wird nicht abgesondert, er wird Teil des Nutzbaren und so dem Kreislauf der Dinge wieder zugeführt, kurz „recycelt". Das vorliegende Buch ist aus ähnlichen Überlegungen heraus entstanden. Im Herbst 1992 lief an der Freien Universität Berlin ein Projekt des Fachs Japanologie an, das anhand von natürlichen Texten - so nennen Sprachwissenschaftler schriftliche Äußerungen, die nicht in didaktischer Absicht entstanden s i n d - d i e aktuelle Wirtschaftsterminologie dokumentieren und so für deutschsprachige Nutzer zugänglich machen wollte. Dazu verwendete Texte waren Meldungen aus dem Wirtschaftsteil von Tageszeitungen, aber auch Fachtexte, Statistiken, Börsenberichte und anderes mehr. Beim Zusammenstellen des Korpus empfahl Herr Sung-Jo Park,

XVI

Vorwort

Professor für Japanologie mit Schwerpunkt Wirtschaft an der Freien Universität, ein Werk zu berücksichtigen, das an japanischen Hochschulen bereits seit Jahrzehnten zur Einfuhrung in die Geschichte und Struktur der modernen japanischen Wirtschaft verwendet wird. Es erschien erstmals 1950 und ist derzeit in der 13. überarbeiteten Auflage auf dem Markt. Für die Auswertung erschien es uns geeignet, weil davon auszugehen war, daß ein Student der Wirtschaftswissenschaften in Japan durch die Lektüre dieses Werks neben den Fakten auch mit den grundlegenden Termini seines Fachs vertraut gemacht wird. Darüber hinaus aber reizte der Gedanke, eine geschlossene, alle wesentlichen Aspekte der modernen japanischen Wirtschaft im Überblick umfassende, ansprechende Darstellung sowohl Studierenden der Japanologie bzw. der mit Japan sich befassenden Wirtschaftswissenschaften als auch einer breiteren, an Japans Wirtschaft interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Denn, obwohl das Fach Japanologie gerade im Bereich der Wirtschaft Japans durch Institutsgründungen bzw. durch die Schaffung von Lehrstühlen in den letzten Jahrzehnten einen starken Zuwachs erfahren hat, mangelt es noch immer an einführender Literatur. Dabei kann es nicht von Schaden sein, wenn mit dieser Übersetzung auch die japanische Sicht der Dinge zu Worte kommt, die nicht unbedingt auch die der hiesigen japanbezogenen Wirtschaftswissenschaft sein muß. Mit dem vorliegenden Buch wird eine weiteres Werk einer Japan gewidmeten Trilogie im Oldenbourg-Verlag vorgelegt, nachdem Anfang 1997 bereits „Wirtschaftsjapanisch. Fachtextebuch Japanisch-Deutsch" (Bernd Engel, Detlef Foljanty) erschienen ist. Auch dabei handelt es sich um ein Nebenprodukt der erwähnten Arbeit an einem Wirtschaftswörterbuch Japanisch-Deutsch an der Freien Universität. Die während der Projektarbeit entstandene Datenbank wird derzeit redaktionell bearbeitet, um sie für die Publikation vorzubereiten, angesichts des Umfangs ein außerordentlich zeitaufwendiges Unterfangen. Mit diesen drei Veröffentlichungen hoffen die an dem Hauptprojekt und seinen Ablegern Beteiligten, einen nicht unwichtigen Beitrag zu Ausbildung, Information und Referenz im Bereich Wirtschaft Japans geleistet zu haben.

Vorwort

XVII

Angefangen von der Idee zur Übersetzung und aller mit ihr verbundenen Fragen bis hin zur Überarbeitung der Kapitel nach relativ einheitlichen Standards inklusive Schlußredaktion lagen die Arbeiten an „Grundlagen der japanischen Wirtschaft" ganz und ausschließlich in der Hand der Übersetzer selbst. Die deutschsprachigen Fassungen — eine Auflistung, wer welches Kapitel übersetzt hat, findet sich auf Seite VII — wurden teilweise von anderen beteiligten Übersetzern gegengelesen. Als Gruppe nahmen wir auch die nicht immer einfache sachliche und terminologische Abstimmung vor. Denn das japanische Original ist ebenfalls das Produkt einer kollektiven Arbeit, dessen einzelne Darstellungen relativ unabhängig voneinander gestaltet erscheinen. Arne Holzhausen unterzog das Typoskript abschließend einer kritischen Gesamtlektüre, ehe Elisabeth Leibold die Schlußredaktion übernahm. Dem Verlag danken wir zum einen für seine Bereitschaft, dieses Werk zu veröffentlichen, und zum anderen für seinen Großmut in Terminfragen, den wir als Ausdruck des Wissens um die Schwierigkeiten einer kollektiven Publikation verstehen. Danken möchten wir auch Herrn Johannes Zimmermann (Stuttgart) für die Textgestaltung, er zeigte ebenfalls Verständnis für Terminverzögerungen und berücksichtigte unsere typographischen Extrawünsche, beispielsweise die vokalischen Längungszeichen bei der Transkription aus dem Japanischen. Unser ganz besonderer Dank gilt Herrn Detlef Foljanty, der hier zwar am Ende unseres Vorworts erwähnt wird, der jedoch unser Projekt von Anfang an engagiert begleitete. Er war ebenfalls am Gegenlesen einiger Kapitel beteiligt und half uns bei der Übersetzung kritischer Passagen. Auch bei den vielen Beratungen bezüglich terminologischer und sachlicher Absprachen und nicht zuletzt bei unserer letzten Sitzung zur Klärung offener Fragen in bezug auf den Index nahm er sich trotz engen Terminplans Zeit und gab uns wichtige Anregungen. Bevor nun die japanischen Autoren zu Wort kommen, soll noch kurz auf einige Formalien hingewiesen werden: Eigennamen werden in der in Japan üblichen Reihenfolge wiedergegeben, d.h. der Familienname steht an erster Stelle. Japanische Begriffe sind in der Hepburn-

XVIII

Vorwort

Transkription wiedergegeben, wobei lange Vokale mit einem Längungszeichen gekennzeichnet sind. Ausnahmen bilden einige Städtenamen wie Tokyo (statt Tokyo) oder Osaka (statt Osaka), bei denen sich die Schreibweise ohne Längungszeichen international durchgesetzt hat. Auf die Verwendung japanischer Begriffe im fortlaufenden Text wie in den Fußnoten ist zwecks besserer Lesbarkeit weitgehend verzichtet worden. Stattdessen wurde der Index zweisprachig verfaßt, der damit auch die Funktion eines kleinen Glossars japanischer Wirtschaftsausdrücke übernimmt.

Vorwort

XIX

Vorwort Seit der ersten Ausgabe des Nihon keizai tokuhon 1950 im Verlag Töyö Keizai sind — aufgrund der positiven Resonanz — in der Folgezeit zahlreiche Neuauflagen erschienen. Der Wandel der japanischen Wirtschaft ist rasant, immer wieder tauchen neue Problemfelder auf. Es gab eine Zeit, da das Ziel der japanischen Wirtschaft darin bestand, Europa und die USA einzuholen. Es gab Zeiten, da bestanden die Aufgaben darin, die Umweltverschmutzung, die Ölkrisen und die YenAufwertung zu überwinden. Die japanische Wirtschaft hat diese Krisen schließlich gemeistert. Gegenwärtig befindet sich die japanische Wirtschaft zwar in der Rezession, dies ist aber nur ein kurzfristiges konjunkturelles Phänomen. Meine persönliche Überzeugung ist, daß die japanische Wirtschaft schon bald wieder im Zuge des technischen Fortschritts in den Bereichen Elektronik und Kommunikation auf den Wachstumspfad zurückkehren wird. Weltweit vollzieht sich ein epochaler Wandel mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation, die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und der osteuropäischen sozialistischen Staaten eingeläutet wurde. Statt des Rüstungswettlaufs steht nun die ökonomische Konkurrenz im Mittelpunkt. In diesem Kontext erscheint die völlig überarbeitete 13. Auflage des Nihon keizai tokuhon. Zum Verständnis der Wirtschaft ist die Kenntnis der Geschichte, der Institutionen, der Empirie und der Theorie erforderlich. Ohne die Kenntnis der realen Wirtschaft wird die Wirtschaftstheorie nutzlos. So weit man auch die Theorie, daß der Preis Angebot und Nachfrage bestimmt, verfeinert - solange man die tatsächliche Gestalt von Angebot und Nachfrage in Japan nicht kennt, kann man auch das japanische Preisproblem nicht richtig verstehen. Soviel man auch die Grammatik einer Sprache lernt — ohne die Vokabeln und Fachausdrücke wird man kein Buch lesen können. Auf der anderen Seite ist es aber ebenso sinnlos, nur empirische Daten anzuhäufen. Es reicht nicht aus, nur zu wissen, daß der Yen von 260 Yen für einen Dollar auf 125 Yen für einen Dollar gestiegen ist, sondern man muß auch die Gründe

XX

Vorwort

und die Auswirkungen dieser Aufwertung auf die Wirtschaft kennen. Dafür ist die Wirtschaftstheorie erforderlich. Dies gilt sicherlich für jede Disziplin, aber in den Wirtschaftswissenschaften ist meiner Ansicht nach die Einheit aus empirischer und theoretischer Arbeit am wichtigsten. Max Planck hat einmal zu Keynes gesagt: „Eigentlich wollte ich Wirtschaftswissenschaft studieren, aber das war mir dann doch zu schwierig." Was hat ihn, einen der größten Physiker unserer Zeit, wohl zu dieser Aussage veranlaßt? Keynes hat es folgendermaßen erklärt: In der Wirtschaftswissenschaft sei zum einen die Einheit aus theoretischer und Beobachtungsgabe und zum anderen ein breites Wissen über Vorgänge, die sich nicht eindeutig fassen lassen, erforderlich; daher benötige ein Wirtschaftswissenschaftler andere Begabungen als ein Physiker. Ich stimme Keynes in diesem Punkt vollkommen zu, hier liegt auch das Interessante der Wirtschaftswissenschaft. Da sich die Wirtschaftswissenschaft jedoch andererseits in viele Bereiche aufteilt, mag es wohl auch Wissenschaftler geben, die in ihrem Kopf ein realitätsfernes kleines Universum entwerfen und auf diese Weise ihre Theorien entwickeln. Dagegen ist nicht viel einzuwenden, nur entspricht dies nicht der Wirtschaftswissenschaft, wie sie Keynes verstanden hat. Dieses Buch hat es sich zur Aufgabe gemacht, wichtige Fragestellungen der japanischen Wirtschaft unter dem Blickwinkel der Geschichte, der Institutionen, der Empirie und der Theorie zu behandeln. Da jedoch bei der Fülle des Materials der Platz nur begrenzt ist, kommt die Diskussion der Probleme zwangsläufig ein wenig zu kurz. Für diejenigen jedoch, die sich einen Überblick über die japanische Wirtschaft verschaffen wollen, bildet es einen guten Wegweiser, in dem die wichtigen Themen wie historische Entwicklung, Wirtschaftspolitik, öffentliche Finanzen, Finanzierung, Industriestruktur, Unternehmensführung usw. aufgegriffen werden. Die Autoren dieses Buches sind Ökonomen aus dem Bereich des Wirtschaftsplanungsamtes. Um eine gewisse Einheitlichkeit zu gewährleisten, sind alle Beiträge von mir oder Kösai Yutaka überarbeitet worden.

Vorwort

XXI

Für die Herausgabe dieses Buches möchte ich Herrn Ogura Naoto und Herrn Fukuda Keisuke vom Verlag Töyö Keizai Shinpösha danken.

Kanamori Hisao

Liste der Autoren (Übersetzer) 1. Kapitel:

Sakuma Takashi (Cornelia Kriesel)

2. Kapitel:

Nishikawa Masao (Sabine Dahlhausen, Elisabeth Leibold, Nauka Miura)

3. Kapitel:

Sugita Nobuki (Vasco Honig)

4. Kapitel:

Okumoto Keishin (Arne Holzhausen)

5. Kapitel:

Yamauchi Naoto (Bernd Engel)

6. Kapitel:

Azuma Kiyoshi (Elisabeth Leibold)

7. Kapitel:

Komine Takao (Arne Holzhausen)

8. Kapitel:

Ichikawa Masaki (Vasco Honig)

9. Kapitel:

Yoshikawa Kaoru (Jörg Lobedau)

10. Kapitel:

Watanabe Higashi (Vasco Honig)

11. Kapitel:

Matsuyama Kenji (Bernd Engel)

12. Kapitel:

Ömori Takashi (Bernd Engel)

Schlußkapitel:

Kanamori Hisao (Cornelia Kriesel)

Abkürzungen

APEC

—> Asiatisch-Pazifische Wirtschaftliche Zusammenarbeit

BIZ

—> Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

BOJ

— > Bank of Japan

BSP

—> Bruttosozialprodukt

DAC

—> Ausschuß für Entwicklungshilfe

DÖMEI

—> Gesamtjapanischer Generalbund der Gewerkschaften

EAEC

—> East Asian Economic Caucus

EEA

—> Europäischer Wirtschaftsraum

EFTA

—> Europäische Freihandelsassoziation

EU

—> Europäische Union

EWS

—> Europäisches Währungssystem

GATT

—> Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

IWF

—> Internationaler Währungsfonds

NAFTA

—> Nordamerikanische Freihandelszone

NGO's

—> Non-Govemmental Organizations

NIEs

—> Newly Industrializing Economies

ODA

—> staatliche Entwicklungshilfe

OECD

—> Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

OPEC

—> Organisation erdölexportierender Länder

OTO

—> Office of Trade Ombudsman

RENGÖ

—> Gesamtjapanischer Bund der Gewerkschaften in der Privatwirtschaft

SHIN-RENGÖ

—> Japanischer Geweikschaftsbund

Sil

—> Japanisch-Amerikanische Strukturberatungen

SÖHYÖ

—> Generalrat der Japanischen Gewerkschaften

WTO

—> Welthandelsorganisation

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

1

1 Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft 1.1 Wirtschaftsentwicklung vor dem Krieg

1.1.1 Die wirtschaftlichen Errungenschaften der f d o - Z e i t 1 Die wirtschaftliche Entwicklung seit der Meiji-Zeit2 basiert in einigen Aspekten auf Grundlagen, die während der Edo-Zeit geschaffen worden sind. Die Edo-Zeit war ökonomisch keine stagnierende Zeit, sondern zeichnete sich durch eine zunehmende Produktionskraft und ein starkes Bevölkerungswachstum aus. Durch die Erschließung neuer Reisanbaugebiete, die Einfuhrung von Düngemitteln und verbesserte landwirtschaftliche Geräte wurde vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Produktion in der Landwirtschaft erhöht. Ebenso machte die Vermarktung von Agrarprodukten Fortschritte. Auch fanden in Form des sogenannten ton >>a-Systems3 die Textilindustrie und das Brauereiwesen weite Verbreitung. Mit dem Lebensstandard stieg auch der Bildungsstandard. Im Vergleich zu anderen Ländern war die Alphabetisierungsquote in Japan überraschend hoch. Entgegen der allgemeinen Vorstellungen war der wirtschaftliche Stand am Ende der EdoZeit relativ hoch. Auf der anderen Seite führte jedoch die Finanzmisere des Shogunats und der feudalen han durch das Umprägen von Münzen 4 und die zunehmende Ausgabe von han-Ge\d$ zu einer zunehmenden Destabilisierung des Währungssystems. Vor diesem Hintergrund geschah die Öffnung des Landes, und die japanische Wirtschaft kam mit der Weltwirtschaft in Kontakt. Der Unterschied der 1 2

Edo-Zeil oder Tokugawa-Zeit: 1603-1867. A.d.Ü. Meiji-Zeil: 1868 1912. A.d.Ü.

^ Ton 'ya-System: Übergangsform der gewerblichen Betriebssysteme vom Handwerk zur Industrie. Verantwortlich f ü r Produktion und Absatz war ein Großhändler ( t o n ' y a ) , während die ausführenden Tätigkeiten durch Heimarbeiter in deren Wohnung oder Werkstatt erfolgten. Man unterscheidet: Lohnwerk, bei dem der Großhändler d a s Material liefert und der Arbeiter nach Stückzahl entlohnt wird; Preiswerk, bei dem der Heimarbeiter Arbeitskraft, Rohstoffe und Werkzeuge stellt und der Großhändler d i e Waren zu einem von ihm festgelegten Preis abnimmt (häufigere Form). A.d.Ü. ^ Münzneuprägung: Neuprägung von Münzen (koban usw.) mit geringem Edelmetallgehalt: Das auf diese Weise zurückgewonnene Gold und Silber füllt die öffentlichen Kassen. Zusammen mit der Neuausgabe von Münzen führt dies zur Inflation. ^ Hansatsu = han-Geld: Von den han (feudale Clans) herausgegebenes Geld, welches nur im Gebiete des jeweiligen han Verwendung fand.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

in- und ausländischen Gold-Silberparitäten verursachte einen Abfluß des Goldes (Zufluß des Silbers), der zu großen Preissteigerungen führte.

1.1.2 Die Reformen zu Beginn der

Meiji-Zeit

100 Jahre nach den westlichen Industrieländern, zu Beginn der Meiji-Zeit, begann Japan rasch, eine kapitalistische Wirtschaft aufzubauen. Die wichtigsten Reformen beim Übergang zu einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung war die Ermöglichung freier wirtschaftlicher Betätigungen und von Privateigentum. Angefangen mit der Abschaffung der gesellschaftlichen Stände Samurai, Bauer, Handwerker und Händler verfolgte die Mey/'-Regierung kontinuierlich die Reform des alten Systems.6 Neben der Liberalisierung des Handels war die Revision der Bodensteuer 7 1873 eine der wichtigsten Reformen. Ihr Ziel war erstens die Sicherung der Finanzen der neuen Regierung und zweitens ein im ganzen Land einheitliches Steuersystem. Neben Reformen des alten Systems wurde die Entstehung neuzeitlicher Industrien, die sogenannte „Implantation neuer Industrien", gefördert. Das Zentrum dieser Reformen bildete die Einführung neuzeitlicher amerikanischer und europäischer Wirtschaftsinstitutionen und Industrien. Dazu gehörte in erster Linie die Gründung staatlicher Modellfabriken. Mit dem Ziel der Einfuhrung und Verbreitung ausländischer Technologien wurden in Industriezweigen wie Bergbau, Werften, Eisenverhüttung, Telegraphie, Maschinenbau, Seide, Spinnerei und anderen Bereichen Fabriken unter direkter staatlicher Leitung errichtet. Viele dieser staatlichen Betriebe wurden nach Erreichen ihrer Ziele privatisiert.

6 Reformen der Mei/V-Regierung: Abschaffung des Binnenzolls (1868), Verbot der Ausfuhrbeschränkungen für Produkte aus einem han (Clangebiet 1869), Abschaffung des Standesystems, Erlaubnis zum Bestellen von Feldern für den Eigenbedarf (1871), Freiheit bei der Wahl des Wohnsitzes und der Berufswahl, Aufhebung der Beschränkungen hinsichtlich der Veräußerung von Land (1872). ^ Revision der Bodensteuer: Feststellung der Besitzverhältnisse und des Agrarlandpreises, Vergabe von Eigentumsurkunden und Festlegung einer Bodensteuer von 3 Prozent des Landpreises. Die Zahlung der Steuer in Naturalien wurde abgeschafft, eine monetäre Zahlweise eingeführt. 3 Prozent vom Bodenwert entsprachen zu dieser Zeit einem Reiserntewert von 34 Prozent, es handelte sich also um eine sehr hohe Steuer. 1873 machten die Steuereinnahmen aus der Bodensteuer über 90 Prozent der insgesamt gezahlten Steuer und damit fast 70 Prozent der Staatseinnahmen aus. Nach dem ChinesischJapanischen Krieg sank dieser Wert auf unter 50 Prozent.

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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Zudem wurde ein Bankensystem eingeführt. 1872 beschloß die Regierung das Staatsbankendekret 8 und förderte die Gründung von Banken. Sie konnten konvertierbare Banknoten herausgeben und hatten die Aufgabe, die Industrie mit Kapital zu versorgen. Zahlreiche Banken wurden gegründet, und 1879 war ihre Zahl auf 153 gestiegen. Darüber hinaus wurden Kapitalgesellschaften in den Bereichen Industrie und Handel gegründet. Die Regierung förderte die Gründung von Handelsgesellschaften und Devisenfirmen 9 , um den Binnen- und Außenhandel zu fördern. Um die Frachtschiffahrt an den Küsten sicherzustellen, wurde ein besonderer Schutz für Schiffahrtsgesellschaften, die zu Mitsui und Mitsubishi gehörten, gewährt. Durch die Regierung selbst wurde ein Telegraphenunternehmen (1868), ein Postunternehmen (1871) und ein Eisenbahnunternehmen (1872) gegründet, um die Schaffung einer industriellen Infrastruktur zu fördern. Nach 1881 wurde der Ausbau der Eisenbahn durch private Unternehmen stark vorangetrieben, so daß um 1900 das Schienennetz das gesamte Land fast vollständig umspannte. Um die Inflation einzudämmen, die während der Satsuma-Rebellion'O von 1877 entstanden war, wurden von Matsukata Masayoshin eine restriktive Finanzpolitik und eine Regulierung der Banknotenausgabe vorangetrieben. Um den dramatischen Anstieg von Banknoten unter Kontrolle zu bekommen, wurde von der Regierung 1882 die Japan Bank gegründet und die Herausgabe von Banknoten

® Staatsbanken trugen zwar den Namen Staatsbank, waren aber in Wirklichkeit Privatbanken. Die Bezeichnung rührt vermutlich von einer falschen Übersetzung der amerikanischen Nationalbanken her. Von diesen Banken, die entsprechend ihrem Griindungsdatum eine Nummer erhielten, gibt es heute noch die „Erste Bank" (Dai Ichi Kangyö Ginkö) und weitere sieben Banken. ® Devisenuntemehmen: Finanzunternehmen, die den Handelsfirmen zur Finanzierung Kapital liehen. Vorläufer der Staatsbanken, wurden aber mit der Erlassung des Staatsbankendekrets sämtlichst aufgelöst. In Japan als Seinan-Kampf bezeichnet. Der größte von mehreren Aufständen ehemaliger Samurai, die mit den internen Reformen nicht einverstanden waren. Der Anführer des Aufstands, Saigo, hatte in Satsuma (Süd-Japan) ein Heer von ungefähr 30.000 Ex-Samurai aufgestellt, die sechs Monate lang gegen die Regierungstruppen aus Tokyo kämpften, bevor dieses Dienstpflichtigenheer den Aufstand niederschlug. Saigo und die meisten seiner Gefolgsleute starben oder nahmen sich das Leben. A.d.Ü. ' ' Matsukata Masayoshi (1835-1924), Politiker aus Satsuma. Finanzminister im ersten (22.12.1885— 30.4.1888) und zweiten Itö-Kabinett (8.8.1892-16.9.1896), zwischendurch Premierminister und Finanzminister zugleich (5.6.1891-8.8.1892), beeinflußte die japanische Finanzpolitik dieser Zeit maßgeblich. A.d.Ü.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

auf diese beschränkt. Die Finanzpolitik von Matsukata 12 verursachte von 1882-1885 eine heftige Rezession. Jedoch schufen das wiederhergestellte Vertrauen in die Währung und den Markt für öffentliche Anleihen sowie sinkende Zinsen und Löhne neue Investitionsanreize. Hinzu kam noch der Preissturz des Silbers gegenüber dem Gold und der damit verbundene fallende Wechselkurs des Yen gegenüber den auf Goldstandard 13 basierenden Währungen auf dem Devisenmarkt, wodurch die japanischen Exporte gefordert wurden. Auf diese Weise wurden die Voraussetzungen für die zukünftige japanische Wirtschaftsentwicklung gelegt.

1.1.3 Fortschritte bei der Industrialisierung Durch die Kombination von Kapitalknappheit und Überfluß an Arbeitskräften richtete sich die 1886 beginnende eigentliche Industrialisierung Japans auf die arbeitsintensiven Industrien aus. Im Mittelpunkt standen hier die Leichtindustrien, z.B. die Textilindustrie, in erster Linie Seide und Baumwolle. Die Industrialisierung Japans wurde durch den Japanisch-Chinesischen Krieg ( 1894— 1895) und den Japanisch-Russischen Krieg ( 1904-1905) stark gefördert. Nach dem Japanisch-Russischen Krieg erreichte Japan die vollständige Zurückerlangung seiner Zollautonomie (1911) und ergriff auch protektionistische Maßnahmen. Auf der anderen Seite hatte das Erstarken des Staates zu einem zunehmenden Vertrauen des Auslands gegenüber Japan geführt. Dies ermöglichte Japan die Kapitalbeschaffung im Ausland. Der Wechsel zum Goldstandard, der durch die Reparationszahlungen des Chinesisch-Japanischen Kriegs ermöglicht wurde, fährte dazu, daß die Regierung Auslandsanleihen ausgab. Wegen der Gefahr eines Yen-Sturzes auf dem Devisenmarkt war sie bisher sehr vorsichtig mit der Aufnahme ausländischen Kapitals

' ^ Matsukatas Finanzpolitik: Durch Aufbau eines neuen Steuersystems und A n h e b u n g der Steuersätze wurde e i n e Z u n a h m e der Staatseinkünfte erreicht; durch Einsparung der Verwaltungskosten und durch Verlagerung v o n Kosten v o n der Ebene des Staates auf regionale Ebenen wurden gleichzeitig die A u s g a b e n eingegrenzt. Mit den s o eingesparten Finanzmitteln wurde Noten/Papiergeld eingelöst und die Reserven durch d e n A u f k a u f v o n (Metall)münzen vergrößert (Ziel: D e c k u n g d e s Geldumlaufs). Goldstandardsystem: Währungssystem, in d e m die Währungseinheiten als bestimmte M e n g e Gold definiert sind und die Banknoten jederzeit g e g e n G o l d eingetauscht werden können. Durch eine Beschränkung der G e l d m e n g e auf die Menge d e s G o l d e s sollte das Überemittieren des Papiergeldes verhindert und damit Inflation abgewehrt werden.

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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gewesen. Hierdurch wurden die Grundlagen für die Schwerindustrie geschaffen, und auch in Japan vollzog sich die industrielle Revolution. Im folgenden Ersten Weltkrieg (1914-18) war Japan, obwohl es Kriegsteilnehmer war, außerhalb des eigentlichen Kriegsgebiets. Dadurch gab es extreme Exportsteigerungen, und die Entwicklung in den Bereichen der Schwerindustrie (mit Schwerpunkt auf Schiffsbau und Eisenverhüttung) sowie der Chemie mit Farbstoffen, Pharmazeutika und Dünger kam rasch voran. Die Marine, deren Schiffsbestand 1872 nicht über 23.000 Tonnen hinausging, erreichte nach dem Ersten Weltkrieg 3.050.000 Tonnen. Sie setzte auch anschließend ihr Wachstum fort, und zu Beginn des Pazifischen Krieges 1941 verfügte Japan nach Amerika und England über die drittgrößte Marine der Welt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sank die Nachfrage aus dem Ausland drastisch, wodurch sich die Importüberschüsse vergrößerten. Die auf wachsendes Vertrauen und Erwartungen gestützte Konjunktur verschlechterte sich. Das große Kantö-Erdbeben 1923, eine Finanzkrise 1927, die Weltwirtschaftskrise 1929 und Mißernten in der Landwirtschaft 1930 setzten die Reihe der Krisen und Rezessionen fort. Schließlich wurde 1930 auf der Basis des alten Kurses das Verbot des Goldexportes aufgehoben (Rückkehr zum Goldstandardsystem). Zusätzlich zu den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise führte dies zu einem Preissturz ins Bodenlose; der Wirtschaftswelt wurde ein weiterer schwerer Schlag zugefügt. Aber auch diese lange Rezession endete mit dem Zwischenfall in der Mandschurei (1931) 1 4 und der Wiedereinführung des Goldembargos' 5 Ende desselben Jahres. Mit dem Abfallen vom Goldstandardsystem fiel der Wechselkurs, wodurch es zu einer Zunahme der Exporte kam und die Wirtschaft sich belebte. Viele Länder nahmen die Wirtschaftskrise jedoch zum Anlaß, ihre Tendenz zu Protektionismus und Selbstversorgung zu verstärken. Auf diese Weise kam es in der Weltwirtschaft zur Bildung verschiedener Wirtschaftsblöcke. ' 4 Japan besetzte Teile der Mandschurei und errichtete den Marionettenstaat Manschukuo. A.d.Ü. Goldexportverbot und dessen Aufhebung: Japan folgte im Januar 1930 der allgemeinen Tendenz in der Welt und hob das seit 1917 bestehende Exportverbot für Gold auf. Da dies jedoch zu einem im Vergleich zum fallenden effektiven Wechselkurs relativ hohen Tageskurs durchgeführt wurde, stürzten die Preise, und nach nicht ganz zwei Jahren wurde das Exportverbot im Dezember 1931 wiederum eingeführt.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Mit Beginn des Chinesisch-Japanischen Krieges 1937 verstärkten sich die dirigistischen Tendenzen auch in der japanischen Wirtschaft, durch den absoluten Vorrang der Kriegsfuhrung vor anderen Staatszielen verschlechterten sich die allgemeinen wirtschaftlichen Grundlagen. Japan forcierte die Blockbildung mit Südostasien, verlor dabei aber viele Möglichkeiten im sonstigen internationalen Handel. 1941 kam es—unter den in erster Linie amerikanischen Wirtschaftssanktionen — zum Ausbruch des Pazifischen Krieges. Die japanische Wirtschaftslage verschlechterte sich daraufhin zunehmend, und schließlich brach die Wirtschaft vollkommen zusammen.

1.2 Wiederaufbau der Wirtschaft in der Nachkriegszeit

1.2.1 Ü b e r w i n d u n g der Inflation nach dem Krieg Direkt nach dem verlorenen Krieg herrscht eine wirtschaftliche Situation, in der - w i e auch im ersten Wirtschaftsweißbuch beschrieben—alle wirtschaftlichen Akteure, der Staat, die Unternehmen und die privaten Haushalte rote Zahlen schreiben. Im Jahr nach dem Krieg war die Stahlproduktion auf weniger als 30 Prozent des Vorkriegsniveaus (1934-36) gesunken. Die Landesfläche war um 44 Prozent geringer als vor Ausbruch des Pazifischen Krieges. In dieser Situation mußten sechs Millionen Heimkehrer und demobilisierte Soldaten aufgenommen werden. Die Maßnahmen der Besatzungsarmee in Japan richteten sich in der ersten Zeit nach dem Krieg auf Entmilitarisierung und Demokratisierung. Japans Wirtschaft stand weiterhin unter einer Wirtschaftsblockade. Anfangs wurden selbst Rohstoffimporte nicht zugelassen. In kurzer Zeit wurden zur Demokratisierung der Wirtschaft folgende Maßnahmen durchgeführt: die Zerschlagung der zaibatsu und die Auflösung von Monopolen 16 , A u f l ö s u n g d e r zaibatsu:

Im S e p t e m b e r 1945 w u r d e n von d e r U S - R e g i e r u n g d i e „ V e r w a l t u n g s -

p r i n z i p i e n f ü r J a p a n " h e r a u s g e g e b e n mit dem Z i e l , M i l i t a r i s m u s zu v e r h ü t e n u n d e i n e D e m o k r a t i s i e r u n g d e r W i r t s c h a f t z u erreichen. Darin w u r d e d a s a m e r i k a n i s c h e H a u p t q u a r t i e r in J a p a n ( G H Q ) a n g e w i e s e n , die g r o ß e n F i n a n z k o n g l o m e r a t e (zaibatsu),

d i e in d e r j a p a n i s c h e n W i r t s c h a f t e i n e b e h e r r -

s c h e n d e S t e l l u n g i n n e h a t t e n , a u f z u l ö s e n . A b A u g u s t 1946 w u r d e n d u r c h d e n A u s s c h u ß z u r R e g u lierung von Holdingunternehmen

die A b w i c k l u n g d e r H o l d i n g s v e r f ü g t . D u r c h d a s G e s e t z

zur

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

7

eine Bodenreform 1 7 und die Demokratisierung der Arbeitswelt's. Dies hatte auf die spätere Entwicklung der japanischen Wirtschaft einen großen Einfluß. Auf der anderen Seite konnten vorübergehende Turbulenzen und Friktionen nicht vermieden werden. Durch umfangreiche Emissionen von Banknoten während des Krieges, durch die Zunahmen von Einlagen auf Sparkonten und die Zunahme von Staatsanleihen war direkt nach dem Krieg ein großer Bestand an Finanzkapital vorhanden. Hinzu kamen Zahlungen an die entlassenen Soldaten, Kriegsentschädigungszahlungen an die zur Rüstungsproduktion zwangsverpflichteten Unternehmen und andere durch die Abwicklung des Militärs verursachte Kosten. Aus diesen Gründen bildete sich eine starke Inflation. Um die Inflation überwinden zu können, ließ die Regierung im Februar 1946 als geldpolitische Notmaßnahme die Konten sperren. Dies führte aber, wegen der allgemeinen Mangelsituation, nur zu einem kurzfristigen Effekt. Deshalb führte die Regierung ab Anfang 1947 das sogenannte System der Vorzugsproduktion 19 zusammen mit preisregulierenden Subventionen für Waren des Grundbedarfs ein. Es wurde darüber hinaus die Bank für Wiederaufbau (Reconstruction Finance Bank) eingerichtet, die schwerpunktmäßig wichtige Industrien mit Kapital versorgte.

