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German Pages 756 Year 1889
Jahrbücher für die
deutsche Armee und Marine. Verantwortlich geleitet von
E. Schnackenburg Oberstlieutenant a. D.
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Bibi. ( THEE
Siebzigster Band. Januar bis März 1889.
BERLIN .
RICHARD WILHELMI. 1889 .
LOAN STACK
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Jan.- June
1889 iT IK
Inhalts -Verzeichnis. Seite
I. Zum Friedrichs -Tage. „ Über Belohnungen und Auszeichnungen im Heere Friedrich des Groſsen "
1
II. Ein Wort zur Marinefrage . III . Die Neugliederung der Landwehr und des Landsturmes in Italien IV .
Immer frisch Vorwärts ! Reiter -Gedanken .
V. Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges. Major a. D. ( Schluſs)
VI.
20 27 36
Von H. Kunz , 47
Der „ Entwurf“ eines neuen Exerzier -Reglements für die preuſsische Feld -Artillerie.
69
(Schluſs)
VII. Der Einfluſs des Wurffeuers und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung. Von v. Sauer , königl. bayer. Generallieutenant
81
VIII. Zur hundertjährigen Geschichte der preuſsischen Infanterie-Horn signale.
Nach amtlichen Quellen von Dr. Georg Thourek ,
Seconde- Lieutenant der Landwehr
90 99
IX. Abschaffung des Bajonettfechtens ? X.
Umschau in der Militär -Litteratur: I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III. Seewesen
.
104 111
119
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Dezember
eingegangenen Bücher An unsere Leser.
.
Zur Nachricht für die Herren Mitarbeiter
123 125
XI. Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793 und sein Verlauf nach Berichten des dem General Wurmser unterstellten hessischen Reichskontingents, Avant-Corps Schreiber (Marburger Staatsarchiv )
bearbeitet von Dechend , Premierlieutenant im hessischen Füsilier Regiment Nr. 80
126
.
XII. Gesichtspunkte für die Übungen gröſserer Kavallerie - Körper
146
XIII . Zur Ausbildung der Feldartillerie, hier deren Aufgaben im Ver bande eines Armee -Corps
.
152
XIV. Der Einfluſs des Wurffeuers und der Brisanzgeschosse auf die Be festigung. Von v. Sauer , königl. bayer. Generallieutenant (Schluſs) 177 XV.
Die Vereinheitlichung des schweizerischen Heerwesens
XVI. Die Küstenverteidigung. v. H. ... XVII. Nachrichten über Preuſsen in seiner groſsen Katastrophe v. Clause witz
191 208
221
Soite
XVIII.
Umschau in der Militär - Litteratur : Ausländische Zeitschriften Bücher Seewesen Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Januar ein
226 235
gegangenen Bücher . Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793 und sein Verlauf
247
I. II . III. IV.
XIX .
.
245
nach Berichten des dem General Wurmser unterstellten hessischen
Reichskontingents, Avant-Corps Schreiber (Marburger Staatsarchiv ) bearbeitet von Dechend , Premierlieutenant im hessischen Füsilier Regiment Nr . 80 (Schluſs) XX.
249
Der Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers auf
die Taktik .
.
280
XXI. Zur Ausbildung der Feldartillerie, hier deren Aufgaben im Ver bande eines Armee -Corps ( Schluſs)
XXII. Kavalleristische Betrachtungen XXIII. Der Seekrieg . XXIV. 200 Jahre Geschichte des Grenadier-Regiments König Friedrich I. ( 4. ostpreuſsisches ) Nr. 5 .
XXV. Militärische Erinnerungen an Moskau XXVI.
Uinschau auf militärtechnischem Gebiet
XXVII.
Umschau in der Militär- Litteratur :
I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III. Seewesen IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Februar ein gegangenen Bücher .
1
291 317
319 335 340 346
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" LC ,
I. Zum Friedrichs- Tage. „ Über Belohnungen und Auszeichnungen im Heere Friedrich des Groſsen .“ Einer altehrwürdigen preuſsischen Sitte huldigend , pflegen wir am 24. Januar in ehrfurchtsvoller Dankbarkeit des unvergeſslichen
Fürsten zu gedenken , dessen Leben und Thaten die Grundlage bilden für Preuſsens und des gesammten deutschen Vaterlandes Gröſse, Ruhm und Gedeihen , Friedrich des Groſsen .
Seinem
ruhmreichen Andenken seien die nachstehenden Zeilen geweiht, welche darzuthun versuchen , wie der König , zu dessen hervor ragenden Charakter-Eigenschaften die Dankbarkeit gehörte, seine verdienten treuen Waffengefährten zu belohnen und auszuzeichnen wuſste .
» Undankbarkeit , « sagt der König , ist das abscheulichste, schwärzeste und schändlichste von allen Lastern . Der Undankbare, welcher kein Gefühl für Wohlthaten hat , begeht ein Majestäts Verbrechen gegen die menschliche Gesellschaft ;« und an anderer Stelle : » Die Undankbarkeit ist im Privatleben ein häſsliches Laster, aber verabscheuungswürdig wird sie , wenn Fürsten oder Staaten der
Dankbarkeit ermangeln .« – Aus diesem Gefühl heraus , in wirk licher, gerechter Wertschätzung der Verdienste seiner Offi ziere und Soldaten um Thron und Vaterland, entsprang des
Königs nie sich verläugnende persönliche Teilnahme an deren Geschick. Unzählige, wahrhaft groſse Handlungen der Dankbarkeit und liebevollen Behandlung seiner Waffengefährten bezeichnen Friedrichs Lebensgang bis zu seinem Ende. Auch als Menschenkenner groſs und unvergleichlich, wuſste er, daſs Belohnungen und Strafen, in der richtigen Weise angewendet, ein Werkzeug groſser Thaten sind .
» Man muſs die Offiziere an feuern und sie auszeichnen , damit ein edler Wetteifer sie dahin Jahrbüchor für die Dentache Armee und Marine. Bd. LXX ., 1 .
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Zum Friedrichs - Tage.
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bringe, ihre Gegner zu übertreffen ,« sagt der König in seiner » Abhandlung über die Preuſsische Regierung «; und in der Ge schichte meiner Zeit : « » Strafen und Belohnungen, Tadel und Lob zur rechten Zeit angewendet, verändern den Geist der Mannschaft und bringen derselben eine Gesinnung bei , deren man sie in ihrem Naturzustande nicht für fähig gehalten hätte. « An Prinz Heinrich schreibt er um die Zeit des bayerischen Erbfolgekrieges: » Mit Strafen und Belohnungen leitet man die Menschen ; ich möchte
am liebsten nur Belohnungen spenden , aber das geht nicht immer. «
- Wer der letzteren teilhaftig wurde , der hatte es verdient und wahres Verdienst belohnte der König vielfach auch in wahrhaft königlicher Weise.
Die Belohnungen und Auszeichnungen im fridericianischen Heere sind der verschiedensten , dem gegebenen Falle meist auf das
Genaueste entsprechenden Art. Sie betrafen entweder die ganze Armee , bestimmte Truppenteile oder einzelne verdiente Offiziere und Soldaten ,
Als Friedrich zum ersten Male zu Felde zog , erlieſs er einen Marsch - Befehl an die Regimenter , in dem er an den alten Ruhm
der preuſsischen Waffen erinnert und sagt : » Ich werde selbst gegen wärtig sein und sehen , welche Offiziere sich auszeichnen oder ver
nachlässigen und verspreche denjenigen, so ihr devoir rechtschaffen und sich vor anderen hervorthun werden , daſs ich für ihr Glück
und Avancement Sorge tragen werde. « Nach der ersten gröſseren Waffenthat, der Einnahme von Glogau , kommandierte der König
selbst im Hauptquartier zu Schweidnitz mit gezogenem Degen die zur Feier dieses Ereignisses aufgestellte Parade. Jedem Gemeinen , der am Sturm Teil genommen , lieſs der König 1 Gulden , jedem Uuteroffizier 2 Gulden geben , » zu seiner Ergötzlichkeit. « » Die jenigen Grenadiers aber, « heiſst es in einem Briefe an den Eroberer 9
von Glogau, den Erbprinzen Leopold von Anhalt, » welche sich bei dieser Expedition sehr distinguiret , soll Jeden 4 Dukaten und denen , welche sich gar besonders distinguiret, jeden 10 Dukaten gegeben werden, wie denn Euer Liebden insonderheit die 4 Grena diers vom Glasenapp'schen Regiment (Nro. 1, Garnison Berlin), welche sich auf der einen Bastion so brav gezeiget haben , notiren
lassen und wenn hiernächst die Bataillons hierher kommen , Mir selbige zeigen sollen. Grüſsen Sie Carl (Markgraf Carl von Branden burg , Vetter des Königs , welcher sich beim Sturm sehr hervor gethan hatte) und alle unsere brave Officiers und sagen ihnen von
Meinetwegen , daſs ich es Ihnen mein Tage nicht vergessen werde
Zum Friedrichs - Tage.
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und bei allen Gelegenheiten sie vor Anderen suchen werde zu
avantagiren .«
Erbprinz Leopold selbst erhielt ein Geschenk von
20,000 Gulden mit dem Begleitschreiben : » Die Erkenntlichkeit, so ich gegen Sie habe , wird unsterblich sein und wird die Freund
schaft, so ich jeder Zeit für Sie gehabt , verdoppeln. « Dem Vater aber , dem alten Dessauer « schreibt der hocherfreute König : > Er hat wohl die schönste Aktion gethan , die in diesem Saeculo ge
schehen ist. « — Viele der beteiligten Offiziere erhielten den neu gestifteten Orden pour le Mérite und reiche Geldgeschenke. Nach dem herrlichen Siege von Czaslau offenbarte sich das
dankbare Gemüt des Königs in jeder Weise. Seine erste Sorge galt den gefallenen Helden , indem er – einzig in seiner Art einen Acker Landes zur gemeinsamen Bestattung kaufte , unter der Be
dingung , daſs derselbe 25 Jahre unbeackert bleiben sollte. Nach der Bestattung gaben die Truppen eine dreifache Salve, das » Tedeum
laudamus « wurde bei Trompeten und Paukenschlag angestimmt und allen Truppen bei der Parole für ihre Tapferkeit in folgenden Worten gedankt : » Weillen Ihre Königl. Maj. die gröſste Ursache von der Welt haben , mit Ihren braven und unüberwindlichen
Truppen zufrieden zu sein und da Sie geru diejenigen , welche Ihnen so gut und ehrlich dienen , auf alle Art und Weise durch Avancements und Rekompensen zu belohnen suchen, um ihnen auch >
ihre partikuliere Obligation dafür zu zeigen, so lassen sie durch gehends allen ihren Offiziers von der Infanterie und Kavallerie
vor ihre rechtschaffenen Dienste ...... auf das Allergnädigste danken ; und soll denen gemeinen Soldaten , sowohl von der Infanterie als von der Kavallerie auch gesagt werden , daſs Ihre Königl. Maj. vollkommen mit ihnen zufrieden sind . « Bei Kesselsdorf bezeugte der König dem >Dessauer « seine » höchste Zufriedenheit über den glorieusen Sieg , welchen Dieselben unter göttlichem Beistande über die sächsische Armee erfochten haben .... und könne er versichert sein , wie Ich Solches lebenslang erkennen
und Mir nichts angenehmer sein wird , als demselben Marques von Meiner Dankbarkeit, sowohl jetzt als vor die kommenden Zeiten zu
geben. Übrigens bitte ich, alle Meine Generals und Offiziers , so sich in dieser Aktion mit so vielem Eifer und Bravour in
Meinem Dienste signalisiret, aller Meiner Gnade und Erkennt lichkeit zu versichern und ihnen zuvörderst in Meinem Namen
vor ihr rechtschaffenes Betragen zu danken . « Nach der Leuthener Schlacht befahl der König der ganzen
Armee bekannt zu machen , wie sehr er mit ihrem tapferen 1*
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Zum Friedrichs - Tage.
Verhalten zufrieden sei. » Es ist unnöthig, « sagt der König in der in den Berlinischen Zeitungen veröffentlichten » Autentischen Rela tion , « » daran zu erinnern , daſs unsere ganze Armee vom Offizier bis zu dem gemeinen Mann , Wunder der Tapferkeit in dieser Bataille gethan. Man darf nur die That reden lassen ! « Ähnliche Befehle erfolgten nach jedem erfochtenen Siege ; ge
wöhnlich schlossen diese Danksagungen mit den Worten : » Der König sei gewiſs, daſs der Ruhm und die Ehre der Preuſsischen Waffen und die Sicherheit des Vaterlandes bestehen werden, so lange
einer der Offiziere lebe , die bei den vorgefallenen Treffen so viel Bravour gezeiget .« Einzelne Regimenter, mit welchen der König besonders zufrieden war, belobute er mit besonderen, direkt an die
Mannschaft gerichteten Worten des Lobes , welche meist , wie Augenzeugen versichern, von unbeschreiblicher Wirkung waren und von dem Geiste, der in des Groſsen Königs Heere lebte, ein schönes Zeugnis geben . Ein Offizier des Berliner Regiments Nr. 26 (im siebenjährigen Kriege von Meyerinck), der spätere Generalquartier
meister- Lieutenant v. Barsewisch , erzählt in seinem Tagebuch über die Schlacht von Leuthen : » Sr. Maj. waren auch so gnädig und dankten dem Regimente öffentlich nach der Schlacht vor ihrer Bravour und beschenkten die Officiers mit 14 Orden pour le Mérite und die Gemeinen mit 1500 Thalern und sagten dabei, daſs >>
Sie dem Regimente, welches sich bei Molwitz um Schlesien so verdient gemacht , die Erhaltung von Schlesien mehr als einmal verdanken konnten und daſs es ihnen niemalen Über ein nicht minder
in Vergessenheit gerathen sollte. «
braves Berliner Regiment, Nr. 23 (im siebenjährigen Kriege von Forkade), äuſserte der König einst bei Gelegenheit einer Besichtigung so laut , dass die Mannschaften es hören muſsten : >Wenn ich
Soldaten sehen will , muſs ich dies Regiment sehen ;« so berichtet
Archenholz, welcher in den Reihen dieser Mustertruppe gefochten bat . - Man kann sich denken , wie derartige Königliche Worte auf die Mannschaft wirkten .
Eine andere Art der Auszeichnung ganzer Truppenteile war die Verleihung eines » Ehren - Diploms« oder aber eines neuen » Regiments - Siegels « . Das Dragoner -Regiment Bayreuth erhielt für seine berühmte Siegesthat von Hohenfriedberg einen » König lichen Gnadenbrief und Diploma vor das bei der glorieusen Bataille bei Friedberg in Schlesien sich hervorgethane Dragoner -Regiment von Bayreuth , als ein öffentliches Bezeugniſs unserer vollkommenen und erkenntlichen Zufriedenheit. «
Dieser Gnaden brief wurde dem
Zum Friedrichs - Tage.
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Regiment bei versammelter, unter dem Gewehre stehender Mann schaft verlesen mit der Bestimmung, daſs derselbe für alle Zeiten bei den Regiments -Standarten aufbewahrt werde ; auſserdem verlieh der König dem Regimente das Recht, den > Grenadier - Marsch «
mit seinen Pauken , als auch den > Kürassier -Marsch « als Aus zeichnung zu schlagen und die Befugnis, die eroberten Trophäen (67 Fahnen, 4 Kanonen ; dazu die Jahreszahl 1745) im Regiments Siegel zu führen, desgleichen auf der Patronentasche die flammende Granate als Grenadier- d. h. Elite - Abzeichen . - » Eine einzige ,
so glorreiche That , « sagt der König bekanntlich in seinen
Schriften , » verdient mit goldenen Lettern in den Jahr büchern der Preuſsischen Geschichte verzeichnet zu wer
den ; « und : die Welt ruht nicht sicherer auf den Schultern des Atlas , als Preuſsen auf einem solchen Heere . «
Auch das Infanterie-Regiment von Jeetz (Nr. 30 ) erhielt für Kesselsdorf, wo es sich besonders hervorthat, ein neues Regiments Siegel, welches die Zahl der eroberten Geschütze andeutet mit der Überschrift:
Bataille bei Kesselsdorf, den 15. Dezember 1745.
Die schon erwähnte Erlaubnis, den > Grenadier -Marsch « zu
schlagen , erhielten auch das 1. Bataillon Münchow (Nr. 36) für Lowositz, die Regimenter von Lengefeld (Nr. 52), Rothkirch (Nr. 32)
für Gefecht von Zuckmantel 1779, das Dragoner-Regiment Jung Platen » für die glorieuse Aktion von Pretsch 1759« , u . v. A. Für Kesselsdorf gab der König folgenden Parolebefehl: > Weillen
sich die Regimenter bei der letzten Bataille so gut verhalten und so sehr distinguiret haben , so sollen alle Infanterie-Regimenter ( 15 an der Zahl) den Grenadier-Marsch schlagen, auch das Dragoner Regiment Bonin « ( jetzige lithauische Dragoner-Regiment Nr. 1 ) . Andererseits wurde den bei Maxen gefangen genommenen Regi mentern diese Ehre genommen ; dasselbe geschah dem Infanterie Regimente Tettenborn ( Nr. 11 ) bei der Revue 1772 ; doch im folgenden Jahre erhielt dasselbe ihn wieder.
Einzelne Kavallerie-Regimenter erhielten als Auszeichnung das Recht , von ihnen eroberte silberne Pauken fortan führen zu
dürfen , so Zieten-Husaren (Nr. 2) und Ruescb -Husaren (Nr. 5) die bei Katholisch -Hennersdorf erworbenen der sächsischen Kürassier
Regimenter; ferner Dragoner-Regiment Finck v. Finckenstein (Nr. 10) diejenigen des französischen Regiments Bedford. - Obschon der
König an der Uniformierung , wie er sie von seinem Vater über kommen hatte , im Allgemeinen sehr wenig änderte, so bestanden doch bei mehreren Regimenter ehrenvolle besondere Abzeichen ;
Zum Friedrichs - Tage.
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Regiment Anhalt (Nr. 3) und das Grenadier -Garde - Bataillon (Nr. 6) hatten an den Säbeltroddeln lederne Faustriemen ; das erst genannte Regiment führte statt der gebogenen Seitengewehre kurze, gerad
klingige Pallasche und genofs den Vorzug , die Bärte nicht auf färben zu müssen .
Übrigens hatten nicht alle Infanterie- und
Kavallerie-Regimenter Bärte, z . B. die Dragoner-Regimenter Nr. 5 und Nr. 6 nicht.
Sicher ist nur , daſs sämtliche Grenadier
Compagnien , also die Elite der Infanterie, solche tragen durften , desgleichen die Husaren . Die Grenadiere vom Infanterie-Regiment Nr. 12 hatten einen groſsen schwarzen Adler vorn auf dem Schilde
der Grenadiermütze , diejenigen des Regiments Nr. 11 einen der gleichen in emailliertem Schilde.
Die Infanterie - Regimenter
Nr. 1 und Nr. 13 genossen des besonderen ehrenden Vorrechtes, bei Paraden stets nebeneinander, ohne Rücksicht auf das sonst maſs gebende Dienstalter der Chefs, unmittelbar hinter der Garde zu rangieren. Ein Bataillon des Infanterie - Regiments Finck
(Nr. 12), welches sich beim Überfall des Transportes bei Dom stadtel, während der Belagerung von Ollmütz, vorzüglich benahm , wurde vom Könige , als es in das Lager einrückte, dadurch aus
gezeichnet, daſs es ebenfalls »gleich hinter der Garde « marschieren durfte.
Die Entziehung ehrender Auszeichnung als Strafe schlechten Verhaltens traf die davon berührten Regimenter in der empfindlichsten Weise. In seiner berühmten Rede vor der Leuthener Schlacht bedrohete der König jedes Kavallerie- Regiment, welches sich nicht unaufhaltsam in den Feind stürzen würde, er werde es
nach der Schlacht absitzen lassen und zu einem Garnison -Regiment
machen ; dasjenige Bataillon Infanterie, welches beim Angriff stockte, sollte Fahnen , Säbel und die Borten an der Montur verlieren . Diese
Strafe traf wirklich während der Belagerung von Dresden 1760 das berühmte Regiment Anhalt wegen seines Verhaltens bei einem nächtlichen Ausfall der Belagerten. Die Offiziere verloren ihre Hut-Tressen , die Soldaten ihre Bandlitzen und Seitengewehre; die Tambours durften den Grenadier-Marsch nicht mehr schlagen. Erst
bei Liegnitz , wo das Regiment sich auſserordentlich hervorthat, erbielt es das Verlorene wieder.
In dem Parolebefehle nach der
Schlacht heiſst es : » Sr. Majestät wollen ihnen in Breslau die Tressen selbst wieder kaufen und ihnen die Pallasche wieder geben lassen .
Da es zu damaliger Zeit weder Orden noch Medaillen als Ehrenzeichen für Unteroffiziere und Mannschaften gab, so belohnte
Zum Friedrichs - Tage.
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diese, wie schon angedeutet, der König des Öfteren in freigebigster Weise mit Geldgeschenken. Beim Abmarsch von der Berliner Revue 1751 empfing das Bayreuth - Dragoner - Regiment eine be deutende Summe für diejenigen Dragoner, » welche bei der glorieusen Bataille von Hohenfriedberg gewesen . «
Den Unteroffizieren der
Infanterie-Regimenter Prinz Heinrich (Nr.35) und Münchow (Nr. 36 ), welche sich in dem nächtlichen Gefecht bei Hirschberg (2. Februar 1757) ausgezeichnet hatten , befahl der König - » von Meinet
wegen« – 2 Dukaten , jedem Gemeinen 2 Thaler zu geben ; das Kürassier-Regiment Schlabrendorf (Nr. 1 ) erhielt für Liegnitz , wo es 5 Fahnen eroberte , 1000 Thaler.
Die Mannschaften des In
fanterie - Regiments la Motte (Nr. 17), welche bei Soor gefochten hatten , erhielten bei der Revue allemal 4, die, welche bei Hohen friedberg gewesen, 8 Groschen. Jeder Mann vom 1. Bataillon Garde,
der bei Molwitz gefochten, empfing lebenslänglich vom Könige eine monatliche Zulage von 1 Thaler. Für eroberte Fahnen , Standarten und Geschütze wurden be
sondere Belohnungen , die sogenannten » Douceur - Gelder « ge spendet , deren Höhe eine verschiedene war , und zwar wurde die Eroberung einer Fahne, beziehungsweise Standarte geringer belohnt als die einer Kanone, da zu jener Zeit jede Compagnie,
beziehungsweise Eskadron , Feldzeichen führten (ohne dieses wäre die Eroberung von 67 Fahnen durch das Regiment Bayreuth bei Hohenfried berg eine Unmöglichkeit gewesen). Vor der Schlacht bei Leuthen, so versichert Barsewisch, versprach der König für jede eroberte Kanone 100 Dukaten zu zahlen , nach Liegnitz zahlte er 40 , für eine Fahne 10 Dukaten . Bei Gelegenheit der Berliner-Revue 1781 erwähnen die Zeitungen
bereits » Revue-Geschenke für die beständig Dienst thuenden Unter offiziere und Gemeinen . «
Noch ist zu erwähnen , daſs der König , mindestens zur Zeit der beiden schlesischen Kriege, in den offiziellen , in den Zeitungen bekannt gemachten Kriegs - Berichten (Relationen) sowohl die
Offiziere als auch die Truppenteile, welche sich hervorgethan hatten, besonders namhaft machte, dann mit seinem Lobe nicht geizend. Nach dem Hubertsburger Frieden führte der König eine be sondere Art der Belohnung des Wohlverhaltens ganzer Regimenter ein. Ausgezeichnete Regimenter erhielten , wegen des im letzten
Kriege bezeigten Verhaltens die allergnädigste Erlaubnis , alle Anfragen , als Beurlaubungen, Permission zu Heiraten, Vorschläge
zum Avançement und desgleichen, alle Rapports (an Sr. Majestät)
Zum Friedrichs - Tage.
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nach wie vor immediate (d. h. ohne Genehmigung , wenn schon mit Benachrichtigung der neu eingeführten General-Inspekteure) zu thun. « Dieser Vergünstigung warden teilhaftig 13 Kavallerie und 21 Infanterie-Regimenter. Andere, zum teil dieselben Regi menter , erbielten , als der König nach dem Kriege die Werbung selbst in die Hand nahm, die Vergünstigung » auf alten Fuſs
zu
verbleiben , d . h . sie bezogen den Sold sämtlicher Beurlaubten und warben selbst ; es waren dies bei der Infanterie und Kavallerie je 9 , dazu auch einige Garnison -Regimenter und Grenadier- Bataillone. — Auch die Zahl der Beurlaubten , deren Gehalt dem Compagnie Chef zu Gute kam , bestimmte der König als Belohnung des Wohlverhaltens ganzer Regimenter oder des Gegenteiles. Die Husaren -Regimenter Zieten und Werner erhielten die Erlaubnis , stets so stark zu sein , wie sie wollten , d. h. sie erhielten die
Bezahlung nach dem wirklichen Bestande , ohne sich an den Etat binden zu müssen.
Fügen wir noch hinzu , daſs selbst die Invaliden -Wohl tbaten , ohnehin damals eine Gnadensache , von dem Könige als eine Belohnung für das gute Verhalten verliehen , ganzen Regi mentern aber entzogen wurden . » Einige Regimenter,« sagt der König in seinem Militärischen Testament, »haben sich im Kriege 7
so schlecht benommen , daſs deren Invaliden von den für die
übrigen vorgesehenen Wohlthaten ausgeschlossen bleiben ; Strafen und Belohnungen müssen den geleisteten Diensten ent sprechen . « Alle diese Maſsregeln , deren letztgenannte eine unleugbare
Härte nicht verkennen läſst, bezweckten einzig und allein Kräftigung eines der wirksamsten moralischen Hebels , des die fridericianische
Armee in hohem Grade auszeichnenden Corps - Geistes ; dieser war es, das wuſste der König, welcher, zumal bei der Zusammensetzung der Regimenter aus Leuten aller Herren Länder , das Gefühl der Zusammengehörigkeit und gemeinsamen Standesehre erzeugte , die Schwachen und Neulinge mit sich fortriſs, die Widerstrebenden aber zermalmte.
Hervorragende Thaten einzelner Unteroffiziere und
Soldaten belohnte der König auch durch Beförderung zu einer höheren Charge selbst mit Überspringung mehrerer Chargen. In der
» Instruktion
Bataillons
Kommandeurs der Regimenter und für die Kommandeurs » Sollten sich mauk (zwischen ) den Unter
heiſst es :
offizieren dergleichen so hervor thun, daſs sie sich sehr distinguiren, so sollen sie nicht allein Offiziere werden , sondern auch eines
Zum Friedrichs -Tage.
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Adels- Patentes sich verdient machen ; ingleichen , wenn bei den gemeinen Burschen welche sind , die mehr thun wie die anderen,
sollen solche vorzüglich zu Unteroffizieren avanciret werden und sollten sie sich vorzüglich durch ihre Bravour distinguiret haben , so soll es Sr. Majestät gemeldet werden . «
Ähnlich lautet die
Instruktion für die Kavallerie- Regimenter und Husaren. Schon das Kavallerie-Reglement von 1743 bestimmt: „ Wenn ein Reuter vor seinem Feinde eine brave Aktion gethan , soll selbiger vor allen anderen befördert und zum Wachtmeister auch wohl zum Offizier
vorgeschlagen werden . « --- Barsewisch berichtet , der König habe
vor der Schlacht von Leuthen versprochen, daſs ein jeder Offizier, so zuerst die feindliche Schanze erstiegen, den Orden pour le Mérite erhalten solle, ein Unteroffizier und Gemeiner aber ein pas
avançiren. « Beförderungen von Unteroffizieren , auch nicht adeligen Herkommens, waren in der preuſsischen alten Armee -
keineswegs eine Seltenheit. Mancher tüchtige, diensterfahrene Unter offizier ist, oft erst nach 30jähriger Dienstzeit und mit ergrauten Haaren , zum Offizier befördert worden .
Nach der Schlacht bei
Czaslau wurden beim Dragoner- Regiment Werdeck [Nr. 7) 5 Unter
offiziere mit Übergehung der Fähnrich - Charge zum Lieutenant befördert.
Das Infanterie - Regiment Anhalt zählte im Jahre 1763 nach dem Friedensschlusse 7 vormalige, für Auszeichnung vor dem Feinde -
zu Offizieren beförderte Unteroffiziere in seinen Reihen .
Ein Unter
offizier Zander vom Infanterie -Regiment Grävenitz (Nr. 20 ) wurde
auf Grund einer kühnen That bei Belagerung von Brieg 1741 vom Könige sogar zum Hauptmann bei einem Garnison - Regimente
Die meisten der im Kriege zu Offizieren Beförderten wurden allerdings nach dem Frieden aus guten Gründen zu Garnison ernannt.
Regimentern versetzt oder in auskömmlichen Civilstellungen ver
sorgt. Einige sind freilich bis in die höchsten Stellen aufgerückt, so der 1796 verstorbene General der Infanterie und Kriegsminister v. Rohdich und der 1804 verstorbene Generalmajor Tobias v. Kümpel. Von den seltenen Fällen direkter Beförderung eines Gemeinen zum Offizier vermögen wir nur zwei namhaft zu machen. Der eine betrifft einen Musketier David Krauel vom Regiment Bevern (Nr. 7), welcher für heldenmüthigstes Benehmen bei Erstürmung des Ziska Berges vor Prag 1744 zum Lientenant befördert und unter dem
Namen > Krauel vom Ziska - Berge « in den Adelstand erhoben wurde; derselbe war damals schon 28 Jahre im Dienste und 50 Jahre alt .
Die Berliner Zeitungen meldeten über den Vorfall : > Dass ein
Zum Friedrichs - Tage.
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gemeiner Soldat zuerst eine Bastion erstiegen und sich, nachdem er
all' sein Pulver und Blei verschossen , mit dem Degen in der Faust, so lange defendiret, bis die übrigen gefolget und dies Werk erobert. Sr. Majestät haben hierauf zur Belohnung dieser heroischen That und erwiesenen groſsen Bravour gedachten Soldaten in seiner gemeinen
Montur an die Königliche Marschallstafel ziehen lassen, ihn mit einer wichtigen Summe Geldes beschenkt und zum Lieutenant deklarirt, wie denn auch derselbe besonders von des Generalfeldmarschalls und
Erbprinzen von Anhalt Durchlaucht die Dukaten-Börse erhalten hat. Der zweite Fall betrifft einen Dragoner vom Regiment Prinz von Würtemberg (Nr. 12), welcher im Treffen von Reichenberg 1757 seinen Regiments -Chef aus den ihn umringenden Feinden glücklich
Orden « erhalten * ). Verdienstvolle Offiziere im Generals-Range belohnte der König in bei Weitem ausgedehnterer Weise, wie dies
jetzt üblich ist, mit dem Schwarzen Adler - Orden . Im Ganzen haben während der Regierung Friedrichs des Grossen 97 Generale, abgesehen von preuſsischen Prinzen, laut Stammliste von 1806 , den selben erhalten. Man nannte ihn den » groſsen Orden« zum Unter scbjede vom » kleinen Orden «, dem Orden pour le mérite, für welchen auch vielfach der Ausdruck » Gnaden-Kreuz« gebraucht wurde.
Wer
den Schwarzen - Adler empfing, reichte, sofern er Ritter des Ordens pour le Mérite war, den letzteren zurück, wie dies gegenwärtig bei Verleihung der höheren Klasse eines Ordens mit der bis dahin ge
tragenen niederen geschieht. Beide Ordenszeichen konnten deshalb gleichzeitig nicht von einer und derselben Person getragen werden. In vielen Fällen erfolgte die Verleihung unmittelbar auf dem
Schlachtfelde von des Königs eigener Hand ; sie hatte dann einen um so höheren Wert.
Als Fürst Leopold von Dessau am 17. Dezember
1745 seinen Sohn Moritz dem Könige als denjenigen vorstellte, welcher für die Erreichung des Sieges von Kesselsdorf das Wesent lichste geleistet hätte, hing demselben der König den von ihm selbst getragenen Orden um.
General du Moulin erhielt ihn für
Hohenfriedberg, desgleichen Posadowsky, Lattorf für die tapfere Verteidigung von Cosel, Kalckstein 1741 für die Einnahme von
Brieg, Zieten am Tage vor der Prager Schlacht.
Als eine ganz
auſserordentliche Auszeichnung erscheint es, daſs Graf Rothenburg als General - Major (32 Jahre alt) für Czaslau, Seydlitz ebenso für Roſsbach (35 Jahre alt) den Schwarzen Adler - Orden empfingen, da
derselbe im Übrigen nur an General -Lieutenants verliehen wurde . Trotz der nicht eben seltenen Verleihung des Ordens erfolgte dieselbe doch nach strengen Grundsätzen , mancher verdienstvolle General hat
ihn überhaupt nicht erbalten , so Wunsch und Platen ; dagegen wurde derselbe manchem General -Lieutenant sogleich bei seiner Beförderung *) Genaueres über die Geschichte dieses Ordens, desgleichen ein namentliches Verzeichnis der von Friedrich dem Grossen ernannten Ritter dieses Ordens ent halten das 5. Beiheft 1872, und das 1. Beiheft 1885 und 87 des Militär-Wochen blattes,
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Zum Friedrichs -Tage.
erteilt, wie dies aus der Rangliste 1784 bei den General - Lieutenants v. Saldern, Zaremba, Lengefeld, Billerbeck und Braun ersichtlich ist . In letzt genanntem Jahre trugen 15 Generale gleichzeitig, ungerechnet die Prinzen, diesen Orden , eine Zahl, welche wohl in der neueren Zeit niemals wieder erreicht worden ist.
Eine besondere, fast gar nicht bekannte, freilich nur in drei Fällen bis jetzt nachweisbare Auszeichnung erhielten hochverdiente Generale, welche den Schwarzen Adler-Orden schon besaſsen, durch Verleihung eines Bildnisses des Königs in Medaillonform , welches, reich mit Brillanten geschmückt, auf der linken Brust im Knopfloch getragen wurde ; diese drei Fälle betreffen Buddenbrock (nach dem Breslauer Frieden) , Lewaldt und Dossow , wie auch der >
letztgenannten Bildnisse im Feldmarschall - Saal des Lichterfelder -
Kadetten- Corps deutlich erkennen lassen .
Auch der Medaillen zur Erinnerung an denkwürdige Tage müssen wir gedenken , welche der König an verdienstvolle Offiziere verlieh , so die Molwitzer, Soorer und schlesische Huldigungs Medaille, nicht minder die Leuthener ; in der Münzsammlung des Königlichen Museums in Berlin sind dieselben sämtlich enthalten . Als der König am 9. November 1741 dem General der Infanterie
Prinzen Leopold von Dessau 23 goldene und silberne Huldigungs Medaillen schickte, - für ihn, den Prinzen selbst, ferner für die
Generale v. Kalckstein , Jeetze, Derschau, die Obersten v. Lestwitz, Bismarck, Bornstädt, die Oberst- Lieutenants v. Götze , Buntsch ,
Hobeck, Varenne und die Majors v. Retzow und Lüderitz — schrieb derselbe dabei : » Euer Liebden haben ihnen solche in Meinem Namen
zuzusenden, zugleich aber denen , welche von ihnen mit in der Bataillie gewesen, zu vermelden , wie dass Ich ihnen die Medaille zuschickte, zu welcher Sie die Stempel gemacht hätten . «
Eine besondere Erwähnung verdient die Colberger Medaille , zur Erinnerung an die Verteidigung dieser Festung gegen die Russen durch Major v. d . Heyde und den Entsatz derselben durch General v. Werner. Die tapferen Thaten beider Männer hatten einige Patrioten , an deren Spitze Professor Sulzer, bewogen , die Er laubnis des Königs zur Ausprägung einiger Gedächtnismünzen zu erbitten . Der König erwiderte (Juni 1871) , Sulzer sei ihm zuvor gekommen, es habe ihm unter den bestehenden Verhältnissen nur
an Gelegenheit gefehlt, so verdiente Männer entsprechend zu be lohnen . Friedrich nahm das Geschenk der goldenen Médaillen auf sich ; dieselben zeigen auf der Vorderseite die Inschrift: » Sigismund v.d. Heyde, Colbergae defensor, « beziehungsweise » Paulus a Werner,
Zum Friedrichs - Tage.
