185 66 26MB
German Pages 692 Year 1888
Jahrbücher für die
deutsche Armee und Marine. Verantwortlich geleitet
von
G. von MARÉES Oberstlieutenant a. D.
OG COEL
Sechsundsechszigster Band.
T
EN
VAS THEA
IU 118L
Januar bis März 1888 .
BERLIN.
RICHARD WILHELMI. 1888 .
LOAN STACK
U3 NC
Jan.- June 1898
Inhalts -Verzeichnis Seite
1. Ein amtliches Kriegstagebuch über die Belagerung von Mainz 1793, bearbeitet nach archivalischer Vorlage von Dechend , Premier Lieutenant im hess. Füsilier -Regt. Nr. 80 II. Der Mehrlader. Eine geschichtlich taktische Betrachtung von G. Thäter , königlich bayer. Hauptmann
1
26 55
III. Zur Beurteilung der spanischen Armee *) IV. Die niederländische Kriegsakademie und die Intendantur -Schule . V. Oliver Cromwell. Eine Besprechung
83
VI.
96
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
72
VII. Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den militärischen Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen
Aufsätze.
(VI. Quartal 1887.)
(15. Septbr.
15. Dezbr. 1887)
106
VIII. Ein amtliches Kriegstagebuch über die Belagerung von Mainz 1793, bearbeitet nach archivalischer Vorlage von Dechend , Premier
lieutenant im hessischen Füsilier-Regiment Nr. 80. (Fortsetzung) 124 148 IX, Frankreichs zweite Verteidigungslinie X. Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg strelitzschen Husaren - Regiment V .. v. 0 ..... 1813 bis 1815
156
XI. Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik XII.
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen von Dr. jur. F. A. Francke Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit
XIII. Über die Ausbildung der Reserve- und Landwehr-Offiziere . XIV.
Umschau in der Militär - Litteratur
184 203 223 228
*) Im Januarheft Seite 55 Zeile 14 von unten ist hinter gegenüber “, einzuschalten ganders
Seite
XV. Ein amtliches Kriegstagebuch über die Belagerung von Mainz 1793, bearbeitet nach archivalischer Vorlage von Dechend , Premier lieutenant im hessischen Füsilier-Regiment Nr. 80. (Schlufs ) . . 233
XVI. Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg strelitzschen Husaren-Regiment V ( Schluſs )
.
.
.
.
.
v. 0 ...
1813 bis 1815. 262
XVII. Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien - Portugal XVIII. Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee XIX . Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ? Gedanken über kriegs .
289 317
mäſsige Ausbildung unserer Infanterie von Reisner Freiherrn von Lichtenstern , k. b. Hauptmann und Kompagniechef im Infanterie - Leib - Regiment
330
Umschau in der Militär - Litteratur .
343
.
XX .
1.
Ein amtliches Kriegstagebuch über die Belagerung von Mainz 1793, bearbeitet nach archivalischer Vorlage *) von
Dechend, Premierlieutenant im hessischen Füsilier-Regiment Nr. 80. Alle Rechte vorbehalten .
In den Tagen der den unglücklichen Feldzug in der Champagne
abschlieſsenden Verbandlungen zwischen Dumouriez , dem Ober * ) Benutzte Vergleichsquellen.
1. Die Blockade von Kassel, Brückenkopf von Mainz, während der Belagerung 1793, von Fr. v. Strantz, Königl. Major. und Geschichte des Krieges, 1831 , 22. Bd.
Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft
2. Beitrag zur Geschichte der Belagerung von Mainz 1793
ebendaselbst
1844, 60. Bd.
3. Der Feldzug der Königl. preuſs. Armee am Rhein 1793, aus den hinter
lassenen Papieren des Herzogs von Braunschweig, von A. Wagner, Königl. preuſs . Oberstlieutenant, Berlin, G. Reimer, 1831. 4. Ditfurth, Die Hessen und der Feldzug 1793-95, Bd. I, Kassel 1839,
bei
J. Bohmé.
5. Magazin für die neuesten merkwürdigen Kriegsbegebenheiten I. Bd., Fr. Efs linger, Frankfurt 1794, worin folgende Aufsätze: a) Etwas über die Belagerung von Mainz.
b) Über die Verteidigung und Übergabe der Stadt und Festung Mainz. c) Journal der Belagerung von Mainz 1793. 6. Hist. crit. et mil. des guerres de la révol. p. Lt. Gén. Jomini, Bruxelles, J. B. Petit, 1837. 7. Aus der Mainzer Stadtbibliothek als die zuverlässigsten vorhandenen Pläne
in sehr dankenswerter Bereitwilligkeit überlassen : a) Plan der Belagerung von Mainz, gewidmet Sr. Königl. Maj. v. Preuſsen, von C. J. Humbert, Königl. preuſs. Ingenieurlieutenant, 1793.
b) Belagerungsplan der Stadt und Gegend Mainz 1793, gez. von Peter Brand, Jäger der Geometrie und Forstwiss. Beflissener, gest. bei Gebr. Cöntgen, Frankfurt und Mainz. Jahrböcher für die Deutsche Armee and Marino. Bd. LXVI., 1.
1
Ein amtliches Kriegstagebuch
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befehlshaber des französischen Nordheeres , und dem preuſsischen Oberkommando, war es , als die ehrwürdige Bischofsstadt Mainz durch den Fall von Speier in die grenzenloseste Bestürzung versetzt
Die Truppenverteilung der Verbündeten am Rhein und Main war keine derartige , daſs diese Bestürzung durch das Gefühl wurde.
der inneren Kraft oder durch die Gewiſsheit von auſsen herbei
eilender stärkerer Hilfstruppen behoben werden konnte. Zur Be satzung der seit langer Zeit vernachlässigten und daher verfallenen Festungswerke befanden sich in einem Gemisch von vielerlei Reichs truppenverbänden nur 2063 Mann, *) von denen nur 63 Artilleristen
und sehr viele Rekruten waren . In der Nähe standen keine Truppen
und die im Breisgau zusammengezogenen 10,000 Österreicher, be ziehungsweise die bisher bei Speier befindlichen 3200 Mann öster reichisch -mainzerischer Truppen hatten mit ihren eigenen Ange
legenheiten so viel zu thun, daſs von ihnen für die Sicherung von Mainz nichts zu erwarten war.
Custine's , des Befehlshabers der
französischen Rheinarmee , Plan kam also sehr zur bösen Zeit ; er
fand auch bei Mainz keinen harten Widerstand , obwohl man daselbst
wenigstens im letzten Augenblicke Anstrengungen dazu machte. Man arbeitete an der Herstellung der zu Gärten , Feldern und
schattigen Anlagen benutzten Werke, stellte die Geschütze ( 193 an der Zahl) auf, wenn auch nicht nach dem in der Hast unauffindbaren
Verteidigungsplane u. 8. f.; Arbeiten welche dann freilich mehr dem siegreichen Feinde nützen sollten , als den bei der Arbeit selbst schon mutlosen Bürgern. Am 19. Oktober stand Custine vor Mainz ;
nur ein General im Kriegsrat der Verteidiger stimmte für den Widerstand, und zwei Tage darauf fiel die Festung in schmachvoller
Übergabe. Die 800 Mann österreichischer Truppen , über welche dabei nichts bestimmt worden war, marschierten nicht einmal nach
Koblenz , das ebenso wenig beschützt dalag , sondern nach dem entfernteren Köln .
Dieser zweite Handstreich Custines bildete
entgegen seinem eigenen Plane (denn dieser suchte an sich keine Festsetzung am Rhein) eine wirkliche Gefahr für das Reich ; kein Wunder , daſs er den Rückmarsch der preuſsischen Armee von der Maas her beschleunigte und namentlich ihre Besorgnis für Koblenz
wachrief. Das unter dem Landgraf Wilhelm IX., ebenso wie zwei österreichische Truppencorps und die Freibitter des Zuges , die französischen Emigranten , bisher mit der preuſsischen Armee ver einigte hessische Corps (6000 Mann ) wurde nach Koblenz voraus 1
*) Nach einer andern Quelle 2835 Mann ,
über die Belagerung von Mainz 1793.
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gesandt und erreichte es namentlich darum noch zur rechten
Zeit, weil Custine in der Ausführung seines Planes sich vielen Schwankungen überlassen hatte. Am 28. Oktober war Koblenz gerettet, nachdem erst vier Tage vorher die Nachricht von dem Fall des schönen Mainz im preuſsischen Hauptquartier eingelaufen . Custine gab seinen Anschlag gegen Koblenz um so leichter auf, als ihm ein Tag nach dem Fall von Mainz auch das reiche Frank furt a .M. ohne Schwertstreich in die Hände gefallen war. Selbst die Versuche des französischen Generals , den nun vom Könige
Friedrich Wilhelm II. beschlossenen Vormarsch gegen Frankfurt a./M. durch Vorstöſse über die Lahn zu stören , waren zu ungeregelt, als daſs sie hätten gefährlich werden können . Es kam nach einigen
Gefechten mit den namentlich bei Homburg stehenden französischen Vortruppen (Houchard) zu einem Sturm der Verbündeten auf Frankfurt, der im besonderen durch das frische Drauflosschlagen der Hessen zu einer glücklichen und den Thatendrang überall wieder frisch belebenden Waffenthat wurde. (2. Dezember.) Es war jedoch spät im Jahre geworden , und alles sehnte sich nach Ruhe. Dennoch verzichtete der König nicht auf seinen Entschluſs, den Gegner wenigstens soweit zurückzutreiben, daſs das rechte Ufer des Rheines frei von ihm wurde. Die kleine Bergfeste
Königstein wurde angegriffen und als eine Beschieſsung keinen Erfolg erzielte, wenigstens durch Einschlieſsung unschädlich gemacht. Sie fiel am 7. März 1793. Der Rückzug der französischen Haupt kräfte auf das linke Rheinufer
(bei Hochheim blieben als Vorhut
-
nur drei Bataillone, zwei Schwadronen und in Mainz selbst 10,000 Mann)
beschleunigte andererseits das Zurückdrängen dieses
Gegners. Nach einem Gefecht bei Hochheim am 14. Dezember nahmen die Verbündeten Winterquartiere in Höchst und Frank furt a./M., während die Stellung ihrer Vortruppen sich auf dieser Seite über Biebrich - Wiesbaden - Bierstedt- Eabenheim - Delkenheim -
-
-
Wallau -Massenheim - Wicker -Flörsheim hinzog. Von den hessischen
Truppen standen nur leichte Truppen in dieser vorderen Linie, das übrige war in Frankfurt, wo auch das Hauptquartier des Königs lag. *) Zur Deckung des darmstädtischen Gebietes und des linken Mainufers standen seit dem 14. Dezember bei Rüsselsheim -König städten - Groſsgerau - Pfungstadt, beziehungsweise bei Darmstadt vier 9
*) In Frankfurt lagen Grenadier -Bataillon von Eschwege , die hessische
Brigade von Kochenhausen und die von Wurmb, sowie der Artillerietrain . Das hessische Regiment Garde marschierte von der Armee ab nach Kassel. 1*
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Ein amtliches Kriegstagebuch
darmstädtisch-hessische Bataillone, welche im Falle eines notwendigen
Abzuges eine vorbereitete Stellung bei Sachsenhausen vorfinden sollten. Diese Winterpostierung war bereits teilweise durch Ver schanzungen gedeckt , namentlich bei Mosbach (3) und bei Erben heim ( 1) am rechten Flügel der Preuſsen , beziehungsweise bei Wicker - Massenheim an ihrem linken Flügel.
Endlich wurden die
feindlichen Vortruppen durch eine am 6. Januar 1793 unter dem König selbst ins Werk gesetzte nochmalige Erstürmung von Hoch heim endgiltig bis nach dem von ihnen bedeutend verstärkten und stärker besetzten Brückenkopf von Mainz, Castel (damals noch Cassel genannt) zurückgetrieben . Hiermit endete eigentlich erst der Feldzug von 1792, und es trat vorläufig Ruhe ein .
Der Wiedereroberung von Mainz , galt wenigstens im Sinne der preuſsischen Führung der Feldzug von 1793. Daſs im gleichen Schritt mit der neu erstehenden Bedeutung dieses Waffenplatzes auch bei den Franzosen der Geschmack beim Mahle kam, und daſs
nachher der groſse Emporkömmling auf dem Throne Frankreichs im Verlauf von noch nicht zwei Jahrzehnten es verstand, dasselbe zu dem Grundstein seiner Eroberungspläne in Deutschland zu machen
wuſste, das konnte freilich keiner übersehen . Schon bei diesem Kampfe um Mainz aber zeigten sich die Gegensätze zwischen dem wild aufwachsenden Naturkinde Frankreich von damals und seiner
Thatkraft gegenüber der ruhebedürftigen Erben von Glanz und Würde, wie sie jetzt wider diesen Ruhestörer mit den alten Künsten auftreten wollten . Die neue Besatzung von Mainz schuf in ganz unerwarteter Art den eingenommenen Platz zu einem viel gegürteten , abschnittsreichen Werke um ; sie benutzte alle Hilfsmittel, die sich
ihr zeigten , um den Widerstand derselben zu erhöhen , um der Verteidigung den freiesten Spielraum zu verschaffen . Der Angreifer dagegen sah sich lange Zeit auſser Stande wirklichen Zwang auf den Verteidiger auszuüben, und nicht allein der Mangel von Angriffs mitteln , welcher erst sehr allmählich schwand , sondern auch die
ungelenke Anwendung derselben lieſsen trotz des alten Waffen
ruhmes und trotz der groſsenteils im Kampfe wiedergefundenen kriegerischen Lust der Truppen so SO bedenkliche Schattenseiten
erscheinen, daſs aus dieser Waffenprobe für beide Teile Stoff genug zum Nachdenken geschöpft werden konnte. Durch diese Gegensätze ist aber auch die Belagerung von Mainz ein Ereignis für die Kriegsgeschichte geworden , und so wird es nicht wertlos sein , einer zeitgenössischen Quelle , nämlich einem auf Befehl des Landgrafen
über die Belagerung von Mainz 1793.
5
Wilhelm IX. von Hessen -Kassel *) geführten Tagebuche nachzugehen , um gerade über diese Gegensätze zwischen Jung-Frankreich und Alt-Deutschland von damals mehr zu erfahren .
Das uns vorliegende Tagebuch beginnt mit dem Ausmarsch aus Frankfurt 21. März 1793 .
Die Verbündeten hatten auſser den Miſserfolgen in der Cham pagne und am Rhein im Jahre 1792 auch noch in den öster reichischen Niederlanden und in Savoyen Unglück gehabt. Anderer seits waren zu ibnen noch Holland und England hinzugetreten und später folgten diesen Spanien, Portugal, Sardinien und Neapel, nach dem der französische Konvent am 19. November 1792 beschlossen
hatte, daſs Frankreich allen Völkern , welche sich gegen ihre Regierungen erheben würden, beistehen werde. Der Feldzugsplan am Mittel- und Oberrhein wurde allerdings zunächst in Zusammenhang mit dem Vorgehen auf den anderen Kriegsschauplätzen gebracht , und thatsächlich erhielt man auch durch die Erfolge der groſsen österreichischen Armee unter Prinz von Coburg, beziehungsweise der mit ihr vereinten Hannoveraner, Hessen und Engländer freiere Hand auf dem mittelsten Kriegs
schauplatz. Dennoch verlief dieser Feldzug nicht günstig und zwar aus Gründen des mangelnden Zusammenhanges und der fehlenden
Übereinstimmung. Wer daran Schuld trug , das zu entscheiden, kann hier unsere Aufgabe nicht sein ; wir heben deshalb nur hervor, daſs dieser Mangel sich auch schon bei den Abmachungen über den Weg zu dem ersten Ziel der hier zu machenden Anstrengungen zeigte. Zu der Belagerung von Mainz, für dessen Wiedereroberung namentlich
der König Friedrich Wilhelm II.
eintrat ,
sollten
33,000 Mann Preuſsen verwendet werden , zur Deckung derselben aber gegenüber der französischen Rheinarmee , beziehungsweise dahin wirkenden Teilen der Moselarmee 50,000 Mann Preuſsen .
Dazu sollten 18,000 Mann Österreicher (unter Graf Wurmser) stoſsen. Zur Verhütung eines Überganges der Franzosen über den Rhein- mehr aufwärts sollte ein anderes österreichisches Corps die Strecke von Mannheim bis
Basel decken .
Leider wurde dieses
Corps mit an den Befehl des Grafen Wurmser gewiesen , ein
Umstand der die spätere selbstständige Abzweigung dieses Generals von der preuſsischen Hauptarmee, und so eine Teilung der Kräfte bei dem ursprünglich ins Auge gefaſsten weiteren Vorgehen nach *) Seitens des Lieutenants and Adjutanten A. F. Duncker (Marburger Staats archiv, 0. W. S. 1252, Hauptjournal vom hessischen corps d'armée, 1792–93, Tom . I.).
Ein amtliches Kriegstagebuch
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dem Fall von Mainz zu Wege brachte . Die hiermit sich ver bindenden Gefahren wurden nur durch die Fehler des Gegners abgeschwächt, sollten jedoch auch so noch Rückschläge mancher
Art verschulden . (Namentlich war es gerade Custine, welchem die Erfahrungen sowohl, als auch die nötigen Kenntnisse in der höheren Truppenführung abgingen.) Der verabredete Plan verschob sich eigentlich von Beginn an. Die österreichische Hauptarmee begann schon am 1. März ihre Bewegungen und derartig glücklich , daſs nun auch die preuſsische Hauptarmee ihren Übergang über den Rhein beschleunigen muſste, um Mainz belagern und diese Belagerung decken zu können .
Dies war bereits ein nicht ganz glücklicher
Umstand , denn die hier vereinigten Heeresteile besaſsen kein Be lagerungsgerät und obwohl man mit allen Mitteln an die schnell
möglichste Aufbringung und Heranschaffung desselben heranging, so dauerte es doch noch drei Monate vom Beginn der Einschlieſsung ab ( seit 14. März), bis die Belagerung selbst (18. Juni) ihren Anfang
nehmen konnte. Eine Quelle sagt, daſs gewiſs noch keine Belagerung soviel Kosten verursacht habe , und erzählt , wie auch die kleinsten
Bedürfnisse von weither herangezogen werden muſsten . Das Be lagerungsgeschütz , welches teils aus Anspach , aus Würzburg , aus
Frankfurt, teils aus Holland und teils aus Magdeburg kam , war nicht einmal gut , einiges >wohl zu Ehrenschüssen, aber zu keiner Belagerung zu gebrauchen und zu einer beträchtlichen Anzahl muſsten erst neue Lafetten gemacht werden. «
Nachdem am 7. März die Bergfeste Königstein sich ergeben, setzte zunächst der österreichische Parteigänger Szekely bei St. Goar über den Rhein (14.) und zog bald die preuſsische Avantgarde nach sich , da sein Vorgehen zu übereilt war. Zuerst (23.) betraf dies nur einen Teil , der bei Caub übergesetzt wurde, nachher aber die ganze Avantgarde unter dem Erbprinzen von Hohenlohe (26.) auf einer bei Bacharach geschlagenen Schiffbrücke. Ihm folgte vom 27. - 29. März die preuſsische Hauptarmee, während Mainz von ។
beiden Ufern des Mains her eingeschlossen wurde. Der Gegner versuchte zuerst bei Kreuznach zu halten , wurde aber durch die
Nachricht, daſs ein preuſsisches Zwischencorps unter Graf Kalkreuth von Trier her bis Baumholder , also fast in seinem Rücken gelangt
sei , und daſs die französische Moselarmee ihre zur Verbindung mit Custine nach St. Wendel vorgeschobene erste Division zurückziehe, zum schleunigen Abzug in südlicher Richtung , wo seine Magazine lagen , bewogen . Dahin folgte ihm die preuſsische Armee sofort, wobei es fast durch Zufall noch gelang , eine aus Mainz zur
über die Belagerung von Mainz 1793.
7
Vereinigung mit Custine abmarschierte Kolonne von 8000 Mann zu zersprengen oder wieder in die Festung zurückzutreiben und den Ring nun auch hier in der Linie Niederingelheim - Stadeck -Oppen heim zu schlieſsen (14. April). Auch weiter sollte Custine nicht unbelästigt bleiben ; denn General Wurmser , der am 1. April bei Ketsch über den Rhein gegangen war, erschien nun in seiner rechten Flanke und bewog ihn , sich in die Stellung bei Weiſsenburg zurückzuziehen. Den Oberbefehl über die Belagerungsarmee erhielt jetzt Graf Kalkreuth (6. April), während dem Herzog von Braun schweig die Führung der preuſsischen Hauptarmee blieb. Für das Belagerungscorps, beziehungsweise zur Verbindung seiner südlichen Teile wurde eine Brücke über den Rhein bei Ginsheim geschlagen, nachdem schon vorher eine solche Verbindung zwischen dem Be rennungscorps am nördlichen Mainufer und dem Belagerungscorps bei Flörsheim hergestellt worden war .
Zur Verfügung für dieses
nördliche Berennungs- und das südliche Belagerungscorps standen schlieſslich 43,000 Mann, und da im Ganzen auf diesem Kriegs schauplatz sich 86,100 Mann
befanden ,
SO
verblieb
der
Be
obachtungsarmee nur die gleiche Truppenzahl auch bei einem völligen Zusammenfassen aller Kräfte. Die feindliche Besatzung belief sich auf 18,000 Mann, wobei 1400 Pferde; für die von dem Verteidiger neu geschaffene vergröſserte Ausdehnung der Werke war dies um etwa 7000 Mann zu wenig. An Munition besaſs man reichlichen Vorrat und ebenso an Getreide, doch gab es wenig Mehl und auſser einigen Stadtmühlen , denen das Wasser durch den Belagerer leicht abzuschneiden war , verfügte man nur über elf Schiffsmühlen , zu deren Gunsten im Laufe der Belagerung unsäglich viele Anstrengungen notwendig geworden sind. Ihnen zu liebe muſste in der Folge namentlich die Petersaue immer mehr verschanzt und um die
Bleichauen mit immer neuen Menschenverlusten gekämpft werden. Auch waren ungeachtet der sehr emsigen Arbeit während der Wintermonate die Werke von Castel nicht vollendet worden , die
Geschütze, von sehr verschiedenem Kaliber und ebenso verschiedener Güte, nicht vollständig aufgestellt oder gegen die hohe Lage der vom Gegner eingenommenen Stellungen nicht gedeckt. Die ebenso
mangelhaft angelegten als verwickelten Verteidigungsminen lieſsen namentlich deshalb zu wünschen übrig, weil sie zu der nunmehrigen Ausdehnung der Festungswerke nicht mehr paſsten. Vielleicht wäre es hierdurch dem Angreifer sogar möglich gewesen im Beginn seiner Berennung Vorteile zu erringen , welche für den baldigen Fall der Festung entscheidend geworden wären .
Ein amtliches Kriegstagebuch
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So war die Sachlage , wie sie beim wirklichen Abschluſs der
Berennung uns entgegentritt. Wir haben jedoch hiermit dem Gang der Ereignisse weit vorgegriffen und müssen wieder die ersten Spuren dieser Ereignisse aufsuchen . Hiermit tritt unser Tagebuch selbst in Geltung. Wenden wir uns mit ihm der Nordseite, dem neuen Castel und dem dortigen Berennungscorps zu . Die hier neu
entstandene Brückenkopffestung zeigt am deutlichsten die Ent wickelungsfähigkeit der Verteidiger für die ihnen entgegentretenden
verschiedenen Zweige der Kriegskunst.
Bei der Einnahme hatten
die Franzosen auf dem nördlichen Rheinufer nur ein schwach
profiliertes vor der Rheinbrücke im Innern der Vorstadt liegendes
Werk vorgefunden, das wohl zu jeder Zeit gestürmt werden konnte. Jetzt war davon keine Rede mehr , selbst die , wie oben gesagt, noch nicht ganz vollendeten Werke erheischten zu ihrer Bezwingung
alle Mittel einer regelmäſsigen Belagerung. Es spricht schon dafür die Thatsache, daſs der Sappenangriff nicht einmal hiergegen erfolgte, sondern gegen die Südseite der Festung. Die nunmehrige Um wallung bestand aus drei ganzen und zwei halben geräumigen Bastionen, vier Ravelinen und einer vorgeschobenen Lünette abwärts
am Rhein. Die gröſstenteils sandige Brustwebr war durch Faschinen gehalten , die Gräben waren , obschon noch nicht bekleidet , doch
pallisadiert und von einem geschleppten Verhau umgeben, letzteres weil ein gedeckter Weg fehlte. Auf den Wällen standen 58 Ge Die südlich liegende Rhein- oder Marsschanze, aus zwei ganzen und zwei halben , sehr beengten Bastionen bestehend, befand
schütze.
sich noch im früheren Zustande , die Annäherung war jedoch auch hier durch nasse Wiesen und Gräben bis gegen Kostheim bin noch sehr erschwert. Letzteres Dorf liegt etwa 1100 Meter entfernt, man schuf jedoch bis dahin eine gegen das Feuer der Gustavsburg durch Zickzacks gedeckte Kette von Laufgräben , mit deren Hilfe man zu einer ununterbrochenen Verbindung mit dem genannte Dorfe
gelangte. Zu der eigentlichen Wertschätzung des Besitzes von Kostheim gelangte man jedoch auch französischerseits (preuſsischer seits geschah es erst fast am Schluſs der Belagerung ) anfänglich nicht. Als man jedoch zum Entschluſs gelangte, sich dort fest zusetzen und das weitere Vorgehen des Angreifers damit zu ver hindern , entstand bei und in dem Dorfe Kostheim eine Kette von
Verteidigungsanlagen, welche einheitlich festzuhalten und doch gegen zwei Stellungen des Feindes zu verwenden waren, gegen die Höhe von Hochheim und die Gustavsburg auf der Mainspitze. Aber damit noch nicht genug ; man sicherte diese Stellung bei Kostheim
über die Belagerung von Mainz 1793.
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auch dadurch sehr vorteilbaft, daſs man sich auf den Bleichinseln,
als einem Annäherungspunkte zu der Gustavsburg festsetzte und verschanzte. Zäh bis aufs äuſserste hielt man hier wie in Kostheim
aus und erreichte den beabsichtigten Zweck vollständig ; der Ein schlieſsungsring blieb hier trotz des vielen Blutes, welches auf beiden Seiten floſs, der gleiche fast bis zuletzt. Gerade bier aber fand die
Besatzung Vorräte und gerade an dem Punkte des Zusammenfluſs von Main und Rhein konnte man die Versuche des Angreifers gegen die Schiffbrücke und Schiffsmühlen zwischen Mainz und Castel am
ehesten überwachen . Und wie hier in der östlichen Einschlieſsungs linie ,, so auch gegen Norden sorgte der Verteidiger dafür, seine natürliche Stellung zu verstärken und sie als Ausgangspunkte zu eigenen Angriffsunternehmungen zu benutzen . So entstanden mit Front nach Erbenheim - Biebrich (Mosbach) auf der Petersaue starke Laufgräben und Batterien, beziehungsweise mit Front nach Mombach Harte Mühle auf der Ingelheimeraue. Von beiden Punkten ging man mehrfach angriffsweise vor .
I. Abschnitt des Tagebuches. Vom Beginn der Berennung an bis zur Eröffnung des Sappenangriffs, 21. März bis 17. Juni.
Das Berennungscorps der Nordseite unter dem Befehl des preuſsischen Generallieutenants v. Schönfeld besteht aus Infanterie
Regiment v. Crousaz , Infanterie - Regiment v. Borch , 1 Bataillon Regiment v. Vitinghoff, 3 Compagnien Jäger, Kürassier-Regiment v. Borstel = im Ganzen 7 Bataillone, 3 Compagnien, 5 Schwadronen Preuſsen , aus Grenadier- Bataillon Christiani, 1 Bataillon Kurfürst,
1 Bataillon Clemens , 1 Bataillon Gotha , Carabiniers - Regiment = 4 Bataillonen, 4 Schwadronen Sachsen , aus Grenadier -Garde -Regi
ment, Leib -Grenadier -Regiment, Leib -Dragoner -Regiment = 5 Ba taillone, 5 Schwadronen Hessen - Kasselern und aus 1 leichtem 1/2 Ba Bataillon, 2 Jäger-Compagnien, Chevaulegers-Regiment ern en ädt ron n , im Ganzen 10,000 Hessen - Darmst taillone , 4 Schwad Mann . Später kommen noch Verstärkungen bis zu 2000 Mann
Zu nächster Verbindung steht auf der Rhein- und Main Spitze , wo zwischen Hochheim und Rüsselheim obengenannte Ponton brücke lag, General v. Rüchel *)) mit zunächst 5 Bataillonen . Von hinzu .
*) Rüchel wird bei dieser Belagerung das hervorragendste Verdienst zu geschrieben.
Ein amtliches Kriegstagebuch
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letzteren Truppen ist die ehemalige Schwedenschanze Gustavsburg , sind später die nächsten Rheininseln besetzt, beziehungsweise gegen
über Kostheim und dessen Verbindungen nach der (Mars-)Rhein schanze des Verteidigers mehrere Verschanzungen und Batterien angelegt. *
1. Berichte vom 21. März bis 7. April de Frankfurt : [Die Einschlieſsung und Einschlieſsungsstellung. Erste Be rührungen mit dem Gegner.] Den 21. Die Fouriere und Schützen der preuſsischen Garde gingen von hier nach Kelsterbach und machten allda die Quartiere, allwo das Hauptquartier für Sr. Majestät den König nebst vier Compagnien des I. Bataillons Garde war. Nach Rauenheim kamen zwei Compagnien des I. Bataillons und das ganze II. Bataillon Garde. Nach Morfelden, Walldorf und die Gundhöfe wurde das III. Ba
taillon (Garde) und das Grenadier - Bataillon Rhodig (alte Garde) Das Grenadier - Bataillon v. Manstein marschirte zum
vertheilt .
-
Regiment nach Flörsheim , das Dragoner-Regiment v. Lottum nach Ober- und Nieder-Hofheim , das Regiment v. Keith nach Sulzbach und Herlau (Hornau ?). Der Capitän Decker marschirte mit seiner Batterie nach Rödelheim, der Major Puttkammer mit seiner Batterie nach Höchst . Alle leichten (hessischen ) Truppen , nämlich die Husaren, Jäger und das leichte Infanterie -Bataillon unter Befehlen des Obrist Schreiber brachen heute aus ihren Quartieren auf, gingen (über Frankfurt - Sachsenhausen und hierauf) bei Flörsheim über den Main und stieſsen zu dem Corps des Herrn Erbprinzen von Hohenlohe, an dessen Ordre sie gewiesen wurden. Das (hessische)
Leib -Dragoner-Regiment brach ebenfalls aus seinen Quartieren und bezog mit zwei Escadronen sächsischer Husaren die vom Obrist Schreiber verlassenen Quartiere folgendergestalt: 2 Escadronen Leib - Dragoner nach Bischofsheim , 2 Bauschheim , 1 Escadron 1 1
Trebur, sächsischer Husaren nach Bischofsheim , >>
>>
Bauschheim .
Das Regiment Prinz Heinrich ( von Preuſsen) marschirte heute nach Nastätten , das I. und II. Bataillon Romberg nach Bärstadt bei Langenschwalbach (muſs heiſsen Schlangenbad) , das Regiment von Kleist nach Langenschwalbach, das Regiment von Weimar nach Idstein , Ehrmbach , Ober- und Nieder - Auroff.
1 1
über die Belagerung von Mainz 1793.
11
Den 22. marschirte das Regiment v. Thadden nach Wicker
Massenheim und traf daselbst um 6 Uhr (Abends ?) ein. Das Regi ment v. Wolframsdorf marschirte sodann nach Wiesbaden , das Regiment Prinz Ferdinand ebenfalls, welches sich so einrichtete, daſs es um 8 Uhr (Abends ?) eintraf, wo ihm der Herr Erbprinz >
von Hohenlohe die Postirung anwies.
Gestern erhielt die (hessische) Brigade v. Hanstein den Befehl, ein Lager bei Hochheim zu beziehen. Wir hatten, da unsere Zelte in der Campagne von Frankreich unbrauchbar geworden , dieselben bei unserer Ankunft in Hessen nach Ziegenhain und Rheinfels ge schickt, für die wir neue haben sollten und die dann auch zu
Hessen -Kassel angefangen wurden. Indessen waren sie noch unter wegs und die Offizierszelte auch noch nicht alle fertig, welches uns ein unangenehmes Lager erwarten liefs.
Inmittelst erhielten wir
des Nachts noch Contreordre , der zufolge das Grenadier-Bataillon
nach Mosbach, das Garde-Grenadier-Regiment , welches heute aus Frankfurt aufbrach und Nachtquartier in Höchst machte, nach Biebrich und das Leib -Regiment nach Erbenheim in Cantonpirungs Quartiere verlegt wurden. Um 4 Uhr heute morgen marschirten die preuſsischen Garden aus Frankfurt.
Den 23. Infolge der gegebenen Contreordre war das Grenadier Bataillon v. Eschwege in der Nacht vom 22. und 23. aufgebrochen und nach Rüsselheim marschirt, wo die Ankunft des Morgens um 2 Uhr erfolgte. Wir lösten in Rüsselheim ein Bataillon von Prinz Ferdinand ab, welches mit den übrigen Preuſsen, die auch diesseits
des Mains gelegen, über die Pontonbrücke des Morgens gingen und den 23. ein Lager bei Hochheim bezogen. Ein Bataillon Sachsen marschirte ebenfalls über die Brücke und quartierte sich in Wicker ein . Vor Rüsselheim liegt eine alte Schanze, die von den Preuſsen wieder ausgebessert, grofs, hoch und stark war. Es standen darin die zwei Bataillonsstücke des Grenadier- Bataillons v. Eschwege und ein preuſsisches, welche der Obrist Schreiber von unseren Husaren,
der bier das Kommando gehabt, zurückgelassen.
Des Morgens wurde das Grenadier- Bataillon v. Eschwege vom I. Bataillon der preuſsischen Garde abgelöst , woselbst Sr. Majestät der König und der Kronprinz Quartier nahmen , das (genannte) Grenadier- Bataillon ging bei Flörsheim über die von den Preuſsen aufgeschlagene Brücke nach Wicker, wo einige Regimenter Sachsen, die theils in Wicker einquartiert und theils ins Lager rechts von Hochheim rückten, mit uns ein Freudenfeuer über den (bei Tirlemont) erfochtenen Sieg des Herrn Prinzen von Coburg über die Armee
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Ein amtliches Kriegstagebuch
des General Dumouriez machten, und nachdem rückten wir in unsere
Cantonnirungsquartiere folgendergestalt : Grenadier -Bataillon v. Esch wege, Garde-Grenadier-Regiment und zwei Escadronen Leib -Dragoner nach Mosbach , das Leib -Regiment nach Erbenheim, die drei anderen Escadronen Leib-Dragoner nach Nordenstadt. In Biebrich lag das Bataillon v. Legat. Um 6 Uhr Abends rückten wir aus unserem Cantonnement, schlugen die angekommenen Zelte auf der Höhe links von Mosbach auf und zwar stand unser rechter Flügel links
der von den Preuſsen (im Winter) gemachten Schanze Nr. III *) und der linke längs der Höhe, Front nach Castel hinaus. Wir blieben des Nachts vor dem Feinde ruhig, standen aber, da es sehr kalt war und regnete, und wir weder Decken, Stroh und Holz *) Die auf der nördlichen Einschlieſsungslinie überhaupt von den Verbündeten hergestellten Feldwerke waren : 1. Eine Verschanzung an der Churfürstenmühle, südöstlich von Biebrich, in
Verbindung mit einem von Biebrich ausgehenden Laufgraben , ferner je eine Flesche bei der Salzmühle und Armenrubmühle östlich Biebrich . Von der Winter
postierung her rührten noch zwei Schanzen der Preuſsen am Einfluſs des Walluf baches in den Rhein, bei Nieder Walluf.
2. Zur Deckung des etwa / Meile von Castel abliegenden und auf dem Südwestteil der Erbenheimer Höhe sich hinziehenden hessischen Lagers zunächst die aus der Winterpostierung herrührende Schanze Nr. III, welche auf dem Abfall des sogenannten Vorderbergs nordöstlich Biebrich lag. Dann gerade vor dem rechten Lagerflügel wo das Bataillon v. Eschwege die neuen Schanzen Nr. I
und Nr. II auf dem gegen Biebrich zugewendeten Abfall der Erbenheimer Höhe zu beiden Seiten des Feldweges Erbenheim - Armenruhmühle. Endlich vor dem linken Flügel an der „ Warte “ eine Umschlieſsungsbrustwehr derselben und bis zu dem Niederungsabhange vorgeschoben die sogenannte Neue Schanze. 3. Zur Deckung des an das hessische anschlieſsenden sächsischen Lagers, welches ähnlich wie dieses dem Zuge des das Rheinthal abschlieſsenden , scharf absetzenden Höhenrandes folgte und sich von Castel deshalb weniger, nämlich an 2800 Meter von Castel entfernt hielt , waren angelegt vor dem Häuser Hof eine
Schanze und von letzterer ab, immer am Steilhange entlang noch sechs Fleschen, namentlich zur Bestreichung einer auf diese Höhe hinaufführenden Schlucht. 4. Vor dem westlich Hochheim aufgeschlagenen preuſsischen Lager befand sich bei der Donnermühle eine das Thal des Käsbaches sperrende Schanze, dann an dem Heiligenstock der Frankfurter Straſse zwischen genannter Mühle und Dorf Kostheim ein Laufgraben, sowie an der Ziegelei von Kostheim eine Schanze, deren Anschluſsgräben bis zum Mainufer sicherten. Dicht vor dem nördlich der Frankfurter Chaussee aufgeschlagenen Lager selbst endlich eine aus fünf Fleschen bestehende ausgedehntere Verschanzung auf dem Höhenrande und rückwärts der Donnermühle.
Der Höhenrand am rechten Flügel des hessischen Lagers sowie derjenige, wo das preuſsische Lager stand, wies den stärksten Abfall auf und war von Schluchten, mit Unterholz bewachsen, durchsetzt.
über die Belagerung von Mainz 1793.
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hatten, sehr viel aus. Das Leib-Regiment muſste (am linken Flügel) heute eine Compagnie in den (Mechtilds-)Häuser Hof geben. Heute giebt der General-Lieutenant v. Kalkstein die Parole an das I. Treffen und an das Corps des General-Lieutenant v. Eben, der General-Lieutenant v. Wolframsdorf an das II. Treffen , Prinz
Louis von Württemberg an die Kavallerie, das hessische Corps erhält sie vom General-Lieutenant v. Schönfeld in Hochheim .
Den 24. Um 11 Uhr rückte das hessische Corps wieder in sein Cantonnement lieſs die Zelte stehen und gab (nun ) täglich des Abends um 6 Uhr noch auſser den Feldwachen und Kommandos
ausrückende Piketts per Bataillon 80 Mann, die die Zelte bezogen. Ein Theil Preuſsen und ein Theil Sachsen kampierten bei Hochheim.
Die Sachsen standen auf dem preuſsischen rechten Flügel und der an unserem linken appuiirt. Das preuſsische Lager bestand aus dem Kürassier-Regiment v. Borstel, dem In fanterie -Regiment v. Crousaz und v. Borch, das sächsische aus dem Carabiniers-Regiment, ein Grenadier - Bataillon Christiani und dem
ihrige rechte war
Bataillon Kurfürst, Clemens und Anton , das hessische aus dem Leib
Dragoner -Regiment, Grenadier - Bataillon v. Eschwege
Garde
Grenadier und Leib-Regiment. In Biebrich liegen zwei Compagnien vom Regiment Legat. *)
Die Preuſsen hatten auf der Höhe von
Kostheim eine Batterie Zwölfpfünder aufgepflanzt, woraus sie zuweilen schossen und den Feind aus diesem Dorf verjagt hatten . Die Armee des Herrn Prinzen von Hohenlohe war bei St. Goar
über den Rhein gegangen, um den Feind aus seinen gemachten Verschanzungen in dasiger Gegend zu verjagen. Der preuſsische General Graf v. Kalkreuth
stand
mit
einer combinirten
Armee
Kaiserlicher und Preuſsen in der Gegend von Trier und sollte von da nach Mainz zur Belagerung. Die Besitzungen, die der Feind auf diesseits Mainz hat, sind Castel und die Insel am Rhein und
Main, wo er groſse Verschanzung gemacht und starke Batterien hat. Unser Lager lag 1 Stunde von Castel hinter der sogenannten » Landwehrs und / Stunde vom Dorf Mosbach, welches rechts zur Seite und die Inseln am Rhein vor uns liegen.
Den 25. rückte die preuſsische Garde in Wiesbaden ein und formierte nebst noch einigen Bataillons ein Reserve-Corps, marschirte *) Seit Anfang April dafür zwei Compagnien preuſsischer Jäger, wozu später
noch ein leichtes Bataillon und eine Jäger-Compagnie darmstädtischer Truppen stiefsen. Ebenso standen hinter Mosbach die Darmstädter Chevaulegers. Weiter
lagen in Eltville eine preuſsische Jäger-Compagnie, in Schierstein ein Kommando von 2 Offizieren, 70 Mapn .
Ein amtliches Kriegstagebuch
14
aber nach einigen Tagen zur Armee über den Rhein, woselbst auch der König ging. Es wurde heute nach Flörsheim geschickt, um daselbst aus
dem preuſsischen Magazin pro Zelt zwei Gebund Stroh zu empfangen. Heut fuhr ein Holzmagazin allhier an, welches zum Gebrauch des hessischen Lagers dient. Im Fall eines Alarms setzen sich die zwei Escadrons Leib
Dragoner aus Mosbach auf den rechten Flügel, das Grenadier- Bataillon v. Eschwege und die drei Escadrons aus Nordenstedt auf den linken
Flügel des II. Bataillons Leib -Regiments und erwarten weitere Ordre .
Detail der Vorposten auf den 26.: Redoute Nr. 1
.
II
.
» III
Armenruhmühle
.
Capitän, 1 Offiz., 2 Unteroffiz., 24 Gem. >>
1
>>
1
-
1 1
2 1
18 >
30
>>
18
>>
Das Grenadier-Bataillon v. Eschwege besetzt die drei Redouten und die Armenruhmühle jedes mit einer Compagnie im Fall eines Alarms.
Den 27. gegen 10 Uhr Abends erhielten wir Nachricht, daſs der Feind uns angreifen wollte und um 11 Uhr rückte auch eine Parthie Feinde aus Castel gegen uns an, schoſs sich mit unseren Vorposten herum und machte dabei ein groſses Geschrei, inzwischen zeigten sie weiter keine Lust zum förmlichen Angriff und begnügten sich damit uns des Nachts immer wieder zu alarmiren, indem sie
in dem Felde herumflankierten und ungefähr über einen Stückschuſs weit von uns eine Art Aufwurf machten und, da unsere Ingenieurs
der Meinung waren, daſs sie uns damit keinen Schaden zufügen könnten, so lieſs man sie ungestört fortarbeiten . Den 28. um 2 Uhr des Morgens hörte man in der Gegend von Bingen eine starke Kanonade, die eine Stunde dauerte. Man glaubte, daſs die Franzosen in ihren Verschanzungen dasiger Gegend ange
griffen seien. Gegen Abend kamen unsere neuen Packpferde, Knechte und Rekruten für die abgegangenen, aber mit der Augmentation unseres bei den Preuſsen stehenden Corps *) beruhet es noch.
Den 29. erfuhr man, daſs die Preuſsen Bingen eingenommen und den Tag vorher ein Gefecht bei Stromberg zum Nachtheil der Feinde gehabt hätten. Sie hatten bei Bingen den Tag vorher (Gefecht bei Waldalgesheim ) den General Neuwinger, welcher blessirt *) Das Detachement Schreiber, vergl. Seite 10.
über die Belagerung von Mainz 1793.
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worden, 8 Offiziere und 108 Gemeine zu Gefangenen gemacht und 6 Kanonen erobert.
Heute marschirten die preuſsischen Garden von Wiesbaden
nach Bingen. Auf der linken Seite unseres Lagers vor der Front bei der Warte *) wurde heut eine Schanze aufgeworfen und mit 1 Sechs pfünder und 1 Dreipfünder besetzt, die unsere Vorposten im Falle eines Angriffes unterstützen und die Intervalle zwischen den Sachsen und uns decken sollte. Den 30. Es brachten die Sachsen ein Granatstück vor unsere
Front und schossen einige Mal auf die Feldwachen der Franzosen, die auf der Chaussee (Castel-Biebrich -Wiesbaden ) hielten, wodurch sie auseinandergejagt wurden und sich mehr zurückzogen. Inzwischen diente dieses auch dazu, daſs der Feind täglich des Morgens sich mit den Vorposten herumschoſs und uns alarmirte. Besonders
griff er dabei die sächsischen Vorposten an und schlug sie einige mal auch zurück .
Den 1. April brachten die Preuſsen 962 Gefangene, die sie bei Worms bekommen hatten .
Den 2. fingen die Feinde unsere Vorposten heftig zu attaquiren an , wodurch wir alarmirt wurden , aber doch nicht weiter aus rückten . Die Franzosen schossen stark aus Castel und von den
Inseln des Rheines mit Kanonen, die aber keinen Schaden zufügten , und in Zeit von 1 Stunde, nachdem sie wieder zurückgeschlagen , wurde es wieder ruhig .
Zum Signal, daſs die Kavallerie vorrücken soll, wird ein ein zelner Schuſs aus einem Mörser, welcher hinter Hochheim gegen
Wicker zu steht, gegeben werden. Wenn in Zukunft von den Franzosen Emigrirte herübergeschickt werden , so müssen solche nach Hochheim schlechterdings an den Obrist v. Kamecke gebracht werden . Dieser zeigt solche dem Schultheis daselbst, als welcher ihre Namen aufschreibt.
Den 3. kamen 907 französische Gefangene durch Mosbach, welche die Preuſsen bei Worms bekommen . Sie hatten nebst diesen
zwei Fahnen erbeutet. Die Gefangenen wurden durch uns weiter nach Frankfurt transportiert.
An demselben Tage bestätigte sich die Nachricht, daſs die Preuſsen Worms und Speier, woraus sie den Feind vertrieben ,
besetzt hätten, und daſs Se. Majestät der König sich mit starken *) Vergl. Bemerkung auf Seite 12.
Ein amtliches Kriegstagebuch
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Schritten Mainz nähere.
Auch erhielten wir die Gewiſsheit von der
Wiedereroberung der (österreichischen ) Niederlande und den Rückzug der feindlichen Armee nach Frankreich .
Den 4. des Morgens noch vor Tage kamen ungefähr 200 Mann Franzosen und griffen die sächsischen Vorposten vertheilt an und schlugen sie zurück, allein da ungefähr 30 Mann sächsische Kavallerie auf sie lossprengten und einige niederhieben, so liefen sie so schreck lich, daſs sie bald wieder ihre Feldwache erreichten , die ihnen zu
Hülfe kam und nun gemacht, nöthigten Franzosen aber im wurden sie aus dem
die Sachsen , welche verschiedene zu Gefangenen mit diesen sich begnügen zu lassen. Da die laufen dichte zusammengekommen waren , so Sechspfünder von unserer Schanze einige Male
tüchtig bewillkommnet, worauf sie sich wieder nach Castel zogen und das fernere angreifen bleiben lieſsen. Von heut an empfangen unsere Soldaten wöchentlich zweimal
Fleisch , nämlich Donnerstag und Sonntags. Den 5. und 6. schossen die Feinde mit halben Karthaunen aus
Castel in das sächsische Lager und nach unserer neuen Schanze
(am Wart- Thurm ). In letzterer nahm eine Kugel einige Äste an dem darin befindlichen Baum weg, that aber keinen anderen Schaden. Heat wurden die Zelte für das (ganze) Corps von Frankfurt
gebracht und des Nachmittags erhielten wir Ordre am 7. Nachmittags das Lager zu beziehen . Das Grenadier-Bataillon v. Eschwege und die Dragoner bleiben aber bis auf weitere Ordre in ihren Can tonnements, ersteres weil es keine Decken für die Leute hatte und
letzteres, um die Pferde zu schonen und um unsere rechte Flanke zu decken. *) Anlage zu Bericht 1 : Auszug aus einem Bericht eines
sächsischen Offiziers, dat. (Mechtilds-) Häuser Hof 23. März 1793 : Nachmittags 4 Uhr rückte das Grenadier - Bataillon von Wicker aus, geführt von Sr. Excellenz General- Lieutenant v. Lind und marschirte bei dem Häuser Hof auf, um weitere Befehle zu er 1
warten .
Gegen 6 Uhr marschirten wir en ligne ab und dirigirten unseren Marsch nach der Donnermühle, um die französische Be
satzung allda aufzuheben . Zu unserer Bedeckung hatten wir ein *) Vor dem preuſsischen Lager bei Hochheim erfolgte die Sicherung durch Kavallerie derartig, daſs vom Kürassier -Regiment v. Borstel drei Schwadronen die
Schlucht des Käsbaches und die zwei übrigen das Mainthal bei Kostheim beobachteten. Bei den Sachsen stand die Kavallerie 1000 Schritt rechts hinter dem Lager.
über die Belagerung von Mainz 1793.
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Kommando Carabiniers und ein solches von dem preuſsischen Kürassier Regiment v. Borstel erhalten .
Während des Marsches detachirte
der Obrist- Lieutenant v. Christiani den Capitän v. Loeben unter
Anführung des preuſsischen Majors v. Lewy in die Donnermühle voraus ; diesem Detachement folgte das Bataillon. Die französische Besatzung hatte sich aber auf das plänkeln der leichten Vorposten
und Jäger in der gröſsten Eile zurückgezogen und wir fanden daher die Mühle verlassen und postierten uns auf folgende Art : Zwei Compagnien als von Loeben und Brescius in die Mühle, der linke Flügel des Bataillons stiefs an selbige an , der rechte Flügel lief nach einer kleinen Anhöhe, die Front nach dem Rhein, die Bataillons Artillerie und ein Granatstück auf dem rechten Flügel des Bataillons. Auf der soeben erwähnten kleinen Anhöhe stand das zweite Granat
stück, *) Division und die (2) Kavallerie-Kommandos.
In dieser Stellung blieben wir die ganze Nacht stehen und wurden einigemal durch Patrouillen inkommodiert. Mit dem frühen
Morgen zogen wir unsere Kommandos in der Mühle an uns, auch zogen wir uns, um höher zu stehen, auf 50 Schritt weiter zurück. Uns zur linken Hand stand ein preuſsisches Regiment.
Kaum daſs wir uns wieder hergestellt hatten, so nahm die
Kanonade aus Kostheim und Castel auf die vor dem preuſsischen Lager in dieser Nacht errichteten Schanze *) und auf uns ihren Anfang, welche nachdrücklich auch von unserer Seite beantwortet wurde, wobei durch eins von unseren Gravatstücken eins von den
im Wall von Kostheim feindlicherseits postierten Kanonen demontiert wurde. Hierauf rückte die feindliche Kavallerie aus Castel aus und wir zogen uns nebst dem Regiment v. Borstel und den Commandos auf die erste Anhöhe zwischen Hochheim und den Häuserhöfen
zurück und erwarteten allda den Feind, welcher immer stärker
wurde, seine Kavallerie in eine geschlossene Kolonne setzte, auf marschirte und gegen uns avancirte. Wir empfingen ihn mit einigen Granat- und Kanonenschüssen, welche jedoch wegen der Weite ohne groſsen Erfolg waren. Während dem zog sich die feindliche Infanterie aus Kostheim heraus und hinter der Kavallerie nach Castel hinein, die Kavallerie aber avancierte weiter gegen uns
und wir, um eine bessere Position anzunehmen , verlieſsen diese zweite und setzten uns auf die letzte **) dominirende Anhöhe zwischen *) Vergl. Bemerkung auf Seite 12, 4.
**) Die Höhe zwischen Mechtildishäuserhof und Donnermühle hat eine Vor stufe und vor ihr zwei Terrassen . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVI., 1 .
2
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Ein amtliches Kriegstagebuch
Hochheim und den Häuserhöfen und erwarteten wiederum den Feind,
welcher, als er in die Gegend von der Donnermühle kam, lebhaft von der in vergangener Nacht aufgeworfenen preuſsischen Batterie empfangen und mit Verlust zurückgeschlagen wurde. Unweit des Rheines setzte er sich wieder und avancierte noch einmal, wurde aber ebenfalls durch die Batterie genötigt sich zurückzuziehen . Hierauf rückten wir in (unser) Lager bei den Häuserhöfen ein. *
* *
2. Berichte vom 11.-26. April ( einschlieſslich ) dat. Lager bei Erben heim.
[Ausfall am 11. April gegen den rechten Flügel der Hessen . Durchführung der Einschlieſsung auf dem linken Rheinufer, Brand von Weiſsenau. Überfall von Kostheim 20./21 . April. -] 3 Den 11. Morgens um 87,4 Uhr wagten die Franzosen mit drei Kolonnen einen Ausfall aus Mainz auf die Hessen folgendergestalt :
Die dritte Kolonne avancirte gegen den preuſsischen Jäger posten an der Churfürstenmühle wurde daselbst aber mit Verlust
dergestalt abgewiesen, daſs der Jäger-Offizier daselbst 35 Franzosen
begraben lieſs und 20, die blessirt , sich noch wegschleppten ; dies ist die Aussage des Jäger-Offiziers. Mittlerweile schickte Capitän Vogt aus seiner Schanze Nr. III den Corporal Klaus vom Garde Grenadier -Regiment mit einer Patrouille ab, dieser aber, anstatt Nachricht zu geben, daſs ihm die Franzosen auf dem Weg entgegen kamen und ihm drei Jäger todtschossen , nahm mit einigen Leuten die Flucht nach Frankfurt und machte daselbst einen fürchterlichen
Lärm, wir wären alle gefangen und geschlagen, Nun drängte sich der Feind durch die Vedetten und marschirte rechts von Schanze Nr. III durch eine Schlucht, riſs die Thüre auf und stürmte so
von hinten mit überlegener Mannschaft die Schanze, machte Capitän Vogt , Capitän Ernst I, Lieutenant Kaup, Lieutenant Frankl und 60 Mann zu Gefangenen. Der Capitän Ernst war eben mit 30 Mann
gekommen, um den Capitän Vogt abzulösen, Lieutenant Frankl aber und 56 Mann entkamen darauf wieder zu uns, die anderen also nebst den übrigen Offizieren blieben in dem Wachthaus zusammen
eingeschlossen . Bei diesem Kampfe verloren die Franzosen viele Leute, denn Capitän Vogt hatte sich gewehrt. Obrist - Lieutenant v. Eschwege besetzte sogleich mit seinem
Bataillon (Grenadiere) die Schanze Nr. I, detachierte davon den Capitän v. Hachenberg mit einer Compagnie an die Armenruhmühle, verliefs aber die Schanze Nr. II, worin zwei dreipfündige Kanonen
über die Belagerung von Mainz 1793.
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waren , weil dieselbe zu tief liegt und sich daher in diesem Falle
doch nicht behaupten lieſs, und kanonierte nun den Feind tüchtig daraus. Unsere Kavallerie-Patrouille passierte die Schanze Nr. III, wurde aus derselben angerufen und gab sich zu erkennen, erhielt aber dafür ein Gewehrfeuer, wobei einige Pferde blessiert wurden.
Unsere Dragoner hielten dieses demungeachtet für einen Irrtum . Mittlerweile stand das Leib-Regiment und II. Bataillon Garde
Grenadier in Ordnung vor dem Lager ausgerückt und das I. Bataillon Garde -Grenadier hatte Ordre die Schanze wieder zu erobern, marschirte also im Rücken hinter jene auf. Unterdessen drehte der Feind in der Schanze Nr. III eine Haubitze nach unserem Lager und beschoſs dasselbe.
Zu gleicher Zeit rückte die erste Kolonne des Feindes gegen unsere neue Schanze an den Wartthurm , die man aber durch ein lebhaftes Kanonenfeuer von derselben wieder zurücktrieb und die
sich nun unten unter dem Schutze der Karthäuser * ) - Aue in Reserve aufhielt. Die zweite
Kolonnė der Franzosen marschirte gegen unser
Lager, **) kanonierte dasselbe aus fünf Achtpfündern mit Kugeln sowohl als Kartätschen . Von der Karthäuser-Aue wurden wir eben
falls begrüſst, jedoch alles dies obne Wirkung, obgleich die Kugeln häufig in unsere Glieder fielen und nur unsere Zelte durchlöcherten. Die drei
Bataillone marschirten hierauf aber vorwärts über die
> Landwehr «, stellten sich dem Feinde mit ganzer Front entgegen
und verhinderten dadurch, daſs unsere Flanke rechts exponiert wurde, wie auch daſs dem I. Bataillon Garde-Grenadier etwas in den Rücken fallen konnte. Nunmehr aber machten wir Gebrauch von
unserem Geschütz, Sechs- und Dreipfünder, so die Bataillone vor sich hatten . Zuerst feuerte man mit Kugeln und nun machte Lieutenant Huth dem Feind mit Kartätschen warm, worauf derselbe in Ver
wirrung aus der Schanze zum Eingang hinauseilte und die Kolonnen wurden noch auf ihrer Flucht häufig darnieder geschossen. Das I. Bataillon Garde-Grenadier berannte sodann die Schanze Nr. III.
Die Leib -Dragoner verfolgten noch den Feind und hieben auch einige zusammen , weit durften sie sich jedoch nicht wagen, weil sonst das Feuer von der Aue für sie zum Nachtheil hätte sein dürfen .
Die Franzosen zogen sich nun unter den Schutz ihrer Inseln *) Karthäuser- oder Peters -Aue, die gröſste der bei Mainz liegenden Rhein inseln .
**) Die Franzosen sollen bis in das leere hessische Lager eingedrungen sein, 2*
Ein amtliches Kriegstagebuch
20
der Karthäuser -Aue zurück, nahmen eine Menge Blessierte mit sich fort und marschirten nach diesen Schlägen wieder nach Mainz.
Bei Verlassen der Schanze Nr. III hatten sie 2 Zwölfpfünder und eine Haubitze vernagelt, die aber sogleich wieder brauchbar gemacht wurden.
Eine französische Kanone wurde demontiert und
erobert (es war ein Achtpfünder) und vernagelt. Sie wird morgen nach Hanau transportiert .
Unser Verlust besteht aus 5 Todten , worunter Adjutant Lieutenant v. Butlar vom Leib -Dragoner- Regiment (er verlor das rechte Bein durch eine Kanonenkugel , wurde amputiert und starb nach 2 Stunden) 15 Blessierten ; 2 Capitäne, 1 Offizier, 1 Unteroffizier, 4 Gemeine sind gefangen . An Pferden 1 todt, 5 blessiert, 4 vermiſst. Eine andere Kolonne rückte zur selbigen Zeit der Attacke gegen
die Preuſsen , nahm Kostheim, tödtete den Lieutenant v. Borstel, 3 Jäger, 1 Infanterist und 1 Kürassier, blessierte 8 Jäger und nahm an Gefangenen 1 Kürassier und 1 Oberjäger. Bei dieser Gelegenheit führten die Franzosen einiges Vieh * ) hinweg und, was sie nicht fortbringen konnten, stachen sie todt. Die Preuſsen vertrieben aber
den Feind wieder aus Kostheim und schlugen ihn auch.
Man rechnet 10 Bataillone, welche den Angriff gewagt haben (?) und daſs der Feind nach Aussage der Emigranten **) und das, was wir selbst gesehen haben , im Verlust von 400 Todten sein kann . Davon sind über 300 auf unserem rechten Flügel geblieben , 40 lagen allein um die Schanze Nr. III her. An Gefangenen zählte man bei 7
den Hessen 52, worunter 2 Capitäne und 36 Mann mehrentheils
schwer verwundet sind. Die Capitäns heiſsen Labodri und Britau, ersterer ist ins Knie verwundet ohne Hoffnung in einer Raserei, letzterer leicht in die Wade, will nicht ausgewechselt sein und schilt auf den General de Blou, ***) der das Ganze in Mainz kommandiert
und diese Expedition unvernünftig angeordnet hätte. Eine Menge Blessierte schleppte der Feind weg. Die Sachsen hatten 1 Bataillon Preuſsen zum Soutien, uns aber
kamen die Sachsen zu spät zu Hülfe.
Die Absicht dieses Ausfallest) war wohl diese : daſs nämlich * ) Der Ausfall galt hauptsächlich der Erlangung von Vieh und Fourage, welche spärlich vorhanden .
**) Hier, wie im Verlauf der weiteren Berichte gleichbedeutend mit Überläufer. 多
***) General d'Oyré.
Der Plan des Kommandanten, auf der Kenntnis des
Feldgeschreis durch Verrat beruhend, miſslang nur durch die Unordnung in den Truppen .
t) Der Plan war, den rechten hessischen Flügel zu sprengen, beziehungsweise
1
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über die Belagerung von Mainz 1793,
der Feind bei der Attacke unsere meiste Attention auf unseren
rechten Flügel ziehen, damit die erste Kolonne uns bequem von hinten attaquieren möchte, man lieſs daher jetzt unsere Front mit
den drei Bataillons gesichert. Den 12.
Die Franzosen schieſsen
von
der
Karthäuser - Aue
nach dem Schiersteiner-Ufer und verhindern dadurch, daſs die Preuſsen daselbst eine Brücke über den Rhein schlagen (das Material zu dieser zweiten Rheinbrücke war in Bingen zusammengebracht, Anmerkung) und desfalls auch die Arbeit müssen liegen lassen . Anjetzt stehen auf dieser Aue 4 Kanonen . Den 13. In der Nacht vom 12. à 13. machten uns die Sachsen
einen falschen Lärm , als wenn der Feind sich unter der neuen Schanze (am Wart- Thurm ) versammelte. Der Irrthum bestand nämlich darin , daſs ein Sachse seinen Posten verfehlte und andere Vedetten auf ihn feuerten .
Unterdessen rückte die sächsische Kavallerie, die
vorher noch cantonnierte, ins Lager, ebenso die Leib -Dragoner und das Grenadier -Bataillon v. Eschwege. Die sächsische Kavallerie hat sich ein wenig rechts nach uns um 200 Schritt gezogen , 3 Escadrons
Leib -Dragoner *) stehen auf dem rechten Flügel des Garde-Grenadier Regiments, darauf folgt rechts das Grenadier- Bataillon v. Eschwege und zwar hat dies die Schanze Nr. III vor sich .
Die 2 Escadrons
Leib -Dragoner aus Mosbach rückten zur nämlichen Zeit in das Thal hinter der Feldwacht des Regiments, da wo der Stall ist und 1 Offizier mit 24 Pferden stand .
Detail des Dienstes an Kommandos :
Capt., Offiz., Unteroff., Gem. 9
In der Redoute Nr. I . > » III .
.
1
neuen Schanze a. d. linken Flügel >
» Armenruhmühle . > redans Nr. II .
1
2
40
1
2
1 1
2
40 40
.
Nach Biebrich zu . .
1
4
1 1
28
1
10 10
9
168
Diese Kommandos versammeln sich alle Morgen um 3 Uhr vor dem Intervalle des Garde -Grenadier-Regimentsund Leib -Regiments. Zum ausrückenden Piket sind auſserdem bestimmt 1 Capitän, 2 Offiziere, 5 Unteroffiziere, 135 Gemeine. Dieses Piket versammelt über Kostheim und längs des Mains vorzustoſsen , um die Belagerungsvorräte in Rüsselheim - Flörsheim zu vernichten oder Vieh und Fourage zu erlangen. * ) aus Nordenstedt.
Ein amtliches Kriegstagebuch
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sich Abends 6 Uhr vor dem Intervalle des Garde-Grenadier-Regiments -
und Leib -Regiments. Der Capitän geht mit 1 Offizier, 1 Unter offizier und 30 Gemeinen in die neue Schanze, 1 Unteroffizier, 20 Gemeinen in die Redoute Nr. III, 1 Offizier, 1 Unteroffizier und 35 Gemeinen rechts von der neuen Redoute und der andere Offizier
mit 1 Unteroffizier, 35 Gemeinen zwischen diese und der Redoute Nr. III. Endlich wird 1 Unteroffizier , 15 Mann in den > Land graben « hinter der Mosbacher Warte plaziert.
Die sogenannten 12 Apostel, Vierundzwanzigpfünder, worunter auch Haubitzen sich befinden und die unlängst von Würzburg nach
Hanau gebracht worden, sind heute nach Flörsheim gekommen und gehen über den Rhein zur Armee. *) Der sächsische Reserve - Train ist heute von Weilbach nach
Delkenheim eingerückt.
In Biebrich sind aus dem preuſsischen
Lager zur Verstärkung 105 Mann eingerückt. 16 zwölfpfündige Kanonen sind aus Magdeburg nach Hochheim angekommen .
Den 14. Heute morgen rückte das Lager zur Precaution ganz Die vorige Nacht machten die Preuſsen vor der Donnermühle einen Aufwurf, wonach der Feind von Castel aus häufig feuerte
aus .
doch ohne Wirkung, weil es Bogenschüsse sind. Hinter Weissenau hörte man einige Kanonenschüsse, welche von den Kaiserlichen herkamen. Man sieht sie daselbst im Lager stehn und die Preuſsen bei Mombach (südliche Einschlieſsungslinie). Heut sind drei ver dächtige Leute aus den Mühlen arretirt worden .
Den 15. Eine Stafette berichtet uns, daſs unser Corps allhier um 1200 Mann vermehrt werden soll .
Ein Franzose schlich sich die vorige Nacht heran und schoſs einen sächsischen Carabinier in die Wade.
Diesen Nachmittag
hörte man Gewehrfeuer hinter dem Berg von Weissenau.
Die Franzosen machten heute folgenden Vorschlag zur Über gabe der Stadt: Die Stadt Mainz solle eine freie Republik-Stadt sein und die Bürger in ihren (neu ) angenommenen Rechten nicht gekränkt werden ; sodann forderte man freien Abzug und alles mit zunehmen, welches man aber abschlug. General v. Bischoffswerder war auch in Mainz, dessen Vorschläge sie aber abschlugen. *) Die Stellung von Hochheim erhielt diese (6) metallenen, wahrhaft kolossalen Geschütze, von denen jedes 70 Centner wog ; sie wurden nicht der „Observations Armee “ nachgeschickt, wie natürlich.
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über die Belagerung von Mainz 1793.
3 Zwölfpfünder und 3 Sechspfünder sind zu unseren Schanzen gegeben worden . – Im Fall eines Alarms stofsen 100 Sachsen in die Neue Schanze. Die meisten der blessierten Franzosen starben an ihren Wunden .
Heute arretirten die Vorposten einen Klubisten .*) Den 16.
Heute steckten
die Franzosen Weissenau in Brand
und die Kirche brannte am Abend ab, welches ein schönes Schau spiel machte. Das preuſsische Hauptquartier ist in Guntersblum (bei Alsheim, Straſse Oppenheim-Worms). Den 17.
Von heute an geschieht der Retraite- Schuſs.
Die Franzosen haben neben dem Galgen (an der Straſse Castel Biebrich ) noch eine Kanone aufgefahren und eine Flesche dahin gemacht. 30 Emigranten kamen heut Abend von Weissenau. 100 Mann Sachsen sind heute in die Neue Schanze zur Ver
stärkung eingerückt. Alle Morgen wird um 3 Uhr zur Precaution im ganzen Lager ausgerückt. Den 18. Täglich kommen Emigrirte von Mainz und Castel, sie dürfen über den Werth von 4 Karolins nichts mitnehmen .
In Weissenau haben die Franzosen alles geplündert. Die vorige Nacht haben die Preuſsen eine Schanze neben
der Gustavusburg
(am linken Main-Ufer) aufgeworfen. Ein Emigrante erzählte mir folgendes: » Am 16. früh um 5 Uhr attackierten die Kaiserlichen Weissenau, die Franzosen avancierten stark und feuerten aus kleinem Gewehr
zerstreut um Weissenau herum . Gegen 10 Uhr steckten solches die Franzosen an, der Feind verliels den Ort aber nicht. Die Haubitzgranatstücke standen an dem steilen Absatz der Chaussee
längs des Rheines von Weissenau, eine Batterie schweres Geschütz war an dem Abhang von Weissenau . « Den 19 .
Das Emigriren der Bürger von Mainz, Castel und
Weissenau geht noch täglich so fort; der Feind erlaubt ihnen jetzt alles Gepäck mitzunehmen ausgenommen Silber und Gold. - Die drei gefaugenen Offiziere Capitän Vogt, Capitän Ernst und Lieutenant Kaup sind heute wieder von Mainz gekommen , sie dürfen nicht eher Dienst thun, bis erst andere für sie ausgewechselt werden. - Der 1. Kommandant von Mainz heiſst du Vallier, **) der 2. Dubayet; 7
*) Die französische Umsturzpartei hatte sich in Mainz mehrfachen Anhang erworben , auch befanden sich einige französische Klubisten daselbst.
**) Der 1. Kommandant hiefs d'Oyré, der 2. de Blou.
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Merlin, ein Deputierter von Paris, dirigiert alles und ein gewisser Blanchard ist erster Commissair.
Der Laib Brod kostet in Mainz 13 Kreuzer.
Nach Aussage
der Emigranten hat der Feind noch auf / Jahr Lebensmittel, an
Fourage fehlts aber, daher sie täglich Pferde abthun. Die vorige Nacht war ein blinder Lärm und es wurde um 1 Uhr ausgerückt. Den 20.
Diese Nacht wurde der Posten in Kostheim von den
Franzosen überfallen .
Dieses Kommando hatte Ordre im Falle einer
Attaque sich sogleich in die Schanze bei der Ziegelei * ) zu begeben. Wie nun der Feind heranrückte und die Preuſsen Feuer gaben, rief er ihnen zu, sie sollten doch nicht feuern, denn sie wären ja von ihren eigenen Leuten. Als sie sich nun näherten und die Preuſsen den Betrug zu spät erfuhren , eilten anstatt alle nach der Schanze, nur der Offizier und 4 Mann dahin, welche der Feind gefangen
nahm, und die übrigen retirierten nach dem Lager. Viele Emigranten sind heute von Castel gekommen. Heute war ich in Flörsheim und notierte daselbst folgendes Geschütz, welches auf dem Felde stand als 22 Vierundzwanzigpfünder, worunter die »Zwölf Apostel « von Würzburg, 6 Zwölfpfünder aus Würzburg, 3 Zwölfpfünder Bamberger, 25 Sechspfünder Kanonen, sodann an Mortiers 1 sechzigpfündige, 2 fünfzigpfündige, 55 vierzig pfündige, 4 dreiſsigpfündige und 16 zehnpfündige Haubitzen . Von letzteren , welche Preuſsisch sind, hat jede Haubitze 2 verdeckte Wagen mit 40 Schuſs versehen . Heute hörte man vieles schieſsen mit den Kaiserlichen **) und Franzosen, und das Dorf Weissenau brannte fast immer. Gegen Abend sah man feindliche Truppen manövrieren und in den Rhein feuern ; es waren Mainzer Bürger, die sich mit Führung der Waffen blos übten .
*) Das Dorf Kostheim wurde seit dem 11. preuſsischerseits aufgegeben, der von da nach der Ziegelei verlegt und diese verschanzt, anfangs
Posten
jedoch noch sehr unvollständig. Links davon legte man eine Batterie (2 Ge schütze) an.
**) Auf der linken Rheinseite standen unter Befehl des die Belagerung leitenden Generals Grafen Kalkreuth seit dem 14. April ungefähr 23,000 Mann, nämlich 14'/ Bataillone Preuſsen, 12 Bataillone und 8 Schwadronen Österreicher, 5 Bataillone Darmstädter, 2 Bataillone Pfälzer, 6 Schwadronen Sachsen
33 %
Bataillone, 19 Schwadronen. Am rechten Rheinufer befanden sich im Ganzen 13,850 Mann.
über die Belagerung von Mainz 1793.
25
Den 22./23. War viel Kleingewehrfeuer jenseit des Rheines. -
Die Zelte und Montirungen für unsere Renforcement sind heute von Hessen - Kassel angekommen. Rittmeister Kellerhausen brachte uns heute 31 Husaren, sie cantonnieren in Mosbach, auch ist die
Rekrutierung mit 600 Mavn vom Depot-Bataillon zu dem Garde Grenadier-Regiment gestoſsen und die Zelte für sie aufgeschlagen, wodurch nunmehr unsere Linie merklich verlängert ist. (Fortsetzung folgt.)
II.
Der Mehrlader. Eine geschichtlich taktische Betrachtung von
G. Thäter , königlich bayer, Hauptmann .
Einleitung Der Mehrlader ist in der deutschen Armee zur Thatsache ge worden - nur eine Frage der Zeit und des Geldes , nicht mehr
der Überlegung , ist es , daſs alle groſsmächtlichen Armeen dem Vorgange der Deutschen folgen . Der Mehrlader hat bei uns ein Gewehr verdrängt, welches nach dem letzten Kriege als notwendig gewordener Fortschritt eingeführt wurde, und das nun ohne Kriegs probe sich überlebt hat - er wird überall dasselbe thun. Wie die Generationen auf einander folgen, nicht alle gleich gehaltvoll , die eine vor der andern sich auszeichnend durch eine
befruchtende Idee , so sehen wir , in unserm Jahrhundert besonders eilig, die Waffen auftauchen und untergehen . Wir sind gewiſs noch nicht am Ende dieses Wechsels angelangt, nur einen anderen Charakter wird der Umschwung zeigen, welcher die nächste Gene ration ins Leben rufen soll , er wird von einer Vorfrage abhängen, 1
er wird nicht von der Waffentechnik als solcher ausgehen, sondern von der Chemie , welche eine neue Triebkraft zu finden und der
Technik hiermit nene Möglichkeiten zu eröffnen hat. Doch lassen wir die Zukunft auf sich beruhen und leben wir lebendig mit und in der Gegenwart. Sie stellt uns das Endergebnis eines jahrhundert langen Entwickelungsganges vor Augen. Als solches müssen wir den Mehrlader betrachten in der Geschichte der Waffentechnik seit
Erfindung des Schieſspulvers, bestehend aus Schwefel, Kohle und Salpeter.
Mag auch ein anderer Mehrlader technisch noch voll
kommener gestaltet werden , das bleibt jedenfalls von
unter
geordneter Bedeutung, – die ins Leben getretene Idee des Mehr laders bildet den Schluſsstein der Entwickelung.
Der Mehrlader.
27
Es läſst sich nun nicht verkennen , daſs mit der hieraus sich
ergebenden Bedeutung der neuen Erscheinung die bisher zu be obachtenden begleitenden Umstände nicht ganz im Einklange stehen . Der Mehrlader der deutschen Armee, welcher so überraschend auf
getreten ist , hat nicht verfehlt , in den Spalten der Presse ent sprechendes Aufsehen zu machen , er hat ohne Zweifel bis in die
Kabinette der hohen Politik seine Wirkungen geäuſsert, aber in den Kreisen derer , die ihn auf dem Schlachtfelde zur Geltung zu
bringen haben werden, ist es geraume Zeit auffallend still geblieben und – was noch schwerer wiegt die Neuerung ist hier nicht mit ungeteilten Sympathien aufgenommen worden ; es zeigen sich da und dort wirkliche Bedenken, oder aber es wird der neuen Waffe mit einer gewissen Geringschätzung begegnet. Ja, die Waffe ist gut , das muſs jeder zugeben , der sie schon gehandhabt hat , aber sie ist zu gut , sie bietet uns des Guten zu viel und dieses » zu viel « kann uns zur Last , selbst zur Gefahr
werden – ich bin überzeugt, daſs mancher seine eigenen Gedanken hierin wieder erkennen wird , die er so oder anders kopfschüttelnd schon geäuſsert hat.
Andere hinwiederum meinen, der Schritt, den man nun in der Entwickelung gethan , sei nicht groſs genug , um einem wirklichen Bedürfnisse zu entsprechen und um genügende Gewähr der Dauer haftigkeit zu bieten . Mehr oder minder wirkt dabei die Erfahrung mit ; man hat nun schon drei oder vier Waffen gehandhabt, die
immer wieder bei Seite gelegt wurden ; der Ausblick auf eine
weitere Entwickelung ist bereits dämmernd vorhanden, und so giebt man der neuen Waffe, ohne weiter nach den Gründen zu fragen , nur eine kurze Frist der Daseinsberechtigung.
Ich gestehe offen , daſs auch ich einen inneren Kampf durch gemacht habe, bis es mir gelungen ist, eine instinktive Abneigung gegen den Mehrlader zu überwinden , als ich – vor längerer Zeit schon - genötigt war, in Vorträgen hierüber Farbe zu bekennen . Ich habe sie überwunden und freue mich nun der Beobachtung,
daſs auch andern dieser Kampf nicht erspart bleibt. Ich halte es für ein erfreuliches Zeichen, daſs gerade in der Armee, welche mit epochemachender Steigerung der Feuergeschwindigkeit allen andern
erst den richtigen Weg gezeigt hat , keine einseitige Überschätzung dieses Elementes entstanden ist, daſs man gerade dort eine gewisse Scheu empfindet, von der Waffe allein sich leisten zu lassen, woran der männliche Arm sein gutes Anteil haben möchte .. Mit der Entwickelung der Feuerwaffen geht ja eine gewisse Entartung des
Der Mehrlader.
28
ritterlichen Kampfes Hand in Hand, und das ist es, was uns jeden weiteren Schritt derselben wenig sympathisch erscheinen läſst. Soviel von den Sympathien.
Die thatsächlichen Bedenken und
den Grad der Wertschätzung , welche der neuen Waffe entgegen gebracht werden , möchte ich nicht so sehr in den Vordergrund treten lassen ; denn nicht eine Frage ist es , welche ich zu besprechen beabsichtige, sondern eine vollendete Thatsache. Die Daseins berechtigung dieser Thatsache aus ihrer geschichtlichen Entwickelung abzuleiten, mag dazu beitragen, ihr das nötige Vertrauen zu wecken und zugleich ihr innerstes Wesen aufzudecken , aus dem dann die >
praktischen Folgerungen sich von selbst ergeben müssen ; die wider strebenden Anschauungen werden dabei ohnehin zur Sprache kommen . Grundlagen der Entwickelung. Die geschichtliche Entwickelung der Handfeuerwaffen hat nach
drei Richtungen sich vollzogen ; Feuergeschwindigkeit, Tragweite und Treffsicherheit waren die Ziele, welche mit wechselndem Nach
drucke angestrebt wurden.
Wenn die Feuergeschwindigkeit geradenwegs auf die Steigerung der Quantität der Feuerwirkung abzielt, kommt das gleiche Streben auf Umwegen auch bei der Tragweite insoferne zur Geltung, als durch diese mit der Erweiterung des zu durchkämpfenden Raumes ebenfalls eine Vermehrung der zu überwindenden Geschoſsmenge bewirkt wird . Die beiden Richtungen unterscheiden sich aber ganz scharf durch das Element der Zeit.
Während die Feuer
geschwindigkeit ohne Mehraufwand an Zeit die Quantität steigert, ist bei der Tragweite zu gleichem Ergebnis ein solcher unent behrlich. - Die Treffsicherheit endlich zielt nur auf Steigerung der Qualität der Feuerwirkung ab, und zwar soll hier ausschlieſslich von der in der Waffe selbst begründeten Qualität gehandelt werden. Ich darf also in Vergleich stellen : zeitlich zusammengedrängte Quan 1. Feuergeschwindigkeit tität.
2. Tragweite
.
3. Treffsicherheit
zeitlich verteilte Quantität.
Qualität.
Wenn ich hiermit die drei Richtungen der Entwickelung be zeichnen zu dürfen glaube , kann ich nicht übersehen , daſs diese
sich nicht unbedingt gegenseitig ausschlieſsen , sondern daſs damit nur die bezeichnende Seite , das vorwiegende Element genannt
sein will , denen sich die anderen Rücksichten jeweilig ganz oder teilweise unterordnen muſsten.
Gleichwohl läſst sich noch eine
Der Mehrlader.
29
weitere Gruppierung feststellen, welche zur Klärung unserer Grund lage beizutragen vermag. Während Punkt 1 seinerseits mit 2 und 3 nicht in ein gegensätzliches Verhältnis gebracht werden muſs (im Gegenteil sich in der Praxis späterbin sebr freundlich dazu gestellt hat), und Punkt 2 und 3 in einem gewissen zwingenden Zusammen hange stehen, fehlt den Punkten 2 und 3 an sich jeder Zusammen hang mit Punkt 1.
Dieser Punkt 1 , die Feuergeschwindigkeit, stellt demnach eine ganz selbstständige Besonderheit in der Entwickelung der Waffen dar, und diese Besonderheit ist es, welche heute neuerdings unser gesteigertes Interesse herausfordert.
Auch ein Blick auf die geschichtliche Entwickelung zeigt uns
die gleiche Überlegenheit dieses Elements, er zeigt uns , daſs für die Handfeuerwaffen jeder wirkungsvolle Fortschritt auf dem Gebiete
der Feuergeschwindigkeit, der quantitativen Steigerung des Feuers gelegen ist, die Qualität des Feuers – als Ziel – ist weniger in der Waffe selbst , als in deren Träger zu suchen (im Gegensatze zum Geschütz , welches vorwiegend der Qualität des Schusses zu dienen hat, während die Quantität erst in der Geschofskonstruktion
zur Geltung gelangt). Entwickelung der glatten Gewehre. Bis gegen die Mitte unseres Jahrhunderts war die Betonung der Feuergeschwindigkeit ganz selbstverständlich ; alle Verbesserungen
bezogen sich auf rascheres Laden (Patronen, eiserner Ladestock u. s. w.) oder raschere Zündung ( Schloſs, Perkussion u. s. w.) , und soweit die Waffentechnik noch nicht das Wünschenswerte leisten konnte, suchte
man durch reglementäre Anordnungen (Glieder-, Peloton-, Defilée Feuer) wenn auch nicht die Quantität des Feuers zu steigern , so doch die stete Feuerbereitschaft und die Ununterbrochenheit des Feuers herzustellen . Insbesondere das letztere Auskunftsmittel weist so recht deutlich
darauf hin, wie man stets darauf bedacht war und es stets als das
Ziel betrachtete, das Feuer der Infanterie zu möglichster Selbst
ständigkeit zu bringen , es zu deren ausschlieſslichem Kampfmittel zu machen .
Je mehr dies gelang , desto mehr sehen wir die auf
den Nahekampf berechneten Waffen abnehmen ; die Pike verschwindet mehr und mehr , das Seitengewehr schrumpft mehr und mehr zu und in gleichem Sinne wird allmählich die Stütze entbehrlich , welche der Infanterie in den Regimentsstücken bei
sammen
gegeben war.
Der Mehrlader.
30
Der Verzicht auf die Regimentsstücke darf freilich nicht in vollem Umfange dahin aufgefaſst werden , daſs das Infanteriefeuer nun schon um ebensoviel selbstständiger geworden wäre.
Einen
groſsen Teil der Aufgabe der Regimentsstücke übernahm die jetzt
selbstständiger gewordene Artillerie als besondere Waffengattung, wozu sie namentlich durch Napoleon I. erhoben wurde. Was der Infanterie entbehrlich geworden war, das war die Unterstützung des rein defensiven Feuers. Für die reine Abwehr hatte nun das Feuer der Infanterie einen
gewissen Grad von Selbstständigkeit und Ausschlieſslichkeit gewonnen, für den Angriff war es nur eine Vorbereitung und dann die Musik, welche die Truppe vorwärts bringt . « Die bis in die Entscheidung hineingreifende Feuerwirkung gehörte der Artillerie. Ganz genau kennzeichnet sich dieses Verhältnis in den bekannten and so wider
sprechend erscheinenden Aussprüchen zweier berühmter Feldherrn. Wenn Suworoff die Kugel einen Feigling nannte und das Bajonett allein als den rechten Kerl bezeichnete, so hatte er dabei wohl nur
den Angriff im Auge. Und wenn Napoleon I. sagt: Das Feuer ist die Hauptsache , alles übrige untergeordnet, so galt das nicht dem Infanteriefeuer allein .
Als Ergebnis dieser Entwickelung
einer Entwickelung ,
welche lediglich auf Steigerung der Feuergeschwindigkeit abzielte können
wir also
die
anvähernd
erreichte defensive
Selbst
ständigkeit des Infanteriefeuers bezeichnen . Der weittragende Vorderlader.
Ein neues Bild bietet dem gegenüber die unserm Jahrhundert
eigene Entwickelung ; zweimal wiederholt sich die Erscheinung, daſs man glaubt, an der Grenze der Feuergeschwindigkeit angelangt zu sein und die weitere Entwickelung nunmehr nach anderer Richtung
suchen zu müssen . Bei diesem Vorgange, welcher dem heutigen Ergebnis besonders zu Grunde liegt, wird es gestattet sein, ein gehender zu verweilen .
Das Zwillingspaar Treffsicherheit – Tragweite, dessen enge Verbindung oben schon Erwähnung gefunden hat, war längst kein unbekannter Begriff. Die gezogenen Rohre sind weit in die Ge schichte der Waffen zurück zu beobachten , aber ihr Gebrauch steht
immer im geraden Widerspruch zur Feuergeschwindigkeit, und sie finden daher als Kriegswaffen nur vereinzelten Gebrauch (Büchsen). Man hat sich nie entschlieſsen können, durch Qualität des Feuers dessen Quantität ersetzen zu wollen, und so konnte denn auch die
Fortentwickelung der Treffsicherheit nicht recht in Fluſs kommen .
Der Mehrlader.
31
Erst als man mit dem Feuersteinschloſs und vollends mit der
Perkussionszündung an Feuergeschwindigkeit an der Grenze des
möglichen angekommen zu sein glaubte und auch gewissermaſsen
war, wurden jene bisher vernachlässigten Elemente wieder auf gegriffen.
Die Schwierigkeiten zu beseitigen , welche bisher das
Laden der gezogenen Läufe als zeitraubend und damit diese als
kriegsunbrauchbar erscheinen lieſsen, das war nun das Ziel. Zu der erreichten äuſsersten Geschwindigkeit wollte man nun auch noch Tragweite hinzufügen und in letzterer lag ja auch in gewissem Sinne eine Steigerung der Feuerquantität. Treffsicherheit -
Mit bemerkenswertem Scharfsinne wurde diese Aufgabe gelöst,
sobald längerer Friede dazu Muſse gab ; die glänzenden Ergebnisse dieser Lösung wurden allgemein begierig aufgegriffen, und es muſste wohl scheinen, daſs damit eine neue Zeit für das Feuergefecht angebahnt wäre. Die sich immer enger gestaltenden Streuungsradien und die immer gestreckter und länger werdenden Flugbahnen muſsten
ja eine umwälzende Wirkung verheiſsen , eine Schützenlinie, mit solchen Gewehren bewaffnet, muſste unwiderstehlich sein. Wir müssen uns heute mit Gewalt zurückversetzen in die Zeit,
in welcher solche Lehren mit wahrem Glaubenseifer gepredigt wurden, um es zu begreifen, daſs die einzige Armee, welche sich dieser Lehre
nicht anschloſs, so wenig Beachtung fand, um den Gegensatz zu empfinden zwischen den Erwartungen und dem Ergebnis. Die Wirkung dieser scharfsinnigen und erfolgreichen Entwickelung läſst sich erschöpfend kennzeichnen mit der Anweisung, welche
Napoleon III. seiner noch mit glatten Musketen bewaffneten Infanterie gab, als sie im Jahre 1859 gegen die mit gezogenen Gewehren bewaffneten Österreicher kämpfen sollte :
» Die veuen gezogenen
Waffen sind nur aus der Ferne gefährlich. « Diese Anweisung hat sich vollständig bewährt und damit alle jene glänzenden Erwartungen zu nichte gemacht, umsomehr als die Träger der neuen Waffen in diesem Falle sich nichts weniger als klar darüber geworden waren, welchen Vorteil sie aus denselben ziehen wollten.
Es lieſse sich nun wohl einwenden , daſs die mangelhafte Wirkung
nicht den Waffen, sondern ihrer Handhabung zur Last zu legen gewesen wäre, allein gegen diesen Einwand stehen gewichtige Beweise zur Verfügung.
Das gleiche Mittel ist gegen überlegene Tragweite wiederholt Wir haben selbst gegen das Chassepotgewehr nur durch entschlossenes Herangehen eine an nähernde Gleichheit der Kampfbedingungen herstellen können mit Erfolg angewendet worden.
32
Der Mehrlader.
insbesondere muſs dies von der bayerischen Infanterie gelten, deren auf Hinterladung abgeändertes Podewilsgewebrauch an Feuer
geschwindigkeit noch viel zu wünschen übrig liefs – und meine persönliche Erinnerung läſst mir dieses Miſsverhältnis zwar als ver drieſslich, aber seine Ausgleichung keineswegs als sehr schwierig erscheinen . Der auszugleichende Raum lag ja ohnehin im Feuer bereiche der Artillerie, eine irgend entscheidende Bedeutung konnte den noch ohne Massenhaftigkeit sich dazu gesellenden Infanterie geschossen nicht zugesprochen werden .
Des weiteren steht meiner Behauptung das deutliche Anerkenntnis der Österreicher selbst zur Seite. Daſs diese die Gegenmaſsregel ihres Gegners sich selbst zugeeignet und 7 Jahre später zur An wendung gebracht haben, ist der beste Beweis, daſs von dem weit tragenden Gewehr an sich kein Heil zu hoffen war. Freilich hat
das übernommene Gegenmittel den Österreichern nicht den gleichen Erfolg, sondern die entsetzlichste Enttäuschung gebracht, aber eben nur deshalb, weil sie den gewaltigen Unterschied zwischen Qualitäts und Quantitäts -Feuerwaffe verkannt hatten , weil sie das Mittel als
gegen überlegene Feuerwaffen im allgemeinen gültig annahmen ,
während es doch nur der Überlegenheit an Tragweite galt. Auch daſs man auf französischer Seite nach dem Kriege fort fuhr, die Infanterie mit gezogenen Waffen zu versehen, kann meines Erachtens den Gehalt der eben erfolgten Kriegsprobe nicht zu sehr steigern. Die Einführung war, der allgemeinen Zeitströmung folgend, bereits vor dem Kriege beschlossen , die Beschaffung sogar schon
ziemlich weit gediehen, und es kann wohl kaum Wunder nehmen, daſs der Krieg diese bereits im Zuge befindliche Maſsnahme nicht aufzuhalten vermochte, wenngleich die Wertschätzung der Neuerung wesentlich herabgestimmt sein muſste. Der allgemeine Glaube an die Präzisionswaffe muſste es zum Gebot machen, der eigenen Infanterie
dieselbe nicht vorzuenthalten , auch wenn der thatsächliche Wert nur gering zu veranschlagen war. Der Hinterlader fand noch keinen Glauben, das glatte Gewehr hatte den Glauben eingebüfst, und so blieb eben nur die Präzisionswaffe.
Daſs aber der Glaube an diese
in Frankreich schwach war, das beweist die eilige Bekehrung nach dem Kriege von 1866 zur Genüge. Die Zeit der Präzisionswaffen war entschieden keine gehaltvolle, sie hat in der Kriegsgeschichte keine Rolle gespielt. Daſs auch unsere heutigen Waffen ihre Eigenschaften fortgesetzt verwerten und zwar in noch gesteigertem Maſse, vermag daran nichts zu ändern ;
33
Der Mehrlader.
es ist das ein Nebenumstand, und auch ohne diesen würde der Hinterlader nicht mindere Bedeutung erlangt haben. Der Hinterlader.
In welchem Gegensatze zu dieser bedeutungsarmen Zeit steht die des Hinterladers! Seine Entstehungsgeschichte und seine Wirkungs
äuſserung sind in gleichem Maſse gegensätzlich. Während ganz Europa der Präzision huldigt, hält eine Armee die geschichtliche Überlieferung fest und arbeitet rastlos an der
Steigerung der Feuergeschwindigkeit weiter. Man könnte in gewissem Sinne sagen, daſs hier am Alten festgehalten wurde, während man dort, bei der Mehrheit, sich auf neue Bahnen begeben hatte, wenn
nicht die Wirkung gerade das entgegengesetzte Verhältnis dargestellt hätte, daſs dort der Infanteriekampf ganz beim Alten blieb, während er hier auf eine ganz neue Grundlage erhoben wurde. Diese neue Grundlage, welche der Hinterlader geschaffen hat, ist aktenmäſsig niedergelegt in dem Exerzierreglement, welches die neue Waffe als Kommentar begleitete, in demselben, das uns im wesentlichen heute noch unterrichtet, in dem Satze des § 107 : >> Die
Möglichkeit der Konzentrierung der Feuerwirkung auf kurze Zeit momente verleiht derselben einen offensiven Charakter, sie kann unter Umständen selbstständig entscheidend werden. « Das war eine groſse leitende Idee, welche mehr noch als die technisch noch wenig vollkommene Waffe selbst der nenen Waffen
generation einen überlegenen Gehalt sicherte. Was Napoleon sich gewünscht, aber nur mit Hülfe der Artillerie notdürftig zur Ver
fügung hatte, was Suworoff gewiſs nicht verschmäht hätte, das ist nun erreicht: Das Feuer der Infanterie ist nun nicht mehr bloſs
defensiv selbstständig, es ist anch nicht mehr vorwiegend defensiv, sondern es hat einen offensiven Charakter gewonnen, es ist zum Universalkampfmittel der Infanterie geworden, es kann selbstständig entscheiden .
Man muſs sich heute ausdrücklich an die Bedeutung dieses Vorganges zurückerinnern. In aller Gedächtnis leben noch die überraschenden Erfolge des Zündnadelgewehrs auf den Schlachtfeldern des Jahres 1866 ; aber es ist nahezu in Vergessenheit geraten , daſs dieselben fast 20 Jahre vorher deutlich prophezeit worden sind, und daſs Niemand dieser Prophezeiung Glauben oder auch nur Beachtung geschenkt hat.
Es kann wohl behauptet werden , daſs selbst in der preuſsischen Armee die volle Auffassung dieses neuen Infanteriefeuers erst Jabrbächer für die Deutsche Armee und Marine ,
Bd. LXVI., 1 .
3
Der Mehrlader.
34
allmählich sich verbreitete.
Ich darf mich darauf berufen , wie ein
sehr thätiger und viel gelesener anonymer Schriftsteller *) in den Jahren 1862–1865 (also selbst nach dem schleswigschen Feldzuge noch) in seinen an die Betrachtung des Krieges von 1859 zu wiederholtenmalen angereihten » Schluſsfolgerungen « sich darüber äuſsert. Seine Schluſsfolgerungen erregen heute unser berechtigtes Erstaunen, sind aber eben deswegen für die Betrachtung des Ent wickelungsganges von besonderem Interesse. Und selbst das Re
glement, welches die Wirkung des Quantitätsfeuers so prophetisch und so überzeugend darstellt, kann nicht umhin auch seinerseits
der mit dem Hinterlader zugleich gewonnenen Präzisionsleistung seinen Tribut darzubringen, indem es von dem Fernfeuer einzelner guter Schützen spricht und damit in einen Irrtum verfällt, der erst nach dem letzten Kriege seine volle Beseitigung gefunden hat. So sehr war man damals allgemein dem Qualitätsfeuer zuge
wandt, daſs die praktische Probe des Jabres 1864 nicht einmal den verbündeten Augenzeugen das Verständnis für das Quantitätsfeuer eröffnete, so daſs sie, wie das oben schon Erwähnung finden muſste, ohne jede Ahnung von dem charakteristischen Unterschiede der preuſsischen Bewaffnung die für einen anderen Unterschied kennen gelernte Lehre darauf übertragen zu dürfen glaubten und damit buchstäblich in den offenen Rachen des Löwen rannten .
Wie sehr der offensive Charakter des neu geschaffenen Infanterie
feuers zur Erscheinung trat, dafür bietet das Schlachtfeld von Königgrätz ein treffendes Beispiel. Die hat auf dem ganzen weiten Kampfplatze gerungenen Angriff (was man bis dahin ihr Erfolg beruhte überall auf dem »auf trierten offensiven Fener « .
offensive prenſsische Armee nicht einen einzigen durch so nannte) zu verzeichnen , kurze Zeitmomente konzen
Ich möchte sagen , daſs hier der
Gegensatz zwischen Offensive und Defensive ins Wanken gebracht wurde und es steht gewiſs im Zusammenhange damit, wenn seitdem die » Terminologie « der Kampfformen eine merkwürdige, auf »Kom binationen « beruhende Bereicherung gefunden hat. Es war eine besondere Gunst des Schicksals, welche der groſsen , lebensvoll ausgestalteten Idee des Hinterladers im Kampfe nicht nur
gegen das Präzisionsgewehr, sondern auch gegen die Stofstaktik ein
doppelt glanzvolles Auftreten zuwendete. Die allgemeine Bekehrung zum Quantitätsfeuer war eine notwendige Folge desselben. *) Der Feldzug von 1859 in Italien, bearbeitet von einem preuſsischen Offizier ( Otto, Thorn 1862 -- 65) .
Der Mehrlader.
35
Der Wirkung nach muſsten nun freilich die Erscheinungen andere werden, sobald Hinterlader gegen Hinterlader in den Kampf trat, aber der Charakter derselben blieb doch der gleiche. Die offensive und selbstständig entscheidende Wirkung des massenhaften Feuers hat auch im Jahre 1870/71 vollkommen ihr Recht behauptet.
Die Entscheidung ist immer durch das Feuer bewirkt worden, unsere Angriffe erinnere
.
an die ich mich mit ebensoviel Stolz als Freude
waren doch nichts anderes, als das Pflücken einer schon
reifen Frucht
-
und wo sie das nicht waren , wo man die Ver
hältnisse verkannt hatte, da sind sie gescheitert an dem ebenfalls offensiven Feuer des Gegners .
Unsere jüngste Kriegserfahrung und nicht minder die Er scheinungen des russisch-türkischen Krieges haben nur neuerdings bestätigt, daſs das entscheidende Element des Infanteriefeuers in dessen Quantität zu suchen ist.
Damit war, wie mir scheint, die
weitere Entwickelung bereits klar vorgezeichnet. Oder sollte es für die Quantität« eine Bedarfsgrenze geben, >>
oder etwa eine Grenze, bei deren Überschreitung der Nutzen in Schaden und Gefahr umschlüge, so wie es Genuſs und Heilmittel giebt, welche nur bis zu einem gewissen Maſse uns ohne Schaden zugänglich sind ? Ich suche vergeblich nach Anhaltspunkten für Feststellung einer solchen Grenze gegenüber der fortgesetzten Be obachtung, daſs jeder Zuwachs an Feuergeschwindigkeit ein Element
der Überlegenheit war. Nie ist es, meines Wissens, versucht worden , eine solche Bedarfsgrenze festzustellen , das Streben nach Steigerung der Feuergeschwindigkeit hat sich nie selbst eine Grenze gesteckt, es ist immer bis an die Grenzen der Möglichkeit vorgedrungen. Die Gefahr des verfrühten Aufbrauchens der Munition wird
wohl im Ernste nicht wieder geltend gemacht werden wollen ; längst
ist es ja erkannt, daſs schnell schieſsen können « nicht die Be
deutung von »viel schieſsen müssen « hat, sofern die Erziehung des Soldaten den nötigen Ausgleich sichert. Ich möchte sogar behaupten, daſs diese Gefahr sich verringert, je mehr die Möglichkeit gegeben ist, die Entscheidung auf kurze Zeitpunkte zusammenzudrängen . Der Mehrlader bedingt an sich keinen gröſseren Munitionsverbrauch als der einfache Hinterlader, und dieser hat einen solchen nur inso
weit gebracht, als er eben auch die Aufgabe der blanken Waffen mit auf seine Rechnung übernommen hat. Daſs ferner bei einem Schnellfeuer von der nunmehr ermöglichten
> Intensität« der Pulverdampf kein Zielen mehr gestatte, kann ich auch als ein ernstliches Bedenken nicht anerkennen.
Es steckt 3*
Der Mehrlader.
36
dahinter nichts weiter, als der immer wieder zum Vorschein kommende
Hang zum »Qualitäts«-Feuer, zur Ausnutzung der der Waffe eigenen Präzision, welche doch nichts weiter ist, als ein der Masse der Geschosse sich zugesellendes Wahrscheinlichkeitselement. Die Zeit punkte, um die es sich handelt, sind so kurz, daſs der abziehende Pulverdampf nichts anderes enthüllen würde, als die zu unsern
Ungunsten gefallene Entscheidung. Solange man Zeit hat zum Rauchabziehenlassen wird man überhaupt nicht aus dem Magazin feuern , und in den Augenblicken, wo man dieses benutzt, würde man sich unter keinen Umständen die Zeit dazu nehmen dürfen . Die kurzen Entfernungen, welche hier in Betracht kommen , schaffen
ähnliche Verhältnisse, wie sie für die glatten Gewehre eine Visierung
im heutigen Sinne überhaupt als überflüssig erscheinen lieſsen. Ich darf wohl sagen , daſs keine stichhaltigen Bedenken gegen das Fortschreiten auf der längst eingeschlagenen Bahn vorgebracht werden
konnten .
Nachdem aber meine Gegenüberstellung von
» Quantität« und » Qualität « des Feuers sich im Laufe der Betrachtung immer schroffer gestaltet hat, darf ich nicht versäumen , wiederholt darauf hinzuweisen , daſs ich beide hier nur insofern in Betracht
ziehe, als ihre Möglichkeit in der Waffe selbst begründet ist. Daſs die » Quantität« des Feuers erst durch richtigen Gebrauch, also durch die Qualität « der Führung und der Schützen ersprieſslich gemacht wird, kann und darf ja keinem Zweifel unterliegen. Diese » Qualität « ist ein notwendiges Zubehör der Quantität «. Der Gegen satz der letzteren gegen die in der Waffe liegende » Qualität « stellt
sich vollständig klar, wenn ich sage, daſs diese » Qualität « durch keine Leistung der Führung und der Schützen zu einem der » Quantität« ebenbürtigen Umstand gemacht werden kann. Der weittragende Hinterlader. Die Betrachtung der geschichtlichen Entwickelung hat mich dazu geführt , den Hinterlader zum unmittelbaren Ausgangspunkte für unser heutiges Entwickelungsergeonis zu nehmen, und ich muſs nun noch nachholen , daſs dieser Zusammenhang thatsächlich kein so unmittelbarer war , daſs vielmehr noch eine ganze
Generation
von Waffen in Mitte liegt, welche unsere Betrachtung erfordert. Der gewaltige Vorgang des deutsch-französischen Krieges muſste zu einer weiteren Entwickelung der Handfeuerwaffen umsomehr den Anstoſs geben , als die Bewaffnung des siegreichen Teiles damals schon gegen die des Besiegten erheblich zurückstand und zur
Erzielung des günstigen Erfolges ein bedeutender Zuschuſs an
Der Mehrlader,
37
Leistung von Seiten der ihrerseits überlegenen Artillerie hatte in Anspruch genommen werden müssen . Das Chassepotgewehr gehörte eigentlich selbst schon mehr der nun zu besprechenden Gene ration an . Das vornehmlichste Streben richtete sich nun allerdings auf
fernere Steigerung der Feuergeschwindigkeit mittels Vereinfachung des Lademechanismus, und es entstand in den siebziger Jahren ein förmlicher Wettstreit hinsichtlich der Zahl der Schüsse, welche
dieses und jenes Modell in der Minute abzugeben gestatten solle. Es ist auch nicht zu verkennen , daſs ein nicht unbedeutendes Ergebnis erreicht wurde, ich nehme aber ausdrücklich davon Umgang, einschlägige Zahlen namhaft zu machen, und begnüge mich mit
der Feststellung, daſs in derselben nur zum Teile die verbesserte einem wesentlichen Teile aber die Konstruktion der Waffe, zu einem Gewandtheit des Schützen und die Beseitigung aller in der Munition
und in dem Ergreifen derselben begründeten Störungen zum Aus drucke gelangte. Dieser Wettstreit muſste bald erlahmen, denn ein wesentlicher Unterschied in der Leistung war nicht zu erreichen :
war eben eine gewisse Grenze gesetzt: jedes Gewehr muſste geöffnet und geschlossen , jedem eine Patrone um die andere zu gereicht werden . es
Der Mehrlader war zwar bereits erfunden, auch schon aus dem
Versuchsstandpunkt in die Praxis übergegangen, aber er hatte noch nicht seine volle Entwickelung erreicht, er hatte sich noch keinen Glauben zu erwerben gewuſst. Warum und wie weit das letztere der Fall war
im Gegensatze zu dem zwingend erscheinenden Hinweise der geschichtlichen Entwickelung entzieht sich der
näheren Untersuchung. Für die deutsche Armee war jedenfalls von ausschlaggebender Bedeutung, daſs man bereits so weit überholt war , daſs längeres Warten auf einen brauchbaren Mehrlader nicht erlaubt scheinen durfte .
Unter der Annahme, daſs der kriegsbrauchbare Mehrlader noch lange auf sich warten lassen würde , oder aber überhaupt nicht 7
sicher in Aussicht stehe , war
man
nun also abermals an einer
äuſsersten Grenze der Feuergeschwindigkeit angelangt, und dieser Umstand verfehlte nicht, neuerdings die Tragweite – Treffsicherheit in den Vordergrund treten und von dieser eine Steigerung der Leistung im allgemeinen erhoffen zu lassen . Unterstützend wirkte hierbei, daſs man eben erst praktisch ein Fernfeuer von bisher nie gewohnter Ausdehnung zu beobachten -
Gelegenheit gehabt hatte. Jetzt zum erstenmale wurde das Fernfeuer
Der Mehrlader,
38
förmlich studiert ; man kam zu dem Ergebnis, daſs keine « Präzision « der Waffe oder des Schützen genügen könne , um demselben hin längliche Wirkung zu verleihen , daſs die Masse der Geschosse mit ihrer erweiterten Treffwahrscheinlichkeit die
» Präzision « ersetzen
müsse, und so vollzog sich nun der merkwürdige Vorgang, daſs die Tragweite von ihrem alten Genossen, der Präzision «, sich lossagte >>
und sich auf eine Verbindung mit der bis dahin selbstständig ihres Weges gegangenen Feuergeschwindigkeit einliefs, weil nur diese die nötige Masse der Geschosse zur Verfügung stellen konnte. Der weittragende Hinterlader , begleitet von den Mieg'schen Theorien , war die neue Stufe , über welche die Entwickelung nach
kurzer Rast und ohne Handlung weiter geschritten ist , um neuer dings sich der reinen Feuergeschwindigkeit zuzuwenden. Obwohl nur
von kurzer Dauer hat diese Generation «
von Waffen doch
über ganz Europa sich verbreitet und mit ihrer theoretisch -empirisch ausgeschmückten Betonung der Tragweite die schon gebieterisch vorgezeichnete und ziemlich weit gediehene Fortentwickelung nach der Richtung der Feuergeschwindigkeit sichtlich verzögert. Und doch , keine Generation « ist so gehaltlos, daſs sie nicht den Nachkommen ein Erbe zu hinterlassen hätte !
Wie die Idee
der Präzisionswaffen , untergeordnet zwar aber noch vervollkommnet,
in dem Hinterlader fortlebt, so hat auch der weittragende Hinter lader sein geläutertes Wesen auf den Mehrlader vererbt. Diese Thatsache muſs mich veranlassen , mich nicht mit einem einfachen
Nachrufe zu begnügen . Ohne Zweifel ist nicht leicht eine Waffe ihrer Wirkung nach so eingehend studiert worden , wie der weittragende Hinterlader dies bei uns erfuhr.
Dieses Studium , auf Theorie und Friedens
erfahrung beruhend , muſste im Ganzen zu teils einseitigen , teils
übertriebenen Ergebnissen führen , welche bei der Übersetzung in die Praxis sich zu groſsem Teile als Dunst hätten erweisen müssen. Eine wertvolle Erkenntnis ist aber daraus hervorgegangen, die früher schon erwähnte Notwendigkeit , die Tragweite mit der Masse der Schüsse nicht mehr mit der Feinheit des Schusses zu verbinden.
Damit und mit der durch den Hinterlader verfügbar gemachten
Masse des Feuers ist dem Fernfeuer eine Grundlage gegeben, welche der weittragende Vorderlader nicht bieten konnte.
Ist aber damit
das Fernfeuer auch empfohlen , oder vollends zum Gebot gemacht ? Ich möchte diese Frage *) hier nur streifen , sie bildet ein 1
*) Dals hier wirklich auch heute noch eine Frage“ vorliegt >, zeigt am
Der Mehrlader.
39
Kapitel für sich , und hat , was ich ausdrücklich betonen möchte, mit dem Mehrlader an sich nichts zu thun .
So wie der Hinterlader
in seiner Bedeutung von der ihm so sehr eigenen Präzisionsleistung
unabhängig war, so ist der Mehrlader nur in Folge einer zufälligen Erbschaft mit den Eigenschaften des weittragenden Hinterladers ausgestattet.
Nicht daſs ich nun behaupten wollte , diese lieſsen
sich ebensowobl wieder beseitigen ; sie sind ein aus der Entwickelung entstandenes und demnach wohl unentbebrliches Zubehör, aber sie
gehören nicht zu dem eigentlichen Wesen des Mehrladers, nicht zu dem, was einen epochemachenden Fortschritt darstellt. Ich will die Frage nicht weiter untersuchen , ob das massen hafte Fernfeuer künftig eine gröſsere Bedeutung gewinnen wird, als es bei dem feinen Fernfeuer der Fall war, und möchte nur zur
Unterstützung obiger grundsätzlicher Unterscheidung noch des Umstandes erwähnen , daſs in dem Fernfeuer, dem räumlich aus 7
gedehnten Feuer, allerdings eine Gefahr für die Zulänglichkeit der Munition liegt, in dem Schnellfeuer, dem zeitlich konzentrierten Feuer dagegen, wie schon gesagt, nicht. Der weittragende Hinterlader erscheint uns heute als ein Seitenweg, den man eingeschlagen hatte , weil die groſse Straſse der Entwickelung im Baue nicht rasch genug fortzuschreiten ver mochte, dieser Seitenweg selbst aber entbehrte nicht der Wegweiser zu der groſsen Straſse. Indem man das Fernfeuer studierte, wurde man von der » Qualität « des Feuers neuerdings auf die » Quantität« hingewiesen , und dieser kräftige Fingerzeig muſste zum Einbiegen in die mittlerweile gebahnte altgewohnte Straſse veranlassen. Der Mehrlader.
Neuerliche und, wie schon Eingangs gesagt, vorläufig letzte Steigerung der Feuergeschwindigkeit bedeutet also der Mehrlader, eine nach wiederholter Schwankung vollzogene Umkehr zu dem ge schichtlich bewährten Grundsatz ; die ganze geschichtliche Ent
wickelung der Feuerwaffen dient ihm als logische Grundlage. Mit diesem Ergebnis der bisherigen Betrachtung können wir an unsere neue Waffe herantreten, und ich glaube annehmen zu dürfen , daſs Niemand mehr von mir erwartet , dem gegenüber nur noch auf weitere Erörterung von Bedenken mich einzulassen. Ich habe diesen Gegenstand absichtlich in einen früheren Abschnitt verlegt, deutlichsten die geringe Beachtung , welche unsere hohen Visiere in der Schiefs ordnung finden.
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Der Mehrlader.
in welchem vom Mehrlader de lege ferenda « zu sprechen am Platze war.
Wenn ich mich nun auf Bedenken gegen den Mehrlader nicht weiter einlassen zu sollen glaube, so darf ich doch die Frage nicht unterdrücken , ob auch genügende Gründe für denselben geltend gemacht werden konnten? Ich habe schon erwähnt , daſs man nicht selten der Auffassung begegnet, der das bisherige Kaliber bei behaltende Mehrlader stelle keinen so bedeutenden Fortschritt dar, um die darauf verwendeten Kosten zu lohnen , man hätte sich
füglich mit der bisherigen Waffe noch behelfen können, bis mittels des kleinen Kalibers und der davon zu erhoffenden Vorteile ein
wirksamerer Fortschritt nach der Richtung des Mehrladers ermöglicht gewesen wäre , ein gröſserer Schritt, der früher oder später doch gemacht werden müsse.
Um solche Geringschätzung auf ihre Berechtigung zu prüfen, muſs klargestellt werden, in welchem Umfange nunmehr die Feuer geschwindigkeit gesteigert ist. — Ich halte es auch hier nicht für
angezeigt, mich in Zahlen zu ergehen. Wie viele Schüsse in der Minute abgegeben werden können , oder vielmehr in welcher Zahl von Sekunden das neue Gewehr seine 8–10 Patronen zu verfeuern
gestattet, läſst sich ja nie ganz genau ausdrücken, da das Schieſsen selbst , das Anschlagen , Zielen und Abdrücken , keine stets gleich
lange dauernde Handlung darstellt. Es wird wohl genügen , wenn ich feststelle, daſs der Mehrlader dem einfachen Hinterlader gegen
über diejenige Bewegung erspart, welche am meisten Zeit in An spruch nahm und den bedeutendsten Störungen ausgesetzt war,
nämlich das Zuführen der Patrone , beziehungsweise daſs derselbe gestattet, dies für eine Reihe von Schüssen im voraus zu besorgen. Es kann gewiſs nicht in Abrede gestellt werden , daſs hiermit auch dem vollkommensten Einzellader gegenüber eine wesentliche, in der Waffe selbst begründete und von dem Grade der Gewandtheit
des Schützen unabhängige Steigerung der Feuergeschwindigkeit erreicht ist , welche mit den meisten ihrer epochemachenden Vor
gänger als ebenbürtig betrachtet werden kann. Ich gebe zu, nicht mit allen ; der gegenwärtige Fortschritt steht icht auf gleicher Höhe mit dem vom Vorderlader zum Hinterlader, weil bei diesem
neben der Feuergeschwindigkeit noch der weitere Vorteil in Rechnung zu setzen blieb, daſs man nun in allen Lagen bequem laden konnte.
So bedeutend ist der heutige Fortschritt nicht, aber ich kann nicht finden, daſs dieser Umstand seine Bedeutung in Gefahr zu bringen vermöchte. Der Mehrlader ist der zwingend vorgeschriebene nächste
Der Mehrlader,
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Schritt in der weiteren Entwickelung des Hinterladers, dieser Schritt hat seine natürliche Begrenzung und, einmal gethan, seine unver kennbare Bedeutung. Was war denn weiter abzuwarten ?
Die Phantasie hat für
Beantwortung dieser Frage weitesten Spielraum. Wenn ich ver suche sie einigermaſsen in den Bahnen der bisherigen Entwickelung zu halten , so wäre der nächste Schritt wohl der , daſs auch das Öffnen und Schlieſsen des Gewehres wegfiele und man nur abzu drücken
brauchte .
Ich glaube nicht , daſs meine Phantasie sich
damit in das Gebiet der unbedingten Unmöglichkeit begeben hat (der Revolver ist ja schon auf dieser Höhe angelangt), aber gewiſs in ein so fernes Gebiet , daſs es kaum denkbar schiene , sich mit
einem Schritte in dasselbe zu versetzen . Die Krone der phan tastischen Entwickelung wäre dann etwa der mechanische Selbst plänkler,, — doch genug , ich bin überzeugt, daſs der Leser gerne mit mir kehrt macht, um dem Boden der Wirklichkeit nahe zu bleiben .
Betreffs des Mehrladers selbst läſst sich nicht verkennen, daſs
unser jetziger nicht unübertroffen bleiben wird, ich möchte aber ausdrücklich hervorheben, daſs ich darin kein Bedenken zu erkennen
Ein reichhaltigeres Magazin ist ja wohl denkbar, der Unterschied in der Leistung wird aber dabei keine gröſsere Be
vermag .
deutung zu gewinnen vermögen , als es bei dem erwähnten Wett streite zwischen den verschiedenen Modellen des Hinterladers der Fall war .
Daſs dem Vernehmen nach auch die Tragweite eine neuerliche
Steigerung erfahren soll , mag hier nur der Vollständigkeit wegen Erwähnung finden. Diese Frage gehört einem anderen Gebiete an, sie hat mit dem Mehrlader an sich ebensowenig zu thun , als dies bei dem Hinterlader der Fall war, es mag hier nur der eine Schluſs
daraus gezogen sein , daſs der Mehrlader als solcher keine logische Beziehung zum Fernfeuer hat.
Es bliebe nun noch des kleineren Kalibers zu gedenken , in dessen technischer Ermöglichung so vielfach das Heil der Zukunft gesucht wird . Ich darf die ballistischen Vorgänge desselben füglich übergehen , da diese meinen bisherigen Ausführungen nach eine untergeordnete Rolle spielen. Der eigentliche Kern der Kaliberfrage liegt in der Menge der Munitionsausrüstung. Dem gegenüber knüpfe ich lediglich bei meinen früheren Ausführungen an, wo ich sagte : Der Mehrlader an sich begründet keinen gröſseren Munitions verbrauch , und ich füge nun bei , wenn er solchen in der That
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Der Mehrlader.
doch bewirkt , dann wird mit Munition bezahlt , was man an Er ziehung des Soldaten gespart hat. Die Türken bei Plewna haben das gethan . Mag unter Hinzutritt weiterer Elemente dem kleinen Kaliber immerhin die Zukunft angebören, heute sind diese Elemente noch nicht absehbar, und ohne diese, nur der Munitionsausrüstung zuliebe , ist uns das kleine Kaliber noch kein Bedürfnis , zum
mindesten aber mit den unvermeidlichen Schwierigkeiten des Über gangs zu teuer erkauft.
Auf das kleine Kaliber möchte ich das
Bedenken anwenden , welches unserem Mehrlader entgegengestellt wird, daſs der Schritt zu demselben heute noch nicht groſs genug, noch nicht lohnend ist . Die Frage des kleinen Kalibers ist noch
nicht vollständig gereift, der Mehrlader ist eine reife Schöpfung. Unser Mehrlader steht demnach vor uns als die logische Fort entwickelung des Hinterladers, dieser epochemachendsten Schöpfung auf dem Gebiete der Handfeuerwaffen, damit ist seine Berechtigung
über jeden Zweifel erhaben , jedes Bedenken unterdrückt , jede Geringschätzung ausgeschlossen. Gewiſs wird unsere Waffe , die die Bahn gebrochen hat , da und dort in untergeordnetem Maſse überholt werden, sie wird auch seinerzeit als nicht mehr genügend
wieder zur Seite gestellt werden , aber heute ist sie uns ein wert voller Besitz , und im Bewuſstsein des vollendeten Besitzes können
wir denen, die sich mit besserem brüsten, zurufen : Die beste Waffe ist die, welche man besitzt.
-
Dieser unser Besitz giebt heute das
Gesetz in der Waffenfrage, er hemmt vorläufig weiteren Fortschritt
entweder oder er zwingt zu bedenklicher Übereile. Schluſsfolgerungen. Der Mehrlader ist ein Schritt weiter auf einer längst mit Erfolg betretenen Bahn , ein Schritt weiter in der zeitlichen Ver
einigung des Feuers ; für die daraus zu ziehenden Folgerungen ist
damit eine sichere Grundlage gegeben. Der Schritt ist ein ver hältnismäſsig kleiner, er bewegt sich auf einer engbegrenzten Bahn, auch die Folgerungen können nicht ins Weite schweifen. Was ändert sich gegen früher ? — Das Schnellfeuer des Hinterladers wird ersetzt beziehungsweise gekrönt durch das Magazinfeuer. Auf dem engen Gebiete dieses Satzes haben wir uns zu bewegen. Daſs der Schritt klein und die Grenzen eng sind, beeinträchtigt nicht die Bedeutung, denn die Möglichkeit der Konzentrierung der Feuerwirkung auf kurze Zeitmomente ver leiht derselben einen offensiven Charakter, sie kann selbstständig entscheidend werden «
dieser vielleicht bedeutendste Satz in der
Der Mehrlader.
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Geschichte der Feuertaktik hat eine noch gesteigerte Bedeutung
gewonnen , das bleibt immerhin bedeutend genug. Es lieſse sich nun ganz einfach sagen : Die gleichen Grund sätze , welche bisher für das Schnellfeuer gegolten haben , sind in gesteigertem Sinne auf das Magazinfeuer zu übertragen , wenn nicht doch ein grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden bestände, der eine solche Übertragung ungenügend erscheinen lieſse. Das Schnell feuer des Hinterladers hat seine Grenze im Bedarf, das Magazinfeuer in der Patronenzahl des Magazins; dieser Unterschied erfordert eingehende Betrachtung. Während das bisherige Schnellfeuer in beliebiger Ausdehnung zur Anwendung kommen konnte , ist das gesteigerte Schnellfeuer des Mehrladers gewissermaſsen in Reihen abgeteilt , deren jede bestimmt abgegrenzt ist , und welche nur in gewissen Zwischenräumen aufeinanderfolgen können. Diese Feuerreihen gewinnen in ihrer Abgegrenztheit einen ähnlichen Charakter, wie die Salven früherer Zeiten, welche einmal
verausgabt, ebenfalls erst nach einem gewissen Zeitraume wieder zur Verfügung standen . Die so zu sagen » potenzierten Salven « *) des Mehrladers sind nun freilich nicht mehr von Feuerpausen umrahmt, wie jenes ihr Vorbild , sondern sie heben sich ab auf dem
Untergrunde des fortlaufenden Feuers des Hinterladers , welches nach Belieben ihnen vorangehen oder an dieselben sich anreihen kann . Dies gilt jedoch nur von der einzelnen »Salve« , jede Wieder
holung derselben bedingt eine wirkliche Feuerpause. Die Ähnlichkeit bleibt dadurch gewahrt, wird sogar noch dahin verschärft, daſs für ein und denselben Gefechtsakt überhaupt nur noch von einer > Salve « wird die Rede sein können .
So wie die Salven, je seltener sie zu leisten waren , um so mehr
für den Augenblick der Entscheidung aufgespart wurden , in noch höherem Maſse muſs dies für die einmalige » potenzierte Salve « des Mehrladers gelten. Nachdem nun aber bezüglich des Fernfeuers gewiſs das eine feststeht, daſs es nicht entscheidend wirken kann, muſs das Magazinfeuer den nahen Entfernungen vorbebalten bleiben und zwischen so nahen , daſs die einmalige » Salve « die Ent scheidung bringt.
Daſs auch hier die Regel Ausnahmen kennt, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Besonders günstige Ziele, besondere Zwecke können auch das Magazinfeuer in weitere Ferne locken. Bei solcher *) „ Salve “ ist hier nicht als Kommandofeuer gemeint , sondern soll nur eine abgegrenzte Geschofsmasse bezeichnen.
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Der Mehrlader.
Benutzung kommt auch die mit der Verausgabung sonst verbundene Gefahr in Wegfall, es handelt sich in solchem Falle weniger um ein Gefecht, als um ein Schieſsen gegen vom Feinde gebotene Ziele und mit dieser Charakteristik schon dürfte die Ausnahme genügend
betont, die Regel gegen jeden Angriff gesichert sein. Weniger als Ausnahme aber sonst unter gleichen Gesichts punkten liegend mag hier die Verwendung des Magazinfeuers zur
Verfolgung Erwähnung geschehen. Die Ersprieſslichkeit und Un bedenklichkeit dieser Benutzung steht auſser Zweifel und sie würde wohl als regelmäſsig zu bezeichnen sein, wenn nicht die als Regel
anzunehmende Leere der Magazine in diesem Zeitpunkt des Kampfes sie doch als Ausnahme erscheinen lassen müſste. Das Verfolgungs feuer aus dem Magazin wird sich auf einen spärlichen Rest der Füllung und auf die wenigen Gewehre der letzten Reserve be schränken , welche für den Antrieb zum Einbruche aufbehalten war.
Hatte man nun früher wohl nur selten es gewagt, einen ganzen Gefechtsakt auf eine Salve zu stellen, obgleich dieses Feuer noch nicht die Entscheidung bringen sollte, so wird man dies noch weniger thun dürfen mit der einzigen verfügbaren » Salve « aus dem
Magazin, welches heute die Entscheidung bringen muſs. Daraus folgt, daſs der Einzellader dem Magazinfeuer kräftigst vorarbeiten, er muſs dasselbe durch sein Vorspiel auf den Gipfelpunkt des Gefechtes em portragen . Besser, es bleiben schlieſslich einige Patronen
im Magazin, als es müssen demselben noch einige angehängt werden.
Die gesamte bisherige Betrachtung weist also immer wieder
darauf hin, daſs die Handhabung des Mehrladers ganz allgemein, gleichviel ob im Angriff oder in der Verteidigung, das sichere Be wahren des Magazinfeuers für den äuſsersten Zeitpunkt zum Gebot macht, selbst auf die Gefahr hin , daſs das Magazin nicht ganz oder selbst garnicht zur Verwendung kommt. Die Macht der aufbewahrten Salve hat schon einmal angreifende Kavallerie vor stummen Gewehr mündungen zur Umkehr bewogen, sie darf auch bei dieser modernen » Salve « auf Wirkung rechnen. Wird die » Salve « zu bald ausgegeben
und verfehlt sie ibren Erfolg, so ist die Entscheidung im ungünstigen Sinne gefallen, denn das daran angereihte Feuer des Einzelladers
wird meist sehr minderwertig sein, immer aber ein Erlahmen der Kraft verkünden und den Gegner mehr fördern als schädigen. Es kann wohl kaum ausbleiben, daſs die kämpfenden Parteien 1
sich in dem Punkte der Zurückhaltung gegenseitig zu übertreffen
suchen werden und als eine notwendige Folge dieses Veinmaligen
Der Mehrlader,
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Kugelwechsels « wird die Erscheinung zu verzeichnen sein, daſs jetzt, in der Zeit der weitesttragenden Gewehre, die Räume, innerhalb welcher die Entscheidung fällt, sich wieder enger gestalten werden. In solchem ebensosehr gegensätzlichen, als überlegenen Verhältnisse steht das Quantitätsfeuer zu der Tragweite auch heute noch, wo diese sich mit jenem zu vermählen so groſse Anstrengungen ge macht hat.
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Wenn wir uns des Ringens und Wogens der Schlachten er SO innern – das künftig gewiſs keine Kürzung erfahren wird drängt sich nun freilich der Gedanke auf, ob denn wirklich , wie das vorstehend aus der Natur der Waffe als Folgerung hervor gegangen ist, der nach Sekunden zu bemessende Vorgang eines
reinmaligen Kugelwechsels« die Entscheidung über den Sieg bringen soll, ob sich nicht künstliche Mittel bieten sollten , um das Gewicht
des Vorganges auf zeitlich breitere Schultern zu übertragen, um nach Bedarf und Not noch und noch etwas an Feuerwirkung zu legen zu können ?
Der benutzte Vergleich mit den Salven früherer Zeiten giebt diesem Gedanken gewiſs Nahrung ; auch diese wurden ja nach Bedarf wiederholt und soweit dies ein und derselben Truppe nicht möglich war, wurde durch Wechsel der Truppe für Wiederholung gesorgt. Wenn wir nun jetzt den Kampf, d. h. den Entscheidungs kampf, auf einen » einmaligen Kugelwechsel « stellen wollen, so wird, da dieser doch nicht auf Kommando stattfindet, für den zuerst
feuernden ein Zustand der Wehrlosigkeit geschaffen, und es möchte demnach unerläſslich erscheinen , sich immer noch eine Reserve an
Magazinfeuer aufzusparen , um auch noch eine Wiederholung ent gegensetzen zu können.
Der erste >» Schuſs « würde dann nur dazu
dienen, den » Schuſs « des Gegners zu entlocken, das verlängerte Magazinfeuergefecht würde sich charakterisieren als ein fortgesetztes gegenseitiges Zuschieben des obenerwähnten Zustandes der Wehr
losigkeit, und Sieger bliebe dann der, welcher die letzte Reserve an Entscheidungsfeuer einzusetzen hätte.
Die beregte Reserve an Magazinfeuer kann nicht von ein und derselben Truppe bewahrt werden, sie muſs
von
immer neuen
Truppen zugeführt werden, denen dann nach einer gewissen Zeit die erste und zweite Reihe neuerdings als Reserve dienen können. Es bildet sich eine endlose Kette, ähnlich dem » Defiléefeuer «, eine Kette, welche fortlaufen kann, bis ihre Glieder reiſsen, und dieser
Vorgang wäre es dann, der die Entscheidung brächte. Es ist wohl nicht zu verkennen , daſs in diesen Folgerungen
Der Mehrlader.
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etwas bestechendes liegt.
Der Satz von der letzten Reserve gilt ja
für den Kampf im allgemeinen, warum sollte er nicht auch für den
Kampf des Mehrladers seine Berechtigung haben ? Es erscheint so einleuchtend, daſs man sich nicht dem besprochenen Zustande der Wehrlosigkeit wird aussetzen wollen . Es macht sich eine begreifliche Scheu fühlbar, das Schicksal des Kampfes auf den Bruchteil einer Minute zusammenzudrängen ; es scheint so viel sicherer und be
ruhigender, mit fortgesetztem , nach Bedarf gesteigertem Drucke zu wirken, als mit einmaligem Stoſse, dessen Zulänglichkeit doch immer zweifelhaft bleibt und dessen Heftigkeit das eigene Werkzeug zer schellen machen kann .
Ich möchte auch nicht in Abrede stellen ,
daſs all diese Erwägungen in der künftigen Praxis da und dort einen solchen » chronischen « Magazinfeuerkampf zur Anschauung bringen werden, aber trotz alledem kann diese Art der Verwendung nicht unser Ziel, nicht die Grundlage bilden, sondern die natürliche Folgerung aus der Natur der Waffe und aus ihrer geschichtlichen Entwickelung muſs zu Recht bestehen bleiben. Der Satz von der letzten Reserve (der Wert solcher Sätze ist
immer abhängig von der ihnen entgegengebrachten Auffassung) kann auf das in Rede stehende Gebiet nicht so ohne weiteres über
tragen werden ; er gilt vom Kampfe im Ganzen und hier kommt
nur dessen letzter Augenblick in Betracht, der Augenblick , in
welchem jenes Wechselspiel des Zusetzens von Reserven schon beendigt ist, in welchem die volle Kraft eingesetzt werden muſs, nach welchem eine Reserve nur noch die Folgen mildern , das stürzende Gebäude aber nicht mehr aufrichten kann .
Der so bedenklich scheinende Zustand der Wehrlosigkeit nach abgegebenem Schusse ist allerdings vorhanden, er ist aber unschädlich , wenn durch diesen Schuſs der Gegner niedergestreckt worden ist. Sollen wir nun mehr darauf bedacht sein, einen zweiten Schuſs zur
Verfügung zu haben (auf Kosten des ersten ), um die Wehrlosigkeit zu vermeiden , oder darauf, daſs der erste Schuſs den Gegner nieder streckt, um die Wehrlosigkeit unschädlich zu machen ? Den Gegner niederzustrecken, ist unser Ziel ; gegen einen piedergestreckten Gegner brauchen wir keine Waffe mehr, wir brauchen ihm nur noch den Fuſs auf den Nacken zu setzen, - ich wähle unbedingt die letztere Form des Handelns, d . h. die Entscheidung des Kampfes durch eine > Salves mit voller Kraft.
Wenn demnach ein Wurf mehr Aussichten bietet, als mehrere
wiederholte, so muſs auch jede Scheu schwinden, das Schicksal des Kampfes auf diesen einen Wurf zu setzen , solche Scheu wäre
Der Mehrlader.
Schwachheit, und Schwachheit kann nie zum Ziele führen .
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Um
bei dem oben gewählten Vergleiche zu bleiben, mag meine Beweis führung sich auch darauf stützen , daſs der Stoſs der gleichen Masse weit mächtiger ist, als deren Druck. Wie dort die Geschwindigkeit die Kraft vervielfacht, so ist hier die Zusammenfassung auf einen Augenblick gleichfalls ein Faktor lebendiger Kraft. In dem engen Bereiche des Magazinfeuers gilt die Stofstaktik, ausgeführt von einer mächtigen Geschoſsmasse.
Es bleibt dabei : der Kampf mit dem Mehrlader als solchem stellt im wesentlichen einen » einmaligen Kugelwechsel« dar, einmalig nicht sowohl für die Schlacht im Ganzen, als für jeden Gefechtsakt, welcher eine Entscheidung fordert.
Die Entscheidung liegt im
Magazinfeuer, und dieses dient nur der Entscheidung, ist demnach auf nahe Entfernungen beschränkt.
In der Natur der richtigen
Verwendung liegt es begründet, daſs Rücksichten auf den Munitions verbrauch überhaupt nicht in Betracht kommen, derselbe ist auch in der That wenig belangreich, denn 8-10 Patronen sind ein billiger
Preis für die Entscheidung . Als eine Ausnahme steht daneben das Schieſsen auf lebende
(nicht kämpfende) Ziele auf weitere Entfernungen, wobei aber nicht zu übersehen ist, daſs solche Ziele, an sich selten, noch seltener das
Magazin herausfordern werden ; in der Regel wird hier die Leistung
des Einzelladers genügen, immer die Rücksicht auf die Munition eingehendste Beachtung erfordern. Kaum nennenswert ist daneben der mögliche Fall, daſs eine
Truppe in die Lage kommen kann, durch Vervielfältigung ihres Feuers bis zum Magazinfeuer ihre Unterlegenheit an Zahl auszu gleichen . Es ist dies ein Notstand, welcher auch auſserordentliche Mittel rechtfertigt, eine durch die Verhältnisse aufgenötigte Form des Verhaltens, zu der man aus freiem Entschlusse schon deshalb nicht greifen wird, weil diese die Zulänglichkeit der Munition in die höchste Gefahr bringen muſs. Den vorstehenden Ausführungen sind nun allerdings im wesent
lichen die Eigenschaften des deutschen Magazingewehrs zu Grunde gelegt, und es darf nicht übersehen werden , daſs jetzt schon Modelle
auftreten, welche im Gegensatze zum > Magazingewehr« mehr als » Repetiergewehre « bezeichnet zu werden verdienen, indem sie darauf
eingerichtet sind, der Waffe eine Magazinladung nach der andern in ähnlicher Weise zuführen zu lassen , wie dem Hinterlader eine Patrone um die andere einverleibt wurde. Eine solche Waffe mag
wohl zu der Behauptung berechtigen, daſs ihrem » Magazinfeuer «
Der Mehrlader.
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nicht so enge Grenzen gesteckt seien, als dies in vorstehendem an genommen ist, denn aus einer solchen Waffe kann auch das
»Magazinfeuer« nach Bedarf ausgedehnt und jederzeit wiederholt Und doch glaube ich meine Ausführungen auch auf
werden .
diese Waffen als anwendbar annehmen zu dürfen .
Die scheinbare
Unbegrenztheit des Feuers findet ihre Schranke - früher oder
später im Munitionsvorrat und – zu einem sichern Zeitpunkt in
der Leistungsfähigkeit des Schützen, welchem es unmöglich wird, ein gewisses Maſs zu überschreiten.
Dieser Umstand macht für den
Augenblick der Entscheidung die Verhältnisse der beiderseitigen Modelle wieder so ziemlich gleich . Und wenn behauptet werden wollte, daſs bei solcher Waffe das gesteigerte Schnellfeuer für den ganzen Verlauf des Gefechtes zur Verfügung stehe, so halte ich dem entgegen, daſs die Feuergeschwindigkeit von jeher verständigen Gebrauch erfordert hat, daſs der Hinterlader in seinem glanzvollsten Auftreten am seltensten seine volle Kraft eingesetzt hat, daſs nur
die Steigerung der Handlung zu einer Entscheidung führt und der fortgesetzte Gebrauch der äuſsersten Mittel ihre Wirkung nur ver
flacht. Immer zur Verfügung und nur im entscheidenden Augen blicke benutzt , - das war der erfolgschaffende Grundsatz für das
Schnellfeuer des Hinterladers, und dieser bleibt in Gültigkeit auch für den Mehrlader.
Der Stellhebel zieht eine wirksame Schranke
zwischen der Verfügbarkeit und der Anwendung, er ist eine kräftige Mahnung zur Wahrung dieses Grundsatzes, und wo er nicht vor handen ist, muſs er mit besonderer Sorgfalt erst ersetzt werden
durch die Überlegung. Die Regeln bleiben dieselben ,
wenn nicht,
dann um so schlimmer für den, der sie verletzt.
In dem Bisherigen wurde absichtlich der Kampf mit dem Mehr lader ohne Rücksichtnahme auf Angriff oder Verteidigung behandelt, um es zur Anschauung zu bringen , daſs diese beiden Formen des
Verhaltens im taktischen Sinne weit mehr gemeinsame als trennende Merkmale haben, denn das Feuer in seiner heutigen Entwickelung,
und insbesondere das Magazinfeuer, ist immer offensiv. Es erübrigt nur noch , nach einigen wenigen Richtungen die Besonderheiten hervorzuheben .
Als eine Besonderheit des Angriffes verdient Erwähnung, daſs in dem » einmaligen Kugelwechsel« in der Regel ihm der erste Schuſs zufallen wird, und daſs der letzte Anlauf dann unter der
Wirkung des zweiten gemacht werden muſs. Für den Angreifer erwächst bieraus, neben dem bereits erwähnten allgemeinen Grund satze, noch eine doppelte besondere Veranlassung, sein Magazinfeuer 9
Der Mehrlader.
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auf möglichst nahe Entfernung zu versparen ; erstens muſs er dasselbe möglichst wirksam machen, um nicht in den mehrberegten Zustand
der Wehrlosigkeit zu geraten, wobei der moralische Eindruck seiner Nähe wohl ebenso wesentlich sein wird, als die ballistischen Vorteile, und zweitens muſs er trachten , den Akt des letzten Anlaufes
möglichst abzukürzen, um neues Halten und demnächstige Umkehr der Angriffstruppe zu verhüten. Der Angreifer hat auch in diesem Punkte die Initiative, und als ein Gradmesser seiner Entschlossenheit
wird es zu betrachten sein, wieweit er herandringt, ohne von seinem äuſsersten Kampfmittel Gebrauch gemacht zu haben .
Als besonders
glänzende Erscheinungen werden dann die Fälle zu verzeichnen sein, wo unter Verzicht auf das Magazinfeuer ein günstiger Augenblick benutzt wurde, um den Sieg im Fluge zu erhaschen, sie werden das moderne Gegenstück bilden zu jenen früheren Vorgängen, wo der innere Antrieb die Angriffskolonnen ohne Schuſs in die Stellung des Feindes führte.
Einem zähen Verteidiger gegenüber wird bei dem Angreifer wohl ganz von selbst der Wunsch entstehen, jenen zur Veraus gabung seines äuſsersten Kampfmittels zu verführen, noch ehe man zum Einbruche schreitet, um dann diesen unter erleichterten
Umständen gegen das nun doppelt eingeschränkte Feuer des Einzel laders ausführen zu können.
Über die Möglichkeit solcher Täuschung wird am besten vom Standpunkte des Verteidigers gehandelt werden, als dessen Be sonderheit hingestellt werden kann , daſs er durchaus trachten muſs, den zweiten » Schuſs « für sich zu behalten . Wenn wir uns vergegen
wärtigen , wie das ganze Feuergefecht in einem fortgesetzten > crescendo « verlänft, so dürfen wir wohl sagen, daſs ein sehr
geübtes Ohr dazu gehört, um den Höhepunkt desselben sicher zu erkennen und demnach zu unterscheiden, ob eine Vorwärtsbewegung des Gegners einen letzten Sprung oder den schlieſslichen Einbruch
bedeutet. Ist in irrtümlicher Auffassung einer Bewegung des An greifers das Magazinfeuer entfesselt worden, so liegt ein unverbesser licher Febler vor, welcher kaum früher erkannt werden wird, als
nach völliger Verausgabung des Magazinfeuers, von dessen Rauch verhüllt der Angreifer in die nächste Bodenfalte verschwunden ist, um nun von hier aus entweder seinerseits das entscheidende Feuer
abzugeben, oder aber je nach Umständen sofort zum Angriffe zu schreiten. Die unverkennbare Möglichkeit dieses Vorganges birgt eine groſse Gefahr für den Verteidiger in sich und um diese zu
vermeiden, wird er sich die äuſserste Zurückhaltung auferlegen Jahrbücher für die Deutsche Armee and Marine. Bd LXVI ., 1.
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Der Mehrlader.
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müssen und er darf dies auch ungefährdet thun, da auch der kürzeste Raum ihm noch gestattet, seine volle Feuerkraft einzusetzen sofern er noch die nötige Haltung bewahrt. Diese Zurückhaltung kann soweit gehen, daſs etwa selbst durch Abschwächung des Feuers der
Angriff hervorgerufen wird, um dann, wenn er in vollem Gange ist, bei geklärter Lage entscheidend einzugreifen. Ganz besondere Bedeutung gewinnt diese dem Verteidiger gebotene Zurückhaltung dann, wenn die reinste Form der Ver teidigung dem reinsten Angriffe gegenübertritt, im Kampfe von Infanterie gegen Kavallerie, Wenn man erwägt, daſs das Magazin in 30 Sekunden verschossen sein kann, in welcher Zeit die Kavallerie
etwa 200 m zurücklegt, so verschwindet jeder Grund, das Feuer früher zu eröffnen, denn wenn auch bis zu 400 m genügende Treff
wahrscheinlichkeit vorhanden ist, so wird dieselbe auf die geringeren Entfernungen doch noch wesentlich gröſser. Und wenn man ferner bedenkt, daſs das kurzlebige Magazinfeuer die Kavallerie ganz be sonders dazu einladen wird, ihren Angriff in Treffen oder Staffeln auszuführen, so wird es zur zwingenden Notwendigkeit, nicht die ganze Kraft auf die vorderste Linie zu verausgaben . Auch dies wird bei der heutigen geringeren Ausbildung des Kommandofeuers *) nur dann gelingen, wenn man das Feuer auf kürzeste Entfernung bewahrt.
Es hat sich nun ergeben , daſs der Angreifer dem Verteidiger die »Salve« , dieser jenem den Angriff zu entlocken bestrebt sein wird ; der vom Gegner nahegelegte Fehler kann nur von dem ver mieden werden, der durch Erfahrung oder klare Einsicht in die Natur des Herganges es gelernt hat, dem Gegner den Puls zu fühlen,
und der andererseits seine Stellhebel vollständig beherrscht.
Wenn
letzteres einen Gegenstand der Erziehung bildet , woran sich alle Grade mit voller Kraft beteiligen können , so bleibt die höhere
Führung von dem ersteren Punkte völlig ausgeschlossen, hierfür haben die Führer der ersten Linie aufzukommen , und daſs diese
über das Wesen dieses ebenso kurzen als gewaltigen Vorganges
vollständig im Klaren sind, gewinnt dadurch die äuſserste Bedeutung. Der durch seine Einfachheit anfangs fast Bedenken gegen seine
Glaubwürdigkeit erregende » einmalige Kugelwechsel« ist nun bei näherer Betrachtung zu einer Kunst geworden , deren Meisterschaft über den Sieg entscheidet.
Nicht die gut geschossene Salves
genügt, fast noch wichtiger ist die Richtigkeit ihres Zeitpunktes. *) Des Barres hat bei Langensalza nur eine Salve zu stande gebracht.
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Der Mehrlader.
Die gut vorbereitete, gut geschossene und zeitlich richtig gesetzte,
mit einem Worte die meisterhafte » Salve« ist aber des Erfolges unbedingt sicher, und wenn ich nun noch einmal das gewonnene Ergebnis anfgreife, daſs der erste Schuſs dem Angreifer gehört, ibm unbedingt überlassen werden muſs, so kann ich nicht umhin,
hieraus den schlagendsten Beweis zu entnehmen gegen die oft auf gestellte Behauptung, daſs die Vervollkommnung des Feuers der
Verteidigung ein immer wachsendes Übergewicht verleihe. Wenn es richtig ist, daſs der Angreifer den ersten Schuſs hat und daſs dieser Schuſs die Entscheidung bringen kann, ja bringen muſs, wenn
er gut ist – und das halte ich für nachgewiesen
dann ist die
Gunst der Verhältnisse auf Seiten des Angreifers ; sie ist ihm gerade
durch das Magazinfeuer zugefallen , weil dieses als einziges äuſserstes Kampfmittel seiner ganzen Natur nach auch für das Feuergefecht ihm die Vorteile der Initiative einbändigt, welche ja auch sonstwie seiner schwieriger scheinenden Aufgabe so sehr zu statten kommen . Nachdem in Vorstehendem die Verwendung und Wirkung des Magazinfeuers ermittelt wurde, mag nun in Kürze noch die Frage -
zu behandeln sein , in wie weit die Gefechtsformen etwa durch
die neue Bewaffnung beeinfluſst werden könnten ? Mir scheint nach dieser Richtung nichts wesentlich neues vor zuliegen und wenn mit dem Satze » neue Waffen, neue Taktik
schon bisher mancher neuerungssüchtige Miſsbrauch getrieben worden ist, so dürfte dieser Satz heute schon an der Schwelle abzuweisen sein .
Das Feuer des Mehrladers baust nicht auf dem ganzen
Schlachtfelde und während der ganzen Schlacht, sondern nur auf dem Raume und in dem Augenblicke der Entscheidung.
Daſs
demselben in dem weiteren Bereiche der Schlacht keine heraus
fordernden Ziele geboten werden, dafür sorgt in gleichem Maſse die nötige Rücksichtnahme auf das Shrapnel .
Innerhalb des Raumes
und Augenblickes der Entscheidung dagegen kann nur eine Rück sicht platzgreifen, die des ausgiebigsten Waffengebrauches, und für diesen giebt es nur eine Form, die Linie.
Daſs wir diese nicht
aus geschlossenen und gerichteten Abteilungen herstellen, weil wir Geschmeidigkeit und Beweglichkeit bedürfen, ist nichts neues und auch keiner Steigerung fähig. Die » Kunst, im feindlichen Fener mit möglichst geringen Verlusten zu operieren « ist schon deshalb ausgeschlossen, weil es hier überhaupt nichts mehr zu operieren giebt. *) *) Daſs ich die beregte „Kunst“ überhaupt nur sehr in zweiter Linie stellen möchte, deswegen darf ich mich auf meinen Aufsatz im September-Hefte dieser Zeitschrift vom Jahre 1875 berufen . 4*
Der Mehrlader,
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Der ganze Streit um die Gefechtsformen, wie er lange Zeit geführt worden und nun an seiner Ergebnislosigkeit etwas erlahmt ist, fuſst lediglich auf der Frage des Fernfeuers und diese habe ich absichtlich aus dem Bereiche meiner Betrachtungen ausgeschaltet, weil sie mit dem Mehrlader in keiner Berührung steht. Ich würde meine Aufgabe nur in Verwirrung bringen, wollte ich diese Frage durch die Hinterthüre der Gefechtsformen hier wieder eindringen lassen. Für mich ist, nebenbei bemerkt, die Frage der Gefechts formen nach allen Richtungen und unter allen Voraussetzungen gelöst durch unser Reglement, welches der aktiven Seite des Auf
tretens das nötige Übergewicht einräumt über die passive. Nun wird mir wohl entgegengehalten, daſs unser Reglement auch ganz genaue Bestimmungen einverleibt erhalten hat über den
Gebrauch des Mehrladers, und daſs ich deshalb nicht nötig gehabt hätte, zahlreiche Seiten dieser Zeitschrift einer besseren Verwendung
zu entziehen, um Dinge zu besprechen , welche bereits ganz bestimmt geregelt sind.
Gewiſs, ich stelle mich auch nach dieser Richtung
vollständig auf den Standpunkt unserer Vorschriften und beabsichtige SO in keiner Weise diesen etwas hinzufügen zu wollen. Allein wie ich es versucht habe, die nackte Thatsache der Einführung des Mehrladers durch ihre geschichtliche Grundlage zu erläutern, ihre Bedeutung ins richtige Licht zu stellen und das Wesen der neuen Waffe daraus zu entwickeln, so will es mir auch erlaubt und nicht ohne Nutzen erscheinen, aus diesem Wesen unmittelbar die damit bedingten Folgerungen zu ziehen und auf solchem Wege die logische Grundlage zu finden, auf der die neuesten Zusätze zum Reglement aufgebaut sind . Auch diese sind in einer gewissen Nacktheit – » zu -
-
streichen und dafür zu setzen « u. s. w.
aufgetreten, und wenn sie
Leben gewinnen sollen , so genügt nicht deren Einfügung in das Reglement, sondern sie wollen ihrem ganzen Gehalt nach in unseren geistigen Besitz übergeben. Diese Besitzergreifung scheint mir auf dem von mir verfolgten Wege gefördert zu werden – ich über lasse es dem geneigten Leser, die Probe darauf zu machen, und zu dem Ende die einschlägigen neuen Sätze des Reglements einer wieder holten Lesung zu unterziehen . Schlieſslich darf ich nicht unterlassen , auch des Einflusses zu
gedenken, den die neue Waffe auf die Ausbildung der Truppe aus üben muſs.
Ich möchte nicht viel Aufhebens machen von der
unbedingt sicheren Handhabung des Mechanismus, die gewiſs auch fleiſsig geübt sein will, denn die kann besichtigt werden und wird deshalb auch unfehlbar gelernt. Eine groſse und schwer zu prüfende
Der Mehrlader.
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Anforderung dagegen ist es, wenn wir durch Ausbildung und Er ziehung uns dessen versichern wollen , daſs die äuſserste Reserve des Magazins auch wirklich mit der äuſsersten Reserve behandelt wird. Das läſst sich nicht ausbilden, sondern nur anerziehen. Man nennt
es Feuerdisziplin , was hier helfen soll, und dieses Wort ist nun auch in das Reglement eingedrungen. Ich möchte lieber sagen, es ist Disziplin schlechthin ; dieselbe Disziplin, welche z. B. die eiserne Portion in den Tornistern erhält, ist es auch, die die Füllung des Magazins bis zu dem lösenden Befehle erbalten muſs. Ausbildung und Erziehung müssen hierzu in gleichmäſsigem Zusammenwirken dem Bedürfnisse entgegenkommen, und zwar hat die hier in Betracht kommende Ausbildung weniger den Charakter der mechanischen Übung, als den der Belehrung. Die Ausbildung liefert die Einsicht und die Erziehung liefert den Willen , und aus diesen beiden entsteht dann , was man Feuerdisziplin nennt.
Die Einsicht kann geradenwegs erzeugt werden durch Be
Jehrung, und diese Bedeutung möchte ich vorwiegend den Übungen beimessen, welche wohl als Übungen in der Feuerdisziplin bezeichnet werden .
Diese Belehrung wird immer eine schwierige sein , weil der
Friedensübung stets die ausschlaggebenden Verhältnisse des Kampfes fehlen müssen, aber sie wird gelingen, wenn die Lehrer mit jenen Verhältnissen vertraut sind und auf solcher Grundlage ihren Unter richt erteilen . Im übrigen hat sie auch bis zu einem gewissen
Maſse den Charakter der Übung, des » Exerzierens« , indem durch Gewohnheit manches geschaffen werden kann, was auf dem Gebiete der Einsicht nicht gelingen will.
Auf den Willen – dessen Schulung die Disziplin erzeugt -
kann dagegen nun und nimmer mehr ein sachlich beschränkter
Einfluſs ausgeübt werden, seine Erzeugung muſs die ganze Persön lichkeit umfassen und kann nur bewirkt werden durch eine das
ganze dienstliche Leben umfassende Erziehung. Ich müſste es als einen bedenklichen Irrtum erklären , wenn es jemand unternehmen wollte, die Feuerdisziplin in diesem umfassenden Sinne zum Gegen stande gesonderter Ausbildung zu machen, diese Ausbildung würde zum Schaustück werden, welches vor der Wucht der Wirklichkeit sich als Truggebilde verflüchtigen müſste. Aber was dann ? — Wir müssen doch ein greifbares und auch
prüfbares Mittel besitzen, um diese allumfassende Disziplin, diese geschulte Beugung des Willens zu erzeugen ? – Gewiſs, wir haben es auch, ganz allumfassend ; es ist unser Drill, dessen moralischer Gehalt nur dem oberflächlichsten Beobachter durch seine äuſserlichen
Der Mehrlader.
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Erscheinungen verdeckt wird. Der Drill ist für uns dasselbe, wie die humanistische Bildung für die Erziehung unserer gebildeten Jugend. Mit Latein und Cicero lockt man buchstäblich keinen Hund hinter dem Ofen vor und mit Parademarsch erschüttert man keinen
Feind, und doch – wir haben kein anderes Mittel.
Lassen wir uns
auch in diesem Punkte von der Geschichte belehren, der Jahr hunderte alte Drill, den nur Eine Armee besitzt, liegt den Ergeb nissen der neuesten Kriegsgeschichte zu Grunde, wir haben keine Veranlassung von dieser Grundlage abzuweichen . Der augenfällige Drill in gleichem Maſse wie die mehr im
stillen waltende Belehrung bedürfen neuer Steigerung, das ist die Anforderung, welche die neue Waffe, an die Ausbildung unserer Truppen stellt.
Der moralische und intellektuelle Gehalt muſs
gleichen Schritt halten mit der technischen Vervollkommnung der Waffe .
Es ist eine merkwürdige Erscheinung.
Die technischen Fort
schritte aller Kriegsmittel, an sich auf Erleichterung der kriegerischen Handlung abzielend , haben es von je her an sich gehabt, daſs sie, im Gegensatze zu dem damit angestrebten Ziele, die Aufgabe der Kriegführung und deren Vorbereitung immer schwieriger gestaltet haben, indem sie ihre erhöhte Wirkung von gesteigerter persönlicher
Leistung abhängig machen. Die technischen Fortschritte sind eben auch Erzeugnisse des von tbatkräftigem Willen getriebenen mensch lichen Geistes und nur dem von gleicher Thatkraft des Willens getragenen Geiste erschlieſsen sie ihre Kraft. An sich nichts wesentlich neues, nur bereits vorhandenes in verstärktem Maſse bietend, macht unsere neue Waffe es uns zum Gebot, auch den vorhandenen Schatz an moralischen und geistigen
Kräften unserer Truppe neuerdings zu steigern. Wenn diese hoch klingende Anforderung dann das Ergebnis hat, daſs wir berechtigt
sind, ganz nüchtern zu sagen : wir haben unsere Stellhebel an unsicht baren Fäden fest in der Gewalt, dann sind wir mit der Neubewaffnung fertig fertig auf dem alten Wege zu neuem Siege.
III.
Zur Beurteilung der spanischen Armee. Allgemeine Bemerkungen. , die Einrichtungen des eigenen Landes zu be leicht ist Es greifen aus den Ansprüchen des Klimas, der Rasse und aus der
eigenen Individualität; es ist unmöglich, diese Einrichtungen einem an Rasse und Klima verschiedenen Volke aufzwingen zu wollen ; es ist schwer, und erfordert langen Aufenthalt im fremden Lande, um durch das Hinüberleiten der vier Jahreszeiten des fremden Landes
in sich selbst die Folgen derselben gleichsam als Eingeborner zu
begreifen, und den Weg , welcher zu einer anscheinend unverständ lichen Einrichtung geführt hat, wenigstens eine Strecke lang ver folgen zu können.
Ob die Ansichten und Überzeugungen der Nationen einen einheitlichen Ursprung haben , und nur durch die Macht der Ver hältnisse auseinandergingen, ist schwierig festzustellen . Bei dem
heutigen spanischen Volk ist die Ansicht über das Eigentum , über PAichten und Rechte , über die Schranken des » Ego « dem andern > Ego« gegenüber, wie bei dem heutigen deutschen Volk ; diese
Ansicht ist noch oppositioneller derjenigen der Deutschen , wie die der Franzosen und der Italiener, und fügt noch eine weitere Kluft
hinzu durch den gegensätzlichen Unterschied der Sitten.
Und
dennoch sind die beiden Völker einander verwandt und wohl auch
sympathisch durch denselben strengen Zug , den der Philosophie. Bewuſst bei den Deutschen , unbewuſst bei den Spaniern, von beiden durch das Eingreifen des Klimas in verschiedener Weise auf das
Leben angewendet, hat die Philosophie die einen thätig, die anderen »indolent« gemacht ; bei den einen , wie bei den anderen ist es zu
Ergebnissen gekommen, den Einrichtungen ; diese Einrichtungen, und mehr noch ihre Handhabung , bleiben durch den Gegensatz beiden Teilen völlig unverständlich .
Eine dieser Einrichtungen ist die Armee.
I
Zur Beurteilung der spanischen Armee .
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Der Schritt und Marsch des deutschen Soldaten wird von dem
spanischen für eine » Pantomime« erklärt, und die deutsche Disziplin für eine persönliche Beleidigung , deren Duldung nur erklärlich ist aus dem » servilen Charakter der germanischen Rasse « . Der deutsche Soldat sieht auf die Teilnahme an der Politik herab wie auf ein
Schwätzertum , welches seiner nicht würdig ist ; der Spanier sieht auf die Nichtteilnahme ebenso verächtlich herab wie auf die Vernacb
lässigung einer ersten Pflicht.
Es wäre einseitig , auf den selbstverständlichen Gegensatz zwischen der deutschen und spanischen Armee fuſsend , die zweite aus den Abweichungen charakterisieren zu wollen , welche sie von der ersten scheidet. Die Eigenheiten der spanischen Armee sind so zahlreich , daſs sie eine Kluft reiſsen zwischen derselben und den
sämtlichen Armeen Europas, welche ja alle mehr oder weniger sich berühren . Die spanische Armee nun zu charakterisieren von der Stelle ab , wo dieselbe von den europäischen Grundzügen abweicht, und die Folgen dieser Abweichungen zu beleuchten , das ist die Aufgabe dieser kleinen Arbeit.
I. Das Offiziercorps. Die militärische Hierarchie.
Dieselbe gliedert sich in der Zahl der Rangstufen umständlicher wie anderswo : Generalkapitän, Generallieutenant (Mariscal de Campo), General, Brigadier, Oberst, Oberstlieutenant, Major (Comandante), Hauptmann , Premierlieutenant ( Teniente) und Secondelieutenant ( Alferez). - Die Unteroffiziere beginnen mit dem Sargento primero, dem deutschen Vizefeldwebel; dann folgen die Sergeanten erster
und zweiter Klasse, endlich die Unteroffiziere (Cabos) erster und zweiter Klasse.
Die wirklichen Generalkapitäne , etwa mit dem preuſsischen
Feldmarschall zu vergleichen , treten nur im Kriege in Thätigkeit ; gegenwärtig bekleiden den Rang derselben der König Don Francisco de Asis und der Marquis Novaliches. Titulargeneralkapitäne sind die 15 Generallieutenants,
welche
das militärische Oberkommando über die Peninsula und über die Kolonien ausüben . Aus den Generallieutenants wählt man auch die
Generaldirektoren der Waffengattungen, welch’ letztere nicht nur von denselben inspiziert, sondern wirklich verwaltet werden.
Die Generale (die deutschen Generalmajore ) sind Kommandanten der Festungen sowie die militärischen Gouverneure der 49 Provinzen,
Zur Beurteilung der spanischen Armee.
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und heiſsen in Plätzen , in welchen sie Generalkapitäne über sich haben, Segundos cabos. Die Brigadiers, welche zwei Regimenter kommandieren, haben keinen Generalstitel, werden aber zu den Generalen gerechnet. Der Oberst befehligt das Regiment; der Oberstlieutenant dagegen ist nicht , wie in Deutschland , eine bloſse Beförderungsstaffel; ihm gehört in Spanien stets das Kommando des Bataillons. Bis hierher läſst sich , Geringfügigkeiten abgerechnet , eine
Überladung mit Chargen nicht bemerken; dieselbe fängt erst an abwärts vom Oberstlieutenant. Je zwei Compagnien, Schwadronen, Batterien werden von einem Major kommandiert ; der Hauptmann ist der Compagnie-, beziehungsweise Schwadrons- und Batter hef; in der Compagnie beziehungsweise Schwadron thun Dienst fünf Subaltern - Offiziere, nämlich drei Premier- und zwei Sekonde lieutenants, auſser den überzähligen Offizieren, welche sich noch bei
der Compagnie befinden , und deren Vorhandensein sich aus der Überfüllung der Kriegsschulen und der fortwährenden Beförderung der Sergeanten erklären läſst.
Bei Regimentern , welche mit
400 Mann üben , kommt auf sechs ein Offizier ; unter den sechs Mannschaften befinden sich zwei Unteroffiziere. Die Verwaltung
versucht das unzufriedene Gedränge der Offiziere teils dadurch zu
beschwichtigen , daſs sie mit freigebiger Hand Graderhöhungen austeilt unter Belassung beim alten Gehalt und unter Verbleiben in der alten Dienststellung; teils dadurch, daſs sie die Hälfte der jungen, eben beförderten Offiziere nach kurzer Dienstleistung in die Reserve oder in den Ersatz (Reemplazo) sendet. Diese Offiziere thun dann natürlich keinen Dienst, beziehen aber wenigstens den halben Sold.
So unterhält der spanische Staat, welcher am Anfange dieses
Jahrhunderts trotz seiner gröſseren Einkünfte seine wenigen, tüchtig gegen Frankreich und England beschäftigten Offiziere nicht bezahlen konnte, heute trotz geringerer Einnahme einige tausend Offiziere, welchen , trotzdem sie ohne Beschäftigung sind, ein hoher Sold gezahlt wird.
General Lopez Dominguez hätte die Stellung der Offiziere noch mehr entwertet, das Offiziercorps noch mehr vergröſsert vermittelst seines Planes , die Infanteriecompagnie auf 200 Mann zu erhöhen,
derselben einen Major als Chef zu geben , und ihm den Kapitän gleichsam als zweiten Chef an die Seite zu stellen. Denn es ist nicht anzunehmen, daſs die Kopfzahl der Compagnie wirklich erhöht
worden wäre ; wenn ihre wirkliche Stärke heute von der Willkür der Regiments-Commandeure abhängig ist , so wäre sie erst recht
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Zur Beurteilung der spanischen Armee.
von derselben abhängig geworden unter der Verwaltung von Lopez Dominguez, welcher ja seine Abänderungen nur behufs Aufbesserung der Lage der Offiziere vornehmen wollte.
Bei Durchführung der Pläne des genannten Generals wäre eine augenblicklich schnelle Beförderung der unteren Chargen eingetreten bis zum Major; wie es dann später möglich geworden wäre , die Unzahl der Majore zu Oberstlieutenants und Obersten zu machen, ist nicht begreiflich ; und befördert hätten dieselben endlich werden
müssen, da ja Verabschiedungen wegen Unfähigkeit und Über flüssigkeit in Spanien nicht gewagt werden. Mit Besprechungen der Etats und Effektivstärke der spanischen Armee darf man sich nicht abgeben, da die erste zu sehr Gerücht und die zweite zu sehr von der partiellen Schätzung durch per
sönliche Anschauung abhängig ist, um genau sein zu können. Das spanische Infanterie-Regiment soll mit Einschluſs der beiden Depot
Compagnien zehn Compagnien haben , von denen nach dem Etat jede wenigstens 100 Mann stark sein soll. Es giebt aber Regimenter, welche stets nur mit 300—400 Mann exerzieren , Jäger-Compagnien, welche zwischen 38 und 45 Mann schwanken .
Bei der Artillerie ist die Anzahl der Offiziere vermindert , die
Mannschaft ist in der vorschriftsmäſsigen Stärke vorhanden .
Allgemeine Charakteristik des Offiziercorps. Das leitende und stets betonte Moment in der Anschauung des
spanischen Offiziers ist das Vaterland und die persönliche Tapferkeit. Weit dahinter liegt das Verständnis für die persönliche Ehre ; ver
schwindend klein ist das Verständnis für den Corpsgeist und für die Vertretung desselben. Der spanische Offizier setzt voraus , daſs seine Soldaten dem Feinde entgegenstürzen , ihn zum Bajonettkampf nötigen , und ihn
durch die darin bethätigte geschickte Initiative schlagen ; daſs man die Soldaten überhaupt nicht zum Entgegenstürzen kommen lassen kann, daran denken sie nicht ; wenn man sie auf diese Möglichkeit aufmerksam macht, so wird dieselbe von vornherein ausgeschlossen und geleugnet. Vorgänge, wie die von Sedan, Metz und Paris sind ihnen vollständig unverständlich geblieben und werden auf die numerische Übermacht der Deutschen und auf Verrat von Seiten
der Franzosen zurückgeführt; ein Sieg der Wissenschaft, der Intelligenz und der Disziplin über das Schnellfeuer und über die wilde Begeisterung wird nie anerkannt und zugelassen. Die Begriffe Vaterland und König zu vereinigen , wird nie
Zur Beurteilung der spanischen Armee.
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gewagt , auch von den königstrenesten Offizieren nicht ; jeder Zeit beruft sich ihr Pessimismus auf die lokalen Erfahrungen. Daher giebt es rein dynastisch gesinnte Offiziere nicht ; derjenige Teil, welcher solchen am nächsten kommt , würde immer nur bekennen ,
daſs er dadurch, daſs er dem Könige gehorcht, nur ein Vollstrecker des Willens der Cortes, also des Volkswillens, sei.
Dem Vaterlande
beugen sich alle ; von den Vertretungen desselben aber erkennen
sie diejenigen am liebsten an, welche ihnen das reichste Brod ver sprechen : viele die Republik , manche diesen oder jenen General ,
einige den König. Die Formen und Redeweise sind die des spanischen Volkes, zuvorkommend liebenswürdig und so frei, daſs sie die Grenzen des Erlaubten streifen ; die Verschleierung des Stolzes geht vielleicht Hand in Hand mit der Nachsicht , mit welcher in Spanien Jeder
Jeden bedenkt ; das Fehlen des Corpsgeistes, die Fehden unter den Waffengattungen, das gegenseitige Nichtbeachten auf der Straſse und in der Gesellschaft ist das Werk der im Offiziercorps ver
tretenen politischen Parteien ; der Corpsgeist würde erst im Kriege gegen das Ausland erwachen.
Die Zusammensetzung des Offiziercorps. Die Spanier selbst halten die Offiziere der fakultativen Waffen, d. b . die der Artillerie und die des Genie, streng getrennt von
denen der allgemeinen Waffen , d. h. denen der Kavallerie und der Infanterie ; sie erkennen den ersteren den Vorrang der gröſseren
wissenschaftlichen Bildung und damit auch die gesellschaftliche Bevorzugung zu .
Es besteht vor allem in den fakultativen Waffen
eine Einheit ähnlich der in den nordeuropäischen Heeren ; die Offiziere des Genie und der Artillerie gehen aus den gebildeten Klassen hervor, avanzieren nach der Reihe, und lassen eine Ergänzung aus der Truppe nicht zu . Andererseits stofsen wir auch hier auf besondere Eigentümlich
keiten. Die Offizier -Aspiranten beider Waffen werden schon auf der Kriegsschule nach bestimmter Zeit zu Alferezes (Fähnrich, Rang des deutschen Sekondelieutenants) befördert; da vor dem Eintritt
in die Kriegsschule bei der Truppe kein Dienst gethan worden ist, so werden diese Aspiranten also Offiziere, ohne im praktischen
Beim Übergang zur Truppe erfolgt die gleichzeitige zweite Beförderung zum Teniente (Lieute
Dienst geschult worden zu sein.
nant, im deutschen Verhältnis Premierlieutenant ). Beim Ingenieur corps wird dann nach kurzem Dienst bei der Truppe der Lieutenant
Zur Beurteilung der spanischen Armee .
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zum »Capitan « befördert, um dann, allerdings erst nach einer Reihe von Jahren Comandante (Major) zu werden , wenn man in anderen Armeen Kapitän wird . So giebt es viele Ingenieurkapitäne in der spanischen Armee, welche 23 24 Jahre alt sind. Die Kenntnisse der Genie - Offiziere steben nicht im Verhältnis
zu dem Dienste , welchen sie thun.
Gewöhnlich thun sie Front
dienst , und ihre Verpflichtungen beschränken sich darauf , den Mannschaften das Aufwerfen von Schützengräben und das Flechten von Schanzkörben zu lehren . Ein spanischer Ingenieuroberst zeigte mir seine Aufgabe, welche darin bestand, ein Wachtlokal in Barackenform zu erbauen – die Aufgabe eines Zimmermanns und -
nicht die eines Ingenieurobersten .
Die Waffe der Artillerie gehörte früher fast ausschlieſslich den jüngeren Söhnen des Adels ; der Stolz der Geburt hat sich heute
auf Prunken mit den Wissenschaften übertragen. Fuſsend auf der gesellschaftlichen Stellung und trotz derselben, sind die spanischen Artillerie -Offiziere im Stande, bei der ersten Begrüſsung dem Aus länder zuzurufen , » Ihr Preuſsen wiſst etwas , aber so viel wissen, wie wir, könnt Ihr nicht « , oder die spanische Artillerie ist die beste der Erde « 1. dergl.
Die Offiziere gehen hierbei gewöhnlich von der Ansicht aus, daſs ihr überlegenes Wissen durch den langen Aufenthalt auf der Kriegsschule , deren Lehrplan das Doppelte von dem umfaſst, was auf deutschen Kriegsschulen gelehrt wird , fraglos erzeugt werden
Sie wollen nicht begreifen , daſs Sprachkenntnisse und allgemeines Wissen , deren Einprägung auf spanischen Akademien müsse .
wenigstens die Hälfte der Studienzeit beansprucht, in die deutsche Kriegsschule mitgebracht werden müssen ; sie begreifen noch weniger die Quelle des Wissens , d. h . das deutsche Unterrichtswesen, und
seine Höhe, da sie sich von spanischen Vorlagen nicht loszureiſsen vermögen . Am allerschwierigsten ist es nun die buntscheckigen und aus
einandergehenden Elemente, welche das Offiziercorps der Infanterie und der Kavallerie bilden, in einer Zeichnung zu vereinigen. Denn
zu den durch Politik und Waffengattung hervorgerufenen Spaltungen , kommt noch innerhalb des Regimentes, des Bataillons, der Compagnie die gesellschaftliche Spaltung, welche die Offiziere, die aus den Kriegsschulen hervorgegangen sind , von denen trennt, welche durch Beförderung aus der Truppe emporgekommen sind. Die letzteren machen die Hälfte des Offiziercorps aus ; jedoch ist die Verteilung auf die Regimenter verschieden ; es kommt vor , daſs die Kapitäne >
Zur Beurteilung der spanischen Armee.
61
eines Regiments lediglich aus der Truppe, die Subalternen aus der Kriegsschule hervorgegangen sind , und umgekehrt ; aus rein aka demischen Elementen bestehen die Corps der beiden in Madrid und
Aranjuez liegenden Husaren - Regimenter > Pavia « und » Prinzesa « ; -
aus beinahe rein akademischen die Jäger-Bataillone.
Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen , inwiefern die aus der Truppe hervorgegangenen Offiziere die Berechtigung verdienen , zu solchen in einem Maſse befördert worden zu sein , wie es in
Spanien geschehen ist ; es bleibt nur festzustellen, daſs der Krieg eine Wissenschaft geworden ist, welche Offiziere, die nur die
Eigenschaften des » Troupier « besitzen , von den ersten Stellen aus schlieſst. Auſserdem bilden die heutigen Armeen die Vertretungen der dahinterstehenden Nationen , und es kann diesen Offizieren
nicht zuerkannt werden , die würdige Spitze dieser Vertretung zu sein . Obgleich die Einrichtung der aus der Truppe hervorgegangenen Offiziere kaum dreiſsig Jahre alt ist , ist dieselbe doch in Spanien
so eingerottet, daſs eine Änderung hierin der Dynastie den Thron kosten könnte. In dieser Einrichtung ist die Quelle dessen zu suchen , was ich oben Verschleierung des Stolzes nannte , welche sich von dort aus auch den akademischen Offizieren mitgeteilt hat ; hier die
Quelle der Verkennung der Pflichten , die Quelle der Ansicht , man diene um Geld, wer am meisten biete, der sei der beste Chef; hier
der Ursprung des Umgangs mit Jedermann , des Besuchs auch der zweifelhaftesten Orte in voller Uniform .
Selbst die Elite der spanischen Offiziere, welche jene Klasse von Offizieren nicht liebt und dieselbe abgeschafft sehen möchte, steht den Verhältnissen ratlos gegenüber. Denn wenn sie auch
allmählich mit guter Pension aus der Liste gestrichen würden, wenn man auch neuerdings versuchte, die Sergeanten nach gewisser Dienstzeit mit einem Civilversorgungsschein zu entlassen, wenn man auch die eben Beförderten einen kurzen Kursus auf den Akademien
durchmachen lasse, um sie durch den Umgang und durch den Genuſs höherer Bildung der politischen Verführung weniger zugänglich zu machen – die Anzahl der nachdrängenden Sergeanten sei eine so groſse, daſs Alle nicht befriedigt werden könnten ; man vermöge nicht die Zahl zu verringern, denn man könne sie nicht entbehren ; man müsse fortfahren , wenigstens die Hälfte durch die Zuerkennung des Offizierpatentes zu belohnen.
Das ist es eben, daſs man sich in Spanien den ungeheueren Abstand zwischen Offizier und Unteroffizier, wie er in Deutschland besteht, nicht einmal vorstellen kann.
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Zur Beurteilung der spanischen Armee. Die Generalität.
Es ist bekannt, daſs die spanische Generalität in numerischer
Hinsicht die stärkste in Europa ist. Genaue Angaben über den Umfang derselben fehlen indessen , was sich erklären läſst aus der Zurückhaltung des Kriegsministeriums, welches den bezüglichen Luxus nicht allein dem Auslande, sondern noch weniger der eigenen
Nation offenbaren mag. Eine hohe Berechnung bringt 510, eine niedrig greifende immerhin noch 395 Generale heraus. Die Anhäufung der Generalität ist natürlich nicht entstanden
durch den Bedarf, noch aus der regelmäſsigen Beförderung, noch aus der Belohnung persönlichen Verdienstes. Nur ein Drittel beruht auf Dienstalter und Verdienst ; das zweite Drittel verdankt sein
Dasein dem Nepotismus der wechselweise herrschenden Parteien ; die übrigen sind das Erzeugnis des Miſstrauens der Monarchie, welche in Spanien zu zaghaft ist, als daſs sie junge populäre Kräfte
auch ohne Beförderung sich treu zu erhalten vermöchte. Die Verminderung findet statt nur durch Todesfälle und freiwillige Abschiedsgesuche ; eine Entlassung wird nur selten gewagt; Generale, welche der Meuterei und des Hochverrats wegen angeklagt waren und nur aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurden, bleiben ruhig im Amte : die Verminderung steht in keinem Verhältnis zu dem doppelt so starken Nachwuchs. Unter den Generalen thun wirklichen Dienst der Kriegsminister,
die Direktoren der Waffengattungen , die elf Titular -Generalkapitäne, die neunundvierzig Militärgouverneure und einige wenige, welche teils in den Festungen kommandieren, teils militärischen Anstalten
vorstehen . Die Militärgouverneure haben mehr eine polizeiliche, als eine militärische Thätigkeit; es giebt Bezirke, z. B. Asturien, in welchen ihnen kaum mehr Militär zu Gebote steht wie die Guardia
civil (Gensdarmerie). Da ein Brigade-, Divisions- u. s. w. Exerzieren in Spanien nicht stattfindet, so bleibt die Thätigkeit der Brigadiers,
Generalmajore u. s. w. auf die Verwaltung beschränkt; etwa 300 Generale sind also vollständig dienstfrei, beziehen aber meistens das volle Gehalt .
Über die Fähigkeiten der Generale im Frieden zu urteilen , ist sehr schwer ; es ist möglich, daſs die Not des Augenblicks solche Generale schaffen kann, wie sie es in Frankreich gethan hat zur Zeit der ersten Revolution ; daſs sich ein solcher Keim unter den
Generalen , welche heute die spanische Armee befehligen, bereits zeigt, kann nicht behauptet werden.
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Zur Beurteilung der spanischen Armee.
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II. Die Truppe. Das Material .
Wenn es erlaubt ist, dies hartherzige Wort auf die fühlenden
Bestandteile der spanischen Armee anzuwenden, so muſs zugestanden werden , daſs das Material derselben ein vorzüglich gutes ist – nicht
nur im Bereich des Mutterlandes; die Ausdauer des Spaniers, seine Nüchternheit und geringen Ansprüche sind wäbrend Karls V. Feld zügen in Deutschland, unter Alba und Alexander Farnese in den Niederlanden, und unter Almagro bei dessen berühmtem Marsch von Peru in das südliche Chile, dieselben geblieben . Die Bedürfnisse des Soldaten sind heute Tabak , Weiſsbrot und
Wein, alle drei in verschwindender Menge. Der Artillerie und dem Genie sind die passenden Leute zu
geteilt. Betreffs der Kavallerie hingegen fällt es auf, daſs die schwersten Mannschaften nicht allein der schweren Reiterei, also
den Lanzeros, zugewiesen sind , sondern überhaupt für die Reiterei
bestimmt werden ; die Cazadores ( Jaeger), welche die Hauptmasse derselben ausmachen, haben dieselben körperlichen Eigenschaften wie die Lanzeros ; der Unterschied beider Gattungen besteht in Das spanische Pferd, nach Eingeständnis Waffe und Uniform . spanischer Offiziere empfindlich und von Witterungseinflüssen ab hängig, ist eher ein Luxuspferd ; man trägt seinen Eigenschaften jedoch nicht Rechnung und beladet es mit Riesen. Die Uniformierung. Die Uniformierung der Artillerie und des Ingenieurcorps ist gut und originell; die vorgeschriebenen Stücke sind sämtlich und immer vorhanden , und werden gut in Stand gehalten . Die Uniformierung der Infanterie und Kavallerie ist, die Kopf bedeckung ausgenommen , nach französischem Muster und macht auch noch in der Gegenwart die jenseits der Pyrenäen vor sich gehenden Schwankungen mit.
Die Infanterie soll wenigstens eine vollständige Feldgarnitur besitzen, bestehend aus Waffenrock (Levita ), Tuchhosen und Mantel
( Capote, welche gewöhnlich, in der kälteren Jahreszeit immer, mit Weglassung des Waffenrocks, über der Weste getragen wird). Dazu kommt noch eine Tuchjacke für den leichteren Dienst, eine wollene Decke für den Nachtdienst, leichtere Kleidungsstücke für den Kasernendienst u. 8. W.
Es kommt aber vor, daſs nur wenige Compagnien des Regiments solche Waffenröcke besitzen ; die mehr oder weniger gleichmäſsige
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Zur Beurteilung der spanischen Armee.
Ausrüstung hängt vollständig von der Verwaltung innerhalb des Regimentes ab. Das Regiment bekommt seinen Bedarf zugewiesen, kann damit nach Belieben wirtschaften , und ist es seine Sache, ob es für Menage u. 8.s w. zu viel Geld verbraucht zum Nachteil der Ausrüstung oder umgekehrt. Dergleichen festzustellen und zu
beaufsichtigen ist Sache der zahlreichen Verwaltungs-Offiziere, welche sich indessen kaum damit abgeben, eigentlich sich auch nicht damit abgeben können, ihres Subaltern -Offizierrangs wegen, welcher ihnen nicht gestattet, dem Regiments-Commandeur gegenüber Wider spruch zu erheben . - Es wird behauptet,, daſs es Regimenter giebt, welche die Waffenröcke von Compagnie zu Compagnie tauschen,
und daſs diejenigen Compagnien sich im augenblicklichen Besitz derselben befinden , welche für den nächsten Sonntag zur Messe kommandiert sind .
Die Jäger -Bataillone exerzieren stets in der Jacke oder Capote; daſs ein Waffenrock für dieselben vorgeschrieben ist, wird von
einigen Offizieren behauptet, von anderen verneint. Besser uniformiert ist die Kavallerie ; die Lanzeros zeigen sich stets in voller Uniform ; die Cazadores besitzen auſser der ver
schnürten groſsen Uniform noch eine Art Interimsuniform , in welcher sie gewöhnlich Dienst thun . Die beiden Husaren -Regimenter tragen
auſser den beiden genannten Uniformen noch den Dolman von anderer Farbe.
Bei den Cazadores stehen Bewaffnung (Säbel und Remington Karabiner ) im Verhältnis zu Mann und Uniform .
Bei der Aus
rüstung des Lanzero jedoch macht sich eine gewisse Zerfahrenheit bemerkbar.
Ein taillenloser Waffenrock in der Weise der italienischen
Bersaglieri; der preuſsische Kürassierhelm schwersten Modells; dazu eine Lanze, wie sie leichter und kürzer in keiner Armee besteht; endlich der Säbel. Drei Schwadronen sind mit Helm und Lanze versehen ; die vierte führt Säbel und Karabiner und kann als
Kürassier- Schwadron eher mit der gewichtigen Kopfbedeckung ver söhpen .
Die Waffe der Infanterie ist das Remington -Gewehr.
Die
groſse Wirkung desselben wird abgeschwächt durch den Zeit verlust beim Entfernen der Patropenhülse ; oft genügt nicht der Fingernagel, um dieselbe herauszuziehen ; war das Patronenlager vorher unrein oder wurde es nach einer Anzahl abgegebener Schüsse unrein, so muſs das Bajonett zu Hülfe genommen werden zur Ent fernung der Hülse.
Das Bajonett, ein Stichbajonett, wird im Steg
des Leibriemens getragen ; ein halbes Dutzend ausgewählter von
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Zur Beurteilung der spanischen Armee.
einem Sergeanten geführter Soldaten , Sappeurs (Gastadores) führen auſser dem Gewehr breite Sägen zur Herstellung von Pionier arbeiten .
Die Artillerie, deren Batterien erst neuerdings von vier Geschützen auf sechs vermehrt worden sind, hat sich seit Kurzem von Krupp losgemacht und bewaffnet sich heute mit den Bronzegeschützen des Oberst Plasencia, welche zum Teil in der Gieſserei bei Sevilla her gestellt werden unter persönlicher Leitung des Erfinders, zum Teil in Trubia in Asturien .
Die Geschütze der Festungen bestehen meistens noch aus Vorderladern . Die Quais von Cartagena, desjenigen Platzes, welcher seit zwanzig Jahren als ein Hauptherd der Revolution bekannt ist. sind mit langen Reihen unbrauchbarer Stücke besetzt, die im gegebenen Falle schwerlich eine Wirkung auf das daneben liegende Arsenal auszuüben vermögen , aus dessen Arbeitern die Unruhen
hervorzugehen pflegen. Tarifa soll gegenwärtig moderne Geschütze erhalten haben .
Pläne zur systematischen Befestigung des Landes, vor Allem der Pyrenäengrenze, werden fortwährend entworfen und vorgelegt ; in der That sind neue Befestigungen seit dem vorigen Jahrhundert nicht angelegt worden. Überall verläſst man sich noch auf die alten Steinmauern .. Ein Platz wie Barcelona,, der mächtigste des
Reichs, kann durch sein Fort Montjuich nur in dem Falle gegen eine Flotte verteidigt werden , wenn dieselbe leichtsinnig genug ist,
rechtwinklich auf den Hafen zu segeln ; im Nordosten fehlen die
Befestigungen gänzlich ; eine dort operierende Flotte oder ein gelandetes Corps hätte die Stadt vollständig in der Gewalt und der Montjuich könnte dieselbe nur durch teilweise Einäscherung ver teidigen . Die gesamte spanische Armee ist kaserniert; in Madrid und in
den Festungen mit geringen Ausnahmen in Kasernen, welche für diesen Zweck erbaut worden sind , in den übrigen Garnisonstädten in ehemaligen Klöstern , die mit ihrem Umfang, Höfereichtum a. s. w., durchaus den Bedingungen entsprechen. Den Mannschaften ist der Raum in verschwenderischer Weise zugemessen ; daſs Betten über einander gesetzt werden müssen, wie in deutschen Kasematten, kommt nicht vor.
Bürgerquartiere sind nirgends bezogen ; wo die Klöster nicht ausreichten, hat man sich anderweitig zu helfen gewuſst; in Sevilla hat man die Hälfte eines Artillerie -Regiments in dem Gebäude der Tabaksfabrik untergebracht, in Valladolid eine Abteilung Kavallerie Jahrbücher für die Deutsche Armee and Marine, Bd. XLVI ., 1
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Zur Beurteilung der spanischen Armee.
in die überflüssigen Räumlichkeiten der Kavallerie-Kriegsschule; fand sich nicht Unterkunft für die Pferde, so wurden Baracken gebaut. Der Dienst.
Wenn gleich von einer höheren Intelligenz die Beschränkung des Dienstes abhängig sein kann und ein südliches Klima denselben
zwangsweise einschränkt; wenn ferner die geographische Lage und das Verhältnis zu den europäischen Mächten eine erhöhte Kriegs bereitschaft nicht erforderlich macht : so dürfte all' diesen Umständen
dennoch nicht in dem Maſse Rechnung getragen werden, wie es innerhalb der spanischen Armee geschieht. Die Rekruteneinstellung geschieht im Januar; in sechs Wochen ist die Ausbildung beendet ; die Ausbildung der Compagnie übergeht man vollständig und widmet derselben nur eine Rolle beim Bataillons
und Regiments -Exerzieren, welch' ersteres gewöhnlich ebenfalls nicht stattfindet (ausgenommen bei den Jäger-Bataillonen), da nicht genügende Mannschaften vorhanden zu sein pflegen , um die beiden Bataillone
zu formieren ; andererseits bildet das zusammengezogene Regiment oft nur ein schwaches Bataillon, wonach also auch ein eigentliches Regiments-Exerzieren sich in Spanien nie beobachten läſst. Ende April hört der gröſsere Dienst vollständig auf; der kleinere beschränkt sich bis zum Herbst auf unbedeutendes Exerzieren im
Einzeln , auf die Instandhaltung der Kasernen und auf das Schieſsen , welches während einiger Wochen in den frühen Morgenstunden eilig erledigt wird .
Der Felddienst wird höchstens dadurch geübt, daſs man das Regiment auf dem Exerzierplatz auflöst und tiraillieren läſst; die Spanier kleiden diesen Dienst in das Wort Manoeuvre (Maniobras). Selten findet ein Ausrücken aus der Garnison statt zum Zweck des
gröſseren Felddienstes (Simulacre) ; ebenso selten sind Übungsmärsche (Paseo militar) . Der Felddienst in der Compagnie fehlt gänzlich. Die Offiziere erwidern auf dahin gehende Fragen , der Spanier sei
ein geborener Feldsoldat, diese Art Dienst beherrsche er seit der
Wiege, dafür spräche die Erfahrung. Beiläufig bemerkt, ist der gröſsere Teil der Offiziere der Meinung, daſs das zerstreute Gefecht
bis heute noch ausschlieſsliches Eigentum der spanischen Armee ist. Es bleibt festzustellen , in wie weit der gröſsere Dienst im Bataillon beziehungsweise Regiment wertvoll ist. Derselbe dauert, was zuvörderst seinen Umfang anbetrifft, nie länger, als 2/2 Stunden, von denen / Stunde auf die Ruhepause fällt, während welcher die Regimentsmusik spielt. Die Aufmärsche, Deployements, das Abbrechen
Zur Beurteilung der spanischen Armee.
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in Züge und Sektionen gehen ziemlich von Statten , und werden er leichtert durch die zweigliedrige Formation. Die Züge kommen hinein, richten sich schnell aus, und das Bataillon steht; sie setzen in Kolonne, finden ihren Platz, der Abstand ist richtig, das Bataillon steht wiederum .
Es würde indessen unrichtig sein, dieses günstige
Ergebnis einer Sicherheit zuzuschreiben, welche durch die Ausbildung erzeugt worden ist : aus der Vogelperspektive würde man nur ange deutete Märsche sehen, aber nicht Märsche innerhalb und auf dem
ihnen vom Reglement zugewiesenen Rahmen . Die Mannschaften finden sich eben zusammen und gut zusammen vermittelst ihres bewunderungswürdigen Instinktes. Bei der deutschen Armee wird nach mehrmonatlichem Drillen der Marsch in Bataillonsfront unter
ausgezeichneter Richtung der Glieder ausgeführt; die Spanier, be
sonders die Jäger-Bataillone, leisten in dieser Hinsicht dasselbe ohne Vorbereitung, und was mehr ist, behalten die vorzügliche Richtung bei, auch bei dauerndem Marsch .
Über den Dienst der Offiziere ist anzuführen, daſs sich derselbe
charakterisiert aus der übermäſsigen Zahl jener. Oft kann den Offizieren eben der Zahl wegen kein Dienst zuerteilt werden ; man sieht auf den Exerzierplätzen oft neben dem fornierten Bataillon beziehungsweise Regiment einen Troſs ausgetretener Subaltern Offiziere ; die eingetretenen sind dessenungeachtet noch immer so zahlreich, daſs ihr Wirkungskreis den der deutschen Unteroffiziere umfaſst, d. h. eine Sektion , während die Unteroffiziere oft nur zwei Mann befehligen .
Es ergiebt sich aus der Überzahl der Offiziere und aus dem Wunsche, dieselben trotzdem beschäftigt zu sehen, daſs ihnen Dienste zugewiesen werden, welche durch ihre Geringfügigkeit den Stand als solchen herabdrücken , und in der Denkrichtung der
Offiziere das Gegenteil von dem bewirken, was beabsichtigt wurde. Die Fahne und Regimentskasse befindet sich in dem Wacht lokale der dem Truppenteil zugehörigen Kaserne; das genügt, um eine Wachtmannschaft von einem Offizier, einem Unteroffizier und zehn
Mann anzusetzen. Sämtliche Sicherheitswachen, sogar Wachen vor Zuchthäusern , werden von Offizieren befehligt.
Ein weiterer aus
der Zahl erklärbarer Miſsbrauch der Charge ist die Anhäufung der Adjutanten.
Den Generalen ist es gestattet, auch in Friedens
zeiten, Offiziere in unbegrenzter Zahl sich zu attachieren vom Obersten einschlieſslich abwärts ; Brigadiers dürfen mit dem Oberst lieutenant beginnen. 5*
Zur Beurteilung der spanischen Armee .
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Die Disziplin. Es ist nicht leicht, festzustellen , in wie weit Abweichungen
von dem vorgeschriebenen Schema natürliche und unabweisbare
Folgen des südländischen Charakters sind oder Folgen einer persön lichen Auffassung ; bei der spanischen Armee jedoch kommen diese Abweichungen in einem Maſse vor, daſs man dieselben bei ihr, als der Vertreterin der ernstesten der drei groſsen romanischen Nationen , dem lateinischen Ursprung kaum noch zuzuschreiben vermag. Es ist hierbei zu bemerken , daſs das spanische Reglement dieselben strengen Formen vorschreibt, wie sie bei anderen Armeen im Gebrauche sind .
Zuvörderst tragen zu solchen Ergebnissen die eigentümlichen Charaktere bei, welche die regierende Familie aus ihrer Mitte in
das Heer sendet ; dann die politischen und sozialen Spaltungen der
Offiziere, welche durch verletzende gegenseitige Verkleinerung oder Unbeachtetlassen der Truppe ein unverhülltes Beispiel geben ; endlich das tiefe Miſstrauen der Subaltern -Offiziere gegenüber der Generalitat; nicht allein in Bezug auf die Fähigkeiten der letzteren, sondern auch in Bezug auf die Verwaltung, welche sich in trauriger Weise in Form eines blühenden Nepotismus äuſsert.
Vom Offiziercorps aus findet selbstverständlich die Rückwirkung auf die ganze Armee statt, welche in ihren unteren Chargen noch die eigenen kranken Auffassungen hinzufügt. Der spanische Unter
offizier und Soldat kann sich nicht losreiſsen von dem Gedanken, daſs er bei dem Vorgesetzten nicht der Uniform der höheren Charge Ehre erweist, sondern nur der Persönlichkeit, welche besser gestellt ist, wie er ; dieser Gedanke setzt sich fort bis zu den höchsten Spitzen hinauf. Solche Auffassungen übertragen sich natürlich auf die Leistungen der Truppe und werden noch unterstützt durch sonderbare Ein richtungen. Die Evolutionen sind nicht allein eine Vorbereitung für das
Gefecht, sondern in demselben Maſse eine Schule für die Disziplin, da während derselben der Soldat am innigsten mit dem Kommando wort verknüpft ist, und das Kommandowort ja der » Nervus rerum ist.
Das mündliche Kommando wird bevorzugt bei der spanischen
Artillerie und Kavallerie, und hat auch günstige Folgen, wenn man in Betracht zieht, daſs die männlichen Endsilben der spanischen Kommandos nicht die nervöse Wirkung haben können, wie die des Deutschen . Das mündliche Kommando wird jedoch vernachlässigt bei der Infanterie, welche von den Spaniern selbst für die National
Zur Beurteilung der spanischen Armee.
69
Waffe erklärt wird. Man wendet es an , um die Truppe in Be wegung zu setzen ; die Ausführung des Kommandos überläſst man
der Regimentsmusik , welche beim Antreten einsetzt ; so werden Tritt und Richtung gehalten , der Schritt bleibt gleichmäſsig, es
finden keine Verkeilungen statt, die Schwankungen werden ge wöhnlich durch Fehler der Offiziere veranlaſst.
Wir müssen aber
eingestehen, daſs der durch den Takt der Musik erzeugte Schritt, seine Gleichmäſsigkeit, die durch ihn festgehaltene Richtung und Ordnung nicht ein Erzeugnis eingedrillter oder auf Einsicht be ruhender Disziplin oder guter Leitung ist, sondern sich nur auf die Einwirkungen der Musik zurückführen läſst. Die einfacheren Kom mandos, welche den Kolonnen durch Hornsignale gegeben werden, werden vorzüglich befolgt. Über die Ausführung der spanischen Gewehrgriffe und Wen dungen läſst sich nicht viel Gutes sagen . Es genügt ein Tag, um sich dieselben in dem Maſse anzueignen, daſs sie höheren Orts für gut befunden werden ; der unbefangene Beobachter darf sich also nicht erlauben , daraus Schlüsse auf die Disziplin zu ziehen.
Da
gegen muſs ihm das Wort verliehen werden, wenn die Truppe auf » Stillgestanden « (Armas) nur teilweise eingeht, und der straffere
Teil derselben wenigstens in der Haltung und Bewegung des Kopfes die eigene Entschlieſsung bewahrt. Sehr auffällig ist die Haltung der Truppe unter präsentiertem Gewehr, auch wenn es die Be
grüſsung eines gekrönten Hauptes gilt, und die Stellung wenigstens für einige Minuten festgehalten werden soll ; dann wird es für selbstverständlich gehalten, bald auf dem rechten, bald auf dem
linken Fuſs zu stehen , der Kopf wendet sich dahin, wohin ihn die Neugierde führt, das Gewehr macht sämtliche Schwingungen durch, welche sonst nur ein arabischer Gaukler ihm zu geben vermöchte. In der spanischen Armee ist das Zusammensetzen der Gewehre
abgeschafft, weil das Korn durch dasselbe beschädigt wird. Nun beliebt es jedoch dem Soldaten , unter den Augen der Offiziere, während der häufigen Pausen sein Gewehr zu Dingen zu gebrauchen, mit welchen die Armeeverwaltung noch viel weniger einverstanden sein kann. Es werden die Gewehre auf den nassen oder steinigen Boden gelegt und manchmal auch geworfen, es kommt sogar vor, daſs dieselben quer über den Chausseegraben gelegt werden, um als Sitz zu dienen.
Ebenso wenig, wie die Evolutionen, vermögen die Schieſs übungen zur Stäblung der Disziplin beizutragen.
Das Schieſsen wird während gewisser Sommerwochen in den
70
Zur Beurteilung der spanischen Armee.
frühesten Morgenstunden vorgenommen , und zwar nicht Abteilungs weise, sondern mit dem ganzen Bataillon . Jeder Mann verschieſst täglich 20 Patronen, ohne Anwendung einer Schule, in einer Art und Weise, mit welcher sich kaum ein Zweck verbinden läſst. Das
Bataillon steht in Linie ; ihm gegenüber auf 250 Meter Entfernung ein halbes Dutzend Scheiben ; es wird eine gewisse Anzahl Mann schaften kommandiert, dieselben werden in Gruppen abgeteilt, jede
Gruppe, 4-6 Mann stark, beschieſst eine Scheibe ; es wird dem Belieben jedes überlassen , ob er stehend, knieend oder liegend schieſsen , ob er Schützenfeuer oder Schnellfeuer abgeben will ; nur die Treffer werden durch Hornsignale markiert; die mehr oder
weniger gute Qualität der Treffer wird jedoch nicht entschieden . Da die spanische Infanterie hoch anschlägt, und das südliche Naturell kaum erlaubt, daſs die Gewehrmündung sich bis auf das Ziel senkt, so gehen die meisten Schüsse über dasselbe hinweg ; im Gefecht würden dieselben höchstens den hintenstehenden Reserven des Feindes
gefährlich werden. Es ist das Geschick der spanischen Regierung, daſs diejenige
Maſsregel, welche sie ins Werk setzt, um den Verschwörungen vor zubeugen, sich gegen sie wendet, und das Entgegengesetzte vou dem Beabsichtigten erzeugt. Niemand wird es ihr verdenken wollen, wenn sie andalusische Regimenter nach Castilien, Castilianische nach Leon und Galicien
wirft, um die Soldaten von den Einflüssen der Familie freizu machen, und denselben jede Besorgnis zu nehmen angesichts der Möglichkeit, daſs ein bewaffnetes Einschreiten gegen die bürgerliche Bevölkerung ihrer Garnison befohlen würde ; Niemand wird es ihr
verdenken, wenn sie die Regimenter nur vorübergehend in einer Garnison duldet und dieselben nach kurzer Zeit in eine andere ver
setzt, um einer wachsenden Vertraulichkeit und einem zu weit gehenden Einverständnis zwischen Soldat und Bürger vorzubeugen.
Niemand wird aber auch leugnen können, daſs bei spanischen Un ruhen stets der Offizier die Initiative ergriff; ferner, daſs der
Offizier, dessen Hoffnungen in Spanien wie einen Sporn zu seinen Wünschen durch die unaufhörlichen Versetzungen setzt, Verluste, deren Bestreitung ihm heiratet ist und Familie bat, wie es
durchaus sinnliche sind , es empfindet, wenn man ihn pekuniären Verlusten aus schwer fällt, wenn er ver bei einem groſsen Teil der
Subalternen der Fall ist.
Aus dieser Versetzungsnot vor Allem ergiebt sich die Ansicht
der Offiziere über das zu geringe Gehalt; sodann wird stets das
Zur Beurteilung der spanischen Armee.
71
Verhältnis des Gehalts zum Aufwand betont, den man bestreiten
müsse ; niemand denkt an das Verhältnis des Solds zu der unbe
deutenden Arbeit, welche in Spanien doch eigentlich sich auf Null beschränkt.
Der vornehmste Grund zur Meuterei liegt aber nicht in den Versetzungsschwierigkeiten , nicht in der Beförderungslust der Sergeanten, nicht in den Versprechungen und in der Insubordination der Generale Lopez Dominguez und Salamanca : Diese Faktoren suchen erstens ihren Ursprung in der Geringschätzung, dem Miſs traueu und dem Betruge, mit welchen die spanische Monarchie der zwanziger Jahre die Armee bedachte, und welche heute von der
Armee reichlich der Monarchie zurückgezahlt werden ; zweitens lassen sie sich erklären aus der Erziehung des Spaniers, welche die Erfüllung der Pflichten dem Instinkt anvertraut, und Schule wie Methode nur verwendet auf die Anerziehung der politischen Partei. Der Sohn nimmt die Partei des Vaters mit in das Heer hinüber ;
innerhalb der Truppe stöſst dieselbe mit anderen Parteien zusammen und die Ausbrüche sind binnen Kurzem eingeleitet.
Unter solchen Verhältnissen ist die heutige spanische Armee vermöge ihres vorzüglichen Menschenmaterials ein scharfer Pfeil,
welcher überall durchzudringen im Stande wäre ; jedoch ein Pfeil, für welchen es keine Triebfeder und keine Leitung giebt, ein Pfeil, welchem der Arm fehlt, der ihn schleudern müſste. -
IV .
Die niederländische Kriegsakademie und die Intendantur-Schule. Im groſsen ganzen kann man sich in Deutschland einer genauen
Kenntnis des Kriegswesens in den Niederlanden nicht rühmen ; wenigstens findet man über diesen Gegenstand in den deutschen Zeitschriften selten etwas. Der Grund für diese mangelhafte Kenntnis der Einzelheiten der militärischen Zustände bei diesem
Nachbarn liegt auf der flachen Hand ; man wendet seine Blicke
stets nach Frankreich und Russland, weil von dorther Gefahr drohen kann , und sieht vielleicht mit einiger Geringschätzung herab auf die winzige Armee , bei der sogar noch das Einstehersystem ge stattet ist.
Wie natürlich dies nun auch sein mag , so dürfte es doch vielleicht der Mühe lohnen , auch dann und wann einmal einen
Blick zu werfen auf die Brüder an der Nordsee.
Jetzt, wo vor
kurzem von der Volksvertretung, freilich nach heiſsem Streit, die
Verfassungsänderung angenommen ist , wodurch dem gewöhnlichen Gesetzgeber fast unumschränkte Machtvollkommenheit gewährt ist, die » lebenden Streitkräfte « zu organisieren , wird bald allgemein
eine Gesetzvorlage erwartet , wonach die persönliche Dienstpflicht eingeführt, die » Schuttery « abgeschafft oder doch bis zur Unkennt
lichkeit umgemodelt wird , sodaſs auf diese Weise leicht ein Heer 1
erzielt werden kann von nahezu 100,000 gut geschulten Truppen mit einer sofortigen Reserve von 12,000 und einem Landsturm von gleicher Stärke , ausschlieſslich aus Eingesessenen von zwanzig- bis dreiſsigjährigem Alter. Bei einem etwaigen europäischen Kriege würde es sogar für
Groſsmächte wie Deutschland und Frankreich nicht gleichgültig sein können , nach welcher Seite hin die Niederlande Front machten,
wenn dieses Ländchen wirklich in dem Zustand wäre , in welchem wir es hoffentlich bald versetzt sehen.
Daher scheint es nicht ohne
Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur -Schule.
73
Interesse zu sein , die Aufmerksamkeit des deutschen Offiziercorps zu lenken auf alles, was auf militärischem Gebiete in nächster Zukunft erwartet werden kann . -
Bei der Bearbeitung der Gesetzvorlagen , die auf militärischem Gebiet in Bereitschaft gebracht werden müssen , wird der Löwen anteil wohl den Offizieren des Generalstabes anheimfallen und
insoweit es die Folgen auf finanziellem Gebiete betrifft
der
Intendantur.
Daher dürfte der Zeitpunkt günstig sein , eine Übersicht zu geben von der Weise , in welcher die Heranbildung dieser Offiziere seit einer Reihe von Jahren sich vollzieht.
In der Überschrift dieses Aufsatzes heiſst es : » die nieder
ländische Kriegsakademie «, obwohl die Anstalt thatsächlich den Namen »zweite Abteilung der Kriegsschule « führt. Mit der ersten Abteilung hat die zweite jedoch nichts gemein , als den Namen ; erstere ist eigentlich nichts anderes, als das fünfte Studienjahr der Artillerie- und Genie-Offiziere , die als Kadetten ihre Heranbildung 7
zu Offizieren auf der Königlichen Militärakademie genossen haben .
Die zweite Abteilung der Kriegsschule ist mitbin , was man in Deutschland die Kriegsakademie « nennt.
Ihr Zweck ist jedoch
nicht sosehr die Bildung von Generalstabs-Offizieren , als vielmehr
Entwickelung in verschiedenen Richtungen des kriegswissenschaft lichen Gebietes; nichtsdestoweniger ist der Zustand ein derartiger, daſs jedem Offizier, der einst als Hauptmann in den Generalstab versetzt zu werden hofft, wohl nichts anderes übrig bleibt, als sich behofs Zulassung zur Kriegsschule anzumelden . Zugelassen werden nur Lieutenants des niederländischen und
des niederländisch - indischen Heeres , welche mindestens vier Jahre
im Range eines Offiziers stehen, mit ihrer Waffe gründlich bekannt sind , Beweise hinreichender praktischer Befähigung gegeben und folgende Prüfung bestanden baben : 1º Trigonometrie. Anwendung der ebenen Trigonometrie auf Probleme aus der praktischen Geometrie.
2° Beschreibende Geometrie. Anwendung der Projektionslehre auf Zeichnung einer Feldschanze. 3° Analytische Geometrie. Anwendung der Coordinatenlehre auf graphische Darstellungen . 4º Physik. Grundlehren des Magnetismus und der Elektrizität, namentlich der Theorie der Erzeugung und der Gesetze der Ver teilung elektrischer Ströme. 5° Sprachen. Die Kenntnis der niederländischen Sprache und
74
Die niederländische Kriegsakademie u . die Intendantur-Schule.
der Besitz eines guten Stils werden beurteilt aus allen schriftlichen Beantwortungen der Prüfungsaufgaben . In der französischen und deutschen Sprache gefordert: der wird das gewandte Lesen mit ge bildeter Aussprache und ohne zu viel Mühe ex tempore Übersetzen ins Niederländische eines Abschnitts aus dem Französischen und
dem Deutschen über Kriegsgeschichte oder Taktik .
Die Kenntnis
der Etymologie und Syntax jener Sprachen muſs hervorgehen aus den über militärische Gegenstände , mit Hilfe eines Wörterbuches anzufertigenden einfachen Aufsätzen .
Zur Empfehlung dienen : die Kenntnis der englischen Sprache, und die Fertigkeit im mündlichen Gebrauch der genannten Sprachen. 6 ° Feldmeſskunst. Die piedere Geodesie d. h. praktische Be
handlung und Erklärung des Astrolabiums , des Theodolits, der Planchette, der Boussole im Sextant, sowie die Kenntnis der >
Regulierung des Niveaus, je nach der Wahl des Zuprüfenden. 70 Kartenlesen . Gewandtheit im Lesen topographischer Karten. 8º. Taktik und Felddienst. Die Ermittelung der Kenntnis der Taktik und des Felddienstes geschieht durch schriftliche Fragen über die Vorschriften des Felddienstes und über die elementare Taktik,
und durch Behandlung einfacher taktischer Probleme auf der Karte. 9° Waffenkunde. Erklärung , mit Hilfe von Modellen oder Zeichnungen der beim niederländischen , bezw, niederländisch -indischen Heere gebräuchlichen Feuer- und blanken Waffen und des Geschützes, sowie der zugehörigen Munition.
Allgemeine Begriffe über die Wirkung des Feuers. 10º Fortifikation . Die flüchtige und die Feldbefestigungskunst mit einfachen Anwendungen . - Von der permanenten Befestigungs kunst : Allgemeine Begriffe über Festungen und Forts, sowie des
Angriffs und die Verteidigung dieser Werke. Die Prüfung wird teils mündlich , teils schriftlich abgenommen und hat hauptsächlich den Zweck zu untersuchen, ob der Zuprüfende
genügende wissenschaftliche Entwickelung und hinreichende mili tärische Kenntnisse besitzt, um dem Unterricht mit Erfolg bei 9
wohnen zu können .
Obgleich also ein gewisses Maſs positiver Kenntnisse in den
oben genannten Fächern ein unumgängliches Erfordernis ist , wird weniger auf vieles Wissen , als auf gesundes Urteil, rasche Auf fassungsgabe und gute Behandlungsweise gesehen.
Die Prüfung für Offiziere des niederländisch - indischen Heeres ist im groſsen ganzen das nämliche , mit Ausnahme der Sprachen ; auſser dem Französischen und Deutschen wird nämlich von ihnen
1
Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur-Schule.
75
auch Kenntnis der englischen Sprache gefordert. Die Prüfung wird in Indien vorgenommen .
Nach den Niederlanden kommandierte
oder auf Urlaub weilende Offiziere können die Prüfung im Haag
ablegen ; diese werden jedoch nur dann aufgenommen, wenn in Indien
weniger Offiziere die Aufnahmeprüfung bestanden haben , als die Zahl der jeweiligen offenen Stellen beträgt. Jährlich werden für das niederländische Heer zehn , und für das niederländisch-indische Heer sechs Stellen ausgeschrieben . jetzt ein An der Spitze der Anstalt steht ein Stabsoffizier Oberst - Lieutenant - als Direktor. Auſser von den später zu -
nennenden Civillehrern wird der Unterricht erteilt von einer be
stimmten Anzahl von Offizieren, meistenteils vom Generalstab, augen blicklich von einem Major und vier Hauptleuten des Generalstabs und einem Hauptmann der Infanterie, alle vom niederländischen Heer, und von einem Hauptmann des Generalstabs im niederländisch indischen Heer. Den Offizieren des Generalstabs, die mit dem
Erteilen des Unterrichtes beauftragt sind, werden auch noch andere Arbeiten zu teil , die vom Chef des Generalstabs der Armee auf
erlegt werden . Diesem hohen Offizier ist die Oberaufsicht über die Kriegsschule übertragen , seitdem die zweite Kammer der Generalstaaten vor einigen Jahren die Gelder für einen Inspekteur des Militär- Unterrichtes nicht mehr bewilligte.
Der theoretische Kursus dauert zwei Jahre , jedesmal neun Monate (1. Oktober bis 30. Juni). Im zweiten Kursusjahr wird
jedoch der Monat Juni verwendet zum Abhalten von praktischen Übungen in der Umgegend der Garnison , zur Besichtigung von Festungswerken, Küstenbefestigungen , Kriegsschiffen und maritimen
Etablissements, wie zum Beiwohnen von Übungen bei den Pon tonnieren und den Torpedisten. Die Monate Juli , August und September sind zur Ausarbeitung schriftlicher Aufgaben bestimmt. Die Beiwohnung des Unterrichts ist für alle Offiziere obli gatorisch in folgenden Fächern : 1° Die Geodesie .
2° Die Artillerie -Wissenschaften .
3º Die Feldbefestigungskunst und der Pionierdienst. 4 ° Die Taktik .
5° Die Strategie und Kriegsgeschichte im allgemeinen. 6 ° Die Lehre von der Truppenführung und Heerespflege.
70 Die Kriegspolitik und die Kriegsgebräuche. 8° Die Militär -Geographie und -Statistik. go Das Staatsrecht und die Nationalökonomie.
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Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur-Schule. Dazu kommt noch
für die Offiziere
des
niederländischen
Heeres :
Die permanente Fortifikation und die Strategie, angewandt auf die Verteidigung der Niederlande , und für die des niederländisch indischen Heeres ;
die malaaische oder die javanische Sprache, das mahomeda nische Recht und Land- und Völkerkunde
von Niederländisch
Indien .
Zudem wird sämtlichen Offizieren die Gelegenheit eröffnet, teil zunehmen am Reitunterricht, wie an Lektionen in der französischen,
deutschen und englischen Sprache , und denen vom niederländisch indischen Heer überdies in einer orientalischen Sprache (Javanisch oder Malaaisch ) und im Staats- und administrativen Recht in Nieder ländisch-Indien .
Die Vorträge im Staatsrecht und in der Nationalökonomie, in
den abendländischen und morgenländischen Sprachen , sowie in dem Staats- und administrativen Recht in Niederländisch - Indien werden
von Civillehrern und Professoren gehalten ; für die indischen, nicht militärischen Fächer reisen die Offiziere des niederländisch - indischen
Heeres wöchentlich einen Tag nach dem eine Stunde entfernten Delft, woselbst eine eigens zum Studium in der Sprach-, Land- und Völkerkunde von Niederländisch-Indien eingerichtete blühende Anstalt
gegründet ist. Alle anderen Stunden werden gegeben von dem genannten Offizierspersonal, mit Inbegriff des Direktors. Auch bilden diese Offiziere die Leiter bei dem taktischen und Festungs
Kriegsspiel, auf welche Übungen besondere Sorgfalt verwendet und sehr groſser Wert gelegt wird . Zur Charakterisierung des Unterrichtes kann ferner dienen,
daſs in den Unterrichtsstunden keine schriftliche Arbeit avgefertigt wird, sodaſs die Zeit ausschlieſslich benutzt wird zu Vorträgen und Besprechungen. Von Zeit zu Zeit jedoch hält einer der teil nehmenden Offiziere einen Vortrag über einen von dem Lebrer
aufgegebenen Gegenstand ; nach Beendigung desselben wird eine vom Lehrer geleitete Kritik von Seiten der Kameraden gestattet.
In jedem Unterrichtsfache (mit Ausnahme der Sprachen) muſs jeder der Offiziere jährlich mindestens eine Aufgabe schriftlich ausarbeiten . Für solche Aufsätze werden geflissentlich Gegenstände gewählt, die den Bearbeiter zu Quellenstudien und zum Nachdenken zwingen und ihm Gelegenheit geben zum Fassen eines selbstständigen Entschlusses.
77
Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur-Schule.
Wo es thunlich ist , wird stets die applikatorische Methode >
angewandt.
Nachstehende Tabelle giebt eine Übersicht der allwöchentlich jedem Fache gewidmeten Stunden . Kursusjahr II .
I.
Fächer.
| ܝܟܨܕܬ ܟܨܟܬ ToDoIio ho T 1Oao
Geodesie Artilleriewissenschaften
2 2 2
Feldbefestigungskunst Taktik
Militär -Geographie und Statistik
beiwohnen.
2
tativ .
2)
( 0 ) bedeutet: allein
(2
2)
die Offiziere des indischen Heeres.
1
1 (0 ) 1 (0 )
1 1
100
C) 100 ) --
.
beider
gleich zeitig den Stunden
(2
Land- und Völkerkunde
Französische Sprache Deutsche Sprache Englische Sprache Kriegsspiel Festungskriegsspiel
Offiziere Armeen
300 20 20 ) 20 ) 2
S.SSSS!
2 2
.
Malaaische Sprache . Javanische Sprache .
Reiten
( ) bedeutet, daſs die
2
2
•
•
2)
( s ) bedeutet fakul
Kriegspolitik .
Staats- und administratives Recht . Mahomedanisches Recht
Bemerkungen.
Kol.
2
4
Strategie und Kriegsgeschichte Strategie, angewandt auf dieNiederlande Truppenführung und Heerespflege
Staatsrecht und Nationalökonomie
(2 (2
II.
laos aralar la
Ndl. Ndi. u . Kol.
(3 f (25 (2f (2f
)
) )
2 2
Die Lehrmittel bestehen aus einer Bibliothek von nicht groſsem
Umfang, worin jedoch fast ausschlieſslich die neuesten Werke über die Kriegswissenschaft, wie auch eine groſse Anzahl militärischer Zeitschriften sich befinden , ferner aus einer kleinen Sammlung von Modellen auf dem Gebiete der Artillerie.
Ebenso wie
sämtlichen
Offizieren der Armee ist auch den zur Kriegsakademie kommandierten freie Benutzung der in der Bibliothek des Kriegsministeriums, in der Königlichen Bibliothek und in der topographischen Anstalt im
Haag befindlichen Bücher und Karten gestattet. Von verschiedenen Ministerien und Provinzialverwaltungen erhält die Kriegsschule eine groſse Anzahl von Dokumenten . Die Offiziere der niederländisch-indischen Armee kehren nach
zwei Jahren wieder nach Indien zurück ; sie werden dann ein Jahr
zu einer Waffengattung, der sie nicht angehören, kommandiert.
78
Die niederländische Kriegsakademie u . die Intendantur - Schule.
Was die Verwendung der Offiziere des niederländischen Heeres nach beendetem Kursus betrifft, so sind darüber keine Vorschriften
gegeben. Abgangsprüfungen finden nicht statt. Der Kriegsminister kann die Offiziere also zu ihren Corps zurückkehren lassen ; in der Regel werden sie jedoch vorher auf ein ganzes Jahr zu einer anderen
Waffengattung, als wozu sie ursprünglich gehören , kommandiert; dort verrichten sie alle Dienste und wohnen allen Übungen bei, selbst den groſsen Manövern. Von den Offizieren , die auf diese Weise während eines Zeit
raumes von drei Jahren theoretisch und praktisch ihre Kenntnisse vermehrt haben , wird jedes Jahr einer gewissen Anzahl ge
wöhnlich vier – eine Beschäftigung unter den Befehlen des Chefs des Generalstabs der Armee zugewiesen ; in diesem Jahre werden sie einige Monate beschäftigt: 1° auf dem Bureau jenes hohen Offiziers; 2° bei der permanenten Militär -Eisenbahn - Kommission ; 3° bei dem Chef der topographischen Aufnahmen und 4 ° bei dem Kommandanten der I. Division der Infanterie
im Haag.
Schlieſslich wird von ihnen eine drei Wochen währende taktische Rekognoszierungsreise ausgeführt, meistens unter Leitung des Direktors der Kriegsakademie, dem dann zwei Offiziere des Generalstabs bei gegeben werden .
Obgleich der Chef des Generalstabs frei ist in der Wahl der
Offiziere zum Generalstab, so sind in den letzten Jahren doch keine anderen Hauptleute dazu ernannt , als solche , die in oben be schriebener Weise unter seinen Befehlen beschäftigt gewesen waren .
Ebenso sind die erledigten Stellen eines Lehrers der kriegs wissenschaftlichen Fächer an der Königlichen Militär -Akademie in Breda und an dem Hauptkursus zar Heranbildung von Unteroffizieren zu Offizieren in Kampen meistens mit Offizieren besetzt , die den
Kursus an der Kriegsakademie durchgemacht haben. Die Lehrer der Kriegsakademie reichen vierteljährlich dem Direktor einen kurzgefaſsten Bericht ein über das , was von ihnen in jener Zeit behandelt ist, mit der Angabe, ob die kommandierten Offiziere mit Eifer und
falls dazu Grund vorhanden ist
mit
Erfolg dem Unterricht gefolgt sind. Jährlich wird dem Kriegsminister ein ausführlicher Bericht eingesandt betreffs der Offiziere, die den ganzen Kursus beendet haben. Dieser Bericht wird verfaſst von einem Ausschuſs, der auſser
Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur-Schule.
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dem Direktor aus wenigstens vier vom Minister zu bezeichnenden Lehrern der Kriegsakademie besteht. Von den Chefs der Corps , bei denen die Offiziere ein Jahr kommandiert gewesen sind , wird gleichfalls über dieselben Bericht
erstattet, der zur Einsicht dem Inspecteur der Waffengattung vor gelegt wird, bei welcher der betreffende Offizier ein Jahr abgeleistet hat, wie auch dem der Waffengattung, der er angehört. Von ihnen selbst wird dem Commandeur des Corps, zu dem sie ein Jahr kommandiert gewesen sind , ein Bericht eingereicht über das, was von ihnen in jenem Jahre geleistet ist und was ihnen erwähnenswert vorkommt.
Beide Arten von Berichten gelangen
schlieſslich in das Kriegs-Departement und werden dort aufbewahrt. Die Intendantur -Schule .
Mit der Kriegsakademie ist eine Intendantur-Schule insoweit verbunden , als beide unter dem nämlichen Direktor stehen und als
der Unterricht einiger Lehrer an einer jener Anstalten auch von Offizieren besucht wird ,
welche zu der anderen Anstalt kom
mandiert sind .
Der Zweck dieses Kursus ist : theoretische und, insoweit möglich,
praktische Heranbildung zum Intendanten. Im Gegensatz zur Kriegs schule ist dieser Kursus also abgegrenzte Fachschule. Zu diesem Kursus werden zugelassen : Lieutenants des nieder ländischen und des niederländisch-indischen Heeres ( von allen
Waffengattungen und von der Militär- Administration ), die wenigstens vier Jahre im Rang eines Offiziers stehen, mit ihrer
Branche oder Waffe gründlich bekannt sind , Beweise gegeben haben von genügender praktischer Geschicktheit und folgende Prüfung bestanden haben :
1° Physik. Allgemeine Eigenschaften der Körper und Kräfte; Wirkung der Schwerkraft; Dynamometer ; Gleichgewicht schwerer
Körper und Feuchtigkeiten , Dichtigkeit und spezifisches Gewicht ; hydraulische Presse, Hydrostatik ; Areometer ; Luftpumpen ; Taucher
glocke ; Pumpen ; Feuerspritzen ; Heber, Barometer ; Mitteilung und Fortpflanzung der Wärme ; Eigenschaften der Dämpfe, Hygrometer ; Anwendung des Gebraucbes der Wasserdämpfe auf Dampfmaschinen.
2° Chemie. Unterschied zwischen physischen und chemischen Erscheinungen ; chemische Verbindung und Zergliederung ; Gesetze von Dalton und Gay Lussac ; Hypothese von Avogadro ; Ver teilung der Elemente ; Nomenklatur ; chemische Zeichenschrift;
Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur-Schule.
80
Affinität; Mittel , wodurch diese erzeugt oder befördert wird ; Formen, in denen feste Körper auftreten.
3° Geographie. Die physische und politische Geographie der Niederlande, Belgiens, Frankreichs und Deutschlands, so weit sie betrifft Bevölkerung, Ausdehnung , politische Verteilung , Staatsverfassung , Bodenbeschaffenheit und Pflanzenwuchs, Erzeugnisse, Erwerbsquellen ,
die wichtigsten Straſsen-, Eisenbahn- und Wasser -Verbindungen. Für die indischen Offiziere wird dieser Teil je nach Umständen geändert. 4° Sprachen. (Wie für die Offiziere, welche zur Kriegsschule kommandiert zu werden wünschen .)
Die Prüfung wird teils schriftlich teils mündlich abgenommen . Betreffs der Prüfung der Offiziere des niederländisch-indischen Heeres gelten die nämlichen Bestimmungen wie bei der Zulassung zur Kriegsschule. Jährlich werden für das niederländische Heer sechs, für das
indische drei Stellen ausgeschrieben .
Das feste Lehrerpersonal besteht aus einem Hauptmann der Intendantur und einem Civillehrer.
Der Kursus dauert zwei Jahre,
wie bei der Kriegsschule. In einem der Monate Juni oder Juli des
zweiten Kursusjahres werden 14 Tage angesetzt zur Besichtigung der Reichsmagazine der Heeresverpflegung, der Montierungskammern , Fabriken u. s. w. Bei Manövern werden die kommandierten Offiziere meistens als
Unter - Intendanten eingestellt ; sonst können sie über die Monate
Juli, August und September verfügen zur Ausarbeitung schriftlicher Aufgaben. Der Unterricht umfaſst auſser Reiten :
1° Die Physik , 2° die Chemie,
3° die Materialien- und Warenkunde,
4 ° die Ernährungslehre, 5 ° die Heeresverwaltung, 6° die Intendantur- und Heeresverpflegung,
7° 8° gº 10 ° 11°
die die die die die
Kriegspolitik und die Kriegsgebräuche, Militär-Geographie und -Statistik, französische Sprache ( fakultativ für indische Offiziere ), deutsche Sprache ( fakultativ für indische Offiziere), englische Sprache ( fakultativ für niederländische Offiziere),
12° die Staatswissenschaften .
Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur- Schule.
81
Für indische Offiziere ferner :
13° Die malaaische Sprache, 14 ° die javanische Sprache, 15 ° die Länder- und Völkerkunde von Niederländisch-Indien, 16° das Staats- und administrative Recht von Niederländisch Indien , 17 ° das mahomedanische Recht .
Der Unterricht in der Heeresverpflegung, aus allgemein taktischem Gesichtspunkte betrachtet, ferner der in der Kriegspolitik, der Militär Geographie, -Statistik, den Sprachen , den indischen Fächern und dem Reiten wird zugleich mit den zur Kriegsschule kommandierten Offizieren genossen .
Bei dem Unterricht in der Physik und Chemie, in der Heeres
verwaltung und im Intendanturdienst, sowie in den Sprachen werden in den Unterrichtsstunden mündliche oder schriftliche Fragen ge geben, weitaus die meiste Zeit wird jedoch verwendet zu Vorträgen und Besprechungen . Ebenso wie an der Kriegsschule muſs von jedem Offizier in jedem Fache wenigstens eine Aufgabe schriftlich ausgearbeitet werden ; auch hierzu werden soviel als möglich Gegen stände gewählt, die zu einem entscheidenden Urteil über den Be >
arbeiter führen können .
Auf die praktischen Übungen im Laboratorium wird groſser Wert gelegt .
Die Lehrmittel sind einbegriffen unter denen der Kriegsschule ; auſserdem verfügt man für den Unterricht noch über folgende Gegenstände:
Eine Sammlung von Mustern und Modellen für die Montierungs kammern , z. B. verschiedene Sorten von Tuchen, von Kattun- und
Leinenstoffen, von Decken, Socken, Leder, Schuhen , Leisten, Posa mentierarbeiten u. s. w.
Eine ähnliche Sammlung für die Montur des ostindischen Heeres .
Gegenstände, die benutzt werden bei dem Unterricht in der
Technologie, z. B. verschiedene Sorten Wolle, Kattun, Flachs und von andern Spinnfasern ; Tuche ; Tücher, Schuhe, Tschakos in ver schiedenen Phasen der Bearbeitung ; einzelne Teile einer Spinn maschine, einer Schuhmacher-Nähmaschine , ein Modell eines Web stubls u . s . w .
Kupferstiche von Kulturpflanzen .
Eine Bibliothek, hauptsächlich technologische und chemisch technologische Bücher und Zeitschriften enthaltend. Jahrbücber für die Deutsche Armee und Marine,
Bd, LXVI., 1 .
6
82
Die niederländische Kriegsakademie u. die Intendantur- Schule.
Was die Verwendung der niederländischen Offiziere nach vollendetem Kursus betrifft, so besteht auch hierüber keine Vor schrift; Schluſsprüfungen werden nicht abgenommen. Die indischen Offiziere kehren sogleich nach Indien zurück. Durchgängig werden die kommandierten Offiziere, die zur Militär -Verwaltung gehören,
auf einige Monate einem Intendanten beigegeben , und diejenigen, welche nicht zu dieser Branche gehören , erst der Hauptverwaltung eines Regimentes und später einem Intendanten. Hierauf kehren alle zu ihrem Corps zurück ohne Ansprüche geltend machen zu können auf eine Ernennung zum Hauptmann der Intendantur. In dessen sind in den letzteren Jahren die meisten
nicht alle
erledigten Stellen des Intendanten-Corps mit früheren Schülern der Intendantur - Schule besetzt.
Betreffs der Berichte wird in derselben Weise verfahren , wie
bei der Kriegsschule. Haag im Oktober 1887.
Schw .
1
V.
Oliver Cromwell. *) Eine Besprechung.
Über die Entstehung seines Buches sagt der Verfasser in der » Vorbemerkung zur Litteratur über Oliver Cromwelle auf S. 19 : »Ich bin bei meinen früher veröffentlichten Studien über die Reiterei
als Waffe, über die Kunst, sie in der Schlacht zu führen, sie zwischen den Schlachten zu verwenden und sie demgemäſs zu
organisieren, zu unterrichten und zu schulen, zufällig über Cromwell » gestolpert «.
Erst, als ich dalag, fiel mir der Schleier von den
Augen. Mich erfaſste ein wildes Sehnen, in das Geheimnis dieser Reiterwelt einzudringen. Die Traumbilder verfolgten mich Tag und Nacht.« - Fritz Hoenig hat Alles, was ihn faſste und verfolgte, jetzt in seinem groſsen Werke über Oliver Cromwell zu Papier gebracht. Schon Jahre lang hatte er bei jeder passenden und nicht
Oliver Cromwell
ist der gröſste Reitergeneral der Geschichte. Friedrich und Napoleon besaſsen nur einseitige groſse Fähigkeiten als Reitergenerale. Der
Einzige, der Alles in sich vereinigt, ist Oliver Cromwell! Er ist nicht nur ein groſser Feldherr, sondern er ist der interessanteste
und merkwürdigste unter allen ! Das muſs so oft gesagt werden,
bis es geglaubt wird ! « — Neues über Oliver Cromwell wuſste Fr. H. nicht beizubringen ; seine Arbeit ist das Ergebnis des Durchstöberns eines Teiles der zahlreichen vorhandenen Werke, die aber nach ihm
ausnahmslos höchst parteiisch und ohne richtiges Verständnis ge schrieben sind .
Dem hat der Verfasser jetzt durch sein Werk ab
zuhelfen gesucht; nicht nur der Feldherr Cromwell soll uns vor Augen geführt werden , wie er leibt und lebt ; » Hier soll das *) Oliver Cromwell von Fritz Hoenig. Erster Band, I. Teil 1599—1642 ; II, Teil 1642-1646 . 6*
Oliver Cromwell.
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Auftreten Oliver Cromwell's als Agitator, Parlamentarier, Offizier, Staatsmann, Feldherr und Alleinherrscher erzählt und möglichst erklärt werden ; die Geschichte kann diese Aufgabe nicht ruhen lassen . " . « .
und » In Deutschland kennt man beinahe nur den
Cromwell Walter Scott's (Woodstock), doch dieser ist eine teuflische Fratze, keines Wortes wert ! «
Nicht ohne Bedenken bin ich zur Besprechung dieses groſsen , > Geschichtspfuscherei« über Cromwell vernichtenden bisherige die
Werkes schon jetzt geschritten ; denn von den angekündigten vier Halbbänden des Werkes liegen erst die beiden ersten vor, die bis zur militärischen Niederwerfung Karls I. reichen . In diesen beiden Halbbänden wird Cromwell zwar schon bis in den Himmel erhoben
und in seinem ganzen Thun und Treiben militärisch , sozial , politisch u. s. w. als ein unerreichbares Vorbild für alle Zeiten
hingestellt ; und doch : » So groſs Oliver Cromwell bis zur Nieder werfung des Königs Karl I. dasteht, so verhalten sich doch die Thaten Cromwell's bis dahin als Politiker und General zu denen, welche später von dem Staatsmann und Feldherrn erzählt werden ,
etwa wie ein scharfes Vorpostengefecht zu einer groſsen, das Geschick der Völker besiegelnden Entscheidungsschlacht. « (1, 3.) Hiernach ist es gewiſs jetzt noch nicht an der Zeit, dem Hoenig'schen * » Cromwell « selbst näher zu treten ; aber über die Art und Weise wie der Cromwell- Erwecker bisher bei seinem Unternehmen zu Werke
gegangen ist, halte ich mich für berechtigt und verpflichtet, jetzt
schon der Öffentlichkeit gegenüber Aufklärung zu geben. » Wer mit England, Engländern, sowie der Geschichte von Land und Leuten vertraut ist, weiſs, daſs auf allen drei *) eine Schuld lastet, die, wie es scheint, auf England ruhen soll, so lange es besteht. Der gröſste Mann seiner Geschichte, der Held seiner Heroenzeit, hat nicht nur keinen Homer gefunden, er hat nicht einmal ein Grab, geschweige denn erinnert ein Denkmal an die Thaten und Verdienste dieses groſsen Patrioten. Wie von Sturm
wind der Wüstensand auf und davon gewirbelt wird , so hat die gemeine , tierische Rachgier eines entmenschten Geschlechts dem religiös, politisch und militärisch gröſsten Engländer die Ruhestätte in vaterländischer Erde versagt, welche selbst der gewöhnlichste Verbrecher noch zu finden pflegt, so hat dieselbe den Staub Oliver Cromwell's von englischer Erde weggefegt. Indessen, sind die Ge schlechter undankbar und ungerecht, so ist es der Weltenlauf nicht. *) So im Hoenig'schen Buche.
2
Oliver Cromwell.
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Die Staubteilchen des groſsen Puritaners wurden über Meer getragen ; nach langem Wege senkten sie sich nieder auf den Boden der neuen Welt, düngten und nährten ihre Erde und aus diesem puritanischen
Düngstoff schofs hier eine Saat empor, welche seitdem zweimal, und
zwar zur Zeit des Washington und des Seccessionskrieges, *) die Erinnerung an die Gestalten der Altvorderen wachrief, an deren Heldenthaten sich die menschliche Brust ergötzt und labt. « Mit diesen Worten beginnt Fr. H. sein Cromwell- Buch, und diese Worte hat er in voller Erkenntnis ihrer Bedeutung dem buchhändlerischen Ankündigungsschreiben vorsetzen lassen. In der That kennzeichnen
diese Worte das ganze Buch ; so wie sie sind die beiden ersten Halbbände vou Anfang bis zu Ende geschrieben . Überall diese Geistesflüge, dieser weite Blick , der über Jahrhunderte hinschweift, diese kühnen Gedankengebilde, diese Folgerichtigkeit der Gedanken ! Man merkt es dem Ganzen an, der Geist Cromwell's ist in Traum bildern Tag und Nacht dem Verfasser erschienen , hat seine Sinne
und seine Feder geführt. Da muſste denn wohl ein Cromwell ent stehen, wie ihn die Welt bisher nicht gekannt, gegen den alle bisherigen Schilderungen unserer groſsen Geschichtsschreiber blasse
Schatten sind.
Riesengroſs, packend und erdrückend steht der
So ist er sicher gewesen, wie ihn Fr. H. schildert . Ein Gewaltmensch von Kopf bis zur Zehe! Sonster kennt man die groſsen Männer daran, daſs sie ihre Zeit voll ver H.'sche Cromwell vor uns.
stehen und die Mittel derselben ausnutzen ; aber der Cromwell des
Fr. H. ist mit solchen Gröſsen nicht zu vergleichen. Mit einem Ruck versetzt er England, das zu seiner Zeit, also gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts, noch tief im Mittelalter steckte, über die Mitte
des 19. Jahrhunderts hinaus. (I, 39 Cromwell ist der mächtige
Pol, auf den die gesamte Bewegung zusammenströmte, welche dann unter Cromwell's geschickter und energischer Hand nur solchen
politisch -religiösen Zielen zustrebte, die der Würde eines groſsen Volkes entsprachen und durch die Groſsbritannien mit einem
Ruck innerhalb zweier Jahrzehnte den gewaltigen Schritt aus den Fesseln eines mittelalterlichen Feudalstaates in die Bahnen des modernen Staates unserer Tage that. ) Er gab der Welt ein ganz anderes Dasein, und Alles, was wir heute sind und haben, in mili
tärischer, politischer und sozialer Beziehung, verdanken wir eigentlich dem H.'schen Cromwell !
Nicht etwa Luther und die Reformation
hat uns befreit von den kirchlichen Banden, uns die religiöse *) So im Hoenig'schen Buchę.
86
Oliver Cromwell.