A b s c h a f f u n g e i n e r K o n z e n t r a t i o n ü b e r m ä ß i g e r W i r t s c h a f t s k r a f t ( K a d o keizairyoku

shöchö

haiki

hö)

wurden G r o ß u n t e r n e h m e n aufgeteilt. Banken und andere Finanzinstitute wurden j e d o c h von diesem E r l a ß n i c h t betroffen. B o d e n r e f o r m : Im D e z e m b e r 1945 w u r d e d u r c h d i e B e s a t z u n g s a r m e e d a s M e m o r a n d u m z u r B o d e n r e f o r m (Nöchi

kaikaku

ni kansuru

oboegaki)

e r l a s s e n , nach d e m

( 1 ) G r o ß g r u n d b e s i t z e r n , d i e ihren s t ä n d i g e n W o h n s i t z n i c h t auf i h r e m L a n d n e h m e n , ihr g e s a m t e s P a c h t l a n d und G r o ß g r u n d b e s i t z e r n , die a u f i h r e m L a n d l e b e n , ihr g e s a m t e s P a c h t l a n d bis a u f e i n e n H e k t a r ( A u s n a h m e H o k k a i d ö : 4 H e k t a r ) v o n d e r R e g i e r u n g a b g e k a u f t u n d billig an d i e P a c h t n e h m e r w e i t e r v e r ä u ß e r t wird. ( 2 ) F ü r d a s v e r b l e i b e n d e P a c h t l a n d w u r d e d a s P a c h t r e c h t stabilisiert, d i e Z a h l a r t d e r P a c h t a u f G e l d u m g e s t e l l t und O b e r g r e n z e n f e s t g e l e g t (bei R e i s f e l d e r n auf 2 5 P r o z e n t u n d bei a n d e r e n F e l d e r n a u f 15 Prozent). ' 8 D e m o k r a t i s i e r u n g d e r A r b e i t s w e l t , u m f a ß t d i e drei f o l g e n d e n G e s e t z e : d a s G e w e r k s c h a f t s g e s e t z (Rödö

kumiai

hö) ( 1 9 4 5 ) , d a s G e s e t z Uber d i e B e i l e g u n g v o n A r b e i t s k o n f l i k t e n (Rödö

kankei

chösei

hö) ( 1 9 4 6 ) und d a s A r b e i t s n o r m e n g e s e t z ( R ö d ö kijun hö) ( 1 9 4 7 ) . "

Prinzip der Vorzugsproduktion: Als Ausgangspunkt f ü r eine Wiederherstellung der Wirtschaft

w u r d e n f ü r die G r u n d s t o f f e d e r P r o d u k t i o n , K o h l e , E i s e n u n d S t a h l , e i n e k o n z e n t r i e r t e

Produk-

t i o n s s t e i g e r u n g g e p l a n t , d e s s e n E r f o l g e sich s t u f e n w e i s e a u c h a u f d i e a n d e r e n I n d u s t r i e n a u s w e i t e n sollte.

8

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Kalten Krieges 1948 veränderte sich die Politik der Besatzer gegenüber Japan hin zur Förderung der Selbständigkeit Japans. Neun Prinzipien zur Stabilisierung der Wirtschaft wurden verabschiedet, die begrenzte Wiederaufnahme des privaten Außenhandels wurde erlaubt. 1949 wurde mit der Ankunft des Gesandten Dodge als Wirtschaftsberater

der

Besatzungstruppen in Japan die sogenannte „Dodge L i n e " eingeführt. Joseph Dodge sah die japanische Wirtschaft als eine „Bambuspferdwirtschaft", die durch inländische Subventionen und amerikanische Hilfe auf zwei Beinen steht. U m sie auf ihre eigenen Beine zu stellen, war der radikale Abbau dieser Hilfen erforderlich. Die Subventionen wurden stark eingeschränkt und der Gesamthaushalt wurde — u.a. durch die Einstellung der Ausgabe von Anleihen der Bank für Wiederaufbau —ausgeglichen, um so die Inflation einzudämmen. Zweitens wurde durch eine Festlegung des Wechselkurses von einem Dollar zu 3 6 0 Yen der freie Außenhandel gefördert. Das Ergebnis der „Dodge Line" war tatsächlich eine Beilegung der Inflation. Die Kontrollen der Wirtschaft wurden nacheinander aufgehoben, und es vollzog sich ein Übergang zur freien Marktwirtschaft. Dies führte jedoch bei vielen Unternehmen zu emsthaftem Kapitalmangel. Konkurse häuften sich, die Zahl der Arbeitslosen nahm zu und die japanische Wirtschaft fiel umgekehrt in den Zustand der Deflation.

1.2.2 Der Korea-Krieg und die Wiederherstellung des wirtschaftliehen Vorkriegsniveaus Im Juni 1950 brach der Korea-Krieg aus (bis 1952). Für Japan war er der Auslöser einer starken Sonderkonjunktur, und Japan nutzte die günstige Gelegenheit der Aufrüstung in der Welt zur Exportexpansion; die Wirtschaft begann zu wachsen. Aufgrund dieser Sondernachfrage 2 0 konnten die Lagerbestände der Dodgeschen

Sondernachfrage-. Bezeichnete anfänglich die Nachschubbeschaffung der amerikanischen Armee während des Korea-Krieges, später wurden dann Einnahmen, die durch die stationierten Truppen und den persönliche Konsum der Armeeangehörigen entstanden, mit eingerechnet. Diese Einnahmen werden in der Zahlungsbilanz nicht als Exporte, sondern als Regierungsgeschäfte leistungsbilanz ( i n v i s i b l e trade)

verzeichnet.

in der Dienst-

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

9

Rezession geräumt werden, auch die Deviseneinnahmen zur Deckung der Importe im Zuge der wirtschaftlichen Belebung stiegen. Der B o o m der Sondernachfrage schwächte sich ab, als die Amerikaner den K a u f von strategischem Material stoppten, und nach dem Höhepunkt im April 1951 begann die Konjunktur sich langsam abzuschwächen. Jedoch ließ sich seit 1952 ein seit dem Kriege unterdrücktes Anwachsen der Konsumausgaben sehen, welches von steigenden Investitionen begleitet wurde, die bei schleppender Produktion und Exporten die Konjunktur stützten. Das Ansteigen der Anlageinvestitionen spiegelt die Tatsache wider, daß die Unternehmen im Begriff waren, von der Stufe der Ersatzinvestitionen - wie in der Zeit des Wiederaufbaus — die Stufe der Rationalisierungsinvestitionen — zur Stärkung der internationalen Konkurrenzfähigkeit — zu erklimmen. Neben der Rationalisierung und der Förderung der Modernisierung in den Hauptindustriezweigen wie Eisen und Stahl (Bandeisenwalzwerke), Schiffbau (Elektroschweißen),

chemische Düngemittel, elektrischer Anlagenbau

usw.

wurde die Einführung neuer ausländischer Technologien gefördert, um die durch die Kriegszeit zurückgeworfene technische Entwicklung aufzuholen. Auch in den Bereichen Autos, Kunstfasern, Elektrohaushaltsgeräten u.a. wurden neue Technologien eingeführt, die die Basis für wirtschaftliche Unabhängigkeit verbreiterten. Durch politische Maßnahmen wie dem Gesetz zur Förderung von Rationalisierungsmaßnahmen in Unternehmen ( 1 9 5 2 ) 2 1 wurde ein Sonderabschreibungssystem zur Modernisierung der Anlagen in den Hauptindustrien geschaffen. Daneben wurden sowohl die Japanische Entwicklungsbank, die Japan Import-Export-Bank und die Kasse für mittelständische Unternehmen als auch die Longterm-Kreditbanken gegründet; diese Banken ermöglichten die Nutzung öffentlicher Mittel (in den Industrien) und stellten langfristiges Kapital zur Verfügung. Außenpolitisch wurde der Friedensvertrag von San Francisco unterzeichnet (September 1951), der Japan den Weg in die Unabhängigkeit öffnete und die Wiedereingliederung in die internationale Gesellschaft vorbereitete. Japanischer Gesetzesname: Kigyö görika sokushin hö.

10

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Bereits in der letzten Phase des Zweiten Weltkrieges 1944 schlössen die Regierungen der Alliierten die Abkommen des Internationalen Währungsfonds (IWF)22 und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) 23 (Bretton Woods System); in der Nachkriegszeit wurde dann das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT, 1947)24 hinzugefügt und so der Rahmen zur Förderung des Freihandels nach Ende des Krieges (IWF- und GATT-System) komplettiert. Direkt nach dem Krieg konnte Japan natürlich noch nicht den Anforderungen eines freien Welthandels entsprechen. Erst 1953 trat Japan dem IWF und der Weltbank und 1955 dem GATT als ordentliches Mitglied bei; im ersten Fall unter Artikel 14 (zur Sicherung der Zahlungsbilanz ist eine Devisenbewirtschaftung zulässig), im zweiten Fall unter Artikel 12 (zur Sicherung der Zahlungsbilanz ist eine Außenhandelskontrolle zulässig). Zu dieser Zeit hatte die japanische Wirtschaft ungefähr wieder das Niveau der Vorkriegszeit (1935) erreicht. Der Index der Industrieproduktion, der private Konsum (real) und die Privatinvestitionen waren 1951, das BSP (real) und die realen Löhne 1952 wieder auf dem Vorkriegsniveau. Allerdings waren die Zahlungsbilanzen durch die Sondemachfrage gestützt, und die Großunternehmen hatten trotz der Sondernachfrage kaum Neueinstellungen getätigt, so daß sich der Zuwachs der Beschäftigung auf die Klein- und Mittelbetriebe konzentrierte, deren Lohnniveau eher gering war. Die sogenannte duale Struktur^ der Wirtschaft wurde offenkundig.

I W F = Internationaler Währungsfond. Ziele: (1) F ö r d e r u n g einer internationalen währungspolitischen Z u s a m m e n a r b e i t , (2) Sicherung der Wechselkursparitäten, (3) A u f b a u eines multilateralen Z a h l u n g s s y s t e m s . G e g r ü n d e t im Dezember 1945, w u r d e der I W F nach der Beendigung d e s Z w e i t e n Weltkrieges z u m Mittelpunkt des internationalen Währungssystems. Internationale

Bank

f ü r W i e d e r a u f b a u und

Entwicklung:

Im G e g e n s a t z

zum

IWF.

K r e d i t g e w ä h r u n g e n an Mitgliedsländer zur B e h e b u n g von Zahlungsbilanzschwierigkeiten

der

unter-

n i m m t , vergibt die Weltbank langfristige Kredite z u m A u f b a u der Wirtschaft und Entwicklung. D a s Kapital wird durch Kapitaleinlagen/Beiträge

der Mitgliedsländer und durch die Emission

von

Anleihen bereitgestellt. ^

A l l g e m e i n e s Zoll- und Handelsabkommen (GATT): A b k o m m e n über die Grundsätze d e r Handels-

politik und Zolltarifgestaltung, 1947 in Kraft getreten; Ziel ist die Ü b e r w i n d u n g bzw. A b s c h a f f u n g tarifärer u.a. H a n d e l s h e m m n i s s e und die Beseitigung diskriminierender H a n d e l s m a ß n a h m e n , wobei sich d e r Vertrag auf die grundlegenden Prinzipien Freiheit, Gegenseitigkeit und G l e i c h b e h a n d l u n g verpflichtet. D u a l e Struktur: Vor d e m Hintergrund eines Arbeitskräfteüberangebots in der L a n d b e v ö l k e r u n g bestand ein A n g e b o t von Arbeitskräften zu Mindestlöhnen. Auf dieser Grundlage manifestierten sich

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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1.3 Hohes Wirtschaftswachstum und Liberalisierung des Außenhandels 1.3.1 Fortschritte durch Investitionen in den technischen Fortschritt Obwohl 1953 die Einnahmen aus der Sondernachfrage 800 Millionen Dollar betrugen, stiegen durch die große Inlandsnachfrage die Importe so stark, daß die Zahlungsbilanz insgesamt stark negativ wurde. Deswegen wurde eine restriktive Finanz- und Geldpolitik betrieben, und 1954 glitt die Wirtschaft in die Rezession. Aufgrund der positiven Weltwirtschaft wurde aber schon bald wieder ein Zahlungsbilanzüberschuß erzielt, und die Konjunktur erholte sich innerhalb kurzer Zeit. Dieses Phänomen, daß durch die Verschlechterung der Zahlungsbilanz das Wachstum gedrosselt werden mußte, wurde der „obere Plafond der Zahlungsbilanz" genannt, und die in den folgenden 15 Jahren auftretenden Konjunkturzyklen, Zunahme der Inlandsnachfrage — „oberer Plafond der Zahlungsbilanzen" - restriktive Geldpolitik — Abwärtstrend der Konjunktur, entsprachen genau diesem sich wiederholenden Muster. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre erlebte die japanische Wirtschaft ein sehr hohes Wachstum. Die Triebkraft dafür waren die innovativen Investitionen, die in den beiden Boomphasen „Jinmu-Konjunktur" (1956—57) und „IwatoKonjunktur" (1959-61) intensiviert wurden. In den Basisindustrien waren bereits in der ersten Hälfte der 50er Jahre im großen Stil Anlageinvestitionen getätigt worden. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre fand u.a. in der Stromerzeugung eine Umstellung auf leistungsfähigere und größere Kraftwerke statt, die Eisenverhüttung wurde auf Großhochöfen umgerüstet, so daß das Erreichen von economies of scale im Mittelpunkt der Bemühungen stand. Auch in der chemischen Industrie — hier vor allem in der Petrochemie —, im Anlagenbau, z.B. den elektrischen Anlagen und der Metallverarbeitung, und in den Konsumgüterindustrien wie Autos, Haushaltsgeräte und Kameras kam es nun vor dem

Unterschiede in den Arbeitsbedingungen wie Löhne und in der Produktivität und der Rentabilität zwischen den modernen G r o ß u n t e r n e h m e n auf der einen und den Klein- und Mittelbetrieben in den traditionellen Industrie- und Dienstleistungsbereichen auf der anderen Seite.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Hintergrund technischer Innovationen zu verstärkten Anlageinvestitionen. Diese Investitionen in den technischen Fortschritt führten nicht nur zu zusätzlichen Investitionen in der Investitionsgüterindustrie, sondern durch Einkommenssteigerungen wegen der Zunahme der effektiven Gesamtnachfrage stiegen auch die Konsumausgaben, wodurch wiederum neue Investitionen notwendig wurden; dieser positive Investitionskreislauf führte zum Boom. Das Bewußtsein eines hohen Wirtschaftswachstums setzte sich nach und nach in der Bevölkerung durch, und ein Verhalten, das zur Voraussetzung der Hochwachstumsphase wurde, erfaßte mehr und mehr Japaner. Der vom Ikeda-Kabinett 1960 aufgestellte „Plan zur Verdoppelung des Volkseinkommens" 26 spielte dabei eine wichtige Rolle hinsichtlich der Durchsetzung dieses Denkens: Es wurde für die Menschen zu einer Selbstverständlichkeit, mit der Zunahme der Löhne und Gehälter diese auch entsprechend auszugeben. Die Unternehmen forcierten mit Blick auf die Zukunft — auch wenn sie gegenwärtig nicht notwendig waren — ihre Investitionen, um Marktanteile zu halten. Der Kampf um Marktanteile zwischen den Unternehmen wurde schärfer und heizte wiederum den Investitionsboom an.

Plan zur Verdoppelung des Volkseinkommens: vgl. Abschnitt 3.3.

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Tabelle 1-1 Entwicklung der japanischen Wirtschaft nach dem Krieg

BSP (real) pro Kopf Exportindex Importindex Primäre Energieversorgung Elektrische Energie | (Gesamtausstoßmenge) Industrieproduktionsindex Rohstahl Zement Textilien (Baumwolle, Wolle, Seide, Synthetik) Kraftfahrzeuge Fernseher Land- Forst und Seewirtschaft

Hochkonjunkturphase (1960)

Nachkriegszeit (1947)

Vorkriegszeit (1934-36)

42468 3417

6515 691

2050 263

3169 458

1985=100

119,4 165,0

5,7 14,5

0,36) 1,96)

4,6 9,1

in 1000 Mrd. kcal

50073

10081

3074

3836

in Mrd. kWh

89530

1155

328

241

1985=100

119,8

15,8

1.7

4,8

10000 t 10000 t

9813 8956

2214 2254

95 124

459 524

1 Mio. m 2

4852

4182

616

3993

165

1

-

Einheit

1992

1985= 10 Mrd.V =1000 ¥

1000 Stück 9379 1000 Stück

14253

3578

-

-

1985=100

94,71)

72,0

38,5

48,3

1000 t Reis 10573 12858 8798 8832 1000 Stück 4980 Rinder 3164 1990 1660 Fisch 1000 t 9978 2285 6192 4193 Wohnungs- 1000 42007 3 ) 13907 6 ) 17934 5 ) bau Whng. Mio. t 69192) 340 Güter1533 1135 transport 8587 Mio. 20291 (Inland) 9445 803472) Tourismus Menschen (Inland) Angestellte 7,H) 48,57) 44,8«) im 32,7 21,87) 26,08) Primär-, in Prozent 33,34) 29,1 29,67) 29,08) Sekundär-, 59,04) 38,2 Tertiärsektor Jeweils nach Statistiken von: >> 1992 2)1991 3) 1988 4 ) 1985 5) 1958 6) 1948 7) 1950 8)1940

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

1.3.2 Der Übergang zu einem freien Wirtschaftssystem Mit Beginn der 60er Jahre verstärkten sich die in- und ausländischen Forderungen nach Liberalisierung des japanischen Außenhandels. 1959, mit der starken Zunahme japanischer Exporte nach Amerika, nahmen auch die Forderungen nach Beseitigung der japanischen Importbeschränkungen zu. Auch im Rahmen des IWF und GATT verstärkten sich die Liberalisierungstendenzen. In Japan entstanden — trotz der starken Unsicherheiten gegenüber einem freien Wirtschaftssystem — Strömungen, die für eine Liberalisierung waren, da dadurch die Möglichkeit geschaffen wurde, Behinderungen der Wirtschaft durch die Wirtschaftslenkung izu beseitigen und Rohstoffe billiger zu importieren. 1960 wurde von der Regierung der Maßnahmenkatalog zur Liberalisierung von Handel und Devisen erlassen, und Japan wechselte im GATT auf Artikel 11 und 1964 im IWF auf Artikel 8. Ebenfalls 1964 trat Japan der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) 27 bei und wurde so Partner der amerikanischen und europäischen Industriestaaten. Japan öffneten sich so Wege, als Handelsnation die Vorteile des Freihandels zu nutzen. Im Sommer 1961 schwächte sich die Konjunktur (Iwato-Konjunktur) ab, erholte sich zwar noch einmal 1963 wegen der im darauffolgenden Jahr stattfindenden Olympiade, fiel dann aber in der zweiten Hälfte 1964 in eine Rezession. 1965 kam es zu Firmenzusammenbrüchen auch unter den Großunternehmen, und Unternehmen, die Produktionsanpassungen durchführten bzw. ein Rezessionskartell bildeten, nahmen zu. Diese erste große Rezession nach Ende des Krieges wurde „Showa40-Rezession" genannt. Im Juli 1965 steigerte die Regierung die Ausgaben und brach gleichzeitig mit der Emission von langfristigen Staatsanleihen ein Tabu, das seit Ende des Krieges bestanden hatte. Denn seit der Dodge Line galt das Prinzip O E C D , Organisation f ü r wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Nachfolgeorganisation d e r n a c h Ende des Zweiten Weltkriegs z u m Wiederaufbau und der wirtschaftlichen F ö r d e r u n g Europas g e g r ü n d e t e n O E E C (Organisation für europäische wirtschaftliche Z u s a m m e n a r b e i t ) , 1961 gegründet als Reaktion auf die geänderte Weltwirtschaftslage (z.B. Entwicklungsländerproblematik). Vollbeschäftigung, Steigerung des Lebensstandards, Währungs- und Finanzstabilisierung, Handelsund Kapitalliberalisierung, Entwicklungshilfe und in neuerer Zeit U m w e l t - und Energieprobleme ( G r ü n d u n g der IEA) sind die weitgespannten T h e m e n , die von den Mitgliedsländern bearbeitet werden. M i t Amerika, der E U und Japan bilden 24 Industrieländer die O E C D .

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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des ausgeglichenen Haushalts. Die Emission von langfristigen Staatsanleihen war für die Finanzpolitik der Beginn einer neuen Ära. Im Jahr 1966 erholte sich die Wirtschaft und setzte zur längsten konjunkturellen Aufschwungphäse der Nachkriegszeit an, die sich bis in die 70er Jahre fortsetzte (die sogenannte Izanagi-Konjunktur). Während dieser Boomphase verstärkte sich die japanische Wirtschaftskraft so, daß 1968 das Bruttosozialprodukt Japans das Westdeutschlands übertraf und Japan nach Amerika an die zweite Stelle in der freien Welt trat.

1.3.3 Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft Durch das hohe Wachstum kam es zu vielfaltigen Strukturveränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. In den wenigen Jahren zwischen 1955 und 1961 warder Anteil des Primärsektors am Nettosozialprodukt von 22,7 Prozent auf 13,5 Prozent gesunken und der Sekundärsektor von 28,9 Prozent auf37,l Prozent gestiegen. Bei den Industrieprodukten nahm der Anteil der Leichtindustrie ab, und Bereiche der Schwerindustrie wie Maschinen, Metall, Chemie, Ölraffinerien u.a. stiegen von 40,7 Prozent auf 53,4 Prozent. Im Mittelpunkt des sich ausweitenden Exports standen die Produkte der chemischen und Schwerindustrie. Dies zeigt, daß durch die Investitionen in technische Innovationen die Produktivität in diesem Bereich sehr stark gesteigert und die internationale Wettbewerbskraft erheblich verbessert worden war. Die für eine solche Industrialisierung notwendigen Arbeitskräfte wurden durch die Migration der Menschen aus den ländlichen Bereichen in die städtischen Ballungsräume gedeckt. Der Prozentsatz der abhängig Beschäftigten unter allen Beschäftigten stieg in der Zeit zwischen der zweiten Hälfte der 50er Jahre bis zur ersten Hälfte der 60er Jahre von 41,3 Prozent auf 61,4 Prozent. Das bis dahin bestehende Überangebot von Arbeitskräften kehrte sich 1960 um, was einen starken Anstieg der Löhne und Gehälter zur Folge hatte. Auch die Unterschiede der Löhne und Gehälter in Abhängigkeit zur Größe des Unternehmens und zum Alter des Arbeitnehmers verringerten sich. Langfristige

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Konsumgüter wie Fernseher, elektrische Kühlschränke und Autos begannen sich rasch auszubreiten, und es kam zu einem Wandel im Konsumleben generell, zur sogenannten „Konsumrevolution". Der Lebensstandard der Bevölkerung vereinheitlichte sich, die sogenannte Massenkonsumgesellschaft hatte sich gebildet. Auf der anderen Seite änderte sich - unabhängig von den weiterhin bestehenden Produktivitätsunterschieden aufgrund der Betriebsgröße — die Lohnstruktur, worin die Ursache strukturbedingter Inflation aufgrund unterschiedlicher Produktivitätssteigerungsraten 28 liegt. Trotz stabiler Großhandelspreise stiegen daher die Verbraucherpreise ab den 60er Jahren. Charakteristisch für die zweite Hälfte der 60er Jahre wurden der materielle Reichtum auf der einen Seite und die Schattenseiten des Wirtschaftswachstums auf der anderen Seite wie Preissteigerungen, unterentwickelter Sozial- und Infrastrukturausbau (besonders die mit dem alltäglichen Leben in Zusammenhang stehende soziale Infrastruktur) und schwerwiegende Umweltprobleme. Die Umweltproblematik wurden 1967 mit dem Grundlagengesetz zum Umweltschutz 29 und im darauffolgenden Jahr mit Schaffung des Umweltamts angegangen. Auf dem Gebiet der Sozialfürsorge wurde 1961 die Nationale Rentenversicherung und damit eine allgemeine Rentensicherung und Versicherungsdeckung realisiert; das Leistungsniveau dieser Systeme wurde in der zweiten Hälfte der 60er Jahre stark ausgebaut.

Inflation aufgrund unterschiedlicher Produktivitätssteigerungsraten: Während zwischen einigen wirtschaftlichen Bereichen, besonders der verarbeitenden Industrie und den Dienstleistungsunternehmen, Unterschiede in den Steigerungsraten der Arbeitsproduktivität bestehen, steigen die Löhne gleichmäßig an. Dies wird als ein Hauptgrund dafür gesehen, daß in der Zeit des starken Wirtschaftswachstums trotz stabiler Großhandelspreise (Kompensation steigender Löhne durch steigende Produktivität) die Konsumentenpreise kontinuierlich anstiegen (Einzelhandel, d.h. Dienstleistungssektor, keine Kompensation). 90 •"Japanischer Gesetzesname: Kögai taisaku kihon hö.

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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1.4 Exogener Schock und Anpassung an einen mittleren Wachstumspfad

1.4.1 A u f w e r t u n g des Yen und Wechsel zum flexiblen Wechselkurssystem Im wirtschaftlichen Aufschwung der zweiten Hälfte der 60er Jahre war die internationale Konkurrenzfähigkeit der japanischen Wirtschaft allmählich so erstarkt, daß der sogenannte „obere Plafond der Zahlungsbilanzen" als Wachstumsbeschränkung überwunden wurde. Im September 1969 wurden bei einer fortgesetzt aktiven Zahlungsbilanz aus Furcht vor einer Inflation Maßnahmen zur Konjunkturdrosselung ergriffen. Das Ergebnis waren steigende Exporte und ein weiterer bemerkenswerter Anstieg des Leistungsbilanzüberschusses, was zu Forderungen nach einer Aufwertung des japanischen Yen führte. Bereits seit 1968 reduzierte Japan die noch von Importquoten belegten Güter^o und senkte als Ergebnis der Kennedy-Runde 31 die allgemeinen Zölle. Darüber hinaus wurde die durch die Mitgliedschaft Japans in der OECD zur Pflicht gewordene Kapitalliberalisierung vorangetrieben. Diese Außenwirtschaftspolitik setzte sich in den von 1971 bis 1972 durchgeführten währungspolitischen Maßnahmen 3 2 zur Reduzierung des Leistungsbilanzüberschusses fort. Zu dieser Zeit, in der Japan Maßnahmen zum Abbau seines Überschusses verfolgte, kam es durch die amerikanischen Handelsdefizite dazu, daß die seit Ende der 60er Jahre immer wieder auftretenden internationalen Währungsunsicherheiten wieder aufflammten. 1971 vergrößerte die amerikanische Konjunkturpolitik das Zahlungsbilanzdefizit dramatisch. Im Mai des gleichen Jahres kam es in Europa,

Noch mit Importrestriktionen belegte Güter: Bezeichnet die von einigen Ländern, die aufgrund ihrer Außenhandelsbilanzen keinen Grund mehr dazu haben, aufgrund einer Sonderklausel bestehenden Importquoten für einige Güter. In Japan fielen Ende 1993 zwölf Güter unter diese Importbeschränkungen. Durch die Agrarverhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde sollen diese Importbeschränkungen bis auf zwei Fischereiprodukte weiter abgebaut werden. Kennedy-Runde (1964—1967): Zollsenkungsrunde des GATT. Im Mai 1967 einigte man sich auf Zollsenkungen für Industrieprodukte um generell 50 Prozent. Währungspolitische Maßnahmen: Ein acht Punkte umfassender außenwirtschaftspolitischer Maßnahmenkatalog gegen den sich fortsetzenden Trend der steigenden Außenhandelsüberschüsse. Das erste Maßnahmenpaket wurde im Juni 1971, das zweite und dritte im Mai und Oktober 1972 beschlossen.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

mit der Deutschen Mark im Mittelpunkt, zu Währungsspekulationen, die Wellen bis nach Japan schlugen und zu einer Vermehrung der Währungsreserven in Japan führten. Im August 1971 stoppte Amerika den Goldumtausch, erließ einen zehnprozentigen Zusatzzoll und ergriff Wechselkursmaßnahmen wie Kursanpassungen gegenüber verschiedenen Währungen (Nixon-Schock). Im Dezember 1971 fand eine Konferenz der zehn Finanzminister der führenden Industriestaaten (G10) statt, auf der multilaterale Wechselkursanpassungen der internationalen Währungen beschlossen wurden. Der Dollar wurde gegen Gold um ca. 8 Prozent ab- und der Yen gegenüber dem Dollar um 16,8 Prozent auf einen Dollar zu 308 Yen aufgewertet. Jedoch hielt auch dies nicht lange vor. Die amerikanischen Zahlungsbilanzen besserten sich nicht, und von Juni '72 bis Januar des folgenden Jahres gingen das Englische Pfund, die Italienische Lira und der Schweizer Franke zum System der freien Wechselkurse über, wodurch das internationale Währungsgefüge ins Schwanken geriet und schließlich im Februar '73 heftige Währungsspekulationen heraufbeschwört wurden. Amerika führte wiederum eine Abwertung des Dollars gegenüber den Sonderziehungsrechten

( S Z R ) " Um

10 Prozent durch, und der Yen

und die übrigen Währungen vollzogen den Übergang zum System der freien Wechselkurse. Eine wesentliche Voraussetzung für das Vertrauen in die zukünftige Wirtschaftsentwicklung, die festen Wechselkurse, fiel somit weg.

1.4.2 Die Ölkrisen In der zweiten Hälfte des Jahres 1970 begann die japanische Konjunktur sich abzuschwächen. Wie bereits erwähnt, kam es u.a. durch eine Aufwertung des Yen zu einer Rezession, jedoch zeigten die 1972 unternommenen Maßnahmen zur Stimulierung der Binnennachfrage ihre Wirkungen, und die Konjunktur erholte sich wieder. Der Aufschwung ging jedoch mit einer heftigen Inflation einher. Im

S Z R (Sonderziehungsrechte): Vom I W F geschaffenes, internationales Buchgeld, von den Mitgliedsländer bei Außenbilanzschwierigkeiten vom I W F abrufbar. 1969 wurden die SZR geschaffen, und ein SZR hatte zu dieser Zeit einen Wert von einem US-Dollar.

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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Zuge der großen Zahlungsbilanzüberschüsse und einer expansiven Geldpolitik kam es zu einem beträchtlichen Liquiditätsüberschuß. Zudem wurde als Reaktion auf die Aufwertung des Yen ein umfangreicher Haushalt verabschiedet. Auch die Diskussion über den Plan zur Neugestaltung des japanischen Archipels im Zuge des Amtsantrittes des Tanaka-Kabinetts verstärkte das Inflationsklima. Insbesondere die Preise von Vermögenswerten wie Boden und Aktien stiegen — auch spekulationsbedingt — enorm an. Auch international nahm durch den Dollarabfluß die Liquidität zu; der parallele Aufschwung vieler Länder unterstützte die inflationären Tendenzen. In dieser Situation kam es im Oktober 1973 durch den 4. Nahostkrieg zur ersten Ölkrise 3 4 , die zu einer Erhöhung der Rohölpreise auf ein Vierfaches und wegen der Angebotsbeschränkung zum Phänomen der „Pa'nikpreise" führte. Von Januar bis März 1974 stiegen daraufhin die Großhandelspreise in Japan um 50 Prozent und die Verbraucherpreise um 40 Prozent. Die Lohnsteigerungen im Frühjahr des Jahres 1974 betrugen 32,9 Prozent. Durch die Ölkrise verstärkte sich die Inflation weltweit, es kam zu Zahlungsbilanzkrisen und zur größten Rezession seit dem Kriege: Die Weltwirtschaft befand sich in einem sogenannten Trilemma. Durch die strikten Maßnahmen zur Überwindung der Inflation und durch den Deflationseffekt, der durch die negativen Zahlungsbilanzen der Erdölverbraucherländer entstand, schrumpfte die Weltwirtschaft. Auch die japanische Wirtschaft hatte mit einer Wirtschaftswachstumsrate von minus 0,2 Prozent das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ein Minuswachstum zu notieren.