13
Colbergae liberator ; « auf der Rückseite die Stadt Colberg, sinnbild lich eine Darstellung der Befreiung dieser Festung, mit der Umschrift » Res similis fictae « und » Pomerania liberata MDCCLX . «
Die Über
sendung dieser Medaillen war von einem besonders gnädigen König lichen Handschreiben begleitet, in welchem der König den Wunsch äuſsert, >>das Andenken (dieser That) durch gegenwärtige Medaille
auch auf die späteste Nachwelt bringen zu lassen. « Heyde wurde überdies mit Übergehung der Oberstlieutenants -Charge zum Oberst befördert und erbielt den Orden pour le Mérite; Werner wurde auſser der Reihe General- Lieutenant und empfing ein Geschenk von 2000 Thalern .
Zu den äuſserlichen Auszeichnungen rechnet auch die Ver leihung von Ehrensäbeln und Degen ; erstere erfolgte an ver dienstvolle Husaren -Offiziere ; Zieten, Seydlitz (bis 1753 bei den Husaren) , Warnéry, Bronikowsky und Vippach erbielten 1746 nach dem 2. schlesischen Kriege, Wartenberg 1753 bei der Revue kostbare türkische Säbel.
Den Offizieren des Dragoner- Regiments Finkenstein
(Nr. 10) schenkte der König, zum Andenken an das ruhmvolle Gefecht von Kloster Wahlstadt, silberne Pallasche mit dem schwarzen Adler, dem Regiment aber 3000 Thaler ; den Offizieren der Infanterie-Regimenter Nr. 22 und 27 verlieh der König bei einer anderen Gelegenheit gravierte, schön verzierte Degen . Auch ehrende Uniform - Abzeichen für Offiziere ge währte der König. Die Offiziere der Regimenter Nr . 13, 28 , 34 , 46, 47 trugen Achselbänder ; die des Regiments Nr. 13 erhielten solche, als der Zaar Peter III . Chef dieses Regimentes wurde; Nr. 28 (Zaremba) ausdrücklich »zur Bezeigung der Allerhöchsten Zufrieden heit während des Feldzuges 1778. «
Die Offiziere des Regiments
Nr. 11 durften Kokarden an den Hüten tragen, was sonst nicht üblich war .
Eine anderweitige, vom Könige in ziemlich umfangreicher Weise verliehene Auszeichnung bilden die Standeserhöhungen , deren der König im Ganzen 110 an Offiziere verliehen hat, in vielen
Fällen gleichzeitig mit Verleihung des Ordens pour le Mérite. Wie Friedrich hierüber dachte, erhellt aus einem Bescheide an einen um das Adelsprädikat einkommenden Kammergerichts-Assessor, dem der König erwiderte : » On devient noble par l'épée et non par plume .« Dem General v. Dieskau , welcher sich 1773 um die Nobilitierung zweier Artillerie -Offiziere bemühete, erwiederte der König: » Die Standeserhöhung bin Ich nur an Offiziere , die sich auſser ordentlich im Felde distinguiret haben , zu verleihen gewöhnt.
>Die Feldzüge Friedrichs II . , « der König
Präbenden « und Pfründen von den Beschenkten auch mit Königlicher Erlaubnis verkauft werden. Der langjährige Gouverneur von Berlin , General v. Ramin , ein beim Könige in hoher Gunst stehender, sehr diensteifriger Offizier, erhielt fast regelmäſsig zu Neujahr ent weder ein Geldgeschenk von mehreren 1000 Thalern » zur Bezeigung Höchstdero
besonderer
Zufriedenheit
über den
Diensteifer Sr.
Exzellenz, « (wie die Berliner Zeitungen nicht zu melden verfehlten ) oder aber ein schönes Reitpferd, ein kostbares Porzellan -Service , auch einmal » zwei kostbare, türkische , reich mit Gold , Silber und
Diamanten ausgelegte Flinten , nebst verschiedenen Sorten Wein . « -
In welch' Königlicher Weise Friedrich seinen alten Zieten be lohnt hat, wie er seinem vormaligen Lehrmeister und Groſsmeister
des Rheinsberger Bayard -Ordens, Fouqué, als derselbe krank und hipfällig in Brandenburg als » Domherr« seine letzten Lebensjahre verbrachte, den Tribut seiner nie zu erschöpfenden Dankbarkeit
abgetragen hat, ist bekannt genug. » Die Ausdrücke fehlen mir, « schreibt am 24. Oktober 1768 der dankbare General dem Könige, > für die Gröſse meiner Dankbarkeit ; indessen , Euer Majestät, ver
sichere ich aufrichtig, daſs alle Schätze, die Sie an mir verschwenden , weniger Eindruck auf mich machen , als die gnaden vollen Aus drücke , mit welchen Sie solche zu begleiten geruhen .« Den verdienstvollen General von Nassau ernannte der König 1744 zum General-Lieutenant , gleichzeitig zum Ritter des Schwarzen Adler-Ordens, 1746 erhob er ihn in den Grafenstand, schenkte ihm mehrere Präbenden und eine wertvolle Dose, in welcher ein vom
Könige eigenhändig geschriebenes Blättchen mit Versicherung der Königlichen Gnade lag; seine Verdienste wurden in dem ihm ver
liehenen Grafen - Diplom auf Königlichen Befehl besonders namhaft gemacht.
Doch des Königs Dankbarkeit erlosch selbst mit dem Tode seiner Waffengefährten nicht ; auch auf die Witwen und Waisen
derselben hat er sie in reichstem Maſse übertragen und , so weit es seine Mittel erlaubten, wie ein Vater für dieselben gesorgt; wir müssen es uns versagen, auf dieses Thema näher einzugehen .
Es verdient besonders bemerkt zu werden, daſs Friedrich der erste
Monarch
gewesen
ist ,
welcher
Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXX., 1 .
verdienstvollen 2
Zum Friedrichs - Tage.
18
Männern
öffentliche
Denkmäler
setzen
liefs.
Nach
dem
siebenjährigen Kriege wurden die marmornen Bildsäulen Schwerin's,
Winterfeld's, Seydlitz und Keith's (letztere noch wenige Monate vor des Königs Tode) auf dem Wilhelmsplatze in Berlin aufgestellt; auch genehmigte der König, daſs vier vom Hofmaler Rohde gemalte allegorische Bildnisse, auf Schwerin's, Winterfeld's, Keith's und des bei Kunersdorf gebliebenen Dichters Ewald v. Kleist Heldentod be züglich, in der Garnisonkirche eine bleibende Stätte fänden. Nach Seydlitz Tode befahl der König, daſs die gesamten Stabs
offiziere der schlesischen Kavallerie-Inspektion, sowie der Berliner Kavallerie -Regimenter 14 Tage mit dem Flor um den Arm um diesen unvergleichlichen Reiterführer trauern sollten .
Das schönste Denkmal Königlicher Dankbarkeit aber hat Friedrich seinem tapferen Heere in seinen nach gelassenen Schriften gestiftet. In der » Geschichte meiner Zeit « sagt der König : »Die Erzählung meiner Feldzüge wird nur kurz die merk würdigsten Begebenheiten enthalten ; doch werde ich nicht den unsterblichen Ruhm verschweigen, den so viele meiner Offiziere in denselben sich erworben haben .
Dieses Werk soll ein Denkmal der
Tapferkeit und des Ruhmes meiner Offiziere sein , welche sich um das Vaterland so wohl verdient gemacht haben . « Der Biograph des Groſsen Königs, Preuss, nennt treffend die Geschichte der beiden ersten schlesischen Kriege » Das Buch der Dankbarkeit« , so sehr befleiſsigt sich der Königliche Schriftsteller, seinem Vorsatze getreu , jeden Namen, jede That dem Tempel der Unsterblichkeit zu weihen.
Zum Ruhme seiner Armee sagt der König : » Eine solche Armee war fähig, einen General aus der Verlegenheit zu ziehen ; ihrer Tapferkeit danke ich alle meine kriegerischen Erfolge. Die Preuſsen kämpften für Ehre und Ruhm .
Alle Theile des Heeres wetteiferten
in gleichem Maaſse, jene Disziplin zu bewahren, welche ehemals die Römer zu Siegern der Welt gemacht hat. « – Ebenso werden die einzelnen hervorragenden Thaten namentlich verherrlicht. Den -
Grenadier -Major Georg v. Wedell, welcher 1744 bei Sulowitz mit seinem Bataillon allein dem nachdrängenden Feinde den Elbübergang , obschon er im Feuer von 50 Geschützen stand,, streitig machte,
nennt der König enthusiastisch den » Preuſsischen Leonidas. « Vom Markgrafen Carl sagt er, » derselbe habe Proben der Tapferkeit ge geben , welche seiner Abstammung vom Groſsen Kurfürsten würdig
seien . « – Wie er die Helden von Hohenfriedberg in seinen Schriften
ehrte, wissen wir. Auch die Geschichte des siebenjährigen Krieges«, nicht minder seine zahlreichen Briefe aus dem Feldlager, enthalten
Zum Friedrichs - Tage.
19
zahlreiche begeisterte Lobsprüche seiner heldenhaften Offiziere. Fouqué wird vom Könige, wegen seiner vorzüglichen Operationen nach der Schlacht bei Leuthen schwungvoll als » Imperator« begrüſst ; ähnliche ehrende Worte hat er für Moller, Tauentzien , Möllendorf,
Zieten ; den Major v. Lange, welcher den Kirchhof von Hochkirch heldenkühn verteidigte, den Rittmeister v. Prittwitz, ohne welchen Friedrich bei Kunersdorf dem Feinde in die Hände gefallen wäre , Lestwitz, Belling, Werner, Keith und andere.
In seinem Testamente empfiehlt Friedrich 1768 die Offiziere, welche den Krieg mitgemacht haben, der Fürsorge seines Nachfolgers > mit aller Wärme der Zuneigung !«
Auch poetisch hat der König seine Kriegsgefährten verherrlicht.
In seiner Lobrede auf den verstorbenen General
v. Stille (Épitre à Stille. Oeuvres X. 134) feiert der König die gefallenen Helden der beiden schlesischen Kriege.
An Voltaire,
welcher gleichzeitig eine Lobrede auf dieselben verfaſst hatte, schreibt er : » Ich bin überrascht, daſs wir, ohne es zu wissen , in der Wahl
desselben Gegenstandes zusammengetroffen sind . Der Kummer , welchen mir der Verlust einiger Freunde verursachte, regte mich an , ihnen wenigstens nach ihrem Tode einen kleinen Tribut der Erkennt lichkeit zu entrichten ;« und einige Zeit darauf: » Staatsursachen
nöthigten mich, meine armen Offiziere Gefahren auszusetzen, in denen sie ihr Leben verloren. Konnte ich nun weniger thun , als ihre Grabmäler mit einfachen und wahren Inschriften schmücken ?
»Wer sein Vaterland rettet « , sagt der König in diesem herrlichen Gedicht, »ist ein Gott auf Erden ! Ihr preuſsischen Helden habt diejenigen des Alterthums übertroffen . Ja , ihr edlen Todten , wir beweinen Euch ; unsere Dankbarkeit
kann nur gleichen Schritt halten mit Euren Tugenden . « Wahrlich : Edler und gröſser hat nie ein Fürst Verdienste zu Schbg belohnen gewuſst als Friedrich der Grosse !
* 2
II. Ein Wort zur Marinefrage. Vier Decennien sind verflossen, seit in den Stürmen des Jahres 1848 zuerst der Schrei nach einer deutschen Flotte zum Schutze
der deutschen Küsten gegen das kleine aber unternehmungs lustige Dänemark erscholl. Jeder weiſs, wie schnell das Produkt dieses Strohfeuer - Enthusiasmus dahinschwand und unter dem Hammer
des Auktionators endete ; aber nur wenigen ist die mühevolle, oft scheinbar aussichtslose Arbeit, das ununterbrochene Ringen und Kämpfen der preuſsischen, nachmaligen norddeutschen Marine gegen die durch ungünstige Einflüsse u . s. w. hervorgerufenen Schwierig keiten bekannt , unter welchen sie nur kümmerlich ihr Leben zu fristen im Stande war. Erst als Morgengabe dem neu erstandenen
deutschen Reiche mitgebracht , hat sie sich in kürzester Zeit zu dieser verhältnismäſsigen Blüte entfaltet. An bitteren Prüfungsstunden hat es dem jüngsten Kinde in der
Organisation unserer Wehrkraft in seiner Entwickelungsperiode wahrlich nicht gefehlt, das wissen die genau , die ihm während jener Zeit angehört haben , die es besonders tief und schmerzlich 9
empfinden muſsten , wenn die Marine von den Kameraden der Armee als Stiefkind angesehen wurde , wenn Mancher sie als einen
Auswuchs der Revolution mit scheelen Augen betrachtete. Wer Beispiele hierfür haben will , dem empfehlen wir die bemerkens werten Schilderungen im Oktoberheft der Preuſsischen Jahrbücher 1888 unter der Überschrift : » Prinz Adalbert und die Anfänge unserer Flotte , « aus der Feder des Vice -Admirals z. D. Batsch zu lesen .
Zwar teilen wir nicht überall die Ansichten des Herrn
Verfassers und hätten gewünscht, manches wäre von ihm mit dem Mantel der Liebe verdeckt worden , doch sind sie in mancher
Beziehung immerhin lehrreich . Ein besonderer Nachteil für die junge Waffe war es , daſs sie
die ganze Zeit am Gängelbande der Armee dadurch geführt worden ist, daſs meistens ein General an ihrer Spitze stand. Umsomehr ist es jetzt mit Genugthuung zu begrüſsen , daſs man endlich einen
Ein Wort zur Marinefrage.
21
See offizier mit der Leitung der Marineangelegenheiten betraut
hat. Wir beabsichtigen keineswegs den früheren Chefs der Marine Verwaltung ihre Verdienste für das ihnen unterstellte Ressort zu schmälern . Sie waren Männer des festen Willens , die von der Richtigkeit ihrer Anschauungen unerschütterlich überzeugt waren ,
die aber leider die sich ihnen entgegenstellenden Thatsachen nicht immer als solche anerkennen wollten .
Zweifelsohne muſs es eine
äuſserst schwierige Aufgabe für Männer in so vorgerückten Jahren gewesen sein , das Kommando über eine dem ganzen Wesen und der Berufsthätigkeit nach ihnen fremde Waffe, die Verwaltung eines so complicierten Materials zu übernehmen , von denen ihnen schon die Nomenklatur , geschweige denn das ganze Getriebe vom Alpha bis zum Omega eine terra incognita war ; eine Stellung , die der Natur der Sache nach so ganz mit ihren früheren Lebens gewohnheiten und Lebensanschauungen divergierte. Sie haben gewiſs groſse Verdienste, sei es um die Hebung und Entwickelung des vaterländischen Schiffbaus und der Eisenindustrie, sei es in
organisatorischer Beziehung um die Marine allein , ob sie ein voll kommenes Verständnis für die ihnen ganz neue Institution gehabt haben ,
haben konnten
–
möchten wir dennoch bezweifeln .
An Fehlgriffen hat es wenigstens nicht gemangelt, doch wollen wir dieselben , wie schädigend solche auch stellenweise auf die Marine gewirkt haben, hier unberührt lassen.
Mit dem Personenwechsel in der oberen Leitung der Marine
scheint sowohl die Bedürfnisfrage des schwimmenden Flottenmaterials, als auch eine Reorganisation der Marine -Centralbehörde in Betracht gezogen worden zu sein .
Was die erstere betrifft, so sind be
deutende Mehrforderungen für dasselbe in den Marine - Etat pro 1889/90 ( 116,800,000 Mark) eingestellt worden , während man bei der Reorganisation der Admiralität wohl nicht fehl geht, wenn
man die Abzweigung einer General-Inspektion von der Verwaltung erwartet , eine Trennung , die als Entlastung des bisherigen allein verantwortlichen Chefs der Admiralität mit Freuden zu begrüſsen ist, wenn auch die eigentümlichen Marineverhältnisse dem Inspekteur nur eine geringe Machtsphäre einräumen werden und Reibungen zwischen beiden Behörden unausbleiblich sind ,
da Kommando
Angelegenheiten mit Verwaltungs- und technischen Fragen in solch engem Zusammenhange und in so steter Wechselwirkung stehen , daſs es schwierig sein wird eine Trennung des Oberbefehls von der
Verwaltung und Technik herbeizuführen. Was nun die Mehrforderungen für das schwimmende Flotten
Ein Wort zur Marinefrage.
22
Material betrifft, so dürfte es scheinen, als ob der Personenwechsel auch einen Systemwechsel zur Folge gehabt hätte , als ob jetzt die Schöpfung einer Marine ersten Ranges in Aussicht genommen wäre, worin die offen ausgesprochene Zuneigung Seiner Majestät des Kaisers zur Marine bestärken könnte .
Warum , wird Mancher fragen , sind denn Jahre lang keine Mittel für Panzerschiffe vom Reichstage gefordert worden und doch
haben unsere Kreuzer in den fremden Weltteilen ihre Pflicht gethan ; ein stolzes Panzergeschwader hat unsern Kaiser nach St. Peters
burg begleitet?
Zur Beurteilung dieser Frage empfiehlt es sich die Denkschrift zum Marine-Etat pro 1884 mit dem jetzt dem Reichstage vor liegenden Etat zu vergleichen . Wir entnehmen der ersteren folgende Sätze, welche die Ansichten des früheren Herrn Chefs der Admira
lität charakterisieren. » Ohne den Hintergrund von gepanzerten Schlachtschiffen , ohne die Sicherheit, in einer gesammelten ,
kampfbereiten Hochseeflotte nötigenfalls ausgiebige Unterstützung
finden zu können , würde ein , der Weltstellung des deutschen Kaiserreichs angemessenes Auftreten jener Schiffe (der Kreuzerschiffe) des politischen Dienstes auf die Dauer nicht gewährleistet sein . « Noch immer suchen Panzer und Geschoſs einander zu überbieten. Ihr Wettstreit hat sich
zu einem
schon
im Frieden
fühlbaren
finanziellen Kampf zwischen den Staaten gesteigert. Man kommt hierbei zu Verhältnissen , welche dazu nötigen, die Leistung im Gefecht fast nach allen Richtungen hin von Maschinen abhängig zu machen. Das sind Bedenken , die überall empfunden werden und trotzdem will und kann keine europäische Macht ihre Panzerschiffe entbehren oder verringern . Noch ist kein Mittel gefunden, welches die Chancen eines ungepanzerten Schiffes gegen ein gepanzertes ausgleichen könnte. Auch der Torpedo, so eminent seine Bedeutung
für den Küstenkrieg ist, bleibt für das Seegefecht der Schlacht schiffe gegen einander eine nur sekundäre Waffe. Führt seine aus gedehntere Anwendung mit der Zeit zu einer Beschränkung in den Dimensionen der Schlachtschiffe , so wird er doch voraussichtlich weder den Panzer noch das schwere Geschütz entbehrlich zu machen im Stande sein . – Man kann gepanzerte Schiffe und schwere Artillerie da nicht entbehren , wo um die Beherrschung eines Meeres teils gekämpft werden soll. Solchen Kampf muſs indes jede
europäische Flotte im Auge haben , für ihn muſs sie einen Teil
ihrer Streitmittel zurichten , wenn sie überhaupt eine Flotte bleiben will. Eine Marine, die ihren Schwerpunkt auf oder am Lande
Ein Wort zur Marinefrage .
suchte, verdient den Namen nicht mehr.
23
Man scheint neuer
dings hier und da geneigt, sich eine wirkungsvolle Küstenverteidigung auch ohne gepanzerte Schiffe zu denken. Abgesehen davon , daſs die wirksamste Verteidigung der vaterländischen Küste unter allen Umständen der Sieg in einer Schlacht auf hoher See bleiben wird, würde eine Küstenverteidigung sich immer nur mit dem negativen Vorteil der reinen Abwehr begnügen und auf die Ausnutzung er
rungener Vorteile verzichten müssen, wenn sie keine Schiffe besäſse, die im Stande sind, Momente der Schwäche beim Gegner benutzend,
ihn anzugreifen . Es kann mithin darüber kein Zweifel sein , daſs gepanzerte Schiffe auch bei den bescheidensten Ansprüchen für die deutsche Flotte nicht zu entbehren sind. Noch jetzt ist die Lücke nicht wieder ausgefüllt, die der Untergang des » Groſsen Kurfürsten « in unsere Schlachtschiffe gerissen hat und ein Ersatz für das Panzerfahrzeug » Prinz Adalbert « nicht geschaffen. Die in den
sechziger Jahren erbauten Panzerfregatten » Kronprinz « und » Frie drich Carl« zählen dem heutigen Standpunkt gegenüber nicht mehr für voll « u. 8. w., U. S. W.
Durch obige Äuſserungen hat auch der frühere Chef der Ad miralität in unzweideutiger Weise die Notwendigkeit von Panzer schiffen für die deutsche Marine anerkannt und kann daher von
einem Systemwechsel nicht die Rede sein, wohl aber könnte sich uns die Frage aufdrängen: Weshalb sind denn seit 1884 von der Marine -Verwaltung keine Mittel für den Bau von Panzerschiffen , nicht einmal als Ersatz für den Groſsen Kurfürst « , für den
» Prinz Adalbert « beim Reichstage beantragt worden ? Die Beant wortung dieser Frage liegt in dem folgenden Satze der Denkschrift: > Eine Marine wie die unsere kann sich den Luxus fehlgeschlagener
Experimente nicht gewähren ; sie darf konstruktiv wenig wagen ! « Und am Schluſs der Denkschrift wird dann hervorgehoben, daſs für die nächsten 3 bis 4 Jahre der Bau von Panzerschiffen nicht beab
sichtigt werde, dagegen die Vervollkommnung der Küstenverteidigung keinen Aufschub erleiden dürfe.
Die Behauptung, daſs wir keine kostspieligen Experimente wagen dürfen, ist allerdings vollkommen korrekt, doch kann man darauf erwidern : » Hat man denn in anderen Marinen keine Schiffs
typen, die man als Vorbild nehmen kann ? Sind unsere Schiffbau techniker nicht im Stande, das Vorteilhafteste aus den
fremden
Schiffstypen für unsere Zwecke zu entnehmen ? Ist etwa das Beste nicht immer des Guten Feind ? Der Bau von Panzerschiffen erfordert einen Zeitraum von 3 bis 4 Jahren : schon vor 4 Jahren bezeichnete
24
Ein Wort zur Marinefrage.
Herr General von Caprivi zwei Panzerschiffe als fehlend (darunter der » Groſse Kurfürst « bereits 6 Jahre), zwei als veraltet. Seitdem sind wieder 4 Jahre verflossen und in ihnen sind die zum Teil
ziemlich bejahrten übrigen Schiffe auch nicht jünger geworden , so daſs selbst bei Annahme des jetzigen Marine - Etats unsere Panzerflotte für mehrere Jahre als gröſstenteils veraltet betrachtet werden muſs. Es drängt sich uns hierbei eine andere Frage auf: » Waren denn bei Abfassung der Denkschrift auch die Seeoffiziere mit
ihrem Chef gleicher Ansicht ? Oder aber hatten sie keine Möglichkeit, ihre Ansicht zum Ausdruck gelangen zu lassen ? Alle groſsen Marinen
haben ihren Verwaltungschefs einen Beirat für alle wichtigen organi satorischen und technischen Fragen gegeben . Eine solche Behörde würde etwa mit der für militärische Verbältnisse bestehenden Landes
Verteidigungs-Kommission zu vergleichen sein, nicht etwa eines, die Thatkraft des Chefs bindenden Kriegsrates ; bei allen kriegerischen Aktionen muſs der Wille des Einzelnen entscheiden, bei allen lang sameren Entwickelungen dagegen sichert eine solche Behörde Stetig keit und verhindert schroffe System wechsel. Bei näherem Eingehen auf diese Frage drängt sich uns unwill willkürlich der Gedanke auf: Ist denn in der deutschen Marine die allein entscheidende Instanz des Chefs der Admiralität picht durch
irgend einen Beirat von Seeoffizieren, Sachverständigen und Technikern beeinfluſst worden ? Diese Frage findet in Folgendem ihre Beant wortung: Das Allerhöchste Regulativ vom 15. Juni 1871 , durch Nr. 30 des Reichs-Gesetzblattes veröffentlicht, bestimmt : » Daſs in
allen Fällen , in denen der Minister zur Lösung schwieriger Fragen organisatorischer und technischer Natur des Beirates erfahrener See offiziere und sachverständiger Techniker, die dem Marine-Ministerium
nicht angehören , zu bedürfen glaubt, hat er, wie bisher, das Recht, den Admiralitätsrat zu berufen und solchem die betreffenden Der General-Inspekteur der Marine ist stän Fragen vorzulegen.
diges Mitglied des Admiralitätsrats . Auſserdem besteht derselbe unter Vorsitz des Ministers, aus den von diesem bezeichneten Mitgliedern des Marine-Ministeriums und den von ihm dazu berufenen Seeoffizieren , Über die stattfindenden Beratungen Beamten und Technikern.
wird ein Protokoll geführt , welches von allen Teilnehmern zu unterzeichnen und nehmen ist« . *)
zu
den
Akten
des
Marine - Ministeriums
zu
*) Wie wir andererseits erfahren , soll die Berufung des Admiralitätsrats durch eine spätere Allerhöchste Kabinets-Ordres im Jahre 1871 noch mehr präzisiert
jedoch durch das Reichs-Gesetzblatt nicht veröffentlicht worden sein.
Ein Wort zur Marinefrage.
25
Wir lesen in dieser Angelegenheit in einem Kommentar des Kapitän zur See a. D. Stenzel zu dem obigen Artikel der preuſsischen Jahrbücher, im deutschen Tageblatt vom 12. Oktober 1888, daſs nach Beendigung des französischen Krieges 1871 durch das Aller höchste Regulativ vom 15. Juni ej. a. die jetzige Organisation der Marine-Centralbehörde bestimmt wurde : » Dem Marine-Ministerium , vom ersten Januar 1872 » Admiralität« genannt, wurde neben seinen sonstigen Befugnissen auch der Oberbefehl übertragen, Prinz Adalbert behielt nur die General - Inspektion und selbst diese unter so beschränkenden Bedingungen, daſs, da auch der in dem Regulativ vorgesehene Admiralitätsrat zu seinen Lebzeiten nie berufen wurde, seine Einwirkung auf die Angelegenheiten der Flotte nunmehr eine minimale war.
Nach seinem
schon im
Monat Juni
erfolgten Tode wurde auch die Stelle des General-Inspekteurs der
Marine, obschon sie einen organisatorischen Bestandteil jenes Regu lativs bildete, ohne weiteres vom Reichstage gestrichen und mithin als entbehrlich beziehungsweise zwecklos bezeichnet -- ein Verfahren , welches das Andenken des hochseligen Prinzen zu heben nicht ge
eignet war. Die neue Central -Behörde hat bis jetzt, also 17 Jahre bestanden, weit länger als eine ihrer Vorgängerinnen, allerdings nicht auf Grund jenes, ihre Organisation festsetzenden Allerhöchsten Regulativs, welches obschon der Verfasser ( Vice -Admiral z. D. Batsch ) es > bekannt «
nennt, jedenfalls seiner Zeit so schnell in Vergessenheit geraten ist, daſs es überhaupt niemals Geltung erlangt hat. Nach sieben Jahren, im Sommer 1878 , während der Regentschaft des Kronprinzen (?)
soll dasselbe auch aufgehoben oder abgeändert worden sein .« Herr von Stosch sprach sich über den Admiralitätsrat in der
Sitzung des Reichstages vom 13. September 1878 folgendermaſsen aus : » Es ist wiederholt ausgesprochen, der Admiralitätsrat sei in
den Jahren meiner Stellung in der Admiralität nicht berufen worden . Ich gebe das zu. Ich trat in Verhältnisse ein , die teilweise so organisiert waren, daſs sie für meine Gedanken und Wünsche durch
aus nicht Raum gaben, kurz, ich war neu mit Menschen und Dingen, und wer je fest etwas gewollt hat, wird mir zugeben , daſs in seinen Handlungen durch Majoritäten sich bestimmen zu lassen,
die sicherste Garantie ist, überhaupt nicht zu handeln. Ich habe gefragt, wen ich glaubte , daſs er ein Urteil zur Sache habe. « – Daſs diese Ansicht eine unrichtige ist, haben wir oben versucht nachzuweisen. Es kommt ja für den Admiralitätsrat nicht aufs Handeln an , sondern nur auf die Feststellung von Grundsätzen.
Ein Wort zur Marinefrage.
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Soviel uns bekannt, ist der Admiralitätsrat seit jener Äuſserung einmal von Herrn v. Stosch und einmal kurz pach Überpahme der
Geschäfte des Chefs der Admiralität von Herrn General v. Caprivi berufen worden.
Ob der neue Chef der Admiralität vor Auf
stellung des Marine - Etats pro 1889/90 resp. bei seinen Forde rungen von : 37,200,000 Mark für den Bau von 4 Panzerschiffen , 31,500,000 9 Panzerfahrzeugen, >> 7 Kreuzerkorvetten , 38,500,000 >> 4 Kreuzern , 6,400,000 » 2,000,000 » 2 Avisos,
1,200,000
>>
» 2 Torp.- Divisionsboote .
In Summa 116,800,000 Mark, den Admiralitätsrat gehört hat, wissen wir nicht, jedenfalls würde derselbe aber, wenn er zusammen berufen worden wäre, sich Angesichts
der immer noch nicht ausgeschlossenen Kriegsgefahr, mit diesem Ausbau unserer Flotte gewiſs völlig einverstanden erklärt haben . Die Motivirung dieser Forderung in der dem Marine- Etat pro 1889/90 beigefügten Denkschrift, ist unseres Erachtens knapp und objektiv abgefaſst, der beschleunigte Bau der Panzerschiffe sach gemäſs begründet.
Wenn also der Bau von Panzerschiffen so lange ausgesetzt
worden ist, so trägt auch teilweise die Organisation der Marine Centralbehörde einen Teil der Schuld .
Wir begrüſsen es daher im
Interesse der Marine mit Genugthuung, daſs, wie wir hören, Aller höchsten
Orts
eine
Reorganisation
der
Admiralität
befohlen
worden ist.
Das Richtige dieser Reorganisation zu treffen , mag schwierig sein , doch wird man hierbei wohl die Einrichtungen der französischen, englischen und russischen Marinen mit zu Rate ziehen können. Es würde sich nach unserer Ansicht um folgende Punkte handeln : 1. Daſs der Marine-Minister verpflichtet ist, den Admiralitäts rat in allen wichtigen Fragen zu hören, welche wie z. B. bei Ent würfen von Gesetzen und Allerhöchst zu erlassenden Verordnungen
militärisch - organisatorischer Natur; ferner bei Organisation und Zusammensetzung der Flotte in Bezug auf Personal und Material ; die Pläne neu zu erbanender Schiffe, deren Armierung u. s. w. durch Allerhöchste Ordre zu bestimmen sind.
2. Die Ernennung der Mitglieder des Admiralitätsrats durch Seine Majestät den Kaiser.
3. Die Einsetzung einer General-Inspektion , deren Chef direkt
Die Neugliederung der Landwehr u. s. w .
27
über den Ausfall der Inspektionen an Seine Majestät den Kaiser zu berichten hat.
Nach allem Gesagten resumieren wir kurz : Dem Marine Ministerium muſs ein Beirat zur Seite gestellt werden und unab hängig vom Marine -Minister eine General - Inspektion eingesetzt werden .
> Mögen die Erfahrungen und die jetzt erkannten Irrtümer der letzten 40 Jahre der Marine zum Nutzen gereichen ! «
v. H.
III. Die Neugliederung der Landwehr und des Landsturmes in Italien , Die am 1. Dezember vom Kriegs- und Marineminister in der italienischen Deputiertenkammer eingebrachten auſserordentlichen Kredite sind in der Hauptsache für die direkte Hebung der Wehr kraft in Heer und Flotte gewidmet.
Entfallen doch
von
den
109 Millionen , die für die Finanzjahre 1888/89 und 1889/90 für das Heer verlangt worden, allein 45 '/, Millionen auf die Beschaffung
von Repetiergewehren , 5 Millionen auf die Vermehrung der Ver pflegungsvorräte für die Mobilmachung , 19/2 Millionen auf die Vermehrung des Geschützvorrats für Feld - Artillerie und die Durch führung des Doppelgliedersystems für Shrapnels, 5 Millionen auf
auſserordentliche Einberufung zu Übungen, 2 Millionen auf den Bau von Eisenbahnen , während die kleinere Hälfte Küstenbefestigungs arbeiten und ihrer Armierung mit schwerem Geschütz neuesten Systems gelten und in der Marine 10 °/s Millionen den schon be willigten Raten für Schiffsbau hinzutreten. Von den für das Heer geforderten Summen kommt ein bedeutender Bruchteil auch der Steigerung der Kriegsbereitschaft,
Schulung, Mobilmachungsschnelligkeit und Bewaffnung der Land wehr und des Landsturmes (Mobil- und Territorialmiliz) zu Gute,
deren Neuordnung , entsprechend dem gewachsenen Umfange und
der veränderten Bestimmung dieser Wehrklassen im Kriege König liche Dekrete vom 20. Oktober und 8. November eben angeordnet haben . Italien folgt nach dieser Richtung hin dem Zuge, der
28
Die Neugliederung der Landwehr
bezeichnend ist für die Heeresentwickelung der meisten Groſsstaaten in der Jüngstzeit , der gründlicheren Ausnutzung des Vorrates an geschulten Leuten , die Landwehr und Landsturm bieten für Ope
rations- beziehungsweise Besatzungs- und Etappenzwecke. Der Grund für diese Erscheinung ist ein einfacher. Dem berechtigten Wunsche, sich von dem eventuellen Gegner in Bezug auf Zahl nicht überholen zu lassen , kann durch eine bedeutende Vermehrung des jährlichen
Rekrutenkontingentes , damit eine umfangreiche Steigerung der Friedenspräsenzstärke, nicht entsprochen werden , da man dadurch die ordentlichen Ausgaben sehr viel höher schrauben würde , in Landwehr und Landsturm ist dagegen ein sehr weites Reservoir an
ausgebildeten Leuten gegeben , die das Wehrgesetz zu den ver schiedensten Aufgaben zu verwenden gestattet. Daher die Erscheinung einer Schiebung , wenn wir so sagen dürfen , der hinteren nach vorn , welche in den meisten Groſsstaaten die Landwehr neuerdings
als integrierender Teil der Operationskraft auftreten und den Land sturm die früher derselben zugedachten Aufgaben übernehmen läſst.
In Italien scheint man darin , wenn nicht alle Anzeichen trügen, noch weiter gehen, eventuell auch höhere Einheiten des Landsturmes für Operationszwecke verwenden zu wollen.
Mit der Absicht einer
Verwendung als Kampftruppe muſs naturgemäſs eine möglichst derjenigen des stehenden Heeres analoge Gliederung, eine gründliche Vorbereitung der Mobilmachung schon im Frieden und die Durch
führung einer gleichwertigen Bewaffnung, sowie intensiven Schulung Hand in Hand gehen. Für die beiden ersteren sorgten die Dekrete vom 20. Oktober und 8. November , für die beiden letzteren die auſserordentlichen Kredite.
Das Dekret König Humberts vom 20. Oktober ordnet die Mobilmiliz derartig, daſs man den Umfang der zur Operations Armee hinzutretenden Teile derselben leicht auf 12 starke Divisionen
und einige Spezialformationen schätzen kann, es vollzieht ferner
den Übergang zu einem neuen , zweckmäſsigeren System der Ergänzung der einzelnen Einheiten bei der Mobilmachung.
Die Ivfanterie der Mobilniliz zählt fortan , abgesehen von der Spezialmiliz der Insel Sardinien : als Feldtruppen, hinter
48 Regt. Linien -Inf. zu je 3 Bat. à 4 Comp. denen pro Inf.-Reg.ein Bat. 18 Bat. Bersaglieri zu je 4 Compagnien 22 Compagnien Alpentruppen
pro Bersaglieri-Bat.1Comp. als Ersatztruppen for miert werden,
zusammen 162 Bataillone, 22 Compagnien Feld-, 48 Bataillone, 18 Compagnien Ersatztruppen .
und des Landsturmes in Italien.
