Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Januar bis März 1895 [94]


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Table of contents :
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Heft 1 Januar
Der Parteigänger Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge,
Das französische Reglement vom 21 März 1893 über die Kriegs-
22
Heft 2 Februar
Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie Von Junk,
Einige Bemerkungen zum Neu-Abdruck der Felddienstordnung
(RECAP)
Umschau in der Militär-Litteratur:
Heft 3 März
Improvisirte Befestigungen Von Reinhold Wagner, Oberst-
Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit Eine
Schiefsübungen französischer Feld - Artillerie im Gelände, im
Die russischen Festungstruppen
Generalmajor Mafslowsky
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Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Januar bis März 1895 [94]

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Jahrbücher

für die

deutsche

Armee

und

Marine .

Verantwortlich geleitet

von

E. Schnackenburg Oberstlieutenant a. D.

Vierundneunzigster Band. Januar bis März 1895.

BERLIN W.8. Verlag von

A.

Mohren-Strasse 19.

1895 .

Bath.

Inhalts - Verzeichnifs .

No. 280.

Heft 1.

Seite

Januar.

1

11 22

I. Zum Friedrichstage. Friedrichs d. Gr. persönliche Fürsorge für die Verwundeten und Kranken seines Heeres. Von E. Schnackenburg , Oberstlieutenant a. D. . . II. Der Parteigänger Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet . Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792-1814 . Von Hans Fabricius , Oberstlieutenant a. D III. Improvisirte Befestigungen. Von Reinhold Wagner , Oberstlieutenant a. D. (Fortsetzung) IV. Das französische Reglement vom 21. März 1893 über die Kriegsgefangenen. Von Freiherr v. Welck, Oberstlieutenant a. D. V. Kaiser Alexander III. und die russische Wehrkraft

27 55 71 76

ཚ ©

VI. Das französische Heerwesen in 1894. Von J. Schott , Major a. D. VII. Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft. Ein Nachklang zur 94 Lemberger Ausstellung . . 103 VIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen IX . Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften 105 II. Bücher • 111 124 III. Seewesen IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenenBücher 130 No. 281.

Heft 2. Februar.

X. Der Parteigänger Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet. Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792-1814. Von Hans Fabricius , Oberstlieutenant a. D. (Fortsetzung)

134

XI. Improvisirte Befestigungen . Von Reinhold Wagner , Oberst154 lieutenant a. D. (Fortsetzung) XII. Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894. Von v. Klein , 181 Korvettenkapitän a. D... XIII . Über Melde- und Ordonnanz -Dienst der Kavallerie. Von Junk, 206 Rittmeister a. D. XIV. Einige Bemerkungen zum Neu-Abdruck der Felddienstordnung 224 vom 20. Juli 1894 . . 7

P )

CA

(RE

496294

XV. Die Wirkung der Feldgeschütze 1815-1892 XVI. Militärisches aus Rufsland . XVII . Umschau in der Militär- Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher · III. Seewesen IV. No. 282.

Heft 3.

Seite 230 233 238 245 254

Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher 259 März.

XVIII. Der Parteigänger Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet. Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792-1814. Von Hans Fabricius , Oberstlieutenant a. D. (Fortsetzung) XIX . Improvisirte Befestigungen. Von Reinhold Wagner , Oberstlieutenant a. D. (Fortsetzung) XX . Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit. Eine Berichtigung von Spohr , Oberst a. D. . . XIX. Schiefsübungen französischer Feld - Artillerie im Gelände , im · August 1894 . XXII. Die russischen Festungstruppen . XXIII. Generalmajor Mafslowsky † . XXIV. Eine scharfe Ordre Friedrichs des Grofsen aus dem Kriegsjahre 1762 . XXV. Umschau auf militärtechnischem Gebiet XVII. Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III. Seewesen IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher

261

285 296 312 324 332 335 336

355 363 372 377

I.

Zum Friedrichstage. Friedrichs d. Gr. persönliche Fürsorge für die Verwundeten und Kranken seines Heeres . Von E. Schnackenburg, Oberstlieutenant a. D.

En père bienfaisant conduisez votre armée,“ Dans vos moindres soldats croyez voir vos enfants," „Ils aiment leurs pasteurs, et non pas leurs tyrans;" Leurs jours sont à l'État, leur bonheur est le nôtre," „Avare de leur sang, sacrifiez le vôtre," nTant que Mars le permet, il faut les menager." Mit diesen schwungvollen Versen legt der Grofse König in dem Lehrgedicht „ l'Art de la guerre " *) seinen Offizieren eine menschenfreundliche Behandlung ihrer Untergebenen an das Herz . Er hat mit denselben seiner edlen und menschenfreundlichen Gesinnung selbst das schönste Denkmal gesetzt. Unter den hervorragenden Charakterzügen Friedrichs verdient seine sich nie verleugnende Teilnahme für die Verwundeten und Kranken seines Heeres mit an erster Stelle genannt zu werden. Bekanntlich hat es eine lügnerische Geschichtschreibung nicht verschmäht, den König unmittelbar nach seinem Ableben, selbst auf diesem rein menschlichen Gebiete in der unwürdigsten Weise zu schmähen und in den Augen der Nachwelt herabzusetzen.

Der vom Könige

im Jahre 1758 nach der Kapitulation von Schweidnitz in Ungnaden entlassene Husaren-Oberst von Warnery **) hat in seinen hinterlassenen Schriften, und zwar in den 1788 erschienenen „ Campagnes de Frédéric II " (p. 430), sich nicht vor der lügnerischen Angabe gescheut, dafs

die Aufseher und Wundärzte in den preufsischen Lazarethen

Oeuvres de Frédéric le Grand. X. p. 269. **) Nachmals General in polnischen Diensten. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1.

† 8. Mai 1786. 1

Zum Friedrichstage .

2

Befehl vom Könige erhalten hätten, alle diejenigen sterben zu lassen, die so verwundet seien , dafs sie voraussichtlich nach ihrer Genesung nicht weiter dienen könnten, und dies, um die Kosten ihres Unterhaltes zu sparen. Tempelhoff widerlegt schon in seiner 77 Geschichte

des

sieben-

jährigen Krieges " (Bd . IV S. 312 ) den schmähsüchtigen Warnery auf die schlagendste Weise und fügt hinzu, dafs, weil die französischen Wundärzte in der preufsisehen Armee sehr leichtsinnig mit Verwundeten umgingen, Friedrich befohlen habe, es solle allemal ein Deutscher bei ihren Operationen gegenwärtig sein. Aber auch aus dem gegnerischen Lager

erhoben

sich Stimmen, welche die von Warnery verbreitete schamlose Lüge entsprechend brandmarkten. Cogniazo sagt in seinen 1790 herausgegebenen Geständnissen eines österreichischen Veteranen " (III . 300 ff), dies sei eine ,,monströse Behauptung" . Alle Blessirten ohne Unterschied seien mit Güte und Sorgfalt behandelt worden, Dr. Baldinger, ehemaliger k. preufs. Feldarzt, habe das Lügnerische der Warnery'schen Behauptung auch litterarisch in seinem medizinischen Journal bewiesen. Die Wahrheit ist, gemäfs einer Äufserung des General- Chirurgus Engel *), dafs der König wiederholt den Ärzten hefahl, nicht zu rasch zu verfahren mit Arm- und Beinabnehmen und nicht unnötiger Weise Krüppel zu machen, sondern solches nur im höchsten Notfalle zu thun, wenn keine andere Rettung mehr sei . Auch Generalarzt Theden berichtet in seinen „ Erinnerungen " (Nicolai , Anekdoten I. 337) : „ Ich erinnere mich, dafs der König nach der Bataille von Czaslau, als er aus dem Lager nach Kuttenberg ritt, um die Spitäler zu besuchen , durch die Vorstadt kam und daselbst einen Haufen Feldscheere fand. Er fragte, was dieser Auflauf bedeute und erhielt die Antwort : ,,Eine Amputation , Euer Majestät." - O ihr Schurken, war seine Antwort, weil dem Könige Amputationen zuwider waren. Ich weifs, dafs, als der GeneralChirurgus Bilguer seine Dissertation von der oft unnötigen Abnahme der Glieder schrieb, er dadurch des Königs Gnade erlangte." Dem österr. Minister Cobenzl wurde nach der Schlacht von Kollin aus Dresden geschrieben :

,,Es ist expresser Befehl des Königs, dafs an keinem Blessirten eine Amputation ohne Erlaubnifs vom Könige Doch genug davon. vorgenommen werden solle" **). Friedrich hatte die Fürsorge um das leibliche Wohl seiner Soldaten von seinem Vater geerbt.

Wie er dieselbe bis zu seinem Lebensende

*) Vergl. Roedenbeck, Beiträge zur Lebensbeschreibung Friedrichs d. Gr. I. 310 ff. **) Huschberg- Wuttke, die drei Kriegsjahre 1756, 57 , 58 in Deutschland. S. 162.

3

Zum Friedrichstage.

3

bethätigt hat, davon mögen die nachstehenden Zeilen einiges Zeugnifs geben. In den von dem Könige 1743 gegebenen ,, Reglements" befindet sich ein besonderer Abschnitt : ,,Wie die Krancken im Felde in Acht genommen und auf die Conservation der Soldaten gesehen werden soll . " *) Hier ordnet der König genauestens an, wie die Lazarethe einzurichten, welches die Pflichten der Feldscheere und Krankenknechte seien, in welcher Weise sich die Hauptleute ihrer Kranken anzunehmen haben, wie die ,,Kameradschaften " in den Zelten zusammen kochen sollen u . s. w. Den Capitains wird eingeschärft,,,sie sollen den Kranken und malades Kerls gute Suppen kochen lassen, auch alle möglichste Sorgfalt thun, dafs selbige gut gepfleget werden. " Den Generalen befiehlt er in der ,,Instruktion für die General-Majors von der Infanterie" **) : ,,Wenn die Bataille vorbei ist, so müssen die Generale für die Kranken und Blessirten von ihren Brigaden sorgen." Ein anderer Abschnitt des Reglements ***) bestimmt,,,wie die Feldscheers sollen angenommen, die Kranken in den Guarnisons wohl in Acht genommen, und auf die Conservation der Soldaten gesehen werden soll ". Hier verlangt der König u . a . , dafs kein RegimentsFeldscheer bei den Regimentern angenommen werde ,,, welcher nicht die Erfahrung und Wissenschaft von innerlichen und äufserlichen Auch sehr wichtige hygienische Vorschriften Krankheiten habe". bezüglich der Verpflegung der gesunden und kranken Soldaten finden sich hier zur Nachachtung für das ärztliche Personal . Der König sparte keine Mühe, gute Ärzte auch aus dem Auslande in seine Dienste zu ziehen. Der im Jahre 1744 in diplomatischer Sendung nach Paris geschickte General Graf Rothenburg bekam den Auftrag, sich daselbst nach geschickten Chirurgen umzusehen . In der That kamen im Mai jenes Jahres 12 französische Wundärzte in Berlin an, welche der preufsische Gesandte in Paris, Baron Chambrier, angeworben hatte. Aber die grofse Zahl von Arzten, welche die Armee brauchte (im Frieden 200 Ober- , 1400 Unterärzte ; im Kriege das Doppelte , da die Lazareth- und Train - Chirurgen hinzukamen ) , zwang freilich dazu, als Unter-Chirurgen oder Kompagnie- (Eskadrons-) Feldscheers Leute anzustellen , die oft kaum zur Ader lassen konnten. Besonders geeignete Offiziere wurden mit der Oberaufsicht über die Lazarethe beauftragt, so in Leipzig nach der Schlacht bei Rossbach

*) Reglement vor die Königl. Preufs. Infanterie. **) Oeuvres militaires III. *) A. a. O.

S. 379 ff.

S. 159.

XVII. Teil, S. 510 ff.

1*

4

Zum Friedrichstage.

der edle Major Ewald v. Kleist *), welcher dort bis zum Frühjahr 1759 blieb . Scharfe Aufsicht mag in den Lazarethen am Platze gewesen sein , wie sich dies sehr deutlich ausspricht in des Königs „ Instruction für die Capitäns bei den Feldlazarethen , wonach auch die Doctores und Feldscheerer bei den Lazareths sich auf's Genaueste richten müssen. " In dieser zwei Jahre nach dem bayerischen Erbfolgekriege erlassenen Instruktion

findet sich

u. a. folgende höchst bemerkenswerte Stelle : 77 Weil ein jeder Mensch, der einen anderen umbringt , mit dem Tode bestraft wird, so verdienen notwendig diejenigen

noch härter bestraft zu werden, die da

Leute, welche für das Vaterland ihr Leben und Gesundheit gewaget, durch Nachlässigkeit und Gewinnsucht umbringen und lassen !"

umkommen

Mit welchem Nachdruck Friedrich darauf hielt , dafs auch seine Offiziere es an der nötigen Fürsorge für die Kranken und Verwundeten nicht fehlen liefsen , bezeugt der Feldprediger Küster in seinem „ Offizierslesebuch " in der Abhandlung : „ Wie Friedrich den Prinzen , Generalen und Offizieren gelehret hat , die Lazarethe zu visitiren. “ - Täglich empfing der König in der Garnison Potsdam den Krankenrapport durch den Adjutanten vom Dienste , oft liefs er auch den Arzt rufen , um über Genesungsmittel mit ihm zu bePrinz Ferdinand v. Braunschweig, welcher vor dem 7jährigen Kriege in Potsdam in Garnison stand , mufste jeden Sonnabend das Lazareth besuchen und dem Könige Bericht erstatten . Wöchentlich einmal mindestens besuchte der König allein oder von Prinzen und Generalen begleitet das Lazareth des 1. Bataillons Garde . Keine Scheu vor ansteckenden Krankheiten hielt ihn davon zurück. Wenn er einem neu ernannten Kommandeur seine Instruktion gab , so endete diese nicht selten mit den Worten : „ Sei er hübsch Vater und Pfleger der Kranken. Das ist mein Wille und wird Ihm Liebe erwecken , ich werde mich danach erkundigen . “ Über die Pflege der Verwundeten auf dem Schlachtfelde sagte das Reglement **): „Wenn die Bataille vorbei ist , müssen die Kranken und Blessirten so viel als möglich zusammengeholet und nach den nächsten Dörfern gebracht werden . Hierbei müssen bei den Regimentern, welche am meisten gelitten haben, 3 bis 4 Ober- Offiziers und 6 bis 8 Unteroffiziers kommandirt werden. " Ferner in der „ Disposition für die sämmtlichen Regimenter Infanterie ***) " : Die Hautbois, *) Es ist dies der bekannte Dichter des „, Frühlings " , der in der Schlacht von Kunersdorf den Heldentod fand. **) A. a. O. S. 350. ***) Oeuvres militaires, tome III. pag. 77ff.

Zum Friedrichstage .

5

Tambours und Pfeifer sollen, sobald das Treffen angehet, die blessirten Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen nach der Wagenburg bringen ; den Burschen allen aber muss gesagt werden , daſs , wenn einer oder der andere von ihnen blessiret würde und er sich bis zur Wagenburg schleppen könnte , er alle Sicherheit daselbst haben und ordentlich verbunden werden würde. Es soll per Bataillon ein Feldscheer mit in's Treffen genommen werden , die anderen aber sollen mit dem Regiments-Feldscheer in der Wagenburg bleiben, auf dafs sie daselbst Derdie Blessirten ordentlich und desto besser verbinden können . jenige Offizier , welcher bei der Bagage kommandirt ist , mufs den blessirten Offizieren und Burschen so schleunig als es sich thun läfst nach der Wagenburg zu helfen suchen . Wenn er siehet , dafs der Feind von uns geschlagen wird, so mufs er alsdann einige Pack- und Proviantwagen abpacken lassen , um die Blessirten darauf zu legen, welchen er eine Eskorte von ein paar hundert Mann mitgeben und Der Offizier, sie nach dem nächsten Dorfe bringen lassen soll. welcher mit solcher Eskorte kommandirt wird , soll dann auch dafür sorgen, dafs die Blessirten gut untergebracht werden und dafs Feldแ scheere und alles, was sonst nötig ist, dabei sei . . . Auch an Beispielen freiwilliger Krankenpflege hat es in den Kriegsjahren nicht gefehlt. Nach der Schlacht von Breslau baten die Jesuiten um die Erlaubnifs, alle preufsischen Verwundeten aufzunehmen und zu verpflegen . Sie räumten ihr ganzes weitläuftiges Kloster zu diesem Zwecke ein. Dies geschah vor der Schlacht bei Leuthen, also zu einer Zeit, wo Niemand glaubte, dafs der König wieder Herr der Stadt werden würde . „ Niemals, " sagte der Minister v. d. Horst, wie Zimmermann in seinen "7Fragmenten über Friedrich d. Gr. " (I. 326) berichtet , vergals Friedrich diese ihm von den Jesuiten in Breslau erzeigte Treue. " Wenn in neuerer Zeit auf die Genfer Konvention , welche Ärzte, Krankenpfleger etc. für neutral erklärt, als eine Errungenschaft der humanitären Anschauungen unseres Zeitalters hingewiesen wird, so mufs hier daran erinnert werden , dafs , vornemlich auf Friedrichs Antrieb , schon im 1. schlesischen Kriege Abmachungen dieser Art mit den gegnerischen Armeen getroffen wurden , die über die Bestimmungen der Genfer-Konvention teilweise noch hinaus gehen. Das Kartell zwischen Preufsen und Österreich vom 9. Juli 1741 bestimmte, dafs sowohl Ärzte als Apotheker unentgeltlich frei gelassen werden sollten, als auch, daſs kriegsgefangene Verwundete und Kranke beiderseits durch die betreffenden Ärzte verpflegt werden sollten, doch unter Anrechnung der Kurkosten bei der Auswechselung. In den Kapitulations - Verhandlungen bei Eroberung von Festungen

Zum Friedrichstage.

6

(z. B. Breslau 1757 ,

Schweidnitz 1762) findet sich regelmässig der

Satz : Mediziner, Chirurgen und Patres (Feldprediger) werden nicht als Kriegsgefangene betrachtet. “ Ferner : Kranke und Verwundete sollen mit der gröfsten Sorgfalt behandelt werden bis zu der Genesung, zu dem Ende sollen die benötigten Medici, Chirurgi und Krankenwärter da bleiben. " Mit Rufsland wurde am 15. Oktober 1759 ein ähnliches Kartell geschlossen. Die gegenwärtigen völkerrechtlichen Abmachungen werden aber noch in den Schatten gestellt durch die am 24. Mai 1759 zwischen Preufsen und Österreich geschlossene Konvention, der zu Folge die Verwundeten beider Armeen die Bäder von Landeck, Warmbrunn, Teplitz und Karlsbad unbehelligt benutzen durften. *) Aus der Kapitulations -Verhandlung von Dresden (4. Sept .. 1759) geht hervor, dafs sich bei der Übergabe der Garnison 128 Kranke und Blessirte derselben zu Teplitz im Bade befanden. **) Briefliche Äufserungen des Königs , welche seine Fürsorge für die Opfer des Krieges darthun, giebt es in Fülle ;

auch die

Litteratur jener Zeit legt für dieselbe vollgültiges Zeugnifs ab. Bei Ausbruch des 1. schlesischen Krieges schreibt der König dem Feldmarschall Schwerin aus Grottkau, d. 10. Januar 1741 : „ Um Himmels willen schonen Sie meine Soldaten ... ich beklage die Toten ; sorgen Sie für die Verwundeten , es sind meine Kinder ! " - Als die Festung Glogau mit Sturm genommen worden war, schreibt er an den Erbprinzen Leopold v. Anhalt-Dessau : „Euer Liebden werden auch die Veranstaltung machen, damit die Blessirten wohl in Acht genommen und vor solche alle Vorsorge getragen , einem Jeden von ihnen aber



2 Dukaten gegeben werde. " ***) Also ein Schmerzensgeld ! Und am 25. Mai 1742 an denselben : „Dafs die Kranken der dortigen Regimenter

}

noch zunehmen, thut mir sehr leid, ich hoffe aber, dafs die mehresten davon reconvalesziren sollen,

wie denn Euer Liebden

solche Ver-

anstaltung deshalb vorkehren werden, wie Sie es zum Besten meiner Nach der Schlacht lieben und braven Regimenter finden. " † ) bei Czaslau schreibt des Königs Kabinetsekretär Eichel an den Minister Graf v. Podewils : " Des Königs Fürsorge für die Blessirten gehet so weit, dafs sie selbige zuweilen von Haus zu Haus selbst besuchen und Alles, was zu dero Soulagement möglich ist beitragen . · *) Berliner Zeitung. Mai 1759. Polit. Corr. XVIII S. 96. **) Danziger Beiträge VIII. 653. *** ) Orlich, Gesch. d. schles . Kriege I. 395.

†) A. A. O. I. 369. ††) Polit. Corr. II. 157.

Zum Friedrichstage .

7

Schon nach der Schlacht bei Molwitz beschäftigte sich der König, ganz im Sinne der jetzigen Heilkunde , mit einem Kranken - Zerstreuungs - System , indem er eine Trennung der Schwer- und Leichtverwundeten veranlafste , wobei der Wassertransport auf der Oder sehr zu Statten kam. Die Mehrzahl aller Verwundeten wurde in Breslau in Schulen und Klöstern untergebracht. Als im Anfang des Jahres 1745 der Krankenstand bei den Regimentern stark zunahm * ) , schreibt der König an den Etatsminister v. Münchow (d. d. Potsdam 6. März 1745) : Da Ich denen Regimentern aufgegeben habe, dafs dieselben vor ihre arme Kranke und deren Pflege und Wartung alle ersinnliche Vorsorge tragen sollen , so vernehme Ich zu meiner besonderen Befremdung und Mifsvergnügen , wie die Schlesischen Kammern so hart, lieblos und ohnüberlegt in dem Artikel derer Kranken von den Regimentern verfahren , dafs sie zur Konservation der armen Kranken nicht die geringste Veranstaltung zur Anschaffung einiger Betten machen wollen, sondern unter dem Vorwande als ob sie ohne spezielle Ordre . . . die arme unglückliche Kranken auf sparsam genug gereichtes Stroh liegen und lieber krepiren lassen Es befremdet mich sehr , dafs Ihr dergleichen Cruautés der Kammern gegen brave Leute , so ihr Leben und Gesundheit vor den Schutz und die Sicherheit des *** könnet **) .

Landes sakrifiziren , nachsehen

Als wenige Monate später die Siegesschlacht von Hohenfriedberg zahlreiche Verwundete im Gefolge hatte , traf der König zu deren ausgiebiger

Pflege die weitgreifendsten Mafsregeln .

Die

„ Berliner

Zeitung" berichtete darüber aus Striegau wie folgt : „ Als am 4. Juni die

österreichischen

und

sächsischen

Blessirten

hier

eingebracht

worden , sind selbige gleich nach aller Möglichkeit von dem Regt.Feldscheer Theden und den ihm zugegebenen Feldscheerern , auch aller hiesigen Chirurgis verbunden worden und noch selbigen Tages hat man von der Armee und vom Lande noch mehr Chirurgos zu. sammen gebracht. Den 5. traf die Kgl. Feldapotheke mit dem LeibMediko Herrn Hofrath Lesser , dem General Chirurgo Herrn Bonnes und 50

Lazareth - Chirurgis hier ein ,

die alle auf ausdrücklichen

Königlichen Befehl hier verbleiben mussten. Sr. Majestät kamen auch selbst hierher und besuchten die kranken Offiziers . . liefsen ihnen auch aus der Kellerei Verschiedenes reichen Sr. Majestät setzten 1 Feldapotheker und 1 Kommissarius hier ein, *) Die Infanterie - Regimenter waren durchschnittlich nur 3-400 M. stark unterm Gewehr ; es fehlten jedem 700-1000 M. Alles noch die Folgen des unglücklichen Feldzuges 1744. Beim Feinde stand es freilich nicht besser. **) Schöning, die 5 ersten Jahre der Regierung Friedrichs d. Gr. S. 335.

Zum Friedrichstage .

8

um Alles zu guter Verpflegung der Verwundeten bestens einzurichten " u. S. W. Nach der Schlacht bei Soor giebt der König in einem Briefe an Frau v. Camas seiner Freude Ausdruck , dafs ihm der Sieg wenig Leute gekostet habe : „ Glauben Sie ja nicht , daſs ich den geringsten meiner Leute aus Eitelkeit oder für einen trügerischen Ruhm , von dem ich nichts wissen will, verwundet wissen möchte *). "

Mit wenig

anderen Worten wiederholte Friedrich (s. oben) diesen Gedanken in poetischer Form.

Als

der

zweite

schlesische

Krieg

beendigt

war ,

da

richtete

Friedrich der Grofse (wie er bei der Friedensfeier in Berlin von seinem jubelnden Volke zum ersten Male genannt wurde) am 1. Januar 1746 ein Rundschreiben an die Regimenter , welches , trotz der vom Könige in Vorschlag gebrachten recht drastischen Heilmittel, doch wieder beweist , wie er unermüdlich auf das leibliche Wohl seiner Soldaten bedacht war. "" Was die Conservation der Leute betrifft, die diesen Winter haben beunruhigt werden müssen, so will Ich, dafs die Chefs und Commandörs der Regimenter sowohl als die Stabsoffiziers und die Capitäns , sobald die Regimenter wieder in ihre alte Standquartiere eingerückt sein werden , alle Bursche durchgehends etwas zur Praecaution und Conservation ihrer Gesundheit gebrauchen und deshalb den Regimentsfeldscheer Mann vor Mann untersuchen und befragen lassen sollen ,

ob derselbe Ader lassen, purgiren oder sonst dergleichen Mittel , um seine Gesundheit zu praecaviren , gebrauchen müsse , so dafs kein Kerl von einer Compagnie übrig bleiben , noch eher beurlaubt werden soll , bis er sechs bis sieben Tage was gebrauchet hat . . . Ein Gleiches soll mit denen Offiziers wie auch mit denen Unteroffiziers beobachtet werden ** ). " Auch aus der Zeit des 7jährigen Krieges liegen Beispiele in Fülle vor , welche des Königs edle Fürsorge für seine Verwundeten bezeugen. Nach der Schlacht bei Prag wies der König 36 000 Thaler an zur schleunigen Verbesserung der Lazarethe.

Er wollte , dafs die

verwundeten Offiziere durch Köche aus Dresden gut gespeist ,

die

Gemeinen sorgfältig gepflegt und ohne Kosten zu sparen behandelt werden sollten. Kuriere wurden sogleich abgefertigt mit dem Befehl an den Kommandanten von Dresden, Lebensmittel, Köche, Aufwärter, Ärzte und Arzeneien zu beschaffen, 27 damit kein Blessirter an irgend Etwas Mangel leide. "

Der König war erschrocken und ungnädig, dafs

man ihm erst zwei Tage nach der Schlacht die Mängel im LazarethWesen bekannt gemacht hatte ***). *) Oeuvres XVII. 144. **) Preuſs. Friedrich d . Gr. Urkunden -Buch V. ***) Küster. Offizierlesebuch . II . 131 .

80 .

Zum Friedrichstage.

9

Vor Beginn des Feldzuges 1758 schreibt der König dem Prinzen Heinrich : „ Ich empfehle Ihrer Sorgfalt vor Allem meine armen Verwundeten und Kranken ; man soll denselben alle diejenige Aufmerksamkeit widmen, welche Leute verdienen, die sich für das Vaterland geopfert haben *). “ Bekannt ist Friedrichs Äufserung nach der Schlacht bei Leuthen beim Anblick der Verwundeten : „Wann werden meine Qualen enden ! " Nach der Schlacht bei Zorndorf schreibt der König , tief erschüttert über die grofsen Verluste, an den Prinzen Ferdinand v. Braunschweig : 77 Grofser Gott, welch' ein Blutbad und noch dazu welch ein kostbares Blut." Dafs der König für seine verwundeten und kranken Offiziere in derselben liebevollen Weise sorgte wie für die Mannschaft, ist selbstverständlich. Wie fürsorglich erkundigt er sich in einem Briefe an Prinz Heinrich 6 Wochen nach der Schlacht bei Roſsbach nach der Gesundheit seines bei Rofsbach verwundeten Seydlitz ; und nach der Schlacht bei Kunersdorf in einem Briefe an seinen Bruder Ferdinand : „ Meine Empfehlung dem Prinzen v. Württemberg , Seydlitz und allen unseren verwundeten Generalen ; ich hoffe , Seydlitz wird völlig aufser Gefahr sein. " ― Kranke Offiziere, die den Gebrauch eines Bades benötigten, erhielten nicht selten freie Reise, so Zieten nach dem 2. schlesischen Kriege .

Den an der Gicht erkrankten General v. Rentzell schickte

der König zweimal auf seine Kosten in das Aachener Bad. Es hiefse Eulen nach Athen tragen , wollten wir noch mehr der Beispiele der menschenfreundlichen Gesinnung des Königs hier beibringen. Eines nur sei betont , dafs den König die Sorge um das leibliche Wohl seiner Soldaten , man kann sagen bis zum letzten Athemzuge beschäftigt hat.

Noch in seiner letzten Krankheit strebte.

der König nach Verbesserung des gesammten Feldheilwesens und unterhielt sich viel darüber mit seinem Arzte Ritter von Zimmermann, der uns in seinen „Fragmenten über Friedrich d. Gr. " eine besonders charakteristische Äufserung des Königs überliefert hat: „Nichts hat mich in meinem Leben mehr verdrossen, als wenn ich sah, dafs man brave Männer , die Gesundheit und Leben so edel für ihr Vaterland hingaben, in ihren Krankheiten und bei ihren Wunden übel verpflegte . Man ist oft barbarisch mit ihnen umgegangen und mancher arme Soldat ist aus Mangel an guter Verpflegung gestorben.

Nichts hat

mich von jeher mehr betrübt , als wenn ich die unschuldige Ursache an dem Tode irgend eines Menschen war ! " In welcher Weise der König für die Opfer des Krieges , d . h. die *) Polit. Corr. XVI 305.

Zum Friedrichstage.

10

Invaliden sorgte , das habe ich schon in einer kleinen Schrift „Das Invaliden- und Versorgungswesen des brandenburgisch - preuſsischen Heeres bis zum Jahre 1806*)" darzulegen versucht. Freilich war die vielfach getadelte Invalidenversorgung jener Zeit, wenn man sie mit derjenigen der Gegenwart vergleicht , eine unzulängliche. Allein man vergesse nicht ,

einmal ,

dafs der König nur über sehr

viel

geringere Mittel zu diesen Zwecken verfügen konnte , dann aber, dafs die Zahl der Invaliden eine sehr viel gröfsere war. Das Heer Friedrichs bestand bekanntlich zur Hälfte aus geworbenen Berufssoldaten ,

welche bei

den

Fahnen blieben

bis

sie dienstuntüchtig

waren und dann sämmtlich eine Versorgung in Anspruch nahmen. Selbst ein reicherer Staat wie das damalige Preufsen hätte die Aufgabe der auskömmlichen Versorgung einer Armee von Berufssoldaten kaum zu lösen vermocht. Auch das Sanitätswesen der fridericianischen Zeit kann mit dem der unsrigen den Vergleich nicht aushalten , da die Heilkunde, zumal die Chirurgie noch auf einer verhältnifsmäſsig niedrigen Stufe stand. Hier aber wird und darf man nicht in Zweifel ziehen , ohne sich an dem Schatten des edlen Monarchen zu versündigen : Friedrichs stets hilfsbereites Wollen , für seine kranken und verwundeten Soldaten und Invaliden nach besten Kräften zu sorgen ; denn sie meritiren. es ", wie er einst sich äufserte , 17 dafs man für sie sorge , da sie Leben und Gesundheit für das Vaterland gewagt haben. "

*) Berlin 1889, R. Wilhelmi .

II.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig

und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet. Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792 bis 1814 *).

Von Hans Fabricius, Oberstlieutenant a . D.

Einleitung. In keinem Kriege der Neuzeit ist in so ausgedehnter Weise von den Parteigängern Gebrauch gemacht worden, als in den Befreiungskriegen und zwar vorzugsweise im Feldzuge von 1813.

Zwei Umstände

wiesen die Verbündeten auf ihre Verwendung hin : die grofse Überlegenheit an leichter Reiterei, in erster Linie Kasaken, im Gegensatz zu Napoleons Heeren und der für diese Art der Kriegführung besonders geeignete Kriegsschauplatz, das eigene Vaterland mit der den Ver*) Quellen (ihre abgekürzte Bezeichnung im Text ist in Klammern beigefügt) : Kriegs -Archiv des Grofsen Generalstabs (Kr. A.). Ranglisten etc. der Geheimen Kriegs -Kanzlei (G. Kr. K.). Grofsherzogl. Sächsisches Haus -Archiv zu Weimar (H. A. W.) . Hellwigs nachgelassene Papiere (H. N.) . Privat-Tagebuch Hellwigs (Priv. T.). Zeitungen aus den betreffenden Kriegsjahren . v. Mauvillon, Militärische Blätter, Februar 1820 (Mauv.). Geschichte des Kgl. Preufs . 6. Husaren-Regiments von Ernst Graf zur Lippe (Gr. L.). Militär -Wochenblatt von 1845 bis 48 nebst Beiheften (M. W. Bl.) . Correspondance militaire de Napoléon Ier (Corr. m.). Preussische Feldzeitung 1792-95 (Pr. F. Z. ). E. v. Höpfner, der Krieg von 1806 und 1807 (Hpf.). O. v. Lettow -Vorbeck, der Krieg von 1806 und 1807 (Lett. V.). Foucart, Pologne, Prenzlow- Lubeck (Fouc. ). A. du Casse, Opérations du 9 me corps de la Grande Armée en Silésie 1807 (du C. 9. c.). Hamburger „Minerva" von 1806, 4. Band (Min.). v. Plotho, Krieg in Deutschland und Frankreich in den Jahren 1813 und 1814 (Pl.) . Beitzke, Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren 1813 und 1814 ,(Beitzke).

12

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

bündeten günstigen Gesinnung der Bevölkerung.

Im Gegensatz zum

Befreiungskriege weisen die Feldzüge der letzten Jahrzehnte nur geringe Spuren von der Wirksamkeit der Parteigänger auf: die Thätigkeit Geschichte der Nord -Armee. Vom Grofsen Generalstab (N. A.). v. Quistorp, Geschichte der Nord -Armee (Qu. ) . v. Prittwitz, Beiträge zur Geschichte des Jahres 1813 (Pr.) . Bogdanowitsch, Geschichte des Krieges im Jahre 1813 (Bogd. 13). Vaudoncourt, Histoire de la guerre soutenue par les Français en Allemagne. 1813 (Vaud. 13) . Charras, Campagne de 1813 (Charr. 13). v. Cerrini, die Feldzüge der Sachsen 1812 und 1813 (Cherr. ). F. v. D. Bericht eines Augenzeugen von den Operationen des 4., 7. und 12. französischen Armee-Korps 1813 (F. v. D.) . Weil, Campagne de 1813. La cavaleric des armées alliées (Weil 13). v. Specht, das Königreich Westphalen und seine Armee 1813 (Sp.) . Die Armee des Königreichs Westphalen 1808-13. v. Völderndorf, Kriegs-Geschichte Band III (Völd .) . Pelet, Tableau de la Grande Armée en Septembre et Octobre 1813 im Spectateur militaire, t. 4. Hans Freih. v. Wechmar. Braune Husaren (Wechm.). Mackensen, Geschichte des 1. Leib-Husaren- Regiments Nr. 1 (Mack .) . Starklof, Geschichte des Kgl. Württembergischen 2. Reiter-Regiments (St.). Aubier, Un régiment de cavalerie légère de 1793 à 1815 (Aub.). v. Smitt, Denkwürdigkeiten eines Lievländers (Graf Löwenstern) (Sm.) . Varnhagen v. Ense, Leben des Generals Graf Bülow v. Dennewitz (Varn.) . v. Klinckowström, General Graf Bülow von Dennewitz in den Feldzügen von 1813 und 1814 (Kl .) . General Graf Bülow von Dennewitz in den Feldzügen von 1813 und 1814. Von einem preufsischen Offizier (G. von Hasenkamp) (Has .) . Der General der Kavallerie Ludwig von Borstell. Als Manuskript gedruckt (Bo . ). F. Nippold, Erinnerungen aus dem Leben des G. F. M. G. v. Boyen (Nip.). du Casse. Le général Arrighi (du C. Arr.). Vaudoncourt, Histoire des campagnes de 1814 et 1815 (Vaud. 14). Bogdanowitsch, Geschichte des Krieges 1814 in Frankreich (Bogd. 14). A. Crusius, Winterfeldzug in Holland, Brabant, Flandern (Crus .). L. F. Bucher, Feldzug des 3. Deutschen Armee-Korps in Flandern 1814 (Bu.). v. Damitz, Geschichte des Feldzuges von 1814 (Dam.). Weil, Campagne de 1814. La cavalerie des armées alliées (Weil 14) . Militärisches Taschenbuch, 5. Jahrgang, Leipzig 1824 : Die Geschichte des 3. Deutschen Armee - Korps im Feldzuge von 1814 (Nach offiziellen Nachrichten) (Mil. T.) . V. Hüttel, der General der Kavallerie Freiherr von Thielmann (Hütt.). Graf v. Holtzendorff, Beiträge zu der Biographie des Generals Freiherrn von Thielmann (Ho .). Memoiren des Generals der Infanterie von Woltzogen (Wol .). v. Ollech, Geschichte des Feldzugs von 1815 ( Oll .). Charras, Campagne de 1815 (Charr. 15). Mémoires du maréchal de Grouchy (Gro.). v. Bredow, Geschichte des 2. Rheinischen Husaren-Regiments Nr. 9 (Bred.).

1

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

13

Garibaldi's, in den Jahren 1859,

1866 und noch weniger 1870/71 , gehört nicht mehr in ihren Rahmen, wohl aber die der zahlreichen Francs -Tireurs - Korps im letztgenannten Kriege. Ihnen kam der Vorteil des Kriegsschauplatzes im eigenen Lande zu Gute ; aber in auffallendem Gegensatz zu den Parteigängern der Befreiungskriege bestanden ihre Korps lediglich aus Infanterie. Der Grund zu der geringeren Verwendung der Parteigänger in den letzten Feldzügen ist vorzugsweise in äufseren Verhältnissen zu suchen , wie in der kurzen Dauer derselben , sowie für den Angreifer in dem für die Entfaltung ihrer Thätigkeit ungünstigen Feindeslande, ferner darin, dafs die Mehrzahl der Feldzüge sich in kurzen energischen Operationen abspielte und ein gröfserer Stillstand der letzteren, welcher für das Einsetzen der Parteigänger geeignet gewesen wäre, nicht eintrat und dafs in dem einzigen Falle eines solchen - ich meine die Belagerung von Paris die Jahreszeit dem Parteigängerkriege kaum zu überwindende Schwierigkeiten entgegenstellte . Ich glaube nicht, dafs die Überzeugung von etwaiger Unzweckmässigkeit der Verwendung von Parteigängern die mafsgebenden Persönlichkeiten veranlafst haben sollte , auf sie zu verzichten. Es will mir vielmehr scheinen, als ob die örtliche Beschaffenheit der heutigen Kriegsschauplätze und die Grundlagen der jetzigen Kriegführung geradezu gebieterisch jenes Hilfsmitttel erheischen . Eisenbahnen bilden die Hauptverbindungslinien der Heere und Telegraphen, vermitteln die Befehlserteilung, ein so empfindlicher Mechanismus für die Operationen, wie er in den Kriegen bis zur Mitte unseres Jahrhunderts unbekannt gewesen war.

Ihre dauernde, ja nur ihre vorübergehende Unterbrechung mufs selbstverständlich vom allergröfsten Einflufs auf den Fortgang der Operationen werden, ja kann sie zum Stillstand bringen.

und damit zum vollständigen Umschwung der Verhältnisse führen. Hier liegt in den Kriegen der Zukunft das grofse und wichtige Feld der Parteigänger und unserer leichten Reiterei . Es kommt nur darauf an, als Parteiführer geeignete Männer ausfindig zu machen und dafs es an solchen unter unseren Reiteroffizieren nicht fehlen wird , ist mir unzweifelhaft. In Anbetracht der hohen Wichtigkeit der Aufgaben , die den Parteigängern meines Erachtens künftig zufallen werden, halte ich es für angezeigt , an den Thaten und Leistungen eines hervorragenden, leider fast vergessenen Führers zu zeigen , was ein solcher zu leisten. im Stande ist und darzuthun , welche Eigenschaften ihm zur Durchführung seiner schwierigen Thätigkeit inne wohnen müssen. Ich wähle dazu das Lebensbild des Majors von Hellwig vom 2. Schlesischen Husaren-Regiment , eines Mannes , der während der Befreiungskriege

14

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

allerseits als Held gefeiert wurde und dessen Name in aller Munde war, der von seinem Könige mit den höchsten Kriegsauszeichnungen geehrt wurde und der doch heutigen Tages, selbst in militärischen Kreisen , kaum noch bekannt ist ! Schill , Lützow , den Herzog von Braunschweig kennt jedes Kind. Ihre Namen haben sich bis auf die heutige Zeit fortgepflanzt, weniger durch ihre Thaten , von denen die Wenigsten unterrichtet sind, als vielmehr durch das tragische Geschick, dem sie zum Opfer gefallen sind : Schill in Stralsund , Lützow bei Kitzen und der Herzog bei Quatre-bras. Dörnberg, Colomb, Blankenburg, Hellwig und andere , deren Thaten meistenteils das Glück gelächelt, sind so gut wie vergessen !

Sic transit gloria mundi !

Erster Abschnitt. Bis zu den Befreiungskriegen. 1. Herkunft und Persönlichkeit. Karl Friedrich Ludwig Hellwig wurde am 18. Januar 1775 zu Braunschweig geboren , wo sein Vater Herzoglicher Hofrat und Professor der Mathematik (Erfinder des Kriegsspiels 1780) am Gymnasium Carolinum war, an welchem der Sohn seine wissenschaftliche Bildung empfing.

Seine Mutter war eine geborene Schönwald.

Nach einer

Mitteilung des Grafen F. C. von Hoffmannsegg in dem Kotzebue'schen Russisch - Deutschen Volksblatt vom 29. Mai 1813 war die aus Schweden

stammende

Familie

Hellwig

adliger

Abstammung ;

ein

Urältervater wäre von dort nach Mecklenburg - Strelitz in den Forstdienst des Herzogs Adolph Friedrich gekommen und hätte für gut befunden , den Adelstitel nicht zu führen , ebensowenig seine Nachkommen, welche sich in Pommern niederliefsen . So trat Hellwig mit bürgerlichem Namen in preufsische Dienste und wurde in allen Ranglisten bis 1815 , in den meisten ihn betreffenden Kabinets-Ordres ohne Adelstitel geführt ,

welcher sich bis dahin ebensowenig bei seinen

persönlichen Unterschriften , als in den Immediatuntersuchungs- Akten des Jahres 1808 findet. Dagegen wurde er schon sehr häufig in dienstlichen, an oder über ihn erlassenen Schriftstücken als von Hellwig bezeichnet, ebenso in einer Kabinets-Ordre vom 21. April 1809. Ob er dies als eine Anerkennung seines Adels auffafste, bleibe dahingestellt ; jedenfalls wurde er in den Befreiungskriegen dienstlich fast durchweg adelig geschrieben . Es ist möglich , dafs dazu folgende, von Graf Hoffmannsegg gebrachte

Mitteilung Anlafs gegeben hat:

n Ein Schwedischer Offizier, von Hellwig, kam nach Berlin und wurde

15

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

dem Könige bekannt .

Als einige Zeit darauf der Major*) in

einer

militärischen Angelegenheit zu dem Könige nach Königsberg berufen wurde, fragte ihn der Monarch, ob er mit jenem schwedischen Offizier verwandt sei ? Er erwiderte, dies sei ihm nicht bewuſst , indessen stamme seine Familie allerdings aus Schweden und sei dort adelig gewesen. Der König fragte weiter, warum. er jetzt , da es passend sei und ihm nützlich werden könne , jenes Vorrecht nicht erneuere ? Hierauf antwortete Hellwig, es habe ihm zu unbedeutend geschienen . Hierbei blieb es. Als aber Hellwig zum Rittmeister befördert wurde , ward ihm das Patent unter dem Prädikat von Hellwig zugefertigt und ebenso rubrizirt ergehen seitdem an ihn alle königlichen Befehle. " Im letzteren Punkte irrt , wie oben erwähnt , Graf Hoffmannsegg. Allerdings steht in den Ranglisten des

9. Husaren - Regiments all-

monatlich in langer Jahresreihe von Hellwig

als Regiments - Kom-

mandeur an der Spitze, bis in einem Exemplar aus dem Jahre 1826 von Seiten des Militär-Kabinets über dem "7 von" mit Rotstift ein Fragezeichen gesetzt wurde.

Es scheinen Rückfragen gehalten worden

zu sein, deren Ergebniſs jedenfalls die All. Kab.-Ordre vom 12. Juli 1826 war, durch welche der König „ den Adelsstand des Obersten und Kommandeur des 9. Husaren-Regiments, Carl Friedrich Ludwig Hellwig, . zu erneuern geruht" mittelst Allerhöchst vollzogenen Diploms hatte. Von früher Jugend auf von unwiderstehlicher Neigung für die Reiterwaffe beseelt , wurde er auf Verwendung seines Landesherrn, des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig am 19. Mai 1791 **) , als Junker im weifsen Husaren - Regiment Nr. 3 von Köhler angestellt. kannt.

Machen wir uns

zunächst mit seiner Persönlichkeit be-

„ Der Parteigänger, im Laufe seiner Operationen unerreichbar für jeden Oberbefehl, ist dem eigenen Willen und der eigenen Kraft überlassen. In ihm müssen daher ausgebildete kriegerische Eigenschaften mit List, Verschlagenheit und Geistesgegenwart sich vereinigen . mittelmässiges Talent würde dem schweren Berufe erliegen . Märsche ,

Erkundigungen

und

Schleichpatrouillen ,

Ein

Heimliche

Verstecke

und

Überfälle sind gewissermafsen die Elemente des Gesammtdienstes eines Parteigängers und kommen als zu lösende Aufgaben ihm täglich vor. "

*) Anfangs 1807, als Hellwig von Schlesien aus als Kourier nach Königsberg geschickt wurde, war er erst Sekond-Lieutenant. **) Nach der Pensionsberechnung des Invaliden-Departements ; nach dem Priv. T. am 1. Mai 1791.

16

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. So Valentini in seiner Lehre vom Kriege * ).

Nicht häufig finden

sich die für den Parteigänger erforderlichen Eigenschaften des Körpers, des Charakters und des Geistes in einer Person vereinigt. Wir werden im Verfolg der Lebensbeschreibung Hellwig's sehen , wie nahe er den Anforderungen Valentini's kam. Von einem im Berliner Invalidenhause lebenden Veteranen, welcher unter den Hellwig'schen Fufsjägern seine militärische Laufbahn begonnen hatte, liefs sich Graf Lippe **) berichten, dafs Hellwig ,, eine imposante Erscheinung, stattlich, kräftig, unermüdlich, im höchsten Grade umsichtig , in der Aktion ruhig , besonnen, dabei aber hoch energisch und kampflustig, stets für die Seinen sorgend, liebenswürdig und guter Kamerad " gewesen sei.

Graf Lippe

fügt dieser Schilderung hinzu , er sei ,,wahr , anspruchslos , glänzend tapfer , weit entfernt von dem Wesen eines Bramarbas , Abenteurers oder Wilderichs " gewesen . eine gute wie wir später sehen werden militärische Schule für seine spätere Thätigkeit als Parteigänger in den französischen Revolutionskriegen 1792 bis 95, in denen Vorpostendienst und Patrouillenritte das tägliche Brot waren, und zwar unter

Hellwig genofs

der kriegskundigen Anleitung seines Regimentschefs, Generalmajors von Köhler, eines ehemaligen Zieten-Husaren und unstreitig eines der hervorragendsten Generale jener Zeit . Schon damals fand er als ganz junger Cornet Gelegenheit zu einem erfolgreichen Husarenstreich, der in den bis zu allerhöchster Stelle gelangenden Berichten Erwähnung fand und die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Ein glühender Ehrgeiz beseelte ihn, eng verbunden mit begeisterter Liebe für sein deutsches Vaterland. Zu dessen Rettung aus den späteren schweren Zeiten der Drangsal genüge nicht der stolze Name vornehmer Ahnen , ungefähr in diesem Sinne drückte er sich in einem Schriftstück später einmal aus

sondern das Einsetzen aller

Kräfte ganzer Männer. Aber schon vor dem grofsen Zusammenbruch war er sich seiner inneren Kraft voll bewusst und vom Drange nach Auszeichnung durch hohe Thaten ergriffen. Beim Ausbruch des Krieges, am 29. September 1806 , gab er seinem Vater das schriftliche Versprechen,,, nichts zu versäumen, die Gelegenheit zu einer für das Preussische Heer ruhmwürdigen That aufzusuchen .

Ich werde daher",

schrieb er,,,Alles unternehmen , was ein vernünftiger Krieger unternehmen kann." In dem Überfall bei Eisenach, der Staffel zu seinem Ruhme, bewies er, dafs er Wort halten konnte. Diese That war damals ein leuchtender Stern in der tiefen Finsternifs ringsum !

*) 1. Teil, 5. Ausgabe S. 254. **) Gr. L.

S. 166.

17

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

„ Ich nehme niemals einen Ausspruch, den ich einmal gethan habe, wieder zurück .“ Auch dieses Wort aus einem Schriftstücke Hellwig's ist für ihn bezeichnend. Von lauterster Wahrheitsliebe, von den vornehmsten Anschauungen beseelt, von den edelsten Beweggründen geleitet, das Höchste im Interesse des Dienstes erstrebend, aber sich dieser Eigenschaften voll bewusst und von seinem inneren Werte durch eigene Überzeugung wie durch die Auszeichnungen und Anerkennungen, die ihm im reichen Mafse zu Teil wurden , durchdrungen, war sein sehr selbstständiger Charakter manchmal zu einer gewissen Selbstüberschätzung geneigt. Einer seiner Schwadronschefs - allerdings ihm sehr feindlich gesinnt -schildert ihn als einen unruhigen Mann, dessen gröfstes Vergnügen darin bestände , immer Händel und Uneinigkeit unter den Offizieren anzustiften.

zu haben

Bei seinen hervor-

ragenden militärischen Eigenschaften mag er wohl Manchen übersehen haben! In der That wurde er wegen vorgekommener Reibungen in seinen Lieutenantsjahren wiederholt von einer Garnison zur andern versetzt. Darnach ist es erklärlich, wenn er auch ein äusserst schwieriger Untergebener war.

Er liefs sich nicht nur nichts ge-

fallen, sondern ging, wenn ihm ein Vorgesetzter nur irgendwie persönlich oder dienstlich zu nahe getreten war oder auch die Schuldigkeit seiner Ansicht nach nicht in vollem Mafse gethan hatte, angriffsweise vor, wobei er auf seinem Kopf und auf der von ihm einmal als recht erkannten Auffassung selbst sehr hohen Rangstufen gegenüber in einer Weise bestehen blieb, dafs nicht blofs Drohungen er― folgten, sondern auch Bestrafungen notwendig wurden Umstände, welche bei einer so ausgeprägten Selbstständigkeit des Charakters nur zu erklärlich sind. Hellwig

hatte

einen

klaren

Verstand

und

wufste

die

recht

schwierigen Lagen, in welche er bei seinen selbstständigen Dienststellungen oft geriet, schnell und richtig zu beurteilen und die notwendigen Schlüsse zu ziehen.

Dem schnellen Urteil folgte die schnelle That oder die vorsichtige Zurückhaltung. Stets wufste er ohne Zeitverlust das Rechenexempel anzustellen , ob der Zweck mit dem in Ansatz zu bringenden Mittel in richtigem Verhältnifs stände. Niemals liefs er sich unüberlegt zu leichtsinnigem Aufopfern seiner Truppe hinreiſsen ; erkannte er, dafs er ohne unverhältnifsmäſsige Opfer einen Zweck nicht zu erreichen vermochte, so verstand er rechtzeitig von ihm Abstand zu nehmen und neuen Zielen sich zuzuwenden . Seiner Geistesbildung kam die formale nicht gleich. Das Schwert führte er gewandter als die Feder, trotzdem sein Vater Professor war. Sein zeitiger Diensteintritt mit 16 Jahren giebt dazu keine genügende Erklärung. Seine Berichte und Schreiben sind stilistisch wie ortho2 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1.

18

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

graphisch nicht gerade erfreulich, eine Eigentümlichkeit, die er übrigens mit anderen, sogar als Militärschriftsteller berühmt gewordenen Persönlichkeiten damaliger Zeit teilte !

2.

Rheinkampagne 1792-95.

Ein Jahr nach Hellwig's Diensteintritt beim Köhler - HusarenRegiment rückte dieses aus dem Regiments- Stabs- Quartier Bernstadt in Schlesien zur Teilnahme an der Rheinkampagne am 1. Juni 1792 aus, marschirte durch Schlesien, Böhmen, das heutige Bayern nach Frankfurt a/M. , wo es am 16. Juli an einer grofsen Parade zur Verherrlichung des Krönungsfestes des deutschen Kaisers Franz II. Teil nahm und gelangte am 23. nach Coblenz, dem Sammelplatz des 42 000 Mann starken, zur Beobachtung der Vorgänge in Frankreich bestimmten Heeres . Die unter dem Erbprinzen von Hohenlohe nach Polch vorgeschobene Vorhut sicherte ihrerseits ihre linke Seite durch eine zwischen Mosel und Rhein in der Linie Diebelich- Ober-Spai vorgeschobene Abteilung unter General Köhler (seine 10 HusarenSchwadronen, 2

Bataillone,

1/2 Batterie) .

Französischerseits

stand

die Nord -Armee unter Lafayette mit 23 000 Mann bei Sédan, die ,,Armée du Centre " unter Marschall Luckner mit 25 000 Mann bei Metz, ‫י‬ die Rhein -Armee unter Biron mit 30 000 Mann bei Weifsenburg und vorgeschobene Heeresteile unter Kellermann und Custine bei Lauterburg und Landau.

Die preufsische

Armee sollte über Trier und

Luxemburg auf Longwy vorgehen , dieses und Montmédy nehmen und dann auf Verdun operiren . Ende Juli wurde der Vormarsch begonnen seitens Hohenlohe's auf der grofsen Strafse über Wittlich ;

Köhler ging am 29. über den

Hunsrück gegen Simmern vor ; der Herzog von Braunschweig wollte Am zwischen Thionville und Longwy in Frankreich eindringen . 23. August kapitulirte Longwy und am 29. stiefs Köhlers Seitendeckung wieder zu Hohenlohe. Bei der Belagerung von Verdun , welches am 2. September übergeben wurde , Feinde gegenüber.

trat Hellwig zum ersten Mal dem

Während die Hauptarmee die Argonnen auf einem

Rechtsabmarsch zu umgehen trachtete,

blieb Köhler's Abteilung bei

Verdun gegen Metz stehen . Dumouriez , an Lafayette's Stelle Oberfeldherr, stand bei Grand-Pré und St. Ménéhould und zog Kellermann von Metz über Bar-le-Duc nach Châlons an sich; zur Beobachtung

1 dieses Marsches rückte Köhler nach Chaumont-sur-Aire auf der Strafse Verdun-Bar-le-Duc und entsandte von da verschiedene starke HusarenPatrouillen zur Einziehung von Nachrichten, u . a. den Rittmeister von Görtz mit 100 Pferden nach Ligny ; Hellwig berichtet hierüber ,

daſs

es zu einem blutigen Gefecht mit den Einwohnern kam , welche die

19

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

- Husaren mit Waffen aller Art , Flinten , Spiefsen , Heugabeln u . s. w. angriffen, aber, soweit sie sich nicht in die Häuser flüchten und verstecken konnten , niedergehauen wurden .

Da man das Eintreffen von

Kellermanns Spitze bei Ligny zum Weitermarsch auf Bar - le - Duc sicher erkannt hatte,

so zog sich Köhler wieder an die Vorhut über

Souilly und Esnes heran .

Am Nachmittage des Eintreffens am 12.

beteiligte sich Hellwig an einer verunglückten Attacke , die Major v. Prittwitz mit 800 Husaren von Fléville aus über die Aire gegen die auf den Höhen stehende feindliche Infanterie und Artillerie versuchte . Dumouriez, der aus seiner vorteilhaften Stellung bei Grand- Pré hinausmanövrirt wurde , zog sich in der Nacht zum 15. September ab , am Morgen vom Erbprinzen ,

Köhler's Husaren voraus , lebhaft verfolgt.

Ein grofser Teil des Gepäcks , Geschütze , Gefangene fielen in die Hände der letzteren , welche wie Hellwig sagte , aufserordentliche Beute bekamen. Aus Verpflegungsrücksichten liefs man Dumouriez entschlüpfen und trat erst am 18. den weiteren Vormarsch an: der Erbprinz sollte links abmarschiren, um über Vienne-le-Château den feindlichen linken Flügel aus La Chalade zu werfen.

Den Nachmittag des 18.

hatten die Köhler-Husaren bis zur Nacht mit den gegnerischen Vorposten geplänkelt ; mit Tagesanbruch schon schlugen sie sich am Fufse des Berges Remoi an der Aisne wieder mit feindlichen Reitertrupps herum.

Eine unrichtige Beobachtung Köhler's , wonach der

Feind auf Châlons abzuziehen in Begriff wäre, veranlafste den König, den Befehl an den Erbprinzen zu widerrufen und den Entschluſs zu fassen, mit der ganzen Armee rechts auf Somme-Tourbe und SommeBionne abzumarschiren, ein Entschlufs, der, ungeachtet Köhler seinen Irrtum sehr bald erkannte und zur Sprache brachte , aufrecht erhalten wurde und den ersten Anlafs zu dem späteren Mifsgeschick gab. Unter abwechselnden Regenschauern nnd den Ausblick hemmenden Nebeln kam es am 20.

zu der berüchtigten Kanonade von Valmy,

bei welcher Hellwig mit dem Regiment auf dem rechten Flügel im ersten Treffen in stundenlangem Kanonenfeuer ausharren musste. Dann folgte aus Anlafs geheimer Unterhandlungen mit Dumouriez ein neuntägiges Stehenbleiben auf dem Schlachtfelde , dessen Leiden . Hellwig in seinem Tagebuche mit wenigen Worten anschaulich genug schildert : Nichts als verschimmeltes Brod zur Verpflegung und dieses noch dazu so kärglich , dafs an Stillen des Hungers garnicht zu denken war ; Branntwein für schweres Geld nicht zu haben, zum Trinken nur Kalkwasser ,

dazu

unaufhörlicher Regen ,

als unaus-

bleibliche Folge allgemeine verheerende Dyssenterie . Das Mafs dieser Leiden erhöhte sich noch bei dem am 29. angetretenen Rückzug

2*

20

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

durch die kaum mehr gangbar gebliebenen Wege : ,, er war das furchtbarste was es geben konnte." Die meisten Opfer kostete der Marsch durch den ausgedehnten Wald von Mangienne am 15. Oktober, wo die Landesbewohner die Nachzügler hart bedrängten, wo Kranke und Ermattete zu vielen Hunderten im Strafsenkote liegen blieben und elendiglich umkamen, wo zahlreiche Wagen feststaken und stehen gelassen werden mussten. Während dieses ganzen Rückmarsches , der wunderbarer Weise von Dumouriez fast nicht behelligt wurde, bildete das Regiment Köhler die Nachhut und hatte die äufsersten Strapazen auszuhalten. An Longwy vorbei ging der Marsch durch das Luxemburgische nach Coblenz zurück ; General Köhler sicherte , wie beim Vormarsch , durch Festhalten des rechten Moselufers und des Hunsrücks die Seite der Armee und marschirte über Grevenmachern , Trier, Bernkastel nach Stumpfethurm, einer Stellung , in der er bis 11. November verblieb , um die Aufmerksamkeit der Franzosen auf sich zu ziehen und Custine , der Mitte Oktober Mainz genommen hatte und über Frankfurt Coblenz bedrohte , von diesem Vorhaben abzuhalten. Angesichts solcher Gefahren versammelte der Herzog von Braunschweig die ganze Armee bei letzterer Stadt und Köhler rückte westlich von ihr am 19. November in die Winterquatiere.

Der Feldzug 1793 wurde damit eröffnet , dafs der Parteigänger Oberst Szekely mit einer gemischten Abteilung am 14. März über St. Goar auf den Hunsrück zur Bedrohung der linken Seite und des Rückens des bei Creuznach und bei Bingen stehenden Feindes und zur Erforschung seiner Kräfte an der Nahe vorgesandt wurde . Zu seiner Unterstützung und zum Festhalten des Hunsrücks brachen am 17. die Generale v. Romberg und v. Köhler mit 5 Bataillonen , 5 , später 10 Schwadronen und 1 Batterie nach Kantonnirungen bei Pfalzfeld auf, von wo sie am 24. , während Hohenlohe bei Bacharach den Rhein überschritt, bis zum Stromberger Engweg vorrückten . Am 28. wurde Custine zum Räumen seiner Stellung bei Creuznach gezwungen; das Köhler'sche Korps ereilte am 30. bei Alzey seine Nachhut und kam mit ihr ins Gefecht , nach welchem es sich mit dem Erbprinzen in östlicher Richtung auf Alsheim gegen den Rhein wandte, während der in südlicher Richtung fortmarschirte Herzog von Braunschweig bei Ober-Flörsheim auf eine mit 18 bis 20 Geschützen besetzte Stellung des Generals Houchard stiefs. Die zur Unterstützung des ersteren von Hohenlohe in Marsch gesetzten Truppen trafen um 3 Uhr Nachmittags auf den Höhen von Gundersheim ein , worauf Hellwig an einer Attacke des Husaren - Regiments v. Köhler und des Dragoner-Regiments v. Schmettau Teil nahm. Der Feind zog Nachts nach Frankenthal ab und Köhler besetzte die Pfrimlinie. Bei der Neu-

21

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

einteilung der Beobachtungs-Armee im letzten Drittel des April fiel dem Erbprinzen, gegenüber der zwischen Landau und der Lauter zusammengezogenen Armee Custine's das Festhalten der Stellung von Kaiserslautern zu ,

während der Herzog von Braunschweig zwischen

Neustadt und Landau und das österreichische Korps unter Wurmser Köhler übernahm am 23. die Vorposten bei Germersheim standen. . des äussersten rechten Flügels nördlich Homburg in der Gegend von Waldmohr

und

Schönenberg ,

etwa

6000 Franzosen

standen

bei

Limbach unmittelbar gegenüber, mit denen es fast täglich zu kleineren und gröfseren Vorpostengefechten ,

besonders

am 29. bei Altstadt-

Homburg, kam, an denen Hellwig Gelegenheit fand, sich zu beteiligen. In den nächsten Monaten fanden auf diesem Teil des Kriegsschauplatzes mehrfache Vor- und Rückwärtsbewegungen beiderseits statt, die von keiner entscheidenden Bedeutung waren. Als Hohenlohe am 13. August die Franzosen bei Altstadt-Homburg und Limbach angriff, überschritten die Köhler-Husaren die Bliess bei Mittel-Bexbach , um weit nach rechts ausholend dem Feinde in die linke Seite und den Rücken zu gehen ; mit vielem Erfolge konnte er bei der Verfolgung auf die in der Front geworfenen Franzosen einhauen. Nun folgte in der Stellung bei Altstadt wieder ein langer Zeitraum

des Beobachtungsdienstes ,

postengefechte kundigungen .

und

beiderseits

nur unterbrochen durch Vor-

angestellte ,

zum

Teil

blutige

Er-

Auch in der Anfangs Oktober von Köhler's Abteilung

bei Ormesweiler bezogenen Stellung zur Deckung der rechten

Seite

des zur Beobachtung von Bitsch vorgerückten Korps des Erbprinzen hatte er mehrfache gröfsere und kleinere Angriffe , gemünd her , abzuwehren .

meist von Saar-

Als der in der Nacht zum 17. November

von Braunschweig und Hohenlohe gemeinsam unternommene Versuch aus Bitsch mifslungen war, zog letzterer sich mit Köhler als Nachhut zunächst auf Zweibrücken zurück. Das Vordringen der Franzosen im Elsafs gegen die Österreicher zum Entsatz von Landau veranlafste aber den Herzog von Braunschweig ,

das Zweibrücken'sche

lassen und nach Kaiserslautern sich

zurückzuziehen ,

zu ver-

während der

Erbprinz über Pirmasens in eine Stellung bei Anweiler und Bergzabern rückte, um die Belagerung von Landau zu decken. Während des Marsches traf Hellwig das Mifsgeschick ,

dafs ihm,

als er am

23. November auf Feldwache angegriffen wurde , sein Pferd entlief und er genötigt war, sich zu Fufs durch dichten Schnee nach Lemberg zu retten. Die Köhler'sche Abteilung bekam den Ausgang des Anweiler Thals bei Sarrensthal zu sichern , bis nach Wurmser's Niederlage bei Weissenburg am 26. Dezember auch die preufsische Armee sich zum Rückzuge hinter Landau,

dessen Einschliefsung aufgehoben wurde ,

22

gezwungen sah.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. Unter fortwährenden Neckereien

und Gefahren ge-

langte Köhler's Nachhut über Neustadt in den Tagen bis zum 6. Januar 1794 in eine Stellung zwischen Bechtheim und Westhofen, in welcher er des Erbprinzen Kantonnirungen bei Guntersblum sicherte. Da sich Anfangs Februar herausstellte , dafs der gröfste Teil der bei Speier gewesenen französischen Armee sich über Kaiserslautern und St. Wendel gegen Trier gewendet hatte , entsandte Feldmarschall von Möllendorf, welcher den Oberbefehl über die preufsischen Truppen übernommen hatte, am 8. Februar den General Köhler mit einer gemischten Abteilung nach Castellaun und Simmern , um im Hunsrück Streifereien des Feindes zwischen Rhein und Mosel gegen die Verbindungen zwischen Creuznach und Coblenz zu verhindern.

In dieser

Stellung bezog Köhler bis Mitte April Winterquartiere , während in Trier ein österreichisches Korps unter General-Major v. Blankenstein und andererseits um Alzey General v. Rüchel mit einer preufsischen Heeresabteilung stand. Die zweite Hälfte des April wurde durch mehrfache Hin- und Hermärsche Köhler's zwischen Trier und Simmern unter Dhaun an der Nahe , veranlafst durch die österreichischen Operationen im Luxemburgischen , ausgefüllt . Am 3. Mai wurde er dem bei Creuznach stehenden Korps des Grafen Kalkreuth unterstellt und nach Birkenfeld gewiesen , um zur Unterstützung sowohl für Blankenstein wie für Kalkreuth bereit zu stehen. Beim Vorrücken des letzteren in die Gegend zwischen Lautereck und Lichtenberg Mitte Mai begab sich Köhler ebenfalls weiter vorwärts nach Wadern . Um diese Zeit wurde Hellwig von der Leibschwadron zu der des Majors v. Hayn, welche in Brodorf stand und in Mertzig einen Posten gegen Saarlouis hatte , versetzt . Im Juni und Juli mufste Köhler wiederholt in Folge der Bewegungen des Feindes und Mafsnahmen der eigenen Heeresleitung zwischen Trier und dem Fürstentum Lichtenberg hin und her marschiren , ohne wesentliche Zusammenstöfse mit dem Feinde zu haben. Am 7. Juli machte Major v. Hayn mit 3 Schwadronen von Lockweiler (bei Wadern) aus über Düppenweiler und Haustadt einen Erkundigungsritt auf Saarlouis ; hierbei legte Hellwig , seit 23. Mai zum Kornet ernannt, mit 30 Pferden einen Versteck , welcher durch die Schuld eines Unteroffiziers nicht den erhofften Erfolg hatte, worin aber immerhin 5 französische Karabiniers gefangen wurden . Als sich am 13. Kalkreuth's Korps mit der Hauptarmee bei vereinigte , besetzte Köhler's Abteilung den Posten Kusel zur Deckung des dortigen Magazins ; er ging , da in den nächsten Tagen der Rückzug in der Richtung auf Creuznach angetreten wurde, bis Lautereck zurück und liefs 2 Schwadronen unter Kaiserslautern

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

23

Major v. Hayn zu oben angegebenem Zwecke in Schellweiler und Blödesbach , welche jedoch am 21. durch den mit 1200 Mann Infanterie und Artillerie von Homburg über Brücken vormarschirenden Feind zurückgedrängt und aus Kusel getrieben wurden. Der Feind behielt dieses Städtchen jedoch nur so lange besetzt , bis er den Rest des Magazins versiegelt hatte und zog dann wieder auf Brücken ab. Von dort rückte Moreau am 26. mit 8000 Mann erneut vor, steckte Kusel in Brand und marschirte wieder rückwärts ; da man seine Marschrichtung nicht erfuhr , wurde Köhler über die Nahe zurückgenommen. Allmälig zeigte es sich , dafs der feindliche Marsch auf Trier gerichtet sei. Im Anfang August 1794 hatte nämlich der Konvent dem General Moreau den bestimmten Befehl

erteilt ,

sich mit der Mosel- Armee

dieser Stadt zu bemächtigen ; zu diesem Zwecke zog er Teile der Rhein-Armee , die über St. Wendel und Wadern zu ihm stofsen sollten, an sich. Auf die den Verbündeten zugehenden Nachrichten hin beschlofs Möllendorff, den Österreichern in Trier mit dem im Hunsrück stehenden Korps Kalkreuth zu Hilfe zu kommen ,

dessen

Vorhut unter Köhler sich am 5. August von Kirn an der Nahe in der Richtung auf Wadern und Weifskirchen in Marsch setzte. Über Birkenfeld gegen Bosen mit 3 Schwadronen vorgeschickt , konnte Major v. Hayn am 6. feindliche Kolonnen sowohl über dieses Dorf als über Wadern im Vorrücken melden . Von den Höhen bei Birkenfeld aus sah Köhler an den nächsten Tagen die französischen Heersäulen vor sich vorbeimarschiren, im Unklaren, ob sie nicht etwa über Birkenfeld auf Trier vorgehen würden und bei der weiten Entfernung der Kalkreuth'schen Hauptmacht zu schwach , mit Erfolg gegen sie vorstofsen zu können .

So gelang es dem aus Saarlouis vorrückenden

Korps des Generals Vincent , sich mit Teilen der von Saarbrücken kommenden Division Desbureaux und mit dem aus der Gegend von Schöneberg und Brücken links abmarschirten Korps Renauld bei St. Wendel und Sellbach zu vereinigen und über Zerf auf Trier vorzugehen . Endlich am 8. marschirte Köhler auf Mettnich und Sellbach vor. Seine Vorhut unter den Rittmeistern v. Paczinsky und v. Garten des Köhler-Husaren-Regiments folgte dem Feinde auf dem Fufse über Weifskirchen gegen Zerf nach; sobald letzterer diesen Ort durchschritten hatte, erfuhr die Vorhut, dafs Teile der Franzosen sich über Mittel- Losheim links gegen Wahlen gewendet hatten , was die preuſsischen Husaren veranlafste, sich ebenfalls nach links zu ziehen. Bei Münchweiler stiefsen sie auf ein Vorwerk, welches vom Feinde gerade ausfouragirt wurde ; sie umringten dasselbe und machten 3 Kapitäns, 1 Adjutanten und 20 Gemeine zu Gefangenen, wozu der seitwärts ent-

24

•· Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

sandte Kornet Hellwig noch 6 Gefangene und 10 Pferde einbrachte. Das ist alles, was in dem Journal des Köhler'schen Korps *) von der ersten Gelegenheit , bei der sich Hellwig durch eine selbstständige That auszeichnen konnte, erwähnt wird. Ein Offizier , der 23 Jahre unter Hellwig's Befehl gestanden hat und nach einer Bemerkung des Militär -Wochenblatts von 1846 aus guten Quellen schöpfte , berichtet **) , dafs der Vorfall unweit des Städchens Wadern

beim Dorfe Nunkirchen sich zugetragen habe.

Auf einer Streife , die Hellwig mit 40 Pferden gegen Trier machte, habe er in dem unteren Schlosse Münchweiler eine Abteilung französischer Chasseurs zu Pferde getroffen ,

die

sich bei dem über-

raschenden Anrücken der Preufsen schleunigst im Schlofshofe und im Schlosse selbst eingeschlossen , verrammelt und letztere mit lebhaftem Karabinerfeuer aus den oberen Fenstern empfangen hätten.

Nachdem

Hellwig sich von der Sachlage gehörig unterrichtet , habe er seine Leute sofort absitzen , die Karabiner zur Hand nehmen und gegen die zugänglichste Stelle ein kurzes Feuergefecht führen lassen , um alsdann mit dem Säbel in der Faust das Schlofs zu erstürmen. Ein Kapitän und 70 Chasseurs mit ihren Pferden seien in die Hände der Sieger gefallen. Den für diesen Streich gewährten Orden pour le mérite habe durch ein später nicht wieder auszugleichendes Mifsverständnifs derjenige Offizier erhalten , welcher die Gefangenen abzuliefern hatte , Trier ausführte.

während

Hellwig

seinen

weiteren

Auftrag gegen

Mit dieser Darstellung stimmen in der Hauptsache die kurzen Angaben in Hellwig's Privattagebuche überein.

Danach habe sich

Rittmeister v. Paczinsky mit einer Patrouille von 100 Pferden , deren Vortrab Hellwig befehligt habe, auf dem Wege nach Trier befunden ; letzterer habe dabei ,, ein völlig zugemachtes Vorwerk , was gut verteidigt ward," weggenommen und die aus 1 Offizier, 33 Mann Infanterie bestehende Besatzung zu Gefangenen gemacht. Der Rittmeister wäre dann mit der Patrouille und den Gefangenen zurückgegangen (er setzte unmittelbar darauf eine Feldwache gegen Weifskirchen und Losheim aus) , während Hellwig mit

15 Pferden

noch

weiter vorgetrabt und unterwegs die Nachricht erhalten hätte , daſs in dem Dorfe Nonweiler *** ) 80 Kavalleristen einquartirt wären . Hellwig

*) Pr. F. Z. IV S. 1221. **) M. W. Bl. 1846 S. 72. ***) Hier dürfte wohl das nahe dem Treffpunkt der von Saarbrücken und Saarlouis nach Trier führenden Strafsen gelegene Dorf Nunkirchen gemeint sein, da Nonweiler bereits hinter der neu ausgestellten Vorpostenkette sich befunden haben muss.

H

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. hätte sie überfallen ,

25

mit eigener Hand den kommandirenden Ritt-

meister gefangen genommen , mehrere wären niedergehauen und 17 Mann nebst Pferden zu Gefangenen gemacht worden ; er habe Mit seiner Beute sei er zurückgegangen dabei ein Pferd verloren . und habe seine Schwadron in Geweiler bei Wadern getroffen . Es ist wohl denkbar , dafs Hellwig mit seinem Zuge als Vortrab das Unternehmen allein ausgeführt , dafs aber der darüber erstattete Bericht es für die bisherige Avant - Garde des Köhler'schen Korps in Anspruch genommen und deren Führer die Belohnung dafür

em-

pfangen hat, derartige Irrtümer sind in den neueren Kriegen ebenfalls nicht selten vorgekommen . An demselben Tage wurde General v. Blankenstein bei Pellingen angegriffen und zurückgeworfen und räumte am 9. August Trier, was Kalkreuth zum Rechtsabmarsch nach der Strafse Birkenfeld - Bernkastel veranlafste.

Köhler nahm bei Molborn und Geisfeld (Strafse Wadern-

Bernkastel) eine Vorpostenstellung , in der er, da sich der Gegner in Trier vollständig ruhig verhielt , mit einer Unterbrechung bis Anfang Oktober verblieb . Als es um diese Zeit bekannt wurde, dafs Clerfait mit der österreichischen Hauptarmee über den Niederrhein und auch Melas schon bis Kaisersesch zurückgegangen sei, dafs am 6. drei französische Korps zu je 15 000 Mann über Wadern, Hermeskeil und Büdlich vordrangen, musste sich Köhler am 7. auf Kalkreuth's Hauptkorps bei Stumpfethurm zurückziehen , wo er stehen blieb , während letzteres nach Simmern zurückging. Am 8. und 9. kam es bei Stumpfethurm zu lebhaften Gefechten. Am 9. Mittags überschritten die Franzosen die Drohn und rückten in drei Heersäulen vor. Als ihre Spitzen , die bei Gonzenrath Halt gemacht und ein Feuergefecht begonnen . hatten, um 4 Uhr wieder antraten, wurden sie von Major v. Prillwitz mit einigen Schwadronen und einem Füsilier-Bataillon so lange aufgehalten, bis sie Artillerie vorbrachten und mit Kartätschen feuerten. Ihre Infanterie, welche den durch den Wald auf Stumpfethurm zurückgehenden Preufsen aufserhalb des Holzes nachfolgte , wurde von den Husaren in der linken Seite angegriffen , geworfen und an weiterem Vordringen gehindert. besetzt.

Köhler behielt mit den Vorposten seine Stellung

An diesem Vormittag entging Kornet Hellwig nur mit genauer Not der Gefangenschaft. Mit einem Trompeter als Parlamentär zu den Franzosen geschickt, kam er auf etwa 25 Schritt an ein InfanterieRegiment heran ; als er auf dessen Anruf hatte blasen lassen , wurde er trotzdem mit einer Salve empfangen und der Trompeter erschossen . Beim Zurückreiten traf er auf ein Chasseur-Regiment, durch welches er sich durchhauen musste , nur durch die Schnelligkeit seines Pferdes

26

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

gelang es ihm, mit Verlust seines ihm abgehauenen Puderzopfes zu entkommen. Als am 16. die Hauptarmee von Creuznach hinter die Selz zurück-

ging, nahm Köhler in der folgenden Nacht eine Stellung am Rochusberg bei Deidesheim , welche jedoch nach heftigen Gefechten am 20. Nachdem der König die Absicht und 21. geräumt werden mufste. Entscheidungsschlacht anzunehmen , durch den Befehl gleich den Österreichern über den Rhein zurückzugehen , verhindert hatte, wurde der schon seit dem 20. begonnene Übergang am Möllendorf's ,

eine

22. auch durch das Kalkreuth'sche Korps bewirkt, als dessen Nachhut Köhler am 23. über den Strom bei Mainz unbehelligt folgte, welches Nachdem folgenden Tags von den Franzosen eingeschlossen wurde. Coblenz gefallen ,

bezog am 27. die Armee weite Kantonnirungen,

Köhler's Truppen im Rheingau. Mit dem Anfangs November nach Südpreufsen bestimmten Korps des Erbprinzen Hohenlohe marschirte auch Hellwig mit dem 1. Bataillon seines Regiments am 11. ab ; in Fulda traf der Gegenbefehl ein, wieder zum Kalkreuth'schen Korps zurückzugehen ; das Bataillon rückte in den Kantonnirungen im Rheingau am 11. Dezember wieder ein. Die weiteren Fortschritte

der Franzosen am Unterrhein den

Österreichern gegenüber liefsen Wesel und damit den Weg in das Herz der preuſsischen Monarchie bedroht erscheinen. liefs

der

König

die

Armee

in

der

zweiten

In Folge dessen

Februarhälfte

1795

schleunigst nach Westphalen abmarschiren ; das Regiment Köhler traf Anfangs März in Hamm ein. Nach dem Friedensschlufs langte es im Laufe des Juli wieder in seinen oberschlesischen Garnisonen (Rosenberg u. s . w.) an. Am

11. April 1799

zum Sekond - Lieutenant befördert , wurde

Hellwig in den nächsten Jahren mehrfach in den kleinen Garnisonen des Regiments herumgeworfen ; nach der Revue 1804 heiratete er seine erste Frau , Josephine Freiin von Falderen , im zartesten Alter gestorbene Tochter schenkte.

welche ihm

eine

(Fortsetzung folgt.)

III.

Improvisirte Befestigungen. Von Reinhold Wagner, Oberstlieutenant a . D.

Fortsetzung *).

3.

Dresden 1813 . **)

a) Vom Beginn der Befestigung Dresdens nach der Schlacht bei Grols -Görschen im Mai bis zum Verzicht Napoleons auf die Verfolgung der böhmischen Armee nach der Schlacht bei Dresden Ende August. Während das klägliche Ergebniſs der Anstrengungen, Berlin durch Befestigungen zu sichern, zufällig ohne Folgen blieb, zeigte zur selben Zeit der Verlauf des Krieges in Sachsen, wie nachteiligen Einfluss auf die Operationen solche Befestigungsanlagen ausüben können , die nicht volles Vertrauen zu erwecken im Stande sind. Nachdem in den Briefen, die Napoleon im Frühjahr 1813 von Paris aus über seine Kriegspläne an den Prinzen Eugen als den Befehlshaber der Elb-Armee richtete, anfänglich immer nur von Magdeburg als vom Hauptwaffenplatz seiner Armee und Stützpunkt seiner Operationen die Rede gewesen, kommt in einem Schreiben vom 20. März plötzlich die Absicht zum Vorschein, beim Ergreifen der zu einem Depotplatz die offene Stadt Offensive Dresden -

*) Siehe das Dezemberheft 1894 . **) Quellen : 1. Correspondance de Napoléon I. Vol. 25, 26. Paris 1868. 2. Thiers, A. Histoire du consulat et de l'empire. Vol. 16. Paris 1857 . 3. Gouvion St. Cyr. Memoires pour servir à l'histoire militaire sous le directoire, le consulat et l'empire. Vol. 4. Paris 1831 . 4. Gay de Vernon. Vie du Maréchal Gouvion St. Cyr. Paris 1856. 5. Memoires du Maréchal Marmont. Vol. 5. Paris 1857. 6. Aster, H. Schilderung der Kriegs-Ereignisse in und vor Dresden vom 7. März bis 28. August 1813. Dresden 1844. 7. Aster, H. Die Kriegsereignisse zwischen Peterswalde, Pirna, Königstein und Priesten im August 1813 und die Schlacht bei Kulm. Dresden 1845. 8. Odeleben, O. Frh. v. Napoleons Feldzug in Sachsen im Jahre 1813. 3. Aufl. Dresden 1840. 9. Angeli, M. v. Die Kapitulation von Dresden 1813, in den Mitt. d. k. k. KriegsArchivs. Jahrg. 1881. Wien 1881 .

28

Improvisirte Befestigungen.

für 200 000 Mann zu machen .

Da es als solcher nicht unbefestigt

bleiben durfte, beauftragte Napoleon, nachdem er in Folge der Schlacht bei Grofs-Görschen Dresden am 8. und 9. Mai besetzt und die Elbe überschritten hatte, gleich am 10. den Chef des Geniewesens der Armee, General Rogniat, mit der Befestigung der Neustadt am rechten Ufer. Die Altstadt am linken sollte nur gegen streifende Kasaken durch Pallisadenabschlüsse mit Barrieren an den Strafsen - Ausgängen der Vorstädte, den sogenannten Schlägen, gesichert werden. Bis zum 12. Mai wurde dann nicht nur die gesprengte steinerne Elb- Brücke durch Holzbau wieder hergestellt, sondern auch je eine Schiffbrücke ober- und unterhalb derselben geschlagen und das rechtsufrige Ende aller 3 Brücken durch Pallisadentambours geschützt .

Als

Besatzung Dresdens blieben beim weiteren Vorrücken der Armee, auſser 1 Bataillon, 1 Eskadron und 12 Geschützen sächsischer Truppen, nur einige französische Depot-Bataillone und -Eskadrons zurück . Doch ernannte Napoleon schon jetzt einen Divisions-General, Grafen Durosnel, seinen eigenen Adjutanten, zum Gouverneur von Dresden , und teilte ihm einen Artillerie- und einen Genie - Offizier zu. Die Neustadt am rechten Ufer war in

den

30er Jahren des

18. Jahrhunderts mit einer starken permanenten Befestigung nach eigentümlichem

bastionirten System umgeben worden, die sich mit

5 Fronten in einer Ausdehnung von mehr als 2000 Schritt (auf den Polygonseiten gemessen) von der oberen zur unteren Elbe hinzog, und vor den 3 unteren Fronten nicht nur Raveline und normalen gedeckten Weg, sondern auch andere Aufsenwerke und einen vor diese vorgeschobenen äufseren gedeckten Weg besafs.

verNach dem Kriege von 1809, während dessen Dresden nachlässigt - zeitweise in die Hände der Österreicher geraten war, hatte Napoleon, wohl aus Gefälligkeit gegen den sächsischen Hof, eingewilligt, Dresden als Festung eingehen zu lassen, und durch das neu zu befestigende Torgau zu ersetzen. In Folge dessen waren vom November 1809 ab die Werke der Neustadt so vollständig geschleift, *) daſs 1813 nur auf beiden Flügeln, dicht an der Elbe kleine Reste vorhanden waren. Doch markirten sich die dazwischen liegenden Fronten noch als unbebaute Flächen und durch die Glacismassen im Allgemeinen. General Rogniat liefs nun, dem Grundrifs des früheren Hauptwalls im Allgemeinen folgend,

eine einfache bastionirte Umwallung

*) Der damalige sächsische Hauptmann Aster, später Chef des preussischen Ingenieurkorps, hatte durch eine im Oktober 1809 aus eigener Initiative verfafste Denkschrift, über die Wichtigkeit Dresdens als Festung, die Schleifung der Werke vergebens abzuwenden gesucht.

Improvisirte Befestigungen.

29

ohne Raveline erbauen : 5 Fronten von etwa 400 Schritt Länge, die nur in den Saillants und Schulterwinkeln der Bastione durch Bänke zur Geschützaufstellung eingerichtet, übrigens aber blofs mit Infanteriebankets versehen wurden , im Graben am Fußse der Escarpen eine Pallisadirung, an der Contrescarpe jedoch nicht einmal einen Rondengang erhielten. Vom Lande mufsten einige Tausend Arbeiter und Fuhrwerke, von der Armee das nötige Genie-Personal gestellt werden. Erstere wurden meilenweit herangezogen und alle 14 Tage abgelöst, da aber das vorhandene Genie-Personal nicht ausreichte, so hatte Napoleon schon am

11. Mai dem Marine-Minister in Paris befohlen,

ein Bataillon

Werft-Arbeiter (Ouvriers de la Marine) nach Dresden zu schicken , von deren Leistungsfähigkeit er sich viel versprach. Ehe er Dresden am 18. Mai verliefs , besichtigte er persönlich die im Gange befindlichen Arbeiten, und befahl, dafs die Befestigung der Neustadt bis zum 1. Juni vollendet und mit Geschütz armirt sein sollte. Als er dann nach der Schlacht bei Bautzen (21. Mai) und dem Waffenstillstande (4. Juni) nach Dresden am 10. Juni zurückgekehrt, und fern von der Absicht, Frieden zu schliefsen nur auf Benutzung der gewonnenen Frist zur Vorbereitung des weiteren Krieges bedacht war, bildeten die Anordnungen zur fortifikatorischen Verstärkung der Elbe-Linie von der böhmischen Grenze bis Hamburg einen ganz hervorragenden Gegenstand seiner Fürsorge. Noch schmeichelte er sich, dafs Österreich neutral bleiben würde . Argwohn hatte er indessen bereits gefafst, und deshalb beschlofs er noch oberhalb Dresdens, näher an der böhmischen Grenze, einen ManövrirBrückenkopf herstellen zu lassen - vielleicht noch unschlüssig, wo ? Denn am 21. Juni befahl er die Rekognoszirung und Aufnahme der Elbe von Dresden bis zur Grenze und der Strafsen sowohl von Pirna, als auch von Königstein, einerseits am rechten Ufer über Stolpen nach Bautzen , andrerseits am linken Ufer nach Böhmen . Ohne indessen das Ergebniſs abzuwarten, gab er schon am nächsten Tage (22. Juni) Befehl, unter dem Königstein zwei Brücken über die Elbe zu schlagen, und am rechten Ufer unter dem Lilienstein einen . geräumigen Brückenkopf anzulegen : als Reduit desselben ein Werk auf dem hohen, durch Rampen erst zugänglich zu machenden Thalrande über den Brücken, dann mehrere Werke den östlichen Fufs des Liliensteins umfassend, eine Viertelmeile von den Brücken entfernt, wozu später, da auch jenseits derselben scharf eingeschnittene Thäler zu überschreiten blieben, noch einige darüber hinaus vorgeschobene Schanzen vor Hohnstein kamen, etwa eine Meile von den Brücken entfernt.

30

Improvisirte Befestigungen.

Mit minimaler Besatzung sollte dieser Brückenkopf gegen eine feindliche Armee behauptet werden

können ,

andrerseits aber

der

Lagerraum für 30-60 000 Mann genügen, und um deren Operationen an beiden Ufern zu ermöglichen , für die nötigen Strafsen gesorgt werden. Neben umfangreicher Verbesserung vorhandener Wege erforderte dies namentlich den höchst schwierigen Neubau einer etwa 54 Meilen langen Strafse auf dem felsigen Kamme des sogenannten Ziegenrückens in der Richtung auf Stolpen , um nur überhaupt aus dem Sacke am Lilienstein herauszukommen. Das hatte Napoleon schwerlich vorausgesehen, als er sich, wahrscheinlich nur wegen des Vorhandenseins der Feste Königstein am linken Ufer, für den Übergang dort, statt bei Pirna, entschied, welches sonst in jeder , namentlich auch in strategischer Beziehung , wegen bequemer Verbindung mit Stolpen und wegen unmittelbarer Beherrschung der Strafse von Dresden über Peterswalde nach Böhmen Jedenfalls war es ein Irrtum , zu den Vorzug verdient hätte. glauben, dafs sein Befehl , den Brückenkopf am Lilienstein bis zum 1. Juli , also in 8 Tagen, zu vollenden , mit den von ihm zu Gebote gestellten Mitteln ausführbar sei. Regiment der Garde ,

Am 23. Juni sollten ein Flankeur-

3 Genie- Offiziere mit einer Sapeur-Kompagnie

und ein Artillerie- Stabsoffizier mit einer Pontonnier-Kompagnie dahin abgehen, Schiffsmaterial requirirt, Schanzzeug aber und Geschütz zur Armirung von der Feste Königstein geliefert werden. Bei Dresden blieben die Arbeiten in dieser Zeit noch immer auf das rechte Ufer, und auch hier aus Mangel an Arbeitskräften auf die Befestigung der Neustadt selbst beschränkt , am

1. Juni

hatte

vollendet

sein

sollen .

die bekanntlich schon

Zur Sicherung des De-

bouchirens aus den beiden Thoren der bastionirten Umwallung wurde der äufsere gedeckte Weg hinter den Glacismassen der geschleiften Befestigung und in demselben vor dem Weifsen Thore , zunächst der unteren Elbe , ein 200 Schritt vor dem Hauptwall liegendes kleines Aufsenwerk wieder hergestellt , sowie vor dem wichtigeren Schwarzen Thore in der mittleren Landfront , dem Zugange zur Strafse nach Bautzen , eine grofse Lünette mit einem Kreuzblockhause als Reduit bis zu 400 Schritt vorgeschoben : das sogenannte Kaiser-Fort. Weitere Arbeiten konnten noch nicht unternommen werden, obgleich sowohl die Erbauung einer Kette von detachirten Werken auf den 2500-3000 Schritt vor der Neustadt liegenden Höhen zur Bildung eines verschanzten Lagers, als auch die Befestigung der Altstadt am linken Ufer beschlossen, und die Verlängerung des am 20. Juli ablaufenden Waffenstillstandes noch keineswegs sicher war. Der Plan zum Lager am rechten Ufer stand nach Rogniat's Entwurf

Improvisirte Befestigungen. in der Hauptsache schon fest.

31

Dagegen hatte Napoleon sich noch

nicht schlüssig gemacht , wie Dresden am linken Ufer zu sichern sei . Die möglichste Benutzung der alten Enceinte der inneren Stadt konnte allerdings nicht zweifelhaft sein , obgleich sie ihren Charakter als Befestigung längst verloren hatte. Im Wesentlichen war sie nach altitalienischer Manier erbaut, mit Fronten bis zu 800 Schritt Länge, verhältnifsmässig kleinen , aber vollen und kasemattirten Bastionen, zurückgezogenen niederen Flanken zur Bestreichung des teilweise nassen , doch zugleich überall mit gemauerter Kontrescarpe versehenen Grabens. Am besten erhalten war noch die Mehrzahl der 7 Bastione ,

doch auch deren Inneres in Garten - Anlagen verwandelt, die Kourtinen dagegen auf weite Strecken geschleift, der Graben davor teilweise ausgefüllt , und die Kontrescarpe auf dem ganzen Umzuge mit mehrstöckigen Häusern bebaut , von denen der Hauptwall, wo er

überhaupt noch bestand , aus nächster Nähe eingesehen wurde. Besonders schlimm war es, dafs er gerade an zweien von den 4 Hauptthoren fehlte, am Wilsdrufer und am Pirnaer Thor , die auch sonst die schwächsten Stellen des Ganzen bildeten. Immerhin liefs sich dasselbe noch zu einem ziemlich sturmfreien General-Abschnitt hinter den Vorstädten machen, die in einer 1000 bis 1200 Schritt breiten Zone die innere Stadt rings umgaben, und zwar von der oberen zur unteren Elbe : die Pirnaer, die See-Vorstadt und die Wilsdrufer Vorstadt , diese bis zur Mündung der Weisseritz , jenseits deren jedoch noch die Friedrichstadt in einer Ausdehnung von 1200 bis 1300 Schritt Länge und Breite vorgeschoben war. Da die Vorstädte weder demolirt, noch dem Feinde preisgegeben werden konnten, so war Napoleon mit der Frage ihrer Sicherung im Seine noch im Flufs befindlichen Ideen Juni lebhaft beschäftigt . diktirte er am 28. Juni seiner Gewohnheit nach einem Sekretär in Die Friedrichstadt jenseits der Weisseritz sollte aufserhalb der Befestigung bleiben*). Den Umfang der übrigen Vorstädte schlug Ihn zu gering — auf 3000 Toisen (oder 6000 m) an. Napoleon — die Feder.

wollte er durch eine zusammenhängende Pallisadirung schliefsen . Dazu seien 30 000 Pallisaden und zu deren Transport 150 ( ) Wagen täglich auf 10 Tage erforderlich. Die Pallisadirung sollte 15 Fronten von 400 m Länge mit 16 Saillants bilden , vor jedem Saillant eine *) Dies war auch bei der Befestigung der Vorstädte 1778 zur Zeit des bayerischen Erbfolgekrieges der Fall . Ein Originalplan aus dem Jahre 1779 zeigt trotz dieser Beschränkung des Umzuges nicht weniger als 29 Schanzen vor den übrigen 3 Vorstädten, was im Vergleich mit der Befestigung von 1813 beachtenswert ist. Die Hauptwerke lagen in beiden Jahren an denselben Stellen.

Improvisirte Befestigungen.

32

Lünette von 160 m Feuerlinie ,

mit Pallisadirung im Graben und in

der Kehle, erbaut werden. Jede der 16 Lünetten sollte 3 Geschütze erhalten, aber so viel Bänke, dafs die 48 Geschütze aller Lünetten nötigenfalls in zweien oder dreien derselben vereinigt werden könnten. Ferner sollte die Pallisadirung in ihrer ganzen Ausdehuung durch ein Glacis gedeckt werden (!) . An Arbeitern seien täglich für jede Lünette 200 Mann und für den laufenden Meter Glacis 2 Mann, mithin für die 16 Lünetten und 6000 lfd . m Glacis zusammen 15 200 Mann auf 10 Tage erforderlich.

Nicht berücksichtigt waren dabei noch die

Arbeiter zur Anfertigung und zum Setzen der Pallisaden. Nun aber hielt Napoleon allem Anschein nach diese Befestigung nicht einmal für genügend , um Dresden, seiner Absicht gemäſs , mit einer minimalen Besatzung auch nur kurze Zeit behaupten zu können, denn er zog gleich noch ein stärkeres Projekt in Erwägung : statt der polygonalen Pallisadirung eine bastionirte Erdbrustwehr - Linie von 15 Fronten mit Glacis und gedecktem Wege.

Da er hierfür jedoch

nach seiner keineswegs zu hohen Rechnung auf einen Bedarf von 24 000 Mann für 10 Tage blos zur Erdarbeit kam, griff er auf das erste Projekt zurück und suchte es zu verbessern . Die Fronten der Pallisadenlinie sollten bastionirten Grundrifs erhalten , die Lünetten mit ihrem Saillant auf 200 m vor die ausspringenden Winkel der Pallisadirung vorgeschoben und ihre rückwärtigen Verbindungen durch doppelte Erdkoffer gesichert, sowie letztere mit Geschützbänken zu kräftigem Flankenfeuer nach beiden Seiten versehen werden. Er fand aber, dafs die Lünetten doch noch keine genügende Sicherheit für die Pallisaden-Enceinte geben würden. Deshalb seien ihre Zwischenräume durch einen ,, Graben mit Fraisirung" (!) zu schliefsen, sowie hinter der Pallisadirung einzelne Kavaliere zur Aufstellung von Geschützen anzuschütten. Den Arbeiterbedarf für dieses Projekt überschlug er nicht.

Sonst würde er gefunden haben, dafs derselbe noch

gröfser gewesen wäre, als für das zweite Projekt *). Er scheint sich aber vielleicht nach den bei der Neustadt eben schon gemachten Erfahrungen - nicht verhehlt zu haben, dafs binnen 10 Tagen überhaupt keines der 3 Projekte ausführbar sein würde. Denn er befahl nun zwar, dafs nach diesen allgemeinen Ideen , die *) Der fraisirte Graben zum Schlufs der Zwischenräume hätte, um ein wirkliches Hindernifs zu bilden, so bedeutende Breite und Tiefe erhalten müssen, dafs die daraus sich ergebende Erdarbeit kaum geringer als bei Erbaung einer bastionirten Erdbrustwehr-Linie gewesen sein würde. Dazu würden dann noch die Fraisirungsarbeit und die doppelten Koffer hinter den 16 Lünetten mit wenigstens je 200 lfd. m mannshoher Brustwehren mit Geschützbänken, sowie die Kavaliere hinter der Pallisadenlinie hinzugekommen sein.

33

Improvisirte Befestigungen.

übrigens in ihrer Verschiedenheit nicht mit einander zu vereinigen waren, General Rogniat ihm ein Projekt vorlegen sollte, gab aber die Ausführung binnen 10 Tagen von vornherein auf, und schob den Termin der Vollendung so weit hinaus, als es unter den obwaltenden Umständen irgend zulässig schien.

Ob der Waffenstillstand über den

20. Juli hinaus verlängert werden würde, war noch ungewifs.

Anderer-

seits konnte Dresden in den ersten Tagen nach Wiederbeginn der Feindseligkeiten nicht gefährdet werden. Die Vollendung der Arbeiten befahl er deshalb für den 25. Juli, so dafs 4 Wochen zur Verfügung gestanden haben würden, wenn sie sogleich hätten begonnen werden können. Dies war jedoch unmöglich.

Zunächst mufste General Rogniat

das Projekt nach obigen Direktiven zu machen suchen, die nicht nur in ihrer Mannigfaltigkeit einander widersprachen, sondern auch ohne Berücksichtigung des Terrains gegeben waren. Einerseits wurde die Herstellung eines geschlossenen Umzuges von der Stärke einer Pallisadirung dadurch erleichtert, dafs am äufseren Rande der Vorstädte Hecken, Zäune und Gartenmauern , die sich zur Verteidigung einrichten liefsen, in gröfserer Ausdehnung vorhanden waren, so dafs der Bedarf an Pallisaden zum Schlufs der Lücken sich bedeutend verminderte. Ungünstig dagegen waren die Terrain -Verhältnisse für die vor dem geschlossenen Umzuge zu erbauenden Lünetten , weil Dresden in einem flachen Kessel liegt, dessen Ränder namentlich vor der Südseite schon auf 1200-1500 Schritt Entfernung von der See -Vorstadt zu 20 bis 30 m Höhe anstiegen.

Durch Artillerie konnte der Feind von dort

das Debouchiren unmöglich machen . General Rogniat scheint deshalb ein Projekt vorgelegt zu haben, nach welchem, ebenso wie es auf dem rechten Ufer vor der Neustadt geplant war, eine Kette von einzelnen Werken bis auf die Dresden am linken Ufer umgebenden Höhen vorgeschoben werden sollte, so dafs auch hier ein verschanztes Lager entstanden sein würde. Dies veranlafste Napoleon am 5. Juli abermals seine Ideen über die Befestigung von Dresden einem Sekretär zu diktiren . Zunächst bemerkte er, am linken Ufer könnten die Arbeiten noch nicht begonnen werden , weil sie am rechten noch zu weit im Rückstande seien. Thatsächlich hatte man dort die vorgeschobenen Lagerwerke noch nicht einmal beginnen können Mangel an Arbeitskräften.

Dann

ohne Zweifel aus

erklärte er, am rechten Ufer

wolle er zwar ein verschanztes Lager haben, weil Umstände denkbar seien, die ihn nötigen könnten, das rechte Ufer mit 50-60 000 Mann zu verteidigen. Ein verschanztes Lager am linken Ufer dagegen könne er nicht begreifen (comprendre) . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1.

Dort würde er bloquirt 3

34

Improvisirte Befestigungen.

werden und die Verbindung mit Frankreich verlieren . Den Fall, daſs er genötigt sein könnte, das linke Ufer zu verteidigen, und sich mit der Armee auf das rechte zu werfen , dürfe und könne er nicht vorhersehen. *) Er habe also am linken Ufer kein verschanztes Lager gewollt, sondern nur die Vorstädte decken wollen . Diese gegen einen ernsten Angriff zu schützen , sei unmöglich, die nötige Sicherheit für die Brücken, Magazine, Bäckereien und Hospitäler gebe die Enceinte der inneren Stadt, die, obwohl teilweise geschleift, in solchen Stand gesetzt werden könne,

dafs sie mit einer Besatzung von 3000-6000 Mann

den Feind zur Eröffnung von Laufgräben zwingen würde . der Vorstädte wolle

Am Rande

er also nur einen verteidigungsfähigen Umzug

obiger Art, dahinter jedoch eine durchlaufende Kommunikation auch für Feld-Artillerie ― haben, die vorhandenen 40-60 Ausgänge aus den Vorstädten bis auf 6 oder 8 schliefsen, die benutzbar bleibenden durch Pallisadentambours mit Barrieren und durch Krenelirung der nebenliegenden Häuser sichern. Ich denke, dafs dies Alles ist , was man für den Augenblick unternehmen kann. Wenn es ausgeführt sein wird, werde ich sehen, was zu thun ist." Weshalb er sich zu solcher Einschränkung seiner Direktiven vom 28. Juni verstand, namentlich aber für jetzt sogar auf jede Flankirung des schwachen Umzuges durch vorgelegte Lünetten verzichtete, geht auch unzweideutig aus der Bemerkung hervor, dafs man so : 27 weniger Arbeit " haben würde. Merkwürdig ist die theoretische Erörterung über die Idee eines sogenannten verschanzten Lagers am linken Ufer. Offenbar handelte es sich darum , zur Sicherstellung des Debouchirens der Armee aus Dresden am linken Ufer Schanzen auf die 12-1500 Schritt vor dem geschlossenen Umzuge der Vorstädte liegenden Höhen vorzuschieben . Wie wichtig dies war, sollte sich bald genug zeigen, da gerade der von Napoleon als undenkbar bezeichnete Fall eintrat, daſs er selbst mit der ganzen Armee am rechten Ufer war, und eine am linken Ufer stehende, numerisch überlegene feindliche Armee aus Dresden heraus zu bekämpfen hatte. Dafs ihm dies, d . h . zunächst das Debouchiren aus dem geschlossenen Umzuge der Stadt gelang **) , war sicherlich nicht seinen fortifikatorischen Maſsnahmen zu danken.

*) Siehe dagegen später seine ganz entgegengesetzten Ideen in der zweiten Oktoberwoche, die den Beweis liefern, wie sehr er sich hier von einer vorgefaſsten Meinung beherrschen liefs, und wie kurzsichtig es ist, die Befestigung strategisch wichtiger Orte nur auf eine bestimmte Kriegslage zu berechnen . **) Dafs Napoleon, am linken Ufer durch grofse Übermacht eingeschlossen, ausbrach , werden die Verehrer Bazaine's ohne Zweifel ganz reglementswidrig finden.

35

Improvisirte Befestigungen.

Eine Situation, wie sie nachher wirklich eintrat, noch am 5. Juli für undenkbar zu halten, war um so sonderbarer, als die berühmte Unterredung mit Metternich schon am 28. Juni stattgefunden hatte,

und

Napoleon danach die Beteiligung Österreichs am Kriege für so wahrscheinlich ansah, dafs er in eben dem Augenblick, wo er obige Ideen diktirte (5. Juli), Vorkehrungen gegen eine Offensive von Böhmen aus auch am linken Ufer der Elbe zu treffen für nötig hielt. Dem Marschall St. Cyr kündigte er an diesem Tage an , dafs ihm ein Korps von 60 000 Mann unterstellt werden würde, um damit von Königstein aus an beiden Ufern der Elbe zu operiren.

Zugleich

befahl er ihm, die Strafsen einerseits von dort nach Stolpen , Neustadt und Schandau, andererseits alle Übergänge über das Erzgebirge von der Elbe bis Hof persönlich zu rekognosziren. Schon 3 Tage später ( 8. Juli) glaubte er dann trotz des Mangels an Arbeitskräften den Bau der Lagerwerke am rechten und die Befestigung der Stadt am linken Ufer nicht länger hinausschieben zu dürfen, und entschlofs sich deshalb, nun Truppen zur Arbeit zu kommandiren. Die Lagerwerke sollten am 10. tracirt , am 11. begonnen, durch je ein bestimmtes Regiment der jungen Garde erbaut Da zunächst nur 6 Regimenter und nach diesem benannt werden . kommandirt wurden ,

scheinen anfänglich auch nur 6 Werke in An-

griff genommen zu sein .

Bei Wiederbeginn des Krieges , Mitte August,

bestand die Lagerbefestigung indessen aus 8 Werken .

Von den ersten

sechs lagen fünf auf den Höhen vor der rechten Hälfte der Neustadt, das 6. vor der linken Hälfte in der Ebene , hinter die Höhenfront zurückgezogen und vor dem Zwischenraum zwischen den Dörfern Scheunen und Neudorf.

Letzteres sollte damals den Stützpunkt des

linken Flügels bilden, doch wurde dieser dann Elbe-abwärts, bis über das Dorf Pieschen hinaus, vorgeschoben und zwar mittelst eines 7. Werkes vor der Lücke zwischen Neudorf und Pieschen und eines 8. vor letzterem Dorfe .

Nach dieser Erweiterung des ursprünglichen Planes

wurden die Werke vom linken zum rechten Flügel nummerirt .

Nr. 1

vor Pieschen war ein längeres tenaillirtes Retranchement, welches die vordere Hälfte des Dorfes umfafste, Nr. 2 eine Lünette, Nr. 3 sprüngliche linke Flügelwerk in der Ebene

das ur-

eine Flesche, Nr. 4-7 auf

den Höhen Doppeltenaillen , Nr. 8 auf dem Meisenberge an der Bautzener Chaussee und der oberen Elbe ein geschlossenes Werk von 4 flach nach Innen gebrochenen Fronten , aus deren Mitte je ein Redan zur Flankirung vorsprang. Alle Werke erhielten eine Pallisadirung im Graben , Nr. 3-7 auch in der Kehle. Die nachträglich erbauten Nr. 1 und 2 des linken Flügels hatten keinen Kehlschlufs . Für die Befestigung der Stadt am linken Ufer gab Napoleon am 3*

36

Improvisirte Befestigungen .

8. Juli folgende Befehle.

Die Friedrichstadt jenseits der Weisseritz

sollte aufserhalb der Befestigung bleiben.

Diesseits der gewöhnlich

durchwatbaren Weisseritz wollte er von deren Mündung aufwärts, so weit sie die Wilsdrufer Vorstadt begleitete, d. h. in einer Länge von etwa 1500 Schritt einen „, 7 8 Fufs breiten nassen Graben von 6 Fufs Wassertiefe " und dahinter eine „,pallisadirte " Erdbrustwehr haben, an deren linken Flügel sich die Befestigung des weiteren Umzuges der Vorstädte bis zur oberen Elbe in der früher angegebenen Weise anschliefsen sollte. Vor dieser etwa 5000 Schritt langen Strecke befahl er, 8 pallisadirte Fleschen von 120 m Feuerlinie für Infanterie und je 4 Geschütze anzulegen , vorläufig aber nur 4 zu erbauen ohne Zweifel um an Arbeitskräften zu sparen. Über letztere sagte die Ordre nur, dafs 100 Garde-Marine- Soldaten für den Wassertransport der Pallisaden von der oberen Elbe her und 350 Pferde Am der Gardetruppen für den Landtransport zu stellen seien . 11. Juli sollten die Werke tracirt, am 12. die Arbeit begonnen werden. Der Brückenkopf am Lilienstein hatte bekanntlich in den 8 Tagen vom 22. bis 30. Juni vollendet werden sollen.

Bis jetzt aber (8. Juli)

war nur die Ausbesserung der Strafse von Stolpen

bis Hohnstein

durch Landarbeiter beendet, unfertig dagegen noch die am 25. Juni mit 1000 Landarbeitern begonnene neue Strafse von Hohnstein auf dem Ziegenrücken bis zu den 2 Schiffsbrücken von Königstein , die in je 3 Tagen , vom 25. bis 27. und vom 28. bis 30. Juni, fertig geworden, während die Schanzen allem Anscheine nach noch nicht einmal angefangen waren. Denn nunmehr (8. Juli) befahl Napoleon, dafs sie am 11. tracirt , am 12. begonnen und durch 2 Garde - Regimenter neben den Landarbeitern erbaut werden sollten . Dabei war in diesem Augenblicke die Verlängerung des Waffenstillstandes über den 20. Juli hinaus noch zweifelhaft. Wäre sie unterblieben, so würden beim Ausbruch der Feindseligkeiten die Arbeiten weder am Königstein , noch auch bei Dresden fertig gewesen sein ! Erst am 15. Juli erhielt Napoleon die Gewissheit, dafs ihm neue Frist zur Vollendung seiner Rüstungen bis zum 16. August gegeben sei. Die am 8. Juli für Dresden erteilten Befehle erwiesen sich jedoch am linken Ufer mehr oder weniger unausführbar , teils wegen der lokalen Verhältnisse, teils wegen Mangels an Arbeitskräften. Wohl aus beiden Gründen war die nur unklare Vorstellungen zeigende Forderung einer „pallisadirten Erdbrustwehr mit nassem Graben von 7-8 Fufs Breite und militärischer Wassertiefe " am rechten Ufer der Weisseritz nicht zu erfüllen , und ebensowenig entsprach der Befehl, zunächst 4 Fleschen vor dem Rande der Vorstädte so anzulegen, daſs

37

Improvisirte Befestigungen. sie einander sehen könnten, den thatsächlichen Verhältnissen .

General

Rogniat stellte deshalb seinerseits einen Entwurf auf, der statt jener 1500 Schritt langen sonderbaren Brustwehrlinie hinter der Friedrichstadt, die übrigens auch das Debouchiren in den für einen offensiven Gegenstofs besonders wichtigen Terrainabschnitt zwischen der Weisseritz und der unteren Elbe auf einen Ausgang beschränkt haben würde, drei Werke vor dem äufseren Rande der Friedrichstadt , so wie vor dem Rande der Vorstädte rechts der Weisseritz bis zur oberen Elbe 8 Lünetten umfasste. Im Prinzip wurde dieser Entwurf auch von Napoleon genehmigt. In vollem Umfange konnte er jedoch aus Mangel an Arbeitskräften nicht sogleich zur Ausführung kommen. Napoleon hielt deshalb zunächst an seiner Absicht fest, die Friedrichstadt vorläufig ausserhalb der Verteidigungslinie zu lassen, statt sie aber durch eine Brustwehrlinie mit nassem Graben von der Wilsdrufer Vorstadt abzuschneiden, begnügte er sich mit der Verteidigungseinrichtung des Randes der letzteren in gleicher Weise, wie bei den übrigen Vorstädten. Es wurden also ringsum nur die vorhandenen Gartenmauern, Zäune und Hecken entsprechend eingerichtet , und deren Lücken - in einer Gesammtausdehnung von etwa 3000 Schritt geschlossen.

durch Pallisadirungen

Von den 8 Lünetten, die Rogniat vor dem Umzuge zwischen der Weisseritz und der oberen Elbe vorschlug, konnten zunächst nur 5 in Angriff genommen werden : 2 gegen Osten vor der Pirnaer Vorstadt, 3 gegen Süden vor der See - Vorstadt und der Wilsdrufer Vorstadt. Davon lag der oberen Elbe zunächst Nr. I vor dem Rampi'schen Schlage an der Strafse nach Pillnitz, Nr. II vor dem Pirnaer Schlage, Nr. III vor der Südostecke des Stadtumfanges (dem Mosczinski'schen Garten) zwischen dem Dohna'schen und dem Dippoldiswalder Schlage, Nr. IV vor dem Falkenschlage auf dem Hahneberge am Wege nach Plauen, Nr. V vor dem Freiberger Schlage unweit der Weisseritz. Von der oberen Elbe bis zur Weisseritz hatten diese 5 Werke eine Frontlinie von beinahe 6000 Schritt Länge zu verteidigen.

Einige

von ihnen konnten sich wegen der Terraingestaltung gegenseitig nicht sehen, und aus demselben Grunde lagen gerade vor den gefährdetsten Seiten, der Pirnaer und der See -Vorstadt, die Werke Nr. II, III u . IV bis zu 1500 Schritt, also doppelter Kartätschschufsweite von einander entfernt. Statt einfacher Fleschen, wie Napoleon gewollt hatte, mufsten Lünetten erbaut werden und eine derselben, Nr. III vor dem Mosczinski'schen Garten,

sogar 5

Linien erhalten, um das nötige

Frontal- und Flankenfeuer zu geben. Es waren nicht Werke von "provisorischem" Charakter. Sie wurden nur nach damals normalem

Improvisirte Befestigungen.

38

Feldschanzen -Profil erbaut :

die Brustwehren mit ca. 200 Schritt

Feuerlinie, nur 7 Fufs hoch, 12 Fufs stark, die Gräben 8 Fufs tief, oben ca. 20 Fufs,

unten 6 Fufs breit, auf der Sohle,

2 Fufs vom

Fulse der Escarpe, eine Pallisadirung, die vor den Schulterwinkeln in dem dort erweiterten Graben, zu dessen Flankirung kaponnierenartige, aber unbedeckte, von der Kontrescarpe also eingesehene Vorsprünge erhielt, und sich auf der hinter den Endprofilen der Flanken rampenartig ansteigenden Grabensohle hinaufzog, die Kehle schlofs und auch zu deren Flankirung einen Vorsprung bildete . Daneben eine gezimmerte Barriere.

Ebenso wenig, wie zur Graben- und Kehl-

Flankirung, wurden Blockhäuser im Innern als Reduits erbaut. Hohlbauten, selbst Munitionsmagazine, gab es überhaupt nicht in den Schanzen. Seit mehr als 3 Wochen waren diese Arbeiten im Gange, als Napoleon nach einer Zusammenkunft mit der Kaiserin Marie Louise in Mainz, bei seiner Rückkehr von dort am 6. August zu dem Schlufs gekommen war, dafs der Waffenstillstand zum 17. gekündigt werden, und Österreich dann der Alliirte Preufsens und Rufslands, Dresden also fortan am linken Ufer nicht weniger als am rechten gefährdet sein werde. Ohne die Vollendung der begonnenen Arbeiten abzuwarten, ordnete er nun noch weitere an. Am 7. August befahl er den Bau von 3 neuen Lünetten am linken Ufer, die bis zum 15. fertig sein sollten : nämlich zwischen der oberen Elbe und Lünette I, sowie zwischen den Lünetten II, III und IV.

Als dann der Waffenstillstand

wirklich gekündigt war, folgte am 12. August der Befehl, in jeder der vorhandenen 5 Lünetten des linken Ufers und in den 8 Lagerwerken des rechten je ein Blockhaus für 40 Mann und ein Munitionsmagazin (für 200 Schufs der Artillerie nebst 5000 Gewehr-Patronen) durch je ein Infanterie-Bataillon zu erbauen. Am 13. Abends also binnen 24 Stunden --- sollten die Blockhäuser fertig sein : eine energische Einbildung! An demselben Tage befahl er, die Waldungen am rechten Ufer vor den 5 Werken des rechten Flügels in einer Frontlänge von mehr als 3500 Schritt bis auf 250 Schritt Entfernung, d . h. in einer Flächenausdehnung von ca. 60 Hektaren niederzuschlagen und Verhaue daraus zu bilden. Aufserdem gab er Befehle zu möglichster Steigerung der Sturmfreiheit der inneren Stadtbefestigung.

Dazu sollten deren Thorbrücken

Zugklappen bekommen , die zum Teil verschütteten Gräben vor den Walllücken der Pirnaer und der Wilsdrufer Front derartig vertieft werden, dafs wieder, wie ehemals , ringsum

ein nasser Graben vor-

Improvisirte Befestigungen.

39

handen wäre, und hinter dem ganzen Hauptwall ein Generalabschnitt durch Verteidigungseinrichtung der zunächstliegenden Häuser, Pallisadenabschlüsse in den Lücken und Barrikadirung der Strafsenausgänge teils sofort hergestellt, teils vorbereitet werden : letzteres durch Beschaffung von Schanzkörben und Sandsäcken zum Versetzen der Thüren und Fenster, wie zum Schlufs der Strafsenbarrikaden. Dem Gouverneur General Durosnel, wurde dabei eröffnet, dafs nur 6000 Mann, nämlich 8 westfälische und sächsische Inf. -Bataillone und 2 Kompagnien Artillerie ( 1 sächsische, 1 französische von je 120 M. ) mit 100 Geschützen (davon 80 in den Werken und 20 mobile) als Besatzung in Dresden bleiben würden. Vierhundert Infanteristen sollten zur Bedienung der Geschütze ausgebildet werden. Gleichzeitig (6. August) erhielt Marschall St. Cyr in Annaberg Befehl , seine Rekognoszirung des Erzgebirges abzubrechen und in Freiberg den Befehl über das erst zu bildende 14. Armeekorps zu übernehmen.

Dazu wurden ihm 4 neue, vom Main her im Anmarsch

befindliche Infanterie-Divisionen (Nr. 42-45) von je 12-14 Bataillonen, zur Zeit aber nur 4100-5600 Mann stark , sowie die KavallerieDivision Pajol von 12 Eskadrons oder 1600 Pferden , nebst 1800 M. Artillerie und Genie überwiesen : im Ganzen nur 22 600 Mann , während Napoleon, seiner Gewohnheit nach übertreibend, immer von 30000 Mann sprach . Sobald dann der Waffenstillstand gekündigt war , wurde St. Cyr am 12. August von Freiberg nach Dresden berufen, um noch in der Nacht von Napoleon persönlich und am 13. schriftlich Befehle zu erhalten. Als in der nächtlichen Unterredung St. Cyr die Gefährdung der rückwärtigen Verbindungen von Böhmen aus betonte , wies Napoleon Es komme nicht darauf an , ob er vom diese Besorgnifs zurück. Rheine abgeschnitten würde . geschnitten sein.

Nur von der Elbe wolle er nicht ab-

Diese sei die wahre Basis seiner Operationen.

Königstein und Dresden , der befestigte Übergang bei Meissen, Torgau und Wittenberg , Magdeburg und Hamburg mit dem provisorisch befestigten Zwischenpunkt Werben ,

bildeten die Stützpunkte

dieser Basis , an Bedeutung jedoch überragte jetzt Dresden in seinen Augen alle andern. Seiner schon im März von Paris aus dem Prinzen Eugen kundgegebenen Absicht gemäfs hatte er Dresden ― die offene Stadt zum Hauptwaffenplatz seiner Armee im bevorstehenden Feldzuge zu machen gesucht.

Nun waren hier Waffen- und Munitions-

Depots und eine Artillerie-Werkstatt , Bekleidungs- und AusrüstungsMagazine vorhanden , ein Pferdedepot von 3000 Pferden , grofse Bäckereien und Lebensmittel für 300 000 Mann auf 2 Monat, zahlreiche Unterkünfte für Behörden und Truppen in vorhandenen Gebäuden,

40

Improvisirte Befestigungen .

Baracken für 20 000 Mann im Lager am rechten Ufer, Hospitäler mit 6000 Betten u. s . w. , während neben der vorhandenen steinernen Brücke zwei breite Schiffsbrücken schnellen Uferwechsel erlaubten. Die Sicherheit alles dessen hing aber wesentlich von der Widerstandsfähigkeit der Befestigungen ab , wenn nicht fortwährend bedeutende Streitkräfte an den Ort gebunden bleiben sollten , und in dieser Beziehung hatte Napoleon nicht nur von Hause aus die zu lösende Aufgabe unterschätzt , sondern auch jetzt noch Illusionen über das, was er fortifikatorisch schon erreicht habe. Denn mit Bestimmtheit rechnete er darauf, dafs Dresden bei Wiederbeginn der Feindseligkeiten stark genug sein werde, um sich 8-10 Tage zu halten, wenn St. Cyr mit seinem aus lauter jungen Konskribirten bestehenden Korps zur Unterstützung der schwachen Besatzung von 6000 Mann herbeieile. Dieses noch wenig zuverlässige Korps hielt er gegen Böhmen am linken Elbufer für ausreichend ,

zur Sicherung weil er nicht

dachte, dafs sich dort die feindliche Hauptarmee aus Streitkräften aller drei verbündeten Mächte bilden würde. Vielmehr erwartete er eine Offensive der Österreicher allein über Gabel und Zittau , behufs ihrer Vereinigung mit den von Schlesien her , wie er annahm , vordringenden Preufsen und Russen in der Gegend von Görlitz. St. Cyr sollte daher auf seinem rechten Flügel mit der Kavallerie - Division Pajol alle Strafsen über das Erzgebirge bis gegen Hof beobachten , und zur Sicherung der direkt nach Dresden führenden Hauptstrassen je eine Infanterie-Division in der Gegend von Dippoldiswalde , Borna und Giefshübel haben, bei letzteren beiden Orten in verschanzter Stellung nötigenfalls den Feind möglichst lange aufhalten , die 4. Division aber (Nr. 42 unter General Mouton-Duvernet) über Königstein an das rechte Ufer nach Hohnstein verlegen, von ihr den Brückenkopf am Lilienstein im Schutze des mit eigener Besatzung versehenen uneinnehmbaren Königsteins mit 2 Bataillonen besetzen , eine Avantgarde über Neustadt gegen die böhmische Grenze an der Strafse von Rumburg vorschieben ,

und auf dem linken Flügel das alte Fort

von Stolpen an der Strafse nach Bautzen festhalten , sein eigenes Hauptquartier aber in Pirna haben ; im Fall des Angriffs endlich langsam auf Dresden zurückweichen und dort den Oberbefehl übernehmen, bis Napoleon selbst mit genügenden Kräften zum Gegenstofse herbeieilte. Diesen dachte er aber nicht über Dresden selbst gegen die Front des Feindes, sondern von Schlesien zurückkehrend , mit aller Macht über die Brücken am Königstein in den Rücken des Feindes zu führen, um ihn von Böhmen abzuschneiden. Allerdings hielt er, wie gesagt, das Debouchiren des Feindes aus Böhmen am linken Ufer der Elbe nicht für wahrscheinlich ; wie stark

Improvisirte Befestigungen.

41

er aber, falls es wirklich erfolgte, auf den Übergang mit der ganzen Armee am Königstein im Voraus rechnete , beweisen die Mafsregeln, die er schon unmittelbar nach der Rückkehr von Mainz (6. Aug.) zur Verpflegung der Armee am Übergangspunkte traf: 3000 Ctr . Mehl , 3000 Ctr. Reis , 200 000 Portionen Zwieback , 400 000 Portionen Brantwein sollten von Dresden dahin geschafft ,

Schiffe zu weiterem

Nachschube bereit gehalten, und in Königstein für eine Bäckerei , ein Schlachtviehdepot von 1000 Ochsen und ein Munitionsdepot gesorgt werden . Als er dann am Nachmittage des 15. August Dresden verliefs , um seinen Garden nach Görlitz zu folgen, machte er persönlich den Umweg über Pirna und Königstein, durch das Lager am Lilienstein und auf der neuen Strafse auf dem Ziegenrücken nach Stolpen, um diese ihm so wichtigen Örtlichkeiten und die dortigen Arbeiten zu besichtigen. Am Vorabend der Wiedereröffnung der Feindseligkeiten ( 16. Aug.)

erhielt er in Bautzen durch einen Spion die erste noch unbestimmte Nachricht von dem schon am 11. begonnenen Abmarsch russischer" Truppen aus Schlesien nach Böhmen, wo er bisher nur die österreichische Armee vorausgesetzt, und demgemäfs über seine eigenen Streitkräfte wie folgt disponirt hatte. Die Sicherung seiner Flanke gegen Böhmen rechts der Elbe sollte, im Anschlufs an St. Cyr's 42. Division , General Vandamme vor den Deboucheen von Schluckenau und Rumburg übernehmen (mit dem rechten Flügel bei Stolpen) , ebenso Poniatowski mit dem 8. Korps vor dem Debouchee von Gabel und Zittau, hinter ihm Victor mit dem 2. Korps an der Strafse nach Görlitz. Bei Görlitz selbst wurde die alte Garde, Mortier mit der jungen Garde und die beiden KavallerieKorps Kellermann und Latour-Maubourg versammelt , während gegen Schlesien am Bober und der Katzbach das 3. , 5. , 6. u . 11. Korps unter Ney, Lauriston , Marmont und Macdonald, mit dem KavallerieKorps Sebastiani standen. Auf diese Weise glaubte Napoleon den Alliirten überall mit genügenden Kräften rechtzeitig entgegentreten zu können , mochte ihr Hauptangriff von Schlesien her oder aus Böhmen über Gabel und Zittau , oder am linken Elb - Ufer auf Dresden erfolgen. Dort im Besondern konnte Vandamme mit 2 Divisionen am ersten , mit der 3. am zweiten Tage eintreffen , wonach St. Cyr 60 000 Mann unter seinem Befehle vereinigt haben würde , während Napoleon selbst mit den Garden, dem 2. Korps und zwei Kavallerie- Korps die Gegend von Dresden am 4. Tage erreichen und so 150-160 000 Mann dort versammeln konnte. Immer wieder sprach er seit dem Erlafs der letzten Befehle für

42

Improvisirte Befestigungen.

die Befestigung Dresdens am 12. August in seinen Briefen an die Generale und Minister die Überzeugung aus, dafs Dresden sich selbst 8-10 Tage behaupten und auf dem rechten Ufer sogar eine Belagerung aushalten könne .

Es schien ihm also nicht nur jede Gefahr

für Dresden ausgeschlossen , wenn der Angriff am linken Ufer sogleich bei Eröffnung des Feldzuges erfolgte, sondern andernfalls auch noch eine Frist zu eigenen Offensivoperationen und die Möglichkeit gegeben, sich dabei zeitweilig noch weiter von Dresden zu entfernen. Daher plante er nicht nur solche Offensive über Zittau nach Böhmen hinein ( 19. Aug. ), als sich die Nachrichten über den Einmarsch russischer und preufsischer Korps mehrten, um unerwartet über sie herzufallen, sondern stiefs auch wirklich nach Osten vor, als von dort Blücher mit der schlesischen Armee anrückte, und die Korps von Ney und Lauriston bis über den Bober zurückdrängte. Ihm entgegengehend kam Napoleon mit den Garden am 21 . bis Löwenberg. Dort erhielt er am 22. ein Schreiben St. Cyr's vom 21., worin dieser zum ersten Male vollständigere Nachrichten über die noch immer dunkelen Vorgänge in Böhmen geben konnte. Die 3 alliirten Monarchen seien in Prag beisammen und ihre Armee bereits am Südfufse des Erzgebirges entwickelt. Das könne nicht ohne grofsen Zweck geschehen sein. Indem er dann auf seine schon in der nächtlichen Unterredung vom 12./13. August geäufserte Besorgnifs vor einer Operation der Alliirten im Rücken der französischen Armee zurückkam, riet er Napoleon , sich nicht weiter von der Elbe zu entfernen. Dieser aber sah die Lage noch sorglos an und antwortete, auf die Offensive über Zittau nach Böhmen hinein habe er noch nicht verzichtet. Der Vorstofs nach Schlesien sei nur eine Episode. Sollte der Feind nach Dresden vordringen, so würde er, Napoleon, ohne an den eigenen Dispositionen etwas ändern zu müssen, noch rechtzeitig dorthin kommen, um ihn zu bekämpfen, und da man in der gegenwärtigen Lage ohne Schlacht zu keinem Resultate kommen könne, so würde es sogar das Glücklichste sein , was sich ereignen könnte , wenn der Feind auf Dresden marschirte. Hierbei dachte

er ohne Zweifel nicht blos an eine Schlacht

überhaupt, sondern an eine Schlacht unter solchen Umständen , wie er sie durch die Operation über Königstein Rücken der alliirten Armee herbeizuführen hoffte.

in

den

Dann aber erhielt er am Vormittage des 23. August eine Meldung St. Cyr's, dafs seine Vorposten vor der Stellung von Giefshübel, an der Strafse über Peterswalde nach Teplitz, früh am 22. angegriffen seien und anscheinend die ganze böhmische Armee im Begriff stehe, das Erzgebirge zu überschreiten.

43

Improvisirte Befestigungen.

In Folge dessen entschlofs sich Napoleon sofort,

nur das 3. , 5.

und 11. Korps (bisher Ney,

Lauriston und Macdonald) nebst

Kavallerie-Korps

unter

Sebastiani

Macdonald's

Oberbefehl

dem gegen

Blücher stehen zu lassen, Macdonald's Korps dem General Gérard, Ney's Korps dem General Souham zu übertragen, Ney selbst aber mit nach Dresden zu nehmen, dorthin sogleich Vandamme mit dem 1. Korps von Rumburg und Schluckenau, und Victor mit dem 2. Korps von Zittau in Marsch zu setzen, selbst aber mit den Garden dahin aufzubrechen, und Marmont mit dem 6. Korps , sowie die KavallerieKorps Kellermann und Latour-Maubourg mitzunehmen. Am Abend des 23. war er mit den Garden bereits in Görlitz . Von dort sandte

er Murat, den König von Neapel, der sich ohne

Truppenkommando im Hauptquartier befand, nach Dresden voraus, um über die Sachlage zu berichten . Ihm gab er ein Schreiben an St. Cyr mit, worin er seine Ankunft bei Dresden mit den oben genannnten Truppen für den 25. oder, wenn es weniger dringlich sei, für den 26. ankündigte , und mit den Worten schlofs : wenn der Feind wirklich eine grofse Bewegung auf Dresden gemacht hat, so betrachte ich das als eine äusserst glückliche Sache, die mich in Stand setzen wird, in wenigen Tagen eine grofse Schlacht zu haben, die Vieles entscheiden wird. Was er dabei dachte, zeigt ein Brief, den er am folgenden Tage, und zwar des wichtigen Inhaltes weges chiffrirt, an Maret, Herzog von Bassano, Minister des Auswärtigen in Dresden richtete, der dem Marschall St. Cyr Mitteilung davon machen sollte. Er, Napoleon würde am 25. in Stolpen ankommen, dort die Armee vereinigen, am 26. seine Vorbereitungen treffen, in der Nacht zum 27. teilweise bei Königstein über die Elbe gehen, von dort aus das Plateau von Pirna besetzen, bei Pirna selbst zwei Brücken schlagen, und dann, wenn der Feind sich wirklich gegen Dresden gewendet hätte , mit der ganzen Armee in dessen Rücken stehen . Sobald derselbe aufser Fassung zu sein scheine, solle St. Cyr die Offensive ergreifen. In Paris solle Maret verbreiten lassen, dafs man vielleicht gleichzeitig einen Sieg über die schlesische Armee, die Einnahme Berlins und sogar noch wichtigere Ereignisse erfahren werde. Operire der Feind jedoch nicht auf Dresden, sondern auf Leipzig, so werde er selbst (Napoleon) sich näher an Prag als Jener befinden. In der That hatte die alliirte Armee beim Überschreiten des Erzgebirges am 22. noch die Absicht gehabt, auf Leipzig zu gehen, und nur die rechte Flügelkolonne (55 000 Russen) war zur Deckung der Flanke der Armee von Teplitz über Peterswalde gegen Königstein dirigirt, wobei sie auf St. Cyr's Vortruppen bei Hellendorf und Giefs-

Improvisirte Befestigungen.

44 hübel gestofsen war,

während die Masse der Armee in 3 anderen

Kolonnen weiter westlich vorgingen : die Preuſsen (45 000 M.) auf Dippoldiswalde, die Österreicher ( 120 000 M. ) auf Freiberg und Chemnitz , letzteres 3 Märsche von Dresden entfernt. Über Napoleon's TruppenNun aber erfuhr man verteilung war man noch im Unklaren. seinen Vorstofs gegen Blücher am Bober, und ersah geichzeitig aus den Papieren eines in Gefangenschaft geratenen Adjutanten St. Cyr's, dafs nur dessen Korps zur Sicherung Dresdens zurückgelassen sei. In Folge dessen wurde beschlossen, die ohne klaren Zweck unternommene Operation auf Leipzig aufzugeben, und die gesammte Armee rechts gegen Dresden zu schieben, um sich desselben in Abwesenheit Napoleons zu bemächtigen . Dazu hätte es nun schnellen und entschlossenen Handelns bedurft. Zur Hand hatte man indessen nur die beiden rechten Kolonnen (Russen und Preufsen) auf den Strafsen nach Pirna und Dippoldiswalde, während die Österreicher aus der Richtung nach Freiberg und Chemnitz auf schlechten Querstrafsen erst in 2 bis 3 Tagen vor Dresden erscheinen konnten.

An die Wegnahme desselben war aufserdem vorher so wenig

gedacht, dafs man über dessen Befestigungen ganz im Dunkeln tappte. Die Folge war langsames und unsicher tastendes Vorgehen. St. Cyr hatte sich inzwischen am 22. und 23. August, unter Belassung der 42. Division (Mouton-Duvernet) im Lager am Lilienstein , mit den 3 anderen Divisionen und der Kavallerie, unter Gefechten mit den Russen langsam nach Dresden hin zurückgezogen, und vor der Südseite auf den Höhen von Räcknitz , Zschernitz und Strehlen , sowie im grofsen Garten Stellung genommen. Am 24. wurden seine Vortruppen in Anwesenheit des am Vormittage eingetroffenen Königs von Neapel an der Pirnaer Strafse von den Russen aus Strehlen verdrängt.

Übrigens zeigte sich nur Kavallerie in der näheren Umgebung.

In der Entfernung von 1-2 Stunden dagegen, wurden auf den allmählig zum Erzgebirge ansteigenden Höhen starke im Anmarsch begriffene Kolonnen aller Waffen (Preufsen und Österreicher) sichtbar. In der Stadt entstand darüber grofse Aufregung, um so mehr,

als einerseits die Lünetten vor der Südseite mit Geschützen armirt, und die Arbeiten sowohl am Rande der Vorstädte, als an der alten Stadt-Enceinte mit möglichster Eile betrieben wurden, andrerseits, einem Schreiben Napoleon's an Maret entsprechend, der König von Sachsen mit dem Hofe und die sächsischen wie französischen Behörden sich anschickten, nach dem rechten Elbe-Ufer in die Neustadt überzusiedeln . In Folge dessen räumten auch viele Bewohner der südlichen Vorstädte ihre Wohnungen . Napoleon war am 24. Nachmittags bis Bautzen gekommen.

Die

Improvisirte Befestigungen .

45

Garden sollten Abends dort eintreffen , Vandamme Neustadt und Stolpen erreichen. Die Nachrichten aus Dresden hatten bis dahin noch keinen Grund zur Besorgnifs gegeben, und Napoleon hielt an dem Glauben fest , wenn die von ihm zuletzt noch am 12. Aug. befohlenen Befestigungsarbeiten ausgeführt wären, würde sich Dresden tagelang selbstständig halten können.

Im besondern rechnete er auch offenbar

auf die Blockhäuser in den Schanzen , da er deren Besetzung schon von Görlitz aus am 23. ausdrücklich befohlen hatte. In seiner Zuversicht schrieb er nun von Bautzen am 24. Nachmittags 3 Uhr an Maret : 40 000 M. hauptsächlich Vandamme's Korps - würden zwar am 25. um 2 Uhr Nachmittags in Dresden ankommen können. Er würde es jedoch vorziehen , sie bei Königstein über die Elbe gehen zu lassen. Als er dann aber in der Nacht Stolpen 312 Meilen von Dresden erreicht hatte , erhielt er in der Frühe des 25. die um Mitternacht von Dresden abgegangenen Berichte Murat's , St. Cyr's, Rogniat's und Maret's über das bedrohliche Anwachsen der feindlichen Streitkräfte im Süden , den Stand der Befestigungsarbeiten und die Zustände in der Stadt , die seiner Zuversicht offenbar einen ersten Stofs versetzten. Denn sofort sandte er als Vertrauensmann seinen Ordonnanzoffizier , den Eskadrons-Chef Gourgaud nach Dresden , um sich über die Sachlage zu informiren, und alsbald zurückkehrend, ihm mündlich zu berichten. Dann liefs er fast Stunde um Stunde Depeschen an eine oder die andere der oben genannten Personen nach Dresden abgehen. An Murat schrieb er um 712 Uhr Morgens , er solle in Dresden bleiben. Er, Napoleon werde ihm das Kavallerie-Korps Latour-Maubourg schicken, das am Königstein nicht zu brauchen sei. Den Übergang dort machte er dabei zum ersten Male von dem Moment abhängig ,

wo er sich von der guten Situation Dresdens und von

seinem Verteidigungszustande überzeugt haben würde. Um 9 Uhr folgte ein Brief an St. Cyr: „ Es ist unerlässlich, dafs ich während der Tage vom 26. bis 30. ohne Unruhe wegen Dresdens sei " worauf er zu eigener Beruhigung und um auf St. Cyr eine moralische Pression zu üben ,

die seiner Meinung nach

vorhandenen Verteidigungsmittel und selbst solche aufzählte, die ihm plötzlich einfielen, ohne vorbereitet zu sein . Zuerst seien da die Lünetten vor

den Vorstädten ,

dann deren zur Verteidigung ein-

gerichtete Umfassung . Er setze voraus " , dafs vor den ausspringenden Winkeln derselben noch kleine Erdwerke angebracht seien. Nach Räumung der Vorstädte habe man die alte Enceinte mit nassem Graben und Pallisadenabschlüssen der Wall-Lücken , Zugbrücken vor den Thoren. Der Feind müsse zuvörderst das Feuer der Geschütze

46

Improvisirte Befestigungen.

auf den Wällen der Bastione, dann die Grabenflankirung zum Schweigen bringen. Vorher könne er den Graben nicht überschreiten , und es nütze ihm nichts die Pallisadirungen zu zerstören . Die Hauptverteidigung bestehe aber nicht einmal in der alten Enceinte selbst, sondern in den Häusern hinter der Bresche , deren VerteidigungsEinrichtung er befohlen habe.

Um die Artillerie zum Schweigen zu

bringen , müsse der Feind Batterien bauen , was 7 bis 8 Tage er fordern würde . Wie eine gangbare Bresche in die Häuserreihe zu legen sei, wisse er nicht , weil man mit einer zahlreichen Besatzung sich dahinter verschanzen könne. Die Strafsen , habe er befohlen, mit Schanzkörben, Tonnen und Sandsäcken zu barrikadiren ; „Dresden kann sich also nach den Regeln der Kunst 6 oder 7 Tage und mit Hartnäckigkeit 15 bis 20 Tage halten ! " Nach Einnahme der Stadt würden noch die Werke des rechten Ufers bleiben , wohin man alles Wertvolle würde haben schaffen und wo man sich lange Zeit würde verteidigen können. Mit solchen Vorstellungen glaubte er sich und Andere über die Wirklichkeit hinwegtäuschen zu können, die ihm selbst kaum weniger als jenen bekannt war. Da die letzten Befehle für die Befestigungen von Dresden mit dem Abmarsch der Garden zusammengefallen waren, so hatten sie aus Mangel an Arbeitskräften noch garnicht zur Ausführung kommen können , weder die 3 Lünetten , welche in die zu grofsen Zwischenräume der fünf ersten am linken Ufer hatten eingeschaltet werden, noch die Blockhäuser und Munitions-Magazine, die in allen Lünetten hatten erbaut werden sollen . Noch immer war man beschäftigt, den äufseren Umfang der Vorstädte zu schliefsen . An der alten Stadt-Enceinte hatte weder die Vertiefung des Grabens, noch die Herstellung der Zugbrücken beendet , die Verteidigungseinrichtung der Häuser und die Barrikadirung der Strafsen überhaupt noch nicht begonnen werden können . Auch war von Napoleon selbst nur die möglichste Vorbereitung der beiden letzteren Maſsnahmen befohlen , um die Einwohnerschaft nicht zu sehr zu beunruhigen. Denn in der That hätte bei der Durchführung seines Verteidigungsplanes die Stadt selber geopfert werden müssen . Dafs ihm General Rogniat den wirklichen Stand der Befestigungsarbeiten keinesweges verhehlt hatte, geht aus der Antwort Napoleons an ihn hervor, die in einem ganz merkwürdigen Gegensatz zu dem Brief an St. Cyr steht. Rogniat scheint die Meinung geäuſsert zu haben , dafs der Feind den Moment zur Wegnahme Dresdens schon versäumt, Dresden also seine Aufgabe bereits erfüllt habe und fortan in statu quo belassen werden könnte .

Napoleon dagegen schreibt :

Allerdings habe ihm

Improvisirte Befestigungen.

47

Dresden schon so, wie es sei, Dienste geleistet , denn ohne die Befestigung würde er sich überhaupt nicht haben entfernen können . Ein Irrtum sei es aber, zu glauben, dafs Dresden seine Rolle schon ausgespielt habe . Die Zahl der Feinde sei furchtbar, das Schachbrett des jetzigen Krieges komplizirt.

Wenn alle von ihm, Napoleon , befohlenen Be-

festigungsarbeiten ausgeführt wären,

würde

er gröfseres Vertrauen

auf Dresden und die Hoffnung haben, dafs es sich 10 oder 12 Tage halten würde. 17 Dann würde ich mich über das zuversichtliche Vorgehen des Feindes moquirt haben und nach Böhmen hineinmarschirt sein." Bei dem thatsächlichen Zustande der Befestigung sei das nicht möglich gewesen. Deshalb beharrt er nicht nur auf seinen früheren Befehlen in einer Weise, die

zweifellos zeigt,

dafs er wufste ,

was alles noch

nicht zur Ausführung gekommen war, sondern erweitert auch noch das frühere Programm, wieder ohne zu fragen, inwieweit es materiell ausführbar sein würde, indem er nun auch die Friedrichstadt jenseits der Weisseritz, und zwar durch die von Rogniat schon Mitte Juli projektirten 3 Lünetten zu befestigen befiehlt. Auch sollen nun alle Häuser hinter der Stadt-Enceinte nicht nur durch Versetzen der Fenster und Thüren zur Verteidigung eingerichtet, sondern sämmtlich krenelirt und wie Kasernen besetzt,

die Einwohner also nicht erst

im letzten Augenblick ausgetrieben werden. „ Überhaupt ", schliefst der Brief, „darf nichts versäumt werden, um das Gleichgewicht zwischen der Verteidigung des linken Ufers und der des rechten herzustellen, damit ich die Überzeugung haben kann,

daſs,

wenn zur dauernden Besatzung ein Korps von

20 000 Mann sich nach Dresden hineinwirft, es sich 15 bis 20 Tage zu verteidigen im Stande sei. " Da er hiernach bei der Befestigung Dresdens nicht blos an die augenblickliche Sicherheit und einmalige Benutzung desselben als eines Manövrir - Platzes dachte, treten die Illusionen, die er sich von Hause aus über die Mittel (Zeit und Arbeitskräfte) gemacht hatte, mit denen er seinen grofsen Zweck erreichen könne, nur um so stärker als solche hervor. Wie entfernt er indessen auch noch von dem Glauben war, dafs Dresden diesem Zweck schon genüge, so glaubte er es doch unter den augenblicklich obwaltenden Umständen immer noch nicht so ernstlich gefährdet, dafs er auf seinen grofsartigen Plan, über Königstein und Pirna in den Rücken der alliirten Armee zu gehen, verzichten müsse, um dem Platze direkt zu Hilfe zu kommen. Vielmehr gab er um 3 Uhr Nachmittags (am 25. ) für General Vandamme einen Befehl aus, der das vollständige Programm für die Ausführung jener Operation am 26. enthielt.

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Improvisirte Befestigungen.

Die am Lilienstein stehende 42. Division vom Korps St. Cyr's stellte er unter Vandamme's Befehl, der selber dort schon eine Brigade hatte. Diese 3 Brigaden nebst Kavallerie und Artillerie sollten am 26. früh, sobald der Nebel verschwunden sei, von Königstein aus als Avantgarde auf das Plateau von Pirna vorgehen, nordwestlich bis zum Sonnenstein über Pirna selbst, das sie von dort aus beherrschen würden. Die beiden anderen Divisionen Vandamme's hätten bei Tagesanbruch , die eine von Stolpen, die andere von Neustadt aufzubrechen, gleichfalls bei Königstein überzugehen und dann südwestlich nach Langenhennersdorf, also gegen die Strafse von Peterswalde, vorzudringen .

Währenddessen würden die Garden von Stolpen direkt zur Elbe bei Pirna ( 2 Meilen ) marschiren, dort um 1 Uhr die Brücken-Equipagen bereit stehen , die Brücken in 1-2 Stunden geschlagen sein, dann die Garden übergehen, und am Abend zwei andere Korps (Victor und Marmont), das eine über Königstein, das andere über Pirna folgen . Der entscheidende Vorstofs mit etwa 140-150 000 Mann in den Rücken der Verbündeten hätte hiernach also am 27. früh erfolgen können .

