Janusz Korczak Sämtliche Werke: Band 14 Kleine Rundschau. Chanukka- und Purim-Szenen 9783641247829


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German Pages 656 Year 2005

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Table of contents :
Inhalt
I. Kleine Rundschau
An meine zukünftigen Leser!
1926
1927
1928
1929
1930
1933
1934
1936
1937
1938
Chanukka- Und Purim-Szenen
Der Kommentar
Anlagen
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Janusz Korczak Sämtliche Werke: Band 14 Kleine Rundschau. Chanukka- und Purim-Szenen
 9783641247829

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Janusz Korczak Sämtliche Werke Band 14

Janusz Korczak Sämtliche Werke

Ediert von Friedhelm Beiner und Erich Dauzenroth †

Gütersloher Verlagshaus

Janusz Korczak Sämtliche Werke Band 14

KLEINE RUNDSCHAU CHANUKKA- UND PURIM-SZENEN Bearbeitet und kommentiert von Erich Dauzenroth und Michael Kirchner

Gütersloher Verlagshaus 2005

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Aus dem Polnischen von Nora Koestler Die Edition Janusz Korczak - Sämtliche Werke erfolgt auf der Grundlage der polnischen Werkausgabe Janusz Korczak: DZIEŁA Redaktionskomitee: Hanna Kirchner, Aleksander Lewin (Leitung), Stefan Wołoszyn, Marta Ciesielska. Diesem Band liegen die Texte des zweiten Halbbandes des 11. Bandes der polnischen Werkausgabe Warszawa (in Vorbereitung) zugrunde, bearbeitet von Marta Ciesielska. Die Sämtlichen Werke (dt.) folgen einem eigenen Editionskonzept; sie sind anders zusammengestellt, selbständig bearbeitet und kommentiert. Edycja wspierana finansowo przez Fundację Współpracy Polsko-Niemieckiej

Die Edition wird von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit unterstützt. Copyright © 2005 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Texterfassung und Satz: Weserdruckerei Rolf Oesselmann GmbH, Stolzenau ISBN 978-3-641-24782-9 www.gtvh.de

Inhalt Band 14

KLEINE RUNDSCHAU IJ

CHANUKKA- UND PURIM-SZENEN 579

Kommentar 629

Anlagen 6JI

Korczak im Kreise der Kinder

INHALT I. Kleine Rundschau An meine zukünftigen Leser r 3

192.6 Aus dem Sejm 2 3 Scharlach 26 Gute Arbeitsgeräte 2 7 Unrat auf den Straßen 28 Ein Strohfeuer 29 Die erste Post 3 2 Änderungen und Verbesserungen 34 Antwort auf Briefe 34 Änderungen und Verbesserungen 45 Antwort auf Briefe 46 Antworten der Redaktion 50 Änderungen und Verbesserungen 51 Vier Methoden, sich zu versöhnen 51 Pfui! 52 Der Stacheldraht im Krasinski-Park 53 Es geschieht Ihnen recht 54 Ein karierter Block 5 5 Vielleicht findet jemand einen Platz? 56 Finanzielle Sanierung 56 Bitte nicht böse sein 58 Wie dumme Gänse 59 Die Scouts von Haschomer haben das Wort 6o Wettbewerb für einen Artikel über die finanzielle Sanierung 6o Brief nach Palästina 61 Laufende Nachrichten 62 Antwort auf Briefe 64 Antworten der Redaktion 67 Bei einem echten Senator 70 Interpellation 72 Briefe und Antworten 72 Antworten der Redaktion 76 Vier Kongresse der Erwachsenen 78 Sammelantworten 8o Ecke für Erwachsene 8 3 Schulreform 84 Die Woche der Akademiker 85 Die Jugend für die Jugend 86 Pressegesetz 8 8 Die Krankenkasse 89 Sammelantworten 89 Briefe und Antworten 90 Antworten der Redaktion 9 5 Die Pazifizierung Europas 97

8

Inhalt Blutige Exzesse in Wilna 98 Ein neues Kinderspital 99 Briefe und Antworten IOO Antworten der Redaktion I04 Bodenreform I06 Das jüngere Brüderchen I09 Laß mich in Ruhe! I IO Briefe und Antworten I I 2 Antworten der Redaktion I I7 Der Ur-Ur. .. Großvater und ein Ur-Ur ... Enkel (Chanukka) I I9 Chanukka I2I Die Anordnung 126 Briefe und Antworten I 26 Antworten der Redaktion I 28 Erwachsenenecke I30 Pan Mieczyslaw I30 Aus dem Land I 3 5 Antworten der Redaktion I 37 Nachrichten I38 Posteingänge I 3 8 Werbung für die Jugend 142 Ich will wissen I 4 5 Sorgen eines Redakteurs 146 Antworten der Redaktion 148 Ein schmerzlicher Vorwurf I49 Zwei Briefe aus Palästina I 53 Das gehört sich nicht I 55 Das Volksschulwesen I 57 Antworten der Redaktion I 58 Kameradschaft- Spickzettel- Vorsagen I6I Poleglik I63 taja aus der Sliskastraße I64 Antworten der Redaktion I65 Klage gegen den amerikanischen Konsul I 66