29
Die Feld -Artillerie besteht aus 13 Feld - Artillerie- Brigaden zu
je 4 Batterien à 6 Geschütze ( früher 3 Batterien à 8 Geschütze,
jetzt der Neuorganisation der Artillerie des stehenden Heeres ent sprechend umgeformt) und eine 'Train -Compagnie. Eine von diesen Brigaden entfällt für Spezialzwecke auf Sicilien , die übrigen 12 bleiben für die 12 Divisionen der Mobilmiliz verfügbar.
Die Gebirgs - Artillerie der Mobilmiliz beträgt 9 Batterien in 3 Brigaden , von denen 5 Batterien und 2 Brigadestäbe bei dem Stabe des gleichfalls 9 Batterien zählenden Gebirgs- Regiments des stehenden Heeres, 1 Stab und 4 Batterien bei der nach Conegliano abgezweigten Brigade aufgestellt werden , bei welcher auch Be kleidung, Ausrüstung und Geschütze bereit liegen .
Die Festungs -Artillerie belänft sich auf 36 Compagnien , von denen 2 auf Sicilien entfallen , und welche in Brigaden zusammen gefaſst werden können. Die Genietruppe umfaſst 15 Compagnien Sappeurs, 6 Compagnien Sappeurs-Mineurs, 3 Telegraphen-, 2 Eisen bahn- , 4 Pontonier-Compagnien , 1 Sappeur-Compagnie und 4 Train Compaguien , die auf die 4 Genie -Regimenter des stehenden Heeres bezüglich ihrer Aufstellung verteilt werden.
Rechnen wir hinzu , daſs auch je 12 Compagnien Sanitäts- und Verpflegungstruppen vorgesehen sind , so ist damit nachgewiesen , daſs man über alle die Operationsfähigkeit von 12 starken Divisionen gewährleistenden Elemente verfügt , ausgenommen Kavallerie. Das Fehlen der letzteren bildet einen Anhaltspunkt mehr für den Schluſs auf die Zuweisung der 12 Mobilmiliz-Divisionen an die 12 Corps des stehenden Heeres, so daſs die Operations -Armee zu 36 gemischten und 3 Reiter-Divisionen in 3 Armeen und auſserdem den Alpen Corps angenommen werden kann . Das letztere bildet eine auſserordentlich schnell bereite Kraft
zur Verteidigung der Alpenpässe, bei einem Offensivkriege ein rasch
zum Öffnen der Alpendebonchen verwendbares Avantgarden -Corps und verdient besondere Beachtung. Die 22 Alpen - Compagnien der Mobilmiliz entsprechen den 22 Bataillonen des stehenden Heeres, mit denen sie auch dieselben Ergänzungsbezirke haben , welche ferner ihre Bekleidung, Ausrüstung und Waffen bereit halten , sowie ihre Stammrollen führen . Auf diese Weise sind die bezirksweise ergänzten
Compagnien sehr schnell mobil zu machen . Dasselbe gilt übrigens, wie wir hier gleich vorgreifend bemerken wollen , von den Alpen truppen des Landsturms, die durch das Dekret vom 20. Oktober auch entsprechend der Ziffer der Compagnien des stehenden Heeres, auf
75 Compagnien in 22 Bataillonen gebracht wurden . Aus demselben
Die Neugliederung der Landwehr
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Bezirke wie derjenige des stehenden Heeres ergänzt, bei diesen Be kleidung, Ausrüstung und Waffen vorfindend und bei ihnen in den
Stammlisten geführt, formieren sich auch die Alpen -Bataillone des Landsturms in sehr kurzer Zeit und bringen das Alpen -Corps auf
172 Compagnien in 7 starken Brigaden, zu denen 18 Gebirgsbatterien
mit 108 Geschützen treten .. Mobilmachungscentren für die Gebirgs batterien der Mobilmiliz bilden , wie schon bemerkt, diejenigen des stehenden Heeres, an Maulthieren zu Tragzwecken fehlt es nicht, die Aufstellung der Gebirgsbatterien dürfte sich daher ohne Schwierig keit vollziehen . Die Stärke des Alpencorps, das also in seiner Gesamtheit sofort mobil wird , darf auf rund 38,000 Mann mit
108 Gebirgsgeschützen veranschlagt werden . Daſs die Hirten und Jäger, überhaupt die Gebirgsbewohner, welche das Ersatzmaterial der Alpentruppen bilden, weniger als jeder andere Reservist und Land wehrmann die für ihren Spezialdienst wichtigsten Eigenschaften ver lieren , bedarf keiner besonderen Versicherung. Demselben Grundsatze, d . h . der Ausrüstung der entsprechenden
aktiven Truppenteile als Mobilmachungscentren für diejenigen der Mobilmiliz, ist man bei allen Spezialwaffen der Landwehr gefolgt. Die 12 ältesten der 24 Feld-Artillerie-Regimenter des stehenden Heeres stellen die 12 Brigaden der Mobilmiliz auf, einen kleinen
Stamm dazu haben sie in sorgt für die Bildung der sich die Mobilmachung der Distrikten bleibt nur noch
ihrem » Depot« , ein weiteres Regiment Brigade auf Sicilien. Analog vollzieht übrigen Landwehr-Spezialtruppen. Den die Verantwortung für die Aufstellung
der Infanterie- und Bersaglieri-Bataillone , sie sind also sehr entlastet
worden. Gleichzeitig vollzog man, was naturgemäſs für die Mobil
machungsschnelligkeit von gröſster Bedeutung, den Übergang zum territorialen Ergänzungsprinzip, indem bestimmt wurde , daſs im Durchschnitt nicht mehr als 2 benachbarte Distrikte zur Bildung
eines Infanterie - Bataillons beitragen sollen , was nicht ausschlieſst,
daſs einige Bataillone nur aus den Angehörigen eines Bezirks ergänzt werden .
Für das Bersaglieri-Bataillon sollen höchstens 5 dicht
nebeneinander liegende Distrikte in Rechnung kommen . Derselbe Grundsatz territorialer Ergänzung findet bei den Regimentern An wendung, so daſs z. B. das 1. Mobilmilizregiment sich aus 2 Bataillonen, Train und dem Bataillon Pinnole zusammensetzt.
Die Mobilmiliz
Divisionen ergänzen sich auf diese Weise ganz aus dem Bezirke des aktiven Corps , dem sie in der Ordre de bataille zugeteilt werden und
sollen gleichzeitig mit diesen abtransportiert werden . Rechnen wir zu diesen hochwichtigen Entschlüssen die Vorkehrungen, die schon
und des Landsturmes in Italien .
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das Gesetz vom 14. Juli 1887 traf, indem es jedem der 87 Distrikte einen weiteren aktiven Stabs- und 1–2 Subalternoffiziere beigab, den Etat der Infanterie- , Bersaglieri- und Alpen - Regimenter um
einige ältere Offiziere vermehrte, um auf diese Weise die Führer für die Mehrzahl der Einheiten der Mobilmiliz im Frieden schon sicher
zu stellen, fügen wir den Hinweis darauf hinzu, daſs die für besondere Einbeorderungen bestimmten 5 Millionen
des auſserordentlichen
Kredits zum Teil auf die Übung der Mobilmiliz mit dem Repetier gewehr 1870/87 , sowie auf häufigere Zusammenziehung der zu homogenen Truppenkörpern zusammenzuschweiſsenden Formationen der Landwehr entfallen , so leuchtet unsch wer ein, daſs die haupt
sächlichsten Vorbedingungen der schnell bereiten Kampftruppe bei der Mobilmiliz erfüllt sind.
An geschulten Lenten für die planmäſsigen Formationen der Mobiliniliz fehlt es nicht und wächst ihre Zahl dauernd.
Am 1. Juli
1888 bestand die Mobilmiliz nach offiziellen Angaben aus:
533 Offizieren dieser Wehrklasse, 2741 Offizieren di complemento (den deutschen Reserve-Offizieren vergleichbar ), Summe 3274. 200,461 ausgebildete Unteroffiziere und Leute I. Ka tegorie, d. h . solche, die ihre volle drei jährige Dienstzeit absolviert haben .
62,465 geschulte Leute II. Kategorie. zusammen 262,926 geschulte Leute, zu denen 122,636 ungenügend vorgebildete und nur für Er
satzzwecke geeignete treten. Dabei stammen die jetzigen Jahrgänge I. Kategorie der Mobil miliz (4) noch aus der Zeit, zu welcher das jährliche Rekruten
kontingent I. Kategorie nur 65,000 beziehungsweise 70,000 Köpfe betrug, während dasselbe seit einigen Jahren auf 82,000 angewachsen
ist. Selbst starke Abgänge in Rechnung gestellt, würde man bald also rund 300,000 Mann I. Kategorie in der Mobilmiliz besitzen. Ebenso ist die II. Kategorie durch die Bestimmung des neuen
Rekrutierungsgesetzes, nach welcher die jüngeren Brüder von bereits dienenden Leuten I. Kategorie nicht mehr direkt dem Landsturm , sondern der II. Kategorie überwiesen werden , seither beträchtlich gewachsen (von 34,000 auf 50,000 ). Total wird also die Mobilmiliz nach Ablauf des Turnus auf 500,000 Köpfe geschätzt werden dürfen,
da dieselbe 4 Jahrgänge I. und ebensoviel II. Kategorie enthält.
Eine Erweiterung der heute planmäſsigen Rahmen für die Mobil miliz ist dann unsch wer vollziehbar. Die Übungen der Mobilmiliz in diesem Herbste, zu welchen vom 24. September ab anf 10 Tage
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Die Neugliederung der Landwehr
20 Bataillone mit rund 18,000 Mann meist bei den Sitzen der
Territorial-Divisions-Commandos vereinigt waren, haben, neben sehr anerkennenswerten Leistungen der Mannschaft, die sich auch sehr leicht mit dem Gewehr 1870/87 zurechtfand, einen Übelstand hervor treten lassen, die nicht hinreichende Vertrautheit der aus den Ein
jährig - Freiwilligen hervorgegangenen Offiziere di complemento mit ihrem Metier.
Auch hier schaffen die durch die auſserordentlichen
Kredite ermöglichten häufigen Einbeorderungen für die älteren Ab hülfe, bei den jüngeren Offizieren di complemento dürfte sich über haupt der Mangel nicht mehr zeigen , da die bei den Regimentern
errichteten Züge zur Ausbildung von Offiziers- Aspiranten in der Schulung der letzteren ganz vorzügliche Resultate liefern . So ist in Italien nach allen Richtungen darauf hingewirkt worden , die Land wehr zu einer Kampftruppe par excellence zu gestalten . Die isolierte Lage Sardiniens und die Schwierigkeit, der Insel, bei einer unerwarteten Kriegserklärung und bei plötzlichem Er scheinen einer starken feindlichen Flotte ,
vom Festlande
aus
rechtzeitig und sicher Verstärkungen zugehen zu lassen einerseits, die Bedeutung der Insel und des für die Operationen der Flotte hochwichtigen strategischen Punktes Maddalena andererseits haben
dazu geführt, der Insel eine Spezialmiliz zu geben, die in den beiden Wehrklassen der Mobil- und Territorialmiliz hinreichend stark sein
soll, um Landungen abzuwehren und auch zur Verteidigung Madda
lenas beizutragen. Die Truppenteile der Mobil- sowohl wie der Territorialmiliz Sardiniens ergänzen sich naturgemäſs alle aus dem Bezirk der Insel und wollen wir dieselben daher hier auch zusammen
aufführen, zumal sie, wie nachgewiesen, demselben Zwecke dienen, gemeinsam mobilisiert und verwendet werden . In der Mobilmiliz stellt Sardinien 9 Bataillone Infanterie in 3 Regimentern, 1 Bataillon Bersaglieri, 1 Schwadron (aus Leuten, die früher bei der Kavallerie des stehenden Heeres gedient haben und auf Sardinien beimisch
sind), 1 Brigade Feld-Artillerie zu 2 Batterien und 1 Train -Com pagnie, je 1 Compagnie Festungsartillerie, Genie-, Sanitäts- und Verpflegungstruppen auf, während auf die Territorialmiliz 5 Bataillone
Infanterie, 1 Compagnie Festungsartillerie, 1 Geniezug und je eine
Compagnie Sanitäts- und Verpflegungstruppen entfallen . Zusammen erreichen die Spezialtruppen Sardiniens also den Umfang einer starken
Division, die befähigt sein dürfte, auch gröſsere Landungsversuche mit Erfolg abzuweisen. – Die italienische Territorialmiliz (Land
sturm ) enthält, auſser je 7 Jahrgängen I. und II. Kategorie nach Zurücklegung einer Zugehörigkeit von 12 Jahren zum stehenden
und des Landsturmes in Italien .
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Heere, seiner Reserve und der Mobilmiliz, auch 19 Jahresklassen von
Leuten III. Kategorie, die aus Familien- und anderen Rücksichten dem
Landsturm direkt überwiesen werden und in demselben nur Muſs man den
alle 4 Jahre zu 13 Tagen Übung verpflichtet sind .
erstgenannten 7 Jahrgängen eine hinreichende Vorbildung für Feld beziehungsweise Etappen- und Besatzungszwecke zweifellos zuerkennen , so sind die 19 anderen , d. b. die gröſsere Masse, nur für den Be satzungsdienst geeignet und bedürfen selbst dazu noch einiger weiterer
Vorschulung. Die 19 Jahrgänge von direkt in den Landsturm Ein gereihten können daher in ihrer heutigen Verfassung eigentlich nur als ein groſses Reservoir angesehen werden, aus dem man im Kriege schöpfen kann und aus dem man wohl zunächst Ersatzformationen für
die zu Kampfzwecken tauglichen Einheiten der Territorialmiliz bilden wird . In Zukunft dürfte freilich auch die Vorschulung dieser 19 Jahrgänge, Dank den bewilligten auſserordentlichen Mitteln, eine gründlichere werden . Die 7 Klassen I. und II. Kategorie reichen aber auch vollkommen aus, um die planmäſsigen Einheiten aufzu stellen , da sie 7 x 65,000 + 7 X 34,000, nach starken prozentierten
Abzügen immer noch 500,000 geschulte Leute enthalten, während auf den Rest rund 800,000 Mann entfallen . Am 1. Juli umfaſste die Territorialmiliz nach offiziellen Angaben 5512 ( 1886 nur 2914) Offiziere und 1 408,480 Mann. Da die Offiziere zur Disposition in posizione ausiliaria ) für Feldzwecke, diejenigen ,,di riserva " für Be satzungszwecke in Rechnung kommen und die Zahl der Offiziere der
Territorialmiliz dauernd wächst, für das Commando der höheren Einheiten des Landsturms aber solche des stehenden Heeres designiert werden, so fehlt es auch an Führern für die planmäſsigen Formationen
nicht. Die Übungen der Territorialmiliz in diesem Herbste, zu denen
31 Bataillone formiert waren, haben allerdings den Übelstand hervor treten lassen, daſs die nicht durch das stehende Heer gegangenen Offiziere des Landsturms mit ihrem Metier sehr wenig vertraut waren .
Vermehrte Einberufungen dieser Offiziere, die übrigens auch
in dem Grade verschwinden werden, in welchem der Nachwuchs an
Offizieren di complemento stattfindet, werden dem Übel steuern. Daſs der Prozentsatz an geschulten Leuten im Landsturm ebenso wie in der Mobilmiliz sich durch die Vermehrung des Rekruten kontingents des stehenden Heeres auf 82,000, in der II. Kategorie auf 50,000 Köpfe mit dem Durchlaufen des Turnus bedeutend steigert, bedarf kaum des besonderen Hinweises.
Das Königliche Dekret vom 8. November betont in seiner Ein leitung noch einmal besonders die Bestimmungen des Wehrgesetzes, · Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXX ., 1 .
3
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Die Neugliederung der Landwehr
nach welchem die Territorialleitung im Kriege zu jedem Dienst herangezogen , zu allen Zwecken verwendet werden kann .
Die Ein
beorderung und Gliederung des Landsturms erfolgt durch Königliche Ordre, sie kann nach Jahresklassen, nach Kategorien, nach Gemeinden und selbst nach einzelnen Personen erfolgen. Die Distrikte geben die Ordre für alle Waffen weiter, mit Ausnahme der Alpentruppen ,
die von den Bataillonen des stehenden Heeres herangezogen werden, und der Sanitäts- und Verpflegungs- Compagnien, deren Listen bei
denjenigen des stehenden Heeres geführt werden. In Friedenszeiten findet eine Einberufung nur zu den gesetzlich bestimmten Übungen und zu Zwecken der Aufrechthaltung der inneren Ordnung statt. Die Mobilmachung der Einheiten der Territorialmiliz geschieht, mit den oben genannten Ausnahmen, bei den Distrikten, die auch die Stammrollen auf dem Laufenden erhalten und durch ihre » genannten Compagnien , « schwache, im Kriege den Kern für Besatzungstruppen abgebende Stämme, auch die Bekleidung, Ausrüstung und die Waffen
der Territorialmiliz verwalten. Die oben bei der Besprechung der Neuordnung der Mobilmachung näher beleuchtete Entlastung der Distrikte wirkt naturgemäſs auch auf die Beschleunigung der Auf stellung der Einheiten der Teritorialmiliz ein. Unsere Behauptung,
daſs bei den Distrikten die Bekleidung für die sämtlichen planmäſsigen Formationen der Territorialmiliz bereit läge, ist erst seit Juni dieses
Jahres eine richtige, indem ans Vorratsgarnituren des stehenden Heeres Abgaben stattgefunden haben . Die volle, für den Feldgebrauch nötige Ausrüstung ist für die 170,000 Mann des Landsturms vor
handen und mit den im Jahre 1887 bewilligten 12 Millionen des auſserordentlichen Bekleidungskredits beschafft worden , für den Rest
wird sie nach und nach bereitgelegt werden . Die genannte Zahl hat für den unten zu ziehenden Schluſs auf den Bruchteil des Land
sturms, den man dem Operationsheere eventuell zuzuweisen gewillt scheint, ihre Bedeutung.
Die Infanterie der Territorialmiliz besteht planmäſsig aus 320 Bataillonen zu je 4 Compagnien von derselben Stärke, wie diejenigen des stehenden Heeres. Dieselben nehmen nur Lente I. und II. Kategorie, die hinreichend geschult sind, auf, voraussichtlich wird sogar, Dank dem Spielraum , den das Wehrgesetz in Bezug auf die Verwendung gewährt, ein Bruchteil derselben nur aus Leuten I. Kategorie bestehen , der Rest gemischt werden . Unteroffiziere sind in den Jahrgängen I. Kategorie in genügender Zahl vorhanden, darunter solche, die 8 Jahre aktiv gedient haben , fehlende werden
aus den Gefreiten der 1. Kategorie ergänzt. Das Dekret weist
und des Landsturines in Italien .
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darauf hin , daſs die Bataillone zu Regimentern und höheren Ver bänden vereinigt werden können .
Die Festungs-Artillerie der Territorialmiliz zählt 100 Compagnien, die in 20 Brigaden gegliedert werden dürfen. Ihr Ersatz umfaſst alle Leute I. und II. Kategorie, die bei der Feld-, Festungs- und
Gebirgs - Artillerie , ausgenommen Artillerie - Train gedient haben . Auch hier mangelt es an Unteroffizieren nicht und können Spezial
dienste durch früher dazu besonders geschulte Leute versehen Zweck der Festungsartillerie der Territorialmiliz ist Verteidigung fester Plätze und Besetzung der Küstenbatterien, eventuell können einzelne Teile derselben aber auch den Belagerungs werden .
parks zugewiesen werden .
An Genietruppen sind 30 Compagnien vorgesehen, deren Er satz nur aus früher dieser Waffe angehört habenden Leuten besteht. Sie können in 5 Brigaden zusammengestellt werden. Auſser den oben genannten Alpentruppen und den Spezial
formationen für Sardinien gehören dann deren Landstürmen plan mässig noch je 12 Sanitäts- und Verpflegungs- Compagnien an , die bei den gleichen Truppenteilen des stehenden Heeres formiert werden .
An Kavallerie ist eine bestimmte Ziffer nach dem Dekrete vom
8. November nicht vorgesehen , wohl aber weist dasselbe darauf hin, daſs die früheren Carabinieri dueli (militärisch gegliederte und
ergänzte, von Berufsoffizieren geführte Polizeitruppen ähnlich der deutschen Gensdarmerie nur aus Leuten aller Chargen bestehend) zur Verstärkung der Territorial-Legionen verwendet werden sollen . Dieselben machen den Teil dieser Legionen verfügbar und kann man aus den Berittenen derselben Kavallerie für höhere Einheiten der Territorialmiliz bilden. Die obige Ziffer 170,000 und die
planmäſsige Bildung von 12 Sanitäts- und Verpflegungs -Compagnien
geben uns auch einen Fingerzeig für den Schluſs auf die eventuelle Zahl dieser der Feld-Armee vielleicht zu Etappen- und Besatzungs zwecken zuzuweisenden
Einheiten .
Rechnet man 100 Festungs
Artillerie- und 30 Genie -Compagnien mit 26,000 Köpfen ab , SO bleiben noch 144,000 übrig, d . b . der Bestand für 12 Divisionen, für welche alles bereit liegt und welche auch aus Leuten I. Kategorie formiert werden können (144 Bataillone Infanterie, 12 Sanitäts und Verpflegungs -Compagnien , zu denen die berittnen Carabinieri
treten ). Naturgemäſs wird diese Kraft erst verfügbar für Feld zwecke, wenn die Sicherheit der Küsten vor Landungen auſser Zweifel steht.
Nun wächst aber einesteils die italienische Flotte, die 3*
Immer frisch Vorwärts !
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heute schon die stärkste im Mittelmeer ist, geradezu erstaunlich schnell (die neuen Kredite weisen allein wieder 10 Millionen für
Schiffsumbau aus) andrerseits mehren sich die Küstenbefestigungen und ihre Armierung mit modernsten , sehr schweren Geschützen , endlich werden die Vorbereitungen für die schnelle Aufstellung des Restes der Territorialmiliz immer gründlicher. Man darf daher an nehmen, daſs bis zum Erscheinen der genannten 12 Divisionen des Landsturms auf dem Schauplatze auch in einem Offensivkriege nicht sehr viel Zeit vergehen wird, vielleicht schon in der ersten Phase eines solchen Italien 48 Infanterie-, 3 Reiterdivisionen und das
Alpen - Corps einzusetzen vermag, um so mehr als der Ausbau des Bahnnetzes mit Hochdruck betrieben wird.
Daſs der Wert der
Landsturm-Divisionen durch die Bewaffnung mit dem neuen Repetier
gewehr bedeutend wächst, bedarf keiner besonderen Versicherung. So beweisen die neuen Kredite und die Neuordnung der Land wehr und des Landsturms den festen Willen Italiens, an der Seite der Bundesgenossen möglichst die ganze verfügbare Kraft einzusetzen und bilden daher eine neue wichtige Etappe in der Heeresentwicklung 18 . des opferfreudigen Landes.
IV. Immer frisch Vorwärts ! Reiter -Gedanken .
Als das Ende des vorigen Jahrhunderts herannahte, gab es in
der preuſsischen Armee noch Offiziere, welche die Kriege unter Friedrich dem Groſsen mitgemacht hatten . Unstreitig lebte in der Kavallerie dieser Armee noch der Geist, welcher insbesondere durch
den König geweckt und gepflegt worden war. Die Revolutionskriege aber zeigten , daſs das Verständnis für
die Waffe verloren gegangen , oder zum mindesten nicht in der Weise klar gehalten wurde , wie es für die Kavallerie absolut not wendig gewesen wäre.
Vor Allem waren wohl jene Übungen und
Prinzipien im Laufe der Zeit weniger praktiziert worden , welche der Kavallerie Friedrichs ein wichtiger Behelf für ihre Siege war ; ohne dieses Lebendighalten wichtiger Prinzipien , ohne die fort
Immer frisch Vorwärts !
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laufende Praxis, groſse Truppenkörper nach richtigen Grundsätzen zu verwenden und zu führen , aber ging natürlich und unfehlbar
auch das Verständnis für diese Körper und für deren Verwendung nach und nach vollständig verloren. Auf diese Art ist auch die merkwürdige Thatsache zu erklären , wie die sonst so vorzügliche deutsche Kavallerie im Beginne der Revolutionskriege , weder in gröſseren Massen Verwendung fand noch auch recht bemerkliche Erfolge zu erringen vermochte, ob
gleich die Verfassung der Gegner zu vernichtenden Schlägen förm lich eingeladen hat.
Mit dem Mangel fortlaufender praktischer Übungen mag wohl auch in der Kavallerie ein gänzlich zu verwerfendes Festhalten an bestimmten Formen Platz gegriffen haben . Solche Formen werden zumeist von Exerzierkünstlern und noch dazu für die enggezogenen
Grenzen der Übungsplätze aufgestellt und konstruiert, sie werden natürlich von da auch zum Manöver mitgeschleift und probiert,
wenn nicht öftere zweckmäſsig geleitete gröſsere Übungen deren vollständige Unanwendbarkeit klar dargelegt haben. So sehen wir denn auch die weiter sehr bemerkenswerte That
sache , daſs in den Kriegen zu Anfang dieses Jahrhunderts die
Gegner ein gewisses Übergewicht mit ihrer Kavallerie erlangten, trotzdem der innere Wert dieser Waffe den deutschen Reitereien
weit nachstand. Die massenweise, rücksichtslose Verwendung der Reiter -Divisionen und Corps brachte den Gegnern solches Über
gewicht, obgleich deren Taktik und Verwendung keineswegs auch nur annähernd ein Verständnis für die alten friedericianischen
Prinzipien erkennen lieſs. Im Laufe der nun folgenden Friedensjahre wurden die un praktischen, unkavalleristischen Formen noch weiter vervollkommnet;
die Reglements und Exerziervorschriften strotzten von einer Unmasse gänzlich unpraktischer verkünstelter Annahmen und Bewegungen. Anstatt daſs schon die Bewegungen des Regimentes nach einfachen ,
ganz einfachen Prinzipien ausgeführt worden wären , anstatt, daſs die Reglements und Vorschriften gerade diese Prinzipien festgestellt hätten , wiesen dieselben auch für die Bewegungen von Brigaden auf die Vorschriften , welche dem Regimente galten , welche aber wie bereits erwähnt nur verderbliche Einwirkung auf die Kavallerie
haben konnten , weil sie eben weitaus zu kompliziert waren.
Der
einzige Weg, auf welchem eine Korrektur dieser gänzlich verfehlten , vollständig unkavalleristischen Richtung denkbar war, konsequente
Übung in gröſseren Massen und Verwendung dieser Massen bei
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Immer frisch Vorwärts !
gröſseren Truppenübungen, davon blieb man weit entfernt. Es ist doch wohl begreiflich , daſs die Leistungen der Kavallerie in den späteren Kriegen nicht von irgend welcher Bedeutung sein konnten, es fehlte eben jede Grundlage und zwar in jeder Richtung. Es ist
ebenso begreiflich , daſs die Führung so groſser Körper wie eine Kavallerie-Division oder gar ein Kavallerie -Corps, bei den stets vervollkommneten Feuerwaffen, vervollkommnet sowohl in Hinsicht auf Treffsicherheit wie auf die bestrichenen Räume, solchen Ver vollkommnungen eine ganz bestimmte Berücksichtigung zuwenden muſs. Wenn die Reitermassen noch während der Kriege des
Kaiserreiches auf 1500 Schritten vom Gegner sich mit voller Sicher heit zum Angriffe formieren konnten ohne bemerklichen Schaden
zu nehmen , so war dies in der Folge unmöglich, und die hier in Betracht kommenden Distanzen vergröſserten sich zusehends. Schon diese Umstände allein wiesen gebieterisch darauf hin , daſs einfache Bewegung , einfache Formation , entschiedene Annäherung und das Abwarten eines günstigen Momentes die wahren Grundlagen für
erfolgreiche Thätigkeit der Kavallerie in noch höherem Grade wie früher bilden müssen .
Die alten Kavallerie - Offiziere aber können
sich noch sämtlich erinnern , wie es mit der Kavallerie in dieser Richtung aussah . Die Distanzen , die reglementären Distanzen für die Angriffe, d . h . die Einteilung der Gangarten unserer noch nicht
lange abgeänderten Vorschriften, geben hierfür ganz bemerkliche
Anhaltspunkte. Die lange Zeit, welche erforderlich war um solche gänzlich unbegreiflich unkavalleristischen Grundsätze wenigstens zum Teile auszumerzen , zeigen wie schwer es ist das zu ändern, was durch lange Gewohnheit zu einer Art Bedürfnis geworden. Es war sodann begreiflich, daſs hier Verbesserungen gänzlich undurch führbar wurden , da der Kavallerie das Haupt fehlte. Es wäre wohl die Lebensaufgabe eines tüchtigen Kavalleristen gewesen , verbessernd und vervollkommnend einzuwirken .
Hierzu durften die Blicke eines
solchen talentierten Führers nicht von der Sache abgewendet werden , es müſste demselben volle Freiheit und die gewichtigste Stimme in um das allen bezüglichen Fragen rückhaltlos zugestanden sein Wesen der Sache wirklich fördern zu können .
Die vorerwähnte Vervollkommnung der Feuerwaffen hatte also auf die Verwendung der Kavallerie vor Allem den Einfluſs , daſs man bei mangelnder Deckung im Gelände auf die dreifache Ent fernung vom Gegner abbleiben muſste, wenn man nicht schon vor
Beginn der eigentlichen Aktion zusammengeschossen werden wollte.
Diese Notwendigkeit verlangte ferner ebenso gebieterisch,
um in
Immer frisch Vorwärts !
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einem geeigneten Momente zum Angriffe zu gelangen solche Entfernungen ohne jeden unnötigen Kräfteverbrauch , rasch und geordnet zurückzulegen. Nicht minder war es wichtig alle Formations änderungen u. 8. W. flieſsend und ohne Stockung während dieser Vorbewegung auszuführen. Beide Prinzipien aber wurden nur
spät erkannt ; die Übungsplätze mit iþren kurzen Entfernungen, verleiteten immer wieder dazu, einen Hauptwert in möglichst viele
rasch aufeinander folgende Bewegungen , mit allen möglichen
Direktionsänderungen u. s. w. zu legen ; solches Gebahren aber muſste immer wieder von einer zweckentsprechenden Thätigkeit
abwenden. Auch Brigade - Übungen konnten in der Regel einen gröſseren Nutzen nicht bringen, denn auch da war ein Hinarbeiten auf Besichtigungen weit wichtiger wie die Klarlegung richtiger Prinzipien , nach welchen die Kavallerie überhaupt, die Unterführer insbesondere bis zum jüngsten Reiter herab in allen Verhältnissen
der rasch wechselnden Kavalleriekämpfe das Richtige auszuführen in die Lage gesetzt worden wären. Nächst der gröſsten Sicherheit in der Bewegung der taktischen
Einheiten, nebst der Ruhe und Räumigkeit der Gangarten, ist es
die Initiative aller Unterführer, auf welche der Hauptwert der Übungen hätte gelegt werden müssen. Statt dessen sahen wir die Kavallerie in der vergangenen Zeit
meist in unruhigem Trabe, in einem stürmischen Galoppe in einer grossen Zahl von Formen sich bewegen und abmühen , während die
einfachen kavalleristischen Prinzipien nicht zum Verständnisse gelangen konnten.
Namentlich war es ein gänzlich ungenügender Galopp, der zwar in einer Minute vielleicht 500 Schritte zurücklegte, allein bei einem ganz auffallenden Kräfteverbrauch auf die gegenwärtigen Entfernungen nicht zu verwerten war, indem er den Atem vieler Pferde schon auf kürzere Strecken verbrauchte, die Ordnung und Geschlossenheit
der Truppe gefäbrdete. Ruhe, Sicherheit, Ordnung und Raumgewinnung waren und bleiben aber die Grundpfeiler taktischer Ausbildung der Kavallerie, es sind dies jene Momente, welche rasche Formationen , überraschend schnelle Annäherung und vehemente Angriffe gewährleisten.
Die hier erreichbaren und notwendigen Höhepunkte in der Aus bildung und Vorbereitung müssen in jener Allgemeinheit gewonnen sein, wie es absolut notwendig ist. Sind die Eskadrons nach diesen Prinzipien vollständig sicher in den verschiedenen reglementären Formen und Richtungen ausge
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bildet, so kann alles Übrige in kurzer Zeit erreicht werden, wenn man die Bewegungen der Regimenter , Brigaden und Divisioneu mit einigen wenigen feststehenden Normalformen und auſserdem nacb fest
stehenden Prinzipien zur Ausführung gelangen läſst. Ein Festhalten an zahlreichen Formen und Bewegungen läſst immer Gefahr laufen, dass man gerade für den bestimpiten Zweck eine unpraktische Form wählt, oder aber gezwungen wäre vorausgehende detaillierte Erläuterungen zu geben. Die Bereitschaftsform , Entwicklung aus derselben mit oder ohne Direktionsveränderung, Aufmarsch, Angriff, je nach den ver schiedenen Objekten auf verschiedene Art ausgeführt - Zusammenstoſs,
Weiterführen des Angriffes, zweckentsprechendes Verfolgen sind wohl die Hauptpunkte .
Alle Entwicklungen nach den Flanken aus der Bereitschaftsform , aus den Eskadronskolonnen, alle Formationen und Bewegungen in Staffelform oder Halbkolonnen, haben lange nicht die hohe Bedeutung
wie jene, sind in der Praxis zumeist zu entbehren ; alle Einfügungen von Neuformationen aus diesen Übergangsformen können nur ver wirren .
Die Massenformationen in der Taktik der Kavallerie, welche in
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts eine groſse Rolle gespielt haben , waren der Infanterietaktik entnommen, und führten zu einer
groſsen Zahl von Spielereien. Wir erinnern hier nur an die ver schiedenen Deployements vor- und rückwärts auf die Teteneskadron, auf die hinterste Eskadron oder eine mittlere .
Man war natürlich
hierbei nicht stehen geblieben, sondern verfehlte nicht, auch noch
die Aufmärsche aus den offenen Kolonnen auf gleich mannigfache Art auszukünsteln. Selbst bei den neueren taktischen Prinzipien lag einige Zeit die Gefahr sehr nahe, daſs alle erdenklichen Be wegungen erfunden worden wären und auch ihre Verehrer gefunden bätten. Glücklicherweise breitete sich diese Richtung nicht zu weit aus, obgleich die reglementären Bewegungen auch heute noch weitaus zu zahlreich sind und mit groſsem Nutzen reduziert werden dürften .
Kommen gewisse Prinzipien auf den Übungsplätzen zur Geltung, so können zahlreiche Formen ganz füglich fallen und die Truppe
wird weit zweckmäſsiger für ernstliches Eingreifen vorbereitet sein, wie durch fortgesetztes Exerzieren bis in die gröſsten Verbände. Haben nun die Übungen samt und sonders in den ersten beiden
Dritteln diesem engherzigen Exerzierprogramm, diesen komplizierten Reglements und Formenwesen entsprochen, so war dieser Mangel
von noch bedenklicheren Folgen begleitet, weil alle praktischeren
Immer frisch Vorwärts !
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konsequenten Übungen namentlich in den gröſseren Verbänden voll ständig fehlten. Es ist sodann auch begreiflich und ganz natürlich, daſs beim Eintritte ernster Ereignisse die Sache nicht klappen konnte, es fehlte der Truppe wie der Führung jeder Anhaltspunkt, wie die
Aufgaben allenfalls gelöst werden könnten ; es fehlte überdies in der Armeeleitung jedes klare Bewuſstsein , was von der Kavallerie im
Gefechte allenfalls geleistet werden kann resp. welche Anforderungen an sie gestellt werden können und wie bezügliche Befehle ungefähr
zu geben sind. Jene Offiziere, welche noch einen groſsen Teil der
Übungen dieser Epoche kennen gelernt haben, waren zum Teile schon vor 30 Jahren zur vollen Überzeugung gelangt, daſs Alles, so ziemlich Alles, was wir trieben , eitel Humbug gewesen .