Noch rechnete

also Napoleon

darauf, dafs Dresden bis dahin sich selber behaupten würde. Dort hatte sich jedoch im Laufe des 25. die Lage der Dinge gegen den 24. wesentlich verschlimmert. Rings vor der Südseite von Dresden entwickelte der Feind immer stärkere Massen : bis auf die letzte österreichische Kolonne kam die ganze alliirte Armee heran, auch Kaiser Alexander, König Friedrich Wilhelm und Fürst Schwarzenberg persönlich mit ihren Stäben. Um genaueren Einblick zu gewinnen, unternahm St. Cyr eine gewaltsame Rekognoszirung, und Murat wagte sich an der Spitze der Kavallerie so weit vor, dafs er beinahe in Gefangenschaft fiel. Unter starken Verlusten - auch von 3 Geschützen mufste der Rückzug unter den Augen der alliirten Monarchen stattfinden. Der Eindruck war so , dafs in ihrer Umgebung vorgeschlagen wurde, die schon vorhandene mehrfache Überlegenheit, 130-140 000 M. gegen 30 000 M. , sofort auszunutzen, um das Korps St. Cyr's über den Haufen zu werfen, und mit ihm zugleich in Dresden einzudringen. Fürst Schwarzenberg wollte jedoch noch das Eintreffen der letzten österreichischen Kolonne abwarten. Auf sein Verlangen wurde der Angriff daher auf den folgenden Tag (26. Aug. ) verschoben, und zwar ohne dafs man auch nur versucht hätte, rekognoszirend näher an die Schanzen heranzukommen , von deren Existenz man überhaupt erst am 24. Kenntnifs erhalten hatte. Zeuge der Tages-Ereignisse, wie der äufsersten Anstrengungen zur Vollendung der Befestigungs-Arbeiten und des geringen Vertrauens

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Improvisirte Befestigungen. selbst

der höheren

Offiziere

auf deren Widerstandsfähigkeit ,

war

Napoleon's Ordonnanz -Offizier Gourgaud gewesen, der erst bei Einbruch Um 11 Uhr Abends traf der Dunkelheit Dresden wieder verliefs . er in Stolpen ein, um Napoleon zu berichten . Mit seinem Kopf bürgte er ihm dafür, dafs Dresden am folgenden Tage in Feindes Hand fallen werde, wenn der Kaiser nicht dort sei mit der Armee. Auch St. Cyr schrieb um Mitternacht : n Eine sehr grofse Armee, Russen, Preuſsen und Österreicher mit einer unermesslichen Artillerie, steht sehr nahe um Dresden. Nach dem Umfang der Mittel zu urteilen, die der Feind vereinigt hat, will er den Angriff forciren, weil er weifs, dafs Euer Majestät nicht fern ist, Sie aber noch nicht so nahe glaubt. Wir sind zwar entschlossen , Alles zu thun, was möglich ist, für mehr vermag ich Euer Majestät jedoch mit so jungen Truppen nicht zu bürgen. " Sofort fafste nun Napoleon mit bewunderungswürdiger Energie seine veränderten Entschlüsse . Leicht konnte es ihm nicht werden, seinen grofsartigen Plan aufzugeben . Nur zwei Tage Frist hätte er noch haben müssen, um ihn durchzuführen. Wenn dies gelang, so verlor die alliirte Armee den Rückzug nach Böhmen, konnte gegen Dresden und die Elbe gedrängt werden, für deren Verteidigung am rechten Ufer von der bömischen Grenze bis Meissen von Napoleon mit auch schon gesorgt war, und dann entweder zertrümmert, oder den Monarchen an der Spitze - zur Kapitulation genötigt werden, einer Kapitulation vom doppelten Umfange derjenigen bei Sedan . Schon eine grofse Niederlage an dieser Stelle bei Beginn des Feldzuges, würde die Allianz wahrscheinlich gesprengt haben. Auf solche Aussichten mufste Napoleon nun verzichten, weil Dresden, dem er schon im März in Paris die Rolle des Hauptstützpunktes seiner Armee zugedacht, obwohl an den Befestigungen seit Mitte Mai, also mehr als 3 Monate gearbeitet war, noch immer Mag dies nun dadurch nicht die nötige Stärke erlangt hatte. verursacht sein , dafs die materiellen Schwierigkeiten wirklich unüberwindlich waren, oder dafs man dieselben von Anfang an unterschätzt hatte, in beiden Fällen bleibt das Resultat ein höchst warnendes Beispiel.

Der von Napoleon nun sogleich gefafste veränderte Plan bestand darin, Vandamme allein mit den ihm zu Gebote stehenden Kräften (52 Bat. , 4000 Pf.) über Königstein so schnell als möglich, also am 26. früh auf die Rückzugslinie der Alliirten wirken zu lassen, um Schrecken zu verbreiten, alle übrigen Korps aber schleunigst nach Dresden in Marsch zu setzen. Schon um 1 Uhr Nachts gab er die nötigen Befehle. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1.

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50

Improvisirte Befestigungen. Zuerst für Vandamme, dem er als Ratgeber seinen Vertrauens-

mann, den General Haxo zuschickte . Meine Absicht war, sagte er zu diesem, mit der ganzen Armee in den Rücken des Feindes zu gehen , was vielleicht das Mittel gewesen wäre , mit meinen Feinden auf einmal fertig zu werden. Allein das Schicksal Dresdens. beunruhigt mich. Es bleiben mir nur noch einige Stunden, um ihm Hülfe zu bringen. Dann gab er Befehl, dafs sofort die gesammte Reserve -Artillerie der Garde und eine zwischen Stolpen und Dresden stehende InfanterieBrigade dahin abgehen, um 4 Uhr früh die gesammte Garde-Infanterie und Kavallerie, so wie das Kavallerie-Korps Latour- Maubourg's aufbrechen sollten, so dafs seiner Berechnung nach, aufser der Artillerie, gegen Mittag 26 Bat. Infanterie und die ganze Kavallerie, bis zum Abend jedoch die gesammte Garde in Dresden sein würden ; zur selben Zeit Marmont und Victor bei Stolpen. Nach Erlafs der Befehle rief er Gourgaud heran : „Nehmen Sie ein frisches Pferd und kehren Sie sogleich nach Dresden zurück ! Richten Sie die Gemüter auf! Man solle sich halten ich würde kommen! "

Dann gönnte er sich einige Stunden Schlaf und um 7 Uhr

früh stieg er in den Wagen , um nach Dresden zu eilen.

Schon

unterwegs verkündete ihm Gewehr- und Geschützfeuer , dafs der Kampf begonnen habe. Er sollte sich überzeugen , dafs er Recht gehabt, auf die Widerstandsfähigkeit Dresdens nicht zu bauen. St. Cyr hatte , den Angriff für den Morgen erwartend , während der Nacht die letzten Vorbereitungen für die Verteidigung getroffen : mit einer Division den grofsen Garten , mit der zweiten den Rand der Vorstädte von der oberen Elbe bis zur Weisseritz, mit der dritten den der Friedrichstadt besetzt. So knapp waren diese Kräfte für den zu verteidigenden Umfang , dafs zwischen den beiden letzterwähnten Divisionen eine Lücke am rechten Ufer der Weisseritz blieb, zu deren Ausfüllung der Gouverneur General Durosnel mehrere westfälische Bataillone der stehenden Garnison Dresdens hergeben musste, die als Reserve und zur Verteidigung der Stadt-Enceinte hatten dienen sollen . Um den linken Flügel seiner Verteidigungslinie zu stützen , liefs St. Cyr am jenseitigen dominirenden Elbufer Positions-Geschütze aus den dortigen Werken auffahren, um das Vorterrain der Pirnaer Vorstadt zu flankiren, während vor dem rechten Flügel, in dem ebenen Terrain an der unteren Elbe, die Kavallerie Pajol's vorgeschoben wurde.

Gourgaud hatte in der Frühe das Kommen Napoleon's angekündigt , aber erst von Mittag ab konnte die hier wenig nutzende Kavallerie Latour - Maubourgs , dann die Reserve - Artillerie der Garde , endlich deren Infanterie eintreffen . Wenn die Alliirten also von ihrer er-

51

Improvisirte Befestigungen.

drückenden Übermacht energischen Gebrauch machten, konnte Dresden bis dahin schon genommen sein . Für St. Cyr kam es deshalb auf möglichsten Zeitgewinn an. Um das Vorschreiten der Alliirten zu verlangsamen, ging er deshalb noch über die Schanzlinie hinaus , indem er eine Reihe einzelner Gehöfte und Gebäude vor derselben besetzen liefs .

Während diese Anordnungen zweckentsprechend getroffen waren, hatte Fürst Schwarzenberg eine Disposition ausgegeben , die man geradezu als musterhaft schlecht bezeichnen kann .

Von einem Angriff

zur Wegnahme Dresdens war darin überhaupt nicht , sondern immer nur von n Demonstrationen " die Rede , von einem 77 Vorrücken " nur so weit , als es ohne unzulässigen Menschenverlust " erfolgen könne u. s. W. Charakteristisch ist , dafs keine der vorliegenden Schanzen, die doch vor Allem genommen werden mufsten , wurde.

auch nur erwähnt

Zur Wegnahme derselben, zur Beseitigung von Hindernissen ,

Überschreitung von Gräben , Übersteigen von Mauern u . s. w. waren denn auch nicht die geringsten materiellen Vorbereitungen getroffen. Da man solches Ungeschick nicht voraussetzen konnte, war man in Dresden natürlich in grofser Sorge, als schon um 5 Uhr früh der Angriff zu beginnen schien .

In der That drangen die Preufsen schon

zu dieser Stunde gegen den grofsen Garten vor, aber erst um 6 Uhr folgten links von ihnen die Österreicher gegen die Seevorstadt und die Wilsdrufer Vorstadt, sowie gegen 8 Uhr rechts von den Preufsen die Russen gegen die Pirnaer Vorstadt. Bald darauf kam Napoleon , alle Truppen überholend, auf der Bautzener Strafse bei der von St. Cyr am rechten Ufer aufgestellten und feuernden schweren Batterie an. Schon da, wo die Strafse den Rand des Elbethales erreicht, nachdem sie auf einer Brücke den sogenannten Mordgrund überschritten, war er zu Pferde gestiegen und hatte das jenseitige Kampfterrain rekognoszirt. Nun gab er der Batterie eine bessere Stellung, befahl ihre Verstärkung durch die ersten ankommenden Garde - Reserve-Batterien und eilte dann nach Dresden hinein , um nach kurzem Besuch beim Könige von Sachsen sich nach dem Ziegelschlage zunächst der oberen Elbe zu begeben. Da man ihn allgemein noch fern von Dresden glaubte, so wirkte sein unerwartetes Erscheinen wie

ein Zauberschlag.

Die Truppen

begrüfsten ihn mit wahrer Ekstase , und die Bevölkerung gab sich wenigstens für den Augenblick dem Eindruck hin, als sei die Gefahr nun vorüber . Dem war aber nicht so , wie Napoleon sich überzeugte , als er zu Fufs den Rand der Vorstädte vom Ziegelschlage bis zum Freiberger Schlage stundenlang abging , um zu rekognosziren .

Trotz langsamen 4*

52

Improvisirte Befestigungen.

Vordringens war der Feind schon so nahe gekommen , Gewehrkugeln

in Napoleon's Nähe

einschlugen ,

und

dafs seine als

er mit

St. Cyr vom Dippoldiswalder Schlage aufserhalb der Verteidigungslinie zur Lünette IV hinübergegangen war, fand er sogar das nur 400 Schritt vor dieser gelegene und zur Verteidigung eingerichtete Feldschlöfschen schon im Besitz der Österreicher. Er befahl , es wiederzunehmen, mufste aber noch , während er sich durch den Freiberger Schlag in die Stadt zurückbegab , mit ansehen , wie jenseits der Weisseritz , vor der Friedrichstadt , das Dorf Löbtau in österreichische Hände fiel. Das Feldschlöfschen wurde zunächst zwar wieder erstürmt, konnte jedoch gegen Übermacht nicht behauptet werden, und gegen die unbefestigte Friedrichstadt drangen die Elbe bis zu den Schusterhäusern vor.

Österreicher an der

unteren

Mittlerweile hatte Napoleon nochmals vor dem Pirnaer Schlage rekognoszirt, und dann auf dem Platze an der steinernen Elbbrücke Stellung genommen, um die einrückenden Garden vorüberziehen zu lassen .

Adjutant auf Adjutant war den Truppen entgegengeschickt, um

sie zur Eile anzuspornen, und obwohl sie seit dem 23. , also in 312 Tagen von Löwenberg ab auf gerader Strafse gemessen 19 Meilen zurückgelegt und mangelhafte Verpflegung gehabt hatten , war doch, sobald sie in die Nähe Dresdens kamen und den Kampf jenseits der Elbe im vollen Gange sahen , alle Erschöpfung vergessen, und ein förmlicher Wettlauf zwischen den einzelnen Kolonnen entstanden : auf der Strafse, neben der Strafse, ja unter der Strafse hindurch, da nämlich, wo diese, wie erwähnt, auf einer Brücke den sogenannten Mordgrund passirte, in welchen die Infanterie hinabstieg, um von der nördlichen Strafsenseite auf die südliche zu gelangen, und von der auf der Brücke übergehenden Kavallerie beim Einmarsch in Dresden nicht aufgehalten zu werden. Diese Kavallerie Latour - Maubourg's hatte nämlich in Dresden über die untere Schiffbrücke gleich nach der Friedrichstadt zu ziehen , wo Pajol's Division schon stand und Murat den Oberbefehl erhielt , während die alte Garde über die steinerne Elbbrücke zu marschiren hatte, um auf dem Platz an derselben beim Schlosse in einem Viereck um Napoleon ,

sowie in den nächsten

Strafsen massirt zu werden. Die junge Garde zog mit 2 Divisionen über die obere Schiffbrücke links nach dem Ziegel- , dem Pillnitzer und dem Pirnaer Schlage , mit den beiden anderen Divisionen , der alten Garde folgend , über die steinerne Elbbrücke rechts nach dem Dippoldiswalder, dem Freiberger und dem Falkenschlage , jene beiden Divisionen unter Mortier's Befehl bleibend , diese unter Ney's Befehl gestellt. Noch aber war nur ein Teil der Garden zur Stelle, als die Al-

Improvisirte Befestigungen .

lirten sich endlich um 4 Uhr Nachmittags,

53

11 Stunden nach dem

ersten Beginn des Kampfes , zu einem allgemeinen Angriffe aufrafften . Vier Kanonenschüsse aus einer Batterie im Centrum gaben das Signal dazu. Den Verlauf des Angriffs im Einzelnen zu schildern , ist hier nicht nötig. Es genügt, zu sagen, dafs gegen 5 Uhr Lünette III trotz des Mangels aller materiellen Hilfsmittel genommen, die gleichzeitige Wegnahme der von der Besatzung schon geräumten Lünette IV nur durch einen Zufall vereitelt wurde ,

und dafs das Eindringen in die von

Mauern umgebenen Gärten hinter Lünette III, zwischen dem Dohnaschen und dem Dippoldiswalder Schlage, hauptsächlich daran scheiterte, dafs es ohne alle Mittel zum Demoliren oder Übersteigen der Mauern unternommen wurde. Als St. Cyr den Verlust der Lünetten III und IV als wahrscheinlich erkannte, suchte er Napoleon auf, um zu berichten. Er fand ihn in Mitten der alten Garde an der Elbbrücke haltend, während die junge Garde noch immer vorüberzog . Mit kalter Bestimmtheit gab er seine Befehle. Dennoch war ihm anzumerken , dafs er innerlich nichts weniger als ruhig sei , und in der That war der Moment kritisch. Ein Hagel von Granaten überschüttete bereits die innere Stadt und rief Feuersbrünste hervor , während beim Verlust der Lünetten das Eindringen des Feindes in den Falken- und den Dippoldiswalder Schlag zu gewärtigen war.

Dorthin , wie an jeden der 4 übrigen Schläge

schickte Napoleon nun , während die Ansammlung der jungen Garde in den Strafsen dahinter noch im Gange war , je ein Bataillon der alten Garde , mit der Bestimmung jedoch , dafs aufser im Falle einer plötzlichen Katastrophe Niemand , dürfe .

als er selbst , über sie verfügen

Mit eiserner Hand hielt er so , trotz aller Gefahr die Zügel

fest, weil ihm der Moment zur entscheidenden Aktion noch nicht gekommen schien. Endlich gegen 6 Uhr waren seine Kolonnen hinter den Schlägen gefechtsbereit zusammengestaut, und nun brachen sie zum Gegenstofs aus der Stadt hervor ,

der die Verbündeten fast überall bis zu den

am Morgen innegehabten Stellungen zurückwarf: ungefär 70 000 Mann gegen doppelte Übermacht. Zu erkennen war jedoch, dafs sie an weiteren Rückzug noch nicht dachten, den Angriff vielmehr am nächsten Morgen wohl erneuern würden . Napoleon beschlofs daher, ihnen zuvorzukommen . Mit den Dispositionen zur Offensive also vollauf beschäftigt , war er nichtsdestoweniger zugleich auf die Verteidigung der Werke von Dresden so bedacht, dafs er schon um 8 Uhr Abends , als der Kampf des Tages nur eben verstummte, nicht nur dem Gouverneur, General Durosnel, im Allgemeinen befahl, den Dienst

54

Improvisirte Befestigungen.

der eigentlichen Garnison auf der Stelle von Neuem zu ordnen, sondern auch selbst die Besatzungsverhältnisse der Lünetten des linken Ufers ganz

speziell bestimmte.

80 Kanonieren,

Eine jede sollte

8 Geschütze mit

50 Sapeuren und 50 Infanteristen erhalten ; für eine

jede ein Kommandant besonders ernannt, und an jeden dieser Kommandanten ein besonderer Brief geschrieben werden , dafs er seine Lünette unter keinen Umständen jemals verlassen dürfe, sondern sich in derselben töten lassen müsse. Hervorgehoben zu werden verdient auch ,

dafs fortan jedes Geschütz mit 250 Schufs , jede Lünette mit

10 000 Gewehrpatronen ausgerüstet werden sollte , während Napoleon am

12. August ,

wie

erwähnt ,

für jede

Lünette

im Ganzen

nur

200 Schufs der Artillerie und 5000 Gewehrpatronen befohlen hatte . In Lünette III hatte nun aber das Geschütz schweigen müssen, nachdem die letzte Kartätsche verschossen war.

Sein Hauptquartier schlug

Napoleon am folgenden Morgen schon um 5 Uhr bei der Lünette IV in einem Zelte auf und lenkte von hier aus ,

nachdem in der Nacht

Victor und Marmont mit ihren Korps eingetroffen waren, die Schlacht. Auf beiden Flügeln längs der Elbe vordringend, gewann er Raum, umfafste die Flügel der alliirten Armee und brachte ihrem linken eine

vollständige Niederlage bei , während die Rückzugslinie des rechten nun auch von Königstein her durch Vandamme bedroht wurde. Trotz unerwarteter Verzögerung seines Vorgehens hatte dieser die Wegnahme des Pirnaer Plateaus bis zum Mittag des 27. August vollendet und dann bei Pirna gleich eine Brücke schlagen lassen . Unter diesen Umständen entschlossen sich die Alliirten zum Rückzuge nach Böhmen. In der Nacht wurde er angetreten. Napoleon Die Garden rückten dabei folgte am 28. mit der ganzen Armee. nach Pirna. Im Laufe des Tages kam auch Napoleon selbst dahin. In Dresden hatte er schon am 26. von Oudinot die Meldung von der am 23. bei Grofsbeeren verlorenen Schlacht erhalten. In Pirna erfuhr Sogleich er nun Macdonald's Niederlage an der Katzbach ( 26. ). entschlofs er sich , die Verfolgung der alliirten Armee seinen Marschällen zu überlassen, die junge Garde unter Mortier bei Pirna in Bereitschaft zu halten , mit der alten Garde aber persönlich nach Dresden zurückzukehren, um die der neuen Kriegslage entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. (Fortsetzung folgt.)

IV.

Das französische Reglement vom 21. März 1893 über die Kriegsgefangenen .

Von Freiherr v. Welck, Oberstlieutenant a. D.

Im März vorigen Jahres hat Frankreich ein „ Reglement über die Kriegsgefangenen " *) erlassen und damit einen Schritt gethan, dessen Wert vom militärischen wie vom völkerrechtlichen Standpunkte aus nicht zu unterschätzen ist. Wenn man auch in der militärischen Gesetzgebung anderer europäischer Staaten meist eingestreut in die Feld- und Felddienst-Reglements einzelne auf die Behandlung der Kriegsgefangenen bezügliche Bestimmungen findet, so fehlt es doch an einem abgeschlossenen Regulativ, welches alle einschlägigen Fragen behandelt und bestimmte Normen an die Hand giebt, nach denen die Internirung, die Behandlung, die Beschäftigung u . s. w. der Kriegsgefangenen zu

regeln ist. Das französische Reglement kann schätzenswerte Unterlage zum Vorgehen anderer Staaten und zum weiteren Ausbau der betr. Gesetzgebung betrachtet werden.

daher als

eine

Es könnte auffällig erscheinen, dafs zu Ende dieses durch zahlreiche grofse Kriege gekennzeichneten Jahrhunderts, in welchem vielfach das Bestreben zu Tage getreten ist, die Leiden des Krieges nach Möglichkeit zu mildern, es noch immer an einer von allen zivilisirten Nationen anerkannten Codifikation hinsichtlich der Behandlung u. s. w. der Kriegsgefangenen fehlt, ja, dafs der Begriff selbst, wer als Kriegsgefangener anzusehen ist, noch nicht einmal zweifellos festgestellt ist. Der Grund dieser Erscheinung liegt nun nicht man darf dies zu Ehren unserer Generation konstatiren

an der Gleichgiltigkeit

gegenüber den Leiden und Opfern des Krieges, sondern an der Schwierigkeit, gewisse Fragen gesetzlich zu regeln, die eintretenden Falles doch nicht unbedingt innerhalb der Schranken dieser Gesetze und Reglements zu halten sind, sondern der vis major des Krieges unterworfen bleiben. 17 Inter arma silent leges ! " Unter dieser Thatsache leidet das gesammte Völkerrecht, insoweit es sich um kriegsrechtliche Fragen handelt.

Alle Versuche, feste und unumstöfsliche

*) Reglement du 21 Mars 1893 sur les prisonniers de guerre.

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Das französische Reglement vom 21. März 1893

gesetzliche Normen zu schaffen, scheiterten an diesen Verhältnissen . Sogar die Genfer Konvention mit ihren Nachträgen und Erweiterungen hat sich im deutsch-französischen Kriege nicht als allgemein und unbedingt durchführbar erwiesen, selbst da nicht, wo,

wie

auf

deutscher Seite, der gute Wille dazu zweifellos vorhanden war. Daher kommt es auch, dafs man in allen völkerrechtlichen Werken, die auf die Frage des Rechtes im Kriege eingehen, wie bei Heffter, Bluntschli, Leutner, Martens u. A. , auf den Begriff der „ militärischen Notwendigkeit" , als einer unentbehrlichen Hinterthür stöfst. Unter diesen Umständen mufste der Erlafs des erwähnten französischen Reglements die Aufmerksamkeit ganz besonders auf sich lenken und wir unterzogen dasselbe, kurz nach Erscheinen, einer eingehenden Besprechung in der in München erscheinenden „ Allgemeinen Zeitung" *). welches

Nachdem nun kürzlich in Paris ein Buch erschienen ist **),

sich

unter Zugrundelegung

des

französischen Reglements

speziell mit der Frage der Kriegsgefangenen beschäftigt und auch ein deutscher Gelehrter dieses Reglement zum Gegenstande einer Besprechung in der Zeitschrift für Litteratur und Geschichte der Staatswissenschaften" ***) gemacht hat, wobei er mehrfach auf unseren oben erwähnten Aufsatz in der Allg . Ztg. Bezug nimmt, so hielten wir es für gerechtfertigt, in einer militärischen Zeitschrift dieser Frage nochmals näher zu treten . Wir geben zunächst den hauptsächlichsten Inhalt des französischen Reglements nebst den uns notwendig erscheinenden Erläuterungen, indem wir dabei in der Hauptsache unserem Essay in der Allgem. Zeitung folgen . Die wesentlichen Bestimmungen des französ. Reglements, diejenigen , die sich nicht nur auf innere polizeiliche und administrative Fragen beziehen, entsprechen mit wenigen Ausnahmen teils den Stipulationen der Genfer Konvention von 1864 mit ihren Zusatzartikeln , teils den Abmachungen der Brüsseler Konferenz von 1874, wie dieselben in dem durch diese modifizirten Text des russischen Entwurfes (Art. 23 bis 34 „ des prisonniers de guerre ") niedergelegt sind. Das französische Reglement zerfällt in 7 Abteilungen, und zwar : 1. Bezeichnung und Einteilung der Kriegsgefangenen, 2. Transport der Kriegsgefangenen nach ihrem Bestimmungsort, 3. Organisation der Gefangenen-Depots, 4. polizeiliche und disziplinarische Bestimmungen *) Allgem. Zeitung Nr. 233 u. 234 v. 23. u. 24. August 1893. **) Edouard Romberg, Des belligérants et des prisonniers de guerre . Paris, Guillaumin et Cie. 1894. ***) Dr. H. Triepel, Die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete des Kriegsrechts. Sonderabdruck aus der „ Zeitschrift für Litteratur und Geschichte der Staatswissenschaften". Leipzig, Hirschfeld. 1894.

über die Kriegsgefangenen .

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hinsichtlich der Kriegsgefangenen, 5. Verwendung der Kriegsgefangenen zu Arbeiten für den Staat oder für Private, 6. Berichte, welche an die vorgesetzten Behörden zu erstatten sind, 7. allgemeine Bestimmungen . Nach Art. 1 werden als Kriegsgefangene betrachtet und behandelt, wenn sie in die Gewalt der französischen Armee fallen : a) alle Individuen, welche der Armee und den als Kriegführende anerkannten Hülfskorps angehören ; b) diejenigen Individuen selbst einer neutralen Nation angehörend

, welche in der feindlichen Armee regelmässig

verwendet werden , sowie diejenigen, welche autorisirt sind, dieser Armee zu folgen, und welche im Besitze eines Identitätsnachweises Militärs oder nicht Militärs - , sind; c) diejenigen Individuen welche auf See in Gefangenschaft geraten, unter den Bedingungen, welche in Frankreich für einen Seekrieg gesetzlich vorgesehen sind. Eine nähere Bestimmung, wodurch die Anerkennung der Hülfskorps stattfindet und inwieweit sich diese Anerkennung auf Freikorps. Art. 9 des Brüsseler Projekts sagt (franc-tireurs) erstreckt, fehlt. hierüber : ‫ ײ‬Les lois, les droits et les devoirs de la guerre ne s'appliquent pas seulement à l'armée, mais encore aux milices et aux corps de volontaires réunissant les conditions suivantes : 1. D'avoir à leur tête une personne responsable pour ses subordennés ; 2. D'avoir un signe distinctif fixe et reconnaissable à distance ; 3. De porter les armes ouvertement , et 4. De se conformer dans leurs opérations aux lois et coutumes de la guerre. " Man darf wohl annehmen, daſs französischerseits die Anerkennung von „ Hülfskorps " auch von diesen Bedingungen abhängig gemacht wird. Nach Art. 2 sollen ferner als Kriegsgefangene angesehen werden : die Deserteure und Geiseln. Art. 3 u. 4 konstatiren die durch die Genfer Konvention festgestellte Neutralisirung der zur Krankenpflege gehörenden Personen, Gebäude und Materialien. Die Bezeichnung mittelst des roten Kreuzes auf weiſsem Grunde ist obligatorisch. Art. 5. Die Verwundeten und Kranken in Ambulanzen und

Hospitälern , welche in die Gewalt der französischen Armee fallen oder Schlachtfelde aufgehoben werden , sind Kriegsgefangene . Diejenigen, die nach ihrer Heilung für unfähig zum weiteren Militärdienst erkannt werden, werden in die Heimat entlassen (seront renvoyés

auf dem

dans leur pays), mit Ausnahme der Offiziere , deren Gefangenhaltung von Einflufs sein würde auf das Geschick der Waffen . Die Andern (also die, die nach ihrer Heilung nicht unfähig zum Weiterdienen sind) können ebenfalls in die Heimat entlassen werden unter der Bedingung, während der Dauer des Krieges die Waffen nicht wieder zu ergreifen .

Diese Bestimmungen entsprechen in der

58

Das französische Reglement vom 21. März 1893

Hauptsache dem Art. 6 der Genfer Konvention ; die Klausel „ à l'exception des officiers dont la possession importerait aux sorts des armes " , aber dem Zusatzartikel 5 zur Genfer Konvention und leidet demgemäſs an der gleichen Unklarheit ; ein Übelstand, auf den schon Lueder ( „ Die Genfer Convention " . Erlangen 1876) aufmerksam machte. Die einseitige Bestimmung, welche Offiziere einen Einfluss auf das Schicksal der Waffen haben können, erscheint so unmöglich, dafs Lueder vorschlägt, lieber einen bestimmten militärischen Grad zu bezeichnen, von welchem an diese Vergünstigung in Wegfall kommt. Im letzten Satz des Art. 5 hat das französische Reglement die Bestimmung der Genfer Konvention vom Jahre 1864 (Art. 6 al. 4) acceptirt , wo gesagt ist : „les autres pourront être également renvoyès " , während der Zusatzartikel 5 vom Jahre 1868 für diesen Fall das Wort „devront " wählte. Wir stimmen hier ganz mit der französischen Fassung überein und würden das mufs für unausführbar halten. Art. 6. Im Falle, dafs beide kriegführende Parteien den Zusatzartikel zur Genfer Konvention anerkannt haben , werden die erforderlichen Mafsregeln getroffen werden, um dem in französische Hände gefallenen neutralisirten Personal den ungeschmälerten Genufs seiner Bezüge zu garantiren . Der Höchstkommandirende (commandant en chef) wird den Zeitpunkt bestimmen, wenn das Sanitätspersonal mit dem betreffenden Material, und zwar mit oder ohne die Verwundeten und Kranken, entlassen werden kann. Diese Bestimmungen entsprechen dem Art. 2 und Art. 1 al. 2 der Zusatzartikel der Genfer Konvention. Art. 7. Das Sanitätspersonal in Hospitälern, Ambulanzen etc. ,

welches die Truppen nicht ins Feld begleitet, gilt ebenfalls als neutralisirt. Werden diese Personen durch den Höchstkommandirenden entlassen, so dürfen sie nur diejenigen Gegenstände mitnehmen, die ihr Privateigentum sind. Art. 8. Die Kriegsgefangenen sollen niemals beschimpft, miſshandelt oder geplündert werden ; ein jeder von ihnen ist mit den seinem Rang zukommenden Rücksichten zu behandeln . Art. 23 des Brüsseler Projekts sagt kurz : n Ils doivent être traités avec humanité". Art. 9. Die Kriegsgefangenen werden sofort nach ihrer Gefangennahme entwaffnet. Im Brüsseler Projekt, Art. 23, heifst es : " Tout ce qui leur appartient personellement, les armes exceptées, reste leur propriété. " (Ebenso bei Martens Völkerrecht " , Berlin 1883 , § 113.) Art. 10. Der Höchstkommandirende kann die Offiziere und

Gleichstehende ermächtigen, ihre Säbel oder Degen zu behalten, ebenso wie die ihnen persönlich gehörigen Waffen. Art. 11. Der Höchstkommandirende ist berechtigt, eintretenden

über die Kriegsgefangenen.

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Falles eine unmittelbare Auswechselung der verwundeten oder kranken Kriegsgefangenen vorzunehmen, welche nach einem Gefecht in diesseitige Hände gefallen sind (recueillis), entsprechend dem Art. 6 al. 2 der Genfer Konvention ; doch ist dort von einer Übergabe an die feindlichen Vorposten die Rede ohne Berücksichtigung einer Auswechselung. Der Schluſssatz : „ lorsque les circonstances le permettront, et du consentement des deux parties", ist richtigerweise weil selbstverständlich - weggefallen (vgl . Lueder a. a. O. S. 328). Art. 12. Die Auswechselung gesunder -unverwundeter

Kriegsgefangener kann im Prinzip nur mit Genehmigung des Kriegsministers stattfinden. Wenn aber die Verbindung mit dem Kriegsministerium unterbrochen ist, so kann auch der Höchstkommandirende diese Auswechselungen verfügen innerhalb der ihm geeignet ererscheinenden Grenzen.. Die Deserteure werden nie zu denjenigen Kriegsgefangenen gerechnet, welche ausgewechselt werden. Die zweite Abteilung beschäftigt sich mit dem Transport der Kriegsgefangenen nach dem Orte ihrer Bestimmung.

Sie werden von

den Truppenteilen, welche die Gefangennahme bewirkt haben, nach den zuvor bestimmten Punkten transportirt und dort an die Gendarmerie abgegeben.

Nur wenn ihre Anzahl zu grofs ist, als dafs

die Gendarmerie zu ihrer Bewachung genügte, hat die Zivilbehörde die Bildung eines militärischen Bewachungskommandos zu beantragen. Die Offiziere sollen grundsätzlich sofort von der Truppe getrennt werden. Die Kriegsgefangenen werden nach dem Hauptquartiere des Armeekorps dirigirt, wo sie von den Profossen übernommen und in Gruppen von höchstens 20 Mann eingeteilt werden.

Jede derselben

wird dem im Range höchststehenden Unteroffizier resp . dem ältesten Soldaten unterstellt .

Der Profofs hat diejenigen Leute auszuwählen,

welche als Dolmetscher verwendet werden können . Art. 15.

(Art. 13 und 14.)

Die Maſsregeln, die hinsichtlich der Offiziere u . s. w. zu

treffen sind, werden vom Höchstkommandirenden bestimmt, in Berücksichtigung des Grades, des Ranges, des Benehmens und der Stimmung dieser Offiziere und in weiterer Berücksichtigung der Art und Weise, wie die französischen Offiziere gleichen Grades und Ranges behandelt werden, die in die Gewalt des Feindes gefallen sind. --Diese Offiziere können autorisirt werden, eine Ordonnanz oder einen Diener bei sich zu behalten . Art. 16. Frauen und Kinder, welche Kriegsgefangene sind, sollen mit der gröfsten Menschlichkeit behandelt werden und mit allen Rücksichten, die man ihrem Geschlecht und ihrem Alter schuldet, doch bleiben sie immerhin den allgemeinen Bestimmungen hinsichtlich der Kriegsgefangenen unterworfen . Hinsichtlich der Bezüge (allocations) werden sie den Soldaten gleichgestellt.

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Das französische Reglement vom 21. März 1893

In unserer Besprechung in der 77 Allgem. Zeitung" hatten wir diesen Artikel als im hohen Grade auffallend bezeichnet, weil die Eventualität, Frauen und Kinder zu Kriegsgefangenen zu machen, vollständig den Grundsätzen des heutigen Völker- und Kriegsrechtes widerspricht ; weder die Genfer Konvention noch die Brüsseler Übereinkunft erwähnten diese Möglichkeit. Wir fügten hinzu, daſs von den uns bekannten Schriftstellern nur Vattel von einem solchen Rechte noch spräche ; Bluntschli, Martens u. A. eine solche Möglichkeit garnicht erwähnten . Hierzu macht uns Dr. Triepel *) darauf aufmerksam, dafs dies ein Irrtum sei , indem namentlich Eichelmann **) und Lueder***) die grundsätzliche Zulässigkeit der Gefangennahme von Frauen und nötigenfalls von Kindern anerkennen . Hierzu müssen wir bemerken, dafs uns das Eichelmann'sche Werk zu unserem Bedauern unbekannt ist, dafs wir uns aber der Autorität Lueder's gern beugen würden ; dieser Rechtslehrer bezeichnet aber doch die Kriegsgefangenschaft von Frauen als vollständige Ausnahmsmafsregel. Er statuirt nämlich die Anwendung der Kriegsgewalt gegen dieselben nur, und zwar unter besonderer Schonung -- wenn sie sich „aktiv als Kombattanten am Kriege beteiligen sollten "+). Ausserdem läfst er die Gefangennahme von Frauen dann gelten, wenn dieselben der Armee als Korrespondenten, Marketender, Lieferanten u. s. w. folgen, wir glauben aber nicht, dafs er hier von einer Abführung in die Kriegsgefangenschaft spricht, sondern lediglich von einer Freiheitsentziehung, um ihnen die weitere Thätigkeit im Interesse des Feindes unmöglich zu machen. Deshalb sagt auch das „ Manuel, publié par l'Institut de droit international " ††) , auf welches Lueder vielfach Bezug nimmt : „Les personnes qui suivent une armée sans en faire partie, telles que les correspondants de journaux, les vivandiers, les fournisseurs etc. et qui tombent au pouvoir de l'ennemi, ne peuvent être détenues qu'aussi longtemps que les necessités militaires l'exigent ..." Diesen Gedanken des Manuel acceptirt Lueder ausdrücklich (S. 430) und wir müssen daher nach wie vor unsere Ansicht dahin aussprechen, dafs in ein Reglement die Bestimmung nicht gehört, dafs Frauen und *) Triepel , Die neuesten Fortschritte u. s. w. a. a. O. Seite 51. Fufsnote 1 . (Die Bemerkung hinsichtlich des uns" erscheint überflüssig, weil selbstverständlich). **) Eichelmann , Über die Kriegsgefangenschaft. 1878. ***) Lueder , Krieg und Kriegsrecht im Allgemeinen. 27. Stück in Holtzendorff's Handbuch des Völkerrechts , Hamburg 1889. †) Handbuch des Völkerrechts , a. a. O. S. 379, Note 2. ††) Manuel des lois de guerre sur terre des Völkerrechtsinstituts .

1880.

über die Kriegsgefangenen.

61

Kinder zu Kriegsgefangenen gemacht werden können *), um so weniger, als alle nachfolgenden Bestimmungen über Behandlung, Transport, Unterbringung u . s. w. der Kriegsgefangenen an und für sich nicht auf Frauen anwendbar sein würden . Auf den Fall zurückkommend,

dafs sich die

Frau aktiv als

Kombattant beteiligt, wie es bekanntlich in den deutschen Freiheitskriegen vorgekommen ist, so muſs hier begreiflicherweise die Eventualität der Kriegsgefangenschaft statuirt werden ; die Frau hat aber hier thatsächlich ihr Geschlecht aufgegeben. In den Kriegen der Zukunft dürften derartige Fälle wohl nicht mehr eintreten, da den Frauen jetzt reichliche Gelegenheit gegeben ist, in anderer Weise ihren Patriotismus zu bethätigen. Kommen aber derartige Fälle vor, wie sie General v. Hartmann schildert **) und auf welche auch Lueder ***) Bezug nimmt, so wird man doch den Betreffenden keinenfalls die Rechte von Kriegführenden zuerkennen, sondern sie an Ort und Stelle zur Verantwortung ziehen. Falls wirklich,

wie Triepel

sagt,,,die

internationale

Rechts-

überzeugung keineswegs für die Exekution der Weiber" spräche, so würde doch gewifs Martens oder Bluntschli oder andere diese Eventualität ebenfalls erwähnt haben und die Brüsseler Konferenzen hätten unzweifelhaft die Frage berührt. Auch die Reglements und sonstige Bestimmungen verschiedener Länder, von denen Romberg im Anhang eine Übersicht giebt †), erwähnen nichts davon. Wir fahren nach dieser Abschweifung fort : Art. 20. In jedem Armeekorps veranlafst der Profofs die bezüglichen Befehle des Stabschefs zur Sicherstellung der Bewachung, der Verpflegung und der Unterbringung der Kriegsgefangenen bis zu dem Momente, wo eine Entscheidung in Bezug auf sie getroffen sein wird, sei es, dafs sie ausgewechselt werden, sei es, dafs sie nach dem Innern des Landes dirigirt werden. Art. 22. Die kranken und verwundeten Kriegsgefangenen werden in 3 Klassen eingeteilt : 1. Leicht Verwundete oder leicht Kranke, welche keiner Hospitalpflege bedürfen ; 2. nichttransportable Verwundete und Kranke ; 3. solche, die evacuirt werden können. . . . Diejenigen der ersten Klasse werden, nachdem sie entsprechend ärztlich behandelt

*) Der Berichterstatter über das französ. Reglement in der „ Minerva“ abgedruckt in den „ Neuen militärischen Blättern" Maiheft 1894, teilt unser Erstaunen über diesen Art. 16. Er schreibt : „ Was für Frauen und Kinder mögen wohl hier gemeint sein ?" **) v. Hartmann , Kritische Versuche. Berlin 1878. Seite 66. *** **) Handbuch des Völkerrechts , a. a. O. S. 379 Note 2. †) Romberg , a . a. O. S. 247 ff .

62

Das französische Reglement vom 21. März 1893

worden sind, nach dem nächsten Hauptquartier oder Armeekorps transportirt und dort an den Profofs abgegeben. Die nichttransportablen Verwundeten und Kranken werden an Ort und Stelle behandelt, genau so wie die französischen Verwundeten und Kranken, die sich in gleichem Verhältnifs befinden .

Diejenigen Kranken und

Verwundeten, welche von Haus aus transportabel sind, und die der zweiten Klasse , welche es werden, werden unter Bedeckung nach einem Hospital im Innern des Landes evacuirt. Über die hinsichtlich der Kriegsgefangenen, welche weder krank noch verwundet sind , zu treffenden Mafsregeln besagt der folgende Art. 23, dafs dieselben, sobald es die Umstände gestatten, nach den EtappenKommandos dirigirt werden , welche vom Höchstkommandirenden bestimmt werden. Die Stärke der Gefangenentransporte hängt ab von den zur Eskortirung verfügbaren Mitteln, von den Gefahren, die der Marsch bietet und von der Stimmung der Gefangenen . Im Prinzip soll die Stärke solcher Kolonnen nicht 1000 Mann überschreiten, während die Stärke der Eskorte zwischen 1/4 bis 10 der Gefangenen schwankt. Jede Kolonne soll eine oder mehrere Dolmetscher bei sich haben. Die Offiziere werden, wenn möglich, in besonderen Kolonnen vereinigt. In jedem Falle bleiben sie während des Marsches und während der Halte von der Truppe getrennt. Der Kolonnen-Kommandant hat die peinlichsten VorArt. 25.

sichtsmafsregeln zu treffen, um während des Marsches sowohl wie während der Aufenthalte Fluchtversuche zu verhindern und um die strengste Disziplin, unter der Eskorte sowohl wie unter den Gefangenen, aufrecht zu erhalten . Die Gefangenen, denen es gelungen ist, zu entfliehen, sind sofort an die vorgesetzten Militärbehörden zu melden . Art. 26. Bei einem Landtransport wird die Eskorte in zwei Abteilungen geteilt ; die eine übernimmt die unmittelbare Bewachung An der Spitze der Gefangenen, die andere den Sicherheitsdienst . und am Ende der Kolonnen marschiren Detachements, deren Stärke von den Umständen abhängt, und an den Seiten werden Leute verteilt,

als unumgänglich notwendig erscheint.

so viele

Die Waffen

werden vor dem Abmarsch im Beisein der Gefangenen geladen, denen mitgeteilt wird,

dafs jede

Rebellion mit Waffengewalt unterdrückt

werden wird und dafs die Eskorte den Befehl hat, auf diejenigen zu schiefsen, welche einen Fluchtversuch machen würden. Hierzu ist zu bemerken, dafs das französische Reglement der in Brüssel schliesslich und nach längeren Verhandlungen acceptirten Bestimmung, dafs auf die

fliehenden

Gefangenen

erst

nach vorherigem

Anrufen

(après

sommation) geschossen werden darf, keine Rechnung trägt. Unsrer Ansicht nach mit Recht, da namentlich beim Passiren von Ortschaften,

über die Kriegsgefangenen.

63

von Wald u . s . w. die Notwendigkeit vorherigen Anrufens in vielen Fällen die Flucht garantiren würde . (Vgl . Bluntschli , Art. 109 ; Rüstow, Kriegspolitik und Kriegsgebrauch " , Zürich 1876.) Selbst Martens (II, § 113 b), der an der Redaktion der Brüsseler Deklaration wesentlich beteiligt war, schreibt 12 Jahre später : „ Gegen den Gefangenen, der zu entfliehen versucht, darf von der Waffe Gebrauch gemacht werden, " ohne dafs er der vorhergehenden sommation Erwähnung thäte. Es folgen nun spezielle Bestimmungen, wie die Sicherung der Gefangenentransporte während des Marsches und während der Halte zu regeln ist.

Erwähnt sei nur, dafs, falls ein feindlicher Angriff auf

die Kolonne stattfinden sollte, die Gefangenen sich platt auf die Erde legen sollen unter der Androhung sofortigen Erschiefsens, wenn sie vor erhaltenem Befehle wieder aufständen. Die folgenden Artikel enthalten

ebenfalls Anordnungen

meist

polizeilicher Natur für den Transport, hauptsächlich per Eisenbahn. Sie entsprechen im allgemeinen den auch bei uns gültigen. Art. 34. Die kriegsgefangenen Offiziere und Gleichgestellten,

welche die Erlaubnifs erhalten haben, sich frei und ohne Eskorte nach • haben zuvor eine ihrem Bestimmungsort zu begeben, Erklärung zu unterschreiben, mittelst deren sie auf Ehrenwort versprechen, sich nach dem ihnen angewiesenen Orte und auf dem vorgeschriebenen Wege zu begeben . Sie übernehmen gleichzeitig die Verantwortung für die Ordonnanz oder für den Diener, die sie eventuell bei sich haben. Ein jeder erhält für sich und für den Diener etc. eine Marschroute . Diejenigen Offiziere, welche sich weigern würden, diese Erklärung zu unterschreiben, werden unter Eskorte transportirt. Art. 35. Die Kriegsgefangenen, welche entfliehen und wiedererlangt werden, ehe sie ihre Truppe erreicht oder ehe sie das französische Territorium verlassen haben, können nur disziplinarisch bestraft werden. Sie werden unter strengere Aufsicht gestellt und können gefesselt nach dem Ort ihrer Bestimmung transportirt werden. Diejenigen aber, denen es gelang, zu entfliehen, und die später erneut in Kriegsgefangenschaft fallen , sind keiner Strafe unterworfen . Das französische Reglement schliefst sich hier in der Hauptsache dem modifizirten Text der Brüsseler Deklaration an, welcher in Art. 28 besagt : „ Repris, il (d . i . der Kriegsgefangene) est passible de peines disciplinaires ou soumis à une surveillance plus sévère.

Si, après

avoir réussi à s'échapper, il est de nouveau fait prisonnier, il n'est passible d'aucune peine pour sa fuite antérieure. " Das Fesseln erscheint allerdings als die äufserste Konsequenz der

surveillance plus sévère".

64

Das französische Reglement vom 21. März 1893

Die Offiziere etc. , welche erneut in Gefangenschaft fallen, nachdem sie ihr Ehrenwort gebrochen haben (siehe oben), werden als gemeine Soldaten angesehen und behandelt hinsichtlich des Soldes und der Ration und in eine Festung eingeschlossen, in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Dekretes vom 4. August 1811 , betreffend die Kriegsgefangenen und Geiseln. Dieses Dekret besagt im Art. 2 : ,,Tout prisonnier de guerre ayant rang d'officier et tout otage qui, après avoir donné sa parole, la violera , sera , s'il est repris, considéré et traité comme soldat, sous le rapport de la solde et des rations, et resserré dans une citadelle, fort ou château." Die Offiziere, welche nach dem Bruch ihres Ehrenwortes mit der Waffe in der Hand wieder gefangen genommen werden, erleiden die Todesstrafe.

Art. 33 der

Brüsseler Deklaration sagt hier : ,,Tout prisonnier de guerre,

libéré

sur parole et repris portant les armes contre le gouvernement envers lequel il s'était engagé d'honneur, peut être privé des droits de prisonnier de guerre et traduit devant les tribunaux." Der der Brüsseler Konferenz ebenfalls vorgelegte belgische Entwurf wollte dieser Kategorie nur die Rechte der Kriegsgefangenen entziehen . Bluntschli sieht kriegsgerichtliche Strafe vor, eventuell sogar die Todesstrafe. Das französische Reglement spricht sich also mit grofser Strenge und in sehr bestimmter Weise hinsichtlich dieses Falles aus, was bei den bekannten Vorkommnissen von 1870/1871 von besonderem Interesse ist.

Art. 36. Kriegsgefangene, die während des Transports erkranken, sind an das nächste Hospital zu dirigiren . Der nächste Abschnitt : ,, administration et comptabilité" umfafst die Art. 39 bis 53 und behandelt die Organisation der GefangenenDepots, ihre innere Einrichtung und die daselbst zu treffenden polizeilichen und militärischen Mafsnahmen. Wir heben aus denselben nur die den Kriegsgefangenen zu gewährenden Emolumente hervor. Es erhält an täglichen Gebühren : Ein Divisionsgeneral 11 Frcs. 20 Cts. , ein Brigadegeneral 8 Frcs. 40 Cts. , ein Stabsoffizier 6 Frcs . 70 Cts. , ein Hauptmann oder Subalternoffizier 3 Frcs. 40 Cts. , eine Offiziersfrau 1 Fr. 70 Cts. Die Unteroffiziere und Soldaten sollen den Sold des französischen Infanteristen beziehen. Die den Unteroffizieren und Soldaten sowie ihren Frauen und Kindern zu gewährende Naturalverpflegung entspricht im Allgemeinen der für den französischen Soldaten vorgeschriebenen . An Bekleidung verbleibt ihnen so lange als möglich die, welche bei ihrer Gefangennahme in ihrem Besitze war. Wird diese untauglich, so hat die Intendantur für den nötigen Ersatz zu sorgen. Die Ge-

über die Kriegsgefangenen.

65

fangenen sollen stets versehen sein mit einer Kopfbedeckung, 1 Tuchhose, 1 Rock, 2 Hemden, 2 paar Schuhen. Art. 54. Der Kriegsminister bestimmt die Orte, welche den

Offizieren, die ihr Ehrenwort gegeben haben, als Aufenthalt anzuweisen sind, sowie die Festungen für diejenigen, die es nicht gaben . . . . Soweit als möglich, sollen die Offiziere nicht an Orten internirt werden, wo sich Gefangenen-Depots befinden. Art. 55 u . 56. Die Offiziere werden sofort nach ihrer Ankunft frei oder unter Bedeckung - vor den Platzkommandanten geführt und ihre Namen in ein Register eingetragen.

Der Platzkommandant

befragt einen jeden, ob er wünscht, auf Ehrenwort internirt zu werden oder ob er vorzieht, sein Wort nicht zu geben. Die ersteren unterschreiben im Beisein des Platzkommandanten und nachdem sie von ihrem Inhalte Kenntnifs genommen haben, die Verpflichtung, keinen Fluchtversuch zu unternehmen und sich allen von der Militärbehörde getroffenen Anordnungen zu unterziehen.

Die letzteren werden in

einer Festung untergebracht, wo sie einer strengen Aufsicht unterworfen sind ; doch ist von jeder unnötigen Härte abzusehen und sie haben Anspruch auf die ihrem Rang entsprechenden Rücksichten . Art. 61. Von dem Moment ihrer Gefangennahme bis zu dem

ihrer Entlassung sind die Kriegsgefangenen den Gesetzen und Reglements, welche in der französischen Armee gültig sind, unterworfen. Sie sind lediglich der militärischen Gerichtsbarkeit unterstellt. Die gegen sie verhängten Strafen sind in Militärgefängnissen zu verbüfsen. Jeder Kriegsgefangene hat auf Befragen seinen wirklichen Namen und Grad anzugeben; sollte er hiergegen verstofsen, so würde er sich einer Einschränkung der Vorteile aussetzen, welche den Kriegsgefangenen seines Ranges gewährt werden. Diese Bestimmungen entsprechen dem Art. 28, al. 1 und dem Art. 29 der Brüsseler Deklaration . Art. 62. Die Kriegsgefangenen können nur mittelst Postkarten . Die an sie gerichteten oder offenen Briefen korrespondiren. Briefe werden ihnen durch die Militärbehörde zugestellt, welche jederzeit das Recht hat, von ihrem Inhalt Kenntnifs zu nehmen. Art. 65.

Die Kriegsgefangenen können durch den Kriegsminister

nach Anhörung des kommandirenden Generals (général commandant la région) die Genehmigung erhalten, ihre Familien nachkommen zu lassen, und dann mit ihnen zusammenwohnen. . . . Art. 66 betrifft die Fälle eines Wechsels des Aufenthaltsorts. Art. 68. läfst

der

Sobald die Flucht eines Kriegsgefangenen konstatirt ist,

Platzkommandant

durch

die

Gendarmerie

die

nötigen

Recherchen anstellen und die Zivilbehörden erhalten das Signalement. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1. 5

66

Das französische Reglement vom 21. März 1893

Eine Prämie von 25 Francs wird für die Einbringung eines entflohenen Kriegsgefangenen gezahlt, diese Prämie wird auf 50 Francs erhöht, wenn es sich um einen Offizier handelt, der sein Wort brach. Die wieder aufgegriffenen Unteroffiziere und Soldaten werden mit 30 Tagen Einzelarrest bestraft und dann in eine Festung eingeschlossen. Bei Offizieren etc. kommen die Bestimmungen des Art. 35 dieses Reglements zur Anwendung. Fluchtversuch wird behandelt wie die Flucht selbst. Mitschuldige einer Flucht werden vor ein Kriegsgericht gestellt. Dieser letzte Satz - les complices d'une évasion sont traduits devant un conseil de guerre - bezieht sich ohne Zweifel auf eine

im Komplott ausgeführte oder beabsichtigte Flucht.

In der Brüsseler

Deklaration wurde eine Bestimmung über diese Fälle (Komplott) ausdrücklich weggelassen, da die Bestimmung in Art. 28 : Les prisonniers de guerre sont soumis aux lois et règlements en rigueur dans l'armée au pouvoir de laquelle ils se trouvent " als genügend erachtet wurde. (Vergl. Protokoll VI vom 6. August 1874.) Die nun folgenden Artikel 69 bis 81 betreffen den inneren Dienst in

den Depots und können hier übergangen werden . Der DepotKommandant hat für die angemessene Verpflegung der Gefangenen, sowie für alle sanitären Mafsnahmen zu sorgen. Er hat die Disziplinarstrafgewalt eines Obersten. Hinsichtlich der internirten Offiziere enthält das Reglement noch einige wesentliche Bestimmungen, die hier folgen : Art. 82.

Der Platzkommandant derjenigen Orte, in denen sich

auf Ehrenwort internirte Offiziere befinden , bestimmt die Anzahl der abzuhaltenden Appelle, zu denen sich diese Offiziere einzufinden haben. Art. 83. Der Offizier, der speziell mit der Beaufsichtigung der kriegsgefangenen Offiziere beauftragt ist, läfst für jeden derselben eine Identitätskarte mit Photographie anfertigen, welche genau den Namen, Vornamen und Grad, ebenso wie die Wohnung angiebt.

Diese

Karte ist auf Verlangen der Militärbehörde stets vorzuweisen.

Ein

zweites Exemplar der Photographie wird durch den Platzkommandanten aufbewahrt und dem Personalbogen aufgeklebt. ... Jeder Wohnungswechsel ist sofort anzuzeigen. Art. 84.

Die Kriegsgefangenen auf Ehrenwort dürfen keine Waffe

tragen. Hingegen ist ihnen das Tragen von Zivilkleidung gestattet . Diese Erlaubnifs kann ihnen aber durch den kommandirenden General wieder entzogen werden. Art. 85. Die Platzkommandanten können

den Offizieren

die

Genehmigung erteilen, die Grenzen der Garnison zu überschreiten . jedoch nicht über 4 Tage - kann von dem kommandirenden Urlaub

über die Kriegsgefangenen . General innerhalb seiner Region erteilt werden .

67 Urlaubsbewilligungen

für längere Dauer oder aufserhalb der Region können nur vom Kriegsminister erteilt werden. Art . 86.

Der Platzkommandant allein kann auf Vortrag des mit

der Überwachung beauftragten Offiziers Disziplinarstrafen über die kriegsgefangenen Offiziere und in gleichem Rang Stehenden verhängen. Er hat die Strafgewalt eines Divisionskommandeurs. Der kommandirende General kann aufser der Ausübung seiner Disziplinargewalt beim Kriegsminister die Überweisung nach einem anderen Ort oder die Einschliefsung in eine Festung beantragen. Art . 88. Die Regierung kann die Kriegsgefangenen , unter Be-

rücksichtigung ihres Grades und Standes, als Arbeiter verwenden . Sie können auch autorisirt werden, für Rechnung des Departements, der Gemeinden , von Privatpersonen oder sogar für eigene Rechnung zu arbeiten. Dieser Artikel entspricht in der Hauptsache den Bestimmungen in Art. 25 der Brüsseler Deklaration ; dieselbe enthält aber die Einschränkung, dafs diese Arbeiten, zu denen die Kriegsgefangenen verwendet werden, in keiner direkten Beziehung stehen dürfen zu den Operationen auf dem Kriegsschauplatz , und dafs sie weder entkräftend (exténuants) noch erniedrigend seien in Berücksichtigung des

militärischen Grades oder der sozialen Stellung .

(Ebenso bei

Martens, a. a. O. § 113.) Nach dem französischen Reglement würden demnach derartige Arbeiten auf dem Kriegsschauplatze, wie Schanzenbauen u . s. w. , gestattet sein. Man darf wohl annehmen, dafs die Offiziere und im gleichen Range stehenden nicht zu den hier besprochenen „prisonniers travailleurs " gerechnet werden. Art. 89. . . . . In einem belagerten Platze sollen die Gefangenen nicht zu solchen Arbeiten verwendet werden, die sie den Geschossen ihrer Landsleute aussetzen . Es folgen nun in den nächsten Artikeln militärische, administrative und polizeiliche Bestimmungen hinsichtlich dieser Arbeiter. Am Schlufs werden noch einige Allgemeine Bestimmungen " gegeben, deren hauptsächlichste die nachstehenden sind : Art. 102 und 103. Bei Todesfällen von Kriegsgefangenen sind bezüglich der aufzunehmenden Urkunden gleiche Bestimmungen maſsDas gebend wie für die Angehörigen der französischen Armee.. Gleiche gilt hinsichtlich der Abfassung von Testamenten. . . Art. 104. Kein Kriegsgefangener kann sich in Frankreich nieder-

5*

Das französische Reglement vom 21. März 1893

68

lassen oder ein Geschäft gründen oder in die französische Armee eintreten ohne die Genehmigung des Kriegsministers . Art. 105. Die Genehmigung ist auch erforderlich, wenn Kriegsgefangene sich verheiraten wollen. Art. 109. Nach dem Friedensschlufs findet von bestimmten Punkten aus die Entlassung der Gefangenen statt im Einvernehmen mit den betreffenden Behörden. Die Offiziere und im gleichen Rang Stehenden reisen allein, mit Marschroute versehen, bis an die Grenze .

Die

Unteroffiziere nnd Soldaten werden durch eine Truppenabteilung dahin begleitet.

Wir schrieben am Schlufs unserer Besprechung in der „Allgemeinen Zeitung" : Wirft man einen Gesammtüberblick auf die hauptsächlichsten Bestimmungen dieses französischen Reglements, so findet man, wie anfänglich erwähnt, dafs sich dieselben in der Hauptsache an die bestehenden internationalen Abmachungen und an die in den neueren Werken über Völker- und Kriegsrecht niedergelegten Grundsätze anschliefsen. Immerhin begegnet man drei wesentlichen Abweichungen : 1. dafs Frauen und Kinder als der Kriegsgefangenschaft unterworfen bezeichnet werden ; 2. dafs auf fliehende Kriegsgefangene geschossen werden kann, auch ohne vorhergehende sommation ; 3. dafs die Kriegsgefangenen auch zu solchen Arbeiten verwendet die mit den Kriegsoperationen in Zusammenhang

werden dürfen, stehen.

Die Emanation dieses Reglements ist, so wenig man sich mit diesen Abweichungen einverstanden erklären kann, jedenfalls als ein wesentlicher Fortschritt zu bezeichnen, da man wohl hoffen darf, dafs hierdurch die Anerkennung der völkerrechtlichen Grundsätze und namentlich das Festhalten an den Bestimmungen der Genfer Konvention mehr in Fleisch und Blut des französischen Soldaten und der französischen Bevölkerung übergehen wird, als es in den Jahren 1870/1871 vielfach der Fall war. Es ist bekannt, dafs während des deutschfranzösischen

Krieges öfters konstatirt werden mufste , dafs den französischen Truppen nicht nur die Bestimmungen dieser Konvention , sondern sogar die betreffenden Abzeichen unbekannt waren. Es liegt uns fern , hier auf Vorkommnisse und Klagen zurückkommen zu wollen, die mehr als 20 Jahre hinter uns liegen; wer sich dafür interessirt, braucht nur einen Blick in das mehrerwähnte Werk von Dr. Lueder : „ Die Genfer Konvention " zu werfen und daselbst das Kapitel C : Weitere auf die Herstellung eines sicheren Schutzes der

über die Kriegsgefangenen.

69

Genfer Konvention und eine Verallgemeinerung ihrer humanen Grundsätze gerichtete Vorschläge " , nachzulesen *). Möge das französische Reglement dazu beitragen, daſs in einem künftigen Kriege derartige Fälle unmöglich werden. Betrachten wir nun etwas eingehender, welche Stellung E. Romberg diesem französischen Reglement gegenüber einimmt, so finden wir, dafs er, wie nicht anders zu erwarten, sehr befriedigt von dessen Inhalt ist, aber doch einige Lücken konstatirt, Fragen betreffend , die zum grofsen Teil bereits bei Gelegenheit der Brüsseler Konferenz 1874 und bei dem 1889 in Paris stattgehabten Kongrefs berührt wurden . Er meint, dafs diese noch offenen Fragen am besten auf dem Wege einer nochmaligen internationalen Konferenz gelöst werden könnten und hat zu dem Zwecke

ein Projekt

ausgearbeitet,

welches

die

wesentlichsten Grundsätze feststellen soll, während die Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen und sonstigen Details den besonderen Reglements zu überlassen wäre. Viel Neues bietet dieser Entwurf aber nicht ; die Erläuterungen und Erweiterungen, die er zum französischen Reglement giebt, entsprechen durchgängig den Bestimmungen der Brüsseler Deklaration und betreffen in der Hauptsache solche Fragen, die das französische Reglement jedenfalls absichtlich unerörtert gelassen hat ; hierzu dürfte in erster Linie die Frage gehören, wodurch Hilfskorps die Eigenschaft als Kriegführende gewinnen .

Diese wichtige Frage wird im Reglement mit

Stillschweigen übergangen und wir geben Triepel **) recht,

wenn er

meint, dafs sich diese Weglassung in einem militärischen Reglement wohl rechtfertigen läfst ; vom völkerrechtlichen Standpunkte aus erscheint es aber allerdings hohe Zeit, dafs diese Fundamentalfrage endlich gelöst und darüber bindende Grundsätze seitens der europäischen Grofsmächte acceptirt würden. In Übereinstimmung mit dieser Anschauung wurde auch in Brüssel gerade diesem Thema viel Zeit und Arbeit gewidmet und Romberg übernimmt die damalige Festsetzung beinahe wörtlich für sein Projekt, wenn er schreibt (S. 105),

daſs

diejenigen Hilfskorps eintretenden Falles als Kriegsgefangene zu betrachten sind, welche unter dem Befehl eines verantwortlichen Führers stehen, welche ein auf gröfsere Entfernung sichtbares Erkennungszeichen führen, welche die Waffen offen tragen und sich den Kriegs- Gesetzen und Gebräuchen unterwerfen . (Brüsseler Deklaration Art. 9. Siehe Seite 57. ) Romberg nimmt ferner aus der Brüsseler Deklaration (Art. 10) die Bestimmung in sein Projekt auf, dafs die Bevölkerung *) Man vergl. z. B.:,,Bis in die Kriegsgefangenschaft." Von einem 87 er Berlin, Sigismund . **) Dr. Triepel, a. a. O. S. 43.

70

Das französische Reglement vom 21. März 1893

eines nicht occupirten Territoriums , welche bei Annäherung des Feindes freiwillig die Waffen ergreift, um die eindringenden Truppen zu bekämpfen, als kriegführende Partei zu betrachten ist , auch wenn sie nicht Zeit hatte, sich förmlich zu organisiren, falls sie nur die Gesetze und Gebräuche des Krieges respektirt. Es könnte auffallend erscheinen und zu Mifsdeutungen Anlaſs geben, dafs auch diese wichtige, völkerrechtliche Bestimmung, die in Brüssel als eine der wichtigsten Fragen betrachtet wurde, im französischen Reglemeut nicht Aufnahme gefunden hat ; wir meinen aber, dafs Frankreich Recht that, in ein militärisches wie oben Reglement keine völkerrechtlichen Bestimmungen aufzunehmen , deren Durchführung seitens einer Partei stets abhängig sein wird von der geübten Reciprocität und welche daher nur auf dem Wege internationaler Abmachungen zu regeln sind. Eben dahin gehören auch die Festsetzungen in Art. 3 des Romberg'schen Entwurfs , welche den friedlichen Landbewohnern das Recht wahren, ihr Leben, Eigentum und ihre Ehre gegen Angriffe zu verteidigen, die ihrerseits in keiner Weise provozirt waren. Auch in der Brüsseler Deklaration hat diese Frage, die von einer Seite lebhaft angeregt wurde ( Antrag des italienischen Bevollmächtigten in der Sitzung vom 26. August 1874), nur insoweit Erledigung gefunden, als man feststellte, dafs Familienehre und Familienrechte, das Leben und das Eigentum der einzelnen Person ebenso wie die religiösen Überzeugungen und die Ausübung des Gottesdienstes zu respektiren seien ; dafs fernerhin das Privatvermögen nicht mit Beschlag belegt werden könne, und dafs alles Plündern verboten sei (Brüsseler Deklaration Art. 38 u. 39) . Es dürfte sich hieraus eo ipso für den Einzelnen das Recht ergeben , für die Aufrechthaltung dieses anerkannten Prinzips mit allen Mitteln, also auch mit bewaffneter Hand, einzutreten. Die Brüsseler Konferenz war aber der Ansicht,

dafs

es nicht notwendig, ja nicht einmal

opportun sei, dies besonders auszusprechen, da die besonderen strafrechtlichen Bestimmungen jedes Landes in Berücksichtigung zu ziehen sein würden. In die gleiche Kategorie gehört ferner Artikel 4 des Entwurfes, welcher in wörtlicher Anlehnung an Art. 23 der Brüsseler Deklaration, die Kriegsgefangenen als 17 ennemis légaux et désarmés" bezeichnet, die sich in der Gewalt der feindlichen Regierung , nicht aber in der des Individuums oder des Truppenteils befinden, welche die Gefangennahme bewirkt haben . Das französische Reglement spricht sich, wie wir oben sehen, dahin aus, dafs die Kriegsgefangenen nicht mifshandelt, beschimpft oder ausgeplündert werden dürfen (Art. 8). Der Grundsatz , dafs sie lediglich der Verfügung der feindlichen

über die Kriegsgefangenen.

71

Regierung unterstehen, ist so allgemein von allen zivilisirten Nationen und allen Rechtslehrern anerkannt, dafs man eine spezielle Erwähnung für unnötig halten könnte.

Gegenüber den Ansichten allerdings , die s. Zt. in einem Organ der russischen Presse in dieser Hinsicht aus-

gesprochen wurden und denen wir in dieser Zeitschrift * ) entgegneten, wäre es doch vielleicht richtig, dem Vorschlage Romberg's nachkommend, diesen völkerrechtlichen Grundsatz wieder ausdrücklich auszusprechen .

Wenn wir im Vorstehenden und im Anschlufs an die Besprechung des neuen französischen Reglements den Romberg'schen Entwurf einer internationalen Vereinbarung hinsichtlich der Kriegsgefangenen “ in seinen wesentlichsten Punkten kurz beleuchtet haben und das anfänglich ausgesprochene Urteil, dafs er nicht viel Neues biete, hierdurch gerechtfertigt erscheinen dürfte , so behandelt der zweite Abschnitt des Entwurfes : „Des belligérants refugiés chez les neutres ", ein Thema, welches im Ganzen noch wenig erörtert worden ist und welches trotzdem in einem künftigen Kriege leicht möglicherweise eine ebenso grofse Rolle spielen kann wie im Jahre 1871 , wo namentlich der Übertritt der Bourbaki'schen Armee nach der Schweiz den Mangel feststehender völkerrechtlicher Abmachungen mehrfach schmerzlich empfinden liefs und ernste Konflikte nur durch die grofse Besonnenheit und Gastfreundlichkeit der eidgenössischen Regierung und des Schweizervolkes vermieden wurden. Wir behalten uns vor, auf dieses Thema vielleicht in einem späteren Artikel zurückzukommen.

V.

Kaiser Alexander III. und die russische Wehrkraft .

Die Neige des Jahres 1894 hat unseren östlichen Nachbarn eine schwere Prüfung gebracht. Trauernd stand das russische Volk, und mit ihm die ganze zivilisirte Welt, an der Bahre seines Kaisers. Wohl selten sind einem Volke so einmütig von Seiten aller fremden Nationen Beweise der Teilnahme, des Mitgefühls entgegengebracht worden. Und Kaiser Alexander verdiente diese Teilnahme ; den Frieden , den er für sich selbst auf Erden nicht gefunden , hat er der Welt *) Jahrbücher für die deutsche Armee u. Marine. Januarheft 1894. S. 37 ff.

Kaiser Alexander III. und die russische Wehrkraft.

72 erhalten.

Als

Friedensfürsten ",

ffer" (mirotworez),

" Friedensscha

,,Friedenserhalter " (mirodershez ) hat man den toten Kaiser gepriesen , und noch späte Geschlechter werden in ihm das Bild eines gerechten , friedliebenden Fürsten erblicken . Kaiser Alexander III. ist, gestehen wir es offen, nie ein Freund Deutschlands gewesen ; aber er war uns ein ehrlicher Gegner, und den achtet Niemand mehr, als der Soldat. Wenn auch bei uns in Deutschland Kaiser Alexander als ,,Friedensfürst" gepriesen worden ist, so ist das mit vollem Recht geschehen. In dem Bestreben , seinem Volke den Frieden zu erhalten, hielt er mit kräftiger Hand die im eigenen Lande zum Kriege treibenden Elemente im Zaume, in dem Wunsche, der Welt den Frieden zu sichern,

drückte er

mit

kräftiger Freundesfaust die Hand des unruhigen Bundesgenossen und fesselte diesen an seine friedlichen Ziele . - Wenn angesichts der aus allen Ländern herübertönenden Beileidsbezeugungen ein angesehenes russisches Blatt * ) den Ausspruch that :

„ Die Freundschaft mit Frank-

reich hat die Pläne des Dreibundes völlig lahm gelegt , und, anstatt den europäischen Frieden zu bedrohen, haben die von Kopf bis zu Fufs bewaffneten Verbündeten ein klägliches Lied von den Segnungen des Friedens zu singen begonnen", so ist das eine derartige Entstellung der Thatsachen, dafs es sich kaum der Mühe verlohnt, ein Wort darauf zu erwidern.

Deutschland preist die Segnungen des Friedens,

aber nicht kläglich, sondern freudig, weil es diese Segnungen seiner eigenen Kraft, dem festen Willen seines Kaisers, den Frieden zu erhalten, verdankt, weil es sich stark genug weifs, einem Jeden entgegen zu treten, der ihm diese Segnungen rauben will. Dals wir in diese äusserste Notwendigkeit nicht versetzt worden sind, danken wir der Friedensliebe, dem festen Willen Kaiser Alexanders III. , des ,,Friedenserhalters". Unter allen Schöpfungen der Regierungszeit Kaiser Alexanders III. nimmt den ersten Rang die Stärkung der Wehrkraft des Landes , die Erhöhung der Kriegsbereitschaft der Armee ein .

Aus dem russisch-

türkischen Feldzuge war zwar die russische Armee als Sieger hervorgegangen, aber es hatten sich so bedeutende Mängel in der Organisation , in der Kriegsbereitschaft herausgestellt, dafs man mit Recht an der Kriegsbrauchbarkeit der Armee zweifeln konnte.

Das Werk,

das

Kaiser Alexander II. begonnen, die Wehrkraft des Landes zu heben , sein Sohn hat es vollendet ; er hinterläfst seinem Nachfolger eine starke, kriegsbereite Armee , europäischen Armee nachsteht.

die an Zahl und Tüchtigkeit keiner Es würde hier zu weit führen, Alles

*) Nowoje Wremja, 2. 11. 94. Nr. 6698.

Kaiser Alexander III. und die russische Wehrkraft.

73

zu erwähnen, was Kaiser Alexander, mit der Unterstützung seines bewährten Ratgebers, des Kriegsministers Wannowski, für die Wehrkraft Rufslands gethan, es seien nur kurz die Hauptgrundzüge hier erwähnt. Die gesammte aktive Armee wurde in Armee-Korps (augenblicklich 22 ) von vollständig gleicher Organisation zusammengefaſst. Die Stäbe der

Grenz-Militär-Bezirke,

welche früher nur eine ad-

ministrative Bedeutung hatten, wurden gewissermassen in Armee-OberKommandos verwandelt,

denen bereits im Frieden Armeen von je

4-5 Armee-Korps, 4-8 Kavallerie-Divisionen und mehrere Schützenund Reserve - Brigaden unterstellt sind . Es wurde eine EinheitsKavallerie geschaffen, die gesammte Armee wurde neu bewaffnet. Besondere Sorgfalt wurde der Organisation der Reserve - Truppen gewidmet, welche so weit gedieh, dafs für sämmtliche 24 ReserveDivisionen

1. Ordnung bereits im Frieden die

Divisions-Stäbe auf-

gestellt, dafs 9 dieser Divisionen zu 4 Regimentern, die übrigen zu 4 Bataillonen formirt wurden. In gleicher Weise nahm die Entwickelung der Festungstruppen , welche den Stamm der KriegsDie Westgrenze besatzungen der Festungen bilden , ihren Fortgang. des Reichs wurde durch eine unterbrochene Kette von Festungen , von Kowno beginnend, entlang am Njemen, dem Bobr, Narew, der Weichsel, bis herab nach Iwangorod, gesichert. - Die Festungen Kowno, Grodno, Ossowez, Segrshe, Warschau und Rowno, sowie die Sperrbefestigungen am Njemen, Bobr und Narew sind unter Kaiser Alexander III . neu erstanden, andere, wie Iwangorod , Nowogeorgiewsk, Dubno, sind vollständig umgebaut worden. Das Eisenbahnnetz wurde in einer den strategischen Anforderungen durchaus entsprechenden Weise stetig erweitert und ausgebaut . - Die Dislokation der Armee wurde dadurch verbessert, dafs unaufhörlich Truppen aus dem Osten an die Westgrenze geschoben wurden ; noch kurz vor dem Tode des Kaisers erfolgte eine solche Truppenverschiebung, indem die längst erwartete 38. Division aus dem Kaukasus in den Militärbezirk Warschau einrückte und hier mit der 2. Division ein neues Armee-Korps (Nr. XIX) bildete. So steht denn bei dem Tode des Kaisers der gröfste Teil der russischen Armee an der Westgrenze vereinigt. Allein der Militärbezirk Warschau umfafst (einschl. Ingenieur- und Festungs-Truppen) 242 Bataillone, 286 Eskadrons, 71 fahrende Batterien (zu je 8 Gesch .), 17 reitende Batterien, 1 Mörser-Regiment, 22 Fest. -Art. -Bataillone u. s. w. - Rechnen wir den Militär-Bezirk Wilna hinzu, so stehen allein an der preuſsischen Grenze (abgesehen von der Grenzwache) zwei Armeen mit 412 Bataillonen, 330 Eskadrons, 120 fahrenden Batterien (zu 8 Gesch. ),

74

Kaiser Alexander III. und die russische Wehrkraft.

21 reitenden Batterien, 2 Mörser- Regimentern , 30 Festungs- ArtillerieBatterien. Hierzu kommen an der österreichischen Grenze die Armeen von Kijew und Odessa mit 247 Bataillonen, 146 Eskadrons, 82 fahrenden, 22 reitenden Batterien u. s. w., u. s. w. -- Die kaukasische Grenze sichert eine Armee von über 120 Bataillonen und an 100 Eskadrons. Hinter diesen Grenzarmeen stehen als starke Reserven in der Mitte des Reichs die Petersburger und Moskauer Armee mit zusammen ca. 260 Bataillonen , 80 Eskadrons, während der Militär-Bezirk Kasan noch zahlreiche Stämme für Reserve -Formationen enthält. So befindet sich die russische Armee mitten im Frieden in einer Stellung , die einem

strategischem Aufmarsch ganz ähnlich sieht, hierdurch

alle

Schwierigkeiten ausgleichend , welche die weiten Räume und das schwach entwickelte Verkehrsnetz der Schnelligkeit der Mobilmachung entgegensetzen könnten. zeug,

So bildet sie heute ein gewaltiges Werk-

ein segensreiches in der Hand des

achtunggebietendes

„Friedenserhalters " , ein Der Soldat

gegenüber Freund und Feind .

blickt mit Bewunderung auf diese Schöpfung Kaisers Alexanders III . und namentlich unsere Armee wird stets mit gleichem Interesse die weitere Entwickelung des russischen Heeres verfolgen, gleichviel ob uns mit ihm, wie früher, treue Waffenbrüderschaft verbinden , oder ob es als ehrlicher Gegner uns gegenüber stehen sollte.

Des Fürsten

aber, der dieses Heer geschaffen, der es als Werkzeug des Friedens gehandhabt, wird stets das deutsche Volk, das deutsche Heer, Achtung gedenken. - Ehre seinem Andenken !

mit

Erwähnen wir noch kurz, was die letzten Monate des vergangenen Jahres Neues der russischen Armee gebracht haben. Es war dieses, aufser der bereits ausführlich besprochenen Neuorganisation der Ingenieur-Truppen, die Verlegung der 38. Division aus dem Kaukasus nach dem Militär-Bezirk Warschau und die hierdurch bedingte Änderung in der Organisation dieses Militär-Bezirks. Durch Abtretung mehrerer Kreise der Militär-Bezirke Wilna und Kijew wurde der Warschauer Militär - Bezirk vergröfsert, der Militär - Bezirk Wilna gab mit dem Kreise Bjelostok auch die dort stehende 16. Infanterie-Division an Warschau ab ; desgleichen wurde die 7. Kavallerie -- Division aus dem Militär-Bezirk Odessa in den Warschauer Bezirk verlegt ; letzterer besteht nunmehr aus 5 Armee-Korps (zu je 2 Infanterie- und 1 KavallerieDivision), 1 selbstständige Infanterie- Division ( 3. Garde), 3 selbstständige Kavallerie - Division und 1 Kavallerie - Brigade, 2 Schützen-Brigaden,

Kaiser Alexander III. und die russische Wehrkraft.

3 Reserve-Divisionen ,

75

1 Sappeur-Brigade u . s. w. , während sich die

Truppen des Militär-Bezirks Wilna auf 4 Armee-Korps (mit 8 Infanterieund 2 Kavallerie- Divisionen), 1 Schützen-Brigade, 2 Reserve-Divisionen u. s. w. verringert haben. Die 38. Infanterie-Division (in Kobrin) bildet zusammen mit der 2. Infanterie- (Brest- Litowsk) und der 7. Kavallerie-Division (Kowel) das neuformirte XIX. Armee-Korps . In die Garnisonen der 38. Infanterie-Division im Kaukasus (Kutais) ist die 20. Infanterie-Division eingerückt , während die Standorte der letzteren zum Teil durch die 21. Infanterie-Division eingenommen worden sind. Die 7. Kavallerie-Division hat im Militär-Bezirk Odessa das 7. Don-Kasaken-Regiment zurückgelassen , Kasaken-Regiment erhalten .

dafür das

11. Don-

Auch im Militär- Bezirk Kijew haben

wiederum einige Verschiebungen gegen die

österreichische Grenze

stattgefunden. Am Tage vor seinem Tode hat Kaiser Alexander die Pensionirung der Generäle der Infanterie Alschasow (kommandirender General des III. Armee-Korps) und Pawlow (Gehülfe des Generals Gurko) befohlen. - Das

III . Korps in Riga hat Gen.-Lieut.. Dmitrowski

erhalten ;

letzter war seit zwei Jahren pensionirt, es scheint also , als ob Kaiser Nikolaus ein diesem tapferen General geschehenes Unrecht wieder hat gut machen wollen ; General Dmitrowski hat sich in vielen Feldzügen, namentlich im Kaukasus und im russisch-türkischen Kriege, ausgezeichnet ; im Jahre 77/78 war er Stabschef des VIII . Armee- Korps bei General Radezki während der Kämpfe am Schipka-Paſs ; er besitzt nicht weniger als 9 Kriegsorden, den goldenen Ehrensäbel, ist für Tapferkeit vor dem Feinde zu verschiedenen Chargen befördert worden. Die sehr wichtige Stellung eines Gehülfen des Generals Gurko hat Gneral Krshiwoblozki, bisher Kommandeur des XIV. Armee-Korps, erhalten, während General Stoljetow, Kommandeur des XV. ArmeeKorps, das XIV. erhielt. - In die Stelle des Generals Stoljetow rückte General Borosdin, bisher Kommandeur der 8. Kavallerie- Division ein. - Es steht zu erwarten, dafs die nächste Zeit viele Veränderungen in den höheren russischen Befehlshaberstellen bringen wird, denn die Oberbefehlshaber dreier Militärbezirke (Warchau, Wilna, Moskau) , sowie mehrere kommandirende Generäle dürften in Folge von Krankeit oder hohen Alters über kurz oder lang ihre Stellungen aufzugeben genötigt sein . -

Auch erhält sich mit Hartnäckigkeit das Gerücht,

dafs der verdienstvolle Kriegsminister, General Wannowski, seinen Abschied zu nehmen gedenkt. d. 1. Dezember 1894. v. T.

VI.

Das französische Heerwesen in 1894. Von J. Schott, Major a. D.

Im 89. Band ( Oktober bis Dezember 1893) hatten wir unter der Aufschrift „ Das französische Heerwesen seit 1889" die Fortbildung der Heereseinrichtungen Frankreichs, insbesondere unter dem Einflusse des Rekrutirungs-Gesetzes von 15. Juli 1889, eingehend dargestellt.

Den Abschlufs bildete der Herbst 1893.

Unsere Arbeit ist

um Neujahr 1894 im Sonderabdruck *) erschienen und hat sich in dieser Form wie in der Zeitschrift, einer freundlichen Aufnahme zu erfreuen gehabt.

Es war in Aussicht genommen , in angemessenen Zwischen-

räumen die weitere Entwickelung des französischen Heerweesens als geschlossene Bilder den Lesern der Zeitschrift vorzuführen . Der gegenwärtige Zeitpunkt erscheint uns hierzu besonders geeignet, da in den schwebenden Fragen der Organisation und Gesetzgebung ein gewisser Abschlufs erreicht ist und Neuerungen von Wichtigkeit für's erste nicht zu erwarten sind. Die nächste Aufgabe , welche der Heeresleitung im Herbst 1893 erwuchs, war die Durchführung des unterm 25. Juli 1893 angenommenen Kadres-Gesetzes.

Die Grundzüge hierfür rühren vom Nachfolger des

bürgerlichen Kriegs- Ministers de Freycinet , dem General Loizillon , Der her, welcher sein Amt am 13. Januar 1893 angetreten hatte. Rücktritt des Kabinets Dupuy am 25. November setzte seiner Wirksamkeit ein Ziel , und blieb es seinem am 3. Dezember in's Kabinet C. Périer berufenen Nachfolger , General Mercier , vorbehalten, die Ausführung Sorge zu tragen.

für

Eine andere Aufgabe verblieb dem

Letzteren, zu welcher gleichfalls unter seinem Vorgänger die Anregung gegeben worden war , nämlich den Mängeln abzuhelfen , welche die dienstliche Befähigung der Offiziere des Beurlaubtenstandes aufwies ; wenn die ungenügende militärische Vorbildung der letzteren auch keinem Einsichtigen unbekannt war, so gab doch erst das Urteil eines *) Der Sonderabdruck führt den Titel : Frankreichs Kriegsvorbereitung seit 1889. Dargelegt an der Entwickelung des Heerwesens in den letzten fünf Jahren . Von Joseph Schott , Major a. D. Verlag von A. Bath. Das Werk hat in der militärischen und politischen Presse des Inwie Auslandes eine günstige Beurteilung erfahren.

Das französische Heerwesen in 1894.

77

General- Inspekteurs, das zwar nicht für weitere Kreise bestimmt war, aber zur allgemeinen Kenntnifs gelangte, durch seine herbe Offenheit Anlafs , die öffentliche Meinung auf's äusserste zu beunruhigen , und rief einen Notschrei hervor, dem Folge gegeben werden musste. Aus eigener Initiative des Ministers wurde in diesem Jahre eine Frage geregelt , welche schon seit langer Zeit auf der Tagesordnung gestanden hatte , die Abschaffung der Artillerie - Pontonniere und die Übertragung des Brückendienstes auf die Genie-Truppen, womit eine Reorganisation und Verstärkung der Feld -Artillerie und eine Umformung der Genie-Truppen verbunden wurde. Die Vorbereitungen zur Bildung eines zweiten Armee-Korps in der VI. Region haben weitere Fortschritte gemacht, welche sich an die Reorganisation der Artillerie anschlossen. Die günstigeren Ergebnisse der Rekrutirung in 1893 und 1894 (auf erstere konnten wir in unserer früheren Arbeit noch hinweisen) haben nicht , wie erwartet werden musste , eine nennenswerte Vermehrung der Friedensstärke im Gefolge , wohl aber eine ausgedehntere Anwendung der verkürzten Dienstzeit , indem der KriegsMinister die im Gesetz von 1889 vorgesehene Teilung des Kontingents zur Anwendung brachte und sogar mit rückwirkender Kraft , indem er auch bei den bereits eingestellten Kontingenten eine zweite Portion aussonderte , die zur vorzeitigen Entlassung kommt. - An höheren Verbänden ist nur ein einziger neu geschaffen worden . Die Heranziehung von Reserve - Truppen in gröfseren Einheiten zu den HerbstÜbungen ist unterblieben , dagegen hat in 2 Regionen der Versuch einer kriegsmäfsigen Aufstellung von Reserve-Regimentern der Kavallerie stattgefunden, der einen Anhalt über den Wert derartiger Formationen liefern sollte . Dies sind im Kurzen die Punkte , auf welche sich im Folgenden unsere Darstellung zu erstrecken hat. Wir beginnen mit der Durchführung des Kadres - Gesetzes.

Nach diesem soll das bisherige be-

soldete Personal der Territorial - Armee eingehen und die Verwaltung, Ausbildung und Mobilmachung der Truppenteile derselben in die Der Übergang Hände der entsprechenden aktiven gelegt werden. sollte zum 1. Januar 1894 stattfinden. Bei der Infanterie werden den Majors der aktiven Regimenter behufs Verwaltung und Mobilmachung des Territorial-Regiments Hauptleute der Ergänzungs-Kadres zugeteilt. Die Ergänzung der Territorial - Armee bleibt nach wie vor in Händen des Rekrutirungs-Bureaus . Wegen der Ausbildung sollten besondere Bestimmungen kommen. Bei der Artillerie werden die Territorial-Regimenter den Artillerie-Stäben der Armee-Korps attachirt und werden den Stäben für die Verwaltung etc. Hauptleute II . Kl. überwiesen.

Bei den Rekrutirungs - Bureaus soll das permanente

Das französische Heerwesen in 1894.

78

Personal aus 1 Stabsoffizier ,

1 Hauptmann bestehen ,

welche hors

cadre oder pensionirt sein können ; für Friedensdauer sollen aufserdem Hauptleute der Ergänzungs-Kadres zu den Bureaus detachirt werden , je nach dem Umfang der Geschäfte 1 bis 3 pro Bureau . Dieselben sind dem Wechsel unterworfen , die höchste Dauer des Kommandos beträgt 2 Jahre. Die Besetzung der durch das Kadres- Gesetz vorgesehenen neuen Stellen sollte nach anfänglicher Absicht nur allmählich erfolgen, dabei nicht vor 1894 damit begonnen werden .

Letzterem ist nicht ent-

sprochen worden, man hat mit den Ernennungen sowohl der Generale , als der Stabsoffiziere und Hauptleute bereits im Oktober 1893 begonnen. Über die den Offizieren der Ergänzungs - Kadres in Friedenszeiten zu übertragenden Dienstverrichtungen ist seitens des KriegsMinisters unterm 27. November 1893 an die Korps - Kommandanten Verfügung ergangen. Wie erinnerlich sind die Kadres der SubdivisionsRegimenter um 1 Stabsoffizier ( Oberstlieutenant oder Major), 4 Hauptleute verstärkt , bei den Zuaven - Regimentern , Jäger - Bataillonen und den Bataillonen der leichten afrikanischen Infanterie sind solche neu geschaffen worden.

Die Verfügung hebt hervor ,

dafs

die Besetzung

der Stellen je nach den im Budget bewilligten Mitteln stattzufinden habe. Bei den 72 Regimenter

Subdivisions - Regimentern zählt 1 Oberstlieutenant ,

der

1 Major , bei den

Kadre

für

73 übrigen

2 Majors. Die Oberstlieutenants sind so verteilt, dafs aufjede Brigade 1 kommt. Per Regiment sind 8 Hauptleute , davon 4 unberitten , 4 Lieutenants .

Die Oberstlieutenants finden Verwendung als Platz-

kommandanten in Festungen und gröfseren Garnisonen , als Vorsitzende der Kriegsgerichte und als Stellvertreter der Brigade - Generale beim Ersatzgeschäft ; beim Regiment befindlich unterstützen sie den Obersten in allen Einzelheiten des Dienstes, bei der Ausbildung und bei den Truppenübungen, begleiten auch das Regiment im Falle der Mobilmachung, während das Reserve - Regiment vom Oberstlieutenant des aktiven Kadre befehligt wird. Die Majors der Kadres finden Verwendung als Platzmajors, zur Überwachung der Regimentsschulen, wie der gymnastischen Übungen, als Verwalter der Bibliotheken, Vorsitzende der Menage- und der Abnahme - Kommissionen , zur Vertretung anderer Stabsoffiziere des Sie sind verantwortlich für die theoretische und prakRegiments. tische Ausbildung derjenigen Offiziere des Kadre , welche im Mobilmachungsfall für das von ihnen zu kommandirende Bataillon des Reserve-Regiments bestimmt sind .

Ist das Regiment geteilt, so ver-

Das französische Heerwesen in 1894.

79

bleibt ein Stabsoffizier des Kadre beim Depot (der sogenannten „Partie centrale").

vom

Hinsichtlich der Hauptleute wurde schon durch eine Verfügung 16. Oktober bestimmt , dafs die Stellen der zum Stabe der

Bataillone gehörigen Kapitän - Adjutant - Majors *) ,

zu

welchen bisher

meist jüngere Hauptleute gewählt wurden, künftig mit den ältesten Hauptleuten besetzt werden sollten. Der Minister hatte dabei im Auge, dafs dieselben dann bei der Mobilmachung ohne weiteres als Bataillonsführer beim Reserve-Regiment verfügbar sein sollten , im Frieden aber als Stellvertreter der Bataillons - Chefs dienen konnten, ohne dafs Hauptleute von der Spitze der Kompagnie weggenommen zu werden brauchten ; er wollte aufserdem damit erreichen , dafs die Hauptleute der Ergänzungs-Kadres in rascherem Tempo Kompagnien erhielten. Die Maſsregel soll übrigens nur nach und nach eintreten, wenn die jetzigen Adjutant- Majors aus ihren Stellungen ausscheiden . Hinsichtlich der Hauptleute der Kadres wurde , abgesehen von den oben erwähnten Bestimmungen, verfügt, dafs 1 als Schiefshauptmann, 1 bei der Regimentsschule und den gymnastischen Übungen Verwendung finden , 1 zu auswärtigen Kommandos verfügbar sein sollte. Zum Rekrutirungs-Bureau kommen 1 bis 2 Hauptleute und 3 unterstützen den sogenannten ,,Major"**) in den Vorbereitungen zur Mobilmachung, davon 1 für das aktive , 1 für das Reserve- , 1 für das Territorial - Regiment. Bei der Einberufung des Reserve - Regiments übernehmen die

Hauptleute Kompagnien .

Ist das aktive Regiment

geteilt, so sind die 3 dem „ Major" zugeteilten Hauptleute , sowie ein verfügbarer, beim Depot. *) Adjutanten im Sinne wie in Deutschland giebt es in den Regimentern nicht. Die höheren Offiziere , vom Brigade - Kommandanten aufwärts , haben Ordonnanz-Offiziere. Der Adjutant-Major dient zum Beistand des BataillonsChefs in den Einzelheiten des Dienstes und hat im gewissen Umfange die Aufsicht über die Unteroffiziere. Einer der drei Adjutant-Majors des Regiments hat die Ausbildung der Spielleute zu überwachen . Im Wochendienst der Bataillons-Chefs haben sie diese abwechselnd zu unterstützen. Die Adjutanten der Kompagnien sind die ältesten Unteroffiziere und haben eine ähnliche Bestimmung wie unsere Vize-Feldwebel. Die aus denselben früher ausgewählten Bataillons-Adjutanten sind abgeschafft. Kavallerie und Genie haben die Adjutant - Majors nicht. Die Bezeichnung „Aides de camp " ist mit dem Fall der Monarchie ganz aufser Gebrauch gekommen. **) Der Major" ist der mit Überwachung und Kontrolle aller Zweige der Verwaltung und Rechnungslegung des Regiments betraute Stabsoffizier ; bei den selbstständigen Bataillonen existirt an seiner Stelle der Kapitän-Major. Er ist spezieller Vorgesetzter der Rechnungsoffiziere des Unterstabes und der Handwerker-Abteilung (Section hors rang). Beim detachirten Regiment befehligt er das Depot, falls sich nicht dabei ein älterer Stabsoffizier als er selber befindet. Der Major ist meist ein jüngerer Stabsoffizier und bleibt auch im Kriege beim Stab des Regiments neben dem Oberst und Oberstlieutenant.

Das französische Heerwesen in 1894.

80

Die 4 Lieutenants des Kadre werden vom Obersten wie bisher verwendet. Der Ergänzungs-Kadre der Zuaven-Regimenter umfafst 2 Majors, 8 Hauptleute, 6 Lieutenants. 2 bis 3 Hauptleute sind beim Depot, um bei der Mobilmachung des Regiments und der Territorial-Bataillone den Major zu unterstützen . Einige können zur Dienstleistung bei den arabischen Bureaus *) detachirt werden. Der Rest des Kadre wird vom

Korps - Kommandanten

zwischen

dem

Hauptkörper

des

Regiments und den detachirten Teilen verteilt, möglichst mit Berücksichtigung der für die Infanterie ausgesprochenen Grundsätze. Bei den Bataillonen der Jäger und afrikanischen leichten Infanterie ist der Hauptmann des Kadre mit dem Schiefsdienst und der Leitung der Schulen betraut, der Lieutenant unterstützt den KapitänMajor bei der Vorbereitung der Mobilmachung für das aktive, Reserveund, wo es besteht, das Territorial- Bataillon . Bei den Artillerie - Regimentern haben von den 3 neu hinzugetretenen Hauptleuten 2 als Adjutant- Majors, 1 als Park - Direktor Verwendung gefunden .

Bisher wurde der Dienst der ersteren durch

2 Hauptleute II. Kl. der Batterien versehen. Entsprechend ist die Einrichtung noch bei den Fufs- Artillerie-Bataillonen (1 capitaine ffons d'adjudant-major, ffons bedeutet faisant fonctions ). Dem Namen nach ist damit wenigstens eine Verwendung der im Interesse der Reserve - Armee geschaffenen namentlich der Infanterie , gefunden worden.

zahlreichen Offiziere, Ein grofser Nachteil

bleibt es aber , dafs die jüngeren Hauptleute eine Reihe von Jahren ohne ein Truppenkommando bleiben, mithin ohne Diensterfahrung als Kompagnie-Kommandanten zum Reserve-Regiment kommen. Für die ältesten Hauptleute bietet die Stellung als Adjutant- Majors der Bataillone ebensowenig ein genügendes Wirkungsfeld . Der momentane Aufschwung im Avanzement durch die neuen Stellen ist in seinen Folgen bald verwischt, und die ungünstigen Beförderungs- Verhältnisse der Infanterie kehren wieder. Beim Oktober-Avanzement 1893 waren die zu Majors beförderten Hauptleute 15 Jahre und länger in letzterer Stellung gewesen . In mittelbarem Zusammenhange mit dem Kadres- Gesetz steht die Vermehrung der Kompagnien - Zahl bei den noch zu 4 Kompagnien *) In jeder Militär- Division Algeriens ist eine Direktion der arabischen Angelegenheiten , in jeder Subdivision ist ein arabisches Bureau , deren Personal insgesammt aus 5 Majors, 70 Hauptleuten hors cadres und einer wechselnden Zahl abkommandirter Lieutenants besteht. Ihnen liegt die innere Verwaltung der noch nicht kolonisirten Territorien ob. Wo letzteres der Fall, tritt die bürgerliche Verwaltung in Kraft, wie im algerischen Tell.

Das französische Heerwesen in 1894.

81

Dieselbe war Jäger - Bataillonen auf 6 Kompagnien. Aussicht gein 1888 Dezember 24. bereits durch das Gesetz vom nommen. Zunächst kam dieselbe bei den 12 Bataillonen der XIV.

formirten

und XV. Region (6 , 7 , 11 bis 14 , 22 bis 24 , 27 , 28, 30) mit deren Umwandlung in Gebirgs-Jäger-Bataillone mit eigenem Etat zur Ausführung. Bis 1890 folgte dann noch die Verstärkung von 5 Bataillonen der VI. Region , und zwar des 2. in Lunéville , des 4. in St. Nicolas de Port , des 10. in St. Dié, des 15. in Remiremont , des 17. in Es folgten dann unterm 12. Dezember 1893 das Rambervillers . 3. Bataillon in Besançon (jetzt St. Dié), das 5. in Remiremont (früher Dijon), das 18. in Stenay (früher Courbevoie ) das 19. in Troyes, unterm 16. März 1894 das 1. in Verdun , das 9. in Longwy, das 20. in Baccarat, das 25. und 26. in St. Mihiel , Ende August das 16. in Lille, das 29. in Vincennes . Zu 4 Kompagnien sind noch das 8. in Amiens und 21. in Montbéliard . In der VI . Region stehen jetzt im Ganzen 14 Jäger-Bataillone zu 6 Kompagnien, insgesammt 84 Kompagnien , der Stärke von 7 Infanterie - Regimentern entsprechend . Dieselben sind , wie folgt, eingeteilt : 80. Infanterie-Brigade : 25. , 26. , 1. Vogesen-Brigade 5. , 15. , 19. , 2. Vogesen-Brigade : 3. , 10. , 17. , Brigade von St. Nicolas : 2. , 4. , 20. Letztere Brigade wurde Ende Mai 1894 in St. Nicolas de Port aufgestellt und zählt noch das 153. Infant.- Regiment (es ist dies die früher beabsichtigte Division der Meurthe). Attachirt der 23. Inf.Brigade ist das 9. und 18. , der 24. das 1. Jäger- Bataillon. Die im ersten Entwurf des Kadres - Gesetzes beabsichtigte Aufstellung eines 31. und 32. Jäger -Bataillons ist nicht in das endgültige Gesetz übergegangen . Unter dem 23. März 1894 erschien ein kriegsministerielles Reglement betreffend Ergänzung, Verteilung, Ausbildung, Verwaltung und Inspizirung der Offiziere der Reserve und der TerritorialArmee , sowie ein Dekret betreffend die Regelung der Beförderung derselben. Die bereits bestehenden Bestimmungen haben darin Berücksichtigung gefunden . Eine der wesentlichsten Neuerungen bilden die Instruktionsschulen , durch welche den Offizieren Gelegenheit gegeben werden soll , sich zu den Funktionen , welche sie während der Übungsperioden zu erfüllen haben , vorzubereiten ; die Schulen sollen ferner die Ausbildung der Offiziere dauernd fördern und den Korpsgeist in ihnen unterhalten , indem dieselben in häufige Beziehung zu den Truppenkommandeuren treten, unter deren Befehl sie im Frieden Die Idee der Schulen rührt vom und Kriege zu dienen haben. früheren Kriegsminister General Loizillon her, der als kommandirender General des I. Armee-Korps in Lille eine Spezialschule für ReserveJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1. 6

Das französische Heerwesen in 1894.

82

und Territorial-Offiziere ins Leben gerufen hatte.

Der Kriegsminister

de Freycinet hatte den Gedanken aufgenommen und durch Rundschreiben empfohlen .

So entstanden die Subdivionsschulen , in welchen

unter Leitung des Oberstlieutenants durch Vorträge und praktische Übungen im Feldienst auf die bessere Ausbildung der Offiziere hingearbeitet wurde. Das Reglement hat die Einrichtung nun verallgemeinert.

Es sind eine Art Sonntagsschulen, in welchen während

der Winterperiode ( vom 1. November bis 1. April) theoretischer Unterricht erteilt wird, woran sich bis 1. August praktische Übungen reihen.

Ein Zwang kann hierin nicht ausgeübt werden und bilden

namentlich bei den Spezialwaffen , für welche nur an wenigen Orten der Region Schulen möglich sind, die Entfernungen vom Wohnort der Schüler ein Hindernifs, welches die Durchführung der Mafsregel einschränkt. Den Hauptnutzen werden sie denjenigen Offizieren bringen , welche in der unmittelbaren Nähe der Stabsquartiere ihren Wohnsitz haben. Das Reglement vom 23. März beschäftigt sich im Titel I. mit der Zulassung zum Grade des Unterlieutenants der Reserve und der Territorial-Armee. Die ersteren gehen hervor aus den Unteroffizieren, welche 3 Jahre aktiv gedient haben , aus den Dispensirten der 3 bekannten Kategorien mit einjähriger Dienstzeit, endlich aus früheren Einjährig-Freiwilligen (anciens engagés conditionnels ) , die letzteren aus den Unteroffizieren und früheren Einjährig - Freiwilligen der Territorial-Armee und aus Unteroffizieren der aktiven Armee, welche nach 15jähriger Dienstzeit den Abschied genommen haben, selbstredend auch aus den zur Territorial-Armee übertretenden Offizieren der ReWesentlich Neues enthalten die Bestimmungen nicht und serve. können wir darin auf VI. der früheren Arbeit verweisen.

Unter-

lieutenants der Reserve etc. gehen auch nach wie vor aus früheren aktiven Offizieren, sowie aus den Zöglingen gewisser Hochschulen hervor. Der Titel II. regelt die Zuteilung der Offiziere zu den verschiedenen Truppenteilen und Dienstzweigen . In der Hauptsache entscheidet hier

der Wohnort

der Betreffenden ,

so

kommen

die

Reserve-Offiziere der Subdivisions -Regimenter der Infanterie in erster Linie zu den Regimentern, in deren Bezirk ihr dauernder Aufenthaltsort liegt, diejenigen der Regional- Regimenter und Jäger-Bataillone zu den Truppenteilen, in deren Reserve-Bezirk jener Ort sich befindet. Der wichtigste Teil ist Titel III : die Ausbildung der Offiziere. Der Grundgedanke ,

von dem das Reglement ausgeht , ist die grofse

Abhängigkeit des Zusammenhalts der Reserve - Formationen von dem Werte der Offiziere des Beurlaubtenstandes. Die Ausbildung dieser Offiziere soll den Gegenstand unausgesetzter Sorge der Chefs der

Das französische Heerwesen in 1894.

83

Truppenteile und Dienstzweige , sowie der Generale bilden und soll sich diese Thätigkeit nicht auf die Übungs - Perioden beschränken, Insbesondere soll jede sondern das ganze Jahr hindurch dauern . Gelegenheit benutzt werden ,

um die beurlaubten Offiziere mit den-

jenigen der aktiven Armee in Berührung zu bringen und die Gefühle des Vertrauens und der Interessen - Gemeinschaft in ihnen zu entwickeln, welche alle Offiziere einer Waffe verbinden soll. Die Mittel zur Ausbildung sind folgende : 1. die periodischen Einberufungen , 2. die pflichtmäfsigen und 3. die freiwilligen Dienstleistungen, 4. die Instruktionsschulen , Manöver ,

welchen

die

5. die Exerzir - Übungen und

Offiziere beizuwohnen bevollmächtigt

sind .

Die Reserve-Offiziere werden alle zwei Jahre zu einer Übungs- Periode von 28 Tagen , die Territorial - Offiziere eben so oft zu einer solchen . von 14 Tagen einberufen. Im Allgemeinen fallen die Einberufungen mit denjenigen der betreffenden Truppenteile zusammen. Den Offizieren, welche sich während der Perioden als ungenügend ausgebildet erwiesen haben, können zwangsweise Dienstleistungen auferlegt werden. Die freiwilligen Dienstleistungen zerfallen in solche mit und solche ohne Kompetenzen , erstere dauern einen Monat bezw. 14 Tage , letztere finden in den Grenzen von 8 Tagen bis zu 3 Monaten statt. Die Instruktionsschulen sind den entsprechenden Truppenteilen

und Dienstzweigen

der aktiven Armee attachirt.

Für Infanterie ,

Zollwächter und Forstjäger besteht in jeder Subdivision eine Schule, für die andern Waffen eine oder mehrere in der Region , dasselbe gilt für die Dienstzweige. Für das Sanitäts- Personal trifft der Chefarzt des Korps die speziellen Maſsnahmen. Veterinär- Offiziere besuchen die Schulen der Kavallerie . Je nach den Garnison-Verhältnissen und der Zahl der Offiziere können auch Zweigschulen errichtet werden. Die Infanterieschulen umfassen

an Lehr- Personal den Oberst-

lieutenant des betreffenden Reserve - Regiments als Direktor ,

einen

Major als Beistand , bezw. Vertreter , eine veränderliche Zahl von Hauptleuten und Lieutenants als Instruktoren. richt umfafst Zugs- und Kompagnieschule ,

Der praktische Unter-

sowie Anwendungen des

Felddienstes. Einige Sitzungen können der Bataillons-Schule und dem Skelett - Exerzieren gewidmet werden . Der Schiefs - Unterricht, theoretisch wie praktisch, soll sich hieran schliefsen, sofern das praktische Schiefsen nicht mit der Wirksamkeit der Schiefsgesellschaften kollidirt. Bei der Kavallerie sind dem Oberstlieutenant als Direktor der Schule ein Kapitän und einige Lieutenants als Lehrer beigegeben. Jede Schule ist einem Regiment attachirt. In der Winterperiode können, wenn möglich, Reitkurse in der Bahn angeschlossen werden . 6*

Das französische Heerwesen in 1894.

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Im Sommer soll den Offizieren Gelegenheit gegeben werden ,

an den

Regiments-Übungen Teil zu nehmen . Die Zahl der Pferde für jede Schule bestimmt der Brigade-General . Bei der Artillerie ist jede Schule gleichfalls einem Regiment attachirt. Der Oberstlieutenant als Direktor hat einen Stabsoffizier zur Seite , eine veränderliche Zahl von Kapitänen und Lieutenants Entsprechende Anordnungen gelten für fungiren als Instruktoren. Genie, Train und Dienstzweige. Die zu dem praktischen Teil des Unterrichts notwendigen Truppen stellt der Waffen-Kommandant der Schule zur Verfügung. Im Kriege berittene Offiziere sind möglichst mit Reitpferden zu versehen. Die Offiziere erscheinen bei den Übungen in Uniform , den Vorträgen können sie auch in bürgerlicher Kleidung folgen. Besondere Bestimmungen sind für die Teilnahme oder Beiwohnung an Exerzir - Übungen , Manövern und Vorträgen in den Garnisonen erlassen ; wenn angänglich erhalten die Offiziere bei den ersteren ein Kommando. Tit. IV. Verwaltung und V. Inspizirungen übergehen wir . Nach den Bestimmungen über Beförderung können Offiziere der Reserve bis

einschliefslich des Hauptmanns - Grades avanziren.

Die Beförderung geschieht lediglich nach Wahl *). Unterlieutenants können nur dann zu Lieutenants befördert werden, wenn sie 4 Dienstjahre in ihrem Grade und innerhalb derselben 2 Dienstleistungen von 4 Wochen aufzuweisen haben . Zum Hauptmann mufs ein Lieutenant sechs Jahre in seiner Charge sein und 3 Dienstleistungen von 4 Wochen absolvirt haben. Im Kriege ist das Avanzement demjenigen der aktiven Offiziere gleich.

Die Lieutenants der Reserve und Territorial-

Armee können nur dann zu Hauptleuten in letzterer ernannt werden, *) Das Avanzement der Armee unterliegt im Allgemeinen noch den Bestimmungen des Gesetzes vom 14. April 1832 und der Ordonnanz vom 16. März 1838. Man unterscheidet Beförderung nach Wahl und nach dem Dienstalter. Für erstere werden alljährlich durch besondere Kommissionen ( Waffen- Kommissionen für die niederen , Obere Klassifizirungs-Kommissionen für die oberen Grade) die Avanzements -Listen (tableaux d'avancement) aufgestellt. Der Minister kann aus diesen beliebig vorschlagen , ohne sich an die Reihenfolge der Kommissionen zu binden. Zum Divisions - General entscheidet lediglich der Oberkriegsrat, der auch die Prüfung der Listen für die zu Brigade-Generalen vorgeschlagenen Obersten übernimmt. Vom Unterlieutenant zum Lieutenant ist das Avanzement an das Dienstalter gebunden. Zum Hauptmann erfolgen zwei Drittel der Ernennungen , zum Major die Hälfte der Ernennungen nach dem Dienstalter , der Rest nach Wahl , es wird hier ein gewisser Wechsel inne gehalten. Für die höheren Grade erfolgt die Beförderung nur nach Wahl. Im Frieden ist für jede Charge eine gewisse Dauer des Verweilens in derselben vorgeschrieben. Ein Übergangenwerden zu einem höheren Grade oder Kommando ist keine Veranlassung, den Abschied zu nehmen.

Das französische Heerwesen in 1894.

85

wenn sie 6 Jahre in der Charge waren und 3 Dienstleistungen in der Die Kapitäns der einen oder andern Kategorie aufzuweisen haben.

Territorial-Armee können zu Stabsoffizieren befördert werden , wenn sie 6 Jahre in der Charge waren und 3 Übungsperioden in diesem Zeitraum absolvirt haben. Über die Offiziere der Reserve und Territorial-Armee werden ähnlich wie über diejenigen der aktiven. Armee Avanzements - Tableaus aufgestellt . Auch die Offiziere der Territorial-Armee avanziren nur nach Wahl. Zu dem Reglement vom 23. März sind unterm 11. April noch Ausführungsbestimmungen erlassen worden , auf welche hier nicht weiter eingegangen werden kann. Im Laufe des Monats Oktober hat die probeweise Aufstellung von 2 Reserve - Kavallerie - Regimentern , des 45. DragonerRegiments in Compiègne und des 61. Jäger - Regiments in Limoges, Die Ausführung hat einen ganz kriegsmässigen stattgefunden. Charakter gehabt. Die Regimenter konnten , nachdem sie kurze Zeit auf den Detaildienst verwandt, zu feldmässigen Übungen ausrücken und gilt der Versuch nach den bekannt gewordenen Urteilen als wohlgelungen. Der Gesetz - Entwurf über die Pontonniere , welcher im März 1894 eingebracht wurde, bestimmte, dafs die beiden Regimenter der Artillerie - Pontonniere eingehen sollten. Neu errichtet werden sollen 2 Artillerie- Regimenter und 28 fahrende Batterien. Beim Genie werden die aufgestellt.

Stäbe von 2 Regimentern und 2 Fahrer - Kompagnien Das Personal der neuen Formationen wird zunächst

durch Verwendung der Chargen und Mannschaften der PontonnierRegimenter sich regeln , Lieutenantsstellen können nach Bedarf neu kreirt , Hauptleute und Stabsoffiziere sollen den Stäben der beiden Waffen entnommen werden. Nach einem beigegebenen Tableau sollen dem

Gesetz

vom 25. Juli

1893

entsprechend

im

Ganzen

108 Fufs-Batterien sein ( 12 sind noch nicht formirt) , die Verteilung derselben auf die Bataillone soll der Minister nach den Anforderungen des Dienstes regeln. Reitende Batterien sind wie bisher 57 , Bergbatterien 12. Die Zahl der fahrenden Batterien kommt auf 427. Hierzu kommen die 16 Batterien für Afrika wie bisher. Die Zahl der Batterien jeder Kategorie (Fufs-, fahrende, reitende, Berg-) kann der Minister modifiziren, doch darf die festgestellte Gesammtzahl der Einheiten, wie der Gesammt - Etat an Offizieren , Unteroffizieren, Mannschaften und Pferden nicht überschritten werden . Die Bestimmung der Zahl der Batterien in den Regimentern regelt der Minister gleichfalls nach den örtlichen Verhältnissen .

Übersteigt

die Zahl der

Batterien in einem Bataillon 6 , so kann dasselbe von einem Oberst-

Das französische Heerwesen in 1894.

86

lieutenant befehligt werden , dem 1 oder 2 Stabsoffiziere beigegeben sind. Die überschüssigen Offiziere sind dem Artillerie-Stab zu entnehmen.

Auch die Verteilung der Genie-Bataillone auf die Regimenter

bleibt dem Minister anheimgestellt. Während der Übergangszeit können die Offiziere der Pontonniere zum Genie , Genie - Offiziere zur Artillerie

übertreten ,

doch müssen

die

Zahlen

in

den

einzelnen

Chargen sich gegenseitig decken . In den Motiven ist hervorgehoben, dafs bereits 1887 ein ähnlicher Gesetzentwurf vorgelegen hat , der zwar 1888 von der Kammer etwas verändert angenommen , dessen Prüfung im Senat aber vertagt wurde .

Die seit 1888

angestellten

Studien haben ergeben , dafs die Genie-Waffe den Brückendienst mit übernehmen kann , es also möglich ist , die beiden Pontonnier- Regimenter abzuschaffen. Andererseits ist es eine Notwendigkeit der Mobilmachung der Artillerie

zu Hülfe

ernsten Schwierigkeiten unterliegt .

zu kommen ,

die

zur Zeit

Es sei unerlässlich , zur Abhülfe

28 neue Batterien und 2 neue Regimenter zu schaffen .

Eine gewisse

Zahl von Batterien ist jetzt von ihren Stäben getrennt , man müsse sie daher an Truppenteile anschliefsen , welche weniger weit entfernt sind und in derselben Region wie die Batterien stehen. Daher müsse man auch dem Minister die Befugnifs einräumen, die Zusammensetzung der Regimenter etc. nach den Bedürfnissen zu bestimmen, ebenso beim Genie die Zahl der Bataillone im Regiment. Für das Genie seien nur Stäbe und Fahrer-Kompagnien nötig , um die bestehenden Bataillone günstiger für ihre Ausbildung und Mobilmachung zu gruppiren. Die Kosten für die neuen Batterien erregten einigen Anstofs,

wie überhaupt der Entwurf in der Presse vielfach abfälliger BeDer „Avenir militaire" sprach von einer „ Organisation auf dem Papiere " und forderte eine Vermehrung der GenieBataillone. Die Vermehrung der Batterien habe mit dem Brückendienst urteilung begegnete .

garnichts zu schaffen. Der Minister nahm , um die Kosten zu verringern, jeder bestehenden Batterie 1 Pferd weg (das Reitpferd des brigadier - fourrier) und beschlofs aufserdem die Umwandlung von 7 reitenden Batterien in fahrende. Indem die Kavallerie - Divisionen künftig statt der Gruppe von 3 nur eine solche von 2 reitenden Batterien zählen sollten , werden diese Batterien als entbehrlich hingestellt. Später beliefs man es bei der Umwandlung von 5 Batterien , doch unter dem Vorbehalt , bei veränderten Dispositionen in den Nachbarstaaten oder bei ausreichenden Budgetmitteln dieselben wiederherzustellen. Unter dem 2. Juni wurde die Vorlage mit ganz geringen Abänderungen von der Kammer und bald darauf vom Senat angenommen.

Das Gesetz über die Organisation der Artillerie.

Das französische Heerwesen in 1894.

87

und des Genies wurde unterm 29. Juni 1894 vom neuerwählten Präsidenten der Republik Casimir Périer als eine seiner ersten Amtshandlungen vollzogen . Die beiden Regimenter Artillerie- Pontonniere gehen ein und werden ihre Fahnen im Invalidenhause aufbewahrt. Der Brückendienst wird fortan durch das Genie versehen. 2 neue Genie-Regimenter werden errichtet, ferner 2 neue Artillerie-Regimenter und 28 fahrende Batterien . Eine beigegebene Tabelle bestimmt die Zahl der Batterien wie folgt : 108 Fufs- , 57 reitende , 427 fahrende, 12 Berg-Batterien, 16 aufserhalb Frankreichs (davon 4 Fufs-, 4 fahrende , 8 Berg-). Der Präsident der Republik kann durch Dekret die Zahl der Batterien in den 4 Kategorien verändern, wenn nur die Gesammtzahl bleibt, ebenso kann er nach den Erfordernissen des Dienstes die Verteilung der Batterien auf die Regimenter und Bataillone regeln. Das Weitere betrifft Übergangsbestimmungen . Der Artilleriestab wird von lieutenants,

310 auf 300 Offiziere reduzirt (37 Obersten, 99 Majors statt 105 ,

108 Hauptleute statt

56 Oberst112 ).

Die

abgegebenen Offiziere treten zu den Truppen. Die Zahl der Batterien in den einzelnen Kategorien und die Verteilung auf die Regimenter wurde durch präsi'dentielles Dekret vom 4. Juli 1894 bestimmt. Es bestehen danach in Frankreich 421 fahrende ,

52 reitende , 23 Berg-Batterien .

Die Zahl der Fufs-

batterien in Frankreich ( 108 nach Aufstellung des 17. und 18. Bataillons) wie der detachirten Batterien bleibt unverändert. Die beiden neuen Regimenter tragen die Nummern 39 und 40. Die Stäbe derselben haben die normale Zusammensetzung. am 1. Oktober 1894.

Die Aufstellung erfolgt

Ausführungsbestimmungen für die neuen Bat-

terien und den Übergang folgen noch.

Auf die künftige Verteilung

in den Regimentern und Regionen kommen wir unten . Unter demselben Tage erschien das Dekret über die Reorganisation des Genies.

Die beiden neuen Regimenter erhalten

die Nummern 6 und 7 ; der Stab hat die Zusammensetzung nach dem Kadres-Gesetz vom 13. März 1875.

Jedes der beiden Regimenter

erhält eine Fahrer- Kompagnie. Vom 1. Oktober ab erfolgt die Zuteilung der Bataillone zu den Regimentern wie folgt : Versailles. 1. Regiment 4., 5. , 6. Bataillon lon Batail 18. 2. 17., 16., Montpellier. "1

1., 2., 3. Bataillon Arras. Grenoble. lon 7., 8. , 14. Batail " lon Angers. 9., 10. , 11. Batail 6. 12. , 13., 15. , 19. Bataillon - Avignon. 7. 97 Das 5. Regiment als Eisenbahnregiment bleibt wie bisher (20. bis 22. Bataillon ) - Versailles.

3.

4.

"7

88

Das französische Heerwesen in 1994.

Bereits unterm 24. März 1894 war die Verteilung der Artillerie im

VI. Armeekorps

auf zwei

Artillerie - Brigaden

statt

einer

einzigen verfügt worden . Die Brigade-Generale sollten die Bezeichnung als Kommandanten des nördlichen bezw. des südlichen Sektors des VI . Korps führen . Dem ersteren wurde die Artillerie der 39. und 40. Infanterie-Division , der 4. Kavallerie - Division, sowie der Festungen Verdun , Reims , Mezières , dem letzteren die Artillerie der 11. , 12. Infanterie-Division , diejenige des VI . Korps, der VogesenDivision , der 2. und 3. Kavallerie-Division , der Festungen Toul und Epinal , sowie der Train unterstellt. Im nördlichen Sektor handelt es sich um 15 Batterien, 3 Bataillone , im südlichen um 33 Batterien, 2 Bataillone und 1 detachirte Fufsbatterie. Das Territorial-Regiment sollte bis auf weiteres dem älteren der beiden Kommandanten unterstellt sein. - Diese Anordnung war eine weitere Vorbereitung zur Aufstellung eines zweiten Korps in der VI. Region. Mit dem Dekret vom 4. Juli

1894 hat die bisherige Gleich-

mäfsigkeit in der Zusammensetzung der Regimenter nach der Bestimmung als Divisions- oder Korps -Artillerie aufgehört . Die unterm 2. August erlassene ministerielle Instruktion über die Ausführung des Gesetzes vom 29. Juni und des Dekrets

vom 4. Juli

läfst erkennen, wie eingehend die neue Formation vorbereitet war. Nur 21 Batterien haben ihren Standort zu wechseln.

27 fahrende,

1 Bergbatterie werden neu errichtet , 5 reitende , 2 Bergbatterien in fahrende, 1 fahrende in eine Bergbatterie umgewandelt, 42 Batterien gehen ohne Garnisonwechsel an andere Regimenter über , 23 ändern ihre Nummern im Regiment (vergl. Rev. du Cercle milit . Nr. 33). Wenn bisher nach dem Gesetz vom 28. Dezember 1888 nur 12 Bergbatterien bestehen sollten, die Zahl aber jetzt ohne einen Überschufs an Neuformationen 23 beträgt , so liefert dies den Beweis , dafs 11 Man hat weitere schon früherhin statt fahrender bestanden haben. zu unterscheiden zwischen Alpenbatterien (batteries alpines) und Bergbatterien (batteries de montagne) *). Die ersteren in der Zahl von 12 sind durch das ältere Gesetz geschaffen und gehören jetzt 7 dem 2. Regiment in der XIV. und 5 dem 19. Regiment in der XV. Region an, beides Divisions-Regimenter , ersteres hat aufserdem noch 5 , letzteres 3 Bergbatterien, während 2 solcher dem 8. Regiment in der VI. Region, 1 dem 38. Regiment (Korps-) in der XV. Region *) Nach einem Artikel des „,Temps" vom 16. Oktober giebt es auch 80 mm fahrende Batterien für die Alpenregion , welche besondere Vorrichtungen mitführen, um ihre Geschütze in schwierige Positionen bringen zu können . Das 80 mm Kaliber war bisher nur für die reitenden Batterien bestimmt, in erleichterter Form ist es bei den Bergbatterien vertreten .

Das französische Heerwesen in 1894.

89

Die Batterien aufserhalb Europas sind dem 12. und angehören. Die 27 Revue d'ar13. Regiment der 19. Artillerie-Brigade zugeteilt. tillerie" , November 1894 , hat die Zusammensetzung der Regimenter am

15. November

Stellenbesetzung

mit

veröffentlicht ,

dabei

die

12 Alpenbatterien und die detachirten Batterien unberücksichtigt gelassen.

Indem wir diese beiden Kategorien gleichfalls aufser Acht

lassen, geben wir im Folgenden ein kurzes Bild der Verteilung der Batterien auf die Regimenter bezw. Regionen . Die VI. Region zählt jetzt 4 Regimenter, das 8. mit 9 fahrenden, 2 Berg-, 2 reitenden Batterien, das 25. mit 11 fahrenden, 4 reitenden , das neue 39. mit 9 fahrenden , 3 reitenden Batterien.

das neue 40.

mit

12 fahrenden ,

Die Gruppe der reitenden Batterien des 8. Re-

giments gehört zur 2. Kavallerie - Division (Lunéville), vom

25. die

eine Gruppe zur 3. Kavallerie - Division (Chalons s./M . ) , die andere als Korps-Artillerie, vom 40. eine Gruppe von 2 Batterien zur 4. Kavallerie-Division (Sedan),

1 Batterie zur 6. Kavallerie- Brigade (bis).

Die 2 Bergbatterien des 8. Regiments gehören zur Vogesen - Division. Nach einer Verfügung vom 5. September soll der Nordsektor künftig die Subdivisionen Chalons s./M. ,

Reims , Mezières , Verdun, der Süd-

sektor Nancy, Toul, Neufchateau, Troyes umfassen, zum ersteren gehört also das 25. Regiment in Chalons s./M. mit 2 fahrenden Gruppen à 3 als Korps-Artillerie, 5 fahrenden Batterien als verfügbar und das 40. Regiment in St. Mihiel mit 2 fahrenden Gruppen für die 39. und 2 für die 40. Infanterie-Division, zum letzteren das 39. Regiment in Toul mit 2 fahrenden Gruppen für die

12. Infanterie-Division und

1 Gruppe für Toul , sowie das 8. Regiment mit 1 fahrenden (à 3) und 1 Berg-Gruppe (à 2) für die Vogesen - Division , Gruppen für die 11. Infanterie-Division.

2 fahrenden

In der XIV . Region ist das 2. Regiment mit 7 fahrenden, 5 Bergbatterien, das 6. mit 12 fahrenden, 2 reitenden Batterien, letztere für die 6. Kavallerie- Division in Lyon , in der XV. Region das

19. Re-

giment mit 8 fahrenden , 3 Berg- , das 38. mit 7 fahrenden , 1 Berg-, 2 reitenden Batterien (1 fahrende , 1 Bergbatterie in Bastia). Die 19. Brigade (Vincennes) hat das 12. Regiment mit 10 fahrenden, 2 reitenden , das 13. mit 8 fahrenden , 3 reitenden (von letzteren 1 Gruppe à 2 in Paris für die 1. Kavallerie-Division) . hat das 30. Regiment mit

12 fahrenden ,

Die V. Region

das 32. mit 12 fahrenden,

4 reitenden Batterien (von letzteren 1 Gruppe à 2 in Fontainebleau für die 5. Kavallerie-Division in Reims) . Für die noch unvollständige 7. Kavallerie-Division in Melun ist noch keine Artillerie abgeteilt . Ganz gleichmäfsig ist die Zusammensetzung der beiden Regimenter der Brigaden in der I. bis III. ,

VIII . , X. , XII . , XIII . , XVI . Region,

Das französische Heerwesen in 1894.

90

das Divisions-Regiment mit 12 fahrenden , das Korps - Regiment mit Divisions - Regimenter mit 10 fahrenden , 2 reitenden Batterien . noch 4. , 7. , 8. , 18. Brigade , mit nur ferner die haben 12 Batterien 4 reitende Batterien hat das Korps10 die 11. und 17. Brigade. Regiment der 4. Brigade, 2 reitende sind bei den übrigen letztgenannten, 8 fahrende hat es bei der 18. , 9 bei der 4. , 10 bei der 11. und 17. , 11 bei der 7. , 12 bei der 9. Brigade.

Was die Zahl der Batterien in den Brigaden betrifft , so finden wir, von der VI. Region abgesehen , wo beide Brigaden zusammen 52 Batterien zählen , am stärksten die 14. mit 33 (inkl. Alpenbatterien), demnächst die 5. mit 28, die 9. und 15. mit 26 (letztere inkl . Alpenbatterien), die 4. und 7. mit 25. , die 1. bis 3. , 8. , 10. , 12., 13. , 16. mit 24 , die 19. mit 23 (ohne detachirte Batterien) , die 11. , 17. , 18 . mit 22 Batterien . An Feldbatterien in Europa hat Frankreich jetzt im Ganzen 496, in Afrika 12, insgesammt 508 , ist also Deutschland, das durch die letzte Heeresverstärkung auf 494 , mit Lehrbatterien auf 500 gekommen ist, um ein Geringes überlegen . Doch ist zu berücksichtigen, dafs im Kriegsfalle die afrikanischen Batterien nicht sämmtlich für Europa verfügbar sind. Die Neuformation des Genies bedingt verschiedene Verlegungen. So kamen das 9. bis 11. Bataillon als 6. Regiment von Versailles nach der neuen Garnison Angers , wo bisher das 2. Pontonnier-Regiment , das 12. und 19. von Montpellier , das 13. und 15 . von Grenoble als 7. Regiment nach Avignon , wo bisher das 1. Pontonnier- Regiment gestanden hatte. Von Arras kam das 4. Bataillon nach Versailles ,

um mit dem dortigen

5. und dem nach Toul ab-

gezweigten 6. (den einzigen in der VI . Region) das bilden.

1. Regiment zu

Unterm 15. Mai 1894 wurde im Anschlufs an die Reorganisation der Marine - Artillerie vom 8. Juli 1893 eine neue Verteilung der Offiziere des Stabes dieser Waffe , die eine Vermehrung erfahren Es kommen auf die permanente Generalhatten , angeordnet . Inspektion 2 Obersten, 2 Majors , 4 Hauptleute, die Artillerie-Brigade 1 Major, 1 Hauptmann, Laboratorium und Inspektion der Fabrikationen 1 Oberst , 2 Oberstlieutenants , giefserei Ruelle 1 Oberst, leute,

Schiefskommission Gâvre

Feuerwerksschule

1 Oberst ,

1 Oberstlieutenant ,

den 5 Artillerie - Direktionen Toulon)

3 Majors ,

18 Hauptleute ,

1 Oberstlieutenant,

2 Majors,

1 Major ,

1 Major ,

Geschütz11 Haupt-

10 Hauptleute,

6 Hauptleute ,

bei

( Cherbourg , Brest , Lorient , Rochefort,

5 Obersten , 5 Oberstlieutenants ,

9 Majors , 45 Hauptleute,

Kommissionen des Kriegsministeriums 1 Major , 1 Hauptmann.

Das französische Heerwesen in 1894.

91

Durch ein Dekret vom 21. September 1894 ist der Wirkungskreis des Generalstabs - Chefs der Marine neu geregelt worden. Unter dem einen Sous-Chef des Generalstabes der Marine stehen 3 Sektionen: die

1. betrifft das

Studium der

Seestreitkräfte

und

der Küsten-

verteidigung der fremden Mächte, die 2. die Verteidigung der Kriegshäfen und Küsten, sowie die Mobilmachung der Marinetruppen, die 3. Centralisation der Nachrichten (renseignements ) über die französische Flotte, die allgemeine Leitung der Ausbildung , Vorbereitung der Operationen zu Lande und Wasser , Mobilmachung der Flotte . Der andere Sous - Chef hat das Bureau der Flottenbewegungen und das Militär-Kabinet des Ministers . Von letzterem ist das administrative Kabinet des Ministers, geteilt in 3 Sektionen , ausgesondert und einem besonderen Chef, der unmittelbar vom Minister ressortirt , unterstellt worden.

Chef des letzteren ist der Marine-Inspekteur Le Gall ge-

worden.

An die Spitze des Generalstabs der Marine wurde der von

Siam her bekannte Vize - Admiral Edgar Humann berufen . milit. " 25. Sept. 1894.)

( „ Avenir

Unterm 4. August 1894 erschien ein Dekret über den freiwilligen Eintritt und die

Wiederverpflichtung

in

der Kolonial - Armee

auf

Grundlage des Gesetzes vom 30. Juli 1893 und früherer Bestimmungen ( Av. mil. " 10. 8. ) . Für Zulagen und Prämien ist ein Kredit von 2 Mill . Frks. vorgesehen.

Man hat namentlich die Absicht, den Ausfall

in den Stärken der Marinetruppen , welcher seit Wegfall der Aushebung für letztere enstanden ist , durch freiwilligen Übertritt aus der Landarmee zu decken . Das Mankement bei der Infanterie war mit der Entlassung des ältesten Jahrgangs auf 3000, bei der Artillerie auf 600 Mann angewachsen.

Der Aufruf, welchen der Kriegs- Minister

dieserhalb erlassen hat , ist von geringem Erfolg gewesen , es haben sich im Ganzen nur 1340 Freiwillige gemeldet, darunter 1040 für die Infanterie , der Rest für die Artillerie der Marine. Man wird also zunächst nicht im Stande sein, den Ausfall zu decken. Für den südlichen Teil der Nordafrikanischen

Besitzungen

werden unter dem Namen der Sahara - Truppen eingeborene Korps geschaffen.

Sie sollen aus Tirailleurs und aus Spahis der Sahara (tirailleurs et spahis sahariens) bestehen, erstere in Kompagnien und Bataillone , letztere in Züge (pelotons) und Eskadrons formirt sein

Zunächst gebildet.

werden 2 Kompagnien Tirailleurs und 2 Züge Spahis Die Rekrutirung soll aus Eingeborenen der betreffenden

Gegenden erfolgen, da sich die Verwendung der bisherigen Formationen dort als ungeeignet herausgestellt hat. Aus dem Schoofse der Abgeordneten-Kammer ist im Mai d . J. ein Antrag hervorgegangen ,

die

Fremden - Legion

durch Errichtung

Das französische Heerwesen in 1894.

92

eines Kavallerie-Regiments und eines Artillerie-Bataillons zu erweitern. Eine Folge ist dem Antrag bis jetzt nicht gegeben worden. Über die Rekrutirung in 1893 liegen jetzt die genaueren Ergebnisse vor. Die Klasse 1892 zählte 343 651 zur Loosung gestellte

junge Leute, mehr gegen 1891 66 226.

Ausgemustert wurden 30 536, bereits zum Dienst verpflichtet hatten sich 34 674. Es wurden ausgehoben als Dispensirte zu einjährigem Dienst 43997, zu dreijährigem Dienst 156 576 , zurückgestellt 50 373, zu Hülfsdiensten 27 620, ausgeschlossen 115 ; das eigentliche Kontingent betrug (ohne die bereits Verpflichteten) 200 573. Von den 62 524 Zurückgestellten der Klassen 1891 und 1890 wurden noch 19 216 zu 1- und 2jährigem Dienst ausgehoben . Von allen 3 Klassen waren einzustellen 219 789. Thatsächlich sind 212 700 eingestellt worden : 59 887 auf 1 , 9865 auf 2 , 142 948 auf 3 Jahre. 7177 junge Leute der Klasse 1892 und 417 von 1891 waren als Familienstützen noch zum einjährigen Kontingent getreten. Die Differenz zwischen den Einzustellenden und wirklich Ein-

gestellten entsteht hauptsächlich durch die Eingewanderten , welche ihrem Lebensalter nach direkt in die Reserve bezw. Territorial-Armee kommen .

Freiwillig eingetreten waren in 1893 32 573 , davon 19 615 in der Land-Armee (13 639 auf 4 Jahre) , 2999 bei den FlottenEquipagen, 4128 bei den Marinetruppen, 6012 bei den Fremden- und Eingeborenen - Truppen in Afrika. 4545 Kapitulationen waren in 1893 eingegangen worden , davon 3980 als Unteroffiziere (431 mehr als 1892) , 565 als Korporale und Gemeine. Als unbrauchbar entlassen wurden in 1893 12 860 Mann . Für die Aushebung von 1894 hatte der Kriegs-Minister den Aushebungs-Kommissionen zur Pflicht gemacht, es mit der Zuteilung zur Klasse der Hülfsdienste bezw. mit der Ausmusterung weniger leicht zu nehmen als bisher, mit anderen Worten, an die körperliche Brauchbarkeit einen geringeren Mafsstab anzulegen.

Im Zusammenhang

hiermit steht der grofse Mehrertrag der Aushebung von 1894 ,

über

welche

aber

zwar

noch

keine

genauen

Angaben

mindestens 50 000 Mann (gegen 1893) beträgt.

vorliegen ,

der

Bei Aufstellung des

Budget-Voranschlages für 1895 hatte man nur auf etwa 35 000 gerechnet und um ebensoviel die Präsenzstärke zu steigern beabsichtigt (28 045 Offiziere, 544 057 Mann gegen 27 820 Offiziere , 509 481 Mann in 1893 , ohne Gendarmerie). Als nach der Rekonstituirung des Kabinets Dupuy Ende Juni 1894 der Finanz -Minister Burdeau durch Poincaré ersetzt wurde und die von ersterem beabsichtigt gewesenen neuen Steuern fielen , trat plötzlich ein Streben nach Ersparungen ein, zu welchem das Kriegs-Ministerium mit 12 Millionen beizutragen hatte.

Die Vermehrung der Friedenspräsenzstärke sollte nur 6000 Mann

Das französische Heerwesen in 1894.

betragen.

93

Der Minister kam nun mit seinem Überflufs an ein-

zustellenden

Leuten in grofse Verlegenheit ,

aus der er sich nur

durch Zurückgreifen auf Artikel 39 des Gesetzes vom 15. Juli 1889 , der eine Teilung des Kontingents vorsieht, zu helfen wufste. Es war aber illegal , dafs

er bei den Jahresklassen 1891 und 1892

diese

vorzeitigen Entlassungen nachträglich vornahm, nachdem man die Ausscheidung einer 2. Portion bei der Aushebung unterlassen hatte. Durch Circular vom 1. August 1894 wurden von den 142948 Dreijährigen der Jahresklasse 1892 36 000 und aufserdem von der Jahresklasse 1891 25 000 Mann als im November 1894 zur Entlassung kommend bezeichnet.

Nachträglich wurde die Abänderung getroffen , daſs von

der Klasse 1892 zunächst nur

12 000 Mann entlassen werden ,

die

übrigen 24 000 behufs Ausbildung der Rekruten und Aufrechterhaltung des allgemeinen Dienstbetriebes bis in den April 1895 unter den Fahnen verbleiben (Rundschreiben vom 10. September). Von der Jahresklasse 1893 sind bei der Aushebung 36 000 Mann des dreijährigen Kontingents als 2. Portion bezeichnet worden. Einstellung auf drei Jahre sind nach im Ganzen 135 032 Mann gelangt .

Zur

Fr. mil. " vom 11. und 12 Nov.

Dies sind also fast 8000 Mann

weniger als 1893, doch hat man sich dabei jene 36 000 Mann der 2. Portion in Abrechnung gebracht zu denken. Die vorzeitigen Entlassungen haben seitens der Armee-Kommission der Kammer einen Sturm gegen den Kriegs - Minister hervorgerufen, der aber fest geblieben ist. Ein seltener Fall, daſs man einen KriegsMinister die ihm aufgedrungenen Verstärkungen zurückweisen sieht. Die Feststellung des Budgets für 1895 war Ende November noch nicht

erfolgt.

Wie der Kriegs-Minister in der Kammer geäuſsert,

betrug das rechnungsmäfsige Effektiv nach dem Kadres- Gesetz von 1875 440 000 Mann , nach den gegenwärtig bestehenden Einheiten aber beträgt es 508 637 Mann . Für 1895 aber soll das budgetäre Effektiv 517 000 Mann sein , d. i . um 14 000 Mann mehr als in den Jahren 1893 und 1894. zu 120 000 Mann , das

Den permanenten Teil giebt der Minister algerische Kontingent zu 3000 an. Das

gesammte Kontingent vom laufenden Jahre soll nach dem Minister 235 000 Mann betragen. Unter den Mitgliedern des Ober - Kriegsrats (vgl. die frühere Arbeit unter IX. ) entstand der erste Abgang durch den am

5. Mai

1894 erfolgten Tod des Divisions - Generals und General - Inspekteurs Ferron , der für den Kriegsfall als Kommandant der Alpenarmee in Aussicht genommen war. In seine Stelle trat am 19. Mai der DivisionsGeneral Coiffé (geb. 23. Juli 1833 , der Infanterie angehörig) , der von 1889 ab das IV. Korps befehligt hatte.

Divisions- General Davout

Das französische Heerwesen in 1894.

94

duc d'Auerstädt erreichte am 9. August 1894 die Altersgrenze ; im Ober-Kriegsrat wurde er durch Divisions- General F. de Négrier ersetzt, der am 21. September auch zum General- Inspekteur berufen wurde und das VII. Korps abgab.

Négrier,

der sich in Tonkin als

Brigade-General ausgezeichnet hat , gilt als einer der energischsten und begabtesten Führer in Frankreich. Mit dem 23. Januar 1895 steht der Rücktritt des Generals de Gallifet ,

der als Schlussleistung

die grofsen Manöver des IV.

in der Beauce geleitet

und XI . Korps

hat, mit dem 18. April 1895 derjenige des Generals de Cools bevor, die beide an den genannten Terminen die Altersgrenze erreichen. Von den 19 Armee - Korps wurden seit August 1893 13 neu besetzt : das III . Giovanninelli, das IV. Zurlinden, das V. Boussenard (vorher XIII . ) , das VII . Pierron, das VIII . Brugère, das IX. Cramezel de Kerhué (früher VIII .) , das XII . de Poilloüe de St. Mars, das XIII . Viel d'Espeuilles ,

das XIV. Voisin (früher V.) ,

Vaulgrenant, das XVI . O'Neill (früher XII.) ,

das XV. Péting de .

das XVII . Fabre ,

das

XVIII. Larchey (für Mercier , der 29. Sept. 1893 das Korps übernommen hatte).

•· VII .

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft . Ein Nachklang zur Lemberger Ausstellung.

Die im vorigen Jahre veranstaltete " galizische Landesausstellung in Lemberg " hat die Aufmerksamkeit der Bewohner Österreich-Ungarns und gewifs auch jener des Auslandes in höherem Grade

auf sich gezogen,

als

es sonst durch das schon etwas ab-

gebrauchte Anziehungsmittel der Ausstellungen bewirkt zu werden pflegt. Allerdings

war die Ausstellung über Erwarten reichhaltig und

zweckmäfsig veranstaltet und darum auch der Erfolg ein günstiger. Aber dafs dieser Erfolg nicht blos von den Polen,

sondern auch von

den fremden Besuchern unumwunden zugestanden und dafs von Galizien in den letzten Monaten mehr als sonst in zehn Jahren gesprochen wurde, mufs noch anderen Ursachen zugeschrieben werden. Die Polen haben es verstanden, sich und ihr Land bei dieser Gelegenheit in der gewinnendsten Weise zu zeigen.

Der Adel, die Städte-

vorstehungen, sowie die Vertreter des Handels und der Industrie er-

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft.

95

schöpften sich in Aufmerksamkeiten bei dem Empfange ihrer Gäste. Und dann erst die Kaiserreise und die hierbei von dem Monarchen wiederholt ausgesprochene Anerkennung des auf der Ausstellung Gebotenen ! Da war es begreiflich, dafs die von dem überraschenden Empfange günstig gestimmten auswärtigen Besucher das Ganze schöner und beachtenswerter fanden, als es vielleicht in einem anderen Lande und unter anderen Verhältnissen der Fall gewesen wäre . Der schliessliche Erfolg wäre zwar auch unter diesen veränderten Umständen nicht ausgeblieben. Hier aber wirkte noch die Überraschung durch den Anblick einer garnicht erwarteten Entwickelung des Landes mit, um diesen Erfolg gleich beim ersten Besuche zu erzielen . Es wird nicht entfernt beabsichtigt, hier eine Schilderung der Ausstellung, oder gar eine Beurteilung derselben zu bringen. Solches ist von anderen Federn geschehen . Aber es mögen einige Worte darüber gestattet sein, wodurch hauptsächlich dieser Fortschritt überhaupt und durch diesen wieder die Ausstellung ermöglicht wurde. Schon die Gestaltung der inneren politischen Verhältnisse seit 1866 war für das Land sehr günstig und man mufs gestehen, daſs dieselben von den Polen in der ausgiebigsten Weise ausgenutzt wurden. Die Polen bildeten im Reichsrate eine starke, oft den Ausschlag gebende

Partei,

die durch festes Zusammenhalten und schlaue Be-

nutzung der jeweiligen Sachlage gar Vieles für ihr Land zu erreichen verstand.

Dafs ein grofser Teil hiervon, z . B. die Errichtung mehrerer

neuen und die Erweiterung der bestehenden Lehranstalten nur aus Staatsmitteln,

also durch von den anderen Provinzen geleistete Bei-

träge bestritten werden konnte, war begreiflich, weil Galizien die Mittel dazu nicht aufbringen konnte. Auch kam dem Lande ein nicht unbedeutender Vorteil dadurch zu , dafs die rückständige Schuldquote der Grundentlastung vom Staate übernommen wurde. „ Galizien ", sagte einst ein bekannter Staatsmann,,,liefert für jetzt hauptsächlich nur Soldaten und wird noch lange passiv bleiben“. Doch waren es im Allgemeinen meist nur politische Vorteile, welche dem Lande durch die Bestrebungen der Polen selbst erworben wurden und darum auf den materiellen Aufschwung des Landes wenigstens nicht sofort einen nachhaltigen Einfluss üben konnten. Aber es wirkte noch eine andere Ursache in der ausgiebigsten Weise auf die finanzielle Hebung des Landes ein, eine Ursache , der man gewöhnlich die entgegengesetzte Folge , nämlich die Schädigung des materiellen Wohlstandes eines Landes beizumessen geneigt ist : ,,Der die Kräfte des Landes aufsaugende Militarismus “ ,,,die das Volk erdrückende Kriegsrüstung",,,die den

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft.

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Ruin der Staaten herbeiführende stete Kriegsbereitschaft“ , „ der unselige und stets neue Opfer erheischende bewaffnete Friede" oder wie die landläufigen Ansammlung

Phrasen noch lauten einer

gegen früher

mögen.

Kurz

bedeutend

es ist

die

verstärkten

Truppenmacht und alles Dasjenige , was zur Erhaltung und Förderung der Kriegsbereitschaft der in diesem Aufsenposten

Österreichs

befindlichen

Streit macht

veranlafst

werden musste, wodurch das Verkehrswesen , die Industrie und der Wohlstand wenigstens eines Teiles der Bewohner mehr als durch alles Andere vermehrt , ja erst geschaffen wurde! Zwar ist der so oft wiederholte Satz von dem ,,in ein einziges grofses Heerlager verwandelten Galizien " nicht buchstäblich zu nehmen, sowie auch „,die allerwärts angelegten und mit Geschützen gespickten Befestigungen" oder „,die endlos sich aneinander reihenden Kasernen und Magazine " bei näherer Betrachtung sich auf Dennoch ist der Truppendas unumgänglich Nötige vermindern. bestand im Lande ein weit stärkerer als je in früherer Zeit und er mufste fortwährend verstärkt werden , wollte Österreich sich nicht in der sorglosesten Weise durch den eventuellen Angriff eines mächtigen Nachbars überraschen lassen , ja diesen Angriff durch seinen ungerüsteten Zustand geradezu herausfordern .

Und Galizien, diese so

wichtige und der natürlichen Verteidigungsmittel der Grenzen fast ganz entbehrende Provinz, dieses den Karpathen vorliegende Glacis bedurfte schon aus dieser Ursache eine stärkere Besatzung als z. B. Siebenbürgen oder andere in günstigerer Lage befindliche Grenzprovinzen. Nunmehr ist die in Galizien stehende Truppenmacht so grofs, dafs das Land gegen einen Überfall gesichert erscheint und der

eventuell nötige Aufmarsch der Armee ungehindert vollführt werden Von den galizischen Regimentern standen in früherer Zeit gewöhnlich 5-7 komplete Infanterieregimenter und ebenso viele einzelne kann.

Bataillone anderer Regimenter aufser Landes, zumeist in Niederösterreich und in Bosnien. Das Gleiche galt von 5-6 Dragonerund Ulanenregimentern . Vor der Einführung des Territorialsystems war die Zahl der auswärts stehenden galizischen Truppen oft noch gröfser und waren die Artillerie, die Genietruppen und Pioniere verhältnifsmäfsig sehr schwach vertreten . Dabei hatte besonders die Infanterie einen schwächeren Präsenzstand als in dem Okkupationsgebiet und in Dalmatien .

Die Kadres der Landwehr hatten einen

ganz geringfügigen Stand. Von nichtgalizischen Truppen befanden sich höchstens zwei bis drei Husaren- oder Dragonerregimenter und etwa einige Genieabteilungen im Lande.

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft.

Es

soll hier

97

nun keineswegs die Zahl und der Standort der

gegenwärtig in Galizien stehenden Truppen (obgleich der „, Schematismus der k. u . k. Armee" hierüber den vollständigsten Aufschlufs zu geben vermag) angeführt und so die als Geheimnifs betrachtete. Ordre de Bataille enthüllt werden und es mufs daher die Bemerkung genügen,

daſs

nunmehr

sämmtliche

in

Galizien

sich

ergänzenden

Truppen im Lande stehen und denselben Stand wie die Truppen in den anderen Provinzen besitzen oder demnächst erhalten werden. nämlich Kavallerie, Aufserdem wurden noch andere Truppen , Artillerie und Pioniere aus anderen Territorialbezirken herangezogen. Weiters wurde der Stand der Kadres der Landwehr nahezu verfünffacht und wurde das Personal der Stäbe der Landwehrbrigaden und Divisionen vervollständigt . Die Zahl der Korpskommanden ist nun auf drei gestiegen (in Krakau, Przemysl und Lemberg), während ursprünglich nur eins (in Lemberg) und ein demselben untergeordnetes Militärkommando (in Krakau) bestand, wozu noch die Kommandanturen der beiden grofsen Lagerfestungen Krakau und Przemysl , dann verschiedene andere neuaufgestellte Militärbehörden und Anstalten kommen. Auch mufste das militärische Verwaltungspersonal bedeutend vermehrt Die in Galizien stehende Truppenmacht und der ganze werden. militärische Apparat ist somit erheblich vermehrt worden und übersteigt das Kontingent dieses Landes, während vordem ein beträchtlicher Teil dieses Kontingents (selbstverständlich ist hier immer nur der Friedensstand gemeint) sich in anderen österreichischen Provinzen oder im Okkupationsgebiete befand. Die zur Erhaltung dieser verstärkten Truppenzahl erforderlichen Summen bleiben im Lande, was allein schon einen nennenswerten Vorteil für die Bevölkerung, namentlich für den produzirenden und handeltreibenden Teil derselben bildet. Dafs dadurch die Preise der Lebensmittel etwas gestiegen sind, ist ebenso natürlich wie die Verminderung der Viehausfuhr. Der galizische Viehzüchter kann nun seine Ochsen im Lande verwerten und erspart den Transport derselben in andere Provinzen

oder

die Vermittelung

der

Zwischenhändler.