Geistesfreiheit gegeben ; nein, der H.'sche Cromwell war es, der H.'sche Cromwell schuf die freie Kirche im freien Staat, nicht Cavour, so meint Fr. H. Die Kommune wäre schon 250 Jahre früher
an ihrer eigentlichen Geburtsstätte, in London und nicht in Paris, zum Ausbruch gekommen, wenn nicht der H.'sche Cromwell gewesen wäre ! Kurz, wohin wir blicken, Alles hat der H.'sche Cromwell in
kürzester Zeit geschaffen. Cromwell sagte zwar > Der kommt am weitesten , welcher nicht weiſs, wohin er geht « und » Ich kann Euch sagen , was ich nicht will, aber unmöglich das, das ich will (I, 163 ) – aber das sind nur Redensarten, mit denen Cromwell seine Um .
gebung täuschen wollte ; der wirkliche Cromwell, wie ihn Fr. H.
jetzt geschaffen hat, übersah alles weit besser als seine Mitmenschen ; er hatte stets seine groſsen Ziele vor Augen ; er beherrschte mit seinem Geiste die Welt Jahrhunderte weit im Voraus ! Und welch
ein gottbegnadeter Soldat war dieser H.'sche Cromwell ! Bis zu seinem 42. Jahre war er nie Soldat gewesen ! Kaum sitzt er dann als Dragoner-Rittmeister im Sattel, so vollführt er mit seiner Schwadron schon Thaten für alle Zeiten vorbildlich, Thaten, wie sie vor ihm und nach ihm nie ausgeführt worden sind ! In noch nicht zwei
Jahren ist er General und führt nun seine Reitergeschwader in der herrlichsten, nie wieder erreichten Weise, Friedrichs und Napoleons
Thaten auf diesem Gebiete sind kaum ein blasser Abglanz der Cromwell'schen . Dabei ist er Generalstabschef, Führer eines Teiles der Kavallerie und natürlich auch Seele des Ganzen - er allein
macht alles, er allein rettet England und die menschliche Gesellschaft mit seinem Heere. Mit einem Fuſstritt zertrümmert er das Feudal heer und schafft in kürzester Zeit ein modernes Heer, das mit seinen
ganzen Einrichtungen und Wesen sofort in unserer Zeit steht.
(I, 18 » Er ist es, der aus den Überlieferungen des Mittelalters den groſsen Schritt ins moderne Dasein der Völker zuerst gethan hat, der einem wesenlosen Feudalheer ein nationales Heer entgegen
stellte, dessen Strategie alle die groſsen Gedanken der Gegenwart enthält und dessen Heer selbst auf den Boden der allgemeinen Wehrpflicht errichtet wurde. —· I, 48 » Aber von dem Augenblicke an, da Oliver Cromwell die ersten Schritte für sein groſses, der erhabenen Aufgabe würdiges Heer that, da war die Sache anders ; da war von keinem Parlamentsheer mehr die Rede, da war dasselbe
ein stehendes, alle die groſsen Ideen in sich vereinigend, welche die modernen Heere so hoch gehoben haben und auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht errichtet.«) Er führt die allgemeine Wehr pflicht ein, wenn auch sein Heer nur aus Freiwilligen besteht;
Oliver Cromwell.
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Divisionen gemischter Waffen, deren Einführung als fest organi
sierte Heereskörper nach Fr. H. bisher Napoleon I. oder dem
Herzog Ferdinand von Braunschweig zugeschrieben wurden, hat der. H.'sche Cromwell bereits geschaffen ; zwar bildete er nicht fest
organisierte Heerteile dieser Art, sondern er stellte, wenn der Bedarf vorlag, solche zusammen . Der förmliche Angriff, eigentlich erst nach Cromwell's Tode durch Vauban ins Leben gerufen , war für
den H.'schen Cromwell schon ein überwundener Standpunkt. Festungen (F. H. nennt Städte mit Mauer und Graben eine Festung) nehmen, war dem H.'schen Cromwell eine kleine Kleinigkeit, obgleich wir nie etwas von Belagerungsgeschütz oder von Truppen lesen, die in dem herrlichen Cromwell'schen Heere nur einigermaſsen im Be
lagerungsdienste ausgebildet waren. Ja, das herrliche Musterheer des H.'schen Cromwell sucht seines Gleichen in der Weltgeschichte: noch ist es von keinem anderen erreicht und nicht nur bis in die
Mitte unseres Jahrhunderts ragt dies Heer hinein, nein es wird kaum im nächsten Jahrhundert erreicht
werden .
Noch
besteht
kein solches Musterheer, das fortwährend Politik treibt und selbst
Vorschriften über seine Verwendung macht , das Petitionen ein reicht, wen es zum Führer haben will, oder wenn es seine Offiziere befördert zu sehen wünscht. Zu einem Musterheer, das » Adju
tatoren « in seinen Reihen gesetzlich hatte, welche Fr. H. selbst mit den hentigen >Wahlagitatoren « vergleicht, sind wir bis heute noch nicht gekommen ! So etwas konnte nur ein geistiger Riese wie der
H.'sche Cromwell schaffen, und er wird in dieser Beziehung noch lange unerreicht bleiben ! Das ist in groſsen Zügen der Cromwell, wie ihn sich Fr. H. nach meiner Auffassung in den vorliegenden zwei Halbbänden ge schaffen hat. Nicht mit eingehender Schilderung historischer That sachen, mit unanfechtbaren aktenmäſsigen Belegen hält sich Fr. H. in seiner kühnen Arbeit auf, sondern es genügt ihm meistens
seine Behauptung, die Macht seines Wortes, seiner Gedanken man muſs glauben und sich überzeugt fühlen . Die Wiedergabe einiger Stellen aus dem Werke selbst wird am besten darthun, wie
tief durchdacht und gewaltig packend die ganze Darstellung ist ; der Leser wird dann auch selbst beurteilen können, wie das wilde
Sehnen, die Traumgebilde bei Tag und Nacht auf des Verfassers Geist eingewirkt haben. Daſs er sich bei seiner so aufregenden Geistesarbeit vollständig »supra grammaticam « gestellt hat, erscheint 80 nebensächlich und unbedeutend, daſs ich die Beweise hierfür glaube in einer Anmerkung erledigen zu können, und dies überhaupt
Oliver Cromwell.
88
nur thue, um
in meiner Berichterstattung nicht ungerecht zu
erscheinen. *)
Über Cromwell's Charakter und allgemeines Auftreten schreibt Fr. H. zum Beispiel : I, 22 » Cromwell war nicht mehr Heuchler als jeder andere Mensch (Fr. H. schlieſst dabei natürlich von sich auf andere), er war ein Mann , der ohne Umschweife jede Gunst des
Augenblicks ergriff, kühn realistisch, energisch, der wuſste, was er wollte (man vergl. die bereits angeführte Stelle I, 163) und was *) In dem Hoenig'schen Werke stehen „supra grammaticam “ unter Anderem : I, 7 „Der bestgehaſsteste Mann“. I, 34 „ Indessen einmal so entschieden, war die englische Reformation der Macht überliefert ...“ – I, 66 „Die Mehr heit beider Häuser gegen sich, ... erblickte die Mehrheit nicht in dem Könige ... 6
den Anstifter alles Unheils.“ I, 72 „Die Frage am richtigsten lösen .“ I, 79 „ Als solche unbefriedigt gelassen , gelangte der Brandstoff schnell in die Massen . I, 90 „ Cromwells befugtester Zeitgenosse und Richter, Milton . " 66
-
I, 106 „Neu in einer Versammlung so vieler schlagfertiger Männer des Wortes, läſst sich wohl denken, daſs Oliver ... I, 107 in den fast ein Jahr ge währten Verhandlungen .“ · I, 110 „ Die kürzeste, klarste und doch zutreffendste -
Darstellung .“ I, 151 „eine Unterwerfung an die anglikanische Kirche. “ I, 151 „Von dem schottischen Reformator Knox herrührend, waren alle Gemeinden an dieselben gewöhnt ..“ 1, 153 „ Die sich neu gebildete Verwaltung.“ I, 154 „mit den sich von den letzteren abgezweigten Puritanern .“ – I, 154 „ Den -
ganzen Sommer von 1638 kam es nun zu hin- und hergehenden Verhandlungen ." I, 169 „auf den ihm am I, 161 „um einer religiösen Bewegung wegen. “ beigelegten Kriege scheinbar nur einem Vor – I, 170 Gebiete.“ „ gefährlichsten mit den Schotten stehend, waren die Kassen leer. “ - I, 183 ngeht aus vielen sich mit ihrem Zwecke einverstanden erklärten englischen Geschichtsschreibern -
jeder politischen Richtung hervor. “ – I, 194 „von weitgehendster Tragweite .“" - I, 208 „ Ein 42jähriger Mann, wirkten seine Reden ... " 1, 217 „ Das sich gesteckte Ziel.“ II, 15 „Dieser Adel hatte sich zum groſsen eile im Kriege der beiden Rosen unter sich verblutet .“ II, 27 ,, Schlecht bewaffnet, gar nicht ausgebildet, ohne Kriegszucht, haben die besseren Elemente dafür gesorgt..." II, 40 „Auch als Organisator war Thomas Fairfax nicht der Mann, als der er scheint. " II, 90 „ innerhalb von 7 Tagen .“ standen ..." o
II, 95 „Nachdem wir eine kurze Zeit II, 204 II, 273 am mitgerittene Regiment.“
II, 199 „Die sich parallel laufenden Hügelreihen .“
„ Das frische, die groſse Attacke nicht
(kein Druckfehler, denn II, 286 steht das Wort ebenso ). Diese Auswahl , die sich leicht ansehnlich vermehren lieſse , wird genügen , um das H.'sche Buch in Betreff seiner Sprache und seines Stiles zu kennzeichnen . Wer erhabendsten "
ein Weiteres hierüber lesen will , der findet solches in Nr. 36 des „,litterarischen
Centralblattes “ , bekanntlich die beste unserer wissenschaftlichen kritischen Zeit schriften . Dort ist auch das H.'sche Werk auf seinen historisch -wissenschaftlichen Wert zurückgeführt. Mehrere daselbst erwähnte thatsächliche Unrichtigkeiten sind, wie es scheint, später unter „ Berichtigungen “ im II. Teile des „Oliver Crom well“ beseitigt worden ; doch ist zum Unglück Laud auf I, 102 Erzbischof von n
London geblieben , während er auf I, 121 nachträglich richtig zum Bischof ge macht ist ; erstere Stelle war nämlich im „litterarischen Centralblatt “ nicht erwähnt.
Oliver Cromwell.
er konnte. «
89
I, 46 » . . . in diesem Kampfe (nordamerikanischer
Unabhängigkeitskrieg ), sehr ähnlich dem der Puritaner in Eng land ( !! ), sollte ein Mann stehen , der Cromwell als Patriot und Staatsmann erreichte und ihn an Anspruchslosigkeit noch übertraf, » Washington .« – I , 79 Cromwell war der anspruchsloseste Mann
bei seiner visionär brütenden düsteren Natur erschien Anders, als er war vor der Welt. « I , 162 » Die Macht über sich selbst, über seine Mienen und Geberden, über alle seine Worte in besonderen Lebenslagen hat in der That Niemand so absolut besessen und ausgenutzt als er. « I, 192 » Seine Art zu unter allen Groſsen der Geschichte . «
reden, hatte nichts von dem Ausputze der damaligen Zeit : Ein fachheit, Klarheit, Bestimmtheit und Natürlichkeit über alles liebend, sprach er auch einfach , ja vollständig schmucklos ... er ging
häufig ins Breite, zog dann die Kreise seiner Gedanken immer enger, doch selten so eng, daſs er ausdrückte , was er dachte. . Niemals bat die diplomatische und militärische Verschlagenheit und
Gewandtheit eine derartige Vollkommenheit erlangt , als bei Crom well . «
II, 72 » Cromwell war kein Heuchler. «
II , 97 » Crom
well sprach drastisch , vor allem seinen Soldaten gegenüber ! Aber das Drastische packte ihre Herzen und es drückte das genau aus,
was er sagen wollte , nicht ohne Berechnung. «
II, 252 » Wie
Cromwell als Engländer von echtem Schrot und Korn niemals auf
die äuſseren Ehrenbezeugungen verzichtete, welche seinem Grade (! ) zukamen (Er war mit Recht stolz auf seine » bevorzugte « Geburt
II, 249), so war er bestimmt in Worten, kurz in der Rede, berrisch aber wohlwollend, und die Wahrheit und die Folgerichtigkeit seines Wesens waren es, dem die Massen sich unterordneten . «
II, 273
>Nun ist aber Cromwell's vornehmlichste Eigenschaft die Wahrheit . «
I,I, 305 » . . . und wenngleich es den Anschein gewinnt, als ob seine persönliche Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe hier und da verdunkelt würden , so ist wohl zu beachten, daſs dieselben in Wirk lichkeit nur hinter seine politischen und diplomatischen Ziele vor übergehend zurücktraten – nicht völlig verschwanden ! « Man wird mit mir darin übereinstimmen , daſs aus den an geführten einzelnen Stellen es deutlichst hervorgeht, wie fertig und klar Wesen und Charakter Cromwell's vor dem Geiste Fr. H.'s
stehen ; es ist so , als ob man zuweilen den Geist Cromwell's selbst sich äuſsern hörte !
Oliver Cromwell.
90
Reihen wir diesen Schilderungen einiges von dem an ,
was
Fr. H. über das Heer des Königs sagt. I, 43 es hat wohl kein Heer auf so tiefer Stufe gestanden als das Karls I. kurz vor dem
Ausbruche des Bürgerkrieges .. Der Puritaner- Feldherr Oliver Cromwell war es, der dieser geputzten Heeresfigur für alle Zeiten in jedem civilisierten Staate den ersten vernichtenden Fuſstritt
gab ... « – I, 49 »Die Königlichen Cavaliere wurden erst durch Cromwell's Panzerreiter an die Macht des Königstums erinnert, erst
durch Cromwell erhielt das Königliche Heer eine Idee , für welche die Idee des Royalismus !< es focht, mutig und heldenhaft I, 131 » dasselbe (das Heer des Königs) schien einesteils mit Gewalt
zur Neuzeit hinüber zu wollen , andernteils mit derselben Gewalt Friedensheer des Königs zum Mittelalter zurück. < – II, 17 das » 1
stand in keiner Beziehung auf der Höhe der damaligen Zeit. « II, 18 » Durch die direkte Leitung des Heeres und die Verwaltung desselben seitens der Krone muſste das Heer mit dem Hofe ver
wachsen und zur Hochburg des Royalismus in dem anhebenden blutigen Kampfe werden .... « (also Cromwell bätte es nicht dazu gemacht ?! )
II, 26 » In Summa war Karls I. Heer nur in den
Graden der Offiziere von einer Idee
mus , zähe , wie dieser selbst
der ewigen Idee des Royalis getragen (stand also in dieser
Beziehung auf der Höhe der damaligen Zeit !) ; dagegen bildete die gesamte Mannschaft einen vom Volke losgelösten Soldatenstand
ohne edlere Empfindungen und Bestrebungen , der Furcht ge horchend, zwar abgehärtet , körperlich leistungsfähig , gut Schon bald nach Beginn des Bürgerkrieges, geschult nach der Niederlage bei Edgehill, sagt Cromwell zu seinem Vetter Hampden (II, 76) über das Parlaments- und Königliche Heer : »Eure Truppen sind meist alte abgängige Dienstmänner , Weinzapfer und ähnliches Gesindel ! Die des Feindes dagegen sind Söhne von Gentlemen, und junge Männer von Rang. Glaubt Ihr , daſs der Mut so elender und niederer Burschen jemals dem derjenigen ge wachsen sein wird , welche Ehre, Tapferkeit und Entschluſs im Herzen baben ?
Mache aus alle dem einen Vers, wer es kann ;
ich vermag es nicht ! Als Seitenstück möge noch einiges von dem folgen, was Fr. H. über den Kriegsschauplatz sagt: II, 3 »> Wer die hartnäckigen Kämpfe der Revolution verstehen will, muſs
sich zunächst eine zutreffende Vorstellung von der damaligen mili tärischen Beschaffenheit der drei Königreiche machen, welche trotz mancher Unterschiede , den Namen einer groſsen Vendée verdienen . < II , 5 »England legte den Operationen die wenigsten
91
Oliver Cromwell.
Fesseln an , daher hier die Kriegführung am mannigfaltigsten war,
mit groſsen entscheidenden Schlägen (also eine Vendée ?!) ... In Schottland, wo Cromwell fast nur gegen Festungen und befestigte Lager zu handeln hatte . « (auch eine Vendée?!) — II, 9 » Im Ganzen hat man es also • mit drei grundverschiedenen .
.
.
.
Kriegsschauplätzen zu thun ! « (Und doch eine groſse Vendée ?!) Genug des Guten nach dieser Richtung.
Nun möchte ich nur
noch an einigen Beispielen zeigen, wie trefflich und gewandt Fr. H. die wenigen thatsächlichen Angaben über einzelne kriegerische Be gebenheiten, die er beizubringen vermag oder beibringt, in seinen Betrachtungen zur Verherrlichung seines Cromwells zu benutzen versteht.
Es ist im März 1643 ! Herr Oberst Cromwell hat mit
Mühe und Not für sein Dragoner-Regiment fünf Züge zusammen gebracht (II, 65 heiſst es von seinen Leuten > Die Paar « Leute, welche nicht den wohlhabenderen Anwohnern angebörten
II, 269 » Cromwell's Schwadron, welche aus armen Leuten oder sehr kleinen Freeholders bestand « ); er zieht mit denselben im Lande umher und nimmt den Königlichen ihre Plätze u. S. w. So kommt er auch nach Norwich ; hier hört er, daſs die Ritter und Edelleute
in Lowestoff eine eigene königliche Macht mit einigen Geschützen
aufgebracht hätten. » Die Ritter hatten Lowestoff in Verteidigungs zustand gesetzt, die Hauptausgänge gesperrt, mit einigen Stücken ausgerüstet .«
Cromwell beschlieſst Lowestoff zu überfallen ; es er
scheint ihm bedenklich, nur mit seinen fünf Zügen weiter zu ziehen. Zunächst befahl Cromwell in Norwich , wo er Nachts am 13. an > langte, daſs Niemand mehr die Stadt verlassen dürfe, damit sein
Vorhaben geheim bleibe. Bevor deshalb alle Ausgänge von Norwich besetzt wurden, hatte Rittmeister Berry Befehl erhalten, sich mit Cromwell am 13. zu vereinigen (Rittmeister Berry stand mit seiner
Schwadron, die nicht zu Cromwell's Regiment gehörte, unweit Norwich). Damals hatten, auſser Cromwell, schon Andere Reiter trupps gebildet, als Stamm der Reiterei in Norfolk und Suffolk ;
so der Hauptmann Fountain, der Hauptmann Rich, und auſserdem stand in Norwich eine Schwadron von 80 Dragonern. Cromwell vereinigte die verschiedenen Trupps in Norwich und marschierte am 14., früh 5 Uhr, gegen Lowestoff. Vor der Stadt angekommen ,
lieſs er dieselbe zur Übergabe auffordern, was verweigert wurde. Daranf saſsen die Norwicb -Dragoner ab, um sich an die Geschütze heranzuschleichen und dieselben wegzunehmen . Nachdem das ge lungen, wurden nach kurzem Feuergefecht die Sperren von einem andern Teil abgesessener Reiterei erstürmt, und Cromwell, begleitet
Oliver Cromwell.
92
von einigen Reitern , eilt in die Stadt, während die Reiterei alle Ausgänge besetzte .« Dies die H.'sche Darstellung – und nun seine Betrachtungen : » Merkwürdig ist bei diesem ersten offenen Gefecht, welches der berühmteste Reitergeneral der ganzen Geschichte ge -
liefert hat, daſs seine Reiterei zu Fuſs die ersten Lorbeeren pflückt, daſs dieselbe nach höchstens 1 Jahr Dienst die Aufgaben löste, welche heute in dreijähriger Dienstzeit kaum zu verlangen gewagt
werden. Die Erklärung liegt in Bezug auf den Führer in seinen Talenten, in Bezug auf die Reiter in ihrer Tüchtigkeit als Natur reiter ; und im Ganzen genommen sind der Vormarsch gegen Lowe stoff, sowie die Einnahme des Ortes, vom taktischen Standpunkte aus, musterhaft und für alle Zeiten vorbildlich .
Ich darf
mir hierbei wohl die Bemerkung gestatten, daſs man die Wegnahme eines Ortes sonst nicht als „ offenes « Gefecht bezeichnet, daſs mit
keinem Worte in der Darstellung erwähnt ist, daſs Cromwell's Dragoner zu Fuſs etwas geleistet, daſs im Gegenteil die Norwich Dragoner, die nichts mit Cromwell bisher zu thun hatten , die
Haupthelden des Tages waren , daſs man eine vom Feinde besetzte
Stadt, die man überfallen will, nicht zur Übergabe auffordert und ihr so nicht Zeit zu Gegenmaſsregeln giebt, daſs von den Einzelheiten des Vormarsches kein Wort angegeben
und doch ist er, nebst
den so gut wie unbekannt gebliebenen taktischen Maſsregeln, muster haft und vorbildlich für alle Zeiten !
So bildet sich Fr. H. im
Kleinen wie Groſsen seinen Cromwell ! » Niemand (von der gefangenen
Besatzung ) wurde gezwungen in Cromwell's Dienste zu treten . « Herrliche Heereszustände ! Ein anderes Beispiel. Gefecht bei Grantham , 13. Mai 1643. Nach Cromwell's wiedergegebenem Berichte war der Feind 21 Schwadronen und drei oder vier Compagnien Dragoner stark ; die eigenen Truppen zählten 12 Schwadronen. (Hiervon auf die Stärke der beiden Gegner schlieſsen zu wollen , würde zu Fehlgriffen führen, denn die Schwadronen waren in ihrer Stärke sebr verschieden .) Der Cromwell'sche Bericht sagt dann ( 95) : » Nachdem wir eine kurze Zeit nach Fr. H. wörtlich ( II, standen , wurden Schüsse hin und her gewechselt und die Dragoner mögen das Feuer eine halbe Stunde und mehr von beiden Seiten unterhalten haben .
ibn an .
Als der Gegner dann nicht angriff, griffen wir
Während das Feuer von beiden Seiten fortgesetzt wurde,
kamen die rückwärtigen Schwadronen in geschlossenem, scharfem Trabe heran . Der Gegner hielt, um uns zu empfangen , und nun attackierten wir ihn so heftig, daſs der Feind mit Gottes Hülfe
geworfen wurde ; er floh nach allen Seiten und wir hielten noch
Oliver Cromwell.
93
2-3 Meilen weit Exekution über ihn . «
So der Cromwell'sche
» Ferner fällt in diesem ersten ,
Bericht. Und was sagt Fr. H. ? von Cromwell selbstständig geleiteten Reiterkampf der Unterschied der Taktik der beiden Gegner auf. Die Königlichen marschierten auf und feuerten, und erst, wenn das Feuer seine Wirkung gethan hatte, ritten sie im Trabe an.
Cromwell führte seine Reiter da
gegen im scharfen Trabe heran, völlig geschlossen, aus diesem fallen sie in Galopp. So schlägt er von jetzt ab jedesmal die feind liche Reiterei durch die Wucht des Stoſses und die gröſsere Geschick lichkeit im Manöver. « Bescheidentlichst gestatte ich mir zu be merken, daſs nach dem von Fr. H. mitgeteilten Thatsächlichen, auch
die Parlamentstruppen (also Cromwell's Reiter), so weit sie vorne waren , aufmarschiert standen und sich mit dem Gegner herum schossen .
Während des Herumschieſsens der vorderen Parlaments
truppen mit dem Gegner kamen die rückwärtigen Schwadronen beran, nicht von Cromwell geführt. Daſs diese dann im Galopp attackierten , geht aus dem Berichte nicht hervor ; man bedenke dabei, daſs die unausgebildeten Leute auf Bauerngäulen ritten und jeder sein Pferd nach eigenem Gutdünken gezäumt u. s. w. hatte. Von Geschick lichkeit im Manöver kann hier bei Grantham doch gar nicht die Rede sein ! Der wilde Fanatismus, den Cromwell, wie einst in noch höherem Maſse die Hussiten - Führer, trefflich auszunutzen wuſste,
war die Hauptursache des Erfolges hier und bei den meisten anderen
Kampfhandlungen !
Was ist davon vorbildlich für uns, für alle
Zeiten ?! Gott bewahre unser Vaterland nach jeder Richtung hin vor solchen Zeiten,, vor allem >Cromwell'sche ! «
-
aber vor einem
Heere wie das
Gerne möchte ich wie in der vorstehenden
Weise auch die anderen von Fr. H. dargestellten und beurteilten Kriegshandlungen Cromwell's dem Leser hier vor Augen führen . So die wilde Hetzjagd bei Gainsborough, welche Fr. H. künstlich in zwei » Treffen « zerlegt, in dem ersten siegen Cromwell's Reiter, und als sie wild hinter dem Gegner her nachjagen, werden sie in einem unmittelbar sich anschlieſsenden » zweiten Treffen « zurückgeworfen ; 80 das „ Reiterstück « bei Hull, wo
-
vielleicht
auf Cromwell's
Veranlassung - sich 21 Schwadronen aus dem vom Gegner be drohten Hull auf Booten zur See » retten « , während der übrige Teil der Besatzung den Feind zwei Wochen später unverrichteter Sache
abziehen sieht ! So das Treffen bei Winceby, »in dem Cromwell (?)
die Reiterei im groſsen Stile der Schlachtenreiterei führte « (II, 124) ; so vor allem die Schlachten bei Marston Moor und bei Naseby ! Ich würde auf das Schlagendste darthun können , wie wenig unum
94
Oliver Cromwell.
stöſslich Thatsächliches uns Fr. H. darbietet, aber wie kühn, gewaltig und weitgreifend er in seinen Betrachtungen ist, die Cromwell zum unerreichten Heros der Geschichte, zu einem Heerführer im Sinne
des 19. Jahrhunderts machen, dessen Thaten typisch « für alle Zeiten sind ! Doch ich würde die Geduld meiner Leser durch ein
solches Eingehen auf die Einzelheiten wohl auf eine zu groſse Probe stellen, abgesehen davon, daſs diese Besprechung zu einem Buche anwachsen würde . Wer sich, angeregt durch vorstehende
Angaben, für den Gegenstand erwärmt hat, dem sei ein genaues Durchlesen der in Frage kommenden Kapitel des Buches empfohlen ; er wird dann auch » vorbildlich für alle Zeiten « finden , wie Cromwell
einen Oberstlieutenant Packer, den der schottische General Crawford als Trunkenbold, indiskreten Mann und Begünstiger der Anabaptisten fortgeschickt hatte, mit Protest zu Crawford zurückkehren läſst (II, 134), wie Cromwell seinem Oberbefehlshaber den Gehorsam ver
weigert, da seine Pferde zu müde zur Verfolgung, wie Cromwell seinen Oberbefehlshaber als Parlamentsmitglied vor dem Parlamente anklagt und dabei mit eherner Stirne sagt: » Ich bin weit davon entfernt, an irgend einen Bestimmten zu denken . Ich kenne den Wert dieser Generale ... « (II, 159) ; wie Cromwell den Beschluſs des Parlaments
herbeizuführen weiſs, daſs kein Parlamentsmitglied eine Stelle im Heere bekleiden darf, wie er seine Vorgesetzten damit stürzt, sich selbst aber über das Gesetz stellt ; wie Cromwell über den Kopf seiner Vorgesetzten hinweg Berichte über seine Thaten an das Parlament schickt, wie er einen gewandten fanatischen Feldprediger zu seinem Privatsekretär macht, der Cromwell's Berichte anfertigt oder von ihm nach London geschickt wird, um im Parlamente selbst über seines Herren Thaten zu berichten ; wie Cromwell trotz allen
Bettelns oft die Löhnung für seine Truppe nicht hatte und doch, Diese » auf die Stunde Offiziere und Soldaten besoldend« (II, 266). und manche andere mustergiltige Handlung Cromwell's wird der Leser in dem H.'schen Buche ausführlich dargelegt und zugleich eine Wärme und eine Begeisterung für die Sache finden, die ebenso
wie Cromwell's Thaten schwerlich ihres Gleichen hat.
Wie kühn
und packend z. B. der Gedanke II, 298 : res giebt unter allen mili tärischen Vorgängen nichts, das sich so nahe kommt, wie die heutige Kaiserparade der deutschen Germanen und das Lagergebet der englischen Germanen unter Cromwell, die Form ist zwar zwischen beiden so verschieden, wie es die Zeiten und die Anschauungen von damals und jetzt sind, aber das Ziel und Wesen dasselbe: heute wie damals ein Gebet zum Himmel . « Fr. H. schwelgt geradezu, wie
Oliver Cromwell.
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er selbst wiederholentlich veröffentlicht hat, in den Zeiten Cromwell's,
die Mitwelt und ihre Forderungen fast ganz verkennend. Da liegt denn wohl der Gedanke nahe :
Wie einst Cromwell durch einen
Foſstritt alles Alte zertrümmerte und Heer und Volk Groſsbritanniens mit einem Ruck in die Mitte des 19. Jahrhunderts versetzt hat, so
hat sein Geist Fr. H., als er diesen zu Fall brachte, durch einen
Fuſstritt in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurückgeschleudert und ihn fortwährend in lebhaften Traumbildern bei Tag und Nacht das
damalige Leben und seine eigene Gröſse so lange vor Augen geführt,
bis Fr. H. dies alles glücklich zu Papier gebracht hatte. So nur ist es auch zu verstehen , daſs der Mann, der seinen kriegerischen Leistungen nach der berühmteste Feldherr der Weltgeschichte sein
müſste und nach Fr. H. auch ist, der aber bis jetzt nach dieser Richtung bin fast ganz unbeachtet, sowohl in der Geschichtsschreibung wie ganz besonders aber in der Lehre, geblieben ist, nun endlich durch Fr. H. in die ihm gebührende Stelle gesetzt wurde. Aber so groſs, herrlich and unerreicht auch Alles ist, was Fr. H. bis jetzt von seinem Cromwell gesagt und gesungen hat – es soll dies Alles erblassen, wenn Fr. H. die Thaten erzählt«, welche sein Cromwell später gethan ! Da ist die groſse Spannung gewiſs gerechtfertigt, die wir den beiden noch ausstehenden Halbbänden des Werkes entgegen G. v. Marées. tragen . *)
*) Wie Fr. H. fortwährend bemüht ist, in seinem „Cromwell“ auch allgemein zu belebren und geschichtliche Irrtümer zu beseitigen, mag 1. A. daraus ersehen werden, daſs er II, 41 in einer Anmerkung sagt : „Um der weiteren Verbreitung eines groſsen und sozusagen in alle Geschichts- und taktischen Werke über gegangenen Irrtums entgegen zu treten, mag hier bemerkt werden, daſs unter dem Oranier keineswegs Wilhelm, sondern Moritz gemeint ist. Wilhelm war Staats mann, Moritz der berühmte und lange nicht genug geschätzte Taktiker. . . “ Diese
Belehrung machte mich ein wenig stutzig. Ich sah meine Hefte über Taktik, sah alle in meinem Besitze befindlichen geschichtlichen und taktischen Werke nach ; überall fand ich Moritz und nicht Wilhelm von Oranien als den berühmten Taktiker verzeichnet!
VI.
Aus ausländischen Militär- Zeitschriften . Journal des sciences militaires.
Die Artillerie vor dem Gefecht.
Von
P. C. Der Verfasser geht in seinem umfangreichen Aufsatz von Behauptung aus , daſs es auf dem Schlachtfelde wünschenswert ist, die Artillerie so früh als möglich auftreten zu lassen , und daſs unter allen Umständen diejenige Artillerie, die zuerst erscheint und Zeit hat , sich
einzuschieſsen, über die des Gegners ein bedeutendes Übergewicht hat. Es ist somit von der gröſsten Wichtigkeit , die Artillerie zur rechten Zeit eintreffen zu lassen.
Es handelt sich aber hierbei nicht darum, das Auf
fahren der Batterien in den raschesten Gangarten ausführen zu lassen , sondern vielmehr darum, die Batterien zu befähigen, groſse Entfernungen in anhaltendem Trabe zurückzulegen. Aus den Erfahrungen des Krieges von 1870 soll nachgewiesen werden, daſs an eine Batterie, die zur rechten Zeit zur Eröffnung des Feuers auftreten soll, die Anforderung gestellt werden muſs, 15 Kilometer in ein und einer viertel Stunde zurückzulegen. Diesen Anforderungen werden nur wenige französische Batterien genügen
können , im Kriege werden sie es leisten , allein sie werden auſser Atem ankommen , und die Trefferfolge werden darunter leiden . Bei den Friedens
Besichtigungen sollte jede Batterie aus den entferntesten Unterkunftsorten her in anhaltendem Trabe auf dem Schieſsplatze eintreffen , sofort das Feuer eröffnen , dann die Stellung wechseln und von neuem feuern. Eine
Batterie, die das ausführen kann , ohne daſs die Bespannung übermüdet
ist, ist gut, jede andere ist nicht für den Krieg vorbereitet. Der Batterie chef ist dafür verantwortlich , daſs seine Batterie dieser Aufgabe ge wachsen ist.
Der Verfasser hat hiernach die ausgesprochenen Grundsätze in zwei Abschnitten behandelt, im ersten sucht er aus kriegsgeschichtlichen Bei spielen die Notwendigkeit der erwähnten Anforderungen nachzuweisen, im zweiten giebt er die Wege an, auf welchen dieser Grad von Leistungs fähigkeit zu erreichen ist. I. Die Kriegsmärsche.
Es soll durch Beispiele erwiesen werden,
daſs es nicht allein genügt, Eilmärsche von 15 Kilometer Länge aus zuführen, sondern daſs auch stellenweise solche bis zur Länge von 60 Kilo meter erforderlich werden .
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften ,
97
In den ersten Schlachten des Krieges 1870, die alle Begegnungs
Schlachten waren, befand sich die deutsche Artillerie in einer schwierigen Lage, da das Gefecht nicht erwartet war ; dennoch erschien sie von Anfang
an in groſsen Massen auf dem Schlachtfelde. Sobald die Infanterie sich entwickelte, geschah es stets unter dem Schutze zahlreicher Geschütze. So standen bei Wörth 108 Geschütze zwischen Görsdorf und Gunstett
und deckten den Aufmarsch des 5. Corps; am 21 Batterien den Kampf.
16. August eröffneten
Wo aber die Deutschen zum Angriff vorbereitet
waren , erschienen sie mit noch gröſseren Artillerie -Massen : bei St. Privat standen 50 Batterien in einer Linie, bei Beaumont waren in einem Zeit raum von einer Stunde 180 Geschütze im Gefecht, bei Sedan traf die
Artillerie von allen Seiten rechtzeitig ein und wurde im Laufe des Gefechts derart verstärkt, daſs schlieſslich 540 Geschütze in Thätigkeit waren . Um solche Artillerie-Massen zu entwickeln, muſsten bedeutende Ent
fernungen in kurzer Zeit, und das oft nach schon langen Märschen, zurückgelegt werden. Am 16. August war die Artillerie des 3. Corps früh morgens von Pagny abgerückt , um 10 Uhr erhielt sie den Befehl, auf Tronville vorzugehen und legte nun die 11 Kilometer weite Ent fernung auf schlechten und überfüllten Wegen in anderthalb Stunden zurück ; bei Beaumont eröffnete die gesamte Artillerie des 4. und 12. Corps zur rechten Zeit ihr Feuer , obgleich die des 4. auf zwei schmalen , die Entwicklung äuſserst erschwerenden Wegen durch einen Wald rücken
muſste ; bei Sedan rückte die Artillerie des Garde- Corps im Trabe ab,
vereinigte sich bei Francheval mit zwei von Sachy kommenden Divisions Batterien, trabte dann bis Villers-Cernay und nahm nach 10 Minuten Rast eine steile Höhe.
Sie hatten 15 und 18 Kilometer im Trabe zurück
gelegt. In derselben Schlacht legte die von Douzy kommende Artillerie des 12. Corps eine Strecke von 8 Kilometern von südlich Douzy ab im Trabe zurück, um östlich des Einschnittes der Givonne aufzumarschieren.
Das 11. Corps erschien um 10 Uhr bei dem Engpaſs vom Saint-Menges, und um 11 Uhr waren dessen sämtliche Batterien in Stellung, sie hatten nur eine einzige Stunde gebraucht, um den 6 Kilometer langen Hohlweg zu durchschreiten.
Die deutschen Batterien hatten somit oft Gelegenheit, an den Schlacht
tagen weite Entfernungen zurücklegen zu müssen , und sie thaten das stets in kürzester Zeit. Es war ihnen das nichts neues, denn bei König grätz hatte die Garde -Artillerie 22 Kilometer , davon 5 durch Gebirgs gegend, im Trabe durcheilt.
Die Artillerie hat aber nicht allein lange Strecken zu traben, sie hat auch Eilmärsche , d. h . solche Märsche zu machen , wo an einem Tage
Entfernungen über 40 Kilometer zurückgelegt werden müssen . Erbält die Artillerie den Befehl, sich nach vorwärts zu bewegen , um die im Kampf befindliche Artillerie eines Corps zu unterstützen , so hat sie ganz beträchtliche Entfernungen zu durcheilen ; am 13. August legte die erste Batterie der Garde -Artillerie 51 ' /2 Kilometer zurück, und trat am Abend Jahrbüchor für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVI., 1 .
7
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
98
noch in das Gefecht.
Gehört aber eine solche Batterie zu einem in
Reserve gehaltenen Corps, so werden die Entfernungen noch gröſser. Am 6. August kam die Corps -Artillerie des 3. Corps nach einem
Marsche
von 22 ), Kilometern bei Ottweiler an , erhielt hier 3 Uhr Nachmittags den Befehl, sich nach Saarbrücken zu begeben , rückte 3 '/, Uhr ab und legte 34 Kilometer in 4 '/, Stunde zurück.
Kurzum , in allen Schlachten des Krieges traten die Deutschen stets mit einer bedeutenden Geschützzahl in den Kampf, und stets auch zur
rechten Zeit, stellenweise war nicht einmal Platz genug, sie in Stellung zu bringen , wie z. B. bei Spicheren und bei Sedan , wo 18 Batterien des 4. und 12. Corps nicht auffahren konnten . An diese Betrachtungen knüpft der französische Verfasser die Frage, ob auch die französische Artillerie in einem Kriege der Zukunft Gleiches zu leisten im Stande sein werde.
Er bejaht diese Frage, da ja das französische Reglement darauf bin weise, indem es die Plätze, die die Artillerie eines Armee-Corps bei dem Marsche auf einer Straſse einnehmen soll , genau vorgeschrieben habe.
Hiernach ist die Einteilung folgende: 2 Batterien marschieren hinter der Avantgarde.
2 Batterien marschieren an der Spitze des Gros , hinter dem Jäger Bataillon .
Die Corps -Artillerie marschiert vor der zweiten Division , von dieser kann eine reitende Batterie mit der Kavallerie für den Sicherheitsdienst entsandt sein .
4 Batterien marschieren hinter der 3. Brigade. Sobald die Avantgarde in das Gefecht tritt , wird den Batterien unverzüglich der Befehl zum Vorgehen überbracht.
Wenn diese dann aus der Kolonne ausbiegen, haben sie folgende Entfernungen zurückzulegen : 1,425 Meter die beiden Batterien der Avantgarde. 7,270 Meter die beiden anderen Batterien der Division .
11,260 Meter die reitenden Batterien der Corps -Artillerie. 15,045 Meter die Batterien der zweiten Division. Werden hierbei abwechselnd 10 Minuten im Trabe und 10 Minuten im Schritt, im Durchschnitt also 10 '), Kilometer in einer Stunde zurück gelegt , so ergeben sich folgende Zeiten : 6 Minuten für die Artillerie der Avantgarde. 41 Minuten für die Batterien der ersten Division.
1 Stunde 4 Minuten für die Corps - Artillerie. 1 Stunde 26 Minuten für die Batterien der zweiten Division.
Die Betrachtungen, wie diese Zeiten abwechselnd in Schritt und Trab einzuteilen sind , übergehen wir bier , es genügt , daſs von 15 im Trabe zurückzulegenden Kilometern nur einer im Schritt zurückgelegt werden darf, und daſs in diesem Trabe 205 Meter in einer Minute gemacht werden müssen .
Dann heiſst es weiter :
1
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften.
99
Am Tage der Schlacht muſs die Artillerie auch noch andere Märsche ausführen. Wechselt sie ihre Stellung , um näher an den Feind heran zugehen, so geschieht das in lebhaftester Gangart, wie überall da, wo die Entscheidung herannaht. Dieses Vorgehen im Feuer des Feindes ist nur möglich, wenn es in schnellster Gangart geschieht. Am 6. August eilten 13 deutsche Batterien vorwärts in die Schützenlinie , um an dem Angriff gegen Fröschweiler Teil zu nehmen. Am 18. August ging die deutsche Artillerie, trotz des Feuers unserer Schützenlinien , vor , um den Angriff auf St. Privat vorzubereiten . Um aber derartige Bewegungen in lebhafter
Gangart, d. h. 240 Meter in einer Minute im Trabe, zurücklegen zu können , darf die Bespannung durch den vorhergegangenen Marsch nicht erschöpft sein. Die Gangarten müssen daher geregelt sein, und das kann nur durch eine wohldurchdachte Ausbildung erreicht werden.
Wie sich der Verfasser diese Ausbildung in Übereinstimmung mit den reglementarischen Vorschriften denkt , ist im zweiten Abschnitt be handelt. Der ganze Inhalt dieses Abschnittes läſst sich in der Weise, wie das Ausbildungsjahr eingeteilt werden soll , zusammenfassen . In der Zeit vom 15. März bis zum 8. April soll die Ausbildung des Jahres stattfinden. Hierbei sollen zum Exerzierplatz hin und zurück 3 Kilometer Marsch
zurückgelegt werden , die Pferde werden erst zu zweien , dann zu vieren, und schlieſslich zu sechsen zusammengespannt und daran gewöhnt erst 200 Meter und, allmählich steigernd, 500 Meter in zusammenhängendem Trabe zurückzulegen.
Dann folgt vom 8. bis 30. April die Ausbildung des
Zuges, wo ebenfalls täglich 3 Kilometer Marsch, aber ein halber bis ganzer Kilometer im Trabe geleistet werden sollen . Der Monat Mai ist die Zeit für die Ausbildung der Batterie und des Regiments, wo nicht mehr geleistet werden soll , wie in der vorhergegangenen Periode, wo aber die Pferde häufig mit vollem Gepäck bepackt werden. Von dann an beginnt
die Ausbildung im Gelände, und zwar für die Zeit vom 1. bis 20. Juni, wo 8–15 Kilometer Marsch, und bis zu 2 Kilometer anhaltender Trab auſserhalb der Straſsen , und bis zu 3 Kilometer anhaltender Trab auf derselben geleistet werden müssen. Dann beginnt die Schieſsübung, die, einschlieſslich der auf 18 Tage berechneten Reisemärsche , die Zeit vom 20. Juni bis zum 8. August umfaſst. Die Zeit vom 8. bis 20. August soll
nur zur Bewegung der Pferde, d. h. zu täglichen Märschen von 15 Kilo metern, davon 2 Kilometer Galopp, verwandt werden. Dann beginnt die Zeit der Manöver vom 20. August bis zum 20. September. Hierbei werden Märsche von 15-60 Kilometer Länge mit Trabstrecken bis zu 5 Kilometer zurückgelegt.
Diese Märsche richten sich natürlich ganz
nach den Operationen, die die Herbstübungen mit sich bringen. In der Zeit vom 20. bis 30. September tritt eine verhältnismäſsige Ruhe für die Pferde ein , während in den Monaten Oktober und November die Aus bildung und Übung der auf vier Wochen eingezogenen Reservisten statt findet. Mit dem 1. Dezember schlieſst das militärische Übungsjabr, und 7*
100
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
es beginnt die täglich zweistündige Ausbildung der Kannoniere im Einzel reiten und Fahren .
Durch diese Art der Ausbildung und Einteilung der Zeit behauptet der Verfasser, die französische Artillerie auf diejenige Stufe von Leistungs fähigkeit zu bringen, daſs sie den im ersten Teile ausgesprochenen An forderungen auch im Kriege unter allen Umständen genügen kann . Le progrès militaire. Die Artillerie im Lager von Chalons. Fast ganz gleichzeitig, jedoch ohne Beziehung zu einander, erscheint dieser Aufsatz, der ebenfalls die Behauptung aufstellt, daſs die Leistungen der Artillerie gesteigert werden müſsten . Es heiſst hierüber : „Die Artillerie hat jetzt wiederum im Lager von Chalons ihre
Übungen in derselben Weise durchgeführt, wie es vor einigen Jahren an geordnet wurde, und wie es jetzt geradezu Regel geworden zu sein scheint. Einige Blätter haben sogar auch in diesem Jahre der Artillerie besondere Lobsprüche erteilen zu müssen geglaubt und den leitenden Offizieren zu den Erfolgen ihre Glückwünsche ausgesprochen. Diese Begeisterung läſst
uns vollständig kalt. Wie bisher, so bezweifeln wir auch jetzt noch die Nützlichkeit der dort ausgeführten Parade-Manöver , die Verhältnisse be dingen , wie sie nie im Kriege vorkommen und auf dem Schlachtfelde einfach unmöglich sind.
Die im Jahre 1884 gegebenen leitenden Gesichtspunkte sind nicht zeitgemäſs. Für die Artillerie ist es gewiſs von Wichtigkeit, das Feuer einer groſsen Zahl von Batterien in einem Augenblick auf dasselbe Ziel zu vereinigen. In dieser Beziehung ist die gleichzeitige Vereinigung von
15—18 Batterien in Chalons gewiſs vorteilhaft.
Es lassen
sich nicht
allein die Grundsätze für die Feuerleitung so groſser Artilleriemassen
feststellen , sondern es gewährt auch die Möglichkeit , die Wirkung der
Vereinigung zu so und so viel Geschützen zu beobachten und die Grenze festzustellen, bis zu welcher diese Vereinigung der selbstständigen Thätig
keit der Batterien überlegen ist. Mit einem Worte, für die Ausbildung im Schieſsen sind diese Übungen gewiſs zweckentsprechend.
Was aber die Bewegungen und das Manövrieren im Gelände betrifft, so werden diese keineswegs in kriegsgemäſser Weise geübt. Man scheint beinahe von dem Grundsatz auszugehen , daſs eine derartige Artillerie masse , von beispielsweise 18 Batterien , auf dem Schlachtfelde auftraten
und manövrieren könne, wie auf dem Exerzierplatz. Durch diese Art von
Übungen , wie sie regelmäſsig in Chalons stattfinden , erhält aber der Offizier der Artillerie ganz falsche Begriffe. Man lehrt sie Bewegungen auszuführen , die im Kriegsfall geradezu undenkbar sind, indem man unter ganz unerklärlichen Verhältnissen , in dem denkbar günstigsten Gelände sie ohne jede Rücksicht auf die anderen Waffen manövrieren läſst. Die Verteidiger dieser Grundsätze behaupten , daſs die Infanterie und Kavallerie ja auch für sich manövrieren, es beruht das aber auf einem Irrtum . Niemals manövrieren Infanterie- oder Kavalleriemassen , wie sie der Stärke
von 18 Batterien entsprechen , für sich allein. Man wird es nie sehen,
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften.
101
daſs 8 Infanterie-Regimenter , die ja auch der Stärke eines Armee-Corps entsprechen , selbstständig auftreten .
Beispiele von Verwendung der
Artillerie im Kriege 1809 können nicht mehr als maſsgebend dienen. Jetzt kommt es darauf an , daſs die Waffen sich gegenseitig unterstützen und ergänzen , um das gemeinsame Ziel zu erreichen , und daſs sie sich
dabei nicht stören und in ihrer Leistungsfähigkeit hindern .
Diesen
Gesichtspunkt haben die gegenwärtigen Leiter der Artillerie aus dem Auge verloren , sie erziehen ihre Waffe zu einem Partikularismus“, wie sich das auch schon bei anderen Gelegenheiten gezeigt hat.
Bei der Vereinigung dieser groſsen Artilleriemassen ist aber auch noch ein anderer Gesichtspunkt versäumt, nämlich der, daſs das beschossene Ziel im Ernstfall auch die Schüsse erwidert, die es empfängt, und daſs man durch Darbieten einer allzu groſsen geschlossenen Masse den Gegner die Sache leicht macbt.
Derartige Artilleriemassen können wohl manöv
rieren , wenn ihre Bewegungen durch nichts gestört werden , wie aber, wenn feindliche Geschosse oder ein plötzlicher Angriff auf die Masse ein dringt ? Diese Fragen sind wichtiger, wie der herrliche Anblick, den 18 Batterien , in einer Linie von 2 Kilometern entwickelt, mit umfassenden
Bewegungen der reitenden Batterien, dem Auge des Zuschauers gewähren. Alles das erinnert an die Manöver des zweiten Kaiserreiches in Chalons,
bei denen die fremden Offiziere , und besonders die preuſsischen, eine
solche Bewunderung an den Tag legten, im Stillen aber lachten und uns später in Kriege unsere Thorheit zeigten .
Le progrès militaire. Die Verteidigung des französischen Gebietes. Vom Oberstlieutenant Omega. Die militärisch - kritische Studie ist in sofern bezeichnend, als der pseudonyme Verfasser auf durchaus pessi mistischen Standpunkte stebt. Überall sieht er Unvollkommenheiten und Fehler, und er deckt sie rücksichtslos auf.
In dem ersten der drei Teile
seiner Studie behandelt er die Verteidigungslinien Frankreichs gegen Osten und die zu deren Besetzung notwendigen Streitkräfte. Der zweite Teil behandelt die neue Armee, ihre militärischen Eigenschaften, das Ersatz wesen und die Ausbildung der Truppen.. Der dritte Teil enthält einen Vergleich der Streitkräfte Frankreichs und Deutschlands im Fall eines Krieges.
Die Vereinigung der gesamten französischen Armee würde für die ersten 16 Armee-Corps 6 Tage erfordern , wohingegen die Deutschen in 4 Tagen fertig sein würden. Nach Ansicht des Verfassers würde daher das 15. deutsche Corps sofort in Frankreich einfallen , Nancy in Besitz
nehmen und bis an die befestigten Linien von Épinal und Tonl vordringen. Um das zu verhindern, schlägt der Verfasser vor, eine gewisse Anzahl von Regimentern sofort ausrücken zu lassen, ohne das Eintreffen der Reserven abzuwarten. Ferner verlangt er, alle 8 Eisenbahnlinien zur Versammlung der Armee doppelgleisig zu machen , und die Einrichtungen zum Ein- und
Aussteigen zu verbessern und erweitern. Auf dem halben Wege von der
102
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften .
Grenze bis Paris müſsten vier grofse befestigte Lager errichtet werden, z. B. bei Chalons, Troyes, Sens und Montargis. Nach Ansicht des Verfassers würde es der deutschen Armee möglich sein, Paris noch früher zu erreichen , als dieses im Jabre 1870 der Fall war .
Deshalb müſste die zusammenhängende innere Befestiguugslinie
gänzlich beseitigt werden , aus dem Erlös des Bodens müſsten groſse
strategische Bahnen gebaut werden, die die Vereinigung der Armee auf einen bedrohten Punkte in 4–6 Stunden ermöglichten. Der Widerstands fähigkeit der Forts traut er nicht gar zu viel zu, schon auf 2000 m könnte Bresche gelegt werden, und man wisse nicht, ob die Forts den neuen Sprengstoffen gegenüber sich überhaupt halten könnten. In Bezug auf die Heeres -Organisation macht der Verfasser einige ganz besonders auffallende Vorschläge. Er verlangt, daſs besonders be
fähigte Soldaten und Offiziere einen Rang ganz überschlagen könnten, daſs z. B. ein Gemeiner sofort zum Sergeanten befördert werden könnte. Zweck
mäſsiger erscheint der Vorschlag, die Prüfung und Anfertigung der Handfeuerwaffen der Artillerie abzunehmen und der Infanterie zu über
tragen . Der Abschnitt über die Unsicherheit der Franzosen über die zu befolgende Taktik “ ist äuſserst bezeichnend, es heiſst hier : „ Der mili tärische Geist der französischen Armee ist gegenwärtig in zwei verschiedenen Grundsätzen ausgeprägt, die einen verlangen eine fortgesetzte, unaufhalt 92
n
same Offensive, während die anderen ruhige Ausnutzung 'der Feuerwaffen unter dem Schutze des Geländes fordern, um die Verluste nach Möglichkeit zu verringern . Die ersteren folgen den in den Kämpfen in Afrika ge machten Erfahrungen, während die letzteren ihre Grundsätze aus den mit den Feuerwaffen der Jetztzeit genommenen Lehren entnehmen. Dieser Dualismus läſst sich auf die älteste Zeit in der Geschichte Frankreichs zurückführen. Die alten Gallier kämpften fast nackt und verschmähten
Sie glaubten mehr durch ihre Kühnheit als durch alles Andere siegen zu können . Im Mittelalter hingegen suchten die Rittter und gepanzerten Krieger den Sieg durch ihre Körperkraft und die Güte der Waffen erringen zu können. Beide Kampfarten konnten aber nicht verhindern , daſs die Gallier von den Römern und Franken geschlagen wurden , und die französischen Ritter wurden , trotz ihrer Körperkraft und fast alle Schutzwaffen .
ihrer schweren Rüstung bei Crécy, Poitiers und Azincourt von den Eng ländern besiegt. In der Neuzeit that Österreich im italienischen Kriege gegen Frankreich das Gegenteil, die Armee verbielt sich rein defensiv,
indem sie sich auf ihre Übermacht und die Stärke der festen Plätze verliefs, und nicht auf die kühne Offensive ihrer Gegner rechnete. Im Kriege 1870 hatten wir es versäumt, der Überlegenheit unserer Gegner an Zahl und besseren Hinterladungs-Geschützen Rechnung zu tragen, und in wenigen Monaten sahen wir unsere Armee vernichtet. Diese Beispiele lehren, daſs
jeder der beiden Grundsätze fehlerhaft ist, wenn man ihn übertreibt.“ Der französische Verfasser zieht dann eine Parallele zwischen den
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften.
103
Grundsätzen des General Boulanger über die Offensive, und des General
Ferron über die Defensive. Beide hält er für unrichtig, und will an deren Stelle die „Taktik der Vernichtung “ setzen . Er sagt hierüber : „ Bei einem Kriege zwischen Frankreich und Deutschland müssen
Beide, in Folge der geographischen Lage der beiderseitigen Hauptstädte, eine verschiedene Taktik befolgen. Paris liegt nur zehn Tagemärsche von der deutschen Grenze entfernt, alle Straſsen führen konzentrisch auf diesen Punkt hin . Sind die Maas und die Ardennen überschritten, so befindet man sich fast unter den Mauern dieser Stadt, deren Einnahme die Beendigung der Feindseligkeiten bedeuten würde.
Demgemäſs müssen die Deutschen
anstreben , so weit wie möglich vorzudringen, um den Krieg zu Ende zu führen . Die Franzosen müssen hingegen suchen, Zeit zu gewinnen und dem Gegner das Land Schritt für Schritt streitig zu machen . Wenn wir auch ebenso stark und ebenso gut bewaffnet sind wie unsere Gegner, so
wird es doch nicht möglich sein, ihn zu umfassen oder von der Rückzugs
linie abzuschneiden . Um daher den Gegner aufzubalten, bleibt uns nichts Anderes übrig, als ihm auf das Äuſserste Widerstand zu leisten, und ibm Verluste beibringen, die ihn schlieſslich vernichten. Bei dem Zusammen treffen der groſsen Heere, wie es in der Zukunft der Fall sein wird, werden die in einer einzigen Schlacht erlittenen Verluste unersetzlich sein,
und den Untergang des ganzen Heeres zur Folge haben . Die Franzosen müssen daher anstreben, dem Gegner so viel als möglichst Verluste bei
zubringen, nicht aber zu siegen. Die Verteidigung von Örtlichkeiten darf nur das Ziel im Auge haben, den Gegner aufzuhalten , und ein Mittel bieten , ihm empfindliche Verluste beizubringen .
Bei der Verteidigung von Paris müssen, diesem Grundsatze ent sprechend, von überlegenen Kräften ununterbrochene Ausfälle gemacht werden , und zwar gegen die verschiedensten Punkte der Einschlieſsungs Armee, so daſs diese schlieſslich gezwungen ist, die Belagerung aufzugeben und sich zurückzuziehen .
Es ist nicht der Haſs gegen die Deutschen , der uns diese Kampfart als die beste erscheinen läſst , es ist eben nur die Folge unserer strate
gischen Verhältnisse, und der Patriot muſs hierin dem Taktiker nach stehen .
Siegen wir, so ändert sich diese Taktik keineswegs. Berlin ist 160 Meilen von der französischen Grenze entfernt, die dorthin führenden Straſsen werden von zahlreichen Verteidigungslinien, der Mosel, dem Rhein,
der Weser, der Elbe und vielen Gebirgen durchschnitten, so daſs es den
Deutschen leicht wird, den Krieg in die Länge zu ziehen. Unser Bestreben muſs es deshalb sein, den Gegner zu vernichten , nicht dadurch, daſs wir weiter vorzudringen suchen, sondern daſs wir ihm möglichst viele Verluste beibringen .
Die beiden Nationen haben daher verschiedene Kampfesarten zu be
folgen, die Deutschen müssen suchen, durch rasche Märsche weite Land
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
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strecken zu besetzen, die Franzosen hingegen, einen Vernichtungskrieg zu führen . “
Die Schluſsfolgerung ist entsetzlich , allein es ist nur schade, daſs diese Art der Kriegführung mit so groſsen Schwierigkeiten verknüpft ist. Der Verfasser schlieſst seine Schrift in der Zuversicht, daſs seine Ideen sich mit der Zeit Bahn brechen werden .
Admiralty and Horse-Guards Gazette. Der Streit um die Gewehre. Die groſse Gewehrfrage ist noch immer ungelöst und wird es wohl auch
lange Zeit bleiben, jedenfalls, soweit sie uns betrifft. Wir sind nicht, wie
unsere Nachbarn, täglich, ja stündlich von einem Kampf auf Leben und Tot bedroht, wir haben Zeit, uns umzusehen , Versuche anzustellen , und dann unser Urteil abzugeben. Bis heute ist so gut wie noch nichts von
dem erreicht, was wir als das Gewehr der Zukunft anstreben. Auf dem Festlande hingegen ist hierin ein mächtiger Umschwung eingetreten, überall ist das Bestreben , ein kleines Kaliber einzuführen und durch riesige Ge schwindigkeit die Flugbahn fast ganz gestreckt zu gestalten . Als besonderer Vorteil wird dabei hervorgehoben , daſs die Munition so viel leichter
geworden ist, daſs die Ausrüstung mit derselben für den einzelnen Mann bedeutend vermehrt werden kann .
Das neue französische Gewehr Tramond
Lebel hat, bei einem Lauf- Durchmesser von 0,31 Zoll eine bis auf fast
1200 Meter flache Flugbahn, dabei ist die Ladung so gering, daſs sie kaum lauter knallt wie eine Zimmerpistole . Die Munition ist so viel leichter, daſs der Soldat statt 100 jetzt 150 Patronen tragen kann. Für uns in England ist die Frage ebenfalls von groſser Wichtigkeit, denn wir haben in allen Teilen der Welt und mit allen Sorten von Menschen
Krieg zu führen. Was aber die Frage der gröſseren Munitionsausrüstung betrifft, so mögen hier doch einige Beispiele aus den letzten Kriegen Erwähnung finden . Der höchste Munitionsverbrauch im ganzen Kriege 1866 war bei den Preuſsen in der Schlacht bei Trautenau , wo vom
43. Regiment durchschnittlich 23 Patronen verfeuert wurden . In keinem einzigen Gefecht des ganzen Krieges wurde die Hälfte der mitgeführten Munition, nämlich 60 Patronen, die jeder Mann trug, verbraucht. So
überraschend es klingen mag, so betrug der Gesamt-Munitionsverbrauch der preuſsischen Armee in dem sechs Wochen dauernden Kriege nur 7 Patronen für den einzelnen Mann. Im Kriege 1870 betrug der Patronen Verbrauch der Deutschen bei Gravelotte sechs, bei Beaumont neun , bei Sedan zehn Patronen .
Den höchsten Munitionsverbrauch hatte das 108. Re
giment bei Villiers, nämlich 16 Patronen auf den Mann.
Die Franzosen
waren in diesem Kriege schlecht ausgebildet, ihr Feuer wurde wild und übereilt abgegeben, und doch betrug ihr höchster Munitionsverbrauch in der Schlacht bei Rezonville nur 20 Patronen bei den Mannschaften der
Kaiserlichen Garde. Sehen wir unsere eigene Armee an, so haben wir in dem Gefecht bei Rorke's Drift, ein Gefecht, das sich allerdings mit den vorhergenannten nicht vergleichen läſst, das aber die ganze Nacht hindurch dauerte, einen Verbrauch von nur 8 Patronen auf den Mann. In der
Aus ausländischen Militär - Zeitschriften,
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Schlacht bei Candahar wurden 5 Patronen vom Manne verschossen .
Die
Einführung der Magazingewehre wird diese Verhältnisse, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grade, ändern. Der Zweck der Magazingewehre ist überhaupt nur der, einen Vorrat von Patronen bis zu dem Augen
blicke aufzubewahren, in dem die Entscheidung eintritt, während sonst das Gewehr als Einzellader gebraucht wird. Rechnet man also als geringsten Patronenverbrauch 8-9 Stück, und als böchsten 15—20 Stück, wie er nach den bisherigen Erfahrungen in den europäischen Kriegen genügt hat,
so wird eine geringe Erhöhung dieses Verbrauchs auch für die Waffe der Zukunft ausreichen .
Unter allen Umständen erscheint aber eine Patronen
Ausrüstung des einzelnen Mannes mit 100-150 Stück als zu viel, da dieses auf Kosten anderer notwendiger Gegenstände geschehen muſs. Selbst wenn man die dreitägige Ration, die der deutsche Soldat trägt, wegläſst, können doch andere Sachen unmöglich fehlen , den Mantel und das zweite Paar Schube kann kein Mann entbehren. Soll die Munitions ausrüstung noch vermehrt werden , so wird dadurch entweder die Zahl der
Fahrzeuge so erhöht, daſs die Bewegungsfähigkeit der Armee darunter leidet, oder die Belastung des Soldaten wird zu grofs. Bis jetzt ist noch durch Nichts erwiesen, daſs die bisher mitgeführte Zahl von Patronen nicht genügend wäre.
Anstatt den Mann mit immer mehr Patronen zu
belasten , würde es besser sein, mehr Aufmerksamkeit auf die Feuerdisziplin zu verwenden und das übereilte Schieſsen zu verhindern.
Übereilte und
ungezielte Schüsse, von aufgeregten Leuten abgegeben, sind nicht allein nutzlos, sondern sie verhindern durch den Pulverdampf auch das Zielen der besser disziplinierten Leute. Das ist das Nächste und Wichtigste, das D. angestrebt werden muſs.
VII.
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den militär.
Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze. *) (IV. Quartal 1887.) (15. September – 15. Dezember 1887.)
Für das nachfolgende Verzeichnis sind benutzt : 1.
Militär -Wochenblatt.
2.
Neue militärische Blätter.
M. W. -
3. Allgemeine Militär-Zeitung. 4.
Deutsche Heeres-Zeitung.
N. M. B.
· A, M. Z. D. H. Z.
5. Militär -Zeitung. Organ für Reserve- und Landwehr-Offiziere. 6. Internationale Revue über die gesamten Armeen und Flotten .
7. Archiv für Artillerie- und Ingenieur-Offiziere.
Α. Α. Ι.
8. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie.
A. H. M.
9. Zeitschrift des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschifffahrt. 10.
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine.
11 . 12.
Organ der militär -wissenschaftlichen Vereine.
Österreichische Militär-Zeitschrift (Streffleur).
M. Z. R. I. R. A.
Z. F. L.
J. A. M. 0. S. M. 0. W. V.
Osterreichisch -ungarische Wehr-Zeitung. 0. U. W. 0. A. B. 14. Österreichisches Armeeblatt . 15. Österreichische Militär -Zeitung. 0. M. Z. 16. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie -Wesens. 17. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. 0. M. S. 18. Le Spectateur militaire. F. S. M. 13 .
-
19.
20.
0. A. G.
Journal des sciences militaires. F. J. S. Revue de cavallerie. F. R. C.
21. Revue du Cercle Militaire. 22. Le Progrès militaire. F.
F. O. M. P. M.
23.
L'Avenir militaire.
F. A. M.
24 .
La France militaire.
- F. M.
*) Die mit einem * versehenen Bücher sind der Redaktion zur Besprechung zugegangen und werden in der „ Umschau in der Militär- Litteratur “ nach Mög lichkeit Berücksichtigung finden .
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſser. Aufsätze.
107
F. R. A. 25. Revue d'artillerie. F. R. M. 26. Revue maritime et colonial. 27. Russischer Invalide, - R. 1. R. W. S. 28. Wajenny Sbornik , R. A J. 29. Russisches Artillerie- Journal. R. I. J. 30. Russisches Ingenieur- Journal. R. M. S. 31. Morskoi Sbornik. I. R. 32. Rivista militare italiana . 1. E. 33. L'Esercito italiano. .
34. Rivista di artiglieria e genio. 35.
I. A. G.
I. R. M.
Rivista marittima.
36. Journal of the Royal United Service Institution. 37. The illustrated Naval and Military Magazin. E. A. N. 38. Army and navy Gazette.
E. U. S. E. N. M.
39. The Broad Arrow . - E. B. A.
40. Admiralty and Horse guards Gazette.
E. A. H.
E. M. 41. The Military Telegraph Bulletin. A. A. N. 42. Army and navy Journal. 43. Allgemeine Schweizerische Militär- Zeitung. -
T. Sch . M. Z.
Sch. R. M.
44. Revue militaire Suisse.
45. Schweizerische Zeitung für Artillerie und Genie. 46. De militaire Spectator. 47.
De militaire Gids.
-
48. Revue militaire belge.
Sch . A. 6
Nd. M. S. Nd. M. G. B. R. M.
Sp. R. C.
49. Revista cientifico militar.
Sp. M. I. 50. Memorial de Ingenieros. 51. Revista militar. – P. R. M. 52. Revista das sciencias militares, 53. Revista maritima Brazileira. -
P. R. S. Br. R. M.
54. Revista militar (Republica de Colombia). 55. Krigsvetenskaps Academiens Handlingar. 56. Norsk militaert Tidsskrift.
-
C. R. M
Schw . K I.
N. M. T.
57. Militaert Tidsskrift. – D. M. T. -
I. Heerwesen und Organisation. *Die Königliche Militär - Turn - Anstalt zu Berlin.
Von v. Dresky , Oberstlieutenant à la suite des 8. westfälischen Infanterie - Regiments Nr. 57 and Direktor der Militär- Turn - Anstalt. Sohn .
8º – 118.
Berlin, E. S. Mittler &
-
* Einige Reform vorschläge betreffend die Wehrkraft der Schweiz, zugleich Antwort auf die Wehrkraft der Schweiz von v. S. “ von A. v. Ehren
berg. – 8º — 57 S. – Winterthur, Geschw. Ziegler. * Die europäischen Heere der Gegenwart. Von Hermann Vogt , Oberst -
lieutenant a . D. - Illustrationen von Richard Knötel. Heft XXII - XXV. Das Kriegswesen des deutschen Reiches. - 8° - 47 S. Rathe now, M. Babenzien. 2 M. -
108
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
* Heeresverfassung und Maas- Befestigung in Belgien 1887. – Mit einer Übersichtskarte und drei Skizzen. & Sohn.
- 8º — 83 S. - Berlin, E, S. Mittler
- 2 M.
Die Kavallerie eine Elite-Fuſstruppe ? M. W. 93. Die Armee der Balkanstaaten in ihrer neuesten Organisation und Zusammen setzung
N. M. B. Okt.
Über Bewaffnung und Ausrüstung der Kavallerie. Die Vermehrung der französischen Infanterie. Die französischen Pontoniere.
-
A. M. Z. 85 . D. H. Z. 83.
D. H. Z. 87.
Die Divisions -Artillerie in Frankreich . Die Ersatz- Reserve als Festungstruppe.
D. H. Z. 98.
D. H. 2. 99 .
Die Kavallerie in den Armeen der europäischen Grofsstaaten , in ihrer gegen wärtigen Organisation , Ausrüstung, Bewaffnung , Ausbildung und Ver wendung.
- I. R. A. Okt.
Das persische Heer der Gegenwart, seine Leistungsfähigkeit und nächstliegende Aufgabe. Der Landsturm.
· 1. R. A. Dez.
0. S. M. XII,
Das Heereserfordernis für 1888.
0. U. W. 87.
Die Genietruppen und der dreijährige Dienst. F. J. S. Sept. Nutzen, Organisation und Verwendung im Süden Algeriens von Infanterie auf Maultieren .
F. J. S Sept
Die Neuorganisation der Pioniere und Pontoniere. Die deutsche Kavallerie.
F. J. S. Nov.
- F. R. C. Sept., Nov.
Die Mobilmachung. – F. P. M. 721, 722. Die Feldartillerie.
F. P. M. 732.
Die Genietrappen .
F. P. M. 738.
Die Folgen der Mobilmachung des 7. Corps.
F. M. 1014.
Die Eisenbahnsappeure. F. M , 1086. Die Organisation und Verwendung der Küstenbatterien .
F. R. A. Sept.
Die schwedische Artillerie 1887. – F. R. A. Sept.
Peter der Groſse als militärischer Gesetzgeber. R. W. Die Ergänzung der russischen Armee mit Unteroffizieren.
S. Juli. R. W. S. Nov.
R. A. J. Sept. Die Artillerie der Zukunft. Die Militärschule zu Neapel. 1. R. Nov. Die Bezirks- Commandeure. 1. E. 138. Die englische Artillerie. E. B. A. 1012, 1014.
Zur Reorganisation des türkischen Heeres. Der Heeresdienst.
Sch . M. Z. 42 .
Sp. R. C. V , 7, 8. >
Die französischen Heeresveränderungen seit 1871.
Schw . K. H. XXI, XXII. Das Stärkeverhältnis der einzelnen Waffen zu einander in den verschiedenen Armeen. D. M. T. IX .
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze,
109
II . Ausbildung. * Anfangsgründe der Zahlen- und Raumgröſsenlehre . Im Auftrage der Königlichen Preuſsischen General-Inspektion der Artillerie zum Gebrauche als Leitfaden bei dem mathematischen Unterrichte in den Regimentsschulen
der Artillerie, sowie zur Benutzung beim Selbstunterrichte, bearbeitet von R. Foth , Feuerwerks - Hauptmann.
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* Instruktion über das Infanterie - Gewehr M/71/84 und dessen Munition . Als Leitfaden für den Unterricht der Mannschaft und als Hälfsbuch für
den Selbstunterricht für Offiziere, Unteroffiziere, Einjährig -Freiwillige, be arbeitet und durch 87 Abbildungen im Text erläutert von A. v. B. -8° 0,75 M. Berlin, Liebel'sche Buchhandlung. - 78 S. * Köhler's Leitfaden für den theoretischen Unterricht des Infan
teristen. Nach den neuesten Vorschriften umgearbeitet. Mit einem voll ständigen Abdrucke der Kriegsartikel für das Heer und einer Übersicht der vaterländischen Geschichte.
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Straſsburg i/E., R. Schultz & Co. * Strategisch - taktische Aufgaben nebst Lösungen. Von H. v. Gizycki , kart. 0,50 M.
Oberstlieutenant und etatsmäſsiger Stabsoffizier im 2. hannoverschen Feld Artillerie-Regiment Nr. 26.
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* Fingerzeige für den Rekruten - Offizier der Feld - Artillerie . 30 S.
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* Praktische Anleitung zur Ausbildung der Compagnie im Feld
dienst , mit besonderer Berücksichtigung des Gefechts, wie dasselbe durch das Infanterie -Gewehr M/71/84 bedingt wird.
Nach den jetzigen Vor
schriften und eigenen Erfahrungen neu bearbeitet von Hans Freiherr v. Reitzenstein , Oberstlieutenant 2. D., früher im brandenburgischen Füsilier-Regiment Nr. 35. Vierte Auflage. Mit Holzschnitten , Zeich Berlin , nungen und einer Signaturentafel zum Croquieren. 8° 92 S. .
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* Die Ausbildung der Rekruten der Infanterie in Wochenzetteln.
Unter Berücksichtigung der neuesten Verordnungen und Vorschriften aus der Praxis zum Gebrauch für Offiziere und Unteroffiziere, bearbeitet von
v. Busse , Hauptmann und Compagniechef im Grenadier-Regiment Nr. 2. - kl. 80 – 48 S.
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*Leitfaden für die Ausbildung der Unterführer und Mannschaften
im gefechtsmäſsigen Schieſsen. I. Teil. Gefechtsmäſsiges Schieſsen . Gefechtsmäſsiges Abteilungsschieſsen. wing.
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La mobilisation et la concentration . Expérience du XVII. corps d'armée, Paris, 394 p. avec une carte. 80 par A. Dally , lieut. colon, -
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. Einiges über die Ausbildung im Schieſsen. – M. W. 85. M. W. 89. Zum Gefechtsexerzieren der Compagnie.
Ein Übungsritt von Potsdam nach Hofgeismar und zurück.
M. W. 91.
110
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren , in den
Über die Erziehung des Soldaten .
M. W. 94.
Auch ein Wort zum Gefechtsexerzieren der Compagnie. Distanzeritte des dänischen Garde-Husaren -Regiments.
M. W. 95. M. W. 97. Manöver bei Sewastopol im September 1887. M. W. 98. Der Stabsoffizier -Curs des österreichisch -ungarischen Heeres. M , W. 100.
Nächtliche Schieſsübungen der russischen Feldartillerie. Zur Dressur der Remonten .
M. W. 101.
- M. W. 102.'
Der französische Mobilmachungsversuch.
N. M. B. Nov., Dez. N. M. B. Nov.
Über die Erziehung und Erzieher des Soldaten .
Feldartillerische Betrachtungen in den Manövern 1887.
A. M. Z. 88.
Die Ausführung der französischen Probe- Mobilmachung.
Über die Erfahrungen eines Dauerritts.
D. H. Z. 78.
D. H. Z. 82.
Die technischen Übungen in Frankreich . Die Ausbildung
D. H. Z. 88. Offiziere des Beurlaubtenstandes. M. Z. R. 45. -
Manöver der französischen Kavallerie. – 1. R. A. Dez. Ein Ritt der kaukasischen Kavallerie - Division .
J. A. M. Okt.
Die Einführung des Repetier-Gewehres in Frankreich und die hierdurch ver
ursachten Veränderungen der Schiefsvorschrift vom 11. November 1882. J. A. M. Nov.
Ein offenes Wort über die Mängel unserer Ausbildung. 0. S. M. IX , X. Taktische Betrachtungen über die im Sommer des Jahres 1885 mitgemachte Übungsreise. – 0. S. M. IX , X.
Die Schieſsinstruktion für die Infanterie und die Jäger - Truppe des k. k. Heeres vom Jahre 1879.
0. W. V. XXXV, 4.
Der Mobilmachungsversuch . - F. S. M. 171, 172. Das Exerzieren und die Manöver der belgischen Infanterie .
F. S. M. 171 .
Die Mobilmachung der 4. technischen Sektion der Eisenbahnarbeiter.
F. S. M. 174 .
Die Manöver des IX. Corps 1887. – F. S. M. 173, 174, 175.
Betrachtungen über die Kavallerie -Manöver zu Chalons 1886. Die französische Kriegsakademie.
.
Die Mobilmachung des 17. Corps. Die Brigade -Manöver der Kavallerie.
F. M. 1016.
F. Die Kavallerie bei den Manövern des IX . Corps. Grundsätze für die Manöver der bespannten Batterien .
Über die Übungen der Reserven .
F. J. S. Sept.
F. A. M. 1204–1206 . F. P. M. 716, 718. M. 1073.
F. R. A. Nov.
R. W. S. Aug.
R. A. J. Okt. Die preuſsischen Festungsmanöver bei Königsberg 1886. Das Nachtschieſsen dreier Batterien des 14. Armee-Corps 1887. R. A. J. Okt. Der Luftschifferpark bei den groſsen Manövern 1886 zwischen Brest -Litowsk und Bialystok. R. I. J. Juni, Juli. Die gymnastische Schule und die militärischen Vorübungen beim Heer. - I. R. Nov, Die Artillerie bei den groſsen Manövern im Sacco -Thale. - I. E. 131. Der Truppenzusammenzug der VI. und VII. Armee-Division. Sch . M. Z. 40-49. -
-
Die Truppenversammlungen 1887.
Sch, R. M. IX .
Betrachtungen über die deutsche Schiefsvorschrift vom 27. Februar 1887. M. S. XII. Die Herbstmanöver.
P. R. M , XIX .
Nd.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
111
III. Krieg-, Heer- und Truppenführung, Truppendienst. * Die Infanterie im Gefecht allein sowie mit anderen Waffen und im kleinen
Kriege von Georg Cardinal v. Widdern , Major und Direktor der königl. Kriegsschule zu Neiſse. Skizzen und einer Skizzen - Beilage.
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Gera, A. Reisewitz. Nach dem fran zösischen Infanterie-Exerzier-Reglement vom 29. Juli 1884 und der „ Instruktion 183 S.
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-
* Die neue Fechtweise der französischen Infanterie.
pour le combat“ vom Jahre 1887, bearbeitet von einem deutschen Infanterie Mit zahlreichen Skizzen auf 6 Tafeln . – 8º – 58 S. - Darm stadt, E. Zernin . Offizier.
* Strategische Briefe II. Von Kraft Prinz zu Hohenlohe - Ingelfingen , General der Infanterie à la suite der Armee, General-Adjutant Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Mit einer Skizze und einem Schlacht plan in Steindruck . go 274 S. Berlin, E. S. Mittler & Sohn . -
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* Die Offizier - Patrouille und die strategische Aufgabe der Kavallerie von Georg v. Kleist , Rittmeister. -8° - 59 s. Berlin, E. S. Mittler -
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* Auszug aus den allgemeinen Dienstvorschriften des Eisenbahn 16 S. Heft II. Der - 0,15 M. Regiments. Heft I. Vorarbeiten. 71 S. Heft III. Der Brückenbau. 0,30 M. Erdkörper. 32 S. Heft IV. Der Eisenbahn -Oberbau. 63 S. 0,50 M. 0,50 M. -
-
Heft V. Allgemeine Vorschriften behufs Verhütung von Unfällen. 0,15 M.
15 S.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn.
La défense du territoire français. Etude critique de l'organisation du sol de la situation de l'armée et de l'état de la défense des armes et de la
tactique en France, par le lieutenant- colonel Oméga. Ouvrage enrichi de 7 cartes stratégiques. 3,50 fr.
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16
Paris, Librairie illustrée.
Einiges über Strategie. - M. W. 80. Taktische Neuerungen der schweizerischen Infanterie. M , W. Amerikanische Verwendung der Kavallerie. Geist und Form im Infanteriegefecht.
M. W. 87 . 90. M. W. Bhft. X - XII.
Bemerkungen zu einigen Kavallerie - Angriffen aus dem Feldzuge 1870. N. M. B. Okt.
Die neue schweizerische Vorschrift für das Infanterie -Gefecht. A. M. Z. 71-73. Über das Gefecht der Artillerie. A. M. Z. 76-80. Die französische Vorschrift für die Gefechtstaktik der Artillerie vom 1. Mai 1887. A. M. Z. 82-84.
Ein Rückblick auf die Strategie Napoleons I. und seiner Gegner in den Feldzügen 1812 - 1815.
A. M. Z. 92, 93.
-
Betrachtungen and taktische Beleuchtung der Schlacht bei Beaune la Rolande am 28. Nov. 1870.
-
D. H. 2. 75, 78, 79.
Das Fenergefecht der Kavallerie.
M. Z. R. 45.
Lehren aus einigen Kavallerie- Angriffen auf Infanterie im ersten Teile des Krieges 1870/71.
M. Z. R. 47.
Über Versorgung der Infanterie mit Munition.
1. R. A. Nov.
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
112
Form und Geist in ihrer Bedeutung für das Gefecht zwischen Kavallerie und Infanterie.
J. A. M. Okt., Nov.
Die Schwierigkeiten der Feuerthätigkeit der Feldartillerie in gröſseren Verbänden. J. A. M. Okt., Nov.
Die neue Felddienstordnung für das deutsche Heer. 0. S. M. IX , X. Zur Frage über den Einfluſs des Magazingewehrs auf das Gefecht. -0. IX , X. Die Offensiv- und Defensivkraft Russlands.
S. M.
0. S. M. IX , X.
Über Rückzüge und Rückzugsgefechte. Mit Beispielen aus der Kriegsgeschichte. 0. S. M. XI. Zur Infanterie - Taktik . Gewehr und Geschütz. -
0. S. M. X1.
0. S. M. XI,
0. S. M. XI. Aufsätze über Festungskrieg. Moderne Schieſsregeln in den Feldbatterien der Groſsmächte und wünschenswerte
Reformen im Artilleriewesen .
0. S. M. XI, XII,
Die neuen französischen Gefechtsvorschriften . 0. S. M. XII . Der Feuer -Angriff der Infanterie. O. S. M. XII.
Zugeteilte Kavallerie.
0. W. V. XXXV, 2.
Selbstthätigkeit der Unterführer.
0. W. V. XXXV, 2.
Einige Gedanken über zeitgemäſse Vorbereitung und Führung des Infanterie Feuergefechts. 0. W. V. XXXV, 3.
Über die Ausnützung der Schulspräzision eines Geschützes. Märsche in Gebirgsgegenden. – F. J. S. Sept. Die Bedeutung der befestigten Lager. Schutz und Verteidigung der Grenzen.
0. A. G. VIII.
F. J. S. Sept., Okt. F. J. S. Nov.
Unabhängig oder unnütz. – F. R. C. Nov. -
Der Angriff auf Verschanzungen. – F. C. M. 40, 41. Betrachtungen über das Schieſsen aus Repetier-Gewehren .
F. C. M. 42.
Der Aufklärungsdienst in der französischen Kavallerie während der Kriege der Republik und des Kaiserreichs.
F. C. M. 43, 44, 45.
Der gegenwärtige Aufklärungsdienst der Kavallerie in den fremden Armeen I. Russland. V. Italien .
II. Deutschland . F. C. M. 46-49.
III. England.
Das Durchschreiten von Gebirgsstrichen.
IV. Österreich - Ungaro.
F. C. M. 46.
Die reitenden Batterien im Felde und ihre Instruktion im Frieden. - F. C. M. 47, 48.
Militärische Operationen in den Alpen , Die Divisions -Artillerie .
F. C. M. 49.
F. A. M. 12, 14.
F. M. 1035 , 1046, 1050 , 1053, 1068, 1072 , 1085 . Das Festungsviereck Morvan . F. R. M. Sept., Okt., Nov. Gemeinschaftliche Operationen von Heer und Flotte. R. W. S. Sept. Die Verwendung der Feldartillerie bei kleinen Detachements.
Über die Verwendung von Artilleriemassen . Die Kavallerie auf dem Schlachtfelde.
R. W. S. Okt. R. W. S. Nov.
1. R. Sept. Die Kampfweise des Bataillons. Über Nachtgefechte. -- I. R. Nov. Die Belagerungs -Artillerie während des Angriffs und die neue Bewaffnung der Infanterie. – 1. A. G. Okt.
Die Kommunikationslinien in den jetzigen Kriegen.
E. U. S. 141.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze. 113
Die moderne Taktik .
E. N. M. Dez.
E. B. A. 1004. Die Verteidigung der Flüsse und Häfen Groſsbritanniens. Sch . R. M. IX . Lehren aus den Feldzügen der Engländer seit 1865 .
Die taktische Verwendung des schweizerischen Repetiergewehrs.
Sch. A. G.
VIII - IX .
Die Aufstellung von geschlossenen Truppen. Nd . M. Sp. XI. Über den Einfluſs der neuen Handfeuerwaffen auf die Taktik . Das moderne taktische Moment “ der Infanterie. Die Stellung Helder . Nd. M. G. VI.
Nd. M. G. -
Nd. M. S. XII. V.
-
Die französisch - deutsche Grenze vom historischen und strategischen Standpunkt. B. R. M. III.
Der Vormarsch und Offensiv- Kampf einer Division . B. R. M. III. Die moderne Feldartillerie und ihre Verwendung auf dem Schlachtfelde. B. R. M , 111.
Kämpfe um Wasserläufe. Sp. R. C. V , 7, 8. Die Wirkung des Infanteriefeuers auf dem Schlachtfelde.
Sp. R. O. V , 9.
10 , 11,
Betrachtungen über das neue taktische Reglement der Kavallerie.
Sp. R. c .
V , 11.
Die Verteidigung in den französischen Pyrenäen .
Sp. M. I. XVIII, XIX .
Gefechtstaktik und Dienst der Kavallerie im Felde .
P. R. S. IV .
Der Dienst der Artillerie im Belagerungskriege.
P. R. S. IV . -
Die Verwendung der Kavallerie im strategischen Dienst. Die Versorgung der Infanterie mit Munition im Gefecht.
N. M. T. X.
N. M. T. X.
IV. Befestigungswesen, milit. Bauten . * Leitfaden in der Feldbefestigung . Zum Gebrauche in den k, k, Militär Bildungs - Anstalten , Kadetten -Schulen, dann für Einjährig - Freiwillige.
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arbeitet von Moritz Ritter v. Brunner , k. k. Oberstlieutenant im Genie - Stabe u. 8. W.
Fünfte, ganz neu bearbeitete Auflage.
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- gº -
-
215 S.
Wien, L. W. Seidel &
De la fortification depuis Vauban ou examen des principales innovations qui s'y sont introduites depuis la mort du grand homme , par le général de division Prevost de Vernois.
gº - 2 vol. et 1 atlas.
Paris, Dumaine
Zar Frage: Über die Beseitigung der heutigen Festungsenceinten. – N. M. B. Okt. Zwei kriegsgeschichtliche Beispiele für die Befestigung einer französischen Ort schaft.
-
N. M. B. Okt.
Die Verstärkung einer Verteidigungslinie, erläutert an der Stellung der deutschen Armee an der Lisaine, Januar 1871. – N. M. B. Dez.
stärkung französischer Festungen . – D. H. 2. 94 . Die Ver Batter
iebau . · I. R. A. Okt. Über Die Festungsverstärkung, brieflich besprochen . – I. R. A. Nov. -
Die Befestigungen der Niederlande. Die belgische Maasbefestigung .
J. A. M. Okt. — Dez, J. A. M. Nov. -
-
Jahrbücher für die Deutscbe Armee und Marine, Bd. LXVI., 1. 8
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
114
Bosnische Militärbanten .
0. M. Z. 84, 85 .
Die Irrtümer der heutigen Befestigungskunst. Das Lager bei Moskau.
F. J. S. Okt.
· F. C. M. 48.
Eine neue Methode für den Umriſs gedrückter Gewölbe und Prüfung der bis F. R. M. Sept., Okt. herigen Methoden. R. I, J. Sept. Kasematten und künstliche Hindernisse. I. A. G. Sept. Die verschanzten Lager.
Die Kaserne Victor Emanuel in Foligno für ein Feldartillerieregiment. – I. A. G. Sept.
Die moderne Befestigung gegenüber den neuen Angriffsmitteln.
-
Nd. M , Sp.
X , XI. Nd, M. G. VI. Die belgischen Maas -Festungen. Sp. Schleunige Befestigung auf dem Schlachtfelde. P. R. S. IV. Das Eisen beim Befestigungswesen , -
-
M. I. XVIII - XXIII.
-
V. Waffen und Munition ( auch Theorie des Schieſsens und dergl.).
* Krupp und de Bange. Von E. Monthaye , capitaine au corps d'état major belge, ancien lieutenant d'artillerie, détaché au ministère de la guerre. Mit 4 Figurentafeln und einer Photographie der Krupp'schen Fabrik .
Vom Verfasser autorisierte Übersetzung von Rogalla v. Bieberstein. gº
-
241 S.
Berlin , Fr. Luckhardt.
-
- 4 M.
* Betrachtungen über das Einschieſsen mit Belagerungs- und Festungs geschützen. Von Wiebe , General der Infanterie z. D. Besonderer Abdruck aus dem Juni-Heft 1887 des „ Archiv für die Artillerie- und Ingenieur-Offiziere des deutschen Reichsheeres“ . 80 28 s. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. – 0,60 M.
* Die geschichtliche Entwickelung der Handfeuerwaffen , bearbeitet nach den in den deutschen Sammlungen noch vorhandenen Originalen von gr. 8º – 100 S, Text.
Zweiter Teil. M. Thierbach , Oberst z. D. 6 Dresden, C. Höckner. 4 Bl. Zeichnungen.
-
.
Das Repetiergewehr der deutschen Armee. M , W. 95. Die Bestimmung der Visiere beim indirekten Schieſsen .
M.
-
Einiges über Raketen .
M. W. 96.
A. M. Z. 95.
Zur Frage über das kleine Kaliber und die Neubewaffnung der Infanterie . D. H. Z. 90 .
Über die Gewehre kleinen Kalibers.
M. Z. R. 41.
Über die Ermittelung der in den einzelnen Zeitmomenten verbrannten Pulver mengen und der Brenngeschwindigkeit des Pulvers. Über den Rücklauf der Geschütze.
4. A. 1. Okt.
0. M. Z. 69.
Hellofit -Sprenggranaten. – 0. M. Z. 87. Vereinfachung der Regeln für den Gebrauch des Zeitzünders. Über die Wahl des Kernschusses für das Kriegsgewehr. Die automatische Mitrailleuse Maxim .
F. R. A. Sept.
F. R. A. Okt.
F. R. A. Okt.
Die Versuche mit Handfeuerwaffen in Schweden während der Jahre 1884—1886 . -
- F. R. A. Okt.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
115
Die hauptsächlichen Versuche der österreichischen Artillerie im Jahre 1886. F. R. A. Nov.
Die Sprengstoffe der Zukunft.
R. A. J. Juli.
Die artilleristischen Versuche Österreichs. Über Panzertürme.
Das Repetier-Gewehr. Säbel und Bajonett,
R. A. J. Sept.
R. A. J. Sept. –- I. R. Sept. R. Okt.
-
Über die Winkel bei den weitesten Würfen und andere ballistische Fragen . I. A. G. Sept. 1. A. G , Okt.
Das indirekte Zielen bei der Feldartillerie.
Der indirekte Schuſs mit Belagerungsgeschützen.
1. A. G. Okt.
E U, Die Genauigkeit der englischen Feld -Entfernungsmesser, Die pneumatische Dynamit - Torpedo-Kanonen. – E. N. M. Dez. E. B. A. 1006. Das Magazin -Gewehr. Eine Betrachtung über die Derivation der Geschosse . Nd. M. Sp. X. Die heutigen Radlafetten .
Sch . A. G. X.
Umdrehungsbewegungen der länglichen Geschosse. F. R. S. 22–24. Die Bewaffnung der Infanterie.
P. R. S. 22-24.
-
Äuſsere Ballistik . Br. R. M. 1-111. Das Jarmann'sche Repetiergewebr. N.
S. 141.
M. T. X.
VI. Militär - Verkehrswesen
(Eisenbahnen , Telegraphen , Telephon , Brieftauben u s , w.).
Traité élémentaire de télégraphie et de télégraphie militaire par E. Mercadier.
gº
283 P.
Paris, Masson.
Die Kriegstelegraphie im Verlaufe der Jahrtausende.
N. M. B. Nov.
Die militärischen Brieftauben - Stationen Europas. 0. Das Straſsen- und Feldeisenbahn -System Leinwather.
U. W. 94 .
-
0. A. B. 40.
Überschiffung von Eisenbahn -Fahrmitteln mittels Pontons des k. k. österreichischen 0. A. G. IX . Kriegsbrücken -Materials über die Drau nächst Warasdin . Der Verpflegsnachschub im Kriege auf der transportablen Feldeisenbahn und
Bericht über die Feldeisenbahn - Ausstellung in Lundenburg im August 1886 . 0. A. G. IX , X. Der Nachschub zu den Armeen .
F , J. S. Sept., Okt.
Die Fortschaffung der Infanterie auf Dromedaren. Die Militär- Telegraphie.
F. C. M. 38.
- F. A. M. 1200.
Die unregelmäſsigen Transporte im Heeresdienst. – I. R. Okt. Die Luftschiffahrt.
1. A. G. Sept.
Die Luftschiffahrt und die Militär- Tauben .
Die Militär- Telegraphie. Die Militär- Luftschiffahrt.
B. R. M. lII.
Sp. R. C. V , 3—7. Sp. M. I. XVIII - XXII.
8*
116
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren , in den
VII. Militär - Verwaltungswesen (auch Verpflegung , Bekleidung und Ausrüstung ). Überblick über den heutigen Stand der Bewaffnung der Infanterie aller Staaten. N. M. B. Dez,
Das Velociped bei den französischen Manövern . Die eiserne Portion .
D. H. Z. 90.
I. R. A. Dez.
Neuerungen in der Feldausrüstung der k, k. Genie- Truppe und ihrer Reserve Anstalten .
0. A. G. VIII. Okt. E , U. S. 141. P. R. S. IV .
Ausrüstung und Munition, I. R. Die englischen Munitionskolonnen. -
Feldbacköfen .
VIII. Militär -Gesundheitspflege (auch Pferdekunde ) . Le Croix - rouge en France et dans la Gironde (1870 – 1887) par de Bordeaux, Coussan . 39 p . Pelleport - Burète. 80 Brennen oder Einreiben .
M. W. 92.
-
Die Beinleiden der Pferde. Pferde und Hufbeschlag.
N. M. B. Nov., Dez. D. H. Z. 97.
-
Der Sonnenstich.
0. W. V. XXXV, 3.
Versuch eines Verwundeten -Transports auf der Eisenbahn. Die Pocken mit Bezug auf die Armee. F. M 1084.
- F. M. 1051.
-
IX. Militär-Rechtspflege (auch Völkerrecht im Kriege). * Die Grundsätze des Militär - Strafverfahrens und dessen Refor . ' .
Von Dr. Emil Dingelmaier , k. k. Hauptmann-Auditor.
-
80 - 66
Innsbruck, Wagner'sche Universitäts- Handlung. Der Rechtsschutz in der österreichischen Armee.
1. R. A. Dez.
-
Die militärischen Rechtsverbindlichkeiten . – I. A. G. Okt.
X. Militärisches Aufnehmen, Terrainlehre, Geographie, Karten wesen und Statistik . * Griechenland , Makedonien und Süd - Albanien u. s. w.
Balkan - Halbinsel.
Die südliche
Militär - geographisch , statistisch und kriegshistorisch
dargestellt von Anton Tuma , k, k. Oberst im Infanterie -Regimente Frei herr von Beck Nr. 47.
gr. 8°
-
329 S.
Hannover, Helwing.
7 M.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
117
XI. Kriegsgeschichte (auch Regimentsgeschichten , Lebensbeschreibungen und Memoiren). * Geschichte des königlich sächsischen 6. Infanterie - Regiments Nr. 105 und seine Vorgeschichte 1701 bis 1887. Mit Benutzung offizieller Quellen bearbeitet. gr. 8º – 603 S. Straſsburg i. E.
* Kriegsgeschichtliche Einzelschriften .
Herausgegeben vom Groſsen Heft 8. Beiträge zur
Generalstabe. Abteilung für Kriegsgeschichte.
Geschichte des polnischen Thronfolgekrieges ( Feldzug am Oberrhein 1734). (Mit Karte). – Die Einzelkämpfe am Failly, Servigny und Noisseville am 31. August 1870. (Mit 1 Übersichtskarte und 3 Skizzen .) - 80 - 265 S. Berlin , E. S. Mittler & Sohn . 2,50 M. * Oliver Cromwell. Von Fritz Hoenig. Erster Band. II. Teil 1642 Berlin, Fr. Luckhardt. gr. 8 – 306 S. 1646. Mit 4 Plänen . 6 M.
bis
* Der serbisch - bulgarische Krieg von 1885. Eine militärische Studie von Sonderabdruck aus der „ Allgemeinen Militär
einem deutschen Offizier.
Zeitung “. – 8º – 121 S.
Darmstadt, E. Zernin.
-
* Napoleon als Feldherr. Von Graf Yorck v. Wartenburg , Hauptmann, Zweite Ausgabe.
aggregiert dem Generalstab. Erster Teil. 340 S. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. -
8°
7,50 M.
-
*Erlebnisse eines Gefangenen von Jena. Aus dem Tagebuch des könig lich preuſsischen Stabskapitäns im Feldjäger- Regiment Carl v. Reitzenstein . Herausgegeben von W. Freiherr v. Waldenfels, Premierlieutenant im königlichen bayerischen 2. Fuſs-Artillerie -Regiment. Berlin , E. S. Mittler & Sohn .
80 - 116 S.
2,25 M.
* Die kriegsgeschichtliche Überlieferung über Friedrich den Groſsen kritisch geprüft an dem Beispiel der Kapitulation von Maxen . Von Georg 80 Berlin, H. Heyfelder. 175 S. * General- Feldmarschall Helmuth Karl Bernhard Graf v. Moltke und
Winter.
der preuſsische Generalstab. Von A. Freiherr v. Fircks , Mitglied >
des königlich statistischen Bureaus, Hauptmann a. D.
– Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.
-
-
8°
Mit einem Porträt. 122 $ . Kottbus
P. Kittel. - 2 M.
* Scharnhorst.
Von Max Lehmann.
Zweiter Teil .
Seit
dem
Tilsiter
Leipzig, S. Hirzel. * Kritische Rückblicke auf den russisch - türkischen Krieg 1877/78. Nach Aufsätzen von Kuropatkin , damals Chef des Stabes bei General Frieden .
80
622 S.
Skobelew , jetzt General im kaiserlich russischen Generalstabe , bearbeitet von Krahmer , Oberstlieutenant im königlich preuſsischen Generalstabe, mit dem Range eines Abteilungschefs. Neue Folge. 3. Heft. (Des ganzen Werkes 7. Heft.) Die Blockade Plewnas. Mit zwei Plänen. 80 351 S.
-
Berlin, E. S. Mittler & Sohn.
3 M.
* Geschichte des 3. niederschlesischen Infanterie - Regiments Nr. 50 Auf Ansuchen des königlichen Regiments verfaſst von v . Boguslawski , Oberst und Commandeur des hohenzollernschen Füsilier-Regiments Nr. 40. Mit Karten und Plänen.
von seiner Errichtung 1860—1886.
-
go
-
452 s.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn .
10 M.
118 Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den * Ernste und heitere Erinnerungen eines Ordonnanz - Offiziers im Feldzuge 1870/71 von Carl Tanera , Hauptmann. Zweite Reihe. 80 – 230 S. Nördlingen , C. G. Beck. * Geschichte des schlesischen Pionier - Bataillons Nr. 6 von seiner
Gründung bis Ende 1886. Von Schrötter , Premierlieutenant im schle Mit einem Porträt und zwei Uniform Berlin, E. S. Mittler & Sohn. 1,50 M. * Schlachtenatlas des neunzehnten Jahrhunderts . Zeitraum 1820 bis sischen Pionier -Bataillon Nr. 6. - 77 S.
kl. 8°
bildern .
zur Gegenwart.
12. und 13. Lieferung: Deutsch - dänischer Krieg 1864
Nr. 4. Das Gefecht bei Översee am 6. Februar 1864, Plan mit Text. Feldzug 1859 in Italien. Nr. 2. Das Gefecht bei Monte bello am 20. Mai 1859, Plan mit Text. Deutsch -französischer Krieg 1870/71. Nr. 7. Die Schlacht bei Beaumont am 30. August -
1870, Plan mit Text.
-
Nr. 9. Die Vorgänge und Kämpfe bei
Metz vom Beginne der Cernierung bis zur Kapitulation. 19. August bis 27. Oktober 1870. I. Vom Beginne der Cernierung bis zum Vorabende der Schlacht bei Noisseville. 19.–30. August. Plan A, Situation gr. Fol. Iglau, P. Bäuerle. um Metz am 27. August mit Text. ng M. 2,65 Jede Lieferu -
-
.
* Précis de la campagne de 1859 en Italie. Avec 8 croquis dans le texte (XIX T. de la Bibliothèque internationale d'histoire militaire). Bruxelles, C. Muquardt.
297 p .
Memoires du général Cluseret , le deuxième siège de Paris. 2 vol. 18º – 284 et 292 p.
Paris, Lévy. – 3 fr. -
Le premier grénadier de France La Tour d'Auvergne par Villenave. 8º – 69 p. – Limoges, Ardant, Le siège de Beauvais en 1472 et Jeanne Hachette par André Talmont. go
Limoges, Barbou.
144 p .
-
Historique du 3. régiment de zouaves , rédigé par le lieutenant A. Mar joulet , d'après les ordres du colonel Lucas commandant le régiment. gº
328 p.
Paris, Charles Lavauzelle.
Historique du 14. bataillon de chasseurs à pied. 46 p. 160 Grenoble, Baratier et Dardelet. Forbach . Froeschwiller. La journée du 6 août 1870, par un Lorrain . 160
45 P :
Paris, Dentu.
1 fr.
La guerre de Cent ans , par A. de la Porte. Lefort.
222 P.
80 -
Paris,
-
Résumé de l'historique du 29. bataillon de chasseurs à pied. 18 P.
-
-
80
Castelsarrazin, Condol.
80 Armée de Châlons. Sanglants combats par George Bastard. 3,50 fr. Paris, Ollendorf. gravures de Detaille et de Katkow . Souvenirs d'un Dragon de l'armée de Crimée (avril 1854 - juillet 1856) Paris, Hachette. 3,50 fr. 80 par Ch. Mismer. 307 p. -
La 57. demi -brigade de l'armée d'Italie dite la Terrible que rien n'arrête , par le baron Raverot.
-
80
-
43 p. – Lyon, Mougin
Rusand.
Essai sur l'historique du 13. régiment d'infanterie. Paris, Baudelot. -
16°
32 p . -
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
Les derniérs jours de l'armée du Rhin (19. août — 29. octobre). 2 cartes des operations militaires par A. Duquet.
119
Avec
360 P.
8°
Paris, Charpentier. – 3,50 fr. Historique abrégé du 92. d'infanterie par M. le lieutenant Réthoré , sous Paris, Charles 96 p. les auspices de M. le colonel Paquette. 320 Lavauzelle.
0,30 fr.
La 132. demi - brigade ; deux ans à l'armée de Sambre et Meuse (1794– 1796 ) par G. Du Martray. – 8° - 134 p. Paris, Baudoin, -
Le 51. chasseurs , par G. Courteline.
16°
Paris, Marpon.
255 p.
0,60 fr.
Zur Vorgeschichte der italienischen Unternehmung gegen Abessinien. Die Hessen vor Belgrad und auf Sizilien 1717 bis 1721 . M. W.
Bhft. IX .
Über den Feldzugsplan Friedrichs des Groſsen im Jahre 1757.
M. W. Bhft.
· M. W. 103.
-
X - XII.
M. W. Bhft. X - XII.
Das Heer des römischen Kaiserreichs.
Die Bayern -Kämpfe in Tyrol im Jahre 1809.
N. M , B. Nov.
Der Feldzug des Groſsen Kurfürsten Friedrich Wilhelm gegen die Schweden im Jahre 1675 vom Main bis zur mecklenburgischen Grenze. N. M. B. Nov. Der Rückzug der Verbündeten nach der Schlacht bei Bautzen bis zum Waffen stillstand .
-
N. M. B. Dez ,
Die Operationen der II. Armee nach der Wiedereinnahme von Orleans bis zu den Gefechtstagen von Le Mans 1870/71.
N. M. B. Dez.
D. H. Z. 91. Zwei Briefe über die Schlacht bei Preuſsisch -Eylau . Die schlesische Artillerie in den Jahren 1807-1816 mit besonderer Berück
sichtigung der Teile, welche später in das schlesische Feld - Artillerie-Regi ment Nr. 6 übergingen . A. A. I. Sept., Okt. Friedrich des Grofsen Beziehungen zu seinen Generalen. -
J, A. M. Okt.
Nochmals die bayerische Reiter- Brigade Seydewitz bei Eggmühl (22. April 1809) J. A. M. Dez.
Zur Geschichte des Kriegsjahrs 1808 in Spanien und Portugal
.
J. A. M. Dez.
Der Aufstand der Pariser Kommune 1871 . 0. W. V. XXXV, 2. General Mac Clellan. 0. W. V. XXXV, 3 .
Todlebens Abkunft, Jugend- und erste Dienstzeit.
Die französischen Expeditionen nach Tonkin .
0. W. V. XXXV, 4.
F. S. M. 171-176.
Das Geheimnis von 1812. F. S. M. 171. General Friant. F. S. M. 172-175 .
Zwei Kämpfe unter Ludwig XIII. - Pont de Cé und Poligny. Die französische Armee und Marine vor der Revolution.
F. S. M. 172.
F. J. S. Sept., Okt.
Nov.
F. J. S. Okt., Nov. Geschichte des 145., 146. und 147. Regiment. F. J. S. Okt. Eine Kolonne im französischen Sudan.
Das französische 2. Kürassier-Regiment, das 2. Husaren-Regiment, das 3. und 4. Dragoner-, das 3. Chasseur -Regiment. Die drei Colberts.
F. R. C. Sept., Okt., Nov.
F. R. C. Okt., Nov.
Historische und taktische Studie über die deutsche Kavallerie im Kriege 1870/71 . F. R. C. Okt.
Notizen über den Marschall Macdonald .
-
F. C. M. 38.
Das Regiment Piémont bei Oudenarde und Malplaquet (1708–1709). — F.C. M. 39,40,
120
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Zwei Jahre in Tonkin ( 1884–1886 ). F. R. M. Okt. , Feldzüge nach Indien. R. W. S. Juli . Der Zug des Generals Gurko über den Balkan im Juni und Juli 1877. - R. W. S. Juli.
Die Expedition nach Achal- Teke 1879.
R. W. S. Sept.
Die Thätigkeit des 3. Sappeur -Bataillons 1877–1878.
· R. I. J. Sept. 1. A. G. Sept.
Die italienische Feldartillerie in den Unabhängigkeitskriegen .
Nd. M. Sp. X. Die Artillerie unter Moritz und Heinrich Friedrich von Nassau , Prinzen von Oranien. Sp. R. C. V , 3. Der serbisch -bulgarische Krieg 1885. Schw . K. H. XVIII, XIX , XX .
Prinz Friedrich der Niederlande . -
XII. Marine - Angelegenheiten. Théorie du navire , par E. Gugon , suivie d'un traité des évolutions et allures Paris, Berger 110 p. avec fig. 8° par le contre- amiral Mottez. .
Levrault. – 6 fr.
Histoire de marins de la France , de l'Angleterre et de la Hollande par Bescherelle. 8° 224 p . Limoges, Ardant. Etudes sur l'histoire militaire et maritime des Grecs et des Romains gº par le contre -admiral Serre. 272 p . Paris, Baudoin. – 3 fr. -
L'amiral Courbet d'après les papiers de la marine et de la famille Paris, Cerf. · 376 p. et portrait. 18 ° par E. Ganneron. -
Seeminenübung bei Portsmouth .
D. H. Z. 97. - I. R. A. Okt.
Panzerschiffe und geschützte Kreuzer.
-
Corsika und die Straſse von Bonifacio gegenüber Italiens maritimer Machtstellung. 1. R. A. Okt.
Die Entwicklung der österreich -ungarischen Kriegsmarine. Die Flottenmacht Russlands.
1. R. A. Dez.
1. R. A. Dez.
Die Taifune der chinesischen Meere.
A. H. M. IX .
.
Einheitliche Betonungssysteme unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Betonungssystems. Α. Η . Μ. Χ . Die nordamerikanische Seemacht in ihrem heutigen Zustand. J. A. M. Dez. Rückblieke auf die Entwicklung der k. k . Flotte. 0. W. V. XXXV, 4 . -
-
Fortschritte in der Entwicklung des Schiffsmaschinenwesens. Das Kanonenboot in der Küstenverteidigung.
0. M. S. X.
0. M. S. X.
Über den Schutz der Handelsschiffe in Kriegszeiten. —O. M. S. XI. Die englischen Flotten -Manöver 1887. – 0. M. S. XI. Vor- und Nachteile der verschiedenen Panzerungsarten moderner Kreuzer. -
0. M. S. XI.
Historische Studien über die militärische Marine Frankreichs. Okt., Nov.
F. R. M. Sept.,
Instrument zum Kontrollieren der Bewegungen der Schiffsmaschinen ,
F. R. M.
Nov.
Über Vorherbestimmung des Wetters vermittelst Karten .
R. M. S. Juli.
R. M. S. Aug. R. M. S. Aug., Sept.
Der Tiefenmesser des Lieutenants Asarow .
Über die Blockade zu Wasser .
Über die Apparate zur Hebung der Torpedo-Kutter auf der Fregatte Dimitry Donskoi und im Allgemeinen.
-
· R. M. S. Sept.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
Die italienischen Marine-Ausgaben . Die italienischen Seeleute in Spanien,
-
121
1. R. M. Sept. 1. R. M. Sept., Okt.
Die See-Strategie und Manöver auf der Karte als Friedensübung. – 1. R. M. Sept I. R. M. Okt. Die groſsen englischen Seemanöver. I. R. Die Theorie der unterseeischen Minen von 1810-1886. Die Blockaden im Hinblick auf die bestehenden Kriegsgesetze.
Die Reformen in der Marine,
Der Stapellauf der Schiffe.
M. Okt. E. U. S. 141 .
E. U. S. 141 . E. N. M. Dez.
Der Zustand der englischen Flotte. Der Telegraph und die Seemanöver.
E. A. H. 163. E. M. T. 43 .
Die neuen Kreuzer. – A. A. N. 1255, 1256. Sp. R. C. V , 8. Die spanische Kriegsmarine. Br. R. M. 1 - III. Die englische Marine.
XIII. Verschiedenes. *Alphabetisches Sach - Register zu den ersten zzwanzig Jahrgängen des Armee - Verordnungs - Blattes 1867 bis 1886. – 40 234 S. -
Berlin , E. S. Mittler & Sohn.
-
7,50 M.
* Ein Soldatenleben in Krieg und Frieden von Hermann Lüders. Mit Illustrationen vom Verfasser. – gr. 8º – 1870. Stuttgart, deutsche Verlags -
Anstalt.
- 5 M.
* Beiträge zur Kenntnis der französischen Infanterie auf Grund des reglementarischen Vorschriften. 3 M.
Hannover, Helwing.
117 S.
8°
* Militärische Briefe . III. Über Feld-Artillerie. Von Kraft Prinz zu Hohenlohe-Ingelfingen, General der Infanterie à la suite der Armee, General Zweite Auflage . Adjutant Seiner Majestät des Kaisers und Königs. gº
244 S.
-
Berlin , E. S. Mittler & Sohn.
4 M.
* Die Zäumung bei Reit- und Kutsch pferden. Eine rationelle Zäumungs lehre auf teilweise neuen , als richtig nachgewiesenen , Grundlagen nebst
Bemerkungen über Reiterei, Gebiſs- und Zügelwirkung von Spohr, Oberst lieutenant z. D.
80
184 S. Hannover, Schmorl u. v . Seefeld .
* Der Reserveoffizier als Kaufmann , Studierter und Staatsbürger , von G. Q. Hildner , Major a. D. Nachfolger. – 0,60 M.
8°
Berlin, R, Eckstein
56 s.
* Die Welt in Waffen von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart.
Zweiter
Band. Kriegswesen und Kriegführung vom Ausbruch der französischen Revolution im Jahre 1789 bis zum Jahr 1860.
und E. Schnackenburg .
Von K. G. v. Berneck
Vierte Auflage.
8°
-
384 S. Leipzig,
0. Spamer.
* Kriegspoesien. Klänge der Zeit und der Zukunft von Rudolf von Schmeling. · 80 -
121 S.
Berlin, Walther & Apolant.
-
- 2 M.
* Unser Fritz , Kronprinz des deutschen Reiches und von Preuſsen. Dritte vollständig umgearbeitete und vermehrte Auflage. Von Hermann Müller Lohn. - 80
Mit 1 Porträt in Lichtdruck und 14 Holzschnitten . Ausgabe. 1. 200 S.
Kottbus , Paul Kittel .
1,75 M.
*Reise S. M. Schiffes „Zrinyi “ über Malta ,Tanger und Teneriffa nach Westindien in den Jahren 1885 a. 1886. Auf Befehl des k. k. Reichskriegsministeriums, mit Zugrundelegung der Berichte des Schiffskommandanten zusammengestellt
122
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren in den
von Jerolim Freiherr von Benko , k. k. Korvetten -Kapitän. Heraus gegeben von der Redaktion der „Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens.“ Pola, C. Gerolds hn . gr. 80 - 277 S. * Dicht am Feinde. Leben einer amerikanischen Offiziersfamilie im fernen -
-
Westen von Elisabeth B. Custer. Aus dem Englischen frei übersetzt von Erich Kling, Premierlieutenant im 2. Württembergischen Feldartillerie
Regiment Nr. 29. Mit Abbildungen und einer Übersichtskarte. 80 5,25 M. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. 261 S. Erzählt von einem älteren Infanteristen . * Ein Sommernachtstraum . 89 - 82 $. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. 1,50 M. -
-
-
* In Treue fest.
Gedenkbuch für das deutsche Heer.
-
gº
-
Berlin, Vossische
Buchhandlung. – 4,50 M. (Notizkalender).
* Aus dem alten Hannover. Erinnerungen und Erfahrungen von Hermann Vogt, Oberstlieutenant a. D. * Armee - Kalender 1888.
H. v. Below , königl .
346 S. 8° Berlin, R. Eisenschmidt. 5 M. Ein Abreiſs-Kalender für das deutsche Heer von preuſs. Generallieut. z. D. Berlin, R. Kühn. — 2 M. -
Nos Zouaves. Historique ; organisations; faits d'armes ; les regiments ; vie in time, par P. Laurencien. Avec 100 illustrations. -- 89 – 268 p. – Paris, Rothschild,
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Les chiens militaires dans l'armee française par L. Jupin , lieut. au 32. regt. d'infant. Paris, Berger-Levrault. 80 – 175 p. Chants et chansons militaires de la France , réunis par le major H. de 228 p. Paris, 12° Sarrepont et illustrées pas Louis Morin. Librairie illustrée. – 3,50 fr.
* L'officier allemand , son rôle dans la nation , par un officier d'infanterie. 16º – 201 p.
Mitteilungen aus China. Kavalleristisches.
Paris, Westhausser.
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M. W. 78, 84.
M. W. 84.
Zur Frage der Bewaffnung der Kavallerie.
M. W. 86 .
Über die Reinigung der deutschen Sprache und die Reinheit des Ausdrucks, M. W. 86.
Selbstständigkeit und Schema.
M. W. 88. M. W. 94. Aus Scharnhorsts erster milt. Dienstzeit. M. W. 101. Reiterliche Skizzen. N. M. B. Okt. Die altvenetianischen Traditionen in den militärischen Orient- und Mittelmeer - Be ziehungen Italiens. N. M. B. Nov. Russlands Machtstellung im und am Schwarzen Meer. N. M. B. Okt.
Mitteilungen aus China.
Praktisches Löschwesen für militärische Defensiv- und Sicherungszwecke. N. M. B. Nov.
Der heutige Werth der österreichisch -ungarischen Armee.. – A, M. Z. . 89. Welche Mittel stehen dem deutschen Reiche zur Hebung seiner Wehrkraft noch zu Gebote ohne weitere Anstrengung seiner Finanzen . D. Das Schieſsen muſs Sport für die Kavallerie werden. Der Geist der Kriegführung einst und jetzt.
-
D. H. Z. 95. Der richtige Zügelgebrauch . Die russische Armee im siebenjährigen Kriege.
D. H. Z. 83–89. H. Z. 87.
D. H. Z. 94, 95 , D. H. Z. 99, 100.
Das französische Offiziercorps. - M. Z. R. 42, 43, 44 . Die Fortschritte der französischen Armee. - I. R. A. Okt.
123
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
Aphorismen über die skandinavischen Wehrverhältnisse. 1, R. Die kriegerische Eigenart der Völker Europas. – I. R. A. Nov. Die Festung Holland. 1. R. A. Nov. Dez,
A. Okt.
Die Momentphotographie im Dienste der Armee. – I.1. R. A. Dez. Zur Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung der Feld-Artillerie.
J. A. M. Dez.
-
Die Heere der französischen Revolution. Idealismus und Realismus in der Armee.
J. A. M. Dez. 0. S. M. XII.
Über die Kondition des Pferdematerials der Artillerie, Boulanger als Feldherr,
0. U. W. 85 .
0. M. Z. 78.
Die Bildung einer selbstständigen indochinesischen Armee. Die Alpenkompagnieen 1747. F. S. M. 174. Die Ehrenlegion. F. S. M. 176.
F. S. M. 173, 174.
Der nächste Krieg. F. J. S. Okt. Die französische Reitkunst. Ihre Schulen und Lehrer seit der Mitte des 15. Jahr. hunderts bis jetzt. F. R. C , Okt.
Die Ermordung des Marschalls Brune.
F. C. M. 42.
Das Kameel bei einem Kriege in der Sahara F. C. M. 46. Das Photographieren vom Ballon aus. F. C. M. 49. Der Ersatz von Pferden und Fahrern, die auſser Gefecht gesetzt sind, bei der Feldartillerie.
F. R. A. Nov.
Die Ausbreitung der russischen Macht in Asien. – R. W. S. Aug.
Über die wesentlichsten Fragen der kavalleristischen Technik. Das Heer und die Kriegsmarine.
R.
W. S. Okt.
1, R. Sept.
Der Einfluſs der Politik auf Vorbereitung und Führung des Krieges. Militärische Ansichten . – I. R. Sept.
1. R. Sept
Die Auswahl bei Beförderung der Offiziere. – I.1. R. Sept. Bemerkungen für die verschiedenen Aufgaben der Kavallerie . Die Rifle-Regimenter. – E. N. M. Dez. Die transkaspische Eisenbahn. - E. N. M.
- 1. R. Nov.
-
Die Geldmittel für Wehrwesen und Krieg .
Die Aufgabe der Schweizer Kavallerie .
Die Anfertigung von Lichtdrucken .
Dez.
Sch. M. Z. 50 . Sch . R. M. X.
Nd. M , S. XI.
Die Einfälle der afrikanischen Mauren in Spanien .
Sp. R. C. V , 9, 10.
Die voraussichtlichen Schauplätze eines der nächsten europäischen Kriege . Sp. R. C. V , 9, 11. Politisch -militärische Angaben über die verschiedenen Staaten Europas. – P. R. S. 22--24 .
Die internationalen Flüsse im Kriege. P. R. S. 22-24. Initiative und Verantwortlichkeit. P. R. S. 22. Das elektrische Licht im Heeresdienst. N. M. T. XI.
Berichtigung . Dez.-Heft. S. 298 Z. 12 v. u. lies : „ QUINNEBAUG “ anstatt „ QUINNEBANG “ . S. 305 Z. 13 v . u. S. 306 Z. 18 S. 313 Z. 12
„ cm “ anstatt „ mm “ . „ Widderschiffen “ anstatt „ Mittelschiffen “. ,,4083 Tons, 10,500 Pferdekraft “ anstatt 2
99
„ 5000 Tons, 7500 Pferdekraft “. Druck von A. Haack in Berlin NW ., Dorotheenstr. 55.
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VIII .
Ein amtliches Kriegstagebuch über die Belagerung von Mainz 1793, bearbeitet nach archivalischer Vorlage von
Dechend, Premierlieutenant im hessischen Füsilier-Regiment Nr. 80. Alle Rechte vorbehalten ,
( Fortsetzung.)
3. Berichte vom 27. April bis ( einschlieſslich ) 2. Mai. [ Der Feind setzt sich in und bei Kostheim mehr und mehr fest. Angriff desselben auf die Gustavsburg Nachts 16./17. und Ausfall aus Kostheim, Nachts 30./1 . Kostheim brennt. -]
In der Nacht vom 26./27. April überfiel der Feind die Gustavus burg , landete darauf mit Fahrzeugen , machte unterdessen von
Castel und von seiner hinter Kostheim neu angelegten Verschanzung eine Kanonade aufs Preuſsische Lager. Dieses hinwiederum feuerte mit Haubitzen und Kanonen auf den Feind , wodurch die Preuſsen
beständig beschäftigt wurden . Während dieses Lärmes erreichten die Franzosen ihren Zweck unbemerkt, indem sie bei der Gustavus burg sich in 2 Parthien theilten und mit einem Theil die vorderst gelegene Preuſsische, mit dem andern die dahinter liegende Sächsische Schanze überfielen und in ersterer einige Mann tödteten ,
den
Offizier und einige Gemeine blessierten und ihn sofort mit einigen Gemeinen gefangen nahmen. Dabei vernagelten sie 3 zwölfpfündige und 3 sechspfündige Kanonen . In der anderen Schanze , welche mit 1 Offizier, 4 Unteroffizieren , 36 Artilleristen und wieder mit
1 Offizier, 25 Infanteristen sächsischer Truppen besetzt war (und soviel waren ungefähr auch in der Preuſsischen Schanze) tödteten sie 2 Artilleristen und 1 Gemeinen vom Regiment Prinz Anton , blessierten 6 Artilleristen und 6 Bauern , welche zu den Arbeitern
gehörten, nahmen gefangen 1 Offizier ( Lieutenant Raab) 6 Artilleristen Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVI., 2.
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Ein amtliches Kriegstagebuch
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und führten damit weg nach Mainz 2 sächsische vierpfündige Granat stücke und 1 Regimentsstück. Was nicht gefangen wurde, zog sich zurück. Die Gefangenen sind einige Tage nachher wieder zur Aus wechslung überschickt worden. Die Preuſsen bohrten ihre Kanonen gleich wieder auf und schickten sie nach Flörsheim.
Das
ganze
Lager wurde durch diesen Überfall *) allarmiert und rückte aus. Den 28. sind von Flörsheim nach der Verschanzung vor Hoch heim 6 vierundzwanzigpfünder, die » Zwölf Apostel«, gebracht worden . Den 29. fubren viele kaiserliche Trains durch Erbenheim,
welche mit schweren Bomben beladen waren , auch ist schweres
kaiserliches Geschütz von Wien abgegangen und ohne zu rasten stark auf der Reise .
Den 1. Mai. Vorige Nacht um 1 Uhr wurden wir durch der Feinde Kanonieren aus Castel alarmiert und rückten aus, hinter
unsere Landwehr wie gewöbnlich. Der Feind drang sodann unter Deckung seiner neuen Verschanzung vor Kostheim , welche nur 9
200 Schritt von diesem Orte entfernt ist und vonwoaus der Feind
sich bis Kostheim mit einigen Laufgräben approchiert hat, in Kost heim ein, steckte solches um 2 Uhr in Brand. Nachgehends kam er mit einem Geschrei : Vive la nation ! auf die Preuſsischen Vor
posten , welche hinter Kostheim dichte daran plaziert waren . Diese nebst den Scharfschützen zogen sich laut Ordre zurück in die Schanze der Ziegelei, nachdem sie der Feind aus einer Flesche am Main , 150 Schritt vorwärts der Ziegeleischanze gelegen , zuerst vertrieben hatte. Diese Flesche ist mit Palisaden umgeben, in welche Schieſsscharten für Kleingewehr angebracht sind und welche mit Scharfschützen besetzt war, und indem solche in Anschlag lagen, waren die Franzosen im Sturm so kühn ihre Gewehre an zufassen
und daran zu ziehen .
Dieses erzählte ein Scharfschütze
seinem Offizier. Die Ziegeleischanze war mit 100 Mann besetzt, hat links am Main etwas Pfütze, Verhau und einen spanischen Reiter , wie auch vor dem Graben Wolfsgruben.
Rechts derselben
standen 300 Mann vom Bataillon Crousatz, links hinter der Ziegelei war der Wiesengrund durch die Cavalleriefeldwache gedeckt. Der Feind machte seine Attaque auf die 300 von Crousatz, welche als Piquet daselbst standen , wurde aber von den auf den Anhöhen gelegenen Batterien sowohl , wie auch vom Kleingewehrfeuer der 7
*) Am 28. Morgens 3 Uhr geschah ein ähnlicher Überfall gegenüber Biebrich , wo die zur Deckung des Darmstädter Lagers errichtete Batterie ( 4 Geschütze) gleiches Schicksal hatte, 2 Geschütze wurden genommen , 2 vernagelt.
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über die Belagerung von Mainz 1793.
Ziegeleischanze und des Piquets mit Verlust zurückgetrieben. dessen
blieb
der
Feind
in
Kostheim
und
verbrannte
In
mehrere
Häuser. * )
Bei diesem Ausfalle verloren die Preuſsen 2 todte Gemeine, an blessierten 1 Offizier und 7 Gemeine, an Pferden 1 todt und
4 blessiert. Der Feinde Verlust ist nicht zu bestimmen , weil sie die Todten gleich hinwegschleppten, ein Mainzer Emigrant hat aber verschiedene Wagen mit Blessierten fabren sehen , auch sollen 20 Todte in einem Keller in Kostheim gelegen haben. Auch kann man ibre Stärke bei diesem Angriff nicht angeben. Das einzelne Gewehrfeuer mitunter auch mit Kanonen , dauerte
an bis 9 Uhr Morgens und des Nachmittags gegen 5 Uhr fing es wieder an , jedoch ohne Wirkung. Der Feind verschoſs eine Menge Kugeln, alle zu kurz, auch begrüſsten sie die Sachsen mit einigen, die Preuſsen hingegen erwiederten mit ihren Aposteln « auf Mainz und wollen die Thurmspitze (des Domes) abgeschossen haben , auch mit hundertpfündigen Haubitzen schofs man auf ihre Schanze vor Kostheim. Kostheim war vorher von den Preuſsen nur
am Tage mit
1 Offizier und etwa 10 Mann besetzt, des Nachts aber nicht mehr, nunmehr haben sie ihre Vedetten dicht an Kostheim stehen und
die Scharfschützen sind auch wieder in der Flesche (am Main ). Die 2 Escadrons Borstel, so
hinter der Preuſsischen Cavallerie sonst
standen, sind jetzt herunter in die Wiese dicht am Main postiert, damit von daher sich nichts durchschleichen kann .
Den 2. Vorige Nacht war wieder Lärm von Gewehrfeuer des Feindes auf die Preuſsen, doch aber wenig, indessen muſsten wir ausrücken, welches jetzt fast alle Nacht geschieht. Heute erhöhten die 5 Bataillone Hessen vor ihrer Front die Landwehr .
Alle sächsischen Schildwachen haben vor sich einen Aufwurf
gemacht, hinter welchem sie in einem Graben stehen .
Kostheim brennt noch immer weiter und der Feind plündert noch alles vollends, was darinnen ist, besonders liegt noch Wein **) darin , aber die Einwohner sind schon einige Zeit vorher, seitdem dieser Ort dem Angriff exponiret war, hinweggezogen.
*) Das die Franzosen den Brand ausführten , ist nach allen Quellen wohl
anzunehmen, ihre besondere Absicht dabei ist nicht klar, sie glaubten wohl, nicht lange daselbst geduldet zu werden , **) In groſsen Vorräthen , welche der Feind sämmtlich nach Mainz brachte. 9*
Ein amtliches Kriegstagebuch
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Gegen Abend 7 Uhr marschierten ungefähr 150 Franzosen aus Castel nach ihrer neuen Verschanzung vor Kostheim , drangen
sogleich wieder durch Kostheim und trieben die Scharfschützen zurück, allein das Kanonenfeuer der Preuſsischen Batterie brachte den Feind wieder zum weichen sodann ihren Posten wieder ein .
und die Scharfschützen nahmen
1 Bataillon Jung Thadden, leichte Infanterie, ist an die Main spitze heut Abend ins Lager marschiert. *
*
4. Berichte vom 3. bis ( einschlieſslich ) 15. Mai. [ Eintreffen des Königs Friedrich Wilhelm II., die Preuſsen greifen Kostheim unter seinem Befehl an, 3. Mai ; weitere Gefechte
bei Kostheim folgen in der Nacht vom 5./6., 6./7. und am 8. Mai , sowie am 11. , 12. und 15., letztere mehr in Geschützkämpfen be stehend. Die Franzosen setzen sich daselbst immer mehr fest.)
Den 3. Sr. Majestät der König von Preuſsen kamen heute um 11 Uhr Vormittags nach Hochheim und waren der Kanonade um
diese Zeit zugegen , welche die Batterien wieder auf einander machten . *) Es heiſst Allerhöchst Dieselben werden heute wieder zar Armee über den Rhein zurückgehen. Sr. Majestät besahen Sich die Position bei Kostheim und beorderten dann das Regiment von
Borch und das Regiment von Crousatz den Feind in Kostheim und in der von demselben hinter dem Dorfe gemachten Schanze an zugreifen. Sr. Majestät waren bei dem II. Bataillon von Borch und Se. Königliche Hoheit der Kronprinz beim I. Bataillon als Com mandeur zugegen und animierten selbst die Soldaten , welches um 3 Uhr des Nachmittags ins Werk gesetzt wurde. Der Feind ward aus den am Ausgang des Dorfes gemachten Traversen gejagt und die Schanze mit Sturm erobert. Der Feind wehrte sich herzhaft, muſste aber dennoch weichen und es wurde dabei 1 vierpfündige
Kanone erbeutet. Nur die Grenadier-Compagnie (?) blieb in Kost heim , **) die anderen Bataillone zogen sich wieder ins Lager zurück. *) Man erwartete nur eine Parade, der König befahl aber sofort den Angriff. Die hier ersichtliche Darstellung unterscheidet sich in Einzelnheiten von derjenigen, welche Major v. Strantz in seinem Berichte giebt, vergl. Zeitschr, f. K., W. u. Gesch, d. Kr., 1831 , 22. Bd. , S. 223. Namentlich sollen nach der letzteren nur 3/2 Preuſsische Bataillone (Grenadier -Bataillon von Borch, Grenadier- Bataillon und II. Bataillon von Crousatz nebst 2 Compagnien von Strantz) an dem Kampfe theilgenommen haben , wenigstens in erster Linie. **) Dieser Umstand wird von Major v. Strantz sehr getadelt , er war jedoch .
über die Belagerung von Mainz 1793.
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Gleich nachher kam der Feind mit neuem Muth, griff die Preuſsen
wüthend an , lief grade unter die Batterien und nöthigte die Preuſsen die Schanze wieder zu verlassen , die sich nun unter ihren Batterien
nach dem Lager zurückzogen und noch aus dem Dorfe vom Feinde
verfolgt wurden , welches derselbe von neuem ansteckte , bis auf einige Häuser abbrannten und den Ausgang des Dorfes besetzt behielten . Der Major von Kamecke kam noch aus dem Lager mit 1 Bataillon zu Hülfe.
Der Feind war mit 4 Bataillonen verstärkt
Das Grenadier-Bataillon von Borch verlor 1 Offizier, worden. 3 Unteroffiziere , 8 Gemeine todt , 3 Offiziere , 2 Unteroffiziere,
91 Gemeine blessiert und 4 Unteroffiziere, 38 Gemeine vermiſst. Vom feindlichen Verlust kann man nichts bestimmtes angeben,
indem er mehrentheils seine Todten wegführte, doch muſs derselbe beträchtlich gewesen sein , weil sie wie toll unter die Batterien liefen , denn man sagt, sie wären bei jedem Angriffe erst vorher betrunken .
Den 5.
Heute sind vom Corps jenseit des Rheines zu dem bei
Hochheim stehenden Preuſsischen Corps Verstärkungen von 2 Ba taillonen angekommen, nämlich I. Bataillon von Wolframsdorf und
I. Grenadier- Bataillon von Vitinghof.
Diese stehen 500 Schritt
hinter dem Preuſsischen Lager dergestalt auf der Anhöhe postiert, daſs sie die 2 Escadrons Borstel links im Thal dicht am Main
stehen haben . Auch sind hessendarmstädtische Truppen heute hier angekommen und davon sind die Chevaulegers nach Mosbach, leichte Infanterie und Jäger aber nach Biebrich gelegt worden. Eine Preuſsische Jäger-Compagnie ist heut aus Biebrich ausmarschirt und stöſst zum jenseitigen Corps d'armée. Den 6. Die vorige Nacht gegen 2 Uhr wurden die Preuſsen wiederum aus Kostheim vom Feinde attaquiert; dieser rückte so weit vor , daſs er die Ziegeleischanze im Rücken hatte und so lief er grade nach dem Lager des Preuſsischen Lagers, bückte sich beim
Kanonenfeuer der Preuſsen und dann lief er *) wieder vorwärts, wurde aber durch das heftige Kanonenfeuer wieder zurückgetrieben. Die Preuſsen verloren 1 Gemeinen todt und 1 blessiert.
Verschiedene
Todte und Blessierte vom Feinde hat man liegen sehen und mehrere haben sie zurückgeschleppt. Der Bediente des Commandanten Mennier aus Castel * ) kam wohl in der Kampfesweise der Preuſsen damals begründet ; man wuſste mit einem Dorfe nichts anzufangen .
*) Castel hatte seinen besonderen Commandanten , man strebte also nach
abschnittsweiser Verteidigung. Auch die Angriffsart bei dem Gefecht
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heute mit dessen 3 kostbaren Reitpferden bei unserem Cavallerie
posten zu uns und wollte die Pferde verkaufen , indem er sagte, der Commandant habe solche dem Könige von Frankreich gestohlen ; mithin glaubte der Posten wieder ein Recht zu haben solche nehmen zu dürfen .
Da aber der Commandant durch ein artiges
Schreiben um die Zurückgabe der Pferde ersuchte, so wurden solche wiederum verabfolgt. Den 7. Die vorige Nacht kamen die Franzosen wieder aus
Kostheim und attaquierten die Preuſsischen Vorposten , weswegen wieder ausgerückt wurde. Se. Majestät der König kamen heute nach Hochheim und gaben folgende Disposition aus : »> Morgen früh rücken um '/ 23 Uhr alle Bataillone auf ihre Alarmplätze. Die 2 Grenadier - Bataillone von Wolframsdorf und
von Vitinghof ziehen sich um 14 Uhr an den Main und stellen sich en colonne hinter die Ziegeleihütte.
50 Mann per Bataillon
zur Arbeit versammeln sich in dieser Zeit bei der neuen Redoute
(vor dem Preuſsischen Lager) und folgen , sobald angetreten wird, den 2 Bataillonen . Wenn die Attaque vorgehen soll, ziehen sich die Bataillone Compagnieweise und zwar die 4 Compagnien von Vitinghof zuerst rechts und links um das Retranchement der Ziegelei berum ; diese Compagnien formieren sich dann in einer Front von
je 2 Compagnien und marschiren so grade auf die Mitte des Dorfes Kostheim und dringen in dasselbe ein. Die 2 Compagnien des rechten Flügels vom Bataillon von Wolframsdorf marschiren zugleich mit vor und ziehen sich rechter Hand zwischen den Mauern und
den Pfeilern nach dem Frankfurter Thor d . i . Nordausgang von Kostheim , die 2 aber des linken Flügels linker Hand nahe am Main ebenfalls in das Dorf auf den Kirchhof zu und so durch bis
sie auf die andere Seite gegen das französische Retranchement debouchieren .
Das I. Bataillon
von Borch , welches die ganze
Attaque souteniert, rückt, sobald die vordersten 2 Bataillone durch Kostheim durch sind, ebenfalls durch den Ort durch und bleibt vor dem Retranchement bis auf weitere Ordre als soutien stehen .
Das sächsische Grenadier-Bataillon Kurfürst marschirt grade über die Frankfurter Straſse nach Mainz auf die Kapelle , welche zwischen dieser Chaussee und Kostheim liegt, attaquiert und reinigt
solche und rückt alsdann gegen das Frankfurter Thor , um auf dieser Seite die 2 Compagnien, welche auſserhalb die Attaque am 6. zeigt die sich in diesem Zeitraum schon entwickelnde neue Gefechtsart der Franzosen, ein gewisses sprungweises Vorgehen.
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gemacht, zu soutenieren . Mit diesem (sächsischen ) Bataillon geht 1 Escadron von Borstel vor , um dessen rechte Flanke mit kleinen
Trupps *) gegen die etwaige feindliche Cavallerie zu decken. Das 2. Bataillon sächsische Infanterie rückt bis an die Chaussee vor, um dasjenige, was aus Castel kommen könnte , zu repoussieren . Bei
diesem bleibt 1 Escadron von Borstel, welche sich ebenfalls in kleinen Trupps *) seit- und vorwärts gegen die Festung ilankiert. Die 3. Escadron von Borstel setzt sich in Trupps *) zwischen Kost
heim und die Kapelle auf dem Frankfurter Weg. « > Der General- Lieutenant von Biesenrodt **) macht während
dieser Zeit eine Demonstration gegen die rechte Seite von Castel, indem er ein Paar Bataillone links gegen die neue Redoute an der Erbenheimer Warte zieht und etwas weniger an Cavallerie *) zum Flankieren in die Ebene zwischen Biebrich und Castel schickt.
Von
den Sächsischen Carabiniers werden ebenfalls einige Trupps *) flankieren . «
Also nach dieser Disposition wurde
den 8. operiert. Das ( hessische) Leib-Regiment rückte vor und hatte seinen rechten Flügel an die neue Schanze (am Wartthurm) appuiirt und auf dessen linken Flügel stand 1 Escadron Leib Dragoner. Das Garde -Grenadier -Regiment rückte aus seiner Stellung vor hinter die » Landwehr «, ebenso nun auch die Grenadiere, wie auch die Leib - Dragoner.
Die Kanonade fing um 7,4 Uhr von den Hochheimer Batterien aufs heftigste mit 2 Vierpfündern gegen Castel an, desgleichen auch von der Gustavusburg mit 2 Vierpfündern. Nan jagten unsere Cavalleriefeldwachen auf dem rechten Flügel die feindlichen Vedetten bis nach Castel und wurden durch 2 Sechspfünder und 2 Dreipfünder darin unterstützt, welche man zu den Feldwachen gebracht hatte. Die Absicht war , daſs der Feind seine mehrste Action auf unseren
rechten Flügel wenden sollte, indessen er feuerte nur wenig dahin, hatte auch nur schwaches Geschütz auf der Peters- oder Karthäuser
Aue, welches keinen Schaden verursachte. Bei dieser Attaque ver loren die Feinde einige Pferde, desgleichen die Leib-Dragoner, welche 1 Corporal und 1 Gemeinen blessiert, und die Husaren, die 1 Gemeinen blessiert hatten .
Mittlerweile, indem die Preuſsen ihre
Attaque mit der Infanterie machten und die bestellten Arbeiter *) Diese Zersplitterung der Cavallerie fürs Gefecht ist wohl nur durch die groſse Ausdehnung erklärlich, welche die Truppen nach der Disposition erhielten. **) Führer der hessischen Brigade bei Erbenheim .
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sogleich folgten und die Laufgräben des Feindes vor Kostheim geschwind demolierten , machte das Sächsische Grenadier- Bataillon ebenfalls seine Attaque , worauf der Feind zwar Kostheim verlieſs, sich aber dahinter in seine Verschanzung zog , auch kam soutien 7
aus Castel und nun feuerte der Feind mit Kartätschen aus der Die Escadron Borstel wollte zwar der Schanze in den
Schanze .
Rücken fallen , allein ein allzu breiter Wassergraben , vereinigt mit dem Main, vereitelte dieses Vorhaben . Die ganze Gegend war zwar vor unserer Front von allen feindlichen Vedetten durch unsere
Cavallerie gereinigt, allein dieses war nichts wesentliches und die Lage der Kostheimer Schanze ist von Castel wohl gedeckt, obgleich
die von der Gustavusburg beschossen werden kann, desfalls sich in diesen Distrikt, ohne auch eine verschanzte Bedeckung vor sich zu haben, keine Truppen dürfen offen sehen lassen oder sie werden ein Schlachtopfer. Desfalls muſsten die Truppen retiriren und der Feind , der groſse Verstärkung erhalten , verfolgte noch bis an die Ziegeleischanze , von da der Feind dann zurück wieder getrieben wurde, und welche den Rückzug der Preuſsen deckte. *) Der Feind muſs hier ziemlich verloren haben , hingegen der Preuſsische Verlust besteht
vom Regiment von Borch an Todten 1 Unteroffizier, 8 Gemeine, Blessierten 4 Unteroffiziere, 25 Gemeine und 2 Mann vermiſst;
vom Regiment von Crousatz an Todten 1 Offizier (Lieutenant v. Freyberg ), 1 Unteroffizier, 6 Gemeine, Blessierten 3 Unter offiziere, 26 Gemeine, 2 Vermiſste ; vom Grenadier - Bataillon von Wolframsdorf an Todten 13 Gemeine,
Blessierten 1 Offizier, 2 Unteroffiziere, 32 Gemeine, 3 Mann vermiſst;
vom Grenadier-Bataillon von Vitinghof an Todten 1 Offizier (Lieut. v. Echeriggo ?) und 3 Gemeine, Blessierten 1 Offizier, 5 Unter offiziere, 13 Gemeine, 3 Gemeine vermiſst.
Major Lorenz ward
auch blessiert ;
vom Regiment von Borstel : Blessiert 3 Offiziere, 1 Unteroffizier, 22 Gemeine ;
*) Nach der Einnahme des Dorfes hatte man wieder nur 3 Compagnien im Dorf, bezw. am Kirchhofe behalten , das übrige aber ins Lager zurückgeführt mit
Ausnahme der Arbeiter und 5 Compagnien , welche als Rückhalt hinter Kostheim hielten. Schon nach 1 Stunde erfolgte infolgedessen ein allgemeiner Vorstofs der
Franzosen , welche es vornehmlich auf Gefangennahme der Dorfbesatzung abgesehen hatten .
Der Vorstoſs, umfassend angesetzt, gelang groſsentheils, auch gegenüber
dem Rückhalte.
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überhaupt an Todten 2 Offiziere, 2 Unteroffiziere, 30 Gemeine ;
an Blessierten 6 Offiziere, 15 Unteroffiziere, 118Gemeine; an Vermiſsten 10 Gemeine. Der Sächsische Verlust besteht:
vom Grenadier-Bataillon Kurfürst 1 Capitain (v. Ende) und 1 Offizier (Lieutenant Schütz) blessiert, nebst 75 Mann Todte und Blessierte, 1 Offizier ( Lieutenant Druf) todt ;
vom (Regiment) Kursachsen 2 Gemeine todt; überhaupt : 1 Offizier todt, 2 Offiziere blessiert und 75 Gemeine todt und blessiert. Den 9.
Die Franzosen hatten rechts vorwärts unserer neuen
Schanze (am Wartthurm) einen Aufwurf gemacht , der Quartier meisterlieutenant, Capitain Wiederhold, nahm daher vorne 2 Vedetten
vom Leib -Dragoner -Regiment und 2 Vedetten der Chevauxlegers mit zum rekognoszieren und auf einmal eilten 12 feindliche Cavalleristen
herbei, mit welchen sich die 4 Mann herumhieben und einige davon niedermachten, indem aber stürtzte Capitain Wiederhold vom Pferde,
wurde leicht in den Kopf, wie auch sein Pferd blessiert und nahmen ihn gefangen . Das Pferd aber entkam wieder zu uns. Heute Abend schrieb er aus Mainz, daſs es ihm wohl ginge und bald hoffe wiederum ausgewechselt zu werden. Den 10.
Das II. Preuſsische Bataillon von Schladen lag am
9. in Wiesbaden und rückte heute allhier ins Lager. Es kommt von Coblenz , dessen I. und III, Bataillon jenseits des Rheines bei der Armee stehen .
Den 11. gegen Morgen feuerten die Preuſsen heftig nach Kost heim . Der Feind hat davor seine Laufgräben bis an die Kapelle und von da weiter bis ans Kreuz verlängert. *) Capitain Wieder hold kam heute mit einer Chaise von Mainz wieder zurück .
Den 12.
Gegen Morgen wurde, so wie gestern auf der Hoch
heimer Höhe, stark gegen Kostheim kanoniert , welches aber nichts entschied .
Das Grenadier- Bataillon von Borch marschierte heute Nach
mittag weg nach Coblenz zur Besatzung, an welche Stelle das II. Bataillon von Schladen angekommen und ins Lager eingerückt
Auch sind 2 Bataillone von Vitinghof auf den Hessischen linken Flügel diesen Nachmittag hinmarschiert und schlugen daselbst ist.
*) Es wurden beiderseits groſse Anstrengungen in dieser Hinsicht gemacht, die Franzosen arbeiteten namentlich an einem doppelten Laufgraben an dem Dorf saum, die Preuſsen eifrig an der Ziegeleischanze .
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ein Lager auf; sie lehnten ihren rechten Flügel dabei 200 Schritt hinter die Erbenheimer Warte, dieselbe und den Weg darauf rechts lassend.
Folgende Regimenter stehen jenseits des Rheines , nämlich in der Zeit vom 11. April in der Position von Weiſsenau an bis in die Gegend von Mombach : 22 kaiserliche Regimentsstücke, 2 Divisionen Erzherzog Josef Dragoner, Regiment Manfredini- Infanterie, Infanterie- Regiment Gem
mingen, Infanterie-Regiment Bender, 3 Divisionen Wurmser Husaren,
2 Escadrons sächsische Husaren, 1 Compagnie Jäger, 1 Bataillon Martini.
Ferner :
an Preuſsischen Truppen :
1 Bataillon Legat, Regiment
Weimar Cürassiere, Regimenter Thadden, Wegner, Manstein, Vi tinghof- Infanterie, Wolframsdorf, Prinz Ferdinand , Regiment Herzog von Kurland, Sächsische Dragoner.
Den 14. fuhr viel Schanzzeug durch Eubenheim auf Coblenz zur Armee des Herrn Prinzen von Coburg.
Heute schickten die Preuſsen einen Trompeter nach Mainz mit dem Ersuchen die Todten, so noch seit dem 8. Mai da vor Kostheim liegen unter dem Waffenstillstand begraben zu können, welches der
Feind genehmigte und zn gleicher Zeit auch seine Leichen, die sie von Kostheim aus brachten , beerdigen lieſs. Die Ruhestätte war
400 Schritt vor der Ziegeleischanze, auf welcher alles gemeinschaftlich begraben wurde.
Commandierte sowohl von Prenſsischer als Fran
zösischer Seite waren zugegen, welche die festgesetzten Grenzen gegen einander bestimmten, über welche keiner von beiden Theilen gehen durfte.
Seit 4 Tagen werden Laufgräben und Brustwebren rechts an
der Ziegeleischanze, wie auch links derselben mit kleinen Dämmen gebaut und , da der Wiesengrund allerhand Quellen hat, so werden
die Gräben dadurch mit Wasser angefüllt und durch Pfützen dieser Verschanzung umher deren Zugang ungangbar gemacht. Den 15. kanonierten die Preuſsen die feindlichen Laufgräben vor Kostheim mit Vierundzwanzigpfündern und es war gegen Morgen, als Major v. Hirschfeld den Capitain Raumer mit dem vor Kostheim
liegenden Piquet von 60 Mann nach Kostheim zum Rekognoszieren der feindlichen Batterien schickte, aber dergestalt von einem Regen
mit Kartätschen empfangen wurde, daſs er laut preuſsischer Er zählung mit Verlust von 2 Todten und 14 Blessierten sich zurück ziehen muſste. Soviel weiſs man, daſs hinter den vom Braud übrig
gebliebenen Mauern Kanonen stehen und selbst diese Mauern nicht
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nur zur Verschanzung dienen, sondern auch durch angebrachte Wälle verstärkt worden sind ; auch ist der Kirchhof fortifiziert. 5. Berichte vom 17.
einschlieſslich 24. Mai.
[ Beginn der Zubereitung von Materialien für die eigentliche Belagerung Infolge der Ernennung Cüstine's zum Oberbefehls haber der Nordarmee demonstrieren die Mosel- und Rheinarmee
gegen die Verbündeten noch vor Cüstine's Weggang, Bewegungen welche, obgleich schmählich ausfallend, dennoch die Besorgnisse auf preuſsischer Seite wachrufen . Sieg des Prinzen von Coburg bei Favars / Valenciennes am 23. und 24. Mai. - Vor Mainz wird unter
Rüchel's Leitung die Stellung an der Gustavusburg sehr verstärkt, werden Brandschiffe erbaut, um die Mühlen am Rhein und die
Rheinbrücke zu zerstören und wird eine Briefverbindung von Feld wache zu Feldwache auf der Nordseite hergestellt, während sich
andrerseits der Feind mit Erfolg auf den noch nicht verteidigten Rheininseln festsetzt und stark verschanzt. ) Den 17. Das Königliche Preuſsische Hauptquartier ist
von
Guntersblum nach Bodenheim zurückverlegt worden . Zwei Mainzer Bürger gingen als Spione nach Flörsheim, um das Magazin daselbst in Brand zu stecken, einer davon aber ward erwischt und arretiert.
Auch hat ein anderer ein Stück Holz auf
dem Rhein schwimmen lassen, welches ein Schiffsmann auffing und als er's zum verbrennen kleinbauen wollte, so fand er darinnen
verschiedene Papiere verborgen , weswegen der Thäter ebenfalls arretiert wurde (?). Pro Bataillon wurden von den Preuſsen, Sachsen und Hessen 20 Mann zum arbeiten, um Schanzkörbe zu machen, gegeben .
Zur Unterhaltung der Kommunikation zwischen unserm rechten und linken Flügel ist preuſsischerseits die Verfügung getroffen, daſs
von hier (Lager bei Erbenheim ) nach Wiesbaden, Schierstein und dortige Gegend laufende Briefe von hier aber an die Preuſsische Die andern resp. Corps Kavalleriefeldwache befördert werden. sorgen, daſs solche von Feldwache zu Feldwache weiter gebracht
werden. Die letzte Feldwache bringt solche sodann an die nächste ( Post- )Station.
Heute gab der französische Commandant von Mainz auſserhalb der Stadt ein Frühstück, bei welchem viele Kaiserlichen und Preuſsische
Offiziere zugegen gewesen sind . Man unterhielt und begegnete sich daselbst auf dem höflichsten Fuſse . *)
*) Ähnliche Dinge werden mehrfach berichtet, sie waren die letzten Erzeug
nisse der eigentümlichen Sitten des 18. Jahrhunderts und nur die in Mainz
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Der Posten bei Hochheim sowohl, wie bei der Gustavusburg
warfen zur Nachtzeit öfters Bomben um die feindlichen (Erd-)
Arbeiten zu entdecken. Heute legten die Sachsen von ihrer Front rechts unweit der Donnermühle noch eine Schanze an , welche
5 Schieſsscharten hat und den Grund rechts nach Castel (d . i. der Käsbachgrund ) beschieſsen soll. Ein preuſsischer Adjutant versicherte mir, daſs sie bei den unterschiedenen Affairen bei Kostheim 1300 Todte und Blessierte schon hätten .
Das II. Bataillon v. Vitinghof ist heute vorwärts grade vor die » Landwehr«, das I. Bataillon v. Vitinghof aber um 50 Schritt nur vorwärts hinter die Landwehr gerückt und letzteres nahm besonders seinen rechten Flügel vor.
Beide Bataillons standen vorher hinter
der > Landwehr « .
Den 18. marschierten Ihre Majestät der König von Preuſsen mit 3 Bataillons nach Landau zu, um Ihre Durchlaucht den Herzog von Braunschweig zu unterstützen, indem Cüstine Miene gemacht die Armee daselbst zu attaquieren. Die Ankunft Sr. Majestät aber brachte den General Cüstine in seine vorige Stellung. Höchst die selben kamen deshalb
den 19. Nachmittags wieder mit den Bataillons zurück. Die Kaiserlichen machten heut Morgen um 11 Uhr ein Freuden feuer über die erfochtenen Siege vom General Clerfait am 8. und 10. Mai.
Sie feuerten in einem Quarree.
Die Gustavusburg ist ganz mit Laufgräben gemacht und damit so nahe gegen Kostheim um 600 Schritt approchiert.
Es sind da
selbst folgende namhafte Batterien angelegt, welche den Namen von demjenigen bekommen, als welcher sie gemacht bat, nämlich : Die Brückische Batterie, Birdische, Neue, Goldische, Obere, Untere und Sächsiche Batterie.
Es befinden sich daselbst 2 Vierundzwanzigpfünder, 8 Zwölf pfünder, 5 schwere und 5 leichte Sechspfünder Kanonen, 1 fünfzig pfündiger Mortier und 2 zehnpfündige Haubitzen. Ehe man in die Laufgräben kommt, ist eine Schanze, besetzt von 10 Mann Kaiserliche und Preuſsen nebst 1 dreipfündigen Kanone. Oberst Rüchel hat selbst die Veranstaltung der Laufgräben getroffen .
Hinter der Gustavusburg ungefähr 3000 Schritt stehen im Lager das III. Bataillon Preuſsische Garde und 2 Compagnien anwesenden Deputierten des Convents hatten den Wunsch sie zu beseitigen und zu stören.
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über die Belagerung von Mainz 1793.
v. Thadden nebst 2 Kaiserlichen Compagnien von Pelegrini (letztere
4 Compagpien formieren 1 Bataillon unter Major v. Hagen ). Das I. und II. Bataillon Garde liegen in Oppenheim . Das Lager hinter der Gustavusburg formiert nach Castel zu einen rechten Winkel, hinter demselben liegt Bischofsheim , worinnen 2 Compagnien vom Regiment Anton, sächsische Truppen unter dem Major v. Stutterheim und 50 Pferde vom Regiment Borstel. Ginsheim liegt links Bischofs heim darinnen sind auch 50 Pferde vom Regiment Herzog Karl , sächsische Dragoner; diese 100 Pferde patrouillieren nach der Main
spitze bis auf die äuſserste Schanze, 50 derselben gehen rechts und 50 links herum, indem sie an der Spitze entweder zusammenkommen sich einander Rapport thun, oder aber im nicht begegnen den Rapport an den Offizier in der äuſsersten Schanze abthun. Ferner liegen in Ginsheim 1 Compagnie Legat, 1 Oberjäger mit 10 Mann Darmstädter und ebensoviel Preuſsen , die auf Commando daselbst sind. In Rüsselheim kantoniert der Rest vom Bataillon Anton .
Die Schiffsbrücke von Ginsheim über den Rhein auf die gegen
überliegende Long-Aue* ) und eine andere von der Long -Aue sofort bis ans jenseitige Ufer ist fertig und stark gebaut dergestalt, daſs alles mögliche hinüberkommen kann. Die Long-Aue ist / Stun den lang.
Die zum Ruin bestimmten Schiffe, so die Mainzer Brücke in Brand stecken sollen , sind fertig ; sie liegen bei Ginsheim in dem Schwarzbach und bestehen aus 2 Brandern, 9 Nachen, 1 Nachen
mit Granaten, 1 Nachen mit 2 Bomben und 1 Floſs von 46 Fuſs Länge und 46 Fuſs Breite, beladen mit 15 Klaftern Brennholz. Sie sind zusammen mit 28 Centner Pulver versehen, ferner mit
12 groſsen Bomben, 1 '/ Diam . (?) im Durchschnitt, 600 Granaten , 600 Pechkränzen und 8 Fässern mit Pech und Schwefel.
Die Schiffe
sind mit Gewehrschlössern und damit verbundenen Springfedern versehen, welche durch angebrachte Seile und Maschinen in Be wegung gesetzt, sofort die Masse entzünden und alles darin angelegte Pulver sammt den Bomben und Granaten mit dem darauf liegenden Stroh und damit die Brücke in die Luft sprengen sollen .
Das
Floſs soll die allerbeste Wirkung verursachen , als welches durch seinen Druck alle in den Weg gebrachte Hindernisse umreiſsen soll. Die Nachen sollen am Ende der Long-Aue, als an welchem Fleck schon die Anfahrt gemacht ist, zur bestimmten Zeit abfahren und über Weiſsenau in die Mitte des Stromes gehen , dann werden *) D. i. die Nonnenaue.
Ein amtliches Kriegstagebuch
137
die Hähne von einem gespannt und sofort die Fahrzeuge durch Fortnehmung des Stromes ihrer Direction nach der Brücke über lassen . Ein holländischer Pensionär, Rittmeister v. Wiedenbrock, der ehemals mit Flöſsen gefahren , hat das Floſs und 2 Brander über sich, der Lieutenant Oyen vom Darmstädtischen Chevauxlegers Regiment die 9 Nachen und Obrist - Lieutenant v. Busch auch 1 Nachen mit 2 Bomben und in der Mitte mit vielem Pulver versehen, dessen
Wirkung er daran will, wenn bei der Entzündung die angebrachte Rakete steigen wird.
Auf den Rapport vom Obrist- Lieutenant
v. Busch an Sr. Majestät den König in Preuſsen wegen dem Fahr zeug, daſs nämlich solches fertig läge und Befehl erwarte, resol vierten Höchstdieselben bei dero Retour von der Gegend von Landau das weitere zu befehlen . Den 20. machten auch die Preuſsen , Sachsen und Hessen das
Freudenfeuer wegen der erhaltenen Siege am 8. und 10. Mai .
Den 21. gegen 5 Uhr Morgens näherten sich die Franzosen mit ungefähr 15 Nachen , landeten auf einer Bleichinsel *) mit un
gefähr 1500 Mann und bemächtigten sich der übrigen nahe anliegen den Bleichinseln ebenfalls. Diese Inseln gränzen an die Mainspitze und die darauf stehenden Truppen wurden von diesem Vorfall durch den Avertissementsposten , bestehend aus 1 Unteroffizier, 3 Mann, so auf der einen Bleichinsel sich aufhielten, sogleich benachrichtigt.
Die Vorposten auf der Mainspitze schossen hinüber nach dem Feind, welcher sich im Gebüsch versteckt hatte und die beiden Partheien
waren durch kleine Flüsse von 12-15 Fuſs Breite getrennt.
Der
Feind schnitt sich sogleich auf den Bleichinseln ein, unterdessen rückte die Besatzung vom ganzen Lager der Mainspitze sammt den in Bischofsheim und Ginsheim stehenden Truppen vor, placierten
sich an das Ufer der Mainspitze und feuerten um 3/49 Uhr Morgens mit kleinem Gewehr lebhaft auf die Inseln
hinüber.
Der Feind
aber, versteckt im Gebüsch, hatte einige Kanonen, die er mit Kartätschen auf die Preuſsen losbrannte und dadurch Schaden zu fügte, und wich noch nicht, bis daſs die Kaiserlichen mit Kanoniren
von den Rheinschanzen, die zum Theil mit Vierundzwanzigpfündern versehen sind, besonders aber mit 2 Kanonen , die sie geschwind an
das Rheinufer gebracht hatten und mit diesen den Feind mit Kartätschen von den anderen Bleichinseln zurücktrieben.
Indessen
*) Heiſst auch vielfach Plei-, Blei-, Bley -Insel. Die gröſste heiſst im besondern Bleyinsel, die kleineren beiden der „ Kopf“ und die Speckinsel: letztere ist die kleinste und liegt eng an dem „ Kopfe“ an.
über die Belagerung von Mainz 1793.
138
sitzt er nun noch fest auf einer Bleichinsel und hat durch diesen
Posten seinen Zweck erreicht, daſs die Brandschiffe nunmehr hier
nicht passieren können. Ein gewisser Graf Herle desertierte von den Österreichern, ging zum Feind über und soll ihm die ganze Geschichte mit den Brandschiffen verrathen
haben .
Auch sollen
Leute sein , die willens sind die Brandschiffe anzustecken , worauf
solche anderwärts in einen jenseitigen Fluſs verlegt sind, allwo sie mehr verborgen liegen. - 2 Bataillone Kaiserlicher von Gemmingen,
1 Escadron Wurmser Husaren und 1 Escadron Joseph lagen als Soutien auf der Long -Aue parat, auch waren die 2 Compagnien Anton aus Rüsselheim auf ihren Alarmplatz gerückt und das Gre nadier- Bataillon von Wolframsdorf wurde ebenfalls von der Hoch
heimer Höhe zur Hülfe abgeschickt, allein da der Feind gleich auf die eine Bleichinsel zurückwich , so rückten alle diese Bataillone
wieder ein (!). Die Franzosen müssen doch einigen Verlust erlitten haben , weil ich durchs Perspectiv Leute sah in Nachen bringen und so fort fahren . Der unsrige Verlust besteht wie folgend: Vom Kaiserlichen Bataillon Pelegrini Fähndrich Wille todt und .
7 Gemeine blessiert.
Vom Preuſsischen III. Bataillon Garde an Todten 8 Gemeine, an Blessierten Capitain v. Hefsberg, Lieutenant v. Schwalsky, Fähn
drich v. Maltzahn und Fähndrich v. Kleisenberg nebst 22 Gemeinen. Vom Regiment Thadden sind 2 Gemeine todt und 19 blessiert.
Vom Regiment Legat 20 Todte und Blessierte. Den 24. Der Feind sitzt nun noch immer auf der einen Bleich
insel, jeden Tag ist öfters kanonieren , auch war am 23. noch starkes Klein -Gewehr- Feuer, welches alles aber nichts entschieden hat.
Se. Majestät der König passierten heute Morgen mit einigen Ingenieurs unser Lager.
Gestern
desertierten 2 französische Ka
valleristen zu uns. * *
6. Berichte vom 26.
*
( einschlieſslich ) 29. Mai und
vom 31. Mai – (einschlieſslich ) 6. Juni. [Inselkrieg; der Feind ist nicht aus seiner neuen Stellung zu vertreiben . Derselbe setzt eine hohe Belohnung aus auf die An zündung der Preuſsischen Brandschiffe. Der Rhein fällt. Unter nehmungen der Franzosen gegen Marienborn zur Aufhebung des
Hauptquartiers, gegen Kostheim und Schierstein. Veränderungen in der Einschlieſsungsstellung, verschärfte Vorpostenbefehle, Zurück
Ein amtliches Kriegstagebuch
139
weisung der Überläufer, Zuwachs an Truppen und Geschütz. - Sieg des Prinzen von Coburg bei Famars/Valenciennes vom 23./24. Mai.)
Den 26. Ein Sechseck ist auf das Ende der Long -Aue zur Defension der Brandschiffe angelegt und mit 2 sechspfündigen Kanonen besetzt.
Das Grenadier - Bataillon v. Wolframsdorf steht
seit dem 21. auf der Mainspitze, Front nach dem Main habend . Der Feind brachte heute 2 Kanonen, die eine hinter die Kirche
von Kostheim, die andere an das Ufer verborgen in Stellung) und damit beschieſst er den Jägerposten in den Laufgräben der Gustavus burg. Gestern überfiel der Feind Mombach nahm den Darmstädtern
1 Kanone weg und vom Regiment Prinz Ferdinand wurde der Capitain Brauschwitz gefangen. Auch engagierte sich gestern morgen das I. Bataillon Manfredini, so auf der einen Bleichinsel auf Kom mando, mit dem Feind auf der seinen herzhaft, dieser war zwar der
attaquierende Theil, wurde aber dennoch mit Verlust zurückgewiesen
ohne Nachtheil des Kommandos.. Se. Majestät der König haben nunmehr die (uns gehörigen) Bleichinseln Bürgerinseln zu be nennen geruht und soll dieser Name sogleich auch in allen Plänen bemerkt werden, damit der Irrthum mit der französischen (Bleich-) Insel vermieden wird. Man pflegt auch die französische Bleichinsel bisweilen Rohr -Aue zu nennen.
Die Bürger - Aue ist mit einem
kleinem Fluſs getheilt und formiert gleichsam 2 Inseln. Den 27. Man weiſs sicher, daſs die Besatzung auf der Bleich insel aus 300 Mann besteht, da dieselbe aber sehr exponiert und täglich Leute verliert, so scheut der Feind nichts dennoch unterm Kanonenschuſs der gegenüberliegenden österreichischen Kanonen am Ufer wie auch von der Anhöhe von Nr. I alle Bedürfnisse von Mainz
mit Nachen auf die Aue zu bringen . Ein Nachen wurde heute in den Grund geschossen und die Mannschaft darauf kam ums Leben. Auch
wurden
dem
Feind 2 Kanonen demontiert und die Räder
daran entzwei geschossen , worauf er wieder andere herbeiholte. Auf seiner Batterie, welche grade der Bürger - Aue gegenüber am -
Ufer liegt, hat derselbe 1 Haubitze nach (Batterie) Nr. I und 2 Kanonen nach der Bürger- Aue gerichtet und hat noch mehr Laufgräben längs des Ufers, wie auch eine neue Batterie zwischen Castel bei Kostheim angelegt .
Den 29. wurde ein Freudenfeuer von der ganzen combinierten Armee gemacht und das zwar wegen eines wiederum kürzlich er
fochtenen Sieges von der Prinz Coburgischen Armee bei Famars, allwo der Feind der angreifende Theil war, aber dergestalt von der Hannoverschen Kavallerie in Rücken genommen und so fort von
über die Belagerung von Mainz 1793.
140
der ganzen Armee geschlagen wurde, daſs er ganz zerstreut ist. 3 Generals und 20 Kanonen sollen gefangen sein und 10,000 Todte und Blessierte.
Den 31. Morgens um 1 Uhr überfiel der Feind Marienborn mit
3 Kolonnen angeführt durch 3 Spione. 6000 Mann war ungefähr ihr ganzer Ausfall stark , je 500 derselben marschirten nach ihrer Bestimmung getrennt in 3 Theilen . Indem sie sich bei den Vor posten für Arbeiter ausgaben, kamen sie in den Ort unbemerkt, bis
sie sich selbst durch das Lied : Ça ira ! verriethen . Sie stürzten in das Quartier des General Grafen v. Kalkreuth , welcher noch zeitig zu Pferde entfloh, demselben aber 5 Pferde todt gestochen wurden. Ih
Hoheit Prinz Louis bekamen einen leichten Stich in die Wade,
eilten mit 1 Division gleich zur Hülfe und das Kürassier-Regiment unter Herzog von Weimar hieb sogleich herzhaft ein, verlor aber an die 80 Todte und Blessierte, worauf der Feind mit einem unge
fähren Verlust von 300 Mann zurückgeschlagen wurde. Die Preuſsen rechnen den ihriger auf 150 Todte und Blessierte. Unter den Offizieren zählt man den Major vom Kürassier- Regiment und 1 Ca pitain v. Vitinghof todt, der Capitain und Adjutant v. Voſs war durch die Brust geschossen und starb ein paar Tage darauf. Das
Regiment v. Thadden hatte 7 Todte und 19 Blessierte. – Ein gleicher Überfall war aus Castel von Kostheim aus bestimmt, weil aber die Franzosen daselbst keine Laune zum Angriff bezeigten, so entstand aus diesem Vornehmen eine Unvollkommenheit und im
ganzen eine Fatigue für beide Theile mit Menschenverlust.
Der
Feind suchte diesen groſsen Ausfall durch sein Kanonieren auf alle unsere Batterien zu markieren. Der Commandant Meunier wurde . blessiert. Er lieſs 30 der Rädelsführer des Complots, welche die
Ordre zum Ausfall (in Kostheim) nicht befolgt hatten, arretieren. Die 3 Spione wurden sämmtlich erwischt, einer davon wurde todt geschossen, der andere aufgehängt und der 3. ist Arrestant. Das eigentliche Dessein des Feindes bestand im Grunde darin , daſs er nämlich Ihro Hoheit den Prinzen Louis und den Herzog von Weimar *) wollte gefangen nehmen. Den 1. Juni Abends 11 Uhr erhob sich ein heftiges Klein
Gewehr- Feuer auf der Bürger -Aue. Das Kanoniereu war zugleich ebenfalls stark und begleitet mit vielen Granaten . Überhaupt ist der Feind zu Ausfällen fast alle Nacht kommandiert und hierzu *) Den Oberbefehlshaber der Einschlieſsungsarmee, General Graf Kalkreuth , wohl ebenso. Jahrbücher für die Deutsche Armee and Marine.
Bd . LXVI , 2 .
10
Ein amtliches Kriegstagebuch
141
giebt die nahe Nachbarschaft der Inseln den gröſsten Anlaſs. Die Franzosen sind noch immer bisher der angreifende Theil gewesen .
Man hatte Nachricht erhalten, daſs sie eine Landung bei Schierstein unternehmen wollten, zu welchem Ende 2 Compagnien, 1 vom 1. Bataillon Garde -Grenadier, die andere vom I. Bataillon
Leib -Regiments (hessischerseits) dahin auf Commando beordert wurden ; es sind das die 2 Generalscompagnien. Seit dem 23. Mai wird auſser diesem von dem ganzen unter dem Commando des General- Lieutenant v. Schönfeld stehenden Corps 2 Mann pro Com pagnie gegeben, um die Posten von Niederwalluf und Ellfeld (Eltville) zu besetzen. Das Sächsische und Hessische Corps gab hierzu 1 Ca pitain und 1 Offizier, das Preuſsische dahingegen 2 Subaltern Offiziere, weil dieses 1 Capitain in Schierstein kommandiert hat.
Jedes Corps gab dazu 4 Unteroffiziere, das Darmstädtische aber auſser den schon stehenden Commandos nichts. Der Obrist v. Düring hat die Inspection des ganzen Cordons, weshalb die 2 Capitains sich bei demselben in Mosbach zu melden hatten . Der 1. Capitain mit 2 Subaltern -Offizieren blieb in Niederwalluf, der andere mit den 2 übrigen in Ellfeld. Dies Commando steht jetzt noch. Wenn die Vorposten den Feind an einem Orte arbeiten sehen oder fahren hören , so muſs solches sofort an die nächste Batterie
gemeldet und soviel als möglich der Ort oder Fleck bezeichnet werden .
Die Offiziere der Artillerie müssen dann nach Befinden der
Umstände entweder mit Kanonen oder Wurfgeschützen den Feind daran zu verhindern suchen .
Wenn es durch Desertion nöthig wird das Feldgeschrei zu ändern, so soll derjenige, der diese Abänderung macht, schriftlich und mit seiner Namensunterschrift solches bekräftigen, die Parole selbst aber unter keinerlei Vorwande von Niemand als nur blos vom kommandierenden General verändert werden.
Da alle wohlgesinnten Bürger nunmehr gewis Mainz werden verlassen haben , so ist es Sr. Majestät des Königs von Preuſsen allergnädigster Befehl, daſs sämmtliche Vorposten alle Emigranten nach Castel zurückweisen und im Falle sie sich widersetzen , sie
bedeuten, daſs Feuer auf sie gegeben werden würde. Das Dorf Erbenheim sollte am 26. auf Befehl Sr. Majestät des
Königs von Preuſsen von aller Bagage und allen Pferden geräumt und ein Artilleriedepot daselbst etabliert werden . Die Kranken sollten einstweilen da bleiben, aber soviel wie möglich zusammen
über die Belagerung von Mainz 1793.
142
gelegt und Lazarethe formiert werden, dieser Befehl ist aber gleich abgeändert und das Artilleriedepot nach Igstadt verlegt worden. Die Redoute auf dem hessischen linken Flügel, die »neue Schanze« genannt, wird hinführ von den 2 Bataillonen des Regiments v. Vitinghof besetzt, dahingegen geben die Hessen die daselbst gehabte Mannschaft zur Verstärkung in die Mosbacher Redoute.
Die Stabsoffiziere du jour im Preuſsischen Lager haben zu veranstalten , daſs diese Nacht das hohe Korn vor der Front bei der Donnermühle bis etliche 100 Schritt vorwärts abgeschnitten werde. Detail des Dienstes :
1. Du jour : 1 Stabsoffizier. 2. Commandos :
Capt ., Offiz ., Unteroff., Gem . in die Redoute Nr. I. » III . Armenruhmühle >> Redoute Nr. II
1
1
2
50
1
2
40
1
28
1
1
3
1
10
6
128
Der älteste Offizier kommt nach Nr. I, der 2, in die Armen
ruhmühle , der 3. mit dem Capitain nach Nr. III . 3. Ausrückendes Piquet :
Capt. , Offiz ., Unteroff., Gem , Zur Verstärkung nach Nr. I
1
3
» III
>
in die Salzmühle .
1
2
60
1
20
5
100
an den Hohlweg rechts vorwärts der » Neuen Schanze « 1
in den Weinberg rechts dieses Postens rechts v.diesem nach Schanze Nr. III zu
1
20
1
35 35
1
in den Landgraben hinter der Mos bacher Warte
zur Verstärkung in die Armenruhmühle 2
4
1
15
1
12 297
14
Der älteste Capitain kommt nach Nr. I , der 2. in die Salz mühle, die 2 ältesten Offiziere in die Front des Lagers, die 2 jüngsten
Offiziere mit dem Capitain in die Salzmühle. Am 29. Mai haben das I. Bataillon Regiment Schwindel, Pfälzer Truppen, ein Lager auf der Mainspitze, die andern 2 hierzu noch
gehörigen Bataillone v. Birkenfeld und Herzog Carl eins jenseits des Rheines bezogen . 10*
1
Ein amtliches Kriegstagebuch
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Den 2. Juni. Heute sind die 2 Compagnien vom Regiment
Anton, so in Rüsselheim und dessen andere 2 Compagnien so in Bischofsheim gelegen, ins Lager auf die Mainspitze gerückt. Das III. Bataillon (Preuſsische) Garde ist nach Laubenheim in Canton
nierungsquartiere, und das Lager auf der Mainspitze steht jetzt, wie folgt, Front nach dem Rhein in einer Linie nämlich : auf dem rechten Flügel 2 Compagnien Kaiserliche von Man fredini, welche alle 5 Tage ablösen und 200 Mann stark sind, 2 Compagnien von Thadden à 200 Mann, 1 Bataillon Pfälzer von Schwindel à 600 Mann, 1 Bataillon von Wolframsdorf à 360 Mann,
1 Bataillon Anton à 640 Mann . Sa. 2000 Mann ungefähr. Der Spion , so gehängt wurde, war der Gerichtsschreiber, er hatte die Nationalkokarde vergessen abzuthun, wollte nach Oberulm gehen und wurde da erkannt. Den 4. Juni um 11 Uhr Nachts wollte der Feind auf der
Bürger-Aue eine Landung unternehmen, die Bataillone rückten desfalls auf die Mainspitze nach dem Ufer vor und engagierten sich mit dem Feinde aufs heftigste. Das Brausen der Kanonen und Bomben war unaufhörlich und fast so die ganze Nacht hindurch. Der Feind hatte seine Infanterie am Kostheim'schen Ufer stehen
und kanonierte aus Kostheim mit Kartätschen, welche groſsen Scbaden verursachten, er wurde aber dennoch mit einigem Verlust wieder zurückgewiesen.
Wieviel er eigentlich verloren, kann man nicht
sagen, denn sie warfen ihre Todten gleich in den Rhein und die Blessierten ziehen sie zurück .
Den 5. gegen Morgen landete Oberst v. Rüchel mit 20 Frei willigen auf der einen Bleichaue blos um zu rekognoszieren. (Die von ihnen besetzten 2 Bleichinseln haben die Franzosen mit einer
Communikationsbrücke an einander gehängt, und ob sie gleichwohl unterschiedentlich schon ist entzwei geschossen worden, so erbauen sie solche doch gleich wieder. Das Wasser zwischen diesen 2 Bleich auen ist nicht über 12 Schritt breit.) Unterdessen muſste Obrist Die v. Rüchel sich starker Gegenwehr halber zurückziehen .
Preuſsen haben vieles seit gestern und heute eingebüſst. Unter den
blessierten Offizieren sind die Capitaine v. Müncho und v. Labenetzky vom Grenadier - Bataillon v. Wolframsdorf, welches Bataillon allein 50 Gemeine blessiert, ohne die Todten , hat. Die Kaiserlichen und Pfälzer verloren einige Mann.
Heute Nachmittag um 5 Uhr warf der Feind von Kostheim her eine Granate auf die beim Grenadier- Bataillon v. Wolframsdorf neben
über die Belagerung von Mainz 1793.
144
der Ziegelei auf der Mainspitze gelegenen 2 Pulverkasten, welche mit einem gewaltigen Getöse in die Luft flogen. Die nebenstehen den Kanonen wurden an den Rädern beschädigt und einige Mann blessiert. 50 Bomben sprangen dabei auch in die Luft. Die Brandschiffe liegen zwar zur Abfahrt bereit, allein wenn man auch die Gefahr der Bleichaue nicht so sehr achten wollte, so dürfte jetzt doch das Wasser hierzu zu klein sein.
Den 6. Heute und die vergangene Nacht ist's ganz ruhig. Ein paar Franzosen lieſsen sich vergangene Nacht bei den Vor posten sehen , entfernten sich aber sogleich wieder. Der Befehl wurde deshalb ertheilt, daſs die Posten besonders aufpassen sollten. Von Holland sind kürzlich hier angekommen 11 Haubitzen und
Mortiers, 10 Vierundzwanzigpfünder, 10 Zwölfpfünder, 10 Sechs pfünder Kanonen nebst vielen Kugeln .
1000 Livres Belohnung hat der Feind demjenigen Bombardier versprochen, so die Brandschiffe in Brand schieſsen wird. Eine schwimmende Batterie unterstützt von 3 groſsen Nachen ist
beinahe fertig. Ihre Struktur ist folgende: Auf 3 Nachen ruht ein viereckiges Fundament von Bohlen und um dasselbe eine vier eckige Wand von Bohlen von 20 Fuſs Breite und 38 Fuſs Länge ; rings um diese Wand ist noch eine andere, welche die Dicke einer Brustwebr von 6 Fuſs bildet und deren Zwischenraum mit Mist
ausgefüllt ist. Der Eingang ist vorne grade so, als bei einer Redoute, links ist eine Schieſsscharte.
Die Batterie wird mit 1 Kanone und
2 Haubitzen versehen und liegt jetzt bei Ginsheim im Rheine. Der Commandant von Castel Meunier wurde am 31. Mai leicht,
am 5. Juni aber mit einer Kartätschkugel schwer durchs Knie geschossen. *
7. Berichte vom 8. bis ( einschlieſslich ) 15. Juni. [Kleinere Ausfälle, namentlich auch gegen die Sachsen und
Hessen. Tod des Commandanten von Castel Meunier. Schiebungen in den Truppenstellungen zu Gunsten der Belagerungsseite, Ver mehrung dortiger Geschützbestände. - Die Moselarmee geht vor
und greift bei Arlon den Kaiserlichen General v . Schröder am 7.-9. Juni an und schlägt ihn , zieht dann aber wieder ab.] *) Den 8. Juni morgens gegen 3 Uhr wagte der Feind einen Ausfall von seiner Bleichaue auf eine preuſsische Batterie, er wurde *) Es gilt dieser Zug als der Theil eines allgemeinen 1. Planes, Mainz zu entsetzen .
Ein amtliches Kriegstagebuch
145
aber von derselben mit Kartätschen tüchtig begrüſst. Ungeachtet dessen und seines Verlustes kam er doch näher, mittlerweile aber ein Theil Kaiserliche und Pfälzer denselben in den Rücken fiel und
ihn mit den Bajonnetten tödteten . Der Feind retirierte hierauf wieder nach seiner Aue mit einem Verlust von ungefähr 50 Todten und Blessierten. Unsrerseits war nichts gelitten.
Vormittags zwischen 8–9 Uhr rückte der Feind aus Mainz mit 400 Mann Kavallerie, hatte auch Infanterie bei sich , marschirte
gegen Bretzenheim rechts über Zahlbach, attaquierte die Sächsische Kavalleriefeldwacht, wurde aber von 4 Escadrons vom Regiment Herzog von Curland nebst 150 sächsischen Husaren bis an seine Infanterie zurückgetrieben, um welche er nun rechts und links schwenkte, da dann seine Infanterie Front bot und auch feuerte.
Demungeachtet hieben die Sachsen herzhaft ein und schlugen den Feind zurück, wobei sie den Capitain Heyden und 5 Gemeine todt verloren. Des Feindes Verlust ist nicht zu bestimmen . *)
Den 9. Nachts um 2 Uhr attaquierte der Feind den Posten am Heiligen Kreuz und hob daselbst den Kaiserlichen Offizier mit
30 Mann auf, setzte auch die Gebäude im Hofe zugleich in Brand. Zur selbigen Zeit attaquierte er diesseit des Rheines die Sachsen
und Hessen . Bei ersterem war er schon am Berge, wurde aber durch heftiges Kanonieren und mit Granaten wieder zurückgetrieben ; die Sachsen hatten hierbei einen Blessierten, dem mit einer Kanonen kugel eine groſse Zehe abgeschossen wurde. Bei letzterem rückte er bei Biebrich mit 150 Mann an, welche mit brennbaren Sachen, z. B. mit Lunten beschmiert mit Pech, versehen waren etc., wahr scheinlich um Biebrich anzustecken .
Da der Feind uns aber munter
mit Gegenwehr fand und nicht vordringen konnte, so retirierte er sich wieder nach Castel .
Der Feind hinterliefs 1 Blessierten vom
Regiment chasseurs à cheval . Dieser sagte, daſs 1500 Mann auf der Peters - Aue unter dem Commando des General St. André in Reserve
stünden. Er ist an seiner Wunde gestorben. Während der Attaque, welche also zugleich auf 3 Seiten geschah, wurden die Hessen von der Peters -Aue haubitziert und kanoniert, ein gleiches aber thaten die von Schanze Nr. I, III und der » Neuen Schanze « . Niemand von
uns bekam Blessuren auſser 1 Husar und 1 Leibdragoner, denen die Pistolen in der Hand zersprangen , wodurch sie die Hände leicht beschädigten, sodann 1 Pferd von den Darmstädter Chevauxlegers. *) Dieser Ausfall hatte abermals die Richtung auf Marienborn, dem Haupt quartier.
über die Belagerung von Mainz 1793.
146
Der Commandant von Castel, Meunier, ist an seiner letzthin erhaltenen Wunde,
wo er das Bein muſste amputieren lassen ,
gestorben .
Alle Anstalten werden jetzt getroffen, um jenseit des Rheines die Laufgräben bald zu eröffnen , desfalls alles nur entbehrliche
Geschütz hinüber gefahren wird. Den 10.- 12. Das Kanonieren sowohl diesseit als jenseit des Rheines, mitunter mit Haubitzen auf die Franzosen ist bis incl. den 12. von Zeit zu Zeit geschehen .
Den 13. war des Nachmittags und die Nacht durch anhaltender
Regen und eine Nacht zum Überfallen werden, wie vordem nicht, weswegen wir unsere Aufmerksamkeit verdoppelten . Es war aber, so wie heute. Den 14. alles stille.
Den 15.
Gestern schickte der Feind von der Bleichinsel zum
Obrist v. Rüchel und lieſs ihn ersuchen , nicht so viele Handgranaten
herüber zu werfen , welche sehr inkommodierten, worauf er zur Antwort gab, daſs, wenn sie ruhig blieben und nichts auf der Insel arbeiteten, er sie auch nicht mit Handgranaten werfen wollte. Das Grenadier-Bataillon v. Borch, so kürzlich von Hochheim nach Coblenz *) marschierte, wurde daselbst von 2 Compagnien Regiment Anspach abgelöst und muſste, ohne sich zu rekrutieren , gleich wieder aufbrechen und hierher marschieren . Es kam demnach vor 14 Tagen zurück und wurde nach Niederwalluf verlegt, woselbst ein Pulvermagazin steht, seine Artillerieknechte aber blieben in
Wiesbaden. Heute früh aber ist dieses Bataillon ins Lager an die Stelle eines Bataillon Schladen gerückt und dieses Bataillon nebst dem II. Bataillon v. Vitinghof sind jenseit des Rheines heute früh ins Lager marschiert.
Sechs Kaiserliche Wagen ** ) beladen mit schweren Bomben fuhren heute durch Erben heim, haben in Theresienstadt geladen und gehen nach den Niederlanden . Mehrere von dergleichen Wagen sind die ganze Woche hindurch dahin gefahren. Nachrichten aus Hannover melden, daſs die Hannoveraner bei
Famars 80 (?) Todte und Blessierte gehabt hätten und ein jeder Offizier wäre mit einer Kugel auf ein oder die andere Art getroffen *) Vergl. Ber. v. 12. Mai, Seite 132. Es hatte vor Mainz viel verloren. **) Es wurde schon vorher preuſsischerseits versucht die für die Armee des
Prinzen von Coburg bestimmten Artillerietrains überlassen zu bekommen, doch ohne Erfolg.
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worden, entweder blessiert oder aber den Rock entzwei. Acht davon sind wirklich blessiert gewesen .
Weil jetzt das II. Bataillon v. Vitinghof wegmarschiert ist, so besetzen die Hessen nunmehr die > Neue Schanze « wiederum mit
einem Commando als 1 Offizier, 2 Unteroffiziere, 40 Gemeine und
zum ausrückenden Piquet in diese Redoute 1 Unteroffizier, 20 Ge meine, in Schanze Nr. I aber werden jetzt statt 50 nur 40 Gemeine auf Commando gegeben. Am 13. bat sich der Feind von der Bleichinsel Waffenstillstand aus ,
um seine Todten mittlerweile begraben zu können, solches
wurde akkordiert mit der Bedingung, daſs Obrist v. Rüchel auch 1 Offizier mit Soldaten durfte auf die Insel schicken, um die 1
preuſsischen Todten zu begraben , welches der Feind augenblicklich zugestand. Es wurde daher ein verkleideter Ingenieuroffizier mit 50 Gemeinen hinüber geschickt, deren jeder auszuspähen den Befehl hatte, denn die Wahrheit zu sagen, so hatten die Preuſsen nur 1 Todten auf der Insel liegen (?). Der Feind beschwerte sich aber sehr über das Herumlaufen auf der ganzen Insel, der Ingenieuroffizier aber autwortete ihnen, daſs er ihre ganzen Einrichtungen schon gänzlich wisse und dieses Herumgehen desfalls von keinen Folgen wäre, aber bei dieser Gelegenheit nutzte der Preuſse alles um ጌ zu rekognoszieren (?). Ein Courier ist mit einer Nachricht an Ihre Majestät den König
von Preuſsen geschickt worden, daſs die Armee unter demn Commando Sr. Hoheit des Kaiserlichen Prinzen von Hohenlobe *) bei Arlon vom
Feinde eine Niederlage erlitten hätte und man fürchte, daſs derselbe nach Namur vordringen möchte. Ihre Hoheit der Preuſsische Prinz von Hohenlohe ist deshalb mit seinern Corps dahin zum soutien
marschiert, unterdessen sich Ihre Durchlaucht der Herzog von Braun schweig von Landau rechts weggezogen hätten, um ebenfalls zu unterstützen .
* ) Im besonderen der General v. Schröder.
( Schluſs folgt.)
1
IX.
Frankreichs zweite Verteidigungslinie. Zu einer Zeit , wo die Ansichten über Bedeutung , Form und
Gruppierung der Befestigungen wohl die bedeutendste Änderung, den mächtigsten Aufschwung erlitten hatten , trat die französische Landesverteidigung an die Schaffung beziehungsweise Reorganisation der fortifikatorischen Landessicherung heran. Die Erfahrungen des kaum durchkämpften Krieges 1870/71 , die zutage getretenen Ein flüsse des weit entwickelten Verkehrswesens und der ungemein gesteigerten artilleristischen und technischen Leistungsfähigkeit der modernen Armee auf die Kriegführung sowie zahlreiche andere zum ersten Male erprobte Fortschritte hatten die Gesichtspunkte für Anlage eines solchen Verteidigungssystems wesentlich verrückt. Eines aber war für Frankreich unverändert und in der Bedeutung
geblieben, die Vauban als Vorgänger und Vorbild anderer Autoritäten zuerst entsprechend hervorgehoben , - die Wichtigkeit der befestigten Landeshauptstadt, des Mittelpunktes der eigenen Wirksamkeit , des
natürlichen Zieles der gegnerischen Operationen. Wie hätte
es
auch anders sein können , nachdem die politische Bedeutung , die
geographische und strategische Lage dieser Stadt, ihre Einlagerung in den Mittelpunkt mehrerer kreisförmiger Defensivabschnitte, nach dem endlich die Erfahrungen der Jahre 1814 and 1870 für ihr Recht sprachen , sich zum Ausgangspunkt der geplanten fortifika torischen Landessicherung gemacht zu sehen ! War damit der Mittelpunkt des ganzen Systems gegeben, der Rahmen zog sich von selbst durch den hervorragenden Einfluſs strategischer und administrativer Natur , der in einer raschen un gestörten Armeeversammlung hinter der entsprechend sicheren Grenze liegt. Je weniger Frankreich mit seiner neuen Ostgrenze 1
ein ausreichendes Fronthindernis von strategischer Bedeutung besitzt,
desto dringender trat die Forderung seines fortifikatorischen Ersatzes heran. Die Erkenntnis dieser Thatsache, unterstüzt von den reichen
Frankreichs zweite Verteidigungslinie.
149
Hilfsquellen und der Opferwilligkeit des Landes schuf, was die Natur versagt, in einer stark befestigten Grenze ein Bollwerk gegen feindliche Invasion, einen Schild für den eigenen Aufmarsch. Eine Kette von starken , nach allen Regeln moderner Befestigung erbauter und ausgestatteter Sperrforts, innerhalb deren die Festungen Verdun, Toul, Epinal, Belfort die Rolle von Stützpunkten über
nehmen, stellt längs der Maas (Verdun –Toul), Mosel (Toul—Epinal - Ballon de Servance) und der Savoureuse bis zur schweizer Grenze ( Belfort - Mont Lomont) einer deutschen Armee in einem schwer zu durchbrechenden Hindernis eine gewichtige Aufgabe entgegen. Hinter ihr soll die Armeeversammlung bethätigt werden , in ihr können Teile der Feldarmee sich mit der fortifikatorischen Stärke der
Linie zur Lösung der mit dem strategischen Aufmarsch verbundenen Forderungen paaren .
Doch der Weg vom Mittelpunkt (Paris) bis zum Rahmen
(Verdun— Mont Lomont) des ganzen gegen Osten gekehrten Systems ist weit, und ersterer zu wichtig und bedeutungsvoll, um ihn nach etwaiger Durchbrechung der Grenzlinie nur der lebenden Ver
teidigungskraft einer etwa an der Grenze bereits geschlagenen Feldarmee anzuvertrauen. Diese Erwägung muſste an die franzö sische Landesverteidigung um om so dringlicher herantreten, als sie
nach den Erfahrungen eines so unglücklichen , den deutschen Offensivgeist in glänzendes Licht stellenden Krieges und bei den immerhin vorhandenen Schwächen der Grenzsicherung ( trouée de la Meuse nördlich Verdun, trouée de la Moselle zwischen Toul und
Epinal , trouée de Belfort zwischen Vogesen und Jura) nicht ver trauensselig genug war , die Möglichkeit einer deutschen Invasion zu verneinen. Einer solchen stellten sich sogar mit Ausnahme der Ardennen *) und der Côte d'or ziemlich günstige Bewegungs verhältnisse zur Verfügung, denn selbst die früher unwegsamen und als Frankreichs Thermopylen bezeichneten Argonnenpässe sind heute von breiten Kunststraſsen und sogar von einer Eisenbahn durchzogen . Diese Umstände machten die Notwendigkeit einer zweiten Befestigungslinie zwischen der Grenze und Paris zu einer unleug baren . Freilich muſsten an diese Linie weit andere Forderungen herantreten als an den Grenzgürtel. Während bei letzterem in langer linearer Ausdehnung die Sucht nach Zeit und Raumgewinn *) Die jedoch mehr für den Fall einer Verletzung der Neutralität Belgiens in Betracht kommen.
Frankreichs zweite Verteidigungslinie.
150
für den strategischen Aufmarsch, nach Sperrung wichtiger Straſsen mehr durch fortifikatorisch -artilleristische Mittel als durch lebende
Kraft auftritt und die Verbindung letzterer in gröſserem Maſsstabe nur bei den Stützpunkten und Verkehrsmittelpunkten der ganzen Strecke zu tage tritt, galt es bei den Anlagen zweiter Linie durch Umwandelung des Terrains zum Entscheidungsschlachtfeld das Streben nach
nachhaltigster Kraftentfaltung zum Ausdruck
zu
bringen .
Was die Feldarmee in der Linie der Grenzbefestigung zu leisten hat, das muſs sich rasch entscheiden , sei es in offensivem oder defensivem Sinn, mit günstigem oder ungünstigem Ausfall. Das für nachhaltige Straſsensperre verlangte Gepräge der zähen Ausdauer
liegt ja mehr in der toten als lebenden Kraft jener Befestigungen, wird durch gut gelegene, fortifikatorisch und artilleristisch vorzüglich ausgestattete, feste, wenn auch kleine Anlagen – die Sperrforts
erreicht. Erfolgt jedoch der Appell des Landes nach Überwältigung seiner Grenzsperre an die Widerstandsfähigkeit der zweiten Linie, dann muſs hier der geschlagenen Feldarmee das denkbar möglichste Maſs von Kraft und Unterstützung durch die Befestigungen zuge führt werden , dann vereint sich die Feldarmee mit der Befestigung zum gemeinsamen, zähen, ausdauernden Entscheidungskampf und
verlangt daher von letzterer eine die Vereinigung ermöglichende und begünstigende Form, plätze, verschanzte Lager.
vorbereitete Schlachtfelder, Waffen
Von diesem Gesichtspunkte aus entstand jene Reihe befestigter, als Sammel-, Halt-, Manövrierpunkte dienender, zu Schlachtfeldern und Flankenstellungen werdender Plätze La Fère, Laon, Reims, Langres, Besançon, Dijon, vor welcher die Invasion einer deutschen,
mit Verletzung der belgischen Neutralität oder Überwindung des Grenzhindernisses in Frankreich eingedrungenen Armee zum Stehen gebracht werden soll. Durch sie als Mittelglied ist das ganze System
der französischen Befestigung nach Osten hin geschlossen, in seiner Dreiteilung einer Festungskampfstellung vergleich bar , mit Glacis, Umwallung und Reduit. Verfolgen wir nun nach dieser allgemeinen Betrachtung, um uns das Bild über Aufgabe und Thätigkeit der zweiten Befestigungs
linie wenigstens in einem Teile zu vervollständigen, beispielsweise die Verhältnisse für eine deutsche Invasions -Armee, welche unter Benutzung der trouée de la Meuse die Grenzsperre umgangen und die Argonnen hinter sich gelegt hat.
151
Frankreichs zweite Verteidigungslinie.
Zur Ausführung der letzteren Bewegung standen die Argonnen pässe (Kunststraſsen ) bei les Islettes, Lachalade, Grand-Pré, la Croix aux bois und le Chesne, letzterer zugleich nordwestliche Begrenzung
des Argonnen -Waldes, zur Verfügung ; denn bei den lehmigen, kalkigen Bodenverhältnissen kann mit Truppenbewegungen auſserhalb
der Kunststraſsen nicht gerechnet werden. Alle diese Marschlinien führen in den etwa zwei Tagmärsche breiten nordöstlichen Teil der eigentlichen Champagne. Wenn auch von zahlreichen Wasserläufen durchzogen, tragen die weiten, baumlosen, spärlich bevölkerten Kreideflächen dieses Gebietes doch den Charakter der Dürre, Un
fruchtbarkeit, Armut, deutlich genug ausgedrückt in ihrer Bezeichnung als » Champagne pouilleuse« . Im Westen stöſst an die Champagne ein kalkiges Hochland, die um etwa 100 Meter die vorliegenden Flächen überragende und dann sanft zur Ile de France abfallende Falaise, deren scharf be
zeichneter Fuſs von Nogent sur Seine über Sezanne nach Epernay, dann westlich an Reims vorbei nach Laon und an die Oise bei la Fère hinzieht. Der schroff sich emporhebende Osthang der
Falaise trägt ausgedehnte Waldbedeckung und wird von der Seine, Marne, Vesle und Aisne in tief eingeschnittenen, engen und stark
gewundenen Thälern durchbrochen , welche die natürlichen Zugänge
nach der Landeshauptstadt bilden. Er kann in seiner ganzen Aus dehnung als starker Defensivabschnitt betrachtet werden, der in seinem südlichen Teile zwischen Seine und Marne sich gegen eine mit Benutzung der trouée de la Moselle, — zwischen Marne und Aisne gegen eine durch die trouée de la Meuse und die Argonnen, -
-
zwischen Aisne und Oise endlich gegen eine mit Verletzung der Neutralität Belgiens in Frankreich eingedrungene Invasions -Armee , kehrt.
Die Strecke zwischen Marne und Aisne kommt sonach für
unsere Betrachtung in Berücksichtigung. Sämtliche Straſsen nämlich, welche aus den früher genannten Argonnen pässen in die Champagne münden, durchschneiden letztere konvergierend und treffen sich wenige Kilometer von dem Höhen zuge der Falaise in einem sämtliche Verkehrswege (Straſsen , Eisen bahn, Aisne -Marne-Kanal) der für die Invasions -Armee in Betracht
kommenden Strecke anziehenden Verkehrsmittelpunkt — in der Stadt -
Reims .
Nur die bei les Islettes die Argonnen durchbrechende
Straſse führt unmittelbar an die Marne, nach Chalons, um von hier gegabelt einerseits längs des genanntes Flusses über Epernay,
andererseits etwas südlicher (gröſste Entfernung 42 Kilometer) in westlicher Richtung abzuziehen und sich erst in la Ferté
-
Frankreichs zweite Verteidigungslinie.
40 Kilometer von den östlichsten Forts von Paris
152 -
wieder zu
vereinigen. Demgemäſs wird der Hauptteil (rechter Flügel und Mitte) der deutschen Invasions -Armee in dem gleich weit vom Aisne- und Marne- Durchbruch am Osteingange des Vesle- Thales liegenden Reims, der geringere Teil (linker Flügel) westlich von Chalons in und 20 Kilometer südlich Epernay an die natürlich starken Defensiv stellungen der Falaise geleitet und kann sich dem Gesetze, seine Operationen und Märsche auf die genannten Punkte zu richten , umsoweniger entziehen, als die früher betonte kulturelle Beschaffenheit der Champagne pouilleuse ein Abweichen von den Hauptverkehrs linien aus Rücksichten der Unterkunft und Verpflegung verbietet. In diesem durch die Armut des Landstriches zwischen Argonnen und Falaise, durch die Anlage des Straſsennetzes, durch die vor
liegende starke gegnerische Defensivstellung der Falaise geschaffenen Gesetze beruhen demnach die natürlichen Schwierigkeiten und Hinder nisse, mit welchen eine deutsche Invasions - Armee nach Durchschreiten
der Argonnen zu rechnen hat.
Die Bedeutung, welche zugleich dieser von der Natur geschaffene letzte Schutzwall für die Landeshauptstadt und die Fortsetzung eines französischerseits unglücklich begonnenen Krieges gegen Deutschland hat, bestimmte die Landesverteidigung Frankreichs der natürlichen Stärke dieses Abschnittes noch einen bedeutenden Kraftzuschuſs
durch die Umgebung des als so wichtig erkannten Punktes Reims mit Forts zuzuführen . Das oben erörterte Verhältnis, in welches sich die Feld - Armee zu dieser fòrtifikatorisch verstärkten Stellung
stellen wird, konnte von einer Befestigung der Stadt Reims selbst absehen lassen .
Es handelte sich hier nicht etwa um die Anlage
eines Waffenplatzes, einer Festung im eigentlichen Sinne, sondern um Schaffung eines Halt- und Sammelpunktes für die Feldarmee, eines vorbereiteten Schlachtfeldes. Wenn sich dabei die Terrain verhältnisse so günstig gestalteten, daſs zwei natürlich starke Stellungen
hinter einander zur Verstärkung und Vorbereitung einer doppelten Gefechtsstellung einluden, wenn sich hierdurch auch die Reihe der angelegten Forts zu einem um Reims gezogenen Kreise zusammen fügt, so dürfen wir diesen doch nicht im Sinne eines Festungs
fortgürtels, sondern müssen ihn vielmehr als doppeltes Schlachtfeld
betrachten mit der Aufgabe, der Feldarmee nach Maſsgabe des Terrains eine zweifache fortifikatorisch starke Stellung zu zähester Gegenwehr zu bieten .
Frankreichs zweite Verteidigungslinie.
153
Die Regelmäſsigkeit des Ostabhanges der Falaise erleidet nämlich gerade bei Reims eine auffallende,, jene Doppelverwertung be
günstigende Unterbrechung. Einerseits springt südlich Reims zwischen der Stadt und der 22 Kilometer entfernten Marne ein natürliches
Foret de la Montagne de Reims – fast bis zum Aisne -Marne -Kanal vor und giebt dem beherrschenden Falaise Höhenzug hinter Reims die Form einer das Becken von Reims
Höhen bastion
umschlieſsenden Einbuchtung.
Anderseits ist eine niederere, das
ebenere Vorgelände immerhin vollständig beherrschende Hügelkette im ausspringenden Bogen Reims auf 8–10 Kilometer vorgelagert, die im Norden bei Brimont in einem ziemlich schroff ansteigenden
Kegel ihren Anfang nimmt, sich gegen Witry les Reims als Einlaſs thor für die von le Chesne und la Croix aux bois herführenden
Straſsen einsattelt und dann rein östlich von Reims bis zu Nogent l'Abesse hin ihre höchste Entwickelung und ihr Ende erreicht.
Zwischen ihrem gegen die Vesle hin reichenden südlichen Abfall und dem südlich Reims vorspringenden Höhenbastion tritt die Straſse von Grand - Pré und Lachalade, sowie die bei les Islettes die Argonnen durchschneidende Bahn, von beiden Seiten vollständig beherrscht, in das Becken von Reims .
Der letztgeschilderte Reims vorliegende Höhenzug bildet die
erste fortifikatorisch verstärkte Schlachtlinie , welche die französische Landesverteidigung hier schuf. Die auf dem Höhenkern zwischen Witry les Reims und Nogent l'Abesse in einer Entfernung von je 1/2 Kilometer angelegten Werke, — das Fort von Witry, die mit einem Reduit versehenen Batterien von Berru und das Fort von Nogent l'Abesse mit Anschluſsbatterien — können als Mittelpunkt dieser starken Defensivstellung gelten und decken , wie erwähnt, die aus den Argonnenpässen von le Chesne, la Croix , Grand- Pré und
Lachalade herführenden Straſsen vollständig mit ihrem Feuer. Der 12 Kilometer vom Fort Witry entfernte nördlich von Reims liegende
Kegel von Brimont trägt ein Fort und zwei Batterien, die ihrerseits wieder von den linken Flügelwerken der zweiten Verteidigungslinie, der Gruppe von St. Thierry oder Pouillon flankiert sind.
Er
beherrscht das Gelände bis zur Aisne, nimmt die von Norden her
führenden Verkehrsstraſsen unter Feuer, ergänzt die Sperrung der Straſsen von le Chesne und la Croix und kann als linke Ver
teidigungsflanke der Stellung Witry-Nogent betrachtet werden. Die gleiche Rolle übernimmt auf der rechten Flanke, gegen Umgehungen von Süden her schützend, das Fort von Monbré, das 8 Kilometer
Frankreichs zweite Verteidigungslinie.
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südlich Reims, 12 kilometer südwestlich Fort Nogent auf einem nördlichen Ausläufer des Foret de la Montagne de Reims gelegen
ist und sein Feuer mit dem Nogents vereint, um die dem Becken Reims aus südöstlicher Richtung zuflieſsenden Straſsen
zu
sperren .
Obwohl nun diese thatsächlich auſserordentlich starke Stellung
von französischer Seite für inexpugnable« bezeichnet wird , sah sich die Landesverteidigung dennoch zum Vorschlage veranlaſst, auch die von der Natur am Ostabhange der Falaise hinter Reims gebotene starke zweite Verteidigungslinie noch fortifikatorisch aus zustatten und ihre Kraft zu erhöhen .
Die vier Werke, welche
im Anschluſs an die bereits genannte Gruppe von St. Thierry die Mitte und den rechten Flügel dieser Stellung bilden sollen, er strecken sich von Vrigny, 12 Kilometer westlich von Reims, im
Halbkreis bis nach Rilly, dem Tunnelendpunkt der Eisenbahn Epernay Reims, beherrschen das vorliegende Becken von Reims und die aus
diesem Straſsenmittelpunkt ins Innere des Landes abziehenden Verkehrswege vollständig und bilden so eine zweite mächtige Sperre des
Raumes
zwischen
Aisne
und
Marne,
auf dessen
Durch
schreitung wir die Hauptkraft der deutschen Invasions- Armee in ihrem naturgemäſsen Streben auf das Operationsziel Paris angewiesen sahen .
Die Straſsen über Epernay und Bergères les Vertus, auf welche der über les Islettes vorgegangene linke Flügel der In vasions - Armee geleitet werden könnte, haben zur Zeit zwar nur mit der natürlichen Stärke der Falaise-Stellung zu rechnen . Allein abgesehen von der Frage, ob der Kampf gegen die ungemein
starke und nicht unberücksichtigt zu lassende Stellung von Reims nicht die Mitwirkung dieses Flügels bedingt, oder ob ein Vor dringen zwischen Marne und Seine angesichts der beiden von den
Befestigungsgruppen la Fère-Laon-Reims und Langres-Besançon Dijon gebildeten strategischen Flankenstellungen überhaupt möglich ist, sind bereits Vorschläge zur Sperrung auch dieser Lücke er gangen , teils auf den Bau von Sperrforts in der Falaise-Strecke Epernay -Nogent sur Seine, teils auf Befestigung von Epernay und Anlage eines verschanzten Lagers bei Nogent sur Seine lautend.
Wird auch die Zukunft erst über das Los dieser Vorschläge entscheiden , für die hier in Frage kommende Betrachtung ist bereits praktisch dargethan , daſs gegen eine durch die Argonnen
155
Frankreichs zweite Verteidigungslinie.
vorgedrungene Invasions - Armee sich Natur und Kunst im aus
gedehntesten Maſs paarten , um ihr einen mächtigen Schild ent gegenzustellen . Dennoch wird dieser Schild erst seine Bedeutung und wahren Wert erhalten durch das Schwert, welches sich ihm
vereint zu Stoſs und Gegenwehr. Wenn damit im Entscheidungskampfe das Hauptgewicht immer
hin wieder den lebenden Kampfmitteln zufällt, so mögen wir auch Aufgaben wie der betrachteten mit Zuversicht entgegensehen. Mit dem deutschen Schwerte wird die Geschichte seiner jüngsten Erfolge kämpfen .
n
X.
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg strelitzschen Husaren -Regiment V ..... v. 0 ...... 1813 bis 1815. Der Schreiber dieses Tagebuches befand sich zu seiner Aus bildung auf dem bekannten Pädagogium zu Halle, als im Jahre 1813 in Preuſsen und dem übrigen Norddeutschland die gesamte wehrfähige Jugend voll Begeisterung zu den Waffen eilte , um das unerträgliche Joch des Franzosen - Kaisers endlich abzuschütteln . Da dnldete es auch ihn nicht länger auf der Schulbank ; er eilte mit zwei Brüdern und mehreren Altersgenossen der Heimat zu und erbielt von seiner auf dem Gute R ..... als Wittwe lebenden Mutter
die Erlaubnis, bei dem mecklenburg-strelitzschen Husaren - Regiment
als Freiwilliger Jäger einzutreten. Nachdem dies anfangs Mai erfolgt war und eine kurze Ausbildung stattgefunden hatte , rückte v. 0.
am 30. Mai mit seiner Truppe nach Schlesien , wo dieselbe dem preuſsischen I. Armee -Corps zugeteilt wurde und vom 23. August bis zum Ablauf des Waffenstillstandes bei Ohlau in Cantonnements
Quartieren verblieb. Am 8. August begann das Vorrücken gegen den Feind .
v. 0. hatte über seine Erlebnisse und Eindrücke während der
Feldzüge 1813/14 und 1815 täglich kurze Angaben niedergeschrieben und dieselben bald darauf zu einem zusammenhängenden Ganzen
gestaltet. Das auf diese Weise entstandene Tagebuch bietet so viele interessante Einblicke in die damaligen Verhältnisse, daſs die Veröffentlichung seiner wesentlichsten Teile gerechtfertigt sein dürfte .
Die Aufzeichnungen beginnen bereits mit dem April 1813, doch sie in der ersten Zeit weniger militärische Ver
berühren
Jahrbüoher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVI , 2 .
11
157
Aus dem Tagebuche des Freiwilligen Jägers im mecklenburg
hältnisse; deshalb ist hier die Zeit vor dem 8. August nicht wieder gegeben . Mit diesem Tage beginnt das Buch dann : > Den 8. (August) früh brachen wir auf, um , da der Waffen
stillstand zu Ende ging, näher an die Grenze zu rücken . Wir kamen bei Ober - Sirding an, wo wir ein Biwak bezogen. Da es auſser ordentlich schönes Wetter war , SO war es ein Vergnügen zu biwakieren , um somehr , als es uns etwas neues war ! Die Feuer ។
loderten lustig und alles war munter und guter Dinge. Ich hatte diese Nacht die Lagerwache, und bekam dabei das Nesselfieber. Den 9. ganz früh gingen wir nach Zachwitz am Zobtenberge. Alle Jäger kamen auf einen groſsen Hof. Unterwegs stürzte mein in Pluskau gekaufter Schimmel und brach das Bein , so daſs ich ihn muſste todtschieſsen lassen .
Den 11. hatte das ganze Corps Revue am Fuſse des Zobten vor dem Könige und Kaiser. Es war eine ungeheure Hitze und ein gräulicher Staub, so daſs wir ganz damit bedeckt zurückkehrten.
Den 12. hatten wir Ruhetag und wir gingen um den Geburtstag unsers Erbprinzen zu feiern, auf eine in der Nähe sehr romantisch
gelegene Mühle, wo wir den ganzen Tag sehr vergnügt zu brachten . Den 13. exerzierten wir. In der Nacht wurde Lärm geblasen, und wir kamen den 14. , nachdem den ganzen Tag marschiert war, unter starkem Regen nach Pfaffendorf an . Ich muſste mit Linde noch eine Patrouille von einigen Stunden machen , fanden aber die
Franzosen nicht. Wir hatten den 15. Ruhetag muſsten aber den ganzen Tag gesattelt bleiben, ebenso wie den 16., wo gegen Abend Lärm geblasen wurde, und wir die ganze Nacht durchmarschierten,
und endlich ein Biwak bezogen. Wir blieben den folgenden Tag dort stehen und fanden einige Lager, bei Goldberg und Neuendorf, welche die Franzosen verlassen hatten.
Wir brachen den 19. früh
aus dem Lager dicht bei Goldberg auf in der Absicht die Franzosen anzugreifen. Fabrice und ich hatten die Spitze der Avantgarde , und wir bildeten uns nicht wenig darauf ein, indem wir glaubten ,
daſs wir gleichsam den Krieg eröffneten . – Dicht am Gröditzberge stieſsen wir auf französische Kavallerie , und lieſsen uns mit ihnen
in ein Flanqueur -Gefecht ein. Wir waren mit den schwarzen Husaren auf den rechten Flügel, und da wir damals noch alle Büchsen hatten , so hielten wir sie uns damit ziemlich vom Leibe , und sie
wandten sich alle auf den linken Flügel , wo es zu einer kleinen Attacke kam , die wir , da wir auf dem Berge waren , sehr genau mit
ansehen konnten .
wo die Franzosen
Das Flankieren dauerte bis gegen Abend ,
Gröditz verlieſsen und sich zurückzogen.
Es
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813-1815.
158
wurden ihnen einige Granaten nachgeschickt. Der Pulverdampf der abgefeuerten Geschütze gewährte, da die Luft sehr still war, gegen die untergehende Sonne einen herrlichen Anblick . Wir blieben die Nacht bei Gröditz. Durch die Anstrengung des Gefechtes, welches den ganzen Tag gedauert, hatte ich einen so brennenden Durst bekommen , daſs ich, da durchaus kein anderes Wasser aufzutreiben
war , aus einer schmutzigen Pfütze trinken muſste.
Den ganzen
Tag hatte ich übrigens nichts als 2 Äpfel und einen Schnaps ge nossen, die ich von einen Ulanen , der mit uns flankierte bekommen hatte.
Den 20. verfolgten wir die Franzosen auf der Straſse nach Als wir aus dem Holze herauskamen, welches jenseit
Buntzlau zu.
Gröditz liegt, so sahen wir mehrere brennende Dörfer, welche vom Feinde in Brand gesteckt waren .
Eine Stunde von der Stadt trafen
wir auf russische Kolonnen , welche nach Buntzlau gingen , wir machten deshalb halt, um unsere ermüdeten Pferde zu füttern. Kurz darauf sahen wir einen ungeheuren Rauch , verbunden mit einem fürchterlichen Qualm , und wir erfuhren , daſs das Pulver
magazin in der Stadt gesprengt sei.
Gegen Abend erhielten wir
Befehl uns links zu wenden , um uns mit dem Regimente, wovon
wir detaschiert waren, wieder zu vereinigen. Den 21. brachen wir sehr früh auf, und standen hinter Bunzlau auf einer Höhe von
wo aus wir das ganze französische Lager übersehen konnten . Wir bemerkten , daſs auf der Straſse von Dresden unzählige Kolonnen
herkamen , und in kurzem griffen sie das in der Nacht verlassene Bunzlau wieder an , und nahmen es.
Wir bekamen mit einem
Male Befehl unsern Posten zu verlassen, weil wir sonst abgeschnitten würden , und bekamen unsere Richtung nach Löwenberg hin , wo die 2. Brigade wozu wir gehörten engagiert war. Als wir auf die Höhe kamen, von wo aus wir das ganze Treffen übersehen konnten , begegneten wir den General Horn, der sich zurückzog, und uns zu folgen befahl. Wir hörten , daſs sowohl hier als bei Bunzlau es nicht zu unserem Vorteile ausgefallen sei.
Wir gingen zurück und
bezogen bei Pilgramsdorf ein Biwak , zusammen mit dem ost preuſsischen National-Kavallerie-Regiment. Ich wurde den andern Morgen kommandiert eine Patrouille zu
machen , um wo möglich die Brigade des Prinz Carl ausfindig zu machen. Ich ritt aus dem Lager fort, als es noch ganz dunkel war . Als ich bei der Feldwacht des ostpreuſsischen Kavallerie Regiments vorbei kam, fielen in der Ebene vor mir, sechs bis sieben Schüsse, so daſs mir die Kugeln um die Ohren pfiffen. Ich nahm einige Verstärkung von der Feldwacht mit , und ritt nun drauflos. 11 *
159
Aus dem Tagebuche des Freiwilligen Jägers im mecklenburg
Als ich näher kam und es sich allmählich aufhellte, fand es sich, daſs es ungefähr 10 Landwehrleute waren , die sich den Scherz machten ihre Gewehre loszuschieſsen , ohne zu bedenken , was sie dadurch für Nachteil stiften könnten .
Ich liefs sie arretieren und
zurückbringen . Nachdem ich bei Neuendorf in dem von Franzosen erbauten Lager die Prinz A.'schen Brigaden gefunden hatte, kehrte ich zum Regiment zurück , welches auf einer Höhe aufmarschiert stand . Kurz vor uns standen Russen , die sich zurückziehend mit
den Franzosen schlugen und in einem ziemlich heftigen Feuer standen. Wir sahen eine zeitlang dem Gefechte zu , endlich aber
überfiel mich die Müdigkeit dermaſsen, daſs ich einschlief und mich nicht weiter um sie bekümmerte.
Als ich erwachte, war das Feuer
so nahe gekommen , daſs schon Kugeln dicht unter dem Berge worauf wir standen , anschlugen , wir brachen daher auf, um uns
zurück zu begeben ; nachdem wir den Tag und einen Teil der Nacht marschiert waren kamen wir in einem Biwak an , worin das ganze Corps stand , Lebensmittel für Menschen und Pferde fehlten
durchaus, und ein jeder suchte sich aus einem Dorfe, welches dicht daneben lag, und mit Soldaten besäet war, so gut wie möglich zu versorgen. Die Pferde wurden auf Klee gehütet. Den anderen Morgen brachen wir sehr früh auf , um vorzugehen und die Fran zosen anzugreifen . Unweit Goldberg, wo ein , von ihnen ver lassenes Lager stand , stieſsen wir auf sie. Die Jäger waren zum
Flankieren vorgeschickt, wurden aber bald zurückgeworfen, weil die Franzosen , teils Infanterie, teils Kavallerie, viel stärker wie wir waren .
Sie trieben uns über einen Hohlweg zurück und wir
schlossen uns an das Regiment an , welches eine Batterie deckte.
In kurzem fuhren die Franzosen, welche in ungeheuren Massen von der Höhe herunter kamen , Kanonen gegen uns auf, und demontierten in kurzer Zeit unsere Batterien. Wir standen also jetzt ganz allein da und waren einem
mörderischen Feuer mehrere Stunden lang
Als so einige Kugeln über uns weggefahren waren , fragte der Major v. Bismark, unser tapferer und braver Commandeur: » Dies ist das garstige Obst , womit sie uns von nun an traktieren werden. Wir bekamen Befehl, die vorgehende feindliche Kavallerie anzugreifen . Wir gingen ihr entgegen und warfen sie vollständig. ausgesetzt.
Es waren polnische Lanziers. Durch das Vorgehen kamen wir der Artillerie , die verdeckt stand , zu nahe, und wurden mit einer gehörigen Kartätsch - Salve bedient, die uns zum zurückgehen nötigte. Wir muſsten über einen ungeheuren breiten Graben setzen ; und der Oberjäger Denzien stürzte hinein , verlor Sattel und alle Bagage
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815.
160
und rettete sich nur mit groſser Mühe, durch ein, in unserer rechten Flanke liegendes und durch die feindlichen Granaten angezündetes Dorf.
Nachdem
wir noch einmal auf französische Chasseurs ein
gehauen und sie geworfen hatten, gingen wir an unsern alten Fleck ins Kanonenfeuer zurück. Die Franzosen, welche jetzt wohl sahen, wie schwach wir waren , und daſs wir eigentlich nur aufgestellt seien, um den Rückzug des Corps zu decken, drangen jetzt immer
in gröſseren Massen vor , wir zogen nun also allmählich ab , indem Der Rückzug ging bei der ungeheuren Menge von Defilees sehr langsam und die Franzosen lielsen es gar nicht an Granaten zu unserer Erquickung fehlen . Die Landwehr schlug sich schlecht, es war wenig Kavallerie da ; deshalb muſsten wir die äuſserste Tete der Arrièregarde bilden, und
wir immer die Infanterie deckten .
verloren viel Menschen und Pferde ; die Leute schlugen sich mit
ungeheurer Kaltblütigkeit und Ruhe , welches bei einer solchen Gelegenheit von einem neuen Regimente viel war. Die Folge dieses
ungünstigen Gefechtes, welches aber für uns und die meisten Truppen sebr ebrenvoll gewesen war , denn wir hatten uns , eine Brigade, einen ganzen Tag mit zwei Divisionen geschlagen , der Prinz Carl, welcher uns kommandierte, ergriff selbst die Fahne, und ging damit auf ein Carré los, — war, daſs wir nachdem die Dunkelheit der Nacht die weitere Verfolgung verhinderte, ein Biwak bezogen , woraus wir
den andern Morgen ganz früh aufbrachen , um den Verfolgungen des Feindes so schnell wie möglich zu entgehen. Sie verfolgten uns aber nicht weiter, und wir machten nicht weit davon an einem
Dorfe halt , wo wir das Corps fanden , und herzlich froh waren , Obgleich zwei Jahre verflossen
uns etwas ausruhen zu können .
sind, indem ich dieses schreibe , so denke ich doch mit Schaudern
an jene Zeit zurück. Man denke sich , seit sechs Tagen hatte der Krieg begonnen, und alle Tage hatten wir uns entweder geschlagen, oder die schrecklichsten Strapazen ausgehalten , dabei war in dem ausgehungerten Lande nichts zu essen, und man war froh , mit Brot seinen Hunger zu stillen ; dieses alles mit der niederschlagenden Aussicht, uns vielleicht über die Oder zurückziehen zu müssen, statt
daſs wir uns geschmeichelt hatten, die Franzosen über die Elbe zu Kurz es war eine höchst unangenehme Lage und man kann wohl nicht leicht eine Campagne unter schlechteren Auspicien
treiben .
anfangen . Ich war noch hiervon so durchdrungen , daſs ich zu Hause schrieb , das Unangenehme einer solchen Lage schilderte, und meine Mutter bat, ja meine Brüder zurückzubehalten .
In dem Dorfe, wodran wir standen, waren noch einige Hammel,
Aus dem Tagebuche des Freiwilligen Jägers im mecklenburg
161
die ich holte , und woran wir uns so gut wie möglich erquickten .
Der Soldat, wenn er es in seiner Lage nur mittelmäſsig hat, vergiſst hierüber alle überstandenen Leiden und genieſst die Gegen wart in vollen Zügen. Den 25. früh brachen wir auf, um den Franzosen, die sich , wie es hieſs zurückgezogen hatten, nachzufolgen . Wir kamen ohne sie zu sehen hinter Jauer bei einem Dorfe an ,
worin durchaus nichts war, so daſs wir aufs Feld gingen, und rohe Rettige aſsen , um unsern Hunger zu stillen.
Der 26. brach an
und wir ahnten nicht , daſs es ein so merkwürdiger und für die Folge so wichtiger Tag sein würde. Es regnete , wie wir auf brachen , ganz ungeheuer. Wir mochten ungefähr einige Stunden marschiert sein , als wir ein heftiges Engagement vor uns hörten. Das Kanonenfeuer kam uns immer näher , und wir konnten nicht
zweifeln, daſs es eine groſse Schlacht geben würde.
Wir hielten
an , um unsere Pferde etwas zu füttern ; allein kaum hatten wir
damit angefangen, als wir Befehl zum Aufsitzen bekamen , um vorzu rücken . Wir kamen bei einem Vorwerke an, welches an einer Höhe
lag, die der Feind heftig verteidigte und wir beinahe daran waren , sie zu nehmen. Da der Regen so stark war, daſs kein Gewehr los ging, so war es fast nichts wie Kanonenfeuer. Rechts debouchierten die Russen aus einem Dorfe unterhalb dem Kloster Wahlstadt ,
die Höhe wurde endlich nach einem sehr hitzigen Gefechte ge nommen, und die Franzosen unter Bajonett-Angriffen auf die Ebene zurückgeworfen, wo eine bedeutende Kavalleriemasse auf sie einhieb
und ihre Niederlage vollständig machte. Obgleich wir zu Anfang der Schlacht nichts weniger als einen günstigen Ausgang erwartet
hatten , so wurden unsere Anstrengungen aufs glänzendste belohnt ; wir sahen uns am Abend als Sieger auf dem Schlachtfelde — 103 Kanonen und nahe an 20,000 Gefangene fielen dem Sieger zu Folge der raschen Verfolgung in die Hände. Wir endeten die glorreiche und wichtige Schlacht an der Katzbach , daſs wir die Nacht auf dem Schlachtfelde unter Leichen und Trümmern stehen blieben .
Wir waren den Tag nicht zum Einhauen gekommen , als wir
den Befehl dazu bekamen, und im Trabe auf eine vor uns stehende Batterie losgingen , kam der General v. Gneisenau und befahl uns Halt zu machen , weil , da alle Kavallerie zerstreut und mit Ver
folgen des Feindes beschäftigt sei , eine geschlossene Masse zum Soutien bleiben müsse.
Als auf unserer Seite das Gefecht schon
beendigt war, sahen wir in unserer linken Flanke immer noch ein
heftiges Feuer. Obgleich es nicht weit war, hörten wir nicht einen
strelitzschen Husaren - Regiment V. v. 0. 1813-1815.
Schuſs, sondern sahen bloſs den Blitz der Geschütze.
162
Es war der
General Langeron , der noch einigen Widerstand fand, da das Terrain den Rückzug der Franzosen begünstigte. Wir gingen spät, da alles beendigt war, ein wenig links in
einen Hohlweg , wo wir an einigen Gesträuchen die Pferde fest banden , die den ganzen Tag gehungert und auch jetzt kein Futter bekamen. An Stroh und Holz mangelte es uns gänzlich ; dabei waren wir durch den unaufhörlichen Regen durch und durch naſs und hatten den ganzen Tag nichts gegessen , denn alles Brot war aufgeweicht. Ich legte mich in dieser verzweifelten Lage unter einen kleinen Strauch ; allein der darin herabträufelnde Regen vertrieb mich bald von diesem Zufluchtsorte, und ich suchte mich durch Herumlaufen etwas zu erwärmen.
Endlich kam
ein kleines
Feuer zu Stande, welches aber, da das Holz nafs war und der Regen es verhinderte , sehr schlecht brannte. Fabrice kochte in einem Feldkessel etwas Brodsuppe, die aber aus Mangel an übrigen Ingredienzien nur aus Brot , Wasser und Salz bestand. Als sie
fertig war , fielen wir gierig drüber her , und ich kann versichern, daſs mir nicht leicht die leckerste Speise je besser geschmeckt hat, wie diese elende Suppe.
Gegen Morgen brachen wir auf und gingen auf eine kleine Höhe, die mit kleinen Birken bepflanzt war. Es wurden Kommandos in ein nahes Dorf geschickt, um Lebensmittel, Holz und Stroh an
zuschaffen , die aber nur sehr sparsam dort zu finden waren. Da der Regen aber noch immer anhielt, so war es nicht möglich , uns zu trocknen, und wir waren froh , daſs wir uns nur etwas erwärmen konnten . Da der Regen dabei kalt war, so wurden viele Menschen krank . Den Tag blieben wir hier stehen, und die Nacht war eine Fortsetzung der vergangenen , nur daſs wir uns durch Sträucher und Stroh etwas Schutz zu verschaffen suchten . Den 28. gingen wir weiter vor , und kamen gegen Abend in ein Dorf an , wo wir 1
?
erst im Stande waren unsere durchnäſsten Sachen etwas zu trocknen .
Den 29. machten wir vor Bunzlau balt , und die Russen waren beschäftigt, die Brücke über den Bober, welche die Franzosen heftig verteidigten , wegzunehmen. Sie verloren eine Menge Menschen und nahmen sie nicht ; in der Nacht verlieſsen die Franzosen die
Stadt und wir gingen den 30. über den Bober. Gegen Abend spät kamen wir unweit Naumburg am Queis , wo die sächsische Grenze ist, in Biwak an. Die Franzosen verteidigten diese nicht, und wir gingen ruhig über die Grenze . An einem Dorfe, dessen Namen ich vergessen habe, machten wir halt, und ich wurde mit
163
Aus dem Tagebuche des Freiwilligen Jägers im mecklenburg
einer Patrouille nach Görlitz vorgeschickt, welches ich schon von
Russen besetzt fand. Übrigens wurden wir in Sachsen sehr gut aufgenommen . Aus allen Dörfern, welche die Franzosen , als ihren Freunden gebörig , geschont hatten , kamen uns Leute mit Speise und Trank entgegen , und dies war für uns, die wir nichts als die zerstörten schlesischen Ortschaften kannten , ein erfreulich über
raschender Anblick. Wir feierten hier den Sieg an der Katzbach . Als die Leute das Schieſsen hörten , liefen sie alle fort, weil sie wahrscheinlich ein neues Gefecht fürchteten. Da sie aber hörten,
daſs es nur Victoria sei , wurden sie bald wieder beruhigt.
Den
1. September gingen wir bei Görlitz über russische Pontons über die Neiſse und kamen eine Stunde dahinter an einem Dorfe in Biwak ; den folgenden Tag brachen wir sehr früh auf, um nach Bautzen zu gehen, als wir gegen Hochkirch auf die Höhe kamen , stieſsen wir auf die Franzosen , die in ungeheuren Kolonnen die Höhen herabkamen .
Wir erfuhren, der Kaiser sei, nachdem er bei
Dresden einige Vorteile über die groſse Armee errungen , von da aufgebrochen, um sich mit seiner ganzen Macht auf die schlesische Armee zu werfen . Wir machten sogleich halt, und einige Truppen wurden vorgeschickt, um den Feind aufzuhalten . Wir benutzen einen kleinen Augenblick Ruhe, um unsere Pferde zu tränken und
mit etwas Heu zu füttern.
Einige Kosaken brachten gefangene
Franzosen vorbei , welche sie, da sie nicht mehr marschieren konnten ,
auf das grausamste ermordeten. Gegen Abend' ward ich mit Den zien und Bruckner auf eine buschige Höhe geschickt, um die Be wegung der Franzosen , die vor uns tiraillierten, zu beobachten . Ich
hätte aus Unvorsichtigkeit beinahe einen Kosaken erschossen. Indem ich mein Pistol probierte, ging es los, und die Kugel streifte dicht
an seinem Kopfe vorbei. Da die Feinde immer mehr vordrangen, so verlieſsen wir unsere Posten , und begaben uns zum Regimente
zurück , welches sich schon weit zurückgezogen hatte. Wir mar schierten die ganze Nacht durch und kamen endlich den Morgen in demselben Biwak an , welches wir den Tag vorher verlassen hatten .
Dies ist einer der beschwerlichsten Märsche, welche ich in
meinem Leben gemacht habe; wir waren Tag und Nacht marschiert, ohne daſs Pferde oder Menschen etwas genossen hatten ; dabei gingen wir hinter der Infanterie , so daſs alle Augenblicke die
Kolonne stockte , und wir einige Schritte marschierten und dann wieder lange halten muſsten. Gegen Mittag brachen wir auf, weil uns die Franzosen folgten .
Da der Übergang über die Brücke zu langsam ging, muſste die
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815.
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Kavallerie durch eine Furt setzen , wobei, da es tief war , eine
Menge Wagen fortschwammen.
Es waren Kanonen aufgefahren ,
die den Übergang deckten. Kaum waren wir hinüber , so zeigten Wir kamen spät in der Nacht auf demselben Biwak an , welches wir den 31. verlassen sich die Franzosen auf der anderen Seite.
hatten . Den 4. früh brachen wir auf, gingen bei Naumburg über den Queis zurück und machten kurz dahinter in einem Tannenholze
balt. Die Franzosen verfolgten uns hier nicht weiter und wir blieben mehrere Tage daselbst stehen. Da es uns an Holz und Stroh und hauptsächlich an gutem Wasser sehr fehlte, und unauf hörlich fast regnete, so war es ein trauriges Biwak ; unser einziger Trost war, daſs einige Marketender von Breslau herkamen, die für unseren Unterhalt sorgten . Den 8. brachen wir auf, und gingen links durch Böhmen, über Rumburg , Schluckenau nach Bautzen,
wo wir den 11. früh des Morgens ankamen. Die Gegend , welche
wir passierten ist wunderschön , Rumburg und Schluckenau sind zwar kleine , aber durch Fabriken reiche Städte , sowie die ganze umliegende Gegend. Bei Bautzen bezogen wir eine Position ; unser Regiment kam an ein Dorf zu stehen , wovon nur noch ein Haus
stand , das übrige war in der Schlacht alles abgebrannt. Einige tote Franzosen , die noch unbeerdigt dalagen , verbreiteten einen pestilenzialischen Geruch .
Wir erbauten uns, so gut wir konnten, Hütten aus dem faulen Stroh , welches wir unter Schutt und Balken hervorsuchten ; hier durch und durch die Nässe, welche anhaltend war, bekamen wir so viel Ungeziefer, daſs es fast nicht zum Aushalten war. Wenn die
Sonne etwas hervorblickte, so war die ganze Linie damit beschäftigt, die darüber erfreuten Tierchen zu morden .
Das Futter fehlte so
sehr, daſs wir aus Böhmen fouragierten, und die Menschen wurden spärlich aus dem Magazin verpflegt. Nachdem wir über 8 Tage hier ruhig gestanden hatten , und manche schon von Frieden und Waffenstillstand sprachen , bekamen wir Befehl Kantonierungen in der Nähe zu beziehen . Nachdem wir daselbst eingerückt waren, wurde in der Nacht mit einem Male Lärm geblasen, weil der Kaiser
die Vorposten bei Bischofswerda angegriffen und geworfen hatte.
Wir kletterten von unseren Bergen, worauf wir gestanden hatten , herunter, und bezogen dicht an der Straſse von Bautzen nach Görlitz ein Biwak.
In derselben Nacht kam Scheven , der als Fourier nach der Schlacht an der Katzbach nach Strelitz geschickt worden war,
wieder an, und brachte Nachrichten von Hause mit.
Den anderen
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Morgen wurde ich mit dem Lieutenant Beyer auf Fourage-Kom mando an die böhmische Grenze geschickt. Ich stürzte, da ich unvorsichtig ritt, einen Hohlweg in vollem Lauf herab, und ich kann von Glück sagen, daſs ich nicht den Hals gebrochen. Den folgenden Tag bekamen wir Befehl, dem Regiment, welches 1
marschiert war, zu folgen , und wir gingen ungern fort, weil wir
uns hier , wo wir ziemlich gut einquartiert waren , von
unseren
ununterbrochenen Biwaks etwas zu erholen glaubten . Den dritten Tag
trafen wir das Regiment auf dem Marsche nach der Elbe zu , bei
einem kleinen Städtchen , dessen Namen ich ' vergessen habe.
Die
?
Fourage , die wir mitbrachten , war , da es durchaus daran fehlte, sehr willkommen.
Wir gingen über Elsterwerda auf Mühlberg , um dort über die Elbe zu gehen , da aber die Franzosen von Torgau aus den
Übergang versperrten , so wandten wir uns , nachdem wir einen Tag davor gestanden hatten , rechts nach Elstra , und kamen den 2. Oktober daselbst an.
Unser Biwak war in einem sehr schönen
Eichholze. Da es eine ungeheure Menge Wild in der Gegend giebt, so lebten wir fast nur davon .
Den 3. ganz früh brachen wir aus unserem Biwak auf, um wie es hieſs über die Elbe zu gehen . Die Franzosen hatten die Schiffbrücke schlagen lassen, ohne es zu verbindern. Als wir an derselben angekommen waren, hielt der General Blücher da,
und sagte uns : » Na Husaren, wenn ihr herüber seid , lasse ich euch die Brücke hinterm A ... abbrennen, schlagt euch also brav. «
Ein lautes Hurrah erfolgte von unserer Seite und fröhlich führten wir unsere Pferde über die Brücke. Als wir drüben waren, fanden wir die Infanterie schon mit Tiraillieren beschäftigt. Sie warf die französische durch ein Holz über eine Wiese bis an das Dorf
Wartenburg , welches, durch seine natürliche Lage sehr begünstigt, mit Infanterie stark besetzt, sehr schwer zu nehmen ist.
Die
2. Brigade bekam Befehl, links wegzugehen und die Franzosen aus dem Dorfe Bleddin zu vertreiben. Die Batterie vom Capitän Huet fuhr gegen sie auf, und in kurzer Zeit war das Dorf leer. Infanterie
und Kavallerie folgte und gingen durch, die Batterie an der Spitze. Durch dieses geschickte Manöver kamen wir denen, die in Warten burg standen, in den Rücken. Bei dem Dorfe Globig stiefsen wir auf französische Kavallerie ; die zwei Schwadronen von den schwarzen Husaren und unsere dritte attackierten darauf und warfen sie total,
Die meisten wurden gefangen. Eine Batterie, welche sie decken sollte, wurde genommen , ohne daſs wir einen Schuſs bekamen, und
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815 .
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gezwungen , auf ihre eigenen Carrés Feuer zu geben , welche
dadurch in Unordnung gebracht, sich schleunigst abzogen . Die Kavallerie bestand meistens aus westfälischer Chevauxlegers -Garde. Ihr Chef selbst wurde von Malzahn gefangen genommen , der dafür auf dem Schlachtfelde zum Offizier ernannt wurde. Wir gingen nun rechts, um die Franzosen in Wartenburg im Rücken anzu greifen ; mit einem Male bemerkten wir an einer Hecke einen Artillerie - Train marschieren , der schon im Anzuge begriffen war.