192.7 Krieg I69 Brief von Lutek aus Paris I7I Henryks erstes Gedicht I73 Sammelentschuldigung I 74 Antworten der Redaktion I75 Das Eigentum des Kindes I75 Streitsucht I Belästigung (I) I77 Ein neuer Bildungsminister I 8 I Antworten der Redaktion I 83 Endlich! I 8 5 Ein Gespräch unter vier Augen I9I Antworten der Redaktion I91 Streitsucht I Belästigung (2) 192 Der Zeichenwettbewerb für das Kindergeld I95 Ich danke. Ich bitte um Verzeihung I98 Der Poet aus Wilna 199 Änderungen und Verbesserungen 201

Inhalt Antworten der Redaktion 202 Der Sieg der Kleinen Rundschau 202 Ihr habt recht, Kinder 205 Militaristen 208 Die Verteidigung von Stanzek aus Brwin6w 2IO Erinnerungspostkarten (I) 211 Antworten der Redaktion 2I3 Streitsucht I Belästigung (3) 2I4 Erinnerungspostkarten (2) 2I7 Drei Briefe über die Spitäler 2I8 Antworten der Redaktion 22I Szlameks Besuch beim Herrn Präsidenten 22I Antworten der Redaktion 223 An die amerikanischePresse 224 Schulangelegenheiten 227 Onkel, bring das Geld zusammen 229 Die Benachteiligten 230 Antworten der Redaktion 2 3 2 Monat des Waisenkindes 233 Versprecht nichts! 235 Ein Brief von Chaimek aus Praga 236 Eine Zeitung kann kein Buch ersetzen 2 3 6 Antworten der Redaktion 2 37 Purim 238 Antworten der Redaktion 242 Erstes Preisausschreiben der Kleinen Rundschau (Die Finanzreform) 243 Miecio der Schlingel...247 Antimilitaristen 246 Aus den Aufsätzen von Runia 249 Antworten der Redaktion 251 Sie bezahlen die Schulden 2 5 I Zur Statistik der eingegangenen Briefe 254 Ehre sei Kalisz 26 I Er ärgert sich nicht 263 Antworten der Redaktion 26 5 Sara hat ihre Familie gefunden 266 Icek der Betreuer 268 Tante Mania verteidigt sich 270 Antworten der Redaktion 27I Frühling 27I Keine Stacheldrähte in Warschauer Parks 277 Unberechtigte Klage 278 Pessach 279 Wolken und Schatten 286 Mose und das Zicklein 287 Antworten 287 Die jüdische Frage (Ein Pessach-Gespräch) 288 Goldsuche 292 73 Briefe 296 Erinnerungspostkarten (3) 29 8 Postkartenturnier 302 Verteidigt euch! 304

9

IO

Inhalt Es ist kaum mit euch auszuhalten 305 Antworten der Redaktion 307 Sammetbrief aus Konin 308 Zum Todestag des Erfinders von Esperanto 3 I 5 Exaltiertheit, Ideal, Phrase 3 I6 Sammetantwort für Rätselfreunde 3 I 8 Die Briefe derer, die nicht schreiben können 319 Antworten der Redaktion 3 I9 Gespräch bei den Blumentöpfen 3 20 Streik der Reporter 3 22 Antworten der Redaktion 3 2 3 Schul-Nummer (Zur Verteidigung der Volksschule) 324 Prügeleien 3 29 Bei unseren Nachbarn 3 30 Das zerbrochene Lineal 3 3 I Redaktionskonferenz der Kleinen Rundschau 3 3 2 Berichtigungen 334 Erste Versammlung 335 Über die Motivation Briefe zu schreiben 3 36 Abschied vor den Ferien 3 37 Ehre sei dem Onkelehen 3 3 8 Das Tagebuch eines Reporters (I) 339 Offener Brief an die Stadtverwaltung 343 Das Tagebuch eines Reporters (2) 346 Aus der Redaktion 349 Die Sonne 349 Prospekt für die Kleine Rundschau 3 5 I Protokoll der Redaktionskonferenz 3 59 Selbstverwaltung in der Schule (I) 367 Über die Kameradschaft 372 Der erste Schultag 376 Antworten der Redaktion 377 Selbstverwaltung in der Schule (2) 378 Bücherbörse 3 8 3 Über Noten für Zuneigung und Abneigung 385 Ein Gespräch 392 Nr. r. der Kleinen Rundschau 394 Emanek hat einen Fehler 397 Selbstverwaltung in der Schule (3) 399 Die jüngsten Mitarbeiter der Kleinen Rundschau 402 Harry in der Redaktion 403 Sammelantwort 406 Schulchronik 406 Ich weiß nicht 407 Wettbewerb für eine >>FrüchtepostkarteMein Spiel« oder >>Unser Spiel>Wir wollen eine Beilage für Kinder einführen. Die Beilage für Kinder kann einmal in der Woche erscheinen. Wir stellen einstweilen zwei Seiten wöchentlich zur Verfügung. Wir mischen uns nicht ein. Schreibt einfach, was euch paßt. Sie haben schon ein paar Bücher für Kinder geschrieben, also wird es Ihnen leicht fallen.>Gut.>Da hast du Papier, Feder und Tinte. Schreib!>Wenn ich sie doch nicht kenne.>Das macht nichts.>Liebe Tante! Ich bin gesund und wünsche der lieben Tante dasselbe. Liebe Tante, ich weiß nicht, wie Du aussiehst. Schreib mir doch, ob Du dick oder dünn bist. Und schreib mir, was für Haare Du hast. Und schreib mir, was für eine Nase Du hast. Und schreib mir, was für Ohren Du hast.