Wir
fühlten diese Mängel ganz und vollständig , wir erkannten diese
Mängel in gröſserem oder geringerem Grade überall wieder. Wir fanden in der Geschichte der Kriege dieser Zeit die Bestätigung,
daſs unser Gefühl uns nicht betrogen hatte . Worin aber der Haupt grund dieser Mängel zu finden, auf welche Art dieselben gründlich zu besiegen , das allerdings war eine Aufgabe , welche um so
schwieriger zu lösen , als die Besiegung von Vorurteilen aller Art in wie auſserhalb der Waffe zuerst notwendig gewesen wäre. Schon das alte Vorurteil, nach welchem es eine Haupt-Aufgabe der Kavallerie gewesen wäre, den ungleichen Kampf mit den Feuer waffen aufzunehmen , daſs es der Kavallerie überhaupt zu irgend
einer Zeit möglich gewesen ist, auf ruhige intakte Infanterie mit Erfolg anzureiten , hatte seine weitgehenden Folgen. Seitdem die Feuerwaffe so weit vervollkommnet wurde, daſs die Infanterie im Stande war, auf 50 oder 100 Schritte die heranbrausende Kavallerie Diederzuschieſsen, seit dieser Zeit dürfte diese Frage erledigt sein .
Zu allen Zeiten sind Beispiele hierfür anzugeben und es ist eine ganz irrige Annahme, daſs erst die neueren Verbesserungen an den
Feuerwaffen hier eine wesentliche Änderung herbeigeführt bätten. Ganz anders haben sich die Verhältnisse zu allen Zeiten
gestaltet , wenn Ordnung und Ruhe , Führung und Feuer disciplin von der Infanterie gewichen war , wenn Umstände anderer Art die Wirkung der Gewehre beeinträchtigt hatten. War in früheren Zeiten das Pulver in der Zündpfanne durch Regen durchnäſst, SO war die Feuerwirkung verloren , hat jetzt eine Infanterie aus irgend welcher Ursache ihre Munition verschossen, oder war und ist die Infanterie aus irgend welcher Ursache nicht in der Lage, ihr Feuer zu verwerten, so wird wohl keine einigermaſsen gut geschulte Kavallerie verfehlen , diese Infanterie zu verderben ,
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Immer frisch Vorwärts !
Die Verhältnisse sind im groſsen Ganzen dieselben geblieben ; die erzielte Vervollkomnung der Feuerwaffen gebietet aber noch weit mehr wie zu jeder früheren Zeit , daſs die Kavallerie, ehe sie an
greift eben einen günstigen Moment für den Angriff abwartet und ausnützt. Daſs es solche günstigen Momente auch heute noch in
ziemlich groſser Zahl giebt, darüber geben die gröſseren Übungen wie auch , das Studium der Geschichte aller neueren und neuesten
Schlachten und Gefechte ganz genügende Anhaltspunkte. Es ist somit eine ganz und gar falsche und irrtümliche Auf fassung , wenn man glauben sollte , daſs groſse Kavallerie
Angriffe auf intakte Infanterie zu irgend einer Zeit sichere Erfolge erzielt haben. Kunersdorf und Aspern sind hierfür die sprechendsten Beweise. Dagegen finden wir in allen Kämpfen und zu allen Zeiten Teile der Schlachtlinie in vollständiger Auflösung der taktischen Verbände, in vollem Durcheinander, die Infanterie ohne Führer, ohne Patronen , ermüdet durch hartnäckigen hin- und herwogenden Kampf. Wir können sogar durchaus nicht annehmen, daſs solche Verhältnisse in den neueren Kämpfen seltener geworden, im Gegenteil sie scheinen weit häufiger und ausgedehnter wie früher schon wegen des allgemeinen Charakters dieser Kämpfe. Warum aber hat die Kavallerie derartige Verhältnisse nicht ausge nützt ?? -- Die Beantwortung dieser Frage kann durchaus nicht schwer fallen.
Die Waffe war einfach nicht dafür vorbereitet, es fehlten
ihr entsprechende Übungen , es fehlten feststehende Prinzipien . Wo es mitunter versucht wurde, muſsten sich in natürlicher Folge
diese Mängel bei der Führung wie in der Truppe schon bei den ersten Bewegungen bemerklich machen . Damit die Kavallerie solche Verhältnisse ausnützen und den Gegner niederschmettern könne, kann es keineswegs genügen, die Kavallerie - Division in irgend einer Form zu entwickeln und den Angriff durchzuführen, wohl aber muſs die Kavallerie geübt sein, aus jeder Form und sich ganz den örtlichen Verhältnissen anschmiegend, unverzüglich zum Angriffe auf einen
bestimmten Punkt loszubrechen ; die feststehenden Prinzipien müssen Anhaltspunkte geben, denen alle Unterführer auch ohne weitere
Befehle zu erhalten ihre Bewegungen zu unterordnen haben . Es ist wohl sehr natürlich , daſs diese Ziele nur zu erreichen sind, wenn
zahlreiche und verschiedene Übungen in diesen groſsen Körpern konsequent stattfinden und wenn ein ausgesprochen talentiertes
kavalleristisches Auge solche Übungen überwacht und deren Zweck stets wieder vor Augen führt. Es war ferner für die Kavallerie nicht minder störend, daſs recht häufig über sie disponiert wurde,
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wie über eine Art von Infanterie- oder Artillerie - Reserve. Sie war nicht selten an einen bestimmten Platz gefesselt und erhielt in
irgend einem bedenklichen Momente den Befehl zum Angriffe, ohne kavalleristische Beachtung der Frage ob solcher Moment auch einige Chancen für den Angriff biete, ob und was man mit diesem Angriff erreichen könne. Dies Alles aber hatte der Kavallerie während langer Dezennien
gefehlt und es kann durchaus nicht befremden, daſs die Waffe unklar über ihre Aufgaben, unklarer über die Art, wie diese Aufgaben zu lösen sind und unfähig geblieben war, in gröſseren Körpern aufzu treten . Lange Zeit hatte sich zudem in den andern Waffen die Ansicht ausgebreitet , bei der Kavallerie brauche man gar nichts wie selbst flott reiten und in irgend einem Zeitpunkte vor der Truppe noch Marsch ! Marsch ! zu kommandieren .
Kümmerte man sich schon in der Kavallerie sehr wenig um den in einer Unzahl von Schalen verborgenen Kern der Sache, so fand man es in der Armee noch viel weniger der Mühe wert , diese Schalen zu zertrümmern , um endlich den Kern zu finden.
Im wahren
Sinne des Wortes war und blieb die Kavallerie ein ungelöstes Rätsel. Die Kavallerie , welche vor Allem und so unendlich not wendig einer tüchtigen Leitung bedurft hätte, sie blieb dem Zufalle und den mit den Personen wechselnden Anschauungen unterworfen . Wir selbst erinnern uns noch dieses stetigen Wechsels, der sich von Oben mitunter auch durch kavalleristische Anforderungen auszeichnete, welche inmerhin leider nur sporadisch auftraten. Von unten machte sich dieser Wechsel vornehmlich durch fette und magere Pferde Die oben erwähnten kavalleristischen Anforderungen hatten zur natürlichen Folge, daſs das nur sehr mäſsig oder ganz bemerklich.
und gar nicht für solche Leistungen vorbereitete Material anfänglich entschieden zurückging , in einzelnen Abteilungen sogar in einer
allerdings bedenklichen Art zurückging. Anstatt daſs man nunmehr bemüht gewesen wäre, auf die oben erwähnte zweckmäſsige Vorbe reitung des Materials hinzuwirken, gab man lieber die Anforderungen auf.
Meistens hatten auch die leitenden Persönlichkeiten keineswegs
die Zeit und den nötigen , absolut notwendigen Einfluſs, um eine 1
Basis zu schaffen , auf welcher wirklich gute Resultate hätten errungen werden können : » Eine praktische Soldaten - Reiterei. « Wenn wir nun kurz resumieren, so fehlten der Kavallerie geradezu alle jene Einrichtungen, welche ihr gestattet haben würden,
sich aus dem Sumpfe einer gewissen Mittelmäſsigkeit zu erheben. Wir möchten aber nicht unerwähnt lassen , daſs gerade die Kavallerie
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auch nicht eine dieser Einrichtungen entbehren kann, soll sie florieren,
daſs sie diese Einrichtungen in reichem Maſse besessen hat überall wo sie wirklich Groſses leistete und zwar „ tüchtige Soldaten-Reiterei, einfache echt kavalleristische Instruktionen und Reglements, zweck
mäſsige Übungen und tüchtige kavalleristische Oberleitung. “
Die
Kavallerie muſs unbedingt das Ideal anstreben , wenn sie einst groſse Erfolge erringen will , sie muſs diesem Ideale ziemlich våhe gekommen sein , um solche Erfolge zu erzwingen . Es ist ein ganz mächtiger, gewaltiger Unterschied zwischen der Kavallerie und den anderen Waffen ; diese können durch zähe Ausdauer, kalt
blütige Todesverachtung Manches erreichen , die Kavallerie kann nur durch ideale Sicherheit den Gegner » niederreiten « ; sie kann,
ist dieser Gegner Infanterie, nur dann reüssieren, wenn durch irgend welche Verhältnisse dessen Hauptwirkung, »ruhiges, ver nichtendes Feuer« , alteriert erscheint, gerade so wie es auch für jede Infanterie -Attacke als selbstverständlich angenommen ist. Frei von jedem Vorurteile und jedem Hintergedanken wollen wir bestrebt bleiben, das vor Augen zu führen, was wir in einer
langen Zeit als richtig erkannt haben . Mit Begeisterung für unsere Waffe wollen wir ohne Ermüdung klar und bestimmt sagen , was
wir für unerläſslich notwendig für das Gedeihen derselben halten , was wir durch das Studium der Geschichte auſserdem vollständig bestätigt fanden .
Wenn wir vor kurzer Zeit als Entgegnung ein Sprichwort
angeführt bekamen, das Sprichwort nämlich » das beste ist stets des guten Feind «, so setzen wir mit voller Überzeugung das andere entgegen »nur wer nach Vorzüglichem strebt , wird die Grenze der Mittelmäſsigkeit überschreiten « .
Daſs es für uns Kavalleristen aber absolut notwendig ist,
» dieses Streben nach Vorzüglichem « , das dürfte schon aus dem Umstande zu entnehmen sein, nach welchem wir erst seit einigen Dezennien in der Lage sind , wirklich vorwärts zu kommen.
Daſs
diese Lage ebenfalls mit wechselndem , recht bemerklich wechselndem
Geschicke ausgenutzt werden konnte, liegt in der Natur der Sache. In keiner Waffe ist der Einfluſs der Leitung ein so über wältigender wie in der Kavallerie , und dennoch hatten wir uns leider nur vorübergehend einer tüchtigen, wenn auch durch
verschiedene Umstände sehr eingeschränkten Leitung zu erfreuen. Immerhin aber verdanken wir dieser Oberleitung Alles, was bisher errungen ist ; möchte das unglückliche Geschick, welches diese Ober
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leitung aufgehoben hat, nicht zum Stillstande in der so bemerklichen Vorwärtsbewegung führen , denn Stillstand ist bereits ein Rückschritt! Nur jene Kavallerie, welche nicht in Spielereien, wohl aber in
ihrer tächtigen Ausbildung dem Ideale recht bemerklich näher ge rückt ist, wird mit aller Sicherheit einen ebenbürtigen Gegner nicht finden .
Sie allein
wird im Stande sein ,
die vorübereilenden
günstigen Momente zum Angriff in zweckentsprechender, nach den Verhältnissen sich richtender Gliederung mit blitzartiger Schnellig
keit zu benutzen und zu Ende zu führen, ganz ähnlich wie wir dies schon einmal in der Geschichte der Kriege staunend bewundern. Da kann es kein Instruieren , kein zögerndes kompliziertes Formieren
u. s. w. geben . Ein Zeichen des Führers und im raschesten Fluge muſs sich die Kavallerie formieren, mit Sturmeseile sich ihrem
Angriffsziele nähern , mit fest geschlossenen Reihen und in wütendem Anfalle dasselbe niederwerfen : In diesen wenigen Worten scheint uns die ganze Taktik der Kavallerie zu ruhen. Nach einfachen , zweckmäſsigen Prinzipien ausgebildete Eskadrons werden in wenig Tagen einfache und zweckmäſsige Bewegungen in Regimentern und Brigaden mit Sicherheit ausführen ; für die schwierige Verwendung in gröſseren Verbänden ist es absolut geboten, daſs diese Verbände jährlich zusammentreten, um die nötige Vorbereitung für die ebenso wichtige Verwendung bei Gelegenheit der gröſseren Truppenübungen zu finden . Erst im zweiten Jahre werden bei dieser Vorbereitung jene Punkte klar gelegt werden können, welche die vorausgegangene
Verwendung bei den gröſseren Übungen vor Augen geführt haben. Die gegenseitige Unterstützung der 3 Waffen , so wichtig sie auch immer ist, hat zu den sonderbarsten und irrigsten Anschauungen geführt, insoweit die Kavallerie in Betracht kam .
Die beiden
anderen Waffen haben in ihrer Feuerwirkung eine gewisse Über einstimmung . Wenn nun diese Fenerwirkung auch anfänglich namentlich nicht nebeneinander läuft, so wird sie sich doch zumeist
auf das gleiche Ziel richten, um die notwendige Erschütterung beim Gegner hervorzurufen.
Es ist wohl ganz selbstverständlich, daſs
die Kavallerie hier nicht mitwirken kann , und deshalb auch dem Bereiche der gegnerischen Geschosse entzogen sein muſs, Wie häufig aber finden wir noch , daſs die Kavallerie bei solchen Gelegen
heiten zur Deckung eines Flügels herangezogen und solchem Flügel angehängt wird. Man hat einfach vergessen , daſs die Kavallerie sich zeigen und attakieren muſs, wenn sie mehr wie eine höchst unglückliche Scheibe, wenn sie Kavallerie bleiben soll.
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Dies gilt namentlich bei einem offensiv vorgehenden Truppen körper ; hier kann die Kavallerie nur in sehr bedecktem und mehr
coupiertem Terrain in näherer Verbindung mit der Infanterie bleiben, sonst aber wird es sich weit mehr empfehlen, durch umfassende Bewegungen zu trachten, auf die Flanke und in den Rücken der
gegnerischen Stellung einzuwirken . Nur bei Defensivstellungen kann die Kavallerie auch in der nächsten Nähe dieser Stellung oder eines Flügels derselben halten und die Gelegenheit zum Eingreifen ab warten.
Wir haben hier eine kurze Betrachtung über einen Gefechts moment gebracht, wir könnten solche Betrachtungen noch weiter ausführen, noch über verschiedene andere Momente anstellen, wollen dies jedoch unterlassen. Es giebt eben nur eine Hauptregel für die Verwendung der Kavallerie und ihre Gefechtsthätigkeit und diese Regel ist Ausnützung jedes günstigen Momentes zum Angriff.
Solch
günstige Momente werden entweder durch die Thätigkeit der anderen Waffen oder durch überraschende Bewegungen der Kavallerie herbei geführt werden, können also in der Regel auch nur durch die
Führer der Kavallerie beobachtet und ausgenutzt werden.
Die
andere Verwendung, wobei die Kavallerie in innigster Verbindung mit den beiden anderen Waffen in deren Gefecht eingreift, wird stets eine ausnahmsweise bleiben müssen , namentlich wenn die günstigen Momente für die Kavallerie nicht in erster Linie in Be tracht kommen können oder sollen. Endlich dürfte es sich empfehlen,
daſs alle Befehle, welche der Kavallerie zukommen, wenn sie nicht in direkter Berührung mit dem Befehlenden ist, schriftlich erteilt werden, aus Gründen, die wohl nicht des Breiteren erörtert zu werden brauchen .
8.
V. Die Schlachten und Treffen
des Krimkrieges.*) Von
H. Kunz , Major a. D.
( Schluſs.)
Der Angriff auf Eupatoria am 17. Februar 1855 . Nach der Schlacht von Inkermann erlahmten die kriegerischen
Handlungen auf der Krim -Halbinsel. Die Russen hatten eine schwere Niederlage erlitten und dachten zunächst nicht daran, ihre Offensiv -Operationen zu erneuern.
Auf die Verbündeten hatte aber selbst der für sie glücklich verlaufene Angriff der Russen doch einen solchen Eindruck gemacht, daſs auch sie für das erste nur daran dachten , sich gegen neue
russische Angriffe zu sichern . Selbst die verstärkte Beschieſsung Sebastopols nahm bald ein Ende und zwar vom
14. November 1854 an .
An einen baldigen
Sturm auf Sebastopol dachte Niemand mehr. Der Winter trat auſserdem in seine Rechte.
Er führte sich
durch den furchtbaren Orkan vom 14. November ein , welcher den
verbündeten Flotten groſsen Schaden brachte.
Die Engländer waren durch die Verluste von Inkermann sehr geschwächt, sie litten dazu auch noch in jeder Beziehung bittere Not. Es fehlte eigentlich an allem , Vorbereitungen für den Krieg waren von den Engländern gar nicht getroffen worden , es mangelten ihnen Trains, selbst Winterkleider.
Die Folge davon war , daſs die Franzosen den rechten Flügel des Angriffs übernehmen muſsten . Es wurden also die Engländer in die Mitte genommen .
Unter diesen Umständen schlief die Belagerung von Sebastopol, so zu sagen , ein . *) Die zu diesem Aufsatz gehörige Skizze zur Schlacht an der Tschornaja
wird mit dem Februar- Heft nachgeliefert, da die Fertigstellung bis zum Er scheinungstage dieses Heftes leider nicht möglich war,
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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Mitte Januar 1855 zählte die englische Infanterie vor der Festung kaum 10,000 Mann. Die Franzosen erhielten zwar sehr ansehnliche Verstärkungen, litten aber durch den Winter auch in hohem Grade.
Allein im Januar 1855 verloren sie 2500 Mann durch die Kälte an erfrorenen Gliedmaſsen .
Daſs es den Russen nicht wohl kaum erwähnt zu werden. unglücklichen Verwundeten und Perekop bot oft genug ein Bild
wesentlich besser erging , braucht Namentlich der Rücktransport der Kranken über Bachtschissarei und ergreifenden Elends dar.
Im Januar trat Russland ein neuer Feind entgegen, Sardinien, welches sich den Westmächten anschloſs.
Die Russen hatten inzwischen in Sebastopol ein neues System der Verteidigung eingeführt, sie gingen dem Angreifer mit dem Spaten in der Hand entgegen. Die Seele dieser Art von Ver teidigung war Todleben , er liefs überall auf den angegriffenen Fronten neue Schanzen erbauen, vor denselben Schützengräben und beunruhigte den Gegner durch fortgesetzte kleine Ausfälle. Ernstere Unternehmungen fanden während des Winters nicht statt. Die erste einigermaſsen bedeutende kriegerische Handlung war
der Angriff auf Eupatoria durch die Russen . Dieser wichtige Platz war anfänglich von den Verbündeten ziemlich stark vernachlässigt worden .
Erst später geschah etwas für seine Verteidigungs
fähigkeit. Die Stadt wurde mit einer Erdbrustwehr nebst davor liegendem Graben umgeben. An einigen Stellen war diese Erdbrustwehr durch Mauern ans trockenen Steinen ersetzt. Eine groſse Anzahl von
Gebäuden war in Verteidigungszustand gesetzt worden . 34 Geschütze, meist von der Marineartillerie und 5 Raketengestelle bildeten die Ausrüstung der Werke.
Die Verteidigung wurde unterstützt durch das gescheiterte
Linienschiff Henri IV. und 6 Kriegsdanıpfer der Verbündeten . Die Besatzung bestand
aus
33 türkischen
Bataillouen
21,000 Mann, 200 türkischen Reitern , 2 türkischen Feldbatterien und 276 Mann der Schiffsmannschaft des gestrandeten Linienschiffs Henri IV.
Omer Pascha führte den Oberbefehl .
Die Russen befürchteten , daſs die starke Besatzung dazu be
stimmt sei, angriffsweise gegen die rückwärtigen Verbindungslinien Sebastopols vorzugehen .
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
49
In Folge dessen entschloſs sich Fürst Menschikoff zu einem
Angriffe auf Eupatoria. General Wrangel sollte diesen Angriff leiten , er wollte jedoch nicht die Verantwortung übernehmen, weil er das Unternehmen für 7
aussichtslos hielt.
Es wurde daher dem General Chruleff der Oberbefehl erteilt.
Zum Angriff wurden bestimmt: 15,375 Mann Infanterie, 22 Bataillone -
24 Schwadronen
3,183 Reiter, 325 Kosaken,
5 Sotnien
108 Geschütze .
Da Thauwetter eingetreten war , so befanden sich die Wege in Auch auf den Gesundheits zustand der Mannschaften wirkte das abwechselnd passe und kalte einem äuſserst schlechten Zustande.
Wetter sehr ungünstig . In der Nacht zum 17. Februar erbauten die Russen ,
auf
550 m von der Stadtumfassung, Geschützdeckungen für 76 Geschütze ; jedes Geschütz war vom Nachbargeschütz 40 Schritte entfernt; vor
jeder Geschützdeckung befanden sich 5 Schützenlöcher. Der Feind störte diese Arbeiten nicht.
Bei Tagesanbruch war alles fertig. 220 m hinter der Artillerie standen 6 Bataillone in Compagnie kolonnen als erstes Treffen , ebenso weit hinter dem ersten Treffen befanden sich 6 Bataillone in Halbbataillonskolonnen und ebenfalls so weit hinter dem zweiten Treffen 10 Bataillone als Reserve .
Die Russen waren in 3 Kolonnen formiert. Die rechte Kolonne zählte 8 Bat., 14 Schw ., 2 Sotn ., 36 Gesch . 1 36 7 Die mittlere >>
>>
Die linke
7
>>
10
>>
2
36
>>
Am 17. Februar früh 6 Uhr begann das Feuer. Noch vor der Eröffnung desselben nahmen 16 leichte Geschütze
auf dem linken, russischen Flügel Stellung, so daſs also die Russen das Feuer mit 92 Geschützen eröffneten .
Ein Bataillon griechischer Freiwilligen, 4 Sotnien abgesessener Kosaken , denen als Reserve ein Bataillon Dragoner zu Fuſs folgte, näherten sich auf dem linken russischen Flügel unter dem Schutze der Kirchhofsmauern und der Steinbrüche der Stadt auf 100 Schritte. Weitere 8 Geschütze brachten die Geschützmasse der Russen
auf 100 Stück, davon 24 schwere.
Das russische Artilleriefeuer wirkte gnt, 5 Munitionsbehälter in Eupatoria explodierten . Jahrbücher für die Deutache Armee und Marine.
Bd. LXX., 1.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
50
Inzwischen waren die russischen Truppen vor Eupatoria durch 8 Schwadronen Ulanen verstärkt worden = 1050 Reiter, welche
alsbald dem linken, russischen Flügel zugewiesen wurden . Um 10 Uhr früh ging die russische Artillerie auf 330 m
an
die Stadtumwallung heran und feuerte mit Kartätschen .
Der Feind machte um diese Zeit einen schwachen Versuch , den Russen durch einen Ausfall entgegen zu treten , und zwar geschah dies auf dem linken, türkischen Flügel. Allein die Türken griffen nicht ernstlich an , sondern gingen vielmehr bald wieder zurück. Auch die letzte russische Batterie wurde nun in die Feuerlinie gezogen.
Auf dem linken , russischen Flügel gingen 16 russische Geschütze auf 220 m an die Stadt heran .
Jetzt glaubte man, einen Sturmversuch wagen zu dürfen . Zwei Bataillone Regiments Asoff, das griechische Freiwilligen- Bataillon und ein Bataillon Dragoner zu Fuſs gingen zum Sturm vor. Die Truppen kamen bis zum Graben , welcher mit Wasser gefüllt war . Die mitgenommenen Sturmleitern erwiesen sich als zu kurz, die Truppen gingen daher zu den Kirchhöfen zurück . General Chruleff beschloſs darauf den Rückzug.
Die rechte und mittlere Kolonne der Russen zogen ungehindert ab, die linke Kolonne aber wurde durch 3 türkische Schwadronen
und ein türkisches Bataillon belästigt, welche aus Eupatoria heraus traten , um die Russen zu verfolgen. Allein die türkische Kavallerie wagte keinen Angriff, das Bataillon aber begnügte sich damit , die zurückgelassenen Ver wundeten der Russen niederzustechen . Um 11 Uhr früh war alles zu Ende.
Die Russen verloren 1 General, 42 Offiziere, 726 Mann.
Ein
schlieſslich der Artilleriemannschaften zählte das Corps des Generals Chruleff rund 22,000 Mann.
Es belief sich also der Verlust der
Russen auf nicht ganz 3/2 Prozent der Stärke. Die Türken verloren 17 Offiziere, 371 Mann, Die Franzosen verloren 13 Mann .
Das Gefecht von Eupatoria bietet vom taktischen Standpunkte aus recht wenig Interesse.
Indessen hat es doch auch eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit. Es geht nämlich aus keiner anderen kriegerischen Handlung des Krimkrieges so klar der gewaltige Fortschritt hervor, welchen die Feuerwaffen seit dem Jahre 1855 gemacht haben. 108 russische Geschütze entwickeln sich vor Eupatoria, nor
Die Schlachten und Treffen der Krimkrieges. 550 m
51
von der Umwallung einer überaus stark besetzten Stadt
entfernt, welche noch dazu auf beiden Flügeln durch Kriegsschiffe flankiert wird.
Man denke sich nun heutige Verhältnisse. Schon das Gewehrfeuer würde die Artillerie auf 550 m völlig vernichtet haben.
Doch nicht genug damit.
Die russische Artillerie rückt auf 330 m , ein Teil derselben sogar auf 220 m an die Befestigungswerke heran . Die russische Artillerie wird dabei keineswegs durch das feindliche Feuer be hindert, im Gegenteil, sie wirkt selbst ganz vortrefflich.
Das alles würde heutzutage völlig unmöglich sein. Dennoch miſslang auch damals schon die Unternehmung und ist ein Beispiel dafür, daſs man nicht daran denken darf, eine be festigte Stadt durch bloſses Beschieſsen aus Feldartillerie einnehmen zu wollen .
Wir haben bekanntlich im Kriege von 1870/71 ganz dieselbe Erfahrung gemacht. Es war ein Unding, mit 15,000 Mann Infanterie eine befestigte Stadt anzugreifen, welche von 21,000 Mann Infanterie verteidigt wird, und welche wegen ihrer Lage am Meere nicht umfaſst werden konnte, vielmehr selbst durch Kriegsschiffe sehr wirksam unter stützt wurde.
Unter solchen Umständen ist schon der Versuch eines Angriffs ein schwerer Fehler.
Das einzige Gute bei der ganzen Sache scheint uns der schnelle Entschluſs des Generals Chruleff gewesen zu sein , sobald er die wahre Sachlage erkannte, sofort den Rückzug anzutreten .
Die Schlacht an der Tschornaja am 16. August 1855 . In Folge des miſsglückten Unternehmens auf Eupatoria trat Fürst Menschikoff zurück und an seiner Stelle erhielt Fürst Gort schakoff den Oberbefehl über das russische Heer in der Krim .
Ende Februar begannen auch vor Sebastopol die kriegerischen Ereignisse einen ernsteren Charakter anzunehmen . Der Bau der neuen Schanzen Selenginsk , Wolhynien , sowie des Werkes » Kamtschatka« , führte zu blutigen Kämpfen, von welchen besonders der groſse Ausfall hervorzuheben ist , welchen die Russen am 22. März von dem Werke Kamtschatka aus unter nabmen, und welcher ihnen mehr als 1300 Mann kostete. Am 2. März 1855 starb Kaiser Nikolaus.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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Am 15. März begann die Konferenz von Wien , welche am 26. April sich zerschlug, aber für Russland den groſsen Vorteil brachte, daſs zwischen Österreich und den Westmächten eine sehr bedeutende Erkaltung eintrat , welcher Österreich durch die Ent lassung von 60,000 Mann Reserven alsbald Ausdruck gab. Am 9. April eröffneten die Verbündeten die zweite verstärkte Beschieſsung Sebastopols, welche bis zum 18. April dauerte. Während dieser 10 Tage verfeuerten die auf der Landseite befindlichen russischen Batterien 88,750 Kanonenschüsse, während
die Franzosen aus 388 Belagerungsgeschützen 130,000 Schüsse ab gaben, die Engländer aus 132 Belagerungsgeschützen 34,300 Schüsse. ussen verloren während dieser zehntägigen Beschieſsung 6130 Mann, die Franzosen 1585, die Engländer 265 Mann . Am 16. Mai erhielt an Canroberts Stelle der General Pelissier Die
den Oberbefehl über das französische Heer. Um diese Zeit befanden sich in der Krim :
115,000 Mann Franzosen , 32,000 Engländer, >>
Piemontesen , 17,000 >> Türken , 55,000 219,000 Mann,
welche 185,000 Mann streitbar zählten .
In den Tagen vom 21. bis 23. Mai fanden auf dem linken
Flügel der Verbündeten vor Bastion Nr. 6 heftige und blutige Kämpfe statt, welche den Russen über 3000 Mann, den Franzosen 2300 Mann kosteten . Ende Mai unternahmen die verbündeten Flotten den bekannten
und berüchtigten Raubzug in das Asowsche Meer. Den Russen wurde viel Schaden zugefügt, einen Einfluſs auf den Gang der Er eignisse hatte jedoch dieser brutale Zerstörungszug in keiner Weise .
Am 6. Juni begann die dritte verschärfte Beschieſsung Sebastopols, welche bis zum 10. Juni anhielt und den Russen einen Durchschnitts
verlust von 700 Munn täglich beibrachte. Am 7. Juni eroberten die Verbündeten die vorgeschobenen Werke Selenginsk, Wolhynien, Kamtschatka. Der Kampf war äuſserst blutig, er kostete den Russen etwa 5000 Mann, den Franzosen 5500 und den Engländern 700 Mann . Am 17. Juni eröffneten die Verbündeten die vierte verstärkte
Beschieſsung Sebastopols , welcher schon am folgenden Tage der Sturm auf die Stadt folgte . Dieser Sturm wurde von den Russen iu glänzender Weise ab
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
53
geschlagen , sie verloren dabei 5446 Mann, die Franzosen büſsten 5387 Mann ein , die Engländer 1728 Mann .
Nach diesem verunglückten Sturme trat eine Pause in den Unternehmungen der Verbündeten ein , welche jedoch seitens der selben durch eifriges Fortsetzen der Belagerungsarbeiten ausgefüllt wurde.
Im
russischen Hauptquartiere verhehlte man sich den Ernst
der Lage nicht.
Es gab eine starke Partei in demselben , welche zu
thatkräftigem Handeln drängte. Der Oberbefehlshaber, Fürst Gortschakoff, hielt mit Recht einen
Angriff auf den überlegenen Feind für aussichtslos und sprach sich dem Kriegsminister gegenüber sehr energisch aus. Er schrieb , am ersten Tage würde er vorrücken , am zweiten
Tage die feindliche Avantgarde zurückwerfen, und einen glänzenden Bericht schreiben, am dritten Tage würde er mit einem Verluste
von 10--15000 Mam geschlagen werden , am vierten Tage würde Sebastopol verloren sein . Er ging sogar soweit, einen Angriff auf die Verbündeten, deren Hauptkräfte uneinnehmbare Stellungen be setzt hätten , für Wahnsinn zu erklären. Deutlicher
kann
der
Oberbefehlshaber
eines
Heeres
nicht
sprechen.
Während nun Fürst Gortschakoff für einen rein passiven Wider
stand war, führten die Gegner dieser vorsichtigen Meinung an , daſs die Besatzung Sebastopols täglich 250 Mann durch das feindliche
Feuer verlöre, dafs also dieser Verlust auf die Dauer eine Höhe erreichen müsse, welche den Verlust in einer selbst sehr blutigen Schlacht bei weitem übersteigen würde.
Das Ergebnis dieser widerstrebenden Meinungen gipfelte schlieſs lich in dem Befehle des Kaisers Alexander II . an den Fürsten Gort
schakoff, sofort einen Kriegsrath einzuberufen und eine Entscheidung durch denselben herbeizuführen. Dies geschah. Die Mehrheit der zu dem Kriegsrath berufenen Generäle sprach
sich für einen Angriff aus, welcher von dem Tschornajaflusse aus geführt werden sollte. General von Todleben (dieser hochverdiente
Mann war während der Belagerung erst Oberst, dann General ge worden ) war entschieden gegen einen solchen Angriff. Er führte aus, daſs hier das Gelände dem Feinde auſserordentlich günstig sei, daſs die Streitkräfte der Verbündeten noch dazu den Russen ent schieden überlegen seien . Selbst wenn es den Russen gelänge, die
Fedjuchinhöhen zu nehmen , wäre ein weiterer Erfolg des Angriffs auf den Sapunberg ganz undenkbar.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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Todleben versprach sich weit mehr Erfolg von einem direkten Angriffe durch die Docks und Laboratoriumsschlucht. Von hier aus vordringend, wollte er die feindlichen Belagerungsarbeiten im Rücken fassen und sich dann in dem eroberten Gelände festsetzen .
Fürst Gortschakoff sah sich jedoch gezwungen dem Drängen der zum Angriffe ratenden Partei nachzugeben und entschloſs sich dazu ,
an der Tschornaja eine Schlacht zu liefern . Er selbst glaubte nicht an einen Erfolg, er befahl den Angriff gegen seine bessere Über zeugung
Das sind sehr schlechte Vorbedeutungen für den Ausgang einer Schlacht. Seit dem 25. Mai hatten die Verbündeten das linke Ufer der
Tschornaja besetzt. einander abgesonderte Höhen bezeichneten ihre Stellung. Am weitesten östlich liegen die Hasforthöhen , in der Mitte die Fedjuchinhöhen und am meisten westlich der Sapunberg. Drei
von
Die Hasfort- und Fedjuchinhöhen dachen sich sanft gegen Balaklawa ab, fallen aber ganz steil zur Tschornoja herunter. Die hier znr Sprache kommenden Abhänge des Sapun berges sind als unzugänglich zu bezeichnen . Die Fedjuchinhöhen
zerfallen
wieder in drei abgesonderte,
schroff aufsteigende Erhöhungen, welche durch tiefe Schluchten von einander getrennt sind .
Die Hauptverbindung der Russen mit dem Tschornajathale bildete den Weg von den Mackenziehöhen nach Balaklawa. Er geht zwischen dem östlichen und dem mittleren Fedjuchinberge hindurch und überschreitet die Tschornaja auf einer massiven Brücke.
Eine zweite Brücke vermittelte die Verbindung zwischen den Hasforthöhen und dem unmittelbar gegenüber , nordwestlich von Tschoryun am nördlichen Ufer der Tschornaja liegenden Telegraphen berge. Dieser Berg war von den Verbündeten schwach besetzt und
diente ihnen als vorgeschobener Posten. Das Thal der Tschornaja, bis zum Dorfe Tschoryun ganz schmal , erweitert sich von hier ab bis 1,5 km an einzelnen Stellen.
Auſser der Tschornaja hatten die Russen auch noch den Wasser leitungskanal zu überschreiten, welcher von Tschoryun her das groſse Bassin in den Trockendocks von Sebastopol mit Wasser speiste. Die Tschornaja hatte auf der Strecke von Tschoryun bis Inkermann eine Breite von 2,2 bis 8,8 m und war 2 bis 6 Fuſs tief. Verschiedene Furten waren vorhanden . Der Wasserleitungs
kanal war nicht sehr breit, aber tief und lief auſserdem , zwischen
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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steinernen Einfassungsmauern, unmittelbar längs des Fuſses der von den Verbündeteten besetzten Höhen.
Die Brücke, auf welcher der Weg Bachtschissarai- Balaklawa die Tschornaja überschreitet, war durch einen Brückenkopf gesichert. Der Kürze halber wollen wir diese Brücke so nennen, wie sie die
Verbündeten getauft hatten : Traktirbrücke.
Der Telegraphenberg und die Hasforthöhen waren mit ziemlich unbedeutenden Befestigungswerken, die Fedjuchinhöhen mit etagen weise übereinanderliegenden Schützengräben versehen .
Ungleich stärker waren die Befestigungswerke auf dem Sapun berge, welche als fast uneinnehmbar bezeichnet werden können. Die Hasforthöhen waren von den Piemontesen besetzt und zwar
befauden sich hier : Die Division Durando, Die Division Trotti,
10 Bataillone = 3100 Mann, 10 Bataillone = 3480 Mann, 5 Bataillone = 1700 Mann.
Dit Brigarde Giustiniani, 4 Schwadronen = 320 Reiter und 36 Feldgeschütze, zusammen 8600 Mann .