Der Major Bismark griff ihn mit der ersten und Jäger-Schwadron an.
Sie machten keine Miene auf uns zu feuern , und wir waren
schon ganz nahe heran, als wir plötzlich ein mörderisches Infanterie feuer hinter der Hecke her bekamen , wo hinter ein Bataillon auf gestellt war , ohne daſs wir hinzu konnten. Wir nahmen also in
aller Geschwindigkeit unter diesem sowohl nahen als heftigen Feuer seine Kanonen und acht bis zehn Pulverkarren weg. Dieser obgleich glänzende Coup kostete uns viel Menschen und Pferde. Der Wacht
meister Roloff ward links neben mir totgeschossen , mehrere Jäger blessiert und viele Pferde erschossen .
Da es unmöglich war, daſs wir, da wir hierdurch sehr in Unordnung gekommen waren , weiter verfolgen konnten , so gingen wir zurück, und die Reserve-Kavallerie, welche jetzt auch über die
Elbe gekommen , ging vor , und folgte denen sich jetzt auf allen Ecken zurückziehenden Franzosen bis dicht an Wittenberg, wo sie
sich hineinwarfen. So endigte dieses herrliche Gefecht , wovon der General York hernach selbst sagte, es sei die glänzendste Waffen that des Krieges. Wir schlugen eine überlegene Macht aus einer festen Position . Wir hatten aber freilich auch nur die Wahl die französischen Batterien zu nehmen oder uns in die reiſsende Elbe
hinter uns zu stürzen. Wir gingen zurück 'und blieben die Nacht in Wartenburg , wo wir alle in einem groſsen Schaafstall blieben, und recht Gelegenheit hatten , die gute Position der Franzosen zu betrachten . Dies Dorf ist mit einem Art Walle umgeben , welcher wiederum durch einen breiten und nur an wenigen sehr engen
Orten gangbaren Sumpf geschützt war. Die Franzosen hatten sich hinter die Wälle gelegt und deshalb nur sehr wenig verloren. Das Resultat dieses Gefechtes waren 14 Kanonen, eine Menge Munitions
wagen und einige tausend Gefangene. Unser Regiment hatte über 300 Beutpferde gemacht. Den folgenden Tag gingen wir auf der Straſse links von Wittenberg vor und blieben nicht weit von der Festung an einem Dorfe stehen, von wo aus wir ein Kommando mit den schlechtesten
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Pferden zu Hause schickten , die übrigen erbeuteten wurden ins Regiment eingestellt. Den 5. setzten wir unsern Marsch wiederfort, um über die Mulde zu gehen. Wir wollten zuerst den Fluſs passieren upd blieben zwei Tage davor stehen ; da aber die Franzosen den
Übergang webrten, gingen wir den 8. weg und begaben uns in die Nähe von Dessau , wo wir uns mit dem Bülow'schen Corps ver Wir lagen dicht vor der Stadt und brachen in der Nacht vom 9. auf, gingen bei Jeſsnitz über die Brücke und legten uns
einten .
dicht dahinter im Biwak, wo wir den 10. bis Mittag stehen blieben . Hier feierten wir so gut wir konnten, es Ort und Zeit erlaubten, den Geburtstag unseres Herzogs. Manche meinten es so gut, daſs sie, als wir marschierten, noch betrunken waren . Ich wurde mit dem Portepeefähnrich v. Zimmermann in die Gegend von Zörbig auf Fouragekommando geschickt. Das Dorf, wohin wir gehen sollten , war ganz mit Infanterie besetzt. Der Commandeur derselben war indes so artig uns etwas verabfolgen zu lassen. Ich war, als man mit Aufladen beschäftigt war, vor der Thüre eingeschlafen, und Zimmermann war, ohne mich zu wecken, fortgefahren, ich sah mich also bei meinem Erwachen mitten in der Nacht ganz allein, ohne zu wissen, wohin ich gehen sollte.
Nach vielem Umhersuchen fand
ich das Regiment endlich , welches an einem Dorfe auf der Straſse von Dessau nach Halle stand .
Da es sehr kalt war, so suchte ich
ein Haus. Ich fand eines, worin Scheveus schon darin waren , es war klein aber nicht niedlich, es gehörte dem Schweinehirten und es stank ungeheuer nach Ziegen darin . Ich kauerte mich mit aufs Strohlager und war froh, daſs ich unter Dach und Fach war. Den 11. nahm ich Urlaub, um da das Regiment bei Wettin über die Saale gehen sollte, mit Milarch and Denzien nach Halle zu reiten .
Wir kamen früh daselbst an, und meine alten Bekannten
freuten sich auſserordentlich mich gesund und wohl wieder zu sehen . Der Kanzler N. nahm mich erstaunt freundlich auf und lud mich zu
sich zu Mittag, wo er sich dann sehr genau nach allem erkundigte, was mir seit meiner Entfernung von Halle alles begegnet sei. Gegen Abend kam das ganze erste Armee-Corps durch Halle durch, ic blieb daher die Nacht da und ritt den anderen Tag fort.
Ich traf
das Regiment bei Scherben , welches dem Herrn v. Madai gehört, im Biwak. Es regnete und war überhaupt unangenehmes Wetter. Wir blieben hier bis zum 15. stehen, ohne daſs ich nach Halle
konnte, da wir uns nicht sicher waren , daſs wir jeden Augenblick marschieren sollten . Da die ganze Brigade an diesem Dorfe stand, so hatten wir sehr wenig zu leben.
Zwei Häuser, die dicht an
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815.
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unserem Biwak lagen, waren zu unserer Disposition. Ich schlief eben auf dem Boden auf Flachsbünden. Hier kam ein neuer Jäger, Herr v. Kotzen , zu uns. Den 15. Nachmittag bekamen wir Befehl zum Marschieren und gingen nach Halle zurück. Wir glaubten also schon, wir wären bestimmt, den Franzosen , welche hinter unseren
Rücken über die Elbe nach Berlin zu gegangen waren , zu folgen. Wir gingen aber auf der Chaussee nach Leipzig vor. Ich blieb in Halle etwas zurück und ritt dem Regimente nach, welches ich an einem Dorfe auf der Straſse fand.
Den 16. blieben wir bis gegen Mittag stehen und brachen dann auf, immer auf der Straſse von Leipzig vor. Wir konnten also nicht zweifeln, daſs es zu einer entscheidenden Schlacht kommen würde ;
da der Kaiser mit seiner ganzen Macht in Leipzig war, und wir uns mit der groſsen Armee vereinigt hatten, welche den 14. schon ein sehr glänzendes Kavallerie-Gefecht gemacht hatte. Wir marschierten eine Weile, da hörten wir mit einem Male
rechts von uns eine sehr heftige Kanonade ; wir marschierten auf der Straſse von Leipzig weiter fort, und es dauerte nicht lange so engagierte sich vor uns das Gefecht. Das Corps marschierte sogleich auf, und unser Regiment kam auf den rechten Flügel links neben der Chaussee hart an dem Dorfe Möckern , welches der Oberst
v. Hiller (damals noch Major) angriff. Wir muſsten sechs Jäger geben , welche die Communication zwischen ihm und dem Regimente unterhielten .
Zuerst trieben wir das von dem Feinde vorpoussierte
Corps zurück , bis daſs sie Verstärkung erhielten, und nun die Schlacht allgemein wurde. Sie fuhren jetzt Batterien auf und fingen an , uns aufs fürchterlichste zu beschieſsen . Es schien, als wollten sie vor züglich Möckern behaupten , denn in und um dasselbe war das Gefecht
am heftigsten . Infanterie-Kolonnen folgten sich unaufhörlich. Das Dorf wurde mebrere Male genommen und wieder genommen . Von beiden
Teilen rückten Verstärkungen heran, die durch eine bedeutende Artillerie unterstützt wurde ; 40 Kanonen waren auf einen Punkt
gerichtet. Das Feuer war so stark, daſs man vor dem Pfeifen der Kugeln nur den Knall der Kanonen dumpf hören konnte . Alle Augenblick muſste man erwarten von einer Kugel getroffen zu werden . Koelling verlor rechts neben mir durch eine Kanonen
kugel den Kopf, als wir gerade über einen Graben gesetzt und halb links gemacht hatten, ohne welches sie wahrscheinlich mich getroffen hätte. Als das Gefecht am heftigsten war, der entscheidende Moment nahe zu sein schien, und die Franzosen in gedrängten Infanterie Massen links vom Dorfe Möckern auf uns loskamen, erhielten wir
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
den Befehl, diese Infanterie zu attackieren. Wir gingen im Trabe vor, setzten durch ein paar Gräben, und passierten einen sehr tiefen Hohlweg. Vor uns fanden wir ein Landwehr-Bataillon, welches, da Kavallerie hinter ihm kam , mit gefälltem Bajonette and Hurrah vor wärts ging. Als wir dem Carré nahe genug waren , setzten wir uns eine Schwadron hinter die andere, und gingen, obgleich etwas in Unordnung, doch sehr entschlossen darauf los. Auf ungefähr 50—60 Schritte bekamen wir die volle Salve, wodurch wir uns aber
nicht irre machen lieſsen , sondern in das Carré, welches durch die Salve in Unordnung gekommen war, hinein sprengten. Der Com mandeur desselben , welcher sah, daſs es verloren war, ritt jetzt
davon, ich jagte ihm nach und erreichte ihn auch bald. Er nahm sogleich Pardon, und ich ritt mit ihm zurück, um ihn irgendwo abzuliefern. Da ich Niemanden vom Regimente fand, so meldete ich es dem
Fürst Blücher, der auf einer Anhöhe hielt und der
Kavallerie -Attacke zusah. Es befand sich der Adler, welchen das Regiment genommen hatte, und welcher der erstgenommene in dieser Campagne war, schon bei ihm . Der Fürst befahl mir ihn zu den übrigen Gefangenen hinzu bringen. Ich fand bald darauf auch den Obrist v. Warburg und den Haufen unserer Gefangenen , welche an 1100 waren . Nach uns hatten fast alle übrigen Kavallerie-Regimenter
attackiert und die Schlacht war für uns entschieden, und da die
Nacht eintrat, und die Franzosen sich in ein Holz vor Leipzig zurückzogen , beendigt. Der Major v. Graevenitz I wurde mit dem Teile des Regiments, was er um sich hatte, kommandiert, die Gefangenen diesen Abend
nach Skeuditz zurückzubringen. Ich gab das Pferd vom Obrist an einen blessierten Offizier, welcher es bis Skeuditz ritt.
Das Carré,
welches wir gesprengt hatten, war von der Garde marine und der Obrist hieſs Pringet und war aus Brest gebürtig. Unser Verlust an diesem heiſsem Tage war nicht gering. Wir verloren 3 Offiziere, unseren braven Commandeur, den Major v. Bismark , Lieutenant Schüſsler und v. Hobe ; leicht blessiert wurden der Rittmeister Damm und Lieutenant Milarch .
Wir kamen spät in der Nacht in Skeuditz an, wo wir alle
Gefangenen in die Kirche sperrten . Da der Ort von Verwundeten voll war, so konnten wir kein Unterkommen finden , und unsere
Pferde biwakierten, wir gingen aber ins Haus des Küsters, welches dicht an der Kirche lag.
Den anderen Morgen ging ich in die Kirche, um den Offizieren etwas Brot und Branntwein zu bringen ; es war vor Dunst und
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815. Geruch darin kaum auszuhalten .
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Mit Gier verschlangen sie das
trockene Brot. Der Rittmeister Graf v. Lüttichau wurde mit 40 Pferden
kommandiert die Gefangenen nach Halle zu transportieren. Wir marschierten gegen 7 Uhr dahin ab, da die Soldaten nichts zu essen bekommen hatten, so liefen sie immer rechts und links vom Wege ab, um sich rohe Rüben und Kartoffeln zu ihrer Nahrung herbei zu Es war übrigens interessant sich mit den Offizieren zu unterhalten , was sie alles für Nachrichten hatten und wie sie hintergangen waren . So hatte ihnen der Kaiser kurz vor ihrer holen .
Gefangennehmung sagen lassen, er habe die Österreicher geschlagen , ihnen 30 Kanonen abgenommen und dergleichen mehr; und das glaubten sie alles. Sie schätzten sich übrigens glücklich, in so menschenfreundliche Hände geraten zu sein. Wir kamen gegen Abend in Halle an, wo eine ungeheure Menge Volks versammelt war, so daſs wir kaum übern Markt konnten .
Alle Soldaten kamen
in die Moritzkirche und die Offiziere in das Rathaus auf dem Neu
markt, wohin ich sie begleitete. Als ich dieses Geschäft abgethan hatte, ging ich zu meinen Bekannten , die sich erstaunt freuten , mich aus so groſsen Gefahren gerettet zu sehen.
Den folgenden Tag gingen wir von Halle weg, um uns wieder zum Regiment zu begeben, welches noch auf dem Schlachtfelde stand. Wir hörten schon unterwegs, daſs das Gefecht bereits wieder angefangen habe ; allein es war sonderbar, daſs wir nichts eher von der Kanonade hörten, als bis wir über Skeuditz hinaus auf die Höhe
kamen, wo wir die Schlachtordnung übersehen konnten. Als wir zum Regimente ankamen, stand es aufmarschiert und es defilierten eben die sächsischen Kavallerie-Regimenter, welche übergegangen waren, vorbei und die der Major v. Fabrice kommandierte, so war eine auſserordentliche Freude unter den beiden Brüdern , die sich
hier auf eine so unerwartete Art trafen . Wir standen den Tag in der Reserve und kamen nicht vor. Es war übrigens ein schöner Anblick, rings um Leipzig sah man das ungeheuerste Feuer, ver mehrt durch die Menge der brennenden Dörfer . Alles dieses zu sammen gewährte in dem Augenblicke, da es anfing dunkel zu werden, einen imposanten Anblick. Kurz nach unserer Ankunft er hielten wir Befehl zum Aufbruch , um nach Halle zurück zu gehen und die Franzosen bei Weiſsenfels und Freiburg abzuschneiden . Wir marschierten die ganze Nacht durch und kamen gegen Morgen bei Halle an. Unser Regiment kam hinter dem roten Thore in Biwak . Ich ging sogleich zum Inspektor K. um Holz und Stroh zu besorgen . Der Doctor M. lud mich sogleich zu sich ein, und
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
ich that mir ordentlich gütlich, schlief, da wir den Tag dort stehen
blieben, seit Berlin zum ersten Male wieder in einem Bette, und zwar in meinem eigenen, welches noch da war .
Den Nachmittag hörten wir eine sehr heftige Kanonade, er
fuhren auch bald, daſs Leipzig genommen und die Franzosen auf völligem Rückzuge waren .
Den folgenden Tag brachen wir sehr früh auf, und gingen über Lauchstedt nach Weiſsenfels zu, welches auch noch angegriffen wurde .
Wir blieben die Nacht dicht an einem Dorfe, worin wir
Jäger einquartiert wurden, um das Plündern zu verhüten . Den 21. gingen wir bei Weiſsenfels vorbei und zogen uns rechts auf Freiburg ; wir hatten die Avantgarde. Die Franzosen zogen sich allenthalben so schnell zurück , daſs wir sie nirgends erreichen konnten. Aus dem Holze, welches hinter Freiburg liegt, kamen
eine unzählige Menge Überläufer, vorzüglich Polen, zu uns.
Der
General York griff rechts von uns die Franzosen mit der Infanterie an, und wir standen um die linke Flanke zu decken ohne viel zu
thun zu haben, und sahen dem sehr hitzigem Gefechte zu.
Die
Nacht machte ihm ein Ende, ohne daſs etwas entschieden war, und wir gingen an ein Dorf zurück .
Den 23. gingen wir über die Unstrut und fanden in Freiburg eine ungeheure Menge Wagen zum Teil von der Bagage des Kaisers.
Wir marschierten jetzt immer ruhig fort und es hieſs immer von einem Tage zum anderen, wir würden Kantonierungen beziehen .
Bei Langensalza wurde die Infanterie einquartiert, und wir bekamen Billets, um in der Stadt zu essen .
Den anderen Tag, ich habe das
Datum vergessen , brachen wir sehr früh auf, um die Franzosen, welche von Gotha über Eisenach retirierten, dort abzuschneiden. Als wir bei letzterem Orte des Abends ankamen fanden wir ihn noch
besetzt, und die Franzosen defilierten auf der Chaussee von Gotha.
Der General York machte eine Rekognoszierung mit dem Regimente, lieſs einige Kanonen auffahren, welche die Chaussee bestrichen und hielt so die von Gotha kommenden Franzosen von Eisenach zurück.
Es war ein ungeheurer Wind und eine schneidende Kälte, als wir zurückgingen , und uns an ein Dorf legten , ging ich in dasselbe und legte mich in eine Scheune, wo die Pferde des Major Oertzen standen.
Den anderen Morgen fanden wir alles eingefroren.
Dies Gefecht
war das letzte, was wir auf dieser Seite des Rheines mit den Fran hatten . Wir hatten durch das Tiraillieren eine Menge zosen
Blessierte bekommen , so daſs, als wir am Abend zurückgingen, die
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Brücke, welche ins Dorf führte, so voll davon war, daſs man kaum durch kommen konnte.
Den folgenden Tag gingen wir durch Eisenach, welches der Feind in der Nacht geräumt hatte. Ich blieb daselbst etwas zurück und traf den Major v. Fabrice, der mit seinen beiden Regimentern von da zurückging, um sich an die sächsische Armee anzuschlieſsen. Als ich dem Regiment nachging, ritt ich auf die Wartburg, um die dortigen Merkwürdigkeiten zu besehen, Dr. Luther's Stube und dessen Dintenklex wurden vor allen Dingen gezeigt. Sehenswert ist die dortige Rüstkammer, wo manche sehr schöne und alte Rüstungen sich befinden.
Den folgenden Tag gingen wir nach Salzungen, links von der groſsen Straſse. Das ganze Regiment wurde einquartiert, und ich ging mit der 3. Schwadron vor auf Vorposten . Wir patrouillierten auf der Straſse nach Vach und machten mehrere Gefangene. Wir blieben hier einen Tag stehen und gingen dann nach Fulda , von da nach Gieſsen , wo ich einen Schulkameraden fand, der dort studierte.
Wir gingen jetzt von einem Quartiere zum anderen bis an den Zuerst schienen wir unsere Richtung auf Coblenz zu nehmen , denn wir gingen über Braunfels, Limburg durch den Rhein .
Westerwald , mit einem Male kamen ungefähr um die Mitte Mainz an. Der Ort , wo wir welches zwischen Bergen nahe
wandten wir uns aber links und des November bei Wiesbaden vor zuerst hinkamen , hieſs Neudorf, bei Wallhof eine schöne Lage hat,
und sehr viel Wein baut. Ich hatte ein Gelübde gethan, mir, den ersten Tag wenn wir an den Rhein kämen , in dem herrlichen Rebensafte an der Quelle ein kleines Räuschchen zu trinken . Wir
gingen den Abend zum Lieutenant v. Beyer, der beim Bürgermeister in Quartier war , und dieser redliche Mann war so bemüht , uns nicht vor Durst umkommen zu lassen , daſs es auch ohne Gelübde
zu einem Räuschchen gekommen wäre. Wir waren überaus fröhlich dabei, und freuten uns, daſs wir so weit gekommen waren. Wir blieben einige Tage hier stehen , da aber die Fourage sehr rahr war, so gingen wir fort nach Dolzen heim ,
Stunde von
Wiesbaden .
Man kann sich denken, daſs so oft wie möglich wir dort hin ritten, um uns von den erlittenen Strapatzen einigermaſsen schadlos zu halten, um so mehr da wir nichts zu thun hatten, als alle Tage mit 40 Pferden die Feldwache vor Mainz zu besetzen . Ich besuchte
oft den Major v. Oertzen , der in Wiesbaden stand und sich meiner Jahrbücher für die Deatsche Armee and Aiarine. Bu, XLVI., 2.
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sehr freundschaftlich annahm .. Wie wir hier standen ,, kamen die Kranken und Blessierten meist wieder und mit ihnen auch Scheven, der in Halle zurückgeblieben war. -
Verfasser nahm nun einige Wochen Urlaub , den er in an genehmster Weise in Darmstadt verlebte. Er fährt dann, zur Truppe zurückgekehrt, in seinem Tagebuch fort: Den Tag nach unserer Ankunft bekamen wir Marschordre, um
über den Rhein zu gehen . Wir marschierten über Schlangenbad, Langenschwalbach , und kamen den 1. Januar am Rhein bei Caub an . Da die Brücke nicht beendigt war, so lagen wir die Nacht in einem Felsenkessel ohne Feuer und Stroh, welches bei der empfind lichen Kälte sehr unangenehm war. Den Sylvester feierten wir bei einem Glase schlechten Weins in einer elenden Bauernhütte recht
à la campagne. Den 2. Januar gingen wir an der Pfalz einer Insel im Rhein , wo die Rheinpfalzgrafen muſsten geboren werden , über Wir gingen bei Bacharach vorbei , und zwei Escadrons wurden detaschiert , um
Pontons unter lautem Hurrah über den Rhein .
Simmern, wo noch Franzosen waren, anzugreifen. Es wurde Nacht ehe wir hinkamen , ich muſste eine Patrouille machen , wo ich auf die Franzosen stiefs. Die Infanterie warf die Franzosen aus Simmern,
ohne daſs wir Gelegenheit hatten , vorzukommen. Den anderen Tag gingen wir zum Regimente zurück und lagen die Nacht mit Russen zusammen .
Man kann sich denken , daſs wir an Bevölkerung be
trächtlich zunahmen , unsere Magen sich in Gesellschaft unserer Bundesgenossen sehr schlecht befanden , indem sie bei ihrer Ankunft alles ausgeplündert hatten , da sie wahrscheinlich in der Meinung
standen , daſs diese Gegend , da sie jenseit des Rheines, Frankreich sein müsse. Es war übrigens den Tag solch eine Kälte und wir so ausgefroren , daſs ich es vorzog mit den Russen in einer Stube zu liegen, als auf einem kalten Scheuerflur zu übernachten . weit kann es mit dem Menschen kommen .
So
Etwas Milch und Mehl,
welches uns der Bauer , den unser Hunger jammerte , ehrlicher Weise überlieferte, wurde zu einer Mehlsuppe von meinem Bruder Wilhelm bereitet , welcher im Bereiten derselben es bis zu einer
gewissen Virtuosität gebracht hatte, und hiermit und etwas trockenem Rindfleische, welches sich noch im
Sack fand, unser Souper an
gefangen und geschlossen. Den folgenden Tag marschierten wir nach Kreuznach , und giugen auf der Straſse nach Kaiserslautern vor .
Wir kamen den 6. oder 7. in Alsenz an , einen groſsen Dorfe
an dem Flusse gleiches Namens.. Schevens und ich kamen in ein Quartier bei einem Manne , der gichtbrüchig war und dessen Frau
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in Wochen lag und den ganzen Tag jammerte. Da nur eine Stube im ganzen Hause sich befand , so war hierin diese ganze muntere Gesellschaft. Die Tochter vom Hause besorgte unsere Bewirtung, aber so schlecht , daſs wir ihr am Ende das Geschäft abnahmen ,
und unsere Küche selbst besorgten. Da es sehr stark regnete und der an sich kleine Fluſs stark ausgetreten war , so waren wir sehr froh diesen Zufluchtsort gefunden zu haben .
Den folgenden Tag
wurde ich kommandiert, eine Patrouille gegen Kaiserslautern zu machen. Ich ritt soweit ich sollte ohne Feind zu treffen vor, und zog auch Nachrichten ein , daſs Lautern von uns besetzt sei . Ich kam mitten in der Nacht zurück, wo ich den Obristen sehr durch meine Nachrichten zufrieden stellte . Den folgenden Tag brachen
wir auf und gingen rechts vor Kaiserslautern auf Saarbrücken , welches die Franzosen , von einigen Kanonenschüssen unserer Avant garde begrüſst , verlieſsen und die steinerne Brücke sprengten . Indes bauten wir eine Schiffbrücke , und gingen über den kleinen Fluſs. Wir gingen von nun an wie im tiefsten Frieden von einer Kantonierung zur andern , bis in die Gegend von Metz , wo wir einige Tage halt machten. Der General York stand in Longwy, und ich kam zum ersten Male auf Ordonnanz bei ihm .
Nach
einigen Tagen gingen wir vor , um Metz näher einzuschlieſsen, unsere Escadron kam nach Fleury, wo wir ungefähr in der Mitte Januar zehn Tage lang standen , ohne daſs uns die Franzosen
beunruhigten. Durch Schleusen hatten sie bei der Stadt aufgehalten, so daſs der Fluſs und uns , die wir auf der Höhe lagen , ganz Marly lag abschnitten , so daſs nur einzelne ihm konnten .
das Wasser der Mosel aus seinen Ufern trat, vom Obristen , der in Leute auf Kähnen zu
Wir suchten hier unsere etwas durch den Marsch
herunter gekommenen Pferde, mit französischem Hafer auszufüttern, wir selbst lagerten übrigens nicht vorzüglich , besonders behagte uns die Manier zu kochen nicht, die bei den Bauern in der Gegend sehr schlecht ist, und ihre kleinen Portionen füllten unsere deutschen Magen nicht. Scheven batten sich einen äuſserst fidelen Schulmeister,
der sie täglich besuchte , zu ihrem Kammerdiener angeschafft, der für wenige Francs ihnen alles was neues vorging hinterbrachte , ihnen Zeitungen und alles mögliche anschaffte, in der That ein äuſserst brauchbares Subjekt. Etwas was uns sehr ungewohnt vor
kam , war , daſs wir nirgends Öfen sondern nur Kamine fanden, welche bei dem Mangel an Holz und der groſsen Kälte die damals
herrschte, und wenig von der unsrigen verschieden ist, die groſsen Stuben nicht heizte, sondern den Zug nur noch vermehrte. Dabei 12*
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sind alle Stuben selbst in den oberen Stockwerken, in den groſsen Schlössern ausgenommen , mit Steinen ausgelegt, so daſs die Füſse immer kalt waren. Ich wurde einige Tage nach unserem Einrücken zum Fouragieren nach Cherisy geschickt. Ich fand daselbst einen alten Comte, der lange in Anspach emigriert gewesen war, die Prinzeſs S. kennen gelernt hatte und ein Portrait von ihr besaſs. Die Frau war nicht mehr jung , und man sah noch Züge früherer Schönheit an ihr , und ihre Liebenswürdigkeit war nicht mit dem Alter verschwunden . Sie waren erstaunt artig und es that mir wirklich leid , sie so in Contribution setzen zu müssen . Da wir immer auf dem Sprunge standen , so konnte ich sie nicht wieder besuchen. Wenige Zeit marschierten wir auch wirklich ab , und
gingen über Marly, wo das Wasser gefallen war, nach Lawry, einem sehr schönen Dorfe wo wir alles im Überfluſs fanden. Es waren sehr schöne Häuser dort, deren Eigentümer sich aber alle nach
Metz geflüchtet hatten und ihren Dienstboten die Bewirtschaftung derselben überlieſsen . Den folgenden Tag gingen wir über Pont á Mousson einem sehr hübschen Städtchen auf St. Mihiel zu, wo ich
wieder auf Ordonnanz
Mr. Marquis im Quartier .
kam .
Ich war bei einem Prediger
Des Abends bei Tische kamen wir auf
mancherlei zu sprechen und er erzählte er kenne einen berühmten deutschen Gelehrten der 1806 als Geiſsel durchgebracht sei und wegen eines Mädchens, welches er in Pont á Mousson gefunden , sein Mitleid erregt, und die er, um sie der Verführung die sie dort wäre ausgesetzt gewesen , zu entziehen , seinem Schutze übergeben habe.
Durch Combination mehrerer Daten , die er sich erinnere
und durch Beschreibung der Person, bekam ich heraus, daſs es der
Kanzler Niemeyer gewesen , und bei Nennung seines Namens er innerte er sich auch dessen.. Wie nun diese junge Person bei ihm
aufgehoben gewesen , weiſs ich nicht , übrigens schien er mir nicht Den anderen so als , wenn er etwas Anvertrautes vernachlässigte. Tag wollten wir über Bac le Duc gehen , da wir aber erfuhren, daſs es von den Franzosen noch besetzt sei, wandten wir uns links
nach Commercy. Als ich den Abend dem Obristen den Befehl brachte, fand ich ihm mit einer Menge junger Mädchen vor einem Kamin sitzen , die ihm erzählten , die Franzosen wären alle bei
Châlons versammelt , und der Kaiser habe sie dort alle in einem groſsen Carré gestellt und wir würden wohl bald wieder zurück kommen . Um sie von dieser irrigen Meinung abzubringen , und für die Prahlerei zu bestrafen , antwortete ich ihnen ganz ruhig : Eh 9
9
strelitzschen Husaren-Regiment V. v. 0. 1813–1815
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bien, il ont formé des quarrées aussi à Leipzig, und sie waren alle still . – Dieses war ungefähr der 26. Januar. Wir gingen von hier aus den anderen Tag gegen St. Dizier , wo wir erfuhren , daſs die Franzosen noch in der Stadt wären .
Eine und eine halbe Stunde
vor der Stadt blieben wir liegen und setzten Feldwacht dagegen
Da das Terrain sehr coupirt ist, und nur Weinberge die Stadt umgaben , so benutzten dieses die Bauern und griffen unsere Vedetten
aus .
an , die sie aber schlecht begrüſsten , da zwei erschossen wurden. In dem Dorfe fanden wir unterm Mist eine Kosaken- und eine
Ulanen -Uniform , wir fügten diesen die Uniform der erschlagenen Bauern zu.
Den anderen Tag brachen wir sehr früh auf, um St. Dizier
anzugreifen. Unsere Avantgarde engagierte das Gefecht, und die Franzosen thaten einzelne sehr unwirksame Kanonenschüsse aus der
Stadt.
Mit einem Male, da ansere Infanterie fast schon in der
Stadt war, bekamen wir Befehl vorzugehen. Wir gingen also im Trabe durch die Stadt, zogen uns links über die Marnebrücke und fanden den Feind jenseits in vollem Retirieren . Sollten oder wollten
wir sie nicht attackieren, genug wir saben ruhig zu, wie die Kavallerie ohne Infanterie, auf der Chaussee vor unseren Augen abzog. Als unsere Soutiens angelangt waren , fingen wir sie an zu verfolgen bis unsere Pferde nicht mehr konnten, und die Dunkelheit
uns nötigte Halt zu machen. Wir lagen auf der Straſse von Vassy, das ganze Regiment auf einem an der Straſse gelegenen Hofe. Nachträglich muſs ich noch bemerken, daſs wir den 27. auf einem ehemaligem Kloster lagen, welches ganz einsam und fast unbewohnt in einem Holze war und da die Jäger nur allein da waren, so wurde uns die gröſste Wachsamkeit empfohlen. Ich wurde von da aus kommandiert eine Patrouille nach Joinville zu machen, welches Es regnete sehr stark und der gröſste Teil der Nacht ging, da ich sehr vorsichtig gehen muſste, damit drauf.
5 Stunden entfernt war.
Ich fand durch Nachrichten, die ich unterwegs einzog, die Stadt geräumt, und Russen vom Wittgenstein'schen Corps in der Nähe. Als ich zurückkam , wurden neue Patrouillen ausgeschickt, und nach
allen Richtungen das Terrain untersucht, kein Feind fand sich in der Nähe. Den 30. brachen wir auf und gingen nach Vassy vor, welches die Franzosen schon geräumt hatten. Ich war den Tag auf Ordonnanz beim General Katzler, der die Avantgarde komman dierte. Kurz vor Vassy schickte er mich nach St. Dizier zurück, um den General York Rapport abzustatten, und seine weiteren
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Befehle einzuholen .
Ich ritt des groſsen Schmutzes ohngeachtet
sehr schnell hin und zurück , so daſs ich auf 10 Stunden Wegs nur 4 unterwegs war. Ich brachte den Befehl, wieder umzukehren, da die Russen Vassy besetzten. Wir gingen den Abend zurück und
blieben zwischen St. Dizier und Vassy etwas seitwärts stehen. Als wir den folgenden Tag Befehl erhielten , weiter zurückzugehen , und schon aufgebrochen waren, erhielten wir einen Gegenbefehl, der uns stehen zu bleiben hieſs. Den 1. Februar gingen wir durch St. Dizier auf der Straſse von Vitry le françois vor und blieben auf einem Dorfe zwischen beiden stehen , wo keine menschliche Seele
drin war. Unterwegs hörten wir eine ziemlich heftige Kanonade, und erfuhren, daſs der Prinz Wilhelm Vitry etwas beschossen habe. In unserem Dorfe fanden wir Nichts als Hühner.
Wir töteten
einige davon, um uns eine Suppe davon zu kochen, und fanden , daſs sie einen sehr pikanten Geschmack ; als wir zu den Hühnern selbst kamen , die wir uns in Butter sehr schön gebraten hatten, so waren sie nicht ausgenommen . Den folgenden Tag gingen wir auf Vitry los, griffen es aber nicht an, sondern gingen rechts daran vorbei, über Vitry le brulé nach einem Dorfe, welches sehr friedlich und wohlhabend aussah . Es war schon gegen Abend , als wir daselbst eintrafen, und wir freuten uns unendlich einmal gute Quartiere zu bekommen . Wir mochten ungefähr eine Stunde eingerückt gewesen sein , so wurde Lärm geblasen, und wir gingen wieder fort. Wir marschierten bei Vitry rechts auf der Straſse nach Châlons vor, um ein Corps, welches sich nach Vitry ziehen wollte, davon abzuhalten .
In der Nacht machten wir nicht weit von Vitry an einem Wein berge Halt, und schickten in ein Dorf um Holz, Stroh und Lebens mittel zu holen.
Unterdes nahmen wir die Stöcke der Weinreben
zündeten ein Teil derselben an, und legten einen anderen Teil, da eine groſse Kälte mit Schnee war, wie eine Rost zusammen, um einigermaſsen trocken zu liegen. Unsere Speise waren in der Asche gebratene Kartoffeln , die noch einer von uns bei sich hatte.
Es war
eine der peinlichsten Nächte, die ich mit erlebt habe. Nachdem wir einige Stunden hier zugebracht hatten, brachen wir wieder auf und machten an einem Hofe an der Chaussee wieder Halt um die Reserve -Kavallerie abzuwarten. Ich war so ungeheuer müde und
erfroren, daſs ich in ein Haus ging, und mich so lange an ein Feuer zum Schlafen legte, bis abmarschiert wurde, welches aber leider
nicht lange dauerte. Nicht weit davon stieſsen wir auf den Feind, welcher so eben mit seiner Artillerie aus dem Dorfe la Chaussée
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herauskam . Wir formierten sogleich zwei Treffen und griffen die feindliche Kavallerie, welche aus Kürassieren und Lanziers bestand,
an, warfen sie, obgleich sie an Stärke uns überlegen war, auf ihre Infanterie und Artillerie zurück, und nahmen ihm acht Kanonen ab, ohne daſs sie einen Schuſs gethan hatten ; aus la Chaussée selbst bekamen wir Infanteriefeuer,, weshalb wir, um uns zu sammeln ,
etwas zurückgingen und unsere Infanterie abwarteten, die bald ankam unseren erneuerten Angriff in Verbindung mit der Artillerie unter stützte, so daſs die Franzosen in eiligem Rückzuge auf Châlons begriffen waren.
Hinter einem Dorfe, welches eine Stunde von
la Chaussée lag, stellten sie sich auf, besetzten das Dorf mit Tirailleurs und zeigten uns jenseit, wo sie sich an einem seichtem Abhange aufgestellt hatten, Massen, die uns an Zahl weit überlegen waren, da nur eine Brigade gegenwärtig war.
Wir erwarteten die übrigen
Truppen, und standen uns so gegenüber, sahen uns an, und nur die Tirailleurs unten im Dorfe nnterhielten ein gelindes Feuer. Gegen Abend kam der Prinz Wilhelm endlich mit seiner Brigade an , da
es aber anfing dunkel zu werden, so zog sich alles zurück, nur der General befabl auf den folgenden Tag einen allgemeinen Angriff auf die Position im Fall die Franzosen sie nicht in der Nacht verlieſsen . Der General York legte sich in la Chaussée ins Posthaus mit allen Offizieren zusammen . Der General lieſs, da durchaus nichts zu essen
dort war, kochen ; ehe dies aber fertig war, muſste ich fortreiten, um der Brigade einen Befehl zu bringen. Den folgenden Tag den 4. brachen wir auf und folgten den Truppen, die sich zurückgezogen batten , bis Châlons.
Da sie eine Kapitulation ausschlugen, so liefs
es der General angreifen, fand es aber auf allen Punkten gut mit Die Vorstädte wurden bald genommen , und unsere Infanterie fand darin so viel Wein, Champagne mousseux, daſs ein groſser Teil derselben muſste, weil sie betrunken waren, und
Tirailleurs besetzt.
wie toll fochten , abgelöſst werden .
Es wurden Keller gefunden, wo
30,000 Flaschen Champagner drin waren. Gegen Abend sollte die 2. Brigade, weil sie fast ganz betrunken war, von der 7. abgelöst werden .
Der General befahl einen schicklichen Platz für die Hau
bitzen auszusuchen, um die Stadt durch Granatenfeuer zur Übergabe zu zwingen. Er liefs jedoch zuerst noch einmal anfragen, ob sich die Stadt nicht übergeben wolle, worauf der Kommandant antwortete : > J'ai encore quatre vingt bouches, pour vous attendre, et pour repondre « .
Diese Mäuler waren aber hernach , da unsere sprachen,
ganz stille. Gegen Mittag kam ein Offizier, der uns die vom Fürst
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Blücher bei Brienne genommene Schlacht anzeigte, welches den Mut der Soldaten noch erhöhete.
Gegen Abend standen die Haubitzen
auf den für sie bestimmten Platz, denn da sie über ein kleines
Wasser gebracht werden muſsten, worüber erst eine Brücke geschlagen wurde, hielt dies die Expedition so lange auf. Der General gab auf die Antwort des Kommandanten Befehl , das Feuer zu beginnen und sie mit einigen Granaten zu regalieren. Es war, da es ganz dunkel war, da das Feuer begann ein schöner Anblick, diese glühenden Bälle in der Luft steigen zu sehen. Der General saſs auf einem Bunde Stroh unweit einer Mühle und sah 'diesem Schauspiele zu. Nach Verlauf von ohngefähr einer Stunde stand ein Teil der Stadt in Brand, und jetzo kapitulierte der Kommandant, in 12 Stunden die Stadt zu verlassen , welches ihm erlaubt wurde.
Nach der Kapi
tulation hörte das Schieſsen auf, und wir zogen uns in die zunächst gelegenen Dörfer zurück. Den anderen Morgen rückten wir vor, um in Châlons einzurücken , allein da die Franzosen die sehr schöne
Brücke über die Marne gesprengt hatten, so gingen wir wieder in ein Dorf zurück, welches auf der Straſse nach Vitry lag. Wir quartierten uns auf einem Schlosse ein, wo keine Menschen, aber Hühner und Schafe in Menge waren . Es war bei unseren Husaren
ordentlich ein Sprichwort entstanden , wenn sie an einem Orte kamen, wo noch viele Hühner waren, so sagten sie : > 0 hier ist noch keine Not, hier steht General Hühnerbein noch mit seiner Brigade ,« die sie dann immer sehr feindlich behandelten .
Wir muſsten unser
Essen selbst kochen , und ich übernahm wie gewöhnlich bei der gleichen Gelegenheiten, um nichts mit Schlachten und Auspehmen zu thun zu haben, und doch bernach mitessen zu können, den Unterhalt des Feuers, setzte mich mit einem Blasebalg ans Feuer,
um es ja nicht ausgehen zu lassen. Niemand durfte mich dann von
diesem wichtigen Geschäfte abrufen. Den 7. gingen wir durch Châlons über die Brücke auf der Straſse regnete sehr stark, und da wir sehr spät kamen wir in der Dunkelheit bei einem Franzosen noch besetzt hatten. Wir warfen
nach Epernay vor. Es ausmarschiert waren, so Dorfe an , welches die sie, da es nur Kavallerie
war, durch Flankeure heraus, und legten uns hinein, die Hälfte hatte immer gezäumt und die andere Hälfte futterte. Den anderen Morgen brachen wir sehr früh auf, und fanden
die Franzosen in der Gegend von Epernay, sie zogen sich aber bald zurück, und überlieſsen unseren durstigen Kehlen dies Mutterland
des Champagner Weines, welches wir denn auch gehörig benutzten.
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So verfolgten wir täglich die Franzosen über Dormans bis Chateau Thierry, wo sie die Brücke sprengten, aber da wir drohten , die Stadt in Brand zu schieſsen , kapitulierten, und wir rückten nach
einem sechsstündigem Waffenstillstand ein. Während dem unter hielten wir uns immer über die gesprengte Brücke herüber mit ihnen, und erkundigten uns nach dem Wege nach Paris. Von St. Dizier an hatten wir die Avantgarde gehabt und das Unan
genehme derselben, aber nicht das Angenehme davon genossen. So wie der Tag graute brachen wir auf, stieſsen gegen Mittag auf den Feind und schlugen uns so lange mit ihnen herum, bis es ihnen
gefiel nicht weiter zu gehen , wo sie dann einige Kanonen auf fuhren , die ihnen bei dem coupierten Terrain schwer abzunehmen waren .
So erinnere ich mir auch einmal, daſs wir Befehl erhielten,
2 Kanonen zu nehmen ; wir gingen im Trabe durch ein Dorf, manövrierten vor ihnen herum , lieſsen uns ein paar Pferde tot schieſsen , und gingen dann ruhig wieder zurück . Dieser Spaſs
dauerte dann gewöhnlich bis uns die Dunkelheit zwang aufzuhören . Dann zogen wir an irgend ein Dorf, wo mit Futter besorgen so viel zu thun war, wir auch zum Teil so müde waren , daſs an Essen ,
da wir es uns immer selbst kochen muſsten , gar nicht zu denken war, und ich in .der Regel mit einem Stück Brot und einem Schnaps mein Abendbrot abmachte, und waren froh wenn wir die paar
Stunden , die uns zur Ruhe vergönnt waren , zum Schlafen anwenden konnten .. So ging es alle Tage, so daſs ich von dieser Avantgarde nicht viel rühmendes sagen kann. Dabei war ein so unangenehmes Thauwetter mit Regen eingetreten , daſs wir vom Schmutz und Regen mehr litten als von der Kälte.
Den 9. kamen wir in Chateau
Thierry an, und ich muſste nach Dormans zurückreiten , um beim General York auf Ordonnanz zu kommen. Ich kam spät an und fand den General schon im Bette, unterwegs begegnete ich einen Offizier von den schwarzen Husaren, den Bauern attackiert und das
Pferd gestochen hatten , ich hatte deshalb nicht wenig Angst es würde mir eben so gehen.
Den 10. ging der General nach Chateau
Thierry. Ich kam bei einem alten Manne ins Quartier, der ein Geizhals war, und zu seiner Gesellschaft eine alte Magd , einen
Mops und eine Katze hatte, die immer einem auf den Schoſs sprangen .
Ich warf sie natürlich und einige Male sehr unsanft
herunter, um ihnen diesen Unglinpf zu vergelten, streichelte er sie immer doppelt so viel, und suchte sie auf alle mögliche Weise zu
beruhigen. Bei jeder Flasche, übrigens schlechten Wein, rechnete
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
er mir immer vor wie viel sie ihm koste, und aus welcher vorzüg lichen Quelle er sie habe. Zuletzt war es mir über, und ich bat >
ihn sehr höflich mich mit dergleichen Geheimnissen seiner Finanzen zu verschonen.
Mitten in der Nacht, die ich sehr ruhig und
schlafsam zu verleben hoffte, ward ich geweckt um den Brigadebefehl zu überbringen. Als ich herausritt begegnete ich am Thore Wilhelm ,
der mich abzulösen kam . Ich kam gegen Morgen zum Obristen, und muſste da die Brigaden sebr früh marschierten , gleich wieder aufbrechen und wieder fortreiten . Wir gingen auf die Straſse zu, die von Montmirail nach la Ferté sous Jouarre führt, wo wir schon
Russen fanden, die von letzterem Orte zurück nach ersterem gingen . Denn dadurch, daſs der General Sacken zu weit vorgeschickt war, kam der Kaiser mit seiner Armee zwischen ihn und Blücher.
Wir wandten uns links nach Vieux Maison , und kamen vor Mont mirail an , WO wo wir den Kaiser mit seiner ganzen Macht fanden.
Das Gefecht engagierte sich sehr bald, und der Feind entwickelte solche Massen, daſs wir, nur eine Brigade und das Sacken'sche Corps
stark, die Möglichkeit thaten uns bis Abend zu halten, wo die Franzosen endlich auf der Chaussee durchbrachen und uns zum
Rückzuge zwangen . Wir verloren einige Kanonen und eine be deutende Anzahl Gefangene. Die Kavallerie hatte .an diesem Tage wenig zu thun, da uns die Franzosen an Zahl weit überlegen waren und das Erdreich so weich war, daſs die Pferde fast im Schritt stecken blieben . Das Hauptstreben der Franzosen war unsere
linke Flanke zu umgehen, welches aber dadurch, daſs wir ein Dorf gut mit Infanterie besetzten, vereitelt wurde. Wir gingen den Abend zurück, und gingen, da die Franzosen uns nicht ver folgten , bis an ein Vorwerk, wobei der General York biwakierte.
Da Wilhelm unseren gemeinschaftlichen Bedienten mit sich auf Ordonnanz hatte, so ritt ich hinein um mein Pferd zu füttern ,
welches ich mit reichlichen Hafergarben und Heu versorgte. Während
der Zeit suchte ich mit Corty zusammen ein Lager aus, welches wir, da die Häussr voller Verwundeten lagen, in einem kleinem Stalle, ich weiſs nicht war es ein Hühner- oder Schweinestall, auf
schlugen. Wir lagen nur auf ein paar Bunde Stroh quer vor der offenen Thür, da aber alle Augenblicke Soldaten, um Stroh zu suchen, hereinkamen, und Corty, da ich mich wohlweislich hinten gelegt hatte, auf den Kopf traten, so muſsten wir uns mehr in den Hinter grund zurückziehen, um nur einige Stunden schlafen zu können. Den anderen Morgen waren die Jäger schon abmarschiert als ich
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herauskam , und es war durchaus nicht möglich anders als Schritt nachzureiten um sie wieder einzuholen .
Ich habe hier die Russen
bewundert, die mit der gröſsten Mühe die tief im Kot steckenden Kanonen herausschleppten ; ich habe Husaren und Dragoner ge sehen, die Stricke über den Rücken nahmen und sie so heraus
zogen . Auf diese Art erreichten sie alle die Chaussee und nur einige Wagen blieben stecken. Gegen Mittag kamen auch hier die Franzosen uns nach und trieben uns bis auf die Höhe vor
Chateau Thierry, wo das ganze Armee - Corps aufgestellt war ; allein sie beschossen uns dermaſsen mit Kanonen, daſs wir ab
marschierten , und nur eine Arriergarde zurücklieſsen , um den Übergang zu decken. Hier wurden wir, da unsere Pferde unge heuer ermüdet waren, abgelöfst und gingen unter groſsem Gedränge über die Brücke. Ich ging, da ich in 2 Tagen fast nichts gegessen hatte, zu meinem alten Wirte, den ich in der schrecklichsten
Angst fand. Indes er muſste herausrücken was er hatte, vorzüglich labten wir uns an seinem Wein, wovon ich noch dem Obristen,
der eben vorbeiritt, eine Flasche mitgab. Die Franzosen schossen schon, als wir herausritten, in die Stadt hinein.
An einem Hofe
oben auf der Höhe fand ich das Regiment wieder und ich brachte die Nacht in einem sehr gutem Stalle delicios zu.
Wir brachen den anderen Morgen sehr früh auf und gingen auf der Straſse nach Reims über Epieds nach Fismes. Das Hauptquartier des General York war in Fismes. Unterwegs fanden wir viele Bagage , die sich verfahren hatte , worüber der General sehr böse wurde, ebenso wie über die Menge Traineurs , die wir unterwegs von der Infanterie fanden . Es wurde den Truppen Branntwein und Brot unterwegs gegeben , welches ihnen bei einem dreitägigen gänzlichen Mangel daran sehr wohl bekam . Den 14. Februar gingen wir von Fismes nach Rheims , welches von Nationalgarden besetzt, sogleich übergeben wurde . Es wurden
einige Bauern , die Soldaten bei Fouragekommandos angegriffen und erschlagen hatten , von dem Pöbel in Rheims, ohne daſs es die Bedeckung verhindern konnte ,, befreit, überhaupt waren die Ge sinnungen gegen uns nicht die vorteilhaftesten, und man erblickte in uns nur die schwachen Überreste eines vernichteten Feindes, den sie durch ihre Halsstarrigkeit und Verweigerung der nötigsten
Lebensbedürfnisse aufs Äuſserste bringen zu müssen glaubten. So fand ich späterhin auf einem Schlosse in der Gegend von la Ferté
Gauché eine gedruckte Proklamation : » Avis d'un bon Français «
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers V. v. 0.
überschrieben , worin gesagt wurde Blücher sei aufgerieben und in kurzem der Feind übern Rhein getrieben, man solle daher alles
mögliche anwenden ihm so viel Schaden wie möglich beizubringen, ihm Vorspann versagen , Blessierte und Nachzügler töten und mehrere dergleichen wohlgemeinte Ratschläge. Ich fand dies auf einem Schlosse, wo der Wirt sich schrecklich beklagte durch unsere
Truppen geplündert und gemiſshandelt zu sein.
Ich hielt
ihm
sein Avis vor und versicherte, ihm sei noch lange nicht genug geschehen . ( Schluſs folgt.)
XI.
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik mit besonderer
Rücksicht auf Sachsen von
Dr. jur. F. A. Francke.
Das Wort
Militärmusik
hat eine ziemlich beschränkte Be
deutung. Dasselbe bezeichnet, sobald man als Einteilungsgrund für die Musik im Allgemeinen den Zweck ins Auge faſst, dem dieselbe je nach Verschiedenheit der Fälle dienen kann , diejenige Gattung
dieser Kunst , welche von hierzu herangebildeten Angehörigen des stehenden Heeres im Interesse des Kriegswesens ausgeführt wird. Die Bezeichnungen » kriegerische Musik « oder > Kriegsmusik « und »Militärmusik « , deren Grenzen oft schwer zu bestimmen sind, werden
meist als ziemlich gleichbedeutend gebraucht, obgleich die dadurch ausgedrückten Begriffe keineswegs gleichbedeutend sind. Deshalb ist es nötig die Bedeutung des Wortes > Militärmusik « möglichst genau festzustellen, weil entgegengesetzten Falles das Gebiet des
hier zu besprechenden Gegenstandes zu umfänglich werden würde. Eine Art von kriegerischer Musik hat schon in den ältesten bestanden . Sie bezweckte, entweder die Kampflust der eigenen Partei zu entflammen , oder den Gegner zu schrecken , in Zeiten
einzelnen Fällen wohl
auch ,
durch
verabredete Töne
Befehle
oder Nachrichten in die Ferne zu befördern . Zu Erzeugung der Töne dienten entweder menschliche Stimmen oder Instrumente, die je nach dem Bildungsgrade der sie Benutzenden bald roher, bald verfeinerter waren.
Eine kriegerische Vokalmusik bildeten z. B. die Gesänge des Tyrtaeus unter deren Klängen dereinst die Spartaner in den Kampf zogen . Sehr bald wurden zu Erregung aufregenden Lärms und Abgabe von Signalen Blasinstrumente gebraucht. Seitens der alten
185
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
Deutschen benutzte man zu diesem Zwecke gewöhnlich Tierhörner. Schon die Römer und Griechen aber verfügten über verschieden
gestaltete Holz- und Metallinstrumente, in der Form der heutigen Flöten , Clarinetten, Trompeten und Hörnern ähnlich. Die Spartaner bedienten sich bekanntlich mit Vorliebe der Flöten als Kriegsmusik . Aus der Anabasis des Xenophon wissen wir , daſs die einzelnen Abteilungen desjenigen griechischen Heeres, welches genannter Feldherr im Jahre 401 v. Chr.
nach der Schlacht bei Cunaxa
aus Ober - Asien nach Griechenland zurückführte, zu gewissen Dienst verrichtungen durch Trompeten oder Hornsignale herbeigerufen wurden. Dafür, daſs im Altertume Metallinstrumente zu Signalen, sowie zu Erzeugung aufregenden Lärms im Schlachtgetümmel ver wendet worden sind , lieſsen sich mancherlei Beispiele anführen . Dagegen kann man nicht nachweisen, daſs damals schon melodiöse Musikstücke in Form von Märschen oder dergleichen vorhanden
gewesen wären. Dies ist um so weniger anzunehmen, da die Noten schrift und Figuralmusik erst im 14. Jahrhundert n. Chr. er funden worden sind .
Es unterliegt keinem Zweifel , daſs auch Schlaginstrumente bereits einigen Völkern des Altertums wie z. B. den Assyrern,
Ägyptern und Hebräern bekannt gewesen sind.
Die älteste Form
der Pauke scheint die bereits im alten Testament erwähnte Hand
pauke oder Adufe gewesen zu sein. Zu Anfang des Mittelalters vollzog sich im europäischen Kriegswesen eine vollständige Um wälzung, in Folge deren das Ritterwesen zu hervorragender Geltung gelangte. Um dieselbe Zeit scheinen die Schlaginstrumente Pauken und Trommeln
- beim Kriegswesen im allgemeinen Ge -
brauch gekommen zu sein . Da vor der gröſseren Vervollkommnung
der Feuerwaffen die Reiterei ein entschiedenes Übergewicht über das Fuſsvolk erlangt hatte, so bildeten längere Zeit fast ausschlieſs lich Trompeter und Pauker die Signalgeber der im Geiste des Rittertums ausgerüsteten Heere. Die so genannten Hof- und Feld Trompeter , sowie Heer - Pauker bildeten innerhalb des ehemaligen römisch - deutschen Reiches einen allgemeinen , innungsartigen Verband (die so genannte Kameradschaft), besaſsen mancherlei kaiserliche Privilegien , und befolgten zunftmäſsige Gebräuche. In
den ihnen über ihre Gerechtsame seitens des Kaisers ausgefertigten Urkunden wurde das vorgedachte Trompeteblasen und Paukenschlagen als eine »adelig , ritterlich , freie Kunst« bezeichnet.
Nach dem
Zeugnisse vieler Chronikschreiber sollen sich die Feld - Trompeter
und Heer-Pauker jederzeit durch eine bedeutende Fertigkeit im
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen.
186
Spielen ihrer beziehendlichen Instrumente ausgezeichnet haben. Als eine ganz auſsergewöhnliche Vergünstigung erschien es , daſs der
römisch - deutsche Kaiser Sigismund (1410—1437) der Reichsstadt Augsburg im Jahre 1426 das Recht verlieh » Stadttrompeter « zu halten, während alle übrigen, reichsunmittelbaren Städte sich mit Türmern oder Zinkenisten (d . h. Spielern des > Zinke« benannten Blasinstrumentes) auch Stadtpfeifer genannt, begnügen muſsten . Von den vormaligen Feldtrompetern wurde nur auf so genannten Natur - Trompeten ohne Tonlöcher musiziert, denn das Klappen O
Horn ist erst 1760 von Kölbel , die Klappen - Trompete 1801 von Weidinger in Wien erfunden worden. Die Letztere hatte ur sprünglich nur zwei Ventile.
Ein Drittes wurde erst 1830 von
C. A. Müller in Mainz hinzugefügt. Die Zug - Posaune ist zwar im 16. Jahrhunderte bereits bekannt gewesen, jedoch erst weit später allgemein in Gebrauch gekommen. Als man zu Anfang des 16. Jahrhunderts mehr Handfeuer
waffen zu verwenden anfing , wurde auch das Fuſsvolk wieder er heblich verstärkt, wenn auch zunächst nur durch Söldner (Lands
knechte). Diesen Fuſstruppen ebenso, wie der bewaffneten Bürger schaft der Städte waren als Signalgeber so wie zur Markierung des Taktes beim Gleichschritt Trommler und Pfeifer zugeteilt. Schon lange vor Errichtung eigentlicher Militärmusikchöre geschah es bisweilen, daſs Abteilungen der bewaffneten Bürgerschaft, namentlich die meist einen Teil derselben bildenden Schützengilden bei fest lichen Gelegenheiten auſser von Trommlern und Pfeifern auch noch von kleinen , den Stadtpfeifern entnommenen Musikzügen begleitet wurden .
Wenn schon in chronologischer Hinsicht etwas vorgreifend, sei
gleich hier erwähnt , daſs man in der Regel drei Gattungen von Trommeln zu unterscheiden pflegt: Erstens die groſse oder tür kische Trommel mit hölzernem Cylinder und ohne die unter den
Militärtrommeln befindliche Schnarrsaite.
Der Knopf des zu dieser
Zweitens Trommel gehörigen Klöppels ist mit Leder überzogen, Sie hat Solotrommel. oder die sogenannte Roll- , Wirbelmeist einen etwas dumpfern Klang , als die vom Militär im Dienst verwendeten Trommeln . Ihr Schläger ebenso wie der der groſsen Drittens die ( eigentliche) Trommel zählt mit zum Musikpersonal. Militärtrommel mit messingenem Cylinder. Dieselbe hatte in älterer Zeit, selbst noch im dreiſsigjährigen Kriege einen weit höheren Cylinder, der übrigens bei manchen Armeen bis in unser Jahr -
hundert hinein aus Holz bestand .
Im Laufe der Zeit ist die Form
187
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
der Cylinder allmählich immer niedriger geworden . Trommeln mit messingenem Cylinder wurden in Sachsen 1729, bei der bayerischen Armee erst 1806 eingeführt. Die sogenannten flachen Trommeln mit wesentlich erniedrigtem Cylinder und statt der früher üblichen Schnuren mit Schrauben zum Spannen des Felles versehen, kamen bei der preuſsischen Armee 1855, bei der sächsischen 1879 in Gebrauch .
Die geringe bewaffnete Macht, welche in den meisten Gebieten des vormaligen deutschen Reiches schon vor Aufrichtung der
stehenden Heere ständig vorhanden war, beschränkte sich auf die fürstlichen Leibwachen zu Roſs und zu Fuſs.
Der letztgedachten Truppengattung waren nur Tambours und Pfeifer zugeteilt. Da
gegen verfügten die berittenen Garden mancher deutschen Reichs
fürsten schon vor dem dreiſsigjährigen Kriege über mehr Trompeter, als zu Besorgung des militärischen Dienstes erforderlich waren. Diese Neuerung beruhte wahrscheinlich einerseits darauf, daſs seit
dem 16. Jahrhundert die gelernten Hof- und Heertrompeter im Blasen mehrstimmiger Melodien geübt wurden , und sonach befähigt waren , ein kleines Trompetercorps zu bilden , andererseits darauf,
daſs es seit Beginn des 17. Jahrhunderts in Deutschland Mode wurde, die Hofgebräuche Frankreichs thunlichst nachzuahmen. Nach
vereinzelt vorgefundenen Nachrichten scheinen um dieselbe Zeit die kaiserlichen Hofgarden zu Wien, sowie die kurpfälzischen Hofgarden zu Heidelberg eine kriegerische Musik gehabt zu haben. Doch ist es sehr schwer, hierüber zuverlässige Einzelheiten zu erlangen. Was Sachsen betrifft, so umgab sich der , die militärischen Schaustellungen liebende Kurfürst Johann Georg II. ( 1656-1680) mit mehreren Gattungen neuformierter Garden (meist nur je aus 9
einer Compagnie bestehend).
Jeder solchen Garde, insoweit sie aus
berittener Mannschaft bestand, war ein kleines Musikchor von einigen Bläsern zugeteilt. Die Spielleute der Leib -Garde -Dragoner waren nicht, wie die der übrigen Corps, mit Metallinstrumenten und Pauken , sondern mit hautbois (hölzernen Oboen) und (hölzernen) Trommeln versehen . Auch die später , im Jahre 1692 errichtete Compagnie Grand -mousquetaires, 128 Mann stark , hatte auf ihrem Etat 5 Hautbois und 3 Tambours.
Eigentliche Harmonie -Musikchöre kamen bei den deutschen Truppen erst vor , nachdem seitens des deutschen Kaisers , sowie
der mächtigeren Reichsstände stehende Heere aufgerichtet worden waren , was Mitte des 17. Jahrhunderts oder doch bald nachher
geschah ( in Brandenburg 1640 , in Bayern 1647, in Kursachsen
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen.
188
1682 u. s. w.) Bald nach Eintritt dieses wichtigen Fortschrittes wurden von mehreren deutschen Reichsfürsten , zunächst meist nur für ein oder das andere ihrer Infanterie - Regimenter eine anfänglich
nur geringe Anzahl von Musikern (vorzugsweise Bläser von Holz instrumenten) angestellt, deren Zusammenspiel für Ausführung har monischer kriegerischer Musikstücke genügte.
Doch lassen sich genauere Angaben hierüber um deswillen nicht aufstellen, weil die in den zugänglich gewesenen Bibliotheken vorhandenen Stamm- und Ranglisten aus verschiedenen deutschen Staaten nicht weiter, als bis höchstens in die Mitte des 18. Jahr hunderts zurückreichen.
Nur bezüglich der kurbayerischen Armee steht fest, daſs in dieser der Kurfürst Maximilian II. Emanuel ( 1680–1726) etwa im Jahre 1693 für das Leibregiment (jetzt 1. und 10. Infanterie
Regiment) ein Musikchor von 6 Hautboisten errichtete. Auch das Regiment Kurprinz erhielt um dieselbe Zeit etatsmäſsig ein solches Musikchor. Bei den übrigen Regimentern muſste deren Inhaber, wenn
er ein solches Chor zu haben wünschte, die Kosten dafür
selbst bestreiten.
Zur kursächsischen Armee war im Jahre 1730, als bei Zeithayn
das oft geschilderte Lustlager abgehalten wurde , dem besonders glänzend ausgestattetes Janitscharencorps (Bataillon ) in der Stärke von gegen 600 Mann ein Musikchor von 29 Mohren beigegeben , während die Musik des Feld -Artillerie- Bataillons aus einem Chore
von 20 Bock- (Dudelsack-)Pfeifern bestand , ähnlich denen , welche bei den schottischen Regimentern der englischen Armee üblich sind. Über die nähere Zusammensetzung dieser Chöre, sowie über die Stärke und sonstige Einrichtung der damals allerdings schon vorhandenen Regimentsmusiken fehlen nähere Nachrichten .
Bei
der Kavallerie gehörten zu jeder Schwadron 2 Trompeter, zu jedem schweren Reiter-Regiment auſser den 8 Trompetern 1 Pauker. Den Dragonern waren berittene Tamboure und meist auch Hautboisten
beigegeben. Jedes Infanterie - Bataillon zu 4 Compagnien verfügte in der Regel über 12 Tamboure und 8 Pfeifer. Gegen Ende des Mittelalters waren bereits in Herstellung der
musikalischen Instrumente namhafte Verbesserungen eingetreten. Während des 16. und 17. Jahrhunderts bildete sich
der freiere
Konzert- und Theaterstyl aus, und die im 16. Jahrhundert erfolgte
Erfindung der Oper war es vorzugsweise, welche neben dem Gesange die durch mannigfache neue Erfindungen geförderte Instrumental musik im 18. Jahrhundert zu einem so hohen Grade der Ausbildung Jahrbächer für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVI , 2.
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Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
189 brachte.
Auch auf die
musikalischen Verhältnisse Wiens sowie
der anderen gröſseren Residenzen im deutschen Reich übten die
Erfolge der gegen Ende des 17. Jahrhunderts immer mehr zur Geltung gelangten italienischen Komponisten einen nicht geringen Einfluſs aus, was auch der Umstand bekundete. Daſs man um jene Zeit an der Höfen zu Wien, Berlin (unter König Friedrich I.), München, Mannheim, Dresden u. s. w. in der Aufführung glanz voller , meist italienischer Opern zu wetteifern schien. Daſs man in Deutschland auch eine gute Marschmusik schon im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wohl zu schätzen wuſste, bewies u. A. die >
groſse Beliebtheit und weite Verbreitung , welche der von der
preuſsischen Armee aus dem Feldzuge in Piemont mit nach der Heimat gebrachte, sogenannte Dessauer -Marsch bald erlangte. Das sehr gründliche und umfassende geschichtliche Werk von Daniel (la milice française, Paris 1721 ) giebt Auskunft über die Entstehung und Beschaffenheit der Militärmusik bei der französischen Armee im 17. Jahrhundert. Bezüglich Deutschlands besteht eine so ergiebige historische Quelle aus jener Zeit nicht. Ein ungefähres
Bild von den damaligen deutschen Zuständen kann man sich daher nur verschaffen, indem man die darüber mitunter in Chroniken oder
zeitgenössischen Mitteilungen vorkommenden spärlichen Angaben miteinander vergleicht.
Bereits während der drei schlesischen Kriege 1741 und 1742, 1744 und 1745 , endlich 1756-63 fanden die österreichischen
Regimentsmusiken überall in Deutschland (oder »im Reiches, wie man sich damals ausdrückte) , wo sie sich hören lieſsen , die un geteilte Anerkennung des Publikums wegen ihrer vorzüglichen Leistungen . Auch verfügten dieselben schon damals über eine groſse Menge ansprechender und wohlklingend instrumentierter Melodien. In Dresden z. B. war man nach Beendigung des sieben jährigen Krieges im Allgemeinen herzlich froh , die kaiserliche Be satzung los zu werden , besonders deshalb , weil sich die gemeine Mannschaft bei einzelnen Anlässen gegen Einwohner brutal be nommen hatte . Der einzige Grund , weshalb man das Scheiden der
Österreicher beinahe doch einigermaſsen bedauert hätte, bestand darin , daſs man nach ihrem Abzuge die vortreffliche Janitscharen musik des kaiserlichen Infanterie -Regiments Wolfenbüttel entbehren sollte. Einen ähnlichen Eindruck, wie ihn damals die österreichische
Musik in Dresden hervorgerufen hatte , machten die starken und wohlgeschulten
Harmoniechöre
einiger
preuſsischen
Infanterie
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen.
190
Regimenter zu Leipzig, als dieselben im Herbste 1805 genannte Stadt auf ihrem Durchmarsche berührten .
Was Kursachsen anlangt , so bieten erst die seit 1767 im Manuskript, seit 1783 im Druck veröffentlichten, offiziellen Stamm
und Ranglisten Gelegenheit, sich über die verschiedenen Zweige des Kriegswesens, mithin auch über die zeitweiligen Veränderungen im Etat der Militärmusik genauer zu unterrichten . In den erwähnten Etats sind während des Zeitraumes von
1767 bis 1810 keine sehr wesentlichen Veränderungen eingetreten . Die 1764 vorhandenen 12 Linien - Infanterie - Regimenter, ebenso wie die Leib -Grenadier-Garde in 3 Bataillone formiert, zählten bis 1778
je 14 Compagnien in 2 Grenadier- und 12 Musketier -Compagnien oder 2 Flügel- und 12 Grenadier - Compagnien . Von 1778 an -
zerfielen sowohl die Garde, als auch die 12 Feldregimenter nur noch in 2 Bataillone von je 5 Compagnien , nämlich bei der Garde
von 1 Flügel- und 4 Grenadier -Compagnien , bei den übrigen Regi mentern von je 1 Grenadier- und 4 Musketier -Compagnien . Die
Grenadiere der Linie wurden bei gröſseren Übungen und im Kriege von ihren Musketier - Bataillonen abgezweigt und zu besonderen Grenadier - Bataillonen formiert. Zu jeder Grenadier- und Musketier Compagnie gehörten 3 Tambours und 2 Pfeifer, so daſs also ein Infanterie - Regiment vor 1778 im Ganzen 42 Tambours und
28 Pfeiffer, nach gedachtem Jahre aber 30 Tambours und 20 Pfeifer Beim Stabe des Regiments Leib - Grenadier - Garde , sowie bei jedem Infanterie -Regiment befand sich übrigens ein Chor von
zählte.
8 Hautboisten .
-
Bei der Leib -Grenadier -Garde wurden die diesem
Regimente zugewiesenen 8 Pfeifer zum Stabe gerechnet . Von den 14 Compagnien der Garde hatte übrigens von 1764-1778 jede nur 1 Tambour .
Seit 1778 befanden sich beim Stabe dieser Garde
18 Pfeifer, bei jeder ihrer 10 Compagnien aber 2 Tamboure . Aus Vorstehendem ergiebt sich , daſs in dem Zeitraume vom Ende des siebenjährigen Krieges 1763 bis zu den 1806 beginnenden napoleonischen Kriegen die deutsche Militärmusik keineswegs anf
Massenwirkungen berechnet gewesen ist. Wohl mögen in Österreich und Preuſsen im Verhältnis zu der den Regimentern dieser Staaten angehörenden gröſseren Mannschaftszahl auch die Harmoniemusik
chöre der dortigen Infanterie- Regimenter nicht unbeträchtlich stärker besetzt gewesen sein als die Kursächsischen derselben Zeit , doch dürften dieselben, in Preuſsen wenigstens, die Zahl von je 24 Mann kaum überschritten haben .
Nur in Bezug auf Opern- und Theatermusik ( auf der Bühne) 13 *
I
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
191
wurde , was starke Besetzung anlangt, auch in Kursachsen schon
in der Mitte des 18. Jahrhunderts mehr geleistet, als bezüglich der Regimentsmusiken .
Das Orchester der kurfürstlichen Hofkapelle,
welches der gefeierte Hasse im groſsen Opernhause zu Dresden von seinem Flügel aus leitete, umfaſst 3 Contrebässe, 3 Celli, 4 Bratschen , 8 erste , 7 zweite Violinen , 5 Oboen , 2 Flöten , 5 Fagotts , eine Anzahl Clarinetten, 2 Paar Pauken, und von dem überhaupt 12 Mann starken Chore der Hoftrompeter so viele, als im gegebenen Falle gerade erforderlich waren. Besonders in den Opern Soliman und Ezio ( Aëtius) , welche 1753 und 1756 zur Aufführung gelangten, 9
war die Zahl der Mitwirkenden , namentlich auch was Theatermusik
betrifft, ungewöhnlich groſse. Bei einem in » Ezio« vorkommenden, römischen Triumphzuge erschienen auf der Bühne 42 Bläser von Metallinstrumenten ; auſserdem 300 Personen und 102 lebende Pferde. Die Neuerung , im Orchester mehr als ein Paar Pauken zu ver
wenden scheint vom Kapellmeister Hasse ausgegangen zu sein. In neueren Orchestern ist dies nichts Seltenes mehr. Berlioz hat sogar
in seinem Requiem 8 Paar Pauken verschiedener Stimmungen an gebracht. – Bei der heutigen deutschen Armee führen eigentlich
nur die Regimenter Garde du corps und Garde-Kürassiere, sowie die 8 Linien -Kürassier -Regimenter Pauken. Als besondere Aus zeichnung aber ist auch noch einigen anderen Kavallerie-Regimentern -
das Recht verliehen , sich solcher zu bedienen , u. A. dem sächsischen
Garde-Reiter-Regiment und zwar letzteren neuerdings seit 1872 . Nach Beendigung des siebenjährigen Krieges kamen zwar so kost spielige Aufführungen wie bis 1763 in Dresden nicht mehr vor,, dagegen wurde am dasigen Hoftheater die italienische Oper mit Vorliebe gepflegt. Von Mozart's Opern gelangten » Die Entführung aus dem Serail « am 12. Januar 1785, > Die Zauberflöte « am 8. März
1794 zum ersten Male in Dresden zur Aufführung. Was sich in Dresden gegen Ende des vorigen Jahrhunderts auf dem Gebiete des Masikwesens Wichtiges ereignete, wurde binnen
nicht zu langer Zeit dadurch zum Gemeingut sämtlicher Militär musikchöre des Kurfürstentums , weil in der Zeit vom Jahre 1778 bis 1810 ein regelmäſsiger jährlicher Wechsel der Dresdener Infanterie Garnison
stattfand .
Von den 12 kursächsischen Feldregimentern
rückten jedesmal am 1. Juni drei nach Dresden und wurden im nächsten Jahre zu derselben Zeit von drei anderen abgelöst. Jedes dieser drei , die Ablösung bildenden Regimenter, bestand nur aus dem
Stabe und einem Bataillon und wurde in einer der drei Alt
städter Vorstädte, jede der dazu gehörigen 3 Grenadier -Compagnien
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen .
192
in der inneren Neustadt bei den Bürgern einquartiert. Das Regiment Leib-Grenadier-Garde bildete die ständige , jedoch ebenfalls noch nicht kasernierte Garnison der inneren Altstadt.
Das Hautboisten
chor des letzteren Regiments stand insofern in fortwährender Be ziehung zum Hoftheater, weil es in Gemeinschaft mit den ebenfalls je 8 Mann zählenden Harmoniechören des Kadettencorps, sowie der
Jagdhautboisten und sogenannten Hofpfeifer ( zusammen also 82 Mann ) die Zwischenaktmusik beim recitierenden Schauspiel auszuführen hatte, wogegen die Dienstleistung bei Opernvorstellungen ausschlieſslich der kurfürstlichen Hof kapelle oblag.
Während der Rheinfeldzüge 1793–1796 kamen , da die zur Reichsarmee entsendeten kursächsischen Truppen alljährlich durch andere abgelöst wurden , nach und nach fast alle kursächsische
Feldregimenter häufig in nahe Berührung mit preuſsischen und österreichischen Heeresteilen .
Das Bekanntwerden mit den dort
herrschenden Zuständen mochte wohl auch in sächsischen Militär
kreisen den Wunsch hervorgerufen haben, daſs die Militärmusik im
Sinne der Neuzeit verstärkt werde. Eine etatsmäſsige Vermehrung der Hautboistenzahl bei den Infanterie - Regimentern war indes um deswillen schwerlich zu erwarten , weil seit dem Jahre 1763 im
kursächsischen Militär -Departement grundsätzlich die äuſserste Spar samkeit vorherrschte.
Man half sich also nun in der Weise , daſs
man die Fähigsten der Pfeifer, welche bis dahin nur das Spiel der Tamboure mit ihrem Instrumente zu begleiten pflegten, auch einiger maſsen im Spiele anderer zu einem vollständigen Orchester erforder licher Blasinstrumente ausbilden liefs, und sie dann als Hülfsmusiker mit bei dem Hantboistenchore verwendete. Bis zu dieser je nach
Bedarf mehr oder minder ausgedehnten Verstärkung der Regiments chöre bestanden diese lediglich aus Harmoniemusik (im Gegensatz zu Janitscharen- oder Blechmusik) d. h. meist aus Holzinstrumenten,
während dabei Trompeten und Waldhörner nur ganz vereinzelt vertreten waren .*) In älterer Zeit hatte es in Deutschland sehr verschiedene Gattungen hölzerner Blasinstrumente gegeben , wie 1
z. B. Schalmeien , Schnabelflöten , Dolzianen , Basanellen u . s. w. Heutzutage bestehet der Holzchor im Orchester nur noch aus vier
Gattungen von Instrumenten , nämlich : Flöte , Clarinette , Oboe ( einschlieſslich des sogenannten englischen Horn) und Fagott. *) Die Bafsstimme wurde damals häufig durch ein ziemlich unausgebildetes Instrument, das Serpent, vertreten , welches wegen seiner schlangenartigen Form 80 benannt war.
193
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
Dagegen haben sich in neuerer Zeit die Metallinstrumente über raschend schnell vermehrt.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam die in anderen Armeen
schon längere Zeit bestehende sogenannte Janitscharenmusik auch in Kursachsen auf; zu ihr gehören auſser der oben schon erwähnten
türkischen oder groſsen Trommel . 1. Die Becken d. h. zwei kreis runde Metallscheiben , die in der Mitte tellerartig ausgebuchtet sind. Jede Beckenscheibe hat in der Mitte der Auſsenseite eine lederne
Handhabe bei der sie vom Schläger angefaſst wird ; 2. der Schellen baum oder Halbmond , der mit einer gröſseren Anzahl Glöckchen, auch in der Regel zur Erinnerung an seine Herkunft aus der türkischen mit zwei Roſsschweifen versehen ist ; 3. der Triangel und in neuerer Zeit das ihn ersetzende , mit einem Metallstab an
zuschlagende harmonicaartige Glockenspiel. Bis zum Jahre 1810 war die Janitscharenmusik bei den säch
sischen Truppen nicht etatsmäſsig, und wurde nur bei besonderen Anlässen wie z. B. festlichen Reveillen und Zapfenstreichen , abgesehen
von dienstlichen Aufzügen , Schlittenfahrten der Offiziere u. s. w. in Anwendung gebracht.
In ähnlicher Art und Weise führte auch das
1791 neuerrichtete kursächsische Husaren -Regiment , welches , weil es in 8 Schwadronen formiert war, schon damals ein Trompetercorps von 16 Mann besaſs, bisweilen ausnahmsweise eine Janitscharen ។
musik, und zwar auch zu Pferd .
Auf Grund der während des Feldzuges gegen Österreich im Jahre 1809 gemachten Erfahrungen drang Napoleon darauf, daſs die sächsische Armee einer gründlichen Neugestaltung unter vorzugs
weiser Berücksichtigung des im französischen Heerwesen üblichen unterzogen werde. Im Jahre 1810 wurde dann auch die neue Organisation durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Musikchor des Regiments Leib -Grenadier -Garde sowie denen der
8 (von den früheren 12) noch fortbestehenden Linien - Infanterie Regimenter eine erhebliche Verstärkung zu Teil. Die Zahl ibrer Hautboisten wurde nämlich von je 8 auf je 20 erhöht. Dagegen kamen die bisherigen Pfeifer bei der gesamten sächsischen Infanterie (mit Ausnahme der Compagnie » Schweizer Leibgarde) in Wegfall, und zwar wahrscheinlich nur deshalb, weil sie bei der französischen Armee unter Napoleon I. nicht bestanden. Zur bourbonischen Zeit waren in der französischen Armee mindestens bei allen Schweizer
Regimentern neben den Tambours auch Pfeifer vorhanden gewesen . Seit den Ereignissen von 1792 waren aber alle Schweizer Soldaten bei den Franzosen sehr miſsliebig geworden , und dies hatte wohl
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen .
194
auch zur Folge , daſs das charakteristische Musikinstrument der Schweizer, die Querpfeife – aus der republikanischen Armee verbannt wurde.
Von den 20 Hautboisten der Garde und der 8 Linien -Infanterie
Regimenter gehörten je 8 der ersten, je 12 der zweiten Klasse an. Das Spielen der die Janitscharenmusik bildenden Schlaginstrumente, wie z . B. der groſsen Trommel, das Becken u. s. w. lag meist Hülfsmusikern ob , die entweder den Reserve - Tambouren oder der Mannschaft entnommen wurden .
Aus Anlaſs der Organisation von 1810 wurden in Sachsen
neben der Linien-Infanterie zwei Regimenter leichter Infanterie je zu 2 Bataillonen von je 4 Compagnien , ingleichen ein Jägercorps von einer Compagnie errichtet. Jedes Bataillon leichter Infanterie batte etatsmäſsig 4 Tambours und 12 Hornisten , welche die von der preuſsischen Armee entlehnten Signale auf groſsen Hüfthörnern bliesen, wie sie bei der Jägerei üblich waren. Etatsmäſsige Musik chöre hatten die beiden Regimenter leichter Infanterie nicht. Die
Offiziercorps suchten zwar , indem sie auf eigene Kosten geeignete Instrumente anschafften , aus den vorhandenen Hornisten ein tüchtiges Waldhornistenchor zu bilden .
Doch erhoben sich diese Chöre nie
über den Standpunkt der Mittelmäſsigkeit. Beim Etat des Jäger befanden sich 3 Signalisten , 2 Waldhornisten und 1 Ser
corps
1
pentist.
Bezüglich des übrigen Deutschlands sei hier beiläufig erwähnt, daſs z. B. in Bayern jedes Infanterie-Regiment bereits seit dem 1. Januar 1790 ein schwaches Hautboistenchor etatsmäſsig besals, und daſs diese Chöre laut Armeebefehl vom 29. April 1811 nicht unerheblich verstärkt wurden .
Die Ereignisse von 1805, 1806 und 1809 hatten allenthalben
in Deutschland sehr niederdrückend auf die Stimmung der Be völkerung gewirkt. Hierin lag vermutlich der Grund , weshalb die Militärmusikchöre, obwohl ihr Bestand fast in allen deutschen Staaten während des 1. Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts erhöhet
worden war, nur bei rein militärischen Anlässen sich hören lieſsen ,
nie aber in öffentlichen Concerten, nicht einmal zu Wohlthätigkeits zwecken mitwirkten. Die Kriegsereignisse der Jahre 1812 bis 1815
verhinderten natürlich, daſs hierin in nächster Zeit eine Änderung eintrat. Diesen drei ernsten Jahren, während welcher Kämpfe und Krankheiten die mannigfachsten Opfer erheischt hatten , folgte eine kurze Zeit der rauschendsten Vergnügungen, wie sie in dieser Fülle und raschen Aufeinanderfolge kaum je vorgekommen waren . Wir
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Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
meinen den in der Zeit vom Anfang September 1814 bis Mitte März 1815 abgehaltenen Kongreſs zu Wien. Der Wunsch des kaiser lichen Hofes, die bei ihm als Gäste erscheinenden Regenten fast ganz Europas würdig zu ehren , gab Anlaſs zu einer ununterbrochenen Reihe von glänzenden Festen, Bällen, Redouten, Opern und sonstigen Aufführungen der mannigfachsten Art. Hierbei wirkten u. A. bis weilen Militärmusikchöre von so vorzüglicher Zusammensetzung und Stärke mit, wie sie vorher in Deutschland schwerlich jemals zur Verwendung gelangt waren.
Die unerwartete Wiederkehr Napoleons von der Insel Elba bereitete den Vergnügungen zu Wien ein schroffes Ende, und auch nach Abschluſs des zweiten Pariser Friedens bedurfte es noch geraumer
Zeit, bevor man sich in Deutschland allerwärts des wieder einge tretenen Zustandes der Ruhe voll erfreuen konnte.
Das Jahr 1817 brachte für das Königreich Preuſsen wichtige Veränderungen in Bezug auf das Militärwesen.
Es rührt nämlich
aus diesem Jahre nicht nur die Einteilung des Heeres in acht Provinzial- Armee-Corps her, sowie die sonst in Folge der neuen Ländererweiterungen nötig gewordene, geänderte Organisation der
Verwaltung, sondern auch die Errichtung des Garde- Corps mit den Garnisonen Potsdam und Berlin . Die Linien- Infanterie dieses Corps, welches damals nur aus 5 Regimentern bestand, zeichnete sich neben
anderen trefflichen Eigenschaften durch die Vorzüglichkeit der diesen Regimentern beigegebenen Harmonie- Musikchöre aus.
Die letzteren
waren nicht nur im Verhältnis zu den Etats früherer Zeit besonders
stark besetzt, sondern verfügten auch über vorzügliche, allen An forderungen der Neuzeit entsprechende Instrumente. Es kam von da ab in Berlin und anderen gröſseren deutschen Städten häufiger
vor, daſs solche anerkannt gute Regimentsmusiken vor dem gröſseren Publikum konzertierte und dabei sehr gewählte Musikstücke zu Gehör
brachten . Ähnlich, wenn schon in verkleinertem Maſsstabe, ge stalteten sich die Verhältnisse zu München, Dresden , Cassel, Carls
ruhe und den übrigen kleineren Residenzen , während über den da
maligen Zustand der Militärmusik in Hannover, das bis 1837 unter englischem Gouvernement stand, genauere Nachrichten fehlen. Die österreichischen Regimentsmusiken wären schon im vorigen Jahr hundert stärker besetzt und zeitweise besser organisiert, als die des übrigen deutschen Reiches. Nach den Befreiungskriegen erfuhren dieselben keine wesentliche Veränderung, und behaupteten den seit langer Zeit erworbenen Ruhm , Märsche, Tänze und überhaupt Musikstücke leichter, melodiöser Gattung überaus ansprechend wieder
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen .
196
zugeben . Der klassischen Musik schienen dieselben weniger ernste Studien zuzuwenden, als dies seitens der preuſsischen und übrigen deutschen Militärchöre geschah.
In dem seit dem Jahre 1815 erheblich verkleinerten Königreich
Sachsen war, nachdem von 1813 bis 1820, beziehungsweise 1822 mehr oder minder unsichere Zustände obgewaltet hatten, im letzt gedachten Jahre das Militärwesen gemäſs der neuesten Bundes Gesetzgebung endgültig geregelt worden. Demnach bestand bei jedem der damaligen 4 Linien - Infanterie -Regimenter ein Hautboisten
chor von 26 Mann ; bei der halben Brigade leichter Infanterie aber hatte jedes der ihr angehörenden 3 Schützen-Bataillone ( einschlieſslich der in sie verteilten Jäger) ein Waldhornistenchor von 12 Mann
und einem Dirigenten. Die Waldhornistenchöre bestanden aus folgen den 13 Blechinstrumenten :
2 Klappenhörnern , 4 Waldhörnern, 9
1 Tenor- und 1 Baſshorn , 3 Trompeten, 1 Tenor- und 1 Baſs Diese 3 Bataillonsschöre wurden zuweilen in ein Brigade chor von 36 Mann zusammengezogen . Auſserdem bestand noch
posaune.
beim Fuſs - Artillerie -Regiment ein Hautboistenchor von 10 Mann, welches durch eine Anzahl seitens der Offiziere besoldeter Hülfs
musiker nach Bedarf verstärkt wurde.
Um dieselbe Zeit pflegten
auch bereits die Trompeter der Kavallerie eine so gute, musikalische Ausbildung zu erhalten, daſs sie unter Benutzung verbesserter Metall instrumente neben ihren Diensttrompeten leichtere Konzertstücke befriedigend vorzutragen vermochten. Ausschlieſslich des Stabs trompeters hatte jedes der damaligen 3 Reiter-Regimenter bei 4 Schwadronen seit 1822 16 ( statt früher 12) Trompeter. Bei jedem der seit 1849 bestehenden 4 sächsischen Reiter -Regimenter von 5 Schwadronen befanden sich 20 Trompeter ohne den Stabs trompeter.
Statt der bisher bei der leichten Infanterie gebräuchlichen groſsen Flügelhörner wurden 1819 Signalhörner von Kupfer in Trompetenform eingeführt, wie dieselben damals in der englisch hannoverschen Armee üblich waren. Im Jahre 1826 wurden auch jedem Linien - Infanterie -Bataillon 8 Hornisten zugeteilt, dagegen aber
die Zahl der Tamboure eines Bataillons von 12 auf 8 herabgesetzt. Was die bei der sächsischen Infanterie üblichen Hornsignale anlangt, so waren bis zum Jahre 1810 für die damaligen Compagnie Schützen die preuſsischen Signale eingeführt. Nachdem aber 1810 in Sachsen 4 Bataillone leichte Infanterie und ein Jäger -Corps errichtet worden waren, setzte das Reglement der leichten Infanterie
vom gedachten Jahre ( erneuert 1816) 26 neue sächsische Signale
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
197
fest.
Durch das Reglement von 1822 wurden diese auf 36 , und
durch das von 1853 auf 46 vermehrt. Nach einer weit verbreiteten,
aber nicht genügend erweislichen Überlieferung sollen nun die 14 Signale, welche durch das Reglement von 1822 neu eingeführt wurden, von dem unvergeſslichen Carl Maria v. Weber herrühren (welcher 1817 am Hofe zu Dresden als Kapellmeister angestellt worden war) oder doch unter dessen Beteiligung entstanden sein. Doch spricht eine stärkere Vermutung dafür, daſs nur 7 dieser Signale wirklich auf Weber zurückzuführen sind. Der ihm ebenfalls zugeschriebene Parademarsch der früheren leichten Infanterie und des jetzigen Schützen -Regiments scheint nicht von Weber komponiert zu sein.
Er besteht einschlieſslich seines Trio aus vier Teilen, und
ist einer alten Jägermelodie aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts
nachgebildet, aus welcher etwa im Jahre 1809 das sogenannte alte Schützenlied (der König hat schöne Soldaten ), entstand, dem später ein anderer Text (die Nacht entfliehet u. 8. w.) untergelegt wurde. Durch den verdienstvollen sächsischen Militär-Musikdirektor Rath wurde das Schützenlied bald nach dem Jahre 1840 als Parade
marsch arrangiert, das Trio aber von ihm neu hinzu komponiert. *) Seit dem Jahre 1867 sind sämtliche sächsische Signale durch preuſsische ersetzt worden.
Nur aus historischem Interesse werden
mitunter einzelne z. B. Reveille und Zapfenstreich noch gespielt. Bei der Fuſs - Artillerie waren als Signalgeber schon 1816 Hornisten an die Stelle der Tamboure getreten. Solange bezüglich der Dresdner Infanterie -Garnison ein jährlicher Wechsel stattfand, was neuerdings wieder von 1822 bis Ende 1830 der Fall war,
beschränkte sich dort die Thätigkeit der Militärmusiker fast nur auf ihren Dienst, weil sie bereits wieder ausrücken muſsten, bevor sie
in der Hauptstadt völlig heimisch geworden waren . Als aber aus Anlaſs wiederholt stattgehabter Unruhen 1831 das Leib - Infanterie Regiment, das 2. Infanterie -Regiment Prinz Max und das Garde Reiter -Regiment (mit Ausnahme einer Schwadron ) ständig nach Dresden verlegt wurden , kam es bald dahin , daſs diese Chöre, welche unter Leitung tüchtiger Dirigenten sich sorgfältig fortbildeten, in Folge der Beliebtheit Dresdens als Aufenthaltsort Vergnügungs reisender ein sehr mannigfaltiges und gewinnreiches Feld für ihre
Thätigkeit fanden . Dieser Zustand , während dessen sich die Militär *) Vergl.Aufsatz von C. F. Jähns, überschrieben : Parademarsch ind Horn signale der K. S. leichten Infanterie, angeblich von C. M. v. Weber. Musikalische Zeitung Nr. 12, Leipzig vom 20. März 1878.
Allgemeine
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen .
198
musik stetig vervollkommnete, währte von 1831 bis 1849, wo für Sachsen die Militärmusik zeitweise aufgehoben wurde.
Eingebend zu schildern, welchen hohen Aufschwung die Musik auf allen ihren Gebieten seit dem 3. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts
durch das Hervortreten einer Reihe hochbegabter und zum Teil
äuſserst thätiger Komponisten genommen hat , ist nicht Aufgabe dieser Darstellung sondern der allgemeinen Musikgeschichte, über dies als genügend bekannt vorauszusetzen . Abgesehen von dem reichen Melodienschatze, welcher durch die Schöpfungen zahlreicher genialer Meister auch den Militärmusiken zu Gute ging, verdient
hier noch die wesentliche Vervollkommnung besonderer Erwähnung, welche in neuerer Zeit bezüglich fast aller Musikinstrumente ein getreten ist. Namentlich sind die einzelnen Fabrikanten bestrebt gewesen,
die Metallmusik reichhaltiger und vielfarbiger zu gestalten, als dies früher der Fall war. Die meisten der jetzt üblichen Blechinstrumente waren im vorigen Jahrhundert noch völlig unbekannt. Ein besonderes Verdienst um die Vervollkommnung der Messing
Instrumente hat sich der Fabrikant V. F. Cerveny in Königgrätz erworben , welcher seit 1842 ununterbrochen auf Verbesserung seiner
Fabrikerzeugnisse bedacht gewesen ist. Zu den neueren Arten dieser Gattung gehört unter Anderen das Cornet, ein Mittelding zwischen Horn und Trompete. Die Klangstärke dieses Instruments erinnert in den höheren Lagen an den Ton des Horns, doch übertrifft es
letzteres an Eindringlichkeit der Töne : andererseits ist es nicht schmetternd. wie die Trompete, weil sein Schallbecher konisch aus
läuft, nicht flach, wie der der Trompete. Ähnlich, wie schon früher Streichquartette giebt es jetzt förmliche Cornetquartette; z. B. in Berlin das Kaiser-Cornet-Quartett unter Leitung des Virtuosen Julius Koslecki.
Hiernächst
das
Kaiser - Alexander - Quartett,
dessen
Instrumente aus der Fabrik Cerveny's hervorgegangen sind. Der selbe Industrielle hat auf des Kaisers Wunsch auch ein umfang reiches Contrebaſs - Cornet gefertigt.
Auſserhalb Deutschlands hat
sich auch Adolph Sack in Paris durch Konstruktion von Klappen sowie insbesondere auch Baſsinstrumenten von Metall Ruf erworben .
Einige Familienähnlichkeit mit dem Cornet haben das Althorn , das Tenorhorn , der Bariton und die im Jahre 1835 vom General-Musik direktor Wieprecht in Berlin unter Beihülfe des Instrumenten machers Moritz erfundene Tuba.
Vor Aufkommen des letzteren
Instrumentes benutzte man als Bässe das Bombardon und die Ophi kleide. Von Baſsinstrumenten, die um die Schulter gelegt werden,
199
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
ist bei der deutschen Militärmusik das sogenannte Helikon eingeführt. Die gröſsten Anforderungen an die Kraft der menschlichen Lungen macht die 1883 von Cerveny erfundene Kaiser-Tuba. In Sachsen waren 1849 auf Vorschlag des damaligen Kriegs ministers General-Major Rabenhorst nicht nur die Harmonie- und Waldhornistenchöre der Linien und leichten Infanterie, sondern auch sämtliche Tamboure der ersteren Truppengattung abgeschafft worden . Als Signalgeber bestanden von da ab bei jedem Infanterie
und Schützen- (seit 1882 Jäger-) Bataillone nur 20 Signalisten (Hornisten). Hiervon wurden später je 16 eines Bataillons zu einer leidlichen Bataillons-Hornmusik ausgebildet. Im Jahre 1852 stellte man für jede der 4 Infanterie-, sowie für die Jäger -Brigade einen Musikdirektor an , der die 4 Musikzüge seiner Brigade zu einem
Metallmusikchor von 64 Mann vereinigte und die Übungen der ibm untergebenen Musiker leitete . Es wäre ungerecht , wollte man bestreiten , daſs diese Chöre im Vortrage oft ziemlich schwieriger Musikstücke in der Regel sehr Anerkennenswertes geleistet haben . Im groſsen Ganzen aber fand doch die damalige Einrichtung weder beim Publikum , noch selbst in Militärkreisen viel Beifall. Die Tamboure wurden auf Antrag der Stände bereits gegen Ende des
Jahres 1861 wieder eingeführt und mit den früheren , in der Zwischenzeit beim Hauptzeughaus aufbewahrt gewesenen , wenn schon neuerlich etwas abgeänderten Trommeln *) versehen . Jedes der damaligen 16 Linien - Infanterie - Bataillone erhielt einen Bataillons
Tambour und acht Tamboure zugeteilt . Was die Musik betrifft, so blieb zunächst die bisherige Einrichtung fortbestehen . Als nach Errichtung des norddeutschen Bundes die sächsische Armee im Jahre 1867 eine völlig neue Organisation erhielt , wurden die in Sachsen
1849 abgeschafften Harmoniemusikchöre wieder ins Leben gerufen , und jedes der nun bestehenden 8 Linien - Infanterie -Regimenter erhielt deren eins zugeteilt . Nur das neu errichtete Schützen -Regiment und die beiden ebenfalls neu organisierten Jäger - Bataillone bekamen je ein Waldhornistenchor . Einschlieſslich des Musikdirektors beziehungs weise des Stabshornisten war das Chor des Schützen - Regiments auf
42, jedes der beiden Jäger - Bataillone auf 13 Waldhornisten fest gesetzt. Auch die Trompeter der Kavallerie und Artillerie wurden
musikalisch genügend ausgebildet, um regimenterweise Musikchöre, ähnlich denen der Schützen und Jäger, formieren zu können . Bei *) Die sogenannten flachen Trommeln kamen in Sachsen erst 1879 in Gebrauch .
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen .
200
den seit 1867 bestehenden 6 Kavallerie-Regimentern befanden sich für jede der 5 Schwadronen nur 3 statt früher 4 Trompeter auf dem Etat. Jeder Batterie beziehungsweise Compagnie der Artillerie waren etatsmäſsig nur je 2 Trompeter zugeteilt ; doch wurden die Chöre durch Hülfsmusiker verstärkt.
Bei jedem Linien - Infanterie-Regiment sollten sich im Ganzen 42 Musiker befinden, nämlich 10 Hautboisten und 32 Hülfshautboisten . Letztere wurden aus den Compagnien zum Musikchor kommandiert.
Neuerdings befinden sich in Gemäſsheit einer Ordre vom 1. Oktober 1887 sämtliche 42 Hautboisten auf dem Etat des Regimentsstabes. Jedes solches Harmonien -Musikchor sollte umfassen : 1 Stabshaut
boisten (Musikdirektor), 2 Flöten, 2 Es-Clarinetten, 2 Oboen, 12 B Clarinetten (4 erste, 4 zweite, 4 dritte), 2 Fagotts, 2 Baſshörner, 4 Corni, 4 Trombi, 2 Flügelhörner, 2 Tenorhörner, 3 Posaunen ,
2 Tuben, 1 kleine Trommel, 1 Paar Becken und 1 groſse Trommel, hierüber noch 1 oder 2 Schellenbäume.
Geringe Abweichungen von
dieser vorschriftsmäſsigen Zusammensetzung sind nachgelassen . Seit der in Vorstehendem erwähnten Neugestaltung der sächsischen Militärmusik sind nun bereits 20 Jahre verflossen .
Die 1867 be
gründeten Einrichtungen haben sich bewährt und viele gute Früchte getragen. Mit geringen Abänderungen bestehen sie daber auch heute noch fort.
Zu den oben angeführten älteren Chören sind inzwischen aus Anlaſs stattgehabter neuer Truppenbildungen noch einige weitere
hinzugekommen, z. B. 1870 das des Pionier - Corps, 1874 das des Fuſs- Artillerie-Regiments in Metz, 1881 Regiments Nr. 133 und 134, 1887 die Nr. 139, sowie des 3. Jäger-Bataillons sind durchgängig den schon früher gattung nachgebildet. 9
die des 9. und 10. Infanterie des 11. Infanterie- Regiments Nr. 15. Diese neuen Chöre Bestehenden ihrer Truppen
Die deutsche Militärmusik in ihrer jetzigen Beschaffenheit pflegt allenthalben , wo sie auftritt, lobende Anerkennung zu ernten. In
diesem günstigen Urteile stimmte das deutsche Publikum mit dem des Auslandes überein, wohin fast alljährlich hervorragende Militär chöre Kunstreisen unternehmen .
Welche schwierige Aufgaben die heutige Militärmusik zu lösen vermag, beweist z. B. die gelungene Wiedergabe von Teilen der neuen Wagner'schen Opern, wie Walküre, Parsival u. A. Freilich
sind derartige Aufführungen oft mehr ein bloſser Beleg für die Geschicklichkeit der Musiker in Behandlung von Blasinstrumenten,
201
Über die allmähliche Entwicklung der deutschen Militärmusik
als ein wirklicher Genuſs für den Hörer, weil Ensemblestücke so
bald darin die vorgeschriebenen Saiteninstrumente fehlen, und durch Blasinstrumente ersetzt sind, ihren ursprünglichen Charakter, und damit zugleich an Wirksamkeit verlieren. Neuerdings haben zu Berlin und anderwärts die mitunter in sogenannten historischen Konzerten zu Gehör gebrachten Märsche
aus älterer Zeit, namentlich aus den Tagen Friedrichs II., aus den
Befreiungskriegen u . s. w. beim Publikum besonderes Interesse erregt. Dahin gehört z. B. der Hohenfriedberger Marsch von 1745, der Torgauer Marsch von 1760, der Yorck-Marsch von 1813, der Pariser
Einzugsmarsch von 1814, der russische Zapfenstreich als Erinnerung an das 1835 bei Kalisch abgehaltene groſse russisch -preuſsische Lustlager und manche andere derartige Erinnerungen. Wenn die Musikdirektoren der Infanterie- Regimenter die in den Musikalien Schränken lagernden Noten einer gründlichen Durchsicht unterziehen wollten , lieſse sich vielleicht noch mancher historisch interessante
Marsch auffinden , oder doch mancher in Vergessenheit geratene mit so ansprechender Melodie, daſs diese auch jetzt noch eine zündende Wirkung auszuüben vermöchte.
Bei der königlich sächsischen Armee sind zur Zeit nur noch drei Marschmelodien in Gebrauch, die sich aus älterer Zeit her schreiben .
Es sind dies die Präsentiermärsche der beiden Grenadier
Regimenter Nr. 100 und 101, sowie der Defiliermarsch des Leib
Grenadier -Regiments.
Von keinem dieser Musikstücke kann der
Komponist angegeben werden. Der Präsentiermarsch des jetzigen 1. (Leib-)Grenadier -Regiments ist zuerst bei einer im Sommer 1742
kurz nach Beendigung des 1. schlesischen Krieges nahe bei Dresden abgehaltenen Parade von dem Musikchor der damals Rutowsky'schen Grenadier-Garde (bald nachher Leib -Grenadier- Garde genannt) gespielt und seitdem von diesem Regimente und den später an dessen Stelle getretenen Formationen ununterbrochen beibehalten worden .
Von
der vormaligen Leib - Brigade ging der Marsch 1867 auf das jetzige Leib-Grenadier-Regiment über.
Die Musik des 2. Grenadier -Regiments Kaiser Wilhelm Nr. 101 spielte in der Zeit von 1867 bis 1876 ebenfalls den von der früheren
Leib - Brigade überkommenen Präsentiermarsch aus dem Jahre 1742 . Im Jahre 1876 aber wurde bei gedachtem Regimente auf Anregung
seines damaligen Commandeurs, Obersten Freiherrn ÔByrn , ein anderer, damals eben wieder aufgefundener Präsentiermarsch aus
älterer Zeit eingeführt, welcher im vorigen Jahrhundert von dem im Jahre 1764 > Kurfürst « benannten, früheren Regiment » Garde zu
mit besonderer Rücksicht auf Sachsen .
202
Fuſs « (das bis 1748 » 1. Garde« biels) benutzt worden sein soll ,
angeblich bereits seit 1674. Der Defiliermarsch des Leib-Grenadier-Regiments Nr. 100 wird gewöhnlich »der Neapolitaner« genannt. Mit dieser Benennung hat es folgende Bewandnis :
Als Prinz Friedrich (nachmaliger König Friedrich August II.) im Jahre 1828 eine Reise nach Italien unternommen hatte , fand
er an dem fraglichen Marsche, den er von den Hautboisten der Schweizergarde zu Neapel spielen hörte, besonderes Gefallen . Er verschaffte sich dessen Partitur und machte dieselbe nachmals bei
seiner Rückkehr dem Leib - Infanterie -Regiment zum Geschenk. Von diesem Regiment ist er 1849 auf die Leib- Brigade und sodann 1867 auf das Leib-Grenadier- Regiment übergegangen. Daſs die hier gebrachten Angaben den beregten Gegenstand keineswegs erschöpfend behandeln, weiſs ihr Verfasser sehr wohl ; er wollte mit dem Gebrachten auch nur anregen in der Hoffnung, daſs das vor einiger Zeit zu Berlin ins Leben gerufene General
Inspektorat der gesamten deutschen Militärmusik die Geschichte der Militärmusik amtlich weiter fördern werde.
XII.
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit. Es war um die Zeit der letzten Jahreswende, als ich an einem
bitterkalten Abende heimkehrend eine verspätete Weihnachtsgabe auf meinem Schreibtische vorfand . Welche wonnige Wärme strahlte diese
Gabe
aus :
» Sommernacht «
» Sommernachts
traum « ! *)
Die Wirkung des Strohfeuers , daſs ichs gleich sage; -
als
ich den Traum zu Ende gekostet, ergriff mich Schüttelfrost! Der » Traum « hat groſses Aufsehen erregt,
er ist nach den
mir vor Augen und zu Ohren gekommenen Urteilen, seinem Inhalte nach, abgelehnt : beides, wie mich dünkt, mit vollster Berechtigung. An- und aufregend ist es zu sehen , wie der ungenannte Verfasser die zur Zeit in allen europäischen Heeren zu Recht bestehende Infanterie- Taktik, als verkehrt, beseitigt wissen will, wie er ein Neues an ihre Stelle setzt und mit der vollen Wärme eigener Über zeugung, in dem unverkennbar aufrichtigsten Wunsche seiner Waffe zu nützen, für dies Neue eintritt, unterstützt durch die Gabe fesseln der und auch auf Gemüt und Phantasie des Lesers einen bestrickenden
Reiz ausübender Darstellung. Aber gerade Gemüt und Phantasie müssen ausgeschlossen bleiben
von dem Rate derer, welche taktische Fragen zu prüfen haben : allein die leidenschaftslose Stimme der Vernunft, die Gründe des
kühl abwägenden Verstandes, die nüchterne Schluſsfolgerung aus den in Betracht kommenden kriegsgeschichtlichen Ereignissen, tech nischen Erfindungen und Fortschritten u . s. w. dürfen Gehör bean spruchen . *) Ein Sommernachtstraum. Erzählt von einem älteren Infan teristen .
Berlin 1888.
Die Infanterie -Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
204
Und so rate ich , die Ohren gegen die Sirenenklänge zu ver
stopfen und die Augen vor den lieblich gaukelnden Traumbildern zu schlieſsen – allen Lesern der Schrift; denn zum Lesen derselben
beabsichtige ich durch meine Besprechung anzuregen, nicht davon abzuraten oder dasselbe überflüssig zu machen. Der Sommernachtstraum « muſs als Ganzes gelesen werden. Selbst ein ausführlicher und geschickt gefertigter Auszug würde die Nebelbilder des Träumers einem Dritten
nicht veranschaulichen
können .
Darum beschränke ich mich auf Hervorhebung und Beurteilung einiger wesentlicher Punkte ; die Beurteilnng ist leider überall eine Verurteilung
Der Verfasser läſst sich in längerem Zwiegespräch mit seinem alten Freunde, dem Oberst Hallen, zu dessen Ansicht über das Infanterie -Gefecht so halb und halb hinüberziehen ; vollends gewonnen
wird er durch ein Traumbild, welches ibm die Vorzüge der Hallen schen Gefechtsweise klar vor Augen und Seele stellt.
Was will
der Oberst ?
Die Offiziere der europäischen Heere dürften an den Fingern der Hand her zu zäblen sein, die es anders wissen und glauben , als : die Infanterie der Jetztzeit kämpft in aufgelöster Ordnung, in Schützenlinien oder in Schützenschwärmen , geschlossene Abteilungen ,
anzuwenden überall wo irgend möglich , werden in vorderster Linie nur bei günstigem, deckendem Gelände oder, hinter den Pulverdampf wolken verborgen, in den letzten Augenblicken vor dem Sturme
auftreten können ; Salven, an Wirkung hinter dem gezielten Schützen feuer zurückstehend , sind nur in Ausnahmefällen angebracht, im wirksamen feindlichen Feuer unausführbar. .
Oberst Hallen oder, was dasselbe besagt, der bekehrte Träumer, nennt diese unsere heutige Fechtart nicht die zerstreute, doch
geregelte «, sondern die »nicht zerstreute, doch ungeregelte Ordnung« oder richtiger » Form « ; er bricht mit ihr vollständig denn : » die Vorteile, welche das ursprüngliche zerstreute Gefecht gewährt, sind verloren gegangen ; das Einzige , was unser heutiges Schützengefecht mit dem früheren gemein hat, ist die Regellosigkeit. Früher hatte man die regellose Einzelordnung, und diese hatte in Verbindung mit der geregelten Massenordnung ihren wohlbegründeten Sinn ; jetzt haben wir die regellose Massenordnung, und diese bat, so lange es geschulte Heere gegeben , noch niemals eine Berechtigung besessen . « Und so will der Verfasser des Sommernachtstraums einführen
> das geleitete Massenfeuer geschlossener - aber biegsamer Jahrbücher für die Deutsche Aroee und Marine, Bd . LXVI . , 2.
14
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
205
terraingewandter Linien , in welchen der eingliedrige Zug von 50 Mann die gebräuchliche Feuereinheit bildet ; < - er » erwartet, im Gegensatze zu den jetzt gültigen taktischen Anschauungen , im scharfen feindlichen Feuer nicht Hülfe von der Auflösung , dagegen vom festen Zusammenschlieſsen . « — Nicht etwa will er mit Kolonnen, diesen Behältern » zusammengepökelten
Menschenfleisches « gegen das heutige Schnellfeuer anrennen, » der feste Zusammenschluſs soll verbunden werden mit allen Künsten der
Bodenbenutzung, die wir in den Zeiten der Schützen - Taktik gelernt
haben und an deren Vervollkommnung unausgesetzt zu arbeiten ist. «
-
» Die Geschlossenheit und strenge Feuerdisziplin der
alten Zeit mit der Kunst der Boden benutzung neuerer Zeiten zu vereinigen, das ist die Aufgabe der Fechtweise der Zukunft. . ... Die Vorzeit soll wieder auferstehen : Wenn die Grenadiere Friedrichs
Maschinen waren , solche Maschinen möchte ich haben, die, komme,
was da wolle, in der geforderten Weise weiter arbeiten , so lange noch Dampf im Kessel ist. Solche Feuermaschinen habe ich mir immer gewünscht , die im gewohnten Salvenfeuer fortfuhren , wenn auch die Hälfte der Mannschaft blutend und sterbend am Boden
lag. 0 wenn wir diese Feuerdiszipliu wieder erreichen könnten, die
damals die Bewunderung der ganzen Welt, den Schrecken der Feinde ausmachte !
Zur Genüge läſst sich erkennen, daſs die Kluft, die zwischen dem Träumer und dem gesamten Offizier -Corps der europäischen Heere besteht, unausfüllbar ist.
Hallen will, angesichts des Magazin
gewehrs, geschlossene Abteilungen verwenden, dieselben auf dem 2000 bis 1500 m langen Vormarsche gegen die Stellung des Feindes durch stetes Zusammenschlieſsen » in Ordnung« halten (d . h. an dauernd zu prächtigen Zielen für die Artillerie und Infanterie des Gegners herrichten ), er will im wirksamsten feindlichen Feuer Salven , nur Salven geben : weder erreicht er die Geschlossenheit, noch die
Salven, — aber er erreicht die Vernichtung seiner Infanterie ! Fürwahr: seine Vorschläge und Anschauungen bekunden eine voll ständige Unkenntnis der Leistungen unserer modernen Feuerwaffen , eine Überschätzung der taktischen Form, eine Verkennung des Ent wickelungsganges unserer Infanterie-Taktik seit neun Jahrzehnten und eine unglaublich naive Verwertung und Beurteilung der Er eignisse der Kriege von 1866 und besonders von 1870/71. Alle
Begründungen, Ausführungen, Zusätze und Beispiele des Träumers sind wie Spinnegewebe..
Oberst Hallen ist denn auch auf allgemeinen Widerspruch «
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
206
gefaſst; der bekehrte Träumer dagegen hegt nur in Betreff der älteren Offiziere einige Besorgnis, denen es, weil sie mit dem wirklichen zerstreuten Gefecht verwachsen sind, ram schwersten « ( ich sage unmöglich) sein wird, » sich in die neuen Gedanken zu finden . «
» Aber andrerseits schärft sich mit der Länge der Dienst
zeit der Sinn für Zucht und Ordnung und dieser wird doch bei Vielen ein mächtiges Mittel sein, um mit Hülfe der Vernunft(?)
den Widerstand der tiefgewurzelten Gewohnheits-Überzeugung zu brechen .
Du irrst, lieber Träumer! Die älteren Offiziere «,
das sind
die Generale, Stabsoffiziere und Hauptleute, die als Majors, Com paguie -Chefs und Lieutenants den Krieg gegen Frankreich mitgemacht haben, werden einstimmig ablehnen. » Für die junge Welt ist mir nicht bange « , fährt der Träumer siegessicher fort. » Sie ist in der Taktik des inneren Widerspruches (wie Hallen die heutige Fechtweise der Infanterie nennt) groſs ge zogen .
Der Same des Zweifels ist mit der ersten militärischen
Erziehung in die Brust eines Jeden gelegt, und aus diesem kann die Blüte der Erkenntnis schnell und leicht sich entwickeln . Die Mehr
zahl der jüngeren Offiziere wird in der Ausübung ihrer Führer pflichten die Klarheit und die Aussicht auf erfolgreiche Durchführung dem Rätsel vorziehen.
Die Lieutenants werden mit Freuden die
Führung eines eingliedrigen zusammenschlieſsenden Zuges gegen die Führung eines Schützensch warmes eintauschen . « Die älteren Offiziere « werden ohne Zweifel ihre Schuldigkeit
thun und das Unkraut, das der Träumer unter die jungen Mars söhne säet, schleunigst und gründlichst ausrotten. Aber ich glaube gern, daſs mancher junge Lieutenant, umschmeichelt, bethört, in seiner Urteilsunreife die neue Lehre begierig einsaugt. Das kann seine Achtung vor den Allerhöchsten Vorschriften und vor seinen Vorgesetzten nicht erhöhen, - und schon um dieser Verwirrung willen, welche durch den » Sommernachtstraum « in manches jugend liche Gemüt gebracht wird , wäre es besser gewesen , die Schrift 9
wäre nicht erschienen. Im Übrigen spricht es nicht für das Selbst vertrauen des Träumers, wenn er das Verständnis für seine Neuerungen bei den
Unerfahrenen in erster Linie erhofft.
Alter schützt
nicht vor Thorheit, Jugend aber noch viel weniger, und wenn Oberst Hallen die Kriegserfahrung der älteren Offiziere nicht auf die Stufe derjenigen des Maulesels des Prinzen Eugen herabsetzen und ihnen jede Urteilsfähigkeit und geistige Biegsamkeit absprechen will , – dann wozu in Deutschland wahrlich keine Veranlassung vorliegt, 14*
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
207
muſs er sich sagen , daſs die Sache verloren ist, für welche zwar die Lieutenants, nicht aber die älteren Offiziere zu gewinnen sind. Aber was in aller Welt hat dem Träumer Veranlassung ge geben , das Bestehende umzukehren ?
Er giebt die Antwort : „ Das Massendrückebergertum , die Pest der modernen Schlachtfelder « ; die Massenzerstreuung ist
der Boden, auf dem das »Drückebergertum« so üppig wuchert und seine häſslichen Blüten treibt .
> So lange wir unsere Fechtart bei
behalten , ist allerdings gegen das massenweise Drücken nichts zu machen. In früheren Jahrhunderten gabs ja auch Versprengte, aber doch nur dann, wenn ein Truppenteil auseinander gesprengt worden, d . h . wenn für diesen das Lied zu Ende war.
Heute beginnt die
Krankheit der Gefechtserziehung schon, wenn das Lied anfängt und indem sie mit reiſsender Schnelligkeit immer gröſsere Ausdehnung
annimmt, überschwemmt sie das Schlachtfeld , wie ein hitziges Fieber. «
Es frommt nicht die zahlreichen anderen Stellen , der Schrift, in denen die Pest « zum groſsen Teile noch weit kräftiger ge schildert wird , hier wiederzugeben. Indem wir zunächst unsere >
Erbitterung über derartige Behauptungen niederhalten , lassen wir deu Träumer weiter reden : » Niemand wird den Truppen einen Vorwurf machen wollen , der Vorwurf gehört der Fechtart ; < und dann : »In der Zerstreuung ist es schwer , standhaft zu sein,
in der Geschlossenheit ist es schwer , schwach zu werden. Unter dem Einfluſs der Führer reiſst das Beispiel der Starken Alles fort, in der Führerlosigkeit aber herrscht das Beispiel der Schwachen, der Kopflosen, der Feigen . « 7
Alle Vorteile, welche wir bei der zerstreuten Fechtart ziehen aus der Intelligenz unserer unteren Führer und der Mannschaften ,
aus der gründlichen Einzelausbildung des Soldaten , aus der Ver minderung der Verluste durch feindliches Feuer, aus besserer Boden benutzung :
alle diese und andere Vorteile verschwinden oder
sind überhaupt nicht vorhanden in den Augen des Traum befangenen, welche schreckgeöffnet nach der » Pest« starren ; nur dieser entfliehen, nur fort mit der zerstreuten Fechtart! – Die geschlossenen ein
gliedrigen Züge erscheinen dem Träumer : in hoc signo vinces! Eine kaum glaubliche Verirrung: um die Verluste durch » Drückeberger zu verhüten , soll eine Form angewendet werden , welche in ihrer
Geschlossenhsit gegenüber den heutigen Feuerwaffen zu noch viel gröſseren Verlusten durch die feindlichen Geschosse führen
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit,
208
-
muſs,, – und — die das Drückebergertum doch sicherlich nicht verhüten wird !
Giebt ja der Träumer selbst zu , daſs trotz der von ihm vor genommenen Ausrottung der > falschen Humanität,
trotz der
strengsten Ächtung und Bestrafung der Feigen und »Nervösena; trotz der Verpflichtung der Führer , ohne Rücksicht auf Verlust, mit der unerbittlichsten Strenge und den gewaltsamsten Mitteln selbst im Bereiche des feindlichen Magazinfeuers die Geschlossenheit der Züge aufrecht zu erhalten ;
trotz der Einführung einer
regelrecht organisierten (gebildeten) » Gefechtspolizei « auch die neue Fechtart » einzelne « Drückeberger nicht wird halten können .
>Unmöglich ist es ja nicht, daſs auch aus geschlossenen Gliederu Einzelne sich dem Gefecht entziehen, denn die Führer haben nicht
immer Zeit zu untersuchen , ob diejenigen , welche niederfallen, wirklich verwundet sind oder nicht : *) Aber es gehört schon ein hoher (! ) Grad von Pflichtvergessenheit (!) dazu , unter solchen Um ständen ( !) und auf diese Weise (!) der gemeinsamen **) Gefahr aus dem Wege zu gehen. Wer dazu fähig ist , soll nach der Strenge der Gesetze bestraft werden ; viele werden es nicht sein , besonders dann nicht ,
wenn sie wissen ,
daſs sie
auf keine Nachsicht zu
rechnen haben , sofern sie ertappt werden . « Ich meine , der Träumer hat da einen logischen Purzelbaum
geschlagen . Der Soldat hat sich eidlich zur Tapferkeit und Treue verpflichtet: gewinnt der Trieb der Selbsterhaltung, die » Feigheit« , die Oberband über sein PAichtgefühl, so entzieht er sich der Gefahr
und verfällt der gesetzlich verhängten Strafe : — daſs er in sich eine höhere , moralische Verpflichtung verspüren sollte , bei der geschlossenen Truppe zu bleiben, als auf seinem Platz in der Schützenlinie auszuharren, ist eine unerwiesene und unhaltbare,
weil der psychologischen Grundlage entbehrende Behauptung ! Auch
glaube ich nicht , daſs wenn ein Soldat auf Grund der SS 84, 85 und 86 des Militär -Strafgesetzbuches zur Verantwortung gezogen
würde , es einem Kriegsgerichte einfallen dürfte, zu unterscheiden und danach das Strafmals festzusetzen, ob der Mann sich aus der
geschlossenen Abteilung heraus oder als Schütze der » Feigheit« schuldig gemacht hat. *) Damit wären wir ja wiederum auf den guten Willen der Leute ange wiesen, auf dem alten Standpunkte beinahe! **) Ist die Gefahr nicht ebenfalls „gemeinsam “, wenn die heutige Schützen linie oder der Schwarm gegen den Feind angeht oder ihn abwehrt ?
209
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
Derartige Verstöſse gegen Logik und Psychologie finden sich zahlreich in der Schrift, den > Traumbildnern eigen !
ist das ja aber
Ist es mir mit wohl den meisten välteren Offizieren « klar, daſs die neue Fechtart undurchführbar ist, daſs sie auch gar nicht ihren einzigen Zweck , Verhinderung des Drückebergertums, erreicht, – so greife ich überhaupt , nicht ohne heftige innere Erregung, den Träumer an über die
gewiſs obne Absicht - jedes Maſs
überschreitende Ausmalung einer angeblich dem deutschen Kriegs heere von 1870/71 eigentümlich gewesenen >Pest« , der Feigheit ... denn das ist doch das » Drückebergertum « !
Daſs unter den vielen Hunderttausenden , welche die heutigen Kriegsheere bilden, auch Hunderte von Feiglingen sind , daſs ist von vornherein nicht zu bestreiten ; daſs im Feldzuge 1870/71 viele und unerfreuliche Fälle des Drückebergertums beim deutschen Heere sich
mögen ereignet haben, das wird keiner in Abrede stellen wollen, der den Krieg , besonders die ersten groſsen Schlachten desselben mit gemacht hatte ; nicht die zerstreute Fechtart « allein ist daran
schuld, wie an einer Stelle der » Träumer «, gegen seine Überzeugung, denn der Tapfere, der Pflichttreue ist überall auf seinem – aber nicht entfernt hat diese Erscheinung die alle Klassen ergreifende bösartige Ausdehnung gehabt, wie sie der Träumer dar stellt, - nicht ist sie zur » Pest « geworden derart, daſs man auf sie allein eine ganz neue Fechtart, – » die Taktik der Feig linge « schlage ich als Taufname vor, – gründen müſste. Nicht entschuldigen will ich, aber erklären : wir gingen in den sagt,
Platze::
geschlossenen Formen , wie gegen die Österreicher, auch gegen die mit überlegenem Hinterlader ausgerüsteten Franzosen an ; titanenhafte Tapferkeit geschlossener Abteilungen erliegt dem Feuer des Hinterladers
und wir sind doch nur Menschen ;
das
Durcheinander war groſs in Folge der Überraschung, die uns be Waren das lauter » Feiglinge« , die davon ihrer Truppe abkamen ? Wir lernten ; während des Krieges nehmen wir
reitet wurde .
eine andere Taktik an,
man vergleiche Wörth, St. Privat mit Sedan , Bapaume, St. Quentin, mit Orleans u. a. ! Das » Drücke
bergertum « hatte ja niehr und mehr abgenommen ; waren die Ersatzmannschaften tapferer, als die, welche vor Metz fochten? Die > Pest « hatte nachgelassen ! Nicht die zerstreute Fechtart« , sondern die überwiegend
geschlossene « und die » der feindlichen Bewaffnang nicht
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit ,
210
angepaſste zerstreute Fechtart * )« hat das Drückebergertum zu Anfang des Krieges begünstigt , zweifellos; aber dasselbe, ich wiederhole es , hat niemals sich zur » Pest « gestaltet. Die von deutschen Offizieren über den letzten Krieg geschriebenen Bücher und Aufsätze , soweit sie mir zu Gesicht gekommen sind , halten sich
-
das bekenne ich mit Freude und Stolz
frei von Selbst
überhebung, von Überschätzung unserer Leistungen, von Unter schätzung oder gar Verspottung des Gegners; - wir sind nach einem Siegeszuge ohne Gleichen sofort mit Ernst und Pflichttreue an die Arbeit gegangen , auszubessern , was sich als schadhaft erwiesen hatte ; gestrebt ist aller Orten – auch geirrt! Aber nun keine Schwarzseherei
auch
-
und keine Herabwürdigung
unseres Thuns und Verhaltens, wie solche der » Sommernachtstraum «, nach nunmehr 17 Jahren, jetzt an dem deutschen Heere verübt ! > Mit einer unnatürlichen krankhaften Sucht sehen wir unsere
geordneten Scharen beim ersten Pfeifen der Kugeln sich in die Dörfer und Waldungen stürzen , um ihre Verbände dort mit einer Schnelligkeit aufzulösen und zu durchmischen , die an Selbstmord grenzt. Ich meine Selbst mord in Bezug auf die Truppe , für den Einzelnen lag ja viel Selbst erhaltung in diesem Verfahren . « Man lese Seite 13, 18, 19, 25, 37, 41 u . a. des Sommernachts
traumes – und man wird finden , daſs nach diesen Schilderuugen die Hauptmasse der deutschen Mannschaften > Drückeberger «« waren !
Und man lese Seite 23.
Ein Unteroffizier , früher Ein
jährig- Freiwilliger , bittet seinen mit der Feldwache gegen Festungsvorposten vorrückenden Lieutenant zurückgehen zu dürfen , um seinen Mantel zu holen, den er vergessen habe. Dies wird ihm verweigert. Der Offizier verbietet das Schieſsen, das bei der groſsen Entfernung aussichtslos ist, setzt sich an die Spitze seiner Abteilung, kommandiert »Marsch , Marsch « und läuft so schnell er kann bis
dahin , wo das Feuer eröffnet werden soll. Nur drei Mann folgen ihm ; er muſs zu seinem Halbzug zurück. » Dort teilen ihm die Leute mit,, daſs der Unteroffizier, den ich vorher erwähnte, sie
zurückgehalten habe, indem er ihnen sagte, er sei Unteroffizier und werde nicht vorgehen , sie möchten nur bleiben , wo sie sind , er werde es verantworten . Taktik der Geschlossen heit« ??
Ich meine : nein !
Die
Blofsstellung des Offiziers war also zwecklos, sie war vor allen Dingen taktlos , ich kann keinen milderen Ausdruck anwenden . Und die Taktlosigkeit als solche ist um so gröſser und sie droht
geradezu der Kameradschaft und damit dem ganzen Heerwesen unheilbaren Schaden zuzufügen , als dem Reserve - Offizier die Feigheit vorgeworfen wird. Kein verständiger Mensch wird iu A brede stellen , daſs die unvermeidliche soldatische Schwäche der Reserve- Offiziere im Ganzen und Groſsen , in der weniger umsichtigen,
unsicheren Führung der Truppe besteht, daſs hinsichtlich des persönlichen Mutes , der Tapferkeit, eine Unterscheidung zwischen Reserve- und Berufs -Offizieren einfach ein - Unsinn ist.
Zum Glück – möchte man im Interesse der gefährdeten Kameradschaft sagen ,
erhält der Berufs - Offizier auch sein Teil ; denn ein solcher muſs doch der » heransprengende höhere
Offizier« gewesen sein, der dem » bekehrten Träumer« , – als letzterer 1870 in der ersten Schlacht seine Compagnie eben zum letzten erfolgversprechenden Anlauf führen wollte , - mit lauter Stimme zurief: » Herr Hauptmann, lassen Sie doch Ihre Leute auseinander gehen ; sie sind ja Alle des Todes !« Der Träumer hat Unglück gehabt , daſs er gerade den feigen Reserve-Offizier, den mindestens >» angstmeierlichen« General oder Stabs- Offizier traf - aber: diese Fälle sind ja > kennzeichnend « . . d. h. zahlreich ! Nun stehen wir vor einem Rätsel; wenigstens nach den Traumbildern scheint es ein Rätsel ... Ich will es umschreiben. Auch ich träume – deutlich erkenne ich einen Mann, der in seiner
Erscheinung nichts Auffälliges bietet. Er steht vor einem Hause, das die Nummer 68-70 trägt;
an der Ecke der Straſse habe
ich vorher » Kochstraſse « gelesen und ich weiſs, daſs ich in Berlin Der Mann tritt in das Haus , in die Räume der Königlichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler & Sohn . Er erzählt , daſs er
bin .
im Traume geht es ja wunderlich her, daſs er seit 30 Jahren auf einer einsamen Insel im Ocean allein gelebt und die ältere
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
212
Geschichte studiert habe ; von der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart wisse er gar nichts, und doch sehne er sich, gerade davon Kenntnis zu erwerben. „ Man hat mich hierher gewiesen , als an die Buchhandlung , in welcher die meisten und schönsten Bücher über die letzten deutschen Kriege erschienen sind , von denen ich zuerst etwas lesen möchte. «
Sein Blick fällt auf den » Sommer
nachtstraum « ; der Titel gefällt ihm ; er setzt sich in die Ecke und
liest, liest gefesselt, wie ein junger Lieutenant. Als er das Lesen beendet hat , giebt er die Schrift zurück und äuſsert: So , nun möchte ich ein anderes Buch lesen, in welchem beschrieben ist , wie
dieses erbärmliche Heer von Drückebergern die wohlverdienten Nieder lagen erlitten hat. Deutlich , wie wenn es nicht Traum , sondern Wirklichkeit wäre , sehe ich das halb erstaunte , halb ärgerliche Gesicht des Chefs der Firma, welcher dem verdutzten Fremdling
erklärt, der Sommernachtstraum « beschreibe ja gerade die glor reiche deutsche Armee
und der dann als Beweise die andern
Bücher seines Verlages bringt, das Generalstabswerk, die Regiments geschichten. Und der Fremde setzt sich wieder in die Ecke ; ich sehe sein verzücktes Gesicht ; er wird ergriffen, er fängt an, Stellen laut zu lesen : ich höre , daſs er Wörth , Spicheren vorträgt , Mars la - Tour; er ist bei St. Privat, Sedan, - er erlebt den Fall von Metz und Paris, als er zum Frankfurter Frieden gelangt ist, *)
da tritt er mit hochgeröteten Wangen zum Chef der Firma Mittler & Sohn und sagt : „ Das Heer des »Sommernachtstraums « hätte, um zu siegen, zum Gegner haben müssen das allererbärm lichste Gesindel. Aber es steht fest ; die französische Armee war
gut bewaffnet und tapfer und das Heer, welchem sie auf fast allen Schlachtfeldern unterlag , kann nicht in solchem Umfange, an den
meisten Gliedern, »pestkrank« gewesen sein ; das hat der Freund des Oberst Hallen geträumt ! Aber das war kein schöner Traum, – und noch weniger schön war es , denselben aller Welt zu erzählen und ich an Ihrer Stelle, Herr Chef, hätte solche Traumerzählung nicht in meinem Verlage erscheinen lassen , die den anderen Werken
Ihrer Firma geradezu ins Angesicht schlägt.« verschwand .
Sprachs
und
Ich erwachte ... ,
Nur wenige Worte noch , sonst schreibe ich als Gegentraum >
ein ganzes Buch. *) Hallens Freund hat in einer Sommernacht zwei Schlachten und vieles
Andere geträumt; da ists nicht auffällig, wenn mein Traum in der viel längeren Winternacht ausreichte, für den Fremdling, auſser Hallens Buch noch die ganze Generalstabsgeschichte des Feldzugs 1870/71 zu lesen !
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
213
Die zerstreute Fechtart hat Mängel, das wissen wir Alle. Eine gewisse Gefechtspolizei, wenn auch nicht im Hallen'schen Sinne, wird nichts schaden , die Ablehnung falscher Humanität ist aller
dings, wo solche auftaucht, nötig.
Aber
keine geschlossenen
nicht in der Form liegt der Wert ,
Züge ,
der Geist , die
Moral der Truppen muſs gehoben werden : nur dadurch über winden wir die menschliche Schwäche.
Lehrt doch schon der alte
Vegetius : » Nur wenige Helden zeugt die Natur ; die meisten
bildet zweckmäſsiger Unterricht und Übung. “«
Und ich
verweise u. a. auf »Geist und Form « , geschrieben 1874 von dem getreuen Eckart Helmuth und auf die Nummer 8, 9 und 10 des Militär - Wochenblattes von 1881 , enthaltend : > Der offensive Geist und seine Pflege bei der Infanterie. « -
Eine Verschärfung der Strafen gegen » Drückeberger« ist nicht erforderlich ; die vorhandenen reichen aus, sie müssen nur energisch angewendet werden, und nötig erscheint es , besonders bei eintreten
der Mobilmachung die Mannschaften über die »Folgen der Feigheit « nach den SS 84-88, 106, 107, 108, 109, 110 und 124 des Militär Straf -Gesetzbuchs die sämtlichen Offiziere und Unteroffiziere aber auſserdem über die S8 143, 147 und abermals 124 zu belehren .
Es
erhellt aus denselben , daſs jeder Vorgesetzte die Pflicht hat und bei Unterlassung selbst der schwersten Bestrafung anheimfällt
- dem » Drückebergerthum « unerbittlich streng entgegenzutreten . Und wenn ich weiter lese, wie es dem feigen Unteroffizier,
ehemals Einjährig-Freiwilligen des Träumers weiter erging : »Was ist diesem Unteroffizier geschehen ? Er wurde in Zukunft, wenn ein Gefecht in Aussicht stand , zur Bagage kommandiert; vor Paris be 9
schäftigte man ihn in der Küche ; dies Alles wird ihm nicht unan genehm gewesen sein. - Die öffentliche Schande, einen Unteroffizier
wegen Feigheit und Ungehorsams vor dem Feinde vor ein Kriegs gericht zu stellen, wollte der Truppenteil nicht auf sich nehmen ; lieber ertrag er die geheime Schande, einen solchen Unteroffizier
unbestraft als schlechtes Beispiel für die Schwachen, als Ärgernis für die Starken mit sich zu führen . «
Gewiſs, da ist schwer gesündigt – seitens der Offiziere. Hätte der junge Zugführer den § 124 » verdaut « gehabt
sit venia verbo
dann erzwang er sich Gehorsam – oder er muſste den Unter offizier niederschieſsen . – Und dann haben nachher mehrere
Offiziere gesündigt, vorweg der Compagnie-Führer ; er muſste dem $ 187 verfallen : . . . > wer die ihm obliegende Meldung oder Ver
folgung strafbarer Handlungen seiner Untergebenen vorsätzlich unter
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
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läſst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten bestraft ; gegen
Offiziere kann sogleich auf Dienstentlassung erkannt werden. « Alles das hat mit der » zerstreuten « oder der » geschlossenen « Fechtart an sich gar nichts zu thun. » In summa « sage ich dem Freunde Hallens : > Das war ein -
recht häſslicher Traum « – und dem Chef der Firma Mittler bestätige -
ich das Urteil des Südsee - Insulaners: Heere sollen . «
und Ihrem Verlage
Sie hätten dem deutschen
diese Traum -Schrift ersparen
-
Mit der Wirkung etwa, wie der Mehlthau sie ausübt auf das
üppige Kornfeld, ist über die irrlichtelierenden Sommertraum-Gebilde flugs » eine Wintertagswirklichkeit « *) gekommen. Soweit diese Schrift, deren einzelne Abschnitte aus dem Titel blatt ersichtlich sind, mit einer sachlichen Widerlegung des >Träumers « sich befaſst, muſs man ihr das Zeugnis ausstellen , daſs sie ihren Zweck vollständig erreicht und in den Hauptsachen den Ansichten schneidigen Ausdruck gegeben hat , welche bei den deutschen Offizieren - mit gewiſs wenigen Ausnahmen - herrschen. Gering fügige Meinungsverschiedenheiten über taktische Dinge will ich nicht erörtern, dagegen ausdrücklich bemerken, daſs die » Wintertags wirklichkeit « durchaus keine neuen , bahnbrechenden , genialen « -
Gedanken entwickelte. Mit dieser Einschränkung : unbedingte An erkennung der sachlichen Entgegnung ! Aber dem ungenannten Verfasser ist es vornehmlich und
urzweifelhaft um die Verherrlichung seiner eigenen Person zu thun : in zwei ganzen Abschnitten sowohl wie in mehreren hier und da eingestreuten Sätzen versteigt er sich zu so ungeheuerlicher Selbstberäucherung, zur objektiv unbegründeten Anmaſsung hervor ragendster Verdienste um die Ausbildung des deutschen Heeres und
dadurch unmittelbar zur Herabsetzung des deutschen Offizier- Corps, zu persönlichen Anzapfungen und zu objektiv unwahren Behauptungen *) Eine Wintertagswirklichkeit. nachtstraum “.
Antwort auf:
Inhalt : I. Aus den letzten 20 Jahren .
„ Ein Sommer
II. Das Schlachtfeld :
Drückebergertum . III. Über Salvenfeuer und Feuerleitung und die Wirkung des Artilleriefeuers. IV. Reserve- und Berufs -Offizier. V. Kriegszucht. VI. Ist Ner vösität Feigheit ? VII. Das Gesetz der Verantwortung und der Kriegsenergie. VIII. Drill und Erziehung. IX . Über Fahnen im Gefechte und Ortsgefechte X. Schluſs. Berlin 1888. Verlag von Friedrich Luckhardt. Zusatz der Redaktion :
Obgleich die Verlagsbuchhandlung es für gut befunden hat, der Redaktion bislang kein Besprechungsexemplar dieses Büchleins zu senden, glaubt die Redaktion in dem vorliegenden Falle von ihren Grundsätzen abweichen zu dürfen und die ihr
zugesendete Besprechung zu veröffentlichen .
215
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
mancherlei Art, so daſs die Schrift verdient öffentlich verurteilt zu werden .
Nach Ansicht aller verständigen Offiziere ist die > Anonymität« bei der Militärschriftstellerei notwendig oder berechtigt, » la recherche Darum fällt es mir nicht ein , den Schleier lüften zu wollen, der den Sommernachtsträumer « verhüllt.
de la paternité est interdite « .
Aber der »Wintertägler«, der seinen Namen nicht nennt, verlangt in der aufdringlichsten Weise, daſs man denselben » aufsucht« ; er legt den Namen wiederholt dem Leser auf die Zunge, so daſs hier
die Anonymität zur Spiegelfechterei wird, - eingegeben vielleicht von einer Regung des Schamgefühls dagegen, daſs auf dem Titel als Verfasser der Mann genannt wird, der sich in der Schrift als -
den taktischen Messias des deutschen Heeres hinstellt !
In der » Deutschen Heeres-Zeitung« vom 14. Dezember 1887 erklärt der Leiter des Blattes, Hauptmann a. D. Fritz Hoenig :
>>Bezüglich der Militär - Litteratur sollte kategorisch die Nennung des
Titels ebenso verboten werden, wie die Anonymität , da, wo man es kann . Das ist der Weg , der Sache , der Mannszucht und dem berechtigten Standesansehen zu dienen , die Litteratur
zu disziplinieren. « Unmöglich also kann der mannesmutige Ver treter solcher Ansichten der » ungenannte « Wintertägler sein ! Und doch erklärt Letzterer (Seite 5, 7 und 57), er sei auch der Verfasser der » Zwei Brigaden « , *) die, wie deren Titel besagt, geschrieben sind von > Fritz Hoenig, Hauptmann a. D. « , den man mithin nicht nach seinen Worten , sondern nach seinen Thaten beurteilen
muſs. Und in den „ Zwei Brigaden « steht (Seite 70 ): » Verfasser bezweckt durch Mitteilung seiner persönlichen Erlebnisse nicht, seine bescheidene Person in den Vordergrund zu schieben , und um von diesem Verdacht nicht betroffen werden zu können, hat er sich
entschlossen, seinen Namen nicht zu nennen , so sehr es gegen seine
Auffassung über litterarische Arbeiten ist * « - und der Stern hinter » ist « verweist auf die Anmerkung : » Verschiedene Gründe haben uns mittlerweile veranlaſst, unseren Namen auf das Titelblatt des Separatabdruckes zu setzen. ... « Aber liegt nicht doch die Möglichkeit einer Personenverwechselung
vor? Der Wintertägler erzählt, » bei Vionville liege ein Teil seines Gehirns ; « doch wohl in Folge einer Verwundung am Kopfe ! Fritz Hoenig erzählt in den »Zwei Brigaden « , er sei nach seiner *) Zwei Brigaden. Von Fritz Hoenig , Hauptmann a. D., 1882. Verlag von Friedrich Luckhardt.
Berlin
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit .
216
(nicht näher bezeichneten ) Verwundung von zwei Soldaten zurück geführt; ein ihm begegnender Regimentskamerad bot ihm, dem Adjutanten, ein Pferd, das er führte, zum Aufsitzen an . Verfasser erwiderte (Seite 75) : » Ich kann nicht, ich bin ja verwundet. «
Nun ist es doch auffällig, daſs der Kamerad die schwere Kopf wunde des Zurückgeführten nicht bemerkte und auch gleich von anderen Dingen sprach . ..- Der Sicherheit halber nahm ich die -
Geschichte des Regiments Nr. 57 zur Hand und fand in den Verlust listen - Vionville, 16. August – verwundet : 6. Seconde- Lieutenant
August(!) Hoenig aus Bornheim, Rheinprovinz, Granatsplitter in die linke Hinterbacke ! « Letztere wird nach der landläufigen
Meinung der Physiologen nicht als Sitz des » Hirnes « angesehen, auch ist »August« verwundet. Und doch muſs , trotz der ver
schiedenartigen Verwundungs- und Vornamen - Angabe, der Winter tägler und der Verfasser der »Zwei Brigaden « , der jetzt noch lebende Hoenig sein, denn es steht fest, daſs nur ein Offizier dieses Namens
beim Regiment Nr. 57 am 16. August 1870 verwundet ist. Setzen wir nunmehr auf den Titel der » Wintertagswirklichkeit den Namen des Verfassers > Fritz Hoenig« , so fesselt die Stelle aus sie der Schrift (Seite 30) : » Zwei Taktikern möge man folgen ergänzen sich zu Einem ; der Eine ist Boguslawski, den andern lese man auf dem Titel der » Zwei Brigaden «. Die Formen Boguslawski's, seine taktischen Gesichtspunkte, gepaart mit der moralischen Richtung der Zwei Brigaden «, das ist die Taktik der allgemeinen Wehr pflicht. Nur diese kann es sein, jede andere steht mit ihrem eigenen inneren Wesen im Widerspruch und muſste folgerichtig die -
Niederlage nach sich ziehen . « Also : Umkehr, schleunigste Umkehr, wenn wir die Niederlage
vermeiden wollen ! Hoenig erklärt, daſs in keinem anderen Taktiker Heil ist, als in Hoenig ; denn er läſst zwar Boguslawski neben sich
gelten, aber da dieser nur das Äuſsere, die » Formen «, die »Gesichts punkte « hergiebt, – Hoenig den Geist, die Moral, so liegt klar zu Tage, wer der Bedeutendere, der eigentliche Taktiker ist. Und so läſst der Leiter der Deutschen Heeres-Zeitung, Haupt
mann Hoenig, es auch zu, daſs in ihrer Nummer vom 11. Januar 1888 dem Wintertägler Hoenig ein von Überschwänglichkeiten strotzender Lobgesang dargebracht wird ! Nun ist es schier unbegreiflich, daſs der unbedeutendere Tak
tiker Boguslawski nicht nur im Inlande, sondern in allen Heeren bekannt ist und daſs seine Meinungen selbst von denjenigen geachtet werden, die ihm nicht beipflichten ; – und daſs von dem Ober
217
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit,
Taktiker Hoenig — ich wette ! — nur vereinzelte Begünstigte etwas gehört und gelesen haben ! Ja, er ist unbekannt geblieben, verkannt und wie ist dies gekommen ? Die Sonne zwar nicht, aber der Sommernachtstraum hat es ans Licht gebracht. Der Träumer hat seine Gedanken den „ Zwei Brigaden« entlehnt, dieselben ausge schlachtet«, – und es ward ihm zum Fluche. Unfähig, Hoenig's -
Gedanken richtig auszubauen, verfällt er der sachlichen Verurteilung
und der wohlverdienten moralischen Ächtung durch den Winter tägler, der bei dieser Gelegenheit zugleich groſse Abrechnung mit vielen Anderen hält.
.
Der Einleitungsabschnitt » Aus den letzten 20 Jahren « ist ein lehr- und genuſsreicher. Hoenig, » brütend « über Max Lehmann's 2. Band des » Scharnhorst«, weist die briefliche Zumutung eines >>
alten Freundes ab, den Sommernachtstraum « anzuschaffen und zu lesen, erhält vielmehr durch das 8. Heft der » Kriegsgeschichtlichen Einzelschriften « für einen Augenblick (!) das Gefühl, > Du lebst doch
in einer groſsen Zeit. « Da kommt ein neuer, dringenderer Brief des Freundes, der also anhebt : » Es scheint, daſs Du schon in dem
Entschlusse, Deine bisherige Thätigkeit aufzugeben, gleichgültig gegen Alles geworden bist, was um Dich her vorgeht, denn früher muſste
man Dich nie an etwas erinnern ... und jetzt schweigst Du, trotz dem ich Dich gebeten, trotzdem es sich im
Sommernachtstraum
um Deine (!) Ideen handelt. Bist Du wirklich am Abbauen ? Ist es wabr, was man so sagt: Du wolltest die Kanonen verlassen ? Mitten im Kampfe! . . . Ich sage Dir, Du darfst nicht gehen, Du >
muſst auf Deinem Posten bleiben : Es bringt Dir nichts von dem
ein, was die anderen Menschenkinder erfreut, aber Da muſst, und kostet es Dein Leben ! Erinnerst Du Dich noch unserer Sturm- und
Drangperiode, als wir als junge Lieutenants in Berlin standen ? Wir waren unserer fünf: der 4rer *) May, der 78 er Lichtenfeld , der 56 er
Schirmer, die beiden anderen seien nicht genannt. Es werden bald 20 Jahre. «
Dieser rührenden Beschwörung verdankt 'die »> Wintertags wirklichkeit« ihr Dasein. Ein Händedruck dem unbekannten Freunde !
Ja, das war eine köstliche Zeit - die 4 blutjungen Lientenants,
dazu der 32 jährige, zum Generalstab kommandierte, täglich den » Hauptmann « erwartende May , dem das Lob gespendet wird , »er sei der eigentliche Kampfhahn gewesen, « – wohl wieder eine über *) Mufs heiſsen 44er. Übrigens soll der bedeutenden Persönlichkeit dieses Mannes von mir nicht zu nahe getreten werden.
1
Die Infanterie -Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
218
triebene Bescheidenheit Hoenig's, der doch gewiſs diese Rolle ge
spielt hat und sicherlich der Vater der Gedanken gewesen ist, die May später in seinen bekannten taktischen Rückblicken niedergelegt Dieses Fünfblatt, von denen nur der bei Vionville erblindete
hat.
Freund und Hoenig noch leben, hat damals die richtige taktische Erkenntnis in Pacht gehabt.
Sie stritten sich, die Freunde.
Ja,
wenn die Bäume des damals sehr einsamen Tiergartens einmal an fangen zu erzählen , d . h. , wenn einmal ein Tagebuch *) gemälde
-
als Zeit
erscheint, dann werden wir sehen, daſs wir im Jahre
1887 taktisch noch nicht auf der Stelle stehen , welche
wir damals für richtig hielten. « Kann man bescheidener sein ? Und das war der junge 20jährige Hoenig, der damals schwerlich schon seine »drei Stifte « gründlich ausgebildet hatte! Wie nahe liegt ihm jetzt, nachdem er über Scharnhorst » ge brütet« , der Vergleich : „ Das Fünfgestirn wurde nicht gehört, die Folgen sah man bei Mars- la -Tour, St. Privat ; aber die unbequemen Mahner werden stets >zerrieben « ; erst nach trüben Erfahrungen oder nach schweren Unglücksschlägen hört man sie ; » man sehe Scharnhorst und die » Demokraten « der Reformpartei. Später aller >>
dings haben »sie« es Alle gewuſst, gesagt und gekannt ! ... und wenn
» man « wieder im Glücke schwimmt, dann weg mit den
Propheten, mit diesen Bösewichtern der Feder. Und die Scharn horst ! Man beginnt wieder im Schlendrian (!) stark zu zweifeln , ob solche Geister nicht doch mehr schaden als nützen , bis wieder ein Scharnhorst nötig wird.
Ob er
dann da ist ? « Dank der rührenden Bitte des unbekannten Freundes können
wir erleichtert ausrufen : Ja, er ist da, er wird da sein, der neue Scharnhorst; derselbige wird Fritz Hoenig heiſsen ! Denn nur seine Bescheidenheit verbietet ihm es auszusprechen doch nein, er hat
solches in der D. H. Z. vom 15. Dezember 1886 unverblümt gethan ! Wahrlich, es ist ein starkes Stück , daſs Jemand in ziemlich
unverhüllter Weise dem ganzen deutschen Offizier -Corps, zumal den berufenen , höheren Leitern desselben, den Schlendrian « vorwirft und die geistige Unfähigkeit oder Faulheit, die richtige (sc. » Hoenig' sche« ) Taktik zu befolgen. Das Brandmal diesem Manne auf gedrückt nein, unser pathologisches Mitgefühl demselben ! *) Hoffentlich wird dieser litterarische Genuſs uns bald vergönnt, das Tage buch aber unter andere Beweise gestellt, als solche, welche die Bäume im Tier garten zu erbringen vermögen !
219
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
Hoenig ist » vergewaltigt« worden. Sein Freund ermahnt ihn, er solle, eingedenk der alten taktischen Unterhaltungen u. S. w. gegen den Sommernachtstraum schreiben , denn er sei im Recht « .
» Guter alter Idealist! dachte ich, Du glaubst noch an Recht, noch an die Möglichkeit, daſs das Recht des Einzelnen siege über geschlossene Zirkel (! ). Die Macht zerquetscht den Stärksten , Das Gefühl, daſs Einer etwas weiſs und wenn er allein steht ! kann (!), ist an sich der Kitt für das » Zusammenschlieſsen der Masse so Hoenig. Er entblödet sich nicht zu behaupten, daſs deutsche
Offiziere lediglich in der neidischen Erkenntnis seines genialen Wissens und Könnens zum Zirkel sich zusammengeschlossen hätten , um ihn
diese (unfähige) » Masse !« Es kommt noch deutlicher. Hoenig's Gedanken und Worte, Inhalt und Form werden ihm offenkundig gestohlen. Der » Freund « schreibt weiter, nachdem er erfahren, daſs Hoenig den Sommernachtstraum zwar auf seinen Schreibtisch gelegt, aber noch nicht gelesen hat: > Meine Frau hat mir den Sommernachtstraum vorgelesen. Mir er nicht aufkommen zu lassen
schienen die meisten Gedanken desselben bekannt ; es war mir so, als ob ich sie früher gehört oder gelesen ; ja, Deine Art *) zu sprechen
und zu schreiben kamen mir so in den Sinn, daſs ich mir sagte, das hast Du geschrieben . Das sind nicht nur Deine Gedanken, auch Deine Worte.
Andere Stellen laufen Deinen Ansichten voll
ständig entgegen. Es sind solche, die weder in der Form noch in ihrem Wesen taktisch richtig gedacht sein können. **) So geht es, lieber Freund : An derselben Stelle, wo eine Verschwörung gegen Alles besteht, was Du öffentlich thust, wo man für Dein Schaffen
kein Wort übrig gehabt hat, auſser einigen hämischen Nadelstichen, an dieser » Aktiengesellschaft auf gegenseitige Lobeserteilung « hat man sich die Form zu nutzen gemacht, die Du einst bei der nämlich die Beurteilung der Meckel'schen Taktik angewendet Briefform ***) und an derselben Stelle sind jetzt die Lehren -
*) In Wirklichkeit ist die Hoenig'sche Ausdrucksweise grundsätzlich ver schieden von der vornehmen und richtigen Sprache des Sommernachtsträumers.
**) Der Freund weist dem Obertaktiker gleichsam die Stellung eines „mili tärischen Papstes “ mit Unfehlbarkeit an, so zwar, daſs Alles, was von seinen
Ansichten irgendwie abweicht, ohne Weiteres als irrig sich darstellt. Übrigens bleibt mir der Sinn der Worte verschleiert : es kann Ansichten geben, „die der Form nach taktisch nicht richtig gedacht sind ! " Ja, so bewahrheitete sich, indem der Träumer sich an den ausgeschlachteten Lehren Hoenig's übernahm und starb, das alte Wort : „Qui mange du Pape, en meurt ! “
***) Man traut seinen Augen nicht: weil Hoenig (wohl in den siebziger Jahren) zur Besprechung eines Buches die Briefform gewählt hat, ist er der „ Erfinder“
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
Deiner » Zwei Brigaden « ausgeschlachtet (! ) worden. Taktik des
220
Das ist die
Zusammenschlieſsens « .
Um es hier schon zu sagen : die Stelle « ist die Mittler’sche Hofbuchhandlung, in deren Verlag die Generalstabswerke, das Militär - Wochenblatt, die Militär - Litteraturzeitung u . s. w. , u. s. w. erscheinen .
Die > Verschwörer « also und hämischen Nadelstecher
gegen Hoenig, zugleich Genossen der »gegenseitigen Lobeserteilungs Gesellschaft «, von denen Einer jetzt die Lehren der » Zwei Brigaden « »ausgeschlachtet« haben soll , das sind die Redakteure und Mit arbeiter der genannten Werke, Zeitschriften , die Masse «, die aus Neid den armen Hoenig unterdrückt, bestiehlt und tot schweigt.
Überlegen lächelt Hoenig : „ Damit wurde uns nicht gerade etwas Neues gesagt, aber wir denken darüber nicht so strenge. Uns kommt es auf das Ziel (!) an und gerade die Ideen derjenigen gelangen zur Führerschaft, die » man « durch Totschweigen tot machen zu können glaubt , oder durch sonstige Mittel. Mans täusche sich nicht : An einer Stelle » tot gemacht« oder » tot ge
schwiegen « steht der Kämpfer für seine Ideen (also Hoenig) an zehn anderen dafür auf. Der Kampf bleibt derselbe, er äuſsert sich nur auf anderen Wegen (sic !) , auf allen , die seinem Ziele dienen können, und der Kämpfer bewahrt sich seinen Kopf(!); er erhält vielleicht das heilige Feuer des Hasses an Stelle des Gefühls der
Verachtung und dann, heiliger Shakespeare, spreche weiter. « Also » man « , d. h. die vorhin erwähnten sonst ganz gut be leumundeten » Verschwörer « ,
haben den groſsen Taktiker »tot
geschwiegen « , sie scheinen vim Totschweigen zu beharren « – und darum wird Hoenig sie voraussichtlich nicht nur verachten, sondern >mit heiligem Feuer hassen « . Jeder Zoll ein Held ! Und nun : » Her mit der Schrift ! Wir lasen : zuerst langsam ;
wir rangen mit unseren Gefühlen , die Augen wollten nicht von der Stelle ; dann übersprangen sie wieder ganze Sätze, wie der Pulsschlag dieser Form, hat ein Patent darauf, und Jeder, der sich nach ihm dieser Form
bedient, ist der Patentverletzung, des geistigen Diebstahls schuldig. Dann wird der Prinz Hohenlohe für seine, an derselben verfehmten Stelle “ erschienenen
militärischen Briefe auch noch um Entschuldigung der Form nachzusuchen haben. Höchstens können Pönitzens (S. 7) „ Briefe eines Verstorbenen u. 8. w. “ wegen Ver jährung auſser Verfolgung bleiben. Dar Possierliche dabei ist aber, daſs der Sommernachtsträumer gar nicht die „Hoenig'sche" Briefform , sondern die „Ge 66
spräch s8 form " anwendet. Thut nichts
-
entlehnt hat er die Form doch, da
anzunehmen ist, daſs Hoenig irgendwo einmal ein Gespräch gehalten hat. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd . LXVI., 2.
15
221
Die Infanterie - Taktik im Traume und in der Wirklichkeit.
eines Fiebernden geht : . i . wir können es nicht leugnen , es sind » Der Kern des Traumes liegt in den „Zwei Brigaden « , so z. B. die Ausführungen über die »falsche Humanität «, die über die » Notwendigkeit des Zusammenhaltens «, diejenigen über die Gefahren der Initiative «, über die »Notwendigkeit einer unsere Gedanken «
O
Führung zu jedem Siege« , diejenige über die » Verluste (Verlust philosophie)« , diejenigen über das »Durchschreiten von Wäldern « ; da ist gleichfalls die Anregung zu der Fahnenrettung entnommen, allerdings ist das Ding » sinngemäſs« umgekrempelt (!), aus der frischen Wirklichkeit ein sich niemals erfüllen der Traum gemacht;
da findet sich auch das „ Durchgehen « und das > Aufreiſsen durch Trommelschlag.
Was der Verfasser auſserdem bietet, wird nichts
als ein Sommernachtstraum bleiben .
Daſs Finck die Befehle seines Königs nicht richtig aufgefaſst, und daſs er sich der schwierigen Lage nicht gewachsen zeigte , war sicherlich nicht straffällig . – In der sehr gründlichen und sachlichen Darstellung Winter's vermiſst man einigermaſsen die Angaben darüber , was der König in zwischen mit dem Hauptheere gethan, während er Finck mit etwa 14,000 Mann
230
Umschau in der Militär -Litteratur. in linke Flanke und Rücken des Daun'schen Heeres entsendete.
Dort
konnte Finck wohl demonstrieren und die rückwärtigen Verbindungen des Gegners bedrohen, wozu er aber eigentlich zu stark war ; zu schwach war er natürlich, um ernste Kämpfe mit der Übermacht durchzuführen. Solche
bätte der König in dieser Zeit auf sich nehmen müssen ; namentlich, sobald er wuſste, daſs Daun aus seiner schwer angreifbaren Stellung am Plauen
schen Grunde heraus- und Finck entgegengerückt sei, war gewiſs alle Veranlassung vorhanden , mit dem Hauptheer zum Angriff vorzugehen.
Hatte der König sich diese Möglichkeit geschaffen oder hatte er Finck's Unternehmen in der Luft schweben lassen ? In letzterem Falle muſste er auf Alles gefaſst sein . Zur Beurteilung der Kapitulation von Maxen sind diese Verhältnisse von wesentlicher Bedeutung. Georg Winter hat durch das vorliegende Werk von Neuem auf das
Schlagendste dargethan , wie notwendig eine neue Geschichtsschreibung des siebenjährigen Krieges ist, wie dieser wichtigen Arbeit aber eine gründliche wissenschaftliche Prüfung der zahlreichen vorhandenen chro
nikalischen Quellen vorangehen muſs , und in welch hohem Maſse er zu solchen Untersuchungen befähigt ist. Die kriegsgeschichtliche Wissenschaft
ist ihm zu neuem groſsen Dank für seine wertvolle neueste Arbeit ver pflichtet.
Die Zäumung bei Reit- und Kutschpferden von Spohr , Oberstlieutenant z . D.
Oberstlieutenant Spohr hat in dem vorliegenden Werkchen eine Arbeit geliefert, für welche jeder , der dem edlen Reit- und Fahrsport huldigt, ihm nur dankbar sein kann. Die Entwicklung seiner Zäumungs lehre kann man eine applikatorische nennen . Aus dem Funktionieren der Muskelverhältnisse, gegründet auf eine klare Auseinandersetzung der ein zelnen Teile von Kopf und Hals des Pferdes, werden die Bestimmung
derselben , die zu überwindenden Schwierigkeiten und die Hülfen zur Abstellung der letzteren so eingehend dargelegt, daſs man diese Abschnitte
des Buches geradezu eine Anatomie des Pferdes einesteils, eine praktische Reitinstruktion andernteils nennen möchte. Auf dieser Grundlage bauen sich die Schlüsse für die Wirkung und den Gebrauch der einzelnen Zäumungen auf, wird das Aufpassen der Zäune besprochen und kommt der Verfasser zu einem Vergleich der einzelnen Zäumungsarten , der in
jeder Weise sachlich durchgeführt, doch die Vorteile der Spohr-Kandare deutlich erkennen läſst. Diese gründliche Prüfung aller Zäumungsarten sichert das Buch von dem Vorwurfe einer „ oratio pro domo“ . Die Sach lichkeit des Verfassers tritt auch am Schlusse des Werkchens deutlich
hervor, wo ausgesprochen wird, daſs, weit entfernt sein Instrument unbedingt vollkommen zu halten , der Verfasser dasselbe auch zur leichterung sachverständiger Arbeit empfiehlt, dann allerdings auch stimmten Erfolg versprechen zu können glaubt. Möge die Schrift
für Er be von
Allen, die es ernst meinen mit der Arbeit in der Dressur des edelsten
Umschau in der Militär- Litteratur.
231
unserer Tiere, fleiſsig gelesen werden ; sie verdient dies im vollsten Maſse,
und der echte Reitersmann wird sie nicht ohne Nutzen aus der Hand legen. Scharnhorst.
Von Max Lehmann.
Zweiter Teil.
Seit dem
Tilsiter Frieden .
Mit groſser Freude begrüſsten wir im Juli-Heft 1886 der Jahrbücher
das mit Spannung erwartete Erscheinen von Lehmann's „ Scharnhorst“. Dem 1. Teile ist schnell der 2. Teil gefolgt, welcher einen stattlichen Band von 602 Seiten bildet. Wuſste der Verfasser schon in dem 1. Bande
seines Werkes durch die Art der Darstellung für den Gegenstand zu erwärmen , so ist ihm dies im 2. Bande Dank des höchst interessanten Stoffes noch im erhöhten Maſse gelungen. Scharnhorst's segens- und einfluſsreiches Wirken während der Jahre 1807-1813 wird uns hier in spannender Weise vor Augen geführt. Welch' herrliche Einblicke in das damalige Geistesleben voll Bangen und · Schwanken , Hoffen und Zagen läſst uns der Verfasser thun ; man glaubt oft den Kampf der Engel des Lichtes gegen die Mächte der Finsternis vor sich zu haben. Wie groſs steht der einfache, anspruchs- und neidlose Scharnhorst in diesem Kampfe da ! Unermüdlich und unbeirrt durch Zurückweisungen und Kränkungen schreitet er auf der betretenen Bahn weiter; oft wird er schroff zurück das thut nichts , ohne Arg und ohne Haſs macht er neue gestoſsen Anläufe ; alle seine Gesinnungsgenossen verlassen König und Vaterland, als sie ihre Pläne und Absichten gescheitert sehen und der König sich .
mit Frankreich verbünden muſs.
Scharnhorst allein hält treu aus und
wirkt im Stillen weiter für die gute Sache , bis deren Stunde endlich zu schlagen beginnt, bis er und die Seinen König und Vaterland auf ihrer Seite sehen . Auch in diesen Glanzestagen ist es Scharnhorst, der durch
seine groſse persönliche Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit manche Schwierigkeiten der Miſsgünstigen beseitigt. Gleich Mosen sollte er das das befreite Vaterland nur von Weitem seben ; in den gelobte Land Tagen der ersten Morgenröte raffte ihn der Tod weg . - Wie weiſs uns Max Lehmann für seinen Helden zu erwärmen und zu begeistern , ohne
daſs jemals die Absicht dabei hervortritt, wie uns dies im 1. Teile bier und da durchzuschimmern schien ! Wie groſs und bewundernswert steht sein „ Scharnhorst“ in seiner schlichten , geraden Denk- und Handlungsweise da ! Allerdings verlangt das volle Verständnis des Lehmann'schen Buches eine genaue Kenntnis der damaligen Verhältnisse ; denn es befaſst sich
nicht mit genauer Angabe der einzelnen Begebenheiten , sondern kenn zeichnet nur die Zeitverhältnisse und das innere Leben des groſsen Reform werkes durch Eingehen auf die einzelnen Gegenstände, wobei ein scharfes
Urteil über manche bekannte und hochstehende Persönlichkeit nicht ge scheut wird. Dadurch gewinnen wir über einzelne der Letzteren ein ganz anderes Bild, als es die landläufigen Darstellungen bisher brachten. Zu weilen verliert sich der Verfasser in seinen Schilderungen und Betrachtungen, wie auch im 1. Teile, auf Nebenwege; es dringt sich dem Leser hierbei
Umschau in der Militär- Litteratur.
232
unwillkürlich der Gedanke auf, als ob der Verfasser von seinem reichen
Wissen und seinen weit- und eingehenden Studien Zeugnis ablegen wollte, 80 z. B. in dem , was er über adlige und bürgerliche Offiziere, über die
Zusammensetzung der stehenden Heere aus Geworbenen sagt. Ist auch alles, was er mitteilt , überaus fesselnd und lehrreich , so hätte es doch kürzer gefaſst und dafür der Gang der Ereignisse etwas schärfer gezeichnet werden können, um so auch den mit den Zeitverhältnissen nicht ganz
Vertrauten den Genuſs des Buches zu einem vollständigen zu machen . Aber bei alledem , es ist nicht anders “ : Max Lebmann's Scharnhorst ist und bleibt eine Perle der deutschen Geschichtsforschung. Aus diesem Buche mögen die Männer des Vaterlandes in Zeiten des Glücks stets
ersehen , wie schwere Kämpfe, wie groſse Selbstverleugnung es gekostet, um Preuſsen von dem Abgrund zu retten , an dem es stand ; in Tagen des Unglücks aber, sollten sie, was Gott verhüten wolle, unser Vaterland
jemals beschieden sein, mögen sich dann die Männer der That und Hoffnung an diesem Buche aufrichten und unverzagt wie ein Scharnhorst und seine Gesellen Blut, Gut und Mut für das Vaterland einsetzen lernen .
Ernste und heitere Erinnerungen eines Ordonnanz -Offiziers im Jahre 1870/71 von Karl Tanera , Hauptmann. Zweite Reihe. Der im Sommer 1887 erschienenen und im Juli-Heft 1887 in den
Jahrbüchern herzlich willkommen geheiſsenen ersten Reihe seiner Er innerungen hat der Verfasser vor Kurzem die zweite folgen lassen . Ganz in der bestechenden Art der ersten Darstellungen werden auch hier mit groſser Lebendigkeit und Frische Erinnerungen des Verfassers an einzelne selbst durchlebte Begebenheiten des deutsch - französischen Krieges, sowie an die Occupationszeit in sechzehn verschiedenen Bildern zur Darstellung gebracht. Mit groſser Teilnahme und auch meist mit Spannung folgt man den lebhaften Schilderungen des Verfassers, die überall Kriegs- und
Kriegerleben in ihrer ganzen Eigenart treffend wiederzugeben wissen . Aber, war es der Reiz des Neuen, der unser Herz beim Lesen der ersten Reihe oft schneller schlagen machte oder waren die ersten Gaben wirklich
unter den niedergeschriebenen die bestgelungenen Schilderungen
ganz
so wie die erste wollte die zweite Reihe nicht auf uns wirken. Vielleicht sind wir selbst Schuld daran, indem wir uns beim Lesen dieser neuen
Bilder nicht in der richtigen Stimmung fanden, und die Stimmung hat gerade bei Büchern wie das vorliegende , die vom Herzen zum Herzen gehen wollen und sollen , einen bedeutenden Einfluſs.
Unrecht wäre
es, wenn wir solche Wirkung verschweigen wollten. – aber Unrecht möchten wir auch nicht gern dem Verfasser thun , und darum wünschen
wir, daſs das Büchlein recht recht viel gelesen werde, damit jeder selbst sich ein Urteil darüber bilden könne, ob die zweite Reihe der Tanera'schen
Erinnerungen ebenso leuchtet, sprudelt und glänzt wie die erste. Druck von A. Haack in Berlin , NW ., Dorothcenstrasse 66.
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XV .
Ein amtliches Kriegstagebuch über die Belagerung von Mainz 1793, bearbeitet nach archivalischer Vorlage von
Dechend, Premierlieutenant im hessischen Füsilior-Regiment Nr. 80. Alle Rechte vorbehalten.
(Schluſs.)
II. Abschnitt des Tagebuches.
· Von der Eröffnung des Sappenangriffes bis zum Ende der Belagerung, vom 17. Juni bis 23. Juli. 1. Berichte vom 17. Juni bis einschlieſslich 1. Juli .
[ Anlegung einer Arriereparallele und Eröffnung der I. Parallele. Die zuerst dabei vergeblich versuchte Wegnahme von Weiſsenau gelingt am 27./28. Ankunft einiger holländischer Kanonenboote bei Schierstein . Miſsglückter Angriff der Brander. Eigentliches Bombardement auf Mainz den 27. begonnen. Der sogenannte » Kopf« , die französische Bleichinsel , wird von Rüchel genommen , dagegen -
verunglückt die schwärmende Batterie. Brückenschlag bei Schierstein nach der Schiersteiner Aue und bei Ginsheim beziehungsweise öst lich von Laubenheim auf die Loog -Aue. Zustände bei den Be lagerten .] Den 17. Juni : 16. Juni 1793.
Preuſsische Ordre , datirt Hochheim
den
Das hochfürstliche Hessische Corps giebt zur heutigen Transchee arbeit 4 Capitaine, 13 Subaltern -Offiziere, 48 Unteroffiziere und pro
Compagnie 28 Gemeine , welche dergestalt abmarschieren müssen ,
daſs sie praecise um 3 Uhr heute Nachmittag sich diesseit der Jahrbächer für die Deatsche Armee und Marine. Bd. LXVI., 3.
16
Ein amtliches Kriegstagebuch
234
Schiffsbrücke bei Rüsselsheim versammeln, woselbst sie der Preuſsische
Brigademajor abtheilen wird . Wenn dieses geschehen , marschieren sie über Rüsselsheim , Schönauerhof, Bauschheim , Ginsheim, Lauden heim nach dem Transcheedepot bei Hechtsheim auf den linken
Flügel des Kaiserlichen Lagers neben das I. Bataillon Manfredini, woselbst sie sich bei dem Transcheemajor Scheidt zu melden haben . Wenn das Corps Zimmerleute und Mühlenknechte hat, so müssen solche unverzüglich unter der Anzahl der Arbeiter mit kommandirt werden , welche dann dem Transcheemajor besonders zu bezeich nen sind .
Disposition für den rechten Flügel : Diesen Abend /210 Uhr fangen die Batterien von Biebrich, die von der Höhe von Mosbach und die aus der Redoute *) auf dem rechten Flügel des
Hessischen Lagers an mit der gröſsten Lebhaftigkeit auf die Peters Aue zu feuern. Zugleich läſst der General-Lieutenant v. Biesenrodt 1 oder 2 Bataillone in das Retranchement bei dem
Warte - Thurm
herunterrücken , diese nahmen 2 Regiments-Stücke mit und feuern
schräg über die Chaussee nach dem Galgen zu. Um 10 Uhr rückte das ganze Lager aus und schickt starke Piquets oder Pelotons Infanterie herunter in die plaine gegen Castel. Diese rücken ver theilt gegen Castel vor bis auf 800 Schritt von dem Glacis , um das Kartätschfeuer von der Peters - Aue zu vermeiden .
Diese In
fanterie wird durch 2 Escadronen Leib - Dragoner unterstützt, welche Patrouillen vorwärts schicken bis allenfalls auf das Glacis von Castel.
Alles , was sich in der plaine auſser Castel befindet , muſs zurück geschmissen werden und die Peletons maintenieren sich auf ihrem Terrain bis gegen 7,3 Uhr, wo sie anfangen können dann mit Ordnung wieder einzurücken .
Sollte der Feind indessen mit einer
allzusehr überlegenen Macht sich aus Castel gegen sie herausziehen, so können sie sich nach und nach mit Ordnung repliieren, welches um so leichter geschehen kann, da ihre linke Flanke durch das
Bataillon v. Vitinghof sowohl , als durch die Sächsischen Piquets völlig gedeckt ist und das Kanonenfeuer aus dem Retranchement
bei dem Warte -Thurm die rechte Flanke protegiert.
Die vor
geschickten Pelotons von dem Bataillon v. Vitinghof werden sich ungefähr mit dem linken Flügel der Hessen allignieren. Die Absicht dieser Disposition war : Weiſsenau sollte in der Nacht weggenommen und en front desselben die Laufgräben **) *) Schanze Nr. II, vergl . Seite 12.
**) Die I. Parallele sollte 800 Schritt von den Mainzer Werken gelegt werden die Arriereparallele 1200 Schritt.
235
über die Belagerung von Mainz 1793.
eröffnet werden . Auch sollten 4 Brandschiffe abgefahren werden. Der Befehl war ebenfalls ertheilt Kostheim zu attaquiren, welches aber wieder abbestellt wurde .
Die Kanonade nahm also um die bestimmte Zeit (gestern) ihren Anfang und alles richtete sich laut Disposition. Bei Hochheim wurde wenig kanoniert aber brav auf Kostheim haubitziert. Die Franzosen schwiegen und feuerten nur einigemal aus Castel. Gegen /, 11 Uhr Abends plänkelten bei Biebrich die Darmstädter Jäger, um 11 Uhr wurde heftig jenseit des Rheines , besonders aber bei Weiſsenau, mit kleinem Gewehr gefeuert und das Kanonenfeuer dauerte so bis es Tag wurde, da dann die Commandos erst abgelöst wurden , welches sonst um 11 Uhr Abends geschieht. Man ver muthete nun bei dem heftigen Feuer nach Weiſsenau zu , daſs daselbst zum Vortheil für uns geschlagen worden sei , wir sahen aber noch keinen Effect von irgend einem Brandschiff, welches uns nichts gutes versprach und zu unserm gröſsten Leidwesen kamen unsre Arbeiter unverrichteter Sache wieder zurück , welche sagten , es wäre durch Desertion
eines Kaiserlichen und eines Preuſsischen
Soldaten das ganze Vorhaben dem Feind verrathen worden , als welcher beim vordringen der Arbeiter im Korn verborgen gewesen wäre und häufig auf sie gefeuert hätte , worauf Ihre Majestät der König , welche Selbst mit Ihro Durchlaucht dem Herzog von Braun schweig *) zugegen gewesen , den Rückzug befohlen hätten . Die Kaiserlichen sollen hierbei, besonders aber die Darmstädter leichte
Infanterie gelitten und letztere 50 Todte und Blessierte gehabt haben , bei ersteren wäre 1 Capitain , bei letzteren 1 Lieutenant
todtgeschossen. Das zurückgetriebene Arbeitskommando verlor 1 Gemeinen todt, 1 blessiert, vom Darmstädter Leib -Regiment 1 Gemeinen todt und 7 blessierte. Sonst ist nichts verloren gegangen. Heut Abend nach 11 Uhr wurde ein Arbeitskommando ohne
Ober- und Untergewehr kommandiert bestehend aus 4 Capitains, 13 Offizieren, 48 Unteroffizieren, 567 Gemeinen vom Hessischen Corps. Dieselben versammelten sich 3/48 Uhr Morgens Den 18. und marschierten nach der Brücke bei Rüsselsheim , woselbst sie der Preuſsische Brigademajor abtheilte. Das Kommando *) Der Herzog begab sich während dieses Zeitraums der eigentlichen Be lagerung wiederholt von Kaiserlautern nach Marienborn , weil er meinte die zu
gewagten Unternehmungen der Belagerer verhüten zu müssen. Das Miſsglücken dieser ersten Transcheearbeit und der langsame Gang der Belagerung wird daher mit auf ihn zurückgeführt. 16*
Ein amtliches Kriegstagebuch
236
setzte dann seinen Marsch fort über Schönauerhof, Bauschheim , Ginsheim und Laubenheim nach dem Transcheedepot.
Der älteste
Capitain meldete sich beim Transcheemajor Scheid und das Com mando muſste unfehlbar Nachmittags beim Depot eintreffen .
In dieser Nacht wurden die Laufgräben ungestört eröffnet.*) Die Franzosen machten einen Ausfall, wurden aber vom I. Bataillon Schladen zurückgeschmissen . Den 19. Ein Arbeitskommando von 1 Stabsoffizier, 2 Capitains, 6 Offizieren, 24 Unteroffizieren und 310 Gemeinen versammelt sich
morgen Vormittag 3/410 Uhr ohne Ober- und Untergewehr hinter dem Leib -Regiment und marschiert nach der Brücke bei Rüssels heim , wo es diesseit derselben Punkt 1 Uhr eintreffen muſs.
Da
selbst werden sämmtliche Arbeitskommandos des diesseitigen Corps
vom Preuſsischen Brigademajor in Brigaden eingetheilt , worauf solche über Ginsheim nach dem Transcheedepot bei Hechtsheim
marschieren und allda praecise um 4 Uhr Nachmittags eintreffen . Die Ankunft daselbst wird sogleich dem Transcheemajor gemeldet. Mit diesem Tage wurde aus der Batterie der Laufgräben auf den Feind kanoniert.
Den 21. wurden die Arbeiter durch 1 Capitain , 2 Offiziere, 8 Unteroffiziere, 92 Gemeine abgelöst, welche um 12 Uhr Mittag diesseit der Brücke bei Rüsselsheim einzutreffen hatten.
Den 22. Ein Arbeitskommando von 1 Offizier, 4 Unteroffizieren, 30 Gemeinen muſste sich um eben die Zeit bei der Brücke ver sammeln und ablösen .
Se. Majestät der König haben geruht, jedem Unteroffizier 8 gute
Groschen und jedem Gemeinen 4 gute Groschen für jeden Arbeits tag zu schenken .
Nachricht aus Breda ist eingelaufen , daſs Breda über sei. Die bolländischen Kanonierboote sind vor vier Tagen bei Ellfeld (Eltville) angekommen. Es sind deren 16, 6 davon haben hinten und vorn 1 Vierundzwanzigpfünder . Die übrigen 10 auf jedem Boot 1 Vierundzwanzigpfünder und sind mit Schieſsscharten, mit schwarzen Linnen behängt, gemacht, welche noch mit Wolle gefüttert sind.
Hinten beim Ruder ist ein Behälter für Munition, worinnen
1 Mann stehen kann .
Jeder Matrose, deren 410 sind, erhält täglich
* ) Man baute zunächst , wie es in einer Quelle heiſst, um zwischen der .
Position des Einschlieſsungscorps und dem zu unternehmenden Angriffe ein sicheres, jedem starken Ausfalle hinlänglich widerstehendes Etablissement zu haben , eine
sogenannte Arriereparallele mit 9400 Schritt Länge. Sie erhielt 3 Batterien zu je 4 Wurfgeschützen, welche am 19. früh 4 Uhr ihr Feuer begannen,
über die Belagerung von Mainz 1793.
237
1 Gulden. Noch 3 Transportschiffe befinden sich hierbei, welche
Kanonen , Munition und überhaupt alles benöthigte geladen haben. In der Nacht vom 16. fuhren 5 Brandschiffe ab , wovon 1 zu
früh vor der Mainzer Brücke ohne Wirkung zersprang, 2 entzündeten sich aber etwas.
Die Franzosen löschten solche aber und bekamen
sie, die 2 anderen wurden im Schilf von Fischerleuten wieder retour Das Pulver war ganz durch den anhaltenden Regen verdorben und zu einem Brei geworden. Die übrigen Schiffe sind nun wieder von neuem ausgebessert und werden nicht eher als bei gutem Wetter mit Pulver versehen , da sie dann sogleich auch in Begleitung einiger Kanonenboote abfabren sollen. Letztere heiſst es, sollen etwas auf die Bleichinsel unternehmen, zu welchem Ende man gebracht.
solche zu Land überfahren muſs, um sie bei Ginsheim in den Rhein bringen zu können.
Die erste Brücke bei Ginsheim auf die Longaue hat 32 Nachen und die zweite von der Longaue bis über den Rhein. Den 23.
Die Darmstädter haben eine andere Position nehmen
müssen , indem sich solche nach Budenheim gezogen, um besser abzuschlieſsen und ihr verlassenes Terrain wurde von den Preuſsen besetzt.
Den 24. wurde von den Kaiserlichen 1 Gemeiner todt und 1 blessiert verloren. In dieser Nacht wurde von der I. Parallele
dem Heiligen Kreuz rechts 1 Batterie mit ungefähr 200 Schritt Entfernung angelegt. Den 25. wurden in den Transcheen 2 Kaiserliche blessiert und
1 Preuſsischer Kanonier todtgeschossen , wie auch einige davon blessiert.
Bei die 75 Emigranten theils aus Mainz und Castel verlangten am 23. herüber zu kommen , sie wurden aber abgewiesen mit dem Bedeuten , im Fall sie sich unterständen zu kommen , würde man
auf sie feuern. Der Feind wollte ein gleiches thun und sie auch auf keinen Fall wieder nehmen, sondern gleich auf sie feuern . Sie kamen also dennoch und näherten sich unseren Vorposten , die
sogleich Feuer gaben , worauf sie sich zurückzogen und bis jetzt noch unter freiem Himmel liegen. Die Piquets muſsten desfalls früher ausrücken . Nachdem die Emigranten die ganze Nacht hin durch erbärmlich im Regen hatten unter freiem Himmel zubringen müssen, war der Commandant d'Oyré endlich genöthigt sie wieder aufzunehmen . Den 24. wurde von den Hessen auf Arbeit in die Transchee
gegeben 1 Capitain, 1 Offizier, 6 Unteroffiziere, 80 Gemeine.
Ein amtliches Kriegstagebuch
238
In dieser Nacht gelang es dem Feinde bei einem Ausfall auf die Arbeiter 4 Kanonen zu vernageln. Die Arbeiter muſsten sich, weil sie kein Gewehr mitgenommen hatten , zurückziehen.
Die I. Parallele besteht vom linken Flingel an gerechnet, als welcher auf Bretzenheim grade gegenüber steht und 300 Schritt davon entfernt ist, aus folgenden Batterien : a) 4 zwölfpfündige Kanonen und 2 zehnpfündige Haubitzen, b) 4 zwölfpfündige Kanonen und 1 zehnpfündige Haubitze, c) 3 zehnpfündige Haubitzen,
d) e) f) g) h) i)
4 4 4 1 1 2
zehnpfündige (schwere) Haubitzen, zwölfpfündige Kanonen, zwölfpfündige Kanonen , sechspfündige (leichte) Kanone, sechspfündige Kanone und 2 zehnpfündige Haubitzen, sechspfündige Kanonen.
Den 25. Heute gaben die Hessen auf Arbeit 1 Stabsoffizier, 1 Capitain , 1 Offizier, 6 Unteroffiziere, 80 Gemeine. Das Com
mando in Niederwalluf wird morgen abgelöst mit 1 Capitain, 1 Offizier, 4 Unteroffizieren, 48 Gemeinen . Wenn ein feindlicher Trompeter vom Castel'schen Commandant Du Bayet mit Briefen an den General - Lieutenant v. Schönfeld
kommt , so soll er in Zukunft nicht mehr angenommen , sondern zurückgewiesen werden. Nur blos vom Commandant d'Oyré aus
Mainz werden Briefe abgenommen , welche an seinem Familien petschaft zu erkennen . Erstere sind mit dem Siegel der Republik petschiert. Diese Ordre geschah um deſswillen , weil der Com mandant von Castel auf das Schreiben des General- Lieutenant
v. Schönfeld, worinnen er ersucht wurde die Emigranten auf zunehmen, ansonst er, wenn einer davon umkäme, dafür repondieren müſste, unhöflich auf diese Art antwortete, er hätte die Thore vor
diesen Emigranten auf immer verschlossen und brauche keine Rechenschaft von seinen Handlungen zu geben , welches er nur blos an der Spitze seiner Truppen oder mit einer tête à tête thun wollte. Se. Majestät der König waren heut in Ellfeld (Eltville), wo selbst die Kanonenboote manövrierten und kanonierten . Heute Nacht machte der Feind wieder einen Ausfall auf die
Transchee, man bewillkommete ihn aber mit 8 Bataillonen, so unterm
Das kleine Gewehrfeuer war heftig und hitzig, dann hörte es manchmal auf und so fing es hernach wieder herz
Gewehr standen .
haft an . Die Kanonen und Wurfgeschütze brausten ganz erschreck lich
und
Obrist
v. Rüchel
bearbeitete dann
mitunter
von
der
über die Belagerung von Mainz 1793 .
239
Gustavusburg den Feind herzhaft mit Handgranaten , davon eine Menge auf einmal aus den Mortiers geworfen werden . Wir bekamen vom Feinde 20 Gefangene , worunter 7 blessierte , die Kaiserlichen und Preuſsen hatten 8 Todte und 7 Blessierte.
In der Nacht vom 26. um /, 11, 12 und 1 Uhr machte der Feind 3 unterschiedene Ausfälle auf die Transchee , das Bombar dement unsererseits war desfalls heftig , der Feind kommt aber
hier bei immer zu kurz, wenn er nur einiges Wurfgeschütz besitzt. Er muſste weichen . Einige Kleingewehrschüsse fielen auch dies seits unsrer Vedetten , welche aber unbedeutend waren . Indessen rückten die Hessischen Bataillone aus .
Jetzt soll eine Batterie von 10 Mortiers aufgeworfen werden.
Den 27. Abends 8 Uhr wurde unter gewaltigem Bombardement Mainz in Brand geschossen. Es war die Liebfrauenkirche , so in die Asche fiel, und wegen des dunklen schwarzen Rauches ver
muthet man , daſs ein Magazin müsse dabei mit verbrannt sein. Wir haben den herrlichsten Stand auf unsrer Seite die Belagerung
zu betrachten und, in Wahrheit, diese Nacht war die schönste, die man sich nur gedenken mag. Ein aufgehender Mond schien uns links, in Mainz der feurige Thurm , dessen Spitze endlich einstürzte
und dadurch dem Auge wieder eine neue Veränderung darstellte, über Mainz war ein Wetterleuchten und nun das häufige Geheule von Kugeln und Bomben, die bisweilen in der Luft platzten. Man
feuerte , es war /, 12 Uhr Nachts , von den Hochheimer Batterien auf Castel, von der Gustavusburg auf die Bleichinsel blos aber mit
fausses attaques, um Weissenau *) desto eher wegnehmen zu können. Um 12 Uhr fing das Kleingewehrfeuer bei Weissenau hitzig an, dauerte stufenweise. Das Gefecht war hitzig und um 4 Uhr Morgens erneuerte es sich wieder heftig. Am 28. erfuhren wir, daſs 3 Bataillone Kaiserliche und Preuſsen
in vergangener Nacht Weissenau erobert hätten , 1 Bataillon ist nämlich vorne aufs Dorf, ein andres hinten und das 3. auf den Eingang gestürmt. Bei dieser Gelegenheit sind viele Feinde im
Dorfe todtgestochen worden. Unsererseits soll nichts geblieben sein. Es wurde auch gleich die zweite **) Parallele eröffnet. Daſs Weissenau unser war, konnten wir diesseits daraus beurtheilen , weil *) Und die mit einer Verbindung nach der „ Karlschanze “ versehene feind liche Feldschanze vor Weissenau, welche sehr hinderte. Dieser Angriff wurde vom
Herzog von Braunschweig besonders gemiſsbilligt. **) Ein Irrthum , da diese erst in der Nacht vom 11./12. Juli angefangen wurde.
Ein amtliches Kriegstagebuch
240
der Feind aus den Batterien nahe bei Mainz feuerte, welches un
gewöhnlich war. Heute Abend 8 Uhr wurde Mainz wieder mit Bomben ge
änstigt und stark in Brand geschossen. Es brannte nämlich in der Domkirche und am linken Flügel der Stadt. 10 Kanonen sind heute von den Kanonenbooten ans Mainufer mit Wagen transportiert worden . Der sächsische General- Lieutenant v. Lindt hat Nachricht, daſs Valenciennes über sei. *)
Den 29. Mittags 12 Uhr erhob sich gegen Weissenau ein starkes Kleingewehrfeuer, allwo der Feind fruchtlos wieder seine Attaquen auf die Linien machte.
Heute sind 2 Darmstädtische Dreipfünder, so bei Niederwalluf neben der Ziegelei in einer Batterie standen, von da weg nach der Schanze bei Biebrich gebracht worden , an deren Stelle 2 Preuſsische Sechspfünder gekommen sind , blosum Mombach bestreichen zu können , weil der Feind bisweilen daher kommt.
Weil Weissenau über ist, so wurde des Feindes Aufenthalt auf
der Bleichinsel oder auch der » Kopf« genannt sehr gefährlich. Er konnte sich also nicht mehr des Kanonierens wegen darauf länger halten und nahm daher seine Zuflucht zu seinen Nachen , in welchen
er davoneilte, doch wurde ihm 1 davon in den Grund geschossen und 20 Mann , die so geschwind nicht fort konnten , wurden vom Obrist v. Rüchel, der mit einigen Booten daselbst landete, noch gefangen genommen, dahingegen ward ein anderes Boot mit 1 Major nebst i Compagnie Kaiserlicher , **) so auf dem »Kopf« arbeiten sollten, unvermuthet mitten im Rhein durch die Gewalt des Stromes nach Mainz getrieben ; einige davon machten sich geschwind in das noch anhängende kleine Boot, welche glücklich auf dem > Kopf« landeten , die übrigen aber wurden vom Feinde heftig kanoniert,
als welcher glaubte , es sei ein Brandschiff, bis es endlich nahe genug am Mainzer Ufer war , woselbst der Feind es in Empfang nahm .
Den 30.
Heute wurde ein Arbeitskommando von 1 Unter
offizier, 25 Gemeinen gegeben, welche bei der Erbenheimer Schanze ***) *) Valenciennes fiel am 28. Juli.
-
**) Miſsverständliche Angabe; es waren 40–60 Mann vom Preuſsischen Füsilier - Bataillon Legat unter Major v. Kaiserlingk nebst 2 Geschützen . Die Schiffer waren, als sie Feuer bekamen, feig ins Wasser gesprungen und deshalb trieb die Maschine ab .
***) D. i. „Neue“ Schanze vor der Erbenheimer Warte.
über die Belagerung von Mainz 1793.
241
sich versammelten, um Schanzkörbe und Faschinen zu machen ; erstere werden das Stück zu 8 Kreuzer, letztere aber zu 4 Kreuzer bezahlt .
Heute Morgen um 9 Uhr kam der Feind mit Kavallerie und Infanterie, 300 Mann ungefähr, aus Castel , marschierte durch Mom bach und plünderte daselbst, wurde aber durch 1 Bataillon Darm
städter Leib-Regiments zurückgetrieben. Man kanonierte ihn auch von der Batterie bei Biebrich mit einem Zwölfpfünder. Bei dieser Gelegenheit sind in besagter Batterie 2 Preuſsische Artilleristen
durch Unvorsichtigkeit beschädigt worden. Es war nämlich in der Kanone beim abfeuern noch etwas Feuer zurückgeblieben ; das
Stück war kaum geladen , so ging's von selbst los , wodurch der neben der Mündung noch stehende vom Feuer sehr verbrannt und
ein Stück Weges davon zurückgeschmissen, der beim Zündloch aber sich aufhaltende hielt die Hand über demselben , welche durch die Gewalt des Pulvers , das aus dem schon zu sehr ausgebrannten
Zündloch herausflammte, ihm zerschmettert wurde. Der Feuer werker verbohrte die Kanone gleich aufs neue, indem er ins Zünd loch ein Stück Eisen vermöge einer Winde mit Gewalt einschraubte,
oben gleichfeilte und nun von neuem das Zündloch ebenfalls mit der Winde aufbohrte.
Eins von den Transportschiffen unterm Kommandant van der Smissen nebst 6 Kanonenbooten, deren jedes 2 Kanonen, 1 hinten, die andere vorne hat , fuhren heute neben Schierstein , allwo auch
heute die Schiffsbrücke auf die Schiersteiner -Aue geschlagen worden ist. Diese Kanonenboote , heiſst es , werden die Peters - Aue atta quieren. Ein solches Kanonenboot ist 44 Fuſs lang und 11 breit, -
bat 6 Behälter unten im Boden , in welchen die Munition kann
hingelegt werden . An jeder Seite des Boots werden 12 Matrosen zum rudern angestellt und 1 Quartiermeister steht hinten am Ruder. Eine jede Kanone hat eine Schieſsscharte von eisernen Stücken aufrecht gestellt, welche mit Matratzen von Wolle umhangen und mit einem schwarzen leinenen Tuch maskiert sind. Zu jeder Kanone sind einige Constabel vertheilt. Die andern 10 Kanonenboote haben in allen die halbe Proportion. Dieselben werden, sobald die Wagen in Ellfeld (Eltville) zu ihrem Transport über Land fertig sind , ihren Kanonen nachfolgen . Sämmtliche Kanonenboote sind in 3 Divisionen eingetheilt, die 1. besteht aus den erwähnten 6 groſsen Kanonenbooten, die 2. aus 5 unter dem Lieutenant v. Engelbrecht und die 3. aus 5 unter dem Lieutnant v. der Langen .
Das Ganze
kommandiert
Ein amtliches Kriegstagebuch
242
Commandant Lämmer. Unter der Schiffsgesellschaft sind 3 Constabel
majors, davon 1 täglich 2 Gulden, 16 Quartiermeister mit täglich ( 1 Gulden 45 Kreuzer (diese verstehen nämlich das Ruder)) und 16 Constabel ; letztere , so wie alle Matrosen erhalten excl. der
Provision 11 Gulden .. Die Constabelmajors tragen blaue kurze Jacken mit dunkelrothen Kragen , dergleichen Aufschlag und Klappen, erstere und letztere sind mit schmalen goldenen Bandtressen besetzt.
Die Knöpfe sind klein, rund und mit einem Anker geziert. Dabei tragen sie kurze blaue Kamisols, mit 2 Reihen Gold an den Knöpfen herunterbesetzt, und lange weite Hosen mit einem runden Hut.
Bei den übrigen Leuten ist der Anzug derselbe, nur aber kein Gold. Ihre Waffen bestehen aus Gewehren und ein überhangender Säbel. Mainz wurde beute Abend um
10 Uhr durch's Bombardement
wieder stark in Brand geschossen.
Der Brand dauerte die ganze
Nacht hindurch .
Seit kurzer Zeit sind auf der Gustavusburg ohne die Gemeinen 14 Offiziere blessiert worden .
Den 1. Juli .
Heute sind 3 Nachen mit expreſs dazu ver
fertigten Wagen nach Ellfeld (Eltville) und von da zu Land an das
Mainufer gefahren worden. Sobald die anderen Wagen fertig sind, werden die übrigen Nachen folgen.
Die Boote werden am Main
zurecht gemacht . Heute Abend um 11 Uhr wurde Mainz wieder in Brand gesetzt,
das Feuer war gewaltig groſs. Ein Deserteur erzählte , daſs das Wehklagen der Weibsleute über die Beschreibung sei und daſs ein Haus mit Mehl wäre verbrannt worden. Übrigens wäre zu ver muthen, daſs der Feind sein Hauptmagazin wird in den Kasematten
verborgen haben. *
2. Berichte vom 2. bis einschlieſslich 10. Juli.
[Wegnahme von 3 Schanzen bei Zahlbach auf der Belagerungs seite ; endgiltige Wegnahme von Kostheim, welches zur Vertheidigung gegen Mainz /Castel eingerichtet wird . ] Den 2. Juli.
Die 10 Kanonenboote sind nun ihren Kanonen
gefolgt und am Main zurecht gemacht. Die Medaille , so die Preuſsischen Unteroffiziere und Gemeinen bekamen, ist auf der einen Seite mit einem Lorbeerkranz, der unten
mit Band gebunden ; in der Mitte desselben steht, > Verdienst um den Staat «, auf der andern Seite ist die Krone, über derselben der
Reichsapfel, darunter FWR und hierunter die Jahreszahl.
über die Belagerung von Mainz 1793. Den 3.
243
Die Hessischen Husaren sind heute von Mosbach nach
Landau zu ihrem Regiment marschiert.
Heute wurden von den
Hessen auf Arbeit gegeben 1 Capitain, 2 Offiziere, 78 Gemeine. Die vorige Nacht wurde eine Batterie von 8 Kanonen gemacht und 20 Mann todt und
blessiert verloren .
.
2 Preuſsische Artillerie
Offiziere wurden heute morgen bei der Arbeit erschossen , Namens Lieutenant Gresel und Lieutenant Schmidt.
Ersterer ist durch den
Schanzkorb, den ihm die Kanonenkugel wider den Leib schmiſs, getödtet worden und letzteren wurde die eine Schulter mit einem Theile der Brust weggenommen .
Den 4. Die vorige Nacht brannte es in Mainz wiederum. Brandschiffe,, so neulich verunglückten , waren Die 3 Brandschiffe
ein
Brander mit 3 Kasten mit berechnetem Communikationsfeuer und
2 Oefen mit 5 Centner Pulver und in jedem Ofen eine hundert
dreiſsigpfündige Bombe , die 2 anderen aber waren Nachen mit Pulver , Handgranaten und Brandmaterialien gefüllt , welche durch eine beim Anstoſsen des im Kiel beweglichen Mastes sich ver brennende Zündwurst ganz in Feuer gehen sollten . Das Floſs dient jetzt dazu , um eine Communikationsbrücke auf die Bleichinsel zu
machen und dazu ist noch genommen worden eine andre schwimmende Batterie, welche bei Annäherung nach dem » Kopf« vom Feinde sehr zerschossen wurde ; man hat die Überbleibsel noch zur Brücke verwenden können .
Seit dem 4. bis den 7. *) haben die Preuſsen den Franzosen die 3 Schanzen neben Zahlbach liegend weggenommen . Ihre Hoheit der Prinz Louis Ferdinand, welcher zu weit vorgegangen sein sollen, indem Sie die Palisaden an der Festung umhauen wollten , erregten
dadurch unter dem Feind einen solchen Eifer, daſs derselbe in den Hemden herauskam, die eine Schanze wieder nahm und den Preuſsen
dadurch einen Verlust von 200 Todten und Blessierten zufügte. Die Darmstädter verloren hierbei ungefähr 10 Mann todt und blessiert.
Am 6. sind 2 Grenadiere vom II . Bataillon Garde
Grenadier-Regiments desertiert. Den 7. Ein Arbeitskommando von 2 Offizieren , 8 Unteroffi zieren, 134 Gemeinen Hessen ohne Gewehr, versammelte sich heute
um 6 Uhr (Abends) hinter dem II. Bataillon Leib-Regiments, wo sie das Arbeitszeug mitnahmen und hinter das II. Bataillon Kur *) Es galt hierbei die Verlängerung der Parallele nach links. Die Wegnahme von 2 Schanzen erfolgte am 5. Nachts, der 3. Schanze aber am 6. Nachts. Angaben über die Verluste schwanken zwischen 2–400 Mann.
Die
Ein amtliches Kriegstagebuch
244
sachsen nach dem Preuſsischen Lager bei Hochheim marschierten , allwo sie Abends 8 Uhr eintreffen muſsten .
» Disposition zur Attaque von Kostheim , dat. Hochheim den 7. Juli 1793. «
Diese Nacht wird Kostheim attaquiert und be
Der Angriff geschieht mit 6 Bataillonen , als Grenadiere
hauptet.
und II. Bataillon von Crousatz, II. Bataillon von Borch, Sächsisches
Bataillon von Gotha und 2 hessische Bataillone.
Über dieses rückt
noch das Sächsische Bataillon von Clemens zum Soutien vor. Ferner kommen hierzu 300 Arbeiter von den übrigen Bataillonen des Corps
(Schönfeld ) und auſser den Offizieren und Unteroffizieren , welche zur Aufsicht der Arbeiter kommandiert werden , sind die Lieutenants
v. Tettau, v. Kirchfeld, v. Heugel bestimmt, die Arbeiten als Ingenieure vollziehen zu lassen und bleiben daher in Kostheim bis selbige völlig geendigt sind. Punkt um '/, 11 Uhr versammelt sich die Kolonne linker Hand unter dem Befehl des Herrn General-Major v. Wegner auf der Chaussee, die Tete bei den spanischen Reitern in folgender Ordnung :
1. 1 Capitain , 2 Offiziere und 100 Freiwillige Unteroffiziere und Gemeine von dem Grenadier-Bataillon v. Crousatz und II. Bataillon v. Borch, das II. Bataillon v. Borch und Gre nadier- Bataillon v. Crousatz rechts abmarschiert.
Neben
ersterem linker Hand in gleicher Höhe 1 Offizier und 50 Freiwillige und das II. Bataillon v. Crousatz ebenfalls rechts abmarschiert.
Diese 3 Bataillone marschieren mit
Sektionen und nehmen keine (Bataillons-) Kanonen mit . 2. Das Sächsische Bataillon v. Gotha mit seinen Kanonen links abmarschiert.
3. 1 Escadron v. Borstel rechts abmarschiert.
4. 200 Arbeiter durch die Lieutenants v. Kirchfeld und v. Heugel geführt.
Der Hauptmann v. Raumer vom Generalstab führt diese Kolonne und setzt sich vor die Freiwilligen.
Zu eben dieser Zeit, nämlich '/211 Uhr, versammelt sich die Kolonne rechter Hand bei der Donnermühle . Sie ist mit Sektionen
in folgender Ordnung links abmarschiert: 1. 2 Bataillone Hessen , ohne Kanonen .
2. 22 Jäger vertheilen sich rechter Hand neben diesen zwei
Bataillonen, um rechts zu patrouillieren, entfernen sich jedoch nie über 100 Schritt von der Kolonne.
Kommt
etwas
über die Belagerung von Mainz 1793.
245
bedeutendes auf sie los, 80 ziehen sie sich durch die
Bataillone. *) Hierauf folgen : 3. 1 Escadron v. Borstel links abmarschiert. 4. 1 Escadron Sächsische Carabiniers rechts abmarschiert und
hinter selbiger 5. Die 2 Bataillons- Kanonen und 2 Granatstücke.
Der Major v. Lecoq und der hessische Hauptmann Wiederhold vom Generalstab führen die hessischen Bataillone hinter dem Säch
sischen Lager, allwo sich das Bataillon Clemens und die Sächsische Carabiniers Escadrons anschlieſst, nach der Donnermühle, wo 1 Es cadron v. Borstel dazu stöſst.
-
Punkt 11 Uhr setzen sich die 2 Kolonnen in Marsch , die
Kolonne linker Hand auf der Chaussee, die Kolonne rechter Hand , die Donnermühle und den Graben links lassend, nach der Chaussee zu , wo die Kolonne, die zuerst ankommt, auf die andere warten muſs.
Sowie die Tete der Kolonne rechter Hand die
Chaussee erreicht hat, fällt sie in selbige und die Kolonne linker Hand muſs links neben der Chaussee mit selbiger in gleicher Höhe
marschieren, doch so, daſs die Freiwilligen kurz vor der Kolonne die Avantgarde machen. Noch ehe die Tete des II. Bataillons v . Crousatz das kleine Kreuz an der Chaussee erreicht hat, bricht
es links aus der Kolonne heraus und zieht sich gegen Kostheim , sodaſs es ungefähr 50 oder 60 Schritt die Kapelle links läſst. Die Freiwilligen von diesem Bataillon laufen grade auf die Kapelle, nehmen solche in den Rücken, dringen hinein ohne einen Schuſs zu thun und stoſsen alles nieder.
Das Bataillon selbst setzt seinen
Marsch noch fort und wenn 2 Compagnien bei der Kapelle vorbei sind, so machen solche Front gegen Kostheim und bleiben stehen, die 2 andern Compagnien aber schwenken links gegen die Kapelle ein um die Freiwilligen zu unterstützen. Sobald die Kapelle weg genommen, bleibt 1 Offizier mit 50 Mann darin, das Bataillon aber
marschiert grade auf das Frankfurter Thor von Kostheim, greift die dortige Verschanzung an und bleibt, wenn selbige emportiert ist, daselbst stehen, um diesen Ausgang durchaus zu behaupten. Der Commandeur Major v. Hartmann repondiert dafür, daſs die Leute sich nicht zerstreuen, sollte er mehr Widerstand finden , als zu ver muthen ist, so bleibt er en front gegen das Thor, verläſst diesen *) Es giebt wohl nichts bezeichnenderes für die damaligen Ansichten , als die
Angstlichkeit, mit welcher hier die neuentstehende Gefechtsform der angehängten Schützenschwärme benutzt wird.
246
Ein amtliches Kriegstagebuch
Posten nicht und man wird suchen, die feindlichen Wachen an diesem Thor von einer anderen Seite in den Rücken zu nehmen . Das Bataillon von Gotha zieht sich links aus der Kolonne
heraus, sobald es mit der Tete über die kleine Brücke diesseits des Kreuzes gekommen ist, und marschiert in einer solchen Entfernung gegen die Ecke links des Frankfurter Thores, daſs es sich in kein
allgemeines Gefecht engagiert, sondern nur einzelne zerstreute Leute durch kleine Trupps unterstützt, gegen das feindliche Retrenchement am Dorfe vorrücken und schiefsen läſst. Zu gleicher Zeit werden von der Ziegelei ebenfalls einzelne Leute gegen den Eingang und die Verschanzungen vorgeschickt, welche die Aufmerksamkeit des Feindes durch Schieſsen unterhalten.
Die
Sächsische Escadron
Carabiniers unterstützt das Bataillon v. Gotha in Trupps und unter
hält die Communikation mit dem das Frankfurter Thor angreifendem II. Bataillon v . Crousatz, haut alles nieder und macht zu Gefangenen, was sich in dieser Gegend aus dem Dorfe ziehen und retten wollte. Die Escadron v. Borstel von der Kolonne linker Hand unter stützt den Angriff des II. Bataillons v. Crousatz gegen das Frank
furter Thor und unterhält zu gleicher Zeit die Communikation mit der von der Chaussee her gegen das Mainzer Thor rückenden Kolonne
Die hinter dieser Escadron marschierenden Arbeiter folgen selbiger nicht, sondern dem Grenadier - Bataillon v. Crousatz und bleiben am 1
Mainzer Thor von Kostheim stehen , wo sie der Major v . Lecoq an die Arbeit anstellen wird. Da durch den Abgang des Sächsischen Bataillons v. Gotha und der Escadron v. Borstel eine Lücke entsteht,
so müssen die Offiziere, welche die Arbeiter führen , vornehmlich der Lieutenant v. Kirchfeld dafür sorgen, daſs sie alsdann einen guten Schritt fortgehen und den Weg des Grenadier- Bataillons v . Crousatz nicht verfehlen .
Die 100 Freiwilligen v. Borch und Grenadier - Bataillon v. Crousatz und neben ihnen die 2 hessischen Bataillone , und 1 Escadron
v. Borstel setzen ihren Weg mit verdoppeltem Schritt fort, bis die Tete etwa 50-60 Schritt über das kleine Kreuz hinaus ist.
Als
dann schwenkt selbige von der Chaussee ab, läſst die Kapelle links und dirigiert ihren Marsch grade auf das Mainzer Thor von Kostheim,
die Freiwilligen stürzen durch die Öffnungen , die sich hier finden werden , und das III. Bataillon v. Borch und Grenadier
Bataillon v. Crousatz folgen ihnen auf dem Fuſse. Jedes Ba taillon läſst i Compagnie am Mainzer Thor stehen , die übrigen 3 Compagnien v . Borch dringen in das Dorf vach der Seite von Mainz und attaquieren , was sich etwa auf dem Kirchhofe und dem
über die Belagerung von Mainz 1793.
247
davor liegenden Platze befindet, die 3 Compagnien v. Crousatz aber marschieren gegen das Frankfurter Thor hindurch und wenn selbiges bereits vom II. Bataillon v. Crousatz besetzt finden , ziehen sie sich nach dem Ausgang, so nach der Ziegelei führt.. Die 100 Frei
willigen, nachdem sie durchgedrungen, suchen die Häuser ab und machen allda nieder, was sich mit dem Gewehr in der Hand sehen läſst.
Die 2 hessischen Bataillone decken indessen den Rücken
der (ebengenannten 2) Bataillone, so im Dorfe eingedrungen sind, gegen die Rhein- oder Mars-)Schanze, Castel und die feindlichen
Retrenchements, so daſs ihr linker Flügel an den Main appuiiert, der rechte aber bei der kleinen Kapelle rechts eine Flanke macht, und halten alles ab, was etwa dort zum succurs kommen könnte. Die Escadron v. Borstel von der Kolonne rechter Hand deckt
die rechte Flanke der hessischen Bataillone en échelon rückwärts, um die Communikation der Position von Kostheim zu sichern . Das Sächsische Bataillon v. Clemens rückt mit seinen
2 Kanonen und 2 Granatstücken hinter der Kolonne vor die Donner mühle und hält sich mit dem Geschütz in der kleinen Vertiefung in einer solchen Stellung, daſs es bei einem feindlichen Ausfall aus
Castel auf die vorliegende Höhe vorwärts, das Geschütz daselbst auffährt und den Ausfall abhalten kann .
Alles
bleibt in
dieser
Stellung und erwartet weitere Ordre. -
Da einige Eingänge von Kostheim verrammelt oder mit Pali saden gesperrt sein könnten , so müssen sowohl die 100 Freiwilligen , als auch die 50 des Grenadier- Bataillons v. Crousatz 10-12 Äxte und Sägen bei sich haben . -
Die 300 Arbeiter versammeln sich um 8 Uhr (Abends) hinter dem Lager des II. Bataillons v. Crousatz, wo sie die Lieutenants v. Kirchfeld und v. Heugel und v. Tettau nach dem Depot hinter
der Ziegelei führen werden. Der Brigademajor v. Borch giebt ihnen daselbst ihr Schanzzeug und theilt solche in 2 Abtheilungen . Die eine von 100 Mann, bei der Lieutenant v. Tettau bleibt, geht,
wenn es dunkel wird, in das Retrenchement von der Ziegelei, um daselbst zu warten, bis sie vom Capitain v. Raumer abgeholt wird ; diese bekommt weder Faschinen
noch
Schanzkörbe.
Die andere
Abtheilung von 200 Mann, erhalten jeder 1 Schanzkorb, werden zu 2 Mann rangiert und gehen sodann auf das Rendezvous auf der Chaussee . Die Lieutenants v. Kirchfeld und v. Heugel bleiben dabei .
Alle übrigen nicht benannten Bataillone des ganzen
Ein amtliches Kriegstagebuch
248
Corps treten um 11 Uhr auf ihre Allarmplätze und bleiben daselbst bis auf weitere Ordre stehen.
Wenn der Feind aus Castel und der Rheinschanze zu feuern
anfängt, feuert die sächsische Batterie Nr. I unaufhörlich auf Castel und zwar nach den gegen Kostheim gerichteten Scharten, aber nicht nach der Rheinschanze, und die Redoute Nr. III vor dem
hessischen Lager feuert ebenfalls nach Castel. Der Capitain v. Timann instruirt die schweren Batterien auf der Höhe von Hochheim , daſs sie zu feuern anfangen, sobald die Kolonnen sich in Bewegung setzen, und ihr Feuer gut auf Castel richten , ohne den auf der Chaussee marschierenden Kolonnen zu schaden . Er schickt, sobald es dunkel wird, 1 Zwölfpfünder nach dem Crochet bei der Ziegelei, welcher aber nicht eher feuern darf, als bis Kostheim eingenommen und die
pleine nach Castel von unseren Truppen geräumt ist. Die Herrn Commandeurs der attaquierenden Bataillone instruieren ihre Leute, daſs sie keinen Taback rauchen, kein Geräusch machen,
und repondieren dafür, daſs die Leute weder betrunken antreten, noch sich nach der Einnahme betrinken oder verlaufen. Auf dem Marsche bleibt alles fest aufgeschlossen und die Commandeurs repondieren dafür, daſs diese Disposition in allen Stücken befolgt werde, wenn nicht unvermuthete Umstände bei der Execution ver anlassen selbige selbst abzuändern . Den Freiwilligen wird eine
Belohnung versprochen, wenn sie ihre Schuldigkeit thuen. Die Attaque nahm also ibren bestimmten Anfang. Es dauerte -
solche die Nacht hindurch .
Der Feind wehrte sich herzhaft und
feuerte stark mit Kartätschen aus Kostheim . Gegen 2 Uhr Nachts ging das Dorf über und vorher die Kapelle. Es steckten aber noch hie und da in Gewölben und verborgenen Plätzen Feinde, die dann am hellen Tage das Feuer wieder erneuerten , wie auch aus den
Verschanzungen auſserhalb Kostheim, die der Feind noch besitzt. Die französischen Verschanzungen feuerten sehr heftig, aber fruchtlos
auf unsere Leute, die nun in Kostheim stark geschützt waren . Unterdessen arbeiteten unsere Arbeiter ungestört neben der Kirche beständig fort. 139 Feinde wurden gefangen genommen, ungefähr 15 todtgeschossen, 5 Kanonen erobert. Der unsrige Verlust besteht: vom Regiment v. Crousatz 5 Offiziere blessiert und ungefähr 30 Todte und Blessierte,
vom Grenadier -Bataillon v. Borch ist etwas weniger verloren worden,
bei den Sachsen einige Blessierte,
vom Grenadier- Bataillon v. Dinklage (hessisch) wurden blessiert
über die Belagerung von Mainz 1793.
249
Lieutenant Harras mit 1 Kartätschkugel durch die Hand, nebst 5 Gemeinen , dazu 5 Gemeine vermiſst.
Vom I. Bataillon Garde-Grenadier (hessisch) 1 Gemeiner todt, Capitain v. Bünau hart blessiert auf das Schulterblatt mit einer
Kartätschkugel, nebst 4 Unteroffizieren, 14 Gemeinen ; dazu 7 Ge meine vermiſst.
Die übrigen nicht kommandierten hessischen Bataillone muſsten das Arbeitskommando geben sammt den Commandos in die Schanzen, die wir (Hessen ) gewöhnlich besetzen. Kostheim blieb besetzt mit dem Grenadier-Bataillon v. Crousatz
und Grenadier- Bataillon v. Dinklage, *) die übrigen Bataillone mar schierten wieder nach dem Lager. Des Nachts um 11 Uhr **) wurden sie wieder durch das Grenadier- Bataillon v. Borch und 1 Bataillon
Sachsen abgelöst.
Kostheim ist gänzlich ruiniert, das Pflaster aufgebrochen und
auf beiden Seiten aufgeworfen, wodurch sich Laufgräben in Menge formieren .
Besonders hatte sich der Feind
auch bombenfeste
Gewölbe gemacht, wozu die Keller häufig dienten. Auſserhalb Kostheim's ist nicht ein Plätzchen, wo nicht eine Bombe ge wühlt hat. ***)
Während der Aktion wurde Castel mit glühenden Kugeln be
grüſst und brannte auch etwas, es geschah solches, um den Feind von einem soutien abzuhalten.
Nachtrag zur Attaque auf Kostheim. « Das Dorf wurde zwar eingenommen, es geschah aber mit vieler Unord nung, wie dann solches gemeiniglich der Fall bei dergleichen nächtlichen Unternehmungen ist. Das II. Bataillon v. Crousatz kam ganz auseinander und mischte >>
sich mit unter die hessischen Bataillone.
Es erreichte den Zweck
der Disposition auch gar nicht, weil es nicht, sondern das Grenadier Bataillon v. Borch und das Bataillon v. Gotha ins Dorf stürmten.
Letzteres eroberte 2 vierpfündige Kanonen. In allen wurden 4 Kanonen dergleichen Kaliber genommen . Die Hessen kamen dadurch ebenfalls in Unordnung dergestalt, daſs Obrist - Lieutenant v. Dinklage mit ungefähr 80 Mann gar nicht Feind vertheidigte sich nicht so sehr aus mehr vorrückte. Der Feind *) Zunächst sollen es 3 Bataillone gewesen sein, II. Bataillon v. Crousatz und 2 hessische, dann vom 8. ab nur 2 Bataillone. **) D. i. die Nacht vom 8./9. Juli.
***) Ebenso lag eine Menge unbeerdigter Leichname in den Gärten, welche bei der groſsen Hitze eine üble Nachbarschaft bildeten. Jahrbücher für die Deutsche Ardee und Marine. Bd, LXVI., 3.
17
Ein amtliches Kriegstagebuch
250
Kostheim , als vielmehr die Rheinschanze und Castel fügten den meisten Schaden zu .
Sobald die hessischen Bataillone zu dieser Affaire abmarschiert
waren, rückte die Infanterie und Cavallerie ebenfalls um 11 Uhr
Abends auf ihre Alarmplätze aus; 2 Compagnien Garde-Grenadiere rückten dabei auf den Alarmplatz des Grenadier - Bataillons v. Dinklage, die andern 3 auf den des I. Bataillons Garde -Grenadiere und das
Leib - Regiment zog sich dergestalt rechts, daſs er die Mitte des II. Bataillons Garde-Grenadiere
einnahm .
Zu den ausrückenden
Commandos und Piquets gab das Grenadier- Bataillon und I. Bataillon Garde- Grenadiere nichts .
Täglich werden jetzt 2 Bataillone auf Commando nach Kostheim gegeben ; hierzu alternieren die Hessen mit den Sachsen. Kostheim wird nun gut *) verschanzt, woran beständig gearbeitet werden muſs. An die Kirche wurde gleich eine Schanze angelegt, auch machen
wir Gebrauch von einigen französischen Laufgräben. Des Feindes Aufenthalt ist in der sogenannten Senckbatterie und in den Retrenchements vor Kostheim , die bis nach Castel laufen .
Vom I. Bataillon Garde-Grenadiere sind 2 Gemeine todt, 4 Unteroffiziere, 12 Gemeine blessiert. Vom II. Bataillon Garde-Grenadiere wurden 1 Gemeiner auf
Arbeit blessiert und 3 Gemeine gefangen. Die Vermiſsten haben sich alle wieder eingestellt. Am 8 .
Durch ein Preuſsisches Commando
wurden
heute
8 Offiziere und 33 französische Gefangene bei der Affaire von Kost heim nach Frankfurt gebracht, die Blessierten sind in Hochheim
zurückgeblieben . Se. Excellenz der General - Lieutenant v. Schönfeld lielsen sämmt
lichen Truppen danken für die Ausführung des Planes auf Kostheim . Auch will derselbe die Bravour der Freiwilligen unter Anführung
des Capitain v. Remula, wie auch des Sächsischen Regiments v. Gotha Ihrer Königlichen Majestät melden und rühmen. Am 9. Ein Waffenstillstand von einigen Stunden wurde beider
seits getroffen, um die Todten begraben zu können. Am 10. Heute schickte der Feind einen Trompeter, welcher sich nach 200 Mann erkundigte, welche ihm nach Abzug der an *) Mit Ausnahme einer gegen den Gewehrschuſs der so naheliegenden franzö sischen Schanze deckenden Anlage an dem Saume von Kostheim , woran man aller dings Tag und Nacht arbeitete, sollen diese Vertheidigungsanlagen wiederum nur geringen Umfanges gewesen sein.
251
über die Belagerung von Mainz 1793.
gegebenen *) Todten, Blessierten und Gefangenen bei der Affaire von Kostheim fehlten .
Drei Tonnen mit Fuſsangeln wurden heute in Kostheim ge funden. Kostheim gleicht einer Mördergrube. Das Pflaster ist in der Mitte der Straſse aufgerissen, rechts und links auf beiden Seiten
aufgeworfen, sodaſs man in lauter Höhlen gehen muſs. Das ganze Dorf gleich einem Steinhaufen, zerschmettert durch die häufig krepierten Bomben. Auſserhalb des Dorfes sind eine Menge Löcher, eins am andern, welche Wolfsgruben ähnlich sind , aber gewiſs auch
von dem häufigen Gewühl der Bomben entstanden . Auch liegen eine groſse Menge Bombenstücke umher. *
3. Berichte vom 11. bis ( einschlieſslich ) 22. Juli.
[Anlage der II. und III. Parallele. Kleinere Ausfälle auf die Angriffsarbeiten. Anlage einer preuſsischen Schanze vor Kostheim. Fortsetzung des Bombardements. Wegnahme der Flesche vor der
»Welschen«-Schanze, d. i. eines Theils des Vordergürtels, **) durch Prinz Louis Ferdinand, welcher verwundet wird. Die eingeschlossenen bitten um Absendung eines Deputierten nach Paris, um Befehle
wegen Capitulierens zu erholen. Waffenstillstand (21.) und Capi tulation .
Versuch der französischen Mosel- und Rhein -Armee Mainz O
zu entsetzen miſslingt.] Am 11. wurde Capitain v. Weyers in Darmstädtischen Diensten auf dem Arbeitskommando in der Transchee mit einer Kanonen
kugel erschossen. Die Kugel ricochettierte auf dem Walle und schlug ihm die linke Seite des Kopfes weg ; er war gleich todt. Er sah die Kugel kommen, avertierte noch seine Leute davon und alles bückte sich hinter den Wall, allein er selbst richtete sich zu früh
auf, weil er glaubte, sie sei schon vorbei. Er wird allgemein als ein braver und guter Offizier bedauert. Das I. Bataillon Leib - Regiment kam heute auf Kommando nach Kostheim und zu einem Arbeitskommando nach diesem Orte, welches
sich praecise 2 Uhr Nachmittag beim Depot hinter der Ziegelei ein finden muſste.
Am 12. ist das Sächsische Bataillon Prinz Anton von der
Mainspitze weg ins Lager bei der Erbenheimer Schanze gerückt und *) Eine genauere Angabe der französischen Verluste fehlt hier und an anderen Orten, ja auch in französischen Quellen. **) Mainz hatte damals einen Hauptwall mit vorgelegtem Kronenwerke (Vorder gürtel). 17*
Ein amtliches Kriegstagebuch
252
das II. Bataillon v. Vitinghof rückte von diesem Platze nach der .
Gegend von Kostheim , um daselbst Dienst zu thun. Diese Nacht 11 Uhr machte der Feind auf die Transcheen einen
heftigen Ausfall und das zwar auf die II. Parallele, mit welcher
nun der Anfang gemacht ist*) und die mitten durch die » Favorites laufen soll dergestalt, daſs sie die Zahlbacher -Schanze in den Rücken
bekommt und die Albani-Schanze **) ungefähr 400 Schritt vor sich hat. Man nennt dieses die III. Parallele, weil die I. für nichts mehr gezählt werden soll. Bei diesem Ausfalle wurden 2 Preuſsische
Offiziere blessiert. Der Feind repoussierte aus der Mitte die Pfälzer, es war aber von keiner Bedeutung, weil man wieder sobald vorrückte. 1 Offizier, 2 Unteroffiziere, 36 Gemeine kamen heute auf
Arbeitskommando nach der Ziegelei zum Depot, um bei Kostheim zu arbeiten.
Den 13. kamen 1 Offizier, 2 Unteroffiziere, 44 Gemeine auf Arbeitskommando ohne Gewehr zu eben demselben Behufe. - Das
II. Bataillon Leib -Regiment kam heute auf Commando nach Kostheim ohne Kanonen und Fahnen.
Es muſste am Abend 7 Uhr hinter
dem II. Bataillon v. Crousatz aufmarschiert stehen, um mit solchem zugleich in Kostheim einzutreffen . Wie solches am 14. wieder ab gelöst wurde, schoſs der Feind mit Kartätschen von der Rhein
schanze nach demselben, jedoch ohne Schaden . Den 14.
Gestern Abend 11 Uhr machte der Feind einen
Ausfall auf die Transcheen, wurde aber repoussiert. 1 Gemeiner vom I. Bataillon Garde-Grenadiere ist dabei blessiert worden.
Es wurde dem Feinde ein Waffenstillstand von 9 Uhr Morgens
bis 1 Uhr Nachmittags zugestanden, um die Todten zu begraben ; Mittlerweile feierte derselbe das Freiheitsfest. Heute wurde auf Arbeitskommando 1 Gemeiner vom Garde
Grenadier-Regiment blessiert. Vergangene Nacht machte der Feind 7 Ausfälle auf die Transcheen und soll dabei viel Menschen verloren haben . Überhaupt bei allen seinen Ausfällen kommt ihm kein Vortheil, er verliert viel Leute und gewinnt nicht einen Schritt.
Heute morgen /, 10 Uhr machte die Vereinigte Armee ein Freudenfeuer wegen der am 10. erfolgten Eroberung der Festung Condé .
Am 15. Vorige Nacht haben die Sachsen rechts von Kostheim
noch über der Kapelle eine Schanze von 6 Kanonen angelegt und *) In der Nacht vom 11./12. Juli. **) D. i. ein Theil des Hauptwalles.
253
über die Belagerung von Mainz 1793.
daraus heut Nacht um 7,12 Uhr, wie auch von Hochheim und der
Mainspitze die Preuſsen ganz abscheulich auf Mainz bombardiert und dasselbe in Brand geschossen ; 8 Granaten waren beständig in der Luft. Eine französische Granate begegnete einer anderen von uns, welche, indem sie aneinanderstieſsen, dem Auge ein hübsches Ein Pulvermagazin, vermuthlich mit vielen Patronen versehen, flog in Mainz in die Luft und verursachte mit
Feuerwerk machten .
einem schrecklichen Geprassel ein hohes Feuer. Man sah mitunter Blitze, welches wahrscheinlich Patronen und Granaten gewesen sind. Den 10. Heute Abend 10 Uhr wurde, um die II. Parallele ganz eröffnen zu können, der stark besetzte Redan vor der » Welschen Schanze « weggenommen . Ihre Königliche Hoheit Prinz Louis
Ferdinand griff mit dem Grenadier-Bataillon v. Manstein von vorne. an , das I. Bataillon v. Wegner tournierte den rechten Flügel der Schanze und das II. Bataillon v. Manstein deren linken.
Der Feind
ward ungeachtet seines sehr heftigen Widerstandes mit dem Bajonnett delogiert, die Schanze demoliert und sogleich die II. Parallele er öffnet dergestalt, daſs mit Anbruch des Tages solche konnte besetzt werden. Um 1 Uhr (Mittags) attaquierte der Feind die Schanze mit aller Gewalt, das II. Bataillon v. Manstein hielt ihn aber kräftig
ab. Ihre Königliche Hoheit waren bei dieser Affaire zuerst in der feindlichen Batterie und wurden durch eine Kartätschkugel am
Gesäſs mit einer Kugel geschrammt, nach dem Verband aber gingen Sie wieder in die Schanze solange, bis alles zu Ende war . Se. König liche Hoheit lieſsen sich sodann nebst Ihrem Adjutanten Capitain
v. Bülow, welcher in den Mund blessiert worden, nach Mannheim zu Wasser bringen. Der Verlust an Todten bestand in 1 Lieutenant v. Nordeck, 11 Gemeine und in allem 13 Offiziere und 120 Gemeine blessiert.
Den 17. Diese Nacht '/22 Uhr wurde bei Kostheim von beiden Seiten mit Kleingewehr und grobem Geschütz ziemlich hitzig auf einander gefeuert. Bei genauer Untersuchung war’s nichts, als daſs französische Patrouillen auf die unsrigen gestoſsen, wodurch das Feuer allgemein wurde.
Ein gewisser Bürger Schulz aus Kostheim wurde in der Nacht vom 7.- 8. als Wegweiser vom Feinde erschossen. Seine hinter lassene Frau erhielt von unseren Offizieren viele Geschenke.
Heute hörte ich im Königlichen Hauptquartier, daſs die Mainzer,
um kapitulieren zu können, desfalls zuvor einen Deputierten rach Paris schicken wollten, was aber abgeschlagen wurde, denn sie wollten dabei auch Waffenstillstand haben ,
Ein amtliches Kriegstagebuch
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Den 18. Lieutenant v. Pritzelwitz, der sonst bei den vielen Affairen unbeschädigt blieb, ungeachtet alles um ihn her öfters zu sammengeschossen, wurde heut beim heiligen Kreuz vom Gewitter erschlagen.
Ingenieur-Lieutenant Pirch, dem zwei Beine neulich abge schossen , ist deswegen gestorben. Unter den übrigen blessierten Ingenieur-Offizieren befinden sich Major v. Lorenz, Lieutenant Golz und Lieutenant Streckenbach . Annoch sind 21 Ingenieur -Offiziere zum Dienst. Den 19. hörte man eine entfernte Kanonade, von der
man
nichts mit Gewisheit weiſs.
Den 20. Heute will man mit Gewisheit sagen, daſs der General Houchard *) den General Wurmser attaquiert, dieser aber den Feind bis hinter Landau repoussiert habe und welches das Kanonieren gestern verursacht hätte.
Gestern wurde Obrist- Lieutenant v. Dinklage**) auf höchsten Befehl arretiert, welcher sich in Erbenheim befindet und dessen
Proceſs ist heute angefangen worden. Heute erfuhr ich in der Transchee, daſs ein Trompeter um
7,3 Uhr Nachmittags von Mainz mit dem Vorschlag gekommen sei, daſs man ihnen erlauben möchte, einen ihrer ersten Clubisten nach dem National- Convent abschicken zu dürfen, um Verhaltungsbefehle wegen Capitulation zu erwarten, und mittlerweile verlangten sie Waffenstillstand . Sie erhielten aber zur Antwort, daſs sie keinen
Clubisten, sondern jeden andern abschicken könnten , deſswegen sollte aber kein Waffenstillstand sein, sondern man würde sie nach drücklich bombardieren.
Die II. Parallele ist nunmehr ganz geendigt, sie läuft rechts durch die Favorite, hat die Karlsschanze 150 Schritt vor sich, links 500 Schritt vor Zahlbach hat sie eine feindliche Batterie auf
300 Schritt vor sich, aus welcher der Feind mit Büchsen schieſst,
die Preuſsischen Jäger aber holen sich zum Zeitvertreib mit ihren Büchsen einige dieser Schützen, wenn sie sich verwegenerweise zu weit herauswagen , welches ich selbst mit angesehen. Die Natur
hat hier einen hohen Berg dergestalt gebildet, daſs die Jäger hinter *) Eigentlich der unter Houchard's, dem Fahrer der Moselarmee, Oberbefehl gestellte General Beauharnais, welcher jetzt einen Versuch Mainz zu entsetzen
ausführen wollte, jedoch durch seine Langsamkeit, ebenso wie Houchard zu spāt kam und sofort wieder (26.) kehrt machte.
**) Vergl. Seite 249,
über die Belagerung von Mainz 1793.
255
dem Anfang desselben anlegen und die flache Gegend beschieſsen können, ohne gesehen zu werden.
In der II. Parallele sind 84 Kanonen incl. Wurfgeschützen und in der I. 110 Kanonen incl. Wurfgeschützen. Die eigentliche I., in welcher auf dem linken Flügel nur noch 1 Batterie mit 3 Sechs pfündern steht, wird nicht gerechnet, sondern blos Arrierelinie genannt. Links von Zahlbach ist in einem Thal das Dörfchen Dalheim,
worinnen ein Kloster, besetzt mit Franzosen , ist. In Zahlbach sind 2 sogenannte Kriegsmühlen mit Preuſseu besetzt. Den 21. früh von 7 Uhr an und die ganze Nacht vorher war alles ruhig. Es fiel kein Schuſs. Den 22. vernahmen wir, daſs der Feind Waffenstillstand er
halten und sich auf Capitulation einlassen will. Die wesentlichen Punkte kann man noch nicht erfahren . Verschiedene einzelne Soldaten
gingen über die Vorposten, die feindlichen kamen auch in Menge herüber, auch viele Offiziere. Sie sprachen miteinander aufs freund schaftlichste, gaben den unsrigen Wein, und einige davon lieſsen sich sogar bereden bis nach Mainz zu gehen, welche bei ihrer retour sagten, was wir schon mehrmals gehört, daſs sich der Feind um deswillen ergeben müsse, weil er keine Medizin und kein Fleisch *) für seine an 6000 Kranke und Blessierte hätte. Auch will man behaupten, er bedürfe Feuersteine und Kugeln, aber an Pulver, Brod und Wein fehlte es noch nicht. Doch haben sie kein Mehl, weil
sie selbst bekennen, das geschickte Granatenwerfen verhinderte sie zu mahlen. Viel Volk sah ich durchs Fernglas von Kostheim aus, beisammen dicht vor Mainz stehen. * *
Schluſs.
Wir können in unserem Tagebuche weiter fortfahren, denn dasselbe schlieſst ab mit den unmittelbaren Nachwehen des Falles von Mainz.
Die hessischen Truppenteile, soweit sie vor Mainz
gestanden hatten, marschierten nach kurzer Zeit in die Heimat, um
den Platz derjenigen Truppen einzunehmen, welche der Landgraf gegen englischen Sold als eine 2. Rate nach den Niederlanden zu senden hatte. Nur das Grenadier - Bataillon von Eschwege war diesen
Trappen abermals zugeteilt worden. — **
*
*) Diese Angaben werden auch durch alle anderen Quellen bestätigt,
Ein amtliches Kriegstagebuch
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Berichte vom 23. Juli bis Ende August. [Die Capitulation. Zustand der Stadt und Festung Mainz. Einfluſs des Falles von Mainz auf den weiteren Gang des Feldzuges zwischen dem Rhein und der Saar .]
Den 23. Juli. Nach unterschriebener Capitulation wurden heute vorerwähnte *) Verschanzungen besetzt. Die Hessen besetzten die Peters - Aue mit 1 Capitain , 2 Offizieren , 6 Unteroffizieren , 100 -
Gemeinen .
Den 24. Obrist Scherp und Adjutant Stamm sagten mir, daſs sie ( d. i. die Franzosen ) jetzt 14,000 streitbare Leute und 4000 Kranke
hätten, anfänglich aber wären sie 24,000 Mann stark gewesen. Sie fügten hinzu, daſs heute 5000 Mann ausmarschiert wären und den
25. 9000 nachfolgten. Ich fand die Franzosen alle gutgekleidet und hatten viele schöne Leute. Ein jeder so eine Blessur erhalten, bekommt eine gedruckte Bescheinigung, wo und bei welcher Ge legenheit er die Wunde erhalten, worauf ihm dann von der Nation
eine Belohnung gereicht werden soll. Heute Abend ist die Garnison von Kostheim gerückt, dieselbe besetzt auch die Rheinschanze und das was zuerst in Castel lag, nämlich das Grenadier - Bataillon v. Borch, bekam Ordre nach Landau zu marschieren, **) die andern zwei Bataillons v. Borch und das I. und II. Bataillon v. Wolframsdorf rückten nach Mainz in Garnison .
Gestern Morgen schon ist eine Preuſsische Kolonne in die Gegend von Landau und mehrere Kolonnen werden bald folgen . Die Franzosen , so heute ausmarschierten , wurden durch die Kürassiere v. Borstel eskortiert .
*) Bezieht sich auf die von uns nicht mitgetheilte Capitulationsurkunde, welche dem Berichte vom 22. Juli abschriftlich angehängt ist. § XI bestimmt darin, daſs sogleich nach Unterzeichnung der Capitulation folgende Posten von den Belagerern zu besetzen seien : die Karls- Schanze, St. Philipp -Schanze, Elisabeth Schanze, Welsche-Schanze, la double Tenaille, der Luisenberg, Hauptstein, die Mars-Schanze, Peters -Aue und die 2 Thore von Kastel, die nach Frankfurt beziehungs weise Wiesbaden führen ; gemeinsam mit den französischen Truppen auſserdem das
Neue-Thor und das Brückenende des rechten Rheinufers. **) Die Preuſsischen Truppen mit den Sachsen beide unter General Graf
Kalkreuth gingen in Quartiere nach Kreuznach ; das nächste Ziel des Preuſsischen Oberkommandos war die Belagerung von Saarlouis ; man kam jedoch durch die gegentheiligen Absichten des General Wurmser und des Wiener Hofes, welche zu erst die Besitznahme der Weiſsenburger Linien und von Landau erstrebten, nicht
dazu jenes Ziel wirklich aufzusuchen. Und doch war dieser Plan wohl unfraglich besser, als derjenige des General Wurmser, weil er die beiden Hauptarmeen der Verbündeten, die des Herzogs v. Coburg und des Königs einander näherte, während
ihre Kraftäuſserung sonst in mehr und mehr abweichender Richtung erfolgte.
über die Belagerung von Mainz 1793 .