Doch nicht allein die Lebensmittel, auch andere Bedürfnisse der Soldaten werden, wenn es möglich ist, aus Galizien bezogen. So lassen namentlich die Monturs -Verwaltungsanstalten viele Gegenstände, besonders das Schuhwerk, zur Ersparung der Transportkosten im Lande erzeugen, was vielen Handwerkern Erwerb verschafft. Für den so sehr vermehrten Truppenstand mangelte es entweder gänzlich an Unterkünften oder es waren die vorhandenen in den meisten Fällen sowohl in Bezng auf ihre Einrichtung überhaupt als Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1. 7

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft.

98

in sanitärer Hinsicht ungenügend . Es mussten also Kasernen, Spitäler, Stallungen, Magazine oder auch Winterbaracken (welche sich seither besonders bewährt haben) erbaut werden, was aus Staatsmitteln oder auch von den Gemeinden geschah. Letztere machten dabei ein gutes Geschäft, indem sie die Kasernen an den Staat verkauften oder vermieteten und die Ortsbewohner von der Last der Einquartierung befreit wurden .

Der Bau selbst aber beschäftigte zahlreiche Geschäfts-

leute und Arbeiter, was wieder viel Geld in Umlauf setzte und woran auch der Bauer, der bisher den geringsten Gewinn an der Sache hatte, Anteil nahm . In noch höherem Grade galt Dieses von dem Ausbau der vorgedachten beiden grofsen Festungen und der an einigen anderen Orten angeordneten fortifikatorischen Anlagen . Allerdings waren hierbei Offiziere und Soldaten der Geniewaffe als Bauleiter und Aufseher kommandirt und wurden hier und da auch Mannschaften der Infanterie verwendet, aber die Masse der Handwerker und Arbeiter wurde der Zivilbevölkerung des Landes entnommen, sowie auch das Baumaterial meist aus Galizien stammte.

Schon die

Zufuhr dieses Materials aus oft ziemlich entlegenen Orten beanspruchte bedeutende Summen. ,,Wenn die Könige bauen , haben die Kärrner zu thun!" - Aber diese Zufuhr wurde durch den meist sehr mangelhaften Zustand der Wege (mit Ausnahme der grofsen Staats- und Landesstrafsen) sehr erschwert,

weshalb die Verbesserung zahlreicher

Strafsen und Brücken , ja deren Neuanlage zur Notwendigkeit wurde. Mitunter wurde diese Arbeit von den Truppen bewirkt, während andere Bauten auf Staats- oder Landeskosten oder auch von den Gemeinden ausgeführt wurden . Doch auch in letzterem Falle blieb der Hauptvorteil auf Seite des Landes , da die ausgiebige Vermehrung und Verbesserung der Wege den Verkehr erleichterte . Die Vermehrung der Truppen und die Verbesserung der Strafsen und Wege für sich allein konnten jedoch in strategischer Beziehung nicht genügen . Von zwei gegen einander rüstenden Mächten ist jene im Vorteil , welche zuerst mit der Mobilmachung und mit dem Aufmarsche ihrer Streitkräfte fertig ist. Beides kann in der heutigen Zeit

nur mit Hilfe des

Telegraphen und der Eisen-

bahnen oder der Dampfschifffahrt bewirkt werden . (Letztere ist in Galizien nicht in Rechnung zu bringen.) Der Telegraph veranlafst die Einberufung der nichtaktiven Wehrkraft und

erteilt die Befehle

für die Bewegung der Truppen. Die besten Strafsen reichen aber nicht aus , dafs die wenn auch noch so zahlreichen , aber doch in ihren gewöhnlichen Garnisonen vereinzelt stehenden Truppen ihre Ergänzungsmannschaften rasch an

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft.

99

sich ziehen und rechtzeitig die ihnen zugewiesenen Aufstellungspunkte erreichen können. Je vollkommener das Eisenbahnsystem eines Landes ist, d . h. je mehr Linien in dasselbe und gegen die Anmarschrichtung des Gegners führen, je besser die Linien untereinander verbunden sind, um desto rascher wird sich Mobilmachung und Aufmarsch vollziehen. An Telegraphenlinien war zwar kein Mangel , aber dafür sah es mit den Eisenbahnlinien in Galizien um so mifslicher aus. Die Anlage von Privateisenbahnen richtet sich in der Regel doch zuerst nach der Entwickelung des Handels und der Industrie jener Gebiete, durch welche der Schienenstrang führen soll oder nach der Wahrscheinlichkeit, dafs die Vollendung der Bahn die derzeit noch wenig entwickelte Industrie heben, den Handel beleben und den Produktenreichtum des Landes ausbeuten werde . Und da alles Dieses nicht im erwünschten Mafse der Fall war , mochte man es für genügend halten , wenn nur die drei Hauptpunkte des Landes - Krakau, Lemberg und Czernodurch Eisenbahnen verbunden und die Anschlufslinien nach witz ―― Rufsland und Rumänien weiter geführt wurden. Das mochte für die bestehenden Handelsverhältnisse , aber nicht für die Forderungen der Heeresleitung genügen. Die Truppen in Böhmen , Mähren und den anderen österreichischen Provinzen hatten , um nach Krakau und von da nach Lemberg zu gelangen, die Ferdinands- Nordbahn und die Karl-Ludwigsbahn zur Verfügung. Es war der einzige, aber nahezu auch kürzeste Weg. Aber auch die Truppen in Ungarn hatten , wollten sie nicht wochenlange Märsche über die Karpathen machen , keinen andern Schienenweg zur Benutzung . Ein in Budapest , ja in Kaschau, Temesvar oder Herrmanstadt stehendes Regiment mufste auf den ungarischen Bahnen zuerst nach Niederösterreich und von da auf den gedachten zwei Bahnen weiter befördert werden ,

um in das Innere

Galiziens oder an dessen Nordgrenze zu gelangen . Es bestand nur eine einzige nach Galizien führende Eisenbahnlinie , und diese befand sich streckenweise hart an der russischen Grenze und besafs sogar nicht überall doppelte Geleise. Zwar wurden einige Bahnen , so z. B. die Kaschau - Oderberger Bahn projektirt, aber der Bau derselben machte nur in Ungarn nennenswerte Fortschritte und stand die Vollendung voraussichtlich in weiter Ferne . Der Krach von 1873 übte wie bei anderen Projekten auch hier seinen lähmenden Einflufs . Daher war von Privatunternehmungen , ungeachtet aller Aufmunterungen , Subventionen und anderen Begünstigungen wenigstens für die nächste Zeit keine ausreichende Hilfe zu erwarten . Hier mufste der Staat eingreifen , was denn auch in der ausgiebigsten, den Privatunternehmungsgeist belebenden Weise geschah, 7*

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft .

100

so dafs Galizien sich gegenwärtig eines Schienennetzes erfreut, welches kaum von jenem einer anderen österreichischen Provinz übertroffen wird. Es begann nun der Bau der aus strategischen Rücksichten notwendigen Bahnen, welchen bald auch mehrere von Privatunternehmern gebaute Bahnen folgten, und es mufs bemerkt werden , dafs auch in Ungarn sowohl die Regierung als das Kapital sich der Sache sehr entgegenkommend zeigten . Von den strategischen und natürlich ganz auf Staatskosten gebauten Bahnen war die bedeutendste die galizische Transversalbahn ,

welcher eine Reihe ähnlicher Bahnen folgte.

Die

Karl-Ludwigsbahn erhielt durchgängig Doppelgeleise und wurde dieselbe in den Staatsbetrieb übernommen, was bei der Lemberg-Czernowitzer Bahn schon viel früher geschehen war. Dazu wurden zahlreiche Verbindungen zwischen der alten und neuen Hauptlinie und Abzweigungen nach den wichtigsten seitwärts liegenden Städten ausgeführt und von diesen wenigstens Vicinalbahnen weiter geleitet. So führen nun bereits

vier

ganz oder

nahezu

vollendete Eisen-

bahnen über die Karpathen und verbinden das ungarische und galizische Eisenbahnnetz , welches letztere durch fortwährende Neuund Zubauten immer mehr vervollständigt wird.

von

Schon der Bau aller dieser Schienenwege , zumeist galizischen Arbeitern beschäftigt

wodurch Tausende wurden und die

Lieferung des Materials , besonders des Holzes aus den grofsen galizischen Wäldern, brachten Geld in das Land, wie auch die fertigen Bahnen eine bequemere und lohnendere Verwertung der Bodenprodukte des Landes ermöglichten , wenn

auch hierdurch in erster Linie nur

die Grofsgrundbesitzer und einige Spekulanten grofsen Gewinn hatten . Aber die Sache hatte noch andere und weit gewichtigere Folgen . Auch in Rufsland wurden bekanntlich viele strategische Bahnen von oft ungeheuerer Ausdehnung gebaut. Es waren rein strategische Bahnen , welche bisher dem Lande selbst noch keinen bedeutenden Nutzen gebracht haben, da sie meist ferne auch von wichtigen Orten vorbeiführen und mit diesen durch keine Flügel- oder auch nur schmalspurige Bahnen verbunden sind.

Die Ausdehnung der von den

Bahnen durchzogenen Gebiete ist eben zu grofs und die Ortschaften sind dünn gesäet . Anders in Galizien ! Zwar wurden auch hier bei der Anlage mehrerer Bahnen vorerst nur die militärischen Rücksichten in's Auge gefafst, doch wurde das Interesse des Handels und der Industrie nicht ganz vergessen . Zudem liegen die Städte hier näher aneinander als in manchen Gebieten Rufslands, so dafs, wenn man es auch gewollt hätte, die Nichtberührung mancher Städte garnicht möglich gewesen wäre. Auch befinden sich in den meisten gröfseren Städten

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft.

101

Garnisonen und militärische Magazine und war schon deshalb eine Verbindung dieser Orte durch die Eisenbahnen geboten.

Die Ver-

bindung der entfernter gelegenen Orte von einiger Bedeutung mit den Hauptlinien durch Zweigbahnen war

dann

eine

naheliegende

Sache. So ist es gekommen, dafs sich nur wenige Städte von mehr als 5000 Einwohnern finden, welche nicht unmittelbar an einem Schienenwege gelegen oder nur wenige Meilen von demselben entfernt sind . Zunächst war es allerdings nur das Streben, die unmittelbaren Bedürfnisse der Eisenbahnen selbst zu beschaffen, was zur Aufsuchung von Kohlen- und Eisenlagern und zur Herstellung der zu deren Ausbeutung erforderlichen Anlagen führte. War jedoch der Bedarf der Bahnen gedeckt, so mufste der Überschufs des Gewonnenen zur Vermehrung der Ausfuhr und diese wieder zur gröfseren Rentabilität der Bahnen beitragen . Diese so sehr gesteigerte Thätigkeit im Eisenbahnbaue hätte für zu einer Quelle des Wohlstandes in Galizien werden

sich allein

müssen. Denn hier in einem verhältnifsmäfsig weniger entwickelten Lande geschah in der kurzen Zeit von fünfzehn, ja nur von zehn Jahren dasselbe, was in anderen höher entwickelten Ländern im Laufe eines halben Jahrhunderts bewirkt worden war.

Dafs die Anregung hierzu

nur zum geringen Teile von dem Lande selbst oder wenigstens die Ausführung meist nicht mit den eigenen Mitteln erfolgte, darf nicht vergessen werden. Bald aber fanden sich auch kenntnifsreiche und im Besitze genügender Geldmittel befindliche Unternehmer ein, welche an den von ihnen zur Gründung der verschiedensten Industrien für geeignet erkannten Orten sich niederlieſsen und mit Eifer und Erfolg an die Arbeit gingen und so die Beginne einer Industrie schufen, deren seither erfolgter Aufschwung auf die Besucher der Lemberger Ausstellung einen überraschenden Eindruck übte. ein Bruchteil dieser Unternehmer aus Galizien, mindestens die Hälfte aber aus anderen Provinzen Österreichs , aus Ungarn, Deutschland, Frankreich, ja aus Rufsland und Rumänien stammten, gereichte dem Lande durchaus nicht zum Schaden, da dieselben mit Hülfe ihrer Mittel und ihrer heimatlichen Verbindungen eine selbstständige Handelsthätigkeit

anbahnen und sich wenigstens für ihre Person von dem Einflusse jener, in der Neuzeit durch ihre aus Rufsland eingewanderten Stammes- und Glaubensgenossen verstärkten und von Manchen mit Unrecht als das germanisirende Element Galiziens bezeichneten Clique, welche bis dahin den Handel als ihr Monopol betrachtet und wirklich auch besessen hatte, entfernt halten konnten . Ohne den Einfluss

zu verkennen,

welche die von den Polen

Landeswohlstand und Kriegsbereitschaft.

102

Galiziens

während

des letzten

Vierteljahrhunderts

befolgte innere

Politik auf des Landes Aufschwung geübt hat, mufs doch der Löwenanteil an letzterem dem so sehr vermehrten Truppenstande und noch mehr den Vorkehrungen, welche die österreichische Regierung

zur

Erzielung

der

Kriegsbereitschaft

ihrer

Truppen zu treffen gezwungen war, zugestanden werden ! Wir sehen ein ähnliches Beispiel — freilich unter verschiedenen Verhältnissen

in dem sogenannten Okkupationsgebiete.

Auch dort wurde der erste und schwierigste Teil der Kulturarbeit von den im Lande stehenden österreichisch-ungarischen Truppen vollführt und zwar — was besonders in's Gewicht fällt meist ohne Mithülfe, ja unter dem offenen oder heimlichen Widerstande der Bevölkerung. Oft mufsten die Soldaten selbst ihre Unterkünfte herstellen,

Land urbar

machen

und ihre Bedürfnisse

erzeugen oder

wenigstens aus weiter Entfernung herbeischaffen. Zahlreiche Strafsen, Wege und Brücken, sowie die ersten Eisenbahnen wurden von den Truppen hergestellt und wie in Galizien entwickelten sich auch hier an den Eisenbahnen und durch dieselben die Anfänge einer Industrie, wie auch die Aus- und Einfuhr des Landes hierdurch einen erheblichen Aufschwung erfuhr. Dafs Bosnien und die Herzegowina keinen solchen Fortschritt wie Galizien machten, ist begreiflich .

Diese beiden Provinzen befanden

sich nach einer vierhundertjährigen

beispiellosen Mifswirtschaft auf

einer unsagbar niedrigen Kulturstufe, sie hatten durch fortwährende blutige Aufstände und Kriege ungemein gelitten und es fehlte der Bevölkerung fast jegliches Nationalbewusstsein . Noch in der ersten Hälfte der nun 16 Jahre zählenden Periode , welche dem Lande eine gerechte und geordnete Regierung brachte, war die Kulturarbeit durch Aufstände, Räuberunwesen und passiven Widerstand sehr erschwert. Im Verhältnisse zur Bewohnerzahl mochte die im Lande stehende Truppenmacht bedeutend erscheinen, nicht aber in Hinsicht auf die Gröfse des Landes und zudem wurde der Truppenstand seither wiederholt vermindert. Endlich erschwerte die gebirgige Beschaffenheit des Landes

die Anlage neuer Eisenbahnen in hohem Grade, sowie das

eigenartige politische und Besitzverhältnifs die Durchführung vieler wünschenswerten Reformen hinderte .

Dennoch hat die Entwickelung

des Landes in jeder Beziehung die unbestreitbarsten und grofsenteils nur der Mitwirkung der Truppen zu dankenden Fortschritte gemacht. In Galizien waren die Verhältnisse ungleich günstigere. Nicht nur stand das Land schon früher auf einer höheren Stufe , sondern es hatte sich dasselbe während der Dauer der wenigstens bei dem Bürger- und Bauernstande eingelebten

österreichischen

Herrschaft

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

103

(Krakau seit 50 , das übrige Galizien seit 80 und 120 Jahren) einer fast ununterbrochenen gedeihlichen Ruhe erfreut und durfte die Regierung auf die Mitwirkung des den Vorteil des Landes erkennenden Teiles der Bevölkerung rechnen . Die Bodengestaltung begünstigte und erleichterte die Anlage der Eisenbahnen und überdies wurde die Truppenmacht, durch und für welche ja so Vieles geschah und geschehen musste, noch fortwährend vermehrt. Dafs nun das höchst günstige Resultat weniger durch eigene Kraft des Landes als vielmehr durch die Hülfe des Staates und vor Allem durch die kräftige Mitwirkung,

ja

schon

durch

das

blofse Vorhandensein

der

an-

gesammelten Truppenmacht erzielt wurde und erzielt werden konnte, ist eine kaum anzufechtende Wahrheit. So kann denn die viel berufene ,, stete Kriegsbereitschaft im Frieden " die Entwickelung eines Landes befördern und demselben zum Vorteile gereichen , wie es das Resultat der Lemberger Ausstellung , ja deren blofses Zustandekommen beweist ! D.

VIII.

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

1. Beförderungen zum General während des 7jährigen Krieges geschahen seit 1757 nicht mehr nach der Anciennität ; auch die Generale selbst avanzirten nicht mehr unter sich nach der Reihenfolge.

Der Herzog von Bevern schreibt darüber in seinen Memoiren :

Dahero man denn die sonst in dieser Armee ohngewöhnliche Phaenomina gesehen ,

dafs Officiers ,

so

als Hauptleute anno

1756 in's

Feld marschiret 1759 schon General-Majors gewesen, hingegen andere den von Anfang des Krieges bekleideten Obersten- Charakter noch geführet, auch dafs Obersten, so als Kommandeurs anderer Regimenter in's Feld gegangen, anjetzo ihre gewesenen Chefs, so schon vor Anfang des Krieges General-Majors gewesen und in diesem Charakter geblieben, als Generallieutenants kommandirt haben . Und ist überhaupt seit der Zeit an keine Anciennität in der Armee mehr zu denken gewesen . LL An Beispielen aufsergewöhnlich schneller Beförderung fehlt es nicht.

Seydlitz war bei Kollin noch Oberst ,

wurde

zwei

Tage nach der Schlacht Generalmajor aufser der Tour , am 20. November 1757 , 14 Tage nach der Schlacht bei Roſsbach, Generallieutenant (35 Jahre alt). Oberstlieutenant v. Mosel vom Regiment

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

104

Juny-Kreytzen, welcher die Avantgarde eines grofsen Transportes während der Belagerung von Ollmütz glücklich zur Armee brachte, wurde dafür , mit Überspringung der Obersten - Charge , gleich zum Generalmajor befördert. Schbg. 2. Revolutionäre Ideen scheinen gegen Ende der Regierung Friedrichs d . Gr. selbst in den Köpfen der Offiziere gespukt zu haben. In der 27 Berliner Monatsschrift" , März 1785 , Nr. 6 befindet sich ein Aufsatz : „ Neuer Weg zur Unsterblichkeit " . Der Verfasser, anscheinend ein Offizier, schreibt : Was kann ein Fürst, nachdem Friedrich schon mit ganz Europa 7 Jahre lang siegreich gekämpft hat, nun noch Merkwürdiges thun? Dadurch, dafs er sein Volk zu einer gröfseren als der bisherigen Freiheit vorbereite, dann die Regierungsform selbst verändere, und , indem er sie republikanischer mache , die Glückseligkeit des Volkes, sowie sein eigenes Glück und seinen Nachruhm zur höchsten Staffel erhebe. " - "" Sollte eine solche Revolution auch erst im Jahre 2440 ( !) stattfinden können , so gereicht es , " schreibt die „Berliner Zeitung " , welche über diesen Aufsatz berichtet ,

„ doch

unserem Verfasser und unserem Jahrhundert zur wahren Ehre ( So !) , sie geahnet und einen so gezeichnet zu haben . “ 3.

Der

Kenntnifs

Warnungsgrad der

inneren

vortrefflichen

der

( ? ) Plan

Offiziere ,

Verhältnisse

des

ein

dazu vorSchbg.

Beitrag

ehemaligen

zur

Grofs-

herzoglich-Badischen Bundeskontingents . Ein eigenartiges Strafund Besserungsmittel seltsam , wie wir seinesgleichen nirgends anderswo begegnet sind und mit den Anschauungen , welche heutigen Tages überall im deutschen Heere gelten, unvereinbar wurde nach den von Oberst z. D. Betz kürzlich veröffentlichen 77 Erlebnissen und Erinnerungen eines alten Offiziers " im vierten Zehnteile unseres Jahrhunderts im damaligen Grofsherzoglich Badischen Kontingente zum deutschen Bundesheere in Anwendung gebracht.

Es hiefs

der

Warnungsgrad und bestand darin, dafs derjenige , dem derselbe erteilt wurde, weil seine dienstlichen Leistungen nicht genügten oder weil sein aufserdienstliches Verhalten zu ernstem Tadel Anlafs gab, für ein Jahr von aller Beförderung und von jeglichem Emporsteigen auf der zu dem nächsthöheren Range führenden Stufenleiter ausgeschlossen ward . Er blieb für diese Zeit an seinem Platze festgenagelt. berührt ,

Fand eine Beförderung statt , so wurde er nicht dadurch sein Hintermann ging über ihn weg ,

kamen, thaten einen Schritt vorwärts ,

alle die nach ihm

er allein blieb stehen .

War

er beispielsweise der Zweite zum Hauptmann uud es wurden im Laufe seines Wartejahres zwei Stellen als solche frei , so erhielten diese sein Vorder- und sein unmittelbarer Hintermann , sein zweiter

Umschau in der Militär-Litteratur.

105

Hintermann ward ihm vorgesetzt und nahm den obersten Platz ein. Kam dagegen ein Aufrücken im Laufe jenes Jahres nicht vor , SO hatte die Warnung eine thatsächliche Wirkung überhaupt nicht, nur die moralische war vorhanden. Dem Zufalle blieb mithin überlassen, ob die Strafe eine harte war , oder ob sie spurlos vorüberging . Bei ganz gleichem Verschulden konnte der eine Offizier schwer darunter leiden, der andere sie kaum empfinden. In etwas wurde diese Ungleichheit beseitigt, als im Jahre 1846 angeordnet ward , dafs die Beförderung, welche bis dahin im Regiment stattgefunden hatte , durch die Waffe gehen sollte . Bei der Neugestaltung der Badischen Militärverhältnisse nach der Revolution vom Jahre 1849 verschwand der Warnungsgrad, welcher , wie der Verfasser erzählt , in bürgerlichen Berufskreisen seines Heimatlandes noch gegenwärtig erteilt werden kann.

Denselben

zu verhängen waren zu jener Zeit sämtliche höhere Vorgesetzte , vom KriegsdienstDie Regimentskommandeur aufwärts , berechtigt. vorschriften für die Grofsherzoglich Badischen Truppen " , welche in den Jahren 1838-44 zu Carlsruhe im Drucke erschienen sind und über die meisten inneren Verhältnisse im Kriege und im Frieden genaue Auskunft geben , erwähnen den Warnungsgrad nicht , sodafs man zweifeln könnte, ob eine solche Einrichtung überhaupt bestanden hat, wenn nicht ein so einwandsfreier Zeuge dieses Bestandenhaben 14. verbürgte .

IX.

Umschau in der Militär - Litteratur .

I. Ausländische Zeitschriften. Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. (November 1894.) Der Sanitätsdienst bei einer Infanterie- Truppen-Division im Felde (Mit 1 Karte). Dargestellt an einem concreten Beispiele von A. Hausenblas, Major. - Ego vero censeo ! Von Oberst W. Porth . Ergänzung und Organisation der bewaffneten Macht. Aus dem Russischen des A. Rediger übers. von Z. - Blätter und Blüten von H. Albertall. Armeeblatt . (Österreich. ) XIII . Jahrgang. Nr. 44 : Die Kriegsmarine und die inländische Industrie. - Das rauchlose Pulver für Jagdzwecke. Nr. 45 : Der Geniestab und die Bauingenieure. Der Patrouillen-

dienst (Schlufs).

Nr. 46 : ,, Der Krieg im Jahre 1859" (Besprechung). Die russische Westarmee (Polemik gegen einen Aufsatz der „,Reichswehr" : ,,Die russische Westarmee und ihre Führer") . Der Entwurf einer Schul-

Umschau in der Militär- Litteratur.

106

instruktion für die neue Pioniertruppe. Nr. 47: ,,Elemente der Kriegführung" (Besprechung). - Der Geniestab und die Bauingenieure (Schlufs) . Nr. 48 : Die russische Westarmee. - Chinesische Soldaten und Seefestungen . Militär -Zeitung. ( Österreich. ) Jahrgang 94. Nr . 39 : Die englische Flotte . Die Organisation der freiwilligen Krankenpflege für das deutsche Heer (d. Mil. Wochenbl . entnommen) . Nr. 40 : Die Organisation Nr. 41 : Das Truppenverschiebungen in Russland. etc. (Schlufs). Rekrutengesetz im Abgeordnetenhause. -- Kaiser Nikolaus II. Nr. 42: Instruktive Ausbildung unseres Offizierkorps . Die Reichswehr. ( Österreich.) Nr. 692 : Das Landwehr-Budget 1895 ; dasselbe beziffert sich auf 21 011 628 fl. , der Offizierstand der geDie neuen sammten aktiven Landwehr zählt 2006 Offiziere aller Grade. General-Inspektoren der Artillerie. Nr. 693 : Die Eidesleistung der Rekruten . -- Die k. u. k. Kriegsmarine und die inländische Industrie (Polemik gegen das ,,Armeeblatt "). Nr. 694 : Das Kriegsgewehr der Zukunft ( Besprechung der Schrift ,, Le fusil de guerre de l'avenir") . Nr. 695 : Die Armee-Filterfrage. Nr. 696 : Der Hova-Krieg . - Unsere Kriegskarte. Nr. 697: Armeestand und Militärlehrerkorps . Nr. 698 : Die russische Westarmee. Nr. 700 : Wünsche und Hoffnungen der Feldartillerie. Nr. 701 : Die Schulung des Offiziers. - Verpflegung und Ausrüstung der russischen Offiziere im Felde. Nr. 702 : Die Verteidigungsmittel von Peking. Nr. 703 : Zur Taktik und Praktik unserer Kavallerie. Journal des sciences militaires. (November 1894. ) Die Elemente der Strategie. -- Haupt-Grundsätze der Feldzugspläne (Forts.). - ,,Dernier effort" (Forts .). Zwei Fragen der moralischen Erziehung. - Die Aufgabe der belgischen Maasbefestigungen und der französischen Nord-Festungen im Falle eines französisch-deutschen Krieges. Das Gefecht von Nuits -(18. Dez. 1870) . Der Feldzug 1814 (Forts.). Le Spectateur militaire. (15. Oktober 1894. ) Zweideutigkeiten Kritische Untersuchungen über die sog. über die alten Soldaten . ,,alten Soldaten " (Leute im Alter von 25-30 Jahren zur Zeit des ersten Kaiserreichs). Das neue Infanterie-Exerzir-Reglement (Forts.). ―― Der alte Armee-Etat 1739, Offiziere und Truppen (Forts. ) . (1. November 1894) . Beschreibung und Tagebuch der Belagerung von Jaffa (Mit Plan). Kritische Untersuchungen etc. (Forts.) . Das neue Infanterie- ExerzirReglement (Forts.) . Die Schatten der Toten. Revue militaire universelle . Nr. 32 : Marschall Bosquet. Biographie des berühmten Generals, mit Benutzung der kürzlich erschienenen ,,Lettres du maréchal Bosquet. Die Offizierkorps der bedeutendsten europäischen Armeen (Forts.). ― Le Morvan (Militär-geograph. Studie ; Forts.) . Die Expedition gegen Sardinien und der Feldzug in Corsika ( 1792) . Revue du cercle militaire. Nr. 44 : Die höhere militärische AusDie Erbildung in Deutschland. Die Entfernungsmesser (Schlufs). gänzung der Reserve-Offiziere in Italien (Schlufs). Nr. 45 : InfanterieTaktik. Ein neuer Gesetzentwurf über die Rekrutirung der italienischen Armee.

Nr. 46 :

Studie eines englischen Offiziers über die „ Lava“ der

Umschau in der Militär-Litteratur.

107

Kasaken. - Die Kadres der Infanterie in Frankreich und Spanien. Infanterie-Taktik (Forts .) . Nr. 47 : Die elektrischen Scheinwerfer und ihre Verwendung im Kriege. - Die Eindringungskraft der neuen Gewehre. - Infanterie-Taktik (Forts .). Revue d'Infanterie. (November 1894.) Geschichte der Infanterie in Frankreich (Forts.). Gesundheitspflege der europäischen Kolonialtruppen (Forts .). - Die Aufmarschlinie der Armeen des Dreibundes (Schlufs). -Felddienst einer Infanterie-Kompagnie (Forts.). Revue de Cavalerie. (Oktober 1894.) Über die Divisions-Eskadron im Mobilmachungsfalle . Praktische Ansichten über Erziehung und Ausbildung des Soldaten, besonders des Kavalleristen (Forts .). - KavallerieNachschub und Remontirung bei der Grofsen Armee 1806 bis 1807 (Forts. ). - Das Pferd (Forts .). Märsche der französischen Kavallerie in der europäischen Türkei 1854-1855 (Schlufs). Die Gangarten des Pferdes, erläutert durch die Erfahrungs -Methode. - Die 45. Dragoner (Einzelheiten über den Verlauf der Übung dieses im Herbst versuchsweise mobil gemachten Reserve-Kav. - Regts.) . Revue d'Artillerie. (November 1894.) Verteilung der Dehnungen Bedeutung des bei Metallen, die grofsen Kraftproben unterworfen sind. Luftwiderstandes in Fällen grofser Anfangsgeschwindigkeiten. L'Avenir militaire. Nr. 1941 : Die Rekruten- Einstellung . Erfolgte am 15. u. 16. November v. J. Nr. 1942 : Die Unteroffiziersfrage. Die Ursachen des geringeren Zuwachses des Unteroffizierkorps im Vergleich zu früherer Zeit werden eingehend erörtert ; deren wichtigste sei die Überbürdung mit Arbeit (Pas de repos, pas de détente !) . Nr. 1943 : Die Unteroffiziersfrage. Militärische Memoiren und die Geschichte. Nr. 1945: Die Zivilanstellungen. Nr. 1946 : Die Transportfrage in Madagascar. Die Eisenbahn von Maevatanana nach Tananarive . Nr. 1947 : Madagascar. Die Expedition von Madagascar. — Ausbildungsschulen für Reserve-Offiziere. Erneuerung des Materials der Feldartillerie . Nr. 1948 : Die zukünftige Lage der Infanterie. Nr. 1949 : Der Prozefs des Kapitän Romani (SpionageProzess). Le Progrès militaire. Nr. 1461 : Die Fufs - Artillerie ; organisatorische Veränderungen derselben werden gewünscht. Nr. 1462 : Die vorzeitigen Entlassungen ; werden abfällig besprochen. Nr. 1464 : Das Aufsammeln Verwundeter bei den Manövern. Bespricht in abfälliger Weise die Übungen im Sanitätsdienste, welche ungenügend seien . Nr. 1466 : Die Expedition von Madagascar. Besprechung der militärischen Gesichtspunkte, welche bei derselben im Auge zu halten sind. - General Duchesne ; biographische Skizze des Kommandeurs des für Madagaskar bestimmten Expeditionskorps. General D. ist 1837 geboren und gegenwärtig Kommandeur der 14. Divison (Belfort). Nr. 1467 : Die Kolonialtruppen. Nr. 1468 : Die Erziehung und die militärischen Erzieher. Nr. 1469 : Das neue Feldartillerie - Material. Das neue System giebt der Feldartillerie ein Einheitsgeschütz von 75 mm und zugleich ein Schnellfeuergeschütz (Einzelheiten werden nicht mitgeteilt).

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militaire.

Nr. 3163 :

Internationaler

Schiedsspruch .

Oberst Thomas spricht für ein Abkommen zwischen den Staaten , wonach die destruktiven Waffen, wie Dynamitgeschosse vom Gebrauch ausgeschlossen werden sollen. Nr. 3166 : Die Instruktionslager. Hinweis auf das Vorgehen von Deutschland. Nr. 3169 : Frühjahrs- Entlassungen. Bezieht sich auf die 2. Portion der Klasse 1892, von der 2/3 nicht schon im Nov. 1893 , sondern erst April 1894 zur Entlassung kommen. Nr. 3171 : Das Denkmal von Bosquet in Pau. Nr. 3176 : Von den Hauptleuten. Hervorhebung der Wichtigkeit dieser Stellung. Man solle ihnen gröfsere Freiheit der Bewegung geben , da in der Regel der Wille des Obersten der allein mafsgebende im Regiment sei, der Alles unterdrücke. Nr. 3179 : Die Schiefsgesellschaften . Nr. 3183 : Von den Hauptleuten. Nr. 3185 : Das Projekt Riu. Verlegung der Hauptumwallung von Paris. Auf den Werken Cail. Die Deport-Kanone . Es handelt sich um das neue Feldgeschütz , dessen Herstellung begonnen haben soll ; nicht blofs die Anstalten des Staats, sondern auch die Privat-Fabriken sollen sich daran beteiligen. Auf den Werken Cail sei die Arbeit im Gange. Es handelt sich um ein Schnellfeuergeschütz mit dem modifizirten Verschlufs Nordenfelt. Nr. 3188 : Die neue Artillerie . Ein Morgenblatt hatte die Nachricht in Nr. 3183 über das neue Feldgeschütz bestritten und behauptet , dafs die Angaben einem technischen Journal entnommen seien. Die frühere Behauptung wird aufrecht erhalten. Nr. 3189 : Das Budget des Krieges. Nr. 3190 : Im Genie. Untersuchung, ob es nicht besser sei, jedem Korps sein Bataillon zuzuteilen. Nr. 1228 : Die Kriegskunst auf der La Belgique militaire.

Antwerpener Weltaussellung (Forts.) . Nr. 1229 : Die Kriegskunst etc. Unterricht der Analphabeten im Heere . Nr. 1230 : Die Ver(Forts .). Die Kriegskunst etc. wendung der reitenden Artillerie im Gefecht. Nächtliche Märsche und (Schlufs). Nr. 1231 : Organisation der Armee. etc. (Forts.). Artillerie Die Verwendung der reitenden Operationen. Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen . (Oktober 1894.) Die Kämpfe um den St. Gotthard im Jahre 1799 (Forts .) . Eine Felddienstübung der Gebirgsartillerie . - Die neuen Flufsübergangsmittel der Kavallerie. - Ein Wort über Besetzung von Höhenstellungen. - Die Heeresreformpläne in Belgien. - Extra- Beilage : Beiträge zur Geschichte der Schweizer Infanterie von B. Günther : Die Entwickelung der leichten Infanterie. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Oktober 1894.) Schweizerische Artillerie - Versuchsstation. Selbstregistrirende Zielscheiben. -- Neugruppirung der französischen Festungen . Ein französischer Versuch zum Überschreiten von Wasserläufen mit Holzrahmen. — Feldmäfsiges Schiefsen der Artillerie im Lager bei Klementjewo Russisches Genie-Korps. nächst Moskau im Jahre 1893. Koreanische Soldateska. Revue militaire suisse. (November 1894.) Die Manöver des IV . Armeekorps (Schlufs). Bundesgenössisches und kantonales Schiefsen, -- Gesundheitspflege und Ernährung des Kampagne- Pferdes.

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Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 44 : Der Krieg mit den Millionenheeren . Nr. 45 : Der Krieg mit den Millionenheeren (Forts.). Nr. 46 : Der Krieg mit den Millionenheeren (Forts. ) . Nr. 47: Der Krieg mit den Millionenheeren (Schlufs). Army and Navy Gazette. Nr. 1813 : Die Umschau 1894. Ein Rückblick Englands auf die verlebten 40 letzten Friedensjahre mit Betrachtung, wie sich die englichen Streitkräfte bei einem Zukunftskriege in Anschlufs an Europäische Verbündete gestalten würden. Rufslands Vorrücken gegen Indien . Schilderung der fortschreitenden Gefahr, welche durch die Stellung Rufslands an der afghanischen Grenze für Indien entsteht. Die Ausbildung der Offiziere der Volunteers soll durch Kriegsspiele und Vorträge durch eine zu diesem Zweck gebildete Vereinigung gehoben werden. Nr. 1814 : Die Landes - Verteidigung. Enthält Grundsätze für die Organisation des im Frieden bereits bestehenden LandesVerteidigungs-Komités. - Gibraltar. Der Wert Gibraltars und die notwendigen Verstärkungen und Bauten dieses Platzes Die Durchschlagskraft der neuen Gewehre . über die Durchschlagskraft der Gewehre der der Volunteers. -- Rufsland und Afghanistan.

werden geschildert. Ein offizieller Bericht Linien-Infanterie und Politische Betrachtung

über das Verhältnifs der Beiden zu einander. Nr. 1815 : Das MilitärGerichtswesen in Indien . Die Änderungen , welche das bisherige Gesetz für das Gerichtswesen vom Jahre 1887 erfahren hat, werden mitgeteilt. Sie bestehen vorzugsweise in vermehrter Dezentralisation und daraus hervorgehender Vereinfachung des Gerichts-Verfahrens . - Krimkrieg - Erinnerungen . Die Wiederkehr des Tages von Inkermann hat den beiden Generalen Lord Wolseley und Sir Evelyn Road den Anlafs zu Berichten über persönliche Erlebnisse an jenem Tage gegeben. - Schiefsdienst in Indien. Es wird tadelnd hervorgehoben , dafs nach Einführung der kleinkalibrigen Gewehre in der Indischen Armee die Anforderungen an die Schiefsleistungen der besten Schützen herabgesetzt - Geschichte des Northamptonshiresind, anstatt diese zu steigern. Regiments. (48. und 58. der Linien-Infanterie .) Errichtet 1740/41 . Der verstorbene Zar. Eine Lebenskizze. Nr. 1816 : China und Japan. Betrachtung über die beiderseitigen Streitkräfte. Marschleistungen in Österreich. Ein englischer Berichterstatter hebt die Marschleistungen der österreichischen Infanterie bei den letzten Manövern anerkennend hervor. Es sei dieses eine Folge der systematischen Ausbildung und der zweckmässigen Bekleidung und Ausrüstung der Infanterie. - Madagaskar. Schilderung der örtlichen Schwierigkeiten , die sich der Kriegführung in Madagaskar entgegenstellen, nach einem französischen Berichterstatter. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 200 : Grundsätze für Infanterie - Feuer auf dem Schlachtfelde. Ein Vortrag des Ingenieur - Kapitän Mayne, der vorzugsweise die Frage behandelt , wie ein Bataillon mit möglichst geringen Verlusten die unter feindlichem Feuer liegenden Strecken zurücklegt. Die Mängel des jetzigen Signalwesens und Vorschlag zu deren Abhülfe. Oberst-

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lieutenant Stewart Harrison beschreibt den Gegenstand, indem er zunächst die Anforderungen erwähnt , die er an ein ideales Signalwesen stellt, und dem gegenüber das vorhandene System schildert und Vorschläge zu Verbesserungen macht. Loebell's Jahresberichte für 1893. Von Oberst Hildgard. Ein zusammengedrängter Bericht über das deutsche Werk. Russischer Invalide. Verordnungen , Befehle : Nr. 225 : Das 5. Mörser - Regiment (zu 2 Batterien) ist am 1. Oktober (a. St. ) formirt worden. Nr. 229 : Entsprechend der im Anfange des Jahres 94 verfügten Neuordnung der Nikolai - Generalstabs- Akademie (vergl. Juni- Heft 94 der Jahrbücher Die russ. Nik.-Gen.-Ak. ") betrug am 1. Okt. 94 die Zahl der auf der Akademie befindlichen Offiziere 314. Davon befanden sich in der Ergänzungs - Klasse 41 , in der älteren Klasse 111 , in der jüngeren 153, in der geodätischen Abteilung 6. Nr. 237 : Kaiser Nikolaus ernennt sich zum Chef aller Regimenter, deren Chef Kaiser Alexander gewesen ; diese sämmtlichen Regimenter (11 an der Zahl) erhalten den Namen „Kaiser Alexander III. Regiment" . Die 4 Regimenter, deren Chef Kaiser Nikolaus als Thronfolger gewesen, sowie das 13. Gren.- und 80. Inf.- Rgt. , zu deren Chef er sich neu ernennt, erhalten die Bezeichnung ,, Regiment Sr. Majestät"; nur das ,,Leibgarde - Ataman - Regiment des Grofsfürsten- Thronfolgers" behält nach wie vor diesen Namen. Der Prinz von Wales wird zum Chef des 27. Dragoner - Regiments ernannt. Nr. 245 : Sämmtliche Offiziere und Beamte, welche bis zum 21. November tiefe Trauer getragen hatten, haben vom 21. November ab bis zum 1. November 1895 gewöhnliche Trauer anzulegen . - Gröfsere Aufsätze : Nr. 227 : Über das Vorgehen der Infanterie in Gefechts - Ordnung; von Juganow. Nr. 231 u. 32 : Zur hundertjährigen Gedenkfeier des Sturmes auf Praga durch Ssuworow ; von Orlow. Nr. 235 : Besondere Kavallerie-Übungen und allgemeine Manöver bei Pjatigorsk. Nr. 238 : Bemerkung über das Fechten der Kavallerie. Verfasser ist der Ansicht , dafs der augenblickliche Betrieb des Fechtens bei der russischen Kavallerie durch die übergrofse Sorgfalt , welche dem Decken gegen den Hieb gewidmet wird, zur Unentschlossenheit erzieht. Russisches Artillerie - Journal. Nr. 9 : Die Schlachtvorbereitung der Feld-Artillerie (Forts.). Beobachtungs-Apparat. - Die wichtigsten artilleristischen Versuche in Österreich im Zeitraum von 1891 und 1892. - Einige Worte anlässlich des Artikels : „ Die Mediane und das arithmetische Mittel". 1894. Nr. 11: Friedens - Manöver und ihre Wajennüj Ssbornik. Bedeutung. (Schlufs). Versuch einer Studie über die Taktik der Die VerMassenheere. VII. - Der Infanterie - Angriff (Schlufs). -

pflegungs-Einrichtungen der russischen Armee auf dem Kriegsschauplatze an der Donau im Feldzuge 1877. (Schlufs). - Artilleristische Bemerkungen . Die Befestigungskunst im Kampfe mit den heutigen Hand-Feuerwaffen. - Über die Verbreitung der Kenntnifs fremder Sprachen unter den Offizieren. Über das Wesen des deutschen Offizierkorps. Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 212 : Das Gefecht bei Assan am 29. 8. 94. - Die Jagd in den Jagd - Kommandos. Die Garde-

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Kasaken. Der Abschnitt des ,,Swjätüj Nicolaj ", Episode aus dem Leben an der Grenze. I. Nr. 213 : Der Abschnitt des ,,Sowjätüj Nicolaj ", Episode aus dem Leben an der Grenze . II . - Der grofse Reiterkampf bei Brandy am 9. 6. 1863. - Das 100jährige Jubiläum des Bestehens der reitenden Artillerie. Nr. 214 : Das Fechten in der deutschen Kavallerie . Ein Manöver in Daghestan. Rivista militare Italiana. 1. November. Das neue Rekrutirungsgesetz. I. Teil eines hochinteressanten , den neuen Mocenni'schen Rekrutirungsgesetzentwurf widergebenden und mit dem Pelloux'schen, sowie mit dem heute noch geltenden Rekrutirungsgesetz vergleichenden Aufsatzes. - Die Pferdezucht in Ungarn (Forts.). Esercito Italiano. Nr. 127 : Biserta, Malta und eine neue englische Station im Mittelmeere . Die Einbeorderung des Jahrgangs 1874 (Einstellung in den Tagen vom 5.- 10 . Dezember. Ein Teil des Jahrgangs dient nur 2 Jahre , 23 % bleiben bis zur nächsten Einstellung in der Heimat , 11,5 % werden jetzt eingestellt , aber nach 2 Jahren entlassen). Nr. 129 : Die Seeschlacht der Zukunft. Nr . 131 : Die Disziplin. Nr. 132: Die Occupation von Cassala. Nr. 133 : Die bevorstehende Reform der Militär-Kollegien. Die Wehrsteuer. (Es wird beklagt, dafs das neue Rekrutirungsgesetz diese nicht enthält. ) Rivista di artiglieria e genio. der Infanterie. --- Der Festungskrieg . Deutschland .

( Oktober. ) Indirekter Schufs Die bespannte Fufsartillerie in

Revista cientifico-militar. ( Spanien. ) Nr. 20 : Über die EinMarokko . - Parteigängerkrieg . teilung in Militär- Divisionen. Seine Geschichte. (Forts .). Memorial de Ingenieros del Ejercito. spanische Mauser - Gewehr.

( Spanien. )

Nr. X : Das

Revista militar. ( Portugal. ) Nr. 19 : Die Kolonialfrage. Krigsvetenskaps- Akademiens - Handlingar. ( Schweden . ) 20. Heft: Armee und Flotte. Norsk Militaert Tidsskrift. Karren .

( Norwegen. ) 10. Heft : Patronen-

II. Bücher. Der Krieg im Jahre 1859. - Nach offiziellen Quellen nicht offiziell bearbeitet. Mit 5 Plänen und 8 Beilagen . Bamberg , Buchner's Verlag. 1894. Preis 4 M. In einer kurzen ,,Vorrede" entwickelt der ungenannte Verfasser, vermutlich ein Österreicher, treffliche Gesichtspunkte für die Darstellung kriegerischer Ereignisse. Er verfährt mit vernichtender Kritik gegen alle zweifelhaften Quellen , entstellenden Gefechtsberichte u. dergl. , da nur die Wahrheit helfen und fördern kann , mag sie noch so unangenehm sein. Schein und Wahrheit sind die Elemente der Schwäche und Stärke." Gerade die

offiziellen Quellen " werden , weil sie oft die Wahrheit mehr

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verbergen als offenbaren, vom Verfasser am meisten angezweifelt, dagegen die Korrespondenzen der Leitenden als geeignetste Quellen bezeichnet, weil aus ihnen die Beweggründe zum Handeln am klarsten hervorgehen. Der Wert des Buches liegt weniger in der Schilderung der Geschehnisse, als in der kritischen Sonde und in den zahlreich eingestreuten vorzüglichen Ausführungen allgemeiner Art. Bei Besprechung des österreichischen Heeres läfst der Verfasser an demselben wenig Gutes und geht mit den Leitern und Organisatoren , den Truppen , dem Material und der Taktik, rücksichtslos ins Gericht, wobei selbst die von höchster Stelle getroffenen Anordnungen nicht ausgenommen werden . Es mag ja 1859 in der österreichischen Armee manches faul gewesen sein und auch an mafsgebender Stelle macht man daraus durchaus kein Hehl, dafs aber sämmtliche höheren Führer und ihre Generalstabschefs oder Adjutanten die abfällige Beurteilung verdienen , welche ihnen der ungenannte Verfasser widerfahren läfst, glauben wir nicht. Hefs wird als kenntnifslos , ohne Geist , ohne Kraft , als Nichtsthuer, Duckmäuser u. s. w. , die höheren Offiziere als talentlos, unwissend und dünkelhaft, Kuhn als unentschlossen, hinterhältig, phantastisch , ohne Scharfblick und Thatkraft , als hochmütig und selbstsüchtig , die Korpskommandanten der Reihe nach als unbrauchbar , ohne militärische Fähigkeiten , leichtsinnig , bequem, ohne Pflichtgefühl , beschränkt , als Charlatane u . s . w. hingestellt , was doch zu weit gegangen zu sein scheint, zumal die meisten , wenn nicht sämmtliche der in solcher Weise angegriffenen Offiziere jetzt tot und somit nicht mehr in der Lage sind , auf diese Beschuldigungen zu antworten. Gyulai wird noch am glimpflichsten behandelt, weil sein Gedanke, die II . Armee zur Vereinigung mit der I. Armee zurückzuführen , um die Entscheidungsschlacht mit gleichen oder überlegenen Kräften zu schlagen , richtig war und von Kuhn und Hefs die Ausführung gegen Gyulai's bessere Einsicht verhindert wurde. Der Verfasser versteht das Wesen des Krieges von Grund aus , dies findet in den bei jeder Gelegenheit den Thatsachen angefügten scharfAllen diesen Gedanken, sinnigen Betrachtungen deutlichen Ausdruck. wie z. B. dafs der Gefechtsverlust einer Truppe mit ihrer Kampfgeschicklichkeit in umgekehrtem Verhältnifs steht ; dafs die rasche Meldung unglücklicher Ereignisse besonders wichtig ist ; dafs die Verwendung der Reiterei einen sicheren Mafsstab für die geistige Regsamkeit oder den Stumpfsinn des Leitenden abgiebt ; dafs nicht die vorhandenen , sondern die verwendeten Streitkräfte den Sieg erringen ; dafs der Krieg eine Sache der Psychologie ist, weil man ihn mit dem Herzen führt und dieses Kopf, Füsse und Arme antreibt ; dafs der Charakter eines Feldherrn belangreicher ist, als seine geistigen Fähigkeiten ; dafs Hundert , die wollen , mehr wert allen diesen Aussprüchen kann sind , als Tausend , die müssen , u. s . w. man ohne Weiteres beipflichten, namentlich aber dem Satze , dafs nur das innigste Bündnifs zwischen Österreich und Deutschland die Möglichkeit eines erfolgreichen Widerstandes gegen deren Feinde gewährt , daſs alles , was diese Staaten verknüpft, heilsam, was sie trennt und entzweit , tötlich Das interessante Buch sei hiermit unseren Lesern warm empfohlen. ist. P.

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Die Kaukasische Kasaken - Brigade im Balkan - Feldzuge 1877/78. Kriegsgeschichtliche Studie von Th. v. Trotha , Oberstlieutenant. Mit Karten u. Skizzen. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 4,50 M. geb. 6 M. Vorliegende Schrift ist im Wesentlichen eine Übersetzung des von dem damaligen Kommandeur der K. - Brigade , Oberst Tutolmin , veröffentlichten Kriegstagebuches derselben. Für den deutschen Leser hat die Arbeit im gewissen Sinne ein negatives Interesse. Sie zeigt , wie Kavallerie nicht verwendet werden soll. Nur wenige Lichtblicke finden sich in der Thätigkeit der Kasaken. Unklarheit und Unsicherheit der oberen Leitung tritt uns schon vor der Berührung mit dem Feinde entgegen. - Die andauernde Änderung in der Zusammensetzung der Kauk. Kas.-Division in der Zeit vor dem Übergange über die Donau beweist dies . --- Die Benutzung der Kartenbeilagen wird etwas erschwert durch die zuweilen nicht übereinstimmende Schreibweise der Namen mit derjenigen des Textes. 17. Geschichte des Schleswig-Holstein'schen Ulanen- Regiments Nr. 15 von seiner Stiftung bis zum Tage des 25jährigen Bestehens. Auf Befehl des königlichen Regiments zusammengestellt von von Glasenapp , Premierlieutenant im Regiment. Mit Abbildungen und Karten in Steindruck. Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. 4º. VIII und 232 Seiten. Preis 9 M. Das Regiment wurde nach Beendigung des Krieges vom Jahre 1866 durch die Abgabe je einer Eskadron von vier der bestehenden Ulanen - Regimenter in Perleberg als Stabsgarnison und zwei anderen Landstädten der Mark Brandenburg errichtet. Noch waren nicht vier Jahre verflossen , als es auszog zum Kampfe gegen Frankreich ; nachdem der Friede geschlossen war, wurde es ausersehen, in den neugewonnenen Reichslanden zu verbleiben, es kam nach Strafsburg , wo es sich noch jetzt befindet. Seinen Namen erhielt es 1867 ; mit der Provinz , nach welcher es benannt wurde, hat es nur dadurch einen Zusammenhang gehabt, dafs es zeitweise von dorther seinen Ersatz erhielt , gegenwärtig kommt dieser aus der Provinz Sachsen. Im Feldzuge von 1870/71 , welchen es im Verbande der 6. Kavallerie-Division mitmachte , war es vom Glück insofern sehr begünstigt, als es nicht nur an den Reiterkämpfen des 16. August , sondern auch an der wechselvollen Thätigkeit der Waffe im Aufklärungs- und Sicherheitsdienste vor der Front des Heeres und zum Schlufs an der thatkräftigen Verfolgung des geschlagenen Feindes nach den Schlachttagen von Le Mans durch den General von Schmidt Anteil hatte. Die beigegebenen Kartenskizzen verzeichnen die zurückgelegten Strecken zwischen Bingerbrück und Laval , von der belgischen Grenze bis nach Vierzon in der Sologne. Kein anderer deutscher Truppenteil ist so weit nach Westen vorgedrungen wie die Schleswig- Holsteinschen Ulanen. Einen redenden Beweis für ihre Leistungen liefern die Abschiedsworte , mit welchen nach Beendigung des Feldzuges General von Schmidt das Regiment aus seinem Befehlsbereiche Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1. 8

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entliefs. Er sprach ihm den erheblichsten Anteil an den Erfolgen der 6. Division zu. Und Worte aus solchem Munde wiegen schwer. Dabei sind ihre Verluste verhältnifsmäfsig gering gewesen. Sie beziffern sich mit 2 Offizieren, 2 Unteroffizieren , 10 Mann an Gefallenen oder an ihren Wunden Gestorbenen, 6 Offizieren, 5 Unteroffizieren, 1 Trompeter, 23 Mann an sonstigen Verwundeten , 4 vermifsten Ulanen , 45 toten und 23 verwundeten Pferden. Der Verfasser berichtet über die Vergangenheit des Regiments in der Schreibweise des Chronisten , dadurch entgeht ihm der Vorteil , eine abgerundete Darstellung der Ereignisse liefern zu können , und dem Leser wird erschwert, sich ein Bild von der Gesammtheit der Vorgänge zu bilden. Am stärksten tritt dies bei dem Berichte über Verwendung und Thätigkeit des Regiments in der Zeit hervor , in welcher der 5. und der 6. Kavallerie-Division nebst dem VI. Armeekorps obgelegen hätte , das Entkommen der Truppen unter General Vinoy von Mézières nach Paris zu verhindern. Auch von dem, was am 15. Dezember in Vierzon, wo ein Teil des Regiments überfallen wurde , vorging , wird schwerlich Jemand auf Grund der ihm gebotenen Darstellung sich ein Bild machen können . Den Personalien ist ein grofser Raum zugewiesen. So erscheinen die Veränderungen im Offizierkorps zunächst der Zeitfolge entsprechend im Texte , dann zusammengestellt am Schlusse des Berichts über das betreffende Jahr und später noch zweimal in den Beilagen, als Auszüge aus den Rang- und Quartierlisten von 1866 bis 1893 und in Gestalt einer namentlichen Liste. Das ist viel und doch nicht genug, denn die genannte Liste bringt nichts als die Tage des Eintrittes in das Regiment und des Scheidens aus demselben, bei letzterem auch aus welcher Veranlassung es erfolgt ist. Im Hauptteile des Buches hätte aufserdem fortgelassen werden können, was in gesonderter Darstellung als Anhang über Ausrüstung und Bekleidung gebracht ist. Von den Kunstbeilagen entsprechen die drei Bildnisse nicht den an ihre Ausführung zu stellenden Anforderungen. Sehr anschaulich sind die farbigen Uniformbilder. 14 . Die Unteroffizierschule in Weissenfels. Eine Festschrift zur 25jährigen Jubelfeier am 1. Oktober 1894. Auf Befehl des Königlichen Kommandos bearbeitet von Trip , Hauptmann . Mit zwei Kunstbeilagen in Lichtdruck. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 1 M. Diese kleine, 45 S. füllende Festschrift giebt zunächst eine kurzgefafste Geschichte der Unteroffizierschulen bis zur Errichtung der Unteroffizierschule in Weissenfels, sodann auf 13 Seiten die Geschichte der letzteren. Die Errichtung erfolgte am 8. Juli 1869 , und zwar im Schlosse von Weissenfels, der einstigen Residenz der im Jahre 1746 ausgestorbenen Linie der Herzoge von Sachsen -Weissenfels. Ein hübscher Lichtdruck giebt das Bild derselben . Es folgt dann die Aufzählung der Ehren- und Gedenktage der Schule, ferner ein Verzeichnifs der seit dem Jahre 1869 zur Unteroffizierschule in Weissenfels kommandirt gewesenen Offiziere, Sanitätsoffiziere, Zahlmeister,

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Zivillehrer und Feldwebel. Sodann ein Verzeichnifs der im Kriege 1870/71 Diese Schrift wird allen gefallenen (23) und dekorirten (45) Zöglinge. vormaligen Zöglingen, kommandirten Offizieren und Unteroffizieren dieser 4. Anstalt eine willkommene Erinnerung sein. Deutschlands Heerführer (1640-1894) verewigt in den Namen der Regimenter und Bataillone des deutschen Heeres. In Wort und Bild dargestellt von Sprösser , Hauptmann . Mit einem Titelbild und 117 Bildnissen im Text. Leipzig 1895. F. Hirt u. Sohn.

Preis 4 M.

Das vorliegende Werk verfolgt denselben Zweck wie das vor mehreren. Jahren erschienene zweibändige Werk des Divisions- Pfarrers Bussler , Preufsische Feldherrn und Helden " . Beide Werke wollen den Lebensgang der Männer, deren Verdiensten um die Wehrhaftigkeit des Vaterlandes und auf dem Schlachtfelde durch die Verleihung ihrer Namen an Truppenteile ein Denkmal gesetzt wurde, dem Heere und Volke näher bringen. Im Vergleich zu dem umfangreichen Bussler'schen Werke, dem man wissenschaftlichen Wert beimessen mufs, bietet das vorliegende mehr volkstümliche, kurze biographische Skizzen . Es sind im Ganzen 124 Lebensbilder berümter Generale, Heerführer sowie prinzlicher Persönlichkeiten . Den Aufang machen in dem Kapitel „ Gegenwart" die Biographien derjenigen noch lebenden Fürstlichkeiten, deren Namen Regimenter tragen. Es folgen dann in dem Kapitel 1640 bis zur Gegenwart" 99 Lebensbilder in chronologischer Folge, anfangend mit dem Grofsen Kurfürsten bis zum General v. Orff. Denselben sind mit wenigen Ausnahmen Bildnisse beigegeben, welche für den beregten Zweck genügen, auf künstlerischen Wert freilich keinen Anspruch machen können . Die Daten sind, soweit ich sie Er sagt prüfen konnte, richtige. In einem Punkte irrt der Verfasser. (S. 56) in der Seydlitz- Biographie : „ Der Tag von Rofsbach hat den Reitergeist geboren, welcher den Zusammenbruch des deutschen Reiches im Jahre 1806 überdauert hat. " Ich meine, dieser Reitergeist sei viel älteren Ursprungs, er bewährte sich schon auf den Schlachtfeldern von Warschau, Fehrbellin, Czaslau und vor Allem Hohenfriedberg ! 1. Oeuvres militaires du général B. Hanrion . Avec un atlas . Nancy 1894. Berger- Levrault et Cie. Preis 12 Fres.

Paris-

Der vorliegende Band bildet den geistigen Niederschlag der zahlreichen Zirkularschreiben und Instruktionen des vormaligen kommandirenden Generals des 17., dann des 10. französischen Armeekorps. Die Einzelausbildung des Soldaten , die Ausbildung in der Kompagnie, dem Bataillon, der Brigade und der Division , Nachtübungen , Märsche und GarnisonÜbungen, Vorbereitungen für die Herbstübungen bilden den ersten Teil, die Ausführung der Herbstmanöver den zweiten Teil des Werkes, welches zu interessanten Vergleichen mit den diesseitigen Vorschriften auffordert. 2. 8*

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The Principles of Strategie. Illustrated mainly from American campaigne. By John Bigelow , Capt. 10. Cav. - Reg. U. S. Army. Second edition . Philadelphia 1894 . Das umfangreiche Werk behandelt die Grundsätze der Strategie ausschliesslich vom Standpunkt des Amerikaners aus , es rechnet daher mit Truppenstärken und Entfernungen, wie sie sich auf ein europäisches Kriegstheater nicht übertragen lassen würden. Das Buch bietet aber trotzdem auch für den deutschen Offizier viel Interessantes und Lehrreiches, da der Verfasser seine Grundsätze aus dem amerikanischen Bürgerkriege , an einzelnen Stellen auch aus dem Unabhängigkeitskriege gegen die Engländer ableitet. Das Buch bildet gewissermafsen zwei Teile , von denen der erste die strategischen Operationen behandelt. Es werden darin die von einer Basis ausgehenden strategischen Operationen , dann diejenigen ohne Basis, dann die der Gegen-Offensive und schliefslich die auf die Basis des Gegners gerichtete Offensive beleuchtet. Der zweite Teil bespricht die Taktik, soweit sie mit der Strategie in Verbindung steht. Jeder einzelne dieser Teile mit seinen Unter - Abteilungen wird unter Betrachtung eines Beispieles aus der nordamerikanischen Kriegsgeschichte bearbeitet, zu deren Verständnifs 21 vorzüglich gezeichnete Karten und Pläne beigefügt sind. D. Ergänzung und Organisation der bewaffneten Macht ; von A. Rediger, ordentl. Professor der Militär-Administration an der NikolaiAkademie des Generalstabes . II. Teil. St. Petersburg 1894. (russisch). Während der vor 2 Jahren erschienene I. Teil vorliegenden Werkes die Ergänzung an Mannschaften , Unteroffizieren und Offizieren in den europäischen Hauptarmeen umfafste, behandelt der soeben erschienene II. Teil - Organisation der Truppen und der Militär- Verwaltungen , sowie die Mobilmachung in den Armeen Deutschlands , Österreichs , Frankreichs, Italiens und Rufsands. Wie der I. Teil , so zeichnet sich auch jetzt der II. Teil durch eine gewissenhafte Bearbeitung eines reichen , offiziellen Quellenmaterials, durch grofse Klarheit, Übersichtlichkeit und Sachlichkeit aus. Von hervorragendem Interesse sind namentlich die Vergleiche zwischen den verschiedenen Armeen bezw. ihrer Ergänzung , Organisation, Mobilmachung u. s. w. Das vortreffliche Werk des Professors Rediger kann jedem der russischen Sprache mächtigen Offizier auf das wärmste 42. empfohlen werden.

Die Erziehung der Kompagnie. Winke für jüngere Kameraden von einem älteren Kompagniechef. Leipzig 1895. Verlag von Zuckschwerdt & Moeschke. Preis 1,20 M. ,,Viele Wege führen zum Ziel", dies wahre Wort gilt ganz besonders bei der Erziehung der Kompagnie. Denn das Ziel, die ,, strengste" Disziplin und Ordnung bei höchster Anspannung aller Kräfte, wie solche der

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Krieg fordert, der Truppe anzuerziehen, kann auf die verschiedenste Weise erreicht werden. Wenn nur die Erreichung dieses Zieles die alleinige. Triebfeder aller erziehlicher Einwirkung bleibt , dann werden die Mittel, welche der Einzelne verwendet, auch unbeschadet verschieden sein können. Nur der erzieht richtig, der seine eigene Person nicht als die Hauptsache, sondern nur unter dem Wahlspruche : „ Ich dien"" mit in die Wagschale legt. Mag er dann wirklich einmal in den Mitteln fehlgreifen , den Schwerpunkt zu sehr nach der einen oder anderen Seite verlegen - die Arbeit wird doch segensreich sein - selbst wenn die Kompagnie ein Jahr hinter anderen in dieser oder jener Hinsicht zurückbleibt. Die Früchte der Einwirkung werden nicht ausbleiben und hierin liegt der Lohn der Arbeit. Keine militärische Stellung in den unteren Chargen ist eine so von der Persönlichkeit abhängige , wie die eines Hauptmanns. Beweis dafür ist, dafs die Kompagnie schon nach kurzer Zeit das Gepräge ihres Chefs. vorausgesetzt , dafs derselbe wirklich in selbstloser Weise jene trägt obenangedeuteteten Ziele im Auge hat ; Beweis dafür, dafs vor Allem eine in diesem Sinne inspizirte Kompagnie das ihr aufgedrückte Gepräge zum Wohle des Nachfolgers beibehält. Also mufs es doch ein eigen Ding mit dem persönlichen Einflufs des Kompagniechefs seines mufs doch wohl mehr sein als die momentane Abhängigkeit des Einzelnen von der Person des Chefs -- es erhält sich durch viele Jahrgänge und durchdringt alle die, welche der Kompagniechef an der Erziehung seiner Kompagnie mitarbeiten heifst. Darum aber auch ist der Kompgagniechef, wie er einerseits der geplagteste Offizier genannt werden mufs , so doch auch um diese seine Stellung zu beneiden . Denn an seinen Augen hängt die ganze Kompagnie und welche hohe Verantwortung er auch trägt , wie herrlich ist doch der Lohn , der allein in dem Bewusstsein begründet ist, die ihm anvertraute Schaar auch wirklich in seinem eigenen Sinn und Geiste zu erziehen . Und in diesem Sinne empfehlen wir allen Kameraden , welche an der Spitze einer Kompagnie stehen , die in Rede stehende Schrift ; sie enthält goldene Lehren und Winke , die , würden sie nur einigermafsen zu den eigenen gemacht, herrliche Früchte zeitigen werden. Wir enthalten uns einer eingehenden Besprechung des Inhaltes , weil es hierzu an entsprechendem Raume fehlt. Nur möchten wir bemerken , daſs , wenn Verfasser dem Einwurfe begegnen zu müssen meint , daſs er sich zu sehr als Idealist und Optimist gezeigt habe , dieser Einwurf hier nicht am Platze ist. Denn die geistigen Güter unserer Jugend zu wahren und sie zu heben , ist der Soldat , an erster Stelle der Offizier verpflichtet. Und wenn der Offizier als leuchtendes Vorbild seinen Leuten in allen militärischen und rein menschlichen, männlichen Tugenden voranleuchtet, wenn seine Erziehungsmethode sich auf Vertrauen , Gerechtigkeit , väterlicher Fürsorge und mafsvoller Strenge aufbaut , wer wollte da nicht glauben , dafs bei militärischer Tüchtigkeit des Chefs das Ziel auf einem

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Wege erreicht werden wird, der nur in jeder Hinsicht nachahmungswert ist. Wenn zu seiner Unterstützung ein Unteroffizierkorps vorhanden ist und heranerzogen wird , das seine gröfseste Freude darin findet, seinen Hauptmann zu unterstützen, wenn richtig gesteigertes Ehrgefühl sie, diese Mitarbeiter zu ihrem Dienst --- der Erziehung treibt , dann ist der Beruf des Hauptmanns wahrlich keine Last , wie ja keine Arbeit dem eine Last ist , der für ein Etwas seine Kraft einsetzt, das seiner Mühe und Sorgen wert ist. Warm empfohlen also nochmals sei dieses Büchlein allen Denen , welche noch Sinn und Herz für die idealen Güter des Menschen haben. 63. Über die Ehre und falsche Ehrbegriffe.

Von Oberst Freiherr von

Eberstein. Leipzig 1894. W. Friedrich. Preis 50 Pf. Diese kleine kaum 20 Seiten zählende Schrift des alten Offiziers und Edelmannes wendet sich wohl an die Allgemeinheit, im Besonderen aber an die jüngeren Offiziere; sie giebt voll warmen Tones und Herzlichkeit - bei knappster Form eindringliche Mahnungen, Ratschläge, Lehren über Ehre und Pflichten, - Pflichten gegen sich selbst, gegen Eltern und Geschwister, gegen König, Vaterland und Volk, gegen Kameraden und Untergebene. Es hat uns durchaus angesprochen, dafs der Herr Verfasser auch den heute vielfach zur Schau getragenen Luxus, die Kleider-Narrheiten u. s. w. ernst rügt. ,, Leisetreten" ist nicht am Platze ! Auf S. 5 ist unter Anführungsstrichen ein Urteil über Kriemhild und ihren Dienstmann Rüdiger von Bechlaren wiedergegeben, ein Urteil, das sich wegen seiner Vollendung nach Inhalt und Form meinem Gedächtnifs seit Jahrzehnten eingeprägt hat. Überall sind sonst getreulich die Fundorte der Sprüche und Citate angegeben ; hier fehlt der Nachweis. Vielleicht fühlt sich Einer oder der Andere veranlasst, die lesens- und beherzigenswerte Sache umfänglich nachzulesen in "" Vilmar's Geschichte der deutschen 34. Litteratur"! Zur Frage des Militär-Strafverfahrens in Deutschland und Österreich-Ungarn. Von Cleinow, General-Major z. D. Berlin 1894. Verlag von R. Eisenschmidt. Preis 1 M. Vorliegende Arbeit ist schon wiederholt besprochen und, soweit wir es verfolgt haben, durchweg günstig beurteilt worden. Sie verdankt das offenbar dem warmen Eintreten des Verfassers für die bekannten liberalen Forderungen in Bezug auf Öffentlichkeit, Mündlichkeit des Verfahrens , Freigabe der Verteidigung u. s . w. , wie nicht minder seiner Verurteilung des preussischen Militär - Strafprozesses, an welchem der Verfasser kein gutes Haar läfst . Dieser Prozefs ,,erscheine nicht blos als ein Stück grauen Mittelalters, sondern vergegenwärtige uns thatsächlich den alten Inquisitionsprozefs, der die auf ihm erbaute Kriminalordnung so unerträglich gemacht habe ; der Auditeur vereinige in dieser absoluten Prozefsmonarchie alle Gewalten in seiner Person u. s. w." Wie wenig namentlich der letzte Satz den Thatsachen entspricht, geht aus den Worten des früheren Reichskanzlers

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von Caprivi hervor, die Verfasser selbst (S. 55) citirt : „ Ich erkenne trotz meiner persönlichen Anhänglichkeit an das alte Verfahren und trotz der bestimmten Überzeugung, dafs wir sehr gut darunter gelebt haben, vollkommen an, dafs, wie die Dinge einmal liegen, wir an eine Umarbeitung der Strafprozefsordnung gehen müssen." Das lebhafte Bedauern, welches aus diesen Worten klingt, wäre ganz unerklärlich, wenn der Auditeur wirklich die Situation beherrschte und der militärische Einflufs sich nicht genügend geltend machen könnte. Auch von den Strafprozefsordnungen gilt das alte Wort : an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Über augenblicklich ungerechtfertigte Urteile der bürgerlichen Gerichte hört man häufig klagen; dafs kriegsgerichtliche Erkenntnisse in der Weise angegriffen worden wären, ist uns nicht bekannt geworden. Man wende nicht ein, dafs diese nicht zur öffentlichen Kenntnifs gelangen. Der Verurteilte und seine Angehörigen kennen den Sachverhalt und das Urteil ; ständen beide im Mifsverhältnifs, so würden öffentliche Beschwerden nicht ausbleiben . Der Einflufs, den der Militärstrafprozefs auf die Mannszncht ausübt, wird vielfach überschätzt. Die Möglichkeit, jeden Offizier zu verabschieden, jedem Unteroffizier die Kapitulation zu kündigen, jeden Soldaten vom General bis zum Rekruten disziplinarisch mit empfindlichen Strafen zu belegen, ist schon an sich völlig ausreichend, den Gehorsam zu erzwingen. Nur in seltenen Fällen im Frieden, etwas häufiger im Kriege, wird zur Erhaltung der Mannszucht die Verhängung schwerer gerichtlicher Strafen notwendig. Dann allerdings darf der Strafprozefs nicht versagen , sondern mufs schnelle und scharfe Bestrafung der Schuldigen ermöglichen. Daſs der preulsische Militärstrafprozeſs dieser Anforderung im Krieg und Frieden genügte, weifs jeder Kundige ebenso, wie dafs der bayrische im Kriege versagte. Unser Heer verdankt seinem Strafprozefs recht viel und in einem Zukunftskriege werden wir stets zu dem Verfahren im Wesentlichen zurückkehren müssen, das wir im letzten Feldzuge hatten. Die schwache Seite des preussischen Verfahrens sind die Standgerichte , in welchen ohne Zuziehung eines Fachjuristen auf allen Gebieten des Strafrechtes bis zu sechswöchentlicher Freiheitstrafe erkannt und militärische Ehrenstrafen verhängt werden können . Über die Wirksamkeit dieser Gerichte wird leider vielfach mit Recht - geklagt ! Aber gerade diese Art von Gerichten ohne Rechtsverständige will der Verfasser in das von ihm vorgeschlagene neue Verfahren hinüberretten . Man höre die Begründung : „ Die Thätigkeit der Militäruntergerichte ist eine ungemein einfache, ihre Zuständigkeit eine so eng begrenzte, dafs eine besondere Vorbildung durch Rechtsstudium für sie durchaus entbehrlich erscheint und die Ausübung sowohl der richterlichen, wie der Ankläger- und Verteidiger- Funktionen mit gutem Gewissen ausschliesslich Offizieren übertragen werden kann ; ein älterer Hauptmann (zugleich Vorsitzender), zwei Lieutenants, von denen der eine Referent, als Richter, ein Lieutenant Vertreter der öffentlichen Anklage, ein Lieutenant (nach Wahl der Beschuldigten) Verteidiger und ein Unteroffizier als Gerichtsschreiber." Glaubte der Verfasser wirklich, dafs die Höhe der im Einzelfalle angedrohten Strafe im Verhältnisse stehe zur Einfachheit oder

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Schwierigkeit seiner rechtlichen Behandlung und Beurteilung? Ist ihm unbekannt, dafs ein Mord, ein Meineid, eine Brandstiftung juristisch sehr einfach, eine kleine Unterschlagung, eine geringe Urkundenfälschung sehr schwierig liegen können ? In welche Lage kommen endlich die zu dem Gerichte kommandirten Offiziere ? Der Hauptmann soll unter den Augen der Öffentlichkeit einen vielleicht recht komplizirten Fall durch Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen, Angeschuldigten klar legen , ein Lieutenant in dem grofsen, ihm günstigsten Falles oberflächlich bekannten Gebiete des Strafrechtes sofort die anwendbaren Bestimmungen auffinden und einen Strafantrag stellen, ein Lieutenant aber eine sachgemäßse Verteidigungsrede halten. Wir können uns der Befürchtung nicht erwehren, dafs eine solche Verhandlung weder dem Ansehen des Offizierstandes, noch der Erhaltung der Mannszucht dienen möchte ; dabei bedarf es nicht einmal des Hinweises auf unsere bösartige Presse . Für sie und ihr Publikum würden die Sitzungsberichte aus den Militäruntergerichten wohlschmeckendste Kost werden, für alle Gutgesinnten Gegenstand aufrichtigen Bedauerns. Je gewissenhafter und pflichttreuer unsere Offiziere sind, desto weniger dürfen sie vor Aufgaben gestellt werden, denen sie der grofsen Mehrzahl nach nicht gewachsen sein können. Über die Militäruntergerichte will der Verfasser zur Gewinnung eines ,,ausgiebigen Berufungsverfahrens" Divisionsbezirks über diese KorpsbezirksGerichte und an die Spitze den obersten Militärgerichtshof stellen . In allen Gerichtshöfen haben Offiziere den Vorsitz , die sachliche Leitung und die Majorität. Verfasser empfiehlt ,,weise Sparsamkeit in der Heranziehung der juristischen Techniker" und schwärmt wohl deshalb für den italienischen Strafprozefs, von welchem er eine kurze Darstellung giebt. - Dieser Prozefs leistet in sparsamer Verwendung juristischer Techniker" - gemeint allerdings das Mögliche ; überweist sind wohl durchgebildete Fachmänner aber inkonsequenterweise gleichzeitig grofse Gruppen militärischer Reate ganz und gar den Zivilgerichten. Diese sind nämlich allein zuständig, wenn Strafhandlungen gemeinschaftlich von Militär- und Zivil - Personen begangen werden, sowie wenn ein Soldat gleichzeitig wegen militärischer und bürgerlicher Strafhandlungen zur Verantwortung gezogen wird. Diese Konzession an die Zivilgerichte hält der Verfasser ,,im Interesse des Ganzen für recht nebensächlich ; das Alles sei nicht so böse " (S. 39) . Nach seiner Ansicht also kann ein von Soldaten begangener Aufruhr, eine Majestätsbeleidigung, an welchen sich Zivil- Personen beteiligt haben, eine Fahnenflucht oder Widersetzung, sobald mit ihnen eine Sachbeschädigung konkurrirt, von den Zivilgerichten allein abgeurteilt werden ohne jede Gefährdung der militärischen Interessen . Warum soll nicht mit gleich günstigem Erfolge von den Zivilgerichten über Aufruhr, Majestätsbeleidigung, Fahnenflucht, Widersetzung geurteilt werden , auch wenn Zivilpersonen nicht beteiligt sind und bürgerliche Strafhandlungen nicht konkurriren ? Weshalb können denn die Zivilgerichte nicht überhaupt und in allen Fällen ohne Verletzung militärischer Interessen erkennen und welcher haltbare Grund bleibt dem Verfasser noch übrig, das fortschrittliche Verlangen nach Abschaffung der

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Militärgerichtbarkeit abzuweisen ? - Auch nicht ein einziger ; giebt man Der Vorhier den kleinen Finger, so ist die Hand unrettbar verloren . schlag des Verfassers , inaktive Offiziere bei der Rechtsprechung zu verwenden, ist nicht neu, aber sehr beachtenswert. Wir haben eine grofse Anzahl geistig frischer und rüstiger Pensionäre , die unter sachgemäfser Verwendung der Militärrechtsprechung vortreffliche Dienste leisten könnten . Der Verfasser schiefst aber über das Ziel hinaus , wenn er dem invaliden Laienelement überall den Vorsitz , die sachliche Leitung und die Majorität - gegen welch' letztere wir nichts hätten - zuwenden will. So soll z. B. der oberste Militärgerichtshof mit einem General der Infanterie, vier Generalmajors oder Generallieutenants und vier ,,Oberlandesgerichtsräten" besetzt werden. Ob die letzteren auch invalide sein dürfen , wird nicht gesagt, läge wohl aber im Interesse einer homogenen Besetzung des Gerichtshofes, der dem grofsen Invalidenhause angegliedert werden könnte . Von der Durchführung seiner Vorschläge erwartet der Verfasser „ Frische in der Rechtsprechung" und „ Kräftigung des Zutrauens der Bevölkerung zur Militärstrafrechtspflege" . Hat der Verfasser nie gehört, dafs der sich schuldig fühlende Verbrecher vor das Schwurgericht , also vor Laien, der sich unschuldig fühlende Angeklagte vor die Strafkammer , also vor wirkliche Fachmänner kommen will ? Nach welcher Seite gravitirt das Zutrauen der Bevölkerung ? Auf kleine Irrtümer und Übergehung wesentlicher Punkte in der Arbeit wollen wir nicht weiter eingehen , obzwar der Verfasser sich als Auchjurist bekennt und als Fachmann auch in dieser Beziehung betrachtet werden will: ,, Meine mehrjährige vor meiner Offizierslaufbahn liegende Thätigkeit als Jurist hat mir Gelegenheit gegeben, die schwebende Frage nicht allein vom militärischen Standtpunkt aus zu behandeln." Es ist ja anzunehmen , dafs der Verfasser, welcher vor etwa 35 Jahren Auskultator und einige Monate Referendar war, sich wenigstens von der damaligen juristischen Technik" Wesentliches angeeignet hat ; seine Vorschläge sind auch gewifs wohlüberlegte und nur von dem Intersse für das Heer diktirt. Aber vor die Wahl gestellt , sie anzunehmen oder zu behalten , was wir haben , würden wir das Letztere vorziehen , so verbesserungsbedürftig es auch sein mag. Mündliches Verfahren, Ersetzung der untersuchungsführenden Offiziere durch Fachmänner, Erweiterung der Disziplinarstrafbefugnifs, Einführung bedingter Strafbefehle in bürgerlichen Strafsachen über die Grenzen hinaus , die im bürgerlichen Verfahren gezogen sind das wären nach unserer Ansicht erreichbare und wesentliche Verbesserungen ; sie entbehren freilich der glänzenden Schale, aber : der beste Strafprozefs taugt nichts in unkundigen Händen , der schlechteste ist erträglich, wenn er von geschulter und gewissenhafter Hand 70. angewendet wird.

Die Militär- Spionage von W. N. Klembowsky , kais. russ. Oberstlieutenant. Aus dem Russischen übersetzt von Frhr. v. Tettau, Prem.-Lieut. im Pomm. Füs . -Reg . Nr. 34. Möschke. 1894. Preis 1,25 M.

Leipzig, Zuckschwerdt &

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In der Vorrede begegnet der Herr Verfasser dem Einwand, wie man überhaupt über die Spionage schreiben kann . Wenn auch der Auskundschafter geheimer militärischer Gegenstände im Falle der Ergreifung im Kriege und im Frieden strenge bestraft wird, so ist doch völkerrechtlich die Spionage erlaubt, und ein oft angewandtes Mittel der Kriegführung. „ Wenn man jederzeit des Feindes Desseins voraus wüfste, so würde man denselben mit einer inferieuren Armee auch allemal überlegen sein", lautet ein Ausspruch Friedrichs des Grofsen, für dessen Wahrheit die Kriegsgeschichte aller Zeiten ein beredtes Zeugnifs giebt. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dafs eine litterarische Bearbeitung der „ MilitärSpionage" ein Bedürfnifs war, und ist das vorliegende Werk, in welchem mit Offenheit und Ausführlichkeit über die Spionage gehandelt wird, gewifs Das 1. Kapitel vom hohem Interesse. Das Werk zerfällt in 5 Kapitel. enthält : Zweck der Spionage, Ansichten von Militär- Schriftstellern über den Nutzen und den Wert der Spionage, und kurze historische Angaben über die Anwendung der Spionage zu verschiedenen Epochen. Das 2. Kapitel handelt von der Spionage im Frieden ; und das 3. Kapitel von der Spionage im Kriege. In beiden Kapiteln werden interessante Beispiele namentlich aus dem Kriege 1870-1871 angeführt. Im 4. Kapitel wird von den Orten der Übermittelung von Nachrichten seitens des Spions an die Truppen gesprochen. Das 5. Kapitel enthält philosophische Ausführungen über die Spionage vom Standpunkte der Moral und Erörterungen über die Strafgesetzgebungen gegen die geheimen Kundschafter. - Jedenfalls hat sich Tettau durch die Übersetzung des russischen Werkes " das deutsche 42. Lesepublikum zum Danke verpflichtet. Serbien. Von Anton Tuma , k. u. k. General-Major. Zuckschwerdt & Möschke. Preis 6 M.

Leipzig 1894.

Es ist unzweifelhaft, dafs die Balkan- Staaten für die europäische StaatenPolitik von grofser Bedeutung sind, und dafs es für den Staatsmann und Militär ein Gebot der Notwendigkeit ist, sich über die Verhältnisse Serbiens eingehend zu orientiren. Das vorliegende Werk, dessen Verfasser sich durch seine früheren Publikationen , namentlich durch das Werk : „ Griechenland, Makedonien und Süd-Albanien“ einen wohlklingenden Namen erworben hat, ist daher gewifs mit Freuden zu begrüfsen. Der Herr Verfasser giebt zuerst eine kurz gefafste historische Übersicht von der Zeit der Römerherrschaft (Serbien hiefs damals Moesia superior) bis auf unsere Tage, bringt dann interessante geographische und statistische Notizen und berichtet in anschaulicher und klarer Weise über die Verfassung, die Verwaltung, die Justizpflege, die kirchlichen Angelegenheiten, die geistige Kultur, die wirtschaftlichen Verhältnisse, die öffentliche Gesundheitspflege, endlich über das Heerwesen und die Finanzen . Das Heerwesen Serbiens (von welchem im 10. Kapitel gehandelt wird) datirt erst vom Jahre 1830, in welchem Jahre dem Fürsten Milosch Obrenovich von der hohen Pforte gestattet wurde, eine Anzahl von Kriegstruppen zum Schutze der innern Ordnung zu halten. Seit dieser Zeit hat, wie wir den Ausführungen des hochinteressanten

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Werkes entnehmen, die Wehrmacht Serbiens vielfache Umgestaltungen erfahren. Die gegenwärtige Heeresorganisation , nach welcher die Wehrmacht aus dem regulären Heere, dem ersten und zweiten Aufgebot der Nationalmiliz besteht, und der Unterhalt der Nationalmiliz während der jährlichen Waffenübungen den Gemeinden obliegt, ist gewifs noch sehr reformbedürftig . Jedenfalls aber beweist die Geschichte des jungen serbischen Heeres, dafs Serbien bemüht ist, sein Heer auf eine möglichst hohe Stufe der Kriegstüchtigkeit zu bringen. Auch die übrigen Kapitel, namentlich das Kapitel über Justizpflege und Unterricht, gewähren dem Leser Belehrung und Anregung. — Wer die Absicht hat, sich über die Entwickelung und die heutigen Verhältnisse des Königreiches Serbien zu unterrichten, der wird 45. Tuma's Buch nicht unbefriedigt aus der Hand legen. Militärischer Dienst-Unterricht für Einjährig-Freiwillige, Reserveoffizier-Aspiranten und Offiziere des Beurlaubtenstandes der Pioniere. Nach den neuesten Vorschriften bearbeitet von E. Hartmann , Oberst und Inspekteur der 4. Festungs - Inspektion . Mit zahlreichen Abbildungen. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 5 M., geb. 5,50 M. Während für die übrigen Waffengattungen des Heeres längst schon ein Dienst-Unterrichtsbuch für Freiwillige etc. vorhanden war , entbehrten die Pioniere bisher eines solchen. Dieser Leitfaden ist in ähnlicher Weise gegliedert wie seine Vorgänger. Er behandelt im ersten Teile „ Heereseinrichtungen und inneren Dienst" , im zweiten den ,,Garnisondienst" , im dritten den ,,militär-technischen Dienst" (d . h. Exerziren, Schiefsen, Gewehr), im vierten den ,,Felddienst". Der eigentliche Pionierdienst hat keine Berücksichtigung gefunden , da für denselben die verschiedenen Vorschriften für die einzelnen Zweige desselben den erforderlichen Anhalt bieten. Das Werk wird sich den Freiwilligen dieser Waffe als ebenso unentbehrlich erweisen, wie dies bezüglich der übrigen Leitfäden der Fall ist. Einer weiteren Anpreisung dieses von sachkundiger Hand zusammen1. gestellten Unterrichtsbuches wird es nicht bedürfen. Der Königsurlauber. Eine Geschichte von deutscher Soldatentreue. Jung und Alt gewidmet von Paul Arnold . Mit vielen Abbildungen . Leipzig 1894. Ferd . Hirt & Sohn . Preis 1,60 M. Die Zahl der ,, Soldaten-Geschichten " wächst in neuester Zeit in das Ungeheuere. Alle mögen sie wohl das Bestreben haben, dem Leser nicht nur Interessantes zu bieten , sondern auch den Geist der Vaterlandsliebe in den Herzen unserer Jugend zu erregen und zu bewegen. Aber das Das kann man dem vorWollen bleibt oft hinter dem Können zurück. liegenden, hübsch ausgestatteten Bändchen nicht nachsagen . Es rechnet zu dem Besten dieser Art volkstümlicher Litteratur. Wir können deshalb diese Erzählung, die im Mittelpunkte des Krieges gegen Frankreich steht und auf geschichtlich richtigen Daten fufst , nur auf das Wärmste allen Volks- und Soldatenbibliotheken wie unserer deutschen Jugend überhaupt, 4. empfehlen.

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Bilder aus dem Soldatenleben von J. Baumann. von F. P. Datterer. Preis 25 Pf.

Freising.

Verlag

Nicht Erzählungen sind es , wie der Titel glauben machen könnte, sondern ein Melodrama ist es mit Musik , Chören und Signalen , unter Benutzung bekannter Melodien . Zur Aufführung bei festlichen Gelegen4. heiten scheint mir dasselbe sehr geeignet. Bestimmungen über die Versorgung der Hinterbliebenen und Angehörigen des Reichsheeres. Mit Genehmigung des Königl . Preufs . Kriegsministeriums unter Benutzung der Akten desselben Berlin 1894. E. zusammengestellt von Buhrke , Rechnungsrat. S. Mittler & Sohn.

Preis 4 M., geb. 4,60 M.

Es ist eine Thatsache , dafs Hinterbliebene von Heeresangehörigen nur deshalb in überaus traurigen Verhältnissen leben , weil sie aus Unkennifs der Versorsungsvorschriften die Geltendmachung ihrer Ansprüche verabsäumt haben. Diesem Übelstande soll das vorliegende Werk abhelfen . Es wird nicht nur Allen, die dem Militär angehören oder angehört haben , und deren Hinterbliebenen, sondern auch allen Zivil- und Militärbehörden ein willkommenes Hülfsmittel sein. 2. III.

Seewesen.

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft X : Die physikalischen Verhältnisse des Meeres. Vortrag des Vorsitzenden der geographischen Sektion der ,,British Association " , des Kapt. z . S. Wharton. Übers . aus dem „ Geographical Journal". Eine anschauliche und interessante Übersicht über den heutigen Stand der Oceanographie . - Zur Hydrographie und Meteorologie der deutschen Postdampferroute zwischen Singapore und Herbertshöh (Neu-Pommern). Kapt. Mentz , Von Rio de Janeiro nach Valparaiso. Reichspostdampfer „ Lübeck". Aus dem Reiseberichte S. M. S. ,, Alexandrine " , Kommandant Korv.-Kapt. Fahrten durch das Rote Meer und an der Ostküste von Schmidt. Afrika. Reisebericht d. Kapt. E. Elson vom Reichspostdampfer ,,ReichsAus dem Reisebericht S. M. S . ,,Sperber", tag". -- Loanda- Kamerun . Kommandant Korv. - Kapt. von Arnoldi. - Cartagena - Columbien , vom Kapt. T. Niejahr , Führer der Bark ,,Anna Schwalbe“. - Beruhigung der Wellen durch Öl. Lootsenwesen in Savannah , Georgia. - Depots von Konserven etc. für Schiffbrüchige auf den Kerguelen , St. Paul und Neu-Amsterdam . -- Bericht über das Glätten der See durch Seifenwasser. - Stromversetzung zwischen Sidney und Apia. Am Ausbleiben des Südostpassates zwischen denselben Häfen Anfangs Mai 1894. Die Witterung an der deutschen Küste im September 1894. Es ist überall 1—3º kälter gewesen, Sturm nur an drei Tagen in der östlichen Ostsee , heitere Tage nur 1-6, sonst immer mehr oder weniger Regen. Army and Navy Gazette. Nr. 1813 : ,, Bow fine and the Yalu" behandelt die Vor- und Nachteile von Bug- und Breitseitfeuer in einer Seeschlacht. Zwei kürzere Artikel besprechen die durch die Seeschlacht

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am Yalu-Flufs bewiesene Notwendigkeit, im Gefecht noch Signale geben. zu müssen und begrüfsen eine von den englischen Kapitänen Prinz Ludwig von Battenberg und Percy Scott erfundene Methode des Signalisirens als einen Fortschritt auf dem Gebiete des Signalwesens. Diè Erfindung selbst wird nicht näher erklärt. Die chilenische Marine hat einen bedeutenden Zuwachs durch die Fertigstellung des Panzerdeckskreuzers ,, Blanco Encalada“ erhalten . Er ist bei Mr. Watts in Elswick gebaut, hat mit natürlichem Zuge 21,75 Seemeil. und forcirt bei hoher See 22,78 Seemeil. gemacht. - Die russische in Ostasien versammelte Streitmacht zur See besteht aus 3 Panzerdeckskreuzern , 3 Korvetten , 3 Kanonenbooten und 1 Transporter . Sie wird noch verstärkt durch ein Panzerschiff, 1 Panzerdeckskreuzer , 1 KorFranzösische Schiffsbewegungen nach vette und 2 Torpedofahrzeuge. Ostasien . Fortsetzung der Kriegsberichte über China - Japan. Nr. 1814 : ,,Our small craft" bespricht die Notwendigkeit , kleinere Schiffe im fernen Osten zum Schutz der Europäer in den Flüssen zu unterhalten und den Verlust, den die Marine im Fall eines Krieges an Personal hierdurch erleidet. Es wird im Anschlufs hieran die Frage zur Erwägung gestellt, ob es gerechtfertigt ist, solche und ähnliche z. B. für den Schutz der Fischerei bestimmte Fahrzeuge neu zu bauen und ihre Kosten dem Marineetat zur Last zu stellen . Der admiral of the fleet Sir Geoffrey Hornby hat für das „,United Service Magazine" einen kurzen Artikel über die Seeschlacht am Yalu-Flufs geschrieben , worin er sagt , dafs die Resultate derselben keineswegs die Schlachtschiffe diskreditiren könnten . Es sei in der Seekriegsgeschichte schon häufig vorgekommen, dafs ein Seine Bemerkungen klingen aus Zwerg einen Riesen überwunden habe. in dem Satz : ,,it is the best man that wins " und treffen sich damit mit der auch von uns schon früher ausgesprochenen Ansicht , dafs das die einzig berechtigte Lehre aus genannter Schlacht ist. Schon früher hat das Blatt seiner Verwunderung Ausdruck gegeben , dafs man nach Frankreich habe gehen müssen , um ,,Terrible" und „ Powerfull" mit Wasserrohrkesseln zu versehen. Jetzt erbietet sich Mr. James Harden in Glasgow, dafs er mit den von ihm konstruirten gewöhnlichen Cylinderkesseln jede Konkurrenz mit den heute existirenden Wasserrohrkesseln aufnehmen wolle. Es steht zu hoffen, dafs vergleichende Versuche ausgeführt werden, da die Wasserrohrkessel bei ihren ungeheueren Vorzügen doch gerade für Kriegsschiffszwecke Nachteile haben , die im System selbst liegen. Der Konstantinopel - Korrespondent der „ Reichswehr" bringt Neues über Neubauten in der türkischen Marine . Zwei Stahlkorvetten und zwei Stahlkanonenboote sind vom Stapel gelaufen. Der von der Germaniawerft in Kiel gebaute und vor einigen Wochen in Konstantinopel angekommene Torpedokreuzer liegt dort inmitten der fast unbrauchbar gewordenen Torpedobootsflottille und wird es bald ebenfalls sein , möchten wir hinzufügen. China - Japan (Forts.). Stärke der gegenseitigen Flotten. Vernichtung des Kowshing. --- Gibraltar , sein Wert , die von ihm zu verlangende Leistungsfähigkeit , das hierzu Nötige , Vorschläge der Regierung. Nr. 1815 : Floating Defence und ähnliche vage Begriffe hat Sir George

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Sydenham Clarke in einer Schrift auf eine allgemein gültige Grundlage zurückzuführen versucht. Es wird ihm nahe gelegt, ein populär geschriebenes kleines Handbuch für solche dem Laien nicht geläufigen Fachausdrücke herauszugeben . — Abkürzung der Wiederholungskurse auf dem Artillerieschulschiff zu Gunsten vermehrter Seefahrt wird für alle Chargen der englischen Marine empfohlen . Dänischer Marine- Etat, wird kurz angegeben. - Die schwedischen Marine - Manöver 1894 hatten den Zweck, die Befestigungen von Waxholm auf ihren Wert zu prüfen , welche als Basis für die Verteidigung Stockholms nach der Seeseite dienen sollen . -Fortsetzung der Kriegsberichte China - Japan mit Übersichtskarte. Nr. 1816 : Leitartikel über den Stand des Krieges zwischen China und Japan. Zwei kürzere Artikel über die Vorrichtungen zum Kohlen und die Schnelligkeit des Kohlennehmens auf den Schiffen der Admiralklasse : ,,Anson",,,Benbow" etc. - Erfahrungen über den Kohlenverbrauch bei reinem und bewachsenen Boden sind von den amerikanischen Kriegsschiffen ,,Bennington" und ,,New York" gemacht. Es wird auf einen sehr interessanten Artikel des M. Weyl in „ Le Yacht“ über das neue Schlachtschiff ,,Brennus" aufmerksam gemacht, der den Angriffen auf dasselbe entgegentritt. - Allerlei fragwürdige Bemerkungen des Reichswehr-Korrespondenten in Konstantinopel über russische Bemühungen , eine Kohlenstation im östDislokationsliste der englischen lichen Teil des Mittelmeers zu erwerben. Flotte. Danach sind allein 24 Schiffe und Fahrzeuge augenblicklich in China. - Die Operationen gegen Nana Town durch die englischen Schiffe ,, Philomel",,,Phoebe", ,,Alecto " und ,,Widgeon " im September dieses Jahres. Army and Navy Journal. Band XXXII . Nr. 8: Lehren der Seeschlacht am Yalu - Flufs: Beweglichkeit und Schnelligkeit der Bewegung beim Angriff sind wichtigere Faktoren als Unverletzlichkeit des Schiffskörpers . Mächtiger Einflufs des kommandirenden Offiziers in jedem Nachkampf. Bester Schutz starkes Geschützfeuer, verbunden mit Geschwindigkeit. Wir sind der Ansicht, dafs die einzige Lehre, die man aus genannter Schlacht ziehen kann, die ist, dafs die Menschen in einer Schlacht immer noch die Hauptrolle spielen und die Kampfmittel derselben erst in zweiter Linie kommen. -- Bau einer Kriegswerft in New-Orleans beabsichtigt. ―― Kurzer Bericht eines englischen Seeoffiziers als Augenzeugen an Bord des chinesischen Kriegsschiffes ,,Chen - Yuen" über die fürchterliche Wirkung der japanischen Artillerie. Verfasser schliefst mit der Ansicht, dafs kein europäischer Herrscher mehr an Krieg denken würde, wenn er das Deck des ,,Chen-Yuen" gesehen hätte. Schlachtschiff II . Kl . ,,Maine" hat bei der Probefahrt auf dem 30 Seemeilen -Kurs eine mittlere Geschwindigkeit von 15,95 Seemeilen, eine Maximalgeschwindigkeit von 18,37 Seemeilen erreicht . Interessantes Vergleichsschiefsen zwischen 6pfündigen Schnellfeuerkanonen System Driggs - Schröder, Hotchkiss, Maxim- Nordenfelt, Seabury und Sponsel, in Bezug auf Schnelligkeit des Schiefsens und Funktioniren des Lademechanismus bei Beschmutzung desselben durch Sand, Staub und Salz -Ammoniak - Wasser. Nr. 9 : Besprechung des kürzlich erschienenen Briefwechsels des Generals Sherman und Senator Sherman in den Jahren

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1837-91.- Sekretär Mc. Adoo über Stagnation im amerikanischen Seeoffizierkorps. - Denselben Gegenstand und Vorschlag zur Abhülfe durch Verwendung der Seeoffiziere im diplomatischen Dienst behandelt ein Artikel : die Marine und der diplomatische Dienst ; beachtenswert. Nr. 11 : In einem Artikel : ,,Kriegsmaterial für Japan und China“ beklagt der Verfasser, dafs der augenblickliche Krieg zwischen Japan und China nicht so einträglich für Amerika sei, wie sonst solche Kriege. Deutschland habe den ganzen Nutzen davon, da beide Parteien bei ihm bestellten. - ,,The question of Battleships " bespricht einen Artikel des Staatssekretärs für die Marine Mr. A. Herbert in der NovemberNummer der „ North American Review". Mr. Herbert unterzieht die YaluSchlacht nach den Lehren, die die amerikanische Marine daraus ziehen kann, einer Betrachtung . Revue maritime et coloniale. Nr. 398 : Eine Studie von M. Réveille über das eigentümliche Geräusch, welches sich vor der Detonation der Geschosse beim Feuern mit grofsen Anfangsgeschwindigkeiten hören läfst. - Bemerkungen über den ,,Khamsin", einen im südlichen Teil des roten Meeres zeitweise herrschenden Wind, und über den Unterschied der Temperaturen in Obock und Djibouti während der heifsen Jahreszeit. Bericht über einen Umdrehungsanzeiger der Maschinen und einen Feuerund Wassermelder auf dem amerikanischen Kreuzer ,,Bennington ". — ,,Die Torpedoboote", Auszüge aus italienischen Zeitschriften , besonders „ Rivista marittima" über den Wert und die verschiedenen Verwendungsarten von Torpedobooten. Meteorologische Theorien von N. Duponchel, kritische Studie von E. Tournier. Majunga, seine Bedeutung, seine Zukunft ; Abhandlung über die Stadt dieses Namens auf Madagaskar, die in ihrer Vielseitigkeit einen interessanten Beitrag zur Kenntnifs der Insel liefert. Von M.-I. Landrien, Hülfs-Kommissär der Marine, geschrieben, erhalten wir Auskunft über Land und Leute, Handel, Produktion und Schifffahrt dieses augenblicklich im Vordergrunde des Interesses stehenden Landes. Die Elektrizität in Amerika (Schlufs), von Leflaive. - Organisation des italienischen Marine-Ministeriums. Bemerkungen über den Kompafs des Hochseetorpedobootes l'Orage. - Chronik des Hafens von Lorient von 1803-1809 (Forts. ). Chronik : Artillerie. Vereinigte Staaten, Schiefsversuche mit der pneumatischen Dynamitkanone, aus englischen Journalen zusammengestellt. - Budgets : Budget der österreichischen Marine für 1894. Schiffbau : Bemerkungen über den italienischen Panzer ,,Sardegna", aus der Rivista marittima. - Manöver: Die diesjährigen englischen Flottenmanöver aus : Journal of the Royal Service Institution und Broad Arrow zusammengestellt. -- Kriegsmarine : Die Reserven der Flotte und die Arsenale in England . Material : Klassifizirung und Verteilung der Schiffe und Fahrzeuge der italienischen Marine. - Torpodowaffe: Die neuen Torpedoboote der Vereinigten Staaten. Rivista marittima. November 1894. Die historischen Gründe der koreanischen Frage von Dr. Vicenzo Grossi. Die elektrische Schifffahrt Allgemeine Schifffahrtsund die Kriegsmarine. Ing. J. Martinez. verhältnisse bei den Alten. Von F. Biazzi, Thunfischfang in Favignana ,

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mit Illustrationen.

Briefe an den Direktor : Das englische Geschwader in Livorno i . J. 1652. Dr. Manfroni. - Die Auswanderung und die Hygiene an Bord. Dr. V. Grossi. - Methode, die elektrostatische Fähigkeit irgend

eines Kondensators ohne Anwendung eines Probekondensators zu bestimmen. - Internationales Institut für Ingenieure und Architekten. - Landungen. -Nachrichten und Notizen : Österreich, Bau eines neuen Torpedobootes. - Frankreich, neues Torpedoboot aus Aluminium, mit Abbildung. -Probefahrten der Schiffe ,,Jemmapes ",,, Dupuy de Lome ",,, Lansquenet" und ,,Sourcouf . - Deutschland, Stapellauf des Kreuzers ,,F". - Bau eines neuen Panzerschiffes Typ ,,Brandenburg". - England, Erfahrungen über Krängung bei der „ Revenge". Änderungen an der „ Royal Sovereign “. Probefahrt des Kreuzers ,,Fox". Havarie des Kanonenbootes „, Halycon“ . Stapellauf des Torpedobootsjägers ,,Ardent" und Geschwindigkeit des „ Rocket" . - Italien. Probefahrten der Kreuzer ,,Lombardia“, „ Liguria“, „ Etruria“ und „ Umbria “. Daten über die Torpedokreuzer der italienischen Marine. - San Domingo, das Kanonenboot ,, Independencia" . — Vereinigte Staaten von Nordamerika, Notizen über das Unterwasserfahrzeug „ Holland“. Probefahrt des Kreuzers ,,Maine". Artillerie und Unterwasserwaffen etc. England : Experimente mit Dynamitkanone. Notizen über Brennan -Torpedo. -Rufsland, weitere Schiefsversuche gegen Panzer. Anhang : Verzeichnifs der für den Winter 1894/95 in Dienst, in Reserve und in Bereitschaft gehaltenen italienischen Schiffe und Fahrzeuge mit ihren Stäben. Danach hat Italien in Dienst : Ein permanentes Geschwader. I. Division : Panzer „ Lepanto ", Kreuzer ,, Stromboli“ , „ Montebello “, „ Iride “. II. Division : Panzer ,,Morosini ", Kreuzer „ Euridice ", „ Calatafimi". Torpedo bootsdivision : "" Tevere" und 6 Torpedoboote. Ein Reservegeschwader. I. Division : Panzer „ Re Umberto" und „ A. Doria", Kreuzer „ Aretusa". II. Divison : Panzer ,, Sardegna" und ,,Rug. di Lauria ". Torpedo bootsdivisionen : 1 zu 4, 5 zu 6 Torpedobooten. Ferner 5 Schiffe zu besonderen Zwecken : „ Caracciolo“, „ Miseno“ , „ Palinuro “, „,Chioggia“ und ,,Capnaia". Supplementband : die Organisation der Zentralbehörde der Marinen der hauptsächlichsten maritimen Staaten. Morskoi Sbornik (Russischer Marine-Sammler). Nr. 8, August 94: Verordnungen : Der Dampfer ,, Batjuschka" wird in Folge völliger Dienstuntauglichkeit aus den Listen der Fahrzeuge der Flotte gestrichen. - Verordnung über die Hafen-Polizei in den Kriegshäfen des Reichs . Verordnung über die ,,älteren Bootsleute" und ,,Konduktors" der Flotte. - Verordnung über die Seewehr (morskoje opoltschenie) und Etats der Regeln für die Aufnahme von Zöglingen in das Seewehr- Truppenteile. Marine -Kadetten - Korps und Programm für die Aufnahme - Prüfung. Nachrichten über die Kriegsfahrzeuge in ausländischen Gewässern. Nichtoffizieller Teil : Fragen der Seeschifffahrt in meteorologischer Beziehung. -Schnellfeuergeschütze , System Armstrong. - Neue englische Panzer Die von 14 000 t. Ergebnisse der Prüfungen von See -Maschinen . Küsten-Verteidigungs- Systeme Europas.

(Schlufs).

Umschau in der Militär-Litteratur.

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Bücher. Internationale Rechtsverhältnisse der Kriegs- und Handelsschiffe im Krieg und Frieden , bearbeitet von Kapitänlieutenant z. D. Ferber. Kiel 1894. H. Eckardt. Preis 1,20 M. Das Heft soll nach dem Vorwort dem jungen Seeoffizier einen allgemeinen Überblick über die internationalen Rechtsverhältnisse auf der See geben. Eine gedrängte und übersichtliche Zusammenstellung dieser Materie ist an und für sich schon eine verdienstvolle Arbeit, und der Verfasser hat es fraglos verstanden, das Wichtigste und Wissenswerteste herauszufinden. Wenn wir dem bescheidenen Werk einen Wunsch mit auf den Weg geben möchten, so ist es der, dafs es bald in etwas erweiterter Form, mit beigegebener Quellenangabe, erscheinen möge. Der Stoff liegt ja zum allergröfsten Teil im Gebiete des Völkerrechts und gerade auf noch so wenig festem Boden ist es doppelt wertvoll , im gegebenen Fall die wirklich vorhandenen Gesetze, internationalen Abmachungen , oder auch nur Vorgänge schnell auffinden zu können. Vorläufig fehlt hierzu eine 19. geeignete Handhabe . Untersuchungen über Chronometer und nautische Instrumente. Studie über den Mechanismus und den Gang der Chronometer von E. Caspari , Marine-Ingenieur, übersetzt von E. Gohlke. Bautzen. 1894. E. Hübner. Preis 8 M. Dieses als Preisschrift gekennzeichnete Buch giebt eine genaue Beschreibung des Mechanismus eines Chronometers , eine Reihe einschlägiger Untersuchungen über die Fehlerquellen eines solchen und die daraus zu ziehenden Lehren für eine geeignete Behandlung an Bord. Das Gesagte dürfte den jetzigen Stand der Wissenschaft diesem unentbehrlichen Be19. gleiter des Seefahrers gegenüber darstellen. Zwei Fahrten in das nördliche Eismeer nach Spitzbergen und Novaja Zemlja , unternommen von Sr. K. Hoh. Prinz Heinrich von Bourbon, Graf von Bardi an Bord der österreichischen Yachten „ Fleur de Lys I und II " in den Jahren 1891 und 1892. Pola 1894. Carl Gerold's Sohn. Preis 7,50 M. Ein Buch, das von dem Führer der Fahrzeuge auf den genannten

Fahrten, Linienschiffslieutenant Ritter von Barry im Auftrage des k. u . k, Reichs - Kriegs - Ministeriums geschrieben ist. Der Verfasser bezeichnet als Zweck der geschilderten Reisen, dem Leser einen Begriff von der Durchführung polarer Rekognoszirungsfahrten zu geben , die Freude und Lust zu Nordlandsreisen wachzurufen und jenen , die in die Fußstapfen des erlauchten Prinzen treten sollten , die gemachten Erfahrungen, Beobachtungen, Wahrnehmungen und Aufnahmen mitzuteilen . Diesem Zwecke entspricht das Buch nach Inhalt und Form durchaus. Auf den ersten Anblick macht es durch die vielen in den Text gedruckten, sorgfältig ausgeführten Pläne von Häfen und Küstenteilen den Eindruck eines rein wissenschaftlichen Werkes. Die gemachten Aufnahmen sind jedoch nur ein Beweis für die Vielseitigkeit des hohen Reisenden , der sich nicht nur als kühner YachtJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 1. 9

130

Umschau in der Militär- Litteratur.

und Seemann und passionirter Jäger , sondern auch als wissenschaftlicher Forscher bethätigt. Im Laufe der Erzählung wird mit glühenden Farben der poetische Zauber der nordischen Eiseswelt geschildert , wie sie mit ihren gewaltigen Massen , der Starrheit ihrer wunderbaren Gebilde den Reiz nie geahnter Farbenpracht verbindet. Dazwischen sind die Jagderlebnisse der Gesellschaft eingestreut , die uns mit der Tierwelt dieser unwirtlichen und noch wenig durchstreiften Gegenden und mit ihrer Jagd bekannt machen. Aus dem beigefügten Auszug aus dem Jagdjournal geht hervor , dafs die beiden mitreisenden Damen , die Infantin Maria Anna von Portugal - Braganza und die Prinzessin Adelgonde von Bourbon- Braganza den Herren an Jagdeifer nichts nachgaben. Erste verzeichnet 15 Renntiere, 4 Seehunde, 1 Fuchs und 176 Stück verschiedenes Geflügel , letztere gar 26 Renntiere, 6 Seehunde, 1 Fuchs und 177 Stück Geflügel als Jagdbeute in knapp vier Wochen. Gute photographische Aufnahmen beleben den Text und machen uns mit den Teilnehmern an der Fahrt bekannt. Allen, die aus Reiselust, Freude am edlen Waidwerk oder wissenschaftlichem Interesse dem Beispiele des Prinzen von Bourbon folgen wollen , sei das Buch auf das An19 . gelegentlichste empfohlen .

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Das Kurfürstentum Hannover vom Baseler Frieden bis zur Nach archivalischen und preufsischen Occupation im Jahre 1806. handschriftlichen Quellen von W. von Hassel. Mit 4 Porträts. Hannover 1894. Verlag von Carl Meyer. Preis 7,50 M. 2. Ergänzungs- Heft zum ,,Volkskrieg an der Loire" . Zur Geschichte der Verteidigung des Kirchhofes von Beaune la Rolande . Nach amtlichen Quellen und handschriftlichen Aufzeichnungen von Mitkämpfern von Fritz Hoenig. Berlin 1894. Militär-Verlag R. Felix, Preis 1,20 M. 3. Der Einjährig - Freiwillige und Offizier des Beurlaubtenstandes der Infanterie , seine Ausbildung und Doppelstellung im Heer und Staat. Ein Lehr- und Lernbuch für Einjährige , Reserve- und Landwehr - Offiziere , für jüngere Linien - Offiziere , sowie für Avantageure und Fähnriche. Herausgegeben von Max Menzel, Hauptmann . Mit 16 Tafeln in Federzeichnung und 4 Anlagen. Berlin 1895. R. Eisenschmidt. Preis broch 2,50 M., gebd. 3 M. Avec un portrait. 4. Lettres du maréchal Bosquet 1830-1858 . Paris-Nancy 1894. Berger-Levrault et Cie., éditeurs. Preis 5 frs. 5. Internationale Rechtsverhältnisse der Kriegs- und HandelsBearbeitet vom Kapitän - Lieutenant schiffe in Krieg und Frieden. z. D. Ferber. Kiel 1895. Verlag von H. Eckardt. Preis 1,20 M. 6. Geschichte des deutsch-französischen Krieges von 1870-71 von Graf Helmuth von Moltke . Volksausgabe zur Wiederkehr der Gedenktage unserer vor 25 Jahren erfochtenen Siege in den grofsen Preis 3 M. , Kämpfen von 1870-71 . Berlin 1895. E. S. Mittler & S. in geprefstem Orig . -Einbd . 3,60 M.

Umschau in der Militär-Litteratur.

7. Studie über Länderbefestigung von Toilow. schwerdt & Möschke. Preis 2 M.

131

Leipzig.

Zuck-

8. Statistischer Veterinär- Sanitäts-Bericht über die preufsische Armee für das Rapportjahr 1893. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. 9. Über Erziehung und Führung von Kavallerie, sowie Übungen gemischter Truppen im Gelände. Eine Denkschrift von G. von PeletBerlin Narbonne , Generallieutenant z. D. Mit 16 Skizzen im Text. 1894. E. S. Mittler & S. Preis 3,75 M. , geb. 5 M. 10. Die französische Armee in Krieg und

Frieden.

Von

Moritz Exner , Oberstlieutenant z. D. Zweite, neu bearbeitete Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 3,60 M. 11. Studie über den Schrapnelschufs der Feldartillerie von H. Rohne, Generalmajor. Mit drei Beilagen in Steindruck. Berlin 1894 . E. S. Mittler & S. Preis 1,60 M. 12. Anleitung zum Unterricht über Fahneneid , Kriegsartikel und Berufspflichten von v. Estorff, Hauptmann. Zweite Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. 13. Die Befestigung und Verteidigung der deutsch - französischen Grenze. Vierte Auflage , umgearbeitet und erweitert von F. M. von Donat , Major. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 1 M. 14. Des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig Zug durch Norddeutschland im Jahre 1809. Von v. Kortzfleisch, Hauptmann. Mit einem Bildnifs , zwei Gefechtsplänen , einer Übersichtskarte und zwei Textskizzen . Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 1,75 M. 15. Die künstliche Geflügelzucht. Praktisches Lehrbuch zum

rationellen Betriebe der Hühner - Schlachtküken - Zucht. Auf Grund praktischer Erfahrungen dargestellt von Max Schwarzlose. Magdeburg 1894. Creutz'sche Verlagsbuchhandlung. 16. Sanitation and Health. By Col. Reginald Clare Hart. Revised by Brigade - Surgeon Lt.- Col. T. H. Hendley. London 1894. William Clowes and sons. By Colonel Reginald Hart , 17. Reflections on the art of war. Director of military education in India. London 1894. William Clowes and sons. 18. Schattenpflanzen. Novellen von Konrad Telmann . Dresden und Leipzig 1894. Verlag von C. Reifsner. 19. Unsere alten Alliirten. Szenen und Typen aus dem Friedensleben der russischen Offiziere . Nach russischen Originalen , deutsch von A. von Drygalski . Berlin 1894. Verlag von R. Eisenschmidt. Preis 4 M. 20. Der kleine Krieg und der Etappendienst. 2. völlig neubearbeitete , erweiterte Auflage. Teil I. Die Streifkorps im deutschen Befreiungskriege 1813 , nach kriegsarchivarischen Quellen bearbeitet von Georg Cardinal von Widdern , kgl. preufs . Oberst. Berlin 1894. Verlag von R. Eisenschmidt. Abschnitt I. Mit zwei Karten. Preis 5 M. Abschnitt II. Mit 1 Karten- Skizze. Preis 6,50 M. 9*

132

Umschau in der Militär-Litteratur.

21. Dienst-Unterricht für den deutschen Infanteristen, herausgegeben von Max Menzel , Hauptmann. Zweite Auflage. Berlin 1894. Verlag von R. Eisenschmidt. Preis 60 Pfg. 22. Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften. Nr. 54 : Anmerkungen und Zusätze zur Entwerfung von Land- und Himmelskarten von J. H. Lambert ( 1772). Preis 1,60 M. Nr. 55 : Über Kartenprojektion. Abhandlungen von Lagrange und Gauss (1779 und 1822). Preis 1,60 M. Leipzig 1894. W. Engelmann . 23. Die grofsen Manöver 1894 in Böhmen und Ungarn. Teilweise umgearbeiteter Sonder-Abdruck der Manöverberichte der „ Reichswehr". Mit 2 Karten. Wien 1895. Verlags - Anstalt ,,Reichswehr". Preis 1,80 M. 24. Die Feld- Ausrüstung des Infanterie-Offiziers zu „, Pferd " und zu ,,Fufs ". Leipzig. Verlag von Zuckschwerdt & Möschke . Preis 60 Pfg. 25. Die körperliche Erziehung der Jugend. Von Angelo Mosso , Professor. Übersetzt von J. Glinzer. Hamburg und Leipzig 1894. Verlag von L. Voss. Preis 3 M. 26. Vor dreifsig Jahren. Lose Tagebuchblätter aus dem Feldzug gegen Dänemark von R. Wille , kgl. preufs. Generalmajor a. D. Berlin 1895. K. Sigismund. 27. Die bayerische Artillerie von ihren ersten Anfängen bis zur Gegenwart. Nach authentischen Quellen bearbeitet von Luitpold Lutz , Hauptmann. Mit 2 Tafeln Zeichnungen und 14 Uniformbildern . München 1894. Th. Ackermann. Preis 14 M. 28. Beiträge zur taktischen Ausbildung unserer Offiziere. II. Gefechtsübungen mit kriegsstarken Zügen , Kompagnien und Bataillonen. Von Litzmann , Oberstlieutenant. Mit 3 Skizzen. Leipzig 1895. G. Lang. Preis 3 M. 29. Geschichte des russischen Heeres vom Ursprunge bis zur Von F. v. Stein. Thronbesteigung des Kaisers Nikolai I. Pawlowitsch.

Neue wohlfeile Ausgabe. Leipzig 1895. Zuckschwerdt & Möschke . Preis 8 M. 30. Die Generale der königlich preufsischen Armee von 1840 bis 1890. Zusammengestellt von Bogislav v. Kleist , Oberst z. D. Zweite Ausgabe ; dazu : Erste Folge und Nachträge für die Jahre 1891 und 1892. Leipzig 1895. Zuckschwerdt & Möschke. Preis 23 M. 31) Taktische Wanderungen über die Schlachtfelder um Metz vom 14. , 16. und 18. August 1870. Von Liebach , Hauptmann . Mit Hierzu 18 photoeiner Übersichtskarte in Steindruck . Preis 1,60 M. tographische Aufnahmen der Schlachtfelder um Metz (Querfolio). Preis 12,50 M. Berlin 1894. E. S. Mittler & S.

Kroll's Buchdruckerei, Berlin S., Sebastianstrasse 76.

X.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig

und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet. Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792 bis 1814 .

Von Hans Fabricius, Oberstlieutenant a . D. (Fortsetzung*).

3. Im Feldzug 1806 . Bei der Mobilmachung 1805

rückte das nunmehrige Husaren-

Regiment von Pletz (Nr. 3) aus seinen Standquartieren bei Bernstadt nach Thüringen . Im Februar 1806 wurde es getrennt : das 1. Bataillon unter dem Regiments - Chef, Generalmajor v. Pletz, marschirte zur Occupation nach Hannover ,

das 2.

unter dem Kommandeur,

Oberstlieutenant v. Schmidt, bei welchem Hellwig stand, kehrte Mitte März nach Schlesien zurück . Hier wurde es im Herbst wieder mobil gemacht , nach Thüringen in Marsch gesetzt und bei Beginn des Feldzuges dem Korps des Herzogs von Weimar zugeteilt , während das 1. Bataillon zum Korps v. Winning gehörte. Am 5. Oktober war Oberstlieutenant v. Schmidt mit dem 2. Bataillon bei Arnstadt zur Avant- Garde des Herzogs von Weimar gestofsen , welche am 8. vom Herzog von Braunschweig den Befehl erhielt, den Thüringer Wald zu überschreiten, einen Streifzug gegen den Main machen zu lassen und zu dessen Unterstützung im Werrathal zu bleiben. Auf dem Marsche durch Hildburghausen bekam v. Schmidt am 12. den Auftrag , mit 3 Schwadronen und 1/2 reitenden Batterie sich bis auf Weiteres hinter Veilsdorf zur Beobachtung gegen Rodach aufzustellen.

Als er dort

gegen Abend von dem mit einer gemischten Truppenabteilung nach Eisfeld vorgeschobenen Herzog von Braunschweig - Oels die Weisung erhielt, sich ihm anzuschliefsen, marschirte er sofort ab, fand aber bei seiner späten Ankunft jenen bereits auf Frauenwalde zurückgegangen ; als er am folgenden Tage auf beschwerlichen Gebirgswegen ebendahin rückte , kam unterwegs der Befehl , die Geschütze nach Ilmenau zu *) Siehe das Januarheft 1895. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2.

10

134

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

schicken , selbst aber sich mit den Husaren nach Möhrenbach im Amt Gehren zu begeben.

Während v. Schmidt hier am 14. Ruhetag

hielt , empfing er vom Herzog von Weimar die Nachricht , dafs er, unter Vorbehalt der Abmarschzeit, mit seinem Bataillon an das Korps. Rüchel abgegeben worden sei.

Um 7 Uhr Abends erfolgte der Befehl

zum schleunigen Abmarsch nach den Höhen von Wiptra, wo sich das Bataillon sammeln sollte , um von da zu dem bei Ingersleben nahe Erfurt stehenden Generalmajor von Wobeser zu marschiren. Als es nach einem Nachtmarsch am 15. nach Martishausen gekommen war, ging ihm die Weisung des Letzteren zu , sofort nach Meckfeld (südwestlich Weimar) abzurücken und einen Offizier mit Fourierschützen vorauszuschicken, welchem die zu belegenden Dörfer angewiesen werden sollten. Hierzu wurde Lieutenant Hellwig kommandirt. Während des Marsches erhielt v. Schmidt in Elschhausen *) die erste Nachricht von der Niederlage des 14. Oktober durch unbewaffnete sächsische Infanteristen. Bald kam ihm auch Hellwig mit den Quartiermachern in Eile entgegen und meldete, die ganze Gegend in der Marschrichtung sei vom Feinde besetzt und eine Fortsetzung des Vormarsches unmöglich.

Unter diesen Umständen musste sich das

Bataillon weiter links halten, um nicht vom Feinde, der schon Erfurt und Gotha bedrohte , entdeckt zu werden . Mit aller Vorsicht marschirte es daher auf Ichtershausen , wo es wegen Ermüdung der Pferde ein Biwak bezog.

Am 16. wurde der Marsch über Mühlberg,

Schwabhausen , den Leina - Kanal nach Mechterstedt (an der Strafse von Gotha nach Eisenach) fortgesetzt.

Dort brachte eine nach Gotha

geschickte Patrouille die Nachricht von der Übergabe von Erfurt und vom Vorrücken des Feindes bis Langensalza zurück. Einige Stunden später stiefs der Flügel-Adjutant des Königs, Major Graf Goetzen , mit einer halb aus Husaren und halb aus Kürassieren und Dragonern zusammengesetzten und durch 36 stündiges unaufhörliches Marschiren völlig ermüdeten Abteilung von 200 Pferden aus der Gegend von Rudolstadt zum Bataillon , nahm im nahegelegenen Dorf Sattelstedt Unterkunft und beabsichtigte am nächsten Tage zusammen mit den Husaren den Marsch über Eisenach und von da über den Hainich nach Mühlhausen fortzusetzen ,

nachdem am Abend die Nachricht

eingegangen war, dafs Langensalza, das zuerst in Aussicht genommene Marschziel, bereits vom Feinde besetzt wäre. In Mechterstedt erhielt v. Schmidt Abends 10 Uhr durch zwei entlaufene preufsische Kriegsgefangene die Nachricht, dafs ein Trans-

*) So im Tagebuch des Ob.-Lt. v. Schmidt (Kr. A. VII, 313 Bl . 63 ff.) ; es dürfte Elxleben gemeint sein.

135

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

port von 6000 gefangenen Preufsen, welche sich nach der Schlacht bei Jena nach Erfurt geworfen und dort kriegsgefangen geworden wären, am heutigen Tage, von nur 60 Jägern zu Fufs begleitet , nach Gotha Nachts 1 Uhr bestätigten diese Nachricht zwei Inmarschirt sei. fanteristen , die ebenfalls aus einer Kirche in Gotha , wo man die Kriegsgefangenen über Nacht eingesperrt hatte , durch die Nachsicht der sie bewachenden gothaischen Soldaten hatten entspringen können, und fügten hinzu , dafs der Transport am 17. bis Eisenach gehen sollte *). Als das Bataillon Pletz am letzteren Tage früh 4 Uhr den Marsch ebendahin angetreten hatte , wurde durch eine von Oberstlieutenant v. Schmidt zum Einziehen der Feldwache abgesandte Unteroffizier-Patrouille in einem von Gotha kommenden Extrapostwagen der mit Befehlen für den Marschall Mortier zur Beschleunigung seines Vormarsches nach Frankfurt a . M. abgeschickte französische Oberstlieutenant Petitjean aufgehoben, welcher dem Major Graf Goetzen übergeben wurde und diesem die Nachricht von dem Gefangenentransport bestätigte. Es ist anzunehmen , dafs auch Hellwig diese Nachrichten gleichzeitig erfuhr ; aufserdem aber will er beim Durchmarsche durch Eisenach , wo das Bataillon einen kurzen Halt machte und er mit einem Auftrage des Grafen Goetzen zurückgeblieben war , von einem Postbeamten des Näheren erfahren haben, dafs 6000 Kriegsgefangene unter Bedeckung von 200 französischen Husaren auf dem Marsche nach Frankreich heute dort nächtigen würden. Die Gelegenheit war zu günstig, um eine That su versuchen , wie er sie seit Beginn des Krieges erwünscht hatte, würdig, um in den Büchern der Geschichte verzeichnet zu werden . Als er dem Bataillon nachritt , entwarf er einen Plan, wie es ihm gelingen möchte , befreien.

seine Kriegskameraden zu

Es war ihm nicht unbekannt , dafs aufser der eigentlichen

Bedeckung des Transportes zahlreiche feindliche Abteilungen in der ganzen Umgegend sich bewegten. Trotzdem zweifelte er an dem Gelingen nicht ; er hatte nur die Besorgnifs ,

dafs man die Unter-

nehmung für zu gewagt halten und ihm die zur Ausführung erforderliche Mannschaft vorenthalten würde, wenngleich er 50 Husaren dazu für völlig ausreichend ,

eine gröfsere Zahl wegen der dadurch erschwerten Geheimhaltung sogar für schädlich erachtete. Die Überzeugung vom glücklichen Ausgange gründete er auf seine genaue Kenntnifs der Gegend , die er sich nicht nur durch eine gute mitgeführte Spezialkarte, sondern auch durch eigene Beobachtung während

*) Tagebuch des 2. Bataillons v. Pletz von 1806 in Kr. A. UntersuchungsAkten VII. 36.

10*

136

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

des Durchmarsches verschafft hatte ,

ferner auf die ihm bekannte

Führung eines solchen Transportes , dessen Bedeckungsmannschaft sich notwendig auf der ganzen Länge verteilen mufste, auf die Überraschung des Feindes , einzelnen

auf die Schnelligkeit ,

mit der er über die

Abteilungen desselben herzufallen gedachte ,

auf den ihm

bekannten guten Geist seiner Husaren und schlimmstenfalls , wenn etwa in Gotha die Begleitmannschaft verstärkt werden sollte, auf die Mitwirkung der Gefangenen , von denen

er überzeugt

sein konnte,

dafs sie eine so günstige Gelegenheit, frei zu kommen, nicht unbenutzt vorübgehen lassen würden. So traf Hellwig , vollständig vorbereitet und über seinen Plan im Klaren, beim Bataillon ein, als es jenseits Eisenach an der Strafse einen Ruhehalt machte . Er fand Oberstlieutenant v. Schmidt in einer Gruppe von Offizieren , mit denen Graf Goetzen gerade über die Möglichkeit der Befreiung der Gefangenen sprach ; Hellwig unterbreitete seinem Kommandeur den hierüber gefafsten Plan , dem er die Begründung beifügte , wie , nachdem der mehrtägige Marsch des Bataillons gezeigt habe , dafs die Franzosen keine Truppen zur Deckung ihres Rücken hätten , man selbst im Rücken ihrer Armee verbleiben müsse *). Hellwig wurde aber von seinem Kommandeur abschlägig beschieden. Es war wohl nicht Zweifel an seiner Tapferkeit oder Mifstrauen in seine Kriegserfahrenheit , weshalb v. Schmidt trotz seiner dringenden Bitten nicht nachgab : denn schon vom rheinischen Feldzuge her waren ihm die von jenem gegebenen Beweise von Mut und kriegerischen Talenten bekannt. Er hielt vielmehr das Unternehmen für sehr mifslich, da die Pferde sehr ermattet wären ; auch erschien ihm seine eigene Lage am 17. bedenklich , da er ohne alle Nachrichten von der Armee herumzog und nicht wusste, ob nicht eine feindliche Heersäule auf Mühlhausen gegangen wäre, die ihn völlig abgeschnitten hätte. Auch wollte er dem Könige sein noch ganz unberührtes Bataillon gern in voller Stärke zuführen. Hellwig beruhigte sich bei diesem Bescheide nicht.

Er benutzte

eine Gelegenheit, den Graf Goetzen allein zu sprechen , und bat ihn nochmals sehr dringend, seinen Einfluss geltend zu machen, „ da er das Reüssiren (mit 50 Pferden) mit seinem Kopfe verbürgen wollte. " Der Graf sprach sich nunmehr v. Schmidt gegenüber dahin aus, daſs er das Gelingen des Unternehmens für sehr möglich hielte und zwar ohne verhältnifsmäfsige Gefahr für die Reiter, da sie sich im äussersten Falle auf das nahe neutrale hessische Gebiet werfen und dort einzeln durchzukommen suchen könnten ; er selbst würde den Versuch wagen, *) Privatbrief vom 18. Oktober 1806 in H. N.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

137

dem Könige eine so grofse Zahl Streiter zu retten, wenn der Zustand seiner Pferde ihn nicht völlig unmöglich machte und seine Leute Auch er erhielt zuerst eine abnicht fast sämmtlich Polen wären . Erst auf wiederholte dringende Vorstellungen schlägige Antwort. bewilligte v. Schmidt Hellwig's Gesuch, wofür letzterer dem Grafen Goetzen, nach dessen eigenem Ausdruck, mit thränenden Augen dankte. v. Schmidt liefs aus jeder Schwadron 1 Unteroffizier und 10 Husaren freiwillig vortreten und für sie die besten Pferde auswählen. Darauf erteilte er Hellwig die Weisung, „er solle ein Versteck bei Eisenach legen und wenn der Transport ankäme, über die Bedeckung auf das schnellste herfallen, um dadurch die Befreiung der Gefangenen zu bewirken. Nachher, wenn Alles gelungen wäre, sollte er seinen Weg über Creuzburg nehmen ; wenn Mühlhausen vom Feinde besetzt wäre , solches rechts liegen lassen und auf Heiligenstadt gehen . Im äussersten Falle aber erst, wenn er nirgends durchkommen könnte, sollte er sich nach dem Hessischen wenden. "

Hellwig marschirte mit seinen 50 Husaren sofort, sehr befriedigt, durch Eisenach zurück.

Es hätte nicht viel gefehlt, dafs ihm noch letzten Augenblicke durch einen gefährlichen Nebenbuhler der Streich fast vor seinen Augen vorweg genommen worden wäre . Der schon während des Rheinfeldzuges als Parteigänger rühmlichst hervorgetretene Premier-Lieutenant v. Eisenhardt seines Regiments, welcher vom

im

General v. Rüchel bereits seit Ende August mit 60 Husaren nach Coburg zur Beobachtung der fränkischen Grenze vorgeschoben gewesen war, hatte nach dreitägigem, bei Tag und Nacht unausgesetzten Marsch am 17. über Ohrdruff die Gegend von Eisenach erreicht und dort die Nachricht von dem Transport von 5000 Kriegsgefangenen unter einer Bedeckung von nur wenigen hundert Mann empfangen . Den Beschlufs, sie zu befreien , faſste der kühne Offizier sofort ; aber einigermassen musste er vorher die im höchsten Grade erschöpften Leute erquicken und die Pferde füttern lassen. „ Alles war dazu geordnet, " sagt er in seinem Bericht, und nur eine Stunde später durfte der Lieutenant Hellwig mit seinem Kommando kommen, so hätte er diesen glücklichen Coup schon ausgeführt gefunden . " Der bei Eisenhardt's Abteilung befindliche Lieutenant v. Gagern traf Hellwig während seines Marsches und forderte ihn auf, mit jenem gemeinschaftliche Sache zu machen, weil der Erfolg dann um so sicherer sein würde ; „allein er wollte keine Teilnehmer und eilte seinem Glücke entgegen. " Der Überfall von Eichrodt , am 17. Oktober 1806 . Die von Gotha nach Eisenach führende Strafse zieht sich von Eichrodt über Fischbach in westnordwestlicher Richtung nach Eisenach

138

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

in einer Niederung hin, die im Norden in nicht zu grofser Entfernung von den Ausläufern des Hörsel-Berges begrenzt wird ; diese sind mit Weinbergen, kleinen Gehölzen und Baumgruppen bedeckt ; nordöstlich von Fischbach liegen hinter dem Bergkamme die Gehöfte von Trenkelhof in der Nähe eines Gebüsches ; von hier zieht sich in flachem Bogen in einer Mulde ein Graben nach der Strafse herab, welche er etwa halbwegs zwischen Eichrodt und Fischbach durchschneidet . Die Niederung zwischen dem ziemlich steil abfallenden Höhenzuge und der Strafse ist mehrfach von bewachsenen Gräben, von Gärten und Hecken so durchschnitten, dafs sie für Bewegungen der Reiterei nicht benutzbar ist. Dagegen bietet der südlich der Strafse sich bis zum Hörselflufs erstreckende Raum mit seinen Feldern und Wiesen keinerlei Hindernifs . In das bei Trenkelhof befindliche Gehölz legte Hellwig seine Husaren ins Versteck und liefs sie absitzen ; letzteres befand sich in einer so tiefen Senkung des nördlichen Bergabhangs, dafs man es weder von der Strafse her bemerken, noch die Husaren diese von oben übersehen kennten .

Er selbst lag, mit dem blauen Mantel an-

gethan, ohne Mütze weiter vorwärts hinter einer Felskuppe auf dem Bauch, durch ein gutes Fernrohr die Strafse beobachtend . Die Minuten des Wartens wurden ihm zu Stunden : noch immer quälte ihn die Besorgnifs,

durch irgend welchen Zufall könnte der Transport an

diesem Tage unterbleiben.

Um so freudiger schlug ihm das Herz in

der Brust, als er zuerst einen kleinen Trupp französischer Infanteristen herankommen sah ; er liefs sie ungehindert ihren Marsch auf Eisenach fortsetzen*) ; endlich gegen 4 Uhr Nachmittags entdeckte er in weiter Ferne die Spitze des Zuges mit seinem Glase . Beim weiteren Vorrücken bemerkte er, dafs die Bedeckung nicht, wie am gestrigen Tage, aus Reiterei, sondern lediglich aus Infanterie bestand. Das war insofern ein Strich durch seine Rechnung, als seine Husaren auf eine grofse Zahl Beutepferde gerechnet hatten und er befürchten mufste, die Täuschung in dieser Hoffnung würde ihren Eifer und ihre Kampfeslust beeinträchtigen . Als vorsichtiger Mann beschlofs er daher, ihnen die Veränderung in der Bedeckung zu verschweigen. Die bei der Übergabe von Erfurt gefangenen Preufsen sollten in zwei Transporten auf dem kürzesten Wege über Gotha und Eisenach nach Frankfurt marschiren , während der zweite , unter Führung des Generals v. d . Weidt, über 6000 Mann stark , im Laufe des 17. in *) Es waren die Quartiermacher, die gegen 3 Uhr in der Stadt eintrafen und zur Unterbringung der Gefangenen sogleich ein paar Kirchen räumen liefsen . (Aus einem Privatbrief eines Eisenacher Freundes an Hellwig's Vater vom 18. Oktober 1806 in H. N.)

139

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. Gotha

ankam ,

war

der erste am

Morgen , unter Führung

eines

Bataillonschefs . und von 3 Voltigeurs - Kompagnien (zu je 80 Mann ungefähr) bedeckt, von dort abmarschirt *). Die Stärke der Kriegsgefangenen der ersten Abteilung läfst sich nicht genau feststellen, weil man nicht weifs , wieviel bei der Erfurter Kapitulation übergeben worden

sind ;

der Bericht

Murat's vom 16. Oktober

spricht

von

mindestens 6000 Gefangenen und 5000 Verwundeten ; der von Napoleon eingesetzte Festungs - Gouverneur General Clarke meldete ihm am 18. ,

daſs er trotz aller Bemühungen durch Niemand mit Sicherheit

die Anzahl der Gefangenen habe feststellen lassen können , weil man sich damit begnügt hätte , sie auf der Strafse zu sammeln und, ohne zu zählen, abmarschiren zu lassen. Oberst v. Lettow **) nimmt nun Vor die Stärke der ersten Kolonne auf 4000 Kriegsgefangene an. Foucart's Mitteilung der offiziellen Berichte ist sie , in dem Glauben, dafs sämmtliche Erfurter Gefangene in einem einzigen Transporte in Bewegung gesetzt worden wären , von den Zeitgenossen und den späteren Schriftstellern auf 8000 , 9000 , ja 10 200 Mann angegeben worden . Gegen 5 Uhr erreichte der Transport die Höhe von Hellwig's Standort : er konnte nun übersehen , dafs an der Spitze eine geschlossene Kompagnie marschirte , ebenso am Ende der Kolonne, dafs sich in der Mitte ebenfalls eine gröfsere geschlossene Abteilung befand und längs des ganzen Zuges einzelne Mannschaften zu beiden Als Alles marschirte in gröfster Ordnung . Seiten verteilt waren . sich Hellwig von dieser Verteilung genau überzeugt hatte , kroch er vorsichtig von seinem Ausguck zurück, begab sich zu seiner Abteilung und traf die nötigen Anordnungen zum Überfall . Erst sollte die ganze Marschkolonne am Versteck vorbeimarschirt sein, dann erst sollten sich die Husaren vom Rücken aus gegen die letzte feindliche Kompagnie stürzen, sie vernichten , darauf in vollem Laufe über die Felder und Wiesen auf der linken Seite des Transports gegen die mittlere und zuletzt gegen die vorderste Kompagnie ansprengen und ebenso verfahren ; die vorderste Kompagnie verheimlichte er ihnen aber, indem er sagte, an der Spitze marschirten die Husaren. Im richtigen Augenblick kam Hellwig mit seiner Abteilung aus dem Busch hervor , ritt in der zur Strafse hinabführenden Mulde gedeckt den Abhang hinunter und warf sich im gestreckten Laufe gegen das hinterste Peloton , welches , sobald es den Gegner gewahr wurde, rechts schwenkte und gerade noch Zeit hatte, eine unwirksame *) Fouc. p. 128 . **) Lett . V.

140

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Salve abzugeben, bevor es von den Husaren erreicht , teils niedergemetzelt, teils gesprengt wurde. Hierbei hatte Hellwig das Unglück gehabt, mit dem Pferde über den Wassergraben zu stürzen *) ;

aber

sobald sein Gaul wieder eingefangen war, eilte er seinen Leuten nach, welche inzwischen unter Führung der Unteroffiziere dem Befehl gemäss an der Kolonne entlang gesprengt waren, das mittlere Peloton niedergesäbelt hatten und sich nun auf die inzwischen fast am Thore von Eisenach angelangte Spitze warfen. Auch diese Abteilung erlitt dasselbe Schicksal wie die anderen ; der französische Kommandant suchte sich durch die Schnelligkeit seines Pferdes in die Stadt zu retten ; aber da der Schlagbaum hernieder gelassen war , wurde er eingeholt und herunter gehauen. Die Gefangenen hatten von Anfang an nicht bei ihrer Befreiung thätig mitgewirkt .

Die Mitte und die Spitze der langen Marsch-

kolonne ahnten nicht , was vorging , als plötzlich am Ende derselben Gewehrsalven ertönten ; man glaubte ,

diese wären abgegeben , um

eine ausgebrochene Empörung zu dämpfen und verhielt sich zunächst ganz ruhig; erst der Anblick der preufsischen Husarenuniformen schaffte Klarheit und eine veränderte Haltung. Jetzt warfen sich die Gefangenen auf die einzelnen französischen Voltigeurs zu ihren Seiten, entrissen ihnen die Waffen und stachen sie nieder. 77 Wie ein Ungewitter flogen nun Husaren und die Gefangenen in die Stadt , um die französischen Quartiermacher aufzusuchen ; es fielen Schüsse in den Strafsen und wurden noch mehrere Soldaten niedergehauen **). “ Auch ein Teil der französischen Spitze war auseinandergelaufen und hatte sich in den ersten Häusern von Eisenach versteckt ; sie wurden aber ohne Erbarmen herausgeholt und von den Husaren niedergesäbelt. Was nicht von ihren Säbeln erreicht wurde und der Wut der Kriegsgefangenen entging, rettete Gebüsche und entkam.

sich in die seitwärts befindlichen

Der ganze Vorgang spielte sich mit solcher

Schnelligkeit ab , dafs in wenigen Minuten die Arbeit beendet und die Gefangenen befreit waren . Um die Gröfse des feindlichen Verlustes sich zu kümmern , dazu hatte Hellwig keine Zeit ; nach einem ihm aus Eisenach später zugegangenen Schreiben hätten die Franzosen einige 20 Tote und viele Verwundete, nach den Aussagen der Husaren und der Befreiten etwa 50 Tote gehabt ; 1 Offizier, 15 Mann, fast alle verwundet, wurden gefangen ; der Rest , wohl meistens bei der zum Hellwig hatte Teil zähen Gegenwehr verwundet , ward zersprengt . *) Dieser Umstand hatte zur Folge, dafs ein versprengter Husar, welcher früher sein Bataillon erreichte, als Hellwig, mit grofser Ausführlichkeit meldete, dafs letzterer nach glücklich beendetem Überfall geblieben sei. **) Privatbrief vom 18. Oktober 1806 in H. N.

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

im Ganzen 1 Husaren , 1 Pferd , 1 befreiten Gefangenen an Toten verloren, 3 Husaren waren leicht verwundet. Mit den von den Franzosen erbeuteten Waffen , zum Teil auch mit den Karabinern und Pistolen seiner Husaren bewaffnete er einen Teil der erretteten Preussen ; andere versahen sich mit Knütteln, Stangen und Mistgabeln .

Nach der

ersten Überraschung hatte sich übrigens auch der Franzosen eine grofse Erbitterung bemächtigt. Ein Niedergehauener zog noch im Liegen seinen Säbel und verwundete das Bein des Pferdes seines Überwinders. Ein im Stall versteckter Voltigeur, der weder für seine Freiheit , noch weniger für sein Leben das Mindeste zu befürchten hatte (?), wenn er sich ruhig verhielt, bemerkte , dafs sich die befreiten Gefangenen mit grofsem Frohlocken zu einem der preufsischen Husaren drängten und schlofs daraus, dafs dies der Chef sein müsse, drückte sein Gewehr los und schofs dem Lieutenant Hellwig sehr nahe am Kopfe vorbei.

Einem

gefangenen Offizier

forderte ein

Husar die Uhr ab ; er zog sie heraus , warf sie auf die Erde und zertrat sie *)." Vorgreifend sei hier bemerkt, dafs jedem Husar der Hellwig'schen Abteilung vom Landesherrn des Orts der That , dem Herzog von Weimar ,

zur Belohnung eine Pistole (= Friedrichsd'or) geschenkt

wurde ; die Unteroffiziere aber lehnten ein Geldgeschenk mit der Bemerkung ab , dafs sie ein Ehrenzeichen verdient zu haben glaubten. Von den französischen Bedeckungsmannschaften kam der erste Entronnene verwundet Abends 10 Uhr in Gotha an und meldete dem General v. d . Weidt, daſs der Zug 1/4 lieue vor Eisenach durch eine preufsische Streifpartei von etwa 200 Pferden angegriffen und die Begleitung zum grofsen Teil niedergesäbelt worden sei. Eine Abteilung Husaren , die zur Aufnahme des Restes seitens des Generals auf Eisenach entgegengeschickt wurde ,

brachte um Mitternacht noch 60 Voltigeurs unter

2 Offizieren mit , von denen der eine , als Quartiermacher nach der Stadt vorausgesandt ,

den ganzen Überfall von fern mit angesehen

und nach Sammeln einiger Versprengter sich auf Nebenwegen mit dem andern, bei dem Nachtrupp kommandirt gewesenen Offizier und dessen , zum Teil der Waffen beraubten Mannschaften vereinigt und nach Gotha zurückgewandt hatte.

Unter diesen Umständen beschlofs

General v. d. Weidt einen anderen Weg einzuschlagen, marschirte mit dem zweiten Teil der Gefangenen am 19. nach Schmalkalden und von da über Salzungen, Vach, Hünfeld und Fulda weiter **). *) Authentischer Bericht von der durch den Lieutenant Hellwig bei Eisenach geschehenen Befreiung seiner gefangenen Waffenbrüder. Manuskript in H. N. **) Fouc. p. 131.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

142

In der allgemeinen Bestürzung ,

die den Niederlagen von Jena

und Auerstädt mit ihren Nachwirkungen folgte ,

fand Hellwig's That

nicht die Beachtung in der Öffentlichkeit , welche ihr unter anderen Umständen zu Teil geworden sein würde. Immerhin trifft man in den Tageszeitungen * ) Berichte darüber , ein ausführlicher in der Oktobernummer von

1806

der vom Geschichtsschreiber Friedrichs

des Grofsen, v. Archenholz , zu Hamburg herausgegebenen Zeitschrift „Minerva" ; dieser Schriftsteller äufsert sich wie folgt : „Die That verdient um so mehr Aufzeichnung, da sie als der letzte Funken des Preufsischen kriegerischen Feuers betrachtet werden kann . " Bei dieser Unternehmung traten Hellwig's hervorragende Eigenschaften als Parteigänger glänzend hervor. des

blinden

Ungefährs ,

vielmehr

Keineswegs eine Frucht

aufgebaut

auf eine zuverlässige

Nachricht, wurde sie von ihm als sein eigenstes Werk von Anfang an durchdacht und unter Verwertung der Bekanntschaft mit dem Gelände bis in die Einzelheiten vorbereitet.

Richtige Auswahl des

Verstecks , vollkommenste Heimlichkeit, Anspannung aller moralischen und körperlichen Kräfte von Mann und Pferd bei der schneidigen Ausführung: das waren die Faktoren, die allein das Gelingen gewährleisten konnten. Hellwig wurde von seinem Könige reich belohnt : er erhielt für diese That später nicht nur den Verdienst-Orden **) , auch,

sondern

ungeachtet er in der Rangliste vom Oktober 1806

fünfter Sekond- Lieutenant steht ,

wurde

erst als

in Anerkennung seiner Verdienste

zum Rittmeister (Stabsrittmeister mit vordatirten Patent vom 17. Oktober 1806) befördert. Nach der Befreiung der Kriegsgefangenen ward es Hellwig sehr bald ***) klar , dafs es ihm bei der Nähe des Feindes, der schon bei Gotha eingetroffen war und über den die Nachrichten der Einwohner er die ganze Umgegend bereits unsicher machte,

aussagten , dafs

kaum möglich sein würde , eine zum gröfsten Teil unbewaffnete Masse von mehreren tausend Mann ohne alle Offiziere ungefährdet mit tage-

*) Z. B. Staats- und gelehrte Zeitung des hamburgischen unparteiischen Korrespondenten. Anno 1806, den 25. Oktober. Nr . 171. **) So wurde damals der Orden pour le mérite allgemein nur genannt. ***) Anfänglich scheint sich Hellwig mit grofsen Plänen in Betreff seiner befreiten Gefangenen getragen zu haben , welche nach einem Briefe seines Bruders an seinen Vater vom 5. Oktober 1811 dahin gingen , wenn sie nicht alle beinahe davongelaufen wären, sie zu bewaffnen , wozu er in Schmalkalden 10-12 000 Gewehre wufste , sowie auf dem Schlachtfelde von Jena und Auerstädt Munition und Kanonen , und damit gegen die grofse französische Armee eine Diversion zu machen und vielleicht Erfurt durch einen coup de main zu nehmen ." (!)