Auf dem Telegraphenberge standen piemontesische Vorposten, nur durch kleine Erdaufwürfe gedeckt.
Die Fedjuchinhöhen waren von den Franzosen folgendermaſsen besetzt :
Die östliche Erhebung hatte die Brigade Manèque der Division Faucheux, 3 Bataillone und 6 Geschütze = 1600 Mann inne, die
mittlere Höhe und den Brückenkopf die Brigade Failly derselben Division, 6 Bataillone = 1490 Mann. Auſserdem standen auf dieser -
Höhe noch 4 Bataillone und 6 Geschütze der Brigade Wimpfen der Division Camou = 2080 Mann, während die beiden anderen Ba =
taillope dieser Brigade = 1350 Mann und die Brigade Vergé der Division Camou, 7 Bataillone und 6 Geschütze
2830 Mann, die
westliche Höhe besetzt hielten .
Auf der mittleren Höhe standen auſserdem noch die Brigade Cler der Division Herbillon, 5 Bataillone
1570 Mann und die
Reserveartillerie, 5 reitende Batterien . Hinter den Fedjuchinhöhen stand die Brigade Sencier der Division Herbillon, 7 Bataillone = 2940 Mann , und zwar noch auf dem Ostabhange des Sapunberges, in der Nähe der Redoute Canrobert.
Vom Sapunberge konnten noch in die Schlacht eingreifen : die Divisionen Dulac und d'Aurelles.
Aufder Ebene von Balaklawa bivakierten die französische Kavallerie
Division Morris, 16 Schwadronen = 2420 Reiter und die englische Kavallerie- Division Scarlett, 30 Schwadronen = 3000 Reiter.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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Östlich
Balaklawa
von
standen
die
türkischen
Truppen ,
17 Bataillone, eine Schwadron, 36 Geschütze = 9950 Mann. Im Ganzen waren mithin auf den Fedjuchinhöhen , beziehungsweise hinter denselben : 33 französische Bataillone = 16
>>
48
13,860 Mann Infanterie,
Schwadr.
2,420 Reiter,
Geschütze
1,530 Mann Artillerie.
Zusammen : 17,810 Mann Franzosen .
Die Verbündeten verfügten mithin zur Verteidigung des linken Tschornajaufers über : 17,810 Mann Franzosen 8,600
Piemontesen
3,000 9,950
Engländer
39,360 Mann . Türken
Es muſs hier noch besonders auf die auffallend geringe Effektiv stärke der Franzosen aufmerksam gemacht werden .
Im Durchschnitt
zählte das Bataillon nur 420 Mann . Die Zuaven beziehungweise algerischen Schützen waren stärker und zwar 600—750 Mann per Bataillon , dagegen zählten die Bataillone der Regimenter 95, 97, 73 nur 250 Mann durchschnittlich .
Man sieht, daſs die 1870 bekanntlich so sehr hervorgetretene Schwäche der kaiserlich französischen Armee, geringe Effektivstärke der Infanterie, ihr von Anfang an eigentümlich war.
Fürst Gortschakoff verteilte die zum russischen Truppen in folgender Weise :
Angriffe bestimmten
Rechte Flügelkolonne. General Read. 25 /4 Bataillone 13,040 Mann Infanterie. 940 Reiter, 840 Kosaken, 62 Geschütze.
Schwadronen Sotnien
8 6
---
Linke Flügelkolonne. General Liprandi. 15,110 Mann Infanterie,
30 '/4 Bataillone 1 2
Legion
500
Sotnien
270 Kosaken , 70 Geschütze .
Haupt - Infanterie - Reserve. General Schepeleff. 307, Bataillone =
18,960 Mann Infanterie,
36 Geschütze .
Haupt - Kavallerie - Reserve. General Schabelski. 7000 Reiter , 50 Schwadronen 9 Sotnien = 1190 Kosaken, 28 Geschütze,
Die Schlachten und Treffen des Krim krieges.
57
Artillerie - Reserve. Oberst Fürst Tschelokajeff. 76 Geschütze .
Linke Flanken - Abteilung. General Mitton . 6 Bataillone 2350 Mann Infanterie, 1110 Reiter , 1350 Kosaken,
8 Schwadronen 10 Sotnien
-
12 Geschütze.
Abteilung für das Baidarthal. General Chalez ki . 8 Schwadronen
1040 Reiter,
6 Sotnien
790 Kosaken , 4 Geschütze.
Inkermannsche Abteilung. General Popoff. 6 /A Bataillone = 3100 Mann Infanterie, Sotnien
3
380 Kosaken . 16 Geschütze.
Es waren also im Ganzen zu der Unternehmung bestimmt : 52,560 Mann Infanterie, 98/4 Bataillone 500 Legion 1 74 36
Schwadronen
---
Sotnien
-
10,090 Reiter ,
4,820 Kosaken,
304 Geschütze .
Rund 74,000 Mann.
Die rechte Flügelkolonne sollte sich gegenüber den Fedjuchin höhen auf dem rechten, nördlichen Tschornajaufer entwickeln und ihre Artillerie zum Beschieſsen der Fedjuchinhöhen verwenden.
Den Übergang über die Tschornaja und den Angriff auf die Stellung der Franzosen sollte sie nicht eher beginnen , als bis sie einen hierauf bezüglichen besonderen Befehl des Oberbefehlshabers erhalten würde.
Die linke Flügelkolonne sollte den Telegraphenberg und das Dorf Tschoryun nehmen und dann die Hasforthöhen angreifen, hierzu aber auch abwarten .
den
besonderen
Befehl
des
Fürsten
Gortschakoff
Die linke Flankenabteilung sollte im Vereine mit der Kavallerie
des Generals Chelezki das Baidarthal beobachten , in welchem 20 französische Schwadronen unter dem General d'Allonville standen ,
welchen 2 Bataillone und 2 reitende Batterien beigegeben waren .
Die Inkermannsche Abteilung sollte eine Demonstration gegen den Sapunberg ausführen .
Die Reserve hatte binter der rechten Flügelkolonne Stellung zu nehmen .
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
58
Tragbare Brücken waren vorbereitet worden, um den Wasser leitungskanal überschreiten zu können . Fürst Gortschakoff wollte unter allen Umständen erst alle
Verhältnisse genau erkunden und dann je nach dem Ergebnisse der Erkundung entweder die Fedjuchinhöhen oder die Hasforthöhen angreifen, oder aber auf jede ernste Unternehmung verzichten.
Die
Nacht zum 16. August war sehr dunkel. Ein dichter Nebel lag tiber den Tschornajathale und verhüllte alle Bewegungen der Russen .
Die russische linke Flügelkolonne teilte sich in 2 Teile, die östliche Kolonne unter General Belgard, 13 '/, Bataillone, 1 Legion, 2 Sotnien, 42 Geschütze, rückte längs des bei Tschoryan in die Tschornaja mündenden Flüſschens Schulja vor und zwar auf Tschoryun und auf
Karlowka .
Das letztere Dorf wurde von ihr besetzt,
24 russische Geschütze eröffneten von den Höhen nördlich von Karlowka ihr Feuer.
Die westliche Kolonne, 17 Bataillone, 28 Geschütze, unter dem
General Liprandi , ging gegen den Telegraphenberg vor.
Es war
etwa 5 Uhr früh .
Ohne Mühe wurden die piemontesischen Vorposten vom Telegraphen berge verdrängt und zum Rückzuge über die Tschornaja gezwungen .
gelegene
Nur der unmittelbar vor der oben erwähnten Brücke
Berg wurde
von
den Piemontesen
behauptet.
Dem
Befehle gemäſs wartete nunmehr General Liprandi das Weitere ab, verstärkte seine Artillerie auf 44 Geschütze und beschoſs die Hasfort höhen.
Fürst Gortschakoff beschloſs nun diese Höhen anzugreifen und
erteilte dahin zielende Befehle, als plötzlich von der rechten Flügel kolonne her heftiges Gewehrfeuer und lautes Hurrah - Rufen herüber schallte.
Der Commandeur dieser Kolonne, General Read, hatte von einem Adjutanten des Fürsten Gortschakoff den Befehl erhalten das »
Gefecht zu beginnen, welchen Befehl General Read ganz richtig so verstand, daſs er das Artilleriefeuer eröffnen solle. Später aber überlegte sich General Read die Sache anders und beschloſs anzu greifen , ohne einen weiteren Befehl hierzu abzuwarten, wie dies ausdrücklich vorgeschrieben war. 3 Regimenter der 12. Infanterie -Division, Asoff, Ukraina und Odessa gingen gegen den Brückenkopf von Traktir vor, an der Spitze das Regiment Odessa.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
59
Die Franzosen muſsten weichen , und gingen hinter den Wasser leitungskanal zurück.
Die Russen folgten energisch. Unter Benutzung der fliegenden Brücken wurde der Kanal überschritten und die erste Stufe der
mittleren Fedjuchinhöhe erstiegen. Die zuerst oben angekommenen Truppen, Teile des dritten und vierten Bataillons Regiments Odessa, warfen sich auf die vor ihnen befindliche französische Batterie und
nahmen sie. Allein die Franzosen erhielten Verstärkung und nahmen die Geschütze wieder.
Zur selben Zeit ging das Regiment Asoff mit Erfolg gegen die östliche Fedjuchinhöhe vor. Aber auch hier war das Endergebnis dasselbe.
Die französischen Verstärkungen zwangen die Russen zum Rück zuge und drängten sie über die Tschornaja zurück. Auch der Brückenkopf von Traktir wurde von den Franzosen zurück erobert.
Es war jetzt etwa 6/4 Uhr früh . Inzwischen war auch die 7. russische Infanteriedivision mit drei
Regimentern zum Angriffe auf den westlichen Abhang der mittleren
Fedjuchinhöhen vorgegangen. Nur die Artillerie und das Regiment Smolensk blieb auf dem nördlichen , rechten Ufer der Tschornaja
zurück, weil die tragbaren Brücken anfangs nicht da waren, dann aber, als sie endlich anlangten, sich als unbrauchbar erwiesen . Es gelang hier der russischen Infanterie nur, einige Schützen
gräben zu nehmen, sie erlitt jedoch dabei so kolossale Verluste, daſs
sie unter dem Drucke der französischen Verstärkungen gleichfalls sehr bald wieder über die Tschornaja zurückweichen muſste. Hierauf ging die 7. russische Infanterie - Division bis an den Fuſs der Mackenziehöhen zurück und trat nicht wieder in den Kampf. Fürst Gortschakoff betrachtete die Schlacht für verloren , sobald
er den vorzeitigen Angriff der rechten Flügelkolonne wahrnahm. Er muſste seine Absicht, die Hasforthöhen anzugreifen , sofort auf geben und richtete daher den Marsch der 5. Infanterie- Division, von der Haupt- Infanterie- Reserve, nach der Traktirbrücke , zur Unter stützung des Generals Read , obschon diese Division bereits den
Telegraphenberg erstieg , als sie den Befehl für die veränderte Marschrichtung erhielt. Die Gefechtslage gestaltete sich nun immer ungünstiger für die Russen .
Auſser den oben aufgezählten französischen Truppen , welche um diese Zeit bereits sämtlich an Ort und Stelle waren , sandte
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
60
General Pélissier die kaiserliche Garde, die Division Levaillant und
die Division Dulac zur Verstärkung auf das Schlachtfeld. Zum Unglück lieſs nun General Read nicht etwa die ganze einen einheitlichen Angriff unternehmen , sondern schickte vielmehr jedes Regiment einzeln vor. Zuerst ging 5.
Infanterie - Division
das Regiment Galitsch auf die Fedjuhinhöhen los, es gelangte aber nur bis an den Fuſs der Höhen, wurde hier über den Haufen ge worfen und ging über die Tschornaja zurück. Dem Regimente Kostroma, welches nun folgte, erging es noch weit schlechter.
Die Franzosen lieſsen es ziemlich nahe herankommen ,
um es dann mit einem überwältigenden Feuer zu überschütten .
Das
Regiment verlor fast die Hälfte seines Bestandes und muſste eben falls sehr bald wieder über den Fluſs zurückweichen.
Nun wurde das Regiment Galitsch aufs Neue vorgeschickt.
Es
drang trotz der bereits erlittenen groſsen Verluste wieder über den Fluſs und den Wasserleitungskanal vor , konnte aber gegen die feindliche Uebermacht nichts ausrichten und muſste wieder zurück gehen .
Zum Glück für die Russen lagerte der Nebel noch immer so dicht über dem Schlachtfelde, daſs er im Vereine mit dem dichten
Pulverdampfe dem Feinde die russischen Bewegungen sehr stark ver deckte.
Bei hellem Sonnenschein würden die Russen ganz ungeheure
Verluste erlitten haben.
Nach dem zweiten vergeblichen Angriffe des Regimentes Galitsch ging das Regiment Wologda vor. Diesmal gelang es, den Brücken kopf wieder zu erobern , aber der Sturm auf die Höhen miſslang ebenso, wie alle früheren Stürme. Zu dieser Zeit fiel General Read .
Nur mit Mühe gelang es den Trümmern des Regiments Wologda, den Rückzug über die Tschornaja noch glücklich auszuführen . Die Aussichtslosigkeit weiterer Angriffe war nun mehr als hin reichend erwiesen und die Russen traten vor der Traktirbrücke den
Rückzug an .
Es war etwa 7 Uhr früh .
Inzwischen hatte Fürst Gortschakoff befohlen , daſs General
Liprandi zur Erleichterung der für die Russen so schweren Gefechts lage, vom Telegraphenberge aus gegen die östliche Fedjuchinhöhe vorgehen sollte. General Liprandi befehligte zu diesem Angriffe die Regimenter Butyrsk und Moskau .
An der Spitze ging das Regiment Butyrsk vor und zwar mit unübertrefflicher Tapferkeit. Der Gipfel der östlichen Fedjuchinhöhe wurde unter schweren Verlusten erreicht, hier aber waren die Reihen
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
61
der tapferen Truppen schon so gelichtet, daſs das Regiment Moskau vorgezogen werden muſste.
Das Regiment drang mit groſsem Ungestüme vor und kam bis zu dem französischen Zeltlager. Allein der tapferen Brigade folgte keine Reserve, dagegen wurde sie von frischen feindlichen Truppen angefallen und muſste schlieſslich wieder zurück gehen . Zur Deckung dieses Rückzuges besetzte das Regiment Borodino das Ufer der Tschornaja mit einer dichten Schützenkette. Der Rück zug gelang nun . Alle 3 Regimenter zogen sich wieder auf den
Telegraphenberg, wo sie zwischen 9 und 10 Uhr früh eintrafen . Fürst Gortschakoff befahl darauf den Rückzug für alle russischen Truppen , ging aber nur auf knappe Kanonenschuſsweite von der Tschornaja zurück . Er hoffte, daſs die Verbündeten diesen Fluſs überschreiten und
ihn hier angreifen würden. 4 Stunden lang wartete er vergeblich auf das Vorgehen der Verbündeten, allein diese hüteten sich in kluger Vorsicht vor jeder Art von Verfolgung.
Um 2 Uhr Nachmittags endlich gingen die Russen nach den Mackenziehöhen zurück.
Von den für besondere Zwecke bestimmten Abteilungen hatte nur diejenige des Generals Chalezki ein unbedeutendes Gefecht zu bestehen gehabt.
Ein groſser Ausfall, welchen Fürst Gortschakoff zur Unterstützung des Unternehinens geplant hatte, unterblieb ganz wegen der geringen Aussicht auf Erfolg, welcher vielmehr die Sicherheit groſser Verluste gegenüberstand.
So war denn die pessimistische Anschauung des Fürsten Gortschakoff dnrch die Ereignisse völlig gerechtfertigt worden. Die Russen hatten eine schwere Niederlage erlitten. Ihre Verluste waren ungeheuer grofs. Sie betrugen : 260 Offiziere, 8010 Mann.
Diese schweren Verluste lasteten fast ganz ausschlieſslich auf 13 Infanterieregimentern, welche zusammen 25 100 Mann vor der Schlacht gezählt hatten. Dies macht einen Abgang von mehr als 32 Prozent des Bestandes aus .
Die eigentliche Schlacht hat kaum 3 Stunden gedauert. Es ist dies wieder ein Beweis dafür, daſs die früheren Schlachten blutiger waren , als die modernen .
Die Franzosen verloren 70 Offiziere, 1470 Mann. Die Piemontesen verloren etwa 200 Todte und Verwundete.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
62
Die Türken 7 Mann .
Die Schlacht an der Tschornaja ist so ziemlich das Unglaub lichste von kriegerischen Handlungen, was in den neueren Kriegen vorgekommen ist.
Die Stellung der Verbündeten glich einer Festung, selbst der nasse Graben vor den Festungswerken war vorhanden .
Liebhaber von Vergleichen können sogar in dem Wasserleitungs kanal eine Künette finden .
Rund 39,000 Mann verbündeter Truppen verteidigten diese festungsartige Stellung, welche sie seit dem 25. Mai besetzt hatten , also fast 3 Monate lang. Jede Erdwelle, jede noch so kleine Ver tiefung muſste den Verbündeten genau bekannt sein .
Wenn man die für besondere Zwecke bestimmten Abteilungen abrechnet, wie dies billig ist, so griffen die Russen diese Stellung mit rund 63,000 Mann an, wobei jedoch 10,700 Reiter sich befanden , welche bei dem Angriffe selbst gar nichts nützen konnten . Der russische Oberbefehlshaber hatte selbst gar kein Vertrauen auf das Gelingen des Unternehmens, welches er, vor dem Beginne desselben, als Wahnsinn bezeichnet hatte.
Dennoch geschah der Angriff. Die Disposition zur Schlacht war bei
weitem sorgfältiger
entworfen worden, als diejenige zur Schlacht von Inkermann. Man sieht, dass die Russen aus ihrem damaligen Unglück gelernt hatten. Allein es ereignete sich doch wiederum ein » Miſsverständnis ,
und zwar ein in seinen Folgen ganz ebenso verhängniſsvolles, wie jenes von der Kielschlucht am Schlachttage von Inkermann. Ist es denn so schwer, einem Adjutanten einen ganz bestimmten Befehl zu geben ? Warum gab Fürst Gortschakoff an den General
Read nicht einen schriftlichen Befehl, das Artilleriefeuer zu beginnen ? Warum frug der Adjutant, welcher den Befehl überbringen sollte, nicht noch einmal, um sich über die eigentliche Absicht des Fürsteu Gortschakoff genau zu vergewissern ?
In solcher Lage muſs doch auch der allervornehmste Adjutant sich lieber ein Dutzend übelgelaunter Antworten seines hohen Chefs gefallen lassen, ehe er das Schicksal einer Schlacht auf das Spiel setzt, um sich eine im allerschlimmsten Falle ungnädige oder gar grobe Antwort des Oberbefehlshabers zu ersparen ?
Oder war es Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit seitens des Adjutanten ?
Solche Leute dürfen aber im Kriege nicht Adjutanten sein. Warum frug endlich General Read nicht noch einmal beim
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges .
63
Oberbefehlshaber an, ehe er seinen Angriff unternahm ? Sein Tod
hat ihn vor einer recht unangenehmen Untersuchung bewahrt. Wir aber lernen wieder einmal, wie es nicht gemacht werden muſs .
Die Russen befanden sich , wie vor der Schlacht von Inkermann,
in der glücklichen Lage, daſs ihnen das Schlachtfeld ganz genau bekannt sein muſste, denn es läſst sich doch nicht annehmen, daſs auf wenige Kilometer von einer groſsen Garnisonsstadt, ihnen das Gelände nicht bis auf jede noch so unbedeutende Eigentümlichkeit desselben bekannt gewesen sei ? Oder irren wir uns ?
Zehn Tage vor der Schlacht von Inkermann, am 26. Oktober, hatten die Russen einen Ausfall auf das spätere Schlachtfeld von
Inkermann unternommen. Sie büſsten dabei 270 Mann ein, erhielten aber um diesen Preis sehr erwünschte Auskunft über das Gelände und die Stellung des Feindes. Eine ähnliche Maſsregel unterblieb vor der Schlacht an der
Tschornaja, allein man konnte von den, gegenüber der Stellung der Verbündeten, befindlichen Höhen, welche in den Händen der Russen waren , mit dem Fernrohr sicherlich die Stellung des Feindes und das Gelände gut genug einsehen. Wochenlang vorher konnte der Angriffsplan auf das Gewissen
hafteste ausgearbeitet und die Möglichkeit eines Miſsverständnisses vollständig ausgeschlossen werden. Es kommt gewiſs nicht oft vor, daſs ein Feldherr in der glück
lichen Lage ist, alle diese ausnahmsweise günstigen Verhältnisse für sich zu haben .
In den bei weitem meisten Fällen wird er sich mit dem vor
handenen Kartenmaterial begnügen müssen und keine Zeit haben, seinen Angriffsplan vorher sorgfältig ausarbeiten zu können . Diesen ungeheuren Vorteil haben die Russen weder bei Inker mann, noch an der Tschornaja auszunützen verstanden . Über den Angriff selbst läſst sich wenig sagen . Wenn bei leicht möglich gleich Null. Man faſste nun einmal die
Inkermann ein voller Erfolg denkbar und sogar war , so war hier die Aussicht auf einen Erfolg den Stier bei den Hörneru und das ist und bleibt ungeschickteste Art eines Angriffs, welche schon zur
Zeit der Wurfspieſse, Bogen und Pfeile fast immer dem Angreifer verderblich wurde.
Daſs die verzweifelten Angriffe der Russen dennoch stets einen
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
64
Anfang von Erfolg batten , spricht nur für die unübertreffliche
Tapferkeit der braven Truppen. Es war geradezu eine Sünde, diese begeisterten , todesmutigen Krieger in solcher Weise zur Schlachtbank zu führen, wie dies hier geschah.
Ein Glück noch , daſs der starke Nebel, welcher sich bald mit
dichtem Pulverdampf mischte, die Russen wenigstens vor den Augen der Verbündeten verbarg, sonst würden die Verluste der Russen ent setzliche gewesen sein. Man denke sich aber einen solchen Angriff im hellen Sonnen
lichte ausgeführt und in den Händen des Verteidigers ein Repetier gewehr !
Der Angriff auf die Fedjuchinhöhen konnte nur Erfolg haben , wenn durch stundenlanges, überwältigendes, erdrückendes und nieder
schmetterndes Artilleriefeuer der Mut der Verteidiger völlig gebrochen war.
Davon aber war am 16. August 1855 nicht im entferntesten
die Rede .
Doch genug davon . Es ist für den Soldaten eine sehr unerfreuliche Sache, so sion
lose Unternehmungen vor Augen geführt zu bekommen. Die Verbündeten hatten am 16. August keine schwere Aufgabe zu lösen .
Sie waren schnell unter den Waffen, verteidigten sich tapfer und erhielten sehr schnell bedeutende Verstärkungen .
Daſs sie nach ibrem Siege nicht verfolgten, war durchaus richtig. Eine Verfolgung konnte bei der sehr guten Stellung, welche die Russen einnahmen und welche die Verbündeten hätten angreifen müssen , nur zu einer Niederlage führen, während der abgeschlagene Angriff der Russen für die Verbündeten ein voller Sieg war. Die Verteidigung Sebastopols näherte sich nun rasch ihrem Ende. Schon am 17. August eröffneten die Verbündeten die fünfte
verstärkte Beschieſsung, welche 4 Tage anhielt und den Russen 3782 Mann kostete, also täglich 945 Mann .
Vom 21. August bis
zum 4. September lieſs das Feuer der Verbündeten etwas nach, war aber immer noch von so gewaltiger Wirkung, daſs es den Russen täglich 594 Mann kostete, ihr Verlust während dieser 15 Tage betrug 8921 Mann .
Am 5. September begann die sechste und letzte groſsartige Beschieſsung Sebastopols. Die Russen verloren an diesem Tage 2000, am 6. 2500 und am 7. September mehr als 3000 Mann . Die Franzosen hatten 609 , die Engländer 197 Geschütze in ។
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
65
Batterie, zusammen also 806 Geschütze, welchen die Russen 982 entgegensetzten , welchen man 165 Geschütze im Innern der Stadt noch hinzurechnen muſs .,
Die Verbündeten lieſsen während dieser Tage öfters das Feuer plötzlich schweigen. Sofort besetzten die Russen die Brustwehren in Erwartung eines Sturmes, ihre Reserven verlieſsen die Deckungen, um dem Angreifer entgegen zu treten .. Sobald die Verbündeten dies wahrbahmen , eröffneten sie das Feuer wieder und zwar so stark, als es überhaupt möglich war.
Daher die enormen Verluste der Russen in diesen Tagen. Ain 8. September, Mittags 12 Uhr, erfolgte der letzte ent scheidende Sturm . Die Besatzung Sebastopols zählte an diesem Tage 49,000 Mavn . Die Verbündeten standen vom Malachoff -Hügel 25 mm , vom Bastion II 40 m entfernt . Zum Sturm wurden 55,600 Mann bestimmt. Er wurde bekanntlich an allen Punkten abgeschlagen,
nur der Malachoff-Hügel ging verloren . Dies genügte aber vollständig, um über das Schicksal Sebastopols zu entscheiden . Die Russen räumten die Stadt, sobald sie die Unmöglichkeit erkannten, den
Malachoff - Hügel wieder zu erobern . Die 8. September 425 Offiziere, 12,488 Mann.
Russen
verloren
am
Von den Verbündeten kamen 40,900 Mann wirklich in den
Kampf und zwar : 34,700 Franzosen , welche 428 Offiziere, 7148 Mann verloren,
also 21,8 % 6,200 Engländer , welche 157 Offiziere, 2294 Mann verloren , also 39,5 °% . Die Piemontesen verloren auch noch 40 Mann .
Der Gesamtverlust der Verbündeten betrug mithin 10,067 Mann .
Die Tragödie war zu Ende. Die Stadt und die Festungswerke der Südseite waren nur noch ein Trümmerhaufen , und was noch
daran fehlte, das vollbrachten die Russen im letzten Augenblicke
durch fortgesetzte Sprengungen. Der Rückzug der Russen über die groſse Brücke nach der Nordseite gelang vollkommen und wurde nicht ernsthaft gestört. Die ganze noch übrige Flotte der Russen war nun verloren, die Russen zerstörten sie selbst, es blieb nichts von ihr übrig. Es wird von Interesse sein , über diese groſsartige Belagerung einiges statistisches Material zu liefern .
900 russische Geschütze , 3000 russische Lafetten wurden während der Belagerung demontiert. Die Verbündeten hatten 609 demontierte Geschütze. Jahrbücher für die Deutsche Armee and Marine, Bd . LXX., 1.
5
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
66
Der Verbrauch an Artillerie-Munition stellt sieh wie folgt : auf 1,027,000 Kanonenschüsse. Bei den Franzosen auf 1,104,000
Bei den Russen
Bei den Engländern auf 252,000 Die Russen verschossen 16,5 Millionen Gewehrpatronen. Die Franzosen 28,5 Millionen . Der Verbrauch an Pulver stellt sich
für die Russen
auf
32,5 Millionen k, *) für die Verbündeten auf 44 Millionen k.
Die Franzosen erbauten 67 km Laufgräben, die Engländer 19 km . Verteidiger und Angreifer verbrauchten zusanimen gegen 390,000 Schanzkörbe , 210,000 Faschinen und mehr als 3 Millionen Sandsäcke .
Die Russen verloren in der Krim allein 128,700 Mann durch
das feindliche Feuer beziehungsweise im Nahkampfe. Die Franzosen verloren 46,000, die Engländer 18,000 Mann . Die ferneren Unternehmungen in der Krim bis zum Abschlusse des Waffenstillstandes sind von keinem besonderen Interesse.
Nur ein Reitergefecht verdient noch erwähnt zu werden, welches am 29. September nicht weit von Eupatoria stattfand.
Hier lieſs sich General v. Korff mit 8 Schwadronen Ulanen, 6 Sotnien Kosaken und 8 Geschützen von
12 französischen und
2 türkischen Schwadronen überfallen . Er beging an diesem Tage die unglaubliche Sorglosigkeit , daſs er am hellen Tage in der offenen Steppe seine Reiter absitzen lieſs und keine Patrouillen absandte.
Dies Gefecht bei Kanghil kostete den Russen 4 Offiziere, 223 Mann und 6 Geschütze.
Am 29. Februar 1856 trat der Waffenstillstand ein , welchem am 30. März 1856 der Frieden von Paris folgte.
Der gewaltigste Orientkrieg aller Zeiten war zu Ende. Die Opfer welche er erforderte, waren ungeheuer grofs. Weit mehr als die Kugeln, rafften die Krankheiten dahin . Der Krieg kostete an Toten : Den Russen Franzosen Türken
Engländern Piemontesen
256,000 Mann ,
107,000
>>
98,000 45,000
>>
2.600
>>
Also 252,600 Verbündete und 256,000 Russen verloren durch diesen
mörderischen Krieg ihr Leben ; mehr als eine halbe Million Menschen. *) k = Kilogramm .
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
67
Unwillkürlich entsteht hier die Frage ?
Lohnte sich denn dieser kolossale Einsatz an Menschenleben ,
an Geld, an Kriegsmaterial, an Opfern aller Art wirklich, um eine Hafenstadt zu retten ?
Die Verbündeten haben allenfalls noch richtig gehandelt, wenn sie Sebastopol angriffen , denn hier lag die ganze russische Flotte des schwarzen Meeres vor Anker, hier befanden sich die groſsen russischen Werften .
Aber Kriegsschiffe veralten in unserer Zeit schnell, sie müssen ohnehin in verhältnismäſsig kurzer Zeit auch unter gewöhnlichen Umständen durch neue ersetzt werden .
Noch dazu bestand fast die
ganze russische Kriegsflotte im schwarzen Meere aus Segelschiffen,
welche den Anforderungen der Zeit nicht mehr entsprachen , und zwar am so weniger, als der Krimkrieg bereits die ersten Panzer schiffe entstehen sah .
Die Russen hätten also bis auf die paar
vorhandenen Dampfer ihre Flotte doch erneuern müssen , auch wenn sie nicht zerstört worden wäre .
Die Zerstörung der Werfteinrichtungen, Trockendocks u . s. w. war zwar unangenehm , aber für ein Reich wie Russland doch kein empfindlicher Schlag. Wollten aber die Russen ihre Flotte und ihre Werften in
Sebastopol retten, dann brauchten sie nur bei Zeiten für eine aus reichende Besatzung der Stadt, sowie für Ergänzung der Festungs werke sorgen .
Dies war sehr wohl möglich . Schon im Mai 1854 landeten die Verbündeten so bedeutende
Streitkräfte in der Türkei , daſs die Russen alle Ursache hatten,
ernste Unternehmungen des Feindes gegen ihre Haupthäfen am schwarzen Meere zu befürchten.
Erst im September erfolgte die Landung der Verbündeten in der Krim , also hatten die Russen mehr als 3 Monate Zeit, Truppen
nach Sebastopol zu werfen . Diese Zeit genügte, selbst für damalige russische Verhältnisse. Russen nicht in diesem
Allein zu ihrem Unglück handelten die Sinne.
So wie die Verhältnisse zur Zeit der Landung bei Eupatoria in der Krim lagen , war es das Beste , wenn die starke russische
Flotte sofort nach dem Eintreffen der ersten Meldung vom Er scheinen des Geguers aus Sebastopol aúslief, die verbündeten Flotten aufsuchte , welche sie noch mitten während des schwierigen Aus
ladens der Truppen erreicht haben würde, und nun eine groſse Seeschlacht auf Tod und Leben lieferte. Mehr als zu Grunde gehen 5*
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
68
konnte die russische Flotte nicht. Untergegangen ist sie aber ohne hin und zwar ohne Kampf. Selbst wenn sie im Kampfe unterlag, so würde sie bei der vorzüglichen Tapferkeit der russischen Seeleute dem Feinde furchtbare Verluste beigebracht haben , Verluste von 1
solchem Umfange, daſs an eine regelmäſsige Versorgung der ge landeten Trnppen mit Munition , Lebensmitteln u. s. w. für lange Zeit nicht zu denken war .
Aber es war gar nicht gesagt, daſs die russische Flotte in diesem Vernichtungskampfe zu Grunde gehen muſste. Sie konnte so schnell vor Eupatoria erscheinen, daſs ein groſser Teil der feind lichen Kriegsschiffe noch inmitten des Ausladens der Truppen und des Materials begriffen war, also einen wirksamen Anteil am Kampfe
kaum nehmen konnte. Unter diesen Umständen konnte die opfer mutige und vorzüglich tapfere russische Seemacht dem Feinde un ermeſslichen Schaden zufügen . Vollständig würde sie auch im
unglücklichsten Falle nicht vernichtet worden sein , ein Teil wäre sicherlich nach Sebastopol entkommen und konnte hier noch immer ihre Matrosen als Kanoniere verwenden .
Während dieser Seeschlacht muſsten alle verfügbaren Land truppen in Sebastopol zusammengezogen werden und hier den Feind
erwarten , nicht aber eine Feldschlacht gegen groſse Übermacht wagen .
Die Verbündeten sind in Wirklichkeit überaus vorsichtig ge
wesen ; wenn ihnen , in Folge der Zerstörung eines groſsen Teiles >
ihrer Flotte, eine sichere rückwärtige Verbindungslinie gefehlt hätte, würden sie noch weit vorsichtiger geworden sein . Bis Anfangs November muſsten dann so zahlreiche russische
Verstärkungen angekommen sein , daſs es möglich wurde , die Ver bündeten zu erdrücken .
Schwerlich würde es den Verbündeten gelungen sein , nach
Zerstörung eines bedeutenden Teiles ihrer Flotte und nach schwerer Beschädigung eines noch gröſseren Teiles derselben der Her anschaffung von Lebensmitteln, Munition u. s. w. für das gelandete Heer in vollem Maſse gerecht zu werden und auſserdem noch für den Transport groſser Verstärkungen zu sorgen. Thatsächlich verfügten die Verbündeten im Anfange des No vembers in der Krim nur über 71,000 Mann Landtruppen , obschon ihre Flotten in keiner Seeschlacht schwere Verluste erlitten hatten .
Bis zum Anfange des Novembers muſste es den Russen gelingen, ausreichende Kräfte in der Krim zu versammeln , um das verbündete Heer zu erdrücken.
In 5 Monaten konnte recht wohl ein russisches
Der Entwurf eines neuen Exerzier-Reglements u. 8. w.
69
Heer von 200,000 Mann in der Krim versammelt sein und dieses Heer muſste mit 71,000 Mann der Verbündeten (wir nehmen hier dieselbe Stärke an , die ohne eine Seeschlacht erreicht wurde, die
aber im Falle einer Seeschlacht schwerlich erreicht worden wäre), sozusagen , spielend fertig werden. Die Russen haben nicht so gehandelt, wie sie es muſsten . Ihnen hat nicht der Gedanke vorgeschwebt, daſs Sebastopol unter allen Umständen verloren war , wenn sie den Verbündeten Zeit
lieſsen, eine Art von Festung vor Sebastopol zu schaffen , und daſs Sebastopol bei einer Offensive mit erdrückender Übermacht sicherlich kein härteres Loos beschieden sein konnte, als das , welches es wirklich erlitt
gänzliche Vernichtung.
VI. Der ,,Entwurf“ eines neuen Exerzier
Reglements für die preuſsische Feld-Artillerie. (Schluſs.)
4. Kolonne zu Einem als Hauptmanövrier - Formation .
Der § 191 des Entwurfs ( Ausbildung im Gelände) nennt die Kolonne zu Einem die Grundform für die Bewegung der Artillerie, weil sie die Benutzung vorhandener Wege, sowie von Deckungen beim Anmarsch gegen den Feind am besten gestattet, auch Hindernisse im Gelände in ihr am leichtesten überwunden werden .