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Nachrichten sind eingelaufen, daſs General Houchard nach seiner erlittenen Schlappe den General v. Wurmser zwar bei Germers heim delogiert habe, aber doch nun wieder zurückgetrieben sei, desfalls marschierte auch das hiesige Corps so eiligst entgegen . Den 25. Heute marschierten die 9000 Franzosen aus Mainz und von heute an wurde kein Piquet mehr gegeben. Es durfte
nun auch alles frei und ungehindert nach Castel passieren . Der Offizier von der Armenruhmühle ging auch ab, muſste aber 1 Unter offizier, 10 Gemeine auf seinem Posten lassen , welche die Palisaden und Dielen zu verwahren hatten . Den 26. Ein Theil der Kranken fuhr noch heute zu Wasser ab und wurde eskortiert.
Nachrichten sind eingelaufen, daſs die von bier ausmarschierte Garnison unterwegs Ungezogenheiten zum Theil verübt, einige davon aber durch die Eskorte abgeprügelt worden seien. Diese Geschichte wurde anfänglich als sehr wichtig und mit Zusätzen erzählt, sie ist aber wieder so vermindert, daſs sie unbedeutend erscheint. Der Freiheitsbaum , so auf dem Speismarkte stand, war oben
weggeschossen, unter demselben stand geschrieben : » Für vorüber gehende Bürger : Dieses Land ist frei; Tod Demjenigen, der es an zugreifen wagt !«
Wegen der noch roulierenden Nationalmünzsorten wurde eine Proklamation ertheilt, daſs, wer davon in Besitz habe, es heraus geben sollte, um gangbares dafür zu bekommen . General d'Oyré hat sich selbst als Geilsel hier zu bleiben offeriert, bis die französischen Schulden allhier bezahlt wären.
Den 27. Zur Ablösung folgender Commandos giebt Offiz., Unteroff ., Drag.
das Leib- Drag .-Regt. nach Rüsselheim nach Ginsheim
.
1
nach Oppenheim
1
12
1
12
1 1
3
16 40
1
24
das I. Bat. Garde -Gren. nach Rüsselheim
1
3
36
das II. das II .
1
2
1
2
24 36
1
36
das Gren .-Bat. v. Dinklage nach Bischofsheim
>>
das I.
>>
das II .
>>
17
>>
>>
Nackenheim
Leib- Regt. nach Oppenheim
.
Selzheim
Diese Commandos versammelten sich gleich .
Am 28. früh 8 Uhr marschierten die Hessen ins Lager in den Werken bei Mainz, die Leib- Dragoner nur kamen nach Castel .
1
Ein amtliches Kriegstagebuch
258
Niemand von den Bürgersleuten wird auf die Wälle gelassen. General v. Wolframsdorf ist Gouverneur und General v. Graevenitz Commandant in Mainz geworden. Den 29 . Zur Wache heute allhier wird von den Hessen
gegeben 1 Capitain , 6 Offiziere, 22 Unteroffiziere, 7 Tamboure, 313 Gemeine , zu einem Commando nach Hechtsheim auſserdem ។
1 Offizier, 3 Unteroffiziere, 30 Gemeine. — In Mainz liegen zur -
Besatzung noch das II. Bataillon v. Schladen und I. Bataillon v. Borch, die aber sehr schwach sind. marschiert.
Die übrigen Truppen sind schon
Den 30. Heute marschierten die Sachsen in die Gegend von Landau, die Darmstädter aber sind den 27. ins Darmstädtische
wiedereingerückt. Die Franzosen hatten noch an Getreide und an Wein einen
groſsen Vorrath und hätten davon noch einige Monate leben können,
auch fehlte es ihnen nicht an Pulver und groſsen Kugeln, nur an kleinen Kugeln sollen sie Mangel gehabt haben. Sie schützen aber zu ihrer Hauptursache ihre Kranken vor, als für welche sie gar keine Medizin mehr gehabt hätten. - Viele Häuser sind durch die
Bomben und Granaten stark beschädigt worden und einige Bürgers leute dabei umgekommen. Der Dom und die Liebfrauen - Kirche sind ganz ruiniert und die Rheinstraſse abgebrannt. Den 1. August.
Ein Courier überbrachte die angenehme
Nachricht, daſs Valenciennes mit Capitulation sich ergeben habe. Die Garnison ist mit klingendem Spiel aus der Festung ausmarschiert,
übergab sodann Ober- und Untergewehr und marschierte sodann in 3 Kolonnen nach Frankreich und nahm ihre Equipage mit fort. Der Feind lieſs es soweit kommen , daſs die Auſsenwerke bestürmt wurden , *) da er dann Chamade schlug und capitulierte. Heute fuhren 3 Schiffe voll mit hiesigen kranken Franzosen ab. Den 2. Heute sind Gefangene von Landau eingebracht worden. In Mainz sind verbrannt: Die Jesuitenstraſse, die Domprobstei,
der Dom (nämlich ein Gebäude davon, der groſse rothe Thurm aber steht noch und ist auch von auſsen nicht beschädigt, doch inwendig ist alles verbrannt) die Franziskaner- Kirche, die Liebfrauenkirche, die Jesuiten-Kirche, die Dominikaner- Kirche, Sebastians-Kirche und 9 herrschaftliche Höfe.
General Meunier starb an seinen Wunden in Mainz, wurde aber
in Castel und mit vieler Pracht begraben.
Man erzählt, sein
*) Dies war ein seit Vauban's Zeiten äuſserst seltener Fall; man nahm es keinem Commandanten übel, wenn er es „soweit nicht kommen liefs. “
über die Belagerung von Mainz 1793.
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Adjutant habe ihn aus Liebe wieder ausgegraben, ihn verbrannt und seine Asche mitgenommen. In der Probstei wohnte anfänglich Custine, hernach General de Blou *) und dann Commandant d'Oyré. Man erzählt, während die Probstei brannte, stand der Clubist Rüffel *) mit entblöfstem
Schwert dabei und hielt diejenigen, so löschen wollten, davon ab. Kürzlich aber wurde der Nichtswürdige bei Marienborn in der Kolonne der Franzosen in grüner Husarenmontirung neben Merlin in der Qualität als Capitain reitend von den Mainzer Emigranten erkannt. Wie Furien sprangen sie auf den Lasterhaften los, schmähten , prügelten ihn und nahmen ihm das bei sich führende ab, da er dann als Arrestant eingebracht wurde.
Den 4. Von heute ab haben Se. Majestät der König von Preuſsen den bisherigen Commandant von Frankfurt v. Lucadou nunmehr nach Mainz in diesen Posten von Mainz gesetzt. In Kostheim ist jetzt der Anblick viel trauriger noch , als
vorher, indem die nunmehr ganz armen Leute ohne Wohnungen elendig in den Kellern sitzen und erbärmlich hervorkriechen, um Almosen von denen zu bitten, welche dahinkommen und die Trümmer der Zerstörung betrachten .
Unter den 41 Mainzer Clubisten, welche durch eine Sächsische Eskorte nach Coblenz transportiert wurden , befanden sich Metternich , Verfasser des zu Mainz erschienenen » Bürgerfreundes«, Meuth, Ver fasser des » Fränkischen Republikaners « , Rompel , ein neu geheiratheter Geistlicher, Kaufmann Faciola und dessen Bruder, ein Kanonikus
und gewesenes Mitglied der Municipalität in Mainz, Kämmerer, gewesener Stadtschultheiſs in Bingen und Böhmen, Verfasser der
Mainzer »Nationalzeitung «. Die übrigen sind unbedeutende Leute gewesen und überhaupt ist das Aussehen dieser Unglücklichen erbärmlich .
Da von den in den französischen Magazinen bei Übergabe der Stadt Mainz befindlichen Victualien
vermuthlich vieles entwendet
und heimlich verkauft worden ist, so sollen alle Diejenigen, so etwas
davon wissen, es bei dem Königlichen Gouvernement anzeigen und dafür eine Belohnung erhalten, auch soll ihr Name verschwiegen bleiben.
Gestern hörte man gegen Landau zu starkes kanonieren. Den 10. ist theils Kavallerie, theils Infanterie, auch Scharf
schützen, Kaiserlicher Depottransport Rekruten, ungefähr 1000 Mann durch Frankfurt passiert, sie gehen nach den Niederlanden . *) Reubel, der Conventscommissar in Mainz, de Blou war 2. Commandant,
Ein amtliches Kriegstagebuch
260
Den 15. Das II. Bataillon Landgraf, Darmstädtische Truppen, marschierte heute aus Frankfurt und rückte zur Garnison in Mainz ein.
Den 16. brachen die hessischen Truppen aus ihrem Lager vor Mainz auf und marschierten ebenfalls zur Besatzung in die Quartiere der Stadt Mainz.
Den 18. wurden 28 französische Gefangene durch ein Commando sächsischer Husaren allhier eingebracht. Sie wurden auf einem avancierten Posten bei Neukirchen *) gefangen.
Den 22. zwei feindliche Capitaine, 1 Offizier, 93 Gemeine und 2 vierpfündige Kanonen wurden heute allhier eingebracht und sind bei Neukirchen gefangen worden. Den 25. hörten wir vom Königlich Preuſsischen Hauptquartier, daſs die Deutschen Lauterburg und Weiſsenburg nunmehr besetzt hätten .
Heute haben die hessischen Truppen allhier den Befehl erhalten, den 29. oder 30. aus hiesiger Garnison wegzumarschieren. Man erwartet den 1. September 1500 Reichstruppen, um uns abzulösen. Schon sind die Fourierschützen davon hier angekommen. Unsere Kranken werden mit einem Schiff nach Hanau trans
portiert. Den 26.
Vom Obrist Schreiber erfahren wir heute folgendes:
Den 20. dieses ist bei der Affaire bei Jockrim vom hessischen Jäger Corps der Lieutenant v. Winzingerode todt gestochen, 1 Gemeiner todt gehauen, 7 blessiert, 1 Unteroffizier und 1 Gemeiner vermiſst worden. Vom leichten Infanterie- Bataillon sind 8 Gemeine todt, davon wurden am 21. bei Werth 4 und am 20. bei Jockrim 4 todt
geschossen. An Blessierten bei Jockrim Obrist Lenz leicht, Capitain Ressius durch den Unterleib und die Hand schwer und 25 Gemeine,
einer auf den Vorposten bei Landau, 9 bei Jockrim **) und 13 am 21. bei Werth. **)
Gestern ist allhier ein Dankfest wegen der Übergabe von Mainz in der Pfarrkirche zu St. Emeran abgehalten worden . Die Pfarr kinder gingen davon in den Wald nach der Gonsenheimer Kapelle in einer Prozession und der Kapellan hielt eine Rede auf der Kanzel. Den 28. Marsch route für das hessische Corps von Mainz und Castel nach der Grafschaft Hanau .
*) Liegt südlich St. Wendel. Das Corps Kalkreuth war vom 9. ab gegen St. Wendel -Wiebelskirchen vorgegangen und warf hier die feindlichen Vorposten über die Blies zurück.
**) Jockgrimm und Wörth liegen u. ö. des Bienwaldes beziehungsweise von Lauterburg.
über die Belagerung von Mainz 1793.
261
General-Stab und Feldkriegskommissariat 29. nach Haddersheim , 30. Bockenheim, 31. Hanau.
Regiment Leib-Dragoner 29. nach Zeilsheim-Sindlingen , 30 . Bergen . Vacant Grenadier- Bataillon 29. nach Okriftel, 30. Seckbach , 31. Windecken .
Garde -Grenadier- Regiment I. Bataillon 29. nach Haddersheim , 30. Bockenheim, 31. Hanau.
Garde-Grenadier -Regiment II. Bataillon 29. nach Kriftel, 30. Eckenheim , 31. Hanau.
Leib -Regiment I. Bataillon 29. nach Weilbach , 30. Prenngesheim , 31. Rodenbach .
Leib - Regiment II. Bataillon 29. nach Weilbach, 30. Ginheim , 31. Mittelbuchen .
Artillerietrain 29. nach Okriftel, 30. Seckbach, 31. Kesselstedt. Den 31. Heut morgen 11 Uhr marschierte das Garde-Grenadier Regiment in Hanau ein und bezog seine Quartiere.
Heut vormittags sind 3 Bataillone Fränkische Kreistruppen zur Besatzung von Mainz daselbst eingerückt.
XVI.
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg strelitzschen Husaren - Regiment V ..... v. 0 ...... 1813 bis 1815. .
(Schluſs.)
Wir blieben in und um Reims bis zum 15. Abends stehen wo
wir aufbrachen und nach Châlons marschierten , wo wir dann den anderen Morgen ankamen. Schon wenige Tage vorher hatten wir rechts vor uns eine starke Kanonade gehört und glaubten, daſs irgend etwas zu unserem Vorteile vorgefallen sei. Wie erschraken wir aber als wir hörten , daſs Blücher mit dem Rest seines Corps in der Gegend von Vertus und Etoges geschlagen und sich ebenfalls nach Châlons zurückziehe.
Der Kaiser habe sich , nachdem er uns
abgefunden, gegen die groſse Armee gewandt , um auch dort einen entscheidenden Schlag auszuführen . Dies waren die erfreulichen Nachrichten, die wir über dieses Gefecht erhielten, und die es uns sehr wahrscheinlich machten , daſs wir uns zwar nicht übern Rhein, doch bedeutend zurückziehen würden, um teils unsere Reserven heranzuziehen , teils uns mit der groſsen Armee zu vereinigen.
Wir marschierten die ganze Nacht, und ich muſste meine braune Stute die ich bei Leipzig Beute gemacht hatte auf diesem Marsche stehen lassen, weil sie einen so bedeutenden Schaden am Hufe be
kommen hatte , daſs sie nicht weiter gehen konnte , welches mir sehr leid that, da es ein Andenken war, welches ich gerne mit zu Hause gebracht hätte. Gegen Morgen kamen wir vor Châlons an , und schlugen unser Biwak ohnweit einem ehemaligen Lazarett auf, wo wir ein Magazin mit einer Menge mit Pech ausgegossener Körbe fanden , die uns da sie ein herrliches Feuer gaben bei der
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers V. v . 0.
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Kälte sehr willkommen waren. Ich nahm eine alte Thür zu meinem
Lager, und schlief bis es völlig hell war auf diesem alten harten Bette delicios.
Ich ritt darauf in die Stadt um mein Pferd be
schlagen zu lassen , nnd nahm ein sehr schlechtes Mittagsmahl ein,
welches ich auf einem Billette, welches ich von einem Offizier vom Hauptquartier bekommen , erhielt. Für Geld war fast gar nichts mehr zu bekommen .
Kurz nach uns kamen auch die Reste des
Kleist'schen Corps an , so daſs es ein rechter Sammelplatz für die in der Wüste irrenden Schafe war.
Wir glaubten übrigens alle
Augenblicke, daſs die Franzosen uns herauswerfen würden. Wir bezogen ein Biwak rechts von der Straſse nach Vitry und links von der nach Reims auf einer Wiese, wo wir schon früher gestanden hatten , als wir Châlons zum ersten Male angriffen. Aus Mangel an Holz und da die Kälte bedeutend war, wurden einige Häuser sogleich
niedergerissen, und da diese verbraucht waren , das reichliche Holz aus den Vorstädten herausgeschleppt.
Es war während dieser Zeit
eine ungeheure Kälte und ich erinnere mich, daſs ich unter mehreren Decken ungeheuer gefroren habe , dabei wurden wir nur spärlich aus dem Magazin verpflegt, so daſs unsere Lage in keiner Rücksicht
angenehm war, wir fühlten uns nur sehr glücklich von den Fran zosen nicht weiter zurückgetrieben zu werden.
So weit war
es
schon mit uns gekommen ! -
Nachdem wir einige Tage hier gestanden hatten , brachen wir
auf, um den Franzosen, die sich gegen die groſse Armee gewandt hatten, zu folgen. Wir gingen durch Châlons durch auf der Straſse nach Arcis sur Aube und blieben die erste Nacht in einem Dorfe
mit einem Bataillon Infanterie, wo wir aber da es einige Tage
vorher von Kosaken heimgesucht war, sehr wenig fanden , und sehr gedrängt lagen. Den anderen Tag marschierten wir in so gedrängten Kolonnen , daſs die Infanterie und Kavallerie rechts und links da neben marschierte und nur Artillerie dieselbe hielt.
Den Abend
langten wir an einem Dorfe an, wobei das ganze Blücher'sche Corps konzentriert biwakierte, an einem Dorfe in der Champagne pouil leuse ! Es war , wenn ich nicht irre, Sommesous. Zum Glück kamen wir nahe an demselben zu stehen , allein an hereingehen,
war gar nicht zu denken , da alles voller Generale war. Wegen Essen waren wir auch in der höchsten Verlegenheit. Einige von uns hatten noch etwas Mehl bei sich , dieses wurde in einem Kessel
gethan , zu einem gehörigen Brei gekocht nnd etwas gebratener Speck dazu gegossen. So schmeckte uns dieser Fraſs, den bei uns gewiſs kein Hund genieſsen würde , von Hunger getrieben besser,
264
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
wie ein Diner von Very oder Dallachin anderer Zeiten. Ein kärg liches Feuer erwärmte uns in der Nacht so , daſs wir fast ganz erstarrt am andern Morgen erwachten , wo wir sehr früh aufbrachen
und unseren Marsch wie am vorigen Tage fortsetzten . Ich kam den Tag auf Ordonnanz beim General Yorck, der dicht hinter Arcis sur Aube in einem Dorfe stand.
Der Fürst Blücher stand in Arcis.
Den folgenden Tag rückten wir ohnweit Mery diesseits der Seine in einer groſsen Ebene in eine Position . Die Vereinigung mit der groſsen Armee war bewerkstelligt, und es schien als erwarteten wir einen Angriff; man sah etwas entscheidendes kommen. Einige sprachen von Friedensunterhandlungen, welches dann auch nicht
Ich hörte von einem Adjudanten des General Witgen stein, der die Unterhandlungen geführt hatte, die Sache so erzählen. Nach der Schlacht von Brienne schickt Napoleon schon unter unwahr war.
zeichnete sehr günstige Friedensbedingungen den Alliirten Mächten hin.
Alexander schickt sie ihm zurück mit den Worten , daſs er
nur in Paris Frieden schlieſsen werde. Nachdem Bonaparte einige Vorteile bei Montmirail über uns errungen hatte , werden ihm die selben Bedingungen als angenommen zugesendet , worauf er sich weigert, sie anzunehmen, um wie er sagte in Berlin den Frieden zu diktieren ! – Es herrschte wirklich eine momentane Waffenruhe, obgleich die Truppen nahe zusammen und nur durch die Seine getrennt waren. Den anderen Tag rückte, da die Franzosen Mery angriffen alles in die Position , selbst die Generale und Prinzen 9
gingen aus den Dörfern heraus. Es engagierte sich ein unbedeutendes Gefecht, wodurch Mery ganz und gar ein Raub der Flammen wurde. Das merkwürdigste dabei war , daſs da der Wind sehr stark war, wir den Knall der Geschütze kaum hörten und die Kugeln immer
ganz still ankamen und in die Glieder schlugen. Der Fürst Blücher, der sich zu weit wagte, wurde beinahe gefangen , und erhielt eine gelinde Contusion am Fuſse, der General Valentini wurde verwundet. Der General Yorck lag in einem Dorfe links von Mery. Da ein sehr groſser Mangel an Holz war, so wurden alle nicht von Offiziers bewohnte Häuser niedergerissen. Ich lag mit allen Ordonnanz Offizieren in einem Hause , worin wir alle Möbeln verbrannten ,
um
uns nur, da die Kälte sebr groſs war, zu erwärmen. Das Dach wurde uns überm Kopfe abgerissen , und nur mit groſser Mühe wehrten wir es ab, daſs sie nicht die Wände mit niederrissen. Der
General, wohnte bei einem Prediger , und gegen Abend wurde bei ihm gegessen, welches, da durchaus nichts zu haben war, uns zum 9
wahren Troste gereichte. In der Nacht hoben uns Infanteristen
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815.
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die Stubenthür aus, kaum hatten wir eine zweite vorgesetzt, als sie auch diese mitzunehmen Anstalt machten , zum Glück wachte ich
auf, und jagte sie ihnen wieder ab. Den andern Morgen saſsen wir an einem spärlichen Feuer und vor Hunger und Langerweile fingen wir an zu würfeln, mit einem Male hörten wir das Geschrei Feuer ! Feuer ! wir liefen eiligst heraus und sahen unser Haus in Flammen . Schon brannte die eine Wand des Pferdestalles und nur mit Mühe
retteten wir die Pferde, die zum Glück gesattelt waren .
Da alles
Hals über Kopf herausgebracht wurde, so verbrannte meinem Bruder der Mantelsack , und einem Infanterie - Offizier einige Ledertaschen . Wenige Stunden nach diesem Brande rückte das Corps , wie ich
oben gesagt habe, in seine Position, und ich wurde von der Ordon nadz abgelöset und ging ins Lager hinaus.
Die Kälte war un
geheuer , die Entfernung der Dörfer wegen Holz , Stroh , Lebens mittel sehr rar. Ich suchte mir in der groſsen Hütte, die die Jäger erbaut hatten , ein kleines Plätzchen ; allein die Kälte hinderte mich
zu schlafen, und ich lief fast die ganze Nacht umher, um mich nur ein wenig zu erwärmen . Den andern Morgen ward ich mit Fabrice nach Arcis kommandiert, um dort Futter fürs Regiment zu empfangen .
Wir kamen spät des Abends an, wurden aber dennoch einquartiert. Hier kam ich seit langer Zeit zum ersten Male in ein Quartier, was noch so ziemlich war.
Denn obgleich
die Leute durch die
ungeheuren Durchmärsche viel gelitten hatten , so nahmen sie uns doch freundlich auf, auch bekamen wir etwas warmes Essen .
Ich
zog mir hier die Stiefeln aus, welches ich lange nicht gethan hatte. Die Füſse waren mir erfroren , und durch die Länge der Zeit die Strümpfe beinahe gefault, so daſs ich mit dem Messer, selbst Stücke 9
davon aus den wunden Zehen holte, welches höchst schmerzhaft,
und unangenehm war. Den andern Tag erfuhren wir, daſs das Corps marschiert, und nach Sezanne zu gegangen sei. Wir gingen also mit unserer Wagen -Kolonne über Plancy , wo wir die Aube passierten nach Sezanne, und fanden das Regiment einige Stunden dahinter im Biwak , wenn ich nicht irre bei Treffaux.. Den folgenden Tag brachen wir sehr früh auf und marschierten bis spät Nachts, da
wir hinter der Infanterie ungeheuer langsam marschierten ; indes
hatte die Kälte nachgelassen und es war Thauwetter eingetreten. Die Nacht blieben wir in der Gegend von Rebais, wo das Haupt
quartier des General Yorck war. Den andern Morgen gingen wir nach Jouarre und Gegend , das Hauptquartier des Fürsten Blücher
war in la Ferté sous Jouarre. Ich wurde als Sauvegarde auf einem Jahrbücher für die Dontsche Armee und Marine. Bd. LXVI.,
18
266
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Schlosse kommandiert, welches zwar schon ausgeplündert, aber so
magnifique eingerichtet war, daſs es einem kaiserlichen ähnlich sah. Ich schützte es so gut ich konnte vor Verwüstung, und ging gegen
Abend zum Regimente, welches nicht weit davon in St. Ouen stand. Ich war den Tag auf Ordonnanz kommandiert, und lösete Theodor
Scheven ab, der sich aber noch die Nacht in Jouarre gefallen liefs. Alle Ordonnanz -Offiziere lagen in einem Hause , welches von seinen Bewohnern verlassen war , indes fanden wir doch noch einige 1
Provisions, und vorzüglich schönen Liqueur.
Das Regiment wurde
den Tag darauf kommandiert, die Straſse nach Montmirail zu be
obachten, ob uns die Franzosen von dort her folgten. Den andern Tag, als wir gerade beim General zu Tische geben wollten, wurden wir daran durch ein sehr heftiges Feuern verhindert, welches jenseit der Marne nach Lisy zu war, und so nahe schien, daſs wir glaubten, es sei bei la Ferté , und Blücher selbst angegriffen. Der General ritt sogleich heraus, und alle Brigaden bekamen Befehl auszurücken. Als wir herauskamen , sahen wir vor uns bei Lisy ein Gefecht
unserer Avantgarde, die sich wie wir am Feuern und wie es anfing dunkel zu werden , am Blitzen der Gewehre markierten, zurückzog. Die Nacht endete das Gefecht, und wir zogen uns wieder in unsere
alten Stellungen zurück. Den andern Tag ging der General Yorck, nachdem er die Nacht in la Ferté zugebracht, mit seinem Corps über die Marne. Als wir schon im Marsch waren, hörten wir vor uns eine heftige Kanonade. Der General ritt voraus,, und wir
fanden bei Lisy ein Gefecht engagiert, wo der Fürst Blücher selbst Wir fanden ihn abgesessen , mit einer Pfeife im
zugegen war.
Munde die Position ansehen , rechts und links schlugen die Kugeln ein und töteten mehrere russische Artillerie - Pferde. Dies rührte
ihm gar nicht, und er stand da so rubig, als wenn er eine schöne Aussicht betrachtete.
Das Corps des General Yorck ging rechts weg
immer die Ourcq entlang, und wir bemerkten fortwährend in unserer linken Flanke ein ziemlich starkes Feuer.
Wir gingen über Crouy,
wohin das Hauptquartier des Fürsten hinkam , nach Mareuil. 9
Es
regnete ziemlich stark, als wir ankamen, und da Prinz Wilhelm auch dort hinkam , so war alles ziemlich voll. Die Ordonnanz
Offiziere kamen alle auf einen Hof , wo schon mehrere kranke Offiziere lagen. Den Abend wurde beim General gegessen , in einem Zimmer , welches so klein war, daſs wir uns nicht setzen konnten . Ich bin späterhin 1815 als wir von la Fèze nach Paris marschierten in diesem Hause in Quartier gewesen , und es machte der Wirtin die damals nicht da war , viel Spaſs, als ich ihr erzählte, wie es in
1
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strelitzschen Husaren-Regiment V. v. 0. 1813–1815.
ihrem Hause zugegangen . Wir brachten die Nacht sehr schlecht auf einer groſsen Streu am Kamine zu , indes schätzten wir uns sehr glücklich , nicht biwakieren zu dürfen . Den andern Tag , als wir eben zu Tische zum General gehen wollten, wurden wir durch eine Kanonade, die sich unweit dem Dorfe erhob , daran verhindert.
Das Gefecht näherte sich so schnell , und die Franzosen die von Assy herkamen drangen dermaſsen vor , daſs schon einige Kugeln nahe beim Dorfe fielen, als wir mit der gröſsten Eile abmarschierten . Das Corps, welches gröſstenteils bei Mareuil stand , versammelte sich auf der groſsen Straſse nach la Ferté Milon wo wir durch gingen , indem die Franzosen unsere Arriergarde immer lebhaft verfolgten. Wir blieben die Nacht bei Oulchy le Chateau, wo der General lag. Wir blieben bis gegen den andern Nachmittag dort stehen , wo uns die Franzosen angriffen , Oulchy le Chateau , ein
kleiner Flecken , war ganz von seinen Einwohnern verlassen , und ausgeplündert, und viele machten in den erbrochenen Kellern und
Speichern ansehnliche Beute. Es ward bald dunkel, und wir kamen in der Nacht durch Soissons, welches das 3. Armee- Corps kurz zuvor
genommen hatte, welches wir auch noch dort fanden. Das Regiment blieb an einem Vorwerke stehen , welches auf der groſsen Straſse
nach Laon lag, und wo jede Escadron einen Hof bekam , indes muſste ein groſser Teil der Pferde biwakieren . Hier blieben wir einige Tage stehen , ich wurde von hier aus zum fouragieren kom mandiert, brachte auch gute Ausbeute zurück. Von hier aus marschierten wir rechtsweg in die Gegend von Craone, und muſsten die Nacht ohne Feuer und Stroh biwakieren , dabei war es so
ungeheuer kalt, daſs wir uns ordentlich übereinander aufschichteten, um uns zu erwärmen . Mir liefen zwei meiner Pferde weg, die ich, obgleich viele Russen vorbeimarschierten, doch wieder bekam. Unsere Lage war wirklich höchst peinlich, und es ist eine meiner schreck lichsten Nächte. Den andern Tag hatten die Russen ein sehr hitziges Gefecht, wobei sie sehr viel verloren. Wir marschierten ab und gingen nach Laon , wo wir dicht dabei ins Biwak kamen. Wir hatten uns hier mit dem Bülow'schen, Winzingerodischen, kurz
fast mit der ganzen Nordarmee vereinigt. Die Erwartung war hier aufs Höchste gestiegen . Wir hatten, seitdem wir die Schlacht von Montmirail verloren hatten, kein glückliches Gefecht mit den Fran zosen gehabt ; wir hatten uns vermanövriert, waren aber sobald die
Franzosen , freilich immer in weit überlegenern Massen ankamen , allemal zurückgezogen , waren vor ihnen geflohen, wie eine Heerde Schafe vor einem Wolfe, kurz der Unmut und die Erbitterung war 18*
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
aufs Höchste gestiegen . Viele sahen es ein, daſs es nicht die Schuld der Truppen gewesen war, daſs wir uns in einer so schlimmen Lage befanden. Man lechzte nach einer entscheidenden Schlacht, wo man
überzeugt war, daſs der die Truppen beseelende deutsche Mut und
das Vertrauen zu ihren Führern über den Unterdrücker den Sieg davon tragen würde. Alles war begierig , ob Napoleon diese ihm angebotene Schlacht annehmen und uns angreifen oder uns
aus
dieser starken Position heraus zu manövrieren suchen würde. Wahr
scheinlich hat er die ganze Stärke derselben nicht genau gekannt, denn er griff uns am 9. März an. Den 8. bezogen wir die Position und der General Yorck legte sich nach Chambry auf der Straſse nach Marle.
Ich verlor diesen Tag meinen Kantschuh, und suchte
ihm mit vieler Emsigkeit wieder, weil ich einen groſsen Aberglauben mit dem Besitz desselben verband. Da ich ihm nach langem Suchen erst wieder fand , so sagte ich , daſs diesen Tag mir gewiſs ein Unglück zastofsen würde, und sonderbar genug, es traf ein . Ich fand das Regiment dicht an dem Dorfe Athies nach Laon zu abgesessen. Es war sehr kalt und glatt zu reiten, wir machten uns von einem Zaune Feuer an , und brieten Rindfleisch auf dem
Säbel , um uns wie wir sagten etwas in Vorrat zu essen , denn wir sahen voraus , daſs es am Tage nicht viel geben würde. Unser linker Flügel war an Athies gelehnt, das Centrum stand in und um Laon, und den rechten Flügel besetzten die Russen. Das Gefecht begann zuerst im Centrum , d. h . sie griffen Laon von der rechten Seite an, sie wurden aber durch unsere Artillerie, die auf der Höhe von Laon sie gut erreichen konnte im gehörigen Respekt gehalten,
so daſs sie der Stadt nie sehr nahe gekommen sind. Bald darauf griffen sie auch uns an ; unsere Avantgarde stand an einem buschigten Hügel rechts vor Athies, welche sich allmählich auf uns zurückzog und hier nur schwachen Widerstand leistete. Unser Regiment ging durch Athies durch , zog sich darauf links ans Holz und stellte sich
in einem freien Raum in demselben auf, das Dorf Salmoucy hinter sich habend. Hinter uns stand das Colomb'sche Freicorps. Wir standen sehr kurze Zeit hier , als auch schon die Franzosen ihre
Batterien gegen uns richteten . Wir hielten einige Kugeln aus, und gingen dann zurück. Gerade als mit Zügen abgeschwenkt wurde, sah ich den Rauch von einer Kanone aufsteigen ; ich sah auch bald darauf die Kugel in einiger Entfernung aufsetzen und gerade ihre Richtung auf mich nehmen, durch ein paar Sporne, die ich meinem Pferde gab, verhütete ich, daſs sie nicht mich, sondern nur den Fuſs meines Pferdes traf , welches so tötlich blessiert wurde , daſs ich
strelitzschen Husaren - Regiment V. v. 0. 1813–1815.
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absprang , es aus dem Feuer führte und totschieſsen liefs. Hier verlor ich meine braune Stute, die ich in allen Schlachten geritten,
und die mir unendliche Dienste gethan hatte. Ihr Verlust war mir sehr schmerzlich und unersetzlich. Das Regiment ging zurück und schloſs sich an die Kavallerie an , die unter dem General Zieten in
die rechte Flanke des Feindes operierte. Da die Franzosen das Dorf Athies nicht mehr behaupten konnten , so steckten sie es an , es gewährte einen schönen Anblick, dieses groſse Dorf fast auf einmal in Flammen zu sehen , nur wenige Häuser blieben stehen. Gegen Abend gingen unsere Linien auf diesem Flügel allenthalben vor, eine nächtliche Kavallerieattacke vollendete ihre Niederlage, sie verloren 40 Kanonen und eine bedeutende Anzahl Gefangene, unter welchen sich einige höhere Offiziere befanden. Den andern Morgen ging alles vor , den Feind zu verfolgen , kam aber am Abend des
folgenden Tages wieder zurück.
Ich blieb mit einem Kommando
zurück , um die eingebrachten Gefangenen und Kanonen zu be
wabren, unter den Befehlen eines Gendarmerie-Majors. Den andern
Tag ging bei Laon die Kanonade wieder los , der Major geriet dadurch in eine solche Angst, daſs er sogleich einige seiner Gen darmen aufsitzen liels und sie hinschickte , um nachzusehen , ob
eine Überrumpelung möglich sei. Den Abend kam das Corps zurück und biwakierte bei Athies, blieb hier zwei Tage stehen und ging dann nach Corbeny auf der Straſse nach Reims.
Da ein groſser
Teil desselben bei dem Städtchen selbst stand , so wurde , da der Mangel am Holz groſs war , ein groſser Teil der ausgeplünderten und verlassenen Häuser abgedeckt und niedergerissen. Der General lag auf dem Schlosse, welches einer alten Wittwe gehörte , die antröstlich über den Verlust den sie erlitten , war. Die Ordonnanz Offiziere lagen in einem ganz leeren Hause, wo nur zuweilen einzelne heulende alte Weiber hereinkamen , ihr Elend bejammerten , und 9
denen wir dann ab und zu ein Stück Brot gaben , obgleich wir es
auch nicht übrig hatten , denn unser einziger Trost war der Tisch des Generals. Wir blieben hier ungefähr drei oder vier Tage stehen, denn die Franzosen hatten die Brücke bei Bery au Bac über die Aisne besetzt. Die schwarzen Husaren hatten hier ein glänzendes
Gefecht, wurden aber , da sie zu hitzig verfolgten , von Übermacht zurückgeworfen, und die Franzosen dadurch Herrn der Brücke. Nach einigen Tagen kamen die Reste des Jagow'schen Corps, welches der General St. Priest so mutwillig bei Reims geopfert hatte. In Folge dieses unglücklichen Gefechts waren die Franzosen im Stande,
wieder bis zu uns vorzudringen, woran blos die Nachlässigkeit des
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Generals Schuld war, der, nachdem er Reims gewonnen , sich sorglos einquartierte und so in der Stadt überfallen wurde.
Wir standen
nun uns gegen einander über, ohne uns anzugreifen . Die Franzosen schienen am Ende das Gros des Corps zurückzuziehen und nur ein
Detachement zur Besetzung der Brücke zurückgelassen zu haben . Am Ende ward Tzernitzeff über die Aisne geschickt, um die Fran zosen anzugreifen. Er ging bei Neufchatel durch eine Furt, und kam ihnen so in die Flanke.
Die Franzosen , die wahrscheinlich
schon Nachricht erhalten hatten , waren schon aufgestellt und erwarteten den Angriff der Kosaken ganz ruhig , welche mit einem ungeheuren Hurrah auf sie losjagten, und in einer Entfernung von 80 Schritt eine Salve aus Karabinern erhielten .
Da sie hiervon
keine groſsen Freunde sind, so kehrten sie sogleich um , und die Franzosen folgten ihnen . Als die Kosaken saben , daſs der Feind auseinander kam , so kehrten sie, obgleich in einer scheinbaren Un
ordnung mit der gröſsten Schnelligkeit um und saſsen jetzt zwischen, ohne daſs sie wuſsten wie. Es dauerte auch nicht lange, so waren die Franzosen förmlich geworfen und viele von ihnen tot oder gefangen. Der Rest, welcher entkam, zog sich bis auf die Infanterie zurück, welche in einem Holze stand, und die Kosaken zurückhielt, sich aber auch hernach abzog. Wir standen auf einer Höhe diesseit des Flusses und konnten deshalb den ganzen Angriff übersehen . Kurz vor demselben zogen sie ihre Posten diesseit der Brücke ein, und sprengten dieselbe. Das Dorf wurde sogleich von unserer Infanterie besetzt ; da es uns an gehörigen Materialien zur Erbauung einer Brücke gebrach, so wurde es bis den andern Tag verschoben, da der Tag schon anfing sich zu neigen , und die Truppen bezogen ihre Biwaks. Der General legte sich nach la ville au bois, rechts an der Straſse nach Bery au bac. Ein jeder suchte hier so gut unterzukommen wie möglich, da das Dorf geplündert und von seinen Ich wurde in der Nacht fortgeschickt, um den Prinz Wilhelm der in Jurincourt stand , den Befehl zu bringen , mit seiner Brigade um 4 Uhr an der Brücke zu sein. Da Einwohnern verlassen war.
kein Bote zu haben war, so machte ich mich allein auf den Weg, und hatte mir die Direktion ungefähr bei Tage gemerkt , daſs ich, wenn ich über die Chaussee kam , etwas rechts reiten muſste. der Lisière
des Waldes
fand
ich
einen Posten
An
der Horn'schen
Brigade, die dort biwakierte. Von hier aus ritt ich über die Chaussee etwas rechts, übrigens war es ein so starker Nebel, daſs ich weder Weg noch Steg und die Feuer nur ganz nahe sehen konnte ; ich ritt also aufs Geratewohl fort. Ich ritt bei mehreren Biwaks vorbei,
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815.
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keiner konnte mir aber sagen , wo die 2. Brigade stehe .
Endlich
kam ich an ein Holz und wie ich mich umsah , war ich an dem selben Posten, von wo ich über die Chaussee geritten war, es war 80 ungeheuer dunkel, daſs ich nicht einmal bemerkt hatte, wie ich
zurück über die Chaussee gekommen war, und daſs ich einen kom pletten Cirkel beschrieben hatte. Ich verfolgte den Weg , der vor mir lag und kam endlich nach vieler Mühe im Dorfe an , welches fast ganz abgebrannt war. Zurück nahm ich mir einen Boten und
gelangte so glücklich wieder in meinem Dorfe an.
Obgleich es
spät war, so hatte ich noch so viel Zeit, etwas zu schlafen bis der
General aufbrach , indes nicht lange, denn vor 4 Uhr war er schon der Brücke. Wir gingen über russische Pontons und die Kavallerie ging rechts bei Pontovaire durch eine Furt die ziemlich
an
tief war, wir wandten uns rechts und gingen nach Fismey zu . Die
Franzosen hatten den Übergang über die Vele besetzt , und es entstand ein unbedeutendes Flankeur-Gefecht. Der Feind zog sich indes bald ab . Wir bezogen diesseit des Flusses Biwaks , unser Regiment kam mit einer Batterie nicht weit von Romain an einem Vorwerke zu stehen, welches glaube ich Montigny hieſs. Ich wurde den andern Tag mit 20 Mann auf Fouragekommando geschickt, und
mir befohlen , so weit zu gehen , bis ich etwas fände. In einem Vorwerke, ohngefähr zwei Stunden davon, fand ich auch etwas, was ich wünschte an Fourage und Lebensmitteln .
Ich
belud
zwei
Wagen damit und fuhr froh über meinen Fund damit ab. Nicht weit davon aber ermüdeten mir die Pferde, ich schickte , da alles peitschen nicht half, nach zwei Dörfern, um Pferde zu holen und kletterte selbst, da es mir zu lange währte und schon anfing dunkel
zu werden , einen Weinberg nach einem derselben herunter. Mit groſser Mühe bekam ich auch, da das Dorf voller Russen war, einige Pferde, die ich einigen Husaren übergab, und ich selbst ritt voran, um alles anzuordnen . Da ich aber nicht den Weg gekommen war, so war es sehr leicht, daſs ich fehlte, und da es dunkel war, so sah ich denn sehr bald, daſs ich irre sei . Unbekannt mit dem Terrain,
obgleich ich der Karte nach jedes Dorf kannte , irrte ich auf dem Felde umher und all mein Rufen und Schreien war vergebens. Endlich kam ich auf einen Weg und entschloſs mich diesen zu
verfolgen , da er mich doch irgendwo hinführen müsse. Ich kam auch , nachdem ich ohngefähr eine halbe Stunde geritten war , in ein Dorf. Ich fand die ersten Häuser verschlossen und wagte mich etwas weiter, fand auch in einem Hofe einen Bauern, der eben ein
Schwein abbrübete. Ich ritt hinein und verlangte von iḥm nach
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
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Romain geführt zu werden, welches dann wie ich erfuhr 4 Stunden entfernt sei. Dies schlug er aber rund ab , indem er den Weg nicht wisse.
Ich drohete ihm mit meinen Kosaken, die ich vor dem
Dorfe habe, da ich aber sah, daſs diese Drohung, die ich, wenn ich sie zu realisieren aufgefordert worden wäre , freilich sehr in Ver
legenheit gesetzt haben würde, so entschloſs ich mich denn andere Maſsregeln zu ergreifen. Ich bedachte, daſs die Bauern, vorzüglich in dieser aufrührerischen Gegend Lust zu meinem jungen Leben bekommen könnten , und daſs ich da ich ganz allein war, mich in nicht geringer Gefahr befände, wenn ich fortfahre, feindliche Ge sinnungen zu zeigen , ich entschloſs mich daher , einmal die Rolle zu ändern , und so gut es anginge, einen Franzosen zu spielen. Ich ersuchte also meinen Schweinetöter äuſserst höflich, mich zum Maire zu führen . Unterwegs befiel mich ein entsetzlich Grausen, als ich einige handfeste Bauern bemerkte, die mit einer Laterne in
der Hand denselben Weg wie ich zu gehen schienen . Ich knüpfte mit meinem Führer einige Gespräche an , in die ich mich aber dennoch nicht zu weit einlieſs, fragte ihn nach den Preuſsen, ihrer jetzigen Stellung u. dergl. kurz stellte mich , als wisse ich nichts von allen dem , nahm meinen Mantel fest zu , kehrte meine
Säbeltasche um, damit das C darauf nicht gesehen wurde, und suchte mich so gut wie möglich zu französieren . Bei alle dem that ich
sehr geheimnisvoll und wichtig , um einiges Interesse bei ihnen zu erregen . Als ich beim Maire angekommen war , und man herein ging , ihn zu rufen , so versammelten sich während der Zeit , daſs er sich aus dem Bette erhob , immer mehr Bauern um mich , deren Gegenwart so schmeichelhaft sie auch für mich war, mich in nicht geringe Verlegenheit versetzte. Ich that aber ganz unbefangen , fragte nach dem Biwak, welches man in der Nähe sah, erkundigte mich nach einigen Ortschaften u. dergl. Dingen. Als der Maire >
kam , bat ich ihn in sehr gewählten Ausdrücken , wobei ich ihn ។
zugleich um Verzeihung bat, ihn so spät aus dem Schlafe gestört zu haben , um einen Boten nach Romain . » Ich bitte Sie fügte ich hinzu , da es schien , als wolle er einige Schwierigkeiten machen , um die gröſste Eile , da ich keine Minute zu verlieren habe, ich
komme aus dem französischen Lager und habe eine wichtige Depesche im preuſsischen Hauptquartier abzugeben . Es sei ein Waffenstillstand geschlossen und wahrscheinlich , wird bald Friede werden. « » Ah une armistice ! la paix sera faite quel bonheur« schrieen
viele Andere. Monsieur vient du camp des Français, Monsieur est Français, wieder andere. Keiner war froher als ich, daſs meine List
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so gut geglückt war .
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Vous aurez un guide tout à l'heure rief der
Maire und schickte sogleich einige fort , um den an welchem die
Reihe war sogleich zu bestellen, er selbst ging hinein und kam mit einigen Weibsbildern, die rafraichissements für mich brachten , die mir äuſserst willkommen waren.
Ihre Bitte abzusteigen und mich
etwas zu wärmen , schlug ich ihnen indes ab , da ich dann mein deguisement zu verraten fürchtete.
Währenddes ich als , leisteten
sie mir , da sie in mir einen geliebten Landsmann zu erblicken wähnten, Gesellschaft, schimpften über Preuſsen, Russen u . 8. w., beklagten sich über das Leid, welches ihnen die Kosaken zugefügt. Ich bedauerte natürlich ihr Unglück immer sehr und fügte die tröstenden Worte hinzu : » mes amis ça va finir bientot , soyez tran Ah mon Dieu quel quilles et oubliez le malheur de la guerre. «
malheur, schrieen sie alle wie aus einem Munde ; ces bougres de Cosaques folgte hinterdrein. Endlich kamen statt einen , zwei Boten, die mich auf den bezeichneten Weg brachten. Obgleich sie wie gewöhnlich sehr redselig waren , so war ich immer sehr ein silbig, weil ich gegen sie nicht die Verpflichtung zu haben glaubte, als gegen einen Haufen wütender Bauern, und meiner Rolle anfing müde zu werden .
In jedem Dorfe ward ich durch einen andern
Boten geführt, welche ihre Ablösung immer durch einen sehr freudigen Zuruf: » ouvrez, c'est un bon français qu'on vous amène « herauspochten. Endlich gelangte ich bei meinem Vorwerke an, und ich verabschiedete meine Führer mit ein paar derben Kantschu hieben für ihre Schmähungen , und bat sie , dieselben , welche von einem Deutschen und keinem Franzosen kämen womöglich ihren Kameraden mitzuteilen : Sie wunderten sich und gingen !
Ich war sehr froh mein Kommando dort zu finden , und legte mich hin, um den Rest der Nacht für meine ausgestandene Angst zu schlafen .
Ich brach den andern Tag sehr früh auf, um wo
wöglich das Regiment noch einzuholen , ich traf es auch , wie es eben bei Courtondon links von Fismes über die Vele ging , wurde aber durch die Reserve -Artillerie verhindert, mit meinen Wagen heranzukommen ; ich schloſs also an dieselbe an ; hinter Fismes war
ein sehr schlimmer Berg, wo viele Wagen stecken blieben und ich nur mit vieler Mühe herauf kam. Obgleich das Regiment mehr mal anhielt , so war es doch nicht möglich heranzukommen , und ich ging durch Fère en Tardenois durch , als es schon ganz dunkel war . Das Regiment stand in Veliers an einem Walde, wodrin die Vorposten der Franzosen waren . An einem Berge auf dem Wege dahin ermüdeten die Pferde, und es war unmöglich sie fortzubringen.
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Ich ritt deshalb hinein , um Wagen herauszuholen , und brachte so
die Fourage und Lebensmittel binein . Den andern Tag marschierten wir nach Chateau Thierry zu , und blieben an einem Dorfe dicht
dabei stehen, welches Brasles hieſs. Wir holten uns aus der Stadt, die total geplündert war, allerlei Geschirr, da sie uns im Dorfe auch fehlten. Die Jäger lagen auf dem Hof einer Mühle. In dem Quartiere des Majors fanden wir einen Keller , der mit den herr lichsten Weinen angefüllt war, in einem Teiche, den wir abgelassen hatten , waren eine ungeheure Menge Karpfen , die wir in diesem Weine kochten , überhaupt gingen wir so damit um , daſs , da wir ihn immer Eimerweise holten , wir ihn am Ende den Pferden zu saufen gaben.
Wir fanden unter andern eine alte Sorte Chateau
la Fitte, die wenigstens hundert Jahr alt sein muſste. Wir thaten uns auch so bene darin , daſs als wir den andern Tag gegen Abend abmarschierten , alle Offiziere fast betrunken waren .. Ich blieb mit 2 Husaren hier zurück , um den Lieutenant Graevenitz , der mit einem Requisitionskommando noch zurückkam , zu avertieren. Kaum
war das Regiment ausmarschiert, so kamen alle Einwohner aus den Bergen und Wäldern hervor, da ich mich unter dieser Gesellschaft
nicht sehr sicher glaubte , so liefs ich mir den Prediger des Ortes, der auch mit angelangt war , kommen , sagte ihm : er möge seine Einwohner zur Ruhe ermahnen , ich mache ihn für alle Unruhen
verantwortlich, und würde ihn , so bald nur das geringste vorfiele, über den Haufen schieſsen , dabei stellte ich einen Posten mit ge ladenem Karabiner vor meiner Thür und erwartete so die Ankunft
von Graevenitz, der auch nicht lange ausblieb.
Wir probierten
noch einige Sorten Wein, die er mitgebracht, und legten uns dann, da er 20 Mann bei sich hatte , ruhig schlafen . Den folgenden Tag gingen wir dem Regimente nach , welches wir hinter Montmirail in einem Dorfe, dessen Namen ich vergessen , fanden . In der Stadt fand ich meinen Bruder , der mich noch mit einer Flasche Cham pagner, die er im Schlosse gefunden, regalirte.
Den andern Tag wurde sehr früh Lärm geblasen und wir gingen durch Montmirail durch auf die Straſse nach la Ferté Gauché, wo wir ein Detachement, welches aus Ersatzmannschaften aus Paris
bestand und zum Marmont'schen Corps stoſsen sollte, von demselben abzuschneiden. Es war am 26. März gegen Mittag, als wir bei la Ferté auf den Feind stielsen .
Da ein kleines Gewässer le Morin
zwischen uns war , und wir erst eine Furt suchen muſsten durch zugehen , so gewannen sie Zeit sich abzuziehen , indes bekamen
wir doch einige Nachzügler zu Gefangenen.
Das ostpreuſsische
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.
National-Kavallerie-Regiment, unser Regiment und zwei Haubitzen an unserer tête verfolgten sie jetzt auf der Straſse von Coulommiers, wohin sie sich so eilig zurückzogen , daſs wir ihre Infanterie nicht eher, als bei dem Dorfe Chailly , diese vor Coulommiers , einholen
konnten. Die 2. Escadron des ostpreuſsischen Regiments unter dem Major v. Kracht griff ein Bataillon an , warf es zurück , und hieb es im Dorfe zusammen . Ich hatte hier Gelegenheit , die Bravour des alten General Horn zu bewundern, er war immer vorn bei den
Flankeuren , und der erste, der den Degen zog und die vor ihn stehenden Tirailleurs niederbieb. Wir gingen durch das Dorf durch und erhielten einige Kanonenschüsse von den Geschützen , die sie dicht vor der Stadt aufgepflanzt hatten . Sie schossen indes ohne Wirkung und wurden von unserem Geschütze bald zum Schweigen gebracht, so daſs sie sich aus der Stadt zogen und sie uns über lieſsen .
Wir vernüchterten uns etwas und bezogen Biwaks.
Ich
ward zurückgeschickt, um eine Feldwacht hinter Chailly auszusetzen , welche die Straſse von la Ferté und Provins beobachten sollte.
Unterwegs begegnete mir der Rittmeister Grochinsky , der uns benachrichtigte, daſs Marmont zwischen uns und dem Yorck'schen Corps stehe , und der General befohlen habe, von hier wegzugehen . Ich ging also sogleich zurück und schlug die auf der Chaussee Wir brachen sogleich auf und gingen Ich erhielt den Befehl, den General Yorck
liegenden Gewehre entzwei .
rechts nach Rebais zu.
aufzusuchen , um ihm Rapport über das Gefecht zu machen. Ich begab mich also mit dem Rittmeister Grochinsky auf den Weg. Unterwegs prügelte ich noch einen Bauern tüchtig aus, der uns als Bote dienen sollte und uns zweimal fortlief.
Nachdem wir lange
umhergeirrt waren ohne einen Ausweg zu finden , so entschlossen wir uns endlich , da wir beide so ermüdet waren , daſs wir uns kaum auf den Pferden halten konnten , nach Rebais zurückzureiten und dort zu übernachten .
In der Stadt war nichts als einige
schwache Kommandos mit Gefangenen. Wir lieſsen uns Quartier geben und legten uns mit Zeug und allem aufs Bette. Den andern Morgen sehr früh kam der General , und wir gingen , nachdem ich ibm meinen Rapport gemacht, nach la Ferté sous Jouarre. Unsere Avantgarde verfolgte den Feind unablässig und sie kam unter unbedeutenden Gefechten bis Trilport, wo die Franzosen die Marne
brücke sprengten und uns dadurch etwas aufhielten. Unter ihrem Kanonenfeuer erbauten indes die Russen eine neue von Pontons, und
am Abend ging unsere Avantgarde herüber und warf die Franzosen bis an Meaux zurück . Das ganze Hauptquartier kam in einen Hof
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
zu liegen, und wir suchten uns eine Stube, um uns etwas schlafen
zu legen. Es dauerte nicht lange , so rief uns der Major Schack, um
uns mit dem Befehl zu
unseren Brigaden zu schicken .
Ich
suchte lange umher, ehe ich den Prinzen fand, und traf ihn endlich gegen 12 Uhr in Monceaux.
Er war gerade bei Tische, und er
war so gnädig, mich zum Essen zu behalten, welches mir sehr will kommen war, da ich den ganzen Tag nichts genossen und ganz ungeheuer müde war.
Ich kam gegen halb 3 Uhr wieder in Tril
port an , und legte mich hin , um bis zum Aufbruch des Generals
zu schlafen, da ich in dieser und der vorigen Nacht gar nicht, und in der letzteren sehr wenig geschlafen hatte, so müde war, daſs ich fast umfiel. Kaum hatte ich mich hingelegt, so kam der Major v. Schack und befahl mir, die Brigade des Prinzen über die beiden Brücken zu führen . Ich that dies bei einem solchen Nebel , daſs
ich fast in die Marne statt auf die Brücke gekommen wäre. Ich führte die Brigade bis an die Chaussee und begab mich jetzt zurück, um diese kurze Zeit der Ruhe zu widmen .
Wie ich aber eben mein
Pferd über die Brücke führte, kam mir der General schon entgegen, und ich sah mich gezwungen , ihm zu folgen . Während der Zeit, daſs ich nach meiner Zurückkunft vom Prinzen ohngefähr eine halbe Stunde geschlafen hatte, war das Pulvermagazin in Meaux gesprengt. Mein Schlaf war so fest gewesen , daſs obgleich die Explosion un
geheuer stark war , ich nichts davon gehört hatte. Meaux war schon von den Franzosen yerlassen , und wir gingen ohne Hindernisse durch. An beiden Seiten waren Wachen gestellt, um das Eindringen und Plündern in den Häusern zu vermeiden.
Ich blieb hier etwas
zurück , um mich etwas zu vernüchtern , und ritt dann eilig nach. Wir stieſsen nicht ehe als bei Claye auf den Feind, wo das ost preuſsische Füsilier- Bataillon bedeutend verlor, da es sich hinter dem Dorf zu weit auf die Ebene wagte , und von Kavallerie überfallen war .
Die Franzosen stellten sich an dem Walde hinter Claye auf,
und es begann eine ziemlich heftige Kanonade. Da ich sah , daſs sie fast immer auf demselben Flecke blieb , ritt ich nach Claye zurück, wohin ich schon meine Pferde zum Futtern geschickt hatte,
und legte mich in dem Stalle etwas hin , um ein paar Stunden zu schlafen. Als ich erwachte , war das Feuer etwas entfernter, ich fand den General links von der Straſse auf der Höhe von Montaigue
die Stellung des Feindes beobachten. Auf dem Wege dabin fand ich einen Bauern, der dort da lag und dem alle Kleider auf dem Leibe brannten .
Wahrscheinlich hatte man ihn mit den Waffen
in der Hand angegriffen , ihn durch den Schuſs oder mit Fleiſs
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angezündet. Gegen Abend zogen sich die Franzosen zurück und wir waren Herrn des Waldes sowie der ganzen Gegend bis Montaigue. Der General ging nach Claye zurück, wo ich denn endlich von meiner Ordonnanz abgelöst wurde, da ich aber unendlich müde
war, so lieſs ich es mir die Nacht noch dort gefallen, und aſs noch beim General.
Ein Streu, welches in meinem Stalle gemacht,
empfing mich in seinem stechenden Stroh, und ich schlief nach dieser ungeheuren Anstrengung wie ein Gott. Den folgenden Tag ritt ich fröhlich and sehr durch einen gesunden Schlaf gestärkt
zum Regimente, welches ich in Messy fand. Wir rückten bald darauf aus, um noch denselben Tag Paris einzunehmen .
Als wir
aufmarschiert standen, bekamen wir die Nachricht, die Franzosen
hätten Unterhandlungen angeboten, und es sei ein dreistündiger Waffenstillstand geschlossen. Ein Jeder glaubte, daſs diesem ein längerer folgen und Paris uns ohne Schwertschlag übergeben würde ; aber das Schicksal wollte es anders, noch mancher Brave sollte unter den Mauern dieser stolzen Hauptstadt fallen. Der König kam bald darauf selbst und musterte die dort versammelten Truppen, worauf er vorritt und die Positionen besah . Bald darauf gingen
wir in unsere Biwaks zurück , und es blieb alles ruhig. Der 30. Sehr früh gingen wir von Messy weg, und marschierten
brach an .
auf der petite route rechts von der groſsen Straſse auf Paris los.
Unsere Avantgarde und die groſse Armee, Bayern u . s. w. gingen die grade Straſse. Ehe wir herankamen , engagierte sich vor uns und vorzüglich links auf den Höhen von Bondyein bedeutendes Gefecht, wovon besonders die Kanonade sehr heftig war. Wir rückten diesen totbringenden Schlünden immer näher und rückten
endlich in unsere Position ein. Das Regiment stand rechts von dem Kanal auf der Straſse. Vor uns war eine kleine Höhe, welche durch die Infanterie besetzt war, weiter vor standen die Batterien fast
ohne Bedeckung, da die Franzosen nicht über den Kanal konnten, den unsere Avantgarde bei Pantin besetzt hielt. Wir verloren, da wir aus dem Schuſs standen, wenig oder gar nichts, indes wurden immer verwundete Infanteristen und Artilleristen vor uns vorbei getragen , die mitunter ein klägliches Geschrei ausstieſsen, da ihre Wunden fast alle sehr schwer waren . So dauerte von beiden
Seiten die Kanonade fort und zwar mit solcher Heftigkeit, daſs ich seit der Schlacht von Leipzig sie nicht so stark gehört habe. Nachdem wir eine Zeitlang dort gestanden hatten und so dem wütenden Gefecht vor uns zusahen , wobei eine ungeheure Menge
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Pulverwagen in die Höhe gingen, so wandten wir uns links über die Chaussee und den Kanal und stellten uns neben russischen Kürassieren links von der Höhe und dicht hinter dem Dorfe Pantin
auf, worin sich unsere Infanterie noch schlug. Der Prinz Wilhelm , der als wir über den Kanal gingen, an unserer Spitze war, ritt an der rechten Seite desselben mit einem auſserordentlichen Mute bis
in das dickste Feuer vor, so daſs wir glaubten er würde mit seinem Gefolge nicht dem Hagel des kleinen Gewehrfeuers entgehen können .
Ich kam den Tag auf Ordonnanz und ritt mit dem Obrist Warburg auf die Höhe herauf, wo der König und Kaiser die Schlacht beobachten.
Es gewährte wirklich einen herrlichen Anblick , von
dort oben das ganze Schlachtfeld zu übersehen, hunderte von Feuer schlünden sprüheten und verbreiten auf allen Seiten Tot. Der Montmartre war mit Rauch bedeckt, rechts von St. Denis kamen
Russen , die den Berg zu umgehen droheten. Auf allen Punkten drangen die Verbündeten vor, und man sah sie jeden Augenblick die Barrieren der stolzen Hauptstadt sprengen .
Kavallerie und
Infanterie vereinigt warf die Feinde zurück. Mitten unter diesem Gewirre drängte sich ein Parlamentär durch , der nach den Monarchen
fragte und einen Waffenstillstand anbot und die Überlieferung der Stadt versprach. Er wurde angenommen und auf einem Wink der Feldherrn schwiegen die Geschütze und man sah nur noch einzelne Tirailleurschüsse, die sich in der Hitze des Gefechtes noch nicht mäſsigen konnten, oder den Vertrag nicht kannten. Diese plötzliche Ruhe, die nur durch das Geschrei der Krieger, welche an die
Barrieren rückten, unterbrochen wurde, gewährte einen sonderbaren Kontrast gegen das so eben aufgehörte Donnern der Kanonen und Geknackere des kleinen Gewehrfeuers. Man fing an einzelne Türme der Stadt zu sehen, und alles begab sich vom Hügel herab. Ich ritt mit Carl B., der den russischen Truppen die Ordre zum Waffen stillstand brachte.
Wir kamen durch Pantin , wo unzählige Tote
von der Garde lagen, und ritten mit Woronzow in la Vilette ein , wo fast in jedem Hause ein toter Franzmann lag. Mit lautem Jauchzen rückten wir an die Barrieren, wo neugierige Franzosen
unserem jubelnden Heranzuge mit ansahen. Ein jeder überlieſs sich jetzt der Freude eines so glücklichen Erfolges.
Alle Keller in
la Vilette wurden geplündert und viele tausend Flaschen auf das
Wohl der Alliierten und zur Löschung unseres Durstes ausgeleert. Vor, neben und in la Vilette loderte bald Feuer der lustigen Biwaks, denen es an nichts mangelte, denn alles was nötig war . lieferte uns
die Vorstadt von Paris. Überall sah man Spuren des harten Kampfes,
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längst dem Kanale waren die Toten gereiht und die kleinen an demselben gepflanzten Bäume von unzäbligen Kugeln durchlöchert. Ich wurde von da aus zum General Yorck geschickt, der in la Chapelle stand. Ich fand ihn am Eingange des Dorfes, welches eben so wie la Vilette eine Vorstadt ausmacht, an der Straſse von
St. Denis an einem Wachtfeuer liegen. Am Eingange des Dorfes waren ringsum Wagen gestellt, die verhinderten, daſs man hinein gehen konnte, eine Maſsregel, die der General ergriffen hatte, weil er den Franzosen nicht traute , und bei einem etwaigen Ausfalle alles zusammen sei. Ich schlug meine Lagerstätte an einer Mauer im Dorfe auf, lieſs mir Stroh hinbringen , und deckte mich mit einigen wohlacquirierten Decken zu. Als ich eine Weile gelegen hatte, kam ein Offizier zu mir und fragte mich, da er sah, daſs ich
noch Platz hatte, in einem sehr wehmütigem Tone, ob ich ihn nicht mit unter meine Flügel nehmen wollte ; ich bin, setzte er
hinzu, der Obrist Roedlich, Commandeur der 7. Brigade. Obgleich ich nie etwas von ihm gehört hatte, so sprang ich sogleich auf, und bot ihm einen Platz auf meinem Strohlager an.
Wir erfreuten
uns beide eines erquickenden Schlafes und erwachten den anderen Morgen ziemlich hungrig und durstig. Allein auch hierfür war gesorgt, ich lieſs mir ein gebratenes Huhn und eine Flasche delikaten Malaga geben, die mein Friedrich den Tag zavor in la Vilette er wischt hatte. drücken der
Mein Obrist verlieſs mich mit den rührendsten Aus Dankbarkeit. Den anderen Tag ward alles zum
glänzenden Einzuge bereitet.
Alle Truppen setzten sich in die
gröſste Parade, die Offiziere in den gröſsten Staat, schon froh über die Eroberungen, die sie machen würden. Gegen 10 Uhr begab sich der General an die Barriere von Pantin, von WO aus die Monarchen einziehen wollten . Die preuſsischen und russischen Garden standen schon aufmarschiert. Gegen Mittag kamen die
Monarchen in Begleitung des Fürst Schwarzenberg und ihrer ganzen Generalität. Zuerst rückte die preuſsische, leichte Garde-Kavallerie ein, welche die tête bildete, dann folgten die Monarchen mit einer zahllosen Suite von Offizieren , hinter ihnen die preuſsischen, russischen
und badenschen Garden. Der Zug ging durch die Porte St. Martin nach den Boulevards, von dort durch die rue Louis le Grand über
den Place Louis XV. nach den Champo Elysées. Kaum waren wir durch die Porte St. Martin (vorher muſsten wir noch eine Vorstadt passieren ) so gesellten sich eine unzählige Menge Volks von allen Klassen zu uns, die durch lautes Vive rufen ihre Freude äuſserten .
Bald zeigte sich eine weiſse Fahne, hinter der sich alles anschloſs.
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Wir trugen damals zur Erkennung der verschiedenen Uniformen weiſse Binden um den linken Arm und grüne Büsche auf den Czakots.
Alle Franzosen banden sich ihre Tücher um den Arm ,
und das erste beste weiſse ward als Kokarde auf den Hut gesteckt. Das Gedränge war so stark , daſs die Monarchen ganz langsam reiten muſsten, um nicht die vor ihnen sich drängende Menge zu erdrücken . Ein ewiges Vive les Alliés, Vive le roi de Russe, Vive Louis XVIII. durchtönte die Lüfte.
In allen
Fenstern standen
Damen, die uns mit unzähligeu weiſsen Tüchern entgegenweheten. Andere drängten sich zwischen uns und drückten uns mit lauter Freude die Hände. War es nur der Anblick des schönen Einzuges der beiden glorreichen Monarchen, war es der Reiz der Neuheit,
oder war es aufrichtige Freude, genug sie äuſserten dieselbe auf die lebhafteste Weise, und eben so heftig ihren Haſs gegen Napoleon. Wir langten unter diesem Zujauchzen des Volkes auf den Champs Elysées an, wo in der Avenue derselben die Monarchen
halt machten, um die sämtlichen Garden Revue passieren zu lassen. Jetzt drängte sich alles herbei und wir muſsten ihnen die Monarchen und Generäle zeigen.
Viele Damen lieſsen sich auf unsere Pferde
heben, um besser oben sehen zu können. Ob es gerade die ersten Damen von Paris waren, wie mein Bruder einmal behauptete, will ich nicht sagen , es waren aber anständig gekleidete. Ich sah diesem Skandal eine Weile zu, und ritt dann mir die Stadt etwas zu be
sehen . Ich kam auf den place Vendôme, wo eine ungeheure Menge Volks beschäftigt war, die oben auf der Säule stehende Bildsäule Napoleons berunterzureiſsen. Sie hatten Stricke oben befestigt und zogen , während oben andere immerfort hämmerten und beschäftigt waren, sie los zu schlagen. Ihr Bemühen war indes fruchtlos, da Napoleon, der einen Wankelmut der Franzosen vielleicht geahnt hatte, sie ziemlich fest hatte setzen lassen .
Dabei schrien sie un
aufhörlich : à bas le tyran, à bas la colonne. Nachdem ich etwas herumgeritten war , mir die Tuilerien und den Louvre flüchtig besehen hatte, ritt ich wieder zurück. Das Hauptquartier kam nach Passy. Das Regiment stand in Boulogne. Ich kam mit meinem Bruder und einigen anderen Ordonnanz -Offizieren in ein Quartier, WO es eben nicht zu gut war. Die Leute gaben sehr ungern und wenig dabei . Den folgenden Tag ging Wilhelm aus um sich, da er alle seine Wäsche bei Mery verloren hatte, etwas zu rekrutieren. Da ihm die Frau, bei der er sie kaufte, sehr teure Hemden zu 20 fr.
vorlegte, er aber nicht so viel Geld hatte, diese Ausgabe zu be streiten , so sagte er ihr : er wolle sie nur für seinen Bedienten
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haben, und nahm wohlfeilere.
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Als er sich hernach umzog, fand er
eine so starke Bevölkerung auf seinem Leibe, daſs eine Nachtjacke, die er, nachdem er sie für unbrauchbar zum ferneren Felddienste erklärte, wegwarf, sogleich fortlief! -
Wir blieben einige Tage hier stehen und benutzten diese Zeit fleiſsig nach Paris zu reiten, wo wir uns aber nicht auf das Besehen , sondern nur aufs Essen und Trinken einlieſsen um unsere verlorenen
Kräfte wieder zu gewinnen. Den 3. April brachen wir auf and gingen auf der Straſse nach Orleans dem Kaiser entgegen, der sich in Fontainebleau befand. Ich traf am Pont de Jena Sprengeln mit dem ich in die Stadt ritt, um noch Kleinigkeiten einzukaufen . Als
wir unsere Geschäfte abgemacht hatten, hielten wir in einem Kaffee vor dem Louvre an , um zu frühstücken . Er fand die Wirtin darin so hübsch und liebenswürdig, daſs er hinging und ein Flacon kaufte,
um es ihr zu schenken, und freute sich wie ein Kind, als sie es mit Dank annahm . Das Regiment kam rechts von der Straſse nach Fontainebleau ohnweit Palaiseau in und bei Vilbon zu stehen .
Wir marschierten den anderen Tag nicht weiter, wie wir es ver
mntet hatten , sondern blieben diese und mehrere Tage stehen . Wir schickten Fouragekommandos aus, um uns, da das Dorf sehr klein und arm war, zu verpflegen. Ich benutzte die Zeit der Ruhe, um einen kleinen Abstecher nach Versailles zu machen, welches
Es ist ein nicht sehr groſser aber sehr hübsch gebauter Ort. Das Schloſs ist in der Revolution zum Teil 3 Stunden entfernt war .
zerstört worden .
Wenige Tage nachher kam ich als Sauvegarde zu einem Mr. Farmain de St. Reine auf einem kleinen Schlosse ohnweit Vilbon .
Es war ein sehr artiger Mann, der gewöhnlich mit seiner Familie in Paris wohnte. Er nahm mich sehr gut auf, und bat mich ihn
in Paris zu besuchen. Als ich einige Tage dort gewesen war, kam der Major v. Graevenitz hingeritten und brachte uns die angenehme Nachricht, daſs Frieden geschlossen, Napoleon zu Gunsten der Bourbons der Krone Frankreichs entsagt und seine Armee entlassen habe. Eine freudigere Nachricht konnte uns wohl nicht gebracht werden, und sie war sowohl mir als meinem Wirte, der ein eifriger Royalist war, sehr willkommen. Er überlieſs sich auch einer lauten Freude, und liels sogleich einige Flaschen alten Burgunder kommen ,
die wir auf das Wohl des Königs ausleerten . Ich blieb noch einige Tage dort und wurde dann abgerufen , weil das Regiment marschierte. Ich wurde den Tag, als wir weggingen, mit dem Lieutenant Milarch nach Paris kommandiert, um Geld für das Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVI., 3 .
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Regiment zu holen . Es fing schon an ziemlich warm zu werden, so daſs uns die Hitze ordentlich unterwegs anfing drückend zu werden . Alle Bäume fingen schon an grün zu werden, und manche Wir kamen in Paris an und empfingen auf der Kommandantur das angewiesene Geld. Wir amüsierten uns
standen in voller Blüte.
den Tag so gut wir konn ten, und schliefen einige Stunden beim Lieutenant Krüger, der, da er bei Blücher auf Staabswacht war, dort ein Quartier hatte.
Wir brachen den andern Morgen sehr
früh auf, gingen über Marly, wo wir ein Frühstück einnahmen, St. Germain nach Pontoise, wo wir erfahren, daſs das Regiment nicht weit davon stehe.
Wir ritten dort hin und trafen es auf
einem Dorfe, dessen Namen ich vergessen . Wir gingen von da in die Gegend von Beauvais, wo wir Ruhetag hatten. Ich kam den Tag auf Ordonnanz beim General und kam in der Stadt in einem Wirtshause aux trois piliers ins Quartier. Ich besah die dortigen Merkwürdigkeiten, wozu die Kirche und die Tapeten -Manufaktur gehörte.
Den folgenden Tag brachen wir mit dem Generale von dort auf, und gingen nach Amiens eine ziemlich hübsche und bedeutende Stadt.
Da es schon etwas näher an der Küste ist, so fanden wir
sehr schöne Austern dort, woran wir uns sehr delektierten, da wir
seit Paris keine gefunden hatten. Ich ging den Tag noch zum Regimente ab, welches auf einem Dorfe dicht bei Amiens stand . Wir gingen darauf nach St. Pol, einem kleinen Städtchen im Departement de pas de Calais. Als wir vor der Stadt waren, kam uns der Maire mit einem Teil der Bürgerschaft festlich gekleidet entgegen . An ihrer Spitze war eine weiſse Fahne, eine Trommel, die ein Invalide rührte, und eine Pfeife machte ihre Musik aus, die
wie die eines Bärenführers klang. Es regnete übrigens wie mit Mulden gegossen, so daſs uns die ganze schöne Rede verloren ging, die der Maire in einem sehr pathetischen Tone anfing, aber das Geprassele des Regens ihn zu vollenden hinderte. Wir zogen unter lautem Jubel des Volks und ganz durchnäſst ein, wurden übrigens
vorzüglich aufgenommen. Gegen Abend ging ich zu Schewens, die bei einem Pastor lagen. Als ich ankam fand ich ihn total betrunken und
er nötigte uns, bei ihm zum Abendbrod zu bleiben.
Wir
bildeten dem guten alten Pfarrer aber ein, wir seien Obrist, Major u. s. w., so daſs er sich nicht genug über unsere Verdienste, so jung zu so hohen Stellen zu gelangen, wundern konnte. Wir setzten ihm herneben alle unsere Kriegsthaten auseinander, so daſs er immer die Hände über den Kopf zusammenschlug, eine Flasche
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nach der andern holte und uns am Ende alle so weit brachte, daſs
wir unsere Erdichtungen selbst anfingen zu glauben. Den andern Morgen brachen wir auf und gingen über Aire, bei St. Omer vorbei, da in der Stadt französische Besatzung war, die uns nicht durchlieſs, in mehreren Märschen in unsere Kantonierung, zwei Stunden von St. Omer in einem Dorfe, was Eperleque hieſs, an.
Es hatte früher zu Flandern gehört, so daſs viele Einwohner nicht französisch, sondern flanderisch sprachen. Es war übrigens nach Art der flanderischen Dörfer sehr weitläuftig gebaut, da ein jeder seinen Acker bei seinem Hause hatte, der Umfang des Dorfes betrug 7 lieues, und es erstreckte sich bis Oreatre. Der Stab, die Jäger und Teil der 1. Schwadron lagen darin . Es war übrigens ein solcher Kot, daſs es fast gar nicht möglich war, zu Fuſs zu einander zu kommen, um so mehr, da alles so weit von einander war.
Wir besuchten uns also meist immer zu Pferde und blieben
gleich die Nacht dort. Der Unterschied im Klima zwischen Paris und dort war übrigens sehr merklich , da hier erst die Bäume an
fingen grün zu werden und dort, wie wir weggingen, alles in Blüte stand .
Wilhelm und ich kamen bei einem Bauern ins Quartier,
der, obgleich reich, voll bösen Willens war und sich durchaus zu nichts verstehen wollte, und uns nicht einmal eine seiner Stuben
gutwillig einräumen wollte, so daſs wir uns gleich den ersten Tag erzärnten , und uns den folgenden trennten. Wir zogen zu Mr. Jacquart, adjoint du maire, der zugleich tonnelier war. Es war ein sehr braver Mann, der uns die ganze Zeit, daſs wir dort gestanden haben, sehr gut aufnahm , und ein niedliches Haus nicht weit vom Platze bewohnte.
Wir standen hier bis ungefähr Mitte Mai, wo
wir in die Gegend von Namur gingen. Unsere Beschäftigung in diesen Kantonierungen war nicht groſs, und wir dachten nur daran, wie wir die Zeit hinbringen und uns amüsieren sollten, um uns etwas für die Beschwerden des Krieges zu entschädigen.
Wir
besuchten uns also untereinander in Eperleque und ritten zu Offizieren von anderen Schwadronen , die aber sehr weitläuftig standen. Der älteste Scheven lag bei einem Pastor, welcher ein höchst jovialer Mann war, und unter vielen anderen Talenten auch das besafs, gerne zu geben und in guter Gesellschaft alles mitzumachen. Hieran fehlte es ihm denn nicht, denn wir besuchten Scheven oft, und
halfen dem Pastor seinen Haut lunsac leeren, den er immer von
St. Omer aus ersetzte, sobald er alle war.
Wenn bei einem andern
Gesellschaft war, so fehlte er auch nicht und nahm mit uns eine Streu vorlieb, wenn es zu spät war, um zu Hause zu reiten. Auf 19*
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Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
diese Art suchten wir unsere Zeit unter verschiedenen Belustigungen so gut wie möglich hinzubringen. Mein Bruder und ich ritten um diese Zeit einmal nach Calais, um den dortigen Hafen zu besehen .
Calais ist eine kleine Festung, welche die Franzosen besetzt hatten . Als wir vor der Stadt ankamen, wollte uns die Wache, nicht herein lassen, bevor wir unsere Waffen abgelegt hatten. Da sie uns trotz unserer Vorstellung, daſs wir in friedlichen Absichten kämen, dennoch
nicht durchlassen wollten, so ging ich zum Kommandanten, um von ihm die Erlaubnis dazu zu erhalten .
Allein auch dieser wollte sich
zu nichts verstehen und sagte, er dürfe nur Offiziere mit ihren Säbeln hereinlassen . Ich suchte ihm verständlich zu machen, daſs
wir auch keine Gemeine, sondern eben die Rechte wie Offiziere hätten, unsere Waffen zu tragen, sie aber am wenigsten vor Fran zosen, wo sie uns nie abgenommen wären , ablegen würden . Der Kommandant, ein General, ward hierüber sehr aufgebracht und sprach von Arretieren u. dergl. Ich ging endlich weg, sehr ärgerlich Als ich berauskam , überlegten wir, daſs es doch eigentlich sehr unglücklich sei, so unverrichteter Sache wieder abziehen zu müssen, und sannen auf einem Plan den Komman
über den dummen Kerl .
danten zu hintergehen. Wir erkundigten uns also zuerst ganz genau nach der Lokalität und erfuhren , daſs wenn wir rechts um die Auſsenwerke herumgingen , wir in den Hafen kommen könnten ohne die Stadt passieren zu müssen . Wir schlugen also nach einem kleinen in dem Wirtshause, wo unsere Pferde standen, eingenommenen Déjeuner dînatoire diesen Weg ein und kamen, indem wir den
Anschein hatten, als besähen wir uns die Umgebungen der Stadt, die freilich sehr kahl und traurig waren , ohne Vorfall bis an die
Schildwacht, die das kleine Thor besetzte, an. Als sie uns anhielt, zeigten wir ihr unser Portepee, und sagten, wir wären blos dort herausgegangen, und wollten jetzt wieder in die Stadt. Sie liels uns hierauf auch ruhig durch und keiner war froher als wir, daſs unsere List so gut gelungen sei.
Wir besahen hierauf den Hafen,
der nicht sehr groſs ist, und nur kleinere Schiffe aufnimmt, und sehr versandet ist, so daſs, wenn die Ebbe eintritt, alle Schiffe auf dem Sande stehen. Rechts ist derselbe durch ein Bollwerk ge schützt, welches 1500 Schritt ins Meer hineingeht, und wo wir bis zu Ende heruntergingen. Links davon liegt ein Fort, welches den Eingang des Hafens schützt und mit einem Leuchturm versehen ist. Alle Schiffe waren abgetakelt und nur das Packetbot im Gange. In weiter Ferne sieht man bläulich die englische Küste schimmern . Einwohner versicherten mir aber, daſs man bei recht klarem Wetter
strelitzschen Husaren - Regiment V. v. 0. 1813–1815 .
285
durch einem Fernglase die Leute am Ufer könnte gehen sehen. Ein ganz eigenes Gefühl erregte bei uns der Anblick des Meeres, welches ich und mehrere von unser Gesellschaft zum ersten Male
Ich überlieſs mich lange dem Anblick desselben ohne müde zu werden an diesem immerwährendem Wogen und Tosen zuzu sehen . Nachdem wir uns gehörig umgesehen hatten, gingen wir in den ersten Gasthof, der wegen seiner Gröſse und Güte sehr
sahen .
berühmt ist, und nahmen ein köstliches Mittagsmahl mit Kamptz zusammen ein, den wir dort trafen .
Nach Tische gingen wir noch einmal in den Hafen, um ihn bei der eben eingetretenen Ebbe zu besehen . Es gewährte wirklich einen sonderbaren Anblick diese Schiffe auf dem Sande stehen zu sehen .
Sie lagen zum Teil so schief, daſs man hätte glauben sollen,
sie müſsten mit jedem Augenblicke umfallen, allein ihr Kiel hatte sich zu fest in den Sand gesogen . Es war Abend, als wir zurück kehrten, und wir überlieſsen uns um so mehr des erquickenden
Schlafes, da wir den Morgen früh wegreiten wollten . Indes ver schliefen wir etwas die Zeit, und lieſsen es uns noch bis Mittag in
Calais gefallen, wo wir unsere Rückreise antraten . Jetzt erst fing die Luft an etwas milde zu werden, die Seeluft webete dort so strenge, daſs obgleich, als wir von Paris weggingen, alle Bäume blüten, sie als wir bei Calais ankamen, kaum anfingen zu grünen , und während der ganzen Zeit, daſs wir dort standen,
es fast ununterbrochen regnete. In der Zeit, daſs wir dort standen, kam der König Ludwig XVIII in Calais an. Dies war ein groſses Fest und alle Kanonen wurden in der Festung gelöset. Einige Tage
vorher ging der General Maison, der in Lille stand , dorthin, um ihn zu empfangen . Ich begegnete auf einem Ritt nach Ardais einen Offizier und ein Kommando von der Chasseur garde, welches voraus ging. Ich lieſs mich mit dem Offizier in ein Gespräch ein und fragte ihn, ob es ihnen nicht auch recht lieb, daſs alles so beendigt wäre. O ja, antwortete er in einem ziemlich gleichgültigen Tone ; 1
aber es ist vielleicht noch nicht alles vorbei.
Ich merkte also
ungefähr, wes Geistes Kind er war, und fragte: bat Lille die weiſse Fahne aufgesteckt ? ? Les circonstances l'ont voulu, war seine Antwort. Hiernach hatte ich aber keine besondere Lust mich weiter
mit ihm zu unterhalten, wünschte ihm eine glückliche Reise und empfahl mich .
Wir standen bis Mitte Mai hier, und gingen dann über Aire, Bethune bei Douai und Valenciennes vorbei, Genappe in die Gegend von Namur. Den ersten Marsch machten wir bis in die Gegend von
286
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers im mecklenburg
Aire, wo der Commandeur der Jäger Lieutenant v. Langermann bei einem Baron lag, der mich und meinem Bruder, da letzterer zu
fällig hinkam , zum Abend bat, und uns sehr freundlich aufnahm . Er hatte einen Sohn , der ohngefähr in unserem Alter war, unter der Garde d'honneur gedient hatte, aber nicht weiter wie Paris
gekommen war . In Bethune hatten wir Ruhetag, wo der Rittmeister Scheven aus seiner Gefangenschaft zu uns kam, und sehr über seine
ausgestandenen Leiden klagte. Bei Douai gingen wir vorbei, da uns die Franzosen, die es besetzt hielten, nicht durchlassen wollten .
Wir sahen noch überall Spuren der Überschwemmung, welche die Franzosen durch Zumachen der Schleusen bewirkt hatten , so daſs
man sich, ehe sie es abgelassen hatten, auf 3000 Schritt der Festung nicht nähern konnte. Eben so ging es uns bei Valenciennes, wo wir in einem wunderschönen Dorfe an der groſsen Straſse lagen . Ich
lag bei einem Bauern, der, obgleich er sich in seinen Manieren nicht über seinen Stand erhob, besser lebte, wie mancher Edelmann .
Fünf bis sechs Schüsseln, drei Sorten Wein machten das Mittag Dabei hatte er die gröſste und ungestaltetste Nase, die ich je gesehen hatte, rot an Farbe, und daneben schien sie äuſserst fruchtbar zu sein. Indes lieſsen wir es uns zwei Tage bei ihm ge
essen aus .
fallen. Wir gingen den Ruhetag auf ein benachbartes Dorf, um die
dortigen Kohlenbergwerke, die sehr häufig in der Gegend sind, zu besehen .
Bei Genappe standen wir in einem Dorfe dicht dabei, Glabais und hielten Rubetag daselbst. Von da aus gingen wir in unsere
Kantonierung zwischen Tirlemont, wo das Brigadequartier war, und Namur, ohnweit Judoigne einem kleinem Städtchen . Der Stab stand Die Jäger in Huppage ganz allein . Langermann lag beim Maire, einen reichen und ziemlich anständigen in Gauche einem Flecken.
Mann, der zwei recht hübsche Töchter hatte, denen von mehreren
stark der Hof gemacht wurde. Ich lag bei einem Fermier, der auch reich war, und uns recht gut bewirtete. Da wir hier nichts zu thun hatten, so führten wir ein ziemlich nichtsnutziges Leben . Wir veranstalteten wechselseitig Trinkgelage, wo immer eines aus dem andern hervorging und nicht selten die aufgehende Sonne uns beim
Spiel traf. Übrigens waren wir höchst vergnügt dabei und lebten sehr zufrieden und nichts störte uns. Ich machte auch oft Ausflüge zu anderen Schwadronen, und nahm an allen kleinen Festen Teil.
Bei Gelegenheit der Ankunft seines jüngsten Bruders gab uns Scheven, der damals bei der 4. Escadron stand, ein sehr glänzendes Diner, welches damit endete, daſs der Herr Bruder untern Tisch kam , und
strelitzschen Husaren -Regiment V. v. 0. 1813–1815.
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wir alle sehr lustig wurden. Mein Brader, ich und einige andere gingen einmals spazieren und kamen ohne es zu wollen bis Judoigne. Wir kehrten also in einem Wirtshause, aus welchem wir zu unsern
Gelagen schon einige Male hatten Wein holen lassen, ein , um ein kleines Rafraichissement einzunehmen .
Wie es zum Bezahlen kam ,
hatte Niemand Geld bei sich, und wir hatten uns im eigentlichen Sinne des Wortes festgetrunken . Die Wirtin sagte uns aber, daſs alles in ihrem Hause und sie selbst, wenn sie jünger wäre, zu Diensten stände. Wir dankten sehr für letzteres, denn sie war ein häſslich, dickes, altes Weib, und zogen froh über unseren Kredit von dannen. Den anderen Morgen erhielt sie den Betrag unserer Rechnung. So führten wir nun unser Leben täglich fast fort und eilten, um uns die Zeit zu vertreiben, denn wir hatten nichts oder wenig zu thun von einem Vergnügen zum anderen , um so mehr da wir alle Tage den Befehl zu Hause zu gehen erwarteten. Am Abend war ein kleines Trinkgelag bei einem oder dem anderen, welches um so leichter war, da alles einen sehr niedrigen Preis hatte.
Endlich am 6. Juni kam der längst ersehnte Befehl, daſs wir
zu Hause gehen sollten. Ich und mein Bruder waren gerade in Gauche beim Major Graevenitz als der Befehl kam .
Da
seine
Phantasie durch Wein etwas erhitzt war, welches ihm öfters
begegnete, so fragte er uns was wir thun würden. Zu Hause gehen, sagte ich ihm, denn ich glaubte meine Bestimmung als Soldat jetzt erfüllt zu haben, und halte es für meine Pflicht, meiner früheren
sobald wie möglich wieder nachzugehen , ohne Zeit zu verlieren . Dies habe ich nicht geglaubt, antwortete er, ich hoffte immer, daſs Sie, meine Herren, die ersten sein würden, die, da sie so lange alles mit uns geteilt haben , auch ferner hier bleiben würden. Nun setzte er noch mehreres hinzu, um uns zur entgegengesetzten Meinung
zu bewegen , da er aber sah, daſs wir fest bei unserem Beschluſs blieben , ich ihn weil mich seine Redensarten zum Teil ärgerten , ganz
kurz fragte, ob er noch was zu befehlen babe, so sagte er : Gut, ich werde Stimmen sammeln , sind die Meisten fürs zu Hause gehen, kann ich sie nicht halten , ist aber das Gegenteil, so bleiben sie eben. Ich werde morgen so sprechen wie heute, antwortete ich, und ging heraus, nicht wenig aufgebracht über die Gemeinheit,
womit der Major, um seiner Eitelkeit zu fröhnen, uns bewegen wollte, dort zu bleiben . Mein Entschluſs ward dadurch nur fester gemacht. Den folgenden Tag lieſs er das Detachement zusammen kommen, hielt uns eine Rede, worin er uns zu überreden suchte, den
Abgang des Regiments abzuwarten. Endlich schloſs er damit, daſs
Aus dem Tagebuche des freiwilligen Jägers V. v. 0.
288
er diejenigen, die hier zu bleiben wünschten, vorzureiten bäte. Auſser zwei oder drei, die noch Geschäfte mit dem Obrist, der in
London war, abzumachen hatten, blieben alle halten. Es that mir dieses sehr leid, indes werden sie die näheren Befehle darüber ab
warten , sagte er und ritt fort. Ich hatte für meine Halsstarrigkeit Arrest, worüber ich sehr lachte und der dadurch, daſs wir den
folgenden Tag marschierten, aufgehoben wurde. Wir gingen über St. Tron nach Lüttich , wo wir, während wir in der Stadt standen,
die Nachricht bekamen, daſs wir den folgenden Tag vom Regiment abgehen würden, welches in die Gegend von Luxemburg marschierte.
Hiermit schlieſsen wir die Wiedergabe des vorliegenden Tage buches ab.
In demselben erzählt der Verfasser noch unter An
führung der einzelnen Marschziele u. s. w., wie er am 20. Juli, mit dem Eisernen Kreuz geschmückt, wieder auf dem elterlichen Gute eintraf und im Herbste des Jahres 1814 zur Vollendung seiner Studien zur Universität nach Halle ging. Als dann Napoleon von Elba aus nach Frankreich zurückkehrte und der Krieg von Neuem begann, duldete es unseren Verfasser auch nicht lange bei den Büchern. Es gelang ihm nach einigem Bemühen am 15. Juni 1815 bei dem brandenburgischen Dragoner-Regiment als Sekonde Lieutenant angestellt zu werden . Am 21. Juni begab er sich zu Pferde von Berlin aus zu seinem vor dem Feinde stehenden Regimente. Wie er dasselbe nach langem Reisemarsche am 2. August bei Pré
inontré unweit La Fère erreichte, erzählt der Schluſsteil des Tage buches, dem aber begreiflicherweise ein allgemeineres Interesse nicht innewohnt.
XVII.
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808
in Spanien -Portugal. In einem ersten Aufsatze unter derselben Überschrift haben
wir nachzuweisen versucht, daſs die Unterführung Napoleons nicht
im Stande war, die Gesamtlage zu übersehen, des Kaisers Pläne zu begreifen und auszuführen. In diesen Zeilen wenden wir uns dem ja verhältnismäſsig kleinen Zeitabschnitte zu , während dessen Napo leon selbst auf dem Kriegsschauplatze die Oberleitung in die Hand nahm , um zwar dem ganzen Charakter der Kriegführung einen
anderen Stempel aufzudrücken, und dennoch das Gewollte nicht voll zu erreichen . Versagt auch hier zuweilen die Unterführung , so kann man den Kaiser nicht immer davon freisprechen , daſs die von ihm gegebenen Weisungen für das Verständnis seiner Generale, über welches er doch aufgeklärt sein muſste, nicht ausreichten und damit Fehler hervorriefen, die vermieden werden konnten.
Der Verlauf der Dinge in Spanien befriedigte Napoleon , wie wir aus seinem Schreiben an Joseph wissen, keineswegs; die Unter
werfung des Landes unter den Willen des Franzosenkaisers hatte sich nicht mit der erhofften Schnelligkeit vollzogen , war vielmehr zweifelhafter denn je geworden. Andererseits wurden in Österreich Neuerungen auf dem Gebiete des Heerwesens vollzogen, welche geeignet waren , die Wehrkraft des Landes im Bedarfsfalle bedeutend
zu verstärken , und Napoleons Beachtung nicht entgehen konnten. Zweifellos hat er die Frage erwägen müssen, ob man in Österreich nicht beabsichtige, in Verbindung mit dem tief verletzten Preuſsen, von der vermehrten Kraft dann Gebrauch zu machen , wenn er einen
groſsen Teil seiner Streitmacht gegen Engländer, Spanier und Portu giesen auf der iberischen Halbinsel eingesetzt habe, um so mehr als der österreichische Gesandte in Paris auf das Ersuchen um
290
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien - Portugal.
Auskunft über die Landwehr- Institution erwiderte, daſs man in
Bayern mit Genehmigung der französischen Regierung Ähnliches eingeführt habe. Deckung des Rückens gegen Deutschland beschloſs Napoleon durch die Bereitstellung der durch 100,000 Franzosen unterstützten umfangreichen Rheinbundstruppen einerseits, anderer seits durch eine Verbindung mit Russland zu bewirken , dessen Herrscher nach Tilsit eine Annäherung versucht, in der jüngsten
Zeit, nach langem Zögern auf Caulaincourts Drängen Joseph als König von Spanien anerkannt hatte . Iwan Golowine in seiner » Histoire d'Alexandre I. « sagt zwar, daſs Alexander I. die Zusammen
kunft zu Erfurt dringend erbeten habe (p. 84 : Il (Alexandre) de mande avec instance une entrevue avec Napoléon) und zwar , um
dort die Genehmigung seiner Absichten auf Konstantinopel vom Franzosenkaiser zu erhalten, geschichtlich steht jedoch fest, daſs der Wunsch bei Napoleon ein mindestens ebenso lebhafter gewesen ist, was auch natürlich erscheint, da ja eine Verschiebung des Schwer punktes der Kräfte von der Weichsel an den Ebro stattfinden sollte
und zur Verstärkung des Gegengewichts gegen Österreich -Preuſsen nur Russland in Frage kommen konnte.
In Erfurt trafen die
Monarchen am 27. September zusammen , zehntägige Verhandlungen brachten Napoleon zu der Überzeugung , daſs sein Rücken gegen Deutschland gesichert, das Zustandekommen der Allianz Österreich Preuſsen - Russland nicht zu fürchten sei .
Napoleon kehrte am 18. Oktober nach Paris zurück, eine Ver fügung vom 11. September 1808 hatte schon vorher vom Senat zwei
neue Aushebungen verlangt. Die erste erstreckte sich auf die Jahrgänge 1806-1809 und lieferte 80,000 Mann » destinés à remplacer les véterans envoyés en Espagne «, die zweite auf den Jahrgang 1810, sie lieferte ebenfalls 80,000 Köpfe, die den Depots in Frankreich überwiesen
wurden .
Nach Eröffnung des Corps legislatif am
24. Oktober reiste Napoleon nach Bayonne ab, wo er am 3. Novem ber eintraf.
Mathieu Dumas giebt in seiner Übersetzung ( verbessert) der Geschichte des Halbinselkrieges von Napier folgende Kräftezusammen stellung für den 1. Oktober nach einem von Berthier unter schriebenen Rapport :
Stärkenachweisung der französischen Armee (genannt I. Teil der spanischen Armee 1. Oktober 1808) Hauptquartier Vittoria .
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
291
Oberkommandierender : König Joseph . Stabschef General Jourdan. Unter den Waffen, die Offiziere mitgerechnet:
Division der Garde (General Dorsenne)
Mann
Pferde
2,423
786
5,417
944
15,595 13,756 22,640
2,923 2,417 3,132
8,476
1,458
20,005
5,196
6,042
261
10,142 4,027 1,434 109,957
1,638
Teile der Garde ( Reserve-Kavallerie, Gen darmes u. s. w.)
Corps Bessières Corps Ney Moncey und Garnison von Pampluna Garnisonen v . Vittoria , Bilbao, San Sebastian,
Tolosa, Villa -Real, Yrun, Bergera u . s . w. Disponible Truppen in Bayonne und Gegend oder im Marsch auf diese Stadt, General Drouot
Mobile Kolonnen zur Verteidigung der Grenze von Bayonne bis Bellegarde . In Catalonien unter Duhesme
In Fort Fernando- Figueiras Division Chabot .
557
19,312
(Und dies zu einer Zeit, wo die Informationen der Central-Junta
die Stärke der Franzosen auf nicht mehr als höchstens 45,000 Mann aller Waffen angeben .) II. Teil der spanischen Armee : Mann
Victor (I. Corps) Mortier (V. Corps) . Verstärkungen für Ney (VI. Corps ).
Pferde
29,547
5,552
24,405 22,694
3,495 3,945
Infanterie der Garde des Vicekönigs von
Spanien . Kavallerie der Garde des Vicekönigs von Spanien 1. Dragoner -Division
2. Dragoner - Division 3. Dragoner -Division 4. Dragoner - Division
.
.
5. Dragoner- Division Division Sebastiani
5. Dragoner-Regiment. Deutsche Division .
1,213 456
551
3,695
3,994
2,940
3,069
2,020 3,101 2,903 5,808
2,238 3,316 3,068
6,067
185 531 381
105,405
30,325
556
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien - Portugal.
292
Polnische Division . Holländische Brigade
Mann
Pferde
105,405
30,325
6,818
Westfälische Chevaulegers Division Souham Division Pino
2,280
751
522
559
7,259 6,803 664
24. Dragoner-Regiment
731
Chasseurs royaux italiens
560
512
Italienische Dragons de Napoleon Artillerie u. Genie auf Marsch von Perpignan
500
474
1,706
1,430
132,517
34,782
Beide Teile zusammen ergaben 242,474 Mann, 54,094 Pferde.
Es dürfte zweckmäſsig erscheinen , derselben Quelle auch noch eine weitere Stärkenachweisung und zwar vom 10. Oktober zu entnehmen , einesteils weil dieselbe auch im Groſsen und Ganzen
eine Ordre de bataille der in Spanien verwendeten Streitkräfte Napoleons giebt , andernteils um durch eine doch wohl als amtlich
(da von Berthier unterschriebene) anzusehende Quelle den Angaben entgegenzutreten , welche die verfügbaren Truppen Napoleons weit niedriger beziffern . Verfügbar Mann
I. Corps ( Victor) 28,797 II. Corps (Bessières) 20,093 III. Corps (Moncey) 18,867 IV. Corps (Lefèbre) V. Corps (Mortier) traf später ein
Pferde
5,615
22,859
3,219 3,186 2,410
24,552
Entsendet Mann
2,201 219 7,394 1,199 11,082 2,472 955
40
3,833
188
6
29,568 6. Corps (Ney) 7. Corps (Saint Cyr) 35,657
4,304 5,254
3,381
257
1,302
198
8. Corps (Junot) traf später ein
2,247
2,137
1
34,924 23,604
3,533
733
1,463
256
208
958
107
477
107
Reserve
19,059
Laz.
Gef.
Im Ganzen Mann
Plerde
2,939
33,937
1,971
2 26,713
Pterde
5,834 5,536 30 33,053 4,418 7,522 219 37,690 5,658 2,170 25,984 2,450
3,839
5,051 33 38,033 4,571 4,948 200 42,107 5,452 3,528 1,006 25,730
2,248
3,553 392 42,382 24,337
1. Husaren und
1,424 27. Chasseur -Regt. Art. u. Ing. im Marsch " 3,446 an Deutschland
74
1,754
1,671
3,553
958
8,860
477
Mobile Kolonnen zur
Grenzverteidigung
8,588
-
146
19
247,834 55,570 32,643 5,333 37,438 1,901 321,786 61,913
Napoleon traf am 3. November in Bayonne ein, schon vor diesem Tage hatten seitens seiner Marschälle Bewegungen statt gefunden, die seinem Wunsche nicht entsprachen. Ehe wir uns
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
293
jedoch diesen zuwenden , mögen einige Worte auf die damaligen Verhältnisse der Leitung der Verteidigung Spaniens hinweisen. In Spanien hatte man als oberste Exekutivgewalt eine Central Janta erwählt.
Eine solche hätte von Nutzen sein können , wenn
ein überlegener Kopf an der Spitze gestanden hätte. Das war leider nicht der Fall. Zudem versprach die ganze Zusammensetzung der An Stelle von Deputierten wurden durch die eigenen Genossen gewählte Mitglieder der Provinzial Junten in die Central -Junta entsendet und ihre Vollmachten mög lichst beschränkt, damit die Provinzial - Junten einen möglichst groſsen
Central - Junta nichts Gutes.
Anteil an der Regierung von Spanien behielten. In ihren Bezirken
bewahrten dieselben volle Selbstständigkeit. Bei der Central - Junta vermochten es die vereinten Bemühungen der Diplomaten Stuart und Bentinck , trotzdem England nicht allein 200,000 Gewehre , Be
kleidung , Munition und 10 Millionen Dollars , sondern doch auch picht zu verachtende Hülfscorps zur Verfügung stellte , nicht einmal die Wahl eines Oberkommandiernden durchzusetzen ; die
spanischen Truppen blieben von Allem entblöſst. Nach langem Überlegen trat in der Central- Junta der Gedanke auf, an Stelle eines Oberfeldherrn einen Kriegsrat zu wählen, der die militärischen
Operationen leiten sollte. Als dann einige Einwendungen gemacht wurden , schob man auch diesen Plan mit der charakteristischen
Redensart wieder hinaus que lorsque l'ennemi serait chassé hors de la frontière, Castannos aurait le loisir de prendre son siège.«
Der Gedanke an eine Niederlage, an einen Miſserfolg kam über haupt nicht auf. Die Regierung zeigte weder Furcht, noch Thätig keit , noch Voraussicht; sie war zufrieden damit , das Volk zu
täuschen, und dieses, getäuscht zu werden. Wir kommen auf die Kopflosigkeit, Zerfahrenheit und das Vorherrschen persönlicher In teressen sowie die nutzlosen Zänkereien der Central -Junta noch zurück . Hier sei zunächst hervorgehoben , daſs das Verfahren des englischen Kabinetts in Bezug auf Spanien sich in mancher Be ziehung nicht über dasjenige der Central - Junta erhob. Vor dem 25. September findet sich keine Spur eines überlegten Planes für die Generale in Portugal und der um diese Zeit entworfene zeigt keine Kenntnis von den Verhältnissen beim Gegner und eigentlich
auch keine Winke für die Operationen .
Das englische Kabinett
muſs in der That eine merkwürdige Vorstellung von der Thatkraft und dem Feldherrntalente Napoleons gehabt haben . Erst am 6. Oktober wurde eine Depesche (Dépèche de Lord Castlereagh,
Papiers du Parlament) nach Lissabon geschickt, die eine Art Feld
294
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
zugsplan enthielt.
30,000 Mann Infanterie und 3000 Reiter sollten
im Norden Spaniens verwendet werden , 10,000 aus England kommen, 20,000 der Armee in Portugal entnommen werden . Der General lieutenant Sir John Moore war zur Übernahme des Befehles be
stimmt. Ihm blieb es überlassen , die Vereinigung dieser Streitkräfte
entweder durch einen Marsch die Küsten Portugals entlang oder quer durch das Land zu bewirken . Er wählte den letzteren , weil die vorgeschrittene Jabreszeit den ersteren sehr beschwerlich machte,
weil Sir Hew. Dalrymple (dessen Heerteil nach Napier am 1. Oktober, Hauptquartier Benefica, 29,171 Mann aller Waffen zählte) den Plan hatte, über Almeida in Spanien einzudringen , weil die Provinz
Galicien kaum im Stande war , für die aus England kommenden Truppen des Generals Sir David Baird (die in der Stärke von 11,069 Mann, ohne Kavallerie am 13. Oktober vor La Coruña an
langten, am 29. Oktober dort ausgeschifft wurden) mit dem Nötigsten zu versorgen. General Moore sollte sofort den Feldzag beginnen ,
in Galicien oder auf der Grenze von Leon einen Vereinigungspunkt für die ihm unterstellte Armee bestimmen , das Weitere sollte dann
mit den spanischen Generalen beraten werden.
Der Mangel ein
heitlicher Leitung sollte sich bald rächen , der Feind führte seine ersten Schläge, ehe überhaupt auf Seiten der Verteidigung ein Plan vereinbart war.
General John Moore entwickelte zweifellos eine
ungewöhnliche Thatkraft, die umsomehr Anerkennung verdient, als seine Regierung ihm nicht einmal angegeben, mit wem er in Spanien in Verbindung treten könne , ein Oberkommandierender dort nicht bestand , Moore ohne Geld und in einem Lande war , das an sich
arm, die Requisitionen des Gegners lange ertragen hatte, als es galt
eine undisziplinierte und zusammengewürfelte Armee zu organisieren, und auf Beihilfe der Central-Junta in Madrid nicht gehofft werden
durfte. Eine ganze Reihe von Briefen Moores an Stuart, Bentinck an Castlereagh u . s. w. beweisen, daſs die spanischen Junten kaum die Lebensmittel zu liefern sich bewegen lieſsen . Moore sowohl wie der in Coruña landende General Baird haben dauernd an Geldmangel
gelitten. Dazu kam, daſs Moores Überzeugung nach England, sollte ein Erfolg erzielt werden , mindestens 60,000 Mann einsetzen muſste
und , wie dies eine Aufstellung des Herzogs von York aus dieser Zeit darthut, auch konnte , daſs die Kurzsichtigkeit der Leitung in
Spanien , sich nicht entblödete , ihm ebenso wie dem spanischen Volke vorzureden , sein Marsch an den Ebro werde durch mindestens
190,000 Mann brauchbarer Truppen gedeckt (während kaum auf die Hälfte zu rechnen war). Die französischen Streitkräfte erreichten
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
295
dagegen kaum le dieser Zahl.
Am 26. Oktober, 20 Tage nach Eingang der Depesche, waren die Truppen Moores in Marsch , die Artillerie, der schlechten Wege nördlich des Tajo wegen , über Talaveyra de la Reyna auf dem südlichen Tajo -Ufer. Der Rest der Armee marschierte in drei Kolonnen über Alcantara , Abrantes,
Coimbra mit der allgemeinen Richtung auf Almeida und Ciudad Rodrigo. Erst drei Tage nach dem Abmarsch des Moore'schen
Heerteiles von Lissabon beziehungsweise Gegend wurde dem seit dem 13. Oktober vor Coruña liegenden General Baird gestattet, seine Truppen auszuschiffen . Dann lieſs ihn die Junta vor Coruña sowie die Central - Junta ohne Geld , ohne Transportmittel, ohne Verpflegung - und das zu einem Zeitpunkte, wo es wahrlich darauf ankam , die Kräfte möglichst bald zu sammeln und an den Feind zu bringen , wenn auch nur die mindeste Aussicht selbst auf Teil erfolge bleiben sollte. Die lokalen Behörden erwiesen sich den
Anordnungen Baird's gegenüber geradezu feindlich, erst am 12. No vember konnte er Coruña verlassen, und trotz schleunigsten Marsches der drei Kolonnen Moore's, die am 18. November bei Almeida ver
sammelt waren , durfte man , da Baird und die Artillerie fehlten, auf den Einsatz gröſserer Abteilungen vor Ende November nicht rechnen. Thatsächlich gestalteten sich die Dinge noch schlimmer. Die Thatkraft der Junten ist durch das Gesagte wohl genugsam beleuchtet.
Die Ordre de bataille des Heerteiles Moore's finden wir in
Napier folgendermaſsen verzeichnet: 2. Div. (Generall. Hope)
1. Brig. 2. Brig. 3. Brig. 4 Bat.
3 Bat.
3 Bat.
3. Div. (Generall. Feaser) 1. Div. (Generall, Baird) 1. Brig. 2. Brig. 1. Brig. 2. Brig. 3. Brig. 4 Bat.
3 Bat.
2 Bat.
3 Bat.
3 Bat.
2. Flanken - Brig. (Deutsche)
Reserve
1. Flanken -Brig.
2 Bataillone.
1. Brigade. 2. Brigade. 3 Bataillone. 2 Bataillone.
3 Bataillone
Kavallerie
Artillerie (11. Brig .)
1. Brigade. 2. Brigade .
66 Geschütze, davon 42 bei den Div., der Rest- Reserve.
3 Regt. 2 Regt. Gesamtstärke 25,858 Mann, darunter 2278 Reiter.
Nachdem so der Zuwachs , der an englischen Truppen der spanischen Verteidigungskräfte zuging, und das Verfahren der Junten näher beleuchtet worden , wenden wir uns der Darstellung der Lage zu , in welche die groſse Armee Napoleons , mächtig die selbe verändernd, eingriff. Wir haben in unserem ersten Aufsatze des abenteuerlichen
Planes des Königs Joseph gedacht, den der wiederholte Tadel
296
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
Napoleons über das vollständig defensive Verfahren reifen lieſs, und ebenso des Verwerfens dieses Planes durch den Kaiser.
Die
Bemerkungen , die Napoleon am 8. September an Berthier erlieſs und neue Weisungen für Joseph, zwangen den letzteren zu einer anderen Verteilung seiner Streitkräfte. Nach dem » Journal des opérations du Roi« standen am 18. September:
Rechter Flügel : Bessières. 3 Divisionen Infanterie vorwärts Pancorbo,
Briviesca, Santa Maria und Cuba.
Kampffähige 15,595
Die leichte Kavallerie nördlich Burgos. Mitte : Ney . Kampffähige 13,556 bei Logroño, Nalda und Najera. Linker Flügel: Moncey.
Bei Milagro, Lodosa, Caparoso, Alfaro. Diesem Heerteil unterstand auch die Garnison von
Kampffähige 16,636
Pampluna .
Reserve des Königs. General Saligny 5410
1 .
Bei Miranda , Haround
Garde-Division Dorsenne 2423
}
7833
{
Puente Lara.
Garnisonen von Pampluna und Bilbao 7504. Verteilt auf kleine Garnisonen und mobile
General Legrange 6979
Kolonnen, welche die Straſsen nach Bis caya , Alava und Guipuzcoa sicherten.
Groſse Reserve : General Drouet. Mobile Kolonnen und
Hauptkräfte bei Bayonne und die nach Navarra führende Pyrenäen-Straſse be
Besatzungen 21,929
obachtend .
Im Ganzen 90,812 Mann , mit den Truppen in Catalonien ( 10,000 unter Duhesmes).
Die Verbindungen waren so gesichert , die festen Plätze mit Garnisonen versehen ( Tudela allerdings nicht, wie Napoleon verlangt
mit Besatzung versehen, der rechte Flügel wurde durch den Aragon gedeckt) dabei blieben von Bilbao bis Alfaro noch über 50,000 Mann zu Operationen verfügbar. drei Heerteile gegenüber :
Spanischerseits standen diesen Kräften
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
297
Die Armee des rechten Flügels aus den Divisionen Saint Marc und O'Neil ..
17,500 M. Inf. 500 Reit. 24 Gesch.
Die Armee des Centrums, Divi
sionen La Pena, Llamas, Caro
26,000 »>
» 1300
30,000 >
100
»
36
Die Armee des linken Flügels, ausschlieſslich Galicien .
.
26
Im Ganzen in 1. Linie 73,500 M. Inf.1900 Reit. 86 Gesch . In 2. Linie standen :
Die Streitkräfte Castiliens bei Segovia
12,000 Mann
Die Streitkräfte Estremaduras bei Talavera 13,000 2 andalusische Divisionen in der Mancha 14,000 Die Asturier (bei Llanes) nominell 18,000
.
(Belvedère)
57,000 Mann.
Diese verschiedenen Zusammenstellungen als Durchschnittsstärke
entnommenen Angaben zeigen deutlich die Übertreibung der spanischen Behörden , die allein 190,000 Mann am Ebro haben wollten , während
nach Abzug der Kranken u. s. w. in erster Linie kaum 60,000 Mann verfügbar blieben . Der rechte Flügel unter Palafox hielt den Strich
zwischen Saragossa und Sanguessa besetzt, im Centrum Castannos Borja, Taranzona und Ajado, links Blake Reynosa und Umgebung .
Die Entwicklung der spanischen Heerteile kann nur eine höchst unglückliche genannt werden.
Die Ausdehnung ihrer Front von
Saragossa bis Reynosa war die Doppelte der Entfernung Bayonne Vittoria , die groſse Reserve Drouet's bei Bayonne konnte von Joseph eher zur Unterstützung herangezogen werden, als die beiden Flügel der spanischen Kräfte zu vereinigen waren . Die Spanier , in mehrere
Heerteile . unter selbstständigen , dabei ohne gemeinsamen Plan handelnden Führern zersplittert , operierten getrennt und auf zwei Operationslinien gegen einen besser geschulten , besser organisierten und von erfahreneren Generalen geleiteten Gegner , den eine über legene Reiterei, die festen Plätze Bayonne , San Sebastian und Pampluna eine gröſsere Freiheit der Handlung gaben und der zu dem über die gröſsere Zahl verfügte. Während Joseph im Stande war, in 3 Tagen auf einen der Flügel 30,000 Mann zu vereinigen , war es den Spaniern unmöglich an irgend einem Punkt mit ge
nügender Überlegenheit aufzutreten, wie es doch namentlich der Angriff, der ja ihr Ziel sein sollte, vor Allem verlangt hätte.
Am 17. September begann Blake, dessen Heerteil in 6 Divisionen zu je 5000 Mann gegliedert war, eine Division zur Deckung der Flanke gegen Burgos abzweigend, ohne über die nötigen Magazine Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine. Bd . LXVI., 3.
20
298
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
zu verfügen , den Vormarsch mit je 1 Division auf Traspadana, Frias, Medina, Erran beziehungsweise mit einer fünften Division auf Villarcayo, um die Verbindung mit . Reynosa zu sichern. Zugleich gingen 8000 Asturier aus dem Lager von Llanes gegen Santander vor. Blake war über den Gegner gar nicht unterrichtet, hatte keinen anderen Plan, als den, Kontributionen in Biscaya und Guipuzcoa einzutreiben, besaſs für jedes Geschütz nicht mehr als 60 Schuſs,
1
für die Truppen keine Mäntel, für Viele nicht einmal Schuhe, und war mit dem Ernst des Krieges so wenig vertraut, daſs er auf den Verpflegungsvorrat einer von den Küsten kreuzenden englischen Fregatte rechpete ( Briefe des General Broderick). Um den Aufstand bis nach Gnipuzcoa auszudehen , entsendete Blake seine 4. Division unter Portargo zum Angriff der schwachen Besatzung von Bilbao
(Monthion). Joseph entsendete den General Merlin zur Unterstützung Bilbao's durch das Thal von Durango, eine Brigade durch das Orduña - Thal zum Flankenstoſs gegen Portargo und befahl Bessières zu spät gegen Frias zu demonstrieren Portargo hatte sich
Bilbaos bemächtigt. Monthion ging am 20. auf Durango, Bessières auf Miranda, Hara und Puente Lara zurück, nachdem die Befestigungen von Burgos zerstört worden waren .
Joseph zog seine Reserve bei
Vittoria zusammen , Ney gelangte durch einen schnellen Rechts abmarsch am 26. nach Bilbao . Portargo wurde von der 3. Division Blake's, der mit dem rechten Flügel bei Frias, dem Centrum bei
Quincoes, dem linken Flügel bei Valmaceda stand, am letzteren Orte aufgenommen . Blake wartete in dieser Stellung das Herannahen der durch das Thal von Villarcayo heranmarschierenden Asturier ab. Unterdessen war nach einem am 5. September in einem zu
Madrid gehaltenen Kriegsrate entworfenen Operationsplan, bei dem Alles mehr als das, was der Feind thun konnte, in Rechnung kam, die Division O'Neil der rechten Flügel -Armee auf Sanguessa vor
gezogen , aber geworfen worden. Die Armee von Castilien näherte sich anf der Straſse nach Soria dem Ebro.
Die Division La Penna
hielt Logroño, Nalda und Najera besetzt, Llanes und Caro Corella, Casiante und Calahorra .
Moncey nahm in der Linie Paſs von
Sanguessa-Falces-Estella eine neue Stellung. Ney beliefs 3000 Mann (Merlin) in Bilbao, ging auf Logroño vor, fand dasselbe besetzt und nahm bei Guardia (5. Oktober) eine Bereitschaftsstellung. ( Journ . des opérations du Roi.) Joseph und Bessières brachen am 4. Oktober von Miranda auf, glaubten Blake in erneutem Vormarsch auf Bilbao und gingen zum Flankenstoſs auf Lodio vor. Am 7. gingen sie auf 7
Murquia zurück, lieſsen dort zur Verbindung mit Bilbao die Division
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
299
Merle und setzten mit der Division Mouton die rückgängige Be wegung auf Miranda fort. Blake liefs am 12. eine Division in Orduna and griff mit 15,000 Mann Bilbao an . Merlin geht quer durch das Durango - Thal zurück , findet bei Zornosa durch 6 Bataillone
der Reserve unter Verdier Aufnahme und stellt den Gegner. Jetzt machten sich die Teten der groſsen Armee Napoleons bemerkbar, die Division Leval geht auf Durango vor, Sebastiani nimmt bei Murquia Merle auf, Verdier kehrt nach Vittoria zurück . Lefebre übernimmt den Befehl über die bei Durango vorhandenen 3 Divisionen .
Auf Seiten der Spanier war die Division Romana am 9. in Santander ausgeschifft und ihre Infanterie, 8000 Mann , näherte sich in kleinen Märschen Blake.
Die Armee von Asturien machte bei Villarcayo
Halt, die von Estremadura unter Belvedere begann den Vormarsch von Talavera, die Castilianer näherten sich dem Ebro, die 1. und 3. Division der andalusischen Armee brachen aus der Mancha vor,
Castannos verliefs Madrid in der Richtung auf Tudela. Alles dies lieſs eine baldige Entscheidung erwarten , es schien auch als ob ein aufgefangener und von bedeutenden Verstärkungen aus Frankreich sprechender Brief Jourdans die oberste Junta zur Thätigkeit an spornte , dieselbe kam aber nur dadurch zum Ausdruck , daſs sie Castannos aufforderte, den Gegner über die Grenze zurückzuweisen , an Moore, dem keinerlei Beihülfe wurde, und an Baird, den man in
Coruña zurückhielt, die Aufforderung zu beschleunigtem Vorgehen richtete, die Armee, wie Castannos Rechtfertigungsschrift ausspricht, auch nicht mit dem Nötigsten versorgte. Blake's Lage war eine kritische; französischerseits hätte man , wenn man die Bedeutung der Thäler von Durango und Orduña auszunutzen verstand, leicht das Schicksal Wurmser's im Brenta - Thal bereiten können – die Kurz
sichtigkeit der Oberleitung unterliels dies. Statt mit den bei Villarcayo stehenden Asturiern nach Burgos zurückzugehen , die Be festigungen dort herzustellen und die 13,000 Manu Belvederes dort abzuwarten , liefs sich Blake durch ein ungeheuerliches Phantasie gebilde , an dem er sich übrigens noch längere Zeit erfreute, mit seinen Truppen auf Bilbao locken , sah sich zu unverhältnismäſsig
groſsen Abzweigungen zum Schutz von Rücken und Flanken ge zwungen und behielt nur sehr geringe Kräfte zur unmittelbaren Verfügung, Er stand in einem Winkel eingeklemmt , sehr ungünstig für offensive Operationen, die er doch allein bezweckte , die Flanke seines Heerteiles war für einen Angriff von Orduña her offen , Bessières stand auf seiner Rückzugslinie.
Die Führung der Armee des Centrums und rechten Flügels war 20 *
300
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien - Portugal.
eine gleich thörichte. Am 20. Oktober hielten Castannos und Palafox in Saragossa Kriegsrat. Das Ergebnis war ein ganz wunderbarer Plan, zu dessen Ausführung auch Blake beitragen sollte.
Von der
27,000 Mann zählende Armee des Centrums stand Pignatelli mit 10,000 Mann, 500 Pferden , 19 Geschützen bei Logroño, Grimarest mit der 2. andalusischen Division bei Lodosa, La Pena mit der
4. Divison , 5000 Mann , bei Calahorra, Artilleriepark, eine Division bei Centruenigo, der Rest bei Tudela und Gegend. Die rechte Flügel -Armee hatte ihre 18,000 Mann , wie folgt, verteilt : O'Neil, 7500 Mann, bei Sos, Lambra, Sanguessa, Saint Marc, 5500 Mann, bei Exce de los Cavalleros, Palafox, 5000 Mann, in Saragossa. Ebro und Aragon bildeten einen nach Norden offenen Bogen, dessen Sehne von Sanguessa bis Logroño 12 '/ Meilen, dessen äuſserer Umfang fast 20 Meilen maſs, 9/2 von Sanguessa bis Tudela, 10 Meilen von dort bis Logroño, der Ebro teilte die beiden Armeen . Moncey stand von Estella über Falces und Tafalla bis gegenüber Sanguessa, die Brücken von Peralta, Olite und Caporoso, über die senkrecht die oben genannte Sehne durchschneidende Fluſsläufe Ega, Aiga und Zidasco in seiner Hand, die zum Ebro führenden Straſsen beherrschend, er konnte nach der Mitte in 1 '/ Tagen seine Streit kräfte vereinigen , die Spanier hätten dazu 2 % gebraucht. Ging 1
Palafox bei Sanguessa über den Aragon auf Pampluna, so stiels Moncey in seine linke Flanke, wandte er sich gegen Moncey, so bedrohte Pampluna ihn rechts, überschritt Castannos zu seiner Unter stützung bei Logroño den Ebro, so faſste ihn Ney von Guardia in die Flanke, strebte man eine Vereinigung an, so stieſs Moncey über Tudela vor, während Ney bei Logroño oder Lodosa den Ebro über schreitend Castannos
in
den
Rücken
fiel.
Dennoch
entwarfen
Castannos und Palafox einen weitreichenden Offensiv - Plan . Castannos
sollte je eine Division bei Lodosa und Calahorra belassen, mit dem Reste, d. h. weniger als 20,000 Mann, die Arragon -Linie von Tudela
bis Sanguessa, also 9 / Meilen Luftlinie, besetzen, Palafox bei Sanguessa übergehen und sich rechts bis Roncesvalles entwickeln, Blake durch Guipuzcoa vorgehend die Verbindung mit Palafox herstellen, die Franzosen so völlig einschlieſsend . Doppelseitige Umfassung mit Kräften , die in Bezug auf Zahl wie Brauch barkeit unterlegen waren ! Moncey's Meldungen über Truppen ansammlungen bei Sanguessa, Vorpostengefechte bei Logroño und Tudela lieſsen Joseph auf den Gedanken kommen, daſs von diesen
3 Punkten aus gleichzeitig ein Angriff erfolgen werde, Ney, verstärkt durch 1 Division Bessières, erhielt den Befehl, auf das linke Ebro
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal,
301
Ufer ostwärts zu marschieren, eine Division Moncey's sollte dabei mitwirken, während Bessières eine Division auf dem rechten Ufer von Haro auf Briones sendete , ein Teil der Besatzung Pamplunas
gegen Sanguessa demonstrierte. Ney scheuchte am 27. Oktober Pignatelli von Logroño nach kurzem Widerstande fluchtartig auf Centruenigo, die Artillerie Pignatelli's blieb am Fuſse der Sierra Nalda zurück , an demselben Tage schob Bessières eine Division (Bonnet) von Briones auf Pancorbo vor, eine andere stand bei Miranda, O'Neil
schoſs sich mit der Besatzung von Pampluna herum . Zum Überfluſs entsandte die Central- Junta zur Beaufsichtigung der Operationen
eines ihrer Mitglieder, dessen Anwesenheit die Verwirrung noch ver gröſserte. Obwohl man das linke Ebro -Ufer bis Tudela hatte räumen müssen, beharrte man auf dem bekannten Plan, wollte nur abwarten,
bis Blake den Kampf eröffnet hätte. Unterdes sollten 6000 Mann der Centrum -Armee bis Calahorra, eine Garnison in Tudela bleiben , der Rest Caporoso angreifen. Durch Deserteure geschwächt, durch neue Aushebungen und Teile der 1. und 3. andalusischen Division
dagegen verstärkt, zählte diese Armee 26,000 Mann, 2900 Pferde, 54 Geschütze, davon 5000 Mann in Calohorra , 8000 unter Grimarest und Caro in Haro, 13,000 bei Tudela. Die Kolonnen waren in Be wegung um den Ebro zu überschreiten, als Blake meldete, daſs er am 31. Oktober eine Schlappe erlitten . Diese Nachricht that den
Bewegungen Einhalt. Eine Reihe von Plänen wurde nun in den Tagen vom 9. bis 13. November entworfen , zum Teil durch den
Abgesandten der Junta vereitelt (Rechtfertigungsschrift Castannos ), La Pena durch diesen seines Befehls enthoben ; nichts geschah . Um diese Zeit langte Moore's Aufforderung zu gemeinsamem Handeln bei Castannos an
der nicht einmal mehr wuſste, was er an Truppen
zur Verfügung hatte, da u. A. , wie schon bemerkt, Belvedere, der ihm unterstehen sollte, gegen seinen Willen auf Burgos geschickt war, man den Rest seiner 1. und die 3. Division in Madrid zurück
behalten hatte. Castannos Gegner bezeichneten ihn als Verräter; die Desertion nahm zu, die Bevölkerung empörte sich gegen die Junta . Inzwischen
war Blake's Lage immer miſslicher geworden. Napoleons Heersäulen langten an und erhielten, mit den Truppen Josephs verschmolzen, die früher angegebene Einteilung. Das VII. Corps sollte in Catalonien operieren. Der Rest wurde nach Navarra und Biscaya in Marsch gesetzt. Auf dem rechten Flügel der französischen Armee hatte die Division Merlin Zornosa, Blake beobachtend, besetzt, 3 Divisionen des IV. Corps (Lefèbre) besetzten nach dem Journal des
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Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
opérations du Roi, Durango und Gegend, das I. Corps stand mit 1 Division und der leichten Kavallerie bei Vittoria, mit einer 2. an
der Brücke von Murquia, die Mündung des Orduña - Thales beherrschend. Haro, Puente Lara, Miranda, Pancorbo waren durch die spanische Garde und das II. Corps (Bessières) besetzt, die leichte Kavallerie dieses Corps klärte vorwärts über Briviesca auf. Blake hielt die Ruhe, die während der Vorschiebung der Verstärkungen gegenüber Bilbao eintrat, für Schwäche, der Plan, im Rücken der Franzosen
die Verbindung mit Palafox herzustellen, lebte in ihm wieder auf. Romana's Infanterie näherte sich Bilbao, in Burgos traf Belvedere ein, Biscaya war nicht im Stande, gröſsere Massen zu verpflegen, Blake hätte auf Burgos zurückgehen müssen und mit Belvedere und Romana vereinigt, 42,000 Mann , 1200 Pferde stark, auch wirksam zu werden vermocht. Statt dessen begann er am 29. Oktober, General Acevedo mit den Asturiern und 1 Division bei Orduña belassend, in 3 Kolonnen mit 17,000 Mann, den Vormarsch auf Zornosa durch
das Durango - Thal über Gadulcano, Lorabesun , Bigoytia; Acevedo sollte Manarés und San Antonio d'Urquitiola nehmen , die Verbindung zwischen Miranda und Durango dadurch unterbrochen , Ney's Rückzug abgeschnitten, derselbe mit 16,000 Mann gefangen werden . Blake glaubte den König bei Durango uud Montdragon, Ney bei Miranda. Am 25. Abends drängte Blake Merlin auf Durango zurück. Lefèbre versammelte die Divisionen Sebastiani und Lewal (die 3. Va lorn war noch in Frankreich zurück) sowie die holländische Brigade und erhielt vom I. Corps die Division Villatte zugewiesen. Am 31. ging Blake, 4 Divisionen schachbrettförmig geordnet, eine Division
links rückwärts auf eine Höhe zurücklassend, rücklings der Straſse nach Durango vor, Artillerie besaſs er nicht, sie war noch bei Ruirosa . Von 33,000 Mann brachte er nur 17,000 ohne Artillerie auf das Gefechtsfeld . Lefèbre, ein Beweis dafür, daſs seine Kavallerie
mangelhaft aufgeklärt hatte, glaubte Blake fast 40,000 Mann stark. Ein von ihm mit 25,000 Mann in 3 Kolonnen unternommener kurzer
Offensivstofs warf die gleichfalls vorrückenden Spanier. Flüchtend und in Auflösung kamen sie Nachts in Bilbao an, Acevedo war an dem selben Tage bei Villaro.
Lefèbre verfolgt bis Gerones, während
Blake am 1. bei Nava Stellung nahm, dann kehrte Lefèbre, die Division Villatte in Gerones belassend, nach Bilbao zurück. Lefèbre's Übereilung wurde, wie später von Napoleon, auch von Joseph ge tadelt. Um den Erfolg von Durango auszunutzen, befahl der Letztere der in Murquia stehenden Division des I. Corps das Thal von Orduña bis Amurrio aufwärts zu gehen , die Division Mouton des
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien - Portugal.
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II. Corps sollte auf Barlacena, dann nötigenfalls auf Medina und Quincoes vorgehen, um Blake's etwaigen Rückzug auf Villarcayo zu stören. Die Division von Murquia griff aber nicht kräftig durch, sie lieſs sich von Acevedo, am 3. auf Orduña drängen. Villatte,
von Acevedo's Marsch benachrichtigt, besetzte den Schnittpunkt der Wege nach Miravalles und Nada und die Straſse nach Valmaceda, um Acevedo den Rückzug zu verlegen. Sein einziger verständiger Entschluſs in dieser ganzen Zeit brachte Blake in der Nacht vom 4. zum 5. November nach Orantia.
Villatte wurde mit sehr starken
Verlusten auf Bilbao geworfen . Die Division des I. Corps hatte sich -
von Miravalles beziehungsweise Oquendo nicht gerührt – Victor erhielt dafür von Napoleon einen Verweis. An demselben Tage erreichte Napoleon Vittoria. Seine Armee steht um diese Zeit ungefähr wie folgt: IV . Corps ( Lefèbre) bei Bilbao, I. Corps (Victor) bei Amurrio, II. Corps ( Bessières) von Briviesa über Pancorbo bis Miranda am Ebro, das III. Corps (Moncey) bei Tafalla, Peraltes, Caporoso, Estella, das VI. Corps (Ney) bei Logroño am Ebro, eine Division, zur Ver bindung mit dem III. Corps, bei Guardia, Garde und Reserven zwischen Vittoria und Tolosa gestaffelt, das VII. Corps (Saint Cyr)
bei La Junquera an der Straſse Perpignan -Gerona zum Einmarsch in Catalonien, wo Duhesme mit 10,000 Mann Barcelona hielt, bereit ;
das V. Corps (Mortier) hatte die Grenze noch nicht überschritten ,
das VIII. (Junot) sammelte noch die in Folge der Kapitulation von Cintra nach Frankreich eingeschifften Truppen.
Blake hatte bei Valmaceda sein Corps gesammelt, La Romana herangezogen ; er verfügt über rund 29,000 Mann, Castannos 25,000 Mann, hatte wie früher schon bemerkt, die Linie Calahorra - Tudela
besetzt, Palafox stand von Sanguessa bis Saragossa in Staffeln ; Belve dère bei Burgos, Vives vor Barcelona (20,000 ), bei Madrid sammelten sich etwa 2 Divisionen , die englischen Truppenabteilungen waren von südlich Coruña bis Talavera de la Reyna auseinandergezogen. In der einen ungeheuren nach Norden offenen Bogen bildenden , daher gebieterisch zu jeder Art von Operationen auf der inneren Linie auffordernden spanischen Aufstellung finden wir auf einer Linie von 50 Meilen nirgendwo genügende Kräfte versammelt, kaum einmal konnte in seinen Feldzügen Napoleon leichter überlegene Massen auf das Schlachtfeld bringen, er mochte dasselbe wählen, wo er wollte. Lefèbre hatte durch seinen Angriff auf Blake bei Durango des
Kaisers Entschlüssen nicht gerade fördernd vorgegriffen. Dies muſs
um so mehr auffallen, als Napoleons Weisungen aus Erfurt vom
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Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
13. September , Joseph bestimmt und wahrscheinlich auch Lefèbre bekannt waren und Napoleon in diesem betonte, daſs er den Krieg durch einen Schlag zu beendigen hoffe, dazu aber selbst in Spanien sein müsse. Hatte Joseph Lefèbre nicht davon in Kenntnis gesetzt, so war das ein sehr grober Fehler. Napoleons Plan war der strategische Durchbruch der Mitte der gegnerischen Aufstellung, dann die Umfassung der gesamten feind lichen Heerteile , Blake's nach rechts, Castannos und Palafox nach links.
Seine Streitkräfte reichten dazu zweifellos aus, der Gedanke,
den Gegner von dem tiefen Hinterlande abzuschneiden ,1 hatte auch seine sehr groſsen Lichtseiten . Es leuchtet unschwer ein , daſs die Flügel, namentlich der rechte, nicht eher losbrechen durften, als bis der Durchbruch weit genug gelangt war , um besonders gegen Blake, rechts umschwenkend, das Netz zuzuziehen und diesen an
das Meer zu drücken. Der rechte französische Flügel muſste sich dem spanischen General, der , wie wir schon früher wiederholt er wähnten , dem Phantasiegebilde einer Vereinigung mit Palafox im Rücken der Franzosen nachjagte, gegenüber abwartend, oder sogar langsam weichend verhalten , seine Trennung von Belvedere wurde dadurch gröſser, die Wahrscheinlichkeit, ihm den Rückzug ab zuschneiden , wuchs.
Lefèbre erfuhr daher mit Recht den scharfen
Tadel Napoleons, wie Victor für die Nichtunterstützung der Division Villatte. Blake nutzte allerdings nicht einmal die ihm offen stehende
Möglichkeit eines Zurückgehens auf Burgos und der Vereinigung mit Belvedere aus ; er geht im Gegenteil am 7. von Valmaceda aus
wieder zum Angriff und zwar auf Guenès vor.
Daſs Blake sich
dazu wieder entschlieſsen konnte, muſs man der mangelhaften Ver
folgung Lefèbres nach dem Gefechte von Durango zuschreiben . Das Unterlassen der Verfolgung läſst dasselbe von Seiten Lefèbres erst recht zwecklos erscheinen .
Während Napoleon Bessières mit dem ganzen II. Corps auf Burgos gegen Belvedere vorschickte, erbielt Victor den Befehl über
Valmaceda vorzugehen , Lefèbre den dort stehenden Gegner aus der Richtung von Bilbao anzugreifen . Blake's Vormarsch trifft bei Guenès auf die Avantgarde des IV. Corps und wird geworfen, die Nacht allein , rettete ihn. An demselben Tage wurde eine Division seiner aus 2 Divisionen bestehenden linken Flügel- Abteilung, welche Lefèbre von Norden her umfassen sollte , auch bei Sopocete ge
schlagen und auf Portogalete - Santander abgedrängt. Wieder ist die Verfolgung seitens Lefèbres und Victors eine ungenügende,
Blake gelangte am 8. nach Nava und vereinigte seine ganze Armee,
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
305
die abgedrängte Division ausgenommen , am 9. in einer starken Stellung bei Espinosa, am Schnittpunkt der Straſsen von Santander, Villarcago und Reynosa. Bessières erreicht am 8., während das IV. und I. Corps Blake langsam auf Nava folgen, Briviesca, Soult übernimmt hier die Führung des II. Corps, während Bessières die Reserve - Kavallerie erhält.
Napoleon bestimmte nun , daſs Bessières und Soult weiter auf Burgos vorgehen sollten , das VI. Corps, ausgenommen die leichte Kavallerie, die mit der Division Lagrange desselben Corps auf Logroño zu gehen hatte , auf Aranda de Duero marschiere , die Garden in 9
der Richtung auf Burgos folgten , Moncey eine Division zur Be
obachtung von Pampluna belasse, den Rest des Corps bei Lodosa vereinige und bis auf weitere Befehle defensiv, das I. nnd IV. Corps Blake an der Klinge blieben. Im Allgemeinen tritt also eine Rechtsschiebung der französischen Heerteile ein . Der 10. November bringt in Folge dieser Anordnungen mebrere Zusammenstöſse, die Treffen von Germonal und Espinosa .
Noch am 9. war die leichte Kavallerie-Brigade Franceschi über Arlancon entsendet worden , um dort den gleichnamigen Fluſslauf
zu überschreiten und den Spaniern, wenn sie bei Burgos geschlagen würden, den Rückzug auf Madrid zu verlegen . Belvedere nahm am 10., als der Anmarsch der leichten Kavallerie Lasalle über Villa
Fria gemeldet wurde, die Verteidigungs-Anlagen von Burgos noch nicht beendet waren , Stellung bei Germonal , brach dann aber mit einer Kolonne gegen Lasalle vor.
Die bald eintreffende Infanterie
Soult's drängte Belvedere in seine Stellung zurück , in welche er, noch einen auf dem Schlachtfelde gefundenen Stärkerapport, rund 12,000 Mann, 1100 Pferde und 30 Geschütze vereinigte. Er litt an Lebensmitteln und auch an Munition Mangel und war den französischen Streitkräften um das Doppelte unterlegen. Der Kampf währte nicht lange. Die französische Infanterie griff in Kolonnen an und drückte Belvedères Truppen eiligst durch Burgos hindurch , während die Kavallerie Bessierès den Arlancon überschreitend , in die auf der Straſse nach Madrid flüchtenden Kolonnen einhieb.
Die
Verfolgung richtet sich auf Lerma, Valencia und Valladolid .
Blake hatte bei Espinosa 25,000 Mann zur Verfügung (sein Artillerie -Park wurde bei Reynosa durch 2000 Mann gedeckt), er hatte sich quer über die Straſsen nach Santander und Espinosa in ziemlich breiter Front anfgestellt. Victor's Avantgarde langte am 10. Nachmittags 2 Uhr im Feuerbereiche Blake's an und begann sofort das Gefecht und zwar gegen Mitte und rechten Flügel. Die
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Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
Nacht brach ein, ehe der Kampf entschieden war. Derselbe wurde am 11. fortgesetzt und endete mit ungeordnetem Rückzuge Blake's, der erst am 12. in Reynosa halt machte und nur noch 7000 Mann sammeln konnte, die er über Aguilar del Campo, wohin sein Park geschafft worden war, zurückzuführen beschloſs. Lefèbre, der am 9. schon Villarcayo erreicht hatte, traf erst nach dem Gefecht des
11. ein – ein trauriger Beweis für den Mangel an Initiative bei ihm und die fehlende Gemeinsamkeit des Handelns bei den beiden französischen Marschällen, die zusammenwirkend Blake leicht völlig
einschlieſsen konnten. Blake faſst den Gedanken, quer durch Leon zurückzugehen, um eine Vereinigung mit Baird, der in Astorga sein sollte, zu erreichen. Napoleon hatte unmittelbar nach der Ein nahme von Burgos Soult auf Reynosa vorgeschickt, Ney stand bei Aranda , 3 Reiter - Divisionen wurden auf Medina de Rio Seco,
Palencia, Valladolid und Madrid entsendet, um Nachrichten ein zuziehen und ein englisches Corps, das sich bei Valladolid befinden sollte, von Zamora abzuschneiden . Was Lefèbre versäumt hatte, gelang auch Soult nicht vollkommen , er kam zu spät , Blake ein zuschlieſsen , begnügte sich auch damit , den Weg nach Santander zu beobachten , seine Kavallerie scheucht aber doch am 15. Blake nach Asturien zurück , wo Romana den Befehl über die noch gesammelten 6000 Mann übernimmt. Soult's Operationen sichern 5
dem Kaiser den Besitz der ganzen Küste von Santander bis zur asturischen Grenze, Napoleon nimmt nun, Soult das Weitere im
Nordwesten Spaniens überlassend (Soult nahm Santander, Potes und trieb seine Kavallerie' nach Leon bis Sahagun und Saldaña vor), die Ausführung seines Planes gegen Castannos wieder auf und ordnete dazu die nötigen Verschiebungen an .
Das I. Corps wurde nach Burgos herangezogen, gegen Leon und Valladolid, Lefèbre bei Carrion de los Condes aufgestellt. Zum
Schlage gegen den rechten Flügel des Feindes beziehungsweise auf Castannos wird Lannes den Oberbefehl über das aus 3 Infanterie
und einer Kavallerie - Division bestehende Corps Moncey und die bei Logroño stehende Division Lagrange (VI. Corps), welche in der Front Tudela angreifen sollten , übertragen , Bessières Hauptkräfte verblieben zunächst in Aranda , während Ney mit 2 Infanterie Divisionen und einer leichten Kavallerie - Brigade über Soria vor zugehen und eine Umfassung des Gegners über Agreda beziehungs
weise ein Abschneiden des Rückzugs desselben durch die Sierra Moncayo auf Madrid vorzubereiten batte.
An
Stelle Vittoria's
wurde Burgos Drehpunkt der Operationen , die drei oben genannten
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
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Kavallerie -Divisionen durchstreiften Leon und Castilien , gelangten
bis nahe Astorga , Benavente , Zamora , Taro und Tordesillas, ja Streifpatrouillen bis dicht bei Salamanca . John Moore behauptet, daſs, als die Niederlage von Espinosa bekannt geworden, ein Abmarsch feindlicher Reiter ohne Gefahr das ganze westliche Spanien durch ziehen konnte , so groſs war die Gleichgültigkeit der Bewohner geworden.
Castannos und Palafox ahnten die Niederlage von Espinosa und Germonal noch nicht, sie trugen sich zunächst noch mit den bekannten Offensivgedanken beziehungsweise lieſsen kaum gefaſste Pläne wieder fallen, da sie sich über keinen einigen konnten. So war denn Castannos linke Flanke ernstlich bedroht, ehe er dies ahnte.
Lannes ging am 21. bei Logroño über den Ebro und richtete seinen Marsch auf Calahorra , von wo Castannos mit seinem linken
Flügel (2 Divisionen) in der Nacht zum 22. nach Tudela abmarschiert war, und wo Lannes am 22. eintraf, während Ney am 22. Seria erreichte , das I. Corps und die Kavallerie-Division Latour-Maubourg über Lerma und Aranda mit etwa 2 Tagemärschen Abstand Ney folgten, die Garde und ein Teil der Reserve in Burgos bei Napoleon blieben , wo das Hauptdepot und der Sammelort für die aus Frank reich nachgeschobenen Verstärkungen lag. Palafox hatte immer noch den Gedanken, Moncey's linken Flügel anzugreifen. Am 22. sah Castannos die Gefahr seiner Lage klarer ein ; er ging auf die Höhenzüge, die sich von Tudela über Cascante, Novellas, Taranzona bis Montegueda ausdehnen , zurück , Palafox bestand auf der Ver teidigung des Aragon und wollte sich - ein Zeichen für seine vollständige Unfähigkeit, damit begnügen , Saragossa nach dieser Richtung hin zu decken . Ein Kriegsrat führte zu keinem Ergebnis, so kam es , daſs die Armeen Castannos und Palafox am Tage der Schlacht von Tudela noch in Kantonierungen 3 Meilen auseinander standen , sich dann zwar in einer Stellung vereinigten , dieser aber eine Ausdehnung von mehr als einer Meile Frontbreite gaben. Hält man fest, daſs Lannes über nicht mehr als 28,000 Mann verfügte, daſs Ney am 22., 23. und 24. unbeweglich bei Soria stehen blieb, 1
Castannos und Palafox, wenn sie ihre Kräfte rechtzeitig vereinigten,
dagegen 42,000 Mann einzusetzen vermochten, so muſs man ge stehen, daſs die Anordnungen Napoleons für die Vereinigung über legener Streitkräfte auf dem Schlachtfelde keine besonders glück lichen
waren .
Zum mindesten müssen die Weisungen für die
beiden Marschälle unvollständig gewesen sein, was um so nachteiliger wirken muſste, als es sich hier um konzentrische Operationen mit
308
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
getrennten Heerteilen handelte und der Kaiser seine Unterführer doch
genau genug kannte, um bei ihnen nicht die Fähigkeit die strate gische Gesamtlage richtig zu beurteilen beziehungsweise zu über seben, vorauszusetzen. Zwischen Lannes und Ney scheint gleichfalls nicht die geringste Verbindung stattgefunden zu haben ; Ney hätte sonst über die ihm zufallende Aufgabe genau unterrichtet sein müssen . Napoleon war durch den Mangel am Zusammenwirken von
Victor und Lefèbre (Espinosa beziehungsweise Villarcayo) doch gerade in der letzten Zeit wieder handgreiflich darauf hingewiesen
worden, daſs seine Generale zwar taktische Draufgänger, aber keine strategisch vorgebildeten Führer seien, Blake's Einschlieſsung, die der Kaiser so dringend gewünscht und die für ihn strategisch wie
politisch ja auch hochwichtig gewesen wäre, war ihm durch Mangel an strategischer Erkenntnis seiner Unterführer entgangen . Das Mindeste, was also bei Entsendung Lannes und Ney's geschehen muſste, wäre ein dringender Hinweis auf die Bedeutung des Auf trages und die unbedingte Notwendigkeit des Zusammenhangs in
ihren Operationen gewesen , das Beste die Anwesenheit Napoleons selbst auf diesem Operationsfelde. War durch die Anwesenheit seiner Person ein Oberkommando geschaffen , so erhielten die beiden Unterführer dauernd Weisungen, besser gesagt Befehle vom groſsen Hauptquartier, und Ney blieb dann sicher nicht in Soria unthätig stehen , während Lannes, bei übereinstimmendem und entschlossenem
Handeln Castannos und Palafox eine Schlappe erleiden konnte. Napoleon blieb aber, ein Beweis dafür, daſs wir den nimmer rastenden
General Bonaparte von 1796 nicht mehr vor uns haben, in Burgos und vertraute zwei von einander unabhängigen Unterführern die
Lösung einer Aufgabe an, die wichtig genug war, seine eigene Anwesenheit zu verlangen. Gelang es Blake , dann Castannos und Palafox gänzlich aufzureiben , den ersteren , wie es unschwer möglich
gewesen wäre, einzuschlieſsen, so war der Widerstand der Spanier zunächst jedenfalls auf ihre Guerillas beschränkt und ein Schlag
geführt , der an Wucht und Bedeutung ganz im Stil der früheren Leistungen des Feldherrn Napoleons gewesen wäre. Brachte Espi nosa, wie John Moore berichtet, unter der Bevölkerung Spaniens schon gewisse Schrecken hervor , so bätte Blake's Einschlieſsung und die vollständige Vernichtung Palafox und Castannos den Mar schälle Napoleons einen bedeutenden Zuwachs verschafft und die Herrschaft eines Napoleoniden in Spanien vielleicht auf einige Zeit
möglich gemacht. Wie die Dinge in Wirklichkeit lagen, hatte Napoleon Grund , es als ein Glück anzusehen , daſs Castannos und
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Palafox nicht Thatkraft und Verständnis genug besaſsen, von ihrer
bedeutenden Überlegenheit gegen Lannes Gebrauch zu machen. Am 23. marschierte Lannes über Alfaro gegen die Stellung der
Spanier vor (Iustification de Castannos, détail officiel du combat de Tudela ); er erschien um 8 Uhr früh vor den Vorposten zu derselben Zeit, als die Aragonesen Palafox, die Brücke bei Tudela überschritten und in ihre Stellung rückten. Zwischen dem rechten Flügel unter Palafox und der Armee Castannos' hatte man 45 Geschütze auf
gestellt, 2 Divisionen schlossen sich auf dem linken Flügel an , die 4. Division stand bei Cascante , 3 Divisionen befanden sich bei
Taronzona, die Verbindung zwischen den einzelnen Heerteilen fehlte so gut wie ganz. Lannes entwickelte die Division Morlot gegen die Höhen , welche Tudela beherrschen , die Division Matthieu Dumas und die Kavallerie -Division Lefèbre Desnouette gegen die Mitte, die
Division Lagrange gegen Cascante. Eine Artilleriemasse von 60 Ge Es gelang den Gegner von der
schützen bereitete den Angriff vor.
linken Flanke her aufzurollen , die Kavallerie- Division vollendete das
Werk , obwohl von Cascante her die Division La Pena eingriff; 4 Divisionen Castannos' standen zu entfernt,
um Unterstützung
bringen zu können, rührten sich auch von Taranzona her gar nicht.
Die Fortsetzung des Angriffs in der Richtung des Fluſslaufes liels Tudela in Lannes Hand fallen, Palafox Heerteil floh auf Saragossa. Den Gegner im Rücken begann Castannos einen zunächst geordneten Abzug auf Borja ; das Erscheinen der Kavallerie Ney's von Soria her gestaltete diese jedoch zu wilder Flucht, die sich auf Calatayud richtete .
Die Hälfte der Artillerie fiel in französische Hände , die
französische Kavallerie verfolgte bis Taragona und Mallen . Hätte Ney eingegriffen, ein Sammeln der Armee Castannos bei Calatayud, ein Überschreiten der Sierra de Solorio und ein Abzug auf Siguenza
an der Straſse nach Madrid wäre vollständig ausgeschlossen gewesen.
.
Jomini, Stabschef Ney's, bat diesen wiederholt am 22. und 23. auf gefordert, auf Calatayud zu marschieren ; Ney erfährt im 9. Bulletin für sein Zögern harten und berechtigten Tadel, Napoleon, der am 26. erst die Nachricht von Tudela erhielt, einen groſsen Teil seiner Kavallerie aus Castilien zurückberufen , 8000 Mann in Burgos be lassen und sein Hauptquartier nach Aranda de Duero verlegt hatte, hätte sich nur sagen müssen, daſs man den Unterführern nicht mehr
zutrauen darf, als sie zu leisten vermögen , und daſs er die Haupt schald an dem Versäumten trage. Ney marschierte erst am 25. auf Agreda, am 26. über Cascante hinaus und am 27. nach Mallen , die
Avantgarde nach Arlancon am Xalon (Journal des opérationes ).
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Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
Lannes stand an diesem Tage bei Alagon. Ney muſste am 25. durch seine Kavallerie spätestens über die Schlacht von Tudela in Kenntnis gesetzt sein , ein einziger Marsch hätte ihn auf die Rückzugslinie
Castannos' über Medina Celi nach Siguenza geführt er ging auf Agreda . Castannos erhielt in Calatayud zwei Depeschen der Central Junta , die eine unterstellte ihm Palafox , sie war jetzt hinfällig, die -
zweite teilte mit , daſs Saint Jean mit den Überresten des Corps ។
Belvedere und von Madrid gesendeten Verstärkungen in der Sierra de Guadarrama bei Somo Sierra stehe , und befahl ihm , mit diesem
zum Schutze der Hauptstadt gemeinschaftlich zu handeln .
Sie
wurde der Grund für die Wahl des Rückzuges über Siguenza.
War der Erfolg des Kampfes von Tudela auch nicht der von
Napoleon erwartete, so unterwarfen sich doch Aragonien, Navarra und Neu - Castilien dem Willen des Siegers, wie Espinosa den Norden Spaniens in seine Hand geliefert hatte ; von der Grenze Frankreichs bis zu derjenigen Portugals, von der Küste bis zum Tajo war das Land besetzt. Madrid und Saragossa widerstanden noch, die englische Armee war zwar nicht geschlagen, aber was bedeutete dies gegen die französische, durch das Nahen Mortiers und Junots noch vergröſserte Übermacht.. Napoleon nahm sogar bestimmt an , daſs Moore baldigst kehrt machen und nach Portugal zurückgehen werde. Bei Napoleon kam deshalb die Frage, ob er sich gegen die ihm als schwach bekannte , noch nicht versammelte nnd wahrscheinlich auch
von seinem Drucke weichende Armee John Moore's wenden sollte, kaum zur Erwägung. Sein Ziel war Madrid, durch seine Einnahme hoffte er einen weitreichenden Eindruck hervorzubringen, um so mehr,
als ein spanischer Heerteil ihm auf dem Wege zur Hauptstadt begegnen würde und bei derselben neue Kräfte gesammelt würden , er Madrid als den Herd des Aufstandes apsah .
Napoleon beschlieſst daher den Marsch auf Madrid. Er selbst bricht von Aranda am 28. mit den Garden und dem I. Corps auf, Lefèbre erhielt den Befehl über Carrion, Palmora, Valladolid, Olmeda und Segovia die rechte Flanke der Armee zu decken, Ney auf Guadalaxara marschierend und Castandos drängend, dasselbe für die linke zu übernehmen, während Moncey ( für den erkrankten Lannes)
Palafox zu verfolgen, die wichtige Stellung von Monte Tormo zu nehmen und Saragossa einzuschlieſsen hatte. Die Marschrichtung des IV. Corps verdient unsere besondere Beachtung. Napoleon beherrschte durch dieselbe das flache Land von Leon und Castilien, schützte die rechte Flanke der Armee, bedrohte Galicien und Salamanca , hinderte
Baird und Moore weiter vorzugehen, umging den Pals von Somo Sierra,
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien - Portugal.
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zerstreute den Heerteil Heredias, der die Verteidigung der Pässe der Sierra Guadarrama übernehmen sollte und schob das IV. Corps doch konzentrisch mit den übrigen auf Madrid vor.
Weniger günstig waren die Anordnungen für Ney. Die Zeit, die Lannes vergehen lieſs, ehe er den Kaiser über die Einzelheiten der Schlacht von Tudela unterrichtete, hatte üble Folgen ( Journal des operations du Roi). Der Offizier, der den Marschällen Ney und
Moncey die neuen Weisungen Napoleons für die Fortsetzung des Krieges überbringen sollte, fand ersteren in Mallen im Begriffe auf Saragossa vorzugehen, letzteren in Almeria bei Calatayud auf der Verfolgung Castannos. Die Rückmärsche, die beide, der neuen Be stimmung entsprechend, nehmen muſsten, liefsen Saragossa und die Trümmern der Armee Palafox zu Atem kommen , andrerseits Castannos bei Siguenza ohne einen Denkzettel entkommen .
Das II. Corps zum Schutz der Verbindungen im Norden belassend, wo auch Mortier und Junot eintrafen , Saragossa mit dem III. Corps belagernd, setzt Napoleon in 3 Kolonnen den Marsch auf Madrid fort. Am 30. November trifft die Avantgarde des I. Corps auf den mit 10,000 Mann besetzten, durch 16 gut aufgestellte Geschütze
verteidigten Paſs von Somo Sierra. Die Infanterie Victors bemüht sich vergebens die steilen Hänge zu ersteigen , der bekannte Angriff der polnischen Garde - Chevaulegers öffnet den Paſs, nimmt die Batterie und jagt die Besatzung auf Buitrago und Segovia, an letzterem Ort hatte Heredia Stellung genommen. Die mittlere Kolonne mit ihr Napoleon, gelangt am 1. Dezember nach Buitrago. Die Annäherung der Reiterei des IV. Corps an Segovia scheucht Heredia und Saint Jean über die Guadarrama, sie sammeln in den Höhenzügen nördlich
Madrids einige Flüchtlinge, die dann aber vor einer französischen Patrouille bis Talavera de la Reyna ausreiſsen und dort ihren Führer
umbringen . Taktisch war die gewaltsame Öffnung des Somo Sierra Passes ein groſser Erfolg und verhältnismäſsig leicht erkauft. Hätte Napoleon abwarten wollen, so öffnete ihm strategisch auch das Vor
gehen des IV. beziehungsweise VI. Corps den Paſs, indem ersteres über Guadarrama, letzteres über Guadalaxara marschierte. Bemerkens wert ist die Marschrichtung des IV. Corps, wie wir vorgreifend be merken wollen, auch insofern, als wenn John Moore sich nach Por tugal zurückzog, Lefèbre Lissabon näher war als er. Am 2. Dezember trifft Bessières Kavallerie vor Madrid ein, mit
ihr Napoleon, am Abend werden 30 Geschütze gegen das Buen Retiro - Schloſs in Stellung gebracht, die anlangende Infanterie be mächtigt sich , rechts umgehend, des groſsen Kirchhofes und der ersten
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Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
Häuser der Stadt.
Am 3. beschieſst man den Buen -Retiro, nimmt
ihn, und am 4. ergiebt sich Madrid. Die Central - Junta war nach Aranjuez entflohen. Napoleon hatte vor Madrid vielleicht 40,000
Streiter, fast ebenso groſs war die Besatzung der Stadt, die freilich aus unausgebildeten Truppen bestand. Die Einheitlichkeit der Leitung fehlte dort völlig, aber der Generalkapitän Castillar machte auch
nicht den geringsten Versuch Madrid hartnäckig zu verteidigen ; er zog in der Nacht zum 4. mit einigen Abteilungen regulärer Truppen ab. La Pena, der in Guadalaxara von Castapnos das Kommando über
dessen noch etwa 5000 Mann zählende Truppe übernommen, wurde von Ney nicht mehr erreicht, auch Bessières Kavallerie, die Napoleon mit der Division Robin des I. Corps auf Guadalaxara sandte und die dann auf Ocuña ausbogen , trafen nur noch die Nachhut, der gröſste Teil gelangte nach Cuença. Das IV. Corps traf am 3. in Segovia ein, zerstreute einige Banden und ging auf Almanza vor,
gegen Galuzzo, der etwa 6000 Mann gesammelt hatte und sich an schickte das linke Tajo - Ufer in der Ausdehnung von ungefähr 8 Meilen zu verteidigen .
Madrid in seiner Hand beginnt Napoleon von dort aus die
Unterwerfung des Landes, sowie Anordnungen zur Aufklärung gegen
die Engländer zu treffen. Die Centralstellung besetzt haltend will er fächerförmig von dort aus Heerteile aussenden, um die einzelnen Provinzen des Südens zu unterwerfen. Wir glauben, daſs ihm dies gelungen wäre, wenn er sich nicht bezüglich der Engländer geirrt hätte. Er handelte so, als wenn er bestimmt annähme,, daſs diese von selbst nach Portugal zurückgehen würden. Vielleicht wurde er auch getäuscht und glaubte, daſs Moore auf Madrid vorgehen und dort in seine Hände fallen würde. Soult deckte in der Linie
Sahagun -Almanza, westlich des
Carrion - Laufes die Landstrecke zwischen Duero und Küste, das
VIII. Corps wird auf Burgos entsendet, so in der Lage sowohl das II. zu unterstützen als auch an die Hauptarmee herangezogen zu
werden, Junot übernimmt das II. Corps (für Moncey), das mit dem V. (Mortier) zusammen Saragossa belagert und eine Division zur Ver bindung mit Madrid nach Calatayud entsendet. Das VII. Corps ist seit dem 6. Dezember in Catalonien von Rosas in Vormarsch auf
Barcelona. Das I. Corps rückte an den Tajo. Toledo, dessen Junta kurz vorher geschworen, sich unter den Trümmern begraben zu lassen , ergiebt sich der Spitze einer Division, die Linie Toledo Ocana - Tarancon wurde besetzt, die leichte Kavallerie des Corps beobachtete die Straſsen Andalusiens bis zur Sierra Morena, die
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Kavallerie - Division Lasalle und Milhaud werden auf Talavera vor
geschoben, von wo nun wenn sie überhaupt noch scheinlich anmarschieren erhielten diese Divisionen
nach Napoleons Ansicht die Engländer, nicht nach Portugal gewichen seien, wahr würden. Als Lefèbre in Madrid anlangte, in der nachgeschobenen Division Sebastiani
IV. Corps einen Rückhalt, der am 14. durch die Entsendung des I. Corps auf Talavera noch verstärkt wurde. An demselben Tage, den 14. Dezember, langt das VI. Corps, mit Ausnahme der in Guadalaxara zur Verbindung mit Mortier belassenen Division, in Madrid an , Reitermassen streifen Tajo abwärts auf Almaraz und auf Avila .
Die Kräfte -Verteilung läſst auf die Absicht Napoleons
schlieſsen, seinen Unterführern den Einmarsch in Galicien, Andalusien
und Valencia zu überlassen und sich mit den Hauptkräften für den Vormarsch auf Lissabon bereit zu halten .
So weitreichend die
Pläne, seine Kraft schien dazu dem Kaiser auszureichen ; er beschloſs
bei dem bisherigen System zu bleiben und nicht in dem Sinne zu handeln, wie ihm die in Anhang 108 des Generalstabswerkes über
den Krieg 1870/71 enthaltene Directive ausspricht : >» An ihnen ( den Hauptquellen , wo die Hauptkräfte konzentriert werden sollten ) warten wir ab , bis die feindlichen Be
waffnungen sich wieder zu formierten Armeen verkörpert , um diesen dann durch eine kurze Offensive entgegenzu
gehen. « Ob er wohl daran gethan, darauf antwortet die Geschichte. Ein Stärkenachweis vom 15. November läſst die französische Gesamt
kraft auf 335,000 Mann, 60,728 Pferde berechnen , von denen 255,800 Mann, 52,430 Pferde für Operationen verschiedener Art
verfügbar, 32,000 Mann, 8290 Pferde zu Besatzungszwecken verwendet, die übrigen in den Lazaretten waren . Unmittelbar zur Verwendung waren für Napoleon etwa 180,000 Mann, 40,000 Pferde.
Am
22. Dezember zog Joseph in Madrid ein, an demselben Tage folgte Napoleon seinen gegen die englische Armee in Bewegung gesetzten Heerteilen .
Sir John Moore hatte nach der unter den gröſsten Schwierig
keiten ausgeführten Durchquerung Portugals am 11. November die Grenze Spaniens bei Ciudad -Rodrigo überschritten ; an demselben Tage erlitt Blake die Niederlage von Espinosa und am 10. floh Belvedere von Garmonal. Am 15. langten die Spitzen der Moore'schen Kolonne in Salamanca ein, zu derselben Zeit, wo die Flüchtlinge von Reynosa dem I. und IV., vielleicht auch dem II. Corps die gröſste Armfreiheit gewährten . Moore erhielt erst eine Woche nach der Niederlage Kunde von dieser, als französische Reiter bis Valladolid Jabrbüchor für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVI., 3 .
21
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Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
vorgedrungen waren . Von dort bis Salamanca sind nicht mehr als 3 Märsche, in Salamanca waren zunächst nicht mehr als 4000 Eng länder, stieſs der Feind von Valladolid vor, so war der Rückzug auf Ciudad-Rodrigo unvermeidlich. Moore gab zunächst Befehl an Baird und Hope die Vereinigung zu beschleunigen. Das Fehlen jeder Art von Transportmitteln zwang dazu in kleinen Abteilungen zu marschieren. Am 23. November waren 12,000 Mann, 6 Geschütze
in Salamanca vereinigt, damals fiel der Schlag gegen Castannos und Palafox bei Tudela, das III. und VI. französische Corps wurden ver fügbar. Napoleon blieb es frei gestellt auf Madrid oder Salamanca vorzugehen . Am 26. November war die Spitze der Kolonue Baird's
in Astorga, die Arrieregarde aber noch jenseits Lugo, die vordersten Truppen der Division Hope erreichten den Escurial, die Letzten waren bei Talavera .
Messen wir auf der Karte nach, so finden wir
leicht, daſs vor Ablauf von 20 Tagen eine Operation mit versammelten Kräften nicht möglich war.. Der Plan eines Aufgebens der Ver bindung mit Portugal und des tieferen Eindringens in Spanien, um den Süden zu verteidigen und sich mit Castannos zu vereinigen, muſste durch die am 28. bei Moore eingehende Nachricht hinfällig werden, daſs nach Tudela Castannos kein Heer mehr habe. Moore wollte nun selbst auf Lissabon zurückgehen, während Baird Coruña
gewinnen und sich dort nach Portugal einschiffen sollte. Die Nach richt von diesem Entschlusse rief bei der Central- Junta gröſste Be stürzung hervor ; allseitige Bitten verbunden mit falschen Nachrichten
über die französischen und eigenen Kräfte und Vorstellungen des englischen Geschäftsträgers veranlaſsten Moore, der nun über Somo Sierra in Kenntnis war, dem auſserdem Romana 20,000 Mann Ver
stärkungen versprach, zu dem Plane, gegen die Verbindungen des Feindes vorzugehen – ein Vorstoſsen auf Madrid wäre Thorheit gewesen, zudem versprach Toledo's Junta den zähesten Widerstand. Am Tage des Beginnes des Vormarsches von Salamanca in der
Richtung auf Valladolid standen französische Streitkräfte in Talavera, Lissabon näher als Moore. Baird sollte über Benavente heran kommen . Moore hoffte durch den Druck auf die französischen
Verbindungen Einzelerfolge zu erringen ; schickte Napoleon bedeutende Kräfte gegen Moore, so kam dieser damit seiner Aufgabe vach , Südspanien von der Invasion zu retten. Eine aufgefangene Depesche
Napoleons veranlaſste Moore, da in derselben Soult der Befehl gegen Galicien zu marschieren gegeben wurde , über Tordesillas nördlich auszubiegen . Am 20. hat er seine Truppe bei Mayorga
vereinigt zwischen Cea und Valderaduey.
Soult hat am 17. - 18 .
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
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einen Teil seiner Kräfte auf Carrion, eine Division des VIII . Corps auf Palencia in Marsch gesetzt. Napoleon schlieſst aus der Meldung Soult's, daſs Moore, auf die Nordküste Spaniens sich stützend, einen
Schlag gegen Soult führen wolle. An demselben Tage, wo Moore bei Mayorga seinen Heerteil vereinigt, setzt Napoleon, Joseph als Oberkommandierenden über Victor und Lefèbre, sowie eine starke
Kavallerie übertragend (angeblich 40,000 Mann), Ney als erste
Staffel in der Richtung über Medina del Campo in Bewegung, die Hälfte der Kavallerie und die Garden folgen am 21. , um den Eng ländern in den Rücken zu fallen ; am 22. verläſst der Kaiser Madrid .
Nahezu 3 volle Wochen hat er hier verweilt, und die Frage, ob er nicht zeitiger etwas gegen die Engländer hätte unternehmen und da durch hier eine günstigere Entscheidung hätte herbeiführen können, muſs unserer Ansicht nach bejaht werden. Am 24. kam Napoleon in Villacortin , am 25. in Tordesillas an, Ney hat am Tage vorher dort den Duero überschritten , die Kavallerie streift gegen Valladolid und Medina de Rio Secco .
Soult hatte am 23. Saldana aufgegeben und seine Infanterie bei Carrion vereinigt, Kavallerie auf Villatilla, Riberos und Pacadés
vorgeschoben, eine Division des VIII. Corps war in Palencia ein getroffen. Moore wollte in der Nacht zum 23. marschieren, am 24.
Carrion erreichen, den Übergang erzwingen, fluſsaufwärts gehen und den Gegner, den er bei Saldana glaubte, rechts nmfassen , während Romana dasselbe gegen den feindlichen linken Flügel versprach. Am 23. teilte Romana aber den Vormarsch starker Heerteile unter
Napoleons Führung von Madrid her mit.
Von Tordesillas gab Napoleon, der die Richtung auf Tordesillas mit Recht gewählt, weil er Soult in Gefahr glaubte und diesen bald unterstützen wollte, Soult Nachricht über seine nächsten Absichten
und schloſs seine Depesche:
» Die Avantgarde der Kavallerie ist
schon in Benavente . Bleiben die Engländer heute in ihren Stellungen , so sind sie verloren. Greifen dieselben Sie an, so gehen Sie einen
Marsch zurück, je weiter sie vordringen, um so besser für uns. Ziehen sie ab, so folgen Sie dicht auch. « Trotz seiner Eile Valderas
zu erreichen, kommt Napoleon zu spät ; am 26. ist Moore bei Valencia und Castrogonzalo über die Esla gegangen, Soult hat ihn nicht gestellt. Am 27. kommt Napoleon mit Kavallerie nach Medina de Rio Secco, Soult schlägt die Richtung auf Mansilla de las Mulas
ein. Moore steht noch in Benavente als Napoleon am 28. Valderas erreicht, am 29. kommt er nach Astorga. Von dort aus geht der Rückzug auf La Coruña.
Soult hat am 30. ein Gefecht mit der 21 *
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Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
Nachhut Romana's bei Mansilla an der Esla, Napoleon kommt am
1. Januar nach Astorga. Hier überträgt er Soult die weitere Ver folgung, die nicht zu einem Abschneiden der Engländer führt, eilt nach Madrid und von dort aus nach Paris, wo er am 23. Januar
anlangt. Die Kräfte, die er Soult zur Verfügung stellte, waren nicht gesammelt. Die Divisionen Heudelet und Loison waren noch mehrere Tagemärsche rückwärts, die Division Bonnet muſste in Montagna Santander zurückbleiben, Ney stand bei Astorga, die Garden kebrten nach Madrid zurück.
Gelang es auch Moore's Armee aus Spanien zu verdrängen, so
war doch das Ziel, das sich Napoleon gesteckt, nicht erreicht. Die
Lage König Josephs war keineswegs eine sichere, Napoleon hatte den Gegner, wo er mit ihm persönlich zusammentraf, überall ge schlagen, unterworfen war Spanien nicht. Muſs man auch zugeben,
daſs der Staatsmann Napoleon den Feldherrn eine kaum zu lösende Aufgabe stellt, so kann man doch andererseits auch nicht leugnen, daſs der Feldherr bei mehreren Gelegenheiten nicht die volle Thatkraft
entfaltete (Tudela, Soria, Verweilen in Madrid), daſs ferner die Unterführung vielfach die Gesamtlage nicht übersah (Lefèbre, 31. Oktober und folgende Tage, Lannes und Ney bei Tudela, Soria, wo es freilich auch an den nötigen vollständigen Weisungen Napoleons gefehlt zu haben scheint, Soult bei dem Rückzug Moores hinter die Esla ), des für selbstständiges Handeln nötigen strategischen Ver ständnisses entbehrte. Glänzend können daher weder die Erfolge,
noch die Kriegführung in Spanien genannt werden.
XVIII.
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee. Die wachsende Überzeugung von der auſserordentlichen Be deutung und hervorragenden praktischen Tragweite der öffentlichen Gesundheitspflege ist sicher eine der begrüſsenswertesten Er
scheinungen unserer Zeit. Ihr Entwickelungsgang ist freilich und am allerwenigsten in den mittleren und niederen Bevölkerungsklassen schon abgeschlossen. Immerhin ist der entscheidende Schritt nach
dieser Richtung bereits geschehen durch die hygienische Fürsorge, welche der Staat als einen überaus wichtigen Umstand für die
Wohlfahrt des einzelnen wie auch des gesamten wirtschaftlichen Lebens in bedeutend erweiterter Form in den Bereich seines Auf
gabenkreises gezogen hat.
Zahlreichen aus dem Boden des sozialen
Lebens hervorsproſsenden Schädlichkeiten steht nämlich der Einzelne ohnmächtig gegenüber , nur der Gesamtheit, der staatlichen Ver waltung, ist es möglich, helfend einzugreifen. Doch nicht allein aus dieser gröſseren Wirksamkeit und dem Zusammenhange, in welchem die öffentliche Gesundheitspflege mit der nationalökonomischen Bedeutung der Gesundheit des Einzelnen , seiner und des ganzen Volkes wirtschaftlicher Schaffenskraft steht, 9
leitet sich das Interesse des Staates an den Fragen hygienischer Natur ab .
Dasselbe baut sich vielmehr in erster Linie auch aus
der Thatsache auf, daſs der Einzelne , indem er durch Forderungen des Staates in seinen Lebensverhältnissen beeinträchtigt wird , bis
zu einem gewissen Grade die Möglichkeit verliert , Herr seiner Gesundheit za bleiben und sich mancher dieselbe bedrohenden Schädlichkeit zu erwehren.
Je mehr dies der Fall ist, je mehr die einzelne Person in ihrer Freiheit durch das Gemeinwesen beschränkt und vermöge ihrer
sozialen Stellang gesundheitswidrigen Einflüssen ausgesetzt wird,
desto mehr wird es heilige Pflicht der staatlichen Verwaltung, sich
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
318
durch entsprechende hygienische Maſsnahmen der einzelnen Person
in Beziehung auf ihre Gesundheit anzunehmen , schützend und fördernd für dieselbe einzutreten.
Daſs von Seiten des Staates die Heeresverwaltung in erster
Linie zur hygienischen Fürsorge auf ihrem Gebiete verpflichtet ist, unterliegt nach dem Gesagten wohl umsoweniger einem Zweifel, als gerade sie es ist , welche den besten Teil der Volkskraft unter
ihrer Obhut sieht, am tiefsten in die freie Lebensweise des Einzelnen eingreift und das böchste Interesse daran hat, das ihr anvertraute ?
Menschenmaterial frisch und lebenskräftig zu erhalten , sei es für Tage ernster Forderungen , sei es zu Gunsten einer gesunden Fort entwickelung des Volkes.
Die mit dieser Thatsache sich ergebenden Fragen hygienischer Natur sind es denn auch, welche unsere Heeresverwaltung seit einer Reihe von Jahren beschäftigen und mit zahlreichen Verbesserungen, Versuchen und Proben, Weisungen und Vorschriften die erfreulichsten Fortschritte auf dem Gebiete der Militärgesundheitspflege zutage
gefördert haben. Sind sie auch zur Zeit noch vielfach in der Ent wickelung begriffen ; so bekundet ihre Anbahnung allein , wie sehr
man sich ihrer Wichtigkeit und der Verpflichtung, dieser gerecht zu werden, bewuſst ist.
Eines der fruchtbarsten Mittel zur Ergründung jener Gebiete, auf welchen die Gesundheitspflege am ersprieſslichsten für das Wohl der Armee wirken kann, ist die bei der deutschen Heeresverwaltung durchgeführte zeitenweise Aufstellung statistischer Sanitäts
berichte. Eine entsprechende Beobachtungsdauer und das groſse zur Verfügung stehende Beobachtungsmaterial gestatten denselben die Gewinnung von Erfahrungssätzen, welche meist weit über die Beobachtungsgrenzen hinaus nutzbringende Verwertung finden können .
In diesem Sinne haben neben anderen auch die bisher über
die königlich bayerische Armee vorgelegenen für die Zeit abschnitte 1874/79 , 1879/82 , 1882/84 bereits treffliche Früchte getragen und lassen es mit Freuden begrüſsen, daſs sie vor kurzem durch Ausgabe des > Statistischen Sanitäts - Berichts der königlich bayerischen Armee für die Zeit vom 1. April 1884 bis 31. März 1886 « ihre Fortsetzung gefunden haben. Dieselbe bietet uns das Material für nachstehende auch über
die Reihen der bayerischen Armee hinaus interessante und verwert bare , in der Besprechung der wichtigsten Krankheitsformen
für die Armee gipfelnde Betrachtung,
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
319
Der Krankenzugang in der Berichtszeit betrug jährlich durch schnittlich 49,340 Mann oder 1046 Erkrankungen auf 1000 Mann der Iststärke.
Wenn diese Verhältniszahl auch jene von 1882/84,
welche 1031 % . Erkrankungen aufwieſs , um ein geringes über 00
schreitet, so liegt immerhin noch eine wesentliche Besserung gegen über den beiden Berichtszeiten 1874/79 und 1879/82 vor, innerhalb
deren sich ein Zugangsdurchschnitt von 1719 % o errechnet hatte. Der schon für frühere Zeitabschnitte nachgewiesene Einfluſs
der Jahreszeit auf den Krankenzugang tritt auch durch den neuesten Bericht wieder grell bervor , indem der auf die Winter
halbjahre (Oktober bis März) entfallende Zugang jenen der Sommer halbjahre um rund 180 % überschreitet. Ebenso wiederholt sich die früher schon beobachtete Regelmäſsigkeit der Kranken
bewegung, indem die Erkrankungszahl von ihrem mit 136 (1884/85) beziehungsweise 122 (1885/86 ) % der Iststärke im Januar liegenden Maximum über eine kleine auf den Monat ' August fallende Schwankung hinweg allmählich zu ihrem im Monat September
liegenden Minimum von 55 (1884/85) bezw. 60 ( 1885/86)%0 herabsinkt und von da ab nach und nach bis Januar emporsteigt, in welchem Monat sie ebenso wie im Dezember, Februar und März sich weit über dem Monatsdurchschnitt des Jahres bewegt.
Die Verteilung der Erkrankungen auf die Garnisonen ist eine auſserordentlich ungleichmäſsige, teilweise auch von den Be obachtungen der Vorjahre abweichende.
Die Schwankungen in
dieser Beziehung bewegen sich im Jahre 1884/85 zwischen 59 % . 001, im Jahre 1885/86 zwischen 0 % und 1727°%
und 1598 % . Dabei
zeigte häufig ein und dieselbe Garnison in den einzelnen Jahren
ganz verschiedene Gesundheits -Verhältnisse. So betrug in Bayreuth, Erlangen und Neumarkt i. d. Oberpfalz der Zugang von 1885/86 das Doppelte und Dreifache der Erkrankungszahl des vorhergegangenen Jabres, während beispielsweise Saargemünd , das 1882/85 von allen
Garnisonen die ungünstigsten Gesundheits - Verhältnisse aufwies, im Jahre 1885/86 eine ebenso auffallende Abnahme des Krankenzugangs zeigte.
An Garnisonen , welche in beiden Berichtjahren einen den
Durchschnittssatz von 1046 %00 der Iststärke überschreitenden Kranken zugang ergaben, sind in aufsteigender Reihenfolge zu nennen : Lindau
(im Durchschnitt beider Jahre 1157°% ), Ingolstadt ( 1264 % ), Sulz bach (1291 % ), Landsberg (1299 % ), Freising und Landshut (je 00
00 ), 1343%), Neu - Ulm (1415 % ), München- Nymphenburg ( 1446%,0 Speyer ( 1505 % ), Neustadt a/W. N. ( 1594 % ) und Fürstenfels
320
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
bruck ( 1640 % ). Von diesen sind Landsberg, Lindau and Sulzbach gegenüber dem Zeitabschnitt 1882/84 in die Reihe der den Durch
schnittszugang überschreitenden Garnisonen neu eingetreten, während Benediktbeuern, Dillingen, Kempten, Neumarkt i. d . Oberpfalz, Neu stadt a/A ., Nürnberg und Regensburg ausgefallen sind. Von dem Gesamtzugange entfielen rund ein Drittel auf das Lazarett , zwei Drittel auf das Revier.
Den geringsten Krankenzugang wiesen die Landwehr
stämme mit 188 % im Revier, 98 % , im Lazarett auf. Ihnen folgten 00
00
in aufsteigendem Sinne : im Revier, im Lazarett
die Ökonomiehandwerker sämtlicher Waffen mit
289 %
440 °% 0 529 % 669 °/00
die Krankenwärter -Abteilung mit die militärischen Strafanstalten mit
die Kavallerie mit .
7130 673 %
die Infanterie mit die die der die
Feldartillerie mit Fuſsartillerie mit . Train mit Pioniere mit
934 %
923 % 0 1035 % 0 5760
das Kadetten-Corps mit die Kriegsschule mit
:: 2687 % 38 %
.
die Arbeiter - Abteilung mit
312 %00 33300 273 % 33600 315°/00 390 % 403/0 435 % 0 411 % 112870 58 % 2885 %000
Diese Reihenfolge zeigt gegenüber den Vorjahren nur einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich des Trains , welcher in der
aufsteigenden Reihenfolge von dem in dem Zeitabschnitt 1882/84 eingenommenen 6. Platze auf den 9. vorgerückt ist.
Für die Behandlung im Lazarette ergab sich eine Durch schnitts - Behandlungsdauer von rund 22, für jene im Revier von rund 8 Tagen .
Erstere wurde nur vom Personal der mili
tärischen Strafanstalten
und
der Mannschaft
der
Feldartillerie
Der Ausfall an Diensttagen durch Lazarettaufenthalt betrug auf den Kopf der Infanterie 7 , der Kavallerie 9, der Feldartillerie 11 , der Fuſsartillerie und Pioniere 5 Tage. wesentlich überschritten .
Nach Krankheitsgruppen verteilen sich : %0 Zugang, % Todes- % . Behand auf Krankheiten der Atmungsorgane
» allgemeine Erkrankungen » Krankheiten der Ernährungsorgane
148 42
fälle, 1,26 0,58
lungstage 2285
244
0,28
1728
1235
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
auf Krankheiten des Nervensystems . > Krankheiten der Bewegungsorgane > äuſsere Verletzungen
321
% Zugang, % . Todes- %. Behand fälle, lungstage 6 0,21 161 46
0,08
260
0,07
537 2917
8
0,07
170
20
0,06 0,04
426
0,03 0,02
2006
> Krankheiten der Harn- und Ge
schlechtsorgane » Krankheiten
der
Zirkulations
organe
> sonstige Krankheiten
1
>
> Krankheiten
der äuſseren
41
Be
deckungen
174
> Ohrenkrankheiten
19
> venerische Erkrankungen
35
429 1184
» Augenkrankheiten
35
422
» Beobachtungen
8
121 .
Hinsichtlich des Zugangs wie der Behandlungsdauer treten
sonach die Krankheiten der Atmungsorgane , die allgemeinen Er krankungen , die Krankheiten der Ernährungsorgane , der äuſseren Bedeckungen und die äuſseren Verletzungen besonders in den Vordergrund. Bezüglich der Sterblichkeit nehmen die Krankheiten der Atmungsorgane den weitaus ersten Platz ein , obwohl die
Sterblichkeit in dieser Gruppe gegenüber dem Zeitabschnitt 1882/84 beträchtlich abgenommen hat. Ihnen folgen mit einer bedeutenden Steigerung der Sterblichkeitsziffer gegenüber dem genannten Zeit abschnitt die allgemeinen Erkrankungen .
Die Bedeutung, welche somit letztere beiden Krankheitsgruppen in ihrem Einflusse auf den Bestand der Armee gewonnen haben,
läſst eine kurze Besprechung der wesentlichsten, in Bayern bezüglich derselben gemachten Beobachtungen auch für weitere Kreise an
ziehend und nutzbringend erscheinen. Das Maximum des Zugangs an Krankheiten der Atmungs organe liegt im Monat Januar. Von da ab erhält sich die Kranken zahl bis März auf fast gleicher Höhe , fällt dann rasch zu dem im September liegenden Minimum und steigt dauernd bis zum Monat Januar an.
Bei einem Gesamtzugange von 13,980 Neuerkrankten und einem aus dem Jahre 1883/84 übernommenen Bestande von 256 Kranken
gingen 140 Mann mit Tod, 711 als dienstunbrauchbar, 12 als halbinvalide, 221 als ganzinvalide, im Ganzen 1084 Mann, darunter 108 mit bereits bestehenden Lungenleiden eingestellte Rekruten, ab.
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
322
Die ungleichartige Beteiligung der einzelnen Waffengattungen an dem Gesamtabgange, von welchem 11,7 %00, der Iststärke auf die 00 auf die Feldartillerie, Infanterie, 12,8 % auf die Kavallerie, 13,9%,
6,7 % auf die Fuſsartillerie, 8,7 % 0 auf die Pioniere, 14,8 % anf 00
den Train entfallen , sowie der Umstand, daſs das 1. Dienstjahr mit
mehr als der Hälfte an dem Gesamtabgang beteiligt war, gestatten immerhin beachtenswerte Folgerungen bezüglich des Einflusses, den die dienstlichen Verhältnisse im allgemeinen sowie jene der einzelnen Waffen auf den Zugang an hierher zählenden Krankheitsformen ausüben .
Von letzteren lieferte die Schwindsucht den gröſsten Teil des Gesamtabganges , nämlich 6,90 % . der Iststärke. Neben ihr erscheinen Brustfellentzündung mit 1,22 % 0, Lungenentzündung mit 0,67 %0090, andere Lungen- und Kehlkopfkrankheiten mit 2,700 Bezüglich der Sterblichkeit nimmt dagegen die Lungen 00
entzündung weitaus den ersten Platz ein.
Obwohl
mit
nur
58 Fällen am Gesamtabgang beteiligt , zeigt sie bei 35 derselben tötlichen Ausgang, bei 12 Entlassung als ganzinvalide, bei 11 Ent lassung als dienstuntauglich . Bei den übrigen einschlägigen Krankheitsformen gestaltet sich dieses Verhältnis wesentlich anders. Es zeigt nämlich für Schwindsucht bei 349. Abgängen : 82 gestorbene, 108 ganz invalide, 159 dienstunbrauchbare,
Brustfellentzündung bei 104 Abgängen : 20 gestorbene, 43 ganzinvalide, 41 dienstunbrauchbare,
anderen Lungen- und Kehlkopfkrankheiten bei 83 Ab gängen : 3 gestorbene, 37 ganzinvalide, 2 halbinvalide, 41 dienst unbrauchbare. Was den Einfluſs der Jahreszeit auf den Zugang betrifft, so kennzeichnet sich sowohl beim akuten und chronischen Bronchial
katarrh wie bei Lungenentzündung und Brustfellentzündung genau der ungünstige Einfluſs der Wintermonate.
Nur ziehen sich bei
den entzündlichen Lungenprozessen die ungünstigen Krankheitszahlen des Winters auch noch durch das Frühjahr fort, während die ein
fach katarrhalischen Affektionen mit April steil abfallen . Für die Entstehung der Lungenentzündung als der nach Sterblichkeit weitaus wichtigsten Krankheitsform konnte der hier in Rede stehende Bericht auſserordentlich beachtenswerte Fingerzeige
zutage fördern , die um so wertvoller sind, als diese Krankheitsform teilweise den Erkältungs- und Witterungskrankheiten zugezählt, teilweise als reine Infektionskrankheit aufgefaſst wird, während
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
323
wieder andere bei Annahme eines spezifischen Infektions - Stoffes
schädliche Witterungseinflüsse als günstige Gelegenheitsursache zur Erkrankung bezeichnen .
Nun ergab aber ein Vergleich des ungewöhnlich milden Winters 1883/84 mit dem langdauernden und heftigen Frost aufweisenden Winter 1884/85 gerade für ersteren auſserordentlich ungünstige
Verhältnisse. Bei der wohl berechtigten Annahme, daſs die dienst lichen und sonstigen Verhältnisse, durch welche die Mannschaften den Einflüssen der Witterung ausgesetzt waren, für die beiden Winter wohl als gleich anzunehmen sind , dürfte der gegensätzliche
Charakter beider gegen die Auffassung der Pneumonie als reine Erkältungskrankheit sprechen . Auch die Verhältnisse in der Kaiser Wilhelm- Kaserne zu Metz
scheinen die Infektionstheorie zu bestätigen . Dieselbe gilt als en demischer Pneumonie-Herd, indem daselbst seit Jahren zahlreiche
Mannschaften des dort kasernierenden königlich preuſsischen In fanterie- Regiments Nr. 42 meist ohne Nachweis anderer schädigender
Einflüsse an Pneumonie erkrankten . Die von 2 Compagnien des
königlich bayerischen 2. Fuſsartillerie-Regiments bewohnten Räum lichkeiten in derselben Kaserne blieben lange verschont. Seit Januar
1885 stellt sich nun aber auch in diesen eine Häufung von Pneumonie fällen ein, ohne daſs bis jetzt ein Grund dafür angegeben werden kann.
Ebenso traten auch in anderen Garnisonen Beobachtungen
bezüglich der zeitlichen und örtlichen Verteilung der Pneumonie Zugänge auf, welche die sogenannte Erkältungstheorie eben so sehr im Stiche lassen als sie gewichtige Belege für die Infektionstheorie abgeben.
Unter den allgemeinen Erkrankungen verdienen Scharlach,
Diphtherie und Gelenkrheumatisnius unsere besondere Beachtung, nachdem diese Krankheitsformen eine stete Zunahme zeigen. So betrug der Krankenzugang: 1882/84 : an Scharlach
an Diphtherie
1884/86 :
1,03 % o der Iststärke 2,53 %00 der Iststärke, 1,54°/00
0,85 %
>>
>>
>>
an akutem Gelenk
rheumatismus
15,1 % .
19,15 %
>>
Bezüglich des Scharlachs ist sonach die im statistischen Sanitätsberichte der königlich bayerischen Armee für 1882/84 ge machte Feststellung, daſs derselbe in fortwährender Zunahme begriffen sei, durch den Bericht für 1884/86 abermals erhärtet.
> Während
dieselben «, sagt letzterer, » früher nur ganz vereinzelt vorkamen, so daſs Niemand daran gedacht hatte, sie zu den eigentlichen Soldaten
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
324
krankheiten zu zählen, haben dieselben seit 1879/80 eine solche
Ausbreitung gewonnen , daſs sie unter die wirklich eingebürgerten Krankheitsformen der Armee aufgenommen werden müssen . ««
Ein Vergleich der heutigen Zugangs- und Behandlungs-Verhältnisse mit jenen im Jahre 1874/75 zeigt denn in der That am Schlusse des zwölfjährigen Zeitabschnittes das 80 und 60 fache der Krankheits tage bei 21 mal (1884/85 sogar 40 mal) erhöhter Zugangsziffer.
Dabei erwies sich der Scharlach als eine ausgesprochene Winter krankheit , kam am seltensten in den Monaten Juli bis Oktober
vor, begann im November anzusteigen, erreichte den Höhepunkt im Februar und nahm dann langsam ab. Andrerseits lieſsen die groſsen zeitlichen und örtlichen Verschiedenheiten im Auftreten der Krank
heit bei den Compagnien derselben Kaserne und desselben Bataillons
manche neuestens als Entstehungsursachen hervorgehobenen Gründe, so z. B. die Einschleppung des Krankheitsstoffes durch Trinkwasser, Milch und andere Lebensmittel wenig glaubhaft erscheinen. Ebenso
zeigten die geographischen Verschiedenheiten in der Ausbreitung des Scharlachs , daſs auch bei den exquisit kontagiösen Krank heiten örtliche Verhältnisse eine gewisse Rolle spielen müssen. «
Auch die Masern , welche einen seit 12 Jahren ungefähr um das dreifache gestiegenen Zugang aufweisen, haben sich, wenn auch nicht in dem Maſse wie der Scharlach, allmählich mehr in die
Armee hineingedrängt und ergeben wie dieser den weitaus gröſseren Zugang in den Wintermonaten .
Die Steigerung der Zugänge tritt
in allen Garnisonen gleich deutlich hervor, obwohl die Beteiligung der letzteren an dem Gesamtzugange eine sehr ungleicbmäſsige war
und eine gewisse geographische Zusammengehörigkeit so wohl der wenigst als der meist heimgesuchten nicht verkennen läſst. Diese Thatsache ergiebt sich auch aus dem groſsen Material der bis 1881/82 veröffentlichten statistischen Sanitätsberichte der königlich preuſsischen Armee und des königlich württembergischen Armee - Corps, welche darthun, daſs die Garnisonen des Rhein
gebietes (Düsseldorf, Köln-Deutz, Wesel, Hagenau, Jülich, Koblenz, Weiſsenburg, Saarlouis, Colmar, Trier) und Odergebietes (Cüstrin , Görlitz , Cottbus, Glatz, Cosel , Schweidnitz , Brieg, Neiſse) die
wenigsten , die Garnisonen des Nordens (Stettin, Hannover, Flens burg, Stargard i. Pr., Rostock, Schwerin, Oldenburg ) und des tiefsten Südens , besonders des schwäbischen Winkels ( Stuttgart, Frei burg i. B., Weingarten, Ulm) dagegen die meisten Zugänge an Scharlach und Masern aufweisen. In Übereinstimmung mit ihnen ergiebt die bayerische Statistik, daſs die rheinischen Bezirke zu 9
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee .
325
den besten , die schwäbischen , an welche sich die Garnisonen
der südbayerischen Hochebene anreihen, zu den schlechtsten zählen . Mit der Zunahme des Scharlachs ist in den einzelnen Jahren
stets auch eine Erhöhung der Diphtheriefälle nachweisbar, sonach ein kausaler Zusammenhang beider Krankheitsformen nicht zu ver
kennen . Einem Zugang von 0,85%. Diphtherie- Erkrankungen in dem Zeitabschnitt 1882/84 steht in der Zeit 1884/86 ein solcher von 1,54 %00 gegenüber. Auch bezüglich des Einflusses der Jahreszeit
auf die Diphtherie - Zugänge begegnen wir demselben Bild wie beim Scharlach. Im Januar wird der Höhepunkt erreicht, dann sinken die Krankheitszahlen allmählich bis zum Oktober, um in den Monaten November und Dezember rasch anzusteigen. Bezüglich des akuten Gelenkrheumatismns ist die schon
in früheren Sanitäts - Berichten hervorgehobene steigende Häufigkeit der Erkrankungen durch die Beobachtungen aus der Zeit 1884/86 neuerdings bestätigt. Die Zahl der Zugänge stieg von 8,8 %, der Iststärke in der Zeit 1878/80 über 13,7 % für 1880/82 und 15,1 % für 1882/84 hinweg auf 19,1 %. für 1884/86. Dabei zeigen gleich den Vorjahren die Monate Januar bis Mai
die höchsten Erkrankungsziffern. Vom Mai bis September ist ein steter Rückgang derselben und vom Oktober ab eine allmähliche
Steigerung zu beobachten. Als Erkrankungsursache wurde in den meisten Fällen Er
kältung angenommen. Berücksichtigt man, daſs von den seit 1874/75 vorgekommenen 6750 Gelenkrheumatismusfällen 74 % auf die Zeit
vom Dezember bis Juni und nur 26% auf die Monate Juli mit November entfallen , so ist gegen die Auffassung des Gelenk rheumatismus als einer reinen Erkältungs- beziehungsweise Witterungs krankheit noch schwer anzukämpfen .
Trotz der ganz bedeutenden Mehrung des Zugangs an akutem Gelenkrheumatismus ist eine geringe Minderung der chronischen
Gelenkrheumatismusfälle, die sich gröſstenteils aus akuten Er krankungen entwickelten , festzustellen, indem einem Zugangsverhältnis
von 0,60 %
00
der Iststärke für 1882/84 ein solches von 0,57 % , für
1884/86 gegenübersteht. Die Heilungen verhalten sich zu dem anderweitigen Abgang wie 2 : 7, wobei gleich den Vorjahren die Beobachtung zutage trat, daſs das 1. Dienstjahr mit mehr als der Hälfte am Gesamtabgange beteiligt war . Bei der beklagenswerten Thatsache, daſs Scharlach , Masern,
Diphtherie und Gelenkrheumatismen eine stets steigende Ausbreitung
326
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee .
gewonnen haben, ist es um so erfreulicher, daſs der Typhus gegenüber den ersten Berichtszeiten sowohl in Bezug auf den Kranken zugang als hinsichtlich der Sterblichkeit eine geringe Abschwächung zeigt, wenn er auch bezüglich des ersteren freilich das günstige Verhältnis der Zeit 1882/84 nicht beibehielt.
So betrug 1874/79
1879/82
der Zugang: die Sterblichkeitszahl: 149,0 % 7,49 %
4,8 %
110,8 % 0
2,16°/00 95,79% 1882/84 3, 1884/86 74,2 % 0 00 % Die Unterschiede zwischen Winter und Sommer treten nicht so charakteristisch hervor wie bei Scharlach und Masern, viel
mehr sind die erhöhten Zugangsziffern einzelner Monate auf das epidemische Auftreten der Krankheit zurückzuführen. Die Durch schnittsdauer der Behandlung , welche fast ausschlieſslich und
mit gutem Erfolge an dem Grundsatze der Brand'schen Kalt wasserbehandlung festhielt, betrug 60 Tage, an welche sich ein
Übergangsaufenthalt in einer Rekonvaleszenten -Anstalt und ein mehr monatlicher Urlaub anreihte, da »die Typhusrekonvaleszenten eine Phase der Regeneration durchmachen müssen , vor deren gänzlichem Abschlusse der noch nicht erstarkte Körper durch jede gesteigerte
Zumutung von Arbeitsleistung geschädigt wird. « Der Einfluſs der Grundwasserschwankungen auf das Auf treten des Typhus ist unverkennbar zutage getreten. So fielen die wenigen in München vorgekommenen Typhustodesfälle insgesamt mit einem niederen Grundwasserstande zusammen, während die Monate
mit den höchsten Grundwasserständen nur wenige oder gar keine Zugänge zeigten . Freilich können diese Beobachtungen nach der Pettenkofer' schen Theorie keineswegs als erschöpfend bezeichnet werden,
sondern lassen noch die chemische Analyse des Wassers und die Feststellung der darin vorkommenden Bakterienarten als wünschens wert erscheinen. Die Hygiene, welche ja längst die Kenntnis der Wasser- , Boden- und Luftbeschaffenheit als erste Bedingung
für die Beurteilung der Gesundheits- Verhältnisse eines Ortes aner kannt hat, muſs zur Zeit ja überhaupt noch darauf verzichten, ihre diesbezüglichen Forderungen vollkommen erfüllt zu sehen. So wird sie beispielsweise bezüglich des Bodens erst eine festere Grundlage für die Lösung ihrer Aufgaben gewinnen, wenn eine langjährige Thätigkeit der weitesten Kreise auf geologischem u. s. w. Gebiete
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
327
hinlängliche Anhaltspunkte geschaffen hat über die Dichte, Zusammen setzung, den Luftgehalt der einzelnen Erdschichten, sowie deren
Absorptionsfähigkeit für Wasser, organische and mineralische Sub stanzen . Hinsichtlich der Luft dagegen verlangt sie die Angabe aller meteorologischen Phänomene, der Lufttemperatur, des Luft druckes, der relativen Feuchtigkeit der Luft, der Niederschlags verhältnisse, der Windverteilung, der vorherrschenden Luftströmungen und des Gehaltes der Luft an organischen Bestandteilen. Gerade die bedeutendste, in dem Sanitätsberichte der königlich
bayerischen Armee für 1884/86 besprochene Typhusepidemie bietet auſserordentlich viel interessantes Material für das Studium
der Entstehung und Förderung dieser Krankheitsform .
Die
Epidemie kam bei sämtlichen (4) Compagnien der betroffenen Kaserne gleichzeitig zum Ausbruch und berechtigte so zur Folgerung, daſs das Typhusgift, sei es durch Infektionskeime aus dem Unter grund des ganzen Hauses oder durch Trinkwasser, Lebensmittel oder Ausdünstungen der Aborte gleichzeitig zur Einschleppung gelangte. In ersterer Richtung konnte festgestellt werden, daſs die Epidemie nach vorausgegangenen abnormen Witterungsverhältnissen ( Nässe abwechselnd mit Kälte und Schneefall) bei starkem Falle des Grundwassers zum Ausbruch kam.. Eine Einschleppung liefs sich nicht ermitteln ; ebenso erschien die Annahme ausgeschlossen , daſs Nahrungsmittel die Träger der Krankheit seien, da andere
von der gleichen Centralstelle aus verpflegte Abteilungen verschont blieben. Typhusbacillen oder andere pathogene Mikroorganismen fanden sich weder im Trinkwasser noch in den Fehlboden
füllungen , der Zimmerluft und dem Erdreich nächst der Abtrittgruben. Dagegen war die Anlage der Aborte sehr mangel
haft, indem den in den Gruben sich entwickelnden Fäulnisgasen der Zutritt zu den Kasernengängen und von hier zu den Wohn räumen möglich war. Trotzdem wurden aber einzelne vom Aborte entferntere Räumlichkeiten stärker befallen als Zimmer, welche dem Zutritt jener Gase besonders ausgesetzt waren . Unter der Civil
bevölkerung der Garnison kam nur ein Fall vor, während die in anderen Kasernen der Garnison untergebrachten Truppenteile ganz verschont blieben .
Die ersten Maſsnahmen, nämlich gründliche und nachhaltige Lüftung der Kasernenräume, Räumung und Desinfektion der Abtritt und Kehrichtgruben, Verbrennung des Bettstrohes, Evakuierung der Mannschaft innerhalb der Garnison, Desinfektion der infizierten
Zimmer und ihrer Einrichtungen, strengste Kontrolle der Nahrungs
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
328
und Genuſsmittel, Verbot des Wassergebrauchs aus Pumpbrunnen zeigten keine nachhaltige Wirkung. Dagegen kam nach vorge
nommener Dislozierung des betroffenen Truppenteils nach Lager Lechfeld kein Fall mehr vor und auch nach dessen Rückkehr in das
alte Unterkunftsverhältnis erfolgte kein neuer Zugang, nachdem in zwischen die alten Aborte beseitigt und in den Kasernenhof verlegt worden waren und die Ventilationsmöglichkeit einiger Zimmer eine Verbesserung erfahren hatte.
Werfen wir nach dieser allgemeinen Besprechung jener beiden Krankheitsformen , welche auf die Sterblichkeit in der Armee von besonders hervorragenden Einflusse sind, einen Blick auf die Sterb lichkeit in der Armee überhaupt, so ergiebt sich die erfreuliche Thatsache, daſs die Gesamtsterblichkeit in der Armee während
der Jahre 1884/86 auf 3,86 %
der Iststärke gegenüber 5,23%, in
den Jahren 1874/84 herabgesunken ist, wohl der erfreulichste Beweis für das ersprieſsliche Wirken auf sanitärem Gebiet und für die gedeihliche Entwickelung der Armee -Gesundheitspflege. Auch bezüglich der Selbstmorde ist eine wesentliche Abnahme der Fälle in den Jahren 1884/86 gegenüber früheren Jahren ein getreten , indem die Jahre 1874/79 an Selbstmordfällen 0,54 % 1879/82 – 0,73 % 90, 1882/84 – 0,85 % , 1884/86 - 0,55 °% 00. der Iststärke aufwiesen. Auffallend erscheint dabei der groſse Prozent satz an Selbstmordfällen , welcher auf Unteroffiziers -Chargen, auf die im 2. -6. Dienstmonate Stehenden und auf den Monat Juni entfällt.
Von den 52 vorgekommenen Fällen blieb in 26 der Grund unbekannt, während in den übrigen Furcht vor Strafe (12), Leidenschaften ((unglückliche Liebe , Trunksucht) (5 ), Familienverhältnisse ( 3 ), Geisteskrankheiten (2), Gewissensbisse (2), Lebensüberdruſs (1 ) und körperliche Leiden (1 ) die bewegende Ursache bildeten. Trotz der nachgewiesenen Abnahme überwiegen die in der
Armee vorgekommenen Selbstmordfälle die Zahl der Selbstmorde in der Gesamtbevölkerung Bayerns noch ungefähr um das Vier fache, indem bei letzterer im Jahre 1884 - 0,132%02 001 im Jahre
1885 – 0,140 % der Seelenzahl entfielen . Dagegen sind Unglücks fälle mit tötlichem Ausgange in der Armee, wo sie von 0,49%. 00
der Iststärke in den Jahren 1874/79 auf 0,27 %00. in den Jahren 1884/86 herabsanken , seltener geworden als in der Gesamtbevölkerung, wo 1884 0,306 %00. und 1885 – 0,304 %00 der Bevölkerungszahl vorkamen .
Wenn bereits oben an den Wasser-, Boden- und Luft - Ver hältnissen die Vervollkommnungsfähigkeit und -Bedürftigkeit der
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
329
Sanitäts-Statistik nachgewiesen wurde, so hat auch der jüngste statistische Sanitätsbericht für die königlich bayerische Armee einen dankenswerten Schritt vorwärts gemacht, indem er zum ersten Male eine nach Krankheits -Zugängen ausgeschiedene Berufsstatistik in seine Spalten aufnahm . Dieselbe wird zwar erst bei längerer Be obachtungsdauer genaue Schluſsfolgerungen zulassen . Nichtsdesto weniger aber konnte sie schon jetzt die beachtenswertesten Fest stellungen zutage fördern . Die auſserordentlich verschiedenen Prozentsatze, mit denen die
verschiedenen Berufsklassen am Zugange in den einzelnen Krankheits formen beteiligt sind, lassen zur Genüge erkennen , in wie hohem Maſse die gesundheitlichen Verhältnisse innerhalb eines Truppenteils von seiner Ergänzungsart und den charakteristischen Eigentümlich keiten seiner Ergänzungsbezirke abhängig sind. Auf dieser Au deutung fortbauend wird die Statistik nicht allein in der Armee, sondern auch in den Kreisen der Civilbevölkerung Erfahrungssätze
gewinnen können, die von der fruchtbarsten Einwirkung auf die Gesundheitspflege im allgemeinen sind . Wie hohe Aufgaben damit auch der Sanitäts - Statistik für die Zukunft noch gestellt werden mögen, sie hat, wie der zu dieser Besprechung Anlaſs gebende Bericht recht deutlich beweiſst, sich bereits als eine eben so treue wie nützliche Dienerin der Hygiene bewiesen und ibre Schöpfungen sind richtig verstanden und verwertet – schon heute geeignet, den groſsen Zweck - das sanitäre Wohl der Armee – in ersprieſslichster Weise zu fördern.. - r
Jahrbücher für die Deutsche Armee and Marine. Bd. LXVI., 3.
22
XIX .
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ? Gedanken über kriegsmäſsige Ausbildung unserer Infanterie von
Reisner Freiherr v. Lichtenstern, königlich bayer. Hauptmann und Compagniechef im Infanterie -Leib -Regiment.
„Durch die Schieſsübungen soll die Infanterie diejenige Ausbildung im Schieſsen erhalten, deren sie für den wirksamen Gebrauch der Schuſswaffe Schiefsvorschrift 1887. im Gefecht bedarf.“
Die Kriegsgeschichte berichtet uns , daſs das Schieſsen mit Handfeuerwaffen in der Infanterie seit seiner Erfindung bis zum
heutigen Tage in Bezug auf rationelle und intensive Pflege mehr fachem Wechsel unterworfen war. Denn die in aufgelöster Ordnung, also gewissermaſsen selbstständig kämpfenden Arkebusiere und Mus ketiere des 16. Jahrhunderts wurden bald mit den Pikenieren in
geschloſsene Körper zusammengestellt, und als in der Folge das Bajonettgewehr die ausschlieſsliche Bewaffnung der Fuſstruppen bildete, fochten die Schützen , d. h. nunmehr die gesamte Infanterie, durchweg in geschlossenen Linien. Bei fast ausnahmsloser An wendung dieser Formation konnte aber von irgend einer indivi duellen Ausbildung, der notwendigen Voraussetzung jeglichen Fort
schrittes in der Schieſskunst, keine Rede mehr sein. Ein wesentlicher Umschwung zum Besseren erfolgte, als gegen Ende des 18. Jabrhunderts in den Kämpfen der amerikanischen Milizen und der französischen Revolutionsheere das Schützengefecht groſse Ausdehnung gewann. Heute nun, in der Epoche der » Einzel ordnung« ist dasselbe zur unbestrittenen Herrschaft gelangt, und es tritt an jeden Infanteristen die Notwendigkeit heran, seine Schuſs waffe in loser und geschloſsener Gefechtsordnung, in allen Gelegen heiten des Krieges geschickt und zweckentsprechend gebrauchen zu können .
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
331
Anders und viel günstiger lagen die Verhältnisse bezüglich der Erlangung eines bedeutenden Grades von Schieſsfertigkeit auſserhalb des Soldatenstandes. Man weiſs, daſs das Schieſsen auf die Scheibe in bürgerlichen Kreisen lange Zeit hindurch in ausgedehntester Weise zu Zwecken der Wehrhaftmachung geübt und gepflegt *), dann aber auch um seiner selbst willen betrieben wurde, d. h. des Ver gnügens halber, welches die Genugthuung des Treffens zu verleihen
pflegt. Und auch die Jäger haben nach langem Sträuben **) nicht umhin gekonnt, ihre bislang so hoch geschätzte Armbrust aufzugeben und das Faustrohr allgemein in Gebrauch zu nehmen. Das Schieſsen wurde aber nicht bloſs in weiten Kreisen des
Volkes betrieben, sondern auch stets von jedem einzelnen Scheiben und Jagdschützen naturgemäſs selbstständig und selbstthätig ausgeübt. Ungleich weniger eingeschränkt und behindert, als der Soldat , durch gebotene Rücksichtnahme auf Zeit und Geld und andere Umstände verschiedenster Art, vermochte der Scheiben- und
Jagdschütze wertvolle Erfahrungen zu sammeln und diese wieder, bei dem fortwährenden Weiterbestehen des bürgerlichen Schieſsens, anderen Schützen mitzuteilen.
Auf solche Weise häufte sich in den bürgerlichen Kreisen im Laufe der Jahrhunderte eine bedeutende Erfahrung auf dem Ge biete des Schieſsens an, und vermochte die edle Schieſskunst in diese Kreise ihre tiefsten Wurzeln zu schlagen .
Wenn wir Soldaten nun heute gezwungen sind, jeden unserer Leute zum selbstständigen Schützen zu erziehen, so möchten wir wohl gut daran thun - so folgere ich ohne hierdurch unser
Selbstgefühl im Geringsten zu schädigen, in den nichtmilitärischen Schützenkreisen Umschau zu halten , ob die hier angesammelten Er
fahrungen nicht auch unseren Zwecken dienlich sein könnten.
Und
zwar dürften uns hierbei nicht blos die Handgriffe u. s. w. beim Schieſsen selbst, sondern auch insbesondere die Art und Weise der
Ausbildung zum Schieſsen in jenen Kreisen interessieren . Allerdings gebe ich gern zu , daſs die Handhabung des mili *) Bei Errichtung der Landfahnen (ähnlich unserm heutigen Landsturme) im 17. Jahrhundert in Bayern wurde z. B. bestimmt, daſs die bürgerliche Erlaubnis
erteilung zur Verehelichung von dem Nachweise des Ansuchenden, eine bestimmte Anzahl von Schüssen auf die Scheibe abgegeben zu haben , abhängig zu machen sei.
**) So verbot z. B. eine salzburgische Verordnung für Bergjagden aus dem 16. Jahrhundert, die lange Zeit in Kraft blieb, auf das Hochwild mit der Pürsch bächse zu schiessen, da dasselbe durch deren lauten Knall aus dem Revier ver
scheucht werden würde, und befahl die Armbrust weiterhin zu führen. 22*
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
332
tärischen Gewehres vielfach eine andere ist, wie die des Scheiben
oder Jagdstutzens, und daſs die Erfahrung allein , wie sie beim dicht
militärischen Schieſsen vorzugsweise in Anwendung steht, in unserem Stande nicht vermöchte , zum gewünschten Ziele zu führen , d. b. eine mehr oder weniger rasche Ausbildung aller wehrhaften Männer verschiedenster Beanlagung zu gewährleisten. Der lehrende Offizier bedarf vielmehr, wie ich an einem anderen Orte *) erschöpfend dar gestellt zu haben glaube, einer genauen Kenntnis der einschlägigen psychischen , körperlichen und mechanischen Verhältnisse beim Schieſsen , um mit dem ihm anvertrauten Menschen -Material stets 1
1
Bestes leisten zu können.
Auch ist es selbstverständlich , daſs hin
sichtlich des verschiedenen Zweckes der Vergleich zwischen militärischem und bürgerlichem Schieſsen kein sich ganz deckender sein kann und daſs daher gedachtem Unterschiede bei Betrachtung rationellen infanteristischen Schieſsbetriebs gebührend Rechnung zu tragen ist. Das militärische Schieſsen im Frieden darf nur einen Zweck
kennen, den der gewandten und erfolgreichen Handhabung der Schuſswaffe in den verschiedensten Lagen des Krieges, während die bürgerlichen Schützen, wie ich später nachweisen werde, das Scheiben und das Jagdschieſsen gleichmäſsig als Selbstzweck zu betreiben
pflegen. Nun entsteht die Frage, mit welchem Zweige des nicht militärischen Schieſsens hat die Schieſsthätigkeit des Infanteristen
im Kriege mehr Ähnlichkeit , welcher Zweig steht dem innersten Wesen derselben näher, das Scheiben- oder das Jagdschieſsen ? Die Antwort darauf kann wohl keine zweifelhafte sein.
Zahlreiche und
maſsgebende Ähnlichkeiten mit dem Schieſsen auf dem Gefechtsfelde zeigt nur das Schieſsen auf der Jagd, während sich das Schieſsen gegen die Scheibe auf den ersten Blick hin als durchaus verschieden Denn die Thätigkeit des
vom kriegsmäſsigen Schieſsen darstellt.
Scheibenschützen ist eine so zu sagen nüchterne, abgemessene, pedantische und stets gefahrlose, die Scheibe befindet sich immer in bekannter Entfernung vom Schützen, ist meist unbeweglich und in
günstiger Beleuchtung für das Auge des Zielenden aufgestellt. Wie ganz anders gestaltet sich dagegen das Schieſsen auf Wild, zumal wenn, wie es in vorliegender Arbeit logischer Weise geschehen muſs, nur das Schieſsen mit der Kugel in Betracht gezogen wird ! Gleich dem Gegner erscheint das Wild überraschend in den ver schiedensten unbekannten Entfernungen , in durchschnittenem und 7
*) Anleitung zum Unterricht der Rekruten im Schieſsen . Studie über die
einschlägigen Paragraphen der Schieſsinstruktion .“ München, Verlag von R. Olden burg.
1885.
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
333
bedecktem Terrain, in allen möglichen Wendungen und Gröſsen des Körpers, in grösster Beweglichkeit. Wie sehr vermag nicht unter Umständen sein bloſses Erscheinen die Nerven aufzuregen, in welch hohem Grade erfordert nicht ein glücklicher Schuſs oftmals Geistes gegenwart und rasche Auffassung der Lage! Jeder Gebirgsschütze
z. B. hat schon unter schwierigen und gefährlichen Verhältnissen, bei erschöpften Körperkräften, seine Büchse abgeschossen und ist dabei in der Lage gewesen, Kaltblütigkeit und Entschlossenheit zu zeigen.
Es springt sonach in die Augen, daſs sowohl den äuſseren Um
ständen nach, als insbesondere in psychischer und intellek tueller Beziehung , worauf ich den gröſsten Wert gelegt haben möchte, in der That das Jagdschieſsen vielfach grosse Ähnlichkeit mit dem Schieſsen im Kriege aufzu weisen ver
mag. Wenn wir Infanteristen daher aus dem reichen , seit Jahr hunderten aufgestapelten Schatze von Erfahrung im Schieſsen, wie er im Volke vorliegt, schöpfen wollen – und daſs wir diesen Schatz
nicht unbenutzt liegen lassen möchten, wäre der Vorschlag des so müssen wir wohl bei den Jagd -Kugel schützen anfragen, auf welche Weise sie ihre Schieſsfertigkeit erlangt Verfassers dieser Zeilen
haben ?
Denn durch diese ist es ihnen bei einiger Beanlagung in
verbältnismäſsig kurzer Zeit möglich geworden, mit raschem Blick und geschickter, sicherer Hand den Hirsch im vollsten Laufe oder den Gemsbock aus schwindelnder Höhe herab zu erlegen *). Ein erfahrener »Gebirgler « (den gebildeten Ständen angehörig) würde auf diese unsere Frage ungefähr folgendermaſsen antworten : »Wenn Du ein verlässiger Kugelschütze werden willst, so schieſse zuerst mit dem Zimmergewehr auf kurze Entfernungen gegen die Scheibe, weil Du Dich hierbei besser beobachten und verbessern kannst, als wenn Du mit der Büchse auf gröſsere Entfernungen
schössest. Sobald Da richtig zu zielen und abzudrücken verstehst, kannst Du mit Deinem Jagdgewehr Anschlagübungen, auch auf laufende Tiere, machen und Dich über die Tragweite der Flinte, die
Gestaltung der Flugbahn und die daraus folgenden wechselnden Haltepunkte auf den verschiedenen Entfernungen kurz belehren lassen .« >>Nun geht's in die Berge ! Dort giebst Du, weil der Körper
des Wildes ja auch ein rundlicher ist, Schüsse auf runde Gegenstände * ) Ich wende mich an die Gebirgsschützen , weil das Schieſsen im Gebirge
des besonders durchschnittenen Bodens und der ungemein wechselnden Beleuchtung wegen besonders feiner Kugelschützen bedarf und weil nirgends so vorwiegend und so leidenschaftlich mit der Kugel geschossen wird, als gerade im Gebirge,
1
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
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wie Baumstümpfe oder Steine , ab und prägst Dir die Regel ein , mit der Visierlinie, wenn es die Bewegungen des Wildes zulassen, im Allgemeinen gegen die Sonne hin auszuhalten ', falls diese auf Fliege (Korn ) und Grinsel (Kimme) scheinen sollte. « *) » Das Übrige und zwar das Wichtigste thut dann die Praxis des Jagdschieſsens selbst. « Frägt man nun den > Gebirgler« , was er von längerem und ge >>
nauerem Scheibenschieſsen als Vorbereitung zum Jagdschieſsen halte, so bekommt man stets ungefähr Folgendes zur Antwort : » Ich miss rate Dir dringend das Brettschieſsen « (so pflegt der Gebirgsjagdschütze verächtlich das Schieſsen auf die Scheibe zu nennen), denn es macht
das Auge langsam und die Hand unbeweglich ; demnach wirst Du auch beobachten, daſs ein geübter Scheibenschütze fast immer nur ein langsamer und daher unverlässiger Jagdschütze ist.«**) Also betreiben in der That, wie schon früher gesagt wurde, die bürgerlichen Schützen das Scheiben- und das Jagdschieſsen im All
gemeinen unabhängig von einander, da sie mit Recht nicht glauben, durch vielfältiges und genaues Schieſsen auf die unbewegliche Scheibe oder den in bekannter Entfernung vom Schützen und in gleichmäſsigem Tempo, sowie auf gerader Linie sich bewegenden » laufenden « Hirsch (San u . s. W w.) tüchtige Jagdschützen werden zu können .
*) Allerdings übt auch die Beleuchtung des Zieles selbst in mehrfacher Be ziehung einen nicht unbedeutenden Einfluſs auf das Visieren aus.
Die namhafteste
Einwirkung dürfte wohl die sein, daſs, aus physiologischen Gründen, der hellst beleuchtete Teil des Zieles das Auge des Schützen und somit auch die Visierlinie anzuziehen pflegt. Doch nimmt man auf der Jagd auf diesen Umstand keine Rücksicht, weil ja, abgesehen von der Schwierigkeit, die sich angesichts der raschen Bewegungen des Wildes einer solchen Rücksichtnahme entgegenstellen würde, der Körper der Jagdtiere einen ziemlich groſsen Spielraum für günstige Treffpunkte darbietet. Doch glaube ich vermuten zu dürfen, daſs manche sogenannte
,,unbegreifliche Fehlschüsse gerade auf diese Anziehung der Beleuchtung, wenn sie gegen die Ränder des Tierkörpers hin erfolgt, zurückzuführen seien . Einer anderen bekannten, aus dem Gesetze der Schwere herleitbaren Regel des Gebirgsjägers, die die Stellung des Wildes zum Schützen im Auge bat : „ berg auf halt drauf (hoch), bergab halt knapp ( tief)," möge hier noch kurz Erwähnung geschehen.
**) Mit den einschlägigen Verhältnissen nicht vollständig Vertraute könnten hier einwenden, daſs das Scheibenschieſsen fast in allen Gemeinden des bayerischen
Hochgebirges, Tyrols u. s. w. eifrig betrieben wird , und daſs sowohl Jagd-, als namentlich Wildschützen daran Teil zu nehmen pflegen.
Diese Einwendungen
wären aber keineswegs stichhaltig, denn es ist im Gebirge männiglieh bekannt, daſs die Mehrzahl gedachter Jagd- und Wildschützen wohl auf der Pürsche gegen stehendes Wild gut schiessen, flüchtiges hingegen in der Regel fehlen,
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
335
Nachdem wir im Vorstehenden uns haben erzählen lassen, auf
welch' wahrhaft einfache, praktische und folgerichtige Art und Weise der Jagdkugelschütze im Allgemeinen herangebildet zu werden pflegt,
dürfte es, wie schon früher angedeutet, bei der vorhandenen Ähn lichkeit des Jagdschieſsens mit dem Schieſsen im Kriege am Platze sein , des Näheren zu untersuchen : Erstens. Ob und inwieweit die bestehenden Verschiedenheiten zwischen den Ausbildungsmethoden zum Jagd- und zum Kriegsschieſsen
Berechtigung haben ? Zweitens.
Im Falle nur eine teilweise und mehr aus äuſseren
Gründen hervorgehende Berechtigung für gedachte Verschiedenheiten bestände : Wie die Methode zur Ausbildung für das Kriegsschieſsen mit derjenigen für das Jagdschieſsen in sachgemäſse Übereinstimmung gebracht werden könnte ? Zu I.
So groſs auch die Ähnlichkeit des Jagdschieſsens mit dem Kriegs schieſsen sein mag, so muſs man doch anerkennen, daſs die Aus bildungsmethoden zu beiden Bethätigungen von Schieſsfertigkeit nicht ganz gleiche sein dürfen, und zwar sowohl in Hinblick auf die Ge
legenheiten selbst, bei welchen sich diese Ausbildungsmethoden zu bewähren hätten, als auch rücksichtlich der Anzahl und Beschaffen
heit derjenigen Personen, welche bei der Jagd und im Kriege thätig sind, nämlich die Jäger und Soldaten.
Bezüglich der Gelegenheiten , bei welchen sich die Schieſs fertigkeit des Jagdschützen und des Kriegers zu erproben hätte, wird eine kurze Darlegung der hier obwaltenden vielfach ver schiedenen Verhältnisse sofort darthun, daſs die Ausbildungsmethoden
zu Jagd und Krieg in der That nicht ganz gleiche sein dürfen . Verweist doch , wie wir gesehen haben , der erfahrene Jäger den Anfänger nach einer kurzen praktischen und theoretischen Vor schule sogleich auf die Praxis des Jagdschieſsens selbst, durch welche sich der Letztere nach Laune und Gunst der Verhältnisse weiter
ausbilden und allmählich immer mehr vervollkommen möge. Wie könnte aber ein solches Lehrverfahren einer Armee anempfohlen werden ?! Denn , wo wäre die Infanterie in Europa , die nahezu be ständig im Felde stände , so daſs der Infanterist durch den Krieg selbst die eigentliche Kunst des Waffengebrauches zu erlernen ver möchte ? Und um wie viel schwieriger und verwickelter ist nicht auch eine allseitig richtige Handhabung des militärischen Gewehres in den Einzel- und Massenkämpfen der heutigen Kriege , als jene
der Jagdbüchse in den Händen des fröhlichen Waidmanns ?
Scheibenschätzen oder Gefechtsschützen ?
336
Aber nicht bloſs wegen der auſserordentlich hohen Anforde rungen , welche der Krieg heutzutage an brauchbare Schützen stellt, pflegt man diesen schon im Frieden eine sehr sorgfältige Ausbildung zu erteilen , auch ihre so ungemein bedeutende Anzahl bei oftmals minderwertiger Beschaffenheit bringt es mit sich , daſs sie schon von Beginn der Schieſsausbildung an auf das Gründlichste und Eingehendste unterrichtet werden müssen . Also auch hierin unterscheiden sich die Voraussetzungen , auf
Grund welcher die Schieſsmethode für Soldaten und Jäger aufgebaut werden müssen : Denn die Letzteren , welche eigentlich doch nur aus solchen Personen bestehen , die Lust und Liebe und demnach
wohl auch einige Beanlagung zum Schieſshandwerke mitbringen , können sich natürlich mit einer viel einfacheren und kürzeren
Vorschule zum Jagdschieſsen begnügen , als sie den militärischen >
Anfängern zu ihrem Kriegsschieſsen oder , wie wir sogleich sehen werden , zu einem durch die Vorschrift gebotenen Ersatz hierfür 9
notwendig ist. – Nachdem nunmehr festgestellt ist, einerseits, daſs man es nicht
darauf ankommen lassen darf, daſs der Krieg selbst den Krieger erziehe, und anderseits , daſs der Letztere einer sehr sorgsamen Vorbildung in der Handhabung der Schuſswaffe bedarf, 80 frägt es sich jetzt darum , ob unsere infanteristische Methode der Schieſs
ausbildung ihrem inneren Wesen nach der früher geschilderten erprobten Heranbildung des Gebirgskugelschützen nicht dennoch ähnlich sei ?
Diese Frage dürfen wir , wenn auch mit einem gewissen Vor behalt, im Allgemeinen mit » Ja « beantworten .
Denn die Praxis
des Kriegsschieſsens ersetzt der Infanterist in glücklichster Weise
durch das sogenannte gefechtsmäſsige Schieſsen «, welches die Vorschrift als den » Endzweck der gesamten Schieſsausbildung und deshalb als deren wichtigsten Teil « bezeichnet und welches >Offizieren ,
Unteroffizieren und Mannschaften Gelegenheit geber soll , ihre Schieſsfertigkeit zu vervollkommen und unter Verhältnissen zur Anwendung zu bringen , welche denen der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. «
Und als Vorbereitung zu diesem gefechtsmäſsigen Schieſsen, dem zweckdienlichen Ersatz der Kriegspraxis, schreibt die Vorschrift das sogenannte „ Schulschieſsen « und die sogenannten »vorbereitenden
Übungen « vor. Ersteres, das Schulschieſsen, ist »nicht als Endzweck, sondern lediglich als Vorschule für das gefechtsmäſsige Schieſsen zu
betrachten «, während letztere, die vorbereitenden Übungen, » Unter
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
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weisung in der Schieſslehre und Belehrung über die Leistungs
fähigkeit des Gewehrs, Übungen im Entfernungsschätzen und Hand in Hand damit Schulung in der Verwendung der Waffe unter Benutzung von Exerzier- und Platzpatronen « zum Zweck haben.
Somit bestände also dem Wesen nach eine vollständige Über einstimmung zwischen der militärischen nnd der jägerlichen Schieſs ausbildung
Es hätte demnach ein Wunsch nach einer gröſseren Gleichheit der beiden Methoden sicher keine Berechtigung , wenn nicht die Schieſsvorschrift in weiteren Ausführungen ihrer Anschauungen und
in deren Übertragung in die Praxis meines Erachtens dem Schul schieſsen eine zu groſse Bedeutung zuerkannte , dem gefechts mäſsigen Schieſsen hingegen hemmende Einschränkungen auferlegte. Denn die Vorschrift will des Weiteren , daſs durch das Schul
schieſsen Offiziere, Unteroffiziere und Gemeine einen möglichst hohen
Grad von Schieſsfertigkeit erlangen und bewahren sollen « und setzt hinsichtlich des gefechtsmäſsigen Schieſsens ihrer schon angeführten, so überaus scharf treffenden Erklärung desselben erläuternd und zugleich einschränkend hinzu, daſs für die Offiziere und Unter
offiziere die Schulung und Übung in ihren Obliegenheiten als Compagnie-, Zug- beziehungsweise Gruppenführer, für die Mannschaft die Ausbildung in der Feuerdisziplin Hauptsache ist. « Durch diese Ausführungen scheint mir die Vorschrift ihre genaue Darlegung des Wesens des Schul- und gefechtsmäſsigen Schieſsens wieder abschwächen zu wollen , und es dürfte nur eine Folge hiervon sein, daſs die Vorschrift der » Vorschule «, dem Schulschieſsen , etwa
doppelt soviel Patronen gewährt , wie dem » wichtigsten Teile der
gesamten Schieſsausbildung «, dem gefechtsmäſsigen Schieſsen, und daſs sie, ist ,
worauf wohl ein besonderes Gewicht zu legen die Schieſs - Qualifikationen und Auszeichnungen
der Compagnie , sowie der einzelnen Leute beinahe aus nahmslos in das Gebiet des einfachen , elementaren Scheibenschieſsens , also in das des Schulschieſsens ver legt.
In Folge dieser Maſsnahmen materieller und moralischer Natur wird, wie mir dünkt, der Schwerpunkt der gesamten Schieſsausbildung vom gefechtsmäſsigen Schieſsen weg zum Schulschieſsen hin ver schoben , und hierin dürfte wohl die Wurzel des Unterschiedes
unserer derzeitigen Schieſsmethode von der mehrhundertjährig er probten jägerlichen zu erblicken sein.
Indessen läſst es sich nicht verkennen , daſs sich unsere vor
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
338
züglichen neueren Schieſsvorschriften Schritt für Schritt mehr und mehr dem in dieser Abhandlung aufgestellten Ideale einer Ausbildung von Kriegsschützen nähert , und daſs es nur noch eines Schrittes bedarf,
um
die letzten Folgerungen aus den erleuchteten An
schauungen zu ziehen , welche die jüngste Vorschrift darbietet. Nachdem im Vorstehenden die Frage nach der Berechtigung der
bestehenden
Verschiedenheiten
zwischen
den
Ausbildungs
methoden zum Jagd- und zum Kriegsschieſsen im Wesentlichen beantwortet erscheint, möchte es zum Schlusse nicht ohne Interesse und Nutzen sein , auch noch eine Probe für die Richtigkeit der
aufgestellten Forderung, daſs zwischen den beiden genannten Schieſs methoden möglichste Ähnlichkeit bestehen solle abzulegen.
Wenn nämlich diese Ähnlichkeit wirklich besteht, so muſs auch die auf Grund vielfältigster Erfahrung ausgesprochene Behauptung
des Jägers , daſs das » Brettschieſsen « den Jagdschützen verderbe, ebenso
mutatis
mutandis
für den soldatischen Schützen
Gültigkeit haben. Und so ist es auch in der That ! Macht doch der Compagnie chef jährlich die Erfahrung, wie schwer es hält, seine in Folge des so ausgedehnten und bedeutungsvollen Schulschieſsens notwendiger weise langsam arbeitenden Schützen gelegentlich der vorbereitenden
Übungen zum gefechtsmäſsigen Schieſsen und bei diesem selbst zu rascherer Auffassung zu befähigen, sowie zu flinkerem Schieſsen, gröſserer Beweglichkeit der linken Hand bei gleichzeitigem Ab
krümmen des Zeigefingers der rechten (beweglichen Zielen gegen über) u. s. w. zu veranlassen.
Und umgekehrt pflegt der Compagniechef gegen die Zeit des Prüfungs -Schulschieſsens hin, die unliebsame, ziffermäſsig nach weisbare und daher unmöglich nicht anzuerkennende Entdeckung zu machen, daſs die vorgeschriebenen häufig und rationell betriebenen Vorübungen zum gefechtsmäſsigen Schieſsen die Ergebnisse des Schulschieſsens in erheblicher Weise allmählich herabgedrückt haben. Der Chef ist dann in die Zwangslage versetzt, diese Vorübungen bis auf Weiteres einzustellen und bei seinen Schützen die eigen tümlich langsamen und bedächtigen Hantierungen des genauen Schieſsens auf die stehen bleibende Scheibe neuerdings mit gröſstem
Nachdruck in Übung zu bringen . Hierdurch aber verfallen die Leute wiederum in schwerfälliges
Schieſsen, während der Hauptmann nach derartigen Erfahrungen sich künftighin möglicherweise nicht mehr mit dem gleichen Eifer
den Vorübungen zum gefechtsmäſsigen Schieſsen widmen wird; denn
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
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so groſs sein Pflichtgefühl auch sein mag, wird doch die gewisse Voraussicht etwas lähmend auf seinen Eifer einwirken müssen, daſs
er durch zweckdienliche gefechtsmäſsige Übungen die Erfolge des Einzel-Prüfungsschieſsens seiner Compagnie beeinträchtigen wird. So die Praxis. Die angestellte Probe hat also ergeben , daſs zu ausgedehntes Schulschieſsen und kriegsmäſsiges Schieſsen nicht gut miteinander vereinbar sind , und so mit , daſs möglichst groſse Gleichheit zwischen den Aus bildungsmethoden zum Jagd- und Kriegsschieſsen in der That volle Berechtigung hätte. Zu II .
Als Ergebnis der unter I angestellten Untersuchungen zeigte sich : 1. Daſs das gefechtsmäſsige Schieſsen als ein sehr angemessener
Ersatz für die Praxis des Kriegsschieſsens angesehen werden dürfe.
2. Daſs die soldatische Schieſsausbildung in Anbetracht der
unvergleichlich gröſseren Wichtigkeit der Sache, der be
deutenden Schwierigkeit einer allseitig genauen Handhabung des militärischen Gewehrs, sowie des zum Teil minderwertigen Schützenmaterials eine weit ausgedehntere Vorschule für die
Praxis oder den Ersatz derselben erheische, als die jägerliche Ausbildung ; daſs es daher als angezeigt erscheint, wenn das
Schulschieſsen und die vorbereitenden Übungen mit groſser Gründlichkeit betrieben werden .
3. Endlich , daſs es aber wohl nicht als folgerichtig und prak tisch veranlaſst angesehen werden könne, wenn ein Teil dieser Vorschule , das Schulschieſsen, faktisch eine weitaus gröſsere Bedeutung einnimmt, als der Endzweck dieser Vor
schule, das gefechtsmäſsige Schieſsen selbst. Nach diesen Festsetzungen handelt es sich jetzt darum, bestimmt auszusprechen , wie sich denn das Verhältnis des Schulschieſsens zum gefechtsmäſsigen Schieſsen zweckdienlicher Weise gestalten sollte? Und da bitte ich gleich im Vornhinein, mich von einer ins
Einzelne gehenden Aufstellung von Übungen im Schul- und gefechts mäſsigen Schieſsen zu entbinden , da eine solche über das Ziel der
mir selbst gestellten Aufgabe hinausginge, und mir zu gestatten, daſs ich mich mehr im Rahmen allgemeiner Gesichtspunkte bewegen darf.
Demgemäſs begnüge ich mich , meine Ansicht dahin auszu sprechen, daſs das Schulschieſsen nur von dem jüngsten
Jahrgange der Schützen in ähnlich ausgedehnter Weise ,
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Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
wie bisher , betrieben werden sollte , daſs der zweite und
dritte Jahrgang derselben aber sich lediglich auf das gefechtsmäſsige Schieſsen und die vorbereitenden Übungen zu beschränken hätten ; ferner , daſs die jährlichen Prü fungen nur über die Ausbildung im gefechtsmäſsigen Einzel- und Abteilungsschieſsen abzuhalten wären ,*) und daſs die Schützenauszeichnungen beim ersten Jahrgang
mit besonderer Rücksichtnahme auf das gefechtsmäſsige Schieſsen zu erteilen wären.
Beim zweiten und dritten
Jahrgang käme hierbei natürlich überhaupt nur das ge fechtsmäſsige Schieſsen in Betracht. Auf diese Weise würde meines Erachtens nach einer Aus
bildungsmethode verfahren werden, welche den Vorzug praktischer
und theoretischer Folgerichtigkeit für sich hätte und welche es nicht
zulieſse, daſs zwar kräftige und psychisch ruhige, intellektuell aber vielleicht recht stiefmütterlich bedachte Leute Schützenbelohnungen erhielten ; diese sollten vielmehr nur Mannschaften zukommen, welche
neben entsprechender rein technischer Schiefsfertigkeit eine besondere Einsicht and Gewandheit in der Führung ihrer Schuſswaffe zeigen .
Die hier ausgesprochenen Ansichten über Schiefsausbildung dürften sich umsomehr in der Praxis bewähren, als damit keines
wegs eine Schmälerung jener Genauigkeit in den Grund lagen des Schieſsens verbunden zu sein brauchte , die den berechtigten Stolz der deutschen Infanterie bildet und welche irgendwie beeinträchtigen zu wollen , mir gänzlich ferne liegt.**) In diesem Sinne würde es auch bei gröſster Be tonung des gefechtsmäſsigen Schieſsens angezeigt sein, mit einzelnen oder sämtlichen Leuten des zweiten und dritten Jahrganges im
Bedürfnisfalle immer wieder zu entsprechenden Übungen des Schul schieſsens vorübergehend zurückzukehren und die Ziel- und Anschlag übungen, sowie das Schieſsen mit dem Zimmergewehr und der Ziel *) Selbstverständlich blieben von solcher Beschränkung die so zweckmäſsigen
Besichtigungen der Rekraten und ihres Ausbildungspersonals durch die höheren Vorgesetzten unbertihrt. (Schiefsvorschrift & 14 Ziffer 1 und 2.) **) Um etwaigen Miſsverständnissen vorzubeugen , sei es gestattet
ausdrücklich zu betonen , daſs ich mit meinen Anschauungen noch ganz und gar auf dem Boden meiner schon erwähnten „ Anleitung zum Unterricht der Rekruten im Schieſsen “ stehe , so daſs vor
liegende Abhandlung als eine , wenn auch allgemeiner gehaltene , Fortsetzung dieser Broschüre angesehen werden möge.