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

143

langen Märschen dem Hauptteile der Armee zuzuführen , um so weniger als von Mannszucht bei den zusammengewürfelten Trümmern aller möglichen Truppenteile nach den aufregenden und aufreibenden Ereignissen der letzten drei Tage nicht die Rede sein konnte. Hellwig sagt selbst in seinem Tagebuche : Leider wollten sie nicht wie ich. " Die Nähe des neutralen Kurhessens gewährte immerhin die Aussicht für die Unbewaffneten , am leichtesten durch dieses Land in nördder zurückgehenden Hauptarmee wieder anHellwig versuchte daher mit den Gefangenen Am den Marsch anzutreten und gelangte am 17. noch bis Ifta. über ihm , dafs andern Morgen beim Antreten musste er aber sehen licher Richtung sich schliefsen zu können .

Nacht schon Tausende davongelaufen waren, meist westphälische LandesHier scheint sich ihm die kinder , deren Heimat nicht fern war. Überzeugung aufgedrungen zu haben , dafs er als einziger Offizier sein Vorhaben unmöglich ausführen könnte. Er erteilte den Befreiten daher den Befehl , sich zu zerstreuen , einzeln nach dem Hessischen überzutreten und über Heiligenstadt , Göttingen oder Nordheim den Er selbst marAnschlufs an die Armee zu gewinnen zu suchen . Franzosen, welche gefangenen den Kommando und schirte mit seinem beim Übertritt auf hessisches Gebiet gegen Verpflichtung , in diesem Feldzuge nicht mehr gegen Preufsen zu dienen, entlassen werden mufsten, über Creuzburg und Hannövrisch-Münden auf Nordheim. Inzwischen hatte Oberstlieutenant v. Schmidt mit dem 2. Bataillon Pletz-Husaren am 17. seinen Marsch nach Dingelstedt, am 18. nach Heiligenstadt fortgesetzt , wo er durch einige abgekommene Husaren Hellwig's die Nachricht vom glücklichen Erfolg desselben erfuhr.

Auf

des Herzogs von Weimar Befehl blieb er am folgenden Tage stehen und schickte

zur Aufnahme Hellwig's den Rittmeister v. Podscharly mit

100 Pferden über Dingelstedt gegen Mühlhausen vor , welcher indes unterwegs von 2 abkommandirten Husaren Hellwig's und einigen der bei Eisenach Befreiten erfuhr, dafs dieser seinen Weg durch das Kurhessische genommen hätte. Nach Heiligenstadt war vom Herzog von Weimar auf die ihm

am 18. zugegangene Nachricht , dafs sich dort schon ein grofser Teil der von Hellwig befreiten Gefangenen eingefunden hätte, der General v. Zweiffel mit dem Auftrag geschickt , diese zu sammeln und nach Berlin zu führen . Schon auf dem Wege dahin war der General auf Eisenacher Befreite gestofsen , die er aber nach Göttingen wies, um dort Brot und Löhnung zu erhalten , wozu er die nötigen Summen erst von der Kammer in Heiligenstadt erheben musste . Am 19. früh will er in Göttingen nur etwas über 300 der befreiten Kriegsgefangenen gefunden , diese gelöhnt und mit doppelten Brotportionen versehen

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

144

haben , um alsdann mit diesen aus allen Regimentern der Armee bestehenden Mannschaften weiter nach Berlin zu marschiren. Aber die sämmtlichen Mannschaften waren," so berichtet General v. Zweiffel, nachdem sie Geld und Brot empfangen hatten , fortgegangen , ohne weiteren Befehl abzuwarten. Der Lieutenant Hellwig , der sich denselben Tag, jedoch ohne weiter noch von den Gefangenen welche mitzubringen, bei mir einfand , versicherte mich , dafs , nachdem er die Kriegsgefangenen befreit gehabt , selbige ihm sogleich davongelanfen und er nicht einen Einzigen mitbrächte *). " Leider ging auf diese Weise," bemerkt Oberst v. Lettow** ) hierzu , „ die Frucht der kühnen That wieder verloren. " Auch der Herzog von Weimar wurde in seinen Hoffnungen getäuscht ; hatte er doch an Blücher geschrieben : „Es scheint mir wichtig , auch die Folgen von dieser glorieusen Aktion einzuerndten , nämlich die befreiten 8000 Mann zurückzubekommen***). " Andererseits geben die Vorgänge in Göttingen ein anschauliches Bild , wie sehr in jenen Tagen im preufsischen Heere Alles aufser Rand und Band war. Dem Urteil v. Lettow's, dafs das Verhalten des Husaren-Kommandeurs in dieser Angelegenheit entschieden Tadel verdient, kann man sich durchaus anschliefsen. Am 20. war v. Schmidt nach Göttingen , am 21. nach Nordheim weitermarschirt ; unterwegs stiefs Hellwig , nachdem er in der Nähe von Göttingen in Eilmärschen die Marschkolonnen der preufsischen Armee wieder eingeholt hatte, zum Bataillon und meldete , er hätte 1 Mann ,

1 Pferd todt ,

2 Mann verwundet,

1 Unteroffizier vermiſst,

der vermutlich sich Langensalza zu sehr genähert und dem Feinde in die Hände gefallen wäre. Von den befreiten Gefangenen hätten sich viele zerstreut , ein Teil wäre im Hessischen nach Paderborn und dem Westphälischen gegangen†) . Der schon tot geglaubte Hellwig wurde zwar von seinen Freunden mit Jubel aufgenommen , hatte aber andererseits von Neid und Mifsgunst viel zu leiden .

Einige Schwadronschefs waren kleinlich genug,

ihm über Anstrengung und Verlust ihrer Pferde Vorwürfe zu machen : , ein jeder Windbeutel wollte Partisan werden !" Unannehmlichkeiten, die

sich Jahre lang fortspannen, waren die Folge davon.

Hellwig

wurde im höchsten Grade gereizt und in diesem Zustande mehrfach ungerecht. Da sich Hellwig persönlich beim Herzog von Weimar melden sollte, dieser aber mit seinem Korps schon weiter vor war , so ritt *) **) ***) †)

Kr. A. Untersuchungs-Akten von 1808 VII. 29. fol . 289. Lett. V. II. Band, S. 89. Anm. * Kr. A. Untersuch. Akt. VII. 29. fol. 223. ib. VII 36. fol. 123.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

145

ersterer seinem Truppenteil voraus und benutzte die Gelegenheit, am 22. seinem Vater und den Geschwistern in Braunschweig einen Besuch zu machen . Am 23. wurde er im Hauptquartier sehr gnädig aufgenommen und erntete allgemeine Anerkennung.

Vom 22. ab war

das 2. Bataillon Pletz mit dem Korps des Herzogs von Weimar über Wolfenbüttel und Öbisfelde in die Gegend von Gardelegen marschirt, wo es am 25. sich mit dem 1. Bataillon unter Generalmajor v. Pletz vereinigte.

An diesem Tage hatte das Regiment den ersten Zusammen-

stofs mit der verfolgenden französischen Reiterei , wobei Hellwig vom Chef die Führung der Leibschwadron als Auszeichnung anvertraut wurde. In Eilmärschen erreichte man am 26. die Elbe , welche gegenüber Sandau überschritten wurde, um über Neustadt a. D. nach Neu-Ruppin zu gehen ; da man aber dort nicht mehr durch konnte, so musste man über Wittstock und Mirow um den Müritz-See marschiren, auf dessen östlicher Seite bei Speck sich das Korps am 31 . mit Generallieutenant v. Blücher vereinigte. Am 1. November fand ein, den ganzen Tag anhaltendes, heftiges Gefecht bei Waren am Nordzipfel des Sees statt, wobei das Regiment Pletz namentlich zur Deckung des Rückzugs zur Geltung kam. Weiter ging es, zum Teil unter Zuhilfenahme von Nachtmärschen , über Goldberg, Crivitz und Gadebusch in das Ratzeburgische nach Herrenburg , eine Stunde von Lübeck, welches am 5. durchschritten wurde ; in der Nacht zum 6. war das Regiment zwischen Genin und Wulfsdorf auf Vorposten und beteiligte sich demnächst an der Schlacht bei Lübeck. Am 7. wurde es durch die Blücher'sche Kapitulation kriegsgefangen.

Es sollte nach Potsdam

zurücktransportirt werden , geleitet vom 18. französischen DragonerRegiment ; in der folgenden Nacht biwakirte es auf der Strafse , erst am nächsten Morgen wurden die, Gemeinen entwaffnet , indem sie im Vorbeireiten an einem bestimmten Fleck die Waffen von sich werfen mussten.

Die Offiziere, welche auf Ehrenwort von der Kriegs-

gefangenschaft befreit blieben und ihre Waffen behielten, hatten jedoch die Verpflichtung , ihre Truppe bis Potsdam nicht zu verlassen. An diesem Tage wurde der Marsch durch Lübeck hindurch bis spät in die Nacht hinein nach dem Städtchen Rhena fortgesetzt , wo Mann und Rofs seit dem 6. die erste Nahrung erhielten .

Über Gadebusch,

Schwerin, Perleberg und Spandau wurde endlich am 20. November Potsdam erreicht , wo dem Regiment die Pferde abgenommen wurden und der Weitertransport der Mannschaften in die Kriegsgefangenschaft erfolgte . Als eine grofse Kränkung betrachteten es die Offiziere, daſs sie, da am 5. bei Wismar die Regimentsequipage und die Reitpferde ausgeplündert und bei der Kapitulation keine Löhnung ausgemacht worden war ,

während des Rückmarsches vom Feinde Verpflegung

146

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

annehmen mussten . Noch drei Tage hatten sie auf ihre Reisepässe zu warten, welche ihnen , meistens auf Schlesien lautend , aus Berlin überbracht wurden. Nach einem Bericht soll sich Hellwig der Ausstellung des Verpflichtungsscheines, während dieses Krieges nicht mehr gegen Frankreich zu dienen, entzogen haben, und es wird damit eine ganz romantisch klingende Erzählung *) über seine Abreise mit als Diener verkleideten Kameraden verbunden. Sicher ist, dafs der spätere Generallieutenant z. D. v. Hellwig bei Gelegenheit des Nachweises seiner Invalidität bescheinigte, dafs er nicht in Kriegsgefangenschaft gewesen sei. Nachdem er am 22. November seinen Pafs erhalten, reiste er in gröfster Eile nach Rosenberg in Schlesien, wo sich seine Frau bei ihren Eltern befand und hielt sich hier nur wenige Tage auf, um das Notwendigste für die Fortsetzung des Feldzugs zu beschaffen .

Er beabsichtigte ,

sich nach Preufsen zum Könige zu begeben. Bei der Durchreise durch Cosel erfuhr er, dafs sein Gönner, der Flügel- Adjutant Major Graf Goetzen, daselbst am 1. Dezember angelangt sei . Er war vom Könige dem General- Gouverneur von Schlesien, Fürsten Pless, als Assistent beigegeben worden, um aus Ranzionirten , Versprengten , Freiwilligen und Neuausgehobenen neue Truppenkörpər für ein Armeekorps aufzustellen. Hellwig meldete sich bei ihm am 7. Dezember, bat ihn um Rat, auf welche Weise er am schnellsten wieder für den Staat gebraucht werden könnte" und teilte ihm seine Absicht mit. Der Graf schlug ihm vor , in Schlesien zu bleiben , da man dort zur Zeit nötiger Leute, wie ihn , brauchte, als in Preuſsen . Wenngleich der Fürst unter keinen Bedingungen gefangen gewesene Offiziere, gleichviel ob sie die Kapitulation inne gehalten hatten oder nicht, selbst wenn sie ihre Namen und ihre Gefangennahme standhaft verheimlichten , anstellen wollte, so behielt Graf Goetzen Hellwig doch, vorläufig ohne dienstliche Stellung, bei seiner Person zu Neisse und verwandte ihn teils zur Ausführung geheimer Sendungen und Aufträge, teils bei der Neubildung der Reiterei, wovon mehrere in Hellwig's Nachlasse vorhandene, unter dem 9. und 19. Dezember ausgestellte Pässe und offene Ordres Zeugniſs geben. 4. In Schlesien 1806 und 1807. Zunächst fand Hellwig Gelegenheit, sich wieder dem Feinde gegenüber zu befinden bei dem Versuch, welchen Fürst Pless am 30. Dezember von Strehlen aus machte, mit 4-5000 Mann, darunter 1000 Pferden und 11 Geschützen neugebildeter Truppen, das feindliche *) M. W. Bl. 1846 S. 74.

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Belagerungskorps vor Breslau zu überfallen.

Sechs Schwadronen ,

denen sich Hellwig als Freiwilliger angeschlossen hatte, befanden sich an der Spitze ; während die Infanterie wegen der äusserst schlechten Wege weit zurückgeblieben war, fielen jene schon um 6 Uhr Morgens über drei feindliche Biwaks bei Dürgoy und Kleinburg her, machten einige hundert Gefangene, drangen bis in die Laufgräben vor, erbeuteten Geschütze und Gepäck, konnten diese aber weder mitnehmen noch die Kanonen vernageln, da der Feind nun alarmirt war und sich verstärkte. Das später begonnene Infanteriegefecht hatte um so mehr einen ungünstigen Verlauf, als der erwartete Ausfall aus der Festung unterblieb . So mufste der Rückzug auf Schweidnitz angetreten werden ; 3 Schwadronen, mit ihnen Hellwig, warfen sich nach Neisse. Er überbrachte am letzten Jahrestage dem Graf Goetzen die Unglücksbotsckaft. Auch an anderen Gefechten, beteiligte er sich als Freiwilliger.

z. B. bei Brieg

und Grottkau ,

Als der Feind beim weiteren Vor-

rücken in Schlesien Neisse bedrohte, begab sich Fürst Pless mit Gefolge nach Glatz und zog sich, als auch gegen dieses bedeutende Übermacht vorrückte, mit den Feldtruppen auf Rückerts bei Reinerz zurück. Am 8. Februar wurde Glatz zum ersten Mal durch ein von Wartha anrückendes Korps von 5000 Bayern und Württembergern unter General Lefebvre berannt. Da die Verbindung mit Preuſsen durchaus unterbrochen war und man keinerlei Kenntnifs von den dortigen Verhältnissen hatte, so wurde Hellwig am 9. Februar*) vom Fürsten Pless und Grafen Goetzen dorthin geschickt,

um sich von

der Lage der Dinge daselbst und von der Stellung der preufsischen und russischen Korps durch eigenen Augenschein zu überzeugen und zugleich dem Könige mündlich über die Zustände in Schlesien zu berichten.

In grofsem Bogen mufste er von Reinerz aus Schlesien

umkreisen; durch Böhmen

über

Königgrätz,

durch

Mähren

über

Ollmütz, durch Österreichisch- Schlesien über Teschen ging die Reise nach Polen über Krakau und Lublin, über den Bug hinweg nach Zambrow, wo Hellwig das russische Korps des Generals Essen fand , in dessen Umgebung er zwei Tage hinter einander Gefechte bei Ostrolenka (15. und 16. Februar) mitmachte. Über Lyck, Gumbinnen, Insterburg und Königsberg begab er sich nach Memel, wo er sich beim Könige seines Auftrags entledigte **) .

Beim Empfande wurde

*) Datum des Visums zu Nachod in dem für ihn als Kourier ausgestellten Passe. In Hellwig's Bericht vom 28. Februar 1808 an den General Grawert schreibt er : „ Einen Tag nach der ersten Berennung von Glatz erhielt ich . . . . den Befehl, nach Preufsen zu gehen." Kr. A. VII 313 Bl . 3. **) Nicht blofs in sämmtlichen Lebensabrissen über Hellwig, sondern auch in den ihn betreffenden dienstlichen Schriftstücken, in den Ranglisten u. dgl. wird seine Teilnahme an der Schlacht von Preufsisch-Eylau (7. und 8. Februar)

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

ihm durch die Königin persönlich der Verdienst- Orden umgehängt *) ; der König äufserte sich in den gnädigsten Worten über ihn und teilte ihm mit **) , daſs er ihn für die Eisenacher That zum Rittmeister befördert habe ; jedenfalls ist ihm hierbei die Zusage auf eine baldige aufserordentliche Beförderung gemacht worden, was daraus zu ersehen ist, dafs in der Vorschlagsliste des Grafen Goetzen zu Auszeichnungen für das Korps in Schlesien 1806 und 1807 bei „ Premier-Lieutenant***) “ v. Hellwig

in Rubrik „Bemerkungen "

verzeichnet steht :

„,Hat von

Sr. Majestät wegen Befreiung dieser Gefangenen (bei Eisenach) den Orden und das Versprechen eines

extraordinären Avancements

halten, letzteres ist aber bis jetzt noch nicht geschehen."

er-

Die da-

maligen verworrenen Verhältnisse werden die Ausfertigung von Ordres wohl manchmal verzögert haben.

Da Hellwig in Folge seines Auf-

trags doch nach Schlesien zurückkehren mufste , sicherte ihm der König dort eine Schwadron zu und erteilte ihm zugleich den ehrenvollen Auftrag , dem Wiener Hofe eine genaue Darstellung von der Schlacht bei Eylau zu gebent) . Seine Rückreise trat er wieder als Kourier über Königsberg , durch Polen über Ollmütz an und traf in Wien den Grafen Goetzen , welcher sich am 14. Februar in diplomatischen Aufträgen dorthin begeben hatte. Nach einigen Tagen reiste Hellwig nach Chrudim , wo Fürst Pless , von den vordrängenden Feinden am 16. über die Grenze gedrückt , seinen Aufenthalt genommen hatte. Bald erfuhr er dort ,

dafs der Feind sich wieder von Glatz zurück-

gezogen hätte und dafs Graf Goetzen sich dorthin begeben würde . Dies veranlasste Hellwig , am 22. März von Chrudim abzureisen und sich, über Nachod reitend, schleunigst in Glatz bei jenem zu melden. Um in Berücksichtigung der Befehle des Fürsten Pless für ihn wieder eine dienstliche Verwendung zu

ermöglichen , erschien dem Grafen Als am eine Gefangenenauswechslung als das geeignetste Mittel. 16. März in Ober-Eichau vor Glatz eine Anzahl bayerischer gefangener

angegeben. Hier mufs ein Irrtum vorliegen. Ich halte die Möglichkeit seiner Anwesenheit dabei für ausgeschlossen, angesichts eines Schreibens des in Krakau lebenden Fürsten von Hohenzollern vom 15. Februar 1807 an Graf Goetzen, welches im Kriegs-Archiv des Generalstabs (F. 21) vorhanden ist mit dem Anfang: 27Der tapfere Lieutenant v. Hellwig übergab mir vorgestern Abend 8 Uhr die gefällige Zuschrift vom 9. cr." Über die Sendung nach Rufsland finden sich in Hellwig's Tagebuche keine Datumsangaben, sondern nur die Etappen und etwaige Vorkommnisse verzeichnet. Sein vorhandener, vom Fürsten Pless ausgestellter Kourierpafs, datirt aus Glatz, den 7. Februar, ist u. a. am 14. Februar in Krakau visirt. *) M. W. Bl. 1846 S. 73 und Priv. T. **) Priv. T. ***) Diese Rangstufe hat er nie bekleidet . †) Priv. T. und Brief von Hellwig's Bruder an den Vater vom 5. Okt. 1811 .

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Offiziere gegen preuſsische, auf Ehrenwort aus der Kriegsgefangenschaft entlassene ausgetauscht wurden, ward ,,Lieutenant von Hellwig" gegen den bayerischen Lieutenant v. Mengershausen ausgewechselt. Am 23. März ordnete Graf Goetzen die Neuformation und Verstärkung der in Glatz befindlichen Truppenkörper an ; es sollten dabei an Reiterei 5 Schwadronen Husaren und 1 Ulanen gebildet und auf die Stärke von je 115 Pferden gebracht werden. Eine dieser Schwadronen hatte Hellwig aufzustellen , welche er nach dem Frieden in Folge des Vorschlags des Grafen vom August 1807 ,, in Anbetracht seiner Bravour und Brauchbarkeit" auch behielt, indem sie dem neuformirten 2. Schlesischen Husaren-Regiment überwiesen wurde. Sobald die Schwadron eine Stärke von 50 Pferden erreicht hatte, marschirte sie in die Gegend von Silberberg, wo Hellwig mehreren kleinen Gefechten beiwohnte.

Gefecht von Hassitz am 13. April 1807. Nachmittags

2 Uhr

am

13. April

rückte

unerwartet ,

einem

preufsischen Parlamentär auf dem Fufse folgend, von Wartha General Lefebvre mit dem 2. württembergischen Jäger- Bataillon, dem 6. bayerischen Infanterie-Regiment, 1. Bataillon des 10. bayerischen InfanterieRegiments ,

2 Schwadronen des

1. bayerischen Dragoner- Regiments

Minucci , dem württembergischen Jäger - Regiment zu Pferde Herzog Louis (davon nur 80-90 Pferde) , 1 bayerischen Batterie und 2 württembergischen reitenden Geschützen , zusammen einigen 1000 Mann* ), gegen die Festung vor. ,,Die Strafse von Wartha führt im Angesicht der Festung auf einem Höhenzuge gegen letztere herunter , der Höhenzug wird zu beiden Seiten durch bebuschte, von Bächen bewässerte Thaleinschnitte begrenzt ; zur Rechten, jenseits des Thaleinschnitts, liegt der Calvariberg, auf dessen Höhe eine Kapelle ; links unfern der Strafse von Gierswalde, die unmittelbar auf das Fort Schäferberg führt, das Dorf Königshayn , noch weiter links auf dem wellenförmigen Terrain , das sich zu beiden Seiten der Neifse erstreckt, erheben sich die bewaldeten Höhen : der Spittelberg und der Fockenbusch ; zwischen dem Calvariund Schäfer-Berg liegen die Dörfer Scheibe, Ober- und Nieder-Hassitz, zwischen dem ersten und letzten an der Strafse von Wartha : Friedrichswarte **). “

Nach du C. q. c. Band II p. 105 betrug seine Stärke *) St. S. 46. 2000 Mann Infanterie und 350 Mann Reiterei und sein Verlust im obigen Gefecht 50 Tote und 50 Verwundete. **) St. S. 46. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2.

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. Der jetzt zum

Generalbevollmächtigten

in Schlesien ernannte

Graf Goetzen liefs sogleich die leichten Truppen, 300 Mann Infanterie und 160 Pferde, nebst 400 Mann von der Besatzung des Schäferbergs , 4 reitenden Geschützen und 1 Haubitze ausrücken und sich unter den Kanonen des Forts formiren.

Die Feldgeschütze fuhren auf dem

höchsten Punkt der vom Schäferberg nach dem Königshayner Grund laufenden Höhe unter Bedeckung des gröfsten Teils der Reiterei auf. Später liefs er noch 400 Mann und 2 Geschütze aus der Stadt folgen. Der Feind hatte sich durch eine württembergische Jäger-Kompagnie nach hartnäckigem Kampfe in Besitz von Nieder- Hassitz gesetzt und 2 reitende Geschütze auf dem äussersten Vorsprung des Pafsberges aufgestellt. Zugleich ging das württembergische reitende Jäger-Regiment Prinz Louis links zwischen Königshayn und dem Schäferberge im Grunde vor. Um dem Feinde die Behauptung des Dorfes zu erschweren, liefs Graf Goetzen 2 Kanonen in der Tiefe am Fußse des Schäferberges auffahren ; ein lebhaftes Geschütz- und Gewehrfeuer wurde von beiden Seiten unterhalten. Auf die Meldung , dafs einige feindliche Schwadronen die rechte preufsische Seite bedrohten, befahl der Graf, welcher seine auf der Höhe stehenden 5 Geschütze für beBevor sie aber diesen droht hielt, der Reiterei, sofort anzugreifen. Befehl erhielt , war sie schon von den im Galopp die Höhe hinanAls der sprengenden Jägern über den Haufen geworfen worden. Graf im Hinreiten zu ihr bemerkte ,

dafs sie bereits , von den ge-

schlossenen feindlichen Schwadronen gefolgt , zurückging , schickte er ihr den Lieutenant Hellwig , welcher an diesem Tage in Geschäften von Silberberg nach Glatz geritten war und sich dem Grafen Goetzen, als er ihn beim Alarm allein aus der Festung sprengen sah, als Adjutanten angeboten hatte, mit dem Befehle nach, Alles aufzubieten , um sie zum Stehen zu bringen. Zugleich liefs er die Artillerie nach der feindlichen Reiterei hin schwenken und mit Kartätschen laden, sowie die Infanterie im offenen Viereck vorgehen. Inzwischen war Hellwig zu der Reiterei gejagt und hatte es mit Hilfe der Offiziere , welche sämmtlich hinter die Front ritten und mit allen Kräften auf die auseinandergesprengt Fliehenden loshieben, dahin gebracht , dafs sie nicht nur zum Stehen kamen und Front machten , sondern er setzte sich mit den Majors v. Stoessel und Graf Roggendorff und den übrigen Offizieren an ihre Spitze und warf sich auf die feindlichen reitenden Jäger, welche mit Verlust an Toten und Verwundeten auf die beiden bayerischen Schwadronen zurückgetrieben wurden . Dabei war Hellwig mitten in die feindlichen Reiter hineingesprengt , hatte einem bayerischen Offizier und einem Gemeinen Pardon gegeben und glaubte,

diese würden von den ihm folgenden

151

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Husaren abgegommen werden .

Dies geschah aber nicht ;

denn , als

sich Hellwig umwandte, bemerkte er, dafs nur ein Husar ihm gefolgt war ; während er sich nun des Offiziers bemächtigen wollte , hieb dieser sein Pferd zweimal über den Kopf und schofs es durch den Hals ; der Gemeine aber zerschmetterte des Reiters linke Hand hinterrücks durch einen Pistolenschufs . Es gelang Hellwig , sich glücklich durch die Schnelligkeit seines Fuchses aus dem Getümmel zu retten, worauf er ohnmächtig vom Pferde sank. Auch Major v. Stoessel war durch einen Hieb unter das rechte Auge schwer verwundet worden. Die Geschütze waren jedenfalls gerettet ; da eine Verfolgung bei ungeübten und matten Pferden der grofsen feindlichen Überlegenheit gegenüber wenig günstige Aussichten bot, liefs Graf Goetzen . Appell blasen und dem Feinde einige Kartätschladungen nachsenden. Das Infanteriegefecht um Hassitz , welches einen sehr ernsthaften Charakter angenommen hatte , endete erst mit Einbruch der Nacht und mit dem Rückzug Lefebvre's auf Wartha. Hellwig's Heldenmut fand von Seiten des Grafen Goetzen öffentliche Anerkennung ; mit seiner kriegerischen Thätigkeit in diesem Feldzuge war es jedoch nun zu Ende . Seine Verwundung bestand in einem Schufs auf der äufseren Seite der linken Hand an der Verbindung der Handwurzel mit dem Knochen des Vorderarms ; eine Anzahl zerschmetterter Knochenteile mufste entfernt werden. Nach acht Wochen war die Wunde zwar äufserlich geheilt , aber Hellwig sah sich doch veranlafst , nach erfolgtem Friedensschlnfs die Heilquellen des Bades Landeck zu benutzen, deren wohlthätigem Einfluss er es verdankte , bereits in der Mitte des August seine Schwadron in Peterwitz bei Frankenstein übernehmen zu können . Seine Badekur hatte ihm , wie er schreibt , gegen 1000 Thaler , eine für damalige Zeit recht ansehnliche Summe , gekostet !

Und doch war ihr Erfolg

kein durchschlagender gewesen ; denn, wenngleich Hellwig die Finger der linken Hand sämmtlich bewegen konnte , so blieb doch sein Handgelenk steif und er mufste für die Zukunft auf gut gerittene Pferde Bedacht nehmen *) .

5. Friedensjahre. Aus den durch Oberstlieutenant Graf Goetzen in Schlesien aus Selbstbefreiten, Versprengten und Freiwilligen neugebildeten und allmählig auf 10 gebrachten Schwadronen hatte der Genannte als Chef bei der Neubildung des Heeres im Herbste 1808 gemäfs Kab. O. vom 21. November das 2. Schlesische Husaren-Regiment mit 4 Schwadronen *) Brief seines Bruders an den Vater vom 5. Oktober 1811 in H. N.

11*

152

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

zu 150 Pferden aufzustellen , dessen Bildung mit dem Stabsquartier in Frankenstein und der 3. Schwadron Hellwig in Münsterberg im Nachdem sich letzterer in diesem Februar 1809 vollendet war*). Jahre von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen, heiratete er nach den Herbstübungen seine zweite Gattin Charlotte , geb. Freytag , mit welcher er bis zu seinem Tode in sehr glücklicher Ehe gelebt hat . Sie schenkte ihm aufser zwei, im zartesten Alter gestorbenen Kindern den einzigen ihn überlebenden Sohn Friedrich Rudolph Oskar , geboren zu Lüben 1812 . Da Hellwig als Braunschweiger Landeskind durch den Tilsiter Frieden Unterthan des Königreichs Westphalen geworden war , so beanspruchte ihn die Regierung dieses Landes im Jahre 1808 mehrfach zum Eintritt in das westphälische Heer ; er verweigerte dies aber trotz der ihm angebotenen Verbesserungen, und sein Vater suchte für ihn die Erlaubnifs , in preufsischen Diensten bleiben

zu dürfen , zu erwirken ; sie wurde ihm aber unter Versprechungen für den anderen Fall vorenthalten . Alles Weitere brach nun Hellwig kurz ab durch die seinem Vater erteilte Antwort **) : „ Es ist in dieser Angelegenheit nun Alles

geschehen, was geschehen musste. Drohungen habe ich nie gefürchtet, also fürchte ich auch die in der Aufforderung nicht. Auf Versprechungen kann ich nur hören , wenn deren Annahme mit meiner Denkungsart bestehen kann . In dieser Angelegenheit ist dies der Fall nicht , also darüber keine Silbe mehr. Ich bleibe, wo ich bin." Im Jahre 1811 stand das Regiment in Lüben , Guhrau , Herrnstadt und Haynau und hatte in verschiedenen Ortschaften OffizierKommandos zu geben zur Beobachtung der warschauischen wie der sächsischen Grenze, was den Dienst sehr erschwerte. Ende September wurde es auf Ausrückestärke durch Einziehung von Beurlaubten vervollständigt und rückte in Standquartiere in der Gegend von Reppen. Gelegentlich dieses Ausrückens ,,losgelassen" worden sein ***).

aus der Garnison soll auch Hellwig ,,Seine manchmal wilde Natur übte

zuweilen im Frieden den Krieg auf eigene Hand. Er hatte drei verschiedene Husarenstreiche ausgeführt, die ihm eine längere Festungshaft zugezogen." Er machte nämlich einem Beamten beim GeneralKommando , der sich in einem Konzert in Bad Landeck einer neben Hellwig sitzenden Dame gegenüber ungebührlich benommen hatte, darüber den Standpunkt klar. Als er hörte , dafs er dafür vom General von Grawert mit einem achttägigen Arrest angesehen worden

*) Gr. L. S. 13. **) Mauv. S. 102. ***) Gr. L. S. 50.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

153

sei, gab er dem mit ihm zufällig in einem öffentlichen Lokal zusammengetroffenen Beamten ein paar Ohrfeigen, weil er seinem Vorgesetzten unwahre Angaben über den Vorfall gemacht hätte, und warf ihn zur Thür hinaus ,

nachdem

er die ihm vorher zur Räumung des Feldes

anberaumte Frist von 5 Minuten nicht inne gehalten hatte. Hellwig wurde nun zu 2 Jahren Festungsstrafe verurteilt , die er im Frühjahr 1810 in Neifse antrat.

Als der König im Herbst desselben Jahres

zur „ Revue" nach dieser Festung kam , wandte sich Hellwig mit einem Immediatgesuch an seine Gnade *). Nach seinem Tagebuche wäre er unmittelbar darauf seiner Haft entlassen worden und hätte am zweiten Tage mit seiner Schwadron die

,,Revue" mitgemacht.

Das stimmt allerdings nicht mit folgender hübschen, vom Grafen Lippe erzählten Geschichte, die erst im Herbst 1811 spielen soll, aber auch auf das Ausrücken zur Königs-Revue passen dürfte : „ Die 3. Eskadron war in ihrem Dorf-Marschquartier zum Exerziren zu Fufs angetreten , als ein schlesisches Planwägel und aus diesem Hellwig's martialische Figur erschien . rief er, „ ich komme jetzt wieder zu Euch.

„,Kinder, hier bin ich, “

In dem verfluchten Neiſse,

wie hätt' ich's jetzt aushalten können !" „ Hurrah ! Unser Vater Hellwig soll leben !" schallte es einstimmig und um den geachteten und geliebten Führer drängte sich schnell Alles , die alten Graubärte und verwetterten Husaren vorweg, im stürmischen Durcheinander die Glieder und die sonst sehr strenge Ordnung verlassend ."

Durch Kab. O. vom 6. März 1812 wurde zum Kriege gegen Rufsland für zwei durch das Loos zu bestimmende Schwadronen die schleunige Mobilmachung befohlen : die 1. und 2. traf das Schicksalswort. Die 3. und 4. blieben unter Führung des aggregirten Majors v. Blücher in Schlesien und marschirten am 28. März von Reppen in ihre neuen Friedensstandorte Strehlen und Münsterberg , was Hellwig in seinem Privattagebuche entgegen der etwas rührseligen Darstellung des Grafen Lippe **) als ein Glück ansah, das darin bestanden hätte , dafs er ,,nie gerne für Frankreich fechten wollte." Aber zu einem Vergnügen dürfte sich die nun folgende Zeit nicht gestaltet haben, denn die zurückgebliebenen Schwadronen waren durch Abgaben von Mann und Pferd an die mobilgewordenen behufs deren Ergänzung auf die Kriegsstärke nicht allein an Zahl wesentlich geschwächt, sondern hatten, da sie ihr bestes Material hatten abgeben müssen , an innerem Wert stark

verloren ;

*) Der Wortlaut befindet sich im Priv. T. **) Gr. L. S. 63.

noch mangelhafter ge-

154

Improvisirte Befestigungen.

stalteten sich ihre Verhältnisse ,

als durch Allerhöchsten Befehl alle

über 52 Köpfe in jeder Schwadron vorhandenen Mannschaften beurlaubt werden mussten. So blieben die Schwadronen eigentlich nur Ersatzschwadronen der ausgerückten . Hellwig , der am 18. Februar 1809 zum Eskadronchef ernannt worden war , rückte unter dem 4. Juni 1812 zum Major auf. (Fortsetzung folgt.)

XI.

Improvisirte Befestigungen. Von Reinhold Wagner, Oberstlieutenant a. D.

Fortsetzung*).

3. Dresden 1813. b) Von der Rückkehr Napoleon's nach Dresden am 28. August bis zur Kapitulation St. Cyr's am II. November. Verschiedene Operationspläne

beschäftigten

Napoleon

mehrere

Tage lang, bevor seine Ideen so weit gereift waren, dafs er sie am 30. August einem Sekretär diktiren konnte. Dann entschlofs er sich, auf die Fortsetzung der Offensive gegen die böhmische Armee zu verzichten, an der dortigen Grenze defensiv zu bleiben, und persönlich einen Offensivstofs gegen Berlin zu führen, an dessen Erfolg er die weitgehendsten Hoffnungen knüpfte . Dabei setzte er voraus, dafs Macdonald vor Blücher nicht weiter als hinter den Queiss bei Lauban zurückweichen werde. Am 31. erhielt er jedoch die Meldung, dafs derselbe bereits bis Görlitz zurückgegangen, und dafs der Raum zwischen ihm und Oudinot, der sich nach der Schlacht bei Groſsbeeren unter die Kanonen von Wittenberg zurückgezogen , bereits von Seiten der Nordarmee beunruhigt werde, sowie gleichzeitig die Nachricht von der Niederlage Vandamme's bei Culm (30. Aug.). In Folge dessen liefs er am 1. u. 2. Sept. die Verfolgung der böhmischen Armee einstellen, und entschlofs sich, am linken Elbufer nur die zur Deckung Dresdens nötigen Streitkräfte zurückzulassen, dem Marschall Ney den Befehl über Oudinot's Armee zu übertragen, und ihn über Baruth und Zossen auf Berlin zu dirigiren, selbst aber *) Siehe das Dezemberheft 1894 und das Januarheft 1895.

Improvisirte Befestigungen.

155

möglichst bedeutende Kräfte bei Dresden an das rechte Elbe- Ufer hinüberzuführen, und mit ihnen zunächst nordöstlich nach Hoyerswerda zu gehen, von wo er sich in etwa 3 Märschen je nach Umständen, entweder rechts mit Macdonald bei Görlitz, oder links mit Ney bei Baruth vereinigen konnte. Während diese Pläne erst in der Zeit vom 28. August bis zum

2. September zur Reife gediehen, stand von vornherein das Eine bei ihm fest, dafs er sich Dresdens , als seines Hauptstützpunktes, unter allen Umständen mehr als bisher versichern müsse. Denn schon einer der ersten Befehle, die er am 29. August erliefs, war an General Rogniat gerichtet : die Befestigungsarbeiten noch an demselben Tage wieder aufzunehmen. Im Besonderen wiederholte er die Befehle vom 7. und 12. August, zwischen den 5 am linken Ufer vorhandenen Lünetten 3 neue einzuschalten, und alle Lünetten mit Blockhäusern zu versehen, für die er jetzt sogar 3 Fufs starke Balkenwände gegen Geschützfeuer verlangte. Auch bestand er von Neuem auf Vertiefung des Grabens der alten Stadt- Enceinte, der vor der Pirnaer Front noch immer ohne Wasser war. Sturmfreiheit wollte er haben, um Dresden mit möglichst geringen Kräften sich selbst überlassen zu können, und durch die Erfahrungen, die er gemacht, war er von den Illusionen hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit des Platzes zurückgekommen, mit denen er bei Ablauf des Waffenstillstandes nach Schlesien aufgebrochen war. Deshalb hielt er es nicht mehr wie damals,

Mitte August, für

ausreichend, nur das eine ( 14. ) Korps St. Cyr's zum Schutze Dresdens am linken Ufer zurückzulassen, sondern bestimmte hierzu aufserdem das 2., Victor's,

und das zu reorganisirende 1. Korps Vandamme's.

St. Cyr hatte sein Hauptquartier wieder in Pirna, Victor das seinige in Freyberg zu nehmen, während der Graf v. d. Lobau den Befehl über das 1. Korps erhielt, und dieses in Dresden selbst zu reorganisiren hatte . Eine detachirt gewesene Brigade desselben, 8 Bataillone, waren in die Katastrophe bei Culm nicht verwickelt worden, und einige andere tausend Mann der Gefangenschaft entgangen , so dafs das Korps unter Zuweisung sonst noch verfügbarer Kräfte wieder auf 3 Divisionen von je 10 Bataillonen in der Gesammtstärke von 18 000 Mann gebracht werden konnte. Im Ganzen liefs also Napoleon, aufser der eigentlichen Garnison unter Durosnel, dies Mal 50-60 000 Mann zur Verteidigung Dresdens zurück. Vom 2. September ab hatte er bereits die junge Garde, die GardeKavallerie und die Reserve -Artillerie der Garde nach Hoyerswerda in Marsch gesetzt, und am 3. auch schon den Abmarsch der alten Garde dahin für den Abend befohlen, als von Macdonald die Meldung kam,

Improvisirte Befestigungen.

156

dafs er, von Blücher hart bedrängt, eilig auf Bautzen zurückweichen müsse .

Sofort gab Napoleon die Operation nach Hoyerswerda auf, und dirigirte Alles, auch die schon auf dem Marsche nach Hoyerswerda befindlichen Truppen, auf kürzesten Wegen nach Bautzen : aufser der jungen und der alten Garde, die von der böhmischen Grenze zurückgerufene Kavallerie Latour-Maubourg's und Marmont's Korps, welches als letztes noch in der Nacht zum 4. die Elbe passiren sollte, weil er eine Schlacht gegen Blücher schon am 4. Nachmittags, spätestens am 5. September liefern wollte. Trotz der Menge der deshalb nach allen Seiten zu erlassenden Befehle war ihm die Sorge um Dresden jedoch wichtig genug, um noch vor seiner um 6 Uhr Abends erfolgenden Abreise nicht nur für St. Cyr, Victor und Lobau eine allgemeine Instruktion zur Verteidigung Dresdens, sondern auch für Rogniat eine speziell die Befestigungen Dresdens betreffende, 12 Paragraphen umfassende Ordre zu diktiren. Da es sich trotz der früheren wiederholten Befehle wahrscheinlich doch als unmöglich erwiesen hatte, alle Lünetten mit Blockhäusern zu versehen, so beschränkte er diese Forderung jetzt auf die am 26. August zeitweilig verloren gegangene, durch ihre Lage am meisten gefährdete Lünette III. Zugleich verzichtete er auf die verlangten 3 Fufs Stärke der Wände, und schrieb nur 18 Zoll Stärke vor, was beiläufig bemerkt gegen Geschützfeuer ungenügend und gegen Gewehrfeuer überflüssig war. Um die unmittelbare Annäherung zu hindern, sollte das Blockhaus mit einer kleinen Pallisadirung umgeben werden, ferner die Lünette selbst einen pallisadirten Vorgraben, und dieser, wie der Hauptgraben, eine Flankirung aus zwei seitwärts und rückwärts anzulegenden Waffenplätzen erhalten, endlich vor der Lünette eine Anzahl von Flatterminen in möglichst demonstrativer Weise angelegt werden, und binnen 6 Tagen Alles fertig sein . Von 24 Stunden " für den Blockhausbau war also nicht mehr die Rede.

Im Übrigen sei nur die Wiederholung zweier schon am 12. August gegebenen Befehle erwähnt, die aus Mangel an Arbeitskräften nicht hatten ausgeführt werden können, weil sie erst in dem Moment gegeben waren, in dem die Garden Dresden verlassen hatten. Jetzt also wurde abermals befohlen, in jeder Lünette ein Munitions-Magazin zu erbauen, nachdem am 26. August in Lünette III ein als Ersatz dienender Munitions -Wagen von feindlichen Geschossen zertrümmert, wenn auch glücklicherweise nicht aufgeflogen war, und ebenso wurde der Befehl erneuert, am rechten Ufer, vor den 5 Lünetten des rechten Flügels, die Waldungen niederzuschlagen und Verhaue daraus zu machen, dabei aber diesmal nicht der Fehler wiederholt, an die

157

Improvisirte Befestigungen.

nötigen Arbeitskräfte nicht zu denken , sondern die Arbeit ausdrücklich dem 1. Korps des Grafen v. d. Lobau aufgegeben. Am 4. September fand die Vereinigung Napoleon's mit Macdonald östlich von Bautzen statt. Die Absicht, Blücher zur Schlacht zu zwingen, schlug jedoch fehl, weil Blücher, sobald er Napoleon's Anwesenheit erkannt hatte, unter Nachhutsgefechten bis hinter den Queiss zurückging, während Napoleon am 5. bis Görlitz vorstiefs. Noch weiter zu folgen, wäre bedenklich gewesen. daher bei Görlitz

stehen bleiben,

wieder

den

auf,

mit

Garden ,

Napoleon

Marmont

Macdonald sollte

aber nahm den Plan

und

Latour - Maubourg's

Kavallerie links abzumarschiren, um mit Ney auf Berlin zu gehen. Schon hatte er am 5. Abends Latour-Maubourg befohlen, nach Hoyerswerda zu marschiren, als er von St. Cyr Meldung erhielt, dafs die böhmische Armee wieder vorzurücken beginne.

Näheres war daraus

noch nicht zu ersehen, und deshalb ging Napoleon persönlich sogleich, noch am Spätabend des 5. , nach Bautzen zurück, um genauere Nachrichten möglichst schnell zu erhalten. Obwohl diese aber zeigten, dafs St. Cyr bereits lebhaft angegriffen und zurückgedrängt worden sei, konnte er sich doch nicht sofort entschliefsen, den Gedanken an Berlin aufzugeben . Daher befahl er am 6. zwar den schleunigen Rückmarsch der Garden nach Dresden und rief eben dahin auch Latour-Maubourg zurück, liefs aber Marmont nach Kamenz marschiren, während er selbst informationshalber noch in der Nacht zum 7. nach Dresden eilte. St. Cyr hatte inzwischen nicht nur seine Stellungen bei Hellendorf, dann bei Giefshübel räumen, sondern sogar das Hauptquartier von Pirna nach Mügeln, nur

11

Meilen von Dresden zurückverlegen

müssen. Dennoch hielt Napoleon das Vordringen des Feindes, da nur Russen und Preufsen (unter Barklay de Tolly), keine Österreicher erschienen , für eine blofse Demonstration, zu dem Zweck, seine Offensive am rechten Elbe-Ufer zu lähmen .

Daher blieb er auch jetzt noch

bei der Absicht, Ney zum Vorstofs auf Berlin zu unterstützen.

Dafs

Ney schon am Tage vorher bei Dennewitz geschlagen war, wufste er noch nicht, befahl also noch am 7. Vormittags Marmont, von Camenz nach Hoyerswerda, und von dort über Kalau auf Luckau vorzugehen . Am rechten Ufer hielt er Dresden zur Zeit nicht für gefährdet. Nachdem er dann aber noch an demselben Vormittag in Mügeln bei St. Cyr gewesen, und erfahren hatte, dafs Schwarzenberg sich von den Russen und Preufsen getrennt habe, um mit dem gröfsten Teile der Österreicher bei Tetschen, Aussig und Leitmeritz an das rechte Elbufer überzugehen, entschlofs

er sich, am linken schleunigst die

Offensive zu ergreifen, um die Russen und Preufsen womöglich vereinzelt zu schlagen.

Da hierzu alle bei Dresden verfügbaren Kräfte

Improvisirte Befestigungen.

158

nötig waren, mufste er nunmehr auf die Kooperation mit Ney gegen Berlin verzichten, und um Dresden am rechten Ufer nicht in Gefahr kommen zu lassen, am 8. Marmont zurückrufen, der an diesem Tage von Hoyerswerda schon eine starke Avantgarde nach Senftenberg und Kavallerie gegen Luckau vorgetrieben hatte. Marmont traf am 10. bei Dresden ein und bezog das Lager am rechten Ufer. Wiederum war es also die nicht unbedingte Sicherheit Dresdens, diesmal am rechten Ufer - die Napoleon's Operationspläne durchkreuzte, denn die Niederlage Ney's bei Dennewitz und seinen Rückzug nach Torgau erfuhr er erst am 8. nach Einbruch der Nacht in Dohna, 2 Meilen südlich von Dresden, wohin er sein Hauptquartier verlegt hatte. Im Laufe des Tages war nämlich St. Cyr gegen die Russen und Preufsen vorgegangen , während Napoleon selbst zu seiner Unterstützung das Korps v. d. Lobau, die junge Garde und einen Teil der ReserveKavallerie von Dresden heranführte. Am 9. und 10. wurde die Offensive mit diesen Kräften, vor denen die Alliirten langsam zurückgingen, bis über den Kamm des Gebirges am Geyersberge und Nollenberge fortgesetzt. Sich weiter von Dresden zu entfernen und nach Böhmen hinabzusteigen, wagte Napoleon jedoch nicht, weil inzwischen Blücher wieder zum Angriff auf Macdonald übergegangen war, und dieser zurückwich. Napoleon liefs

daher

zwar

die

beiden

Korps

von

St. Cyr

und

v. d. Lobau unter des Ersteren Oberbefehl in ihren Stellungen auf dem Gebirge stehen, kehrte jedoch mit der jungen Garde nach Pirna, und persönlich am 12. nach Dresden zurück, während Macdonald an diesem Tage schon bis Stolpen zurückgedrängt war. Im Begriff, mit ihm vereint gegen Blücher vorzugehen, wurde er abermals am linken Ufer von Teplitz her bedroht, weil Schwarzenberg mit den Österreichern nach dem Offensivstofs Napoleons am 9. und 10. dahin zurückgekehrt war, und nun die Alliirten von Neuem gegen St. Cyr vordrangen. Nochmals ging Napoleon ihnen vom 15. bis 18. Sept. entgegen, und warf sie von der Höhe des Gebirges in's Teplitzer Thal hinab. Ihren in der Ebene nun vereinten Kräften war er jedoch nicht mehr überlegen, und so gab er die Offensive hier endgültig auf, und kehrte am 19. nach Dresden zurück, um mit Macdonald gegen Blücher vorzugehen. dies bis zum 22. September.

Schlechtes Wetter verzögerte

Mittags sollte Macdonald auf der ganzen

Linie vorrücken, bis der Feind zur Schlacht Stand hielte. selbst wollte zur Stelle sein.

Napoleon

Noch bevor er jedoch Dresden verlieſs,

besichtigte er das verschanzte Lager des rechten Ufers in seiner ganzen Ausdehnung, und gab, gerade so wie am 12. August und

Improvisirte Befestigungen .

159

3. September, erst unmittelbar vor dem Aufbruch nach Osten eine neue ausführliche Ordre zur Verstärkung der Befestigungen. Jetzt, wo er bei der Nähe der Blücher'schen Armee einen ernstlichen Angriff am rechten Ufer nicht weniger gewärtigte, als früher am linken, schienen ihm die Lagerverschanzungen dort nicht zuverlässig genug, obwohl er bekanntlich schon vor Monatsfrist die Meinung geäufsert hatte, dafs sie sogar eine förmliche Belagerung aushalten könnten . Charakteristisch sind die einzelnen Bestimmungen seiner mehr als ein Dutzend Paragraphen umfassenden Ordre in doppelter Hinsicht. Sie zeigen einerseits, dafs die Ausführung früherer Befehle wieder einmal an den thatsächlichen Verhältnissen gescheitert war, andererseits, dafs Napoleon trotz aller bei Dresden schon gemachten Erfahrungen auf fortifikatorischem Gebiete noch immer zu wenig realistische Vorstellungen hatte. Wie erwähnt, hatte das zuerst am 12. August befohlene Niederschlagen der Waldungen und die Anlage von Verhauen vor den 5 Schanzen des rechten Flügels des Lagers am rechten Ufer unterbleiben müssen, weil der Befehl erst im Moment des Abmarsches der Garden nach Schlesien gegeben war, und bei Erneuerung des Befehls am 3. September hatte Napoleon deshalb ausdrücklich das 1. Korps. mit der Arbeit beauftragt. Dieses Korps mufste der Graf v. d. Lobau Begreiflich jedoch bekanntlich grofsenteils erst neu organisiren . genug, dafs es nicht sofort an die Arbeit gehen konnte, und nicht minder begreiflich, dafs diese nur etwa zur Hälfte ausgeführt war, als Napoleon, am 7. nach Dresden zurückkehrend, das Korps schon am 8. zur Offensive gegen die böhmische Armee abrücken liefs . Jetzt also mufste er zum dritten Male das Niederschlagen der Waldungen bis auf Gewehrschufsweite (250 Schritt) befehlen, woran noch ein 150 Schritt breiter Streifen auf einer Front von 3500 Schritt Länge fehlte. Wie durch diese Mafsregel die rechte Hälfte der Lagerfront, so Auf dem sollte auf andere Weise auch die linke verstärkt werden. dortigen Flügel an der unteren Elbe war das Dorf Pieschen, wie erwähnt, feindwärts vom Werke Nr. 1 , einem längeren tenaillirten Retranchement umgeben, dieses jedoch im Profil so schwach geblieben, dafs es, wie Napoleon sich ausdrückte , einen „fossé nul" hatte. Deshalb befahl er, 50 Schritt davor einen zweiten, und zwar pallisadirten Graben anzulegen - ohne sich, beiläufig bemerkt, darum zu kümmern, und abermals was aus der bedeutenden Erdmasse werden würde 50 Schritt vor diesem Graben einen Verhau herzustellen . Ferner sollten die Zwischenräume aller Schanzen (Nr. 1-4) der linken Hälfte der Lagerfront in einer Ausdehnung von mehr als

160

Improvisirte Befestigungen.

3000 Schritten gesperrt werden, und zwar in dem überall zugänglichen waldfreien Terrain sogar durch ein doppeltes Hindernifs : nämlich erstens durch eine behufs Flankirung der Linien en cremaillère zu führende Pallisadirung , und zweitens durch einen 50-75 Schritt davor anzulegenden Graben von solchen Dimensionen, dafs Kavallerie ihn nicht überspringen könne.

Auf dieselbe Weise sollten beide Flügelschanzen (Nr. 1 u. 8) an die untere und obere Elbe angeschlossen werden, und als Kommunikationen nur die vier Hauptstrafsen nach Bautzen, Radeberg, Berlin und Leipzig, so wie eine Lücke zwischen den Schanzen Nr. 2 und 3 , im Ganzen also nur 5 Passagen benutzbar bleiben, diese aber in der Linie der Pallisaden durch Barrieren, in der Höhe des Grabens durch spanische Reiter geschlossen, und an den Barrieren der 4 Hauptstrassen je ein Blockhaus oder wenigstens ein Pallisadentambour für 30 Mann erbaut werden. Endlich befahl Napoleon im Voraus, für den Fall, dafs die Armee Macdonald's sich in das Lager zurückziehen müfste , die Waldungen vor der rechten Hälfte der Front bis auf 1/4 Wegstunde oder etwa 1500 Schritt Entfernung von den Schanzen niederzuschlagen , und diese Grenzlinie sogleich durch Anhauen der Bäume zu bezeichnen . Rechnete er früher hauptsächlich darauf, zum Schutze Dresdens immer noch rechtzeitig mit der Armee herbeieilen zu können, so sah er jetzt offenbar schon die Notwendigkeit voraus , Dresden längere Zeit sich selbst überlassen zu müssen . Daher das unverkennbare Bestreben, das Lager nötigenfalls mit minimaler Besatzung behaupten zu können , also das zu erreichen , was die prinzipielle Aufgabe permanenter Befestigungen ist. Da er aber zunächst doch noch mit Armeen vor Dresden zu operiren hatte , so suchte er die durch den Schlufs der Intervallen der Lagerschanzen verringerte Möglichkeit, mit grofsen Truppenmassen vor- oder zurückzugehen , durch weitere Anordnungen wieder zu gewinnen .

Zu diesem Zweck befahl er die

beiden wichtigsten Defileen vorwärts des Lagers zu befestigen , und zwar je eine Redoute an der Strafse nach Bautzen und an der Strafse nach Berlin zu erbauen , an der ersteren vorwärts der Brücke über den Mordgrund und der Abzweigung des Weges nach Pillnitz, an der Berliner Strafse dagegen auf der Höhe über dem Thalrande beim "wilden Mann" , die eine wie die andere über 3000 Schritt von den Flügelschanzen des Lagers entfernt. Von mehreren kleineren Arbeiten abgesehen, verlangte er endlich noch die Demolirung zahlreicher Gebäude in Pieschen und eine sehr bedeutende Terrainkorrektur auf dem rechten Flügel,

wo das Ravin

des Priefsnitz-Baches die Kette der Lagerwerke zwischen Nr . 5 und 6

161

Improvisirte Befestigungen .

durchschnitt , und wegen seiner Tiefe und der Steilheit der Ränder einen von den Schanzen meist nicht eingesehenen Zugang zum Innern des Lagers bildete. Hier genügte ihm die Sperrung durch Verhaue nicht; vielmehr sollten die Ränder des tiefen Ravins abgestochen und in die Rasante gebracht werden . Von dem Umfang aller dieser Arbeiten hatte Napoleon schwerlich Nebelhaft sind auch sonst manche seiner eine rechte Vorstellung . Forderungen , z . B. die eines von Kavallerie nicht zu überspringenden Wenn er letztere allein Grabens, 50 Schritt vor der Pallisadirung. nicht für genügend hielt, weil sie, ungedeckt stehend, durch Artilleriefeuer aus der Ferne zerstört werden konnte , so kam es doch nicht blos auf Verhinderung des Eindringens von Kavallerie an. Infanterie konnte aber immer noch einen von Kavallerie nicht zu überspringenden Bei den Dimensionen ,

Graben leicht durchschreiten.

die dieser der

Forderung gemäfs erhalten musste, hätte er ohne Mehrarbeit im Profil so gestaltet werden können, dafs es möglich gewesen wäre, auf seiner Sohle die Pallisaden fast bis zur Spitze gedeckt aufzustellen , und hinter ihm aus der von ihm gelieferten Erde eine mannshohe, gegen Gewehrfeuer deckende Brustwehr anzuschütten.

Wo nach Napoleon's

Meinung diese Erdmasse bleiben sollte, ist nicht zu sehen, das Sonderbarste jedoch, dafs er alle diese Arbeiten wieder in einem Augenblick befahl, wo er mit allen verfügbaren Kräften die Offensive ergreifen wollte. Marmont's Korps , welches von Hoyerswerda her , wie erwähnt, am 10. Sept. in das Lager eingerückt war , hatte dasselbe am 13. aus einer Stellung bei schon wieder verlassen müssen , um Grofsenhayn Lebensmittel-Transporte auf der Elbe von Torgau nach Dresden zu decken , und als Napoleon jetzt am 22. zu Macdonald abging, blieb in Dresden nur die eigentliche Garnison , einige Tausend Mann unter Durosnel zurück , die nicht nur den ausgedehnten Wachdienst zu leisten , Die

materielle

sondern auch am linken Ufer zu arbeiten hatten.

Seite

seiner

fortifikatorischen

Anordnungen nahm

Napoleon also trotz der früheren Vorgänge immer noch zu leicht , wenn er jetzt wieder nach den Arbeitskräften nicht fragte , sondern sich begnügte, am Schlufs seiner Ordre zu sagen : „le major général prendra toutes les dispositions nécessaires pour la prompte exécution du présent ordre. " Was dabei herauskam, wird sich noch zeigen. Wie befohlen , ging Macdonald am Mittag des 22. unter den Augen Napoleon's gegen Blücher vor , der sogleich wieder nach Bautzen hinter die Spree zurückwich. Napoleon's Hauptquartier blieb während dessen bis zum 24. Abends in Hartau , 31½ Meile von Dresden . Dort erhielt er Nachricht ,

dafs die Nordarmee sich anschicke die

162

Improvisirte Befestigungen .

Elbe oberhalb und unterhalb Wittenbergs zu überschreiten ,

und da

Blücher nicht Stand hielt , gab er die weitere Offensive gegen ihn auf, befahl die sofortige Rückkehr der Armee nach Dresden , um sie nunmehr an das linke Ufer hinüberzuführen , löste den Verband der unter Macdonald vereinigten Korps auf, und liefs vom 1. Oktober ab nur Macdonald's eigenes (d . 11. ) Korps am rechten Ufer vor und im verschanzten Lager stehen. Napoleon selbst kam schon in der Nacht zum 25. Sept. nach eine Zeit, in Dresden zurück, wo er nun bis zum 7. Okt. blieb welcher sich die Ereignisse zu der Krisis zuspitzten, der Dresden schliefslieh zum Opfer fiel . Von den Alliirten war beschlossen worden, einerseits die schlesische Armee rechts abmarschiren und ebenso wie die Nord-Armee die Elbe überschreiten zu lassen, andererseits mit der böhmischen Hauptarmee über Kommotau und Zwickau links abzumarschiren, und dann

alle

3 Armeen in der Richtung auf Leipzig zu vereinigen , während zu möglichster Täuschung Napoleon's vor Dresden am rechten wie am linken Ufer entsprechende Streitkräfte zurückbleiben sollten ; am rechten Ufer eine russische und eine österreichische Division (unter Tscherbatof und Bubna), am linken Ufer, in Stelle der russischpreussischen Korps unter Barklay de Tolly an der Strafse von Peterswalde , die aus Polen bei Aussig eintreffende russische Reserve-Armee unter Bennigsen. Gegen die von Böhmen her seinen rückwärtigen Verbindungen drohende Gefahr, die sich durch das Vordringen von Streifkorps schon seit Anfang September angekündigt hatte , vereinigte Napoleon nach und nach unter Murat, mit dem Hauptquartier in Freiberg , das 2. , 5. und 8. Korps (Victor, Lauriston und Poniatowski) nebst einigen Kavallerie-Divisionen . St. Cyr behielt die Aufgabe, mit dem 14. und 1. Korps Dresden am linken Ufer zu decken, sollte aufserdem jedoch die Elbe von Königstein abwärts und die Brücken bei Königstein, Pirna und Pillnitz verteidigen, und deshalb sein Hauptquartier nach . Pirna zurückverlegen . Unterhalb Dresdens hatte

gleichzeitig mit dem Rückzuge

Macdonald's dahin - Marmont von Grossenhayn nach Meifsen zurückDort sollte er durch das 3. Korps (Souham) von gehen müssen. Dresden her ersetzt werden, um seinerseits am linken Ufer zwischen Meiſsen, Wittenberg und Leipzig zur Verwendung nach verschiedenen Richtungen bereit zu stehen.

Noch war jedoch seine Arriere-Garde

im rechtsufrigen Brückenkopf von Meifsen, als die schlesische Armee (am 26. Sept.) ihren Rechtsabmarsch begann und zur Maskirung desselben nicht nur, wie erwähnt, die Divisionen Tscherbatof und

Improvisirte Befestigungen.

163

Bubna vor Dresden zurückliefs, sondern auch mit ihrem rechten Flügel , dem Korps Sacken's , von Kamenz gegen Meifsen vorging, während das Centrum und der linke Flügel (York und Langeron) hinter Sacken hinweg über Ortrand und Elsterwerda in der Richtung auf Wittenberg zogen, um bei Wartenburg die Elbe zu überschreiten . Am 30. Sept. griff Sacken demonstrativ den Brückenkopf von Meiſsen an.

Napoleon wurde so vollständig getäuscht, dafs er hierin das Vor-

spiel zu einem Angriff auf das verschanzte Lager von Dresden erblickte, und in gleichem Sinne verschiedene Meldungen deutete, welche am 1. und 2. Oktober besagten, das York und Langeron sich von der Bautzener Strafse in nordwestlicher Richtung entfernt hätten. Wegen der von der rechten Hälfte des Lagers vorhandenen grofsen Waldungen glaubte er, dafs der Angriff auf die zugängliche linke Hälfte desselben gerichtet werden sollte, und erwartete ihn für den 4. oder 5. Oktober. Der Stand der Befestigungs- Arbeiten nahm ihn daher von Neuem in Anspruch. Kein Wunder, dafs derselbe seinen Wünschen nicht entsprach ! Denn seit der letzten Rückkehr von Bautzen hatten die Truppen im Lager - junge Garde, 5. Korps , 3. Korps fast täglich gewechselt. Als daher endlich am 1. und 2. Oktober, wie erwähnt, Macdonald mit dem 11. Korps einrückte, sah sich Napoleon genötigt, diesem die Vollendung der Arbeiten ausdrücklich aufzutragen . Zugleich gab er dem General Rogniat neue Befehle, aus denen hervorgeht, dafs im Besondern die beiden an den Strafsen nach Bautzen und Berlin vorzuschiebenden Redouten wegen Mangel an Schanzzeug noch nicht erbaut, die Verhaue vor der rechten Hälfte des Lagers noch unvollständig, und sogar die 8 Lagerwerke selbst noch nicht ganz fertig waren ! Aus einem Schreiben Napoleon's an Macdonald vom 2. Okt. sind besonders zwei Stellen hervorzuheben : „ Il faut qu'on donne le dernier degré de perfection à toutes les redoutes " heifst es da, und ferner :

77 On ne saurait trop prendre les précautions de l'art pour avoir le plus de troupes disponibles et pouvoir se porter sur les points d'attaque." Man sieht daraus, welchen Wert Napoleon vernünftigerweise auf die Stärke der Befestigungen als Mittel zur Ersparnifs mobiler Streitkräfte behufs deren Verwendung nach Umständen an den entscheidenden Punkten legte. Aus diesem Prinzip erklärt sich auch wohl, weshalb er jetzt nur auf möglichste Verstärkung der Verhaue des rechten Flügels drang, nicht aber auf den am 22. Sept. befohlenen

Abschlufs

der

Schanzen - Intervallen

des linken Flügels zurückkam. Denn, wenn der rechte Flügel mit wenig Truppen behauptet werden konnte, so standen ihm zur Zeit in Macdonald's Korps und den Garden genügende Kräfte zur Offensive aus dem linken Flügel des Lagers heraus zu Gebote.

Dort also liefs

164

Improvisirte Befestigungen.

er die Intervallen jetzt frei, um mit Massen debouchiren zu können , was bei geschlossenen Intervallen zu schwierig gewesen wäre, so lange die vorgeschobene Redoute an der Strafse nach Berlin fehlte . Deren Bau, wie den der Redoute an der Bautzener Strafse sollte Rogniat jedoch „mit der gröfsten Thätigkeit " betreiben, und aufserdem den linken Flügel des Lagers, als wahrscheinlichen Angriffspunkt, durch eine sekundirende Batterie für 6 Geschütze am linken Elbufer, zur Flankirung des Lagerwerks Nr. 1 vor Pieschen, verstärken. Schon am 3. Oktober wurde indessen die Erwartung des Angriffs

auf das Lager erschüttert.

Spione meldeten, dafs Blücher auf Elsterund Sacken am 2. Nachmittags von Meifsen abgezogen sei. Macdonald mufste deshalb nach allen Seiten rekognosziren, und Napoleon machte sich auf einen Versuch der schlesischen Armee werda marschirt,

zum Übergange über die Elbe zwischen Meifsen und Torgau gefaſst, wogegen er über das 3. Korps (Souham) entsprechend verfügte. Über die wahren Absichten Blücher's blieb er jedoch völlig im Dunkeln , bis in der Nacht zum 5. Okt. eine erste, noch unbestimmte Nachricht von Marmont kam , dafs das 4. Korps unter Bertrand bereits am 3. bei Wartenburg angegriffen sei. Schon darauf hin traf Napoleon am 5. Vorbereitungen zum Abmarsch Macdonald's und der Garden die Elbe abwärts, und beschied für den folgenden Tag St. Cyr mit 2 Divisionen seines Korps nach Dresden.

Nachdem er dann in der Nacht zum 6. von Bertrand selber die Meldung erhalten hatte, die ganze schlesische Armee habe am 3. den Übergang bei Wartenburg erzwungen, sandte er sofort Befehl nach Meifsen an Souham, sein Korps nach Torgau zu führen , und liefs von Dresden die junge Garde am linken, Macdonald's Korps am rechten Ufer nach Meifsen marschiren. Mit der alten Garde, der grofsen Brücken-Equipage u. s . w. wollte er am 7. folgen, auf diese Weise ca. 80 000 Mann zur Unterstützung des unter Ney stehenden Heeres verfügbar machen , und dann durch Torgau an das rechte Ufer übergehen , um stromab der schlesischen Armee in den Rücken zu kommen , und sie zu einer Entscheidungsschlacht zu zwingen.

Dafs er siegen würde , bezweifelte er nicht , und als am Nachmittage des 6. St. Cyr bei ihm erschien , erhielt derselbe Befehl, mit dem 14. und 1. Korps zurückzubleiben , um während der Abwesenheit Napoleon's Dresden zu verteidigen . In einem Augenblick also , wo Napoleon zu einer Entscheidungsschlacht möglichst viel Truppen verfügbar zu machen suchte, hielt er doch die Befestigung von Dresden nicht für stark genug, um ihm den Besitz des Platzes auch nur für kurze Zeit zu verbürgen, wenn nicht wenigstens ca. 30 000 Mann zur Verteidigung zurückblieben - was für die passagere Befestigung bei einem äufseren Umfange von ca.

Improvisirte Befestigungen.

165

Dabei hatte 17 000 Schritt (ca. 13 km) auch nicht zu viel war. zur Offensive nur 80 000 Mann verfügbar machen können. Die Alternative ,

er

wegen mangelnder Sturmfreiheit Dresdens , auf

dem Schlachtfelde um 30 000 Mann schwächer zu sein , oder Dresden ganz aufzugeben , drängte sich ihm denn auch unabweisbar auf, als nach der Unterredung mit St. Cyr weitere Nachrichten von grofser Bedeutung einliefen ,

die ihm

eine Entscheidungsschlacht nicht nur

gegen die schlesische Armee allein, sondern auch gegen die Nordarmee im Verein mit der schlesischen , und ebenso

eine zweite Schlacht

gegen die böhmische Hauptarmee in Aussicht stellten . Ney meldete nämlich , dafs auch die Nordarmee am 4. Oktober bei Aken und Rofslau die Elbe überschritten, und ebenso Murat, dafs die böhmische Armee am 5. Chemnitz besetzt habe, und gegen Leipzig vorzudringen suche.

Murat

erhielt

darauf Befehl ,

dies

Vordringen

möglichst

zu

hemmen. Denn zunächst wollte Napoleon mit der schlesischen und der Nord-Armee abrechnen . Auch dann noch hoffte er, umkehrend, sich schnell genug gegen die böhmische Armee wenden zu können , um sie, mit Murat vereint, zu schlagen, ehe sie Leipzig erreichte. Dafs er zu so grofsem Vorhaben aller Kräfte bedurfte, lag auf der Hand. Andererseits spielte bei der Ausführung dieser Absichten Dresden keine Rolle, auch nicht als Elb-Übergang. Um Mitternacht (6./7 . Okt.) liefs Napoleon daher St. Cyr nochmals rufen, und eröffnete ihm , dafs er Dresden lieber aufgeben, als ihn ( St. Cyr) mit dem 14. und 1.Korps dort zurücklassen wolle. Denn, " sagte er, „ich werde eine Schlacht zu liefern haben. Wenn ich Sie hier liefse, würden Sie mir nichts nützen , und wenn ich die Schlacht verlöre , würden auch Sie hier ohne Hülfe sein.

Was ist übrigens Dresden heute ?

Operations-

Pivot würde es nicht länger bleiben können , weil die Armee wegen der Erschöpfung des umliegenden Landes hier nicht mehr existiren könnte.

Nicht einmal die Stadt selber kann noch als grofses Depot

gelten, da nach dem Abmarsch der Armee mit so viel Munition und Proviant als sie mitnehmen kann , nicht viel zurückbleiben würde. An Montirungen ist so wenig vorhanden, dafs Sie es an die bedürftigsten Mannschaften verteilen können. In den Hospitälern sind zwar 12000 Kranke und Verwundete die Meisten aber dem Tode verfallen ,

weil

sie der Rest von 60 000 sind ,

die seit Beginn des

Feldzuges hier in die Hospitäler kamen. " ,,Ich werde mich fortan auf Magdeburg stützen ,

und dies

wird für mich eine ganz andere Bedeutung haben , als Dresden ! Magdeburg ist ein grofser, schöner und starker Waffenplatz , den man sich selbst überlassen kann, so oft und so Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2. 12

166

Improvisirte Befestigungen.

lange es nötig ist , ohne dafs man fürchten mufs , ihn durch einen nur einigermafsen kräftigen Handstreich zu verlieren , wie es mit Dresden hätte der Fall sein können, wenn an der Spitze der feindlichen Armee ein homme de tête gestanden hätte. " Um 1 Uhr Nachts entliefs er St. Cyr nach mündlicher Instruktion mit dem Bemerken , er werde noch schriftliche Befehle bekommen. Danach sollten das 1. Korps

aus den gegen die böhmische

Grenze

vorgeschobenen verschanzten Stellungen (bei Giefshübel und Borna) nach Pirna und Dohna zurückgezogen, die Geschütze aus den Schanzen am Lilienstein nach dem Königstein geschafft werden, die französischen Teile der Besatzung des letzteren nach dem Sonnenstein über Pirna, das 14. Korps ganz nach Dresden zurückgehen, die Schiffbrücken von Königstein, Pirna und Pillnitz dortigen

Schiffbrücken

nach Dresden abgeführt , die beiden

abgebrochen ,

und

sämmtliche

Schiffe zur

Fortschaffung von Proviant und Artillerie-Material , so wie von 6000 der transportabelsten Kranken

nach Torgau benutzt werden ,

dieser

Convoi in der Nacht zum 8., spätestens am 8. abgehen , und St. Cyr alle Vorbereitungen treffen, um auf noch zu erwartenden endgültigen Befehl die Befestigungen möglichst ruiniren, Blockhäuser und Magazine sprengen, die Pallisadirungen zerstören , die Geschütze vernageln, die Laffeten und alles zurückgebliebene Armeefuhrwerk verbrennen und dann in der Nacht zum 9. mit beiden Korps und der Garnison Dresdens (unter Durosnel) abmarschiren zu können . Über Meifsen sollte er in zwei Gewaltmärschen am 10. Abends die Gegend von Wurzen erreichen. Dort nämlich hatten sich vom 8. ab die Korps , die Napoleon persönlich führen wollte, zu versammeln, weil er den letzten Entschlufs, ob er sich nicht doch zunächst gegen die böhmische Armee wenden müsse, noch von weiteren Meldungen Murat's abhängig machte. Von Wurzen aus konnte er in einem Marsch ebensowohl nach Leipzig, wie nach Torgau kommen ; doch überwog die Absicht nach Torgau zu gehen. Noch bevor er am 7. Vormittags mit der alten Garde von Dresden nach Meifsen aufbrach , schrieb er um 6 Uhr früh an Murat : n Halten Sie die Österreicher so lange als irgend möglich auf, damit ich Blücher und die Schweden vor ihrer Vereinigung mit Schwarzenberg schlagen kann. " St. Cyr hatte sich durch Napoleon's Entschlufs , ihn nicht mit dem 1. und 14. Korps in Dresden zurückzulassen , gefühlt, weil ihm Munition ,

sehr erleichtert

die Entblöfsung Dresdens von Lebensmitteln und

wie die völlige Erschöpfung der Umgegend bekannt war.

Die Schwierigkeiten der Aufgabe , binnen 36 Stunden möglichst alles Wertvolle fortzuschaffen oder zu zerstören , fielen gegen das Bewufst-

Improvisirte Befestigungen.

167

sein, einer sonst vielleicht unvermeidlichen Katastrophe entgangen zu sein, nicht in's Gewicht. Grofs war daher die Enttäuschung, als am 7. Abends ein Kourier statt des mit Zuversicht erwarteten endgültigen Befehls zur Räumung, ein Schreiben Napoleon's aus Meifsen brachte , welches im Gegenteil die Räumung widerrief. Er hoffe den Feind zu einer Schlacht auf sich zu ziehen , wolle über Torgau operiren und Dresden behalten, weil seine Verbindungen dadurch auf beiden Ufern gesichert sein würden. Er habe befohlen, die Mehltransporte nach Dresden ( auf der Elbe von Torgau) fortzusetzen . St. Cyr solle möglichst viel Brod backen, möglichst viele Kranke fortschaffen ,

am verschanzten Lager

arbeiten , und die Stellungen vor Pirna nicht räumen lassen .

Er

solle die Stadt beruhigen und erklären , er habe 50 000 Mann zu ihrer Verteidigung, und übrigens die Gewissheit, im Notfall schnell unterstützt zu werden. Nur undeutlich war der Grund der plötzlichen Sinnesänderung Napoleon's in der Erklärung zu erkennen, er wolle über Torgau operiren und Dresden behalten , weil seine Verbindungen dadurch an beiden Ufern gesichert sein würden. Auch noch am 8. und 9. Okt. zeigt seine Korrespondenz nur im Allgemeinen, nicht in Bezug auf Dresden , was er beabsichtigte : die schlesische und die Nordarmee zu schlagen , sich auf ihre Rückzugslinie zu werfen und Berlin zu nehmen . Zu welchem speziellen Zweck er bei solchen Plänen Dresden behalten wollte , ist erst aus seinen Befehlen am 10. ersichtlich . Die schlesische Armee war nach dem Übergange bei Wartenburg in südwestlicher Richtung bis Düben an der Mulde , halbwegs zwischen Wartenburg und Leipzig vorgerückt , ebenso die Nordarmee von Rofslau und Aken an der Mulde hinauf langsam gegen Bitterfeld hin, während Napoleon am 8. nach Wurzen , am 9. nach Eilenburg kam. Am 10. hoffte er die schlesische Armee bei Düben zu erreichen und zu schlagen, fand sie aber nicht mehr vor , und glaubte , sie sowohl , wie die Nordarmee , sei wieder im Rückzuge nach Norden über die Elbe. Nun entschlofs er sich zwar ihnen sofort , wie er meinte , zu folgen , und schickte verschiedene Korps gegen alle Übergänge von Wartenburg bis Aken , ja durch Wittenberg sogar an das rechte Ufer, um die Brückenköpfe der beiden Armeen im Rücken zu fassen. Gleichwohl hatte ihm das Ausweichen der letzteren von Neuem gezeigt, dafs er nicht schnell mit ihnen zu Ende kommen würde . Immer unwahrscheinlicher wurde es daher, dafs er von der Operation gegen sie zeitig genug würde zurückkehren können , um sich mit Murat zu vereinigen, noch ehe die böhmische Armee Leipzig erreicht 12*

Improvisirte Befestigungen.

168 haben würde .

Ohne Zweifel hatte er diese Eventualität schon früher

bedacht , und gerade sie bei dem Widerruf der Räumung Dresdens im Auge gehabt. Mufste er Leipzig der böhmischen Armee preisgeben, um mit der schlesischen und der Nordarmee abrechnen zu können, so sollte doch Leipzig als grofser Etappen- und Depot - Platz vorher möglichst entwertet , und zu seiner Verteidigung Murat's Armee nicht nutzlos feindlicher Übermacht geopfert , sie vielmehr möglichst ungeschwächt erhalten, und zugleich benutzt werden, um die böhmische Armee in eine Lage zu bringen, in der Napoleon's Gegenstofs bei seiner Rückkehr vernichtend für sie werden könnte. Bisher hatte er über diese Absichten geschwiegen. Nunmehr, am 10. Oktober Nachmittags , war aber der Augenblick gekommen, sie auch Anderen zu eröffnen . Zugleich bestimmte er jedoch , daſs die darauf bezügliche Korrespondenz mit allen Beteiligten nur in Chiffern geführt werde : es sei das grofse Geheimnifs der Armee ! Nach Leipzig schickte er Befehl , gleich in der nächsten Nacht , zum 11. , die Kassen , Artillerie- , Bekleidungs- und Proviantvorräte in einem grofsen Convoi über Eilenburg nach Torgau abzuführen. Murat sollte sich auf einen Kampf mit überlegenen Kräften nicht einlassen , und wenn er unter dieser Voraussetzung Leipzig nicht schützen könne, hinter die Mulde bei Eilenburg und Düben, nötigenfalls aber zur Elbe auf Torgau und Wittenberg zurückgehen. Bei der Räumung Leipzigs sei im letzten Moment den Behörden zu sagen , sie möchten sich gut aufführen. Alles, was sie sähen, habe nur den Zweck den Feind zu einer Schlacht zu nötigen, und werde mit einem Donnerschlage auf ihn enden. Ebenso sollte nach Paris geschrieben werden , man

möge nicht erstaunen über das ,

was man erfahren

würde. Es handle sich um verwickelte Manöver, um die Entscheidung herbeizuführen. Aufschlufs hierüber gab Napoleon in mehreren Briefen.

Seine

Absicht sei, die schlesische und die Nordarmee über die Elbe zurückzuwerfen, ihnen mit der ganzen eigenen Armee zu folgen , und sich zu ihrer Vernichtung die nötige Zeit zu lassen . der Feinde dadurch völlig durchkreuzen ,

Er wolle die Pläne dafs er ihnen das

linke Ufer der Elbe preisgebe und selber am rechten Ufer operire *), immer im Besitze der Deboucheen von Magdeburg, Wittenberg, Torgau und Dresden.

Dafs er letzteres ganz besonders im Auge

hatte, ohne es hervorzuheben, ergiebt sich daraus, dafs er keinem andern Befehlshaber in den genannten Plätzen, als nur St. Cyr allein Mitteilung *) Vergl. oben S. 34 im Januarheft 1895.

169

Improvisirte Befestigungen.

machen liefs. St. Cyr solle Torgau im Auge behalten . Er, Napoleon, werde, sobald er mit der schlesischen und der Nord-Armee abgerechnet habe , am rechten Ufer der Elbe aufwärts operiren , um sich mit St. Cyr in Verbindung zu setzen. Dies bei Torgau zu thun , konnte wohl nur in einem Notfalle seine Absicht sein.

Denn noch am Vormittage des 10. hatte er St. Cyr, auf eine bedenkliche Meldung vom Abend vorher über den in Dresden herrschenden Mangel, schreiben lassen , er rechne darauf, daſs St. Cyr Dresden unter allen Umständen behaupten werde. Wenn derselbe das aber, wider Verhoffen, nicht könne, dann möge er nach Torgau abziehen. Von diesem Fall abgesehen , war Napoleon ohne Zweifel nicht Willens, durch Torgau an das linke Ufer zu debouchiren und mit Murat vereint nur gegen die Front der böhmischen Armee vorzugehen ; Willens vielmehr , nachdem er Dresden so lange mit dem Aufwande von 30 000 Mann behauptet hatte, bis dorthin hinter der Elbe hinaufzuziehen, und sich dann mit St. Cyr vereint auf die rückwärtigen Verbindungen der bis über Leipzig hinaus vorgegangenen , und in der Front von Murat festgehaltenen böhmischen Armee zu werfen. Das allerdings konnte entscheidende Wirkung haben. Von der Elbe maskirt, deren Übergänge nach Besiegung der schlesischen und der Nordarmee sich sämmtlich in Napoleon's Händen befunden hätten , würde sein Marsch nach Dresden der böhmischen Armee schwerlich zur rechten Zeit bekannt geworden sein , und die dortige nach Abbruch der beiden Schiffbrücken zwar allein noch vorhandene permanente Brücke, als solche ihm doch jeden Augenblick den Uferwechsel ohne den anderswo unvermeidlichen Aufenthalt durch Pontonbrückenbauten gestattet haben. Da Dresden, materiell völlig erschöpft, als Depot keinen Wert mehr hatte , so ist die Wichtigkeit , die Napoleon ihm wegen der permanenten Brücke , als stets benutzbarem Übergangspunkte beilegte, um so beachtenswerter. Alle diese weitreichenden Kombinationen beruhten nun aber von vornherein auf einem Irrtum! Denn thatsächlich waren die schlesische Armee und die

Nordarmee

nach Westen

Norden hinter die Elbe ausgewichen .

zur Saale ,

nicht nach

In der Meinung, dafs letzteres

der Fall sei, wurde Napoleon während des ganzen 11. Oktober sogar noch bestärkt. Die gegen die Elbe von Wartenburg bis Rofslau, und über die Elbe durch Wittenberg vorgeschickten Korps stiefsen überall auf den Feind, und zwar allem Anschein nach auf Teile der Nordarmee.

Nur über das Verbleiben der schlesischen Armee, deren Aus-

weichen südlich der Elbe vom

rechten nach dem linken Ufer der

Mulde erkannt worden war, blieben Zweifel bestehen .

Auch dorthin ,

170

Improvisirte Befestigungen.

nach Bitterfeld , liefs

daher Napoleon rekognosziren ,

und nun erst

erhielt er im Laufe der Nacht zum 12. die Gewifsheit , dafs wenigstens die schlesische Armee am linken Ufer der Elbe geblieben , und im Marsch über Halle auf Leipzig begriffen sei . Dazu kam am Morgen des 12. die Meldung Murat's, dafs auch die böhmische Armee, trotz einer am 10. erlittenen Schlappe, den Vormarsch unbeirrt fortsetze, und am Nachmittage des 11. nur noch 1 bis 2 Märsche von Leipzig entfernt gewesen sei.

im

Während also Napoleon darauf gerechnet hatte , seine Gegner Norden und Süden nacheinander einzeln schlagen zu können ,

stand nun offenbar die Vereinigung wenigstens der schlesischen mit der böhmischen Armee fast unabwendbar bevor, und wenn er die so lange gesuchte Entscheidung nun nicht seinerseits vermeiden wollte , so mufste es immer noch als Vorteil erscheinen , in der Schlacht, wie er irrtümlich glaubte, nicht auch die Nordarmee als dritte im Bunde auf dem Halse zu haben.

Unter diesen Umständen gab er den

bisherigen Operations plan ohne Zögern auf, und um 912 Uhr Vormittags erliefs er am 12. Oktober nach allen Seiten Befehle , die darauf berechnet waren, sammelt zu haben.

am 15. bei Leipzig „ 200 000 Mann “

ver-

Nach einer Richtung erging jedoch in diesem kritischen Augenblick kein Befehl - nach Dresden ! Unterblieb das mit Vorbedacht oder nicht ? Der bisherige Zweck der Behauptung Dresdens war ganz veränderte

Kriegslage

offenbar

durch die

hinfällig geworden , und

dortigen 30 000 Mann auf dem Schlachtfelde zu haben ,

wäre

die ohne

Zweifel von grofser Wichtigkeit gewesen . Lohnte es etwa nicht einmal den Versuch , sie heranzuziehen? Dafs St. Cyr einen Befehl zum Abmarsch nicht mehr erhalten würde, war noch keineswegs anzunehmen.

Thatsächlich hat er auch noch verschiedene Mitteilungen

bekommen, die aus Düben und Eilenburg am 13. abgingen, aber keine, die eine Krisis bei Leipzig erwarten liefs, und namentlich keinen Befehl Napoleon's, wenn möglich dahin abzumarschiren. Wurde ein solcher nicht erlassen , weil St. Cyr ,

auch wenn er ihn erhielt , doch

nicht mehr rechtzeitig in der Gegend von Leipzig hätte eintreffen können? Einen am 9. Abends 10 Uhr geschriebenen Brief St. Cyr's hatte Napoleon aber schon am 10. Nachmittags in Düben beantwortet, also noch früher erhalten , so dafs ein am 12. Vormittags 912 Uhr in Düben geschriebener Brief höchst wahrscheinlich in der Nacht zum 13. Dresden erreicht haben würde. Dann war es für St. Cyr möglich, in 3 Märschen am Abend des 15. wenigstens bis Grimma , nur einen Marsch von Leipzig zu kommen ,

und auf den rechten Flügel der

171

Improvisirte Befestigungen.

böhmischen Armee zu wirken -- freilich nur dann, wenn der Marsch nicht durch stärkere feindliche Kräfte aufgehalten wurde. Waren solche aber vor Dresden oder zwischen Dresden und Leipzig vorhanden, so stand zu erwarten, dafs der Feind, wie es wirklich geschah, sie zur Schlacht möglichst heranziehen würde , und war es in diesem Falle nicht wichtig , sie durch St. Cyr vom Schlachtfelde fern zu halten? Nach allem dem kann man nur annehmen, dafs Napoleon, als er am 12. Vormittags den früheren Operationsplan plötzlich aufgab , die daraus für Dresden sich ergebenden Konsequenzen nicht sogleich erkannt , und dafs

er St. Cyr nicht mit Vorbedacht noch ferner in Thatsache ist , dafs die letzten Befehle , die

Dresden gelassen hat.

dieser von Napoleon vor der Schlacht bei Leipzig

erhielt , die oben

erwähnten vom 10. Oktober waren : St. Cyr solle Dresden unter allen Umständen behaupten , Napoleon werde am rechten Ufer hinauf kommen also nur die bestimmtere Widerrufung der Räumung Dresdens vom 7. Oktober. In Folge dieser Widerrufung hatte St. Cyr die aufgegebenen und Borna sogleich wieder zu besetzen

Stellungen bei Giefshübel

gesucht, von der Übermacht Bennigsen's gedrängt, aber allmählig auf Dresden zurückweichen müssen , und bis zum Abend des 11. sich im Wesentlichen auf die äufsere Linie der Befestigungen beschränkt gesehen. Er erwartete nicht nur völlige Einschliefsung , sondern auch eine Wiederholung des Angriffs vom August. Erstere war besonders zu fürchten , wenn Napoleon nicht bald zum Entsatze erschien ,

denn nach dessen Entfernung hatte sich am

7. herausgestellt , dafs für

die

in Dresden verbliebenen Truppen

Lebensmittel nur für 7 Tage und Futter für die Pferde nur noch für 3 Tage in den Magazinen vorhanden waren . St. Cyr hatte deshalb zwar die Umgegend noch möglichst ausfouragiren lassen , dadurch jedoch nicht viel gewonnen . Weniger schlimm waren die Aussichten für die Abweisung eines Angriffs , obwohl die Befestigungen noch immer nicht fertig waren , und Napoleon deshalb auch noch bei dem Widerruf der Räumung Dresdens

am 7. , wie

erwähnt, befohlen hatte :

„ Faites

travailler au camp retranché!" Am rechten Ufer wurden daher allem Anschein nach nunmehr die Intervallen der Schanzen Nr. 1-4 durch die von Napoleon schon am 22. September befohlenen Pallisadenlinien geschlossen. Wenigstens sind diese sowohl auf gezeichneten Originalplänen , als auch auf gedruckten Plänen angegeben. zeitig verlangte

Dagegen ist der von Napoleon gleich-

von Kavallerie nicht zu überspringende " Graben vor

172

Improvisirte Befestigungen.

den Pallisaden vernünftiger Weise

überhaupt nicht zur Ausführung

gekommen. Auch am linken Ufer hatte vor Lünette III der von Napoleon am 3. September befohlene Vorgraben fortbleiben müssen, und selbst die

schon Mitte Juli von Rogniat projektirten 3 Lünetten vor der

Friedrichstadt , deren nachträgliche Erbauung Napoleon bereits zweimal (am 7. und am 25. August) befohlen hatte , waren bisher nur abgesteckt. Jetzt wurden sie in Angriff genommen , aber erst in 10 Tagen fertig. Damit war dann endlich der gegen die Mitte des Mai begonnene Kreis der Befestigungen von Dresden zum Abschlufs gekommen , nach 5 monatlicher Arbeit und gerade erst in einem Augenblick , wo die fernere Behauptung Dresdens keinen vernünftigen Zweck mehr hatte . St. Cyr freilich durfte sich nur an Napoleon's bestimmten Befehl vom 10. Oktober halten.

Er unterliefs jedoch nicht, ihm jeden Abend

zu schreiben, und immer dringender die Notwendigkeit baldigen Entsatzes vorzustellen . Seine Briefe abzusenden, blieb möglich, weil der Raum zwischen der Weiſseritz und der unteren Elbe nur von Kosaken und Baschkiren durchstreift wurde.

Denn im übrigen hielt Bennigsen

seine Streitkräfte : 2 Korps von je 25-26000 Mann mit je 60-70 Geschützen unter Doktorof und Tolstoi , nebst 2 Reitermassen von je einigen Tausend Mann , meist Kosaken und Baschkiren , unter Kreuz und Knorring , zwischen der Weifseritz und der oberen Elbe zusammen. Am 12. Abends wurden allerdings auch die am linken Ufer der Weifseritz, nur 1000 Schritt vor der Friedrichstadt liegenden Gehöfte Klein-Hamburg und -Altona besetzt.

St. Cyr liefs sie jedoch am 13 .

wieder nehmen , um die Einschliefsung hier zu verzögern .

Während

des den ganzen Tag andauernden Gefechtes waren so bedeutende feindliche Massen in Bewegung zu sehen, dafs St. Cyr, da ein Gleiches auch vom rechten Ufer gemeldet wurde, an das Eintreffen bedeutender Verstärkungen beim Einschliefsungskorps glaubte , und sich für den folgenden Tag auf einen ernsten Angriff gefafst machte. In Wirklichkeit war jedoch im Hauptquartier der Verbündeten beschlossen, angesichts der auch von ihnen bei Leipzig erwarteten Entscheidungsschlacht , Dresden nur zu cerniren , und alle dazu ent- wie behrlichen Truppen schleunigst nach Leipzig heranzuziehen Napoleon am 12. wohl hätte vorhersehen können. Eben am 13. hatte nun Bennigsen mit der Mehrzahl der Reiterei und mit Doktorof's Korps (im Ganzen mit einigen 30 000 Mann nebst 60 Geschützen) den Marsch nach Leipzig angetreten , nachdem er zur Deckung desselben die genannten Gehöfte am Abend vorher hatte besetzen lassen.

Improvisirte Befestigungen.

173

Vom rechten Ufer folgte ihm auf einer bei Pratzschwitz, zwischen Pirna und Pillnitz , geschlagenen Pontonbrücke die österreichische Division Bubna mit 7--8000 Mann nebst 18 Geschützen , während gleichzeitig die russische Division Tscherbatof von dort stromabwärts nunmehr der schlesischen Armee nachzog. Den einzigen Ersatz dieser Kräfte am rechten Ufer bildete ein wahrscheinlich von der Besatzung Theresienstadt's entsendetes Detachement (von nur 2 Bat. , 1/2 Esk. und 4 Gesch.) unter General Seethal an der Strafse nach Bautzen, während am linken Ufer Doktorof's Korps durch das bis dahin in zweiter Linie gebliebene Korps Tolstoi's abgelöst war , welches zur Hälfte aus teilweise nur mit Spiefsen bewaffneten Milizen bestand. Hätte St. Cyr , wie es möglich gewesen wäre , in der Nacht zum 13. einen Befehl Napoleon's erhalten , entweder selbst sofort nach Leipzig aufzubrechen , oder wenigstens den Abmarsch feindlicher Kräfte dahin zu verhindern, so würde er am 13. über Wilsdruf marschirend auf Doktorof's Korps gestofsen sein , und dasselbe , wie die ihm folgende Division Bubna's wahrscheinlich zum Stehen gebracht haben. Dann wären beide bei Leipzig zu spät eingetroffen . Denn auch unaufgehalten kamen sie erst am Abend des 17. , und nur deshalb noch rechtzeitig dort an , weil man nach dem zweifelhaften Ausgang der Schlacht bei Wachau am 16. die Wiederaufnahme des Kampfes bis zum 18. verschoben hatte , um die 40 000 Mann , die Bennigsen und Bubna heranführten, mit in die Wagschale werfen zu können. Da St. Cyr davon , daſs bei Leipzig eine Krisis zu erwarten sei , keine Kenntnifs erhalten hatte , schöpfte er wegen der von ihm am 13. beobachteten Truppenbewegungen erst dann Verdacht , als der Feind am folgenden Tage, statt anzugreifen, sich ganz ruhig verhielt, und sogar die eigene Stellung auf den Höhen von Raeknitz und Zschernitz durch 3 Redouten zu befestigen anfing. Um sich Gewissheit zu verschaffen , liefs St. Cyr daher am 15 . und 16. durch Kavallerie über Wilsdruf hinaus rekognosziren , und nachdem hierdurch am ersten Tage der Abmarsch Bennigsen's mit Doktorof's

Korps und am zweiten der Abmarsch Bubna's festgestellt war, benutzte er die offenbare Schwächung des Einschliefsungskorps sofort am 17. zu einem grofsen Ausfall gegen Tolstoi .

Unter Zurück-

lassung der nötigsten Besatzungen in den Werken griff er ihn mit allen verfügbaren Truppen an, und warf ihn aus der ganzen Stellung zwischen Plauen und der oberen Elbe bis Dohna zurück, mit solchem Erfolge, dafs Tolstoi am 18. den Rückzug nach Böhmen fortsetzte *). Am linken Ufer war Dresden wieder frei , und am rechten nur

*) Auch dies werden die Verehrer Bazaine's reglementswidrig finden.

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Improvisirte Befestigungen.

durch das schwache Detachement des Generals Seethal beobachtet. Abermals konnte daher die ganze Umgegend nach Lebensmitteln abgesucht werden. Dennoch mufsten fortan die Rationen auf die Hälfte herabgesetzt werden, um Dresden nicht vor der Zeit aufgeben zu müssen , wenn Napoleon noch im Stande war , Hilfe zu bringen . Nachrichten von ihm fehlten gänzlich, und wurden mit um so gröfserer Spannung erwartet , als bei der Rekognoszirung am 16. in Wilsdruf der Kanonendonner von Wachau gehört worden war. Aber erst am 20. , und auch da nur gerüchtweise, verlautete ,

das Napoleon bei

Leipzig geschlagen und auf dem Rückzuge sei . Sogleich überlegte St. Cyr , ob er Dresden nun räumen und Gewifs wäre das möglich , ebenso nach Torgau marschiren solle. gewifs aber auf ein blofses Gerücht hin- den Befehlen Napoleon's vom 10. zuwider gewesen. Denn noch waren die Subsistenzmittel eben nicht völlig erschöpft, und andrerseits von Napoleon der Hinweis auf Torgau immer nur im Zusammenhange mit der Ankündigung seiner Operation am rechten Ufer der Elbe hinauf gegeben.

Am 21 .

rief daher St. Cyr einen Kriegsrat zusammen , um zunächst dessen Meinung zu hören . Alle 5 Teilnehmer wollten vor Allem die Bestätigung der Niederlage Napoleon's und seines Rückzuges erwarten ; erst wenn beides gewifs sei, wollten 4 Teilnehmer Dresden noch so lange wie möglich behaupten, und nur einer, der Graf v. d. Lobau, es dann ohne weiteres Zögern verlassen. Jene Vier wollten nach Erschöpfung aller Mittel versuchen, sich über Freiberg und Zwickau nach Bayern durchzuschlagen ,

dessen Abfall von Napoleon noch nicht bekannt

war, v. d. Lobau dagegen am rechten Ufer nach Torgau, Wittenberg und Magdeburg marschiren , um sich mit den dortigen Besatzungen zu vereinigen. Da die Vorbedingung , Gewifsheit über Napoleon's Lage fehlte, kam es zu keinem förmlichen Entschlusse , während zufällig derselbe Tag die Lösung der Frage hätte bringen können . Am 19. nämlich hatte Napoleon zu Leipzig im letzten Augenblicke

noch einmal wieder an Dresden gedacht, und ein chiffrirtes Schreiben an St. Cyr gerichtet. Am 21. hätte dasselbe in Dresden ankommen können. Seine Bestimmung hat es aber nie erreicht. Nur das Konzept ist in Paris vorhanden, und darin heifst es - noch vor der Katastrophe an der Elsterbrücke geschrieben - : ,,Vous êtes autorisé à toute espèce de transaction pour vous tirer d'affaire. Vous pourrez comprendre la reddition de Torgau et Wittenberg, à la condition de faire rentrer en France toutes les troupes françaises de la garnison, les malades compris ." Was Napoleon wollte , wenn diese Bedingung nicht erfüllt würde, ist in diesem Schreiben nicht gesagt, geht jedoch aus einem gleich-

175

Improvisirte Befestigungen.

zeitigen Schreiben an den Grafen Narbonne in Torgau hervor, worin demselben die Ermächtigung St. Cyr's, über Torgau zu verhandeln, mitgeteilt wurde . Dort ist gesagt : „, Si l'on voulait que les troupes fussent prisonnières de guerre et que vous posassiez les armes vous vous défendriez à toute extrémité et en suivant ce que prescrivent les réglements militaires." Weder in dem einen, noch in dem anderen Schreiben ist von einem Ausbrechen und Durchschlagen der Besatzungen die Rede. Ebenso wenig in den betreffenden ,,Reglements ", d. h. den Dekreten vom 24. Dez. 1811 und 1. Mai 1812 . An demselben Tage (21. Okt.) , Kriegsrat stattfand,

an welchem

in

Dresden

der

erreichte die Nachricht von St. Cyr's grofsem

Ausfall am 17. und dem Rückzuge Tolstoi's nach Böhmen das Hauptquartier der Verbündeten in Zeitz, und rief dort die Besorgnifs hervor, dafs St. Cyr, den man im weiteren Vordringen glaubte, nun die rückwärtigen Verbindungen der böhmischen Armee stören könne. Sofort erhielt das eben südlich von Zeitz angekommene 4. österreichische Armeekorps unter Klenau Befehl, nach Dresden umzukehren, wobei Schwarzenberg schrieb : „ Die Abwesenheit Ihrer Heeres -Abteilung kann mir nicht anders als sehr empfindlich sein ." Gleichzeitig brach der Gouverneur von Theresienstadt, Chasteler, mit allen dort verfügbaren Truppen zur Unterstützung Tolstoi's auf, und veranlafste ihn, wieder gegen Dresden vorzugehen. Sie kamen am 24.: Chasteler über Peterswalde nach Dohna, Tolstoi über Altenberg nach Dippoldiswalde. Nachdem dann am 26. Klenau über Freiberg bei Tharand eingetroffen war, wurde Dresden zunächst am linken Ufer vollständig zernirt. Mit vieler Mühe gelang es bis zum 30. , Material zu einer Schiffbrücke oberhalb Dresdens zusammenzubringen, worauf am 31. die Einschliefsung auch am rechten Ufer vollzogen wurde . Dort standen, mit Ausnahme eines zur Beobachtung des Sonnensteins

zurückgelassenen Detachements,

alle von Theresienstadt ge-

kommenen Truppen unter dem Fürsten v. Wied- Runkel, im Ganzen nur 51% Bat., 4 Esk. , 16 Gesch. oder kaum 4100 Mann, und zwar in zwei sogenannten Brigaden, nämlich General Drechsel mit 31

Bat. ,

312 Esk. und 6 Gesch. von Serkowitz an der unteren Elbe über die Höhen des rechten Thalrandes bei Wahnsdorf und Wilschdorf bis zum Priefsnitzbache ; und General Seethal mit 2 Bat. , 1/2 Esk. und 4 Gesch. östlich vom Priefsnitzbache über den weifsen Hirsch an der Bautzener Strafse bis zur oberen Elbe. Erst am 3. Nov. traf zur Verstärkung General Drechsel's an der Strafse nach Grossenhayn eine von Tolstoi's Korps abgezweigte Masse von etwa 2800 M. russischer Milizen (darunter ca. 1000 Pikenmänner)

176

Improvisirte Befestigungen.

nebst 50 Pferden und 6 Geschützen unter General Gurieff ein, weil man schliesslich doch dahinter gekommen war, dafs St. Cyr, wenn er überhaupt ausbrechen wolle , dies am rechten Ufer nach Torgau hin thun werde . Dennoch wurde die Masse des Einschliefsungskorps am linken Ufer zurückbehalten, wo Tolstoi wie früher den Abschnitt von der oberen Elbe bis zur Weisseritz mit 20 500 M. und 60 Gesch. , Klenau aber den Abschnitt von der Weisseritz zur unteren Elbe mit 19 800 M. und 51 Geschützen besetzte. Allerdings wollte Klenau ursprünglich nicht mit blofser Zernirung sich begnügen, sondern die - früher unbefestigte Friedrichstadt stürmen, und als er nun auch deren Befestigungen einen förmlichen Angriff unter Heranziehung von Belagerungs -Artillerie aus Theresienstadt unternehmen. Indessen, wenn auch die Masse der Infanterie dazu am linken Ufer bleiben musste

fertig fand,

unter den dortigen 40 000 M. befanden sich auch 4500 Reiter, die fast sämmtlich, wie auch ein Teil der 111 Geschütze, sehr wohl nach dem rechten Ufer hätten hinübergeschickt werden können. Jedenfalls war es nicht den dort für die Zernirung getroffenen Mafsregeln zuzuschreiben, wenn dieselbe nicht durchbrochen wurde. Welche Wahrscheinlichkeit immer das Gerücht von einer Niederlage Napoleon's durch das Eintreffen des Klenau'schen Korps

seit

dem 26. Oktober erlangt haben mochte ; für St. Cyr blieb es doch ein verdächtiger Umstand, dafs von Napoleon selbst, trotz aller ihm in Sachsen zu Gebote stehenden Verbindungen, nicht die geringste Botschaft kam, während St. Cyr seinerseits wiederholt Briefe absandte. Diese Ungewissheit der Lage dauerte bis zum 1. November fort, wo endlich sächsische Soldaten von Leipzig her nach Dresden hineingelangten, und glaubwürdige Nachrichten brachten. Inzwischen aber hatte sich namentlich seit der Herabsetzung der Rationen auf die Hälfte und dem gerüchtweisen Bekanntwerden von Napoleon's Niederlage der Zustand der Dresdener Truppen durch Entkräftung und Entmutigung, Krankheiten und Desertionen dermafsen verschlechtert, dafs St. Cyr offenbar nichts mehr von einem Durchsbruchs - Versuche erwartete. Allerdings hoffte er in einem letzten chiffrirten Briefe an Napoleon ( 1. Nov.) die Waffenehre, als das Einzige, was übrig bliebe, noch retten zu können, glaubte dies jedoch nicht sowohl im freien Felde , als vielmehr bei der Verteidigung Dresdens gegen einen gewaltsamen Angriff zu erreichen . Zu diesem suchte er deshalb Klenau zu verlocken , indem er die Besatzung und Geschützzahl der Lünetten am linken Ufer sichtlich vermindern liefs , während andrerseits die Strafsen barrikadirt und zum Häuserkampf vorbereitet wurden . In der Stadt war der Schrecken darüber so grofs , dafs die Behörden

177

Improvisirte Befestigungen.

sich mit einer Bittschrift an St. Cyr wendeten, es nicht zum Aufsersten kommen zu lassen Klenau aber rührte sich nicht , und so blieb zur Rettung der Waffenehre doch nichts übrig , als der Versuch, sich nach Torgau durchzuschlagen. Die schwache Zernirung am rechten Ufer zu durchbrechen ,

konnte man freilich hoffen.

Eine genügend schnelle Verstärkung der-

selben war unmöglich, weil die Brücke oberhalb Dresdens, bei Vogelgesang, beinahe 5 Meilen von der Strafse nach Torgau entfernt , und unterhalb ―― 1 Meile entfernt - bei Nieder-Wartha nur eine Fähre Völlig ungewifs dagegen blieb die Lage vor und in Torgau, die Stärke des dortigen Einschliefsungskorps und die Verproviantirung der Festung, weil ein zur Erkundung entsandter Spion nicht zurückkehrte .

hergestellt war.

Dennoch wurde der Durchbruchsversuch für den 6. Nov.

be-

schlossen , obschon St. Cyr selbst allem Anschein nach den Mifserfolg vorhersah. Jedenfalls wollte er nicht Alles auf eine Karte setzen, so lange die Existenz in Dresden selbst, wenn auch nur noch für wenige Tage, möglich blieb. Am 5. Nov. unterstellte er deshalb dem Grafen v. d. Lobau, der allein am 21. Okt. zum Abmarsch nach Torgau geraten hatte, aufser seinem eigenen (dem 1.) Korps ( 3 Divisionen) auch die Hälfte des 14. ( 2 Divisionen) ,

um sich mit diesen durchzuschlagen,

während St. Cyr mit der anderen Hälfte

des

14. Korps in Dresden

bleiben, und bei vermindertem Verpflegungsstande den Platz und das Einschliefsungskorps davor so lange als möglich festhalten wollte . Seit der Beschränkung auf die Stadt selbst war ein grofser Teil der Pferde wegen Mangel an Futter teils geschlachtet, teils zu Grunde gegangen. Der ganze Rest der Kavallerie wurde dem Gr. v. d. Lobau überwiesen. Aufserdem konnten nur noch 24 Geschütze, und mit schlechteren Pferden 200 Wagen für Munition , Proviant und Wertgegenstände mobil gemacht werden. Charakteristisch ist, dafs der Grf. v. d. Lobau am 5. Nov. nicht umhin konnte, ein Schreiben an St. Cyr zu richten, in dem er nunmehr mit Recht erklärte , dafs die Verhältnisse sich seit dem 21. Oktober völlig verändert hätten , und alle nach dem

Durchbruch durch die

Zernirungslinie zu

erwartenden

Schwierigkeiten in einer Weise betonte, die deutlich zeigte, mit welcher Unlust er jetzt an die Ausführung des Unternehmens ging. In der Nacht zum 6. Nov. wurden die Truppen in der Neustadt Dermafsen aber war die Zahl der dienstfähigen Komversammelt. battanten zusammengeschmolzen, dafs die Gesammtstärke der obigen 5 Divisionen nicht über 14 000 Mann betrug. Bei völliger Dunkelheit wurde um 4 Uhr früh auf der Grofsenhayner Strafse und einem NebenEs gelang , die Vorposten des Fürsten Wied wege aufgebrochen .

178

Improvisirte Befestigungen.

schnell zurückzutreiben und nach Beseitigung einiger Verhaue auf den hohlwegartig in den Thalrand eingeschnitten Strafsen das Plateau bei Boxdorf zu ersteigen .

Die Entwickelung

auf demselben ging

jedoch unter feindlichem Feuer nur langsam vor sich ,

und

dem

weiteren Vorrücken fehlte jede Energie. Fast den ganzen Tag wurde herüber und hinüber geschossen, ohne dafs es zu einem entscheidenden Zusammenstofs gekommen wäre. Nach Ersteigung des Plateaus gelangten die Franzosen nicht einmal eine Viertelmeile weiter bis zum Dorfe Reichenberg an der Grofsenhayner Strafse ,

weil man durch

Truppen, die sich in der rechten Flanke bei Wilschdorf zeigten, von Dresden abgeschnitten zu werden fürchtete.

Dabei wurden die

Truppen des Fürsten Wied durch ein so starkes Vergröfserungsglas erblickt , dafs sogar der ausgezeichnete , von Napoleon als besonderer Vertrauensmann bei St. Cyr zurückgelassene General Bonnet, dem St. Cyr den Oberbefehl über die beiden Divisionen des 14. Korps anvertraut hatte , in seinem Berichte über den Durchbruchsversuch schrieb : die deutlich erkannten Kräfte des Feindes hätten eine Stärke von wenigsteus 10-12 000 Mann gehabt, wahrscheinlich habe er aber nicht einmal alle gezeigt. In Wirklichkeit hatte Fürst Wied jedoch hier einschliesslich 2700 M. russischer Milizen, worunter 1000 Pikenmänner kaum die Hälfte jener Zahlen, denn Verstärkungen vom linken Ufer (nur 2 Bat. und 1 Batterie) kamen auf der Fähre

bei

Nieder-Wartha erst in der Nacht zum 7. herüber, nachdem der nutzlose Kampf schon am Abend von den Franzosen aufgegeben, und der Rückzug nach Dresden erfolgt war *) . Mit den erschöpften, halbverhungerten und ganz entmutigten Leuten war eben nichts mehr zu machen gewesen .

Um darin allein

würde ein Blick auf die

den . Grund des Mifserfolges zu erkennen, furchtbaren Zustände genügen , die sich in Dresden entwickelt hatten, weil dieser Platz, ohne dazu geeignet zu sein, Aufgaben genügen sollte, die nur eine vollkommen eingerichtete und wohl versorgte Festung erfüllen kann. Zu welcher Höhe in Folge dieses Mifsverhältnisses das physische und moralische Elend der Besatzung und Bevölkerung gestiegen war, läfst sich in kurzen Worten garnicht schildern. Jedenfalls blieb nach der Rückkehr der vom Grafen v. d. Lobau hinausgeführten ca. 14 000 M. nichts übrig, als zu kapituliren . Ein am 7. Nov. Vormittags von St. Cyr zusammenberufener Kriegsrat *) Hierin werden nun die Verehrer Bazaine's ohne Zweifel eine Bestätigung des Axioms finden, daſs man aus einer zernirten Festung niemals ausbrechen könne , auch wenn die Strafsen nur durch Verhaue gesperrt und durch Pikenmänner verteidigt wären .

Improvisirte Befestigungen .

179

beschlofs denn auch einstimmig, in Verhandlungen mit Klenau zu treten. Am 11. Nov. erfolgte der Abschlufs der Kapitulation : die Besatzung sollte als kriegsgefangen nach Frankreich abgeführt werden und bis zur Auswechselung nicht wieder dienen . Sobald dies bekannt geworden , kamen Tausende von Soldaten und Massen von Militärbeamten aus allen möglichen Verstecken zum Vorschein, im Ganzen etwa ein Drittel derjenigen Zahl, die noch bei den Fahnen geblieben war. Zur letzteren gehörten seit Wochen sogar alle Verwundeten und Kranken, denn in die Hospitäler, in denen die fürchterlichsten Zustände herrschten, wollte Niemand mehr. Trotzdem, und obwohl täglich Hunderte vom Typhus hingerafft waren, befanden sich darin bei der Kapitulation Durch alle diese Umstände ist noch 6031 Kranke und Verwundete. es zu erklären, dafs St. Cyr zuletzt zwar nur noch etwa 20 000 M. bei den Fahnen verfügbar gehabt hatte, durch die Kapitulation jedoch 35 538 Franzosen in Kriegsgefangenschaft fielen, darunter 1 Marschall, 34 Generale und 1759 Offiziere. Das war das Ende des improvisirten Waffenplatzes Dresden im Jahre 1813. Fünf Monate hatte es gedauert, ehe die Befestigungen zum Abschlufs gekommen waren. Allerdings ist kaum zu bezweifeln, dafs das geleistete Arbeitsquantum, an und für sich betrachtet, auch in kürzerer Zeit hätte absolvirt werden können, wenn die äufseren Umstände, unter denen das Werk zu vollbringen war, weniger ungünstig gewesen wären. Indessen eben diese Ungunst der äufseren Umstände wird in den meisten Fällen bei der Improvisation grofser Befestigungsanlagen auf dem Kriegsschauplatze selbst , mitten im Wirbel der Ereignisse, in nicht vorher zu bestimmender Weise zur Geltung kommen.

Deshalb

darf auf solche Improvisation nicht leichthin eine feste Rechnung gegründet werden. Je gröfser vielmehr die Zwecke sind, die mittelst der Befestigungen erreicht werden sollen, um so notwendiger ist genaueste Erwägung der erforderlichen Mittel und ernsteste Vorsorge für deren Sicherstellung . Hieran hauptsächlich hat Napoleon es fehlen lassen . Bei der fundamentalen Bedeutung, die er Dresden für seine Operationen gegeben hatte, durfte er sich nicht begnügen, von Zeit zu Zeit ex abrupto einzelne Befehle zu erlassen, noch dazu, ohne sich über die Möglichkeit ihrer Ausführung zu vergewissern .

Vielmehr hätte von Hause

aus nach einem durchdachten Gesammtplan vorgegangen werden müssen. Unrichtig war es auch, dafs Napoleon, statt dem Chef des GenieWesens nur die leitenden Ideen und die zu erreichenden Zwecke behufs Aufstellung eines Entwurfes anzugeben, höchstpersönlich dilettantische Vorschriften für allerlei fortifikatorische Einzelheiten gab, die er nicht

Improvisirte Befestigungen.

180

beherrschte und auf seinem Standpunkte auch nicht zu beherrschen brauchte. Wirksamer wäre es jedenfalls gewesen, wenn er bei der Wichtigkeit des Befestigungsunternehmens seine Energie in der Sicherstellung der zu dessen Durchführung erforderlichen Arbeitskräfte bethätigt hätte.

Mit den ihm zu Gebote stehenden Machtmitteln würde. • wenn Dresden und die nähere Umgebung sie

deren Heranziehung,

nicht zu stellen vermochten, auch aus gröfserer Entfernung gewiſs möglich, und dann die Vollendung der in der ersten Hälfte des Mai am rechten Ufer begonnenen Befestigungen auch am linken Ufer während des Waffenstillstandes bis zum 16. August zu erreichen gewesen sein. Bei der Schwäche der unfertigen Befestigung wäre Dresden verloren gewesen, wenn die böhmische Armee beim ersten Überschreiten des Erzgebirges am 22. August zielbewuſst und entschlossen vorgegangen wäre. Trotz den von den Alliirten gemachten Fehlern konnte es auch noch am 26. August nur durch Napoleon's Verzicht auf die grofsartige, den Feldzug vielleicht sofort entscheidende Operation über Königstein und Pirna in den Rücken der Alliirten gerettet werden, ein Verzicht, zu dem sich Napoleon nur deshalb entschliefsen musste, weil er, vorher voll Illusionen, im entscheidenden Moment sich selbst das nötige Vertrauen auf die Haltbarkeit Dresdens nicht hatte bewahren können. Der Eindruck, den die Ereignisse des 26. August auf ihn machten, war derartig, dafs er während des ferneren Feldzuges niemals mehr weit genug zu einem entscheidenden Schlage auszuholen wagte, und dafs er,

als der Übergang der schlesischen und der Nordarmee an

das linke Ufer der Elbe , in Verbindung mit dem Vordringen der böhmischen Armee auf Leipzig, ihn zum Abmarsch von Dresden zwang, letzteres nur mit nicht weniger als 30 000 Mann festhalten zu können glaubte, obwohl damals endlich die Befestigungen ziemlich fertig geworden waren . Auch kann in der That diese Besatzung, d. h. weniger als 2 Mann auf den Schritt des Umfanges einer nicht sturmfreien Befestigung keinesweges für zu stark gelten. Nichts stellt den virtuellen Unterschied zwischen einer solchen improvisirten und einer sturmfreien permanenten Befestigung in helleres Licht, als der Feldzug von 1813 in Sachsen , wenn man sich beim Studium desselben in jedem der Hauptmomente Dresden

als

wirkliche Festung mit geschlossener Enceinte und detachirten Forts vorstellt , und dann erwägt , mit welcher Freiheit Napoleon unter Eine Besatzung von dieser Voraussetzung hätte handeln können. 15 000 Mann würde dann vollauf genügt haben , um Dresden gegen jeden Angriff der feindlichen Armeen sicher zu stellen. Nur durch förmliche Belagerung wäre es zu nehmen gewesen. Einen Belagerungs-

*

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

181

train aber hatten die Alliirten nicht, und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, würde Napoleon sich doch auf Wochen hin ohne Sorge von Dresden haben entfernen können, in der Gewissheit, immer noch rechtzeitig zu seinem Entsatze zu kommen. So aber, wie Dresden wirklich beschaffen war, wurde es dermalsen zu einer Fessel für ihn, dafs man den Entschlufs, die urspränglich offene Stadt zum Haupt-Depot und Waffenplatz seiner Armee zu machen, als einen Grundfehler in der Anlage des ganzen Feldzuges betrachten mufs. Dafs schliesslich ihm selbst die Erkenntnifs der Folgen gekommen , beweist seine Unterredung mit St. Cyr in der Nacht vom 6./7 . Oktober : „ Ich werde mich fortan auf Magdeburg stützen, und dies wird für mich eine ganz andere Bedeutung haben als Dresden !

Magdeburg ist ein

grofser ,

schöner

und

starker Waffenplatz , den man sich selbst überlassen kann , so oft und so lange es nötig ist , ohne dafs man fürchten mufs , ihn durch einen nur einigermafsen kräftigen Handstreich zu verlieren . (Fortsetzung folgt.)

XII.

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894 .

Von v. Klein, Korvettenkapitän a. D. *)

Die vorjährigen englischen Flottenmanöver bilden sowohl nach Zahl und Art der daran teilnehmenden Schiffe , wie auch nach Anlage und Erledigung der ihnen zu Grunde gelegten Idee eine interessante Ergänzung des in früheren Jahren auf diesem Gebiete Geleisteten. Den Manövern ging eine allgemeine Mobilmachung der für dieselben bestimmten Schiffe voran. Dieselbe nahm am 18. Juli ihren Anfang. 72 Schiffe und Fahrzeuge, sowie 24 Torpedoboote, die teils dem Kanalgeschwader angehörten , teils in den verschiedenen groſsen Handelshäfen stationirt waren, zum Teil neu in Dienst gestellt wurden, hatten sich innerhalb drei Tagen auf bestimmten Rendezvous-Plätzen zu versammeln.

Aus umstehender Ordre de bataille geht ihre Ver-

*) Hierzu ein Plan . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2.

13

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

182

Ordre de Bataille. Rote Seite.

Versamm lungsort

Gruppe I.

Gruppe II.

Gruppe III.

Vize -Admiral R. O ' B. Fitz - Roy. C. B. A- Flotte. B -Flotte. Vize -Adm. Fitz- Roy. Kontre -Admiral A. T. Dale. Berehaven. für die Mobilmachung: Portland. Berehaven. für die Manöver : Falmouth. Schlachtschiffe : Royal Sovereign. Schlachtschiffe: Empress of India. Resolution. n 3 Repulse. Devastation. " Conqueror. Blenheim. Kreuzer I. Kl.: Astrea, Kreuzer I. Kl.: Endymion. Gibraltar. Bonaventure . Theseus. " 19 Kreuzer II. KL.: Brillant. Kreuzer II. Kl.: Latona. Andromache. " Sappho Medea. " " Scylla. Medusa. Terpsichore. Thetis. Pearl. Barosa. Rainbow. Torpedobootsjäger: Speedy. Circe. Renard. Seagull Speedwell. Antelope. Rattlesnake. Spider. Havock. Hornet.

Torpedomutterschiff: Rupert.

Torpedobootsjäger : Alarm. Onyx. Sheldrake. Gossamer.

Torpedoboots flottille. Torpedoboote : 45. 52. 53. 80. 85. 87.

Station: Belfast.

Blaue Seite. Kontre -Admiral E. H. Seymour. C. B. D - Flotte. C - Flotte. Kontre -Admiral Seymour. Kontre -Admiral E. C. Drummond. VersammMilford Haven. für die Mobilmachung : Torbay. für die Manöver: Queenstown. The Shannon. lungsort Schlachtschiff: Warspite. Schlachtschiffe : Alexandra. Barfleur. Panzerkreuzer: Aurora. Benbow. Galatea. Inflexible. Gruppe I. Australia. Colossus. Edingburgh. Kreuzer L. Kl.: St. George. Kreuzer II. Kl.: Mersey. Kreuzer II. Kl : Sybille. Melampus. Naiad. n " Tribune. " " Apollo. Gruppe II. Intrepide. Iphigenia. Indefatigable. Pique. Torpedobootsjäger: Hebe. Torpedobootsjäger : Jason. Niger. Gruppe III. Jaseur. Leda. Salamander.

Mutterschiffe: Curlew Traveller. Magnet. Bullfrog. Basilisk. Trent.

Torpedoboots flotille. Torpedoboote: 50. 59. 60. 26. 27. 93. 66. 77. 79. 64. 65. 67. 81. 83. 84. 72. 73. 74.

Stationen : Holyhead. Waterford. Kingstown. Milford Haven. Queenstown. Piel (nahe bei Barrow in Furness).

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

teilung hervor.

183

Es wurden formirt : eine rote Flotte unter dem Kom-

mando des Vize-Admiral Fitz-Roy , eine blaue unter dem des KontreAdmiral Seymour. Zu ersterer gehörten die A- und B-Flotte , zu letzterer die C- und D-Flotte . Die Zusammenziehung resp . Indienststellung dieser Streitkräfte vollzog sich ohne Schwierigkeiten in der bestimmten Zeit. Havarien kamen natürlich vor ; doch waren sie geringerer Art und betrafen meistens die Torpedofahrzeuge und Boote. Vorübungen. Die Woche vom 23. bis 28. Juli war den Admiralen zum Einfahren ihrer Flotten zur Verfügung gestellt, während sie gleichzeitig von den Kommandanten benutzt werden musste , um ihre Besatzungen für das Gefecht auszubilden. diesmal besondere Mühe , Schiffen verteilt waren . Fahrtformatiou.

Letzteres erforderte

da 500 Mann der Marinereserve auf den Als Fahrtformation wurde wie in früheren

Jahren von den Admiralen die Kiellinie oder bei Flotten mit sechs und mehr Schlachtschiffen die doppelte Kiellinie gewählt. Die Kreuzer und leichteren Fahrzeuge waren beim Marsch mit Sicherheitsmafsregeln um die Flotte herum verteilt, wobei die Torpedobootsjäger die innere Linie bildeten und als Wiederholer der von den weiter ab befindlichen Kreuzern gemachten Signale dienten. Die an Zahl stärkste rote AFlotte bedeckte in dieser Ordnung bei klarem Wetter einen Flächenraum von 20-30

sm . Fuhren die Flotten ohne Sicherheitsmafsregeln,

so schlossen sich Kreuzer und leichte Fahrzeuge in Kiellinie der Schlachtflotte an und nur zwei Torpedobootsjäger blieben zur Verfügung des Admirals längsseit des Flagschiffes. Gefechtsformation . Als Gefechtsformation wurde von den roten Flotten die einfache Kiellinie, von den blauen eine Formation in Kolonnen neben oder hinter einander benutzt.

Die Kreuzer begaben sich hierbei

an die dem Feinde abgekehrte Seite ,

doch herrschte zweifellos bei

ihnen während der später stattfindenden Gefechte noch viel Unklarheit über ihren Platz. Gridiron.

Dafs

bei der Kürze

der für die Vorübungen be-

stimmten Zeit sich die Flotten noch mit der Einübung anderer komplizirter Formationsänderungen, wie der „ Gridiron " , befafsten, ist eine Eigentümlichkeit der englischen Marine . Mit "7 Gridiron " (wörtl. Übers. Bratrost) bezeichnen die Engländer eine Evolution , in welcher die Schiffe der beiden nebeneinander fahrenden Kolonnen auf einander zu drehen, und die Schiffe der linken Kolonne die Plätze die der rechten , letztere die der linken einnehmen.

Die Evolution hat

ihrer Art nach Ähnlichkeit mit der , in welcher im vorigen Jahre im Mittelmeer das Flaggschiff des Admiral Tryon, die „ Victoria “ , und der 13*

184

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

Admiral mit ihm, ein jähes Ende fanden. *)

Über ihre Berechtigung

gehen die Ansichten in englischen Marinekreisen weit auseinander. Die vorherrschende Meinung findet wohl in der Auslassung eines Berichterstatters Ausdruck, der deshalb hier Platz finden möge. Er schreibt : „Es mag zugegeben werden , daſs sich für ihre Anwendung vor dem Feinde wohl niemals Gelegenheit bieten wird . Das ist auch nicht ihr Zweck. Der wahre Zweck ist folgender. Wir haben gehört, daſs Admirale anderer Marinen davor zurückschrecken , das Manöver zu versuchen. Wenn das zutrifft, so darf man annehmen, dafs diese fremden Admirale sich nicht in vollem Mafse auf den sichern Blick und die Nerven Wir aber wissen , ihrer Kapitäne verlassen können . dafs britische Flotten gewohnheitsmäfsig und mit Sicherheit die „ Gridiron " ausführen, und wir sind deshalb zu dem Schluſs berechtigt, daſs britische Admirale und Kapitäne ein fest begründetes Selbstvertrauen besitzen , derart, wie es bei ihren Kollegen fremder Marinen nicht vorhanden ist .

Wenn britische Führer zur See vor jeder Evo-

lution zurückschrecken würden , die nicht ganz einfacher Natur ist, so würden wir Grund haben, ihnen zu mifstrauen etc. " Diese Worte tragen zugleich die Kritik in sich. Hand in Hand mit den taktischen Übungen der Artillerie. Flotte ging die artilleristische Ausbildung der Besatzungen . Mit Beginn der Übungen wurde auf allen Schiffen Generalmarsch geschlagen und während derselben nach den sich begegnenden und kreuzenden Schiffen Richtübungen abgehalten. War das Wetter zum Evolutioniren der Flotte ungeeignet, so wurden Schiefsübungen mit Einlegerohren abgehalten (Gewehrläufe, die in die schweren Geschütze eingesetzt Jedes Schiff feuerte auf eine Scheibe, die von dem korwerden). ein respondirenden Schiff der andern Reihe geschleppt wurde, summarisches, aber für die Ausbildung der Leute unzweifelhaft gutes Verfahren, bei dem man allerdings auf den Schiffen eine verirrte Kugel nicht übelnehmen darf. Torpedowaffe.

Die Torpedoarmirung der Schiffe

wurde nur

einmal geprüft, als man in den Hafen ging. Es wurde hier aus allen Rohren ein Schufs abgegeben, um das Funktioniren derselben zu prüfen. Die Torpedoboote benutzten die Vorübungswoche, um ihre *) Admiral Tryon fuhr mit der Flotte in zwei Kiellinien nebeneinander und gab den Befehl , die Ordnung durch gleichzeitige Wendung aller Schiffe um 16 Strich (180 °) nach innen zu umzukehren. Die Kollision ereignete sich, weil die Entfernung zwischen den beiden Kolonnen nicht grofs genug war, die Schiffe also nicht genügenden Platz zum Drehen hatten.

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

185

Torpedos einzuschiefsen, die letzten Nächte auch zu Angriffen auf die zugehörige Flotte. Kohlennehmen. Am Sonnabend resp. Sonntag trafen alle Flotten in den für die Manöver bestimmten Rendez - vous - Häfen ein und dazu

begannen sofort mit dem Kohlennehmen.

Die Vorbereitungen

waren auf das Beste getroffen, so dafs das Geschäft selbst

schnell von statten ging. Trotzdem wartete man in der nächsten Woche von einem Tage zum andern auf den Befehl der Admiralität zum Beginn der Manöver, bis derselbe endlich am Donnerstag, den 2. August eintraf.

Manöver - Gebiete und Regeln. ( Siehe Plan. ) Das Gebiet der Manöver war wie in früheren Jahren die See um Irland herum.

Die Grenzen waren im Norden der 57. Breitengrad,

im Süden 47 ° 20 ' Nordbreite, im Westen der 15. Längengrad und im Osten die Westküste Grofsbritanniens, im Kanal bis 4 ° Westlänge reichend . Das ganze Gebiet innerhalb dieser Grenzen stand allen Teilen offen mit Ausnahme einer verbotenen Zone, die sich im Süden Irlands in einer Breite von etwa 40 Seemeilen in unbegrenzter Ausdehnung nach Südwesten erstreckte (in der Karte schraffirt). Dadurch war Irland künstlich zu einer Halbinsel und gleichzeitig den beiderseitigen Flotten eine Vereinigung um den Süden Irlands herum unmöglich gemacht. Das Küstengebiet innerhalb genannter Grenzen war zwischen den beiden Parteien wie folgt verteilt : Die rote Seite verfügte nur über ein kleines Gebiet . Es ist in der Karte durch eine durchbrochene dicke Linie bezeichnet und umfaſst die Umgebung von Falmouth auf der einen, die Berehaven's auf der andern Seite , sowie den Belfast Lough im Norden Irlands. Falmouth war die strategische Basis der A- Flotte.

Der Hafen war als befestigt gedacht, gewährte der Flotte aber keinen Schutz gegen Torpedobootsangriffe. Plymouth gehörte ebenfalls zur roten Seite, gewährte aber den Schiffen keinen Schutz irgend welcher Art. Berehaven, die strategische Basis der B-Flotte, hatte denselben Wert wie Falmouth . Belfast bot den roten Schiffen jeglichen Schutz gegen Angriffe von Schiffen und der innere Teil der Bucht den dort ankernden leichten Fahrzeugen auch Sicherheit gegen Torpedobootsangriffe . Hier waren auch die 6 Torpedoboote der roten Seite mit ihrem Mutterschiff, der „Rupert", stationirt. Das Gebiet der blauen Seite ist in der Karte durch eine starke Küstenlinie bezeichnet. Auf der Süd-Ostseite Irlands war Queenstown die strategische Basis der C-Flotte, auf der Westseite der Shannon mit Umgebung die der D-Flotte. Beide Häfen waren sicher gegen jeden Angriff. Auf der Ostseite befanden sich 3 Torpedobootsstationen mit je 3 Torpedobooten und je einem Mutterschiff.

186

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

An der Westküste Englands reichte das Gebiet der blauen Flotte von St. Bees Head im Norden bis Rossili Point im Süden . Hier befanden sich

gleich

ausgerüstete

Torpedobootsstationen

in

Milford

Haven,

Holyhead und Piel. In jeder dieser sechs Stationen waren die Torpedoboote sicher gegen Angriff, jedoch nicht in irgend einem andern Hafen des blauen Gebietes. Milford Haven war allen blauen Schiffen mit Ausnahme der zu Gruppe III gehörigen verschlossen.

Die blaue

Seite hatte also keinen geschützten Hafen an der Ostseite des St. GeorgeKanals. Die übrigen in das Manövergebiet reichenden Küsten und Inseln waren neutral und eine Annäherung an dieselben nur bis zu einer Seemeile innerhalb der Fünffadenlinie gestattet. Ein Überschreiten dieser Grenze war gleichbedeutend mit Aufsergefechtsetzen der betreffenden Schiffe oder Fahrzeuge auf 24 Stunden. Um das Bild dem wirklichen Kriege möglichst nahe zu bringen, gingen die verschiedenen Flotten beim Beginn der Feindseligkeiten nicht von ihren bezüglichen Operationsbasen ab, sondern von einem Punkte aufserhalb derselben, der den Admiralen erst nach dem Verlassen des Hafens durch versiegelte Ordre der Admiralität bekannt gegeben wurde, den übrigen Parteien also unbekannt blieb (in dem Plane näher bezeichnet). Um eine Entscheidung in stattfindenden Schlachten oder Gefechten herbeiführen zu können, waren sämmtliche Schiffe in 3 Gruppen eingeteilt und innerhalb der ersten beiden Gruppen jedem Schiff ein bestimmter Wert in Punkten beigelegt.

554

5 Punkte

36

:13

444

64 Punkte

Blau. Alexandra Barfleur Benbow Warspite . Inflexible . Colossus Edingburgh St. George Aurora Galatea Australia 10 Kreuzer II. Klasse je 1 Punkt -

555

Rot. 5 Punkte • Royal Sovereign 5 Resolution 11 5 Empress of India . 19 5 Repulse . 99 4 Devastation 19 Blenheim . 19 Endymion ท Conqueror 19 Astrea . "" Theseus "" Gibraltar . " 12 Kreuzer II . Klasse je 1 Punkt - 12 ""

4

4 4

13 99

10

58 Punkte

Ein Sieg war von einer Seite erreicht , wenn sie ein Übergewicht in Punkten von 1, der gegnerischen Punkte aufweisen konnte. Hiernach würde bei einem Zusammentreffen der gesammten Flotten der roten der Bruchteil eines Punktes an der nötigen Überlegenheit

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

fehlen .

187

Der Ausfall irgend eines Schiffes der beiden ersten Gruppen

war deshalb von entscheidender Bedeutung . Beim Zusammentreffen der einzelnen Geschwader war die Sache anders, da die Punkte bei der roten Flotte gleichmässig verteilt waren, also A = 32 und B = 32 hatte, während auf blauer Seite C 38 und D = 21 Punkte hatte. Um eine Entscheidung herbeizuführen, waren aufserdem zwei Stunden ununterbrochenen Gefechtes nötig. Angriff und Abwehr von Torpedobooten geschah nach den in den Manövern früherer Jahre erprobten Regeln ; d . h. die Boote schossen mit wirklichen Torpedos mit Pufferköpfen ; ihr Angriff war abgeschlagen, wenn sie drei Minuten unter Feuer gewesen waren.

Manöver - Idee.

(Siehe Plan.)

„ Rot und Blau sind die Seestreitkräfte zweier im Kriege befindlichen Nationen" .

Das war Alles , was von der englischen Admiralität über

die allgemeine strategische Lage gesagt war. Die Ausnutzung derselben nach den im Manövergebiet festgesetzten Verhältnissen und Regeln war Sache der Admirale . Es ist jedoch nicht schwer, sich bei Betrachtung des Manövergebietes und der verhältnifsmäfsigen Stärke und Stellung der beteiligten Streitkräfte ein genaueres Bild der den Manövern zu Grunde liegenden Idee zu machen. Irland mit der verbotenen Zone stellt eine Halbinsel dar, deren Küsten ebenso wie die des gegenüberliegenden Festlandes (England) zum weitaus gröfsten Teil der blauen Seite gehören, während die rote Seite nur räumlich sehr begrenzte und weit von einander entfernte Operationsbasen hat. Nimmt man das neutrale Gebiet der nördlichen Hälfte Irlands als Spanien an, an dessen äuſserster Ecke Belfast, also Gibraltar liegt, so stellt sich ohne viel Einbildungskraft das Gebiet der blauen Seite als Frankreich, das der roten Seite als England und seine Besitzungen im Mittelmeer und das ganze Manövergebiet als eine verkleinerte Wiedergabe des westlichen Europas dar,

in welchem der Kanal durch die Westseite Irlands mit

dem

Shannon als Brest und Berehaven als Plymouth, und das Mittelmeer als die Ostseite Irlands mit Queenstown als Toulon und Falmouth als Malta dargestellt ist.

Die Torpedobootstationen der blauen Seite

vertreten die französischen Besitzungen im Mittelmeere. entspricht Ajaccio auf Corsika ; Piel Algier, Holyhead Milford Haven

Waterford

Bona und Biserta an der Nordküste Afrikas ; Kingstown

Port Vendres, ein französischer Hafen, hart an der Grenze Spaniens. Hiernach ist der beigefügte Plan entworfen. Die aus der Manöverkarte entnommenen festen Punkte haben ihren Platz behalten ; nur muſs man sich das Manövergebiet umgedreht denken, so dafs die verbotene Zone in die rechte obere Ecke der neuen Karte kommt. Wenn man dann der Geographie etwas Zwang anthut, so stellt sich die Ähnlichkeit der

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894 .

188

beiden Gebiete in überraschender Weise heraus .

Dafs Port Vendres

zu weit südlich, also in Spanien und Algier, sich in Central- Afrika wiederfindet, darf den Gesammteindruck nicht stören . In dieser Situation finden dann auch die verschiedenen Flotten ohne Weiteres ihre wirklichen Ebenbilder . englische Mittelmeergeschwader , Mittelmeerflotte ,

Die rote A-Flotte ist das

die blaue C-Flotte die französische

die rote B-Flotte das englische Kanalgeschwader,

die blaue D-Flotte das französische Kanalgeschwader.

Dieser An-

nahme entspricht auch annähernd das gegenseitige Stärkeverhältnifs und die Verteilung von Torpedobooten und Torpedobootsjägern.

Als

Aufgabe der Flotten dürfte eine Kriegslage gedacht sein , in der es auf eine möglichst schnelle Vereinigung der beiderseitigen Streitkräfte ankommt. Dafs hierbei die blaue, französische Seite wegen der geringeren Entfernungen im Vorteil ist, entspricht ebenso der Wirklichkeit, wie ihre gröfsere Gefährdung durch feindliche Torpedoboote in dem engen Nordkanal, der Strafse von Gibraltar. Alle Flotten sind, mit Ausnahme der blauen D-Flotte ,

durch ältere langsame Schiffe

an eine bestimmte niedrige Geschwindigkeit gebunden , ihren Vorbildern ebenso der Fall ist.

wie es mit

Die eben dargelegte Auffassung der für die Manöver getroffenen Anordnungen Manöver sind .

geht

naturgemäfs daraus hervor ,

dafs

es englische

Was dieselben aber besonders interessant macht , ist

die augenfällige Analogie mit den

bestehenden Verhältnissen der

meisten andern europäischen Nationen . Dieselbe in den Manövern konstruirte Halbinsel kann für den Dreibund im Norden Jütland , im Süden Italien sein. Dort wäre es die deutsche Flotte , welche auf einer inneren Linie Kiel - Wilhelmshaven ihre Vereinigung sucht , um den räumlich weiter von einander entfernten Flotten Frankreichs und Rufslands einzeln mit Übermacht gegenüber treten zu können ; hier im Mittelmeer übernähme die blaue Flotte die Rolle der österreichischen und italienischen Marine , während die rote Seite die französische Mittelmeer- und russische Schwarze-Meer-Flotte darstellte. Auslaufen der Flotten.

Am Donnerstag, den 26. Juli Abends

bezw. Freitag Morgen gingen die Flotten in See , um sich auf ihren Rendezvous - Platz zu begeben , von dem aus sie beim Beginn der Feindseligkeiten zu starten hatten . Von beiden erhielten die Admirale erst Kenntnifs , nachdem sie auf See die versiegelte Ordre der Admiralität aufgemacht hatten. Rendezvous war für die A-Flotte etwa 50 Seemeilen West von der Insel Quessant, für die B-Flotte 51 ° 25 ' N. Br. , 12 ° 30 ' W. Lg. , für die C-Flotte 50 ° 0 ' N. Br., 9 ° 0 ' W. Lg. , 30 N. Br., 12 ° 30 ′ W. Lg.

für die D-Flotte 52 °

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

Beginn der Feindseligkeiten. Freitag, den 27. Juli, Abends 9 Uhr.

189

Beginn der Feindseligkeiten

Verfolgen wir nun die einzelnen Flotten bis zu ihrem Zusammentreffen und Kampf am Sonntag früh. Rote A- Flotte verliefs mit Ausnahme des Torpedokanonenbootes „ Speedy “ , das Maschinenreparatur hatte , Falmouth am Donnerstag Ein steifer Nordwestwind mit Regen , Nebel und hoher See empfing sie draufsen und machte die erste Nacht zu einer sehr ungemütlichen, namentlich für die kleineren Schiffe. Als es am andern Morgen aufklarte, wehte es noch immer heftig und die See hatte eher

Abend.

zu-, wie abgenommen .

" Spider" signalisirte , dafs ihr während der

Nacht ein Boot weggeschlagen sei, und während des Vormittags verlor auch die „ Resolution " ein Boot durch eine überkommende See. Die Probe , auf welche unter diesen Verhältnissen gleich im Anfang die Seetüchtigkeit der Schiffe gestellt wurde , verlief im übrigen günstig. Am besten bewährten sich wiederum die Kreuzer II . Klasse, die leicht über

die

hohen Seen weggingen ;

am schlechtesten

ging es

den

Torpedokanonenbooten , von denen „ Spider“ und „ Rattlesnake “ mehr unter wie über Wasser waren , während die neueren " Havock" und " Hornet" sich besser machten. Als am Freitag Nachmittag die Flotte auf dem Rendezvousplatz ankam, wurde das Wetter besser. "Spider " bat um die Erlaubnifs , aus der Linie holen zu dürfen , um sich des übergenommenen Wassers zu entledigen . Der Admiral beorderte einen Kreuzer, zur Unterstützung in seiner Nähe zu bleiben. Mit Dunkelwerden waren beide Schiffe jedoch wieder auf ihrem Posten, und die Flotte verliefs zur bestimmten Zeit ihren Rendezvousplatz mit 10 Seemeilen Fahrt und Kurs in den irischen Kanal. Als Befehl für die Nacht signalisirte der Admiral : „ Alle Lichter sind verdunkelt. Bei starkem Nebel wird die Fahrt auf 8 sm. ermäfsigt. Nebelsignale werden nach Art der Handelsdampfer gemacht. Auf Torpedoboote darf nicht gefeuert werden. Das Vertreiben derselben ist Sache der Torpedobootsjäger. Letztere gehen im Falle des Zusammenbruchs in den nächsten Hafen. " Die Nacht verlief ohne Störung, und trotzdem mehrfach des Nebels wegen die Fahrt herabgemindert werden musste, erreichte die Flotte doch den vom Admiral bestimmten zweiten Rendezvousplatz A , zur festgesetzten Zeit, Sonnabend Mittag ein Uhr.

Hier teilte der Admiral seine Flotte.

Sechs

Kreuzer II. Kl . mit den vier Torpedobootsjägern „ Circe “ , „ Renard“, ,,Antelope" und ,, Rattlesnake" gingen unter dem Befehl des ältesten Kapitäns mit 17 sm. Fahrt an der Ostseite des irischen Kanals entlang , während die Schlachtschiffe mit dem Rest der kleineren Fahrzeuge an der Westseite desselben hinaufgingen, um auf dem kürzesten

190

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

Wege Belfast zu erreichen. Der Zweck dieser Teilung war offenbar der, etwaige im östlichen Teil des irischen Kanals befindliche Streitkräfte durch das Kreuzer- Geschwader irre zu leiten, um den Schlachtschiffen desto ungehinderter die Vereinigung mit der roten B-Flotte in Belfast zu ermöglichen . Dem Admiral Fitz - Roy verblieben nach der Teilung nur drei Torpedobootsjäger älterer Art und die beiden neusten Typen „ Havock“ und ,,Hornet".

" Spider" war am Vormittag endgültig zusammen-

gebrochen und nach Plymouth geschickt.

,, Speedy" hatte sich zu der-

selben Zeit bei der Flotte eingefunden. Mit 11 sm. Fahrt setzte er bis zum Einbruch der Dunkelheit die Fahrt fort, wo die irische Küste in Sicht kam. Sodann wurde die Fahrt auf 15 sm. erhöht und bald blieben 27 Devastation" und die drei alten Torpedobootsjäger zurück. Die Nacht war dunkel, aber sternklar und verlief, ohne dafs sich feindliche Torpedoboote gezeigt hätten. Einmal wurde „ Havock" zum RekognosEr ziren abgeschickt und erledigte sich seiner Aufgabe sehr gut. nahm schnell hohe Fahrt auf, lief quer vor der Flotte vorbei und kehrte ebenso prompt zurück , nachdem er den vermeintlichen Feind als Handelsdampfer erkannt hatte . Unglücklicherweise wurde jedoch sein ganzer Weg durch eine weithin leuchtende Flamme aus seinen Schornsteinen für jedermann sichtbar gemacht.

Um fünf Uhr wurde

Queenstown passirt und um acht Uhr ungefähr 50 sm. südlich von Belfast der erste Feind gesichtet. Es war ein Torpedoboot , welches Sofort wurde „ Hornet " mit mäfsiger Fahrt auf die Küste zuhielt. zum Jagen desselben abgeschickt, signalisirte aber schon nach kurzer Zeit, dafs er durch Maschinenhavarie bewegungsunfähig sei. Er wurde durch „ Speedy " nach Belfast geschleppt . Wie sich später herausstellte, war das Torpedoboot schon von den Kreuzern genommen , wäre andernfalls aller Wahrscheinlichkeit nach entkommen. Indessen nahmen jetzt wichtigere Vorgänge die Aufmerksamkeit in Anspruch. Voraus kam ein Geschwader in Sicht, das auf die Flotte zuhielt und sich als das abgeschickte eigene Kreuzer-Geschwader entpuppte. In seiner Begleitung befand sich die „Latona " von Admiral Dale's (rote B-) Flotte. Um 9 Uhr 40 Minuten wurde gestoppt, um Nachrichten und Befehle auszutauschen. Der Admiral erfuhr , dafs das Kreuzer - Geschwader bei Tagesanbruch ein Torpedoboot genommen hätte , im Übrigen jedoch nichts vom Feinde gesehen habe. Bedenklicher lautete die Mitteilung der „ Latona " . Sie berichtete , dafs die blauen Flotten ihre Vereinigung an demselben Morgen bewerkstelligt und die rote B-Flotte nach einstündigem Kampf nach Belfast hineingejagt hätten.

Zugleich signasisirte „ Rattlesnake" , dafs sie keine Kohlen Antelope", dafs ihre Hauptspeisepumpe gebrochen

mehr habe und

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894. sei.

Devastation " war noch etwa

10 sm. zurück .

191

Die Aussichten

waren also für Admiral Fitz- Roy nicht gerade glänzende. Er mufste entweder abwarten oder einem übermächtigen Feinde entgegen gehen . Er entschied sich für das letztere, wohl in der Hoffnung , ebenfalls das etwa noch zwei Stunden entfernte Belfast zu erreichen . Nachdem Devastation " aufgekommen war, setzte er seinen Kurs fort und sah sich bald der blauen Flotte gegenüber. Rote B- Flotte

verliefs

am Freitag Morgen Berehaven

und

begab sich mit langsamer Fahrt auf ihren Rendezvousplatz. In der schweren See, die am Nachmittag von Steuerbord achtern auflief, rifs sich Medea" ihren Steuerbord-Klüsendeckel los und holte aus der Linie, um zu repariren .