Damit stellt
sich das Reglement auf einen ganz neuen Standpunkt und trägt den in der Fach - Litteratur seit Jahren laut gewordenen Wünschen Rechnung. In der That giebt es z. B. bei Flankenbewegungen im feindlichen Feuer keine besser vor Verlusten schützende Formation als diese, denn der Feind schieſst bekanntlich, wie wir, immer zu kurz oder zu weit, selten rechts oder links vorbei, und da ist die
Kolonne zu Einem , auf deren Länge es hierbei gar nicht ankommt, unstreitig die beste Formation , besser als die geöffnete oder ge schlossene Zug-Kolonne*), welche ein tieferes Ziel bieten . *) Geöffnet ist die Zug -Kolonne, wenn zwischen den beiden Geschützen eines
Zuges 20 Schritt, geschlossen, wenn zwischen denselben 5 Schritt Zwischenraum
Der Entwurf eines neuen Exerzier-Reglements
70
Die geöffnete Linie ist für die einzelne Batterie, in offenem , zn
vor rekognoszierten Gelände und auf nicht zu groſse Strecken noch recht wohl anwendbar, für gröſsere Artillerie- Verbände aber, um deren Führung es sich bei der heutigen Massenverwendung der Artillerie gerade handelt, ist sie nur in beschränktem Maſse an wend bar . Sie kann daher nur noch bedingt als Manövrierformation gelten . Dies scheint auch in der Bestimmung des neuen Entwurfs zu liegen , (S 191) welche besagt, daſs der Aufmarsch zur Linie aus der An marsch -Kolonne ohne Zwischenformationen stattzufinden habe, und
daſs Bewegungen in entwickelter Linie auf längere Strecken nur in gangbarem und aufgeklärtem Gelände zu empfehlen seien . Mit anderen Worteu heiſst das : die Linie wird in vielen Fällen erst
kurz vor dem Abprotzen zu formieren sein. Ein wesentlicher Vorteil der Kolonne zu Einem , wenn man aus
derselben nach der Flanke abprotzen will, wie dies in der Praxis meist stattfindet, ist daſs die Gewinnung der richtigen Front zum Abprotzen leichter gefunden wird als bei anderen Formationen ,
besonders bei der geöffneten Linie. Die Wirkung des Feuers aus einer schiefen und falschen Front ist aber eine weit schwächere und
andrerseits ist nichts lästiger und störender als das Herumstofsen der
Geschütze in einer langen Feuerlinie, um die Front zu korrigieren. Bei der Kolonne zu Einem ist es leicht, die Tete durch leise Schwenkungen richtig zu dirigieren, dann scharf auf Vorderrichtung
zu gehen und mit Rechts oder Links nun in der richtigen Front abzuprotzen. Es ist dies ein wesentlicher Vorteil dieser Formation als Manövrierformation .
Indem also der neue Entwurf die Kolonne zu Einem als Grund
form für die Bewegung der Artillerie hinstellt und sagt, daſs die übrigen Kolonnen Anwendung finden , wo dies vor teilhaft erscheint, trägt er dem praktischen Bedürfnis und dem Grundsatz möglichster Einfachheit Rechnung und deshalb wird diese Neuerung in der Artillerie gewiſs mit Freuden begrüſst werden. 5.
Batterie - Kolonnen
und
Abteilungs - Kolonnen *). -
sich befindet. Der Abstand von Zug zu Zug beträgt bei der geöffneten Zug Kolonne 22, bei der geschlossenen 18 Schritt.
*) Batterie-Kolonnen, Manövrierformation der Abteilung, ist eine Formation, bei welcher die einzelnen Batterien, in sich in geöffneter Zug - Kolonne formiert,
mit dem zur Entwickelung in Linie nötigen Zwischenraum von 100 Schritt neben einanderstehen. Bei der Abteilungs-Kolonne ist die Formation der Batterien die selbe, der Zwischenraum beträgt nur 20 Schritt. Diese Formation ist Rendezvous Formation der Abteilung.
71
für die preuſsische Feld - Artillerie.
Beide Formationen waren dem Kavallerie -Reglement entlehut und
erst in das Reglement von 1877 aufgenommen. Erstere entsprechen den Eskadrons -Kolonnen der Kavallerie, letztere der Regiments
Prinz Hohenlohe sagt in seinen militärischen Briefen über Artillerie, daſs für Beide keine Notwendigkeit vorliege und will sie
Kolonne.
als überflüssig abgeschafft wissen.
Er führt aus, daſs man beim
Überschreiten von längeren Hindernissen (Fluſs, Graben ) auch aus den Batterie -Kolonnen zu Einem abbrechen müsse, grade so wie aus
der geöffneten Linie, daſs mithin für diese besondere Formation die Berechtigung fehle und hält ihre groſse Tiefe ( 180 Schritt) , welche ein nicht zu fehlendes Ziel biete, gradezu für gefährlich bei einer Manövrierformation . Einem
oder in
Auſserhalb des Feuers aber marschiere man zu
Batteriefront.
Also sei kein Bedürfnis für die
Batterie-Kolonnen vorhanden .
Von der Abteilungs -Kolonne sagt derselbe Gewährsmann :
> Die Abteilungs-Kolonne, in welcher die Batterien in der Zug Kolonne dicht nebeneinander stehen , soll sich besonders zur Rendez
vous-Stellung eignen, weil sie ( § 196 des Reglements von 1877) die einfachste Bereitschaft für die Bewegungen nach allen Seiten hiu biete .
Wer mit mir darin einverstanden ist, daſs die Abteilung im
Kriege nur batterieweise durch Instruktion oder Befehl und niemals
auf das Kommandowort des Abteilungs- Commandeurs ins Gefecht geführt werden kann, wird auch zugeben, daſs die Fälle nicht gut denkbar sind , WO eine in Rendezvous - Stellung aufmarschierte Artilleriemasse plötzlich ach allen Seiten hin entwickelt werden müſste. Die Artilleriemasse kann nur in bedeutender Entfernung vom Gefechtsbereich in Rendezvous- Stellung stehen, muſs also zum Platze der Thätigkeit immer noch erst einen bedeutenden Weg
zurücklegen, bei dem es nicht darauf ankommt, ob die Tete noch erst eine Schwenkung ausführt oder die Flügel- Batterie aus der Zug-Kolonne Front schwenkt. Aber auch bei Manövern im Frieden
kann man eine Artilleriemasse nicht so nahe am Feinde in Rendez vous- Stellung halten lassen, daſs ihre plötzliche Verwendung nach der Flanke notwendig werden könnte.. – Zudem ist die aufgeschlossene
· Kolonne in Batterien (Batterien in Linie mit 15 Schritt Abstand) für die Rendezvous-Stellung gröſserer Artilleriemassen weit praktischer und natürlicher als die neu eingeführte Abteilungs -Kolonne.
Prak
tischer ist sie besonders für eine mobile Batterie, weil da jeder Hauptmann seine Batterie leichter übersieht. « Solche Urteile von einer Persönlichkeit abgegeben , die nicht
allein durch allgemein wissenschaftliche und militärische Begabung
72
Der Entwurf eines neuen Exerzier-Reglements
ausgezeichnet ist, sondern vor allem über einen reichen Schatz praktischer Kriegserfahrungen verfügt, sind gewiſs der eingehendsten Beachtung wert und wenn der Entwurf auch die weitgehenden
Wünsche des Verfassers auf gänzliche Abschaffung nicht erfüllt, so werden die nachstehend aufgeführten Vereinfachungen resp. Er weiterungen beider Formationen doch darthun, daſs im Grunde die Anschauungen des Prinzen Hohenlohe geteilt werden . Gänzlich aufheben, was man erst vor einem Jahrzehnt einführte, ist unseren konservativen Anschauungen etwas zu viel zugemutet. Aus den Batterie - Kolonnen soll die Formation der Linie
nach dem neuen Entwurf nur nach der Front stattfinden .
Die
Herstellung nach einer der Flanken ist als eine zu schwierige, überdies unnütze Bewegung fortgefallen.
Ebenso darf aus der Abteilungs-Kolonne die Linie nur nach
der Front hergestellt werden . Da ein direkter Übergang aus dieser Formation zur Linie ohnehin nicht möglich, sondern erst Aunabme
der Batterie-Kolonnen geboten war, so bot die Entwickelung nach der Flanke doppelte Schwierigkeiten und wäre noch unnützer gewesen , als eine Entwickelung nach der Flanke aus Batterie
Kolonuen . Man hat daher auch diese Bewegung über Bord geworfen . Dagegen ist die schwierige und im Ernstfall nicht vorkommende Bewegung : Formation der Batterie: Kolonnen aus der Zug-Kolonne nach einer der Flanken durch Teten - Schwenken, gleichfalls eine der Kavallerie entlehnte und für diese sehr praktische Bewegung, in dem neuen Entwurf leider nicht unterdrückt.
Die Länge der Zug
Kolonne verbietet, diese Bewegung auf Commando auszuführen, ein Signal giebt es für dieselbe nicht und ihr Gelingen beruht auf
gleichzeitigem Schwenken der Batterie- Teten, das man doch nicht einmal durch geschickte Befehle er statt des Commandos Es muſs daher eine Verabredung an Stelle des Commandos treten , was der Wirklichkeit wenig entspricht, und reichen könnte .
deshalb kann man
nur bedauern , daſs diese künstliche in der
Wirklichkeit nicht vorkommende Bewegung nicht beseitigt wurde. Der Anwendung der Batterie- Kolonnen verleiht der Entwurf einen so weiten Spielraum , den einzelnen Batterien innerhalb dieser Formation so groſse Bewegungsfreiheit, daſs das Beibehalten dieser Formation doch berechtigt erscheint. Der die Ausbildung im Gelände behandelnde Abschnitt bestimmt nämlich unter § 191 , Bewegungsformen, Folgendes : >> Für den Abteilungs -Verband ist es wichtig , die Batterien
während des Vorgehens nebeneinander zu setzen, um sie möglichst
für die preuſsische Feld -Artillerie.
73
gleichzeitig an den Feind zu bringen . Das Mittel hierzu bieten die Batterie- Kolonnen . Innerhalb des durch dieselben gegebenen Rahmens bleibt der Batteriechef für die Bewegungen seiner Batterie verant wortlich.
Es ist ihm gestattet, je nach der Beschaffenheit des
Geländes oder der Aufstellung beziehungsweise Marschformation anderer Truppen sich in der geöffneten oder der geschlossenen Zug Kolonne oder der Kolonne zu Einem vorzubewegen, den normalen
beziehungsweise befohlenen Zwischenraum von der Neben- Batterie vorübergehend aufzugeben und gegen diese zurückzubleiben. Die innere Ordnung in den Batterien darf durch die Verschiedenartigkeit
ihrer Bewegungen unter keinen Umständen leiden . «
6. Sonstige Veränderungen . Die nachfolgenden Verände rungen beziehen sich nicht auf die Manövrierbewegungen, also auch nicht unmittelbar auf das Gefecht, sind aber doch von Wichtigkeit, weil aus allen der Wunsch nach möglichster Vereinfachung spricht. Unterdrückt ist der » Marsch in Kolonne seitwärts
bei der
Kolonne zu Einem ( $ 136), von dem es schon im Reglement von 1877 hieſs, daſs die Notwendigkeit eines solchen Marsches selten eintreten werde.
Ebenso die Herstellung der Linie aus der Kolonne zu Eivem
durch allmähliches, geschützweises Einschwenken, aus der Zug Kolonne durch zugweises Einschwenken , verbunden mit geschütz oder zugweisem Abprotzen und sofortiger Feuer-Eröffnung und das Deployieren aus einer Flankenbewegung zur Linie (8 141 des alten
Reglements, beziehungsweise $$ 138, 139 ebendaselbst). Diese Be wegungen stehen im
Widerspruch zu dem
Grundsatz, daſs ein
orduungsmäſsiges und korrektes Abprotzen und ruhige Feuer-Eröff
nung jeder Übereilung vorzuziehen sei, und daſs es auf wenige Minuten Zeitersparnis nicht ankomme.
Die Bildung der Linie aus der Zug-Kolonne der Abteilung durch gleichzeitigen Aufmarsch erfolgte bisher so , daſs zunächst die Batterien in sich , dann zur Abteilung aufmarschierten . Nach dem Entwurf soll analog wie bei der Kavallerie die Teten- Batterie aufmarschieren, die anderen Batterien sich balbrechts und halblinks herausziehen und erst aufmarschieren, wenn der seitliche Zwischen
raum gewonnen ist. Hierin liegt jedenfalls eine Erleichterung dieser Bewegung. ($ 178 Entwurf . ) Abgeschafft sind schlieſslich bei der Bildung der Kolonne zu Einem und der Zug- Kolonne der Batterie und Abteilung aus der
Linie diejenigen Arten sie zu bilden, bei denen das Tetengeschütz resp. der Tetenzug gradeaus blieben, während die übrigen Geschütze
74
Der Entwurf eines neuen Exerzier-Reglements
wendeten resp. die Züge schwenkten und dann der Teten- Abteilung durch Hakenschwenkung folgten. Auch hierin liegt eine Verein fachung, denn der beabsichtigte Zweck, die Kolonne in der Front richtung der Linie zu formieren , wird auch erreicht durch gleich zeitiges Wenden aller Geschütze, resp. gleichzeitiges Schwenken aller Züge und demnächstiges Schwenken der Teten-Abteilung. (SS 129 , 130, 157 des Entwurfs.)
7. Das Regiment.
Der Entwurf beseitigt jede exerzier
mäſsige Bewegung des Regiments für Zwecke des Gefechts und stellt sich damit auf den allseitig als feldmäſsig anerkannten Standpunkt.
Ausdrücklich ist in der Einleitung dieses Abschnitts hervorgehoben , daſs entsprechend den im Felde allein anwendbaren Mitteln und
Formen das Regiment auch im Frieden nur durch Befehle, nicht durch Commandos oder Signale geleitet werden darf, und daſs das Manövrieren die Hauptsache für dasselbe ist. Wo ausnahmsweise im Frieden eine exerziermäſsige Bewegung angemessen erscheint, findet dieselbe nach den Bestimmungen des
alten Reglements statt, welche durch Fortlassung des § 194 alten Styles – » Aufmarsch nach bestimmten Fronten; Bildung von Offensiv- und Defensiv - Flanken « – eine höchst willkommene, der Einfachheit zu Gute kommende Kürzung erfahren haben.
III . Die Ausbildung im Gelände. Wiederholt wurde bei Besprechung der vorhergehenden Kapitel des neuen Reglements die Ansicht ausgesprochen, wie seine Be stimmungen in der Überzeugung wurzelten, daſs es mit einer exerzier mäſsigen Führung der Artillerie im Gefecht für alle Zukunft vorbei
sei , weil eine solche an dem Mangel an Exerzierfähigkeit der mobilisierten Abteilung, und an den Schwierigkeiten des Terrains und der feindlichen Geschoſswirkung scheitern müsse.
Daſs vielmehr
an Stelle dieser exerziermäſsigen Führung eine auf genauester Re kognoszierung beruhende treten müsse, welche sich nicht allein die
Erkundung der Position zur Aufgabe stellt, sondern vor Allem ihr Augenmerk darauf richtet die Batterien unbemerkt vom Feinde in Position zu bringen. Diese Art der kriegsmäſsigen Artillerieführung wurde - meines Wissens zum ersten Male
vor 5 Jahren in einer vortrefflichen
Brochüre charakterisiert, welche den Tietel führt: » Über die Führung der Artillerie in
Mannover und Gefecht.«
( Hannover 1883 bei
Helving ). Das Buch erregte seiner Zeit gerechtes Aufsehen.
Es
kann auch heute noch Allen, welche sich über das wichtige Kapitel der Artillerieführung und der Artillerieverwendung informieren
für die preuſsische Feld - Artillerie.
75
wollen als das Beste über diesen Gegenstand Geschriebene nicht dringend genug empfohlen werden. Inwieweit der Verfasser jener Brochüre auch bei dem Entwurf des neuen Reglements direkt be teiligt ist, oder ob dies überhaupt der Fall, vermögen wir nicht zu beurteilen. Die geistige Verwandschaft zwischen seiner Schrift und dem Entwurf wird einem aufmerksamen Leser nicht entgehen.
Die Manövrierfähigkeit und gute Vorbildung der Truppe voraus gesetzt , hängt das Gelingen dieser idealen Artillerieführung in wechselndem Terrain von der Ausbildung des Führer - Personals ab und zwar nicht nur der Offiziere, sondern auch der Unteroffiziere. Für diese Letztere will der Entwurf in dem neu zugefügtem Abschnitt
>Ausbildung im Gelände« die leitenden Gesichtspunkte fest legen .
Welcher Art die Aufgaben sind , welche den niederen Chargen durch die veränderte Führungsweise der Artillerie zufallen, tritt am Besten hervor , wenn wir die Batterien durch die verschiedenen
Stadien ihrer Thätigkeit von der Marsch -Kolonne an bis zum Abprotzen uns kurz vergegenwärtigen . Frei machen müssen wir uns hierbei von den Manöverbildern ,
welche leider der Wirklichkeit so wenig entsprechen , daſs sie besonders bei dem jüngeren Offizier leicht falsche Vorstellungen erwecken . Eine Artillerie- Abteilung wird vorgeholt und trabt dem um einige hundert Meter vorjagenden Commandeur nach, welcher die vielfachen Aufgaben , die die gründliche Rekognoszierung einer Stellung mit sich bringt, noch lange nicht erledigt haben kann, wenn die hinter ihm her rasselnden Batterien schon dicht auf den Fersen sind .
Das geht im Frieden, wo nicht scharf geschossen wird und wo die
ganze Abteilung in ihrer Länge der kriegsstarken Batterie noch nicht einmal gleichkommt.
Im Kriege bedeutete ein solches Vor
fübren nichts Geringeres als die Batterien der Vernichtung aussetzen bevor sie zu Schuſs kommen. Damit ist Alles gesagt. Der Verfasser der mehrerwähnten Brochüre über die Artillerie
führung sucht die Aufgabe derselben darin , die Batterien unbemerkt und unbeschossen vom Feinde in Position zu bringen . Er unterscheidet beim Vorführen der Batterien Anmarsch und Anlauf und versteht unter Ersterem das Vorziehen derselben aus
der Marsch -Kolonne in eine verdeckte Bereitschaftsstellung, resp.
ein schrittweises Vorrücken aus einer Bereitschaftsstellung in eine zweite und dritte , weiter vorwärts gelegene, unter Anlauf das Vorbrechen der Batterien aus dieser Bereitschaftsstellung in die
Position d. h . ohne Thätigkeit bis zum Abprotzen.
Während die
Der. Entwurf eines neuen Exerzier-Reglements
76
Truppe bereit gestellt wird, resp. ist, erledigt der Abteilungs
Commandeur bis ins Genaueste die Aufgaben einer gründlichen Rekognoszierung.
Sowohl hierbei , wie bei dem ersten Vorführen
in die Bereitschaftsstellung fallen für alle Chargen eine Summe gröſserer und kleinerer Spezial-Aufträge ab , wie : Rekognoszieren
von Wegen, Übergängen, deckenden Mulden , Verbindungen, Bessern von Wegen und Übergängen, Überbringung von Befehlen und Auf trägen, kurz eine Reibe von Geschäften, deren geschickte Erledigung
mit dem Endziel der Führung, nämlich dem sicheren Vorbringen in die Position in mittelbarem Zusammenhange steht. Denn man darf
niemals vergessen , daſs die Batterien vom Hervorbrechen aus der Be reitschaftsstellung an bis zu dem Moment, wo sie eingeschossen sind ,
dem feindlichen Feuer gegenüber wehrlos sind , und daſs es Aufgabe der Fübrung und ihrer Organe ist, durch eine raffiniert eingehende
Vorbereitung diesen Zeitabschnitt so kurz wie möglich zu gestalten. Es geht hieraus hervor, daſs eine kriegsmäſsige Verwendung der Feld- Artillerie auch eine besonders eingehende Schulung der Organe verlangt, welche bestimmt sind die Artillerie -Commandeure
im Gefecht in ihren vielseitigen Aufgaben zu unterstützen. Bedürfnis
verdankt
der Abschnitt
Diesem
des neuen Entwurfs über die
» weitere Ausbildung im Gelände « seine Entstehung und es ist keinen Augenblick zweifelhaft, daſs in diesem Abschnitt die Quintessenz der bessernden Neuerungen liegt, welche wir durch diese neue Dienst vorschrift erhalten .
Die » Einleitung« des Abschnitts bezeichnet die Übungen, in denen das bisher Erlernte zur Anwendung im Gelände zu bringen sei , als für die kriegstüchtige Ausbildung der Truppe von hervorragender Wichtigkeit und empfiehlt ihre möglichst häufige Anwendung, besonders auch mit kriegsstarken Truppenkörpern, weil erst dann der volle Nutzen aus ihnen erwachsen kann.
Für die
Befehlserteilung , - in Bezug auf die Übermittlung wird auf die bez. Bestimmungen der Felddienstordnung verwiesen – ist die Aus bildung besonderer Meldereiter angeordnet, deren je 2 zum Batterie chef und Regiments - Commandeur, je 3 zum Abteilungs-Commandeur
zu kommandieren sind ( einschlieſslich der Trompeter ). Das Detail für die Ausbildung derselben wird ein in der Bearbeitung befindliches Handbuch für Unteroffiziere geben .
Was die Bewegungsformen der Artillerie anlangt, so ist bei Besprechung der Kolonne zu Einem und der Batterie - Kolonnen bereits vorgreifend der Inhalt des bezüglichen 191 erwähnt worden und es wird genügen nochmals darauf hinzuweisen daſs die
für die preuſsische Feld -Artillerie.
77
Kolonne zu Einem nunmehr eine Haupt-Manövrierformation der Artillerie geworden ist. Für die Aufklärung des Terrains in Bezug auf Gangbarkeit u . S. w., ebenso für die Aufklärung in der Feuerstellung sollen » im Allgemeinen « die Meldereiter verwendet werden, die danu » Aufklärer« genannt werden, deren Thätigkeit derjenigen der Eclaireurs bei der Kavallerie -Attake vollständig gleichkommt. Für die » Erkundung der Feuerstellung« (8 193) ist die Bestimmung von Wichtigkeit, daſs der erkundende Offizier die un mittelbare Besichtigung der Feuerstellung allein , unter Zurücklassung der Begleiter und unter Umständen zu Fuſs ausführen soll. Die weitaus wichtigsten Bestimmungen des Abschnitts enthält das dritte Kapitel, welches das Einrücken in die Feuerstellung, das Verhalten in derselben , den Wechsel der Feuerstellung und die Deckung der Protzen behandelt. Der Aufmarsch in einer verdeckten Bereitstellung , die so nah als möglich hinter der Feuerstellung zu wählen sei , wird als Norm für das Vorführen gröſserer Artillerie - Verbände aus der Marsch - Kolonne hingestellt. In dieser Bereitstellung erfolgen alle Vorbereitungen, wie Laden der Geschütze, Stellen der Aufsätze
beziehungsweise Richtbogen, Instruktion des Personals über Aufgabe, Ziele u . s. f., so daſs der Anlauf aus der Bereit- in die Feuerstellung schnell und überraschend erfolgen kann .
Aus der Bereitstellung werden dann auch die Batteriechefs vom Abteilungs- Commandeur vorgenommen und unterwiesen .
Den Feind
im Auge behaltend verbleiben sie in der Stellung, lassen wenn er forderlich, einen oder beide Flügel der Batterie durch ihre Begleiter bezeichnen und die Batterie durch den ältesten Lieutenant vorführen .
In schwierigem Gelände, wo es darauf ankommt, das Schuſsfeld für jedes einzelne Geschütz zu prüfen, bevor man die Batterie vor zieht, soll der » Geschützführer - Anmarsch « Anwendung finden ,
d. h. es werden die Geschützführer vorgezogen , vom Batteriechef über Ziel und Frontlinie der Batterie unterrichtet, und suchen dieselben
hiernach den besten Platz für ihr Geschütz aus.
Das Einrücken
der Batterie erfolgt auf diese Zielpunkte hin . Jeder Geschützführer kommandiert das > Halt « für sein Geschütz selbst.
Das Abprotzen nach der Flanke wird hinter Deckungen als vorteilhaft empfohlen .
Bei Höhenstellungen ist vor der Feuer -Eröffnung der Kamm nicht zu betreten . Die bereits geladenen Geschütze sind nach dem Abprotzen, welches hinter dem Kamm erfolyt, auf Wink oder
Der Entwurf eines neuen Exerzier- Reglements
78
Kommando so weit vorzubringen bis das Ziel über Visier und Korn sichtbar wird.
Zwischen den Batterien einer Abteilung soll in der Feuer
stellung, wenn möglich ein Zwischenraum von 30 bis 40 m gelassen
werden , erforderlichenfalls eine gestaffelte Aufstellung Anwendung finden, bei welcher die Batterien mit Zwischenräumen von 60 bis 80 m
und ebenso viel rückwärtigen Abständen aufzustellen sind. In gröſseren Verbänden wird des Raumes wegen nur noch auf eine Staffelung der Abteilungen zu rechnen sein .
Beim Stellungswechsel im Vor- und Zurückgehen führt der Commandeur die dem Feinde zunächst befindliche Staffel.
Das
Aufprotzen hat verdeckt durch zuvoriges Zurückbringen der Geschütze zu erfolgen. Auch empfiehlt es sich beim Vorgehen unter Umständen
erst zum Zurückgehen aufzuprotzen und dann nach Herstellung der Front vorzugehen . Die den » Ersatz- und Herstellungs -Arbeiten im feindlichen Feuer « betreffenden Paragraphen sind mehr für den Offizier der Waffe von Wichtigkeit. Satz :
» Jede
im
Feuer
Im Vordergrunde derselben steht der stehende Batterie hat
mit
äuſserster
Anspannung ihrer Kräfte und unter Benutzung ihres gesamten lebenden und toten Materials für die Fort setzung des Feuers aus allen Geschützen und für die
Erhaltung der Bewegungsfähigkeit derselben Sorge zu tragen . Die 2. Staffel leistet jeden Ersatz ohne Rücksicht auf die eigene Marsch fähigkeit. « Dementsprechend sind auch die
Mannschaften zur selbstständigen Ausführung der Herstellungs arbeiten zu erziehen , wo die Führer fehlen oder anderweit in Thätigkeit sind.
Von Wichtigkeit ist schlieſslich die Deckung der Protzen , d . h . ihre Entfernung von dem durch das Reglement bezeichneten Aufstellungspunkte 8 Schritt hinter den Geschützen , wo sie einem
eingeschossenen Gegner gegenüber nach den eigenen Worten des Entwurfs der Vernichtung ausgesetzt sind. > Es ist deshalb Pflicht überall da , wo die Gefechtsverhältnisse
dies gestatten die Protzen zu decken oder angemessen weit zurück zuschicken .« Ein Zurückschicken auf ca. 200 m darf erst erfolgen, wenn der entbrannte Kampf als lang andauernder erkannt wird und
wenn Munitionswagen hinter den Geschützen eingetroffen sind. Aufstellung hinter den Batteriezwischenräumen , oder hinter einem
Flügel in der Kolomne zu Einem , oder in geöffneter Zug -Kolonne wird empfohlen. Im Abteilungsverbande giebt der Abteilungs
für die preuſsische Feld -Artillerie. Commandeur den Befehl zum Zurückschicken der Protzen .
79
Es kann
hier die Aufstellung der Protzen mit der der 1. Wagenstaffel zu sammenfallen .
Es ist von hoher Bedeutung , daſs die Vorschrift für die
Führung der Wagen *) einer Batterie und Abteilung,« welche bisher den Anhang IV des alten Reglements bildete, als besonderes Kapitel dem Abschnitt der Ausbildung im Gelände angehängt ist. Spielt doch in dem modernen Artilleriekampf die Frage des Munitions Ersatzes eine gewaltige Rolle. Verschieſsen bedeutet nach den Worten der Felddienst - Ordnung für die Artillerie eine zeitweise gänzliche Entwertung der Waffe.
Die veränderte Stelle, welche
man diesem Kapitel gegeben hat, ist deshalb von weitgehender Bedeutung. Nebenbei ist dieser Abschnitt merklich gekürzt. Als neu hervorzuheben sind aus diesem Kapitel folgende Gesichtspunkte:
Mit Genehmigung des Truppenführers kanu bereits auf Märschen eine Verstärkung der 1. Staffel um einen oder mehrere Munitions wagen stattfinden. Im Gefecht gewährt der neue Entwurf den Staffelführern eine
gröſsere Selbstständigkeit innerhalb ihrer Aufgabe , als deren Kern die rechtzeitige Sicherstellung des Munitions- Ersatzes hingestellt wird . Die Aufstellung der 1. Staffel im Gefecht ist an keine be stimmte Entfernung von der Batterie gebunden. Deckung und gute Verbindung nach vorn sind die leitenden Gesichtspunkte für die Wahl des Aufstellungsortes. Als Formationen sind nur geöffnete, oder die Kolonne zu Einem zu wählen . Wo Deckungen fehlen ist die 1. Staffel mit den Protzen ca. 200 m hinter die Geschütze zurückzunehmen .
Von der 2. Staffel, welche 800 m
hinter der Batterie unter
Freilassung der Straſsen Aufstellung nimmt , werden , wenn nicht ausdrücklich Gegenbefehl erfolgt, beim Beginn des Gefechts zwei volle Munitionswagen für jede Batterie zur 1. Staffel vorgeführt.
Den Munitions- Ersatz betreffend ist angeordnet, daſs wo die Gefechtsverhältnisse es gestatten die Protzmunition vollzählig erhalten und ein direktes Verfeuern des Inhalts der hinter das 2. und 5. Ge
schütz vorzuziehenden 2 Munitionswagen der 1. Staffel stattfinden *) Die Feld-Batterie hat 8 Munitionswagen, 3 Vorratswagen, 1 Feldschmiede in Summa 12 sechsspännige Wagen, von welchen 3 Munitions- und 1 Vorrats wagen die 1. Staffel, der Rest die 2. Staffel bilden. Die 1. Staffel folgt hinter der Batterie und direkt ins Gefecht, die 2. Staffel mehrerer Batterien gesammelt an der Quene der Avantgarde resp. das Gros.
Der Entwurf eines neuen Exerzier -Reglements u. 8. W.
80
Werden die Protzen in Deckung gezogen , so sind diese Wagen abzuspannen. Sind sie geleert , so werden sie durch vor
soll.
zuziehende
volle
ersetzt.
Inzwischen wird auch der etwa
an
gebrochene Inhalt der Protzen aus den Munitionswagen ergänzt. Für die Ergänzung der 2. Staffeln aus den Munitions-Kolonnen sind bereits durch die neue Felddienst -Ordnung (314) die nötigen Fingerzeige gegeben. Die Heranziehung der Kolonnen vor oder
beim Beginn des Gefechts ist darnach Sache der Truppenführer, die auch die Aufstellungspunkte bekannt geben. Aus ihnen be wirken die Staffelführer die Ergänzung der 2. Staffel. Die im 5. Teil des Entwurfs über die groſse Parade und den
in den Anhängen I-IV *) gegebenen Bestimmungen nachzugehen, hieſse über die gestellte Aufgabe hinausgehen, welche darin bestand die nicht der Waffe angehörenden Offiziere mit denjenigen Neuerungen des Reglements bekannt zu machen , die auf die Verwendung der Artillerie im Gefecht Bezug haben .
Wer uus auf dieser Rundschau
über den neuen Entwurf begleitet hat , wird hoffentlich gleich uns
zu der Überzeugung gelangt sein , daſs derselbe mit Freuden von 9
der Feld -Artillerie begrüſst werden wird .
Daſs ein gut Teil der
jetzt befohlenen Neuerungen, besonders aus dem Abschnitt » Aus bildung im Gelände von der Truppe selbst erfunden und seit Jahren praktisch erprobt ist spricht laut genug für das in der Waffe herrschende tüchtige Streben, und läſst mit Zuversicht hoffen, daſs die Feld - Artillerie auch in Zukunft wohl vorbereitet den An
forderungen des Krieges entgegentreten wird . *) Anhang V des alten Reglements „ Schiefsregeln für die Feld -Artillerie“ ist im Entwurf fortgelassen. Streng genommen gehören diese Regeln wohl auch nicht in ein Exerzier- Reglement.
VII. Der Einfluſs des Wurffeuers
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung. Von
v. Sauer, königl. bayer. Generallieutenant.
Als ich – der Anregung höherer Vorgesetzten folgend
vor
vier Jahren meine Anschauungen » über Angriff und Verteidigung fester Plätze « veröffentlichte, *) da konnte ich wohl erwarten , daſs meine Gedanken nicht sofort und überall geteilt , sondern - ohne gar manchem Wiederspruch begegnen würden. Des Zweifel wegen habe ich sie ja zu Papier gebracht, daſs sie auch von anderer Seite besprochen und erwogen würden ; denn allgemein bereits für unumstöſslich anerkannte Lehren, hätte ich nicht erst zu vertreten
gebraucht. Die Erörterungen meiner Ansichten sind denn auch nicht ausgeblieben und oft recht sachliche gewesen ; nur einige Wenige fanden es richtiger, die einfache Ablehnung an die Stelle näherer Würdigung treten zu lassen . Zu diesen Ablehnenden ge
hörte in erster Linie der gefeierte, belgische Ingenieur, General lieutenant Brialmont.
Unter dem Titel :
> La fortification du
temps présent « lieſs derselbe, im Jahre 1885, ein ebenso umfang reiches, als Aufsehen erregendes Werk erscheinen , in dessen Rahmen er denn auch die Verurteilung meines Angriffsverfahrens aufnahm . Dieser Umstand war es , der mich damals zu einer eingehenden
Durchsicht des ganzen Brialmont'schen Werkes und zu dem Versuche zwang , die Lehren desselben auf ihre Unfehlbarkeit zu prüfen . Die Anschauungen , welche ich bei dieser Prüfung gewann ,
habe ich einer Besprechung über » die Befestigungskunst der Gegen warts im Januar- und Februar - Hefte der > Jahrbücher
von 1886
niedergelegt. Diese Besprechung schloſs mit dem Wunsche: » daſs
meine Widerlegungen eine sachliche Würdigung , besonders von demjenigen erfahren möchten, dessen tiefer Erkenntnis das Körnchen in wie ich hoffte Wahrheit kaum entgehen könne , das *) Berlin, Richard Wilhelmi.
1885 .
Jalurbücher für die Deutsche Armee und Marine
Bd. LXX ., 1 .
6
82
Der Einfluſs des Wurffeuers
meinen Entgegnungen enthalten sei. « Ich bin hente in der er freulichen Lage, bestätigen zu können , daſs Brialmont diesem 1
Wunsche in mancher Hinsicht nachgekommen ist.
Am Schlusse der » Einleitung« , welche der belgische General seiner » Befestigung der Gegenwart« vorausgeschickt hatte, war von ihm behauptet worden , daſs nun (vor drei Jahren also ) der Augen blick gekominen sei , um jene Grundformen der Befestigung fest stellen zu können , welche allen Anforderungen der heutigen Artillerie entsprächen . Diese Grundformen fasse er als die » Be festigungsweise der Gegenwart« zusammen , sie seien aber auch diejenigen der Zukunft , insoferne man nicht neue und sehr be deutende Fortschritte im Geschützwesen , oder in der Belagerungs kunst mache , Fortschritte , welche » keineswegs als demnächst be vorstehende, noch selbst als wahrscheinliche angesehen werden könnten . « Das war der Satz , den ich eigentlich für den bedenk lichsten der ganzen >fortification du temps présent « hielt und der allerdings mit den Anschauungen im unmittelbarsten Widerspruche
stand, welche ich in » Angriff und Verteidigung « und in meine
» taktischen Untersuchungen *) über nene Formen der Befestigungs kunst « vertreten hatte.
Drei Jahre baben genügt, um Brialmont
von der Unhaltbarkeit seines damaligen Ausspruches zu überzeugen
und denselben durch die Erklärung zu ersetzen : » Wir (Brialmont) sind seit fünfundzwanzig Jahren um das Fortschreiten der Be
festigungskunst bemüht und unsere verschiedenen Schriften be zeichnen die Etappen , mittels welchen wir uns einem Ziele zu nähern streben, von dem wir keineswegs behaupten, es in dem Augenblicke schon erreicht zu haben, in welchem die gegenwärtigen Zeilen erscheinen . « Diese »gegenwärtigen Zeilen « sind das neueste Werk Brialmont's**) und – in anerkennenswerter Weise – zum
groſsen Teile in dem Bestreben geschrieben, das durch die eben angezogene Stelle des Buches zum Ausdrucke gebracht wird. Wenn
ich mich der Besprechung auch dieses Werkes unterziehe, so begegne damit zwar weniger meinen persönlichen Wünschen und Neigungen , als ich dazu durch die Thatsache veranlaſst werde, daſs sich Brialmont nun abermals und vielfach in eingehendster Weise, mit meinen verschiedenen Auschauungen beschäftigt; jetzt freilich ich
*) Mai-Heft der „ Jahrbücher “ von 1885 und Sonderabdruck aus diesem, Berlin, Wilhelmi 1885 und 1886.