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
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munition, wie bisher auch, von den Schützen der drei Jahrgänge beständig und fleiſsig betreiben zu lassen . Ich denke mir die zukünftige Ausbildung im Schieſsen ähnlich,
wie jene im Fechten, wo ja auch ein möglichst baldiger Übergang zum Kontrafechten angestrebt wird, ohne daſs später wiederum grundsätzlich zum Schulfechten zurückgekehrt würde.
Es erübrigt mir noch , einen Blick in die Zukunft zu werfen und mich kurz darüber auszulassen, ob wohl für das Schieſsen mit
Kugeln kleinsten Kalibers eine Ausbildung günstig sei, die ganz besonderen Nachdruck auf das gefechtsmäſsige Schieſsen legt ? Ich glaube, daſs dies in der That der Fall ist. Denn, lassen auch sehr gestreckte Flugbahnen eine minder genaue Ausbildung des einzelnen Schützen zu, so gewinnt aber dann eine gute Schulung im Abteilungsschieſsen besonders an Wert. Jener der beiden Gegner wird — bei übrigens gleichen Umständen obsiegen, dessen Führer --
es verstehen , » die Feuerwirkung der Zeit und dem Ziele nach zu sammenzudrängen « und hierdurch den moralischen Halt der feind lichen Truppe zu brechen , und dessen Schützen die strengere Feuerdisziplin und gröſsere Lenkbarkeit ihrer Schufsrichtungen be sitzen .
Also auch nach dieser Richtung hin dürften die hier nieder gelegten Anschauungen die Probe einer sachgemäſsen Prüfung bestehen .
Endlich könnte auch im Hinblick auf die Gröſse der verfüg
baren Schieſsplätze der Einwurf schwieriger Durchführbarkeit eines vorzugsweise gsfechtsmäſsigen Schieſsens gemacht werden. In dieser Beziehung bin ich der Ansicht, daſs die heutigen Schieſsplätze für das in Rede stehende ausgedehntere gefechtsmäſsige Schieſsen aus reichen würden, da ja für das Schulschieſsen ein viel kleinerer Raum, als jetzt, beansprucht werden würde. Überblicke ich zum Schlusse den Einfluſs, welchen ein Unter
richtsgang, wie hier beschrieben , auf den ganzen Schieſsbetrieb wohl nehmen würde, so halte ich dafür, daſs derselbe gewiſs sehr günstig wäre. Ein besonders frischer, recht infanteristischer Zug würde solch einem Schieſsunterrichte einen groſsen Reiz verleihen, sowie die stete unmittelbare Bezugnahme auf die Feldpraxis nicht verfehlen könnte, Lust und Liebe zum Schieſsdienste zu erhöhen. Die groſse
Anzahl von Jagdschützen, die das deutsche Offiziers -Corps in seinen Reihen zählt, würde einen ihrer Liebhaberei näherstehenden Schieſs betrieb sicher mit Freuden begrüſsen und demselben ausgezeichnetes Verständnis entgegenbringen .
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Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
Nichts belebt in einem wesentlich praktischen Berufe, wie es der militärische ist, mehr, als ein überall erkennbarer Zusammenhang
zwischen vorbereitender Thätigkeit und zu erreichendem Endziele, und nichts vermag im Besonderen den Infanteristen für seine auf gewandte groſse Mühe in der Friedensarbeit besser zu entschädigen, als das gewonnene Bewuſstsein, dem Gegner mit der Waffe in der Hand unbedingt überlegen zu sein !
XX .
Umschau in der Militär-Litteratur. Der Sturmangriff der Infanterie und seine Vorbereitung. Taktisch - technische Studie von einem Nicht- Infanteristen . Wunderbare taktische Erscheinungen hat dieser Winter hervorgebracht ! Da beschenkt ein Artillerist unsere Infanterie mit einem wohlgemeinten Vorschlage, wie der Sturmangriff vorzubereiten und durchzuführen bezw . durch welches neuartige Mittel derselbe zu unterstützen sei : wohlgemeint,
ich wiederhole, ist der Rat des Herrn Verfassers, dem für die gute Ab sicht Dank abgestattet sei, aber nicht höherem Maſse, als der des „Schon oft hat die Neuheit Sieg gebracht, selbst wenn auch
Aussicht auf Annahme hat er wohl in Sommernachtstraumers." einer Waffe oder einer Angriffsweise den nicht immer die reale Wirkung absolut
gröſser war, sondern mehr der moralische Effekt auf den Feind ausgeübt wurde. “
Richtig - die zum Überflusse beigebrachten kriegsgeschichtlichen Bei spiele beweisen das!
Und so behandelt der erste Teil der Schrift ein Mittel, „die Infanterie durch wirksames Feuer auch in solchen Fällen unterstützen zu können, wo ( ! ) es der Artillerie entweder durch Terrainschwierigkeiten oder wegen nutzloser Exponierung *) des Materials nicht möglich sein wird, einzu greifen . “
Dieses Mittel glaubt der Verfasser in der veränderten Konstruk tion einer alteren Geschofsart gefunden zu haben , welche zu Anfang dieses Jahrhunderts als etwas sehr Vollkommenes gepriesen wurde, seit
Einführung der gezogenen Geschütze aber einigermaſsen in Miſskredit kam , nämlich in der Rakete ....
„ Sie soll nur ein Aushülfsmittel für
gewisse Fälle und auf denjenigen Entfernungen sein, welche dem Infanterie gewehr zu groſs und, wenn man sich so ausdrücken darf, dem gezogenen Geschütz zu klein sind, oder auf solchen Punkten, wo das letztere nicht hingebracht werden kann . Auch ist nicht beabsichtigt, die Rakete als *) Eine schiefe Ausdrucksweise, aus der man sich den Gedanken heraus schälen muſs !
Umschau in der Militär- Litteratur,
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Treibmittel eines Präcisionsgeschosses, sondern nur als das eines Streu geschosses auszunutzen .“
Ich übergehe die Mitteilungen des Verfassers über „ Raketen im Allge meinen“ , über die Konstruktion und Wirkung seiner eigenen, auf Grund vielfacher Versuche verbesserten Rakete: die Beschränktheit seiner Mittel hinderte ihn begreiflicherweise daran, seine Erfindung in erschöpfender und abschlieſsender Weise zu erproben . Es erscheint ihm aber nicht zu viel erwartet, daſs eine Rakete im Gesamtgewichte von etwa 2,8 kg und einer Treibladung von 180 Gramm eine sichere Schuſsweite von 6 – 700 m erhält, bei der Seitenabweichungen nicht bedeutender als ungefähr 10-12m -
vorkommen . “
Der Einwendungen gegen die „ organisatorisch - taktischen Vorschläge und Behauptungen des Verfassers halte ich mich für überhoben , da sie
jedem infanteristischen Leser sich von selbst in Fülle aufdrängen; die wenigen mir hier zur Verfügung stehenden Seiten sollen lediglich durch Darlegung der wesentlichsten Punkte der Schrift ausgefüllt werden . Das Raketengestell besteht aus einer eisernen Leitrinne mit Rand, die in ihrem vorderen Teile auf zwei in horizontale Wellen auslaufenden
Stützen ruht, im hinteren Teile durch die Richtmaschine festgehalten wird. Sämtliche Teile finden Aufnahme in einem Kasten, der gleichzeitig als Lafette und als Bettung zu dienen hat. Das Schieſsgestell wird das
Gewicht von 20 kg nicht wesentlich überschreiten , so daſs es von einem
kräftigen Manne getragen werden kann. Zur Bedienung und zum Trans port der erforderlichen ersten Munition genügen zwei Mann . Jedes Ba
taillon erhält, zur Fortschaffung von 2 Gestellen und Munition auf dem Marsche, einen Raketenwagen ; also eine Vermehrung lebender Kräfte um 3 Trainsoldaten und 6 Zugpferde.*) Der aufsichtsführende Wagenführer ein Unteroffizier sowie die Bedienung und die Munitionsträger werden dem Etat des Bataillons entnommen ; sie führen kein Gewehr, ihr Gepäck wird gefahren .
Während der Einleitung des Gefechtes „und selbst, sobald dieses zum Stehen gekommen ist, “ sollen die Raketengestelle zunächst in Reserve (bei der Infanterie - Bagage [ ! ] ) gehalten werden . Erachtet der Bataillons oder der Regimentscommandeur ihre Verwendung für geboten, so schickt
er die Raketenwagen nach einem geeigneten Punkt im Gelände, woselbst Gestelle und Munition in völliger Deckung abgeladen werden können. „ Sollen die Gestelle zur Vorbereitung des Sturmangriffs der Infanterie verwendet werden, so rücken sie in einer Intervalle vor und eröffnen ein
konzentrisches Feuer gegen den Angriffspunkt. Das Feuer wird fort gesetzt, während die Infanterie rechts und links einen Sprung vorwärts geht, und erst eingestellt, sobald die Infanterie wieder Stellung genommen hat resp. sich niederlegt und selbst ihr Feuer beginnt. Eventuell folgen die
Gestelle der Infanterie in die neue Linie und unterstützen das Vorgehen *) Man berechne einmal diesen Mehrbedarf bei einem Armeecorps!
Umschau in der Militär- Litteratur.
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derselben bis zu dem Zeitpunkt, wo es ihr möglich wird, mit Hurrah in
den Feind einzudringen ... Sollte der Angriff abgeschlagen werden und die Infanterie zum Weichen kommen , müssen die Raketengestelle so lange
wie möglich stehen bleiben und auf den etwa nachrückenden Feind feuern ; sie schlieſsen sich eventuell der letzten zurückgehenden Abteilung an . “ Das Alles male man sich aus im Rahmen einer Infanterie - Schlacht .
heutiger Zeit, welche unter der gewaltigen Mitwirkung vollendeter Ar tillerie sich abspielt! Freilich : „ Das Vorgehen und Positionnehmen wird mit weiser Ausnutzung des Terrains zu geschehen haben. Deckung findet sich für die Raketengestelle und deren Bedienung hinter jeder natürlichen oder künstlichen Terrainerhöhung - “ sagt der Verfasser. Und weiter: „Die Konstruktion der Raketengestelle gestattet hohe
Elevationswinkel und läſst dieselben ganz besonders geeignet erscheinen zur Anwendung des indirekten Schusses. Die Seitenrichtung wird nach Hülfszielen genommen, die sich entweder schon im Terrain vorfinden , oder durch Ausstecken von scharf markierten Pfählen herstellen lassen .“
Das
Ausstecken wird schwerlich in der Offensive möglich sein, für welche die
Gestelle doch vorzugsweise bestimmt sind. Und zwar sollen dieselben, „so lange der Feind noch Artillerie zur Verfügung hat, die unsern Angriff erschwert, zunächst letztere lebhaft beschieſsen, um Pferde und Bedie
nungsmannnschaften auſser Gefecht zu setzen, Protzen zur Explosion zu bringen .“ was für
Ist die Artillerie des Feindes zum Schweigen gebracht,
die durch zahlreiche Vorteile überlegenen Raketengestelle nach Darstellung so wird das Feuer gegen die gegnerische
des Verfassers ein Leichtes ist !
Infanterie bezw . gegen die Deckungen gerichtet, hinter welchen dieselbe liegt, wie Brustwehren der Schützengräben, Verbarrikadierungen, besetzte Gebäude. „ Nachdem sich das Raketenfeuer wirksam gegen die vorderen
Linien des Feindes gezeigt, so daſs es unserer Infanterie möglich wird, ungefährdet näher heranzugehen und ein kräftiges Schnellfeuer abzugeben, so dürfte es zweckmäſsig sein, die voraussichtlich gedeckt und zum event. Offensivstofs bereitstehenden Reserven
des Verteidigers durch
hohen
Bogenwurf zu belästigen .“ Hier heiſst es : difficile est, satiram non scribere !
Wie, wenn nun
die Geschosse der feindlichen Artillerie oder Infanterie den Raketen - Feuer
werkern das Lebenslicht ausblasen ? Sagt ja der Verfasser selbst : „Die Bedienungsmannschaft der Raketengestelle ist zwar auch allen im Gefecht vorkommenden Gefahren ausgesetzt !“ Freilich führt er unmittelbar diesen Satz fort : , aber dieselben (nämlich die Gefahren ) werden nicht in
dem Grade influiren , wie dies bei dem Schieſsen der Infanterie der Fall sein wird. “
Das Gegenteil von dem, was diese fettgedruckte Behauptung des Ver fassers besagt, läſst sich verteidigen ! Nicht schwerer als die Rakete wiegt der andre Vorschlag des Ver Jahrbüoher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVI., 3.
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Umschau in der Militär - Litteratur.
fassers : „ eine neue taktische Gliederung, die den Angriffe eine gröſsere Festigkeit als bisher geben dürfte. “ Das Durcheinander beim Infanteriegefecht wird betont und zum groſsen Teil bezeichnet als naturgemäſse Folge des Umstandes, „ daſs bei
dem Übergang aus der dreigliedrigen Linienstellung in die Kolonnenfor mation, sowie weiter aus der Kolonne in die Schützenlinie zu häufiger Wechsel des Nebeneinanderstehens mit dem Hintereinanderstehen der Mannschaften stattfindet.
Ein Bataillon in Linie hat 3 Glieder hinter
einander ...“ , dabei läuft dem Verfasser ein bedenklicher Irrtum mit
unter über die Bildung und Aufstellung der 4 Schützenzüge. Ferner wird angegriffen ,die zu groſse taktische Selbstständigkeit der Compagnien ;
die Compagnie- Chefs manövrieren zu viel auf eigene Faust. “ Nun, dann müssen sie mit Nachdruck dahin erzogen werden , daſs sie sich, sobald als möglich, wieder an das Bataillon anschlieſsen ; soll man diese Beweg lichkeit, die Intelligenz der Compagniechefs u. S. w. nicht ausnutzen , weil manche „durchgehen“ werden ? Das heiſst das Kind mit dem Bade aus schütten ! Der Verfasser bindet die Hauptleute allerdings ganz fest, er entwirft eine für alle Fälle geltende starre Vorschrift, die natürlich in 99 Gefechten unter 100 nicht anwendbar ist.
Seine taktische Einheit ist das Bataillon in dreigliedriger Auf stellung. Jede Compagnie bildet 2, das Bataillon also 8 Züge; jeder Zug zu 30 Rotten (6 Sektionen zu 5 Rotten). Die Gefechtsformation ist in der
Regel die Linie , ganz ausnahmsweise die — für den Marsch auſser halb des feindlichen Feuerbereiches anzuwendende Kolonne. Es giebt die geschlossene und die geöffnete Aufstellung in Linie. Auf das Kom mando : „Zum Gefecht geöffnet “ nimmt die bis dahin geschlossen in drei Gliedern formierte Bataillonslinie nachstehende Formation an : Das erste Glied geht 100 Schritt vorwärts und zieht sich je nach Bedarf von der Mitte nach rechts und links oder nur nach rechts bezw. links mit Zwi
schenräumen von zwei Schritt als Schützenlinie auseinander, das zweite Glied folgt mit einem Abstand von 50 Schritt, jeder Zug teilt sich in der Mitte und geht mit seiner rechten Hälfte durch halbrechts, mit der linken durch halblinks hinter die Mitte der Flügel der Schützenlinie . Im dritten Gliede zieht sich jeder Zug rechts bezw. links hinter die Intervallen der vorderen Halbzüge .. .
Der Gedanke einer dreigliedrigen Aufstellung und Verwendung der Compagnien im Gefecht ist nicht neu und hat mancherlei für sich. Aber die starre Form des Verfassers und obenein : „Das Öffnen des ganzen Bataillons dürfte voraussichtlich erst auf Befehl des Regiments-Comman
deurs ( ! ) und nur dann zu geschehen haben, wenn weitere Unterstützung durch ein zweites bezw. drittes Bataillon vorhanden ist . “
Das „ Durchgehen“ der Hauptleute und der Bataillonscommandeure
ist, wenigstens für den Beginn des Gefechtes, freilich verhütet : beide Offizierklassen sind, bei Lichte betrachtet, überflüssig. Eine Einwirkung haben sie ebensowenig wie die Zugführer. Denn die Verteilung der 72
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Umschau in der Militär -Litteratur.
Offiziere und sonstigen Chargen hätte derart zu geschehen, daſs jeder Zugführer trotz des Auseinanderziehens seinen Zug behält. Er hat seinen Platz zwischen der Schützenlinie und der Unterstützung.
Die Unteroffiziere sind zweckentsprechend als Aufsichtspersonal (- was beiſst das ?) zu verteilen .... Der Compagnie -Chef hat seinen Platz in der Mitte der Compagnie zwischen zweitem und drittem Glied, der Ba taillonscommandeur in der Mitte des Bataillons etwas hinter dem dritten
Gliede ... „ Die Compagniechefs und der Bataillonscommandeur laufen Jede Compagnie erhält als Sammelzeichen eine 66
nicht mit Sturm ..
Standarte, d. i. eine zweifarbige Tafel. Auſserdem erhalten die Mann schaften Erkennungszeichen in denselben Farben, sei es an der Kopfbe deckung oder als Armbinde ... “ In Verbindung mit der Pfeife werden diese Standarten zu Kommando-Signalen benutzt, für Sammeln, Stopfen, Bewegungen u . s. w. Der letztere Vorschlag ist, wie die meisten , undurchführbar; andere
Gedanken , zum Teil freilich bereits bekannt, verdienen Erwägung: im Ganzen und Groſsen , nochmals, hilft der Verfasser den Mängeln, die dem heutigen Infanteriegefechte anhaften , nicht ab. Der gute Wille bleibt immerhin zu loben !
Gespräche über Reiterei. Von Kraft Prinz zu Hohenlohe Ingelfingen , General der Infanterie à la suite der Armee, General-Adjutant S. M. des Kaisers und Königs. Eine hochinteressante Besprechung unserer kavalleristischen Verhält nisse tritt in diesem Buche vor die militärische Welt.
Der Vertreter
kavalleristischer Interessen „S“ sagt in den Schluſssätzen : „ Ein Jeder thue seine Pflicht auch im Frieden u. S. W.; so brave Offiziere, wie wir sie haben , leisten Alles, wenn ihnen nur gezeigt wird wie. “
In diesem Satze liegt eine groſse noch zu lösende Aufgabe. Mit welcher Schärfe betont z. B. dieser hervorragende Kavallerist die Not
wendigkeit eines richtigen Sitzes als Basis für alle Leistungen und wie
wird meistens über diese wichtige Basis in einer nicht sachgemäſsen Weise hinweggegangen . Welche fortwährende Übung, welch' sorgfältigste In struktion gehört dazu , um bei Lehrer wie Schüler nur einigermaſsen ent
sprechende Ergebnisse zu erzielen. Unsere Reglements und Reitinstruk tionen sprechen zwar über die Bedingungen dieses richtigen Sitzes, wie er aber verlangt werden kann und erreicht wird, darüber finden wir wenige Anhaltspunkte. Der sorgfältigste, fortlaufende Unterricht bei stehendem Pferde kann allein Erfolge bringen, kann allein den Lehrer befähigen, richtig zu verbessern , den Schüler befihigen, die Weisungen des Lehrers auch in der Bewegung zu befolgen. Eine weitere Erschwerung liegt
darin, daſs in den Instruktionen vom Schluſsfassen, Gewichtsverlegen zwar gesprochen wird, aber eben das „ Wie“ , dieses zu erreichen, fehlt auch hier. Und doch sind die Anschauungen über dieses , Wie“ in jeder Schule verschieden . Der gewandte Reiter hat beide Fertigkeiten vielleicht durch 2
23*
348
Umschau in der Militär-Litteratur.
die Übung erlernt und wendet sie an , ohne sie lebren zu können. Die richtige Anspannung kann allein den Schluſs herbeiführen, die richtige Anspannung einer Seite kann allein das Gewicht auf einen Gesäſsknochen
vereinigen. Beide Fertigkeiten können und müssen gelehrt werden, und zwar einfach und rasch faſslich gelehrt werden. Wenn wir auch in fast allen Anschauungen mit „S. “ einverstanden sind, so können wir demselben nicht zustimmen in der Betrachtung über v . Rosenberg's Theorie beim Wenden.
Wir möchten mit Rosenberg jenen
Kavalleristen sehen, der beim Exerzieren die verkünstelten schraubenartigen Drehungen mit der Faust ausführt, der auf Kandare vor der Wendung sein Pferd mit dem inneren Zügel stellt ; wir möchten aber vor Allem ein Regiment kennen lernen , in welchem gerade durch diese verkünstelte Geschichte nicht eine Menge Reiter bei der Wendung insbesondere fest im Zügel werden und recht bemerkliche Schwierigkeiten zeigen. Das, was wir anstreben können und müssen , ist, daſs durch Vereinigung der Zügel,
Schenkel und Gewichtshilfen die Zügel stets weniger zu wirken brauchen, daſs insbesondere der äuſsere Zügel geschmeidig am Pferdehalse wirkt. Wer sich dann einbildet, daſs er sein Pferd vor „jeder " Wendung stelle und sodann die genannte schraubenartige Drehung ausfübre - nun der möge es immer glauben. Wir haben hier nur einige wenige Punkte herausgegriffen , auf welche der Schluſs der oben erwähnten Worte von „S. “ wichtigen Einfluſs gewinnt. 6
So wie sich dieser Einfluſs hier schon bei dem A zeigt, so geht er durch das ganze Alphabet der kavalleristischen Ausbildung. Der Kavallerie können aber weder Wissenschaft noch Gelehrsamkeit, weder unermüdlicher
Fleiſs noch unermüdliche eingehende Besichtigungen aufhelfen ; sie wird nur vorwärts kommen bei andauerndem Einfluſs von Kavalleristen, welche Wie “ zum Verständnisse bringen können. Wohl wissen wir, daſs durch die Miſsgunst der Zeit, eben durch den Mangel kavalleristischen Einflusses in langen Zeitabschnitten , auch die Kavalleristen selten geworden
das
waren ; daſs es jedoch noch solche im vollsten Sinne des Wortes giebt, davon zeugen die vorliegenden Gespräche. So lange aber solche Persönlich keiten nur vereinzelt vorkommen , so lange brauchen wir einen General Inspekteur in der Waffe, über den von „ S. “ gewünschten neun Inspek
teuren. Wenn erst solch' praktische Anschauungen über den Reiterdienst weitere Verbreitung gefunden haben, dann kann der General- Inspekteur vielleicht“ zeitweise entbehrt werden. Vorerst brauchen wir denselben aber unbedingt und zwar mit dem möglichst unmittelbaren und umfang reichsten Einflusse auf die , technische Ausbildung der Waffe, indem er den vorhandenen vortrefflichen Kräften das „ Wie“ zum Verständnis bringt und sie gerade dadurch erst zu Kavalleristen macht. Wir deutschen
Reiter müssen dem Herrn Verfasser der kavalleristischen Gespräche zu höchstem Danke verpflichtet bleiben ; wir können stolz sein, daſs ,S.“ aus unseren Reihen stammt, wir werden den Wert der Waffe unbestreitbar mächtig fördern, wenn wir den vorgezeichneten Weg mit Verständnis und
Umschau in der Militär- Litteratur.
349
Eifer verfolgen , einen Weg, der, in den Hauptsachen auch anderwärts betreten, gleich befriedigende Erfolge erzielte. A Travers la cavalerie -
Organisation
Administration
struktion
-
Mobilisation
Remonte
In
Tactique .
Paris, Charles-Lavauzelle.
Dieses Buch ist des eingehendsten Studiums wert und jedem Reiter zu empfehlen.
offizier warm
Vor Allem finden wir in demselben eine
Reihe sehr interessanter Betrachtungen über Organisation , Mobilisierung und Erziehung der französischen Kavallerie.
Nicht minder beachtenswert sind die Abschnitte, welche über Remon tierung (9. Teil) handeln, sowie der 10. und 11. Teil. Im 10. Teil spricht der Herr Verfasser seine Ansichten aus über Einheitskavallerie, über Auf lösung der Kürassiere und Lanciers, über die Legende des „uhlan“ , über Zusammensetzung der Kavallerje- Divisionen, über die Verwendung der Kavallerie auf dem Schlachtfelde und vor den Armeen .
Im 11. Teile :
„ un peu de tactique“ – werden die groſsen Manöver besprochen und zwar 1. die Manöver einer Kavallerie -Brigade, 2. Manöver des Armeecorps,
3. Taktik der deutschen und österreichischen Kavallerie. Es kann natürlich nicht angezeigt erscheinen , dem Herrn Verfasser eingehend zu folgen und hier Betrachtungen über seine niedergelegten Ansichten aufzustellen .
Auf Seite 229 finden wir die ganz richtige Bemerkung, daſs die preuſsischen Ulanen nicht nach anderen Grundsätzen organisiert waren wie die französischen Lanciers, daſs die preuſsischen Kürassiere, Husaren und Dragoner ebensoviel im Sicherheitsdienste leisteten. “ Auch die Betrachtungen auf Seite 234 sind zutreffend. Die preuſsische
Kavallerie war 1870 in ihrem Aufklärungsdienste wenig behindert, den noch erscheinen uns die Ausdrücke: „welche Behutsamkeit, welches Herum
tappen , welche Unsicherheit“ keineswegs am Orte, nicht minder das an Schwäche grenzende Stocken ihrer Operationen .“
Es dünkt uns, daſs die
Aufklärung durch die Kavallerie in Beziehung auf die allgemeinen Ver hältnisse der Waffe sowie auch in Bezug auf die besondern es war ein erster Versuch – recht ersprieſsliches geleistet hat. Der betretene Weg wird mit Sicherheit auch noch die einzelnen , damals bemerkbaren Mängel überwinden.
Der Vergleich mit der Kavallerie Murat's in den Jahren 1805 und 1806 erscheint etwas hinkend.
Wir hoffen, daſs wir es in der „guerre prochaine oder in der pro chaine guerre
-
comme on voudra “
wie der Herr Verfasser sagt, ent
schieden besser machen werden. Auch ohne die angeführten Bemerkungen bat man längst die wirklichen Mängel erkannt und sorgfältigst zu ver bessern gesucht, wenn auch die Wege vielleicht nicht überall dieselben sind, und auch ohne jeden Zweifel noch recht viel zu thun ist. Auch darin möchten wir dem Herrn Verfasser widersprechen, wenn
350
Umschau in der Militär -Litteratur,
er sagt : „ die 13 französischen Kavallerie-Regimenter, welche während der Schlacht von Coulmiers zugegen waren, hätten sich auf das in gröſster
Unordnung zurückgehende Corps von der Tann werfen sollen. “ Wir wollen allen weiteren Nebenbetrachtungen oder Ansichten des Herrn Verfassers nur die eine entgegensetzen, daſs dies Alles unter gewissen Voraussetzungen recht gut möglich gewesen wäre.
So aber wie die Verhältnisse wirklich
lagen, hätte es doch seine Schwierigkeiten gehabt, schon allein den 8 deut schen Kavallerie -Regimentern gegenüber.
Lassen wir somit den Herrn Nachbarn ihren „ étérnel regret“ über diese Versäumnis, wir wünschen ihnen, daſs ihnen nie eine bessere Gelegen
heit werde aus diesem Beispiele Nutzen zu ziehen. Wir wollen indessen fortfahren die Verhältnisse mit Ruhe zu betrachten , namentlich die Bei spiele aus der Geschichte so zu beherzigen, wie es allein nützlich sein kann, indem wir die obwaltenden Verhältnisse im Auge behalten . Wir
werden dadurch vielleicht weniger „ regrets étérnels“ empfinden, immerhin aber auch ohne diese im Stande sein, manches zu lernen . Aus dem lehrreichen Buche hat sich uns die Ansicht aufgedrängt, daſs in der Hauptsache alle jenseits der Vogesen gemachten Fortschritte darauf beruhen , es dort ähnlich zu machen wie bei uns.
Betreffs der
hierbei ausgesprochenen Hoffnung, daſs uns durch unsere kunstvollen Be wegungen ein Strich gemacht werde, – wollen wir getrost das Urteil der Zeit überlassen.
Der Reserveoffizier als Kaufmann, Studierter und Staats bürger von G. 0. Hilder , Major a. D. Berlin . Diese Schrift erscheint mir nicht ohne Bedeutung ; sie behandelt einen sehr wichtigen Gegenstand. Alljährlich wachsen Hunderte von Reserve offiziere dem Heere zu , junge Männer von Bildung, die aber nicht sämt lich den vollen Umfang der ihnen nunmehr obliegenden Pflichten kennen oder richtig würdigen, und die in Folge solcher unzureichenden Kenntnis
nicht selten Schiffbruch erleiden ; alljährlich erreichen Hunderte von „ Re
serve -Offizier -Aspiranten “ nicht die heiſs ersehnten Epauletten – und sie halten sich
meist im guten Glauben
für Opfer einer in militärischen
Kreisen herrschenden Rechtlosigkeit und Willkür. Major Hilder entwirft ein für das Verständnis der Laien berechnetes Bild des militärischen Ent
wickelungsganges eines Einjährig -Freiwilligen , der zum Reservelieutenant gewählt und befördert wird, der demselben erwachsenden Rechte und Plichten für sein bürgerliches Leben, der vielerlei Rücksichten , welche der Wahl eines militärisch - tüchtigen „ Aspiranten “ zum Offizier oft ent gegenstehen und die selbst in den „gebildeten" Kreisen des Volkes weder genügend bekannt noch anerkannt sind. Die Berufsoffiziere können und
werden mit Dank jede Bemühung begrüſsen, die darauf hinausgeht, durch sachgemäſse Erörterung bei der Masse des Volkes das Verständnis für diese heiklen und wichtigen Fragen zu erwecken und zu fördern. Die Art und Weise , in welcher die Hilder'sche Schrift ihren Gegenstand erörtert, ist
Umschau in der Militär-Litteratur.
351
eine formgewandte, ansprechende, die springenden Punkte deutlich kenn zeichnende. Kein Zweifel, daſs unbefangene Leser dieser Arbeit ein rich tiges Urteil über die behandelten Fragen sich bilden werden : ein bohes Lob fürwahr, das der „ Flugschrift “ erteilt werden muſs. Nicht neu , aber wohlberechtigt ist der Vorschlag , den der Verfasser
begründet: es sei besser, wenn das Offiziercorps des Linien - Regiments die Wahl der Reserve-Offiziere vornähme, als daſs dieselbe wie zur Zeit bestimmungsmäſsig durch die Offiziere des Landwehrbezirks erfolge.
Auch wird man ihm beipflichten müssen, wenn er auf Änderung des Titels „ Vizefeldwebel der Reserve“ drängt, weil letzterer im Unterschiede zu dem
Vizefeldwebel der Linie doch fast ausnahmslos „ Reserve -Offizier - Aspirant“ ist. Zu bedauern ist es, meines Erachtens, daſs der Herr Verfasser der Versuchung erlegen und in längerer Auseinandersetzung auf die „ Juden
und Antisemiten - Frage“ eingegangen ist. Er findet sich mit der ihm wohlbegreiflichen Thatsache ab, daſs die Reihen der Linien -Offiziere nach wie vor den Juden verschlossen bleiben werden ; er bezeichnet es aber als
eine Ungerechtigkeit, wenn bei vorhandener zweifelloser Tüchtigkeit der jüdische Offizier-Aspirant lediglich deshalb, weil er Jude ist, allerorten nicht zum Reserve - Offizier gewählt wird. Nun, es giebt eben keine „ abso lute Gerechtigkeit“ auf Erden ; und dann kann man doch das Recht der Landwebr- und Reserve-Offiziere,
welchen die ,Wahl“ zustebt
nicht
bestreiten, daſs sie diejenigen Persönlichkeiten zurückweisen, welche ihnen
nicht passend für ihren Kameradenkreis scheinen ... Diese eine Aus einandersetzung also wäre, meines Erachtens, besser weggelassen , — aber sie thut der Trefflichkeit der Schrift im Ganzen und Groſsen keinen
Eintrag
Die Mehrladevorrichtung des Infanterie -Gewehrs m 71/84. Instruktion , Ausbildung und Verwendung nebst Anführung
und Erläuteruug der Änderungen im Exerzier- Reglement und der Schieſsvorschrift der Infanterie.
Für Offiziere und Unter
offiziere der Linie und der Reserve bearbeitet von Brunn,
Major und Bataillonscommandeur. Mit Abbildungen im Text. Es ist nicht schön , aus der Schule zu plaudern “ ;
wenn es sich
aber unter Männern um ernste, wichtige Dinge handelt, dann muſs man frank und frei ohne Zwang die Wahrheit sagen.
Und so behaupte
ich : Weder ist die Kenntnis und eine ruhige Handhabung der Mehrlade vorrichtung unseren Mannschaften bis jetzt völlig eigen – wie das sein
muſs , soll groſser Nachteil verhütet werden im Ernstfalle ! >
noch
herrschen bei allen, am wenigsten bei den unteren Chargen klare Begriffe und übereinstimmende Ansichten und Grundsätze über die Bedeutung, die
geeignetste Verwendung des Magazins. Es kann diese Erscheinung bei der Neuheit und unleugbaren Schwierigkeit der Sache nun zwar nicht Wunder nehmen ; aber man muſs dem Übelstande möglichst bald und gründlich
352
Umschau in der Militär -Litteratur,
abhelfen . Die gegen Ende des Februar in üblicher Weise abgehaltenen Besichtigungen der Stammleute und der Rekruten werden auch anderswo, als in meiner groſsen Garnison, die Wahrheit meiner Behauptungen erwiesen haben. – Als vortreffliches Lehrmittel – und Selbstbelehrungsmittel für alle Offiziere, insonderheit für die Compagnie-Chefs, Lieutenants und Unteroffiziere denn gerade letztere sind noch unfertig in der neuen -
-
Sache – kann ich das oben angeführte Büchlein des Major v. Brunn empfehlen, welcher sich als Schriftsteller auf dem Gebiete des Schieſswesens bereits eines unbestrittenen Ansehens erfreut. Seiner Schrift gebührt, meiner Ansicht nach, der Preis unter den Vielen, die über Einrichtung und Handhabung des neuen Gewehrs, besonders der Mebrladevorrichtung,
sowie über Unterweisung der Mannschaften im Gebrauch derselben handeln . Klar, kurz, aus der Praxis herausgeschrieben und den Forderungen
derselben in glänzender Weise Rechnung tragend, — dabei den stellen -
weise trockenen Gegenstand meist anziehend behandelnd : so Brunn's
„ Instruktion“ und „ Ausbildung “. Von gröſserem Wert und Reize ist jedoch der dritte und längste Abschnitt „ Verwendung “, der eine Fülle treffender und anregender Bemerkungen enthält. Gewiſs wird Widerspruch im Einzelnen nicht fehlen , aber da Brunn's Meinungen und Lehren stets begründet sind, wird der Leser doch seine eigenen Gegengründe sich selbst
ganz klar machen : die Sache gewinnt. Nur wenige Sätze will ich heraus greifen, die mein Urteil über die Vortrefflichkeit der Brunn'schen Schrift rechtfertigen mögen. Um Führer und Mannschaften an die verschiedenen
Magazin -Manipulationen, sowie um die Leute an das Tragen des Gewehrs mit gefülltem Magazin zu gewöbnen, will Brunn, daſs das Magazin bei
allen Felddienstübungen grundsätzlich vor Eintritt in das Gefecht ganz oder teilweise gefüllt werde. Das Ausschieſsen des Magazins richtet sich lediglich nach dem Bestande der Platzpatronen der Truppe. Ein Nachfüllen muſs aber nach jedem Ausschieſsen eintreten . Gleichwie im Gefecht das moralische Gefühl des Mannes durch die
stete Feuerbereitschaft des Magazins gehoben wird, so wird das gefüllte Magazin auch das Selbstvertrauen des Mannes und das Gefühl der Sicherheit heben, wenn derselbe auf Posten steht, patrouilliert u. S. W. Spitze , Seitenläufer , Posten , Patrouillen , kleine Abteilungen kommen leicht in die Lage, überrascht zu werden. Sie haben daher das Gewehr stets auf Magazinfeuer zu stellen. Der Widerstand derselben ist, wenn sie den Mehrlader richtig verwenden , bedeutend gehoben , besonders auch einzelnen Kavalleristen gegenüber. Posten , Patrouillen u. 8. w. werden mittelst Anwendung des Magazins leichter im
Stande sein , die drohende Gefahr zu signalisieren und einer schwachen feindlichen Partei einigen Aufenthalt aufzuzwingen . Recht beachtens
wert sind die Betrachtungen über die Munitionsergänzung, – den Verlauf eines Angriffs- und Verteidigungsgefechtes. Brunn's Schluſsfolgerung, die
allerdings nicht ganz einwandfrei für mich ist — lautet: Das Magazinfeuer hat die Defensivkraft des Verteidigers unzweifelhaft gehoben ; der Angreifer
Umschau in der Militär- Litteratur,
353
wird mit dieser Thatsache zu rechnen haben . Das Magazingewehr ist jedoch nur ein Mehr zum bisherigen Schnellfeuer und wird keine Änderung in den taktischen Formen und in der jetzigen Fechtweise der Infanterie herbeiführen. Die Einführung der Mehrladevorrichtung ist keine so tief
gehende Änderung der Waffentechnik , daſs sie durchgreifende Veränderungen der Fechtweise herbeiführen könnte. Die gröſsere Feuergeschwindigkeit ist nicht so bedeutend, daſs sie in den jetzigen Formen, welche der mög
lichsten Verringerung der Verluste angepaſst sind, eine Änderung bewirken Groſse Zwischenräume, groſse Treffenabstände, ausschlieſsliche könnte. Anwendung der zerstreuten Fechtart in vorderster Kampfeslinie, Führung des Gefechts durch starke, sich völlig aufbrauchende Schützenlinien, be ständige Nährung und Verstärkung derselben durch neue Schützen,
niemals durch geschlossene Abteilungen , Verkleinerung der Ziele durch vorzügliche Terrain benutzung u. s. w. bleiben auch nach Einführung des Magazinfeuers, wenn auch in gesteigerter Form , die Mittel, die Verluste nach Möglichkeit zu verringern ... Ich verschweige meine Einwendungen. Der Herr Verfasser wird sicherlich nie ein Jünger des „ Sommernachtstråumers “ werden , betreffs
dessen hier gelegentlich bemerkt sei , daſs er , wie nun feststeht und eigentlich auch aus jeder Zeile seiner Schrift schon hervorging, nicht zu den Offizieren gehört, welche den praktischen Dienst gründlich kennen und zu beurteilen verstehen , und daſs seine Kriegserfahrung nicht nur eine ganz besonders bescheidene ist, sondern sich auch auf einen sehr engen
Kreis beschränkt. Also auch nach dieser Richtung hin ist die Grundlage, welche dem „ Sommernachtstraum “ zu geben versncht wurde, eine sehr unsichere und unzuverlässige.
Druck von A. Hauck in Berlin , NW ., Dorotheodstrane 56.
1
Carl Gust. Gerold Hoflieferant Sr. Majestät des Kaisers u. Königs,
Sr. Kaiserlichen u. Königlichen Hoheit des Kronprinzen
BERLIN W.64 Unter den Linden No. 24 .
అజయం Telegramm : Cagusgerol.
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120
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.
100
.
100 105
60
Salambera Regalia .
Americana
75
150
Patria Grandeza
75 80
Unidad Bella Mar Castanon
180
Corona conchas
80
Electra Regalita
200
Primas
.
7
120
150
B. Importierte Havana - Cigarren laut besonderem Preis -Verzeichniss, das auf Verlangen franco zu Diensten steht.
C. Cigarretten Aegyptische der Kaiserlichen Türkischen Regie Aug. Gaus in Baden - Baden . A. M. Popoff in Odessa
Gefällige Bestellungen werden mit grösster Sorgfalt ausgeführt.
Jahrbücher für die
deutsche Armee und Marine. Verantwortlich geleitet
VON
G. von MARÉES Oberstlieutenant a. D.
Siebenundsechszigster Band. April bis Juni 1888.
BERLIN .
RICHARD WILHELMI. 1888 .
Inhalts -Verzeichnis. Seite
Dem Kaiser
1
.
I. Die französische Armee im Jahre 1813.
Ein Beitrag zur Ge
schichte der Befreiungskriege II. Landwehr und Landsturm in Deutschland und Österreich- Ungarn. .
Ein Vergleich ihrer Organisation und Leistungsfähigkeit III.
2
25
.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877. Eine Erwi derung des Generals Paul Woronow. Aus dem Russischen über setzt von S. Beck .
50
IV. Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung Friedrich des Groſsen
69
V. VI. VII. VIII.
Über das Militär - Strafverfahren
91
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften . Umschau in der Militär- Litteratur Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren , in den militärischen Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen .
15. März 1888) Aufsätze, (I. Quartal 1888.) (15. Dezbr. 1887 Ein Beitrag zur Ge schichte der Befreiungskriege. ( Fortsetzung) X. Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen
98
106
112
IX . Die französische Armee im Jahre 1813.
.
129 153
XI. Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie von Hugo Stadelmann , Oberstlieutenant z. D.
O
.
170
XII. Der Ladendruck und seine Bedeutung im Frieden und Kriege . Von Spohr , Oberstlieutenant z. D. . XIII. Zur Reorganisation des niederländischen Heeres. Von P. A. Schwippert XIV. Zur fridericianischen Strategie. Von Prof. Hans Delbrück . XV.
Umschau in der Militär-Litteratur
185
206 220
222
Seite
XVI .
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte
der Befreiungskriege. (Fortsetzung) XVII. Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen. ( Schluſs) XVIII.
230 .
Über Cürassiere .
258 274
.
XIX. Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben im Ver bande einer Infanterie - Division
282
XX. Der Swipwald und Bazeilles. Ein Vortrag gehalten vor den Offizieren der 30. Division. Von G. Thäter , königl. bayer. Hauptmann .
298
XXI. Befestigungs-Ideen. Eine Erwiderung auf die „Ideen über Be. festigungen “ von K. H. J. Scheibert, Major z. D. XXII.
Umschau in der Militär - Litteratur
.
.
309 322
Der Kaiser ist todt ! Schon drei Wochen sind ins Land gegangen , seit die 'erschütternde Kunde von dem Hinscheiden Kaiser Wilhelms die Erde von einem Pol zum andern durch
eilte. Es war uns nicht vergönnt, an dieser Stelle den Gefühlen des tiefsten Schmerzes und der innigsten Trauer
zu jener Zeit Ausdruck geben zu können .
Dies jetzt
nachträglich zu thun , erscheint nicht angemessen. Zur Stunde kann der Geist sich noch nieht an den
Gedanken gewöhnen, daſs Kaiser Wilhelm nicht mehr unter uns weilt. Die Stätte, die ein groſser Mann ver
lässt , bleibt eingeweiht; nach Hundert Jahren klingt sein Wort und seine That dem Enkel noch ! Sein Wort und seine That“ sind es, durch die Kaiser Wilhelm
eine Idealgestalt des deutschen Kaisers geschaffen hat, die jetzt neuverkörpert dasteht in seinem Heldensohne. Darum ehren wir den Heimgegangenen sicherlich am meisten durch den Begeisterungsruf:
Heil Kaiser Friedrich ! Berlin , Ende März 1888. G. v . Marées.
Jahrbücher für die Deutsche Armee ond Marine .
Bd , LXVII., 1 .
1
I.
Die französische Armee im Jahre 1813, Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege.
Während das Werk von C. Rousset über die französischen
Freiwilligen Dank der bekannten Rede des Feldmarschall Grafen v. Moltke und Dank der meisterhaften Feder eines unserer ersten
Militär-Schriftsteller überall in Aufnahme gekommen, ist ein anderes Buch des berühmten französischen Forschers, die während des Krieges von 1870/71 erschienene Geschichte der groſsen Armee von 1813 bei uns in Deutschland fast unbekannt geblieben . Und doch
gewährt auch letzteres Werk für den Soldaten in doppelter Hinsicht ein hohes Interesse, denn
1. giebt dasselbe ebenfalls Veranlassung zu einem Vergleich mit den Gambetta'schen Heeren und zeigt uns , was in einer
ähnlichen Lage einer der gröſsten Feldherren und Organi satoren aller Zeiten erreicht hat, und
2. giebt uns dasselbe den Schlüssel, um Napoleons in vielen 1
Beziehungen so oft mit Unrecht geschmähtes Verhalten in der von diesem, seinen Sturz herbeiführenden Feldzuge zu verstehen ; ohne 1814 war nur noch das Nachspiel genauste Kenntnis von der damaligen französischen Armee und der eigenartigen Erscheinungen innerhalb derselben , ist
dieses überhaupt unmöglich. Angeregt durch das Studium der erwähnten kleinen Schrift, bat Verfasser es unternommen , an der Hand aller ihm irgend zugäng lichen deutschen und französischen Quellen weitere Forschungen
anzustellen, deren Ergebnis er in der nachfolgenden Arbeit nieder gelegt hat. Wenngleich die groſse Lückenhaftigkeit der vorhandenen Quellen und die dabei doch wiederum zahlreichen Widersprüche in denselben es in vielen Fällen unmöglich machen , vollständig zweifel
Die französische Armee im Jahre 1813.
3
lose Angaben zu bringen , so ist es doch in den meisten Fällen möglich , durch ein sorgfältiges Abwägen aller vorhandenen Angaben gegen einander und durch eine Ergänzung der bestehenden Lücken , durch die Aufstellung von Wabrscheinlichkeits - Rechnungen selbst in den Einzelheiten brauchbare Angaben zu bringen, welchen ein
begründeter Anspruch auf Richtigkeit nicht wird verweigert werden können . Daſs es ein äuſserst gewagtes Unternehmen bleiben muſs, Angaben auf einer solchen Grundlage zu machen , welche mit der
Überlieferung vielfach im Widerspruch sind , ohne Einsicht in das Archiv des französischen Kriegsministeriums gehabt zu haben , ist 7
selbstverständlich .
Ein abschlieſsendes Werk über den Feldzug von 1813 besteht zur Zeit noch nicht ; alle vorhandenen Werke sind mehr oder minder
nur Beiträge zur Geschichte desselben , und ein solcher Beitrag soll auch die nachfolgende Arbeit sein. Sollte sich dereinst eine berufene Feder finden, um die Geschichte dieses Feldzuges zu schreiben , und sollte dieselbe hierbei von dem nachstehenden Aufsatze Gebrauch
machen können , so würde der Zweck desselben erreicht sein . 2
1.
Der Untergang der groſsen Armee in Russland und der Rückzug ihrer Trümmer bis zur Elbe. Die Feldzüge von 1805 bis 1807 bezeichnen den Höhepunkt, welchen zu erreichen der Napoleonischen Armee vergönnt war ; schon die nächsten Jahre lassen , was ihren inneren Wert anbetrifft,
einen Rückschritt erkennen. Während einerseits die Maſslosigkeit der kaiserlichen Politik zur Aufstellung stets neuer Streitkräfte
zwang, machte anderseits Frankreichs zunehmende Entvölkerung es unmöglich , den geeigneten Ersatz für die erprobten Soldaten auf zubringen , welche das spanische Abenteuer in erschreckender Zabl verschlang, und mehr und mehr muſsten die Lücken durch wider
willige Rekruten und nicht vollwertige Truppen der Bundesgenossen gefüllt werden . Was von den alten Waffengefährten des Kaisers übrig blieb , das sollte bald darauf im fernsten Osten seinem un
ersättlichen Ehrgeiz zum Opfer fallen . Mit einem Heere , welches einschlieſslich der Nachschübe über 9
600,000 Mann betrug, unternahm Napoleon den russischen Feldzug. Dieses Heer mit seinem ganzen , ungeheuren Material ging in Russland zu Grunde , über 500,000 Menschen , 150,000 Pferde, 1000 Geschütze und 20,000 andere Armee -Fahrzeuge gingen verloren . 1*
4
Die französische Armee im Jahre 1813.
Auſser den beiden Flügelheeren unter Macdonald und Schwarzenberg, welche allein dem allgemeinen Ruin entgingen , sahen nur elende Trümmer der groſsen Armee den Njemen wieder , den sie vor wenigen Monaten voll Glanz und Mut überschritten hatten . Der Kaiser selbst hatte diese Trümmer , nachdem er das Kommando
über dieselben an Murat übergeben , bereits am 5. Dezember zu Smorgony verlassen und traf, von nur wenigen Getreuen begleitet, Deutschland im Fluge durcheilend , schon am 19. Dezember in Paris ein , wo er alsbald an die Organisation der Mittel zur Fortsetzung des Kampfes ging.
Ein für Napoleon verhängnisvoller Stern hatte es gefügt, daſs die Heerteile Macdonald's und Schwarzenberg's zum überwiegenden
Teile aus dem preuſsischen beziehungsweise dem österreichischen Hülfscorps bestanden , welche so vor der Katastrophe bewahrt ge blieben waren , der die Masse der französischen Truppen und der
weitaus gröſsere Teil der zuverlässigeren Hülfstruppen Polen , Italiener und Rheinbündler anheimgefallen war. Was von diesen übriggeblieben , befand sich im Zustande der vollsten Auflösung, .
höchstens hatten die schwachen Reste der Garde und die kleinen
Abteilungen , welche ein letzter Funke von soldatischem Geiste um die corpsweise gesammelten Feldzeichen vereinigt hatte, noch einig Ordnung bewahrt. Von den Führern verlassen , welche ihren Leuten meist im Schlitten voraufeilten , durchzog der Rest in gröſseren oder kleineren Trupps das Land, wahre Jammergestalten,
meist waffenlos und in alle möglichen Verkleiduvgen gehüllt , viel fach mit erfrorenen Gliedmaſsen und ansteckende Krankheiten mit
sich schleppend , welchen täglich Hunderte von ihnen zum Opfer fielen , behaftet dabei mit einer unbeschreiblichen Furcht vor den Kosaken, und dieselbe allen denen mitteilend , welchen sie begegneten. Das Eintreffen von nicht unerheblichen Verstärkungen, zunächst einer bayerischen Marschbrigade und dann der zum XI. Armee Corps gehörigen Division Heudelet , welcher sich die aus je einer Escadron acht verschiedener , in Spanien stehender Dragoner-Regi menter formierte Brigade Cavaignac angeschlossen hatte, ermöglichte es den Trümmern der groſsen Armee, in Ostpreuſsen kurze Rast zu
machen ; bald aber zwang sie der Abfall des General York , durch welchen sie bei der groſsen Entfernung von Schwarzenberg's Heerteil ihren vornehmsten Halt verloren, zur Fortsetzung des Rückzuges bis über die untere Weichsel . Jetzt aber zeigten sich nicht nur bei
den noch übrigen Truppen des Macdonald'schen – X. – Armee Corps, der aus Polen , Bayern und Westfalen bestehenden Division -
3
Die französische Armee im Jahre 1813.
5
Grandjean , welche bisher noch eine leidliche Ordnung bewahrt hatten , sondern auch bei den von Heudelet herangeführten, durch
weg aus Franzosen zusammengesetzten Verstärkungen , welche sehr bald von dem die Trümmer der Armee beherrschenden Geiste angesteckt worden waren , Zeichen bedenklichster Art , so daſs
Murat sich veranlaſst sah, sie zur Verhütung ihrer gänzlichen Auf lösung nach Danzig zu werfen , dessen schwache, von neapolitanischen
Truppen gebildete Garnison eine Verstärkung zu erfordern schien. Ebenfalls nach Danzig kamen auch die Reste der früher von dem General Loison ,
jetzt
von
dem General Marchand befehligten
34. Division , welche aus einigen französischen und den von den kleinen deutschen Staaten gestellten Truppen gebildet und der Armee nachgeschickt, indessen ohne derselben genützt zu haben in der Gegend von Wilna durch die Unbillen der Witterung zum groſsen Teil vernichtet worden war.
Nachdem
dann auch
noch
Thorn mit einer zum gröſsten Teil aus Bayern bestehenden Be satzung versehen war , bildeten die Reste der groſsen Armee nur noch ein wahres Chaos , für dessen Leitung es Murat an dem nötigen moralischen Mut gebrach, daher er dieselbe denn auch un mittelbar nach seiner Ankunft in Posen an den Vicekönig von
Italien übergab und dem von Napoleon gegebenen Beispiele folgend nach Neapel abreiste. In der Entwirrung dieses Chaos, welches noch immer den
stolzen Namen der groſsen Armee« führte, bestand die nächste und die wichtigste Aufgabe des neuen Oberbefehlshabers, der in der richtigen Erkenntnis , daſs auch er der Lage nicht gewachsen sei, das Kommando nur nach lebhaftem Sträuben übernommen hatte.
Mit Hülfe einiger gerade jetzt eintreffender Verstärkungen sowie zahlreicher Genesenen und Kommandierten, welche den Feldzug überhaupt nicht mitgemacht hatten und sich erst jetzt wieder
anfanden, gelang es Eugen , diese Aufgabe, der er sich mit dem gröſsten Eifer unterzog , während der zweiten Hälfte des Monat Januar zu lösen . Da indessen den Trümmern der vier ersten Armee Corps, bei welchen sich die Masse der französischen und italienischen Infanterie befunden hatte, die Oder-Festungen und Spandau als Sammelpunkte angewiesen worden waren , und da sich ferner das
VII. Armee - Corps bei Schwarzenberg's Heerteil befand, an welchen sich auch die durch die Heranziehung von Depots und anderer vereinzelter Abteilungen wieder erheblich angewachsenen Reste des V. – polnischen Armee -Corps angeschlossen hatten , während sich diejenigen des X. Armee-Corps in Danzig befanden , so beschränkte -
Die französische Armee im Jahre 1813.
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sich Eugens Reorganisation der Reste der groſsen Armee auf die Garde, das VI ., VIII. und IX. Armee -Corps und die Reserve Kavallerie .
Die Kaiser-Garde war in Russland fast ganz zu Grunde ge gangen ; am 21. Dezember hatte ihre Infanterie nur noch 500 Mann
in der Front gezählt, während der 800 Mann starke Rest derselben aus Kranken, Verwundeten und Krüppeln bestanden hatte, bei denen über 200 Amputationen notwendig gewesen waren . Nachdem von Stettin aus zwei von Paris dorthin geschickte Bataillone junger Garde , welche 8 Geschütze mit sich führten , sowie von Warschau 2 Bataillone Turiner und Florenzer Veliten , welche den
aus
Einmarsch in Russland nicht mitgemacht hatten, herangezogen sowie auch noch zahlreiche Kommandos und einzelne Leute eingetroffen waren, konnten hieraus 7 Bataillone gebildet werden ; auſser den erwähnten 4 Bataillonen, in welche der noch 100 Mann starke Rest
der jungen Garde eingestellt wurde, 2 Bataillone alter Garde zu je 400 Mann und 1 Bataillon Reste der italienischen Garde , welches letztere indessen später wieder aufgelöst wurde. Hieraus sowie aus den 5 Schwadronen , welche aus den 800 von der Garde -Kavallerie
geretteten Pferden gebildet wurden , zu denen noch 200 litthauische
Gendarmen stieſsen , und aus einer in gleicher Weise gebildeten Compagnie Garde -Artillerie wurde eine kleine Division zusammen gestellt, über welche der General Roguet das Kommando erhielt. Nachdem diese Formationen vorgenommen waren , verblieben un gefähr noch 7 bis 800 Offiziere und Unteroffiziere von der Garde Infanterie und eine etwas gröſsere Zahl von der Garde-Kavallerie, welche auf Fulda in Marsch gesetzt wurden, von wo aus erstere mit
der Post nach Paris geschafft werden sollten. Das VI. Armee-Corps hatte aus den seitens Bayern gestellten
Truppen bestanden, zu deren 2000 Mann starken Resten am Njemen 4500 Mann 12 Geschütze Verstärkungen gestoſsen waren . Nach Abgabe von 3500 Mann für die Besatzung von Thorn und nach
Rücksendung der überzähligen Stämme nach Bayern verblieben noch ungefähr 2800 Mann , wobei etwa 200 Reiter, welche eine kleine Division unter dem General Rechberg bildeten.
Von den Westfalen , welche das VIII. Armee-Corps gebildet hatten, waren kaum einige Hundert Mann über die Weichsel zurück gekehrt ; aus ihnen und aus 1500 Mann Verstärkungen , welche sie auf dem linken Stromufer angetroffen , wurden 2 schwache Regi
menter gebildet. Aus diesen beiden Regimentern , aus 1200 Mann neapolitanischer Eliten , welche Murat aus Dauzig gezogen hatte,
Die französische Armee im Jahre 1813.
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und aus dreieben von Frankreich her eingetroffenen Marsch Bataillonen des I. Armee-Corps wurde eine weitere Division unter dem General Gérard gebildet. Das IX. -- Victor'sche
Corps hatte aus einer französischen
und zwei überwiegend deutschen Divisionen bestanden , von denen jene an der Beresina in Gefangenschaft geraten war , während von diesen sich nur einige Hundert Mann gerettet hatten , welche jetzt ebenso wie die Reste der übrigen, bei den überwiegend franzö
sischen Corps eingeteilt gewesenen Truppen der kleineren Staaten — in ihre Heimat zurückgeschickt wurden . Dagegen konnte noch unter dem General Gérard eine kleine polnische Division von 3500 Mann gebildet werden ; dieselbe setzte sich zusammen aus einem Regiment der Weichsel-Legion , welches den Feldzug nicht mitgemacht hatte , aus den Resten der übrigen Regimenter dieser Legion sowie einiger anderer in französischem Solde stehender polnischer Regimenter und aus einer Anzahl pol nischer Rekruten .
Die Reste zweier litthauischer Reiter -Regimenter, zusammen 400 Pferde, bildeten unter dem Fürsten Gedroitze eine kleine Brigade, welche indessen bereits am 12. Februar bei Zirke vernichtet wurde.
Die bei der groſsen Armee eingeteilt gewesene französische, italienische und deutsche Reiterei hatte fast ihre sämtlichen Pferde
verloren , so daſs aus ihren Trümmern auch nicht eine einzige Schwadron gebildet werden konnte. Während die Fremden gleich falls in ihre Heimat entlassen wurden, erhielten die Franzosen, deren >
Zahl beim Übergang über die Weichsel etwa 6000 Mann betragen hatte, in der Folge aber bis auf 10,000 Mann anwuchs, die Richtung auf Hannover angewiesen . In derselben Weise und zur gleichen Zeit vollzog sich auch die Reorganisation der Reste der aus der Masse der französischen und italienischen Infanterie zusammengesetzt gewesenen vier ersten Armee -Corps in den Festungen Stettin, Küstrin, Spandau und Glogau. Nachdem vom I. Armee - Corps bereits 800 Mann französischer Infanterie nach Thorn gelegt worden waren, konnten aus dem Rest
kaum noch ein bis zwei Compagnien für jedes Regiment gebildet werden , im Ganzen nur 11 schwache Bataillone , welche in den genannten Festungen als Besatzungen verblieben , nämlich
3 Bataillone des I. Armee-Corps = 1600 Mann in Stettin, 3 Bataillone des II. Armee-Corps = 1900 Mann in Küstrin , 2 Bataillone des III. Armee -Corps = 1000 Mann in Spandau ,
3 Bataillone des IV. Armee-Corps = 1900 Mann in Glogau. .
Die französische Armee im Jahre 1813.
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1400 Mann französischer Infanterie, welche sich bis dahin an Bord
der in Texel und Antwerpen festliegenden Kriegsschiffe befunden hatten, und welche bis gegen Ende Januar eintrafen , wurden zur Verstärkung dieser Bataillone verwandt; desgleichen wurden auch 1200 eben eingetroffene Badener nach Glogau gelegt. Nachdem die eben erwähnten 11 Bataillone gebildet waren , blieben noch ungefähr 1
5 bis 6000 Offiziere, Unteroffiziere u. s. w. übrig , welche nach
Erfurt beziehungsweise – soweit sie dem aus den transalpinischen und italienischen Regimentern formiert gewesenen IV. Armee-Corps
angehörten – nach Augsburg in Marsch gesetzt wurden. Am traurigsten sah es eigentlich mit der französischen Artillerie
aus, deren Masse ebenfalls bei den vier ersten Armee-Corps ein geteilt gewesen war.
Nic
nur war das ganze Material verloren
gegangen , sondern es waren auch von den 52 Linien - Artillerie
Compagnien , welche den Feldzug mitgemacht hatten , nur wenige Offiziere und kaum 1000 Mann zurückgekehrt , noch nicht die
Stämme für 20 Compagnien. Diese sowie 20 schwache Compagnien von den 48 Artillerie-Compagnien der groſsen Armee, welche in den preuſsischen Festungen gelegen hatten , für die Napoleon die übrigen 28 Compagnien als ausreichend erachtete , wurden nach Magdeburg geschickt , woselbst die Artillerie der groſsen Armee ausgebildet werden sollte.
Das Ergebnis der von Eugen vorgenommenen Reorganisation war also, daſs nach notdürftiger Sicherung der Festungen und nach Zurückschickung aller überflüssigen Stämme auſser dem öster reichischen Hülfscorps unter Schwarzenberg und dem V. und VII. Armee-Corps unter Poniatowski und Reynier noch eine im freien Felde verfügbare Macht von 15,000 Mann , 1600 Pferden, 28 Geschützen * )
verblieb. War dieses Ergebnis auch nur ein sehr bescheidenes zu nennen ,
SO
war
es doch von unberechenbarem Werte , daſs das
Chaos entwirrt , die Festungen gesichert und die überflüssigen Stämme verfügbar gemacht waren. Namentlich der letztere Umstand war von der allerhöchsten Bedeutung , denn ohne die
ein
schlieſslich der erwähnten 20 Artillerie - Compagnien gegen 20,000 Mann betragenden Stämme , bei welchen sich allein über 1800 **) dienstfähige Offiziere befanden , und die sonst fast durchweg *) 8 Geschütze der Garde, 4 französische, 12 bayerische, 2 polnische, 2 west fälische Geschütze.
**) Es kamen von der Garde, dem I., III., IV. Armee- Corps 2459 Offiziere nach Ostpreuſsen zurück, von denen 1800 sofort wieder Dienst thun konnten .
os
Die französische Armee im Jahre 1813.
aus alten , kriegserfahrenen Unteroffizieren bestanden , würde die
Aufstellung einer neuen groſsen Armee gänzlich unmöglich ge wesen sein ,
Freilich den hochgeschraubten Erwartungen Napoleons entsprach dieses Ergebnis durchaus nicht. Wiewohl er die Trümmer seines Heeres zu Smorgony im Zustande vollster Auflösung verlassen, hatte er doch nicht geahnt, welche furchtbare Höhe die Verluste erreicht
batten . Den Abfall York's nicht voraussehend hatte er anfänglich gehofft, die groſse Armee werde sich mit Hülfe der mehr oder
minder unversehrten Flügelheere und der eingetroffenen beziehungs weise noch im Anmarsch befindlichen Verstärkungen am Njemen halten können .
Er war in seinen Hoffnungen sogar soweit ge
gangen, zu glauben, es werde jedes französische Infanterie-Regiment in Ostpreuſsen noch 3 Bataillone formieren können ; während die Stämme der vierten und fünften Bataillone nach Frankreich zurück
geschickt werden sollten . Noch im Anfang des Jahres 1813 batte er gehofft, daſs aus den Resten der Regimenter wenigstens deren
erste Bataillone würden vervollständigt werden können, die zweiten Bataillone sollten in Erfurt beziehungsweise Augsburg, die übrigen Bataillone in Frankreich beziehungsweise Italien aufgestellt werden. Die Formierung der Erfurter Bataillone war darauf berechnet,
möglichst bald neue Kräfte in Deutschland zur Verfügung zu er balten . Je gröſseren Illusionen Napoleon sich bis in den Februar hinein hingab , desto bitterer muſste die Enttäuschung sein , als er endlich einen vollen Einblick in die Gröſse der Verluste erhielt ; der Eindruck war denn auch thatsächlich selbst für ihn ein so be
wältigender, daſs er sogar seinen nächststehenden Vertrauten gegen über den Umfang der Verluste möglichst lange zu verbergen snchte.
Und doch sollten noch weitere Enttäuschungen folgen; derselbe von ihm auſser Betracht gelassene Umstand, der sich schon auf dem linken Flügel der Armee in so verhängnisvoller Weise fühlbar gemacht hatte ,
die
Zusammensetzung
desselben
aus
fremden
Truppen , sollte sich bei dem rechten Flügelheere nicht minder bemerkbar machen ,
und wie dort die Räumung des
rechten
Weichselufers die Folge gewesen , so sollte es jetzt die des rechten 1
Oderufers sein .
Hierzu măssen eigentlich nur noch die Offiziere des II. Armee - Corps und der Reserve-Kavallerie gerechnet werden, da indessen ein nicht unerheblicher Teil bei Eugen beziebungsweise in den Festungen verbleiben muſste, wird man nicht sehr
irren, wenn man die Zahl der nach Frankreich zurückgeschickten dienstfähigen Offiziere auf etwa 1800 berechnet, vielleicht war sie noch etwas höher.
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Die französische Armee im Jahre 1813.
In den ersten Tagen des Februar räumte nämlich Schwarzen berg Warschau und ging mit dem noch 24,000 Mann starken
österreichischen Hülfscorps nach Galizien zurück. Die Folge war, daſs auch Reynier, dessen Corps zur Zeit noch etwa 8000 Sachsen und ebenso viel Franzosen zählte, zurückgehen muſste, wobei ihm Poniatowski in einiger Entfernung folgte. Am 13. Februar von Wintzingerode bei Kalisch eingeholt und empfindlich geschlagen , ging Reynier, unter dessen Truppen auſserdem noch der Typhus in hohem Grade wütete , etwas übereilt und daher nicht ohne be deutende Verluste an Nachzüglern bis Glogau zurück , woselbst er am 17. Februar anlangte. Poniatowski zog sich auf die Nachricht von dem Gefechte bei Kalisch nach Krakau zurück, so vorläufig die Verbindung mit den Franzosen aufgebend. So war denn Polen mit Ausnahme einiger fester Plätze für Napoleon verloren , und statt über 50,000 Mann verfügte Eugen auf seinem rechten Flügel kaum noch über 10,000 Mann.
Fast gleichzeitig mit Reynier ging denn auch jener nach der Oder zurück, und traf am 18. Februar in Frankfurt ein.
Trotz
erheblicher Verstärkungen , über welche er jetzt verfügen konnte, blieb der Vicekönig aber nur zwei Tage an der Oder stehen und setzte dann seinen Rückzug bis Berlin fort , woselbst er am 22. Februar anlangte. 9
Diese dem Vicekönige zur Verfügung stehenden Verstärkungen bestanden aus Teilen des XI.
Augereau'schen - Corps , dessen
Bestimmung es gewesen war, Preuſsen während des russischen Feld zuges im Zaume zu halten.
Von den drei Divisionen, welche dieses
Corps ursprünglich gehabt hatte, war erst die Division Loison, dann die Division Heudelet der Armee nachgeschickt worden , beide Divisionen befanden sich jetzt in Danzig , so daſs nur noch die Division Lagrange - 12 Bataillone französischer Infanterie, 1 Schwa dron würzburgischer Chevaulegers und 2 Bataillone, zusammen 10,000 Mann - übrig war, welche nebst einigen anderen Truppen in Spandau und den Oder-Festungen gestanden hatte. Mitte Januar -
war dann noch die aus Italien kommende Division Grenier in die
Mark eingerückt, gegen 19,000 Mann stark , welche zu zwei Dritteln aus Franzosen, zum Rest aus Italienern bestehend, in ihren Reihen sehr viele junge , der Erholung bedürftige Soldaten zählte.
Wegen des letzteren Umstandes und wegen der Unvollständigkeit ihrer Artillerie und ihrer Trains stand die Division augenblicklich
unthätig in und bei Berlin, während ihre Kavallerie, das 1000 Pferde starke 4. italienische Jäger-Regiment, bis Müncheberg vorgeschoben
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war, wo das Regiment am Tage von Eugens Ankunft in Berlin fast völlig vernichtet wurde.
Nachdem mit Napoleons Genehmigung die Division Lagrange mit Ausnahme von drei in Stettin zurückgelassenen Bataillonen aus den Festungen gezogen worden war, warde aus ihr und den durch
Teilung der bisherigen Division Grenier entstandenen beiden Divisionen Grenier und Charpentier ein sogenanntes Avantgarden - Corps gebildet,
über welches an Stelle des von dem Vicekönig zurückgeschickten Marschall Angereau der Marschall Gouvion St. Cyr, der für einen der talentvollsten Generale der Armee galt, das Kommando erhielt. Da die Bayern erst auf Guben und dann auf Kalau geschickt
und dem auf Bautzen zurückgewichenen General Reynier unterstellt worden waren, mit dem sie die Verbindung aufrecht erhalten sollten , und da ferner die Westfalen und die von Gérard mitgeführten 1800 polnischen Rekruten nach Küstrin beziehungsweise Spandau gelegt worden waren, so verfügte Eugen bei Berlin abgesehen von dem Avantgarden-Corps nur noch über etwa 11,000 Mann , mit diesem zusammen also über 36,000 Mann. Wiewohl diese Macht völlig hingereicht haben würde, Berlin gemäſs Napoleons Befehl noch längere Zeit zu behaupten, und wiewohl er selbst bestärkt durch
St. Cyr's thatkräftige Ratschläge die Wichtigkeit einer solchen
längeren Behauptung der Hauptstadt Preuſsens vollständig erkannt hatte, entschloſs Eugen sich dennoch nach Fortsetzung des Rückzuges bis zur Elbe, 6. März in Wittenberg erreichte. Nächst werdenden Haltung Preuſsens und nächst
kurzem Aufenthalt zur welchen Fluſs er am der täglich feindlicher der Besorgnis vor dem
Herannahen der russischen Armee, deren Stärke von dem Gerücht
aufgebauscht worden war, und welche er näher glaubte, als sie thatsächlich war, da ihre zahlreiche leichte Reiterei ihn von allen
Seiten umschwärmte, ohne daſs er bei dem fast vollständigen Mangel an Kavallerie in der Lage gewesen wäre, sich Gewiſsheit zu ver schaffen , gaben wohl eben dieser Mangel und die bei verschiedenen Gelegenheiten erwiesene Unzuverlässigkeit seiner Truppen bei dem Vicekönig den Ausschlag für diesen verhängnisvollen Entschluſs. Die schnelle Fortsetzung von Eugens Rückzug verhinderte es, daſs eine Anzahl zur Verstärkung der Bataillone in den Oder Festungen bestimmter Schiffs-Compagnien, welche jetzt gerade ein trafen, dieselben noch erreichen konnte, daher diese Compagnien nunmehr nach Magdeburg gelegt wurden. Durch Eugens Rückzug und durch die bald darauf erfolgende Erhebung Preuſsens gingen die in jene Festungen eingeschlossenen Bataillone, welche aus den
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Resten der groſsen Armee gebildet waren, für die Feld -Armee un wiederbringlich verloren. Für jene Festungen selbst war übrigens in der auskömmlichsten Weise gesorgt, denn es zählten die Be satzungen von Stettin 8500 Mann , Küstrin 4000 Mann, Spandau 3500 Mann , Glogau 4000 Mann.*) An der Elbe wurden in Eugens kleinem Heere wesentliche Formations -Veränderungen vorgenommen . Zunächst wurde die durch die Zurücklassung der Westfalen in Küstrin sehr geschwächte Division Gérard mit der Division Lagrange zu einer Division unter dem Kommando Gérard's verschmolzen . Für
den am Typhus schwer erkrankten Marschall St. Cyr übernahm einstweilen der General Grenier das Kommando über das Avantgarden
Corps, der in seiner bisherigen Stellung wiederum durch den General Fressinet ersetzt wurde.
Auch die aus Polen bestehende Division Gérard wurde jetzt aufgelöst. 2000 Mann von dieser Division wurden nach Wittenberg
gelegt, dessen ehemalige Befestigungen provisorisch verstärkt wurden ; der Rest wurde nach dem Königreich Westfalen zurückgeschickt,
um dort reorganisiert zu werden . So verfügte Eugen denn im Centrum zunächst nur über das
Avantgarden -Corps und die Garde-Division Roguet. Auf dem rechten Flügel standen jetzt Reynier und Rechberg bei Dresden beziehungsweise Meiſsen. Abgesehen von 3000 polnischen Rekruten, welche sich an das VII. Corps angeschlossen hatten , bestand dasselbe zur Zeit nur noch aus 17 bis 1800 Sachsen und
3000 Mann der Division Durutte, Franzosen und Würzburger, während die Bayern kaum noch 1400 Mann, 200 Pferde stark waren . Eine
wesentliche Verstärkung hätte hier eintreten können, wenn die in Torgau stehenden sächsischen Depots verfügbar gewesen wären , aber
König Friedrich August, der einen Anschluſs an Österreich plante und sich nach Plauen begeben hatte, um sich dem französischen Machtbereich zu entziehen , verweigerte sowohl deren Verwendung
als auch die Gestellung seiner noch übrigen, nicht zum Reynier'schen Corps gehörenden Kavallerie, welche er in der Stärke von 2 Kürassier
Regimentern und 6 leichten Schwadronen bei sich hatte. Auf dem äuſsersten linken Flügel stand noch von dem ver gangenen Jahre her der jüngere Morand **) mit 3000 Mann in *) Die Garnison von Glogau wurde später während des Waffenstillstandes bedeutend verstärkt.
**) Nicht zu verwechseln mit dem bekannten gleichnamigen Divisions-General
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Schwedisch -Pommern. Derselbe erhielt erst jetzt von dem Vicekönig den wohl sehr verspäteten Befehl, nach der unteren Elbe abzu rücken, woselbst am 24. Februar heftige Unruhen ausgebrochen
waren , zu deren Bewältigung der General Carra St. Cyr kaum über einige Compagnien verfügte. Dies war die Verfassung der Armee des Vicekönigs in dem Augenblick, da jeder Tag die Kriegserklärung Prenſsens und das Vorrücken der Verbündeten bringen konnte. Bereits machte sich aber auch schon die Wirkung der von Napoleon zur Wiederher stellung der Armee getroffenen Maſsregeln fühlbar, zu deren Schilde rung jetzt geschritten werden soll. 2.
Napoleons Hülfsmittel. Wie bereits erwähnt wurde, hatte Napoleon die Trümmer seiner Armee am 5. Dezember zu Smorgony verlassen und war bereits in der Nacht zum 19. Dezember in Paris eingetroffen. Die Aufgabe, welche seiner hier harrte, war riesengrofs. Die groſse Armee, mit welcher er den russischen Feldzug unternommen , war untergegangen, die kläglichen Reste, welche auf dem Rückwege waren , zählten als Truppen nicht mehr, so wertvoll und unentbehrlich sie auch als Stämme waren ; es handelte sich nicht, wie Napoleon sich anfänglich geschmeichelt, um eine Herstellung der groſsen Armee, sondern es
war eine vollständige Neu -Aufstellung derselben notwendig. Für diese aber erwuchsen auſserordentliche Schwierigkeiten daraus, daſs
Napoleon in dem Glauben, den Ausgang des russischen Feldzuges durch die Riesenhaftigkeit seiner Vorbereitungen sicher stellen zu können, trotz der Lehren, welche er Jahr für Jahr in Spanien erhalten , welches eine Armee nach der anderen verschlungen , aus schlieſslich mit dem Erfolge gerechnet und die Möglichkeit eines Miſsgeschicks völlig auſser Acht gelassen hatte, daher denn auch keinerlei Vorbereitungen für den letzteren Fall getroffen waren , so daſs Alles improvisiert werden muſste. Daſs dem ganz so sei, hatte er wohl selber nicht geglaubt, denn es lag eine ganz eigen artige Schwierigkeit für ihn in der Unzuverlässigkeit der ihm vor gelegten Berichte, in welchen ihm aus Furcht und Augendienerei groſse Zahlen vorgegaukelt wurden, welche der Wahrheit entgegen bei dem IV. Armee- Corps, mit dem er u. A. in der Geschichte der Generale der Republik und des Kaiserreichs versehentlich verwechselt wird.
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waren, ein auch noch weiter fortgesetztes Spiel, so daſs er, als er die volle Enttäuschung erkannte, am 24. Januar im Ministerrate zornig ausrief: » Je vois tant de variantes dans les états qui me sont soumis, que je ne sais à quoi me tenir; je demande qu'on me prouve comment en juin 1812 j'avais 413,000 hommes dans l'intérieur ! Das Schlimmste für ihn aber war, daſs Frankreich durch die ewigen
Kriege völlig erschöpft und die waffenfähige französische Jugend fast vernichtet war, so daſs eigentlich nur gereifte Männer und kaum den Knabenschuhen entwachsene Jünglinge zur Verfügung standen . Was aber an Hülfsmitteln vorhanden war, das hatte sein scharfer Blick sofort erkannt, und er that Alles, um es möglichst ungesäumt verwerten zu können .
In einem wie hohen Grade Frankreich erschöpft und wie wenig
es für die Aufstellung einer neuen groſsen Armee vorbereitet war, geht daraus hervor, daſs im Oktober 1812 die Depots der ganz oder teilweise bei der groſsen Armee befindlichen Infanterie -Regimenter überhaupt nur 26,500 Mann gezählt und mit Ausnahme von 1822 Mann , welche marschbereit gewesen , sowie von 4240 Mann, welche den Schiffs -Compagnien angehörend bereits den Befehl zum Abmarsch erhalten hatten, nur aus Stämmen , Handwerkern, Soldatenkindern, Kranken und Invaliden bestanden hatten .
Dies war der Stand der
Depots zu einer Zeit gewesen , wo Napoleon die Nachsendung aller nur irgend brauchbaren Leute anbefohlen hatte. Bei der Kavallerie
sah es nicht besser aus, waren doch noch Anfang 1813 in sämtlichen Depots dieser Waffe kaum 3000 Pferde vorhanden .
Was die mehrfach erwähnten Schiffs -Compagnien anbetrifft, so war im Jahre 1811 aus 98 Depot-Bataillonen je eine Compagnie an Bord der in den Häfen festliegenden Kriegsschiffe geschickt worden ; die Gesamtstärke dieser Compagnien mochte etwa 7300 Mann
betragen.
Bereits unter dem 5. Oktober 1812 hatte Napoleon von
Moskau aus die Heranziehung dieser Compagnien angeordnet, doch waren Ende Januar erst die Compagnien von Antwerpen und Texel bei der Armee angelangt. Die aus den altfranzösischen Häfen kommenden konnten nicht vor März an der Elbe eintreffen , wo sie dann zum gröſsten Teil, wie schon erwähnt, nach Magdeburg gelegt wurden .
Die schwachen Depots und die zwar zahlreichen aber ebenfalls
fast durchweg sehr schwachen Bataillone, welche im Innern des Reiches standen, enthielten die letzten Reste der Aushebung von 1812. Die Masse der 120,000 Ausgehobenen, welche dieselbe aus gemacht, hatte die Nachschübe der groſsen Armee gebildet und war
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teils untergegangen, teils in Danzig eingeschlossen, teils auch im Avantgarden -Corps befindlich . Das gebotene Hülfsmittel für die Füllung der Depots bestand aus der Aushebung von 1813, die in einer Stärke von 137,000 Mann
bereits im September 1812 angeordnet worden war.
Von diesen
137,000 Mann waren
120,000 Mann für die Ergänzung der Armee und 17,000 Mann für die Verstärkung der sogenannten Cohorten : bestimmt. Von den Ausgehobenen dieses Jahrganges war die Mehr zahl bereits bis Ende Dezember in den Depots eingetroffen, doch fehlten am 15. Januar noch ungefähr 20,000 Mann. Bei den durch
weg guten Stämmen, über welche die Depots verfügten , wäre es wohl möglich gewesen, in Zeit von einigen Monaten aus diesen jungen Rekruten brauchbare Soldaten zu machen.
Dagegen bildeten die eben erwähnten Cohorten ein sofort ver wendungsfäbiges Hülfsmittel. Die Errichtung derselben war eigentlich die einzige militärische Vorsichtsmaſsregel gewesen, welche Napoleon zur unmittelbaren Sicherung Frankreichs getroffen, ehe er den Krieg mit
Russland
unternommen
hatte.
Durch
Senatsbeschluſs
vom
13. März 1812 hatte Napoleon nämlich die Organisation der National garde in drei Aufgeboten (bans) festsetzen lassen : Das erste Aufgebot sollte aus Lenten zwischen 20 und 27 Jahren, welche nicht in der aktiven Armee gedient hatten , bestehen ; das zweite sollte bis zum 40.,
das dritte bis zum 60. Lebensjahre reichen . Bereits im März 1812 warep 88 Cohorten der ersten Klasse
aufgeboten worden, bei deren Aufstellung, welche anfänglich groſses Miſsvergnügen erregt hatte, man in der Weise zu Wege gegangen war, daſs im Allgemeinen jedes Departement eine Cohorte aufgebracht hatte, doch waren die für nicht zuverlässig geltenden Departements hiervon ausgenommen gewesen. Der Militär -Gerichtsbarkeit unterworfen und wie die Linien
Infanterie gekleidet, gehörten die Cohorten eigentlich nur dem Namen nach der Nationalgarde an. Wiewohl jede Cohorte aus 6 Füsilier-Compagnien zu je 140 Mann 1 Artillerie-Compagnie zu je 100 Mann 1040 Mann 1 Depot- Compagnie zu je 100 Mann
}
bestehen sollte, zählte die Gesamtstärke derselben thatsächlich doch
nicht mehr als etwa 78,000 Mann. Hierzu kamen jetzt noch un gefähr 7000 Ausgehobene von den erwähnten 17,000, deren Rest zur Verstärkung der anderen Truppen verwandt wurde.
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Anfang 1813 dienten die Cohorten abgesehen von den eben angeführten 7000 Mann etwa 9 Monate, ihre Leute waren leidlich
ausgebildet und in Folge ihres Lebensalters zur Ertragung von Anstrengungen sehr wohl geeignet, wenngleich sie an dieselben durchaus erst gewöhnt werden muſsten .
Woran
es ihnen aber
gebrach, das waren tüchtige Stämme; diejenigen, welche sie besaſsen ,
waren der Zahl wie der Beschaffenheit nach gleich unzulänglich, denn dieselben bestanden im überwiegenden Maſse entweder aus
verabschiedeten oder auf Wartegeld stehenden Offizieren , welche wegen Invalidität, Alter oder anderweitiger Unbrauchbarkeit, teil weise auch wohl wegen ihrer politischen Gesinnungen oder sogar wegen Vergehen schlimmster Art den Dienst hatten verlassen müssen ,
oder aber aus Personen, welche überhaupt nur in der Nationalgarde gedient batten .
Nachdem die in dem Verbot ihrer Heranziehung zum Dienst auſserhalb der Grenzen des Reiches bestehende einzige Beschränkung in der Verwendung der Cohorten durch Senatsbeschluſs vom 11. Ja nuar beseitigt worden war, eine Maſsregel, zu deren Beschönigung man bezügliche Anträge aus den Reihen der Cohorten hatte hervor gehen lassen, wurden dieselben alsbald nach den ihnen bestimmten
Sammelplätzen in Marsch gesetzt. An diesen Orten zu je 4 und 4 zu Regimentern zusammengeschmolzen , bildeten sie 22 sofort ver wendungsfähige Linien -Regimenter, welche die Nummern 135 bis 156 erhielten , und deren jedes aus 4 Feld- Bataillonen zu 6 und einem Depot-Bataillon zu 4 Compagnien bestand. Von den zuge hörigen Artillerie-Compagnien in einer Gesamtstärke von 8 bis 9000 Mann verblieb bei jedem Regiment vorläufig noch eine Compagnie zur Bedienung der Geschütze, welche den Regimentern ursprünglich beigegeben werden sollten, während aus dem Rest 3 neue Artillerie Regimenter zu je 22 Compagnien gebildet wurden. Derselbe Senatsbeschluſs vom 11. Januar 1813, durch welchen
Napoleon die Befugnis zur Umwandelung der Cohorten in Linien Truppen erhielt, ermächtigte ihn auch zu einer ferneren Aushebung von 250,000 Mann, von denen
100,000 Mann zurückgreifend aus den bisher von der Aushebung nicht betroffenen Resten der 4 Alters - Klassen von 1809 bis 1812 ,
150,000 Mann dagegen vorweg von der Aushebung von 1814 genommen werden sollten. Die Aushebung der 4 Klassen, welche mit groſser Strenge durchgeführt wurde, geschah sofort, diejenige der Gestellung für 1814 wurde dagegen vorläufig noch hinaus
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geschoben, weil Napoleon sich scheute, bei der herrschenden Unzu friedenheit so vielen Menschen auf einmal die Waffen in die Hand
zu geben ; die zu letzterer Klasse gehörende Mannschaft erhielt erst in der ersten Hälfte des März den Befehl zum Einrücken in die
Depots, in denen sie im April eintraf. Nachdem für die Infanterie und die Artillerie ein auſserordent
licher Zuwachs durch die Umwandelung der Cohorten in Linien Truppen bewirkt worden war, erschien es um so wünschenswerter, einen ähnlichen Zuwachs auch für die Reiterei zu erlangen, als diese
Waffe völlig zu Grunde gegangen und ihre Herstellung äuſserst schwierig war . Die Art und Weise, wie diese Absicht erreicht wurde, war im höchsten Grade bezeichnend.
Am 15. Januar wurde
plötzlich von einem gänzlich untergeordneten Mitgliede des Pariser Municipalrates der noch in derselben Sitzung zum Beschluſs erhobene Antrag gestellt, dem Kaiser 500 ausgerüstete Reiter zur Verfügung zu stellen. Natürlich sorgte der Eifer der Präfekten dafür, daſs die übrigen Städte und Gemeinden diesem glänzenden Beispiele nach folgten, so daſs die Zahl solcher angebotenen Reiter im Februar bereits 16,000 betrug, während die der Pferde sogar auf 22,000 stieg, da nicht nur Korporationen , sondern sogar einzelne Persön lichkeiten wenigstens ausgerüstete Pferde darbringen muſsten . Da den Gemeinden die Anwerbung der Reiter unter dem Aufgebot der
4 Klassen gestattet war, wobei mit der Pferdewartung bereits ver traute Leute bevorzugt werden sollten , so hätte die Gestellung der Reiter eigentlich auf keine Schwierigkeiten stoſsen können ; dennoch
muſste später ein groſser Teil derselben als unbrauchbar entlassen werden .
Auch bei den Pferden ergab sich ein groſser Ausfall,
trotzdem die Behörden mit groſser Strenge auf die Beibringung dieser freiwilligen Gaben drückten ; in dem erschöpften und an sich schon an Pferden armen Lande konnten diese, trotzdem man viel
fach zur Requisition schritt, doch nur mit der gröſsten Mühe auf gebracht werden, dabei war die Mehrzahl noch für den Kavallerie Dienst ungeeignet, und viele muſsten sogar ganz ausrangiert werden . Da die Reiter so wie so dienstpflichtig waren, so lief sowohl die Beschaffung der Pferde als auch die der Ausrüstung auf ein Geld
geschenk hinaus, welches sich die Regierung machen lieſs, und welches von ihren Organen in willkürlicher und gewaltsamer Weise eingetrieben wurde.
Wiewohl Napoleon durch alle diese Maſsnahmen bereits die Verfügung über 480,000 Mann erhalten hatte, so erachtete er diese Zahl für seine Absichten doch noch nicht für ausreichend, daher er Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVII., 1.
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- ganz abgesehen von einer unter dem 11. Februar angeordneten Aushebung von 10,000 weiteren Mann der Klasse 1814 für die Marine
-
den Senat unter dem 3. April eine neue Aushebung
von 180,000 Mann festsetzen lieſs. letztere Aushebung bestehen aus
Im Besonderen sollte diese
80,000 Mann von dem ersten Aufgebot der Nationalgarde aus den Alters Klassen von 1807 bis 1812,
90,000 Mann von der Aushebung von 1814, bestimmt zur Ver teidigung der Grenzen und Küsten im Süden und Westen, und aus
10,000 Mann Ehrengarden , gebildet aus jungen Leuten , welche
mindestens einen Zuschuſs von 1000 fr. bezögen, und welche zu Pferde dienen sollten .
Den Anstoſs zu der Forderung der Ehrengarden, welche eine
gewisse Ähnlichkeit mit den preuſsischen freiwilligen Jägern be saſsen, hatte das Angebot von 6 Schwadronen Gardes du Corps gegeben. Der von Napoleon mit der Annahme und Erhöhung dieses Angebots verfolgte Zweck war ein doppelter, erstlich eine Vermehrung
der Kavallerie und zweitens eine Heranziehung der jungen Leute aus dem alten Adel und dem reichen Bürgerstande, welche sich bis dahin der Aushebung durch Stellung von Stellvertretern entzogen
hatten, und welche ihm gleichsam für die Haltung ihrer Familien bürgen sollten, daher sie dann auch sehr bald in der Armee den
Beinamen der » Geiſseln « erhielten. Das den Präfekten eingeräumte Recht, die jungen Leute für den Dienst bei den Ehrengarden zu bezeichnen, schien die Erfüllung namentlich der letzteren Absicht zu sichern, dennoch wuſsten jene Kreise mit Hülfe der Käuflichkeit dieser Beamten in den meisten Fällen den Dienst bei den Ehren
garden von sich abzuwälzen. Die Folge hiervon war, daſs vor nehmlich der mittlere Bürgerstand von der Stellung derselben be troffen wurde, und da es diesem an den für die Ausrüstung und
Berittenmachung nötigen Mitteln gebrach, so wurden dieselben viel fach ebenfalls durch völlig willkürliche Auflagen beigebracht. Das Gesamt- Ergebnis aller dieser verschiedenen Aushebungen
war, daſs Napoleon durch dieselben die Verfügung über 660,000 Mann erhielt.
Freilich auſser den Coborten waren dies lauter Rekruten,
von denen 137,000 Mann 19 bis 20 Jahre zählten , während 240,000 Mann erst 18 bis 19 Jahre alt waren .
Übrigens ergab sich bei der Ausführung der verschiedenen Aushebungen ein sehr bedeutender Ausfall. Es zeigte sich dies
Die französische Armee im Jahre 1813.
19
bereits bei der unter dem 11. Januar angeordneten Aushebung, welche nicht voll gestellt werden konnte, da die Menschen anfingen zu fehlen.
Fast noch bedenklicher aber war es , daſs in Folge dieser
unaufhörlichen Opfer, welche von der Nation verlangt wurden, innerhalb derselben eine groſse, bis zur offenen Widersetzlichkeit
sich steigernde Erbitterung zu Tage trat ; gewaltsam befreiten die Pariser einen jeden sich für einen Ausgehobenen ausgebenden Ge fangenen aus den Händen der Polizei, welche nicht einmal den Kaiser vor den Beleidigungen der Menge schützen konnte, als derselbe gelegentlich eines Spazierritts die Vorstadt St. Antoine berührte. Die Zahl derer, welche sich der Aushebung zu entziehen suchten, die bereits vor dem russischen Kriege auf 60,000 angewachsen war, erreichte namentlich in den westlichen Departements eine sehr bedeutende Höhe, so daſs mobile Kolonnen gegen die sogenannten
Refractairs ausgesandt werden muſsten , denen gegenüber die jungen , unerfahrenen Truppen nicht immer siegreich blieben. Fain giebt an , die Aushebungslisten hätten 160,000 Rekruten aufgewiesen , welche sich nicht mehr bei ihren Familien, aber auch noch nicht
bei den Fahnen befunden hätten. Mag diese Zahl nun auch in hohem Grade übertrieben sein, die damit verfolgte Absicht ist
nicht schwer zu erraten , und mögen nachträglich auch noch Tausende in den Depots eingetroffen sein , so steht jedenfalls doch fest, daſs der Ausfall ein ganz auſserordentlicher gewesen sein muſs.
Napoleons Aufgabe nun war es, aus diesen 660,000 Mann, welche ihm die Nation zur Verfügung gestellt hatte, mit Hülfe der wenigen alten Soldaten, über welche er noch gebot, und welche kaum ausreichten , um die nötigen Stämme zu bilden, eine neue groſse Armee zu bilden .
Abgesehen von den nur aus den allernotwendigsten Stämmen bestehenden Depots befanden sich im Innern Frankreichs zwar noch
zahlreiche Truppenteile, dieselben bestanden aber mit geringen Aus nahmen entweder überhaupt nur dem Namen nach oder höchstens
aus sehr unvollständigen Stämmen. Es ist geradezu unmöglich, die numerische Stärke dieser Truppen auch nur annäherrd mit einiger Sicherheit anzugeben, jedenfalls war dieselbe nur eine sehr geringe, wie auch noch weiter unten gezeigt werden wird.
Die in Norddeutschland unter dem Vicekönig im Felde stehen den Truppen, ohne die Festungs -Besatzungen und ohne die zurück geschickten Stämme noch etwa 40,000 Mann stark, fielen für die Neubildungen, für welche sie die Avantgarde abgaben , natürlich 2*
20
Die französische Armee im Jahre 1813.
aus ; für diesen Zweck kamen vielmehr nur die eben erwähnten Stämme mit etwa 20,000 Mann in Betracht.
Die wesentlichste Hülfsquelle bildete die in Spanien kämpfende Armee, welche bei einer Stärke von ungefähr 250,000 Mann , die sie gegen Ende 1812 gehabt hatte, zum allergröſsten Teil aus national-französischen Regimentern bestand, neben denen die im französischen Solde stehenden Fremden- Regimenter und die Hülfs truppen der Bundesgenossen nur einen verschwindenden Bruchteil ausmachten . Diese Armee war überreich mit Stämmen ausgestattet
und bot die Möglichkeit, dem bei der Neubildung der groſsen Armee so empfindlichen Mangel an Offizieren und Unteroffizieren teilweise
abzuhelfen. Bereits unter dem 4. Januar ordnete Napoleon an, daſs die Stämme in Spanien auf das Geringste beschränkt und alle überschieſsenden Offiziere, Unteroffiziere, unberittene Kavalleristen und überzählige Artilleristen und Train - Soldaten von dort nach
Frankreich zurückgeschickt würden . Im Ganzen wurden aus Spanien gegen 40,000 Soldaten gezogen, worunter einige 30,000 Franzosen, auſser einigen französischen , italienischen, bergischen und west
fälischen Truppenteilen vornehmlich 150 Bataillons- Stämme zu 120 Mann , 50 Schwadrons-Stämme zu 50 Mann, 3000 alte Soldaten, welche für die Herstellung der alten Garde bestimmt waren , und endlich noch die in Spanien befindlichen Teile der Kaiser -Garde, 4 Regimenter junger Garde und eine Abteilung Elite -Gendarmen , sowie das zwar aus Polen bestehende aber als französischer Truppen
teil geltende 7. Chevaulegers-Regiment. Nach diesen Abgaben und noch nicht unbedeutenden , inzwischen erlittenen Verlusten zählte die französische Armee in Spanien im Frühjahr 1813 noch 163,000 Mann, 17,000 Pferde, und hörte dieselbe auch dann noch nicht auf,
eine wesentliche Hülfsquelle für die groſse Armee zu bilden, an welche sie nicht nur unaufhörlich Offiziere und Unteroffiziere, sondern später sogar auch noch ganze Truppenteile und zwar namentlich Kavallerie abgeben muſste. Ein sehr achtbares Hülfsmittel bildeten ferner die unthätig in den Häfen liegenden 4 Marine- Artillerie -Regimenter, welche in 12 Bataillonen 16,000 Mann zählten, 12,000 alte Soldaten und 4000
Ausgehobene von 1812. Napoleon beschloſs, die Zahl der Bataillone zu verdoppein und sie durch Einstellung von 4000 Ausgehobenen zu ergänzen, welche zur Hälfte aus der Aushebung der 4 Klassen, zur Hälfte aus der Gestellung von 1814 genommen werden sollten . Da indessen auf Ansuchen der Marine -Bebörden eine groſse Anzahl
von Abteilungen zur Bewachung der Arsenale und Küsten - Batterien
Die französische Armee im Jahre 1813 ,
21
zurückbleiben muſste, und da auſserdem vielfach Abgaben an die namentlich der Garde - erfolgten, so waren zuerst Artillerie kaum 10,000 Mann verfügbar, deren Zahl später auf 12,000 Mann in 20 Bataillonen anwuchs, unter denen sich indessen nur etwa
8000 alte Soldaten befanden .
Wenngleich anfänglich mit dem
Infanterie -Dienste gänzlich unbekannt, haben die Marine- Kanoniere
später doch treffliche Dienste geleistet. Als ein ferneres Hülfsmittel stand die Municipalgarde der Stadt
Paris zur Verfügung, welche in 2 Bataillonen 1050 alte Soldaten zählte. Napoleon verschmähte auch dieses anscheinend so kleine Mittel nicht, sondern schickte beide Bataillone nach Erfurt, woselbst sie den Stamm für ein neues Linien -Infanterie -Regiment abgeben muſsten , welches die Nummer 134 erhielt.
Entsprechend der Pariser Municipalgarde bestanden in den Hauptarten der Departements sogenannte Departemental-Reserve
Compagnien, welche in den ersten Jahren des Kaiserreichs errichtet waren und durch weg alte Soldaten eine Art von Hülfs -Gendarmerie
Aus Abgaben dieser Compagnien wurde ein 37. leichtes Infanterie-Regiment gebildet, welches in 4 Feld- und einem Depot Bataillon 4000 Mann stark sein sollte , thatsächlich aber nur eine bildeten .
Stärke von etwa 3000 Mann erreichte. Endlich wurden noch 3000 Mann aus der Gendarmerie ent
nommen und in die Kavallerie eingestellt. Im ganzen verfügte Napoleon demnach ohne die Depots und
ohne die Truppen in Spanien und Deutschland über etwa 90,000 Mann alter Soldaten , von denen indessen fast zwei Drittel nur aus Stämmen für die Aufnahme der jungen Ausgehobenen bestanden. Man würde indessen fehlgehen , wenn man diese ganze Zahl
von 750,000 Mann alter und junger Soldaten bei der Berechnung der französischen Streitkräfte in Ansatz bringen wollte.
Daſs von
den jungen Ausgehobenen Tausende sich überhaupt nicht bei den Truppen einfanden, ist bereits gesagt worden , während andere Tausende wegen ihrer Jugend überhaupt nicht den Anstrengungen eines Feldzuges ausgesetzt werden konnten, vielfach auch schon in Frankreich die Lazarette überfüllten. Auch bei den alten, nicht zu ersetzenden Soldaten, welche aus Russland heimgekehrt waren,
fanden sich noch zahlreiche Abgänge, da viele von ihnen den Nach wehen der überstandenen Leiden erliegend tötlichen Krankheiten oder jammervollem Siechtum zum Opfer fielen . Wie groſs der
Abgang im Ganzen gewesen, ist mit Sicherheit natürlich auch nicht annähernd festzustellen, höchstens daſs man es wagen kann, ibn
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Die französische Armee im Jahre 1813 .
nach der Zahl der später aufgestellten Truppen zu schätzen, und da scheint es denn gerechtfertigt, wenn man ihn auf 20 Prozent be rechnet, so daſs die Gesamtzahl der Napoleon für seine Rüstungen zur Verfügung stehenden Kräfte ohne die Depots sowie Armeen und Festungs - Besatzungen in Spanien und Deutschland und der
Hülfstruppen der Bundesgenossen gegen 600,000 Mann betragen haben dürfte.
Derartige Rüstungen erforderten natürlich sehr bedeutende Mittel, und sie muſsten um so kostspieliger sein, je weniger Vor bereitungen für dieselben getroffen waren .
Die Frage der Be
schaffung der nötigen Geldmittel war um so brennender, je un günstiger die finanzielle Lage des Kaiserreichs an sich schon war.
Trotz der ungeheueren Erpressungen im In- und Auslande wies der Staatshaushalt von 1812 bei einer Gesamthöhe von 1150 Millionen
fr., von denen die Armee weit über die Hälfte für sich in Anspruch .
nahm , nicht nur keine Einnahmen für unvorhergesehene Fälle auf, sondern schloſs sogar noch mit einem Fehlen von 83 Millionen ab. Für 1813 schätzte man die Ausgaben auf 1270 Millionen, wovon 850 für die Armee, und berechnete die voraussichtliche Minder einnahme auf 149 Millionen, so daſs im Ganzen also 232 Millionen auſserordentliche Einnahmen beschafft werden
muſsten .
Da nun
aber der auſserordentliche Schatz nur 60 Millionen enthielt, und da
Napoleon mit seinem auf 200 Millionen geschätzten Privatvermögen nicht eintreten wollte, so muſste das Geld auf andere Art beschafft
Dem Volke gerade jetzt neue Steuern aufzuerlegen, erschien nicht angängig, und so blieb denn Nichts weiter übrig, werden .
als die Gemeinde-Ländereien einzuziehen, deren Wert auf 370 Millionen
mit 2/2 prozentigem Nutzertrage berechnet wurde. Zur Beschönigung dieser einem offenen Raube gleichkommenden Maſsregel wurden für die Gemeinden 5 prozentige Eintragungen in einer Gesamthöhe von 130 Millionen in das Staatsschuldbuch gemacht, eine völlig will
kürlich festgesetzte Entschädigung. Die auf diese Weise beschafften Geldmittel reichten indessen bei weitem nicht aus, und so stellte
sich denn sehr bald ein äuſserst empfindlicher Geldmangel ein, der überall störend in die Rüstungen eingriff. Um das gegebene Bild von Napoleons Hülfsmitteln zu ver vollständigen, erübrigt es noch einen kurzen Blick auf die militärischen Mittel seiner Bundesgenossen zu werfen .
Was zunächst die Armee des Königreichs Italien anbetrifft, welche 48 Bataillone und 7 Kavallerie-Regimenter zählte, so hatten
Die französische Armee im Jahre 1813.
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17 Bataillone und 4 Kavallerie-Regimenter den russischen Feldzug mitgemacht, 10 Bataillone und ein Kavallerie-Regiment standen in Spanien, 6 Bataillone und ein Kavallerie- Regiment bei der Division Grenier, während der Rest, welcher ebenso wie die im Inlande
befindlichen französischen Truppen groſse Lücken aufwies und viel fach nur aus Stämmen bestand, sich in Italien und den illyrischen Provinzen befand. Es sei gleich hier bemerkt, daſs von den letzteren , inzwischen ergänzten Truppen, zu denen damals noch einige Stämme aus Spanien hinzugekommen waren, ein Teil im Monat März in
Ober - Italien zur Verfügung stand, während die aus Russland heim kehrenden schwachen Trümmer der italienischen Truppen der groſsen Armee erst im Laufe des Frühjahrs neugebildet werden konnten .
Von den Truppen der illyrischen Provinzen, sowie auch von den bei der groſsen Armee befindlichen Schweizer-Regimentern war fast Nichts aus Russland zurückgekehrt. Da der Rest der von diesen vorhandenen Truppen in Spanien stand, so war höchstens auf einige provisorische Bataillone zu rechnen. Von der gegen 50,000 Mann starken neapolitanischen Armee hatten ungefähr 10,000 Mann zur groſsen Armee gehört, welche zum gröſsten Teil die Besatzung von Danzig gebildet hatten. Trotz dieser Stärke der neapolitanischen Truppen begnügte Napoleon sich , die Stellung eines Infanterie- und eines Kavallerie-Regiments zu fordern, da er 20,000 Mann nach Ober-Italien zu ziehen beabsichtigte, um hier die durch die demnächstige Heranziehung der französischen und italienischen Truppen nach Deutschland entstehende Lücke auszufüllen , und da der
Rest in Unter- Italien unentbehrlich
erschien .
Da das Groſsherzogtum Warschau von den Russen besetzt war, und die Reste der polnischen Armee sich auf Krakau zurück gezogen und so vorläufig die Verbindung mit den Franzosen auf gegeben hatten , so fielen die Polen fast ganz aus ; von ihnen standen
nur die schwachen Abteilungen, welche sich bei den Truppen des Vicekönigs befanden , zur Verfügung; dieselben waren indessen zur Zeit nur in beschränktem Maſse verwendungsfähig und muſsten
unter allen Umständen erst ordentlich organisiert werden . In den Depots der Rheinbundstaaten befanden sich Anfang 1813
ungefähr 20,800 Mann, 4700 Pferde, welche einen sehr erweiterungs fähigen Stamm für Neu-Formationen bildeten. Napoleon verab säumte es denn auch nicht, auf deren Bereitstellung in schärfster
Weise zu drücken, womit er indessen bei dem Könige von Sachsen
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Die französische Armee im Jahre 1813.
auf eine sehr gemessene Haltung stieſs. Da nun auch die west
fälische und die bergische Regierung ihre wenigen verfügbaren Truppen zu ihrer eigenen Sicherheit dringend gebrauchten, so war vorläufig nur auf die süddeutschen Staaten zu rechnen.
Was endlich Preuſsen und Österreich anbetrifft, so machte
Napoleon sich anfänglich zwar noch Illusionen über deren Haltung, thatsächlich fing aber Preuſsen bereits im Januar und Österreich im Februar an, sich von dem französischen Bündnis loszulösen, so daſs auf beide Mächte weiter nicht zu rechnen war. (Fortsetzung folgt.)
N
II.
Landwehr und Landsturm
in Deutschland und Österreich -Ungarn. Ein Vergleich ihrer Organisation und Leistungsfähigkeit.
Von der Landwehr. Das enge von
unserer vollen Teilnahme getragene Bündnis verhältnis zu Österreich -Ungarn erzeugt naturgemäſs ein erhöhtes Interesse für das österreichisch-ungarische Heer.
Berufen , wenn
notwendig , Schulter an Schulter mit demselben zu kämpfen oder aber uns gegenseitig den Rücken zu decken , wenn einer von den
Verbündeten während eines Krieges mit einer feindlichen Macht von
einer zweiten auf einer anderen Front angefallen wird , haben wir Deutsche in der Stärke und der Leistungsfähigkeit der Heere des befreundeten Donaureiches ein kaum geringeres Interesse , als an derjenigen unserer eigenen Armee. Vielfach haben uns persönliche Beziehungen und Neigungen zu den befreundeten Truppen in den letzten Jahren mit denselben näher bekannt werden lassen . Wiederholt war uns dabei Gelegenheit
geboten , gröſseren und kleineren Truppenübungen aller Waffen gattungen , sowie Herbstübungen in Ungarn wie in Österreich bei zuwohnen .
Die letzteren waren
uns
um
so interessanter, als wir
dabei neben Linientruppen auch Landwehr auftreten sahen , einmal ganze Honved -Division, an anderen Stellen Landwehr- Infanterie eine ganze
Brigaden . Der äuſsere Eindruck, den wir gewannen, war durchweg iu Linie stets ein erfreulicher. In beiden Heereseinrichtungen wie in der Landwehr — herrschte derselbe Eifer, die gleiche Frische und Betriebsamkeit bei den Offizieren , dieselbe Ordnung in der Truppe.
Man vermochte weder während der Märsche , noch
während der Gefechte äuſserlich einen erheblichen Unterschied
zwischen Linien- und Landwehrtruppen zu erkennen .
Landwehr und Landsturm
26
Überall begegnete uns innerhalb der Linientruppe ein groſses Vertrauen zur Landwehr. Dieses Vertrauen findet auch seinen regelmäſsigen Ausdruck in den lobenden Worten , welche nach
Schluſs der Herbstmanöver in den politischen Lokalblättern und auch in den groſsen Zeitungen der Haltung sowie den Leistungen der Landwehr alljährlich gespendet zu werden pflegen . Trotz alle dem vermochten wir uns niemals des Gedankens zu erwehren :
» Hütet Euch auf die Festigkeit und die kriegerische Leistungs
fähigkeit Eures eigenartigen Landwehr- Instituts zu viel Stücke zu setzen ! Die Landwehr nach Eurer Organisation ist , wiewohl Ihr aus ihr gemacht habt , was nur immer durch treue Pflege ihrer Ausbildung überhaupt zu machen ist , eine minderwertige Truppe als die Linie, sie ist und bleibt eine Notorganisation, entstanden aus dem dringenden Bedürfnis einer Aushülfe gegenüber der ver
hältnismäſsigen numerischen Schwäche der Linie ! Man thäte besser das Landwehr - Institut unter Verstärkung des stehenden Heeres ähnlich einzurichten, wie es in Deutschland, Frankreich und Italien
nach dem bewährten Muster der preuſsischen Landwehr besteht. « – In allen diesen Ländern bestehen im Frieden Stämme für die
Landwehrformationen nicht, in Österreich -Ungarn bestehen solche (»aktive Landwehr«). In den anderen genannten Heeren setzen sich im Kriege die Landwehrtruppen ausschlieſslich aus solchen Mann schaften zusammen , welche die volle Dienstzeit (und Schule !) des stehenden Heeres und die Reserve hinter sich haben , also völlig
ausgebildete Soldaten von gleichem Werte sind. – Die öster reichische und ungarische Landwehr erbält zu ihren Stämmen all jährlich gerade so wie die Linientruppenteile Rekruten ausgehoben (Landwehr-Rekruten) und bildet dieselben selbstständig aus . Bei der
österreichischen Landwehr- Infanterie
dauert
die
Rekruten
ausbildungszeit acht Wochen , bei der österreichischen Landwehr Kavallerie
dreizehn Wochen .
Darauf werden
die
Mannschaften
entlassen . Innerhalb ihrer zwölfjährigen Dienstzeit ganz und gar der Landwehr angehörend, können die Landwehrleute nach beendeter
Ausbildung als Rekruten – ferner noch zu sechs vierwöchentlichen Waffenübungen eingezogen werden.
beim Landwehrstamme , nie zu Bataillonen , ja Regimentern nehmen diese Truppen auch an Heeres teil.
Dies geschieht stets wieder
einer Linientruppe. Zu Landwehr und Brigaden zusammengestellt, den Herbstmanövern des stehenden
Mitunter werden hierzu auch Landwehr - Divisionen
formiert.
Ähnlich sind die Verhältnisse bei der ungarischen Landwehr
}
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
27
(Honved ). Hier bestehen stärkere Stämme; auch werden zur Honved Ravallerie die Rekruten zu einer vollen einjährigen Dienstzeit ein gestellt. Die ausgehobenen Rekruten der Landwehr- Infanterie werden im Herbst acht Wochen lang ausgebildet und dann entlassen .
Im nächsten Frühjahr machen sie acht Wochen lang die Schule im Bataillonsverhältnis durch und werden dann während der anderen Landwehrpflichtjahre mehrmals zu den im Herbst stattfindenden gröſseren Waffenübungen eingezogen. Die Infanterie der österreichischen und ungarischen Landwehr erinnert uns an unsere deutsche » Ersatz-Reserve« insofern es sich bei beiden um eine Klasse von Mannschaften mit wesentlich ver kürzter Dienstzeit handelt. Unsere Ersatz - Reservisten werden das
erste Jahr auf zehn Wochen eingezogen und für sich in Ersatz Reserve- Compagnien ausgebildet. Danach wird jeder Ersatz -Reservist noch zu einer sechswöchentlichen und zuletzt zu einer vierwöchent
lichen Übung einberufen . Seine Ausbildungszeit als Rekrut dauert um zwei Wochen länger als diejenige der österreichischen und ungarischen Landwehr- Infanterie -Rekruten, — seine späteren Waffen übungen beschränken sich auf zwei mit im Ganzen wieder zehn Wochen . Das Ausbildungspersonal der Ersatz - Reservisten steht
sicher an Leistungsfähigkeit dem der österreichischen und ungarischen Landwehr nicht nach ,
die Ersatz-Reservisten werden zu den
Linientruppen eingezogen und dort von Offizieren und Unteroffizieren
derselben ausgebildet. Über die Compagnie-Schule geht man mit dem Ausbildungsziele der deutschen Ersatz - Reserve schon deshalb nicht hinaus, weil dieselbe nicht wie die österreichische und ungarische Landwehrberufen ist, gleich mit der Feldarmee auszurücken,,
vielmehr im Mobilmachungsfall in die Ersatztruppen eingestellt wird .
-
Wir batten wohl eine Berechtigung , als wir weiter oben bemerkten , die Landwehr- Infanterie der österreichisch -ungarischen Armee erinnern uns an die deutsche Ersatz- Reserve, und zwar vor
nehmlich wegen ihrer kürzeren Dienstzeit. Aus zwölf Jahrgängen so kurz und daher knapp ausgebildeter , geistig wohl kaum völlig zum rechten Soldaten gewordener Elemente setzen sich in Öster reich -Ungarn die Landwehrtruppen zusammen . Hierzu treten freilich noch zwei Jahrgänge solcher Mannschaften, welche durch die Schule der Linientruppen gegangen sind, nämlich zehn Jahr dem stehenden Heer und dessen Reserve angehört haben und nur für die letzten beiden Wehrpflichtsjahre der Landwehr überwiesen werden, innerhalb welcher jeder Mann noch zu einer Waffenübung verpflichtet ist.
Landwehr und Landsturm
28
Wenden wir uns nun zum Landwehr - Offizier - Corps. In Deutschland giebt es ebenso wenig ein »aktives « Landwehr-Offizier Corps, als eine » aktive « Landwehr selbst,
ebenso wenig wie in
Frankreich und Italien . Die österreichische wie die ungarische Landwehr haben als Kern ihres Landwehr -Offizier -Corps einen Stamm von > Berufs « -Landwehr- Offizieren .
Man tritt in Österreich
Ungarn nicht nur als » Avantageur « — um mich nach altpreuſsischer
Art auszudrücken – bei einem Linien -Regiment, sondern auch ebenso gut bei einem Landwehrstamm ein und wird in demselben bis zum Hauptmann und Compagnie -Kommandanten , falls man dazu geeignet befunden wird sogar bis zum Stabsoffizier und Bataillons Kommandanten befördert.
Diese Landwehr-(Honved-)Stamm -Offizierebilden also die »aktiven Offiziere der k. k. Landwehr. « Sie erhalten als Gemeine, wie als Unteroffiziere und Offiziere ihre praktische Ausbildung aus schlieſslich nur innerhalb der Landwehrstämme und der Landwehr
Übungstruppenteile. Behufs Ablegung ihrer Offizier-Prüfung haben die auf Offizier -Beförderung in der aktiven Landwehr eingetretenen oder »assentierten « jungen Leute vorerst die am Sitze der » Landwehr bestehenden >» Landwehr- Offizier-Aspiranten Kommanden Kurse « zu besuchen .
Auſser diesen Landwehr-Offiziers -Aspiranten - Schulen zu Wien, Neustadt , Wels , Linz , Brünn , Graz , Prag und Innsbruck giebt es -
noch die Landwehr- Kadetten -Schule in Wien. Wir halten uns nicht für hinreichend unterrichtet, um ein auch
nur annähernd maſsgebendes Urteil darüber zu äuſsern , ob und wieweit die berufsmäſsigen Landwehr-Offiziere der ungarischen und der österreichischen »aktiven « Landwehr an militärischer Leistungs fähigkeit ihren Kameraden des stehenden Heeres etwa nachstehen.
Überlegen sind sie derselben sicher nicht. Gewiſs vortrefflich in ihren Leistungen als Instruktions-Offiziere für die mühsame Ausbildung der Landwehr-Rekruten und für die weitere Schulung der zu den Waffenübungen einberufenen älteren Landwehrmannschaften , ist doch immerhin ibre Verwertung und ihre eigene Ausbildung eine sehr viel einseitigere, als diejenige der Offiziere des stehenden Heeres. Ihr Ehrgeiz findet durchschnittlich auch an der Erreichung des Hauptmannsranges seine Schranken . Die höheren Stellen in Land wehr-Offizier-Corps, von Bataillons-Kommandanten angefangen , sind beinahe ausschlieſslich nur von aktiven Offizieren besetzt.
1
Auſser den dem aktiven Stande angehörenden Landwehr
Offizieren verfügt die österreichisch-ungarische Armee noch über 1
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
29
solche Landwehr- Offiziere nicht aktiven Standes, welche aus den
Einjährig - Freiwilligen des stehenden Heeres hervorgehen und nach zehnjähriger Gesamtangehörigkeit zu letzterem sowie nach drei maliger Waffenübung bei demselben in das Landwehrverhältnis über
treten. – Hier haben dieselben abermals eine Waffenübung ab zuleisten . Diese Klasse von Offizieren gehört gesetzlich zwei Jahr der Landwehr an , verbleibt aber groſsenteils noch über diese 1
Zeit hinaus in diesem Dienstverhältnis.
Wie zahlreich das Berufsoffizier - Corps der aktiven Landwehr ist, haben wir im Augenblick keine Mittel festzustellen. Der Stamm eines Landwehr-Infanterie- oder Schützen-Bataillons zählt (im Frieden) an Offizieren sechs. Dergleichen Bataillonsstämme giebt es in der österreichischen Landwehr (Cisleithanien) 82, in Tyrol und Vorarl
berg 10, in der ungarischen Landwehr 92. Die Stärke des un garischen Landwehrstammes ist etwas höher. Der Stamm eines der sechs Österreichischen Landwehr
Kavallerie - Regimenter beträgt an Offizieren (auſser Komman dierten) 5, die Stammesstärke der 10 ungarischen Landwehr-Kavallerie Regimenter stellt sich etwas höher. Wir sind auſser Stande hier nachzuweisen, in welchem Umfange die etatsmäſsige Zahl an Landwehr- Offizieren des aktiven Dienst standes thatsächlich vorhanden ist.
Sicher sind diese Landwehr
Offiziere ungleich gewandter und leistungsfähiger, als die aus den Einjährig -Freiwilligen, also den Reserve - Offizieren entstammenden. Sie übertreffen an Dieustkundigkeit und militärischer Entwickelung naturgemäſs auch unsere deutschen Reserve- und Landwehr-Offiziere
und bilden einen höchst achtbaren Kern für das Offizier -Corps der mobilen Landwehr - Bataillone und Landwehr-Schwadronen.
Ebenso wertvoll ist im Augenblick der Mobilmachung der wenn auch kleine Stamm an Unteroffizieren und Mannschaften
der Landwehr. Bei der österreichischen Landwehr beträgt derselbe für jedes Bataillon im Frieden 30 Mann , für jedes Kavallerie
Regiment 55 Mann. Die Stämme der Infanterie ergänzen sich aus Freiwilligen und nur soweit solche sich nicht finden , aus Aus gehobenen , denen die bei der Fahne zugebrachte Dienstzeit doppelt angerechnet wird. Die Stämme der Kavallerie gehen jedoch ver ständigerweise aus ausgebildeten Leuten der Linien - Regimenter hervor.
In diesen kleinen Stämmen an Offizieren und Mannschaften ist die österreichische Landwehr der Deutschen also voraus. Es versteht
sich von selbst, daſs deshalb
weil dem
deutschen
Heere das
Landwehr und Landsturm
30
Element der
aktiven
Landwehr -Offiziere abgeht
unsere Land
wehr -Truppen nicht blos von Landwehr -Offizieren geführt werden . Wie wir es in unseren bisherigen Kriegen als durchsaus bewährt gefunden haben, so werden wir auch in Zukunft unseren Landwehr Bataillonen stets einige Linien -Offiziere geben und umgekehrt Land wehr -Offiziere auch in die Linien - Truppen einstellen . Das Element der Berufs -Offiziere ist also in den deutschen mobilen Landwehr
Truppen wohl etwa gerade so stark vertreten , als in den öster reichischen und ungarischen. Ebenso werden bei der Mobilmachung einige Berufs -Unteroffiziere der Linie auf Landwehr - Truppen verteilt. Der Vorzug der österreichischen und ungarischen Organisation bleibt jedoch immer der, daſs das Berufssoldaten - Element in den Stämmen bereits vorhanden und wohl im Frieden auch schon mit
der Verwaltung der Bestände, sowie des gesamten Mobilmachungs Apparats betraut ist. Deshalb glauben wir jedoch nicht, daſs unsere deutsche Landwehr- Infanterie auch nur um einen halben Tag später fertig mobil gemacht werden wird, als diejenige des uns verbündeten Österreich - Ungarns. Anders und zwar sehr zu Gunsten unserer Verbündeten gestaltet sich die Kriegsbereitschaft ihrer Landwehr- Reiterei. Bekanntlich haben wir in Deutschland sowohl 1866 als 1870/71 eine nicht un erhebliche Zahl von » Reserve - Kavallerie - Regimentern « auf gestellt und zwar vornehmlich für den Etappendienst. Dergleichen Regimenter sind voraussichtlich auch für eine zukünftige Mobil machung geplant. An Reitern fehlt es uns wahrlich nicht! Die -
-
selben werden sämtlich zunächst aus der Reserve des stehenden
Heeres entnommen , also aus verhältnismäſsig jungen Leuten , welche
volle drei Jahre bei einem Linien -Kavallerie-Regiment gedient haben. -
Auf Landwehrleute braucht man wohl zuvörderst noch nicht zurück
greifen .
Haben doch 1870/71 unsere Landwehr- Kavalleristen , als
wir 300,000 gefangene Franzosen in Deutschland auf dem Halse hatten, zur Bewachung derselben vielfach als Infanter.sten sich zum Dienst einziehen lassen müssen !
Da die deutschen Reserve -Kavallerie -Regimenter sich lediglich aus volljährig gedienten Reservisten des stehenden Heeres , demnächst
aus den volljährig gedienten jüngsten Mannschaftsklassen der Land was die Reiter betrifft wehr zusammensetzen, so sind auch sie ungarischen Landwehr und in demselben Maaſse den österreichischen Kavallerie-Truppen an Kriegstüchtigkeit als überlegen anzusehen, als
letztere fast ausschlieſslich aus Reitern gebildet werden , die nicht durch das stehende Heer gegangen sind , sondern lediglich nur die
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
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Landwehr - Ausbildung genossen haben. Letztere ist verschieden bei der österreichischen und der ungarischen Landwehr.
Bei ersterer
beschränkt sich die erstmalige Dienstzeit (Rekruten - Dressur ) auf 13 Wochen. Danach werden die Leute entlassen. Sie können als dann im Lauf ihrer Gesamtdienstzeit von 12 Jahren noch zu sechs vierwöchentlichen Übungen eingezogen werden . Die Ungarn ver
fahren freilich gründlicher.
Ihre Landwehr - Kavallerie - Rekruten
bleiben ein volles Jahr im Dienst und zwar das erste halbe Jahr
zu ihrer eigenen Ausbildung , das zweite halbe Jahr als Remonte reiter .
Danach haben die Honveds noch fünf Waffenübungen von
je fünf Wochen Dauer abzuleisten. Die Übungen werden bis zum Manövrieren im Brigadeverbande ausgedehnt. Auch ganze Honved Kavallerie-Divisionen sind schon bei den Manövern aufgetreten, wie man denn auch für den Kriegsfall beabsichtigen soll, eine solche Division mit aufzustellen. Der ungarische Honved soll durchschnittlich
bereits eine gewisse Reitfertigkeit zur Truppe mitbringen. Wir hatten selbst Gelegenheit vor einigen Jahren bei einem Manöver eine ganze ungarische Honved - Infanterie - Truppen -Division zu sehen, bei welchem ein Honved -Husaren - Regiment als Divisions- Kavallerie eingeteilt war. Seine Bewegungen im Regimentsverbande wachten
den Eindruck der Sicherheit, und die Patrouilleu und Meldereiter bewegten sich sicher zu Pferde.
Die eine Attacke, welche wir das
Regiment (gegen Infanterie ) reiten sahen, beruhte auf einem taktisch richtigen Entschluſs, wurde aber wider unserem Erwarten nicht flott genug geritten . Die Pferde waren gut gehalten und schienen hin reichend durchgeritten zu sein. Das ungarische Honved-Institut ist aus politischen Ursachen das
besondere Schofskind der Magyaren , in erhöhtem Maſse ist es die Honved -Kavallerie.
So besitzt die ungarische Landwehr auch ein
groſsartiges militär - wissenschaftliches Institut für die Heranbildung und spätere weitere theoretische , wie praktische Ausbildung der Offiziere in der Ludovica -Akademie in Budapest. Für die Honved-Reiterei besteht auſserdem noch die Central- Kavallerie
Schule ebenfalls in Budapest. Zur Förderung der Ausbildung der Kavallerie - Unteroffiziere dienen halbjährige Kurse in den Regi ments - Schulen . Die Teilnehmer an denselben haben sich zu einem Jahr Präsensdienst zu verpflichten.
Man darf hiernach annehmen , daſs die ungarische Landwehr Reiterei in demselben Maſse als die Ausbildung und die Dienstzeit ihrer Mannschaften und Unteroffiziere eine ungleich längere und daher gründlichere ist , als bei der österreichischen Landwehr >
Landwehr und Landsturm
32
letzterer an Leistungsfähigkeit überlegen sein muſs, der deutschen Reserve -Kavallerie im Mannschaftspersonal jedoch durchaus nicht gleichkommt. Wir können dem Sohn der ungarischen Pusta bei aller Anerkennung für seine im Durchschnitt mehr ent wickelten reiterlichen Eigenschaften nach einer einjährigen mili tärischen Ausbildung doch nicht gleiche Leistungen zuerkennen , als einem dreijährig oder vierjährig ausgebildeten Reservisten der deutschen oder österreichisch-ungarischen Linien - Kavallerie! Kavallerie
-
Erwähnt muſs noch werden, daſs die Landwehr- Reiterei beider
Reichshälften Österreich-Ungarns auſser aus zwölf Jahrgängen un mittelbar zur Landwehr »assentierter« Mannschaften sich noch aus
zwei Jahrgängen von Kavalleristen zusammensetzt, welche, nachdem sie zehn Jahr dem stehenden Heer und der Reserve angehört haben , noch zwei Jahre landwehrpflichtig sind . Wie
unsere
deutschen
Landwehr- Bataillone
und Reserve
Kavallerie - Regimenter ( fast ausschlieſslich auch die Schwadronen derselben) nur von aktiven , zum geringeren Teil von reaktivierten Linien -Offizieren geführt werden, so haben auch die österreichischen wie die ungarischen Truppen der Landwehr beider Waffengattungen die Stellen vom Regiments-Kommandanten einschlieſslich aufwärts mit Linien -Offizieren besetzt. Auch die Bataillons-Kommandanten Stellungen sind mit geringen Ausnahmen in Händen von Linien Offizieren .
Wie schon weiter oben erwähnt, müssen wir der Landwehr Reiterei unserer Verbündeten unserer deutschen Reserve - Reiterei
gegenüber den Vorteil der gröſseren Kriegsbereitschaft un bedingt zusprechen.
Ihre Regimenter sind schon im Frieden im
Besitz ihrer Pferde! Bekanntlich heben sie Remonten aus , bilden
sie aus und geben sie nach sechsmonatlicher Abrichtung leih weise zur Benutzung an zuverlässige Privatpersonen, von denen die Pferde zeitweise wieder zum Schwadrons-, Regiments oder Brigade-Exer zieren eingezogen werden . Nach einigen Jahren gehen diese Pferde in den Besitz der Privatpersonen über. Für die Mobilmachung sind die ausgeliehenen Pferde sofort zur Hand und gewiſs sehr viel rittiger, als diejenigen , welche für unsere Reserve -Kavallerie ausgehoben werden . Dank dieser Einrichtungen, sowie Dank der schon im Frieden bestehenden Stämme sind die österreichischen und die
ungarischen Landwehr - Kavallerie- Regimenter beim Kriegsausbruch gewiſs erheblich schneller marschfertig und auch gefechtsfähiger, als unsere Reserve- Reiterei, welche doch mehr Zeit beansprucht, um Roſs und Reiter an einander zu gewöhnen und die Pferde für die
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
33
taktischen Evolutionen und für die Attacke einigermaſsen zurecht zu arbeiten.
Der Pferdebestand der ungarischen wie der österreichischen
Landwehr ist für den vollen Kriegsfuſs der Regimenter bereit gehalten. Der volle Stand eines Österreichischen Regimentsstammes beträgt 5 Offiziere, 55 Mann , 72 im Dienst befindliche Pferde, 7
Die Regimenter stellen alljährlich 112 Remonten in zwei fünfmonatlichen Ausbildungsabschnitten ein und leihen sie danach an Privatpersonen aus. – Bei den Honved-Regi mentern hat jede der vier Schwadronen stets einen Stamm von
einschlieſslich der Remonten.
35 Pferden im Dienst, darunter 15 Remonten.
Zu vergessen ist jedoch bei obigem Vergleich nicht , daſs es unsere Freunde an der Donau auch sehr viel eiliger, als wir haben ,
ihre Linien -Kavallerie bei Kriegsausbruch durch Landwehr-Formationen zu ergängen als wir. Deutschland verfügt im Frieden über 93 Linien
Kavallerie-Regimenter zu 5 Schwadronen, Österreich -Ungarn über 41 Linien -Kavallerie-Regimenter zu 6 Schwadronen, Deutschland also
über 465, Österreich-Ungarn über 246 Schwadronen. Von unseren Regimentern bleibt jedoch eine der 5 Schwadronen als Ersatztruppe zurück, so daſs wir nur 372 ins Feld schicken . Somit bleibt immer
noch eine bedeutende Minderzahl auf Seiten unserer Verbündeten,
welches auch noch nicht ausgeglichen wird, wenn jedes Kavallerie Regiment der österreichisch - ungarischen Armee , wie es vorbereitet zu sein scheint, eine Reserve- Schwadron (im Ganzen also 41) auf stellt .
Im Übrigen wollen wir es uns nicht verhehlen, daſs wir es in Anbetracht der bedeutenden numerischen Überlegenheit der russischen Kavallerie und in Anbetracht der bedeutenden Verstärkung, welche die französische soeben erfahren hat und noch weiter erfahren wird
(13 neue Regimenter sind genehmigt, davon 1886 vier bereits errichtet !), es nunmehr für angezeigt halten, auch die deutsche Kavallerie zu verstärken, am besten durch Aufstellung einer sechsten Schwadron bại jedem Regiment. So lange diese Vermehrung nicht durchgeführt ( seit 1866 steht unsere Kavallerie auf demselben Stande !), muſs die Aufstellung einer zahlreicheren Reserve-Kavallerie
vorbereitet werden. Dringend erwünscht wäre hierfür ein Stamm.
Im Übrigen ist die österreichisch -ungarische Linien-Kavallerie soeben bei jedem Regiment um 25 Pferde verstärkt worden. Eine weitere Verstärkung um fernere 25 Pferde ist auf Antrag des Reichskriegsministers von den Delegationen in Aussicht genommen . Dieses Mehr von 50 Pferden soll die Regimenter in die Lage Jahrbiohor für die Deutsche Armee und Marine.
Bd. LXVII . 1.
3
34
Landwehr und Landsturm
bringen , ohne Schädigung der Feldschwadronen beziehungsweise ohne Verlangsamung der Mobilmachung, die von jedem Regiment aufzubringenden zwei Züge Stabswache schnell aufstellen zu können .
Wir haben bisher uns mit den inneren Einzelheiten der Organi sation der Landwehr beschäftigt. Es erübrigt nun noch , eine
Übersicht über die allgemeine Organisation und die Gesamtstärke derselben zu geben. Das k. k. Heer der österreichisch -ungarischen Gesamt-Monarchie ist ein einheitliches, gemeinsames Institut beider Reichshälften. Es besitzt einen gemeinsamen Generalstab und eine gemeinsame Verwaltungsspitze in dem Reichskriegsministerium mit deutscher Dienst- und deutscher Kommandosprache. Voin politischen , wie vom militärischen Standpunkt aus muſs es jeder unbefangene
Freund der habsburgischen Monarchie nur ernstlich bedauern , daſs die inneren politischen Sonderheitsbestrebungen, daſs der » Dualis mus « dahin geführt haben, die Landwehr und den Landsturm aus
den gemeinsamen Heereseinrichtungen auszuscheiden. Es giebt eine » königlich ungarische Landwehr « und eine
» königlich kaiserliche österreichische Landwehr « , letztere für das Gebiet der im österreichischen Reichsrat vertretenen Länder
(Cisleithanien ). Innerhalb der letzteren haben wieder Tyrol nebst Vorarlberg ihre eigene Landwehr , ihren eigenen Landsturm
mit
eigener Verwaltungsbehörde , welche ihrerseits in ihren pekuniären Mitteln von den Landtagen dieser Länder abhängig gestellt sind. Diesem Dualismus entsprechen auch die beiden von einander
völlig unabhängigen und auch von dem Reichskriegsministerium unabhängig gestellten > Landesverteidigungsministeriene in Budapest und in Wien. Die Frucht dieses Dualismus ist auch die Zwiesprachigkeit in der Landwehr. Die Dienst- und Kommando sprache in der königlich ungarischen Landwehr ist die ungarische, in der königlich kaiserlichen österreichischen Landwehr die deutsche.
Von Vorteil für die gemeinsamen Erfolge vor dem Feinde ist dies Verhältnis nicht , von Vorteil auch nicht für den Ver bündeten ! Meldungen , Benachrichtigungen, Aufforderungen zu gemeinsamen Maſsnahmen, dringende Gesuche um Unterstützungen im Gefecht können (namentlich in kleineren Truppen - Verbänden) nur gar zu leicht keine Berücksichtigung finden , weil man die Sprache des Andern nicht versteht. Wir wollen bei diesem Punkt nicht länger verweilen. Sicher aber ist, daſs durch solche Zustände die Leistungsfähigkeit der Armee nicht gefördert wird ! Das wird
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
35
auch keiner unserer ungarischen Freunde leugnen, für deren Honved Einrichtungen wir im Übrigen volle Anerkennung haben . In Ungarn ist die » Honved - Armee « sehr viel populärer, als -
das »Gemeinsame Heer «. Bestreben gehabt,
Man hat daher eine Zeit lang auch das
und zwar
aus politischen Gründen
die
Honved - Armee gänzlich unabhängig vom gemeinsamen Heer zu Das wäre nur möglich gewesen , indem man neben der
machen .
Landwehr - Infanterie und Landwehr - Kavallerie auch Landwehr -
Artillerie und Landwehr -Genietruppen aufstellte. Dergleichen Bestrebungen sind nicht durchgegangen . Sie wären der inneren
Kraft der militärischen Gesamtmacht der habsburgischen Monarchie nicht förderlich gewesen .
Wenn nun also gesondert ungarische
Honved -Infanterie - Truppen -Divisionen und österreichische Landwehr Infanterie - Truppen - Divisionen aufgestellt werden, so beschränkt sich -
dies » königlich ungarische « und das » königlich kaiserliche österreichische « doch immer nur auf die Infanterie und auf die Reiterei. - Artillerie und Pioniere sind in der Landwehr
nicht formiert , diese beiden Waffengattungen sind
nicht
dualistisch «, sie werden im Manöver wie im Felde vom »gemein samen Heere « für die Landwehr - Divisionen »beigestellt . « Die Landwehren beider Reichshälften sind also in der Ver
waltung, wie in der Befehligung von einander getrennt. Die königlich kaiserliche österreichische Landwehr (also
diejenige Cisleithaniens) hat ihre Spitze in dem » Landwehr-Ober Kommando « in Wien , welches zur Zeit sich in den Händen des
Erzherzogs Rainer befindet. Unter demselben bestehen acht » Land wehr- Kommandos « und der > Inspektor der Landwehr Kavallerie « (ein Stabsoffizier ). Die Landwehr - Kommandos be finden sich in Wien für die österreichischen und salzburgischen Bataillone ( 1 bis 8), zu Brünn für die schlesischen und mährischen Bataillone (9 bis 19), zu Graz für die steyerischen, krainschen , kärthenschen und küstenländischen (20 bis 24 und 72 bis 74) ; zu Prag für die böhmischen Bataillone Nr. 28, 33 bis 36, 41, >>
45 bis 47, 50 and 51 ; – zu Josefstadt für böhmische Bataillone 29 bis 32, 37 bis 40, 42 bis 44, 48 und 49 ; zu Krakau für die
galizischen Bataillone 52 bis 61 ; zu Lemberg für die galizischen Bataillone 62 bis 71 und für bukowinischen Nr. 75 bis 78 ; - SO wie schlieſslich zu Zara für die dalmatinischen Bataillone Nr. 79 bis 82.
An Landwehr -Kavallerie unterhält Österreich nur 6 Regimenter zu 4 Schwadronen und zwar die Dragoner- Regimenter Nr. 1 (Stockerau), 3*
Landwehr und Landsturm
36
Nr. 2 (Prossnitz), Nr. 3 (Wels) und die Ulanen - Regimenter Nr. 1 ( Kolomea ), Nr. 2 (Hohenmauth), Nr. 3 (Sambos) und eine Abteilung berittener dalmatinischer Schützen (Sins). Hierzu kommt die Landwehr in Tyrol und Vorarlberg, welche von der Landesverteidigungs -Behörde in Innsbruck abhängt, an deren Spitze der Kommandierende des 14. Corps -Kommandos (Innsbruck) steht. Dieses Landesverteidigungskommando hat die
10 Tyroler Landesschützen - Bataillone (Landwehr) und die 3 Schwa Letztere, ähnlich organisiert wie die österreichische Landwehr - Kavallerie, steht in dronen
Landesschützen zu Pferde unter sich . O
Innsbruck und bildet die einzige Kavallerie - Truppe in Tyrol-Vorarl
berg. Wir haben deren Leistungen bei Gelegenheit eines Gebirgs manövers in den Alpen gesehen und das Urteil gewonnen , dals diese Kavallerie für die ihr im Hochgebirge allein zufallenden Auf gaben des Patrouillen-, Verbindungs- und Ordonnanzdienstes völlig hinreichend geschult ist.
Insgesamt verfügt Cisleithanien an Landwehr (abgesehen von etwaigen ferneren im Mobilmachungsplan vorgesehenen ans nicht bekannten Formationen) über 92 Bataillone, 24 Schwadronen, dazu
3 Tyroler Schwadronen und eine dalmatinische Abteilung berittener Schützen .
Aus diesen Truppen werden zunächst die in der
Reihenfolge des gemeinsamen Heeres offen gelassenen Infanterie Truppen - Divisionen Nr. 21 , 22 und 26 aufgestellt. Der noch so sehr ansehnliche Überschuſs an Landwehr- Bataillonen wird ent
weder zur Bildung weiterer Infanterie - Truppen -Divisionen (über die Nr. 42 hinaus) oder zur Aufstellung besonderer »Gebirgs- Corps (Brigaden, Divisionen) verwendet , wofür die Tyroler und dalma
tinischen Landesschützen-Bataillone sich besonders eignen. *) Ob die Landwehr-Kavallerie - Regimenter dazu bestimmt sind,
als Divisions- Kavallerie bei den Landwehr-Infanterie-Truppen Divisionen eingeteilt zu werden oder ob sie für Etappendienste
Verwendung finden sollen, ist nicht bekannt. - Als Divisions
Artillerie für die gedachten Landwehr-Divisionen sind im steben den Heere 9 schwere > Batterie-Divisionen
mit den Nr. 29 bis 37
bereit gehalten und zwar zu je 3 Batterien mit 8 Geschützen. Im Frieden haben diese Batterien, aus denen übrigens auch noch die
ungarischen Honved -Divisionen mit Artillerie zu bedenken sind, nur je 2 bespannte Geschütze. (Es liegt die Absicht vor, den Geschützstand im Frieden auf vier für jede Batterie zu bringen .) *) In den Gebirgsländern führen die Landwehr - Bataillone den Namen „ Landesschützen -Bataillone“ .
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
37
An Bataillonszahl gleich stark, an Kavallerie überlegen tritt die ungarische Honved - Armee auf. Ungarn verfügt über 92 Honved - Infanterie-Bataillone (dazu im Kriege 92 Ersatz-Compagnien), -
zu denen noch weitere 32 Bataillone hinzutreten können.
Die
Kavallerie stellt 10 Husaren - Regimenter mit zusammen 40 Schwa dronen (dazu im Kriege 10 Ersatz-Schwadronen) auf. Die Honved -Infanterie ist in 28 Halbbrigaden formiert. Davon haben die Halbbrigaden mit den Nummern 3, 8 , 9, 13, 17 , 19, 21 und 24 je 4 Bataillone, alle übrigen 3 Bataillone. Zwei Halb brigaden sind zu einer Brigade zusammengefaſst, so daſs 14 Brigaden bestehen . Dieselben führen in Fortsetzung der Nummerierung im gemeinsamen Heer die Nummern 45, 46, 73 bis 84. — Zwei Brigaden 5
und der ihnen zufallende Territorialbezirk stehen unter einem General
major oder Feldmarschall-Lieutenant als Distrikts- Kommandanten . Diese beiden Brigaden treten im Kriege zu einer Infanterie- Truppen Division zusammen, welche durch Artillerie des stehenden Heeres
und Honved - Husaren verstärkt werden. Die sieben ungarischen Landwehr- Infanterie- Truppen - Divisionen haben die Nummern 23, 37 bis 42.
Die Honved -Kavallerie bildet im Frieden zwei Brigaden zu
5 Regimentern und steht unter einem Honved -Kavallerie - Inspektor. Im Mobilmachungsfall verteilt sich ein Teil der Honved -Husaren Regimenter als Divisions- Kavallerie zu den Landwehr-Infanterie Truppen - Divisionen. Aus dem Überschuſs wird eine Honved Kavallerie - Division zusammengestellt. Man erkennt aus dieser Maſsregel den hohen Grad von Selbstvertrauen, welches die Ungarn bezüglich der Leistungsfähigkeit ihrer Landwehr - Reiterei besitzen . Man würde Deutscherseits schwerlich darauf kommen, aus Reserve Kavallerie -Regimentern eine selbstständige Kavallerie-Division zu formieren, also einen Heereskörper aufzustellen , von welchem man sowohl einen hohen Grad von Gewandtheit in der Schlachten-Reiterei
als Findigkeit im strategischen Aufklärungsdienst erwarten muſs. Dabei verfügt Deutschland auch ganz gewiſs in gewissen Landes teilen des Nordens und Ostens auch über Reverse -Kavallerie Regimenter, welche nach ihrem Pferdematerial unübertrefflich sind
und die den ungarischen Honveds an reiterlicher Gewandtheit ihrer Leute sicher nichts nachgeben , dabei aber doch das eine für sich in Anspruch nehmen können, daſs ihre Mannschaft durch ihre drei
bis vierjährige aktive Dienstzeit eine ungleich gediegenere militärische Erziehung genossen hat, als die groſse Mehrzahl der Honveds. Die
Friedens - Präsensstärke
der k. k .
österreichischen
Landwehr und Landsturm
38
Landwehr betrug 1885 4196 Mannschaften, einbegriffen die Offiziere und Beamten .
Die Landwehr -Rekruten jenes Jahres betrugen
7721 Köpfe (in Ungarn 7504).
Die listenmäſsig festgestellte
Stärke der österreichischen Landwehr betrug einschlieſslich der Offiziere 220,000 Mann ; der damals gesetzliche Kriegsstand jedoch nur 183,000 Mann, so daſs ein bedeutender Überschuſs vor handen war .
Der gesetzliche Kriegsstand der ungarischen Landwehr be zifferte sich 1886 auf 3673 Offiziere und 149,804 Mann. Listen mäſsig nachgewiesen wurden 2788 Offiziere und 192,759 Mann ,
davon 8590 Köpfe (mit Offizieren) als Präsensstandstämme. Der Mangel an Offizieren für den Mobilmachungsfall ist trotz der groſsen Beliebtheit des nationalen Honved -Instituts in Ungarn also ein sehr beträchtlicher, wiewohl man bereits in bedeutendem Um fange Reserve-Offiziere des gemeinsamen Heeres der ungarischen Landwehr überwiesen hat.
-
Wir sind am Ende unseres Berichtes über die Organisation der
Landwehr Österreich -Ungarns. Im Eingang dieses Artikels hatten wir darauf hingewiesen, daſs diese eigenartige Einrichtung des österreichischen und ungarischen Landwehr- Instituts - abgesehen von dem politischen Bestreben der Ungarn auf alle Fälle über eine
abgesonderte Heeresmacht verfügen zu können - in der verhältnis mäſsig geringen numerischen Stärke des gemeinsamen « stehenden Heeres ihre Ursache habe, die als Aushülfe eine recht kriegsbereite Landwehr verlange. Das Stämme- System , welches Deutschland für
seine Landwehr entbehrt, sichert freilich der österreichisch -ungarischen Monarchie eine erhöhte Kriegsbereitschaft besonders für die Kavallerie.
Was die Infanterie betrifft, so glauben wir, daſs die Schnelligkeit der Mobilmachung und die Marschfertigkeit der österreichischen und der ungarischen Landwehr-Bataillone keine gröſsere ist als die der deutschen . So lange eine wesentlich längere Ausbildungszeit der Mannschaft auch eine überlegene Kriegstüchtigkeit derselben zur Folge hat, muſs der deutschen Landwehr – besonders der Infanterie
gegenüber der österreichischen und ungarischen die
Überlegenheit zuerkannt werden . In den Offizier-Corps dürfte das Element der Berufs - Offiziere in den mobilen Truppen beider Reiche etwa gleichmäſsig vertreten sein.
numerisch in beiden Feld Armeen die Landwehr zur Linie ? Diese Frage ist nicht Wie
verhält
sich
nun
-
ohne Weiteres zu beantworten. Was ist denn eigentlich die » Feld
Armee « ? Nachdem in Deutschland, wie in Österreich -Ungarn durch
in Deutschland und Österreich-Ungarn.
39
die Inanspruchnahme des Landsturms für die Zwecke, welche bis her grundsätzlich der Landwehr zufielen, letztere in erhöhtem Umfange dazu berufen ist, Schulter an Schulter mit der Linie zu
fechten, wird es erlaubt sein, für unsere Berechnung so zu ver fahren , daſs wir aus jedem deutschen , jedem österreichischen und jedem ungarischen Landwehr -Bataillonsbezirk ein Bataillon für die Feldarmee mobil machen .
Für die deutsche Armee hat das kein
Bedenken, seitdem wir durch Gesetz vom 11. Februar 1888 das
> Zweite Aufgebot der Landwehr « eingeführt haben, die Kriegs verwaltung also über 7 Jahrgänge Mannschaften für die Landwehr mehr verfügt, als bisher (im Ganzen über 12 Jahrgänge Land wehr).
Hiernach stellen Österreich -Ungarn 184, Deutschland 286 Land wehr- Infanterie- Bataillone ins Feld. Im Frieden unterhält Österreich
Ungarn im stehenden Heere 450, Deutschland 534 Bataillone In fanterie und Jäger, wobei hervorznheben, daſs die Stärke der letzteren
beträchtlich höher ist als diejenige der österreichisch -ungarischen Bataillone.
Die österreichisch -ungarischen Linien -Regimenter sind zu 4 Ba taillonen, die deutschen (166) der Mehrzahl nach (151) zu 3 Bataillonen formiert. Nur 15 deutsche Regimenter haben im Frieden 4 Ba taillone. Da wir nicht darauf ausgehen, die Heeresstärken nach ihrer äuſsersten numerischen Leistungsfähigkeit zu berechnen, so wollen wir davon absehen , zu untersuchen, wie weit die österreichisch
ungarischen Regimenter in der Lage sind im Kriegsfall fünfte Ba
taillone aufzustellen und die deutschen Regimenter das System der vierten Bataillone durchweg durchzuführen. – Das Verhältnis der numerischen Stärke von Linie zu Landwehr würde dadurch nicht wesentlich verändert.
Rechnen wir prima plana Österreich -Ungarn mit 450 Linien und 182 Landwehr- Bataillonen , Deutschland mit 534 Linien- und
288 Landwehr -Bataillonen, insgesamt unsre Verbündeten zu 632 . and uns zu 822 Bataillonen gleicher Stärke für die Verwendung der Feldarmee.
Schon hierbei stellt sich bei uns das Verhältnis
der Landwehr zur Linie, als ein bedeutenderes heraus als in der
verbündeten Armee. Dasselbe steigert sich aber noch in dem Maſse, als Deutschland seine Landwehr, insbesondere sein zweites Landwehr Aufgebot noch für mobile Formationen in Anspruch nehmen sollte.
Dank der Ausdehnung der Landwehrpflicht bis zum vollendeten 39. Lebensjahr und Dank der bedeutenderen Stärke seiner Mannschafts
Landwehr und Landsturm
40
jahrgänge *) vermag Deutschland eine sehr viel mächtigere Land
wehr aufzustellen als Österreich -Ungarn. Das Gesetz vom 11. Februar 1888 hat den Schwerpunkt des deutschen Heeres überhaupt sehr nach der Seite der Landwehr und des Landsturms verrückt, wenn auch allerdings mit der Bestimmung,
daſs im Bedarfsfalle in den Truppen des stehenden Heeres nach Belieben auch Landwehrleute eingestellt werden können.
Bei
behalten hat jenes Gesetz die Länge der Dienstzeit bei den Fahnen (3 Jahre) und bei der Reserve (4 Jabre), verlängert aber die Dienst pflicht bei der Landwehr von 5 auf 12 Jahre und erweitert die
Landsturmpflicht um 3 Jahre.
Die Heeresverwaltung verfügt also, wenn es das Machtaufgebot für einen groſsen Krieg gilt über 3 Jahrgänge Linie, 4 Jahrgänge Reserven, 12 Jahrgänge Landwehr und 12 Jahrgänge ausgebildeter Ersatz -Reserven ; sie verfügt über alle militärisch ausgebildeten Deutschen vom vollendeten 21. bis zum vollendeten 39. Lebensjahr für das stehende Heer und die Landwehrformationen .
Hierzu noch
der Landsturm , welcher alle Männer — militärisch ausgebildete, wie unausgebildete, vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebens
jahr enthält, sofern sie weder dem stehenden Heere noch der Land wehr angehören .
Diese Verschiebung des numerischen Verhältnisses von Linie zu Landwehr und Landsturm betrifft naturgemäſs vor Allem die Infanterie. Dieser Umstand, sowie die ausgesprochene Absicht, auch den Landsturm nicht blos als die ultima ratio regis zur Ver teidigung des eignen Heerdes, sondern unter Umständen schon bei Beginn eines Krieges aufzubieten, sollte als eine Mahnung dafür wirken, die militärische Ausbildung der Offiziere des Beurlaubtenstandes der Infanterie durch weg zu heben ! ZU unserem Vergleich der Verhältnisse des h österreichisc - ungarischen Heeres mit dem deutschen zurück . Be züglich der Kavallerie stellt sich das Stärkeverhältnis wie folgt:
Kehren wir nun
Die 41 Kavallerie- Regimenter des gemeinsamen k. k. Heeres
haben je 6 Schwadronen, die 93 Kavallerie-Regimenter des deutschen
Heeres je 5. Im Frieden verfügt Österreich-Ungarn also über 246, Deutschland über 465 Feld-Schwadronen. Da jedoch die deutschen Regimenter mit nur 4 ins Feld rücken , die 5. (eine von den 5 je *) Das geht schon aus den Friedensstärken beider Heere hervor. Österreich Ungarns Heer hat eine solche von noch nicht 300,000 Mann, Deutschlands Heer
eine solche von 468,409 Mann ohne Einjährig -Freiwillige.
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
41
nach dem Loose) aber als Ersatz- Schwadron zurücklassen, so er mäſsigt sich die Ausrückestärke der deutschen Linien - Kavallerie auf
372 Feld - Schwadronen . Zur Hebung der Stärke der Reiterei sind unsere Verbündeten nur bedacht gewesen, die Landwehr - Kavallerie schon im Frieden kriegsbereit einzurichten. Sie verfügen über 10 Honved- und 6 österreichische Landwehr -Kavallerie-Regimenter .
zu 4 Schwadronen.
Durch diese 64 Schwadronen vermehrt sich
ihre ins Feld ausrückende Reiterei auf 310 Schwadronen, sie steigt ferner und zwar auf 351 Schwadronen , falls - was vorbereitet ist
- die 41 Linien -Regimenter noch je eine Reserve- Schwadron mobil machen .
Die deutsche Linien - Kavallerie wäre auch dann
immer noch der österreichisch -ungarischen im Felde um 21 Schwa dronen überlegen . Was Deutschland seinerseits an Reserve- (beziehungsweise Landwehr-) Kavallerie aufstellt, soll hier nicht weiter besprochen werden. Sowohl 1866 als 1870/71 sind preuſsische Reserve-Kavallerie Regimenter mit ins Feld gerückt. Die Kürze des Krieges von 1866 und 1870/71 der Umstand, daſs unsere Gegner, die Franzosen, nach
den Kapitulationen von Sedan und Metz ihrerseits ja kaum noch in der Lage waren , uns eine entsprechende Kavallerie gegenüber zu stellen, haben uns nicht veranlaſst, auf die Vermehrung der Reserve - Kavallerie während des Feldzuges Bedacht zu nehmen. Seit 1866 ist die deutsche Reiterei d. h. die Linien - Kavallerie nicht um
eine einzige Schwadron vermehrt, Frankreichs Kavallerie ist seit 1871 aber wesentlich verstärkt worden und wird auch gegenwärtig
noch vermehrt, Russland hat durch Aufstellung von fünften und sechsten Schwadronen vor einigen Jahren seine reguläre Kavallerie um ein volles Drittel vermehrt.
Diese Verhältnisse und ferner der
Umstand , daſs schon mit Rücksicht auf die voraussichtlich bedeutend
vermehrte Mobilisierung von Reserve- beziehungsweise Landwehr Infanterie - Divisionen mehr Divisions-Kavallerie nötig ist als 1870/71, läſst die Annahme zu, daſs die Aufstellung von deutschen Reserve Kavallerie - Regimentern eine entsprechende umfangreichere sein wird als im letzten Kriege.
Es versteht sich von selbst, daſs wir über die Zahl der Deutscher seits im Mobilmachungsfall aufzustellenden, in ihrer Zusammen setzung etwa den österreichischen und ungarischen Landwehr
Infanterie- Truppen -Divisionen entsprechenden
» Reserve - Infan
terie - Divisionen « hier nicht weiter verhandeln. Soweit öffentlich
bekannt stellt Österreich -Ungarn 10 Landwehr- Truppen - Divisionen auf. Wie wir oben nachgewiesen haben, kommen davon auf die
Landwehr und Landsturm
42
Ungarn 7 Divisionen (Nr. 23 und Nr. 37 bis 42 in der Reihenfolge
der Divisionen im Gesamtheere), auf die Österreicher nur deren 3
(Nr. 21, 22 and 26 ). Österreich (Cisleithanien) verfügt dann aber nach Aufstellung dieser 3 Divisionen noch über einen so bedeuten
den Überschuſs an Landwehr- Bataillonen , daſs man sich berechtigt halten darf anzunehmen, es würden noch über die Nr. 42 hinaus Infanterie - Divisionen aufgestellt werden – vielleicht auch sieben
wie von Seiten der ungarischen Landwehr. Für diese Ansicht spricht der Umstand, daſs das seit bald 2 Jahren eingeführte Land sturm -Gesetz Kräfte mobilisieren läſst, welche die Verwendung der gesamten Landwehr für den Feld- und Festungs- beziehungsweise Belagerungsdienst zuläſst. Wir enthalten uns hier aller Angaben auch der Kriegsfor mation der Artillerie , sowie der Spezialwaffen des deutschen -
Heeres.
Kurz wollen wir jedoch die Friedensstärke dieser Waffen
gattungen in beiden verbündeten Heeren erwähnen . Dieselbe dürfte annähernd auch einen Rückschluſs auf die Kriegsstärke gestatten ;
wir glauben jedoch, daſs die Geschützzahl der österreichisch -unga
rischen Feldartillerie sich in der Mobilmachung verhältnismäſsig bedeutender vermehrt, als diejenige der deutschen Feldartillerie. Die deutsche immobile Batterie hat 4, die mobile 6. Geschütze. Von
den im Frieden bestehenden 364 deutschen Batterien haben jedoch 29 schon den Kriegs - Etat von 6 Geschützen . – Die österreichisch
ungarische Batterie hat auf Kriegsfuſs 8 Geschütze, die reitende Batterie 6 Geschütze.
Im Frieden haben sämtliche österreichisch
ungarische Feld -Batterien nur 4 Geschütze, 27 Batterien ( für die Landwehr- Divisionen bestimmt) sogar nur je 2 Geschütze. Das deutsche Heer hat im Frieden bei der Feldartillerie 1514
bespannte Geschütze (335 Batterien zu 4, 29 Batterien zu 6 Geschütze ). Auf Kriegsfuſs haben die schon im Frieden bestehenden 364 Batte rien ( einschlieſslich 47 reitenden ) zusammen 2184 Geschütze. — Im .
österreichisch -ungarischen Heer ergeben die schon im Frieden be stehenden Stämme der Feldartillerie auf Kriegsfuſs gesetzt nur 1544 Feldgeschütze. Man darf also hoffen, daſs dort umfangreiche Neuformationen erfolgen.
Übrigens sind in Österreich -Ungarn noch 12 Gebirgs-Batte rien der Feld- und 3 der Festungs -Artillerie zu erwähnen .
Ihre
Verdoppelung ist vorbereitet, sie ergiebt dann insgesamt 120 Ge schütze.
An Festungs- ( Fuſs- ) Artillerie unterhält Deutschland im
Frieden 31 Bataillone mit zusammen 124 Compagnien, Österreich
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
Ungarn nur 72 Compagnien .
43
Gegenüber den 19 deutschen
Pionier - Bataillonen sind österreichisch -ungarischer Seits 15 der gleichen Bataillone zu verzeichnen . Vom Landsturm , Wie doch die militärischen Begriffe sich zu unserer Zeit er
weitert und »zugespitzt « haben . Welche Auffassungen verband man im Österreich von 1809 und welche im alten Preuſsen jener Zeit, im Preuſsen Scharnhorst's, Blücher's und Stein's mit dem Begriff > Landsturm « ! - Zum Begriff »» Landsturm « gehörte damals eine ver
zweiflungsvolle Lage, ein Zustand, wie ihn zu Anfang unseres Jahr
hunderts die Franzosenherrschaft in Spanien, Österreich und Deutsch Heute, wo die groſsen kriegerischen Abrechnungen zwischen den Völkern von vornherein die ganze waffenfähige Männer welt zweier Reiche auf den Kampfplatz ruft, bildet der Aufruf des Landsturmes wohl nur dann ein besonders tief eingreifendes » Er eignis «, wenn er im ganzen Lande aufgeboten wird. Die allgemeine Wehrpflicht, von den Befreiungskriegen her bis 1866 allein in Preuſsen durchgeführt, seitdem aber von allen militärischen Groſs land hervorrief. -
mächten angenommen, erleichterte natürlich die Bildung eines Land
sturmes. Es giebt eben in allen diesen Völkern waffenkundige Männer in allen Altersklassen (wie es früher nicht der Fall war !). Kein Wunder, daſs der Staat sie für seine Kriegsdienste ausnutzt. Sind wir doch auch in allen anderen politischen Bestrebungen und Bewegungen an das Aufgebot der » Massen « gewöhnt. Genug, wir haben jetzt einen Landsturm , der nicht nur zu den Waffen gerufen wird, wenn der Feind » das Land gestürmt« hat, sondern der auch aufgeboten wird, um - in angriffsweiser Ver teidigung des deutschen Vaterlandes oder unserer Verbündeten über die Grenzen Deutschlands hinaus mitgeht und an seinem Teil mit hilft an der Niederwerfung des Feindes. Die Landsturm -Einrichtung besteht in Preuſsen seit 1813, in den anderen Teilen des deutschen Reiches seit 1866, in der habs
burgschen Monarchie allgemein erst seit 1886. Bis dahin hatte in letzterem nur Tyrol und Vorarlberg eine Landsturm - Organisation und allenfalls auch Ungarn ; allein der Landsturm der Länder der
Stephans-Krone sollte nur aus Kriegsfreiwilligen bestehen, welche sich teils für bewaffnete Truppen-Abteilungen teils für Arbeiter Abteilungen einstellen lieſsen.
1886 auch in Ungarn nicht !
Ein Landsturmzwang bestand bis
Landwehr und Landsturm
44
er für den ganzen Bereich der habsburgschen Monarchie gesetzlich eingeführt und zwar gleich in einer Weise und in einem Umfange, daſs die Wehrkraft derselben dadurch wesentlich gewonnen hat. Wir hoffen von unseren Bundesgenossen nicht miſsverstanden zu werden, wenn wir uns nun dessen rühmen, daſs wir, wie schon Seitdem
ist
in unseren Landwehr -Einrichtungen , so auch in der gesetzlichen Organisation unseres deutschen Landsturms durch das Gesetz vom
11. Februar 1888 überboten haben. So gewiſs. wir in Allem, was wir an Opfern zu bringen und für unsere vaterländische Wehrkraft
zu leisten suchen, auch für unsere treuen Bundesgenossen zu leisten uns bewuſst sind, dürfen wir auch erwarten , daſs der Ausdruck des
Bewuſstseins unserer militärischen Überlegenheit (wir beziehen diesen
Ausdruck lediglich auf unsere Organisation !) fern von jeder Über hebung ist. -
Thatsächlich sind wir in unserem Landsturm-Wesen den Öster reichern und den Ungarn » über « . Die folgenden Angaben be ziehen sich auf die gesetzlichen Bestimmungen von 1886 in
Österreich -Ungarn und auf diejenigen vom 11. Februar 1888 in Deutschland. Wir gehen hier namentlich auf die hauptsächlichsten Unterschiede ein :
1. In Deutschland dauert die Landsturmpflicht vom vollendeten
17. bis zum vollendeten 45. , in Österreich -Ungarn vom 19. bis zum vollendeten 42. Lebensjahr. In beiden Reichen sind im Allgemeinen diejenigen landsturmpflichtig, welche weder dem stehenden Heere, noch der Reserve, noch der Landwehr angehören. 2. In Deutschland » hat (nach § 23) der Landsturm die Pflicht, im Kriegsfall an der Verteidigung des Vaterlandes teil zu nehmen ; er kann in Fällen auſserordentlichen Bedarfs zur Ergänzung des Heeres und der Marine herangezogen werden . In diesen gesetz lichen Verpflichtungen macht das zweite Aufgebot des Landsturms des deutschen Heeres durchaus keinen Unterschied vom ersten
Aufgebot. 3. In Deutschland erfolgt (825 ) » der Aufruf des Landsturmes
durch Kaiserliche Verordnung “, so auch in Österreich -Ungarn, in Deutschland jedoch auch ($ 25) »bei unmittelbarer Kriegsgefahr 1
durch die kommandierenden Generale, die Gouverneure und Komman danten von Festungen «. 4. In beiden verbündeten Reichen ist der Landsturm in zwei
Aufgebote geteilt. In Deutschland gehören zum ersten Aufgebot
die Landsturmpflichtigen bis zum 31. März desjenigen Kalenderjabres,
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
45
in welchem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden, zum Landsturm zweiten
Aufgebotes die Männer von diesem Alter bis zum vollendeten 45. Lebensjahr (S 24). Allerdings heiſst es, das zweite Aufgebot > wird in der Regel in besonderen Abteilungen formiert «, eine Be schränkung aber in der Verwendung des zweiten Aufgebotes ist
gesetzlich nicht gezogen . Das zweite Aufgebot kann ebenfalls im Auslande verwendet werden .
In Österreich -Ungarn gehören Landsturmpflichtige vom vollen deten 19. bis zum vollendeten 37. Lebensjahr dem ersten Aufgebot,
von letzterem Alter bis zum vollendeten 42. (in Tyrol bis zum
vollendeten 45.) Lebensjahr dem zweiten Aufgebot des Landsturms Freilich kann aus dem ersten Aufgebot während eines Krieges im auſserordentlichen Bedarfsfall eine Ergänzung des stehenden Heeres und der Landwehr stattfinden, sobald die für jene bestimmte an .
Ersatz -Reserve zur Erhaltung des Kriegstandes nicht mehr aus reicht und für diese alle zu Gebote stehenden Jahrgänge vergriffen Eine Verwendung des Landsturms auſserhalb des Reiches
sind .
kann in Österreich-Ungarn nur durch Reichsgesetz und nur falls Gefahr im Verzuge durch den Kaiser erfolgen. 5. Das österreichische Gesetz sagt : um den Landsturm des völkerrechtlichen Schutzes teilhaftig werden zu lassen, solle der selbe in seiner Bekleidung »durch gemeinsame, aus der Ferne wahrnehmbare Abzeichen kenntlich gemacht werden «.
Wie wir
hören soll dieses Abzeichen in einer Armbinde bestehen. Das un garische Gesetz geht weiter. Es ordnet an : » Der Landsturm ist militärisch auszubilden und zu bekleiden « .
Das deutsche Gesetz ist am gründlichsten. Es bestimmt in § 22: » Der Landsturm ist in einer für jede militärische Verwendung geeignete Art zu bewaffnen , auszurüsten und zu bekleiden. «
Dem entsprechend erhält der deutsche, wie ja auch der unga rische eine Uniform und wird möglichst gut ausgerüstet und be waffnet. Österreichischerseits dürfte man allmählich wohl auch für eine Uniformierung des Landsturms sorgen , namentlich desjenigen gewisser gefährdeter Grenzprovinzen, in denen eine Verwendung des Landsturms schon mit Ausbruch des Krieges zu erwarten steht.
7. Eine eigenartige Bestimmung trifft das österreichische und ungarische Gesetz, indem es die Landsturmpflicht der Offiziere des
Ruhestandes und auſser Dienst nach Maſsgabe der Wehrfähigkeit bis zum 60. Lebensjahr ausdehnt. Wir glauben, daſs da, wo der Landsturm aufgeboten wird, die verabschiedeten Offiziere, welche
Landwehr und Landsturm
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noch leidlich bei Kräfteu sind, mitgehen liche Verpflichtung hierzu nicht vorliegt.
-
auch wo eine gesetz
Wie wir in Deutschland die Offiziere für den Landsturm auf
bringen werden, darüber verlautet noch nichts Sicheres, geleistet werden wird es natürlich! Sicher wird zur Besetzung der Offiziers stellen das Element verabschiedeter Unteroffiziere mit herangezogen
werden. In Österreich-Ungarn haben 1886 und 1887 beide Landes verteidigungs-Minister, denen mit der Landwehr zugleich auch der Landsturm unterstellt ist, kräftigst an der praktischen Ausführung des Landsturmgesetzes gearbeitet. Vom 1. Januar 1887 werden in allen Gemeinden
Sturm -Rollen
unterhalten und den Bezirks
Kommandos zugestellt. Gegenwärtig ist die Organisation völlig abgeschlossen. Über dieselbe verlautet vielmehr, als wohl je über diejenige unseres deutschen Landsturmes verlauten wird.
Die ungarische Landsturm - Einrichtung ist wieder um einiges vollständiger, als die österreichische. Gesetzes :
Der Satz des ungarisehen
> Die Cadres des Landsturms werden schon im
Frieden designiert « fehlt im österreichischen Gesetz. Eine gleiche Bestimmung ist auch im deutschen Gesetz nicht aufgenommen. Der ungarische Landsturm hat also Cadres, wenn auch nur ganz schwache. Er zeichnet sich auch dadurch aus, daſs er Kavallerie Abteilungen aufstellt, was in der anderen Reichshälfte nicht der Fall ist.
Die Kopfstärke dieser (92 ) Landsturm - Stämme beträgt zu sammen 664 Mann, darunter 20 Mann Kavallerie.
Jeder Land
sturmbezirks- Stamm beträgt 1 Lieutenant, 1 Feldwebel, 2 Unter offiziere (Schreiber) und 3 Soldaten. Die 10 Stämme der Landsturm Kavallerie sind bestimmten Bezirksstämmen zugeteilt und bestehen aus je einem Korporal und 1 Husar zur Kontrole der Bekleidungs und Ausrüstungsstücke.
Im Übrigen schlieſst sich in beiden Reichshälften ( gleich wie in Deutschland ) die Landsturm -Organisation eng an diejenige der Landwehr an . Die Landwehr-Kommandos sind gleichzeitig Land sturm - Territorial - Kommandos
ihres
Bezirkes.
Die
Landwehr
Bataillons-Bezirke sind zugleich Landsturm -Bezirke, und es sollen
den letzteren für das Landsturmwesen Landsturm - Bezirks-Kommandos entsprechen. Die Listenführung ist den Gemeinden übertragen. In jedem der 92 ungarischen und 92 cisleithanischen ( ein
schlieſslich Tyrol) Landwehr- Bataillons-Bezirke ist die Mobilisierung eines Landsturm - Bataillons ersten Aufgebots vorbereitet, welches als
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
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Auszugs- Bataillon aus ausgebildeten Männern des ganzen Bezirks gebildet wird . Die Auszugs- Bataillone (von denen in Ungarn noch ein zweites in jedem Bezirk aufgestellt werden soll) rücken mit 4 Compagnien aus, sind für Besatzungs-Etappen- und Garnison Dienst bestimmt und formieren auſserdem je 1 Ersatz -Compagnie.
Auſserdem ist die Aufstellung von Territorial - Bataillonen vorbereitet, welche sich aus Landsturmpflichtigen beider Aufgebote zusammensetzen und zwar unter Berücksichtigung der Gerichts- und anderweitiger Einteilung des Landsturmbezirks. Die Organisation des deutschen Landsturms lehnt sich ebenfalls an die der Landwehr an .
Über dieselbe ist Näheres nicht bekannt.
Sicher kann jeder Landwehr- Bataillons -Bezirk mehrere Landsturm
Bataillone, wenn nötig auch eine Schwadron, Feld- und Fuſs Artillerie-Compagnie aufstellen . Die Zahl der Landwehr-Bataillons Bezirke beträgt 286, wobei wir die Landwehr-Regiments -Bezirke Nr. I und Nr. II Berlin zusammen als 4 Bataillons -Bezirke, die
Regiments -Bezirke Cöln und Breslau I zu je 2 Bataillonen gerechnet haben .
Wenn man den gewaltigen Vorrat an völlig ausgebildeten Landsturmpflichtigen, über welchen Deutschland verfügt, bedenkt, so ist die Aufstellung von 300 Landsturm - Bataillone keine be -
sondere Anstrengung. Wenn wir nach zwei Fronten zugleich Krieg zu führen hätten , so würde es ganz gewiſs mindestens das
Doppelte sein, was wir aufbieten, und dann würde sicher auch
Landsturm -Kavallerie und Artillerie zur Aufstellung gelangen. Das Aufgebot des Landsturms dürfte nur unter ganz besonders ernsten Verhältnissen sich so entwickeln , daſs der Kaiser dasselbe
für das ganze Reichsgebiet gleichmäſsig anordnet. Man kann sich vielfach Kriegslagen denken, in denen der gesamte Landsturm irgend einer bedrohten Grenzzone oder einer bedrohten Küstenstrecke in
allen seinen verschiedenen Truppenabteilungen bis auf den letzten Mann zu den Waffen gerufen wird, während in anderen Provinzen
des Reiches nicht einmal das zweite Aufgebot der Landwehr auf gerufen ist. Das wird Jedermann begreiflich finden, der eine Vor stellung über die Notwendigkeit hat, namentlich während der Mobilmachungszeit der Feldarmee störende Einfälle feindlicher Truppen in das Grenzgebiet zu erschweren.
Gerade mit Rücksicht auf diese und andere Aufgaben hat man wohl auch in der deutschen Wehrgesetz -Abänderung vom 11. Fe bruar 1888 die Anordnung vermieden , daſs grundsätzlich erst die
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Landwehr und Landsturm
jüngeren und allmählich erst die älteren Altersklassen des Land sturms zum Heeresdienst einzuberufen seien .
Wir müssen ganz besonders darauf aufmerksam machen , daſs es der Landsturm zweiten Aufgebotes ist, der von beiden Aufgeboten
der kriegstüchtigere oder sogar der allein kriegstüchtige ist ! – Zum ersten Aufgebot gehören die Landsturmpflichtigen vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum 31. März desjenigen Kalender
1
jahres, in welchem sie ihr 31. Lebensjahr vollenden, soweit sie weder dem Heere (d. h. dem stehenden Heer, der Reserve, der Landwehr und der Ersatz -Reserve) noch der Marine angehören. Hieraus geht hervor, daſs das erste Aufgebot des Landsturmes
lediglich aus gänzlich unausgebildeten Leuten besteht, welche wahrscheinlich vornehmlich zur Bildung der Ersatz - Truppen für die Landwehr herangezogen werden dürften, um bei denselben vorerst eine militärische Ausbildung zu genieſsen. Zum Landsturm zweiten Aufgebotes gehören alle Wehrpflichtigen vom vollendeten 39. bis vollendeten 45. Lebensjahr. Da mit dem vollendeten 39. Lebensjahr die Dienstpflicht im Heere einschlieſslich
der Landwehr aufhört, so treten alle. Wehrpflichtigen
welche die
Dienstzeit im stehenden Heer und in der Landwehr vollendet haben
unmittelbar zum Landsturm zweiten Aufgebots über. Das zweite Landsturmaufgebot ist daher militärisch ungleich ver wendbarer , als das erste. Es setzt sich zusammen aus sechs Jahrgängen völlig ausgebildeter Leute und ferner aus dem militärisch wertvolleren Teil der Ersatz -Reservisten , nämlich dem
jenigen, der eine militärische Ausbildung genossen hat. Der § 15 des Gesetzes vom 11. Februar 1888 sagt nämlich ausdrücklich : »Die Zugehörigkeit der Ersatz-Reserve dauert zwölf Jahre . Nach Ablauf der Ersatz- Reservepflicht treten die Ersatz- Reservisten, welche geübt haben , zur Landwehr zweiten
Aufgebotes, die übrigen Ersatz - Reservisten zum Landsturm ersten Aufgebotes über. « Aus der Landwehr zweiten Aufgebotes treten die geübt habenden ehemaligen Ersatz -Reservisten, wie alle Land wehrmannschaften unmittelbar zum Landsturm zweiten Anfgebotes über . Dieser also (und nicht das erste Aufgebot) muſs gleich auf gerufen werden, wo es gilt, plötzlich von den Waffen des Landsturmes Gebrauch machen zu müssen , wie z. B. zum Schutz bedrohter Grenzabschnitte und Küstenstrecken , wie bei auſserordentlichem >
Bedarf an Etappen- und Besatzungs - Truppen . Der letzte Aufruf trifft diejenigen Landsturmpflichtigen zweiten -
in Deutschland und Österreich -Ungarn.
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Aufgebotes, welche gar keine militärische Ausbildung genossen haben
und die ohne eine solche vorerst auch nur z. B. für Wege- und Eisenbahnbau Arbeiter -Abteilungen verwendbar erscheinen. Mit Rücksicht auf die gröſsere kriegerische Verwendbarkeit des
Landsturm zweiten Aufgebotes mag auch das Gesetz vom 11. Fe bruar 1888 im § 24 ausdrücklich die Bestimmung enthalten . Der Landsturm zweiten Aufgebotes wird in der Regel in besonderen
Abteilungen formiert .«
Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine,
Rd , LXVII., 1 .
4
III.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877. Eine Erwiderung des Generals Paul Woronow. Aus dem Russischen übersetzt von
S. Beck.
Im Januar -Heft 1887 der » Russischen Starina « erschien ein
Aufsatz des Generals der Infanterie Baron v. Krüdener, *) betreffend meine im Jahre 1886 beim Stabe der Garde -Truppen und des Petersburger Militärbezirks und in der Ingenieur-Schule gehaltenen Vorträge. Indem der frühere Commandeur des 9. Corps diesen Gegenstand dem öffentlichen Urteil übergiebt, giebt er mir das Recht, einige Erklärungen in derselben Zeitschrift zu veröffentlichen . Bei aller Achtung vor den kriegerischen Verdiensten meines
litterarischen Gegners, sehe ich es als meine Pflicht an , vor Allem folgendes zu erklären : Erstens konnten meine im Generalstabe gehaltenen Vorträge nicht jenen Charakter tragen , welchen der Verfasser des Aufsatzes denselben beilegen will, da sie nur für
einen geschlossenen Zuhörerkreis bestimmt waren . Der in der Ingenieur-Schule gehaltene Vortrag war ferner durchaus nicht so reich an Einzelheiten , als dies bei den beiden Ersteren der Fall war .
Zweitens beruhen alle Voraussetzungen meines hochgeehrten
Gegners auf mündliche Mitteilungen und Zeitungs-Nachrichten , für deren völlige Zuverlässigkeit ich nicht einstehen kann. Dagegen sind meine Vorträge weder gedruckt noch aufgezeichnet. Da ich nicht die Ehre hatte , an dem Feldzuge 1877/78 teil zunehmen , war ich bemüht, in meinen Vorlesungen , gestützt auf die mir zu Gebote stehenden Aktenstücke, die Ereignisse, von denen *) Der Aufsatz des Baron Krüdener war in deutscher Übersetzung im Juli Heft der Jahrbücher 1887 erschienen .
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
51
ich sprach , rein sachlich zu behandeln , wobei ich jedoch durchaus keine Hintergedanken hatte gegen die Helden des letzten Krieges, in deren Reihen der Verfasser des Aufsatzes einen besonders ebren
vollen Platz einnimmt. Es ist nicht meine Schuld, wenn nach den Aktenstücken , die mir zu Gebot stehen , auf dem weiſsen Grunde 9
auch dunkle Flecken hervortreten .
Ich machte Niemand irgend
Indem ich die Thatsachen , so wie sie sich ereigneten , darlegte , überliefs ich es jedem Zuhörer selbst Folge welchen Vorwurf.
rungen daraus zu ziehen. Am Schlusse der Vorlesung führte ich das Urteil des General Kuropatkin über dieselben Vorgänge an, das seiner bekannten historischen Arbeit entnommen : » Plewna, Lowtscha und Scheinowo « , und gleichfalls die darauf bezügliche Antwort des
Generals Krüdener die im » Wojenny Sbornik « 1881 Nr. 3 erschienen ist. Eine einzige Stelle unterzog ich einer eigenen Untersuchung, worüber ich weiter unten sprechen werde,
das ist
die Vor
bereitung des Schlachtfeldes russischerseits und das Verhalten der Ingenieure. I.
Auf Seite 182 der R. St. (Jahrb. Juli -Heft Seite 37) hebt der Verfasser des Aufsatzes , damals Commandeur des 9. Corps , die
strategische Bedeutung der Festung Nikopol hervor und weist auf die Notwendigkeit von deren Einnahme vor dem Vormarsch auf Plewna hin .
Ich bestritt in meinem Vortrage nicht die Wichtigkeit dieses
Punktes. Ich habe nur den Umstand hervorgehoben, daſs nach der allgemein strategischen Erwägung es das Hauptquartier für not endig hielt, die Richtung auf Nikopol nicht unmittelbar von Sistowo aus, sondern über Plewna zu nehmen .
Die schriftlichen
Anordnungen an die Truppenteile der Armee lauteten bei dieser
Gelegenheit, wie folgt: » Am 25. Juni hat das 9. Corps die Donau zu überschreiten, und sich bei Sistowo auf dem Wege gegen Plewna zu lagern. *) Am zweiten Tage nach dem Übergang über den Fluſs solle das 9. Corps auf Plewna und Nikopol zu marschieren und am dritten Tage endlich das ganze Corps mit der kaukasischen Brigade nach Verfügung seines Commandeurs seinen Marsch fort setzen . **) Diese Bestimmung erteilte der erlauchte Oberkom mandierende persönlich dem Commandeur des 9. Corps beim Über gang über die Donau : » Zuerst Plewna besetzen , und dann zur -
*) Tagesbefehl an die Truppen der Operations -Armee für den 25. Juni 1877. **) Marschliste der Truppenteile der Operations -Armee im Juni 1877. 4*
52
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
Einnahme von Nikopol schreiten !*)
Der damalige Commandeur
aber des 9. Corps war von der Überzeugung durchdrungen , daſs zum Erfolg des Feldzuges man sich erst Nikopols bemächtigen müsse , wie dies auf Seite Nr. 182 des R. St. (Jahrb. Seite 37 ) gesagt ist , und unterlieſs es den Befehl des Oberkommandierenden zu vollziehen . Ebendaselbst heiſst es weiter ;
>Oberst Woronow macht
mir
den verspäteten Ausmarsch aus Nikopol zum Vorwurf , welcher in Anbetracht der Forderung des Hauptquartiers , Plewna so schnell wie möglich zu besetzen , nicht nur möglich, sondern unbedingt notwendig war« . Zur Herstellung der geschichtlichen Wahrheit bezeugt der Verfasser des Aufsatzes, daſs ein früherer Ausmarsch des 9. Corps aus Nikopol nach Plewna aus folgenden Gründen unmöglich war : die Verwundeten muſsten versorgt, die Truppen, welche stark im Kampfe gelitten , untergebracht, der Sanitätsdienst organisiert, die Gefallenen begraben werden ; die verbrauchte Munition ergänzen , die Festung in Verteidigungszustand setzen , 7000 Ge fangene und 700 Frauen und Kinder ernähren , daran denken , wie die Gefangenen fortzuschaffen, für deren Bedeckung und Verpflegung auf den Weg sorgen, über die gemachte türkische Beute verfügen .
Endlich konnten die rumänischen Truppen nicht die Donau über schreiten , um in Nikopol an Stelle der Truppen des 9. Corps zu treten , wie dies das Hauptquartier befohlen .
Alle erwähnten Angaben sind von groſser Wichtigkeit und zählte ich dieselben alle in meinen Vorträgen auf , als Beweis für die Notwendigkeit des späten Ausmarsches des 9. Corps von Nikopol nach Plewna, wobei ich drei Hauptursachen anerkenne : Erstens das Nichteintreffen der Rumänen, zweitens der Mangel an Munition **) und drittens das Vorhandensein von 7000 Gefangenen. Aus den vorhande nen Berichten ergiebt sich , daſs diese drei Hauptursachen in der Nacht
zum 9. Juli nicht beseitigt waren , als fast alle Truppen der Nikopoler Garnison ***) endlich nach Plewna ausmarschiert, denn , erstens die Rumänen hatten Nikopol noch nicht besetzt , woselbst sie erst am *) Die eigenen Worte des damaligen Oberkommandierenden. **) Der Commandeur des 9. Corps bezeichnet als Hauptursache, welche ihn auf Plewna zu marschieren hinderte, den Mangel an Munition, wie dies sein Telegramm an den Chef des Stabes der Operations -Armee vom 5. Juli unter Nr. 207/435 darthut, wo gesagt ist : Die Munition muſs notwendig vor dem Vor marsch nach Plewna ergänzt werden .
***) Mit Ausnahme von 20 Compagnien der Regimenter Pensa und Tam bow , 2 Batterien und 3/2 Sotnien des Kosaken -Regiments Nr. 34.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877 .
53
17. Juli *) eintrafen, zweitens die Geschütze mit Perkussionszündern rückten zu der Zeit aus Boneas und Alexandria aus, d. h . befanden sich in einer Entfernung von 110–80 Werst von Nikopol **) und drittens 6000 Gefangene und 700 Weiber und Kinder befanden
sich noch immer in Nikopol. ***) Folglich rührte die Verzögerung des Ausmarsches auf Plewna
nicht von diesen drei Hauptursachen her, sondern von den anderen obengenannten, die, wie ich zu denken mir erlaube, nicht so wichtig waren , daſs nicht wenigstens ein Teil der Truppen des 9. Corps am 5. Juli auf den Befehl des Oberkommandierenden hin hätte aus marschieren können .
Die weitere Darstellung der Ereignisse, die der ehemalige Commandeur des 9. Corps auf Seite 183 und 184 der R. St. (Jahrb. Seite 40 ) giebt, stimmt in vielen Punkten nicht mit den vorhandenen Aktenstücken überein , nach welchen sich die Ereignisse nach der Einnahme von Nikopol folgendermaſsen zutrugen.
Am 4. Juli , um 4 Uhr 20 Minuten Morgens, fiel Nikopol und sandte der Commandeur des 9. Corps dem Oberkommandierenden eine Depesche über die Einnahme der Festung. Als Antwort auf dieselbe schickt der Groſsfürst -Oberkommandierende an den Commandeur des
9. Corps, am 4. Juli, 2 Uhr 35 Minuten Nachmittags, aus Tirnowo , über Turno- Magureli nach Nikopol : Ihnen mit mir meine ganze Armee zu ; Sie sind ganzer Seele danke ich Ihnen und Ihren tapferen
ein Telegramm » Hurrah ruft ein Held , von Truppen. Be
fehlen Sie den rumänischen Truppen , sofort Nikopol zu besetzen ,
übertragen Sie Stolypin , der in Turno ist, mit der nötigen Zahl an Offizieren , die Beute festzustellen , selbst aber begeben Sie sich mit
den Truppen nach Plewna und erwarten Sie dort weitere Befehle. Die Gefangenen schicken Sie nach Bucharest, General Katalei zur Verfügung. Die Gewehre heben Sie in Nikopol auf, um die Bulgaren zu bewaffnen . «
Dieses Telegramm traf in Turno-Magureli in der Nacht zum 5. um 12 Uhr 35 Minuten ein, und wurde bei Tagesanbruch gegen
4 Uhr nach Nikopol an den Corps-Stab befördert. T) *) Telegramm des Hauptmanns Nowosilsky an General Nepokoitschitzky vom 17. Juli.
**) Depesche der Obersten Warpachowsky und Kannabach an den Artillerie Chef der Operations - Armee vom 6. - 8. Juli aus Bucharest. -
***) Gerade vor dem Abmarsch nach Plewna marschierten 1000 Gefangene unter Bedeckung der 9. und 10. Comp. des Regiments Tambow nach Sistowo (Tagebuch des Regiments ). +) Akten des Stabes des 9. Corps.
54
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
In unserem Hauptquartier wuſste man vom Ausmarsch der türkischen Truppen aus Widdin, aber darüber, wohin die Streitkräfte rückten , war nichts Bestimmtes bekannt ; das, was man dort
im
Hauptquartier) hauptsächlich wünschte, war, den Türken in Plewna zuvorzukommen , woselbst nach vorhandenen Nachrichten , sich eine unbedeutende Abteilung befand. Die obenerwähnte Thatsache be unruhigte den Oberkommandierenden sehr und war die Veranlassung, daſs ein zweites Telegramm *) an den Commandeur des 9. Corps abgeschickt wurde : » Geben Sie schnell Nachricht, ob Sie bald nach
Plewna vorgehen, « und weiter : »Es ist durchaus notwendig , sich schleunigst in Plewna vor einem möglichen Angriffe der Truppen aus Widdin zu decken.
Giebt es viele gefallene und verwundete
Dieses Telegramm traf in Turno Offiziere und Soldaten ?« **) ein und wurde drei Stunden Abends Uhr 10 um 5. am Magureli später dem Corps- Stab zugestellt. ***) Als Antwort auf die erste Depesche des Groſsfürsten schickte der Commandeur des 9. Corps
an den Stabschef der Operations -Armee folgendes Telegramm vom -
5. Juli, 2 Uhr 30 Minuten Nachmittags: » Für die Neunpfünder Batterien sind weder in den Kasten , noch in den Parks Geschosse mit Perkussionszündern ; ein Teil der leeren Fuhren und Kasten , die schon am 20. Juni nach Boneas von Alexandria geschickt waren ,
sind noch nicht zurückgekehrt .
Es ist notwendig, zuerst die
Munition vor dem Marsch nach Plewna zu vervollständigen, wo, wie verlautet , nach den von Oberst Tutolmin gemachten Mitteilungen, sich vier Bataillone Nisam mit Geschützen , 2 Schwadronen und 9
Tscherkessen befinden , die sich daselbst verschanzt haben. Es ist eine Bewegung von Truppen aus Sophia dahin zu bemerken .
Nikopol erwartete Verstärkung von dort und aus Widdin. « Weiter ist die Rede von der Aufstellung des 9. Corps. - Dieses Telegramm traf in Tirnowa am 6. Juli , 1 Uhr 50 Minuten Nachts ein.
Der Oberkommandierende , der sich darüber beunruhigte, daſs das 9. Corps nicht nach Plewna ausmarschiere und da keinerlei
Nachrichten, die darauf Bezug hatten, eintrafen, beauftragte seinen Stabschef, dem Commandeur des 9. Corps, am 5. Juli um 2 Uhr *) Ebenfalls Akten des Stabes des 9. Corps, Seite 14. **) In der Schlacht von Nikopol.
***) Die Beförderung der Depeschen über die Station Simniza war am 4 , 5. und 6. Juli eine äuſserst langsame, in Folge der vielen Depeschen, die sich in der Nacht zum 5. Juli auf dieser Station angesammelt hatten ; während des Alarms war diese Telegraphenstation zeitweilig aufgehoben worden und dadurch in der Folge eine Menge von Depeschen aufgehalten.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
55
40 Minuten Nachmittags ein drittes Telegramm *) zu senden : » Wenn Sie nicht augenblicklich mit allen Truppen nach Plewna aus marschieren können , so schicken Sie unvorzüglich die Kosaken Brigade Tutolmins und einen Teil der Infanterie dahin .
General
Adjutant Nepokoitschizki.« Dieses Telegramm war in Turno -Magureli am 6. Juli um 6 Uhr 10 Minuten Morgens angelangt und um 8 Uhr dem Stab des 9. Corps zugestellt.
Erst nach dieser dritten Depesche erfolgte der Ausmarsch der Truppenteile des Corps nach Plewna, wie dies in folgendem Befehl an den General Schildner -Schuldner, vom 6. Juli ausgedrückt war:
»In Folge eines telegraphischen Befehls vom Stabschef der Operations Armee muſs ein Teil des mir unterstellten Corps, sofort nach Plewna vorgeschoben werden , deshalb ersuche ich Euer Excellenz u. s. w.
Darauf erfolgte die Vollziehung des Befehls des dritten Telegrammes aus dem Hauptquartier, bezüglich des unverzüglichen Ausmarsches nach Plewna , erst am 6. Juli Abends , denn das Archangelsche
Regiment marschierte um 7 '/, Uhr aus, das Regiment Wologda um 6 Uhr Abends. ** )
Folglich war der Befehl des Oberkommandierenden nicht un verzüglich ausgeführt, wie dies der Verfasser des Aufsatzes auf Seite 184 der R. St. (Jahrb. Seite 40 ) sagt, und erfolgte erst auf das dritte Telegramm vom Chef des Stabes der Operations -Armee. Vom Empfang des ersten Befehles zum Abmarsch am 5. gegen 4 Uhr Morgens bis zur Vollstreckung desselben, nach dem dritten Telegramm am 6. um 6 Uhr Abends , waren 38 Stunden ver O
flossen . ***)
Auf Seite 183 der R. St. (Jahrb. Seite 40) heiſst es, daſs man
beim 9. Corps keinerlei Nachrichten über die Plewna drohende Gefahr hatte.
Statt dessen lautet das obenerwähnte Telegramm ,
*) Akten des Stabes des 9. Corps. **) Tagebuch des Archangelschen Regiments und die Beschreibung der Ereignisse des Regiments Wologda. ***) Erst am 7. Juli, um 8 Uhr 30 Minuten Abends , nach Ausmarsch der
Truppen des General Schildner - Schuldner auf Plewna , schickte der Commandeur des 9. Corps dem Oberkommandierenden ein Telegramm , daſs die Rumänen weder die Garnison in Nikopol liefern , noch die Gefangenen fortbringen könnten , und deshalb beabsichtige der Commandeur des 9. Corps, die erste Brigade der 31. Infanterie - Division mit 2 Batterien und 4 Sotnien zurückzulassen, mit den anderen Truppen aber beabsichtige er , nach Überführung der Verwundeten nach 9
Turno, morgen oder übermorgen dem General Schildner- Schuldner nach Plewna zu folgen .“ Diese Depesche erhielt man im Hauptquartier in Tirnowo am 9. Juli.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877 .
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welches der Oberkommandierende dem Commandeur des 9. Corps
geschickt: » Es ist durchaus notwendig, sich schleunigst in Plewna,
vor einem möglichen Angriffe der Truppen aus Widdin zu decken. < Wie oben erwähnt, traf diese Depesche beim Stab des 9. Armee Corps in der Nacht zum 6. Juli ein. Folglich war die Hindeutung auf die Gefahr, die Plewna bedrohte, genau angegeben. Auſserdem sagt der ehemalige Commandeur des 9. Corps in seinem Telegramm vom 5. Juli an den Stabschef der Operations -Armee: » Nikopol >
erwartete Verstärkung aus Widdin . «
Es ist klar , daſs nach der
Einnahme Nikopols von den Russen, die Verstärkung aus Widdin ebenfalls nach Plewna marschieren konnte , was damals von einer
schwachen türkischen Abteilung besetzt war. Hierbei sehe ich es als meine Pflicht an, noch ein Beweisstück anzuführen, welches zu meinem Bedauern von dem Verfasser des Aufsatzes auf Seite 183
der R. St. (Jahrb. Seite 40) verschwiegen wird und zwar : bei der Beschreibung von dem Vorgehen der Belagerungs -Artillerie aus Turno Magureli gegen Nikopol lesen wir auf Seite 10 der R. St.: > Am 5. Juli erhielt Oberst Antschuschin einen Bericht des Stabs-Kapitän
Stoletow, von der Batterie bei Karabi, daſs dort eine Bewegung der türkischen Armee bemerkt worden sei, welche, ohne Rachowo zu berühren, kehrt nach Süden gemacht habe. « Diesen Bericht vom 6. Juli hatte Oberst Antschuschin dem General Krüdener über
geben. *) Davon, daſs die 1. Brigade der 5. Infanterie -Division am Tag
nach der Einnahme von Nikopol, d. h. am 5. Juli, staffelweise auf Plewna zu » vorgerückt und hinter ihr her das Regiment Galitz,
wie dies auf Seite 183 der R. St. (Jahrb. Seite 40) gedruckt ist, davon ist in den Befehlen an die Truppen des 9. Corps nichts gesagt, sondern wurdezum 5. Juli dem Regiment Archangelsk nebst zwei Batterien , der Befehl erteilt, nach Gradeschti zu marschieren,
dem Regiment Wologda dagegen nach Schamli , **) d. h. westlich von Rachowo und Widdin , aber nicht nach Süden staffelweise auf Plewna zu , wie der Verfasser des Aufsatzes sagt.
Aus
diesen
Ortschaften , rückten beide Regimenter nach Plewna am 6. Juli Abends aus. ***)
Auf Seite 184 der R. St. ( Jahrb. Seite 40) ist gesagt, daſs als *) Beschreibung der Thätigkeit der Belagerungs - Artillerie bei Turno Magureli.
**) Journal des 9. Corps. ***) Beschreibung der Thätigkeit dieser Truppenteile am 6. Juli und der Befehl des Commandeurs der 5. Infanterie -Division am 6. Juli 1877.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
57
Antwort auf die erste Depesche des Oberkommandierenden » das 9. Corps habe anf Plewna zu marschieren , Nikopol den rumänischen
Truppen zu überlassen , « ein Bericht des Commandeur des 9. Corps erfolgte, daſs die Rumänen Anfangs die Donau nicht überschreiten wollten , da sie sich dem russischen Oberkommandierenden nicht als untergeordnet betrachteten und sie dies auſserdem nicht thun konnten
wegen Mangel an Fortschaffungsmitteln. Als Antwort auf diesen Bericht des Commandeurs des 9. Armee-Corps erfolgte ein Tele gramm aus dem Hauptquartier: » Unverzüglich zwei Regimenter zur Besatzung nach Plewna abschicken . « *) Nach den Aktenstücken dagegen liegt das Obenerwähnte wie folgt :
Als Antwort auf die erste Depesche des Oberkommandierenden
schickte der Commandeur des 9. Corps eine Depesche, daſs vor dem Ausmarsch nach Plewna , die Munition ergänzt werden müsse; das
Telegramm des Commandeurs des 9. Corps aber , daſs die Rumänen für Nikopol keine Garnison geben , noch die Gefangenen begleiten könnten, war am 7. Juli 8 Uhr 30 Minuten Abends abgesandt ,
d. h. nach Ausmarsch der Truppenabteilung des General Schildner Schuldner nach Plewna.
Was die Depesche anbetrifft, über die
Unmöglichkeit der Rumänen die Donau zu überschreiten , so war dieselbe nicht am 5. Juli abgesandt , wie dies der Verfasser des Aufsatzes besagt, sondern am 12., **) d. h . dann, als fast alle Abteilungen der Nikopoler Garnison sich schon bei Breslawiza vor Plewna befanden .
Folglich stimmt das auf Seite 184 der R. St. (Jahrb. Seite 40) dargelegte nicht mit dem Original der Depeschen aus dem Haupt quartier überein .
Auf Seite 184 der R. St. sagt der Verfasser des Aufsatzes, daſs es für die Russen unmöglich gewesen sei , Plewna vor den Türken zu nehmen . Die türkische Geschichtsschreibung erzählt, daſs Osman *) Diese Depesche war schon der vierte Befehl an den Commandeur des
9. Corps and gelangte erst am 7. , also nach dem Ausmarsch der Truppen , nach Nikopol. **) Das Telegramm des Commandeurs des 9. Corps an den Stabschef der
Operations -Armee aus Turno - Magureli nach Tirnowo, am 12. Juli um 9 Uhr 45 Minuten nach Mitternacht aufgegeben, kam um 7 Uhr 20 Minuten Nachmittags an. In dieser Depesche ist im Anfange auf die Unterhandlungen wegen der Be setzung Nikopols durch die Rumänen hingewiesen , sie schliefst damit : „es ist
notwendig diesen Truppen (rumänische) Mittel zum Übergang über die Donau zu liefern und ihnen fortwährend die Zufuhr von Verpflegungsmitteln zu verschaffen; Fuhren haben sie nicht. “
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Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
Pascha, als er aus Widdin ausmarschiert war, erst am 5. Juli Abends
Altemir verlieſs; * ) Altemir liegt 70 Werst von Plewna entfernt, Nlkopol aber 40. Ich überlasse es einem Jeden zu beurteilen , wer von den Beiden, die am 5. Juli auf diese Stadt vorrückten, Plewna früher hätte besetzen können.. Es ist klar, daſs, wenn die Truppen des General Schildner -Schuldner am 5. Juli, nach dem ersten Tele
gramm des Oberkommandierenden ausgerückt wären , sie zweifels ohne Plewna vor Osman Pascha erreicht hätten , und zwar am 6. Juli mit 12 Bataillonen, 18 Schwadronen und 40 Geschützen, daſs
sie die schwache türkische Besatzung von dort vertrieben, auf dem rechten hohen Ufer des Wid sich
festgesetzt und
die
vom
Gewaltmarsche entkräfteten Truppen Osmans bis zur Ankunft der übrigen russischen Truppen aus Nikopol zurückgedrängt hätten. II.
Auf Seite 185 der R. St. (Jahrb . Seite 41 ) sagt der Verfasser
des Aufsatzes: »Hauptsächlich macht man mir zum Vorwurf, daſs ich meinen eigenen, an Ort und Stelle gesammelten Angaben über
die Stärke der feindlichen Truppen mehr Glauben schenkte, als denen, die man im Hauptquartier von Oberst Artamonow erhalten und mir mitgeteilt haben sollte. Solche Angaben habe ich übrigens keine erhalten . «
Ich machte dem Verfasser des Aufsatzes keinerlei Vorwurf in
meinen Vorträgen ; ich beleuchtete nur die Thatsache, daſs die im Hauptquartier eingelaufenen Nachrichten über die Zahl der Türken in Plewna fast ganz mit den türkischen Quellen übereinstimmen **), daſs die Letzteren aber bedeutend von denen im 9. Armee - Corps erhaltenen Nachrichten abweichen.
Was das Ausbleiben der Angaben über die Stärke der Türken vor Plewna, aus dem Hauptquartier, an den früheren Commandeur des 9. Corps anbetrifft, so antworte ich mit einem Auszuge aus den Aufzeichnungen des Feldstabes des Commandeurs des 9. Corps vom
13. Juli, ***) wo unter Anderem gesagt ist : » Betreffs der Stärke des Feindes sind die Nachrichten verschieden. Nach Tutolmin's Angaben sind vor Plewna 60,000 Mann mit 65 Geschützen angesammelt. Euer Excellenz nehmen die Stärke auf 50,000 Mann an. Sowohl
das eine wie das andere mag wohl um das Doppelte vergröſsert sein. * ) Tal-At, Seite 11 , die kriegerischen Ereignisse bei Plewna. **) Tal- At, Seite 95.
***) Angelegenheiten des Stabes des 9. Corps Nr. 4 Seite 82.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
Schwerlich konnten die Türken 60 Tabore sammeln .
59 Man
kann
voraussetzen , daſs sie höchstens 40-45 Tabore hatten und dies macht nicht einmal 25,000 Mann Infanterie aus. *)
Die weitere Erörterung des Verfassers auf Seite 185—186 der
R. St. (Jahrb. Seite 41-42 ) über die persönliche Aufklärung des Commandeurs des 9. Corps, sowie über den Vorwurf, daſs ich einen
Hauptumstand im Kriege aufser Acht gelassen hätte – die Zeit, kann ich nicht auf mich nehmen , da ich in meinem Vortrage die persönlich ausgeführte Aufklärung keiner Prüfung unterzogen habe, da mir hierzu die notwendigen Aktenstücke fehlten .
Auf Seite 186 des R. St. (Jahrb. Seite 42) sagt der Verfasser des Aufsatzes, daſs die Truppen (Fürst Schachowskoi) der linken Kolonne nicht das Recht hatten vorwärts zu marschieren, so lange
die rechte Flanke (bei Griwiza) stillstand. Ich sagte allerdings in meinem Vortrag, daſs die Truppen des Fürsten Schachowskoi nach dem Charakter der Disposition das Recht hatten , den Angriff zu beginnen. Dieser Teil der Disposition **) lautet folgendermaſsen: » Die Truppenabteilung des Fürsten Schachows koi hat aus Poradim um 5 Uhr Morgens auszumarschieren, in der Richtung zwischen den Dörfern Sgaliz und Pelischat, die feindlichen Truppen , nördlich von Radischew, anzugreifen. Nach Fortnahme dieser Stellung hat der Truppenteil weiter auf Plewna vorzurücken ,
wobei der Versuch zu machen ist, Stellung auf den Höhen des linken, südlichen Ufers des Flüſschens Griwiza mit der Artillerie zu
nehmen, und von da aus den Feind, von Plewna lagert, in der Flanke Die weitere Handlungsweise ist mit Griwiza in Einklang zu bringen, mit Hat man diese Zeilen gelesen, so
der bei Griwiza und nördlich und im Rücken anzugreifen . dem Gang des Kampfes bei dem er eng verbunden ist. « wird es klar, daſs die Truppen
des Fürsten Schachowskoi, da sie am 18. Juli die Radischew'schen Höhen erreicht und sich auf denselben in Schlachtordnung auf
gestellt hatten, das Recht hatten, vorzumarschieren . *) Freilich war es damals im Stab des 9. Corps nicht unbekannt, daſs man im Hauptquartier Nachrichten über die Stärke und Stellung der Türken durch den Stabs -Offizier Oberst Artomonow sammeln liefs.
Anmerkung. Das Couvert mit diesen Angaben wurde dem Adjutanten vom Oberkommandierenden am 13. Juli Morgens in Tirnowo eingehändigt, zur Be
förderung an den Stab des 9. Corps, was auch am 14. Juli ausgeführt wurde. **) Disposition für den 18. Juli 1877.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
60
III .
Auf Seite 187--188 des R. St. (Jahrb. Seite 43-44 ) schreibt der Verfasser, daſs, als er am 18. Juli 1877 an die Artillerie heran ritt, alle Neunpfünder-Batterien und ein Teil der Vierpfünder schon in der Stellung aufgefahren waren ; die letzten Batterien befahl man zu entfernen, da deren Geschosse nicht bis zur Schanze reichten .
Eine bessere Stellung war in diesem Bereiche nicht aufzufinden . Als die Infanterie vorgeführt wurde, rückten die schweren und leichten Batterien mit ihr zugleich vor, und nahmen auf Schuſs weite im Halbkreise um die Schanze Stellung, in einer geringen
Entfernung von derselben, und schossen vorzüglich, wobei der Com mandeur des 9. Corps deutlich sehen konnte, wie die Kartätsch granaten vor der Schanze platzten.
In meinem Vortrage, bezüglich der Verwendung der Artillerie
der Griwiza-Truppenabteilung, muſste ich anf Grundlage der Rapporte der Commandeure der 5. , 30. und 31. Artillerie-Brigade über den Kampf und die Beschreibung der Thätigkeit dieser Brigaden , die
Thatsachen ganz anders zusammenstellen , als sie oben darge than sind .
So erweist sich nach diesen Aktenstücken die Verwendung der
Artillerie der Griwiza- Kolonne, wie folgt: Als der Commandeur des 9. Armee-Corps am 18. Juli um 9 '/, Uhr Morgens an die Schlacht linie heranritt, befanden sich nicht alle Neunpfünder-Batterien in Stellung, wie dies auf Seite 187 des R. St. (Jahrb. Seite 43) gesagt ist, sondern nur drei (die 1. , 2. und 3. Batterie der 31. Artillerie
Brigade) und ein Teil der Vierpfünder. Der erste Schuſs aus diesen Batterien erfolgte um 9 Uhr und 5 Minuten Morgens. *) Neunpfünder -Batterien gab es aber bei der Griwiza-Kolonne nicht fünf , wie dies auf Seite 187 des R. St. ( Jahrb. Seite 43 ) steht, sondern sechs, und zwar : die 1. und 2. Batterie der 5., die 2. Batterie
der 30. , die 1. , 2. und 3. Batterie der 31. Artillerie-Brigade. Gegen 1 Uhr Nachmittags war die 1. Batterie der 5. Artillerie-Brigade**)
in die Stellung vorgeschickt worden. In der ersten Stellung, die 1150–1500 Saschen ( 1 Sasche = 2,134 m) vom Feinde entfernt lag, konnte man , nach Beschaffenheit des Terrains die übrigen Neun pfünder -Batterien, an Stelle der auf Befehl des Commandeurs des
9. Corps zurückgenommenen Vierpfünder-Batterien, aufstellen. Gegen * ) Tagebuch des 9. Corps.
**) Beschreibung der Thätigkeit der Batterie der 5. Artillerie- Brigade, Seite 25. Bericht des Commandeurs der 5. Infanterie - Division vom 25. Juli .
Commandeurs der 31. Artillerie-Brigade vom 23. Juli.
Bericht des
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
61
4 Uhr begannen die Regimenter Pensa, Koslow und Tambow beide
Griwiza - Schanzen *) zu attackieren und erst nach 5 Uhr wurden die 2. Batterien der 5. und 30. Artillerie- ** )Brigaden auf die Stellung vorgeschoben und nach ihnen fast alle Batterien der Abteilung. ***) Folglich waren von sechs Neunpfünder- Batterien, von 9 Uhr Morgens bis 1 Uhr Nachmittags, drei in Thätigkeit, bis 4 Uhr vier; vor dem Angriffe blieben also noch zwei Neunpfünder -Batterien in der Reserve.
Es waren somit nicht alle Neunpfünder -Batterien der
Kolonnen von Anfang an in die Stellung vorgeschoben, wie dies der Verfasser des Aufsatzes sagt. Von der türkischen Stellung waren unsere. Batterien durch
zwei Teile, mit unserer Stellung gleichlaufende Abgründe getrennt: die Griwiza- und der Anfang der Bukowlew-Schlucht. Beide waren durch eine schmale Landstrecke getrennt, die, so zu sagen , den natürlichen Weg zu einer Vorwärts-Bewegung bildete. Bevor die
Artillerie in die zweite Stellung vorrückte, d. h . mit dem Beginn des Angriffs der drei obengenannten Regimenter, war die neue
Stellung für die Artillerie nicht gehörig eingesehen worden , denn , als sie vorging, ich weiſs nicht auf wessen Befehl, machte sie auf der schmalen Landenge Halt, auf der nur eine beschränkte Anzahl von Geschützen Aufstellung finden konnte. Auf diesem Raum standen die Batterien in den engsten Zwischenräumen , wobei ihre Flanken Dach beiden Schluchten herabhingen. t)
*) Auf Seite 188 und 190 des Aufsatzes des R. St. (Jahrb. Seite 44 und 46) wird darauf hingewiesen , die Türken hätten bei Griwiza eine Schanze gehabt, obwohl sie deren zwei hatten (Tal -At).
**) Beschreibung der Thätigkeit dieser Batterie am 18. Juli. ***) Mit Ausnahme der 6. Batterie der 30. Brigade, die mit dem Regiment Koslow vorgegangen war.
t) Man brauchte nur etwas weiter zu rücken, so hätten sich die Bedingungen verändert, doch nach der Disposition war es der Batterie verboten, ohne Befehl
vorwärts zu gehen (Disposition auf den 18. Juli 1877). Man wird sagen, es sei ein Leichtes, jetzt von meinem Zimmer aus über die
Aufklärung und über die Eigenschaft des Terrains abzuurteilen, wenn ich einen richtigen Plan vor mir liegen habe, aber im Gefecht ist es ein anderes Ding. . . Ich wäre vollständig mit der Richtigkeit dieser Behauptung einverstanden, wenn es in den Reihen des 9. Corps nicht Leute gegeben hatte, welche dieses Terrain auf
und ab durchwandert, auf demselben glänzende Siege errungen und die Türken Das Regiment Kostroma und die 5. Batterie der 31. Artillerie-Brigade vollbrachten in dieser Schlacht mit ihrem berühmten Batterie-Commandeur, dem Oberstlieutenant Sedlezky, Wunder der Tapferkeit und Geistesgegenwart . Soviel bekannt wurde keiner von denen, welchen das Terrain genau bekannt, darüber befragt; sondern man schickte
am 8. Juli auf demselben fast bis nach Plewna gejagt hätten .
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
62
Von der zweiten Stellung aus war die Vorbereitung des Angriffs in der allerkürzesten Zeit vollzogen . Als die obengenannten Re gimenter, die noch durch die 1. Brigade der 5. Infanterie- Division
verstärkt wurden, zum Bajonettangriff vorgingen, wurde nach 5 Uhr fast die ganze Artillerie vorgeschoben, um den Angriff der Infanterie zu unterstützen. Die Batterie wurde bis zur dritten Stellung in den
Bereich des starken Gewehrfeiers vorgeschoben. Um das Vorgehen von dieser Stellung aus vorzubereiten, bedurfte die Artillerie einiger Zeit, da die Infanterie, die kräftig vorging und mit ihren Vor truppen fast bis an die Schanzen gelangt war, sich unweit derselben legte und den Batterien mitteilte, sie sollten ihr Feuer nach dem früheren Ziel nehmen.
Da eröffneten die Batterien ihr Feuer auf
die feindlichen Batterien , die in einer beträchtlichen Entfernung standen .
Die vorteilhafteste Stellung hatte die 4. Batterie der
5. Artillerie-Brigade inne, die in der Stellung westlich von Griwiza stand und die erste Schanze beschofs.
Wahrscheinlich sah der Ver
fasser des Aufsatzes die Kartätschgranaten dieser Batterie platzen . Bald darauf fing es an zu dunkeln. *) Auf Grund der oben angeführten Thatsachen ist es durchaus nicht bewiesen , daſs beim
9. Corps am 18. Juli 1877 Anordnungen getroffen worden waren , nach welchen alle 110 Geschütze des Corps an der Einnahme der türkischen Stellung sich beteiligen sollten. Im Gegenteil waren alle Anordnungen in Bezug auf die Verwendung dieser Masse von Geschützen der Art, daſs sie ihrer Infanterie bei dem Angriff auf die beiden Griwiza - Schanzen nicht die gehörige Hülfe erweisen konnten. Von der ersten weiter entfernten Stellung während der langen Vorbereitung des Angriffes nahmen dabei von sechs Neun
pfünder-Batterien pur drei Teil, die später durch die Vierpfünder Von der zweiten Stellung war der Angriff in kürzester Zeit vorbereitet. Die Regimenter Pensa, Batterien verstärkt wurden .
Tambow und Koslow gingen zum Angriff über, von allen 14 Batterien des Corps aber blieben 8 in der Reserve, von denen 2 Neunpfünder
waren : die 2. der 5. und die 2. der 30. Artillerie-Brigade. Beim weiteren Angriffe wurden fast alle Reserve- Batterien in
die Schlachtlinie vorgenommen ; doch konnten sie ihren Bataillonen alle zur Ergänzung des Verlustes nach Nikopol trotz der Bitte des Oberstlieutenant Sedlezky, ihn am 18. Juli am Angriffe teilnehmen zu lassen . *) Tagebuch der 2. Batterie der 30. Artillerie- Brigade. Beschreibung der Thätigkeit der 2. Batterie der 31. Brigade. Beschreibung der Thätigkeit der 4. Batterie der 31. Brigade. Beschreibung der Thätigkeit der 5. Artillerie -
Brigade.
Bericht des Commandeurs der 2. Batterie der 5. Brigade vom 20. Juli.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
63
schon keine kräftige Hülfe mebr bringen, da die russische Infanterie die türkischen Schanzen verdeckte.
Erklärt man den Gang des Gefechts auf diese Weise, so ist ersichtlich, daſs von meiner Seite, der 5. , 30. und 31. Artillerie Brigade, kein Vorwurf gemacht werden konnte. Niemals tadelte ich die Artillerie der Griwiza - Kolonne. Ein Jeder, der meine Vor träge gehört hat, kann Zeugnis davon geben und hat der ehe malige Commandeur des 9. Armee- Corps Unrecht, das Gegenteil zu behaupten .
In Bezug auf den Rückmarsch nach dem Sturm, welcher nach
den Worten des Verfassers, >ohne unnützes Drängen und in bester Ordnung ausgeführt wurde, so daſs es keiner besonderen Kalt blütigkeit von Seiten des General Pochitonow dazu bedurfte, « Seite 188 des R. St. (Jahrb. Seite 49), erlaube ich mir mit einem Auszuge
aus dem Tagebuch der einen Artillerie - Abteilung, über den Sturm vom 18. Juli zu antworten, wo es heiſst: » Nachdem unser Angriff zurückgeschlagen worden , entstand in unserem Corps ein völliges Chaos. Schon begann es zu dämmern . Nicht nur die verschiedenen Teile der Regimenter und Divisionen gerieten untereinander, sondern sogar die Corps. Ja, streng ge
nommen, gab es keine Abteilungen mehr, nach Verlust der Vor gesetzten blieben nur undisziplinierte Haufen von Mannschaften übrig, die auseinanderliefen und sich vereinzelt vom Feinde ent Niemand wuſste fernten . Wohin sie gingen , wuſsten sie nicht es .
Es muſs mit Stolz hervorgehoben werden , daſs die 5. Artillerie
Brigade ein Beispiel von musterhafter Ordnung und Disziplin gab. Die Batterien verlieſsen die Stellung nicht anders, als auf Befehl des Brigade-Commandeurs und kehrten auf seinen Befehl zu der Stelle zurück, wo Anfangs die Reserve Aufstellung genommen hatte.
Um das Überhandnehmen der Unordnung zu verhindern , war es bei Todesstrafe verboten, im Trab zu reiten.
Als die Batterien alle
vereinigt waren , begann General Pochitonow , mit Hülfe der Offiziere, die Infanterie- Bedeckung zu sammeln. Nach zwei Stunden gelang es, indem man die vorübergehenden Soldaten aufhielt, eine bedeutende Anzahl zu sammeln , die sogleich in Abteilungen formiert wurden . Die Verwundeten legte man auf Lafetten und Munitionskarren und so marschierte die Brigade im Schritt in Kolonnen-Ordnung, ein Geschütz hinter dem anderen, weiter ; Offiziere und Bedienungs
mannschaften hatten ihre vorschriftsmäſsigen Plätze inne. Der Commandeur des 9. Corps, welcher zu dieser Zeit vorbeiritt, erteilte
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877 .
64
den Befehl nach Tursky - Tresnik zu marschieren , wo die Brigade auch bei Tagesanbruch, am 19. Juli, eintraf. « *) In meinen Vorträgen sagte ich niemals, daſs General Pochitonow die Stelle eines Chefs des Artillerie -Corps bekleidet habe, sondern
bemühte mich, dessen Leitung der Vierzig -Geschütz-Batterie im Centrum , während des Kampfes, am 3. Juli, zu beleuchten . Obwohl der ehemalige Commandeur des 9. Corps dessen militärischen Eigen
schaften Anerkennung zollt, und namentlich hervorhebt, er habe denselben zur höchsten militärischen Auszeichnung vorgeschlagen, so führt er doch zugleich Thatsachen an, die gewissermaſsen den wohlverdienten, kriegerischen Ruf des hochgeachteten Generals schädigen . Erstens in Bezug auf den Sturm am 18. Juli, wo ich eben erst bewiesen habe, wie sehr der Verfasser des Aufsatzes die
Verdienste des Generals Pochitonow, während der schweren Augen blicke des Rückmarsches, schmälert und wie wenig die Erklärung unseres Gegners mit den obenangeführten Aktenstücken übereinstimmt. Zweitens ist auf Seite 187 des R. St. ( Jahrb. Seite 43) gedruckt ,
daſs auch vor Nikopol alle Anweisungen des Commandeurs des
9. Corps für die Artillerie im Centrum General Kalatschew zur Aus führung brachte, nicht aber General Pochitonow ; nach den Worten unseres Verfassers suchte der letztere nur die Stellung aus und errichtete Schanzen zur Deckung für die Artillerie - Batterie im Centrum .
Im Bericht des Commandeurs des 9. Corps über den Sturm auf Nikopol ist darauf hingewiesen , daſs »unsere Batterien , unter
Leitung des Chefs des Artillerie -Corps, General Kalatschew , mit bemerkenswerter Ordnung und Ruhe von einer Stellung zur anderen übergingen, wobei sie alle Terrain -Hindernisse überwanden ;« **) dies wird jedoch durch die Berichte der Commandeure der 1. und 2. Batterie, der 5. und 1. , 2. und 3. Batterie der 31. Artillerie- Brigade nicht bestätigt, in welchen nirgends davon die Rede ist, daſs sie von 7
General Kalatschew befehligt wurden.
Die Leitung der Batterien
des Centrums aber während des Starms wird allein General Pochi
tonow zugeschrieben, der hierfür das Georgen-Kreuz erhielt. ***) Während seiner ganzen Thätigkeit im letzten Kriege gebührt General Pochitonow der Lorbeer für die Leitung der Artillerie im
Centrum vor Nikopol, für die Deckung des Rückzugs am 8. Juli *) Kurze Beschreibung des Marsches und der Thätigkeit der 5. Artillerie Brigade. Seite 27–28. **) Bericht des Commandeurs des 9. Corps über den Sturm auf Nikopol, ***) Bericht des Commandeurs dieser Batterien.
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877 .
65
und für die Kaltblütigkeit, mit der er am 18. Juli Abends seine Anordnungen traf. Auf Seite 188 des R. St. ( Jahrb. Seite 44) ist die Rede von
dem lauen Eingreifen der Kavallerie des Generals Loschkarew. Ohne auf die Einzelheiten der Handlungsweise dieser Abteilung einzugehen, erlaube ich mir dem Verfasser des Artikels folgende Fragen zur
Entscheidung vorzulegen : Welch eine Bezeichnung wird
er der
Thätigkeit der 10 Schwadronen und 6 leichten Geschütze geben , von denen , ohne Anderes zu berühren , während aller Thätigkeit des Corps vom 18. bis 19. Juli, auch nicht eine Spur von Kriegs berichten besteht ?
IV.
Auf Seite 189 des R. St. ( Jahrb. Seite 45) sagt der Verfasser des Aufsatzes, daſs es im 9. Corps keine Sappeure gab, und daſs die zum Sappeurdienst in den Regimentern ausgebildeten Mannschaften weder in besonderen Kommandos zusammengestellt waren , noch auch
Schanzwerkzeuge besaſsen. Statt dessen ist sowohl im Tagebuch der 1. Compagnie des 5. Sappeur - Bataillons, als auch in vielen schriftlichen Befehlen des Corps-Stabes aufgezeichnet, daſs diese Compagnie in einem Bestand von 3 Offizieren, 33 Unteroffizieren und 150 Soldaten unter dem Kommando des Lieutenants Jakoblew, sowie auch die zu einem besonderen Kommando zusammengestellten
Sappeure, in einem Bestand von 400 Mann mit Schanzwerkzeugen versehen, *) tüchtige Arbeiten aufzuweisen haben : das Errichten der Batterie bei Wubli, der Bau der Brücke über die Osma bei
Debo am 2. Juli, die Befestigung der Stellung bei Breslawiza nach dem 8. Juli und nach dem 18. Juli die bei Bulgareni. Auſserdem dienten sie den 550 Sappeuren in den Regimentern als Lehrer, was für das Corps nicht ohne günstige Folgen bleiben konnte. Weiter muſs ich wiederholen , daſs ich in meinen Vorträgen die Schlacht vom
18. Juli 1877 keiner kritischen Beurteilung unterzog ,
wie dies der Verfasser des Aufsatzes behauptet, sondern ich führte das Urteil des General Kuropatkin über die Schlacht und die
darauf bezügliche Antwort vom Verfasser des Aufsatzes an (Wojenny Sbornik 1881 Nr. 3). *) Tagebuch der 1. Compagnie des 5. Sappeur -Bataillons.
Befehl des Stab
des 9. Corps an den Commandeur der 1. Compagnie des 5. Sappeur- Bataillons und den Führer des kombinierten Kommandos für Sappeur -Arbeiten vom 6. Juli 1877, Tagebuch des Regiments Archangelsk. Befehl des Stabs des 9. Corps vom 7. Juli. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine .
Bd. LXVII., 1 .
5
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
66
Nur an einer Stelle erlaubte ich mir Folgendes auszusprechen : Nachdem der Befehl erteilt war , mit 20,000 Mann die be
festigte und von 50—60,000 Türken *) verteidigte Stellung anzu greifen, wie man sich dies damals im Stab des 9. Corps vorstellte,
wäre es richtiger gewesen, sich auf der Straſse von Bulgareni zu verschanzen, da 550 Sappeure als Leiter mit 6600 Schanzwerkzeugen zur Verfügung standen . Dann hätte man nach der wichtigen Richtung bin mit mehr Kühnheit manövrieren können und, indem
man die Truppen des Fürsten Schachowskoi wenigstens um drei Regimenter verstärkt hätte, konnte man, durch lebhafteres Gewehr und Artillerie- Feuer von Griwiza her eine Demonstration bewerk
stelligen . Der türkische Geschichtsschreiber sagt, **) daſs am 18. Juli Osman-Pascha seine ganze Reserve verbrauchte und die Kolonne des Fürsten Schachowskoi mit den letzten vier Compagnien schlug. So wie die Sachen bei dem Angriff standen , glaube ich, daſs wenn
man die Truppen des Fürsten Schachowskoi durch drei Regimenter verstärkt hätte, sich das Unternehmen zu unseren Gunsten ent
schieden hätte, und dann wäre der Übergang zum Angriff von Seiten der Türken von Griwiza gegen 15 Bataillone, die sich auf der Straſse von Bulgareni verschanzt hatten , nutzlos gewesen .
Jeden
falls hätte man die Stellung verschanzt, so wäre vielleicht kein Grund zum Rückmarsch nach Bulgareni vorhanden gewesen. In Bezug auf das Regiment Kolomna führt der Verfasser einige Zeilen aus einer Beurteilung meines Vortrages an :
>>Damals, als
durch einen verhängnisvollen Zufall, bedingt durch das Ungestüm der Ordonnanz des Fürsten Schachowskoi, das Regiment Kolomna, welches General Krüdener dem Fürsten Schachowskoi zugewiesen hatte, früher ins Feuer der Türken hineingerissen wurde, als es nach Radischewo angelangt,«, – dann folgt die Erzählung des Ver fassers, wie sich die Angelegenheit zutrug.
Ich erwähnte dieses Ereignisses in dem Sinne der Aufzeichnungen derjenigen Personen, welche der Commandeur des 9. Corps beauftragt hatte, das Regiment Kolomna zu führen , auf Grundlage des Tage buches dieses Regiments und der Beschreibung der Thätigkeit der 6. Batterie der 30. Artillerie-Brigade, die dieses Regiment begleitete. In der obenerwähnten Beurteilung, für deren Verantwortung ich natürlich nicht einstehen kann , sind einige Sätze ausgelassen.
Ein
*) Bericht des Commandeurs des 9. Corps an den Oberkommandierenden vom 14. Juli .
**) Tal - At, Seite 105 .
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
67
von mir gebrauchter Satz gleicht einem in jene Besprechung ge druckten und lautet ungefähr so : Es ist zu bedauern , daſs durch das Ungestüm des Offiziers, der vom Fürsten Schachowskoi mit dem
Verlangen um Verstärkung anlangte , ein verfrühter Angriff des Regiments erfolgte. Dadurch nämlich, daſs er den Punkt nicht anzugeben wuſste, wohin die Verstärkung zu schicken sei, wurde er
die Ursache, daſs das Regiment, welches Fürst Schachowskoi zur Verstärkung abschickte, früher ins Feuer hineingerissen wurde, als dies der Fürst wünschte, d . h . vor dem Eintreffen des Regiments in Radischewo, weil eben der schriftliche Befehl des Commandeurs des 11. Corps, nach dem Abmarsch des Regiments, ankam. V.
Zum Schluſs führt der Commandeur des 9. Corps meine Worte an, in Bezug auf die Recension Nr. 69 des > Russischen Invaliden « ,
wo gesagt ist, daſs nach der Schlacht am 18. Juli » die Stimmung der Truppen eine gedrückte war, sie fühlten sich gewissermaſsen schuldig « . Hierbei habe ich wieder mein Bedauern auszusprechen, daſs meine Vorträge nicht gedruckt sind, sondern einer Beurteilung unterworfen werden , für die ich nicht verantwortlich sein kann .
Die Worte, » sie fühlten sich gewissermaſsen schuldig« , habe ich nicht gebraucht, da der Zweck meiner Vorträge darin bestand, den Heldenmut aller Truppen an jenem Tage hervorzuheben. Um die
Stellung, welche die verschiedenen Truppenteile in Wirklichkeit einnahmen, zu erklären , werde ich nur einige Zeilen aus einem unparteiischen und wahrheitsgetreuen Bericht auf dem verflossenen Kriege anführen . Wir lesen auf Seite 14 : » Nach erhaltenem Befehl marschierte die Batterie am 20. Juli von Bulgareni nach Turski
Trestjanik, und hier war es uns beschieden , unseren Batterie- Feiertag zu begehen . Er war nicht fröhlich und nicht traurig. Wie her kömmlich wurde ein Te-Deum , dann eine Totenmesse für die Ge fallenen gefeiert. Der Geistliche bielt eine Rede, in welcher er sich bemühte, die Soldaten zu ermutigen ; doch sein Bemühen war frucht los, der Eindruck des verhängnisvollen 18. Juli war noch zu frisch in aller Gedächtnis. Still und trübe war es im Biwak ; man hörte weder singen, noch sah man heitere Gesichter. Erst nachdem der
Oberkommandierende, Groſsfürst Nikolai Nikolaijewitsch, einen Um ritt bei allen Truppenteilen gehalten hatte, wurde die Stimmung eine gehobene . Als die Soldaten seinen freundlichen Gesichts ausdruck sahen und den Ausspruch des Dankes für den Sturm am
18. Juli börten und als die Belohnungen, je drei Abzeichen des 5*
Die zweite Schlacht vor Plewna am 18. Juli 1877.
68
Militär-Ordens, auf jede Compagnie und Batterie, verteilt wurden, richteten sich Alle wieder auf . «
Dies sind meine Erklärungen , deren Richtigkeit durch die vor
handenen Akten unbedingt bewiesen werden. Dem Leser überlasse ich das Urteil, ob meine Folgerungen und die Gruppierung der Thatsachen mit den Behauptungen in dem Aufsatze meines Gegners in Widerspruch stehen. In früheren Zeiten stellten die Geschichtsschreiber nur die
hellen Seiten dar, und so kam es, daſs bei neuen Feldzügen sich die früheren Fehler wiederholten . Sogar die gepriesene Geschichte des Krieges 1870-71 vom deutschen Groſsen General-Stab führt
nur die glänzenden Heldenthaten der deutschen Armee an und ver schweigt alle schwachen Seiten .
Dabei wird nirgends auf Akten
stücke Bezug genommen .(?!) Die russischen Geschichtsschreiber der Neuzeit halten sich an eine ganz andere Art. Sie verbergen nicht die schwachen Seiten , und Dank ihrer Arbeiten vervollkommnet sich
die russische Armee unter der Leitung ihres Allerhöchsten Führers und dessen nächsten Gehülfen , die seit dem Kriege 1877–78 fleiſsig an ihrer Fortbildung arbeiteten. Auch ich folgte in meinen be scheidenen Vorträgen dem hohen Vorbilde unserer Geschichtsschreiber. Meine Arbeit wurde bedeutend dadurch erleichtert, daſs mir
unschätzbare Quellen zu Gebote standen, wie die Beschreibungen der Thätigkeit der verschiedenen Truppenteile.
Seit 1879 erhielten diese Darstellungen mehr Verbreitung, als der damalige Allerhöchste Chef des Garde- Corps, Seine Majestät der jetzt regierende Kaiser, und der Höchst -Kommandierende der Garde
Truppen und des Petersburger Militär-Bezirks in seinen Tages befehlen die besondere Aufmerksamkeit auf die notwendige Ein führung von Tagebüchern bei den Truppenteilen richteten .*) Dank diesen Zusammenstellungen gelang es mir, die Thatsachen in sach licher Form darzulegen ,
wie sie sich in Wirklichkeit zugetragen
haben.
*) In diesem Tagesbefehl ist unter Anderem gesagt: „Solche wahrheitsgetreue und systematische Aufzeichnungen sind ein kostbarer Schatz für die Kriegsgeschichte dieser teure Hüter der Kriegserfahrungen, dessen Erlernung für jeden Militar
besonders wie es jetzt mit dem Militärwesen steht, eine notwendige Bedingung bei Ausführung des Dienstes ist.
IV.
Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung Friedrichs des Groſsen. Es ist eine erfreuliche Erscheinung in der heutigen Litteratur wenn sie mit ebenso unermüdlichem Fleiſse wie durchschlagendem Erfolge die Sünden ihrer Vorgängerin gutzumachen und die von jener auf Grund falscher Voraussetzungen und einseitigen Quellen materials *) oft sehr verkannte und falsch beurteilte Kriegführung Friedrichs des Groſsen ins rechte Licht zu stellen sucht.
Wie sehr auch bezüglich einzelner selbst aus dem urkundlichen Material nicht völlig zu klärender, weil meist nur in Auffassung und intellektueller Thätigkeit einzelner Personen liegenden, Momente geistiger Natur die persönliche Auffassung noch ihre Herrschaft behauptet, **) – in einem Punkte treffen die Folgerungen aller mit Klarstellung der Fridericianischen Kriegführung sich beschäftigenden Federn zusammen , daſs Friedrich der Groſse als der über die
gesamte Menge seiner Zeitgenossen emporragende Schlachtenlieferer
der Vertreter einer Auffassung vom Kriege , seinem Wesen und Ziele ist , die durch den über andere Mittel verfügenden Napoleon einen weiteren praktischen Ausbau , durch Clausewitz ihre unüber troffene theoretische Behandlung erfahren hat.
Nicht nach dieser Richtung will jedoch die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Beurteilung der Fridericianischen Kriegführung liefern. Vielmehr hat sich dieselbe zur Aufgabe gestellt, diese auf einem mehr den – taktisch wenigstens
defensiven Charakter der
*) Vergl.: Die kriegsgeschichtliche Überlieferung über Friedrich den Groſsen, kritisch geprüft an dem Beispiel der Kapitulation von Maxen. Von Georg Winter, Berlin 1888.
**) Vergleiche hierüber den sehr beachtenswerten Aufsatz des Professors
H. Delbrück: Über den Feldzugsplan Friedrichs des Groſsen im Jahre 1757. (Beiheft zum Milităr -Wochenblatt. Jahrgang 1887. 10. Heft.)
70
Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
Kriegführung vertretendem Gebiet zu verfolgen , und in dem Ge brauche Friedrichs von den Festungen zur Unterstützung der Opera tionen der Feldarmee seine Bedeutung als Feldherr gegenüber seinen Gegnern und Zeitgenossen abzumessen. Die Möglichkeit, auf einem anderen , in gewissem gegensätz lichen Verhältnisse zum Offensivgeist des mit Recht bewunderten,
seiner Zeit vorausgeeilten Schlachtenlieferers stehenden Wege zum gleichen Ziele – dem Nachweis seiner Gröſse als Feldherr – zu gelangen, hatte ja an und für sich viel Verlockendes. waren
Nebenbei
es aber noch Zweckmäſsigkeitsgründe, welche dieser Be
trachtung den betretenen Weg anwiesen.
Denn auch bezüglich der
heute hochwichtig gewordenen Frage nach dem Verbältnis zwischen Festung und Feldarmee versagt das auf frühere Zeit zurückgreifende kriegsgeschichtliche Studium seinen auſserordentlichen Wert nicht. Es giebt zwar kein Kriegsmittel , das im Laufe der Zeit eine wechselvollere Wertbemessung und Pflege erfahren hat , als den Vertreter der leblosen Landesverteidigungskraft, die Festung . Schien doch gerade unser Jahrhundert des Fortschritts, das mit
Schaffung groſser nationaler Heere, Änderung der Armeeeinteilung, Taktik und Kriegsverpflegung, Vervollkommnung des Kommuni kationswesens und mit seiner auſserordentlichen Förderung der Waffentechnik in nie geahntem Maſse Leben und Bewegung in die Kriegführung trug, dazu berufen , die starre Schöpfung der per manenten Fortifikation unter den Standpunkt der Gleichberechtigung mit den übrigen Kriegsmitteln herabzudrücken . Doch nur mit vorübergehendem Erfolg. Der Krieg 1870/71 setzte die Festungen wieder aufs glänzendste in ihr Recht , indem er sie im Lichte höchst wertvoller Stützpunkte für die Staaten verteidigung erscheinen lieſs, als welche wir sie auch heute noch
zu betrachten haben . Allerdings erfolgte dieser Wiedererstehungs Vorgang nicht ohne neue Änderungen hinsichtlich der Wechsel beziehungen zwischen Festung und Feldarmee, und es wird wohl weiterer Erfahrungen bedürfen , um die heute noch auseinander
gehenden Anschauungen gröſserer Übereinstimmung und jener Mitte zuzuführen , welcher sich die maſsgebende Beurteilung dieser Frage in unserer Armee hinneigt.
Bis dahin ist es auch auf diesem Gebiete die Kriegsgeschichte, welche die Grundlage für die einschlägigen Würdigungen abgeben kann und wirklich abgiebt, wenn wir nur verstehen , das der jeweiligen Zeit und Kriegführung Eigentümliche von dem zu trennen,
Friedrichs des Groſsen.