Von gröfseren Havarien blieb die Flotte

indefs verschont und konnte in ganzer Stärke ins Manöver gehen. Sie verliefs um 9 Uhr Abends ihren Rendezvousplatz mit nordöstlichem Kurse und 10 sm. Fahrt. Kurz darauf schickte der Admiral die vier Kreuzer n Latona " , „Andromache" , "Medea" und 27 Medusa " mit dem Auftrage ab, vor Dunkelwerden am Sonnabend bei der roten Signalstation auf White Head an der Nordseite von Belfast Lough zu sein , um etwaige Nachrichten über Feind und Freund zu erfahren. „Andromache" sollte diese dem Admiral überbringen, die übrigen Kreuzer vor Belfast bleiben und wichtige Nachrichten durch ein zweites Schiff melden lassen . Sollten die vier Kreuzer auf ihrem Wege die blaue D-Flotte überholen, so sollten sie dieser bis White Head folgen, vorher jedoch durch "9Andromache " Nachricht senden. Um halb zehn Uhr Abends erhöhte der Admiral die Fahrt auf 11 sm., kurz darauf auf 12 sm. Da mehrere Schiffe indessen diese nicht halten konnten , mufste wieder auf 111 sm. heruntergegangen werden. "Conqueror" hatte auch jetzt noch Schwierigkeit , mitzukommen , hielt sich jedoch tapfer. Um acht Uhr am Sonnabend Morgen war die Flotte bei Achill-Head, einer Signalstation der blauen Seite.

Der Tag verlief ruhig.

Am Abend machte der Admiral den

leichten Fahrzeugen und „ Conqueror" das Signal , auf eigene Hand Belfast zu erreichen zu suchen , falls sie nicht zu folgen im Stande wären . Gleichzeitig formirte er die Flotte für die Nacht : die Schlachtschiffe in Kiellinie , das leichte Geschwader ebenso dahinter. Er begab sich auf diese Weise aller Sicherheitsmafsregeln , bekam aber dafür freiere Hand in der Führung der Schiffe, denen er befahl, ohne Signal Kurs- und Fahrt-Änderungen des Flaggschiffes zu folgen . er einen andern, geschickten

Da

als den anfangs beabsichtigten und den vier ab-

Kreuzern

mitgeteilten

Kurs steuerte ,

so

schickte

er

"Pearl " ab , um diese event . abzufangen . Um 10 Uhr Abends kam die erste Nachricht vom Feinde. n Andromache" kam zurück und

192

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

berichtete, dafs sie um 1 Uhr Nachmittags die blaue D-Flotte querab von der Insel Arran voraus in Sicht bekommen hätten. Sie und ihre drei Genossen seien dem Feinde gefolgt und, wenn auch mehrfach zurückgetrieben , auf seinen Fersen geblieben . Um 8 Uhr Abends habe derselbe die Insel Rathlin passirt. Um diese Zeit habe „ Andromache" zur Berichterstattung ihre Gefährten verlassen. Der Admiral vermehrte sofort die in den letzten Stunden auf 8 sm. herabgesetzte Fahrt wieder auf 11 sm. und schickte ,,Andromache" zur weiteren Rekognoszirung ab. Um Mitternacht kamen ,,Medea" und „, Medusa " Erstere signalizurück und brachten weitere Meldung vom Feinde. sirte zugleich ,

dafs sie den ,, Salamander" von der D-Flotte gejagt

und aufser Gefecht gesetzt habe.

Um 12 Uhr hatte der Feind Belfast

passirt. Gegen 4 Uhr meldeten die zurückkehrenden Kreuzer , dafs eine feindliche Flotte den Nordkanal heraufkomme ; und als es gegen 5 Uhr sichtiger wurde, sah Admiral Dale die vereinigte blaue Flotte vor sich. Die blauen Flotten.

Während bei den roten Flotten kein auf

eine schnelle Vereinigung abzielendes gemeinsames Handeln erkennbar war , handelten die blauen Flotten nach vorher verabredetem Plan . In einer Zusammenkunft beider Admirale während des Kohlens war beschlossen worden , dafs beide Flotten mit Aufbietung ihrer ganzen Geschwindigkeit ihre Vereinigung nördlich von Belfast erstreben und sodann die Mull of Cantyre-Linie , die engste Stelle des Nordkanals, besetzen sollten , um die von der Westküste Irlands kommende rote B-Flotte abzufangen. Zu diem Zweck hatte Admiral Drummond Befehl, auf bestimmtem Kurs mit besimmten Rendevousplätzen seinen Weg um den Norden Irlands herum zu nehmen ,

während Admiral Seymour

mit seiner ganzen Flotte so schnell, wie es die Maschine der „ Inflexible " erlaubte, auf dem kürzesten Wege an der Ostküste Irlands heraufging.

Nur ein Kreuzer, die 77 Intrepide " , war von der C-Flotte

detachirt, um den blauen Torpedobooten bei Auffindung des Feindes behülflich zu sein . Die Queenstown - Division der Torpedoboote war nach Kingstown geschickt mit dem Befehl , sich der C - Flotte bei ihrem Passiren anzuschliefsen . Der Admiral wollte sie in den engen Gewässern des Nordkanals verwenden.

Nach diesen Plane verliefs

die C - Flotte am Freitag Abend ihren Rendevousplatz im Südosten Irlands und befand sich bei einer Durchschnittsfahrt von etwas über 11 sm. am Sonnabend Mittag bei Carnsore-Point . Von der hier befindlichen Signalstation erfuhr der Admiral , dafs zwischen sieben und acht Uhr Morgens drei Kreuzer in der Blacksod- Bai im nördlichen Teil des blauen Gebietes an der Westküste Irlands gesehen seien , augenscheinlich zu Admiral Dale's (roter B-) Flotte gehörend,

193

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894 .

da sie weder Signale gemacht, noch erwidert hätten . Auf diese Nachricht hin schickte Admiral Seymour die drei Torpedoboote , als sie bei Kingstown zu ihm stiefsen , nach dem südlichen Eingang des NordKanals ab, um hier einen Angriff auf die Kreuzer zu machen.

Wie

sich später herausstellte , war dieser Angriff vollständig mifsglückt. Von den drei Booten war eins unterwegs zurückgeblieben. Als die beiden übrig gebliebenen zum Angriff vorgingen, feuerte Nr. 81 einen Torpedo , der in den Grund ging. Auch Nr. 83 kam zum Schufs, war jedoch nach den Manöverregeln schon vorher aufser Gefecht gesetzt gewesen. Die C-Flotte hatte inzwischen ihren Kurs fortgesetzt, und die neuen Kreuzer derselben hatten im Laufe des Sonnabend Nachmittags verschiedentlich Gelegenheit , dem Aufklärungsdienst zur Feststellung in Sicht kommender Schiffe obzuliegen. Sie bewährten sich dabei vozüglich und brachten ihre Manövrirfähigkeit und Geschwindigkeit voll zur Geltung.

Gegen ein Uhr Nachts wurden „ In-

defatigable" und ,, St. George" wiederum zur Rekognoszirung mehrerer Dampfer abgeschickt ,

die sich

bei der Insel Man zeigten .

Diese

stellten sich als das Gros der blauen D-Flotte heraus , von dem nur „Aurora" fehlte, die während eines Torpedobootsangriffs in der Nacht abhanden gekommen war. Die drei Kreuzer der D - Flotte hatte Admiral Drummond vor Belfast zurückgelassen , um Fühlung mit der roten B-Flotte zu behalten. Die Vereinigung der beiden blauen Flotten war

somit vollzogen .

Es

erübrigt

noch , die Fahrt

der

kleinsten, aber schnellsten blauen D - Flotte zu verfolgen. Sie hatte schon am Donnerstag Nachmittag den Shannon verlassen und sich mit langsamer Fahrt auf ihren Rendezvousplatz begeben. Die See, die an diesem Tage noch unangenehm hoch gewesen war, ging am Freitag herunter , so dafs der Admiral mit 161 2 sm. Fahrt Abends seinen Marsch um die Nordspitze Irlands herum antreten konnte. Alle Lichter waren verdunkelt und die nötigen Sicherheitsmafsregeln getroffen. Konnte die Flotte diese Geschwindigkeit durchhalten , so hatte sie den engen und wegen der zu erwartenden Torpedobootsangriffe gefährlichen Nord-Kanal vor Anbruch der nächsten Nacht erreicht. Sie wurde indefs schon im Anfang des Marsches durch den „ Salamander" aufgehalten , Unordnung geriet.

dessen Maschine in

Der Admiral hoffte, ihn noch durch Ermässigung

der Fahrt mitzubekommen , überliefs ihn aber schliesflich seinem Schicksal. Er fiel am Sonnabend den verfolgenden Kreuzern der roten B-Flotte in die Hände .

Diese (,, Latona " und Genossen) waren

am Sonnabend Mittag achterraus in Sicht gekommen und liefsen sich von da ab, wenn auch mehrfach zurückgetrieben , nicht wieder abschütteln. Wenn auch höchst lästige Gäste, so trugen sie doch zur

194

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

Erheiterung bei , als sie einmal durch Signal das Geschwader aufDas Flaggschiff heifste darauf die

forderten , die Flagge zu zeigen . spanische im Grofstopp und

die amerikanische an der Gaffel,

und

bald vervollständigten die übrigen Schiffe den Scherz durch Entfaltung der Nationalflaggen aller möglichen Länder. Es war halb elf Uhr Abends und Torpedobootsangriffe. noch leidlich hell, als die Posten in den Marsen Torpedoboote voraus und querab meldeten . Die Flotte befand sich um diese Zeit im engsten Teil des Nord-Kanals und alles stand klar, um die unangenehmen Gesellen warm zu empfangen.

Etwa eine Stunde später waren sie

denn auch da. Wie auf Kommando flammten jedoch auf allen Schiffen die elektrischen Scheinwerfer auf und beleuchteten weithin die Scene. Die Boote konnten bequem die nötigen drei Minuten unter Feuer gehalten werden und verschwanden bald im Dunkel .

Auch ein zweiter

Angriff etwa eine Stunde später verlief ebenso unglücklich für die Boote, scheint jedoch den Erfolg gehabt zu haben, dafs die „Aurora" von der Flotte abkam und auch bei der am frühen Morgen stattfindenden ersten Entscheidungsschlacht nicht zugegen war. Der Admiral beorderte nun die drei Kreuzer und die beiden Torpedobootsjäger vor die Mündung des Belfast Lough, um die Torpedoboote zu verfolgen und Fühlung Er selbst mit der nachfolgenden feindlichen B-Flotte zu behalten . fuhr mit dem Gros der Flotte weiter und vereinigte sich kurz nach zwei Uhr bei der Insel Man mit der Schwesterflotte unter Admiral Diesen Moment benutzten die feindlichen Torpedoboote Seymour. sehr geschickt zu einem erneuten Angriff, der den blauen Schiffen sicherlich äusserst verderblich geworden wäre, wenn die Boote besser Unbemerkt waren diese plötzlich mitten unter geschossen hätten . den grade in der Vereinigung begriffenen Schiffen und entsendeten ihre tödlichen Geschosse nach allen Richtungen . Ein Torpedo ging kurz vor, ein anderer etwa 5 Yards hinter der " Warspite" vorbei. Dem कर्मSt. George " kam ein Boot von hinten auf und feuerte seinen Torpedo, der jedoch sein Ziel nicht einholte. Mittlerweile waren alle Scheinwerfer und Schnellfeuerkanonen in Thätigkeit getreten, hätten aber in Wirklichkeit wohl mehr Schaden, wie Nutzen angerichtet. Die Torpedoboote fischten ihre verschossenen Torpedo wieder auf und die vereinigte Flotte setzte unbeschädigt den alten Kurs der C-Flotte Um halb vier Uhr kam noch einmal ein nach dem Norden fort. Torpedoboot in Sicht, das von einem Torpedobootsjäger verfolgt wurde. Es machte sein Erkennungszeichen, das auf den Schiffen jedoch erst erkannt wurde, als diese es schon eine geraume Zeit mit heftigem Feuer bedacht hatten. Der Verfolger, der in diesem Falle ein Feind war, hatte sich zur rechten Zeit aus dem Staube gemacht.

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

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Nach ihrer Vereinigung Die Entscheidungsschlachten. steuerte die blaue Flotte nordwärts, um die rote B-Flotte abzufangen, deren Nahen die Kreuzer meldeten. Das Wetter war diesig ; und als gegen fünf Uhr der Morgennebel sich hob, waren die beiden Flotten so nahe ( erste Schlacht ), dafs ein Kampf unvermeidlich erschien . Admiral Dale ordnete seine Kiellinie und nahm seine Kreuzer an die Landseite .

Die blaue Flotte war in vier Kolonnen zu drei Schiffen

formirt, befand sich jedoch nicht in voller Ordnung.

Um halb sechs Uhr eröffnete das Flaggschiff, die „ Alexandra “ auf 4000 Yards das Feuer auf den Feind, der, so schnell es die Geschwindigkeit des Conqueror" erlaubte, an der Küste herunterkam. Er hatte offenbar

die Absicht, sich an den übermächtigen Gegner vorbei den Weg nach dem nahegelegenen Belfast zu erzwingen . Admiral Seymour suchte das zu verhindern, indem er so manövrirte, dafs sein Gegner nicht zwischen ihm und dem Lande durchkommen konnte, ohne nach der einen oder der andern Seite gegen die Manöverregeln zu verstofsen . Er verstiefs nach beiden Seiten. Um den Weg abzukürzen, wählte er einen Kurs, der ihn näher wie eine Seemeile an den ""Maidens " vorbeiführte, einem kleinen nur von Leuchtthurmwärtern bewohnten Felseneiland in der Nähe der Küste und konnte es aufserdem nicht vermeiden, näher wie acht Kabel an die blaue Flotte heranzukommen. Als die beiden Flotten querab von einander waren, wendete Admiral Seymour mit der seinen und brachte sie auf parallelen Kurs mit der des Feindes . Hierbei scheinen „Colossus " und „ Edingburgh " auf eigene Faust etwas nähere Fühlung mit letzterem gesucht zu haben, so dass sie in den Bereich der supponirten Festungswerke kamen und von Admiral Dale als genommen beansprucht wurden . Nachdem der Kampf etwas länger wie eine Stunde gedauert hatte, befand sich die rote Flotte in Sicherheit hinter den Befestigungen von Belfast. Bei ihrem Einlaufen hatten sich die ersten Kreuzer der roten A-Flotte am südlichen Horizont gezeigt, und Admiral Dale schickte die „ Latona “ ab, um Admiral Fitz-Roy von dem Vorgefallenen zu unterrichten . Diese ging mit zwanzig Seemeilen Fahrt vor dem Bug des Feindes vorbei und liefs auch bald die zu ihrer Verfolgung abgeschickte "Barfleur" weit hinter sich. Admiral Seymour hatte währenddessen die "Niger" mit der Parlamentärflagge dem fliehenden Feinde nachgeschickt, um ihm mitzuteilen, dafs er ihn als besiegt betrachte . Er konnte dies allerdings nach den Manöverregeln nicht damit begründen, dafs er ihn mit seinen überlegenen Streitkräften überwältigt hätte, weil der Kampf nicht die vorgeschriebenen zwei Stundeu gedauert hatte, wohl aber, weil die B-Flotte gegen drei Vorschriften verstofsen hatte, die jede einzeln sie für vierundzwanzig Stunden aufser Gefecht

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Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

In erster Linie habe Admiral Dale gegen die Grundregel der Manöver gehandelt, welche lautete, dafs „ von keiner bei den Manövern beteiligten Personen irgend etwas gethan werden dürfe, was im wirklichen Kriege nicht erlaubt oder ratsam sei. " Sodann habe er sich dem neutralen Lande mehr wie gestattet genähert und wäre schliesslich näher wie acht Kabellängen am Feinde gewesen. Admiral Dale antwortete, dafs die Entscheidung hierrüber den Unparteiischen zufalle und dafs er sich solange als nicht besiegt betrachte. Mittlerweile war die rote A- Flotte von Süden herangekommen, und während die blaue Flotte ihr entgegenging , kam auch schon Admiral Dale mit seiner B-Flotte aus dem Hafen heraus, um seinem Partner die Hand zu reichen. Zweite Schlacht. Als Admiral Seymour auf 4000 Yards heran war, eröffnete er um 10 Uhr 22 Minuten das Feuer auf den neuen Gegner, das, von diesem aufgenommen, nun zwei Stunden lang dauerte. Admiral Fitz-Roy , der in einfacher Kiellinie fuhr ,

brachte zugleich

durch eine Wendung nach Backbord seine Flotte auf parallelen Kurs mit dem Feinde , dessen Schiffe zuerst in Divisionen in Kiellinie, später in Divisionen in flacher Staffel formirt waren. Die blauen Kreuzer waren dabei zum Teil an der dem Feinde zugekehrten Seite, so dafs sie das ganze Feuer der Schlachtschiffe desselben auszuhalten hatten. Die beiderseitigen Formationen blieben bis zum Schlufs des Gefechtes dieselben. Inzwischen hatte Admiral Dale von der überlegenen Geschwindigkeit seiner Schiffe Gebrauch gemacht , hatte die blaue Flotte überholt und sich der Schwesterflotte angeschlossen. Um 10 Uhr 41 Minnten eröffnete auch er das Feuer. Kurz zuvor hatte sich die „Aurora" der blauen D-Flotte wieder angeschlossen und auch die von der roten A-Flotte zurückgebliebene ,,Devastation" ihren Platz wieder eingenommen .

Mit Ausnahme der „ Intrepid" auf blauer und

mehrerer Torpedobootsjäger auf beiden Seiten waren beide Flotten in ganzer Stärke auf dem Kampfplatz , so daſs die Überlegenheit nach Punkten auf Seite der Roten war. Als Admiral Fitz-Roy kurz nach zwölf Uhr seinen Gefechtswimpel niederholte und damit anzeigte, daſs er den Kampf als beendet betrachte, teilte er deshalb auch dem Admiral Seymour mit, dafs er ihn geschlagen habe , während dieser auf Grund der Ereignisse vom Morgen , die rote B-Flotte als nicht mehr vorhanden betrachtend, sich seinerseits den Sieg zuschrieb. Entscheidung der Unparteiischen.

Wie zu erwarten , fiel

die Entscheidung der Unparteiischen zu Gunsten der blauen Seite aus. Sowohl in der ersten , wie auch folgerichtig in der zweiten Schlacht wurde ihr der Sieg zugesprochen , während der roten Seite nur die Vernichtung der beiden blauen Schlachtschiffe ,,Colossus " und ,,Edingburgh" in der Schlacht am Morgen zugestanden wurde.

197

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

Nachspiel in Belfast.

Nach Beendigung der zweiten Schlacht

waren die Flotten in den Hafen gegangen, die rote nach Belfast, die blaue C- Flotte nach Kingstown, die blaue D - Flotte nach Holyhead. Bis Montag Mittag war allgemeine Waffenruhe, da die Roten auf alle Fälle für 24 Stunden aufser Gefecht gesetzt waren .

Da bis zu diesem

Zeitpunkt noch kein Entscheid der Admiralität da war , ob die Manöver beendet wären oder nicht, so rüstete sich Admiral Fitz-Roy, Am seine Flotte gegen etwaige Torpedobootsangriffe zu schützen . Montag Nachmittag wurden von den Schiffen Torpedonetze ausgebracht und Dampfboote ausgesetzt. Mit Dunkelwerden übernahmen letztere auf einer inneren Linie die Überwachung des Geschwaders , während vier Torpedobootsjäger eine zweite weiter vorgeschobene äufsere Linie besetzten. Von den Ereignissen der Nacht giebt ein Augenzeuge folgende Schilderung : Es war ungefähr zwei Uhr , als ich durch die Rückkehr zweier Wachboote aufgeweckt wurde. Ich hatte kaum wieder fünf Minuten geschlafen , als ich durch Lärm auf Deck von neuem gestört wurde. Ich stand auf, ging auf die Kommandobrücke und

sah in der Vorpostenlinie ein rotes Very - Licht scheinbar als

Signal brennen. Zwei Minuter später eröffneten die meisten der seewärts von uns liegenden Schiffe unserer vier Reihen ein ziemlich lebhaftes Feuer und begannen die elektrischen Scheinwerfer in geradezu verwirrender

Art

nach

allen

Richtungen

hin

spielen

zu lassen.

Zwanzig Minuten nach 2 sahen wir zwei Torpedoboote Backbordachterraus. Ich bin moralisch überzeugt , dafs es unsere eigenen Boote waren, die von einer Rekognoszirung zurückkamen. Ich verlor sie jedoch sofort wieder aus Sicht durch die unsinnige Art ,

in der

fünfzig bis sechzig elektrische Scheinwerfer ihre Thätigkeit ausübten. Dreiundzwanzig Minuten nach 2 eröffnete auch unser Schiff das Feuer, hauptsächlich wohl , um zu zeigen , dafs wir nicht schliefen, da alle übrigen Schiffe schon auf das heftigste schossen . Keiner wufste , ob er auf Freund oder Feind schofs.

Die meisten Schiffe

feuerten einfach ins Blaue , viele von ihnen bestanden am andern Tage auch nicht mehr darauf, dafs sie irgend einen Feind gesehen hätten. Dieser beklagenswerte Zustand dauerte dreizehn Minuten. Bedeutung des Nachspiels . Die Bedeutung dieses Nachspiels liegt in der übergrofsen Wahrscheinlichkeit , mit der ein solcher Zustand in einem künftigen Seekrieg nur zu leicht herbeigeführt werden kann. Hier Hier war war es ein Torpedoboot II. Klasse vom „ Conqueror", das , aus der Vorpostenlinie zurückkehrend , die Panik verursachte. Es wurde nicht als Freund erkannt, und sofort begann ein ziel- und planloses Feuern , das durch den ebenso planlosen Gebrauch der Scheinwerfer nur noch gefährlicher wurde. Im Umkreise von Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2.

14

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

198

100 Meilen war kein Feind vorhanden .

Diese Thatsache verhinderte

auch nicht, daſs dem Admiral am folgenden Morgen die unglaublichsten Berichte zugingen.

Fünf Schiffe berichteten, dafs jedes ein Torpedo-

boot gesehen habe ,

fünf andere sogar ,

dafs sie zwei Torpedeboote

und wieder ein anderes , dafs es drei Torpedoboote gesehen habe. Solche Wahnvorstellungen ruft die Panik hervor. Ein Mann erklärte, dafs er auf einem der angreifenden Boote die Nummer 60 gelesen habe, ein anderer schwor , dafs er gesehen habe , wie eins der feindlichen Boote einen Torpedo abgeschossen habe. Nr. 60 war um diese Zeit in Holyhead und ein Torpedo konnte naturgemäfs auch nicht gefeuert werden. In einem wirklichen Kriege hätte unter Umständen dieser falsche Lärm einen Selbstmord der ganzen Flotte zur Folge gehabt, zum Mindesten aber eine erhebliche Anzahl Menschenleben gefordert und einen beträchtlichen Schaden an Schiffen und Booten herbeigeführt. Besprechung der Manöver.

Die Manöver , die nach den ge-

troffenen Dispositionen zehn Tage dauern sollten , kamen durch das Zusammentreffen mehrerer Umstände zu einem schnellen Ende. Am Freitag , den 2. August , Abends 9 Uhr begonnen , waren sie schon am Sonntag, den 4. um 12 Uhr Mittags beendet, hatten also gerade neununddreissig Stunden gewährt .

Doch bedeutet diese schnelle Er-

ledigung durchaus keinen Mifserfolg, spricht vielmehr für die richtige Auffassung und Durchführung der Manöver-Idee seitens der führenden Admirale.

Der verstorbene Admiral Tryon, einer der befähigsten englischen Admirale und berühmter Manöver-Stratege, legte besonderes Gewicht darauf, dafs die Manöver nicht dazu da seien , ein Urteil über die Leistungsfähigkeit der beteiligten Führer zu gewinnen , sondern um praktische Aufgaben zu lösen und damit Erfahrungen für eine künftige Seekriegführung zu sammeln. Es braucht kaum betont zu werden, dafs ebenso wenig ein unparteiischer Zuschauer die Aufgabe oder Absicht haben kann, die Handlungsweise der leitenden Persönlichkeiten einer Kritik zu unterziehen . Ihm kommt es vielmehr nur darauf an, die Manöverereignisse mit der wirklichen Kriegslage in Parallele zu zu stellen und vielleicht Schlüsse von allgemeinem Interesse zu ziehen. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, stellte sich der Sieg der blauen Partei über die rote als ein entscheidender Seesieg Frankreichs über England dar. Die französische Mittelmeerflotte ist von Toulon aus der französischen Kanalflotte entgegen gefahren und hat die beabsichtigte Vereinigung mit dieser in der Strafse von Gibraltar bewerkstelligt. Die vereinigten Flotten haben sodann die von den Kreuzern signalisirte englische Kanalflotte bei Tarifa überrascht und aufgerieben.

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

Die Trümmer der letzteren haben Gibraltar erreicht.

199

Nur wenig

geschwächt hat sich hierauf die französische Flotte an die Aufsuchung der englischen Mittelmeerflotte gemacht und dieselbe auch bald gefunden. Durch die Nähe der eigenen Festung bestochen und auf die Hülfe der dort liegenden Überreste der Schwesterflotte bauend, läfst sich der englische Admiral auf eine Schlacht ein, in der er trotz des Eintreffens der erwarteten Hülfe gänzlich besiegt wird. Diese Resultate gaben dem Admiral Recht, der ohne alle anderen Rücksichten nur auf eine möglichst schnelle Vereinigung seiner Streitkräfte bedacht gewesen war. Dafs er hierbei vom Glück begünstigt wurde, bestätigt nur die Regel, dafs sich dieses mit Vorliebe in den Dienst der besten Sache stellt. Die blauen Flotten vereinigten sich gerade, und zwar gerade zur rechten Zeit, um sich mit Übermacht auf Admiral Dale's Flotte werfen zu können , bevor diese Belfast, also Gibraltar erreicht hatte. Wäre Admiral Seymour's Flotte nur eine Stunde durch Maschinenhavarien oder Wetterverhältnisse aufgehalten worden, während Admiral Dale's Marsch ungestört blieb, so würde letzterer Belfast ohne Unfall erreicht haben und die ganze Lage zu Ungunsten der blauen Seite verändert worden sein. Admiral Seymour wäre gezwungen gewesen, Admiral Fitz-Roy aufzusuchen, stets in der Gefahr, durch das Erscheinen Dale's zwischen zwei Feuer gebracht zu werden. Wie die Sachen lagen, wurde die Entscheidung durch

die

Handlungsweise des Admiral Dale zu Ungunsten der roten Seite beschleunigt. Vom Standpunkte des Unparteiischen, der nur die Thatsachen und nicht die Gründe der handelnden Personen kennt, war es unzweifelhaft ein Fehler von ihm, an dem übermächtigen Feinde vorbei das Einlaufen nach Belfast zu erzwingen .

Hatte er von der Ver-

einigung der blauen Flotten Kenntnifs, so wäre es fraglos richtiger gewesen, einem Kampf mit ihnen auszuweichen und damit die Entscheidung so lange hinzuzögern, bis Admiral Fitz-Roy heran war. Das Nahen des letzteren wufste er, während es der Feind nur vermuten konnte ; er war in der That so nahe, dafs er nach einer halben Stunde in Sicht kam . Auf diese Weise wäre wiederum Admiral Seymour zwischen zwei Feuer gekommen und der Sieg aller Wahrscheinlichkeit nach der roten Seite zugefallen. Doch alle diese Überlegungen können in keiner Weise den Erfolg der blauen Flotte schmälern. Vor allem ist es die Schnelligkeit der D-Flotte und die ausgezeichnete Verwendung derselben durch Admiral Drummond auf seinem Marsche um Irland herum, die in die Augen fällt . mit 15

Seemeilen Fahrt

seine

Schiffe

durch den

Er führte

navigatorisch

schwierigen und von feindlichen Torpedobooten bedrohten Nordkanal und bewies damit, dafs sowohl gegen Strom und Untiefen wie gegen 14*

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

200

die Angriffe des unheimlichen Feindes Geschwindigkeit das beste Mittel ist. Ohne Besinnen setzte er auch seinen Marsch fort, als während der Torpedobootsangriffe eins seiner Schlachtschiffe vom Geschwader abkam und führte so dem Admiral Fitz-Roy die wertvolle Verstärkung von drei Schlachtschiffen zu. Auf roter Seite ist es die A-Flotte, deren eigenartige Verwendung die Kritik herausforderte ; denn wenn ein Admiral sich im Kriege in der Nähe feindlicher Küsten von seinen Kreuzern trennt, so mufs dies einen besonderen Grund haben. Vielleicht glaubte Admiral FitzRoy, dafs der Befehlshaber der Toulon -Flotte ihn auf seinem Kurse nach Gibraltar irgendwo erwarten würde, um die Entscheidung zwischen Dieser den beiderseitigen Mittelmeerflotten sofort herbeizuführen . Eventualität auszuweichen, schickte er dann sechs seiner besten Kreuzer als geschlossenes Geschwader voraus in der Hoffnung, dafs sie am nächsten Tage vom Feinde an dessen Gibraltar-Seite gesehen werden würden.

Liefs dieser sich durch die grofse Zahl der Kreuzer zu der

Annahme verleiten, dafs er die ganze englische Mittelmeerflotte vor sich habe, so lag auch der weitere Schlufs für ihn sehr nahe, dafs nun eine Vereinigung der beiden englischen Flotten nicht mehr zu hindern sei,

dafs

es für ihn deshalb am besten sei, vorläufig dem

überlegenen Feinde auszuweichen und seine Schiffe in Sicherheit zu bringen

Toulon in

Dann war für Admiral Fitz- Roy der Weg frei.

Als ein anderer Vorteil von dessen langsamem Vorgehen kam hierzu, dafs er die feindlichen Küsten, von deren Häfen ihm Torpedobootsangriffe drohten, bei Tage passirte . Mag der Plan des Admiral FitzRoy dieser oder ein ähnlicher gewesen sein, der Mifserfolg gab ihm Unrecht ; und wohl hauptsächlich deshalb, weil der Admiral zu sehr mit den Fehlern des Gegners gerechnet hatte. Wenn man bei den Entscheidungsschlachten das Manöver mit dem Kriege vergleicht, so ergiebt sich, dafs die Verhältnisse in einem wirklichen Kriege doch anders gelegen hätten . Nach den Manöverregeln war die Entscheidung der Unparteiischen unzweifelhaft richtig. Die C- und D-Flotten zählten während der ersten Schlacht 50 Punkte (" Aurora " und "Intrepid " fehlten), konnten also mit Recht die nur 32 Punkte zählende rote B- Flotte als vernichtet betrachten. Nach dem Eintreffen der „Aurora “ zählten die C- und D- Flotten 56 Punkte und schlugen wiederum mit Recht die nur 32 Punkte zählende rote A-Flotte.

Das heifst mit anderen Worten : eine ihrem Gegner etwa

um 60 % überlegene Flotte vernichtet diesen Gegner und trifft dann einen zweiten Feind von der gleichen Stärke des eben überwundenen und darf dann auch diesem gegenüber ihre volle Überlegenheit von 60 % zur Geltung bringen.

Im wirklichen Kriege würde der Zustand

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

201

der blauen Flotten nach einer blutigen Schlacht am Morgen sicher nicht derart gewesen sein, um am Nachmittag einen neuen entscheidenden Sieg über eine frische Flotte von gleicher Stärke wie die am Morgen besiegte , zu erkämpfen. Der Siegesrausch mag manche Schwächen ausgleichen ; wenn man aber den modernen Waffen auch ihr Recht läfst ,

so wäre es nur gerecht gewesen ,

den wirklichen

Wert der blauen Flotten für den zweiten Kampf um einen beträchtlichen Prozentsatz herabzusetzen. Im Kriege würde sich Admiral Fitz- Roy vielleicht nichts besseres gewünscht haben , als einen schon geschwächten Gegner zu treffen, und Admiral Dale würde sich damit haben trösten können , gerettet zu haben. Torpedoboote .

durch Opferung seiner Flotte das Vaterland

Aufserst überraschend ist die untergeordnete

Rolle, welche die Torpedoboote in den Manövern spielten .

In einem

für sie günstigen Terrain und unter durchweg günstigen Witterungsverhältnissen haben sie so gut wie garnichts geleistet. Von den achtzehn Booten der blauen Seite ist überhaupt nicht die Rede ; und die sechs Boote der Roten haben, wenn auch schneidig und umsichtig geführt, nur Miſserfolge zu verzeichnen. Man möchte glauben , dafs die Schuld mehr am Personal, wie am Material liegt.

Der Torpedo

läuft nur und trifft nur , wenn er gut behandelt wird. Zu seiner richtigen Behandlung gehören aber theoretische Kenntnisse, die nicht Jedermanns Sache sind. Die Befähigung des englischen Seemannes liegt jedenfalls mehr auf praktischem, wie auf theoretischem Gebiete, und er ist nur zu sehr geneigt, dieser Veranlagung auch beim Torpedo nachzugeben .

Wäre der Torpedo wie ein football zu behandeln , so

wären die Schiefsresultate in England sicher die glänzendsten .

Doch

sind es die schlechten Schiefsleistungen nicht allein , die den Mifserfolg der Torpedowaffe ausmachen. Der Hauptfehler scheint vielmehr in der taktischen Verwendung der Boote zu liegen . Man hat die Manöver von mehreren Jahren dazu benutzt, um Erfahrungen hierüber zu sammeln, und diese Erfahrungen haben auch in den diesjährigen Manövern Ausdruck gefunden . dreien unter einem Führer.

Die Boote operirten in Gruppen zu

Jede Gruppe hatte ihr Mutterschiff und

ihre eigene Operationsbasis. In dieser Verwendung ist jedoch gleichzeitig ausgedrückt, dafs die ganze Waffe der Küstenverteidigung dient. Die hohe See ist ihr, der schlechten Wasser- und Wetterverhältnisse wegen, unter denen Grofsbritannien leidet , verschlossen . Verlangte man nun trotzdem Leistungen gegen einen auf hoher See befindlichen Feind, so mufste man den Torpedobooten behülflich sein, diesen Feind zu finden. Von Seiten des Admiral Seymour wurde zu diesem Zweck eigens der Kreuzer

Intrepid " in ihren Dienst gestellt.

Dafs aber

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

202

ein einzelner Kreuzer für soviele Stationen nicht genügt, liegt auf der Hand .

Eine Heranziehung der Mutterschiffe zu diesem Dienst hätte

schon mehr genützt , am meisten jedoch die Leitung der Boote von einer geeignet gelegenen Centralstation, die ihre Nachrichten von allen andern Signalstationen und auch von der zugehörigen Flotte bekommt. In englischen Marinekreisen neigte man sich schon seit längerer Zeit der Ansicht zu, daſs die vorhandenen Torpedoboote ihrem Zweck nicht genügten und Stimmen aus dem diesjährigen Manöver sprechen sich

dahin

aus ,

dafs

die jetzigen

Torpedobootsjäger

(,,Havock" ,

,,Hornet" etc. ) gerade grofs genug sind, um das zu leisten, was man bisher von den Torpedobooten verlangte. Manövergebiet .

So geschickt auch ohne Frage das Manöver-

gebiet zur Lösung der gestellten Aufgabe ausgewählt und zurecht gemacht war, so beeinträchtigt es doch durch seine geringe Gröfse den Wert der gemachten Erfahrungen .

Entfernung und Geschwindigkeit,

beide in enger Beziehung zum Kohlenfassungsvermögen der Schiffe stehend, sind heutzutage die beherrschenden Faktoren jedes Seekrieges. Da nun die im Manöverterrain von den Flotten zurückzulegenden Wege etwa 38 % von den ihnen entsprechenden wirklichen Entfernungen ausmachten, so ist es noch nicht gesagt, ob die Marschleistungen auf diesen dieselben gewesen wären. Um diesen Fehler herauszubringen, wäre das ganze Groſsbritannien ein besseres Manövergebiet gewesen. Auch für die Thätigkeit der Kreuzer war das Gebiet zu klein.

Es gab ihnen keine Gelegenheit , ihre Leistungsfähigkeit

für Nachrichtenübermittelung auf grofse Entfernung zu beweisen und führte in einem Falle dazu , dass sie zu einem ihrer Bestimmung wenig entsprechenden Zweck benutzt wurden . Um so mehr ist dies zu bedauern ,

da zum ersten Mal den Flotten so viel Kreuzer bei-

gegeben waren , dafs auf jedes Schlachtschiff ein Kreuzer kam ; ein idealer Zustand , möglich ist.

der

vorläufig

nur in der englischen Marine

Personal. Je komplizirter das Schiffsmaterial wird, desto mehr Anforderungen müssen an das Personal , welches damit hantiren soll, gestellt werden.

Diesen Ansprüchen wurde von dem seemännischen

Personal während der Manöver in vollem Mafse genügt, während das Maschinenpersonal , namentlich in wünschen übrig liefs.

seinen unteren Chargen,

viel

zu

Man hatte an Stelle ausgebildeter Heizer viel-

fach gänzlich unerfahrene Leute nehmen müssen , um den Etat nur einigermafsen aufzufüllen . Die Folgen blieben nicht aus. Während der ganzen Manöver und während der Vorübungen zu denselben verging kein Tag , an dem nicht ein oder das andere Schiff oder Fahrzeug mit irgend einem Schaden an Kesseln oder Maschine nieder-

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

203

brach. Auch an der Ausnützung ihrer vollen Geschwindigkeit waren die Schiffe zum Teil gehindert. Offiziere. Das Offizierkorps der englischen Flotte ist noch immer nicht grofs genug, um die vorhandenen Schiffe im Kriegsfalle alle besetzen zu können . Es ist dies eine Folge der schnellen Vergröfserung der Flotte in den letzten fünf Jahren , mit der die Vermehrung des Personals nicht Schritt halten konnte. Man hatte für die Manöver zusammengeschaart , was sich nur finden liefs und doch waren grofse Lücken auf den meisten Schiffen ,

namentlich in der

Charge der Lieutenants. Wunderbar erscheint es , daſs man gerade die kleinen Fahrzeuge unter diesem Mangel hat leiden lassen . So waren auf mehreren Torpedobootsjägern der „ Onyx "-Klasse nur die Offiziere , ein Kommandant , ein Unterlieutenant und ein Deckoffizier oder Seekadet , der Offiziersdienst that . war I. Offizier , einer Person.

Einer der beiden letzteren

der andere Navigationsoffizier und Beide sowohl

wie

Zahlmeister in

der Kommandant gingen Wache.

Das Resultat war in zwei Fällen der physische Zusammenbruch der Fahrzeuge, im Allgemeinen aber der, dafs die Fahrzeuge zur Schonung ihres angestrengten Personals während der Vorübungen des Nachts in den Hafen geschickt werden mussten und so ihrem eigentlichen Zweck verloren gingen.

Aber auch auf den Schiffen waren nicht

immer die Offiziere vorhanden , die nach der Rangliste an Bord sein sollten. So gab es ein Schiff in der Flotte , von dessen vier als an Bord befindlichen Lieutenants einer in Kanada, der andere in Australien war. Dafs sich hieraus der weitere Notstand ergab, jüngere Offiziere in Stellungen zu verwenden, die sie ihrem Dienstalter nach noch nicht auszufüllen im Stande waren , liegt auf der Hand .

Die Gründe für

die ungenügende Stärke des englischen Seeoffizierkorps liegen neben der vorhin schon angeführten schnellen Vermehrung der Schiffe auch in den schlechten und nach unseren Begriffen ungerechten Avanzementsverhältnissen. Konnektionen spielen die Hauptrolle. So trafen sich zwei Offiziere wieder , welche vor einem Vierteljahrhundert zusammen auf einem Schiffe als Lieutenant und Seekadet gewesen waren. Der Seekadet war mittlerweile Kapitän geworden , noch immer Lieutenant.

Ärzte.

der Lieutenant war

Auch mit dem ärztlichen Personal hatte man sparen

müssen und zwar wiederum auf den kleinen Fahrzeugen.

So hatten

,,Onyx" und ,,Sheldrake" bei einer Besatzung von 90 Köpfen überhaupt keinen Arzt an Bord. Auf einem der letzteren hatte sich ein Mann Er mufste eine erhebliche Verletzung an der Hand zugezogen . mehrerere Tage warten, ehe er in ärztliche Behandlung kam, wo ihm dann der Finger abgenommen wurde. Eine interessante Aufstellung,

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

204

wie sich der Personalbedarf im Kriege stellt ,

wenn alle in der

Heimat befindlichen Schiffe in den Dienst gestellt werden sollen, giebt der bekannte englische Marineschriftsteller ,,Nauticus " in einem Artikel der „,Fortnightly Review". Nachdem er ausgeführt , dafs das vorhandene Personal durch die Indienststellungen zu den Manövern völlig erschöpft sei , giebt er in der folgenden Tabelle die Zahl der vorhandenen Zwecke.

Schlachtschiffe

Schiffe

unter Weglassung der Schiffe

besondere

Zur Mobilmachung bereit In Dienst gestellt Blieben wurden : waren am 17. Juli: übrig: 2 1 3 6 1 8 5 8 11 3 5 22 17 5 8 1 3 11 13 67500 1 322

I. Kl. II. 77 ΠΙ. 29 17 Küstenverteidigungs - Panzer Kreuzer I. KI.. II. "9 III. "" Sloops . Torpedofahrzeuge

für

79

39

40

Es waren also am 18. Juli gerade die Hälfte der zur Indienststellung bereiten Schiffe in Dienst gestellt und 40 blieben übrig. Um auch diese in See schicken zu können, wären 15 120 Offiziere und Mannschaften , 6360 für Portsmouth , 4920 für Devonport und 3840 für Chatham nötig gewesen , die aufzubringen der Admiralität hätte schwer fallen dürfen. Über das Material ist wenig zu sagen , da die Material. Leistungsfähigkeit der Schiffe schon bei der Beschreibung des Marsches der Flotten Ausdruck gefunden hat . Schlachtschiffe und Kreuzer genügten den an sie zu stellenden Forderungen. Ruder- und Maschinenhavarien werden immer vorkommen, und man kann sich freuen , wenn sie nicht in gröfserer Häufigkeit auftreten , jährigen Manöver.

wie während der dies-

Die Klasse der Torpedofahrzeuge, der sogenannten Torpedobootsjäger , stellte sich auch in ihren neusten Vertretern ,, Havock" und ,,Hornet " als völlig unbrauchbar dar. Diese Fahrzeuge , die bei den Probefahrten nominell 27 sm. liefen , brachen schon zusammen, als in den Manövern kaum 20 von ihnen verlangt wurden.

Unbegreiflich

erscheint es, dafs der Typ immer noch weiter ausgebaut wird. Von den Torpedobooten hörte man wenig. Bei der Indienststellung derselben waren wie üblich lecke Kesselrohre zur Genüge da . Bei den Vorübungen verlor ein Boot den Propeller , ein anderes sprang leck. Auf dem Heimwege von den Manövern brach noch ein anderes mit gesprungenen Cylindern nieder.

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

Kohlen.

205

Nachdem man erkannt hat , dafs es im Kriege von

äufserster Wichtigkeit ist ,

die Schiffe möglichst schnell mit Kohlen

zu versehen , ist man von Jahr zu Jahr bestrebt gewesen , dieser Erkenntnifs Rechnung zu tragen.

Nicht nur

dafs das Kohlennehmen

selbst zu einem Manöver geworden ist , bei dem die Schiffe sich gegenseitig an Schnelligkeit zu übertreffen suchen ,

so hat man in

England noch während der Manöver jeder Flotte einen Stabsoffizier beigegeben , dessen Dienst nur darin bestand ,

alle Maſsnahmen

zu

treffen, damit die Flotte beim Einlaufen in den Hafen das erforderliche Quantum Kohlen, zur ungesäumten Übernahme fertig, vorfindet. Auch Erfindungen aller Art sind gemacht , um den Transport der Kohle von einem Schiff zum

andern zu erleichtern.

Einige

der

gröfseren Kriegsschiffe und verschiedene Kohlenschiffe waren mit Temperley-Transporteinrichtungen versehen. Letztere erwiesen sich jedoch für die grofsen Schiffe von geringem Nutzen, während ihre Hülfe den kleinen mehr zu Gute kam. Die „Empress of India" , eins der neuen

14 000 Tons - Schiffe,

nahm ohne diese

Erleichterungen

50 Tons pro Stunde und ihren ganzen nötigen Kohlenvorrat in 5 Stunden 10 Minuten.

Der Kreuzer I. Kl. „ Endymion " nahm bei elektrischem

Licht in 6 Nachtstunden 200 Tons, das sind etwas mehr wie 33 Tons pro Stunde.

Das Panzerschiff ,,Blenheim" nahm bei Tage 150 Tons

in 4 Stunden, also 37 Tons pro Stunde .

Leider stehen keine Durch-

schnittszahlen zur Verfügung ; nichtsdestoweniger ist es interessant, die Durchschnittszahlen aus den Manövern 88 und 89 anzuführen,

N

die 18 resp. 22 Tons pro Stunde betrugen. Sehr viel Klagen wurden laut über die Schwierigkeit, die an Bord genommenen Kohlen ebenso schnell zu verstauen . In erster Linie waren es die grofsen modernen Kreuzer der „Crescento " -Klasse, welche unter diesem Übelstand zu leiden hatten. Theseus" z. B. konnte nur 19 Tons pro Stunde verstauen, bei einem Kohlenfassungsvermögen von 1200 Tons gewifs eine zu geringe Menge. Auch eine andere Schwierigkeit, die nötigen Kohlen bei hoher Maschinenleistung vor die Kessel zu schaffen , machte sich geltend, wenn man die zum Schutz von Kesseln und Maschinen an den Seiten derselben lagernden Vorräte nicht angreifen wollte. Ist es schon im Frieden störend für den Dienstbetrieb, zum Kohlenheranschaffen einen beträchtlichen Teil des seemännischen Personals heranziehen zu müssen, so verbietet sich dies im Kriege von selbst . Hier ist der Schiffbauer, der Abhülfe schaffen mufs. Nach allen während der Manöver gemachten Erfahrungen ist man zu dem Schlufs gekommen, dafs die Verhältnisse, unter denen im Frieden Kohlen genommen werden, im Kriege nicht genügen, wenn die Schiffe

206

Die englischen Flottenmanöver des Jahres 1894.

nach Tagen angestrengten Dienstes in den Hafen kommen .

Nicht

nur werden Offiziere und Leute so erschöpft sein, dafs sie der Ausspannung bedürfen , es werden auch in ungeschützten Häfen sofort neue Pflichten zum Schutz des Schiffes gegen Torpedobootsangriffe an die Besatzung herantreten, so dafs das Kohlennehmen besser von andern Leuten besorgt werden mufs.

Es wird deshalb der Vorschlag

gemacht, ein besonderes Kohlen-Korps zu organisiren . Im Frieden nur in Stämmen vorhanden , würde es im Kriege die Besatzung der Kohlenschiffe bilden und zugleich das Kohlen selbst besorgen . Nutzen der Manöver für die Landesverteidigung.

Nirgends

mehr wie in England wacht die öffentliche Meinung über die Sicherheit des Landes, und alljährlich werden die Manöver der Flotte mit dem gröfsten Interesse verfolgt, um vorhandene Mängel in der Landesverteidigung aufzudecken und ihre Abstellung anzuregen. So wird in diesem Jahre besonders auf Portland und Gibraltar hingewiesen, deren Häfen nicht mehr den Anforderungen zur Aufnahme und zum Schutz grofser Flotten genügen. Für ersteres, Cherbourg gegenüber gelegen, ist ein zweiter Wellenbrecher in Bau, nach dessen Vollendung eine dort ankernde Flotte erst vor Torpedobootsangriffen sicher ist . Es wird geltend gemacht, daſs keiner der englischen Kriegshäfen genügende Sicherheit in dieser Beziehung biete und dafs deshalb die auf 20 Jahre berechnete Bauzeit des Wellenbrechers auf 2 Jahre verkürzt werden eine Forderung, die schon deshalb billig ist, weil sie der müsse, Billigkeit zu Gute kommt. Noch dringender werden für Gibraltar eine Mole zur Herstellung eines sicheren Innenhafens, sowie Docks und Reparaturwerkstätten für Schiffe gefordert. Auch dieser Forderung wird der Verlauf der Manöver ohne Frage zu Gute kommen.

XIII .

Über Melde- und Ordonnanz -Dienst der Kavallerie. Von

Junk, Rittmeister a. D.

Wenn man die verschiedenen Thätigkeiten einer Truppe im Felde betrachtet , von der Patrouille bis zur Armee hinauf, so wird man beobachten , dafs dieselben wesentlich von den Nachrichten und

1

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

Meldungen abhängen, die über den Feind vorhanden sind .

207

Erst das

zu verfolgende Ziel schafft die eigentliche kriegerische Handlung , die mit Bewegung beginnt und mit Kampf endet und somit die Führerthätigkeit belebt . Der Meldedienst ist ein Kind des Nachrichtenwesens , insofern dieses die grofsen Verhältnisse umfafst und durch die Meldung aus diesen heraus sich dienstbar macht. Melde- und Ordonnanzdienst stehen in fortwährender Wechselbeziehung zu einander , sind daher auch garnicht von einander zu trennen. In jedem wohlgeordneten Heerwesen sehen wir im Hinblick auf kriegerische Verwickelungen auch dem Nachrichtenwesen seinen Platz zugewiesen . Diejenigen Personen aber, die sich damit befassen, Nachrichten von Wert und Bedeutung zu liefern , treiben ein gefährliches Handwerk , welches eines hohen Lohnes sicher sein mufs. Es leuchtet ohne Weiteres ein , dafs daher derjenige Staat mit den erwünschten Nachrichten über die Armeen und militärischen Verhältnisse anderer Staaten

am besten versehen sein wird,

der mit

klingender Münze reichlich zu lohnen in der Lage ist. Das verwerfliche Treiben solcher Personen , die sich um deswillen oft zu Landesverrätern machen , steht auf einer anderen hier nicht in Betracht kommenden Seite. Der geheime Kundschafterdienst im Kriege

oder im Hin-

blick auf bevorstehende Kriege ist so alt wie der Zweck , dem er dient, so alt wie der Krieg selbst . Doch ich will nicht über Nachrichtenwesen hinsichtlich Spionen- oder Kundschafterdienst schreiben , sondern hinsichtlich des Melde- und Ordonnanzdienstes . Ich wollte aber nicht unerwähnt lassen , welche Mittel man aufwendet , um zu Nachrichten über Vorkommnisse zu gelangen , welche durch Meldungen nicht in Erfahrung zu bringen sind. Meldungen in unserem Sinne sind auch nichts anderes als

auf feindlicher Seite , umfassen aber die sich örtlich eben umfassen lassen. Denn die Meldung soll unbedingt zuverlässig und richtig sein. Der Weg von der Nachricht , im grofsen Stil besonders , bis zur Meldung , die

Nachrichten über

Vorgänge

kleinere Verhältnisse ,

der örtlichen Handlung stets vorangehen muſs, ist in Zeit und Raum Je je nach den obwaltenden Umständen ein verschieden weiter. weiter , desto mehr bleibt durch die Meldung festzustellen , inwiefern sich die Verhältnisse bis zum Zeitpunkt derselben gestaltet bezw. verändert haben , ob darnach die Nachricht überhaupt in dem ursprünglichen Sinne noch Wert hat. Einige Beispiele aus der neuesten Kriegsgeschichte mögen zur Erläuterung des Gesagten dienen. Als die Fühlung mit den bei

208

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

Wörth geschlagenen Armeeteilen des Marschalls Mac Mahon verloren gegangen war , erfuhr man zunächst nachrichtlich , dafs dieselben im Lager von Châlons in der Neuversammlung begriffen seien, später, in nordöstlicher Richtung abmarschirt wären , um eine Verbindung mit der um Metz festgehaltenen Armee des Marschalls Bazaine anzustreben . Die Nachricht erwies sich in der Folge als zutreffend , mufste aber erst als richtig durch die eingehenden Meldungen sich erweisen und in Raum und Zeit festgelegt werden. Als man nach gefallener Entscheidung bei Sedan den Marsch auf Paris wieder aufnahm , wufste man , dafs alle im Lande zur Zeit verfügbaren Truppen zur Verteidigung der Landeshauptstadt herangezogen seien, dafs man aber an der Loire mit der Neuaufstellung einer Feld - Armee bereits begonnen habe. Das Wo und Wie für die eigene Handlung blieb indefs durch eingehende Meldungen erst festzustellen. Die Nachricht umfafst meist gröfsere Verhältnisse ,

die durch

Meldungen nicht nur bestätigt, sondern auch sondirt und gegliedert werden müssen. Den Unterschied zwischen Nachricht und Meldung in der Kriegshandlung könnte man etwa so trennen , dafs die Nachricht mehr der Kriegsführung, die Meldung mehr der Gefechtsführung dient, die eine der Strategie , die andere der Taktik. der letzeren aber haben wir es hier zu thun.

Mit

Die erste Anforderung an eine Meldung , sei es schriftliche oder mündliche , ist die der gröfsten Zuverlässigkeit . Eine unrichtige Meldung ist meist schädlicher wie gar keine , mit der der Führer dann eben nicht rechnen kann, während er sich auf die ankommende verläſst , auch verlassen mufs und darnach seine Mafsnahmen trifft . Wer von uns hätte in der einen oder anderen Form nicht schon den Ausspruch gehört oder selbst gethan : ,,Wenn ich nur erst Meldung hätte, um handeln zu können." Bis zur eintreffenden Meldung tappt man mehr oder weniger im Finstern und bekannt ist das Wort, dafs derjenige, welcher seine Kavallerie nicht zu brauchen versteht, gegenüber seinem Gegner , der es versteht , wie ein Blinder mit einem Sehenden kämpft . Es ist nun nicht im Sinne dieser Zeilen , die Formalien des Melde- und Ordonnanzdienstes zu besprechen , vielmehr liegt es in meiner Absicht, auf Grund der als bekannt vorausgesetzten Formalien an der Hand der Praxis zu zeigen, wie dehnbar der Melde- und Ordonnanzdienst ist und wie er daher den Verhältnissen angepasst werden mufs , um völlig in die Erscheinung zu treten . Was nutzen die besten Meldungen, dessen gelangen , der sie erwartet ,

wenn sie nicht in die Hände um seine Entschlüsse darauf be-

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

gründen bezw.

abändern

zu können.

209

Praktische Erfahrungen im

Frieden und Beispiele aus der Kriegsgeschichte

sollen meinen Be-

trachtungen die Grundlage geben. Praktische Erfahrungen im Frieden macht und giebt nur derjenige , der auf Grund eigener kriegerischer Erfahrungen oder auf Grund sorgfältigen kriegsgeschichtlichen Studiums , die Ausbildung seiner Truppe vielseitig gestaltet, bei welcher man sich aber in erster Linie tummeln, treiben und mühen mufs. Wie fehlerhaft es ist, wenn Felddienst der praktische der theoretische, dann natürlich auch nur auf wenige Wochen des Jahres beschränkt wird, was mir die Regel scheinen will, ist schon so oft erwähnt worden, dafs ich darauf nicht weiter einzugehen brauche , aber doch wiederholen möchte, dafs dem Felddienst das ganze Jahr hindurch die Aufmerksamkeit zugewendet werden mufs , die er beansprucht, wenn man im Frieden Erfahrungen sammeln will , die im Kriege Eines beim Betriebe des Felddienstes fast durchstichhaltig sind. gehenden Fehlers möchte ich aber eingehend gedenken , der im Allgemeinen zu kurzen Dauer der einzelnen Übungen . Bewegungsübungen werden naturgemäfs einen schnelleren Verlauf nehmen als Stellungsübungen, denn bei den ersteren drängt jede Partei nach der Entscheidung. Aber auch Bewegungsübungen wollen ihre Zeit haben und dürfen nicht über das Knie gebrochen werden . Das Nutzbringendste bleibt es schon immer , wenn Bewegungsübungen sich erst aus Stellungsübungen entwickeln , so das Vorgehen einer Partei gegen die andere , das Zurückgehen der einen , Vorwärtsbewegungen der einen und Rückwärtsbewegungen der anderen im Die VorpostenGanzen oder nur mit Teilen , mit Flaggen u. s . w. thätigkeiten können nur in der Zeit reifen, der Melde- und OrdonnanzWas nützt es der dienst nur in ihr zur vollen Geltung kommen. Ausbildung, wenn die Parteien sich ein Stündchen gegenüber gestanden haben und man mit dem Glauben , die Sache sei so einfach , dafs man schon ein Übriges gethan , wieder zu Hause reitet. Bei solchem Verfahren

können

die

Posten

noch nicht einmal irgend

welche praktische Erfahrung gesammest haben, geschweige denn PaMeldungen können kaum trouillen , Melde- und Ordonnanzreiter. eingegangen sein , wenn die Parteien genügend weit auseinandergehalten worden waren und sich nicht auf Sehweite gegenüberstanden, was ganz wertlos ist. Aufser der Zeit ,

die der Felddienst haben will ,

verlangt er in

von dem Leiter , also dem Eskadron - Chef, grofse Rührigkeit während der Übung selbst und unermüdlichen Es darf keine Übung häuslichen Fleifs vor und nach derselben.

erster Linie

210

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

vorübergehen, ohne dafs der Eskadron-Chef sich so im Übungsgebiet umgethan hat ,

dafs er es vollständig beherrscht ,

also

genau weifs ,

was seitens der Parteien verfügt und wie es verfügt worden ist , wie insbesondere der Patrouillendienst angeordnet , was für Meldungen eingegangen, wie die Meldereiter geritten sind, ob die Posten instruirt waren u. s . w. u. s. w.

Das Alles zu beachten , bedarf es schon einer

gewissen Zeit , die aber darum auch den Übungen gewährt werden mufs, damit die Übenden erfahren, wie es in der Wirklichkeit zugeht und dieser möglichst genähert werden .

Und wie will denn sonst auch

der Eskadron -Chef die Besprechung der Übung nutzbringend für die ganze Eskadron gestalten und die gemachten Beobachtungen und Erfahrungen allen gleichmässig zu Gute kommen lassen? Um nichts zu vergessen , muss man sich , wenn man unterwegs nicht schreiben will (was aufhält und dazu unbequem ist), sofort nach der Rückkehr von der Übung seine

Notizen machen ,

um dieselben seinen Be-

trachtungen , wie auch hier geschieht , zu Grunde legen zu können . Man wolle es mir nicht als Anmaſsung anrechnen, wenn ich besonders auf einen meiner in diesen Blättern veröffentlichten Aufsätze hinweise, Kavallerie - Felddienstübungen ausführung" im Aprilheft 1893 ,

in

Auftragstellung

und

Auftrag-

es geschieht lediglich im Hinblick

darauf, dafs meine, besonders im Felddienst, fortdauernd gesammelten Erfahrungen, die

auch in meinem Felddienstbuche im Verlage von

R. Eisenschmidt zusammengestellt worden sind, von manchem meiner früheren Kameraden mit Vorteil und Nutzen gebraucht werden mögen. Also neben dem Studium der Kriegsgeschichte und Umschau in der Militärlitteratur lege man die Übungen, um auch bei ihnen Erfahrungen zu sammeln, so an, dafs sie, wenn auch der Zeitdauer im Kriege nicht gleich kommen können, so doch genügend lange dauern, Vorpostenübungen 4-5 Stunden . Praktische Erfahrungen, wie einige der nachstehenden speziell den Melde- und Ordonnanzdienst betreffend, habe ich fast ausschliesslich bei solchen Übungen gesammelt . Als ich mich bei einer solchen ---- es war an dem Tage, dem 30. Juni 1891 , sehr heifs , was mich aber selbstverständlich nicht abhalten konnte, die Verhältnisse sich zuerst zurechtschieben zu lassen, bevor ich meine Tournée fortsetzte verhältnifsmäfsig lange bei der einen Feldwache aufhielt, sich warten liefsen,

um hier Meldungen, die ziemlich lange auf abzuwarten, hatte ich beim späteren Eingange

der ersten Meldung eine ganz nützliche Beobachtung zu machen. Der Meldereiter kam nämlich endlich auf schweifstriefendem Pferde an. Befragt, warum die Meldung so spät käme, da sie nach der Entfernung des Aufgabeortes schon längst hätte da sein müssen, sagte der Mann, dafs er die Übergänge über die Jeetze von feindlichen Patrouillen

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

211

besetzt gefunden habe und in Folge dessen zu einem grofsen Umwege gezwungen worden sei. Auf diesem war der Meldereiter an einem ziemlich weit vorgeschobenen selbstredend diesseitigen Unteroffizierposten, der von einem Gefreiten befehligt wurde, vorbeigeritten . Ich machte den Mann darauf aufmerksam, dafs es in Anbetracht der Verhältnisse, die er allerdings beim Wegreiten mit der Meldung nicht habe vorhersehen können, sowohl im Hinblick auf die Schonung des Pferdes, wie auch die Schnelligkeit der Weiterbeförderung der Meldung , wohl zweckmäfsig gewesen wäre, bei dem Unteroffizierposten um Weiterbeförderung der Meldung bezw. ein frisches Pferd zu bitten. Bei Besprechung der Übung am Nachmittage mit der ganzen Eskadron kam dieser Vorgang selbstredend mit zur Erörterung und fanden Lehren für ähnliche zukünftige Fälle Anknüpfung. Vor allen Dingen wurde

von mir darauf hingewiesen , wie man nicht an Schablonen

kleben, sondern im Sinne der Bestimmungen veränderten Verhältnissen Rechnung tragen müsse und dazu zweckmäfsig sich selbst die Frage vorlege : " Was thue ich jetzt wohl, um das möglichst Vorteilhafteste zu erzielen? Wie verschieden die Lagen sind, in welche Meldereiter kommen können, mag auch folgendes Erlebnifs darthun. Bei einer meiner Rittmeister-Felddienstübungen und zwar am 10. August 1891 hatte ich den wenig geistige Anregung bietenden Auftrag, mit zwei Eskadrons eine Eisenbahnstrecke zu zerstören, die der Gegner zu decken hatte. Geleisezerstörungspatrouillen wurden entsandt und ich ging mit dem Gros auf einen bestimmten, jenen vorher bezeichneten Punkt, von dem aus ich das Resultat der Patrouillen zunächst abzuwarten gedachte. Auf einen gute Umsicht gewährenden Punkt wurde vom Standorte des Gros aus ein Unteroffizierposten vorgeschoben .

Es gelang sämmt-

lichen gegen die Bahn entsandten Patrouillen, dieselbe auf irgend eine Weise, vorwiegend durch versteckte Fehler, und zwar wunderbarer Weise unbemerkt vom Feinde zu zerstören .

Als die erste Meldung

darüber einging, fiel es mir auf, dafs der Überbringer der Meldung nicht zu der betreffenden Patrouille, sondern zu dem Unteroffizierposten gehörte. Auf Befragen erfuhr ich Folgendes : Durch sein Glas hatte der Unteroffizier des Postens den Meldereiter, den er an dem Pferde auch erkannte, gesehen und, ihm mit den Augen folgend, bemerkt, dafs derselbe stürzte und ihm das Pferd entlief. Der Sergeant entsandte sofort einen Mann seines Postens, mit dem Befehl , dem Gestürzten die Meldung abzunehmen und weiter zu befördern .

Ein

richtiger, schneller Entschlufs in solchen Lagen, von welcher Seite es auch sei, wird gewährleistet, durch die applikatorische Unterrichtsmethode, denn allein sie schafft verschiedenste Lagen, in die wir mit

212

Über Melde- und Ordonnanz -Dienst der Kavallerie .

unseren Leuten kommen

werden.

Sich dieser Unterrichtsmethode

zu bedienen, ist garnicht so schwer, wie vielfach geglaubt wird ; man wolle nur . Oft habe ich die Beobachtung gemacht, dafs Meldereiter bei Überbringung von Meldungen an sich bewegende Abteilungen sich in die fehlerhafte Lage des Nachreitens bringen. Der Meldereiter mufs bei solchen Gelegenheiten sich von Anfang an so dirigiren, daſs er den Weg, den die Abteilung reitet , vorwärts derselben erreicht, um ihr Dann trifft die Meldung eher entgegen als nachreiten zu müssen. die Abteilung sicherer und schneller, auch wird das Pferd beim Ent(Im Jahre 1891 gegenreiten mehr geschont als beim Nachreiten . wurde einigen Leuten meiner Eskadron das grofse Glück und die hohe Ehre zu Teil , gelegentlich des Kaiser-Manövers Sr. Majestät dem Kaiser und Könige, als Allerhöchstderselbe selbst zu führen geruhten, Meldungen überbringen und der sich für das Leben währenden Geerfreuen zu dürfen, wegen prompter und schneidiger g Überbringun belobt zu werden .) Ich bitte, mich nun auf das Gebiet der Kriegsgeschichte zu benugthuung

gleiten , um von ihr uns sagen zu lassen, wie wichtig es ist, dafs Meldungen überhaupt und zwar zur richtigen Zeit ankommen, und zu sehen, welche Lehren sie erteilt. Vorweg bemerke ich, wie wenig die Schuld des Nichtankommens einer Meldung meist den Meldereiter trifft, vielmehr desjenigen ist, der die Meldung schickte und sich bei Entsendung nicht Rechenschaft darüber gab , welcher Mafsnahme es wohl bedurft hätte, um das Ankommen der Meldung nach Möglichkeit sicher zu stellen. Der Fall , dafs eine mit Bleistift auf einen Zettel geschriebene Meldung auf dem Relaiswege nicht ankam und auch alle Nachforschungen nach dem Verbleib derselben erfolglos waren , ereignete Das sich 1864 vor dem Übergange über die Schlei bei Cappeln. Übersetzen sollte dort, wie bei Espenis um 4 Uhr Morgens beginnen. Während man mit Ungeduld der Mitternachtsstunde entgegensah, hatte der Geistliche eines Dorfes wiederholt zu seiner Einquartirung er wisse ganz genau , dafs die Dänen noch heute das jenseitige Ufer verlassen und sich nach Flensburg zurückziehen würden . Anfangs hatte man seinem Ausspruch wenig Bedie Äufserung gethan ,

achtung geschenkt, da er aber diese Mitteilung immer wieder erneuerte, so erbot sich der Unteroffizier Krug des 7. Pionier-Bataillons herüberEr fand am zufahren und sich von der Wahrheit zu überzeugen. Ufer einen kleinen Kahn und ruderte damit nach der jenseitigen Seite ab, fürwahr ein kühnes Unternehmen, welches ihm zur Ehre gereichte. Auch der Hauptmann Krause vom Pionier-Bataillon meldete, dafs man am jenseitigen Ufer viel Lärm höre und die Häuser in Cappeln erleuchtet wären. Kurze Zeit darauf, etwa um 10 Uhr , landete ein

Über Melde- und Ordonnanz- Dienst der Kavallerie.

213

Fischer beim Dorf Loitmark und teilte einer Feldwache des 8. Husaren-Regiments mit , dafs die Dänen abgezogen seien. Er brachte sogar Stücke des Ladezeugs aus einer Schanze mit. Trotzdem traute man ihm nicht , er wurde mit einer Fouragirleine festgebunden und nach Carlsburg gebracht , wo man nun im Hauptquartier , etwa um 11 Uhr, die erste Nachricht vom Abmarsch der Dänen erhielt . Bald darauf kehrte auch der kühne Pionier-Unteroffizier zurück und meldete, dafs die Geschütze in der Schanze bei Dorthmark vernagelt und verlassen ständen. Nun mehrten sich die Nachrichten in diesem Sinne von Viertel- zu Viertelstunde ,

so dafs man an der Wahrheit nicht

mehr zweifelte und sofort eine Meldung an den Feldmarschall Graf v. Wrangel schrieb. Dieser mit Bleistift geschriebene Zettel wurde, wie bereits oben erwähnt , nicht angekommen .

auf dem Relaiswege befördert , ist aber

Mit Recht wird daraus die Lehre für die Zukunft herzuleiten sein, dafs man so wichtige Nachrichten nur durch Offiziere schicken. solle. Auf diesen Punkt komme ich an anderer Stelle zurück. Das besonders Unzuverlässige war in diesem Falle sicherlich der Relaisweg, der allen nach dem Verbleib der Meldung angestellten Untersuchungen Hohn sprach, so dafs es unbekannt blieb, wo jene geendet hat. Die

Beförderung von

hat ihre grofsen Vorzüge ,

Schriftstücken

auf Relaislinien

aber bei nicht genügender Schulung der

Truppe , also auch nicht genügender Erfahrung der Offiziere und Ich weifs nur nicht, wie Unteroffiziere ihre grofsen Gefahren. der obige Relaisweg eingerichtet war , der als nicht zuverlässig sich erwies , ob er aus einzelnen Posten oder einer zusammenhängenden Linie einzelner Reiter bestand und ob in dem ersteren Falle Buch über alle durchgehenden Schriftstücke geführt wurde. Das scheint nicht der Fall gewesen zu sein , denn sonst hätte sich die Stelle der Linie, auf welcher die Meldung verloren gegangen, ohne Weiteres feststellen lassen müssen . Die Buchführung der Posten ist deshalb eine sehr wichtige , so dafs es sich wohl lohnt , derartige Übungen öfter vorzunehmen, wenn sie auch keinem anderen Zwecke dienen, als sich davon zu überzeugen , ob sämmtliche Unteroffiziere und Gefreite der Eskadron noch im Besitze eines Postenbuchschemas sind, welches man ihnen gelegentlich der ersten derartigen Übung einhändigte. Ich weifs nicht, warum derartige Schemata, wie man sie auch in meinem . Felddienstbuche auf Seite 42 und im Zusammenhange als Blatt auf Seite 107 findet , nicht gedruckt bekommen kann ; es wäre zum Vorteil des Ganzen , wenn man, schon der Gleichmässigkeit halber, ebenso wie in der Meldekarte, ein Schema für die ganze Armee hätte. Während nun auf den Relaiswegen, die aus Posten, also Gruppen 15 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2.

214

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

bestehen, diese über alle durchgehenden Schriftstücke nach Aufschrift einschl. Vermerk über Schnelligkeit, Zeit und Namen des bringenden und weiterbefördernden Reiters Buch zu führen haben , ist das nicht der Fall bei den Relaislinien, Chainen, die sich aus einzelnen Reitern derart zusammenstellen , dafs diese in kürzester Zeit in Berührung treten können , während Relais-Posten nach der Felddienstordnung etwa von 10 zu 10 km aufgestellt werden sollen. Diese Entfernung der einzelnen Posten von einander ist indefs zu weit , denn die Schnelligkeit der Beförderung von Schriftstücken mit dem Vermerk dreier Kreuze dürfte nicht zur Geltung kommen , da ein Dienstpferd 10 km im Jagdgalopp nicht geritten werden kann. Die Relaislinien aus einzelnen Reitern sind zwar in der Vorschrift nicht vorgesehen, aber auch sie können vorkommen, wenn für kürzere Zeit ein depeschenartiger Verkehr mit Schriftstücken auf einer bestimmten Strecke ermöglicht werden soll.

Ich habe nun verschiedentlich Versuche auch

mit diesen Relaislinien angestellt, aber immer wieder die Beobachtung zu machen Gelegenheit gehabt , dafs man sie besser nicht anwendet. Da der Verkehr auf diesen Chainen ein schneller sein soll , kann es sehr leicht vorkommen , dafs Schriftstücke verloren gehen , ohne dafs sich feststellen liefse, wen die Schuld hieran trifft. Bei den von mir angestellten Übungen sind zwar keine Schriftstücke verloren gegangen, waren dieselben aber nicht in sehr haltbaren Umschlägen verwahrt, so gingen sie als unförmliche Masse ein. Mündliche Bestellungen sind überhaupt nicht durchzubringen, denn sie kommen als nicht zu enträtselnder Unsinn an. Bei der Entfernung der einzelnen Reiter von 250 Schritt auf einer 1½ Meilen langen Linie braucht ein Schrifstück zum Durchgang 25 , eine mündliche Bestellung 35 Minuten. Eine solche war aufgegeben als : „ Die Post in Salzwedel mit Beschlag belegt, Zeitungen, Briefe , Telegramme etc. folgen " und ging wörtlich wie folgt ein : „ Posten sind eingezogen . " Es ist interessant zu bemerken, wie viel Zeit mehr bei der Weitergabe einer mündlichen Bestellung als bei der eines Schriftstücks gebraucht wird. Wenn man bedenkt, wie viel Mühe es manchmal macht , einem einzelnen Meldereiter eine mündliche Meldung einzupauken , d . i. , wie oft man sie wiederholen läfst , ehe sie verstanden ist , dann ist es eigentlich von vornherein klar , dafs eine mündliche Meldung auf einer Relaischaine nur bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt durchkommen kann. Indefs probiren geht über studiren. Auf einer Gruppen - Relaislinie von 14 km Länge bei Entfernung der einzelnen Posten von 2 km dauerte der Durchgang eines Schriftstückes mit einem Kreuz 89, mit zwei Kreuzen 63 und mit 3 Kreuzen 43 Minuten. Dafs, wie die Bestimmungen sagen , die Buchführung seitens des Postenführers einen

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

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Aufenthalt in der Beförderung überhaupt nicht veranlassen soll , ist rein unmöglich , also eine Theorie. Bei der Anlage von Relaisverbindungen im Kriege ist nun zu bedenken , dafs dieselben eine gewisse Sicherheit des Verkehrs gegen feindliche Einwirkung gewährleisten. Ist das nicht der Fall, dann ist die Übersendung von Meldungen durch Meldereiter, wie von Briefschaften durch Ordonnanzen allemal vorzuziehen , ausschliefslich ist das daher der Fall bei Patrouillenund Posten-Meldungen. Das am häufigsten zur Anwendung kommende Verfahren ist die Entsendung eines Mannes. Es wird das auch in vielen Fällen genügen , bei Überbringung sehr wichtiger Nachrichten indefs nicht , besonders , wenn dieselben ein sehr gefährdetes Gebiet zu durchlaufen haben. Weithin entsandte Patrouillen werden zu erwägen haben ,

ob Meldung nicht erst bei Rückkehr der gesammten

Patrouille zu erstatten ist, was ja gewöhnlich auch der Fall ist. Als die Division Blanchard, die 3. des Korps Vinoy, am 2. September 1870 mit fast der gesammten Artillerie des Korps NovionPorcien erreicht hatte, lag den Vorposten der 15. Dragoner die aktive Da derSicherung in Richtung gegen den Feind vorzugsweise ob. Novionbei Biwak seinem in Meldungen vorliegenden selbe nach den Porcien stehen geblieben war , beabsichtigte General v. Hoffmann, Kommandeur der 12. Division, ihn am 3. Morgens dort konzentrisch mit den bei Ecly , Inaumont und Rethel befindlichen Teilen seiner Division anzugreifen . Früh 7 Uhr setzten sich die verschiedenen Kolonnen, wie Tags vorher befohlen , in Marsch , da nach den in der Nacht eingegangenen Meldungen die Sachlage beim Feinde unverändert war. Das Dragoner-Regiment Nr. 15, Divisionskavallerie der 12. Division, war schon am frühen Morgen auf die Meldung einer OffizierPatrouille hin , dafs der Feind mit Tagesanbruch in nordwestlicher Richtung aufgebrochen sei , unverzüglich gegen Novion-Porcien vorgetrabt. Die wichtige Meldung war einem Dragoner zur Weiterbeförderung übergeben worden, der den General v. Hoffmann nicht mehr in Ecly traf. Dieser blieb daher im Marsch auf Novion-Porcien, von wo der Feind bereits die Nacht 2 Uhr aufgebrochen war und sich zur Hier wurde er von der Zeit schon in Chaumont - Porcien befand. gegen 1 Uhr Nachmittag auf der Verfolgung eintreffenden

24. In-

fanterie-Brigade (Regimenter 63 und 23) auch nicht mehr angetroffen und entkam über Seraincourt auf Fraillicourt. Die hochwichtige Meldung von dem am Morgen längst erfolgten Abmarsche der Franzosen durfte zum Mindesten nicht einem einzigen Dragoner zur Weiterbeförderung anvertraut werden, auch hätte dieselbe mehrfach ausgefertigt werden müssen , um die Beförderung auf verschiedenen Wegen bewirken zu können.

Aber selbst das genügte 15*

216

Über Melde- und Ordonnanz -Dienst der Kavallerie.

noch nicht, es hätten Offiziere und Unteroffiziere mit je 1 Ordonnanz entsendet werden müssen . Das hatte hier nun keine Schwierigkeiten, da ja das ganze Dragoner-Regiment zur Stelle war. Nehmen wir aber den Fall, dafs die Offizierpatrouille allein war und eine so wichtige Meldung zurückbefördern musste, wer sollte die Expedirung dann übernehmen? Zweifellos hätte sie auch dann der Offizier in Begleitung eines Mannes selbst übernehmen müssen . Denn nach dem Erkennen des Abmarsches der Franzosen war es wichtiger, dies sicher zur Kenntnifs des Generals v. Hoffmann zu bringen , als dem Feinde zu folgen, was dem Rest der Patrouille zu übertragen gewesen wäre. Es ist dieser Fall zugleich eine Warnung vor zu geringer Stärke der Offizierpatrouillen .

Man

schickt den Offizier heutzutage gern mit 2 Mann in die Welt, was im Kriege ganz unthunlich ist und sollte es versucht werden, sich bald von selbst verbieten würde. Ausserdem ist es zweckmässig, noch jeder Offizierpatrouille einen Unteroffizier oder besonders geeigneten Gefreiten als gewissermafsen Reserveführer zuzuweisen . Bleiben wir bei dem obigen Fall und nehmen wir an , daſs die Offizierpatrouille, bestehend aus 1 Offizier, 1 Unteroffizier und 3 bis 4 Mann, bei Novion- Porcien auf sich selbst angewiesen war, so hätte der Offizier mit einem Manne die sichere Beförderung der Meldung übernehmen müssen, während der Unteroffizier mit 2-3 Mann mit der sofortigen Verfolgung des Feindes zu beauftragen gewesen wäre . Sind nun Patrouillen, die vermöge ihres Befehls (der ihr Auftrag ist) weithin das Land zu durchstreifen haben, gezwungen, vor ihrer eigenen Rückkehr Meldung zu schicken, so kann der Überbringer derselben, besonders in insurgirtem Lande, wie auch im Kriege gegen die Republick 1870/71 , kein einzelner Reiter sein . Auch die Entsendung von doppelt und mehrfach ausgefertigten Meldungen würde nicht anwendbar sein, desgleichen die Entsendung von Offizieren und Unteroffizieren allein nicht genügen,

es kann dann nur an Stelle

des

Meldereiters die Meldepatrouille Gewähr geben, dafs die Meldung wirklich eingeht . Am 7. Dezember 1870 wurde von Cravent, etwa 7 km südöstlich von Pacy-sur Eure, seitens der 1. Eskadron Husaren-Regiments Nr. 11 eine Patrouille unter Führung des Lieutenants v. Salis in Stärke von 1 Unteroffizier und 10 Husaren in Richtung auf Gaillon entsandt, um für eine am nächsten Tage vorzunehmende Expedition gemischter Waffen die Gegend zu erkunden . Die Patrouille wurde mehrfach beschossen und in allen Orten die Glocken geläutet.

Es war das,

wie jeder von uns weifs, der in Frankreich damals Patrouille geritten, das Alarmsignal für die in der Gegend befindlichen Franktireurs und Brakonniers. Schnee und Eis erlaubten bei dem ungünstigen Gelände

Über Melde- und Ordonnanz- Dienst der Kavallerie.

217

Nach mancherlei Fährlichkeiten ein Verlassen des Weges nicht. gelangte denn die Patrouille über la Heunière und Réanville nach Gaillon. Dort ersah der Führer aus dem Lokalblatt, dafs Mobilgarden

in grofser Zahl dicht bei dem Orte Aufstellung genommen hätten. Lieutenant v. Salis beschlofs, sich von der Richtigkeit der Lokalblattnotiz durch Weiterreiten persönlich zu überzeugen, aber vorerst seinem Rittmeister nach Cravent, etwa 25 km entfernt, Meldung über das bisher Erfahrene zu erstatten. Zur Überbringung der Meldung meldeten sich freiwillig die Husaren Finkensiepen, Bunge und Bander . Die unter Führung des Husaren Finkensiepen , der schon Ritter des eisernen Kreuzes war, zurückreitende Meldepatrouille wurde bei la Heunière überfallen .

Husar Finkensiepen erhielt einen Schufs durch den Kopf und war sofort tot, dem Husaren Bunge wurde die Zügelfaust durch eine Kugel zerschmettert, er selbst alsdann gefangen genommen und dem Husaren Bander das Pferd unter dem Leibe erschossen. Es gelang dem Reiter aber zu entkommen und um 1/22 Uhr Nachts in Cravent zu Fufs einzutreffen . 21 Stunde später kehrte die Patrouille selbst mit der Meldung zurück, dafs sich bedeutende Massen von Mobilgarden „allerwärts" gezeigt hätten. Der Patrouillenführer hatte zweifellos richtig gehandelt, wenn er eine Meldung zu entsenden, dafs er sondern eine Meldepatrouille abMeldereiter, nicht einen einzelnen schickte. Die der Entsendung derselben zu Grunde liegende Erwägung, es überhaupt für nötig hielt,

dafs die Meldung nur dann durchzubringen sei , erwies sich als richtig . Theoretisch könnte man ja sagen, die Meldepatrouille hätte einen andern Weg zurücknehmen sollen als beim Anmarsch, das ist aber sehr schwierig, wenn die Verhältnisse so liegen, wie damals in Frankreich. Die Unkenntnifs der Gegend und das Fehlen von Karten läfst die Sorge um den rechten Weg selbst der Gefahr gegenüber in den Vordergrund treten *). Es kommen nun aber Patrouillen in die Lage ,

unbedingt bei

Fortsetzung ihres Rittes , also vor ihrer eigenen Rückkehr, melden zu lassen, dafür mag das folgende Beispiel sprechen. Nachdem die Brigade Bredow der 5. Kavallerie - Division bereits *) Bezüglich des geschilderten Vorfalls sei noch erwähnt, dafs am folgenden Tage, den 8. Dezember, Rittmeister v. Vaerst mit seiner Eskadron zuvörderst nach la Heunière ging und den Maire bei Todesstrafe aufforderte, die Leiche Finkensieper's herauszugeben. Als er sich weigerte, dies zu thun, liefs der Rittmeister den Maire an einen Baum binden, beorderte 15 Mann mit Karabinern und liefs anschlagen, was den Maire veranlafste, die völlig entkleidete und in einer Scheune verscharrte Leiche des Husaren herauszugeben . Am 9. wurde Finkensieper in Douains beerdigt. Sein Grab schmückt ein schöner Stein mit Sockel und Gedenktafel, ein Geschenk seines Rittmeisters .

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

218

am 5. Januar von Dreux aufgebrochen war , um der gegen le Mans vordringenden II. Armee , speziell dem XIII . Armeekorps , bestehend aus der

17. und 22. Division unter Befehl Sr. Königlichen Hoheit

des Grofsherzogs von Mecklenburg, die rechte Flanke zu sichern , erhielten , als die Entscheidung bei le Mans gefallen war , die beiden andern Brigaden Barby und Redern der Division Rheinbaben am 16. Januar Befehl ,

den Marsch des

grofsherzoglichen

Korps

und

der Brigade Bredow von Alençon nach Rouen über Laigle und Evreux seitlich zu begleiten . Der General von Rheinbaben lag am 18. Januar mit dem Stabe , der 2. und 4. Eskadron der 13. Ulanen in Verneuil. Da ihm vom Grofsherzog nur dessen Marschrichtung bekannt war , sonst aber jede Kenntnifs über denselben fehlte, ohne die ein Zusammenwirken indefs nicht möglich war, wurde am 19. Januar der Rittmeister Frhr. v. Durant mit einem Zuge seiner Eskadron, der 2. , von Verneuil gegen Mortagne entsandt, die Verbindung mit dem XIII . Armeekorps aufzusuchen .

In Mortagne bereits traf er das

dort gerade eintreffende rechte Seitendetachement des Grofsherzogs unter Befehl des Majors v. Necker vom 94. Regiment. Rittmeister Frhr. v. Durant nahm Abschrift vom Marschtableau des XIII. Armeekorps und schickte

dasselbe

durch den

Unteroffizier Sander mit

einigen Ulanen sofort an General v. Rheinbaben , während er selbst aber den Marsch über le Mesle in das Hauptquartier des Grofsherzogs nach Sées fortsetzte.

Auch hier sahen wir die Vorsicht angewandt , der Wichtigkeit der Meldung entsprechend, die Überbringung derselben einer kleinen Abteilung unter Führung eines Unteroffiziers anzuvertrauen, die dem letzteren gewissermafsen als Bedeckung diente. Bei der grofsen Umsicht in der ganzen Handlungsweise bestand diese sicherlich aus noch ausgesuchten Leuten des vermutlich schon ausgesuchten Zuges .

Leicht hätte dem Unteroffizier , dem eigentlichen Überbringer der Marschliste , auf dem Wege nach Verneuil irgend ein Unfall zu-

stofsen können ; gerade in dortiger Gegend fanden sich allerorten Franktireurs , die fortwährend auf Patrouillen schossen und , in ihrer Erbitterung, sogar noch gegen Ende des Waffenstillstandes. So wurde am 12. Februar im Walde bei Couches auf eine Patrouille des 7. Kürassier-Regiments geschossen und ihr ein Pferd in Verlust gebracht, desgleichen in der Nacht vom 26./27 . Februar auf ein Briefrelais des 4. Kürassier-Regiments , von dem der Kürassier Nersting fiel und der Kürassier Terstegen verwundet wurde , also wenige Stunden vor dem Bekanntwerden der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien. In ersterem Falle mufsten die Begleiter des MeldeUnteroffiziers noch soviel Geistesgegenwart haben, ihm, uneingedenk

Über Melde- und Ordonnanz- Dienst der Kavallerie.

219

der eigenen Gefahr, das wichtige Schriftstück abzunehmen.

Abgesehen

davon , dafs dasselbe dem Feinde wichtige Kenntnifs gegeben hätte, wäre der Inhalt , der nicht bestellt werden konnte , auch gleichzeitig verloren gewesen.

Unteroffizier Sander erreichte mit seinen Leuten

übrigens meines Wissens ohne jeglichen Zwischenfall sein Ziel. Der Ritt des Rittmeisters Frhr. v. Durant mit seinen Ulanen ist übrigens auch noch in anderer Beziehung interessant und lehrreich zugleich .

Nachdem am 20. Januar früh 10 Uhr Sées von ihm mit

den nötigen Weisungen wieder verlassen worden war ,

gelangte er

über Courtomer , Moulins - la - Marche um 1/25 Uhr Nachmittags in Crulai an, woselbst er von dem Führer des heute hier eingetroffenen rechten Seitendetachements erfuhr , dafs

die Patrouillen desselben

kurz zuvor auf der Strafse Crulai - Laigle sowohl , wie bei Vitrai und bei Beaulieu , unweit der Strafse Mortagne-Verneuil , Feuer erhalten hätten. Der Rückweg nach Verneuil schien somit nach 3 Richtungen verlegt .

Rittmeister Frhr. v. Durant wufste indessen , dafs die ihm

für General v. Rheinbaben mitgegebenen Weisungen von dessen Absichten abwichen und beschlofs daher , unter allen Umständen noch an demselben Abend Verneuil wieder zu erreichen. Er wählte hierzu den kürzesten Weg über Vitrai.

Dort setzte er ,

sich von den nebenliegenden Feldern garnicht

da die Landstrafse abzeichnete und

es

bereits zu dunkeln begann, einen Führer zu Pferde, welcher den Weg Abends 8 Uhr nach der Chauſsee Laigle-Verneuil zeigen mufste. lieferte Rittmeister Frhr. v. Durant den Brief des Grofsherzogs an General v. Rheinbaben in Verneuil ab.

Er hatte mit dem Zuge eine

Strecke von 22 Meilen in 20 Stunden , unter Abrechnung der durch den Aufenthalt in Sées und unterwegs durch Abgabe von Befehlen und Erstattung von Meldungen verbrauchten Zeit , zurückgekehrt . Bei der Vielseitigkeit des Meldedienstes ,

die aber bei der Aus-

bildung zum Ausdruck gebracht und betont werden mufs , ist auch der Erstattung von Meldungen bei nicht vorhergesehenen Ereignissen zu gedenken , wobei es dann also auf die Initiative der auf der betreffenden Stelle sich befindenden Kavalleristen ankommt. Am 10. Januar 1871 hatte General v. Bredow seine Brigade, bei der sich seit dem 8. d. M. das 2. Bataillon 94. Regiments unter Führung des Majors v. Schauroth befand , in Bellême zusammengezogen , um von hier aus die Deckung des über Nogent - le - Rotrou und la Ferté Bernard auf le Mans abmarschirten XIII . Armeekorps und der seitwärts desselben nach Bonnétable vorgegangenen 4. Kavallerie-Division zu bewirken und somit die Entscheidung bei le Mans abzuwarten.

Zur Verbindung mit der 4. Kavallerie - Division war am

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

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11. Januar die 2. Eskadron (Rittmeister Schmidt v. Schmiedeseck) des 13. Dragoner-Regiments von Bellême nach St. Cosme vorgeschoben worden.

Halbwegs hatten sie in Igé, am Même Bache, einen Relais-

posten zurückgelassen . Dieser wurde am Nachmittag plötzlich von Franktireurs und Chasseurs d'Afrique angegriffen und verjagt. Die von diesem Vorgange glücklich nach Bellême gelangende Meldung und der Umstand , dafs auch schon die Anwesenheit feindlicher Truppen in Mortagne und Mamers Bestätigung gefunden hatte , von der nach St. Cosme entsandten Eskadron aber jegliche Nachricht fehlte, liefsen es rätlich erscheinen, noch 1/27 Uhr Abends die 5. Kompagnie 94. Regiments unter Lieutenant Carstädt in Begleitung des Relaispostens nach Igé zu entsenden. Igé wurde unbesetzt gefunden. Etwa 60 Franktireurs und eine Anzahl Chasseurs d'Afrique hatten sich nur kurze Zeit dort aufgehalten und waren dann wieder in Richtung auf Mamers abgezogen .

Eine nach St. Cosmes entsendete Patrouille

des Relaispostens fand den Ort zwar unbesetzt , aber von ihrer Eskadron keine Spur. Die Eskadron war am Morgen in St. Cosmes ungehindert eingerückt, hatte aber, in Anbetracht ihres Auftrages ein besonderes Augenmerk der Strafse nach Mamers zuzuwenden, wohl die Aufmerksamkeit des Feindes allzusehr auf sich gelenkt, denn am Nachmittag wurde sie von dort vordringender feindlicher Infanterie angegriffen und zur Räumung des Ortes genötigt.

Igé fand die Eskadron vom

Feinde besetzt, mufste sich daher auf Feldwegen nach Bellême zurückziehen.

Die spätere diesseitige Infanterie-Besatzung wurde übrigens

in Igé in der Nacht durch das plötzliche Erscheinen von Chasseurs d'Afrique alarmirt . Wenn auch die nun nach Igé entsendete Kompagnie der nach St. Cosme entsendeten Eskadron von grofsem Nutzen hätte werden können, so kam der nicht zur Geltung, da sich die Eskadron wohl längst in Bellême befand , als die Infanterie Nachts gegen 11 Uhr Igé erreichte. Die Bagage der Dragoner-Eskadron wäre bei dem tiefen Schnee aber wohl schwerlich, trotz des hervorragenden Verhaltens des Quartiermeisters Unteroffizier Mazarin dieser überhaupt braven Eskadron, gerettet werden , wenn die Kompagnie in Igé dem Feinde an einer weiteren Ausbreitung im Gelände nicht hinderlich gewesen wäre. Es bleibt also darum schon die in Bellême gemachte Meldung des von der Dragoner-Eskadron in Verdienst.

Igé zurückgelassenen

Relaispostens ein

Eine andere, lediglich der Überbringung von Briefen von der 4. Kavallerie-Division in Bonnétable an General v. Bredow dienende Patrouille

unter

Führung

des

Lieutenants

v.

Alvensleben

übrigens an demselben Tage bei St. Cosme zersprengt .

wurde

Es gelang

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

221

jedoch dem Führer, dieselbe wieder zu sammeln, gegen Abend durchzudringen und Bellême zu erreichen. Eine weitere nützliche Lehre giebt dieser Fall dem Meldewesen. Wenn Meldungen, Briefe etc. auch später ankommen, als beabsichtigt, so ist das in vielen Fällen immer noch besser, als wenn sie verloren gehen.

Daher

warte der Meldereiter bezw.

die

Meldepatrouille

eventuell ab, bis der augenblicklich ungünstige Zeitpunkt zum Durchkommen vorüber und einer günstigeren Chance Platz gemacht hat, wie in dem obigen Falle. Man hört nun ganz richtiger Weise instruiren , dafs Meldungen erst erstattet werden sollen , nachdem die zu meldenden Verhältnisse vollständig geklärt sind.

Es soll also beispielsweise nicht gleich zum

Melden geritten werden , sowie die Nasenspitzen einiger feindlicher Reiter zu sehen sind , sondern erst dann , wenn es fest steht, dafs hinter ihnen keine weiter folgen, man also weifs , ob man es mit einer Patrouille oder etwa einer Spitze zu thun hat.

Nehmen wir aber an, es

marschirt auf die diesseitige Stellung eine starke Kolonne aller Waffen , dann darf die Patrouille nicht etwa mit der Meldung warten wollen, bis sie auch die Queue gesehen hat, um melden zu können , wie stark der Feind ist. Das festzustellen bleibt Sache der Patrouille, nachdem die Meldung zunächst fort ist, dafs der Feind in beträchtlicher Stärke im Anmarsch sich befindet .

Kurz , die Meldung kann in solchem

Falle, wie dem hier angenommenen, nicht gleich eine erschöpfende sein , trotzdem mufs sie vorläufig erstattet werden und etwa so lauten : „Eine Kolonne aller Waffen , deren Queue noch nicht abzusehen ist, befindet sich im Anmarsch von a über b auf c. Um 6 Uhr erreichte die Infanterietête (NB. die mufs man immer festzustellen suchen) das Dorf b. Lieutenant J. beobachtet von D, oder die feindliche Kolonne in der Flanke begleitend, mit der Patrouille weiter. " - Entsprechend würde zu verfahren sein, wenn der Feind verfolgt.

Auch dann kommt

es zunächst darauf an, zu erfahren, dafs man verfolgt und wie man verfolgt wird, erst in zweiter Linie , wie stark der Verfolger ist. Er ist nun kein für alle Fälle passendes Rezept zu geben, wann man überhaupt zu melden hat , darüber kann allein der militärische Takt entscheiden , der durch eine sorgfältige, ihres Ziels und Zwecks bewuſste Ausbildung auch dem gewöhnlichen Manne angezogen werden Die kavalleristische Ausbildung bedarf, wie man kann und mufs. wohl zugeben mufs, aber darum gerade der Vielseitigkeit , welche, ich wiederhole es immer wieder, nur dadurch erzielt wird, dafs man Jahr aus, Jahr ein , zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter den Stoff gemeinschaftlich mit der seiner Ausbildung unterstellten Truppe vom frischen Baum des Lebens , von draufsen sich holt und mit ihr im

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Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

Eine der Ausbildung im applikatorischen Unterricht verarbeitet. Felddienst nach Art des Anschauungsunterrichts zu Grunde gelegte Meldemethode bezeichnet den Weg, der zu Leistungen führt. Von dem einzelnen Aufklärer , der das Angriffsfeld zu untersuchen und die übrigens auch nicht immer über den Befund durch Zeichen ausreichen

zu melden hat, der Gefechts- und Offiziers-Patrouillen ,

den Aufklärungen ganzer Eskadrons bis zu den von Kavallerie-Divisionen ausgeführten ist die Verfassung und Überbringung von Meldungen je nach Umständen und Verhältnissen verschiedenen Änderungen unterworfen , aber die Aussicht, sie zu beherrschen, ist Sache der Die Befähigung für bemilitärischen Ausbildung und Erziehung. sondere Leistungen kann nur durch fortgesetzten Fleifs , gepaart mit rastloser Thätigkeit und selbstbewufster Energie erworben sein , aber auch dann behält noch das Wort unseres grofsen Feldmarschalls seine : „ An wohl dem, an dem es sich nicht bewahrheitet Wahrheit der Ungunst der Verhältnisse aber scheitert oft auch der beste Mann. " Diese Besprechung möchte ich nicht schliefsen , ohne auf einen gelegentlich der vorjährigen Manöver in Frankreich gemachten Versuch aufmerksam gemacht zu haben , die Nutzbarmachung des Fahrrades , in erster Linie wohl zur Ausübung des Melde- und Ordonnanzdienstes, bei den Kavallerie-Divisionen . Jeder der beiden , dem Befehl des Generals d'Espenilles unter-

noch besonders

stellten Kavallerie-Divisionen waren 5 , jeder Brigade und jedem Regimente 2 und jeder Artillerie-Abteilung, so wie auch der Intendantur 1 Radfahrer zugeteilt. Nach den darüber in der Deutschen HeeresZeitung seiner Zeit gemachten Mitteilungen, denen ich im Wesentlichen folge , scheinen die in mannigfachster Weise stattgehabten Versuche zu günstigen Ergebnissen geführt zu haben . Zunächst fielen den Dafs bei diesen das VeRadfahrern die Quartiermacherdienste zu. lociped von grofsem Nutzen sein kann , ist sehr wohl einzusehen. Denn kommen die Quartiermacher in den ihnen zugewiesenen Orten an, so können sie , ohne erst Zeit mit der Pflege und Abwartung ihrer Pferde zu verlieren , sich ungesäumt an ihre oft recht mühevollen Quartiermachergeschäfte begeben. Der ankommenden Truppe werden die Quartiere überwiesen und kann der Aufbruch in die nächsten Quartiere seitens der Quartiermacher ohne jegliche weiteren Vorbereitungen sofort vor sich gehen . Bei Anwendung des Fahrrades im Melde- und Ordonnanzdienst würde aber zur Vereinfachung des Dienstes an und für sich eine aufserordentliche Schonung des Pferdematerials kommen. Denn bei dem oft langen und gerade nächtlichen Herumliegen von Befehlsempfängern wie Ordonnanzen aller Art auf Strafsen, Plätzen und Gasthöfen mufs die Ruhe und Pflege der hieran

Über Melde- und Ordonnanz-Dienst der Kavallerie.

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beteiligten Pferde wesentlich beeinträchtigt werden. Indefs Krieg und Frieden oder , wenn man will , Krieg im Frieden , stehen sich wie so oft, so auch hier in ihren Bedürfnissen diametral entgegen. Manövern weifs man nicht nur genau ,

Bei den

wo dieselben sich abspielen,

sondern auch , welchen Verlauf dieselben nehmen werden , besonders aber wie die Gegend hinsichtlich ihrer Wegbarkeit und Gangbarkeit beschaffen ist. Gerade diese ist es , welche die Verwendbarkeit des Fahrrades bedingt. Was wird aus dem Radfahrer nebst seinem Instrument, wenn seine Verwendung aus irgend welchen Gründen, auch vorübergehend nur ,

nicht thunlich ist ?!

Dann erübrigt doch nichts

weiter , als ihn das Stahlrofs mit dem von der Natur geschaffenen wieder vertauschen zu lassen . Wie das aber ermöglichen ? Man kann doch den Trofs dadurch nicht noch vermehren ,

daſs man den

Radfahrern für alle Fälle Handpferde nachführen läfst ,

desgleichen

Fahrradwagen, wenn auch nicht dauernd mit sich führt, so doch vorübergehend der Bagage einfügt , was doch selbst dann der Fall sein müſste, wenn man sich die Radfahrer als besondere Truppe dächte und der Reiterwaffe nur nach Bedarf zuteilte . Dafs also im Frieden Radfahrer im Melde- , Ordonnanz- und Quartiermacherdienst , selbst bei der Kavallerie unter Umständen gute , ja bestechende Dienste leisten können , ist ohne Weiteres einzusehen , es mufs aber angezweifelt werden, dafs dies auch bei den Operationen selbst der Fall sein könne. Es verbietet schon die mangelnde Fähigkeit des Radfahrers , sich querfeldein zu bewegen. Auf Umwegen sollten daher in Frankreich die Radfahrer immer wieder zu ihrer Division stofsen, wenn es ihnen nicht möglich war , ihr vorauf zu eilen , um beim Eintreffen der Division bereits ausgeruht, gleich eine Verwendung zu besonderen Aufträgen zu erhalten. „ Die Erkundungen durch Offiziere sind bei der Kavallerie unaufhörliche und unerlässliche . Nun erträgt aber das Pferd jedes Übermafs an Anstrengung weniger leicht als der Mensch . Obgleich die Sache etwas seltsam scheint , so ist es doch als für sehr vorteilhaft erkannt worden, einige dieser Erkundungen, sobald es das Gelände nur gestattet, auf einem 27 Stahlrofs " ausführen zu lassen.

Ein oder zwei intelligente Radfahrer begleiten den Führer

der Erkundung ; einer derselben fährt demselben erforderlichen Falls voraus. " Wenn man erwägt, und wir haben es ja aus der Praxis erkannt, wie elastisch Patrouillen- und Meldereiter sein müssen, wie sie deshalb Wege , obgleich diese das beste und schnellste Vorwärtskommen gewähren, vermeiden, das Gelände, um gedeckt und ungesehen ihr Ziel zu erreichen, oft wählen werden , und so den an sie zu stellenden Anforderungen zu genügen , dann kann dem Fahrrad bei der Ka-

224

Einige Bemerkungen zum Neu-Abdruck

vallerie , eine Rolle zu spielen, auch nur vorübergehende Verwendung zu finden, niemals beschieden sein .

XIV.

Einige Bemerkungen zum Neu - Abdruck der Felddienstordnung vom 20. Juli 1894 .

Neben einer Reihe von Anderungen, welche durch organisatorische Neuerungen, Neubearbeitung von Exerzir - Reglements und anderer Dienstvorschriften bedingt und mehr formaler Natur sind, hat der Neuabdruck der Felddienstordnung vom 20. Juli 1894 auch einige Anderungen auf taktischem Gebiete gebracht, deren wichtigste sich auf die Verwendung der Kavallerie im Aufklärungsdienste und auf den Betrieb des Vorpostendienstes beziehen und eines eingehenderen Studiums wert sind . Die Felddienstordnung vom 23. Mai 1887 hatte bei der zu Aufklärungszwecken über die Avantgarde hinaus vorgetriebenen Kavallerie zwischen selbstständiger " und „ Avantgarden-Kavallerie " unterschieden, je nachdem dieselbe direkt unter den Detachementsführer oder den Avantgardenführer gestellt war (Nr. 72). Bestimmte Gesichtspunkte, nach welchen die eine oder die andere Art der Verwendung zu wählen war, enthielt die alte Ordnung nicht und da die Entscheidung nicht immer ganz leicht, so waren Irrtümer auf diesem Gebiete unvermeidlich. Das

Selbstständigmachen der Kavallerie, auch einzelner Eskadrons

und Züge, war an vielen Stellen zu einer Art Manöver- Gewohnheit geworden, welche den Verhältnissen der Wirklichkeit nicht entsprach und für das sachgemäfse Zusammenwirken der Kavallerie unter einheitlicher Leitung nicht förderlich war . Bei der unserer Kavallerie innewohnenden, übrigens sehr löblichen, Neigung zur Selbstständigkeit und ihrer Freude am Batailliren" war der Verlauf in der Praxis dann häufig der, dafs die selbstständige Kavallerie nach der BefehlsAusgabe ihrem Detachement vorauseilte , einen ungebührlich weiten Raum zwischen sich und dasselbe legend. Im günstigen Falle kündete noch eine Staubwolke am fernen Horizonte an, dafs sie auf feindliche Reiterei gestofsen war, ihr Detachement sah sie an diesem Vormittage nicht wieder. Mit der Entfernung nach vorwärts , wuchsen die Schwierigkeiten für die Überbringung von Meldungen , die verspätet

der Felddienstordnung vom 20. Juli 1894.

225

oder garnicht ankamen , häufig auch nur die feindliche Kavallerie und den Ausgang des Gefechts mit derselben zum Gegenstande hatten. Über Stärke und Marschrichtung des feindlichen Detachements konnte im Falle einer mifsglückten Attacke oder Abwehr einer solchen überhaupt nicht gemeldet werden . Hatte der Detachementsführer dann nicht die Vorsicht beobachtet,

genügende Kavallerie zur unmittelbaren Sicherung bei seinen vordersten Infanterie-Abteilungen zurückzubehalten, ein Fall, der bei numerischer Schwäche der Kavallerie in der Regel eintrat, so war die natürliche Folge dieser Verwendungsart die, dafs die beiderseitigen Infanterien in unnatürlicher Nähe auf einander platzten und dafs von einem geordneten Aufmarsch, einer planvollen Entwickelung und Durchführung des Gefechts nicht mehr die Rede sein konnte. Der Nutzen der Übungen für Führer und Truppe erlitt eine erhebliche Einbuſse. Ihre Aufklärungs-Aufgabe während des Gefechts konnte diese frühzeitig verausgabte Kavallerie nicht mehr erfüllen . Sie fehlte also da, wo sie im Verbande mit den anderen Waffen wichtige taktische Dienste zu leisten hatte. Übrigens ergaben sich dieselben Nachteile auch bei Verwendung als „Avantgarden-Kavallerie“ überall da, wo die Führung es nicht verstand, dem ungestümen Drange nach vorwärts eine heilsame Fessel anzulegen und in Folge dessen die Fühlung mit der nachfolgenden Infanterie verloren ging. unkriegsgemäfs .

Eine solche Verwendung der Kavallerie ist

Im Kriege wird der Wagemut der Reiterei an dem

Bedürfnifs nach Sicherheit, die die nachfolgende Infanterie gewährt, seine natürliche Begrenzung finden, Attacken der Aufklärungs-Kavallerie in kleinen Verbänden werden zu den Seltenheiten gehören. Es wird somit der Führung leichter werden , die Kavallerie in der Hand zu behalten, wofern sie ihr in der Truppen-Einteilung den richtigen Platz anweist . Schnellere und bessere Meldungen werden die Folge sein. Indem die neue Felddienstordnung in Nr. 104 *) die Ausscheidung

*) Die Numerirung des Neuabdrucks ist durchlaufend . Der betreffende früher : Satz lautete jetzt: Nr. 72. „ Sie kann hierbei ebenso Nr. 104. „Vorgeschobene Kavallerie wohl dem Führer des Ganzen unkann sowohl der Avantgarde zugeteilt mittelbar unterstellt bleiben (Selbstwerden (Avantgarden - Kavallerie), als ständige Kavallerie), als der Avantin gröfseren Verhältnissen dem Führer des Ganzen unmittelbar untergarde zugeteilt werden (Avantstellt bleiben (selbstständige Kagarden- Kavallerie )". vallerie) . Jedenfalls mufs bei ihrer Verwendung berücksichtigt werden, dafs der Infanterie zum Gefecht aufklärende Kavallerie in ausreichender Stärke verbleibt. "

Einige Bemerkungen zum Neu-Abdruck

226

einer selbstständigen Kavallerie auf „ gröfsere Verhältnisse " beschränkt und dieselbe erst in zweiter Linie erwähnt, ist der taktische Gesichtspunkt gegeben, durch welchen der vorerwähnten miſsbräuchlichen Verwendung ein Riegel vorgeschoben werden soll. Der an dieser Stelle gemachte Zusatz : „jedenfalls muſs bei ihrer Verwendung berücksichtigt werden, dafs der Infanterie zum Gefecht Kavallerie in ausreichender Stärke verbleibt " , bezieht sich sowohl auf Avantgardenwie auf selbstständige Kavallerie, und wird einer Entblöfsung der Infanterie-Marsch-Kolonnen von Kavallerie vorbeugen. Wie oft kamen bei Nichtbeachtung dieses Gesichtspunktes Regimenter und Bataillone auf selbstständigen exponirten Posten einer Gefechtslinie durch mangelnde Kavallerie in die äusserste Verlegenheit, wie oft fehlte selbst zum Überbringen eines wichtigen Befehls oder einer wichtigen Meldung der erforderliche Reiter ! Und wie wertvolle Dienste konnte andererseits eine einzige Kavallerie - Patrouille am richtigen Ort und im richtigen Augenblick leisten ! In engster Verbindung mit diesem Zusatz steht die Einschaltung am Ende der neuen Nr . 84 ( Aufklärungsdienst der Divisions-Kavallerie) , nach welcher „kein selbstständig auftretender Truppenteil bis hinab zum Bataillon ohne einige Reiter für die Aufklärung gelassen werden darf. " Der Schlufssatz der Nr. 104 enthält den Zusatz : „Auch während des Gefechts bleibt für die Divisions-Kavallerie der Aufklärungsdienst die Hauptsache, was jedoch ihr Eingreifen in dasselbe bei Also die Aufklärungsgünstiger Gelegenheit nicht ausschliefst. " Aufgabe während des Gefechts ist die Hauptsache, das Eingreifen die Ausnahme.

Zu berücksichtigen ist hierbei immer, dafs die Möglichkeit,

diese Aufgabe zu erfüllen, die richtige Verwendung der Kavallerie Nur bei vorbeim Beginn des Vormarsches zur Voraussetzung hat. aufgegangener richtiger Verwendung, d . h. wenn sie Fühlung nach rückwärts gehalten hat, kann die Kavallerie, wie dies die Felddienstordnung sowohl von selbstständiger als von Avantgarden-Kavallerie ausdrücklich verlangt, sein"

bei der Entwickelung des Gefechts zur Hand

In noch prägnanterer Weise charakterisirt die etwas veränderte Fassung der Nr. 84 (früher I, 53) die Aufklärungs-Aufgabe während des Gefechts. 77 Der Aufklärungsdienst der Divisions-Kavallerie reicht bis in alle Teile des Gefechts hinein und mufs gerade hier ununterbrochen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht erhalten werden. " .

• 77 Kein selbstständig auftretender Truppenteil bis hinab

zum Bataillon darf ohne einige Reiter für die Aufklärung werden ."

Für den Vormarsch bestimmt Nr. 109,

gelassen

dafs die Zuteilung von

227

der Felddienstordnung vom 20. Juli 1894 .

Kavallerie an den Vormarsch so bemessen werde, dafs zur Aufklärung seitwärts der Marschstrafse Patrouillen der Infanterie nicht erforderHiernach dürfte die Zuteilung einiger Patrouillen an den Vortrupp die Regel werden und die bemitleidenswerten InfanteriePatrouillen, die schwer belastet über Sturz und Stoppel aufserhalb der Marschstrafse einherkeuchten , ohne beim besten Willen ihrer

lich werden .

Sicherungs-Aufgabe genügen zu können, endgültig aus der Welt geschafft sein. In ihrer Gesammtheit betrachtet, werden alle diese Änderungen eine sachgemäfse Verwendung der Kavallerie erleichtern, von

mancher Seite befürchtet wird,

Richtig ist freilich,

ohne, wie

zur Zersplitterung zu führen .

dafs die für einzelne Korps jetzt geplante Er-

richtung von Meldereiter - Detachements die Divisions-Kavallerie von mancher lästigen Abgabe befreien und stärkere Kräfte für 27 die in alle Teile des Geschäfts hineinreichende" Aufklärungs-Aufgabe verfügbar machen würde . Für die Marsch -Verhältnisse bleibt festzuhalten, dafs die Zuteilung Ohne zwingende der Kavallerie zur Avantgarde die Regel bildet. Gründe wird der Detachementsführer die Masse seiner Kavallerie zur Aufklärung niemals aus dem Verbande herausnehmen. Liegen besondere Verhältnisse vor, welche eine „ selbstständige Kavallerie" rechtfertigen , so darf dennoch niemals die Anschauung Platz greifen, dafs die Kavallerie bei solcher Verwendung unabhängiger geworden ist. Die Forderung, dafs unter Erfüllung aller Bedingungen der Aufklärung die Verbindung mit der nachfolgenden Infanterie niemals verloren. werden darf (Nr. 104 letzter Absatz) , bezieht sich ebenso „selbstständige " als auf die „ Avantgarden- Kavallerie " .

auf die

Für den Vorpostendienst bringt der Neu-Abdruck der FelddienstOrdnung in den Nummern 138-140 einige namhafte Verbesserungen . Die in der alten Ordnung unter 106 und 107 enthaltene Aufzählung der in den Avantgarden- und Vorpostenbefehl gehörigen Punkte hatte zu einer Schematisirung und ungebührlichen Länge dieser Befehle geführt.

Das war ganz natürlich.

Denn für den, der

schnell einen wichtigen Befehl, für den er verantwortlich gemacht wird, entwerfen soll, giebt es nichts Angenehmeres , als durch eine Dienstvorschrift Punkt für Punkt an das erinnert zu werden, was zu befehlen ist, er ist dann sicher, Nichts zu vergessen.

So hatte sich

denn mancher Avantgarden- und Vorposten-Kommandeur allzu gewissenhaft an das Inhaltsverzeichnifs dieser beiden Nummern geklammert und darüber die wichtigere Bestimmung der (alten) Nr. 104 vergessen: 19 In jedem einzelnen Falle ist Gliederung, Befehlsverhältnifs und Dienst bei den Vorposten den besonderen Umständen entsprechend

Einige Bemerkungen zum Neu-Abdruck

228

zu ordnen . "

Gewifs hat mancher Vorposten - Kommandeur selbst unter der lästigen Empfindung gelitten , viel Unnötiges , vielleicht gar für den vorliegenden Fall nichts Passendes befohlen zu haben , weil es der Vollständigkeit halber so verlangt wurde , und eine fortgelassene Nummer im Befehl vielleicht gar von der Kritik gerügt worden wäre . Ich wenigstens habe mich als Vorposten -Kommandeur dieser Empfindung manchmal nicht erwehren können . Nicht selten hatte bei dieser Art der Befehlserteilung auch diejenige Forderung nicht erfüllt werden können , welche die Allerhöchste Verordnung als das Wesentlichste hinstellt, nämlich, dafs beide Befehle rasch gegeben werden sollen, um den Übergang in das Verhältnifs der Ruhe so glatt als möglich zu gestalten und ein unnützes Warten der Truppen auf Befehle zu vermeiden . Bei erfahrenen Praktikern hatte sich denn auch im Vorposten-

dienste die Gewohnheit herausgebildet, zunächst die Kavallerie, die Vorposten-Kompagnien und das Vorpostengros auf ihre Plätze zu dirigiren und jedem Führer - aber in drei Worten - zu befehlen, was seines Amtes sei . Erst dann wurde in aller Ruhe der Vorpostenbefehl gemäfs F. O. Nr. 107 „geschmiedet" und in oft 5 bis 6facher Ausfertigung an die empfangenden Dienststellen und die vorgesetzten Behörden abgesandt. Etwas dem Ähnliches hat jetzt die neue Felddienst- Ordnung in den Nummern 139 und 140 zur Norm erhoben, indem sie (139) schon während des Marsches dem Vorposten-Kommandeur die „ zunächst erforderlichen Befehle" geben läfst und darauf verzichtet, für den Vorpostenbefehl ein Inhaltsverzeichnifs zu geben, sondern lediglich auf die allgemeinen Gesichtspunkte im Kapitel Befehlserteilung (Ziffer 37 und 38) verweist . „ Die Hauptsache hierbei ist, dafs die dringendsten Mafsnahmen rasch zur Ausführung gelangen ,

insbesondere diejenigen , welche darauf abzielen , dafs die Fühlung mit dem Feinde erhalten bleibt , oder , wo verloren gegangen , schnell wiedergewonnen wird. Ob hierbei ein gemeinsamer Befehl für alle Vorpostentruppen oder kurze Befehle an deren einzelne Teile schneller. zum Ziele führen , hängt von den Verhältnissen ab. Jedenfalls wird jedem Unterführer unter Beachtung der in Ziffer 37 und 38 *) gegebenen Gesichtspunkte neben ausreichender Orientirung der ihm zufallende Auftrag -- namentlich die Gesichtspunkte für die Aufklärung , sowie das Verhalten bei einem feindlichen Angriff mitzuteilen und womöglich auch die Zuteilung von kleineren Kavallerie - Abteilungen , *) Betrifft Inhalt der Operationsbefehle .

der Felddienstordnung vom 20. Juli 1894. Meldereitern und schliefsen sein."

Radfahrern

für

die

Infanterie

229 anzu-

Erst später ( 140) soll der Vorposten-Kommandeur nach Einsicht an Ort und Stelle diese ersten Festsetzungen durch eine Reihe von Einzel-Anordnungen (Durchlafsposten, Einrücken der Kavallerie, deren Aufgaben für die Nacht, Weisungen über den Grad der Bereitschaft , besondere Mafsregeln, Wegesperrungen u. dgl .) ergänzen. Zweifellos entspricht diese Arbeitsteilung, welche dafür sorgt, dafs zunächst die einzelnen Abteilungen in ihre Aufstellung und zum Abkochen gelangen, während das minder Wichtige zu befehlen vorbehalten bleibt, besser dem Sinn und Geist, den sonst die FelddienstOrdnung aller Arten atmet, als die früheren Bestimmungen, welche schwülstige und umfangreiche Befehle nach bestimmtem Schema begünstigten. Für den Avantgardenbefehl ist das frühere Inhaltsverzeichniss ebenfalls abgeschafft und lediglich auf die allgemeinen Gesichtspunkte im Kapitel Befehls-Erteilung Ziffer 32 bis 41 verwiesen . (Nr. 138. ) Zu erwähnen bleibt noch die durch Nr. 133 der neuen Ordnung gewährte Erlaubnifs ,,bei nur geringer Stärke der Kavallerie von der Zuteilung einer besonderen Vorposten-Kavallerie Abstand zu nehmen ", und sich auf die Zuteilung kleiner Kavallerie-Abteilungen an das Vorpostengros und die Vorposten - Kompagnien zu beschränken. Dieser Fortfall der Vorposten-Kavallerie war bisher (alte Nr . 101 , zweiter Absatz) auf besondere Umstände, wie sehr schwieriges Gelände, unmittelbare Nähe des Feindes u . dgl . beschränkt, hat also eine sehr Es ist zu wünschen, dafs von sachgemäfse Erweiterung erfahren. dieser durch die Felddienst-Ordnung gewährten Erlaubnifs ein ausDie Friedensgiebigerer Gebrauch gemacht werde , als bisher. gewohnheit, dem Vorposten -Bataillon in der Regel eine Eskadron. zuzuteilen, hat den ganz bestimmten und sehr richtigen Grund, alle Truppen in bestimmter Reihenfolge zu ihrer Ausbildung im Vorpostendienste heranzuziehen . Dies schliefst aber nicht aus, daſs man in den vorerwähnten Fällen die entbehrlichen Teile der Eskadron Auch diese in's Vorpostengros zurückzieht oder einrücken läfst. negative Art der Verwendung wird lehrreich sein . Die ausgiebige Verwendung der Radfahrer als Melder, auf dem Marsche, im Vorpostendienst und in Stellungen, Frucht der letztjährigen Manöver - Versuche , bildet gleichfalls eine Neuerung der Felddienst-Ordnung vom 20. Juli . Nebenbei hat sich das Fahrrad für den Betrieb des inneren Dienstes grofse Wohlthat erwiesen.

Die

bei der Infanterie als

dadurch

erreichte Ersparnifs

eine

an Menschen und Pferdekräften wird der Gefechtsthätigkeit beider Waffen Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2. 16

230

Die Wirkung der Feldgeschütze 1815 bis 1892.

wesentlich zu Gute kommen.

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dafs

die erfolgreiche Verwendung des Fahrrades von der Qualität des Strafsennetzes

abhängig ist ,

und dafs

dasselbe

bei

sehr nasser

Witterung, bei Eis und Glätte auch auf guten Wegen leicht versagt . Wir werden auf einem

östlichen Kriegsschauplatze auch in dieser

Beziehung mit anderen Verhältnissen zu rechnen haben, wie auf einem westlichen und somit wahrscheinlich doch auf Meldereiter- Detache95. ments neben dem Fahrrade zurückkommen müssen.

XV.

Die Wirkung der Feldgeschütze 1815 bis 1892 *) .

Ein genauer Kenner der Artilleriewaffe, der durch seine schon früher erschienenen gediegenen Werke rühmlichst bekannte königl. preufsische Generallieutenant z. D. H. Müller, hat sich die Aufgabe gestellt, von derjenigen Leistung, die gewöhnlich die Wirkung der Geschütze genannt wird, eine klare Anschauung zu gewinnen .

Diese

schwierige und verwickelte Aufgabe hat derselbe dadurch zu lösen versucht, dafs er aus bekannt gewordenen Ergebnissen verschiedener Schiefsversuche das Verhalten der Geschosse nach dem Zerspringen und damit die Elemente der Streuwirkung feststellte. In geradezu meisterhafter Weise werden im ersten Teile des Werkes die Versuche aus glatten Feldgeschützen bis zum Jahre 1860, insbesondere die durch das Auftreten des Schrapnels bewirkte erhebliche Erweiterung und Erschwerung in der Anordnung und Durchführung der Schiefsversuche, hierauf die Versuche mit gezogenen Feldgeschützen bis zum Anfang der 70er Jahre, dann bis Mitte der 80er Jahre und schliefslich nach dieser Zeit betrachtet. Hierbei wird auch der Entwickelung , welche das Versuchswesen der Privatindustrie seit dem Jahre 1870 gewonnen hat , die gebührende Beachtung gezollt.

Im zweiten Teile des Werkes,

*) Die Wirkung der Feldgeschütze 1815 bis 1892. Mit besonderer Berücksichtigung der preufsischen und deutschen Artillerie und mit Benutzung dienstlichen Materials dargestellt von H. Müller , Generallieutenant z. D. Zugleich dritter Band zu des Verfassers Werk : „ Die Entwickelung der Feldartillerie in Bezug auf Material, Organisation und Taktik." Berlin 1894. Ernst Siegfried Mittler & Sohn. 338 Seiten. Mit Anhang (Anlagen, Tabellen und Skizzenblätter). Preis 13 M., gebunden 14 M.

Die Wirkung der Feldgeschütze 1815 bis 1892. welcher

den

kritischen Betrachtungen

einer Anzahl

231

von Schiefs-

versuchen aus der Zeit nach 1870 gewidmet ist, werden die Versuche zur Aufklärung besonderer Verhältnisse und Eigenschaften des Streukegels der Granaten und Schrapnels , dann die Versuche gegen Scheibenwände zur Feststellung der Trefferverhältnisse der verschiedenen Geschofsarten, hierauf die Versuche gegen kriegsmässige Ziele zur Feststellung der Wirkung verschiedener Geschosse , eingehend dargestellt und beurteilt. Am Schlusse des dritten Teiles des Werkes, der die Elemente der Wirkung unter Zugrundelegung der Versuchs-Ergebnisse betrachtet, entwickelt der Verfasser seine Ansicht über die Aussichten für die Zukunft. Hierbei hebt derselbe besonders hervor, dafs die Herstellung des wirksamsten und vollkommensten Streugeschosses ( Schrapnels ) an die Spitze der Bestrebungen zu stellen sei , weil auch in Zukunft die vermehrte Leistungsfähigkeit der Feldkanonen in erster Linie in der gesteigerten Streuwirkung ihrer Geschosse liegen werde. Nicht so unbedingt wie hiermit können wir uns damit einverstanden erklären, dafs Feldhaubitzen und Feldmörser nur dann brauchbar werden könnten, wenn sie dem Charakter der langen Haubitzen nähern, flachen Schrapnelschufs

sich mehr

also einen genügend

besitzen und ein wirksames Steilfeuer bis

vielleicht 20 Grad Erhöhung mit Sprenggranaten ausführen würden können . Wir befürchten, dafs gezogene lange Haubitzen, ebenso wenig wie die glatten langen Haubitzen bezw. Granatkanonen , welche im zweiten Viertel unseres Jahrhunderts in mehreren Feldartillerien an Stelle der glatten kurzen Haubitzen eingeführt wurden , das wirkliche Steilfeuer kurzer Haubitzen und Mörser ersetzen, mithin das entschieden vorhandene Bedürfnifs nach Wurfgeschützen nicht in entsprechender Weise befriedigen werden können. Besonderes Interesse dürfte nachstehende Mitteilung des vorliegenden gediegenen Werkes (Seite 324) verdienen : „ Bei Festsetzung der Kaliber für die Geschützsysteme in den 70er Jahren sprach ein Mitglied der k. preufsischen Artillerie - Prüfungs - Kommission , der damalige Hauptmann Trautmann, von vornherein die Ansicht aus, das neue Geschützsystem müsse aus einem leichten (7,85 cm) Geschütz mit gröfster erreichbarer Geschofsgeschwindigkeit und aus einer kurzen Kanone von Haubitzcharakter mit Geschossen von 9,5 bis 10 kg Gewicht bestehen .

Jenes

sollte für das bewegte Truppen-

gefecht , diese für den Entscheidungskampf und zum Beschiefsen fester Mauern und Erdziele dienen etc. Diese Ansichten fanden damals keinen Beifall.

Es kam auch in anderen Artillerien zur An-

nahme von zwei langen Kanonenkalibern .

Das Ziel,

dem dann die

16*

232

Die Wirkung der Feldgeschütze 1815 bis 1892.

meisten Artillerien zustrebten , war ein Einheitsgeschütz. " - Sehr mit Recht bemerkt der Herr Verfasser : „ Der Wunsch, ein solches Geschütz zu erlangen, könne, obwohl derselbe sehr berechtigt erscheint, doch nur dann verwirklicht werden, wenn dazu nicht andere wesentliche Vorteile geopfert werden müssen . Die Frage ist nun , ob auch für die Zukunft eine Flachbahnkanone als Einheitsgeschütz ausreichend ist? Zweifel hierüber sind berechtigt und schon ausgesprochen worden . " Auch darin können wir dem hochverdienten Herrn Verfasser unbedingt beistimmen, dafs bei den stets schwankenden und aufserdem in den einzelnen Artillerien verschiedenen Anschauungen über das Verhältnifs von Wirkung und Beweglichkeit es nicht zu verwundern sein würde, wenn in den zukünftigen Geschützsystemen sich die folgenden Geschütztypen in verschiedener Weise zusammenfinden würden : ,,Entweder ausschliesslich nur ein sehr wirksames Einheitsgeschütz, etwa nach dem Vorschlage des Generals Rohne, ohne besondere Einrichtungen zu grofser Feuergeschwindigkeit, oder ein in der Leistung etwas tiefer als dieses stehendes und mit Einrichtungen zu gesteigerter Feuerschnelligkeit versehenes, aber

noch

wirksames Einheitsgeschütz .

Oder ,

neben

einem der beiden eben genannten Geschütze in der Ausrüstung aller oder des gröfseren Teiles der fahrenden Batterien ein leichtes Schnellfeuergeschütz von 7 bis 7,5 cm Kaliber mit einem Geschofs von 5 bis 5,5 kg Gewicht und etwa 500 m Geschwindigkeit, und zwar für die reitenden Batterien allein, oder auch für einen Teil der fahrenden Batterien. " dafs voraussichtlich das EinheitsAuch der Bemerkung,

geschütz überwiegen wird ,

allerdings kaum im absoluten

Sinne , denn neben ihm werden die Feld - Wurfgeschütze sicher vielfach weiter bestehen " (Seite 327) können wir beistimmen. Hierbei vermögen wir jedoch nicht den Wunsch zu unterdrücken, dafs für die deutsche Feldartillerie, trotz aller Eignung einer , auf dem Prinzip des Einheitsgeschützes sich aufbauenden Flachbahn - Feldartillerie für den Artilleriekampf, jene hochstehende kombinirte Taktik der durch ihr Feuer wirkenden Hauptwaffen, die jeweils die Schwächen der einen durch die Stärken der anderen ausgleicht, und den gleichzeitigen Einsatz beider zur Erzielung eines gemeinsamen Erfolges einzig und Die neuen allein ermöglicht, gebührend beachtet werden möchte. Reglements und Feldpionier -Vorschriften aller Armeen betonen die Vorteile, welche die Verteidigung aus rasch herstellbaren mit zahlreichen gedeckten Unterständen ausgestatteten Erddeckungen gewinnen kann. An diesen gedeckten Unterständen scheitert Schrapnel-, Splitter- und Vollgeschofs -Wirkung des Flachbahngeschützes. Eine nur über Flach-

Die Wirkung der Feldgeschütze 1815 bis 1892.

233

bahngeschütze verfügende Feldartillerie kann also diese Deckungen nicht zerstören,

daher auch den Angriff ihrer Infanterie nicht ent-

sprechend vorbereiten .

Ferner müssen Flachbahngeschütze ihr Feuer

gegen die anzugreifenden Teile der feindlichen Stellung einstellen, sobald sich die eigene Infanterie diesen Teilen auf 400 m Entfernung genähert hat.

Eine nur über Flachbahngeschütze verfügende Feld-

artillerie kann also in der kritischsten, entscheidendsten Gefechtsphase, in welcher die Infanterie, gegenüber der zersetzenden Kraft des heutigen Kleingewehrfeuers, der Hülfe von Seite ihrer Artillerie am allerdringendsten bedarf, ihre eigene Infanterie nicht mehr unterstützen . Das Bedürfnis nach Steilfeuergeschützen,

welche die Eindeckungen

zeitgerecht zerstören und den Infanterie-Angriff bis auf 200 m an den Feind heran mit Feuer unterstützen können , mufste naturgemäfs in demselben Grade, in welchem die rasche Herstellung von mit zahlreichen gedeckten Unterständen ausgestatteten Erddeckungen wahrSobald nicht mehr gezweifelt scheinlicher geworden ist, zunehmen. werden kann, dafs derartige Deckungen innerhalb eines halben Tages hergestellt werden können , erscheint eine, wenigstens nach Richtung ihrer Beweglichkeits- und Marschleistungs -Verhältnisse gleichartige, aus Flachbahn- und Wurfgeschützen zusammengesetzte Feldartillerie für die Feldarmee einfacher und förderlicher zu sein, als zwei, nicht nur hinsichtlich ihres Materials, sondern auch in Bezug auf Beweglichkeit, Organisation und taktischer Ausbildung auf verschiedene Grundlagen gestellte Artilleriegattungen Feldartillerie mit EinheitsFlachbahngeschützen und Fufsartillerie mit Bespannung. Die in dem vorliegenden Werke mit staunenswertem Fleifse gesammelten und mit hervorragendem Geschicke verwerteten Erfahrungen machen dasselbe zu einem Werke, auf das die deutsche Artillerie stolz sein darf. Demselben ist die weiteste Verbreitung und Beachtung unter den Artillerie-Offizieren und den in der Privatindustrie mit artilleristischen Konstruktionsfragen beschäftigten Technikern zu 32. wünschen.

XVI . Militärisches aus Rufsland.

Der Schlufs des Jahres 1894 hat endlich, am Namenstage des Kaisers, die lang erwartete Entlassung des Generals Gurko gebracht ; mit ihm verliert die russische Armee einen bewährten Heer-

Militärisches aus Rufsland .

234

führer, einen entschlossenen, energischen Soldaten, welcher den verantwortlichen Posten, auf den er gestellt war, ganz und voll auszufüllen wufste. An seine Stelle ist, als General - Gouverneur von Warschau und Oberbefehlshaber der Truppen des Warschauer MilitärBezirks, der Gen. d. Inf. , Gen. - Adjutant Graf Paul Schuwalow , bisheriger Botschafter in Berlin, getreten. Graf Schuwalow ist nicht nur ein bewährter, gewandter Diplomat, sondern auch ein vortrefflicher Soldat, der sowohl den schwierigen Verhältnissen in Bezug auf die Verwaltung Polens völlig gewachsen sein, als auch der ihm unterstellten Armee einen trefflichen Führer abgeben wird. Am Krym-Feldzuge, der Schlacht von Inkerman und der Verteidigung von Ssewastopol ,

nahm Graf Sch.

als Adjutant

des

Grofsfürsten

Nikolai Nikolajewitsch teil ; 1859-61 war er Militär-Agent in Paris, 1861-63 Departements-Chef im Ministerium des Aufsern ; 1863–67 kommandirte er Garde-Truppenteile, während er die nächstfolgenden 10 Jahre Stabschef des Mil . - Bez. Petersburg und gleichzeitig Vorsitzender des Haupt-Komitees für Organisation und Ausbildung der Truppen war. Regen Anteil nahm Graf Sch. als Kommandeur der 2. Garde-Inf. -Div. am russisch-türkischen Feldzuge, namentlich an den Kämpfen um Plewna ; von seinen Soldaten wurde er im Feldzuge schwärmerisch geliebt.

Nach dem Feldzuge kommandirte er 2 Jahre

das Grenadier-Korps , alsdann 4 Jahre das Garde-Korps ; 1885 wurde er zum Botschafter in Berlin ernannt, als welcher er die Erhaltung und Pflege der guten Beziehungen zwischen Rufsland und Deutschland sein Hauptziel sein liefs. Gleichfalls am Namenstage des Kaisers sind dem GrenadierRegiment Kexholm Sr. Majestät des Kaisers von Österreich,

dem

St. Petersburger Grenadier - Regiment König Friedrich Wilhelms III . , sowie der 3. , 5. und 6. Batterie der 3. Garde- und Grenadier - Artillerie - Brigade die „ Rechte der alten Garde " verliehen worden. Diese beiden Regimenter gehören seit 1831 dem Garde - Korps (3. Garde - Inf. - Div. Warschau) an und haben eine glänzende Vergangenheit. Das Regiment Kexholm hat an 68, das Petersburger Regiment Friedrich Wilhelm III . an 196 Schlachten teilgenommen.

Das Petersburger Grenadier-Regiment entstand 1790 aus

der Verschmelzung der beiden Regimenter Tengin und Nawagin, welche sich im schwedischen Feldzuge 1788-90 im Detachement des Generalmajors Mufsin-Paschkin befanden ; den 19. Okt.

1814 wurde

das Regiment auf Allerhöchsten in Wien erteilten Befehl „GrenadierRgt. Sr. Majestät des Königs von Preufsen", am 7. Juni 1840 aber zum Andenken an den am heutigen Tage in Gott entschlafenen unvergesslichen

Freund

und

Kriegsgefährten

Kaiser

Alexanders I. "

Militärisches aus Rufsland .

235

,,Grenadier - Regiment König Friedrich Wilhelm III." benannt .

Die

,,Rechte der alten Garde" bestehen jetzt, aufser höheren Kompetenzen, nur noch darin, dafs der Rang des Oberstlieutenants fehlt, die Kapitäns also direkt zum Oberst befördert werden ; beim Übertritt in den Generalstab wird ein höherer Rang, mit dem Patent des alten Ranges in der Garde, verliehen. Die betr. Grenadier - Regimenter führen von jetzt ab den Titel „ Leibgarde- Regimenter" . In Bezug auf die Ausbildung der russischen Armee wird das Jahr 1895 voraussichtlich von grofser Bedeutung sein, da die Herausgabe

neuer Reglements

sämmtliche

für

Exerzirreglements ,

alle ebenso

Waffen wie

zu

die

erwarten

steht ;

Felddienstordnung

entstammen dem Anfange der achtziger Jahre und entsprechen keineswegs mehr den zeitgemäſsen Anforderungen. Namentlich ist dieses bez. des Infanterie-Reglements der Fall. Im Augustheft 1893 der „ Jahrbücher“ haben wir die Ansichten eines hochgestellten russischen Offiziers über den Angriff der russischen Infanterie, wie er sich augenblicklich auf Grund des Exerzir-Reglements gestaltet, angeführt ; wir haben daraus gesehen, welche Verwirrung das Reglement in den Anschauungen über das Infanterie-Gefecht angerichtet hat .

Während

nun die Beratungen der Kommission für das neue Reglement kein Ende finden wollen, ist die militärische Presse voller guter Ratschläge in Bezug auf Vereinfachungen und Verbesserungen des Reglements. Namentlich bezüglich der neuen Vorschriften für den Angriff tobt ein heftiger Kampf der Geister.

Die Einen wollen , dafs beim Angriff

die volle Feuergeschwindigkeit und Schufsweite des

Gewehrs aus-

genutzt, dafs die Feuerüberlegenheit über den Gegner herbeigeführt werde ; die andere Partei, um ihren Führer Dragomirow geschaart, sieht nur in den moralischen Eigenschaften des Mannes,

in seiner

Erziehung zum rücksichtslosen Draufgehn, in dem unaufhaltsamen , ununterbrochenen Angriff die einzige Gewähr für den Sieg ; einer Nachricht des ,,Raswjedtschiks" zufolge gewinnt diese letztere Richtung in der Kommission für die Neubearbeitung des Reglements die Oberhand. In seiner geistreichen Weise vertritt General Dragomirow seine Ideen in einer Plauderei ,, der Bär , ein Schnellfeuertraum " *). ,,Wir safsen," erzählt der General,,,nach den Manövern im Es wurde vom Schlosse X beim Frühstück und unterhielten uns. Mode-Götzen, dem Feuer, gesprochen. Man hörte nur noch von Die Einen sagten, ,,Bleiregen" und anderen schönen Redensarten. man müsse dem Soldaten lehren, seine Patronen wie seinen Augapfel zu bewahren ; der Soldat dürfe nur dann schiefsen, *) Raswjedtschik Nr. 219/94.

wenn grofse

236

Militärisches aus Rufsland.

Treffwahrscheinlichkeit vorhanden wäre,

man müsse nicht nur die

Eigenschaften der Waffe, sondern vor Allem die des Menschen, der die Waffe handhabt, in Rechnung ziehen. Andere waren entzückt von der furchtbaren Wirksamkeit des Massenfeuers und bewiesen die Notwendigkeit, möglichst viel Patronen zu verpuffen.

Wer hatte

Recht, wer Unrecht? Diese Frage quälte mich den ganzen Tag und liefs mich nichts Anderes denken. Ich legte mich schlafen, aber die Frage schwebte mir ununterbrochen vor. Ermüdet, schlummerte ich . schliefslich ein. Da träumte ich einen schweren, erdrückenden Traum.

Ich stehe

allein mitten in einer öden Steppe und mich bedrückt das Vorgefühl eines unvermeidlichen Unglücks. Zum Glück halte ich in der Hand ein vorzügliches Magazingewehr, und in der Luft drängen sich nur so die. Patronen, um in das Patronenlager zu gelangen.

Kaum hatte

ich

einen Schufs abzugeben vermocht, als ganz von selbst eine neue Das machte mir Patrone an die Stelle der abgeschossenen sprang. Mut ; da habe ich nichts zu fürchten, denke ich, mag nur jemand auf mich zukommen, ich strecke ihn nieder. Kaum hatte ich also gedacht, da sehe ich in der Ferne einen bautz ! Bären, der etwas zu suchen scheint. Ich lege an, ziele Aber der Bär schien dieses nur erwartet zu haben ;

er drehte

sich

um und kam gerade auf mich zu. Ich schiefse, schiefse ohne Aufhören ; er aber geht unaufhaltsam weiter. Welch ein Wunder ! Ist er verzaubert, oder ist er sich, als dummes Vieh, der Gefahr nicht bewusst ?

Und immer näher, immer näher.

Ich schiefse wie rasend,

die Hände beginnen zu erlahmen, und er wälzt sich immer näher heran ;

Zittern erfafst mich,

aber aus letzten Kräften fahre ich zu

schiefsen fort. Da , endlich, die Arme hängen erschlafft herab, das Gewehr verstummt, und der ungeheure Bär erhebt sich auf den Hintertatzen und schreitet auf mich zu . Tödliche Kälte hat mich ergriffen, Arme und Beine versagen ihren Dienst.

Und nun stehen wir

uns Aug' in Auge gegenüber ; ich fühle seinen schweren widerwärtigen Plötzlich, o Schrecken, öffnet er seinen Athem in meinem Antlitz. fürchterlichen Rachen und spricht mit verächtlich spöttischer Stimme : Babki solltest Du ,,Nun, und was weiter ? Du Dummkopf Du! spielen, aber nicht mit Gewehren schiefsen ! Hat man Dir nicht von Jugend auf erzählt, dafs einem dummen Sohne auch der Reichtum nichts hilft ? Das hast Du nun davon !" Ich erwachte, mit kaltem Schweifs übergossen, und, bis ich ganz zu mir kam,

sah ich immer

die Gestalt des Bären , allmählich verschwindend, und um mich herum flogen und stiefsen sich Patronen, als ob sie sich danach drängten, in das Gewehr zu gelangen." Der Bär also ist das Sinnbild des

Militärisches aus Rufsland.

237

Dragomirow'schen Angriffs, nur schade, dafs im Ernstfalle der Bär denn doch etwas mehr das Feuer zu respektiren gezwungen sein wird. An Reglements und Bestimmungen kehrt sich General Dragomirow bekanntlich nicht im Mindesten ; sein Wahrspruch ist : „ die Reglements sind für uns da, nicht wir für die Reglements. " So hat er denn vor Kurzem für seinen Militärbezirk befohlen, dafs auf Meldungen, Befehlen u. s. w. künftighin bei Angabe der Tageszeit der Tag mit 24 Uhr - Stunden anzunehmen ist ; d . h . der Tag beginnt nach Mitternacht mit 1 Uhr ; 1 Uhr Mittags ist aber 13 Uhr, Mitternacht 24 Uhr ; es heifst also nicht mehr 9 Uhr Nachmittags, sondern 21 Uhr, u. s. w. So praktisch auch eine derartige Zeitrechnung, wenn sie sich erst eingebürgert hätte, für militärische Zwecke wäre, so mufs es doch erst recht zu Irrtümern und Verwechselungen führen, wenn ein einzelner General eigenmächtig bei den ihm unterstellten Truppen eine solche Zeitrechnung einführt. Aus den organisatorischen Mafsnahmen der letzten Zeit ist besonders das beständige Streben, die Bildung des Offizier - Korps zu fördern , hervorzuheben. Sowohl die Michael-Artillerie- als auch die Nikolaus-Ingenieur- Schule haben im letzten Jahre eine bedeutende Erweiterung erfahren, die Bedingungen für Aufnahme in die Junkerschulen sind verschärft worden . Vor Allem aber fährt man damit fort, allmählich auf den Junkerschulen den Kriegsschulen-Kursus einzuführen. Zwei Infanterie-Junker-Schulen, die in Moskau und Kijew, haben bereits vollständigen Kriegsschulen-Kursus, auf der Kavallerie-Junkerschule Jelissawetgrad wird derselbe allmählich eingeführt ; in diesem Jahre hat die letztgenannte Junkerschule bereits 4 Abteilungen (in jeder Klasse 2) mit Kriegsschulen-Kursus, während in den übrigen 5 Abteilungen vorläufig noch der Junkerschulen-Kursus durchgenommen wird .

Grofses

Aufsehen

erregt die

Verurteilung

einer

ganzen

Kompagnie des 11. Sappeur - Bataillons in Odessa wegen Empörung gegen ihren Kompagnie - Chef. Die gesammte Kompagnie, von den Unteroffizieren dazu aufgewiegelt, hat ihrem Kompagnie-Chef vollständig den Gehorsam verweigert und ihm offenen Widerstand entgegengesetzt, weil er ihr monatelang Gehalt, Montirungsgelder, Geldbriefe u. s. w. vorenthalten und die Kompagnie, nachdem sie sich bereits einmal hierüber beschwert hatte, durch ungerechte Strafen u. s. w. hat büfsen lassen. Höchst charakteristisch für die Auffassung ist es , dafs, wie aus der Verhandlung hervorgeht, die Mannschaften sich bereits im Juli über ihren Kompagnie-Chef beschwert hatten, weil er ihnen 4 Monate lang kein Gehalt, ferner nicht die Montirungsgelder für das Jahr 94, Arbeitsgelder für das Jahr 93 , Geldbriefe u. s. w. ausbezahlt habe ; dem Kapitän ist alsdann von seinem Brigade-Kommandeur befohlen worden,

die schuldigen Gelder

aus-

Umschau in der Militär- Litteratur.

238

zuzahlen, was er auch gethan hat, und womit dann die Sache erledigt war.

Als nun der Kapitän von Neuem seinen Leuten Gelder

vorenthielt und sich an den Beschwerdeführern zu rächen begann, kam es Ende August zur offenen Meuterei der gesammten Kompagnie. Bei der am 23. Dezember vor dem Odessaer Mil. -Bezirks-Gericht stattfindenden Verhandlung wurden 28 Mann zu zweimonatlicher Einzelgefängnißshaft, die ganze übrige Kompagnie, einschl . der Unteroffiziere, zu zwei- bis vierjähriger Einstellung in das Disziplinar-Bataillon verurteilt. Über den Kompagnie-Chef ist das Urteil noch nicht gesprochen. v. T. d. 1. Januar 1895.

XVII. Umschau in der Militär - Litteratur.

I. Ausländische Zeitschriften. Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. ( Dezember 1894.) Friedens- und Kriegsmoral der Heere am Ausgange des XIX . Jahrhunderts. Von C. v. B.-K. - Form und Geist. Von Lt. M. v. Schönowsky. - Kartographische Studien von Oberst Schikofsky. Blätter und Blüten . (Januar 1895.) Feldmarschall Graf Radetzky und die k. u . k. österreichische Grundsätze für die Armee in den Jahren 1848/49 (Oberst Maschke). Erteilung des erziehenden Unterrichtes in den k. u. k. Militär-Erziehungs- und Bildungs - Anstalten. Das Schiefsen der Infanterie (Art.- Hauptmann K. Löbl). Blätter und Blüten . Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. 49. Bd . 4. Heft. 1894. Die Konserven, deren Wert für die Verpflegung operirender Armeen Der Militär-Arzt und deren Fabrikations - Verfahren . Von Hptm. Walter. als Erzieher in den Militär- Bildungs-Anstalten . Von Dr. Hollerung. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und GenieWesens. Jahrgang 1894. 11. und 12. Heft. Die Festungs-Manöver bei Paris im Jahre 1894 (Hauptmann Fornasari Edler von Verce). Versuche mit verschiedenen Gewehr- Geschossen (Hauptm. Weigner). Armeeblatt. ( Österreich.) Nr . 49 : Die Fortifikation und der Festungskrieg. Zur Frage der Neubewaffnung unserer Feld -Artillerie. Nr. 50 : Das neue französische Feld-Artillerie-Material System Deport. Über die Fleischzubereitung im Kriege. Aus dem technischen Unterricht für die k . u . k . Infanterie und Jägertruppe (2. Forts. ) . Die Versorgung des Hauptkriegshafens Pola mit Trinkwasser. Nr. 51 : Ein Reiter-Philosoph. Nr. 52 : Die Wirkung der Feldgeschütze (Besprechung des Müller'schen Werkes) . Aus dem technischen Unterricht etc. (Schlufs).

Umschau in der Militär - Litteratur.