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Und schreib mir, was Du, liebe Tante, für Zähne hast. Und schreib mir doch, ob Du, liebe Tante, Schokolade magst, ich mag sie nämlich. Und schreib mir, ob Du Briefmarken sammelst; ich sammle sie nämlich und habe ein Briefmarkenalbum. Und schreib mir, was für eine Sprache Du hast. Und ob dort die Buben Rad fahren; ich möchte gerne Rad fahren, aber ich habe kein Rad. Ich erinnere mich nicht an Dich, erinnerst Du Dich an mich? Bist Du gewachsen? Denn ich bin nämlich gewachsen. Ich grüße Dich, liebe Tante, und die ganze Familie. Und bitte, schreib mir unbedingt zurück.>Im Sejm hat man gesagt. - Ein Abgeordneter hat gesagt. - Es gab eine Abstimmung. - Ein Minister war im Sejm.« Die Artikel sind lang und langweilig. Das Schlimmste ist aber, daß sie voller unverständlicher Ausdrücke sind. - Obwohl immer die Klügsten aus der ganzen Redaktion über den Sejm schreiben, wäre es besser, wenn statt dieser Artikel Berichte über verschiedene Vorfälle und darüber, was auf der Welt Interessantes passiert, erscheinen würden. Ich würde lieber mit etwas anderem beginnen, aber man kann nichts machen, solange wir uns noch keine eigene Zeitung ausgedacht haben, müssen wir die Erwachsenen nachäffen. In allen Zeitungen gibt es Leitartikel. Und wir müssen auch Leitartikel haben. Später sehen wir dann, was wir tun. Der Sejm ist irgendwo in Mokot6w, ich wohne in Wola>, also weiß ich nicht genau, was geschieht. Da ist guter Rat teuer. Vielleicht gelingt's mir. Aber wenn sich zeigt, daß auch in der Kleinen Rundschau Leitartikel über den Sejm sein müssen, können wir uns so einrichten. Die Abgeordneten haben Kinder. Möge der Vater also für die Erwachsenen schreiben und der Sohn des Abgeordneten wird für uns schreiben. Oder - der Redakteur soll die Zeitungen für Erwachsene lesen und nachher dasselbe verständlich für die Kinder schreiben. Denn es schadet nichts, wenn man ein bißchen etwas weiß. Also- in letzter Zeit hat sich die Regierung, das heißt alle Minister, mit dem Sejm verzankt. Die Regierung hat gesagt, der Sejm berate schlecht, und der Sejm hat gesagt, die Minister regierten schlecht. Am meisten war der Sejm über zwei Minister verärgert und der Sejm sagte, sie sollten abtreten. Die anderen können bleiben, aber die Zwei sollen abhauen. Und die Regierung hat gesagt: >>Der Sejm soll sich doch begraben laßen und blau und grün ärgern.« Und die zwei Minister sind geblieben. Da wurde der Sejm noch wütender und erlaubte der Regierung nicht, so viel Geld auszugeben, wie notwendig war, um alle Ausgaben zu decken. - Die Regierung wurde gestürzt. Das Kabinett fiel um. Von einem Schüler, der nicht versetzt wurde oder das Examen nicht bestanden hat, sagt man, er sei durchgerasselt- man sagt, er habe sich geschnitten, obwohl man zum Schneiden eine Schere braucht oder ein Messer, die Zweier schreibt man aber mit der Feder. Und von den I. 2.

Polnisches Parlament. Warschauer Stadtteile.

Kleine Rundschau I926

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Kleine Rundschau 1926

Ministern sagt man, sie seien gestürzt. So als ob sie gegangen und gegangen wären, bis ihnen einer den Fuß stellte und sie dann gefallen wären. >>Der Sturz der Regierung BarteL >Ein StrohfeuerIch- und ich- ich auch!>Üoh, wir werden schreiben, ganz bestimmt jede Woche, für jede Nummer- wir werden viel schreiben.« Und es wird viele Briefe geben, aber nachher weniger und weniger. Der erste Brief wird ordentlich geschrieben sein und nachher schlampig. Ein Strohfeuer - brennt rasch und erlischt schnell. Aber es wird auch welche geben, die aushalten, die einen starken Willen haben.- Sie werden sich nicht beeilen, sondern zuerst ein paar Nummern durchlesen, nachdenken, einen Plan machen, ein Konzept schreiben, es durchlesen und verbessern - und erst dann den Brief ins Kuvert stecken. Diejenigen, die sich nicht beeilen, machen sich umsichtig an die Arbeit- und tragen sicher den Sieg davon. Sogar wenn sie nicht besonders Lust haben, werden sie schreiben. Und es ist wichtig, Nachrichten

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Kleine Rundschau I9Z6

aus jeder Schule aus verschiedenen Städten zu bekommen: aus t6dz, aus Wilna, aus Krakau, aus Lublin, aus Plock, aus Kalisz, aus Lw6w, aus Sosnowiec, sogar aus ganz kleinen Städtchen und sogar aus den Dörfern. Einer von diesen umsichtigen Lesern schreibt:

»Sehr geehrte Redaktion! Ehe ich für Ihre Zeitung schreibe, möchte ich einige Dinge wissen: I. Darf man kritisieren, wenn einem etwas nicht gefällt? z. Darf man Märchen, Gedichte, Träume schreiben? 3· Darf man seine Artikel illustriert liefern? 4· Darf man mehrere Artikel auf einmal schreiben? 5· Darf man anonym schreiben? Hochachtungsvoll P.T.«