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was das nach Bedürfnissen und Endzielen ewig gleich bleibende Wesen des Kriegs als unwandelbare Grundsätze hinstellt. Wenn wir aber bei der auſserordentlichen Thätigkeit , die alle Staaten in der fortifikatorischen Sicherung ihrer Gebiete entfalten, zu dem Schlusse berechtigt sind , daſs in einem künftigen Kriege die Festungen eine bedeutende Rolle spielen und die Operationen der Feldarmee wesentlich beeinflussen werden ,
warum sollten
wir nicht in der Kriegsgeschichte jene Blätter gerne nachschlagen , die eine die Festungen ebenfalls stark in den Vordergrund stellende Zeit behandeln , – die Zeit des siebenjährigen Krieges ? Die damalige Kriegführung trägt eine hohe Gebundenheit und Einschränkung der Beweglichkeit sowohl hinsichtlich der strate gischen wie der taktischen Maſsnahmen zar Schau . Mehr noch -
vielleicht als das Miſsverhältnis zwischen einer Unzahl von Festungen und der noch geringen Stärke der Heere war es in ersterer Richtung
die Magazin verpflegung , in letzterer die starre schwerfällige Lineartaktik , welche ihren hemmenden Einfluſs auf die Opera tionen ausübten .
Das Fünf- oder Neunmärschesystem ,
-
diese durch die Ver
hältnisse aufgedrungene Erfindung damaliger Zeit -, kennzeichnet
deutlich genug die Rolle der Magazine, wie man ihretwegen häufig statt zu schlagen , das Endziel des Krieges aus den Augen verlor, manövrierte . Sie waren die verwundbarsten Stellen der Armee,
suchten daher vorzugsweise die schützenden Mauern der Festungen und lenkten die Aufmerksamkeit und Unternehmungen des Gegners
auf diese. So bildete die Verpflegung das Band , welches Feld armee und Festung in inniger Beziehung erhielt und eine Bedeutung
gewann, welche die Klarheit über den strategischen Entscheidungs akt nur allzuoft verdunkelte , die Feldtruppen dem Schutze der Festungen dienstbar machte und die Behauptung oder die Weg nahme eines festen Platzes oft wirkungsvoller und begehrenswerter erscheinen lieſs, als einen Erfolg im Felde.
Besonders zeigte sich dies bei den Österreichern , die auf ihre Überlegenheit und gröſsere Nachhaltungsfähigkeit pochend nur allzu sehr dem Ermüdungsverfahren huldigten und ihre Operationspläne
meist mehr auf die Mitwirkung ihrer Verbündeten als auf eigene Leistungen stützten. Zu dem konnte am Gängelbande, mit welchem
das Wiener Kabinett und der in der österreichischen Kriegsgeschichte so berüchtigt gewordene Hofkriegsrat die Armeeführer leiteten und deren Aktionsfreiheit einschränkten , die rasche entschlossene That
des Feldkrieges nicht gedeihen und muſste sich einem Gebiete
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Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
zuwenden , auf dem der zeitraubende Schriftverkehr zwischen der
Hofburg und dem Hauptquartier gleichen Schritt mit den Ereignissen des Kriegsschauplatzes zu halten vermochte.
Mit Recht konnte
daher Clausewitz von ihnen sagen , daſs sie immer die Scheu vor der schnellen Entscheidung und dem Menschenverluste , immer die ganz unbegründete Hoffnung bekundeten , durch die Mitwirkung der Zeit die Ungewiſsheit und die Gefahr einer Schlacht zu vermeiden.
Anders lagen die Dinge auf preuſsischer Seite, besonders in den ersten Feldzugsjahren, wo die noch gröſsere Leistungsfähigkeit des Landes und die Politik der Kriegführung weniger enge Schranken zogen. Friedrichs Operationen , auf ein System wohl verprovian tierter Festungen gestützt oder sich zwischen diesen abspielend, erhielten gröſsere Freiheit.
Diese auszunutzen , war seinem offen
siver angelegten und auf ausschlaggebende Handlungen hinstrebenden Geist nicht nur zusagend, sondern die gröſsere Beweglichkeit schien auch für ihn um so höheres Gebot , als er nur auf diesem Wege das numerische Miſsverhältnis zwischen seinen und den gegnerischen Kräften abzuschwächen vermochte.
Gerade damit aber sicherte er
sich die Anerkennung seiner geistigen Überlegenheit, vor der wir wiederholt die Thatkraft seiner Gegner sich beugen, entscheidenden Handlungen aus dem Wege gehen und sich mit einem leichteren
Erfolg versprechenden Unternehmen gegen eine oder die andere Festung begnügen sehen , nur um beim Abschluſs des jeweiligen Feldzugsjabres irgend ein Ergebnis verzeichnen zu können.
Dennoch vermochte auch Friedrich sich nicht vollständig der Beziehungen zu entledigen, in welche ihn die Verpflegungsrücksichten zu seinen Festungen brachten . Gründe der Zweckmäſsigkeit, Politik und Disziplin verboten ihm , die in Zeiten des äuſsersten Bedürf nisses und der gröſsten Märsche zu Hilfe genommene Quartier
verpflegung *) zur Regel werden zu lassen . So brachte die not wendige Stützung der Operationen auf genügende und gesicherte Magazine auch ihn und seine Armee immer wieder in ein gewisses
Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Festungen , dessen Berechtigung er auf Grund der im Jahre 1744 gelegentlich es Marsches vach Budweis gemachten Erfahrungen in seiner » Histoire de mon temps mit den Worten niederlegt : » Pour bâtir l'édifice d'une armée , il faut se souvenir que le ventre en est le fondement. «
Ergab sich so aus Verpflegungsrücksichten schon eine groſse Ge bundenheit der Armeen an die festen Plätze, so schien überdies die *) Marsch nach Schlesien nach der Schlacht von Roſsbach.
Friedrichs des Groſsen .
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Lineartaktik dazu einzuladen , aus jener Not eine Tugend zu
machen . Durch sie in eine unbewegliche, überraschenden feindlichen
Maſsnahmen ziemlich ohnmächtig gegenüberstehende , schwer zu bildende und noch schwieriger zu ändernde Schlachtordnung ge
bracht, hatte man auf Flankenanlehnung und Rückensicherung erhöhten Bedacht zu nehmen. Wie wenig Handlungen auf dem zu betrachtenden Kriegsschauplatze auch unter den Mauern von Festungen ausgefochten wurden , so häufig finden wir doch Schlacht stellungen auf rückwärtige Festungen gestützt oder durch seitwärtige ?
in der Flanke gesichert. Und wenn auch diese Beziehung zwischen den beiden Gröſsen
der Feldarmee und Festung oft nicht zur Kampfhandlung führte und überdies von Friedrich eine andere Ausbeute erfuhr als von den
Österreichern, so spricht dieses eben neuerdings für die bereits erwähnte geringe Neigung letzterer zur Feldschlacht und für die
Verschiedenheit der beiderseitigen Kriegführung, welche auf preuſsi scher Seite unter dem Offensivgeist eines unternehmenden Feldherrn
und einer schon im Frieden zu höherer Bewegungsfähigkeit heran gebildeten Armee einen wesentlich anderen Charakter gewinnen muſste.
Auf dieser Seite wurde bereits jene Wandelung in der
strategischen Bedeutung der Festungen angebahnt , die in der
Napoleonischen Zeit unter den gröſseren, durch Rücksichtnahme auf Magazin verpflegung weniger gebundenen und daher beweglicheren Heeren zum Ausdruck kam.
Auch die Art der damaligen Heeresergänzung , die nur im Winter der Armee ihren nötigen Ersatz zuführte, und das als unerläſslich erachtete Beziehen von Winterquartieren trugen wesentlich dazu bei , den Festungskrieg in gröſserer Blüte zu er halten . In ihm erblickte man ein treffliches Mittel zur Ausfüllung und lohnenden Verwertung jener Zeit , während welcher man sich zu schwach zu Operationen im Felde fühlte oder die jungen
Truppen auf die kommenden Feldzugsanforderungen vorbereiten wollte.
Neben diesen allgemeinen aus der Art der damaligen Krieg führung entspringenden Verhältnissen waren es überdies noch Gründe besonderer Art, welche den schlesischen Festungen im siebenjährigen
Kriege besondere Bedeutung und gröſseren Einfluſs auf die Opera tionen der Feldarmee zuwiesen .
Vor allem der Kriegszweck.
Er faſste preuſsischerseits die
Erhaltung, österreichischerseits die Wiedereroberung von Schlesien ins Auge,
ein Ziel, das den Schwerpunkt der Operationen immer
Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
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wieder an die österreichisch - schlesische Grenze verlegen und die dortigen Festungen zum Brennpunkt der gegenseitigen Maſsnahmen machen muſste.
Auſserdem stempelte die Kräftegruppierung von Friedrichs Feinden Schlesien zu einem hervorragend wichtigen Bestandteil des gesamten Kriegsschauplatzes. So lange nicht Österreich im Besitze von Sachsen , Russland in jenem des preuſsischen Ostgebietes war, - und beide Voraussetzungen trafen nie in genügendem Maſse zusammen
- , muſste die Vereinigung der österreichischen und
russischen Streitkräfte auf schlesischem Boden gesucht werden. So blieb während des ganzen Krieges jede Spanne Landes in Schlesien von einer Bedeutung, die ebenfalls wieder seinen Grenzfestungen einen besonderen Wert und die Aufgabe eines Rahmens zuwies, innerhalb dessen die Operationen der Feldarmee sich jener Ver einigung widersetzen und sich in einer gewissen Abhängigkeit von den festen Stützpunkten bewegen muſsten . Letztere traten hiermit in das Verhältnis des Flankenschutzes für die inneren Linien , auf
welchen sich die preuſsische Armee den gegnerischen Bestrebungen vorlegte. Die gleiche Aufgabe einte die tote und lebende Landes verteidigungskraft zu harmonischem Handeln. Endlich war es das Stärkeverhältnis Friedrichs gegenüber seinen weit überlegenen Feinden , aus welchem im dritten schle
sischen Kriege eine ganz ungewöhnliche Bedeutung der Festungen hervorging. In der thatsächlichen Bekundung des Grundsatzes, daſs
die Leistungsfähigkeit einer Armee sich aus physischer und moralischer Kraft und Bewegung zusammensetzt, ist Friedrich wohl von keinem Feldherrn übertroffen worden. Nicht allein, daſs er trotz der früher
erwähnten gebundenen Gestaltung der damaligen Kriegführung seine Kräfte durch die eigene Beweglichkeit vervielfältigte, suchte er von der Spärlichkeit der Straſsen und der Empfindlichkeit der rück wärtigen Verbindungen unterstützt jene des Feindes möglichst zu beeinträchtigen. Festungen und Flankenstellungen finden nach dieser Richtung im siebenjährigen Kriege die ausgiebigste Ver wendung, vorwiegend in Schlesien, wo wiederholt die Ent scheidung des Krieges lag. Es würde nun freilich zu weit führen, alle schlesischen Festungen
und die einzelnen Beziehungen , in welche dieselben zu den Opera tionen der Feldarmee traten, in das Bereich unserer Betrachtungen
zu ziehen. Es mag daher genügen , jene Festung einer besonderen Würdigung in dieser Hinsicht zu unterwerfen, welche nach ihrer
Friedrichs des Groſsen.
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Lage zu einer besonders hervorragenden Rolle berufen war, Schweidnitz .
Die defensive Aufgabe, vor welche sich Preuſsen in Schlesien
und der Grafschaft Glatz gestellt sah, hatte vor allem mit der Möglichkeit eines Angriffes von Mähren oder von Böhmen aus zu
rechnen . Gegen ersteren kehrte sich die Festungslinie Glatz -Neiſse Cosel, gegen letzteren Schweidnitz und Glatz, wobei jedoch jenem
die wichtigere Lage an den unmittelbar von Prag nach Breslau führenden Straſsen und an der Senke zwischen dem Riesen- und
Eulengebirge zufiel.
Der Angriff von Böhmen aus hatte die gröſsere Wahrschein lichkeit für sich. Drangen die Österreicher vor, so blieb ihnen selbst nach Wegnahme der einen oder anderen Grenzfestung noch ein 90–120 Kilometer langer Raum bis Breslau zu durchschreiten, auf den sie möglicherweise mit der Zwischenlinie Schweidnitz-Brieg zu rechnen hatten .
Der Offensive von Böhmen über Schweidnitz
lagen die Verhältnisse günstiger. Sie hatte die kürzeren und un mittelbaren Verbindungslinien mit den verbündeten Armeen, eine
breitere Operationsbasis und war nach Wegnahme des genannten, nicht besonders starken Platzes, ohne festen Zwischenpunkten zu begegnen, nur noch 50 Kilometer von der schlesischen Hauptstadt entfernt.
Sie befand sich ferner mit Schweidnitz im Besitze des an
Hilfsquellen aller Art und starken Stellungen reichen schlesischen Gebirgslandes und dadurch eines Abschnittes, der mehr materielle
Vorteile und gröſsere Sicherheit gegen einen Rückschlag gewährte, als inan vom südlichen Grenzgebiete Schlesiens erwarten durfte. Denken wir uns aber
und wir sind bei dem unternehmenden
Geiste Friedrichs und seiner Abneigung gegen reine Defensive hierzu berechtigt – das Gesetz der Operationen, wie es wirklich geschah , von Preuſsen ausgehend , so muſsten sich diese ebenfalls über Sachsen hinweg in Böhmen entwickeln . Nicht von Schlesien ans, wo ihm nur eine schmale, durch zwei Gegner eng eingeschnürte Operationsbasis zur Verfügung stand, und nach Mähren konnte
Friedrich offensiv vordringen auf ein Gebiet, das ihn von dem Mittel punkte der ringsum drohenden Gefahren weit abgeführt hätte.
Bei der politischen Lage, welche Schweden, Russen, Österreicher, die Truppen der Reichsarmee und Franzosen gegen ihn herauf beschworen hatte, muſste er ein Operationsfeld wählen, das mehr im
Mittelpunkt des ganzen Kriegsschanplatzes lag, von dem aus er je nach Bedarf sich gleich rasch der Defensive in Schlesien widmen oder einer seiner Neben -Armeen zu Hilfe eilen konnte .
Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
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Friedrichs Offensivfeld war somit Böhmen , wo er überdies den
Vorteil genoſs, Sachsen zum Schutz seiner Provinzen als weites
Hinterland und Verpflegungsbasis zu besitzen.
Hatten sonach die
Operationen ihren Anfang in Böhmen genommen und gerieten sie für die preuſsische Armee in Rückfluſs, so unterlag es keinem Zweifel, daſs sich die Österreicher nach der Art ihrer mehr dem Bodengewinn als der Entscheidungshandlung hinneigenden Kriegführung alsbald ihrem eigentlichen Zwecke, der Eroberung Schlesiens, sei es von Böhmen , sei es von Sachsen ans, zuwenden würden .
Damit war
wieder Schweidnitz die wichtigste Rolle unter den schlesischen Festungen zugewiesen . Aus dieser ganz allgemeinen Erwägung der politischen und Kriegslage ergiebt sich die Reihe der Aufgaben, welche für Schweid nitz erwachsen konnten. Mit Magazinen reich versehen, Stützpunkt für die auf der wahrscheinlichen Angriffslinie operierenden Truppen, Grenzmarke des Offensiv- und Defensivfeldes und deshalb beim
Wechsel der kriegerischen Lage leicht von höchster Bedeutung schien es zu ganz besonderer Thätigkeit und zu hervorragendem Einflusse auf die Operationen der Feldarmee berufen . Es konnte letzteren äuſsern in seiner Eigenschaft als Grenz
festung durch Freimachung eigener und Binden feindlicher Kräfte, als Verpflegsmagazin durch seine Anziehungskraft auf die Feld
truppen und schlieſslich als ein Glied in der strategischen Berechnung, sei es als Ursache, Zweck oder zur Unterstützung operativer Maſsnahmen .
Der Feldzug von 1756, der schwache Anfang der kommenden
groſsen Ereignisse, hatte Schlesien unberührt gelassen. Durch Friedrichs Wachsamkeit war den Gegnern zuvorgekommen, preuſsi scherseits die Initiative gewonnen und durch die Folgen des Tages
von Lowositz und die erzwungene Kapitulation der sächsischen Armee Friedrichs Operationsbasis an die sächsisch-böhmische Grenze verlegt worden .
Die Offensive Schwerins, welcher mit 27,000 Mann Schlesien
und das Glatzer Land deckte, und dessen geplante Vereinigung mit der Hauptarmee bei Prag kamen bei dem eingetretenen Aufenthalte letzterer in Sachsen nicht zustande. Schwerin zog sich Ende Oktober
in die Gegend von Neiſse zurück. Schweidnitz war das Binde glied zwischen ihm und der Armee des Königs, die ihre Cordon stellungen ostwärts bis Landshut ausdehnte.
Diese Aufstellung bildete den Ausgangspunkt für die Operationen des Jahres 1757, welche Friedrich – unter Beiziehung der Truppen
Friedrichs des Groſsen ,
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Schwerins in vier Kolonnen nach Böhmen vorbrechend mit der siegreichen aber verlustvollen Schlacht von Prag eröffnete (6. Mai). -
Das Eingreifen Daun's endete jedoch durch die Schlacht von Kolin
(18. Juni) und deren Folge, die Aufhebung der Einschlieſsung von Prag (20. Juni), den kaum begonnenen Siegeslauf. Von dem Drucke des österreichischen rechten Flügels sah sich Friedrich bald (Anfangs
August) aus Böhmen auf die Linie Dresden-Bautzen zurückgedrängt und von Schlesien abgeschnitten, zu einer Zeit, wo die drohenden Bewegungen und einzelne Erfolge der Reichsarmee und der Fran
zosen ihn mit einem groſsen Teile seiner Truppen abberiefen . Der Herzog von Bevern sollte Schlesien decken, eine
Auf
gabe, die dessen schwache Armee unter seiner im Geiste der Zeit
befangenen Führung gegenüber dem dreimal stärkeren Gegner nicht zu lösen vermochte.
Im Gefechte bei Moys (7. September) zu
weiterem Rückzuge gezwungen , war es sein erstes, das Gebirge und die Verbindung mit Schweidnitz aufzugeben, um
wie er sagt
– den Gegner in die Ebene herauszulocken , in Wirklichkeit aber, um mit knapper Not noch vor diesem eine Stellung bei Breslau za erreichen und dort » die extrémité « abzuwarten .
Auf diesem Rückzuge und Verfolgungsmarsche begegnen wir dem ersten Einflusse von Schweidnitz auf die Operationen der beiderseitigen Armeen .
Die Sünde, den ohnehin schwachen Bevern
noch zur Abgabe von 7 Bataillonen zur Verstärkung von Festungs besatzungen veranlaſst zu haben, teilt es zwar mit Brieg, Glatz, Neiſse und Cosel. Dagegen kann es für sich allein den Ruhm be
anspruchen, den Österreichern, welche trotz ihrer immer noch ver bleibenden doppelten Stärke sich mit Schweidnitz im Rücken mit
Bevern nicht zu messen wagten , 30,000 Mann unter Nadasdy ent zogen zu haben, welche vom 13. Oktober bis 12. November seine
Belagerung bethätigten und durch ihren am letzteren Tage voll zogenen Sturm die Übergabe erwirkten. Dals thatsächlich Schweidnitz und die Ablenkung der auf
seine Bezwingung verwendeten Kräfte es waren, welche den in zwischen erfolgten Stillstand der Operationen Herzog Karls veran laſsten , geht zweifellos daraus hervor, daſs sich letzterer unmittelbar nach dem Falle von Schweidnitz und der Rückkehr Nadasdy's zur Schlacht anschickte, welche die Niederlage Beverns ( 22. November) zur Folge hatte. Die Art und Weise, wie man nun österreichischerseits letztere auszunutzen unterlieſs, um zur Belagerung von Breslau zu schreiten , beweist deutlich , wie sich die Österreicher nicht um der strate
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Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
gischen Entscheidungshandlung, sondern um einer Festung willen zur Schlacht aufgerafft hatten. Wähnten sie sich doch mit Breslau, dessen Übergabe schon zwei Tage nach der Schlacht erfolgte, in unbestrittenem Besitze von Schlesien . Doch nur für kurze Zeit. Schon am 5. Dezember nahm Friedrich
bei Leuthen mit seiner » Berliner Wachparade « blutige Rache an den Siegestrunkenen und lieſs dieselben, am 7. selbst vor Breslau
rückend und dessen Übergabe in 12 Tagen bewirkend, durch Zieten nach Böhmen zurückjagen.
Das kleine Schweidnitz vermochte
dabei die Aufgabe, der in voller Auflösung ankommenden öster reichischen Armee als Sammelplatz zu dienen, nicht zu lösen . Ob es für Friedrich bestimmend war, bei Leuthen seinen Angriff auf den gegnerischen linken Flügel zu richten, läſst sich nach den
Äuſserungen des groſsen Königs selbst immerhin noch bezweifeln . So hatte sich Preuſsens König durch seinen kühnen Zug und den Erfolg von Leuthen neuerdings in den Besitz von Schlesien
gebracht. Nur Schweidnitz war in österreichischen Händen ge blieben und
bildete
noch
einen Stein
des Anstoſses
für
die
Operationen des kommenden Jahres. Ob sich diese gegen Böhmen oder Mähren richten wollten, immer schien sein Wiedergewinn für Friedrich dringendes Gebot, in ersterem Falle zur Stütze der
Offensive, in letzterem zur Ermöglichung der Schlesien und die rückwärtigen Verbindungen gegen Böhmen sichernden Stellung von
Landshut. Zudem gab die Beschäftigung mit dieser Festung ein treffliches Mittel ab, die Österreicher in ihrem Glauben zu bestärken, daſs sich die preuſsische Offensive im
Jahre 1758 wieder gegen
Böhmen richten werde.
Entgegen dieser Vermutung gedachte jedoch Friedrich nach der Einnahme von Schweidnitz überraschend nach Mähren vorzu
brechen, um dort entweder Olmütz wegzunehmen und den Weg nach Wien zu öffnen , oder Daun aus seiner befestigten Stellung bei Königgrätz ebenfalls nach Mähren zu locken, Böhmen dadurch
von österreichischen Truppen zu entblöſsen und dem Prinzen Heinrich dort freie Hand zu verschaffen.
Da sich nach der Wegnahme Breslaus die Belagerung von Schweidnitz teils wegen der Jahreszeit, teils aus Rücksicht auf
den Zustand, das Ruhe- und Ergänzungsbedürfnis der Truppen nicht sofort bethätigen lieſs, wurde einstweilen Generallieutenant v. Foaqué mit der Einschlieſsung dieser Festung betraut. Schon Mitte März eröffnete jedoch Tresckow die Belagerung, zu deren Deckung der
König mit 30,000 Mann eine Stellung bei Landshut bezog ud
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Friedrichs des Groſsen .
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seine Abzweigungen bis Braunau erstreckte, um dort die Verbindung mit Fouqué herzustellen , der nunmehr die Grafschaft Glatz vom Feinde säuberte.
Am 18. April ergab sich Schweidnitz und jetzt erst konnte
sich die Feldarmee frei erachten, ihre Offensive gegen Mähren ein zuleiten .
Sie blieb ohne Erfolg.
Die Belagerung von Olmütz,
durch spätes Eintreffen des Belagerungsgeschützes sehr verzögert, durch Laudon in ihren Verbindungen mit Schlesien schwer ge schädigt, vom anrückenden Daun bedroht, muſste am 1. Juli auf gehoben werden .
Nun vollzog Friedrich, um den gegnerischen Anprall von Schlesien abzulenken, . jenen ebenso meisterhaften als glücklichen Rückzug in eine Stellung bei Königgrätz, in dessen weiterer Folge es ihm möglicb ward, Daun noch Wochen lang vor dieser fest zubannen, und so - das leicht begreifliche und stete Bestreben des Königs den Unterhalt der beiderseitigen Kampfparteien dem Feinde aufzubürden .
Am 9. August machten jedoch Verpflegungsrücksichten und die Offensive der Russen den Rückzug auf Landshut notwendig, wo der Markgraf Karl mit 38,000 Mann zur Deckung Schlesiens stehen blieb, während der König mit 12,000 Mann eilte, Dohna gegen die
Russen zu verstärken . War es nun die Achtung vor Schweidnitz und der Flankenstellung des Markgrafen, welche Daun von der Offensive auf Schlesien abhielt, oder die Hoffnung, in Verbindung mit der Reichsarmee den Prinzen Heinrich bei Dresden vernichten und sich auf sächsischem Boden den Eintritt in Schlesien eröffnen
die Österreicher wandten sich gegen Sachsen. Nur Neiſse und Cosel wurden von ihnen eingeschlossen. Friedrichs Schnelligkeit und Thatkraft fand in dieser ver wickelten Lage die schönste Gelegenheit, sich in vollem Glanze zu entfalten . Er schlägt die Russen bei Zorndorf (25. August), kehrt nach Sachsen zurück und zwingt durch Bedrohung des Magazins von Zittau Daun zum Abzug auf Hochkirch, eilt nach dem hier
zu können,
-
erlittenen Überfall ( 14. Oktober) nach Schlesien, um Neiſse und Cosel zu entsetzen und vertreibt, sich abermals nach Sachsen wendend , die Österreicher auch aus diesem Lande.
Trotz des Verlustes der Provinz Preuſsen konnte der König mit
Genugthaung auf die Erfolge des Feldzugs 1758 zurückblicken , als er im Dezember die Winterquartiere bezog, in denen er mit 51,000 Mann auf der Linie Löwenberg - Schweidnitz stehend die Sicherung Schlesiens gegen Böhmen übernahm , während Fouqué
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Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
mit 14,000 Mann zwischen Leobschütz und Ratibor die Zugänge aus Mähren besetzt hielt.
Um so düsterer gestaltete sich der Blick in die Zukunft. Der Feinde wurden nicht weniger und ihre gewonnene Kriegserfahrung bildete einen mächtigen gegen Friedrich aufstehenden Gegner, nach dem in seinem eigenen vieler alter Soldaten beraubten Heere junge Offiziere und ausländische Elemente einen allzuschlechten Ersatz
bildeten, um nicht die Operationspläne zu beeinflussen . So begegnen wir denn im Feldzuge 1759 einem Wendepunkte in dem Verhalten Friedrichs, einer wohlbedachten Abschwächung der eigenen Initiative, der Begünstigung einer abwartendeu Bereit schaft und kleinerer Unternehmungen auf die Magazine des Feindes bei Beginn des Feldzuges, um sich dann jeweils dem gefährlichsten Gegner zuzuwenden und dessen Fehler auszunutzen. Gewiſs eine deutlich sprechende Anerkennung des Grundsatzes, daſs Wege und Ziele der Kriegführung Hand in Hand mit den zu Gebote stebenden Mitteln gehen müssen . Damit blieb es den Verbündeten überlassen , die ersten Schritte
zur Ausführung ihres Operationsplanes zu bewerkstelligen, der dahin abzielte, daſs der Hauptteil der Österreicher den König festhalten , und die Vereinigung mit den Russen anstreben, die durch Österreicher und Franzosen verstärkte Reichsarmee aber Sachsen erobern, die Franzosen Hannover gewinnen, die Schweden von Norden her vor
dringen sollten. Zur Erreichung des ersteren Zwecks drohte Daun von der
Stellung Nachod -Neustadt- Jaromier aus mit einem Einfall in Schlesien. Die Besetzung der Flankenstellung von Landshut seitens des Königs jener Stellung, welche im Verein mit Schweidnitz die Zugänge aus dem nördlichen Böbmen sperrt und deshalb während des ganzen
siebenjährigen Krieges eine so hervorragende Rolle spielte es bei jener Drohung bewenden.
liels
Dennoch verlor dieses Thor Schlesiens seine Anziehungskraft für die Österreicher auch dann nicht, als sie sich Anfangs Juli beim Anmarsche der Russen zur Vereinigung mit ihnen in Bewegung setzten, Friedrich dagegen unter Zurücklassung Fouqué's ( 19,000 Mann) bei Landshut die Stellung von Schmottseifen einnahm. General Deville war nämlich mit 26,000 Mann und der Aufgabe, in Schlesien zu operieren, in der Gegend von Jaromier verblieben und führte in ungemein kühner Weise, in der linken Flanke von Landshut her, in der rechten von Schweidnitz bedroht, seine Offensive bis zu
nächst Freyburg. Hier setzten Entsendungen Fouqué's durch un
Friedrichs des Groſsen .
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mittelbare Gefährdung und Sperrung der Zufuhrlinie von Trautenau seinem Marsche ein frühes Ziel. Nach vergeblichem Versuche, sich durchzuschlagen , entkam Deville nur auf Umwegen nach Böhmen. Während es nun hier, an der böhmisch - schlesischen Grenze, zu gegenseitiger Beobachtung mit sich allmählich verminderndem Kräfte aufwand kam , vollzogen sich im Anschlusse an die unglückliche
Schlacht Wedells bei Kay auf dem benachbarten Operationsgebiete mit der Niederlage von Kunersdorf und der Kapitulation Finck's bei Maxen weitere schwere Schädigungen Friedrichs, die ihn auch für das Jahr 1760 in seinem früher besprochenen, durch numerische
Minderzahl aufgedrungenen Verhalten bestärken muſsten . In Sachsen wollte er selbst, in Schlesien sollte Prinz Heinrich, der in weiter Ausdehnung von Reichenbach über Lauban bis Glogau und Crossen stand, den Maſsnabmen des Feindes begegnen .
Österreichs Plan war dem gegenüber auf den Gewinu von Schlesien und die hier zu bethätigende Vereinigung mit den Russen gerichtet eine Aufgabe, die Laudon zufiel, während Daun den König in Sachsen festhalten sollte. Vorkehrungen gegen die Russen ,, die Befürchtung eines gegnerischen Einbruchs durch die Lausitz, vielleicht auch allzugroſses Vertrauen auf die Stellung von Landshut und die Grenzfestungen Schweidnitz und Glatz bewirkten, daſs Laudon nur mit dem General Fouqué zu rechnen hatte, als er mit
dreifacher Überlegenheit Ende Mai zur Belagerung von Glatz auf brach . Die Sicherungsstellung, welche er zu diesem Behufe bei Frankenstein nahm und seine Entsendungen über Zobten machten
Fouqué für Schweidnitz und Breslau besorgt und veranlaſsten ihn , seine bei Landshut und Freyburg stehenden Truppen bei Kant zum Schutz der beiden Festungen zu vereinigen.
Als Laudon unmittelbar hierauf, nachdem die Belagerungs vorarbeiten bei Glatz beendet waren , in die Grafschaft zurückging, bezog Fouqué eine Stellung südlich Schweidnitz , um von hier aus nach beiden Seiten die Anmarschlinien auf Breslau zu decken , muſste
aber alsbald dem Befehle Friedrichs gemäſs zur Wiedereinnahme der Stellung von Landshut schreiten, das inzwischen eine österreichische
Abteilung besetzt hatte. Wie Schweidnitz vorher die Befürchtungen Fouqué's bezüglich eines Vormarsches des Feindes von Glatz auf Breslau nicht hintan
zuhalten vermocht hatte, so hinderte es auch jetzt nicht, daſs der selbe von Laudon vollständig eingeschlossen und nach heftigster Gegenwehr erdrückt ward .
Es bildete ferner - und dies ist ein
bezeichnender und Landon ehrender Gegensatz mit den öster Jahrbüchor für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVII . , 1.
6
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Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
reichischen Anschauungen des Jahres 1757 – kein Hindernis, daſs dieser sofort bis Liegnitz vordrang und sich dann nach dem Falle
von Glatz in Verbindung mit dem dort frei gewordenen Belagerungs Corps mit der Einschlieſsung Breslaus beschäftigte. Die Tapferkeit Tauentzien's und die sich stets zwischen Russen
und Österreichern bewegenden Operationen des Prinzen Heinrich hatten hier jedoch bereits zur Aufhebung der Einschlieſsung geführt, als auch Friedrich seinen mit Daun an Schnelligkeit wetteifernden Marsch nach Schlesien antrat.
Beider Ziel war Schweidnitz ,
für ersteren aus Gründen , die in Taysens Beiträgen Zur Beurteilung des Siebenjährigen Krieges « eingehende Erörterung finden . Daſs er sich von Daun an der Katzbach überholt sah und nicht mehr durch
zudringen vermochte, dafür fand er eine genügende Entschädigung in der Laudon bei Liegnitz beigebrachten Niederlage, die freilich nicht verhindern konnte, daſs dieser bei Striegau, Daun bei Hohen poseritz und Krazkau zur Deckung der sofort bethätigten Ein
schlieſsung von Schweidnitz neuerdings Stellung nahmen. Diese Maſsnahme überzeugte Friedrich, der inzwischen auf Breslau gegangen und sich aus der Armee des Prinzen Heinrich
verstärkt hatte, daſs er auf die erwartete Entscheidungsschlacht nicht hoffen dürfe.
Er beabsichtigte nun, sie herbeizuführen , und
rückte gegen die rechte Flanke Daun's bis Wernersdorf vor. Dieser
besetzt Domanze und die starke Stellung des Zobtenberges, die an zugreifen für Friedrich wohl Vermessenheit gewesen wäre. Letzterer entschlieſst sich vielmehr zu einer Flankenbedeckung, die er mit einem kühnen, bis Langenseiffersdorf geführten Nachtmarsch bewerk stelligt. Der allzu vorsichtige und sich vor dem Feldherrntalent seines Gegners beugende Daun weicht abermals aus, hält Schweidnitz
für entsetzt und geht auf die Linie Burkersdorf-Freyburg an dem Fuſs des Gebirges zurück. Die hiermit befreite Festung Schweidnitz gewinnt in den
nun folgenden wechselweisen Offensivbewegungen Friedrichs, vor welchen Daun allmählich in das Gebirge zurückweicht, Friedrich aber die erstrebte Schlacht nicht gewährt, eine ihrer interessantesten Verwertungen während des ganzen Krieges. Auf dem Marsche Friedrichs nach Bunzelwitz giebt sie Verpflegungsvorrat und dient als Flankendeckung – bei dessen Umgehung des österreichischen
linken Flügels über Kauder und Baumgarten bildet sie gewisser
maſsen als Defensivflügel das Hindernis für eine die Verbindungen Friedrichs bedrohende Schwenkung des Gegners nach vorwärts beim Stoſs auf Hohengiersdorf ist sie der Rückbalt des kühnep
3
Friedrichs des Groſsen .
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Unternehmens. Gewiſs ein lehrreiches Bild über das Zusammenwirken
von Festung- und Feld -Armee zu freiem ungebundenem Handeln. Während kurz darauf die Offensive der Russen gegen Berlin
den Schwerpunkt des Krieges aus Schlesien verlegte und den König und Daun aus ihrer gegenseitigen Beobachtungsstellung im schle sischen Gebirge abberief, blieb Laudon allein mit etwa 30,000 Mann
zur Wiederaufnahme der Operationen in Schlesien zurück . Dieser wendet sich, den General Wolffersdorf zwischen Landshut und
Schweidnitz lassend , zur Einschlieſsung von Cosel, zieht sich aber vor dem zum Entsatz anrückenden General Goltz in die Grafschaft
Glatz zurück, wie auch Wolffersdorf das Eintreffen des letzteren bei
Schweidnitz nicht abwartet, sondern anfangs bis Landshut weicht, um bald darauf die Winterquartiere in Böhmen zu beziehen . Im Jahre 1761 übernahm der König selbst die Deckung
Schlesiens, wohin er den österreichischen Hauptangriff gerichtet glaubte. So sehen wir ihn sich anfangs Mai bei Kunzendorf west
lich Schweidnitz dem von Laudou bis Waldenburg geführten Marsch vorlegen und nach einer kurzen rückgängigen Bewegung des Letzteren die Centralstellung von Pilzen, hart bei Schweidnitz, beziehen , von welcher aus er sowohl in nördlicher wie südlicher
Richtung einer gegnerischen Offensive begegnen zu können hoffte. Dies hinderte Laudon jedoch nicht, bei der Annäherung der
Russen die bei Oppeln geplante Vereinigung mit ihnen über Franken stein anzustreben .
Friedrich, von Pilzen aufbrechend, schiebt sich
dazwischen, vereitelt durch seine Bewegungen die Absichten der Gegner, erfährt aber zu spät deren nunmehrigen Plan, sich unter balb Breslau die Hand zu reichen, um dessen Ausführung noch begegnen zu können. Als er über Strehlen und Kant zwischen Jauer und Neumark ankam, hatten die Russen bereits bei Leubus
die Oder überschritten und die Gegend von Liegnitz erreicht, -
befand sich Landon, unbekümmert um das nahe Schweidnitz , schon in der Stellung von Kunzendorf, aus welcher er sich vor
Furcht, noch vor der Vereinigung mit jenen angegriffen zu werden , nicht herauswagte.
Unter den Augen Friedrichs, der es verschmähte, die Russen während eines sechstägigen Zögerns Laudon's anzugreifen, vollzog sich endlich bei Jauer die Zusammenführung der feindlichen Heere, welche mit ihrer Gesamtstärke von 130,000 Streitern , die nur 55,000
Mann zählende preuſsische Armee zu erdrücken drohten . In dieser gefahrvollen Lage, wo das numerische Miſsverhältnis jeden Gedanken an Offensive auf preuſsischer Seite ersticken muſste, 6*
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Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
schien Zeitgewinn die einzige Auskunft, um aus dem Mangel har
monischen Handelns bei den Gegnern Früchte zu ernten . Dies führte Friedrich zur Beziehung des Lagers von Bunzelwitz, durch dessen fortifikatorische Verstärkung und Anlehnung an die Festung Schweidnitz er einen bedeutenden Zuschuſs defensiver Kraft und
Sicherstellung der eigenen Verpflegung gewann, während er zugleich Schweidnitz und Breslau deckte und sich die Möglichkeit der Offensive erhielt.
Die Russen lagerten sich ihm gegenüber von
Oelse über Striegau bis Laasan , Laudon zwischen Zirlau und Bögen dorf, mit seinem rechten Flügel fast unter den Kanonen VOD Schweidnitz .
Die Rechnung Friedrichs auf die Uneinigkeit seiner Gegner und den notwendiger Weise zu erwartenden Verpflegungsmangel derselben schlug nicht fehl. Als die österreichischen Magazine den gesteigerten Anforderungen nicht mehr nachkommen konnten , zog der Hauptteil der Russen ab, ohne daſs die verschiedenen Beratungen Butturlin's und Laudon's etwas anderes gefördert bätten, als weit läufige aber unausgeführt gebliebene Angriffsentwürfe auf Friedrichs feste Stellung Laudon ging unmittelbar hierauf gegen Waldenburg zurück. Um ihn ganz aus Schlesien zu verdrängen, unternahm Friedrich eine Scheinbewegung gegen Mähren, die den weiteren Zweck verfolgte, sich wegen erschöpfter Leistungsfähigkeit der Schweidnitzer Gegend und Magazine dem wohlversehenen Neiſse zu nähern. Kaum hatte er das Lager von Bunzelwitz und die Nähe von Schweidnitz
verlassen , so brachte Laudon diese Festung durch Überrumpelung in seinen Besitz.
Ungünstiger wie seine Vorgänger schloſs damit der Feldzug 1761 für Preuſsen. Die Geldquelle in England war versiegt, Glatz und Schweidnitz , die Sperre Schlesiens gegen Böhmen bin, be fanden sich in Feindes Hand und auch auf den übrigen Kriegs
schauplätzen hatten Friedrichs Gegner festeren Boden gewonnen. In diese schlimme Lage trug der Tot der Kaiserin Elisabeth von Russland eine bessere Wendung. Der neue Zar, Peter III .,, schloſs Frieden mit Preuſsen und stellte ihm 20.000 Mann Hilfs
truppen , Schweden trat vom Kriegsschauplatz ab, die Armee von Pommern wurde frei, Türken und Tataren versprachen Hilfe und
Kriegserklärung gegen Österreich. Die Hoffnung auf letzterer Hilfe erfüllte sich nun allerdings nicht, immerhin aber hatte Friedrich freiere Hand und ein günstigeres Stärkeverhältnis, wenn auch nicht
Friedrichs des Groſsen .
85
die von Clausewitz behauptete Überlegenheit gegenüber den Öster reichern gewonnen .
Mit ihrer Verfolgung des Ermüdungsverhaltens waren letztere selbst an den Rand der Erschöpfung gekommen, und es galt nun für Friedrich bei der voraussichtlich bald eintretenden Friedensgeneigtheit des Wiener Hofes sich vor allem wieder in den Besitz von Schweid nitz und des von den Österreichern besetzten Teiles von Schlesien
zu bringen . Wie früher mit den verfügbaren Mitteln , so suchten
des Königs Pläne Übereinstimmung mit der Politik. Bei Annäherung der russischen Hilfstruppen rückte Friedrich aus seiner Versammlungsstellung nächst Breslau gegen die Stellung vor, welche Daun zur Deckung von Schweidnitz auf der Linie Krazkau -Zobten eingenommen hatte. Dies genügte, um letzteren zu bestimmen, an den Fuſs des schlesischen Gebirges zurückzugehen und eine Stellung von Bögendorf bis Freyburg zu beziehen, die zu
stark schien, um ohne bedeutende Übermacht, ohne groſse Verluste und ohne ein in dieser Stunde nicht mehr angezeigtes Wagnis von Friedrich angegriffen werden zu können. Wie im Jahre 1760 sollte Daun aus ihr herausmanöveriert
werden. Die über Hohenfriedberg angesetzte Umgebung des gegne
rischen linken Flügels und Entsendungen zur Bedrohung der Rückzugs linie und des Magazins von Braunau verfehlten nun zwar ihre
Wirkung nicht , führten aber auch nicht das gewünschte Ergebnis Daun schwenkte um den Stützpunkt Schweidnitz im l rte Vie rückwärts , nahm die starke Stellung Burkersdorf - Dittmanns
herbei .
dorf - Charlottenbrunn und dadurch die Mitte der zu deckenden Punkte Schweidnitz und Braunau .
Da die angeordneten Brandschatzungen in Böhmen Daun nicht zum Verlassen dieser Stellung bewogen , das Magazin in Braunau gut gesichert, der linke österreichische Flügel für einen Angriff zu stark war, entschloſs sich Friedrich oder ward vielleicht durch den
befohlenen Abzug der Russen dazu gedrängt, das moralische Gewicht
ihrer Anwesenheit noch zu einem Angriff auf Daun's rechte Flanke zu benutzen .
Von der inzwischen eingenomnienen Stellung auf den Höhen
von Hohengiersdorf geht ein Teil der preuſsischen Truppen fast unter den Kanonen von Schweidnitz , dessen Besatzung auf Kosten der Feldarmee noch um 10,000 Mann verstärkt worden war, auf die
Creisauer Höhen. Dieser Maſsnahmefällt der rechte Flügel der
Österreicher zum Opfer, Daun giebt weiteren Widerstand auf und zieht sich nach Wüstegiersdorf zurück . Schweidnitz ist abgesondert
Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
86
und hat nun seine dritte durch ihren Minenkrieg besonders bekannte Belagerung zu bestehen, mit deren Durchführung der König 22 Ba taillone und 20 Schwadronen betraut, während er selbst zur Deckung
derselben eine ausgedehnte Postenstellung von Landshut über Walden burg gegen Reichenbach einnimmt.
Ungestört durch die kleineren Unternehmungen des nun folgen den Gebirgskrieges vollzieht sich die Belagerung von Schweidnitz , dessen Übergabe am 9. Oktober auf dem schlesischen Schauplatze die letzte bedeutende Kriegshandlung bildete. Wenige Monate nachher schloſs der Hubertsburger Friede einen Krieg, in welchem das allein stehende Preuſsen gegen einen europäischen Gegenbund seinen Besitz behauptete und sich einen hervorragenden Platz unter den Mächten Europas errang. Das Feldherrntalent seines groſsen Königs hatte in Wahrheit
bewiesen, was dessen berühmter Historiograph Johannes v. Müller sagt: »Die Kriegskunst ist die Grundfeste politischer Macht, die erste der Wissenschaften , weil unter ihrem Schutze alle anderen
existieren ; – ihre Fortschritte, ihre Abnahme machen Epoche.« Wenn wir uns nun nach diesem allgemeinen Überblick jener Ereignisse, bei welchen Schweidnitz im siebenjährigen Kriege eine Rolle zu spielen berufen war, zurückerinnern, mit welchen Eigen schaften und möglichen Aufgaben es in dieselben eintrat, so finden wir in erster Linie, daſs es als Grenzfestung zur Entlastung der
eigenen Truppen gar nichts, zum Binden feindlicher Kräfte nur sehr wenig zu leisten vermochte . Immer oblag die Sicherung der böhmisch-schlesischen Pässe einer besonderen starken Truppen
Abteilung in der Stellung von Landshut oder in weitgezogener
Vorposten -Aufstellung durch das Gebirge , die Schweidnitz zwar die Verpflegung sicherte, mit der es aber operativ in so loser Fühlung war, daſs seine Nähe beispielsweise im Jahre 1760 das Unglück Fouqué's nicht abzuwenden vermochte. Wenn Laudon nach letzterem, unbesorgt um Flanke oder Rücken, an Schweidnitz vorbei in eine Stellung bei Liegnitz ging wenn
er Breslau einschloſs, ohne seine Verbindungen durch Schweidnitz bedroht zu erachten – wenn Deville im Jahre 1759 , Schweidnitz -
völlig unbeachtet lassend, über Freyburg in Schlesien einzudringen suchte, und hieran nicht durch die Festung, sondern durch die
Truppen -Abteilung Landshut verhindert wurde, so ist damit eine -
genügende Beleuchtung für die Bedeutung dieses Platzes als Grenz festung gegeben, die auch durch das entgegengesetzte Verhalten des Herzogs Karl im Jahre 1757 nicht abgeschwächt wird. Treu den
Friedrichs des Groſsen .
87
Anschauungen seiner Zeit uud den besonders im Anfange des Krieges zutage tretenden und sich erst unter der allmählichen Nachahmung Friedrichs abschwächenden Grundsätzen der methodischen Krieg
fübrung war für diesen eine Festung eben ein genügendes Ergebnis, ein um so verlockenderes, da es mit weniger Gefahr gewonnen werden konnte, als eine Schlacht.
Man kämpfte um Landgewinn
und nicht zur Niederwerfung des feindlichen Heeres. Diese Herab setzung des Kampfzieles muſste immer und immer wieder beein flussend und abschwächend auf die Form der Kriegführung wirken . Fragen wir nach dem Grunde, warum Schweidnitz in der
erwähnten Richtung nur so geringes zu leisten vermochte, so finden wir ihn in seiner geringen Stärke und in dem Umstande, daſs es die Eingänge aus Böhmen nach Schlesien nicht unmittelbar sperrte,
– für eine nicht unmittelbare Verteidigung aber nicht die nötige aktive Kraft besaſs. Die Aufgabe, welche bei einer gröſseren Festung der entsprechend starken Besatzung hätte zufallen können, muſsten im gegebenen Falle die Abteilungen erfüllen, welche wir teils bei Landshut, teils hinter, teils unmittelbar südlich Schweidnitz zur Bedrohung eines Vordringens des Feindes Stellung nehmen sahen. Was wir aber heute von kleinen Sperrpunkten an Engpässen oder Straſsen mit engpaſsartiger Benutzung (Eisenbahnen , Fluſs läufe) erwarten und wohl auch zu erwarten berechtigt sind, das
konnte Schweidnitz auch in mehr vorgeschobener Lage nicht leisten , weil die erste Grundbedingung hierfür fehlte, – der engpaſsartige Charakter der zu deckenden Verbindungen. Als Verpflegsmagazin sahen wir Schweidnitz zweimal beeinflussend auf die Operationen Friedrichs einwirken und zwar im Jahre 1760 bei seinem Wettmarsche mit Daun aus Sachsen nach Schlesien und 1761 wenn auch gerade hier nicht ausschlieſslich
in dieser Eigenschaft bei Beziehung des Lagers von Bunzelwitz. Immer aber war die Verwertung seiner Vorräte nur ein mit bestimmender Umstand, den der König in seine Rechnung setzte -
man könnte sagen : » Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe. « Der Umstand allein, daſs ihm bei ersterer Gelegenheit Glogau näher und Breslau mit manchen anderen Vorteilen nicht viel ent
fernter als Schweidnitz lagen , spricht für das Vorhandensein operativer Gründe zur Wahl des letzteren Marschzieles. Bezüglich derselben mag aber der frühere Hinweis auf Taysen umsomehr genügen, als Friedrichs Bewegungen thatsächlich auf Breslau ab
gelenkt wurden. In gleicher Weise war die Rücksichtnahme auf Verpflegung nur beigeordneter Natur, als sich Friedrich zur Beziehung
88
Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung
des in der Nähe von Schweidnitz gelegenen Lagers von Bunzelwitz entschloſs, auf dessen anderweitige bestimmende Eigenschaften wir noch zurückkommen werden , wenn wir nunmehr die Leistungen von Schweidnitz in seinem Ursache, Zweck oder Unterstützung der Operationen der Feldarmee abgebenden Verhältnis vom taktischen und strategischen Standpunkt aus betrachten. Wenn schon früher der erstmaligen Belagerung von Schweid nitz im Jahre 1757 das Recht abgesprochen wurde, einen begrün deten Einfluſs auf die Operationen des Herzogs Karl ausgeübt zu
haben, so ist sie damit in die Reihe jener Nebenunternehmungen verwiesen, welche den Österreichern wiederholt so willkommen waren , um sich schlieſslich mit dem ergebnislosen Verlaufe eines Feldzuges ruhig abfinden oder den Gleichschritt der Operationen mit dem zeitraubenden Schriftwechsel zwischen dem Hofkriegsrat und den Armeeführern herstellen zu können.
Kaum eine bessere Beurteilung verdienen Daun's im Jahre 1760 gemachter vergeblicher Kräfteaufwand, Schweidnitz einzuschlieſsen und seine vermutlich beabsichtigte Belagerung zu decken, sowie Fouqué's glückliche Unternehmung auf diesen Platz 1761 . Beide Feldherren standen mit Übermacht Friedrich gegenüber, für beide
war es Gebot einer zielbewuſsten Kriegführung, diese Übermacht zum Angriff auf die feindliche Armee und zur Vernichtung der lebenden Verteidigungskraft zu verwerten. Aber immer wieder hier wie dort – übt die Nähe von Schweidnitz ihre magnetische Anziehungskraft auf das österreichische Heer aus und zieht es vom Wege, auf dem die Entscheidung lag, in ihren Bannkreis. Wir haben wohl volle Ursache, in dieser Vermeidung der von
Friedrich stets angestrebten oder gewünschten Entscheidung im Felde einen der Gründe für die Verschleppung des siebenjährigen Krieges zu erblicken und müssen nach dem Gesagten Schweidnitz eine besondere Wirkung in dieser Richtung zusprechen . Zugleich aber finden wir in der Rolle, welche nicht die eigene
Kraft sondern österreichische Auffassung und Kriegführung diesem Platze zuwies, einen sprechenden Beleg dafür, wie es nicht immer die Stärke und thatsächliche Bedeutung einer Festung zu sein
brauchen, welche ihren Einfluſs auf die Kriegsereignisse bestimmen, sondern der Eindruck, den sie auf den Gegner macht,
die Be
achtung, deren sie von ihm wert befunden wird .
Wenn letztere in den gegebenen Fällen von den Österreichern zu hoch bemessen war und sehr zur Unzeit platzgriff, so lagen die Dinge anders für Friedrich, als er in den Jahren 1758 und 1762
Friedrichs des Groſsen .
89
seine schlesische Feldarmee der Wiedergewinnung dieses Platzes dienstbar machte . Dort galt es die Erlangung einer Ausgangs basis für die beabsichtigten Offensivoperationen, - hier waren es politische Gründe, welche die Sicherung des früheren Besitzstandes in den Vordergrund stellten . In beiden Fällen schien die Einnahme von Schweidnitz als Mittel zu einem höheren Zweck notwendig und dieses Merkmal bezeichnet charakteristisch den Unterschied
gegenüber den österreichischen Bemühungen um diesen Platz, dessen Bewältigung hier stets die Zeit abgeben muſste, den verloren ge gangenen Faden des Kriegsplanes meist vergeblich, wieder zu suchen .
Den Auffassungen, welche man österreichischerseits den Festungen entgegen brachte und die durch Schweidnitz deutlich beleuchtet sind , entspricht es denn auch , daſs wir ihre Armee nie in andere,
als eine den Besitz oder die Deckung dieses Punktes anstrebende Beziehung zu ihm treten saben. Einer Verwertung zur Unter stützung der Operationen der Feldarmee begegnen wir bei ihnen nicht .
Denn als solche kann es kaum erachtet werden , wenn Daun
im Jahre 1762 bei seiner beabsichtigten Deckung von Schweidnitz wiederholt die Gelegenheit zur Schlacht ausschlägt und von der Festung keinen anderen Gebrauch macht, als daſs er sich ihrer bei seinen rückschreitenden Schwenkungen als eines Drehpunktes bedient und an ihr festhält, bis Friedrichs Umgehungskolonne zwischen Schweidnitz und dem österreichischen rechten Flügel durch brechend - den Bann löst, der Feldarmee und Festung vereint. Wenn schon die letztere Maſsnahme, welche über kein breiteres
Terrain verfügte, als es Laudon im Jahre vorher - unbenutzt -
zur Verfügung stand, um die Verbindung zwischen dem Lager von Bunzelwitz und Schweidnitz zn zerreiſsen, den Gegensatz zwischen
Friedrichs Feldherrntalent und Unternehmungsgeist und dem seiner
Gegner scharf hervorhebt, so ist dies noch in ungleich höherem Maſse der Fall, wenn wir uns erinnern , in welch' wechselnder und inte
ressanter Weise der groſse König diese Festung im Jahre 1760 und mit dem Lager von Bunzelwitz den Operationen der Feldarmee dienstbar machte.
In ersterem wird sie ihm Mittel zur höchsten Beweglichkeit, Kraftzuschuſs für den beabsichtigten Angriff und gewährt ihm die Möglichkeit einer in raschen, auseinandergehenden Flügelstöſsen unermüdlichen Offensive.
Sie ist ihm im Laufe weniger Tage
Flankendeckung, Defensivflügel, Rückhalt. Bei letzterem giebt sie
90
Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung u . 8. w.
ihm Flügelanlehnung, Zeitgewinn, Verpflegung und Unterstützung in der durch die Verhältnisse aufgedrungenen Verteidigungsstellung. Freilich ist die Zweckmäſsigkeit des Schrittes, eine derartige Stellung zu beziehen und sich der Einschlieſsungsgefahr auszusetzen , viel bestritten und dabei nicht ohne Berechtigung auf die Ereignisse von Metz im Jahre 1870 hingewiesen werden. Für unsere Be
trachtung mag genügen, daſs sich in der Wahl des Lagers von Bunzelwitz in klarster und einfachster Weise der Gedanke zeigt, die
Verbindung mit der Festung und ihre Unterstützung für die Zwecke der Feldarmee auszunutzen , *) und daſs der Feldherr, welcher seiner Zeit vorauseilend im Jahre vorher einen so glänzenden Beleg für
seine richtige Auffassung des Verhältnisses beider Gröſsen zu ein
ander gab, wohl auch hier das heute viel betonte » Rätsel der Sphinx gelöst hätte. Dieser Schluſs, für den die ganze Kriegführung Friedrichs um somehr Berechtigung giebt, als wir sahen , wie eine und dieselbe Festung in seiner Hand eine andere Bedeutung gewann als in jener seiner Gegner, führt aufs neue zu dem kriegsgeschichtlich erhärteten, für alle Zukunft feststehenden und die heute mehr denn je be stehenden verschiedensten Anschauungen über Festungswert und -verwertung klärenden Grundsatz, daſs die Wirksamkeit einer Festung in erster Linie auf die intellektuellen und Charakter - Eigenschaften
desjenigen gestellt ist, der von ihr Gebrauch macht, – sei es als
Verteidiger, sei es als Führer der Feldarmee, welcher sich ihrer als eines wesentlichen Kraftzuschusses bedient. *) Vergleiche den sehr beachtenswerten Aufsatz : Festung und Feldarmee. ( Beiheft zum Militär Wochenblatt. Jahrgang 1878.)
Kriegsgeschichtliche Studie eines Generalstabsoffiziers.
V.
Über das Militär-Strafverfahren. Eines einheitlichen Strafgesetzes erfreut sich das deutsche Reichsheer seit nunmehr fast 16 Jahren ; aber noch immer ist es
behaftet mit mehreren Strafgerichtsordnungen , die , jede an ihrem Teile verbesserungsbedürftig , in wesentlichen Punkten von einander verschieden sind, in manchen sich geradezu widersprechen. Letzterer Umstand giebt die Erklärung, warum alle Bemühungen, einen für ganz Deutschland geltenden Militär - Strafprozeſs zu Stande zu bringen , bisher zu keinem Ergebnis geführt haben und , allem Anschein nach , in neuerer Zeit gänzlich ruhen. Es ist für die in Bildung, Erziehung, in Sitten und Anschauungen sich nahe stehenden deutschen Stämnie nicht schwer gewesen , sich darüber zu einigen, welche Handlungen und Unterlassungen sie als strafbar bei ihren Heeresangehörigen betrachten , und welche Arten und Maſse der Strafen sie anwenden wollen ; schwer aber fällt es ihnen,
einen Ausgleich zu finden für die Gegensätze ihrer Militär- Straf prozesse, begreiflicherweise! Wer wird das bei ihnen eingebürgerte und für das bessere erkannte Strafverfahren ändern , d . h. den
Vorgang und die Formen, unter deren Beobachtung der einer straf baren Handlung Angeschuldigte dieser That überwiesen und die
Strafe über ihn verhängt werden soll ? In Bayern mündliches, in Preuſsen geheimes und schriftliches gelten in Deutschland gegenwärtig für ein und gesetzbuch von 1872 drei aus ganz verschiedenen
öffentliches und Verfahren ! Es dasselbe Straf Abschnitten des
Kulturlebens stammende Prozeſsordnungen : die württembergische vom
20. Juli 1818, die bayerische vom 29. April 1869 mit den Abände rungsgesetzen vom 28. April und 27. September 1872 und die für alle anderen Heeresteile geltende preuſsische vom 3. April 1845.
Daſs eine Änderung dieses, das Ansehen der Militär-Rechtspflege schädigenden Zustandes geboten ist , wird seitens unserer Heeres leitung zugestanden ; es sei u. a. hingewiesen auf die Schrift eines
Über das Militär- Strafverfahren.
92
Mitgliedes des preuſsischen General -Auditoriats C. Keller : > Die Aufgaben einer Militär - Strafprozeſsordnung für das deut sche Reich (2. Aufl. 1877). «
Den Gerichtsherren und den untersuchungsführenden Offizieren, sowie den Kameraden, die aus ihrer Mitwirkung bei Kriegs- und
Standrechten die lebendige Überzeugung gewinnen, daſs und wie vieles zu bessern nötig ist in unserem Strafverfahren , kapn ich zur Selbstbelehrung und -Beratung, neben der Kellerschen, noch
eine andere, in den wichtigsten Punkten auf gleichartige Meinungen und Vorschläge hinauslaufende Schrift empfehlen : » G. Reins dorff, » Zur Frage des Militär - Strafprozesses und seine Reform .
1885. «
Mancher, der dem Gegenstande ein tieferes Interesse entgegen bringt, wird sich mit Keller und Reinsdorff nicht begnügen wollen ; ihm bietet umfängliche Behandlung des Stoffes auf geschichtlicher und rechtsvergleichender Grundlage das Werk des Dr. Hilse : > Die leitenden Grundsätze des heutigen deutschen Militär Strafverfahrens. « Allerdings, wer die zuerst erwähnten Arbeiten
gelesen hat – und dies Verfahren ist anzuraten ! – der wird sich den Ergebnissen , zu welchen der gelehrte und geistreiche Forscher gelangt , nicht in allen Stücken anschlieſsen : wir Offiziere lehden u. a. ab , aus triftigen Gründen , die vom Verfasser beantragte un beschränkte Öffentlichkeit der kriegsrechtlichen Verhandlungen ; die Versehung der Obliegenheiten des Untersuchungsrichters durch Nichtjuristen; die Zulassung von Civilpersonen als Verteidiger bei militärischen Vergehen und die Urteilsfindung unter Ausschlieſsung des Militär -Juristen, der die Verhandlungen leitete. Der sicherlich nicht geringen Zahl von Offizieren , welche der
Rechtspflege und Rechtsprechung im Heere ihr Augenmerk zuwenden und über die Mängel und die vorzunehmenden Besserungen an der Gerichtsordnung zu einem selbstständigen, klaren uud abschlieſsenden Urteil za gelangen wünschen, sind neue Mittel zur Erweiterung und Vertiefung ihres militär - juristischen Wissens in jüngster Zeit zu gewachsen, in Gestalt zweier Schriften österreichischer Verfasser.
Die erste trägt den Titel: » Frankreichs Militär - Strafprozeſsordnung. Studie zur Reform der Militär- Strafprozeſsordnungen des Deutschen Reiches und der österreichisch - ungarischen Monarchie von Dr. Ernst Weisl , Hof- und Gerichtsadvocat in Wien , 1
Mitglied der Société de Legislation comparée ( Paris ). Wien 1887. Hofbuchhandlung von Seidel & Sohn. «
Über das Militär-Strafverfahren.
93
Auch dem Kenner französischer Heeresverhältnisse wird diese
kpappe, durchsichtige Darstellung des Strafverfahrens viel Neues
bringen. Soweit der Verfasser Sachliches bietet , ist er zuver lässig ; aber seinen Folgerungen und persönlichen Ansichten muſs man mit groſser Vorsicht begegnen. Er macht aus seiner An erkennung, nein : seiner Bewunderung der französischen Strafprozeſs ordnung kein Hehl : » Eine gleiche Wichtigkeit, wie der franzö sische code für den gemeinen Strafprozeſs, hat der » Code de Justice Militaire« für den gegenwärtigen europäischen Militär- Strafprozeſs; denn in diesem Code bewundert die Mitwelt (?) nicht nur die un erreichte Gesetzestechnik der Franzosen, sondern auch die innere
Vortrefflichkeit des Gesetzes, welches durch seinen erfolgreichen Bestand während dreier Jahrzehnte den Beweis erbrachte, daſs eine auf freisinnigen (!) Grundsätzen fuſsende und an das nationale Recht
sich anschlieſsende Strafprozeſsordnung sich wohl vereinigen lasse mit strenger Manneszucht und dem höchsten Ansehen der Armee. « Zunächst sind wir, mit Fug und Recht, miſstrauisch gegen das Hineintragen » freisinniger « Grundsätze in irgend einen Zweig unseres gegen den sogenannten « Freisinn, wie derselbe sich in einer politischen Partei in Deutschland ver körpert hat. Sodann teilen wir des Herrn Verfassers überaus Heerwesens und Heereslebens
günstige Meinung von der » strengen Mannszucht « und dem »höchsten Ansehen der Armee« in Frankreich nicht ; endlich :
was den
Franzosen genehm ist und frommt, ist doch nicht ohne Weiteres übertragbar, nachahmenswert und passend für die ganz anders gearteten Deutschen und Österreicher ! Ich muſs aber ausdrücklich bemerken , daſs, wenn der Verfasser zwar sehr eingenommen für das französische Militär- Strafverfahren, er doch nicht blind ist gegen deren er mehrere anführte, und daſs er wiederholt auf Vorzüge des italienischen Strafprozesses hinweist, dessen Schwächen,
welcher letztere in seinen Umrissen und mancherlei Einzelheiten
dem Leser mit vorgeführt wird. Wer also, gewarnt und gewappnet, dem wegweisenden Verfasser folgt, wird groſsen Gewinn von dieser gemeinsamen Wanderung haben : er lernt das Land
das französische Rechtsverfahren
gründlich kennen , läſst sich aber die Brille des Führers nicht ge nügen, sondern traut vielmehr den eigenen Augen. Der » freisinnige« österreichische Advokat schildert einen der zwei Grundsätze, » welche die französische Militär-Strafprozeſsordnung ganz abgesehen von der wirklich musterhaften Detailausführung
Über das Militär - Strafverfahren ,
94
weit über die Gesetzgebungen Deutschlands und Österreich Ungarns emporheben « in folgenden Worten : Ein sehr wichtiger und von der französischen Gesetzgebung achtsam befolgter Grundsatz ist der der thunlichsten Übereinstimmung des ( formellen und materiellen) Militär -Strafrechtes mit dem ge meinen , und zwar nicht nur deshalb , weil seit der Einführung der
allgemeinen Wehrpflicht jedes nicht durch die Schlagfertigkeit des Heeres gerechtfertigte Sonderbestreben haltlos ist, sondern auch, weil man von dem gemeinen Manne , der das Gros des Heeres bildet,
billigerweise nicht verlangen kann, er solle zwei verschiedene Gesetze über denselben Gegenstand, *) nämlich das gemeine und das Militär Strafrecht, und das letztere vollständig zur Zeit seiner Einreihung ins Heer kennen .
Gesetze zu erlassen , die der ganzen Armee mit
Ausnahme weniger gerade zum Justizdienste berufenen Personen unbekannt sind und bleiben , mag wohl den Ideen der Gesetzgeber früherer Jahrhunderte entsprochen haben, nicht aber denen der
Neuzeit, die gebieterisch heischt, daſs, da das Heer heute ein Volks heer ist, auch das Militär - Strafrecht sich nicht wesentlich unter
scheide vom nationalen und selbst dem gemeinen Manne aus der
täglichen Übung (?) bekannten Rechte .
Soweit Dr. Weisl .
In welchem Lande der Jetztzeit ist wohl die groſse Masse des Volkes mit dem » nationalen ( formellen und materiellen) Rechte « genau bekannt? Der Verfasser spricht gewiſs von Utopien ! Auch wird den eintretenden Rekruten wohl in allen Heeren bekannt gemacht, welche besonderen Pflichten und Rechtsverhältnisse ihnen als Soldaten
nunmehr erwachsen . . . sollte irgendwo verlangt werden , daſs der Rekrut diese Kenntnis schon mitbringt? Es liegt auf der Hand, daſs wir vor den Annahmen und Beweis
führungen des Herrn Verfassers auf der Hut sein müssen : es rubt in seinem vorstehenden Urteil etwas Wahrheit, aber er fälscht — bona fide, nach meiner Meinung, durch Übertreibung. In seinem Verlangen : » Das Militär-Strafrecht soll sich nicht wesentlich unter scheiden vom nationalen « greife ich die Worte : » nicht wesent lich« an und setze an ihre Stelle : » nicht mehr , als durch die be sonderen militärischen Verhältnisse durchaus geboten ist ; « soviel , 7
*) Hier liegt ein bedenklicher Irrtum oder Trugschluſs vor : Feigheit, Fahnen flucht, Ungehorsam u. s. w.: sind das Gegenstände auch des civilen Rechtes ?
Und eine „ Kenntnis“, also völlige Beherrschung, besitzt der „gemeine Mann “ weder betreffs des gemeinen noch des Militär - Strafrechtes und er braucht sie auch gar nicht zu besitzen , da er immer in Anlehnung an „kundige Männer -
Recht findet.
Über das Militär- Strafverfahren .
95
wie durch diese geboten wird, muſs geändert werden, gleichgültig, ob eine wesentliche Verschiedenheit des allgemeinen und des Militär -Strafrechts die Folge ist. Das Militär- Strafrecht (das materielle und formelle) beruht aller dings auf denselben Grundlagen , wie das allgemeine Strafrecht darüber sind wir Alle einig ; die wissenschaftliche Behandlung des >>
Militär- Strafrechts muſs stets auf die Wissenschaft des Strafrechts
überhaupt Bedacht nehmen. Es darf jedoch nicht übersehen werden , daſs das ganze Militär-Recht von den Anforderungen der militärischen Disziplin , welche eine notwendige Bedingung eines im Frieden und im Kriege brauchbaren Heeres ist, beherrscht wird. Eine bloſse
Übertragung des allgemeinen Strafverfahrens auf die Militär- Justiz ist aus Gründen der militärischen Disziplin unzulässig . Ein neuer
Militär - Strafprozeſs soll daher den Anforderungen der Rechts wissenschaft sowohl wie jenen der militärischen Disziplin ent sprechen : Alles , was der Disziplin schädlich ist , muſs in einer
Militär- Strafprozeſs -Ordnung vermieden werden. Die letzteren Ausführungen , mit denen wir Offiziere uns ein verstanden erklären können , entnehme ich der Schrift des andern
Österreichers, die den Zweck hat, eine knappe Darstellung des
gegenwärtig im österreichischen Heere geltenden Strafverfahrens zu bieten, die Grundsätze desselben vom wissenschaftlichen Standpunkte
zu besprechen und Verbesserungsvorschläge zu bringen : > Die
Grundsätze
des
Militär - Strafverfahrens
und
dessen Reform . Von Dr. Emil Dangelmaier , k. k. Haupt mann - Auditor. Innsbruck 1887. Wagner'sche Universitäts Buchhandlung . < Vortrefflich entwickelt der als Schriftsteller bereits bekannte
Verfasser die Organisationsgrundsätze des Strafprozesses « und -dessen Geschichte in gedrängter Kürze. Er erklärt : Was den Militär - Strafprozeſs anbelangt , » so lassen sich zwei Gruppen unterscheiden.
Die Gesetzgebung Frankreichs, Italiens und Bayerns
hat es versucht, mit Bedachtnahme auf die Verhältnisse des Heer
wesens den Militär-Strafprozeſs mit den Formen des allgemeinen
Strafprozesses zu umgeben , während in Österreich und in dem gröſsten Teile Deutschlands das Militär - Strafverfahren auf dem -
schriftlichen Untersuchungsprinzip mit Ausschlieſsung der Öffentlich keit und mit Beschränkung der Verteidigung beruht. Naturgemäſs kommt Dangelmaier bei seinen Erörterungen wiederholt auf den » neueren « Militär -Strafprozeſs zurück, namentlich
Über das Militär- Strafverfahren .
96
auf den französischen und italienischen. Er giebt dabei von vorn herein ein Urteil ab , welches demjenigen seines Landsmannes Dr. Weisl schnurstracks entgegenläuft und das ich mit groſsem Be hagen wiedergebe: Dangelmaier kann » namentlich den französischen Militär - Strafprozeſs vom gesetzgeberischen Standpunkt aus nicht Das fast ausschlieſsliche Auftreten des Laien elements bei demselben ist mit dem heutigen Stande der Rechts
beistimmen .
wissenschaft nicht vereinbar. Der Untersuchungsrichter (rappor teur) ist ein Laie und ebenso der Militär - Anwalt (commissaire da Gouvernement), welcher die Anklage führt. Das Kriegsgericht (conseil de guerre ), welches nur aus Laien besteht, entscheidet nach Anhörung der verschiedenen Reden ohne objektive Information durch einen Rechtskundigen (!) über Schuld und Strafe. Es wird zwar
von
nambaften
Theoretikern
dem
selbstständigen
Urteil der Laien in juristischen Dingen groſser Wert beigelegt und zwar unter der Begründung , daſs dann ein Urteil mehr nach dem gesunden Menschenverstand und den allgemeinen Ansichten über Recht und Unrecht zu Stande kommt, als nach den » gekünstelten « Rechtssätzen .
Allein es soll nach dem Gesetze und nicht bloſs nach
den allgemeinen Grundsätzen der Moral entschieden werden , da
sonst Rechtsunsicherheit die Folge ist. Klingt aber das angeführte Raisonnement im Munde von Theoretikern nicht gleich dem Satze: » Alles was wir Euch im materiellen Strafrechte gelehrt haben, ist für die praktische Anwendung des Rechts unnütz, ja schädlich ; urteilt nur nach dem gesunden Menschenverstande, den Ihr vor dem Rechtsstudium
battet. «
Die Schwärmer von den Zeiten in
den
germanischen Urwäldern , da nur Männer aus dem Volke das Recht sprachen, übersehen, daſs es zur damaligen Zeit weder Juristen noch u Philosophen , Mediziner u. s. w. gab. Der italienische Straf prozeſs beruht auf denselben Prinzipien, wie der französische, allein das erstere Gesetzeswerk räumt dem juristischen Element mit Recht einen Einfluſs auf den Gang des Prozesses und namentlich in höherer Instanz auf die Urteilsfindung ein . Die einzelnen Be
stimmungen des italienischen Militär-Strafprozesses entsprechen auch vollkommen den Grundsätzen der heutigen Prozeſswissenschaft, und
wir tragen kein Bedenken , dem italienischen Militär-Strafprozesse den Vorzug vor dem französischen zu geben. der
gerichtsherrlichen
Rechte
im
italienischen
Das Zurücktreten Prozesse
kann
jedoch vom Standpunkte der militärischen Disziplin nicht gebilligt werden
Über das Militär-Strafverfahren .
97
Wie ich oben sagte : dieser Streifzug durch die Militär-Recht sprechung der groſsen europäischen Staaten ist lohnend in mehr als einer Hinsicht, er erbringt vielerlei nützliche Kenntnisse und interessante Einblicke in das innere Gefüge und Leben anderer Heere und jedenfalls eine Vertiefung der persönlichen Ansicht des -
Lesers darüber, in welchen Punkten und in welcher Weise eine
Verbesserung unserer preuſsischen Militär -Strafgerichtsordnung durch zuführen sei .
Jahrbüoher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVII., 1.
7
VI.
Aus ausländischen Militär - Zeitschriften . Spectateur militaire. Die Manöver des 9. Armee-Corps im Jahre 1887. Wie in früheren Jahren , so finden auch jetzt wieder fast in allen franzö sischen militärischen Fachschriften Besprechungen der im letzten Herbst
stattgehabten gröſseren Übungen statt. So weit diese Mitteilungen die Anlage und den Verlauf der einzelnen Übungstage enthalten , sind sie für uns nicht von Wichtigkeit , wohl aber sind die damit verbundenen taktischen Betrachtungen und die Beurteilungen der Leistungen der ein zelnen Waffen von hohem Interesse, um so mehr, da sie in dem genannten
Blatte einer rein sachlich gehaltenen Besprechung unterzogen werden. Als besonderer Fortschritt wird die immer mehr der Wirklichkeit
näher konmende Anlage der Manöver erwähnt. Diese kriegsgemäſsere Anlage hat allerdings die bedauerliche Folge gehabt, daſs bei der Aus führung eine Menge von Fehlern und Miſsverständnissen vorgekommen sind, die in früheren Jahren , wo der Verlauf der Gefechte in allen Einzel
heiten vorher bestimmt war, natürlicherweise nicht zu Tage traten . Die Manöver des verflossenen Jahres hatten eine besondere Wichtigkeit
dadurch erhalten, daſs zum ersten Male zwei neue und eingreifende Vor schriften zur Anwendung kamen, und zwar die Vorschrift für das Gefecht der Infanterie vom 1. Januar 1887, und die Vorschrift über die Ver
wendung der Artillerie im Gefecht vom 1. Mai 1887. Der französische Verfasser giebt sein Urteil über den Verlauf der Manöver, getrennt für die einzelnen Waffen, in folgender Weise ab.
Die Marschleistungen und die Marschordnung werden als bewundernswürdig bingestellt , trotzdem daſs häufig recht hohe Die
Infanterie.
Anforderungen hierin gestellt wurden. Märsche von 40 und 50 Kilometer Länge kamen häufig vor , auch wurden die Marschziele oft erst spät am
Abend erreicht. Die Verteilung der Lebensmittel geschah , wenn auch manchmal erst spät in der Nacht oder am frühen Morgen , durchweg in gröſster Ordnung. Der Marschsicherungs- und Vorpostendienst liefs manches zu wünschen übrig, da auf die Schonung des bebauten Landes zu viel Rücksicht ge
nommen werden muſste. Auffallender Weise hat auch die Einrichtung der Ortsunterkunft viele Schwierigkeiten verursacht, wie der Verfasser
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften .
99
meint , weil sie der Armee noch eine ganz neue Sache ist , da es bis vor wenigen Jahren nur Biwak und Zeltlager gab. Es ist mehrfach vor gekommen , daſs Freund und Feind in demselben Orte Unterkunft nahmen , ferner auch, daſs Truppenteile in dem Orte, der ihnen seitens des General stabes angewiesen war, bereits andere Truppen , die vor ihnen gekommen, antrafen . Es wird scharf getadelt, daſs die Hauptleute mit ihren Lieute
nants ihre eigenen Quartiere betraten , ohne sich vorher davon zu über zeugen, ob auch die Mannschaft untergebracht war.
Über die zum ersten Male stattgehabte Anwendung der neuen Vor schrift für das Gefecht der Infanterie heiſst es wörtlich :
„Die Herstellung der für das Gefecht vorgeschriebenen Formen wurde seitens der Regimenter und Bataillone überall mit Ruhe und Ordnung
ausgeführt, auch wurde der Angriff, trotz der Schwierigkeiten , die das Gelände häufig bot, in schneidiger Weise durchgeführt. Es machte sich jedoch eine groſse Erschöpfung der Truppen dadurch bemerkbar, daſs man zu lange in tiefen Kolonnen marschierte, ehe man die Gefechts -Formation einnahm . Das vorgeschriebene Abbrechen in Unter -Abteilungen , in Halb züge , Sektionen u. s. w. wurde auch nicht annähernd so ausgeführt, wie es für die Entfernungen von 1200—1000 m , von 1000-800 m, von
800—700 m und für die Unterstützungstrupps von 500 m an stattfinden soll. Die Bildung dieser Unter -Abteilungen soll im Ernstfall von den Verlusten abhängig sein, bei den Manövern folgten sie zu rasch auf einander, und hatten dann zur Folge, daſs der Angriff zu früh angesetzt wurde, ohne daſs die Wirkung der Artillerie abgewartet war. “ Als besonderer Fehler wird auch erwähnt, daſs der Feuerwirkung des Feindes zu wenig Rechnung getragen wurde , und daſs Angriffe gemacht
wurden, ohne daſs man vorher die eigene Feuerwirkung gehörig aus genutzt hatte. Auch wurde nicht genügend darauf geachtet, daſs der
schlieſsliche Angriff von allen Truppen gleichzeitig ausgeführt wurde, es kamen zu viele Einzel-Angriffe vor , die , selbst wenn sie Erfolg hatten, für das Ganze einfluſslos waren.
Es war das die Folge einer irrtümlichen
Auffassung der in der neuen Vorschrift betonten kühnen Offensive, die aber unter allen Umständen berichtigt werden muſs.
In Bezug auf den Munitions -Ersatz im Gefecht sind verschiedene
Versuche gemacht , doch hat sich keiner derselben als besonders zweck mäſsig erwiesen . Auch die Verluste im Gefecht hat man sich bemüht, zum Ausdruck
zu bringen, doch scheint es, als ob man damit weniger eine taktische Maſsnahme, als vielmehr eine Übung für das Sanitäts -Personal bat ver binden wollen. Jedenfalls war die Zahl derjenigen , die man als zurück bleibende bezeichnete , eine im Vergleich zum Ernstfall viel zu geringe.
In Folge dessen sah man denn auch bei dem schlieſslichen Einbruch die Bataillone auf einen unglaublich schmalen Raum zusammengedrängt, manchmal 10–12 Glieder tief, so daſs von einem Waffengebrauch in diesen Haufen keine Rede mehr sein konnte. 7*
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
100
Die Kavallerie kommt, wie gewöhnlich , bei der Beurteilung am
schlechtesten weg. Es wird ihr vorgeworfen , daſs sie es in keiner Weise verstanden habe, das Auge und Ohr der Armee zu sein, daſs sie im
Gefecht unthätig hinter der Infanterie gehalten habe , zu deren Auf klärung und Sicherung sie bestimmt war .
Unter dem Vorwande, auf
eine Gelegenheit zum Angriff auf die feindliche Kavallerie zu warten, blieb sie unthätig, da auch jene dieselbe Gelegenheit abwartete . Mit einem Worte, die Leistungen der Kavallerie haben in keiner Weise be friedigt.
Die Artillerie hingegen findet lobende Anerkennung , obgleich die neue Vorschrift für das Gefecht vom 1. Mai 1887 noch nicht überall
geläufige Anwendung fand. Die Marschordnung wird als musterhaft geschildert. Jede Batterie marschierte stets in drei Abteilungen , in der ersten die Gefechts- Batterie, bestehend aus 6 Geschützen und 4 Munitions wagen, in der zweiten die Reserve von 2 Munitionswagen und der Feld schmiede, in der dritten der sogenannte Regiments - Train. Die Bedienungs mannschaften durften nur beim Traben auf den Protzkasten aufsitzen . Wo mehrere Batterien gleichzeitig marschierten , waren die Reserve
Fahrzeuge hinter den Gefechts- Batterien , unter Führung eines Lieutenants, vereinigt. Das Auffahren der Batterie im Gefecht soll sich stets in gröſster Ordnung und in denkbar kürzester Zeit vollzogen haben, die erste Staffel hielt 200 m , die zweite 600 m hinter der feuernden Batterie in
gedeckten Stellungen. Nur einen Fehler rügt der Verfasser, nämlich den,
daſs die höheren Offiziere sich zu häufig Eingriffe in die Selbstständigkeit der Batteriechefs erlaubten , daſs sie sogar stellenweise in die Thätigkeit der Zugführer eingriffen. Dem Zusammenwirken der verschiedenen Waffen gilt fol gender Abschnitt.
Den Generalen und Obersten wird der Vorwurf ge
macht, daſs sie in der Führung der gemischten Waffen zu unerfahren sind , ein Vorwurf, der daraus erklärt wird , daſs man in Frankreich zu viele kleine Garnisonen habe, und daſs in Folge dessen die höheren Führer
zu wenig Gelegenheit haben , die Thätigkeit der anderen Waffen kennen zu lernen .
Aber auch in den gröſseren Garnisonen üben die einzelnen
Waffen nur für sich , und man scheint einen wahren Widerwillen gegen
Garnison-Übungen mit gemischten Waffen zu haben. Der Einwand, daſs die unvermeidlichen Flurschäden das unmöglich machen , ist nicht stich
haltig , denn eine Menge von Übungen , wie z. B. der Marsch gemischter Waffen auf den Straſsen, könnten als vorbereitende Übungen für die Manöver recht wohl ausgeführt werden . Es ist durchaus nicht nötig, daſs es bei jeder dieser Übungen zu einem Zusammenstofs mit dem Feinde kommt, Einrichtung von Biwaks, Ausstellen von Vorposten, Aufklärungen, alle diese Übungen lassen sich, auch ohne Flurschäden zu verursachen , mit gemischten Waffen üben .
Als besondere Neuerung werden noch zwei Einrichtungen erwähnt,
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften.
101
die bei den Manövern zum ersten Male zur Verwendung gekommen sind , die Hunde im Aufklärungs- und Vorpostendienst, und die Velocipedisten. Der mit den Hunden erreichte Erfolg hat bis jetzt noch nicht befriedigt, obgleich nan solche der verschiedensten Rassen mitgeführt hatte, man glaubt, daſs man nicht Zeit genug gehabt hat, dieselben genügend abzurichten ,
verspricht sich aber für die Zukunft groſsen Nutzen davon. Die Ver wendung von Velocipedisten zur Überbringung von Befehlen bat hingegen sehr befriedigt, man hat festgestellt, daſs ein Radfahrer ohne Anstrengung
100 Kilometer in einem Tage zurücklegen kann, wobei man 18——20 Kilo meter in der Stunde rechnet.
Von dem Verwaltungswesen heiſst es , daſs es , ebenso wie die
Kavallerie , in keiner Weise genügt habe , daſs es eben gar keine Fort schritte mache. Sehr häufig ist es vorgekommen , daſs die Verteilung der
Lebensmittel erst spät in der Nacht stattfinden konnte , wodurch die Truppe nicht allein in ihrer Nachtruhe gestört wurde, sondern auch nicht einmal Zeit hatte, die Mahlzeiten zuzubereiten. Der Grund dieser mangel
haften Leistungen soll in den zu wenig geübten Beamten liegen, die alle erst nach 10—12 jähriger Militär-Dienstzeit zum Verwaltungsfach über gehen und somit nicht die genügenden Kenntnisse in ihrem Fache be sitzen können .
Zum Schluſs betont der Verfasser nochmals, wie sich diese Manöver
von denen der vorangegangenen Jahre unterschieden haben. Wenn früher ein Regiment zum Manöver ausrückte, so war Alles, wie zu einer Theater
Aufführung , bis in alle Einzelheiten vorher genau bekannt, Über raschungen konnten nicht vorkommen. Dadurch , daſs in diesem Jahre nichts vorher bekannt war, sind eine Menge von Unordnungen und Miſs verständnissen vorgekommen, die aber nicht verfehlt haben , die Manöver dadurch um so lehrreicher zu gestalten. Le Progrès militaire. Die Feldartillerie . Seit der Vermebrung der deutschen Feldartillerie im März V. J. haben die französischen Militär
Fachschriften wiederholt darauf hingewiesen , daſs auch die französische Feldartillerie einer Vermehrung und veränderte Organisation bedarf. Das
genannte Blatt schreibt über denselben Gegenstand folgendes: Wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen , daſs das Bestreben Deutschlands darauf hingerichtet ist, ihre Armee - Corps mit 20 Batterien, d. b. mit 120 Geschützen zu versehen, wodurch ein Verhältnis von 4 Ge schützen für je 1000 Mann erreicht wird, ein Verhältnis , wie es natur geinäſs ist und schon von Alters her üblich gewesen.
Auch wir, so schreibt der ungenannte Verfasser, müssen dabin ge langen , 20 Batterien für das Armee -Corps zu bekommen . Wir besitzen in Wirklichkeit 16, und zwar 4 für jede Division und 8 für die Corps Artillerie. Jedes Regiment hat drei reitende Batterien , allein da eine derselben schon im Voraus für die Kavallerie -Division bestimmt ist , SO
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
102
verbleiben nur zwei für das Armee- Corps, die mit den sechs übrigen Batterien von 90 mm Geschützen die Corps -Artillerie bilden . Man hat wiederholt den Vorschlag gemacht, zwei neue Batterien von 95 mm zu schaffen und mit jenen zusammen zu verbinden, ein solcher Gedanke ist aber ein äuſserst unglücklicher, denn eine Menge von Ar tilleristen wollen überhaupt das 95 mm Geschütz als zu schwer aus der Feldartillerie beseitigt haben. Anderseits scheint es aber auch nicht zweck mäſsig zu sein, reitende und Fuſs - Batterien gleichen Kalibers in derselben Abteiluug zu vereinigen .
Man darf nicht aus dem Auge verlieren, daſs die Corps - Artillerie in Masse und gleichzeitig in Wirksamkeit treten soll, und deshalb muſs sie auch aus Batterien bestehen , die gleiche Geschütze und gleiche Beweg lichkeit besitzen . Soll die Corps -Artillerie vermehrt werden, so darf das nur mit 90 mm und nicht mit 95 mm Geschützen geschehen. Selbst wenn
nun auch die Corps -Artillerie auf 10 Batterien gebracht würde, so würden doch immer nur 18 Batterien für das ganze Corps vorhanden sein, es fehlen also immer noch zwei.
Die Vermehrung der Corps -Artillerie um noch zwei Batterien scheint
aber nicht zweckmäſsig zu sein, die Stärke von 8 Batterien ist wirklich die äuſserste, die sich noch einheitlich leiten läſst. Eine Vermehrung darf nur bei der Divisions - Artillerie eintreten , indem man jeder Division in Zukunft 6 statt bisher 4 Batterien giebt. Es ist das der Grundsatz, den der Fürst Hohenlohe in seinen Schriften bereits aufgestellt hat, und der auch bei den letzten Manövern der Deutschen schon zur Anwendung gekommen ist. Es erhält dadurch jede Division zwei Abteilungen von je 3 Batterien, also 6 statt bisher 4 Batterien zugeteilt. Es liegt darin ein groſser Vorteil, die Einteilung einer Abteilung in drei Batterien ermöglicht dem Führer eine einheitliche Leitung und erhöht dadurch deren Wirksamkeit. Das Gelände kann in Folge dessen auch besser ausgenutzt, und staffelweise Bewegungen zum Vor- oder Zurückgehen können leichter zur Ausführung gebracht werden. Wenn auch der Grundsatz gilt, daſs die Artillerie stets in Masse, d. h. mindestens in der Abteilung auftreten
soll, so ist damit doch keineswegs ausgeschlossen, daſs sie in manchen Fällen, z. B. bei Avantgarden, einzelne Batterien selbstständig auftreten lassen muſs.
Im Übrigen dürfen wir nicht vergessen, daſs, wenn auch die Ver mehrung der Artillerie einen Kräftezuwachs für die Armee bildet, sie
gleichzeitig durch die Vermehrung der Fahrzeuge zu einem ernstlichen Hindernis im Gefecht werden kann.
Wir dürfen daher eine Änderung
unseres Artillerie - Materials nicht aus dem Auge lassen, damit wir, wie die Deutschen es ebenfalls thun , ohne Munitionswagen in das Gefecht eintreten können .
The Admiralty and Horse Guards Gazette.
Das Luftschiffahrtswesen
In England und Italien. Man ist in England allgemein der Ansicht, daſs
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
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das Luftschiffahrtswesen dort nicht auf gleicher Höhe mit dem der
europäischen Festlands-Mächte steht, da die für diesen Zweck bewilligten Geldmittel durchaus unzureichend sind .
Die Ballons selbst sind aus
einem Stoff gefertigt, der noch bedeutend leichter als Seide ist. Die Anfertigung ist Geheimnis eines Fabrikanten, der von der Regierung angestellt ist. Durch dieses leichtere Material sind die Engländer in der Lage, ihre Ballons kleiner gestalten zu können, um Gas zu sparen und das Gewicht zu verringern. In dieser Beziehung glaubt man von keinem anderen europäischen Staate übertroffen zu sein . Das zur Füllung erforderliche Wasserstoffgas wird auf chemischen Wege erzeugt und in komprimierten Zustande in handlichen stäblernen Behältern aufbewahrt.
An dem Ballon-Wagen befindet sich die Trommel mit dem Tau
m
festhalten , durch letzteres läuft ein isolierter Draht, um die Fernsprech Verbindung zwischen Ballon und Wagen herzustellen . Gefesselte Ballons sind auch für die italienische Armee in Paris unter
Aufsicht des Grafen Pecori Gerardi, des Leiters der Luftschiffahrt-Abteilung, zum Gebrauch in Abyssinien nach ähnlichen Grundsätzen angefertigt. Sie sind bedeutend leichter wie die früheren, statt 500 Kubikmeter ent halten sie nur 331 , bei einem Durchmesser von 8 Metern . Durch diese
Verringerung ist auch die sonst nötige Dampfmaschine entbehrlich ge worden , die Winde kann durch Menschenkräfte bewegt werden. Auſser dem hat der Graf Pecori Gerardi noch einen Ballon in England herstellen lassen, der bei nur 180 Kubikmeter Inhalt einen Beobachter 500 Meter boch heben kann.
Dieser ist aus sehr dünnen aber doch festen Geld
schläger-Häutchen angefertigt, Netz und Seil sind von Seide, und das Schiffchen wiegt nur 2-3 Kilogramm. Neben diesen Ballons hat die italienische Armee noch solche von 50 Kubikmeter Inhalt, die dazu
bestimmt sind, mit Hülfe elektrischen Lichtes, Signale bei Nacht zu geben. Obgleich der Ballon durchsichtig ist, so sind die Lichter doch auſserhalb desselben vor Reflektoren angebracht, um gröſsere Wirk samkeit zu erzielen. Auch befindet sich bei jedem Ballon ein sogenannter
„ Aspirator“, der das Gas von einem Ballon zu einem anderen über tragen soll. Das Gas wird in Neapel gemacht und in stühlernen Be hältern, die je 4000 Liter, zu 32 Kubikmetern unter einem Druck von 125 Athmosphären zusammengepreſst, enthalten, nach Massauah geschafft. In der Wüste werden die Behälter durch Kamele, im Gebirge durch Maultiere befördert. Das Gewicht derselben ist geringer, als wenn man das Material zur Anfertigung des Gases, Zink, Säure , Wasser u. s. w. mitführen würde. Man glaubt, diesen Ballon auſser zum Signalisieren auch zum Beunruhigen des Feindes verwenden zu können. Army and Nany Gazette. Die Verwendung leuchtender Farben für
Kriegszwecke. Es ist unseres Wissens das erste Mal, daſs der Gedanke der Verwendung leuchtender Farben zu Kriegszwecken zum Ausdruck kommt.
Die damit in Aldershot angestellten Versuche bezweckten
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften,
104
zweierlei , erstens die Ermöglichung der Lesbarkeit von Karten im Dunkeln
und zweitens die Herstellung von bei Nacht sichtbaren Zeichen , um Truppen in der Nähe des Feindes zu führen. Die unter Leitung des
General Sir Archibald Alison abgehaltenen Übungen haben nach beiden Richtungen hin derartige Erfolge gezeigt, daſs wohl zu erwarten steht, daſs man auch in anderen Armeen der Sache näher treten wird .
Es giebt zwei Arten des Anstrichs mit leuchtenden Farben , und zwar der Ölfarben -Anstrich, der sich mit Hülfe eines Bindemittels auf Glas, Holz, Metall u. s. w. auftragen läſst, und die Pulverform , die auf Papier oder Pappe trocken eingerieben wird. Um die damit behandelten Gegen stånde in der Dunkelheit leuchtend erscheinen zu lassen, ist es nötig,
dieselben einige Stunden dem Tageslichte oder irgend einem künstlichen Lichte auszusetzen .
Der erste Versuch sollte feststellen, ob es mit Hülfe des Kompaſs möglich wäre, einen bestimmten Punkt in der Dunkelheit zu erreichen . Dieser Punkt bestand aus einem einfachen hölzernen Pfahl, der in einer
Entfernung von ungefähr 3 Kilometern aufgestellt war, derselbe sollte von 12 Offizieren von verschiedenen Stellen aus, ohne daſs einer von dem
anderen etwas seben oder hören könnte, aufgesucht werden. Jeder dieser Offiziere führte einen Kompaſs, dessen Nadel und Nordpunkt leuchtend gemacht waren, auſserdem war die Richtung, in der sich der erwähnte
Pfahl befand, durch einen schmalen Streifen von leuchtendem Papier, das durch Gummi oder mit einem elastischen Faden auf dem Glase des
Kompaſs befestigt war, bezeichnet. Die Entfernung muſste jeder Offizier nach der Uhr mit leuchtendem Zifferblatt ermitteln . Man nahm dabei an, daſs die Offiziere die Führer von Kolonnen bildeten , die in der Nacht
an einem besonderen Punkte vereinigt werden sollten, dieser Punkt war jedoch nicht vorher bekannt. Selbstverständlich hatte auch Jeder eine
von den anderen verschiedene Richtungslinie auf seinem Kompaſs be zeichnet erhalten. Das Ergebnis des Versuches war, daſs alle zwölf Offiziere den als Ziel bezeichneten Pfahl erreichten , und daſs die gröſste Abweichung nur 40 Meter betrug.
Der nächste Versuch in der Verwendung des Leuchtstoffes bestand in der Führung einer Kolonne bei Nacht auf einer Straſse in unüber sichtlichen
Gelände.
Hierzu
war,
entsprechend der Führung einer
Truppe bei Tage, ein Plan erforderlich, auf den diejenigen Punkte, die für das Zurechtfinden bei Nacht von Wichtigkeit sind, besonders be zeichnet waren . Man muſs sich vergegenwärtigen , daſs manche Gegen
stände in nächster Nähe der Straſse bei Nacht unsichtbar sind, während weiter entfernt gegen den Horizont oder auf einer Höhe liegende, noch deutlich erkannt werden können.
Eine solche Karte war auf dünnem ,
durchsichtigen Ölpapier gezeichnet, die Straſsen durch einen dicken schwarzen Strich angedeutet, die Schrift in groſsen stehenden Buchstaben, wodurch das Ganze auf Schönheit natürlich keinen Anspruch machen konnte.
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften.
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Diese durchsichtige Karte wurde auf ein mit leuchtender Farbe bear beitetes Stück Pappe gelegt, und war sehr deutlich zu lesen, und zwar je gröſser die Dunkelheit desto besser. Um der Kolonne zu zeigen, welche
Richtung der Führer eingeschlagen hatte, erwies sich ein einen Quadrat fuſs groſses Stück mit Leuchtfarbe bestrichener Pappe als sehr zweck mäſsig, dasselbe konnte auf 30—40 Meter deutlich erkannt werden .
Die ganzen Übungen und Versuche haben gezeigt, daſs in allen den Fällen, wo der Nähe des Feindes wegen der Gebrauch von Laternen aus geschlossen ist, die Verwendung leuchtender Gegenstände von groſsem Nutzen sein kann.
D.
VII.
Umschau in der Militär-Litteratur. Geschichte des 1. Magdeburgischen Infanterie -Regiments Nr. 26. Auf Befehl bearbeitet durch v. Stuckrad , Haupt mann und Compagniechef im Regiment. Erster Teil : Die ersten fünfzig Jahre 1813–1863. – Zweiter Teil: Die letzten
fünfundzwanzig Jahre 1863 - 1888. – Mit Abbildungen und Skizzen .
Diese „auf Befehl " bearbeitete Regiments-Geschichte gehört unzweifel
haft zu den besten Werken ihrer Art ; nach jeder Richtung wird sie die weitgehendsten Anforderungen befriedigen. Eine gewandte Darstellung, die je nach der Bedeutung des Gegenstandes sowohl die richtige Aus dehnung annimmt als auch den passenden Ton anschlägt, eine Darstellung,
die durch geeignete Behandlung des Stoffes stets das Interesse für die Sache wach zu halten weiſs und durch eine sehr geschickte und sach
gemäſse Einteilung jeden einzelnen Abschnitt zu einem für sich abge schlossenen Ganzen macht , so daſs es dem Leser freisteht, einzelne ihn
weniger anziehende Teile unberücksichtigt zu lassen , ohne dadurch im Verständnis des Ganzen gestört zu sein , eine solche Darstellung ver leiht dem Lesen dieses Werkes einen besonderen Reiz .
Dieser wird noch
dadurch erhöht, daſs die Schilderung mit besonderer Einsicht sich in die jeweiligen Zeitverhältnisse zu vertiefen weiſs und in das innerste Leben des Offizier -Corps eindringend höchst wertvolle Beiträge für die Geschichte
der preuſsischen Armee bringt. Nach meiner Ansicht ist in der trefflichen Regiments -Geschichte nur der Personenkultus“ etwas zu sehr zum Aus
druck gekommen ; auch gebört „ Die Thätigkeit des Landwehr-Regiments »
Nr. 26 im Kriege 1870/71 “ unbedingt nicht in diese Regiments -Geschichte hinein .
Das 1. Magdeburgische Infanterie -Regiment Nr. 26 hat seine Ent stehung auf die im März 1813 erfolgte Bildung eines Ausländer - Bataillons
zurückzuführen, das sich bald zum Elb - Infanterie-Regiment umgestaltete >
und als solches in den Feldzügen 1813 und 1814 beim Bülow'schen Corps tapfer kämpfte. Im März 1815 als 26. Infanterie-Regiment in den festen
Verband der preuſsischen Armee aufgenommen , erwarb sich das Regiment
Umschan in der Militär -Litteratur.
107
in der Schlacht bei Ligny durch seine ausgezeichnete Haltung besonderen Ruhm.
Was seine fernere kriegerische Thätigkeit anbelangt, so nahmen
zwei Bataillone desselben 1849 an dem Feldzuge in Baden teil. Welt bekannt ist dann das rühmliche mit schwersten Opfern erkaufte Ausharren
des Regiments am 3. Juli 1866 im Swip -Walde , bis die Armee des Kronprinzen herankam und die 7. Infanterie - Division von den über mächtigen Angriffen des Feindes befreite.
Im Kriege 1870/71 ist die
Schlacht bei Beaumont der Glanztag des Regiments, während es bei der
Einschlieſsung von Paris nur am 30. November 1870 im Gefecht bei Epinay zu einer nennenswerten Gefechtsthätigkeit gelangte. Die kriege rische Thätigkeit des Regiments und seiner einzelnen Teile findet in der
vorliegenden Regiments-Geschichte eine besonders anziehende Darstellung, sowohl einer klaren Gesamtschilder ung wie auch den Handlungen jeder noch so kleinen Abteilung und den hervorragenden Leistungen Einzelner im vollsten Maſse Rechnung trägt. Sind hierdurch ehrenvolle Denksteine für das Regiment errichtet , so bildet das Werk nicht minder ein gutes Lehrmittel für taktische Zwecke. Die sehr tüchtige Leistung des Verfassers verdient
so mehr
Beachtung, als derselbe nach den Angaben des Buches dem Regimente erst wenige Jahre angehört, und sich doch, wie seine Arbeit beweist, in die Verhältnisse und das gesamte geistige Leben des Regiments voll ständig eingelebt hat. Übrigens hat der Name des Verfassers schon durch frühere Arbeiten in der Militär - Litteratur einen guten Klang. Nicht unerwähnt möge schlieſslich bleiben, daſs das umfangreiche Werk sehr gut ausgestattet ist , also auch nach dieser Richtung hin als Muster dienen kann .
Geschichte des schlesischen Pionier -Bataillons Nr. 6 von seiner Gründung bis Ende 1886 . Von Schroeter , Premierlieutenant im schlesischen Pionier - Bataillon Nr. 6. Aus dem Vorworte des kleinen Büchleins erfahren wir , daſs die
Königliche General- Inspektion des Ingenieur- Corps und der Festungen unter dem 1. November 1884 angeordnet hatte, die Geschichten der Pionier- Bataillone durch je einen Offizier derselben bearbeiten zu lassen,
um hiernach eine Grundlage zu gewinnen zur Bearbeitung einer allge meinen Geschichte des Ingenieur - Corps und der Pioniere. Eine Folge dieser Anordnung ist wohl die vorliegende Arbeit, die für den ausgesprochenen Zweck sicherlich von groſsem Wert ist. Ob sie es aber erreicht hat, wie es in ihrer Absicht lag, den Offizieren ein gewisses
Maſs sachlichen Interesses zu bieten und bei den Mannschaften zur Pflege der Liebe und Anhänglichkeit an den Truppenteil und des Corpsgeistes beizutragen , das darf wohl bezweifelt werden. Denn um sachliches Interesse zu bieten , muſs eine sachliche und belehrende Schilderung vor handen sein . Das ist aber nicht der Fall ; unter geschickter Gliederung des Stoffes wird vielmehr die Kriegsthätigkeit der einzelnen Compagnien
108
Umschau in der Militär- Litteratur.
in den Feldzügen 1864, 1866 und 1870/71 in sehr dürftigen Umrissen erzählt ; auch sonstige besondere Friedensleistungen der Truppe werden nur kurgweg erwähnt ohne der Sache selbst näher zu treten. Eine solche Darstellung und Behandlung des Stoffes ist auch sicherlich nicht dazu
angethan, bei den Mannschaften die Liebe und Anhänglichkeit an den Truppenteil zu erhöhen ; will man das erreichen, so muſs man mit Wärme
und in einer für die Mannschaft geeigneten Weise erhebende Thaten und dergleichen zu schildern versuchen. Verschiedentlich war Gelegenheit dazu geboten ; so u. A. die Thätigkeit des braven Hauptmann Ledebur und seiner Festungs- Compagnie vor Straſsburg, oder der Beobachtungs mannschaften der Feld -Pionier -Compagnien , die sich freiwillig an dem Gefecht bei Chevilly beteiligten. Erwähnt sind diese Thatsachen ja kurz, aber eigentlich nur im Tone einer amtlichen Berichterstattung. Auch die Personal -Angaben über die Offiziere sind in einer so wenig ansprechenden Form gebracht, daſs sie schwerlich die Beteiligten und noch weniger weitere Kreise befriedigen werden . Liegt es in der Absicht, des weiteren Geschichte der Pionier-Bataillone zu veröffentlichen , um , über den amtlichen Zweck hinaus , einesteils bei der Truppe die Anhänglichkeit an das Bataillon und den Corpsgeist zu heben und andernteils das gröſsere militärische Publikum für die fünfte Waffe mehr wie bisher zu interessieren , so möchten wir das vorliegende Büchlein in Betreff seiner geschickten sachlichen Stoffgliederung, aber nicht
in seiner Darstellungsweise als Muster empfehlen. – Aus dem Abschnitte „ Bewaffnung, Bekleidung und Ausrüstung “ ersehen wir u. A., daſs das
Bataillon noch mit gezogenen Perkussionsgewehren, also Vorderladern , den Feldzug 1866 mitmachte und erst 1869 Zündnadelgewehre erhielt. Das Bataillon leitet seinen Ursprung aus dem Jahre 1816 her, in welchem aus zwei zur Zeit der Befreiungskriege gebildeten Pionier - Compagnien die 5. , seit 1818 – 6. , Pionier - Abteilung zusammengestellt wurde. Militärische Paradoxen.
Mit 1 Karten-Skizze.
Der Titel der kleinen 97 Seiten umfassenden Schrift riecht entschieden
nach Wirkungsbascherei, ein Eindruck, der noch durch die Benennung der einzelnen, schon auf dem Titelblatte angegebenen Abschnitte erhöht wird. Geht man schon mit diesem Vorurteil an die Durchsicht des Büchleins, so
wird dieser erste Eindruck beim Lesen wahrlich nicht beseitigt.
Den
Inhalt des Buches bilden 5 Aufsätze.
Der erste benennt sich : „Die Botschaft hört' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. “ Oberst Schwärmer von Schwärmershausen hat am
30. Juni 1884 das Kommando des Regiments Nr. X übernommen . Nach
gründlicher Besichtigung aller Dienstzweige soll derselbe sein gesamtes Offizier -Corps zusammengenommen und ihm eine 15 Druckbogen lange Rede gehalten haben , in der er auseinandersetzte, wie der ganze bisherige Dienstbetrieb nichts tauge. „ Um einen möglichst hohen Grad
der Ausbildung zu erreichen , eröffnete man die Konkurrenz und führte
Umschau in der Militär- Litteratur.
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Prüfungen - Besichtigungen , wie der offizielle Ausdruck heiſst - ein , in welchen Lob und Tadel zu ernten waren. “ So der Herr Oberst, der nun eine ganz neue Art der Besichtigungen einführen will. Es sind in dieser
langen Rede fast durchweg ganz vernünftige Ideen enthalten – aber daſs ein Oberst eine solche Rede in Gegenwart der jüngsten Offiziere , die mit den Besichtigungen u. dergl. doch gewiſs nichts zu thun haben, und in solch wegwerfender Weise gehalten haben soll, ist geradezu undenkbar. Ein Commandeur, der in solch einschneidender Weise alles ändern will, macht dies nicht mündlich ab, sondern setzt das schriftlich auseinander
und giebt nur den Bataillons - Commandeuren und Compagnie -Chefs davon Kenntnis. Also die Botschaft, die uns der Herr Verfasser als Thatsache aufdrängen möchte, glauben wir als solche entschieden nicht zu Gunsten der Armee und des Oberst von Schwärmershausen .
Aber nur als solche
Thatsache hat der ganze Abschnitt einige Bedeutung ; fällt die Thatsache, so stehen wir vor dem Phantasiebild eines Ungenannten , der seine eigenen Gedanken , die schon vor ihm häufig ebensogut ausgesprochen sind, der Welt um jeden Preis zum Besten geben will.
Im noch höheren Grade
überflüssig ist der zweite Aufsatz : „Le carré est mort, viue le carré." Ich dächte über den heutigen Wert des Carrés sind die Gelehrten längst
vollständig im Klaren, so daſs es gewiſs nicht mehr langen Auseinander setzungen des Für und Wider bedarf. Im übrigen läſst der Verfasser den Verehrer des Carrés ein sehr unglückliches Beispiel für seine Sache wählen.
Der für die Sache sprechende Hauptmann ist mit seiner Compagnie im heftigen Kampfe neben anderen Abteilungen siegreich in ein Dorf ein- und bis zum jenseitigen Rand vorgedrungen . Bald naht der Gegner aber in Kolonnen “ zum Gegenangriff; die Compagnie sieht sich schnell von allen Seiten umringt, doch gelingt es dem Hauptmann sich mit etwa 80 Mann
durchzuschlagen. Über freies Feld eilt er nach einem nahegelegenen Wald, wo eine Aufnahmestellung vorbereitet, aber er müht sich dabei vergeblich ab, „ eine Schützenlinie nach rückwärts aus dem Schwarm abzutrennen ! “ Plötzlich erscheinen Scharen feindlicher Reiterei in seiner linken Flanke;
„in zügellosem Feuer werden die letzten Patronen verknallt. “ Zwei, drei
Angriffe immer neuer Schwadronen erfolgen . Einige Leute scharen sich um den Hauptmann ; „der Feldwebel animiert zum Schnellfeuer .“ (Wo haben die Leute die Patronen her ?) Der Reserve -Lieutenant der Compagnie hat etwa 30 Mann um sich gesammelt und ruft : n Carré fertig !“ Dieses Knäuel, an das sich der Hauptmann mit noch einigen Leuten anschlieſst,
weiſs allen Angriffen neuer Reiterscharen zu widerstehen , und so erreichen 50 Mann den glücklich rettenden Wald.. – Der Gegner des Carrés erklärt sich durch diese Schilderung geschlagen !! – Ich glaube es ist schwer, mehr
Unnatürlichkeiten in einer kurzen Schilderung zusammenzudrängen !
-
Der dritte Aufsatz benennt sich : „ Defensive und Offensive; Licht und
Schatten .“ Der Verteidiger muſs sehen, wenn seine Feuerwaffen wirken sollen, der Angreifer muſs sich der Sicht des Verteidigers möglichst ent ziehen
also die Defensive ist Licht, die Offensive Schatten ; letztere muſs
Umschau in der Militär -Litteratur.
110
somit möglichst in die Nacht verlegt werden. Vor mehreren Jahren wurde einer Versammlung von Offizieren von hoher Stelle eine Aufgabe gestellt, erzählt der ungenannte Herr Verfasser, in der 4 französische Armee- Corps in einer Stellung östlich Metz angenommen wurden ; 4 deutsche Armee Corps, 2 Landwehr- und 2 Kavallerie- Divisionen sollten die Franzosen angreifen . Mit der Lösung der Aufgabe, wie sie damals stattfand, ist unser Herr Ungenannt gar nicht zufrieden ; er führt seine Truppen mit Hülfe der Nacht dicht an die Stellung des Feindes heran, der mit Tages anbruch überraschend angegriffen und natürlich geschlagen wird . - Es ist
hiermit bewiesen : Nachtübungen ! Für die Offensive Scbatten !!
Nr. 4
heiſst : Soll die Taktik auferstehen , muſs die Form in Stücken gehen. (Wenn das Geben in Stücken der Form nur nicht zu schwer wird !) Ganz
vernünftige Ansichten werden in diesem Abschnitt entwickelt, wie wir sie aber schon seit 15 Jahren sehr häufig gelesen haben . Fast unsere gesamten Kämpfe 1866 und 1870/71 werden einer scharfen , wenn auch nicht unge rechten , aber doch oft nicht taktvollen Beurteilung unterzogen und dabei eine erstaunliche Unkenntnis über die Veranlassung zur Schlacht bei Colombey
Nouilly sowie den Kampf der I. Armee bei Gravelotte an den Tag gelegt. Die weiteren Vorschläge des Verfassers scheinen mir nicht so belangreich, um ihnen hier näher zu treten. Im Schluſsaufsatz: „Jeder Krieg fübrt uns einen Schritt näher dem ewigen Frieden “ gefüllt sich Herr Ungenannt
in Betrachtungen über den ewigen Frieden, sowie über die Ähnlichkeiten zwischen Duell und Krieg ; dann vertieft er sich in das bekannte Bismarck'sche
„ Saigner à blanc ! “ Alles recht hübsch aber wozu ? Als Stilübungen für den Herrn Verfasser haben solche Betrachtungen gewiſs Nutzen ; für die
Öffentlichkeit kann ich keinen erkennen . Das Büchlein hätte nach alle dem ruhig ungeschrieben bleiben können – ein groſser Verlust wäre es nicht gewesen .
Kaiser Wilhelm und seine Zeit von Ferdinand Schmidt
Mit zahlreichen Text-Abbildungen , Tonbildern und dem Portrait des Kaisers in Stahlstich .
In vier Abteilungen .
Dritte umgestaltete Auflage. Die rührige und durch ihre Jugend- und Volksschriften rühmlichst bekannte Spamer'sche Buchhandlung begann vor Kurzem mit einer Neu
Ausgabe des vorbezeichneten Werkes und hat die Schluſs -Abteilung des selben kurz vor dem Hinscheiden Kaisers Wilhelm abgeschlossen. Durch das eben genannte erschütternde Weltereignis ist dem Buche augenblicklich ein ganz besonderes Interesse verliehen worden . Es führt uns in einer kurzen spannenden Darstellung die Vorgeschichte der Hohenzollern -Dynastie
bis auf Kaiser Wilhelm vor Augen und schildert dann in volkstümlicher, recht ansprechender Weise sowie in gewandter Form das thatenreiche Leben des hochseligen Kaisers. So lehrreich wie das Buch gewiſs für Jedermann, auch für manchen Offizier, im Allgemeinen sein dürfte, so wird es doch in
militärischer Beziehung, namentlich was die letzten Kriege anbetrifft, nicht
Umschau in der Militär- Litteratur.
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voll befriedigen. Die Verlagsbuchhandlung hat unter der Flagge desselben Verfassers Bücher erscheinen lassen, die in der beregten Richtung viel Besseres liefern ; es wäre also gewiſs zu erreichen gewesen, auch hierin
allen Ansprüchen gerecht zu werden. Hoffentlich beseitigt eine neue Auf lage, die dem Werke sicherlich bevorsteht, diesen noch vorhandenen Mangel,
so daſs das Buch dann unbedingt gelobt werden kann . Schlachten - Atlas des neunzehnten Jahrhunderts. Zeitraum :
1820 bis zur Gegenwart. 14. und 15. Lieferung. Das bekannte umfangreiche Werk schreitet rustig vorwärts ; da das selbe ungefähr 30 Lieferungen umfassen soll, so dürfte mit den jetzt vor liegenden 14. und 15. etwa die Hälfte desselben erschienen sein. Die beiden
genannten Lieferungen enthalten Schilderung und Pläne der Schlacht bei Noisseville und des weiteren Verlaufs der Einschlieſsung von Metz bis zur Übergabe. Aus dem nordamerikanischen Bürgerkrieg liegt Text und Plan der Schlacht bei Fair -Oaks am 31. Mai 1862 nebst Vorgängen sowie der
darauf stattfindende Rückzug der Unions -Armee bis zum 1. Juli 1862 mit Skizze vor.
Wie wir schon früher wiederholt anerkennend hervorgeboben,
ist die Darstellung kurz, klar und auf die besten Quellen gestützt. Auch die Pläne und Skizzen sind zweckentsprechend und deutlich ; die schwarzen Töne gehen allerdings etwas stark ins Graue über, auch hätte die Deut
lichkeit und Übersichtlichkeit gewonnen , wenn breite Wasserläufe, wie in den jetzt vorliegenden Karten und Skizzen z. B. Mosel und James River schraffiert worden wären . Mit Übersichtskarten wird fast Luxus getrieben ; So würde unserer Ansicht nach an Stelle der beiden Skizzen zur
Ein
schliefsung von Metz - eine für den 18. September, die andere für Anfang Oktober – eine vollständig genügt haben. – Das Werk nimmt in der Kriegslitteratur durch seine Unparteilichkeit und Klarheit jedenfalls einen
hervorragenden Platz ein und wird schwerlich in einer gröſseren Militär Bibliothek fehlen dürfen .
VIII.
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den militär. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze. *) (I. Quartal 1888.) (15. Dezember 1887 — 15. März 1888.)
Für das nachfolgende Verzeichnis sind benutzt : 1. Militär-Wochenblatt. 2.
M. W. Neue militärische Blätter. N. M. B.
3. 4. 5. 6. 7.
Allgemeine Militär-Zeitung. – A. M. Z. Deutsche Heeres-Zeitung. D. H. Z. Militär -Zeitung. Organ für Reserve- und Landwehr-Offiziere. Internationale Revue über die gesamten Armeen und Flotten. Archiv für Artillerie- und Ingenieur-Offiziere. Α. Α. 1.
8. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. 9.
Zeitschrift für Luftschifffahrt.
A. H. M.
Z. F. L.
10. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine.
11. Österreichische Militär -Zeitschrift (Streffleur). 12.
- M. Z. R. - I. R. A.
Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine.
-
J. A. M , 0. S. M.
0. W. V.
13. Osterreichisch -ungarische Wehr-Zeitung. – 0. U. W. 14. Österreichisches Armeeblatt. 15.
0. A. B.
Österreichische Militär-Zeitung .
.
0. M. Z.
16. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie -Wesens. – 0. A. G. 17. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. O. M. S. 18. Le Spectateur militaire. F. S. M. 19. Journal des sciences militaires. F. J. S. 20. Revue de cavallerie. F. R. C. 21.
Revue du Cercle Militaire.
22.
Le Progrès militaire.
23. 24.
L'Avenir militaire. La France militaire.
- F. C. M.
F. P. M. F. A. M. F. M.
*) Die mit einem * versehenen Bücher sind der Redaktion zur Besprechung zugegangen und werden in der „ Umschau in der Militär-Litteratur “ nach Mög
lichkeit Berücksichtigung finden . 1
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſser. Aufsätze. 25.
Revue d'artillerie.
113
F. R. A.
26. Revue du service de l'intendance militaire, – F. R. I. 27.
Revue maritime et colonial.
28. Russischer Invalide.
F. R. M.
R. I.
-
29. Wajenny Sbornik . 30.
31. 32. 33. 34.
- R. W. S. Russisches Artillerie - Journal. R. A J. Russisches Ingenieur- Journal, R. 1. J. Morskoi Sbornik. – R. M. S. Rivista militare italiana. I. R. L'Esercito italiano. I. E.
35. Rivista di artiglieria e genio. 36.
Rivista marittima.
1. A. G.
1. R. M.
37. Journal of the Royal United Service Institution. 38. The illustrated Naval and Military Magazin . 39. Army and navy Gazette. E. A. N.
E. U. S. E. N. M. .
.
40.
The Broad Arrow .
E. B. A.
41. Admiralty and Horse guards Gazette.
42. The Military Telegraph Bulletin.
E. A. H.
E. M. T.
43. Army and navy Journal. A. A. N. 44. Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. 45.
Revue militaire Suisse.
-
Sch. M. Z.
Sch. R. M.
46. Schweizerische Zeitung für Artillerie und Genie. 47. De militaire Spectator. 48.
De militaire Gids.
49. Revue militaire belge.
B. R. M.
-
50. La Belgique militaire.
B. M.
51. Revista cientifico militar.
52. Memorial de Ingenieros. 53. 54. 55.
Sp. R. C. Sp. M. I.
Revista militar. – P. R. M. Revista das sciencias militares. Revista maritima Brazileira .. -
-
P. R. S , Br. R. M.
56. Revista militar (Republica de Colombia).
57. Krigsvetenskaps Academiens Handlingar, 58. 59.
Sch . A. G.
Nd. M. S. Nd. M. G.
C. R. M. Schw . K. h.
Norsk militaert Tidsskrift. N. M. T. Militaert Tidsskrift. D. M. T.
I. Heerwesen und Organisation. * Les pensions militaires , leur législation et les tarifs qui en règlent la
fixation dans les armées européennes et aux États-Unis d'Amérique. Par F. Bernaert , Général -major retraité.
80
Bruxelles,
84 p.
C. Muquardt.
L'Autriche en 1888, par le lieutenant colonel Hennebert . Paris, Librair. illustr.
8°
251 p.
3,50 fr.
Les réformes dans l'armée française. Comparaison entre cette armée et l'armée allemande, telle qu'elle a été organisée par la loi du 11 mars 1887 Paris, Baudoin . par le général A. 8 ° - 134 p. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVII., 1.
8
114
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Choses d'Allemagne. Coup d'oeil sur les forces militaires de l'Allemagne, par Gallus. Réponse à Gallicaeres.
-
Paris, Westhausser.
220 p.
8° -
- 4 fr.
Zur Vermehrung der französischen Kavallerie.
Sachsens Soldatenknaben -Erziehungsanstalt.
M. W. 3.
-
-
M. W. 5 .
Zu den Avancementsverhältnissen der russischen Offiziere.
- M. W. 15 .
Das Heer- und Marine -Wesen der Vereinigten Staaten von Nord -Amerika. A. M. 2, 5, 6.
Friedensstärke und Militär-Haushalt in Frankreich .
Rückblick auf Englands Heer und Flotte 1887. Die russische Reiterei.
D. H. Z. 9.
D. H. 2 , 9, 10, 11.
- D. H. 2. 16.
Die Organisationsveränderungen und die Dislokation der russischen Armee nach dem Kriege von 1877/78. – M. 2. R. 1. Die französische Armee im Jahre 1887. M , 2. R. 3. Die italienische Feldartillerie. M. Z. R. 7.
Die niederländische Kriegsakademie und die Intendantur- Schule. Die russische Kavallerie.
J. A. M. Jan.
0. W. v . XXXV, 6.
Beiträge zum Studium des Heerwesens.
0. U. W. 1, 3.
Ausbau der Landsturm - Institution .
0. M. Z. 13 .
Zur Revision des Wehrgesetzes. 0. M. Z. 20 . Die gegenwärtige Organisation der französischen Truppen in Annam und Tonkin. F. S. M. 178.
Die französische Infanterie nach dem Gesetze vom 25. Juli 1887.
F. S. M. 179.
Eine vernunftgemäſse Reorganisation der Infanterie. F. S. M. 180, 181, 182. Über die Reorganisation der Armee. F. J. S. Dez. , Jan., Febr.
Der Gesetzentwurf über die Organisation der Genietruppen. Die Organisation des Oberbefehls in der Armee.
F. J. S. Febr.
F. J. S. Febr.
Organisation und Verteilung der Spezialtruppen an den Festlandsgrenzen. F. J. S. Febr .
F. R. C. Dez., Jan. Die selbstständige Kavallerie. F. C. M. 6 , 7, 8. Die Militär - Schulen Italiens. F. P. M. 751–759. Der Bericht über den Heereshaushalt. -
-
Die Mobilmachung und Konzentration der russischen Armee.
F. A. M. 1240
bis 1246 .
Die General-Inspekteure der Armee.
Über die Rekrutierung .
F. A. M. 1245. -
I. R. Febr.
Die Beförderung im italienischen Heere. 1. E. Die Rekrutierung der Kavallerie. Die italienische Feldartillerie.
Die französische Eisenbahntruppe.
I. E. 144, 146–148. 24.
I. A. G. Nov., Dez., Jan. E , N. M. 44.
Die französische Armee nach dem Mobilisierungs- Versuche im September 1887. – Sch. M. Z. 3 , 4, 5 .
Die niederländische Festungs -Artillerie.
Nd. M. S. II, III.
Die wichtigsten Umänderungen im Heere. - Sp. R. C. VI, 1. -
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
115
II. Ausbildung . * Heranbildung des Unteroffiziers zum Gehilfen des Compagnie Kommandanten. Von einem höheren Stabsoffizier. Wien , M. Perles. 2,40 M.
209 S.
8°
* Taschenbuch für den Schieſslehrer (Offizier, Unteroffizier, Einjährig -Frei willigen -Gefreiten u. 8. Ww .) bei den Zielübungen , im Entfernungsschätzen und in der Verwendung der Waffe. Von v. Brunn , Major und Bataillons
Kommandeur im Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm IV. ( 1. Pomm. ) Nr. 2. Mit 10 Abbildungen im Text.
Liebel'sche Buchhandlung .
kl. 8°
Berlin ,
123 S.
1,20 M.
* Instruktion über das Infanterie - Gewehr M/71/84 und dessen Muni tion. Für den Unterricht der Mannschaften abgefaſst und durch Berlin, Liebel'sche Buch 28 S. 8° 35 Abbildungen erläutert. -
0,10 M.
handlung
* v. Dossows Dienst - Unterricht für den Infanteristen des deutschen Heeres. Bearbeitet von Paul v. Schmidt , Oberstlieutenant und etats mäſsiger Stabsoffizier im 3. pommerschen Infanterie- Regiment Nr. 14. Acht
undzwanzigste Auflage, neu bearbeitet entsprechend dem Gewehr M /71 /84, der Schieſsvorschrift und der Felddienstordnung von 1887.
bildungen im Text.
164 S.
80
Mit 66 Ab
Berlin, Liebel'sche Buchhandlung
0,50 M.
* Hülfsbuch zur Heranbildung von Unterführern für den Exerzier und Schieſsdienst , sowie für das Gefecht, enthaltend : Auszug aus dem
Exerzier-Reglement und aus der Schiefsvorschrift für die Infanterie nebst einer Instruktion über das Verhalten im Feuer. Zusammengestellt von 0., Hauptmann. kl. 80 - 84 S. Berlin , E. S. Mittler & Sohn . 0,40 M.
* Leitfaden für den Unterricht in der Taktik auf den Königlichen Kriegsschulen. Auf Veranlassung der General-Inspektion des Militär
Erziehungs- und Bildungswesens ausgearbeitet von v. Lettow - Vorbeck , Oberstlieutenant mit dem Range eines Abteilungschefs im Groſsen General stabe. 129 S.
Sechste verbesserte Auflage. Berlin , E. S. Mittler & Sohn.
Mit 54 Abbildungen . 3,20 M.
4°
* Leitfaden für den Unterricht in der Dienstkenntnis auf den König lichen Kriegsschulen. Auf Veranlassung der General-Inspektion des Dritte Auflage. Militär- Erziehungs- und Bildungswesens ausgearbeitet. -
-
4° - 51 S. - Berlin , E. S. Mittler & Sohn. 9
Exerzieren und Manöver in kriegsstarken Verbänden.
1,50 M. M. W. 104, 7, 20.
Das Kavalleriemanöver im Odessaer Militärbezirke 1887.
M. W. 3.
Die französischen Kavallerie-Manöver 1887. – M. W. 4. Die taktische Ausbildung der technischen Truppen.
M. W. 8, 23.
Entwurf zur Einleitung einer Vorschrift über die Ausbildung der Infanterie für das Gefecht.
-
M , W. 13.
Zur Rekruten -Besichtigung bei der Infanterie. M. W. 14. Betrachtungen über praktischen Generalstabs- und Adjutantendienst -
Ein Schieſsversuch . M. W. 21, 22. Die Schiefsvorschrift für die Kavallerie vom 13. Januar 1888 .
M. W. 19.
M. W. 23.
Die Rekruten - Ausbildung. – A. M. 2. 99. 8*
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
116
Rückblicke auf das Übungsjahr 1886/87 der Fufsartillerie.
D. H. Z. 13, 15-20 ,
Der Dienstbetrieb der russischen Armee im Sommer und Herbst 1887.
- I. R. A.
Febr., März
Scheibenschützen oder Gefechtsschützen ?
Mobilisierungs-Übungen der Feldartillerie.
J. A. M. März, 0. S. M. I.
Über die Ausbildung der Fuſstruppen im Schieſswesen .
0. S. M. II, IIl..
0. W. V. XXXV, 5. Die Manöver des 10. Corps bei Konitz im Jahre 1887. 0. W. V. XXXVI, 1, Die Manöver des 7. und 12. Corps bei Déva 1887. Über die Stellung der Aufgaben zu den schriftlichen Ausarbeitungen der Offiziere und Kadetten mit Zugrundelegung der Schul-Instruktion. 0. A. G. XI: -
Die Militärschule, die Militärakademie und die Marineschule zu Tien -Tsin . F. C. M. 5 .
Die Vorschriften über die Manöver der Infanterie. --F. M. 1152.
Die Ausbildung zu Pferde in den Artillerie-Regimentern .
F. R. A. Jan.
Über die taktische Ausbildung der Infanterie. · R. W. S. Jan. Der praktische Schieſskursus bei der Offizier -Artillerieschule 1887.
R, A. J.
Jan,
Die Belagerungsübung bei Verona im Juli 1887. Die groſsen Manöver in der Emilia.
1. R. Dez.
· I. R. Febr.
Einige praktische Erfahrungen von Truppenzusammenzug 1887. - Sch. M. Z. 2. 51. Die Versammlung der VI. und VII . Armee-Division. Truppenzusammenzug von 1887. Der Tag von Wängi.
Sch. R. M. XII, I. Sch , A. G. III.
Eilmarsch einer Schwadron des 6. Kavallerie-Regiments von Chaves nach Oporto. P. R. M. II.
Über die kavalleriste Ausbildung.
D. M. T.
V.
IIJ. Krieg-, Heer- und Truppenführung, Truppendienst. *
* Felddienst und Gefecht eines Detachements ( 1 Bataillon, 1 Eskadron).
Nach applikatorischer Methode zum Studium der Felddienst-Ordnung der einschlägigen Bestimmungen der Schiefs - Vorschrift und des Exerzier Reglements für die Infanterie, bearbeitet von Zorn , Premierlieutenant im königl. bayer. Infanterie-Leib -Regiment. Mit einer Karte . 8º – 125 S. München, R. Oldenbourg. - 3 M. -
-
* Der Unteroffizier im Terrain.
Ein Handbuch für die Unterführer der
Infanterie und Kavallerie (Unteroffizier, Einjährig- Freiwillige u. S. w.)
Siebente , vollständig umgearbeitete und bedeutend vermehrte Auflage, bearbeitet von v. Brunn , Major und Bataillons-Kommandeur im Grenadier Regiment König Friedrich Wilhelm IV. (1. Pomm.) Nr. 2. Mit einem Plan und vielen Figuren im Text. go 125 S. Berlin , Liebel'sche Buch handlung 1,50 M -
* Der Felddienst des Kavalleristen .
Leitfaden für den Unterricht des 57 S. Kavalleristen im Felddienst. Heft I. Mit Skizzen und Beilagen . 40 S. Heft II. Mit Skizzen und Beilagen. 0,90 M. 0,50 M. kl. 8° Berlin , E. S. Mittler & Sohn . * Militärische Paradoxen . Mit einer Karten -Skizze. kl. 8° 97 S. Berlin , R. Eisenschmidt. -
-
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze. Die Kampfweise der Infanterie.
117
M. W. 105.
Die staffelförmige Feuerstellung der Feldartillerie.
M. W. 6, 12.
Die Beweglichkeit der Feldartillerie und ihre Sicherung durch sich selbst und die andern Waffen . - M. W. 7. Infanterie - Angriff. M. W. 11 . Der Gleichschritt eine Erleichterung ?
M.
W. 12.
Zu der Betrachtung über Feldartillerie und den Vorschlag zur Verwendung von Späbern für dieselbe. M. W. 13. Wider den Gleichschritt !
M , W. 16.
Ohne Tritt oder Gleichschritt .
- M. W. 17.
Der moderne Infanterie -Angriff. M. Der Gleichschritt doch im Reglement.
W. 20. M , W. 22.
Die Massenverwendung der Artillerie in ihrer historischen Entwickelung und taktischen Bedeutung für das Gefecht. N. M. B. Die Ursachen der serbischen Miſserfolge im Feldzuge 1885. ---
Vom Oberbefehl.
März. N. M. B. März.
· D. H. Z. 2.
H Z. 6. Die Verteidigungseinrichtungen von Konstantinopel. – D. H.
Die Kriegsthätigkeit der Feldartillerie. – D. H. 2. 14, 15. Über einige Unterschiede im deutschen und russischen Felddienst-Reglement. M. Z. R. 2, 3.
Verwendung der Infanterie während der Verteidigung einer Fortsfestung. M. 2. R. 4, 5, 6 , 8.
Kriegsgeschichtlicher Rückblick auf die Gefechtsweise der russischen Infanterie.
-
M. 2. R. 7.
Bildung einer Armee auſserhalb des Schlachtfeldes. I. R. A. Febr. Das Wäldchen von Mey. Taktische Details aus der Schlacht von Colombey Nouilly am 14. August 1870.
-
1. R. A. März.
Der Mehrlader. Eine geschichtlich -taktische Betrachtung. Die Taktik in Traum und Wirklichkeit.
J. A. M. Jan.
J. A. M. Febr.
Über das Verhältnis der Abhängigkeit der drei Waffen mit Berücksichtigung der taktischen Grundsätze.
0. S. M. 1.
Die Befehlsführung in der Schlacht. O. S. M. l. Kampf der Infanterie gegen Kavallerie.- 0. S. M. II, III .
Einteilung der Batterien und Munitions - Parks einer Artillerie- Brigade beim Gefechtsmarsche eines Corps mit hauptsächlicher Berücksichtigung eines 0. S. M. I1, III. Krieges im Norden. Der Sicherheits- und Nachrichtendienst auf dem Schlachtfelde. Die Gefahr des Verschieſsens.
0. A. B. 10.
Gedanken über Feuerdisziplin .
-0. M. 2. 5 .
Der Einfluſs des Repetier-Gewehres auf die Feldartillerie. Die Vorbereitung der Kriegführung im Frieden. - F. J.
-
0. A , B. 6, 7, 11
0. A. G. 11. S. Dez.
F. J. S. Dez. Die Taktik der drei Waffen. F. J. S. Jan. Taktische Studien.
Der allgemeine Dienst der Kavallerie im Felde. Über die Schlacht.
· F. R. C. Dez.
F. R. C. Febr. F. C. M. 4, 7 . Die Verteidigung der Staaten. F. C. M. 4. Der Ersatz der Munition auf dem Schlachtfelde. F. A. M. 1234, 1238. Die Verteidigung der Alpen. -
Mobilmachung und Aufmarsch der russischen Armeen.
F. A. M. 1239.
118 Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den Die Aufstellung der Munitionswagen sowie der übrigen Fahrzeuge der reitenden Batterien .
F. R. A. Febr.
Gemeinschaftliche Operationen von Heer und Flotte. Die Reiterei in der Avantgarde.
F. R. M. Dez.
R. W. S. Dez.
Die Kavallerie auf dem Schlachtfelde. R. W. S. Dez. Das Nachtschieſsen. R. W. S. Dez. Die „ Syntesis “ der Taktik. R. W. S. Febr.
Die Verwendung der Artilleriemassen.
R. W. S. Febr.
Die Artillerietaktik nach Auffassung des Obersten v. Boguslawski.
- R. A. J.
Dez.
Der erfahrungsgemäſse taktische Kampf. Märsche und Gefechte im Gebirge.
I. R. Dez.
1. R. Jan.
-
Kennzeichnende Eigenschaften des modernen Krieges. Die Festungen und deren Belagerung. 1. A. G. Nov.
I, R. Jan.
-
Die Befestigung der englischen Häfen und die Küstenverteidigung.
E. A. N.
1467.
Die Küsten -Verteidigung.
E. B. A. 1018.
Die historische Entwickelung der nordamerikanischen Taktik .
Der Infanteriekampf nach der neuen Übungsvorschrift.
- A. A. J. 1277.
Sch . R. M. I, ll.
Sch . A. G. II. Die Landesverteidigung Belgiens. Über den Einfluſs der neuen Handfeuerwaffen auf die Taktik der Infanterie. -
Nd. M , S , I, III.
Leitung und Regelung des Feuers aus weit entfernten Stellungen im Belagerungs krieg
-
Nd. M. S. I.
Die moderne Festung gegenüber den neuen Angriffsmitteln . – Nd. M. S. 1, II. Taktische Fragen.
-
Nd. M. G. 1.
B. R. M. IV. Vormarsch and Offensiv-Kampf einer Infanterie -Division , Sp. R. C. Betrachtungen über das neue taktische Reglement der Kavallerie.
V , 12, VI, 1-3. P. R. S. 25-27 . Die Verteidigung von Portugal . ngskrieg. – P. R. S. 25—27 . ie geru st ller im Bela Der Dien der Arti
IV. Befestigungswesen, milit. Bauten. Künstliche Stützpunkte.
M. W. 2
Nochmals künstliche Stützpunkte.
M. W. 17.
Die Verstärkung einer Verteidigungslinie erläutert an der Stellung der deutschen Armee an der Lisaine, Januar 1871 .
N. M. B. Jan.
Über die vermehrte Anwendung des Eisens und Stahls beim Festungsbau. N. M , B. Jan., Febr ., März . Die Festung Paris. D. H. Z. 1, 2, 4, 5, 7 .
Die Befestigungen des Bosporus.
-
0. M , 2, 7, 8, 9. Versuche im Gebiete des Minenwesens. 0. A. G. XI.
Urteile und Ansichten über Nutzen und Gebrauch von ständigen und Stegreif Befestigungen. 0. A. G. I, II, Die Befestigungskunst und die Ingenieure. F. J. S. Die Feldbefestigung und die neuen Torpedo-Granaten.
Die Befestigungskunst gegenüber der neuen Artillerie.
Dez.
F. c . M. 51. - F. C. M. 5.
milit, Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
119
Das Festungsviereck Morvan. F. M. 1087, 1114, 1115 Schutzmittel für Hauptwehren und kasemattierte Deckungen gegen Bomben Torpedos. R. 1. J. Nov.
Über die Herstellung der Wälle in der permanenten Befestigung gegen indirektes Feuer,
R. I. J. Dez.
Schleunige Befestigung auf dem Schlachtfelde. Die Feldbefestigung . Sp. M. I. Il - V . Die Panzer- Befestigungen . P. R. S. V.
V.
Sp. M. I. XXIV .
Waffen und Munition
( auch Theorie des Schieſsens und dergl.) .
* Die Kriegswaffen. Eine fortlaufende, übersichtlich geordnete Zusammenstellung der gesamten Schuſswaffen, Kriegsfeuer, Hieb- und Stichwaffen und In strumente, sowie Torpedos, Minen, Panzerungen u. dergl. Mit Einführung
von Hinterladern. Von Emil Capitaine und Ph. v. Hertling. — I. Band gr. 8°
Rathenow , M. Babenzien .
274 S.
18 M.
Über den Einfluſs des Wechsels in der Dichtigkeit der Luft auf die Geschoſsbahn des Infanteriegewehrs. M. W. 8. Beiträge zur Entwickelung des Shrapnelschusses.
N. M. B. Jan., Febr., März.
Über die Annahme eines kleinkalibrigen Repetiergewehrs für die Infanterie. N. M. B. Jan. Die Schieſsversuche mit Gewehren von 8 mm Kaliber und verschiedenen Geschossen
zu Berndorf (Nieder-Österreich) am 22. und 23. Juni und im Sept. 1887. A. M. Z. 13-18.
Vom Einheits-Feldgeschütz .
A. M. Z. 19.
Die Kanone de Bange in Serbien. D. H. Z. 7 . Über Schieſswollgranaten . M. Z. R. 3. Über ein neues Gesetz der Treffwahrscheinl hkeit der Die Kruppschen Kanonen C/86. – I. R. A. Febr. -
Geschosse. - I. R. A. Ja .
Photographische Aufnahme der Lufthülle, welche das Geschoſs umgiebt.
A. A. 1.
Nov., Dez.
Studien zur Mechanik des Langgeschofs -Fluges. – A. A. I. Jan., Febr. Wird man versuchen , Geschützpulver oder ähnliche Mischungen zum Treiben von Maschinen zu verwenden .
1. R. A. März.
Hotchkiſs- Schnellfeuer -Kanonen . Gedanken über das Schieſswesen.
I. R. A. März.
0. S. M. Il, nii.
Schnellfeuerkanonen groſsen Kalibers. 0. A. B, 51. Schieſsversuche mit 8 mm Gewehren und Stahl-Compoundgeschossen. – 0. A. B. 3. -
Schnellfeuerkanonen im Felde.
O. A. B. 4.
Die Neubewaffnungsfrage mit kleinkalibrigen Magazingewehren.
0. M. Z. 1.
Schnellfeuerkanonen im Landkriege. Detonierende Zündschnur.
0. A. G. XII. 0. A. G. XII.
Über die Winkel der gröſsten Schuſsweiten und andere Fragen . Die Dynamitkanone. – 0. M. S. 1, II. Das Zielen im Felde.
- F. J. S. Jan ,
0. A. G. 1.
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
120
Das Schieſsen der Artillerie, F. C. M. 8, 9, 10. Die Kaliber der Feldartillerie. F. P. M. 765. Die Stahldraht- Kanonen . F. A. M. 1240 .
Die pneumatische Kanone Zalinski. Die
in
den Jahren 1884 bis
F. R. A. Dez.
1886 in Schweden mit Handfeuerwaffen
geführten Versuche. F. R. A. Jan. Die inneren Spannungen beim Gieſsen des Stahls. Die Bestimmung des Winkels der gröſsten Tragweite.
aus
--
Die wichtigsten Nachrichten über die Gewehrfrage.
F. R. A. Jan., Febr. F. R. A. Jan. R. I. 9 u. f. -
Über die Tempierung der Entfernungszünder nach Linien. – R. A. J. Jan. Das kleine Kaliber.
1. R. Jan.
Das indirekte Zielen bei der Feldartillerie .
1. A. G. Nov.
Das Verhältnis zwischen Ladung und Anfangsgeschwindigkeit. – 1. A. G. Dez. Die Mitrailleuse Maxim . - 1. A. G. Dez.
Die für die verschiedenen Geschütze in Deutschland, Frankreich , Osterreich und Italien verwendeten Pulversorten.
I. A. G. Dez.
Die Maschinen-Geschütze, ihre Taktik und Ausrüstung. Das französische Gewehr -Modell 1886 .
E , U. S. 142.
-
Sch . M. Z. 1 Sch. M. 2. 4.
Ein oder mehrere Visiere ?
Einiges über Wirkung kleinkalibriger Handfeuerwaffen, insbesondere des Hebler Gewehrs, Modell 1887.
Sch . M. 2 , 6 , 7.
Die Schieſsbaumwolle als Kampfmittel gegen die französischen Sperrforts. Sch. A. G. X1, XII.
Über das Maxim - System automatischer Maschinengeschütze. Die Gruson'schen Schnellfeuerkanonen in Belgien.
Sch, A. G. II.
B. M. 887.
VI, 1, 2. Die pneumatische Torpedo-Kanone. – Sp. R. C. , Elliptische Geschosse. P. R. S. 25-27. -
Bie Entwicklung der Infanterie- Bewaffnung in der neueren Zeit. — D. N. T. VI.
VI. Militär-Verkehrswesen
(Eisenbahnen , Telegraph en , Telephon , Brieftauben a s. w.). Notions sur les chemins de fer à l'usage des officiers et sous - officiers de toutes armes.
A. Laplaiche.
(Armée active 16°
557 P.
Armée territoriale ) par Reserve Paris, Berger-Levrault. -
Die Kriegstelegraphie im Verlaufe der Jahrtausende.
N. M. B. Jan. Eisenbahnen und Militär-Eisenbahnwesen in Frankreich seit 1870. - D. H. Z. 12.
Militärische Luftschiffabrt in Frankreich .
Z. F. L. 1.
Der aviatische oder dynamische Flug. Ein Beitrag zur neueren Luftschiffahrts 0. W. V. XXXV, 6. kunde.
Die transportable Feldeisenbahn im Dienste der Verpflegung eines Heeres. 0. U. W. 2, 4.
Der Verpflegungsnachscbub im Kriege auf der transportablen Feldeisenbahn und Bericht über die Feldeisenbahn - Ausstellung in Landenburg im Jahre 1886 0. 4. G, XI.
Die Ausnutzung der zwei- und eingleisigen Eisenbahnen.
F. C. M. 4, 5 .
milit, Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze, F. A. M. 1241. Die Militär- Telegraphie, 1. Die milit. Verwendung der Brieftaube.
121
R. Jan.
Die ersten italienischen Versuche auf dem Gebiete der Luftschiffahrt. - I. A. G. Dez.
Die optische Telegraphie.
1. R. M. Jan. E. N. M. 44. Sch . M. Z. 8, 9. Die schweizerische Feldpost. Die Luftschiffahrt und die Militär-Tauben. B. R. M. IV . Ein neuer telegraphischer Übertrager. Sp . M. 1. 1.
Transportierbare Feldeisenbahn.
Die Militär-Luftschiffahrt.
Sp. M. I. III.
-
VII. Militär- Verwaltungswesen
( auch Verpflegung, Bekleidung und Ausrüstung ). Das Zweirad in der finnischen Armee .
M. W. 18.
Ein neues Feldkochgeschirr. – I. R. A. Febr. Der Pilsner Etagen -Backofen mit indirekter Heizung. Der Nachschub der Armeen .
0. W. V. XXXVI, 2.
F. J. S. Dez.
-
F. A. M. 1236 , 1237 . Die neue Verwaltung bei den Truppen . Studie über den Feldzug von 1806-1807 vom Standpunkt des Verpflegungsdienstes. F. R. 1. I.
Die durch die Kriegsverwaltung gemachten Erfahrungen über die Konservation des Mebls.
F. R , 1. 1.
Über Konsumvereine bei den Truppen .
R. W. S. Dez.
Über die Verpflegung der Truppen bei Plewna. –- R. W. S. Dez. Tornister und Patrontasche für die Infanterie.
I. R. Dez.
Karren zur Fortschaffung geschlachteten Viehes im Felde. Das Velociped im Heeresdienst.
-
1. R. Jan.
- E. A. N. 1456 .
Transportierbare Feldbaracken. – E. A. H. 170.
VIII. Militär -Gesundheitspflege (auch Pferdekunde ) . Brennen oder Einreiben ?
M. W. 104.
Zum Thema „ Brennen oder Einreiben “ . Brennen oder Einreiben ? Die Beinleiden der Pferde.
-
-
M. W. 10.
M. W. 12. N. M. B. Jan.
Über Behandlung und Beschlag gesunder, fehlerhafter und kranker Hufe. N. M. B. Febr., März.
Die wichtigsten Krankheitsformen in der Armee.
J. A. M. März,
Die Militär-Hygiene, ihr Wesen, ihr Umfang und ihre Bedeutung.
O. W. V.
XXXVI, 1.
Welche Nutzanwendung soll die Militär-Gesundheitspflege aus den Verhandlungen des VI. internationalen hygienischen Congresses ziehen ? XXXVI, 2.
0.
W. v .
122
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren in den
Das Vorbeugen der Syphilis in der Armee.
F. A. M. 1243.
Die Militär-Gesundheitspflege in Frankreich und Deutschland. — Sp. R. C. VI, 1–5. Die hygienische Unterbringung der Mannschaften in Spanien. Sp. M. l. I.
IX. Militär - Rechtspflege (auch Völkerrecht im Krieg e).
* Die Reichs - Militärg esetzgebung in neuer Fassung. Nach den Gesetzen vom 9. November 1867, 2. Mai 1874, 15. Februar 1875 , 6. Mai 1880, 31. März 1885, 11. März 1887 und 11. Februar 1888. Mit einem Anhang,
enthaltend das Gesetz vom 8. Februar 1888, betreffend die Unterstützung von Familien in den Dienst eingetretener Mannschaften . Text -Ausgabe mit Einleitung, kurzen Noten und Sachregister. kl . 8 ° 94 S. Nördlingen, Beck'sche Buchhandlung. 0,80 M. Le droit de la guerre , par le professeur Emile Acollas. 80 1666 p . Paris, Delagrave.
1 fr.
-
Das Völkerrecht im Kriege.
M. W. Bhft. II.
Das Disziplinar- Strafrecht im deutschen und im österreichischen Heere. D. A , 2. 5 .
Die Militär -Gerichtsbarkeit im gemeinen Verbrechen. Der Krieg und das heutige Völkerrecht. Sch . A. G.
0. M. Z. 17. II.
X, Militärische Aufnahmen , Terrainlehre, Geographie , Karten wesen und Statistik . Die deutsche Ostgrenze.
M. Z. R. 10, 11.
Über Photogrammetrie und ihre Anwendung bei Terrainaufnahmen . – 0. M. S. XII. Von den Karpathen zum Narew .
- 0. U. W. 12. F. C. M. 2. F. C. M. 6 , 7. Die österreichisch - russische Grenze. F. C. M. 8. Die Topographie in Friedenszeiten .
Die Boussole des Oberstlieutenants Peigné.
Die Topographie in Kriegszeiten .
F. C. M. 9.
Napoleon I. als Topograph. –- B. C. M. 10. Beiträge zu einer Militärstatistik Russlands für die Jahre 1869- 1884. R. W. S. Febr.
Das schwarze Meer, eine militär-geographische Studie.
1. R. M. Nov.
Ein neues Feld-Planchette . – B. R. M. IV .
XI. Kriegsgeschichte (auch Regimentsgeschichten, Lebensbeschreibungen und Memoiren). * Geschichte des 1. magdeburgischen Infanterie - Regiments Nr. 26.
Auf Befehl bearbeitet durch v. Stuckrad, Hauptmann u. Compagniechef im Regiment.
Erster Teil : Die ersten fünfzig Jahre 1813–1863.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
123
Zweiter Teil : Die letzten fünfundzwanzig Jahre 1863–1888. · Mit Abbildungen und Skizzen. Berlin, E. S. Mittler gr. 80
338 S. 367 S.
18 M.
& Sohn .
* Die russische Garde im Kriege 1877/78. - Ihre Organisation, Bewaffnung,
Ausbildung, Mobilmachung und Waffenthaten. – Nach dem Werke „ Vor
zehn Jahren “ von Pusyrewski, kaiserlich russischer Generalmajor im General stabe, bearbeitet von A. Regenauer , Hauptmann im Nebenetat dss Groſsen Generalstabes. 80 - 247 S.
Mit zwei Übersichtskarten und zwei Gefechtsplänen.
5 M. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. * Schlachtenatlas des neunzehnten Jahrhunderts . Zeitraum 1820 bis
zur Gegenwart. 14. und 15. Lieferung. Deutsch - französischer Krieg 1870/71. Nr. 9. Die Vorgänge und Kämpfe bei Metz vom Beginn der Cernierung bis zur Kapitulation. 19. August bis 27. Oktober 1870. II, Die Schlacht bei Noisseville am 31. August und 1. September. A. Die Schlacht am 31. August. Plan B, Situation am 31. August, mit Text.
B. Die Schlacht am 1. September. Plan C, Situation in der Nacht zum 1. September, mit Text.
III. Die letzten Vorgänge und Kämpfe
und die Kapitulation. 2. September bis 27. Oktober. Drei Skizzen . D. Situation am 18. September, Anfangs Oktober und zu Beginn des Gefechts Nordamerikanischer Bürger bei Bellevue (7. Oktober), mit Text. krieg 1861–1865. Nr. 6. Der Halbinsel- Feldzug, April bis August 1862.
I. Die Begebenheiten bis zum Vorabende der Schlacht bei Fair - Oaks. Übersichtskarte A, mit Text. - II. Die Schlacht bei Fair - Oaks am 31. Mai. Plan B, mit Text. III. Der Rückzug der -
Onions -Armee. Skizze der Gefechte vom 26. Juni bis zum 1. Juli, C, mit gr. Fol. Jede Lieferung 2,65 M. Iglau, Paul Bäuerle.
Text.
-
La Légion étrangère de 1831 à 1887 par le général Grisot et le lieutenant Coulombon . Avec un plan. 80 585 p . Paris, Berger-Levrault. Campagne de Prusse (1806 ) d'après les archives de la Guerre, par P. Foucart. Jéna.
Avec 2 cartes et 3 croquis,
-
8°
530 p.
Paris, Berger
Levraelt.
La guerre de Chypre et la bataille de Lépante , par le vice-amiral Jurien de la Gravière. Ouvrage accompagné de 14 cartes et plans. go t. prem. 198 p. — t. II. 262 p. Paris, Plon. - 7 fr. Le héros de la défaite. Recits de la guerre de 1870—1871 par J. Turquan. 120 394 P. Paris, Berger-Lerrault. 3,50 fr. Histoire du 8. bataillon de chasseurs à pied , par G. Desroziers , capitaine adjutant-major. go Libourne, Maleville. 121 P. 7,50 fr. -
-
-
-
Napoléon I. et son temps , par Roger Peyre. Ouvrage illustré de 13 planches 8º – en couleur, 431 gravures et photogravures et 21 cartes ou plans. 886 p.
Paris, Firmin-Didot.
30 fr.
Zur Vorgeschichte der italienischen Unternehmungen gegen
Abessinien,
M. W. 104.
Vergleich des Feldzuges 1809 am Tajo mit den Kämpfen 1870/71 an der Loire. M. W. Bhft. I. Torres Vedras und Cekmedze.
M. W. Bhft. I.
124
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Der Feldzug des groſsen Kurfürsten Friedrich Wilhelm gegen die Schweden im Jahre 1675 vom Main bis zur mecklenburgischen Grenze. N. M. B. Febr ., März . N. M. B. Die Schlacht bei Borodino am 7. September 1812. A. M. Z. 8, 9. Russland während des siebenjährigen Krieges.
März.
Zwei bayerische Kriegsthaten als Beleuchtung zur Besprechung des „Sommernacht traums “ .
D. H. Z. 13
Napoleon als Feldherr. 1. R. A. Febr ., März. Die schlesische Artillerie in den Jahren 1807-1816 mit besonderer Berücksichtignng
derjenigen Teile, welche später in das schlesische Feld -Artillerie-Regiment Nr. 6 übergingen.
A. A. 1. Nov., Dez.
Ein amtliches Tagebuch über die Belagerung von Mainz 1793.
J. A. M. Jan.,
Febr., März.
Aus dem Tagebuch des freiwilligen Jägers im mecklenburg -strelitzschen Husaren Regiment V. v. 0. 1813-1815.
J. A. M. Febr ., März.
Zur Geschichte des Kriegsjahres 1808 in Spanien -Portugal.
J. A. M. März,
0. S. M. I, II, III. Diplomatische Geschichte des Krieges von 1812. 0. W. V. XXXVI, 2. Aus den Memoiren des Generals Ulysses Sidney Grant. Die Thätigkeit der österreichischen Kavallerie in den Schlachten von Solferino, Königgrätz und Custozza. – 0. A. B. 9. Die letzten Tage der Rhein -Armee (19. August- 29. Oktober 1870.) F. S. M. 177 Die französischen Unternehmungen nach Tonkin. F. S. M. 177, 179-182. -
-
-
Eine Kolonne im französischen Sudan (1886–1887 ). Lazarus Carnot.
F. J. S. Dez.
F. J. S. Dez. -
Zehn Aufklärungstage (4. Kavallerie-Division vom 16. –26. August 1870).
-
F. J. S. Jan.
Erinnerungen an den Feldzug in Tonkin. Die drei Colberts.
-
F. J. S. Febr.
F. R. C. Dez., Jan., Febr.
In Mexiko (1862) Känupfe und Rückzug der 6000. F. C. M. 52 Die Operationen der 6. deutschen Kavallerie-Division in der Sologne vom 6. bis 15. Dezember.
F. C. M. 1, 2, 3.
Die Belagerung und Einnahme von Zaatcha (Oktober und November 1849). F. C. M. 10.
Der Rückzug von Bou-Taleb oder die Schnee-Kolonne (Winter 1845-1846 ). F. C. M. 10.
Die Belagerung von Bougie im Jahre 1871.
F. C. M. 11.
Der Feldzug nach Rio Janeiro 1711 . - F. R. M. Dez., Febr. Der Kampf bei Plewna am 30. Dezember 1877. R. W. S. Dez. Feldzüge in Indien. R. W. S. Jan. Das Regiment Kaluga bei Lowtscha und Plewna. R. W. S. Jan. Die Besetzung von Schumla und die Operationen im Rhodope-Gebirge. R. W. S. Febr.
Die Unternehmungen gegen Abessinien. – 1. E. 12. Die Eroberung des Pendschabs. E. N. M. 44 . Das Vorhutgefecht bei Nachod. Nd. M. S. 111. Der deutsch -französische Krieg von 1870–71 . - B. -
R. M. IV.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
125
XII. Marine - Angelegenheiten. * Les Torpilleurs , la guerre navale et la défense des côtes par le vice amiral Bourgois. – 8º – 356 p. - Paris, libr. de la Nouvelle Revue.
Die Flotte im ersten Jahrhundert der Vereinigten Staaten von Nord - Amerika.
-
D. H. Z. 102.
Panzerschiff mit unveränderter Gleichgewichtslage von Contre-Admiral Pallu de la Barriere. D. H. Z. 18. Die Kreuzerflotten aller Seemächte. -
1. R. A. Jan., Febr ., März.
Beiträge zur Berechnung der Deriation der Schiffskompasse, mit Untersuchungen
über die ältesten Flinder’schen Deviations-Beobachtungen.
A. H. M. II.
Vor- und Nachteile der verschiedenen Panzeruvgsarten moderner Kriegsschiffe. 0. M. S XII.
Über die Fundamental- Organisation einer modernen Flotte.
0. M. S. I, II.
Rückblicke auf Seegesetzgebung und Seerecht.
Die Kriegsmanöver im Jahre 1887. Der Torpedo Brennan.
0. M , S , I, II. F. C. M. 8.
.
F. R. M. Jan.
Die Ergebnisse der Torpedofahrten. R. M. S. Die Wirkung der Schiffsschrauben und -Räder. -
Dez. R. M. S. Dez.
Neue Formeln zur Berechnung des Widerstands des Wassers gegen die Schiffs bewegungen. - R. M. S. Jan.
Über Torpedoboote. – R. M. S. Jan. Elektrische Beleuchtung an Bord des Panzerkreuzers „Admiral Nachimow. R. M. S. Jan. Die Schiffsschraube.
R. M. S. Febr.
Benutzung des Spektroskops bei Wetterbestimmungen. Der flüssige Brennstoff in den Kesseln der Torpedoboote. Die italienischen Seeleute in Spapien.
R. M. S. Febr . 1. R. M. Nov.
I. R. M. Dez., Jan ,
Die Blockaden unter den jetzigen Verhältnissen des Seekrieges. I. R. M. Jan. Die Ausgaben der italienischen Marine. I. R. M. Febr. Die Zerfressung und Verunreinigung der Stahl- und Eisenschiffe, sowie die ent
sprechenden Gegenmittel. Die letzten Seemanöver.
E. U. S. 142.
E. B. A. 1019,
Die Ausrüstung der englischen Marine. Ein neuer Torpedo-Kreuzer. E. A. H. Die Väter der Dampfer-Flotte. A. A.
E , A. H. 164, 166 . 176.
N. 1274. Br. R. M. Okt. Die Theorie der unterseeischen Minen . Br. R. M. Okt., Nov., Dez.
Die englische Marine.
Der Einflufs des Öls auf die Wogen des Meeres.
Br. R. M. Nov., Dez.
Erfahrungen und Veränderungen auf dem Gebiete der Seekriegswissenschaft. – Schw, K. H. XXIII, XXIV.
1
126
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den XIII.
Verschiedenes .
* Rang- und Quartier - Liste der Königlich Preuſsischen Armee für das Jahr 1888. Nebst den Anciennetäts-Listen der Generalität und der Stabs -Offiziere der Armee. Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und go 958 S. Berlin, E. S. Mittler u. Sohn. 6,50 M , Königs. -
-
* Der Krieg in Galizien im Frühjahr 1888. Eine kritische Studie von 0. v, D.
Mit zwei Beilagen .
44 S. -- Minden, Bruns.
gº
1,50 M
-
Das Tagebuch eines Einjährig - Freiwilligen. Von A. Oskar Klaufsmann. Berlin, R. Eckstein Nachfolger. 8° - 173 S. 1,50 M. * Organisation und Verpflegung der preuſsischen Landmilizen im siebenjährigen Kriege. Ein Beitrag zur preuſsischen Militär- und Leipzig, Steuergeschichte von Dr. Franz Schwartz. 80 200 S. Dunker & Humblot.
4,50 M.
* Die Gefechtsführung abendländischer Heere im Orient in der Epoche des ersten Kreuzzugs. Von Dr. Otto Heermann . gº 130 S. Marburg, Elwert'sche Verlagsbuchhandlung. – 2,40 M. -
* Rekrutens Freud und Leid. Allerlei aus dem Rekrutenleben von Heinr. v. Hacke, Lieut. a. D. 8° - 74 S. Berlin, Selbstverlag des Verfassers.
- 0,50 M. * Die konventionellen Gebräuche beim Zweikampf unter besonderer Berücksichtigung des Offizierstandes. Von einem älteren aktiven Offizier.
Nebst Anbang: Verordnung über die Fhrengerichte der Offiziere im preuſsischen Heere vom 2. Mai 1874 und strafrechtliche Bestimmungen über den Zweikampf. Dritte umgearbeitete und vermehrte Auflage. – 8° 66 s .
Berlin , R. Eisenschmidt.
* Deutsch -französischesGesprächs-Wörterbuch. Vollständiger Dolmetscher für den deutschen Soldaten im Verkehr mit Franzosen. Nebst leicht lesbarer,
genauer Bezeichnung der Aussprache und einer kurzgefaſsten Grammatik von Paul Blaschke , Lehrer romanischer Sprachen,
80
100 S.
Stettin, Herrcke & Lebeling. * Die Schlacht bei Bochnia.
Auflage.
Mit Karte.
Von Karl Bleibtreu .
Zweite
80 – 64 S. – Leipzig, W. Friedrich,
* Die Bedeutung Rumäniens in dem bevorstehenden österreichisch- (deutsch-) russischen Kriege. Eine zeitgemäſse Studie von einem deutschen Soldaten, Mit zwei Skizzen. 8° - 28 S. Minden, Bruns Verlag. 0,80 M. -
* Der Freiherrntitel einst und jetzt. Betrachtungen über die historischen Grundlagen der titularen Abstufung des deutschen Adels von Karl Heinrich Freiherrn Roth von Schreckenstein. 2 M.
80 – 94 S.
Berlin , G. Schenck.
* Kaiser Wilhelm und seine Zeit. Ein deutsches Volksbuch . In dritter, neu
bearbeiteter Auflage herausgegeben von Ferdinand Schmidt. Mit 175 Text Abbildungen und 16 Tonbildern.
80
Leipzig, 0. Spamer.
464 S.
8 M.
L'espionnage militaire. Les fonds secrets de la guerre et le service des renseignements, par le lieutenant A. Froment. Librair. illustrée.
.
80
.
317 p.
Paris,
3,50 Fr.
Die Rang- und Quartierliste der könig, preuſs. Armee für 1888.
M.
Die militärischen Verhältnisse in den deutsch -russischen Grenzbezirken ,
W. 4 . - M. W. 5.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
Gottesdienst und Seelsorge im Heere Friedrichs des Groſsen.
127
M. W. 6. M , W. 17.
Die Ernennung des Generals Macdonald zum Marschall von Frankreich . Der Offizier als Erzieher des Volks. M. W. Bhft. II. Der französische Soldat. N. M. B. Jan. Der Kriegsgedanke und die Volkserziehung. N. M. B. Jan. Ausgegrabene Privatbriefe Laudons. N. M. B. Febr.
Eine Feldlaterne und die verschiedenen Arten, sie zu improvisieren. – A. M. 2. 102. Betrachtungen über die Kriegsmacht Deutschlands und Frankreichs,
A. M. 2. 3, 4.
Über die Ursachen der Zerstörung der französischen Reiterei im russischen Feld A. M. Z. 5,
zuge 1812.
6.
Die Ereignisse am Rothen Meere. D. H. Z. 101. Etwas aus der alten Feuerdisciplin. D. H. 2. 103. Wie erhält man Pferde in gutem Zustande ? D. H. Z. 7. -
Die moralischen Kräfte im Heere .
-
D. H. Z. 17.
Der Offizier des Beurlaubtenstandes in seinen Beziehungen zum gesellschaftlichen M. 2. R. 1, 2 .
und staatlichen Leben.
Die neue Rang- und Quartier-Liste der Königlich -preuſsischen Armee.
· M , Z. R.
3, 4 .
Die Heranziehung des Landsturms zum Grenz- und Eisenbahnschutz während der
Mobilmachung - M. Z. R. 8, 9. Freunde und Feinde des ottomanischen Reiches und die Notwendigkeit der Er haltung dieses Bollwerkes für Mittel-Europa. — I. R. A. Jan. Die Polen im Deutschen Reich.
- I. R. A. Jan.
Die Londoner Commercial-Union und der deutsche Offizierverein .
- I. R. A. Jan.
Bedarf es einer Kriegserklärung ? I. R. A. Jan. Der Kampf um Konstantinopel, 1. R. A. Febr ., März. Zur Beurteilung der spanischen Armee. J. A. M. Jan.
Oliver Cromwell, eine Besprechung. J. A. M. Jan. Über die allmähliche Entwickelung der deutschen Militärmusik mit besonderer Berücksichtigung auf Sachsen.
-
Über Menschenverluste in Kriegen .
J. A. M. Febr . 0. S. M. I.
Reiterbriefe . - 0. A. B. 50. 0. A. B. 2. Was haben wir von der russischen Kavallerie zu erwarten ? O. M. Z. 89. Die militärische Bedeutung Russisch-Polens. F. S. M , 177, 178, 179. Die militärische Lage Frankreichs.
Die Katastrophe des Ballons „ Arago“ . Übersicht über das Jahr 1887. Das Generalat.
-
F. S. M. 177, 178.
F. S. M. 178.
F. J. S. Jan.
Die Pariser Stadtbahn vom militärischen Standpunkt aus.
Der Bewegungs- Regler. – F. C. M. Das Lager bei Warschau.
-
F. C. M. 3.
4.4
F. C. M. 11 .
Der vorbereitende militärische Unterricht. F. A. M. 1243, Die Eisenbahnen in Tonkin . F. R. M. Dez. Tonkin 1883 . F. R. M. Jan.
Übersicht der russischen Militär-Litteratur für das Jahr 1887.
R. I. 20-24,
Maſsregeln bei den verschiedenen Armeen zur Einschränkung der Trunksucht.
-
R. W. S. Jan.
Die Vernichtung der unter dem Wasser befindlichen Riffe, Felsen und Steine mittelst Sprengung. – R. I. J. Dez.
128
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſser. Aufsätze.
Bemerkungen für die verschiedenen Aufgaben der Kavallerie. 1. R. Dez. Über die Verwendung der Kameele. - I. R. Febr. Die militärischen Maſsnahmen mit Bezug auf die Fortschritte im bürgerlichen Leben und die Bewaffnung.
1. A. G. Jan.
Die Verwendung des Stahls in der heutigen Kriegführung. – E. N. M. Jan. E. N. M. Jan. Die transkaspische Eisenbahn. Sch . M. 2. 52, 53, Das Kadettenkorps in der Schweiz im Jahre 1887.
Die voraussichtlichen Schauplätze eines der nächsten europäischen Kriege. Sp. R. C. V. 12, 3, 4. Über den militärischen Blick.
Sp. R. C. V. 12.
Die Pferde der portugiesischen Armee. P. R. M. XXIII. Die Mobilmachung des deutschen Heeres 1870. P. R. M. XXIV . Politisch -militärische Angaben über die verschiedenen Staaten Europas. – P. R. S. -
25-27.
Die internationalen Flüsse in Kriegszeiten.
P. R. S. 25-27. - N. M. T. II.
Die norwegische Artillerie in den früheren Jahrhunderten .
Studie über einen neuen französisch -deutschen Krieg. – D. M. F. V.
Druck von A. Haack in Berlin , NW ., Dorothoonstrasso 68 .
IX .
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege.
(Fortsetzung .) 3.
Die Neubildung der Armee im Winter 1812/13. Beim Beginn des russischen Krieges hatte die Infanterie der französischen Armee, abgesehen von der Garde, über die weiter unten
im Zusammenhange gesprochen werden soll, aus 107 Linien - Infanterie - Regimentern mit den Nummern 1 bis 130 und
31 leichten Infanterie -Regimentern mit den Nummern 1 bis 34 , sowie aus 5 Regimentern ohne Nummern und
4 Fremden - Regimentern bestanden .
Bei der leichten und Linien - Infanterie war eine Anzahl von
Regiments-Nummern offen ; es kam dies daher, daſs die Regimenter die Nummern der Halbbrigaden , aus denen sie hervorgegangen waren , behalten hatten ohne Rücksicht darauf, daſs eine Anzahl von Halbbrigaden bei der Umwandelung nicht mehr bestanden hatten. Die 5 Regimenter ohne Nummern, welche während des Krieges die nachgesandte und dem VII. Corps überwiesene Division Durutte gebildet hatten, waren in den Jahren 1810 und 1811 aus Refractairs,
zurückgekehrten Deserteuren und Sträflingen gebildet worden ; um sie zu brandmarken, hatte man sie ursprünglich nach ihren Formations Bezirken benannt, und erst während des Krieges hatten sie die .
Bezeichnung als 35. und 36. leichtes und 131. , 132. und 133. Linien Regiment erhalten. Was endlich noch die 4 Fremden-Regimenter Jahrbioher für die Deutsche Armee and Marine, Bd, LXVII., 2.
9
Die französische Armee im Jahre 1813.
130
anlangt , so waren dieselben aus Leuten aller Herren Länder zusammengesetzt und befanden sich mit Ausnahme des aus Irländern
bestehenden 3. Regiments, welches in Frankreich stand, in Spanien.
Übrigens bildeten diese Regimenter nicht die einzige derartige Formation innerhalb der französischen Armee, diese bildete vielmehr
ganz abgesehen von den Neu-Franzosen - Italienern , Belgiern , Holländern und Deutschen ein buntes Völkergemisch , und um
faſste noch eine Reihe von aus Ausländern gebildeten Truppenteilen, welche entweder lokalen Zwecken dienten oder aber, wie namentlich mehrere polnische Regimenter, in französischem Solde standen , ohne
indessen in den eigentlichen Verband der französischen Armee auf
genommen zu sein. Hierzu kam dann endlich noch eine gröſsere Anzahl von Pionier -Bataillonen , nicht zu verwechseln mit den
Genietruppen , welche aus Kriegsgefangenen u. s. w. gebildet waren und zu Arbeitsdiensten verwandt wurden , und bei denen nur die
Offiziere und Unteroffiziere Waffen trugen. Zu all diesen Regimentern traten nun jetzt noch auſser den
4 Marine-Regimentern die 22 aus den Cohorten und die beiden ans den Departemental-Reserve-Compagnien . und der Pariser Municipal garde gebildeten Regimenter, wogegen das 125. und das 129. Linien Regiment aufhörten , selbstständige Regimenter zu bilden , und in das 134. beziehungsweise 128. Linien -Regiment einverleibt wurden . Die Zahl der Linien -Infanterie-Regimenter stieg hierdurch auf 131 und die der leichten auf 34, während die Regiments-Nummern bis 156 beziehungsweise 37 reichten.
Bei regelrechter Zusammensetzung
sollte jedes Infanterie
Regiment
4 Feld- Bataillone zu 6 Compagnien (1 Grenadier-, 4 Füsilier-, 1 Voltigeur-Compagnie) zu 140 Mann und 1 Depot- Bataillon zu 4 Füsilier -Compagnien wenigstens dem umfassen , doch zählten die meisten Regimenter Namen nach - 5, einzelne sogar 6 Feld-Bataillone. Auſserdem hatte während des russischen Krieges die französische Infanterie an
Stelle der abgeschafften Bataillons-Geschütze bei jedem Regiment eine Anzahl von Regiments -Geschützen geführt. Ein Unterschied in der Verwendung der leichten und der Linien - Infanterie bestand nicht ; die Infanterie war , abgesehen von der Garde , welche eine wahre Elite bildete , durchaus einheitlich ;
bekannt ist ja Napoleons Grundsatz, der nur eine , aber eine gute Infanterie verlangte. Den eigentlichen leichten Dienst hatten ursprünglich in erster Linie die Voltigeur - Compagnien versehen
Die französische Armee im Jahre 1813.
131
sollen, doch hatte sich dieser Unterschied im Laufe der Jahre mehr und mehr verwischt .
Von den ursprünglichen 143 französischen Infanterie-Regimentern gehörten 84 der Armee in Spanien an ;
49 *) waren bei der groſsen Armee eingeteilt gewesen
17 beim I. , 9 beim II., 7 beim III., 8 beim IV., 2 beim IX., 1 beim XI. Corps und 5 bei der Division Durutte — ; .
2 Regimenter 125. und 126 . hatten sich teils bei dem Corps von Victor befunden , teils waren sie in Frankreich zurückgeblieben ;
4 Regimenter
das 14. und 22. leichte und das 6. und befanden sich bei der Division
112. Linien -Regiment Grenier ;
4 Regimenter waren im Innern des Reiches zurückgeblieben , das 13., 23. und 101. Linien -Regiment in Italien und den illyrischen Provinzen und das 22. Linien - Regiment im eigentlichen Frankreich ; von den beiden letzteren Regi mentern, **) welche nur sehr schwach waren , befand sich je ein Bataillon in Spanien. Die Zahl der Bataillone anzugeben, aus welchen die französische Infanterie im Jahre 1812 bestanden hatte, dürfte kaum möglich sein ; nach Russland waren einschlieſslich der Garde und der Division Heudelet , welche letztere freilich nicht weit über Königsberg hinaus gekommen war, aber ohne die Divisionen Lagrange und Grenier im Ganzen 271 französische Bataillone gegangen. Die Schwierigkeit
liegt nicht nur in der verschiedenen Stärke der Regimenter, sondern auch noch in dem Umstande, daſs von den meisten Regimentern Bataillone abkommandiert waren .
Im besonderen hatten von den
*) Es ist dies die Zahl, welche die correspondance de Napoléon angiebt. Die meisten französischen Schriftsteller, auch Thiers und Rousset, geben nur 36 Regi menter an ; die Erklärung liegt darin , daſs sie nur die Regimenter der 4 ersten Corps rechnen , und auch bei diesen nur die altfranzösischen Regimenter, während die aus Holländern und Niederdeutschen gebildeten 5 Regimenter sowie die Nach schübe , d. h. die 8 Regimenter bei den Heerteilen Victor's, Augereau's und Durutte's, auſser Rechnung lassen. **) Nach dem Werke: „ Histoire de l'armée et de tous les régiments“ hätten sich beide Regimenter im Jahre 1812 in Spanien befunden, während in der cor respondance unter dem 6. Januar 1813 angegeben ist, daſs sowohl das 22. als auch das 101. Regiment je 3 Bataillone in Frankreich gehabt hätte. Nach letzterer Angabe hätten also beide Regimenter nur je ein , höchstens zwei Bataillone in Spanien 9
baben können.
9*
132
Die französische Armee im Jahre 1813.
Regimentern der grofsen Armee 15 je 5, 29 je 4 und 5 je 3 Ba taillone gezählt. Der gröſste Teil der Infanterie des Victor'schen und des Augereau'schen Corps war in der Weise gebildet worden, daſs man aus Stämmen, welche man den in Spanien stehenden
Regimentern entnommen und mit Ausgehobenen von 1812 gefüllt, einige 30 vierte und fünfte Bataillone dieser letzteren Regimenter gebildet hatte, welche in provisorische Halbbrigaden zu 3 Bataillonen zusammengefügt worden waren .
Von den in Spanien stehenden
Regimentern zählten die meisten nur 3, viele sogar nur 2 Bataillone beim Regimentsstabe ; die fehlenden Bataillone waren vielfach schon seit Jahren von ihren Regimentern getrennt und über das ganze Reich zerstreut.
Was die Stärke dieser dritten und vierten Bataillone
anbetrifft, so bestanden dieselben zum überwiegenden Teile eigentlich nur aus fast leeren und dazu unvollständigen Stämmen, während die fünften Bataillone dieser Regimenter , welche , soweit sie sich nicht
bei der groſsen Armee befanden , mit den Depots vereinigt waren , überhaupt nur dem Namen nach bestanden. Es ist oben bereits gezeigt worden , welchen Täuschungen
Napoleon sich noch Anfang Januar über die Stärke der bei der groſsen Armee befindlichen Truppen hingegeben hatte. Danach hatte er damals noch gehofft, daſs aus den Überresten der Regi menter deren erste Bataillone würden hergestellt werden können , während die zweiten Bataillone der 28 alt- französischen Regimenter
der drei ersten Corps in Erfurt durch den Ende Januar dorthin gesandten General Doucet neugebildet werden sollten, dem zu diesem Zweck für jedes derselben 700 Rekruten zur Füllung der von der groſsen Armee dorthin entsandten Stämme zugewiesen wurden . In gleicher Weise sollten in Augsburg die zweiten Bataillone von 6 Regimentern des IV. Corps gebildet werden , die Aufstellung der dritten and vierten Bataillone dieser 34 Regimenter hingegen mit Hülfe der übrigen von der groſsen Armee zurückkehrenden Stämme in Frankreich beziehungsweise Italien erfolgen. Da indessen die Bildung der letzteren Bataillone eine geraame Zeit in Anspruch nehmen muſste, so beschloſs Napoleon, inzwischen
4 Observations-Corps aus den bereitesten Truppen aufzustellen, eins an der Elbe, zwei am Rhein und eins an der Etsch .
Den haupt
sächlichsten sofort verfügbaren Bestandteil für die Bildung dieser Corps bildeten die Cohorten -Regimenter, von denen indessen das 143. als Garnison nach Puycerda gehen sollte, ferner die 4 Marine Regimenter, das 13. und 23. Linien -Regiment, das 3. Fremden Regiment und endlich noch die oben erwähnten italienischen und
Die französische Armee im Jahre 1813.
133
neapolitanischen Truppen. Ebenfalls verfügbar waren das 22. und 101. Linien- Regiment und die zahlreichen in Frankreich stehenden einzelnen Bataillone ; da dieselben indessen , wie bereits wiederholt
gesagt wurde , eigentlich zum gröſsten Teil nur aus schwachen Stämmen bestanden, so muſsten sie ebenso gut erst gefüllt werden wie die von der groſsen Armee zurückkehrenden Stämme. Soweit von diesen einzelnen Bataillonen mehrere demselben Regiment an gehörten , suchte man , sie unter ihrer Regiments-Nummer zu ver einigen , während aus den übrigen provisorische Regimenter zu 2 Bataillonen gebildet wurden . Diese provisorischen Regimenter gaben eine in jeder Beziehung äuſserst unglückliche Schöpfung ab, da dieselben ohne jedes Gefühl der Zusammengehörigkeit waren, und da ihre Bataillone von den Depots in dem Glauben an ihre
baldige endgültige Abgabe in einem hohen Grade vernachlässigt wurden . Dennoch bestand die Schöpfung vorläufiger Verbände schon seit Beginn des spanischen Unternehmens in der Armee , da
Napoleons maſslose Politik die Entfaltung von militärischen Mitteln fast auf dem ganzen Festlande erforderte. Trotzdem sowohl Napo leon als auch seine Generale die Übelstände solcher Gebilde voll
erkannt hatten , zwang doch die Not des Augenblicks auch jetzt wieder zu ihrer Anwendung . In Bezug auf die aus Russland heimkehrenden Stämme wartete Napoleons eine neue Enttäuschung. Wie statt eines Bataillons höchstens ein bis zwei Compagnien aus jedem Regiment hatten gebildet werden können , so reichten auch die zurückkehrenden Stämme bei Weitem nicht einmal für die Bildung von je 2 Ba taillonen aus. Beispielsweise verfügte der General Doucet für die . Aufstellung von 8 zweiten Bataillonen des I. Armee - Corps im Ganzen nur über 42 Offiziere und 27 Unteroffiziere, so daſs der gröſste Teil der bereits nach Mainz in Marsch gesetzten Stämme der übrigen Bataillone, welche aus eigener Machtvollkommenheit zurück zuhalten er nicht gewagt hatte, nach Erfurt zurückgeschickt und zur Bildung der zweiten Bataillone verwandt werden muſste.
Bei
den übrigen Bataillonen war fast Alles neu zu bilden. Hierzu verfügte man vornehmlich über die tagtäglich aus Spanien eintreffenden Offiziere und Unteroffiziere, welche, sobald sie
den französischen Boden betreten hatten, auf beigetriebenen Wagen unter möglichster Beschleunigung ihren Bestimmungsorten zugeführt Diese Stämme , welche vorzügliche Soldaten enthielten,
wurden.
um die sich alle Truppenteile stritten, reichten aber bei weitem nicht für die Deckung des vorhandenen Bedürfnisses aus,
Auch
Die französische Armee im Jahre 1813.
134
die bis an die äuſserste Grenze der Möglichkeit vorgenommenen Beförderungen ,
durch welche allein
die Cohorten - Regimenter
200 Schüler von St. Cyr und 100 Unteroffiziere als Offiziere zu gewiesen erhielten , konnten die vorhandenen Lücken nicht füllen,
so daſs Napoleon noch am 5. Mai an den Kriegsminister schreiben muſste » der Mangel an Offizieren sei bei der Armee sehr groſs , er müsse für Abhülfe sorgen, die spanische Armee sei eine unerschöpf liche Quelle, um Offiziere und Unteroffiziere von dorther kommen
Wenn am 7. April das IV. Bataillon des 46. Linien Regiments mit 448 Mann von Wesel nach Bremen abrückte, und sich dabei nur ein einziger Offizier befand , so mag dies immerhin
zu lassen . «
ein allein dastehender Fall sein , kennzeichnend bleibt derselbe aber
doch , selbst wenn man annimmt , daſs eine Anzahl von Offizieren zufällig abwesend gewesen sei, und beweist, daſs man trotz der dem französischen System eigenen Beförderung von Unteroffizieren zu Offizieren bis an die äuſserste Grenze der Möglichkeit gelangt war, ja dieselbe wohl bereits gar überschritten hatte. Und dabei war der Mangel an Unteroffizieren im Allgemeinen wenn möglich noch gröſser, denn für diese fehlte es aber auch an jedem nur einiger maſsen geeigneten Ersatz. Wie schwere Schäden hieraus für die Armee zu erwachsen
drohten , zeigte sich sehr bald bei den Cohorten -Regimentern. Die wenigen uralten , längst verabschiedet gewesenen und oft völlig verwahrlosten Offiziere dieser Regimenter, welche, wie schon erwähnt,
zum Teil überhaupt nur in der Nationalgarde gedient hatten, waren wohl im Stande gewesen, den Friedensdienst zur Not zu thun , den
Anforderungen eines Feldzuges waren sie nicht mehr gewachsen. Für Nichts aber hat die Truppe im Allgemeinen ein feineres Gefühl als für die Unfähigkeit ihrer Vorgesetzten, und wiewohl die Cohorten ursprünglich von einem guten Geiste beseelt gewesen waren , so kam es doch bald zu den gröbsten Ausschreitungen. Die Straſsen , auf denen diese Regimenter und Bataillone dahinzogen, waren besät mit einzelnen Leuten , welche teils mit , teils ohne Erlaubnis einen Abstecher nach ihrer Heimat gemacht hatten , und bei 2 Regi mentern konnte man es nicht einmal wagen , dieselben durch Paris 1
marschieren zu lassen, da die Leute offen erklärt hatten, bei dieser Gelegenheit ihre Offiziere töten zu wollen. Diese Übelstände dauerten fort, auch als sie bereits die Grenze überschritten hatten.
Wiewohl der zum Befehlshaber des Elb - Observations -Corps ernannte General Lauriston auf seine eindringlichsten Vorstellungen, daſs seine
Regimenter gut werden würden , sobald man ihnen an Stelle ihrer
Die französische Armee im Jahre 1813 .
135
bisherigen unbrauchbaren Offiziere neue Offiziere geben würde, vom Kaiser selbst mit der Aussicht vertröstet wurde, in Magdeburg neue
Offiziere zu erhalten , konnte dennoch keine genügende Hülfe ge schaffen werden. Unter dem 25. März d . h., acht Tage nach der preuſsischen Kriegs-Erklärung, meldete Lauriston nochmals, er habe bereits von jedem Regiment 25 völlig unbrauchbare Offiziere nach Hause geschickt , ebenso viele seien aber noch vorhanden , er sei auſser Stande seine Truppen manövrieren zu lassen , ein solcher Anfang müsse die Disziplin in hohem Grade schädigen. Und bei den anderen Corps sah es nicht besser aus , von den Offizieren der beiden dem italienischen Observations -Corps angehörigen Cohorten Regimentern muſste die volle Hälfte neu ersetzt werden .
Bei den aus Ausgehobenen gebildeten Truppenteilen lagen die Verhältnisse insofern noch schlechter , als dieselben bei den zwar besseren aber ebenfalls äuſserst schwachen Stämmen nicht über ein
gleich gutes Menschen-Material wie die Cohorten-Regimenter ver fügten.
Die Ausgehobenen von 1813 waren , wie schon erwähnt, zum überwiegenden Teile bereits im Dezember in den Depots eingetroffen, doch fehlten Mitte Januar noch 20,000 Mann. Einschlieſslich eines
kleinen Restes des vorhergehenden Jahrganges und einiger weniger Freiwilligen entfielen von ihnen auf die Infanterie etwa 90,000 Mann, welche fast völlig aufgebraucht wurden für die Füllung der den
Observations-Corps zugedachten , im Innern des Reiches stehenden einzelnen Bataillone und der 28 Erfurter Bataillone.
Die allmähliche
Bildung der vierten , dritten und ersten Bataillone der erwähnten
28 Regimenter sollte mit Hülfe 4 Klassen erfolgen ; da indessen geworfene Anteil derselben nicht Bedarf die dritten und vierten durch die kräftigsten Leute der
des sogenannten Aufgebots der der für diese Bataillone aus ausreichte , so wurden sie nach Bataillone zum gröſsten Teil Aushebung von 1814 ergänzt, 9
wodurch sie eine nicht unerhebliche Zahl von sehr schwachen und kleinen Leuten erhielten .
Diese 28 derartig neugebildeten , je 4 Bataillone zählenden
Regimenter sollten zur Herstellung der beiden ersten Corps der groſsen Armee dienen , von denen das erste unter Davout 4 Divisionen
zu 4 Regimentern , das zweite unter Victor , welches mit dem bis herigen dritten verschmolzen wurde , 3 Divisionen von derselben Stärke zählen sollte. Aus den 28 zweiten Bataillonen sollte General
Doucet , sobald ihre Aufstellung vollendet sein würde , 14 proviso
rische Regimenter bilden und dieselben nach Magdeburg in Marsch
Die französische Armee im Jahre 1813.
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setzen, wo die beiden Marschälle dieselben übernehmen sollten, um daraus jeder für sein Corps die erste Division zu bilden. Die vierten Bataillone, hoffte man , würden Mitte März am Rhein ein
treffen können , die dritten etwa 5 bis 6 Wochen später, während die ersten frühstens Ende Mai den Rhein überschreiten konnten .
Diese
ebenfalls in provisorische Regimenter zusammengefügten
Bataillone sollten die anderen Divisionen der beiden Corps bilden, bei denen nach ihrer Ankunft die festen Verbände an Stelle der provisorischen treten sollten. Aus den ebenfalls in Erfurt zurückbehaltenen Überresten der
5 Regimenter der 3 ersten Corps, welche aus Neu -Franzosen be standen hatten , sowie aus einigen Hundert ihm zu diesem Zwecke überwiesenen Offizieren
und Unteroffizieren
muſste der General
Doucet 10 weitere Bataillons-Stämme bilden , zu deren Füllung ibm noch
4000 Rekruten der
Klasse
von
1813
und in
deren Er
mangelung Mannschaften der 4 letzten Alters-Klassen zugeschickt werden sollten .
In ähnlicher Weise wurden auch noch in den Depots derjenigen
französischen Regimenter, welche sich bei der jetzt in Danzig liegenden ehemaligen Division Loison befunden hatten, 5 Bataillone
aufgestellt, aus denen später die sogenannte Hamburger Brigade gebildet wurde.
Die Stämme des IV. Corps der groſsen Armee, dessen Auflösung Napoleon beschlossen hatte, waren nach Augsburg in Marsch gesetzt worden, woselbst in derselben Weise wie in Erfurt 6 zweite Bataillone
gebildet wurden , während der hierzu nicht verwandte Rest dieser Stämme ebenso wie die italienischen nach Verona weitergehen
muſste, um in Nachdem über diejenige Ausgehobenen
Italien neugebildet zu werden. über die Cohorten, über die Gestellung von 1813 und der 4 Klassen verfügt worden war, standen noch die von 1814 und diejenigen des ersten Aufgebots der
Nationalgarde zur Verfügung.
Der zuerst einberufene Teil der
Gestellung von 1814 traf bald nach der Aushebung der 4 Klassen
Ende März und Anfang April in den Depots ein ; er war bestimmt zur Ergänzung der von den vorangehenden Aushebungen nicht aus gefüllten Lücken , namentlich bei den dritten und ersten Bataillonen der 28 Regimenter der beiden ersten Corps. Aus dem im April einberufenen zweiten Teil der Gestellung
von 1814, der wie jener mit Hülfe der übrig gebliebenen spanischen Stämme sowie der den Depots zugeteilten sehr schwachen Stämme fünfter Bataillone organisiert wurde, bildete man provisorische
Die französische Armee im Jahre 1813,
137
Halbbrigaden , welche in Gemeinschaft mit den ebenfalls neu auf
gestellten französischen Regimentern des ehemaligen IV. Armee Corps später zur Bildung von 3 Reserve-Corps dienten , von denen eins in Italien und zwei in Deutschland aufgestellt wurden. Der hierzu nicht verwandte Rest dieser Halbbrigaden war für die Be wachung der Küsten und Häfen bestimmt.
Was endlich noch die Aushebung der 80,000 anbetrifft, welche im Mai in den Depots eintreffen sollten, so war der geringere Teil derselben mit zur Füllung der eben erwähnten Halbbrigaden bestimmt, während der gröſsere Teil dazu dienen sollte , den ersten Ersatz für die Lücken zu bilden, welche der Feldzug reissen würde.
Da indessen in der Folge 24,000 Mann von dieser Klasse in die junge Garde eingestellt wurden , so konnte der letztere Zweck später nur in sehr unvollkommener Weise erreicht werden , und muſsten
als Ersatzmannschaften meist die schwächlichen Ausgehobenen von 1814 genommen werden .
Für die Ausbildung der Ausgehobenen war zwar in den Depots ein gutes Unterweisungs-Personal vorhanden, an sich aber schon nicht reichlich bemessen , reichte dasselbe jetzt um so weniger für die herantretenden Anforderungen aus , je rascher sich die Aus hebungen folgten, und je mehr Begleit-Kommandos daher auch für die zu ihren Regimentern abrückenden Abteilungen gestellt werden muſsten .
Letzterer Umstand machte sich bald in einem so hohen
Grade fühlbar, daſs man gezwungen war , sich wegen der Führung
dieser Abteilungen an den guten Willen von längst verabschiedeten Offizieren und Unteroffizieren zu wenden .
Vor Allem aber fehlte es für die Ausbildung der Ausgehobenen an der nötigen Zeit. Wiewohl bestimmt worden war , daſs jeder Rekrut mindestens eine einmonatliche Dienstzeit haben solle und
6 Platzpatronen und 2 Patronen nach der Scheibe verschossen haben müsse, ehe er ins Feld geschickt würde , wurde nicht einmal dieses geringste Maſs an Anforderungen aufrecht erhalten. Die Depots, denen tagtäglich ein überreiches Material zuflofs, suchten sich desselben möglichst bald wieder zu entledigen , und der Kriegs minister begünstigte dieses Streben , indem er unaufhörlich darauf drückte , daſs die kaum zusammengestellten Bataillone und Abteilungen
möglichst bald in Marsch gesetzt würden ; die weitere Ausbildung sollte unterwegs erfolgen . Hinderlich stellte sich diesem Streben der Umstand in den
Weg, daſs es in Folge des groſsen Geldmangels anfing, an Kleidung, Ausrüstung und Bewaffnung für die späteren Aufgebote zu fehlen,
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Wiewohl die Depots zu Gunsten der Ausrückenden alles nur irgend Entbehrliche abgeben muſsten , und wiewohl man die Ausrüstung der in das Feld Abgehenden auf das Notdürftigste beschränkte, konnten dennoch viele Bataillone dieses Mangels wegen nicht voll zählig ausrücken , wiewohl die genügende Anzahl von Leuten vor handen war. Namentlich war der sich plötzlich einstellende Mangel an Gewehren höchst bedenklich, so daſs Napoleon, durch denselben peinlichst beunruhigt, die gröſste Beschleunigung in der Anfertigung
derselben anordnete. Soweit die in den früheren Kriegen erbeuteten Gewehre das Kaliber der französischen Gewehre hatten , wurden dieselben zur Aushülfe genommen ; mehrfach muſsten die Truppen aber auch wie die Cohorten , welche erst am Rhein kriegs brauchbare Gewehre erhielten ,
mit unbrauchbaren Gewehren
oder ganz ohne solche ausrücken und erhielten ihre Gewehre nach geschickt.
Wo in Folge dieser Übelstände unvollzählige Bataillone ab rücken muſsten, griff man, da man nun einmal möglichst vollzählige Bataillone haben wollte, zu dem höchst gefährlichen Auskunfts mittel, dieselben durch unterwegs befindliche Abteilungen anderer Regimenter zu ergänzen. So wurden in dieser Weise durch einen einzigen Befehl des Kriegsministers 12 Infanterie-Regimenter zu Gunsten der 4 Marine-Regimenter geschädigt. Die Folge derartiger Maſsregeln muſste natürlich eine heillose Verwirrung sein, da es
nicht ausbleiben konnte, daſs dieselben Abteilungen vielfach doppelt gerechnet wurden, einmal bei den Truppenteilen, denen sie zugeteilt, das andere Mal bei denen, welchen sie eigentlich zugedacht und ohne ihr Wissen entzogen waren ; man erhielt in den Rapporten zwar ungeheure Zahlen, dieselben entbehrten aber jeder Zuverlässigkeit
und entfernten sich weit von der Wahrheit. Überhaupt bildete sich die höchst bedenkliche Gewohnheit heraus, die Infanterie-Depots als eine gemeinsame Quelle für die Ergänzung aller Waffen zu betrachten.
Eine zweite Fehlerquelle für die Berechnung der verfügbaren Streitkräfte lag in der groſsen Schwächlichkeit und Sterblichkeit der jungen Ausgehobenen. Der Abgang war ein ganz ungeheurer. Beispielsweise muſste eine Abteilung des 17. Linien -Regiments, welche am 7. Februar von Lille nach Erfurt abrückte, 92 Mann als zu schwach zurücklassen . Eine 600 Mann starke Abteilung des
72. Linien -Regiments muſste in Brüssel 300 Mann zurücklassen,
100 Mann in den Lazaretten, 200 wegen zu groſser Schwäche. Von 950 Ausgehobenen von 1813, welche das in Rochelle liegende
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Depot des 132. Regiments erhalten hatte, lagen im Februar bereits 300 Mann in den dortigen Lazaretten, in denen eine groſse Sterb lichkeit herrschte.
Aber auch diejenigen Ausgehobenen , welche allenfalls kräftig genug waren , um die Anstrengungen eines Feldzuges ertragen zu können, waren in Folge der fehlenden Ausbildung weit entfernt davon , brauchbare Soldaten zu sein. Welche Ungeheuerlichkeiten in dieser Beziehung vorkamen, dafür einige Beispiele. Das IV. Ba taillon des 4. Linien -Regiments erhielt seine Rekruten zwischen dem 5. und 10. März ; am 21. März muſste es ausrücken .
Das 23. Linien
Regiment erhielt 700 Ausgehobene erst 48 Stupden vor seinem
Abmarsch ; dieselben waren im Depot zu Genua am Tage ihres Eintreffens eingekleidet, ausgerüstet und bewaffnet worden und am folgenden Tage bereits zum Regiment abgerückt. Die jungen Soldaten, welche gegen die Refractairs ausgesandt wurden , erhielten zum Teil erst eine Stunde vor ihrem Abmarsch zum ersten Male in ihrem Leben eine Waffe in die Hand . Mit Ausnahme der 10 bis
12 Bataillone , welche die letzten Reste der Aushebung von 1812
enthielten , und welche die Bataillons-Schule durchgemacht hatten , sowie auch der etwa gleich weit vorgeschrittenen Bataillone , welche
der alte Marschall Kellermann in Mainz zusammengestellt hatte, und
bei denen bereits am 10. Februar Abteilungen vorhanden waren , die schon eine 2/2 monatliche Ausbildung genossen hatten , erstreckte sich letztere im Allgemeinen kaum auf die Zug - Schule; vielen Leuten
fehlte jede Einzel -Ausbildung . Natürlich fiel dieser Umstand um so schwerer in's Gewicht, je lückenhafter die Stämme namentlich auch an Unteroffizieren waren , und wenn sich eine notdürftige Handhabung der Waffen , abgesehen von der Schieſsausbildung, allen falls auch noch nachträglich erlernen lieſs, so krankte die französische Infanterie doch während des ganzen Feldzuges in hohem Grade an dieser kümmerlichen Ausbildung. Der von Napoleon mit den gröſsten Vollmachten versehene Marschall Kellermann, der sich trotz seines hohen Alters durch seinen regen Eifer gegenüber einer sonst immer breiter werdenden
Lässigkeit in vorteilhaftester Weise auszeichnete, und zu dessen Obliegenheiten die Besichtigung der am Rhein anlangenden Bataillone gehörte, war derartigen Zuständen gegenüber völlig machtlos ; höchstens, daſs er den gröbsten Mängeln in der Ausrüstung abhelfen konnte, soweit es die geringen Bestände erlaubten ; den schwachen Stämmen,
der fehlenden Ausbildung und der groſsen Schwächlichkeit der jungen Soldaten war nicht abzuhelfen. Die Klagen hierüber waren
Die französische Armee im Jahre 1813.
140
allgemein, dennoch konnte Napoleon nicht zögern ; er muſste diese unausgewachsenen Rekruten wie alte Soldaten verwenden .
Wie groſs aber auch die Schwächen dieser Neu - Bildungen waren, das Ergebnis blieb doch ein auſserordentliches. In dem Rapport, welchen der Kriegsminister dem Kaiser am 30. März über den Stand der französischen Infanterie einschlieſslich der in Spanien kämpfenden
Regimenter, aber ohne die Garde, unterbreitete, war die Stärke der selben auf
700 Feld- und 169 *) Depot-Bataillone mit 626,212 Mann berechnet, welche zur Erreichung des Sollstandes auf 692,560 Mann
gebracht werden sollten. Hiervon waren nach Angabe des Kriegs ministers zur Verwendung in Deutschland einschlieſslich der dortigen Festungs -Besatzungen verfügbar 392 Bataillone = 298,300 Mann.
Es waren dies übertriebene Zahlen, und wenn auch die For mationen vielleicht vorhanden sein mochten, so wuſste doch Napoleon sehr wobl, daſs diese Stärke nicht erreicht wurde; dennoch gefiel er sich in diesen Zahlen und belobte den Eifer des Ministers und
seiner Organe, denn er wollte, daſs die Welt diese Zahlen für wahr nehmen sollte, einerseits um den Mut der Seinigen zu heben, ander seits um Europa, welches die Schwächen seiner Improvisationen nicht so genau kennen konnte, in Furcht zu halten . Sich selbst täuschte er freilich nicht über den Wert seiner
Neu-Bildungen, und darum hielt er es denn auch durchaus für geboten , einen starken Kern für dieselben zu bilden, welche Aufgabe seiner im groſsartigsten Maſsstabe wieder errichteten Kaiser -Garde zugedacht war. Die Garde hatte im Jahre 1812 abgesehen von den ihr zu geteilten fremden Truppenteilen aus
5 Regimentern alter Garde (3 Grenadier-, 2 Jäger-Regimentern )
und 17 Regimentern junger Garde (7 Voltigeur-, 7 Tirailleur-, 1 Füsilier-Grenadier-, 1 Füsilier-Jäger-, 1 Flanqueur-Jäger Regiment) jedes zu 2 Bataillonen bestanden . Von diesen Truppen hatten 4 Regimenter junger Garde der Armee in Spanien angehört, 2 waren in Paris zurückgeblieben, von denen eins später der Armee nachgeschickt wurde, deren Trümmer es, wie schon erwähnt, in der Gegend von Posen erreicht hatte; *) Jedes der 34 leichten, 131 Linien- und 4 Fremden- Regimenter hatte ein Depot-Bataillon,
Die französische Armee im Jahre 1813 .
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sämtliche übrigen Regimenter hatten den Feldzug gegen Russland mitgemacht.
Mit Hülfe der aus Russland zurückkehrenden, 7 bis 800 Mann starken Stämme, mittels Rückberufung von 3000 Mann Eliten von der Armee in Spanien , sowie durch Abgaben von allen Stämmen, Depots, Schiffs- und Departements- Reserve-Compagnien unternahm es Napoleon, die alte Garde mit Ausnahme des 3. - holländischen Grenadier -Regiments wieder herzustellen .
Was hiervon bei der Bildung der alten Garde entbehrt werden konnte, muſste zur Aufstellung von Stämmen für die junge Garde dienen, zu deren Formierung man auſserdem noch über einige schwache Depots und einige geschlossene Abteilungen dieser Truppe verfügte. Die Stärke der jungen Garde war anfänglich auf 20 Re gimenter zu 2 Bataillonen festgesetzt, wurde später aber auf 30 Regimenter (13 Voltigeur-, 13 Tirailleurs, 1 Füsilier -Grenadier-,
1 Füsilier-Jäger-, 1Flanqueur-Grenadier-, 1Flanqueur-Jäger-Regiment) erhöht.
Den ursprünglichen Festsetzungen gemäſs sollte sich die
Kopfstärke der jungen Garde, welche am 1. März erst 18,600 Mann betrug , auf 36,000 Mann belaufen , die sie aus den Aus hebungen von 1813 und 1814 und aus derjenigen der 4 Klassen
vorweg erhalten sollte, da diese indessen nicht die genügende Anzahl von geeigneten Leuten enthielten, und da auch die Zahl der Re
gimenter inzwischen vermehrt wurde, so wurden noch 24,000 Mann von den 80,000 Ausgehobenen des ersten Aufgebots der National garde der jungen Garde vorweg zugewiesen.
Die junge Garde war bestimmt, die Pflanzstätte der alten Garde
zu sein, und wiewohl sie durchweg aus Ausgehobenen bestand, so 7
war sie doch vermöge der stärkeren Stämme, der Auswahl der
Leute und der besseren Ausbildung, bei der man sich wenigstens etwas mehr Zeit lieſs, eine wahre Elite-Truppe, welche bei jeder Gelegenheit Mut und Anhänglichkeit bewies. Trotzdem schädigte sie die Masse der Armee sehr, denn sie entzog ihr die besten
Elemente, daher denn auch der Kriegsminister wiederholentlich
gegen ihr übermäſsiges Anschwellen Einspruch erhob, durch welches die Armee entnervt würde.
Schlieſslich muſs noch erwähnt werden, daſs die während des
russischen Feldzuges von der französischen Infanterie geführten
Regiments -Geschütze jetzt wiederum verschwanden . Nachdem Napo leon bereits im Februar angeordnet hatte, daſs letztere bei denjenigen Regimentern , welche sie in Russland verloren hatten, nicht ersetzt werden sollten, scheinen dieselben bei der Armee in Deutschland
Die französische Armee im Jahre 1813.
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überhaupt nicht zur Anwendung gelangt zu sein , auch nicht bei
den Cohorten -Regimentern. Was die den letzteren noch zugeteilten Artillerie- Compagnien betrifft, so dürften dieselben zur Bedienung der den betreffenden Divisionen zugeteilten Geschütze verwandt worden sein . Bei den neu aufgestellten französischen Armeen finden wir im Jahre 1813 nur in Italien Regiments-Geschütze.
Ungleich schwieriger noch als die Bildung der Infanterie muſste die Errichtung der Kavallerie sein ; denn hier war Zeit das erste
Erfordernis, Improvisationen mithin ausgeschlossen . Hierzu kamen nun noch als weitere Erschwernisse die geringe Beanlagung der Franzosen für den Dienst bei dieser Waffe und der im Lande
herrschende groſse Mangel an Reitpferden. Hatte die französische
Armee mit diesen Schwierigkeiten schon von je her zu kämpfen gehabt, so muſsten sich dieselben jetzt um so fühlbarer machen,
als die gesamte Kavallerie der groſsen Armee zu Grunde ge gangen war.
Beim Ausbruch des russischen Krieges hatte die französische Kavallerie aus 89 *) dem Namen nach französischen Regimenter bestanden, unter denen sich indessen thatsächlich einige in den Verband der französischen Armee aufgenommene polnische Regimenter befunden hatten.
Den verschiedenen Gattungen nach hatte man
an schwerer Kavallerie : 2 Carabinier- und 14 Kürassier-Regi menter,
an Linien-Kavallerie 24 Dragoner-Regimenter und an leichter Kavallerie: 9 Chevauleger-Lancier-, 12 Husaren und 28 Jäger-Regimenter gezählt. Bei den Dragoner -Regimentern waren 6, bei den Jäger-Regimentern 3 Regiments-Nummern frei gewesen , davon 2 der letzteren von Anfang an , während 7 Regimenter
im Jabre 1811 in Chevauleger-Regimenter umgewandelt worden waren . Das 7. und das 8. Chevauleger -Regiment bestanden aus Polen, welche in französischem Solde standen. Bei regelrechter Zusammensetzung zählte jedes Regiment 4 Feld und eine Depot-Schwadron, von denen jede in 2 Compagnien zerfiel. Die Sollstärke einer Schwadron betrug bei der schweren und Linien Kavallerie 240, bei der leichten Kavallerie 256 Pferde, für die Neu
Bildung wurde sie jetzt auf 200 beziehungsweise 250 Pferde herab gesetzt . Einzelne Regimenter waren übrigens stärker gewesen, und *) Bei mehreren französischen Schriftstellern ist die Zahl der französischen
Kavallerie-Regimentern nur zu 88 angegeben ; in diesem Falle ist wahrscheinlich
das 12. Husaren- Regiment, welches bis zum 17. Februar 1813 die Bezeichnung 9. bis Husaren- Regiment trug, nicht als ein selbstständiges Regiment berechnet.
Die französische Armee im Jahre 1813.
143
zwar hatte das 10. Husaren -Regiment 6, das 13. und 19. Jäger Regiment 8 beziehungsweis 6 Schwadronen gezählt ; doch waren von den beiden letzteren Regimentern 4 beziehungsweise 2 Schwa dronen in Frankreich verblieben, ebenso auch das ganze 10. Husaren Regiment .* )
Abgesehen von diesen im Innern des Reichs zurückgelassenen
Schwadronen hatten 49 **) Regimenter zur groſsen Armee gehört, wälırend der Rest sich zur Zeit noch in Spanien befand. Da die in Frankreich verbliebenen Schwadronen nur sehr schwach waren , und da sich auſserdem in den sämtlichen Kavallerie
Depots Anfang Januar nur gegen 3000 Pferde befanden, so muſste die gesamte Kavallerie für die neue groſse Armee neu gebildet werden .
Wie schon angeführt, hatte sich ein groſser Teil der bei der groſsen Armee befindlich gewesenen Kavalleristen gerettet, so daſs
die Hauptschwierigkeit für eine teilweise Neubildung der Kavallerie in deren Berittenmachung lag. Hierzu trug wesentlich mit daſs Napoleon erst gegen Ende des Rückzuges die Abhaltung Pferdemärkten in Preuſsen und Polen angeordnet hatte, so daſs bei der ununterbrochenen Fortsetzung desselben bis zur Elbe
bei, von man nur
2 bis 3000 Pferde aus diesen Ländern hatte ziehen können . Unter diesen Umständen war nicht darauf zu rechnen, daſs der mit der Remontierung der Armee und insbesondere der beiden in Hannover €
und Braunschweig zu bildenden Kavallerie-Corps beauftragte General Bourcier viel mehr als 12 bis 13,000 Reitpferde aufbringen würde, während Napoleon ursprünglich auf 20,000 gehofft hatte. Da Bourcier es an Eifer nicht fehlen lieſs, er auſserdem auch nicht zu wählerisch war, sondern manche alte und fehlerhafte Pferde mit in *) In den Memoiren des General Curély, der im Sommer 1813 zum Com
mandeur dieses Regiments ernannt wurde, ist im Widerspruch mit den übrigen Quellen gesagt, das Regiment sei aus Spanien gekommen. Wahrscheinlich ist, daſs das Regiment bereits früher aus Spanien nach Frankreich zurückberufen worden war.
**) Charras giebt die Zahl der französischen Kavallerie-Regimenter bei der groſsen Armee in Russland auf 56 an , wobei er aber offenbar das 8.
-
aus Polen
gebildete Chevauleger -Regiment, welches sich bei der Garde befand, nicht mit rechnet, während er anderseits die 8 Dragoner -Regimenter voll rechnet, von denen In der correspon dance ist durchweg von 51, einmal von 59 Regimentern die Rede; es sind hier die beiden italienischen Jäger -Regimenter des IV. Armee -Corps, sowie in letzterem
sich je eine Schwadron bei der Brigade Cavaignac befand .
Falle auch noch die eben erwähnten 8 Dragoner -Regimenter mitgerechnet, während die beiden italienischen Garde-Regimenter ebenso wie die französischen Garde Kavallerie - Regimenter aufser Betracht gelassen sind.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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den Kauf nahm, so gelang es ihm wirklich, in nicht allzulanger Zeit über 12,000 Pferde zusammen zu bringen. Mit diesen Pferden nun sollten die aus Russland zurückgekehrten ,
nach Hannover in Marsch gesetzten Kavalleristen, deren Zahl sich
nach Abzug der überschieſsenden , nach Frankreich zurückgeschickten Stämme noch auf 10 bis 12,000 Mann belaufen mochte, beritten gennacht werden . Diese Zahl wurde dadurch noch vermehrt, daſs
Napoleon in der Hoffnung, General Bourcier werde noch einige Tausend Pferde nachträglich beschaffen können, im Laufe des März 2600
eingekleidete und völlig ausgerüstete, aber noch unberittene Ka valleristen aus den Depots der Regimenter der groſsen Armee nach
Hannover abgehen lieſs. Es waren dies lediglich Ausgehobene von 1812, im Grunde genommen nur notdürftig im Reiten ausgebildete Rekruten .
Bei der groſsen Armee hatten die französischen Regimenter auſser einer Anzahl den Corps beigegebener leichter Brigaden den
Hauptbestandteil der Reserve -Kavallerie gebildet. An Stelle dieser jetzt aufgelösten Verbände ordnete Napoleon die Bildung von 2 Kavallerie- Corps an, von denen das erste in Hannover zu 4, das zweite in Braunschweig zu 3 Divisionen aufgestellt werden sollte. Sämtliche französische Kavallerie-Regimenter der ehemaligen groſsen Armee sollten zur Bildung dieser beiden Corps beitragen. Einst weilen muſste von jedem Regiment möglichst schnell eine Schwadron
oder wenigstens eine Compagnie aufgestellt werden, und sollten die in dieser Weise gebildeten Teile zu provisorischen Regimentern zu sammenschlieſsen .
Eine wesentliche Verzögerung in der Aufstellung dieser Kavallerie trat dadurch ein, daſs sich sehr bald ein empfindlicher Mangel an den für Reiter und Pferde nötigen Ausrüstungsstücken einstellte, so daſs dieselben erst aus Frankreich verschrieben werden muſsten .
Hier verfügte man nun zwar über eine genügende Anzahl von Kavallerie -Waffen ; an Uniformen und Ansrüstungsstücken herrschte
aber ebenfalls Mangel, und trotz aller Beschleunigung in der An fertigung dieser Sachen, deren Güte durch die übereilte Anfertigung nicht gewann , gelangten dieselben doch nur sehr allmählich zur Absendung an den General Bourcier, der zur Beseitigung des drückendsten Mangels die fehlenden Bestandteile soweit als irgend möglich an Ort und Stelle anfertigen lieſs. Überaus störend wirkte auch der Ausbruch der Hamburger
Unruhen, wodurch nicht nur die Lieferung der Pferde verzögert und teilweise sogar ganz verhindert, sondern auch das bereits Geschaffene
Die französische Armee im Jahre 1813 .
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in Unordnung gebracht wurde. Folge aller dieser Schwierigkeiten war denn auch, daſs trotz des Vorhandenseins von mehr als 10,000 Pferden und ebenso vielen ausgebildeten Reitern dennoch Mitte März erst 3000 Mann zur Verfügung standen.
War somit nun auch die begründete Aussicht vorhanden, binnen
wenigen Wochen gegen 12,000 brauchbare Reiter zu erhalten, so erachtete Napoleon diese Zahl für den bevorstehenden Feldzug doch nicht für ausreichend, daher er hier ebenfalls seine Zuflucht zu
Improvisationen nahm, wie wenig er auch über deren Nachteile gerade bei dieser Waffe im Zweifel sein mochte.
Zunächst handelte es sich darum, die in Deutschland reorgani sierten Regimenter dadurch zu ergänzen, daſs man in ihren Depots die noch fehlenden Schwadronen bildete.
Es war dies eine schwere
Aufgabe, denn neben den Stämmen befanden sich in den Depots nur gänzlich ungeübte Rekruten, Ausgehobene von 1812 und 1813, von denen erstere knapp zu Pferde sitzen konnten, während letztere
zum gröſsten Teil eben erst den Infanterie-Depots entnommen waren . Trotzdem glaubte Napoleon nicht säumen zu dürfen, die erstere Klasse wie völlig ausgebildete Reiter zu verwenden, wobei er noch darauf hoffte, daſs denselben eine wesentliche Verstärkung aus
denjenigen von den Gemeinden angebotenen Kavalleristen erwachsen würde, welche des Reitens und der Pferdewartung kundig wären . Damit war es nun aber nicht weit her ; denn mit Ausnahme der 500 Reiter der Stadt Paris, welche in die Garde eingestellt wurden,
waren es zum allergröſsten Teile entweder gänzlich unbrauchbare Leute oder völlig unerfahrene Rekruten, von denen erstere entlassen, letztere erst ausgebildet werden muſsten . Auch mit den angebotenen Pferden stand es nicht viel besser, denn ein groſser Teil derselben war, wie schon erwähnt, nicht nur
für den Kavalleriedienst, sondern sogar auch nicht einmal für den Dienst bei dem Fuhrwesen zu gebrauchen, so daſs zahlreiche Zurück
stellungen erfolgen muſsten . Indessen war dem gröſsten Mangel dadurch vorgebeugt, daſs Napoleon bereits unter dem 4. Januar angeordnet hatte, daſs in Frankreich 15,000 Pferde für alle Waffen ausgehoben werden sollten, und zwar sollte dies, um den Schein des Rechts zu wahren, gegen baare Bezahlung geschehen, eine bei der willkürlichen Festsetzung der Preise völlig illusorische Maſsregel. Weiter wurden dann noch Märkte zur Aufbringung von 7—8000 Pferden in Frankreich ausgeschrieben , endlich auch noch 3—4000 Pferde der Gendarmerie entnommen .
An Stämmen verfügte der mit der Bildung der Kavallerie in Jahrböcher für die Donteche Armeo and Marine. Bd. LXVII, 2.
10
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Die französische Armee im Jahre 1813.
Frankreich betraute General Lebrun zunächst über die Depots der Regimenter der groſsen Armee, welche durch die aus Hannover kommenden Stämme nicht unbedeutend verstärkt worden waren .
Weiter standen ibm die mit ihren Pferden in die Kavallerie einge stellten 3000 Gendarmen zur Verfügung, welche vorzugsweise der Garde- und der schweren Kavallerie zu Gute kommen sollten .
Eine
auſserordentliche Beförderung von Zöglingen der Kavallerie - Schule sollte dazu beitragen, dem Mangel an jungen Offizieren abzuhelfen .
Soweit dies Alles noch nicht ausreichte für die Bildung der in Rede stehenden Stämme, sollten die ununterbrochen aus Spanien an langenden Abteilungen aushelfen .
Napoleon hoffte, daſs Lebrun im April bei Mainz von jedem Kavallerie-Regiment der groſsen Armee 2 bis 3 Compagnien werde versammeln können, ans deuen für jedes der beiden in Deutschland aufzustellenden Kavallerie-Corps eine Marsch-Division gebildet werden sollte, deren Auflösung der Kaiser sich nach ihrer Ankunft bei der
Armee vorbehielt. Eine zweite einige Wochen später ebenfalls bei Mainz vorzunehmende derartige Formation sollte die Zahl Lebrun's Reitern auf 13,000 bringen.
von
Aber auch dies genügte Napoleon noch nicht, und deshalb sollte der überwiegende Teil der aus Spanien kommenden Stämme in den Depots ihrer eigenen Regimenter als Stainm für die Aufnahme der Ausgehobenen von 1813 d. h . von gänzlich unausgebildeten Rekruten dienen. Da die besten Pferde sowie auch die vorhandenen
Bestände an Ausrüstungsstücken für die Regimenter der groſsen Armee vorweg genommen worden waren , so stieſs die Bildung dieser Schwadronen auf auſserordentliche Schwierigkeiten , nicht nur die
Leute sondern auch die Pferde muſsten ausgebildet werden , und dabei machte sich der herrschende Geldmangel bei der Beschaffung der Ausrüstung für Reiter und Pferde in hohem Grade füblbar.
Aus den in dieser Weise gebildeten Schwadronen sollte bei Metz ein drittes Kavallerie-Corps gebildet werden, auf welches selbst verständlich vorläufig noch nicht gezählt werden konnte. Einen interessanten Beleg dafür, wie sehr man in der französischen Armee die Schädlichkeit der provisorischen Verbände erkannt hatte, giebt
ein Schreiben des als Führer für dieses Corps in Aussicht genommenen General Arrighi, in welchem derselbe bittet, man möge wenigstens so lange mit der Verwendung seines Corps warten, bis bei jedem Regiment eine Schwadron verfügbar sei, welche unter ihrer Regiments Nummer in das Feld rücken könne, da die Formierung von provi sorischen Regimentern den Eifer abschwäche.
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Die Durchführung aller dieser Maſsregeln hatte das Zerreiſsen fast sämtlicher Regiments- Verbände zur Folge ; hinfort gab es bei der Armee in Spanien kein Kavallerie-Regiment mehr, welches nicht wenigstens eine Schwadron bei der groſsen Armee gehabt hätte, und auch von den eigentlich zu der letzteren gehörenden Regimentern verblieben fast durchweg ein oder mehrere Schwadronen in Frank reich , wo sie mit zur Aufnahme der Aushebung von 1814 dienen sollten .
Dadurch, daſs endlich noch 2 neue Husaren -Regimenter in Turin beziehungsweise Florenz aufgestellt wurden , stieg die Zahl der Kavallerie -Regimenter der französischen Armee auf 91 . Die zu erreichende Gesamtstärke der Kavallerie, ohne die Garde,
bezifferte der Kriegsminister in seinem dem Kaiser am 12. März vorgelegten Rapport auf
460 Schwadronen *) von denen 255 Schwadronen
120,000 Mann, 118,000 Pferde,
59,000 Mant, 58,400 Pferde
für die groſse Armee bestimmt seien. Es muſs bemerkt werden, daſs diese Zahlen, welche in noch höherem Grade übertrieben waren als diejenigen des bezüglichen
Rapports über die Infanterie, noch keinen Abschluſs enthielten, wie sie denn auch thatsächlich später nicht erreicht wurden . Hierzu kam nun noch die Garde -Kavallerie . Abgesehen von den beiden polnischen Lancier-Regimentern, von denen nur das 1 . in einer vorläufig aber noch nicht zu übersehenden Stärke wieder
aufgestellt werden sollte, wurde von Napoleon beabsichtigt, die Garde -Kavallerie wie früher aus 4 französischen Regimentern be stehen zu lassen . Entsprechend dem allgemeinen Anwachsen der Garde wurde aber auch die Stärke der einzelnen Regimenter, welche
früher 4 Schwadronen betragen hatte, erhöht, bei dem Jäger- und dem 2. Lancier- Regiment auf je 10, bei den Grenadieren und den
Dragonern auf je 6 Schwadronen .. Die Elite-Gendarmen sollten die Zahl der französischen Garde-Schwadronen auf 34 bringen. Eugen hatte seiner Zeit aus den Resten der Garde- Kavallerie
5 Schwadronen gebildet und den Überschuſs an Stämmen und *) Einschlieſslich der 8 Schwadronen der Brigade Cavaignac in Danzig . Nach Gattungen getrennt sollte die Verteilung der Kavallerie die folgende sein : Kürassiere, Dragoner, Chevauleg., Jäger, Husaren, Schwadr. in Deutschland Spanien Frankreich
.
.
46
57
25
47 16
83 25
44
4
20
36
14
30
13
99
10*
Die französische Armee im Jahre 1813.
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unberittenen Mannschaften nach Fulda zurückgeschickt, wo 5 unbe rittene Schwadronen gebildet worden waren, während man die dann noch überschieſsenden Stämme mit der Post nach Paris gesandt hatte.
Diese Stämme, ferner 25 Eliten von jedem der in Spanien
stehenden Regimenter, sowie Abgaben von der Gendarmerie, den Depots und den aus Hannover gekommenen Stämmen und endlich noch die 500 von der Stadt Paris dargebrachten Reiter bildeten auſser den erwähnten Schwadronen die Mittel zur Neubildung der Garde- Kavallerie. Den in Fulda gebildeten Schwadronen wurden die nötigen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke mit der Post zu gesandt, während die völlig ausgerüsteten Pferde für sie von den zuerst dorthin abrückenden Schwadronen an der Hand mitgeführt
wurden. In der Folge wurde übrigens nicht Fulda, sondern Frank furt als Vereinigungspunkt für die Garde-Kavallerie bestimmt, deren feste Gliederung erst nach Vereinigung mit den vorläufig noch bei der Armee des Vicekönigs befindlichen Schwadronen erfolgen sollte, welche letzteren zu diesem Zweck, sobald sie dort irgend entbehrlich
sein würden , zurückgeschickt werden sollten. Napoleon hoffte, daſs die Garde -Kavallerie im Laufe des April eine Stärke von 5000 Pferden erhalten würde.
Ebenfalls zur Garde sollten auch die Ehrengarden gezählt werden . Nach Husaren - Art ausgerüstet und bewaffnet sollten sie
4 Regimenter zu 10 Schwadronen zu 250 Pferden zählen . Als Commandeur erhielt jedes Regiment einen General, und auch die übrigen Offiziere wurden aus der Armee abgegeben. Zu Formations
Orten waren Tours, Metz, Versailles und Lyon bestimmt. Daſs die Absicht, eine Art Geiseln in die Hand zu bekommen , zum gröſsten Teil verfehlt wurde, ist bereits erwähnt worden . Auch der Zuwachs
an Kavallerie, den sie bilden sollten, erreichte bei Weitem nicht die erwünschte Stärke ; wenngleich sich viele junge Leute namentlich in den westlichen Departements freiwillig stellten , sei es aus Furcht vor der Aushebung der 80,000, sei es in der Hoffnung auf die baldige Erlangung eines in Aussicht gestellten Offizier-Patents, so konnte doch in vielen anderen Departements die zugewiesene Zahl
nicht aufgebracht werden . Hierzu kam, daſs in Folge der Schwierig keit der Beschaffung brauch barer Pferde die Ehrengarden vielfach sehr spät in den Depots eintrafen, und daſs auch dann noch viele der von ihnen mitgebrachten Pferde trotz der bescheidensten An
forderungen zurückgestellt werden muſsten . So war bei der französischen Kavallerie gegen Mitte März d. h . der preuſsischen Kriegserklärung noch Alles im Werden Zeit zur
Die französische Armee im Jahre 1813.
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begriffen . Die Elemente für die Neubildung derselben waren zwar vorhanden ; verfügbar waren aber nur schwache, jedes Zusammen hanges entbehrende Abteilungen .
Die dritte Waffe, die Artillerie, befand sich für ihre Neubildung in einer etwas besseren Lage als die Kavallerie. Nicht nur, daſs Zugpferde in jedem Lande leichter zu beschaffen sind als Reitpferde; Napoleon verfügte auch noch über eine verhältnismäſsig groſse Zahl ausgebildeter Kanoniere, und in den Arsenalen fanden sich zahlreiche Geschützrohre der verschiedensten , namentlich älteren Konstruktionen
vor. Mangel herrschte dagegen an den für die Artillerie nötigen Fahrzeugen , einschlieſslich der Lafetten und Protzen , sowie auch an
allen für das Militär- Fuhrwesen erforderlichen Wagen . Die An fertigung dieser Fahrzeuge wurde jetzt unter Zuziehung zahlreicher Civil - Arbeiter in sämtlichen Arsenalen der Armee und Marine mit
dem gröſsten Eifer betrieben, wobei gleichzeitig eine möglichste Erleichterung dieses Materials ins Auge gefaſst wurde. Um an Fahrzeugen und Pferden zu sparen, wurde eine gröſstmögliche Ver einfachung der Regiments - Trains angeordnet und dieselben im
Wesentlichen auf eine Anzahl von Tragetieren für jedes Bataillon
beschränkt. Auch die Beschaffung der nötigen Geschirre, an denen ebenfalls ein empfindlicher Mangel herrschte, machte groſse Schwierig keiten, trotzdem deren Anfertigung überall wo nur irgend möglich in Angriff genommen wurde. Ein Hauptgrund aller Schwierigkeiten lag auch hier in dem herrschenden Geldmangel, der die Arbeiten nicht recht in Fluſs bleiben lieſs und die Güte der gelieferten Gegenstände beeinträchtigte, die so schon durch die bei der Her stellung geforderte Schnelligkeit litt.
In der Erkenntnis der Notwendigkeit, den jungen, an Kavallerie
schwachen Truppen eine zahlreiche Artillerie als Halt beigeben zu müssen, beabsichtigte Napoleon seine Artillerie möglichst stark zu machen, und zwar sollten die Corps für jede Infanterie- Division 24, für jede Kavallerie-Division 12 Geschütze erhalten , auſserdem auch noch eine starke Reserve - Artillerie gebildet werden . Napoleon hoffte, es würden im Ganzen 1000 Geschütze aufgestellt werden
können, von denen 600 bereits für den Beginn des Feldzuges zur Verfügung stehen sollten. Was die damalige Organisation der französischen Artillerie an langt, so bildeten die Bedienung und das Fahrer- Personal mit der zugehörigen Bespannung zwei völlig getrennte Teile, von denen nur ersterer als > Artillerie « bezeichnet wurde, während letzterer die Bezeichnung als » Artillerie - Train « führte. Ibrerseits gliederte sich
Die französische Armee im Jahre 1813.
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die Bedienung wieder in Fuſs- und reitende Artillerie, von denen
jene in Regimenter *) zu 22, diese in solche zu 6 Compagnien ein geteilt war.
An Mannschaften verfügte man für die Neubildung der Artillerie über ungefähr 1000 aus Russland zurückgekehrte Kanoniere, welche von Eugen nach Magdeburg zurückgeschickt worden waren, woselbst
sich auch die ebenfalls zur Verfügung stehenden 20 unvollständigen Compagnien befanden, welche Napoleon geglaubt hatte, aus den Eine fernere Hülfsquelle bildete die Artillerie der Cohorten, von denen sich 22 Compagnien noch bei ihren bezüglichen Regimentern befanden, während aus den übrigen 66 Compagnien 3 neue Fuſs -Artillerie -Regimenter gebildet
prenſsischen Festungen ziehen zu können .
wurden. Im Ganzen zählte die Artillerie der Cohorten 8 bis 9000 Mann,
indessen wiesen ihre Stämme in Folge der Säuberung ihres Offizier Corps sehr groſse Lücken auf. 52 dieser Compagnien wurden jetzt ebenfalls nach Magdeburg gesandt, woselbst der General Sorbier aus allen in dieser Festung befindlichen Elementen mit Hülfe des daselbst
aufgestapelten Materials die Artillerie bilden muſste, welche eines
teils für die Vervollständigung der mit dieser Waffe sehr schwach versehenen Armee des Vicekönigs dienen sollte , anderenteils für die
beiden ersten Armee-Corps und das Observations -Corps von der Elbe bestimmt war.
Ein etwaiger Überschuſs sollte den beiden
Observations- Corps vom Rhein zu Gute kommen. 74 weitere Artillerie-Compagnien wurden in Frankreich Fer fügbar gemacht beziehungsweise neu aufgestellt, auſser den 14 noch übrigen Compagnien der Cohorten die 48 Compagnien, welche sich im Lande und zwar vorzugsweise in den Küstenplätzen befunden hatten, und 12 Compagnien, welche mit Hülfe von Stämmen der in Spanien befindlichen Artillerie und von Ausgehobenen von 1812 neu formiert wurden . Auch wurden zur Ergänzung der nach fran zösischem Brauch der Artillerie zugezählten Pontoniere und zum
Dienst in den Parks eine Anzahl von Flotten -Equipagen und von
Handwerker-Compagnien der Marine teils aus Spanien, teils aus den Küstenplätzen herangezogen.
In ähnlicher Weise vollzog sich auch die Reorganisation der reitenden Artillerie, zum Teil in Frankreich, zum Teil ebenfalls in *) Die Zahl dieser Regimenter konnte nicht ermittelt werden ; im Jahre 1807 waren es auſser der Garde -Artillerie 8 Fuſs-Regimenter mit 176 und 6 reitende
Regimenter mit 37 Compagnien gewesen ; ob hierin inzwischen eine Anderung eingetreten war, findet sich in keiner der zugänglich gewesenen Quellen ange geben.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Magdeburg, und wurden auſserdem noch einige reitende Compagnien aus Spanien herangezogen. Aus Abgaben der Artillerie der Cohorten, aus den Besten der noch in den Artillerie-Depots befindlichen Ausgehobenen von 1812, welche zur Füllung einiger leeren oder halbvollen Stämme dienten, sowie aus einigen hundert Marine -Artilleristen und den Abgaben der in Spanien stehenden Artillerie, 10 Mann von jeder Compagnie, wurde die Artillerie für die alte und die junge Garde neu gebildet, die der letzteren, welche Napoleon zum Teil als Haupt-Reserve
benutzen wollte, sogar noch erheblich vermehrt, so daſs beide im .
Laufe des Sommers, einschlieſslich der reitenden Artillerie, eine
Gesamtstärke von 28 Compagnien erreichten. Um dem groſsen Mangel an Offizieren abzuhelfen, erfolgte eine auſserordentliche Beförderung von Zöglingen der Metzer Artillerie Schule, und wurde auch - ein noch nie dagewesener Fall – eine Anzahl von Schülern von St. Cyr in die Artillerie eingestellt. Auſserdem muſste die Marine -Artillerie aushelfen.
Die Mannschaften, welche in all diese neugebildeten Compagnien
eingereiht wurden, hatten bereits durchweg mindestens 7 bis 8 Monate gedient, allenfalls genügend für den Dienst bei der Fuſs - Artillerie, aber nicht genügend für denjenigen bei der reitenden Artillerie, welcher damals wie heute in hervorragender Weise gewandte Leute erforderte.
Da sämtliche Zugpferde in Russland umgekommen, in den Depots aber davon keine vorhanden waren, so muſsten dieselben durchweg neu beschafft werden , und zwar bezifferte sich der Bedarf für die
Artillerie auf ungefähr 20,000 Pferde, während weitere 15,000 Pferde für den Armee-Train erforderlich waren. Auch hier schritt Napoleon
zu Ausschreibungen, 15,000 Zugpferde sollten in Frankreish aus gehoben, weitere 10,000 durch Abhalten von Märkten aufgebracht werden. Da noch ein Teil der von den Gemeinden angebotenen Pferde, sowie einige Tausend vom General Bourcier in Deutschland beschaffte Pferde hinzukamen, so war ein eigentlicher Mangel nicht vorhanden, nur daſs sich neben zahlreichen sehr alten Tieren kaum
weniger sebr junge vorfanden. Das Fahrer-Personal und die Bespannung der Geschütze und
übrigen Artillerie - Fahrzeuge bildeten, wie schon erwähnt, einen von der übrigen Artillerie-Mannschaft abgesonderten Teil, den nnter der
Leitung von Artillerie- Offizieren stehenden sogenannten Artillerie Train.
Von den 2 Garde- und 13 Linien-Bataillonen dieser Waffe,
welche nach Russland gegangen , war fast Nichts zurückgekehrt, es
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war also Alles neu zu bilden , eine schwierige Aufgabe, da sich in den Depots höchstens einige Ausgehobene von 1812 and 1813 be
fanden. Aus diesen wurden nun sofort einige Compagnien gebildet, übrigens aber Mannschaften der Infanterie und Rekruten aus den
letzten 4 Jahres- Klassen hier eingestellt. Es gelang nun zwar, den
Artillerie- Train in Magdeburg und Hannover sowie in Frankreich rechtzeitig in genügender Stärke aufzustellen , aber der bei dem schwierigen Dienst gerade dieser Waffe überaus fühlbare Nachteil der mangelhaften Ausbildung muſste natürlich mit in Kauf genommen werden .
Was endlich noch den Armee - Train anbetrifft, so war derselbe
mit 2 Garde- und 15 Linien-Bataillonen in Russland eingerückt;
die Bataillone hatten teils 4, teils 6 Compagnien gezählt, jede Com pagnie zu 100 Fahrzeugen. Dies Alles war zu Grunde gegangen, kaum daſs 1000 Train - Soldaten zurückgekehrt waren . Wiewohl dieser Train in Russland nicht die erwarteten Dienste geleistet hatte, so muſste er dennoch neugebildet werden, indessen glaubte der Kaiser, in Deutschland keines so groſsen Trains zu bedürfen , daher er auch nur 2 Garde- und 10 Linien - Bataillone neu auf stellen lieſs. *)
Dies waren die von Napoleon getroffenen Maſsnahmen zur Wiederherstellung der » groſsen Armee « . Mit Genugthaung blickte er auf das numerische Ergebnis seiner Rüstungen, und prahlerisch verkündete er der Welt, daſs er – einschlieſslich der Heere und Festungs- Besatzungen in Spanien und Deutschland 1,100,000 Soldaten unter den Waffen habe. Dem war nun freilich bei Weitem
nicht so, und was für ihn noch schlimmer war, nicht nur über die
Zahl, sondern auch über die Güte seiner Truppen machte er sich schwerwiegende Täuschungen. (Fortsetzung folgt.) *) Über die Genietruppen sind in den zugänglich gewesenen Quellen keinerlei Angaben gemacht; der Grund liegt wohl darin, daſs die Aufstellung derselben kaum auf Schwierigkeiten gestoſsen sein dürfte.
X.