239

Militär -Zeitung. (Österreich.) Nr. 43 : Unsere Infanterieregimenter. Port Arthur. Verteidigung des Bosporus. Nr. 44: LandsturmSchützenschulen . -- Meldereiter. - Das Schneeschuhlaufen (Nr. 266 der „Jahrbücher entnommen). Nr. 45 : Fünfzig Jahre. (Die Militär-Zeitung trat am 1. Januar in das 50. Jahr ihres Bestehens .) Der chinesischjapanische Krieg. - Die madagassische Armee. Nr. 46 : Die Artillerie und die übrigen Waffengattungen . Die Reichswehr. ( Österreich.) Nr. 704 : Die neue Aera . Nr. 705 : Das Durchschlagsvermögen der modernen Handfeuerwaffen . _____ Kann England Krieg führen ? (Wird in Anbetracht der Schwäche der englischen Wehrkraft in Frage gestellt. ) Nr. 706 : Leben wir im Auslande ? (Behandelt die als dringend bezeichnete Verbesserung des Einkommens der Offiziere und Militärbeamten .) Nr. 707 : Betrachtungen über die österreichischungarische Kriegsmarine. Nr. 708 : Kasaken im Verein mit regulärer Kavallerie. Nr. 709 : Die türkische Marine . - Über Ausbildung und Taktik der Infanterie. Nr. 710 : Die türkische Marine (Schlufs). Nr. 711 : MilitärBauingenieure und ihr Hilfspersonal. - Die Kriegführung Japans vom Standpunkte der Menschlichkeit. Nr. 712 : Über den Gefechtswert der Kriegsschiffe. Nr. 713 : Die Predil-Tauern-Bahn. Journal des sciences militaires. (Dezember 1894.) Der Geist des Exerzir-Reglements von 1894, von General Lewal. Die Wahrheit über die soziale Aufgabe des Offiziers. ,,Dernier Effort" (Forts.). Die Bedeutung der belgischen Maas - Befestigungen und der französischen Nord-Festungen im Falle eines französisch-deutschen Krieges (Schlufs). Der Feldzug 1814 (Forts.) . Zwei Fragen der moralischen Erziehung (Schlufs). - Das Gefecht von Nuits ( 18. Dez. 1870. Schlufs) . Le Spectateur militaire. (15. November 1894 ) Geschichte der Verteidigung des Forts Julien und der gegen dieses Werk gerichteten Kritische Angriffe im April 1801 durch englisch-türkische Truppen . Untersuchungen über die sogenannten „,Alten Soldaten " (Schlufs ). - Das neue Exerzir-Reglement der Infanterie (Schluſs). —— Das Gewehr der Zukunft. - Die Schatten der Todten . ( 1. Dezember 1894. ) Die Grofsen Manöver des IV. und XI. Armeekorps 1894. Vorbereitungen zur Expedition nach Syrien. -- Paris, Thiers, der Plan Trochu und l'Hay (2-29. November 1870) . - Die Schatten der Todten (Schlufs). Revue d'Infanterie. ( 15. Dezember 1894.) Geschichte der Infanterie in Frankreich (Forts.). Gesundheitspflege der europäischen Kolonialtruppen (Forts.). - Felddienst einer Infanterie-Kompagnie (Forts.) . — Der chinesisch-japanische Krieg. Zur Schiefs- Frage. Revue de Cavalerie. ( November 1894. ) Briefe eines Kavalleristen . Die 2. Teil : Die Vorbereitung . Die italienische Kavallerie (Forts.) . Pferdeverluste im Kriege. Die Einberufung zweier Reserve -KavallerieÜber das Wettrennen in der Armee (Schlufs). --- Die Regimenter. Beförderung der Lieutenants in der Kavallerie und Saumur. ― Das Überschreiten von Gewässern in der russischen Kavallerie. Revue d'Artillerie. ( Dezember 1894.) Feldartillerie-Material 75 mm

240

Umschau in der Militär- Litteratur.

Über die Aufgaben der mit Schnellfeuer System Schneider, Mod. 1893. Artillerie in Verbindung mit den anderen Waffen . (Aus d. Russischen übers.). - Verteilung der Dehnungen bei Metallen, die grofsen Kraftproben unterworfen sind (Forts .) . Das Material der deutschen Fufsartillerie (Forts. ) . -Strategische Schwarzwaldbahnen. Revue de l'Intendance militaire. ( September - Oktober 1894.) Über Die Wehrsteuer unter dem Konsulat und dem ersten Kaiserreich. Studie über die Zivil -Verantwortlichkeit der Armeelieferanten (Forts.). die Organisation des Verwaltungs-Personales einiger fremden Armeen . Anmerkungen über elektrische Beleuchtung in einigen Werkstätten des Verwaltungsdienstes. Revue militaire universelle. Nr. 33 : Die Offizier - Korps der wichtigsten europäischen Armeen (Forts.) . Le Morvan (Forts.) . - Die Expedition von Sardinien und der Feldzug in Korsika (Forts.). - Notizen über das Militär-Schlachthaus in Verdun. -- Die Touat-Frage. Revue du cercle militaire. Nr. 48 : Die Disziplinar- Strafen der Die elektrischen Scheinwerfer und ihre Verschweizerischen Armee. Infanterie-Taktik (Forts.) . Nr. 49 : Die wendung im Kriege (Forts.) . Infanterie-Taktik (Forts.). - Die elektrischen Scheinwerfer (Forts .). Disziplinar-Strafen etc. (Forts.). Nr. 50 : Die Reorganisation der italienischen Infanterie-Taktik Armee. Die elektrischen Scheinwerfer (Forts.) . Nr. 51 : Infanterie-Taktik (Forts .) . - Die Reorganisation der (Forts .) . italienischen Armee. Die elektrischen Scheinwerfer (Schlufs). Nr. 52: Das Boussolen-Fernglas . (Eigenartige Verbindung eines Doppelfernrohrs und einer Boussole, die die geographische Himmelsrichtung jedes visirten Infanterie- Taktik (Schlufs). Punktes angiebt. ) L'Avenir militaire. Nr. 1950 : Das Expeditionskorps von Madagaskar. Genaue Einteilung und Stärke desselben. Nr. 1951 : Unsere Skelett- Batterien ; Landtransport in Madagaskar. Klage über die geringen Effektivstärken. Okkupation von Madagaskar. Nr . 1953 : Die Eisenbahn von Maevatanana nach Tananarive (Madagaskar). Telegraphische Verbindungen zwischen Frankreich und seinen Kolonien. Nr. 1954 : Der General Mercier. Kritik seines Verhaltens im Prozefs Dreyfufs . Nr. 1955 : Die Verantwortlichkeit für 1870 (Besprechung des jüngst erschienenen Werkes ,, L'empire libéral“ von E. Ollivier, in zum Teil abfälligem Sinne). Nr. 1956 : Die englischDer Prozefs des Kapitäns Dreyfuss. italienische Allianz im Mittelmeere . Nr. 1957 : Zweijährige Dienstzeit ; abfällige Kritik des Gesetzentwurfes des General Jung. - Die Kolonialarmee. Nr. 1958 : Der Krieg mit den Hovas. Le Progrès militaire. Nr. 1470 : Die afrikanischen Bataillone (Kritik der sogenannten Disziplinar-Kompagnien und Bataillone leichter afrikanischer Infanterie). Nr. 1471 : Aktiv und Territorial . Abfälliges Urteil über die von der Zeitschrift ,,l'Armee territoriale " befürwortete Trennung der aktiven und der Territorial- Armee. Nr. 1472 : Die, Militär-Attachés (deren Abschaffung wird als zwecklos, ja schädlich bezeichnet). Die Genie-Truppe in Dahomey. Nr. 1473 : Das Gepäck des Infanteristen wird durch Einführung eines Kochgeschirrs von Aluminium, leichter Schuhe und einiger

Umschau in der Militär-Litteratur.

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anderer Veränderungen eine Erleichterung um 2 kg 500 gr erfahren. Nr. 1474 : Das ,,Marsch-Regiment". Nr. 1475 : Die Unteroffiziere. Die Kopfbedeckung der Infanterie. Nr. 1476 : Die Effektivstärken in Deutschland . Nr. 1477 : Die Kapitäne der Kavallerie. La France militaire. Nr. 3192 : Die Epidemien in der Armee. Die zahlreichen Epidemien , namentlich der Typhus, in der Armee geben zu ernsten Bedenken Anlafs. Man müsse für gute Luft und Wasser sorgen. Es werden auch zuviel schwächliche Leute ausgehoben, die am leichtesten der Ansteckung verfallen. Nr. 3197 : Anomalien. Kapitulanten-Unteroffiziere müssen von Nicht - Kapitulanten zuerst gegrüfst werden , auch wenn diese im Dienst älter sind. Dagegen ist der jüngere dem älteren , auch desselben Grades , Gehorsam schuldig. Beide Bestimmungen widersprechen sich. Nr. 3198 : Das Expeditions-Korps für Madagaskar. Nr. 3202 : In der MarineInfanterie. Das Kadre - Gesetz hat auf diese keine Anwendung gefunden , der Zudrang zu den Offizierstellen seitens der St. Cyriens hat in Folge dessen bedeutend abgenommen . Nr. 3204 : General Tricoche behauptet, deutsche Offiziere bewegten sich als Spione in Frankreich , französische Offiziere gäben sich dazu nicht her, ein Gleiches in Deutschland zu thun . Der Fall Dreyfufs beweist , dafs , wenn er wirklich schuldig , französische Offiziere sogar zur Landesverräterei sich hergeben. Und hat der Herr General niemals etwas von den Herren Degouy und Delguey - Malavas gehört? Sein Gedächtnifs mufs unglaublich kurz sein. Das Geschichtchen von dem deutschen Oberst , der 1886 als Hopfenarbeiter nach Dijon gekommen sei, ist doch eine sehr mangelhafte Erfindung. Revue de l'armée belge. ( September - Oktober 1894. ) Das Rückzugsgefecht. - Über Verwendung gebohrter Minen mit verlängerter Ladung im Belagerungskriege. - Die deutsch-russischen und österreichischrussischen Grenzen. Der Kongo ; die Rückkehr von Dahnis ; der Araberkrieg. Das Kriegsmaterial der Gesellschaft Cockerill auf der Antwerpener Ausstellung (Forts. ). -- Betrachtungen über das Infanterie- Gewehr. La Belgique militaire. Nr. 1232 : Armee - Organisationen ; Projekt des General Brassine, derselbe wünscht eine Heeresstärke von 180 000 Mann . Nr. 1234: Zur Armee - Reorganisation . Eindringungskraft der neuen Handfeuerwaffen. Nr. 1235 u. 1236 : Heereskontingent für 1895. — Mobilmachung und Manöver in wechselndem Gelände 1894 . Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen . (November 1894.) . Zur Heeresreform, ― Über den MilitäorganisationsEntwurf 1893. Ein kurzes Wort über zukünftige leichte Infanterie in der Schweiz . - Einige Vorschläge zur Organisation unseres Trainwesens. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. ( November 1894.). Bei deutschen Manövern. - Die deutsche Feldbefestigungs - Vorschrift (1893). Das eigenössische Militärbudget pro 1895. Dressur und Abrichtung. Revue militaire suisse. ( Dezember 1894.) Die Manöver der VIII. Division. - Gesundheitspflege und Ernährung des Pferdes im Felde. Die Expedition von Madagaskar.

ཏཱ

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Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 48 : Das französische Kriegsbudget pro 1895. Nr. 49 : Manöverbetrachtungen . Nr. 50 : Militärischer Bericht aus dem deutschen Reiche. Die Zahl der 1895 in die Wiederholungskurse A. einzuberufenden Jahrgänge. - Nr. 51: Die Kriegslage in China. Army and Navy Gazette. Nr. 1817 : Der Krieg auf Madagaskar. Eine militär - geographische Betrachtung über die Anmarschlinien und die klimatischen Verhältnisse der Insel. Die englische Kavallerie wird in ihrer Organisation in zwei Punkten angegriffen. Erstens wird der Mangel an Vereinigung in gröfseren Verbänden nachgewiesen, die meisten Regimenter sind schwadronsweise in kleinen Orten stationirt , zweitens wird die für den Kriegsfall fehlende Depot- Schwadron vermifst, so dafs es nicht möglich ist, für den Krieg ungeeignete Mannschaften und Pferde aus den Schwadronen abzugeben. Nr. 1818 : Die Reorganisation der indischen Armee. Kurze Mitteilung über die bevorstehende NeuOrganisation des indischen Heeres, wo an Stelle der bisherigen Präsidentschaften eine Einteilung in Armeekorrps tritt. Am 1. April nächsten Jahres soll Alles fertig sein. Nr: 1819 : Port Arthur. Die Einnahme dieses Platzes durch die Japaner giebt Veranlassung zu einer Betrachtung über die Krupp'schen 12 cm Haubitzen, die bei der Beschiefsung zur Verwendung gekommen sein sollen . Das Fehlen eines derartigen Geschützes in der englischen Artillerie wird als empfindlicher Mangel erwähnt. - China und Japan . Eingehender Bericht über die bis jetzt stattgehabten Operationen. Geschichte des Regiments ,, Prinzefs Charlotte von Wales ", auch Royal Berkshire-Regiment genannt (49. und 66. der LinienTaschkent. In dem dicht an der afghanischen Grenze Infanterie). gelegenen Orte soll die Bevölkerung schon jetzt aus 90 Prozent Russen Unsere bestehen. Man sieht darin eine grofse Gefahr für England. indischen Grenzen . Oberst Arlagh hat einen Vortrag gehalten , in dem er einen geschichtlichen Überblick über die Entwickelung Indiens unter englischer Herrschaft giebt, derselbe wird auszüglich mitgeteilt. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 201: Lehren aus der Vergangenheit für die Zukunft. Vortrag des Oberstlt. Henderson. Unter Hinweis auf die Notwendigkeit des Studiums der Kriegsgeschichte werden Aussprüche und Grundsätze grofser Heerführer aller Zeiten angezogen . Die Feldzüge des Marschalls von Sachsen. Beschreibung der Kriege des Marschalls in den Niederlanden von 1742-1748 . Journal of the United Service Institution of India. Nr. 117: Die taktische Ausbildung der Armee für den Krieg in Indien. Russischer Invalide. Verordnungen und Befehle.

Nr. 246:

Abzeichen der Generaladjutanten und Flügeladjutanten , sowie der Regimenter , deren Chef Kaiser A. III gewesen , bezw. derjenigen , zu deren Chef sich Kaiser Nik . II. ernannt hat. Nr. 247: In den Lehrplan der Kadetten-Korps ist der Unterricht in der Gesetzeskunde aufgenommen worden. Nr. 248 : Beförderungen , Gnadenbeweise und Amnestie - Erlafs bei

Umschau in der Militär-Litteratur.

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Gelegenheit der kaiserlichen Hochzeit. Nr. 251 : Einberufung der Rekruten der eingeborenen Bevölkerung des Kaukasus ; von den 22 100 Mann, welche in die Einberufungslisten eingetragen waren, wurden. nur 2400 ( 10,8 %) als Rekruten eingestellt ; 66 % wurden direkt der Reichswehr überwiesen , der Rest wurde zurückgestellt oder gänzlich vom Dienst befreit. Nr. 252 : Das im Warschauer Militär- Bezirk befindliche Train- Kadre-Bataillon , welches bisher nur 2 Kompagnien hatte, wird zum 1. Januar 95, wie die übrigen Train-Bataillone , zu 4 Kompagnien formirt. Nr. 257 : Zum 1. Oktober 1895 sind zwei neue Mörser - Regimenter (Nr. 6 und 7) zu je zwei Batterien (die Regimenter 1-3 haben bekanntlich je 4, 4 und 5 je 2 Batterien) zu formiren. -- Bei der Kavallerie - Junkerschule Jelissa wetgrad sind im Lehrjahre 94/95 vier Abteilungen mit Kriegsschulen- Kursus, die übrigen fünf mit Junkerschulen-Kursus zu unterhalten (vgl. Aufsatz in diesem Heft ,,Militärisches aus Rufsland "). Nr. 265: Gnadenbeweise am Namenstage Sr. Majestät (vergl. Aufsatz ,,Mil . a. Rufsland"). Nr. 266 : Der Kriegshafen von Libau hat den Namen „ Kaiser Alexander III.-Hafen" erhalten. Gröfsere Aufsätze : Nr. 252 : Praktische Übungen der Festungs-Luftschiffer-Abteilung Ossowez im Jahre 1894. Nr. 256: Zum 75jährigen Bestehen der Nikolai- Ingenieur- Akademie und -Schule. Nr. 261 : Das Schiefsen der Artillerie ; zur Beobachtung des Einfallens der Geschosse hat ein Oberstlieut. Meifsner eine Beobachtungsleiter konstruirt , welche aus 4 Teilen besteht , die an den Seitenwänden der Laffeten befestigt werden ; die zusammengesetzte Leiter hat eine Höhe von 6 m und wiegt 2 Ctr. , so dafs sie auch auf einem Packpferde mitgeführt werden kann. Nr. 262 : Bewegliche Konzentrationen und Manöver bei Olita. Ende August und Anfang September 1894 fanden. bei Olita am Njemen Manöver von Truppen des Wilnaer Mil. -Bezirks statt, an denen sich 6812 Batt., 61 Eskadrons und 106 Geschütze beteiligten ; bei diesen Manövern , welche der Kommandeur des 2. Armee - Korps, General- Lieut. Maximowitsch leitete , handelte es sich hauptsächlich um Angriff und Verteidigung der befestigten Stellung von Olita. Russisches Artillerie-Journal . Nr.10 : ( Oktober. ) Von der Altersfolge der Artillerie- Brigaden. Neues Reglement der deutschen FeldArtillerie. Kriegsgebrauch der Berg-Artillerie. Untersuchung der Brenn-Gesetze der Explosivstoffe. Wajennüj Ssbornik . 1894. Nr. 12 : Die Operation der Verbündeten auf Grodno zu ihrer Vereinigung im Feldzuge 1704-6 (mit einer Karte). Über die Taktik der Massen-Heere. VIII. - Aus den Erfahrungen eines Frontoffiziers bei den Manövern. Bemerkungen über die Verteidigung von Küstenbefestigungen (Schlufs). Die reitende Artillerie im Verbande der Brigade, Division und der gemischten Korps. Die Herrichtung der Bagage für den Winter-Marsch und ihre Verwertung zur Herstellung von Übergängen . - Briefe eines französischen Offiziers über seine Armee. Über das Wesen des deutschen Offizierkorps . XI . Die Entwickelung des Militär- Bildungs - Wesens in den Westeuropäischen Armeen. Beresowskij's Raswjedtschik. 1894. Nr. 215 : General Le Mouton

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de Boisdeffre, Chef des Generalstabes der französischen Armee . ―

Die

Jagd in den Jagd-Kommandos. - Eine Veränderung in dem InfanterieReglement und in der Instruktion über das Gefecht. Nr. 216 : Die französischen Festungs-Manöver 1894. Die Praportschiki (Fähnriche) der Reserve als militärisches Element. Die kanadischen Schneeschuhe und ihre Anwendung im Kriege. - - Nr. 217: Die französischen Festungs-Manöver 1894. - Urteile des Oberkommandirenden des Militär-Bezirks Kijew (General Dragomirow) bei den diesjährigen Sommer-Übungen der Truppen. Nr. 218: Biographie und Bilder der preussischen Generale d. K. von Krosigk und Graf Haeseler. Aus den Befehlen des Oberkommandirenden des Militärbezirks Kijew (Generals Dragomirow). - Eine Untersuchung der (Kirgisen-) Pferde im Ural-Bezirk und in den Kreisen Bijsk und Nikolajewsk im Gouvernement Orenburg. Das neue Re1. Dezember. Rivista militare Italiana. Sehr interessanter Vergleich krutirungsgesetz (Forts. und Schlufs). der von dem neuen Gesetz zu erwartenden Resultate mit den Ergebnissen des bestehenden und des Pelloux'schen Entwurfs. Nach dem Turnus von 19 Jahren Wehrpflicht, wie ihn das neue Gesetz in Aussicht nimmt, wird man in Italien verfügen : im mobilen permanenten Heere ( Leute von 21 bis 28 Jahren) 761 389 für Feldzwecke geschulte Leute, 336 549 nicht geschulte der Reserve-Kategorie , in der Mobilmiliz (29 bis 34 Jahre) 333 535 ausreichend geschulte, 155 176 ungeschulte Leute der ReserveKategorie, in der Territorial miliz (34-40 Jahre) 552 396 ausreichend geschulte, 257 661 der Reserve-Kategorie, also für Operationszwecke 1 094 924 geschulte Leute des permanenten Heeres in der Mobilmiliz, für Etappen- , Besatzungs- und Landesverteidigungsdienst 552 396 geschulte der Territorialmiliz, endlich 749 786 nicht geschulte der ReserveDie Einnahme von Susa (1690). Kategorie. Esercito Italiano. Nr. 139 : Die königlichen Dekrete und die Ersparnisse im Heeresbudget. Giebt den Inhalt der königlichen Dekrete vom 6/11., durch welche 7,5 Millionen Ersparnisse bewirkt werden und welche sich beziehen : 1. auf die Territorial- Einteilung des Reiches, 2. auf Änderungen in der Organisation des Heeres und der vom Kriegsministerium abhängigen Dienstzweige, 3. auf Geld- und Rationsgebühren bestimmter Kategorien, 4. Änderungen in der Centralverwaltung. Nr. 140 : Ersparnisse in der Bekleidungswirtschaft. Nr. 141 : Die Truppen in der Kolonie Eritrea (eingehende Beleuchtung der Entwickelung der Kolonialmacht). Nr. 142 : Die Vorgänger der Ersparnifsvorlagen. Vergleicht die Anordnungen der Dekrete vom 6/11 . mit dem Gesetzentwurf des General Pelloux. Nr. 143 : Bericht des Kriegsministers über die. königlichen Dekrete vom 6/11 . (Eingehende Begründung des entsprechenden, der Kammer vorgelegten Gesetzentwurfs. Von hohem Interesse. ) Nr . 146 : Das Kriegsbudget für 1895/96 weist im Ordinarium 216 654 000, im Extraordinarium 2 425 000 Lire , total 219 679 000 Lire auf. Durch Spezialkredite sollen dem Extraordinarium noch 13,4 Millionen zuwachsen, so dafs das Budget total dann 252 479 000 Lire, d. h. 521 000 Lire weniger als das

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laufende, enthalten würde. Normale Einbeorderung der Leute des Beurlaubtenstandes und grofse Manöver sind dabei vorgesehen. In der Centralverwaltung werden 200 000 , im Kapitel Schulen 487 200 Lire erspart. Die Durchschnitts - Iststärke bleibt zunächst auf 205 125 Köpfe festgesetzt. Das Marinebudget weist 92 863 748 Lire auf. Rivista di artiglieria e genio. ( November 1894. ) Der Festungskrieg (Forts.). Über die Dichtigkeit der Luft. ― Anwendung der Artillerie auf dem Schlachtfeld in Frankreich , Deutschland , Österreich und Rufsland . Revista cientifico-militar. ( Spanien. ) Nr. 22 : Gesundheit des Soldaten (18. Brief). - Die elektrische Energie und ihre Anwendungen. Marokko ( Forts. ) . Nr. 23 : Miscelle aus ,,Mer Luge's magasine de Nueva York" über Aufenthalt und Bewegung durch die Luft. Gesundheit des Soldaten (XVIII . Brief). Marokko (Forts.). -Parteigängerkrieg (Forts.) . Memorial de Ingenieros del Ejercito . ( Spanien. ) Nr. XI : Das spanische Mauser - Gewehr (Forts. ). - Manöver des I. Korps (Verbindungs-, Telegraphendienst, Fahrräder. Revista militar. ( Portugal. ) Nr. 122 : Das Heer in den überseeischen Besitzungen . Krigsvetenskaps -Akademiens - Handlingar. ( Schweden. ) November. Das neue französische Exerzir - Reglement für die Infanterie. Norsk Militaert Tidsskrift. ( Norwegen. ) 11. Heft : Die Thätigkeit der Gewehrprüfungs - Kommission von 1891 . Militaert Tidsskrift (Dänemark. ) 5. Heft : Besoldungs- und Pensionsvorschrift der Offiziere in Dänemark. Militaire Spectator. (Holland .) Nr.12 : Das Marine budget für 1896. De Militaire Gids. ( Holland. ) 6. Lieferung : Infanterie - Taktik. Winke für die Artillerie bei kombinirten Manövern.

II. Bücher. Geschichte des deutsch-französischen Krieges von 1870-71 . Von Graf Helmuth von Moltke , General-Feldmarschall. Volksausgabe ; zur Wiederkehr der Gedenktage unserer vor 25 Jahren erfochtenen Siege in den grofsen Kämpfen von 1870-71 . Berlin 1895. E. S. Mittler & S. Preis 3 M. Orig . - Einb. 3,60 M. Bekanntlich liefs sich der verewigte Feldmarschall auf besonderes Bitten seines Neffen , Major und Flügeladjutant v. Moltke , wenige Jahre vor seinem Tode bestimmen , eine gedrängte Geschichte des deutsch-französischen Krieges zu schreiben , von seinem Standpunkte , d. h. von dem des Generalstabs- Chefs aus . Dieses in seiner Art klassische Werk ist, wie der Herausgeber in der Vorrede sagt , in schlichtester Weise zwecks einer volkstümlichen Belehrung unternommen. Diesem Zwecke entspricht es vollkommen, wenn dasselbe nun in einer Volksausgabe in den Handel gebracht wird . Derselben sind 11 Bildnisse beigegeben , nämlich neben Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 2. 17

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dem Titelblatte Moltke's Photographie ( 1870 in Versailles aufgenommen), ferner 3 Sammelbilder , enthaltend die Bildnisse Kaiser Wilhelms I., des Kronprinzen , des Prinzen Friedrich Karl , des Kronprinzen von Sachsen, Grofsherzogs von Mecklenburg , der Generale v. Steinmetz , Goeben, Roon, Werder und Manteuffel. Hier vermissen wir die Bildnisse Blumenthal's und vielleicht noch v. d . Tann's. Sehr zweckmäfsig sind die Übersichtskarte und die 12 Planskizzen . Das Schlufswort ist in Moltke's eigener Handschrift als Beilage gegeben, das Ganze sehr geschmackvoll ausgestattet und in Anbetracht des hier Gebotenen erstaunend billig im Preise. - Möge diese ,, Volksausgabe" in die weitesten Kreise dringen, dem grofsen Todten zum Gedächtnifs, dem deutschen Volke, namentlich dem ,,Volk in 4. Waffen" zur Nacheiferung. Des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig Zug durch Norddeutschland im Jahre 1809. Von v. Kortzfleisch , Hauptmann. Mit einem Bildnifs des Herzogs , 2 Gefechtsplänen , 1 Übersichtskarte und 2 Textskizzen. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Nach einer Anzeige der Buchhandlung liegen dem sorgfältig bearbeiteten und fesselnd geschriebenen Werkchen archivalische Studien zu Grunde ; leider sind die übrigen benutzten Quellen nicht angegeben. Verfasser gliedert die Arbeit in 9 Abschnitte. Zunächst setzt er das Zusammenwirken des zu Nachod in Böhmen gebildeten ,, schwarzen Korps" mit den Österreichern unter Graf Riesch und die Verhältnisse auseinander , in die es durch den Waffenstillstand von Znaym geriet und welche den Entschlufs des Herzogs zu seiner heldenmütigen , aber von vornherein aussichtslosen Unternehmung zur Folge hatte aussichtslos, weil er die Stimmung der keineswegs einer thätlichen Auflehnung gegen den Unterdrücker geneigten Bevölkerung Norddeutschlands durchaus verkannte. Indem Verfasser auf Zusammensetzung , Uniformirung, Geist des Korps u. a. m. eingeht, giebt er die Stärke beim Abmarsch aus Zwickau auf zusammen gegen 100 Offiziere und 2010 Mann an und zwar 1300 M. Infanterie , 630 Reiter, 80 Artilleristen mit 4 Geschützen. Es folgt dann die Schilderung des Marsches durch Sachsen und Thüringen bis zur eingehend beschriebenen, ruhmvollen Erstürmung der von 1980 M. westfälischer Infanterie verteidigten Stadt Halberstadt , welcher sich der Marsch und Aufenthalt im Braunschweigischen , sowie das Gefecht von Oelper anschliefst , wo den Herzog das Schicksal Schill's wohl sicher erreicht hätte , wenn dessen im Anmarsch begriffener Besieger , der holländische General Gratien , ihm anstatt des ungefährlichen westfälischen Generals Rewbell gegenüber gestanden hätte. Durch ein Zusammentreffen günstiger Umstände gelang es dem Herzog, in Gewaltmärschen die Wesermündung zu gewinnen und sich nach Helgoland, dann nach England einzuschiffen . Bewundernswürdig sind die Marschleistungen des fast durchweg aus wenig kriegsgeübten Mannschaften, Rekruten und Freiwilligen bestehenden Korps und nur durch den Umstand erklärlich, dafs es stets bis zu 400 Wagen zur Beförderung mehr oder weniger zahlreicher Teile der Infanterie mit sich führte . Immerhin

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legte es in 12 Marschtagen 500 Kilometer , d . h . 41-42 auf den Tag , zurück, in den 4 Märschen nach dem Gefecht von Oelper sogar durchschnittlich 50. Leider ist der Abgang in Folge der Märsche , namentlich auch an Pferden, nicht mitgeteilt. Das Korps traf noch mit 1600 M. in Helgoland ein, allerdings ohne Pferde , die bei der Einschiffung zu Spottpreisen verschleudert werden mufsten . Keinen günstigen Eindruck macht es , dafs eine beträchtliche Zahl von Offizieren (49 ) sich während der Unternehmung Fs. vom Herzog verabschieden liefs . Ergänzungs- Heft zum ,, Volkskrieg an der Loire". Zur Geschichte der Verteidigung des Kirchhofes von Beaune la Rolande. Nach amtlichen Quellen und handschriftlichen Aufzeichnungen von Mitkämpfern . Von Fritz Hoenig. Berlin 1894. R. Felix. Preis 1,20 M. Das vorliegende Heft ist überwiegend polemischen Inhaltes. Hoenig wendet sich hier in sehr scharfer Weise gegen die Schrift eines Mitkämpfers, des Herrn G. E. v. Natzmer : „, Bei der Landwehr, vor Metz und die Schlacht von Beaune la Rolande." Hoenig meint, der Standpunkt des Verfassers habe sich zu einem ,,bissigen" Angriff auf den Verfasser des ,, Volkskrieges" ausgewachsen und sucht nun den Beweis zu liefern , dafs die Geschichte die gegenteiligen Behauptungen Natzmer's nicht als historische Beweise anzunehmen habe. Es ist ganz unmöglich, an dieser Stelle das „ Für “ und „Wider " der sich entgegenstehenden Behauptungen zu erörtern oder gar zu kritisiren . Das müssen wir dem Leser anheim stellen . Den Besitzern des bekannten, berechtigtes Aufsehen erregenden Hoenig'schen Buches wird dieses Ergänzungs- Heft unentbehrlich sein . Zum eingehenden Studium der Schlacht von Beaune la Rolande liefert es einen beachtenswerten Beitrag. 4. Über Erziehung und Führung von Kavallerie, sowie Übungen Eine Denkschrift von G. gemischter Truppen im Gelände. von Pelet - Narbonne , Generallieutenant z . D. Mit 16 Skizzen im Text . Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 3,75 M. Der Herr Verfasser, - insonderheit bekannt durch sein Lehrbuch : „Der Kavalleriedienst und die Wehrkräfte des deutschen Reiches" —, bietet

aus der Fülle seiner Erfahrungen in den mannigfaltigsten, zuletzt in hohen Stellungen, zunächst für Kavalleristen schätzenswerte Belehrungen, Winke und Ratschläge, die, wenn sie auch nicht einwandfrei bleiben werden, in besonderem Mafse anregen und nützen werden. Dahin gehören besonders das zweite Kapitel : Taktische und strategische Aufklärung und das vierte Kapitel : Die Ausbildung und Führung der Kavallerie-Division ", letzteres in seinem ersten Teil : „ Das Exerziren" sich mehr an die Reiteroffiziere , in seinen weiteren Teilen (,, Führung im Gelände") ,,Verwendung bei der strategischen Aufklärung" ,,,Gebrauch auf dem Schlachtfelde", die Verfolgung" aber an alle wissensdurstigen , besonders höhere Offiziere wendend. Dies Interesse für alle Waffengattungen wohnt auch dem ersten Kapitel : Besichtigungen", welches sehr bemerkenswerte Sätze über die „Kritik“ von Übungen enthält, und dem dritten Kapitel bei : „ Veranlagung, 17*

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Leitung und Beurteilung von Übungen im Gelände ". Die Darstellung ist in hohem Mafse gefällig, jede Trockenheit ist vermieden, das ,, Lehrhafte" verbannt. - Befürwortet wird die Einführung eines Abzeichens für die ,,Neutralen" (bei den Manövern) , das gelegentliche Unterstellen von Die neue Kompagnien und Bataillonen an Kavallerie- Offiziere u. s. w. 34. Felddienstordnung von 1894 ist bereits zu Rate gezogen. Beispiele zu Dispositionen für kleinere felddienstliche Übungen. Mit 3 Plänen. Dritte, verbesserte Auflage. Bearbeitet von Fritz Hoenig.

Berlin 1894.

Militär -Verlag R. Felix .

Preis 1,20 M.

In der Einleitung wird gesagt, für jede, auch die kleinste , FelddienstÜbung eine allgemeine Kriegslage etc. zu schaffen, sei schwierig. Nach der Felddienstordnung (Bemerkung ** zu Absatz 2 Nr. 524 Seite 172) kann in kleinen Verhältnissen, und solche sind doch hier gemeint, an Stelle der General- Idee (Kriegslage) und Spezial - Idee ein Auftrag gegeben werden. Es ist diese Art,,,das zur Kennzeichnung der Lage Notwendige" bekannt zu geben, sehr zu empfehlen und wird allgemein in der Armee angewendet. Es würde auch für die vorliegende Arbeit diese Art der Aufgabenstellung Denn thatsächlich sind die Kriegslagen in den sich empfohlen haben. meisten Fällen sehr weit hergeholt ; die Situationen, in welche einzelne Kompagnien und Züge geraten, sind nicht immer ganz wahrscheinlich . Erwünscht ist es bei der Anlage solch kleiner Felddienstaufgaben, dafs dieselben die Gegner aneinanderführen, dafs es also möglichst zu einem taktischen Zusammenstofse kommt ; denn auch die Truppe hat solche Felddienstübung für ihre Ausbildung auszunützen . Bei einer Anzahl Aufgaben kommt es, oder kann es überhaupt nicht zu einem Gefecht kommen und, wenn es in anderen doch zu einem Zusammenstofse kommt, stehen sich gleichstarke Abteilungen Kompagnien, Züge gegenüber. Die Stärkeverhältnisse sind darnach zu bemessen, wie der Auftrag lautet und sehr oft kann der schwächere Teil den Sieg erringen. Nur dürfte der angreifende, schwächere Teil nicht wie hier nur markirt werden . Was soll man sich darunter denken, wenn es heifst : ,, ein Zug, markirt durch 6 Gefreite 12 Mann" ? Bedauerlicherweise enthalten die Aufgaben, trotz vielfacher Deckungen von Beitreibungen, kein einziges Beispiel aus dem „ kleinen Kriege ", gerade demjenigen Teile des Krieges , der so recht für kleine Felddienstaufgaben , allerdings nur im Auftragverfahren, geschaffen ist. So recht eigentlich kriegsgemäfs ist keine einzige der vorliegenden Aufgaben, mit alleiniger Ausnahme von Nr. 4. Leider verbietet der beschränkte Raum, dies hier näher darzulegen. Wir möchten ferner es als nicht vorteilhaft bezeichnen, den Abteilungen zweierlei Aufgaben zu stellen und eine Anzahl Bemerkungen für deren Wortlaut beifügen. Statt ,, sich einer Verengung versichern" heifst es wohl besser : ,, Brücke oder Wegenge besetzen". Wiederholt schieben Vorposten noch Abteilungen über ihre Aufstellungen vor oder Arrieregarden lassen AbInfanterie angenommen den teilungen zurück ; das entspricht Bestimmungen nicht. Der Ausdruck,,, entsendet nach 27 und von da aus wieder eine Kompagnie " ist ungebräuchlich. Die Avantgarde verbrennt

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wohl nur in den seltensten Fällen eine Brücke. Vermutungen, dafs der Feind in mehreren Kolonnen das Südgebirge überschreitet, können sich füglich doch nur auf Nachrichten gründen. Wenn Vorposten ausgesetzt sind und es sollen Gefangene gemacht werden, so beauftragt man hiermit wohl besser die Kavallerie oder aber stärkere Infanterie, nicht aber nur einen Zug der letzteren . Für die Anlage von Übungen, an der Hand der vom Verfasser gewählten, sind 3 Pläne beigefügt, auf denen Örtlichkeiten , Brücken etc. durch Zahlen bezeichnet werden . In mancher Hinsicht erleichtert dies die Übersichtlichkeit. Im Grofsen und Ganzen dürfte die vorliegende kleine Sammlung von Aufgaben dazu anregen, weitere hinzuzufügen, womit die Absicht des Verfassers nach dieser Richtung hin erreicht 63. sein würde. Die grofsen Manöver 1894 in Böhmen und Ungarn . Mit 2 Karten. Verlags-Anstalt ,,Reichswehr". Wien VI 1895 , 206 S. Diese Blätter enthalten einen teilweise umgearbeiteten Sonderabdruck der Manöverberichte , welche im vergangenen Herbste in den Spalten der Wiener ,,Reichswehr" erschienen sind. Sie behandeln die Landskroner Manöver, dann diejenigen zwischen der Donau und Eipel, nach Veranlagung und Ausführung in der eingehendsten Weise . Auch mit seinen persönlichen Beobachtungen und Eindrücken hält der Verfasser zum Schlusse nicht zurück. In Ermangelung neuer kriegerischer Erfahrungen wird man derartigen gut geschriebenen Manöver - Berichten einen hohen Wert nicht absprechen können. Wir meinen , man könne bei gewissenhaftem Studium derselben , mit der Karte zur Hand , aus denselben Vieles lernen. In 3. diesem Sinne sei das Buch empfohlen. Les Lois du Nombre et Commandant Z .. · et H. Montéchant. de la Vitesse dans l'art de guerre. Paris et Nancy 1894. Berger-Levrault et Cie. Preis 1,50 Frs. So interessant und in gewissem Sinne bedeutend derselben beiden Verfasser unlängst erschienene Schriften waren : - - ,,Guerres navales de demain" und ,,Essai de stratégie" -— ; so sehr man gespannt sein darf auf das jetzt angekündigte Werk : „ Reformes navales", die vorliegende Abhandlung über die Gesetze der Zahl und Schnelligkeit in der Kriegskunst konnte füglich zu vier Fünfteilen ungeschrieben bleiben . Sie führt das Zeitalter wieder herauf, wo man die Strategie als eine Art Militär- Mathematik betrieb , aus Linien , Kurven und Winkeln u. s . w. die Heeresbewegungen und den Sieg berechnete. Gewifs sind hinsichtlich des Baues der Schiffsgefäfse Zahlenberechnungen notwendig. Aber die hier verabfolgten mathematischen Formeln und Gleichungen lehnen wir ab, weil sie Dinge in das starre Gewand der Zahlen hineinzwängen wollen , die ihrer Natur nach dieser einseitigen Behandlung - will sagen Vergewaltigung erfolgreich widerstreben. Nur wo allgemeine, vom Formelkram losgelöste Meinungen und Vorschläge vorgebracht werden, nimmt man gerne von ihnen Kenntnifs. Die beiden Verfasser sind entschiedene

Gegner der ungeheuren Ab-

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messungen vieler moderner Panzerschiffe und ziehen die verhältnifsmäfsig kleinen und damit schnelleren vor , deren man für dasselbe Geld aber auch mehr haben kann . . . Für Frankreich kommt es darauf an , bis zum Eingreifen Rufslands England die Spitze bieten zu können . Letzteres müfste eine ungemessene, um nicht zu sagen, unmögliche Vermehrung seiner Flotte vornehmen , um seine Herrschaft zur See zu behaupten , die schon heute eine sinnlose Redensart ist . ,,Das Ziel, das für Frankreich gesteckt ist, heifst : ,,siegreicher Widerstand" unserer Flotte gegen England ; wenn wir den sichergestellt haben , aber auch nur dann sind wir gewifs, dafs unser gefährlichster Feind neutral und dem Dreibunde fern bleiben wird." 34. Lettres du maréchal Bosquet 1830-1858 . Avec un portrait. Nancy 1894. Berger-Levrault et Cie. Preis 5 Frs .

Paris-

Marschall Bosquet gehört zu den hervorragendsten Offizieren der altfranzösischen Armee. Mit grofser Auszeichnung diente er , nachdem er seine Ausbildung auf der polytechnischen Schule und der École d'application in Metz erhalten hatte , in Afrika , vor Allem aber in der Krim. In der Schlacht an der Alma entschied das Eingreifen seiner Division den Sieg, nicht minder zeichnete er sich bei Inkermann und vor Sebastopol aus. Beim Sturm auf dem Malakow am 8. September 1855 wurde er schwer verwundet und genötigt , nach Frankreich zurückzukehren . Im folgenden Jahre zum Marschall ernannt , starb er an den Folgen seiner Verwundung am 5. Februar 1861 , tief betrauert vom französischen Heere , das ihn vergötterte. Umsicht, grofse Menschenkenntnifs , Kaltblütigkeit und glänzende Tapferkeit machten ihn zu einem der besten Generale Frankreichs. Aber er war nicht nur das, sondern ein geistvoller, edler Mensch. Das beweisen die hier mitgeteilten, der Mehrzahl nach an seine Mutter, dann an Freunde und Kameraden gerichteten Briefe , welche zugleich für das Studium des genannten Zeitabschnittes eine sehr wertvolle Quelle sein werden. Aus diesem Grunde möge das mit einem Abbilde der ihm in Pau unlängst 4. errichteten Statue gezierte Werk empfohlen sein. Der Einjährig -Freiwillige und Offizier des Beurlaubtenstandes der Infanterie. Seine Ausbildung und Doppelstellung im Heer und Staat. Ein Lehr- und Lernbuch für Einjährige, Reserve- und Landwehr- Offiziere, jüngere Linienoffiziere etc. Herausgegeben von Max Menzel , Hauptmann. Berlin 1895. R. Eisenschmidt. Preis broch. 2,50 M. , gebd. 3 M. Wir stehen hier einem eigenartigen Buche gegenüber , welches das Wesen der Offiziere des Beurlaubtenstandes in ihrer Doppelstellung unterrichtend und praktisch behandelt. Im I. Abschnitt wird die ,,Jugendzeit bis zum Eintritt ins Heer" behandelt, mit Berücksichtigung der späteren Militärverhältnisse . Der II. Abschnitt ist dem Einjährigen Jahre gewidmet und betitelt : ,,Vom Diensteintritt bis zum Reserve- Offizier", der III.:,,Der Hier enthält Abteilung A die gesetzOffizier des Beurlaubtenstandes .

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lichen Bestimmungen, Abteilung B die Stellung der Offiziere des Beurlaubtenstandes bei Übungen ,,im Dienst" und aufser Dienst" . Letzteres Kapitel giebt beachtenswerte Fingerzeige über das Leben im Offizier - Korps (Kameradschaft, Kasino, Visiten, Anzug , Ehrenbezeigung) . Es will uns scheinen, dafs hier, bezüglich der Belehrung über gesellschaftliche Formen, des Guten vielleicht etwas zu viel geleistet sei , entbehrlich ist dieses Kapitel gleichwohl nicht. Den Schlufs macht ein Kapitel über ,, Stellung Das Buch verdient Beachtung der Offiziere im Beurlauhtenverhältnifs". 3. von Seiten der beteiligten Kreise. Aus der Praxis für die Praxis.

Exerzirhülfen für die Einzel-

ausbildung und das Exerziren im Trupp . Für jüngere Vorgesetzte aller Waffengattungen von Hilken , Hauptmann z. D. Berlin 1894. Liebel'sche Buchhandlung. Preis 75 Pfg. Aus jeder Zeile dieser kleinen Schrift spricht der erfahrene Soldat, welcher über seine Thätigkeit nachgedacht hat. Bei den geringen eigenen Erfahrungen eines Teiles unseres Vorbildungs- Personals sind dergleichen Fingerzeige von hohem Werte ; sie werden dazu beitragen, die Ausbildung zu erleichtern , was in Rücksicht auf die abgekürzte Dienstzeit von Wesenheit ist. Die Arbeit ist in 3 Abschnitte geteilt : 1. Steigerung der Ausbildungsfähigkeit der Vorgesetzten . 2. Erfordernisse der Einzelausbildung. 3. Erfordernisse der Ausbildung im Trupp. Die Schrift wird dem 3. jüngeren Vorgesetzen ein treuer Berater sein. Studie über den Schrapnelschufs der Feldartillerie von H. Rohne , Generalmajor. Berlin 1894. Mit drei Beilagen in Steindruck. E. S. Mittler & S.

Preis 1,60 M.

Die Militärlitteratur beschäftigt sich in den letzten Jahren lebhaft mit der Frage des Feldgeschützes der Zukunft. Deren Lösung hängt mit der Beantwortung der Geschofsfrage innig zusammen. Eine Monographie des Schrapnels von so autoritativer Seite ist daher für den Waffentechniker und für den praktischen Artilleristen von gleichem Interesse. Rohne verlangt für das Feldgeschütz der Zukunft ein Kammer- Schrapnel mit kleinem Kegelwinkel und gestreckter Flugbahn der Sprenggarbe in der Vervollkommnung des spanischen Schrapnels K/90, die noch gesteigert werden kann durch Annahme des spezifisch schweren Wolfram-Metalls für die Füllkugeln und des spezifisch leichten Aluminiums für die tote Last des Zünders. Der Vorteil gröfserer Rasanz, den die Kammerfüllung am Boden des Geschosses dadurch erreichen läfst, dafs sie den Füllkugeln einen Zuwachs zur restirenden Geschofs - Geschwindigheit giebt , kommt den Forderungen des Taktikers entgegen , der die Wirkung der modernen Feldartillerie auf den grofsen und den kleinen Entfernungen erhöht haben will. Das Bedürfnifs, das Sehrapnel auf gröfsere Entfernungen als bisher zu verwenden, ist schon anerkannt durch die Annahme von Zündern mit längerer Brenndauer. Folgerichtig mufs auch die Endgeschwindigkeit der Füllgeschosse gesteigert werden , damit sie noch auf den grofsen Ent-

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fernungen hinreicht , die zum Aufser-Gefecht- Setzen eines Menschen oder eines Pferdes nötige lebendige Kraft zu liefern. Wichtiger noch ist die Erhöhung der Wirkung gegen Nahziele für den Existenzkampf zwischen Infanterie und Artillerie. Die Erhöhung der Tiefenwirkung des Einzelschusses der Feldartillerie spielt hier dieselbe Rolle wie die Erhöhung der Rasanz der Geschofsgarbe des Infanterie-Massenfeuers durch Annahme des kleinkalibrigen Gewehres. 37. Die

Besprechung und Erläuterung derselben nebst einer Anleitung für den Unterricht von S. K. , Hauptmann. Berlin 1894. Liebel'sche Buchhandlung . Preis 1 M.

Kriegsartikel.

Diese kleine Schrift will nichts Anderes sein als eine Anregung für den jungen Offizier, über das Wesen dieses so wichtigen Zweiges des Unterrichtes nachzudenken. Dafs die Mehrzahl unserer jungen Offiziere einer solchen Anregung bedarf, ist kaum in Abrede zu stellen . Lieber noch würden wir diesen Unterricht in der Hand älterer Offiziere, um nicht zu sagen des Kompagnie- Chefs, wissen . Arbeit nutzbar sein.

Selbst diesen wird die vorliegende 4.

Sanitation and Health. By Col. Reginald C. Hart R. E. revised by Brig. Surgeon Lt. Col. Hendley. London 1894. W. Clowes and Sons. Die kleine Schrift enthält einen Vortrag , den der Verfasser seinen Mannschaften in Indien gehalten hat, als im Jahre 1888 viele epidemische Krankheiten auftraten. Er hat seine Ausarbeitung von dem Brigade - Arzte revidiren lassen , der aber , wie er in der Vorrede sagt, keine Änderungen oder Zusätze zu machen gehabt hat. Das Buch soll jetzt dazu dienen, den nach Indien gesandten jungen Offizieren und Mannschaften die Grundsätze zu lehren, nach denen die Lebensweise geregelt werden mufs , um sich im Tropenklima vor den drohenden Krankheiten zu schützen , die jede unregelmälsige Lebensweise nach sich zieht. Von diesem Gesichtspunkte aus werden leichtverständlicher Weise Luft, Wasser, Reinlichkeit, Mäfsigkeit u. s. w. besprochen, ebenso auch werden die Krankheiten und Zufälle , welche im Tropenklima am häufigsten vorkommen , erwähnt und deren Behandlung angedeutet. Zum Schlufs werden in 14 Gesetzen die Lebensregeln für den Soldaten zusammengestellt . D.

Von H. Graf zu Zur Organisation des Militär - Radfahrwesens. Rantzau , Sek.-Lieutenant. Berlin 1894. Liebel'sche Buchhandlung. Preis 80 Pfg. Längst schon hat das Radfahren aufgehört ein Sport allein zu sein, es ist in den Dienst des Heerwesens und der Taktik eingestellt worden. Demgemäfs behandelt diese sehr gediegene kleine Schrift dasselbe 1) im Bewegungskriege vor und in der Front (bei Kriegsmärschen, während des Gefechts , nach dem Gefecht und im Vorpostendienst), 2 ) Hinter der Front (Etappendienst und im Quartier), 3) Im Festungs-

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kriege. Ich war, offen gestanden, erstaunt, in Erfahrung zu bringen, welch' ausgedehnter Verwendung dasselbe dienstbar gemacht werden kann. Sehr interessant sind auch die Angaben über das Radfahren in einigen anderen Armeen (Frankreich , England , Holland , Norwegen) und über einige 2. hervorragende Distanzfahrten in den Jahren 1892 und 93. Wortschatz und Phraseologie der russischen Sprache, mit grammatischen Erläuterungen und eingehender russischer Heeres -Terminologie. Herausgegeben von Cremat , Militärlehrer an der HauptKadettenanstalt. Leipzig, Verlag von Gerhard Raimund. An Hülfsmitteln zum Erlernen der russischen Sprache fehlt es wahrlich nicht, die wenigsten aber tragen dem praktischen Bedürfnifs Rechnung ; um so mehr mufs man es anerkennen, daſs Hauptmann Cremat in dem vorliegenden Leitfaden ein wirklich praktisches Hülfsmittel geschaffen hat, welches namentlich dem schon etwas vorgeschrittenen Schüler vortreffliche Dienste leisten wird . Die ,,Phraseologie " ist geradezu musterhaft zusammengestellt ; ganz besondere Sorgfalt ist hierbei auf das ,,russische Heerwesen“ verwandt worden, und berührt es wohlthuend, hier einmal die reglementarischen und sonstigen militärischen Ausdrücke vollständig richtig wiedergegeben zu sehen. Auch über Organisation und sonstige Einrichtungen der russischen Armee giebt der Leitfaden erforderliche Auskunft. Dem Leitfaden ist ein trefflich zusammengestellter ,, Signaturen - Schlüssel zu allen Karten des russischen Hauptstabes " beigegeben, der auch einzeln käuflich ist. Das Werk des Hauptmanns Cremat kann allen Russisch treibenden Offizieren warm empfohlen werden. In dem Verlage von Raimund Gerhard in Leipzig erschienen ferner : 1. Russische Lehrkarte. Auf das Dreifache vergröfserter Ausschnitt Entworfen von aus der russischen Haupt- Stabskarte 1 : 126 000. Gerhard , Premier-Lieutenant der Landwehr. Der Zweck einer solchen Lehrkarte ist nicht recht einzusehen.

Diese

dreifach vergröfserte Karte giebt ein vollkommen unnatürliches Bild der Drei -Werst-Karte (1 : 126 000 ) , d . h. derjenigen Karte, die uns einzig und allein im Ernstfalle zur Verfügung stehen würde . Wer sich im Lesen russischer Karten üben will, der thue es auf der russischen Originalkarte (1 : 126 000), deren einzelne Sektionen zum Preise von je 50 Kop. im Buchhandel käuflich sind ; nur so allein wird man die Schwierigkeiten schnell überwinden lernen, während das Lesen einer

Lehrkarte" mit dreifach

vergrösserter Schrift und dreifach vergröfserten Signaturen völlig zwecklos ist. 2. Illustrirte russische Leseschule für Erwachsene. Von Gerhard , Premier-Lieutenant der Landwehr. Ein hübsch ausgestattetes, für Anfänger empfehlenswertes Hülfsmittel, das auch die militärischen Verhältnisse berücksichtigt. 42.

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254 Uniformenkunde.

Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem Texte versehen von R. Knötel . Band V. Heft 8-11 . Rathenow

1894. M. Babenzien . Preis jeden Heftes 1,50 M. Heft 8 : Niederlande : Die holländische Armee unter König Ludwig. 2. Kürassier - Regt . Reitende Garde - Grenadiere. 2. u. 3. Husaren - Regt. Reitende u. Fufs- Artillerie 1806-1810. - Frankreich : Legion du Midi , Westermann'sche Legion. Allobrogen - Legion. 1792. - ÖsterreichUngarn : Jäger-Regt. zu Pferde Graf Bussy. Leichtes Dragoner-Regt. Levenehr Nr. 14. Slavonisch - kroatisches Grenz-Husaren -Regt. (Nr. 12).

1798-1801 . Heft 9 : Österreich - Ungarn : Leichtes Infanterie-Bataillon Nr. 9-11 . 1798-1801 . Hannover : Freytag'sches Freikorps : Jäger -zu Pferde, Fufsjäger, Grenadiere. 1760, Rufsland : Garde zu Pferde, Chevaliergarde, Leib- Husar. 1790. — England : Französische Emigrantentruppen in englischen Diensten : Beon- Husar und -Jäger, Hompesch- Husar und Jäger. Grenadier vom Regt. v. Broglies . 1795. Baden : Badische Reiterei. 1824. Heft 10 : Neapel : Kgl. neapolitanische Truppen (unter J. Murat); 1. u. 2. Linien -Inf. - Regt.; Ordonnanz-Offizier des Königs , Adjutant. 1812. Sachsen : Dresdener Bürger- Nat. - Garde. Gendarm . GendarmenOffizier und Trompeter. Gardist. Schütze . Offizier. Tambourmajor. 1815 . - Niederland e : Die holländische Armee unter König Ludwig . GardeHusar. Reit. Garde-Grenadier. 1806-1810 . Heft 11 : Österreich - Ungarn : Husaren-Regimenter Spleny, Kaiser, Baranyay, Bethlen, Esterhazy, Haddik. -1762. Bayern : Infanterie. 5. u . 9. Regt. 1870. - Kur - Mainz , Kur - Cöln , Kur - Trier : Grenadiere u. Musketiere. 1757. - HessenCassel : Artillerie . 1816. Frankreich : Pariser Freiwillige. 1793.

III.

Seewesen.

Heft 10 : Der Einfluss der Geschützausbildung auf den Ausgang der englisch - amerikanischen Seegefechte in den Jahren Welche Häfen in Ost1812 und 1813 (Schlufs) . Von Kaptl. Bachmann. asien sind zu bestimmten Jahreszeiten als gesundsheitsgefährlich zu meiden, welches sind die zu fürchtenden Krankheiten und wie sind hiernach die Marine-Rundschau.

Reisedispositionen für die an diesen Küsten liegenden Schiffe zu treffen ? (Schlufs) . Eine Arbeit des Marine- Stabsarzt Dr. Runkwitz , die auch zur Klärung der augenblicklichen Lage auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatz beiträgt. -- Welche Taktik gestattet die beste Ausnutzung der Kräfte, welche in den jetzt vorhandenen Kriegsschiffen und deren Waffen (Geschütz, Ramme und Torpedo ) enthalten sind , und wie wirken sie bestimmend auf Flotten, Gruppen und einzelne Schiffe im Gefecht ein? Vom englischen Lieutenant z . See Sommerset A. J. Calthorpe. Übersetzt vom Korv . -Kapt. z. D. Rottok. Ein schätzenswerter Beitrag zur heutigen „,Buch"Neben der Einleitung Erziehung unserer Seeoffiziere für den Krieg. werden ,,die Verwendung der Geschütze im Kampf zwischen Flotten" und - Die Ergebnisse der ,,die Ramme" im vorliegenden Hefte behandelt.

Umschau in der Militär- Litteratur. Probefahrten S. M. S . ,, Kurfürst Friedrich Wilhelm“ .

255 Bericht des

Kommandanten S. M. Knbts. „ Iltis ", Korv.-Kapt. Grafen von Baudissin über die Vorgänge in Korea. Heft 11 : Eine zusammenhängende Darstellung der 39 Vermessungsthätigkeit S. M. S . ,,Möve" in Ostafrika 1891 bis 1893. Von Lieutenant z. See Marks. (Mit sieben Skizzen und zwei Plänen.) Giebt neben wertvollen Mitteilungen über die Vermessungsmetoden in den Tropen ein anschauliches Bild über die fruchtbringende, aber auch anstrengende Thätigkeit unserer Marine in den Kolonien. - ,,Welche Taktik gestattet die beste Ausnutzung der Kräfte etc. " (Forts. ) Bringt : ,,die Anwendung des Torpedos im Kampf zwischen Flotten, a) auf Schlachtschiffen und Kreuzern , b.) auf Torpedofahrzeugen" und die Zusammensetzung und Organisation einer Flotte". Bericht des Kommandanten S. M. Knbt. ,, Iltis", Korv.-Kapt. Grafen v. Baudissin über die Vorgänge auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatz , schildert eingehend die Vorgänge in Seoul im Juli d. J. , welche die Veranlassung zum Kriege waren, sodann die Vernichtung des englischen Dampfers ,,Kow Shing" nach den persönlichen Erlebnissen des Herrn v. Hanneken. Zwei Seiten sind dem Bericht des Schiffsarztes über die chinesischen Verwundeten gewidmet, die sich unter den 120 von S. M. S . ,,Iltis“ nach Chemulpo gebrachten Schiffbrüchigen des „ Kow Shing" befanden . Fürchterliche chinesische Lazarethzustände. Interessante Einzelheiten über den Kampf des chinesischen Panzers ,,Tsi Yuen" mit dem japanischen Panzerdeckskreuzer „ Joshino" am 25. Juli, nebst vier Lichtdrucken , die ein Bild von der Wirkung der japanischen Geschosse an Bord des ersteren geben. Es mufs äusserst dankbar anerkannt werden , dafs die Marine diese Originalberichte der Kommandanten im Auslande veröffentlicht , aus denen man sich erst ein richtiges Bild über die Vorgänge auf dem Kriegsschauplatz in Ostasien machen kann . - Unter den Mitteilungen aus fremden Marinen figurirt eine aus dem „ Hampshire Telegraph" entnommene sensationelle Mitteilung, dafs die russische Admiralität sich entschlossen hat , das Petroleum als Feuerungsmittel für Kriegsschiffe einzuführen , Je ein im Bau befindlicher Panzerdeckskreuzer in der Ostsee und im Schwarzen Meer sollen vorläufig dafür eingerichtet werden. Es dürfte sich diese Mafsnahme wohl nur auf die Schiffe der Schwarzen Meer-Flotte beziehen, wo Rufsland über ungeheure Mengen dieses Heizmaterials im eigenen Lande verfügt. — In Cherbourg werden zwei neue Docks gebaut , das eine für Postdampfer, welche im Kriege als Hülfskreuzer dienen , das andere für Panzerschiffe I. Kl. (aus der ,,Times ") .- Die neuen französischen Panzerkreuzer ,, LatoucheTréville" und sein Schwesterschiff erhalten für ihre acht Türme elektrische Drehvorrichtung, bei denen ein Fingerdruck des Turmkommandeurs genügt, um sofort und spielend eine Drehung des Turmes zu bewirken . (Aus der ,,Times".) Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft XI : Die Gezeitenerscheinungen im irischen Kanal, aus dem im Druck befindlichen ,, Segelhandbuch der Südküste Irlands und des Bristol-Kanals", vom Admiralitätsrat Prof. Dr. Börgen bearbeitet. ---- Die Segelroute von

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Umschau in der Militär - Litteratur.

Sidney nach der Blanche - Bai und dem Nusa-Fahrwasser, nebst Küstenbeschreibung von Neu- Pommern , vom Kap Gazelle bis zur Talili-Bai, der West- und Nordküste von Neu - Mecklenburg und von Neu - Lauenburg. Von E. Hernsheim. - Über einige neuere Beobachtungen an Aräometern, von Prof. Dr. Krümmel in Kiel. Die Witterung an der deutschen Küste im Oktober 1894. Den Annalen ist ein Beiheft III ,, die Küste von Tonkin " beigegeben , eine im Auftrage der Seewarte gemachte Übersetzung des Hülfsarbeiters, Kaptlt. a. D. Wislicenus, aus dem neuesten französischen Segelhandbuch . Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Vol. XXII. Nr. 12 : Über die besten taktischen Methoden zur Ausnutzung des Gefechtswertes von Schiffen und deren Waffen im Kampfe zwischen Flotten , Gruppen und einzelnen Fahrzeugen, eine auszugsweise Übersetzung der durch Verleihung der goldenen Medaille ausgezeichneten Studie des britischen Commander F. C. D. Sturdee . (Schlufs .) Eine lehrreiche und zeitgenössische Arbeit, die verdient hätte , ganz übersetzt zu werden. Die Fortschritte des Schiffspanzer- und Marine-Artilleriewesens im Jahre 1893. Auszugsweise Übersetzung aus Lord Brassey's ,,Naval Annual, 1894". — AluminiumTorpedoboote mit Abbildung. (Aus der ,,Times. ") - Kleinere , verschiedenen ausländischen Zeitschriften entnommene Artikel behandeln : Dänisches Marinebudget 95/96 , Bersten eines Torpedokessels , Stapelläufe, Petroleumbriquetts , neue Einteilung der italienischen Kriegsflotte. - Der Weiterbau des Panama-Kanals , ein dem ,, Engineer" entnommener optimistischer Artikel. Ein moderner Frachtschooner , aus der Hansa. Warmlauf und Feuermelder. Mitteilungen aus fremden Marinen. Army and Navy Gazette. Nr. 1817 : Längerer Artikel spekulativer Art über den voraussichtlichen Krieg der Franzosen in Madagaskar. Richtigstellung der Bemerkungen eines ,, a plain sailor " über Zahl und Besoldung der in den Nachrichtenbureaus der Armee und Marine verwendeten Offiziere. Die ,,Navy Records Society" giebt an ihre Mitglieder den zweiten Band der ,,State Papers relating to the Defeat of the Spanish Armada ", der nach dem gegebenen Auszug für Seekriegshistoriker von grofsem Interesse sein mufs. Torpedobootszerstörer „,,Ardent" Ardent" hat 30,151 sm. gelaufen. Interessante Angaben über Kohlen von Schiffen auf dem Strom und am Quai. „ Rodney" nahm zu Anker 46,2 Tons p. h. , am Quai 95 Tons p. h.,,,Howe" nahm zu Anker 28 Tons p. h., am Quai 148 Tons p. h. Die Angaben von 27 Schiffen über das Kohlennehmen zu Anker wechseln zwischen 9 und 35 Tons p. h.; die von 6 Schiffen über das Kohlennehmen am Quai zwischen 85 und 148 Tons p. h. Angaben über den Marine-Etat der Vereinigten Staaten für 1894/95. Stappellauf der russischen Panzerschiffe ,,Pultava" und Petropaulovsk". Nr. 1818 : Bugfeuer auf Schlachtschiffen und Kreuzern, eine vergleichende Studie Ein zwischen Majestic - Charlemagne und Crescent - d'Entrecasteaux. kurzer Artikel klagt darüber, dafs die Artillerieschulen in Portsmouth und Plymouth nicht mit den neuesten Modellen der Schnellfeuerkanonen versehen werden und erinnert daran , dafs der erste Hinterlader, den die

Umschau in der Militär- Litteratur.

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Artillerieschüler in England zu sehen bekamen , ein in den Befestigungen Alexandria's genommener ,,Krupp“ war. In der That hatte die englische Marine heute vor 12 Jahren noch kein Hinterladegeschütz ! - England im Rückstand gegen Frankreich in der Bewaffnung älterer Schiffe mit Schnellfeuerkanonen . Neue Bootsmannspfeife , erfunden vom Lieut. Haggard, Konsul in Triest , hat sich gut bewärt . Nach einem Berichte sollen von jetzt ab die Küsten- und Hafen - Wachtschiffe in England bis zu drei Vierteln ihres Etats an Seeleuten mit Küstenwächtern und das letzte Viertel mit Reservisten der Marine besetzt werden ; das Blatt hat grofse Bedenken dagegen . Die Anregung , einen neuen Kriegshafen in Port-en-Bessin, zwischen Havre und Cherbourg anzulegen, findet in Militärund Marinekreisen Frankreichs grofsen Anklang. Nr. 1819 : Der schnelle Fall Port Arthur's wird der Anwendung von Krupp'schen Haubitzen seitens der Japaner zugeschrieben. Eine Reihe von Artikeln über die Kessel auf den englischen Kriegsschiffen , die in einem Fachjournal von einem Unbekannten , „ Argus “, geschrieben sind, werden kritisch besprochen. Klagen über die Vernachlässigung der der indischen Regierung gehörenden Kriegsschiffe in Bezug auf das Offizierkorps derselben. - Ein anderer Korrespondent empfiehlt die Aufhebung der indischen Marine und die Verwendung der damit ersparten Gelder für die Indiensthaltung von mehr Schiffen in den dortigen Gewässern. Forderung für den Schutz der Geschützbedienungsmannschaften in den oberen Decks aller Schiffe . Der 29 Globe" tritt für gleiche Behandlung des Personals der Armee und Marine in Bezug auf Zulage in den Tropen ein . Die Marine ist bis jetzt hierin benachteiligt. ,,Crescent" verliefs Colombo dreifsig Stunden . später als der P.- und O.-Dampfer ,,Surat" und kam zwei Stunden früher in Singapore an. Französische Stimmen über zu geringe Stabilität des ,,Brennus." Ausführliche Kriegsberichte : der Fall Port Arthur's, die Operationen des Grafen Oyama, der Marsch auf Mukden, Asan und Yalu , die Seeschlacht am Yalu-Flufs . - Die Ansicht des amerikanischen KontreAdmirals Belknap über England und Japan. Who would belive it?" Betrachtungen über das Kriegsglück. Journal of the Royal United Service Instistution. Nr. 198 : Angriff und Verteidigung strategisch und taktisch betrachtet, Vortrag des Kapt. Maude, late R. E. Dampftransport auf Wegen. Von Lieut. Col. Templer, führt die Notwendigkeit aus, dem Dampf als Transportmittel im Kriege an Stelle der Pferde näher treten zu müssen . Er giebt die während der Manöver in Berkshire i. J. 1893 gemachten Erfahrungen zugleich mit einer bildlichen Darstellung der gebrauchten Strafsenlokomotiven und Lastzüge. Die italienischen Operationen in Agordat im östlichen Sudan , nach den Aufzeichnungen des Generals Arimondi , von Komm. Paget, H. M. S. ,,Dolphin" übersetzt, mit zwei Plänen. Anlage der englischen Flottenmanöver des Jahres 1894, mit Manöverkarte. - Schiffsbauten und Stapelläufe aus fremden Marinen , darunter eine hübsche Abbildung des neuen chilenischen Kreuzers ,,Blanco Encalada ". Nr. 200 : Vortrag des Kapt. C. B. Mayne R. E., über einige Methoden Infanteriefeuer auf dem

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Umschau in der Militär-Litteratur.

Schlachtfelde abzugeben. Vortrag des Lieut . Col. A. Stewart Harrison über den gegenwärtigen Stand des Signalwesens in Heer und Marine und vorgeschlagene Verbesserungen . — Übersetzung des Stabs-Ingenieurs Hardy R. N. aus der ,,Rivista marittima": die neuesten Fortschritte im Schiffsv. Löbell's ,,Jahresberichte über die Veränderungen maschinenwesen . Militärwesen i . J. 1893, zusammengestellt von Col. im Fortschritte und Unter den Notizen befindet sich eine von der englischen H. T. Hildyard . Admiralität dem Parlament vorgelegte Tabelle, welche für die Hauptländer der Welt : die im Dienst, in Reserve und im Bau befindlichen seegehenden Kriegsschiffe, sodann die Ausgaben dieser Länder für ihre Marine, die Staatseinkünfte , den Tonnengehalt der Handelsmarine und den Wert des Seehandels der verschiedenen Länder angiebt. Wir geben hier nur die Angaben für die Länder wieder, welche das meiste Interesse für uns haben : Ausgabe für die Marine. England Frankreich . Rufsland .. Deutschland Italien .. Österreich .

Staatseinkommen .

Tonnengehalt der Handelsmarine.

Wert des Seehandels.

17 966 000 £ 228 692 000 £ 12 778 000 £ 929 039 000 £ 271 972 000 134 560 000 10 901 000 1 052 000 64 142 000 5 249 000 93 467 000 0 492 000 62 661 000 3 696 000 1 735 000 211 402 000 46 293 000 3 834 000 70 319 000 0 796 000 97 981 000 1 039 000 0 298 000 22 850 000

Die Zahlen sprechen für sich selbst . - Ein ,, ein Seeoffizier" unterzeichneter Artikel giebt die Stärke der chinesischen und japanischen Marine und bespricht kritisch die bisherige Thätigkeit beider. Neuer französischer Torpedoaviso ,, D'Iberville" nach ,,Le Yacht" in grofsem Format reproduzirt. Nr. 201 : Vortrag des Lieut. Col. Henderson : Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart. - Vortrag des Mr. Lawrence Swinburne über ,,The differentiation of naval force": ein Vergleich, giebt eine Klassifizirung der Kriegsschiffe und ist von einem Laien für Laien geschrieben . Inhalt höchst lehrreich, Form übersichtlich. Von der Versammlung mit allgemeiner Anerkennung aufgenommen, kann er allen, die ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet vermehren wollen , nur wärmstens empfohlen werden . Diskussion über die Preisschrift des Commander Sturdee : ,,über die besten taktischen Methoden zur Ausnutzung des Gefechtswertes von Schiffen und deren Waffen Die Feldzüge etc." (Übersetzung in den ,, Mitt. a . d . Geb. d . Seew. ") des Grafen Moritz von Sachsen, werden in einem vierzig Seiten langen Artikel mit Beigabe von zwei Plänen von dem Lieut. Col. E. M. Lloyd, late R. E. in interessanter Weise besprochen. - Unter den Notizen : Durchschnitt und Deckplan des neuen russischen Schlachtschiffes ,, Scissoi Veliki". Versuche mit Schnellfeuergeschützen mit Bezeichnung der Vor- und Nachteile der einzelnen Systeme in den Vereinigten Staaten . Army and Navy-Journal. Nr. 1631 : Besprechung des neuen Buches : ,,Maclay, a history of the U. S. Navy , from 1775-1894." Nr. 1632 : Bericht des Kriegsministeriums über das vergangene Jahr. Auszug aus

Umschau in der Militär- Litteratur.

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dem Bericht des Staatssekretärs der Marine über die Reorganisation des Personals. Nr. 1633 : Botschaft des Präsidenten Cleveland an den Kongreſs in Bezug auf die Berichte über Armee und Marine . - Längerer Artikel über Reorganisation der Infanterie. - Die Schnellfeuer - Feld- und Landungsgeschütze mit Abbildungen. Rivista marittima. Nr. 12 : Einige Betrachtungen über den Verlust der „ Victoria", von dem Ingenieur Russo. Interessanter Aufsatz mit sehr anschaulichen bildlichen Darstellungen. Die elektrische Schifffahrt und die Kriegsmarine (Forts .). Kurzer Überblick über die allgemeinen Schifffahrtsverhältnisse bei den Alten . (Forts .) - Eingehende Beschreibung der Seeschlacht am Yalu- Flufs, mit Karte des chinesisch-japanischen Kriegsschauplatzes , von C. Avallone. — Bug- und Breitseitfeuer behandelt ein Aufsatz von A. Camurri, in ihrem Einfluss auf den Schiffbau.

Am meisten

Wert legen die Franzosen auf Bugfeuer, deren neues Panzerschiff ,,Charlemagne" mit 2 30 cm, 6 14 cm und 4 10 cm Geschützen recht voraus feuern kann. Danach kommt das italienische Panzerschiff ,, Sardegna“ mit 2 34 cm, 2 15 cm und 2 12 cm Geschützen , die nach vorne schiefsen. Am schwächsten ist das Bugfeuer der englischen Schlachtschiffe der RoyalSkizzen erSovereign - Klasse mit 2 34 cm und 2 15 cm Geschützen. leichtern den Überblick. Die Madagaskar - Frage , geographische Verhältnisse der Insel , mit Übersichtskarte . - Unter den Notizen : Beschreibung und Abbildung des österreichischen Kreuzers „ Maria Theresia", ebenso des französischen Kreuzers ,,Dupuy - de - Lome ". Anhang : Stäbe der in Dienst , in Reserve und Disponibilität befindlichen italienischen Schiffe für Nov. 94.

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Preufsische Soldaten- Bücher. Das Husaren-Buch. Geschichte der preufsischen Husaren von ihrer Entstehung bis auf die Gegenwart. Von Claus von Bredow , Major. Mit Uniformbild von R. Knötel. Köln a. Rh . Verlag von J. Püttmann. Preis 1,20 M. 2. Rangliste der kaiserlich deutschen Marine für das Jahr 1895. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 2,50 M. 3. Französisches Lese- und Übungsbuch. Unter besonderer Berücksichtigung des Kriegswesens . Auf Veranlassung der General- Inspektion des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens bearbeitet von Dr. Püttmann , Professor. Dritte vermehrte Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 2,60 M. 4. Leitfaden für den Unterricht in der Dienstkenntnifs auf den königlichen Kriegsschulen. Sechste Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S.

Preis 1,60 M.

5. Erziehung und Unterricht im königlich preufsischen Kadettenkorps . Berlin 1894. E. S. Von Dr. Boesser, Professor. Mittler & S.

Preis 60 Pfg.

6. Kriegslehren in kriegsgeschichtlichen Beispielen der Neu-

260

Umschau in der Militär - Litteratur.

zeit. Von W. v. Scherff, General der Inf. z. D. Zweites Heft : Betrachtungen über die Schlacht von Vionville - Mars la Tour. Mit einem Plan und vier Skizzen in Steindruck , sowie einer Textskizze. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 6,50 M. 7. Offizier - Stammrollen und Ranglisten des des königlich preufsischen Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2. 1814 bis 1894. Auf Befehl des Regiments bearbeitet durch P. v. Scheven , Hauptmann. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 12 M.

S 8. Württembergische Neujahrsblätter. Unter Mitwirkung Mehrerer herausgegeben von Professor Dr. J. Hartmann. Zwölftes Blatt. 1895 . Drei Schwaben in fremden Kriegsdiensten . Von A. Pfister , Generalmajor z . D. Mit drei Porträts . Stuttgart 1895. D. Gundert. 9. Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem Texte Heft 10 u. 11. Rathenow 1894. versehen von R. Knötel . Band V. M. Babenzien. Preis je 1,50 M. 10. Zur Frage des Militär - Strafverfahrens in Deutschland und Österreich - Ungarn. Von Georg Cleinow, Generalmajor z. D. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage. Berlin 1895. Verlag von R. Eisenschmidt. Preis 1 M. 11. Militär - Statistisches Jahrbuch für das Jahr 1893. Über Anordnung des k. und k. Reichs-Kriegs-Ministeriums bearbeitet und herausgegeben von der III . Sektion des technischen und administrativen MilitärKomité. Wien 1894. K. k. technisches administratives Komité . 12. The great Alternative. A Plea for national policy. By Spenser Wilkinson , London 1894. Iwan Sonnenschein & Co. Par Hn. 13. L'Unité de bataille dans l'offensive tactique. Paris 1894. Librairie militaire de L. Baudoin, 14. Armeekalender des deutschen Soldatenhort für 1895. VIII. Jahrgang. Verfafst von H. v. Below, Generallieutenant z. D. Berlin. Verlag von K. Sigismund. Preis 1 M. 15. Springende Punkte in der heutigen Erziehung und Ausbildung unserer Infanterie. Von Blänkner , Oberstlieutenant z. D. Sonderabdruck aus „,Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine". Berlin 1895. Verlag von A. Bath . 16. Der Krieg mit den Millionenheeren. Eine militärisch-politische Studie von einem alten Soldaten. Separatabdruck aus der ,,Allg. Schweizer. Militärzeitung".

Basel 1894.

Benno Schwabe.

Preis 1,20 M.

17. Disziplin oder Abrüsten ! Von Fritz Gertsch , Major im Generalstabe. Bern 1894. Goepper & Mehmann. Preis 1,25 Fres.

Druckfehler- Berichtigung : Januarheft, S. 61 , Zeile 18 v. o. lies : Exemtion, nicht Execution.

Kroll's Buchdruckerei, Berlin S., Sebastianstrasse 76.

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1

XVIII .

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig

und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet. Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792 bis 1814.

Von Hans Fabricius, Oberstlieutenant a. D. (Fortsetzung *).

Zweiter Abschnitt. Im Feldzuge 1813 bis nach der Schlacht von Lützen.**) 1. Vom Kriegsausbruch bis zum 10. April . Der Zusammenbruch der französischen Grofsen Armee in Rufsland steigerte den Drang aller Gemüter in Preufsen nach Befreiung vom Joche der Fremdherrschaft in einem Grade, dafs York's Abkommen mit den Russen zu Tauroggen nur den Anstofs gab, um den Stein ins Rollen zu bringen . Bereits

Der Krieg mit Frankreich war unvermeidlich.

entfaltete Napoleon in seinem Lande jene bewundernswerte

Thatkraft, um neue Heere aus der Erde zu stampfen und aus den Trümmern der Grofsen Armee wieder kriegsbrauchbare Truppenkörper durch seine in Deutschland befindlichen Generale zusammenfügen zu lassen.

Der Vizekönig von Italien, Eugen, trotzdem er Anfangs März

noch 38000 Mann*** ) zur Verfügung hatte, liefs sich auf das Vordrängen Wittgenstein's ,

der nur 12 000 Mann regelmäfsiger Truppen

und

6000 Kasaken befehligte , zum Aufgeben der Oderlinie verleiten, räumte dann auch Berlin und hatte am 8. März den Rückzug auf das rechte Elbufer bei Wittenberg beendet . Der Hauptstützpunkt in Norddeutschland, Magdeburg, wurde durch schleuniges Hineinwerfen von 20 000 Mann in jenen Gebieten stehender Truppen und französischer National-Garden sicher gestellt, welche dem General Lauriston teilweise als Kern des allmählig auf 36 000 Mann anwachsenden *) Siehe das Januar- und Februarheft 1895 . **) Hierzu ein Plan. ***) Charr. 13. Deutsche Ausgabe I. S. 341 . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 3.

18

262

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

5. Korps dienten .

Von anderen Heerestrümmern standen in Dresden

Reste des 7. Korps (3000 Franzosen und 17 bis 1800 Sachsen) unter Reynier, zu denen Mitte März 12 000 Mann unter Davoust traten, in Meifsen 1400 Bayern der Division Rechberg, in Torgau 8000 Sachsen ; im Bernburgschen bildete Marschall Victor das 2. Korps , zunächst 9000 Mann ; im Braunschweigschen sammelten sich das 1. und 2. Kavallerie-Korps, 1600, bezw. 1800 Pferde ; in Bremen hatten sich 4000 Mann zusammengefunden.

Eugen hätte um Mitte März unschwer

wenigstens 75 000 Streitbare an Feldtruppen vereinigen können* ) ; aufserdem bargen die Festungen an und östlich der Oder über 60 000 Mann an Besatzungen **). Nach seinem Rückzuge an die Elbe hatte Eugen 2 Divisionen Lauriston's innerhalb Magdeburgs gelassen, je eine oberhalb und unterhalb der Festung mit Sebastiani's Reiterkorps am linken Ufer aufgestellt, Grenier mit 2 Divisionen und Latour-Maubourg's Reiterei stand bei Wittenberg,

die Division Gérard wurde

zur Verstärkung

Reynier's nach Dresden geschickt, wo Davoust nun den Oberbefehl übernahm. Die Garde schickte Eugen nach Leipzig, wo er selbst sein Hauptquartier aufschlug. Napoleon war mit diesen Maſsregeln äufserst unzufrieden und schrieb seinem Stiefsohn vor, seinen Schwerpunkt nach Magdeburg zu verlegen. Die

preufsische Armee war in schleuniger Mobilmachung be-

griffen . Am 15. Februar hielt Major Hellwig den Befehl, mit seiner Schwadron von Strehlen nach Leobschütz zu marschiren, um dort mobil zu machen, während sich die 4. unter Rittmeister v. Witowsky zu gleichem Zwecke von Münsterberg nach Bauerwitz begab. Für diese Schwadronen war bei ihrer Schwäche die Mobilmachung mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft, da sie auf je 150 Pferde gebracht werden mussten . Über die Hälfte der Mannschaften und noch mehr Pferde waren Ausrüstungsstücke

durchaus ungeübt konnten

zum Teil

und roh ; Bekleidungs- und erst während des Marsches

beschafft werden, ebenso wie letzterer zur Ausbildung von Mann und Rofs scharf ausgenutzt werden musste. Am 10. März rückten beide Schwadronen über Neustadt nach Neifse, um sich dort mit den beiden ebenfalls

dem russischen Feldzuge ferngebliebenen Schwadronen des

1. Schlesischen Husaren-Regiments nebst einer neugebildeten Freiwilligen Jäger - Schwadron als ,,Kombinirtes Schlesisches HusarenRegiment" unter Führung des Majors v. Blücher, aggr. dem 2 Schlesischen Husaren - Regiment,

*) Beitzke I. S. 294. **) Charr. 13. I. S. 347.

zu vereinigen.

Das Regiment war der

263

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Oberschlesischen Brigade unter Generalmajor v. Zieten zugeteilt und marschirte mit dieser nach Sachsen. Auf dem Marsche nach Neustadt hatte Hellwig das Unglück gehabt, durch einen Sturz mit dem Pferde den rechten Fufs zu brechen ; da er die Truppe nicht verlassen wollte, begleitete er sie, auf einem Leiterwagen liegend , während des ganzen Marsches. Zunächst galt es für die aus Schlesien vorrückenden Korps Blücher's und Wintzingerode's die Elblinie zu gewinnen . Während letzterem die fliegenden Korps des Flügel-Adjutanten Kapitän Orlow auf Döbelsdorf, des Oberst Fürst Madatow auf Meifsen und des Obersten Dawydow auf Dresden voraufschwärmten, ging der Vormarsch auf Dresden preufsischerseits unter dem Schutze einer am 16. März bei Ober-Waldau über die Grenze vorgeschobenen Vorhut von 300 Pferden unter dem Kommandeur des Brandenburgischen HusarenRegiments, Major v. Hobe, vor sich, welcher möglichst schnell Nachrichten über die Verhältnisse in Sachsen einzuziehen hatte ; zu gleichem Zweck war vom 12. März ab durch Wintzingerode Oberst Prendel mit Kasaken von Lauban über Reichenbach nach Bautzen in Marsch Vom Feinde wufste man nur, dafs Davoust mit 6000 Mann in Dresden stände , dafs Torgau und Wittenberg von den Franzosen besetzt, die Elbbrücke bei ersterer Festung abgetragen, bei Dresden

gesetzt.

zur Sprengung vorbereitet wäre.

Am 19. März hiefs es , der Vize-

könig von Italien stände mit angeblich 20 000 Mann bei Leipzig ; von Mainz nach Erfurt sollten 80 000 Mann in Bewegung sein, auch die Meifsener Brücke sei seit dem 13. abgetragen. Inzwischen war der Vormarsch der Oberschlesischen Brigade von Neisse aus über Münsterberg , Reichenbach, Schweidnitz , Striegau, Goldberg nach Löwenberg angetreten, bei Lauban wurde am 23. die damalige sächsische Grenze überschritten und der Marsch über Bernstadt nach Herwigsdorf fortgesetzt, wo nach einem Ruhetage Hellwig sich am 27. zum ersten Male nach seinem Beinbruch wieder aufs Pferd setzte und an der Spitze seiner Schwadron über Löbau nach Bautzen rückte ; hier hatte das Regiment Parade vor seinem kommandirenden General v. Blücher ; es marschirte alsdann nach Stolpen und traf am 30. in Osterwitz vor Dresden ein. Erst wenige Tage zuvor war die sächsische Hauptstadt vom Feinde geräumt worden : zwar war das rechte Elbufer bereits seit über zwei Tagen frei ; die 1400 Bayern waren aus Meifsen , Rheynier mit der sächsischen Reiterei aus Dresden abmarschirt ; am 19. war die dortige Elbbrücke trotz Widerstandes der wütenden Bevölkerung gesprengt worden und Davoust auf Eugen's Befehl nach Magdeburg abgerückt, nachdem er die ihm unterstellten Polen nach

18*

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

dem Königreich Westfalen hatte marschiren lassen, um vom General Dombrowsky organisirt zu werden. Am 25. besetzte die Vorhut der Russen unter General Lanskoi die Neustadt, aber erst in der Nacht zum 27. räumte Durutte mit den letzten 3500 Franzosen und Bayern die Altstadt und zog sich, mit Orlow's Reitern auf den Fersen, über Altenburg an den Ostfufs des Harzes zurück.

Eugen hatte am 20.

Leipzig verlassen, um den Hauptteil seiner Kräfte in einem grofsen Lager unweit Magdeburg auf dem rechten Elbufer zur Deckung des Königreichs Westfalen und der 32. Militär- Division (die Departements der oberen Ems, Weser- uud Elbe-Mündung) zu versammeln. Nach den nunmehr bei den Verbündeten eingegangenen Nachrichten schien Erfurt der Hauptsammelpunkt des Feindes zu sein ; die dort gemeldeten 40 000 Mann mehrten sich täglich ; das bei Leipzig stehende Korps sollte einschliefslich Vorhut 20 000 Mann stark sein. Unter diesen Umständen hatte der Feldmarschall Kutusow eine gemeinsame Operation der aus der Mark vorgehenden Korps Wittgenstein und York zwischen Torgau und Meifsen über die Elbe und der Korps Wintzingerode und Blücher von Dresden aus auf die Linie LeipzigAltenburg beschlossen . Andererseits wurden aber starke feindliche Truppenbewegungen

am 28. auf Magdeburg gemeldet und Davoust

war am 25. nahe bei Wittenberg gesehen *). Am 1. April marschirte das kombinirte Husaren-Regiment nach grofser Parade der versammelten Brigade Zieten vor den Königlichen Prinzen, Blücher und Fürst Wittgenstein bei Dresden durch die Stadt und in den folgenden Tagen über Freiberg und Chemnitz ins Altenburgische, wo es am 7. eintraf. Seit dem Übergang über die Elbe war der Marsch mit allen Sicherheitsmafsregeln vor sich gegangen, ohne dafs man auf den Feind gestofsen wäre .

In der ersten Hälfte

des April versammelten sich die Truppen Wintzingerode's um Leipzig, die Blücher's um Altenburg. Dem Grafen Wittgenstein war es durch die scharfen Gefechte

bei Möckern unweit Magdeburg am 5. April gelungen , die Franzosen trotz ihrer fast doppelten Überlegenheit **) gänzlich auf das linke Dem Vormarsch der Verbündeten nach Elbufer zurückzuwerfen . Leipzig und Altenburg glaubte Eugen die Absicht , sich auf das aus dem Mainthale auf Erfurt im Vorrücken befindliche Korps Ney's stürzen zu wollen, unterlegen zu sollen ; um dies und die Bedrohung seiner eigenen Verbindung mit Erfurt und Mainz zu verhindern , be*) Kr. A. I. E. 27. **) Nach Charr. 13. I. S. 393 : 28 000 Verbündete gegen mehr als 40 000 Franzosen.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

265

schlofs er, unter Anlehnung an Magdeburg, wo er aufser der westfälischen Garnison noch 10 Bataillone zurückliefs , eine Flankenaufstellung zwischen der unteren Saale und dem Harz zu nehmen : während er am 11. April Aschersleben als Hauptquartier wählte, verlegte er als linken Flügel das 2. Korps Victor (8 Bataillone , 5000 Mann) nach Kalbe und Bernburg, das 5. Lauriston nach Aschersleben, Ermsleben, Ballenstedt und Quedlinburg, als rechten Flügel das 11. Grenier bis nach Blankenburg im Harz, und weiter nach Elbingerode Durutte mit 1000 Mann, die Bayern unter Graf Rechberg nach Stollberg, um von da den Rückmarsch in ihr Vaterland anzutreten.

Das 1. Kavalleriekorps behielt er bei sich; die Division La-

grange des

5.

Korps (6000 Mann)

westfälische Reiterei in Nordhausen.

stand in Braunschweig,

etwas

Aus dieser Aufstellung unter-

nahm der Vizekönig in den nächsten Tagen verschiedene Scheinbewegungen, teils um die feindlichen Heerführer zu beschäftigen, teils um sie festzuhalten und dadurch Zeit für das Heranrücken der einzelnen Teile der grofsen Armee des Kaisers zu gewinnen. Im gleichen Sinne verfuhren zunächst auch die Verbündeten im Interesse des Vorrückens ihrer Hauptkräfte an die Versammlungspunkte . Wittgenstein, der mit York's und Berg's Korps am 8. und 9. April die Elbe bei Rofslau überschritten und sich bei Köthen und Dessau aufgestellt hatte, empfing vom Oberbefelshaber Kutusow die vom 29. März aus Kalisch datirte Weisung: „Ich glaube, man müsse nicht weiter als bis an die Elster gehen ; hier ist die äufserste Grenze ; doch hat dies keinen Bezug auf die Parteigänger. " Dadurch wurden Blücher und Wintzingerode in ihren Standquartieren den ganzen April über zur Unthätigkeit gezwungen.

Sie mufsten sich damit begnügen,

die nach Thüringen führenden Strafsen zu beobachten und gegen einen feindlichen Vormarsch zu decken . Da auch der Vizekönig keine andere Absicht hatte, als die Verbündeten am Vordringen nach Thüringen zu hindern, woran sie vorläufig garnicht dachten, so beschränkte sich der Krieg in der nächsten Zeit auf kleine Zusammenstöfse der Vorposten und der zu Aufklärungen und Erkundungen entsandten Abteilungen. Die leichte Reiterei fand hierbei ein weites Feld für ihre Thätigkeit. Während Wintzingerode den Kapitän Orlow nach der unteren Saale zur Beobachtung von Cönnern bis Halle, den Oberst Prendel am 11. von Merseburg über Eisleben in der Richtung auf Aschersleben und Nordhausen, den General Graf Lanskoi (20 Schwadronen LinienKavallerie, 1500 Pferde, und 3 Kasaken-Regimenter, 1800 Pferde) auf Merseburg und Halle - wo Major v. Loewenstern mit 2 KasakenRegimentern schon seit dem 8. stand vorsandte, lag Blücher die

266

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Aufklärung über Gotha, Rudolstadt und Hof ob.

Von dem in Plauen ,

Schleiz und Saalfeld stehenden Brandenburgischen Husaren-Regiment wurden in südwestlicher Richtung Rittmeister v. Schwanenfeld und Lieutenant v. Katte, sowie Rittmeister v. Colomb vorgeschickt. In Altenburg stand das leichte Garde-Kavallerie-Regiment mit Vorposten in Gera, Roda, Zeitz und Crimmitzschau. In westlicher Richtung rückte nach einem Ruhetage im Altenburgischen am 9. April der Kavallerie-Brigadier der Oberschlesischen Brigade, Major Laroche von Starckenfels, mit dem kombinirten schlesischen Husaren-Regiment unter Zurücklassung der Bagage bei der Brigade vor und entsandte von Janitzheim den Major v. Blücher mit den beiden Schwadronen brauner Husaren gleich gegen Weimar, um auf Gotha und Eisenach zu streifen und die von Franken kommenden Strafsen zu beobachten, während er selbst mit den beiden Schwadronen grüner Husaren über Meuselwitz nach Zeitz und am 10. nach Naumburg ging, wo er am Nachmittage eintraf. Die vor der Absendung dieser Aufklärungstruppen im Stabsquartier der Oberschlesischen Brigade über die Stellung der Franzosen vorhandenen Nachrichten liefsen die Aussichten für den Erfolg eines beschleunigten Vorrückens der Verbündeten sehr günstig erscheinen. In Erfurt sollten nur 1200, in Cassel 1500 Mann stehen ; Ney befand sich in Würzburg ; am 5. wären in Fulda und Meiningen je 10000 Mann, von dort kommend ,

angesagt,

aber am 6. noch nicht eingetroffen

gewesen. 2.

Der erste Streifzug vom 10. bis 19. April.

Major Laroche hatte vom General v. Blücher den Auftrag erhalten , die auf Eisleben, Ellrich, Nordhausen und Weiſsensee nach Magdeburg führenden Strafsen die Verbindungslinien des Vizekönigs mit der unsicher zu vom Main heranrückenden Hauptarmee Napoleons machen und zu beobachten *) .

In diesem Sinne entsandte

er den

Major von Blücher am 9. nach Gera und am 10. nach Jena, wo letzterer die 4. Schwadron Engelhardt stehen liefs, um über Kahla Verbindung mit dem Brandenburgischen Husaren-Regiment bei Neustadt zu halten. Er selbst rückte am 11. mit der 2. Schwadron und dem reitenden Jäger- Detachement nach Weimar, bezog dort ein Biwak und sicherte sich durch Vorposten gegen Erfurt. Von hier aus liefs er den Lieutenant Graf Pinto mit 20 Pferden in den Thüringer Wald vorgehen.

Major Laroche hatte von Zeitz aus zur Verbindung mit

Blücher einen Unteroffizierposten in Camburg aufgestellt, welcher

*) Kr. A. I C 13.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

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seinereits an einen in Apolda stehenden Unteroffizierposten Blüchers Anschlufs hatte. Er selbst hatte in Naumburg eine Sotnie Kasaken des russischen Majors v. Loewenstern ersetzt, die am 10. früh nach Querfurt unter Zurücklassung der Mitteilung abgerückt war, sie würde von da aus Eisleben, Ellrich, Nordhausen und Weifsensee besetzen, also gerade diejenigen Ortschaften, um welche es sich bei Laroche's Auftrag handelte ; dieser aber war vorsichtig genug, noch selbigen Und er hatte sehr wohl Tags dorthin Streifparteien auszusenden. daran gethan, denn letztere fanden die Nester leer : der Russe hatte nichts hingeschickt. Mit dem in Merseburg stehenden Kasaken- Oberst Prendel des Wintzingerode'schen Korps hatte Laroche ungesäumt Verbindung aufgenommen und von der Ankunft eines grofsen Teils des von Würzburg vorrückenden Ney'schen Korps in Meiningen erfahren; in Erfurt sollten sich 1600 Mann Infanterie und 300 Pferde befinden, Weimar war noch vom Feinde frei gefunden worden. Während Laroche mit der 4. Schwadron in Naumburg stehen blieb, erteilte er am 10. Abends dem nach dem nahegelegenen Dorfe Altenburg (im Volksmunde : Almrich) einquartirten Hellwig den Auftrag, „auf Partei auszugehen, mit der Weisung, sein Hauptaugenmerk auf die Strafse von Erfurt und Magdeburg, wo zwei feindliche Armeekorps standen, zu richten , diese unsicher zu machen und auf solche Art die beiderseitige Kommunikation zu hemmen *) . Im Übrigen wurde die Ausführung dieses Befehls Hellwig's freiem Ermessen überlassen . Er marschirte am 11. nach Herren- Gosserstedt ( 1 Meile östlich von Buttstedt und Rastenberg) vor und entsandte von dort teils zur eigenen Sicherung, teils zur Erfüllung seines Auftrages je 1 Unteroffizier mit 10 Pferden nach Weissensee und in die Gegend von Sondershausen zur Beobachtung der von da nach Erfurt, bezw . Magdeburg führenden Strafsen. Der nach Weifsensee geschickte Unteroffizier Viebig nahm dort zwei auf dem Durchmarsch befindliche französische Offiziere, einen Regimentsarzt und 14 Mann gefangen. Am gleichen Tage war Prendel auf Eisleben vorgerückt und Loewenstern ** ) im Vormarsch auf Nordhausen in den Harz ; zur Verbindung mit ihnen legte Laroche einen Posten nach Querfurt.

Er

erfuhr durch Prendel, dafs sich der Vizekönig von Magdeburg über Nordhausen nach Cassel zurückzöge , eine irrtümliche Nachricht, daraus gefolgert, dafs letzterer am 11. eine seiner oben erwähnten Scheinbewegungen vornahm, indem er unter Heranziehung des 1. Ka-

*) Hellwig's Kriegstagebuch in Kr. A. I E. 97. Bl . 2. **) Derselbe führte die beiden Kasaken -Regimenter Popow 13 und Ilowaiskj 12 als äufserste Vorhut der unter General Lantkoi stehenden AvantGarde Wintzingerode's ; siehe Sm. S. 7.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

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valleriekorps und einiger Aschersleben vorging *) .

Bataillone Infanterie von Stafsfurt auf Blücher erreichte mit seiner Husaren-

Schwadron und 70 Freiwilligen Jägern Weimar ; seine auf Erfurt geschickten Streifen stiefsen auf keinen Feind, meldeten aber, dafs die in der Festung befindlichen Franzosen aus ganz jungen, von grofser Besorgnifs erfüllten Soldaten beständen. Hellwig meldete am 11. Abends an Laroche,

er habe in Er-

fahrung gebracht, dafs die in Stollberg bisher gewesenen 1500 Bayern nebst 100 Pferden an Reiterei, 8 Kanonen und 2 Haubitzen in Sondershansen zufolge Meldung seiner dort herumschwärmenden Husaren angekommen wären und am 12. nach Langensalza marschiren würden. Er bat um die Erlaubnifs, sich ebenfalls dorthin begeben zu dürfen,

da er Aussicht habe , einen „ coup “ zu machen ;

denn es

hiefse, diese bayerischen Truppen hätten sich aus Bernburg in Folge eines mit den Franzosen dort stattgehabten Zwistes entfernt, um nach ihrer Heimat zurückzukehren **).

Laroche verweigerte die Erlaubnifs

nicht, aber er verband mit der Gewährung noch andere Zwecke . Nach seinen neuerlich eingegangenen, wiederum unbegründeten Nachrichten bestätigte sich nämlich der Rückzug des Vizekönigs von Alsleben über Aschersleben, Ermsleben, Quedlinburg und Halberstadt, wo er am 11. sein Hauptquartier gehabt haben sollte, um voraussichtlich weiter auf Ellrich oder Nordhausen zur Vereinigung mit dem aufGöttingen marschirenden Marschall Ney fortgesetzt zu werden***) . Da Hellwig's Streifparteien bei Nordhausen und Ellrich unter diesen Umstünden bedroht erschienen, so ordnete Laroche deren Verstärkung an und liefs Hellwig mit dem Rest seiner Schwadron über Weiſsensee gegen Nordhausen nachrücken. Um den vorgeschobenen Abteilungen sowohl als der Verbindungslinie des Vizekönigs mit Erfurt möglichst nahe zu sein, marschirte Laroche selbst mit der 4. Schwadron am 12. bis Eckartsberga und am 13. bis Cölleda vor, wobei er gleichzeitig mit dem in Eisleben stehenden Oberst Prendel über Schönewerda und mit dem

zu Weimar stehenden Major v. Blücher über Buttelstedt

Verbindung hielt.

Auch Prendel's Nachrichten bestätigten den Vor-

marsch der Bayern von Stollberg über Nordhausen.

Die Detachements

hoffen daher dort einen guten Coup zu machen, " berichtet Laroche am 12. noch aus Almrich an den kommandirenden General, 17und wollen recht aufmerksam sein.

Kommt nun die gleich dahin ab-

geschickte Verstärkung dort an und Major v. Hellwig erfährt etwas *) Pr. I. S. 363. **) Kr. A. I. 15. Bl. 93. ***) Ebda. I. C. 13.

269

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Gewisseres über den Rückzug ,

so bin ich überzeugt,

wenn es nur

irgend möglich, dafs ein guter Erfolg statthaben wird *). “ Der Überfall von Langensalza , am 13. April. Hellwig war am 12. zeitig von Herren- Gosserstedt aufgebrochen ; nach kaum einer Stunde erfuhr er unterwegs von glaubwürdigen Leuten, namentlich aber von seinen bei Sondershausen streifenden Unteroffizieren in ganz bestimmter Weise, dafs an demselben Tage ein aus Rufsland zurückgekehrtes Korps Bayern unter General v. Rechberg von Sondershausen aus in Langensalza eintreffen, daselbst übernachten und am 13. den Marsch nach den westfälischen Provinzen weiter fortsetzen würde ; das Korps hätte eine Stärke von 1700 Mann Infanterie, 400 Reitern und 6 Geschützen. Langensalza ist von Herren- Gosserstedt in der Luftlinie über acht Meilen entfernt ; mit den erforderlichen und unvermeidlichen Umwegen war also ein weiter, anstrengender Marsch zurückzulegen, trotzdem und ungeachtet er dem Feinde an Zahl um das Zwanzigfache nachstand - denn Hellwig hatte höchstens 100 Pferde seiner Schwadron zur Verfügung " So war er doch sofort zum Angriff entschlossen .

Es konnte sich hierbei nur um einen nächtlichen Überfall

handeln ; Hellwig rechnete

schon im Voraus auf einen glücklichen Erfolg : dazu berechtigte ihn einesteils eine genaue Kenntnifs des Geländes, anderenteils die Überzeugung, dafs die Bayern von seiner Annäherung keine Ahnung haben konnten, da sie die Preufsen noch in Altenburg wufsten und sich bei dieser grofsen Entfernung sicher glauben durften . Um so weniger war aber Zeit zu verlieren : nur durch Schnelligkeit konnte das aufserordentliche Mifsverhältnifs der Zahl einigermassen ausgeglichen werden ** ). Hellwig setzte daher ungesäumt seinen Marsch über Cölleda und Weifsensee nach Tennstedt. fort, wo er gegen Abend eintraf und zunächst Halt machte, um Mann und Rofs zu erfrischen und um einen gut bezahlten, sicheren Kundschafter nach dem noch zwei Meilen entfernten Langensalza zu schicken, welcher ihm nähere Auskunft über Art und Weise der Unterbringung und Sicherung der Bayern verschaffen sollte . Wie schon oben erwähnt, hatte der Vizekönig von Italien,

als

er nach Räumung des rechten Elbufers seine Flankenaufstellung am Harz bezog, den Bayern unter Generallieutenant Graf Rechberg Stollberg als Sammelpunkt angewiesen und ihnen am 10. April die Erlaubnifs

erteilt ,

nach Bayern

formirt zu werden .

zurückzumarschiren ,

um

Zu diesem Zwecke beabsichtigte der

*) Kr. A. I. C. 13. **) Hellwig's Kr. T. B. in Kr. A. I. E. 97. Bl. 3.

dort neu General .

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

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anfangs , wegen der ihn allseits umschwärmenden feindlichen Reiterhaufen den sicheren Rückweg über den Harz nach Cassel einzuschlagen. Da er aber erfuhr, dafs König Jérôme alle seiner Hauptstadt nahe kommenden Truppen zu seiner persönlichen Verteidigung festhielt, so entschlofs er sich für den geradesten Weg durch Thüringen, marschirte am 11. bis Sondershausen und traf am 12. , noch 1052 Feuergewehre der Infanterie, 185 Pferde an Reiterei und eine Batterie von 6 Geschützen stark, in Langensalza ein *). Dem Grafen Rechberg war recht wohl bekannt, dafs preufsische Streifparteien die ganze Gegend unsicher machten, ja dafs Tags zuvor sogar ein Reiterhaufen den französischen Gesandten an den Herzogl. Sächsischen Höfen, Grafen v. St. Aignan, in Gotha überfallen und fortgeschleppt hatte ; andere Streifparteien hätten fast alle Wegverbindungen zwischen den Ortschaften unterbrochen. Rechberg war daher auf seiner Hut. Er liefs die Thore von Langensalza schliefsen und durch starke Infanterieabteilungen besetzen , welche sich durch Posten sicherten und durch fortwährendes Patroulliren unter einander Verbindung hielten. Auf dem Marktplatze wurde ein Rückhalt aufgestellt, der im Fall eines Angriffs sofort durch die übrigen in der Stadt untergebrachten Mannschaften verstärkt werden sollte. Die Batterie mit ihren Schiefsvorräten wurde in der Nähe des auf der Südseite gelegenen Gothaer Thores auf einem, von tiefem Graben umgebenen Platze aufgefahren, der von der Stadt durch die nach dem Thore führende grofse Strafse getrennt war. Ihre besondere Bedeckung war einem Offizier mit 70 Mann anvertraut, der unmittelbar bei ihr auf dem Platze zu lagern angewiesen worden und dem aufserdem die 24 Mann starke Thorwache mit unterstellt war. Die Bespannung wurde in einer dem Parkplatze nahe gelegenen Stallung untergebracht. Von allen diesen Anordnungen erhielt Hellwig in Tennstedt durch seinen nach Langensalza geschickten Späher die genaueste Kunde. Es war ihm sofort klar, dafs er sich auf weiter nichts, als auf die Fortführung der Geschütze einlassen könnte, und daraufhin traf er seinen Angriffsplan . Lieutenants v.

Der Zug des ungemein tapferen und entschlossenen

Triebenfeld

erhielt die Vorhut.

Wenngleich es in

Hellwig's Wunsch lag, den Überfall schon gegen Mitternacht auszuführen, so war dies doch wegen des achtzehnstündigen anstrengenden Marsches und der behufs Einziehung sicherer Nachrichten notwendig gewordenen Verzögerung nicht möglich geworden. Erst gegen 2 Uhr am Morgen des 13. April traf er vor Langensalza ein, mit 92 Pferden seiner Schwadron, ausschliefslich der Offiziere, zur Verfügung . *) Völd. S. 387 ff. Vaud. 13. I. p . 62 giebt die Stärke mit 1700 Mann Infanterie und 1300 Pferde an.

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Die Berichte über den Überfall von Langensalza gehen in manchen Punkten sehr auseinander ; am meisten stimmt der von Hellwig wenige Stunden nach der That aus Tennstedt an Major Laroche eingereichte Bericht *) mit der bayerischen Darstellung**) überein, während das Kriegstagebuch des ersteren später abgefafst worden ist; aus welchen Quellen Graf Lippe verschiedene Einzelheiten geschöpft hat, ist mir unbekannt geblieben.

Dafs den Vedetten der von den Bayern vor-

geschobenen Kavallerie-Feldwache vor dem ansprengenden Zuge des Lieutenants v. Triebenfeld die Karabiner versagt haben sollen, ist wohl ein Irrtum, da nach dem bayerischen Bericht von vorgeschobener Reiterei nicht die Rede ist, vielmehr in ihm betont wird, dafs die aus dem russischen Feldzuge von 1812 zurückgekehrten Pferde der Chevauxlegers viel zu ermüdet gewesen wären, um sie später zu Hellwig's Verfolgung verwenden zu können ; es ist daher wohl anzunehmen , daſs man sie nicht den Anstrengungen des nächtlichen Wachtdienstes ausgesetzt haben wird . Nach Hellwig's Privattagebuche gelang es den Triebenfeld'schen Reitern, die sie anrufenden Infanterieposten über den Haufen zu rennen, am Schiefsen zu verhindern und über die Geschützbedeckung herzufallen .

Gleichzeitig und ehe noch

ein Schufs gefallen, scheint sich Rittmeister v. Bornstedt, der sich nach Hellwig's Bericht um die schnelle Fortschaffung der Geschütze besonders verdient machte und von ihm dafür zur Ordensverleihung vorgeschlagen wurde, mit einer Anzahl Husaren, geführt von ortskundigen Einwohnern, nach der Stellung begeben,

die schlaftrunkenen Fuhrwerkssoldaten

ermuntert und zum schleunigen Anschirren der Bespannungspferde angespornt zu haben, da es Zeit zum Abmarsch sei. Nach dem bayerischen Bericht wurden die Pferde schnell aus dem Stall gezogen ; die Husaren wären mit ihnen nach dem Parkplatz geflogen, wo gleichzeitig die Batteriebedeckung überfallen und auf das Stadtthor zurück geworfen wäre. Die Fuhrwerkssoldaten wären dann zum Anspannen der Geschütze gezwungen worden und in schnellster Gangart hätten mit ihnen die Husaren auf Seitenwegen das Weite gesucht. Einzelne Flintenschüsse, welche gefallen wären, hätten die ganze Besatzung der Stadt in Bewegung gebracht. Major Graf Seiboltsdorf habe einige Mannschaften der Thorwache und von denen, welche die Kanonen hätten hüten sollen " , gesammelt, aber zu spät für die Rettung der Nach Hellwig's bereits von den Preufsen entführten Geschütze. Bericht wäre der Feind von ihm sogleich

‫י װ‬mit lebhafter Attacke " angegriffen worden ; man wäre gleich zu den Geschützen vorgedrungen, *) Kr. A. I. E. 15, Bl. 96. **) Völd. S. 387 ff.

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

hätte aber eine stärkere Gegenwehr gefunden, als er geglaubt hätte. Da die Bayern schon um 4 Uhr die Fortsetzung ihres Marsches hätten antreten wollen,

so wäre bereits Alles sehr munter gewesen ; die

Infanterie hätte zur Verteidigung ihrer Geschütze von allen Seiten den hartnäckigsten Widerstand geleistet ; sie wäre (Major Graf Seiboltsdorf?) aus dem Thore herausgedrungen und hätte die Husaren ununterbrochen mit starkem Kreuzfeuer überschüttet *) . Das in Mauvillon's Militärischen Blättern 1820 veröffentlichte „Tagebuch des Hellwig'schen Partisan-Korps " **) berichtet, Lieutenant v. Triebenfeld hätte mit dem ersten Zuge die Thore aufgebrochen, (was er nach einem anderen Berichte ***) dadurch bewirkte, dafs er sein Pferd zwischen die im Zuschlagen begriffenen Thorflügel geklemmt hätte), die Wache angegriffen und wäre nach seiner schweren Verwundung durch den zweiten Zug des Lieutenants v. Zawadzky unterstützt worden, durch welchen die Wache überwältigt worden wäre .

Nach

Hellwig's Kriegstagebuche †) wären dann die Husaren „ um und durch " die Stadt nach dem Thore geeilt, an welchem die Geschütze aufgefahren gewesen waren offenbar eine irrige Darstellung, welche weder mit seinem ersten Bericht noch mit der Wahrscheinlichkeit übereinstimmt, da er durch seinen Kundschafter ganz genau davon unterrichtet war, dafs die Geschütze aufserhalb der Stadt standen, mithin ein Durchreiten der letzteren nicht blos völlig unnütz , sondern geradezu verderblich und den Erfolg in Frage stellend gewesen sein würde. Wie dem nun auch sein mag : die Bayern haben sich, nachdem sie sich von der Überraschung des Überfalls erholt hatten, unter den vorliegenden Umständen nach Möglichkeit gewehrt ; bei der völligen Dunkelheit (am 13. April geht die Sonne erst nach 5 Uhr auf) waren sie über die Stärke der Angreifer in vollkommenster Ungewiſsheit ; die Keckheit des Angriffs liefs auf eine nicht unbeträchtliche Zahl schliefsen, da anzunehmen war, dafs dem Gegner jedenfalls die Stärke der Bayern nicht unbekannt sein konnte. Die zusammengerafften Infanteristen haben dann auf die im Abfahren begriffenen Geschütze, soweit es die Dunkelheit erlaubte, gefeuert, wodurch es gelang, eins derselben zu retten.

Nach Graf Lippe war einer der Trofsknechte

beim Anspannen durch das Gefäfs geschossen, in Folge dessen ein Husar ein Vorderpferd bestieg, nicht gerade, sondern schräg durch den den Parkplatz umgebenden Graben fuhr und dadurch das Geschütz

*) Kriegstagebuch in Kr. A. I. E. 97 Bl. 3. **) Ein später abgefafster, mit vielen Zusätzen versehener Auszug aus dem Kriegstagebuch. ***) M. W. Bl. 1846, S. 74. †) Kr. A. I. E. 97. Bl. 3.

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

zum Umfallen brachte.

273

Die Bayern richteten nun ein so heftiges

Feuer gegen die liegende Kanone, dafs die Husaren von den Versuchen, sie wieder aufzurichten, abstehen und sie liegen lassen mussten. Aufser dem durch beide Oberschenkel geschossenen Lieutenant v. Triebenfeld wurden noch 2 Husaren schwer, sowie 3-4 leicht verwundet und 10-12 Pferde getödtet oder verwundet ; 1 Unteroffizier und 1 Husar, welche unter ihren erschossenen Pferden sich nicht hervorarbeiten konnten, fielen in Gefangenschaft. Dunkelheit und Ungewissheit lähmten nach Beendigung des Gefechts die Thätigkeit der Bayern völlig. Sie machten auch nicht einmal den Versuch, durch ihre erschöpfte Reiterei die Preufsen zu verfolgen ; sie erkannten einen solchen nicht allein als zwecklos, sondern hielten ihn angesichts der ihnen bekannten, Merseburg, Weiſsensee, Kl . Schmalkalden und Gotha umschwärmenden Reiterschaaren des Majors v. Blücher und Laroche sogar für gefahrvoll. veranlafste den Grafen Rechberg,

Diese Besorgnifs

seinen Rückzug nicht weiter auf

der grofsen Strafse nach Gotha, sondern auf Seitenwegen durch den Thüringer Wald über Waltershausen,

Schnepfenthal zunächst nach

Tambach, und an den späteren Tagen über Schmalkalden, Meiningen, Hildburghausen nach Bamberg zu nehmen, wo er seine Trümmer am 18. dem General Raglovich zur Verwendung in dessen Neubildungen übergeben konnte. Hellwig aber war, nachdem er seine Beute auf der grofsen Strafse nach Tennstedt vorausgeschickt, vor Langensalza stehen geblieben, um den Gegner noch länger über seine Stärke zu täuschen und ihm womöglich jeden Gedanken an Verfolgung zu benehmen. Als die Bayern ihren Rückzug aus der Stadt, den die Infanterie im Viereck ausführte, antraten , schickte er ihnen eine starke Streife mit dem Auftrage nach, sie unaufhörlich zu beunruhigen ; jedoch nach einer Stunde stellte er, da die erbeuteten Geschütze genügenden Vorsprung hatten, wegen Ermüdung der Pferde die Verfolgung ein und ging zunächst bis Tennstedt zurück, um dort zu füttern, dem Major Laroche in Cölleda

zu berichten und ihm gleichzeitig eine grofse

Zahl aufgefangener feindlicher Depeschen zu übersenden. Hellwig's Unternehmen war

glänzend

gelungen !

Mit aufser-

ordentlichem Wagemut, gepaart mit feinster Berechnung und äusserster Vorsicht, hatte er mitten aus dem zwölffach überlegenen , aus allen drei Waffen bestehenden Feinde heraus nur mit Reiterei fast seine ganze Artillerie geholt.

3 Kanonen, 2 Haubitzen, 1 Munitions- und

2 Bagagewagen, einige 20 Pferde, einige wenige (5) Gefangene waren der Preis seiner Heldenthat. Die Verluste des Gegners schätzte er auf 30-40 Tote und Verwundete . Als besonders wichtig hervor-

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

zuheben ist bei dieser Unternehmung, dafs Hellwig nicht ins Blaue hinein handelte und das Gelingen dem Zufall und seinem Glück mehr oder weniger anheimstellte , sondern dafs er, nachdem er von den Verhältnissen der Bayern in Langensalza genau unterrichtet worden

1 war, ein ganz bestimmtes Ziel die alleinige Wegführung der Geschütze ins Auge fafste, sich darauf beschränkte und daraufhin seine Anordnungen traf. Man kann aus diesem Überfall die Lehre ziehen, dafs derartige Unternehmungen immer viel Aussicht haben zu gelingen, wenn sie nur reiflich durchdacht, richtig angelegt und mit rücksichtsloser Thatkraft durchgeführt werden. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dafs ähnliche Verhältnisse in den Kriegen der Zukunft sich immer wiederholen können und werden ; ich bin überzeugt, dafs unserer leichten Reiterei auch im Kriege 1870/71 , namentlich in der zweiten Hälfte, reichlich Gelegenheit hätte geboten werden können, derartige Handstreiche auszuführen ; aber ich glaube, dafs die ausschliefsliche Wichtigkeit, die den grofsen Operationen beigelegt wurde, in unserer Heeresleitung kaum den Gedanken an den Wert des kleinen Krieges und der durch ihn zu erreichenden Vorteile aufkommen liefs . An Kräften, ihn zu führen, sowohl an Offizieren wie an Mannschaften, hätte es uns sicherlich, ebenso wenig wie heute, gefehlt ! Hellwig wurde für seine Heldenthat glänzender Lohn .

Alle un-

mittelbaren Vorgesetzten beeilten sich, ihn aufs Wärmste zu beglückwünschen ). Blücher sagte darüber in seinem Tagesbefehl vom 16. April : *) Laroche schrieb ihm schon am 13. Abends von Cölleda : „ Nehmen Ew . Hochwohlgeboren hiermit zuvörderst schriftlich nebst den Herren Offizieren und der gesammten braven Eskadron meinen aufrichtigst herzlichen Glückwunsch der so brillanten glücklichen Affaire und ebenmässigen Dank für das so ausgezeichnete und brave Benehmen dabei gütigst von mir an ; ich melde es in diesem Augenblick dem kommandirenden General und unserem Herrn BrigadeChef .... . . . . und mache es mir zur angenehmsten und grössten Pflicht, der mir genannten Herren wahres Verdienst dem kommandirenden General besonders vorzustellen und um gröfste Berühmung desselben bei des Königs Majestät angelegentlichst, sowie dafs Ihnen die so schön verdiente Auszeichnung Allerแ höchst verliehen werden möge, zu bitten . . . General Zieten schrieb am 15.: „ Der Major Laroche hat mir Euer Hochwohlgeboren Bericht des schönen Überfalls auf Langensalza überreicht. Ich eile, Ihnen dafür meinen . . . . verbindlichsten Dank darzubringen. Der Entschlufs gereicht Wohldenselben zur gröfsten Ehre, ebenso die Ausführung ; ich danke Ihnen herzlich und aufrichtig dafür ; ich danke den braven Offizieren der Escadron, die sich so brav benommen haben .... Ich wünsche der Brigade Glück, die so ausgezeichnete Husaren hat, die 31 Stunden von der AvantGarde den Feind überfallen und ihm so bedeutenden Verlust beibrigen." General Blücher schrieb : „ Aus dem Rapport pp. . . . habe ich mit grofsem Vergnügen ersehen, welchen glänzenden Coup dieselben auf Langensalza aus-

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Denen Truppen wird hiermit als nachahmenswertes Beispiel die glänzende Waffenthat des Majors v. Hellwig des 2. Schlesischen Husaren-Regiments bekannt gemacht ,

welcher mit einer Eskadron

nach 18stündigem Marsch einen 1200 Mann Infanterie, Kavallerie starken Feind,

300 Mann

der sechs Stück Geschütz bei sich hatte,

in der Nacht vom 12. zum 13. d. in Langensalza überfallen hat und demselben 3 Canons, 2 Haubitzen , 1 Munitons-Wagen, 30 Pferde und einige Gefangene nach einem hartnäckigen Gefecht abgenommen hat. Besonders ausgezeichnet haben sich nach Anzeige des Majors v. Hellwig hierbei der Rittmeister v. Bornstedt , Lieutenant v. Triebenfeld , Lieutenant v. Zawadzky, Wachtmeister Burghard, Unteroffizier Scholl, Unteroffizier Bennicke, Husar v. Packisch. " Hierbei

sei bemerkt ,

dafs

Hellwig's Unternehmung die erste

Waffenthat war, welche Blücher in diesem Feldzuge für würdig erachtete, durch Tagesbefehl bekannt zu machen .

Daran schlofs sich die im

Tagesbefehl vom 22. dem Armeekorps zur Kenntnifs gebrachte, seitens des Kaisers von Rufsland auf Vorschlag des General-Feldmarschalls und Oberbefehlshabers Fürsten Kutusow-Smolensk erfolgte Verleihung des Mititär- Ordens des heiligen

Georgs IV. Klasse an den Major

v. Hellwig für das Gefecht bei Langensalza. Auch diese Auszeichnung wurde letzterem durch ein besonders ehrenvolles Schreiben Blücher's ausgehändigt. von

Der Befehl des nächsten Tages brachte die Kunde

der Verleihung

des

Eisernen

Kreuzes

mittelst Kab.-O.

aus

Breslau vom 19. April ; sie lautete : „ Ich habe aus Ihrem Berichte vom 15. d . M. , nächst den anderen darin enthaltenen Anzeigen, besonders die Nachricht von dem kühnen und wohlberechneten Unternehmen des Majors Hellwig vom 2. Schlesischen Husaren-Regimente auf die Bayersche Besatzung zu Langensalza mit grofsem Wohlgefallen entnommen und will ihm für die glückliche Ausführung dieses Angriffs das eiserne Kreuz 2. Klasse verleihen . . Diese Auszeichnung war eine um so gröfsere, als das Hellwig verliehene Kreuz das zweite seit seiner Stiftung ausgegebene war *). Einige Tage später erfolgte die Verleihung desselben Ordens an die Lieutenants v. Triebenfeld und v. Zawadzky, den Wachtmeister Burghard und Unteroffizier Scholl geführt haben. Ich statte Euer Hochwohlgeboren dazu meinen herzlichsten Glückwunsch ab und benachrichtige Sie zugleich, dafs ich Euer Hochwohlgeboren und die übrigen sich bei dieser Gelegenheit so vorzüglich ausgezeichneten Officiers, Unterofficiers und Gemeine Ihrer unterhabenden Escadron der Gnade Sr. Majestät des Königs ganz besonders empfohlen, zugleich aber auch auf die Zahlung der gewöhnlichen Douceurs für die erbeuteten Canonen und Pferde dringend antragen werde. v. Blücher. " *) Das erste hatte, nach Graf Lippe, der Major v. Borcke des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments für das Gefecht von Lüneburg erhalten.

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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

,,für ihr tapferes Betragen in dem Gefecht von Langensalza".

Einen

wie grofsen Wert Blücher auf diese Unternehmung legte, geht besonders aus seinem Bericht vom 16. an den König hervor, worin er bemerkt, dafs diese Waffenthat unter den stattgefundenen Umständen unstreitig zu einer der glänzendsten gerechnet werden darf*) . Nachdem Hellwig seiner Eskadron in Tennstedt einige Stunden Ruhe gegönnt und abgefüttert hatte, marschirte er unter Zurücklassung eines Unteroffizier - Postens bis Strausfurth zurück , wohin ihm am Abend die Weisung Laroche's zuging, zunächst den Pferden Ruhe zu gönnen und auch den Unteroffizier von Tennstedt an sich zu ziehen,

selbst aber am 14. hinter Weissensee zurückzugehen,

da

bis zum Eintreffen näherer Nachrichten über den Weg, den die feindliche Armee auf ihrem Rückzuge einschlagen würde, doch nichts zu unternehmen wäre und er eintretenden Falls die Witowsky'sche Schwadron vorgehen lassen würde,,,damit auch deren junge Leute den Feind kennen lernen **). " Er forderte Hellwig auf, ihm die erbeuteten Geschütze möglichst bald zuzuschicken, da anzunehmen wäre, dafs auf die Nachricht von Ney'schen Korps,

dem glücklichen

Überfall von Seiten des

welches teilweise schon in Eisenach angekommen

sein sollte, Versuche, die Beute wieder zurückzugewinnen, unternommen werden könnten. Am 14. führte Lt. v. Westphal die Geschütze nach Cölleda ; Laroche Altenburg weiter *** ).

schickte

sie

gleich über

Naumburg nach

Die von Hellwig's Unteroffizier Weiss am 13. zwischen Sondershausen und Nordhausen einem aufgefangenen französischen Kourier abgenommenen Depeschen brachten wichtige Nachrichten über den Marsch des unter General Bertrand von der italienischen OperationsArmee nach Deutschland gezogenen, späteren 4. Korps ; es ergab sich daraus, dsfs dessen 1. Division Morand am 6. April durch Augsburg gezogen war und am 10. oder 11. in Nürnberg, 10 000 Mann stark, eintreffen sollte, dafs ihr die 4. italienische Division Peyri, 12 000 Mann, folgte, um am 15. oder 16. im Anspach'schen anzukommen, dafs sich ihr 3000 Mann italienischer Reiterei unter General Freria anschlofs mit der Bestimmung, vorläufig in Augsburg zu bleiben, ebenso wie die 3. Division, während die 2. bei Neustadt und Ingolstadt kantonniren sollte †). Eine andere Depesche enthielt die Mitteilung , dafs das *) Kr. A. I. E. 15. Bl. 92. **) Schreiben Laroche's an Hellwig vom 14. April in H. N. ***) Sie trafen am 26. April in Breslau ein ; die 3 sechspfündigen Kanonen führten die Namen „ Bevern“, „ Serbellon“, „Thiemskirn ", die beiden Haubitzen „ das Feuer“ und „ die Getreue". Spenersche Zeitung vom 4. Mai 1813. †) Kr. A. I. E. 1. Bl. 7.

277

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

zurückgehende Korps des Vizekönigs eine Stärke von 38 655 Mann und 2206 Pferden hätte .

Er wäre unschlüssig, ob er nach Frankfurt

oder Cassel gehen solle,

und wollte sich bei seiner Schwäche an

Reiterei nicht vor Napoleon's Ankunft in eine Schlacht einlassen : der Rückzug vollzöge sich unter grofsen Anstrengungen, da täglich Erkundungen vorgenommen und ohne Feuer biwakirt werden müfste *). Die bei Nordhausen streifenden Husaren hoben ferner am 13. den dortigen Westfälischen Kommandanten auf und verjagten 30 Franzosen ; ersterer wurde Laroche zugesandt, welcher durch ihn erfuhr, dafs der Vizekönig sich bestimmt über Osterode und Göttingen nach Cassel zurückziehen würde.

Bestätigte sich diese Nachricht, so war für die

Abteilung Laroche nicht mehr viel Aussicht auf Reiterstreiche, um so mehr aber für Prendel in Eisleben, welcher sofort davon unterrichtet wurde. Dessen Vortruppen waren an diesem Tage in Hettstedt durch den von Aschersleben sehr rasch und entschlossen vorgehenden Vizekönig, der mit 6000 Mann aller Waffen bis Leimbach vordrang, auf Eisleben zurückgedrückt worden, welches aber von Prendel behauptet wurde. Letzterer hatte davon den Eindruck gewonnen, 27 dafs dieser Angriff nur geschehen sein dürfte, damit das Hauptkorps (des Vizekönigs) auf der Retraite nicht gestört werden möge,

die,

wie er

glaubt, über Nordhausen gehen wird " **) . Major Loewenstern rückte bis Schafstedt vor und patrouillirte über Frankenhausen und Weiſsensee zu Laroche noch Cölleda ; Lanskoi kam bis Merseburg. Von Erfurt verlautete, dafs die Bürgerschaft mit Sehnsucht das Vorrücken der Preufsen erwartete, da die Besatzung sehr ängstlich sei, nur aus 2-3000 Mann, davon 500 innerhalb der Stadt, bestehen solle und höchstens 20 Geschütze kleinen Kalibers vorhanden seien. Dem am 11. vom Major v. Blücher über Gotha mit 20 Pferden vorgeschickten Lieutenant Graf Pinto gelang es am 13. in Ruhla, Winterstein und Schwarzhausen,

364 Ausgehobene

der

sächsischen Kontingente Weimar, Gotha und Meiningen mit 1 Major 10 Offizieren auf ihren Sammelplätzen zur Übergabe zu veranlassen , als Gefangene fortzuschaffen und eine grofse Menge Waffen mit Beschlag zu belegen.

Über die französische Hauptarmee

hörte

man,

dafs

Marmont von Hanau über Fulda im Anmarsch begriffen sei, daſs bei Frankfurt a. M. wenigstens 40 000 Mann ständen und in Eisenach für den 14. 8000 angekündigt seien. Am letztgenannten Tage schrieb Laroche an Hellwig, dafs er bis zur Ablösung durch Witowsky

seine Unteroffizier -Abteilungen von

*) Kr. A. I. C. 14. Bl . 34. **) Vgl. Anm. 1. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 3.

19

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

278

Ellrich und Nordhausen nicht zurückziehen, sondern ihnen nur Vorsicht anempfehlen sollte, damit sie sich nicht einer Schlappe seitens der 6000 Mann, die Prendel angegriffen und zahlreiche Reiterei bei sich hätten, aussetzten * ). Hellwig folgte der ihm von Laroche vorschlagsweise erteilten Erlaubnifs, bis hinter Weifsensee zurückzugehen , nicht : das glückliche Gelingen seines Husarenstreichs dürfte ihn nach Wiederholung lüstern gemacht haben und dazu konnte

sich nur

Gelegenheit bieten , wenn er den Verbindungslinien des Vizekönigs möglichst nahe blieb . Unter diesen Umständen mochte ihn die in Aussicht gestellte Ablösung durch seinen Regiments-Kameraden nicht gerade angenehm berührt haben . Er zog es daher vor, zunächst in Strausfurth stehen zu bleiben, zumal er von der ausgebreiteten Ortskenntnifs und thätigen Mitwirkung

des

dort

angesessenen

Herrn

v. Münchhausen für seine Zwecke grofse Förderung fand ; denn dieser liefs es sich in seinem patriotischen Eifer nicht verdrieſsen, die Husarenpatrouillen persönlich auf ihren weit ausgedehnten Ritten zu begleiten. Unter Schonung des Hauptteils seiner Schwadron verwandte Hellwig den 14. und 15. April hauptsächlich zur Einziehung von Nachrichten durch Streifparteien und Kundschafter aus der Bevölkerung. Letzteres Mittel hat er, dies sei vorgreifend bemerkt, während seiner gesammten Thätigkeit im

kleinen Kriege in hervorragender Weise, meist

mit

bestem Erfolge, angewendet, da er es sich zum Grundsatze machte, seine Kundschafter stets gut zu bezahlen, sie in Bezug auf ihre Zuverlässigkeit nicht blofs sorgfältig zu prüfen und auszuwählen, sondern auch unter Aufsicht zu halten . Die über die Verhältnisse in Erfurt vorstehend angegebenen Nachrichten liefsen ihn die Überrumpelung dieser Festung ins Auge fassen; da er aber einsah, dafs dazu Infanterie unbedingt notwendig sei und sie ihm nicht gewährt wurde, so mufste er von diesem Vorhaben abstehen.

Dagegen gelang es ihm, mehrere

aus Paris zum Vizekönig geschickte Kouriere mit Depeschen aufzuheben, ebenso einen vom Könige von Bayern an Graf Rechberg abgesandten Boten, dessen Briefschaften , da sie nur ein Belobigungsschreiben und ein Beförderungspatent für den General enthielten, diesem sofort auf Hellwig's Befehl nachgeschickt wurden. In Strausfurth hatte er es sich hauptsächlich angelegen sein lassen, über die seit Anfang April nach erfolgter Neubildung über 6 Bataillonen Infanterie, vorgeschobenen und aus Göttingen 4 Schwadronen Garde - Chevauxlegers, je 2 Schwadronen des 1. und 2. Husaren-Regiments und 2 Batterien bestehenden und im Eichsfelde verstreut in Standquartieren liegenden westfälischen Truppen Nach-

*) Schreiben von Laroche an Hellwig vom 14. April in H. N.

279

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

richten einzuziehen ; gegen diese gedachte er einen Schlag zu unternehmen, zumal sich die allgemeinen Verhältnisse nicht wesentlich geändert hatten.

Allerdings hatte der Vizekönig seit dem 14. mit seinen

Truppen nnter Zurückdrängung Prendel's von Quenstedt auf Leimbach eine Bewegung in südwestlicher

Richtung

unternommen,

11. Korps bis in die Linie Blankenburg, Quedlinburg,

die

das

Ballenstedt,

etwa 3 Meilen, vorwärts brachte, hinter dessen linkem Flügel sich das 5. Korps in das Dreieck Hoym, Ermsleben , Aschersleben schob ; Avantgarden wurden nach Windefurt, Harzgerode und Endorf vorgetrieben. Aus diesen Stellungen wurden aber am 16. keine Bewegungen nach vorwärts angetreten.

Der Vizekönig beabsichtigte noch immer

nichts weiter, als die Verbündeten fortwährend in völliger Ungewissheit zu lassen und that dies mit Erfolg. Von den Russen stand am 14. Kapitän Orlow mit seiner Abteilung in Halle, seine Reiter streiften links über Querfurt nach Sangerhausen, rechts über Eisleben auf Quedlinburg. Loewenstern war bis Allstedt und Ziegelroda vorgerückt und Lanskoi bis Querfurt gefolgt ; Naumburg wurde durch einen Kasakenpulk besetzt ; am 15. ging ersterer bis Kirchbach, letzterer bis Rofsla vor mit der Absicht, auf Nordhausen zu marschiren. Aus Anlafs eines am Abend zuvor aufgefangenen Briefes der Gothaischen General-Kommission an die Weimarische Regierung über die Geneigtheit der im Gothaischen stehenden Ausgehobenen zu kapituliren, war am 14. Major v. Blücher nach einem Nachtmarsch früh in Gotha angekommen, nur um hier die bereits erfolgte Ausführung des von ihm beabsichtigten Handstreichs durch Graf Pinto zu erfahren. Die eingehende Nachricht, dafs der Vizekönig seinen Rückzug auf Mühlhausen fortsetze, bewog Blücher zu dem Entschlufs, unter vorläufiger Heranziehung der Schwadron Engelhardt von Jena nach Weimar, am 15. nach Langensalza aufzubrechen, um dort auf der Lauer zu stehen.

Er gewann von der vorteilhaften Stimmung der

Einwohner und der grofsen Mutlosigkeit der in Thüringen stehenden feindlichen Truppen den Eindruck, dafs ein leichtes Truppenkorps von einiger Bedeutung mit Sicherheit die Erhebung von ganz Thüringen und Hessen zur Überwältigung des schlecht bewaffneten Gegners bewirken würde, bevor noch die von Frankreich über Frankfurt anrückenden Truppen sich mit ihm vereinigen könnten. In der Gegend war der von Blücher noch bestärkte Glaube verbreitet , dafs eine grofse preufsische Armee bereits zur Stelle sei und dafs im Besonderen zwischen Arnstadt und Weimar 20 000 Mann ständen. Blücher gab seinen beabsichtigten Vormarsch auf Langensalza auf, als er in der Nacht des 14. erfuhr, dafs am Abend 6000 Mann 19*

280

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

französischer Infanterie und 400 Reiter in Eisenach eingerückt wären und eine gleiche Zahl für den 15., auf Nebenwegen nach Erfurt marschirend, erwartet würde. Um 1 Uhr Morgens trat daher Blücher den Rückweg auf Weimar an.

Unterwegs liefs er durch 5-6 frei-

willige Jäger Erfurt alarmiren ; mit grofser Dreistigkeit ritten sie bis auf Flintenschufsweite an die Wälle heran, verwundeten mehrere Posten und brachten die ganze Garnison in Bewegung, während Einwohner aller Stände ihnen zuriefen und zuwinkten. Das leichte Garde-Kavallerie-Regiment rückte am 15. von Altenburg nach Ronneburg vor und stellte Offizierzüge in Köstritz , Roda und Neustadt auf Vorposten ; in Dornburg stand 1 Schwadron Garde du corps. Im Laufe des Tages konnte Major v. Blücher an Zieten den Anmarsch Marmont's mit 18 000 Mann, darunter Kaisergarde und viel Artillerie, von Vach über Eisenach melden ; die Reiterei schiene nach den Uniformen aus Trümmern verschiedener Regimenter zu bestehen , unter ihnen 500 Lanciers der Polnischen Garde. Ferner bestätigten sich feindliche Truppenmärsche von Eisenach nach Gotha, vermutlich vom Ney'schen Korps. Auf dem rechten Flügel konnte Prendel wieder Posten nach den kurz zuvor vom Vizekönig besetzten Orten Quenstedt, Ermsleben und Ballenstedt vorschieben, ein Umstand, der den Chef der Oberschlesischen Brigade darauf schliefsen liefs, dafs jener in der That den Rückzug angetreten habe. Major Laroche war am 14. und 15. in Cölleda stehen geblieben ; über die Bewegungen des Vizekönigs war ihm in der Form einer zuverlässigen Nachricht zu Ohren gekommen,

dafs sein Rückzug in

grofser Unordnung auf Cassel und Frankfurt vor sich ginge . Dies brachte ihn am 16. zu dem Entschlufs, seine Vereinigung mit Ney zu verhindern zu suchen und dem in Weimar stehenden Blücher vorzuschlagen, in Verbindung mit ihm über Weifsensee und Duderstadt gegen die grofse Strafse von Magdeburg auf Cassel vorzugehen ; teils zu diesem Zwecke, teils um mit Lanskoi in eine Höhe zu kommen, rückte Laroche am 16. auf Bleicherode vor, während Blücher wieder gegen Gotha marschirte und am 17. Gebesee erreichte . Hier traf ihn Laroche's Mitteilung, dafs er bis Sondershausen vorgekommen sei und nach Weissensee zurückkehre, weil inzwischen durch Lanskoi die von ihm bei Bleicherode beabsichtigte Unternehmung Gefangenschon ausnahme einer Schwadron westfälischer Chevauxlegers geführt worden wäre. Blücher trat daher ebenfalls sogleich den Rückmarsch auf Weimar an.

Der ihm unterstellte Major v. Engelhardt

war auf die vom Rittmeister von Schwanenfeld des Brandenburgischen Husaren-Regiments gebrachte Nachricht wonach die Spitzen der von Würzburg anmarschirenden feindlichen Heersäulen schon bis

281

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

vom Gräfenthal gegen Saalfeld und Ilmenau vorgekommen wären General Zieten mit Einziehung näherer Kunde beauftragt worden. Am 16. berichtete Engelhardt,

dafs

Souham mit 12 000 Mann im

Meiningenschen, das herzogliche Kontingent am Inselsberg gegen Gotha zu stände und bei Kirchberg sich ein württembergisches Korps sammelte ; am 12. hätten in Würzburg selbst 8000 Mann, in Coburg entgegen der Schwanen1200 gestanden ; vorläufig wären diese feld'schen Meldung

noch nicht über Gräfenthal bis Saalfeld vor-

gegangen. Am nämlichen Tage stiefs die Schwadron Engelhardt zu denen Blücher's bei Weimar. Die Überrumpelung von Wanfried am 17. April. Als Hellwig im Laufe des 16. April durch einen Späher zuverlässige Nachrichten über die auf dem Eichsfeld verstreuten Abteilungen der damals sehr geschwächten westfälischen Armee erhalten hatte, ging er bis Langensalza vor und brachte die Nacht in der Nähe an verborgener Stelle in aller Stille zu. Durch einen ehemaligen hessischen Offizier erfuhr er, dafs in Wanfried, einem kleinen zwischen Mühlhausen und Eschwege in der Nähe der hessischen Grenze gelegenen Flecken (5 Meilen von Langensalza), eine Schwadron vom 2. westfälischen Husaren-Regiment nebst einer Kompagnie Voltigeurs, sowie in Mühlhausen ein Posten 50 Husaren ständen.

Der Offizier,

welcher Gegend und Stellung des Feindes genau kannte, erbot sich zum Führer . Am 17. marschirte Hellwig zunächst nach Mühlhausen , um die dortige Abteilung aufzuheben ; da diese aber schon vorher zurückgezogen war, setzte er gegen Abend den Marsch auf Wanfried fort. Die Unterbringung noch anderer westfälischer Truppen in den umliegenden Ortschaften machte es, um nicht selbst einem Überfall zum Opfer zu fallen, notwendig, dafs verschiedene Punkte mit Beobachtungsposten besetzt wurden .

Hierdurch verminderte

sich die

für den eigentlichen Angriff verfügbare Anzahl bis auf 90 Pferde. Einen Teil derselben

entsendete Hellwig unter Rittm. v. Bornstedt

nach einer anderen Seite des Orts und traf mit ihm so genaue Verabredungen, dafs auf ein gegebenes Zeichen beide Abteilungen gleichzeitig von zwei Seiten Wanfried angriffen, wobei nach einer Mitteilung*) der Augenblick abgepasst wurde , WO eine feindliche Aufsenpatrouille im Begriff war, das Stadtthor zu durchreiten. Die Überrumpelung gelang vollkommen . "7 Was sich nicht in der Dunkelheit retten konnte, wurde gefangen oder niedergemacht **). "

*) M. W. Bl. 1846. S. 74. **) Kr. A. I. E. 97 Bl. 4 .

" Die West-

282

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

falen zeigten so wenig Lust zu fechten , liefen *). "

dafs sie fast alle davon-

In Hellwig's Hände fiel der Rittmeister der Husaren , Kolbe, und Lieut. Fricke **) ; im Übrigen widersprechen sich die Angaben über die Zahl der gemachten Gefangenen . Blücher's Bericht an den König vom 19. giebt 30 Gemeine und 50 Pferde an ; Laroche lieferte am 20. an das Hauptquartier 1 Chirurgus, 1 Unteroffizier, 13 Husaren, 3 Gendarmen und 1 Infanteristen ab, bemerkte aber dazu, dafs die Mehrzahl der Gefangenen bei Hellwig's Husaren eingestellt und mit Beutepferden beritten gemacht wurden, was dieser auch in seinem Privattagebuche bestätigt ***) , wonach 80 Husaren, 100 Pferde und einige 50 Mann Infanterie gefangen wurden.

Diese letzteren, unter Befehl

des Hauptmann Bartels, Hellwig's Wegweiser nach Wanfried, gestellt, bildeten den Stamm zu dem allmählig, vorzugsweise aber erst während des Waffenstillstandes und nach der Schlacht bei Leipzig gebildeten Hellwig'schen Jäger- Bataillon ; wir werden diese schwache Infanterietruppe später mehrfach in Thätigkeit treffen. Die Angabe zweier Augenzeugen bei Graf Lippe, dafs Hellwig nicht eine, sondern zwei Schwadronen Westfalen überfallen habet), wird durch einen Brief König Jérôme's an Marschall Ney vom 19. April widerlegt , wonach bei Wanfried 1 Schwadron Husaren von preufsischen Husaren angegriffen und 1 Voltigeur-Kompagnie gefangen genommen wurden ††) . Blücher's Tagesbefehl vom 28. April kündigte dem Armeekorps an, dafs des Königs Majestät dem Major v. Hellwig des kombinirten Schlesischen Husaren-Regiments für das von demselben bei Wanfried wiederholt rühmlich geführte Gefecht das Eiserne Kreuz I. Klasse, dem Rittmeister von Bornstedt für sein Wohlverhalten dabei das Eiserne Kreuz II . Klasse Allergnädigst zu verleihen geruht" hatte ; dieselbe Auszeichnung erhielt später für dieses Gefecht auch Lt. Hellwig wurde durch diese Ordre der erste Inhaber v. Guretzky . des Eisernen Kreuzes I. Klasse in der preufsischen Armee. Ich habe hier , wie bei Gelegenheit des Langensalzaer Überfalls , *) Preufs. Korrespondent 28. April 1813. **) Dafs Hellwig, wie mehrfach erzählt ist, den früher in preufsischen Diensten gewesenen Oberstlieutenant Goeckingk gefangen genommen habe, ist unrichtig : denn in seinem Tagebuche nennt er die oben angeführten Namen der beiden gefangenen Offiziere. Goeckingk ergab sich in diesen Tagen zu Ellrich dem Major Loewenstern, nachdem sein Regiment bei Nordhausen überfallen war. Sm. ***) Ebenso bei Mauv. S. 109.

†) Gr. L. S. 157, Anm. 2 und 3. ††) Kr. A. I. G. 20. Bl. 8.

283

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

wiederholt die Aufnahme dieser Unternehmungen in Blücher's Tagesbefehlen hervorgehoben, weil diese Auszeichnung ganz einzig dasteht ; hiervon macht nur Major v. Colomb eine Ausnahme, welcher später in einem Tagesbefehl rühmend erwähnt wird ; auch wird die Verleihung des Eisernen Kreuses später nur noch summarisch aufgeführt, und zwar zunächst für die Schlacht bei Gr.-Görschen. Man kann daraus entnehmen, welchen Eindruck diese Waffenthaten, in welchen sich zuerst wieder der alte preussische Reitergeist kund gab, damals auf die Führer und die Truppen der Armee hervorbrachten. „Bei meinem sehr geringen Verlust hätte ich gerne noch gröfsere Vorteile errungen" , sagt Helliwg in seinem Kriegstagebuche,

„ aber

da die Zahl der Gefangenen meine eigene Stärke überstieg, so ging ich in das Biwak bei Mühlhausen zurück" . Er deutet hierbei auf eine zu Heiligenstadt stehende Abteilung Westfalen von 1 Infanterieund 1 Kavallerie-Regiment nebst 1 Batterie hin, über welche ihm mitgeteilt war, dafs sie nur auf eine Gelegenheit wartete, um sich aufzulösen *) . Auf die im Laufe der Nacht durch Versprengte von Wanfried eingehende Nachricht von dem Überfall wurde diese Truppenabteilung übrigens

nach Hohengandern zurückgenommen ,

so dafs

Hellwig vielleicht zu seinem Glück von dieser Unternehmung abstand . Nachdem er seiner Schwadron einige Stunden Ruhe gegönnt, marschirte er am 18. bis Greufsen (4 Meilen östlich Mühlhausen) zurück, wo er zunächst stehen zu bleiben gedachte, um in Anbetracht der neu eingestellten Manschaften den inneren Dienst in seiner Truppe zu regeln. Das Vordringen preufsischer Streifparteien bis in die Gegend von Nordhausen und Wanfried setzte die Residenz Westfalens in Schrecken und verursachte viel Desertion unter den Truppen**)." Am 18. April griff Loewenstern die westfälischen Garde-Chevauxlegers, welche ihn in Nordhausen zu überfallen beabsichtigten, mit seinen beiden Kasakenpulken an und nahm 15 Offiziere 285 Mann gefangen ***). Den Major v. Blücher bei Weimar, der bis zum Mittag dieses Tages vom Feinde ganz unbehelligt geblieben war, traf ein kleines Mifsgeschick. General Souham, der mit seiner Division als Vorhut der Avant- Garde der Grofsen Armee von Erfurt auf Weimar im Vormarsch war,

beschlofs,

durch die Keckheit

der

ihn

um-

schwärmenden preufsischen Husaren gereizt, ihnen einen Denkzettel zu geben.

Während er seine Hauptkräfte verdeckt hielt, schickte er

*) Mauv . S. 110. **) v. Hohenhausen, Biographie des Generals von Ochs S. 298. ***) Sm. II. S. 11 ff. Nach Weil 13. p . 27. fand der Überfall am 19. statt und zwar durch Lanskoi, der nur 3 Offiziere und 103 Mann gefangen habe.

284

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc.

Nachmitags

4 Uhr

einen Teil

seiner ,

aus dem

10. französischen

Husaren- und einem badischen Dragoner-Regiment (zusammen 6 Schwadronen) bestehenden Reiterei durch Weimar vor, wobei eine auf dem Galgenberg stehende preufsische Husaren-Feldwache angegriffen und auf die Stadt geworfen wurde ; durch diese rückte zur Unterstützung der gröfste Teil der 4. Schwadron Blücher's heran, griff unmittelbar vor dem Ausgange 2 badische Schwadronen an und schlug sie zurück. Als der Major

sie aber jenseits weiter verfolgte, warfen sich die

zurückgehaltenen feindlichen Schwadronen mit grofser Überlegenheit auf ihn ; gleichzeitig wurde von Souham Artillerie und Infanterie ins Gefecht gebracht, sodafs Blücher genötigt wurde, selbst verwundet, mit nicht unbedeutendem Verlust namentlich durch Ausgleiten der Pferde auf dem glatten Strafsenpflaster der Stadt veranlafst

auf die

inzwischen aus ihrem Biwak bei Dennstädt hinter Weimar vorgerückte 2. Schwadron nebst Jäger-Detachement und während der Nacht , mit diesen vereint, auf Jena zurückzugehen *) . Auf dem äussersten linken Flügel beobachtete jetzt zu Reichenbach in Sachsen Oberstlieutenant v. Hobe mit dem Brandenburgischen Husaren-Regiment. Auf die Nachricht , daſs das bei Erfurt zusammengezogene feindliche Korps eine Stärke von 30 000 Mann hätte, von denen 15 000 in Weimar ständen, beschlofs Laroche, der durch dessen bis Roda und Vippach streifende Patrouillen in Seite und Rücken bedroht wurde, am 19. mit der 4. Schwadron auf Schönwerda bei Artern zurückzugehen. Er meldete, dafs, wenn es die Umstände erforderten , er Willens sei, die rückgängige Bewegung über Querfurt auf Naumburg fortzusetzen . Hellwig erteilte er die Weisung, sich wieder auf die 4. Schwadron heranzuziehen, mit welcher er sich nach 5 meiligem Marsche noch an demselben Abend vereinigte . Hiermit war seinem selbstständigen Handeln vorerst ein Ziel gesetzt.