Die erste Ölkrise: Die Weltwirtschaft nach dem Krieg hat sich mit einer zunehmenden Abhängigkeit vom Erdöl entwickelt. Der größte Anbieter von Rohöl sind die Staaten des Nahen Ostens, die Erschließung, Gewinnung, Distribution und Verkauf wurden aber durchgehend von major oil companies genannten internationalen Ölgesellschaften durchgeführt. 1960 schlössen sich die Ölförderländer zur Organisation Erdölexportierender Lander (OPEC) zusammen und strebten die Rückgewinnung der Verwaltungsrechte (permanentes Recht über die natürlichen Ressourcen) und eine Steigerung der Einnahmen aus Erdölgeschäften an. Im Oktober 1973 nahmen die Erdölförderländer den 4. Nahostkrieg zum Anlaß und beschlossen die Senkung der Ölförderung und Exportverbote als strategisches Mittel zur Lösung des Konflikts mit Israel. Zu dieser Zeit bestand aufgrund des weltweiten Wirtschaftswachstums eine Überschußnachfrage. Die OPEC setzte im Oktober '73 eine Preiserhöhung um 21 Prozent durch und verdoppelte schließlich den Rohölpreis im Dezember jenes Jahres.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Um die stark vom Rohöl abhängige japanische Wirtschaft wieder anzukurbeln, mußte als erstes die starke Inflation überwunden werden. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die Preissteigerungen im Ausmaß der Erdölpreissteigerungen tolerierten, wurden in Japan drastische Maßnahmen zur Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage eingeleitet. Der Diskontsatz wurde

auf

9 Prozent angehoben, und die Ausgaben fiir öffentliche Vorhaben wurden für das Jahr 1974 eingefroren. Darüber hinaus wurden Notmaßnahmen zur Preisregulierung von Basisgütern und Gütern des täglichen Bedarfs ergriffen. Durch diese Maßnahmen beruhigten sich die Preise wieder, nachdem sie im Frühjahr 1974 ihren Höhepunkt erreicht hatten. Auch die Zahlungsbilanz verbesserte sich. Auf der Basis dieser Preisberuhigung wendete sich die Wirtschaftspolitik — die Preisstabilität im Auge behaltend - wieder einer aktiven Konjunkturpolitik zu, so daß sich die Konjunktur von ihrem tiefsten Stand im März 1975 wieder erholte. Obwohl es 1977 zu Konjunkturstockungen kam, setzte die japanische Wirtschaft, begleitet von einer expansiven Geld- und Finanzpolitik, ihre Aufschwungsphase fort. Im Herbst 1978 kam es wegen der unsicheren politischen Lage im Iran weltweit zu einer Zuspitzung auf dem Rohölmarkt und damit zum Ausbruch einer zweiten Ölkrise 35 . Die erdölproduzierenden Länder hoben nach und nach die Rohölpreise an, jedoch blieben die japanischen Verbraucherpreise relativ stabil, und der Einfluß dieser zweiten Ölkrise auf die japanische Wirtschaft war im Vergleich zu der vorangegangenen unbedeutend. Auch international konnte Japan seine relativ gute wirtschaftliche Position halten. Das Defizit in der Leistungsbilanz war zum Höhepunkt der Krise zwar sehr hoch, kehrte jedoch relativ schnell zum Gleichgewicht zurück. Der Anstieg der Verbraucherpreise betrug trotz leichter Yen-Abwertung nur

Die zweite Ölkrise: A b Februar 1978 kam es zur Zuspitzung der politischen Lage im Iran, u n d im D e z e m b e r des Jahres beschlossen die OPEC-Staaten eine stufenweise S e n k u n g ihrer Ö l f ö r d e r u n g e n (insgesamt um 14,5 Prozent). Im darauffolgenden Jahr folgte die islamische Revolution im Iran, und 1980 komplizierte sich die Situation durch den Iran-Irak Krieg weiter. Im Vergleich zur ersten Ölkrise, bei der die Preise u m ein Vierfaches gestiegen w a r e n , betrug die Ölpreissteigerung nun das 2 , 2 f a c h e , j e d o c h war die d a d u r c h erzielte absolute Steigerung d e r Preise u m ein Vielfaches höher, so daß die Bezeichnung Ölpreiskrise gerechtfertigt ist.

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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8,4 Prozent (Juli-September 1980, im Vergleich mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres), so daß es zu keiner nennenswerten Abschwächung der Konjunktur kam. Indessen hielt die Phase des Konjunkturrückgangs bis Februar 1983 an, und auch der anschließende Aufschwung verlief äußerst zögerlich.

1.4.3 Anpassung an einen mittleren Waehstumspfad Der Prozeß des zweimaligen Überwindens einer Ölkrise hat die japanische Wirtschaft vom Pfad des hohen auf den des mittleren Wachstums gebracht. Die Konkurrenzfähigkeit der das hohe Wachstum stützenden rohstoffverarbeitenden Industrie hatte einen großen Einbruch erlitten. In der Finanzpolitik waren während der ersten Ölkrise große Haushaltsdefizite entstanden und im großen Stil Staatsanleihen ausgegeben worden, deren umlaufende Menge kontinuierlich weiter zunahm. Die Unternehmen bauten überschüssiges Personal ab, reduzierten die Kreditaufnahme und förderten so ein „schlankes Management". Die während des hohen Wirtschaftswachstum ständig gesunkene Eigenkapitalquote 36 erreichte 1974 ihren tiefsten Stand und stieg seitdem wieder an. Der Arbeitsmarkt entspannte sich, und auch die Bevölkerungskonzentration in den Städten ließ mit der zweiten Hälfte der 70er Jahre nach. In diesem Anpassungsprozeß entwickelte die japanische Wirtschaft die ersten Ansätze für ein erneutes Wachstum. An erster Stelle steht die Informatisierung: Der Fortschritt in der Nachrichten- und Kommunikationstechnik steigert nicht nur Effizienz in den Unternehmen und der Industrie, sondern übt in allen gesellschaftlichen Bereichen seinen Einfluß aus. Danach spielte die qualitative Steigerung der Nachfrage eine wichtige Rolle; im Verhalten der Verbraucher erhielten Dienstleistungen und Softonomisierung 37 einen neuen Stellenwert. E i g e n k a p i t a l q u o t e : In d e r Zeit des h o h e n W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s w u r d e n die m e i s t e n A n l a g e n i n v e s t i t i o n e n a u f g r u n d d e r N i e d r i g z i n s p o l i t i k mit B a n k k r e d i t e n

finanziert,

so daß die Eigenkapital-

q u o t e k o n t i n u i e r l i c h g e f a l l e n ist. S o f t o n o m i s i e r u n g (s.u.) u n d Z u n a h m e der D i e n s t l e i s t u n g e n im K o n s u m l e b e n : A n s t e l l e d e r A u s g a b e n f ü r P r o d u k t e n e h m e n in erster L i n i e die A u s g a b e n f ü r D i e n s t l e i s t u n g e n zu. A u c h bei d e n P r o d u k t e n selbst s p i e l e n A s p e k t e w i e D e s i g n e i n e g r ö ß e r e Rolle. S o f t o n o m i s i e r u n g : U m s c h r e i b t a l l g e m e i n e i n e E n t w i c k l u n g , in d e r d i e B e d e u t u n g v o n W i s s e n u n d I n f o r m a t i o n in W i r t s c h a f t und G e s e l l s c h a f t steigt.

A.d.Ü.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Als dritter Punkt muß die Internationalisierung genannt werden. Nicht nur die Mobilität von Gütern, sondern auch die Mobilität von Dienstleistungen, Arbeitskräften und Kapital nahm im globalen Maßstab zu. Das Gesetz zur DevisenBewirtschaftung 38 wurde unter der Prämisse der Freigabe vollkommen revidiert. Die Internationalisierung der Finanzen förderte in Verbindung mit dem Entstehen eines Marktes für öffentliche und Industrieanleihen die Liberalisierung des Finanzsektors. Auf der Ebene der Verwaltung wurde, um den großen öffentlichen Defiziten entgegenzuwirken, 1981 zum Startjahr der „Konsolidierung der Finanzen" erklärt und durch das ceiling-System^9

eine strikte Begrenzung der Ausgaben vorange-

trieben. Auf der anderen Seite wurde ein Ausschuß zur Untersuchung der Verwaltung gegründet (März '81), welcher die Verwaltungsinstitutionen und Systeme überprüfen sollte. In einer Kette von Verwaltungsreformen kam es zu Neuregelungen im Sozialsystem und im System öffentlicher Unternehmen. Auch im Bereich des Ausbaus des Sozialkapitals wurden mit der Methode des sog. 3. Sektors 40 verstärkt privates Kapital und Know-how eingebunden.

1.5 Wandel zu international harmonischen Wirtschaftsstrukturen

1.5.1 Leistungsbilanzüberschüsse und der Maekawa-Report Mit der Hochwachstumsphase endete eine Zeit, in der die internationale Wirtschaft von der US-Ökonomie dominiert wurde und Japan seine Absatzgebiete ohne Beschränkung in Übersee aufbauen konnte, da die Folgen der japanischen Wirtschaftsaktivitäten für jedes Land noch gering ausfielen. Gerade in den 70er Jahren verschlechterten sich dann die ökonomischen Daten Amerikas (niedriges Wachstum, Inflation). Deshalb kam es ab Oktober 1979 zum

Japanischer Gesetzesname: Caikoku kawase kanri hö. Ceiling-System: Zur Eindämmung der öffentlichen Ausgaben dürfen die Haushaltsforderungen der jeweiligen Ministerien und Ämter einen festgelegten Rahmen nicht überschreiten. Prinzip des 3. Sektors: Bei der Regionalentwicklung angewandte Methode einer gemeinsamen Finanzierung von Unternehmen durch öffentliche (1. Sektor) und private Unternehmen (2. Sektor).

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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Einsatz neuer Instrumente in der Geldpolitik, und im Februar 1981 wurde der Plan zum Wiederaufschwung der Wirtschaft der Öffentlichkeit bekanntgegeben (Reaganomics) 4 1 . Ein Jahr später erlebte die amerikanische Wirtschaft eine dauerhafte Konjunkturbelebung, wobei die Inlandsnachfrage im Mittelpunkt stand. Ein Policy-Mix aus restriktiver Geldpolitik und expansiver Finanzpolitik ließ die Zinsen erheblich steigen und führte zu einer Dollar-Hausse. Harter Dollar und hohe Zinsen, vor dem Hintergrund der großen Zwillingsdefizite im Außenhandel und im Haushalt, belasteten die internationale Wirtschaft. Die Schuldenrückzahlung der Entwicklungsländer gestaltete sich schwierig; es folgte 1982 eine internationale Finanzkrise. Im Anschluß an den amerikanischen Konjunkturaufschwung erlebte auch die japanische Wirtschaft ab Februar 1983 einen von der Auslandsnachfrage getragenen Konjunkturaufschwung. Die Leistungsbilanzüberschüsse wuchsen Jahr für Jahr, die Konflikte mit dem Ausland wurden heftiger. Vor dem Hintergrund der steigenden Wirtschaftskraft Japans wurden seit den 70er Jahren die japanischen ExportofFensiven — sobald die Leistungsbilanzüberschüsse stiegen — zu einem Problem. In der ersten Hälfte der 80er Jahre geriet Japan nunmehr auch die Abgeschlossenheit des japanischen Marktes ins Kreuzfeuer der Kritik. Die Regierung plante daher Erleichterungen beim Marktzutritt, indem sie u.a. Marktöffnungsprogramme anordnete bzw. ein OTO (Office of Trade Ombudsman) einrichtete. Nachdrücklich wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, allmählich die japanischen Wirtschaftsstrukturen mit Blick auf die internationale Harmonisierung zu reformieren. Im September 1985 erzielten die Finanzminister der führenden fünf Industriestaaten (G5) Übereinstimmung hinsichtlich einer Korrektur des starken Dollars (Plaza-Abkommen). So folgte eine Phase der raschen Dollarabwertung. Der YenKurs verzeichnete einen steilen Anstieg von 230 Yen (pro Dollar) im September 1985 und auf 160 Yen ein Jahr später. Allerdings gingen die Leistungsbilanz-

R e a g a n o m i c s : vgl. A b s c h n i t t 12.1.

24

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

Überschüsse aufgrund des J-Kurven-Effekts 4 2 durch den hohen Yen keineswegs automatisch zurück. In Spitzenzeiten (1986) erreichten sie 4,5 Prozent des Bruttosozialprodukts. Unter diesen Umständen bezeichnete die Forschungsgruppe zur „Anpassung der Wirtschaftsstrukturen zwecks internationaler Zusammenarbeit", ein persönliches Beratungsgremium des Ministerpräsidenten Nakasone, die Berichtigung der Leistungsbilanzüberschüsse als nationale Aufgabe und schlug Strukturveränderungen zur Ausweitung der Inlandsnachfrage vor (April 1986: Maekawa-Report). Andererseits sorgte die rasante Yen-Aufwertung für eine weitere Verschlechterung der japanischen Konjunktur, die sich seit Juni 1985 in einer Abschwungphase befand.

1.5.2 Binnenmarktinduzierter Konjunkturaufschwung und Aktienpreisinflation Um dem durch den hohen Yen entstandenen Konjunkturtief entgegenzuwirken, wurden der Diskontsatz fünfmal gesenkt und — als finanzpolitische Maßnahme — die öffentlichen Investitionen ausgeweitet. Daraufhin erholte sich die Konjunktur von ihrem Tiefstand im November 1986. Da diese Konjunkturerholung jedoch sehr langsam verlief, wurde der Diskontsatz im Februar 1987 auf den historischen Tiefstand von 2,5 Prozent gesenkt, und im Mai wurden weitere umfangreiche Maßnahmen zur Ausweitung der Binnennachfrage beschlossen. Die Konjunkturerholung wurde diesmal durch die Inlandsnachfrage getragen. Der Konsum der privaten Haushalte wurde durch den hohen Yen und den durch den Fall der Rohölpreise erzielten Effekt der Verbesserung der terms of trade gestützt. Auslandsreisen nahmen zu, eine verstärkte Nachfrage nach hochwertigen

J - K u r v e n - E f f e k t : Ein s c h w a c h e r Yen läßt d a s E x p o r t v o l u m e n zu- u n d d a s I m p o r t v o l u m e n a b n e h m e n . D e r E f f e k t sind s t e i g e n d e L e i s t u n g s b i l a n z ü b e r s c h ü s s e . A l l e r d i n g s treten d i e s e M e n g e n e f f e k t e z e i t l i c h v e r z ö g e r t a u f . A u s d i e s e m G r u n d e ü b e r w i e g e n in d e r A n f a n g s p h a s e e i n e s s c h w a c h e n Yen P r e i s e f f e k t e ( P r e i s e f ü r E x p o r t g ü t e r sinken, P r e i s e f ü r I m p o r t g ü t e r s t e i g e n ) , und es k o m m t zu e i n e r v o r ü b e r g e h e n d e n S e n k u n g d e s L e i s t u n g s b i l a n z ü b e r s c h u s s e s . D i e s e n E f f e k t nennt m a n a u f g r u n d d e s K u r v e n v e r l a u f s des L e i s t u n g s b i l a n z ü b e r s c h u s s e s (in R e l a t i o n z u r Z e i t ) J - K u r v e n - E f f e k t . I m F a l l e e i n e r Y e n - A u f w e r t u n g läßt s i c h ein e n t s p r e c h e n d u m g e k e h r t e r K u r v e n v e r l a u f b e o b a c h t e n .

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

25

Luxusgütem wie Großformat-Farbfernsehern, Luxusautos und anderen langlebigen Konsumgütern entstand. Bei den Bauinvestitionen wurde 1987 mit 1,73 Millionen Neubauten das historisch dritthöchste Niveau erreicht. Die Unternehmen steigerten ihre Auslandsdirektinvestitionen und stellten gleichzeitig die Produktion auf die Inlandsnachfrage ein; sie förderten die Entwicklung neuer Produkte, diversifizierten und erschlossen neue Geschäftsbereiche. Auch die nach 1985 in eine Phase der Kapitalstockanpassung geratenen Anlageninvestitionen in den verarbeitenden Industrien nahmen ab Anfang Herbst 1987 wieder zu. Auf dem Arbeitsmarkt verstärkte sich die Übernachfrage, und die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte wurde zu einem Problem 43 . Das Ausmaß dieser Konjunktur wurde mit der Izanagi-Konjunktur, der längsten Konjunktur nach dem Krieg, verglichen. Aufgrund der lockeren Geldpolitik stiegen die Aktienpreise stark, und Tokyo konnte seinen Rang als Finanzzentrum der Welt ausbauen; jedoch kam es wegen der Hyperkonzentration im Großraum Tokyo 44 zu einem drastischen Anstieg der Bodenpreise, der sich schließlich auf ganz Japan ausdehnte. Dieses Ansteigen der Preise für Vermögenswerte trug durch den Vermögenseffekt zur Ausdehnung der Inlandsnachfrage bei und forcierte gleichzeitig die Bildung des Kapitalstocks in der japanischen Wirtschaft. Durch diese einseitige Konzentration auf Boden- und Finanzwerte wurde jedoch die Differenz zwischen „Besitzenden" und „Nicht-Besitzenden" vergrößert. Darüber hinaus wurde durch die Defizite im Wohnungsbau und im Sozialkapital die Bodenproblematik immer dringender. Die steigenden Aktien- und Bodenpreise schufen eine sich selbst verstärkende Spirale neuer Preissteigerungserwartungen (bubbleys, die nicht mehr von den finanziellen und geschäftlichen Rahmendaten (fundamentals)

getragen wurde.

Der starke Yen und eine vermehrte Inlandsnachfrage sorgten für eine Ausweitung der Importe. Diese wurde durch die Marktöffnung und weitere Maßnahmen ^

Probleme der Migration ausländischer Arbeitnehmer: vgl. Abschnitt 8.5.

^

Hyperkonzentration im Großraum Tokyo: vgl. Abschnitt 10.3.

^

Bubble economy:

vgl. Abschnitt 2.2.

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Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

zur Förderung der Importe unterstützt. Auf der anderen Seite fielen die Exporte, u.a. im Bereich der Kraftfahrzeugproduktion, aufgrund der Verlagerung der Produktion ins Ausland. Das Resultat waren verringerte Außenhandelsüberschüsse. Darüber hinaus kam es durch die vielen Auslandreisen der Japaner zu einer Zunahme des Defizits in der Reisebilanz. Der Leistungsbilanzüberschuß sank zeitweilig bis auf ein Niveau von einem Prozent des BSPs.

1.5.3 Abflauende Konjunktur und Wiederzunahme der Zahlungsbilanzübersehüsse Als Folge steigender Preise für Vermögenswerte, besonders der Bodenpreise, und eines über einen längeren Zeitraum anhaltenden Wachstums über der Potentialen Wachstumsrate kam es zu einem verstärkten Inflationsdruck, der in der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt (Übemachfrage) seinen Ausdruck fand. Deshalb wurde im Mai 1989 ein geldpolitischer Kurswechsel vollzogen. Die Aktienpreise begannen von ihrem höchsten Wert Ende 1989 zu fallen, und die Bodenpreise sanken ab 1990 ebenfalls. Gleichzeitig begann sich das Tempo der Konjunktur abzuschwächen, und ab April 1991 befand sich die Konjunktur in einem Abschwung. Die restriktive Geldpolitik wurde, nachdem sich die Vermögenspreise beruhigt hatten, im Juli 1991 wieder gelockert. Dennoch fielen die Bodenpreise aufgrund der ausgetrockneten Spekulationen weiter, und auch die Aktienpreise setzten ihre Abwärtsbewegung fort, da sich die Unternehmenseigebnisse aufgrund steigender Fixkosten — eine Hypothek der Boomjahre — und sinkender Wachstumsraten verschlechterten. Die Inlandsnachfrage ließ stark nach, da die in der Zeit des Konjunkturwachstums angehäuften langlebigen Konsumgüter und Industrieanlagen einer Kapitalstockanpassung unterworfen wurden (Einschränkung des Konsums und der Investitionen) und durch den Vermögenspreisverfall sowohl Haushalte als auch Unternehmen gezwungen waren, ihre Bilanzen anzupassen (Einschränkung der Kredite). Gleichzeitig mit dem Nachlassen der Inlandsnachfrage begannen mit dem Fallen der Rohölpreise die Leistungsbilanzüberschüsse 1991 wieder anzusteigen.

Entwicklungsschritte der japanischen Wirtschaft

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Auch der allmählich steigende Yen führte aufgrund des umgekehrten J-KurvenEffekts zu einem weiterem Anstieg der Leistungsbilanzüberschüsse. 1992 setzte sich dieser Trend fort. 1993 beschleunigte sich die Yen-Aufwertung und näherte sich zeitweilig einem Kurs von einem Dollar zu 100 Yen an. Der Leistungsbilanzüberschuß stieg zeitweilig auf ein Niveau von 3,5 Prozent zum BSP. Durch die aufeinanderfolgenden Konjunkturprogramme der Regierung kam es zu stetig steigenden öffentlichen Investitionen und gleichzeitig damit — aufgrund der niedrigen Zinsen — zu einer Wiederbelebung des Wohnungsbaus. Die Lageranpassungen schritten voran, und im Frühjahr 1993 war der Tiefpunkt der Konjunktur fast überwunden. Jedoch wirkte die plötzliche rasche Aufwertung des Yen wie eine kalte Dusche auf die sich erholende Konjunktur. Auf der anderen Seite begann die Aufwertung des Yen erste Auswirkungen auf die Leistungsbilanz zu zeigen.

1.5.4 Japans Rolle in der Weltwirtschaft Mit Ende des Kalten Krieges veränderte sich aufgrund eines Nachlassens der amerikanischen Zentripetalkraft die Weltwirtschaft. Auf der Suche nach einer neuen Ordnung wird die Weltwirtschaft mit neuen Interessenkonflikten konfrontiert. Die als Maßnahme gegen die langanhaltende Stagnation der sowjetischen Wirtschaft vorangetriebene Perestroika wurde zu einer großen politischen Woge der Demokratisierung, die zusammen mit dem Fall der Berliner Mauer ('89) und der Vereinigung Deutschlands ('90) zum Aufleben vieler Demokratiebewegungen in Osteuropa führte. Ende 1991 wurde die Sowjetunion in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) umgewandelt. Auf der einen Seite ist damit das Wettrüsten des Kalten Krieges überstanden, auf der anderen Seite jedoch kommt es mit dem Aufflammen von Nationalismus zu Bürgerkriegen und Destabilisierung. Als Hintergrund dieser verschiedenen Konflikte können auch große wirtschaftliche Diskrepanzen gesehen werden.

^

Uruguay-Runde: vgl. Abschnitt 12.3.

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Entwicklungsschritte der japanischen W i r t s c h a f t

Die Uruguay-Runde 4 6 kam Ende 1993 zwar zu einer Einigung in letzter Minute, aber angefangen mit den mit hohen Erwartungen verbundenen Verhandlungen über die Landwirtschaft blieb der Inhalt des Übereinkommens unbefriedigend, und besonders bei den Entwicklungsländern blieb Enttäuschung zurück. Vor dem Hintergrund regionaler Zusammenschlüsse 47 wie EU und NAFTA (Nordamerikanische Freihandelszone) und anderen regionalen Bewegungen kam es zum ersten Spitzentreffen der APEC (Asiatisch-Pazifische Wirtschaftliche Zusammenarbeit) 48 , wobei aber die Form einer Asiatisch-Pazifischen Kooperation immer noch im dunkeln blieb. Auch im Bereich der globalen Umweltzerstörung ist es, wegen der verschiedenen Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer, bis jetzt nicht zu einem befriedigenden Ausgleich gekommen. In diesem Zusammenhang sind die an Japan gerichteten Erwartungen sehr groß, sie umfassen ebenso eine konstruktive Rolle bei der Erhaltung und Entwicklung des Freihandels wie einen Beitrag zur friedlichen Vereinigung der Welt durch ökonomische Entwicklung mit Hilfe der japanischen Wirtschafts- und Technologiekraft.

48

Regionale Zusammenschlüsse wie EU und NAFTA: vgl. Abschnitt 12.3. APEC: vgl. Abschnitt 12.3.

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

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2 Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft Das vorangegangene Kapitel beschäftigte sich mit der historischen Entwicklung der japanischen Wirtschaft von der A/e(/7-Restauration bis heute. Im folgenden soll — mit Bezug auf die Wirtschaftstheorie - untersucht werden, welchen Mechanismen die Konjunkturzyklen und das wirtschaftliche Wachstum gefolgt sind.

2.1 Bestimmung und Schwankungen des Bruttosozialprodukts

2.1.1 Bestimmung des Bruttosozialprodukts Das Bruttosozialprodukt (BSP) 1 entspricht der wirtschaftlichen Leistung der Bevölkerung innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Es setzt sich rechnerisch aus der Summe sämtlicher Produktionsaktivitäten abzüglich aller sich überschneidenden Posten zusammen und ist der wichtigste Indikator für Bewegungen der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten. Kurzfristig wird die Höhe des Bruttosozialprodukts über das Nachfrageniveau bestimmt (Theorie der effektiven Nachfrage). Von der Nachfrageseite her betrachtet teilt sich das Bruttosozialprodukt in Konsum 2 , Investitionen und Exporte auf. Da Importgüter nicht im eigenen Land produziert werden, fließen sie nicht in die Berechnung mit ein: Konsum plus Investitionen, plus Exporte, minus Importe bilden die Bruttoausgaben des Staates. Das Bruttosozialprodukt entspricht also per definitionem den Bruttoausgaben des Staates.

' Bruttosozialprodukt (Bruttoausgaben des Staates) und Volkseinkommen: Bruttosozialprodukt und Bruttoausgaben des Staates sind identisch (s. Haupttext). Das Volkseinkommen entspricht dem Bruttosozialprodukt, minus Abschreibungen, minus indirekter Steuern, plus Subventionen. ^ Konsumfunktion: Nach Keynes ist der Konsum eine Funktion des Einkommens. Steigt das Einkommen, so steigt der Konsum, jedoch nicht in gleichem Maße wie das Einkommen. D i e keynesianische Konsumfunktion lautet: C = a + bY, wobei 0 < b < l (Einkommen = Y, Konsum = C). C/Y bezeichnet die durchschnittliche Konsumneigung, b ist die marginale Konsumneigung.

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Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

Die Höhe des Konsums wird weitgehend durch das Einkommensniveau bestimmt. Mit zunehmenden Produktionsaktivitäten steigen die Einkommen und somit automatisch auch der Konsum. Das heißt, daß sich der Konsum vor allem in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Aktivitäten verändert. Investitionen werden zwar durch verschiedene Faktoren wie monetäre Rahmenbedingungen (z.B. Zinssatz), zu erwartenden Umsatz und technischen Fortschritt beeinflußt. Jedoch spielen insgesamt gesehen Unternehmerentscheidungen eine große Rolle, so daß Investitionen im Vergleich zum Konsum eher eine unabhängige Größe darstellen. Import und Export werden nicht nur von den wirtschaftlichen Aktivitäten im Inland, sondern auch von den wirtschaftlichen Aktivitäten im Ausland sowie von Wechselkursen beeinflußt. Die Bestimmung des Bruttosozialprodukts läßt sich vereinfacht so darstellen: Eine Investitionszunahme erhöht Produktion und Einkommen, so daß auch der Konsum steigt. Höherer Konsum steigert Produktion und Einkommen, so daß der Konsum erneut zunimmt. Das Bruttosozialprodukt erreicht ein neues Gleichgewicht, da dieser Prozeß konvergent ist. Der Umfang, in dem Investitionen (autonome Ausgaben) Konsum (sekundäre Ausgaben) und Einkommen erhöhen, wird „Multiplikator" 3 genannt.

2.1.2 Lagerhaltungszyklus Das auf diese Weise errechnete Nachfrageniveau ist nicht unbedingt identisch mit der Angebotsmenge, die Rolle eines Puffers nehmen Lagerinvestitionen (Zunahme

3 Multiplikator: Das E i n k o m m e n Y setzt sich aus K o n s u m C und Investitionen I z u s a m m e n , d e r Konsum ist eine Funktion des Einkommens: Y = C + 1 und C = a+bY. Daraus folgt: Y=a/(l-b) + | l / ( ) - b ) ] I. W e n n n u n Investitionen I um AI steigen, ergibt sich der Einkommenszuwachs

AY aus: AY = | l / ( l - b ) ]

AI.

I n v e s t i t i o n s z u w ä c h s e führen a l s o zu - mit dem Faktor 1/(1 -b) multiplizierten -

Einkommenssteigerungen.

Dieser Faktor wird Multiplikator genannt; in diesem Fall ist e s der Kehrwert von 1 m i n u s der marginalen Konsumneigung. D e r Multiplikator entspricht damit d e r Formel

zur

B e r e c h n u n g einer unendlichen Reihe: AI + b AI + b 2 A I + b3AI +

= AI/(l-b),(es gilt: 0 < b < 1).

C,l

W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der j a p a n i s c h e n W i r t s c h a f t

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der Lagerhaltung) ein. Für Unternehmen gibt es viele Gründe, Waren auf Lager zu halten: 1. Wegen zeitlicher Verzögerungen zwischen Produktions- und Verkaufsaktivitäten wird eine gewisse Lagerhaltung in der Regel für notwendig erachtet. 2. Um heftige Produktionsschwankungen aufgrund von Nachfrageveränderungen auszugleichen, und für kaum vorhersehbare Nachfrageveränderungen werden Güter auf Lager gehalten. 3. Im Hinblick auf die zu erwartende konjunkturelle Entwicklung wird im voraus der Produktionsumfang geändert, um so höhere Gewinne zu erzielen. Für die Konjunkturentwicklung sind vor allem die beiden letztgenannten Punkte entscheidend. Demnach regulieren Lagerinvestitionen nicht nur das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das aus Konjunkturschwankungen resultiert, sondern rufen selbst Konjunkturschwankungen hervor. Lagerveränderungen, die durch ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hervorgerufen werden, werden als „ungeplante Zu- bzw. Abnahme von Lagerbeständen" bezeichnet. Lagerveränderungen, die die Unternehmen entsprechend ihrer eigenen Nachfrageprognose hervorrufen, werden „geplante Zu- bzw. Abnahme von Lagerbeständen" genannt. Die geplante Abnahme von Lagerbeständen wird auch „Lageranpassung" genannt. Zum Verständnis der aktuellen Konjunkturlage ist die Erfassung der Ursachen der Schwankungen der Lagerhaltung unabdingbar. Betrachten wir einen typischen Konjunkturverlauf: (1) Die Konjunktur befindet sich in der Rezession. Während die Unternehmen ihre Produktionsaktivitäten herunterfahren und ihre Lagerbestände anpassen, verbessert sich jedoch die Konjunkturlage wieder, und der Umsatz steigt. Anfangs werten die Unternehmen dies als eine vorübergehende Erscheinung und lassen ihre Produktionspläne unverändert: Es kommt zu einer ungeplanten Abnahme der Lagerbestände. (2) Nun gehen die Unternehmen davon aus, daß die Konjunktur in eine Aufschwungphase eintritt und die Nachfrage nach ihren Produkten zunehmen wird. Sie glauben, daß in absehbarer Zeit nicht nur die Preise für die eigenen Produkte,

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Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

sondern auch Rohstoffpreise, Zinsen und Löhne steigen werden. Sie halten es somit für günstig, die Produktion hochzufahren, solange die Produktionskosten noch niedrig sind. Somit erhöhen sie die Produktion und bauen Lagerbestände auf (geplante Zunahme der Lagerhaltung). Die Konjunktur tritt damit in die Aufschwungphase ein. (3) Dann verschlechtern sich aufgrund höherer Preise auf den Rohstoff-, Arbeitsund Finanzmärkten die Untemehmensgewinne, und die Nachfrage kühlt sich wiederum ab. Während sich ein Konjunkturabschwung abzeichnet, kommt es zu einer ungeplanten Zunahme der Lagerhaltung aufgrund von unverkäuflichen Restbeständen. (4) Daraus schließen die Unternehmen, daß die Nachfrage weiter sinken wird und schränken wiederum die Produktion ein (Produktionsanpassung). Ebenso nehmen sie Lageranpassungen vor. Die Konjunktur gleitet in eine Rezession. Diese Schwankungen der Lagerhaltung treten in einem Zyklus von etwa 40 Monaten auf und werden „Kitchin-Zyklus" 4 genannt.