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .*) * Unter den Feldzügen, welche die teils von dem groſsen König selbst , teils von seinen Generalen geführten preuſsischen Truppen gegen die Feinde der jungen Monarchie auszufechten hatten , hat
bisber die im Jahre 1757 von dem greisen Feldmarschall Lehwaldt geleitete Verteidigung Ostpreuſsens gegen die Russen unter Apraxin eine verhältnismäſsig geringe Beachtung in kriegsgeschichtlicher Hinsicht gefunden. Dieser Feldzug bildete gewissermaſsen nur einen Nebenakt in dem groſsen Gesamtdrama, und aller Augen richteten sich und richten sich , was die militärische Forschung anbetrifft, noch heute vorzugsweise auf die Schlachtfelder, auf denen Friedrich der Groſse selbst seinen Gegnern die Spitze bot. Brachte es doch
die damalige abgesonderte Lage der von den übrigen Landesteilen durch polnisches Gebiet getrennten Provinz mit sich , daſs der König, wenn auch mit schwerem Herzen, sich sogar in den Gedanken ergeben muſste » behufs sicherer Erhaltung des Körpers seiner Monarchie eins seiner Glieder
-
nämlich Ostpreuſsen
Eintritt besserer Zeiten zu opfern.« **)
bis zum
Es ist aus diesem Grunde
auch erklärlich , daſs der durch eine mächtige Gegnerschaft schwer
bedrängte Fürst zur Verteidigung dieses Stammlandes der Monarchie dem sein ganzes Vertrauen genieſsenden Feldmarschall Lehwaldt nur die zu diesem Zweck allernotwendigste Anzahl von Truppen und
sonstigen Kriegsmitteln zur Verfügung stellen konnte. So sah sich der König anch genötigt, 4 pommersche Regimenter, die ursprünglich zur Verstärkung der ostpreuſsischen Armee bestimmt waren , ander weitig zu verwenden, und Lehwaldt muſste, um sich kampfbereit zu *) Unter Benutzung des neu erschienenen russischen Werkes : Die russische
Armee im siebenjährigen Kriege von Oberst Masslowski, das in deutscher Über setzung in nächster Zeit veröffentlicht wird.
**) Siehe Politische Korrespondenz Friedrich des Groſsen “ die Briefe vom 19. Dezember 1756 und vom 8. Januar 1757 aus Berlin,
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
154
machen , eine Menge von Rekruten and Milizen aufbieten , minder wertige Garnison-Regimenter mit ins Feld nehmen u. s. w. *) 1
Auſserdem wurden die vorbereitenden Maſsnahmen Lehwaldt's
und somit der ganze Gang des Feldzuges, in sehr ungünstiger Weise dadurch beeinfluſst, daſs der König fast bis zum letzten
Augenblick Grund zu der Annahme zu haben glaubte, die seit 1746 mit Österreich verbündeten Russen würden mit Eröffnung der Feindseligkeiten keinen Ernst machen , und es würde ihm auf
diplomatischem Wege gelingen, die auch von dieser Seite drohende Gefahr abzuwenden. Des Königs Korrespondenz mit Lehwaldt läſst über diese Anschauung der Verhältnisse keinen Zweifel. **)
Ganz
ähnlich einer Erscheinung der allerneusten Zeit, wurde daher preuſsischerseits Alles vermieden, was die dem König zum Teil aus
persönlichen Gründen unfreundlichen Gesinnungen der Kaiserin Elisabeth noch mehr reizen konnte.
Der König verabsäumte auch
keine Bemühungen, um den durch den mit England abgeschlossenen Vertrag von Westminster überlisteten und in seiner diplomatischen Unfehlbarkeit verletzten Kanzler Bestuschew -Rumin der Aufrecht
erhaltung des Friedens geneigt zu machen . Von nicht minderem Einfluſs auf die preuſsischen Maſsnahmen hier im Osten war es auch , daſs es dem Könige daran liegen muſste, die Empfindlichkeit
der polnischen Republik zu schonen , deren damaliges Gebiet Ost preuſsen fast auf dessen ganzer Ostgrenze von Russland trennte, und deren Magnaten , namentlich Branicki und Poniatowsky, ab gesehen von dem König -Kurfürst, den preuſsischen Interessen eher zu- als abgeneigt waren .
Andererseits durfte der König hoffen ,
daſs auch die Russen diese neutrale Zone, welche wegen der daraus zu beziehenden Verpflegungs- und Fortschaffungsmittel von der höchsten Wichtigkeit war, anerkennen würden . Schlieſslich rechnete er auch auf die Eifersucht der Pforte und glaubte daher einen Angriff der Russen nur von Norden her, d. h. über Memel erwarten zu dürfen. Vergegenwärtigt man sich auſserdem , daſs Friedrich der Groſse von dem sehr mangelhaften Zustande der russischen Armee, namentlich was die Beweglichkeit und feldmäſsige Aus 1
bildung der Kavallerie , die Fähigkeiten der Führer , die Geld mittel u. s. w. betrifft, wohl unterrichtet war, dagegen bis zuletzt *** ) *) Siehe das Schreiben des Königs an Lehwaldt vom 30. November 1756 aus Dresden .
**) Siehe „P. K. Brief des Königs vom 3. und 4. Dezember 1756 aus Dresden .
***) Siehe „P. K.“ Brief des Königs vom 11. Dez. 1756 aus Dresden u . 19. Dez.
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
155
in Zweifel darüber verblieb, ob die Russen sich geradenwegs gegen Ostpreuſsen wenden oder vermittelst einer nach der Neumark zu
schickenden Truppenabteilung die Österreicher unterstützen würden, *) so darf es nicht Wunder nehmen , daſs er auf diese Verhältnisse fuſsend, das Geschick Ostpreuſsens nicht gerade in erste Linie stellte,
vielmehr den Ereignissen dort, so zu sagen , ihren Lauf lieſs. Diese Umstände, nicht minder aber der unerwartete Abschluſs des Feldzugs haben, wie bereits erwähnt, auch ihren Einfluſs auf die militärische Geschichtsschreibung ausgeübt. Das heiſst , es sind über diesen
Feldzug von preuſsischer Seite, im Gegensatz zu den Ereignissen auf dem schlesischen , sächsischen , böhmischen Kriegstheater, nur sehr wenige und sehr lückenhafte Quellen vorhanden. Eine Einsicht in die darüber durch Lloyd-Tempelhof , Preuſs, Bernhardi u. s. w. gegebenen, ferner in einer Arbeit des preuſsischen >
Generalstabs von 1824 und in der nach den Cabinetsordres im
Königlichen Staatsarchiv verfaſsten Schrift : Friedrich der Groſse von Kolin bis Roſsbach, Berlin 1858, enthaltenen Nachrichten werden diese Behauptung bestätigen . Der in der Politischen Korrespondenz Friedrich des Groſsen enthaltene Briefwechsel mit Leh waldt und
verschiedenen Diplomaten, welcher teilweise auch den eben genannten Schriften als Quelle diente, und von dem einzelne Nummern auch
in unserer Betrachtung angeführt sind , bringt allerdings mehr Klarheit in die Sache , aber auch diese wichtigen Beweisstücke lassen viele zur sachlichen und allseitigen Beurteilung der kriege
rischen und diplomatischen Thätigkeit wesentliche Gesichtspunkte ganz unberücksichtigt , beziehungsweise stellen sie in unrichtigem Lichte dar. Der Hauptgrund für diese irrigen Auffassungen liegt aber darin, daſs von russischer Seite bisher keine amtlichen, auf
diesen Feldzug und seine Vorgeschichte bezüglichen Angaben vor handen beziehungsweise veröffentlicht waren , und man sich in Ermanglung derselben , mehr oder minder auf Vermutungen be schränken muſste .
So war und ist man zum Teil noch bei uns der
Überzeugung, daſs das bei Apraxin im Jahre 1756 hervortretende Zögern , den Feldzug schon im Herbst zu beginnen , hauptsächlich
darauf zurückzuführen sei, daſs er als Anhänger des Preuſsen wohl *) Im Brief an Lehwaldt vom 26. Dezember 1756 heiſst es : „Ich glaube, die Russen agiren wollen , sie mit 40,000 Mann gegen Schlesien, und mit 40,000 Mann gegen Preuſsen agiren werden, und daſs es Euch
daſs wenn sie
nicht darauf ankommen wird, ob Ihr ein Drittel von dergleichen Volk mehr gegen Euch habet, als Ihr stark seid , absonderlich da die Sache noch so weit aus gesetzet ist etc. “ Siehe auch Brief vom 8. Januar 1757.
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
156
geneigten Groſsfürsten Peter und seiner Gemahlin Katharina, seine Truppen nicht gegen Preuſsen zu führen wünschte. Ebenso wird der unerwartete Rückzug der russischen Armee nach der für sie
vorteilhaften Schlacht von Groſs - Jägerndorf auch heute noch sowohl von russischen als nichtrussischen Geschichtsschreibern gewisser
maſsen als ein Verrat, d. h. dadurch erklärt, daſs Apraxin im Ein vernehmen mit Bestuschew , bei dem zu erwartenden Ableben der Kaiserin Elisabeth seine Armee zu Gunsten der Interessen des
» jungen Hofes« bereit haben wollte. Ein ganz neues Licht auf diese mehr inneren politischen, aber auch auf die rein militärischen Verhältnisse wirft ein im Jahre 1886 erschienenes russisches Werk : » Die russische Armee im
siebenjährigen Kriege I. Teil. Der Feldzug Apraxins in Ostpreuſsen 1756–1757 « von dem Obersten im Generalstabe Masslowski. Dieses
Werk, von dem bisher nur der erste Teil vorliegt, das aber den ganzen siebenjährigen Krieg umfassen soll , ist das erste , wirklich kriegsgeschichtliche, welches über die Teilnahme der russischen Armee am siebenjährigen Kriege erschienen ist, und schon aus
diesem Umstande allein geht seine hohe Bedeutung für die Kriegs geschichte im Allgemeinen hervor.
Für uns erhält es einen be
sonderen Wert durch die darin enthaltene Charakterisierung der sich zum ersten Male ernstlich mit der preuſsischen Armee messen den russischen Truppen. *) Der bereits durch andere kriegswissenschaftliche Arbeiten vor teilhaft bekannte Verfasser betont in seiner Einleitung, daſs die bisher in Russland über den siebenjährigen Krieg erschienenen
historischen Arbeiten , wir nennen die allgemeine Geschichte Russ lands von Ssolowjew, die Schriften Pekarski's, Bolotow's, die vom
Fürst Galitzyn herausgegebene allgemeine Kriegsgeschichte u. s. w., als kriegsgeschichtliche Quellen deshalb nicht anzusehen sind , weil sie die in den russischen Archiven über den Krieg vorhandenen zahlreichen Aktenstücke nur teilweise und ohne sorgfältige Kritik benutzt oder aber, wie besonders Bolotow, nur ihre eigenen persön
lichen Eindrücke wiedergegeben haben.
Das Ergebnis war eine
sehr oberflächliche und ungünstige Beurteilung der Thaten der russischen Armee und ihrer Führer sowie die der einschlagenden
strategischen und politischen Verhältnisse.
So muſste diese von
*) Im Jahre 1747 war ein russisches Hülfscorps unter Repnin zur Unter
stützung der Österreicher nach Deutschlaud gegangen , kam aber nicht mehr zur Thätigkeit.
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
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anerkannten Verfassern wie z. B. Ssolowjew , ausgehende Auffassung natürlich auch ihren Weg ins Ausland finden und zu einer voll ständigen Verkennung der Thatsachen führen . Behufs Richtig stellung dieser Irrtümer und namentlich um die Armee der Kaiserin
Elisabeth sowie ihre Generale von den auf sie gehäuften Vorwürfen der Untüchtigkeit und Pflichtvergessenheit zu entlasten , hat sich Oberst Masslowski der Mühe unterzogen , alle in den russischen Kriegsarchiven, namentlich auch im Moskauer, vorhandenen Akten stücke über den Krieg in streng geordneter Weise zu sichten und zu bearbeiten. Organisation und Beschaffenheit der damals unaus gesetzten Umbildungen unterworfenen russischen Truppen , ihre Reglements, ihre Bewaffnung, die politischen und strategischen Verhältnisse, die Beschaffenheit des Kriegsschauplatzes, die Ver pflegungsweise, die Intrigen der Preuſsen feindlichen Höfe, der Briefwechsel des Oberfeldherrn mit den Petersburger u. s. w. Be hörden , wird bis ins Kleinste der Gesamtdarstellung eingereiht, beziehungsweise vorausgeschickt , und alle Angaben werden durch wörtliche Anführung der Grundakten oder doch ihrer Nambaft machung bekräftigt. Durch diese Untersuchung ist es fast unzweifel haft geworden , daſs die bisher von den russischen Geschichts schreibern gegen die militärische Brauchbarkeit der von Apraxin
befehligten Armee , über die Zügellosigkeit der Nichtregulären , die Unfähigkeit der Generale u. s. w. erhobenen Vorwürfe mindestens übertrieben sind . Wir sagen mit Absicht , » fast unzweifelhaft«, denn bei aller Anerkennung des streng wissenschaftlichen Strebens des Obersten Masslowski tritt bei ihm
unverkennbar doch eine
gewisse Neigung hervor , die von ihm gemachten , an sich nicht
anzufechtenden Angaben so zu gruppieren und zu beleuchten, daſs dadurch nicht nur die mangelhafte Beschaffenheit der russischen Streitkräfte, der niedrige Stand ihrer Kriegskunst, sondern auch die strategischen Leistungen ihres Führers Apraxin in etwas zu günstigem Lichte erscheinen. Ebenso voreingenommen zeigt sich der durch aus auf altrussischem Boden stehende Verfasser für die Leistungen der der Armee beigegebenen Massen von Nichtregulären. Gelungen ist dagegen dem Verfasser der Nachweis , daſs der Hauptfehler bei der schleppenden und zu einem so kläglichen Ende führenden rassischen Kriegführung nicht allein in der mangelnden Befähigung des Feldherren und der Minderwertigkeit der so zu sagen noch
jungen Armee , sondern ebenso sehr in den ungenügenden Vor bereitungen , in dem Mangel an ausreichenden Geldmitteln und in
dem Umstand zu suchen ist, daſs nicht nur Apraxin, sondern auch
158
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
dem Kriegsministerium (Collegium) durch die in Petersburg dauernd tagende » Konferenz « (nur eine andere Bezeichnung für Hofkriegsrat) die Hände gebunden waren .
Dabei blieb Apraxin über das, was er
zu thun und zu lassen hatte, und über die ihm zur Verfügung stehenden Streitmittel in einer seine Entschlüsse sehr hemmenden
Ungewiſsheit. Es wurde dies bauptsächlich durch die Verbündeten
Russlands: Österreich und Sachsen , veranlaſst. Diese Staaten wünschten , noch ehe der Feldzug begonnen hatte, einen groſsen Teil der Apraxin zur Verfügung stehenden Truppen als unmittelbare Ver stärkung ihrer eigenen Streitkräfte verwendet zu sehen, und hatten bei der unter Mitwirkung ihrer Abgesandten vor sich gehenden Aufstellung des russischen Kriegsplanes viel mehr ihre eigenen
Interessen als die Leistungsfähigkeit und den Vorteil der russischen Armee im Auge. Auch während des Feldzuges, und namentlich am
Schluſs desselben , drang die mit der wirklich miſslichen Sachlage bei der Armee unbekannte Konferenz lediglich mit Rücksicht auf
die Verbündeten darauf, Apraxin solle die Offensive gegen Lehwaldt fortsetzen , und es bedurfte aller seiner Thatkraft , um sich diesem Ansinnen zu widersetzen. Der von Sachsen als » berühmter Partei 1
gänger« übernommene General Sibilski , welcher später einer der
Hauptankläger Apraxin's wurde , zeigte sich der ihm übertragenen Führung eines meist aus Irregulären bestehenden Streifcorps nicht im mindesten gewachsen und leistete auch in der Schlacht von Groſs - Jägerndorf nichts. Nach der Schlacht von Groſs - Jägerndorf befand sich die, wenn auch taktisch im Vorteil verbliebene russische
Armee aus Mangel an Verpflegungsmitteln und angesichts der immer noch drohenden Haltung der ungebrochenen preuſsischen Armee, in einer so verzweiflungsvollen Lage, daſs Apraxin in vollem Einvernehmen mit seinen Generalen den Rückzug hinter die Memel und später bis nach Kurland antrat.
Die von dem Verfasser angeführten Aktenstücke lassen keinen
Zweifel darüber, daſs lediglich das Unvermögen, die ihm entgegen tretenden Schwierigkeiten zu besiegen, Apraxin zu dem so lang unbegreiflich gebliebenen Rückzug veranlaſst hat. Selbst Bestuschew und die Konferenz, welche fortwährend auf Erneuerung des Vor gehens drangen, konnten schlieſslich nicht umhin , die Schwere der
von Apraxin für sein Verhalten angegebenen Gründe anzuerkennen und sogar zu billigen.
Nur die Besorgnis , sich in den Augen der
Verbündeten in Miſsachtung zu setzen , lieſs die Machthaber in Petersburg darauf bestehen, trotz alledem die Fortsetzung der Offen sive zu verlangen. Apraxin hatte aber , wie sich der Verfasser
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
äuſsert, den Mannesmut, sich diesem Ansinnen zu widersetzen .
159
Er
rettete dadurch die russische Armee für spätere ruhmreichere Ver wendung , wurde aber, wohl weil es eines Opfers bedurfte, ebenso wie Bestuschew des Verrates angeklagt und starb noch während
des, wie es scheint, zu seiner Rechtfertigung führenden Prozesses. ?
Für die Zwecke unserer Betrachtung ist die Frage, ob Apraxin der ihm vorgeworfenen Verfolgung politischer Ziele schuldig war oder nicht, nur in so weit von Wert , als der von Masslowski er brachte Nachweis, die russische Armee habe nur aus rein mili
tärischen Ursachen den Rückzug hinter den Niemen angetreten , ganz naturgemäſs den diesen Rückzug vorbereitenden und be gleitenden militärischen Umständen und Ereignissen eine höhere,
der kriegsgeschichtlichen Betrachtung würdigere Bedeutung verleiht. Wir sind der Meinung, daſs gerade die bis auf die neueste Zeit in Geltung gebliebene Ansicht, Apraxin habe sich in erster Linie von dynastischen Interessen leiten lassen, dazu beigetragen hat, daſs der
hier in Rede stehende Feldzug bisher in kriegsgeschichtlicher Hin sicht wenig bearbeitet worden ist.
Ein nur aus politischen , staats
verräterischen Gründen veranlaſster Rückzag gehört weniger vor
das Forum der Kriegsgeschichte als vor ein Kriegsgericht, und auch der Gegner hat da, wo eine solche Anklage begründet ist , kein Recht, sich einen wesentlichen Einfluſs auf die Maſsnahmen des so handelnden Feldherren zuzuschreiben. Je mehr zwingende mili tärische Gründe aber bei einem solchen Falle zur Sprache kommen ,
um so mehr wächst auch die Bedeutung der Leistungen der beider seitigen Streitkräfte. So enthält das Werk Masslowski's mittelbar eine hohe An
erkennung der inneren Tüchtigkeit des Verteidigers. Es ist klar, daſs selbst ein so wenig thatkräftiger und der eigenen Entschlieſsung abholder General, wie Apraxin, trotz der von Masslowski gegen diese Bezeichnung erhobenen Einwände dasteht , nicht nach einer von ihm gewonnenen Schlacht nur deshalb seinen Rückzug antreten und fortsetzen wird , weil es ihm an Verpflegung gebricht. Selbst bei der damals herrschenden Verpflegungsart vermittelst Magazinen und der allerdings sehr mangelhaften Verbindungen mit der
Operationsbasis wäre, so wie die preuſsische Armee nicht mehr so stark in Betracht kam , die Verpflegung der russischen Armee in Feindes Land irgendwie zu bewerkstelligen gewesen. Ostpreuſsen ist im Allgemeinen ein fruchtbares, Ackerbau und Viehzucht trei bendes Land und befand sich, als Friedrich der Groſse noch als
Kronprinz die Provinz besuchte , wie er selbst schreibt, in einem
$
160
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
blühenden Zustande. Freilich hatten bei Ausbruch des Krieges die Bauern auf Befehl der Behörden einen groſsen Teil ihrer Vorräte, teils in die uuzugänglichen Wälder , teils weiter nach Westen
geschafft, aber es blieben immer noch Dörfer, groſse Güter, Domänen mit Inventarium und bestellten Feldern genug übrig , um Vorräte daraus zusammenbringen zu können . Hierbei hätten besonders die
zahlreichen Irregulären mitwirken können , doch zogen sie es vor, nur an ihren augenblicklichen Bedarf zu denken und den Rest den Flammen zu übergeben . Je weiter die russische Armee in der
Richtung auf Königsberg vorgedrungen wäre, um so leichter wäre die Vollziehung derartiger Requisitionen voraussichtlich geworden : wenigstens haben das die von russischer Seite vorgenommenen Rekognoszierungen bestätigt. Selbst der Umstand, daſs den Rassen
die beabsichtigte Heranschaffung von Lebensmitteln von Memel aus über das kurische Haff nicht gelang , änderte hierin wenig. Aber immer wieder war es die Besorgnis vor der kampfbereit gebliebenen, in festen Stellungen den Augenblick zu neuem Kampf erwartenden preuſsischen Armee, nicht minder aber die offenbar übertriebene
Furcht vor den ihr Hab und Gut verteidigenden bewaffneten Bauern , die die russischen Generale lieber nach rückwärts als nach vorwärts schauen liefs.
Allerdings waren in Folge der ungenügenden Vorbereitungen die Zustände bei der russischen Armee nach der Schlacht von Groſs
Jägerndorf, was die Beschaffenheit des Menschen- und noch mehr des Pferdematerials anbetrifft, sehr wenig Vertrauen erweckend . Die Infanterie hatte in der Schlacht groſse Verluste erlitten
and viele Kranke, die reguläre Kavallerie — schon vor der Schlacht der preuſsischen gegenüber nicht in Betracht zu ziehen war fast -
gänzlich vernichtet und der Armee nur noch eine Last.
Die Pferde
starben vor Hunger. Die Irregulären machten sich bei der eigenen Armee gefürchtet und blieben sich selbst überlassen.
Die den Rückzug begleitenden Gesamtverhältnisse waren nach der Schilderung Masslowski's sogar derartige, daſs man – und wir kommen hier auf die Kehrseite der Medaille - bei näherer Kennt
nisnahme, nicht umhin kann, gegen Lehwaldt den Vorwurf zu er heben , er habe seinerseits die Lage nicht ausgenutzt und es verab säumt, den Russen bei ihrem unter fast völliger Auflösung erfolgenden Zurückweichen eine vollständige Niederlage zuzufügen und keinen Feind lebend über die Grenze zurückzulassen.
Ebenso wie die
Schlacht von Groſs- Jägerndorf, abgesehen von der groſsen Über 2
legenheit der Russen, mit deshalb verloren ging, weil die Stellung
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
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des Feindes nicht richtig erkannt und demgemäſs der Schlachtplan falsch aufgestellt war , so muſs auch nach der Schlacht und ins besondere während des Abzugs der Russen von Insterburg nach
Tilsit, der Erkundungsdienst bei der preuſsischen Armee sehr mangelhaft ausgeübt worden sein . Hat Lehwaldt, welcher mit seiner Armee den weichenden Russen gewissermaſsen zur Seite blieb, von der Sachlage bei der russischen Armee Kenntnis gehabt, so konnte nur ein groſser Mangel an Entschluſsfähigkeit, wie wir ihn auch während der ersten Zeit des Feldzuges an ihm bemerken *), die Ur sache gewesen sein , daſs er den in vollem Schrecken befindlichen
Feind nicht angriff. Ein Friedrich der Groſse hätte diese Lage nicht unbenutzt vorübergehen lassen und dadurch den Feind auf lange Zeit unschädlich gemacht. Aber Lehwaldt baute dem Gegner gern goldene Brücken und scheint über den Rückzug desselben ebenso erfreut gewesen zu sein , wie Apraxin darüber, daſs er un geschlagen davon kam. Charakteristisch ist auch mit Bezug hierauf das Urteil des
Königs. In seinen hinterlassenen Werken lesen wir : Hätte der Feldmarschall Lehwaldt auch alle Gaben des Prinzen Eugen besessen, 80 hätte er doch im Fortgang des Krieges mit 24,000 Preuſsen 100,000 Russen nicht widerstehen können. Man hatte alle Ursache
zu glauben, daſs der Herr von Lehwaldt, umringt von so zahlreichen Feinden, dasselbe Schicksal gehabt haben würde, als der Herzog von
Cumberland, nur mit dem Unterschiede, daſs die Russen, weniger höflich als die Franzosen, ibn gezwungen haben würden, die Waffen niederzulegen . So urteilte der König, der die Verhältnisse, welche bei den russischen Armeen damals herrschten, nicht in dem Maſse kannte, wie sie sich aus der russischen Darstellung selbst ergeben.
Sehr interessante Aufklärungen giebt das Werk des Obersten Masslowski besonders über die den Hauptteil des ganzen Feldzuges bildende Schlacht von Groſs- Jägerndorf. Wir folgen auch bei der Betrachtung dieser Schlacht hauptsächlich den von den preuſsi schen Quellen vielfach abweichenden Angaben des russischen Ver *) Der König sagt in seinen hinterlassenen Werken : Nach der Einnahme von
Memel drang die feindliche Armee in Preuſsen ein und näherte sich Insterburg. Der General Fermor seinerseits rückte gegen den Pregel vor. Es scheint, daſs dieses der Moment gewesen sei , wo der Feldmarschall Lehwaldt einen ent scheidenden Entschluſs bätte fassen müssen, um sich mit einer dieser Generale zu
schlagen. Er fand aber vielleicht keine günstige Gelegenheit. Jahrbücher för dle Dentsche Armee und Marine. Bd. LXVII , 2.
11
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Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
fassers und schildern an seiner Hand zunächst die der Schlacht
vorangehenden Verhältnisse.
Nach endlicher Feststellung des Feldzugsplanes und nach erfolgter Versammlung seiner Truppen bei Kowno, woselbst Apraxin schon am 17. Juni eintraf, hatte das Gros derselben am 1. August
bei Wirballen die preuſsische Grenze überschritten . Einige leichte Truppen waren bereits vorausgegangen und hatten am 29. Juli ein Gefecht mit den preuſsischen Husaren gehabt. Apraxin's Plan ging dahin, über Gumbinnen, Insterburg auf dem rechten Pregelufer gegen Königsberg vorzurücken und Lehwaldt, wenn er sich unterwegs zur Wehr setzte, zu schlagen. Um die Aufmerksamkeit des Feindes zu teilen und sich in Memel einen
Stützpunkt zu schaffen, von dem aus man Vorräte zu Wasser über das kurische Haff nach Labiau oder einem anderen der in dieser
Gegend einzunehmenden Punkte schaffen könnte, war schon, ehe Apraxin mit dem Gros seiner Armee in Preuſsen einrückte, Fermor
mit einer Truppenabteilung von 16,000 Mann von Kurland aus Ende Juni vor Memel gerückt und hatte diese kleine, – von den
Russen in ihrer Bedeutung sehr überschätzte, nur von 800 Mann verteidigte Festung am 5. Juli eingenommen.. Von dort rückte Fermor mit dem Auftrag, sich mit Apraxin bei Insterburg zu ver einigen , am 20. Juli nach Tilsit ab. Ohne Widerstand zu finden, nahm er diese Stadt ein , aber anstatt, wie ihm vorgeschrieben am
27. Juli, erst am 1. August, also am Tage der Überschreitung der Grenze durch Apraxin . Die Absicht, Vorräte über das Haff nach Labiau zu schaffen , war bereits damals so ziemlich aufgegeben, und
es geschah aus diesem Grunde, daſs Fermor, der eigentlich von Memel aus längs des Haffufers geradenwegs nach Königsberg vorrücken sollte, an Apraxin herangezogen wurde . Noch ungünstiger gestalteten sich die Verhältnisse auf dem linken Flügel der einrückenden Russen , da die 6000 Reiter mit 8 Geschützen betragende Truppenabteilung Sibilski's, welche von Grodno aus über Oletzko, Darkehmen, Gerdauen, Friedland den
Rücken des damals noch bei Insterburg stehenden Feldmarschall Lehwaldt gewinnen und ihn um seine Verbindung mit Königsberg und der Weichsellinie besorgt machen sollte, am 29. Juli erst aus
Grodno aufgebrochen war und am 1. August eben erst die preuſsische Grenze erreicht hatte, Apraxin, glaubte also durchaus keinen Grund zu haben , den Vormarsch seiner Mitte zu beschleunigen , und er that es denn auch nicht, obwohl er durch diese Zögerung die Lage des nicht minder vorsichtigen Fermor gefährdete. Inzwischen hatte
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
163
sich Lehwaldt, anstatt im Sinne des Königs zur Offensive über zugehen oder sich wenigstens der in Lithauen befindlichen Magazine des Feindes zu bemächtigen, damit begnügt, den Anmarsch der Russen von seiner Stellung bei Insterburg aus durch leichte Truppen beobachten zu lassen . Das gleichzeitige Erscheinen der Russen von Osten und von Norden, machte ihn dabei so besorgt, daſs er den
König durch einen besonders abgeschickten Offizier um Weisungen bitten liefs, ein ziemlich zweckloser Schritt, da er die eine recht
zeitige Offensive befürwortenden Anschauungen des Monarchen kannte und jede Stunde Zögerung die Lage nur verschlimmern konnte.
Als er am 7. Juli die Nachricht von der Einnahme Memels
durch Fermor erhielt, veranlaſste ihn die Befürchtung, Fermor könnte ihn vermittelst einer Vorbewegung längs des Haffs die Straſse nach Königsberg abschneiden, oder doch zum mindesten unter Benutzung des kurischen Haffs das für die Verpflegung der Russen so wichtige Labiau in Besitz nehmen , seine Stellung bei Insterburg zu verlassen und sich auf Wehlau zurückzuziehen , in dessen Nähe er Mitte Juli eine Reihe fester Stellungen, namentlich bei Callehnen auf dem rechten Pregelufer, ebenso wie auf beiden
Ufern der Deime bei Tapiau einnahm . Labiau wurde ebenfalls durch eine Truppenabteilung unter Kanitz geschützt, und gegen Osten blieb nur das Husaren - Regiment Malachowski zur Beobachtung
Die Russen scheinen übrigens eine groſse Besorgnis vor der aus bewaffneten Bauern gebildeten Volkswehr Feindes zurück .
des
( nicht zu verwechseln mit der von Lehwaldt militärisch organisirten
Miliz) gehabt zu haben, die ähnlich wie die französischen Franctireurs in den die Anmarschstraſsen der Russen umgebenden Wäldern ihre Schlupfwinkel hatte und aus Rache für die den Einwohnern, namentlich von den Kosaken zugefügten Unbilden Gleiches mit
Gleichem vergalt. Der Unternehmungsgeist der Nichtregulären, ja sogar die Thatkraft der regulären Truppen, wurde durch diese stete Besorgnis im Verein mit dem sehr ungünstigen, nur auf wenigen engpaſsartigen Straſsen zu durchschreitenden , überdies verödeten
Gelände sehr gezügelt. Ein Glück für die Verteidigung war es auch , daſs sich der der ganzen russischen Strategie zu Grunde liegende Plan , das kurische Haff zur Aufspeicherung von Vorräthen in Labiau zu benutzen, als nicht ausführbar erwies. Das Haff war für die zu tief gehenden russischen Lastfahrzeuge zu flach ; die ein 1
heimischen Haffschiffe waren von den Preuſsen fortgeschafft worden,
und neue konnten nicht so schnell hergestellt werden . Auſserdem fürchtete man auch hier den Widerstand der den Kampf zu Wasser 11 *
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Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
nicht scheuenden, bewaffneten Einwohner, welche an den in Labiau und Umgegend stehenden Truppen einen Anhalt fanden . So blieben die von Libau aus zu Schiff nach Memel beförderten Vorräthe von
Verpflegungsmitteln, soweit sie nicht von den nach Tilsit weiter rückenden Truppen Fermor's mitgenommen werden konnten, in Memel liegen, und Apraxin muſste die Hoffnung, seine Verpflegung auch bei weiterem Eindringen in das feindliche Land auf diese Weise zu sichern, bald ganz schwinden lassen . Er sah sich nur
auf seine eigenen rückwärtigen Verbindungen angewiesen und begegnete von Etappe zu Etappe in dieser Hinsicht immer gröſseren Schwierigkeiten . Nach nur ganz unbedeutenden Gefechten mit den preuſsischen Husaren , z. B. bei Kattenau am 1. August, bei denen die letzteren den russischen Vortruppen groſse Achtung einflöſsten, erreichte das Gros Apraxin's über Stallupönen , am 5. August Gumbinnen und von dort, nach viertägigem Aufenthalt am 9. aufbrechend , am 11. Inster burg, wo erst am 19. die von Tilsit herkommenden Truppen Fermor's eintrafen. Desgleichen hielt es Apraxin für nothwendig, nunmehr auch die linke Seitenabteilung unter Sibilski an die Hauptarmee heranzuziehen. Es geschah dies in der Absicht , möglichst viele Truppen für den schon in nächster Zeit zu erwartenden Zusammen
stoſs mit der preuſsischen Armee zusammen zu haben , was stets Apraxin's Hauptsorge war. Durch dieses am 11. bewerkstelligte Heranziehen Sibilski's wurde natürlich die dem ganzen Feldzugsplan
za Grunde liegende und namentlich von der Konferenz besonders betonte Absicht hinfällig, Lehwaldt den Rückzug über die Weichsel linie abzuschneiden und auch Königsberg in seinem Rücken durch die Nichtregulären zu bedrohen *). Auch wurde es, nachdem sich Apraxin mit Fermor und Sibilski vereinigt hatte, immer schwerer, die Verpflegung für die ganze Armee aus den in Lithauen gelegenen Magazinen heranzuschaffen . Er suchte sich durch Anlegung soge
nannter Zwischenmagazine in Gumbinnen, Insterburg, Tilsit u. s. w. zu helfen, aber es fehlte so sehr an Fortschaffungsmitteln zu ihrer Füllung von rückwärts her, daſs ganze Kasakenregimenter ihre Pferde dazu hergeben muſsten . *) „Vor allen Dingen (heiſst es in dem Apraxin in Ludwinowo zugegangenen Reskript) ist unsere Ehre daran beteiligt, daſs sich Lehwaldt Ihnen nicht ent zieht. Die Einnahme nicht nur von Preuſsen, sondern selbst noch weiterer Ge
biete, erachten wir für nichts , wenn es Lehwaldt gelingt , dieses
Königreich (Ostpreuſsen) zu verlassen und sich mit dem Könige zu ver einigen .“
Lebwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
165
Lehwaldt seinerseits hatte inzwischen von seiner Hauptstellung bei Wehlau aus einen schwachen Versuch gemacht, das Vordringen
Apraxin's zu verhindern . Er schickte zur Verstärkung des allein dem Feinde gegenüberstehenden Generals Malachowski weitere 12 Schwadronen Kavallerie und ein Grenadier - Bataillon unter Platen
und dem Prinzen von Holstein vor, die bei Georgenburg auf dem rechten Ufer der Inster Stellung nehmen und von einer 8 Bataillone und 4 Schwadronen starken Avantgarden-Abteilung unter Graf Dohna unterstützt werden sollten. Graf Dohna ging aber nur bis Saalau vor, und das beabsichtigte Nachrücken der Hauptarmee unter Lehwaldt unterblieb ebenfalls.
So kam es nur
zu unbedeutenden
Vorpostengefechten, und die Einnahme Insterburg's durch Apraxin erfolgte, wie gesagt, fast ohne Widerstand,
Es ist dabei durchaus
nicht undenkbar, daſs es möglich gewesen wäre, Fermor, der erst
am 12. von Tilsit abmarschiert war, vor seiner Vereinigung mit Apraxin zu schlagen und doch noch genügende Beobachtungskräfte
Apraxin gegenüber zu behalten . Bei seiner übermäſsigen Vorsicht und der Langsamkeit der russischen Marschbewegungen wäre es Letzterem kaum möglich gewesen , Fermor rechtzeitig Hülfe zu bringen . *) Statt dessen war die Avantgarde unter Dohna ohne einen Be fehl von dem bei Wehlau stehengebliebenen Feldmarschall Lehwaldt erhalten zu haben, schon am 10. August nach der befestigten Stellung bei Callehnen zurückgegangen. A praxin lieſs nun von Insterburg aus die Stellungen, welche Lehwaldt auf dem rechten Pregelufer
eingenommen hatte , erkunden ; auch rückten Kasakenabteilungen in der Richtung auf Allenburg vor und meldeten, die von ihnen durchstreifte Gegend sei vollständig in der Lage, die Armee einen ganzen Monat lang zu erhalten.
Erst am 20. August rückte Apraxin mit seiner gesamten Armee über Saalau dem Feinde entgegen . – Die russische Armee hatte folgende Einteilung und Stärke, die sie auch bis zur Schlacht von Groſs-Jägerndorf beibehielt. Die Avantgarde, unter dem Oberbefehl des Generals Sibilski
(unter ihm die Generale M. Lieven und Schilling und die Brigadiers Demiku und Berg ), bestand aus neun auserlesenen Schwadronen dreier Grenadier- Regimenter zu Pferd und 5 Infanterie -Regimentern (etwa 12,000 Mann). *) Auch der Verfasser des uns als Hauptquelle dienenden Werkes erkennt diese Möglichkeit an , bemerkt dabei aber, Lehwaldt's Armee hätte in diesem Falle Märsche nach Art der Suworow's ausführen müssen ,
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
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Die
1. Division ,
unter Fermor
(unter
ihm
die
Generale
J. Lieven, J. Ssaltykow , Prinz Ljubomirski, Graf Rumjanzew , Resanow, J. Bauman und der Brigadier Hartwiss (Gartwiss), bestand aus 2 Kürassier -Schwadronen, den erlesenen Schwadronen zweier
Grenadier -Regimenter zu Pferd, 3 Husaren - Regimentern, 1 Kasaken Regiment und 8 Infanterie-Regimentern. Zur Division gehörte auch Krassnoschtschekow mit seinen Kasaken (in Summa 22,000 Mann ).
Die 2. Division, unter General Lopuchin (unter ihm die Generale von Werthen, J. Sybin, Chomjakow , Sagrjaschki, Villeboy, Fürst W. Dolgorucki und der Brigadier Plemjannikow ), bestand aus den erlesenen Schwadronen zweier Kürassier- und zweier Dragoner
Regimenter, 1 Husaren-Regiment und 9 Infanterie-Regimentern. Hierzu kamen noch 3 Donkasaken -Regimenter in Summa 25,000 Mann). Die 3. Division , General Browne (unter ihm Fürst Galitzin,
J. Zege-Manteuffel, Leontjew , A. Zege-Manteuffel und der Brigadier Dietz), 1 Kürassier-, 2 Dragoner-, 1 Husaren- und 8 Infanterie Regimenter (21,000 Mann).
Nicht in die Einteilung begriffen waren noch etwa 9000 Nicht reguläre. Die angegebenen Zahlen bezeichnen aber nur die Sollstärke der Armee, und man wird nicht feblgreifen , wenn man die wirkliche Stärke nur auf die Hälfte, also auf etwa 55,000 Mann (auſser
Rekruten ) annimmt. *) Da die preuſsischen Truppen eine Reihe von Verteidigungs
Stellungen zwischen den Flüssen Nehne und Deime vorbereitet hatten (worüber Demolin Nachricht gab), das Land sich in einer sehr unruhigen Verfassung befand, ferner die Ufer des kurischen Haffs stark besetzt waren und man sich der nicht regulären Truppen
nur mit groſser Ängstlichkeit bediente, so bewogen alle diese Um stände Apraxin, die Operationslinie Kowno-Saalau-Tapiau mit der Linie Grodno -Allenburg -Königsberg zu vertauschen . Am 12./23. August faſste der Kriegsrat folgenden Beschluſs: » Der waldigen, sumpfigen, bergigen und mit Gräben angefüllten Gegend wegen, in der es nur enge, um nicht zu sagen unbenutz bare Engstraſsen giebt ... mehr noch deshalb, weil der Feind alle diese Straſsen bis zum Hauptlager von Wehlau hin mit Infanterie und Kanonen besetzt hat (worüber die besonders ausgesandten *) Jedenfalls zu niedrig gegriffen; die russische Armee war, auſser den Irre
gulären, mindestens 70–80,000 Mann stark.
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
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Ingenieur-Offiziere und auch der dieser Tage eingetroffene preuſsische Deserteur Major v. L. Zeugnis abgegeben), beschlieſst der Kriegsrat, daſs die Armee den Pregel überschreiten und über Allenburg nach Königsberg marschieren soll. « Man erachtete diese Veränderung der Operationslinie, ungeachtet, daſs die Entfernung von Königs berg auf dieser Straſse um 3 Meilen weiter, als die über Wehlau , als eine deshalb viel zweckmäſsigere, weil auf jener Seite die Fourage reichlicher ist und der Feind, wenn er unsere Truppen bei Allenburg sieht, genötigt sein wird, sein festes Lager zu verlassen und auf ebenes, unbefestigtes Gelände herauszukommen ; wagt er das aber nicht, so vermögen die Truppen Eurer Kaiserlichen Majestät den Fluſs Deime zu besetzen, und auf diese Weise die Verbindung mit Königsberg für den Feind zu unterbrechen, die unsrige aber mit Memel herzustellen
... oder aber den Feind im Rücken
anzugreifen .
Spielraum umfassen, dabei aber durchaus auf sachlicher Grundlage sich halten .
Der Feldartillerie insbesondere nun uns zuwendend, fassen wir die Fragen ins Auge :
1. Was und wann muſs besichtiget werden. 2. Wer nimmt die Besichtigung vor und 3. Wie läſst sich ihre Durchführung am zweckmäſsigsten regeln.
Zu 1. Besichtigt werden muſs Alles, was die richtige Behand lung des Mannes, seine Ausbildung wie die der Chargen , den not wendigen Grad der Truppenleistung , dann den Gang der Ver waltung, beziehungsweise Zahl und Kriegsbrauchbarkeit der erforder lichen Bestände beeinfluſst.
Indem der administrative Teil der sogenannten Musterung zufällt, welche bestimmungsgemäſs jedes zweite Jahr mit der Truppen
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
172
besichtigung sich verknüpft, soll es letztere sein, welche unsere Aufmerksamkeit hier in erster Linie beansprucht.
Nach den z. Z. maſsgebenden Bestimmungen sollen folgende Besichtigungen stattfinden : Durch den Regimentskommandeur : in der zweiten Hälfte März : Das Reiten und die Rekruten . Die Kanonier- und Unteroffizier - Schulen .
Ende April : Das Exerzieren der Batterie zu Fuſs und am Geschütz, der Fahrunterricht and das Turnen .
Ende Mai: Die bespannte Batterie. Durch den Brigadekommandeur : Ende Mai: Die bespannte Batterie. Während der Schieſsübungen diese und das Exerzieren der Abteilung den Inspekteur beziehungsweise General Inspekteur : Während der Schieſsübungen : Das Exerzieren der Abteilung und das kriegsmäſsige Schieſsen. Durch
Jede Batterie wird , wenn man von dem Turnen absieht, hier
nach 11 Tage besichtigt. In den Jahren, in welchen die Musterung stattfindet, treten noch zwei Besichtigungen hinzu , sodaſs durch schnittlich mindestens 12 Besichtigungstage zu rechnen sind, welche für die Weiterausbildung verloren gehen . Da aber die Vorbe reitungen für jene je einen halben Tag mindestens noch erfordern, dürfte nicht zu viel behauptet sein, daſs von den rund 300 Arbeits tagen, welche das Jahr bietet, etwa 20 d. i. der 15. Teil und
somit im Laufe der dreijährigen Dienstzeit volle zwei Monate für Besichtigungen entfallen . Die zudem wohl in allen Regimentern übliche sogenannte
Trensenbesichtigung der Reitklassen ist hierbei auſser Ansatz ge lassen .
Trotzdem aber erscheint zwei hochwichtigen Ausbildungs
zweigen immer noch zu wenig Rechnung getragen, d. i. der Aus bildung der Richtkanoniere und jener im Felddienst , und führt dies zu bereits vielfach zu Tage tretenden ernsten Bedenken, auf welche wir am Schluſs dieses Kapitels zurückkommen . Ohne sorgfältigst ausgebildete , genügend zahlreiche Richtkanoniere wird eine Batterie im Schieſsen , ohne hohe taktische Findigkeit in bester
Ausnutzung der Gefechtsmomente und Unterstützung der Schwester waffen nur wenig leisten . Die Durchbildung des einzelnen Mannes, der sogenannte Drill, ist es, welcher der Rekrutenperiode zunächst zufällt. Tüchtige
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Unteroffiziere und die jüngeren Batterie-Offiziere teilen sich in diese wichtige Aufgabe, bei welcher Theorie und Praxis stets sich innig berühren müssen und etwa 5 Stunden Exerzieren nebst ein bis zwei
Instruktionsstunden den Tagesrahmen ausfüllen . - Glücklicherweise -
bewirken gute Vorschulen, die nach zwölf Dienstjahren in Anssicht gestellte Verwendung im Civildienst und sonstige weise Fürsorge seit Jahren eine Zunahme an Kapitulanten, welche die Erhaltung eines guten Ausbilde- Personals, tüchtiger Futtermeister , Kammer unteroffiziere, Waffenmeister u. u 8. w. wesentlich erleichtert und
damit die Ausbildung in mechanischer , geistiger und moralischer Beziehung, wie auch die administrativen Interessen bestens fördert. Strammes Fufsexerzieren ,
eine gründlichste Ausbildung am
unbespannten Geschütz, die Gewinnung umsichtiger Richtmeister u. s. w. fallen der in der Regel Anfang November beginnenden, 3 Monate umfassenden I. Ausbildungszeit zu, welche der Wacht dienst beendet, nach dessen Erlernung die Rekruten dienstbar gesetzt werden.
Für den zweiten Jahrgang findet dabei die zweckmäſsige Schulung der Fahrer, d. i. besonders die notwendige Stall- und Reit - Ausbildung dieser statt , wie auch der theoretische , der Reit und sonstige praktische Unterricht für die Chargen und älteren Mannschaften damit Hand in Hand geht, soweit letztere infolge des Garnisons- u. s. w. Dienstes verfügbar sind. 9
Innerhalb genannten Zeitraums fällt zugleich die notwendigste Fahrausbildung der jüngeren Offiziere und der Fähnriche, indes der Reitunterricht an dieselben, die Unteroffiziere und Fahrer nebst der Remonten - Ausbildung in den nächsten Zeitabschnitt übergreift,
welcher, die Elementar - Ausbildung der Batterie als geschlossener Körper umfassend, zweckmäſsigerweise vielleicht nur 6 Wochen beanspruchen , d . i. mit Mitte März abschlieſsen sollte, so daſs un beschadet der mit Recht dem Geschützexerzieren zu widmenden
ganz besonderen Sorgfalt, der jüngste Jahrgang vom 1. April ab nötigenfalls mit ins Feld rücken kann . Auch die Einjährig-Freiwilligen , welche sich vom 1. Oktober ab bis Ende März gemeinsamer, besonders hierzu ausgewählter ។
ständiger Lehrmeister erfreuten , treten zur genannten Zeit bei ihren Batterien zum Dienst ein .
Das Fuſs- und Geschütz -Exerzieren in der Batterie, die möglichst
gründliche und umfassende Schulung der Richtmeister, der Unter richt im Packen und Ausrüsten, in den Handhabungs -Arbeiten und
den sogenannten manoeuvres de force, - für die Fahrer der
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Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
Fabrunterricht, die Pflege und Behandlung des Pferdes, der Geschirr und der Veterinär- Unterricht, der Abschluſs der Ausbildung in den
Säbelbieben . s. w. fallen dem II. Übungs-Abschnitt zu , bei welchem wiederum Theorie und Praxis, dann die erforderlichen
Frei-, Turn- und Voltigir -Übungen sich gegenseitig ergänzen und der Umsicht und Findigkeit in der Ausbildung , welche hier den Lieutenants und dem Batteriechef fast ausschlieſslich obliegt, bereits ein weiter Spielraum sich bietet.
Die III . Übungszeit umschlieſst die Einübung der bespannten Batterie und der Abteilung, dann das Schieſsen . Das Bespannt-Exerzieren dient dem Zweck , das gute , gleich
mäſsige Fahren und eine gewandte Bedienung in gröſseren Ver bänden , beziehungsweise die im Feld erforderliche möglichst hobe Beweglichkeit und innere Geschmeidigkeit der Batterie und Abteilung
zu sichern und ist dieser Ausbildungszweig als besonderer Maſsstab für die Tüchtigkeit, d. i. den praktischen Sinn der betreffenden Chefs zu erachten .
Die umsichtigste Belehrung und Fortbildung der Richtmeister findet in zweckmäſsigen Übungen mit Gewehr- und Kanonenschlägen weiteren Ausbau , auf dem , in der Regel gleichzeitig zum Lager aufenthalt dienenden Schieſsplatz aber vollen Abschluſs und Reife. Vom April sich bis Ende Juni in der Regel erstreckend, umfaſst dieser Übungsabschnitt, in seiner Verkettung von der früheren oder späteren Beziehung des Schieſsplatzes beeinfluſst, auch das Feldstall schlagen und die letzte Steigerung des Hindernisfahrens, welches in
der Hauptsache schon beim Fahrunterricht geübt wurde. Hierzu treten die erforderlichen Wiederholungen und jeweiligen Nachhilfen im Einzelnen , welche den Zugoffizieren und beziehungsweise den Unteroffizieren obliegen , auch setzt sich der theoretische Unterricht fort, welcher bereits eine entschieden kriegsmäſsige Grundlage und Richtung gewinnen muſs. Eine Ausnutzung der Intelligenz, der Zeichnenfähigkeit und des Eifers der Einjährig -Freiwilligen u. 8. w. durch Anfertigenlassen passender Unterrichtsbilder behufs Erklärung der Vorgänge beim
Feuern im Rohr, des Geschoſsquerschnitts, der Flugbahnverhältnisse, der indirekten Richtmethode, der Bewegungsformen im Bespannt
Exerzieren , der Beobachtungs-Übungen mit Gewehr- und Kanonen schlägen, von Geschütz-Einschneidungen, der Stellungswahl im Feld und dergleichen wird sich hierbei , als der Vorstellungskraft sehr zu Hilfe kommend, nutzbringend und anregend erweisen .
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Der IV. und Hauptübungs - Abschnitt findet nach ein gehender Vorschulung der Chargen im Terrain beziehentlich der Stellungswahl, des Munitionsersatzes, des Ordonnanzdienstes a . s. w. in den alljährlichen gröſseren Truppenübungen ihren Abschluſs und bezweckt , die letzte Feile an die kriegsmäſsige Brauchbarkeit der
Truppe zu legen.
Bis zur Hälfte September sich ausdehnend ,
umfaſst sie neben dem fleiſsigen Exerzieren in gröſseren Verbänden,
d. i. in der Abteilung und im Regiment, die Rekognoszierungs- und sonstigen Manöver - Vorübungen, Reise und Kriegsmärsche, den Marsch-, und Quartierdienst.
Das richtige Verständnis für die Schwesterwaffen , den Blick
fürs Terrain , der militärische Geist , die in der Gesamtausbildung
gewonnene feste Grundlage, kurzum Führung und taktische Schmieg samkeit kommen bei Wahl und Beziehung der Feuerstellungen , wie
im ganzen Manöverbild, die stramme Mannszucht und Disziplin aber vor Allem im Quartier und bei den Parademärschen zur Geltung. Geht derart mit der systematischen und gemeinsamen Aus bildung von Truppe und Führern die entsprechende Einzelausbildung
beziehungsweise Nachhilfe auch für Letztere das ganze Jahr über Hand in Hand, so sind die bestehenden Schulen für ausreichenden, guten Nachschub an diesen zu sorgen berufen. Der wissenschaftliche, militär-moralische und dienstpraktische Fortbildungs-Unterricht der Unteroffiziere ist , da der Batteriechef ihn selbst zu leiten in der Regel nicht die Zeit hat, zumeist dem
ältesten Lieutenant übertragen , indes die sämtlichen Offiziere, sei es durch ineinander greifende taktische Bearbeitungen im Divisions verband , sei es durch ihnen zugewiesene besondere Aufgaben , dann im Abteilungsverband
durch das Kriegsspiel, wie durch
besondere Distanze-, Positions- und Dispositions-Übungen im Terrain 1. 8. w. auch schon während des Wintersemesters möglichst sach gemäſse, durchgreifende und einheitliche Belehrung erfahren .
Was an freier Zeit bleibt , nehmen für Batteriechef und Abteilungs - Kommandeur die Vorarbeiten für die zur Zeit noch höchst schwierigen Anforderungen der Mobilmachung in Anspruch
und bleiben sie, was das Listenwesen, die Instandhaltung und Über sichtlichkeit der Batteriedepots und Kolonnenbestände u. s. w. be trifft, von vielfachen Sorgen beeinfluſst. - Leidet doch fürwahr die
dermalige Organisation der Feldartillerie den Schwesterwaffen gegen über an empfindlichsten Mängeln, und spielt hierbei die unzu reichende Friedensbespannung von nur 4 Geschützen zunächst die tiefeingreifendste Rolle.
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie .
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Bei dem überaus groſsen Übungsgebiet ist somit, ganz ab gesehen von der Nachbildung ihrer feldmäſsigen Stämme , der Ersatz- und Landwehrmannschaften, von Trainfahrern u. 8. w. von
Ruhepausen für die Feldartillerie überhaupt keine Rede , denn von Mitte September ab beansprucht der notwendige Sturz und die
Neuordnung in Kammer, Geschirrdepot und Geschützballe, dann die Vorbereitungen fürs neue Übungsjahr u. w. die Zeit bis zu s.
diesem .
Nachdem somit ein Gesamtbild und was zur Zeit besichtiget wird, entrollt ist, sind einige einschlägigen Bemerkungen hier wohl noch am Platze.
Zwingt zwar schon sein wohlverstandenes eigenstes Interesse den Batteriechef, der Ausbildung seiner Richtkanoniere vollsten Eifer zu widmen, und ist auch nicht zu bestreiten , daſs die Be sichtigung des Geschützexerzierens und Schieſsens immerhin einen
gewissen Einblick in dieser Beziehung erschlieſsen , so reicht dies doch keineswegs zu. Eine gewiſs höchst wichtige systematische Ausbildung im in direkten Richten, dann die Frage, ob die Batterie auch über die im Kriegsfall notwendige Zahl gewandter und zuverlässiger Richt meister verfüge und insbesondere, ob die älteren Jahrgänge hierbei eine sehr wünschenswerte, das Gefühl erhöhter Sicherheit ihnen
bietende Weiterbildung erfuhren , entziehen sich dermalen jedem genügend zu treffenden Urteil. Die bestehende Besichtigungsart wirkt hinsichtlich der beiden letzteren Punkte sogar erschwerend, da sie sich fast ausschlieſslich nur mit dem jüngsten Jahrgang beschäftigt, welchen man daher meist zum Nachteil der älteren fördert und bei dem man mit Vor
liebe die ein- und dreijährig Freiwilligen als Richtmeister ver werten wird .
Im Kriegsfall aber macht sich dies unbedingt und bald in empfindlichster Art geltend, werden sich die Betreffenden zumeist
doch in Unteroffizierstellungen befinden und wird deshalb auch die Zahl ( für den Jahrgang etwa 9) der im Frieden ausgebildeten Richt kanoniere meist nicht auf die Dauer genügen.
Dals weiteres auch die Felddienstübungen ihre besondere Besichtigung erheischen, ergiebt die Thatsache, daſs bei ihrem not wendig raschen Verlauf die Manöverbilder keinen gründlichen Einblick gestatten und nur dann den richtigen Nutzen verbürgen, wenn die rasche Wahl und verdeckte Einnahme von Stellungen auf Grund
taktischer Voraussetzungen, wenn Schwierigkeiten jeder Art, dann
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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auch der Rekognoszierungs- und Ordonnanz-Dienst vorausgehend genügend geübt sind. Wir zögern nicht, zu behaupten, daſs solches Manövrieren dem Abteilungs- und Regiments-Exerzieren an kriegsmäſsigem Nutzen sehr weit voransteht.
Dem sachverständigen Beobachter aber ent
gehen die zahlreichen Verstöſse nicht, welche der Manöververlauf in dieser Beziehung oft darlegt. Zudem hat sich aber auch in mancher Truppe der schlimme Miſsbrauch eingeschlichen , daſs man vielfach mit der Besichtigung auf dem Schieſsplatz das Ausbildungsjahr als gewissermaſsen abge schlossen erachtet und, statt daſs die Batterie in den wichtigsten Dienstzweigen weiter geschult wird, aus der jüngsten Jahresklasse die Fahrer bereits auswählt und dem Reitunterricht zuführt.
Gründlich ein Riegel vorzuschieben ist diesem nur dadurch , daſs den Herbstübungen noch eine Besichtigung im Felddienst vorausgeht.
Werden auf diese Weise die Batterien aber mit zwei
weiteren Besichtigungstagen belastet, so erscheint es unbedingt not, ihnen auf andere Weise , d . i . im Garnison-, Wacht- und Arbeits dienst jede nur mögliche Erleichterung zu bieten . Was nun endlich den vorausgehend bereits eingeflochtenen Wunsch betrifft, den jeweilig jüngsten Jahrgang bereits vom 1. April ab für den Krieg möglichst hinlänglich ausnutzbar zu wissen, so käme es ihm freilich sehr zu gut, wenn die Fahrer , wie sich
dies als durchführbar in Bayern seinerzeit genügend erprobte, schon aus den Rekruten ausgewählt werden dürften . Dies würde dabei dem 2. und 3. Jahrgang wesentlich erhöhte Leistungen sichern und sich nicht nur für die Pflege und Ausbildung der Pferde, sondern insbesondere auch für die Manövriergewandtheit der bespannten Batterie sehr fördernd erweisen.
Die Kriegserfahrung bestätigt, daſs ein Ersatz der Bedienung durch die Fahrmannschaft, wenn überhaupt durchführbar, sich höchst selten nötig erweist, daſs vielmehr die Letztere erhöhte Reserven erfordert.
Es dürfte daher für die zu Fahrern geeignet befundenen, schon mit Pferden aufgewachsenen Rekruten, nur die allernötigste Aus
bildung' am Geschütz, d. i. etwa eine einmalige Übung in der Woche, genügen, um so mehr als für die Fahrmannschaft schlimmsten
Falles ja doch nur die Thätigkeit der Nummern 4 und 5 in Betracht kommt, und so wäre bis zum 1. April die für eine zweckdienliche
Reit- und Fahr - Ausbildung erforderliche Zeit wohl zu gewinnen. Jabrbücher für die Deutscbe Armee und Marine, Bd. LXVII ., 2.
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Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Eine andere Frage bieten die erforderlichen Pferde; damit ist
aber der Herzenswunsch jedes Feldartilleristen wieder berührt, die Bespannung für seine 6 Geschütze bereits im Frieden zu haben .
Die wesentlichste Erleichterung der Mobilmachung hierdurch haben wir schon betont, und sie findet sich bei den verschiedensten Anlässen in der Militär-Litteratur auch genugsam besprochen. Vorliegender Darstellung gemäſs dürften sich die Besichtigungen, wie folgt, aneinanderreihen :
Anfang Februar : Die Rekruten und Einjährig - Freiwilligen zu Fuſs und am Geschütz, dann im Wachtdienst und Einzeln vorbeimarsch .
Mitte März:
Die Ausbildung der Batterie zu Fuſs.
Geschütz- Exerzieren in unbespannter Batterie.
Das
Die Reitschulen, der
theoretische Unterricht (Kapitulanten-, Unteroffizier- und Kanonier Schulen ), Voltigieren, Säbelhiebe, Veterinär -Unterricht, Schirren and Packen.
Ende März : Die Richt- und Beobachtungs-Übungen unter Verwertung von Gewehr- und Kanonenschlägen, das Packen und Ausrüsten, die sogenannten manoeuvres de force . Der Fahrunterricht und das Feldstallschlagen . Der Unterricht mit der Pistole bezw. Scheibenschieſsen. Der Abschluſs der Einjährig Freiwilligen Ausbildung, soweit sie nicht schon Mitte März mit
besichtigt wurde. Das Abteilungs -Exerzieren zu Fuſs nebst Parademarsch . Ende Mai, beziehungsweise vor Abrücken ጊ u den Schieſsübungen : Das Exerzieren in bespannter Batterie und Abteilung
Der Parademarsch in bespanntem Regiment. Während der Schieſsübungen: Das schul- und feldmäſsige Feuern .
Letzteres ausgedehnt auf kriegsmäſsig zusammengestellte Batterien und den Abteilungsverband unter Erteilung spezieller taktischer Aufgaben . 8–14 Tage vor Abrücken zu den Herbstübungen : Die entsprechenden Felddienstvorübungen im Terrain . Kriegsmarsch mit Abkochen .
Während der Herbstübungen :
Die taktische Schmieg
samkeit und Findigkeit. (Diese Besichtigung muſs, den Verhältnissen entsprechend , eine von der Truppe kaum bemerkte Form und Aus dehnung wahren , d. h. sie darf den Manöver - Verlauf nicht im
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Mindesten stören , ohne dabei in der Hauptsache minder zutreffend zu sein.) Zu 2. Aus dem vorstehend Aufgeführten ergiebt sich , daſs der
I. Ausbildungsabschnitt gewissermaſsen als eine innere An gelegenheit der Batterie dasteht und Anfang Februar mit der Vorstellung vor dem Abteilungs - Commandeur abschlieſst, welcher der Regiments -Commandeur beiwohnt.
Mitte beziehungsweise Ende März schlieſst der II. A usbildungs abschnitt , für welchen , ohne dabei die ersprieſsliche Selbstständigkeit der Batteriechefs zu verkümmern, die Abteilung bereits die Haupt
weisungen zu geben hat. Seine Besichtigung fällt dem Regiments -Commandeur zu ; der Brigade-Commandeur wird ihr beiwohnen, selbst wenn eine Musterung seine Thätigkeit vorwiegend beansprucht. Für den das Bespannt-Exerzieren und die Schieſsausbildung umfassenden III . Übungsabschnitt giebt der Regiments-Comman deur die maſsgebenden Gesichtspunkte ; auch wird er Vorträge über das Schieſsen, die Taktik und Kriegsgeschichte u. s. w., am Besten wohl auf Grundlage der wissenschaftlichen Winterarbeiten und der einschlägigen Militär-Litteratur, mit welcher fortzuleben der streb same Geist bedingt und für das Offizier - Corps damit geradezu Pflicht ist, während dieser Zeit entweder selbst halten oder besonders
geeignete Kräfte hiermit betrauen .
Der Brigade - Commandeur wird gelegentlich seiner Be sichtigung, an welcher der Inspekteur beziehungsweise General inspekteur sich beteiligt, auch einem zusammenfassenden Schluſs
vortrag anwohnen, welcher ihn vom richtigen wissenschaftlichen Streben überzeugt und ihm reiche Gelegenheit bietet, auch seine
Erfahrung, sein Wissen in fruchtbringendster Weise zu verbreiten . Was die Schieſsübungen insbesondere betrifft, dürfte es überaus wichtig sein, sie, als die Seele aller artilleristischen Thätigkeit, möglichst unbeirrt durchzuführen und zu Gunsten ihrer Ausdehnung
und Gründlichkeit möglichst alle anderen Übungen auf dem Schieſs platz zu unterlassen, jedenfalls keinerlei weitere Besichtigung dort selbst in Ausführung zu bringen.
Der IV. Übungsabschnitt wird zunächst dem Inspekteur beziehungsweise General- Inspekteur, dann aber auch dem Divisions
und dem kommandierenden General Gelegenheit bieten, den kriegs mäſsigen Wert der Feldartillerie ermessen zu können, soweit der Friede, im Zusammenhalt mit den Leistungen auf dem Schieſsplatz,
überhaupt bier ein Urteil gestattet. 12 *
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Es ist hierbei vorausgesetzt, daſs die letztgenannten Commandeure sich auch ab und zu von der Schieſsleistung Einsicht verschaffen. Zu 3. Wie zu besichtigen sei, ergiebt vor Allem der kriegs mäſsige Zweck , d. i. die Notwendigkeit einer besten Felddienstleistung
der Truppe . Jeder Vorgesetzte wird innerhalb des seiner Endprüfung zu fallenden Ausbildungsabschnittes an sich fleiſsig auf dem Übungs platze erscheinen , um, den Kern der Kriegstüchtigkeit im Auge behaltend, ins innere Triebwerk zu blicken, ohne dabei, von auſser
ordentlichen Fällen abgesehen, die Selbstständigkeit der Unterorgane irgendwie zu kürzen .
Der Abteilungs - Commandeur wird vor Allem das strengste Festhalten an den reglementären Bestimmungen, die vollste Gleich mäſsigkeit der Einzelausbildung prüfen. Geeignete Fragen an den Mann überzeugen ihn , ob in diesem das Erlernte auch zum Verständnis gereift ist. Der Regiments -Commandeur wird sich auſser mit dem
einzelnen Mann vorwiegend mit den Unteroffizieren und den jüngeren Offizieren befassen und neben deren strammer Durchbildung auf den guten, dienstförderlichen Geist im Regimente zu wirken be strebt sein .
Dem Brigade - Commandeur fällt mit der Besichtigung der Schieſsübungen ein hoch wichtiger Wirkungskreis zu. Er wird für das Prüfungs -Schieſsen die Aufgaben bestimmen , alle wahrscheinlichen Vorkommnisse im Krieg hierbei aber möglichst verwerten .
Die Ruhe in der Batterie oder Abteilung, das rasche, richtige Auffassen der kommandierten Ziele, die Selbstständigkeit, Gewandt heit und Verlässigkeit der Richtmeister beim indirekten Richten in der Anwendung von Hilfszielen , die rationelle Schuſskorrektur und
Feuerordnung, ein rascher Zielwechsel und Munitions -Ersatz u. 8. W. sind auch unter Verhältnissen zu erproben, wie solche der Ernstfall
bei plötzlichem Ausfall einzelner Bedienungs-Nummern, von Geschütz und Zugführer oder Batteriechef herbeiführt. Ein beschleunigtes Ab- und Aufprotzen , der Gebrauch der Büchsenkartätsche und eine rasche und gute Abgabe des ersten Schusses bei Ueberfällen , alles dieses will auf dem Friedens-Schieſsplatz geübt sein . Unter regelrechten Verhältnissen dagegen ist jede Stellung möglichst vorsichtig und verdeckt zu beziehen und mit dem ersten Schuſs zurückzuhalten, damit er nicht, ehe die Batterie, wie man sagt, noch recht zur Besinnung
geschweige zu guter Umschau
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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gekommen ist, feindliche Gegenwirkung hervorruft und damit Ruhe,
Überlegung und Wirkung empfindlichst gefährdet. Diesen verschiedenen Rücksichten gebührend Rechnung zu tragen, den richtigen Grundsätzen hierdurch Bahn zu brechen , ist
schwer, es erfordert Umsicht und Mühe.
Nicht aber eine Aug' und
Ohr bestürmende Besichtigung im Feuer stehender Regimenter oder Brigaden bietet wahren Nutzen, er liegt in diesen Einzelheiten, und 9
sind dieselben daher gar sehr zu beachten. Mindestens sogenannte Stichproben sind nötig, und wird ihre Vornahme den Batteriechefs ein mächtiger Sporn sein, die maſsgebenden Grundsätze emsig zu pflegen .
Während des schulmäſsigen Schieſsens werden einschlägige Fragen an die Richtmeister und Zugführer, nach dem feldmäſsigen Feuern aber dessen klare Besprechung seitens des Batterie-, bezieh
ungsweise Abteilungs -Chefs, dann die Kritik des Regimentscomman deurs dem Besichtigenden reichen Stoff bieten, vollsten Einblick in die Schieſsleistung sich zu verschaffen und ergänzende Belehrung daran zn knüpfen. Sind einige Worte über die Musterungen hier gestattet, so sei darauf hingewiesen, daſs neben Rapportführung, Kassen-, Kammer und Straf-Buch, die Kasernen- und Zimmerordnung, dann der Befund der verschiedenen Depots maſsgebende Rolle hier spielen, daſs es aber nicht genügt, die erforderlichen Kriegsbestände in gutem Stand nach Gattung und Gröſse in letzteren übersichtlich geordnet zu finden.
Die schnelle Einkleidung beziehungsweise Ausrüstung von hierzu bezeichneten Mannschaften, Pferden und Fahrzeugen ist unter Leitung des Kammerunteroffiziers, des Futtermeisters und beziehungsweise Material-Unteroffiziers, dann insbesondere die praktische Einteilung der verwendeten Arbeitskräfte und Mittel hierbei zu proben, da ein rasches, verlässiges Sichabwickeln der einschlägigen Geschäfte im Mobilmachungsfall sehr in's Gewicht fällt. Für den Inspekteur oder Generalinspekteur , beziehungs weise den Divisions- und kommandierenden General wird es
vor Allem sich handeln, durch Würdigung der Gesamtleistung die
Überzeugung von dem kriegstüchtigen Wert der Ausbildung ihrer Feldartillerie zu gewinnen. Was der Exercier- und der Schieſsplatz nicht kann , ist das freie Gelände zu ergänzen berufen . Insbesonders läſst der meist ebene Friedens- Schieſsplatz eine kriegspraktische Auswahl und richtiges Beziehen der Stellungen, dann die Verwertung natürlicher Deckungen oder deren künstliche
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Verbesserung nicht üben , auch an die Manövriergewandtheit stellt ein durchschnittenes, hügeliges Terrain ungleich umfassendere Proben . Ein gutes Rekognoszieren , ein gewandter Ordonnanzdienst, die Verwertung von Masken, dann von Einschneidungen zum Schutz der Bedienung in Defensivstellungen, die Aufstellung der Protzen und der ersten Wagenstaffel u. s. w. spielen in künftigen Kriegen gewiſs eine hoch wichtige Rolle, der notwendig sich überstürzende Verlauf der Gefechtsbilder bei den alljährlichen gröſseren Herbstübungen aber macht, wie bereits erwähnt, eine vorausgehende Besichtigung in dieser Hinsicht unbedingt nötig. Sachgemäſse Aufgaben werden hierbei den erforderlichen Rück
schluſs auf rasche Auffassung, Gewandtheit und taktische Schmieg samkeit bieten und eingehende Kritiken sich für die Herbstmanöver wie für den Krieg höchst nutzbringend zeigen . Insofern Schieſsübungen im Terrain für die Feldartillerie nicht
ausführbar sind, wird ihr wenigstens eine zweckmäſsige Anwendung von Gewehr- und Kanonenschlägen sehr von Nutzen sein ; auch dürften Vorübungen mit geniischten Waffen sich dringend empfehlen und
in den gröſseren Garnisonen besonderen Schwierigkeiten nicht wohl begegnen .
Wurde es in Vorstehenden versucht, die Anforderungen an die Truppe klarzustellen , so dürfte die Vollständigkeit verlangen, wohl auch jene an die Besichtigenden kurz zusammenzufassen . Wohlwollen muſs deren Handlungen durchleuchten und das Interesse der Sache allem stets voranstehen .
Alles Gemachte, aller bloſse Schein sind von Übel und führen zu Mitteln und Kniffen , welche der Würde des Ganzen nur schaden. Zweck und Mittel müssen sich jederzeit entsprechend ergänzen . Die grundsätzliche Gegenwart aller direkten Vorgesetzten der
Truppe einschlieſslich des nächsthöheren Vorgesetzten des Besichti genden selbst erscheint als zweckdienlich , ohne daſs die Besichtigung durch Letzteren behindert, geschweige ein Eingreifen in dessen Gerechtsame und damit eine Entlastung seiner Verantwortung hier durch herbeigeführt wird . Menschen bleiben wir Alle, und manchem etwas zu ängstlichen Gemüt wird auf diese Art erschwert, vermeintlichen Wünschen des
Besichtigenden auf Kosten der Sache zu dienen ; sehr erwünscht muſs es dem höheren Vorgesetzten dabei aber sein, der Besichtigungs art des ihm zunächst Unterstellten direkt entnehmen zu können , wo
er selbst den Hebel ergänzend einsetzen müsse.
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Der nach jeder Besichtigung der nächsthöheren Dienststelle vorzulegende Bericht, welcher sich über den erreichten Ausbildungs grad ausspricht, giebt ihm willkommenen Anlaſs, sich zu äuſsern , beziehungsweise auf Grund eigenster Wahrnehmung die nötigen
Fingerzeige zu bieten, wie der neue Übungsabschnitt, dessen End prüfung nun ihm in erster Linie zufällt, auszunutzen sei, um beob
achtete Übelstände zu beseitigen, Lücken auszufüllen, die Ausbildung zu steigern und zu erleichtern .
Diese Bemerkungen , den Beteiligten im wörtlichen Auszug mit geteilt, werden unter Ergänzung und Erläuterung der sachdienlichen Mittel ein immer günstigeres Ergebnis mächtig fördern . Auf diesem Weg werden Dienstfreudigkeit und Pflichttreue sich steigern und läutern und wird der Untergebene in der Be sichtigung einen willkommenen Anlaſs erkenuen, in seinem Streben Zustimmung oder erforderliche Belehrung zu finden. Neben ihrem
Wert für die Waffentüchtigkeit ist damit aber
auch die heutzutage auſserordentlich gesteigerte ethische Bedeutung der Besichtigungen nicht zu verkennen. In sich stark und fest wird der wissenschaftlich Gebildete
geistiges Streben , der Charaktervolle Charaktere neben sich dulden, er wird sie erziehen und fördern , kleine Fehltritte hemmen , ihren sittlichen Kern nach Oben thunlichst vertreten .
not in unserer Zeit der Zersetzung.
Männer aber sind
Schwere Prüfungen bleiben
nicht aus .
Bei dem gewaltigen Ziel , das sich die Strategie setzen muſs, gilt es, tüchtige Parteiführer für unseren Landsturm zu finden, an
dauernd freudigen, energischen Sinn muſs aber der Friede zeitigen, kann nur Woblwollen erziehen und wecken .
Recht ein zweischneidiges Schwert ist die entfesselte Volkskraft. Von Vertrauen beseelt, ist sie unüberwindlich ; Napoleon I., maſslos bestrebt, durch Furcht und unerbittliche Gewalt die Völker zu
knechten , ging am erbitterten Haſs der Unterdrückten zu Grunde.
Willig, gehorsam und treu beansprucht der Soldat ein Beispiel, das ihn belebt und erhebt und , wenn es gilt, zur begeisterten Tapferkeit hinreiſst. Wie sich Licht und Schatten bedingen , verzeiht er menschliche Schwächen, doch dürfen sie Klar- und Wahrheit, dürfen sie Gesetz und Recht, das Symbol der Ehre nicht beugen. Der Besichtigende darf niemals vergessen , daſs gleichzeitig hundert und tausende Augen ihn mustern, und daſs mit seiner 7
Stellung in der militärischen Hierarchie die Anforderungen notwendig sich steigern .
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie.
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Er wird, sei es im Guten, sei es im Schlimmen, bald mehr
oder minder Nachahmer beziehungsweise Handlanger finden . Die Geschichte erweist, daſs eine soldatische Natur, die Zweck
und Mittel erwägt und bedenkt, was dem Mann wohl- und wehthut, daſs ein Suwarow, ein Blücher die Masse stets noch beherrschte, daſs ihr Voranleuchten das Hoffen belebt , Thatkraft und Dienst
freudigkeit zündet. Auch die volksthümlich gewordenen Helden unserer jüngsten Kriege lassen nur die Wahrheit erkennen, daſs ein offener, ehrlicher Soldatencharakter im Kriegswetter eine herrliche Leuchte ist.
XII.
Der Ladendruck und seine Bedeutung im Frieden und Kriege. Von
Spohr , Oberstlieutenant z . D.
Eine der unangenehmsten Maulverletzungen, welche beim Reiten vorkommen, bildet der Ladendruck d. b . eine Quetschung oder Verwundung der , die zahnlosen Laden des Unterkiefers be kleidenden, Schleimhaut. Zwar machen sich die unangenehmen Folgen dieses Druckes zunächst kaum der Hand des Reiters fühlbar.
Meist ist sogar das Gegenteil der Fall.
Bis dahin sehr fest in die
Hand gehende, beziehungsweise drückende Pferde, werden auffallend weich und für alle Zügelanforderungen gefügig. Aber sie fressen schlecht, namentlich das Körnerfutter, fallen vom Fleisch und, wenn
die Sache nicht rechtzeitig beachtet wird , und wenn erst eine eiternde Wunde entsteht, so wird man notgedrungen die Gebiſs wirkung abändern oder gar das Reiten ganz einstellen müssen , bis Heilung erfolgt ist. Es ist daher gewiſs eine Betrachtung über die uns zur Ver meidung von Ladendruck zu Gebote stehenden Mittel für jeden praktischen Reiter von Interesse, namentlich aber für den Kavalleristen , der alle Ursache hat, um die stetige unausgesetzte Leistungsfähigkeit seines Pferdes besorgt zu sein, wozu die Erhaltung der Freſslust des Tieres und damit die beste Gewähr für Erhaltung seiner Kräfte vor allen Dingen gehört.
Nach meiner Erfahrung bin ich überzeugt, daſs in früherer Zeit viele der sogenannten schlechten Fresser erst künstlich ausgebildet worden sind, indem man , statt ihr Maul zu unter suchen und dort die nächstliegende Ursache der ver lorenen Freislust in erhaltenen Verletzungen festzustellen,
Der Ladendruck und seine Bedeutung
186
ihnen sofort mit Arzneien , sogenannten »> cordials «, Appetitpillen und dergleichen beizukommen suchte.
Daſs man damit das ur
sprüngliche Übel nicht heilte , sondern ein neues , verdorbenen Magen und überreizte Gedärme , hinzufügte, liegt auf der Hand. Etwas Ähnliches gilt sogar wahrscheinlich betreffs der mit fester Hand trainierten und in Folge dessen lediglich in den Kinnmuskeln gezerrten und ermüdeten Pferde.
In neuerer Zeit ist man auf Maulverletzungen und namentlich den so häufig vorkommenden Ladendruck aufmerksamer geworden, und ein einigermaſsen erfahrener Reiter wird , namentlich , wenn das schlechte Fressen seines Pferdes sich unmittelbar nach dem
Reiten einstellt , nicht versäumen , zunächst das Maul des Tieres
gründlich zu untersuchen und etwaige Maulverletzungen festzu stellen .
Was dann zu geschehen hat, wenn eine solche sich vorfindet, hängt teils von dem Ort und der Gröſse der Verletzung , teils von der Ursache ab , welche jene veranlaſst hat , und soll am Schlusse
dieses Aufsatzes in Bezug auf Ladendruck kurz angegeben werden. Zunächst müssen die Ursachen des Ladendrucks und innere
Maulverletzungen erörtert werden , da deren Vermeidung beziehungs weise Beseitigung stets die Hauptsache ist, auch dann oder vielmehr erst recht dann , wenn schon Verletzungen vorhanden sind. Diese Ursachen nun liegen entweder in nicht passenden
beziehungsweise fehlerhaft gebauten Gebissen , oder in unrichtiger Bearbeitung des Pferdemauls durch den Reiter, oder in einem Zusammenwirken dieser beiden Ursachen
zugleich. Als > fehlerhaft gebaut« sind alle zu dünnen Gebisse an
zusehen, wozu in erster Reihe unsere gebräuchlichen Unterlege trensen zu rechnen sind.
Dieselben geben zu zweierlei Maulverletzungen sehr häufig Veranlassung : zum Einreiſsen des Maulwinkels , wenn sie zum Aufrichten sich zu tief tragender oder sich überzäumender Pferde gebraucht werden , indem ihre mechanische Gewalt lediglich durch den Maulwinkel selbst gehemmt wird , bis dieser eingerissen oder so weit zusammengerollt ist , daſs das Gebiſs auf die Backenzähne
trifft; sodann zu Ladendruck , und zwar fast regelmäſsig auf der, der festen Seite des Pferdes entgegengesetzten , Lade. Ich habe selbst sehr tüchtige und erfahrene Reiter sich gerade darüber nicht selten wundern hören , obgleich die Erklärung doch sehr nahe liegt .
im Frieden und Kriege .
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Indem nämlich der Reiter das Tier auf der festen Seite zu stellen und abzubrechen versucht, also mit vermehrter Kraft auf
den in Betracht kommenden Trensenschenkel einwirkt, wird trotz
aufmerksamen Gegenhaltens, auf der entgegengesetzten der Trensen ring ins Maul gezogen , und dieser ist es, welcher die Lade verletzt. Seine , bei Gelegenheit der vermehrten Einwirkung des inneren Zügels, gegen die äuſsere Lade schiebende Bewegung ist natür lich, da sie durch den dünnen Querschnitt des nur 4-5 mm starken
Ringes zu einer sehr scharf einschneidenden wird , mehr geeignet, hier Verletzungen hervorzurufen , als der vorherrschend druckweise 1
wirkende und doch immerhin auf der inneren Lade.
10-12 mm starke Trensenschenkel
Begünstigt werden beide , durch die Unterlegetrense so oft
hervorgerufenen, Verletzungen noch durch die um die Längenachse der Trensenschenkel drehende Bewegung , welche jedes scharfe Annehmen der Trensenzügel herbeiführt. Durch diese Drehung kommt nämlich nunmehr die dünnere untere Seite der Trensen
schenkel zur Wirkung , und die gute Absicht , durch einen ovalen Querschnitt derselben mit entsprechender den Laden zugewendeter, flacherer und der Zungenoberfläche gemäſs gebogener Seite die Laden zu schonen , wird vereitelt und in ihr Gegenteil verwandelt.
Zugleich stellen sich dadurch die Ringe der Trense quer zur Maul spalte, und wenn einer derselben in letztere hineingezogen wird, so erfährt er an der in Betracht kommenden Lade eine vermehrte
Hemmung in demselben Maſse, als er sich quer zu derselben ge stellt hat.
Diese Schattenseiten der auſserdem noch zu allerhand Ver
hedderungen und Verwickelungen Anlaſs gebenden , beim Nicht gebrauch recht unschön bald rechts, bald links aus dem Maule hängenden Unterlegetrense sind so augenscheinlich und leicht be greiflich , daſs schon aus diesem Grunde die von meiner Patent kandare mit auf den Oberbäumen laufender Trense gebotene voll ständige Abhülfe mit der Zeit zur Verdrängung jener führen dürfte. Nicht so leicht sind diejenigen mechanischen Ursachen des Laden
drucks zu beseitigen , welche in der Kandare und ihrer Hebel wirkung liegen. Wenn etwas uns über das Irrige in der Ansicht , als sei das Pferd vom Schöpfer für unseren Reit- und Fahrgebrauch von Hause aus bestimmt und in allen Teilen dieser Bestimmung gemäſs er schaffen worden , zu belehren geeignet ist , so sind es die auſser >
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Der Ladendruck und seine Bedeutung
ordentlichen Verschiedenheiten der Pferdeköpfe und Mäuler, welche namentlich bei der Zäumungsfrage mitsprechen. Wer statt von einer Kinngrube , welche freilich deutlich ausgeprägt bei allen Pferden vorhanden ist , von einer Kinn kettengrube spricht , verrät damit schon die zu so manchen
Zäumungsfehlern Veranlassung gebende Ansicht, daſs diese Grube ganz besonders zur Anbringung des Stützpunktes der Kinnkette bestimmt und geeignet sei.
Zu welchen fehlerhaften Gebiſswirkungen aber gerade die Lage der Kinnkette in den doch verhältnismäſsig recht häufig be deutend tiefer , als der Maulwinkel, liegenden Kinngruben führt, habe ich in meinem Buche »Die Zäumung bei Reit- und Kutsch pferden « S. 39—47 und S. 67 eingehend dargelegt und muſs hier schon des Raumes wegen darauf verweisen . Mittelbar ist, wie daraus hervorgeht, auch die Kinnkette am Ladendruck beteiligt, insofern sie, bei zu tiefer Lage, durch ihren bedeutenden, oft schmerzhafter als das Mundstück selbst, wirkenden Gegendruck dem Pferde sowohl das Verständnis für das von ihm
verlangte Nachgeben gegenüber dem Mundstück, als dieses Nach geben selbst erschwert , ein Widerspruch, der in der Konstruktion
der Kinnkettenkandare begründet ist und über den ich S. 62–64 meines Buches das Nähere angeführt habe. Hier darüber nur das einschlägig Nötigste. Je schärfer die Kinnkette wirkt, desto mehr wird die Em
pfindung des Mundstückes für das Tier abgeschwächt. Die Folge ist, daſs es eine tote, feste Anlehnung am Mundstücke
nimmt, die zunächst zur Unterdrückung des Blutumlaufs und in Folge dieser zur Verletzung der Schleiinhäute der Laden führt. Daſs zu letzterer Wirkung die Beschaffenheit des Mundstücks selbst noch unmittelbar beitragen kann, liegt auf der Hand. Massive Stangenmundstücke, wie sie, Gott sei Dank, immer seltner Ver
wendung finden , haben naheliegende Nachteile. Entweder sie sind von zu geringem Durchmesser, damit sie nicht zu schwer seien, oder, sie sind, wenn man ihnen den zum wenigsten erforderlichen Durchmesser von etwa 18 mm gegeben , zu schwer, und in beiden Fällen sind sie zu gute Wärmeleiter. Die Folge ist, daſs sie im Winter den Laden , Lefzen und der Zunge zu viel Wärme ent ziehen oder, um mich des volkstümlichen Ausdrucks zu bedienen, zu viel Kälte und im Hochsommer, bei glühender Hitze, zu viel
Hitze zuführen, was Beides das Wund- und Durchreiben von Zunge, Lefzen und Laden begünstigt. Soll man doch, wie dies viele sach
im Frieden und Kriege.
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verständige Augenzeugen mitteilen, in den Hauptstädten Russlands, in Petersburg und Moskau, im Winter bei bitterer Kälte Wagen, auf ihre Besitzer wartend, vor den Theatern halten sehen, deren
Pferden das Blut aus dem Maule läuft, weil die eisigen Gebisse dort dieselben Verletzungen hervorbringen , wie bei Verbrennung. Wenn nun auch in unserem Klima nur selten derartige heftige Wirkungen hervortreten, so wird doch durch groſse Wärmeentziehung oder Zuführung immerhin das Durchreiben , namentlich der Laden, begünstigt. Glücklicherweise verhalten sich die immer mehr in Aufnahme kommenden, aus 2 Millimeter starkem Stahlblech her gestellten Hohlmundstücke in allen diesen Beziehungen weit günstiger. Sie gestatten bei verhältnismäſsiger Leichtigkeit einen ovalen Querschnitt von 18-22 Millimeter Durchmesser und er
leichtern die Erhaltung einer gleichmäſsigen Maulwärme durch den groſsen innern von Luft erfüllten Raum , so daſs das Stahlblech leicht die Maulwärme annimmt und behält. Von weiterem Einfluſs auf Ladendruck ist die Weite und
Form des Mundstücks, namentlich die Konstruktion der Zungen freiheit .
Ist das Mundstück zu weit , so schiebt es sich nicht nur, der
verlangten Kopfstellung entsprechend, ungebührlich seitwärts auf den Laden , sondern es drückt auch leicht auf der inneren Seite, weil die Hebelkraft des Unterbaums noch an einem seitlichen Hebel
arm des Mundstücks wirkt, d. h . das Gebiſs schaukelt auf den Laden .
Zu enge Gebisse haben in dieser Beziehung keinen Nachteil, pressen und quetschen dagegen die Lefzen, was zwar ein geringerer Fehler, aber immerhin ein Fehler ist.
Es muſs aber hier, wie so oft im Leben, entschieden der Rat
gegeben werden, unter Umständen , wo ein Übel unvermeidlich ist, das kleinere von beiden zu wählen .
Und unvermeidlich ist diese
Wabl, wenn dicke , wulstige breite Lefzen mit dünnen , scharfen , hohen Laden zusammentreffen, was nicht so gar selten der Fall ist. In diesem Falle rate ich stets, das Gebiſs eher zu enge , als zu weit zu wählen, weil die eben geschilderte Art der
Laden weit empfindlicher ist, als die dicken Lefzen, Ladendruck auf alle Fälle weit schädlicher, als leichte Verletzungen der Lefzen. Den heikelsten Punkt bei Wahl des Mundstücks
bildet bei
der festen Stange die Zungenfreiheit. Das ist auch wohl der Grund gewesen, weshalb unsere Vorfahren so lange an einem Gelenkgebiſs festgehalten haben , dessen wir uns ja bis 1859 auch noch bei der Artillerie bedienten .
Da sich mittelst des Gelenks das
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Der Ladendruck und seine Bedentung
Gebiſs bei stärkeren Zügelanzügen von selbst eine gröſsere Zungen freiheit schaffte, so konnte letztere von Hause aus ziemlich flach
gehalten werden .
Zungenstrecker aber kamen damals selten
vor, weil jeder kräftige Zügelauzug diese Unart dadurch bestrafte, daſs das gebrochene Gelenk scharf gegen die untere Zungenfläche drückte und diese gegen den oberen Gaumen preſste. Dafür waren massenhafte Verletzungen der Zunge und des oberen Gaumens die Folge. Ich erinnere mich 1859 bei einer genauen Mauluntersuchung
nach dem 1. Übungsmarsche einer eben erst mobilgemachten Batterie solcher Verletzungen an 20% der Pferde festgestellt zu haben. Nichts desto weniger fanden sich in der Folge die meisten Tiere mit ihren Gebissen ab, wenn auch teilweise auf Kosten der Zügelanlehnung. Bei anderen, bei welchen sich hartnäckig eiternde Verletzungen des Oberkiefers einstellten, fand ich als bestes Gegenmittel : am Nasen riemen so weit nach rückwärts festgenähte Backenstücke , daſs dadurch ein zu weites Vorschieben der Oberbäume und zu starkes Brechen des Mundstücks im Gelenk vermieden wurde.
Es hat diese Erfahrung mir damals den ersten Anstoſs zu der Erwägung gegeben, ob nicht ein hoch und rechtwinklich zum Unterkiefer des Pferdes angebrachter Riemen ein vernünftiger und zweckmäſsiger Ersatz für die Kinnkette wäre.
Wie
ich
diesen
Gedanken dann in meiner Patentzäumung mittelst des, stets recht winklig und in voller Breite dem Unterkiefer anliegenden, an
den Trageschaken meiner Kandare befestigten, Kinnriemens grund sätzlich durchgeführt habe, darf ich als den Lesern dieser Blätter bekannt voraussetzen. Damit sind dann zugleich die oben erwähnten
in den Bereich des Ladendrucks fallenden Mängel der Kinnkette mit einem Schlage beseitigt. Beim sogenannten Pelham -Gebiſs ist der Nachteil der Gelenk
brechung bezüglich Verletzung des Oberkiefers zum Teil durch das sogenannte Kugel- oder Charniergelenk wieder beseitigt. Wird dieses Gelenk durchaus glatt und rund erhalten und ist es so angefertigt, daſs auch bei schärfster Brechung der entstehende Bogen eine 4-5 cm nicht überschreitende Sehnenhöhe er
reicht, so löst dieses Gebiſs, richtig mit dem Lederzaum vereinigt, noch am verhältnismäſsig günstigsten die sehr schwierige Auf gabe , ein für fast alle Pferde passendes, die Zunge , wie die Laden gleich schonendes und auch in Bezug auf Weite nicht gerade ängstlich zu verpassendes Gebiſs herzustellen . Freilich auf die richtige Vereinigung mit dem Lederzaum kommt Alles an . Indem der gewöhnliche Pelham sich zur Fest
im Frieden und Kriege.
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stellung seiner Oberbäume einer , bis in die Kinngrube herab hängenden , Kinnkette bedient, während die Augen der Ober
bäume in Backenstücken befestigt sind, deren Vorgleiten beim Zügelanzuge und dem dadurch bewirkten Vorwärtsdrehen der Ober
bäume der Nasenriemen des gewöhnlichen Hauptgestells nicht verhindern kann , weil er sich durch die Schlaufen der Backenstücke
durchscbiebt, kommt es zu einem in Folge des Hinaufschiebens der Kinnkette immer stärkeren Brechen des Gebisses im Gelenk und
in Folge Vorschiebens der Oberbäume ebenso zu einer immer schärferen Wirkung des Gelenks gegen den Oberkiefer. Wie natürlich daher ein sehr baldiges Nachgeben des Pferdes zunächst im Kiefergelenk d. h . also mit den Kaumuskeln, sodann , bei richtig, d. h. namentlich nicht zu weit, geschnalltem Nasenriemen , auch mit dem Genick bei einem so scharf wirkenden Gebiſs sich
ergeben muſs, ist leicht einzusehen. Freilich ebenso leicht, daſs ein solcher Pelham auf keinen Fall ohne Nasenriemen gebraucht werden darf, weil sonst ein groſses Maulaufsperren erfolgt.
Der weitere Nachteil des gewöhnlichen Pelham , nämlich, daſs durch das starke Brechen des Gebisses die Unterbäume sich scheeren
artig nähern und den Unterkiefer beziehungsweise die Lefzen
schmerzhaft zusammenpressen, sowie daſs das Tier, in Folge dieser, sich namentlich gegen den inneren Teil des Unterkiefers ver einigenden , Wirkung sowohl zum Verschieben des Unterkiefers, wie des ganzen Kopfes im Genick, nach der äuſseren Seite seine Zuflucht nimmt, ist bekannt und viel betont. Erwägt man aber andererseits, daſs der Pelham das einzige Gebiſs ist, welches ein genaues Verpassen in Bezug auf Maul breite nicht erfordert, weil das Brechen des Gebisses im Gelenk innerhalb gewisser Grenzen das Gebiſs zugleich passend verengt und dabei die nötige Zungenfreiheit erzeugt, daſs ferner in
Folge dessen beim Pelham Ladendruck und Zungenverletzungen am seltensten vorkommen , dazu eine groſse Anzahl Pferde, die von ihren Reitern mit festen Stangengebissen überhaupt nicht zu reiten sind, auf diesem Pelbam ihnen wenigstens genügend, wenn
auch vielleicht nicht tadellos, gehen , so kann man sich durchaus nicht wundern, wenn so viele Reiter immer noch von diesem ,
gerade von hochsachverständigen Kennern so scharf und unwider leglich kritisierten, Gebiſs Gebrauch machen, und es sich auch in der Armee neben allen vorschriftsmäſsigen Gebissen Bürgerrecht verschafft und behauptet hat.
Wundern muſs man sich dagegen, einerseits, daſs dieses
192
Der Ladendruck und seine Bedeutung
von der Länge der Unterbäume, die meist bei ihm gerade noch über alle Maſsen lang gewählt werden, ganz abgesehen am schärfsten wirkende Werkzeug allüberall in dem Geruche einer milden Zäumung steht, und andererseits wohl noch mit weit mehr Recht, daſs man sich so wenig Mühe gegeben hat, dieses beliebte Werk zeug seiner Mängel zu entkleiden und zu vervollkommnen .
Ich darf wohl das Verdienst in Anspruch nehmen, dies nach allen in Betracht kommenden Richtungen sowohl unternommen , als auch durchgeführt zu haben . Indem ich den Pelham in meinen bekannten Trageschaken (N. II und III) mit an den Oberbäumen angebrachten halbkreisförmigen Haken führen lasse, während diese Trageschaken durch einen richtig geschnallten Kinnriemen hinten und einen ebenso richtig geschnallten sogenannten halben, weil nur bis zu den Backenstücken reichenden , Nasenriemen — [ solche Haupt
gestelle werden (ohne Zügel) für 8 Mark, mit Zügel für 14 Mark in seltener Dauerhaftigkeit und Vollendung von dem hiesigen Sattler F. Senner (Giessen) hergestellt] nach vorne in ihrer festen Lage erhalten werden, sind alle oben gerügten Mängel abgestellt. Nämlich : 1. Die Oberbäume bewegen sich beim Zügelanzuge nur um diejenigen 2 cm vorwärts, welche ihr Haken beim Durch
gleiten durch die Ösen der Trageschaken zurücklegt; dieser Haken selbst bildet von da ab den unverrückten Drehpunkt d. h. also , es bewegen sich von da ab nur die Unterbäume nach rückwärts und drücken mit dem Gebiſs auf die Laden. 2. Durch Kürzer- oder Weiter-Schnallen des Kinnriemens hat man somit die Gröſse der
Brechung des Gebisses, also auch der entstehenden Zungenfreiheit bis zu deren gröſster Sehnenhöhe (etwa 4 cm) ganz in der Gewalt.
3. Ein scheerenartiges Zusammenkneifen der Unterbäume findet nicht statt, da die Oberbäume durch ihre Führung in den Trage schaken in ihrer Lage zu einander zu verharren gezwungen sind, folglich auch die Unterbäume sich gleichlaufend bewegen . Dem einzigen Mangel, welchen man diesem Gebiſs vorwerfen könnte, nämlich, daſs es nicht, wie der gewöhnliche Pelham gleich zeitig als Kandare (Hebelgebiſs) und Trense zu gebrauchen sei, sondern zu ersterem Gebrauch tiefer, zu letzterem höher geschnallt werden müsse (weil die Trageschaken ein willkürliches Höhernehmen des Gebisses mittelst der Zügel verhindern) ist leicht abzuhelfen , indem man ein bewegliches Trensenmundstück auf die Oberbäume aufzieht, genau so, wie bei meiner Kandare. Dals in diesem Falle
die Ringe und Ringkloben an dem eigentlichen Pelbam -Gebiſs in Fortfall kommen , ist selbstverständlich. (Einen einfachen Spohr
im Frieden und Kriege . Pelham mit Einem Gebiſs
ohne Trageschaken
193
verkauft der
hiesige Sattler F.Senner zu 7,50 Mark, einen solchen mit aufgezogenem
Trensengebiſs zu 9,50 Mark .) Dieses Gebiſs in einer Gebiſsweite von 14 cm zwischen den Oberbäumen paſst für alle Pferde von 11,5 bis zu 13,5 cm Maulweite.
Nur für schmälere Mäuler, als
11,5 cm, muſs das Mundstück schmäler, für breitere als 13,5 cm weiter bestellt werden .
Auf diesen Spohr-Pelham sind empfindliche Pferde, welche an kein anderes Gebiſs herangingen , ohne Schwierigkeit gegangen , und, um Ladendruck zu vermeiden, dürfte ein geeigneteres schwerlich zu finden sein .
Bei allen Kandaren mit festen Mundstücken muſs dagegen
die Zungenfreiheit sehr sorgsam dem Pferde angepaſst werden , wenn nicht zu Ladendruck Veranlassung gegeben werden soll. Die Hauptschwierigkeit liegt auch hier wieder in der ver schiedenen Form des Querschnitts der Pferdemäuler. In der Regel , d. b . bei der groſsen Mehrzahl der Pferde, schwankt die Weite des
Zungenkanals, d. h . die Auseinanderstellung der inneren Ladenränder Die Zunge legt sich aber für gewöhnlich über die Ladenränder, wenn sie auch vermöge ihres
des Unterkiefers zwischen 3 und 5 cm .
Muskelspiels im Stande ist, sich völlig zwischen dieselben zurück
zuziehen, wobei sie natürlich im Verhältnis ibrer Verschmälerung in der Richtung von unten nach oben dicker wird, also nach oben über die Ladenränder vorsteht.
Das Ideal eines, dem Durchschnitt der Zunge und des Unter kiefers richtig angepaſsten, festen Stangengebisses ist nun , daſs die
geraden cylinderischen oder ovalen Ballen des Mundstücks auf den Laden aufliegen , während die Zungenfreiheit der Zunge völligen Raum gewährt , den Oberkiefer bei geschlossenem Maule aber nur
eben berührt. Diesem Ideal entspricht nach meiner Erfahrung für etwa 90 % aller Reitpferde am besten das sogenannte Rosenberg'sche (vom General v. Rosenberg konstruierte) Mundstück von 1,5 cm Höhe im Lichten (2,5 bis zur äuſseren Wölbung , also Stärke des
Metalls in der Wölbung = 1 cm) , einer unteren Öffnung von 3,5-4,5 cm , und einer Vorderrichtung von 45º. Letztere ent lastet die Zunge auch dann, wenn das Gebiſs in Ruhe auf den Laden liegt.
Man sieht, bei einer Weite des Zungenkanals von 4-5 cm werden die Ballen noch auf den Laden aufliegen, wenn der Bogen der Zungenfreiheit entsprechend 3,5—4,5 cm weit ist. Eine Ver schiebung des ganzen Mundstücks nach einer Seite um 0,5 cm Jahrbüchor für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVII., 2 .
13
Der Ladendruck und seine Bedeutung
194
genügt aber schon, um den Bogen der Zungenfreiheit auf die First
der Lade treten zu lassen und bei einer Verschiebung von 1 cm, wie sie selbst bei der Maulweite genau entsprechenden Kandaren bei scharfen Kopfstellungen und Wendungen vorkommt, gleitet schon ein Teil des Bogens über die Ladenfirst. Da dieser Bogen sehr flach ist, und die bezügliche Wirkung desselben auf die Lade nur
vorübergehend stattfindet, so hat dies nicht viel zu sagen . Man sieht aber, daſs, falls eine dicke Zunge eine höhere Zungenfreiheit erforderlich macht, die Gefahr, daſs deren steilerer Bogen als schiefe Fläche die Lade drückt , entsprechend wächst und um
so gröſser wird , je schärfer die Laden des Pferdes sind. Auch der Querschnitt der Laden ist sehr verschieden , von
einem fast dreieckigen, mit scharfer Kante nach oben gerichteten, an der Basis kaum 1 cm dicken bis zu wulstigen mehr als daumen dicken fast runden oder oben sogar abgeflachten Formen . Bei solchen stumpfen Laden , die meist mit engem Zungen kanal verbunden vorkommen ( ich fand einmal einen solchen von
nur 1,5 cm Breite) sind höhere und an der Basis engere Zungen freiheiten passend , während man bei scharfen und zugleich enge gestellten Laden bezüglich der zu wählenden Zungenfreiheit in entschiedene Verlegenheit gerät. Wählt man die Zungenfreiheit so enge, daſs die Ballen noch mit Sicherheit die Laden treffen, so
findet die Zunge kaum Raum und geht über das Gebiſs; man bildet
Zungenstrecker aus – durch Erhöhung der Zungenfreiheit ist dem nicht völlig abzuhelfen , indem die Zunge des Tieres sich doch nur bis zu einem gewissen Grade nach der Höhe verdicken kann, und es entsteht andererseits die Gefahr von Verletzungen des oberen
Gaumens. Macht man aber bei hohen Zungenfreiheiten dieselben so weit , daſs sie mit ihrem inneren Bogen die Laden treffen , so
liegt die Gefahr von Ladendruck sehr nahe. In diesem Falle ist das sogenannte V Gebiſs oder ein einfach nach der Wölbung der Zunge gebogenes Mundstück zuweilen noch vorzuziehen , obgleich ich gerade von dem letzteren erzeugten Ladendruck oft gesehen habe. In diesen Maulverbältnissen liegt oft der einzige Grund, warum
die in Betracht kommenden Tiere dem Pelham -Gebiſs, welches sich so leicht jenem anschmiegt , leichter gehorchen , als allen festen Stangen.
Auf keinen Fall kann ich nach meinen vieljährigen Erfabrungen zu einer höheren Zungenfreiheit als 2,5 cm im
Lichten (3,5 im
äuſseren Metall ) und zu einer engeren als 3,5 an der Basis raten ,
im Frieden und Kriege .
195
muſs vielmebr, wo die Maulverhältnisse höhere oder engere Zungen
freiheiten zu erfordern scheinen , zu meiner Pelham-Konstruktion raten , welche einen solchen Übelstand am besten vermeiden dürfte. Endlich aber muſs ich betonen , daſs alle die erwähnten
Konstruktionsfehler oder nicht passenden Formen von Gebissen keineswegs den Ladendruck unmittelbar hervorrufen , sondern nur begünstigen und mit veranlassen , wohingegen sein Haupt erzeuger stets die unbarmherzige Reiterfaust ist, sei es, daſs
sie durch ein gewaltsames thätiges Verfahren erzwingen will , was langsam und allmählich erlangt werden muſs, sei es , daſs sie in duldendem (passivem ) Ausharren mit dem
armen gequälten
Tier wetteifert.
Unzweckmäſsige Einwirkungen des Reiters mittelst der Zügel sind es also vor allem, welche Ladendruck hervorrufen. Wären alle Pferde in Genick , Hals , Kaumuskeln und
.
Hanken so vollständig durchgearbeitet, daſs sie schon den mäſsigsten
Zügelanzügen willig folgten, so würden selbst die oben besprochenen mechanischen Einflüsse Ladendruck nicht oder doch nur mehr zufällig und selten verursachen .
So wenig, wie also ohne Widerstreben des Tieres oder scharfe Einwirkung des Reiters, selbst bei nicht ganz richtig konstruierten oder nicht vollständig passenden Gebissen, Ladendruck zu Stande kommt, so gewiſs wird solcher durch heftige und gewaltsame Ein wirkungen des Reiters selbst mit durchaus richtigem und passendem Gebiſs erzeugt werden können .
Die oben erörterten Fehler und Mängel mechanischer Ein richtungen werden aber die Wirkungen einer gewaltsam verfahrenden
Reiterfaust vermehren und steigern, können andererseits auch, wie dies thatsächlich in zahlreichen Fällen die falsche Wirkung der Kinnkette thut, die Veranlassung zu dem gewaltsamen Verfahren des Reiters geben , indem sie das Tier zum Widerstande reizen. Einige der am häufigsten vorkommenden fehlerhaften Ein
wirkungen der Reiterfaust, deren Fehlerhaftigkeit meist in gleichem Verhältnis zu ihrer Gewaltsamkeit steht, müssen hier kurz erwähnt werden .
Das heftige Schnellen mit dem Trensengebiſs gegen die Kinu lade, um Genickbiegung zu erzielen oder das Tier zum Parieren zu
nötigen , erreicht seinen Zweck in der Regel um so weniger , weil dasselbe, uin dieser Miſshandlung zu entgehen, instinktmäſsig seinen Kopf bis zur Wagerechten oder noch über dieselbe erhebt und
dadurch die für die Genickbiegung verwertbare Hebellänge seines 13 *
196
Der Ladendruck und seine Bedeutung
Kopfes der Gewalt des Reiters entzieht. Die unglücklichen Laden trifft dagegen die ganze Schnellkraft des Gebisses , so daſs Ver letzungen eine häufige Folge sind.
mäſsig angewendet unter Umständen sehr zweckmäſsige sägenartige Bewegung der Trense quer durch das Pferdemaul, das sogenannte Riegeln, dann, wenn sie übertrieben wird. Zu dieser Übertreibung giebt namentlich die nach der Seite hin zu wenig beschränkte Beweglichkeit der gewöhnlichen Trensen und Unterlegetrensen Veranlassung. Sieht man doch oft diese Bewegung in einem Grade angewendet , daſs Nicht minder fehlerhaft ist die
sogar das, einem eisernen Knoten vergleichbare, Trensengelenk rück sichtslos über die Laden hinweg geschleift wird.
Daſs diese Möglichkeit bei meiner auf den Oberbäumen, gleich Knebeln , laufenden Trense unmöglich ist , während dieselbe , um 1,5——2 cm seitlich verschiebbar, die riegelnde Bewegung, soweit sie nützlich, vollständig gestattet, ist gewiſs ein unbestreitbarer Vorzug, zumal jene Knebel , die Oberbäume der Kandare , in Folge ihrer
Führung in den Schaken auch Nase, Lefzen und Backen des Pferdes nicht, wie die gewöhnlichen Knebel dies thun, belästigen. Wenn nun die Kandare den Pferden erst aufgelegt würde, nachdem dieselben in Hanken , Genick, Ganaschen, Kaumuskeln
u. s. w. mittelst Reitens auf Trense genügend gebogen und weich gemacht worden , so würde auch mit diesem Hebelwerkzeug weit weniger Ladendruck verursacht werden , selbst wenn es nicht ganz
genau zu dem Pferdemaul paſste oder nicht ganz zweckmäſsig ein gerichtet ist. Um so weniger aber sollte, wenn nun einmal, der unerbittlichen Notwendigkeit des Dienstgebrauches zufolge, die Kandare auf noch
recht unvollständig bearbeitete Tiere gelegt werden muſs, versäumt werden, dieselben durch Arbeit an der Hand und unter dem Sattel
mittelst Abbiegens , Abbrechens , Beizäumens, Aufrichtens u. s. w. mit den mechanischen Einwirkungen dieses hebelkräftigen Werk zeugs bekannt zu machen, sie zu belehren, daſs nur Nachgiebig keit gegen die Anforderungen desselben sie vor Schaden bewahren kann , mit einem Wort , ihnen solche Achtung vor diesem Gebiſs beizubringen ,, daſs ihnen Abstoſsen , Abkauen und Weich bleiben zur Gewohnheit wird .
Ein hocherfahrener und sachverständiger Reiter, der ungarische
Majoratsherr Graf Z-tz ist gewils im Recht , wenn er den Um stand , daſs er niemals Ladendruck erzeugt , vor Allem darauf
zurückführt, daſs er durch Bearbeitung der Tiere an der Hand
im Frieden und Kriege. mittelst der Kandare à la Baucher
197
womit dessen hankensteifer
Reitkunst hinterm Zügel durchaus nicht das Wort gesprochen deren Vertrautheit und Weichheit gegen das Gebiſs werden soll unter allen Umständen zu erhalten , und wenn sie augenblicklich
verloren gegangen , wieder herzustellen bemüht gewesen sei. Nicht minder im Recht ist Graf C. G. Wrangel, wenn er im
Januarhefte der hippologischen Revue , 1888 , bei Gelegenheit der Besprechung einer englischen Gebiſskonstruktion darauf hinweist, daſs alle Schwierigkeiten, sowie die Ursache des mangelhaften Gehorsams und der daraus hervorgehenden Unarten des Pferdes nicht im Maule, sondern in der Hinterhand beziehungsweise im Gange des Tieres zu suchen seien..« » Ist die Hinterhand gehörig durchgearbeitet , so hört der Widerstand gegen
die Zügelwirkung von selbst auf, « sagt Graf W. Das ist so sehr wahr, daſs eine vollendete Genick- und Halsarbeit vor vol
lendeter Hankenarbeit gar nicht denkbar ist.
Giebt man das aber zu, so ist die weitere Folgerung, daſs jedes Gebiſs, an welchem das Pferd vertrauensvoll Anlehnung nimmt, dem Reiter auch genügende Einwirkung verleiht, um es zuerst in der Hinterhand , später im Hals und Genick völlig weich zu machen , sobald er es nur versteht. Das schlieſst andererseits durchaus nicht aus, daſs ein richtig geformtes Gebiſs mechanische Vorteile gewährt, welche Kraft und Geschicklichkeit des Reiters auſserordentlich unterstützen , die Abrichtung erleichtern und ab kürzen .
Ist man aber auf ein minder gutes Werkzeug zur Zeit ange wiesen, so muſs auch dieses, eben seiner minderen Güte gemäſs, langmütiger gehandhabt werden, ganz ebenso, wie ein wirk sameres schonender.
In der Regel ist es das zunächst in der Hand des Reiters empfundene Festwerden der Pferde in Genick und Ganaschen bei
Gelegenheit schnellerer Gangarten, namentlich in Gesellschaft anderer Pferde, beim Eilen im Trabe oder im Galopp und namentlich bei Gelegenheit des Parierens, welches zu gewaltsamem Verfahren und dadurch zu Ladendruck führt.
Es liegt aber auf der Hand, daſs
dabei die mangelhafte Bearbeitung der Hinterhand, die fehlende Hankenbiegung die eigentliche Ursache und Triebfeder des der Zügelfaust fühlbaren Widerstandes ist. Um diesen Widerstand da, wo er noch nicht grundsätzlich weg
geschafft ist, sofort zu brechen , ohne dem Tiere Schaden im Maule und in den Gelenken der Hinterhand zuzufügen, dazu gehört
Der Ladendruck und seine Bedeutung
198
aber eine zwar recht wohl bekannte, doch sehr seltene Geschick
lichkeit in Anbringung richtiger Augenblickshülfen. Die Paraden müssen im Galopp mit dem Zeitpunkt zusammenfallen , in welchem sich die Hinterbeine am weitesten unter den Leib gestellt befinden , und sie müssen wieder aufhören, wenn das Abfedern der Hinterbeine
hinter der Senkrechten beginnt. Die Paraden müssen also wiederholt,
im richtigen Augenblick wiederholt und um so öfter wiederholt werden , je weniger das Tier in der Hinterhand vorgearbeitet ist. Im Trabe, wenn ein Pferd in dieser Gangart heftig und fest wird, erscheint die Sache auf den ersten Blick wohl leichter, ist aber im
Grunde noch schwerer. Denn da muſs die Zügelparade abwechselnd diejenige Seite des Maules vermehrt treffen, welche dem untergesetzten Hinterfuſs entspricht. Trifft die Parade vorwiegend die Lade auf der Seite des abschiebenden Hinterfuſses, so liegt die Gefahr des
Ladendrucks hier ebenso nahe, wie im Galopp, wenn der parierende Zügeldruck mit dem Zeitpunkt des Abfederns beider Hinterbeine zusammen fällt ! Und wie ungemein häufig sieht man doch solche fehlerhafte Paraden !
Das aber sind unwillkürlich begangene Fehler.
Wie viel
schädlicher noch sind die in Aufregung und Zorn willkürlich hinzugefügten ! Da sind es zunächst die sogenannten Sakkaden , auch wohl humoristisch als » Landwehrparaden « bezeichneten, Gebiſsschläge, welche mit voller Armkraft und in der Luft ausgeholt um so sicherer und schwerer die Laden verletzen, als sie diese fast regelmäſsig in dem Augenblick treffen, wo sie in Folge des begonnenen Abschiebens der Hinterbeine den gröſsten Widerstand leisten und
das Genick zum Nachgeben am wenigsten zurechtgestellt ist. Trifft dagegen eine solche Sakkade den richtigen Augenblick d . b . den , in welchem
durch Schenkel oder Sporn die Hinterbeine des Tieres
am weitesten unter den Leib, wo möglich unter den Schwerpunkt des Reiters, gestellt sind, so hat sie allerdings augenolicklichen Erfolg : man sieht dann das Tier, sich in den Hanken biegend, vielleicht nach bäumend erhobener Vorhand , dem Zügelanzuge sofort
gehorchen, und letzterer hat dann meist auch trotz seiner Heftigkeit keine bösen Folgen, weil er einen nachgiebigen Unterkiefer, ein nachgiebiges Genick trifft . Das beweist aber nur, daſs auch eine solche Sakkade nur der Faust des vollendeten Reiters in
Augenblicken , in welchen Gefahr im Verzuge ist, gestattet sein kann ! Sie ungeschickten Reitern als Nothülfe zu lehren , kann nur Ladendruck führen .
und
gebrochene Laden herbei
im Frieden und Kriege .
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Aber, um ersteren herbeizuführen , ist ein solcher ruckender
oder schnellender Gebrauch der Kandare keineswegs erforderlich . Es genügt schon ein so scharfer und dauernder Anzug der Zügel , daſs die eben angedeuteten richtigen Augenblicke überdauert werden , und das Tier lieber den , ihm auf den Laden verursachten Schmerz erträgt , als den gröſseren
oder ihm unerträglicher erscheinenden , welchen jener
Zügelanzug den nicht genügend bearbeiteten und daher schmerzenden Gelenken und Muskeln , sei es der Vorhand oder Hinterhand , zufügt.
Also : In der ungeschickten Hand des Reiters liegt die Hauptursache jedes Ladendrucks. Ist der Reiter heftig oder ungeduldig, will er mit Gewalt er zwingen, was nur allmählich durch sanfte Gewöhnung zu erringen ist, will er, statt sich mit den gradweise der, bis dahin schon aus gebildeten, Nachgiebigkeit und Biegsamkeit weiter abzuringenden, allmählichen Fortschritten zu begnügen , diese sprungweise ertrotzen,
oder fehlt ihm das Verständnis für den Grad der anzuwendenden Zügelhülfe, welche dem augenblicklich überwindbaren Wider streben des Tieres stets nur um ein Geringes überlegen sein darf,
so erzeugt er Schmerzen, zu deren Abwehr sich das Pferd ganz natürlich lieber dort steift, wo es durch viele Gewöhnung
schon verhältnismäſsig weniger empfindlich geworden ist, d. h . mit dem Unterkiefer gegen das Gebiſs. Der langdauernde Druck des Gebisses aber auf den mit weichen Schleimhäuten bekleideten Laden muſs hier durch andauernde Störung
und Unterdrückung des Blutumlaufes allmählich ein Gefühl von Taubheit und Abgestorbenbeit hervorrufen , welches selbst eine
scharfe Verletzung augenblicklich gar nicht empfinden läſst .
Diese einfache und naheliegende Betrachtung sollte weiterhin zwei Wahrheiten zur allgemeinen Anerkennung verhelfen, nämlich : 1. Daſs man nicht allzulange hintereinander bei noch
zu dressierenden , also gegen das Gebiſs noch nicht völlig nach giebigen , Pferden mit ein- und dem selben auf dieselben Stellen der Laden wirkenden
Gebiſs arbeiten dürfe , sondern , daſs es zweckmäſsig ist , solches zuweilen durch ein , an andere Stellen
des Maules wirkendes abzulösen , eine Erwägung, welche entschieden für die Beibehaltung einer Trense neben
Der Ladendruck und seine Bedeutung
200
der Kandare bei jeder , namentlich aber bei einer Kriegs zäumung , spricht ; und
2. daſs gerade die Kandare mit ihrer scharfen Hebel wirkung um so weniger zu solcher andauernden Wirkung gebraucht werden sollte , je mehr Wider stand dem Tier von der Trensendressur her noch verblieben ist.
Wird man es mir ferner verdenken können, wenn ich bei dieser
Gelegenheit abermals darauf hinweise, wie sehr meine Patentzäumung, welche Kandare und Trense in so zweckmäſsiger und genau wirkender Weise vereinigt, einen solchen Wechsel der durchzuarbeiten den Gebisse begünstigt ?
Andererseits wird man nach meinen letzten Ausführungen leicht einsehen, daſs auch mit durchaus richtig konstruierten und gat ver passten Zäumungen Ladendruck erzeugt werden kann , wenn der Reiter bei der Dressur, statt mit Geduld und Verständnis, mit Schnelligkeit und Gewalt vorzugehen versucht.
In der Regel indessen versteht man da, wo man gut zu zäumen versteht, auch gut zu reiten . Da, wo man über die Grundsätze der
Zäumung im Unklaren ist , sieht es auch mit der Reiterei meist mangelhaft aus . Häufiger Ladendruck in einer Trappe zeugt weder
für die in derselben herrschende Zäumungs- noch Reitkunst. Ladendruck gänzlich zu vermeiden, würde freilich erst dann gelingen, wenn Leute und Pferde bis zu einem Grade der Voll kommenheit ausgebildet werden könnten , der jede Gelegenheit zu
Ladendruck beim praktischen Reiten im Freien und beim Exerzieren ausschlösse .
Die Bedeutung des Ladendruckes im Frieden besteht nun aber
wohl eben darin, daſs er zu einer gründlichen Untersuchung der Zäumung und derjenigen etwa im Dressurstande der Pferde, wie der Reitkunst der Reiter liegenden Ursachen, welche sich bei einiger Sorgfalt und Mühe leicht beseitigen lassen , Veranlassung geben sollte .
Wünschenswerth bleibt dabei in erster Reihe, daſs die Zäumung nicht mehr als eine Art Uniformstück betrachtet werde, dem sich
die verschiedene Form
der Pferdemäuler ihrerseits anpassen müsse.
Würde man neben den notgedrungen eingeführten verschiedenen die auch statt, wenn ich nicht irre, in Nummern nur 3 , von halbem zu halbem Centimeter steigend, etwa
Weiten der Mundstücke
von 11 bis zu 13,5 cm . also in 6 Nummern zu führen sein würden
auch verschiedene Zungenfreiheiten einführen , vor Allem aber
im Frieden und Kriege .
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bei Pferden mit tiefer Lage der Kinngrube eine passende Riemen zäumung gestatten , so würden fast alle im Gebiſs selbst liegenden Ursachen zu Ladendruck verschwinden .
Ich habe mir in dieser
Beziehung bei der Truppe in früheren Jahren durch das Festnähen lassen des Nasenriemens an den Backenstücken des Hauptgestelles geholfen , wodurch die Kinnkette gewissermaſsen auſser Thätigkeit gesetzt wurde, eine Aushülfe, die jetzt, wo der Nasenriemen nur an der Halfter, aber nicht am Hauptgestell vorhanden, nicht mehr an wendbar ist.
Um so mehr sollte die Arbeit der Pferde an der Hand , sowohl
im Stalle durch Ausbinden , Beizäumen und Abbiegen an der Wasser- und Unterlegetrense, wie im Stehen in der Tour, sowie unterm Sattel Anwendung finden . Wird das Thier so zu allen Biegungen und Wendungen im Genick und Hals vorbereitet, die Ohrspeicheldrüsen das Haupthindernis für den Gehorsam gegen manchen, sonst durchgehenden Zügelanzug
gedehnt und heraus
gearbeitet, und werden diese Übungen nachher an der Kandare fort gesetzt, so wird abermals eine ganze Reihe von Veranlassungen zu Ladendruck vermieden und die Reitausbildung entschieden gehoben werden.
Bei den Reitern selbst aber wird nichts so sehr dazu beitragen, die in ihrer Faust etwa liegenden Veranlassungen zu Ladendruck
zu beseitigen , als , wenn sie in der Exerzierperiode auf stets nach giebige Kaumuskeln , beziehungsweise Unterkiefergelenke und ein ebenso nachgiebiges Genick treffen . Kommt hierzu noch eine genaue und eingehende Unterweisung
über richtige Augenblickshülfen mit Schenkeln , Gesäſs und Zügeln, sowie über die erste aller Reitertugenden , die Geduld , und die schädlichste aller Reitereigenschaften, den Zorn , dann wird der Ladendruck bald zu den gröſsten Seltenheiten gebören. Sollte man aber hier und da auf ein Thier stofsen, dessen Kunst
in Steifungen aller Art in Hanken, Rücken, Genick und Ganaschen , dessen störriges Wesen und stierartige, meist passive Widersetzlichkeit auch eine himmlische Geduld auf die Probe stellen kann , hat man sich überzeugt, daſs weder die Zäumung noch die Arbeit des Reiters zu wünschen lassen, ohne zum Ziele zu kommen - der Fall wird ein sehr seltener sein
dann lasse man es im
Nothfalle auf die
kräftigsten , aber richtigen Hülfen ankommen : der Laden druck im Frieden kann nicht nur leicht geheilt , er kann sogar benutzt werden , um sonst sehr hartnäckige Tiere auſserordentlich
gefügig zu machen. Man überzeuge sich nur, daſs die Wunde ge
Der Ladendruck und seine Bedeutung
202
hörig nach den unten angegebenen Grundsätzen gepflegt wird, um wickle das Gebiſs an der fraglichen Stelle 3–4 Mal mit Leinwand ,
welche vor dem Reiten mit frischem Wasser angefeuchtet wird und benutze die Zeit des vorhandenen Ladendrucks, um Alles das in
ausgiebigster Weise von dem Thier zu verlangen, dem es sonst Schwierigkeiten bereitete oder was es geradezu verweigerte. Man wird über die Gelehrigkeit, welche es unter dem Schmerz der Wunde zeigt, erstaunen und die Lehre wird, wenn die Wurde auch langsamer heilt , für das Thier nicht verloren sein . Mir sind die Ergebnisse, welche ich bei einzelnen 3 Fälle
sind mir mit allen ihren Wechselfällen genau erinnerlich — solcher -
Thiere mit diesem Verfahren erreicht habe und welche sich als
dauernde erwiesen, als durchschlagender Beweis für die Ausicht er schienen , daſs auch dem Pferde das Ursachengesetz hinreichend begreiflich ist, um es den Zusammenhang zwischen Ursache und
Wirkung zwischen seinem hartnäckigen Widerstreben und dem ihm nun schmerzhaft aufgezwungenen Willen des Reiters – erkennen zu lassen .
Die Doktorfrage aber, ob es nicht auch in diesen sehr wenigen Fällen bei noch gröſserer Geduld und noch mehr Zeit und be
lehrenden Mitteln gelungen sein würde, auch ohne den schmerzhaft verbessernden Ladendruck auszukommen , oder ob es wirklich einzelne Thiere giebt, deren hartnäckige Willenskraft mit der Geduld des Reiters wächst und zu ihrem Brechen schmerzhafte und rücksichtslos
durchgreifende Wirkungen erfordert, will ich hier nur zur Erwägung stellen, ohne sie irgend erledigen zu wollen .
Aufgefallen ist mir allerdings, daſs die Hülfe, welche ein Tage lang hintereinander gezwungener Weise vorgenommenes 14--15 stün
diges Reiten - wie es im Kriege sich ganz von selbst ergiebt – zur Beseitigung auch sehr hervorragender Schwierigkeiten leistet, jede schmerzhafte Einwirkung auf das Thier überflüssig zu machen scheint. So wurde ein am 5. Juli 1866 dem Gräflich Kinsky'schen Gestüt entnommener, etwa 4 '/ jähriger Renner, englisches Vollblut, welcher mehrere erste Preise auf Wiener Rennen hinter sich hatte, und
bis
dahin
nur
für die Rennbahn trainiert
so groſse
Schwierigkeiten im Genick , Ganaschen und Hanken zeigte, daſs er den ihn in den ersten Tagen reitenden Unteroffizier, einen recht guten Reiter, wiederholt in Lebensgefahr brachte, indem er mit ihm über die Räder der im Marsche befindlichen Geschütze sprang ,
nachdem ich ihn dann selbst unter den Sattel nahm und Tag für Tag unter fortwährender Arbeit vom Morgen bis Abend bei der
im Frieden und Kriege.
203
Batterie ritt, so gefügig , daſs er schon bei der Parade der Elbarmee
bei Ladendorf (30. Juli) als Paradepferd tadellos thätig und bei der
Rückkehr nach Köln, Anfangs September, als ein hochleistungsfähiges und dabei vollständig bequemes Commandeurpferd zu bezeichnen war. Ähnlich erging es mir 1870/71 mit einem mir dienstlich als Commandeurpferd gestellten , ebenso edlen, wie hochbeinigen ( 5 Fuſs 11 Zoll Bandmaſs) Mecklenburgischen Goldfuchs, schon 11 Jahre alt, der sich in Folge seiner Genickschwierigkeiten besonders im Über
schlagen ausgebildet hatte, dies auch in der ersten Hälfte September noch mehrmals unter mir ausführte, bis es gelang, ihn nach solcher
Leistung von meinen Leuten am Boden festhalten und gründlich abprügeln zu lassen. Von da ab unterlieſs er jeden Versuch nach
dieser Richtung , und die dann folgenden Kriegsmärsche gaben Gelegenheit, das schöne Tier ohne alle Weiterungen aufs voll zum gehorsamsten Paradepferde zu
ständigste auszubilden und machen .
Ich neige daher zu der Ansicht, daſs es im Kriege , einiger maſsen gut verpaſste Zäumungen vorausgesetzt, verhältnismäſsig leichter ist, Ladendruck zu vermeiden, als im Frieden, und daſs das namentlich bei der einzigen gut ausgebildeten Kriegsgarnitur welche um mit Herrn v. Monteton zu reden, von Pferden der Staat besitzt, nicht gerade schwierig sein würde, wenn nicht die tagelangen, den Märschen meist vorausgehenden Eisenbahntransporte die Tiere namentlich für ihre ersten Leistungen unter dem Reiter wieder etwas ungefüge machten . Gerade bei diesen ersten Märschen ist darum Geduld und ruhiges Bessern etwa noch vorhandener Unvollkommenheiten anzuraten.
Denn ist im Kriege erst Ladendruck erzeugt, und läſst sich nicht etwa die wunde Stelle durch Höherlegen des Gebisses das Tieferlegen ist in seiner Wirkung weit zweifelhafter, weil beim Annehmen der Zügel sich das Gebiſs nur zu leicht wieder höher schiebt - vollständig schonen , so wird das Tier durch Versagen des Futters leicht binnen wenigen Tagen untüchtig und kann gerade
dann versagen, wenn man seiner Leistungen am dringendsten bedarf. An Zeit zur Behandlung des Ladendrucks bei Tage wird es in der Regel fehlen, und Nachts muſs der Reiter und das Tier Ruhe haben .
Höherlegen des Gebisses, sorgfältiges Umwickeln derjenigen Teile , welche mit dem verletzten Laden in Berührung kommen können, mit Leinwand und öfteres Benetzen der letztern mit frischem
Wasser, das sind neben sehr sorgsamem Zügelgebrauch die einzigen Mittel , das Tier noch unter dem Reiter dienstfähig zu erhalten .
Der Ladendruck und seine Bedeutung
204 Andernfalls
muſs es ,
am
besten an der bloſs mit Nasenzügeln
versehenen Halfter, an der Hand geführt und das Maul mit einem bloſsen hölzernen dick mit genäſster Leinwand umhüllten Knebel versehen werden . Knochenverletzungen der Laden erfordern eine längere und sorgfältigere, im übrigen ganz gleiche Behandlung. Werden Knochensplitter in der Wunde sichtbar, so werden sie, wenn sie lose sind, mit der Pincette fortgenommen, andernfalls ist es besser, sie ruhig der Lösung durch Eiterung zu überlassen. Auf alle Fälle verdienen auch leichte Verletzungen der Laden im Kriege sofortige eingehendste Beachtung, damit sie nicht zu vorübergehender Dienstunfähigkeit des Tieres führen . Zur Vermeidung derselben aber dient es sicherlich, namentlich auf langen Märschen , wenn man sich abwechselnd der Kandare und
der Trense zur Führung bedient. Ist die Zäumung, wie bei meinem Halfterzaum mit Trageschaken Nr. II, so eingerichtet, daſs man durch einfaches Kurzschnallen des Nasenriemens auch auf diesen
allein führen kann , indem die Trensenzügel mittelbar an ihm wirken , ohne das Trensengebiſs zur Einwirkung auf dem Unterkiefer zu bringen, so sieht man, eine wie wertvolle Hülfe darin liegt, um das Maul des Tieres zu schonen und zu erfrischen .
Diese selbe
Hülfe würde auch unsere heutige Dienstzäumung für die Pferde der Unteroffiziere und Gemeinen schon dann bieten , wenn der Nasen
riemen in die viereckigen Schaken der Diensthalfter eingeschnallt würde und daher verkürzt oder verlängert werden könnte. Jetzt, wo er eingenäht ist , kann er richtig nur so eingenäht und ab gepaſst werden , daſs er noch ein wenig auf das Nasenbein wirkt,
wenn die Trense auf die Laden am schärfsten drückt. Kürzer ein
genäht, würde er das Trensengebiſs seiner Wirkung zu sehr entheben und länger eingenäht , dasselbe ganz allein zur Geltung komme lassen .
Bedenkt man nun, wie leicht auch ein starker Riemen sich
bei längerem Gebrauche und naſs geworden dehnt , beim Trocknen wiederum sich verkürzt , so sieht man ,, welchen Zufälligkeiten die Wirkung der Unterlegetrense bei ihrer heutigen Befestigung mit Knebeln in den Halfterschaken ausgesetzt ist. Dieselbe ist dann nur einigermaſsen durch Länger- oder Kürzerschnallen des Halfter
backen- und Kopfstücks zu regeln, was aber im ersten Falle wieder zum Heraushängen der Trense zur Seite oder zur Behinderung der Kandarenwirkung , im zweiten zum Zerren des Maulwinkels u. s. w.
Veranlassung geben kann. Deshalb und wegen ihrer Eingangs her vorgehobenen Mängel erscheint die jetzige Unterlegetrense wenig kriegsbrauch bar und einer Verbesserung entschieden bedürftig.
im Frieden und Kriege.
205
Das tritt um so klarer hervor , wenn man an den Fall denkt,
daſs im Kriege ein gröſserer Teil der rausgebildeten Kriegsgarnitur« unserer Pferde verbraucht ist und durch Beutepferde, schnell aus gebildete Augmentations-, Ersatz- oder auf feindlichem Boden aus
gehobene Pferde ersetzt werden muſs. Dann werden alle Vorteile eines dem Pferde leicht verständ
lichen , nicht schmerzhaften , von allen widersprechenden Ein wirkungen befreiten, genau wirkenden und dem Reiter alle Mittel , welche
in
der Zäumung überhaupt zu finden sind : Kappzaum
Trenseu- und Kandarenwirkung in jedem Augenblick zur Verfügung stellenden Gebisses sich geltend machen .
XIII.
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres. In dem Aufsatze der Jahrbücher ( Januar -Heft) > Die nieder
ländische Kriegsakademie und die Intendanturschule« war mit ein paar Worten auf die Revision des Grundgesetzes hingewiesen, die gerade damals in jenem Lande zu Stande gekommen war. Die Artikel des neuen Grundgesetzes, welche Bezug haben auf die Zu sammensetzung der Landmacht, lauten wie folgt: Art. 180.
Alle Niederländer, welche dazu im Stande sind,
sind verpflichtet, zur Aufrechthaltung der Unabhängigkeit des Reiches und zur Verteidigung seines Grundgebietes mitzuwirken . Auch den Eingesessenen , die keine Niederländer sind, kann jene PAicht auferlegt werden .
Art. 181. Zur Sicherung des Staatsinteresses besteht eine See- und eine aus Freiwilligen und Dienstpflichtigen bestehende Landmacht.
Das Gesetz regelt auch die oder Landmacht Art. 182.
regelt die Verpflichtungen zum Kriegsdienst, es Verpflichtungen, welche denen , die nicht zur See gehören, auferlegt werden können . Fremde Truppen werden nur kraft eines Gesetzes in
Dienst genommen .
Art. 184. Die Dienstpflichtigen zu Lande dürfen nur mit ihrer Zustimmung nach den Kolonien und Besitzungen des Reiches in anderen Weltteilen geschickt werden . -
Man ersieht hieraus, daſs dem Gesetzgeber groſse Macht vollkommenheit in Ansehung der Heeresorganisation zugesprochen ist, welche Freiheit in allen vorigen Grundgesetzen durch die Be stimmung hinsichtlich der Schutteryen in erheblicher Weise beschränkt wurde, wenn auch viele der Meinung waren, daſs dies mehr ein
Vorwand wäre, um von allgemeiner oder persönlicher Dienstpflicht frei zu bleiben , als ein wirkliches Verbot.
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
207
Wie dem nun auch sei, jetzt ist jeder Sperrbaum auf dem Wege zu einer guten Organisation der lebenden Streitkräfte beseitigt. Der Streit war ziemlich heiſs, doch dadurch ist auch der Vorteil
erzielt, daſs kein einziges Hauptstück der Grundgesetz-Revision so sehr die Aufmerksamkeit des aufgeklärten Teiles der Bevölkerung auf sich gezogen hat, als das über die Landesverteidigung. Ohne daſs es jemals ausgesprochen wurde, wenigstens von dem Minister tisch , fühlte jeder, daſs mit der Annahme dieses Teils der Revision
auch das Einstehersystem aus der Reihe der Staatseinrichtungen verschwinden würde ; ein Vorgefühl, das wirklich groſse Aussicht hat bestätigt zu werden, wenn man sieht, wie nahezu alle liberalen
und antirevolutionären (orthodox-protestantische) Wahlvereine persön liche Dienstpflicht in ihr Programm aufgenommen haben . Vor dem
Zustandekommen der Grundgesetz-Revision schien übrigens diese Idee keinen festen Boden gewinnen zu wollen ; wuſste doch jeder, daſs die Katholiken sich stets dem Prinzip jener Dienstpflicht feind
lich gezeigt und indem sie sich bei Abstimmungen über Vorlagen, die eine Änderung auf militärischem Gebiete betrafen, welche vor aussichtlich der Bevölkerung gröſsere Lasten auflegen werden, zu
den sogenannten » Antimilitärischen « scharten, wozu die meisten (liberalen ) Abgeordneten aus dem Norden des Landes und aus Rotterdam gehören , die Annahme jener Vorlagen ernstlich gefährden könnten. Daſs fast alle Antimilitärischen bei der zweiten (letzten)
Behandlung der Grundgesetz-Revision sich mit ihren politischen Freunden vereinigen würden , hofften zwar alle, die eine durch
greifende Änderung der Heeresorganisation für angezeigt hielten, doch sie getrauten sich nicht es zu erwarten. Es ist jetzt aber eine vollzogene Thatsache, und damit scheint es auch entschieden , daſs die Abstellung des Einstehersystems nur bei den Abgeordneten der katholischen Partei Bekämpfer finden wird. Bei der Beratung über die Grundgesetz -Revision erklärte der Kriegsminister, daſs ein Entwurf einer neuen Heeresorganisation fertig liege, ohne jedoch hinzuzufügen, daſs er die Grundlage zu einer Gesetzesvorlage bilden würde. Ebenso ist noch nichts Näheres bekannt über einen Antrag, den einer der militärischen Abgeordneten
der Regierung zur Beachtung vorgelegt hat, nämlich die Ernennung eines Staatsausschusses, bei welchem zweifelsohne mehrere nicht
militärische Mitglieder sein würden, um die Grundgedanken zu einer zweckmäſsigen Heeresorganisation anzugeben beziehungsweise die nötigen Gesetze vorzubereiten.
Weil nun aber der Kriegsminister sich
jeder weiteren Mitteilung über den Inhalt des ebenerwähnten Entwurfes
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
208
enthalten hat, so tappen wir augenblicklich betreffs der Heeres organisation noch ganz im Finstern .
Doch dürfte es keine nutzlose Arbeit sein, in kurzen Zügen drei Entwürfe mitzuteilen, die mehr oder weniger ausführlich in zwei Zeitschriften diesen Gegenstand behandeln, die beiden ersten von anonymen Schriftstellern, der dritte von dem Major des General Stabs Seyffardt. *) Nach unserem Dafürhalten verdienen diese Ent würfe in hohem Maſse unsere Aufmerksamkeit, da sie einen Blick auf das Streben der Offiziere der niederländischen Armee gestatten , die natürlich nichts sehnlicher herbeiwünschen, als daſs ihr Vaterland
sich auf militärischem Gebiete eine Stellung erränge, die es in Stand setzte, bei einem etwaigen Kriege zwischen West- und Mitteleuropa
kräftig aufzutreten zur Behauptung der Neutralität, und, wenn die Notwendigkeit heranträte, der Unabhängigkeit. Der erste Entwurf, der die Unterschrift » Brinio « führt, er
schien noch vor der Annahme der Grundgesetz-Revision unter dem Titel : » Keine Schuttery mebr ! « Die Grundlagen, auf denen dieser Entwurf beruht, können in wenige Worte zusammengefaſst werden . Soviel als möglich beibehalten, was von dem bestehenden Zustand als brauchbar befunden werden kann. Dahin streben, mit möglichst geringem persönlichem und finanziellem Druck ein brauch bares Ganzes zu bilden ;
würde diesem Streben nicht Rechnung
getragen und man forderte im Gegenteil das Äuſserste, um die
Wehrkraft möglichst zu steigern, so kann man mit Bestimmtheit vorhersagen, daſs der Gesetzentwurf verworfen wird.
Eine recht ausgiebige Benutzung der Miliz-Stämme, auſser bei den berittenen Waffengattungen, und besonders bei den Festungs truppen .
Den Kern der Besatzungstruppen bildet die Festungs -Artillerie; die Stabsoffiziere dieser Waffengattung werden infolgedessen mit dem allgemeinen Befehl, auch über die Festungs- Infanterie beauftragt werden ; die Compagnien und Bataillone derselben sollen zum gröſsten Teile von Hauptleuten und Stabsoffizieren befehligt werden , die aus irgend einem Grunde eine verfrühte Pensionierung verlangen und sich als Reserve - Offizier verpflichten , bei einer Mobilmachung zur *) Major Seyffardt ist im März zum Abgeordneten gewählt worden ; ob es ihm und seinen Freunden gelingen wird, etwas zu Stande zu bringen , ist sehr fraglich geworden, da die Wahlen für die neue Kammer in anti-liberalem Geiste ausgefallen sind, und die Katholiken sehr viel Einfluſs auf, oder sogar in der Regierung bekommen werden.
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
209
Übernahme einer solchen Stelle verpflichten ; die Lieutenants der Besatzungs- Infanterie werden sämtlich aus der Miliz genommen . Zu der Kavallerie wie zur reitenden Artillerie werden keine
Milizen eingeteilt, offenbar mit der Absicht, diese Waffengattungen in kürzester Frist ausrücken lassen zu können.
Das Einsteher -System kommt in Wegfall. Man hofft, daſs da durch von den reichlich 3000 Einstehern, die jetzt im Heere dienen, mindestens ein Drittel sich als Freiwillige werde einschreiben lassen, eine Ziffer, die schwerlich zu hoch gegriffen sein dürfte. Depots in Friedenszeit werden nur bei den berittenen Waffen gattungen und bei den Genietruppen errichtet oder beibehalten ; der erforderliche Stamm für die bei einer Mobilmachung zu errichtenden
Depots ist jedoch vorhanden, insoweit es kein Miliz- Stamm ist.
Alle nicht gänzlich dienstuntauglichen männlichen Eingesesssenen von 20—30 Jahren, insoweit sie nicht als Freiwillige dienen oder
zur Miliz eingeteilt sind, gehören zum Landsturm, dieser wird nur bei einer Mobilmachung des Heeres aufgerufen. Es werden Listen geführt über ihren Beruf oder ihr Gewerbe, um sie sofort zu ver
wenden , beim Inverteidigungszustandbringen der Befestigungen,
zum Bewerkstelligen von Überschwemmungen, zum Bewachen der Magazine, zur Führung von Transporten u . 8. W. w. als erste Reserve für die Depots.
Sie dienen ferner
Es wird angenommen, daſs jährlich reichlich 38,000 Dienst pflichtige vorhanden sind, von denen 11,000 der Miliz zugewiesen werden . Bei einem sehr ergiebigen Ausfall, ferner nach Abzug aller » non - valeurs , wie von 600 Mann für die Seemiliz, gelangt man bei
zehnjähriger Dienstpflicht zu einem Heere von reichlich 93,000 Mann geschulter Truppen, wovon 5700 Freiwillige, auſserdem noch 11,000 Mann in den Depots und 112,000 Mann Landsturm , die Offiziere nicht mitgerechnet. Die jährliche Gestellung zur Miliz ist ebenso groſs als die jetzt bestehende; aber durch die Verdoppelung der Dienstzeit zieht man mehr Nutzen von den Übungen im stehenden Heere, während sich jetzt die Miliz nach 5 Jahren in den Schutteryen verliert, die, trotz ihres guten Willens, doch geringen Nutzen für die Landesverteidigung haben dürften . Auſser der kurzen Dienstzeit klebt dem bestehenden Zustand
der Mangel an, daſs die erste Übungszeit zu kurz ist ; das frühere Grundgesetz gestattete nicht mehr als 12 Monate. In Brinios Entwurf sollen die Infanterie, die Festungs - Artillerie und die Lazarett-Soldaten
16 Monate zur ersten Übung aufgerufen werden, alljährlich anzu fangen am 1. November, und zu Wiederholungsübungen im ganzen Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine. Bd. LXVII, 2.
14
210
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
wäbrend 9 Wochen in dem 3., 6. und 9. Jahre, die übrigen Waffen 9
gattungen und Truppenteile 24 Monate zu den ersten Übungen und 3 Wochen im 4., 5. oder 6. Jahre. Erwähnen wir ferner, ob es gleich mit der eigentlichen Orga nisation nichts zu schaffen hat, daſs mit dem Plan ein Entwurf
verknüpft ist zu einer geringen Wehrsteuer und eine Regelung des Gehaltes, der nicht allein nach dem Rang, sondern auch nach der Anzahl der Dienstjahre berechnet ist, so daſs die Hauptleute und Lieutenants alle 5 Jahre 200 Gulden Erhöhung bekommen, die Majore und Oberst -Lieutenants 300 Gulden, die Obersten 400 Gulden und die Generale 500 Gulden, so haben wir die Grundzüge des
Brinio'schen Entwurfes abgehandelt. Was die Einzelheiten dieses Entwurfes anbelangt, so teilt er
die Armee in eine Feldarmee und ein Besatzungsbeer.
Letzteres
hat keinen allgemeinen Befehlshaber, doch wird es über die ver schiedenen Linien, Stellungen und Befestigungswerke verteilt. Die Feldarmee, angeführt von einem Generallieutenant, wird
gegliedert in 3 Divisionen unter dem Befehl von Generalmajoren. Sie besteht aus :
9 Regimentern Infanterie zu 4 Bataillonen mit 4 Compagnien. Für jedes Bataillon wird ein Depot errichtet. 3 Regimenter Husaren, jedes von 5 Feldschwadronen dazu eine Schwadron Ordonnanzen , die im Mobilmachungsfalle an die Feldarmee verteilt wird ; sämtlich Freiwillige. - 3 Regimenter Feldartillerie, -
jedes von 6 Batterien zu 6 Geschützen und ein Depot. Bei den Batterien die Aushebungen 1-6, bei den Depots 1-10.
2 Batterien reitende Artillerie, samt und sonders Freiwillige ; ferner eine Instruktions -Batterie in Friedenszeit. *)
1 Bataillon von 3 Compagnien Feld -Genietruppen, und eine Eisenbahn-, zugleich Telegraph -Compagnie. Milizen von den Aus hebungen 1–10. 8 Compagnien Train , wovon 2 für das Hauptquartier und für die nicht den Divisionen eingereihten Abteilungen (Ponton-Kolonne,
Munitionspark u . s. w.) Aushebungen 1-10, nebst einem Teil der Aushebungen 7—10 von der Feldartillerie. Der übrige Teil dieser Aushebungen fällt den Depots dieser Waffengattung zu.
3 Compagnien Lazarett-Soldaten (Krankenträger). Aushebungen 1- 10.
*) Die 15 Feld -Schwadronen können mit den 2 Batterien reitende Artillerie vereinigt werden zu einer selbstständigen Kavallerie-Brigade oder auch an die Divisionen verteilt werden,
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
211
2 Compagnien Pontonniere, welche bei einer Mobilmachung jeder Division einen berittenen Pontonnier liefern .
Im groſsen Ganzen blieben – die numerische Stärke aus durch obigen Entwurf die bestehenden Verhältnisse
genommen
unverändert. Gleichwohl schlägt Brinio eine wichtige Änderung in der Friedensorganisation vor ; während nämlich jetzt nur Infanterie Divisionen bestehen und deren Commandeure nicht den geringsten
Einfluſs auf die Übungen der anderen Waffengattungen haben , will der Verfasser, daſs künftighin auch in Friedenszeiten jeder Divisions Commandeur nicht nur die 12 Bataillone Infanterie unter seinen
Befehlen haben solle, sondern auch 1 Regiment Feldartillerie, 1 Compagnie Genietruppen, 2 Compagnien Train und 1 Compagnie
Lazarett- Soldaten (Krankenträger), während derselbe für Übungen überdies über ein Regiment Kavallerie verfügen könnte. Das Besatzungs -Heer besteht aus: 36 Bataillonen Infanterie
zu 4 Compagnien. Aushebungen 6-10 der Infanterie. 6 Regimenter Festungs - Artillerie, jedes zu 2 Bataillonen mit
6 Compagnien.. Aushebungen 1–10. Im Mobilmachungsfalle wird bei jedem Regiment ein Depot errichtet, wozu die Aushebungen 6-10 der Seemiliz eingeteilt werden. 1 Bataillon zu 5 Compagnien Genietruppen. Aushebungen 1—10. Das Depot für alle Genietruppen ist in Friedenszeiten zum Bataillon Feld-Genietruppen eingeteilt. 2 Compagnien Torpedisten - Aushebungen 1–10. Ohne Depots beziehungsweise ohne Offiziere zählt in diesem Entwurfe die Feldarmee 43,466 Mann und die Besatzungs -Armee 49,824 Mann.
Offenbar wird auf die Übung der Infanteristen der Besatzungs Armee nicht viel Sorge verwendet.. Der Verfasser sieht darin einen günstigen Umstand, erstens weil dadurch die Gelegenheit eröffnet ist, die Feldarmee, was die Infanterie betrifft, fast zu verdoppeln , was von gröſster Wichtigkeit bei der Behauptung der Neutralität und bei einem Kriege gegen eine Seemacht sein kann , zweitens, weil er überzeugt ist, daſs in den holländischen Linien ein gut
geübter Feld - Infanterist je länger je brauchbarer sich erweisen wird als Festungs -Infanterist, während das Umgekehrte nicht der Fall ist und zwar weil die Rolle der Befestigungen in der Zukunft be deutend geändert werden wird . Durch Einführung dieses Entwurfs würden die Heeresausgaben
nur ein Mehr von 1 Million Gulden niederländische Währung erfordern , wobei auf eine Verstärkung jeder Feldschwadron um ។
14 *
212
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
22 berittene Husaren gerechnet ist , während alle Kosten für die
Schutteryen in Wegfall kämen , deren Betrag sich der Berechnung entzieht, weil sie teilweise vom Reich, teilweise von den Gemeinden, zum Teil von den Offizieren und den Schutters selbst getragen werden, welcher Betrag jedoch von dem Verfasser auf nahezu eine Million Gulden niederländische Währung veranschlagt wird . Die Billigkeit erheischt jedoch darauf hinzuweisen, daſs für die Anschaffung des Artillerie-Materials und für neue Befestigungswerke reichlich eine Million weniger in Antrag gebracht ist, als für das Jahr 1887 bewilligt war ; der Verfasser meint dazu berechtigt zu sein durch die Erfahrung, daſs der Zeitgeist auf leichtes Festungsgeschütz hin weist, während der Bau der Befestigungswerke um Amsterdam sehr vorsichtig fortgesetzt werden muſs, zumal was die kostspieligen Teile - Mauerwerk und Panzerungen - betrifft. »Man vergesse jedoch nicht« sagt der Verfasser, » daſs jede durchgreifende Verbesserung der lebendigen Wehrkraft jederzeit der Verteidigung zu gute kommt ; wird solch eine Verbesserung angewandt, so wird man auf dem Gebiete der toten Wehrmittel ruhig eine mehr abwartende 9
9
Haltung annehmen können . «
Der zweite Entwurf , nur eine Umänderung des vorigen , ist unter dem nämlichen Titel » Keine Schuttery mehr« erschienen und unterzeichnet » Tyr « .
Wenn Brinio sagt, daſs er es bedauere , daſs durch die Ein
führung seines Entwurfes, das Offizier -Corps der Infanterie aufs neue herabgedrückt werde , so geht Tyr noch einen Schritt weiter,
und nennt es ein ernstliches Bedenken und einen groſsen Nach teil , jenes Corps so sehr zu vermindern , während die Waffe der Infanterie im allgemeinen doch erweitert wird. Die Behauptung Brinios , daſs man mit seinem System sofort über eine Feldarmee von 43,000 und ein Besatzungsheer von nahezu 50,000 Mann verfüge, samt und sonders gut geschult für ihre
Aufgabe, scheint nach Tyr ebensosehr angreifbar , als der Aus spruch , es wäre eher ein Vorteil , als ein Nachteil, wenn die Besatzungs-Infanterie keine oder eine nur dürftige Ausbildung be käme. Tyr meint , daſs die Rolle der permanenten Werke erst dann eine erhebliche Umwandlung erfabren wird, wenn sie nach eine Bemerkung, die den neuen Ideen eingerichtet sein werden unseres Bedünkens nicht sehr stichhaltig ist ; ferner, daſs gerade die Rolle der Werke der niederländischen Linien gewiſs die geringste 7
Veränderung erleiden werde , weil da drauſsen Unterkunft und
Aufstellung der Truppen mit groſsen Schwierigkeiten verbunden
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
213
sei, und drittens sucht er darzuthun, daſs die Infanterie noch immer
zur Besatzung der Festungswerke gehört. Er ist ein warmer Ver fechter der gründlichen Ausbildung der Besatzungs-Infanterie, ins besondere was den Sicherheitsdienst angeht. Auch schwärmt er nicht für die Verdoppelung der Infanterie bei Maſsregeln für die Küstenverteidigung beziehungsweise zur Be hauptung der Neutralität; er meint , dann müsse auch die Feld artillerie in dem Maſse erweitert werden ; drei Geschütze auf ein Bataillon Infanterie sei ja das Wenigste.
Ferner hat er ernstliche Bedenken gegen die Reserve -Stabs Offiziere und Reserve -Hauptleute, dadurch werde seines Erachtens
der Befehl über die Festungswerke als Nebensache angesehen und nicht als das, was er wirklich sei: einer der schwierigsten und wichtigsten Posten in Kriegszeit , während er die Frage aufwirft, ob es nicht ein groſser Fehler sei, einen Krieg anzufangen mit einem groſsen Mangel an aktiven Offizieren, dem beim Ausbruch des Krieges dann auf künstliche Weise abgeholfen werden müsse.
Im Hinblick auf diese Gründe schlägt Tyr einige Änderungen in Brinio's Entwurf vor, und zwar in der Organisation der Infanterie, der Lazarett -Soldaten , der Festungs -Artillerie und der Festungs
Genietruppen, welche in kurzem auf folgende hinauslaufen : Die Feldarmee bleibt unverändert, doch die Infanterie derselben
besteht nicht aus den Aushebungen 1–5 der Miliz ; die Mann schaften der 10 Aushebungen werden nämlich verteilt über die Feldarmee (zwei Drittel) und die Besatzungstruppen ( ein Drittel).
Von den 10 Aushebungen werden nur sieben eingeteilt ; die übrigen dienen zum Bilden der Reserve- und Depot-Bataillone.
Bei einer
nur wenig stärkeren jährlichen Aushebung kann man auf diese Weise nicht zu 36 Bataillonen für die Feldarmee und eben soviele
für die Besatzungstruppen gelangen , wie dies in dem Entwurfe Brinio der Fall ist ; Tyr behält daher die 36 Bataillone der Feld armee bei , doch begnügt er sich mit 18 Bataillonen Besatzungs Infanterie.
Die Lazarett-Soldaten werden auf 4 Compagnien gebracht, so daſs 1 Compagnie verfügbar wird für das Besatzungsheer. Die Festungs -Artillerie , welche jetzt 43 Compagnien zählt, wird nicht, wie von Brinio auf 72 , sondern auf nur 56 Com
pagnien gebracht, nämlich : 4 Regimenter zu 2 Bataillonen mit 6 Compagnien und 1 Regiment zu 2 Bataillonen mit 4 Compagnien, letztere für Besetzung von gepanzerten und Sperrforts.
214
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
Bei jedem der 9 Regimenter Feld - Infanterie wird, wie schon angedeutet, von Tyr ein Reserve- Bataillon gebildet zu 4 Compagnien
und ein derartiges Depot-Bataillon von gleicher Stärke ; während jedoch die Anzahl der Milizen jeder Compagnie des Reserve Bataillons 200 beträgt, ist die des Depot-Bataillons nur 104 Mann . Jedes dieser Bataillone wird befehligt von einem Hauptmann, dem ein Lieutenant als Adjutant beigegeben ist , beides Berufs- Offiziere, jede Compagnie von einem Lieutenant des Stammes, der 3 Miliz Lieutenants und, auſser dem Feldwebel, sonst nur Miliz - Stämme
zugeteilt sind. Den Reserve - Bataillonen werden die Meistgeübten , sowohl vom Stamm , als Mannschaften , eingereiht ; sie dienen zur Verstärkung der Feldarmee mit taktischen Einheiten , und die Depots dagegen zur Ausfüllung der Verluste bei den Regimentern , ?
wozu sie gehören, und zur Ausbildung des Ersatzes.
Für die Depots der Festungs - Artillerie verfügt T ebenso wie B über die Aushebungen 6-10 der Seemiliz, doch bildet er davon nicht bei jedem Regiment ein Depot, wie B thut, sondern zwei Reserve- und eine Depot-Compagnie ; die Offiziere gehören zum festen Stamm , die Unteroffiziere und Korporale sind groſsenteils aus der Miliz genommen , während B bei den Depots ausschlieſslich
Stammmannschaften einstellt. Die 10 Reserve-Compagnien werden verschmolzen zu 1 Regiment zu 2 Bataillonen mit 5 Compagnien (oder 6 und 4). In dem Entwurfe T sind an Linien -Offizieren mehr nötig als in dem Entwurfe B : 3 Obersten, 7 Oberstlieutenants, 11 Majors,
46 Hauptleute, 3 Hauptmann - Zahlmeister, 276 Lieutenants , 16 Lieute nant-Zahlmeister und 16 Ärzte. Die Vermehrung betrifft vorzugs
weise die Infanterie des Besatzungsheeres. Die Änderungen er höhten die Heeresausgabe um fast eine Million Gulden ; freilich meint T, diese Summe könnte um reichlich 700,000 Gulden ver
•
mindert werden durch die Erhöhung der Wehrsteuer und durch Nichtannahme der von Brinio vorgechlagenen Erhöhung der Stabs Offiziers-Pensionen um 300,000 Gulden , jedoch diese Berechnung trifft nicht zu. Denn letztere Erhöhung hat mit dem System Brinio eigentlich nichts zu schaffen, und dieser hat den Ertrag der Wehrsteuer in seiner Berechnung aufgenommen, um daraus die Reserve- Offiziere zu besolden , sodaſs die Eingesessenen nach dem
System T wirklich eine Million mehr aufzubringen hätten als bei Einführung des Entwurfes B.
Lassen wir diesen Umstand auſser Betracht , so ist allerdings
die Vermehrung des Linien -Offizier-Corps ein Vorteil, nur nicht
215
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
für die Beförderung, weil sie vorzugsweise die Lieutenants betrifft.
Auch die übrigen Änderungen verdienen ganz gewiſs ernstliche Erwägung, wenn der Grundsatz richtig ist , daſs nicht 144 Com >
-
-
pagnien Festungs -Infanterie und 72 Compagnien Festungs -Artillerie nötig sind, sondern 72 beziehungsweise 56 genügen, auſser 20 Reserve Infanterie- Compagnien und 10 Reserve - Artillerie -Compagnien . Der dritte Entwurf , um den es sich hier handelt, ist nicht konservativ, im Gegenteil vollständig umwälzend , er dehnt das Miliz- System bis zu den äuſsersten Grenzen aus, selbst auf die
herittenen Waffengattungen. Der Verfasser ist , ohne es bestimmt auszusprechen, offenbar der Ansicht, daſs die vorigen Entwürfe den ersten Teil von Art. 180 des neuen Grundgesetzes: > Alle Nieder
länder, welche dazu im Stande sind, sind verpflichtet, zur Aufrecht haltung der Unabhängigkeit des Reiches und zur Verteidigung
seines Grundgebietes mitzuwirken « zu einem toten Buchstaben machen würden, und er will deshalb jene beschränkte Dienst pflicht zu einer allgemeinen ausdehnen. Er sieht jedoch sehr gut ein , daſs nicht sämtliche Diensttauglichen lange genug unter
den Waffen gehalten werden können , wolle man die Ausgaben nicht zu hoch schrauben , und daſs man auch keine lange Dienst pflicht fordern könne ; daher will er eine verhältnismäſsig kurze wirkliche Dienstzeit eingeführt wissen, die verbunden sei mit einer
möglichst kurzen Übungszeit; durch die allgemeine Dienstpflicht meint er auf diese Weise ein wehrhaftes Volk erziehen zu können .
Wenn man von der ziemlich allgemein herrschenden Meinung
ausgeht, daſs die Niederlande eine Feldarmee von 36,000 Mann und ein Besatzungsheer von etwa 55,000 Mann brauchen , während jährlich nahezu 39,000 Dienstpflichtige vorhanden sind so könnte man mit einer dreijährigen wirklichen Dienstzeit ausreichen . Er setzt jedoch vier Jahre, einerseits, weil die Zahl der jährlich ein
zuübenden Milizen zu groſs wird, andererseits um 60 Compagnien Arbeiter zu bekommen , wozu er ein Viertel von jeder Aushebung >
bestimmt. Letztere setzt er, nach Abzug der Freiwilligen, Untaug lichen und Freigestellten, auf 31,000 Mann an, wovon 1000 Mann für die Seemiliz, welche wir, wie bei den vorigen Entwürfen, über
gehen wollen ; bleiben also 30,000 Mann jährlich für die Land macht.
Diese Milizen werden nach vierjähriger wirklicher Dienstzeit, ein Jahr zur Reserve und sodann fünf Jahre zum Landsturm ein
geteilt; diejenigen jedoch, welche der Kavallerie und der reitenden Artillerie eingereiht werden , gehen schon im dritten Jahre zur
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
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Reserve über und haben keine Wiederholungsübungen.
Die erste
Übungszeit dauert in der Theorie zwei Jahre bei der Kavallerie und der reitenden Artillerie , 12 bis 15 Monate für alle anderen Waffen, sie wird aber in der Praxis durch alle möglichen Mittel verkürzt. Im dritten und vierten Jahre werden während 10 bis
40 Tagen Wiederholungsübungen abgehalten ; Reserve und Landwehr üben nicht.
Theoretisch wird am 15. September die neue Aushebung ein geteilt, in der Praxis jedoch wird die Einverleibung hinausgeschoben : Für unberittene Waffen bis zum 15. April, und zwar für
solche, die mit Erfolg eine Elementarschule besucht haben (Haupt erfordernisse : Lesen, Schreiben und Rechnen, in genügender Weise mit dem Gewehr exerzieren und gehörig in Reih und Glied marschieren können) ;
bis zum 15. Juni für diejenigen , die überdies auf kurze Ent fernungen geübte Schützen sind ;
bis zum 15. April für berittene Waffen , die in genügender Weise reiten können ;
bis zum 15. Juni , die auſserdem mit der Handhabung der Schuſs- und blanken Waffen vertraut sind ;
bis zum 15. Juni für alle Milizen des Trains, die die nötige
Gewandtheit besitzen im Fahren vom Bock und , wo möglich auch, auf dem Sattel mit einem Zweigespann.
Am 15. September werden dann die Eingestellten der Kavallerie und der reitenden Artillerie
auſser bei
entlassen , mit Aus
nahme eines kleinen Teiles, der nötig ist, um bis zum 1. Dezember den Wacht- und Garnisondienst versehen zu können.
Auf diese Weise, meint der Verfasser, werden am 15. September nicht mehr Milizen da sein, als bei dem jetzigen Zustande der Fall ist.
Da nun nach diesem System in den Sommermonaten bei weitem mehr Milizen unter den Waffen sein werden , als gegenwärtig , so
drängt sich die Frage auf, wie man ohne groſse Ausgaben für den Bau neuer Kasernen , alle jene Leute unter Dach und Fach bringen soll, eine Aufgabe, die einfach gelöst wird , wenn man in aus giebigem Maſse gestattet, auſser der Kaserne zu wohnen , wofern man für eigene Beköstigung sorgt; diese Vergünstigung muſs jedoch zurückgenommen werden bei ernstlicher Vernachlässigung im Dienst. Wie viele von jener Erlaubnis Gebrauch machen werden , entzieht
sich der Berechnung; in den letzten Jahren lieſsen sich ungefähr 21 % von den durch das Loos zum Dienst Bestimmten vertreten ,
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
217
und auf Grund dieser Erfahrung meint der Verfasser, daſs etwa
25% auſser der Kaserne bleiben werden ; obendrein können bomben sichere Kasernen in den Forts, die meistens unbewohnt sind, benutzt
werden und nötigenfalls Zeltlager aufgeschlagen werden ; die Ansicht, daſs man allein in der Kaserne Soldat werden kann, teilt der Ver fasser nicht.
Schülern von Realanstalten , Gymnasien, Universitäten, poly technischen Schulen , Lehrerseminaren und einigen andern kann ein Ausstand ( ihres Dienstantrittes) von 1 bis 3 Jahren erteilt, und
ausnahmsweise gestattet werden, ein Jahr früher einzutreten . Miliz- Lieutenants und Miliz-Sergeanten werden auf ihren Wunsch von den Wiederholungsübungen im dritten Jahre entbunden , eine Maſsregel, die Brinio entschieden miſsbilligt. Für die Miliz - Stämme müssen im ganzen geschafft werden :
944 Lieutenants, 2692 Sergeanten und 4712 Korporale, gewiſs eine erhebliche Zahl!
Die Arbeiter -Compagnien bestehen gröſstenteils aus Erdarbeitern, Holzarbeitern, Schmieden, Schneidern, Schustern u . S. w.; der Stamm
aus Ingenieuren , Bauunternehmern , Aufsehern u. dergl . Sie werden während der 3 ersten dienstpflichtigen Jahre, jedes Jahr 4 Monate ein gezogen , gewöhnlich im Sommer, und verrichten dann Reichsarbeiten. Sie tragen keine andere Uniform , als eine Arbeitshose, einen Arbeits kittel und eine Kappe; zwischen den Arbeitsstunden werden sie
geübt im Marschieren in Reih und Glied, in der Handhabung des Gewehrs und im Schieſsen. Sie ergeben in den 4 dienstpflichtigen Jahren 26,000 Mann.
Auf die hier in kurzen Zügen angegebene Weise bekommt man eine Feldarmee von 3 Divisionen, jede 12 Bataillone Infanterie zu 4 Compagnien, 6 Batterien Feldartillerie, 1 Schwadron Kavallerie,
1 Zug Ordonnanzen , 1 Compagnie Genietruppen , 2 Compagnien Train und 1 Compagnie Lazarett-Soldaten. Auſserdem eine Kavallerie Brigade von 3 Regimentern zu je 4 Schwadronen, nebst 2 reitenden Batterien ; 2 Compagnien Pontonniere , 2 Compagnien Train und 1 Zug Ordonnanzen , eine numerische Stärke , die wenig von der in den Brinio'schen und Tyr'schen Entwürfen angenommenen ver schieden ist.
Das Besatzungsheer zählt: 80 Compagnien Infanterie, 83 Com pagnien Festungs -Artillerie, 8 Compagnien Festungs-Genietruppen, 6 Compagnien Train , 1 Schwadron Ordonnanzen , 3 Compagnien Lazarett-Soldaten , 2 Compagnien Torpedisten und 1 Eisenbahn Compagnie , nebst der Reserve der Seemiliz.
In Friedenszeiten
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
218
sind jedoch von diesen Compagnien Infanterie, Artillerie, Genie und
Train nur die Hälfte vorhanden, welche im Mobilmachungsfalle jede zwei bilden , ebenso sind in Friedenszeiten nur 3 Compagnien Lazarettsoldaten und eine Schwadron Ordonnanzen.
Depots besitzen in Friedenszeiten nur die Kavallerie -Regimenter; die für die anderen Waffengattungen werden in Kriegszeiten ge bildet aus den Milizen, die in die Reserve aufgenommen sind. Der Landsturm wird nur auf dem Papier organisiert. Durch die sehr ausgiebige Benutzung des Miliz -Systems ist die Zahl der Berufs - Offiziere sehr vermindert, von 845 auf 394. So ist nur einer bei jeder Compagnie Infanterie der Feldarmee, bei
jeder Feld- und reitenden Batterie, bei den Compagnien Genietruppen, Pontonniere, Train und bei der Eisenbahn - Compagnie; bei allen anderen Compagnien und Schwadronen sind zwei. Dagegen sind 6 Miliz - Lieutenants bei einer Schwadron Ordonnanzen ; 5 bei den
Compagnien Lazarett-Soldaten, 4 bei den Compagnien der Festungs Infanterie, Festungs -Artillerie, Festungs-Genietruppen, bei der Eisen bahn- und Train-Compagnie ; 3 bei der Arbeiter -Compagnie und 2 bei allen anderen Compagnien u. s. w.
In Friedenszeiten sind
natürlich von jenen Miliz-Lieutenants nur ein Viertel im Dienst, und dann noch nicht einmal ein volles Jahr.
Auch die Zahl der
Berufs -Unteroffiziere wird erheblich vermindert (von 2671 auf 1739). Die Train - Compagnien und die Lazarett- Soldaten werden in Kriegszeit von Reserve-Hauptleuten befehligt, ebenso die Hälfte der Infanterie-, Artillerie- und Genie - Compagnien und die Schwadron
Ordonnanzen des Besatzungsheeres ; im ganzen sind 150 nötig. Durch diese Maſsregeln und durch Aufhebung aller Einrichtungen , welche Cadre-Bildung bezwecken, wird nach des Verfassers Ansicht an Jahresausgaben reichlich 1 Million Gulden erspart werden,
während die Übung der ungefähr 3 mal gröſseren Zahl von Eingestellten eine unerheblich gröſsere Mehrausgabe nach sich ziehen wird .
Im ganzen müssen jährlich 29,442 Milizen einexerziert werden ;
davon gehören jedoch 7320 zu den Arbeiter -Compagnien , und die auf diese verwendeten Kosten werden bei vernünftigem Gebrauch reichlich aufgewogen werden durch die Arbeit, welche sie verrichten . Von den 22,122 Übrigbleibenden wird, wie der Verfasser meint, die Hälfte Gebrauch machen können von der vorerwähnten Be
stimmung, erst am 15. April und zum Teil sogar erst am 15. Juni unter die Waffen zu treten .
Somit treten am 15. September nur
11,061 Mann in Dienst, also nur wenig (661 Mann) mehr als
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
219
augenblicklich, und da sich die Zahl von Freiwilligen vermindern würde, so werden diese zwei Posten der Ausgaben sich aufheben .
Von den 11,061 später hinzutretenden wird wiederum die Hälfte auſser der Kaserne ihren Verbleib haben und dadurch nur
Anspruch auf Kleidung haben . Schlieſslich weist der Verfasser darauf hin , daſs nach Ein führung der allgemeinen Dienstpflicht jährlich namhafte Summen erspart werden können durch Nichtteilnahme an dem Wettbewerb im Anschaffen toter Wehrmittel, was unnötig wird, wenn ein wehr
haftes Volk zur Verteidigung des vaterländischen Grundsund Bodens bereit da steht.
Doch selbst, wenn die Einführung der
allgemeinen Dienstpflicht eine Erhöhung der Heeresausgaben zur Folge hätte, so würde das Wehrhaftmachen eines ganzen Volkes eine solche in jeder Hinsicht wert sein . Wir halten es hier nicht für nötig, auf eine ausführliche
Beurteilung dieses Entwurfes einzugehen ; dazu ist er überdies zu skizzenhaft, was der Verfasser selbst zugiebt. Der Entwurf ist in einer nichtmilitärischen Zeitschrift veröffentlicht, in welcher eine
Ausarbeitung desselben weniger angezeigt wäre , und mit der be stimmten Absicht die Besten und Edelsten der Bürgerschaft auf zumuntern , sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, um aus der niederländischen Nation ein wirklich wehrhaftes Volk zu machen .
Daher wollen wir auch die Fragen zurückdrängen, die uns auf den Lippen schweben, überzeugt, daſs, mag auch der Entwurf, wie er da liegt, nicht geeignet sein zur Durchführung des Grund gedankens , er doch in jedem Falle viele Ideen enthält , die man mit Erfolg beim Entwerfen des Gesetzes über die Zusammensetzung der niederländischen Streitkräfte wird verwerten können .
Haag im März 1888.
P. A. Schwippert.
XIV .
Zur fridericianischen Strategie. Das über die in einem Friedrich
April-Heft dieser Zeitschrift enthält u . A. einen Aufsatz » Kriegführung Friedrichs des Groſsen «, *) in dem es heiſst, Punkte träfen heute alle Meinungen zusammen : » daſs der Groſse als der über die gesamte Menge seiner Zeit
genossen emporragende Schlachtenlieferer der Vertreter einer Auf
fassung vom Kriege, seinem Wesen und Ziele ist, die durch den über andere Mittel verfügenden Napoleon einen weiteren praktischen Ausbau, durch Clausewitz ihre unübertroffene - theoretische Be
handlung erfahren hat. « In einer Anmerkung hierzu ist auch auf einen Aufsatz von mir Bezug genommen . - Der Autor bezieht
daher jene Charakteristik der fridericianischen Strategie, in der Alle einig sein sollen, offenbar auch auf mich. Das ist nun auch in gewisser Beziehung durchaus der Fall ; in anderer aber doch
nicht, und da nun diese Differenz von groſser Wichtigkeit für jede einzelne Untersuchung aus der Geschichte der fridericianischen Kriege ist, so bitte ich um die Erlaubnis, jenem Aufsatze, der sonst in Vielem meinen ganzen Beifall hat, einige Worte hinzufügen zu dürfen, um mit möglichster Schärfe die Abweichung zu präcisieren.
Mein Widerspruch richtet sich in der obigen Charakteristik hauptsächlich gegen das Wort > Auffassung «.
Friedrich hatte -
nach meiner Ansicht – eine ganz andere » Auffassung« vom Kriege als Napoleon. Gleich sind die beiden Feldherren in den eigentlich entscheidenden groſsen kriegerischen Eigenschaften : der Kühnheit, der Entschlossenheit, der Beharrlichkeit, dem scharfen, von keinem
schädlichen Affekt getrübten Verstande. Verschieden, ja entgegengesetzt, ist aber bei Beiden – Auffassung von Ziel und Mitteln der Kriegführung
die
So zwar, daſs
Beide die für ihre Zeit und ihre Mittel richtige Auffassung hatten . *) „ Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung Friedrich des Groſsen ,“ S. 69.
Zur fridericianischen Strategie.
221
Napoleon sah als das Ziel des Krieges die Niederwerfung des feindlichen Staates an , Friedrich die bloſse Ermattung.
Napoleon sah als das Haupt-, ja fast als das einzig wahre Mittel der Kriegführung die Zerstörung der feindlichen Streitkräfte an . Friedrich räumte der Besetzung von Provinzen, vorteilhaften Stellungen und Einnahme von Festungen eine ebenso wichtige Rolle ein.
Napoleon sah wiederum das einzig wahre Mittel für seinen
Zweck in der Schlacht. Friedrichs Strategie hat zwei Pole, auf der einen Seite die Schlacht, auf der anderen , als ebenso berechtigt, das Manöver.
Napoleon schätzte nichts höher als die Initiative. Friedrichs
Entwürfe gehen sehr oft von dem Gedanken aus, sie dem Gegner zuzuschieben .
Wenn dem Allen so ist, so folgt daraus unmittelbar, daſs
Napoleon nicht die fridericianische Strategie mit anderen Mitteln praktisch weiter ausgebaut, sondern daſs er eine neue Strategie geschaffen hat. Es folgt weiter, daſs es eine Unbilligkeit und eine Unmöglichkeit ist, an Friedrich den Napoleonischen Maſsstab zu legen ; daſs die beiden Feldherren und die beiden Kriegsepochen nicht nach denselben, sondern nach ganz anderen Grundsätzen
beurteilt werden müssen . Die Differenz ist also von der allergröſsten Tragweite. Nach meiner Auffassung ist z. B. Bernhardi's Buch » Friedrich der Groſse als Feldherr «, so geistvoll es ist, von Grund aus und durch und durch verkehrt.
An anderer Stelle habe ich versucht, für diese meine Ansicht
den Beweis zu führen ; ebenso dafür, daſs Friedrich mit seiner Auf fassung für seine Verhältnisse im Recht war. Ich darf daher an dieser Stelle auf Beides verzichten . Es lag mir aber daran, der wissenschaftlichen Klarheit halber, den Kern meiner Auffassung hier scharf zu formulieren, um ihn, auch bei denen, die nicht zustimmen und von denen ich bekennen muſs, daſs sie noch sehr zahlreich sind, nach Möglichkeit vor Miſsverständnissen zu schützen . Prof. Hans Delbrück.
XV.
Umschau in der Militär - Litteratur. Die konventionellen Gebräuche beim Zweikampf unter be sonderer Berücksichtigung des Offizierstandes. Von einem älteren aktiven Offizier. Nebst Anhang : Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere im preuſsischen Heere
vom 2. Mai 1874 und strafrechtliche Bestimmungen über den Zweikampf. Dritte umgearbeitete und vermehrte Auf lage. Berlin 1888. Verlag von R. Eisenschmidt. Das ist eine Schrift, die wir brauchen können ; wir, das will sagen :
die ehemaligen, jetzigen und zukünftigen Offiziere des stehenden Heeres sowobl wie des Beurlaubtenstandes.
Ob der Zweikampf notwendig, ob er entbehrlich, ob mit allen Mitteln auszurotten ist ; welche schlimmen, welche guten Folgen an ihn geknüpft sind ; wie er sich stellt zu Religion und Sitte und Recht, zu Gesellschaft und Bildung : derartige Erörterungen haben gewiſs ihren hohen Wert und Reiz, aber sie werden in absehbarer Zeit nichts an der Thatsache ändern,
daſs der Zweikampf fortbesteht. Mit gutem Grunde hat deshalb der „ ältere Offizier “ in seiner Schrift jegliche derartige Erörterung vermieden dürfnisse Rechnung getragen.
und dem thatsächlichen Be
In der Einleitung der Allerhöchsten Verordnung über die Ehren gerichte “ ist darauf hingewiesen , daſs der Ehrenrat vor Vollziehung des
Zweikampfes , wo es die „ Standessitte “ irgend zuläſst, einen Sühneversuch vorzunehmen, falls dieser jedoch nicht gelingt, jedenfalls dahin zu wirken hat,
daſs die „ Bedingungen “ des Zweikampfes zur „ Schwere des Falles “ in keinem „ Miſsverhältnis“ stehen . Kommt es zum Zweikampf, so hat der Präses des Ebrenrates oder ein Mitglied desselben sich als Zeuge auf den
Kampfplatz zu begeben und darauf zu achten, daſs bei „ Vollziehung“ des Zweikampfes die „Standessitte gewahrt“ wird. Wo aber finden wir denn eine Vorschrift , eine höheren Orts gegebene oder genehmigte Feststellung, Auslegung über „ Schwere des
Falles“, „Vollziehung des Zweikampfes“ und der andern, von mir mit Häkchen versehenen Ausdrücke ?
Umschau in der Militär- Litteratur.
Eine derartige (höhere) „ Vorschrift “ giebt es nicht
223 und kann es
nicht geben. Und doch ist es erwünscht, daſs ein möglichst einheitliches Verfahren beobachtet und daſs ein fester Anhalt allen denen geboten werde, die bei Austragung von Ehrenhåndeln als Duellanten, Sekundanten ,
Kartelſträger, Unparteiische, Leiter in die Lage kommen, sich Rat zu holen in der hochwichtigen, hochernsten, oft über Leben und Tot entscheiden den Frage. In unserer Armee, sagt der Herr Verfasser, kennt man die bei Duellen
zu beobachtenden Regeln nur durch Überlieferung innerhalb des Offizier Corps; selbstverständlich weichen diese Vorschriften hier und dort je nach
der Überlieferung von einander ab, sind schwankend und meist sehr Wohlbürgt der ehrenhafte Sinn, der in unserem Offizier
lückenhaft.
Corps herrscht, sowie die meist sofort eintretende Thätigkeit des Ehrenrats dafür, daſs Duelle in unserer Armee stets in ritterlichster Weise aus gefochten werden , doch herrscht in Folge des Mangels fester Bestimmungen eine groſse Unsicherheit und Ungleichheit in der Auffassung, wie die so folgenschweren Verhandlungen , welche einem Duell vorausgehen müssen,
zu führen und welche verschiedenen Arten von Duellbestimmungen zu lässig sind. . . Noch schärfer tritt dieser Übelstand bei den Offizier- Corps des Beurlaubtenstandes hervor, wo keine Überlieferung allgemein gültiger .
Regeln für den Zweikampf besteht und meist nicht in solchen Vorgängen erfahrene Männer beziehungsweise ältere Kameraden, wie dem Linien
Offizier, als Ratgeber zur Seite stehen. Man wird diese Darlegung des „älteren Offiziers“ für zutreffend und der überdies ganz trefflich verfaſsten Schrift unbedingt die Daseinsberechtigung zuerkennen müssen : sie wird Segen stiften erachten
und zweifellos
-
wenn überall gelesen , richtig gewürdigt und be
folgt – die Zahl der Zweikämpfe verringern helfen .. Das aber
ist, nach übereinstimmender Meinung Aller, „ein Ziel, aufs innigste zu wünschen . “
Die im „ Anhange“ gegebenen Gesetzesstellen beziehungsweise Ver n
ordnungen ergänzen den Hauptteil so, daſs die Schrift ein abgerundetes Ganze bildet, einen vollständigen Berater in Ehrensachen. Nur eine geringfügige Ausstellung habe ich zu machen, der vielleicht
in der nächsten Auflage abgeholfen wird. Bei den „ Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuches “ ist in einer Anmerkung der § 113 angeführt. Derselbe nimmt Bezug auf den § 101.
Da letzterer aber in der Schrift
nicht wiedergegeben wird und auch gar nicht weiter in Betracht kommt für die Zweikampfsfrage, so wird er besser bei Anführung des § 113 aus gelassen und durch Punkt diese Auslassung bezeichnet. Wenn ferner § 113 von den „ Vorschriften dieses Abschnittes “ spricht, so konnte in Klammern hinzugefügt werden : D. h. Abschnitt VI des Militärstrafgesetzbuches, welcher die „ strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung " enthält.
Umschau in der Militär -Litteratur.
224
Warum nicht die Schrift auch in diesen Kleinigkeiten vollständig und
selbstständig machen ? Es hat nicht jeder Offizier - zumal im Beurlaubten stande nicht – das Militärstrafgesetzbuch zur Hand !
Heranbildung des Unteroffiziers zum Gehülfen des Com pagnie -Kommandanten . Von einem höheren Stabsoffizier. Wien 1888. Verlag von Moritz Perles. Preis 2,40 Mark . Der österreichische Kamerad hat in seiner Schrift kein „ Rezept “ auf gestellt, wie der Compagniechef seine Gefreiten zu Unteroffizieren und letztere zu brauchbaren Gehülfen bei Ausbildung der Mannschaft machen „müsse“ – vielmehr „ Grundsätze entwickelt, deren Durchführung persön licher Auffassung unterliegt, und Andeutungen , auch durch Beispiele, gegeben, in welcher Weise nach der einen oder der andern Richtung hin vorzugehen sei. 4
Bin ich durchaus einverstanden mit der überall hervortretenden
Absicht des Herrn Verfassers, die er bei seiner Erziehungs- und Ausbildungs Art auch sicherlich erreicht, nämlich : die Überlegung , das Verständnis der Unteroffiziere zu wecken , ihnen Lust und Liebe zum „ Handwerk " einzuflöfsen, ihren Charakter zu formen und sie zur Selbstthätigkeit
und Selbstständigkeit zu erziehen, – so muſs ich obenein bekennen , daſs das in diesem Buche dargelegte Verfahren im Wesentlichen über einstimmt mit den Schriften von Arnim , Trotha, Zobel, Brunn , Mir bach u. s. f. Abweichungen nebensächlicher Art sind ja durch die öster reichischen Heeresverhältnisse geboten. Ich habe mit reger Aufmerksamkeit
die Abschnitte und Beispiele über den Sicherungs- und den Patrouillen (sehr ausführlich behandelt, mit Recht !) – das Exerzieren , Fechten und Schieſsen durchgelesen und mich gefreut zu er kennen , wie der Herr Verfasser so ganz in dem Sinne schreibt und wirkt,
dienst, das Gefecht
wie solcher
der Ausbildung unserer Unteroffiziere zu Grunde liegt.
Ganz besonders aber haben mir gefallen die Vorträge über die Pflichten
des Soldaten und des Unteroffiziers, und ich stehe nicht an zu sagen , daſs ich manche Winke und Vorschläge des österreichischen Kameraden be nutzen würde,
wenn ich noch meine Compagnie auszubilden hätte.
Und auch in den Abschnitten : Erziehung, Gesundheitslehre, Terrainlehre findet sich manches, das mir wenigstens neu und beherzigenswert erscheint. Für einzelne, wohl in den besonderen österreichischen Verhältnissen und Auffassungen begründete Dinge habe ich kein Verständnis - oder kann
nicht zustimmen. So schlägt der Herr Verfasser, um kleinen Subordinations vergehen vorzubeugen, das Mittel vor : „ Daſs der Unteroffizier, sobald er als Vorgesetzter auftritt, den Mann, welchem er einen Befehl erteilen will, mit Charge und Namen anruft. In diesem Falle hat der Betreffende „hier ! “ zu rufen und auf drei Schritt vor dem Unteroffizier Stellung zu
nehmen . Läſst dieser die Charge weg , so ist anzunehmen , daſs er ent weder als Landsmann oder als Vorgesetzter auſser Dienst sprechen will . “ Weiterhin : Es erfordert der Ernst des Dienstes, daſs der
Umschau in der Militär- Litteratur.
225
Unteroffizier, wenn er sitzt oder liegt, beim Entgegennehmen von Meldungen
und Aufträgen sich erhebt und stehend den Überbringer anhört und ab Erstaunlich klingt es endlich, wenn der österreichische Stabs Offizier berichtet: ,, Es kommt vor, daſs an Nachmittagen nur eine geringe
fertigt.“
Anzahl von Infanteristen zur Verfügung steht, vielleicht auch, daſs einige
Chargen auswärts sind. Da ist es denn bei manchen Compagnien Brauch , Unteroffizieren und Mannschaft vereint durch einen Offizier theoretischen Unterricht erteilen zu lassen . “
Wer wollte dem Herrn Verfasser nicht beipflichten , wenn er diese
„ Unsitte “ gebübrend kennzeichnet. Der im Titel nicht erwähnten, dem Hefte beigegebenen Karte gebührt die Anerkennung, daſs sie klar ist und scharf gezeichnet. »
L'éducation de l'infanterie française par H. de Flètres. Avec une carte et des croquis. Paris 1887. A la Direction du » Spectateur militaire «. Der Titel des Buches sprach mich an .
Als ich das Inhaltsverzeichnis
durchsah und fand, daſs ganze Abschnitte einer Betrachtung des inneren Lebens des deutschen Heeres gewidmet sind , da machte ich mich, die Erzeugnisse der neuesten französischen Militärschriftstellerei bedenkend,
auf das Schlimmste gefaſst. Zu meiner Freude hatte ich mich getäuscht und ich kann den Kameraden nur raten, das Buch zu lesen, das sich , im Gegensatz zu den meisten Schriften unserer Nachbarn im Westen,
eines ruhigen, anständigen Tones gegenüber dem deutschen Heere be fleiſsigt. Zweierlei tragen wir davon aus der Durchsicht des Werkes : einmal , ein sehr Wesentliches ! einen tiefen Einblick, eine klare Kenntnis und Erkenntnis der Erziehung und Ausbildung, der Pflege des
Geistes und der Moral bei der französischen Infanterie, sodann ein bis ins Kleinste hinein ausgeführtes Bild , wie solches ein erfahrener und scharf beobachtender Franzose von der Erziehung des deutschen Infanteristen seinen Landsleuten entwirft .
Der Herr de Flètres , der lange bei einem
deutschen Jäger- Bataillon Gastfreundschaft genossen und in alle Töpfe
hineingesehen, der sich eine anerkennenswerte Kenntnis der Werke eines Scherff, Boguslawski, v. d. Goltz, Prinz Hohenlohe und Helwig erworben hat, zeigt uns, wie man jenseits der Vogesen unsere Thätigkeit sich vorstellt und welche Licht- und Schattenseiten man an derselben zu ent
decken meint. Ich finde es sehr „nett“ , daſs man einmal solches Bild von sich selbst vorgeführt sieht. Das regt zur Selbstbetrachtung an und hat seinen besonderen Wert,
-
trotzdem manche Züge des Bildes arg ver
zeichnet sind. Die meisten und wichtigsten Punkte jedenfalls hat der
französische Offizier richtig getroffen, - und das gereicht ihm zu groſsem Lobe.
Im Ganzen und Groſsen stellt er die deutschen Verhältnisse als
Muster auf und giebt seinem Bedauern über die vielen Mängel der fran zösischen Infanterie unumwundenen Ausdruck. Ehrenrat und Ehren gericht, Einheitlichkeit der Vor- und Ausbildung der deutschen Offiziere, Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd, LXVII ., 2.
15
Umschau in der Militär- Litteratur.
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die Selbstständigkeit der Befehlshaber innerhalb ihres Wirkungskreises u.s. W., - für Alles : Anerkennung ; die gerechte Würdigung des Lebens im Offiziercasino könnte manchen deutschen Volksvertreter beschämen !
Bei der Schnelligkeit der Bewegungen deutscher Truppen auf dem Manöverfelde besagt Herr de Flètres, daſs die Franzosen in Angriff, wie
in der Verteidigung, im Kriegsfalle wieder den Kürzeren ziehen möchten. „ Der französische Soldat läſst in geistiger und körperlicher Beziehung
viel zu wünschen übrig. Wie könnte das auch anders sein ? In den Re gimentern des französischen Heeres arbeitet Jeder für den Tag, Niemand für den Endzweck . “ Die Compagniechefs sind eingeschnürt, sie sind Steine mit mehr oder weniger Tressen, weiter nichts. Die Ausbildungsweise ist eine verfehlte. Die Friedensstärke der Compagnien reicht nicht aus, die Zahl der Abkommandierten ist eine ungeheure: diese Wunde zerfriſst das
Mark der Infanterie. Die deutschen Darstellungen der Feldzüge 1866 und 1870/71 geben trefflichen Stoff zur ausgiebigsten Belehrung ; wann aber wird die Darstellung des französischen Anteils am Kriege 1870/71 er
scheinen ? Die Zöglinge von St. Cyr erhalten so gelehrten und umfang reichen Unterricht seit 14 Jahren, daſs sie selbst meinen, sie kennen
Alles : aber sie wissen eigentlich nichts. Der junge Offizier kommt so zum Regiment, den Kopf mit unverdauten Sachen vollgepfropft, aber ohne jegliche Kenntnis seines Handwerks. Man hat ihm über die Art und
Weise der Erziehung und Ausbildung des französischen Soldaten kein Wort gesagt und hätte man ihm davon gesprochen
so wäre das ge
wesen , als ob man den Blinden über Farben Vortrag bielte. Gegenwärtig ist die französische Compagnie „ Nichts “ , während sie , Alles“ sein sollte. Das Kriegsspiel langweilt unsere Offiziere zu Tode, weil die Be stimmungen über dasselbe, die verwickelten Berechnungen und Tabellen fort mit den Verlusttabellen u. 5. w. und wie ein Ballast wirken ; gespielt nach der trefflichen Anleitung des preuſsischen Generals Verdy du Vernois !
Genug mit dieser Blumenlese aus dem Buche, das übrigens nicht nur verurteilt und niederreiſst, sondern überall Vorschläge macht, das Bessere an die Stelle des Schlechteren zu setzen sucht.
Es sind bittere
Pillen, die der Herr Verfasser seinen schwerkranken Landsleuten eingiebt - und so ist es begreiflich , und -- in gewissem Sinne berechtigt, wenn er im Schluſsworte dem bösen Nachgeschmacke durch einige Süſsigkeiten wehrt, seinen Landsleuten etliche Schmeicheleien sagt, die in gewissem
Widerspruche zu den Ausführungen seiner Schrift stehen. Er bekennt :
Wenn ich mich mit einer mehr scheinbaren, als wirk
lichen Befriedigung über die Erfolge verbreitet habe, die ich in Deutsch land beobachtet, so darf man daraus nicht den Schluſs ziehen , daſs ich eine schrankenlose Bewunderung für das deutsche Heer empfinde. Ich habe nur festgestellt , daſs dasselbe in taktischer Ausbildung vor dem unsrigen einen Vorsprung bat.
Dieser Umstand hat nichts, was uns
entmutigen dürfte , - ganz im Gegenteil , wenn man bedenkt, daſs wir
Umschau in der Militär- Litteratur.
227
Dank unserer Leichtigkeit der Auffassung in 15 Jahren Fortschritte gemacht haben , zu deren Erzielung die Preuſsen ein halbes Jahrhundert , nötig
hatten .
Wir schreiten mit groſser Geschwindigkeit vorwärts,
während das deutsche Heer , gerade wegen seiner Vollkommenheit , zum
Stillstand verurteilt ist. Wir werden kraft unserer Schnelligkeit im Handeln unsere Nebenbuhler überholen , gerade wie Bonaparte Friedrich über 9
holt hat. “
Von den vielen anregenden Bemerkungen und Vorschlägen des fran zösischen Verfassers sei hier nur ein Satz wiedergegeben : „ Soll der Unter offizier im Kriege mit einem Gewehr ausgerüstet sein ? Auf diese Frage antworte ich entschieden : nein ! Wenn der Unteroffizier nämlich ein Gewehr hat , dann wird er
auf dem Schlachtfelde schieſsen und seine
Obliegenheit der Überwachung und Führung seiner Gruppen nicht er füllen . “
Die sehr deutliche Karte , die für die zahlreichen Beispiele aus dem Marschsicherungs- und Vorposten -Dienst sowie aus dem kleinen Krieg beigegeben ist , zeigt das schwierige Gelände des Argonner Waldes und der Gegend südlich und östlich des letzteren.
Geschichte des 8. pommerschen Infanterie -Regiments Nr. 61 . Bearbeitet von Paul Henning , Hauptmann und Compagnie chef.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn. -
Ein auſserordentliches Ereignis – der ehrenvolle Verlust der Fahne des 2. Bataillons Regiments Nr. 61 in dem Gefecht bei Pouilly am 23. Januar 1871 im Kampfe gegen Garibaldi'sche Truppen hat die Teilnahme für das Regiment Nr. 61 seiner Zeit auch in weiteren Kreisen
wachgerufen. Das Nähere über diesen Verlust ist früher bereits in ver schiedenen Schriften und Aufsätzen ausführlich klargelegt, so daſs die jetzt vorliegende Regimentsgeschichte hierüber nichts Neues zu bringen vermag. - Das Regiment wurde bekanntlich im Jahre 1860 bei der
Neuorganisation der preuſsischen Armee gebildet und nahm im Feldzuge 1866 rühmlichen Anteil an der Schlacht bei Königgrätz , wo es im Ver bande der I. Armee im Centrum der Schlachtlinie gegen die starke Front des Gegners ankämpfen muſste, bis dieser auf beiden Flügeln sich um
gangen und zum schleunigen Weichen gezwungen sah. Im Kriege 1870/71 trifft das Regiment im II. Armee - Corps am 18. August auf dem Schlachtfeld vor Gravelotte ein , als dort die letzten Schüsse fallen , so daſs es nicht
mehr zum Eingreifen gelangt.
Bei der Einschlieſsung vor Metz sowie
darauf bei der vor Paris findet es wenig Gelegenheit zu hervorragenden Thaten ; dann aber, im Januar 1871 gegen die Bourbacki'sche Armee ver
wendet, - kämpft es im Verbande der Brigade Kettler unter groſsen Anstrengungen und erheblichen Verlusten, aber auch mit groſsem Erfolge in der Gegend von Dijon gegen die Garibaldi’schen Truppen , die sich , wie
bekannt, durch die genannte schwache Brigade von einer Unterstützung
der Bourbacki'schen Armee vollständig abhalten lieſsen, bis das15* Verhängnis
Umschau in der Militär- Litteratur.
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In frischer und lebendiger Weise mit ge bührender Berücksichtigung nennenswerter Einzelthaten werden die Kriegs
der Letzteren erfüllt war.
begebenheiten des Regiments in der vorliegenden Regimentsgeschichte wiedergegeben , die Friedensthätigkeit hingegen in entsprechender Kürze behandelt. Betreffs der Personalien der Regimentsangehörigen beschränkt sich das Buch darauf , die Rangliste des Offizier -Corps aus den einzelnen Jahren wiederzugeben. 10 Abbildungen schmücken die auch sonst recht gut ausgestattete Regimentsgeschichte. Die Verlustangaben über das Gefecht bei Pouilly auf S. 214 stimmen insofern nicht mit den auf S. 269 gebrachten , als an letzterer Stelle 3 Unteroffiziere als tot aufgeführt werden, während die erstgenannte Stelle nur 2 angiebt.
Geschichte des brandenburgischen Pionier-Bataillons Nr. 3 . Auf dienstliche Veranlassung zusammengestellt von Woll
mann , Hauptmann à la suite der II. Ingenieur- Inspektion, Minden , J. C. C. Bruns Lehrer an der Kriegsschule Metz. Verlag .
Geschichte des magdeburgischen Pionier-Bataillons Nr. 4, 1813 bis 1887. Von Volkmann , Hauptmann und Com pagniechef im magdeburgischen Pionier -Bataillon Nr. 4. Berlin , E. S. Mittler & Sohn .
Erst im April-Heft begrüſsten wir das Erscheinen der ersten Ge schichte eines Pionier - Truppenteils ( Pionier - Bataillon Nr. 6) als ein äuſseres Zeichen des frischen militärischen Lebens, das die Pionier - Truppe zur Zeit
durchweht, und schon liegen uns wieder zwei Geschichten dieser Art vor - wohl der beste Beweis, daſs die Pioniere den Wert dieses Hebemittels
des Truppengeistes voll zu würdigen wissen und an seiner Herstellung tüchtig arbeiten.
Das brandenburgische Pionier - Bataillon Nr. 3 führt seine Entstehung
auf das Jahr 1742 zurück ; es hat somit auf 146 Lebensjahre zurück zu blicken, die reich an ehrenvoller kriegerischer Thätigkeit waren . Sehen wir von der in vorliegendem Werke nur kurz berührten Teilnahme der Truppe am siebenjährigen Kriege, an den Feldzügen von 1806/7 und 1812 sowie an den Befreiungskriegen ab , so fand das Bataillon nach fast un >
gestörter 50jähriger Friedensarbeit endlich in dem Feldzuge gegen Däne mark 1864 reichlich Gelegenheit, Proben seiner Tuchtigkeit abzulegen ; hervorragendes leistete es bei den Belagerungsarbeiten gegen die Düppeler
Schanzen, beim Sturm auf dieselben und beim Übergang nach Alsen. Der schnelle Verlauf des Krieges 1866 gab den einzelnen Compagnien des
Bataillons weniger Gelegenheit zum Eingreifen, während wir die branden burgischen Pioniere 1870/71 sowohl bei den Feldtruppen wie vor den französischen Festungen in voller Thätigkeit sehen . – Gewandt, anziehend
und lehrreich weiſs die vorliegende Geschichte die Kriegsleistungen des Truppenteils zu schildern , wobei sich die Darstellung, entsprechend der
Umschau in der Militär - Litteratur.
229
Organisation und Verwendung der Pioniere , selbstverständlich stets mit den einzelnen Compagnien beschäftigen muſs. Geschickt hat der Verfasser seine schwierige Aufgabe gelöst und , soviel er bei seiner Gründlichkeit
und Genauigkeit auch technische Einzelheiten bringt, er weiſs seinen Schilderungen doch stets militärisches Leben zu geben und für den Gegenstand zu interessieren. Seine Arbeit darf sich vollberechtigt neben die besten Regimentsgeschichten der Infanterie und Kavallerie stellen . Besonders interessant ist die dem Buche beigegebene Uniformtafel, welche uns in 13 genauen Abbildungen die Pioniere in ihren verschiedenen Uniformen seit dem Jahre 1742 vor Augen bringt. Ein um sieben Jahrzehnte kürzeres und auch an kriegerischer Thätig
keit weniger reiches Dasein wie die brandenburgischen Pioniere hat das
magdeburgische Pionier- Bataillon Nr. 4 hinter sich. Auch seine Geschichte hat in Hauptmann Volkmann einen gewandten Darsteller gefunden , der sich weniger mit Einzelheiten befaſst und durch geschickte Gliederung des
vielseitigen und oft sehr spröden Stoffes seiner Schilderung Reiz zu ver leihen weiſs. Die Thätigkeit der Truppe in den Befreiungskriegen und im Feldzuge 1870/71 bilden begreiflicher Weise die anziehendsten Teile des Buches.
Sicherlich werden Werke wie die beiden vorstehenden auf den mili
tärischen Geist der Pionier -Truppe einen groſsen und günstigen Einfluſs ausüben. Eine recht glückliche Idee war es , neben der umfangreichen Geschichte des brandenburgischen Pionier - Bataillons Nr. 3 auch noch eine „ kurze Darstellung “ dieser Geschichte auf 75 kleinen Seiten zum Gebrauche für die Mannschaften herauszugeben. Ton sowie Art und Weise dieser kurzen Darstellung dürften dem Zwecke entsprechend richtig getroffen sein .
Druck von A. Haack in Berlin NW .., Dorotheenstr 55.
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XVI.
Die französische Armee im Jahre 1813, Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege.
(Fortsetzung .) 4.
Die groſse Armee von 1813 . Die endgültige Organisation der zur Verwendung in Deutschland bestimmten Streitkräfte d. h. die Bildung der groſsen Armee erfolgte durch kaiserliche Verfügung vom 12. März 1813. Danach sollte
die Zusammensetzung der Armee die nachstehende sein : I. Armee-Corps
das reorganisierte ehemalige I. Armee
Corps — Marschall Davout, die 1. , 2., 3. Division. II. Armee -Corps das reorganisierte ehemalige II. und III. Armee - Corps Marschall Victor, die 4., 5., 6. Division. III. Armee -Corps das bisherige I. Observations-Corps vom Rhein Marschall Ney, die 8., 9., 10. , 11. Division .
IV. Armee-Corps – das bisherige Observations- Corps von Italien General Bertrand, die 12., 13., 14. , 15. Division. *) V. Armee - Corps das bisherige Observations-Corps von der Elbe - General Lauriston , die 16., 17. , 18., 19. Division. VI. Armee-Corps das bisherige II. Observations-Corps vom Rhein - Marschall Marmont, die 20. , 21., 22., 23. Division. VII. Armee- Corps das ehemalige VII. Armee-Corps - General
Reynier, die 24., 25., 32. Division. **) ܕ
*) Die italienischen Truppen sollten eigentlich die 13. Division bilden , bildeten tbatsächlich aber die 15. Division.
**) Erstere beide Divisionen sollten wieder von den sächsischen Truppen gebildet werden, letztere war die Division Durutte . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine,
Bd. LXVII , 3 .
16
Die französische Armee im Jahre 1813.
231
VIII. Armee -Corps
die Polen
General Poniatowski , die
26. , 27. Division .
IX. Armee-Corps — die Bayern — unbesetzt, die 28., 29. Division. X. Armee - Corps die Besatzung von Danzig -- General Rapp, die 7. , 30., 33. , 34. Division . XI. Armee- Corps Mar das bisherige Avantgarden-Corps schall St. Cyr (krankheitshalber durch den Marschall Mac donald ersetzt ), die 31., 35., 36. Division.
Durch eine Verfügung vom 24. April wurde dann noch ein XII. Armee-Corps unter dem Marschall Oudinot aus der 13. und 14. Division gebildet, welche bis dahin zum IV. Armee
Corps gehört hatten. Nach der Verfügung vom 12. März, durch welche die Organi sation der Corps festgesetzt wurde , gab es auſser denselben noch eine Anzahl von selbstständigen Divisionen, und zwar waren dies die 37. Division , die Westfalen ,
die 38. Division, die Württemberger, die 39. Division , die Badener, Hessen und Frankfurter, die 40. Division, die noch zu reorganisierenden 4 Weichsel
Regimenter und noch einige andere, aus Spanien gezogene polnische Bataillone, die 41. Division, die 10 vom General Doucet in Erfurt ge bildeten Bataillone, welche weder dem I. noch dem II. Armee- Corps angehörten . Von diesen einzelnen Divisionen wurde in der Folge die 38.
dem IV ., die 39. dem III. Armee -Corps zugeteilt. Auch die baye rischen Truppen erreichten nur die Stärke einer Division, daher denn .
auch von einer selbstständigen Verwendung derselben unter gleich zeitiger Zuteilung zu dem XII. Armee -Corps Abstand genommen wurde.
Auſser diesen verschiedenen Truppen - Verbänden waren noch in der Bildung begriffen die Garde - Infanterie unter dem Marschall Mortier, die Garde- Kavallerie unter dem Marschall Bessières, das 1. Kavallerie - Corps 1., 3. leichte, 1., 3. Kürassier Division - unter dem General Latour-Maubourg, das 2. Kavallerie- Corps – 2. , 4. leichte, 2. Kürassier-Division unter dem General Sebastiani, das 3. Kavallerie-Corps — 5., 6. leichte, 4. schwere Division, -
welches ursprünglich dem General Grouchy zugedacht gewesen war, in der Folge aber dem General Arrighi verliehen wurde.
Die französische Armee im Jahre 1813.
232
Zur Zeit d. h . gegen Mitte März waren aber durchaus noch
nicht alle diese Verbände verfügungsfähig, dieselben bestanden viel mebr zum Teil vorläufig nur dem Namen nach . Was zunächst das IX. Armee - Corps und die 40. Division an betrifft, so sind dieselben, wie dies von dem ersteren bereits gesagt wurde , überhaupt niemals in der beabsichtigten Weise aufgestellt worden ; der kleine Rest der bayerischen Truppen bei der Armee des Vicekönigs zählte überhaupt kaum . Desgleichen fielen das X. und vorläufig auch das VIII. Armee- Corps aus , über welche Napoleon nicht verfügen konnte, sowie die 37. Division, da die westfälischen Truppen zum Schutz ihrer Regierung notwendig waren , sowie die 41. Division und das 3. Kavallerie -Corps, welche in der Bildung noch soweit zurück waren , daſs man namentlich auf das Letztere erst nach Monaten zählen konnte .
Aber auch von den anderen Corps standen gegen Mitte März vielfach erst schwache Teile zur Verfügung. Um diese Zeit zerfielen die gesamten für den Krieg in Deutschland bestimmten verfügbaren die Garden , Truppen in zwei Gruppen, von denen sich die eine das III., IV . und VI. Armee -Corps
über welche Napoleon
persönlich das Kommando übernehmen wollte, am Main versammelte, während die andere, in erster Linie stehende - das I., II., V.,
VII. und XI. Armee-Corps sowie das 1. und 2. Kavallerie-Corps von dem und die Divisionen Roguet , Rehberg und Morand Vicekönig befehligt wurde .
Unter dem 26. März wurde diese sich
durch die Verhältnisse ergebende Teilung der Armee von Napoleon gutgeheiſsen , so daſs es von da ab amtlich eine Main- und eine
Elb -Armee gab. Der an der Spitze der Elb - Armee stehende Vicekönig von
Italien , dessen übereilter Rückzug von der Wartbe bis zur Elbe bereits erwähnt ist, hatte durch denselben die bereits im Jahre 1809 gemachte Erfahrung bestätigt, daſs er nicht alle für ein so
verantwortliches Kommando notwendigen Eigenschaften besitze. Ein tapferer Offizier, dabei ein edler Charakter, hatte er sein rasches Emporkommen er war erst 1781 geboren doch ausschlieſslich seinen verwandtschaftlichen Beziehungen zu Napoleon zu verdanken gehabt, von dem er alle nur möglichen Würden, nicht aber die Eigenschaften eines groſsen Feldherren hatte erhalten können.
Übrigens besals Eugen , und dies war bei den napoleonischen Generalen eine Seltenheit, genügend Bescheidenheit und Selbst erkenntnis, um im Allgemeinen gutem Rate zugänglich zu sein . Das zu seiner Armee gehörende I. Armee -Corps befand sich 16 *
233
Die französische Armee im Jahre 1813.
gegen Mitte März noch durchaus in den ersten Anfängen , so daſs auf dasselbe für den groſsen Krieg noch nicht zu rechnen war. Zunächst standen von diesem Corps überhaupt nur die 16 Erfurter Bataillone mit ungefähr 10,000 Mann zur Verfügung , aber un vollzählig und aus ungeübten Rekruten bestehend, ohne Kavallerie und Artillerie , besaſsen auch sie nur eine sehr bedingte Verwendungs
Fähigkeit. Der Marschall Davout suchte hier dadurch wenigstens etwas abzuhelfen, daſs er sich vorläufig einige eigentlich für das V. Armee- Corps bestimmte Batterien zueignete, welche Maſsregel er
auch dem Vicekönig gegenüber durch den Hinweis auf die un bedingte Notwendigkeit in sehr entschiedener Weise verteidigte. Der damals 43jährige Marschall war zweifellos einer der hervor ragendsten Generale des Kaiserreichs. Durch und durch Soldat, von seinen Untergebenen wegen seiner Strenge gefürchtet, dabei aber doch wegen seiner Fürsorge und seiner glänzenden Führer Eigenschaften im Besitze ihres vollsten Vertrauens, weder Gefahren noch Anstrengungen kennend, war er nicht nur ein ausgezeichneter Unterführer , sondern hatte auch bereits die glänzendsten Beweise seiner Befähigung zum selbstständigen Führer dargelegt. -
Bei dem II . Armee - Corps lagen die Verhältnisse ebenso wie bei
dem I. Corps , auch bier waren zunächst nur die aus Rekruten bestehenden 12 Erfurter Bataillone, ungefähr 8000 Mann , ohne jede Kavallerie und Artillerie zur Verfügung. Insofern war indessen dieses Corps dem vorigen gegenüber im Nachteil , als es in der Person des Marschall Victor zwar einen sehr braven , aber durchaus nicht hervorragenden Führer besaſs , dessen Thatkraft namentlich
weit hinter derjenigen Davout's zurückblieb. Das V. Armee - Corps, das bisherige Elb -Observations -Corps, war aus 12 Cohorten - Regimentern und dem 3 Bataillone starken 3. Fremden - Regiment gebildet worden. Der zum Commandeur dieses Corps ernannte General Lauriston hatte sich bei der Artillerie
in hervorragender Weise ausgezeichnet, aber als Adjutant Napoleon's und demnächstiger Gesandter in Petersburg hatte er bisher keine
Gelegenheit gehabt , seine Befähigung zum höheren Truppenführer darzuthun , daher denn auch seine Ernennung mancherlei Über raschungen und Kränkungen hervorrief.
Seit Mitte Februar weilte
Lauriston in Magdeburg, woselbst seine aus den nächsten Cohorten gebildeten Regimenter allmählich eintrafen , teilweise aufgehalten durch den Ausbruch von Unruhen im Bergischen , bei deren Unter
drückung sie durch Truppen des II. Observations-Corps vom Rhein abgelöst worden waren . Da das 152. Regiment dem in Hamburg
Die französische Armee im
Jahre 1813.
234
kommandierenden General Carra St. Cyr hatte überlassen werden müssen, so zählte das Corps nach seiner Vereinigung 47 Bataillone, welche 4 Divisionen unter den Generalen Maison, Puthod, Lagrange und Rochambeau bildeten.
Die aus den bereitesten Elementen zu
sammengestellte Artillerie dieses Corps war zunächst nur 34 Ge schütze stark und erreichte erst am 7. April *) ihre volle Stärke von 92 Geschüten ; doch blieben von derselben auch dann noch einige - anscheinend 3 bis 4 - Batterien bei den Truppen Dayout's
und Victor's. Kavallerie besaſs das Corps vorläufig überhaupt nicht. Es ist bereits früher erwähnt worden , wie sehr gerade dieses
sonst aus guten Elementen zusammengesetzte Corps unter der schlechten Beschaffenheit seiner Offiziere zu leiden gehabt hatte ; gegenwärtig, also gegen Mitte März, herrschte in Folge der Säuberung des Offizier -Corps der Cohorten ein groſser Mangel an Offizieren nach einem Schreiben Lauriston's vom 13. April fehlten noch an diesem Tage 83 Kapitäns und 73 Lieutenants, - so daſs Lauriston
noch am 15. April, d. h . 10 Tage nach dem Gefecht von Möckern und nur 17 Tage vor der Schlacht von Lützen, meldete , er sei wegen dieses Mangels auſser Stande, seine Truppen manövrieren zu
lassen . Überhaupt war das Corps nur äuſserst unvollzählig , nach dem erwähnten Schreiben vom 13. April fehlten noch ungefähr 200 Mann bei jedem Bataillon, welche, wie der General hinzufügte, ibm bereits angemeldet , inzwischen aber vielleicht anderweitig verwendet seien ; auſserdem , bemerkte er , hätte das Corps viele Kranke, welche ihm bereits krank überwiesen und möglicherweise nach Hause gegangen seien . Einschlieſslich des 152. Regiments zählte
das
Corps
am
5. April 33,649 Mann ,
ohne
dasselbe
30,785 Mann.
Das VII. Armee -Corps bestand vorläufig nur aus den kaum noch 1700 bis 1800 Mann starken Resten der Sachsen , aus der
Division Durutte , welche noch 3000 Mann zählte , und aus den 3000 Polen, welche sich an Reynier angeschlossen hatten. Dieser General, der auch in Zukunft das Corps kommandieren sollte, genoſs *) Charras giebt auf Grund des Operations -Journals des V. Armee-Corps hierfür den 22. März an ; nach den vorliegenden Bruchstücken des erwähnten
Journals in den „Denkwürdigkeiten für Kriegskunst “ langte an diesem Tage allerdings der groſse Artillerie-Park des Corps von Frankreich her in Magdeburg an, derselbe wurde aber erst am 7. April endgültig organisiert. Nach derselben Quelle erhielt die Division Lagrange , welche bis dahin keine Geschütze gehabt, dieselben erst am 29. März , die Division Puthod , welche bis dahin 8 Geschütze 9
vom XI. Armee-Corps gehabt, erst am 1. April,
Die französische Armee im Jahre 1813.
235
mit Recht den Ruf eines tüchtigen Führers, indessen , ein ent schiedener Unglücksvogel , war er nicht im Besitz von Napoleons Gunst, daher und in Folge die in ihrem Marschälle ein Was das welches
bis
bereits mehrfach zum Marschall übergangen worden dessen in hohem Grade verbittert, so daſs er für Dienstalter als Divisions-Generale vielfach jüngeren schroffer und überaus schwieriger Untergebener war . schon mehrfach erwähnte XI. Armee - Corps aplangt, zum Eintreffen
des Marschall Macdonald
von
dem
General Grenier geführt wurde , so befand sich dasselbe in einem
völlig brauchbaren Zustande, nur daſs es an Kavallerie und Artillerie sehr schwach war , indem jene nach der Vernichtung des 4. ita lienischen Jäger- Regiments allein noch aus der einen Schwadron würzburgischer Chevaulegers bestand, während diese sich allein aus der Divisions - Artillerie der ehemaligen Divisionen Grenier und Lagrange zusammensetzte. Die Stärke des Corps mochte noch etwa 23,000 Mann betragen. Der zum Commandeur dieses Corps ernannte Marschall Macdonald , damals 48 Jahre alt , war nicht nur ein
tüchtiger Soldat , sondern auch ein hochachtbarer Charakter; er hatte bereits mehrfach Gelegenheit gehabt, selbstständig zu führen, so namentlich an der Trebbia , aber es fehlte ihm , wie Napoleon, der ihn übrigens wegen seiner uneigennützigen Anhänglichkeit in hohem Grade schätzte , von ihm sagte , an Glück , diesem Haupt Erfordernis für jeden Soldaten und namentlich für jeden Führer.
Das 1. und 2. Kavallerie-Corps waren zur Zeit in ihrer Orga nisation noch soweit zurück, daſs sie erst 1600 beziehungsweise 1800 Reiter im Sattel hatten , und wurden sie daher einstweilen
unter Abstandnahme von einer selbstständigen Verwendung dem XI. beziehungsweise dem V. Armee - Corps zugeteilt. Von den Führern dieser Corps galt der General Latour-Maubourg mit Recht für einen der hervorragendsten Reiter -Generale der Armee, während
der General Sebastiani , ebenso wie Lauriston eine Zeit lang in der
Diplomatie verwandt, zwar ein tapferer und kenntnisreicher Offizier sein mochte, als Kavallerieführer aber im letzten Feldzuge nur eine
äuſserst mittelmäſsige Begabung an den Tag gelegt hatte. Ebenfalls zur Elb - Armee gehörten endlich noch die beiden schwachen Divisionen der Generale Roguet und Rechberg, von denen jeve aus etwa 4000 Mann Garde , diese aus den kaum noch 1600 Mann starken Resten der Bayern bestand, sowie die auf dem Rückzuge nach der unteren Elbe begriffene, etwa 3000 Mann starke Abteilung des General Morand.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Die zur Verwendung im freien Felde verfügbaren Streitkräfte des Vicekönigs betrugen demnach in der zweiten Hälfte des Monat März beinahe 92,000 Mann , wobei ungefähr 5000 Reiter und 150 Geschütze. *) Rechnet man nun hiervon auch wirklich vorläufig
noch die Erfurter Bataillone sowie die polnischen Rekruten und die in ihrer dermaligen Verfassung kaum verwendbaren Reste der
Sachsen und Bayern ab, so verblieben doch noch immer über 67,000 Mann brauchbarer Truppen , im gegenwärtigen Augenblick unter einem thatkräftigen Führer eine höchst achtbare Macht. Seit dem 9. März befand sich das Hauptquartier des Vicekönigs 4000 Mann in Leipzig, woselbst sich auch die Division Roguet 8 Geschütze
befand.
Auf dem rechten Flügel, zwischen dem Königstein und Torgau, stand der General Reynier mit der Division Durutte, den Polen, den
Resten der Sachsen und Bayern und der ihm jetzt ebenfalls über wiesenen Division Gérard des XI. Armee-Corps. Da Eugen indessen vorläufig noch ein groſses Gewicht auf die Behauptung der oberen Elbe legte, so sandte er von Leipzig aus auch noch den Marschall Davout mit der aus 6 Erfurter Bataillonen bestehenden Brigade Pouchelon des I. Armee -Corps nach Dresden , wodurch die Stärke
des rechten Flügels auf ungefähr 19,000 Mann 40 Geschütze erhöht wurde. Der mit seiner Unterordnung unter den Marschall Davout unzufriedene General Reynier meldete sich krank und verlieſs eigen
mächtig die Armee. – Auſser den aufgeführten Truppen befanden sich noch gegen 5700 Sachsen unter dem General v . Thielmann in Torgau, da aber dieser sehr zu den Verbündeten hinneigende General von seinem Könige den Befehl erhalten hatte, die strengste Neutralität zu wahren, so konnte Davout weder über dessen Truppen noch über
den wichtigen Stützpunkt Torgau verfügen. Auch die reorganisierte und wieder 2000 Pferde zählende Sächsische
Reiterei war
den
Franzosen vom Könige Friedrich August nicht überlassen worden, so daſs der Marschall nur über einige Hundert Pferde von dieser Waffe verfügte. Das Centrum , welches aus dem V. Armee -Corps, den beiden *) Über die Stärke der Artillerie während dieser Zeit bestehen nur sehr ungenaue und sich vielfach widersprechende Nachrichten. Abgesehen von den verschiedenen Stärken der Batterien liegt namentlich in dieser ersten Zeit noch eine
besondere Schwierigkeit darin, daſs sich noch vereinzelte Geschütze bei den aus Russland zurückkehrenden Trümmern befanden , während auch noch ununter
brochen neue Geschütze anlangten.
Eine genaue Berechnung der Geschützzahl
ann daher nicht den Anspruch auf unbedingte Zuverlässigkeit machen.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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noch übrigen Divisionen des XI. Armee- Corps, sowie den beiden noch sehr schwachen Kavallerie -Corps bestand, dehnte sich von Torgau bis Magdeburg aus. Die Gesamtstärke dieser Truppen betrug etwa 51,000 Mann , wobei 3400 Reiter und gegen 80 Geschütze. Hieran schloſs sich der aus dem Rest der Erfurter Bataillone
gebildete linke Flügel unter dem Marschall Victor an ; es
waren
dies die 12 Bataillone der Division Dubreton des II. und die 10
noch übrigen Bataillone der Division Philippon des I. Armee-Corps, sowie einige Hundert Gendarmen und 2 Batterien. Das Ganze zählte wohl nur wenig über 14,000 Mann . Zur Aufgabe des Marschall Victor, dessen Truppen sich bis zur Havelmündung aus
dehnten , gehörte es auch, das Land an der unteren Elbe durch fliegende Kolonnen im Zaume zu halten und zu verhindern, daſs
der in Hamburg ausgebrochene Aufstand von den Parteigängern der Verbündeten auch nach dem linken Elb - Ufer hinübergetragen wurde.
Diese Stadt hatte inzwischen von dem General Carra St. Cyr geräumt werden müssen, der mit den wenigen ihm zu Gebote stehen den Truppen nach Bremen zurückgegangen war, wohin sich auch der aus Schwedisch -Pommern zurückberufene General Morand wandte.
Beide Generale verfügten zusammen über kaum 6000 Mann.
Von Napoleon wiederholentlich darauf hingewiesen , seinen
Schwerpunkt nach Magdeburg zu verlegen, um Nieder-Deutschland zu decken, brach Eugen am 20. März von Leipzig dorthin auf, wobin auch Davout mit der Division Gérard und der Brigade Pouchelon berufen wurde.
Da zu dieser Zeit die Garde-Kavallerie auf Befehl Napoleons
nach Fulda geschickt werden muſste, während gleichzeitig auch die polnischen Truppen, welche sich bis dahin bei dem VII. Armee Corps befunden hatten , nach dem Königreich Westfalen zurückverlegt wurden, um dort gemeinsam mit den ehemaligen Truppen Gérard's neugebildet zu werden, so erlitt die Armee des Vicekönigs eine erhebliche Schwächung.
Es kam hinzu, daſs am 21. März auch noch der von der fran zösischen Armee abberufene Rest der sächsischen Truppen nach Torgau rückte, so daſs an der oberen Elbe nur noch die Division
Durutte und die Bayern verblieben, erstere in Dresden, letztere in Meiſsen .
Der seit dem 19. März hier den Befehl führende General
Durutte war unter diesen Umständen nicht in der Lage, sich an der oberen Elbe behaupten zu können, sobald einmal die Verbündeten gegen dieselbe vorgingen ; am 26. März räumte er daher Dresden
Die französische Armee im Jahre 1813.
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und zog sich mit seiner kaum noch 2000 Mann starken Division über Altenburg nach dem Ost - Abhange des Harzes an den rechten Flügel des Vicekönigs heran, während die Bayern, kaum noch 1000 Mann stark, in ihr Vaterland zurückkehrten . Die schwachen Reste der Division Durutte fielen für die nächste Zeit ganz aus, da
eine Neubildung derselben dringend erforderlich war ; seine Artillerie, noch 14 Geschütze, schickte General Durutte zurück.
Nach der Räumung der oberen Elbe stand der Vicekönig mit dem V. und XI. Armee-Corps, ersteres ohne die Division Puthod und das 152. Regiment, sowie mit dem 1. Kavallerie- Corps, welches jetzt 2500 Pferde zählte, und der Division Roguet in der Umgegend von Magdeburg, während der Marschall Victor mit der Division Dubreton an der unteren Saale den rechten Flügel bildete, der Marschall Davout dagegen auf dem linken Flügel die Divisionen
Philippon und Puthod , sowie das jetzt 2000 Pferde starke 2. Kavallerie-Corps unter seinen Befehlen vereinigte. Am 5. April wurde der Vicekönig in seiner Stellung vorwärts
Magdeburg von Wittgenstein angegriffen. In den verschiedenen an diesem Tage gelieferten Gefechten, welche unter dem zusammen fassenden Namen des Treffens von Möckern bekannt sind, erwies
sich die moralische Überlegenheit der Truppen der Verbündeten in
einem so hohen Grade, daſs Eugen trotz seiner doppelten numerischen Überlegenheit, ohne eigentlich geschlagen zu sein , über die Elbe
zurückging. Das Gefecht hatte den Franzosen gegen 2200 Mann und ein Geschütz gekostet, namentlich hatte die 1. leichte Kavallerie Division sehr gelitten, dieselbe soll allein über 400 Mann verloren haben .
Nach dem Treffen von Möckern verlegte der Vicekönig wieder
seinen Schwerpunkt auf seinen rechten Flügel, um so angeblich in der Lage zu sein, ein Vorgehen der Verbündeten gegen die durch den Thüringer Wald herankommende Main -Armee durch eine Be drohung der rechten feindlichen Flanke verhindern zu können. Da -
indessen Magdeburg, wo sich auſser einigen Schiffs -Compagnien nur 2 durchaus unzuverlässige, westfälische Regimenter befanden, durch die Aufstellung der Armee an der unteren Saale entblöſst schien, so hielt Eugen eine Verstärkung der dortigen Garnison für geboten und lieſs zu diesem Zweck 6 Bataillone des I. und 4 des II. Corps dorthin rücken .
Inzwischen hatten die Ereignisse an der unteren Elbe, woselbst Bremen aus wieder vorgegangene General Morand am
der von
2. April bei Lüneburg mit seiner ganzen Kolonne von den Partei
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Die französische Armee im Jahre 1813.
gängern der Verbündeten vernichtet worden war, eine gröſsere Kräfte- Entfaltung in der dortigen Gegend erforderlich gemacht. Napoleon hatte für diesen Schauplatz 61 Bataillone unter dem Marschall Davout bestimmt, die 4. und 3. Bataillone der Regimenter
des I. und II. Armee-Corps und die sogenannte Hamburger Brigade. Vorläufig aber waren diese Truppen bei Weitem noch nicht alle zur Stelle, sondern verfügte der einstweilen an der Weser komman dierende General Vandamme, einschlieſslich der Abteilung des General Carra St. Cyr, zunächst nur über etwa 12,000 Mann, bei denen sich
einige Hundert von Hannover herangezogene Reiter, sowie auch einige Batterien befanden . Von diesen Truppen stand ungefähr die Hälfte in und um Bremen, der Rest an der Weser bis in die Gegend von Minden . Was von den 33 Bataillonen, welche zuerst eintreffen
sollten - die 28 vierten Bataillonen , welche später die ersten wurden ,
und die 5 Bataillone der Hamburger Brigade – noch fehlte, etwa 12,000 Mann, war teilweise im Apmarsch, teilweise aber sogar noch in der Bildung begriffen, daher denn auch Napoleon noch unter dem 26. März den Marschall Kellermann aufforderte, die Absendung dieser noch fehlenden Bataillone zu beschleunigen. Die 28 dritten Bataillone trafen überhaupt erst kurz vor dem Waffenstillstande an der Elbe ein. Trotzdem die erst erwähnten Bataillone der gröſst
möglichen Beschleunigung ihres Marsches wegen teilweise zu Schiff von Mainz nach Wesel gebracht wurden, langten die jungen Aus gehobenen in letzterer Festung doch in einem so traurigen Zustande an, daſs sie zum Teil zu Wagen weiter befördert werden muſsten .
Von derartigen , noch dazu gänzlich unausgebildeten, unvollzähligen und nur mit schwachen Stämmen versehenen Truppen war natürlich nicht viel zu erwarten.
Unter diesen Umständen überwies der Vicekönig dem zur Nieder werfung des Aufstandes mit unumschränkter Vollmacht versehenen Marschall Davout einstweilen die Division Puthod und das 2. Kavallerie
Corps, mit welchen Truppen derselbe Anfang April nach der Nieder Elbe aufbrach .
Nach all diesen Vorgängen war die Verteilung der französischen Truppen in dem nördlichen Deutschland Ende April die folgende: Im Hannoverschen stand der Marschall Davout mit den Truppen Vandamme's, der Division Puthod und der Kavallerie Sebastiani's,
im Ganzen etwa 25,000 Mann, wobei gegen 3000 Reiter und wenigstens 32 Geschütze; beträchtliche Verstärkungen waren im Anmarsch ;
Die französische Armee im Jahre 1813.
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an der mittleren Elbe, auf dem linken Flügel der Armee des Viceköpigs, stand der Marschall Victor mit 18 Erfurter Bataillonen und 3 Batterien in einer Stärke von 12,000 Mann, die übrigen 10 Erfurter Bataillone befanden sich noch in Magdeburg ; mit dem Rest des V. und dem ganzen XI. Armee-Corps, der Garde -Division Roguet und der Kavallerie Latour -Maubourg's, ein schlieſslich von 2500 Reitern ungefähr noch 47,000 Mann, 91 Ge schütze , stand der Vicekönig an der Saale.
Die in der Neubildung begriffene Division Durutte erwartete noch ihre mit dem VI. Armee -Corps anrückenden Verstärkungen, 4 Bataillone Neueingestellter und 2 Bataillone Würzburger, durch deren Eintreffen sie auf eine ungefähre Stärke von 6000 Mann
gebracht wurde. An Stelle der zurückgeschickten und dem VI. Corps überwiesenen Geschütze wurden der Division 2 neue Batterien zu
geteilt.
Während der Vicekönig mit den Resten der groſsen Armee fast ununterbrochen bis zur Elbe zurückgewichen war und erst hinter diesem Strom in Folge des Eintreffens eines Teiles der von
Napoleon in den ersten Monaten des Jahres 1813 aufgestellten Heeresteile Halt machen zu können geglaubt, hatte die aus den Observations -Corps vom Rhein und von Italien bestehende Masse derselben sich in Franken versammelt.
Das aus den bereitesten Elementen gebildete I. Observations Corps vom Rhein, seit dem 12. März III. Armee-Corps genaunt, war gebildet aus 8 Cohorten-Regimentern , dem wie diese 4 Bataillone starken 22. Linien -Regiment und 24 einzelnen Bataillonen , von denen 4 unter ihrer eigenen Nummer in das Feld rückten, während die übrigen 10 provisorische Regimenter za 2 Bataillonen bildeten . Die
aus diesen Truppen zusammengestellten 4 Divisionen waren den Generalen Soubam, Girard, Brenier und Ricard unterstellt worden . Das Kommando über das ganze Corps hatte der Marschall Ney erhalten, welcher, mit seinem Kaiser in demselben Jahre geboren, zu dessen glänzendsten Generalen gehörte und sich in Russland mit unsterb lichem Ruhme bedeckt hatte.
Sowohl die Stämme des 22. Linien-Regiments als auch die aus der Armee in Spanien entnommenen Stämme der einzelnen Bataillone waren durchweg mit Ausgehobenen von 1813 gefüllt, welche in dessen Dank den unermüdlichen Bemühungen des Marschall Keller mann, unter dessen Augen sie gebildet worden waren , vor allen
übrigen aus Ausgehobenen gebildeten Bataillonen eine zweimonat
liche Ausbildung voraushatten. Unter Ney's kräftiger Leitung gelang
Die französische Armee im Jahre 1813.
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es, die Ausbildung der marschierenden und gleichzeitig noch mit ihrer Organisation beschäftigten Bataillone auch noch weiter zu fördern .
Als fünfte Division kam hierzu die aus 11 Bataillonen Hessen ,
Badenern und Frankfurtern gebildete 39. Division unter dem General
Marchand . An Kavallerie verfügte Ney nur über 2 schwache Re gimenter, das 10. französische Husaren-Regiment und die badischen Dragoner, welche zusammen höchstens 1200 Pferde zählten. Besser
war das Corps mit Artillerie versehen, denn auſser 92 französischen führte es noch 16 badische und hessische Geschütze. Die Gesamt stärke des Corps sollte 60,000 Mann betragen, thatsächlich betrug
sie indessen laut Rapport vom 20. April nur 48,605 Mann, *) von denen gegen 41,000 Franzosen .
Die Division Souham war bereits Anfang Februar bis Hanau vorgeschoben worden ; die übrigen Divisionen , welche sich bei Mainz
und Frankfurt versammelt hatten, waren damals in ihrer Organisation aber noch weiter zurückgewesen und hatten sich erst Mitte März in Bewegung setzen können.
Seit dem 25. März befand sich Ney in
Würzburg, woselbst sich die Division Marchand versammelte, und
wohin auch die übrigen Divisionen vorrückten. Von Würzburg aus ging Ney nach Meiningen vor, wo er am 17. April eintraf. Das VI. Armee-Corps, das bisherige II. Observations- Corps vom Rhein, sollte aus 20 Bataillonen Marine-Kanonieren , den 4 Bataillonen des aus den Departemental-Reserve-Compagnien gebildeten 37. leichten Regiments und 34 in derselben Weise wie bei dem III . Armee -Corps gebildeten Bataillonen Ausgehobener von 1813 bestehen, welche 4 Divisionen unter den Generalen Compans, Bonnet, Friedrichs und Teste bilden sollten . Hierzu sollte das Corps das aus Spanien kommende 7. Chevauleger-Regiment, 2 deutsche Reiter -Regimenter und 92 Geschütze erhalten . Der zum Commandeur ernannte Marschall
Marmont war ein sehr kenntnisreicher und bei seinen Untergebenen sehr beliebter Führer, der unter schwierigen Verhältnissen nicht ohne
Geschick selbstständig befehligt hatte, aber er war mehr Kritiker als Praktiker , und man maſs ihm den Verlust der Schlacht bei Sala
manka bei , in welcher er eine schwere Wunde erhalten hatte, die zur Zeit noch nicht geheilt war.
*) Ohne die Bayern und Württemberger, welche dermalen vortibergehend dem III. Corps angehörten, von dem sie aber noch vor Beginn der Operationen wieder abgezweigt wurden, und deren Stärke nach demselben Rapport zusammen 8532 Mann betrng .
Die französische Armee im Jahre 1813.
242
Am 26. März langte Marmont in Frankfurt a. M. an, WO er sich alsbald mit dem gröſsten Eifer der Organisation seines Corps widmete.
Im Gegensatz zu dem III. Armee-Corps, welchem die
nächsten Depots zugeteilt worden waren, befand sich kein Corps der groſsen Armee in einer so ungünstigen Lage wie das VI.; der Wert der Marine- Bataillone hatte durch die starken Abgaben sehr gelitten, und war ihre Stärke so gering, daſs ihre Zahl einstweilen auf 15 herabgesetzt und die überschieſsenden Stämme nach Mainz zurückgeschickt werden muſsten, was aber die aus Ausgehobenen gebildeten Bataillone betrifft, deren das Corps nur 32 erhielt, so hatten diese in Folge des weiten Anmarsches gar keine Ausbildung, und dabei besaſsen viele Compagnien nur einen Offizier. Ein sehr anzuverlässiges spanisches Bataillon , dessen strenge Bewachung Napoleon angeordnet hatte, bildete auch keinen nennenswerten
Zuwachs. Das 37. leichte Regiment hatte zwar gute Soldaten, aber schlechte Stämine. Noch am 2. April fehlten den Divisionen Compans und Friedrichs 6 beziehungsweise 7 Bataillone ; die Infanterie der beiden anderen Divisionen war zwar wohl vollzählig, aber die eine von ihnen , die aus 12 Bataillouen Ausgehobener gebildete Division Teste, welche nach Gieſsen hatte gelegt werden müssen, um als Rückhalt für die bergische und die westfälische Regierung zu dienen, befand sich noch in einem so unfertigen Zustande, daſs sie beim Abmarsch des Corps überhaupt zurückgelassen werden muſste.
Kavallerie hatte das Corps vorläufig überhaupt nicht. *) Erst am 9. Mai stiefsen 2 Schwadronen hessische Chevaulegers zu ihm , welche indessen bereits am 26. Mai zum XII. Armee-Corps übertraten ; vorübergehend gehörte gegen Ende des Frühjahrs-Feldzuges auch noch das aus Spanien gekommene 7. Chevauleger - Regiment dem VI. Corps an . Am geringsten war noch der Ausfall bei der Artillerie, hiervon erhielt das Corps nach und nach 84 französische Geschütze, welche
indessen teilweise ebenfalls erst sehr spät eintrafen. Am 15. April hatten zunächst nur erst die beiden ersten Divisionen ihre Divisions Artillerie mit zusammen 32 Geschützen ; die Divisions - Artillerie der
dritten Division stieſs erst während des Marsches zum Corps, während die für dasselbe bestimmte Reserve -Artillerie vorläufig überhaupt nicht eingetroffen zu sein scheint, daher die 14 von der Division *) In seinen Memoiren giebt Marmont an, beim Corps hätten sich 250 bergische Chevaulegers befunden. Da diese Truppe sich indessen nachweislich (Ardenne
„ Bergische Chevaulegers “ ) bei der Garde befand, so liegt hier ein Irrtum vor, und wird der Marschall wahrscheinlich die hessischen Chevaulegers gemeint hohen .