Trotz seiner Kürze war aber dieser

zehntägige Zeitraum für ihn von weittragendster Bedeutung gewesen . Sein aus dem Unglücksjahr 1806 schon rühmlich bekannter Name strahlte in neuem Glanze, Hellwig hatte nicht blofs für sich den Weg zu einer glänzenden Laufbahn geebnet, er hatte auch durch seine Waffenthaten den Wetteifer seiner Kameraden in hohem Mafse angeregt und ihren Ergeiz zum Erstreben ähnlicher Erfolge angespornt. Auch Major v. Blücher hatte es für nötig gehalten, sich angesichts des Vordringens der Franzosen über Jena am 19. weiter auf Bürgel zurückzuziehen, von wo er über Dornburg auf Weimar streifte, um in Erfahrung zu bringen, ob die Nachricht, diese Stadt sei wieder vom Feinde geräumt, zutreffe ; es herrschte die Ansicht, Ney sei nur

*) Kr. A. I. E. 15. Bl. 8.

285

Improvisirte Befestigungen.

vorgegangen, um die Verbindung mit dem Vizekönig sicher zu stellen. Dieser hatte Prendel trotz mehrfacher Versuche noch nicht aus Eisleben Blücher hatte links Anschlufs an das leichte Garde-

verdrängt.

Kavallerie-Regiment, dessen Vorposten in Jena , Roda, Kahla und Auma standen und denen gegenüber Saalfeld am 19. von 1500 Franzosen besetzt wurde. (Fortsetzung folgt.)

XIX .

Improvisirte Befestigungen. Von Reinhold Wagner, Oberstlieutenant a . D. Fortsetzung*).

4.

Die Nuthe- und Notte-Linie 1866.

Im preussischen Generalstabswerk über den Krieg von 1866 ist unerwähnt geblieben , dafs zum Schutze Berlins die Nuthe- und NotteLinie hat befestigt werden sollen . Viel ist darüber allerdings nicht zu sagen, aber doch genug, um zur Lehre zu dienen . Der Krieg gegen Österreich war lange in Sicht gewesen, und namentlich schon im Sommer 1865 , durch ein Schreiben Bismarck's vom 7. Juli an Roon, für das Kriegsministerium in greifbare Nähe getreten . Nachdem dann der Vertrag von Gastein den sofortigen Ausbruch verhindert hatte, nahm gegen Ende des Jahres 1865 die Spannung wieder zu. Zu Anfang des März 1866 war sie von Neuem so gestiegen, dafs nicht nur die Chancen des Krieges in Berlin , wie in Wien, unter dem Vorsitz beider Monarchen erwogen, sondern österreichischerseits auch schon die Rüstungen selber begonnen wurden . In Preufsen geschah dies erst durch Verfügungen vom 29. und 31. März, und zwar in geringem Umfange, doch wurde dabei die Armirung der schlesischen Festungen , so wie Torgau's und Wittenberg's befohlen. Anfangs Mai schienen dem preufsischen Generalstabe die österreichischen Rüstungen „ nahezu vollendet " . 27 Sie hatten " , heifst es im Generalstabswerk, ‫ ײ‬bereits einen Vorsprung von 5 Wochen gewonnen. Ihnen gegenüber lagen Schlesien und die Marken schutzlos da. " Nunmehr wurden für nötig gehalten,

unverzüglich die umfassendsten Anordnungen “

um Preufsens Ehre, Sicherheit und Selbstständig-

*) Siehe das Dezemberheft 1894 und das Januar- und Februarheft 1895.

286

Improvisirte Befestigungen.

keit zu wahren " .

Vom 3. bis zum 12. Mai erging demgemäfs eine Reihe

von Kabinets-Ordres, deren Gesammtresultat die Aufbietung der ganzen Feldarmee war.

Unter den hierbei für die Festungen getroffenen

Verfügungen ist die Armirung von Spandau und Magdeburg zu nennen . Von der Befestigung der Nuthe- und Notte-Linie war dagegen trotz der angeblich 77 umfassendsten Anordnungen " noch immer keine Rede. Dafs im Laufe des Mai noch verschiedene Versuche gemacht wurden, dem Kriege vorzubeugen , u . a . durch Napoleon's III. Kongreſsvorschlag, hemmte den Fortgang der beiderseitigen Rüstungen nicht im Geringsten.

In militärischer Beziehung wurde die Lage daher

nicht etwa gefährlicher, als Österreich am 1. Juni einerseits den Kongrefsvorschlag zum Scheitern brachte, und andererseits die Entscheidung über die Elbherzogtümer in die Hände des deutschen Bundes legte. Eine besondere Bedrohung Berlins war darin jedenfalls nicht zu erblicken . Weshalb daher gerade jetzt erst der 1. Ingenieuroffizier der I. Armee, Generalmajor Keiser, Befehl erhielt, die Nuthe- und NotteLinie, behufs deren Befestigung zu rekognosziren, ist nicht ersichtlich. Bei deren Länge von 9-10 Meilen

dauerte dies Geschäft bis

zum 5. Juni, d . h . bis zu eben dem Tage, an welchem die preuſsischen Truppentransporte bereits zum Abschlufs kamen, so dafs nun 812 Armeekorps an der märkisch -sächsischen und schlesisch-böhmischen Grenze operationsfähig standen, davon an der märkisch - sächsischen Grenze von Görlitz bis Eilenburg 61½ Korps,

hinter

denen in und

bei Berlin selbst noch ein Reservekorps von 24 Bat. 24 Esk. 54 Gesch . seit dem 19. Mai in der Bildung begriffen war. Auch dann also, wenn die damals noch bestehende Vermutung richtig gewesen wäre , dafs die gesammte österreichische Nordarmee mit 7 Korps schon in Böhmen versammelt sei, hätte eine besondere Gefahr für Berlin nicht gerade erst in diesem Augenblick erkannt werden können . War die Situation aber wirklich so , wie sie vermutet wurde, dann war auch genügender Grund vorhanden,

die

zur Sicherung Berlins für nötig gehaltenen Befestigungen schleunigst zu Stande zu bringen . Dennoch wurde auf Grund des Rekognoszirungsberichtes des Generals Keiser vom 7. Juni zuvörderst vom Kriegsministerium ein nur genereller Entwurf erst am 14. aufgestellt, und obwohl an diesem Tage bereits der Ausbruch des Krieges in Frankfurt entschieden, und am 15. preufsischerseits die Kriegserklärung, so wie am 16. früh der Einmarsch in Sachsen erfolgt war, erhielt der Chef des

Ingenieurkorps,

General v. Wasserschleben ,

doch erst am 17.

mündlich und am 18. schriftlich die Mitteilung, dafs die Nuthe- und

Improvisirte Befestigungen.

Notte-Linie befestigt

und

die

287

dazu nötigen Ingenieuroffiziere und

Pioniere vom Rhein und aus Schleswig-Holstein berufen werden sollten. Dabei umfafste der generelle Befestigungs-Entwurf aufser 4 Feldschanzen und 13 Batterien, die als Kriegsarbeit von den Truppen in 3 Tagen ausgeführt werden sollten, sowie aufser den zahlreichen Stauvorrichtungen, in der Hauptsache 6 bedeutende Werke von provisorischem Charakter. Als stumpfwinklige Lünetten sollten dieselben in Facen und Flanken eine Feuerlinie von 300 Schritt Länge , sowie ein Profil erhalten , welches bei 12 Fufs Höhe der Feuerlinie über dem Bauhorizont, 18 Fufs starker Brustwehr und 36 Fufs breitem Wallgange einen Flächeninhalt von beinahe 500 Quadratfufs (ca. 50 Quadratmeter) gehabt haben würde . Auch die etwa 250 Schritt lange Kehle sollte durch eine Erdbrustwehr von 9 Fufs Höhe und 8 Fufs Stärke geschlossen werden .

Für Facen und Flanken waren durchweg Tra-

versen mit 36 Fufs

Zwischenraum vorgeschrieben.

Vier Traversen

sollten gezimmerte Schutzräume, jedes Werk 2 Munitionsmagazine unter dem Walle und 2 Blockhäuser für je 30 Mann als Reduits im Hofe erhalten .

Im Graben waren ringsum Pallisaden am Fußse der

Eskarpe und zu

deren Flankirung 4 Blockhäuser als Kaponnieren

projektirt, aufserdem an Zimmerarbeiten 1 Poterne nach der SaillantKaponniere, 1 Brücke über den Kehlgraben und 2 Barrieren erforderlich. Das Alles beweist, dafs die Nuthe- und Notte-Linie für wichtig und stark genug angesehen wurde, um sie für eine nachhaltige Verteidigung einzurichten - mit 18 Fufs starken Brustwehren sogar gegen schwere Geschütze.

Um so auffallender ist, dafs einerseits der Entschlufs , sie

zu befestigen, so spät gefafst, und dafs andrerseits noch bei Ausbruch des Krieges selbst erwartet wurde, die provisorischen Werke rechtzeitig vollenden zu können. Denn der Zeitbedarf war bei 3000 Erdarbeitern und 400 Zimmerleuten auf 6 Wochen berechnet vom Beginn der Erdarbeiten an. Eine geraume Zeit aber ging schon über den Einleitungen hin, wie es immer, und namentlich dann der Fall sein wird, wenn im Frieden keine Vorbereitungen getroffen wurden. Die vom Rhein und aus Schleswig-Holstein berufenen 5 IngenieurOffiziere trafen am 20. und 21. Juni in Berlin ein, die auf Friedensfufs befindliche Reserve- Pionier-Kompagnie aus Coblenz am 22. Bis zum 23. dauerte es, bis die beteiligten Zivilbeamten (Landräte, Forstund Strafsenbau- Beamte) die nötigen Anweisungen durch ihre vorgesetzten Behörden auf dem Dienstwege erhalten , bis zum 24. , bis alle Pionierdetachements die verschiedenen Bauplätze erreicht hatten, und die zu den Vorarbeiten

nötigen

Geräte, Mefs- und Nivellir-

Instrumente, herbeigeschafft waren. Vom leitenden Stabsoffizier, Major von Gaertner, mufste zuvörderst die 9-10 Meilen lange Stellung in

288

Improvisirte Befestigungen .

ihrer ganzen Ausdehnung bereist werden, wobei sich noch Änderungen Auf die des generellen Befestigungsentwurfes als nötig ergaben. Stellung der Arbeiter vom Lande wurde grundsätzlich verzichtet , Daher "weil requirirte Arbeiter erfahrungsmäfsig nichts leisten . " wurden die Arbeiten an Bau -Unternehmer verdungen . Vor dem Abschlufs der Verträge mit ihnen mussten aber noch verschiedene Zeichnungen gefertigt werden, so dafs der Abschlufs selbst erst am 28. Juni erfolgte. Danach sollten mit Rücksicht auf die Beendigung der Vorbereitungen (Absteckungen, Profilirungen, Herbeischaffung aller Baugerätschaften, wie der Arbeiter selbst) die Erdarbeiten bei allen Werken am 2. Juli beginnen .

Seit dem ersten Befehl zur Ausführung des

Projektes, der telegraphischen Berufung der Ingenieur - Offiziere am 17. Juni, würden dann also bereits 2 Wochen verflossen gewesen sein.

Andrerseits sollten auf Grund der Bauverträge die gesammten

Arbeiten vom 2. Juli ab binnen 6 Wochen, d. h. bis zum 7. August vollendet werden.

Da jedoch weder genaue Terrainaufnahmen , noch

genaue Entwürfe für die einzelnen Werke vorhanden waren, so blieb ungewifs, wie grofs die zu bewegenden Erdmassen wirklich seien, und machte man sich deshalb darauf gefafst, dafs die Arbeiten möglicherweise noch etwa eine Woche länger, bis zum 15. August, dauern würden. Inzwischen aber hatte das Kriegs-Ministerium in Folge der Siegesnachrichten von Nachod, befohlen,

Skalitz und Gitschin schon am 30. Juni

den Beginn der Arbeiten zu verschieben,

und nach Ein-

holung allerhöchsten Befehls wurde am 9. Juli das ganze Unternehmen eingestellt. Abgethan war die Sache damit jedoch leider nicht . Denn nun mufste Alles was geschehen war, erst rückgängig gemacht werden, bevor die Ingenieur-Offiziere und Pioniere am 12., der leitende Stabsoffizier am 25. Juli zu anderweitiger Verwendung abgehen konnten. Lehrreich ist der ganze Vorgang zwar nur in negativer Hinsicht, in dieser jedoch um so mehr. Sicherlich konnte in einem Kriege gegen Österreich eine starke Befestigung der Nuthe- und Notte-Linie von grofser Wichtigkeit sein. Da das aber füglich nie hatte zweifelhaft sein können, so hätte sie auch von Hause aus im Kriegsplan vorgesehen, ein vollkommen ausgearbeiteter Entwurf bereit gehalten , und der Befehl zur Ausführung entweder gleichzeitig mit der Armirung der Festungen, oder spätestens bei der Mobilmachung der Armee, in diesem Falle also zu Anfang des Mai gegeben werden müssen . konnte die Befestigung Ende Juni rechtzeitig vollendet sein.

Dann Statt

dessen wurde erst zu derselben Zeit, als die mobile Armee ihren Aufmarsch vollendete, eine Rekognoszirung beliebt,

und der Befehl zur Aus-

Improvisirte Befestigungen.

289

führung der Bauten erst 14 Tage später bei Ausbruch des Krieges selbst gegeben, trotz dieser Verspätung jedoch, statt möglichster Einschränkung der zu leistenden Arbeiten die Erbauung provisorischer Werke solcher Art befohlen , dafs deren Vollendung erst in 2 Monaten zu erwarten war. Wenn die österreichische Armee, wie in Berlin bis zum 11. Juni geglaubt wurde, in der That schon im nördlichen Böhmen versammelt gewesen, und dann der Fall wirklich eingetreten wäre, für welchen die Nuthe- nnd Notte- Befestigung eben bestimmt war, dafs nämlich die österreichische Armee siegreich in Sachsen und gegen Berlin vordrang, so durfte doch füglich darauf nicht gerechnet werden, daſs sie noch 2 Monate brauchen würde, um sich den Weg bis zur Nutheund Notte-Linie in dem nur einen Verteidigungsabschnitt - die Elster - darbietenden Lande zu erkämpfen. Folge des Mangels jeder Vorbereitung und des verspäteten Entschlusses zur Befestigung der Nuthe- und Notte-Linie war, dafs die Erdarbeiten erst beginnen konnten, als die preufsische Armee bereits bis auf einen Marsch an Königgrätz herangekommen war,

und dafs zu der Zeit, wo die Be-

festigung besten Falles fertig geworden sein würde, König Wilhelm, nach siegreicher Beendigung des Krieges vor den Thoren von Wien, seit einigen Tagen sich schon wieder in Berlin befand. 5. Dresden 1866. Nachdem die preufsische Elb-Armee unter Herwarth von Bittenfeld am 16. Juni die sächsische Grenze am linken Ufer der Elbe überschritten hatte, wurde Dresden am 18. widerstandslos besetzt, da die sächsische Armee nach Böhmen abgezogen war. Am 20. Juni fand in Berlin zwischen Moltke und dem Chef des Ingenieur-Korps, General von Wasserschleben, eine Besprechung über die , wie Moltke dem letzteren geschrieben hatte, sehr dringliche schnelle Befestigung von Dresden " statt. In Folge derselben erhielt General von Wasserschleben am 21. Juni den Befehl des Königs : ,,nunmehr des Schleunigsten die Befestigung von Dresden, insbesondere zunächst am linken Ufer in die Hand zu nehmen. "

Bei Mitteilung dieses Befehls schrieb Moltke : „ Das rechte

Ufer wird durch die operirende Haupt -Armee für jetzt noch hinreichend gedeckt, während die zur Festhaltung der Stadt und des linken Ufers zurückbleibende Division in die Lage gesetzt werden mufs,

auch überlegenen Angriffen eine Zeit lang Stand zu halten.

Denn es ist nicht undenkbar, dafs, während unsere Haupt-Armee am rechten Ufer nach Böhmen operirt, dergleichen Versuche aus dem nordwestlichen Böhmen oder von Bayern her gegen Dresden unternommen werden könnten. "

290

Improvisirte Befestigungen.

Zur Ausführung der Befestigung wurde dem General von Wasserschleben der Oberst von Mertens , damals in Kiel, zur Verfügung gestellt, und derselbe telegraphisch nach Berlin berufen.

Am 22. Juni traf

er dort ein, und erhielt aufser mündlicher Anweisung ein Schreiben des Generals von Wasserschleben, worin gesagt war, dafs es zwar notwendig sein würde, mit den Schanz -Anlagen weiter vorzugehen, als die Franzosen 1813 , und dafs demzufolge wenigstens die Hauptwerke eine gröfsere Widerstandsfähigkeit erhalten müfsten, dafs andrerseits jedoch die Ausdehnung der ganzen Befestigung mit Rücksicht auf die Stärke der zur Verteidigung bestimmten Truppen ein bestimmtes Mafs nicht überschreiten dürfe. Vor Allem sei aber daran festzuhalten , dafs die Befestigungs - Anlagen, um ihren Zweck zu erreichen, in höchstens 2-3 Wochen in einer Vollständigkeit ausgeführt sein müfsten, die eine nachhaltige Verteidigung ermögliche. Diese Bedingung gäbe das Mafs der in Thätigkeit zu setzenden Kräfte und Mittel, und sei nur durch entsprechende Energie zu erfüllen . Hiernach sollten die Befestigungen also bis zum 6. , spätestens 13. Juli im Wesentlichen vollendet sein zunächst " allerdings nur am linken Ufer. Der Grund für letztere Beschränkung war ohne Zweifel die Meinung, dafs zu gleichzeitiger schneller Befestigung an beiden Ufern Kräfte und Mittel nicht in ausreichendem Mafse zu beschaffen sein würden.

Denn die Motivirung, das rechte Ufer werde ,, durch die

operirende Hauptarmee

für

jetzt noch hinreichend gedeckt" sein,

würde mit noch gröfserem Gewicht für die vorläufige Unterlassung der Nuthe- und Notte - Befestigung haben geltend gemacht werden können . In der Nacht zum 23. Juni kam Oberst von Mertens in Dresden an, welches inzwischen, nach dem Abmarsch der Elb -Armee, am 22. von einer Division des I. Reserve -Armee-Korps besetzt war. In Gemeinschaft mit dem Kommandeur des letzteren , General von der Mülbe, rekognoszirte Mertens am 23. die Umgegend der Stadt am linken Ufer, und stellte den Entwurf zur Befestigung auf. Danach sollten zunächst 5 starke, in den Kehlen geschlossene sturmfreie Werke (I - V) an den Hauptpunkten, in gegenseitigen Entfernungen von 1900-2600 Schritt, und nach deren Vollendung noch 4 Batterien (A- D) auf einem Halbkreise von ca. 12 800 Schritt Länge, zwischen den Schusterhäusern an der unteren Elbe und Anton's Garten an der oberen Elbe erbaut werden. Die Gröfse und Einrichtung der 5 Hauptwerke wurde im Wesentlichen so wie für die Nuthe- und Notte-Linie projektirt : Länge der Feuerlinie auf Facen und Flanken durchschnittlich 300 Schritt, ihre Höhe 12 Fufs, Brust-

291

Improvisirte Befestigungen.

wehrstärke 18 Fufs . Der Wallgang dahinter jedoch nur 26 Fufs breit (statt 36 Fufs an der Nuthe- und Notte-Linie), was dadurch ermöglicht wurde ,

dafs nach jedem von zwei Traversen eingeschlossenen

Raum für je 2 Geschütze, eine besondere Rampe vom Hofe hinaufführte senkrecht zur Feuerlinie. Die Kehlbrustwehr bei 150-200 Schritt Länge 9 Fufs hoch,

10 Fufs stark.

Im Graben :

Eskarpen-

pallisadirung , vor den Facen und Flanken durch Blockhäuser , vor der Kehle durch einen Tambour flankirt. Im Hofe ein Blockhaus für 80 Mann (etwa 1/3 der Besatzung) und eine Lagerbaracke (gleichfalls für 80 Mann). Vier Traversen erhielten gezimmerte Schutzräume . Zwei ebensolche Poternen führten nach dem Graben. Zu ihren beiden Seiten wurden je 2 Pulvermagazine für je ca. 50 Ctr. erbaut. Die 4 Batterien (A- D) hatten nur 7-8 Fufs hohe, 15 Fufs starke Brustwehren, zwei waren ohne Traversen und in der Kehle offen, die beiden andern dagegen mit je 2 Hohltraversen versehen und in der Kehle durch Pallisadirung geschlossen. Als Besatzung erforderten die Hauptwerke je 240-280 M. und 9-16 Geschütze, die Batterien je 15-35 M. und 2-5 Geschütze. Im Ganzen waren als stehende Besatzung aller 5 Hauptwerke und 4 Batterien ca. 1400 M. mit 78 Geschützen berechnet . Aufser dem Schanzenbau wurden indessen noch andere beträchtliche Arbeiten geplant : die Verteidigungs-Einrichtung des neuen Annenund des Trinitatis-Kirchhofs, die, von starken Mauern umschlossen, in oder nahe vor der Frontlinie der Werke lagen,

desgl . die Ver-

teidigungs-Einrichtung des vorderen ( östlichen ) Randes des Groſsen Gartens und des seinem westlichen Ende gegenüber am Rande der Vorstädte liegenden Gartens des Prinzen Georg.

Bis auf 1000 Schritt

Entfernung vom letzteren sollte erst so spät als möglich der Groſse Garten in einer Ausdehnung von etwa 72 Morgen (oder ca. 18 Hektaren) abgeholzt werden .

Ohne Aufschub rasirt werden musste dagegen das

unmittelbar vor einem der Hauptwerke (Nr. V) gelegene Vorwerk Lämmchen und eine daneben vorhandene Villa , sowie bis auf 1000 Schritt Entfernung das Blasewitzer Tännicht in einer Ausdehnung von etwa 190 Morgen (ca. 47-48 Hektaren), ein Gehölz von schwachen Tannen und Birken . Endlich sollte die Weiſseritz durch einen Damm an der Freiberger Chausseebrücke gestaut werden. Zur Leitung der Arbeiten waren dem Oberst v. Mertens eine von der Elb-Armee zurückgelassene und eine Pionierkompagnie des ReserveArmee - Korps mit zusammen 8 Off. 18 Uff. 212 M. , sowie 8 aus Coblenz , Sonderburg, Kiel, Stettin, Posen und Berlin berufene IngenieurOffiziere zur Verfügung gestellt . Zu den Zimmerarbeiten verlangte Für die er 150-200 M. , zu den sonstigen Arbeiten 6000 Mann.

292

Improvisirte Befestigungen.

Stellung derselben und der nötigen Fuhren, wie für die Lieferung der Arbeitsgeräte und Baumaterialien hatte die sächsische Landesbehörde zu sorgen. Die zwangsweise Beschaffung der Arbeiter wurde von ihr wegen der Schwierigkeiten, welche deren Bewachung, Einquartierung und Verpflegung machen würde , für unthunlich erklärt. An freiwilligen Lohnarbeitern gelang es ihr aber bis zum 27. Juni nur 300, bis zum 29. nur ca. 650 Mann zu stellen, die meisten körperlich so unbrauchbar, dafs sie wieder fortgeschickt werden mussten. In Folge dessen nahm Oberst v. Mertens selbst die Beschaffung der Arbeiter in die Hand, indem er am 30. Juni und 1. Juli zwei Ingenieur-Offiziere nach Berlin schickte, um durch die dortigen Behörden Arbeiter zu erlangen. Da zu demselben Zeitpunkt die Arbeiten an der Nuthe- und Notte - Linie eben sistirt waren , konnten zwar glücklicherweise die betreffenden Bauunternehmer ihre Mannschaften abgeben, doch entstanden wegen des nicht vorhergesehenen Eisenbahntransportes neue Schwierigkeiten, so dafs erst am 5. Juli etwa 3300 Mann nach Dresden gelangt waren . Davon mufsten jedoch wegen körperlicher Unbrauchbarkeit 700 Mann in den nächsten Tagen wieder zurückgeschickt werden.

Andrerseits gelang es aus Nieder-

schlesien (Görlitz und Umgegend) 1300 Mann herbeizuschaffen *), und da auch die Zahl der Dresdener Arbeiter, durch die Zusicherung eines geringsten Tagesverdienstes

von

1 Thaler gelockt ,

allmählig

auf

1100 Mann gestiegen war, so konnte endlich vom 6. Juli ab mit 5000 Mann gearbeitet werden. Immer fehlten also noch 1000 Mann an der vom Oberst v. Mertens ursprünglich verlangten Zahl, obwohl seit seinem Eintreffen in Dresden schon zwei von den 3 Wochen vergangen waren, welche als äusserste Frist für die verteidigungsfähige Herstellung der Befestigungen des linken Ufers gegeben waren. Für die Erdarbeiten hatten bis dahin im Wesentlichen nur die Absteckungen und Profilirungen,

die Beschaffung der Baugerätschaften und die

Einrichtung der Baudepots vollendet werden können . Günstig dagegen waren die örtlichen Verhältnisse Dresdens, als eines bedeutenden Holzhandels-Platzes, für die Förderung der Zimmer-Arbeiten. Die Requisition der Bauhölzer machte keine Schwierigkeiten , und statt der ohne Zweifel zu gering veranschlagten 150-200 Zimmerleute konnten 500 in Thätigkeit gesetzt werden, so dafs die Zimmerarbeiten den Erdarbeiten vorauseilten . Um letztere möglichst zu beschleunigen , wurden sie - was ohne die Länge der Tage im hohen Sommer nicht möglich gewesen wäre -

*) Für den Eisenbahntransport der Arbeiter mufsten 38 600 Mark ausgegeben worden.

293

Improvisirte Befestigungen.

täglich 18 Stunden lang mit Ablösung der Arbeiter in zwei neunstündigen Schichten, von Morgens 3 Uhr bis Abends 9 Uhr betrieben. Da aber die Ingenieur-Offiziere und Pioniere nicht abgelöst werden konnten, so hatten diese einen äusserst anstrengenden Dienst . Für die Zimmerarbeiten, Demolirungen und Abholzungen konnte es mit 13 stündigen Tagewerken , einschliefslich der üblichen Ruhepausen, von Morgens 6 Uhr bis Abends 7 Uhr sein Bewenden haben .

In

dieser Art nahm der Baubetrieb seinen ruhigen Fortgang.

Die Kriegs -Ereignisse

spielten sich in zu weiter Ferne ab, um störenden Einfluſs zu üben. Bis zum 19. Juli wurden die 5 Hauptwerke mit Ausnahme der grofsen Reduit-Blockhäuser und Lager-Baracken vollendet , so dafs am 20. die artilleristische Armirung beginnen konnte ; an demselben Tage die 4 Batterien in Angriff genommen, und diese bis zum 25. Juli fertig .

Bis dahin waren auch die Demolirungen (ca. 1000 Quadratmeter zweistöckige und 2300 Quadratmeter einstöckige Gebäude aus starkem Bruchsteinmauerwerk), die

Abholzungen im Blasewitzer Tännicht (190 Morgen), und die Verteidigungseinrichtungen am Trinitatis-Kirchhofe *), am Ostrande des Grofsen Gartens und am Garten des Prinzen Georg (in einer Gesammtlänge von beinahe 2000 Schritt), sowie die Stauvorrichtung in der Weifseritz beendet . Dagegen kam der Bau der Reduit-Blockhäuser und der Lager-Baracken in den 5 Hauptwerken erst am 4. August zum Abschlufs - demselben Tage, an welchem König Wilhelm nach Berlin zurückkehrte . Vom

19. Juli ab, 4 Wochen nach der Berufung

von Mertens aus Kiel, digungsfähig,

würden also

des Oberst

zwar die 5 Hauptwerke vertei-

die gesammte Befestigung des linken Ufers jedoch erst

45 Tage nach jener Berufung vollendet gewesen sein . Ein günstiger Umstand war es dabei offenbar gewesen, dafs einerseits die Länge der Tage gestattet hatte, den anfänglichen Zeitverlust wieder auszugleichen, und dafs andrerseits das Unternehmen fern vom Schauplatze des Krieges ungestört hatte durchgeführt werden können. Wäre Dresden in den Wirbel der Ereignisse mit hineingezogen, so würde auch die Schanzarbeit unberechenbaren Wechselfällen nicht entgangen, namentlich aber die gerade dann notwendige gleichzeitige Befestigung des rechten Ufers schwerlich noch ausführbar geworden sein. Der Verlauf des Krieges gestattete, von diesem Teil der GesammtBefestigung einstweilen Abstand zu nehmen, obwohl der Entwurf dazu bereits gemacht war. Aus politischen Gründen wurde die Ausführung jedoch am 23. August befohlen .

30

*) Die Verteidigungs -Einrichtungen des neuen Annen-Kirchhofes wurden auf Wunsch der Dresdener Behörden vorläufig unterlassen. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 94, 3. 20

294

Improvisirte Befestigungen.

Fünf geschlossene Werke derselben Art, wie am linken Ufer, sollten für Besatzungen von 225-255 Mann nebst 12-17 Geschützen erbaut werden. Vier derselben (Nr. VI - IX) lagen auf den bewaldeten Höhen von der oberen Elbe bis westlich der Strafse nach Königsbrück , und zwar das rechte Flügelwerk (VI) , wie 1813, auf dem Meisenberge (vor dem Waldschlöfschen) , die übrigen (VII- IX) etwas weiter vorgeschoben als die französischen Schanzen ; nur eins (Nr. X) endlich in der Ebene , als linkes Flügelwerk , zwischen Scheunen und Neudorf, so dafs letzterer Ort und das Dorf Pieschen vor der Front blieben, wie es 1813 in Rogniat's ursprünglichem Entwurf der Fall gewesen war. Ergänzt wurde der von diesen 5 Werken gebildete Gürtel durch . eine Batterie (zwischen VII und VIII) für 5 Geschütze und 35 Mann, um den tief eingeschnittenen Grund des Priessnitz-Baches der Länge nach bestreichen zu können . Der Bach selbst sollte durch einen Damm unterhalb der Batterie gestaut, und dadurch der Thalgrund etwa 800 Schritt weit hinauf überschwemmt werden. Das Schufsfeld der von Waldung umgebenen Werke VI - IX war bis auf 1000 Schritt Entfernung abzuholzen. Die Befestigung des rechten Ufers erforderte aufserdem, zur Herstellung des defensorischen Zusammenhanges mit dem rechten Flügel der Befestigung des linken, dort noch den Bau von zwei Batterien (F u. G) für je 5 Gesch. u. 35 Mann im grofsen Ostra-Gehege. Im Ganzen waren also 5 Hauptwerke und 3 Batterien, zusammen für rund 1300 Mann Besatzung und 87 Geschütze, so wie ein Staudamm nebst ausgedehnten Abholzungen vom 24. August ab auszuführen . Da der Krieg thatsächlich schon beendet war, konnte dies in andrer Weise als am linken Ufer, und mehr wie im Frieden betrieben werden. Daher wurde der sächsischen Landesbehörde auf deren Wunsch die Verdingung der Arbeiten an leistungsfähige Unternehmer gestattet, unter Festsetzung bedeutender Geldstrafen für Überschreitung der Fristen. Diese wurden aufserdem nur generell für die verschiedenen bei allen Werken vorkommenden Arbeiten gestellt , ohne die gleichzeitige Ausführung sämmtlicher Werke zu fordern . Nach beendeter Absteckung und Profilirung des betreffenden Werkes nämlich, sollten die Zimmerarbeiten für die Poternen , Pulvermagazine und Hohltraversen innerhalb 10 Tagen, die Werke im Übrigen, mit Ausnahme der Grabenkaponnieren, der Reduit-Blockhäuser und der Baracken, innerhalb 3 Wochen, und die Aufstellung aller letztgenannten Hohlbauten innerhalb 4 Wochen vollendet sein.

Bei dem Werk X und den Batterien F und G, die auf ganz

295

Improvisirte Befestigungen.

ebenen und leicht zugänglichen Bauplätzen von günstiger Bodenbeschaffenheit lagen, gelang es auch, diese Fristen einzuhalten . Bei den auf den Höhen des rechten Ufers liegenden Werken VI-IX und Batterie E, die in rollendem Sandboden zu erbauen, und nur auf sandigen Wegen und starken Steigungen zu erreichen waren, ergaben sich jedoch grofse Schwierigkeiten und Bauzeiten von 6-8 Wochen . Da die Werke aufserdem zu verschiedenen Zeiten begonnen wurden, so kam die ganze Arbeit erst am 8. November zum Abschluſs . Läfst sich hiernach auch nicht unmittelbar angeben , welche Kräfte und Mittel erforderlich gewesen sein würden, um die Befestigung des rechten Ufers gleichzeitig mit der des linken und innerhalb derselben Frist auszuführen, so liegen doch noch andere Daten vor, aus denen dies mittelbar gefolgert werden kann. Einerseits waren in Folge des Befehls zur Befestigung des linken Ufers (vom 21. Juni) 5 Hauptwerke , 4 Batterien und 1 Staudamm erbaut, die Ränder mehrerer Örtlichkeiten zur Verteidigung eingerichtet, einige Baulichkeiten • demolirt und 190 Morgen Wald abgeholzt, andererseits in Folge des Befehls zur Befestigung des rechten Ufers (vom 23. August) 5 Hauptwerke, 3 Batterien und ein Staudamm erbaut, so wie 1300 Morgen Wald rasirt.*) Im Grofsen und Ganzen waren also in dem einen, wie dem andern Falle Arbeiten von ziemlich gleichem Umfange ausgeführt. Läfst sich schon hiernach annehmen, dafs die Befestigung des rechten Ufers keine geringeren Kräfte und Mittel, als die des linken, erfordert habe, so findet dies auch noch durch die Höhe der Geldsummen Bestätigung, die in dem einen, wie im andern Falle für Arbeitslohn, Material und Transporte von der sächsischen Landesbehörde zu zahlen waren . Es beliefen sich nämlich, mit Ausschluss der Grundstücks-Entschädigungen und der Entwertung der abgeholzten Waldflächen, die Kosten der Befestigung des linken Ufers auf 966000 Mark, die Kosten die Befestigung des rechten Ufers auf 963000 Mark. Ohne wesentlichen Irrtum wird man also folgern können, dafs zur Befestigung des rechten Ufers ebenso bedeutende Gesammtleistungen, wie zur Befestigung des linken erforderlich waren , und dafs hiernach, wenn beide Ufer gleichzeitig hätten befestigt werden sollen, im Ganzen 10000 Erdarbeiter und 1000 Zimmerleute nötig gewesen wären , um die Werke in der Zeit vom 23. Juni bis 19. Juli, also in etwa 4 Wochen

zwar

verteidigungsfähig ,

aber ohne die

Reduit-Blockhäuser und Lager-Baracken, herzustellen, und in weiteren 14 Tagen, bis zum 4. August, das Ganze zum Abschluss zu bringen. * Auf die Abholzung in der Umgegend des Waldschlöfschens war aus Rücksicht auf die Dresdener vorläufig verzichtet worden. Es blieben dort noch etwa 150 Morgen zu rasiren. 20*

296

Improvisirte Befestigungen.

Der Verlauf der Ereignisse machte die gleichzeitige Befestigung beider Ufer entbehrlich. Unvermeidlich wäre sie dagegen gewesen , wenn Sachsen zum Schauplatz des Krieges geworden wäre. Dann aber hätten auch für die Arbeiten alle Verhältnisse sich noch viel schwieriger gestaltet, als es wenigstens zu Anfang ohnehin der Fall war, und ob es unter solchen Voraussetzungen möglich gewesen wäre, gerade das Doppelte an Kräften und Mitteln rechtzeitig zu beschaffen und in ungestörter Wirksamkeit zu erhalten, zweifeln.

darf man füglich be-

Dabei war das, was mit 10 000 Erdarbeitern und 1000 Zimmerleuten besten Falles binnen 4-6 Wochen hätte zu Stande gebracht werden können , ein Gürtel von nicht mehr als 10 Hauptwerken und 7 Batterien, für rund 2700 Mann nebst 165 Geschützen an stehenden Besatzungen ; ein Gürtel von etwa 21 500 Schritt oder etwas mehr als 16 Kilometer Länge, für eine Gesammtbesatzung, die auf ungefähr 19 000 Mann mit 250 Geschützen berechnet wurde, der Ausdehnung nach also wohl zu merken -- nur etwa ein Drittel des Umfanges, den die Fortgürtel neuerer Festungen nicht selten haben. (Fortsetzung folgt.)

XX .

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit. Eine Berichtigung von Spohr, Oberst a. D.

Das bei uns so ungemein rege Bestreben, aus dem letzten deutschfranzösischen Kriege durch applikatorische Bearbeitung auch weniger bedeutender Einzelheiten praktischen Nutzen zu ziehen, hat in den letzten Jahren so viele neue litterarische Erscheinungen gezeitigt, daſs es auch dem Eifrigsten wohl schwerlich möglich gewesen sein dürfte, dieselben alle rechtzeitig zu studiren und zu würdigen . So ist denn auch mir erst vor Kurzem das interessante Buch des Oberst a. D. Cardinal von Widdern zu Händen gekommen, welches den Titel trägt : „ Der Krieg an den rückwärtigen Verbindungen der deutschen Heere und der Etappendienst nach Feldakten und Privatberichten. Berlin 1893." Da in demselben auch Ereignisse berührt werden , bei welchen ich selbst nahe beteiligt war, so erscheint es wohl natürlich, dafs ich die Darstellung derselben zunächst auf ihre Richtigkeit prüfte.

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

Dabei stellte sich denn heraus,

297

dafs die thatsächlichen Unterlagen

verschiedene Unrichtigkeiten aufweisen, wodurch die auf ihnen aufgebauten taktischen und Kriegs - Lehren notwendig ungünstig beeinfluſst werden mussten . Man vergifst eben im Frieden nur zu leicht, dafs Kriegsberichte weder Alles das, was später von Interesse ist oder werden kann, enthalten können, noch dafs sie selbst von Irrtümern und MenschWenn man dann auf solchen lichkeiten völlig frei zu halten sind. unsicheren Grundlagen Kriegslehren für die Zukunft aufzubauen sich bemüht, so ist es nicht zu verwundern, dafs dieselben nicht selten auf Ziele hinweisen , deren Erreichbarkeit sich der Wirklichkeit gegenüber als ganz illusorisch erweist. Ich halte mich im vorliegenden Falle zu einer Richtigstellung um so mehr für verpflichtet, als ich einen Teil dieser Vorgänge schon in meinem, auf Veranlassung der Königlichen General-Inspektion der Artillerie bearbeiteten und 1877 erschienenen Buche : ,, Geschichte der Beobachtung, Einschliefsung, Belagerung und Beschiefsung von Montmédy im deutsch-französischen Kriege von 1870/71 " kurz berührt habe. Freilich konnte ich damals nicht wissen, dafs genauere Einzelheiten derselben später von Interesse sein würden . Da dieses Buch nicht als Quelle von Herrn Oberst von Widdern genannt worden ist,

während er doch die französische Darstellung

„ le blocus de Montmédy ", welche mir seiner Zeit ebenfalls vorgelegen hat, verschiedentlich citirt, so glaube ich schliefsen zu müssen, daſs ihm mein Buch überhaupt unbekannt geblieben ist . Um so mehr halte ich mich berufen, die Darstellung von Geschehnissen, bei welchen ich nicht nur aktiv mitwirkte, sondern welche ich zum Teil als Befehlshaber selbst veranlafste, wie unbedeutend dieselben auch im Vergleich mit den anderweitigen Ereignissen jenes grofsen Krieges erscheinen mögen, als Augenzeuge richtig zu stellen . Abgesehen davon aber dürfte die zutreffende Darstellung des unter den damaligen Umständen recht schwierigen und interessanten Transportes eines verhältnifsmäfsig ziemlich beträchtlichen Belagerungstrains im feindlichen Lande und in der Nähe feindlicher Festungen, sich durchaus im Geiste und auf dem Boden des von W.'schen Buches bewegen. Doch zur Sache !

Die Schilderung des Überfalls von

Sténay

Seitens der Franzosen am Frühmorgen des 11. Oktober 1870 (S. 171 bis 184) ist gewifs im Wesentlichen richtig, abgesehen von einigen . Einzelheiten, welche mir nach meinen am 11. und 12. Oktober in Sténay selbst angestellten Nachforschungen und den spätern Mitteilungen des, an jenem Tage gefangen genommenen und bis zur Einnahme von

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

298

Montmédy in den dortigen Kasematten mit dem Etappen-Kommandanten von Sténay zusammen internirten, Artillerie-Lieutenants Birck wenig wahrscheinlich erscheinen, und welche ich daher bei meiner Darstellung jenes Überfalles in der ,,Belagerung von Montmédy" (S. 53 und 54) mit Stillschweigen übergangen habe. Durchaus einverstanden bin ich dagegen

mit

den an diesen

Überfall geknüften kritischen Bemerkungen ( S. 184-195 ) des von W.'schen Buches . Meine Berichtigungen

beziehen

sich auf die Darstellung

des

Geschütz- und Munitionstransportes von Sédan zum Belagerungskorps von Verdun" und dessen Beziehungen zu den am 11. und 12. Oktober in und bei Sténay sich abspielenden Vorgängen. Statt ,,Transportführer Hauptmann Sohr von der Fufsartillerie

(S. 196 a. a. O. ) mufs es heifsen : ,,der Detachements-Führer, Hauptmann Spohr à 1. s. des Rheinischen Feld -Art .-Rgts . Nr. 8, damals Kommandeur der 2. kombinirten hessischen Festungs - Artillerie -Abteilung Nr. 11 und der Artillerie -Kriegsbesatzung von Sédan (wozu auch die 2. Festungs - Kompagnie 4. bairischen Artillerie - Regiments gehörte). Der Belagerungstrain bestand, aufser den 8 französischen langen 24 Pfündern (gezogenen Vorderladern,

15 cm Kaliber , deren Rohre

zwischen 50 und 60 Centner wogen) aus 70-80 Munitions- und Schanzzeugwagen und nicht ,,aus 24 beladenen Munitionswagen", wie Oberst v. W. angiebt.

Ich hatte etwa 230 Gespannpferde und war dennoch

in der Zwangslage, die 24 Pfünder nur mit 4 Pferden jeden, die schwersten, mit Bomben und Granaten beladenen Munitionswagen mit je 3-4 Pferden, die meisten ebenso , wie die mit fertigen Kartuschen und Pulver beladenen , nebst den Schanzzeugwagen (wenn ich nicht irre, 12 ) mit nur 2 Pferden zu bespannen.

Auch so schon nahm

die Fahrzeug-Kolonne im Marsche eine Länge von 600-700 m ein. Dieser Belagerungstrain, welcher für die zum 13. Oktober geplante Beschiefsung von Verdun durchaus erforderlich war und unbedingt am 11. Oktober Abends Sténay zu erreichen hatte, sollte früh um 6 Uhr Sédan verlassen. Es war aber nicht möglich gewesen, bis dahin die

durchaus

erforderlichen Pferde

zu beschaffen.

Erst am

Frühmorgen jenes Tages gelang es , durch Requisitionen aller Art und unter Mitheranziehung der Pferde einer belgischen Privatkolonne vom roten Kreuz (deren internationaler Charakter von den eifrig requirirenden Ulanen im Drange der Umstände übersehen wurde), die dann noch mit Geschirren aus dem massenhaft in Sédan lagernden Beutematerial bekleidet werden mufsten, den Train so notdürftig zu

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

299

bespannen, dafs es fast 8 Uhr war, als die gesammte Marschkolonne sich aus der porte de Balan entwickelt hatte . Zur Bedeckung waren mir unmittelbar unterstellt 3 Kompagnien der Landwehrbataillone Brühl und Siegburg, wenn ich nicht irre , alle 3 von Premierlieutenants der Landwehr geführt, 11½ Züge Ulanen vom Westpreufsischen Ulanen - Regiment Nr. 1 unter Sekonde - Lieut. v. Mitschke (etwa 50 Pferde) und 4 Geschütze der von mir in Sédan formirten Ausfallbatterie (französische gez . 4 Pfünder) unter Lieut . Rummel vom

8. Feld -Art. - Rgt . , während der Belagerungstrain von

einem bayerischen ( Landwehr-) Artillerieoffizier der 2. Komp . 4. Artillerie-Regiments und 60 mit Chassepotgewehren bewaffneten bayerischen Festungs-Artilleristen begleitet wurde. Diese mufsten zur Beaufsichtigung der französischen Fuhrleute und Bauerknechte auf die einzelnen Fahrzeuge verteilt werden, wobei einer kleineren Anzahl je 2 mit 2 Pferden bespannte Wagen zugeteilt werden mussten . Sollte es gelingen, mit diesem schweren, so unzureichend bespannten Train auf der sehr hügeligen Strafse den über 30 km betragenden Weg bis Sténay in einem Tage zurückzulegen, so mufste der Marsch aufs äufserste beschleunigt werden .

Zur linken das Thal der Chiers (auf 4-5 km Entfernung), zur rechten das der Maas meist in unmittelbarer Nähe, beschlofs ich, bis zu der nur etwa 15 km entfernten Etappe Mouzon möglichst konzentrirt zu marschiren . Die Kavallerie bildete nach Abgabe eines Beritts von 8 Ulanen. als Nachhut,

2 Reiterpatrouillen und 1 Ordonnanz für mich selbst

(die eigentlich Adjutantendienste versah, da mein Adjutant der Geschäfte halber in Sédan hatte zurückbleiben

müssen) die Vorhut.

Sie hatte den Auftrag, bis 5 km auszugreifen, rechts und links bis zu den Thalrändern der Maas bezw. Chiers Patrouillen zu entsenden und nach rückwärts Verbindung zu halten. Dann folgte 1 Kompagnie Infanterie, welche sich in Spitze, Vor- und Haupttrupp gliederte und deren Seitentrupps auf 200-300 m rechts und links der Strafse die Kolonne

begleiteten.

Auf etwa 400 m Entfernung folgten dann

1½ Kompagnieen Infanterie, dahinter die 4 Feldgeschütze, in kurzem Abstande hinter diesen der dicht aufgeschlossene Train, auf 100 m dahinter 1/2 Kompagnie und 1 Beritt Ulanen. Die Verhältnisse der Besatzung von Montmédy waren mir ziemlich genau bekannt, ebenso die gesammte zu durchquerende Gegend von früheren Märschen und Erkundungen her. Ich hatte zwischen Sédan und Mouzon schwerlich irgendwelches feindliche Entgegentreten , schon wegen der Nähe der Festung Sédan, zu befüchten. Die Hauptschwierigkeiten lagen in der Fortschaffung der schweren

300

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

Fahrzeuge, da mehrfach Steigungen von 7

10 ° zu überwinden waren .

Beim Bergaufmarschiren mussten die 8-24 Pfünder in 2 Abteilungen zerlegt, die vorderste durch die Pferde der andern auf 8 Gespannpferde pro Fahrzeug verstärkt werden, während die zweite Abteilung so lange unbespannt stehen blieb, bis die 1. die betr. Höhe erreicht hatte. Dann wurde diese abgespannt und die 2. nachgeholt. Das Bergabfahren erfolgte mit Gespannen à 4 unter Anlegung der Hemmschuheund anderweiter Hemmvorrichtungen verschiedenster Konstruktion. Wenn trotzdem im Allgemeinen kein Aufenthalt im Marsche der gesammten Kolonne entstand,

so wurde das nur durch das Trab-

fahren beim Passiren der jenseitigen Hänge erreicht, welches sich bei den steileren als notwendig herausstellte, wenn die Pferde nicht von den Fahrzeugen,

trotz der Hemmvorrichtungen, überrannt werden

sollten. Das dieses Trabfahren bergabwärts dann trotz schärfster Instruktion im Fahren von Schlangenlinien, zuweilen in Galopp ausartete, war bei der Unerfahrenheit der französischen Fuhrknechte, von denen die Meisten wohl zum ersten Male im Leben vom Sattel aus fuhren, nicht zu verwundern. Ich kann versichern, dafs ich selbst erstaunt war, einzelne dieser Bergabgaloppfahrten , bei denen es, trotz meiner und Lt. Rummel's unaufhörlicher Instruktion ziemlich wild herging, ohne Sturz und Unglück enden zu sehen. Indessen es ging Alles gut . Die französischen Fuhrleute hatten je länger, je mehr, selbst sichtlich Freude an ihrer Fahrkunst (?), von der ja auch ihr Geschick unmittelbar abhing. Sie sahen nach jedem zurückgelegten Berghange ordentlich stolzer aus, und mein Grundsatz, sie freundlich, ermunternd und mit Scherzen aller Art zu behandeln, bewährte sich durchaus. Ich gestehe offen, dafs ich nicht glaube, unter gleichen Verhältnissen Bauerknechten Besseres haben leisten zu können .

mit deutschen

Wie gut marschirt wurde, geht daraus hervor, daſs ich kurz nach 11 Uhr schon bei Mouzon anlangte und dort auf einer Wiese an der Maas die Kolonne zu Vieren aufmarschiren lassen konnte . Die Kompagnien wurden angewiesen , ihr von Sédan mitgebrachtes kaltes Mittagbrot zu verzehren, die Fahrer der Batterie und Kolonne die Pferde zu füttern und zu tränken . Vor Mouzon hatte sich auch Lt. v. Mitschke, welcher schon bis über Moulins (5 km jenseit Mouzon) erkundet, wieder eingefunden und berichtet, dafs von einem Feinde bis jetzt nichts entdeckt worden sei. Ihn sandte ich auch nach Mouzon hinein , um dem dortigen Etappen-Kommandanten unsere Ankunft zu melden. Inzwischen waren die Pferde gefüttert worden , worauf sie in Abteilungen von etwa 40-50

abgespannt wurden, um in der Maas

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

301

getränkt zu werden, da das Trinken aus Eimern zu langen Aufenthalt verursacht haben würde. Dabei brachen an einer unterwaschenen . Stelle des Ufers 6 Pferde durch und fielen in die dort über Manneshöhe tiefe Maas .

Nur mit grofser Mühe gelang es, unter Anwendung

von Tauen, Hebebäumen und Vorderbracken, an welchen andere Pferde vorgelegt wurden, die Tiere wieder aus der Maas und auf das hohe Ufer zu ziehen. Eben war ich mit dieser, von mir selbst geleiteten Aufgabe fertig geworden und im Begriff,

selbst etwas aus der Satteltasche zu ge-

niefsen, als Lt. v. M. wieder eintraf und meldete : „in Mouzon gehe das Gerücht, Sténay sei von 800 Mann der Besatzung von Montmédy heute Morgen überfallen und genommen worden, das dortige Etappenkommando gefangen, die Stadt besetzt.

Der Etappen-Kommandant

von Mouzon, Oberst-Lt. Riese, sei mit seinen Leuten, 1/2 Kompagnie, nach Beaumont

abmarschirt ,

in der Absicht ,

mit dem

dortigen

Kommando vereinigt, nach Sténay zu marschiren. " Ich erteilte dem Lt. v. M. sofort den Befehl, eine Patrouille auf dem linken Maasufer an Oberst-Lt. R. zu entsenden und demselben zu melden, dafs und in welcher Stärke ich bei Mouzon eingetroffen , dafs ich sofort aufbrechen und nach Sténay marschiren und , falls dieses noch von den Franzosen besetzt sei ,

es angreifen werde.

Ich zähle auf seine Mitwirkung vom

linken Ufer her und bitte um Mitteilung seiner Absichten !

Die Pa-

trouille solle Lt. v. Mitschke genau über den einzuschlagenden Weg instruiren und habe dieselbe nach Ausführung ihres Auftrages unsere Marschkolonne auf der Strafse nach Sténay sofort wieder aufzusuchen . Während Lt. v. M. nicht weit von mir die Patrouille instruirte, erteilte ich Befehl zum Anspannen und Marschfertigmachen des Trains, versammelte die Offizire, teilte ihnen den Inhalt der Meldung des Lt. v. M. mit und hielt dann eine kurze Ansprache. In dieser gab ich meiner Ansicht Ausdruck, dafs die Gerüchte sicher übertrieben seien, namentlich bezüglich der Stärke der Franzosen , dafs aber auch, falls dieselben sich bewahrheiten sollten , wir mit ca. 450 Gewehren ,

50

Pferden und 4 Geschützen, zu denen noch die Kompagnie von Oberst-Lt. Riese komme, ihnen mehr als gewachsen seien. „Uns winkt “ , so schlofs ich ungefähr, 17 eine schöne Waffenthat, wir können unsere Kameraden befreien und die Franzosen in ihrer eigenen Falle fangen ! " Ich gab dann noch eine kurze Disposition für den Vormarsch . Dann änderte ich die Marschordnung insoweit, als ich die rechte Seitendeckung, da wir die Maas unmittelbar zur Rechten hatten und auf deren linken Ufer Oberst-Lt . R. im Marsche wufsten, ganz einzuziehen und nur durch eine Ulanenpatrouille zu ersetzen befahl, die

302

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit .

linke Seitendeckung dagegen einer ganzen Kompagnie Infanterie und einem halben Zuge Ulanen (etwa 15 Pferden) übertrug. Letztere sollten bis 5 km weit ausgreifen , mit der sich durchschnittlich auf 800 m . (1000 Schritt) von der Marschkolonne und mit der Spitze der letzteren in gleicher Höhe sich bewegenden Kompagnie , wie mit der Hauptkolonne selbst Verbindung halten . Dafs ich, wie Oberst v. W. in seinem Buche mitteilt, in Mouzon zu übernachten beabsichtigt und Oberst-Lt . Riese um Quartier angegangen, ist absolut falsch. Ich hatte den gemessenen und bedingungslosen Auftrag Seitens des Kommandanten von Sédan, an diesem Tage Sténay zu erreichen, wo ein von Verdun eintreffendes Transport-Kommando den Belagerungstrain zu übernehmen hatte. Abgesehen davon aber, welcher Offizier in meiner Lage hätte sich eine so schöne Aussicht, ein selbstständiges Gefecht zu führen , entgehen lassen ? Leider sollte diese Hoffnung sich nicht erfüllen. Wir waren etwa um 12 , Uhr von Mouzon aufgebrochen und 2 Stunden angestrengt marschirt, als die zu Oberst-Lt. R. entsendete Patrouille mich zwischen Autréville und Inor wieder einholte . Sie meldete, Oberst-Lt. R., welcher mit einer starken Kompagnie auf dem linken Maasufer marschire , werde sich mit mir vor Sténay vereinigen, er ersuche mich, den Marsch auf Sténay zu beschleunigen . Letzteres schien mir selbstverständlich. Dagegen pafste es mir nicht in meine Angriffspläne, dafs er sich mit mir auf dem rechten Ufer vereinigen wollte. „ Einen schriftlichen Befehl " aber, wie Oberst v. W. mitteilt, habe ich von Oberst-Lieutenant R. überhaupt nicht erhalten , möchte auch seine Befugnifs zu einem solchen mir gegenüber, namentlich aufserhalb seines Etappenbezirks, bestreiten. Kaum 1

Stunde nach Ankunft der Ulanenpatrouille sah ich einen

einzelnen Offizier mir entgegen sprengen, in welchem ich, ihm meinerseits entgegen galloppirend, richtig Oberst- Lt. R. vermutete. Ich meldete ihm die Stärke meines Kommandos und meine Absicht, Sténay event. anzugreifen.

Und bei solcher Stärke, " erwiderte er, „konnten

Sie zögern, auf Sténay zu marschiren ?" Sehr unangenehm von dieser durchaus unmotivirten Anrede überrascht, entgegnete ich: ,,Wie Sie sehen, bin ich sehr eilig (diese Worte betonte ich) marschirt, sonst wäre ich doch nicht hier wir waren schon dicht vor Inor, fast 9 km von Mouzon entfernt, es war 2 2 Uhr ich wufste, als ich bei Mouzon halten liefs, lediglich um zu füttern und zu tränken , von dem Überfall von Stenay noch garnichts . sofort aufgebrochen. "

Als ich diesen erfuhr , bin ich

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Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

„ Nun, beruhigen Sie sich nur," entgegnete Obertst-Lt. R., „ die Ulanenpatrouille meldete mir doch, Sie ständen bei Mouzon und gedächten, dort zu bleiben !" „ Dann hat die Patrouille ", engegnete ich, „ etwas ganz Falsches gemeldet und ich werde sie bestrafen ! " Oberst-Lt. R. bat mich, das nicht zu thun, „Mifsverständnisse bei mündlichen Meldungen seien so leicht. " Ich aber machte mir im Stillen den Vorwurf, die Patrouille nicht selbst instruirt zu haben. Im übrigen bewies mein schneller Marsch und meine Anwesenheit dicht bei Inor die Falschheit der Meldung sonnenklar. Woher aber stammt die unrichtige Angabe bei Oberst v. W. ? In welche Berichte oder Mitteilungen hat sich diese eingeschlichen ? heute noch interessiren, zu erfahren.

Das würde mich auch

Oberst-Lt. R. überraschte mich dann weiter mit der Frage : „ Sie unterstellen sich doch meinen Befehlen ?" Ich stutzte einen Moment. Offen gestanden erschien mir der Gedanke, mich mit meinem selbstständigen weit gröfseren Kommando einem nur über 200 Mann verfügenden Etappen-Kommandeur zu unterstellen , durchaus nicht anheimelnd. Doch die anerzogene preufsische Subordination des Hauptmanns gegenüber dem Oberstlieutenant siegte und, mich verbeugend, erwiderte ich nach kurzer Pause : ,,Sie sind der Ältere, ich unterstelle mich Ihren Befehlen. " Sichtlich befriedigt, liefs sich Oberst-Lt . R. dann meine Anordnungen auseinandersetzen ,

billigte dieselben

vollständig und traf nur die

Änderung, dafs er seine vorne befindlichen Truppen, welche bei Pouilly über die Maas gegangen, nun die Vorhut bilden liefs , während ich meine bis dahin vorn marschirenden 11 , Kompagnien zu einem unmittelbar vor der Artillerie marschirenden Gros zusammenzog. So wurde alsdann der Marsch auf Sténay fortgesetzt. Hiernach sind also die S. 197 in dem v. W.'schen Buche vermutungsweise aufgestellten Marschordnungen zu ändern . Ganz unzutreffend aber sind die von Oberst v. W. S. 197-199 angestellten Betrachtungen, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird. Gegen 4 Uhr traf zwischen Martincourt und Servisy Lieutenant v. Mitschke bereits mit der Meldung ein, dafs er in Sténay hineingeritten, dieses sei von den Franzosen schon seit 7 Uhr früh wieder geräumt und gegenwärtig von der von Verdun eingetroffenen 8. Kompagnie 65. Infanterie-Regiments unter Premier-Lt. Delius besetzt . Im übrigen bestätigte Lt. v. M. im allgemeinen die erhaltenen Nachrichten über den Überfall , teilte unverbürgte Einzelheiten mit,

setzte die

Stärke der Franzosen beim Überfall (die von ihnen selbst auf 300 Mann angegeben wird) schon auf 500 Mann herab u. s . w. Kurz vor 5 Uhr zwischen Servisy und Sténay meldete sich nun

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Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

auch Premier-Lt. D. vom Rgt. Nr. 65 bei Oberst-Lt . Riese, erzählte, dafs ihm die Bürgerschaft von Sténay bei dem Überfall stark beteiligt erscheine, dafs er bereits Requisitionen dort ausgeschrieben u . s. w. Da Pr.-Lt. D. am folgenden Tage den Belagerungstrain nach Verdun überführen sollte, schlug ich ihm vor, sich letzteren einmal im Marsche anzusehen und sich bezüglich desselben zu informiren .

Dieser etwas

sehr selbstbewusst auftretende junge Offizier erwiderte mir hierauf, dafs er bezüglich des Trains nur mit Herrn Oberst-Lt. R. persönlich zu thun habe." Letzterer, unmittelbar zwischen uns reitend, sah den Lt. D. grofs an und entgegnete kurz : ,,Mich geht der Belagerungstrain nichts an, den haben Sie von Herrn Hauptmann S. zu übernehmen." Nun bat Pr.-Lt. D. selbst, ihn über den Train zu informiren .

Ich

forderte ihn auf, mir zu folgen und weidete mich an seinem wachsenden Erstaunen, als wir den , seine Erwartungen offenbar weit übertreffenden Train im Galopp abritten.

„,Aber, mein Gott", so entfuhr es ihm,

,,wie soll ich diese Menge Fahrzeuge morgen fortbringen ! Ich habe ja nur 100 Pferde bei mir. Sie geben mir wohl von den Ihrigen mit ?" ,,Dazu bin ich nicht befugt ", entgegnete ich,,,ich habe den gemessenen Befehl, alle Pferde wieder sämmtlich nach Sédan zurückzubringen. " In der That hatte ich diesen Befehl, und die Pferde waren in Sédan um so nötiger, als nach den getroffenen Vereinbarungen von dort noch weitere Artillerietrains nach Verdun abgehen und Sédan deren Transport bis Sténay leisten sollte, Pferde aber in der Umgebung der Festung schon seit Wochen nicht mehr aufzutreiben waren. *) Gegen 512 Uhr traf die Spitze der Kolonne in Sténay ein, und es dunkelte schon stark, als der Belagerungstrain auf der Strafse nach Mouzay, bew. Verdun in Kolonne zu Einem, an der linken Seite der Strafse (damit der Verkehr mit dem rechts liegenden Sténay nicht behindert wurde) aufgefahren Halt machte.

Ich liefs die Fahrzeuge

so dicht aufschliefsen, als es das Ausbiegen der Stangenpferde mit der Deichsel nach rechts irgend gestattete, wobei er noch eine Länge von ca. 300 m einnahm und sein Ende den Kreuzungspunkt der Strafse nach Bâalon eben frei machte. Es durfte nicht abgespannt werden , nur die Zaumzeuge wurden abgenommen, um die Pferde füttern und tränken zu können. Die französischen Fuhrleute mufsten *) Ich war allerdings schon jetzt entschlossen, im Interesse des grofsen Ganzen, dem Pr.-Lt. D. die nötigen Pferde auf meine Verantwortung hin mitzugeben, konnte mir aber die Genugthuung nicht versagen, diesen so selbstbewusst auftretenden jungen Offizier seine Abhängigkeit von mir etwas fühlen zu lassen.

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an den Fahrzeugen selbst durch die bayerischen Begleittruppen verpflegt werden, eine Aufgabe , welcher sich der bayerische LandwehrArtillerieoffizier, dessen Name ich leider nicht notirt habe, mit ebenso grofsem Geschick entledigte, wie der Überwachung dieser Leute während der Nacht. Jede andere Maſsregel , als die hier getroffene , wäre , auch wenn ausführbar, weniger praktisch gewesen. Was es an Ställen in Sténay gab, einschl . des sog . Kavalleriestalls , war von den Pferden des Verdun'er Kommandos besetzt. Das von Oberst von W. vorgeschlagene Parkiren des Trains zwischen Servisy und Sténay, also rückwärts des letzteren Ortes und gerade da, wo ein etwaiger Angriff von der Montmédy'er Besatzung am ehesten zu erwarten war, ebenso, wie die von ihm vorgeschlagene Teilung der Bedeckungstruppen (2 Kompagnien in Sténay, 14 in Servisy und 2 auf den Höhen nordöstlich Sténay) war für ein zu erwartendes Nachtgefecht schon deshalb nicht zweckmäſsig, weil ein Zurückwerfen der Bedeckungstruppen auf den Train, dessen festes Einkeilen in das Defilee zwischen Sténay und Servisy zur Folge gehabt, ihn an einem Abmarsche sowohl in der Richtung Verdun , wie Sédan, unbedingt verhindert haben würde. Die in Wirklichkeit getroffenen Dispositionen hätten es dagegen ermöglicht, bei einer ernstlichen Bedrohung von Montmédy her, die kaum anders, als in der Richtung der Strafsen von Brouennes und Bâalon zu erwarten war, den Train unter Verstärkung seiner Bespannung durch die 100 von Verdun eingetroffenen Pferde schleunigst in der Richtung auf Dun seiner Bestimmung gemäfs unter Bedeckung der Kompagnie Regts. Nr. 65 aufbrechen zu lassen, wobei ihm die auf 600-700 m Abstand in seiner linken Flanke sich wohl 1½ Meilen weit erstreckenden dichten Wälder von Chénois und Wéevre wenigstens für die Nachtzeit weitern Schutz gewährt haben würden. Diese Wälder waren vom Pr.-Lt. D. am Tage durchsucht und vom Feinde frei befunden worden. Das, als noch zweckmäfsiger, von Oberst von W. vorgeschlagene Parkiren bei Laneuville auf dem linken Maas-Ufer, 5/4 km von Sténay entfernt, hätte allerdings gegen einen Angriff von Montmédy her die relativ gröfste Sicherheit geboten , erschien aber aús praktischen Gründen unthunlich. Es hätte zunächst noch einen 1/2 stündigen Marsch bis in die tiefe Dunkelheit hinein erfordert. Ein solcher wäre für die durch die grofsen Leistungen des Tages (Truppen und Gespanne waren seit 32 Uhr früh in Bewegung) sehr ermüdeten Leute und Pferde nicht nur eine bedeutende Mehranstrengung gewesen, sondern hätte auch die für deren Verpflegung in Sténay durch Premier-Lt. D. bereits getroffenen Mafsregeln gröfstenteils illusorisch gemacht.

Am folgenden

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Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

Tage würde sich der Marsch auf Dun um ebenso viel verzögert und die in Aussicht genommene, schon sehr bedeutende Marschleistung bis in den Park von Bras (35-36 km) noch um 11/4 km vermehrt haben. Von einem eigentlichen Parkiren konnte überhaupt keine Rede sein, dazu wäre ein öffentlicher Platz von ausreichendem Raum mit hartem Boden erforderlich gewesen, wie er weder in und bei Sténay, noch Laneuville vorhanden war. Ein Auffahren auf freiem Felde war bei der mangelhaften Bespannung ganz unausführbar, ein Abfahren wäre dann geradezu unmöglich geworden. Die langen 24 Pfünder wären trotz unter die Räder gelegter Steine oder Bohlenstücke sicher so tief eingesunken, dafs man sie nur mittelst besonderer Manöverdeforce wieder flott bekommen hätte. Überhaupt aber scheinen diese,

wie andere Betrachtungen des

Obersten von W. auf die irrige Voraussetzung basirt zu sein , daſs der Train mit vorschriftsmässigen Artillerie - Bespannungen versehen , die Batterie französischer 4 Pfünder eine preufsische Ausfallbatterie gewesen sei u. s . w.

Was die von Oberst-Lt. Riese in Sténay getroffenen Mafsregeln betrifft, über welche Oberst von W. nichts sicheres aufzufinden vermochte, so bin ich im Stande, das Wesentlichste derselben hier anzugeben und die interessante in Sténay zugebrachte Nacht kurz zu schildern. Da die hereinbrechende Dunkelheit und die vielen zu treffenden Mafsregeln eine Teilung der Arbeit unbedingt erforderten, so überliefs Oberst-Lt. R., nachdem er die Höhen im Nordosten Stenay's zwischen den Strafsen von Brouennes und Bâalon flüchtig mit mir rekognoszirt und wir dabei unsere Ideen ausgetauscht, es mir, dort eine geeignete Vorposten- und Gefechtsstellung gegen etwaige Unternehmungen von Montmédy her zu nehmen, wofür er mir eine der Sédan'er Landwehrkompagnien und die 4 Feld-4 Pfünder zur Disposition stellte.

Diese

Kompagnie stellte 2 Feldwachen von je etwa 20 Mann an den Straſsen von Brouennes und Bâalon da aus , wo diese sich auf die Höhe hinaufziehen, setzten Vorposten aus und entsandten Streifpatrouillen bis an den Thalrand der Strafse Bâalon-Brouennes.

Der Rest der Kompagnie verblieb als Unterstützungstrupp am Abhange zwischen den beiden Strafsen durch die Höhe gedeckt, einige 100 m rückwärts der Batterie. Die 4 Geschütze der letztern liefs ich nördlich der Strafse von Bâalon dicht hinter dem Höhenrande so einschneiden, dafs die beiden Geschütze des linken Flügels schräg die Strafse nach Brouennes, die des rechten die Strafse nach Bâalon fast in ihrer Verlängerung unter Feuer nehmen konnten.

Die Geschütze wurden mit Kartätschen ge-

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laden, die Pferde parkirten an den 20 m rückwärts gedeckt stehenden Protzen. Die Kompagnie, wie die Batterie, hatten den strikten Befehl, bei entstehendem Gefecht die Stellung bis zum Eintreffen von Unterstützung zu halten. Die beiden andern mir unterstellten Landwehrkompagnien blieben teils beiwachtend, teils in Allarmquartieren unmittelbar bei dem am Ostausgange von Sténay belegenen Gasthofe zum Cochon versammelt. In diesem Gasthofe übernachteten auch sämmtliche nicht unmittelbar bei der Truppe eingeteilten Offiziere, darunter Oberst- Lt. R. , PremierLt. D und ich.

Oberst-Lt. R. hatte die Besetzung der Stadt und des

Rathauses, sowie die Sicherungsmafsregeln im Norden und Süden der Stadt von der Verdun- Sédan'er Strafse bis zur Maas selbst angeordnet, während die Deckung der Maasseite, wie der nach Laneuville führenden Brücke Pr.-Lt. D. mit seiner Truppe zufiel, welche sich mit diesem Stadtteile schon bei Tage bekannt gemacht. Oberst-Lt . R. vernahm noch Magistratspersonen zu Protokoll, liefs nach Waffen vornehmen, von denen auch eine

Nachforschungen

ziemliche Anzahl, darunter viele Jagdgewehre, beschlagnahmt wurden, schrieb Requisitionen aus und entwickelte eine grofse Thätigkeit. Es war nach 10 Uhr Abends , als er nach Besichtigung der Sicherungsmafsregeln im Umkreise der Stadt im Gasthofe wieder eintraf. Wir waren nach dem Nachtessen noch im lebhaften Gespräch begriffen, wobei neben den Einzelheiten des stattgehabten Überfalles am Morgen die Sorge Pr.-Lt. D's. , wie er den Belagerungstrain folgenden Tages fortschaffen solle, die gröfste Rolle spielte , als plötzlich es mochte 112 Uhr sein auf der Maasseite einige Schüsse fielen . Oberst-Lt. R. liefs sofort allarmiren, wobei die in der Nähe des Gasthofes untergebrachten Kompagnien in wenig Minuten schlagfertig standen, und eilte dann selbst, begleitet von einer Patrouille, nach der Maasseite hin, wo die Schüsse gefallen waren. Es dauerte wohl eine Stunde,

bis

er zurückkehrte und, recht

ergerlich und miſsmutig, angab, die Posten an der Maasbrücke hätten geschossen, angeblich auf feindliche Kavallerie in grofser Nähe,

sie

wollten Pferde gesehen und Pferdegetrappel gehört haben u . s. w. Es sei aber alles blinder Lärm gewesen, weder Tote noch Verwundete hätten sich gefunden ! etc. Am andern Morgen stellte sich diese Angelegenheit doch etwas anders heraus (s. unten).

Wir hatten uns kaum, natürlich im vollen

Anzuge, etwas zur Ruhe gelegt, als wiederum 2 Schüsse, diesmal aus der Gegend der Strafse von Bâalon, fielen . Ich erbot mich, ihre Ursache festzustellen, und es wurde von einer Allarmirung abgesehen.

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit .

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Doch fand ich beim Verlassen des Gasthofes zum Cochon eine Kompagnie im Antreten begriffen, von welcher ich mir eine Patrouille zur Begleitung ausbat, die Kompagnie aber wegtreten liefs.

Nachdem ich

einige hundert Meter auf der Strafse nach Bâalon vorgegangen, stiefs ich auf eine aus 2 Mann bestehende Streifpatrouille, welche, von mir gestellt und nach der Ursache der Schüsse befragt, angab, selbst geschossen zu haben,

und zwar auf französische Kürassiere, deren Kürasse sie

deutlich im Mondlicht habe blinken sehen .

Hufschläge hätten sie

allerdings nicht gehört, auch seien sie beim Zurückgehen nicht verfolgt worden. Die Sache war unglaublich, da Kürassiere, wenigstens berittene in Montmédy gab es allerdings unberittene Kavalleristen jeder Art - unmöglich in der Gegend sein konnten.

Ich befahl der

Patrouille, mich an den Ort zu führen, wo sie geschossen. Nach etwa 10 Minuten Umhermarschirens im freien Felde südlich der Strafse von Bâalon , sagte der eine Landwehrmann plötzlich : „da , dort blinkt wieder ein Kürafs ! " und allerdings sah man eine deutlich im Mondlichte spiegelnde Metallfläche, aber kaum 1 m über dem Boden .

Als

ich schleunigst darauf losging, zeigte es sich, dafs es 2 an der Handhabe eines Pfluges aufgehängte Pflugschaaren waren . Ich benutzte den Vorfall, um der betreffenden Patrouille sowohl, wie den Vorposten, welche ich noch revidirte, ihre Verantwortung und die grofse Unzukömmlichkeit für die Truppe klar zu machen, wenn auf solche leichtsinnige Weise Feuer gegeben werde. Ich schlofs mit der Ermahnung, stets nur auf einen deutlich erkannten Feind in nächster Nähe zu feuern . Ich wolle Tote oder Verwundete sehen, wo gefeuert werde, sonst werde ich strafen. " Bei der Batterie, die ich dann noch revidirte, fand ich alles in vorzüglicher Ordnung. Ich meldete den Vorfall an Oberst-Lt. Riese und der Rest der Nacht verging ruhig. Um 4 Uhr wurde zum Wecken und Füttern geblasen und alles eilte der neuen Tagesaufgabe entgegen. Ich fand den Train bereits beim Füttern und alles in schönster Ordnung. Eben war ich daran, neben den etwa 20, der belgischen Sanitätskolonne gehörigen Pferden noch etwa 30 auszuwählen, um sie als einen kleinen Arbeitsstamm nach Sédan mit zurückzunehmen , während ich die übrigen dem Pr.-Lt. D. für seinen anstrengenden Transport nach Bras mitzugeben entschlossen war, als dieser selbst, sehr verstört, mich durch die Nachricht überraschte, dafs von seinen mitgebrachten 100 Pferden während der Nacht 70 mitsammt den französischen Fuhrknechten aus dem Kavalleriestall in Sténay entwichen seien .

Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

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Das also war das Pferdegetrappel des ,,Kavallerie- Angriffs " gewesen, auf welches die Posten an der Maas geschossen hatten. Ich musste nun wohl oder übel mich entschliefsen, dem in recht unglücklicher Stimmung befindlichen D. meine sämmtlichen Pferde, mit Ausnahme derjenigen der belgischen Sanitätskolonne, mitzugeben, so dafs der Train immerhin noch mit etwa 10 Pferden mehr bespannt war, wie am Tage vorher.

Die Pferde der Sanitätskolonne mufste ich dagegen unbedingt wieder mitnehmen, da schon auf dem Marsche nach Mouzon ein per Ulanenordonnanz mir nachgesandter Befehl der Kommandantur Sédan, dieselben sofort wieder auszuspannen und nach Sédan zurückzusenden angeordnet hatte. Ich hatte der Ordonnanz meinerseits die Bleistiftnotiz mitgegeben, dafs ich ohne diese Pferde nicht weiter marschiren könne , aber suchen würde, von der Etappe Mouzon Ersatz dafür zu erlangen und sie dann sofort zurücksenden werde. Dafs diese Hoffnung sich aber als vergeblich erweisen mufste, geht aus vorstehender Darstellung wohl hervor. Um so mehr hatte ich nun darauf bedacht zu sein, sie nach Sédan zurückzubringen.

Oberst-Lt. R. billigte meine Entschlüsse ebenfalls.

Weiter wurde verabredet , daſs ich eine der 3 Sédan'er LandwehrKompagnien *) Oberst-Lt. R. noch für einen Tag überlassen solle, damit er mit dieser und seinem eigenen etwa 200 Ulanen starken Kommando Pr.-Lt. D. mit dessen schwacher Kompagnie und den Train noch bis Dun eskortiren könne, von wo er noch am selben Tage nach Mouzon zurückkehren würde.

Der Train hatte am selben Tage den Park bei

Bras vor Verdun (35-36 km von Sténay) zu erreichen, was auch gelang. Die 8 24 Pfünder wurden schon in der Nacht vom 12. zum 13. Oktober zur Armirung von Batterien verwendet. Ich selbst hielt zur Deckung des Abmarsches von Oberst-Lt . R. die auf den Höhen zwischen den Strafsen von Brouennes und Bânlon ausgewählte Stellung mit den mir verbliebenen 2 Landwehr - Kompagnien und der Batterie besetzt ,

während die Ulanen bis über

Brouennes und Quincy hinausstreiften mit dem Auftrage , bis 11 Uhr Mittags unbedingt zurückzukehren. Da vom Feinde nirgend etwas bemerkt wurde , 11 Uhr Mittags den Rückmarsch nach Sédan an , Abends eintraf.

so trat ich um

wo ich um 6 Uhr

Auf Grund vorstehender Mitteilungen wird man leicht die Unrichtigkeiten in der Darstellung von Oberst von W. erkennen, ebenso *) Diese marschirte mit Oberst-Lt. R. bis vor Dun und am Abend dieses Tages bis Mouzon, kehrte dann am 13. Oktober nach Sédan zurück. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 3. 21

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Des Friedens grüner Tisch und Kriegswirklichkeit.

wie die Unausführbarkeit seiner Vorschläge bezüglich des Geschütztransports in 3 Etappen (Mouzon Dun - Verdun) , wie des dem Detachementsführer , also mir ,

zugemuteten Vorstofses gegen Mont-

médy am 12. Oktober mit Rückmarsch über Carignan. Die Initiative des unbedingten Weitermarsches auf Sténay am 11. Oktober mit der Absicht des event. Angriffs auf letztere Stadt, falls ich sie noch im Besitze der Franzosen fand, hatte ich ergriffen, ohne von Oberst-Lt . R. etwas anderes zu wissen, als dafs er mit seiner kleinen Truppe auf Beaumont zur Vereinigung mit dem dortigen Etappenkommando abmarschirt sei und auf Sténay weiter zu marschiren beabsichtige. Da er nur über 200 Mann verfügte , konnte das, falls die Franzosen wirklich in der gemeldeten Stärke ( 800 Mann) Sténay besetzt hatten, wohl nur eine Erkundung bedeuten. Erst durch meine erheblich stärkere Truppe , die mit Kavallerie und Artillerie versehen war, erschien dieser Angriff aussichtsvoll . Dafs Oberst-Lt. R. das linke Maasufer verliefs ,

um sich über

Pouilly mit mir zu vereinigen und damit das linke Maasufer ganz preis gab , war wohl , falls es zu einem Angriff auf Sténay gekommen wäre, weniger zweckmäfsig. Dabei dürfte der Wunsch, das Kommando über das Ganze zu übernehmen , vorzugweise mafsgebend gewesen sein, was ihm (dem Oberst-Lt . R. ), einem ihm unbekannten ArtillerieHauptmann als Detachementsführer gegenüber , werden kann.

wohl nicht verdacht

Um die von Montmédy für den Geschütztransport drohende Gefahr möglichst zu vermeiden , würde die Wahl von 2 Zwischenetappen (Mouzon und Dun) statt einer ( Sténay), wie sie Oberst von W. (S. 198 seines Buches) vorschlägt, an sich gewifs recht zweckmäfsig gewesen. Sie war aber deshalb ausgeschlossen , weil der Transport in 2 , allerdings sehr starken , Märschen ( ca. 31 und 36 km) den bei Bras vor Verdun angelegten Belagerungspark zu erreichen hatte, da Geschütze und Munition schon am 13. früh Verwendung finden sollten . Eine frühere Absendung des Trains von Sédan war unmöglich , da erst am 8. Oktober der Befehl zur Mobilmachung desselben seitens des Kommandos der Einschliefsungstruppen vor Verdun bei der Kommandantur Sédan eingegangen war. Hatten doch ohnedies schon zur Anfertigung der Kartuschen die Nächte bei Lampenlicht zu Hülfe genommen werden müssen , während zur Fahrbarmachung die 24 Pfünder , deren Rohre und Laffeten von zum Teil sehr hohen , nur mit steinernen steilen Treppen versehenen Festungswerken mittelst schwieriger Handhabungsarbeiten herunterzuschaffen waren. Und endlich wären doch alle diese Mühen zuletzt fast noch an der Schwierigkeit , die nötigen Pferde herbeizuschaffen , gescheitert .

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Auch hätte bei 3 Etappen für den Marsch des Trains die durch Abgabe des starken Begleitkommandos bis auf die geringe Stärke von 4 Kompagnien Landwehrinfanterie , 1/2 Schwadron Ulanen und 3 Festungsartillerie - Kompagnien geschwächte Besatzung von Sédan volle 3 Tage in dieser Schwäche verharren müssen , da man genötigt gewesen wäre , den Train bis nach Dun zu geleiten (2 Tagemärsche) und am 3. Tage von dort den 46 km betragenden Marsch nach Sédan in einem Tage zurückzulegen . Sédan, nur 2½ Meilen von dem, 4000 Mann Besatzung zählenden Mezières und 5 Meilen von dem mit 3000 Mann besetzten Montmédy entfernt , selbst kaum notdürftig mit französischem Geschütz armirt und nicht einmal völlig sturmfrei ,

hatte überdies eine recht feind-

selige Bevölkerung, die, wie man recht gut wusste , in fortwährendem heimlichen Verkehr mit Mezières und Montmédy stand. Wohl Gründe genug, um auf der Hut zu sein und die Besatzung nicht auf eine Reihe von Tagen hinaus erheblich zu schwächen. Aus denselben Rücksichten verbot sich der von Oberst von W. (S. 204-205 seines Buchs) vorgeschlagene Vorstofs des BedeckungsDetachements gegen Montmédy mit Rückmarsch über Carignan, auch, wenn dem nicht der strikte Befehl der Kommandantur Sédan entgegengestanden hätte. Was sollte ein solcher Vorstofs von 300 Gewehren , und 4 (französischen)

50 Pferden

Feld - 4Pfündern gegen eine mit 3000 Mann

besetzte Bergfestung bezwecken ? Er würde in dem , mir später so genau bekannt gewordenen defileenreichen und verwickelten Gelände dieser Festung wahrscheinlich zu einem bedenklichen Unfall geführt haben, wenn die Besatzung irgend welche Energie entwickelte. Von vielen Dingen im Kriege wird man doch ,

wenn man die

einwirkenden Umstände , die Führer und die Eigenschaften der betr. Truppen genau kennt , zugeben müssen , dafs sie etwa so verlaufen. mufsten, wie sie verlaufen sind.

Dieses einzusehen, scheint mir ebenso

lehrreich, als sich in Kombinationen zu ergehen, wie manches anders hätte verlaufen können , wenn manches auch eben anders gewesen wäre. Jedenfalls ist der vorstehend geschilderte Transport eines er-

heblichen Belagerungstrains durch feindliches Land und unter recht schwierigen Umständen so glücklich verlaufen , das man einiges Verdienst in dieser Beziehung auch der Energie und Umsicht derjenigen, welche ihn durchgeführt , wird zuerkennen müssen und wohl auch die Anerkennung erwartet werden darf, dafs andere Mafsregeln kaum ein gleich günstiges Resultat ergeben konnten . Wenn bei unglücklich verlaufenden Kriegsereignissen doch nicht selten das kriegerische Wort zutrifft :

la critique est aisée " , so ist 21*

312

Schiefsübungen französischer Feld-Artillerie

das noch weit öfter der Fall, wenn durchaus zweckentsprechend und glücklich abgelaufene Unternehmungen am grünen Tisch nachträglich noch schöner auszugestalten unternommen wird. Giessen , Ende August 1894.

XXI.

Schiefsübungen französischer Feld- Artillerie im Gelände, im August 1894.

Unter

Leitung

des

Generals

Ladvocat ,

des

Präsidenten

des

Artillerie-Komités, fanden vom 11. bis 22. August 1894 Übungen der französischen Feld-Artillerie in gröfseren Verbänden im Lager von Chalons statt. Durch Erlafs vom 6. August d. J. beanwortete General Ladvocat die Kritiken, welche über die Übungen des Vorjahres in der Fachpresse erschienen waren und führte damit die Ziele und den Zweck der diesjährigen vor Augen.

Diese Schiefsübungen, teils mit Manöver-

Munition , teils mit scharfer und in den Verbänden des Armeekorps und seiner Divisionen veranlagt , sollten eine Verbindung der Schiefsübungen der Regimenter und der Manöver sein. Den höheren Offizieren sollte Gelegenheit geboten werden,

die

wichtigsten taktischen Aufgaben zu lösen und zwar unter den Verhältnissen der Wirklichkeit ; aufserdem erschien es der Leitung wichtig, kriegsstarke Verbände unter Voraussetzungen aufzustellen, wie solche weder in den Garnisonen, noch bei den Manövern zu schaffen sind. Die Note sagt, in den Garnisonen könne man nur eine sehr beschränkte Zahl kriegsstarker Batterien formiren und das verfügbare Gelände gestatte wohl nirgends die volle Freiheit der Bewegung, wie sie der Ernstfall fordert. In den Manövern seien gröfsere Verbände wohl vorhanden, aber zu schwach in ihren Effektivstärken, um dem Führer ein hinreichendes Bild der Wirklichkeit zu geben. Nun waren allerdings auch bei diesen „manoeuvres de masse de l'artillerie" die Stärken keineswegs kriegsgemäfse, denn die Batterien hatten nicht einmal die volle Anzahl Munitionswagen (statt 9 nur deren 6).

Immerhin aber ist es für die Führung der Gefechtsbatterie

doch ein Unterschied , ob sie die volle Kampfeinheit aufweist,

oder

im Gelände, im August 1894.

313

nur einen Teil derselben ; betont ja auch das französische Reglement es ausdrücklich, dafs die Führung der „ échelons de combat ", welche an Personal und Material dem der feuernden Batterie fast gleichkommt, auf dem Schlachtfelde keine Kleinigkeit sei und grofse Autorität fordere . Auch verschiebt sich durch das Weglassen einiger Munitionswagen das Staffelverhältnifs ;

es fehlte der französischen Gefechts-

batterie die Munitionsreserve,

welche der deutschen zweiten Staffel

etwa gleichkommt. Die Anlage der Schiefsübungen in grofsen Verbänden nahmen in Sa. 22 Batterien daran Teil

-

es

im Lager von Chalons

entsprach nicht völlig der Absicht, sie im Gelände abzuhalten ; doch verlegen ja auch wir derartige Schiefsen auf geeignete Truppenübungsglätze *) . Man wollte diese Schiefsen, welche dazu dienen sollten, Erfahrungen

zu sammeln über das

„ projet de manuel de tir" und über das „projet de reglement sur les manoeuvres des batteries attelées " durchaus verschieden von den „ écoles à feu" gestalten. Die letzgenannten, die eigentlichen Schiefsübungen, sollen die Ansbildung der Offiziere und besonders der Batteriechefs im Schiefsen fördern ; auch die ganze Anlage der Ziele ist mehr darauf berechnet, die, wir wollen sagen, technische Ausbildung des Offiziers zu fördern als seine taktischen Ansichten zu läutern . Man bereitet bei den Schiefsübungen dem Offizier absichtlich Schwierigkeiten, um ihn zum Reguliren des Feuers zu bringen, baut das Ziel schwer sichtbar ohne Zusammenhang mit einer taktischen Idee auf; es dürften diese Schiefsen den Schulschiefsen " der deutschen Feldartillerie zu Dieser " Vorschule" folgt sodann bei uns das vergleichen sein. „ Gefechtsmässige Schiefsen “, bei welchem „ einfache taktische Aufgaben unterzulegen sind. " Die Schiefsübungen in grofsen Verbänden der Franzosen kennen wir nicht, denn wenn auch die unsrigen brigadeweise abgehalten werden, so bleibt die Leitung doch stets in Händen des Regiments-Kommandeurs.

Ein Schiefsen in gröfseren Verbänden

als das in einer Abteilung findet bei uns reglementsmäſsig nicht statt, wenn auch die Wirklichkeit das Zusammenstellen mehrerer Abteilungen ergeben wird. Die französischen Schiefsübungen bei Chalons sollten die Offiziere aller Grade von den Gepflogenheiten der Schiefsplätze losmachen. Man solle, wie das im Kriege auch der Fall sei, sich im Gelände Anhaltepunkte suchen, sich mit Hülfe der Karte schnell zurechtfinden. Nur hatte man bei diesen „ tirs de guerre " vergessen, dafs man sich

*) S. V. d. F. A. 302.

Schiefsübungen französischer Feld-Artillerie

314

wenn auch nicht auf den bekannten Schiefsplätzen befand, wohl aber im Lager von Chalons und seiner Umgebung, das füglich doch auch nur als grofser Schiefsplatz anzusehen war. Immerhin ist das Bestreben anzuerkennen, kriegsgemäfse Situationen zu schaffen. Von den 9 Übungstagen waren 7 zum Scharfschiefsen bestimmt, von den beiden anderen ein Tag zum Manöver der beiden DivisionsArtillerien gegeneinander, der andere zum Manövriren der gesammten Artillerie eines Armeekorps gegen einen markirten Feind. Am ersten Schiefstage schossen nach einander die beiden Divisions-Artillerien (je 6 Batterien), am zweiten die Korps-Artillerie (10 Batterien).

An zwei weiteren Tagen wurde die Korps-Artillerie

durch je eine Divisions-Artillerie auf 16 Batterien verstärkt ; einmal wurde der Korps-Artillerie eine Abteilung kurzer 120 mm Kanonen zugeteilt und am letzten Tage befand sich die gesammte Artillerie eines Armeekorps im Gefecht (Scharfschiefsen). Die Divisions- Artillerie , 2 Abteilungen zu 3 Batterien, führte 90 mm Geschütze und bestand nur aus fahrenden Batterien.

Die Korps - Artillerie war zusammengesetzt aus: 1 Abteilung zu 1 zu 17 1 zu 17 1 zu

3 Batterien (fahrende 90 mm) 3 (reitende 80 mm) 2 (reitende 80 mm) 17 2 11 (fahrende 120 mm) Aufserdem waren sowohl der Korps-Artillerie wie den beiden Divisions · Artillerien je zwei Artillerie - Munitionssektionen (12 Munitionswagen mit 90 mm Munition ) und 3 solche mit 80 mm Munition) -- jedoch nur markirt zugeteilt. Bei dieser Gelegenheit soll nicht unerwähnt bleiben, dafs augenblicklich eine tiefgreifende Veränderung in der Organisation der Mit Ausnahme einiger französischen Feld-Artillerie sich anbahnt. Grenzregimenter bestehen nämlich nunmehr die Abteilungen für den inneren Dienst und den in der Garnison nicht mehr aus je drei, sondern nur aus zwei Batterien . Es bleibt die Abteilung zu 3 Batterien als taktische Einheit nach wie vor bestehen ; die erwähnte Maſsregel ist die Folge der im vorigen Jahre neu geschaffenen Stellen . Während nämlich bislang das Feld-Artillerie- Regiment vier chef d'escadron hatte, wollte man den neu hinzugekommenen zwei eine angemessene Thätigkeit geben. Sie alle sollten abwechselnd bei den Schiefsübungen, Manövern etc. Abteilungen zu drei Batterien befehligen. Es will uns diese Einrichtung als das Vorspiel dazu erscheinen, demnächst die Artillerie zu vermehren , denn andere Gründe dürften eine solche Zweiteilung kaum rechtfertigen. In dem Entwurfe des Reglements für die Manöver der französischen

im Gelände, im August 1894.

315

Feldartillerie ist der bisherige Unterschied zwischen Marschordnung für die routes à l'intérieur und für den Kampf gefallen. Die erste Staffel gehört nach unseren Grundsätzen ebenfalls unmittelbar zur Gefechtsbatterie ; es kann also nicht vorkommen, wie es bei dem Marsch einer französischen Abteilung, die in das Gros eingefügt war, geschah, dafs diese ihre 1. Staffel ausschied . Neuerdings ist auch in Frankreich vorgeschrieben, dafs die 2. Staffeln wie bei uns abteilungsweise unmittelbar hinter den Artillerieverbänden folgen, bei den Avantgarden an deren Queue. Der Unterschied liegt nur darin, dafs unsere 1. Staffel pro Batterie aus 4, die 2. aus 5 Munitionswagen besteht, während die Franzosen für jedes der 6 Geschütze in der 1. Staffel einen 2. Staffel Munitionswagen und aufserdem als Munitionsreserve pro Batterie 3 solcher haben. Es wird getadelt, dafs die Erkundung der einzunehmenden Stellung nicht früh und nicht geschickt genug erfolgte ; es soll wiederholt vorgekommen sein, dafs sich wie früher bei uns - ein Trupp Reiter zeigte, der dort hielt, wo man auffahren wollte und nun dem Gegner sofort die Stellung verriet. Die bei uns vorgeschriebenen 77„Aufklärer" würden beim Vormarsche und beim Einrücken in die Feuerstellung nicht unwichtige Dienste leisten . Man erwartet in dieser Hinsicht auch von den „ éclaireurs " der Infanterie, welche im letzten Manöver angeblich mit Vorteil verwendet wurden , besondere Dienste für die Artillerie. Über das „ Instellunggehen " sind seitens der Leitung wiederholt Bemerkungen gemacht worden, deren einige hier folgen sollen . Die Abteilungen formirten sich öfter erst "7 en masse à intervalles serrés " , was den doppelten Nachteil hatte, unnötige Zeit zu verlieren und dem Gegner, der bereits in Stellung war, ein günstiges Ziel zu bieten. Während das Reglement der deutschen Feldartillerie es empfiehlt, 17 beim Anmarsch in die Feuerstellung die Kolonne zu Einem bis dicht an die Stellung zu wählen " , kennt das französische Reglement diese Formation nur für den Reisemarsch. Gerade die Kolonne zu Einem aber hat ihre grofsen Vorteile für Bewegungen im Gelände . Denn sie hebt sich nur wenig ab , bietet aufserdem aber auch ein schwer zu treffendes Ziel . Keinenfalls dürfte ein bestimmtes Verfahren bei Einnehmen der Stellung sich empfehlen ", wie dies auch das deutsche Reglement besonders hervorhebt. Die Hauptsache bleibt fast immer gedecktes Einnehmen der Stellung, wo es unbeschadet der Feuerwirkung geschehen kann und überraschende Feuereröffnung " . Das völlig ungedeckte Auffahren einer Batterie und noch dazu mittelst einer Flankenbewegung, wie es gerügt wurde, ist kein Beweis dafür, dafs diese Grundsätze schon völlig in Fleisch und Blut übergegangen sind .

Schiefsübungen französischer Feld -Artillerie

316

Batterien wurden öfter in dünnbestandenen Gehölzen postirt , Solcher Waldrand, etwa 15-20 m von der Lisiere zurückgezogen. der genau einzusehen ist, bildet für den Gegner nur ein Hülfsmittel Zudem weifs man, wie furchtbar die für günstiges Abkommen . moralische Wirkung der in einem Gehölz einschlagenden Geschosse ist und dabei sollen in Wirklichkeit die Bespannungen und Staffeln in diesem Kugel- und Splitterregen aushalten. Es würde dem Gegner daher nicht schwer gewesen sein, das Gehölz in Kürze reinzufegen . Wenn dem gegenüber angeführt wird, es habe sich im vorliegenden Falle nur um Richtversuche im Holze gehandelt, ohne die Verhältnisse des Krieges zu berücksichtigen, so können diese Versuche doch nicht als im Einklange mit der Eingangs betonten Absicht, kriegsgemäſse Schiefsen abzuhalten , betrachtet werden . Die

Aufstellung

der

französischen

Gefechtsbatterien

erfolgte im Gegensatze zu der deutschen Vorschrift derartig, dafs zur Gefechtsbatterie 3 Munitionswagen fuhren, die übrigen 3 der 1. Staffel auf 300 m mit den Protzen aufgestellt wurden, während die Munitionsreserve (2. Staffel) auf 5-800 m zurückblieb. Somit hat die französische Batterie zunächst einen Munitionswagen pro Batterie mehr in vorderster Linie als wir ; bei uns ist der Rest der 1. Staffel aber näher herangezogen (auf 200 m) und die 2. Staffel steht von der 1. reglementsmäfsig 600 m ab. Die Protzen können nach deutschem Reglement bei den Geschützen,

ausnahmsweise

die Munitionswagen bei der Staffel verbleiben

und zwar in Feuerstellungen, von denen anzunehmen ist, dass sie nur kurze Zeit beibehalten werden." Nach französischen Ansichten ist es ein Fehler der Avantgarden-Batterien, unmittelbar vor Eröffnung des Feuers die Protzen und Bespannungen zurückzuschicken . Eine Avantgarde , so führt man an, wisse nicht immer, ob der Gegner auch wirklich standhalten wird ; es würde, so meint man , genügt haben, die Bespannung dem Auge des Gegners zu entziehen , anstatt sie auf die vorgeschriebenen 300 m wegzuschicken . Beim Auffahren der Batterien, welche eine Artilleriestellung verstärken sollten, geschah dies zu langsam und der Beginn des Feuers wurde zu sehr verzögert . Durch ungenaue Bezeichnung der zu beschiefsenden

Ziele kam es wiederholt vor, dafs Abteilungen, die in Stellung gehen sollten, erst noch Seitwärtsbewegungen vornehmen mussten, die vom Gegner mit Feuer belegt waren . Die Feuerleitung war vielfach mangelhaft und es fehlte, worüber so viel in Frankreich geklagt wird, oft an der Initiative, weil eben Alles schematisirt ist und befohlen wird. So wird von einem

317

im Gelände, im August 1894.

Abteilungs - Kommandeur berichtet , der beim Beginn des Kampfes eine nicht sehr ausgedehnte Infanterielinie zu beschiefsen hatte, die zudem auch anderweitig engagirt und sehr weit entfernt war, so dafs sie ihm füglich keinen grofsen Schaden zufügen konnte. Als der Gegner demnächst seine zahlreiche Artillerie demaskirte, welche sich natürlich sofort gegen die feindliche wendete, wechselte der Kommandeur trotzdem das Ziel nicht. Seitens der Führung erhielt der Artillerie - Kommandeur zu spät die zu beschiefsenden Ziele zugewiesen und der dadurch entstandene Zeitverlust wurde auch von dem Artilleristen nicht durch schnelle Erkundung auszugleichen versucht . Die Feuerleitung wird französischerseits mehr den Batteriechefs entgegengesetzt den als den Abteilungs-Kommandeuren übertragen

77„Wenn", so sagen die es auch im Allgemeinen Sache des Zugführers ist, die

Bestimmungen des deutschen Reglements. *) Franzosen,

Regulirung des

Aufsatzes zu bestimmen, so haben

die Batterie-

chefs doch die Verantwortung dafür und im Besonderen für die richtigen Sprenghöhen ; sie haben aber auch die Aufgabe, das Vorgelände zu beobachten." In der Verteidigung ist es Pflicht des Abteilungs -Kommandeurs und der Batteriechefs, das vom Gegner zu durchschreitende Gelände zu erkunden. Dafs eine Batterie ihr Ziel völlig verfehlt, mag erklärlich sein ; wenn aber der Abteilungs-Kommandeur das nicht bemerkt, wenn eine längere Zeit beschossene ganze Abteilung keinen Schufs erhält, so ist das zum Mindestens schlechter Beobachtung zuzuschreiben . Obgleich das Projekt über das Schiefsverfahren ausdrücklich vorschreibt, man solle auch während des Beschiefsens des einen Zieles die anderen Entfernungen im Vorgelände festlegen, um beim Auftauchen neuer Ziele schnell im Stande zu sein, sie mit Feuer zu belegen, war diese Bestimmung nicht immer beachtet. Denn es mufste z. B. von Neuem das Einschiefsen beginnen,

wenn man an der Lisiere eines

Gehölzes Infanterie auftauchen sah, die zum Angriffe vorging, während sie bis dahin in einer Schneuse wenige 100 m rückwärts gestanden hatte und auch bereits beschossen worden war. Auch die deutsche Vorschrift besagt ,,,in der Regel wird beim Zielwechsel ein zeitraubendes neues Einschiefsen notwendig" ; unter Zielwechsel kann aber füglich doch nur das Beschiefsen bisher nicht beschossener Ziele gemeint sein , nicht aber eine geringere Veränderung in der Entfernung zwischen Batterie und dem zu beschiefsenden Ziele. Die Schiefsvorschrift der deutschen Feldartillerie schreibt für diesen Fall entweder ,, das Ein-

*) Nr. 308. Seite 151. E. R der F. A.

318

Schiefsübungen französischer Feld-Artillerie

schiefsen auf Punkte im Gelände vor, welche das Ziel voraussichtlich überschreiten wird ", oder aber, wenn dies nicht möglich ist,

je nach

der Schnelligkeit des Zieles eine kürzere oder längere Gabelbildung und erhöht die Feuergeschwindigkeit, je mehr sich das Ziel dem Punkte nähert, wo die Geschosse einschlagen." Durch diese Art des Einschiefsens, welches übrigens ,,unter Umständen nur einer Batterie übertragen werden kann", ist die Artillerie in der Lage, schnell mit Feuer zu wirken, wenn Ziele - wie beim Angriffe des Gegners sich auf dieselbe zu bewegen. Bei den hier besprochenen Schiefsübungen hätte man mühelos die meisten Entfernungen von der Karte abnehmen können und würde. dadurch das Zeit und Munition raubende erneute Einschiefsen vermieden haben. Das genaue Einschiefsen , welches bei Sprenggranaten, namentlich auf weiteren Entfernungen, nicht möglich ist, sondern nur beim Schiefsen mit Schrapnels stattfindet , gestattet alsdann die erforderlichen Korrekturen , ist aber nicht mit gröfserem Zeitverlust verbunden. In den französischen Fachkreisen ist man noch immer nicht einig über das Thema der ,, verdeckten Stellung."

Man schwärmt noch

vielfach für die ,, bonne position " und versteht unter einer solchen nicht nur das Überhöhen gegenüber der des Gegners , sondern man meint , dafs die Feuerwirkung darunter leide , wenn die Stellung der eigenen Batterien ganz dem Auge des Feindes entzogen sei.

Auch

das Artillerie - Komité kann sich noch nicht völlig von der Ansicht losmachen , dafs man sich den Schüssen des Gegners nicht entziehe , wenn man sich hinter einem Hange schütze , dafs man dadurch aber auch nicht im Stande sei, das Vorgelände unter Augen zu behalten. Die Anhänger der verdeckten Stellungen sagen : ,,Wenn ich sehe, sieht man mich auch und beschiefst mich." Hierauf antworten die Anhänger der, wir wollen sie ,, alten" Schule nennen : ,,Wenn Sie eine Stellung innehaben, in der Sie der Feind nicht sieht , sehen Sie ihn auch nicht und werden Mühe haben, ihn zu beschiessen. " Wir möchten glauben , daſs , wie überall , so auch hier , das Richtige in der Mitte liegt, dafs aber durch die sich immer mehr steigernde Wirkung der Artillerie den verdeckten Stellungen mehr wie zuvor das Wort zu reden sein wird. General Ladvocat sagte in dieser Hinsicht in seiner Kritik : „ Dans certaines circonstances, des batteries peuvent être conduites à occuper, faute de place, des emplacements complètement abrités.

Il est donc

essentiel que, dans ces situations particulières, l'artillerie sera toujours en mesure , d'ouvrir son feu avec rapidité, de conserver à son tir la vitesse convenable d'exécuter sans hésitation des changements d'objectifs

im Gelände, im August 1894 .

319

et de parer à une surprise. Les problèmes posés par l'emploi du tir indirect sont donc des plus importants . " Der Munitionsersatz , der bei der französischen Artillerie im Allgemeinen in der nämlichen Weise wie bei uns vor sich geht, funktionirte bei den Schiefsen wiederholt nicht. Denn die Staffeln wurden nicht genug unter Benutzung des Geländes geführt . Sie waren bestrebt, die reglementsmäfsigen Abstände innezuhalten und fuhren deshalb oft so auf, dafs sie vom Gegner genau gesehen werden konnten ; benutzten sie aber eine vorhandene Welle des Geländes , so hatte diese Deckung alsdann eine gewisse Anziehungskraft auch für die Reservestaffel und dadurch bildeten sie leicht den Kugelfang für die Batterie ein wahres ,,nid á bombes. " — Eine Bestimmung, dafs die zurückgeschickten Protzen abgespannt werden sollen, haben wir in den Vorschriften der deutschen Artillerie nicht gefunden, in Frankreich ist das verschieden gehandhabt worden, indem einige Batterien abgespannt hatten, andere nicht . Mehrfach erreichten die Munitionssektionen ihr Ziel, das Gefechtsfeld nicht. Das kam zum Teil daher , weil sie zu spät in Bewegung gesetzt worden waren, aber auch daher, dafs sie falsch dirigirt wurden. Einem Stellungswechsel konnten sie nicht schnell genug folgen. Es wird dieser letztere Grund aber auch darauf zurückgeführt, dafs sich die einzelnen Phasen des Gefechtes mit einer Schnelligkeit folgten, wie sie der Wirklichkeit nicht annähernd entsprechen. mufs man zugeben ,

Allerdings

dafs die Batterie schon in ihren Staffeln einen

grofsen Rückhalt hat, so dafs die deutsche Vorschrift sagt ,,,die Munitionssektionen seien bis auf das Gefechtsfeld heranzuziehen , wo die Gefechtsverhältnisse es bedingen ", sie werden also nicht immer wirklich für den Munitionsersatz im Gefecht erforderlich werden ; hier bei den längeren Übungen der französischen Artillerie sollte aber auch ihr Auftreten im Gefecht in die Erscheinung treten. Der Stellungswechsel wurde mehrfach in Sicht des Feindes vorgenommen und zwar massirten sich die Batterien erst zu Abteilungen, was von der Leitung scharf gerügt wurde. Es kam vor, dafs eine Batterie mehr als eine halbe Stunde lang hin- und herzog, bevor sie wieder zum Feuern kam.

Es trat auch hierbei wieder zu

Tage , dafs das Suchen nach einer guten Stellung dazu führte , die Hauptsache, möglichst schnelle Feuerwirkung unter sonst möglichst günstigen Bedingungen zu vernachlässigen.

Die Infanterie mufs doch

auch mit der weniger günstigen Stellung vorlieb nehmen, die ihr, wie z. B. beim Angriffe, zudem meistens der Feind vorschreibt. Das rauchschwache Pulver (BC) wurde nur sehr selten angewendet , fast nur das alte (C) .

Gerade hierdurch aber ging ein

320

Schiefsübungen französischer Feld- Artillerie

wichtiges und interessantes Moment verloren. Denn es galt doch gerade zu zeigen , wie die Batterien des Gegners oft nur durch die Lichterscheinung bei Abgabe des Schusses zu erkennen sein werden , wenn dieselben mit rauchschwachem Pulver schiefsen. Die kurzen 120 mm Geschütze dagegen schossen mit dem neuen (BC) Pulver, was zur Anstellung von Beobachtungen vielleicht weniger wichtig gewesen sein würde. Denn diese Geschütze standen an sich gedeckt und war es darum für die Beobachtung gleichgültig , ob Raucherscheinung vorhanden war oder nicht. Die soeben erwähnten ,, bouchés à feu de 120 mm " sind Positionsgeschütze oder solche der Reserve , mächtiger als die Feldgeschütze und sollen durch Wurffeuer gegen solche Baulichkeiten wirken oder solche Hindernisse zerstören , gegen welche die Feldgeschütze durch direktes Feuer nicht genügend zu wirken vermögen, bezw. die eine besondere Widerstandsfähigkeit haben ; oder aber sie sollen den Sturm auf improvisirte Befestigungen vorbereiten . Es konnte sich bei den Schiefsübungen in Chalons nur darum handeln , die Bewegungsfähigkeit dieser 120 mm Kanonen zu erproben , denn ihre Munitionsausrüstung war zu gering bemessen. Man hatte verschiedene Konstruktionsfehler gefunden und z. B. behauptet, sie liefsen sich zu schwer ziehen ; die Laffeten lösten sich beim Fahren querfeldein leicht los ; sie seien nicht stabil genug konstruirt , um lange Trabstrecken auf schlechten Wegen auszuhalten. Im Allgemeinen ist man mit den 120 mm Kanonen sehr vorsichtig verfahren, hält sie übrigens unserer 150 mm ( 15 cm) Kanone in ihren Schufsleistungen nicht gewachsen . Über die Verwendung dieser schweren Geschütze auf dem Schlachtfelde haben die Franzosen noch keine Vorschriften . Noch seien hier zwei Neuerungen erwähnt, welche bei den grofsen Schiefsübungen erprobt wurden. Der gleichmäfsige Zug des Handpferdes und des unter dem Reiter gehenden Sattelpferdes, den das deutsche Reglement ausdrücklich betont , ist nunmehr auch in Frankreich wiederum zur Geltung gekommen . Man hatte dort vor einiger Zeit herausgefunden , dafs das Sattelpferd weniger zum Ziehen heranzuziehen sei als das Handpferd. Das Artillerie -Komité ist dieser Anschauung nunmehr entgegengetreten und hat für den gleichmässigen Zug beider Pferde angeführt ,

daſs,

wenn das Sattelpferd den Reiter trägt, dafür das Handpferd die Aufgabe habe, die Deichsel allein zu dirigiren, was dem Sattelpferde , das vom Reiter gelenkt wird, sehr viel leichter werde. Jedenfalls erscheint uns

der gleichmäfsige Zug" beider Pferde die erste Vorbedingung für

ein gleichmäfsiges Fahren zu sein.

im Gelände, im August 1894.

321

Seit 1888 hatten die Franzosen einen Reisetrab von 200 m in der Minute und ein Schritttempo von 110 m. Wir haben einen Trab von 240 m und einen Schritt von 100 m. Allmälig erweiterte sich der französische Reisetrab auf den unsrigen, ohne dafs die Vorschrift geändert worden wäre.

Man wendete dagegen ein, dafs das

neue Trabtempo von den Zugpferden der Artillerie, die zum grofsen Teile im Mobilmachungsfalle durch Requisition beschafft werden , nicht ausgehalten werden würde .

Um nun die verschiedenen Strömungen in

der Armee, welche ein kürzeres oder schnelleres Tempo für den Trab wünschten, zu beruhigen, hat das Artillerie-Komité vorgeschlagen, das Trabtempo von 220 m einzuführen . Ausserdem aber hat man das Schritttempo von 110 auf 100 gekürzt und dafür angeführt, dasselbe nähere sich dem Marschtempo der Infanterie (80 m), in deren Reihen die Artillerie oft genug eingereiht sei . Man betrachtet nach den Äufserungen der französischen FachPresse es als Folge der bei den grofsen Schiefsübungen gemachten Erfahrungen, dafs man mehr wie bisher die Notwendigkeit zugiebt, Das die Abteilung im Gefecht thunlichst nicht zu teilen . Auftreten der Artillerie in gröfseren Verbänden gilt als Regel , die Verwendung - Isolirung -- einzelner Batterien als seltene Ausnahme. Man geht dabei davon aus , dafs die an Zahl unterlegene Artillerie von Anfang an im Nachteil und die Verstärkung bereits vom Gegner mit Feuer belegter Batterien sehr schwierig ist. Dieses Zusammenhalten der grofsen Verbände kann stattfinden bis zu dem Augenblick des entscheidenden Angriffes. Dann wird es notwendig sein, wie dies auch die deutsche Vorschrift besonders betont, einzelne Batterien den Angriff der Infanterie bis auf nächste wirksamste Entfernung begleiten zu lassen.

Wenn diese Batterien auch geopfert werden müſsten

sie werden 17 den Angriff in moralischer Beziehung besonders durch ihr Begleiten stärken . " Sonach ist in Frankreich nicht die Batterie, sondern die Abteilung die Kampfeseinheit der Artillerie. Wenn man sich auch darüber klar geworden ist, dafs diese Ideen noch lange nicht Eingang bei dem gröfsesten Teil der Offiziere gefunden haben, hat man doch dadurch, daſs in den letzten Jahren eine grofse Zahl höherer Offiziere der anderen Waffen an den Schiefsübungen der Artillerie Teil nahmen , auch diesen mehr und mehr Verständnis für diese Waffe beigebracht.

Dieses Verständnifs aber ist

von besonderer Bedeutung für den Truppenführer , welchen nach den heutzutage geltenden Grundsätzen die volle Verantwortung für die Verwendung der Artillerie im Gefecht trifft. Er kann sich nicht mehr wie früher hinter seinen technischen Beirat " verstecken.

Der Truppenführer bestimmt den Gefechtszweck und damit

322

Schiefsübungen französischer Feld-Artillerie

das Ziel im Allgemeinen. "

Ebenso

erfolgt der Stellungswechsel auf

Befehl des Truppenführers " ; er befiehlt „ meist in der Verteidigung den ersten Schufs" etc. Schon seit mehr denn zehn Jahren findet die vorerwähnte Kommandirung höherer Offiziere zu den Schiefsübungen der Artillerie statt -

eine Mafsregel, welche ihre grofsen

Vorzüge hat und gewifs auch in anderen Armeen freudig begrüfst werden würde. Der Neuabdruck der deutschen Felddienstordnung hat, in Verbindung mit den bei den letzten Korps - Manövern und den grofsen Schiefsübungen in Frankreich gemachten Erfahrungen die Frage angeregt, in welchem Umfange die Feldartillerie der Avantgarde beizugeben sei. Die zusätzliche Bemerkung der neuen Nr. 106 (alte Nr. 74) der deutschen Felddienstordnung : „ Liegen keine besonderen Gründe zur Teilung der Feldartillerie vor, so ist es meist vorteilhafter, sie in gröfseren Verbänden zusammenzuhalten ; einzeln auftretende Teile derselben sind feindlicher Überlegenheit gegenüber grofsen, oft vernichtenden Verlusten ausgesetzt " , giebt hierzu .Anlafs.

Die Franzosen

meinen, diese Fassung habe ihre besondere Bedeutung insofern , als man bei nur kleinen Verbänden die Artillerie überhaupt nicht teilen solle und zwar lägen für die Avantgarde in dieser Beziehung ebensowenig Gründe vor, ihr Artillerie beizugeben , als für die Vorposten. Die Zuteilung von Feldartillerie an die Vorposten kann " - nach der deutschen Felddienstordnung - allerdings nur zu ganz ausnahmsweisen Zwecken ratsam sein. " -

In Frankreich wird den Vor-

posten Artillerie nur dann beigegeben ,

wenn es sich darum handelt,

wichtige Punkte, vor Allem Defileen zu besetzen " .

Ob durch diese

neuerliche Auffassung die Normalmarschordnung in Frankreich geändert werden wird, mufs abgewartet werden. Bis jetzt hat eine Division "normal " die Hälfte ihrer Artillerie bei der Avantgarde, das auf einer Strafse marschirende französische Armeekorps "normal" die Artillerie einer seiner Divisionen in seine Avantgarde eingereiht. Auf das Zusammenwirken aller Waffen wird jetzt anscheinend in Frankreich mehr Wert gelegt wie früher. Wenn dabei von einer solidarité de feu " der Artillerie und der Infanterie die Rede ist, so führt uns das zum Schluſs unserer Betrachtung noch auf einen Punkt, der der Erwähnung nicht unwert sein möchte. Nach den auf den Schiefsplätzen gemachten Erfahrungen ist man in Frankreich der Ansicht, dafs eine Batterie auf den mittleren Entfernungen ihr Feuer in fünf Minuten zu reguliren vermag ; berechnet man im Ernstfalle diese Zeit auf 10 Minuten, so wäre die Batterie durch drei Salven demnächst innerhalb weiterer 11½ Minuten im Stande , zwei Drittel der Effektivstärke der feindlichen Artillerie lahm zu legen.

im Gelände, im August 1894.

323

Wenn also eine Artillerie im Stande ist, die feindliche zuerst zu bees ist schiefsen und sie wirklich mit Feuer zu belegen, würde sie das eine Voraussetzung , wie sie allerdings wohl nur selten zutreffen wird sie innerhalb einer Viertelstunde kampfunfähig zu machen vermögen. Wenn die gegnerische Artilleriestellung nicht einzusehen ist, werden sich die Verhältnisse natürlich wesentlich ändern. Immerhin ist die Wirkung der Artillerie eine unter Umständen so grofse, dafs die Franzosen der Meinung sind, es könnten Zweifel darüber entstehen , ob , wie bisher angenommen wird , der Artillerie gleich zu Anfang die entscheidende Rolle auf dem Schlachtfelde zugebilligt werden wird . Es könne, so führen sie weiter aus, vorkommen , dafs die beiderseitige Artillerie in verdeckter Stellung zunächst eine abwartende Rolle spielen werde. Sie werde das Auftreten der Infanterie abwarten und diese alsdann als Ziel für die ersten Schüsse nehmen. Erst im weiteren Verlaufe des Gefechtes ,

wenn die eine der beiden

Artillerien des langen Abwartens müde , glaubt, die Stellung der feindlichen ausfindig gemacht zu haben, wenn die letztere beim Beschiefsen der gegnerischen Infanterie ihre verdeckte Stellung dem Auge des abwartenden Feindes preisgiebt , würde der entscheidende Artilleriekampf beginnen . Wer wird dabei im Vorteil sein, fragt man weiter, die abwartende oder die den Kampf beginnende ? Es steht dies so sehr im Widerspruch mit unseren Grundim sätzen über die Feuerleitung, welche der Artillerie vorschreibt, Anfang des Gefechtes meist die feindliche Artillerie zum Ziele zu nehmen", dass wir die vorstehenden Ausführungen des französischen Generals Tricoche mit erklärlicher Reserve wiedergeben .

Wir möchten glauben, dafs der Infanterie angriff unmöglich ist , bevor nicht die Entscheidung über den Kampf der beiderseitigen Artillerien fiel und dafs nach wie vor die feindliche Artillerie der Hauptanziehungspunkt für die eigene bleiben wird. Wir können uns nicht denken, dafs die Artillerie, dem Auge der feindlichen längere Zeit entzogen , die Infanterie zum Ziele nehmen wird , wir meinen vielmehr, dafs bald das Feuer der gegnerischen Artillerie sie 63. zu einer Erwiderung nötigen wird.

XXII.

Die russischen Festungstruppen.

Nachdem die russische Heeresleitung bis über die Mitte der 80er Jahre hinaus die Neu-Organisation ihrer Feld-Truppen im Grofsen und Ganzen beendet, hatte sie sich, zugleich mit der Organisation der Reserve -Truppen, auch derjenigen der Festungs -Truppen zugewandt, welche ,

ein Vorzug ,

der die russische Armee-Organisation vor der-

jenigen aller übrigen europäischen Staaten auszeichnet, bei dieser Gelegenheit vollständig aus dem Rahmen der Feld- und Reserve -Armee losgelöst wurden, um im Frieden wie im Kriege durchaus geschlossene selbstständige Verbände zu bilden, bezw. mit den Festungen, in denen sie in Garnison stehen , dauernd auf das Engste verbunden zu bleiben . Sie führen daher auch sämmtlich den Namen ihres Garnisonortes, dem nur in dem Falle eine Nummer beigefügt wird, wenn mehrere taktische Einheiten derselben Waffe ihm angehören.

Man sichert sich durch diese Einrichtung für den Kriegsfall und die meistens schnell nötig werdende Kriegsbereitschaft der Grenzfestungen eine unbedingt lokal- und terrainkundige Truppe, wie sie bei den ausgedehnten Befestigungs - Anlagen der Neuzeit und der gesteigerten Bedeutung des Vorgeländes nur schwer zu entbehren ist. Zugleich befreit sie die Feldtruppen von oft nur schwer zu entbehrenden Abgaben und garantirt andererseits den Festungstruppen eine gründlichere Schulung im Festungskriege, wie sie in Rufsland durch die alljährlich in grofsem Mafsstabe abgehaltenen Festungs - Manöver angestrebt wird. Allerdings wird diesen Truppenteilen bei der Mobilmachung, ähnlich wie den Reserve-Formationen, ein verhältnifsmäfsig grofser Prozentsatz von Reserven zugeführt, dennoch darf man wohl annehmen, dafs die nicht allzu schwachen Friedensstämme und der Umstand, dafs die Reserve-Mannschaften zu ihren früheren Truppenteilen in bekannte Verhältnisse zurückkehren,

genügen,

um ihnen schon frühzeitig den

genügenden Halt zu geben . Durch reglementarische Vorschrift wurden gleichzeitig alle festen Plätze des weiten Reiches, insofern sie nicht den Charakter einfacher Grenzsperren und Eisenbahn-Schutzbauten tragen , deren Verteidigung den Feldtruppen desjenigen Bezirkes obliegt, in dem sie gelegen sind,

Die russischen Festungstruppen .

325

in 3 Klassen befestigter Plätze, Depot- Plätze und Forts -Anlagen eingeteilt. Hiernach sind : 1. Festungen I. Klasse : Kowno, Nowo Georgiewsk , Warschau, Brest-Litewsk und Grodno. 2. Festungen II . Klasse : Olita, Kertsch und Sewastopol.

Kronstadt,

Sweaborg,

Iwangorod ,

3. Festungen III. Klasse : Wyborg, Dünaburg , Dünamünde, Segrshe, Luninetz, Ossowetz, Kiew, Bender, Oczakow, Kars, Michaelowsk, Wladiwostok, Ostrolenka und Roshan. 4. Depot - Plätze : Bobruisk und Alexandrowsk. 5 Forts -Anlagen :

a. Im Kaukasus :

Georgiewsk,

Achaltzyck,

Zakataly . b. In Transkaspien : Krasnowodsk, Aschabad , Merw, Kuschk, Fort Alexandrowski.

c. In Turkestan : Taschkent, Chodjent, Samarkand,

Margellan, Fort Perowski und Tschimkent.

d. In Sibirien : Djarkent,

Zaisanski, die Befestigungen an der Amur-Mündung und 1 Fort bei Nikolajewsk. Im Militärbezirk Warschau sind sämmtliche Festungen, Festungsund Reserve -Truppen einheitlich dem Befehl eines 2. General-Adjutanten des Militär- Gouverneurs dieses Bezirks unterstellt, dem dieserhalb ein besonderer Stab beigegeben ist . Zweck dieser Mafsregel ist, die einheitliche Leitung der Verteidigung dieses weit gegen Westen in deutsches Gebiet vorgeschobenen und daher für besonders gefährdet erachteten Teiles des Grenzgebietes sicher zu stellen, auch den MilitärGouverneur in seiner Stellung als Kommandirender der OperationsArmee nach Möglichkeit zu entlasten und unabhängig zu machen. Jeder Waffenplatz

des

russischen Reiches besitzt ferner einen

Festungs-Kommandanten oder Gouverneur mit gröfserem Stabe, dem in den Küstenplätzen in allen Fällen , wo der Kommandant oder Gouverneur nicht der Marine angehört, ein Marine- Offizier beigegeben ist, derselbe bleibt stets direkt an die Befehle des Kommandeurs des Militärbezirks, in dem der Platz liegt, bezw. im Militärbezirk Warschau instanzmäſsig an die Befehle des 2. General - Adjutanten gewiesen, der seinerseits seine Direktiven vom Militär-Gouverneur empfängt. In ihrer Gesammtheit belaufen sich die Festungstruppen des russischen Reiches

auf etwa 235 000 Mann, von denen sich etwa

213 000 Mann im europäischen Rufsland ; allein über 110 000 Mann in den Festungen Ossowetz , Segrshe, Nowo Georgiewsk, Warschau , Brest Litewsk und Iwangorod des Militärbezirks Warschau befinden . Zu den Festungstruppen gehören :

I.

die Festungs - Infanterie,

II . die Festungs - Artillerie, III. die Festungs-Pioniere, IV . die HülfsKommandos der Gendarmerie und Feuerwehr. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine . Bd . 94, 3. 22

Die russischen Festungstruppen .

326

I. Die Festungs - Infanterie. Sie ist aus den Reserve-Formationen der Armee hervorgegangen, denen sie bis zum Jahre 1889 angehört hat. Mit diesen besitzt sie noch heute die gleichartige Organisation , d. h. bei der FestungsInfanterie bestehen ebenso wie bei jenen im Frieden nur Stammformationen, meistens in Stärke eines Bataillons zu 5 Kompagnien , welche sich nach der Organisation vom Jahre 1885 bei der Mobilmachung durch Einziehung ihrer Reserven auf ebenso viele Regimenter zu 5 Bataillonen zu 4 Kompagnien zu verstärken haben. Eine Ausnahme macht allein das Festungs - Infanterie - Kadre - Regiment in Ossowetz , welches sich nur auf 4 Bataillone zu je 5 Kompagnien verdoppelt. Wie schon früher bemerkt , haben sie sämmtlich die Nummer abgelegt und führen seit 1889 den Namen der betreffenden Festung. Neben dem Festungs-Infanterie-Kadre-Regiment zu 2 Bataillonen in Ossowetz bestehen noch 29 Festungs-Infanterie- Kadre- Bataillone, von denen je 4 in den Festungen Warschau und Nowo Georgiewsk, je 3 in Kowno und Brest- Litewsk, je 2 in Kronstadt, Iwangorod und Segrshe, je 1 in Sweaborg, Wyborg, Grodno, Libau, Dünamünde , Sewastopol, Kertsch, Michaelowsk und Kars stehen. Der Friedens-Etat derselben soll nicht überall der gleiche, vielmehr bei den Bataillonen der Militärbezirke Wilna und Warschau ein erheblich höherer sein. Der Kriegsstand eines Regiments ist 85 Offiziere und Beamte , 4827 Mann.

Die Bataillone werden durch Obersten, beim Regiments Osso-

wetz auch Oberstlieutenants, die Kompagnien durch Hauptleute befehligt . Besonders zu erwähnen bleibt, dafs der Stabshornist der Regimenter beritten ist. II.

Die Festungs - Artillerie.

Neben der artilleristischen Verteidigung der Festungen, in denen sie im Frieden in Garnison steht, hat sie zugleich die Bestimmung, auch beim Angriff auf feindliche Festungen als Belagerungs -Artillerie Verwendung zu finden . In diesem Falle wird ihr ein Belagerungstrain zugeteilt, auf welchen wir später noch zurückkommen werden. Dennoch sind seit dem Jahre 1892 noch 3 Belagerungs -ArtillerieBataillone aufgestellt worden, über deren Bestimmung Zuverlässiges vorläufig nicht bekannt geworden ist, es wird indessen angenommen, dafs sie in Verbindung mit einem leichten Belagerungstrain eine ähnliche Verwendung finden werden, wie sie für die in andern Staaten vorgesehenen mobilen Belagerungs-Batterien in Aussicht genommen ist. Dem würde auch ihre Friedensdislokation in denselben Garnisonen, wo der Belagerungstrain untergebracht ist, entsprechen . Endlich bestehen in einzelnen Garnisonen noch eine kleine Zahl

Die russischen Festungstruppen.

327

mit leichten Feldgeschützen ausgestatteter, zur Artillerie-Festungs-Besatzung gehöriger Ausfall- Batterien, welche als Stamm für die in denselben Garnisonen bei der Mobilmachung aufzustellenden gleichartigen Für den Bedarfsfall Neu - Formationen zu dienen bestimmt sind. werden in einzelnen Garnisonen auch Gebirgsgeschütze für diese Batterien noch aufserdem bereit gehalten. Insgesammt sind an Festungs -Artillerie-Truppen vorhanden : 1. Festungs -Artillerie : 53 Bataillone, 10 selbstständige Kompagnien, 2 selbstständige Abteilungen. 2. Belagerungs - Artillerie : 3 Bataillone. 3. Ausfall - Batterien : 5 Ausfall-Stamm- Batterien . Von ersteren stehen in den Festungen Kronstadt , Warschau, NowoGeorgiewsk je 6, in Brest-Litewsk und Iwangorod je 4, in Kars 3, in Sweaborg, Wyborg, Kowno, Dünaburg, Ossowetz , Kiew, Sewastopol, Kertsch und Michaelowsk je 2, in Dünamünde, Segrshe, Oczakow, Bender, Terek-Daghestan je 1 Festungs -Artillerie-Bataillon, in Wladiwostok 3, in St. Petersburg, Robonisk, Dubno und Kuschk je 2 selbstständige Kompagnien und endlich in Odessa bezw. Nikolajewsk je 1 selbstständige Abteilung. Ein Festungs -Artillerie- Bataillon wird durch 1 Oberst oder Oberstlieutenant, seine 4 Kompagnien (nur die 3 Bataillone in Oczakow und Michaelowsk zählen 5 bezw. 3 Kompagnien) werden durch Hauptleute befehligt. Auf Friedensfuſs ist jede Kompagnie 3 Offiziere, 114 Mann, im Felde dagegen 5 Offiziere, 329 Mann stark. Der Etat der selbstständigen Kompagnien und Abteilungen ist ein verschiedener, er liegt bei den ersteren im Frieden zwischen 113 und 334, im Kriege zwischen 320 und 449 Mann mit 4 bis 6 Offizieren, bei den letzteren zwischen 100 und 113 Mann mit 3 bis 7 Offizieren . Das Geschütz -Material der Festungs-, Belagerungs-, und KüstenArtillerie ist durchgehends aus Gufsstahl gefertigt und mit Keilverschlufs versehen. Das erstere enthält 4 gezogene Geschütz- und 3 gezogene Mörser- Kaliber, von 106,68 bis 203,2 bezw. von 86,36 bis 228,6 mm, die Belagerungs -Artillerie das gleiche Material, dagegen die Küsten -Artillerie 7 gezogene Geschütz - Kaliber von 152,4 bis 355,6 mm und 2 gezogene Mörser-Kaliber von 228,6 und 279,4 mm. Neben diesen befinden sich indessen auch noch eine grofse Zahl älterer Geschütz - Konstruktionen der verschiedensten Kaliber, vorzugsweise Konstruktionen des Jahres 1867 , auch Gatling-Geschütze, in den Beständen der Festungen, wo sie für die Grabenverteidigung etc. noch Verwendung finden . Grundsätzlich ist indessen die Einführung von Schnellfeuergeschützen beschlossen worden, doch fehlen über den Stand dieser Frage zuverlässige Nachrichten . Ferner besitzt Rufsland 3 Be-

22*

Die russischen Festungstruppen .

328

lagerungsparks , von denen Nr. 1 und 2 jeder aus 12 Abteilungen mit insgesammt 424 Geschützen besteht. In denselben sind die Flachbahn-Geschütze und Mörser im Verhältnifs von 79 und 21 % vertreten. Von dem Belagerungspark Nr. 1 befinden sich 5 Abteilungen in Nowo Georgiewsk, 5 in Brest-Litewsk und 2 in Dünaburg, der Park Nr. 2 dagegen vollzählig in Kiew. Der Park Nr. 3 ist für den asiatischen Kriegsschauplatz bestimmt und mit seinen 10 Abteilungen in Alexandropol untergebracht. zählt nur 230 Geschütze.

Er

In den Jahren 1892 und 93 endlich sind die früher erwähnten 3 Belagerungs-Artillerie-Bataillone in den Garnisonen Kiew, Dünaburg und Brest-Litewsk aufgestellt worden , von denen das erstere 4 Kompagnien , die beiden letzteren dagegen jedes vorläufig nur 2 Kompagnien enthält , deren Friedens - Etat 3 Offiziere , 114 Mann , deren Kriegs-Etat 5 Offiziere 328 Mann zählt. Man nimmt an , dafs sie im Kriegsfall mit Rohrgeschützen und Mörsern der beiden leichtesten Kanonen und des leichtesten MörserKalibers aus den Belagerungstrains ihrer Garnisonorte ausgerüstet werden sollen. Die bereits im Frieden vorhandenen 5 Ausfall - Stamm - Batterien stehen in Warschau, Nowo Georgiewsk, Brest- Litewsk, Iwangorod und Kowno, wo sie im Kriegsfalle in Warschau und Nowo Georgiewsk je 4, in Kowno und Brest-Litewsk je 3 und in Iwangorod 2 AusfallBatterien aufzustellen haben. Im Frieden besitzt jede Batterie 1 Oberstlieutenant als Kommandeur, 10 Offiziere, 126 Mann, 36 Pferde, darunter 18 Reitpferde , im Kriege 5 Offiziere, 130 Mann, 73 Pferde. Im Frieden haben sie 2 leichte Feldgeschütze, im Kriege deren 8, aufserdem 2 Munitionswagen bespannt.

In einzelnen Festungen werden für diese Batterien auch

Gebirgsgeschütze bereit gehalten. III. Die Festungs - Pioniere.

Hierzu gehören : 1. Die 9 Festungs- Sappeur-Kompagnien in Kronstadt, Dünaburg, Kowno, Ossowetz, Warschau, Nowo Georgiewsk, Brest-Litewsk, Iwangorod und Sebastopol . 2. Die 4 Festungs- Sappeur-Stamm-Detachements in Wyborg, Dabow, Kertsch und Oczakow. 3. Die 9 See-Minen -Kompagnien in Sweaborg, Wyborg, Kronstadt, Dünamünde, Sewastopol, Kertsch, Oczakow, Michaelowsk und Batum. 4. Die Flufs-Minen-Kompagnien der Weichsel und des Narew.

Die russischen Festungstruppen.

329

Ihre Formation datirt vom Ende des Jahres 1892, doch ist über ihre Garnisonen Näheres noch nicht bekannt geworden. 5. Die 6 Festungs - Telegraphen - Stationen der Festungen Kowno, Ossowetz, Warschau, Nowo Georgiewsk , Brest- Litewsk und Iwangorod . 6. Die 4 Festungs-Luftschiffer-Abteilungen der Festungen Ossowetz , Warschau, Nowo Georgiewsk und Iwangorod. 7. Die beiden Ingenieur-Belagerungs-Parks in Wilna und Kiew. 8. Die 6 Militär -Brieftauben- Stationen der Festungen Warschau , Nowo Georgiewsk, Brest-Litewsk, Iwangorod, Luninetz und Sewastopol. Jede Sappeur-Kompagnie zählt 5 Offiziere, lieutenant oder Hauptmann als Kommandeur , das Detachement,

worunter 1 Oberst130 Mann , 2 Pferde ;

einschliefslich 1 Hauptmann , 2 Offiziere, 35 Mann.

Bei der Mobilmachung stellt jede Kompagnie eine zweite auf, welche mit alleiniger Ausnahme derjenigen von Dünaburg , die nach Dünamünde abrückt, in ihrem bisherigen Standorte verbleibt. Andererseits stellen das 1. und 13. Feld - Sappeur - Bataillon noch je 1 Kompagnie für die Festungen Sweaborg und Bender, so dafs im Kriegsverhältnifs überhaupt 20 Festungs- Sappeur-Kompagnien vorhanden sind. Die Festungs-Sappeur- Stamm-Detachements

verstärken

sich auf

1½ Kompagnie. der

Den Seeminen-Kompagnien fällt die unterseeische Verteidigung betreffenden Hafenplätze zu . Die Kompagnien von Kronstadt,

Sweaborg, Sewastopol und Wladiwostok haben je 1 Oberstlieutenant, 6 Offiziere, 174 Mann, 2 Pferde, die 5 anderen dagegen nur je 1 Hauptmann, 5 Offiziere, 98 Mann, 2 Pferde im Etat. Die Flufsminen - Kompagnien haben einen Friedensstand von 1 Oberst oder Oberstlieutenant, 6 Offizieren und 250 Mann, denen bei der Mobilmachung nur 6 Mann des Trains hinzutreten . Ihre Aufgabe ist es, die das Aufmarschgebiet der russischen Armee umschliefsenden beiden Flüsse Weichsel und Narew im Frieden in Bezug auf die Instandhaltung ihrer Wasserstrafsen zu beaufsichtigen und die Stromverhältnisse gründlich zu erforschen . Im Kriege sollen sie sich dagegen an der Verteidigung dieser Wasserläufe durch Instandhaltung der Fähren und aller übrigen für die Truppen vorhandenen Übergangsmittel, event. auch durch Anlage von Stromsperren beteiligen . Neben einem reichhaltigen Kriegsmaterial, in dem selbst Dampf- und RuderFähren vertreten sind , verfügen sie über ein entsprechendes Übungsmaterial.

Die Festungs-Telegraphen- Stationen versehen im Frieden wie im Kriege den Dienst bei den elektrischen und optischen Telegraphenlinien, welche die Festungen mit den vorgeschobenen Werken , überhaupt mit allen sonstigen Stationen des Festungs - Rayons verbinden .

Die russischen Festungstruppen.

330

Es bestehen 3 verschiedene Formationen , welche sich nach Zahl der Stationen und Länge der Linien, die sie zu besetzen vermögen, unterscheiden. Es entsprechen

1. Die Stationen I. Kl. mit 4 Offizieren , 68 Mann, Leitungen von 64 bis 106 km Länge und 20 bis 30 Stationen. 2. Die Stationen II . Kl . mit 3 Offizieren, 81 Mann, Leitungen von 26 bis 64 km Länge und 15 bis 20 Stationen. 3. Die Stationen III. Klasse mit 2 Offizieren 29 Mann, Leitungen bis 26 km und weniger wie 10 Stationen . Von sämmtlichen russischen Festungen besitzen nur Warschau und Kowno Stationen I. Klasse, alle übrigen nur solche II. Klasse. Durch besonderen Etat ist für jede Station ein reichhaltiges Material sicher gestellt. Die Festungs - Luftschiffer - Abteilungen sind eine Errungenschaft der letzten Jahre. Die erste wurde im Jahre 1891 in Warschau, die nächste im folgenden Jahre in Ossowetz, die beiden andern 1893 in Nowo Georgiewsk und Iwangorod errichtet ,

doch beabsichtigt

man

nach Maſsgabe des Bedarfs und bereiter Mittel weitere Neuformationen folgen zu lassen. Jede Abteilung zählt im Frieden 1 Hauptmann , 2 Lieutenants 52 Mann, verstärkt sich bei der Mobilmachung auf 5 Offiziere 136 Mann und teilt sich zugleich in 3 selbstständige Stationen.

Die Luftschiffer-

Abteilungen ergänzen sich im Frieden aus 4 Monate gedienten Leuten der übrigen Truppenteile derselben Garnison, im Kriegsfalle aus der eigenen Reserve, oder , wo diese nicht ausreicht, durch Einstellung von Reservisten des Pionier-Korps. Alle Offiziere des Festungsstabes werden im Frieden im Beobachten vom Fesselballon aus ganz besonders ausgebildet, zugleich alljährlich eine bestimmte Zahl von Mannschaft anderer Waffen der Garnison auf 2 Monate zur Unterweisung in den Elementen des Luftschifferdienstes zu den Luftschiffer -Abteilungen kommandirt, um auf alle Fälle den nötigen Ersatz sicher zu stellen. Von dem jeder Festungs - Luftschiffer - Abteilung überwiesenen Material möge es genügen, an dieser Stelle nur anzuführen : 1. 6 Fesselballon -Hüllen zu je 640 Kbm. Fassungs-Vermögen. 2. 3 Ballon -Hüllen für freie Fahrt zu je 1000 Kbm. Fassungs-Vermögen. 3. 3 transportable Gasbehälter von Perkal zu je 250 Kbm. Fassungs -Vermögen. 4. 1 fahrbare Dampfwinde . 5. 2 Handwinden . 6. Die zur Bereitung von Hydrogengas nötigen Materialien, insbesondere auch 4 kupferne Dampfkessel .

Jeder

der

beiden

Ingenieur - Belagerungs - Parks

besteht

aus

4 Stationen, in denen das gesammte für eine Belagerung erforderliche

Die russischen Festungstruppen.

331

Material vertreten ist. Zu jedem Park gehört im Frieden 1 ParkKompagnie mit 2 Offizieren 30 Mann. Die Militär-Brieftauben- Stationen werden je nach der Zahl der Flugrichtungen , für welche sie , nach dem Satze von 200 Tauben für jede Flugrichtung, die nötige Taubenzahl besitzen, in 4 Klassen eingeteilt. Von den früher genannten Festungen besitzen 1. Brest-Litewsk eine Station I. Klasse mit der Verbindung nach Nowo Georgiewsk, Warschau , Iwangorod und Luninetz . 2. Warschan eine Station II . Klasse mit der Verbindung nach Nowo Georgiewsk, Brest Litewsk und Iwangorod. 3. Iwangorod eine Station Warschau und Brest-Litewsk.

III. Klasse

mit

Verbindung

4. Luninetz und Sewastopol Stationen IV. Klasse ,

nach

ersteres mit

Verbindungen nach Brest-Litewsk. Von letzterem Orte, wo die Station erst neuerdings eingerichtet wurde, ist noch nicht bekannt, wohin die Verbindung aufgenommen wurde. IV. Die Festungs - Gendarmerie und

Feuerwehr.

Die im Jahre 1887 organisirte Festungs - Gendarmerie versieht den militär-polizeilichen Dienst im Innern der Festung und innerhalb des Festungs-Rayons, soweit er der Jurisdiktion des Gouverneurs oder Kommandanten unterliegt (72 km über die Linie der detachirten Forts hinaus) ,

daneben aber

auch den

allgemeinen Dienst jeder

Gendarmerietruppe. Im Frieden ist sie den Gouverneuren der Festungen, in denen sie steht, aufserdem aber auch dem Kommando der Gendarmerie des betreffenden Gouvernements, dem die Festung angehört, unterstellt, im Kriege auschliefslich den ersteren. Ihre Stärke richtet sich nach der Bedeutung der Festung und steigt von 1 Offizier 4 Gendarmen der Festungen IV. Klasse bis zu 1 Offizier 26 Gendarmen 6 Pferden der Festungen I. Klasse. Die Festungs - Feuerwehr wurde erst nach und nach in den Jahren 1887 bis 91 in den Waffenplätzen Nowo Georgiewsk, BrestLitewsk, Iwangorod , Warschau, Dünaburg, Bobruisk, Bender, Sweaborg, Kowno, Ossowetz, Kiew, Kars und Michaelowsk errichtet. Ganz wie die Gendarmerie untersteht sie den Gouverneuren, bezw. dem Chef des Generalstabes des Platzes . Ihre Zahl schwankt in den verschiedenen Festungen zwischen 11 und 28 Mann. Die Brandmeister haben Offizierrang.

Schlufsbetrachtungen . Aus den vorstehenden Ausführungen über die Besatzung der russischen Festungen ergiebt sich, dafs die Verteidigung derselben in

Generalmajor Mafslowsky +.

332

personeller Richtung schon im Frieden so gründlich vorbereitet und organisirt ist, dafs alle Vorbedingungen für eine nachhaltige Verteidigung derselben im Ernstfalle erfüllt zu sein scheinen . Ganz besondere Beachtung verdienen vor allen Dingen : 1. Die uneingeschränkte Durchführung einer strengen Scheidung zwischen Feld- und Festungstruppen für den Friedens- wie für den Kriegszustand. 2. Die

Bereitstellung

von

Friedensstämmen

für

alle

Kriegs-

formationen in solcher Stärke , dafs der Gefechtswert der Truppe unter der Einstellung der Reserven schon bei Beginn eines Krieges 44. nicht allzu sehr geschädigt sein möchte.

XXIII .

Generalmajor Mafslowsky †.

Am 15. November starb, erst 46 Jahre alt, in St. Petersburg der Begründer einer neuen kriegsgeschichtlichen Schule in Rufsland, welche auf den Grundsätzen strenger, archivarischer Forschung ruhend, wie sie z. B. in der deutschen Kriegswissenschaft schon seit langem befolgt, in Rufsland einen entschiedenen Fortschritt bedeutete . Freilich mufste auch das Talent dieses geistvollen, gewissenhaften und unermüdlichen Forschers, sicherlich ohne Willen desselben, dem Streben jener Partei dienen, welche mit dem Schlachtrufe : „Rufsland für die Russen" alles wegwischen möchte, was Rufsland an Wissenschaft und Kultur dem „,faulen Westen " verdankt- und dies ist viel, sehr, sehr viel. Scheut sich doch ein Verehrer des Generals nicht auszusprechen , dafs ein besonderes Verdienst dieses gelehrten Soldaten die Beweisführung gewesen sei,,,dafs die Reformen Peter des Grofsen , welcher mit mächtiger Hand das russische Kriegswesen hob, nichts von den Feinden entlehnt hätten, sondern nur eine schnelle Entwickelung dessen gewesen wären, was schon von dem Vater und Grofsvater des grofsen Kaisers in's Auge gefafst war. " Mag nun Dmitrij Feodorowitsch Mafslowsky solchen oder ähnlichen Bestrebungen gehuldigt haben oder nicht, für den deutschen Beurteiler seines Lebens und seiner Arbeiten muſs in erster Linie die Anerkennung

der Gründlichkeit,

der Rastlosigkeit seines Schaffens stehen.

Dies

Generalmajor Mafslowsky †

333

zeichnet ihn mit Recht vor vielen kriegsgeschichtlichen Schriftstellern der früheren Zeiten russischer Litteratur aus. Dies wird dem für die Wissenschaft zu früh Dahingeschiedenen für alle Zeiten einen Ehrenplatz in der Geschichte derselben sichern.

Dies wird auch vergessen

lassen, dafs er zuweilen in jene oben erwähnte Richtung sich hineinziehen liefs .

Generalmajor D. F. Mafslowky war am 2. Oktober 1848 in Omsk als Sohn eines Brigade- Generals geboren . Er wurde im 1. Kadettenkorps, dann in der Pawlowskischen Kriegsschule erzogen und trat im Jahre 1866 als Lieutenant in das 4. Schützenbataillon. Bereits nach einem Jahre wurde er zur Artillerie versetzt ; 1870 aber zum Besuche des dreijährigen Kursus der Generalstabs-Akademie kommandirt. Hier soll in ihm die abstrakte Auffassung des kriegsgeschichtlichen Studiums Seitens seiner Lehrer und die Vernachlässigung der russischen Kriegsgeschichte im Verhältnifs zu derjenigen West-Europas, sowie der Bevorzugung der grofsen Heerführer desselben wie Karl XII . , Napoleons I. und Friedrich des Grofsen vor dem National-Russischen den Entschlufs zur Erschliefsung der Kriegsgeschichte seines Heeres haben reifen lassen. 1873 zum Adjutanten der 1. Grenadier- Division ernannt, in den folgenden Jahren in verschiedenen Stellungen im Generalstabe thätig, wurde er 1878 als Oberstlieutenant in den Stab des Moskauer Militärbezirks versetzt. Durch die ihm gleichzeitig übertragene Lehrerstelle der Taktik an der 3. Alexander Kriegs-Schule wurde er auf das Studium der russischen Kriegsgeschichte geführt, so dafs er, namentlich vom Jahre 1881 ab, seine freie Zeit den Forschungen im Moskauer Archive widmete . Die Frucht dieser Arbeiten war die Erkenntnifs von der Oberflächlichkeit und Unkenntnifs, mit welcher so viele, wenn nicht die meisten russischen Werke über die Kriegsgeschichte des eigenen Heeres verfasst waren . Das von ihnen in dieser Richtung aufgestellte Programm verlangte u. a . von dem kriegsgeschichtlichen Schriftsteller , dafs er möglichst zahlreiches bisher unbekanntes Material als Unterlage für seine Arbeiten aus den Archiven schöpfen müsse. Von der Verwaltung der letzteren forderte er aber, dafs sie nach allen Richtungen hin, besonders aber durch übersichtliche Gruppirung ihrer Schätze dem Geschichtsforscher seine Arbeit erleichtere. In dem auf Grund der so durchgeführten Forschungen entstandenen Werken verlangt er die Beigabe wichtiger geschichtlicher Beweisstücke und zahlreicher Quellenangaben . Mafslowsky wirkte in dieser Richtung durch Veröffentlichung von Katalogen über einzelne, für den Forscher besonders wichtige Teile

Generalmajor Mafslowsky +.