Wir antworten: >>Es ist alles erlaubt, was man will. Das Wichtigste für eine Zeitung ist ein neuer Gedanke. Das, was einer geschrieben hat, ist vielleicht nicht gut, aber der Gedanke kann gut sein. Man kann nicht alles zugleich machen. Auf verschiedene Dinge wird man warten müssen. Das eine kann gleich geschehen, das andere erst nach einem Monat oder nach einem Jahr. Illustrierte Artikel- das ist ein guter Einfall, aber Unsere Rundschau hat schon illustrierte Beilagen und solche Zeichnungen kosten viel Geld. Man sagt oft: >Wenn ich Geld habe, dann mache oder kaufe ich das und das oder ich gehe da und da hin.< Märchen, Gedichte und Träume sind wichtig, aber wir wollen damit nicht anfangen, denn verschiedene Märchen und Gedichte gibt es schon in großer Zahl in Büchern und Zeitungen für Kinder; es ist also besser, am Anfang von etwas zu schreiben, das es noch nicht gibt. Wichtig ist auch, wie die Artikel unterschrieben werden: mit dem Vornamen, dem Namen oder überhaupt nicht. - Es gibt nämlich Leute, die ihren Namen gern gedruckt sehen, weil sie meinen sie seien berühmt.- So ist es ganz und gar nicht. Wenn sie oft über etwas schreiben, ist das sogar bereits langweilig. Ein Bub sagte mir so: >>Den Magister Klawe kann ich gar nicht leiden.>Warum?>Weil man überall schreibt: >Das Hämogen des Magisters Klawe, ein Schachspieler, und jetzt weiß sicher bereits niemand mehr etwas von ihm. Berühmt war Staiger 3, über ihn wurden sogar Lieder gesungen. Und Coogan4 war berühmt, solange er noch klein war und jetzt werden gerade die Kinder eines Kellners in Amerika berühmt.S- Jetzt sind bereits nicht nur Menschen berühmt, sondern auch Tiere. Der Hund Rin-tin-tin 6 ist berühmter als viele Wissenschaftler und vor ein paar Jahren war irgendein dressierter Affe berühmt, ich habe sogar vergessen, wie er hieß. Der Mensch soll sich bemühen, daß er nützlich ist und nicht daß er berühmt ist. Es ist besser, wenn hundert Leute wissen, daß ich ein ordentlicher Mensch bin als wenn tausend oder eine Million Leute wissen sollen, wie ich heiße und wie ich aussehe. In den Zeitungen wird nicht nur über nützliche und ordentliche Menschen geschrieben, sondern auch über Gauner. Gott gebe niemandem einen solchen Ruhm wie ihn Zielinski hat, habe ich doch gehört, wie in der Straßenbahn zwei Jungen sagten: >>Was tut's, daß er ein Bandit ist, schau nur, wieviel die Zeitungen über ihn schreiben.« >>Die ganze Polizei jagt ihn und kann ihn nicht erwischen.« Diese zweijungen waren eifersüchtig, das man über Zielinski schreibt, aber sie dachten überhaupt nicht daran, wie unglücklich er ist. - Er muß sich verstecken, er muß fliehen- vielleicht schmerzen ihn die Beine, sicher ist er hungrig, hat keine Schlafstätte und er friert. - Sicher hat er sich verletzt, als er geflohen ist. Und er weiß ja, das man ihn ergreifen und aufhängen wird. Und das war's dann. Aber dann wird man über andere schreiben - und vielleicht weint einzig seine Mutter um ihn, weil er so verdorben war. Wenn ein Mensch von Nutzen ist, hat er Freunde und ist glücklich, doch niemand ist davon glücklich geworden, daß man in der Zeitung über ihn schreibt. Zygmunt Brajtbard, bekannter jüdischer Athlet. z. Samuel Reshevsky, geb. 1911 in Czozkow (Polen), amerikanischer Großmeister. 3· konnte nicht geklärt werden. 4· Jackie Coogan (1914-1984), der erste Kinderstar Hollywoods. 5· Anspielung auf die Marx Brothers? 6. Schäferhund, der seit dem Film »The man from hell's river« (1922) in den Vereinigten Staaten berühmt wurde. 1.

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Also sollten die Leute nicht wegen des Ruhms schreiben, sondern um etwas Interessantes mitzuteilen, damit der Leser sein Vergnügen hat, um etwas Wichtiges, etwas Wissenswertes, etwas Lustiges zu sagen. Natürlich ist es für die Redaktion bequem, wenn sie weiß, wer einen Brief geschrieben hat, weil diese Briefe aufgehoben werden- und jeder Brief wird seine Nummer haben, damit man weiß, wer oft schreibt oder selten, wer interessant schreibt, wer schon lange schreibt und wer eben angefangen hat. Der Brief, der mit den Buchstaben »T.P.>Strohfeuer>Dein Briefehen hat uns sehr erfreut. Es hat uns viel Kummer gemacht. Es freut uns, daß dir unsere Zeitung gefällt. - Es freut uns, daß du fleißig lernst. Es macht uns Kummer, daß dir der Bauch weh tut. Schreib uns, ob dir das Bäuchlein nicht mehr weh tut. Przyszlaczytelniczka «', Marysia Bentman6wna, Adam Minski, Henio Justman, Blimcia Rozenperl, S. Najdorf, J.Grundland, Dorka Hirszfeld6wna, B. Mozes, Leon Kornic, Helena Minska, Leon Nissenbaum, Oles Wertheim, L. Zysman, Marek Merecki, Tokzynska, M. Rendel, Benj. Berenfus,Jasio,Jerzy Silberman, Kuba Traub, G. Ber, Elus Segal, R6za Gutman6wna.

r. (poln.): Eine zukünftige Leserin.