**) „ Influence du tir plongecant et des obus-torpilles sur la fortification “ par le Lieutenant général Brialmont. Bruxelles, Gnyot frères. 1888.
1
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
83
ohne dieselben schon überall a priori und ex cathedra zu
ver
urteilen .
» Der Einfluſs des Wurffeuers und der Brisanzgeschosse « bildet
einen stattlichen Band von 30 Druckbogen, dem ein Atlas von 15 Tafeln beigegeben ist ; Beides in derselben, trefflichen Ausstattung gehalten , durch die sich alle Werke des geachteten Verfassers aus Von einer » Einleitung « abgesehen , gliedert Brial zeichnen . mont seinen Stoff diesmal in 13 – mit der »> Ergänzung zum Kapitel , denen er noch 4 » Anlagen « dritten « , eigentlich 14 folgen läſst. Die Einleitung beginnt insofern mit einem kleinen, zeitlichen Irrtume, als der Verfasser erklärt, daſs sich » im Festungs angriffe, seit dem រ
Erscheinen der fortification du temps présent,
ein ganz anfserordentlicher Fortschritt, durch die Einführung von Brisanzgeschossen in die Belagerungs - Artillerie vollzogen habe. « Von derlei Geschossen muſs nun doch schon ein Bischen früher die
Rede gewesen sein; denn der » fünfte Anhang « zu Brialmont's >gegenwärtiger Befestigung “« war bereits der »Anwendung von Hohlgeschossen mit brisanter Sprengladung « gewidmet. Nun mag ja gerne zugegeben werden , daſs man vor drei Jahren die Be
deutung noch nicht allgemein voraussah , welche sich die Brisanz geschosse seitdem errungen haben ; ohne Zweifel hätte es aber dem Ansehen eines Brialmont nur entsprochen, wenn gerade ihm diese Voraussicht gekommen wäre. *) Die Ermangelung derselben seinerseits berechtigt ihn aber nicht , diese Voraussicht auch den jenigen zu bestreiten , welche ihrer vielleicht doch weniger ent
behrten als er. (Vergl . des Referenten » Angriff und Verteidigung « Seite 72, 118, 197, 205 u . a. , sowie den , bereits im Oktober 1881 veröffentlichten Aufsatz »> Die Artillerie im Festungskriege «, be ziehungsweise Seite 65 der >» Beiträge zur Taktik des Festungs
krieges« von 1882.) Indes auch aus der späteren Erkenntnis der heutigen Feuerwirkung der Artillerie, zieht Brialmont noch immer etwas andere Folgerungen , als dies wohl sonst geschieht; er giebt zwar zu , » daſs die bisherigen Forts nicht fähig sind , den Brisanz geschossen zu wiederstehen « und daſs » die Festungsgeschütze
künftighin nicht mehr vom offenen Walle aus feuern könnten , sondern durch Panzerungen gedeckt werden müſsten ,« allein er ist überzeugt, daſs die Grondlagen der Befestigungskunst durchaus nicht zu ändern seien, sondern lediglich jene der Armie rung « und daſs es genügen werde , » die Mittel zu vermehren, *) Vergl. indes auch die Besprechung des neunten Kapitels. 6*
84
Der Einfluſs des Wurffeuers
welche man auf Festungsbauten verwende. « Das allseitigste Entgegenkommen wird die letztere Anschauung nun freilich nicht finden , selbst dann nicht , wenn Brialmont versichert, daſs man
» volles Vertrauen in seine Vorschläge setzen könne, die auch dann
nur geringe Änderungen erfahren dürften, wenn das Geheimnis einmal schwinde, mit welchem -- zu seinem groſsen Bedauern die maſsgebenden Schieſsversuche mit Torpedo- Granaten, heute noch allenthalben umgeben wären . « –
Das erste Kapitel des neuen Brialmont'schen Werkes ist der » Beantwortung der Einwürfe « gewidmet , welche die » gegen wärtige Befestigung « gefunden hat und – hierbei wendet sich der
belgische Ingenieur in erster Linie gegen die Einwürfe des Refe renten – räumt ein, daſs das >» Angriffsverfahren à la v. Sauer
gegen heutige Forts allerdings verwendbar sei , sobald man über Brisa nzgeschosse verfüge. Als dieses Angriffsverfahren aber vor geschlagen worden sei , da habe – er noch nichts von Torpedo
granaten gewuſst. Über diese Unkenntnis wurde bereits gesprochen ; sie erinnert ein wenig an die plötzliche Entdeckung der taktischen
Bedeutung des Hinterladers – nach Sadowa. (Vergl. d. Ref. » Angriff und Verteid. « S. 154.) Es muſs indeſs hervorgehoben werden , daſs das von mir vertretene Angriffsverfahren sich keines wegs auf die Anwendung der Brisanzgeschosse, sondern im wesent lichen nur auf jene des Wurffeuers stützt, wobei
selbstver
ständlich – jede Steigerung der Wirkung des letzteren den Angriff nur fördern wird.
Gerade deshalb aber, weil es das Wurffeuer und
nicht blos das Brisanzgeschoſs ist, auf dessen Verwertung sich meine Angriffsvorschläge gründen ebendarum setzt Generallieutenant Brialmont richtig voraus , daſs ich mein Verfahren auch gegen seine Forts für durchführbar balte ; aus dem einfachen Grunde,
weil es weder mit Gewölbestärken , noch mit sonstigen, technischen Ausmaſsen , sondern einfach mit der taktischen Thatsache rechnet,
daſs jedes noch so vortrefflich angelegte Festungswerk dann un
schwer zu nehmen ist, wenn es gelang, seine Besatzung zu er Wie ich diese Erschütterung herbeiführen will , das billigt Brialmont, indem er, nochmals über die Kämpfe um Plewna
schüttern .
sprechend, die Richtigkeit meiner Annahme zugiebt, » daſs es nur einer gewissen Anzahl entsprechender Wurfgeschütze bedurft haben würde, um die türkischen Redouten zum Schweigen zu bringen. « Er denke ja über den Wurf ganz ähnlich wie ich, nur » lege er dem Flachbahnfeuer etwas mehr Bedeutung bei und erwarte dagegen vom steilen Einfallwinkel etwas weniger als ich . « Das sind Zu
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
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geständnisse, mit welchen ich mich gewiſs begnügen könnte, wenn sie nicht durch die Wahrnehmung abgeschwächt würden, daſs der belgische Ingenieur eben doch noch nicht so ganz in das Wesen meines Angriffsgedankens eingedrungen ist. Es kommt mir gar nicht darauf an, ob die Wallgeschütze eines Forts demontiert sind
oder nicht, und ob die Brustwehr zerstört oder noch in gutem Stande ist, nur darauf lege ich ein ganz auſserordentliches Gewicht , daſs – im Augenblicke und für die ganze entscheidende Zeit spanne meines Angriffes weder jene Geschütze, noch diese Brustwebr besetzt und bedient, beziehungsweise verteidigt
werden können ; und nur da , wo ich die bestimmte Überzeugung gewonnen habe, daſs diese Verteidigung ausgeschlossen ist, da wage ich den Sturm .
Nun meint Brialmont freilich , daſs diese
Angriffsweise zwar »» einfach « aber – » nicht möglich « sei und be weist das – durch den Sturm auf Eupatoria , (17. Februar 1855) der sich von meinen Voraussetzungen nur eben sehr wesentlich dadurch unterscheidet, daſs er gegen feuernde Geschütze und besetzte Brustwehren stattfand. Aber vom gelungenen Sturm auf Kars zum Beispiel da spricht Brialmont nicht. Iudeſs, er ist durchaus nicht der Einzige, der sich an der » Tollkühnheit « ñeines Festungsangriffes stöſst; im Gegenteil, fast alle Einwürfe, welche noch gegen diesen erhoben wurden *), gipfeln in der Meinung, daſs ich das Unmögliche fordern wolle . Ist mir gar nie eingefallen . Nichts verlange ich, als daſs ein Werk genommen werde, dessen Besatzung mit aller Zuverlässigkeit gründlich genug erschüttert werden konnte und erschüttert wurde , um die schützenden Hohl
räume, in welche sie sich zurückgezogen hatte, auch beim Sturme nicht mehr zu verlassen. Nun behauptet freilich Niemand , daſs dieses Verlangen eiv allzu gewagtes wäre, nur das wird bemängelt:
ob es möglich sei, eine Besatzung so zu erschüttern, daſs sie auf die Verteidigung ihres Werkes verzichten muſs. Darüber läſst sich mit Keinem streiten, der das heutige Mörser feuer nicht aus
eigener Anschauung kennt und dadurch in der Lage ist, die Leistungsfähigkeit desselben taktisch verwerten zu können .
Dieses
Feuer halte ich , in seiner jetzigen , sich auſserdem von Tag zu Tag steigernden Vervollkommnung , für ein absolut neues Kampf mittel , nicht blos des Festungs- , sondern auch des Feld krieges ** ), *) So neuestens vom Hauptmann v. Rehm im Junihefte des „ Organs der militär -wissenschaftlichen Vereine “ .
**) Vergl. hierüber auch Leyd hecker's Preisschrift „ das Wurffeuer im Feld und Positionskriege“ Berlin 1887, Mittler & Sohn.
Der Einfluſs des Wurffeuers
86
und ich bin für diese Anschauung in dem Augenblicke eingetreten , in welchem das heutige Wurfgeschütz nur zur Aufstellung kam *). Gegen wirksames Wurffeucr vermögen lebende Ziele - also nur dann aufzu Truppen ( einschlüssig der Artillerie ) kommen, wenn sie sich in Bewegung oder unter sicherer Deckung von oben befinden . Werkbesatzungen sind nun nicht in Be wegung und befinden sich nur dann unter
nicht hinter
Deckungen, wenn sie die Brustwehr verlassen , welche sie verteidigen sollen . Beim Angriff auf diese werden sie ihre Deckung lediglich
dann aufgeben und mit Erfolg aufgeben können , wenn
das
Feuer, das sie in die Deckung zwang , aufhört, sobald sie diese räumen wollen .
Die taktische Bedeutung des Wurffeuers liegt
nun gerade darin, daſs es – bei richtiger Verwertung - fast jede
Möglichkeit einer rechtzeitigen Allarmierung untergetretener Besatzungen ausschlieſst und in den meisten Fällen erst dann ein gestellt zu werden braucht - insofern es nicht überhaupt blos -
» verlegt« werden will -- wenn der Angreifer bereits die Brustwehr zu ersteigen beginnt, welche er stürmen soll.
Hierin und in dem
weiteren Umstande, daſs sich sogar noch der 15 cm Mörser als mobiles Geschütz behandeln **) , alles Wurffeuer sich aber nur wieder durch Wurffeuer bekämpfen läſst, sind die Gründe zu suchen, auf welche ich die Anschauung stützen möchte, daſs die von mir keine toll vertretene Angriffsweise entsprechend aufgefaſst kühne ist .
Ich habe aber durchaus nichts dagegen einzuwenden, wenn
nur diejenigen mit dem Gedanken meines Angriffsverfahrens befreunden , welche von der Anwendbarkeit desselben überzeugt und – die zugehörigen Kampfmittel vorausgesetzt ebensowohl sich
in der Lage als gewillt sind, den Beweis dafür zu erbringen, daſs
die richtige Durchführung dieses Verfahrens – vielleicht sehr viel Ruhe und Kaltblütigkeit, aber gar keine Tollkühnheit fordert. Wen es nicht nach solchem Beweise drängt, der thut wohl besser,
bei der » Väter Weise « zu bleiben , als – allenfalls - den Miſserfolg eines wirklich tollkühnen Angriffes der » neuen Schule « statt anderen Ursachen aufbürden zu wollen ***). *) Vergl. hierüber d . Ref. „ Beiträge zur Taktik des Festungskrieges." Berlin 1882.
Rich . Wilhelmi,
**) Auch hierauf wurde bereits in den „ Beiträgen zur Taktik des Festungs krieges“ ( Berlin 1882) aufmerksam gemacht und sind bei den diesjährigen Herbst manövern der deutschen Armee denn auch derlei Mörserbatterien mitgeführt worden .
***) Da Generallieutenant Brialmont es liebt, seine Anschauungen vielfach
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
87
Der > taktische« Festungsangriff, den ich befürworte, ist eben kein schematisches Recept, *) das sich
-
wie der
Schulangriff
in jedem Falle nach derselben Schablone anwenden läſst, sondern nur eine Skizze, nach welcher es berufenen Heerführern möglich sein dürfte, den Angriff gegen eine Festung mit Hilfe jener Kunst
zum wirklichen Meisterwerke zu gestalten, deren es ja auch bedarf, um Schlachten siege zu erringen .« S. 230. )
( » Angriff und Verteidigung «
Es möchte der geneigte Leser, wie mich selbst, wohl viel
zu weit führen, wenn ich all' die Einwände aufzählen und erwidern würde, welche General Brialmont gegen meine Angriffsgedanken
erhebt ; sie gipfeln eigentlich in der Überzeugung, daſs sich solche Angriffe – wenn wirklich irgendwo, so doch keinesfalls gegen seine Festungswerke ausführen lieſsen. **) Ich bin nun viel zu wenig Techniker, um die Trefflichkeit gerade dieser Konstruktion hinlänglich würdigen zu können , aber ich vermag mich eben für Forts, die bei einer Breitenausdehnung von (rund) 400 m , die Kleinigkeit von 20 gepanzerten Geschützen ***) umfassen, unmöglich zu erwärmen , selbst wenn das dreitürmige Reduit des Werkes fast ganz aus .
Beton und Cement besteht.
Ein Fort sei wie es wolle
den
heutigen Feuerwaffen gegenüber, wird es immer einen bedenklichen Kugel-, beziehungsweise Bombenfang bilden und eben dadurch zu auf Äuſserungen Totleben's zu stützen, so möchte ich den geneigten Leser doch auf die im letzten Beihefte des „ Militär- Wochenblattes “ enthaltene Lebensbe
schreibung des Verteidigers von Sewastopol aufmerksam machen . Da finden sich (S. 348 u. ff.) auch Instruktionen vor , welche Totleben über „ Angriff und Verteidigung von Stellungen “ ausgearbeitet bat. Ich darf wohl behaupten, daſs dieselben durchaus in dem Sinne geschrieben sind, den Brial mont bei meinem Angriffsgedanken tadelt und erwähne beispielsweise nur die einzige Stelle
(S. 349): „ Um einen Erfolg zu erzielen, ist eine gegenseitige Aufmerksamkeit und eine entsprechende Verbindung zwischen der Thätigkeit der Infanterie und Artillerie 1
unbedingt notwendig ."
*) „ Übrigens giebt es keine Regel ohne Ausnahme ; Alles hängt von den Um ständen ab, welche im Kriege sehr verschieden sind.
. “ (Biographie Totlebens
S. 337).
**) Wenn feindliche Truppen ; nachdem sie Niederlagen erlitten haben , in ein
befestigtes Lager zurückgehen, so kann, bei entschiedener moralischer Überlegenheit, der Sturm glücken, wie das Kars beweist. “ (Biographie Totlebens S. 337). ***) Es sind das :
9 hebbare Panzer für Schnellfeuergeschütze, 2 heb- und
2 nichthebbare für 12 cm Kanonen, 3 nichthebbare für je zwei 15 cm Kanonen und 4 für 21 cm Haubitzen .
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Der Einfluſs des Wurffeuers
einer ungünstigen Verteidigungsstellung werden . Als solche kann es sich zwar selber noch immer einer trefflichen Sturmfreiheit er
freuen es verbürgt die letztere aber nicht für die, zwischen ihr und dem Nachbarsfort befindliche, etliche Kilometer lange Lücke und nur wo diese Bürgschaft durch sie gegeben wäre, da würde ich selbst Brialmont'sche Werke nicht für zu teuer halten.
Wenn mir der belgische Ingenieur aber – gleich manchem anderen meiner Kritiker -- wiederholt vorwirft, » daſs ich die Lage des Angreifers eben immer und überall als viel zu günstig, jene des Verteidigers jedoch als viel zu ungünstig beurteile, « so möchte ich vor allem darauf hinweisen , daſs ich mich in meinem Buche
nicht bloſs über den Festungsangriff, sondern auch über die Festungsverteidigung ausgesprochen und diese wie jenen aus dem selben Gesichtspunkte, dem taktischen nämlich, betrachtet und be handelt habe.
Und wie ich daher den Angriff auf die richtige
Ausnutzung überlegener Kräfte in jedem Sinne aufzubauen ver
suchte, so empfahl ich der Verteidigung, all’ dasjenige zu thun, was der Schwächere thun könne und müsse, um den Stärkern auf
zureiben . Das ist der Unterschied: vom Angreifer verlange ich , vom Ver daſs er den Verteidiger zu zerschmettern sucht er fer iger r ht ich rei teid abe nic , daſs er den Ang mit gle Münze be zahle , sondern daſs er ihn hinzuhalten und dem vernichtenden
Schlage desselben auszuweichen wisse . *) » Ich würde Recht haben , -- » meint Brialmont «
wenn
es
zur Wegnahme eines Forts genügte, daſs man dessen Geschütze zum Schweigen gebracht hätte. Das reiche aber nicht hin ; denn der Sturm sei unmöglich, so lange die Grabenbestreichung er halten bliebe, vorausgesetzt , wohlverstanden , daſs die Gräben eine entsprechende Breite haben und die Infanterie , allein oder in Begleitung von Kartätschgeschützen , den Wall noch rechtzeitig zu besetzen vermöge.
Das sind freilich
Voraussetzungen , mit denen ich mich durchaus einverstanden erkläreu kaun; nur sind die heutigen Festungsgräben eben sehr schmal und lassen sich gegen jede Verbreiterung derselben recht erhebliche Einwände geltend machen. Was aber das » rechtzeitige Besetzen « der Brustwehren betrifft, so halte ich es nur da für gesichert, wo *) So weist Totleben fünf Fälle nach, in welchen er den gewaltsamen Angriff der Verbündeten auf Sewastopol erwartete und kennzeichnet das Unterlassen des selben als Fehler, ( Biographie Totlebens S. 307) während er vor Plewna nicht mehr zum Sturme zu bewegen ist, weil er die Armee Osman Pascha's für weniger
erschüttert hält als seine eigene. (Biographie Totlebens S. 337).
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
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die Verteidiger - gleich den Türken bei Plewna – au an der Innen seite der Brustwehr sitzend, den Sturm erwarten können.
Dieser
Vorgang ist bei jedem Angriffe mit Wurffeuer ganz von selber ausgeschlossen und — wie oben schon berührt worden ist – genügt
diese Thatsache allein, um eine rechtzeitige Besetzung der Brust wehr nur unter besonders günstigen Umständen noch zu den Möglichkeiten rechnen zu dürfen .
Mit bloſsen »Möglichkeiten « >>
werden richtig angesetzte Stürme aber nicht allzuoft abgeschlagen werden. — Wenn Brialmont nun erwartet, daſs man bei Durchsicht -
seines neuesten Buches wohl von selber wahrnehmen werde, wie ihm
bei Abfassung seiner »gegenwärtigen Befestigung« noch einige Richtstäbe « gefehlt hätten, um den Weg vorzuzeichnen , welchen die Befestigungskunst in Zukunft einzuschlagen habe « und wenn er nochmals bezweifelt, » ob er -- in Verfolgung dieses Weges schon zum erwünschten Ziele gekommen sei, « so wird er für diese Er klärungen entschieden eine freundlichere Aufnahme erwarten dürfen , als für das seinerzeitige, allzu unfehlbar gestimmte Leitmotiv der
» fortification du temps présent. « Von der Besprechung meiner Angriffsvorschläge wendet sich Brialmont
zu jenen ,
welche der
französische Artillerieoberst
de Bange in einem Vortrage am 25. Februar 1886 entwickelt hat. Dieselben haben eine Ähnlichkeit mit den meinen , nur will Bange die Wallartillerie der Forts schon aus Entfernungen von 5 und 6 k
zum Schweigen bringen und auf die gleichen Entfernungen auch die Fortsbesatzungen erschüttern . Dabei verwirft er alle Mörser und denkt nur schwerste Geschütze mit groſsen Geschoſsgeschwindig keiten – aber auf weite Entfernungen , also doch unter steileren Einfallwinkeln – zum Festungsangriffe zu benutzen . (An Beweglich keit wird der letztere dadurch nicht gewinnen .) Brialmont warnt – natürlich – vor der Methode de Bange's nicht minder wie vor der meinen und hält es für die Plicht des
Ingenieurs, die Truppenführer vor Anschauungen zu behüten, welche die Notwendigkeit, Blut und Leben der Mannschaften zu schonen , allzusehr vernachläſsigen.
Ich kann ihm darauf nur wiederholt ent
gegnen, daſs ich der Erste wäre, meine eigenen Vorschläge zu ver dammen, wenn ich die richtige Durchführung derselben nicht für weit unblutiger, wie jeden Schlachten- und wie manchen, lang
wierigen Schul-Angriff bielte. Dahingestellt möchte ich es aber lassen, ob sich der Ingenieur nicht auch dadurch dankenswerte Ver dienste um die Heerführer erwerben wird , wenn er dieselben nicht
bloſs all' überall zum technischen Angriffe raten, sondern ihnen
Zur hundertjährigen Geschichte
90
auch bei taktischen Angriffen , mit seinem ganzen Wissen und Können , nutzbringend zur Seite stehen will. - In den beiden letzten Absätzen des ersten Kapitels seines Werkes tritt Brialmont
zwei französischen Schriften entgegen, welche seine Anschauungen nachdrücklichst bekämpft hatten. Die eine — von einem ungenannten Verfasser – betitelt sich : » Die Niederlage der Staaten und die Lagerfestungen ,« die andere ist die Abhandlung des früheren Lehrers >>
-
der Befestigungskunst in der Artillerie - Schule zu Fontainebleau, Genie-Oberstlieutenant Delair , über »strategische Lager- und Ab schnittsfestungen .«
Man sieht, auch in den Kreisen der französischen ,
sonst so befestigungslustigen Ingenieure, finden die Lehren Brial monts nur geteilte Anerkennung. (Schluſs folgt.)
VIII. Zur hundertjährigen Geschichte der preuſsischen Infanterie-Hornsignale. Nach
amtlichen Quellen von
Dr. Georg Thourek, Seconde - Lieutenant der Landwehr.
Zwei ungenannte Verfasser haben vor einigen Jahren im Militär -Wochenblatt die Signale der Infanterie vom musikalischen
uud militärischen Standpunkte aus besprochen . > Wer unsere Infanterie-Siguale konstruirt und notirt hat , « sagt der musikalische Autor ( 1881 Pg. 1292), ist mir .... » nicht möglich gewesen zu ermitteln . Gewiſs war es ein tüchtiger Musiker, der mit fünf Tönen , aus denen unsere sämtlichen Signale bestehen , so groſse
Mannigfaltigkeit und klar ausgeprägte Verschiedenheiten auszu drücken verstand . « Dieses Urteil ist ohne Zweifel zutreffend. Unsere
Signale sind sämtlich zweckentsprechend , zum Teil geradezu schön und unübertrefflich .
Der militärische Autor ( 1885 Pg. 1421 ) untersucht, ohne Rücksicht auf den musikalischen Wert der Signale, ihre Branch barkeit und Unentbehrlichkeit in Krieg und Frieden . Er meint,
der preuſsischen Infanterie-Hornsignale.
91
daſs von den 29 Signalen des Exerzier-Reglements 19 überhaupt entbehrt werden könnten , und daſs für den Krieg nur noch 5 not
wendig seien , nämlich : Marsch resp . Marsch Marsch , Allarm (Sammeln ), Aufpflanzen des Seitengewehrs, Achtung und Feuerlärm . Ob er hierbei nicht etwas zu schnell vorgeht, mag dahingestellt
bleiben. Thatsache ist , daſs die Anwendung gewisser Signale von Jahr zu Jahr eine eingeschränktere wird, und daſs man einige von ihnen überhaupt nicht mehr zu hören bekommt.
Unsere Sigvale sind gerade hundert Jahr alt ; die ersten wurden
im Jahre 1788 eingeführt. Auch sie haben ihre Zeit treu gedient, und sie verdienen es wohl, daſs man jetzt , wo sie den Höhepunkt ihres Wirkens überschritten haben , einen Rückblick auf ihre Ge
schichte werfe. Die folgenden Ausführungen sind bestimmt, wenig stens die Hauptsachen aus dieser Geschichte nach urkundlichem Material festzustellen . *) Die erhöhte Aufmerksamkeit, welche der groſse König in seinen letzten Lebensjahren der Ausbildung der leichten Infanterie zu
wandte, erlahmte auch unter seinem Nachfolger nicht. Das Regle ment für die leichte Infanterie
von 1788 ist der beste Beweis
hierfür. Dieses Reglement ist nun auch das erste, welches von Hornsignalen für die Infanterie spricht. Es werden darin acht Signale vorgeschlagen und zwar folgende: 1. Marsch ,
2. Halt, und sammelt euch,
3. Chargiert, 4. Stopft, 5. Haltet euch rechts,
6. Haltet euch links , 7. Schwärmt, 8. Retraite .
Leider sind die Akten über die Vorverhandlungen zu dem Re glement nicht mehr vorhanden ; die naheliegende Frage, wer den ersten Vorschlag zu dieser wichtigen Neuerung gemacht hat, ist
daher nicht zu beantworten. Die Signale waren noch nicht in Noten gesetzt, vielmehr erhielt das Ober-Kriegs-Kollegium durch eine Kabinetts- Ordre vom 29. März 1788 den Befehl, die Noten festzu
stellen und zwar für die bei der Jägerei üblichen Flügelhörner, deren
starker und durchdringender Ton sie an passendsten für Signal Ein kleiner Teil dieses Materials ist bereits von G. Lange benutzt worden für seine „ Kurze Geschichte der Militärmusik " im
„ Soldatenfreund " Band 18 u . 49.
Zur hundertjährigen Geschichte
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instrumente erscheinen lieſs. Mochte man nun dabei auf Schwierig keiten stoſsen oder mochte der König andere Befehle erteilt haben : kurz, am 7. Mai 1788 gingen dem Ober-Kriegs-Kollegium direkt aus dem Kabinett die neuen Noten zu und zwar für neue Signale. *) Es scheint fast, als habe der musikalische Monarch persönlich
an
der Komposition sich beteiligt. Zwei tüchtige Hornisten vom Fuſs
Jäger-Regiment** ) wurden nach Berlin befohlen , um durch zwei Königliche Leibjäger im Signalblasen geübt zu werden . Sodano sollten
sämtliche Füsilier - Bataillone ihre Stabshornisten zu den
Jägern nach Mittenwalde schicken und die Signale erlernen lassen . Mit der Bestellung und Aboabme der erforderlichen Hörner wurde der Vice - Oberstallmeister und Major Graf v. Lindenau betraut , welcher sich zu diesem Zweck mit dem Potsdamer Instrumenten
macher Krause in Verbindung setzte . Der Kontrakt bestimmte den Preis pro Horn auf 5 Thaler; im ganzen wurden 200 Stück bestellt , »alle nach gleicher Stimmung und Gröſse, mit starken juchtenen Gebinden und mit starken messingenen Querbügelu .« Jedes Füsilier Bataillon erhielt später 9 Instrumente, die schlesischen zuerst, weil der König bei den Revuen in Schlesien bereits die neue Einrichtung erproben wollte . Deshalb gingen auch die Stabshornisten der schle sischen Bataillone sofort nach Mittenwalde ab, während die übrigen
erst nach den Revuen dort eintreffen sollten . Die endgültige Ein führung der neuen Signale bei den Füsilieren und Fuſsjägern erfolgte durch Kabinetts -Ordre vom 25. Juni 1788.
Bis dahin gab es bei der preuſsischen Infanterie nur Trommel
Signale, und es ist begreiflich, daſs die Neuerung zunächst Miſs verständnissen begegnete. Da sich nämlich die offizielle Festsetzung der Noten verzögerte, so wurden die Bataillons-Commandeure, die das neue Reglement bereits in Händen hatten, unsicher, ob die Signale überhaupt vorgeschrieben oder aber ihrer Wahl überlassen werden sollten. Es erfolgten daher von allen Seiten Anfragen und von einigen auch Vorschläge. Einer davon, vom Major v. Borcke ( Treuenbrietzen ) herrührend, liegt noch bei den Akten . Die von ihm vorgeschlagenen Signale sind keineswegs bäſslich , aber viel zu
lang und viel mehr kleine Musikstücke als Siguale. „ Schwärmen z. B. umfaſst 10 Takte, von den vorgeschriebenen Wiederholungen ganz abgesehen. Man sieht daraus, daſs das Wesen der Neuerung nicht von vornherein klar war . *) Nämlich 9. Ruf, **) Der Stab lag in Mittenwalde.
der preuſsischen Infanterie-Hornsignale.
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Nach einer Meldung aus Mittenwalde wurden die neuen Signale von den Stabshornisten sehr schnell erlernt, schwieriger war ihre allgemeine Einführung, da manche von den gewöhnlichen Hornisten
>garnichts von Musik verstanden « . Die Signale von 1788 sind bis auf geringfügige Abänderungen , die sich im Laufe der Zeit in den Noten, besonders aber im Rhythmus herausgebildet haben , die all
bekannten, noch heute gültigen. Nur » Sammeln « und » Ruf« sind anders .
Sie bewährten sich in dem bald darauf ausbrechenden
Kriege gegen Frankreich so vortrefflich , daſs im Jahre 1793 ihre Einführung bei der ganzen Infanterie beschlossen wurde. Noch im Hauptquartier Guntersblum (in Rheinhessen) befahl der König, am 5. Mai 1793 , die Anstellung eines Hornisten statt eines Tambours
bei jedem Infanterie -Regiment und die sofortige Anschaffung der Hörner, damit die Hauptarmee am Rhein unverzüglich mit ihnen ausgerüstet werden könnte. Diese Maſsregel bezweckte, wie es in der Ordre heiſst, die Schützen, die, von der Begierde zu siegen
hingerissen, sich allzuweit vorwärts gewagt und sich auf diese Weise zu sehr exponirt haben , ohne es selbst zu wissen, wie weit sie von
ihrem Soutien getrennt sind, von der nahen Gefahr zu unterrichten und zurückzurufen . «
Auf Vorschlag des Ober-Kriegs-Kollegiums wurden jedem Re giment 3 Hornisten zugeteilt, wofür 3 Tambours eingingen. Am Schluſs des Jahres 1793 war also die gesamte preuſsische Infanterie zum ersten Male mit Signalhörnern ausgerüstet.
Die Erfahrung lehrte sehr bald , daſs die im Reglement von 1788 vorgeschriebenen Signale nicht hinreichend waren , um die verschiedenen Bewegungen anzudeuten , welche der Dienst erforderte. Einige Brigaden der leichten Infanterie vermehrten die Zahl der
Signale selbstständig, jedoch ohne Übereinstimmung untereinander.
Um den sich hieraus ergebenden Übelständen ein Ende zu machen , wurden im Jahre 1801 zwanzig Signale festgesetzt und durch Kabinetts- Ordre vom 18. Juni bei allen Füsilier- Brigaden und dem Jäger-Corps eingeführt und im April 1802 ausdrücklich befohlen daſs auch die Schützen der Infanterie-Regimenter sich eben dieser Signale bedienen sollten , damit eine durchgängige Übereinstimmung hergestellt würde. Unter diesen 20 Signalen erscheinen von den noch im Reglement von 1847 gültigen : » Schwärmen «, » Langsam zurück « (damals » Schwär mer und Detachirte zurück «), » Rechte resp. linke Schulter vor « , Gerade aus« und » Sammeln « . Auſserdem aber etliche, die sehr bald wieder abgeschafft wurden, nämlich : »>> Der Feind wird entdeckt «
Zur hundertjährigen Geschichte
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» Infanterie «, » Cavallerie « , » Infanterie und Cavallerie « , » Schützen vor « und » Schützen zurück « .
Die Geschichte der Hornsignale von 1802 ist nun sehr merk würdig. Der vorschriftsmäſsige Gebrauch blieb nämlich durchaus auf die genannten beschränkt, ja es wurde mehrfach ausdrücklich
vor jeder Übertreibung gewarnt. So verbot die » Instruktion über den Gebrauch des dritten Gliedes « (Königsberg 1809) das dritte Glied, d. h. die Tirailleure eine Menge mechanischer Bewegungen nach Signalen üben zu lassen . Nur für drei Bewegungen, nämlich : Avanzieren , Retirieren und Rallieren werden die Signale als unent
behrlich bezeichnet. » Für diese drei Hauptbewegungen «, heiſst es S. 16, » giebt es drei Signale, welche fleiſsig eingeübt werden müssen .« Ähnlich äuſsert sich die Instruktion zum Exerzieren der Infanteries
( Königsberg 1809 ) .
Der dritte Abschnitt (vom Dienst der leichten
Infanterie) schlieſst (S. 30) mit folgender Bemerkung: » Aus diesem
ergiebt sich die Nothwendigkeit, die Leute zur Aufmerksamkeit auf die Signale sorgfältig zu gewöhnen. Zu viele sind dem Apell nach theilig, doch müssen deren bei der leichten Infanterie auch nicht
zu wenig sein . « Als notwendig werden sieben aufgeführt: Schwärmen, Rallieren , Avanzieren , Retirieren , Sammeln der Schützen , Allarm
und Stopfen. Als achtes wird Chargieren empfohlen bei Übungen neuer Leute, um sie auf die gehörige Schuſsweite aufmerksam zu machen .
Alle diese Einschärfungen aber waren machtlos gegen die Vor
liebe des musikalischen Militärs für die Signale. Waren im Kriege 1806/7 wirklich, wie es scheint, nur die vorgeschriebenen zur Au weudurg gekommen, so ertönten bald darauf auf dem Exerzierplatz und bei den Manövern wieder eine ganze Anzahl neuer, deren Sinn nur Eingeweihten verständlich war.
Es gab Bataillone in der Armee,
welche im Jahre 1808 noch 40 Signale hatten . Wie begreiflich, herrschte diese Vorliebe besonders bei den Jägern. Bei dem groſsen Herbstmanöver zwischen Potsdam , Fahrland und Spandau im Jahre 1810 fielen dem Könige einzelne Signale auf. Er äuſserte voll Be fremden , » dies müſsten wohl noch die älteren bei den Jägern üblich gewesenen Signale sein , die Er jedoch nicht verstände. «
Eine geradezu klassische Schilderung der Übelstände im damaligen Signalwesen entwirft der mit der Inspektion der leichten Truppen beauftragte General-Major von Yorck in seiner >> Instruktion zu den
Felddienst-Übungen der leichten Truppen für das Jahr 1811. « Yorck schreibt wörtlich : » Das Letzte meiner diesjährigen Instruction betrifft
endlich die Flügelhorn -Signale. Schon das Wort Signal bezeichnet
der prenſsischen Infanterie -Hornsignale.
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die eigentliche Bedeutung: » Zeichen für Entfernte « . Man hat sich aber nicht begnügt, diese Signale willkührlich zu vermehren, sondern auch ihren Gebrauch so zwecklos vervielfältigt, daſs dieser unüber legte Gebrauch einstens im Kriege wirklich Schaden anrichten könnte. Wie oft babe ich bei einer Tirailleur - Linie gesehen , daſs jeder Subaltern-Offizier sein Peloton durch's Flügelhorn dirigiren wollte, so daſs in einer und der nehmlichen Linie zu gleicher Zeit » zieht
euch rechts « und » zieht euch links« und » chargiren « und »stopfen « geblasen wurde. . . Man vertheile aber die Offiziers und Unter
Offiziers gehörig in der Mitte, auf die Flügel und hinter der Front, lasse sie nicht bloſs hinterher spazieren gehen sondern hübsch um
sich blicken, dann wird man nur selten zu den Signalen seine Zuflucht nehmen dürfen, die überhaupt nur der Kommandant des Ganzen abgeben darf. Der (Dänische) General Ewald hat ganz recht , wenn er sagt, daſs die leichte Infanterie in einem Gefecht bei dem Lärm des Feuers mehr sehen als hören, und daſs man sie
nicht wie wilde Thiere nach der Musik abrichten müsse .