2.1.3 W i r t s c h a f t s w a c h s t u m und Investitionszyklen Auf diese Weise wird kurzfristig die Höhe des Bruttosozialprodukts durch die Höhe der effektiven Nachfrage bestimmt. Die Zunahme des Bruttosozialprodukts wird Wirtschaftswachstum, die entsprechende Steigerungsrate wirtschaftliche Wachstumsrate genannt. Kurzfristig bestimmen daher die Steigerungsraten der Nachfrage die Wachstumsrate. Die Obergrenze des Bruttosozialprodukts wird jedoch von der Angebotskapazität der gesamten Wirtschaft festgelegt. Nachfragezuwächse, die die Angebotskapazität übersteigen, rufen Inflation hervor, die reale Wachstumsrate steigt nicht. Die Angebotskapazität wird dadurch beschränkt, daß die Produktionsfaktoren Anlagekapital und Arbeitskräfte im Bedarfsfall nicht ohne weiteres variiert werden können. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Produktionsfaktoren über einen mittel- oder langfristigen Zeitraum hinweg zu verändern. Bei der Betrachtung eines mittel- bzw. langfristigen Wirtschaftswachstums 4

1 9 2 3 v o n J o s e p h K i t c h i n f e s t g e s t e l l t . A.d.Ü.

W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der j a p a n i s c h e n W i r t s c h a f t

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müssen daher die Veränderungen der Bestandsgrößen Kapital und Arbeit untersucht werden.

Tabelle 2-1 Veränderung der wirtschaftlichen Wachstumsrate Japans

Finanzjahr 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965

Wachs- Finanztums- jahr rate 6,4 1966 8,3 1967 6,8 1968 11,1 1969 12,1 1970 11,5 1971 7,7 1972 10,1 1973 9,8 1974 6,2 1975

Wachs- Finanztums- jahr rate 11,2 1976 10,9 1977 12,8 1978 12,1 1979 8,0 1980 5,1 1981 8,8 1982 4,8 1983 A0,0 1984 3,9 1985

Wachs- Finanztums- jahr rate 4,0 1986 4,7 1987 5,0 1988 5,5 1989 3,3 1990 3,3 1991 3,3 1992 2,9 4,4 4,6

Wachstumsrate 2,9 4,7 6,0 4,3 5,3 3,6 0,4

Die Zahlenwerte bezeichnen die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts - jeweils im Vergleich zum vorangegangenen Finanzjahr. Quelle: Keizai Kikaku Chö: „Kokumin keizai seisan" [Wirtschaftsplanungsamt: „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung"].

Die Wachstumsrate bei Vollbeschäftigung wird als „natürliche Wachstumsrate" bezeichnet. Die natürliche Wachstumsrate ist der Gleichgewichtspfad aus steigendem Arbeitsangebot und steigender Arbeitsproduktivität, die den rückläufigen Arbeitseinsatz für eine gleichbleibende Produktionsmenge infolge des technischen Fortschritts darstellt. Die Wachstumsrate bei vollständiger Kapitalauslastung wird „befriedigende Wachstumsrate" genannt. Wird die Investitionsquote (Anteil der Investitionen an der Gesamtproduktionssumme) durch den Kapitalkoeffizienten (Verhältnis

34

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

zwischen Produktion und dafür erforderlicher Kapitalmenge) dividiert, ergibt sich der Produktionszuwachs, der durch Investitionen realisierbar ist. Da Investitionen mit Ersparnis gleichgesetzt werden können, berechnet sich die befriedigende Wachstumsrate ebenso aus der Sparquote, geteilt durch den Kapitalkoeffizienten. Wächst die Nachfrage genau in diesem Ausmaß, wird das investierte Kapital vollständig beschäftigt. Natürliche und befriedigende Wachstumsrate stimmen nicht immer überein. Manchmal weicht zudem auch die tatsächliche Wachstumsrate aufgrund kurzfristiger Nachfrageschwankungen deutlich von den beiden anderen ab. Diese Diskrepanz verursacht wirtschaftliche Schwankungen. Wenn z.B. die tatsächliche Wachstumsrate unter der natürlichen liegt, entsteht Arbeitslosigkeit. Bleibt die tatsächliche Wachstumsrate unter der befriedigenden Wachstumsrate, sinkt der Auslastungsgrad, Investitionen gehen zurück, und die tatsächliche Wachstumsrate sinkt weiter. 5 Langfristig wird jedoch bei Kapitalüberschuß der Zinssatz sinken und dadurch auf der anderen Seite wieder Investitionen anreizen, so daß sich die drei Wachstumsraten angleichen. Denn in der realen Wirtschaft wirken sowohl Kräfte, die das System vom Gleichgewicht entfernen, als auch Kräfte, die es stabilisieren. 6 Daraus läßt sich folgendes ableiten: Anlageinvestitionen üben einerseits einen großen Einfluß auf das mittel- bzw. langfristige Wirtschaftswachstum aus, andererseits beeinflussen sie auch den Konjunkturzyklus. Jedoch ist dieser Zyklus verglichen mit dem Lagerzyklus eher langfristiger Natur. Dies hat folgende Gründe:

5

W a c h s t u m s t h e o r i e nach Harrod und Domar: W a c h s t u m s m o d e l l , das der Brite Harrod und d e r A m e r i -

k a n e r D o m a r entwickelt haben. Im Zusammenspiel d e r drei Wachstumsraten - der natürlichen, d e r b e f r i e d i g e n d e n und der realen - erklärt es wirtschaftliche S c h w a n k u n g e n . D a die Kapitalintensitat (Verhältnis von Kapital zu Arbeit) determiniert ist, stimmen in der Regel d i e drei Wachstumsraten nicht überein, und eine Gleichgewichtslösung ist instabil. ® N e o k l a s s i s c h e Wachstumstheorie: Ein Wachstumsmodell, das den P r e i s m e c h a n i s m u s zum Ausgleich von A n g e b o t und N a c h f r a g e in den Mittelpunkt stellt. Während nach d e m Modell von Harrod und D o m a r der Kapitalkoeffizient konstant ist, geht dieses Modell von e i n e m

variablen

Kapital-

k o e f f i z i e n t e n aus; der W a c h s t u m s p f a d ist stabil. Bei Kapitalmangel (-Uberschuß) n i m m t durch d a s Steigen

(Sinken) d e r marginalen

Kapitalproduktivität -

Produktionszuwachs pro

Kapitaleinheit - die Kapitalintensität zu (ab) und führt s o zum Gleichgewicht zurück.

eingesetzter

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

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1. Bis zur Fertigstellung von Anlagen wird viel Zeit benötigt. Die Implantationsphase (von der Investitionsentscheidung bis zum Produktionsstart) ist lang. Deswegen reagieren Unternehmen auf kurzfristige Nachfrageschwankungen mit Änderungen des Kapazitätsauslastungsgrades, auf mittel- bzw. langfristige Nachfrage veränderungen mit der Veränderung des Kapitaleinsatzes. Investitionen folgen mittel- bzw. langfristigen Zielen, und begonnene Vorhaben werden, solange keine gravierenden Umweltveränderungen auftreten, selten eingestellt, höchstens zeitlich gestreckt. 2. Da Anlageinvestitionen eine wesentliche Komponente der gesamtwirtschaftlichen Endnachfrage darstellen, bestimmen sie, anders als Investitionen in die Lagerung, den gesamten Konjunkturverlauf. 3. Da Anlagen wirtschaftlich veralten, setzt nach ungefähr zehn Jahren ein neuer Zyklus ein. Denn bei kontinuierlicher Nutzung veralten sie nach und nach, und ihr Wirkungsgrad nimmt ab, so daß sie in der Regel nach oben genanntem Zeitraum erneuert werden müssen. Mit dem technischen Fortschritt verkürzt sich darüber hinaus im Vergleich zur physischen die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Dennoch beträgt die Gebrauchszeit von Anlagen im Durchschnitt zehn Jahre. Aus genannten Gründen weist der Anlageinvestitionszyklus im Vergleich zum Lagerinvestitionszyklus weitaus längere Wellenbewegungen auf. Der Anlageinvestitionszyklus wird auch Juglar-Zyklus 7 genannt.

2.2 Konjunkturzyklen der japanischen W i r t s c h a f t

2.2.1 Datierung der Konjunkturzyklen Die Konjunkturentwicklung wird auf der Grundlage der Entwicklung des Bruttosozialprodukts erfaßt. Jedoch wird die Statistik zum Bruttosozialprodukt nur vierteljährlich erstellt, und Zyklusschwankungen werden dadurch nicht immer deutlich. Daher wird zur Erfassung der tatsächlichen Konjunkturbewegungen wie auch zur Bestimmung der konjunkturellen Wendepunkte häufig der Konjunktur^ 1860 von C. Juglar empirisch ermittelte Dauer des Konjunkturzyklus von sieben bis elf Jahren. A.d.Ü.

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W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der japanischen W i r t s c h a f t

index verwendet. Der Konjunkturindex wird wie folgt berechnet: Statistische Wirtschaftsdaten werden saisonal bereinigt und entsprechend ihrem Verhältnis zum Konjunkturverlauf in drei Gruppen — frühe, mitlaufende und späte Indikatoren — unterteilt. Für jede der drei Gruppen wird der Quotient (DI 8 ) aus der Zahl der Datenreihen mit steigender Tendenz zur Gesamtzahl der Datenreihen berechnet. Übersteigt der DI der mitlaufenden Indikatoren die 50-Prozent-Marke, befindet sich die Konjunktur in einer Aufschwungphase, fallt er unter 50 Prozent, befindet sie sich in einer Abschwungphase. Durchschneidet dieser Di-Index die 50Prozent-Linie von oben, befindet sich die Konjunktur im Konjunkturhoch (Bereich des oberen Wendepunkts), durchschneidet er sie von unten, befindet sich die Konjunktur im Bereich des unteren Wendepunkts (Konjunkturtief). Mit Hilfe von Frühindikatoren, die gegenüber den mitlaufenden Indikatoren Schwankungen einige Monate im voraus anzeigen, werden Konjunkturprognosen erstellt. Spätindikatoren, die einige Monate verzögert reagieren, sind für die exakte Bestimmung der Konjunkturwendepunkte wichtig. Wie Tabelle 2-2 zeigt, hat die japanische Wirtschaft in der Nachkriegszeit elf Konjunkturzyklen durchlaufen.

8 DI: Abkürzung für diffusion index, Diffusionsindex: Konjunkturindex. Mit dem Ziel, die konjunkturellen Wendepunkte zu ermitteln, verknüpft das japanische Wirtschaftsplanungsamt verschiedene Konjunkturindikatoren miteinander und bildet daraus den Diffusionsindex.

W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der j a p a n i s c h e n W i r t s c h a f t

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Tabelle 2-2 Historischer Konjunkturverlauf Konjunkturtief 1. Zyklus 2. Zyklus 3. Zyklus 4. Zyklus 5. Zyklus 6. Zyklus 7. Zyklus 8. Zyklus 9. Zyklus 11. Zyklus

Oktober 1951 November 1954 Juni 1958 Oktober 1962 Oktober 1965 Dezember 1971 März 1975 Oktober 1977 November 1986

Konjunk- Konjunkturhoch turtief Juni 1951 Januar 1954

Oktober 1951 November 1954

Juni 1957

Juni 1958 Oktober 1962 Oktober 1965 Dezember 1971 März 1975 Oktober 1977 Februar 1983

Dezember 1961 Oktober 1964 Juli 1970 November 1973 Januar 1977 Februar 1980 (April 1991)

Konjunkturaufschwung

Zeitspanne Konjunk- Gesamtturabzyklus schwung

23 Monate 22 Monate

(4 Monate) 10 Monate 12 Monate 10 Monate 12 Monate 17 Monate 16 Monate 9 Monate

28 Monate

36 Monate

27 Monate 31 Monate 42 Monate 24 Monate 57 Monate

37 Monate 43 Monate 52 Monate 36 Monate 74 Monate 39 Monate 31 Monate 64 Monate

(53 Monate)

Die Angaben f ü r den 11. Zyklus in Klammem sind vorläufig. Quelle: Keizai Kikaku Chö „Nihon keizai shihyö" [Wirtschaftsplanungsamt: „Indikatoren der japanischen Wirtschaft"] u.a.

Die Phasen der Konjunkturausweitung der ersten Hälfte der 50er Jahre werden gewöhnlich als „Boom der Sondemachfrage" (1951) und „Investitionsboom" (1954) bezeichnet. Der Ausbruch des Koreakrieges bewirkt eine Sondemachfrage; die Produktion von Textilien, Maschinen und die Metallherstellung werden belebt. Der Investitionsboom entsteht dadurch, daß Unternehmen vor dem Hintergrund steigender Eigenmittel vermehrt Anlageinvestitionen tätigen. Private Anlageinvestitionen (real), in deren Mittelpunkt Stromerzeugung, Schiffahrt und Stein-

38

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

kohle stehen, steigen im Finanzjahr 1952 um 14 Prozent, 1953 um 20,7 Prozent. Der „Jinmu-Bomm" (Konjunkturhoch im Jahr 1957), „Iwato-Boom" (Konjunkturhoch im Jahr 1961) und der „Olympiade-Boom" (Konjunkturhoch im Jahr 1964) sind Konjunkturaufschwungphasen von der zweiten Hälfte der 50er Jahre bis zur ersten Hälfte der 60er Jahre. Der Jinmu-Boom markiert den Beginn der Hochwachstumsphase und wird durch die rapide Ausweitung der Anlageinvestitionen während der „Quantitäts-Konjunktur" 9 von 1955 getragen. Reale private Anlageinvestitionen steigen im Fiskaljahr 1956 um 38,7 Prozent. Während des IwatoBooms bewirkt der technische Fortschritt einen dauerhaften Aufschwung, der Einfluß des Hochwachstums durchdringt die gesamte japanische Wirtschaft. Der „Olympiade-Boom" wird durch den Bauboom vor den Olympischen Spielen in Tokyo ausgelöst. Anlageinvestitionen des verarbeitenden Gewerbes jedoch steigen nur geringfügig, der Konjunkturaufschwung bleibt daher kurzfristiger Natur. Die konjunkturellen Aufschwungphasen von der zweiten Hälfte der 60er Jahre bis zur ersten Hälfte der 70er Jahre werden „Izanagi-Boom" (Hochkonjunktur im Jahr 1970) und „Boom durch den Plan zur Neugestaltung des japanischen Archipels" (Hochkonjunktur im Jahr 1973) genannt. Der Izanagi-Boom ist die längste Aufschwungperiode der Nachkriegszeit, die beinahe fünf Jahre dauert, und in der sich Japan einen festen Platz als internationale Wirtschaftsmacht sichert. Der „Boom durch den Plan zur Neugestaltung des japanischen Archipels" wird durch eine expansive Fiskalpolitik des Tanaka-Kabinetts eingeleitet, die sich die Neugestaltung Japans und den Ausbau des Wohlfahrtsstaates zum Ziel setzt. 10 Von der zweiten Hälfte der 70er Jahre bis zur ersten Hälfte der 80er Jahre verzeichnet der Konjunkturverlauf - nicht gesondert bezeichnete — Konjunkturhöhepunkte in den Jahren 1977, 1980 und 1985. Der Boom von 1977 resultiert aus der Wiederbelebung der Konjunktur nach der ersten Ölkrise. Jedoch bewegt sich die Wachstumsrate nun auf niedrigem Niveau, die Anlageinvestitionen stei-

9

„Quantitäts-Konjunktur": Konjunkturphase 1955, in der die Preise stabil sind und bei außenwirt-

s c h a f t l i c h e m G l e i c h g e w i c h t die Wirtschaft prosperiert. ' 0 Ziel war e s u.a., die Industrie zu regionalisieren und einen Ausbau der Schnellzugverbindungen (shinkansen)

s o w i e der Autobahnen voranzutreiben.

A.d.Ü.

W a c h s t u m u n d K o n j u n k t u r z y k l e n der j a p a n i s c h e n W i r t s c h a f t

39

gen nur geringfügig, die Arbeitslosigkeit und die Branchen, die sich in einer Strukturkrise befinden 11 , nehmen zu, so daß die Aufschwungphase ohne spürbare Wiederbelebung der Konjunktur bleibt. Das Konjunkturhoch von 1980 entsteht aus einer expansiven Fiskalpolitik 1978, aus der Steigerung der Untemehmensgewinne infolge von Rationalisierungsmaßnahmen („schlankes Management") sowie aus einer Wiederbelebung der Anlageinvestitionen. Das konjunkturelle Hoch von 1985 wird durch die im Jahr 1983 in den USA einsetzende inlandsinduzierte starke Nachfragebelebung ausgelöst. Zudem erhöhen sich zu dieser Zeit aufgrund des schwachen Yen die japanischen Leistungsbilanzüberschüsse, so daß sich die Handelsfriktionen mit dem Ausland verschärfen.

Diagramm 2-1 Japanische Konjunkturzyklen der Nachkriegszeit SO 1957 58 61 62 64 65 70 71 73 75 7777

83

85

86

(%) 12 10

6

6 4 2

0

Private Anlageinvestitionen (Skala links)

/—

Private Lagerinvestitionen (Skala rechts)

V< i " 100 50

Konjunkturprognose - Index (Skala links)

.M

/ ¥ 1/

y v

100 50

1 9 5 7 5 8 5 9 6 0 61 6 2 6 3 6 4 6 5 6 6 6 7 6 8 6 9 7 0 71 7 2 7 3 7 4 7 5 7 6 7 7 7 8 7 9 8 0 8 1 8 2 8 3 8 4 8 5 8 6 8 7 8 8 8 9 9 0 9 1 9 2 9 3

Jahr

1. Wachstumsrate und private Anlageinvestitionen bezeichnen die reale Änderungsrate im jeweiligen Fiskaljahr 2. Private Lagerinvestitionen bezeichen die Summe des realen Wertes - saisonal bereinigt - pro Quartal (auf der Basis von 1985) 3. Konjunkturprognoseindex = gleichlaufende Reihen ' ' Branchen, die sich in einer Strukturkrise befinden: Branchen, die sich nach der ersten Ölkrise vor allem aufgrund eines Anstiegs der Energiepreise in einer strukturell bedingten Krise befinden, so z.B. der Schiffsbau, die Verarbeitung von NE-Metallen, die Papier- und Zellstoffindustrie sowie in Branchen, in denen synthetische Textilien (Kunstfasern) sowie chemische Düngemittel etc. hergestellt werden.

40

W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der j a p a n i s c h e n W i r t s c h a f t

Die beschriebenen Zyklen entsprechen — wie Diagramm 2-1 verdeutlicht — größtenteils den Lagerhaltungszyklen. Gleichzeitig werden sie auch durch die Schwankungen der Anlageinvestitionen beeinflußt. Das hohe Wachstum der Investitionen in der zweiten Hälfte der 50er Jahre ist die Ursache für den JinmuBoom und den Iwato-Boom. Danach verlangsamt sich der Investitionszuwachs, was schließlich zur Rezession von 1965 fuhrt, die auch als größte Rezession der Nachkriegszeit bezeichnet wird. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre sind die Investitionssteigerungen für den Izanagi-Boom, den längsten der Nachkriegszeit, verantwortlich. Seit 1971 nehmen die Investitionen wieder ab. Diese Kapitalstockanpassung hält über einen längeren Zeitraum als Folge der ersten Ölkrise an, weswegen die Rezession von 1975 tief ist und der Konjunkturaufschwung von 1977 nur schwach ausfallt. Danach wiederum weisen die Investitionen eine steigende Tendenz auf, und dies ist der Grund dafiir, daß der Rückgang der Konjunktur nach der zweiten Ölkrise weitgehend aufgefangen werden kann. Entsprechend der Wachstumstendenz der japanischen Wirtschaft sind die konjunkturellen Aufschwungphasen insgesamt länger als die Abschwungphasen. Jedoch sind seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre - parallel zum Abwärtstrend der Wachstumsrate — die Aufschwungphasen kürzer und die Abschwungphasen länger geworden. Besonders im 9. Zyklus, der im Oktober 1977 beginnt, zieht sich der Konjunkturrückgang nach der zweiten Ölkrise länger hin als der Aufschwung.

2.2.2 Glättung der Konjunkturzyklen Mit Eintritt in die zweite Hälfte der 70er Jahre werden Lagerzyklus und Investitionszyklus kürzer und weniger ausgeprägt. Gesamtwirtschaftlich betrachtet sinkt seit den 70ern das Niveau der Lagerinvestitionen auffallig. Gleichzeitig verringert sich auch ihre Schwankungsbreite mit dem Ergebnis, daß sich der Einfluß der Lagerschwankungen auf Schwankungen der gesamten Wirtschaft verringert. Lagerschwankungen nahmen von den 60er Jahren bis zum ersten Quartal 1977 (achtes Konjunkturhoch) einen Anteil an den Bewegungen des realen Bruttosozialprodukts zwischen 0,7 und 1,3 Prozentpunkten ein. In den 80er Jahren beträgt

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

41

dieser Wert nur noch 0,2 Prozentpunkte. Gründe hierfür sind die technische Weiterentwicklung in der Lagerverwaltung auf der Distributionsstufe, die Senkung der eingesetzten Rohstofimengen und technische Fortschritte der Lagerverwaltung in der Produktion. Makroökonomisch gesehen trägt auch der wachsende Dienstleistungssektor, dessen Anteil an der Warenlagerung niedrig ist, erheblich zu dieser Entwicklung bei. Der Investitionszyklus ist in dieser Zeit durch folgende Faktoren gekennzeichnet: 1. Die erwartete Wachstumsrate >2 stabilisiert sich auf niedrigem Niveau. Unternehmen passen ihre Anlageinvestitionen entsprechend an. 2. Autonome Investitionen, die nicht unbedingt von der konjunkturellen Entwicklung beeinflußt werden, steigen. So werden z.B. nach der ersten Ölkrise Investitionen in die Energieeinsparung getätigt, gegenwärtig wird vor allem in Forschung und Entwicklung investiert. 3. Die Tertiärisierung der Wirtschaft 13 schreitet fort, und der Anteil des nichtverarbeitenden Gewerbes an Anlageinvestitionen nimmt zu. Diese abnehmenden Schwankungen der Lagerhaltung und Anlageinvestitionen verringern die Schwankungen der Wachstumsrate von der zweiten Hälfte der 70er Jahre bis zu den 80er Jahren. In der Periode des Hochwachstums liegen die Ursachen für Konjunkturwendepunkte vor allem im Zusammenwirken von autonomen Investitionszyklen und Lagerzyklen in Verbindung mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen: Von der zweiten Hälfte der 50er Jahre bis zur ersten Hälfte der 60er Jahre steigen im Konjunkturaufschwung die Importe. Da sich die Zahlungsbilanz dadurch verschlech-

Erwartete Wachstumsrate: Die Wachstumsrate, die die Wirtschaftssubjekte, U n t e r n e h m e n und Haushalte prognostizieren. Sie spielt vor allem bei der Entscheidung Uber Investitionen eines Untern e h m e n s eine wichtige Rolle. Im Wirtschaftsplanungsamt w e r d e n jährlich sogenannte „ U m f r a g e untersuchungen

über U n t e r n e h m e n s a k t i v i t ä t e n "

d u r c h g e f ü h r t . Hierbei

werden

Unternehmens-

voraussagen für die nächsten drei bis f ü n f Jahre erhoben, z.B. bezüglich der E n t w i c k l u n g der „realen W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s r a t e J a p a n s " und d e r „realen Wachstumsrate der N a c h f r a g e der B r a n c h e , der die befragten Unternehmen angehören",

l^

Tertiärisierung d e r Wirtschaft: Infolge des wirtschaftlichen Fortschritts steigt die B e d e u t u n g der Dienstleistungen an der Volkswirtschaft. Die mittel- bzw. langfristige Tendenz zur Tertiärisierung wird in vielen Aspekten deutlich: im Produktionswert verschiedener B r a n c h e n , in d e r Zahl der B e s c h ä f tigten, im Wert der K o n s u m a u s g a b e n einzelner Bereiche.

42

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

tert (oberer Plafond der Zahlungsbilanz)'4, wird eine restriktive Geldpolitik verfolgt, und die Konjunktur schwächt sich ab. Im Jahr 1969 kann zwar durch die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ein oberer Plafond der Zahlungsbilanz vermieden werden, aber das den Aufschwung begleitende steigende Preisniveau zwingt zu einer kontraktiven Konjunkturpolitik. Seit der ersten Ölkrise beeinflussen ausländische Faktoren häufig die Konjunkturentwicklung, wie folgende Beispiele zeigen: Zweimal kühlt sich die Konjunktur aufgrund steigender Ölpreise durch die OPEC 1 5 ab. Aufgrund des Konjunkturrückgangs in den USA nach der zweiten Ölkrise kommt es zu einer zweistufigen Lageranpassung 16 . Die rasche Erholung der USamerikanischen Wirtschaft zu Beginn des Jahres 1983 wird dagegen zum Auslöser der Wiederbelebung der Konjunktur in Japan. Der Konjunkturrückgang ab Mitte 1985 wiederum ist bedingt durch die Abkühlung der USamerikanischen Konjunktur. Zwei Gründe sind für diese Phänomene verantwortlich: 1. Seit der ersten Hälfte der 70er Jahre finden Konjunkturschwankungen aufgrund zunehmender internationaler Wirtschaftsverflechtungen weltweit in erheblichem Maße gleichzeitig statt. 2. Wie später noch erläutert werden wird, wird das japanische Wirtschaftswachstum mit Eintritt in die zweite Hälfte der 70er Jahre vor allem von der Auslandsnachfrage getragen. Deshalb beeinflußt häufig die Entwicklung der Auslandsnachfrage die gesamte Konjunktur in entscheidendem Maße.

14

Oberer Plafond der Zahlungsbilanz, vgl. Abschnitt 1.3. Real business cvc/i-Theorie: Wie an der Anhebung des Ölpreises durch die OPEC exemplarisch deutlich wird, können exogene Schocks, die die reale Wirtschaft, vor allem die Produktivität der Angebotsseite beeinflussen, durch Übertragung auf die gesamte Wirtschaft und die zukünftige Wirtschaftsentwicklung zur Ursache von Konjunkturbewegungen werden. Diese Konjunkturerklärung wird von einer neuen Konjunkturtheorie, der real business cyc/e-Theorie, verfochten. Für die Erläuterung der japanischen Wirtschaft spielt sie jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Zweistufige Lageranpassung: In der Periode des Konjunkturrückgangs nach der zweiten Ölkrise können im Sommer 1981 Anzeichen einer Belebung aufgrund von Fortschritten in der Lageranpassung beobachtet werden. Mit Ende des Sommers desselben Jahres jedoch kommt es aufgrund eines Abschwungs der USamerikanischen Konjunktur zur Stagnation der japanischen Exporte, so daß ein weiteres Mal eine Lageranpassung durchgeführt werden muß.

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

2.2.3 Entstehung und Zusammenbruch der bubble

43

economy

Im Zuge der Konjunkturaufschwungphase seit dem Tief im November 1986 kommt es durch eine autonome Steigerung der inländischen privaten Nachfrage zum zweitlängsten Konjunkturaufschwung seit Kriegsende. Am Beginn dieser Konjunkturerholung stehen mehrere Programme zur Ankurbelung der Binnennachfrage; öffentliche Investitionen sowie der Wohnungsbau werden zur Triebfeder des Aufschwungs. Die damit einhergehenden Zuwächse der Anlageinvestitionen sowie des privatem Konsums und schließlich ihre autonome Expansion verlängern den Konjunkturaufschwung. Einen erheblichen Beitrag leistet auch der Preisanstieg der Vermögenswerte, auf den später noch eingegangen werden soll. Kennzeichnend für diesen langfristig anhaltenden Konjunkturaufschwung ist die Tatsache, daß eine Inflation vermieden werden kann. Die Arbeitsmarktlage ist angespannt, die Arbeitslosenquote verharrt bei etwa zwei Prozent. In einigen Branchen steigen daher zwar die Löhne, doch kommt es nicht zu einer für eine Hochwachstumsphase typischen kosteninduzierten Inflation. Die Gründe dafür sind darin zu sehen, daß in der gesamten Wirtschaft einerseits eine unerwartet starke Arbeitskräftemobilisierung von Frauen und älteren Arbeitnehmern stattfindet und daß sich andererseits die Lohnzuwächse auf lange Sicht gesehen vergleichsweise gemäßigt entwickeln. Eine Ausweitung der Importe beruhigt zudem die Gütermärkte. Auch die Leistungsbilanzüberschüsse fallen im Verhältnis zum

Brutto-

inlandsprodukt von ihrem höchsten Stand 1986 mit 4,4 Prozent — auch aufgrund von Sondereinflüssen — auf 1,1 Prozent im Finanzjahr 1990. Diese Konjunkturaufschwungsphase übertrifft dennoch nicht den „IzanagiBoom", die stärkste und längste Expansion der japanischen Wirtschaft in der Nachkriegszeit. Das Konjunkturhoch (oberer Wendepunkt) wird im zweiten Quartal 1991 erreicht. Es gibt zwei wichtige Auslöser für diese Konjunkturwende: Erstens die Anpassung des Kapitalstocks - zunächst der privaten Anlageinvestitionen und zwei-

44

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

tens der Zusammenbruch der bubble economy17 aufgrund steigender Zinsen. Da zwei klassische Aspekte der Konjunkturdrosselung — Bestandsanpassungen und restriktive Geldpolitik — zum Tragen kommen, kann in diesem Kontext kaum vom Verschwinden des Konjunkturzyklus-Phänomens in der japanischen Wirtschaft die Rede sein. Die privaten Anlageinvestitionen (real) wachsen über drei Jahre hinweg zweistellig, und ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt auf etwa 20 Prozent, so daß eine Bestandsanpassung, entsprechend dem in Abschnitt 2.1.3. beschriebenen Mechanismus zur Konjunkturdämpfung, nahezu unvermeidlich

ist.

Darüber hinaus geht die Anschaffung langlebiger Konsumgüter wie Pkws dramatisch zurück; diese ausgeprägt prozyklischen Konsumbewegungen verschärfen die Rezession. Bereits 1986 beträgt das Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt zu nationalem Brutto vermögen 1 zu 14. Im Zuge dieser Anhäufung von Vermögenswerten in der Wirtschaft üben die Bewegungen der Aktienkurse und Bodenpreise einen bisher nicht gekannten Einfluß auf die gesamte Wirtschaft aus. Wird der Kapitalzuwachs betrachtet, so wird das Ausmaß der Vermögenspreissteigerungen deutlich: bei Grundstücken beträgt er bis zu 120 Prozent des BSPs (1987), bei Aktien bis zu 50 Prozent des BSPs. Die Entstehung der bubble economy

steigert

den Konsum der privaten Haushalte aufgrund des Vermögenseffektes und belebt Wohnungsbauinvestitionen durch einen Anstieg der Sicherungswerte; Unternehmen investieren verstärkt aufgrund einfacherer Kapitalbeschaffung. Die bubble economy führt so zu einer ineffizienten Ressourcenallokation und läßt die gesamte Volkswirtschaft über eine langen Zeitraum expandieren. Eine bubble als Prozeß sich selbst erfüllender Preissteigerungserwartungen kann sich nicht ewig fortsetzen. Drastisch steigende Zinssätze führen ab 1990 zum Zusammenbruch der bubble economy. Die Erwartungen kehren sich um, und die Vermögenspreise fallen ins Bodenlose. In der Folge häufen sich die uneinbringlichen

17

Bubble:

Bezeichnet allgemein eine Entwicklung, in der sich die Vermögenspreise weit von dem

Niveau entfernen, das rational mit den sog. fundamentals

erklärbar ist.

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

45

Kredite in jeder Wirtschaftsbranche. Diese faulen Kredite führen zu einer zögerlichen Kreditvergabe durch die belasteten Finanzinstitute. Zudem verlängern die Kosten der Schuldenabwicklung die Rezession. Fiskalische Maßnahmen und Steuersenkungen haben in dieser Situation kaum eine stimulierende Wirkung, da die Mittel zuerst einmal zur Schuldenrückzahlung eingesetzt werden.

2.3 Das japanische Wirtschaftswachstum 2.3.1 Ursachen für das Hochwachstum Japan stellte zur Zeit der A/ey/-Restauration nur eines von vielen unbedeutenden asiatischen Ländern dar. Heute erwirtschaftet Japan zehn Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts und zählt damit zu den fuhrenden Industrienationen. Auch wenn Japan bereits vor dem Zweiten Weltkrieg verglichen mit anderen Ländern eine hohe Wachstumsrate aufweist, so ist es doch vor allem die Nachkriegszeit, besonders die Hochwachstumsphase von 1955 bis 1970, in der Japans Wachstumsrate außerordentlich hoch ist. Auf der Nachfrageseite des Sozialprodukts ist von der zweiten Hälfte der 50er Jahre bis zur zweiten Hälfte der 60er Jahre das Wachstum der privaten Anlageinvestitionen besonders hoch. In der ersten Hälfte der 60er Jahre steigen private Wohnungsbauinvestitionen und die öffentliche Anlagevermögensbildung in hohem Maße an (siehe Tabelle 2-3).