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Kleine Rundschau I926

Änderungen und Verbesserungen In jeder Nummer der Kleinen Rundschau werden wir schreiben, welche Änderungen und Verbesserungen wir eingeführt haben.- Wir werden uns mit verschiedenen Leuten beraten: Die Leser werden schreiben, was ihnen nicht gefällt, wovon es zuviel gibt, was fehlt, was sie wissen möchten und woran sie nicht interessiert sind. Freilich können wir es nicht allen recht machen. Einer möchte Märchen haben, ein anderer wirkliche Vorkommnisse, einer Reisen, ein anderer historische Berichte. Aller Anfang ist schwer, weil man über alles gesondert nachdenken muß; nachher aber wiederholt sich, was gut war, und man hat keine Schwierigkeiten damit. Und es bleibt mehr freie Zeit, um neue interessante Ideen einzuführen. Wir wissen, daß die Kleine Rundschau noch nicht gut ist.

Tagebuch eines Waisenkindes Ein Tagebuch ist- kein Roman. Ein Tagebuch- das sind Erlebnisse und Ereignisse aus dem Leben eines Menschen. Nicht irgendeiner beschreibt es, sondern er selbst. Ein Tagebuch- das ist die Wahrheit. Gerne drucken wir dieses Tagebuch ab, das uns zur Erinnerung hinterlassen wurde unter der Überschrift: Kurze Geschichte meines Lebens.

Antwort auf Briefe (Erste Post) Der erste, verbesserte, Brief sieht so aus:

I »Im Sommer wohnten wir in]6zef6w neben der Bahnstation. Einmal, als ich rausging, um auf den Vater zu warten, kam der Schnellzug aus Otwock und überfuhr einen kleinen Hund: Der Zug trennte ihm eine

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Pfote ab. Das Hündchen hat sich in schrecklichen Schmerzen gekrümmt. Ein Herr hat das Leiden des Hündchens nicht mitansehen können und hat es getötet. Wir haben ein Loch gegraben und haben das Hündchen beerdigt.« Auf diesen Brief antworte ich so, als würde ich nicht in der Zeitung antworten, sondern in einem privaten Brief einem Freund. Also: »Lieber Junge. Ich erinnere mich, wie ich als kleiner Bub in Muran6w eine überfahrene Katze gesehen habe; die Katze miaute furchtbar. Irgendwie hüpfte sie schrecklich herum. Sie wollte weglaufen, aber sie fiel um. Ich habe Blut gesehen. Mit den Vorderpfoten bewegte sie sich, die Hinterpfoten hingen runter. In der Nacht habe ich dann von dieser Katze geträumt. Ich erinnere mich, wie wir einen Kanarienvogel beerdigt haben: ich und meine Schwester. Wir haben geweint, als wir vom Begräbnis heimkamen und der Käfig war leer. Später habe ich viele schreckliche Dinge gesehen: wie die Menschen und die Tiere leiden. -Jetzt weine ich nicht mehr, sondern bin nur traurig. Manchmallachen die Erwachsenen, wenn ein Kind weint. Das sollten sie nicht tun. Ein Kind hat noch wenige Leiden gesehen, also hat es sich noch nicht daran gewöhnt.« In einem privaten Brief hätte ich noch mehr geschrieben. Und jetzt denkt darüber nach, ob ich in der Zeitung auf 4 7 Briefe solch lange Antworten geben kann. Dafür gäbe es doch nicht genug Platz. Ich mache es so: Jede Woche antworte ich einem mit einem langen Brief in der Zeitung oder mit der Post, den anderen aber werde ich kurz antworten. Einen Brief drucke ich ganz ab, aus den anderen bringe ich Teile in die Zeitung (man kann sagen: Bruchstücke- Abschnitte -Auszüge).

II Bei wem beginnen? 47 Briefe. Wer geschrieben hat, wartet auf Antwort. Kleine und Ältere warten. Es wartet Alinka, die sieben Jahre alt ist, Lutek, der acht Jahre alt ist, es wartet Musiu aus Brzoz6w, Bolus, Jonas; es wartet ein zweiter Lutek, der auch acht Jahre alt ist. Und sein älterer Bruder haut ihn; es warten: Marysia aus der ersten Klasse; und Jasio und ein dritter Lutek.- Es gibt allein drei Luteks: einen aus der Chlodna Nr.34, einen aus der Hoza Nr.r und einen dritten, der nicht geschrieben hat, wo er wohnt.

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Es warten Schüler aus der Vorschule, aus der dritten und vierten Klasse und aus dem dritten Jahr der Grundschule; es warten auch die Älteren, aus der sechsten Klasse und dem siebten Schuljahr. Ich möchte so antworten, daß sie zufrieden sind und daß es für die anderen nicht langweilig ist. Das ist so, wie wenn sich in einer Klasse 4 7 Schüler und Schülerinnen aus allen Klassen versammeln würden und ein Lehrer müßte ihnen Unterricht erteilen. Manchmal kommt ein Lehrer nicht zur Schule und dann werden zwei Klassen zusammengenommen. Und sofort entsteht Unruhe und Unordnung. Am einfachsten ist es dann, ein Märchen zu erzählen, aber ein Märchen möchte ich jetzt noch nicht erzählen. -Am schwierigsten ist es da, sich mit einer solchen Klasse zu unterhalten. Und ich möchte eben gerade gerne mit euch plaudern. Also: Ich fange beim Jüngsten an- bei Oles. Oles hat diesen Brief geschickt:

»Ich heiße Oles. Im November werde ich fünf Jahre alt. Schreiben und lesen kann ich noch nicht, aber es wird mir vorgelesen; und diesen Brief diktiere ich. Ich habe ein Radio und ich bitte sehr, daß es täglich Märchen gibt, morgens und abends, mit Musik und Feen. - Wir haben einen Garten an der Leiewelstraße und in dem Garten ist mein Brüderchen, aber nicht mein richtiges, sondern der Onkel ist der Bruder von Papa. Und ich reite auf einem Pony- das ist so ein Fohlen. Kennen Sie es? Aber ein richtiges Brüderchen oder Schwesterehen habe ich nicht, ich bin der einzige Sohn. Sie sagen, ich sei ein Lausbub, aber das ist nicht wahr, weil ich nämlich brav bin. Manchmal schleife ich auf dem Teppich, Papa erlaubt das nicht, und am anderen Tag rutsche ich wieder, weil ich es vergesse. Die Eltern schimpfen mit mir und hauen mich, aber nicht oft. Muß das sein, daß sie mich anschreien? Mama gibt mir mit der Hand auf die Pfoten, Papa aber schlägt auf den Rücken (eigentlich nicht auf den Rücken, ich schäme mich nur, es zu sagen). Ich war in Ciechocinek. Papaehen hat mir eine Pistole gekauft und ich habe geschossen, aber der Hausherr von der Villa wollte mir die Pistole wegnehmen. Und es war eine Tafel an der Tür: >Bitte nicht weinen und keinen Lärm machen!< Und ich träume, daß ich in einen Fluß falle oder daß ein Wolf mich verfolgt.- Ich möchte gern, daß man mich nicht schlägt und daß sie das Pony nicht verkaufen.n zwei Stunden, in einem Monat«, dann wissen sie nicht, wann das sein wird- und sie wollen, daß es sofort ist, schon gleich. - Ich füge noch hinzu, daß die Erwachsenen oft sagen: »Morgen, späterVogel< in den Sinn, ob ich nicht versuchen könnte etwas an die Zeitung zu schicken; vielleicht ist es was; wenn nicht, kann man nichts ändern. Die Hauptsache ist, sich nichts draus zu machen und was Gutes zu essen. Ich ende, weil ich fühle, daß ich Sie gelangweilt habe.>vielleichtneunzehnjährige Greis« seine Geschichten dem kleinen Jankiel. Eine andere Sache ist das mit Judita. Sie soll es versuchen. Wenn sie beobachten kann und vieles Spannende sieht, könnten ihre Erzählungen vielleicht die Leser der Kleinen Rundschau interessieren. >> Jerzy« ist entweder schon erwachsen oder er hat den Artikel abgeschrieben. Wir drucken ihn nicht ab.

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Kleine Rundschau I926

VII Bitte, laßt euch nicht entmutigen. Wer echte Tränen vergossen hat, als er etwas Trauriges schrieb, oder wer sich von ganzem Herzen gefreut hat, weil er etwas Lustiges geschrieben hat und es ihm gelungen ist, sich eine drollige Sache auszudenken; wer beim Schreiben nicht gedacht hat, er sei klug und sich und seine Nächsten völlig vergessen hat, wer nicht deshalb schreibt, weil ihm etwas eingefallen ist, das er nachahmen möchte, sondern wer aus dem Kopf, aus der Seele, schreibt, wer die Geduld hat, viele Male das Geschriebene zu verbessern - der möge nicht auf meinen schroffen Ton achten, er möge dasselbe noch einmal schicken und fragen: >>lst's gut?«- aber er soll nicht verlangen, daß die abgelehnten Geschichten zurückgeschickt werden; wir heben sie nämlich auf, um sie mit denen zu vergleichen, die andere später schreiben werden. Der >>Papa aus Lublin« soll Sara beruhigen: Wir haben keinen Redaktionspapierkorb, den Ofen heizen wir mit Kohle und nicht mit den Briefen der Kinder. Den Erwachsenen fällt es leicht zu schreiben, den Kindern schwer. Also achten wir ihre Arbeiten und heben sie als wertvolle Dokumente auf. Wir danken der Schülerin der fünften Klasse, S.B., für die Idee, eine Umfrage zu verschiedenen Themen zu veranstalten. Wozu auf zwanzig Bestnoten warten?- Eben, wer Themen von Umfragen liefert und Verbesserungsvorschläge macht, bekommt den Titel eines Korrespondenten. Wir vergeben die Fünfernoten' nicht zur Ermunterung, wir spekulieren nicht darauf, daß man sich mehr anstrengt, sondern - um die Spreu vom Weizen zu sondern. Wir wollen uns mit den Lesern verständigen, wir wollen uns mit den vernünftigsten und besten befreunden. Wie soll man das anstellen? Wir werden doch viele hundert Briefe bekommen. Jetzt ist jeder Brief neu wir wollen, wenn wir die Post zur Hand nehmen, von vornherein wissen: >>Aha, das ist von ihm - oder von ihr.« Einige fragen, ob sie schreiben sollen oder kündigen an, daß sie schreiben werden. Solche Briefe sind unnötig. Jeder kann über alles schreiben. Man kann nur nicht alles drucken, und um so mehr - kann man es nicht sofort drucken. J6zio aus der Solna und Jadzia aus der Orla haben einen Schulausflug hübsch beschrieben, aber schöne Schulaufsätze drucken wir nicht ab. r. Siehe polnisches Notensystem S. r8.