334

des Moskauer Archivs .

Dann schrieb er eine grofse Zahl von Werken

als „Materialien zur Geschichte der Kriegskunst in Rufsland " , welche das 18. Jahrhundert behandeln und von denen das erste 1887 in Moskau erschien und "7 das Bündnifs zwischen Rufsland und Österreich 1759 " behandelte, das letzte, die Operation gegen Otschakoff 1787 bis 89, " 1893 veröffentlicht wurde. Gleich zahlreich war die Reihe von Artikeln im „ Wajennüj Ssbornik " , welche alle kriegsgeschichtlichen Inhaltes auch das 18. Jahrhundert zum Vorwurfe hatten. In Deutschland am meisten bekannt, weil auch in unsere Sprache übersetzt, ist M.'s Geschichte des Anteiles der Russischen Armee am Siebenjährigen Kriege , welche er in 3 Bänden in der Zeit vom Jahre 1886 bis 1890 veröffentlichte. Es würde zu weit führen, hier auf den Inhalt dieses bedeutsamen, wenn auch nicht immer objektiv gehaltenen Werkes einzugehen. Es sei nur bemerkt, dafs die NicolaiGeneralstabs-Akademie M. in Folge dessen zu ihrem Professor erwählte und für ihn ein besonderer Lehrstuhl errichtet wurde der Geschichte der Entwicklung der Kriegskunst in Rufsland " .

Der Kaiser bewilligte

ihm eine besondere Geldprämie, die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften verlieh ihm das erste Stipendium des Metropoliten Makarij . In der Pariser Sorbonne wählte Professor Rambaud Masslowsky's Werke zum Gegenstand einer Reihe von Vorträgen . Und während dem unermüdlichen Forscher alle diese Ehren zu Teil wurden, fühlte er bereits

den Keim des Todes in sich und eilte mit fieberhafter

Thätigkeit, sein Werk über den Siebenjährigen Krieg zu Ende

zu

führen. In Folge seiner aufreibenden Arbeit, bei welcher er jede Rücksicht auf seine Gesundheit aufser Acht liefs , entwickelte sich in ihm ein unheilbares Leiden, über dessen Natur ihm die Ärzte bereits 1889 völlige Klarheit gegeben hatten.

Seine letzte gröfsere Arbeit,

den 2. Band seiner „ Denkschriften (Sapiski) zur Geschichte der Kriegsgeschichte Rufslands " burg 1894 vollendete Tage vor seinem Tode Akademie, welcher er fessor angehörte .

(no istorij russkoi wajennoi istorij . ) St. Peterser , schon mit dem Tode ringend. Bis wenige hielt er seine Vorlesungen in der Generalstabszuletzt als Generalmajor und ordentlicher Pro-

Ob General Masslowsky's Wirken von nachhaltigem Einfluss auf den Charakter der kriegsgeschichtlichen Litteratur Rufslands sein wird, mufs die Zukunft lehren . Wir sind fast versucht, zu glauben, daſs dies nur dann der Fall sein wird, wenn seine Schüler und Verehrer den Wert ihres Meisters in erster Linie in dem Beispiele desselben, was Gründlichkeit und Selbstständigkeit des Schaffens anlangt, und nicht in dem eigentlich ganz selbstverständlichen, wohl innig mit dem

Eine scharfe Ordre Friedrichs des Grofsen etc.

335

Letzterwähnten verbundenen Satze sehen, dass russische Kriegsgeschichte wesentlich nach russischen und nicht nach fremden Quellen 17. geschrieben werden müsse".

XXIV.

Eine scharfe Ordre Friedrichs des Grofsen aus dem Kriegsjahre 1762.

Gegen Ende des siebenjährigen Krieges machte sich ein grofser Mangel an tüchtigen Offizieren bei den preufsischen Regimentern bemerkbar. Der Nachwuchs genügte den Anforderungen , welche der König in Beziehung auf Dienstkenntnifs und Pflichterfüllung an seine Offiziere zu stellen berechtigt war, zum Teil sehr wenig. Dies gab die Veranlassung zu folgendem am 10. März 1762

an den Prinzen

Heinrich, Prinzen Eugen von Württemberg, sowie die Generäle Wied, Tauentzien und Schmettau ergangenen Befehl : „ Da Ich leider verschiedentlich wahrnehmen müssen, dafs Officiers , so gegen den Feind auf Posten commandiret oder gegen solchen ausgeschicket werden , durch Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit oder wohl gar durch eine sträfliche Trägheit im Dienste ihr Devoir schlechthin aus den Augen setzen, als ist Mein Wille, dafs alle Officiers von den Kürassiers, Dragonern und Husaren , die nicht allert auf denen Feldwachten , oder sich surpreniren lassen , dafs sie nicht mehr auf die Pferde zu kommen Zeit haben , oder ihnen der Feind in währendem Aufsitzen auf den Hals kommt, sofort von denen Commandos, wo sie hingehören, in Arrest genommen, nach ihren respectiven Regimentern geschicket und daselbst Kriegsrecht über sie gehalten werden solle. Sie müssen nach Ermessen der Umstände mit allem Rigueur bestraft und zu dem Ende mit viermonatlichem Festungsarrest, und dafs ihnen 6 Officiers, so jünger im Dienst, im Avancement vorgezogen werden sollen, condemniret werden.

Diejenigen Officiers , so die Patrouilles ,

wozu sie commandiret worden, in so ferne eine starke Übermacht des Feindes ihnen nicht im Wege , nicht mit dem gehörigen Diensteifer bewerkstellen und ausrichten, diese sollen mit eines Monats Gage bestrafet werden, auch keine Winterquartierbeneficia zu geniefsen haben ; geschiehet solches zum zweiten Male, so solle solche Officiers zu ihren

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

336

Regimentern geschicket und mit eines Monats Arrest beleget werden ; dahergegen solche, wann es zum dritten Male sich mit ihnen ereignen . möchte, ohne einigen Anstand cassiret werden sollen. Obiges ist in Ansehung der Feldwachten und Posten auch von denen Officiers bei der Infanterie wegen des in benannten Fällen zu haltenden Kriegsrechts und Nachsetzung im Avancement gleichergestalt zu verstehen. " (Polit. Schbg.

Corresp. Friedrich d . Gr. XXI. 284).

XXV.

Umschau auf militärtechnischem Gebiet .

Von Joseph Schott, Major a. D.

Handfeuerwaffen . Auf diesem Gebiet ist es die Hauptfrage, die Grenze zu finden, bis zu welcher man bei Kriegs gewehren mit dem Kaliber herabgehen kann. Als die Wahl des 6,5 mm Kalibers durch Italien bekannt wurde, war man allgemein durch das kühne Vorgehen überrascht. Doch nicht lange konnte man hierin die untere Grenze erblicken, denn schon ein Jahr später erfuhr man, wie die Versuchs-Kommission der nordamerikanischen Marine nicht der Ansicht war , sich bei dieser Grenze beruhigen zu dürfen, sondern für das 6 mm Kaliber sich ausWenn nicht alle Zeichen trügen , so wird man gesprochen hatte. auch diese Grenze noch überschreiten. In Österreich experimentirt man schon mehrere Jahre ernstlich mit Gewehren vom Kaliber 5 mm und man möchte fast versucht sein zu glauben, dafs bei der nächsten Entscheidung Am

wenigsten

dieses

Kaliber

möchten

wohl

als die

lebensfähig

erkannt

sein

wird.

vielfach betonten Fabrikations-

schwierigkeiten hier ein Hemmnifs sein , mehr wohl der hohe Gasdruck und die bedeutende relative Länge des Geschosses. Eine der ersten Autoritäten auf diesem Gebiet, Oberst Ritter v. Wuich in Wien, hat kürzlich auf das s . Zt. von General Wille so warm vertretene Wolfram - Metall als Geschofsmaterial hingewiesen und demselben eine wichtige Rolle in der Zukunft zugedacht. Es würde eine solche Wahl eben dem letzterwähnten Übelstand leicht abhelfen . Die Legende von der „Humanität " der kleinkalibrigen Gewehrgeschosse

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

337

ist gründlich zerstört und wird wohl ein Zweifel an der hinreichenden Verwundungskraft der 5 mm Geschosse nicht mehr in der Wahl beirren. Hinsichtlich der Bewaffnung der nordamerikanischen Land -Armee mit dem M/92 liegen uns zwei offizielle Schriften vor, ,, Notes on organization, armaments and military progress " von der ,,Military information division" des War Department und "" Annual report of the Chief of Ordnance to the secretary of war for the fiscal year ended June 30. 1894". Die erstere Schrift enthält eine Übersicht nebst Tabelle über die kleinkalibrigen Gewehre in Nord- und Süd-Amerika , Europa und Asien , auf die wir weiter unten noch zurückkommen werden. Nach dem „ Annual report" hat die Fabrikation der Gewehre in der Springfield - Gewehrfabrik am 1. Januar 1894 begonnen. Gegen Anfang Juni wurden 40 Gewehre per Tag fertig, bei Ausgabe des Berichts war man auf 60 gekommen und hoffte in einigen Monaten auf 80 zu steigen .

Bis

Ende September waren 2950 Gewehre fertig . Mehrfache Schwierigkeiten haben sich bei der Fabrikation ergeben, u. a wurden Änderungen an der Visirung und am Entladestock nötig.

Bei einigen zur Ausgabe

gelangten Gewehren ergaben sich Fehler an der Visirung und muſsten dieselben zurückgezogen werden. Die Bajonettscheiden versucht man in Aluminium herzustellen . Hinsichtlich des Stahls zu den Läufen ergaben sich keine Schwierigkeiten .

Die Anfertigung der Munition im

Frankford Arsenal unter Anwendung eines einheimischen rauchlosen Pulvers (Peyton , s. unten) hat im Mai begonnen und werden jetzt täglich 8000 scharfe Patronen fertig. Die Geschosse haben den Kern von Hartblei ( 87,5 % Blei, 12,5 % Zinn), der Mantel ist von Stahl mit Kupfernickel- Überzug.

Die Abmessungen des Gewehrs

und der Munition geben wir in einer weiter unten folgenden Tabelle. Nach " Army and Navy Journal " 12. 1. 95 soll bis Mai d . J. die gesammte Ausrüstung der Infanterie mit M/92 beendet sein. In der vorher angezogenen Übersicht ist ausgesprochen, dafs die nordamerikanische Marine von der Überlegenheit ihres 6 mm Gewehrs über alle Waffen gröfseren Kalibers überzeugt und nur darum an dieser Grenze stehen geblieben ist, weil ein noch kleineres Kaliber zu grofse Schwierigkeiten in der Herstellung der Läufe einschliefst. Man gedenkt, eine völlig rasante Bahn bis 725 Yards ( 662 m) zu erreichen. Aus den Notizen über die Bewaffnung in den verschiedenen Staaten heben wir hervor , dafs Mexiko , welches bisher ein 11 mm Remington- Gewehr führte , zunächst beabsichtigte , an diesem Verbesserungen anzubringen , dafs diese aber aufgegeben wurden und man zu Versuchen mit kleinkalibrigen Repetir- Gewehren geschritten

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

338

ist.

Unter diesen hat das vom Mexicanischen Artillerie-Major Manuel

Mondragon konstruirte 6,5 mm Gewehr den meisten Beifall gefunden. Man ist indefs noch im Zweifel, ob man in der Reduktion des Kalibers soweit gehen soll , und ist es möglich, daſs man sich für das 8 mm Gewehr entscheiden wird. Die Daten über das Mondragon- Gewehr , das von der Kommission empfohlen ist , geben wir in der Tabelle. Brasilien hat 65 000 Gewehre nach dem Muster des deuschen

Gewehrs 88 ,

Löwe u. Co. in Berlin ,

indefs vom Kaliber 7,5 mm teils

teils in Steyr bestellt.

bei

Peru und Chile

führen 8 mm Mannlicher-Gewehre, letztere Republik ist aber mit Versuchen behufs Annahme eines 7 oder 6,5 mm Gewehrs beschäftigt (v. Umschau Bd. 88) . Aus den Mitteilungen über Europäische Staaten sei zur Ergänzung früherer Berichte entnommen , daſs man in Serbien ein 7,2 mm Gewehr Koka- Milanovitch anzunehmen beabsichtigt.

Von

besonderem Interesse sind die Angaben über das Japanische 8 mm . Gewehr , die sich in der beifolgenden Tabelle finden. Die Norwegische Gewehr - Kommission hat die Annahme des 6,5 mm Repetir - Gewehrs nach Krag - Jörgensen endgültig beschlossen. Die Lade-Einrichtung stimmt bis auf geringe Einzelheiten mit derjenigen des dänischen Gewehrs M/89 überein. Das Gewehr wiegt 3,9916 kg, das Bajonett 0,298 kg, Gesammtgewicht 4,29 kg. Das Geschofs hat ein Gewicht von 9,92 g. Das Magazin nimmt

Gewehr

jahr

ohne

ohne Bajonett

N

m

mit

Bajonett kg kg

B

mm

Mexiko

4.

Japan

C

4,28 4,717 4,417 4,853 ein- 300 bis 2200 tei- Yards 274 lig bis 2012 m

7,62 1,247 1,547

M/93

6,00

Mondragon

M/93

6,5

3,68

3,74

3,89

3,95 einteilig

Murata

M/87

8

1,220 1,545 4,082

4,38

4.32

4,63 einteilig

-

25,4

6 165

1

3.

Visirung

M/92

1

NordAmerika, Marine

Bajonett kg kg

T

2.

modifiz. Krag-Jörgensen

mit

1

NordAmerika, Land-Armee

ohne

1

1.

gefüllt

mit Zahl

strukteur

leer

Dauf

Staat

Kaliber

Modell-

Zga Drall

Gewicht

Länge Kon-

4279 bis 2,5 miles = 4000 m

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

339

5 Patronen auf. Die Geschofsgeschwindigkeit ist 700 m. Die Kommission empfahl den Ankauf von 20 000 Stück im Auslande und die Herstellung von 4000 in der k. Gewehrfabrik Kongsberg.

Man wird damit die

Linien-Bataillone bewaffnen und das jetzige Jarman-Gewehr an die Reserve - Bataillone ausgeben ,

die ihrerseits erst das neue

erhalten, sobald 70 000 Stück davon fertig sind. geht dann an die Landwehr über.

Modell

Das Jarman- Gewehr

Die in letzter Umschau gemachten Angaben über das Niederländische Mannlicher - Gewehr von 6,5 mm ergänzen wir dahin, 1895 212 Mill. Gulden als

dafs für

1. Rate zur Anschaffung von

133 000 Gewehren und 6400 Karabinern gefordert werden (Gesammtkosten 9 Mill.)

Die bisherigen Ergebnisse haben befriedigt, auch in

Händen einheimischer Truppen in Indien . Ein Kommando von 2 Offizieren, 90 Mann, welche mit dem Versuchs-Gewehr ausgerüstet waren, wurden im Dezember 1892 nach Java und im folgenden Mai nach der Ostküste von Sumatra gesandt, wobei sich das Gewehr wohl bewährt hat.

Anfangsgeschwindigkeit

Über das Spanische Mauser - Gewehr M/93 meldet die „ Correspondencia de España " Folgendes (nach Rev. cercl. mil . 44). Das Haus Löwe hat bis 30. Juni 1895 32 600 Gewehre, 5000 Karabiner für die Halbinsel , 10 000 Gewehre , 5000 Karabiner für Kuba , 1200 Gewehre für Portorico zu liefern. Der Preis des Gewehrs ist 85 Frcs. , des Karabiners 77 Frcs. , 1000 Patronen 155 Fres . Für

mm

ung

Einzeln und Packet zu 5 Patronen

Rand 78,69 26,93

absolut

mm

g

Stahl 32,13 mit Kupfernickel, Hartblei

hung

Schaftmagazin für 8 Patronen

Gasdruck

Gewicht

Peyton, 2,79 Leonard bis 2,85

32,3

rauchlos 2,14 731,5

4,7

10

Rand 73,78 80,33 Kupfer, 30,475 Hartblei

3,81

15,42

Weissmetall, Hartblei

610

31,3

30,48

22

Atm.

14,25

8,75

Ein- 76,197 drehung

Ladung

4,2

I

Rahmen von 8 Patronen oder einzeln

qcm Q.qdpro uerschnitts

Kalibern in

absolut

-

dzug

Gewicht

Länge

42

Material

Gewicht

Länge

Lade-

Einrichtung

Geschofs

tung

37afsweng

des Art Treibmittels

EHülsen - inrich-

Patrone

30,14 rauchlos 2,5 (dtsch.)

30,7

720

2,33 564

2675

3500 bis 2675

2580

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

340

jedes von Löwe gelieferte Gewehr hat Spanien das Recht, 2½ Stück ohne besondere Abgabe zu fertigen . Die Einrichtung der Fabrik Oviedo soll Anfang Juli 1895 beendet sein.

Die Munition

soll in

Toledo gefertigt werden . In Oviedo sollen sich die Herstellungskosten für das Gewehr mit Bajonett auf 67,50 Frcs . , für den Karabiner auf 60 Frcs. , 1000 Patronen auf 100 Frcs. belaufen. Oviedo soll 17 000 Waffen im Jahr, Toledo 25 000 Patronen täglich herstellen können . Da Spanien 119 000 Gewehre und Karabiner für die Halbinsel braucht, ohne die 37 600 in Berlin bestellten zu rechnen, wird sich die Herstellung bis 1901 hinziehen. Versuche zum Ersatz der Läufe der 250 000 Remington- Gewehre durch Läufe von 7 mm nach Mauser sind im Gange. Die Umänderung würde gegen 20 Fres . pro Stück kosten. zufriedenstellend.

Die ersten Ergebnisse waren

Nach dem Bericht der „ Österreichischen WaffenfabrikGesellschaft" für 1893/4 hat dieselbe in den Jahren 1889 bis 92 es bis zur Herstellung von 13 000 Repetirgewehren pro Woche gebracht.

Die Fabrik hat in Steyr 14 und in Letten 8 grofse Werk-

gebäude mit Nebengebäuden, 129 Wohnhäuser mit 646 Wohnungen für insgesammt 3000 Personen. In den letzten 25 Jahren bewegte sich der Arbeiterstand zwischen 900 und 9700 Mann. Neben Stichwaffen, Läufen wurden 4 138 354 vollständige Gewehre nach 19 Modellen erzeugt und abgeliefert. In 1893/4 (Juli 1893 bis Ende Juni 1894) kamen 141 259 Gewehre zur Ablieferung . Die Erzeugung des kleinen Kalibers hat sich schwieriger gestaltet, als nach den in früheren Jahren getroffenen Vorbereitungen erwartet wurde ; die Anforderungen an die Exaktheit der neuen Waffe war so rigoros,

dafs

eine gröfsere Zahl von Spezialmaschinen beigestellt werden mufste und 150 105 fl. hierfür ausgelegt wurden .

Wegen des Stillstandes in

der Waffenerzeugung hat man die Herstellung von Fahrrädern übernommen. Im Lazaret von Nagasaki hat man an einem durch das oben erwähnte japanische Murata - Gewehr (8 mm Stahlmantelgeschofs) auf 1000 Yards Distanz am Knie verwundeten chinesischen Offizier die sehr destruktive Wirkung der neuen Geschosse beobachten können. Der Stahlmantel war zertrümmert und das ganze Gelenk eine Masse von Knochensplittern .

Das Bein mufste abgenommen werden.

Der Mifserfolg der Hebler'schen Hohlgeschosse. Mit den früher erwähnten Hohlgeschossen des Schweizer Professors Friedr. Wilh. Hebler sind seitens des Nordamerikanischen Kriegsdepartements im Frankford Arsenal Versuche unter vergleichsweiser

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

341

Heranziehung des Dienstgewehrs M/92 angestellt worden. Der Bericht verbreitet sich nur über das Stahlhohlgeschofs . Dasselbe hat gleiche Länge mit dem Normal - Geschofs M/92 ( 1,26 Zoll) und ebenso in dem kupfernen Führungsring gleiches Kaliber mit demselben, Gewicht 7 g. Die Höhlung hat etwa 30 mm Weite. Der Spiegel, welcher nur den Abschlufs der Pulvergase nach vorwärts vermitteln soll , ist aus vulkanisirter Faser gefertigt.

Hebler schätzte die zu er-

langende Geschwindigkeit auf 3000 Fufs gleich 914 m bei 2816 AtmoMan wandte rauchloses Pulver von Leonard, sphären Gasdruck. 42 Gran Ladung = 2,73 g an.

Das Normal-Gewehr benutzte Wetteren-

Pulver (37 Gran = 2,4 g) . Die Geschwindigkeit 53 m vor der Mündung betrug beim Normal-Geschofs 2028 Fufs 619 m, beim Hohlgeschofs 3006 Fufs = 916 m, Gasdruck 2700 bezw. 3238 Atmosphären . Der Streuungs-Radius auf 500 m war beim Normal-Geschofs 0,353 Fufs = 10,67 cm , beim Hohlgeschoss 1,31 Fufs = 40 cm. Das Hohlgeschofs steht also in der Trefffähigkeit ganz erheblich zurück. Es zeigte sich im weitern eine erheblich raschere Abnahme der Geschwindigkeit beim Hohlgeschofs ,

so

sank das Normal - Geschofs von 2021 Fufs an der

Mündung auf 2500 m bis 368, das Hohlgeschofs aber von 3108 an der Mündung auf 2500 m bis 364 Fuſs herab, auf 1500 und 2000 m war für letzteres nur noch eine geringe Überlegenheit, sodafs die prätendirte Abnahme

des

eine Täuschung bleibt.

Luft widerstandes

beim Hohlgeschofs

Die Geschofs-Energie, die an der Mündung

beim Hohlgeschofs 2331 , beim Normal-Geschofs 1996 Fufspfund beträgt, sinkt auf 1500 Fufs (457 m) bei ersterem bereits auf 603 herab, während sie bei letzterem noch 650 ausmacht. In trockenes Eichenholz auf 1 m von der Mündung drang das Hohlgeschofs 7 Zoll, Normal-Geschofs aber 16,5 Zoll ein.

das

Das Vorstehende ist dem offiziellen "" Annual report" (s. oben) entnommen. Die Vorteile des Hohlgeschosses bestehen hiernach in der Erleichterung der Munition - Patronen - Gewicht 296 Gran = 19,19 g gegen 412 Gran = 26,7 g beim Normal - Geschofs- und in der Verflachung der Bahn auf näheren Entfernungen, im übrigen tritt die Wirkung erheblich zurück, und die Suppositionen Hebler's bezüglich des Luftwiderstandes sind ganz windig . wir an den Versuchen in Österreich.

Das Weitere sehen

Das Österreichische Militär - Komité hat Versuche mit den Hohlgeschossen des Prof. Hebler angestellt , 12. Heft 1894 "

welche in 17 Mitteil . 11. ,

durch Hauptmann Adolf Weigner des 14. Divis.-

Regts . dargestellt sind. Bemerkt ist zunächst , dafs mit der hinteren Verjüngung des Geschosses bereits bei den Whitworth'schen Vorderladern sehr günstige Ergebnisse erzielt worden sind und dieselbe Form 23 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 3.

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

342

beim preussischen Langblei , wenn auch aus rein zufälligen Gründen , bestanden hat. Die axiale Höhlung ergiebt eine Gewichtsverminderung, aus welcher bei Anwendung derselben Ladung eine gröfsere

Ge-

schwindigkeit entspringt, dagegen nimmt die Querdichte ab, da gerade der am meisten belastete cylindrische Geschofsteil entfernt ist. Die gröfsere Anfangsgeschwindigkeit bei geringerer Querdichte bedingt auf kleineren Entfernungen eine Zunahme , auf gröfseren eine Abnahme der Bahnrasanz . So der Referent . Zu den Versuchen lieferte die Firma G. Roth in Wien Geschosse und Hülsen , als Treibmittel diente normales Gew.-P. M/92 . Da der Geschofsraum wegen der Spiegelführung bei der Patronenhülse länger werden mufs , so mussten die beiden zur Anwendung gekommenen Repetirgewehre M/88 . 90 entsprechend geändert werden. Die Spiegel wurden aus Neusilber gefertigt, da leichteres Material als nicht anwendbar sich ergab. Die Versuche erstreckten sich auf Ermittelung der Geschofsgeschwindigkeit , der Ordinaten der Bahn von 450 m und auf das Verhalten beim Eindringen in Rotbuchenholz. Die wichtigsten Konstruktionsdaten der zum Versuch gelangten Geschosse und die Ergebnisse sind in folgender Tabelle enthalten. Das Geschofs ad II war nach den in der Allg. Schweiz. Mil.-Z. Nr. 27 vom 8.

7. 1893

enthaltenen Angaben Hebler's

axiale Höhlung 3,2 mm weit , hinten bis 5,6 aussen Stahlmantel.

erweitert ,

ausgeführt, innen

und

Geschofs III hatte eine geschlossene Spitze , IV

statt der Führungswulst ein 2 mm breites Kupferband. V war Bei allen 4 Geschossen nach Hebler wog der äufserlich wie II. Spiegel 1,77 g. VI und VII ähnlich wie II geformt. Der Spiegel bei VI 1,30 g, bei VII 1,66 g . Länge der Patrone bei I bis V 76 mm, bei VI 85 , bei VII 74 mm. Die Geschofsgattung VI hatte wegen ihrer grofsen Länge, im Fluge nicht die nötige Stabilität. Der Bericht zieht nachstehende Folgerungen. Das Hohlgeschofs (II) hat vor dem gleichgeformten und belasteten Vollgeschofs (III) weder einen Vor- noch Nachteil in der Bahnrasanz , hinsichtlich des Durchschlagvermögens ist bei dem Hohlgeschofs das Verhalten ungünstiger als beim Vollgeschofs . Das leichte Hohlgeschofs (IV) – steht dem schweren ( II) selbst bei den kleinsten Stahlgeschofs Entfernungen und trotz der gröfseren Anfangsgeschwindigkeit nach. Der Einfluss der doppelten Verjüngung ist ein entschieden günstiger (Geschofs V und I) . Beim Hohlgeschofs ist dieselbe Flugbahnrasanz mit einer geringeren Ladung zu erzielen als beim Vollgeschofs , da zur

Erlangung

gleicher

Querdichte

beim

ersteren

ein geringeres

Gattung

Gröfster Durchmesser

desgl .

VI ogivales38 Doppelt StahlmantelHohlgeschofs

StahlmantelV Hohlgeschofs

23,7

8,35

15,8 8,35

607,1 2,75 0,225

200

67,2 553,8 105 2,75 0,299

54,7

2,75 8,3 0,167 668 7,5 31

Stahlhohl, geschofs Kupferführung

8,3 11,9 31

60,8

620 2,75 0,213 11,22

StahlmantelVollgeschofs

8,3 31

g

100

61,1

Ganze Länge

620 9,66 2,6 0,216

σ Gewicht

31 8,3 StahlmantelHohlgeschofs

15,8

Querdichte pro

60,7

8,2 31,8 8,2

mm

աահ 600 2,75 0,299

88

VII

V

III

II

8I❘ /8 M

mm

Geschofsgeschwindigkeit V 25 E

nach Hebler

Form

Pulverladung

Geschofs

120

| 300

111 115,8

108,4 93,1 108,6 104,2 69,3

92,5 70,5 104,2 108,4 107,4

74,5 102,6 121 121,5 113,5

500

9,66 121,7 131,5 127,8 105,6 65,2 637,2 2,75 0,183 93

124,7 115,1

cm

Mittel aus allen Ordinaten

118,6 82,7 122,4 118,7 95,8

350 400 Schritt 0m =,75

Entfernung der in von

Flughöhe cm in

;normal cm 52 Tiefe .98,97

)(Distanz Schritt 15

dabei Verhalten

Rotbuchenholz in

eforDTiefe ,13-20 cm 107,47 mation und Ablenkung .

acm ,252uf Geschofs 101,531 77,2 seitlich cm 10 abgeilenkt , ntakt mässig und platt . gedrückt

tarke s13-14 ;90,73 cm Tiefe 69,3 ,Ablenken Deformation .von Schufsrichtung 6 213Von cm eschossen G98,82 3.,das eingedrungen ;intakt cm ,H10 öhlung mit fest Holzspänen . ausgefüllt DTiefe , eforcm 12-15 mation Ablenkung .und

v12 , ollständig cm Tiefe 90,68 deformirt es V). 30,8 6(=

und

Eindringen

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

23*

343

344

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

Geschofsgewicht nötig ist als beim letzteren. Das schlankere , doppelt ogivale Vollgeschofs ist dem weniger schlanken überlegen (Vergleich von VII mit III und IV) .

Das Verhalten sämmtlicher doppelt

ogivalen Hohl- und Vollgeschosse beim Durchdringen von Holz ist ungünstiger als jenes der normalen Stahlmantelgeschosse (I) . In den Schlufsbemerkungen ist hervorgehoben , dafs das Abfliefsen der Luft durch die axiale Höhlung vermutlich keineswegs in der glatten Weise erfolgt , wie Hebler es sich vorstellt.

Es wird

keineswegs der beim Vollgeschofs auf die Spitze wirkende Luftwiderstand durch die axiale Höhlung beim Hohlgeschofs aufgehoben oder auch nur vermindert. Wir möchten hinzufügen , dafs sowohl Hebler als der Berichterstatter übersehen , wie die rotirenden Langgeschosse überhaupt keine Pfeilbewegung haben , d . i. nicht tangential zur Flugbahn sich bewegen, sondern um die Flugbahntangente pendeln, dafs also durch die Höhlung eher eine Stauung der verdrängten Luft, als ein erleichtertes Abfliefsen derselben eintritt.

Alle Konjekturen

über Enge und Weite der Höhlung sind daher gegenstandslos.

Nimmt

man dazu die komplizirte Gestalt des Hohlgeschosses und die schwierige Erzeugung , so würde selbst ein erheblicher mit der Höhlung verbundener Vorteil nicht in Kauf zu nehmen sein. Die durch Hebler nur übernommene hintere Verjüngung des Geschosses, so vorteilhaft sie an sich sein mag , verbietet sich durch die Einrichtung unserer Feuerrohre ; wer wollte wohl einen Spiegel von Neusilber oder Pappe in ernstliche Erwägung nehmen, mit allen Gefahren, die diese Führung hat ? Hebler mag sich mit diesem Succès d'estime" begnügen , daſs zwei ernstdenkende Institute auf seine Phantastereien hin noch Pulver verschwendet haben und - möge künftig schweigen, wennn er Nichts besseres mehr weifs . Er hat mit seinen Hohlgeschossen zum „ Humbug im Waffenwesen " , mit welchem Ehrentitel er einst ganz ernsthafte Vorschläge beehrte, einen sehr erheiternden Beitrag geliefert.

Schnellfeuer - Feldgeschütze . Die Würfel auf diesem Gebiet sind gefallen , Frankreich hat sich für ein 7,5 cm Geschütz der Art entschieden. Aber Frankreich ist es nicht allein , wo man so denkt , der italienische Kriegsminister Mocenni hatte dem Finanz-Ausschufs der Kammer schon im Frühjahr 1894 erklärt, dafs man sich sobald als möglich für eine Bewaffnung der gesammten Feld- und Berg-Artillerie mit dem Schnellfeuergeschütz entscheiden müsse , um den übrigen Heeren ebenbürtig zu bleiben , er beziffert sogar den Geldbedarf auf 48 bis 52 Millionen Lire . Diese in der Presse ganz unbeachtet gebliebene Äufserung läfst darauf schliefsen , dafs der Minister Grund hatte, eine baldige

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

345

Entscheidung der Art in andern Staaten zu erwarten. diesem

Ob Italien

tiefgefühlten Bedürfnifs " sobald nachgeben wird, steht dahin,

mancano i quattrini ! Hinsichtlich Frankreichs war schon im April v. J. etwas derartiges durchgesickert, v. Umschau Juni 1894. Mit der Neubesetzung des Artillerie-Komités im Nov. 1893 war die Sache in Flufs gekommen. Die „France militaire " vom November 1894 hat es sich nicht nehmen lassen, den Stand der Angelegenheit ans Tageslicht zu ziehen .

Man habe bereits die Privat-Industrie mit Aufträgen bedacht.

Ein Oberstlieut. Deport ,

Werkstatts-Direktor in Puteaux bei Paris,

giebt dem Geschütz den Namen. 7,5 cm Kaliber, Metallpatrone, ein Verschlufs , der sehr an Cockerill-Nordenfelt erinnert , Geschofs von 5 bis 6 kg sind Daten , welche kaum irren dürften . Das Weitere bleibt abzuwarten.

Vivat sequens!

Das Etablissement

Schneider & Co. in

Creusot hatte in

Chicago und Antwerpen eine 7,5 cm Schnellfeuer - Feldkanone ausgestellt, worüber wir im 92. Bande kurz berichtet hatten .

Nähere

Angaben finden sich in der Rev. d'artill. Dez. 1894 , denen wir das Folgende entnehmen.

Das Rohr hat eine Kernröhre, welche den Ver-

schlufs aufnimmt, einen Mantel auf der hintern Hälfte, 24 Züge, Enddrall 8 Grad, Schraubenverschlufs Patent Schneider , Schlagschlofs , Sicherheits-Vorrichtung. Munition : gewöhnliche Granate und Schrapnel, erstere mit Perkussions-, letztere mit Doppelzünder.

Die Laffete hat

eine hydraulische Bremse , eine Querleiste unterm Laffetenschwanz (bêche de crosse) und den Radschuh. Die Bremse ist besonderer Konstruktion, für selbstthätige Rückkehr in die Feuerstellung. Der Radschuh ist zum Gebrauch in der Bewegung und dient als Schufsbremse bei hartem Boden. Die Bremscylinder stehen mit dem Rohr durch schwalbenschwanzförmige Ansätze in Verbindung , sie bewegen sich mit dem Rohr in einem Gleitstück, an dem die beiden Achsschenkel befestigt sind ; die Bremsstangen mit Kolben sind in einem Gleitstück fest. Das Gleitstück liegt zwischen den Laffetenwänden und hat behufs Nehmens der Höhenrichtung eine Drehung in der Vertikalebene, wobei sich die geteilte Achse mitdreht. Bremscylinder liegt die Gegenfeder.

Unterhalb der beiden

Durch den

Rückstofs

gehen

Rohr und Bremscylinder in der Laufbahn des Gleitstücks zurück, die letzteren streifen sich über die Bremskolben hin und tritt die Flüssigkeit durch die Kanäle der letzteren von vorn nach hinten aus. Gleichzeitig wird die Verlauffeder gespannt. Ist die Rückwärts -Bewegung des Rohrs etc. beendet , so wird das Ganze durch die Feder wieder vorgeschnellt ; ein Puffer fängt das System beim Schlusse der Vorwärtsbewegung auf.

Das Rohr liegt nur 75 cm über dem Geschützstande .

Zahnbogenrichtmaschine mit Seitenkurbel für Höhenrichtung , Seiten-

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

346

richtung durch Drehung der Laffete . Die Protze nimmt 36 Patronen auf. Das Geschütz wird durch 1 Geschützführer , 3 Mann bedient , 2 Zuträger für Munition . Das Gewicht des Rohrs ist 355 kg , die Laffete wiegt mit Ausrüstung 615 kg. Elevationsfähigkeit +20 bis 5 Grad , Rücklauf des Rohrs 20 cm. Die Patrone wiegt 9 kg (Ladung 0,95 kg Pulver BN1 , Geschofs 6,5 kg) .

Das Gesammtgewicht des ausgerüsteten Ge-

schützes ist 1690 kg, Zuglast pro Pferd beim 6 spännigen Zug 282 , beim 4 spännigen 422 kg. Die Prüfung auf dem Schiefsplatz von Calais bezog sich auf ballistische Verhältnisse und Feuergeschwindigkeit . Das Präzisionsschiefsen fand auf 2, 3 und 4000 m statt.

Die mittlere Abweichung

in der Schufsweite betrug 17,7 , 18,7 , 22,7 m , nach der Seite 0,7, 1,7, 7,7 m. Auf jeder der 3 Entfernungen wurden 10 Schufs abgegeben ,

die gesammte Rückwärtsbewegung im lockeren Sandboden

betrug bei 10 Schufs 85 cm. Das Geschütz bot zu keinen Ausstellungen Anlaſs. -- Die Zeitdauer pro Schufs schwankte bei der betreffenden Prüfung zwischen

9 und

12 Sek.

Der gesammte Rücklauf nach

49 Schufs betrug 6 m. Auf einem mit

Schlacke beschütteten

Boden , darüber 15 cm

Sand, brauchte man zu 5 Schufs 55 Sek. , gesammter Rücklauf 3,9 m. Die Querleiste fafste nicht.

Auf demselben Boden hatte man den

Laffetenschwanz 20 cm tief eingegraben , die Zeitdauer für 5 Schufs betrug gleichfalls 55 Sek. , Rücklauf der Laffete fand nicht statt . Auf einem mittelharten Boden ohne Eingraben brauchte man zu 6 Schufs 62 Sek., gesammter Rücklauf 1,9 m. Über die neueren Feldgeschütz - Konstruktionen von Armstrong bringt die Riv. di artigl. e genio im November-Heft 1894 einen längeren Artikel . Es handelt sich um folgende 4 Geschütze : 1 ) 8,4 cm Schnellfeuerkanone auf Feldlaffete mit beschränktem Rücklauf, 2) 76 cm desgleichen auf Feldlaffete, 3) 12 cm Haubitze auf Feldlaffete mit beschränktem Rücklauf, 4) zerlegbare 8,4 cm BergHaubitze. Die Versuche fanden 1893 in Gegenwart der in England kommandirten Militär - Attachés statt . Die Geschütze sind auf Grund der Studien von Sir Andrew Noble konstruirt. Die 8,4 cm Schnellfeuerkanonen sollen alle den Erfordernissen entsprechen, welche heute von Feldgeschützen verlangt werden, als gehörige Geschofswirkung, grofse Feuergeschwindigkeit, wesentliche Beschränkung des Rücklaufs, grofse Beweglichkeit.

Das Rohr in Stahl

hat eine Kernröhre, welche im hinteren Teil von 3 Reifen umgeben ist. Der mittlere Reifen hat einen unteren Ansatz , mittelst dessen das Rohr auf dem Sattel der Laffete Führung erhält.

Dasselbe hat einen

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

347

verbesserten cylindro-konischen Schraubenverschlufs mit einer einzigen Bewegung .

Eine Sicherheitsvorrichtung verhindert das Abfeuern vor

dem vollständigen Schliefsen des Rohrs .

Die Patronenhülse hofft man

durch Anwendung des Aluminiums noch zu erleichtern.

Auf dem

bronzenen Sattel der Laffete, welcher mit Zapfen in den Wänden ruht, hat das Rohr eine begrenzte gleitende Bewegung in seiner Längenrichtung. Der Sattel bildet zugleich den Cylinder der hydraulischen Bremse, deren Kolben mit einem Ansatz am Bodenreifen des Rohrs in Verbindung steht.

Im Cylinder ist eine Feder eingelegt, welche bei

der Rückwärtsbewegung des Rohrs vorführt.

sich spannt und dasselbe wieder

Das Rohr gleitet etwa 33 cm zurück.

Unter der Achse ist

durch eine Gelenkstange eine Spatenklinge befestigt, welche man beim Schiefsen auf den Boden fallen läfst, eine Kette verbindet sie mit der Mitte der Laffetenwände. Hierdurch beim Rücklauf mitgenommen, gräbt sich die Klinge in den Boden ein und hemmt die Laffete. Bei Nichtgebrauch wird die Vorrichtung aufgehängt. Dieselbe erinnert an die Bêche d'essieu " französischer und anderer Konstruktionen . Die Seitenrichtung wird bei dieser Einrichtung nicht behindert und man hat zum Aufprotzen die Laffete nur etwas vorzubewegen, um die Vorrichtung vom Boden frei zu machen. ― Die sonst interessirenden Angaben zeigt die Tabelle . Die 7,6 cm Schnellfeuerkanone ist eine Modifikation des reglementarischen Zwölfpfünders und soll den Gebrauch des schwarzen Pulvers und des Cordits neben einander ermöglichen .

Das Rohr ist

bis zur Mündung bereift und 58 mm länger als der Zwölfpfünder, auch 50 kg schwerer, doch ist durch Erleichterung der Laffete und Protze das Gesammtgewicht geblieben.

Das Rohr hat den konischen

Schraubenverschlufs von Elswick mit 3 Bewegungen ; man wendet Metallkartuschen an. Die Laffete hat eine Nabenreibungs - Bremse, auf hartem glatten Boden beträgt der Rücklauf etwa 2 m. Im weiteren siehe die Tabelle. Die 12 cm Feld - Haubitze hat den gewöhnlichen Liderungsring von de Bange. Die Laffete hat die beiden Vorrichtungen zur Ermäfsigung des Rücklaufs wie 1), aufserdem eine selbstthätige Radbremse für den Fall harten Bodens. V. w. Tabelle. Die 8,4 cm Berg - Haubitze hat ein in 2 Teile zerlegbares Stahlrohr, welche durch den Zapfenring mit einander verschraubt werden . Zur Rücklaufsbeschränkung hat die Laffete eine Seilbremse. Zum Transport der Teile dienen pro Geschütz 5 Maultiere, deren jedes noch 6 Schufs trägt. V. w. Tabelle. Bei

einer Vorführung der 8,4 cm Schnellfeuerkanone auf nach-

giebigem Boden drang die

Spatenklinge beim 1. Schufs völlig in

Umschau auf militärtechnischem Gebiet .

348

denselben ein, Rücklauf 75 cm, bei weiteren 5 Schufs variirte der Rücklauf zwischen 18 und 39 cm.

Bei den folgenden 4 Schufs betrug der

ganze zurückgelegte Raum 60 cm . Auf hartem Boden ohne jene Vorrichtung schwankte der Rücklauf zwischen 4,9 und 5,2 m. Bei der 12 cm Haubitze war der Rücklauf auf nachgiebigem Boden beim

Minute der in Schufs Anfangsgeschwindig-

1. Schufs mit Spaten (dieser hatte mehr die Form einer zweizinkigen

N

cm

0,511 Cordit 7,6 2,403 31,5 406 5,67 0.56 Cordit 12 1,596 13,3 504 | 20,4 0,68 Cordit

Protze in Schufs

Total Ausmit rüstung

Laffete

Protze

Schrapnel im Kugeln

Stücke

keit

- ranate GSegment

Stahlgranate

Gewöhnliche Granate

kg

ausgerüstet kg kg

10 494 0,411 0,766 220 100 508 870 1746

6

10 613 0,283 0,68 180 98 530 914 1850 36 -

300

1,8

1,9 278 162 726 952 2182 12

366 0,411 0,766 220 100 188 1

4 Berg-Hau- 8,4 1,466 27,5 185 6,8 0,68 bitze Pebble

Gewicht

353

3 Feld-Hau. bitze

kg kg

8,4 1,935 23,1 368 6,8

Geschofsladung

E

E

1 Schnellf.Kanone 2 desgl.

Gewicht

Kaliber

art

Kalibern in

Länge Geschütz-

Ladungsgewicht

Rohr

Geschofsgewicht

Gabel) 96 cm, beim 2. 40 und beim 3. , wo auch der Laffetenschwanz sich eingrub, 28 cm. An anderer Stelle, wo man letzteres verhinderte, war er beim 1. Schufs 92 cm und sank bis zum 5. Schufs auf 11 cm.

Sonstige Schnellfeuergeschütze. Die von der Gesellschaft John

Cockerill ( Seraing) fabrizirte

und in Antwerpen ausgestellte 57 mm Schnellfeuerkanone in hydraulischer Schiffslaffete M/1892 der Gesellschaft Nordenfelt (Paris) findet in der " Revue de l'armée belge" (Juli-August 1894) eine nähere Beschreibung, der wir das Nachfolgende über dies interessante Geschütz entnehmen ; das französische Kriegs- und das MarineMinisterium haben das Recht der Fabrikation dieses Systems für ihre staatlichen Anstalten erworben . Das Rohr aus Martin- Siemensstahl hat ein Kernrohr und einen Mantel.

Beim Rücklauf bewegt es

sich , ähnlich wie bei den Krupp'schen Wiege-Laffeten, in einem mit den Drehzapfen versehenen Überrohr, das in der Pivotgabel der Laffete ruht. Mit diesem ist der Bremscylinder in einem Stück hergestellt. Das Rohr hat den Schraubenverschlufs in der Weise, dafs die Gewinde des Bodenstücks ohne Unterbrechung bleiben , diejenigen des Verschlufsstücks haben nur auf einem kleinen Teil der Oberfläche eine solche und dasselbe bleibt beim Öffnen in seinem Lager. Die Achse der Schraube ist excentrisch zur Achse des Rohrs. Die Laffete hat Mittel-

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

349

pivot und dreht sich frei in einem Sattel, der auf dem Schiffsdeck verbolzt ist. Der Verschlufs des Rohrs besteht aus 4 Teilen : der Verschlufsschraube, dem Hebel mit dem Schlage-Apparat, dem Abzug mit seinem Riegel, dem Auszieher . Alle Bewegungen, um den Verschluſs zu öffnen, das Schlofs zu spannen, die Hülse auszuziehen , geschehen mittels des Hebels, der sich in einer zur Rohrachse senkrechten Ebene bewegt. Das Vorführen der eingelegten Patronen und das Schliefsen erfolgt durch die umgekehrte Bewegung des Hebels. Das System der excentrischen Schraube bietet die denkbar gröfste Sicherheit gegen Zufälligkeiten, die Gewinde der Schraube verlassen niemals diejenigen des Bodenstücks und der Schlagbolzen kann die Zündung nicht erreichen, bezw. der Abzug nicht funktioniren, wenn der Verschlufs nicht vollständig bewirkt ist . Die Verschlufsschraube tritt niemals aus dem Rohr heraus und ist von der einfachsten Einrichtung .

Es sind nur 2 Federn Schlag- und Abzugsfeder vorhanden. Die Hauptteile der Laffete sind : das Überrohr mit dem Richtbogen, die Drehzapfen, die hydraulische Bremse mit der Vorlauffeder, ein Pistolenkolben mit der Abzugsstange , der Richthebel mit dem Schulterstück, 2 Bremshebel für Höhen- bezw. Seitenrichtung, eine Schraube mit Kurbel für die Höhenrichtung, die eigentliche Laffete in Gabelform , der Sattel, welcher das Pivot aufnimmt und am Deck befestigt ist. Das Geschütz ist für einen Gasdruck von 2200 Atmosphären konstruirt.

Bei den Proben in der Geschützgiefserei zu Lüttich hat es

2960 Atmosphären ausgehalten,

ohne die mindeste Veränderung, in

andern Fällen bis 3700 und 4300.

An gleicher Stelle ermittelte man

mit einem Rohr L/36 bei 0,525 kg Schwarzpulver 438 m Geschwindigkeit, bei 0,250 kg rauchlosem Pulver 564 m (mit 2067 Atm. Gasdruck), bei 0,3 kg rauchlosem Pulver anderer Form 604 m (mit 2220 Atm. Gasdruck). Die 57 mm Kanone L/46 der schwedischen Marine ergiebt bei 0,345 kg Ladung rauchlosen Pulvers 644 m Geschwindigkeit mit 2150 Atm . Gasdruck.

Hinsichtlich der Feuergeschwindigkeit ergaben

sich bei Proben verschiedener Zeitpunkte 36 Schufs per Minute im Mittel. Die Schufstafel

ist

Geschofsgewicht 2,72 kg,

für die 57 mm

Schnellfeuerkanone L/46 ,

Ladung 0,345 kg,

Geschofsgeschwindigkeit

644 m aufgestellt. Die Eindringungstiefe in Schmiedeeisen beträgt an der Mündung 13 cm , auf 1000 m 8,4 , auf 2000 m 5,8 , auf 3000 m 4,6, auf 4000 m 3,8 cm . Nachfolgende Tabelle enthält einige Angaben über die verschiedenen Kaliber der Schnellfeuerkanonen mit excentrischem Schrauben - Verschlufs.

Umschau auf militärtech nischem Gebiet.

350

140 mm 120 mm 100 mm 65 mm

57 mm

47 mm

37 mm

in mm in Kalib. in Kalib.

138,6 46 48

Rohrgewicht m. Verschlufs, kg Totalgewicht des Geschützes, kg Länge des Rücklaufs . . cm Gewicht der Patronenhülse , kg Gewicht der Ladung . • kg Gewicht des Geschosses , kg Anfangsgeschwindigkeit . . m

Bezeichnung der Geschütze Kaliber Seelenlänge Ganze Rohrlänge

4546

120 46 48 2920

100 50 52,20 1900

65 50 52,7 538

57 46 48,4 333

47 46 49 220

37 46 48,4 73

9400 40

6250 30

6,45 4 30 700

3,17 3 21 720

4800 25 2,4 2 14 720

828 1290 15 18 1,59 0,78 0,58 0,345 4 2,72 700 644

652 10 0,54 0,19 1,5 600

278 8 0,25 0,08 0,75 600

Für die englische Marine ist ein neues 4zölliges Schnellfeuergeschütz angenommen ( 10,16 cm). Das Rohr ist 41 Kaliber lang, Gewicht 1321 kg, Ladung 1,7 kg Cordit, Geschofs 11,34 kg. Das Geschütz soll für die neuen Korvetten in Anwendung kommen . Die Zwölfpfünder Schnellfeuerkanonen (7,62 cm) bilden einen erheblichen Teil der Neben-Armirung für die neuen Schlachtschiffe und Kreuzer. Das Rohr wiegt 609,7 kg, ist 3,124 m lang ( 41 Kaliber) und erhält eine Ladung von 0,637 kg, Geschofs 5,67 kg. Die Torpedojäger sind schon mit dem Geschütz bewaffnet. Der leichte Zwölfpfünder für Boots- und Landdienst wiegt im Rohr nur 406 kg , Länge 1,83 m, Ladung 0,383 kg Cordit. Auf den Elswick -Werken von Armstrong hat man neuerdings eine 20 cm Schnellfeuerkanone L/40 konstruirt , welche 4 Schufs in der Minute abzugeben vermag . - Das gröfste Kaliber der Art war bisher 16 cm gewesen . Kavallerie - Geschütze .

der

In der September-Umschau ( 92. Band, S. 351 ) war kurz des von Gesellschaft John Cockerill ausgestellten Kavallerie-

Geschützes von 47 mm gedacht.

Die „Rev. de l'armée belge"

Sept.-Okt. 1894 enthält eine eingehende Darstellung, der wir das Folgende entnehmen. Das Geschütz ist eine Mantelkanone mit durchbrochener Verschluſsschraube, die Durchbrechung ist eine doppelte. Der Verschlufs besteht aus der Schraube , der Verschlufsthür, dem Hebel, der Schlofsvorrichtung, dem Auszieher. Die Seele ist 24 Kaliber, das Rohr 26,1 Kaliber lang, es hat 12 Züge von progressivem Drall (3 bis 6 Grad, die letzten 51½ Kaliber gleichmäfsig).

Das Rohr mit Verschlufs wiegt 60 kg.

Die Laffete

aus Stahl in einfacher Wand-Konstruktion ist zerlegbar, sie bildet 2 Traglasten , Wände mit Verbindungsstücke und Richtvorrichtung gleichfalls

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

351

60 kg schwer, die eine , Achse und Räder 62 kg die andere .

Jedes der 3

für Rohr und Laffete notwendigen Pferde trägt noch 2 lederne Munitionstaschen mit je 4 Patronen, Gewicht zusammen 20 kg, sodafs die gesammte Last mit Beschirrung eines Pferdes 94 kg nicht übersteigt. Das 4. Pferd trägt 30 Patronen in Aluminium - Kasten als ErsatzMunition . Jedes der 3 zum Geschütz gehörigen Pferde wird durch einen Reiter geführt, der noch 4 Patronen (statt des Karabiners) trägt, ebenso der Geschützführer, sodafs unmittelbar 40 Patronen zur Verfügung stehen und die Ersatz -Munition der Eskadron nur in seltenen Fällen zu folgen braucht. Zur Bedienung soll ein einzelner Mann genügen. Ein Ersatz der Feldartillerie ist durch das Geschütz nicht beabsichtigt ,

es

ist

demselben

eine Ergänzung jener in Fällen

grofser Bewegungs - Geschwindigkeit oder in schwierigem Gelände zugedacht. Die gewöhnliche Granate wiegt 1,5 kg und hat 0,06 kg Sprengladung, die Kartätsche mit 114 Hartbleikugeln wiegt 2 kg . Die Ladung von Schwarzpulver ( 4 à 8 mm) ist 250 g, von rauchlosem 105 g,

das Totalgewicht der Patrone ist mit Granate 2,08 kg, mit

Kartusche 2,58 kg. 410 m.

Die Geschofsgeschwindigkeit beträgt 370 bezw.

Geschütze gewöhnlicher Einrichtung. Nach dem „ Annual report " fanden in Nord-Amerika Versuche mit drei verschiedenen Drahtgeschützen statt : 5zöllige SegmentDrahtkanone von Brown *), 10zöllige Drahtkanone von Woodbridge und 10zöllige von Crozier. Erstere ist Spannungen bis 6000 Atm . ausgesetzt gewesen, bei demselben kamen Risse vor; Woodbridge hat sich ganz ungeeignet erwiesen.

Crozier ist erst im Beginn der Versuche

und hat Spannungen bis 3300 Atm. ausgehalten.

Die Versuche mit

Drahtkanonen sind seit 1876 im Gange, man hofft zu einem endgültigen Urteil über den Wert dersellen im Vergleich mit Ringgeschützen zu gelangen.

Im Versuch ist ferner ein 12zölliger Mörser ; es fanden

*) Das Woodbridge-Rohr besteht aus einer Kernröhre, welche der Länge nach mit gewalzten Stahlstäben überkleidet ist, darüber liegt die Umwicklung mit Draht von 4 kantigem Querschnitt. Bei Brown älterer Konstruktion ist die Kernröhre von einer Schicht von 72 länglichen Stahlsegmenten bedeckt, darüber der Draht von 1,8 mm Stärke. Am Bodenteil sind 29 Schichten Draht in einer Dicke von 51 mm, nach der Mündung findet eine Abnahme statt. Bei einer späteren Konstruktion ist die Zahl der Stäbe auf 12 reduzirt, Material Chromstahl, am Bodenteil 33, an der Mündung 10 Schichten, Gesammtlänge des Drahts 50 km, Gewicht 1477 kg. Crozier hat ein etwas starkes Kernrohr von geschmiedetem Stahl, das von hinten bis vorn mit Draht umlegt ist, der Mantel mit Verschlufsstück und der Schildzapfenring sind über die Umwicklungen geschoben.

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

352

Pulverversuche statt bei 8, 10 und 11zölligen Küsten - Hinterladern, Versuche mit verschiedenen Laffeten-Konstruktionen , sowie mit pneumatischen Dynamit- Geschützen . Über Versuche mit 6pfündigen Schnellfeuergeschützen (Kaliber 5,7 cm) ist das vorige Mal berichtet, mit 12 cm stehen solche in Aussicht, es werden Konstruktionen von Hotchkiss ,

Armstrong ,

Creusot ,

Canet vorkommen .

Bei den 3,2 zölligen

Feldkanonen versucht man Verschluſssysteme für Metallkartuschen, eins von Driggs-Schröder, ein anderes von Gerdom. Es finden Untersuchungen statt, um behufs Gewichts - Verminderung Hülsen von Aluminium-Legirung anzuwenden. Von Maschinengeschützen waren 10läufige Gatlings vom Gewehrkaliber mit rauchlosem Pulver, 2läufige Robertson's und Gardners im Versuch. Die

schwedischen Feldbatterien

Munitions -Ausrüstung.

erhalten eine veränderte

Bisher hatte die fahrende Batterie (8 cm

M/81 ) 490 Schrapnels, 370 Granaten, 28 Kartätschen, die Zahl der Schrapnels wird vermehrt auf 700, der Granaten vermindert auf 160, Gesammtzahl wie bisher 888. Die reitende Batterie (7 cm) kommt von 636 Schrapnels auf 936 , die Granaten werden von 444 auf 144 vermindert, Kartätschen 42 wie bisher, desgl. Gesammtzahl 1122.

Von

Brisanz-Granaten hat man Abstand genommen, da bei der leichten Bauart der Gehöfte in Schweden zur Zerstörung gewöhnliche Granaten hinreichen . Der Gebrauch gegen gedeckte Ziele erscheint aufserordentlich zweifelhaft, da Fehler im Aufsatz und in der Brennzeit der Zünder hier sehr in Betracht kommen . Schrapnels werden für ausreichend erachtet. Die gewöhnlichen Granaten sind aufser gegen tote Ziele auch zum eventuellen Einschiefsen beibehalten,

da ihre Ladung von 220 g der Be-

obachtung mehr zu Gute kommt, als die Ladung von 60 bezw. 90 der Schrapnels.

(Rev. c. m. 23. XII . 94.) Schiefspulver.

Das in Österreich - Ungarn jetzt verwendete Gewehrpulver M/92 ist Scheibchenpulver ; es hat einen dem M/90 (Körnerpulver) gegenüber wesentlich verminderten Gasdruck (2900 gegen 35000 Atmosphären). Zu den Versuchen behufs Feststellung eines neuen Gewehr-Modells hatte man in Nord -Amerika sich eines rauchlosen Pulvers aus Europa bedient. Die Lieferung für die Munitions -Anfertigung im Grofsen haben zwei amerikanische Fabriken übernommen : CaliforniaPulverwerk (Peyton) und Leonard - Gesellschaft für rauchloses Pulver in New-York. Jede der beiden Fabriken erhielt zunächst 5000 Pfund in Bestellung. Peyton hat bereits im Sommer abgeliefert und einen weiteren Auftrag von 10 000 Pfund erhalten . Bei Leonard

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

lagen bisher noch Schwierigkeiten vor. Gewehr - Pulvers haben

353

Gegen 25 Sorten rauchlosen

sich bisher in Prüfung befunden.

An Geschwindigkeit werden 2000 Fufs = 610 m gefordert, mit einer zulässigen Differenz von 20 m. Der höchste Gasdruck ist 2675 Atmosphären. Es haben vielfache Proben in Bezug auf Beständigkeit stattgefunden, sowohl gegenüber Feuchtigkeit als Hitze und Kälte . Man ging bis +150 und 40 Grad Fahrenheit. Man prüfte dann auch die ätzende Wirkung beim Stahl und beim Hülsenmaterial, die Bildung von Rückstand, Anwendung der Maschinen beim Laden, Dichtigkeit, Körnung, Verbrennungs -Temperatur , Erhitzung des Laufs bei Schnellfeuer. 25 Schüsse mit Peyton-Pulver in 6412 Sek. abgegeben, steigerte die Temperatur des Laufs von 89 auf 196 Grad F. Die VerbrennungsTemperatur des Peyton-Pulvers ergab sich wie folgt : bei 285 bis 289 Grad kochte die Substanz ohne zu explodiren, bei 293 explodirte sie nach 58 Sek. , bei 338 nach 24, bei 392 nach 14 Sek. Alle Körner kochten vor der Explosion etwas auf. Peyton- und Leonard- Pulver *) wurden , als Nitroglyzerin enthaltend, im Gegensatz zu den reinen Schiefswollpulvern von Troisdorf, Wetteren, Walsrode und Rifleite, hinsichtlich Einwirkung der Sonne , Rosterzeugung (ätzende Wirkung) beim Abbrennen auf polirten Stahlplatten, sowie des Einflusses auf das Hülsenmaterial bei der Lagerung geprüft. Der Sonne gegenüber ergaben die Nitroglyzerin - Pulver den gröfsten Gewichtsverlust und zeigte die gröfste Ausschwitzung und Änderung in Farbe und Beschaffenheit des Korns. Auf Stahl hatten die Schiefswoll-Pulver mehr Effekt, besonders wenn der Rückstand

einige Zeit darauf verblieb. Man hat das rauchlose Pulver beim älteren Gewehr von 11,43 cm (Springfield) in Vergleich mit dem Schwarz-Pulver gestellt, indefs bis jezt keine ausgesprochene Überlegenheit des ersteren konstatirt, welche einen Ersatz des letzteren angezeigt erscheinen liefse . Die Prüfung eines besonderen Pulvers für Kleinkaliber von Köln - Rottweil , welches keinerlei Beeinträchtigung des Laufs im Gefolge hat, soll demnächst erfolgen. Versuche zur Ermittlung geeigneter rauchloser Pulverarten für Geschütze sind im Gange und stehen weitere bevor. Beim 3,2 zölligen Feldgeschütz verlangt man 1450 Fuſs Geschwindigkeit (442m) für ein Geschofs von 7,6 kg bei höchstens 2100 Atmosphären Druck. Für die 5zöll . Belagerungs-Kanone bleibt es bei 1830 Fufs (558 m), für die 7zöll . Haubitze bei 1085 Fuſs (330 m).

Für die 8- und die 10 zöll.

Küstenkanone sollen die Geschwindigkeiten nicht unter 610 m sein, man erstrebt aber eine möglichst grofse Steigerung derselben. *) Leonard-Pulver soll nach anderen Quellen 150 Teile Nitroglyzerin, 50 Schiefswollpulver, 10 Bärlappenmehl, 4 Harnstoff enthalten und soll als Lösungsmittel Essigäther dienen.

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

354

Panzer. Im Verfolg unserer Mitteilungen über die österreichische Panzer- Industrie (nach Armee- Blatt 38 , v. Umschau Dez. 1894) entnehmen wir derselben Quelle (Nr. 1 von 1895) das Nachfolgende . Die Witkowitzer Werke haben bereits die Aufmerksamkeit der russischen Marine -Verwaltung erweckt , welche eine Kommission unter Führung eines Admirals zur Orientirung über die Leistungsfähigkeit der Werke entsandt hat und die letzteren aufforderte, dem kommenden Ausschreiben zum Angebot von Panzerungen für russische Kriegsschiffe nachzukommen.

Nach dem grofsen Erfolg der nach Harvey's Ver-

fahren hergestellten Panzerplatten in Amerika 1892/93 , entschlofs sich die dortige Regierung, ihren enormen Panzerbedarf nur durch derartige Platten zu decken. Dem Beispiele folgten England, Rufsland, Österreich und neuerdings Deutschland . Witkowitz sah sich gezwungen, der Aufforderung der öst. Marine- Sektion folgend, auch zur HarveyMethode überzugehen . Ein amerikanischer Ingenieur leitete die Erzeugung der Probeplatten, welche beim Beschiefsen keine ungünstigen, aber auch keine ermunternden Ergebnisse lieferten .

Die Verwaltung

zog es daher vor, der weiteren Entwicklung der homogenen Nickelstahlplatte ohne Behandlung nach Harvey ihre Aufmerksamkeit zu Deutschland hatte seine 4 grofsen Panzerschiffe des schenken. Flottenbauplans von 1889/90 mit Nickelpanzer bekleidet . Das im Bau befindliche Panzerschiff „Ersatz Preufsen " wird nach dem Marine-Etat für 1895/96 Harvey - Panzer erhalten, welcher ausdrücklich als „bedeutend teuerer" bezeichnet wird. Das Gesammt-Erfordernifs steigert sich von 12 bis 122 Millionen Mark bei den 4 ersten Panzern, auf 13 940 000 bei ,, Ersatz Preufsen", welcher auch noch einige sonstige Verbesserungen erhält. Den homogenen Nickelstahlplatten von Witkowitz schreibt nun der Referent des Armee-Blattes als Vorzug vor den Harvey- Platten zu, dafs letztere bei fast allen Proben Risse erhalten haben, erstere aber nicht das geringste Auftreten von Rissen zeigen.

Der Widerstand des Materials ist bei der Harvey-Platte im

ersten Moment an der Härteschicht am gröfsten und nimmt nach Durchdringen derselben trotz der Kompression im weichen Material ab.

Bei den homogenen Nickelstahlplatten ist der Widerstand am

Anfang geringer, steigert sich aber durch die Kompression gegen das Ende der Geschofswirkung. Dazu kommt bei ersteren die Sprödigkeit der Härteschichten , die beim raschen Abschrecken im Wasser oder Öl Risse und Spannungen

erhält, die sich beim Schiessen im Zer-

springen der Platte äussern. Mit der homogenen Nickelstahlplatte glaubt Referent jetzt das Beste in der Panzerung erreicht. Als Ersatz

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

355

für 50 cm dicke alte Platten nimmt man jetzt nur mehr 27 cm dicke aus Witkowitzer Nickelstahl.

Hinsichtlich der in letzter Umschau (Nr. 279. S. 365) erwähnten verbesserten russischen Stahlgeschosse heifst es . sie sollen an der Spitze eine Kappe tragen , welche gegen das Zerschellen sichert. Ein derartiges Geschofs

mit Kappe aus weichem Stahl ist auf Anlafs der englischen Admiralität bei der Firma Firth in Portsmouth erzeugt worden und soll demnächst an Bord des Versuchsschiffs ,, Nettle" in

Portsmouth erprobt werden (Mitteil . 1894. XI.) .

aus dem Gebiet des Seewesens

Sonstiges . In Nord -Amerika wurde ein unterseeisches Torpedoboot , Konstruktion des Ingenieurs Hotland, angenommeu. Es kann als gewöhnliches Fahrzeug laufen, nach Belieben unter Wasser tauchen und sich bis zu einer Tiefe von 21 m bewegen, ebensowohl durch Dampf, als durch Elektrizität . Es hat die Form einer Cigarre, Länge 24 m, gröfster Durchmesser 3,30 m. 2 Maschinen von 500 Pferden bewegen jede eine Schraube, Geschwindigkeit 16 Knoten, die unter Wasser je nach der Tiefe zu 15-8 Knoten herabsinkt. In diesem Falle ist Elektrizität der Motor. Die aufgespeicherte Elektrizität erlaubt durch 16 Stunden 8 Knoten Geschwindigkeit ; ebenso reicht der Kohlenvorrat für 16 Stunden Dampf hin. Das Fahrzeug soll auch einen Steuer-Apparat haben, der ihm erlaubt, sich im Wasser nach einem bestimmten Punkt zu dirigiren.

XXVI. Umschau in der Militär - Litteratur.

I. Ausländische Zeitschriften . Organ der militär- wissenschaftlichen Vereine. XLIX . Bd . 5. Heft: Taktische Aufgaben mit Gegenseitigkeit. Von Infanterie- Offizieren im Freien durchgeführt im Frühjahr 1894. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und GenieWesens. 1895. 1. Heft. Weitere Beiträge zur elementaren Theorie Die provisorische Befestigung des Gabelverfahrens (Oberst Wuich). (Oberstlt. Leithner).

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Umschau in der Militär- Litteratur.

Armeeblatt. ( Österreich.) 14. Jahrgang. Nr . 1 : Harvey oder Witkowitzer Nickelstahl-Panzerplatten ? (Den letzteren wird der erste Preis zugesprochen .) — Flufsübergänge der Kavallerie. Nr . 2 : Die neue Urlaubsvorschrift. Das russische Repetirgewehr. Nr. 3 : Unser Zukunftsgewehr. Die Verwundung durch die Projektile des Kleinkalibergewehrs . Nr. 4 : Die Artillerie-Ingenieure und die Artillerie-Zeugbeamten. Nr. 5 : Nochmals Die Einnahme von Port Arthur. das Zukunftsgewehr. Militär - Zeitung. (Österreich.) 50. Jahrgang. Nr. 1 : Das Felddienstspiel. Nr. 2 : Unsere Soldatengräber. - Neuorganisation der russischen Sappeurtruppen. Nr. 3: Unsere Soldatengräber (Schlufs). Nr. 4 : Taktik und Felddienstaufgaben (Besprechung). Die Italiener in Afrika. — Marschall Canrobert †. Die Reichswehr. ( Österreich .) Nr. 716 : Das russische Gewehr. — Die türkische Marine (Schlufs). Abfälliges Urteil über dieselbe : „ Kein Schiff der sogenannten Escadre ist seetüchtig " - Die jüngste Armeereform in Italien. Nr. 719 : Eine erhabene That. (Bezieht sich auf die vor 40 Jahren vollzogene Einführung des Militärstrafgesetzes, sowie die damalige Verheifsung, doch nicht zur That gewordene Regelung des Militär- Strafverfahrens . Kleinkaliber und Verwundungsfrage. Nr. 720 : Jetzt und Einst. (Behandelt Pflege des Geistes der Offiziere ; die Form überwuchere zu oft den Geist.) Nr. 721 : Die Reorganisation des Artillerie-Zeugswesens . Nr. 722 : Vorsichtsmafsregeln im Wie in der k. u . k. Kriegsmarine gespart wird. Gebrauche won Telegraph und Telephon im Felde. Nr. 723 : Das neue Sensationsgewehr. Das Expeditionskorps gegen Madagascar . Nr . 724: Der Albrechts - Fonds als Jubilar (besteht jetzt 25 Jahre und hat in dieser Zeit 29 581 Vorschüsse im Gesammtbetrage von 5234 Millionen Gulden ausgegeben zinsenfrei ; eine höchst beachtenswerte Leistung. Der Fonds bedeutet die Errettung vieler Offiziere vor dem Wucher und dem Untergange !! ) Nr. 725: Über die aus den technischen Neuerungen sich ergebende Taktik des Artilleriekampfes zur See. Nr. 726 : Zu unseren ersten KavallerieKämpfen. (Behandelt die ersten Kämpfe der Aufklärungs-Kavallerie im Zukunftskriege. --— Individualität und Schema. - Das rumänische und das serbische Offizierkorps . Nr. 727 : Ein Stück ,, Gloire ". (Bezieht sich auf Wie in der k. u. k. Kriegsden verstorbenen Marschall Canrobert.) marine gespart wird . II. Journal des sciences militaires. ( Januuar 1895.) GefechtsStrategie, von General Lewal . — „ Dernier Effort" (Forts .). — Chinesisches : Der Krieg Japans gegen China und seine voraussichtlichen Folgen . Allgemeine Grundsätze über Feldzugspläne (Forts .). Der Feldzug 1814 Über Geheimzeichen- Schrift. (Forts .) . Le Spectateur militaire. (15. Dezember 1894. ) Die „ Bourcets" und ihre Bedeutung in den alpinen Kriegen . (Die ,, Bourcets" sind eine Militär-Familie, deren Mitglieder sich in mehreren Generationen durch ihre Thaten und Schriften um die Verteidigung der französischen Alpengrenzen verdient gemacht haben.) Die grofsen Manöver des IX. und XI. Korps 1894. Der 4. und letzte Band der Memoiren von Constant (Bespr.) . --

Umschau in der Militär- Litteratur.

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Die ,,Alte Armee". (1. Januar 1895.) Jahresschlufs und Wünsche. Die Bourcets " etc. (Forts.). - Die grofsen Manöver des XIV. und XI. Das Fort Lesbèh und die Befestigungen von Korps 1894 (Schlufs). Die ,,Alte Armee", Grundlage Damiette. Die Ostarmee 1870-71 . ihrer Organisation . Revue de Cavalerie. ( Dezember 1894. ) Briefe eines Kavalleristen (Forts.) : Ausbildung und Vorbereitung für die Mobilmachung. -— Die Verstärkungen der Kavallerie und Remonten bei der Grofsen Armee 1806 bis 1807 (Schlufs). Kavallerie gegen Kavallerie : Vom Sicherheitsdienste . Noch einige Worte über das Überschreiten von Flüssen. - Kavalleristische Ausbildung in möglichst kurzer Zeit. Ein Karoussel am österreichischen Hofe. ( Januar 1895. ) Das Wirken des General Gallifet (Rückblick auf seine Thätigkeit) . — Die italienische Kavallerie (Forts ) . · Die strategische Aufgabe der Kavallerie 1870/71.- Einberufung zweier Reserve-KavallerieRegimenter (Forts.). Die Gangarten des Pferdes, entwickelt an der Versuchs -Methode. - Das Boussolen- Doppelfernrohr des Lieutenant Geraud. Revue d'Artillerie. ( Januar 1895.) Die Artillerie in der Seeschlacht am Yalu . Panzerplatten und Geschosse (Stand der Frage im Januar 1895). - Verteilung der Dehnungen bei Metallen, die grofsen Kraftproben unterworfen sind (Forts .) . - Krupp'sches Geschütz auf der Weltausstellung in Chicago. Revue militaire universelle. Nr. 34 : Das Offizierkorps der bedeutenden europäischen Armeen (Schlufs ) . - ,,Le Morvan" (Forts. ). - Die Expedition gegen Sardinien und der Feldzug in Corsica (Forts .) . — Anmerkung über das Militär - Schlachthaus in Verdun. - Die Touat- Frage (Forts.). Nr. 35 : Die Bewaffnung der Zukunft : Wo wird man einhalten ? Le Morvan" (Forts.) . - Die Expedition gegen Sardinien (Forts.) Anmerkungen über das Militär- Schlachthaus in Verdun (Forts .) . Die TouatFrage (Schlufs). Revue du cercle militaire. Nr. 1 : Die Reserve-Kavallerieregimenter und die gestellten Pferde (bespricht die zum Teil mangelnde militärische Brauchbarkeit der letzteren). Der Kürafs Loris und das DaudetauGewehr. Nr. 2 : Die Ausbildungs- Pelotons bei der Artillerie. Nr. 3 : Die Photographie auf weite Entfernung . Der Krieg gegen die Tuaregs. Die Ausbildungs- Pelotons (Schlufs). - General la Motte Rouge ; seine Erinnerungen und Feldzüge. Nr. 4 : Die Photographie etc. (Forts .). — Der Krieg gegen die Tuaregs ( Schlufs) . Nr . 5 : Sicherungs - Apparat, um eine vorzeitige Entzündung (bei den Geschützen des System Bange) zu hindern . Die Kavallerie gegenüber den neuen Feuerwaffen . - Die Photographie etc. (Forts .) . L'Avenir militaire.

Nr. 1959 : Die Armeen am 1. Januar 1895 . -

Schnellfeuerkanone System Schneider, Modell 1893. Nr. 1960 : Die Grund. lagen der Armee (soziale Aufgabe des Offiziers). - Vergleich des Einkommens des deutschen und französischen Unteroffiziers (letzterer kostet dem Staate fast doppelt soviel als der erstere). Nr. 1961 : Degradation militaire. (Die Vorgänge bei der Degradirung des Kapitän Dreyfufs werden Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 94, 3. 24

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Umschau in der Militär - Litteratur.

in zum Teil abfalligem Sinne besprochen). Nr. 1962 : Die General -Inspektionen. (Eine der „,nützlichsten" Einrichtungen der französischen Armee). Nr. 1963 : Die Unteroffizierschulen in Deutschland und Frankreich. Nr. 1964 : Revision der Militär- Strafprozefsordnung ; letztere wird als reformbedürftig bezeichnet . Nr. 1965 : Die Kriegs -Akademie (L'École supérieure de guerre). Anknüpfend an den ,,Fall Dreyfufs" , werden die Mängel dieser MilitärBildungsanstalten besprochen. Nr. 1966 : Herbstmanöver; verschiedene Wünsche bezüglich derselben. - Die (Schiffs) Neubauten in Frankreich Die Disziplin bei Beginn des Jahres 1895. Nr. 1967 : Gefechtstaktik. in den Armeen. Nr. 1968 : Marschall Canrobert (Nekrolog) . -- Die Reorganisation der Territorial - Armee. Le Progrès militaire. Nr. 1479 : Das Jahr 1894 ; heeresgeschichtlicher Rückblick . Nr. 1481 : Die Einberufung des Kontingentes. Die Rekruten werden in Zukunft direkt zu ihren Regimentern stofsen, mit Ausnahme derjenigen in Algier (werden nicht mehr in den RekrutirungsBureaus eingekleidet , untersucht und in Detachements formirt werden, was erhebliche Zeitersparnif's bedeutet). Nr. 1482 : Die Lieutenants der Kavallerie. (Ungleichmäfsigkeiten in der Beförderung zum Kapitän , Bevorzugung von Ordonnanz - Offizieren und Zöglingen der Reitschule von Saumur). Nr. 1484 : Das Dekret über die Beförderung vom 13. Januar (abfällig beurteilt). Nr. 1485 : Die Artillerie und die anderen Waffen. Nr. 1486 : Der Krieg in Afrika. (Auszug aus der Wifsmann'schen Broschüre, die in anerkennender Weise besprochen wird ). Nr. 1487 : Der Kriegsminister (General Zurlinden wird sympathisch begrüfst, sein Vorgänger, General Mercier, habe manche ,,bedauerliche" Mafsregel getroffen). Nr. 1488 : Die taktischen Einheiten beim Manöver. (Werden als zu klein bezeichnet, Einziehung von Reserven nach deutschem Vorbilde sei empfehlenswert). La France militaire. Nr. 3213 : Die Verteidigung der Küsten. Nr. 3214 : Das Korps von Madagascar. Nr. 3215 : Frankreich und Deutschland. III. Vergleich des Budgets. Nr. 3219 : Gesetzentwurf, betreffend Einführung der zweijährigen Dienstzeit, vorgelegt von General Jung und 175 andern Abgeordneten der Kammer. Die Motive betonen die Ungleichmäfsigkeiten des jetzigen Gesetzes. Nach dem Entwurf soll die Verpflichtung gleichmäfsig für alle sein. Für Studirende ist Gestellungs - Aufschub zulässig. Der aktive Dienst dauert zwei Jahre für Alle, in der Reserve 23 Jahre. Die höchsten Nummern können vom Minister zur Disposition beurlaubt werden, ihre Einberufung ist jederzeit zulässig . Leute, welche weder lesen noch schreiben können, dürfen im 3. Jahre zurückgehalten werden. Dies ist das Wichtigste . Wo ist aber die Gleichmässigkeit ? Nr. 3228 : Canrobert. Der Kaiser Wilhelm. Nr. 3231 : Die alten Offiziere haben zahlreich der Aufforderung, im Kriege wieder einzutreten, entsprochen. Nr. 3332 : Seien wir wachsam ! Betrifft die Grenzbesatzung . La Belgique militaire. Nr. 1238 : Besitzergreifung des Kongostaates durch Belgien . Eindringungstafel der Geschosse der neuen Handfeuerwaffen (aus dem ,,Cosmos" entnommen). Nr. 1239 : Die Militärpensionen in Deutschland. - Das 75 mm Geschütz des Creusot. Nr. 1240 : Beför-

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derung in der Infanterie. Nr. 1241 : Die Kehrseite einer Milizarmee. ( Bezieht sich auf die Broschüre ,,Disziplin oder Abrüstung“). Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (Dezember 1894. ) Die Kämpfe um den St. Gotthard im Jahre 1799. Zur Fufsbekleidungsfrage. - Der französische Feldzug in Dahomey. Extra beilage : Beitrag zur Geschichte der Schweizer Infanterie : Die Entwickelung der leichten Infanterie (Forts. ) . (Januar 1895.) Der militärische Vorunterricht. Manöver gegen markirten Feind und Manöver mit Gegenseitigkeit. Extrabeilage : Beitrag zur Geschichte der Schweizer Infanterie (Forts. ) . Revue militaire suisse. (Januar 1895. ) Die Schiefskurse bei der Infanterie. - Die Gebirgsartillerie 1894. Gesundheitspflege und Ernährung des Pferdes im Felde. Beilage : Durchschnittliche Schiefsergebnisse 1894 bei den Schiefsübungen der Artillerie- Schiefsschulen und Kurse . Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Dezember 1894.) Die Wirkung der Feldgeschütze 1815-1892 . Bei deutschen Manövern (Schlufs) . -Meldereiter . Über die Thätigkeit der Schiedsrichter gegenüber der Feldartillerie bei den Manövern . Abzeichen und Farben der Pferde . Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 1 : Einheit im Militärwesen. - Militärisches aus Italien . Nr. 2 : Warum fällt der mit dem schufssicheren Panzer versehene Mann nicht um , wenn das Geschofs den Panzer trifft ? - Infanterie und Artillerie in den Armeen der Schweiz und ihrer Nachbarstaaten. Nr. 3 : Die französische Expedition gegen Madagaskar. Nr. 4 : Die Kriegslage in China. Nr. 5 : Militärischer Bericht aus dem deutschen Reiche. Army and Navy Gazette. Nr. 1820 : Die Lunnagh- Manöver. Der offizielle Bericht über die letzten Manöver in Irland wird mitgeteilt. Die Marschfähigkeit der Infanterie, die Thätigkeit der Radfahrer und der Schiedsrichter werden anerkannt. Die Verpflegung der Truppen geschah zum ersten Male von Dublin aus auf dem grofsen Land-Kanal. - Die Geldverpflegung der Armee. Besprechung der beabsichtigten vollständigen Umänderung des Geldverpflegungswesens für die Armee. Der Turgin'sche Exterminateur. Charakteristik der Turgin'schen Erfindung mit Nachweis, dafs dieselbe für Kriegszwecke nicht zu verwenden . ist. Nr. 1821 : Die Manöver in Aldershot. Bericht des Herzogs von Connaught über die letzten Manöver. Die Schiedsrichter im Manöver. Ein Vortrag, der die allgemeinen Grundsätze für die Thätigkeit der Schiedsrichter behandelt, und die Vorschriften, die für diese in Deutschland, Frankreich und Rufsland gegeben sind, mitteilt. Nr. 1822 : Theoretische Winterarbeiten. Es wird empfohlen, nach dem Beispiel der deutschen Armee wissenschaftliche Ausarbeitungen durch die jüngeren Offiziere anfertigen zu lassen , um dadurch zum Studium der Kriegsgeschichte anzuregen. Nr. 1823 : Zur Beurteilung unserer Kavallerie. Schildert die mangelhafte Ausbildung der Kavallerie in Folge der Unterkunft derselben in kleinen Garnisonen. Nr. 1824 : Das verflossene 24*

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militärische Jahr. Ein Rückblick auf die im Jahre 1894 eingetretenen China und Japan. organisatorischen Neuerungen des englischen Heeres. Enthält Kriegsberichte und militär- geographische Schilderung von ForUltima Ratio . Eine vergleichende Statistik der Einwohnerzahl mosa. europäischen Grofsmächte . Die Schwäche besonders, weil in den Kriegen der Zukunft Englands Reichtum keinen entscheidenden Die leichte Marine - Infanterie. Geschichte der im Jahre 1664 errichteten Truppe. - Das englische Kolonialreich und seine Verteidigung. Es wird berechnet, dafs die englischen Kolonien nicht annähernd so viel zur Landesverteidigung beitragen wie das Mutterland . Nr. 1825 : Die Indische Armee - Reorganisation. Besprechung der nunmehr vollendeten Reorganisation, nach der die Rassen und Nationalitäten in der indischen Armee in Distrikten streng geschieden, aber in der Hand des Höchstkommandirenden vereinigt sind. Madagaskar. Allgemeine Betrachtung über die dortige Kriegsführung. Die Armee der Vereinigten Staaten Nordamerikas. Die Armee hat durch die Errichtung der dritten Bataillone der Infanterie-Regimenter Die Verteidigung Australiens eine wesentliche Änderung erfahren. eines Krieges gegen Frankreich Berücksichtigung besonderer unter wird und Rufsland betrachtet.

und der Stärke der Heere der Englands wird daraus gefolgert, die lange Dauer derselben und Einflufs mehr haben werden.

Journal of the United Service Instistution of India.

Nr. 118 :

Ungleiche Verhältnisse im Kriege . Unter dem Titel „, On facing odds" wird ein Vortrag des Oberst Neville mitgeteilt, in dem derselbe aus der Kriegsgeschichte des englischen Heeres, von dem 14. Jahrhundert bis zur Jetztzeit, Beispiele anführt, wo die Engländer unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen Krieg führen mufsten , und dennoch den Erfolg für sich hatten. Er folgert daraus, dafs auch jetzt noch England einen Krieg mit einer europäischen Macht führen könne, wenn bei der numerischen Schwäche durch bessere Einzel- Ausbildung von Offizieren und Mannschaften eine Überlegenheit erzielt würde . -- Flöfse aus unvorbereitetem Material. Behandelt das Überschreiten von Flüssen durch die Kavallerie, unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Indien. Als Material sollen nur Stricke und wasserdichte Stoffe (Trinkeimer, Zeltbahnen etc. ) verwendet werden. Der französisch - österreichische Krieg vom 29. April bis 4. Juni 1859. Der Inhalt ist vorzugsweise den Briefen des Prinzen Kraft von Hohenlohe über Strategie entnommen. -Munitionsersatz im Felde. Enthält allgemeine Grundsätze für Patronen - Ersatz der Infanterie und eine Lehrmethode, nach der dieses im Frieden geübt werden kann. Russischer Invalide. Verordnungen , Befehle , kleine militärische Nachrichten . Nr. 274 : Bei der 7. Brigade des Kavallerie- Ersatzes wird ein neues Kadre zu drei Abteilungen gebildet. Da für die augenblicklich bestehenden Kavallerie- Regimenter die entsprechenden Ersatz-Kadres bereits vorhanden waren, so deutet oben erwähnte Mafsnahme darauf hin, dafs eine Vermehrung der aktiven Kavallerie - Truppenteile in Aussicht

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genommen ist. Nr. 279 : Beim Don-Kasaken- Heere ist am 1. Januar 1895 eine neue selbstständige Ssotnie - Nr. 4 formirt worden ; diese 4 im Frieden vorhandenen selbstständigen Ssotnien (Nr. 1-3 wurden vor 2 Jahren formirt) scheinen im Kriegsfalle für den Lokaldienst ausersehen zu sein. Das 2. Fest. - Art.- Bat. Wyborg wird nach Libau, das 2. Fest .- Art.- Bat. Dwinsk nach Kowno (als 3. Bat. ) verlegt. Nr. 284 : Trotzdem bereits vor 34 Jahren die Wischstricke zum Reinigen der Gewehre abgeschafft worden sind, werden sie dennoch vielfach von den Truppen benutzt , in Folge dessen sich Erweiterungen der Laufbohrung an der Mündung zeigen ; der Kriegsminister bringt daher nochmals in Erinnerung, dafs die Wischstricke unter keinen Umständen mehr benutzt werden dürfen . 1895. Nr. 2 : Übersicht der Staats - Einnahmen und Ausgaben für 1895. Die Ausgaben für das Kriegsministerium sind auf 271 161313 Rubel (gegen 276 Millionen 1894) veranschlagt, darunter für Umbewaffnung der Armee 25 Millionen Rubel (1894 34 Mill .) ; die Ausgaben für das Marine - Ministerium betragen 55 Millionen Rubel, davon 19 Millionen für Schiffsbau, 3 400 000 für Ausbau des Libauer Hafens, 6 000 000 für See-Artillerie und Minenwesen. Für den Bau der sibirischen Bahn sind 52 Millionen Rubel, für den Bau anderer Eisenbahnen 42 Millionen vorgesetzt. Nr. 4 : Durch die Neuformation der Ingenieur- Truppen sind bekanntlich sämmtliche SappeurBataillone zu drei Sappeur- und 1 Telegraphen - Kompagnie formirt worden ; nur die beiden Kaukasischen Sappeur- Bataillone hatten bisher 4 SappeurKompagnien behalten ; von jedem der beiden Bataillone ist nunmehr je 1 Kompagnie nach Kars und Batum versetzt worden, woselbst ihre Umwandlung in Festungs - Sappeur - Kompagnien stattfindet. - GeneralLieutenant Manykin - Newstrujew, Kommandeur der 3. Grenadier- Division, ist gestorben ; derselbe hatte sich 1877/78 als Stabschef des Grenadier- Korps vielfach ausgezeichnet, namentlich bei Plewna und dem Übergange der Grenadiere über den Balkan. Gröfsere Aufsätze. Nr. 282 : Der Platz der reitenden Artillerie vor dem Auffahren in Stellung beim Zusammenwirken mit Kavallerie. Wajennüj Ssbornik . 1895. Januar. Das Eriwan- Detachement im Feldzuge 1877/78 . (Das neuntägige Zurückweichen des Detachements von Dramdagh bis nach Igdyr. ) XIV. Mit einem Plan. Die Organisation der Heere. (Aus dem 2. Teile des Werkes : „Ergänzung und Organisation der Streitkräfte .) - Unsere Reglements. - Der Mechanismus des zerstreuten Gefechts . Die Strategie der Kavallerie . II . Der Platz der Artillerie unter den anderen Waffengattungen . Einige Worte über die Bekleidung und das Schuhzeug des Soldaten. Die Pflichten des Truppen- Offiziers aufserhalb des eigentlichen Front-Dienstes. - Die Stabs- Offiziere des Generalstabes bei den Stäben der Reserve-Infanterie- Brigaden . - Die Erbauung einer Strafse über das Altai - Gebirge . Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 219 :

Die Pallast - Grenadiere. Erlasse in den Militär- Bezirken . (Ein Befehl des kommandirenden Generals des XII . Armeekorps erinnert die zur Entlassung kommenden Mannschaften an ihre Pflichten der Obrigkeit gegenüber. Ein Erlafs des

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Kommandirenden des Warschauer-Militärbezirks fordert zu durchdacht anDie gelegten, mit Märschen verbundenen Übungen im Gelände auf.) Zeitrechnung im Truppen - Verkehr. Die Hunde im Dienste der GrenzWache. Die Tigerjagd eines Jagdkommandos des 5. turkestanischen Linien-Bataillons. Die Kasaken-Offiziere des Beurlaubtenstandes. Nr. 220 : Erlasse in den Militär-Bezirken.

Nekrolog des russischen Militär- Schrift-stellers Generalmajors Mafslowsky. Die Zeitrechnung im TruppenVerkehr. - Die Tigerjagd eines Jagdkommamdos des 5. turkestanischen Linien-Bataillons . Nr. 221 : Nekrolog des Generals Mafslowsky. - Die Auffindung eines russischen Pontons auf dem Boden des Flufsbettes der Donau. Die Schlacht bei Pultawa und die zum Andenken an dieselbe gestifteten Denkmäler. Nr. 222 : Biographie des General-Feldmarschalls Gurko nebst Bild. Das zweite englische Dragoner-Regiment (Royal Scots Greys) mit Bild . Nr. 223 : Die japanische Garde- Infanterie mit Bild. Die Verbindung Frankreichs mit Rufsland auf aeronautischem Wege . Rivista militare Italiana. 1. Januar. Die Ernährung des Soldaten. Die Einnahme von Susa 1690 (Schlufs) . Rivista di artiglieria e genio. (Italien.) Dezember. Über die Erhaltung des Materials bei den Feld - Artillerie- Regimentern . - Fortifikation und Genietruppen auf dem Schachtfelde und in Einschliefsungslinien. Esercito Italiano . Nr . 151 : Gesetz betreffend den Stand der Unteroffiziere und die Kapitulationen . Nr . 1 ( 1895 ) : Gesetz betreffend den Stand der Unteroffiziere und die Kapitulationen. (Das neue Gesetz bringt durchgreifende Neuerungen, namentlich bezüglich der Zeit, auf welche die Kapitulationen einzugehen sind, die Dienstprämien, die Soldzulagen und die Zivilversorgung, die aufhört, ein Recht der länger dienenden Unteroffiziere zu sein und eine Gnade des Staates wird .) Nr. 3 : Die Streitkräfte in der Kolonie Eritrea. Nr. 5 : Die Disziplinarstrafen für Offiziere. Der Aufstand des Bati Agos und seine Ursachen. Zusammensetzung des Heeres nach Jahrgängen. Nr. 6 : Die Rekrutirung des Heeres und der Marine. (Motivirung des neuen Rekrutirungsgesetzentwurfs durch den Kriegsminister, die hier zunächst die Vorgeschichte des Entwurfs behandelt.) Revista cientifico -militar. ( Spanien . ) Nr. 24 : Die Manöver und der Gesundheitsdienst. Untersuchung über das Patronat der h. Barbara über die Artilleristen . Vorschriften für Befestigungs - Arbeiten im Felde . (Deutsches Regl. vom 6. 4. 1893) (Forts .) . Nr. 1 : ( 1895) Marokko (Forts. ). Parteigängerkrieg, seine Geschichte (Forts.) . Memorial de Ingenieros del Ejercito. ( Spanien . ) Nr. XII : Das spanische Mauser-Gewehr (7 mm Kaliber, 3,9 kg Gewicht ohne Bajonett, 700 m Anfangsgeschwindigkeit, Patronengewicht 24,3 g, Gewicht des Geschosses 11,2 g; der Kavallerie - Karabiner hat 679 m Anfangsgeschwindigkeit) . --- Das Eisenbahn-Bataillon und sein Material. -- Ein neuer Land-

Torpedo. Revista militar. (Portugal. ) Nr. 24 : Die Reitausbildung der Infanterie- Offiziere . Wissenschaftlich- militärische Expeditionen Portugals nach Brasilien .

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Krigsvetenskaps- Akademiens - Handlingar. (Schweden. ) Dezember. Gustav Adolf vor Nürnberg . — Krieg zwischen China und Japan. Norsk Militaert Tidsskrift. (Norwegen. ) 12. Heft : Die Thätigkeit des Gewehr-Komités von 1891. Das neue französische InfanterieExerzir- Reglement vom 19. April 1894. Militaert Tidsskrift. (Dänemark. ) 7. Heft : Besoldungs- und Pensionsverhältnisse der Offiziere in Dänemark. Grofse Übungen bei Kopenhagen 1894. Militaire Spectator. ( Holland . ) 1895. Nr. 1 : Kriegsgeschichtliche Studie über die Verteidigung der belgischen Republik 1799 (Forts. ) Völkerrecht und Kriegsgebrauch .

II. Bücher. Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neidhardt von Gneisenau. In zwei Bänden von Hans Delbrück. Zweite, nach den Ergebnissen der neueren Forschungen umgearbeitete Auflage. Zwei Bände. Berlin 1894. Verlag von H. Walther. Preis 10 M. Für diejenigen Leser, welchen die Entstehungsgeschichte vorliegenden biographischen Werkes fremd ist, sei bemerkt, dafs der im Jahre 1876 verstorbene Historiker G. H. Pertz, der Biograph Stein's, gegen Ende der fünfziger Jahre mit Hülfe der Gneisenau'schen Familienpapiere eine breit angelegte Gneisenau-Biographie in Angriff nahm, nachdem bereits der spätere General d. Inf. v. Fransecky im Jahre 1856 eine Schrift : „ Gneisenau . Die Jugend und die Zeit der militärischen Entwickelung ( 1760-1806)" als Beiheft zum Militärwochenblatte hatte erscheinen lassen . Pertz führte seine Arbeit bis zum Schlufs des Jahres 1813 , liefs sie dann aber liegen . Nach seinem Tode wurde 1877 die Fortführung derselben Hans Delbrück übertragen, welcher im Jahre 1880 den beiden Pertz'schen Bänden zwei weitere hinzufügte. Aus dem (naturgemäfs ungleichartigen) Gesammtwerke hat nun 1882 der Verfasser eine kleinere Ausgabe gestaltet, welche sich im wesentlichen auf die Biographie selbst beschränkte, bei der aber die vom General v. Fransecky gesammelten Materialien in der ausgiebigsten Weise benutzt wurden . Wenn jetzt, nach 12 Jahren, D. zu einer zweiten Auflage geschritten ist, so war für ihn mafsgebend das Erscheinen neuer, meist aus bisher unaufgeschlossenen Quellen geschöpfter kriegsgeschichtlicher Werke, deren in der Einleitung 70 namhaft gemacht werden und durch welche auf die napoleonische Epoche ein teilweise neues Licht geworfen wird. Es ist selbstverständlich, dafs Delbrück's vorliegende Gneisenau-Biographie nicht allein ein Lebensbild des grofsen Schlachtendenkers der Befreiungskriege giebt, sondern diese selbst im strategischen und politischen Zusammenhange darstellt. Dem Verfasser ist nun der Vorwurf gemacht worden, dafs er zu Gunsten seines Helden die Thätigkeit anderer Mithandelnder schonungslos verkleinert habe . Ich kann mich diesem harten Urteile nicht anschliefsen, wennschon auch mir es so scheinen will, als ob Delbrück in seinem (nur zu berechtigten) Heroen-Kultus da und

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dort etwas zu weit gegangen und darüber die Mitwirkung anderer bedeutender Persönlichkeiten aus dem Auge verloren habe. Einer dieser, m. E. zu Unrecht Vergessenen, ist z. B. der bekannte in Blücher's Hauptquartier bis zur Schlacht bei Leipzig anwesende (im Jahre 1847 als GeneralLieutenant und Direktor der Kriegsakademie verstorbene) Major Rühle v. Lilienstern. Rühle war, nach dem Urteil von Augenzeugen, in diesem Zeitraum gleichsam ,,die Seele des Blücher'schen Hauptquartieres" und selbst Gneisenau überliefs sich den Entwürfen und der Thätigkeit desselben mit einem Vertrauen, welches die Entwickelung der Begebenheit vollständig rechtfertigte. Die hohe Wertschätzung Rühle's in jener Zeit ergiebt sich u. a. aus einer von Hardenberg an Blücher bei Gelegenheit der Ernennung Rühle's zum Oberstlieutenant (Mitte Dezember 1813 ) und einem von Gneisenau an Rühle am 29. Dezember 1813 gerichteten Schreiben . Das Gefecht bei Haynau, dessen Urheber er ist, dann seine erfolgreichen Bemühungen um die Bewerkstelligung des Einklanges zwischen den Operationen der drei Armeen gegen Ende September 1813 , sind Rühle's anerkanntes und kriegsgeschichtlich beglaubigtes Verdienst. Näheres über ihn findet sich in der trefflichen Monographie : „ General- Lieutenant Rühle von Lilienstern . Ein biographisches Denkmal. " (Beiheft zum M. - W.- Blatt 1847. ) Gneisenau war meiner Ansicht nach nicht sowohl der „ Einzige “, wie H. D. meint, wohl aber der Bedeutendste derjenigen , die den Geist der Napoleonischen Kriegführung in sich aufgenommen hatten. Als besonderen Vorzug des Buches betrachte ich es, dafs uns der Verfasser in den zahlreichen Exkursen auch die Kenntnifs wesentlicher Kontraversen seiner eigenen Ansicht nicht vorenthält ; es betrifft dies besonders die Krisis von 1811 , bei deren Darstellung er besonders Lehmann's Beurteilung derselben entgegentritt. D. urteilt : Scharnhorst und Gneisenau wollten auf jeden Fall den Anschlufs an Rufsland ; Hardenberg machte denselben von der Haltung und den Bedingungen Rufslands abhängig ; der König wollte seine Stellungnahme wesentlich von der Haltung Frankreichs abhängig machen, sich durch ein französisches Bündnifs die Existenz sichern und nur, wenn Napoleon sich auf ein solches nicht einliefs und dadurch seine Absicht kundgab, Preufsen zu zerstören, so wollte er den Verzweiflungskampf nach dem Plane der Patrioten an der Seite Rufslands wagen. Ich mufs mich mit diesen wenigen Andeutungen begnügen ; eine kritische Zergliederung des ganzen Werkes würde den Rahmen dieser kurzen Besprechung überschreiten . Meiner Ansicht nach ist D.'s Gneisenau in seiner jetzigen Gestaltung eines unserer hervorragendsten biographischen Denkmale und kann sich Lehmann's ,,Scharnhorst" , nicht minder Droysen's ,York" würdig an die Seite stellen. Ich unterschreibe , was Konstantin Röfsler über dasselbe sagt : „,Gern möchte ich Alles thun, was ich könnte, dieses Buch in die rechten Hände zu bringen ! Die rechten Hände sind aber die des Geschlechtes jener Jünglinge, die jetzt der Mannheit entgegenreifen, und die bald berufen sein werden , an den immer reicher und grofsartiger, aber auch immer gefährlicher sich entfaltenden Geschicken Deutsch-

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lands als Soldaten oder als Führer, auf den Feldern des Erkennens oder Sch. der praktischen That teilzunehmen. " Der Kleine Krieg und der Etappendienst. Teil I. Die Streifkorps im deutschen Bfereiungskriege 1813 , nach kriegsarchivarischen Quellen bearbeitet von Georg Cardinal von Widdern , kgl. preufs . Oberst. Mit 2 Karten. Berlin 1894. R. Eisenschmidt. Preis 11,50 M. Verfasser bemerkt in seiner Vorrede, dafs die Erschliefsung des Kriegsarchivs und der Bibliothek des Generalstabs für seine Studien ihm ein so umfangreiches Quellenmaterial geliefert habe, dafs die Neuauflage der erst 1892 in erster Auflage erschienenen Schrift eine durchaus neue Arbeit geworden sei. Dieser Ausspruch trifft im vollsten Mafse zu ; es ist mir abgesehen von dem Umfang und der ganz abweichenden Gliederung, bei dem Studium dieses bedeutenden Werkes nicht ein einziger Satz aufgestofsen, der sich in der ersten Ausgabe vorfände. Diese, in zwei Teile zerfallend, schilderte kriegsgeschichtlich im ersten den Kleinen Krieg in den Feldzügen von 1864, 1866 und 1870/71, sowie die Thätigkeit der Kavallerie - Streifkorps 1813 , im zweiten behandelte sie, mehr theoretisch unter Anführung von Beispielen, die Einzelunternehmungen des Kleinen Krieges und den Etappendienst der Truppen. Von der Neubearbeitung liegt hier der erste Teil vor, welcher die Streifkorps im Befreiungskriege 1813 darstellt. Der erste bis zum Waffenstillstand reichende Abschnitt schildert, auf Gundlage einer Darlegung der allgemeinen Verhältnisse und der Vereinbarungen über die Verwendung von Streifkorps , die Unternehmungen Dörnberg's und Tschernitschew's, Tettenborn's und Benkendorf's an der Niederelbe und gegen die Weser, dann die der Streifkorps der Majore v. Blücher und Hellwig u. a. vor der Front der Blücher'schen Armee in ihrer Aufmarschlinie zwischen Altenburg und Leipzig, sodann die Thätigkeit von Streifkorps (Hellwig und Colomb) gegen die feindlichen Verbindungen während des Rückzugs der Verbündeten nach Schlesien , die des Lützow'schen Freikorps (dessen Mifserfolg im Beginn des Feldzugs bis nach der Schlacht von Bautzen streng, aber gerecht be- und verurteilt und die Schuld teils der Formation , teils der Unselbstständigkeit des Führers zugeschrieben wird), endlich die Vorstöfse Tschernitschew's, Borisow's und Woronzow's im Gebiet der Niederelbe auf das linke Ufer. Der zweite Abschnitt behandelt die Ereignisse nach dem Waffenstillstand bis zum Rückzug Napoleons hinter den Rhein. Hierbei betrachtet Verfasser zunächst die Streifkorps der Nordarmee westlich der Elbe, und zwar des Oberstlt. v. d. Marwitz mit dem 3. kurmärkischen Landwehr - Kavallerie - Regiment im Königreich Westfalen, Tschernitschew's Zug nach Kassel, Tettenborn's Vorstofs auf Bremen und Hellwig's Unternehmung im Rücken Napoleons während der Schlacht bei Leipzig. Von den Streifabteilungen der Blücher'schen Armee werden die Züge Boltenstern's, des Fürsten Mandatow, des Majors v. Falkenhausen, der Rittmeister v. Eisenhardt und v. Schwanenfeld im östlichen Sachsen berichtet, von denen der Hauptarmee die Operationen Thielmann's und Graf Mensdorff's im Rücken Napoleons an seinen Etappenstrafsen, sowie

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die französischen Mafsregeln zur Bekämpfung der Streifkorps und zur Sicherung des Etappengebietes, endlich der zweite Streifritt Colomb's im Oktober durch Thüringen und die Thätigkeit der Streifparteien während Napoleons Rückzug nach dem Rhein. Unter ausgiebigster Benutzung des preufsischen Kriegs - Archivs werden diese Begebenheiten mit einer Gründlichkeit und Anschaulichkeit vorgeführt, wie sie bisher noch niemals dargestellt worden sind. Der Verfasser betrachtet dabei nicht nur die thatsächlichen, im Ganzen sehr bedeutenden Leistungen der Streifkorps, sondern schliefst daran auch Betrachtungen über die Erfolge, die ihnen unter den heutigen Verhältnissen, im Zeitalter der Eisenbahnen und Telegraphen, unter sonst gleichen Umständen zugefallen sein würden. Die daraus für die Zukunft gezogenen Schlufsfolgerungen gipfeln in dem Grundsatze, dafs Streifkorps möglichst allein aus Kavallerie, welche gut im Fufsgefecht ausgebildet ist, unter eventueller Zuteilung einiger Geschütze zu bilden seien . Das Verderbliche der Zuweisung von Infanterie an Kavallerie- Divisionen für die erstere wird in sehr zutreffender Weise an den Gefechten bei Altenburg und Zeitz zwischen Thielmann und Lefebvre am 28. September (Abschn. II. S. 347) bewiesen . Diese gewonnenen Lehren steigern den Wert dieser überaus mühevollen Arbeit um so höher und er soll in keiner Weise verringert werden, wenn im Nachstehenden einige Irrtümer, wie sie bei einem so umfangreichen Werk kaum zu vermeiden sind, richtig gestellt werden. I. Abschnitt. Der russiche General v. Wintzingerode schrieb sich

nach mehrfachen im Haus -Archiv zu Weimar vorhandenen eigenhändigen Unterschriften mit tz. Auf S. 53 Z. 16 v. u . ist Hellwig's Überfall von Langensalza (statt Wanfried) gemeint. S. 55 Z. 11 v. o . dürfte das Datum des 29. statt des 20. das richtige sein. S. 61 unten wird die vom linken Flügel Blücher's vorgehende Reiterei als der Kavallerie-Division Zieten ( „ReserveKavallerie" ) zugehörig bezeichnet. Eine preufsische Kavallerie- Division gab es damals garnicht: nach Plotho, Anhang S. 60 Beilage X, bestand das Blücher'sche Korps aus 3 gemischten Brigaden, der brandenburgischen , niederschlesischen und oberschlesischen, letztere unter Gen. - Maj. v. Zieten, und den Reserve- Kavallerie- Brigaden unter Ob. v. Dolffs. Maj . Laroche kommandirte die Kavallerie der oberschlesischen Brigade Zieten und wurde von letzterem über Naumburg und Jena entsendet, in gleicher Weise über Saalfeld Maj . v. Hobe mit 2 Schwadronen brandenburgischer Husaren seitens des Gen. v. Röder, welcher die brandenburgische Brigade befehligte. S. 66 Z. 8. Hellwig hatte nicht die 2., sondern die 3. Schwadron. S. 72. Der Verfasser der ,,Kriegsgeschichte der Bayern" heifst nicht Anm . v. Vallendorf, sondern von Völderndorf. S. 75 Z. 10. Der Offizier heifst v. Triebenfeld . S. 85 Z. 7 v. u. Engelhardt statt Engelmann . S. 92 Z. 10 v. u. Das Dorf heifst Greussen statt Geussen . S. 97 Z. 14 v. u. Hellwig ist niemals Premier- Lieutenant gewesen, sondern wurde vom Sekond - Lieutenant unmittelbar zum Stabsrittmeister befördert. S. 97 Z. 13 v. u. Das HusarenRegiment wird in allen Akten etc. stets von Pletz geschrieben. S. 98 und 101 . Die Darstellung, dafs das Husaren - Regiment Pletz die Nachricht vom

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Marsch eines Gefangenentransports von Gotha nach Eisenach am 16. Okt. 1806 nach seiner Ankunft in Mühlhausen und nach der Vereinigung mit Gen. v. Winning erhalten, ist ebenso unrichtig, als dafs Gen. v. Pletz, der mit seinem 1. Bataillon garnichts mit der besprochenen Sache zu thun hatte, und garnicht anwesend war, dem Lieutenant Hellwig das Ansuchen zur Befreiung der Gefangenen genehmigt habe. Letzterer brach auch erst am 17. Vormittags auf, nicht schon in der Nacht ; auch die Stärkezahl der französischen Bedeckung ist nicht richtig. Ferner wurde Hellwig nicht , wie S. 104 dargestellt, nach seinem Überfall von seinem Regiment seinem Schicksal überlassen ; er vereinigte sich mit ihm am 21. in der Gegend von Nordheim. Über alle diese Verhältnisse geben die Untersuchungs - Akten ,,Ad. von 1808 im Kriegs - Archiv des Generalstabs genauen Aufschlufs. S. ", Verfasser der ,,Geschichte des Lützow'schen Streifkorps" wird S. 203 Anm. zwei Mal Schlüsser, S. 222, 223 Anm. , 225 u. 234 Anm . Schlieszer genannt. Manche Wiederholungen hätten sich wohl, ohne der Klarheit Eintrag zu thun, vermeiden lassen , wie z. B. auf S. 212 die erst S. 161 ff. ausführlich beschriebene Verabredung zwischen Colomb und Lützow über ihre Unternehmung gegen die böhmische Grenze. Abschnitt II. S. 54 Z. 8 v. u. mufs es kurmärkische, statt neumärkische Landwehr-Reiter heifsen. Der S. 56 Z. 12 v. u. genannte Kasakenführer heifst Staal, nicht Staab. Auch S. 86 und 87 wiederholt sich vieles von dem S. 80 über Jérôme's Rückzug aus Kassel Gesagten . S. 117 Z. 12 v. u. u. a. a. O. ist der russische General Graf Orurk stets Ourok genannt. Nach S. 132 Z. 17 v. u. blieb Boltenstern bis 8. Oktober bei Tetschen stehen, nach S. 133 Z. 5 v. o . marschirte er aber schon am 2. ab. S. 295/96 und 352. Die Nachrichten, welche der Herzog von Padua von dem Übergange eines Teiles der Nord -Armee über die Elbe bei Roslau um den 24. Sept. hatte, beruhten doch nicht so ganz, wie der Verfasser wiederholt meint, auf Erfindung oder gar auf Betrug . Nur das Datum der Spionenmeldung, wonach am 23. Abends Dessau von den Schweden besetzt worden sei, stimmt nicht ganz ; denn in der That stand bereits am 22. die 8500 Mann starke schwedische Vorhut unter Gen. Schulzenheim bei Dessau und Wörlitz (vgl. v. Quistorp II 65) , mit welchem an diesem Tage der bei Wartenburg übergegangene Streifkorpsführer Maj . Hellwig Verbindung aufnahm . Das S. 343 Z. 16 v. o. angegebene Datum ist der 28. Sept. statt des 18. S. 373/74 wiederholt sich der Druckfehler Giualay statt Gyulay. Die im Anhang S. 410 enthaltenen Notizen über des Streifkorpsführers Hellwig's Leben nach Poten's Handwörterbuch weisen manche Unrichtigkeiten auf. Er nahm an der Schlacht von Dennewitz überhaupt nicht teil, sondern befand sich schon seit mehreren Tagen vorher im Rücken der französischen Armee an der Elster, von wo aus er ihrem Rückzuge bei Holzdorf einen Hinterhalt legte. Auch 1814 fand er wiederholt als selbstständiger Streifkorpsführer Verwendung. 1815 war er während des Gefechts von Wavre mit 2 Schwadronen zur Deckung der linken Flanke der Armee bei Hannut entsendet. -- Das vortreffliche Werk kann jedem

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Offizier, besonders aber jedem Kavalleristen , zum eingehendsten Studium F's. nur aufs Dringendste empfohlen werden . Taktische Wanderungen über die Schlachtfelder um Metz vom 14., 16. und 18. August 1870. Mit einer Übersichtskarte in Steindruck. Von Liebach , Hauptmann. Preis 1,60 M. Dazu 18 photographische Aufnahmen der Schlachtfelder um Metz (Querfolio). Preis 12,50 M. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Auf Veranlassung der General-Inspektion des Militär- Erziehungs- und Bildungswesens sind die Schlachtfelder um Metz kürzlich in Photographien grofsen Mafsstabes aufgenommen worden, um dem Verständnifs des taktischen Vortrages durch dieselben zu Hülfe zu kommen . Hauptmann Liebach giebt hierzu einen kurzen Abrifs des Verlaufes der drei Schlachttage, dem wir das Zeugnifs geben müssen, dafs derselbe sehr klar und verständlich die taktischen Einzelheiten dieser Kämpfe darstellt, und zwar unter Benutzung auch der neuesten Quellen . Das Ganze ist ein sehr wertvoller Beitrag zum Anschauungs-Unterrichte mit Zuhülfenahme der Photographie. Wir erfahren, dafs diese Aufnahmen bereits als Lehrmittel in den militärischen Bildungsanstalten verwendet werden. Dieselben werden aber auch Jedem, der gründlicher in das Wesen der Augustschlachten 1870 eindringen will, sehr willkommen sein, nicht minder den Mitkämpfern eine 3. lebendige und ergreifende Erinnerung. Geschichte des Russischen Heeres, vom Ursprunge desselben bis zur Thronbesteigung des Kaisers Nikolai I. Pawlowitsch. Von F. v. Stein. Neue wohlfeile Ausgabe. Leipzig 1895. Zuckschwerdt & Möschke. Preis 8 M. Wir begrüfsen in diesem zuerst 1884 erschienen Buche einen alten Bekannten. Der Verfasser, Kgl. Preufs. Premierlieutenant a. D. und Kaiserl. Russischer Hofrat, hat unter Benutzung der besten russischen Quellen ein Werk geschaffen, welches für die ältere russische Heeresgeschichte in seiner Art unübertroffen ist. Darin war seiner Zeit die Kritik vollkommen einig. Da diese Geschichte jedoch nur bis zum Jahre 1825 fortgeführt ist, also die letzten 70 Jahre der Entwickelung nicht umfafst, so kann dem Werke eine Bedeutung für die Kenntnifs des gegenwärtigen russischen Heerwesens nur in bedingtem Mafse zuerkannt werden . Wer sich über die ältere Zeit genau unterrichten will, dem kann ein besseres Hülfsmittel freilich nicht empfohlen werden . Es ist mit Freuden zu begrüfsen, dafs durch die Preisherabsetzung nunmehr diese tüchtige Arbeit weiteren Kreisen 2. zugänglich gemacht worden ist. Die französische Armee in Krieg und Frieden. Von Moritz Exner , Oberstlientenant z. D. 2. Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 3,60 M. Das in zweiter Auflage erschienene Buch ist ein für das Studium der Entwickelung des französischen Heerwesens wie für dessen Organisation

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sehr geeignetes Hülfsmittel. Auch die Taktik der drei Hauptwaffen ist in grofsen Zügen geschildert. Der Abschnitt über ,,inneren Dienst und Ausbildung" erscheint uns etwas zu kurz behandelt. Die späteren Kapitel enthalten aufserordentlich wertvolle Angaben, besonders über ,,Bewaffnung, Artilleriematerial, Brückenbau und Flufsübergangsmittel," ferner über das Eisenbahn- und Etappenwesen, Feldtelegraphie, Luftschifffahrt, Brieftauben und Radfahrer." Ebenso wird die „ Organisation des Sanitätswesens" sowie die „ Einteilung und Friedensunterbringung der französischen Armee am 1. Oktober 1894" allgemeineres Interesse beanspruchen können . Bei der Wichtigkeit, welche der Kenntnifs der Heeresverhältnisse anderer Groſsmächte beigelegt werden mufs, können wir das aufserordentlich sorgsam 63. zusammengestellte Werk nur in jeder Hinsicht empfehlen. Studie über Länderbefestigung, von Toilow. u. Möschke. 88 Seiten . Preis 2 M.

Leipzig, Zuckschwerdt

Der Verfasser zweifelsohne ein Offizier der österreichisch-ungarischen Armee - verfolgt in seiner Studie den Zweck, die Unzulänglichkeit des Befestigungssystems seiner Monarchie „ insoweit von einem System überhaupt die Rede sein kann" nachzuweisen . Ausgehend von Clausewitz und Erzherzog Karl, als allgemein anerkannten und auf dem Gebiete der Staatenbefestigung noch nicht ersetzen Autoritäten, entwickelt er seine Gedanken über Zweck, Elemente und System der Reichsbefestigung auf 44 Seiten. Hierauf skizzirt er in flüchtigen Strichen - zur Erläuterung seiner Theorie die gemäfs derselben entworfenen Verteidigungssysteme der hauptsächlichsten Staaten Europas, und seine Bilder weichen von den thatsächlichen zum Teil recht bedeutend ab. Den Schlufs macht ÖsterreichUngarn und hier kommt die Kritik in der Gegenüberstellung seiner Idee und der vorhandenen Festungen, sowie in der Beleuchtung des strategischen Wertes derselben direkt zur Aussprache. Der ganzen Arbeit liegt eine tiefe Verstimmung zu Grunde, erregt durch die zur Zeit in Österreich- Ungarn, - und andernorts herrschende Gleichgültigkeit und Nichtachtung gegenüber dem Festungswesen . Sie charakterisirt dieses durch den Hinweis auf die im Jahre 1892 erschienenen ,,Vorträge über Strategie" in denen ,, ein bekannter Stratege des österreichischen Generalstabes " dem Thema der Landesbefestigung ,,mit Vorsicht aus dem Wege geht". Einen kleinen Seitenhieb möchte man auch beinahe in der Seite 65 ausgesprochenen Kritik der Festung Langres vermuten . Der Verfasser erwähnt dieselbe als eines Beispiels, wie die so häufige Verwechslung des Begriffes ,, strategischer Punkt" mit dem eines zur Besichtigung geeigneten zur Anlage einer Festung in einer Örtlichkeit verführen könne, welche für eine dort versammelte ,,bewegliche" Armee der „ beherrschten Operationslinien" halber wohl ein strategischer Punkt sei, aber für die ,,unbewegliche" Festung ohne alle Bedeutung, weil sie nach allen Richtungen leicht umgangen werden könne . Eine Beherzigung verdient auch die Klarstellung der Beziehungen zwischen Festung und Feldarmee, welche so vielfach besprochen und so

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vielfach mifsverstanden worden sind . Nicht die Festung kann einer Armee Halt und Zuflucht bieten , sondern nur ein starker Abschnitt, in dem der Festung lediglich die Rolle zufällt, die der Armee gebotenen Vorteile zu verstärken, vornehmlich durch Sicherstellung des Uferwechsels (S. 17). Tritt der Verfasser hier einem weitverbreiteten Nichtverständnifs entgegen, so macht er andernorts auch unbedenklich Front gegen die „,improvisirten Festungen“ (S. 25), will aber für einzelne Fälle den ,,vorbereiteten Festungen" Existenzberechtigung einräumen . Hierunter versteht er ein Gerippe von permanent ausgeführten Befestigungsgruppen im Gürtel der Festung, dessen Lücken erst durch Kriegsarbeit ausgefüllt werden , und bringt eine derartige Fortifizirung für im Innern des Reiches gelegene Orte in Vorschlag (Wien : S. 75) . Der Verfasser erklärt in der Vorrede, dafs seine Schrift für einen kleinen Leserkreis geeignet sei ; wenn er aber hinzufügt ihrem Inhalte nach", so ist dies nicht ganz richtig. Wenn es ihm nur gefallen hätte, eine leichter lesbare, verständlichere Form zu wählen, so würde das Buch auch für einen recht grofsen Leserkreis geeignet sein, und diese Fessel, die er ihm anlegte, ist sehr zu bedauern , denn der Inhalt ist, wenn auch durchaus nicht immer neu, doch sehr des Lesens und des Beherzigens 49. wert. Die Generale der Königlich Preufsischen Armee von 1840-1890 . Zusammengestellt von Bogislav von Kleist , Oberst z . D. Zweite Ausgabe. Dazu : Erste Folge und Nachträge für die Jahre 1891 und 1892. Leipzig 1895. Zuckschwerdt & Möschke. Preis 23 M. Dieses mit einem staunenswerten Sammelfleifse gearbeitete Werk entstand im Anschlufs an : ,,Die Generale der Kurbrandenburgischen und Königlich Preufsischen Armee von 1640-1840 . Eine historische Übersicht sammt vielen eingewebten urkundlichen Notizen als Jubelschrift dem vaterländischen Kriegsheere geweiht von K. W. v. Schöning." (Berlin 1840 . Verlag von C. Lüderitz.) Wie sein Vorgänger, hat der Herr Verfasser nur bezweckt, biographisch wichtige Daten zur Lebensgeschichte der Preufsischen Generale seit 1840 zu geben. Er beschränkt sich darauf, den Geburtstag, in Kürze die militärische Laufbahn, den Todestag und die Orden des Betreffenden genau anzugeben. Angabe des Geburtsortes, Teilnahme an Feldzügen und sonstige Erlebnisse wird man hier nicht suchen dürfen, man kann nur sagen : leider ! Doch begreifen wir es, dafs das nötige Material hierzu sehr schwer zu beschaffen sein mag und den Umfang des 1200 Seiten füllenden Buches vielleicht verdoppelt haben würde. Das Kleist'sche Werk ist ein für biographische Zwecke unentbehrliches Nachschlagebuch, darin 2. beruht sein Wert.

Die körperliche Erziehung der Jugend. Von Angelo Mosso . Übersetzt von F. Glinzer. Hamburg u. Leipzig 1894. L. Voſs. Preis 4 M. Verfasser ist Professor der Physiologie an der Universität zu Turin und hat sich bereits über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus einen berühmten Namen gemacht. Über die Wichtigkeit dieser Frage ist kein Wort zu ver-

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lieren, denn von der befriedigenden Lösung derselben hängt die Zukunft unseres Volkes ab. Möchten darum in erster Linie alle, die sich berufsmäfsig mit der Jugenderziehung zu befassen haben, dem trefflichen Buche Beachtung schenken. Die 11 Kapitel desselben behandeln in lichtvollster Weise folgende Themata : Die moderne englische Erziehung. - Die körperliche Erziehung auf den Universitäten . - Die Colleges und die Stundenpläne in den Schulen Englands und des Kontinents. Turnens. Beurteilung des deutschen Turnens.

Die Entwicklung des Das athletische Turnen . Die militärische Ausbildung und die ,,bataillons scolaires". Das Schiefsen nach dem Ziel. Die Märsche. Im Kapitel : Der Tornister.

,,Die militärische Ausbildung und die ,,bataillons scolaires" (Schülerbataillone) wird auch in anerkennendster Weise eines Aufsatzes der ,, Jahrbücher" (Mai 1891 ) gedacht : ,,Wert der Schiefsausbildung und ihr Rang als Unterrichtszweig," welcher seitenweise wörtlich wiedergegeben ist. Es wird gesagt, die Worte des Verfassers seien ihm (Mosso ) ,,wie aus der Seele geschrieben." Für militärische Kreise wird das Buch von besonderer Bedeutung sein. Denn der Verfasser erörtert eingehend auf Grund seiner Erfahrungen als Physiologe und als Militärarzt, die Voraussetzungen für die beste körperliche Ausbildung der männlichen Jugend, um sie zum Ertragen der mannigfachen Anstrengungen und Beschwerden des Dienstes in 4. Kriegs- und Friedenszeiten zu rüsten . Unsere alten Alliirten. Scenen und Typen aus dem Friedensleben der russischen Offiziere. Nach russischen Originalen , deutsch von A. v. Drygalski.

Berlin 1894.

R. Eisenschmidt. Preis 4 M.

Diese in höchstem Mafse fesselnd geschriebenen Skizzen aus dem Kavallerieleben versetzen uns mitten in die dienstliche und aufserdienstliche Existenz der russischen Offiziere. Ich wüfste diese reizenden militärischen Federzeichnungen mit nichts Ähnlichem in unserer Litteratur zu vergleichen. Am nächsten kämen denselben Hackländer's und Winterfeld's Soldatengeschichten, ohne jedoch deren poetischen Wert zu erreichen. Schauplatz dieser Erzählungen sind die kleinen Kavallerie- Garnisonen Litthauens. Wer sich über das innere Leben im Heere unserer „,alten Alliirten“ unterrichten will, der nehme dieses von frischem Humor durchwehte Buch, dessen Original der Feder eines hervorragenden Militärbelletristen, Kreslowski, entstammt, zur Hand ; dasselbe wird ihm ein höchst dankenswertes 4. Anschauungsfeld eröffnen. Vor dreifsig Jahren. Lose Tagebuchblätter aus dem Feldzug gegen Dänemark. Von R. Wille , Kgl . Preufs. Generalmajor a. D. Berlin 1895. K. Sigismund . Diese mit körnigem Soldatenhumor durchsetzten, wennschon etwas breit veranlagten Aufzeichnungen aus dem Feldzuge 1864, welchen der Verfasser als Sek.-Lieutenant bei der 1. 6pfünder-Batterie der 3. ArtillerieBrigade mitgemacht hat, werden denjenigen, welche mit ,,dabei " waren, eine liebe Erinnerung an die vergangene Zeit vor 30 Jahren sein . Aus der Garnison

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Wittenberg führt uns die Erzählung über Hamburg, Flensburg nach Fredericia, dann vor die Düppelstellung, sodann bis in die äufserste Spitze von Jütland . Mit dem roten Adler- Orden geschmückt, kehrte der Verfasser heim . Er versteht es, zu beobachten und anziehend zu schildern . Seine militärisch interessanten Angaben fufsen auf dem Generalstabswerk, denen er dann seine persönlichen Erlebnisse im Gefecht, wie auf den schier endlosen Märschen der scherzweise so genannten ,,Kilometer- Batterie“ hinzugefügt hat. Besonders reizvoll sind seine Schilderungen von Land und Leuten Dieselben bekommen noch eine besondere Würze durch die geschichtlichen Rückblicke auf die Jahre 1848-50, welche zu vielfachen 2. interessanten Vergleichen mit 1864 den Anlafs boten. Das Husaren - Buch . Geschichte der preufsischen Husaren von ihrer Entstehung bis auf die Gegenwart. Von C. v. Bredow , Major. Mit Uniformbild von B. Knötel. Köln a. Rh . J. Püttmann . Preis 1,20 M. Während das vor 30 Jahren erschienene ,, Husarenbuch“ des Grafen Lippe einen hohen wissenschaftlichen Wert beanspruchen darf, wird man dem vorliegenden doch nur volkstümliche Bedeutung beimessen können. Seine Bestimmung, zur Belehrung für Unteroffiziere und Mannschaften zu dienen , hätte nicht hindern sollen, die einzelnen Episoden der Geschichte unserer Husaren da und dort sorgsamer zu behandeln . So ist z. B. bei der Erwähnung des Gefechtes von Selmitz (19. Nov. 1744 ) der Thätigheit Zietens rühmend gedacht, während er nachweislich garnicht bei dieser Aktion zugegen war und vom Könige auch in seinen ,,Oeuvres" mit keiner Silbe erwähnt wird. Zum Gebrauch für Mannschaftsbibliotheken mag das Bredow'sche Husarenbuch immerhin empfehlenswert sein, zumal die Geschichte der Husaren bis zur Gegenwart fortgeführt ist, also auch die Thaten derselben in 4. den Feldzügen 1864, 66, 70/71 behandelt sind. Die Feld -Ausrüstung des Infanterie - Offiziers zu „, Pferd“ und zu „ Fufs". Leipzig. Verlag von Zuckschwerdt & Möschke . Preis 60 Pf. Diese kleine Schrift giebt in praktischer Anordnung einen Überblick über Alles, was der Infanterie -Offizier mit in das Feld zu nehmen hat, der Berittene wie der Unberittene. Beachtenswerte Notizen sind beigefügt, desgleichen bestimmte zum Ausschneiden und Aufkleben in die Koffer und Tornister bestimmte Zettel. Das Werkchen entspringt persönlich gemachten Erfahrungen eines Stabsoffiziers und kann zur Beschaffung empfohlen werden. 2.

III.

Seewesen.

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft XII : Aus dem neuesten Segelhandbuch für Atjeh (Atshin), NordSumatra. Über die in der nautischen Astronomie gebräuchlichen Methoden zur Berechnung der Höhe eines Gestirns . Von Dr. Fulst, Navigationslehrer in Bremen. Wilmington, Nord-Carolina. Von Kapt. F. Niejahr,

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Führer der Bark „ Anna Schwalbe". - Von Valparaiso über Callao nach Honolulu . Aus dem Reisebericht S. M. S . ,,Arcona", Kommandant Kapt. z. See Hofmeier. Von Callao nach Honolulu. - Aus dem Reisebericht S. M. S. ,,Alexandrine", Kommandant Korv.-Kapt. Schmidt. - Von Swatau nach Shanghai . Aus dem Reisebericht S. M. S . ,,Iltis " , Kommandant Korv.- Kapt. Graf Baudissin . - Die Ansegelung von Tai-wau-fu (Formosa) und den Taifun-Hafen Bullock- Harbour an der chinesischen Küste . Bericht des Kapt. A. Ott vom Dampfer ,,Wuotan". Notizen : 1. Über einen sehr ergiebigen Fischfang. 2. Strom zwischen Kamerun und Togo. Eingänge von meteorologischen Tagebüchern bei der deutschen Seewarte im Nov. 1894. Die Witterung an der deutschen Küste im Nov. 1894. Dem Hefte liegen eine Tafel ( 7) : Wind- und Strombeobachtungen S. M. S. „ Arcona“ auf der Reise von Callao nach Honolulu, und das Inhalts - Verzeichnifs des Jahrg. 1894 bei. Die Seeexpedition gegen Marine -Rundschau. 6. Jahrg. Heft 1: Marokko, vom Wirkl . Adm. -Rat Koch ; ein weiterer interessanter Beitrag zur Geschichte unserer Marine. — Welche Taktik gestattet die beste Ausnutzung der Kräfte, welche in den jetzt vorhandenen Kriegsschiffen und deren Waffen enthalten sind etc. (Schlufs). Bringt die Kapitel : Betrachtungen über das Schiefsen auf weite Entfernungen, Wahl der Gefechtsformation, Platz des Höchstkommandirenden im Gefecht, Angriff, Gruppen und einzelne Sicherheitsvorrichtungen zur Vermeidung von Schiffe im Gefecht. Maschinenhavarien und zum Schutze des Maschinen- und Heizerpersonals gegen Verbrühen durch Dampf. Vortrag gehalten vom Maschineningenieur Mitteilungen aus fremden Marinen : England, TorpedoEggert. bootsjäger : Frankreich, ein Schiff auf Walzen, das Panzerschiff ,,Magenta" ; Ver. Staaten von Nord-Amerika, Schiefsversuche mit der Hurst-Kanone, Schiefsversuche mit 33 cm Granaten. - Sonstige Mitteilungen : Nachweisung der Schiffsneubauten für die deutsche Kriegsmarine seit dem In einer Anmerkung zum Inhaltsverzeichnifs teilt die Jahre 1877/78 . Redaktion mit, dafs eine Schilderung der Yalu-Schlacht nach den Berichten S. M. S. vorläufig der sich widersprechenden Nachrichten wegen unterblieben ist, dafs sie jedoch voraussichtlich im Februarheft erscheinen wird. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Band XXIII. Nr. 1 : ,,Schnelligkeit und Drehfähigkeit, " eine taktische Studie von dem österr. Freg. - Kapt. R. Labrés . Der Verfasser bricht für die Manövrirfähigkeit der Schlachtschiffe eine Lanze, die bei der rapiden Entwicklung anderer Eigenschaften, speziell der Geschwindigkeit, zu kurz gekommen ist. Wir teilen vollkommen den Wunsch nach Erhöhung der Bewegungsfähigkeit, die jedoch keinesfalls auf Kosten der Geschwindigkeit stattfinden darf. Es sei nur an die strategische Bedeutung der letzteren erinnert. Verschiedene Äufserungen des Verfassers, so über die Undurchführbarkeit einer Blockade, die Seekriegführung an der Küste etc. halten wir für sehr anfechtbar. - Die kriegsmaritimen Ereignisse in Ostasien bis einschliesslich der Seeschlacht an der Yalu-Mündung . Die erste eingehende Beschreibung der jüngsten Seeschlacht aus fachmännischer Feder. Hieran schliefsen sich : Bemer25 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 94, 3.

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kungen über die modernen Flotten Chinas und Japans. Haltung des Personals. Artillerie. Ramme und Torpedo . Schiffstypen. Geschwindigkeit. Flottenführung. Verluste. Ansichten ausländischer Autoritäten ; - in Anbetracht der mangelhaften Nachrichten ist der Gegenstand geschickt, erschöpfend und interessant behandelt. - Der elektrische Signaltelegraph, System Pebal- Schaschl (mit vielen Abbildungen). - Über die besten taktischen Methoden zur Ausnutzung des Gefechtswertes von Schiffen und deren Waffen im Kampf zwischen Flotten, Gruppen und einzelnen Fahrzeugen . Studie von Lieut. Sommerset A. G. Calthorpe, H. M. S . ,, Vernon ". Auszugsweise aus dem Journ . of the R. U. Serv. Inst. übersetzt . Einleitung und ,, das Geschütz Gibraltar als Basis für Flottenoperationen. - Budget in der Seeschlacht." der österr., niederländischen und franz . Kriegsmarine für 1895. Zwei Artikel über das neue franz. Schlachtschiff „,Brennus ", die sich sehr ungünstig über dasselbe aussprechen. Kleinere Marine- Nachrichten aus fremden Zeitschriften : neue Torpedo-Lancirapparate, noch einmal Zalinski's pneumatische Torpedokanone etc. Army and Navy Journal. Nr. 1634 : Der amerikanische Marineminister ist noch nicht mit der Verminderung des Holzwerks an Bord der eisernen Kriegsschiffe vorgegangen. Die amerikanischen Schiffskommandanten sprechen sich im Allgemeinen dafür aus. Der Chefkonstrukteur der Marine hält indessen die Frage für erledigt, da sich schon bei den ersten Monitors das Fehlen von Holzbekleidung als gesundheitsschädlich herausgestellt hat. Wir teilen vollkommen den Standpunkt des letzteren. Schon jetzt sind die eisernen Kammern an Bord unserer neuen Kreuzer eine höchst unangenehme Wohnstätte. Nimmt man den Matrosen das hölzerne Deck, was für sie Stuhl, Bett und Tisch an vielen Stunden des Tages und der Nacht ist, und läfst man die Offiziere an eisernen Tischen essen und an eisernen Schreibtischen ihre Briefe schreiben, so stört man das Wohlbefinden der Besatzung in körperlicher und geistiger Beziehung. Die hieraus entstehenden Nachteile sind gröfser, als die Feuergefährlichkeit Kurzer Bericht über Verund Splitterwirkung des Holzes im Gefecht. gleichsschiefsen zwischen Lee-Metford, Mannlicher, Martini-Henry-Gewehren in England . Bei 1000 Schufs verlor Mannlicher am meisten an Anfangsgeschwindigkeit durch Ausbrennungen im Lauf, hatte dagegen die gestreckteste Flugbahn . Interessant sind die Wirkungen. Mauern von 9 Zoll Stärke wurden durchschlagen ; solche von 18 Zoll, wie sie in Indien gebräuchlich, dagegen nur nach längerem Schiefsen. Eine sonderbare Thatsache stellte sich heraus : Die mittlere Eindringungstiefe nimmt von 5 Zoll bei einer Entfernung von 3 Yards bis auf 15 Zoll bei 400 Yards zu und dann wieder langsam ab. Lehmmauern gewähren erst bei 4 Fufs Dicke Schutz . Die Eindringungstiefen sind bei allen drei Systemen auf kleinere Distanzen nahezu gleich, von 1500 Yards an ist Martini-Henry im Vorteil. Nr. 1635 : ,,Hartfort," das alte Flaggschiff Farraguts im Sezessionskriege, soll Kadettenschulschiff werden. - Rufsland hat die ganze Panzerung der Schlachtschiffe ,, Sebastopol“ und „,Petropaulowsk" bei den Bethlehem Iron Works in Bestellung gegeben.

Die amerikanische Firma ging aus einer

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Konkurrenz von 14 Bewerbern , unter denen auch Krupp war, als Siegerin hervor. - Das Führerboot bei dem Torpedobootsangriff auf Port Arthur war die ,,Kotacka", ein im Jahre 1886 in England gebautes Boot, das als Unikum eine mit 1 Zoll Stahl gepanzerte Maschinenabteilung hat. Nr. 1636 : Ein amerikanischer Kriegskorrespondent bei der japanischen Armee erzählt, dafs bei der Einnahme Port Arthurs nur etwa 100 Chinesen in der Schlacht selbst getötet , dagegen mindestens 2000 während der Plünderung abgeschlachtet wurden. Der amerikanische Kreuzer ,,Marblehead" soll sich in türkische Gewässer begeben, um sich an einem event. Druck auf die Pforte zur Untersuchung der armenischen Greuel zu beteiligen. Der amerikanische Marineminister hat mit der Holland Torpedo Boat Company einen Kontrakt zum Bau eines unterseeischen Bootes abgeschlossen, dessen Kosten auf 150 000 Dollars festgesetzt sind. Unter den Marine - Attachés der Vereinigten Staaten haben verschiedene Veränderungen stattgefunden. Lieut. Comdr. Cowles in London wird durch Comdr. Francis Barber ersetzt. Längere Artikel : „ Die Armee und ihre Feinde" und über „ Für“ und Bericht der Untersuchungskommission ,,Wider" des Nicaragua-Kanals. für den Ersatz von Holz durch andere Materialien an Bord der Kriegsschiffe. Papiermaché wird vorgeschlagen . Verschiedene Versuche sollen von der Werft zu Norfolk gemacht werden . Berechnete Änderungskosten auf einem Schlachtschiff der Oregon-Klasse = 7000 Dollars. Nr. 1637 : Die amerikanische Admiralität kann im Fall des Krieges 53 Handelsdampfer als Kreuzer ausrüsten. Von den 42 ihr augenblicklich zu solchem Zweck zur Verfügung stehenden Dampfern haben 4 eine Ozean- Geschwindigkeit von über 19 sm. , 5 eine solche von 15 sm. Längerer Artikel über Fiske's verbesserten Distanzmesser und den Stadimeter von demselben Erfinder. Nr. 1638 : Kontre -Adm. Meade hat 6 Schiffe zu Geschwaderübungen in Westindien vereinigt : ,,Newyork“, „ Columbia“ , „ Cincinati“ , „ Raleigh“, ,,Montgomery" und " Atlanta ". Laird Clowes, der bekannte Marineschriftsteller empfiehlt ein 101 -Kanonen- Schiff. Dasselbe soll 10-12 000 t Depl . haben, 6 Zoll durchgehenden Stahlpanzer, eine Geschw. von 22-22 sm. und eine Bewaffnung von 16 6 Zoll ; 20 4,7 Zoll , 20 3 Zoll , 20 6 Pfd., alles Schnellfeuergeschütze ; daneben noch 25 Maximkanonen von etwas stärkerem wie dem jetzt gebräuchlichem Kaliber. La marine frçanaise. Nr. 5 : Die Krisis des Schiffsmaterials , ein Artikel, der die Mängel verschiedener neuer französischer Kriegsschiffe und ihre Gründe bespricht. - Die Veränderungen unter den Flaggoffizieren Portugiesisches Flottenprogramm. der britischen Flotte i. J. 1895. Zum Marinebudget der Vereinigten Staaten . Brasilien hat 2 Panzerschiffe in Frankreich bestellt. - Artikel über die Subventionirung der französischen Postdampfer. La question de Terre-Neuve. Morskoi Sbornik. (Russischer Marine- Sammler.) Nr. 9 : September 94. Offizieller Teil : Reglement des See - Kadetten - Korps. Reglement der technischen Schule der Marine - Verwaltung . Nichtoffizieller Teil : Die Rolle des Bosporus in der Bildung der Strömungen Einige Erwägungen des Schwarzen Meeres. Über Torpedo-Fahrzeuge. 25*

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über Vorbeugungsmafsregeln gegen das Untergehen von Schiffen. Nr. 10 : Oktober 94. Offizieller Teil : Über das Verfahren der Dienstentlassung von Offizieren für ehrenrührige Vergehen. - Reglement des Newski-Yacht-Klubs. - Nicht offizieller Teil : Über die Notwendigkeit einer internationalen Verständigung bezw. Veröffentlichung des in den meteorologischen See Journalen enthaltenen Materials . Von Admiral Makarow . Schwankung des Wasserspiegels des Baltischen Meeres. Berechnung der elektrischen Leitungen auf Kriegsfahrzeugen . Dezember 94. Nichtoffizieller Teil : Das Kriegsschiff ,, Tri Swjätitelja" (,,Drei Hohepriester"). Tulon. Zur Frage des Kreuzer-Krieges. Über die Treffwahrscheinlichkeit beim Schiefsen aus Geschützen der KüstenÜber Eisbrecher . - Die Ströme des Kaspischen und Marine-Artillerie. Meeres. Bücher . Brauchen wir Panzerkreuzer ? Zeitfrage an den deutschen Reichstag gestellt von einem sachverständigen Patrioten . Berlin 1895. H. Peters. Die Broschüre wendet sich zuerst gegen Äufserungen der Presse und einiger Abgeordneter der Linken, welche den Bau neuer Kreuzer als nicht erforderlich und über den Rahmen des im Jahre 1888 für den Ausbau der Marine aufgestellten Programmes hinausgehend, bezeichnen, und begründet sodann die Notwendigkeit dieser Forderungen in überzeugender Weise nach zwei Richtungen hin. In erster Linie braucht die Marine geschützte Kreuzer für den Dienst zu Hause. Schon seit einem Jahrzehnt ist man in den mafsgebenden Marinen Englands und Frankreichs zu der Überzeugung gekommen, dafs eine Schlachtflotte im Kriege von ebenso viel Kreuzern begleitet sein müsse, wie sie Schlachtschiffe zähle. Der Dienst dieser Kreuzer ist der Sicherheits- und Rekognoszirungsdienst. Wir haben uns bis jetzt damit begnügen müssen, je vier Panzerschiffen einen Aviso beizugeben, weil wir im Ganzen nur vier durch Panzerdeck geschützte Kreuzer besitzen. Ein solcher Mangel kann im Kriege durch nichts, am Allerwenigsten durch Einstellung von Schnelldampfern der Handelsflotte ausgeglichen werden. Ebenso fühlbar ist der Mangel an modernen Kreuzern für die Marine in ihrem Auslandsdienst. Unsere augenblicklich auf dem Kriegsschauplatz in Ostasien versammelten Schiffe sind Typen einer längst überwundenen Zeit und nicht im entferntesten im Stande, ihren Willen durchzusetzen, falls es den dortigen kriegführenden Mächten nicht gefallen sollte, demselben nachzukommen . China besafs vor dem Kriege 2 Panzerkreuzer und 13 geschützte Kreuzer, Japan hat 6 Panzerkreuzer und 5 geschützte Kreuzer. Alle anderen Stationen sind nur notdürftig, zum Teil garnicht hesetzt. Es würde dies an und für sich nichts schaden, wenn das Ausland nur wüfste, dafs hinter den veralteten Schiffen Deutschlands im Ausland eine Reserve von modernen Schiffen zu Hause steht, die eine der Flagge angethane Beleidigung oder erlittene Schlappe mit starker Hand zu rächen im Stande ist . So lange dies nicht der Fall ist, bleibt das Ansehen des deutschen Reiches im Auslande gefährdet und in den

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heimischen Gewässern ist es der Marine nicht möglich, ihren Pflichten gegen das Vaterland im Kriege in erfolgreicher Weise nachzukommen . Wir können nur wünschen, defs der Reichstag die in der Broschüre angeführten Gründe würdigt und durch Bewilligung der geforderten Kreuzer die so dringend nötige Kräftigung unserer Wehr zur See ermöglicht. 19.

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der militärischen Tracht. Herausgegeben , gezeichnet und mit kurzem Texte versehen von R. Knötel. Band V. Heft 12. Rathenow 1894. M. Babenzien. Preis 1,50 M. 2. Brauchen wir Panzerkreuzer ? Zeitfrage an den deutschen Berlin 1895. Reichstag gestellt von einem sachverständigen Patrioten. H. Peters. 3. Le Origini della fortificazione moderna. Studio storico - critico di E. Rocchi , maggiore del genio. Un volume di XX- 184 pagine, con atlante separato di 14 tavole in foto - incisione. Roma 1894. Voghera Enrico. Preis 4 Lire. 4. Der Kompagnie-Dienst. Ein Handbuch für den Kompagniechef im inneren und äufseren Dienst. Bearbeitet von Schwarz , Oberstlieutenant. Zugleich als sechste Auflage von : Müller, der Kompagniedienst. Berlin 1895 . E. S. Mittler & S. Preis 4 M., gbd . 4,50 M. 5. Die Pagen am Brandenburg-Preufsischen Hofe 1415-1895 . Beiträge zur Kulturgeschichte des Hofes auf Grund archivalischer Quellen von v . Scharfenort , Hauptmann . Mit zwei Abbildungen in Farbendruck. Berlin 1895. E. S. Mittler & S. Preis 3,25 M. , geb. 4 M. Dritte durchgearbeitete Auflage der 6. Grundrifs der Taktik. ,,Elemente der Taktik. " Von F. Meckel , Generalmajor. Mit Abbildungen im Texte und zwei Kartenbeilagen in Steindruck. Berlin 1895. E. S. Mittler & S. Preis 7 M., geb. 8,50 M. 7. Die deutsche Reiterei in den Schlachten und Gefechten von 1870/71 . Von Kunz , Major a. D. Berlin 1895. E. S. Mittler & S. Preis 7,50 M., geb. 9 M. 8. Afrika. Schilderungen und Ratschläge zur Vorbereitung für den Aufenthalt und den Dienst in den deutschen Schutzgebieten von Dr. v. Wifsmann , Kaiserl. Reichskommissar und Major à 1. s. d . Armee. Berlin 1895. E. S. Mittler & S. Preis 1,20 M. , geb. 2 M. 9. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften . Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe. Abteilung für Kriegsgeschichte . Heft 17: Truppenfahrzeuge, Kolonnen und Trains bei den Bewegungen der I. und II.:deutschen Armee bis zu den Schlachten westlich von Metz (mit 1 Übersichtskarte und 4 Skizzen) . Preis 2 M. Heft 18 : Das Generalkommando des III . Armeekorps bei Spicheren und Vionville (mit 3 Plänen und 3 Skizzen.). Berlin 1895. E. S. Mittler & S. Preis 3 M.

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10. Gefechtsbilder aus dem Kriege 1870/71 . Band III. Die Gefechte von Ladon und Maizières am 24. November 1870. Nach amtlichen Quellen und handschriftlichen Aufzeichnungen von Mitkämpfern. Von Fritz Hoenig. Mit einem Plan. Berlin 1894. R. Felix . Preis 3 M. 11. Preufsische Feldherrn und Helden . Kurzgefafste Lebensbilder sämmtlicher Heerführer, deren Namen preufsische Regimenter führen . Als Beitrag zur vaterländischen Geschichte von Wilhelm Bufsler , MilitärOberpfarrer in Metz . 3. Band. Gotha 1895. H. Schloefsmann . Preis 5 M. 12. Getreide und Hülsenfrüchte als wichtige Nahrungs- und Futtermittel, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Heeresverpflegung. Herausgegeben im Auftrage des Königl. Preufsischen Kriegsministeriums . Erster allgemeiner Teil. Mit 13 Tafeln in Farbendruck. Berlin 1895. E. S. Mittler & S. 13. Geschichte des Frauenvereins in Bayern, seine Entstehung und Entwickelung 1580-1894. Festschrift aus Anlafs des 25jährigen Jubiläums des am 18. Dez. 1869 gestifteten bayerischen Frauenvereins vom roten Kreuz, verfafst von Oberst z. D. H. Frhr. v. Rotenhan und Oberst a. D. Th. Kriebel. I. Teil. München 1894. Beilage : Festspiel zur Feier des 25jährigen Jubiläums des bayerischen Frauenvereins vom roten Kreuz . 14. Das Exerzir-Reglement der französischen Infanterie von 1894. Leipzig. Zuckschwerdt & Möschke. Preis 3 M. 15. Die neuen Vorschriften über den Aufklärungs- und Siche* rungsdienst der französischen Armee. Leipzig. Zuckschwerdt & Möschke. Preis 80 Pfg. 16. Die Selbstständigkeit der Unterführer im Kriege. Von Generallieutenat R. Woide. Aus dem Russischen übersetzt von B. Berlin 1895. R. Eisenschmidt. Preis 2,50 M.

Kroll's Buchdruckerei, Berlin S., Sebastianstrasse 76.