46

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

Tabelle 2-3 Wachstumsrate der einzelnen Endnachfragekomponenten des Bruttoinlandsprodukts

Finanzjahr privater Verbrauch

19551960

19601965

19651970

19701975

19751980

19801985

(in Prozent) 1985- 19901992 1990

8,5

8,6

9,2

5,4

4,0

3,2

4,1

private Wohnungsbauinvestitionen

14,5

18,0

14,6

5,7

A 0,6

A 1,3

9,2

private Anlageinvestitionen Staatsverbrauch

25,5 3,3

8,5 5,3

22,8 4,4

0,2 5,4

5,3 4,2

6,2 2,7

10,7 2,3

12,1

16,1 14,5

12,1 17,1

6,0

11,1

9,0

4,3 9,5

A 1,3 9,4

4,1

-

15,6

11,7

17,3

5,6

4,2

0,6

0,8

_

8,9

9,0

11,0

4,5

4,7

3,6

4,6

2,0

öffentliche Anlagevermögensbildung Exporte (abzüglich) Importe Bruttoinlandsausgaben

_ -

3,9

jährliche reale Wachstumsrate zu Preisen von 1985 (Kalenderjahr) Quelle: Zusammengestellt aus Keizai Kikaku Chö: „Kokumin keizai seisan" [Wirtschaftsplanungsamt: „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung"].

Die Phase des Hochwachstums ist von einem hohen Investitionswachstum gekennzeichnet. Die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit steigert allmählich die Exporte, wodurch wiederum das Wachstum beschleunigt wird. Auslöser für dieses hohe Wachstum ist vor allem der technische Fortschritt. Neue technische Entwicklungen - im Mittelpunkt steht hierbei die verarbeitende Industrie — werden vorangetrieben. Dies führt zu einem Anstieg der Produktivität, einer Veränderung der Industriestruktur, zur Ausweitung der Anlageinvestitionen und zu einer weiten Verbreitung langlebiger Konsumgüter. Hinsichtlich der Produktionsfaktoren ist das reiche Arbeitskräfteangebot hervorzuheben. Vor der Hochwachstumsphase herrscht ein Überangebot an

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

47

Arbeitskräften, viele Arbeitnehmer gehen einer „unvollständigen Erwerbstätigkeit"18 nach. Während des Hochwachstums ist der Anteil der jüngeren Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung hoch, woraus sich auch eine erhebliche Zunahme an neuen Arbeitskräften ergibt. Außerdem sind in diesem Zusammenhang noch das hohe Ausbildungsniveau der Japaner sowie ein hohes Maß an Fleiß zu nennen. Für den Kapitalbestand sind auf der einen Seite die hohe Investitions- und Sparquote, auf der anderen Seite der niedrige Kapitalkoeffizient von Bedeutung. Ein Grund für die hohe Investitionsrate ist das rasche Tempo technischer Innovationen. Dies rührt auch daher, daß infolge des ausgeprägten Wettbewerbsdenkens in der japanischen Industrie alle Unternehmen bezüglich der Einführung neuer Technologien und dem Ausbau ihrer Kapazitäten miteinander konkurrieren. Darüber hinaus haben die Unternehmen hohe Wachstumserwartungen und erweitern ihre Märkte im Inund Ausland. Sie versuchen, Größenvorteile zu realisieren (economies of scale) und nehmen umfangreiche Investitionen vor (siehe Diagramm 2-2).

„Unvollständige Erwerbstätigkeit": Zwar besteht Erwerbstatigkeit, aber der durchschnittliche Lebensstandard eines Arbeiters wird nicht erreicht. D e r Arbeitsplatz ist unsicher, die Arbeitsbedingungen schlecht; e s wird daher ein Arbeitsplatzwechsel oder ein zusätzlicher Arbeitsplatz angestrebt.

48

W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

Diagramm 2-2 Entwicklung des Kapitalkoeffizienten, der Investitions- und Sparquote

(%)

Kapitalkoeffizient (Skala links)

Ersparnisbildungsrate der Haushalte (Skala rechts)

Anlageninvestitionsrate (Skala rechts) 1. Kapitalkoeffizient = privater Kapitalstock (alle Branchen, jeweils der Durchschnitt vom Anfang bis z u m Ende einer Periode)/realer Bruttowert (sämtliche Branchen) Anlageninvestitionsrate = private Anlageinvestitionen/Bruttoinlandsausgaben des Staates 2. Kapitalkoeffizient pro Kalenderjahr Quelle: .Keizai kikakuchö" [Wirtschaftsplanungsamt]: .Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung" und .Statistik des privaten Kapitalstocks"

Die hohe Sparquote hat diese Investitionstätigkeit ermöglicht. Die hohe Ersparnisbildung läßt sich u.a. auf folgende Gründe zurückfuhren: 1. Der Aufbau von Sach- und Geldvermögen ist dringend erforderlich, da ihr Niveau sehr niedrig liegt. 2. Die junge Altersstruktur Japans - daher gibt es viele Personen, die für ihren Lebensabend sparen. 3. Die Ersparnisbildung wird aufgrund erheblicher Einkommenssteigerungen erleichtert. Auch der stabil niedrige Kapitalkoeffizient '9 und die hohe Kapitaleffizienz sind weitere wichtige Faktoren des Hochwachstums. Dafür lassen sich folgende Gründe

" Kapitalkoeffizient: Er zeigt den notwendigen Kapitaleinsatz an, um in einem bestimmten Zeitraum eine Produktionsmengeneinheit zu produzieren. Das bedeutet, daß bei einem niedrigen Kapitalkoeffizienten der Produktionseffekt der Investitionen groß ist.

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

49

nennen: Anlagen mit neuen Technologien werden zügig eingeführt; dies ermöglicht eine Steigerung der Produktivität bei gleichbleibendem Kapitaleinsatz. Ebenso steigert der Trend zu Großanlagen im Maschinen- und Anlagenbau durch die Realisierung von Größenvorteilen die Produktivität. Darüber hinaus ist in einer Hochwachstumsphase im allgemeinen ein hoher Auslastungsgrad gegeben. Schließlich ist auch die arbeitsintensive Industriestruktur zu Beginn der Hochwachstumsphase als Ursache für den niedrigen Kapitalkoeffizienten zu nennen.

2.3.2 Abschwächung der Wachstumsrate und exportgeleitetes Wachstum Nach dem Schock der ersten Ölkrise schwächt sich die japanische Wirtschaftswachstumsrate erheblich ab. Der Anstieg der Energiekosten führt zu einem Rückgang der eingesetzten Energiemenge, um auf diese Weise den Preisanstieg zu kompensieren. Deshalb verringert sich kurzfristig die Produktionskapazität der japanischen Wirtschaft, und die Wachstumsrate fällt. Langfristig aber wird dieser wachstumshemmende Effekt durch die Substitution von Energie mit anderen Produktionsfaktoren neutralisiert. Laut Wirtschaftsweißbuch von 1982 sinkt die Wirtschaftswachstumsrate, bedingt durch die erhöhten Energiekosten nach der ersten Ölkrise um 3 Prozent. Nach der zweiten Krise sinkt sie 1979 um 1,3 Prozent und 1980 um 2,8 Prozent. Die mittel- und langfristige Verschiebung der Wachstumsrate von einem hohen Wachstumspfad hin zu einem mittleren Wachstumspfad macht es unumgänglich, wichtige Trends in der japanischen Wirtschaft und Gesellschaft näher zu untersuchen. Bezüglich des Konsumverhaltens kann man feststellen, daß sich in der Hochwachstumsphase neue langlebige Konsumgüter schnell ausbreiten und zu einer materiellen Sättigung fuhren, die eine der Ursachen für die schwindende Konsumneigung20 in der ersten Hälfte der 70er Jahre ist. Im Wohnungsbau läßt

K o n s u m n e i g u n g : Anteil der K o n s u m a u s g a b e n a m E i n k o m m e n . Eine steigende K o n s u m n e i g u n g steigert z w a r k u r z f r i s t i g d a s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m , mittel- u n d l a n g f r i s t i g j e d o c h s e n k t sie a u f g r u n d

50

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

sich eine ähnliche Entwicklung beobachten: In der Hochwachstumsphase steigt die Zahl der Haushalte im Zuge der Verstädterung stark an; mit dem Erreichen des Ziels „eine Wohnung pro Haushalt" kühlt sich jedoch der Wohnungsbau zu Beginn der 70er Jahre merklich ab. A u f der Angebotsseite treten ebenso Probleme auf: Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt, die durch die Ölkrise bedingten steigenden Energiekosten fuhren Japans Ressourcenknappheit eindringlich vor Augen. Das Sinken der realen Wachstumsrate im Kontext dieser Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dämpft die Wachstumserwartungen der Unternehmen, die ihren Kapitalstock an den neuen Wachstumspfad anpassen. Analysiert man die Wachstumsrate getrennt nach den Faktoren Kapital, Arbeit und technischem Fortschritt, ist letzterer seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre ein positiver Faktor, während der rückläufige Kapitalstockzuwachs seit der zweiten Hälfte der 60er Jahre bis in die erste Hälfte der 80er Jahre hinein wesentlich zum Rückgang der Wachstumsrate beiträgt. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre aber unterstützen auch die Kapitalstockzuwächse wieder das Wachstum, was sich in den steigenden Anlageinvestitionen widerspiegelt (siehe Diagramm 2-3).

Diagramm 2-3 Faktoranalyse des Wirtschaftswachstums

1969

1974

1979

1984

1989

Quelle: Keizai kikakuchö [Wirtschaftsplanungsamt]: Wirtschaftsweißbuch 1991 (Zusammenstellung) der Verminderung der Sparquote die befriedigende Wachstumsrate. In einer Wirtschaft mit mangelnder (Inlands)nachfrage aber, die geprägt ist durch kumulierte Leistungsbilanzüberschüsse und in der die befriedigende Wachstumsrate nicht die obere Wachstumsgrenze darstellt, ist es eher so, daß der Anstieg der Konsumneigung auch mittel- und langfristig zu einer Erhöhung der Wachstumsquote führen kann.

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

51

Untersucht man die Zuwachsrate des Kapitalstocks getrennt nach Anlageinvestitionsquote und Kapitalkoeffizient, wird deutlich, daß aufgrund der Kapitalstockanpassung nach der ersten Ölkrise die Investitionsquote zwar bis 1977 fallt, danach aber wieder steigt, 1987 den vormaligen Höchststand übertrifft und weiter steigt. Dagegen dämpft der Kapitalkoeffizient den Kapitalstockzuwachs, da er infolge arbeitssubstituierender Investitionen und Umweltschutzinvestitionen seit Beginn der 70er Jahre langsam steigt und diese Entwicklung sich aufgrund der durch den Ölpreisanstieg geschrumpften Produktionskapazität und energieeinsparender Investitionen auch weiter fortsetzt. In letzter Zeit verzeichnet darüber hinaus die nichtverarbeitende Industrie — Dienstleistungen einschließlich Leasing, Transport und Kommunikation, Groß- und Einzelhandel — eine erhebliche Erhöhung des Kapitalkoeffizienten, die den Koeffizienten der Gesamtwirtschaft weiter anhebt. Während des Rückgangs der Wachstumsrate wird das Wirtschaftswachstum seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre vor allem von der Auslandsnachfrage getragen. Gründe für diese Entwicklung sind zum einen in der stagnierenden Inlandsnachfrage und zum anderen in den dadurch stärker gewordenen Exportanreizen für die Unternehmen zu sehen. Besonders 1974 und 1980, bei jeweils starkem Deflationsdruck nach der ersten und zweiten Ölkrise, steigt der Außenbeitrag. Zudem erholt sich — bei niedrigem Yen-Kurs gegenüber dem Dollar — zwischen 1982 und 1985 die Konjunktur in den USA. Ein weiterer wichtiger Faktor ist darüber hinaus, daß in Japan der Anteil von Industrieerzeugnissen am gesamten Import seit jeher gering ist. Industrieprodukte haben im Vergleich zu Roh- und Brennstoffimporten eine hohe Einkommens- und Preiselastizität 21 ; ist ihr Anteil am Import gering, bedeutet dies, daß sich trotz expandierender Wirtschaft Importe nur schwer steigern lassen. Dazu kommt, daß

2 ' E i n k o m m e n s - und Preiselastizität: Grad der Anpassung der G ü t e m a c h f r a g e an Veränderungen von E i n k o m m e n und Preisen; Einkommenselastizität: Zuwachsrate der Güternachfrage bei einprozentiger E i n k o m m e n s e r h ö h u n g ; Preiselastizität: Zuwachsrate der Güternachfrage bei einprozentigem Preisrückgang.

52

W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

die japanische Wirtschaft als Reaktion auf die erhöhten Energiepreise vor allem in Bereichen mit hoher Wertschöpfung, wo sowohl In- als auch Auslandsnachfrage steigen, eine starke Wettbewerbsposition aufgebaut hat. Bei gleichbleibenden Roh- und Brennstoffimporten steigen in den Bereichen Investitionsgüter und langlebige Konsumgüter daher die Exporte markant, während die Importe auch in diesen Bereichen stagnieren (siehe Diagramm 2-4).

Diagramm 2-4 Beitrag der Inlandsnachfrage sowie des Außenbeitrags an der Wachstumsrate (%) 14 Beitragsgrad

12

Inlandsnachfrage

10

Auslandsnachfrage

8 6 4 2

0 A2 1970

85

80

75

9 0 91 92 Jahr

Exporte Importe

(%) 3 Beitragsgrad 1

0 A2 A3

m

IQ

K

a n

H Auf der Basis der Auslandsnachfrage

Quelle: Keizai kikakuchö [Wirtschaftsplanungsamt]: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Wachstum und Konjunkturzyklen der japanischen Wirtschaft

53

Ein Blick auf Inlandsnachfrage und Außenbeitrag zum Wirtschaftswachstum zeigt, daß seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre bis zur ersten Hälfte der 80er Jahre verglichen mit dem Zeitraum zehn Jahre zuvor — der Beitrag der Inlandsnachfrage zurückgegangen ist, während der Außenbeitrag relativ konstant ist. Wird der Außenbeitrag in seine beiden Komponenten Export und Import differenziert, wird zudem deutlich, daß konstanten Exporten abnehmende Importe gegenüberstehen. Wie jedoch im folgenden Abschnitt gezeigt werden soll, floriert die japanische Wirtschaft in der zweiten Hälfte der 80er Jahre — allein gestützt auf die Binnennachfrage; private Anlageinvestitionen sowie privater Konsum spielen dabei eine zentrale Rolle. Der Außenbeitrag wirkt sich in dieser Phase fast immer hemmend auf das Wachstum aus, da die Importe, insbesondere von Industrieprodukten, rapide steigen.

2.3.3 Reformen für ein auf die Inlandsnachfrage gestütztes Wachstum Es hatte durchaus den Anschein, daß die japanische Wirtschaft seit dem PlazaAbkommen 2 2 durch Maßnahmen zur Ankurbelung der Binnennachfrage — einer expansiven Geldpolitik und der Ausweitung öffentlicher Investitionen und eine sich daran anschließende autonome private Nachfrage — auf den Pfad eines binnenmarktinduzierten Wachstums eingeschwenkt wäre. Aus der drastischen Verminderung der Leistungsbilanzüberschüsse und der autonomen Erhöhung des privaten Konsums sowie der privaten Anlageinvestitionen ergibt sich von 1986 bis 1990 ein deutlich von der Inlandsnachfrage getragenes Wachstum. Aber nach dem Platzen der bubble economy und in der u.a. durch den Anlageinvestitionszyklus ausgelösten Rezession wird die japanische Wirtschaft seit 1992 wieder durch den Außenbeitrag gestützt. Makroökonomische Konjunkturmaßnahmen allein reichen also nicht aus, um ein dauerhaftes binnenmarktgestütztes Wachstum zu initiieren. 23

2 2 P l a z a - A b k o m m e n , vgl. A b s c h n i t t 11.2. 2 3 N e u e Wachstumstheorie: Hauptsächlich in den U S A u n t e r n o m m e n e r Versuch, wirtschaftliches W a c h s t u m - a u s g e h e n d v o n d e r H o c h k o n j u n k t u r p h a s e der z w e i t e n H ä l f t e der 80er J a h r e (die längste d e r N a c h kriegsgeschichte) - mit e n d o g e n e n technologischen I n n o v a t i o n e n und mit S k a l e n e f f e k t e n zu erklären.

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W a c h s t u m und Konjunkturzyklen der j a p a n i s c h e n Wirtschaft

Um ein dauerhaftes, an der Binnennachfrage orientiertes Wachstum zu gewährleisten, sind Strukturreformen zur Belebung des Binnenmarktes unabdingbar. Zunächst müssen zur Belebung der japanischen Industrie die Bedürfnisse der Menschen genau erfaßt werden, damit von Unternehmen und Industrie engagierte Restrukturierungsmaßnahmen ergriffen werden können. Durch Deregulierung sollten diese Reformen von staatlicher Seite unterstützt werden, nicht nur begrenzt auf einzelne Industrien, sondern branchenübergreifend, um eine umfassende Entwicklung, die Entstehung neuer Märkte, z.B. in den Bereichen Wohnungsbau, Kommunikation und Transport (Logistik), zu fördern. Weiterhin ist der Ausbau der notwendigen Infrastruktur wie beispielsweise des Telekommunikationsnetzes unter Einsatz neuer Finanzierungsmethoden ebenso erforderlich wie die Förderung der Grundlagenforschung. Die Zeit bis zur überalterten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist kurz, die Reformen für ein von der Inlandsnachfrage getragenes Wachstum drängen.

Die Wirtschaftspolitik Japans

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3 Die Wirtschaftspolitik Japans 3.1 Wirtschaftspolitik

3.1.1 Der Staat als Wirtschaftsakteur Bei wirtschaftlichen Aktivitäten handelt es sich um Aktivitäten zur Beschaffung von lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen. In einer modernen Gesellschaft sind die meisten Subjekte am Wirtschaftsgeschehen beteiligt. Sie können auf verschiedene Weise klassifiziert werden. So ist eine Einteilung in Produzenten und Konsumenten oder nach Regionen (z.B. Inland und Ausland) möglich. Im Fall einer institutionellen Einteilung ergeben sich Privatsektor und öffentlicher Sektor. Im Privatsektor agieren die einzelnen Wirtschaftssubjekte auf der Grundlage ihrer autonomen Entscheidungen. Dagegen richtet der öffentliche Sektor seine Aktivitäten auf gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt und Dienstleistungen aus. Die vom Staat1 durchgeführten Aktivitäten üben unterschiedlichen Einfluß auf die Wirtschaftsaktivitäten der Menschen aus. Steuererhebungen und die Zahlung von Sozialversicherungen betrifft jeden Bürger direkt. Arbeitnehmer können nicht im vollen Umfang über das durch ihre Arbeit erworbene Einkommen frei verfugen, sondern entrichten an die Zentralregierung die Einkommensteuer, an die regionalen Körperschaften (Präfekturen und Kommunen) die Einwohnersteuer und außerdem die Beiträge für die Sozialversicherungen (Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung). Die auf diese Weise von der öffentlichen Hand eingenommenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge werden zum Nutzen der gesamten Gesellschaft, einschließlich derjenigen, die diese entrichtet haben, verwendet. Die eingenommenen Steuergelder werden für elementare Dienstleistungen zum Wohle der gesamten Gesellschaft wie Landesverteidigung und innere Sicherheit

' S t a a t l i c h e r W i r k u n g s b e r e i c h : D e r staatliche B e r e i c h u m f a ß t n e b e n d e r Z e n t r a l r e g i e r u n g d i e r e g i o n a len K ö r p e r s c h a f t e n und d i e S o z i a l v e r s i c h e r u n g s f o n d s . In d e r V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n G e s a m t r e c h n u n g ( V G R ) w i r d e r „Staat a l l g e m e i n " g e n a n n t . Die j a p a n i s c h e Z e n t r a l b a n k ( B a n k of J a p a n ) wird z w a r laut G e s e t z d e m P r i v a t s e k t o r z u g e r e c h n e t , d o c h als ein Teil d e s Staates b e h a n d e l t .

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Die Wirtschaftspolitik Japans

und darüber hinaus für öffentliche Arbeiten wie u.a. Aufforstungen zum Schutz gegen Bodenerosion, Flußregulierungen und Straßenbau sowie weitere Dienste verwendet. Im Alter werden Renten gezahlt und bei Krankheit die Behandlungskosten übernommen. Für die ökonomischen Aktivitäten ist nicht allein das Gehalt von ausschlaggebender Bedeutung, erst nach Einberechnung von Transferleistungen ergibt sich das verfügbare Einkommen, das zum Konsum und Sparen verwendet wird. Weil die Rolle, die der Staat in der Wirtschaft der gegenwärtigen Gesellschaft spielt, größer geworden ist, sind für den einzelnen Bürger die Steuern und Sozialabgaben sowie die in Anspruch genommenen Dienste zu einer bedeutsamen Größe geworden. Welche Steuern die öffentliche Hand von wem erhebt, und auf welchen Gebieten sie diese in welcher Höhe ausgibt, übt einen großen Einfluß auf das Leben der Bevölkerung aus.

3.1.2 Die Rolle des Staates in der heutigen Wirtschaft

3.1.2.1 Wirtschaftspolitik und ökonomische Gesellschaft Die zuvor erwähnten staatlichen Aktivitäten werden im allgemeinen als staatliche Wirtschaftspolitik bezeichnet. Eine gestaltende Rolle des Staates ist in den heutigen kapitalistischen Ländern zum Common sense geworden. Das heißt, daß ökonomische Aktivitäten sich nicht nur auf den privaten Sektor mit Haushalten und Unternehmen beschränken, sondern daß es für diese Länder charakteristisch ist, daß auch der Staat im Rahmen seiner gesetzlichen und politischen Beschränkungen bestimmte Ziele verfolgt und eine Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung anstrebt. Die reale Wirtschaftspolitik fällt je nach Zeit und Land sehr unterschiedlich aus. Natürlich besteht das letztendliche Ziel des Staates in der Wohlfahrt des Volkes, aber dessen konkrete Bedeutung variiert selbstverständlich mit den zeitlichen und sozialen Gegebenheiten. Darüber hinaus bestehen Unterschiede in den Restriktionen, die den Staat, die Nation und die Gesellschaft einschränken. Außerdem verschieben sich laufend die Grenzen zwischen „Privatsektor" und „öffentlichem

Die Wirtschaftspolitik Japans

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Sektor", wie das Beispiel der Privatisierung der Telefongesellschaft Nippon Telephone and Telegraph (NTT) und der Eisenbahngesellschaft Japan Railways (JR) in den letzten Jahren zeigt. Die Rolle, die der Staat letztlich in der Wirtschaft spielen sollte, kann daher ohne konkrete Wertvorstellungen nicht bestimmt werden. Das Ausmaß, in dem Handlungen des Staates das Leben der Bevölkerung betreffen, ändert sich durch die jeweilige gesellschaftliche Situation und das wirtschaftliche Umfeld: Große wirtschaftliche Umbrüche oder plötzlich eintretende globale Ereignisse erhöhen den Einfluß des Staates. Dies zeigt auch die japanische Wirtschaft der Nachkriegszeit: Unmittelbar nach dem Krieg ist die sogenannte Vorzugsproduktion mit umfangreichen Produktionssteigerungen in den Bereichen Kohle und Stahl eingeführt worden, danach wurde die Politik der Dodge-Line zur Drosselung der Inflation verfolgt. Während der Ölkrise, die durch den Vierten Nahost-Krieg verursacht wurde, sind die von der Regierung verfolgten Maßnahmen zur Reduzierung des Ölverbrauchs davon begleitet gewesen, öffentliche Investitionen zu kürzen bzw. aufzuschieben und durch die gedrosselte Gesamtnachfrage die Preise stabil zu halten. Darüber hinaus sind auf Grundlage des Gesetzes über dringende Maßnahmen zur Stabilisierung des Lebens der Bevölkerung2 Standardpreise für Handelswaren wie Petroleum und Toilettenpapier direkt festgelegt und auch andere Preise administriert worden. In jüngster Zeit bemüht sich die japanische Regierung um eine Ausweitung der Importe durch immer wieder auf den Weg gebrachte Zollsenkungen, die Ausweitung von Importrahmen

und

durch Verbesserungen

bei

Normen

und

Genehmi-

gungsverfahren. Gleichzeitig wird die Belebung der Binnennachfrage durch fiskalpolitische und Deregulierungsmaßnahmen vorangetrieben. Mit diesem Maßnahmenbündel wird auf die ausländische Kritik am immensen Leistungsbilanzüberschuß reagiert.

^ Japanischer Gesetzesname: Kokumin seikatsu anlei kinkyü sochi hö.

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Die Wirtschaftspolitik Japans

3.1.2.2 Grenzen des staatlichen Handelns Natürlich sind auch den Handlungen der Regierung Schranken gesetzt. 1. Es gibt gesetzliche und gesellschaftliche Beschränkungen. Der Umfang der staatlichen Aktivitäten ist durch Gesetze präzise vorgegeben und durch den Willen der Bevölkerung, der durch die Zusammensetzung des Parlaments zum Ausdruck kommt, stark eingeschränkt. Da die Steuerlast von der gesamten Bevölkerung eingefordert wird, ist vor allem deren politische Bedeutung groß. Dies wird auch daran deutlich, daß die Unzufriedenheit gegenüber der Erhebung von Steuern in der Geschichte oft eine Hauptursache gewaltiger politischer Umbrüche (Revolutionen, Unabhängigkeit von Kolonien etc.) gewesen ist. Die große politische Kontroverse über die Einführung der Verbrauchsteuer in Japan ist das jüngste Beispiel für das gewaltige Interesse an den Entscheidungen der Regierung in diesem Bereich. Auch die Bestrebungen der jüngsten Zeit in führenden Industrieländern, die Rolle des Staates zu verringern und die Steuerlast zu senken, ist wohl ein Ausdruck dieses Willens der Bevölkerung. 2. Da die staatlichen Wirtschaftsaktivitäten im Kontext der Gesamtwirtschaft stehen, ist es selbstverständlich, daß auch die Handlungen des Staates als ein Teil der ökonomischen Aktivitäten den allgemeinen ökonomischen Prinzipien und Ressourcenbeschränkungen unterliegen. Folglich kann auch die Bereitstellung der lebensnotwendigen Infrastruktur Inflation verursachen, wenn es dadurch zu Angebotsengpässen kommt. Diese Furcht vor einem negativen Einfluß auf die gesamte Wirtschaft oder die Gefahr der Umweltzerstörung können zu Forderungen nach Aufgabe bzw. Aufschub bestimmter Vorhaben führen. Genau dies — die Einschränkung öffentlicher Arbeiten aufgrund gesamtwirtschaftlicher Erwägungen — ist während der Ölkrise eingetreten.

3.1.2.3 Überlegungen hinsichtlich der Rolle des Staates Versucht man die Vorstellungen bezüglich der Rolle, die der Staat im gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystem spielt, einzuordnen, dann stellt sich dies wie folgt dar:

Die Wirtschaftspolitik Japans

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( 1 ) Minimalistische Funktionen des Staates Geschichtlich gesehen werden unter der minimalistischen Funktion des Staates größtenteils innere Sicherheit, Landesverteidigung, Diplomatie, Gesetzgebung, Justiz und die Aufrechterhaltung des Währungssystems verstanden. Dies wird für die Erhaltung der gesellschaftlichen Grundlagen als unbedingt notwendig erachtet. Ferner ist es schwierig, bei der Sozialversicherung, den Aufforstungen gegen Bodenerosion, Flußregulierungen und Straßenbau unter technischen Gesichtspunkten und sozialen Erwägungen die Nutznießer und diejenigen, die die Belastungen zu tragen haben, zu bestimmen. Dazu gibt es viele Aufgaben, die aufgrund ihres geringen Umfanges kein privatwirtschaftliches Angebot, in dem den Nutzern eine Gebühr abverlangt wird, zulassen. Würde daher

sämtliches

Angebot den Privaten überlassen, könnten viele Dienstleistungen nicht effektiv angeboten werden. Aus diesem Grund bietet der Staat mit Hilfe von Steuergeldern solche Güter und Dienstleistungen, die reine öffentliche Güter 3 genannt werden, an. ( 2 ) Der Wandel der Überlegungen in bezug auf die Funktionen des Staates Die Überlegungen im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik haben sich erst in der modernen Zeit gewandelt, ihre auf unterschiedlichen konzeptionellen Ansätzen beruhenden Differenzen sind dabei aber sehr groß. Stellvertretendes Beispiel hierfür sind wohl die Unterschiede zwischen dem „klassischen" Kapitalismus und dem Sozialismus. „Klassischer" Kapitalismus meint hier die in Westeuropa wie z.B. Großbritannien und in den U S A vorherrschenden sozialen und ökonomischen Systeme und Ideen ab der industriellen Revolution bis zum Beginn

des

20. Jahrhunderts. Dies schließt das Privateigentum an Produktionsmitteln (Kapital) ein und hat die Respektierung der freien Produktions- und Konsumentscheidungen durch die privaten Wirtschaftssubjekte als ökonomischem Fundament zum Grundprinzip.

^ R e i n e öffentliche Güter: D i e Besonderheit öffentlicher Güter liegt darin, daß deren Nutzen allen Mitgliedern der G e s e l l s c h a f t gleichzeitig zugute kommt. Güter, für die diese Besonderheit in starkem M a ß e gilt, heißen reine öffentliche Güter.

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Die Wirtschaftspolitik Japans

Diejenigen, die solche Ansichten wirtschaftswissenschaftlich vertreten haben, sind die klassischen Ökonomen wie Adam Smith* und David Ricardo. Ihre Überlegung ist, daß die Wirtschaftssubjekte (Individuen und Unternehmen) den Marktpreis als Signal ansehen und ihren Nutzenkalkülen folgend individuell agieren. Trotzdem verfallt das Gesamtsystem dabei nicht in Anarchie. Vielmehr erfolgt durch „Gottes unsichtbare Hand" (Preismechanismus) eine Abstimmung der einzelnen Wirtschaftspläne, und die Volkswirtschaft findet zum Gleichgewicht. Aus diesen Überlegungen folgt, daß die Handlungen des Staates auf den Ausschluß von Störfaktoren für die freien Wirtschaftsaktivitäten der privaten Akteure und auf das Angebot reiner öffentlicher Güter begrenzt sein sollten. Darüber hinaus sollte in die spontane Willensentscheidung der Privaten möglichst nicht eingegriffen werden. Eine solche idealtypische Staatsform ist der „Nachtwächterstaat" (Überlegung, wonach es ausreichend ist, wenn der Staat nur die Funktionen Landesverteidigung und innere Sicherheit übernimmt). Der Gegensatz eines solchen „klassischen" Kapitalismus ist der Sozialismus. Die Geschichte des Sozialismus ist ziemlich alt. Die moderne Wirtschaftsauffassung stammt von Karl Marx 5 und anderen. Die sozialistischen Regimes der durch die Revolution in Rußland von 1917 entstandenen Sowjetunion und der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen osteuropäischen Staaten sowie Chinas wollten diese Ideen in der realen Wirtschaft und Gesellschaft umsetzen. In sozialistischen Staaten unterscheidet sich die Wirtschaftspolitik völlig von der in kapitalistischen Ländern. Das heißt, daß das Privateigentum an Produktionsmitteln (Kapital) abgelehnt wird, weil ein Ziel des Sozialismus eine gerechte Verteilung ist. Um die für die Gesellschaft notwendigen Güter ohne Profitmotiv mit effektivem und sparsamen Ressourceneinsatz zu produzieren, wird die Produktion durch einen zentralen „Wirtschaftsplan" kontrolliert. Im Ergebnis dessen fallen die wirtschaftli-

^ A d a m Smith (1723-1790): Begründer der Klassischen Ökonomik. Hauptwerk: „The Wealth of Nations" („Der Wohlstand der Nationen"). ^Karl M a r x (1818-1883): deutscher Ökonom und Philosoph. Begründer der Theorie des Sozialismus, Hauptwerk: „Das Kapital".