243
Die französische Armée im Jahre 1813.
Durutte zurückgeschickten Geschütze dem Marschall als Ersatz über
wiesen wurden, wodurch die Geschütz - Zahl des Corps auf 62 stieg. Die zur Bedieuung bestimmten 8 Fuſs -Artillerie - Compagnien waren am 20. April noch nicht eingetroffen, und hatte der Marschall Marmont zur Aushülfe für die Bedienung der Geschütze Abtei lungen von Marine -Kanonieren bilden lassen .
In einer wie wenig kriegstüchtigen Verfassung das Corps ge wesen sein muſs, geht aus einem Schreiben Marmont's vom 15. April an Berthier hervor, in welchem es heiſst:
»sein Corps sei nicht schlagfertig, denn 1. leide es einen auſserordentlichen Mangel von Offizieren, welche bei Truppen wie den seinigen nötiger denn je seien, über 80 Stellen seien unbesetzt, für welche keine geeigneten Persönlichkeiten vorhanden ; 2. habe die dritte Division bisher
weder Geschütze noch
Munitionswagen ; 3. verfüge er über keinen Mann Kavallerie ;
4. babe er bei seinem Corps weder Chirurgen noch 5. Verwaltungsbeamte sowie auch nur einen einzigen General stabs- Offizier ;
das Corps bilde einen Haufen von Menschen, aber keine Truppe. « Unter dem 19. April stellte der Marschall dann noch einmal den Offizier-Mangel fest; danach fehlten dem Armee- Corps noch 60 Kapitäns, 1 Zahlmeister, 2 Adjutant-Majors und 67 Lieutenants, und dabei war der Unteroffizier-Mangel noch viel gröſser. Hält
man hiermit die überaus mangelhafte Ausrüstung und Ausbildung der jungen Ausgehobenen sowie ihre groſse Schwächlichkeit zu sammen , so giebt das in der That ein überaus trauriges Bild. Nur die äuſserste Not konnte dazu zwingen , ein in jeder Be ziehung so unfertiges Corps zu verwenden, und trotz dieser Not muſste die Division Teste in Gieſsen zurückbleiben.
Da das Armee
Corps einschlieſslich dieser Division nach dem Eintreffen der oben erwähnten 13 Bataillone der Divisionen Compans und Friedrichs
32,433 Mann stark gewesen sein soll , so dürfte es ohne dieselbe wohl nur wenig über 23,000 Manu in Reih und Glied gezählt haben, als es nach anstrengenden Märschen am 19. April Eisenach mit seinen Spitzen erreichte. Das italienische Observations -Corps war von dem General >
Bertrand mit groſsem Eifer aufgestellt worden , so daſs es ziemlich
frühzeitig marschbereit geworden war. Wenn auch ein tüch tiger Ingenieur, war Bertrand doch nur ein äuſserst mittelmäſsiger
Die französische Armee im Jahre 1813.
244
General, dessen Befähigung weit hinter seinen Ansprüchen zurück
blieb ; seine Stellung verdankte er daher auch nicht sowohl seinen Fähigkeiten , als vielmehr seinen langjährigen Diensten als Adjutant des Kaisers, dem er die treuste Anhänglichkeit bewahrte. Da er noch nie ein ähnliches Kommando gehabt hatte, erregte seine Er nennung viel Staunen und Gespött. Gebildet war das Corps aus 2 Cohorten -Regimentern zu je 4 Bataillonen , dem 13. und 23. Linien -Regiment mit zusammen 9 Bataillonen, 16 Bataillonen Ausgehobener von 1813, worunter das 101. Regiment mit 3 Bataillonen, und aus 13 italienischen , 2 illy rischen und 3 neapolitanischen Bataillonen, so daſs es im Ganzen 51 Bataillone zählte.
In Deutschland stiefsen hierzu noch die 6 in
Augsburg gebildeten zweiten Bataillone, sowie von Würzburg her ein aus Schiffs - Compagnien zusammengestelltes und eigentlich zur Verstärkung der Besatzung von Glogau bestimmtes Bataillon ; da indessen die aus Italien gekommenen Bataillone sehr unvollzählig waren, so wurden diese 7 Bataillone aufgelöst und die Stämme der
6 zweiten Bataillone nach Italien geschickt. Gegliedert war das Corps in drei französische und eine italienische Division , erstere unter den Generalen Morand , Pacthod und Lorencez, letztere unter dem General Peyri. An Kavallerie sollten hierzu das 13. und
14. Husaren -Regiment, die in Italien aufgestellten Schwadronen des 19. Jäger -Regiments, das 1. italienische und das 2. neapolitanische Jäger-Regiment unter dem General Fresia stoſsen, an Artillerie 70 in Italien und 22 in Straſsburg aufgestellte Geschütze. Es sei gleich hier bemerkt, daſs die 3 französischen Kavallerie- Regimenter nicht rechtzeitig fertig wurden und daſs auch die 22 Geschütze, welche
von Straſsburg kommen sollten, das Corps niemals erreicht haben . *) Die Stärke des Corps wird im Allgemeinen einschlieſslich der *) Charras giebt an, das Corps hätte 3 italienische Kavallerie-Regimenter mit 11 Schwadronen gezählt, in der „ correspondance “ sind nur 2 Regimenter angegeben. Da von den 7 italienischen Kavallerie-Regimentern 4 bei der groſsen Armee ge wesen waren und neu gebildet werden muſsten, Garde- und Königin -Dragoner und 2. und 3. Jäger-, das 4. Jäger-Regiment sich aber bereits bei dem XI. Corps
befand, so könnten auſser dem 1. Jäger höchstens noch die Napoleon -Dragoner bei dem IV . Corps gewesen sein. Von diesem in Spanien stehenden Regiment waren im Januar Stämme nach Italien gezogen worden , es befand sich also in derselben Lage wie die Regimenter des 8. Kavallerie- Corps, und ist daher wahr scheinlich auch erst später als das IV. Corps nach Deutschland gekommen. Die Annahme, es hätte sich noch ein anderes neapolitanisches Regiment bei dem Corps
befunden, findet nirgends eine Bestätigung, auch kommt in der Folge kein zweites derartiges Regiment bei der Armee vor .
Die französische Armee im Jahre 1813.
245
Bataillone, welche in Deutschland zu demselben stiefsen, auf Grund
eines vom 8. April herrührenden Berichts von Bertrand an den
Kriegsminister auf 45,000 Mann angegeben, aber trotz dieses Berichtes, man erinnere sich des über die Zuverlässigkeit der Rapporte Ge sagten, scheint das Corps schon bei Weitem nicht vollzählig aus Italien abgerückt zu sein und unterwegs auch noch durch Krankheit
und Desertion groſse Verluste gehabt zu haben – desertierten doch beim Abmarsch von der Etsch in einer Nacht allein vom 7. italienischen
Linien - Regiment 280 Mann - so daſs es thatsächlich nur mit etwa
30,000 Mann nach Deutschland gekommen sein dürfte, wo es durch
jene Verstärkungen auf 33,000 Mann gebracht wurde, unter denen sich etwa 1500 Reiter befanden .
Den Wert der Soldaten anlangend, so bestanden auſser den Cohorten noch die neapolitanischen Truppen aus alten Soldaten, vom Rest etwa die Hälfte aus Ausgehobenen von 1813, die Hälfte aus Soldaten von durchschnittlich mindestens einjähriger Dienstzeit, indessen waren auch diese älteren Soldaten, welche mit den jungen
Ausgehobenen in sehr ungleichmäſsiger Weise vermischt waren, noch garnicht an die Ertragung von Anstrengungen und Entbehrungen gewöhnt. Trotz dieses Umstandes setzte in höchst bezeichnender Weise, wie Bertrand meldete, das Erscheinen der alten Soldaten des
13. und 23. Linien - Regiments die Tyroler und Bayern in hohem Grade in Staunen, da der Glaube allgemein verbreitet war, die
alten französischen Regimenter seien sämtlich in Russland unter gegangen .
Am 13. März trat Bertrand mit seinem Corps von Verona aus den Marsch über Trient auf Augsburg an und erreichte von letzterer Stadt aus am 17. April mit den Divisionen Morand und Peyri und mit der Reiterei Bamberg, während die beiden anderen Divisionen
noch weiter zurück waren. In Italien war auſser der neapolitanischen Armee nur eine Anzahl französischer und italienischer Stämme
zurückgeblieben ; namentlich standen auch in den illyrischen Provinzen,
in denen eine sehr feindselige Stimmung berrschte, auſser einigen schwachen italienischen Abteilungen nur äuſserst unzuverlässige ein geborene Truppen.
Durch Abzweigung der beiden Divisionen Pacthod und Lorencez, sowie einer Batterie der Reserve -Artillerie wurde, wie schon erwähnt, am 26. April das XII. Armee -Corps unter dem Marschall Oudinot gebildet. Zur Zeit 46 Jahre alt, mit Wunden bedeckt, welche eben -
so viele Beweise seiner glänzenden Tapferkeit waren , dabei geistig und körperlich völlig frisch , galt der Marschall für einen sebr
Die französische Armee im Jahre 1813 .
246
erprobten Corps-General. Erst im Augenblick des Beginnens der Operationen mit dem Kommando über das Corps beauftragt, hatte Oudinot mit den gröſsten Schwierigkeiten zu kämpfen ; so besaſs beispielsweise das Corps am 29. April noch keinen Generalstab und kein Kriegs-Kommissariat, auch führte seine Infanterie nur ihre Taschen -Munition mit sich .
Einen ansehnlichen Zuwachs erhielten die beiden Corps durch
die Zuteilung je einer dritter , ursprünglich für das III. Armee- Corps bestimmt gewesenen Division , durch welche namentlich auch dem
gänzlichen Mangel an Kavallerie bei dem XII. Armee- Corps abge holfen wurde. Die bei Mergentheim unter dem General Franquemont zusammengezogene württembergische Division - 8 Bataillone, 8 Schwadronen , 2 Batterien = 7260 Mann, 12 Geschütze wurde dem IV. , die sich bei Bayreuth versammelnde bayerische Division Raglowitsch 10 Bataillone, 6 Schwadronen, 2 Batterien 8000 Mann, 16 Geschütze - dem XII. Corps zugeteilt. -
Die Kaisergarde konnte bei Eröffnung des Feldzuges bei Weitem nicht so stark auftreten, als Napoleon es gehofft hatte. Einschlieſslich der von dem Vicekönig zurückgeschickten Kavallerie und einer Schwadron bergischer Chevaulegers, welche letztere den holländischen Lanciers der Garde zugeteilt war , zählte sie bei Mainz nur 2 Ba taillone alter Garde, 14 junger Garde unter dem General Dumoustier, 16 Schwadronen und 7 Batterien , 15,000 Mann einschlieſslich 3000 Reiter und 52 Geschütze .
Das Kommando über die alte
Garde sollte der Marschall Soult führen , der indessen sehr bald als Stellvertreter des Kaisers nach Spanien gehen muſste, wahrend an der Spitze der jüngeren Garde der Marschall Mortier und an der der Garde -Kavallerie der Marschall Bessières stand.
Auſser den
aufgeführten Truppen befand sich von der Garde noch die Division Roguet bei der Armee des Vicekönigs , während sich die Division Barrois am Main formierte; alles andere, was zur Garde gehörte, war noch auf dem Marsch nach den Sammelpunkten oder in der
Bildung begriffen. Nachdem am 30. April die Division Roguet sich mit den übrigen Truppen der Garde vereinigt hatte , wurde die Garde- Infanterie in 2 Divisionen gegliedert , die 6 Bataillone alter Garde unter dem General Roguet, die 16 Bataillone junger Garde unter dem General Dumoustier.
Was schlieſslich noch die beiden Marsch -Kavallerie- Divisionen
des General Lebrun anbetrifft, so fingen die verschiedenen zu ihrer Bildung bestimmten Truppen -Abteilungen zur Zeit eben an , bei arbi
die Deutsche
und Marine,
Bd . LXVII ., 3.
17
Die französische Armee im Jahre 1813.
247
Mainz einzutreffen, doch muſste immerhin noch einige Zeit vergehen, bis sie der Armee nachrücken konnten .
So war es im Ganzen eine Armee von 135,000 Mann, bei der sich gegen 7000 Reiter und 320 Geschütze befanden, welche Napoleon persönlich Ende April nach Sachsen führte, ungerechnet die noch in der Bildung begriffenen Verstärkungen an Garde und an Kavallerie.
Die Stelle als Major -General bei dieser Armee sollte wiederum
der Marschall Berthier bekleiden , Napoleons langjähriger General stabschef.
Wenngleich der Marschall im Jahre 1809 gezeigt hatte,
daſs er nicht die erforderlichen Fähigkeiten besitze, um eine Armee selbstständig zu führen, so war er doch für seine Stellung als Generalstabschef bei Napoleon , wegen seiner genauen Kenntnis desselben sowie vermöge seiner groſsen Sorgfalt und Arbeitsamkeit in hervorragender Weise geeignet.
In dem kommenden Feldzuge
sollte man Berthier freilich sein Alter, er zählte 60 Jahre, ron denen er 20 im Feldlager zugebracht hatte , in hohem Grade an merken sowie auch , daſs er kriegsmüde war und seine groſsen Reichtümer gerne in Ruhe genieſsen wollte. Am 17. April langte Napoleon in Mainz an , zu einer Zeit, da
die Hauptmasse seiner Armee bereits in Thüringen stand.
Die
Arbeitslast , welche seiner in Mainz harrte , war eine ungeheure ; überall galt es , die Organisation und Ausrüstung der Armee zu
vervollständigen , deren Mängel ihm die täglichen Besichtigungen der noch immer ankommenden Abteilungen unverblümt vor die Augen führten .
Die Hauptsorge muſsten ihm die überaus unvollkommenen Stämme machen , ein Nachteil, unter dem junge Truppen natur gemäſs ungleich mehr leiden müssen als alte. Am schlimmsten sah es hiermit bei dem VI. und demnächst bei dem V. Armee -Corps
aus. Napoleon suchte zu helfen, wie er konnte ; die früher ge machten, aber im Kriegsministerium liegen gebliebenen Beförderungs
Vorschläge muſsten erneut werden, und erfolgten die Ernennungen auf Grund derselben umgehend ; wo das Bedürfnis in dieser Weise nicht gedeckt werden konnte , wurde Aushülfe geschaffen , mittels geeigneter Persönlichkeiten der Garde oder der tagtäglich mit der Post aus Spanien eintreffenden Offiziere. Weiter war seine Sorge der Vervollkommnung der Organisation und der Ergänzung der überaus mangelhaften Ausrüstung der
Truppen gewidmet. Wo die Elite-Compagnien noch fehlten, muſsten
dieselben sofort aufgestellt, Seitengewehre und Epaulettes für die +
248 .
Die französische Armee im Jahre 1813.
selben beschafft werden ; die provisorischen und die Marine- Bataillone besaſsen auch noch keine Sappeur- Abteilungen , Napoleon lieſs dieselben ebenfalls aufstellen und trug Sorge , daſs die nötigen
Geldmittel für die Beschaffung der erforderlichen Ärzte überwiesen Wiederum in anderen Bataillonen war die Kleidung
wurden.
mangelhaft, während noch bei anderen Feldgerätschaften und sogar Waffen fehlten ; ja es kam sogar vor , daſs die Mannschaften einer Train - Compagnie von Verona bis Augsburg in Bauernkleidern marschieren muſsten und erst in letzterer Stadt eingekleidet werden konnten . Indem Napoleon die Ankunft der noch fehlenden Be -
dürfnisse, soweit sie von den Depots schon abgeschickt waren, nach
Möglichkeit beschleunigen lieſs, befahl er, dieselben überall , wo dies noch nicht geschehen , durch Civilarbeiter an Ort und Stelle her stellen
zu
lassen .
Auch
die
den
erwähnten
Bataillonen
noch
fehlenden Packpferde muſsten gekauft, ihre Ausrüstung beschafft werden.
Da der Kaiser das nötige Geld mitgebracht , so ging die
vielfach des Geldmangels wegen vorher unterbliebene Beschaffung all dieser Dinge meist verhältnismäſsig glatt vor sich. Ebenfalls wurde auch die in der damaligen französischen Armee sehr im argen liegende Besoldungsfrage geregelt. Napoleon liebte es, im Auslande mit den Soldzahlungen im Rückstande zu bleiben, doch ordnete er jetzt die Anweisung der Rückstände bis zum 1. April an . Dasselbe geschah auch mit den noch rückständigen Entschädigungs - Geldern für die aus Russland zurückgekehrten Offiziere, deren dieselben für die Beschaffung ihrer Feld -Ausrüstung dringend bedurften .
Um die Verpflegung sicher zu stellen , wurden groſse Requi sitionen ausgeführt und groſsartige Schlachtvieh-Depots angelegt. Die Corps - Befehlshaber wurden angewiesen, ihr Augenmerk darauf
zu richten, daſs die Truppen stets mit einer viertägigen Brotportion versehen und die Equipagewagen immer mit Mehl gefüllt seien , damit so die Verpflegung unter allen Umständen gesichert sei . Der Aufenthalt in Mainz gab Napoleon auch Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen, wie überaus dürftig die Ausbildung seiner Truppen war, die er sich übrigens auch kaum viel besser vorgestellt haben dürfte, da sie bei der Kürze der Dienstzeit nicht besser sein
Bereits am 2. März hatte er angeordnet, daſs die Truppen auch während der Märsche nach Möglichkeit weiter ausgebildet
konnte.
würden , namentlich im Schieſsen und Exerzieren .
Immer wieder
kam er hierauf zurück und ordnete an , daſs die Truppen , auch wenn sie marschierten , zweimal wöchentlich im Feuer exerzieren , 17*
Die französische Armee im Jahre 1813.
249
zweimal nach der Scheibe schieſsen und dreimal manövrieren sollten .
Sich um Alles kümmernd, schrieb er Bertrand ganz genau die
Übungen vor, welche er von den Truppen bei seinen demnächstigen Besichtigungen sehen wollte; es sollten nur die einfachsten und notwendigsten Sachen sein , deployiren, in Kolonne setzen und vor allem Carré formieren .
Nach achttägigem Aufenthalt verlieſs Napoleon Mainz und begab sich nach Erfurt, woselbst er am 25. April anlangte. Die selben Beschäftigungen , welchen er in Mainz obgelegen, warteten seiner auch hier. Nur zu sehr belehrte ihn hier der Augenschein , daſs die Generale nicht übertrieben, wenn sie über die schlechten und mangelhaften Stämme geklagt hatten. Was er sah, war über seine Erwartungen schlecht, so bei dem 37. leichten Regiment, über dessen Offiziere er dem Kriegsminister die bittersten Vorwürfe machte, da dieselben für ein neuaufgestelltes Regiment durchaus ungeeignet seien.
Auch die Bataillone der 41. Division sah er sich
an, dieselben waren aber in ihrer Organisation und Ausrüstung noch soweit zurück, daſs sie vorläufig als Garnison in Erfurt ver bleiben muſsten . Was er hier und in Mainz gesehen, war nicht danach angethan, ihu mit sonderlichem Vertrauen zu seiner Armee zu erfüllen .
Die numerische Stärke der dem Kaiser Napoleon in Deutschland
zu Gebote stehenden Truppen schien ihn freilich jeder Sorge über heben zu wollen, denn Ende April bezifferten sich die verfügbaren Streitkräfte auf
225,000 Mann, 483 Geschütze. *) *) Zur Beurteilung der für die Stärke der französischen Armee gegebenen
Zahlen folgen nachstehend die Angaben einiger der zuverlässigsten Schriftsteller. Thiers , dem es darauf ankommt, Napoleons Organisations- Talent und Frank reichs Leistungsfähigkeit in möglichst hellem Lichte erscheinen zu lassen, berechnet
die Stärke der Main -Armee ohne Bayern und Württemberger, auf 135,000 Mann Garde 15,000 Mann , Ney 48,000 Mann , Bertrand 45,000 Mann , Marmont die der Elb -Armee auf 62,000 Mann, wobei die Division Duratte überhaupt nicht mitgerechnet, und Victor, dessen Stärke gleich darauf zu 15,000
27,000 Mann
bis 16,000 Mann angegeben wird, nur mit 4000 Mann berechnet ist. Hierzu kommen nun noch 24,000 Mann unter Davout.
Einschlieſslich der Divisionen
Durutte, Franquemont und Raglowitsch sowie das Mehr der Victor'schen Truppen würde dies im Ganzen 254,000 Mann angeben .
Noch höher rechnet Charras, bei dem die Main -Armee auf 158,000 Mann Garde 18,000 Mann, Ney 53,000 Mann, Bertrand 45,000 Mann, Marmont 27,000 Mann, Bayern und Württemberger 15,000 Mann die des Vicekönigs, ein
schlieſslich der Heerteile Victors und Durutte's, auf 78,000 Mann und die Davout's auf 32,000 Mann berechnet wird, im Ganzen 268,000 Mann, wobei 15,000 Mann
1
Die französische Armee im Jahre 1813 .
Kavallerie und 25,000 Mann Artillerie .
250
Da Charras ein sehr gewissenhafter
und auch gewiegter Historiker ist, so verdienen seine Zahlen die vollste Beachtung, aber es muſs daran erinnert werden , daſs er als Franzose und glühender Gegner
Napoleons ebenfalls die Leistungsfähigkeit seines Vaterlandes erheben, andererseits aber Napoleons Kriegführung herabsetzen möchte, daher er dann auch gerne glaubt und anführt, was diesem doppelten Zwecke dienen kann. Vielleicht giebt Charras die wirkliche Stärke und nicht den Ausrückestand.
Sehr viel niedrigere Zahlen giebt C. Rousset, der auf Grund aller franzö sischen Quellen, welche ihm voll zu Gebote standen , das Beste über die französische
Armee von 1813 geschrieben hat, was es überhaupt giebt. Nach ihm hätte die Gesamtstärke
der
französischen Armee,
ohne die Heerteile Davout's
und
Victors, 170,000 Mann betragen, mit denen sie also wohl auf 200,000 Mann kommen würde. Als Grundlage dienen ihm die allein erhaltenen Rapporte des III ., VI
und VII. Corps, nach denen er die Stärke der übrigen Corps verhältnismäſsig berabsetzt, wobei er indessen doch wohl zu weit geht.
Es kommt hinzu, daſs er
die Bayern und Württemberger auf Grund des vom 20. April herrührenden Rapports des III, Corps, zu dem dieselben damals noch gehörten, nur mit 8532 Mann berechnet, während ihre Stärke bis Ende des Monats auf mehr als 15,000 Mann anwuchs.
In der sehr bemerkenswerten kleinen Schrift „Précis militaire de la Campagne de 1813 en Allemagne“ ist die Main -Armee auf 135,000 Mann Garde 18,000 Mann, Ney 50,000 Mann, Bertrand ohne Bayern und Württemberger 40,000 Mann,
Marmont 27,000 Mann –, die Armee des Vicekönigs auf 70,000 und diejenige Davout's auf 30,000 geschätzt; der Verfasser fügt aber hinzu, mit diesen Zahlen sei der Mund sehr voll genommen , das Ganze habe wohl kaum mehr als
200,000 Mann betragen. Zu letzterer Zahl wären dann noch 15,000 Bayern und Württemberger hinzuzurechnen.
Bernhardi giebt in den „ Denkwürdigkeiten Toll's “ leider nur die Stärke des italienischen Observations- Corps, welche danach 30,000 Mann betragen haben soll. Die Stärke des VI. Corps giebt Marmont in seinen Memoiren entschieden zu niedrig mit 20,000 Mann an . Bei derartigen Verschiedenheiten in den Angaben der unterrichtetsten Schrift
steller ist es geradezu unmöglich, die Stärke der Armee Anfangs Mai genau anzugeben. Die Schwierigkeit wächst dadurch, daſs die wirkliche Stärke fort währenden Schwankungen ausgesetzt war, indem einmal die Abgänge unter den jungen Soldaten in Folge der Märsche und Anstrengungen schon vor dem Zu sammenstoſs mit dem Feinde sehr groſs waren, andererseits aber noch viele Ver stärkungen eintrafen. Unter diesen Umständen können alle Angaben nur einen
mehr oder minder begründeten Anspruch auf Wahrscheinlichkeit machen . Fast noch schwieriger als die Berechnung der Kopfstärke ist diejenige der Geschützzahl, bei der die Angaben verhältnismäſsig noch weiter auseinandergehen. Was zunächst Thiers betrifft, so sagt derselbe, die Main -Armee habe 350, die 9
Armee des Vicekönigs 100 Geschütze gestellt, die Geschützzahl Davout's führt er nicht an .
Charras giebt auch hier wieder die höchsten Zahlen : Garde 80, Ney 122, Bertrand 102, Marmont 78, Franquemont und Raglowitsch 28, zusammen 410 Ge
schütze ; dazu die Artillerie des Vicekönigs mit 186 und diejenige Davout's mit 68 Geschützen macht im Gauzen 664 Geschütze,
Die französische Armee im Jahre 1813.
251
Hiervon standen
unter seiner eigenen Führung
135,000 Mann, 320 Geschütze,
65,000 131 Befebl des Vicekönigs *) 32 » Marschall Davout 25,000 In diesen Zahlen waren aber mit einbegriffen die deutschen und >
die italienischen Hülfstruppen , die Zahl der französischen Truppen Rousset giebt leider keine Zahlen hierfür, wohl aber der Verfasser des „ Précis militaire“, der summarisch 400 Geschütze ohne diejenigen der Bayern und Württemberger annimmt. Eine noch geringere Zahl führt Odeleben an, im Ganzen nur 352 Geschütze.
Für sein Corps giebt Marmont die Zahl von 84 Geschützen an, sagt aber,
seine Artillerie sei zunächst nicht vollzählig gewesen , führt indessen nicht an, wann sie vollzählig geworden,
Die hier gebrachten Angaben stützen sich auf die „ correspondance de Napoléon “, in welcher unter dem 10. März 1813 die Geschützzahl für das Observations-Corps vom Rhein und von Italien auf je 92 Geschütze festgesetzt wurde, von denen letzteres indessen 22 Stücke erst in Deutschland erhalten sollte ; die Artillerie der Garde wurde auf
88 Geschütze festgesetzt. Hierzu sind einige Bemerkungen zu machen. 1. Die Garde rückte nur mit 52 Geschützen ab correspondance vom 10. April –, 38 Geschütze folgten erst später mit der Division Barrois Schreiben Napoleons an Marmont vom 14. April. 2. Zu der Artillerie des III. Armee -Corps stieſs noch je eine hessische und M.C. J. K. v. W.: die groſs eine badische Batterie zu 8 Geschützen herzoglich hessischen Truppen . 3. Bei dem VI. Corps befand sich Schreiben Marmont's an Berthier vom 15. April an diesem Tage erst die Divisions -Artillerie der beiden ersten Divisionen , indessen scheint noch vor der Schlacht von Lützen -
hierzu die Divisions -Artillerie der dritten Division gestoſsen zu sein,
ebenso die 14 vom General Durutte zurückgeschickten Geschütze; ein Mehr ist zunächst nicht nachzuweisen. 4. Es bleibt höchst zweifelhaft, ob die 22 Geschütze, welche von Strals burg her zum Bertrand'schen Corps stofsen sollten, dasselbe je erreicht haben, wahrscheinlich bildeten sie vielmehr den allerdings 24 Geschütze
starken, von Straſsburg kommenden Transport, welchen der Rittmeister V. Colomb am 23. Mai vernichtete. Dagegen stiefsen 12 württem .
bergische und 16 bayerische Geschütze zum IV . beziehungsweise XII. Corps , von welchen letzteren indessen 4 Stück nach der Schlacht bei Bautzen nach Dresden zurückgeschickt wurden züge der Bayern,
Völderndorf: Kriegs
-
Was die Artillerie des Vicekönigs anbetrifft, so sollte das V. Corps 92 Ge davon befanden sich 16 bei der correspond. vom 2. Februar Division Pathod und wahrscheinlich 24 bei den Truppen Victor's. Das XI. Corps anlangend, so findet sich nirgends eine Angabe , daſs dasselbe zu der Divisions Artillerie der ehemaligen Divisionen Grenier und Lagrange einen Zuwachs erhalten habe. Die Artillerie des VII. Corps bestand aus 2 sächsischen und 2 franzö sischen Batterien zu je 8 Geschützen „ Feldzüge der Sachsen “.
schütze haben
Einschlieſslich der Truppen Victor's und der Division Durutte.
Die französische Armee im Jahre 1813.
252
betrug nicht über 185,000 Mann. Das entsprach nun freilich wenig den Verheiſsungen des Kriegsministers, nach denen allein die fran zösischen Truppen der Elb- und Main -Armee ohne die Truppen Davout's und Victor's am 15. April 232,836 Mann hätten zählen müssen , d . h. fast 82,000 Mann oder - falls man die Division
Durutte und die bisherigen Verluste abrechnet - doch wenigstens gegen 70,000 Mann mehr. Was die Truppen der genannten beiden Marschälle anbetrifft, so müssen dieselben nämlich eigentlich noch von den obigen Zahlen abgezogen werden, da diejenigen Davout's an der Nieder- Elbe ge fesselt waren, ohne einen ebenbürtigen Gegner gegenüber zu haben,
während diejenigen Victor's zunächst noch unfähig waren, sich an den groſsen Operationen zu beteiligen. Auch die Division des General Durutte konnte sich erst nach der Vereinigung der beiden französischen Armeen formieren , so daſs sie für den Anfang der Operationen ebenfalls ausfiel. Für den ersten Augenblick verfügte der Kaiser demnach nur über
182,000 Mann, 411 Geschütze. Hätte diese Armee nun wohl auch der Zahl nach vollauf hin
gereicht, um unter Führung eines Napoleon dem kaum halb so starken Gegner geradezu vernichtende Schläge beizubringen, so war diese Möglichkeit doch durch ihre Beschaffenheit gänzlich ausge schlossen .
Die Hauptwaffe der Armee, die Infanterie, stand derjenigen des Feindes an innerem Werte ebenso nach, als sie dieselbe an Zahl übertraf. Mit Ausnahme der wenigen Bataillone der alten Garde
und einiger anderer Truppenteile bei den Corps von Bertrand und Macdonald, allenfalls auch noch der Marine-Kanoniere des Marmont
scben Corps, bestanden die zusammengewürfelten , jedes Zusammen hanges entbehrenden Regimenter und Bataillone, abgesehen von den
schwachen Stämmen, aus nicht ausgewachsenen und unausgebildeten Rekruten , und selbst bei den überaus lückenhaften Stämmen fanden sich zahlreiche Unteroffiziere, welche kaum 4 bis 5 Monate
dienten, sowie auch viele unerfahrene oder gar unbrauchbare Offiziere. Mit diesen jungen, noch im Wachstum begriffenen Soldaten enfants soldats, wie die Franzosen selbst sie nannten - welche eben
von der Heimat zur Fahne einberufen an die Ertragung von An
strengungen und Entbehrungen weder gewöhnt, noch vermöge ihres körperlichen Zustandes zu derselben befähigt waren, konnten die groſsen Märsche, welche bisher in der napoleonischen Kriegführung eine so groſse Rolle gespielt hatten, unternommen werden. Dies
253
Die französische Armee im Jahre 1813.
hatte sich bereits gezeigt, noch ehe die Truppen den Rhein über schritten, die ihnen schon in Frankreich zugemuteten Gewaltmärsche
im Verein mit der unzureichenden Ernährung, welche sie empfingen, hatten sie in hohem Grade erschöpft und ihre Reihen gelichtet. Ney's zorniges Wort » Einst hatten wir alte Soldaten, junge Generale, jetzt führen Greise Kinder an « war, was die Soldaten betrifft, nur zu wahr.
Die Ausbildung der Infanterie spottete, wie bereits mehrfach gesagt wurde und immer wieder betont werden muſs, jeder Be schreibung. Meist unmittelbar nach ihrem Eintreffen in den Depots ins Feld geschickt, hatte die Mehrzahl der jungen Ausgehobenen den Gebrauch der Waffen erst auf den Märschen kennen gelernt. Wenn auch die Führer während dieser Märsche mit dem gröſsten Eifer jeden freien Augenblick an der Ausbildung ihrer Leute ge arbeitet und sich dabei auf das Allernotwendigste beschränkt hatten , so muſste eine auf diese Art bewirkte Ausbildung doch naturgemäſs höchst mangelhaft sein . Selbstverständlich hatten hierbei gerade diejenigen Zweige der Ausbildung am meisten leiden müssen , welche von je her die wunden Punkte der französischen Truppen gewesen sind, vor allem die Gewöhnung an die Disziplin und die Ausbildung im Schieſsen und im Sicherheitsdienst.
Namentlich die Vernach
lässigung des letzteren Dienstzweiges hat sich im Jahre 1813 in
hohem Grade fühlbar gemacht; abgesehen von unzähligen kleineren Vorfällen sind auch viele der groſsen Unfälle der französischen Armee lediglich der Vernachlässigung des Sicherheitsdienstes zuzu schreiben . In anderen Dienstzweigen dagegen , in der Handhabung
der Waffen, im Exerzieren und Manövrieren kam der Ausbildung um so mehr eine gewisse, den Franzosen nicht abzusprechende natürliche Beanlagung zu statten, je weniger man in der französischen Armee zu allen Zeiten auf Straffheit dabei gesehen hat.
Als ein
günstiger Umstand wirkte hierbei mit, daſs die Kolonnen - Taktik bei
weitem nicht mehr die Anforderungen an die Einzel -Ausbildung des Mannes stellte, welche früher die Linear-Taktik gestellt hatte ,
bei welcher ein derartiges Verfahren unmöglich gewesen wäre. In der Anwendung der Kolonnen-Taktik und des Schützen
Gefechtes hatte das groſse Übergewicht der französischen Infanterie über die ihr gegenüberstehenden, sich in den Formen der Linear Taktik bewegenden Bataillone der Coalitions-Heere bestanden. Jetzt nun waren Kolonnen - Taktik und Schützen-Gefecht Gemeingut aller Armeen geworden , und die schlechtere Ausbildung konnte nicht mehr wie früher durch das auf ihnen beruhende Übergewicht ersetzt
Die französische Armee im Jahre 1813 .
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werden. Napoleon hatte dieses längst erkannt; bekannt ist ja sein Wort » il faut changer sa tactique tous les dix ans « , vergebens aber hatte er das alte Übergewicht seiner Infanterie zu erhalten gesucht, die Ausschreitungen der Kolonnen-Taktik, die berühmten Kolonnen von Wagram , hatten gerade das Gegenteil bewirkt und eine Schwächung der französischen Infanterie zur Folge gehabt. Die zweite Hauptwaffe der Armee, die Kavallerie, war numerisch sehr schwach vertreten, sie zählte ohne die Reiterei Davout's nur 9000 bis 10,000 Pferde. Aber auch ihr Wert war nur gering ; der Franzose kann weder reiten, noch versteht er sich auf die Pferde pflege, und überdem waren die Pferde zumeist schlecht und unwillig. Ihre groſsen Erfolge, welche sie bisher in den napoleonischen Kriegen errungen, hatte die Reiterei fast ausschlieſslich der Massen -Verwendung zu verdanken gehabt ; jetzt, da sie nur aus kleinen Abteilungen bestand,
kam die der französischen Kavallerie eigene geringe Güte wieder zu Es fehlte dieser Kavallerie, sobald sie schwach war, an Schneid sowohl im Aufklärungsdienst als im Gefecht; den Gegner stehenden Fuſses mit einer Karabiner -Salve empfangend, muſste sie jedes Mal über den Haufen geworfen werden, wie sich dies gleich bei Möckern am 5. April gezeigt hatte. Zum Angriff schreitend, bediente . auch sie sich in ganz verkehrter Weise der Kolonnen Tage.
Formation, um so die schlechte Ausbildung durch den Druck der Masse zu ersetzen .
Ebenso wie die Kavallerie meist nur schlechte Pferde besafs,
war auch die Artillerie in diesem Punkt sehr schlecht gestellt. Hierzu kam, daſs das berühmte Gribeauval'sche Material, dem diese
Waffe viele ihrer Erfolge zu verdanken gehabt hatte, zum groſsen Teil in Russland verloren gegangen war oder sich in Spanien befand , und daſs vielfach auf die in den Arsenalen vorhandenen älteren ,
welche zum Teil sehr schwer waren, hatte zurückgegriffeu werden Die beim Angriff in der Kartätsch -Offensive gipfelnde
müssen .
Verwendung der Artillerie, in welcher Napoleon so groſses geleistet, wurde hierdurch
sehr erschwert .
Es kam hinzu, daſs auch das
Fahrer - Personal nur äuſserst mangelhaft ausgebildet war, während
die Ausbildung der Kanoniere im Allgemeinen leidlich war.
Den
Mangel an Kavallerie gegenüber dieser beim Feinde sehr zahlreichen Waffe sollte eine zahlreiche Artillerie ersetzen, welche den jungen
Ausgehobenen den nötigen Halt geben sollte. Bekannt ist Napoleons Wort : > Nous livrerons des batailles d'Egypte, une bonne infanterie, sontenue par de l'artillerie, doit se suffire. « Freilich muſste der
Nachteil des Mitschleppens eines zahlreichen Materials mit in Kauf
Die französische Armee im Jahre 1813.
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genommen
werden .
Anfänglich war übrigens die französische
Artillerie trotz aller Bemühungen des Kaisers nur schwach und der gegnerischen unterlegen , und die Munitions -Ausrüstung ebenso wie bei der Infanterie nur eine beschränkte.
Endlich muſsten noch die gröſsten Unzuträglichkeiten aus der überaus mangelhaften Organisation des Generalstabes, der Intendantur und des Sanitätsdienstes erwachsen. Hierauf wird noch verschiedent lich zurückgekommen werden.
Es waren dies alles Schwierigkeiten, welche eine thatkräftige Kriegführung, wie Napoleon sie bisher der Welt gezeigt hatte, in hobem Grade erschwerten, ja sogar unmöglich machen muſsten . Daſs die meisten französischen Generale, welche bisher im Allgemeinen
ausgezeichnete Truppen geführt hatten, unter derartigen Verhält nissen an der Schlagfertigkeit ihrer jetzigen Corps zweifelten, ist nicht zu verwundern ; die Berichte Lauriston's und Marmont's wurden
bereits erwähnt, und dabei befanden sich die Truppen des V. Corps die längste Zeit von allen in geordneten Verbänden.
Den Geist der Armee anlangend, so hatten die jungen Aus gehobenen ursprünglich eine groſse Erbitterung gegen Napoleon gehegt, die genährt worden war durch die ihnen begegnenden heim kehrenden Trümmer der groſsen Armee, welche es ihm nicht hatten vergessen können, daſs er sie in Russland in Stich gelassen, und welche bis in die höchsten Stellen hinein geradezu aufrührerische Reden geführt hatten. Der Anblick ihrer durch Frost und Wunden verkrüppelten Landsleute, welche sie unterwegs angetroffen oder in den groſsen Hospitälern zu Mainz und Magdeburg gesehen hatten, war
-- wie Kellermann und Lauriston in ihren Berichten bemerkt
hatten – auch nicht das Richtige gewesen , den Geist der jungen
Aber die alten Troupiers, bei denen der Krieg zum Bedürfnis geworden war, hatten in Frankreich ihre Begeisterung
Soldaten zu heben.
für den > petit caporal« wiedergefunden, sie freuten sich in der
Aussicht, es den Russen heinzahlen zu können, und sie hatten es verstanden, diese Begeisterung auf ihre jungen Kameraden zu über tragen, bei denen sie die Hoffnung auf die gleichen Genüsse erweckt, welche sie selbst einst in dem damals noch nicht ausgesogenen
Deutschland gefunden hatten. Das Treiben des täglichen Dienstes mit seinen Abwechselungen hatte das Seinige dazu beigetragen, und so hatte wenigstens bei den eigentlichen Franzosen eine gewisse Begeisterung für Napoleon Platz gegriffen.. Ob diese Begeisterung
aber auch unter Entbehrungen und Anstrengungen, vor allem auch im Unglück anhalten würde, das muſste um so zweifelbafter erscheinen ,
Die französische Armee im Jahre 1813.
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je fühlbarer sich denn gerade die mangelnde Gewöhpung an die Disziplin machen muſste, und je weniger nachhaltig, wie Charras sehr richtig sagt, die Begeisterung für eine Person als diejenige für eine Sache ist. Schlimm sah es aber von Anfang an unter den jenigen Ausgehobenen aus, welche nur dem Namen nach Franzosen, eigentlich aber Deutsche, Holländer oder Italiener waren, sowie auch
vielfach unter den Soldaten der Verbündeten ; wo diese nur irgend konnten , ergriffen sie die Gelegenheit, um sich dem französischen Waffendienst zu entziehen .
Die gröſste Begeisterung für Napoleon herrschte innerhalb der Armee zweifellos unter den französischen Truppen -Offizieren, nament lich unter den aus Spanien gekommenen, welche froh waren , daſs sie den spanischen Bergen den Rücken hatten kehren können, und nun unter den Augen ihres Kaisers, in dem sie ihr Alles erblickten, sich Ruhm , Ehren und Reichtümer zu erwerben hofften . Ganz anders sah es unter den höheren Führern aus.
Für diese
war es in hohem Grade bezeichnend, wenn Napoleon unter dem 7. Mai an Davout schrieb: > Jl faut avoir soin de ménager Vandamme,
les hommes de guerre deviennent rares . « Selten hat eine Armee jüngere und kriegserfahrenere Generale gehabt als die französische Armee im Jahre 1813, und doch welch ein Ausgang ! Alle diese Generale hatten in ihrer frühsten Jugend durch ihre Thaten die Augen der ganzen Welt auf sich gezogen , jetzt, am Ende ihrer Laufbahn angelangt, durch eine mehr als 20 jährige Kriegszeit trotz >
ihrer verhältnismäſsig jungen Jahre frühzeitig gealtert, übersättigt von Ruhm, Ehren und Reichtümern, nach deren friedlichem Genuſs sie sich sehnten, fingen sie an, lässig zu werden, und lieſsen es um so mehr an Thatkraft fehlen, je mehr Napoleon sie während seiner ganzen Laufbahn systematisch zur Unselbstständigkeit erzogen hatte.
Älter und bequemer geworden , wollten sie sich das Leben auch im Feldlager möglichst angenehm gestalten , und so gaben sie sich einem in jeder Beziehung höchst schädlichen Luxus hin, für den Napoleons
Hauptquartier mit seinen 200 Pferden und 30 Wagen für dessen Person und 22 Pferden und einem Wagen für jeden seiner Adjutanten
ihnen das Beispiel gab, das sich so weit nach unten fortpflanzte, daſs fast jeder Major seinen eigenen Reisewagen besaſs. Noch un gleich schlimmer aber als dieser Luxus war der Mangel an Sub ordination und an Vertrauen zur Zukunft, welcher unter den Generalen
herrschte. Auf ersteren Punkt wird später zurückgekommen werden hier sei zunächst nur des Letzteren gedacht. Das Vertrauen zu
Napoleons Stern war bei den höheren Generalen in bedenklicher
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Weise wankend geworden. Schon bei Aspern hatte der sterbende Lannes dem Kaiser prophezeit, daſs seine Unersättlichkeit ihn und alle seine Getreuen noch zu Grunde richten werde, ähnlich sollte sich bald auch Duroc kurz vor seinem Tode zu Marmont äuſsern,
und schon vor dem russischen Feldzuge hatte ein anderer seiner getreusten Anhänger , General Rapp, zu preuſsischen Offizieren geäuſsert, sie sollten nur abwarten, auch ihre Zeit würde noch kommen. Seitdem hatten die Ereignisse keinen derartigen Verlauf genommen, der das Vertrauen wieder hätte befestigen können, und
wenn die französischen Generale jetzt auf ihre jungen Truppen blickten, so konnten ihnen diese auch nicht das verlorene Vertrauen wiedergeben .
Auch Napoleon selbst sah nicht ohne eine gewisse, ihm bis
dabin völlig fremde Bangigkeit den nächsten Ereignissen entgegen, noch nie war er mit einem derartigen Miſstrauen gegen seine Truppen in einen Feldzug gegangen . Er fühlte, daſs es von oben her eines
groſsen Beispiels bedürfe, um jeden, hoch und niedrig, zur äuſsersten Pflichterfüllung anzuhalten, und dieses Gefühl gab ihm das Wort in den Mund : »Je ferai cette campagne comme le général Bonaparte et non pas en empereur. «
( Fortsetzung folgt.)
XVII.
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen. (Schluſs.)
Nachdem Lehwaldt seine, durch den sogenannten
groſsen
Wald von Norkitten von den Russen getrennte Stellung zwischen
Puschdorf und Ranglacken, 5% Meilen östlich Wehlau, eingenommen hatte, lieſs er am 29. August die Stellung der Russen bei Norkitten
durch seine gesamte, über 40 Schwadronen starke Kavallerie erkunden, woraus sich folgendes ergab : *)
Nordöstlich des groſsen Norkitter Waldes, aus dem von Leh waldt's Stellung aus drei Kolonnenwege führen, erstreckt sich bis
zum Pregel ein ziemlich offenes, nur von einigen Waldstücken und den fast in einer Linie liegenden Dörfern Metschullen, Gr. Jägern
dorf, Uderballen, Daupelken und Sitterfelde eingenommenes Gelände, das nach damaligen Begriffen ein gutes Schlachtfeld darbot. Nord östlich der genannten Dörfer lag damals in dem von dem Pregel und seinem linken Zufluſs, dem Auxinnebach, gebildeten Winkel ein kleiner sumpfiger, nur auf zwei Straſsen durchschreitbarer , aber
nördlich längs des Pregel zu umgehender Wald.
Derselbe
in
deutschen Berichten der Busch « genannt, war gewissermaſsen nur ein abgesondertes Stück des groſsen Waldes von Norkitten und wurde seiner Gestalt wegen von den Russen als der sichelförmige Wald bezeichnet. Teils in diesem Wäldchen , der Hauptsache nach aber auf einem freien Raum , der sich hinter dem Wäldchen erstreckte und im Rücken durch den Pregel und den ihm zu flieſsenden Auxinnebach begrenzt wurde , hatte das russische Lager
seinen Platz. Dasselbe war insofern günstig gewählt , als , durch den sichelförmigen Wald gedeckt, die Stellung der Russen von der *) Es empfiehlt sich den Tempelhoff'schen Schlachtplan zu benutzen . Im
Übrigen haben wir uns bemüht die Benutzung eines Situationsplanes entbehrlich zu machen , so daſs jede gute Detailkarte genügt.
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Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
Anmarschrichtung der Preuſsen her schwer einzusehen und auch nur vermittelst weniger , teils durch den Wald , teils um denselben herunıführender Straſsen zu erreichen war.
Andererseits hatte es
aber auch den Nachteil , daſs die russische Stellung sich mit dem Rücken teils an den nur bei Norkitten auf Brücken zu über
schreitenden Pregel, teils an den von hohen Thalrändern begrenzten sumpfigen Auxinnebach lehnte, der auch nur auf wenigen Punkten von gröſseren Truppenmassen zu durchschreiten war und die
Russen daher bei einem kräftigen, die Flügel umfassenden Vorstoſs des Feindes groſser Gefahr aussetzte.
Der vor dem Lager der
Russen liegende und dasselbe deckende sichelförmige Wald war überdies für die Abwehr eines Angriffes insofern ungünstig, als die Russen, da sie sich in dem engen Raume hinter dem Walde nicht
schlagen konnten , ihre Gefechtsstellung vor dem Walde (also nach der Seite der Preuſsen zu) einnehmen muſsten. Zu dieser, von ibnen notdürftig vorbereiteten Stellung konnten sie aber von ihrem Lager aus nur auf zwei, auf die Lichtung von Groſs- Jägerndorf,
beziehungsweise auf einer dritten, zwischen Daupelken und Sitter felde nach Allenburg führenden Straſse gelangen. Von diesen Straſsen war namentlich die nördlichere durch den sichelförmigen Wald nach der Lichtung von Groſs-Jägerndorf führende ein Engpaſs im wahren Sinne des Wortes, da der rechts und links befindliche sumpfige Wald es nur gestattete, mit schmalen Kolonnen zu marschieren . So konnte , wenn der Feind sich zum Angriff an
schickte, die Gefechtsstellung einerseits nur langsam eingenommen werden , andererseits wäre auch im Falle eines Miſserfolges der
Russen der Rückzug durch den Wald sehr schwierig , wenn nicht unmöglich geworden, da hier auch die massenhafte und vielen Platz fortnehmende Bagage mit ins Spiel kam. In defensiver Hinsicht hatte die russische Stellung jedoch den Vorteil, daſs bei dem
Ausgang dieser Engstraſse nach der Annäherungsrichtung des Feindes zu beherrschende Höhen, davon eine am Nordwestausgang,
vorhanden waren , welche die russische Artillerie besetzt hielt. *) So war denn also die russische Stellung besten Falls eine rein defensive, und lieſs sich Apraxin um so mehr daran genügen , als *) Von einer Besetzung der auf dem Schlachtfelde befindlichen Dörfer, die das Vordringen des Feindes sehr wohl hätte aufhalten können , und die bei der
heutigen , das Gelände mehr berücksichtigenden Taktik sicher eine groſse Rolle gespielt hätte, war Seitens der Russen keine Rede, und auch den nach den Regeln der Lineartaktik ausgebildeten Preuſsen erschienen diese Dörfer lediglich im störenden Sinne.
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
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er keineswegs beabsichtigte, Lehwaldt eine Schlacht zu liefern, sondern von seiner Stellung bei Norkitten aus nur möglichst unbehelligt an Lehwaldt vorbei seinen Flankenmarsch auf Allenburg ausführen wollte. Er rechnete keineswegs darauf, von Lehwaldt
während dieser Bewegung oder gar in seinem Lager angegriffen zu werden und ahnte kaum , daſs ihm die preuſsische Armee auf das linke Pregelufer gefolgt war und nur einen kleinen Tagemarsch von ihm entfernt hinter dem groſsen Walde von Norkitten stand . So waren auch seine Anordnungen derartige, daſs bei einer richtigen Erkennung der Lage seitens der Preuſsen eine Niederlage der Russen
trotz ihrer drei- bis vierfachen Überzahl sehr wahrscheinlich ge wesen wäre.
Die von Lehwaldt am 29. August unternommene Erkundung führt indessen insofern zu einem durchaus irrigen Ergebnis, als des den Einblick des russischen Lagers deckenden sichelförmigen Waldes wegen , die Stellung der Russen falsch beurteilt wurde.
Man
glaubte , daſs dieser Wald der Stützpunkt des linken russischen Flügels wäre , während er eigentlich dem Centrum der russischen
Stellung vorlag und der wirkliche bis Sitterfelde reichende linke
Flügel der Rassen sich in einem nach Südwesten gerichteten Bogen, das Centrum also gewissermaſsen flankierend anschloſs. Diesen weit
ab befindlichen linken Flügel hatte man preuſsischerseits garnicht wahrgenommen oder doch nicht genügend beachtet , so daſs dem gemäſs von Lehwaldt der Entwurf zu der , für den folgenden Tag geplanten Schlacht unter irrigen Voraussetzungen gegeben wurde. Bei der durch die Preuſsen am 29. August ausgeführten Er kundung hatten die Russen Zeit gehabt, ihre Gefechtsstellungen vor dem Walde einzunehmen . Als sich die preuſsische Kavallerie wieder durch den groſsen Wald von Norkitten nach dem Lager zurückbegeben hatte, gaben auch die Russen ihre Gefechtsstellungen
diesseits des sichelförmigen Waldes auf und nahmen ihre Lager stellung rückwärts des Waldes wieder ein , wobei sie jedoch die Ausgänge der aus dem sichelförmigen Walde nach der Ebene von
Groſs-Jägerndorf führenden Straſsen besetzt hielten. Auch sollen während der Nacht die Kasaken wachsam gewesen sein . Der Vorposten- und Aufklärungsdienst muſs aber auf beiden Seiten sehr mangelhaft betrieben worden sein ; denn die Russen folgten den sich zurückziehenden Preuſsen nicht, und die Gegner verloren sich während der Nacht vor der Schlacht ganz aus dem Auge.
Apraxin, welcher der Meinung war, Lehwaldt dächte nicht an eine Schlacht , sondern würde sich mit seiner kleinen Armee vor
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der Überlegenheit des Feindes nach Wehlau zurückziehen , glaubte sich durch die von den Preuſsen vorgenommene Erkundung in seinem beabsichtigten Umgehungsmarsch durch die Astrawischker Forst nach Allenburg nicht stören lassen zu sollen und gab dazu am 29. die nötigen Befehle aus. Der Marsch sollte in 2 Etappen über Eschenbruch -Moritzlaugken (Nachtruhe) Allenburg vor sich gehen. Die Avantgarde Sibilski's in einer Stärke von 5 Infanterie Regimentern und 4000 Nichtregulären, im Ganzen etwa 10,000 Mann , nebst einer Brigade Artillerie , hatte sich bei Sitterfelde zu ver sammeln, die Infanterie nächtigte hinter dem (sichelförmigen) Walde, während sich einzelne Reitertrupps in der Nacht von 29. zum -
30. August vorwärts des Waldes befanden.
Hinter der Avantgarde sollten der General - Quartiermeister Lieutenant Stoffeln und die Quartiermeister sämtlicher Regimenter (zur rechtzeitigen Einrichtung des neuen Lagers) nebst 300 Pionieren mit den nötigen Werkzeugen zum Brückenschlag folgen . Demnächst hatte sich das Gros in 2 Kolonnen,, jede aus 1/2 Divisionen bestehend , » in Reihen anzuschlieſsen « . » Sie hatten auf der Straſse zu marschieren , für die Se. Excellenz General Fermor 1
Führer stellen würde. «
Hinter jeder Kolonne folgten die Divisions - Arrieregarden in der Stärke von 1–3 Bataillonen, auſserdem eine allgemeine Arriere garde von 4 von der Division Browne abgegebenen Regimentern Infanterie.
Die Trains waren folgendermaſsen eingeteilt:
Die der regulären Infanterie und Kavallerie des Gros hatten bei ihren Truppenteilen und zwar links von der marschierenden Division zu bleiben , so daſs sie durch diese nach der Seite des
Feindes zu gedeckt wären .
Der Train der in der Avantgarde
befindlichen leichten Reiterei sollte hinter der Avantgarde unter dem
Schutze »eines Dragoner- Infanterie-Regiments« (dasselbe hatte seine Pferde durch Mangel an Futter eingebüſst) folgen.
Die allgemeine Armeebagage (Park, das mobile Proviantmagazin und der soeben erst aus Tilsit eingetroffene Intendanturtransport )
hatte, gedeckt durch die Arrieregarde, ihren Platz hinter der linken Kolonne. Dann folgte das Gros der Nichtregulären, gedeckt durch schlechtberittene Kasaken Kapnist's. Die Trains sollten » in möglichst vielen Reihen nebeneinander
marschieren «, dabei waren genaue Abstände einzuhalten , was bei
1
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
262
der Herstellung der Schlachtordnung aus der Marschformation von groſser Wichtigkeit war. Zur Deckung des Flankenmarsches nach Allenburg nach der Seite von Puschdorf sollten 4 unter dem Befehl Fermor's gestellte Husaren -Regimenter, durch den Wald vordringend, den Feind nach Möglichkeit von der rechten Flanke abhalten .
Der Commandeur der 1. Division (welche sich auf der rechten, also der vom Feinde gefährdeten Seite befand) durfte eintretenden Falls >ans den anderen Divisionen der 2. Linie Feldartillerie heran
ziehen . Es sollten zu diesem Zweck, und auch um die Verbindungen mit der 2. Division zu sichern, die Entfernungen auf das Strengste beobachtet werden . «
Die Trains hatten hauptsächlich darauf zu
sehen , daſs die Kolonnen, welche auf der rechten Seite der 2. Division
marschierten, von allen Brigaden derartige Abstände einhielten, daſs durch sie eintretenden Falls die 2. Division sich der 1. Division nähern und so hinter dieser die vorgeschriebene Schlachtordnung einnehmen könne.
Im Allgemeinen waren die Dispositionen derartig gegeben, daſs, wenn der Feind während des Marsches angriff, die ganze Armee
ein längliches Carré zu bilden vermochte. Für den Fall , daſs der Feind noch vor Antritt des Marsches
nach Allenburg einen Angriff unternehmen sollte , waren folgende
Anordnungen getroffen:
Der besonders wichtige nordwestliche
Engpaſs auf der Straſse nach Groſs - Jägerndorf am Ausgang des sichelförmigen Waldes) war durch die Brigade des Generalmajor Leontjew , 3 Infanterie -Regimenter, eine Batterie (soll . wohl eine Brigade heiſsen ?) und die Husaren -Regimenter besetzt, dabei waren Feldwachen und Patrouillen von den Husaren und den Irregulären zu stellen.
Die Höhe bei Sitterfelde war bereits seit dem 14./25. durch die Kasaken Sserebrjakow's und die Avantgarde Sibilski's besetzt ; in der Nacht zum 19./30. batte man jedoch die Infanterie Sibilski's hinter den Wald zurückgenommen, und war der Ausgang aus dem selben durch das 2. Moskauische Regiment besetzt worden. Wie man aus diesen Angaben ersieht, sollte also der Abmarsch der russischen Armee nach der Seite ihres bei Sitterfelde stehenden
äuſsersten linken Flügels (eigentlich bildete derselbe für den be absichtigten Flankenmarsch die Avantgarde) derartig stattfinden, daſs dem aus dem Walde von Norkitten zu erwartenden Feinde zunächst die 1. Division Fermor und links neben ihr die 2. Division
Lopuchin zu marschieren hatte. Jahrbüchor für die Deutsche Armee und Marine.
Sollte der Feind Bd. LXVII., 3.
während des 18
263
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
Marsches angreifen , so hatte zunächst die 1. Division ihm die Front zuzuwenden , und sollte die 2. Division durch die von den Trains aufzulassenden Lücken hindurch der 1. Division bei der Abwehr
des Feindes helfen . Diese Anordnungen kamen aber, da Lehwaldt die Russen noch vor Antritt ihrer Marschbewegung angriff, nicht zur Ausführung, und war es vielmehr die 2. Division unter Lopuchin , welche, der Anmarschrichtung Lehwaldt's zunächst befindlich , den ersten Angriff desselben auszuhalten hatte.
Lehwaldt seinerseits brach am 30. August früh 1 Uhr in drei Kolonnen, von denen die linke nur aus Kavallerie bestehend, aus seinem Lager bei Puschdorf auf und marschierte von den Russen
ganz unbehelligt auf drei Straſsen durch den groſsen Norkitter Wald auf die Lichtung von Groſs- Jägerndorf, wo er längs der -
Waldsäume mit der Front gegen die Dörfer Groſs -Jägerndorf, Uderballen und Daapelken eine Aufstellung in zwei Treffen nahm .
Diese Aufstellung erforderte ungewöhnlich lange Zeit , nämlich bis
4 Uhr Morgens und erhielten dadurch die Russen, welche, ahnungslos von der Nähe der Preuſsen , eben im Begriff waren , sich zum
Marsche anzuschicken , Gelegenheit wenigstens teilweise Gefechts stellungen zu nehmen und sich zur Wehre zu setzen . * ) Den Angriff eröffnete erst um 5 Uhr die auf dem rechten Flügel der preuſsischen Aufstellung befindliche Kavallerie des Prinzen von Holstein, 10 Schwa dronen mit 18 Geschützen . Sie ging über Daupelken gegen das vermeintlich den linken Flügel der russischen Stellung einnehmende,
zur 2. Division gehörende und den Südausgang des sichelförmigen Waldes besetzt haltende 2. Moskauische Infanterie-Regiment und die dort aufgestellte russische Kavallerie anfänglich mit groſsem Erfolg vor , muſste aber , da die Russen Unterstützung erhielten , zurückweichen und nahm südlich von Uderballen , Front gegen den
bei Sitterfelde stehenden linken Flügel der Russen , eine beobachtende Stellung. Inzwischen hatten sich auch die übrigen Regimenter der 2. russischen Division , obwohl aufgehalten durch ihre zahllose Bagage und den sumpfigen Boden, ans ihrem Lager durch den Wald nach der Richtung des Feindes zu gedrängt und rechts und *) Die russischen Angaben über die anfängliche Aufstellung der preuſsischen
Armee weichen nicht unwesentlich von denen Lloyd's und des preuſsischen Generalstabswerks ab.
Nach den preuſsischen Berichten stellte sich die Armee
zuerst in Front längs des Waldsaumes Groſs-Jägerndorf gegenüber auf und rückte dann mit klingendem Spiel bis jenseits Groſs- Jägerndorf vor, wo sie wieder Halt machte, um dann erst den Kampf zu beginnen,
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links des 2. Moskauischen Regiments , wie sie gerade kamen , Auf stellung genommen . Gegen diese von ihm für den linken Flügel der russischen Stellung gehaltenen Regimenter der 2. russischen Division, 11 Ba taillone, lieſs nun Lehwaldt sein 1. , aus 12 Bataillonen bestehendes,
Infanterietreffen wie auf dem Paradeplatz und dabei mit einer Ziehung nach halb rechts vorrücken.
Es gelang ihm vermittelst
einer Umfassung des durch das 2. Grenadier Regiment gebildeten rechten Flügels der russischen Abwehrfront, den Feind in gröſster Unordnung in den sichelförmigen Wald zurückzutreiben und ihm dort schwere Verluste beizubringen. Es wurde , wie auch die russischen Berichte zugeben , auf beiden Seiten mit auſserordent licher Tapferkeit gekämpft. Die Preuſsen nahmen mehrere Batterien und eroberten die russischen Erdwerke , wobei sie über Berge von Leichen hinweg muſsten . (Lehwaldt's Bericht. ) Der Sieg hier im Centrum wäre ein vollständiger und nachhaltiger gewesen , wenn nicht im entscheidenden Augenblick die aus 4 Regimentern der 1. Division (Fermor) bestehende Reserve unter Graf Rumjanzew herangekommen wäre und den linken Flügel des 1. Treffens der Preuſsen umfaſst hätte. Diese Reserve unter Rumjanzew hatte bei Beginn der Schlacht, man weiſs nicht recht, ob auf Apraxin's Befehl oder aus Zufall, hinter dem Wäldchen und vor der Bagage der
Armee Aufstellung genommen und war nun , da sie die Gefahr in der die 2. Division schwebte, wahrnahm , aus eigenen Antrieb durch
den sumpfigen Wald dringend, den Ihrigen zu Hülfe gekommen. Da dieses sehr rühmliche Vordringen der Regimenter der russischen Reserve des ungünstigen Geländes wegen, aber nur sehr ungeordnet und vereinzelt geschehen konnte , so kam die Schlacht hier eine Zeit lang zum stehen . Die Preuſsen hätten voraussichtlich das Feld noch länger behaupten können , wenn nicht mittlerweile auch die übrigen Regimenter der 1. Division (Fermor) und wie es scheint,
auch Teile der 3. Division (Browne) Zeit gehabt hätten , heran zukommen und so die Lücke der russischen Schlachtlinie zu schlieſsen,
welche sich auf dem rechten Flügel der 2. Division gebildet hatte, beziehungsweise die russische Front nach rechts hin zu verlängern. Diese neuen Kräfte der Russen setzten die Bataillone des preuſsischen Treffens der Gefahr aus , bei noch weiterem Vorrücken im Rücken
gefaſst und ihrerseits in den Wald hineingedrückt zu werden. Leh waldt schickte daher den Russen das Letzte, was er noch von Infanterie in der Hand hatte , nämlich das Regiment Dohna, 2. Grenadier- Bataillon
und die , sein zweites Treffen bildenden , 18*
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Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
Garnison -Regimenter Manteuffel und Sydow entgegen .
Teils
des
Nebels, teils der von den Russen vor und während der Schlacht in
Brand gesteckten Dörfer wegen , geriet aber der Vormarsch dieser letzten preuſsischen Reserve in Unordnung. Die nicht auf der Höhe der Ausbildung der übrigen Truppen stehenden Garnison -Regimenter hatten wie Feldmarschall Lehwaldt an den König berichtet, die »bévue« , die eigenen Truppen für den Feind anzusehen und schossen auf dieselben. Kurz , der Angriff miſslang, und sowohl das 1. wie das 2. preuſsische Treffen muſsten unter schweren Verlusten den Rückzug über die Ebene vou Groſs - Jägerndorf nach dem Ausgang des groſsen Waldes von Norkitten antreten . Hiermit war die Schlacht eigentlich entschieden ; doch sind noch die Ereignisse auf
dem nur von Kavallerie gebildeten preuſsischen linken beziehungs weise dem russischen rechten Flügel nachzuholen . Die Russen hatten bereits am Tage vor der Schlacht den, am nordwestlichen Ausgang des sichelförmigen Waldes, östlich der nach Groſs - Jägerndorf führenden Straſse, gelegenen Hügel, wie erwähnt,
mit starker Artillerie besetzt. Dieselbe wurde durch 3 Regimenter der 3. Division ( Browne) und fast ihre gesamte reguläre Kavallerie (dieselbe hielt 6 schwache Regimenter stark vorwärts der Artillerie und Infanterie in der Richtung des preuſsischen Anmarsches) unter stützt. Die auf einer gesonderten Straſse von Puschdorf über Weg nothen heranrückende preuſsische Kavallerie *) des äuſsersten linken Flügels unter Schorlemmer griff nun, bald nachdem der Kampf im Centrum entbrannt war, die erwähnte, vorwärts des rechten Flügels der Russen aufgestellte reguläre, Kavallerie an und warf sie, wie selbst die Russen zugeben , wie Spreu auseinander und verfolgte sie teilweise sogar bis Norkitten. Ein nachhaltiger Erfolg konnte aber auch hier nicht erreicht werden , da die auf dem Hügel vor dem
nordwestlichen Ausgang des sichelförmigen Waldes stehende Batterie die nachjagenden preuſsischen Reiter mit Kartätschen beschofs. Auch stellte sich hier am Ausgang des Wäldchens das vom Lager her durch
die bereits im Aufbruch befindlich gewesene Bagage, hervorgedrungene russische 1. Grenadier-Regiment den Preuſsen entgegen. Als dieselben trotzdem in den Wald eindrangen, machte das russische Regiment in voller Kalthlütigkeit eine Rückwärtsschwenkung und überschüttete den Feind mit Gewehrfeuer.
Eine ähnliche Abwehr leisteten die
*) Es waren die Regimenter Malachowski-Husaren, Platen, Schorlemmer, Pletten
berg und Finckenstein- Dragoner, von denen aber eins vor Beginn der Schlacht nach dem rechten Flügel entsendet wurde,
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rechts (nördlich) der Batterie aufgestellten 3 russischen Infanterie Regimenter, so daſs die über keine Infanterie verfügenden Angreifer von ihrem Vorhaben ablassen und sich auſser Kanonenschuſsweite
wieder sammeln muſsten. Nur nördlich des sichelförmigen Waldes zwischen diesem und dem Pregel gelang es, vereinzelten preuſsischen Kavallerie - Abteilungen hinter den , das Schlachtfeld räumenden russischen Reitern her bis nach Norkitten vorzudringen und unter der dort zum Teil noch aufgehäuften russischen Bagage Verwirrung anzurichten . *) Später hat dann die preuſsische Kavallerie des äuſsersten linken Flügels den Abzug ihrer Infanterie durch den groſsen Wald von Norkitten gedeckt, und ist es wohl ibrer unge schmälerten Gefechtsbereitschaft zuzuschreiben, daſs der Rückzug ohne ernstliche Verfolgung seitens der Russen vor sich ging . Wenigstens vermochten die Preuſsen alle Fahnen zu retten . Hierzu
wirkte aber auch die Kavallerie des rechten preuſsischen Flügels unter dem Prinzen von Holstein mit.
Dieselbe hatte , wie bereits
erwähnt, die Schlacht mit einem Angriff auf die am Südausgang des sichelförmigen Waldes zum Vorschein kommenden russischen Infanterie und Kavallerie eröffnet und war dann zurückgegangen , um zunächst südöstlich von Uderballen und dann südwestlich von Daupelken die
Front gegen die Höhe von Sitterfelde Aufstellung zu nehmen . Hier auf den Höhen von Sitterfelde war erst beim Beginn der Schlacht der von Sibilski befehligte linke Flügel der Russen ( welcher beim Abmarsch nach Allenburg die Avantgarde bilden sollte und daher ziemlich abgesondert und von dem Brennpunkt der Schlacht entfernt gepächtigt hatte) in Stellung gegangen . Die zu dieser Avantgarde gehörigen fünf Infanterie-Regimenter, dahinter etwas reguläre Kavallerie und am äuſsersten linken Flügel Kasaken, standen in Linie zwischen Sitterfelde und Daupelken derart, daſs sie mit der, von der 2. russischen Division gebildeten Schlachtlinie einen fast rechten Winkel bildeten , mithin den oben erwähnten Anmarsch
der preuſsischen Infanterie gegen den sichelförmigen Wald flankierten.
Dieser eigentliche linke Flügel der Russen hätte somit auf den Ausgang der Schlacht sehr entscheidend einwirken können, wenn die dazu gehörigen Truppen nicht zu spät aus ihren Biwaks hinter dem Wäldchen
– die Irregulären lagerten sogar hinter der Auxinne
*) Oberst Masslowski ist der Meinung, daſs es viel zweckmäſsiger gewesen
wäre, den Hauptangriff nicht auf den linken Flügel beziehungsweise das Centrum , sondern den rechten Flügel der russischen Aufstellung zu richten ,
Man hätte
dadurch die Russen ganz von den ihren Rückzug allein ermöglichenden Brücken über den Pregel abschneiden können,
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
267
- in die für sie vorher bestimmte Stellung gekommen wären, und -
wenn dieselbe nicht, durch undurchscbreitbares, sumpfiges und waldiges Terrain von dem Sammelpunkt der 2. Division getrennt, zu entfernt von dem Orte des heftigsten Zusammenstoſses gelegen hätte. So wenigstens wird von einzelnen russischen Schriftstellern diese, sonst garnicht zu begreifende und auch von Masslowski verurteilte, Un
thätigkeit des von Sibilski befehligten linken russischen Flügels
erklärt. Doch ist diese Unthätigkeit neben der Kraftlosigkeit und Unfähigkeit Sibilski's, wohl hauptsächlich dem Umstande zuzu schreiben, daſs die preuſsische Kavallerie unter dem Prinzen von Holstein die Russen hier gewissermaſsen im Schach hielt. Hier hat sich denn auch am Ende der Schlacht eine, in den preuſsischen Geschichtswerken nur flüchtig berührte Begebenheit abgespielt, die, wenn auch auf dem Ausgang der Schlacht nicht von wesentlichem Einfluſs, so doch für das Verhalten der russischen Kasaken und der
preuſsischen Kavallerie charakteristisch ist. Bolotow berichtet darüber wie folgt :
» Von Beginn der Schlacht an beobachteten die Führer der wilden Reiterscharen , die weder von der Formation, noch der
Richtung und den geordneten Bewegungen der preuſsischen Kavallerie eine Ahnung hatten , « aufmerksam den Gang des Kampfes mit dem Entschluſs, (?) im geeigneten Augenblick die preuſsische Kavallerie in das Feuer der zum Gefecht aufgestellten Regimenter Sibilski's zu locken .
Nachdem die Aufstellung der Avantgarde beendigt war, griff Sserebrjakow unter Umgehung des mehr als 1 Werst vorwärts der Höhe von Sitterfelde befindlichen Sumpfes plötzlich die Kavallerie des Prinzen von Holstein mit dem , den Kasaken eigentümlichen >Geheula an , so daſs man nach dem sehr scharfen « Beginn des
Angriffs annehmen durfte, daſs die Kasaken Alles mit ihren Spieſsen niedermachen würden .
Anstatt dessen sprengten sie aber nur auf nahe Entfernung an die Preuſsen heran, und als ob sie dächten , hier ist für uns doch nichts zu holen , verlieſsen die Donier den Sumpf umjagend so
schnell wie möglich den Kampfplatz.
Diese Flucht benutzte die
Kavallerie des Prinzen von Holstein , eilte den Kasaken nach und
trieb sie um den Sumpf herum , wie eine Heerde Schafe, auf unsere Front. «
Masslowski bemerkt dazu :
> Schon diese Bruchstücke der Auf
zeichnungen Bolotow's reichen vollständig aus, um daraus das gewöhnliche Manöver der Kasaken
zu
erkennen .
Der
Zweck
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
268
Sserebrjakow's war augenscheinlich erreicht: die preuſsische Kavallerie warf sich (ohne die Gefahr irgendwie zu bemerken) in den Rachen der 15 vollständig kampfbereiten und mit starker Artillerie (40 Regiments -Geschütze und eine schwere Feldbatterie) versehenen russischen Bataillone. . Mit einem so kostbaren Geschenk fertig zu werden , war nun Sache der Infanterie . «
Masslowski fährt fort: „Die preuſsische Kavallerie folgte den Kasaken dicht auf den Fersen und hieb sie unbarmherzig nieder.
Unsere Infanterie, als sie die gerade auf sich losjagenden und zer sprengten Kasaken bemerkte, hielt es für notwendig, etwas Platz zu machen und sie durchzulassen , um sodann die schwadronsweise,
wie ein reiſsender Strom gerade auf unsere Infanterie loskommende preuſsische Kavallerie zurückzuweisen . «
> Unzweifelhaft gelang dieses Manöver den Regimentern des linken Flügels, aber nicht allen. Die vorderste preuſsische Schwadron durchbrach die Front und lieſs Alles, was sich dahinter befand
über die Klinge springen. Die nicht angegriffenen Regimenter des rechten Flügels der Avantgarde » veränderten « die ganze Front nach rückwärts, namentlich aber gelang es der rechts des Regiments
Pskow stehenden Feldbatterie, rechtzeitig die Geschütze herumzu werfen, so daſs ihre Kartätschsalven gegen die hintereinander her jagenden preuſsischen Schwadronen die denkbar günstigste Wirkung batten .
Die Kavallerie des Prinzen von Holstein » wandte sich
wie ein Blitz zurück, und die hinter unsere Front gelangten Reiter gerieten wie Mäuse in die Falle. «
Die Infanterie schloſs sich sofort
wieder zusammen , und die Kasaken in Gemeinschaft mit den regu lären Schwadronen erwischten und » töteten Alle bis auf den letzten Mann. «
>> Dieses so charakteristische Gefecht auf dem russischen linken
Flügel bildete den Schluſsakt der Schlacht von Groſs - Jägerndorf. Später, als die soeben durch die Abwehr des preuſsischen Angriffs
ermutigte Avantgarde Sibilski's den eiligen Rückzug der Preuſsen sah, durchschritt sie das sumpfige Buschgelände und vereinigte sich mit der 2. Division.
Um diese Zeit der allgemeinen Vereinigung
aller unserer Truppen war es den Preuſsen bereits gelungen, den schützenden Wald (aus dem sie vorgedrungen waren) zu er reichen . «
Eine Verfolgung der geschlagenen preuſsischen Armee über das Schlachtfeld hinaus fand kaum statt, auch gelang es ihr ihre Fahnen zu retten .
Lehwaldt und Aprarin 1757 in Ostpreuſsen.
269
Die beiderseitigen Verluste in der Schlacht von Groſs- Jägerndorf beziffern sich wie folgt: Russen.
Preuſsen. Tote.
Tote .
Offiziere aller Chargen . 2 Generale, 1 Brigadier,
Offiziere und Mann schaften 1818. *)
Mannschaften Verwundete.
8, (?) **)
Generale
1449 . Ganzen 1487 . Im
Verwundete .
Stabs - u . Ober - Offiziere 123, Mannschaften 2214. ***) .
38,
Offiziere Mannschaften
.
Gesamtverlust 4163. +)
232 , 4262.
mit Nichtreguläre 5981 .
Den Preuſsen wurden 29 Geschütze abgenommen, darunter 11 von schwerem Kaliber. So hatten die Russen an Toten und Verwundeten mehr [Lebwaldt schreibt mehr als das Dreifache ] verloren als die unter
liegenden Preuſsen, denen es gelang , sich bald, ohne verfolgt zu werden , in Sicherheit zu bringen und die erlittenen Verluste wieder durch Nachschübe zu ersetzen .
Friedrich der Groſse nennt daher
auch in einem an Lehwaldt gerichteten Trostbriefe vom 6. September
aus Rötha] die Affaire von Groſs - Jägerndorf nicht eine » verlorene Bataille « , sondern eine » abgeschlagene Attacke « , bei der die Truppen sich als » brave Leute « gezeigt hätten und durch die sich Lehwaldt
nicht entmutigen lassen solle. Der König beurteilte also das Ver es bei genauerer Kenntnis der Verhältnisse vielleicht gethan haben würde . Von wie fraglichem Wert daber auch so sehr » post festum « kommende Beurteilungen kriegsgeschichtlicher Ereignisse sein mögen , zumal wenn in den darüber vorhandenen Berichten immer noch unaufgeklärte Punkte verbleiben , so mögen doch hier unter besonderer Bezugnahme auf
halten Lehwaldt's milder , als er
die russischen Angaben , einige kritische Bemerkungen gestattet
sein. – Die russische Armee war der preuſsischen , was Infanterie an betrifft, um mehr als das Dreifache überlegen ( 90 Bataillone gegen 22). Dagegen war auf preuſsischer Seite eine Überlegenheit an Kavallerie , wenn auch nicht der Zahl, so doch dem Wert nach , vorhanden . tt) *) Nach preuſsischer Quelle 370 Offiziere und 2200 Mann. **) Nur Dohna.
***) Nach preuſsischen Quellen 86 Offiziere, 2300 Mann. t) Nach preuſsischen Quellen 123 Offiziere, 4500 Mann , tt) Masslowski giebt die Stärke der russischen regulären Kavallerie auf 42
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
270
Die russische Reiterei war den, im fridericianischen Geiste aus
gebildeten preuſsischen Schwadronen gegenüber gleich Null zu rechnen, und die irregulären Völker konnten sich ihnen im regelmäſsigen Kampf ebensowenig gegenüberstellen. Lehwaldt bätte mithin seine so füblbare Schwäche, zumal an Infanterie, nur durch bessere Kenntnis und Ausnutzung des Geländes,
namentlich aber durch überraschendes Vorgeben ausgleichen können, wozu ihm, wie bekannt, der russische Feldherr die denkbar günstigste Gelegenheit bot. So wäre namentlich ein schnelles Vorgehen der preuſsischen Kavallerie auf dem nordöstlich des sichelförmigen Waldes, von Weynothen nach Norkitten führenden, Wege in der Morgenfrühe des Schlachttages für die Russen geradezu verhängnis voll gewesen .
Man hätte sie vermittelst eines solchen Vorgehens auf diesem ,
wie es scheint nur wenig verteidigten, rechten Flügel ihrer Auf stellung, im Lager überfallen können . Statt dessen lieſs sich Lehwaldt, obwobl er früh genug aus seinem Lager bei Puschdorf aufgebrochen und schon nach 2 Stunden auf den Kampfplatz gelangt war, so lange mit dem Aufmarsch Zeit, als ob er förmlich hätte abwarten
wollen, bis es auch dem Feinde gelungen sei, ihm eine geordnete Front gegenüberzustellen. Dann rückte er fast mit seiner ganzen Macht, und nicht etwa mit Echellons vom rechten oder linken
Flügel, gleichzeitig vor, wobei er immer noch über die eigentliche Aufstellung des Feindes in Ungewiſsheit blieb und dieserhalb schlieſs
lich zu schwierigen, die Ordnung auflösenden Bewegungen genötigt wurde. So gewannen die Russen Zeit sich von ihrer anfänglichen
Bestürzung zu erholen und ihre groſse numerische Überlegenheit im Verein mit ihrer zähen Defensivkraft zur Geltung zu bringen.
Der Mangel an einer Reserve auf preuſsischer Seite gab den A usschlag , und wäre der Rückzug der Preuſsen für sie jedenfalls noch verhängnisvoller geworden, wenn nicht ihre Kavallerie bis zum letzten Augenblick den Feind in Achtung erhalten hätte. Lloyd entschuldigt das Verhalten Lehwaldt's mit folgenden Worten : »Die Russen waren damals noch wenig bekannt. Man darf es sich daher nicht befremden lassen, wenn der preuſsische General glaubte, seine Truppen wären ihnen überlegen und nicht für nötig fand, andere Vorkehrungen zu machen, als Infanterie gegen Infanterie und Kavallerie gegen Kavallerie zu stellen. Allein Schwadronen, die der Irregulären auf 10-12,000 Reiter an. Die Preuſsen hatten im Ganzen nach derselben Quelle 50 Schwadronen.
271
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſson .
die Erfahrung hat bewiesen , daſs die russische Infanterie alle anderen in Europa weit übertrifft a. s . w.
Da ihre Kavallerie aber nicht so
gut ist ... so können sie vernünftigerweise nicht anders als durch eine vermischte Schlachtordnung überwunden werden. Ja sie können nicht überwunden, sie müssen totgeschlagen werden , und das kann
bloſs Infanterie vermischt mit Kavallerie bewerkstelligen .« In keinem Falle kann man Lehwaldt von dem Vorwurfe, er habe die Lage nicht richtig erkannt und sich mehr an die Formen
als an den Geist der fridericianischen Taktik gehalten , freisprechen . Andernfalls hätte, wie ein deutscher Schriftsteller richtig bemerkt, die Schlacht von Groſs- Jägerndorf für die Russen ein zweites Narwa, für die Preuſsen einer der bedeutendsten und folgenreichsten Siege des ganzen Krieges werden können. Es trifft daher nicht ganz zu, wenn es im Generalstabswerk
von 1824 heiſst: »Da aber doch der Feldmarschall in Folge der Ereignisse wahrscheinlich den Befehl erhalten baben würde, Preuſsen zu verlassen, so würde der Vorteil eines errungenen Sieges vorzüglich darin bestanden haben, daſs die preuſsischen Truppen nicht eine
Meinung von Überlegenheit der Russen mit sich genommen hätten, und die Infanterie, welche bei Groſs- Jägerndorf gefochten hatte, würde sich nicht so schwach bei Zorndorf benommen haben .
Viel
leicht wäre es selbst gelungen , umgekehrt den Russen eine hobe Diese hohe Meinung Meinung (von den Preuſsen ) beizubringen .« über die Tüchtigkeit der preuſsischen Armee war, wie es die
russische Darstellung klar und ohne Rückbalt ergiebt, auch nach der Schlacht von Groſs-Jägerndorf bei den Russen durchaus vor handen , und man darf jetzt mit Sicherheit annehmen, daſs die von den Preuſsen in der Schlacht von Groſs-Jägerndorf und nachher gezeigte Haltung mindestens ebenso sehr auf die Entschlüsse der russischen Generale eingewirkt hat, als der Mangel an Lebensmitteln und das Apraxin fälschlich zugeschriebene Streben, die Armee für dynastische Zwecke zurückzuhalten .
Es erübrigt jetzt nur noch einen Blick auf die Leistungen und Entschlüsse des russischen Oberkommandierenden während und nach der Schlacht zu werfen .
Über die von Apraxin
während der Schlacht beobachtete
Haltung läſst sich Oberst Masslowski in folgender, wie wir meinen , etwas zu sehr beschönigenden Weise aus :
» Die Dispositionen und das Verhalten der russischen Truppen
in der Schlacht von Groſs - Jägerndorf müssen von dem Gesichtspunkt
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen.
272
aus betrachtet werden, daſs dieser Kampf für die Russen ein unvorher
gesehener, für die Preuſsen dagegen ein beabsichtigter war . « >Fassen wir den Gang der Schlacht ins Auge, so können wir nicht umhin, anzuerkennen, daſs der Oberbefehlshaber in dem ersten
Teile des Kampfes seine Sache musterhaft ausführte. Sofort, nach dem er sich durch die Aufklärung von der Lage der Dinge überzeugt hatte, erlieſs er für die Reserve und die anderen noch nicht in den
Kampf verwickelten Truppenteile die zweckmäſsigsten Anordnungen. Er stellte die Reserve thatsächlich an
den für den Gang des
Kampfes wichtigsten Punkt, von dem aus sie »jm dringendsten « Augenblicke die Gefechtslinie zu verstärken vermochte . « » Für uns ist es dabei vollständig gleichgültig, ob Apraxin selbst den Platz für die Reserve bestimmte, oder ob er den Rat
schlägen der untergebenen Generale dabei folgte. einer Geschichte des russischen Generalstabes.
Das ist Sache
Wir haben es nur
mit den Befehlen des obersten Befehlshabers zu thun, für die er allein die Verantwortlichkeit trug.
Obwohl ich nach
der Aufklärung sah, mit welchem Mut und Ordnung der Feind uns während des Marsches angriff, und mich darüber in groſser Be kümmernis befand, so vermochte ich doch hinter der Bagage nicht nur mit Nutzen überall zu wirken, sondern war auch glücklich , mich an so gefährlichen Stellen zu befinden, wo in meiner Nähe ein Offizier des Stabes, 2 Grenadiere, 1 Wachtmeister getötet und mehrere Offiziere und Soldaten verwundet wurden . «
>Der letztere Umstand deutet bestimmt darauf hin, daſs Apraxin sich nicht, wie von anderer Seite behauptet wird, hinter die Bagage zu retten suchte, sondern daſs ihn vielmehr dieselbe und die dahinter
herrschende Unordnung bei seinen Anordnungen hinderte; es ent spricht das völlig dem Gang des Kampfes. Auſser der Bestimmung des Platzes für die Reserve, zeigt sich die Thätigkeit Apraxin's auch noch darin, daſs er vollständig bestimmte Befehle an Fermor und Sibilski erlieſs, alsdann war sein Platz bei der Reserve, wo er sich , wie es scheint, auch wirklich befand . «
»Wir haben keine Angaben darüber, wer eigentlich der Reserve den Befehl gab, vorzugehen, und sind daher auſser Stande, die Thätigkeit Apraxin's bei dieser wichtigen Frage zu würdigen. Keines falls haben wir das Recht, anzunehmen, daſs er und das Hauptquartier
273
Lehwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreuſsen .
vollständig den Kopf verloren und den Verlauf des Gefechts lediglich dem Zufall überlassen habe. «
» Bei einem so unvorhergesehenen Kampf konnte man andere
und mehr Befehle, als sie wirklich gegeben wurden, kaum erwarten .< »Die gröſste Verantwortlichkeit trifft Apraxin augenscheinlich dafür, daſs er nach der Abweisung der preuſsischen Angriffe und
nachdem die Vereinigung der zweiten Division mit der ersten und mit der Avantgarde stattgefunden hatte, nicht zum entscheidenden Angriff überging. «
Daſs eine weitere Verfolgung nicht stattfand, wird russischer seits der Erschöpfung zugeschrieben, in der sich die Armee nach dem Kampfe befand. Die nicht am Kampf beteiligten Truppen der Avantgarde unter Sibilski hätten hierbei ihre Wirkung äuſsern können, und soll Apraxin auch den Auftrag dazu gegeben haben ;
1
Sibilski fühlte sich aber nicht veranlaſst, demselben nachzukommen.
Jedenfalls war am nächsten Tage (31. August) die Fühlung zwischen beiden Armeen vollständig unterbrochen und zu spät schickte Apraxin nunmehr verschiedene gröſsere Aufklärungs -Abteilungen aus . Er selbst blieb inzwischen mit der Armee zwei Tage (nach
1
1
anderen Nachrichten länger) auf dem Kampfplatze stehen, um den Sieg zu feiern, Brot backen zu lassen und die Nachrichten über
Wäre er gleich weiter vorgerückt, so wäre es ihm wahrscheinlich möglich gewesen mit leichter Mühe Leh waldt's Verbleib abzuwarten.
den Übergang bei Wehlau über die Alle zu gewinnen und sich da durch die gerade Straſse nach Königsberg zu öffnen .
So aber lieſsen
die Russen Lehwaldt Zeit sich hinter der Alle neu zu ordnen, und
wieder verfielen sie auf den Plan , ihn in seiner rechten Flanke und
zwar vermittelst Übergangs über die Alle bei Allenburg zu umgehen. Diese Bewegung wurde am 2. September begonnen und bis zum 5. fortgesetzt, an welchem
Tage sich die russische Armee in der
Umgegend von Allenburg versammelte.
Am 7. beschloſs dann der
von Apraxin zusammenberufene Kriegsrat angesichts der bedrohlichen ( leider von ihm nicht ausgenutzten ) Nähe des Feindes und ans Mangel an Lebensmitteln die weitere Vorbewegung einzustellen und
über Insterburg hinter die Menel zurückzugehen, woselbst Magazine vorbanden waren. Dieser Rückzug wurde nach Oberst Masslowski, am 9. September begonnen, und erst am 15., als die Hauptkräfte Apraxin's bereits Insterburg erreicht hatten, schickte sich die preuſsische Armee zum Nachrücken an , ohne jedoch die von dem Könige anempfohlene » weitere action zu hazardieren .«
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XVIII.
Über Cürassiere. General Thoumas sagt in seinen > Transformations de l'armée
francaise (Paris 1887) « im 3. Kapitel , das über die Veränderungen der französischen Kavallerie handelt, nachdem er über die Abschaffung der Lanciers gesprochen : Glücklicher als die Lanciers, sind die Cürassiere durch ihre
Legende gerettet worden, nicht durch die des Rheinüberganges im Jahre 1672 , wo das damalige einzige Cürassier - Regiment oder »die Cürassiere des Königs « sich , den Grafen v. Guiche an der Spitze , unter den Augen Ludwig XIV. in den breiten und tiefen Strom warf, nicht durch die Legenden von Eylau, Eſslingen, von der Moskwa, selbst nicht durch die erhabenste von allen , die von
Waterloo, sondern durch die ganz junge Legende von Reichshofen , das heiſst durch die Erinnerung an eine heldenmütige aber unnütze Aufopferung, die nichts weiter - beeilen wir uns hinzuzufügen ,
daſs dies schon viel ist – als Mut und Hingebung bewies.
Wir
sagen es gern : Die Cürassiere sind heldenmütig und aufopfernd bei Reichshofen gewesen , denn denn wir wir zählten zählten immer Heldenmut und Aufopferung zu unseren Tugenden. Seien wir uns selbst gegenüber aber aufrichtiger, indem wir sagen : Der Heldenmut und der Geist der Aufopferung sind nicht in uns erstorben ; es handelt sich nur darum, den Funken zu entzünden und ihn zu unterhalten.
Lernen
wir die Strategie und noch mehr die Taktik ; die Kenntnis der Strategie ist für unsere Führer, die der Taktik für uns Alle eine
Notwendigkeit. Erinnert Euch, Ihr jungen Offiziere, dieser Morand' schen Worte : „ Es giebt Nichts, was, von einem tüchtigen General
seinen Mitteln gemäſs entworfen, nicht von einem Schützenhauptmann ausgeführt werden könne. « Aber vor allen Dingen laſst es Euch zur
festen Überzeugung werden , daſs eine Nation , die zwei Millionen bewaffnete mit allem nötigen Material überreich versehene Männer ins Feld stellen kann , und die sich nur nach ihrer Vergangenheit
Über Cürassiere.
275
zu richten braucht, um alle kriegerischen Tugenden zu entwickeln , unbesiegbar ist , wenn sie es sein will. Sprechen wir in unseren Büchern und in unseren Schulen weniger von den Eigenschaften , die ein Oberkommandierender besitzen muſs und denken wir mehr
an diejenigen, die wir selbst uns aneignen müssen . Aber wir haben uns etwas weit von den Cürassieren entfernt !
Ein junger und glänzender Kavallerie-General, ein vornehmer Mann und Soldat, wie es im 18. Jahrhundert der Fürst von Ligne war, war zweifellos von diesem Satze der Militärischen Vorurteile
durchdrungen : Alles , was Menschen und Pferde beschwert, ist unnütz ; man schmücke unsere Arsenale mit allen Cürassen der
Kavallerie, und man sei überzeugt, daſs ein Dragoner-Kapitän, der mit verhängtem Zügel angreift, eine Schlacht gewinnen kann. Wie kann man noch so viele Unglückliche mit so viel Eisen beladen , das weiter Nichts als Unbequemlichkeiten bereitet. « *) Dieser General würde vielleicht auch den Beobachtungen des General Morand zugestimmt haben , der lebhaft durch die Rolle, die
die Kasaken 1812 spielten, eingenommen, das Geheimnis des Sieges nur in der Überlegenheit an leichter Kavallerie erblickte. > Die Husaren und die in Nachahmung der Reitervölker organisierten Lanciers,« sagt er : > würden eine bessere Kavallerie sein als die Cürassiere, die die Ritter des Mittelalters darstellen , und würde es
genügen, sie ihren Vorbildern unähnlich zu machen, um ihre Über legenheit zu steigern .« Nach Saint - Cyr muſs die Kavallerie als die Augen und die Beine der Armee angesehen werden. » Man sieht, daſs für die ver schiedene Thätigkeit, die sie auszuüben verpflichtet ist, « sagt er ,
» Schnelligkeit und Leichtigkeit die Anforderungen sind , die man an ihre Organisation, ihren Bewegungen und ihrer Art zu fechten stellen muſs. < **) >> Der Miſsbrauch der Kavalleries heiſst es an einer anderen
Stelle , > kommt von den Fehlern ihrer Organisation; von dem Augenblick an, wo man starke und kräftige Männer auf ungeheuren Pferden und in Eisen eingehüllt sah , hat man geglaubt, daſs Gröſse 1
und Schwere gleich bedeutend mit Stärke wären, diese Elitemänner wurden aber durch den Miſsbrauch , den man mit ihrem Werte
trieb, schnell hinweggerafft .« Schlieſslich hätten die Mitglieder des Kavalleriecomités die so malerische Ansprache des Oberst de Brack *) Préjuges militaires, édition Dumaine p. 14. **) Memoires sur les guerres du Directoire, du Consulat et de l'Empire, t. IV.
Über Cürassiere.
276
an die Offiziere und Unteroffiziere seines Regiments überlegen
müssen : „Ihr seid manchmal auf Euren Wegen einer Cürassier kolonne begegnet ; wie ich, habt Ihr von Euren kleinen Pferden die Höhe dieser Riesen gemessen und einen traurigen Vergleich Eurer Kraft mit der dieser mit Eisen bedeckten und so mächtig bewaffneten Kolosse angestellt. Hundertmal jedoch werdet Ihr im Kriege ähnlichen Truppen gegenüber stehen. Was Euch an Stärke mangelt, ersetzt ihnen gegenüber mit um so mehr List, Ihr, die
Ihr leichter und beweglicher als Eure Gegner seid , greift sie von hinten an, beunruhigt sie, demoralisiert sie durch Überraschungen , erschöpft sie bis zur Ermattung, lockt sie auf das Feld der Gewandtheit. Die Gewandtheit ist mächtiger als die Stärke, und
der kleine Tiger ist das einzige Tier, das den Elephanten zu Boden wirft . « *)
Während des Feldzuges von 1870 haben mehrere Generale für die unter ihrem Befehl befindlichen Cürassier - Regimenter um Gewehre gebeten. » Der kommandierende General des XV. Armee Corps «, heiſst es, in einem Schreiben des Ministers an den Artillerie
direktor, versucht um Übersendung von 4000 Gewehren für die zu diesem Corps gehörenden Lanciers und Cürassiere , die dafür ihre Lanzen und Cürasse abgeben würden . « Diese Gewehrfrage scheint besonders das Kavalleriecomité beschäftigt zu haben , als es 1880 die Abschaffung der Cürasse forderte.
> Es kann sich ereignen,
sagte eines seiner Mitglieder, » daſs ich in einem gegebenen Augen blick es bitter berene, keine Cürassiere zur Hand zu haben, dieser
Augenblick tritt aber vielleicht nie ein, und wir dürfen unsere Kavallerie für einen so wenig wahrscheinlichen Fall nicht um 8000 Karabiner berauben . «
Vollständig der Ansicht dieses Comités , schaffte der Minister, der schon die Tambours abgeschafft hatte, auch die Cürassiere ab.
Diese Maſsregel ward aber zunächst nur auf eines der beiden Regimenter in jeder Brigade angewendet, dies Regiment erhielt Karabiner und seine Cürasse wanderten , nach dem Wunsche des
Fürsten de Ligne, zur Ausschmückung in unsere Arsenale. Lange blieben sie jedoch nicht dort ; die Kavallerie teilte nicht die Ansicht ihres Comités, die öffentliche Meinung noch weniger, und so gab der Minister, der die Tambours auch schon wieder eingeführt hatte, allen Cürassier -Regimentern ihre Cürasse zurück. Auſser ihrer Volksbeliebtheit hatte man noch ernstere Gründe
*) Avant-postes de cavallerie legère p. 471.
Über Cürassiere.
277
für Beibehaltung der Cürassiere.
Die Geschichte unserer groſsen Kriege ist so zu sagen auf jeder Seite durch eine ihrer Helden thaten gekennzeichnet; die Namen von Austerlitz, von Eylau, Heils
berg, Friedland, Eſslingen, Wagram, von der Moskwa, der Beresina, von Dresden, Leipzig, wo 3 Cürassier -Regimenter eine Batterie von 30 Geschützen nahmen, von Lerida, wo das 13. Cürassier -Regiment ganz allein eine Armee von 15,000 Mann in die Flucht jagte, die Namen von Hanau und besonders von Waterloo strahlen mit un
auslöschlichem Glanz von den Standarten dieser schönen Regimenter. An dem unheilvollen Tage von Waterloo fanden zwei , unter sich ganz verschiedene Cürassiergefechte statt. In dem ersten erstiegen die Cürassiere 'von Milhaud , denen die leichte Kavallerie Division der Garde folgte, von Ney geführt, die Hochebene von la Haye-sainte, sprengten mehrere Carrés und wurden aus Mangel
an Infanterieunterstützung gezwungen , zitternd vor Wut , in das Thal wieder niederzusteigen , aus dem sie hervorgebrochen waren . Das zweite Mal stürmte der Held von der Moskwa an der Spitze der vereinigten Schwadronen Milhaud's und Kellermann's und der ganzen Garde - Kavallerie, denen mehrere Båtterien leichte Artillerie
Beim Anblick dieser prächtigen Reiter , die ihre Säbel über ihren Häuptern schwangen und in unermeſsliche Jubel rufe ausbrachen , schien es um die englische Armee geschehen zu sein. Der Kampf währte zwei Stunden, Wellington's Infanterie ward vorausfuhren .
zermalmt, seine Kavallerie überritten , seine Artillerie genommen,
aber der eiserne Herzog blieb standhaft! Die von Ney vergeblich verlangte Infanterie der kaiserlichen Garde kam nicht, und die
durch die Anstrengungen und die Zähigkeit des Feindes besiegten Cürassiere verlieſsen wiederum die Hochebene , die sie mit solcher
Begeisterung erstiegen hatten . Als später Wellington von Jomini gefragt wurde, was ihn am Meisten in seinen zahlreichen Feldzügen in Staunen gesetzt habe, antwortete er ohne Zaudern : „ Die wieder holten Angriffe der Cürassiere bei Waterloo . « *)
Die Geschichte und die Tradition sprechen aber nicht allein zu Gunsten der Cürassiere, der Cüraſs ist wirklich eine Schutzwaffe.
» Ähnlich dem Geräusch des Hagels, der an die Fensterscheiben schlägt , « sagt Oberst Bonie gelegentlich des Angriffes bei Reichs hofen , **) » hörte man den Ton der Kugeln auf den Panzern, aber keine ging hindurch, und man sah Cürassiere zu Fuſs Schutz in *) Colonel Charras, histoire de la campagne de 1815. **) La Cavalerie française en 1870.
Über Carassiere
278
den Gehölzen suchen. Diese Beobachtung ist wichtig, weil sie die Notwendigkeit zeigt, Regimenter beizubehalten , die man als einem anderen Jahrhundert angehörig betrachtet , indem man sagt, daſs
seit den modernen Erfindungen der Cüraſs nur noch dazu gut sei, das Museum eines Altertumsforschers zu schmücken . Das Gegenteil ist bewiesen , und man muſs künftig bei Zusammensetzung der
Kavallerie auch ibn berücksichtigen. « Indessen haben die auswärtigen Kavallerien , die die Lanze beibehielten , während wir sie abschafften , im Gegensatz fast alle den Cüraſs aufgegeben ; die Russen haben nur noch vier, die Eng länder zwei Cürassier - Regimenter, die , wie bei den Rassen , die Leibwache des Herrschers bilden. Die Deutschen haben zehn, davon zwei Garde-Cürassier - Regimenter. Viele deutsche Kavallerie-Offiziere eiferten vor dem Kriege von 1870 gegen den Cürafs, als einen sebr veralteten Zierrat, dessen
Nützlichkeit gegen die Unzuträglichkeiten des Gewichtes , welches das Pferd belastet, zurücksteht.
Da aber diese Urteile nicht von
Erfolg begleitet gewesen zu sein scheinen , so ist es wahrscheinlich , daſs die Erfahrungen von 1870 zu Gunsten des Cürasses ausgefallen sind, denn in Deutschland läſst man nur die Veränderungen ein treten, die man für notwendig erachtet.
Was die Überlegenheit der Cürassiere in Kavalleriegefechten betrifft, so ist sie durch mehr als ein Beispiel erwiesen.
Der dem
Stabe des russischen Generalissimus Kutusoff im Kriege von 1812
beigegebene englische General Wilson erzählt eine Begebenheit aus dem Gefechte bei Tarutino , wo , wie man weiſs, die von Murat
befehligte Avantgarde der französischen Armee durch einen gleich zeitigen Angriff mehrerer russischer Divisionen überrascht wurde, folgendermaſsen : >>Die Kasaken griffen entschlossen selbst die
Cürassiere an, und in keinem Kavalleriegefecht zeigten die Parteien wieder solche Erbitterung. Ohne die hinten und vorn schützenden Cürasse würden die französischen Reiter von den Kasakenlanzen
durchbohrt worden sein. « *)
Bei Uldecona in Niederarragonien befanden sich im Monat Januar 1811 57 Cürassiere vom 13. Regiment , die eine spanische Schwadron verfolgten, plötzlich 4 Schwadronen frischer Truppen gegenüber, welche sich, die verfolgte Schwadron aufnehmend, auf sie
werfen ; anstatt zurückzuweichen, begannen unsere Cürassiere sofort das Gefecht, das eine halbe Stunde währte, worauf die Feinde mit *) Oberst Borbstädt, Militär -Wochenblatt. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine.
Bd. LXVII , 3
19
Über Cürassiere.
279
40 Toten und 100 Gefangenen Verlust flohen . *) Der Cüraſs allein
scheint die Überlegenheit bei einem solchen Zahlenunterschiede gesichert zu haben . In der Schlacht bei Sagunt entschied eine einzige Schwadron des 13. Cürassier-Regiments den Sieg, indem sie die 1500 Pferde starke spanische Kavallerie über den Haufen warf. **)
Die Fechtart gegen unsere gewöhnlichen Gegner bestätigt diese Überlegenheit. Man hat gesehen , daſs bei Rezonville die dentsche Brigade Bredow von der Division Forton vernichtet wurde. Das Gefecht war eines der glänzendsten ,« sagt in Bezug hierauf Oberst Bonie , » und unsere Verluste waren im Verhältnis zu denen des
Feindes unbedeutend , weil unsere Reiter , mit der Spitze stechend, eine verwundbare Stelle an den Ärmellöchern der Cürasse und unter
dem Hinterschirm des Helmes fanden , während die Preuſsen , die sich des Hiebes oder der Pistole bedienten, wohl Pferde aber sehr
wenig Menschen, die durch die Cürasse geschützt waren ,
ver
wundeten . « ***) Schlieſslich sei hier noch eine Erzählung des General Pelet über das Kavalleriegefecht, das die Schlacht bei
Eckmühl beendete, aus seinen Memoiren über den Feldzug von 1809
erwähnt. Dies, was er über die Überlegenheit der gänzlich ge panzerten Truppen über die nur halb gepanzerten sagt, gilt natürlich in noch stärkerem Maſse für ganz ungepanzerte Truppen.
> Nach
mehreren Angriffen , bei denen die leichte Kavallerie beider Teile
viel Mut , Tapferkeit und Erbitterung zeigte, griffen die öster reichischen Cürassiere an und warfen sich auf unsere Linie mit einer Tapferkeit, die sich der Raserei näherte. Unsere Cürassiere
traten dem Feinde entgegen. Die beiden Massen stiefsen mit Heftigkeit auf einander ; es entstand daraus eins der dichtesten
Handgemenge, das man seit langer Zeit gesehen hatte . Dort wurde eine in der Kavallerie aufgeworfene Frage, die der Notwendigkeit des Doppelcürasses, entschieden . Die Zahl der Toten betrug nach dem Bericht 13 Österreicher und die der Verwundeten 8 Öster reicher auf einen Franzosen . «
Wenn
man
schlieſslich
in
Frankreich Frankreich
verschiedene Arten
Kavallerie unterscheidet, so hat dies hauptsächlich seinen Grund in der Verschiedenheit
unserer Pferderassen .
Unsere groſsen nor
manischen Pferde verlangen groſse und starke Reiter, und da diese *) Souvenirs du Colonel de Gonneville. **) Napier, Histoire des guerres de la Péninsule.
***) Colonel Bonie, la Cavalerie française dans la guerre de 1870.
Über Cürassiere.
280
Pferde, die besten, die wir haben, das Gewicht des Reiters mit dem
Cüraſs zu tragen vermögen , so würden wir sehr Unrecht thun, daraus nicht Vorteil zu ziehen , besonders so lange die Deutschen ihre Cürassier -Regimenter beibehalten. Es bleibt noch die Bewaffnungsfrage. Napoleon selbst hat die Unzulänglichkeit von Kavallerie-Regimentern, die der Feuergewehre entbehren, zugestanden. » Es ist anerkannt, « sagt er in einen am 12. November 1811 an den Kriegsminister gerichteten Briefe, »daſs >>
die mit Cüraſs versehene Kavallerie sich des Karabiners nur mit
Schwierigkeit bedienen kann , aber es ist auch sehr widersinnig, daſs 3000 oder 4000 so tapfere Männer durch eine Compagnie Voltigeure in ihren Quartieren überrascht oder auf dem Marsche Es ist daher unumgänglich sollen aufgehalten werden können. notwendig , sie zu bewaffnen . Die Cürassiere des alten Regime hatten Reiterbüchsen , die sie , um sich ihrer zu bedienen , wie die Gewehre trugen . Meine Absicht ist , daſs jeder Mann ein Gewehr habe ; daſs dies eine sehr kurze Reiterbüchse sei und in der Weise
getragen werde, wie es den Cürassieren am bequemsten ist. « » Ich habe schon, « fügte der Kaiser hinzu, der schweren Kavallerie Reiterbüchsen geben lassen . Beim Frieden haben sie
dieselben zurückgesandt.« Man liest in dem von einem fremden Offizier über das groſse Kavalleriegefecht bei Eckmühl abgestatteten Bericht , daſs die erste Linie der Division Nansouty aus einem Carabinier -Regiment, das von zwei Cürassier -Regimentern eingerahmt war , bestand , daſs diese im Schritt vorrückte, das Carabinier Regiment auf 100 Schritt von den Österreichern hielt , seine Karabiner spannte und auf dreiſsig oder vierzig Schritte Salven abgab, und daſs in derselben Zeit die beiden Cürassier- Regimenter auf den Flügeln sich in Trab setzten , um die Österreicher an zugreifen .« *) Wie dem auch nun sei , eine Verfügung ordnete die durch Napoleon angedeutete Maſsnahme an . Diese Bestimmung scheint 5
aber in der Kavallerie nicht gut aufgenommen worden zu sein . » Ich habe bemerken müssen, « sagt Oberst de Gonneville in seinen Souvenirs militaires, daſs die Idee , die Cürassiere mit Karabinern
zu bewaffnen, die am Haken mit dem Lederzeug der leichten Kavallerie getragen werden, Unsinn war. Zu Pferde und mit dem Cürafs war es unmöglich , sich seiner zu bedienen , aber man hat
die Idee eines Machers angenommen , ohne vorher einen Versuch *) Histoire générale des cuirassiers (Revue de cavalerie) . 19 *
Über Cürassiere .
281
anzustellen, der diese Unmöglichkeit dargelegt hätte, in Frankreich ist dies stets so . «
Die englischen Regimenter, die den Cüraſs tragen, haben auch den Martini-Karabiner, die deutschen Cürassiere haben in jeder Schwadron
32 Mann mit dem Mauser- Karabiner bewaffnet.
In
Frankreich hat man das Führen jeder anderen Feuerwaffe auſser dem Revolver für unvereinbar mit dem Cüraſs gehalten .
Unsere
Cürassier- Regimenter werden durch das Feuer der Artillerie und der Dragoner- oder Chasseur-Brigaden, die sie begleiten, unterstützt. In jeder Division bleibt die Cürassier - Brigade für das Gefecht bestimmt, und wenn es wahr ist , daſs der nächste Krieg, wie es mit viel Wahrscheinlichkeit alle deutschen Schriftsteller behaupten, mit groſsen Kavalleriegefechten beginnen wird , dann hoffen wir sicher, daſs unsere Cürassiere den glänzenden Erfolg von Eckmühl erneuern werden .
XIX .
Zur Ausbildung
der Feldartillerie und deren Aufgaben im Verbande einer Infanterie -Division. Zweck der nachfolgenden Zeilen ist , einige Punkte in der
Ausbildung der Feldartillerie für ihre Aufgaben im Kriege zu be sprechen . Das Reglement für die Feldartillerie vom Jahre 1877 steht auch heute noch » im Groſsen und Ganzen « auf der Höhe der Zeit.
Nur die Ausbildung in gröſseren Verbänden (Abteilungen) bedarf erweiterter reglementarer Bestimmungen , indem die zur Zeit bestehende Vorschrift, gemäſs welcher die Abteilung, wie eine aus 12 (im Kriege 18) Geschützen bestehende Batterie ausgebildet wird, nicht für die beim Schieſsen und im Kriege an eine Abteilung heran tretenden Aufgaben vorbereitet. Unbedingt müssen beim Schieſsen in gröſseren Ver
bänden ( Abteilungen u. s. w. ) zwischen den Batterien gröſsere Zwischenräume vorhanden sein als zwischen den Geschützen der einzelnen Batterien . Der Zwischenraum zwischen den Geschützen ein und derselben
Batterie wird wohl nie unter 10 Schritt und – obwohl das Reglement zur Zeit bis zu 40 Schritt als zulässig bezeichnet - über 30 Schritt betragen dürfen , da sonst den Zugführern die Erfüllung der ihnen beim Schieſsen zukommenden wichtigen Obliegenheiten zu schwierig wird.
Nimmt eine Abteilung eine Feuerstellung ein, so muſs darauf Bedacht genommen werden , zwischen ihren Batterien gröſsere Zwischenräume als zwischen den Geschützen ein und derselben Batterie
zu erhalten , um jedem Batteriechef die Leitung
insbesondere
die Beobachtung des Feuers seiner Batterie zu erleichtern, auſserdem Plätze für die Aufstellung der Protzen u. s. w. der
283
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben
mittleren Batterie nicht gerade hinter den feuernden Geschützen zu ermöglichen .
Damit die Befriedigung dieser wichtigen Anforderung nicht erst beim Schieſsen oder gar im Ernstfalle als neu an die Truppe herantritt, muſs ihre Ausbildungs -Vorschrift schon darauf berechnet sein, mithin das Exerzieren in der Abteilung bereits so bethätigt werden, daſs zwischeu den einzelnen Batterien stets gröſsere als die gewöhnlichen Geschütz -Zwischenräume vorhanden sind. Wenn 3 Batterien (eine Abteilung) in einem etwa 350 Schritt breiten Frontraum Stellung zum Feuern nehmen, so ist es im Ernstfalle besser, die 3 Batterien ( 18 Geschütze), nicht mit je etwa 20 Schritt Zwischenraum von Geschütz zu Geschütz, sondern so
Stellung nehmen zu lassen , daſs von Geschütz zu Geschütz ein und
derselben Batterie nur ungefähr 15 Schritt ( statt 20 Schritt) Zwischenraum , und dafür von Batterie zu Batterie 50 Schritt Zwischen raum vorhanden sind.
Die Abteilung muſs durch ihre Ausbildung im Exerzieren be fähigt werden, sich dem ihr zugewiesenen Frontraum jeweilig ent
sprechend anpassen zu können. Der zur Verfügung stehende Front raum muſs vom Abteilungs-Commandeur so aufgefaſst werden, daſs er sofort erkennt, welcher Zwischenraum für die Geschütze jeder
einzelnen Batterie zulässig ist, damit zwischen jeder der 3 Batterien seiner Abteilung der unbedingt nötige Zwischenraum von etwa 50 Schritt verbleiben kann .
Die Batterien müssen beim Abteilungs-Exerzieren bereits daran gewöhnt werden, sich dem für die Feuer-Stellung gegebenen Front raum in diesem Sinne aupassen zu lernen . Da im Ernstfalle stets die, aus mindestens 3 Munitionswagen und 1 Vorratswagen bestehende, 1. Staffel einen unmittelbaren Be standteil jeder Batterie bildet und, beim Auffahren einer Batterie zum Feuern , die Aufstellung ihrer 1. Staffel höchst wichtig ist, so erscheint es auch höchst wünschenswert, daſs nicht nur wie einigemale bisher – gleichsam ausnahmsweise - sondern jedes mal, so oft eine Batterie beim Exerzieren abprotzt, die Aufstellung ihrer 1. Staffel von einem Offizier der Batterie durch 2 oder besser
3 Reiter dargestellt wird.
Der geringe Pferdebestand einer Batterie (28 Zugpferde mit Remonten) erlaubt es leider nicht, daſs auſser den 4 Geschützen
auch noch Fahrzeuge der 1. Staffel bespannt werden können . Durch die Verwendung von 2 besser 3 Reitern zur Darstellung der 1. Staffel lieſse sich auch die im Ernstfalle fast immer gebotene Entnahme
im Verbande einer Infanterie - Division .
284
der Munition aus dem Wagen der 1. Staffel leicht veranschaulichen,
indem jedesmal, wenn die Protzen nach dem Abprotzen nicht gerade hinter den Geschützen , sondern weiter rückwärts oder seitwärts derselben Aufstellung zu nehmen haben , diese Reiter zur Darstellung
des dann hinter jeden Zug sofort heranfahrenden Munitionswagens der 1. Staffel benutzt werden können , indem dieselben hinter das 1., 3. u. s. w. oder 2. , 4. Geschütz der Batterie reiten, kehren und
dann absitzen. Der nach Entleerung der Munition eines Wagens nötige Ersatz aus der 2. Staffel lieſse sich dann auch veranschaulichen , indem der betreffende Reiter aufsitzt, zu dem durch den 3. Reiter
dargestellten Aufstellungsplatz der 2. Staffel der Batterie zurück reitet u. S. W.
Wird schon beim Exerzieren der Batterie stets der im
Ernstfalle
gebotene
Munitions- Ersatz
dargestellt ,
so
werden Führer und Mannschaften von Hause aus mit demselben vertraut gemacht.
Ebenso wie jede Schwadron in jedem Zuge mindestens 2 in Aufklärung des Geländes geübte Mannschaften besitzen muſs, welche, der Schwadron voraus, das von dieser zu betretende Gelände be züglich seiner Gangbarkeit u . s. w. aufklären , ist es auch unbedingt nötig, daſs jede Batterie mindestens über 2 in Aufklärung des Geländes , insbesondere dessen Wegsamkeit geübte Berittene verfügt .
Jede Batterie muſs also in Aufklärung des Geländes geübte Mannschaften besitzen ; auſserdem
muſs die Batterie im
Frieden
bereits so sich einüben wie sie es im Kriege braucht, deshalb ist es nötig, daſs bei jedem Exerzieren die 1. Staffel der Batterie als vor
handen betrachtet und durch Reiter dargestellt wird.
Endlich muſs
bereits die Batterie am Schlusse ihrer reglementaren Ausbildung geübt werden, nicht blos mit dem reglementären Geschütz -Zwischen raum von 20 Schritt, sondern auch mit anderen Zwischenräumen
(z. B. 15, 12 Schritt), je nach Maſsgabe des ihr zukommenden oder als zukommend gedachten Frontraumes, sicher und rasch auffahren und abprotzen zu können .
Sind die Batterien in dieser Weise herangebildet , so werden sie den in der Abteilung an sie herantretenden Forderungen leicht entsprechen können . Bei der Ausbildung mehrerer Batterien in der Abteilung müſste dann nur noch hinzutreten, daſs » bei Einnahme einer Feuer-Stellung« zwischen den einzelnen Batterien der Abteilung grundsätzlich gröſsere Zwischenräume (etwa 50 Schritt) geboten sind und , um diese >
285
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben
Batterie-Zwischenräume nötigenfalls auch in beschränktem Front raum gewinnen zu können, die Zwischenräume der Geschütze in
den einzelnen Batterien entsprechend vermindert, also kleiner wie 20 Schritt, genommen werden. Die staffelweise Aufstellung der Batterien - beim Schieſsen , mit Rücksicht auf die Wind-Richtung gewählt, sehr vorteilhaft lieſse sich dann ebenfalls bei Einübung der Abteilung ausführen,
jedoch immer unter Beachtung des Grundsatzes, daſs der Abstand (das Hintereinander) der Batterien stets kleiner sein muſs als der zwischen ihnen vorhandene Zwischenraum .
In dieser Weise durch das Batterie- und Abteilungs Exerzieren herangebildet , würde die Abteilung » für viele der sich jetzt beim Schieſsen in der Abteilung als neu
geltend machenden Anforderungen bereits vorgebildet sein « .
Anmarsch und Einrücken in die gewählte Feuerstellung unbemerkt vom Feinde ausführen zu können, ist vom höchsten Werte.
Hierauf muſs also vor Allem das thunlichste Bestreben
gerichtet sein. Führen gegen die gewählte Feuerstellung Straſsen oder Wege, welche vom Feinde her nicht eingesehen werden können, so muſs sich die Artillerie, schon des leichteren und rascheren Fortkommens
wegen, auf denselben in der deren Breite entsprechenden Marsch
formation vorbewegen, wobei jeder Batterie unmittelbar ihre 1. Staffel folgt.
Erst wenn die Straſse vom Feinde eingesehen, sonst erst kurz vor dem Erreichen der Feuerstellung, muſs jene verlassen werden,
und kann dann – wenn das Gelände gedeckten Weitermarsch bis
in die Feuerstellung ermöglicht — aus der Kolonne zu Einem sofort die Front, oder zuerst die Zug-Kolonne und aus dieser die Front, hergestellt werden .
Das Abprotzen, der Sicht des Feindes entzogen, z. B. gedeckt hinter einer zur Feuerstellung gewählten Bodenwelle u. 8. w. aus zuführen, und die Geschütze erst nach dem Abprotzen, soweit als dieses zum Richten nötig ist, durch die Bedienungs -Mannschaften vorbringen zu lassen , empfiehlt sich bei nicht sehr weichem Boden stets.
Nur dann, wenn sich der Anmarsch über vom Feinde ein
gesehenes Gelände nicht vermeiden läſst, empfiehlt es sich , bevor die eingesehene Strecke betreten wird, die Abteilungen, beziebungs
im Verbande einer Infanterie -Division.
286
weise das Regiment in Rendezvous -Formation - Abteilungs-Kolonne (1. Staffel unmittelbar am Schlusse jeder Batterie) zu sammeln, und erst, wenn bezüglich der einzunehmenden Feuerstellung Alles
festgesetzt ist, unter sofortigem Übergang in Batterie-Kolonnen, mithin in letzterer Formation, das vom Feinde eingesehene Gelände Hierbei können Boden-Hindernisse dazu zwingen, daſs eine oder die andere der Batterie-Kolonnen in die Kolonne zu Einem abbrechen und auch aus dieser, statt der Zug-Kolonne, ihren Auf
zu betreten.
marsch in die Front bewerkstelligen muſs. Die erste Frage , welche an den Abteilungs - Comman
deur beim Schieſsen herantritt , ist die, was habe ich zu beschieſsen – Artillerie, andere Truppen oder einen bestimmten Abschnitt im Gelände, dann : welche Frontbreite besitzt das zu beschieſsende Ziel .
Ist das zu beschieſsende Ziel breit, so muſs unbedingt jeder
Batterie eine entsprechende Frontbreite des Zieles zum Einschieſsen zugewiesen werden. Bis dann jede Batterie der Abteilung sich nach dem ihr zugewiesenen Teil des Zieles eingeschossen, d. h. die auf 50 m
verengte Gabel nach demselben ermittelt hat, kann sich der
Abteilungs -Commandeur schlüssig gemacht haben , welchen Teil des
Gesamt-Zieles er zunächst zu überwältigen suchen muſs, und wird nun gegen diesen das Feuer zweier, selbst aller 3 Batterien ver einigen können . Hierzu läſst er jeder Batterie durch den Unter
offizier derselben , welcher ihm die von der Batterie nach dem ihr zugewiesenen Zielteile erschossene Entfernung gemeldet hat, das neue Ziel für seine Batterie, mit der für dieses Ziel bereits er mittelten Entfernung - kurze Entfernung der auf 50 m oder -
auch erst auf 100 oder 200 m -- verengten Gabel, mit Zahl der untergelegten Platten - dann Schuſsart und Feuerverteilung auf dieses Ziel, als Befehl « übermitteln. Im Falle nur eine feindliche Batterie sich als Ziel
darbieten würde , kann der Abteilungs-Commandeur 2 seiner
Batterien mit Ermittlung der Entfernung nach dieser Batterie beauftragen, wenn jede der 2 Batterien sich nach dem ihr ent sprechend gegenüberliegenden Flügel der feindlichen Batterie, oder dem 2. Geschütze von diesem Flügel herein , einschieſst. Mit 3 dies
seitigen Batterien gleichzeitig die Entfernung nach einer feindlichen Batterie ermitteln zu lassen, ist nur dann ohne Gefährdung für die Beobachtung der einzelnen Schüsse möglich, wenn die Chefs der sich nach demselben Flügel der feindlichen Batterie im langsamen
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben
287
Feuer einschieſsenden 2 Batterien ihr Avertissement > Schuſs
einander »sprungweise « abgeben.
Obwohl
nach
dieses Mittel einfach
erscheint, so belastet es doch den ohnehin schon durch viele Ob
liegenheiten in Anspruch genommenen Batteriechef noch mit einer Aus diesem Grunde erscheint es vorteilhafter, entweder die 3. Batterie erst dann in die Feuerstellung vorbringen zu lassen , weiteren .
wenn die 2 anderen Batterien eingeschossen sind, oder ihr, bis dieses geschehen ist, die Ermittlung der Entfernung nach einem im Gefecht voraussichtlich wichtig werdenden Puukte zu übertragen . Bieten 2 feindliche Batterien sich als Ziel dar , so
können 2 Batterien mit dem Einschieſsen nach derjenigen feindlichen Batterie, welche 2 leichter auseinander zu haltende Zielpunkte dar bietet, beauftragt werden , während die 3. Batterie die Entfernung nach der anderen feindlichen Batterie ermittelt.
Sobald dann die Entfernung nach der feindlichen Batterie, deren
Bekämpfung dem Abteilungs- Commandeur wichtiger oder leichter erscheint, ermittelt ist, wird diese mit 2 Batterien bekämpft ; indem die Batterie (beziehungsweise die eine der beiden Batterien ) welche die Entfernung nach dieser Batterie ermittelte, zum Shrapnel-Feuer, unter Verteilung desselben auf die ganze feindliche Batterie, über geht, während die andere Batterie ihr Granat-Feuer auf die ganze feindliche Batterie verteilt, beziehungsweise, wenn sie erst ihr Feuer gegen diese feindliche Batterie aufzunehmen hat, nachdem sie die ihr mitgeteilte Entfernung nach dieser Batterie - unter Beachtung ihres Staffelabstandes u. S. W. festgestellt hat. Die 3. Batterie geht gegen die andere feindliche Batterie zum Shrapnel-Feuer, unter Verteilung desselben auf die ganze Batterie über. Später kann dann der im Granat - Feuer verbliebenen Batterie befohlen werden,
ihre Granaten, statt gegen die 1. , gegen die 2. feindliche Batterie zu verteilen .
Würden > ausnahmsweise « die 3 Batterien ihr Feuer
auf eine einzige feindliche Batterie zu richten haben , so empfiehlt es sich , die beiden Batterien , welche sich nach dieser feindlichen Batterie einschossen, zum Shrapnel-Feuer unter Feuer
Verteilung auf die entsprechend gegenüberliegende Hälfte der feind lichen Batterie übergehen zu lassen, während die 3. Batterie, sobald
sie die ihr übermittelte Entfernung nach einem Geschütze der feind lichen Batterie geprüft hat, ihr Granatfeuer auf die ganze feindliche Batterie verteilt , wobei dann die Schüsse aller 3 Batterien aus
einander gehalten und beobachtet werden können. Bei wohl nur äuſserst selten vorkommenden gleich
im Verbande einer Infanterie -Division ,
288
zeitigen Beschieſsen einer einzigen feindlichen Batterie mit 4 diesseitigen Batterien , lassen sich die Schüsse nur dann noch auseinander halten und beobachten , wenn je 2 Batterien, und
zwar die eine mit Granaten die andere mit Shrapnels, gegen je eine Hälfte der feindlichen Batterie ihr Feuer verteilen .
Bieten 3 feindliche Batterien sich als Ziel dar , so wird
jede Batterie mit dem Einschieſsen gegen eine feindliche Batterie beauftragt, und wird dann der Abteilungs-Commandeur gegen die
jenige feindliche Batterie, deren Bekämpfung ihm am wichtigsten oder leichtesten erscheint, das Feuer zweier Batterien vereinigen, während er seine 3. Batterie gegen diejenige der beiden übrigen feindlichen Batterien, deren Bekämpfung ihm wichtiger oder leichter erscheint, zum Shrapnel-Feuer unter Verteilung desselben auf die ganze Batterie übergehen läſst. Wird eine feindliche Batterie gleichzeitig von 2 Bat terien beschossen , so empfiehlt es sich , diejenige Batterie , welche die Entfernung nach der feindlichen Batterie er mittelte , gegen diese zum Shrapnel - Feuer , unter Ver teilung desselben auf die ganze feindliche Batterie , übergehen zu lassen , damit die erst ihr Feuer nach dieser feindlichen Batterie aufnehmende Batterie die ihr über
mittelte Entfernung - unter Beachtung ihres Staffel abstandes u. 8. W. mit Granaten feststellen kann , bevor
sie ihr Granatfeuer gegen die ganze feindliche Batterie verteilt. *)
Nun könnte aber auch der Fall eintreten , daſs 3 Bat
terien ( eine Abteilung ) 4 feindliche Batterien gegen sich haben .
Das Einschieſsen wird hierdurch für die Abteilung, bezüglich Thunlichst bald muſs jedoch der Beobachtung, nicht erschwert. auch hier eine Vereinigung des Feuers von 2 Batterien gegen eine *) Sollen die beiden Batterien, welche gleichzeitig eine feindliche Batterie
beschieſsen , dieses mit Shrapnels ausführen, so empfieblt es sich, jede Batterie ihr Feuer gegen die ihr entsprechend gegenüberbefindliche Hälfte der feindlichen Batterie verteilen zu lassen, damit von den Batteriechefs die Schüsse auseinander
gehalten d. h. beobachtet werden können. Jedoch erscheint es, um gegen unvermutet neu auftretende wichtige Ziele, oder gar uns bedrohende feindliche Truppen , rasch die Entfernung erforder ermitteln zu können, lichenfalls auch nur die auf 200 m verengte Gabel wünschenswert, daſs eine Batterie jeder Abteilung und zwar diejenige, welche mit einer anderen Batterie gleichzeitig dasselbe Ziel beschieſst im Granatfeuer -
verbleibt.
289
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben
feindliche Batterie die überwindende befohlen
gefährlichste oder am leichtesten zu werden, während von den 3 übrigen feindlichen Batterien vorerst nur eine -- die nächst wichtigste oder -
-
gefährdetste - mit der 3. Batterie, und zwar, sobald diese die
Entfernung nach ihr mit Granaten ermittelt hat, mit Shrapnels unter Feuerverteilung beschossen werden kann, bis gegen diese, nach Niederkämpfung der jetzt von 2 Batterien beschossenen feind lichen Batterie, mit Übermacht aufgetreten werden kann. ...
Treten 2 Abteilungen *) ( 1 Regiment ) gegen 4 feind liche Batterien ins Gefecht , so muſs jeder Abteilung die ent sprechend gegenüberliegende Hälfte, beziehungsweise Teil, der feind lichen Artillerie als Ziel zugewiesen werden . Das gleichzeitige Einschieſsen von 3 Batterien gegen 2 feind liche wird sich durch entsprechende Teilung des von diesen gebotenen
Zieles ermöglichen lassen. Sobald die Entfernung nach den feind lichen Batterien init Granaten ermittelt ist, wird jeder Abteilungs
Commandeur gegen diejenige der ihm zugewiesenen feindlichen Batterien das Feuer von zwei seiner Batterien vereinigen, deren Niederkämpfung ihm besonders geboten oder leichter erscheint, dann erst gegen die andere, inzwischen nur von einer Batterie mit
Shrapnels bekämpften feindlichen Batterie. Treten 2 Abteilungen ( 1 Regiment zu 6 Batterien ) gegen 2 feindliche Abteilungen ( 8 Batterien ) ins Feuer ,
so muſs ebenfalls jeder Abteilung die entsprechend gegenüberliegende Hälfte, beziehungsweise Teil, der feindlichen Batterien als Ziel zu
gewiesen werden. Es wird dann jede Abteilung jede ihrer 3 Batterien sich nach einer der ihr zugewiesenen feindlichen Batterien einschieſsen lassen, wobei sie die am wenigsten wichtige entfernteste oder wenigst sichtbare – der ihr etwa zur Bekämpfung zugewiesenen 4 feindlichen Batterien vorerst nicht beachtet.
Bis dann die Ent
fernungen nach dreien der feindlichen Batterien ermittelt sind, wird
auch der Abteilungs-Commandeur erkennen können, welche feind
liche Batterie vor Allem niederzukämpfen ist, und kann dann gegen diese das Feuer von zwei Batterien vereinigen , während er seine
3. Batterie diejenige der 3 übrigen feindlichen Batterien beschieſsen *) Der im Reglement vom Jahre 1877 bereits festgesetzte Zwischenraum von 200 Schritt zwischen 2 Abteilungen muſs thunlichst zu erhalten gestrebt werden ;
in jedem Falle ist von Abteilung zu Abteiluug ein Zwischenraum von mindestens 100 Schritt geboten. Bei staffelweiser Aufstellung der Abteilungen zum Feuern muſs der Abstand (das Hintereinander) der Abteilungen stets kleiner sein als der zwischen ihnen vorhandene Zwischenraum .
in Verbande einer Infanterie-Division.
290
läſst, deren Beschäftigung bis zur Niederkämpfung der jetzt mit Übermacht beschossenen feindlichen Batterie am wichtigsten oder vorteilhaftesten erscheint.
Es können auch Fälle eintreten , in welchen die Niederkämpfung der einen Hälfte oder eines Teiles der feindlichen Artillerie so
wichtig ist, daſs das Regiment gegen diesen Teil vor Allem sein Feuer richten muſs. Von diesem Teil erhält dann jede Abteilung die ihr entsprechend gegenüber liegende Hälfte durch den Regiments Commandeur zugewiesen .
Die wirksame Entfernung von der feindlichen Artillerie liegt unter 2000 m und zwar nicht nur wegen der erhöhten Geschoſswirkung sondern auch wegen der erleichterten Beobachtung. Um jedoch die Artillerie vor unnötigen Verlusten durch das Infanterie-Feuer des Feindes zu bewahren, sie nicht zu nötigen, während sie die feindliche Artillerie niederzukämpfen hat, sich der feindlichen
Infanterie
zu
erwehren ,
wird
sie von
dieser
mindestens 1500 m noch entfernt bleiben müssen . Nur unter besonders günstigen Verhältnissen , und wenn das
Vorgehen durch andere Truppen schon genügend gedeckt ist, kann
die Artillerie des Angreifers auf geringeren Entfernungen als 2400 m in den Artilleriekampf eintreten. Häufig wird man aber, nicht nur durch das Gelände, sondern auch durch die vorgeschobene feindliche Infanterie und die Gefechtslage überhaupt, gezwungen sein , den Kampf mit der feindlichen Artillerie auf Entfernungen von un gefähr 2400 m, ja selbst über 2400 m, beginnen zu müssen. Die hinter dem vorderen Regiment oder Bataillon des Gros der Division marschierende Artillerie dieser Division erhält ihre
erste Feuerstellung rechts oder links der Avantgarde, beziehungs weise deren Batterie, angewiesen , und zwar auf dem Flügel , auf welchem der Divisions-Commandeur, soweit er dies jetzt schon zu übersehen vermag, die spätere Verwendung des Gros sich denkt. Kommt hierbei die Artillerie des Gros auf denjenigen Flügel
der Avantgarde zu stehen , auf dem bereits deren Batterie steht , so >
ist die Vereinigung aller Batterien der Division von vorneherein gesichert.
Befindet sich aber die Avantgarde- Batterie auf dem anderen Flügel, und bietet das Gelände dort gute und gesicherte Stellungen für zwei weitere Batterien, so wird es sich empfehlen die Abteilung,
welcher die Avantgarde- Batterie entnommen ist , auf einem Flügel
291
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben
dieser Batterie, und nur die andere Abteilung auf dem anderen
Flügel der Avantgarde ihre erste Feuerstellung nehmen zu lassen. Die Batterie der Avantgarde wird nun in der Regel, selbst wenn dieselbe räumlich von den übrigen Batterien ibrer Abteilung getrennt ist >,
durch Befehl des Divisions - Commandeurs ihrem -
Regiments- beziehungsweise Abteilungs - Commandeur unterstellt, damit bei dem nun beginnenden Artillerie- Kampf die so wichtige einheitliche Leitung des Feuers der Artillerie gesichert ist. Sobald dann durch der nun begonnenen Kampf beider Artillerien das Artillerie -Feuer des Feindes von der Infanterie abgelenkt ist, muſs diese versuchen, allmählich weiter vorzudringen und wenigstens ihr Vortreffen bis an die Grenze des wirksamen Infanteriefeuers
(1200 m) vorzuschieben , damit die Artillerie baldmöglichst auf
wirksame Entfernung (mindestens 2000 m) an die feindliche Artillerie herangehen kann .
Wann die Artillerie aus ihrer ersten Stellung auf die wirksame Entfernung ( etwa 1800 m ) an die feindliche Artillerie heranzugeben hat , bestimmt, wenn die Division
selbstständig kämpft, der Divisions-Commandeur.
Dieser wird bis
dahin sich auch schlüssig gemacht haben, wo er sein Gros zum Entscheidungsstoſs einsetzen will. Würde nun das Gros der In fanterie zum Entscheidungsstofse auf denjenigen Flügel der Avant garde verwendet werden , auf welchem keine Artillerie oder nur
eine Abteilung , beziehungsweise die frühere Avantgarde - Batterie, steht, so thut der Divisions- Commandeur gut, die Artillerie, gleich zeitig mit ihrer Vorwärtsbewegung , staffelweise auf die andere Seite seiner Avantgarde zu nehmen , wodurch dann die gesamte Artillerie zwischen Avantgarde und Gros zu stehen kommt. Das Vorgehen in die neue Feuerstellung *) wird der Regiments - Commandeur
abteilungs-(staffel-)weise so bewerkstelligen lassen, daſs die Abteilung, welche durch das Vorrücken der anderen Abteilung in der Be schieſsung der dieses Vorrücken beschieſsen könnenden feindlichen Batterien weniger behindert wird , ihr Feuer gegen die drei ge fährlichsten dieser Batterien
-
werden fast immer diejenigen sein,
mit welchen die zuerst vorrückende Abteilung seither kämpfte
unter Beachtung, beziehungsweise Übernahme der von dieser nach ihnen ermittelten Entfernung , aufnimmt, dadurch zugleich deren *) Bei deren Auswahl muſs der Regiments-Commandeur auch darauf achten, daſs von derselben aus insbesondere auch der Teil (Flügel) der Stellung des Feindes, gegen welchen der Divisions -Commandeur seinen Hauptangriff richten will, gut und möglichst lange beschossen werden kann.
im Verbande einer Infanterie -Division .
292
Aufmerksamkeit auf sich lenkt , und auch während des dann be
ginnenden Vorrückens der Abteilung in die vom Regiments -Com mandeur ausgewählte neue Feuerstellung diese feindlichen Batterien lebhaft beschieſst. Erst wenn die zuerst vorgerückte Abteilung aus der neuen Feuerstellung die Beschieſsung der drei das Vorrücken
der 2. Abteilung am wirksamsten beschieſsen könnenden feindlichen Batterien begonnen hat, wird auch diese in die neue Feuerstellung vorgeführt.
Bietet die Bodengestaltung Gelegenheit , den Vormarsch in die neue Feuerstellung gedeckt auszuführen , so darf dieses nicht ver säumt werden. *) Ist dieses nicht zu ermöglichen , so empfiehlt es sich den Stellungswechsel von den Abteilungen in entwickelter Linie, muſs aber mit der Vorwärtsbewegung auch gleichzeitig seit wärts Raum gewonnen werden in Batteriekolonnen , ausführen zu 9
lassen .
Sind Flankenbewegungen nötig , so muſs jede Abteilung,
bevor sie die Vorwärtsbewegung antritt, aus der innegehalten Feuerstellung hinter die Deckung bietende Bodenwelle zurück gehen ,**) hinter dieser weg die Seitwärtsbewegung in der ge schlossenen Zugkolonne ausführen und dann zur Front oder bei weiten Wegen, durch Schwenken der Batterieteten, erst noch in die Batteriekolonne übergehen.
Nachdem auch die 2. Abteilung in der neuen Feuerstellung
eingerückt ist , wird der Regiments - Commandeur wieder jeder Abteilung die ihr entsprechend gegenüberliegende Hälfte der feind lichen Artillerie zur Bekämpfung zu weisen . Nimmt die feindliche Artillerie Stellungswechsel vor ,
so muſs von Seite der Abteilungen, welchen diese Artillerie als Ziel zugewiesen ist , sofort die Aufnahme des Feuers gegen die auf protzende und vorrückende Artillerie in der Art verfügt werden, daſs jede ihre Stellung verändernde feindliche Batterie von einer Batterie beschossen wird . Ähnlich wird, wenn das Anrücken neuer feindlichen Batterien bemerkt wird , von Seite der Abteilung, in deren ihr zugewiesenen Zielbereich diese Batterien auftreten , ver fahren. ***) * ) Läſst sich für eine Abteilung ein solches gedecktes Vorgehen ermöglichen, so erscheint es angezeigt diese zuerst vorzunehmen.
**) Wenn irgend möglich werden die Geschütze durch Mannschaften hinter die Bodenwelle zurückgezogen und dann gedeckt aufgeprotzt. ***) Gegen eine neu anrückende feindliche Batterie oder eine gegen unsere Aufstellung vordringende feindliche Truppe kann der Abteilungs- Commandeur, in dessen Zielbereich dieselbe auftritt, sofort die im Granatfeuer befindliche Batterie
293
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben
Während die Artillerie aus der neuen (näheren) Feuer stellung den Geschützkampf durchführt , wird die In fanterie des Gros zum entscheidenden Angriff bereit ge stellt. Der Divisions- Commandeur wird diejenige Stelle (Einbruch
stelle) der gegnerischen Stellung , gegen welche der Infanterie Angriff gerichtet werden soll , dem Regiments -Commandeur der Artillerie genau bezeichnen , ebenso den Zeitpunkt , wann die In fanterie ihren Angriff beginnt. Da spätestens von diesem Zeitpunkte ab das Feuer der Artillerie gegen die Einbruchstelle gerichtet werden muſs, so wird der Divisions -Commandeur die Infanterie nicht eher
zum entscheidenden Angriff antreten lassen, als bis ein entscheidendes Übergewicht über die feindliche Artillerie gewonnen ist. Sobald
dieses Übergewicht sich dargethan hat, kann der Divisions-Com >
mandeur, wenn er es für vorteilhaft erachtet, seine Artillerie auch schon vor dem Antreten der Infanterie die Einbruchstelle unter Feuer nehmen lassen .
Der Regiments-Commandeur der Artillerie hat dann die Vor bereitung des Angriffs der Infanterie sofort durch einen Teil der Artillerie beginnen zu lassen, während er den übrigen Teil die Bekämpfung der noch das Feld behauptenden feindlichen Batterien fortsetzen läſst.
Wenn die Einbruchstelle so breit ist,
daſs alle drei Batterien einer Abteilung sich gleichzeitig gegen verschiedene Punkte derselben einschieſsen können, wird die Abteilung, welche die Einbruchstelle günstiger beschieſsen kann, mit deren Beschieſsung beauftragt, während der anderen Abteilung die Be kämpfung der noch thätigen feindlichen Batterien zugewiesen wird . Erlaubt die geringe Frontbreite der Einbruchstelle das gleich zeitige Einschieſsen einer Abteilung nicht, so wird nur eine Batterie mit Ermittlung der Entfernung nach der Einbruchstelle beauftragt. Ist dieses geschehen, so kann, während diese Batterie zum Shrapnel feuer unter Feuerverteilung auf die ganze Frontbreite der Einbruch stelle übergeht, eine zweite Batterie derselben Abteilung mit Granaten das Feuer, unter Übernahme der von der ersten Batterie ermittelten Entfernung gegen die Einbruchstelle, aufnehmen und nach Fest stellung der Entfernung ebenfalls zum Shrapnelfeuer übergeben . Nun kann auch die 3. Batterie der Abteilung mit Granaten ihr Feuer gegen das neue Ziel eröffnen , und so die Einbruchstelle von seiner Abteilung ihr Feuer richten und nach Ermittlung der Entfernung nötigen auch nur der auf 200 m verengten Gabel Feuerverteilung, übergehen lassen.
falls
zum Shrapnelfeuer, unter
im Verbande einer Infanterie- Division.
294
den drei Batterien einer Abteilung, und zwar von einer derselben
mit Granaten , unter Feuerverteilung auf die ganze , von zweien mit Shrapnels, unter Feuerverteilung auf je eine Hälfte des Zieles, be schossen werden.
Erlaubt die Frontbreite der Einbruchstelle das gleichzeitige
Einschieſsen der drei Batterien einer Abteilung , so kann jeder Batterie vom Abteilungs-Commandeur der ihr entsprechend gegen
überliegende Teil des Ziels zur Beschieſsung zugewiesen werden. Da es nun darauf ankommt, den Widerstand der feindlichen
Infanterie zu brechen , der eigenen Infanterie ihre Arbeit zu er leichtern , und die Artillerie stets denjenigen Teil des Feindes zu bekämpfen hat , welcher der eigenen Infanterie augenblicklich die meisten Verluste zufügt, muſs der Regiments - Commandeur der Artillerie erwägen, wie lange noch seine andere Abteilung mit allen drei Batterien, oder nur zwei oder auch nur einer derselben, den Kampf gegen die feindliche Artillerie fortsetzen muſs. Jedenfalls ist es wünschenswert, wenn nicht sämtliche, so doch möglichst -
zwei Batterien dieser Abteilung ihr Feuer gegen diejenigen feind
lichen Abteilungen, welche die Einbruchstelle flankieren können, beziehungsweise die der Einbruchstelle nächst befindlichen , ins besondere aber auf etwa zum Gegenangriff vorbrechende feindliche Abteilungen richten zu lassen. -
Hat dagegen die Artillerie einen entscheidenden In fanterie - Angriff abzuwehren , so muſs sie, ohne das Geschütz
feuer des Feindes zu beachten , ihr Feuer ausschlieſslich gegen die angreifenden Truppen richten .
Der Regiments-Commandeur wird dazu jeder seiner Abteilungen den ihr entsprechend gegenüber befindlichen Teil der angreifenden feindlichen Truppen zur Beschieſsung zuweisen. Von der Breite des der Abteilung zugewiesenen Zieles hängt
es ab, ob jeder der drei Batterien der Abteilung der entsprechend gegenüberliegende Teil dieses Zieles zur Beschieſsung zugewiesen werden kann, wonach dann jede Batterie den ihr zugewiesenen Zielteil unter Feuer nimmt. Dieses wird sie auf die Schützenlinie und zwar, so lange letztere sich in Bewegung befindet, mit Granaten, so oft selbe aber zum Stehen kommt, sobald die auf 50, oder selbst nur auf 200 m , verengte Gabel nach der jeweiligen Stellung der
Schützenlinie mit Granaten ermittelt ist , mit Shrapnels, unter Feuerverteilung auf den ihr zugewiesenen Zielteil, richten . Ist das 9
einer Abteilung zugewiesene Ziel schmaler als 300 Schritt, SO so
empfiehlt es sich, daſs der Abteilungs-Commandeur nur zwei seiner Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . LXVII., 3.
20
295
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben
Batterien ihr Feuer gegen die Schützenlinie des Angreifers verteilen und dagegen seine 3. Batterie ihr Feuer gegen die nachfolgende feindliche Reserve richten läſst.
Wird das der Abteilung zugewiesene Ziel so schmal, daſs nicht mehr jeder der beiden gegen die feindliche Schützenlinie feuernden Batterien ein Teil derselben zugewiesen werden kann, so empfiehlt es sich : » gegen die stehende feindliche Schützenlinie « die eine
Batterie mit Granaten die andere Batterie mit Shrapnels, und zwar jede Batterie unter Feuerverteilung auf die ganze Zielbreite, schieſsen zu lassen .
Die mit Granaten schieſsende Batterie kann dann dem
sich in Bewegung setzenden Teil der Schützenlinie mit Granaten
folgen , während die mit Shrapnels feuernde Batterie den stehen bleibenden Teil der Schützenlinie, beziehungsweise die nachfolgenden Unterstützungstrupps der vormarschierenden Schützenlinie mit Shrap nels beschieſst, bis sie, nachdem die ganze feindliche Schützenlinie wieder Stellung genommen hat, ihr Shrapnelfeuer wieder gegen diese, unter Beachtung der von der anderen Batterie inzwischen
mit Granaten nach dieser neuen Stellung ermittelten Entfernung, aufnehmen kann .
Ohne Rücksichtnahme auf die eigenen Verluste hat die gesamte Verteidigungs -Artillerie unerschütterlich auszuharren . Zum Ver lassen ihrer Feuerstellung kann sie nur ein ausdrücklicher Befehl
der Gefechtsleitung berechtigen. Zur unmittelbaren Vorbereitung des Einbruchs der Infanterie in die Stellung des Feindes ist ein wirksames und schnelles Feuer der Artillerie erforderlich . *)
Diese Vorbereitung
kann ohne Stellungswechsel erfolgen , so lange die für eine sichere Feuerleitung in Betracht kommenden Verhältnisse - Unterscheidung von Freund und Feind, Streuungen der Geschosse, Beobachtung der
eine Gefährdung der eigenen Truppe durch das diesseitige Feuer ausschlieſsen. Dies wird in erster Linie beim Schüsse u. S. W.
Feuer aus seitwärtigen und beherrschenden Stellungen beziehungs weise gegen solche zu erreichen sein .
Treffen für die eingenommene Stellung obige Be dingungen nicht mehr zu , so hat die Artillerie auf nähere Entfernungen und in solche Stellungen vorzurücken , welche diesen *) Und zwar nicht nur gegen die Einbruchstelle, sondern auch gegen die diese flankieren könnenden, insbesondere aber gegen etwa schon jetzt zum Gegen
angriff sich anschickende beziehungsweise vorbrechende feindliche Abteilungen, auſser dem gegen die eine oder andere der noch thätigen feindlichen Batterien , welche das Vorgehen unserer Infanterie besonders erschweren.
im Verbande einer Infanterie - Division .
296
Bedingungen entsprechen und mit Rücksicht auf das Vorschreiten des Gefechts möglichst lange beibehalten werden können. Der Regiments - Commandeur der Artillerie muſs erkennen, > Wo « das vorliegende Gelände die diesen Bedingungen entsprechende neue Artillerie -Feuerstellung , auſserhalb der wirksamsten Gewehr
schuſsweite (1000 m), bietet. Aus dieser neuen Artillerie- Stellung muſs nicht nur die Beschieſsung der Einbruchstelle wirksamst fortgesetzt, sondern auch einem gegen unseren Angriff gerichteten Gegenangriff des Feindes begegnet werden können. Um diesen beiden Anforderungen zu entsprechen, kann es nötig werden, die
Abteilungen in räumlich getrennte Feuerstellungen vorgehen zu lassen. Auſserdem muſs die Artillerie aus ihrer neuen Feuerstellung,
im Fall des Miſslingens unseres Angriffs , die Verfolgung seitens des Gegners wirksam verhindern können. In die neue Feuerstellung kann der Regiments -Commandeur
seine Abteilungen erst dann vorgehen lassen, wenn deren Einnahme durch das Vorschreiten der eigenen Infanterie genügend gesichert das Haupttreffen des 1. Treffens der Infanterie sich mindestens nahezu in der Höhe der neuen Artillerie-Feuerstellung befindet .
ist
Die Reihenfolge, in welcher die Abteilungen in die neue Feuer stellung vorzugehen haben, hängt davon ab, ob die Beschieſsung
der Einbruchstelle, oder das Entgegentreten gegen den Gegenangriff des Feindes , dringlicher ist. Jede Abteilung muſs während ihres Vorrückens, wenn nötig, durch das Feuer der anderen, noch thätigen
feindlichen Batterien , geschützt werden , dann aber ungesäumt zur Beschieſsung ihres eigentlichen Zieles übergehen. Ein weiteres Vorgehen der gesamten Artillerie mit dem vor schreitenden Infanterie -Angriff unter 1000 m an die Stellung heran – wird sich in der Regel nicht ausführen
des Feindes lassen .
Machen die Umstände – namentlich auch in moralischer Be ziehung es wünschenswert , daſs Artillerie überhaupt aus einer
Feuerstellung, welche den für eine sichere Feuerleitung in Betracht kommenden Verhältnissen entspricht, das Vorgehen der Infanterie in gröſserer Nähe begleitet und das Feuergefecht der Infanterie unterstützt, so wird der Regiments -Commandeur
wenn
das
Infanterie-Gefecht seine gröſste Heftigkeit erreicht hat, mithin der
Verteidiger vollauf mit unserer Infanterie beschäftigt ist eine Abteilung
nur
oder auch nur zwei oder eine Batterie derselben ,
oder jede Abteilung je eine ihrer Batterien – und zwar diejenige beauftragen, welche, ohne die stehen bleibenden Batterien in ihrem 20 *
297
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben u. 8. W.
Feuer zu behindern , leichter in eine die Einbruchstelle oder den
Gegenangriff des Feindes wirksam beschieſsen könnende oder flankierende Feuerstellung zu bringen ist. Hat die beiderseitige Infanterie sich derart genähert, daſs eine Fortsetzung des Artilleriefeuers auf die Einbruchstelle unausführbar
wird , so ist es Aufgabe der Artillerie, die etwa noch im Gefechte befindlichen Batterien des Gegners zu bekämpfen und ein neues Auftreten solcher zu hindern , sowie seine Reserven zu beschieſsen. Ist der Einbruch erfolgt , die feindliche Stellung ge nommen , dann kommt es vor Allem darauf an , dieselbe 1
festzu halten und ihren Besitz durch Artillerie zu sichern.
Wie hierbei, dann bei Überwältigung der Aufnahmestellung, in welche der Feind zurückgewichen ist, und schlieſslich bei der
Verfolgung des Feindes , die Verwendung der Artillerie sich ge staltet, ist in der Studie über Taktik der Feldartillerie von Schell
eingebend betrachtet.
In dieser Studie ist auch des Verhaltens
der Artillerie, wenn der Angriff nicht gelingt, oder — bevor noch die Artillerie in der vorderen Linie eintrifft
-
ein Rückschlag
erfolgt, und schlieſslich beim Rückzug, gedacht.
Hierüber bleibt demnach hier nur zu erwähnen, daſs, nachdem nunmehr die Divisions - Artillerie aus einem Regiment zu zwei
Abteilungen mit dessen Deckung beziehungsweise mit ihren drei
je drei Batterien besteht, beim Rückzug, dem zu am Feinde noch verbleibenden Teil der Truppen, der Arrieregarde, in der Regel eine Abteilung Batterien zugewiesen wird, während die andere
Abteilung mit ihren drei Batterien bei den in die rückwärtige Aufnahmestellung zunächst zurückgehenden Truppen, beziehungsweise beim
Gros
verwendet
wird .
Der Regiments - Commandeur der
Artillerie hat sich hierbei im Stabe des Divisions - Commandeurs,
beziehungsweise bei der Artillerie -Abteilung des Truppenteils zu befinden, bei welchem sich der Divisions - Commandeur aufhält. Der
Commandeur der anderen Artillerie -Abteilung tritt unter die Befehle des Commandeurs des Truppenteils in dessen Verband seine Abteilung kämpft.
XX .
Der Swipwald und Bazeilles.*) Ein Vortrag gehalten vor den Offizieren der 30. Division Von
G. Thäter, königl. bayer. Hauptmann.
Zwei Schlachtenbilder, deren Grundzüge aus den einschlägigen Generalstabswerken als bekannt angenommen werden dürfen , die
blutigen und ruhmreichen Kämpfe um den Swipwald und um Bazeilles, möchte ich heute zur Grundlage nehmen für eine Be trachtung, deren Gegenstand ebenfalls wohl bekannt ist -- ich meine eine theoretische Konstruktion der Neuzeit : die sogenannte De monstrative. Beide Bilder
entnehme
ich
dem
Gebiete
der Moltke'schen
Schlachtenleitung, deren auszeichnendes Wesen wohl darin liegt,
daſs sie das alte und allgemeine Ziel jedes Kampfes: die Ver nichtung des Gegners , in nie dagewesener Klarheit und mit dem äuſsersten Zielbewuſstsein verfolgt.
Diese Schlachtenleitung hat
einen deutlich erkennbaren Entwickelungsgang durchgemacht. — Auf dem Schlachtfelde von Königgrätz ist ihr Bild schon vollständig vor Augen gestellt, aber der äuſserste Erfolg bleibt versagt, – in den groſsen Augustschlachten um Metz ist das Bild minder deutlich erkennbar, es vollzieht sich so zu sagen nach Zählen in drei Tempos, aber die Vollständigkeit des Erfolges kann uns nicht beeinträchtigt werden dadurch, daſs die Mitwirkung einer groſsen Festung seine
Äuſserung noch vertagt – und endlich bei Sedan tritt Bild und Erfolg in künstlerischer Vollendung zu Tage. *) Obgleich ich den Ansichten dieses Aufsatzes nicht durchweg zustimmen
kann und mich dieserhalb dem Verfasser gegenüber näher ausgesprochen habe, so stehe ich doch nicht an, die geistvolle, anregende und lehrreiche Arbeit in den Jahrbüchern zu veröffentlichen .
Et audiatur altera pars !
V. M.
Der Swipwald und Bazeilles.
299
Doch ich darf nicht länger verweilen bei dem, was dem Groſsen
und Einzigen nachempfinden zu wollen , vielleicht schon zu viel
Kühnheit genannt werden möchte — ich will nicht versuchen, diesen angedeuteten Entwickelungsgang und die unterscheidenden Merkmale -
seiner verschiedenen Stufen vorzuführen , sondern ich möchte heute
Ihre Aufmerksamkeit nach einer Seite lenken , welche einen gemein samen Charakterzug jener gewaltigen Vorgänge bildet.
Der Stufe des Versuchs gehört der Kampf im Swipwalde, der Stufe der Vollendung der um Bazeilles an. – Die beiden Bilder treten uns als würdige Gegenstücke vor Augen, beide entrollen sich im Mittelpunkt der Schlacht, beide eilen dem Verlaufe des Ganzen zeitlich voran, beide bilden den Schwerpunkt der Schlacht
und den Schwerpunkt der Opfer, beide sind ein Triumph deutscher der strahlende Glanz des Sieges leuchtet uns von anderen Punkten entgegen es sind ja nur Bilder der Waffen und doch
-
Demonstrative.
Treten wir ihnen näher ! - Ich muſs darauf verzichten , ihre Einzelheiten hier vorzuführen ; diese sind einerseits bekannt und -
andererseits würde auch der beredteste Mund sie nicht würdig und
erschöpfend zu schildern vermögen . Dagegen möchte ich versuchen, ihr Verhältnis im Rahmen des Ganzen klarzulegen, um zu erhärten,
daſs die erwähnten Vorgänge auch wirklich den Begriff decken, welchen das Wort » Demonstrative « zu verkörpern sucht. Die schon beregte Gleichartigkeit des Vorganges gestattet mir gleichlaufende Betrachtung. Eine Armee von 7 '/, Armee -Corps, in einer Frontausdehnung
von. 4–5 Meilen, ist im Anmarsche gegen einen versammelten Gegner. - Dieser Gegner steht unter dem Banne vorausgegangener
Niederlagen, er stellt sich zur Schlacht, nicht auf Grund eines be wuſsten Entschlusses, sondern mangels eines solchen, weil er sich der Schlacht nicht mehr zu entziehen weiſs.
Es ist ein förmlicher
Zustand des » Hypnotismus « , welcher für die Besiegten dieser groſsen Schlachten geradezu typisch ist und ohne den wir das Ergebnis kaum verständlich finden könnten. — Und im schroffsten Gegensatze -
zu diesem willenlosen Zustande vollzieht sich der Anmarsch des Siegers denn das ist er bereits unter dem klarsten Bewuſst sein seines endlichen Zieles. Dort bei Königgrätz ist es der
Gedanke an die Möglichkeit auch der taktischen Ausnutzung, welcher die weite Ausdehnung beibehalten läſst, ohne daſs es noch sicher
wäre, daſs der Gegner die Gelegenheit dazu bieten wird. Hier bei Sedan ist es schon ein bestimmt bewuſstes, – ein bewuſst geschaffenes -
Der Swipwald und Bazeilles.
300
Verhältnis, von dem man sich anschickt, die unerbittlichen Schluſs
folgerungen zu ziehen. Die Mitte der Armeen steht schon am Vorabend der Schlacht
in Berührung mit einer vorspringenden Ecke der gegnerischen Stellung und zwar in ausgesprochen offensiver Haltung dort mit Division Bistritzabschnitt hinübergreifend, einer über den hier in dem eben erkämpften Besitze der Maasübergänge. -
Die in ihrer
Vereinzelung bedrohte Lage des Centrums wird nicht geachtet, denn der Gegner liegt ja in hypnotischem Schlafe. - Im Gegenteil, diese Lage wird noch verlängert und verschärft, indem dieses Centrum mit seinen ersten Schritten am Morgen den Gegner aufrüttelt und durch seinen rücksichtslosen Angriff zu entschlossenem Verzweiflungs kampfe wachruft.
Mit aller Entschiedenheit treten die Truppen an den Gegner
dort an der Bistritz vom Könige dazu befohlen , hier an der Maas auf v. d. Tanns Geheis, der seinem diskretionären Auftrag damit gerecht wird – keine Frage nach dem Kräfteverhältnisse taucht auf, keine Frage nach dem Verbleib der beiden Flügel.
heran
Aber dem Beschauer möchte es bange werden um
das Schicksal
dieser Braven, die sich in stundenlangem aussichtslosem Kampfe er schöpfen und - im Verlaufe des Kampfes richten sich auch aus
ihrer Mitte sehnsuchtsvolle Blicke nach den Flügeln, deren Ein greifen die erdrückende Last von ihren Schultern nehmen soll. -Und die Flügel, von deren rechtzeitigem Eingreifen so viel abzu hängen scheint, sie waren noch am Vorabend der Schlacht weit ab vom Feind, - es ist ihnen auch keine frühere Aufbruchstunde
befohlen als dem Centrum, um die gerade Front noch vor der Schlacht dem Bogen der gegnerischen Stellung anzupassen *) augenscheinlich sollen sie erst später als das Centrum an den Feind herankommen, und es erregt nicht einmal Bedenken, daſs sie da und dort thatsächlich noch weiter im Rückstande sind, als beabsichtigt.
Es ist klare Absicht, daſs das Centrum , ohne auf die Flügel zu warten, ernstlich handgemein werde. Ich sage : ernstlich, denn der Zweck läſst sich auf keine mildere Art erreichen,
-
der Zweck,
den Gegner nicht nur zu täuschen , zu beschäftigen, festzuhalten – *) Unter den besonderen Verhältnissen bei Sedan und im Hinblick auf einen Abzugsversuch der Franzosen war vom groſsen Hauptquartier allerdings ein früheres Antreten des linken Flügels angeregt worden, der Kronprinz zieht es aber vor dem gleichen Zweck gerade durch baldigsten Angriff aus der Mitte gerecht zu werden. Vergl. S. 1141 des Generalstabswerkes,
Der Swipwald und Bazeilles.
301
sondern ihn auf sich zu ziehen, damit die später eingreifenden Flügel ihn abgelenkt finden .
Diese leitende Idee tritt uns lebendig entgegen in der glaub haften Erzählung, daſs Moltke im Momente der höchsten Krisis, als
es wirklich schon zur Frage geworden war, ob die Armee des Prinzen Friedrich Karl würde nachhalten können , vom Roskosberge
berabritt, um an der Bistritzbrücke die Lage zu betrachten . Die Merkmale beginnender Zersetzung entgehen nicht seinem Blick, aber der Eindruck derselben dient nur dazu, seiner groſsen Idee neue Nahrung zuzuführen . – Wenn hier wirklich ein Rückschlag ein treten sollte, – und das wird nur der Fall sein, wenn der Gegner seine volle Kraft einsetzt – dann hat eben das Centrum den Gegner
im höchsten Maſse auf sich gezogen, in seinem Falle reiſst es ihn mit zu Boden und das Eingreifen der II. Armee muſs ihn dann um so sicherer vernichten - vernichten in dem äuſsersten Sinne des Schlachtendenkers. - Dieser Ausblick auf die Folgen läſst ihn fast
wünschen , was für andere Gegenstand der Sorge ist. - So weit kommt es nicht. Die I. Armee führt ihre Aufgabe durch, bis der Ansturm der II. Armee sie erlöst, durch seine Wucht aber zugleich
den Gegner aus der Vernichtung drohenden Umfassung hinaus schleudert. – Nicht in gleicher Schärfe tritt auf dem Schlachtfelde von Sedan der gleiche Gedankengang entgegen, und doch ist das Wesen des Herganges das gleiche. Die äuſsere Erscheinung des Gedankens ist hier dadurch beeinträchtigt, daſs es nicht wie dort eine kühne Improvisation war, welche das äuſserste anzustreben veranlaſste, sondern ein wohlvorbereiteter Plan, der, am Vorabend
der Schlacht eigentlich schon erfüllt, für die Schlacht selbst nur noch die Aufgabe übrig lieſs, dem Gegner die Überzeugung hieran aufzunötigen. Und ein wesentlicher, vorbereitender Schritt hierzu ist es, wenn v. d. Tann den Auftrag erhält, » den gegenüber stehen den Teil des feindlichen Heeres festzuhalten , und zu diesem
Zwecke noch vor dem Auftreten der Maasarmee selbstständig zum Angriffe zu schreiten. « Das Corps v. d. Tann ist in dem bisherigen mit der ganzen
Armee des Prinzen Friedrich Karl verglichen ; der Verlauf des Kampfes beim I. bayerischen Corps legt eine Beschränkung des
Vergleiches auf die 7. Division Fransecky nahe. Auch Fransecky hat einen diskretionären Auftrag dahin lautend, je nach Umständen in ein bei Sadowa sich entspinnendes Gefecht
einzugreifen, auch ihm gestaltet die innere Stimme diesen Auftrag zum Angriffsbefehl.
Der Swipwald und Bazeilles.
302
Beide Angriffe treffen zunächst auf die feindlichen Vortruppen
und, indem diese den Kampf aufnehmen und darin weitere Unter stützung finden, entbrennen Örtlichkeitsgefechte, in welchen das Objekt nur eben den Kampfplatz liefert, Ziel und Zweck dagegen im Kampfe selbst begriffen liegen , in seinen Anstrengungen und seinen Opfern. -
Daſs der Swipwald, vor der österreichischen Stellung gelegen und nur von Vorposten besetzt, an sich keinen Wert hatte, leuchtet von selbst ein ; er war eine Domäne der österreichischen Artillerie, Und doch wird um so gut wie der benachbarte Holawald .
seinen Besitz 6 Stunden lang mit dem Aufwande von 2 öster
reichischen Armee -Corps gefochten und sein Boden mit Strömen von Blut getränkt! Auch Bazeilles ist nicht Bestandteil der französischen Stellung;
seine nördlichen Ausgänge sind von Vortruppen besetzt in ähnlicher Weise , wie sämtliche im Givonnethale gelegenen Ortschaften ; das Dorf selbst dient nur als Unterkunft und seine sorglosen Gäste, die
Maasbrücken zerstört glaubend, werden von den Bayern überfallen. Und doch wütet in seinen Gassen und Gebäuden ein ebenfalls
sechsstündiger Kampf, der das blühende Dorf in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandelt ! -
Der Wert der Objekte vermag das nicht zu erklären . – Es ist das rücksichtslose und vereinzelte Herantreten , das so heraus
fordernd wirkt auf die Entschluſslosigkeit, die ja immer zu der
bloſsen Verneinung des feindlichen Willens ihre Zuflucht nimmt ; dieses Herantreten weckt Widerstand, noch ehe der eigentliche Angriff begonnen hat, und verführt so zu Kraftaufwand auf Ört lichkeiten , die man eigentlich schon preisgegeben hat. In der
Wirkung auf den Gegner , nicht im Gewinn oder Verlust der Ört lichkeit, liegt der Wert und die Bedeutung dieser Kämpfe, ihr ausschlaggebendes Gewicht für den Verlauf des Ganzen . * )
Der Kampf im Swipwalde, verursacht und durchgeführt ledig lich von der 7. Division, öffnet die Flanke des österreichischen Heeres , die II. Armee stöſst nur auf regellose Haufen , und ihr Ansturm hat von vorneherein schon mehr den Charakter der Ver
folgung, bis das Entgegentreten der österreichischen Reserven auch hier noch zu einem ernsten aber kurzen Kampfe führt. – Zahllose Trophäen verkünden hier den glänzenden Sieg, während drüben .
* ) Wie sehr oft Zweck und Wesen des Kampfes um Bazeilles verkannt werden dafür liefert der „ Sommernachtstraum “ auf Seite 33 das neueste Beispiel.
303
Der Swipwald und Bazeilles.
am Swipwald die überwundene 7. Division ihre Verwundeten sammelt und ihre Trümmer ordnet.
Nicht so scharf ist dieser Gegensatz bei Sedan ; den Bayern geht es hier noch zu gut, als daſs ich den Vergleich ganz durch zuführen vermöchte. – Das Festhalten gelingt ja vollständig , aber das Aufsichziehen ist hier beschränkter.
Wenn auch der Blick auf
den in Bazeilles wütenden Kampf den wiederholt auftauchenden
Gedanken an Abzug immer wieder verdrängt –- ja sogar wiederholt den entgegengesetzten Gedanken an einen Durchbruch gegen Carignau
weckt – so hat doch die Entschluſslosigkeit der wechselnden frau zösischen Führung und der geringe Grad kameradschaftlichen Zu sammenwirkens der Corps -Commandeure es verhindert , daſs der Angriff der Bayern ebenso übermächtige Kräfte auf sich gelenkt hätte .
Es war aber unter andern der beste Bestandteil des fran
zösischen Heeres , die Marine - Infanterie, welche sich hier in nutzlosem
Kampfe aufrieb . – Andererseits waren die Bayern mit 3 Divisionen
schlieſslich
auch zu stark , um ein ähnliches Verhältnis zu
erzielen , wie die 7. Division .
Nicht gleich ruhmreich überwunden ,
wie diese, bleiben die Bayern bis zum letzten Schuſs in der Kampf linie, es gelingt ihnen , ihrem Vorsprung in der Eröffnung des Kampfes entsprechend, auch zuerst bis an die Thore der Festung vorzudringen und auch an dem Glanz des Sieges ihr gutes Anteil zu erringen – der Schwerpunkt ihrer Leistung liegt aber nicht hier, sondern darin , daſs sie die geplante und doch nur zögernd gehoffte Form der Schlacht , wie sie sich nun vollzogen hatte, zur Wirklichkeit machten , unbekümmert darum , ob ihnen selbst Sieg oder Niederlage daraus erwachsen würde . _
Was Fransecky unverkennbar mehr geleistet hat, beruht auf seinem unerschütterlichen Beharren in der vom Gegner ihm auf
gezwungenen Aufgabe, v. d. Tann's Aufgabe gestaltet sich ohne sein Zuthun nicht so schwer, aber er hat sie mit freiem Entschluſs auf sich genommen .
Der Schwerpunkt beider Schlachten liegt in den Kämpfen, deren Bilder wir eben gewürdigt haben das darf ich schlieſslich
noch mit Ziffern belegen, mit den Ziffern der gebrachten Opfer! Nicht daſs ich, wie nach den Preise die Waare, so die Leistung nach den Opfern bemessen wollte
das wäre ein banausischer
Standpunkt, so als wenn man Leistung überhaupt nach dem Maſse der aufgewendeten Arbeit einschätzen wollte – aber das möchte ich hervorheben : es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Bilder,
daſs sie so blutig sind. - Wenn wir die verschiedenen Gruppen
Der Swipwald und Bazeilles.
304
der besprochenen Schlachten überblicken, so finden wir ein gewaltiges Übergewicht der Verluste an den bezeichneten Schwerpunkten . 5000 Mann opfert die I. Armee an der Bistritz (davon 2000 die 7. Division), 1600 die Elbarmee, 2000 die II. Armee.
4000 Bayern bleiben auf der engen Wahlstatt in und um
Bazeilles, je 2000 Mann sind die Verluste der beiden Flügel. Es ist nicht zu verkennen : Der Schwerpunkt der Schlacht ist auch der Schwerpunkt der Opfer. Nun könnte wohl der ganze Gang meiner Erörterungen zu dem Glauben Anlaſs geben, als wollte ich darauf abzielen, die Garde zu belehren, daſs nicht sie den Sieg von Königgrätz errungen, sondern die Division Fransecky oder etwa den Bayern den Lorbeer von Sedan und den Degen Napoleons zuzusprechen. Ich erinnere mich mit begreiflicher Genugthuung daran, daſs wir Bayern an jener folgenschwersten Schlacht unsern redlichen Anteil gehabt haben ,
aber es liegt mir ferne, abmessend auftreten zu wollen, wo allseits nur die Pflicht erfüllt wurde. — Pflicht ist es, was sich in jeder Leistung ausspricht,
gesellt sich der Glanz des Ruhmes dazu, so
ist das Glück !
Dagegen gestatten Sie mir, nun wieder bei der Eingangs auf gestellten Frage einzusetzen, ob die nun betrachteten Vorgänge
wirklich den Begriff decken, welchen das Wort » Demonstrative « zu verkörpern sucht ? Begriff und Wort » Demonstrative « gehören zu demjenigen, was aus der Werkstatt eines hochstehenden Autors bereits in den all
täglichen Gebrauch übergegangen ist. Der Begriff ist zwar nicht neu, sondern der Praxis abgelauscht, aber er hat eine neue syste matische Ausgestaltung erfahren , aus welcher denn auch das neue
Wort » Demonstrative « hervorgegangen ist. Dieses neue Wort scheint mir nicht ganz auf der Höhe des durchgeistigten alten Begriffes zu stehen. Der reine Wortverstand paſst nur dürftig zum Begriffe, wie das wohl am deutlichsten entgegentritt, wenn man das zuge
hörige Zeitwort » demonstrieren « auf unsere Bilder anzuwenden ver sucht, und, ich muſs gestehen, losgelöst von dem Geiste seines Vaters, könnte dieses Wort sogar auf andere Babnen lenken, als die, welche die Praxis einer groſsen Vergangenheit mit Blut und Ruhm bedeckt hat. Worte stellen sich ja am leichtesten ein, wo Begriffe fehlen , was Wunder, wenn sie oft miſsraten , ja gauz versagen , WO es sich um tiefe Begriffe handelt, – um Begriffe, -
welche so sehr von der persönlichen Auffassung abhängig bleiben, wie
ich habe kein anderes Wort
die »Demonstrative « .
So
Der Swipwald und Bazeilles,
305
kommt es auch, daſs Scherff genötigt ist, mit einer ganz neuen
Sprache aufzutreten , die in den gewöhnlichen Sprachsinn so tief eingreift, daſs man heute bei Eröffnung einer Diskussion zuerst die Vorfrage stellen muſs: Sprechen Sie Scherffisch ? So wie man früher wohl fragen muſste : Sprechen Sie Kantisch oder Hegelisch ? Ich darf wohl unterlassen, auf den Bau dieser Sprache hier näher einzugehen. Wir Praktiker pflegen es ja mit dem Worte nicht so genau zu nehmen , wenn wir nur den Begriff klar und rein besitzen und diesen in solcher Reinheit bei dem nun einmal ein
gebürgerten Worte zu erhalten, dazu möchte ich eben mit meinen Bildern beitragen .
Diese Betrachtung über Begriff und Wort giebt mir die Lösung an die Hand , wenn ich bei der aufgeworfenen Frage gleich auf einen scheinbaren Widerspruch stoſse. Unsere Bilder zeigen uns den Schwerpunkt der Schlacht und – das soll » Demonstrative « sein ? Die » Demonstrative « verfolgt ja gerade den Zweck, das Gewicht des Vorganges von gewissen Teilen der Schlachtlinie weg auf andere
Teile zu verlegen, auf die wir dann die entsprechende Kraft zu verwenden im Stande sind. – Einerseits muſs ich zugeben,, daſs ich in der Benutzung des Wortes » Schwerpunkt « vielleicht von anderen abweiche, indem ich den Schwerpunkt da suche, wo die Grund lagen des Erfolges liegen, während ibn andere dahin verlegen , wo der gröſste Erfolg in die Erscheinung tritt. Dem gegenüber berufe ich mich darauf, daſs der Schwerpunkt eines Gebäudes auch nicht in dem kühnaufragenden Giebel liegt, sondern in den dem Auge entzogenen Grundsteinen – und es ist meine ausgesprochene Absicht eben dieses Verhältnis der Schwerpunktslage hervorzuheben, da eine Verkennung desselben zu Störungen des Gleichgewichtes führen müſste.
Und andererseits ist es das Wort >Demonstratives, das
ich schon von vornherein mit sogenannt« einführen zu müssen glaubte, welches eben den Begriff nicht mehr zu decken vermag, sobald wir diesen verkörpert aus der Geschichte hervorholen. Der aufgetretene Widerspruch ist also nur ein scheinbarer, er versöhnt sich, sobald wir uns über den Begriff des Schwerpunktes einigen und die Unzulänglichkeit des Wortes > Demonstrative « zugestehen. Dieses Wort ist ganz offenbar nur entstanden aus dem Bedürfnisse nach einem Gegenstück zu der glücklicher gebildeten » Dezisive« für sich selbst legt es uns die Verpflichtung auf, dasselbe immer nur mit » « zu
gebrauchen und zu denken, und neben ihm die
Bilder der Geschichte als Erläuterung festzuhalten , die so unendlich klarer und wahrer sind, als die schärfsten Konstruktionen der ab
Der Swipwald und Bazeilles. strakten Theorie.
306
Ich könnte noch mehreres hervorheben , was, aus
der » Demonstrative « gefolgert, mit unseren Bildern sich nicht ver einbaren will ; -– täuschen – Schein- und Halbkampf – weiterer Fernkampf – Kategorie des Erhaltens – aber ich will das nur -
andeuten und trotz alledem dabei stehen bleiben, daſs die besprochenen Bilder dasselbe sind, was Scherff mit seiner »Demonstrative « an strebt , dafür spricht zwingend der übereinstimmende Zweck , der
hier gewollt, dort erreicht ist. Der Zweck : durch einen, für sich betrachtet aussichtslosen Kampf (ich spreche nicht scherffisch ) den Erfolg an anderer Stelle zu fördern , zu sichern und zu steigern. In unvergleichlich klaren Worten ist dieser Zweck dargestellt in
dem Generalstabswerke 1866, (S. 261 ) wo es über das Herangehen der I. Armee am Morgen des 3. Juli heiſst : » Unter diesen Umständen schien es statthaft und geboten , ohne weitere Zögerung mit der I. Armee den Feind in der Front zu beschäftigen, seine Kräfte auf sich zu ziehen und sie festzuhalten , damit der gegen ihn disponierte doppelte Flankenangriff zur vollen Geltung gelange .«
Diese groſsen und nüchternen Worte, welche auf Sedan - Bazeilles ohne weiteres übertragen werden können, enthalten in ihrer kühnen
Steigerung der Aufgabe, die sich nicht auf das Täuschen verläſst, noch weniger beim Beschäftigen halt macht, mehr als ein ganzes Buch und sie sind auch leichter zu erfassen und zu behalten, eine
miſsverständliche Auffassung ist dabei ganz ausgeschlossen, was ich jenen abstrakten Konstruktionen allerdings nicht zuzugestehen ver
mag. In ihrer Bestimmtheit nur auf den einzelnen Fall bemessen,
schlieſsen jene nicht aus, daſs die Äuſserungsform desselben Ge dankens in anderen Fällen eine sehr vielgestaltige sein kann , diese dagegen haben es an sich, daſs sie entweder im Streben nach Ver allgemeinerung die Fühlung mit dem besonderen Falle verlieren, oder aber an besonderen Fällen haften bleibend, nicht mehr auf
allgemeine Richtigkeit Anspruch erheben dürfen. – Theorien können wir leicht entbehren, die Geschichte nie. –
Und nun, darf ich wohl noch , mit wenigen Worten mein
Thema, die » Demonstrative« und ihre geschichtlichen Vorbilder,
mit uns persönlich in Beziehung setzen. Es mochte ja bisher den Anschein haben, als ob wir Schlachtenlenker wären, oder doch dem
nächst werden wollten. - So habe ich es aber nicht gemeint, sondern
ich bin der Überzeugung, daſs jeder von uns in seiner dermaligen Stellung ein höchst gegenwärtiges Interesse an meinem Thema hat.
Der Swipwald und Bazeilles.
307
Es stimmt gewiſs zu unseren Bildern , wenn Scherff sagt, daſs keine Kampfform so sehr auf der Umsicht und Initiative der Unter und untersten Führer beruht, wie die Demonstrative. Damit ist es
schon zum unabweisbaren Erfordernisse gemacht, daſs alle Grade über Zweck, Wesen und Erscheinungsform derselben vollkommen im Klaren sind, und allen ohne Ausnahme ist diese Klarheit ge boten in der unmittelbaren Anschauung des thatsächlichen Her
ganges. Je unmittelbarer diese stattfindet, desto ferner liegt jeder Miſsverstand, die mittelbare Belehrung durch abstrakte Theorien, und seien dieselben noch so richtig aus der Praxis abstrahiert, wird
immer den Miſsverstand nahelegen, sie wird uns zum mindesten nicht erwärmen können zu dem selbstverläugnenden Opfermat , der aus unseren Bildern uns bestrahlt. Hierin liegt das eigentliche
Wesen der » Demonstrative«, und die Auffassung und Empfindung dieses Wesens bildet die Grundlage ihrer Wirkung. Es ist der Geist Arnolds von Winkelried, der ihn dazu trieb, mehr Speere auf seine Brust zu vereinigen , als ihm billigerweise zustanden , mehr, als er zu bekämpfen im Stande war, – der Geist Fransecky's, der ihm die stolze Antwort an den Abgesandten des Königs eingab : » Sagen Sie Sr. Majestät, die Division leidet schwer, aber sie wird -
sich halten.
Dieser Geist des Opfermutes vom obersten Führer bis zum der es nicht der der Zurückhaltung
letzten Streiter ist es
ermöglicht, mit einem Mindermaſse von Kräften aber Übermaſse von Leistung die Kräfteverschiebung zu bewirken, welche Zeit und Raum
für glänzende Dezisive schafft. Die Bedeutung der » Demonstrative« ist eine mehr innerliche, als formelle, sie berührt tiefer jeden Einzelnen , als das Ganze und die
dasselbe
leitende
ind vertretende höhere Führung, welche
ihrerseits im wesentlichen nur mit der Vorfrage sich zu beschäftigen
hat, ob der Gehalt der Truppe einem solchen Übermaſse der An forderung gewachsen sein wird . Die formelle Gestaltung wird sich weniger nach eigenem Plane, als nach den Erfordernissen der freiwillig übernommenen Zwangslage regeln . Daran anknüpfend möchte ich schlieſslich noch die Frage besprechen, wieweit die » Demonstrative« Gegenstand der Friedensübung, der Ausbildung sein kann ?
Aus den vielseitigen Anforderungen , welche die >Demon strative « stellt, ist ja die als Wunsch recht begreifliche Folgerung gezogen worden, daſs diese » Form « des Kampfes eingehend geübt werden müsse. Ja, wenn es sich um eine » Form « handelte, dann wäre dieser Wunsch zweckdienlich erfüllbar, aber der Geist ist es,
Der Swipwald und Bazeilles.
308
der die > Demonstrative « ausmacht und damit schon ist die Ein
übung derselben hinfällig. Ich berufe mich auf die Manöver erinnerungen aller Kameraden, ob der Demonstrativflügel, der ja meist deutlich erkennbar gemacht ist, je den Bildern entsprochen hat, die uns heute als geschichtliche Vorbilder gedient haben. *) Gerade an diesen Punkten, die doch die Brennpunkte des Kampfes darstellen sollen, herrscht in der Regel die gröſste Flauheit, und der schleppende Gang des Manövers wird nur mühsam belebt durch das
Bestreben, die Lage zu gefechtsmäſsigen Zielübungen auszunutzen. Die Inhaltslosigkeit dieses Gefechtsmomentes hat nicht selten zur Folge, daſs dem Dezisiyflügel, trotzdem man sich dort bis zur Fr schöpfung abmarschiert hat, der Vorwurf der Verspätung gemacht wird. Es ist wirklich der Schein eines Scheinkampfes, des blofsen Demonstrierens, der hier zum Bewuſstsein gebracht wird , und die Übung der » Demonstrative « führt so zu einer Verneinung ihres eigentlichen Gehaltes. Es liegt mir ferne mit dieser Schilderung irgend welchen Vor wurf erheben zu wollen – im Gegenteile ich bin überzeugt, daſs
es nicht anders gemacht werden kann, – ich bin überzeugt, daſs
die »Demonstrative « nicht Gegenstand der Übung sein kann und daſs, soweit sie bei den Übungen angewendet werden muſs, aus drücklich darauf hinzuweisen wäre, daſs hier ein Vorgang räumlich und zeitlich markiert werde, der eben nicht dargestellt werden kann . Wenn der Opfermut der eigentliche Kern der » Demonstrative « ist,
so ist diese Unmöglichkeit ganz selbstverständlich, so lange die Ent scheidung in die Hände eines Schiedsrichters gelegt bleiben muſs. Die > Demonstrative « kann ebensowenig geübt, beziehungsweise nur
markiert werden, wie, trotz allen darauf zu legenden Nachdruckes, die Verfolgung. – Im Gegensatze hierzu ist es die Dezisive, welche
ein dankbares Feld der Übung bietet und Übung gebieterisch fordert. Die geordnete, sichere und zielbewuſste Bewegung entscheidungs kräftiger Massen kann und muſs geübt werden. Diese ist ein Gegen
stand des Könnens , die Demonstrative dagegen wie die Verfolgung müssen wir kennen , d. h. sie muſs uns in unserem Bewuſstsein zu eigen sein, das — und das allein giebt uns auch das nötige Können . *) Ich erinnere mich nur eines Falles, in welchem die 59. Brigade, unterstützt durch den lebhafteren Verlauf eines Rencontres und durch Waldungen der Gefahr störenden Schiedsspruches entrückt, ein treffendes Bild der „Demonstrative “ lieferte.
XXI.
Befestigungs- Ideen. Eine Erwiderung auf die „Ideen über Befestigungen “ von K. H.
J. Scheibert, Major z, D.
Es gewährt groſse Befriedigung nach den Schriften über Be festigungssysteme u. dergl., deren Grundidee ist : » Es gab stets Festungen , es giebt noch viele , aus der Welt sind sie nicht zu schaffen, sie müssen daher auch erobert und verteidigt werden « eine Arbeit in die Hand zu bekommen , welche versucht, den Wert der 7
Festungen vom Standpunkt der Strategie, der Landesverteidigung aus zu erwägen . Dem Endergebnis der vorbezeichneten Schrift wird , dem wesent
lichen Inbalte nach, freudig beigestimmt werden können, namentlich den folgenden hier kurz hingeworfenen Sätzen : wo nicht Sperrfestungen Eisenbahnverbindungen werden
bestehen – nur durch provisorische Anlagen gedeckt. Im Felde zu haltende Stellungen werden durch Feldbefestigungen geschützt, welche nach Bedarf verstärkt werden können .
Befestigungs -Anlagen, welche keinen anderen Zweck haben, als Bewohner, groſse Städte zu schützen, werden auf provisorischem Wege hergestellt. Festungen , welche nicht rechtzeitig armiert werden können , sind wertlos.
Das Material mindestens zu einer beweglichen Festung wird
im Frieden vorrätig gehalten. Es besteht kein Unterschied zwischen schwerer Verteidigungs
und Angriffs -Artillerie. Die Grenzfestungen sind schon im Frieden gegen den gewalt samen Angriff zu armieren.
Die oberste Heeresleitung bereitet mit Hülfe des Ingenieur Corps im Frieden schon die im Kriege zu ergreifenden Maſsnahmen bezüglich der beweglichen und unbeweglichen Befestigungen vor.
310
Befestigungs- Ideen.
Die oberste Heeresleitung regelt das Ineinandergreifen von Festungs- und Eisenbahnwesen und führt es im Kriegsfalle durch. Alle Festungen sind aufzugeben, welche ihren Zweck nicht erfüllen (den Feind aufzuhalten oder seine Wehrkraft zu schwächen ). Die strategische Offensive ist die beste Landesverteidigung.
Ferner unterschreibe ich folgende Aufstellungen der »Ideen zur Befestigung «:
»Mittlerweile ( Mitte des Jahrhunderts) waren die Eisenbahn netze in allen Kulturländern
immer
vollkommener
entwickelt
worden. Sie traten als ein wesentliches Element der Krieg führung hinzu und blieben nicht ohne Einfluſs auf die Bedeutung der Festungen. Indem dieses Verkehrsmittel gestattet , Kriegs material aller Art in kürzester Frist aus den entlegensten Teilen des Landes dem Kriegsschauplatze zuzuführen, bewirkt es, daſs nun mehr das ganze kriegführende Land die direkte Basis des Heeres wird. Die groſsen Festungen haben daher ihre Bedeutung als
Operationsbasen verloren , und es wird nicht mehr er sprieſslich sein, darin das Kriegsmaterial für die Feldarmee anzu häufen . Auch kann eine Festung , wenn sie noch so groſs
ist, die Verbindungen nicht mehr gefährden , sobald Letztere noch
über
anderswo weit
um
die Festung herumführende
Eisenbahnlinien
gebietet. Dahingegen gewannen diejenigen kleinen Festungen an Wert, welche solche Eisenbahnen sperren, die der Angreifer für seine rückwärtigen Verbindungen gebraucht. « Bin ich bis dahin
also in allen wesentlichen Punkten der
hochbegabten Feder des Verfassers mit voller Übereinstimmung gefolgt, so sind anderseits Gedanken in der Schrift niedergelegt, denen ich andere entgegenstellen möchte, in der sicheren Hoffnung,
den Verfasser, der in so liebenswürdiger Weise der aufgestellten Grundgedanken meines Werkes » Befestigungskunst und Lehre vom Kampfe « gedenkt , in dieser , allmählich zur vollen Klarheit kom
menden , so wichtigen Angelegenheit, wieder einmal zum Schreiben anzuregen , damit die Sache von möglichst vielen und auch maſs gebenden Seiten beleuchtet und gründlich bemessen wird . Es sind nicht entgegenstehende Grundsätze, welche die Ver
schiedenheit der Anschauungen hier und dort angeregt haben , sondern die verschiedene Auffassung rein technischer Angelegenheiten.
1. Die » Ideen der Befestigung « halten die Wirkungen der noch etwas nebelhaften Brisanzgeschosse für einen noch Zukunftstraum , während in Wahrheit der Alles umwälzende
Sieg der Technik in dieser Hinsicht über allen Zweifeln steht. Jahrbüchor für die Deutsche Armee und Marine. Bd , LXVII., 3.
21
Befestigungs- Ideen .
311
2. Jene Schrift scheint die groſsartige Entwickelung, welche das Feldeisenbahnwesen in Deutschland und Frankreich
im letzten Jahrzehnt genommen hat, nicht genau zu kennen und daher wohl nicht zu wissen , daſs im ebenen Gelände
der Fortgang des Baues fast gleichen Schritt mit vor marschierenden groſsen Armeen zu halten vermag , und wie die Franzosen uns ebenfalls berichten - selbst groſse -
Spannungen in erdenklich kürzester Zeit über>schients werden können .
Diese beiden gewaltigen Fortschritte der modernen Technik rufen aber eine mächtige Umwälzung hervor. Die neuen Errungen schaften der Artillerie - Technik machen jedes Fort , mögen Panzer sich auf demselben befinden , oder nicht, oder möge der Raum darch
Beton - Auflagen verengt, oder dies unterlassen sein , zur sicheren Beute einer auf 2000–3000 m erbauten und geschützten Artillerieaufstellung selbst leichterer Kaliber, und läſst, wie » K. H. « auch schon bemerkt, jeden Kampf um Festungen nach kurzem Angriffe zu einem solchen gegen die provisorische Anlagen (der Forts- Intervallen) werden ; und wenn dies heute erst in geringern Grade stattfindet, so wird es sicher doch morgen in gröſstem Maſsstabe der Fall sein, da in allen gröſseren Staaten die Grund schwierigkeiten der Schuſs - Technik mit Brisanzstoffen über wunden sind .
Ebenso macht der täglich sich steigernde Fortschritt im Eisen
bahnbau, in der Ausrüstung und der Organisation des Feldeisenbahn wesens das Umgehen der Festungen künftig zu einer viel bedeutungs
volleren Unternehmung als 1870, wo weder Personal noch Haud werkszeug, weder Truppen noch deren Ausrüstung, weder ein Offizier Corps noch Vorbildung vorhanden waren , um Bahnen vorwärts zu
bauen . Wenn wir uns eines etwas drastischen Vergleiches bedienen dürfen , so gleicht die heutige Feldeisenbahntechnik der von 1870, wie die heutige, glänzend ausgerüstete, telegraphisch verbundene, tadellos ausgebildete, schnell und kräftig eingreifende grofsstädtische Feuerwehr der alten gleicht , in welcher der Nachtwächter mit erschrecklichem Tuten die müden Schläfer erweckte, welche nach
langem Herumirren endlich die meist eingetrocknete Spritze heraus brachten , deren Schläuche »gerade heute « nicht zu gebrauchen waren , während das fortwährende Rufen nach Wasser oft das feuchte Element selbst ersetzen muſste !
Im Hinblick auf diese technischen Errungenschaften der Neuzeit erscheint die Fähigkeit einer Festung , den Feind aufzuhalten, doch
Befestigungs-Ideen .
312
viel geringer als solches im Jahre 1870 der Fall war ; überdies läſst
der tüchtige Anlauf, den die Technik in den letzten 18 Jahren genommen hat, wohl vermuten, daſs sie nicht plötzlich in ihrem Gange stillstehen, sondern auch noch die letzten Fragen gründlich lösen wird , deren erste Beantwortung ihr in so wunderbar kurzer Zeit gelang.
Festungen also , welche nicht wichtige Bahnen vollständig
sperren, oder die nicht an natürlichen Hindernissen liegen, welche den Bau einer Umgehungsbahn sehr schwierig machen, möchten
wohl kaum der Besatzung wert sein , welche man dort vergräbt ; denn der Angreifer wird sie einfach bei Seite lassen .
Dies kann aber mit um so weniger Umständen geschehen, als nur sehr schwache Truppenabteilungen genügen, um Festungen un schädlich zu machen. Die Stärke solcher Truppenabteilungen läſst sich ja überaus leicht berechnen ; sie ist gleich der Zahl von Mannschaften, welche eine Festung ausspeien kann , ohne ihre
Bewachung und Verteidigung zu gefährden. Und wie winzig wird die Zahl und wie unterwertig die Art der verfügbaren Ausfallstruppen sein ? Bei den Anschauungen über die heutige Entwertung der Festung die in Frankreich wie in Deutschland allmählich Platz gegriffen - werden die Besatzungen
derselben auf ein solch geringes Maſs zurückgeführt, daſs der » Ausspeiungs-Coëffizient«, man verzeihe den Ausdruck, sehr wenig in die Wagschale fallen dürfte. Der
» Ausfall «
könnte wohl nur dann ein an Wirkung
beachtenswerter werden , wenn die Heeresleitung unter be sonderen Umständen dem höheren Zwecke einen niederen
unterordnet und den Kommandanten ermächtigt , die ganze
Besatzung , unter zeitweiliger oder gänzlicher Aufgabe der Festung , zu offensiven Zwecken zu verwenden. So lange dies grundsätzlich nicht gebilligt ist , gehört eine
recht geringe Beobachtungsabteilung dazu , um eine Festungs besatzung auf das Hin- und Hergehen in ihrem Käfige zu beschränken .
Unter diesen Gesichtspunkten mögen die interessanten Auf stellungen der »Ideen über Befestigungen « der näheren Sonde unter zogen werden .
Verfasser weist sehr treffend nach, wie nach den Napoleonischen Kriegen zu Beginn dieses Jahrhunderts, und nach den Ereignissen 1866 und 1870/71, das Ansehen der Festungen bedeutend gelitten 21 *
313
Befestigungs- Ideen.
habe, unterläſst als unparteiischer Richter aber nicht, auch die Kebrseite der Medaille zu zeigen, hinweisend :
auf den Krimmkrieg, der mit dem Kampfe um Sebastopol Anfang, Entscheidung und Ende nahm.
-
Im I. Teil der » Befestigungskunst und Lehre vom Kampfe « ist dagegen Seite 54 bereits gesagt: » Knüpfen sich nicht an die bloſsen Namen Colberg, Düppel , Sebastopol und Plewna schon eine Reihe von Vorstellungen an ? Rufen sie nicht die Erinnerung an die groſsen Thaten wach, welche in und vor diesen Erdaufwürfen vollführt worden sind ?
Thaten ,
welche im Stande waren , die Namen jener Orte zu Marksteinen in
der neuesten Kriegsgeschichte zu machen ? Dabei soll aber nicht behauptet werden, daſs alle Vorgänge bei diesen Angriffen und Verteidigungen absolutes Lob verdienten : ja nicht einmal die Anlage dieser Trutzstätten als solche hat überall
den Beifall der militärischen Kritik gefunden.
So war nach dem
Urteile mancher Autoritäten das Sich -Stellen der russischen Armee
auf dem strategisch zu weit vorgeschobenen und fast isolierten Posten Se topol vielleicht ein groſser Fehler. Man steckte die
tüchtigsten Kräfte hinter die Wälle ohne dadurch die Disposition Manche meinen , der Krieg hätte vielleicht einen anderen Ausgang genommen , wenn , unter
über die Krimm für sich zu retten .
Überlassung räumlichen Besitzes, die russische Armee sich in und hinter die Steppen zurückgezogen hätte; dann hätte die Armee unmittelbar auf den unerschöpflichen Mitteln des Landes fuſsen und die Alliierten sich müde und arm operieren lassen können. Technisch und taktisch dagegen hat bei Sebastopol die improvisierte
Befestigungskunst einen ihrer gröſsten Triumphe gefeiert.« Diesen Standpunkt möchte ich auch heute noch aufrecht erbalten .
Über Paris sagen die » Ideen zur Befestigungskunst, äuſserst bezeichnend :
» Das Befestigungssystem an sich hat sich nicht be währt. Die Hoffnung auf eine offensive Kraft der innerhalb der groſsen Festung mit ihren detachierten Forts befindlichen Armee hat sich als trügerisch bewiesen . Die groſse Ausdehnung der Festung bewirkte , daſs Ausfälle umfassende und ganze Tage in
Anspruch nehmende Vorbereitungen erheischten, die dem Angreifer nicht verborgen blieben, so daſs dieser rechtzeitig Gegenmaſsregeln treffen konnte.
Die Konstruktion der Forts war der Artillerie des
Befestigungs- Ideen.
314
Angreifers nicht gewachsen. Ihre Artilleriekraft unterlag bald gegen eine Angriffsbatterie selbst von geringer Geschützzahl.« Dazu frägt der Verfasser der » Ideen « selbst :
>» Welchen Vorteil
hat schlieſslich die Befestigung von Paris der Stadt und dem Lande gebracht? Vor Beantwortung dieser Frage müſste man erst die politische Frage stellen, ob es für Frankreich besser gewesen wäre,
wenn die deutschen Heere am 19. September 1870 unbehindert in Paris eingezogen wären und dort den Frieden diktiert hätten. Jedenfalls hätte der Sieger am 19. September 1870 weit weniger Ansprüche zu machen nötig gehabt, als am 27. Januar 1871, und auſserdem wären Frankreich die unzähligen Opfer erspart geblieben,
die es während der Zeit vom 19. September bis zum 27. Januar gebracht hat. Immer setzten die Festungswerke Paris in den Stand, sich vom 19. September 1870 bis zum 27. Januar 1871 zu wehren . «
Am anderen Orte ist kürzlich bereits richtig bemerkt worden , daſs den deutschen Waffen 1870 doch nichts gelegener sein konnte, als daſs der Franzose , nachdem er seine ersten und besten Heere
freiwillig in die Käfige Metz und Sedan eingesperrt hatte, auch noch seine dritte groſse Armee ebenso gutmütig in das groſse Fangnetz Paris schwimmen lieſs, dessen Fäden General v. Moltke nur zu sammenziehen zu lassen brauchte , um einen Fang zu machen , wie solcher seit Babylons Zeit kaum erlebt worden ist. Ein sogenanntes offenes Paris war militärisch eine Null , da strategisch und taktisch doch nur mit den lebenden Kräften des Feindes gerechnet werden kann. Wieviel gröſser aber wäre die 1
Arbeit der Deutschen gewesen , wenn Frankreich keine Festungen gehabt , seine drei Armeen nicht in die »Mausefallen « gesteckt, sondern sie benutzt hätte , um , unterstützt von den aufgebrachten
Volkswehren, in wiederholten Schlägen sich ihrer Gegner zu erwehren . Dann hätte, je weiter die deutsche Armee in das weite Gebiet
Frankreich hineindrang , und je mehr sie sich teilen muſste, der
Vorteil der inneren Linien und der Schnelligkeit der Ansammlungen von Seiten der Franzosen ausgenutzt werden können , um der Invasions -Armee die Sache erheblich zu erschweren.
Meiner unmaſsgeblichen Ansicht nach hat im heutigen Jahr hundert Niemand mit befestigten Stellungen meisterhafter operiert als General R. E. Lee in dem Sezessionskriege in Amerika.
Je
mehr man sich in eine Betrachtung seiner im letzten Jahre ihm aufgedrungenen strategischen Defensive vertieft, desto klarer wird
Befestigungs- Ideen.
315
der Gedanke ,> der ihn dabei leitete.
Der mit Spaten und Axt
geführte Krieg ist nur deshalb oft miſsverstanden worden , weil man bei den Einzelheiten stehen blieb , statt die Lage im Ganzen ins Auge zu fassen. General R. E. Lee hatte den Grundsatz , welcher der oberste
bei allen Positionskriegen sein muſs, mögen sie mit permanenten
oder provisorischen Anlagen ausgefochten werden , sich niemals > isolieren
zu lassen .
Wie Metz und Plewna in den europäischen
und Vicksburg in den amerikanischen Kriegen mit dem Augenblicke
verloren waren , in dem die Verteidigung die Verbindung mit den Hülfsquellen des Landes aufgab, so wird auch in Zukunft das Schicksal jeder Armee, jeder gröſseren Besatzung entschieden sein , die sich in Fesseln schlagen läſst. General Lee wehrte sich
im Jahre 1864 in der Front durch
Befestigungen, um auf den Flügeln der Offensive den freiesten
Spielraum zu lassen ; als Grant jedoch in der ersten derselben , bei Wilderneſs, seinen Rücken bedrohte, glitt er plötzlich in die zweite,
bereits vorbereitete Stellung, in die Wälder von Spotsylvanien , von dort nach blutigen Kämpfen in die befestigte Stellung am Anpa flusse, um der umklammernden Armee zu entgehen ; auch hier durch Umgehung bedroht, zog er in die feste Stellung von Cold Harbour,
in welcher er den kräftigen Frontangriff Granits unter furchtbarem Blutbade abwehrte. Als auch dort die Gefahr drohte, von dem viel
fach überlegenen Gegner , dem immer neue Krieger aus dem un erschöpflichen Reichtum nordischer Einwandrerheere erwuchsen, um faſst zu werden, wich er in die schon 1862 hergerichteten Linien
von Richmond zurück. Je weiter südlich Grant nun seine Angriffs linien ausdehnte, desto weiter streckte auch Lee seine Arme bis über
Petersburg hinaus vor, niemals zulassend, daſs die Verbindung nach Süden beziehungsweise Westen ihm abgeschnitten wurde. Nach blutigen, sechs Monat dauernden Kämpfen gelang es dem Führer des Nordens endlich , den gänzlich erschöpften Verteidigern die südlichen Verbindungen zu durchschneiden ; hiermit waren auch deren westliche letzte Wege zum Innern des Landes bedroht. Nur liefs Lee sich nicht wie Bazaine oder Trochu oder Osman » isolieren « , um in abgeschlossenen Räumen sich noch einige Wochen aussichtslos zu wehren , sondern rückte nicht nur mutig, sondern in militärisch - rationeller Klarheit des Gedankens aus
seinen Verschanzungen heraus , wohl wissend , daſs je kleiner die Schar ist, die zur Wehr verfügbar ist, desto schärfer, schneller und schneidiger die Schläge sein müssen , um das Mindergewicht der
Befestigungs- Ideen.
Zahl wieder auszugleichen.
316
Daſs diese Maſsnahme zugleich das
Ende der Dinge herbeiführte, war die Folge von unvorhergesehenen
Miſsständen der Verpflegung, die nicht in der Hand der Führer lagen. Ganz ebenso verfuhren die Generale Hardee und Beauregard. Sie lieſsen lieber die mit groſsen Kosten angelegten und reichlich ausgerüsteten Festungen Savannah und Char leston im Stich , als daſs sie sich mit ihren Besatzungen
absperren lieſsen. Auch die Kriegskunst wird -- wie die Artillerie in ihrer Taktik etwaigen Geschützverlust unbeachtet läſst - sich wieder an den
Gedanken gewöhnen müssen , daſs unter Umständen die Aufgabe einer Festung ein Gewinn ist , oder zu der Erkenntnis kommen , solche so anzulegen, daſs die Einnahme derselben den Gegner keinen Gewinn bringt. Bei diesem Gedanken länger zu verweilen sei erlaubt, auch die Frage zu stellen : Wie sieht es in einer gröſseren Festung aus, die sich » isolieren « läſst ?
Entweder wird sie – und dieses Schicksal wird den meisten .
blühen – nur von Truppenabteilungen in berechenbarer , geringer Stärke beobachtet und in ihrer Offensivwirkung unschädlich gemacht,
oder sie wird angegriffen. Im ersten Fall, dem in den Augen der Armee günstigsten , daſs also nicht 20,000-30,000 Mann Feldtruppen , die im Felde oft von gröſster Bedeutung, in die Festung geworfen werden müssen, sondern ebenso viele Mannschaften des Landsturmes 9
dort liegen , - sind dies immerhin in voller Manneskraft stehende
Familienväter, die von Haus und Hof herbeigeeilt, um sich des Feindes zu erwehren , die, richtig verwandt und begeistert, dem Feinde auch im Felde wirksamsten Abbruch thun können .
Sie
werden nun in enge Räume gelegt, militärisch in Fesseln geschlagen , Epidemien ausgesetzt, und einer Unthätigkeit übergeben, die Wurzel allerlei Unheils ist. Wir fragen , woher will die Armee die groſse Anzahl fähiger und schneidiger Kommandanten nehmen , welche verstehen , auſser der Abwehr etwaiger Angriffe von auſsen , die viel schwerere Last auf die Schultern zu nehmen , solche Massen
guten Mutes , in geeigneter Beschäftigung und strenger Zucht zu halten .
Fehlt ein Commandeur in Einem, so dürfte ihm nichts
übrig bleiben , als zu versuchen , allerdings unter Gefährdung der Festung, im Kampfe auf freiem Felde seine Besatzungstruppen wenigstens so nützlich wie möglich zu verwerten. Anderseits fragen 9
wir, ob es unter diesen Umständen nicht rätlicher sein möchte, die Leute , die man im Felde nicht verwerten zu können glaubt, am
Befestigungs-Ideen.
317
Pfluge zu lassen, damit sie wenigstens die Armee ernähren und die Zurückbleibenden erhalten , statt die Anzahl der zu Verpflegenden noch zu vermehren . Mir wenigstens scheint die Einschlieſsung
derselben in feste Plätze nicht eine sehr glückliche Verwendung der letzten Reservestaffeln zu sein .
-
Eine weitere Betrachtung dieses Gegenstandes finden wir im zweiten Abschnitte der » Ideen u. 8. w . , welcher den strategischen Wert der Festungen « behandelt , und wenn auch mit einigem
Widerstreben , zu demselben Ergebnis gelangt , zu welchem die » Befestigungskunst und Lebre vom Kampfe « kam , indem sie ( Teil III Seite 13) behauptete :
» Eine Festung erfüllt nur dann die Aufgabe, den Vormarsch des Angreifers aufzuhalten , wenn sie an einer Stelle angelegt ist,
an welcher die Umgehung derselben durch die Feldeisenbahn soviel Zeit erfordert, daſs die Kampffähigkeit der vorwärts gehenden Armeen gefährdet wird , und zwar nur in dem Falle, daſs keine
Parallelbabnen existieren , durch welche der strategische Angreifer seine Existenzbedingungen sichern kann. Alle Festungen, welche diese Bedingungen nicht erfüllen, halten auch den Feind nicht auf. «
Der Verfasser der »Ideen « ist offenbar völlig mit mir ein verstanden, obgleich er scheinbar sich in Gegensatz stellt, indem er an dem » Wenn « hin und her wägt. Ganz ebenso ist es mit der Behauptung der » Befestigungskunst« (Punkt 2) an derselben Stelle, welche lautet:
>» Eine Festung thut der feindlichen Wehrkraft nur dann Abbruch , wenn sie eine gröſsere Anzahl feindlicher Streiter und mehr feindliches Kriegsmaterial um sich sammelt, als sie selbst in sich birgt . « Auch hier ist es nur die Gröſse des > Wenns « , an welcher die » Ideen « Kritik üben .
Noch rückhaltsloser aber ist die Zu
stimmung der Schrift zu den in den Punkten 3 und 4 gegebenen Wertzeichen der Festungen, in denen es heiſst :
Die Festungen erhalten dem Lande weder Mannschaft noch Material und sie sind keine Depotplätze. — Wir übergehen den Abschnitt der
Ideen «, »
welcher den
Charakter des modernen Festungskrieges schildert und zwar mit groſser Klarheit geschrieben ist , aber die Wirkungen der neuen Geschosse, wie sie bereits feststehen und in Zukunft noch deutlicher
zu Tage treten werden, nicht voll in Rechnung zieht.
Befestigungs- Ideen.
318
Im letzten Abschnitte seines Buches geht K. H. der » Befestigungs kunst « unmittelbar zu Leibe, indem er Seite 52 sagt:
» Nicht nur die verschiedenen obersten Heeresleitungen weichen in ihren Ansichten in diesem Punkte von einander ab.
In einem
und demselben Heere sind sogar die Offiziere vom Ingenieurfache verschiedener Meinung. Bei uns verwertet Schumann seine umfang
reichen technischen Kenntnisse dazu, um verschiedenartige Kon struktionen für provisorische und permanente Fortifikationen zu erfinden . Dahingegen kommt Scheibert in der oben genannten Schrift zu dem Resultat, daſs die meisten groſsen Festungen nicht nur nicht viel nützen, sondern auch die offensive Landesverteidigung schwächen . Er hält sie (mit Ausnahme der Hafenbefestigungen ) nur da für vorteilbaft, wo es gilt, groſse stehevde Etablissements für Kriegsmaterial zu schützen .
Auſserdem will er zur vorüber
gehenden Sperrung von Bahnlinien erster Klasse Festungen (also nur kleine ?) gelten lassen .
Danach würden z. B. in Deutschland
alle groſsen Festungen mit detachierten Forts eingehen müssen, mit Ausnahme von Spandau, und dafür wäre Essen zu befestigen. Er meint (Seite 40 ), die bewegliche Festungs -Anlage, verbunden mit dem Elemente der Dampfkraft, werde in Zukunft die Rolle ersetzen, die die permanenten Festungen ausgespielt hätten. Man kann sich keine gröſseren Extreme denken. Frankreich errichtet an seiner Grenze eine moderne chinesische Mauer, Scheibert
will die Festungen mit im Fluge gebauten Eisenbahnen und Eisen bahnbrücken umgehen .« Hierauf ist Mehreres zu erwidern :
Vor Allem stehen die Verfasser der » Ideen « und der » Befestigungs kunst« auf einem verschiedenen Standpunkt. Letzterer wollte nur Prinzipien - Fragen lösen und muſste zu diesem Zwecke die Gedanken von A bis Z durchführen ; jener aber setzt sich offenbar im Geiste an die Stelle der obersten Leitung, und zieht danu die praktische
Folgerungen. Dieser glaubte dies nicht thun zu dürfen, da dazu alles amtliche und halbamtliche Material, genauste Kenntnis des Standes
der heutigen Technik, der Besatzungspläne, politischen und finan ziellen Lage fehlten, er auch anderseits nicht mit den Vorurteilen des Volkes und der Armee rechnen konnte, auf die der Praktiker aber
zu rücksichtigen hat, da nun einmal der Aberglauben besteht, daſs Festungen ein Land schützen !
Der Verfasser der »Ideen « zwingt uns durch seine, übrigens höchst liebenswürdige Art des Widerspruchs und durch seine Folgerung
Befestigungs - Ideen .
319
daſs nach unsrer Auffassung nur Spandau und Essen Festungen bleiben sollten, zur Abgabe bestimmter Vorschläge, wie wir uns eine Neugestaltung der deutschen Festungsanlagen etwa denken. Vorhergeschickt möchte noch werden , daſs Schumann und Schreiber dieses Gegensätze nicht mehr bilden, seit Ersterer von den schweren Panzerdecken, Kuppeln und Schilden durch Studium der neuen Kampfesweise hinübergetragen worden ist zur Herstellung leichter , fahrbarer , provisorischer Anlagen mit eisernen Schirmen , welche in den Fortszwischenräumen u. s. w. verwendet, einem tüchtig
wirkenden Schnelllader je von Kalibern 37 mm bis 21 cm *) und der
Bedienungsmannschaft desselben gegen die Wirkungen der Feld geschütze Deckung gewähren und durch ihre geringe Sicht- und
Treffbarkeit fast völlig gegen die schweren Geschosse schützen . Wenn in einigen der gröſseren, im Innern des Landes liegenden Festungen ein Depot solcher leicht gebrauchsfertig gemachter Schirmen vorrätig gehalten würde, so wäre damit ein Material zur Ausfüllung der Forts - Zwischenräume und, auf Lowrys gebracht, zur schnellsten Herstellung von provisorischen Befestigungen, im Innern wie in Feindes Lande, gewonnen, wie es praktischer und unmittelbar ver wendbarer kaum gedacht werden kann. Daſs unsere Armee selbst bei Offensivkriegen solcher Befestigungen wohl bedürfen wird, möchte Jedem einleuchten, welcher das Bild eines gleichzeitigen Krieges nach mehreren Seiten hin im Geiste durchgespielt hat. Küstenfestungen möge in den folgenden Vorschlägen als nicht zur Sache gehörig unberührt bleiben, ebenso die kleineren Festungen, die strategisch keinen Wert haben. Wenn K. H. meint, unsere > Befestigungskunst « würde auſser *) Angelockt durch zufällig eingesehene Zeichnungen der erwähnten Eisen Schirmen fuhr Verf, nach Buckau und besah die für eine provisorische Befestigungs anlage in Rumänien bestimmten leichten Befestigungstürmchen, welche allen Ag forderungen der heutigen Technik an Einfachheit, Leichtigkeit und Zweckmäſsigkeit
entsprechen. Auſserdem ist ihre Aufstellung selbst für jeden Laien zu ermöglichen.
Besonders zweckmäſsig erscheinen :: 1. leichte fahrbare Schützengräben -Schirmen mit einem 37 mm Repetier geschütz mit 30 Centner Gewicht,
2. schwerere fahrbare Schützengräben-Schirmen mit einem 53 mm Repetier geschütz mit 52 Centner Gewicht, 3. zerlegbare Eisen-Schirmen für 12 cm Kanonen mit 370 Centner Gewicht, 4. zerlegbare Eisen-Schirmen für zwei 12 cm Mörser mit 380 Centner Gewicht.
Die Kosten der Schirmen nebst Geschützen würde sich etwa auf beziehungsweise
je 5, 13, 36 und 32,000 Mark belaufen , also zum Teil billiger sein als Festungs geschütze.
Befestigungs- Ideen.
320
Spandau am liebsten alle Festungen rasieren , so muſs dem ent schieden widersprochen werden. Die Plätze, welche auf den groſsen Hauptstraſsen liegen, können erhalten bleiben. Alle übrigen Festungen aber, besonders die west lichen Grenz- und Rheinfestungen sollten ihres Charakters als
Festung entkleidet und zu » Stellungen « umgeschaffen werden, indem sie die dem Feinde gegenüberliegende Front behalten, rück nachdem sie ihren wärts aber geöffnet werden, so daſs sie, Zweck erfüllt haben , oder durch Umgehung für die strategische Landesverteidigung wertlos geworden sind, – verlassen werden können , ohne die Ehre der Armee zu schädigen , ohne dort Truppen von der Stärke einer Division nutzlos zurückzulassen , und ohne den Feind Gelegenheit zu geben, sich selbst dort festzusetzen .
Dann würde unsere Landesbefestigung etwa folgendermaſsen aussehen : Man würde erhalten die Festungen , welche auf der
groſsen Hauptstraſse von Mainz bis Berlin liegen, weil sie vielleicht den Gegner zum Angriffe verleiten ; dann die im Osten
liegenden Festungen wegen der unberechenbaren vorzeitigen Unter nehmungen russischer Corps. Alle westlichen Grenz- und sämtliche Rheinfestungen
würden zu festen Stellungen umgewandelt , und zwar dadurch, daſs sie rückwärts geöffnet werden ; sie bedürfen dann keiner per
manenten Besatzung und können vach Erfüllung ihres Zweckes ver Jassen werden .
Z. B.
Wenn bei Metz die Werke des linken und die beiden
zunächst der Mosel liegenden Forts des rechten Ufers erhalten , die übrigen Befestigungsanlagen aber gänzlich beseitigt würden, so würde die Stellung « Metz den Hauptzweck der Anlage : Aufhalten des
Feindes, erfüllen, ohne dort eine groſse Besatzung zu fesseln ; denn der Besitz der » Stadt « Metz ist doch nicht wert, dort eine starke
im Notfalle sogar von Feldtruppen zu belassen . Bei einigen Rheinfestungen würde sicherlich die (rückwärts geöffnete) Befestigung des rechten Ufers vollständig genügen, um
Division
-
die Rolle der
operativen
Positionen der Ideen « durchzuführen .
In den zu erhaltenden Festungen sind Depots von eisernen Deckschirmen niederzulegen, um schnell armieren, beziehungsweise in- oder auſserhalb des Landes leicht herstellbare und doch starke
Stellungen schaffen zu können, denn unserer Ansicht nach sind diese Deckschirme in ihrer Fortschaffungs- und Wirkungsfähigkeit
321
Befestigungs- Ideen.
eine für die Defensive nicht zu unterschätzende technische Er
rungenschaft. Wenn K. H. sagt:
» Neue Grundsätze in dem Festungswesen können zu ihrer Durch führung Milliarden und aber Milliarden an Geld erfordern, die in
kurzer Zeit ausgegeben werden müssen , wenn man das Alte gleich beseitigt, «
so möchten die von mir angedeuteten Vorschläge wohl das Gegenteil beweisen , da die Neubeschaffungen mit wenigen Millionen zu erreichen wären, und die Aufgabe groſser Plätze dem National wohlstande gewiſs zu Hülfe käme.
Allerdings müſste an Stelle des jede eigene Thatkraft lähmenden ceterum censeo tüchtig organi Festungssystems treten ein siertes Eisenbahnwesen , welches in oberster Stelle, der Heeresleitung
unmittelbar an die Hand gehend, leitet :
Die ganze Truppenbeförderung , Munitions - Versorgung, Ver pflegung und das Depotwesen (auch der Positionsdepots) unter zweckentsprechender Vermehrung des Personals, des rollenden Mate rials, des Vorrates für Bahnneubauten u. 8. w., u. s. w. Die hierfür verwendeten Gelder kommen lediglich dem Verkehrs wesen des Staates zu Gute.
Auch in dieser Beziehung stehe ich auf demselben Boden mit
den trefflichen und hochinteressanten Aufstellungen des K. H., der hoffentlich meine bescheidenen Darlegungen einer Antwort würdigen wird.
XXII .
Umschau in der Militär -Litteratur. Organisation und Verpflegung der preuſsischen Landmilizen im siebenjährigen Kriege. Ein Beitrag zur preuſsischen Militär- und Steuergeschichte von Dr. Franz Schwartz. Leipzig, Dunker & Humblot.
Für eine Zeit wie die jetzige, in welcher Organisation und Verwendung von Landsturm - Truppenteilen im Kriegsfalle besonders in Betracht gezogen werden, verdient ein Buch, wie das vorstehend genannte, eine erhöhte Beachtung. Denn dasselbe belehrt uns auf das Eingehendste über die Zusammenstellung, Verwendung u. 8. w. solcher Landsturmaufgebote nichts Anderes waren die Landmilizen im siebenjährigen Kriege. Wesentlich verschieden von den heutigen Verhältnissen waren natürlich -
diejenigen zur Zeit des siebenjährigen Krieges und so passen die damaligen Einrichtungen auch keineswegs mehr für heute ; aber sie geben doch manchen nützlichen Wink durch die Erfahrungen, die zu jener Zeit in Betreff der Landsturm - Verwendung gemacht wurden . Weit wichtiger als in der eben angedeuteten Richtung ist das vorliegende Buch jedoch in geschichtlicher Beziehung. Die Kriege Friedrichs des Groſsen sind im Wesentlichen nur insofern in weiteren Kreisen eingehend bekannt, als es
sich um die Thaten, Bewegungen u. s. w. der Feldtruppen, um Belagerungen
u. dergl. handelt ; was aber die vom Feinde bedrohten und von Feldtruppen entblöſsten Landesteile zu ihrer Verteidigung gegen Einfälle und Streif
züge des Feindes gethan, ist bisher von Geschichtsforschern nur in un vollständiger Weise und nicht im Zusammenhange zum Gegenstande der Darstellung gemacht worden . Hier liegt zum ersten Male ein Werk vor, das sich dieser Aufgabe, gestützt auf die in den Archiven vorbandenen
Urquellen, unterzogen hat. Mit einem in die Augen springenden Fleiſse hat der Verfasser das überall zerstreute Material gesammelt und zu einem
Gesamtbilde zusammengetragen , das durch gewandte Gliederung des Stoffes anschaulich und anziehend geworden ist. In der That erweckt es Staunen, welche Anstrengungen das Land machte, welche groſsen und schweren Opfer es nach jeder Seite hin kostete, um den Anforderungen der Re gierung behufs Aufbringung und Unterhalt der Landmiliz nachkommen
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zu können.
Das treue Pommerland, die Ucker- und die Neumark treten
in dieser Beziehung rühmlichst hervor. Auch die Thätigkeit der Land miliztruppen war öfters eine recht wirksame. Bei diesen Truppen wurden
in den festgesetzten Grenzen alle im Lande vorhandenen Wehrfähigen ein gestellt und da hierzu auch die „ Kantonisten “ gehörten, welche zum Ersatz der Feldtruppen dienten , so wurden die Landmiliz - Bataillone zugleich eine Art von Ersatztruppenteil, der die ausgebildeten Kantonisten nach Bedarf dem Feldheere zuführte. Als Offiziere wurden Adelige und ausgeschiedene
Offiziere, als Unteroffiziere frühere Soldaten verwendet. Vielfach gab sich ein rühmlicher Eifer kund, dem Vaterlande noch auf diese Weise zu dienen. Ein Kaspar Heinrich von Schönefeld, begütert bei Schievelbein , geboren 1680, seiner Zeit Unteroffizier in der Armee und schon seit einem halben Jahrhundert aufser Dienst trat z. B. im September 1757 als Lieutenant bei dem neumärkischen Landmiliz - Bataillon von Arnim ein, obschon sein Gesicht und sein Gehör schwach geworden war. Nach fast zweijäbrigem treuen Dienste ward er am 30. Juli 1759 in einem kleinen Gefechte schwer
verwundet und starb nach wenigen Tagen in russischer Gefangenschaft in Frankfurt als 79jähriger Greis. Auch junge Leute von Bildung traten als Freiwillige bei der Landmiliz ein und wurden in besonderer Stellung mit dem Dienste und den Pflichten als Vorgesetzte bekannt gemacht. Bei dem groſsen Bedarf des Feldheeres an Offizieren wurden diese jungen Leute dann später als Offiziere beim Feldheere angestellt. So bildete die Land miliz, ganz abgesehen von ihrer kriegerischen Thätigkeit, im siebenjäbrigen
Kriege eine wichtige und belangreiche Einrichtung, und lohnt es sich sicherlich der Mühe, den Einzelheiten in dem vorliegenden Buche näher zu treten. Nur dadurch lernt man es erst voll würdigen , welche Opfer
es dem kleinen Preuſsen gekostet, um sich gegen halb Europa sieben Jahre hindurch zu wehren, und mit welcher Hingebung und unerschütter licher Treue die Landeskinder ibrer schweren Pflicht dem Vaterlande
gegenüber nacbkamen . — Es ist wohl leicht begreiflich, daſs wir in einer militärischen Zeitschrift auch nur die militärische Seite der in Betracht stehenden Einrichtung hervorheben, doch giebt das Buch ein ebenso klares und erschöpfendes Bild, wie es den einzelnen Provinzen möglich wurde, die Mittel für den Unterhalt der Landmiliz herbeizuschaffen , und dürfte
für die Steuergeschichte Preuſsens viel Schätzenswertes in demselben ent halten sein. Der Verfasser hat mit seiner gründlichen , gewissenhaften und eingehenden Arbeit einen dankenswerten Beitrag zur preuſsischen
Heeresgeschichte geliefert. Die Gefechtsführung abendländischer Heere im Orient in der Epoche des ersten Kreuzzuges. Von Dr. Otto Heer
mann. Marburg, Elwert'sche Verlagsbuchhandlung. Über die Taktik und die Gefechtsführung der mittelalterlichen Heere waren bis vor Kurzem brauchbare wissenschaftliche Werke eigentlich nicht vorhanden , bis neuerdings der Franzose Delpech, in seiner Tactique
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au XIII. Siècle“ und der preuſsische General Köhler mit seinem vierbändigen Werke „ Die Entwickelung des Kriegswesens und der Kriegführung in der n
Ritterzeit“ , dessen letzter Band noch aussteht, schätzenswerte Beiträge auf diesem Gebiete
lieferten .
Die
beiden Verfasser sind bei ihren
Forschungen zu grundverschiedenen Ergebnissen gelangt und ist hierüber zwischen ihnen und ihren Anhängern ein heftiger litterarischer Streit aus
gebrochen. Es liegt nicht in der Absicht, diesem hier näherzutreten , doch möchten wir wenigstens unsere Absicht dahin abgeben , daſs soweit wir im Stande sind uns aus dem Vorliegenden ein Urteil zu bilden und wenn
wir unserem militärischen Verständnis folgen , wir uns durchweg auf Köhler's Seite stellen müssen . Mit welch geringer Gründlichkeit und mit
wie wenig militärischer Auffassung Delpech im Allgemeinen gearbeitet hat, geht mit Bestimmtheit auch aus dem vorliegenden Buche hervor, das allen , welche für die historische Entwickelung der Taktik und Gefechts
führung ein besonderes Interesse haben , auf das Wärmste empfohlen werden kann.
Denn dasselbe schildert nach sorgfältiger Prüfung und
Sichtung der sich oft widersprechenden Quellen in klarer und verständ licher Weise die einzelnen Kämpfe aus der Zeit des ersten Kreuzzuges, die wir allerdings wenn wie bei Ramla (1101 und 1102) oder Joppe
( 1102) auf der einen Seite nur 200 Reiter beteiligt sind
nicht, wie der
Verfasser, „ Schlachten “ nennen möchten. Über die Bedeutung und Kampf weise der Reiterei, die in den meisten Kämpfen zum Fuſsvolk das Ver hältnis von 1 : 4 hatte, über die anfangs geringe Verwendungsfähigkeit des Fufsvolkes, die mit den Jahren aber erheblich stieg , bringt Hermane manches Beachtenswerte. Einen Einwand möchten wir dagegen machen , daſs er die Durchschnittsstärke der einzelnen Kavallerie- oder Infanterie
haufen durchweg mit Durchschnittsgröſse bezeichnet. Für die Geschichte der Taktik und Heeresführung des Mittelalters sowie für taktische Studien im weiteren Sinne ist das vorliegende Buch zweifelsohne eine wertvolle Grundlage.
Précis de la campagne de 1859 en Italie avec 8 croquis dans le texte
Bruxelles, Th . Falk .
Die Darstellung des Feldzugs in Italien 1859 bildet den 19. Band der
„ Bibliotheque internationale d'histoire militaire“ , von deren Zielen und Zwecken hier schon wiederholt die Rede gewesen ist.
Wie wir dies
bereits gelegentlich der Besprechung der bisher veröffentlichten kriegs geschichtlichen Schilderungen der Bibliotheque internationale " hervor מת
gehoben haben , müssen wir auch die jetzt vorliegende Darstellung als eine klare, gewandte und vor allem unparteiische bezeichnen , die sich auf die besten Quellen stützt und selbst die erst vor kurzem erschienenen Werke in Betracht zieht, so u. A. die „ Strategischen Briefe “ des Generals Prinz
Hohenlohe und die „ Betrachtnngen über den Feldzug von 1859 in Italien, aus den hinterlassenen Papieren des Generals Anton Vetter von Doggen
feld“, welche in den Jahren 1886 und 1887 in den „Neuen militärischen
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Blättern “ veröffentlicht worden sind.
Taktische Einzelheiten u. s. w., wie
z. B. das Verhalten des Generals Bazaine in dem Gefechte bei Montebello, von dem Graf Herrisson in seiner „ Legende de Metz“ so liebenswürdig zu plaudern weiſs, enthält die vorliegende Darstellung in ihrer mit den Anlagen auf 297 Seiten zusammengedrängten Schilderung natürlich nicht; die einzelnen Schlachten und Kämpfe werden vielmehr nur in groſsen Zügen zur Anschauung gebracht. Wenn auch die im Texte befindlichen
,,croquis zur Erhöhung des Verständnisses wesentlich beitragen , so ent sprechen sie doch nicht den Anforderungen , die man heute an derartige technische Arbeiten stellen darf.
Selbst bei dem auſserordentlich billigen
Preis der einzelnen Bände der „ Bibliotheque internationale " liefse es sich
gewils ermöglichen , jene Kartenbeilagen sauberer und deutlicher herzu stellen . Jedenfalls bildet das vorliegende Buch aber ein wertvolles kriegsgeschichtliches Werk . -
Die Schlacht bei Kesselsdorf am 15. Dezember 1745. Vortrag gehalten in der militärischen Gesellschaft zu Berlin am 14. Dezember 1887 von W. v. Bremen , Hauptmann à la
suite des Colbergschen Grenadier -Regiments und im Nebenetat des Groſsen Generalstabes.
Mit einem Plane und zwei Skizzen.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn .
Der siegreiche Ausgang der Schlacht bei Kesselsdorf hatte bekanntlich den schon 10 Tage darauf abgeschlossenen Dresdener Frieden zur Folge,
in welchem Österreich und Sachsen den Besitz Schlesiens Preuſsen zu sprachen. Dieser wichtige Kampf ist zwar mehrfach Gegenstand der Darstellung geworden , aber stets beruhte solche auf einseitigen preuſsischen oder sichsischen - Urkunden . Die vorliegende Schrift ist die erste , welche das gesamte Quellenmaterial benutzt und so eine Schilderung geschaffen hat, welche, in mancher Beziehung von den früheren abweichend, oder deren Lücken ausfüllend, als eine erschöpfende und den
Gegenstand abschlieſsende angesehen werden kann. In gewandter Dar stellung legt der Verfasser klar, wie der „alte Dessauer “, auf das Tiefste verletzt durch die ibn zur erhöhten Thätigkeit antreibenden Briefe des Königs, behufs Rettung seiner militärischen Ehre den Kampf unter allen Umständen suchte , wie in staunenswerter Tapferkeit die preuſsische Infanterie Angesichts des Feindes die mit Schnee und Eis bedeckten Steilhänge bei Kesselsdorf und Zöllmen emporkletterte und trotz des ver nichtenden Feuers die Sachsen zurückwarf; wie wenige Kilometer seitwärts der kämpfenden Sachsen das österreichische Corps Grünne , 10 Bataillone stark, unthätig den Elbübergang bei Briesnitz sicherte, wie die kaum eine Meile hinter den Kämpfenden untergebrachte 46,000 Mann starke Armee des Prinzen Karl von Lothringen sich erst zum Eingreifen anschickte, als es bereits zu spät war. Der König, welcher am 17. Dezember, also am zweiten Tage nach dem Siege, auf dem Schlachtfelde eintraf, ebrte den
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„ alten Dessauer“ , indem er vom Pferde stieg , dem Fürsten unbedeckten
Hauptes entgegenging und ihn umarmte, zugleich in reichen Lobesspenden die harten Worte gut zu machen suchend, die er kurz vorher an den
Fürsten Leopold gerichtet. Vielleicht wäre es am Platze gewesen , wenn der Verfasser den in Betracht kommenden , bereits anderweitig veröffent lichten Briefwechsel zwischen dem Könige und dem Fürsten Leopold hier nochmals in den Anlagen wiedergegeben hätte , um so mehr, da derselbe doch die unmittelbare Veranlassung zur Schlacht war. Sehr beachtenswert sind auch die in den Anlagen enthaltenen Verlustlisten der preuſsischen Armee , welche Zahlen aufweisen , die sich denen unserer blutigsten Kämpfe im Kriege 1870/71 ebenbürtig zur Seite stellen können .
Serbien und die Serben von Spiridion Gopčević. Erster Band : Das Land . Mit 12 Tafeln, 2 Doppelbildern, 35 Holzschnitten im Text und einer Karte.
Leipzig, B. Elischer.
Spiridion Gopčević, der rührige bekannte südislavische Schriftsteller, der mit den Augen eines gebildeten Westeuropäers Land und Leute seines Stammlandes beurteilt und das Interesse für dieselben wachzurufen weiſs,
hat es sich zur Aufgabe gestellt, mit Hülfe einer Anzahl von einfluſs reichen und maſsgebenden Persönlichkeiten Serbiens, ein umfangreiches,
auf drei starke Quartbände veranschlagtes Prachtwerk über Serbien der Öffentlichkeit zu übergeben. Daſs Serbien bei der fort und fort gührenden
orientalischen Frage auch in Westeuropa und namentlich in Österreich Ungarn und Deutschland eine besondere Beachtung verdient, bedarf wohl keines besonderen Beweises.
Der erste 492 Quartseiten umfassende
Band dieses Prachtwerkes ist vor kurzem erschienen ; er schildert das „Land“ , unter welchen Begriff aber nicht nur das Geographische sondern die gesamten Einrichtungen des Landes gebracht sind ; so be handelt das zwanzigste Kapitel das Heerwesen . Nach einer interessanten
Schilderung der geschichtlichen Entwickelung des Heerwesens ist in diesem Abschnitte dargethan , wie wirkungsvoll Fürst Mihail (seit 1861 ) an der Hebung des serbischen Heerwesens gearbeitet und bei seinem leider nur zu frühen Tode dasselbe auf eine ungeahnte Höhe gebracht hatte. Unter >
dem Fürsten Milan wurde rüstig weiter geschafft, bis dann endlich durch Gesetz vom
31. Januar
1883 durch den Kriegsminister General Nikolič das serbische Heerwesen eine gänzliche Uingestaltung und die im Wesentlichen noch heute bestehende Organisation erhielt. Eingehend legt Gopčević den 12. Februar
jetzigen Zustand des Heeres klar und dürften seine Angaben wohl das Beste und Genaueste sein, was zur Zeit über diesen Gegenstand vorhanden
ist.. Ein sorgfältig ausgeführtes Vollbild führt uns die serbische Armee in ihrem Äuſseren vor Augen. - Diese Andeutungen werden genügen, um die Bedeutung des vorliegenden Werkes auch für militärische Kreise klar zu legen .
Die bekannte Schreibweise des Verfassers, die oft, des
Jahrbücher für die Deutsche Armoo und Marine.
Bd . LXVII , 3
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trocknen Tones satt, Selbsterlebtes und persönliche Anschauungen in sehr freier, aber doch stets die richtigen Grenzen einhaltender Art den er
müdenden Beschreibungen u. s. w. zu untermischen weiſs, giebt dem Buche noch einen besonderen Reiz ; man fühlt sich oft mit dem Verfasser , der
den gröſsten Teil des Landes aus eigener Anschauung kennt , mitten in die zu Betracht gebrachten Verhältnisse versetzt.
Berichtigungen :
Seite 246 Zeile 14 v. u. muſs es heiſsen „jungen“ st. „ jüngeren “. 4 ,,Äxte" st. Ärzte ". 248 249 2 Anmerk. , unterrichtetsten “ st. mzuverlässigsten ". 19
99
19
99
»
4 „, 350 " st. „ 352" . 252 letzte Zeile ist vor unternommen “ einzuschalten „nicht“ ,
251
19
99
254 Zeile 11 muſs es heiſsen „ unrittig “ st. „unwillig“. 254 13 v. u. ist nach „ älteren “ einzuschalten „Geschütze“.
Druck von A. Hanck in Berlin NW ., Dorotheoostr. 55.