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Adas möchte wissen, welche Abenteuer wir drucken wollen: ,, Doch wohl solche, welche die Leser fesseln.>Ich habe großen Kummer, weil ich nicht mit meinen Schulkameradinnen auskomme und immer wieder allein bin. jetzt werde ich in eine andere Schule gehen und mich um Schulfreundinnen bemühen.« Schreibe, Frania, ob du ungeduldig und hitzköpfig bist, oder streitsüchtig, oder eingebildet, oder eifersüchtig, oder gehässig (gerne jemanden auslachst); vielleicht findet sich ein Rat, wie die neuen Schulkameradinnen dich liebgewinnen können. Ein Literaturkreis

»Wir haben beschlossen, einen Literaturkreis zu gründen. Vorläufig setzt sich unser Kreis aus drei Mädchen zusammen. Wir machen dies das erste Mal und wissen nicht, wie man das anstellt. Zu unserem Kreis kann jeder gehören, der gerne mitarbeitet.« Es genügt nicht, sich gerne an die Arbeit zu machen, man muß auch bei der Arbeit bleiben, sich nicht entmutigen lassen, nicht die Lust verlieren, sich nicht schnell langweilen. Im Reglement müßt ihr eine Strafe vorsehen für jemanden, der ohne jeden Grund die Sitzungen versäumt oder sich verspätet.- Hütet euch vor Eingebildeten und Wichtigmachern, Empfindlichen und Angebern, denn sie verderben euch alles und es wird dann keinen Kreis geben, sondern Streitereien und Geschwätz.

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Miteinander »Die Jungen sollten doch alle Unterhaltungen und Sportarten zusammen mit den Mädchen betreiben.« Das wird schwierig. Denn, erstens, sind nicht alle Sportarten für Jungen und Mädchen gleich gesund, und zweitens, wenn sich ein Junge mehr mit Mädchen vergnügt, fängt man an, ihn zu ärgern und auszulachen. Für die Idee, daß im eigenen Haus der Kleinen Rundschau Gartenbeete für Kinder und Waschbecken sein sollten, bedanken wir uns. Aber dafür braucht man mehr Platz.

Wem gehorchen? »Die Erzieherin hat gesagt, ich sollte früher aufstehen und meine Schulaufgaben wiederholen. Aber die Mama erlaubt das nicht und sagt, daß die Gesundheit das Wichtigste ist. Die Lehrerin droht damit, daß ich in Französisch eine Zwei' bekommen werde. Wer hat Recht, was soll ich tun?« Die Antwort ist hier einfach: Die Mama muß dir erlauben, eine Zwei zu bekommen. Es kann schlimmer sein: Der Vater verbietet etwas und die Mutter ordnet es an, oder: Das Herz verlangt es und die Pflicht verbietet es. Und da kann niemand einen Rat erteilen -das muß jeder für sich selbst wissen. Gräm dich nicht, Janka. Eine Vierte schreibt:

»Mir schien, der Verurteilte wünschte sich, aus der Menge irgendwelche guten, weisen Worte zu hören, stattdessen überschütten sie ihn mit Beschimpfungen.« Das stimmt nicht! Niemand hat ihn mit Schimpfworten überschüttet. Sie haben ihn sich höchstens angeschaut. Wenn man ein Unglück, eine Benachteiligung beschreibt, muß man sich besonders vor Übertreibungen und sogenannten landläufigen, aber verlogenen Ausdrücken hüten. Man darf nichts hinzufügen. Ärgere dich nicht, Helcia, aber ich mußte dich darauf aufmerksam machen. Dein Bild des Verurteilten in Ketten ist schön, aber doch ...

r. Siehe polnisches Notensystem S. 18.

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Man muß die Wahrheit schreiben Einer schreibt:

»Ich liebe die Natur, also ging ich in den Wald, um die Natur kennenzulernen.« Ich weiß, daß Kinder Beeren und Pilze im Wald suchen, aber nicht die Natur. Im übrigen- vielleicht ... Ein Zweiter schreibt:

»Gleich am ersten Tag habe ich mich mit allen jungen angefreundet und beim Mittagessen war ich mit allen recht ausgelassen.« Morgen, aber nicht heute! Bei Tisch ist es nicht erlaubt, Unfug zu machen. >>Ich war mit allen recht ausgelassen>Wenn sich einer verspätet, dann müssen eine Woche lang alle um 1 5 Minuten früher kommen.>Die Studenten lernen von Anfang an, daß jeder für seine eigenen Taten verantwortlich ist.« Aha! Aber warum schreibt man nicht, daß, wenn einer eine Fensterscheibe einschlägt, die ganze Klasse zahlen muß oder daß immer alle zusammen etwas ersetzen sollen; oder daß alle im Karzer bleiben, weil ein paar in der Klasse laut waren? Einer ist schuld, aber zwei müssen in der Ecke stehen. Irgendeiner hat mir einen Klecks gemacht und über mich ist man ärgerlich. Der Minister muß die Anordnung sicherlich zurücknehmen. Auch wir finden, daß es so nicht sein sollte. Aber man muß ehrlich sein. Ein bißeben freuen wir uns sogar. >>Es geschieht ihnen recht. Sie werden wissen, wie das schmeckt«.

k.