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chen Aktivitäten selbst, Produktion und Verteilung, in den Bereich des Staates und werden zum Gegenstand der Wirtschaftspolitik. Die „Privaten" erscheinen lediglich als Akteure im Sinne von Konsumentscheidungen. Auf diese Weise werden die Entscheidungen zum wirtschaftlichen Handeln zentralisiert und eine enorme ökonomische Ineffizienz erzeugt. Diese Probleme sind letztlich zum auslösenden Faktor für den Zusammenbruch des Sozialismus in Rußland und Osteuropa geworden. Zwischen diesen beiden Extrempositionen „klassischer" Kapitalismus und Sozialismus gibt es viele unterschiedliche Vorstellungen über die Wirtschaftspolitik, die durch die reale Wirtschaftsentwicklung geprägt worden sind. Der Sozialismus befindet sich, wie im vorangegangenen Absatz erwähnt, aufgrund seiner ökonomischen Ineffizienz auf dem Weg der Selbstzerstörung. Doch auch der Ansatz vom Laisser-faire des klassischen Kapitalismus hat vielfaltige Kritik, etwa bei Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und im Kontext des gestiegenen Interesses am Verteilungsproblem, auf sich gezogen. Die Steuerung der effektiven Nachfrage ist eine Idee der sogenannten Keynesianischen Politik, wonach die Regierung auch im Rahmen des Kapitalismus eine aktive Wirtschaftspolitik betreiben sollte. In den Vorstellungen des klassischen Kapitalismus wird stillschweigend die gemeinsame stabile Einsicht der Mitglieder in Gesetze und Gewohnheiten vorausgesetzt, die die Grundlage einer dezentralisierten Gesellschaft bildet. Auf dieser Basis interpretieren und bewerten die einzelnen Wirtschaftssubjekte die für sie beschaffbaren Informationen und handeln entsprechend. Dadurch ist die Stabilität der Gesellschaft als ganzes gegeben (unsichtbare Hand). Im Gegensatz dazu dachte Keynes 6 , daß die Stabilität der kapitalistischen Gesellschaft nicht in jedem Fall von Dauer ist, selbst wenn man anerkennt, daß sie auf einer solchen gemeinsamen Einsicht beruht. Dieser Ansatz wird insbesondere in den Überlegungen über die Investitionsentscheidungen deutlich, die von den Erwartungen über künftige Gewinne beeinflußt werden. Investitionen und Erspar-

^ Keynes: John Maynard Keynes (1883-1946), englischer Ökonom, Hauptwerk: „The General Theory of Employment, Interest and Money" („Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes").

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Die Wirtschaftspolitik Japans

nisse werden aus unterschiedlichen Motiven der einzelnen Individuen getätigt. Dies fuhrt nicht immer zur Übereinstimmung. Bei Überschußersparnis kommt es durch die mangelnde Nachfrage zu einem Abschwung der Wirtschaft und zu Arbeitslosigkeit. Um dann diese Nichtübereinstimmung von Angebot und Nachfrage zu beseitigen, sollte die Regierung durch fiskalpolitische Ausgaben zu einer Politik der Steuerung der effektiven Nachfrage greifen und die Korrektur des Ungleichgewichts anstreben. Diese Ideen sind den Überlegungen entsprungen, wie man der Weltwirtschaftskrise ab 1929 gegensteuern könnte. In der Realität hat die Politik des New Deal 7 , die vom damaligen US-Präsidenten Roosevelt betrieben worden ist, diese Gedanken praktisch umgesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in den meisten kapitalistischen Ländern der Gedanke der Politik der Steuerung der effektiven Nachfrage durchgesetzt. Gleichzeitig hat hinsichtlich des Verteilungsproblems die Idee, daß eine aktive Politik der sozialen Sicherung vorangetrieben werden sollte, weitreichende Unterstützung gefunden. Die bisherigen Vorstellungen von Wirtschaftspolitik haben sich vollständig verändert. So sind bislang übersehene öffentliche Güter wie etwa die Umwelt ins Blickfeld geraten. Daneben hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß der Staat bei Problemen des Verbraucherschutzes, der Bildung und bei anderen gesellschaftlich relevanten Aufgaben aktiv eingreifen sollte. Der Bereich der Wirtschaftspolitik hat sich somit sprunghaft ausgedehnt. Ab Mitte der 60er Jahre hat sich jedoch weltweit die Inflation beschleunigt und nach der ersten Ölkrise (1973) kam es bei anhaltendem Inflationsdruck und rückläufigem Wirtschaftswachstum zum Phänomen der Stagflation 8 . Deswegen sind Zweifel an einer derartigen Rolle des Staates und an der Wirksamkeit von Konjunkturregulierungen aufgekommen. Denn die Aktivitäten des außerhalb des

' N e w Deal: B e z e i c h n u n g für die v o m damaligen US-Präsidenten R o o s e v e l t zur B e k ä m p f u n g der Weltwirtschaftskrise verfolgte Politik. Berühmt sind die großangelegten Programme für g e m e i n nützige Arbeiten unter dem G e s e t z zur Tennessee Valley Authority (TVA). 8 Stagflation: A u s d e n Wörtern Stagnation (konjunktureller Stillstand) und Inflation z u s a m m e n g e s e t z t e s Kunstwort.

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Marktmechanismus stehenden Staates sind nicht immer hinreichend effizient. Zudem hat in demokratischen Staaten die Wirtschaftspolitik einen Hang zur Ausweitung, und der Staat tendiert allmählich zur immer weiteren Aufblähung, weil der Einfluß von kleinen Gruppen, die ihren Mitgliedern große Vorteile verschaffen (Lobbyismus), den Einfluß großer Gruppen, die ihren Mitgliedern nur kleine Vorteile bringen, übersteigt. Im Ergebnis dessen werden die Aktivitäten des privaten Sektors durch die größer werdende Steuerbelastung und die verschiedenen staatlichen Reglementierungen beschnitten. A u f diese Weise wird schöpferisches Potential unterdrückt, und es stellt sich die Frage, ob nicht auch der Preis selbst seine Funktion als Information nicht mehr hinlänglich erfüllt. Eine neuerliche Beschränkung der Rolle des Staates und den Ausschluß der nicht verhältnismäßigen staatlichen Einmischung in den privaten Sektor vertritt daher der Neoliberalismus. Auch in der Wirtschaftspolitik soll der Preismechanismus gelten: Politische Ziele sollen dadurch erreicht werden, indem nicht den direkten staatlichen Aktivitäten, sondern den Marktaktivitäten soweit als möglich der Vorzug gegeben wird. Diese neoliberalen

Vorstellungen

haben

sich

hauptsächlich

in den

USA

und

Großbritannien durchgesetzt. Die von der amerikanischen Reagan-Administration durchgeführten Deregulierungen und die von der Thatcher-Regierung auf den Weg gebrachten Privatisierungen von Staatsbetrieben basieren auf ihnen. Das theoretische Gerüst des Neoliberalismus bilden die Monétariste^, die Schule der Rationalen Erwartungen 10 und die Supply-Side-Economics 11 . Diesen Schulen sind drei Ansichten gemeinsam: 1. Der Gedanke, daß auch der Staat angesichts der Schwächung des Marktes und seiner Verhaltensgrundlagen nicht über eine allmächtige Vernunft verfugt.

'

Monetaristen: D i e Vertreter dieses Ansatzes betonen die Bedeutung der Geldmengenkontrolle als

Instrument der Wirtschaftspolitik. S c h u l e der Rationalen Erwartungen: Fußt a u f dem Gedanken, daß die Erwartungsbildung für ö k o n o m i s c h e s Handeln die zu einem Zeitpunkt verfügbaren Informationen maximal und rational ausnutzt. Es wird für unmöglich gehalten, daß die staatliche Politik einen systematischen Einfluß auf die Wirtschaft ausüben kann. ' ' S u p p l y - S i d e - E c o n o m i c s : Ansatz, der die R e l e v a n z der Angebotsseite in der Wirtschaft betont. D a s Wachstum

soll

beschleunigt

werden,

indem

die

Angebotskraft

durch

die

Förderung

Ausrüstungsinvestitionen und dem A b b a u der Rigiditäten des Marktes gesteigert wird.

der

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Die Wirtschaftspolitik Japans

2. Eine konservative Geisteshaltung, die sich auf den Wert überlieferter Verhaltensweisen als Ausdruck kollektiver Vernunft besinnen möchte. 3. Die Überzeugung von der Stabilität der Gesellschaft und das wiedergewonnene Vertrauen in den Markt, nachdem keynesianische Politik die großen Krisen verhindert hat. Gleichzeitig muß allerdings berücksichtigt werden, daß dem Neoliberalismus etwas von der Logik des Starken anhaftet, wenn er den politischen Schutz der Schwachen einschränken will. Auf diese Weise kann es je nach Zeit und Land erhebliche Unterschiede in der Auffassung über die angemessene Rolle des Staates hinsichtlich der Wirtschaftspolitik geben. Auf diese Frage gibt es jedoch keine einseitige Antwort nach dem Muster Private oder Staat, frei oder beschränkt, Markt oder Plan. Es ist vielmehr wichtig, im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Institutionen, der gesellschaftlichen Stabilität und der jeweiligen Wertvorstellungen für jedes einzelne Problem eine ausgewogene Lösung zu finden.

3.1.2.4 Die Rolle der Wirtschaftspolitik Die Erwartungen über die Rolle der staatlichen Wirtschaftspolitik unterscheiden sich, wie bisher dargestellt, von Land zu Land und von Zeit zu Zeit. An dieser Stelle aber sollen die Funktionen der Wirtschaftspolitik in der Gegenwart grob umrissen werden, die sie in den entwickelten kapitalistischen Ländern, einschließlich Japan, nach allgemeiner Vorstellung erfüllen sollte. (1) Die Verhinderung großer Konjunkturschwankungen Bislang galt es als vornehmlichste Aufgabe der Wirtschaftspolitik, Vollbeschäftigung zu erreichen und Inflation zu verhindern. Denn Arbeitslosigkeit ist für die Betroffenen ein harter Schicksalsschlag. Gleichzeitig wird sie zur Quelle sozialer Instabilität, und auch für die Volkswirtschaft bedeutet sie einen Verlust. Inflation stört die Effektivität der Wirtschaft aufgrund des sinkenden Geldwertes. Damit wird auch einer ungerechteren Einkommensverteilung Vorschub geleistet. Dies zu verhindern, ist eine wichtige Funktion des Staates. Aber der Einsatz der Politik der Steuerung der effektiven Nachfrage in bezug auf minimale Kon-

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junkturbewegungen ist wegen des Erkenntnis-Lags (zeitliche Verzögerung, bis die politischen Entscheidungsträger die Konjunkturschwankung erfassen) und des Durchfiihrungs-Lags (zeitliche Verzögerung, bis die verabschiedeten Maßnahmen Ergebnisse hervorbringen) schwierig. Irrt man sich in Timing und Umfang, dann besteht die Gefahr, die Konjunkturschwankungen zu verschlimmern. Soll ferner langfristig ein Beschäftigungsstand nahe der Vollbeschäftigung erhalten werden, dann ist es wahrscheinlich, daß Inflation auftritt und die Einkommensverteilung verschlechtert. Deswegen ist es in der Gegenwart allgemein üblich, die Politik der Steuerung der effektiven Nachfrage nur auf große Konjunkturbewegungen zu beschränken. (2) Bereitstellung von Sozialkapital Neben dem Angebot reiner öffentlicher Güter einschließlich einer intakten natürlichen Umwelt, ist der Staat in die Bereitstellung und den Ausbau der gesellschaftlich relevanten Infrastruktur und der institutionellen Rahmenbedingungen direkt oder indirekt involviert. Dazu gehören grundlegende Systeme für Ausbildung und medizinische Versorgung ebenso wie lebensnotwendige Einrichtungen wie Wasser- und Abwasserleitungen. Aufgrund von Externalitäten 1 2 — der Nutzen für die Gesellschaft insgesamt ist größer als der Nutzen für ein einzelnes Individuum — ist es nötig, die Angebotsmengen an diesem Sozialkapital politisch auszudehnen. (3) Internationale Harmonisierung Heutzutage verfugt jedes Land in der Welt über Wirtschaftsbeziehungen mit verschiedenen Ländern via Handel und Kapitaltransfer. Schaut man sich in diesem Zusammenhang Japan an, das insbesondere mit natürlichen Ressourcen nicht gerade gesegnet ist, so sind Austauschbeziehungen mit anderen Ländern notwendig und unerläßlich. Wirtschaftskonflikte zu vermeiden, den Ausgleich mit der Wirtschaftspolitik anderer Länder voranzutreiben und die wirtschaftliche Zusam-

Externalitäten: Wirkungen, die außerhalb von Marktbeziehungen auftreten, nennt man externe E f f e k t e . Dabei werden positive Beeinflussungen als Externalitäten und negative Beeinflussungen als negative Externalitäten bezeichnet. Im Fall öffentlicher Güter entstehen Externalitäten, weil deren A n g e b o t nicht nur den direkten Nachfragern, sondern auch anderen Personen einen Nutzen bringt.

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menarbeit zu beschleunigen, ist eine wichtige Aufgabe für die Diplomatie und gleichzeitig eine Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik, deren Relevanz in den letzten Jahren größer geworden ist. (4) Die Erhaltung effizienter Märkte Damit der Preismechanismus effektiv wirkt, stellen in kapitalistischen Wirtschaftssystemen die Anbieter Güter und Dienstleistungen in Konkurrenz zueinander bereit. Es ist zudem unbedingt notwendig, daß die Nachfrager die Freiheit der Wahl haben. Wenn es nur einen Anbieter gäbe oder selbst mehrere Anbieter •den Wettbewerb störten, indem sie über Preisfestsetzungen zusammenarbeiten (Kartelle, Absprachen), ginge die Effizienz der Wirtschaft verloren. Aus diesem Grund verbietet der Staat Monopole per Gesetz. Gleichzeitig ist es notwendig, für Wettbewerbs fordernde Bedingungen zu sorgen. (5) Die Lenkung einer langfristigen Ressourcenallokation Der Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik aller Industrieländer lag nach dem Krieg in der Realisierung von Wirtschaftswachstum. Wirtschaftswachstum ist langfristig mit der Erhöhung des Konsumniveaus und des Wohlstands verbunden, doch weil sich dies über lange Zeiträume erstreckt, hat man den Eingriff der Regierung für notwendig gehalten. Wenn insbesondere die für das Wachstum erforderlichen Ressourcen begrenzt sind, dann ist der Beitrag der Regierung für deren effiziente Allokation als unverzichtbar gehalten worden. Heutzutage sind die Beschränkungen der Ressourcen und der natürlichen Umwelt erkannt worden. Wirtschaftswachstum als bloße quantitative Zunahme hat seine frühere Anziehungskraft verloren. Doch wenn man am Ziel einer langfristigen Wohlstandsmehrung der Bevölkerung nicht rüttelt, dann ist die Beteiligung des Staates an der langfristigen Ressourcenallokation erforderlich. Als Quelle für ein langfristiges Wirtschaftswachstum wird beispielsweise der technologische Fortschritt angeführt. Doch wie die Grundlagenforschung zeigt, ist dieser Prozeß sehr zeitintensiv und sein ökonomischer Ertrag unsicher. Die Notwendigkeit staatlicher Unterstützung wird daher in diesem Fall wohl auf breite Unterstützung treffen. Ferner stellt die oben genannte Bereitstellung von Sozialkapital an sich eine direk-

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te Veränderung der langfristigen Ressourcenallokation dar. Daneben ist die staatliche Lenkung der Ressourcenallokation auch bei solchen Tätigkeiten nötig wie der Bereitstellung von Wohnraum und urbaner Funktionen. Auch dies trägt langfristig zur Mehrung des sozialen Wohlstands bei. In den letzten Jahren werden vor allem in den USA und Großbritannien im Rahmen der Supply-Side Economics durch das Steuersystem Ersparnisse und Ausrüstungsinvestitionen angeregt und somit auf wirtschaftliches Wachstum gezielt. Auch diese hat die Lenkung der langfristigen Ressourcenallokation in bezug auf Konsum und Investitionen zum Ziel. (6) Gerechte Verteilung Die Unterschiede in den Vermögen und Einkommen der Mitglieder der Gesellschaft „richtig" zu gestalten und die Gerechtigkeit in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, ist eine wichtige Funktion des Staates. In kapitalistischen Volkswirtschaften ergeben sich einerseits durch die Fähigkeiten und Bemühungen der Individuen Einkommens- und Vermögensunterschiede. Andererseits jedoch können auch die Chancen auf Einkommenserwerb begrenzt werden durch „höhere Gewalt" wie Krankheit oder Unfall. Wenn solche vom Willen der Menschen unabhängigen Unterschiede maßgebend werden, dann werden die Gleichheit der Menschen und die Gerechtigkeit verletzt. Auch gesellschaftlich ist dies schwer zu akzeptieren. Damit diese Situation nicht eintritt, korrigiert der Staat die Verteilung durch das Steuersystem und den Mechanismus der Sozialversicherung. Natürlich ist es in erster Linie eine Frage von Werten und Ansichten, welche bzw. in welchem Maße Unterschiede gesellschaftlich nicht akzeptiert werden können, und dies differiert auch stark je nach Zeit und Region. Ein extremes Beispiel ist eine sozialistische Völkswirtschaft, die den Hauptschwerpunkt auf die Gerechtigkeit der Verteilung legt, doch auch in den kapitalistischen Völkswirtschaften sind die Ansichten von starken Unterschieden geprägt, z.B. zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

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Die Wirtschaftspolitik Japans

(7) Erhöhung der Effektivität des Staates Wie bereits erwähnt ist der Staat nicht allmächtig, sondern hat bestimmte Grenzen. Wo diese liegen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiger Aspekt sind jedoch die „Kosten der Politik". Es ist erforderlich, stets zu klären, welche Wirkungen die Politik hat, indem ihre Kosten und ihr Nutzen aufgerechnet werden. Desweiteren ist es wichtig, daß der Staat stets die Erhöhung seiner Effektivität fördert und Verschwendung und die Tendenz zur Hypertrophie eliminiert. Soweit es möglich ist, sollten Aufgaben der Privatwirtschaft anvertraut werden. Die oben genannten Funktionen sind nicht voneinander isoliert, vielmehr bestehen wechselseitige Zusammenhänge. Beispielsweise dient die zusätzliche Durchführung öffentlicher Investitionen der Expansion der Gesamtnachfrage, ebenso aber auch der Bereitstellung von Infrastruktur und der Verbesserung der Zahlungsbilanz durch die Ausweitung der Binnennachfrage. Andererseits stehen der Zielharmonie auch Zielkonflikte gegenüber. Das klassische Beispiel hierfür ist die Eindämmung der Inflation und die Ausweitung der Nachfrage. Im Fall der Ölkrise, die ja bekämpft werden sollte, ist der Umfang der von der Regierung gestaltbaren Politik daher äußerst begrenzt gewesen, und die Regierung stand vor einer schwierigen Entscheidung, für welche der Alternativen sie sich entscheiden sollte.

3.1.3 Welche politischen Instrumente existieren? Im folgenden wird ein grober Überblick über die typischen politischen Instrumente, ihre theoretischen Fundierungen und Funktionen gegeben (für detaillierte Darstellungen sei auf die einzelnen Kapitel verwiesen). Bei der Gestaltung der realen Politik wird aus der Palette dieser Mittel jeweils dasjenige ausgewählt, das von der Regierung als das beste angesehen wird. (1) Finanzpolitik Die Finanzpolitik, die ein unmittelbares ökonomisches Handeln der Regierung darstellt, d.h. Entscheidungen über die Höhe und den Inhalt von Steuereinnahmen und -ausgaben, stellt das wirtschaftspolitische Instrument dar. Bei grober Einteilung der Ziele und Wirkungen von Finanzpolitik können makro- und mikroökonomi-

Die Wirtschaftspolitik Japans

69

sehe Effekte unterschieden werden. Der makroökonomische Effekt beruht auf der quantitativen Variation der Höhe der Einnahmen und Ausgaben des Fiskus. Dies ist ein bevorzugtes keynesianisches Konzept. Durch die Änderung der Gesamtsumme von Einnahmen und Ausgaben wird die effektive Nachfrage verändert. Die Steuerung des Konjunkturverlaufs ist der Hauptzweck dieser Wirtschaftspolitik. Die Konjunktur wird beispielsweise durch Ausgaben für öffentliche Arbeiten über die Nachfrage für die Unternehmen und ferner durch Einkommensteuersenkungen über das verfügbare Einkommen der Haushalte beeinflußt (Beschränkungen öffentlicher Arbeiten oder Steuererhöhungen haben den gegenteiligen Effekt). Der mikroökonomische Effekt hingegen richtet sein Hauptaugenmerk darauf, welche Wirkungen der Fiskus auf die einzelnen Branchen und Wirtschaftssubjekte ausübt. Unter dem Aspekt der Industriestruktur verursacht eine qualitative Änderung der Ausgaben eine Veränderung der Nachfrage denjenigen Branchen gegenüber, die die betreffenden Güter anbieten, und sie verändert damit die Ressourcenallokation. Ferner hat die öffentliche Kapitalbildung (z.B. im Fall staatlicher Investitionen) Einfluß auf den Pfad der branchenbezogenen Kapitalbildung und damit auf das Produktionspotential; auch dadurch kommt es zu einer Beeinflussung

der

wirtschaftlichen

Entwicklung.

Für

die

einzelnen

Wirtschaftssubjekte ist der Effekt der Einkommensumverteilung bedeutend. Die Entscheidungen darüber, von wem und in welcher Höhe Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung eingenommen werden oder an wen die Ausgaben des Sozialversicherungssystems in welcher Weise gerichtet werden, ist ein Instrument, das die Verteilung von Einkommen und Vermögen verändert. Progressive Einkommensteuern bedeuten eine Einkommensumverteilung von Personen mit höheren Einkommen zugunsten von Personen mit niedrigeren Einkommen. Erbschaftsteuern bedeuten eine Vermögensumverteilung von Personen mit großen Vermögen zugunsten von Personen mit geringen Vermögen. Außerdem wird der relative Preis der Güter beeinflußt. Die Festlegung, welche Ware, welcher Produktionsfaktor mit Steuern belegt wird, verändert den relativen Preis zwischen den

70

Die Wirtschaftspolitik Japans

Waren und Produktionsfaktoren und verschiebt die

Ressourcenallokation.

Beispielsweise haben die vor der Einfuhrung der Verbrauchsteuer vorhandenen einzelnen Steuern auf Luxuswaren die Nachfrage nach diesen Waren dadurch reduziert, daß sie den relativen Verkaufspreis im Vergleich zu dem anderer Waren steigen ließen. (2) Geldpolitik Das Währungssystem an sich ist das grundlegendste System der Gesellschaft, ihr Fundament. In der Welt des Warentauschs sind die Tauschmöglichkeiten extrem begrenzt gewesen, doch mit Hilfe von Geld (sowie eines Kreditsystems) wird es möglich, durch z.B. heute erhaltene Einkommen morgen die gewünschten oder benötigten Dinge zu erwerben. Die Bewahrung eines solchen stabilen Währungsund Kreditsystems ist eine grundlegende Aufgabe der Regierung bzw. der Währungsbehörde. Zusätzlich zu dieser grundlegenden Funktion kommt der Geldpolitik

die

makroökonomische Rolle der Inflationsbekämpfung und der Konjunkturbelebung zu, da insbesondere die Geldmenge sowie Zinssatzänderungen auf die Ökonomie einen großen Einfluß ausüben. Eine Zinssatzsenkung läßt die Investitionen insgesamt ansteigen und erhöht damit die gesamtwirtschaftliche effektive Nachfrage, da sie die Zinslast für Investitionskapital vermindert. Demgegenüber wird die Reduzierung des Geldangebotes zu einem wichtigen Instrument der Eindämmung der Inflation. Zusätzlich zur grundlegenden Funktion, das Vertrauen in das Bankensystem des Landes zu erhalten, besteht daher auch die Aufgabe der kurzfristigen Konjunktursteuerung. Grundsätzlich zielt die Geldpolitik auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht. Es gibt jedoch Fälle, bei denen auch die mikroökonomische Ressourcenallokation beeinflußt wird. Diskretionäre Allokationsentscheidungen, die öffentliche Gelder 1 3

Ö f f e n t l i c h e Gelder: Finanzierungen, die von der Regierung, regionalen öffentlichen Körperschaften und d e r B a n k

o f Japan

für bestimmte politische

Z i e l e durchgeführt

werden

wie

industrielle

E n t w i c k l u n g , Hilfestellung für Klein- und mittlere Unternehmen sowie die Förderung der L a n d - , Forst- und Fischerei wirtschaft.

Die Wirtschaftspolitik Japans

71

via Finanzierungsinstitutionen der Regierung in bestimmten Bereichen einsetzen, haben z.B. den Effekt, die Ressourcenallokationen in diese Richtung zu lenken. (3) Staatliche Vorschriften und allgemeine Institutionen Moderne Staaten werden mit Gesetzen regiert. Darunter gibt es auch Bestimmungen und Vorschriften, die die privatwirtschaftlichen Aktivitäten einschränken. Auch wenn der Staat dabei nicht direkt Kapital einzieht und verteilt, können diese Regelungen als Wirtschaftspolitik einen großen Einfluß haben. Folglich haben die staatlichen Vorschriften und Institutionen wie z.B. das Sozialversicherungssystem auch ökonomisch einen großen Einfluß. Diese Vorschriften müssen politisch ausgewogen sein, die langfristigen Entwicklungsrichtungen von Wirtschaft und Gesellschaft beachten und in koordinierender Weise für die Stabilität des Systems sorgen. Ein typisches Beispiel für gesetzliche Vorschriften ist das Verbot von Monopolen. Das Hauptziel des Anti-Monopol-Gesetzes 14 besteht darin, die Effektivität der Märkte dadurch zu sichern, daß monopolistische Preisbildungen ausgeschlossen werden. Das bedeutet nicht, daß der Staat direkt durch das Anti-Monopol-Gesetz die Kapitalströme beeinflußt. Doch der Einfluß auf den privaten Sektor ist sehr groß und damit ebenso die wirtschaftspolitische Relevanz. Als typisches Beispiel einer Institution bietet sich das Sozialversicherungssystem für Überlegungen an. So werden beim System der öffentlichen Renten während der Erwerbstätigkeit die Beiträge zwangsweise eingezogen, und ab Erreichen der Altersgrenze ist ein Einkommen garantiert. Es ist wahrscheinlich, daß die Abgabenquote und die Versorgungshöhe das Spar- und Konsumverhalten der Haushalte beeinflußt. In jüngster Zeit werden häufig Deregulierungsmaßnahmen gefordert, um die privatwirtschaftlichen Aktivitäten zu stimulieren. Auch wenn staatliche Vorschriften zur Zeit ihrer Festlegung politisch sinnvoll und effektiv waren, kann es vorgekommen, daß sie infolge wirtschaftlicher Veränderungen und infolge des Wer-

Japanischer Gesetzesname: Dokusen kinshi hö.

72

Die Wirtschaftspolitik Japans

tewandels den Bezug zur Realität verloren haben. Durch Lockerung oder Anpassung der Vorschriften werden neue Gewinnmöglichkeiten geboten und parallel dazu die Effizienz der Märkte gesteigert. Die Deregulierung ist eine weltweite Tendenz, die sich außerdem auf immer mehr Gebiete und Branchen erstreckt. Da das Konzept von Landesgrenzen in der Wirtschaft obsolet geworden ist, kommt die Deregulierung immer schneller dadurch voran, daß, wenn ein Land Deregulierungen vornimmt, ein anderes Land ebenso seine Vorschriften lockert, um die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern. Auch unter dem Einfluß des technischen Fortschritts werden einstige Vorschriften bedeutungslos, was wiederum die Deregulierung vorantreibt. (4) Indikative Pläne Bei der Lenkung der mittel- und langfristigen Ressourcenallokation ist es erforderlich, sowohl die künftige Gestalt der Wirtschaft und ihre Problempunkte als auch die politischen Tendenzen transparent zu machen, die Absicht der Lenkung in ihrer Gesamtform darzustellen und das Verständnis und die Zustimmung der Bevölkerung zu erlangen. Diese Rolle spielen die indikativen Wirtschaftspläne. Im folgenden Abschnitt wird detaillierter auf sie eingegangen. (5) Direkte Kontrolle Auch wenn es dem kapitalistischen Wirtschaftssystem grundsätzlich widerspricht, gibt es Fälle, in denen eine direkte Kontrolle auch privatwirtschaftlicher Handlungen erforderlich ist: in plötzlichen Notzeiten, um gesellschaftliche Gerechtigkeit durchzusetzen, um die Sicherheit zu gewährleisten oder um die inländische Produktion zu schützen. Beispiele für solche direkten Eingriffe in Notzeiten sind die Kontrollen von Produktion und Distribution der verschiedenen Rohmaterialien während der Wiederaufbauphase nach dem Krieg und die Preiskontrollen für Petroleum und Toilettenpapier während der ersten Ölkrise (Bestimmung von Standardpreisen aufgrund des Gesetzes über dringende Maßnahmen zur Stabilisierung des Lebens der Bevölkerung).

Die Wirtschaftspolitik Japans

73

3.2 Die Rolle von Wirtschaftsplänen in der Wirtschaftspolitik 3.2.1 Der Charakter der japanischen Wirtschaftspläne Wirtschaftspläne sind Pläne, die — kurz gesagt — die Verteilung der für eine mittel- und langfristige Mehrung des Wohlstands der Bevölkerung erforderlichen Ressourcen festlegen und über die dabei nötige Rolle des Staates und die m ö g lichen politischen Mittel entscheiden. Charakter und B e s c h a f f e n h e i t der Wirtschaftspläne differieren naturgemäß erheblich j e nach Land. In sozialistischen Ländern existieren detaillierte „direktive" Pläne, die direkte Festlegungen über Produktion, Verteilung und Investitionen beinhalten. Mit dem Wort „Plan" werden allgemein diese Pläne assoziiert. Demgegenüber sind die Eingriffe der Regierung in die privatwirtschaftlichen Aktivitäten in kapitalistischen Ländern grundsätzlich gering. Aus diesem Grund finden solche „direktiven Pläne" in kapitalistischen Ländern keine Anwendung. Aber auch die Rolle der Regierung in kapitalistischen Ländern, die die Bereitstellung von Sozialkapital, die Lenkung der langfristigen Ressourcenallokation, eine gerechtere Verteilung und die Aufrechterhaltung der Effektivität des Marktes von einem mittel- und langfristigen Standpunkt aus koordinierend umsetzen muß, ist groß. In den meisten Ländern werden für solche Ziele Wirtschaftspläne oder diesen ähnliche Pläne beschlossen. Diese Pläne haben gleichzeitig die Funktion, der Bevölkerung das gewünschte Aussehen der Wirtschaft, mittel- und langfristige Wirtschaftsprognosen sowie die ungefähre Richtung der Politik der Regierung zu verdeutlichen. Die Pläne werden darum „indikative Pläne" genannt. Die Rolle der „indikativen Pläne" läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Ausblick und Prognosen über die mittel- und langfristig gewünschte und zudem realisierbare Entwicklungsform von Wirtschaft und Gesellschaft. 2. Aufzeigen der Aufgaben, die künftig in Wirtschaft und Gesellschaft anstehen. 3. Darstellung der von der Regierung in Zukunft verfolgten politischen Zielrichtung. 4. Bestimmung der Handlungsschweipunkte und der Instrumente zu ihrer Umsetzung; 5. Konkrete Vorschläge für einzelne Maßnahmen und institutionelle Veränderungen.

74

Die Wirtschaftspolitik Japans

6. Erzielen eines gesellschaftlichen Konsenses durch die Mitarbeit an der Planerstellung und seine Veröffentlichung, der das Handeln der Haushalte und Unternehmen in einem fairen Interessenausgleich leitet.

3.2.2 Die Verbindung von Wirtsehaftsplänen zu anderen Plänen Neben den Wirtschaftsplänen existieren noch andere Arten von Plänen und Prognosen, die die Regierung erstellt (siehe Diagramm 3.1).

Diagramm 3-1 Der Wirtschaftsplan und dessen Verbindung zu anderen Plänen

Bei der Einteilung dieser Pläne gibt es verschiedene Klassifikationsmöglichkeiten. Zunächst können die Pläne in Abhängigkeit von ihrem Charakter in Pläne für einzelne Bereiche und Gesamtpläne eingeteilt werden. So sind beispielsweise der Wirtschaftsplan und der Nationale Plan zur Gesamtentwicklung Gesamtpläne. Als Beispiel eines Einzelplanes gilt der Plan für öffentliche Investitionen. Er besteht aus dem Basisplan 15, der den Gesamtrahmen der mittelfristigen Investitionen festlegt, und den Arbeitsplänen, die die mittelfristig in Angriff zu nehmenden Projekte

Basisplan f ü r ö f f e n t l i c h e Investitionen: als Resultat d e r structural

impediment

initiative

zwischen

den U S A und Japan im Jahre 1990 beschlossen. Darin ist festgelegt, d a ß zwischen 1991 und 2 0 0 0 jährliche Investitionen in H ö h e von 4 3 0 Billionen Yen getätigt werden sollen.

Die Wirtschaftspolitik Japans

75

für jeden Bereich wie Straßenbau und Uferschutz durch Baumpflanzungen festlegen. Es ist auch eine Klassifikation in Abhängigkeit der Planungsdauer möglich. So gibt es hinsichtlich der Länge der wirtschaftlichen Prognose sowohl — wie beim Wirtschaftsplan — mittelfristige als auch — wie beim jährlichen Wirtschaftsausblick i 6 — kurzfristige Pläne. Zwischen diesen Plänen muß die Kompatibilität gewahrt bleiben. Der z.B. im Wirtschaftsplan festgelegte mittelfristige Wirtschaftsrahmen (Wirtschaftswachstumsrate, Inflationsrate usw.) ist die Vorbedingung bei der Erstellung der einzelnen Arbeitspläne. Die Größe der Investitionssumme im Nationalen Gesamtentwicklungsplan beeinflußt wiederum den wirtschaftlichen Rahmen. Deswegen wird bei der Festlegung solcher Pläne sorgfaltig darauf geachtet, daß in den unterschiedlichen Plänen nicht etwa Widersprüche auftauchen.

3.2.3 Die japanische Wirtschaftspolitik anhand der Wirtschaftspläne Seit den Wiederaufbauplänen unmittelbar nach dem Krieg bis zum gegenwärtigen „Fünfjahresplan zu Steigerung der Lebensqualität" ist die Zahl der von der Regierung öffentlich und nicht öffentlich erstellten langfristigen Wirtschafitspläne auf 21 angestiegen (siehe Tabelle 3-1). Im folgenden sollen die Besonderheiten dieser Pläne zusammengefaßt werden.

Wirtschaftsausblick: wird am Ende jedes Jahres parallel zum Etatentwurf veröffentlicht. Er enthält u.a. Angaben zur Wachstumsrate, zur Inflationsrate und zur Zahlungsbilanz.

76

Die Wirtschaftspolitik Japans

Tabelle 3-1 Wirtschaftspläne der Nachkriegszeit Monat und Jahr der Inkraftsetzung

Zieljahr

Kabinett während der Verabschiedung

Erster Entwurf des Planes zum wirtschaftlichen Wiederaufbau

05/1948

1952

Katayama

Plan zum Wiederaufbau der Wirtschaft

05/1949

1953

Yoshida

Neun Prinzipien der Wirtschaft (12/1948) Inkraftsetzung eines einheitlichen Wechselkurses (04/1949)

Bedingungen zum Erreichen einer selbständigen Wirtschaft

05/1950

1952

Voshida

Korea-Krieg (06/1950)

Plan für wirtschaftliche

01/1951

1953

Yoshida

Dallas-Proklamation Konzeption für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Japan u. den USA (01/1951)

Selbständigkeit

politische und wirtschaftliche Lage während der Verabschiedung Strike-Bericht (03/1948) Drayper-Report (05/1948) Vorschlag zur vorübergehenden Stabilisierung der Wirtschaft Veröffentlichung gestoppt

Arbeit auf Top-Niveau

04/1951

1954

Yoshida

Geschätestart der Japan Development Bank (04/1951)

Beleg B

08/1951

1954

Yoshida

Feierliche Unterzeichnung des Friedensvertrages. Paraphierung des Japanisch-Amerikanischen Sicherfieitspaktes (09/1951)

Wirtschaftsplan 1957

02/1953

1957

Yoshida

Freigabe des britischen Pfundes (12/1952) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (02/1953)

Okano-Konzeption

12/1953

1957

Yoshida

Zustandekommen des Waffenstillstandes im

1/1955

1960

Hatoyama

Kabinett Hatoyama nimmt die Amtsgeschäfte auf (12/1954)

Fünfjahresplan zur wirtschaftlichen Selbständigkeit

12/1955

1960

Hatoyama

Paraphierung des Japanisch-Chinesischen Handelsabkommen (05/1955)

Kabinettsbeschluß

Neuer langfristiger

12/1957

1962

Kishi

Nationalisierung der Suez-Kanal-Gesellschaft (07/1956) Gemeinsamer Markt (EWG)

Kabinetts-

Plan zur Verdopplung des Volkseinkommens

12/1960

1970

Ikeda

Mittelfristiger Wirtschaftsplan

11/1964

1968

Salò

Beitritt zur OECD

Wirtschafts- und Sozialentwicklungsplan

03/1967

1971

Satö

Ausgabe neuer Staatsanleihen (01/1966)

Kabinettsbeschluß

Neuer Wirtschafts- und Sozialentwicklungsplan

05/1970

1975

Satö

Zweite Kapitalmarktliberalisierung (03/1969) Anhebung des Yen-Wechselkurses (12/1971) Debatte zur Neugestaltung des japanischen Archipels (06/1972)

Kabinettsbeschluß

Grundplan für Wirtschaft und Gesellschaft

02/1973

1977

Tanaka

Übergang zu einem floatenden YenWechselkurs-System (02/1973)

Kabinettsbeschluß

Wirtschaftsplan für die Jahre 1976-1980

05/1976

1980

Miki

Erste Ölkrise

Kabinettsbeschluß

Neuer Siebenjahrplan der ökonomischen u. soz. Entwicklung

08/1979

1985

Ohira

Regimewechsel im Iran (01/1979)

Kabinetts-

Ausblick und Richtlinien für die

08/1983

1990

Nakasone

Korea-Krieg (07/1953) (Umfassender Sechsjahresplan)

Wirtschaftsplan

beschluß Kabinettsbeschluß

Japan erlangt den Status

des Artikels 8 des IMF (04/1964)

beschluß

Wirtschaft in den 1980er Jahren Japan, das mit der Welt gemeinsam lebt

05/1988

1992

Takeshita

Fünfjahresplan für das Werden Japans zu einer Großmacht in bezug auf Lebensqualität

06/1992

1996

Miyazawa

Zweiter außerordentlicher Verwaltungsun-

Kabinetts-

tersuchungsausschuß (04/1981)

beschluß

Plaza-Abkommen der G5 (09/1985)

Kabinettsbeschluß Kabinettsbeschluß

Die Wirtschaftspolitik Japans

77

(1) In jedem Fall ist die Respektierung der Funktionen des Marktes der Grundgedanke. Natürlich trugen die kurz nach dem Krieg aufgestellten Pläne Züge einer Kommandowirtschaft zur Mobilisierung von Gütern und Kapital. Aber letztlich hat auch dies die schnelle Wiederherstellung der Funktionsweise marktwirtschaftlicher Strukturen zum Ziel gehabt. (2) Die Zahl der Pläne ist ungewöhnlich hoch. Bislang sind alle Pläne noch vor Ablauf ihrer Frist durch einen neuen Plan ersetzt worden. Das beruht darauf, daß die japanischen Wirtschaftspläne hinweisenden Charakter tragen. Für den Fall, daß nach der Verabschiedung eines Planes sich die Entwicklung der Wirtschaft erheblich von der im Plan angenommenen unterscheidet, ist man flexibel genug, einen neuen Plan in revidierter Fassung zu erstellen. Eine solche Flexibilität ist insbesondere in einer Phase dynamischen Wirtschaftswachstums mit hohen Wachstumsraten wichtig. Dadurch konnte der negative Aspekt von Wirtschaftsplänen, ihre Starrheit, überspielt werden. (3) Der institutionelle Prozeß für die Festlegung der Wirtschaftspläne verfahrt zweigleisig: Neben der Arbeit auf administrativer Ebene besteht die Tätigkeit des Wirtschaftsberatungsausschusses auch darin, die Meinungen aus allen Schichten der Bevölkerung zu bündeln (siehe Diagramm 3-2).

Diagramm 3-2 Institutioneller Mechanismus bei der Festlegung der Wirtschaftspläne Regierung

;

Wirtschaftsberatungsausschuß

78

Die Wirtschaftspolitik Japans

Der Wirtschaftsberatungsausschuß 17 ist das beratende Organ des Premierministers. Er erstellt Pläne auf der Basis der Zusammenarbeit mit zuständigen Ministerien und Behörden unter der Federführung des Wirtschaftsplanungsamtes. Seine Berichte werden in fast unveränderter Form vom Kabinett beschlossen und bilden den Wirtschaftsplan der Regierung. Da auf diese Weise die Planfestsetzung durch die Zusammenarbeit von Regierungsebene und Beratungsausschußebene durchgeführt wird, wird die Festlegung eines Wirtschaftsplanes möglich, bei dem sowohl der Administration Verantwortung zukommt als auch gleichzeitig die Meinungen aus allen Bevölkerungsschichten verdichtet werden. (4) Die Methode der Planerstellung hat sich im Laufe der Zeit geändert. Früher wurde die Technik der stufenweise Approximation verwandt, indem einzelne Prognosen, die man auf Basis verschiedener Informationen erstellt hatte, unter Prüfung ihrer Kompatibilität zusammengefaßt wurden. Mit der Zeit jedoch ist die Entwicklung eines Modells wünschenswert geworden, das die komplizierten Interdependenzen aller ökonomischen Parameter integrierend analysiert. Daher hat sich auf der Grundlage des Wirtschaftsberatungsausschusses die Kommission für Ökonometrie 18 konstituiert, die ökonometrische Modelle für die mittel- und langfristige wirtschaftliche Entwicklung Japans entwickelt. Unter den von der Kommission für Ökonometrie entwickelten und in den Wirtschaftsplänen angewendeten Modellen gibt es mittelfristige makroökonomische Modelle, Input-Output-Modelle sowie mittel- und langfristige Modelle für die meisten Branchen. Natürlich stellen die ökonometrischen Modelle eine Art Vereinfachung dar, und in Abhängigkeit der Annahmen gelangt man zu unterschiedlichen Resultaten. Doch in Erkenntnis deren Grenzen können sie als wichtige Informationsquelle verwertet werden. (5) Vergleicht man die von den Wirtschaftsplänen prognostizierte Entwicklung der Wirtschaft mit dem tatsächlichen Bild, insbesondere anhand der realen

" Wirtschaftsberatungsausschuß: im Jahre 1952 geschaffenes, beratendes Organ des Premierministers. D a s G r e m i u m setzt sich aus nicht mehr als 30 in allen wissenschaftlichen Disziplinen e r f a h r e n e n P e r s o n e n z u s a m m e n . Im Bedarfsfall werden als Unterorganisationen K o m i t e e s oder U n t e r a u s s c h ü s s e gebildet. K o m m i s s i o n für Ö k o n o m e t r i e : Beim Wirtschaftsberatungsausschuß angesiedelte K o m m i s s i o n zur E n t w i c k l u n g u n d A n w e n d u n g ökonometrischer Modelle.

Die Wirtschaftspolitik Japans

79

Wachstumsrate, dann erkennt man, daß die tatsächlichen Wachstumsraten anfangs immer höher als die vorausberechneten gelegen haben. Dies deutet darauf hin, daß das hohe Wachstum die Erwartungen noch übertroffen hat. Die prognostizierten Wachstumsraten der Pläne sind daraufhin immer höher angesetzt worden. Aber nach der Ölkrise haben die tatsächlichen Wachstumsraten unter den prognostizierten gelegen. Infolgedessen sind auch die geplanten Wachstumsraten wieder nach unten revidiert worden.

3.3 Wirtschaftspolitik der Nachkriegszeit Die Richtung der Wirtschaftspolitik verändert sich mit der Zeit. In diesem Abschnitt werden die Strömungen der japanischen Nachkriegs-Wirtschaftspolitik grob umrissen und ferner einige Aspekte der Wirtschaftspolitik der jüngsten Zeit betrachtet.

3.3.1 Wirtschaftspolitik während der Wiederaufbauphase nach dem Krieg Es braucht nicht besonders erwähnt zu werden, daß während der Wiederaufbauphase nach dem Krieg die Frage im Vordergrund gestanden hat, wie die durch die Kriegsniederlage am Boden liegende japanische Wirtschaft schnell wieder aufgebaut wird. Konkret umfaßt dies die folgenden Punkte: 1. Die so schnell wie mögliche Rückkehr der Wirtschaft auf den durchschnittlichen Lebensstandard der Vorkriegszeit, d.h. der Jahre zwischen 1930 und 1934. 2. Die Reorganisation des vor und während des Krieges aufgebauten Systems der „Kriegswirtschaft" und die Schaffung demokratischer Wirtschaftsstrukturen: Auflösung der zaibatsu, Bodenreform 1 ^ und Demokratisierung der Arbeitswelt. 3. Beseitigung der horrenden Nachkriegsinflation und die Herstellung stabiler wirtschaftlicher Austauschbeziehungen.

' ^ B o d e n r e f o r m : In Japan unmittelbar nach K r i e g s e n d e d u r c h g e f ü h r t e Politik zur G r ü n d u n g von landwirtschaftlichen Betrieben im Eigentum von Bauern. Dabei fanden Z w a n g s v e r k ä u f e von landwirtschaftlich genutzten Flächen an die Pachtbauern statt.

80

Die Wirtschaftspolitik Japans

4. Aufbau eines weitreichenden Kontrollsystems zur Stabilisierung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung angesichts von Güter- und Kapitalmangel. Die „Vorzugsproduktion" sowie die „Dodge-Line" sind die herausragenden wirtschaftspolitischen Konzepte jener Zeit. Die Vorzugsproduktion konzentrierte die durch die Kriegseinwirkungen äußerst begrenzten Produktionsressourcen auf die Produktion der grundlegenden Produktionsmittel Kohle und Stahl. Dies sollte zur Initialzündung für den industriellen Wiederaufbau werden. Bis zu einem gewissen Grad ist diese Politik auch erfolgreich gewesen. Sie hat vor allem den Weg zur Hinwendung zur Schwer- und Chemieindustrie der späteren Industriestruktur gewiesen. Die Dodge-Line auf der anderen Seite zielte auf eine Politik der rigorosen Zurückhaltung, vor allem in der Finanzpolitik. Sie hat das Ziel der Inflationsbeseitigung erreicht und zur Wiedererrichtung einer „Marktwirtschaft" beigetragen. Ferner ist durch die Festsetzung eines einheitlichen Wechselkurses von einem Dollar zu 360 Yen zur Stabilität langfristiger Handelsbeziehungen beigetragen worden. Gleichzeitig jedoch sind die Nebenwirkungen dieser restriktiven Politik groß gewesen, und die Wirtschaft fiel in eine starke Rezession. Japan konnte diese Krise jedoch wegen des Ausbruchs des Korea-Krieges und der damit verbundenen Sondernachfrage überwinden.

3.3.2 Die Politik in der Periode des hohen Wirtschaftswachstums Das Wachstum der japanischen Wirtschaft, vor allem auch der Anlageinvestitionen, hat sich ab etwa 1955 beschleunigt und die Phase des sogenannten Hochwachstums erreicht. Die politischen Ziele dieser Zeit umfassen 1. Wachstumsförderung, 2. Vollbeschäftigung und 3. Hebung des Lebensstandards. Die Rolle des Staates in diesem Zusammenhang wurde für wichtig erachtet, und der „Wirtschaftsplan" ist infolgedessen in den Rang der offiziellen Regierungsplanung gehoben worden. Der durch das Kabinett Ikeda verabschiedete „Plan zur Verdoppelung des Volkseinkommens" zeigt diese Bedeutung sehr deutlich. Darin ist das Ziel ausgegeben worden, innerhalb von zehn Jahren das reale BSP zu verdoppeln. Er zeigt die dafür erforderliche Politik auf und zeichnet ein Bild des

Die Wirtschaftspolitik Japans

81

Lebens der Bevölkerung nach Zielerreichung. Die politischen Mittel während der Phase des Hochwachstums sind im Grunde eine expansive Finanz- und Geldpolitik. Auf geldpolitischer Seite förderte man niedrige Zinssätze, und es sind ferner öffentliche Gelder zur Finanzierung verschiedener politischer Aufgaben eingesetzt worden. Auf finanzpolitischem Gebiet ist eine Politik der Expansion der effektiven Nachfrage durch öffentliche Investitionsprojekte verfolgt worden. In der Hochwachstumsphase steigt die private Nachfrage mit Schwerpunkt auf den Anlageinvestitionen im Prozeß der Diffusion technischer Innovationen mit dem Ziel, die westliche Spitzentechnologie einzuholen bzw. economies of scale2® zu realisieren, stark an. Durch diese Investitionen verbessert sich die Produktivität, und durch die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit nehmen die Exporte zu. Dadurch werden wiederum neue Investitionen notwendig, und ein positiver Investitionskreislauf entsteht. Obwohl auf diese Weise auf der einen Seite das Ziel eines hohen Wachstums erreicht worden ist, sind auf der anderen Seite „Verzerrungen" aufgetreten wie Preisanstieg und das Zurückbleiben des Sozialkapitals. Das 1964 gebildete Kabinett Sato hat Preisstabilität und eine gleichgewichtige internationale Zahlungsbilanz zu den Hauptzielen erklärt und eine stabile Wachstumspolitik beabsichtigt. Doch wegen der Rezession im Jahre 1965 ist man nicht umhin gekommen, eine expansive Politik zu ergreifen. Im Jahre 1965 ist eine Reihe von konjunkturbelebenden Maßnahmen realisiert worden. Zudem hat man sich im Jahre 1966 im allgemeinen Haushaltsetat vom bis dahin praktizierten Prinzip der ausgeglichenen Finanzen verabschiedet und erstmals eine Verschuldungspolitik betrieben. Obwohl es auf diese Weise zu einer Abkehr von der restriktiven Politik gekommen ist, blieb im Grundsatz das Bewußtsein, die verschiedenen Probleme des schnellen Wachstums zu lösen, vorherrschend. Anschließend geriet vor dem Hintergrund der internationalen Überschußliquidität an Dollars Ende der 60er Jahre das internationale Währungssystem ins Schwanken, und inflationäre Tendenzen nahmen zu. 20 Economies

ofscale:

Durch die Ausweitung der Produktionsmenge sinken die Produktionskosten.

82

Die Wirtschaftspolitik Japans

Das Kabinett Tanaka, das im Juli 1972 das Amt angetreten hat, hat das auf eine effektive Nutzung des Landes unter Führung des öffentlichen Sektors zielende „Programm zur Neugestaltung des japanischen Archipels" verabschiedet. Diese expansiv geprägte Politik hat jedoch Umweltzerstörungen hervorgerufen und die Inflation galoppieren lassen. Infolge der Spekulationen mit Grundstücken wurde ein Anstieg der Bodenpreise ausgelöst. Auch der Auftrieb der allgemeinen Preise hat sich fortgesetzt. Die durch die Ölkrise bedingte Inflation hat diese Situation auf einen Schlag verschlimmert, und es ist zu einer weltweiten Inflation mit nachfolgender Rezession gekommen. In Japan ging die Periode des hohen Wirtschaftswachstums zu Ende.

3.3.3 Makroökonomische Politik nach der ersten Ölkrise Vor dem Hintergrund weltweiter Überschußliquidität in der ersten Hälfte der 70er Jahre und inflationärer Ängste sind - ausgelöst durch Nahrungsmittelknappheiten in den Jahren 1972/73 und durch Ölexportverbote der Organisation arabischer erdölexportierender Länder ( O A P E C ) - infolge des 4. Nahostkrieges 1973 die Preise weltweit rapide gestiegen. D a Japan in hohem Maße von Rohöl als Energiequelle abhängig ist, ist in Japan der Preisanstieg besonders hoch gewesen. Zeitweilig hat es einen Anstieg der Verbraucherpreise von über 2 0 Prozent gegeben. Deswegen wurden etliche Maßnahmen zur Preisstabilisierung in Angriff genommen. Die folgenden beiden Punkte können als deren Merkmale angeführt werden: Erstens hat die bis dahin hauptsächlich zur Ausweitung der Konjunktur angewendete Politik der Steuerung der effektiven Nachfrage nunmehr als Politik der Preisstabilisierung Anwendung gefunden. Zweitens sind die Mittel zur Preisstabilisierung gegenüber einzelnen Waren differenziert worden. Im Dezember 1973 sind das Gesetz über dringende Maßnahmen zur Stabilisierung des Lebens der Bevölkerung sowie das Gesetz zur Normalisierung des Erdölhandels 2 1 erlassen worden. S o sind u.a. Petroleum und Toilettenpapier Japanischer Gesetzesname: Sekiyü jukyä tekiseika

hö.

Die Wirtschaftspolitik Japans

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im Rahmen dieser „dringenden Maßnahmen" zu Waren bestimmt worden, für die ein Standardpreis festgelegt worden ist. Außerdem sind Nachfrage- und Preisentwicklungen bei Waren des täglichen Bedarfs systematisch überwacht worden. Desweiteren sind öffentliche Gebühren moderater angehoben worden. Solche auf die Preise gerichteten, direkten Regulierungen weichen zwar von den Prinzipien der Marktwirtschaft ab, werden jedoch bei außergewöhnlichen Umständen als kurzfristige Notstandsmaßnahmen ergriffen.

3.3.4 Der Übergang zur Politik des stabilen Wachstums Im Ergebnis der durch die Ölkrise bedingten enormen

Einkommensver-

schiebungen und im Ergebnis der streng restriktiven Politik, die im Anschluß daran von jedem Land zur Eindämmung der Inflation ergriffen worden ist, ist die gesamte Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte der 70er Jahre in die schwerste Nachkriegskrise geraten. Auch in der Wirtschaftspolitik Japans sind dabei große Veränderungen aufgetreten. In den nach der Ölkrise verabschiedeten Wirtschaftsplänen beispielsweise ist die angepeilte Wirtschaftswachstumsrate immer weiter reduziert worden: von über 6 Prozent im „Wirtschaftsplan von 1976 bis 1980" über 5 Prozent im „Neuen Siebenjahrplan der ökonomischen und sozialen Entwicklung", 4 Prozent im „Ausblick und Richtlinien für die Wirtschaft in den 1980er Jahren" und 3,75 Prozent im Plan „Japan, das mit der Welt gemeinsam lebt" bis auf 3,5 Prozent im „Fünfjahrplan zur Steigerung der Lebensqualität". Finanzpolitisch hat sich durch den Ausbau der Wohlfahrtssysteme gegen Ende der Hochwachstumsphase durch die fiskalpolitische Ausgabenexpansion in der zweiten Hälfte der 70er Jahre und weiterhin durch die schleppenden Steuereinnahmen wegen des abgeschwächten Wachstums ein defizitärer Zustand eingestellt. Zum Abbau dieses Defizits sind die finanzpolitischen Ausgaben streng gekürzt worden. Zur gleichen Zeit haben Beratungen der Zweiten außerordentlichen Verwaltungsuntersuchungskommission stattgefunden, die Vorschläge zur finanzpolitischen Ausgabenkürzung und zu verschiedenen Maßnahmen für die Effektivierung der Verwaltung, einschließlich

84

Die Wirtschaftspolitik Japans

der Privatisierung der staatlichen Bahnen und Telefongesellschaften, unterbreitet hat.

3.3.5 Politik der Strukturanpassung In der Wirtschaftspolitik der jüngsten Zeit steht anstelle der quantitativen Expansion der Wirtschaft, auf der bisher der Schwerpunkt gelegen hat, die sogenannte Politik der strukturellen Anpassungen im Mittelpunkt, die durch die Förderung der Reformen mikroökonomischer Strukturen die Effektivität der Wirtschaft erhöhen und auf diese Weise die gesamte Wirtschaft in die gewünschte Form bringen will. Der Hintergrund für diese neue Entwicklung ist sicher darin zu sehen, daß sich weltweit die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß mit einer makroökonomisch orientierten Politik das Problem der Rigiditäten in der Wirtschaft nur schwer zu lösen ist. Der Umfang, den die Politik durch strukturelle Anpassung abdeckt, ist zwar enorm, trotzdem sollen die strukturellen Anpassungen in Japan inhaltlich kurz betrachtet werden. Der im April 1986 veröffentlichte „Maekawa-Report" 22 sowie der im Mai 1987 veröffentlichte „Neue Maekawa-Report" 23 greifen die Politik der strukturellen Anpassungen weitgehend auf. Darin werden als Japans Probleme gegenüber dem Ausland die „enormen Überschußsalden der Leistungsbilanz" und als Japans Probleme im Inland die „niedrigen Wohnstandards, langen Arbeitszeiten und hohen Lebenshaltungskosten" gesehen. Zu deren Lösung müssen drastische strukturelle Anpassungen vorangetrieben werden. Einen Aspekt der strukturellen Anpassungen stellen die Sil 2 4 dar. Diese Beratungen werden seit 1989 geführt; sie fußen auf der Grundüberlegung, daß das Ungleichgewicht der Leistungsbilanz zwischen den USA und Japan durch die Wirtschaftsstrukturen zwischen beiden Ländern bedingt ist. Die von der ameri-

22

Maekawa-Report: Die offizielle Bezeichnung lautet „Bericht der Forschungskommission zu ökonomischen Strukturanpassungen zugunsten der internationalen Harmonie". Neuer Maekawa-Report: Die offizielle Bezeichnung lautet „Denkschrift des Wirtschaftsberatungsausschusses - Richtlinien für eine Strukturanpassung". ^ Sil: slructural impediment initiatives. Vgl. Abschnitt 7.3.

Die Wirtschaftspolitik Japans

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kanischen Seite gegenüber Japan eingebrachten Themen sind das Gleichgewicht von Ersparnissen und Investitionen, Landnutzung, Distributionssystem und Preismechanismus (Preisgefalle zwischen In- und Ausland). 1990 ist der Abschlußbericht veröffentlicht worden. Die Beratungen sind in der Erkenntnis geführt worden, daß im Zusammenhang mit dem Leistungsbilanzungleichgewicht nicht nur wie bisher das makroökonomische Gleichgewicht, sondern mikroökonomische, institutionelle Hemmnisse problematisiert werden müssen. Im Zuge der stärker werdenden Verflechtungen der Weltwirtschaft ist deshalb auch unter institutionellen Aspekten ein internationales Zusammenwirken der Politik notwendig geworden.

3.3.6 Die internationale Zusammenarbeit in der Wirtschaftspolitik In der Gegenwart, in der alle Länder aufs engste durch Handel, Kapitalverkehr und die Mobilität von Menschen miteinander verbunden sind, übt die Wirtschaftspolitik eines Landes auch auf andere Länder Einfluß aus. Der Politik der fuhrenden Industrieländer, deren Anteil an der Weltwirtschaft besonders groß ist, wird daher stets große Aufmerksamkeit gewidmet, da ihr Einfluß besonders groß ist. Zur Maximierung der politischen Wirkung ist es wichtig geworden, die von anderen Ländern verfolgte Politik zu berücksichtigen und, wenn erforderlich, gemeinsam vorzugehen. Denn die Wirkung der Maßnahmen eines Landes kann durch die Politik eines anderen Landes stark beeinflußt werden. Als Forum der politischen Zusammenarbeit der führenden Industrieländer gibt es die jährlich stattfindenden Konferenzen der Regierungschefs der führenden Industrieländer (Gipfeltreffen), die Jahrestagungen des Ministerrats der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die

gelegentlich

Notenbankchefs

stattfindenden

Konferenzen

der

Finanzminister

und

(G525, G726).

Group of Five, Mitgliedsländer der Gruppe der Fünf sind die U S A , Japan, Deutschland, Großbritannien und Frankreich. G7: Group of Seven; zur Gruppe der Fünf kommen noch Italien und Kanada hinzu.

86

Die Wirtschaftspolitik Japans

Als Beispiel, wie die auf den Konferenzen getroffenen Vereinbarungen in der praktischen Politik ihren Niederschlag finden, kann die auf dem G5-Gipfel vom September 1985 getroffene Vereinbarung (Plaza-Abkommen), den hohen Dollarkurs zu korrigieren, angeführt werden. In ihrer Folge sind die Anpassungen der Wechselkurse rasch vorangeschritten.

3.3.7 Die Aufgaben einer neuen Wirtschaftspolitik In den vorangegangenen Abschnitten ist versucht worden, kurz und knapp darzustellen, was Wirtschaftspolitik ist. Die Vorstellungen über Wirtschaftspolitik sind j e nach Land und Zeit Veränderungen unterworfen. Dies wird deutlich, wenn man allein die großen Umbrüche im Nachkriegsjapan betrachtet. Es ist schwierig, die künftigen Trends der Wirtschaftspolitik vorauszusagen. Dennoch müssen dabei wohl die nachfolgend aufgeführten Punkte in Betracht gezogen werden: Erstens verschwindet in zunehmendem Maße die Bedeutung der Grenzen für Wirtschaft und Gesellschaft. Dies impliziert, daß Wirtschaftspolitik nicht nur auf das betreffende Land wirkt, sondern globale Auswirkungen hat. Natürlich ist es auch bisher erforderlich gewesen, insbesondere Handelsprobleme unter globalem Blickwinkel zu betrachten, doch nunmehr haben die als rein inländisch angesehenen Probleme auch eine globale Dimension. Ein typisches Beispiel dafür sind Strukturprobleme. Zweitens ist der Trend zur Stärkung der Marktwirtschaft zu nennen. Der Zusammenbruch der sozialistischen Volkswirtschaften der Sowjetunion und Osteuropas ist ein neues Phänomen, und auch in kapitalistischen Ländern ist es „modern", durch Reformen wie etwa durch Deregulierung und privates Engagement die Marktkräfte stärker zu nutzen und die bisher schwierig zu lösenden Probleme unter neuen Gesichtspunkten zu überdenken. Das heißt natürlich nicht, daß die Rolle der Regierung gänzlich in Frage gestellt wird. Es ist jedoch evident, daß sich die Ansichten gegenüber der Politik ändern.

Die Wirtschaftspolitik Japans

87

Drittens rückt das Verteilungsproblem emeut ins Blickfeld. Das widerspricht zwar scheinbar dem unter zweitens angeführten Trend zur Marktwirtschaft, doch gerade hierbei muß die Wichtigkeit des Verteilungsproblems hervorgehoben werden. Auch in diesem Falle ist es wichtig, nicht nur das inländische Problem, sondern auch das internationale Wohlstandsgefälle zu sehen.