22.10.1926

Ein karierter Block Warum kaufen die Schüler keinen Block? Jeder möchte ein Notizbuch haben oder kauft sich eines oder macht eines selbst, aber Blöcke haben sie nicht. Ein Block ist sehr bequem, denn jeder braucht manchmal einen Zettel. Also reißt er ihn aus dem Heft und gleich fallen zwei Seiten heraus. Und man reißt ungleichmäßig. Der Block aber hat auf der Seite kleine Löcher und man kann bequem so viele Seiten herausreißen, wie man braucht. Es gibt Läden, wo man für I 5 Groschen einen Block aus Papierabfällen bekommen kann, das heißt aus Stücken, die beim Papierzuschneiden übrigbleiben und die man nicht braucht. Auf eine Seite aus dem Block kann man zeichnen, Briefe an die Schulkameraden schreiben, seine Aufgaben notieren, damit man daran denkt oder beim Rechnen etwas ins Unreine schreiben. Warum sind Blöcke nicht modern? Es ist praktisch, die Seiten rauszureißen, weil die Löcher da sind und es geht leicht und gleichmäßig. (Angeblich gibt es auch Blöcke von Menschen, aber ich weiß nicht, wie das geht). Wenn jemandem mein Rat genützt hat, soll er schreiben. Denn bis jetzt haben nur Erwachsene Blöcke und auch von denen nicht alle. Ein Block ist etwas Ähnliches wie ein Abreißkalender. 22.10.1926

k.

Kleine Rundschau I926

Vielleicht findet jemand einen Platz? »jetzt bin ich zu Hause, weil mein Vater kein Geld hat, die Schule zu bezahlen. Der Vater hat mich aus dem Gymnasium genommen, und mich in die Volksschule zu geben, aber nirgends gibt es einen Platz in der fünften Klasse. Ich habe zwei Schwestern, mit denen ich mich streite, weil sie mir keine Bücher zu lesen geben wollen und sagen, alle Bücher seien für mich zu schwer. Ich würde sehr gern in die Schule gehen, weil diese Weiber mich schrecklich ärgern.« Dem Brief nach ist Leon kein besonders guter Schüler und sicherlich ein bißchen ein Schlingel; aber vielleicht findet jemand für ihn einen Platz in einer fünften Klasse?

22.10.1926

Finanzielle Sanierung Das bedeutet auf Polnisch: >>Was tun, um Geld zu haben?« Dauernd schreiben sie darüber in den Zeitungen, aber da es kein Geld gab, so gibt es auch keins. Am lächerlichsten ist, daß arme Schlukker schreiben, die nichts haben und Ratschläge geben. Sie fragen die Reichen aus, aber wer sich auskennt, der sagt weder so noch so, weil er nicht will, daß es alle wissen. Eine Sanierung habe ich durchgeführt. Denn Szmulek hat sich in Schulden verwickelt. Er hat mit Heniek um ro Groschen gewettet, daß der Lehrer eine Woche lang krank sein wird und er hat verloren; für eine verlorengegangene Feder war er einem Mitschüler I 5 Groschen schuldig, Szmulek schuldete er Geld für die Straßenbahn. Von Chasia hat er sich 30 Groschen fürs Kino geliehen, von Raniecki aus der Twarda - 2 5 Groschen. Das sind zusammen 90 Groschen. Aus diesem Grund hatte er viele Schwierigkeiten. Er tat mir leid, also gab ich ihm einen Zloty und riet ihm, er solle nicht wetten und sich nichts borgen. Die Sanierung ist gelungen. Aber es ist leichter, dem kleinen Szmulek zu helfen als einem Erwachsenen oder dem ganzen großen Polen. Zu J6zio aber hat ein christlicher Mitschüler gesagt, daß man die Juden deshalb nicht mag, weil, wenn sie wollten, würde Amerika Geld geben. So behauptet sein Vater und der weiß es ja.

Kleine Rundschau r9z6

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Ich habe schon lange eine Idee, aber ich habe mich geniert, darüber zu schreiben; aber jetzt habe ich gedacht: komme was wolle. Ich bin in Verlegenheit: sollen sie doch lachen. Also es ist so. Es gibt Goldmünzen und es gibt Papiergeld. Das Papiergeld ist deswegen da, damit die Taschen nicht kaputtgehen. Wenn man nämlich zu viel in den Taschen hat, gibt es ein Loch und alles fällt raus. So liegt das Gold im Tresor und Papiergeld darf man nur so viel drucken, wie Gold im Tresor liegt. So haben es alle Nationen auf der Welt ausgehandelt und sprachen sich von vornherein dafür aus, daß nicht geschwindelt werden dürfe. Wenn man nur ein wenig mehr druckt, geht der Dollar gleich in die Höhe und alles wird teuerer. Was soll man tun, damit man mehr Geld drucken kann und der Dollar bei neun oder weniger Zloty liegt? Nun, ich habe mir was ausgedacht. Polen hat 30 Millionen Einwohner; ein Drittel, also 10 Millionen sind Kinder und jugendliche. Und Kinder kosten viel. Sie machen Schuhe kaputt, zerreißen Kleider und Mützen, kaufen Schulbücher und Fußbälle. Die Mädchen kosten auch viel, weil sie schöne Kleider, Schürzen und Krägelchen haben müssen. Nun und man könnte es so machen, daß man spezielles Kindergeld drucken würde. Richtiges Geld, aber nur für Ausgaben, die man für Kinder hat. Dann würden die Schulen nichts mehr kosten und das ganze Bildungsministerium wäre umsonst (würde >>schwarz fahren