88

Die Wirtschaftspolitik Japans

Tabelle 3-2 Veränderung der Wirtschaftswachstumspläne

Bezeichnung

Beratung Bericht Festlegung

Fünfjahresplan für wirtschaftliche Selbständigkeit

07/1955 12/1955 12/1955

Neuer langfristiger Wirtschaftsplan

08/1957 11/1957 12/1957

Plan zur Verdopplung des Volkseinkommens

11/1959 11/1960 12/1960

Mittelfristiger Wirtschaftsplan

01/1964 11/1964 01/1965

Wirtschafts- und Sozialentwicklungsplan -Herausforderung für die Jahre 1967-1971-

05/1966 02/1967 03/1967

Neuer Wirtschafts- und Sozialentwicklungsplan

09/1969 04/1970 05/1970

Grundplan für Wirtschaft und Gesellschaft -Für eine lebensfähige Wohlstandsgesellschaft-

08/1972 02/1973 02/1973

Wirtschaftsplan für die Jahre 1976-1980 -Stabile Gesellschaft anstreben-

07/1975 05/1976 05/1976

Neuer Siebenjahrplan der ökonomischen und sozialen Entwicklung

09/1978 08/1979 08/1979

Ausblick und Richtlinien für die Wirtschaft in den 1980er Jahren

07/1982 08/1983 08/1983

Japan, das mit der Welt gemeinsam lebt -Fünfjahresplan zur Führung der Wirtschaft-

11/1987 05/1988 05/1988

Fünfjahresplan zur Steigerung der Lebensqualität -Streben nach Koexistenz mit der Weltgemeinschaft-

01/1992 06/1992 06/1992

Kabinett zur Zelt der Festlegung

Planzeitraum (Jahre)

Planziele

wirtschaftliche Selbständigkeit: Vollbeschäftigung

Hatoyama

1956-1960 (fünf Jahre)

Kishi

1958-1962 (fünf Jahre)

Ikeda

maximales Wachstum; 1961-1970 Erhöhung des Lebensstandards; (zehn Jahre) Vollbeschäftigung

Satö

1964-1968 (fünf Jahre)

Satö

1967-1971 (fünf Jahre)

maximales Wachstum; Erhöhung des Lebensstandards; Vollbeschäftigung

Korrektur von Verzerrungen

Satö

gleichgewichtigte, substantielle Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft

Aufbau eines lebenswerten Japan 1970-1975 durch gleichgewichtige wirtschaftliche (sechs Jahre) Entwicklung

Tanaka

1973-1977 (fünf Jahre)

Gleichzeitiges Erreichen eines substaniellen Wohlstands der Bevölkerung und des Vorantreibens des internationalen Ausgleichs

Miki

1976-1930 (fünf Jahre)

Stabile Entwicklung der japanischen Volkswirtschaft und Verwirklichung eines gehaltvollen Lebens der Bevölkerung

Ohira

Übergang zu einem stabilen Wachstumspfad; 1979-1985 qualitative Bereicherung des Lebens der Bevölkerung; (sieben Jahre) Beitrag zur internationalen ökonomischen und sozialen Entwicklung

Nakasone

1983-1990 (acht Jahre)

Takeshlta

1988-1992 (fünf Jahre)

Miyazawa

1992-1996 (fiinfjahre)

Schaffung eines stabilen internationalen Systems in Frieden; Schaffung einer gesunden Wirtschaft und Gesellschaft; Schaffung eines stabil hohen Lebensstandards der Bevölkerung Bereinigung des enormen Ungleichgewichts mit dem Ausland und ein Beitrag für die Welt; Realisierung eines spürbaren Wohlstands der Bevölkerung; gleichgewichtigte ökonomische und soziale Regionalentwicklung Transformation hin zu einer Großmacht In bezug auf Lebensqualität; Koexistenz mit der Weltgemeinschaft; Ausbau der Entwicklungsgrundlagen

Die Wirtschaftspolitik Japans

Rate des realen Wirtschaftswachstums (Jahresdurchschnitt)

Rate des nominalen Wirtschaftswachstuns (Jahresdurchschnitt)

4,9%

Artjeitslosenquote (im letzten Planjahr)

Rate des Anstiegs der Verbraucherpreise (Jahresdurchschnitt)

89

Leistungsbilanzsaldo in Mio. US-Dollar (im letzten Planjahr) 0

1,0% 14,1%

1,5%

1,8%

-10

15,0%

1,3%

3.6%

150 -20

16,3%

1,2%

5.8%

180 2.350

10,6% 15,9%

1.1%

5,0%

1.470

11,3% 15,9%

1,3%

bis Ende des Planunoszeitraums um 3%

1.450 6.320

8,8% 6,5% 9.7% 7.8% 10,0% 8.1%

um 2.5%

0

10,1% 8,2% 9.8% 5.7% 10,6%

14,7% 15,3%

1,9%

5.1%

3.500 130

im Jahresdurchschnitt 4,4% bis Ende des Plalungszeitraums um 3% 10,9%

9,4%

14,3% 14,5%

5.900

ca. 4%

14.000

2,1%

3,5%

12,8%

über 6%

über 13%

um 1,3%

im Jahresdurchschnitt

4,5%

10,0%

2.1%

um 6% bis Ende des Planunosxitraums unter 6%

4.000 -7.100

6,4% um 5.7%

um 10,3%

unter d. Niveau v. 1,7%

etwa 5%

Niveau, das dem internationalen Ausgleich entspricht

3,9%

6,5%

2,6%

3.6% 55.020

etwa 4%

etwa 6 - 7 %

etwa 2%

etwa 3%

4,5%

6,0%

2,1%

1,6%

etwa 3,75%

etwa 4,75%

etwa 2,5%

etwa 1,5%

3,9%

5,7%

2.2%

2,2%

etwa 3,5%

etwa 5%

etwa 2,25%

etwa 2%

0.8% (im vierten Jahr)

2,6% (im vierten Jahr)

2.2% (im vierten Jahr)

1,4% (im vierten Jahr)

Erreichen eines Gleichgewichts mit dem Ausland, das dem internationalen Ausgleich entspricht Reduzierung des Verhältnisses von BSP zum Leistungsbilanzüberschuß innerhalb des Planungszeitraums auf ein Niveau, das dem internationalen Ausgleich entspricht

33.720

125.900

Erreichen eines Gleichgewichts mit dem Ausland, das dem internationalen Ausgleich entspricht 125.900 (im vierten Jahr)

91

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

4 Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion 4.1 Die Aufgaben der Staatsfinanzen In der heutigen Wirtschaft spielt neben den privaten Unternehmen und Haushalten der öffentliche Sektor, zum Beispiel die Zentralregierung oder die Gebietsköiperschaften, eine bedeutende Rolle. Der öffentliche Sektor (der Staat) bietet mit den Finanzmitteln, die ihm durch die Erhebung von Steuern oder die Emission von öffentlichen Anleihen zufließen, Dienstleistungen wie Polizei, Feuerwehr oder Erziehung an; er stellt Infrastruktureinrichtungen wie Straßen, Parks oder die Kanalisation bereit. Die Gesamtheit dieser monetären wie ökonomischen Aktivitäten des Staates bezeichnet man als die „Staatsfinanzen". Die heutigen Staatsfinanzen werden gewöhnlich in drei Funktionen unterschieden.

4.1.1 Ressourcenallokation zum öffentlichen Sektor und deren Verwendung Die Ressourcenallokation hin zum öffentlichen Sektor und deren Verwendung ist die Entscheidung darüber, welche Ressourcen aus der gesamten Wirtschaft dem öffentlichen Bereich zugeführt und für welche Zwecke sie eingesetzt werden. Diese Überlegungen werden notwendig, da es Güter und Dienstleistungen gibt, die von privaten Unternehmen

nicht angemessen bereitgestellt

werden

können.

Infrastruktureinrichtungen wie Parks, Straßen, Brücken, Dämme oder Häfen gehören ebenso dazu wie bestimmte Dienstleistungen, z.B. Verteidigung, Diplomatie, Polizei, Vorsorge gegen Infektionskrankheiten etc. Diese Güter und Dienstleistungen werden als öffentliche Güter 1 (public goods) bezeichnet. Öffentliche Güter haben ' Öffentliche Güter und die Güter und Dienstleistungen, die vom Staat tatsächlich angeboten werden: Unter den Gütern und Dienstleistungen, die vom Staat bereitgestellt werden, befinden sich auch viele, auf die die Eigenschaften der öffentlichen Güter, Unmöglichkeit des Ausschlusses und Nicht-Rivalität im Konsum, nicht zutreffen. Zum Beispiel Bildung, staatliche Krankenhäuser, öffentliche Sozialwohnungen, Wasserwerke etc. Diese Güter könnten auch als private Güter {private goods) angeboten werden. Sie werden jedoch öffentlich bereitgestellt, da erstens bei einem Angebot durch private Unternehmen die angebotene Menge unter dem gesellschaftlich optimalen Niveau bliebe und da zweitens unter dem Aspekt der Einkommensverteilung auch die Bezieher niedriger Einkommen das Angebot wahrnehmen sollen. Der amerikanische Finanzwissenschaftler Musgrave bezeichnet Güter, die aus diesen Gründen angeboten werden, als „meritorische Güter" (merit goods).

92

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

zwei Merkmale: Auch Personen, die keinen Preis für sie zahlen, können von dem Konsum dieser Güter nicht ausgeschlossen werden (bzw. der Ausschluß ist mit immensen Kosten verknüpft), und ihr Konsum durch eine Person beeinträchtigt nicht den Konsum durch eine andere Person, d.h. es besteht keine Rivalität im Konsum. Deswegen ist ein Austausch der öffentlichen Güter am Markt unmöglich; von privaten Unternehmen werden sie daher nicht angeboten.

4.1.2 Umverteilung des Einkommens Die Einkommensverteilung in der Marktwirtschaft bestimmt sich nach der Entlohnung der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital oder Boden, die in den Produktionsprozeß eingebracht werden. Die Einkommensverteilung, die auf diesem Wege erzielt wird, ist aber unter dem sozialen Aspekt nicht immer wünschenswert; es gibt Fälle, in denen Korrekturen notwendig werden. So widerspräche es beispielsweise dem sozialen Empfinden, daß kranke oder alte Leute ein nur geringes Einkommen haben und ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, da sie in den meisten Fällen kaum in der Lage sind, am Produktionsprozeß teilzunehmen. Die Regierung muß daher die gesellschaftliche Einkommensverteilung korrigieren (eine Einkommensumverteilung durchführen), um solche Zustände zu beseitigen. Die Umverteilung der Einkommen durch die Finanzpolitik geschieht sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. Auf der Einnahmenseite werden durch die progressive Besteuerung bei der Einkommensteuer oder Erbschaftssteuer, dessen Stufen sich nach der Höhe des Einkommens oder Vermögens des einzelnen richten, die Bezieher höherer Einkommen stärker, die Bezieher niedrigerer Einkommen schwächer besteuert. Auf der Ausgabenseite wird durch das Sozialsystem in Form öffentlicher Hilfen das Existenzminimum derjenigen Haushalte gesichert, die durch ihr eigenes Einkommen ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können; für Bezieher niedriger Einkommen werden öffentliche Sozialwohnungen errichtet. Auf diese Weise findet eine Einkommensumverteilung statt, da die Bezieher niedriger Einkommen öffentliche Dienstleistungen in einem Maße, das über ihre Steuerschuld hinaus-

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

93

geht, in Anspruch nehmen und es sich bei den hohen Einkommen genau u m g e kehrt verhält.

4.1.3 Stabilisierung der Wirtschaft Es ist unmöglich, eine Marktwirtschaft vollkommen v o m A u f und A b des Konjunkturzyklus zu befreien. In der Rezession stagniert die Wirtschaftstätigkeit; Arbeitslosigkeit und Firmenzusammenbrüche treten vermehrt auf. Auf der anderen Seite besteht in einer fortdauernden Hochkonjunktur die Furcht

vor

Konjunkturüberhitzung und folgender Inflation. Es ist daher die dritte A u f g a b e der Finanzpolitik, diese Konjunkturschwankungen soweit als möglich einzugrenzen und Beschäftigung wie Preise zu stabilisieren. Ein Mittel dafür sind in das Finanzsystem integrierte automatische Stabilisatoren (built-in stabilizer).

Z u m Beispiel nehmen die Steuereinnahmen der progressi-

ven Einkommensteuer oder der an den Unternehmensgewinn

gekoppelten

Körperschaftsteuer in der Hochkonjunktur automatisch zu; dadurch wird der Zuwachs der persönlich verfügbaren Einkommen bzw. der Unternehmensgewinne begrenzt und ein möglicher Nachfrageboom gedrosselt. In der Rezession wiederum sinken die Steuereinnahmen und mildem so den Rückgang der verfugbaren Einkommen und U n t e r n e h m e n s g e w i n n e . Auch Sozialleistungen w i e die Arbeitslosenunterstützung,

deren

Zahlungen

in

der

Rezession

zunehmen,

in

der

Hochkonjunktur aber zurückgehen, haben die Funktion, die Einkommensschwankungen auszugleichen. Ein weiteres Instrument zur Konjunkturregulierung ist die Fiskalpolitik, die im Ermessen der Regierung liegt. Die Fiskalpolitik stimuliert in schlechten Zeiten durch die Ausweitung öffentlicher Vorhaben oder eine Senkung der Einkommensteuer die Konjunktur, in Zeiten der Konjunkturüberhitzung bremst sie durch eine Begrenzung der Ausgaben oder eine Verschiebung öffentlicher Vorhaben das Wachstum der Gesamtnachfrage. Nach der weltweiten großen Depression der 30er Jahre sind Überlegungen laut geworden, die von der Finanzpolitik diese Aufgabe der wirtschaftlichen Stabilisierung fordern. Mit seinem Werk „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses u n d des

94

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

Geldes" (1936) hat Keynes die theoretischen Grundlagen für diese Politik gelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Keynes' Theorie in den U S A , Europa und Japan zum Allgemeingut geworden. Seit Mitte der 70er Jahre jedoch gewinnt die Kritik an der keynesianischen Fiskalpolitik durch die Monetaristen 2 , durch die Schule der Theorie der rationalen Erwartungen 3 oder durch die Schule der Public-Choice-Theorie^ von Buchanan zunehmend an Einfluß. Auch in Japan ist in der tatsächlichen Finanzpolitik seit etwa 1980 eine restriktive Ausgabenpolitik zur Neuordnung der Finanzen verfolgt worden. Vor allem in den betreffenden Behörden ist die Meinung verfochten worden, daß der Erfolg einer Fiskalpolitik zur Stabilisierung der Wirtschaft gering sei und eine so motivierte Finanzpolitik daher auf ein Minimum zu beschränken sei. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre wird allerdings in den Wirtschaftswissenschaften die Unterstützung für die Monetaristen und die Theorie der rationalen Erwartungen relativ schwächer; in der realen Wirtschaft, wo Löhne und Preise nicht vollkommen flexibel sind, wird der Fiskalpolitik eine gewisse Stabilisierungsfunktion konzidiert. Auch in Japan ist daher in den Jahren 1986 und '87 bzw. 1992 und '93 eine Finanzpolitik mit Blick auf die Ausweitung der

2

Kritik der Monetaristen: 1. Für den Fall, daß die staatlichen Ausgaben durch die Emission von Anleihen ausgeweitet werden, werden auf dem Finanzmarkt in dem Ausmaß, wie Kapital durch die ö f f e n t l i c h e n A n l e i h e n absorbiert wird, private Investitionen verdrängt. Die W i r k u n g einer Konjunkturstimulierung, die nicht mit einer Ausweitung des Geldangebots einhergeht, ist d e m z u f o l g e nahezu null (Theorie des crowding out). 2. Infolge einer expansiven Finanzpolitik wird die nominale N a c h f r a g e gesteigert, die nominalen Löhne steigen, und die Arbeiter erhöhen daher ihr Arbeitsangebot. Wenn aber kurz danach auch die Preise steigen und die Reallöhne wieder auf ihr ursprüngliches Niveau fallen, geht auch das Arbeitsangebot zurück; die kurzzeitig gesunkene Arbeitslosenrate kehrt zu ihrem Ausgangsniveau (natürliche Arbeitslosenrate) zurück. Nur solange sich die Erwartungen verzögert an die Wirklichkeit anpassen, hat die Finanzpolitik eine konjunkturelle W i r k u n g (Theorie der natürlichen Arbeitslosenrate). 3 Kritik durch die Theorie der rationalen Erwartungsbildung: Unter der A n n a h m e , daß die Arbeiter und Unternehmen die Verhaltensregeln der Regierung kennen und in ihrem eigenen Verhalten berücksichtigen, werden bei dem Versuch der Regierung, durch die Finanzpolitik die Nachfrage auszuweiten, lediglich die Preise steigen und sich weder das Produktionsniveau noch die Arbeitslosenrate verändern. ^ Kritik durch die Theorie der Public Choice: Im Falle einer keynesianischen Finanzpolitik unter den realen politischen Bedingungen der Demokratie sind Ausgabensteigerungen oder Steuersenkungen z w a r leicht d u r c h z u s e t z e n , Ausgabenkürzungen o d e r S t e u e r e r h ö h u n g e n j e d o c h k a u m . Die Finanzpolitik bewegt sich daher ausschließlich in eine expansive Richtung, und das Finanzdefizit wird immer weiter vergrößert. Um dies zu verhindern, ist es erforderlich, zu den Prinzipien eines gleichgewichtigen Budgets zurückzufinden.

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

95

Binnennachfrage verfolgt worden, indem zum Beispiel die öffentlichen Investitionen zur Ankurbelung der Konjunktur gesteigert worden sind.

4.2 A u f b a u der Staatsfinanzen

4.2.1 Der Staatsetat Im Mittelpunkt des staatlichen Finanzsystems steht der Staatsetat. Der Etat stellt die Planung der Einnahmen und Ausgaben des Staates in einem festgelegten Zeitraum dar; darin wird bestimmt, welche Ausgaben die Regierung für welche Maßnahmen und Ziele tätigt und auf welche Weise die dafür benötigten Finanzmittel beschafft werden. Die Regierung stellt für jedes Haushaltsjahr (von April bis zum März nächsten Jahres) einen Etat auf und führt ihn nach Beratung und Zustimmung im Parlament aus. Über diese Etatberatungen im Parlament üben die Bürger durch ihre gewählten Vertreter die Kontrolle über die Finanzpolitik aus. Da dem Etat innerhalb der Politik eine außergewöhnlich bedeutende Rolle zukommt, legt die japanische Verfassung seine grundlegenden Prinzipien im 7. Kapitel zur Finanzpolitik fest. Darauf baut das Finanzgesetz 5 auf, das grundlegende Gesetz zur Finanzpolitik; zusammen mit ergänzenden regierungsamtlichen Verordnungen bildet es das Gerüst des japanischen Finanzsystems.

4.2.2 Etatarten Den Haushalt, in dem die Einnahmen und Ausgaben für die allgemeinen staatlichen Verwaltungstätigkeiten geführt werden, nennt man ordentlichen Haushalt; der Etat heißt dementsprechend Etat des ordentlichen Haushalts^. Eigentlich besteht für den Staatsetat der Grundsatz der Einheitlichkeit; wenn sich aber wie gegenwärtig der Bereich der staatlichen Finanzpolitik vergrößert und komplizierter wird, ist es manchmal besser, besondere Einnahmen und Ausgaben außerhalb des ordentlichen Haushalts zu führen. Ihre Bestimmung wird dadurch klarer und ihre

^ Japanischer Gesetzesname: Zaisei hö. ® Ausgangsetat des ordentlichen Haushalts für das Haushaltsjahr 1994 (Regierungsentwurf):

96

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

Handhabung einfacher. Aus diesem Grund erlaubt das Finanzgesetz für folgende bestimmte Aufgaben die Herausnahme aus dem ordentlichen Haushalt und die Bildung von Sonderhaushalten: 1. Für unternehmerische Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten wie bestimmte öffentliche Investitionstätigkeiten des Staates (z.B. Sonderhaushalte der Post, der Staatsdruckerei oder der Straßeninstandhaltung). 2. Zur Kontrolle bestimmter Waren oder der Regulierung von Angebot und Nachfrage durch den Staat (z.B. Sonderhaushalte der Lebensmittelkontrolle oder der Devisenreserven). 3. Zur Abwicklung von Versicherungsleistungen wie der Sozialversicherung (z.B. Sonderhaushalte der Arbeitnehmerrentenversicherung oder der Nationalen Rentenversicherung). (Regieningsentwurf) Ausgaben

Einnahmen

Staatsanleihen

14.360,2 (-1.082,1)

Steuern

53 6 6 5 (-7.638)

Steucrzuteilungen

1 2 . 7 5 7 , 8 (-2.859,6)

Nicht-Steuer Einn.

5.601,1

NTT

1.300 (0)

NTT

1 7 2 , 5 (-14.1)

NTT Rückzahlungssubvention Ausgleichszahlung für Haushallsabschluß 1992 allg A u s g a b e n

2.264,1

öffentl Anleihen davon:

13.643 (+5.513)

4 0 . 8 5 4 , 8 (+938)

Summe

7 3 0 8 1 , 7 (+726.9)

(+2.185,8)

1 . 5 4 4 , 8 (+1.544,8)

(+2.865,9)

3.133,8 (+3.133,8) Sonderanleihen 10.509,2 ( + 2 . 3 7 9 , 2 ) Summe Aufbauanleihen

73.081,7 (+726,9)

Einheit: Mrd Y e n ; Zahlen in den Klammern geben d i e absolute Veränderung gegenüber d e m V o r j a h r an Der Posten „ N T T " auf der E i n n a h m e n - wie auf d e r A u s g a b e n s e i t e steht z u m einen für die „Übertragungen a u s d e m S o n d e r k o n t o zur Konsolidierung der Staatsanleihen durch die Einkünfte aus d e m Verkauf d e r N T T - A k t i e n " , z u m anderen für die „ G e s c h ä f t e mit den E i n k ü n f t e n aus dem Verkauf d e r NTT-Aktien (einschließlich Finanzierung der Staatsanleihen)". Der Posten

„NTT-Rückzahlungs-

s u b v e n t i o n e n " steht f ü r die Subventionen des Staates a n die Gebietskörperschaften, die diese z u m Z e i t p u n k t der R ü c k z a h l u n g der Darlehen aus den NTT-Aktien-Verkaufserlösen, mit denen b e s t i m m t e U n t e r n e h m u n g e n (sog. T y p B Unternehmungen; s. A n m . 36) finanziert worden sind, erhalten. D e r Posten „ A u s g l e i c h s z a h l u n g f ü r Haushaltsabschluß 1992" bezeichnet schließlich den Betrag d e r an d e n A u s g l e i c h s f o n d s z u m Haushaltsabschluß zurückgezahlt werden muß, da 1992 zur Deckung e i n e r E i n n a h m e l ü c k e - die Steuereinnahmen sind hinter den E r w a r t u n g e n zurückgeblieben - eine entsprec h e n d e S u m m e aus d i e s e m F o n d s entnommen worden ist. Die „Allgemeinen A u s g a b e n " sind die tatsächlich für politische Z w e c k e aufgewendeten A u s g a b e n ; sie errechnen sich, indem von d e n Gesamtausgaben

die A u s g a b e n

f ü r Staatsanleihen, d i e Steuerzuteilungen, die

A u s g a b e n und die A u s g l e i c h s z a h l u n g abgezogen werden.

NTT-relevanten

97

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

4. Zur Anlage öffentlichen Kapitals (z.B. Sonderhaushalte des Trust Fund Bureaus 7 oder der industriellen Investitionen). 5. Zur Ordnung und Transparenz der Buchführung feststehender Zu- und Abgänge an Kapital (z.B. Sonderhaushalte des Konsolidierungsfonds der Staatsanleihen oder des Allokationsfonds der Zuteilungs- und Transfersteuern an die Kommunen). Im Haushaltsjahr 1994 gibt es insgesamt 38 Sonderhaushalte. Neben den Etats des ordentlichen Haushalts und der Sonderhaushalte kommen auch die Etats der regierungsnahen Institutionen zur Vorlage und zum Beschluß in das Parlament. Es gibt zahlreiche Einrichtungen, die über ihr Kapital und ihre Finanzierung eine Verbindung mit dem Staat haben; an dieser Stelle sollen jedoch als „regierungsnahe Institutionen" Körperschaften verstanden werden, die aufgrund eines bestimmten Gesetzes geschaffen worden sind, deren Kapitalstock zu 100 Prozent vom Staat stammt und deren Etat der Zustimmung des Parlaments bedarf. Zur Zeit (1994) trifft dies auf die Etats von elf Institutionen zu, neun öffentliche Finanzinstitute 8 und zwei Banken (Japan Development Bank und ExportImport-Bank of Japan). Ihr Unterschied zum Staat liegt darin, daß diese Institutionen gegenüber dem ordentlichen Haushalt wie den Sonderhaushalten bei der Durchführung ihres Etats über größere Freiheiten verfügen, damit sie mit einer flexiblen Personal- und Bilanzpolitik ihre unternehmerische Effizienz erhöhen. Da es zwischen diesen drei Etatarten mit dem ordentlichen Haushalt im Mittelpunkt komplizierte Verflechtungen gibt, muß man zur Bestimmung des Volumens des staatlichen Gesamtetats diese Überschneidungen zwischen den einzelnen Etats herausrechnen. Die so errechnete Gesamtsumme bezeichnet man als die Nettohaushaltssumme. (Für die Haushaltsansätze 1993 zeigt Tabelle 4-1 die jeweiligen Gesamtsummen und die Nettohaushaltssumme.)

^ Zum Trust Fund Bureau vgl. Abschnitt 4.2.4. ® Die neun öffentlichen Finanzinstitute: People's Finance Corp. ( K o k u m i n kin 'yü köko), Corp. (Jülaku köko),

köko),

köko),

töhoku Small

H o u s i n g Loan

Agriculture, Forestry, and Fishery Finance Corp. (Nöringyo

Small B u s i n e s s Finance Corp. (Chüshö

Corp. (Hokkaidö kin'yü

kin'yü

kaihatsu

köko),

B u s i n e s s Credit

kigyö

kin'yü

kaihatsu

gyö

Insurance Corp. kin'yü

köko).

kin'yü

Hokkaido-Tohoku D e v e l o p m e n t

Finance Corporation of Local Public Enterprise (Köei

Environmental Sanitation B u s i n e s s Finance Corp. (Kankyö Finance Corp. ( O k i n a w a shinkyö

köko),

( C h ü s h ö kigyö eisei kin'yü

köko),

shin'yö

hoken

kigyö köko).

Okinawa D e v e l o p m e n t

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

98

Tabelle 4-1 Ausgaben im Anfangsetat des Haushaltsjahres 1993

Etatart

Summe 72.354,8

ordentlicher Haushaltsentwurf

206.907,9

außerordentlicher Haushaltsentwurf Etats der regierungsnahen Institutionen

7.187,6

Total

286.450,3

davon Überschneidungen

143.625,7

errechnete Nettohaushaltssumme

142.824,6 (Einheit: 1 Mrd. Yen)

4.2.3 Erstellung, Durchführung und Rechnungsabschluß des Etats Der Etat wird im Kabinett erstellt und dem Parlament vorgelegt (Artikel 73 und 86 der Verfassung). Innerhalb des Kabinetts obliegt diese Aufgabe dem Finanzminister; die tatsächliche Arbeit der Budgeterstellung wird in erster Linie von der Haushaltsabteilung im Finanzministerium durchgeführt. Jedes Ministerium und Amt beginnt im Juni oder Juli eines jeden Jahres mit den Voranschlägen für den Etat des nächsten Jahres; bis zum August müssen dann die Etatforderungen für das nächste Jahr vorliegen (proximative Etatforderungen). Für diese Überschlagsforderungen wird im voraus eine Obergrenze festgelegt (der sogenannte Plafond der proximativen Etatforderungen 9 ), in deren Rahmen sich die Forderungen bewegen müssen. Das Finanzministerium beurteilt entsprechend ^ P l a f o n d der proximativen Etatforderungen: U m den Anstieg der A u s g a b e n zu begrenzen, wird noch vor

den

proximativen

Etatforderungen der

einzelnen

Ministerien

und

Ämter

durch

eine

Kabinettsübereinkunft f ü r diese Forderungen i m Vergleich z u m Vorjahr eine bestimmte O b e r g r e n z e festgelegt. N o r m a l e r w e i s e wird dieser Entschluß etwa einen Monat vor d e m Stichtag d e r proximativen E t a t f o r d e r u n g e n (letzter Augusttag) getroffen. Dieses Verfahren wird a u c h als ceiling

bezeichnet.

Der P l a f o n d f ü r den Etat d e s Haushaltsjahres 1994 sieht dabei vor, die laufenden A u s g a b e n - wie a u c h schon in den elf v o r a n g e g a n g e n e n Jahren - u m j e w e i l s 10% zu kürzen; a u s g e n o m m e n von dieser R e g e l u n g sind allerdings einige Posten wie Entwicklungshilfe, Verteidigungsausgaben und Pensionen. Für die Investitionsausgaben ist in diesem Jahr erstmals seit sechs Jahren wieder, in denen sie j e w e i l s e i n g e f r o r e n w e r d e n sollten, ein Z u w a c h s von 5 % beschlossen worden.

Die Staatsfinanzen: Aufbau und Funktion

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den Erläuterungen der einzelnen Ministerien und Ämter deren Vorlagen unter verschiedenen Gesichtspunkten wie der Höhe der notwendigen Ausgaben oder der Zweckmäßigkeit der Durchführung bestimmter Vorhaben im nächsten Jahr. Anschließend werden die einzelnen Kostenansätze auf ein für angemessen gehaltenes Maß korrigiert (Etatveranlagung). Dieser Etatentwurf des Finanzministeriums wird in der zweiten Dezemberhälfte dem Kabinett vorgelegt und danach den einzelnen Ministerien und Ämtern gezeigt (Kabinettsvorlage). Über strittige Punkte dieses Entwurfes werden zwischen dem Finanzministerium und dem betroffenen Ministerium neuerliche Verhandlungen geführt. Normalerweise wird dann Ende Dezember der endgültige Etatentwurf der Regierung vom Kabinett verabschiedet. Dieser Etatentwurf wird etwa in der zweiten Januarhälfte vom Kabinett im Parlament eingebracht. Der Etat muß auf jeden Fall zuerst dem Unterhaus vorliegen (Artikel 60, Absatz 1 der Verfassung). Dies wird als das Etat-Erstberatungs-Recht des Unterhauses bezeichnet. Der Etat wird im Haushaltsausschuß des Unterhauses beraten. Wird er dort durch Abstimmung bewilligt, wird er dem Plenum zur Aussprache vorgelegt und zur Abstimmung gebracht. Nach der Verabschiedung im Unterhaus wird der Etatentwurf dem Oberhaus zugeleitet, wo er ungefähr dieselbe Prozedur durchläuft und schließlich beschlossen wird. Wenn das Oberhaus innerhalb von 30 Tagen (ausschließlich der Parlamentsferien) nach Erhalt des vom Unterhaus verabschiedeten Etats keinen Beschluß faßt, wird der Beschluß des Unterhauses zum Beschluß des gesamten Parlaments. Wenn wiederum das Oberhaus einen anderslautenden Beschluß als das Unterhaus faßt, wird der Vermittlungsausschuß beider Häuser einberufen; allerdings wird auch dann für den Fall, daß keine Einigung erzielt wird, die Verabschiedung durch das Unterhaus zum gesamten Parlamentsbeschluß (Artikel 60, Absatz 2 der Verfassung). In den Jahren 1990 bis 1993, als die Opposition im Oberhaus über mehr Sitze als die Regierungspartei verfügte, ist diese Situation eingetreten: Der vom Unterhaus verabschiedete Etatentwurf ist vom Oberhaus abgelehnt worden, im Vermittlungsausschuß hat man keine Einigung erzielen können und der nur vom Unter-

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haus verabschiedete Etat ist in Kraft getreten, als sei er vom gesamten Parlament beschlossen worden. Wenn der Etat verabschiedet ist, wird er mit Beginn des neuen Haushaltsjahres im April vollzogen. Falls jedoch bis Ende März der Etat noch nicht verabschiedet ist, wird zur Deckung der notwendigen Ausgaben bis zur Etatverabschiedung ein provisorischer Etat erstellt und vom Parlament beschlossen. Er wird als Übergangsetat bezeichnet. Ergibt sich im Laufe des Jahres die Notwendigkeit, den Ausgangsetat zu ergänzen oder zu verändern, wird ein Nachtragsetat erstellt, der durch Beschluß des Parlaments einen Teil des ursprünglichen Etats korrigiert. In der letzten Zeit ist tatsächlich jedes Jahr ein Nachtragshaushalt erstellt worden, teilweise sind es innerhalb eines Haushaltsjahres sogar zwei und mehr gewesen. Wenn die Durchführung des Etats beendet ist, übergibt jedes Ministerium und Amt

bis

Ende

Juli

des

nächsten

Jahres

dem

Finanzminister

einen

Rechnungsbericht; auf dieser Grundlage wird die Bilanz der Einnahmen und Ausgaben erstellt. Nach Beschluß durch das Kabinett wird die Bilanz bis Ende November dem Rechnungshof zugeleitet. Dieser überprüft die Bilanz und schickt sie anschließend bis Mitte Dezember zusammen mit seinem Bericht dem Kabinen zurück. Das Kabinett bringt dann den Rechnungsabschluß samt Prüfungsbericht in das Parlament ein, wo er beraten wird.

4.2.4 Das staatliche Investitions- und Kreditprogramm Die staatlichen Investitionen und Kredite umfassen die Investitions- und Finanzierungstätigkeiten der Regierung aus dem Kapital, das über staatliche Institutionen (z.B. Postsparkasse) oder Kredite (für die Tilgung und Zinszahlungen der Schuldverschreibungen verbürgt sich die Regierung) angesammelt wird. Konkret versteht man darunter die Mittelverwendung auf der Grundlage des staatlichen Investitions- und Kreditprogramms 10 , das jedes Jahr gemeinsam mit der Etatbildung vom Finanzministerium erstellt wird. Manchmal wird auch die Zeichnung von Staatsanleihen durch das Trust Fund Bureau im Finanzministerium zu Engl.: Fiscal

Investment

and Loan

Program

(FILP).

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den Investitionen und Krediten der öffentlichen Hand hinzugerechnet. Der entscheidende Unterschied der staatlichen Investitionen und Kredite zum Etat besteht in der Kompensation des Kapitals. Denn beim Etat wird das verausgabte Kapital in keiner Form der Regierung zurückerstattet, bei den staatlichen Investitionen und Krediten aber werden mit den Erträgen der Unternehmungen, in die die Mittel geflossen sind, der Regierung gegenüber Zins- und Tilgungszahlungen geleistet. Das Grundkapital (Finanzmittel) der staatlichen Investitionen und Kredite wird aus vier Quellen gespeist: I. Fonds des Trust Fund Bureaus, 2. staatlicher Versicherungsfonds, 3. Sonderhaushalt der industriellen Investitionen und 4. von der Regierung verbürgte Anleihen und Darlehen (siehe Diagramm 4 - 1 ) " .

' ' Verteilung der Kapitalquellen der staatlichen Investitionen und Kredite: (Ausgangsplanung für das Haushaltsjahr 1994): Diese erwarteten Beträgen werden in die Planung der staatlichen Investitionen und Kredite eingestellt. Fonds des Treuhandbüros

76%

Versicherungsfonds

18,1%

Sonderhaushalt der ind. Investitionen

0.1%

staatl. verbürgte Anleihen staatl. verbürgte Darlehen Total (47 858.2 Mrd. Yen)

5,7% 100%

102

Die S t a a t s f i n a n z e n : A u f b a u und

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