Er be
bauptet von den amerikanischen Rifflemänvern, daſs sie die besten leichten Infanteristen der Welt wären , weil ein jeder ein geübter
Jäger sei und alle List besäſse, die zur Jagd wie zum Kriege gehört, und dennoch sagt er, daſs sie nur dann den Ton ihrer Kubhörner und Seemuscheln vervielfältigt hören lieſsen, wenn sie den Feind braviren oder ihm eine Nase drehen wollten . Dagegen sind sie ab gerichtet nach dem Winke unter sich geschwind bei der Hand, in Flanken und Rücken zu sein, und wenn es schief geht, so schlichen sie sich fort wie die Katze vom Taubenschlage. - Ich empfehle
daher der leichten Infanterie die Rifflemänner zum Muster zu nehmen,
die Gemeinen an Apell und Umsicht zu gewöhnen , den Exerzier platz aber nicht zum Tanzplatz zu machen und den Lärm eines Manövers nicht noch durch ein unnützes Geblase zu vermehren . «
Um diesem runnützen Geblase « ein Ende zu machen , reichte
Yorck mit seinem Bericht über den Zustand der leichten Truppen *) dem Könige Vorschläge zu einer endgültigen Festsetzung der Flügel horn - Signale ein, solche Vorschläge, » die sich gröſstenteils auf eigene Erfahrung begründen, und von denen ich glaube, daſs sie dem er weiterten Gebrauch der leichten Infanterie in den neueren Kriegen entsprechen dürften . « In der angeführten Instruktion sagt Yorck hierüber : >> Die Anzahl dieser Signale ist freilich noch groſs genug ;
der gemeine Mann braucht aber nur die nothwendigsten zu kennen . .. *) Vom 4. April 1811 , ebenfalls im geheimen Archiv des K.-Ms.
Zur hundertjährigen Geschichte
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Sie sind hauptsächlich nur für den Gebirgskrieg berechnet , wo man sich oft nur allein durch Signale Mittheilungen machen kann . «
Der König Friedrich Wilhelm III . genehmigte Yorcks Vorschläge
und befahl strenge Untersagung jeder Abweichung. » Da Ich indessen , « sagt die Antwort, » die Anzahl derselben groſs finde, so ist um SO mehr darauf zu halten , daſs man sich ihrer da, wo es wirklich nöthig ist, bediene. . . . Sollte die Erfahrung, was zu wünschen ist , lehren, daſs einige derselben noch entbehrt werden könnten, so überlasse ich Ihnen die Weglassung derselben zu verfügen .« Im ganzen umfaſsten Yorcks Vorschläge 22 Signale, d. h. un gefähr so viele, wie im allgemeinen seit dem Anfang des Jahrhunderts
in der Armee im Gebrauch waren, freilich ohne durchgängige Über einstimmung in der Musik. Die Yorckschen sind mit einer Aus nahme bis zur Herausgabe des Reglements vom 1. September 1888 in Gebrauch gewesen.. Yorck v . Wartenburg ist es gewesen, dem wir die strenge Ordnung im Signalwesen der Infanterie zu ver danken haben .
Neu waren vor
Betrachten wir nun diese Signale im einzelnen .
allen die vier Compagniesignale, » das Ganze « , dieses schönste aller
Signale, und » Kolonne formiert «. Die ersten wurden notwendig, als mit der Reorganisation von 1808 die Compagnieen Nummern und eine feste Stelle im Regiment erhielten, d . h. seitdem die alte » In haberschaft « auf hörte.
Man half sich auf verschiedene Weise. Nach
einem Bericht des Oberst von Zieten aus Neiſse (März 1810) war
es üblich , die vier Compagnien des Bataillons nur durch die ent sprechend häufige Wiederholung eines und desselben Tones zu be zeichnen, eine jedenfalls unpraktische Benennung. Die York'schen Signale, d . h. die heutigen, waren ursprünglich Eigentum der Jäger und wurden mit dem Signal »das Ganze «, dessen Herkunft dunkel ist, im Oktober 1810 auf Yorks Befehl beim Garde - Füsilier- Bataillon
eingeführt und beide seitdem mit Nutzen angewendet. Das ausgezeichnete Signal » Kolonne formiert « scheint ganz neu komponiert worden zu sein .
Es ist musikalisch
und
besonders
rhythmisch ungleich schöner und packender als dasjenige, welches
vorher oder daneben in Übung war. Mag es aber auch schon älter sein, jedenfalls stammt seine Verwendung als Abendretraite der In fanterie direkt von York.
Bis zum Jahre 1811 diente zu dieseni
Zweck das Signal » Langsam zurück « . York schlug das neue vor, weil es keinen Miſsdeutungen unterworfen war.
Im französischen
Kriege 1792—95 soll es nämlich einmal vorgekommen sein, daſs
der preuſsischen Infanterie -Hornsignale.
97
einige Wachen ihre Posten verlieſsen, weil der kommandierende Offizier aus anderen Gründen wider sonstige Gewohnheit auf Vor posten Abend -Retraite blasen lieſs, was die Wachen für eine Zurück berufung nahmen *). Das Signal » Ruf« bezeichnet York als Frage bei Nebel oder im Gebirge, um zu erforschen , ob ein in der Ferne wahrgenommener Trupp freundlich oder feindlich sei. > Einige mit Pansen und nach der Seite des fremden Trupps hin gegebene Ruf Signale müssen den andern Teil verpflichten, sein Benennungs
Signal hierauf als Antwort zu erteilen. - Die Ausführbarkeit dieses Vorschlages, fügt der General hinzu , habe ich im letzten Kriege Gelegenheit gehabt, selbst zu erforschen . « Yorks Signale waren also durchaus für den Krieg berechnet und speziell für den Krieg gegen Napoleon, welcher unmittelbar bevor
zustehen schien. York schlieſst daher seine Ausführung mit der Mahnung : »Was man jedoch bei leichten Truppen durch Commando
oder mündliches Überschicken der Befehle an den betreffenden Offizier abmachen kann , ist immer sicherer, als wenn man sich bloſs auf Signale verläſst . «
Die Reorganisation der preuſsischen Armee nach dem Kriege von 1806/7 bahnte bekanntlich eine mehr und mehr gleichmäſsige
Ausbildung der gesamten Infanterie an und zwar so, daſs die Grund sätze für die Ausbildung der leichten Infanterie die maſsgebenden wurden für die Infanterie überhaupt, eine Entwickelung, welche heut abgeschlossen ist. Daher kommt es, daſs das Exerzier -Reglement
von 1812 das klassische Muster für alle folgenden geworden ist. Dieses Reglement entwickelt auch zum ersten Mal ausführlicher, und
zwar in Übereinstimmung mit den York'schen Darlegungen, die Grundsätze, nach denen die Anwendung der Hornsignale in Zukunft gehandhabt werden sollte. Es bringt auch zum ersten Male die Notenbeilagen , welche seitdem eine stehende Einrichtung geblieben sind . In denselben erscheinen von den 22 Yorck'schen Signalen 20 ;
weggelassen sind die beiden entbehrlichsten : » Rechts resp. links schwenkte .
Diese wurden in dem nächsten Reglement von 1847
wieder aufgenommen, in welchem auſserdem > Feuerlärm « auftritt.
als neues (23.) der
Dieser Feuerlärm ist indessen das alte seit
1788 für » Allarm « und » Sammeln « dienende Signal. An die Stelle des Jetzteren tritt nunmehr wieder das Signal , welches von 1801 *) Es berührt dem gegenüber eigentümlich, wenn in dem oben genannten Aufsatz (Mil. W. 1885) der Vorschlag gemacht wird, das Signal „Langsam zurück “
zugleich als Zapfenstreich zu verwenden. Allerdings soll das erstere nach dem Verfasser nur im Frieden angewendet werden . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXX., 1.
Zur hundertjährigen Geschichte u. s. w.
98
bis 1811 vorschriftsmäſsig gewesen war.
Es ist, wie oben bemerkt,
das uns allen bekannte. Der genannte Oberst von Zieten empfahl es im Jahre 1810 zur allgemeinen Einführung, und wir dürfen uns freuen, daſs der vortreffliche Vorschlag schlieſslich zu seinem Rechte
gekommen ist, denn gerade dieses Signal ist, gut geblasen, von groſser musikalischer Schönheit und Wirkung. Seit dem Jahre 1847 sind, wenn wir von dem Commandeur - Raf
absehen, nur noch 6 neue Signale eingeführt worden, nämlich 1868 die drei Bataillonssignale und die beiden für das Aufpflanzen und Anortbringen des Seitengewehrs, und endlich im Jahre 1874 als
letztes das Signal » Achtung « . Die Entwickelung der Feuerwaffen läſst es als wahrscheinlich erscheinen, daſs die Zahl der im Kriege und besonders in der Schlacht anzuwendenden Sigvale eine immer
geringere werden wird , da die Schützenpfeife bestimmt zu sein scheint, bei der Feuerleitung die Hauptrolle zu spielen .
Wir wollen es aber nicht vergessen, daſs unsere Signale seit dem Jahre 1811 die preuſsische Infanterie in ungezählten Schlachten zum Kampf und zum Siege gerufen haben. Wie oft erscholl im
entscheidenden Augenblicke der Klang der Flügelhörner: Ganze avancieren « !
» Das >>
Auch das Generalstabswerk über den letzten
Krieg thut an einigen Stellen ausdrücklich der Signale Erwähnung, und meistenteils handelt es sich dabei eben um das Ansetzen des letzten, entscheidenden Stofses. Für den Kampf mit Frankreich
wollte, wie oben schon erwähnt, Yorck die Signale festgestellt wissen,
und dieser Bestimmung haben sie redlich gedient. Ihre Weihe haben sie gewissermaſsen ein für alle Mal bei Belle-Alliance erhalten, wo ihr Klang den herrlichen Angriff der Preuſsen begleitete, und wo sie, im Verein mit den preuſsischen Trommeln die fliehenden Welschen zu Tode hetzten .
» In einigen Dörfern «, sagt der offizielle SchlachtberichtGneisenaus, > versuchten die Feinde zu widerstehen, doch , wo sie die Trommeln
und Flügelhörner hörten , flohen sie oder warfen sich in die Häuser, wo sie niedergemacht oder gefangen wurden. Der Mond schien hell und begünstigte ungemein die Verfolgung. Der ganze Marsch war ein stetes Aufstöbern des Feindes in den Dörfern und
Getreidefeldern . « - *) *) Anmerk. der Red . In vorstehendem Aufsatze hat das Reglement vom 1. September 1888 , welches die Zahl der Signale auf 21 beschränkt , noch keine Berücksichtigung gefunden.
IX . Abschaffung des Bajonettfechtens ? Das Februarheft 1883 der > Jahrbücher « brachte einen Aufsatz
mit der Überschrift: » Der Abschluſs der Bajonettfecht - Frage «, und mit den einleitenden Sätzen : » Ein während der letzten zwei Jahre in Wort und Schrift vielbehandelter, bestangegriffener und wohlverteidigter Dienstzweig - das Bajonettfechten unserer In
fanterie – ist in seinem Entwickelungsgange gegenwärtig bei einer Haupt- Etappe angelangt. Unter endgiltiger Aufhebung der Vor schriften vom 6. April 1876 und unter Beseitigung des Entwurfs zu Vorschriften vom 5. Juli 1881 sind durch A. 0. vom 9. No
vember 1882 neue » Vorschriften für das Bajonettfechten der In fanterie « in Kraft getreten .«
Letztere Vorschriften bestehen auch
heute in Kraft; auf wie lange noch ? Allem Anschein nach ist der damalige » Abschluſs der Frage« der Haupt-Etappe vom November 1882 kein endgiltiger gewesen ;
droht eine » End «-Etappe im Jahre 1889 sich anzufügen. Das Ver fahren gegen das Bajonettfechten soll wieder aufgenommen werden, nachdem neue Belastungspunkte gegen dasselbe hervorgetreten sind . Es ist kein Geheimnis , daſs schon dazumal eine mächtige Strömung gegen das Fechten in Wirksamkeit war und dasselbe
beinahe beseitigt hätte.
Wenn diese Strömung seitdem an Kraft
gewonnen hat - was nicht unwahrscheinlich ist
dann dürfte
binnen Kurzem das Bajonettfechten ans der Zahl der Infanterie
Dienstzweige im deutschen Heere gestrichen sein.
In der kriegsministeriellen Veröffentlichung, welche die Heraus gabe der » Vorschriften von 1882 « begleitete, findet sich der höchst beachtenswerte Satz : » Seine Majestät der Kaiser und König haben
gelegentlich des Vortrages Allerhöchsihre Willensmeinung dahin auszusprechen geruht, daſs die höheren Vorgesetzten ihr Augenmerk darauf zu richten haben , >
daſs
das Bajonettfechten
nicht
in
gröſserem Umfange betrieben wird, als es mit Rücksicht auf seine Bedeutung angemessen ist , namentlich daſs nicht a ndere Dienstzweige dadurch beeinträchtigt werden . « 9
Wird , wie ich es oben bezeichnete, das Verfahren von vordem
aufgenommen, so wird die Anklage gegen das Bajonettfechten in ihrem Hauptpunkte dabin lauten , daſs dasselbe – (überhaupt!) -
7*
Abschaffung des Bajonettfechtens ?
100
andere Dienstzweige beeinträchtigt « ; daſs eine an sich zu umfängliche Ausdehnung des Fechtens irgendwo Platz gegriffen habe, wird kaum behauptet werden. Es kann und soll hier nicht abermals eingetreten werden in
eine ausführliche Erörterung der Wirkung des Bajonettfechtens, welche vorwiegend auf dem Gebiete der Moral zu Tage tritt : was in dieser Hinsicht beigebracht werden kann, – für und wider -
das ist nahezu erschöpfend gesagt, so zwar, daſs wenigstens die Aufstellung wesentlicher und ganz neuer Gesichtspunkte nicht mehr zu erwarten ist. Wer sich über den Gegenstand genauer unter richten will , der nehme die betreffenden Aufsätze zur Hand : gegen
das Bajonettfechten haben sich zuletzt ausgesprochen ein Ungenanter im Militärwochenblatt Nr. 5 und Nr. 9 pro 1881 , sowie ein Herr
H. v. Z. im April- und im Mai-Heft 1880 der » Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine « ; für das Fechten ist im Dezember
heft 1880 der » Neuen militärischer Blätter «, der Verfasser der
» Zwei gymnastischen Wünsche « eingetreten, sowie gauz besonders feurig im Aufsatz im Militär -Wochenblatt Nr. 9 pro 1881 : > Der offensive Geist und seine Pflege bei der Infanterie. «
Fällt – aus triſtigen Gründen — das Bajonettfechten , so werden die nicht unerheblichen Kosten der Beschaffung und Instandhaltung
der Schutzmittel beziehungsweise der Waffen u . s. w. erspart : das ist gewiſs erfreulich, kann aber nicht in Betracht kommen bei Ent scheidung der ganzen Frage; ebensowenig der Umstand , daſs die Gewehr- Haltung und -Handhabung bei der neuen Infanterie - Aus rüstung nicht nach der jetzt geltenden Vorschrift durchführbar
ist ...; man könnte diesen, immerhin geringfügigeren Übelstand unschwer durch Abänderung der Vorschrift beseitigen. Also nun zum Haupt-Anklagepunkt: » Das Bajonettfechten be einträchtigt andere Dienstzweige.« Wenn zunächst und an sich die Forderung logisch und unab
weisbar erscheint, daſs der Soldat im Gebrauche aller ihm gegebenen, also doch für unentbehrlich erachteten Waffen , der Infanterist mit hin auch im
Gebrauche der Stoſs waffe unterrichtet werde, so hat
letztere Forderung mehr und mehr an thatsächlicher Berechtigung
verloren : infolge der Verbesserung der Feuerwaffen sind die Fälle eines Handgemenges in den beiden letzten Feldzügen sehr selten geworden und der inzwischen eingeführte Mehrlader wird die
Zahl der Bajonettkämpfe in den Zukunftskriegen noch wesentlich verringern . Man wird heute zugeben müssen, daſs, wenn 1882 der
Paragraph 1 mit Recht sagte : „ Das Bajonettfechten bietet ein
Abschaffung des Bajonettfechtens ?
101
Mittel, den Infanteristen für den Kampf mit der blanken Waffe vorzubilden (und ihm Vertrauen zu dem mit Geschicklichkeit
geführten Bajonett zu geben ) « – man unter der Herrschaft des Mehrladers auf dieses Mittel für die Ausbildung füglich Verzicht leisten kann, weil eben der Kampf mit der blanken Waffe fast nicht mehr vorkommen wird . Die Gegner also halten das Friedensfechten
lediglich für einen Überfluſs, einen Schmuck etwa, eine Spielerei, die man sich früher wohl gestatten durfte , weil Zeit vorhanden war, – nicht aber jetzt noch, wo die Zeit durch wichtigere Dinge
vollauf in Anspruch genommen wird . Ausnahmefälle abgerechnet, in denen ein besonders sachkundiger Chef Erkleckliches in der Fechtausbildung seiner Compagnie leistet, ist es Thatsache, daſs die Erfolge , welche unser Bajonettfechten
aufzuweisen hat, durchschnittlich geringe sind. Eine bescheidene Zahl von gut oder befriedigend ausgebildeten Fechtern, die Masse in der Entwickelung stecken geblieben , weder im Angriff noch in
der Verteidigung von namenswerter Geschicklichkeit und Kraft ; ein
erheblicher Bruchteil von Stümpern : diese Fechter- Übersicht mag wohl für die weit überwiegende Zahl der Infanterie -Compagnien passen ! Das Bajonettfechten ist eine schwere Kunst , deren Erlernung
Vielen überhaupt versagt bleibt, die jedenfalls aber auch von denen, welche eine tüchtige Grundlage gewonnen und die Hauptschwierig keiten überwunden haben , andauernd , wenn möglich: täglich
geübt werden muſs , soll die Fertigkeit nicht baldigst nachlassen: dazu aber gehört Zeit , sehr viel Zeit,
-
und wenn dieselbe fehlt, so ist eben das Urteil des Fechtens gesprocben . Da erklärt sich ,
daſs Lust und Liebe bei den Maunschaften meist, ein Erfolg fast ausnahmslos fehlt .
Eine andere für den gründlichen und zweck
mäſsigen Betrieb des Bajonettfechtens unerläſsliche Vorbedingung fehlt ebenfalls fast überall: ein völlig sachkundiges Lehrerpersonal. Als solches mögen die verhältnismäſsig wenigen Lieutenants gelten , welche die Militär - Turnanstalt – mit Erfolg besucht haben : sie müſsten sich zerreiſsen , wenn sie das Unteroffizier- Corps eines
Bataillons oder auch nur einer Compagnie » nebenbei« wollten zu Fechtlehrern heran bilden . Angesetzt werden überall solche Stunden, je nach den Dienstperioden , aber man bleibt im Anzuge stecken : wie sollen diese ruckweisen , jedesmal nur wenig versteckte Stunden umfassenden » Kursen « wohl tüchtige Lehrer im Bajonett fechten heranbilden ?
Eine Besserung dieses beklagenswerten , weil trotz der » Vorschriften « sich vollziehenden Dahinsiechens eines Dienstzweiges
Abschaffung des Bajonettfechtens ?
102
ist nicht zu erwarten ; wenn nicht Alles täuscht, ein stets wachsender Rückzug eingetreten ; höherer Vorgesetzten , wo es geschieht , kann an greifend nichts ändern, weil die Zeit fehlt für
ist seit 2 Jahren ein
Einschreiten
der Sache durch den immerhin als
nebensächlichen zu bezeichnenden Dienstzweig. Es sind eben in den letzten Jahren die Anforderungen, welche an die Ausbildung der Infanterie, in specie des Lehrerpersonals, gestellt werden , in einem Maſse gewachsen , daſs es zur Pflicht der Vorgesetzten, zumal der Compagnie- Chefs wird , alle verfügbare Zeit und Kraft zu ver einigen auf die wesentlichen Dienstzweige : Man prüfe den Inhalt
der Scbieſs - Vorschrift und der Felddienst-Ordnung von 1887, im Vergleiche zu den beiden älteren Instruktionen : welche Fülle des
Lehrstoffes ist von den Offizieren und Unteroffizieren zu bewältigen und nach gründlicher Vorarbeitung den Mannschaften beizubringen . Vollends das neue Exerzier -Reglement! Dankbar muſs anerkannt werden , daſs dasselbe eine Menge überflüssiger und zeitraubender 9
Übungen seines Vorgängers beseitigt hat: aber trotzdem , der Aufwand an Mübe und Zeit , den es erfordert für die Ausbildung 1
des einzelnen Infanteristen sowohl, wie der Truppe, ist ein wesent lich gesteigerter gegen das bisher erforderte .
Mit einem » Rucke «
hat das Exerzier-Reglement vom 1. September 1888 uns, auf diesem Gebiete , vom Nachtrab an die Spitze der Armeen gestellt ; wir preisen uns glücklich, solche Vorschrift zu besitzen , aber wir fühlen,
daſs nur bei äuſserster Anspannung und Sammlung aller Kräfte und bei sorgsamster Ausnutzung der Zeit die Ausbildungsziele erreicht werden können , die uns fortan gesteckt sind . Da müssen alle minder wichtigen Dienstzweige beschuitten , alle entbehrlichen beseitigt werden.
An dieser Notwendigkeit wird ,
u. E., das
Bajonettfechten scheitern, weil seine Erfolge geringwertig sind und nicht im Verhältnis zu der immerhin aufgewendeten Zeit stehen.
Wie viel nutzbringender kann und wird letzterer für die Ausbildung der jüngeren Lieutenants und der Unteroffiziere und Gefreiten im
Felddienst, im (Schützen-)Gefecht, im Schul- und Gefechtsschieſsen , im Entfernungsschätzen u . s. w. verwendet werden ; und da thut es dringend not. Wie viel gehört heute dazu , daſs ein Lieutenant, besonders aber ein Unteroffizier ein tüchtiger Lehrer in allen Dienstzweigen sei ! Und das Können und Wissen der Unteroffiziere
zunächst, dann auch der Gefreiten und Gemeinen muſs ein möglichst vertieftes und gefestigtes sein , damit dieselben ,
jetzt bis ins
reifste Mavnesalter binein wehrpflichtig , wenn sie nach Jahren im Kriegsfalle einberufen werden , noch wenigstens die wichtigsten
Abschaffung des Bajonettfechtens?
103
Dinge einigermaſsen behalten haben und uns durch ihre bessere
Ausbildung eine Bürgschaft mehr für den Sieg bieten. .... Der § 1 der » Vorschriften für das Bajonettfechten « von 1882 besagt im zweiten Absatz :
» Der Infanterist lernt beim
>>
Bajonett
fechten scharf beobachten , in schwierigen Lagen kaltblütig über legen , sich schnell und kurz entschlieſsen und den gefaſsten Ent
schluſs mit Energie und Sicherheit ausführen . « Diese Behauptung eignen wir uns vollinhaltlich an : jedes » freie « Fechten mit einem Gegner , sei es mit welcher Waffe es wolle, hebt Kraft, Selbstvertrauen, Mut des Kämpfers ; das Bajonett
Contrafechten, wenn es energisch betrieben wurde, hatte unbestreit bar bedeutenden Einfluſs auf Hebung des moralischen Wertes der
betreffenden Mannschaften . Ungern , aus diesem Grunde, würden wir deshalb das Bajonettfechten aus der Zahl unserer Dienstzweige scheiden sehen . . . aber , aller Wahrscheinlichkeit nach , wird es
früher oder später ausscheiden, aus dem oben entwickelten zwingen den Grunde.
Sollte der Fall eintreten , so lieſse sich vielleicht als kleine
Entschädigung erlangen eine neue » Gewehrübung «, die den Mann dahin bringen müſste, einen kurzvorschnellenden, energischen Stoſs, in Brusthöhe und in wagerechter Richtung oder nach einem Ziele mit dem rechten Arme zu führen ; damit wäre immerhin für das Handgemenge Etwas gewonnen , denn bekanntlich bedarf es vieler Mühe und tüchtigen Zuredens bei der Friedens-Fechtausbildung,
um unsere Leute zu solchem kräftigen Stoſsen zu bewegen. Und dann müſste mit gröſserem Nachdruck , als bisber an vielen Stellen das geschieht, das » angewandte « Turnen gepflegt und von oben her angeregt werden : Dasselbe zielt doch unmittel
bar auf die Verhältnisse und Anforderungen des Krieges ab und könnte die Zuwendung von mehr Zeit, mehr Interesse, mehr Gründ lichkeit wohl verlangen. Andere finden vielleicht noch andere Mittel , den Ausfall zu
decken, den die » Schneidigkeit« der Infanterie, u. E., in gewissem Grade durch Beseitigung des Bajonettfechtens erleiden würde. Die Entscheidung über die » Frage «, welche diesem Aufsatze
als Überschrift dient, wird nicht lange auf sich warten lassen. 34 .
X. Umschau in der Militär -Litteratur.
I. Ausländische Zeitschriften . Streffleurs Oesterreichisch- Militärsiche Zeitschrift ( Dezember) : 1. Das
neue deutsche Exerzier - Reglement : „ Endlich hat die erste und wichtigste Waffengattung des Heeres Vorschriften erhalten, welche modern
im besten Sinne des Wortes sind und den Bedürfnissen des heutigen Gefechts in ausreichender Weise gerecht zu werden suchen. Das neue Exerzier- Reglement, dessen Grundzüge der sterbende Kaiser Friedrich gegeben , das sein kaiserlicher Sohn eingeführt hat, wird für die Deutsche Armee in Zukunft die römische Devise tragen : In hoc signo vinces . " 2. Gedanken über das Gefecht der Infanterie im modernen Kriege: Der Aufsatz erkennt die Aufgabe der heutigen Infanterie darin , ein überwältigendes Feuer bis auf nahe Entfernung an den Gegner heran zutragen . Damit dies erreicht werde, erscheint schon beim Beginn des Gefechts ein kräftiges Auftreten erforderlich : Die hierzu geeignetste Feuerart ist die Salve “ .
Die Infanterie solle erst dann in's Gefecht ein
greifen , wenn die Artillerie greifbare Erfolge erzielt hat, dann aber durch
kräftige Ausnutzung des Feuers die Überlegenheit über die feindliche Infanterie darthun ; das Mittel hierzu ist wiederum die wohlgezielte Salve .“ 3. Über Ausscheidung und Verwendung von Reserven in der Schlacht: „ Die beste taktische Reserve, namentlich in der Defensive, für die Infanterie, ist ein in ihren Händen befindlicher ausreichender Munitions vorrat ! “ 4. Aktuelle Wehrfragen : Der Unteroffizier -Nachwuchs Militärische Bedenken gegen die Die zweijährige Präsenz -Dienstpflicht Verwertung des gewonnenen zweijährige Präsenz - Dienstpflicht Materials an ausgebildeten Soldaten .. – 5. Betrachtungen über den
Feldzug von 1859 in Italien. (Aus den binterlassenen Papieren des Generals A. Vetter v. Doggenfeld.) Persönlicher Rechtfertigungsversuch des F. Z. M. Grf. Gyulai in Bezug der Führung der k . k . Armee in der ersten Periode des Feldzuges 1859 in Italien. Armeeblatt ( Nr. 49) : „ Die kaiserliche Armee vor vierzig Jahren . “ Eine äuſserst anziehende Schilderung der Organisation , Be 6
kleidung und Ausrüstung der k. k . Armee zur Zeit der Thron besteigung Kaiser Franz Josepbs I.
Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung („ Kamerad “ ); Nr. 94 : „Zur Erneuerung des Wehr -Gesetzes vom Standpunkte der Sprachen frage: „ An dem Grundsatze, daſs jeder Offizier der Armee -Sprache (des Deutschen ) in Wort und Schrift mlichtig sein müsse, sei bedingslos und unentwegt festzuhalten . “
Nr. 96 : „ Zum 2. Dezember 1888.
Ein
Umschau in der Militär- Litteratur.
105
begeistert geschriebenes Gedenkblatt zur Feier des 40 jibrigen Regierungs
Jubiläums des Kaisers, welcher die Überwachung der kriegsgemäſsen Aus bildung der gemeinsamen Armee, Landwehr und Marine „ stets mit aller Aufopferung - ein leuchtendes Muster des Pflichtgefühls - durchgeführt habe. “
Journal
des
sciences
militaires
(November ):
Gefecht bei
Weiſsenburg. Die hier angegebenen Truppenstärken der französischen Division Douay weichen insofern von denen des deutschen Generalstabs werkes ab, als dieselben auf 11 Bataillone, 18 Geschütze und 3 Schwadronen beziffert werden, während der deutsche Gefechtsbericht von 8 Bataillonen ,
18 Geschützen und 8 Schwadronen spricht. — 2. Die belgische Neu tralität und die französischen , belgischen und deutschen Eisenbahnen.
Verfasser meint, Preuſsen werde sich im Kriegsfalle über
die belgische Neutralität hinwegsetzen und durch die „trouée de Maubeuge, den verwundbarsten Punkt der französischen Nordostgrenze,“ den Einbruch versuchen . Zur Deckung dieses Punktes wird ein Ausbau des französischen Bahnnetzes in genannter Richtung vorgeschlagen ; selbiger werde jeden
Versuch der Deutschen, durch die „ trouée de Maubeuge“ auf Paris vor zudringen, scheitern lassen.
Spectateur militaire ( 15. November ): „ Die Depeschen von Beau gency “ : „ Die Gefahr der gegenwärtigen Lage besteht in dem Verschwinden der politischen Moral, der völligen Verachtung aller Grundsätze, obne
welche die Völker mit dem Winde treiben. Abgeordnete und Minister erlauben sich, der Straflosigkeit sicher, Alles ; Wähler und Parlamentarier selbst die gute Gesellschaft schlüpfen leicht hinweg über skandalöse Vor fälle, welche ehemals die Laufbahn von 10 Politikern vernichtet hätten ...
Aus dieser Gleichgiltigkeit entspringt eine von oben. her kommende Demoralisation , welche sich nicht allein aller Verwaltungs-Zweige, sondern
nach und nach auch der breiteren Schichten des Volkes bemächtigt.“ Der jetzige Kriegsminister , de Freycenet , bekanntlich der ehemalige ,, Delegirte des Kriegsministers “ zu Tours und Bordaux, Gambetta's, wird beschuldigt, die Generale der französischen Loire - Armee in zweckwidriger Weise beeinfluſst und sich in die Heeresführung über den Kopf des kommandierenden Generals hinweg unberechtigter Weise eingemischt zu baben ; namentlich wird ihm vorgeworfen , während der Schlacht von
Beaugency habe er den General Camo veranlaſst, eine auf Befehl Chanzys besetzte Stellung, die Beaugency deckte, a ufzugeben. Der Kriegsminister stellte dies in einer Unterredung mit dem Abgeordneten Grafen Martimpray entschieden in Abrede. „Es ist sehr unklug vom Kriegs-Minister,“ so schlieſst dieser befremdende Aufsatz, „ Andere der Lüge zu zeihen und eine der Geschichte angehörende Thatsache dreimal zu leugnen. Wird seine
Stellung dadurch berührt werden ? Keineswegs. Der ehemalige , Delegirte des Kriegsministers “ wird nur im Ansehen derjenigen Männer verlieren , welche noch naiv genug sind , zu glauben, daſs es vom Übel ist, nicht die
Wahrheit zu sagen und daſs der politische Erfolg nicht Alles rechtfertige.“
106
Umschau in der Militär -Litteratur.
2. Daa im Entstehen befindliche neue Exerzier -Reglement für die
Infanterie hält alle beteiligten Kreise in hochgradiger Erregung. Sp. meint, dasselbe dürfe keine servile Nachahmung des Deutschen sein,
sondern müsse „dem französischen Temperament“ entsprechen ; aber die Kommission müsse sich kurz fassen, so kurz, wie dies die Verfasser des deutschen Reglements gethan hätten. (1. Dezember) : 1. „ Über Infanterie-- Kanonen , 1740–1813. 2. Die Armee und die Königskrönung. Eine geschichtlicbe Studie über die Teilnahme der höchsten militärischen Würdenträger an Zeremonie der (alt-französischen) Königskrönung. 3. Das neue Regle ment , meint Sp., könne, wenn selbst die Kommission allen nur ersinn lichen Eifer aufwende, nicht vor Frühjabr 1889 wenigstens die 3 ersten Teile desselben fertig gestellt werden. Bis dahin möge man sich mit
dem Reglement vom 29. Juli 1884 behelfen ; es handle sich darum , das zahllose überflüssige Beiwerk desselben zu beseitigen und , nach dem Bei spiele des preuſsischen Generalstabes, nur die Grundlinien der Evolutionen
und die allgemeinen Kampfes -Regeln festzustellen . Revue du cercle militaire (Nr. 47) : Das Regiment „ Infanterie
legère d'Afrique“ ist, durch Dekret vom 7. November um 7 Kompagnien vermehrt worden. Nr. 48 : Die Kammer genehmigte ohne Diskussion am 30. November folgende Veränderungen in der Organisation der Jäger Bataillone : Dieselben erhalten eine Verstärkung der Zahl ihrer Com pagnien von je 4 auf 6 ; mit dieser Maſsregel wird zunächst begonnen bei den 12 im 14. und 15. Territorial- Bezirke (Ostgrenze) in Garnison
stehenden Bataillonen ; die übrigen folgen, sobald die „Notwendigkeit des Dienstes und die im Budget beanspruchten Geldmittel dies gestatten werden . “ – Gleichzeitig erhalten jene 12, besonders für den Gebirgskrieg bestimmten Bataillone eine Anzahl Maulesel (44 per Bataillon) als Trans
portmittel und eine ihrer eigenartigen Bestimmung entsprechende Ausrüstung. Nr. 50 : „ Der Rückzug des 13. Corps (Vinoy) von Mezières nach Laon (2. und 3. September 1870).
L'Avenir militaire (Nr. 1321): Vermehrung der Artillerie". Laut Beschluſs der „ Armee - Kommission “ sollen 16 neue Batterien r
geschaffen werden , davon 4 für Korsika und Tunis, 12 für den Dienst im
Gebirge. Der Plan , die Pontonniere von der Artillerie zu trennen und
sie mit der Genie-Truppe zu vereinigen, ist aufgegeben. - (Nr. 1322) : Die Mitrailleusen auf dem Schlachtfelde.
Die Mitrailleusen sind,
dies lehren die Erfahrungen von 1870, für den Feldkrieg nicht geeignet, Sie haben einige Eigenschaften der Artillerie als auch der Infanterie, sind aber, trotz der neuesten Verbesserungen, nicht im Stande, weder die eine noch die andere zu ersetzen , obschon sie bei gewissen Gelegenheiten Wunder wirken können. - (Nr. 1323): Das französische und deutsche Heeres - Budget. Ein sich zu Gunsten des deutschen aussprechender Vergleich; das deutsche rechne mit der Wirklichkeit, das französische mit
dem „ Ungeführ“. Das liege daran, daſs das deutsche von Militärs, für die
Umschau in der Militär- Litteratur.
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Armee und für die Vorbereitung zum Kriege aufgestellt werde , das französische von einer Korporation , um durch diese Arbeit die Be rechtigung ihres Daseins ihrer Privilegien und Gehaltsbezüge darzuthun. " —-
Le Progrès militaire ( Nr. 841) : Die Befestigungen der fran zösischen Nordgrenzen : Eine gröſsere Zabl befestigter Plätze soll geschleift werden. Von diesem Schicksal werden betroffen Landrecies, Cambrai, Bouchain, Valenciennes, Arras, Douai, Aire nebst dem Fort St. François, Saint-Omer, die Forts Suisse Lapin , François und Louis, die Citadelle von Montreuil, Calais (mit Ausnahme der Citadelle ), die Forts
Neuilly, die Redouten Crabes,, Salines und Vivier. Man beschäftigt sich, sagt genanntes Blatt, mit diesem Plane mit fieberhaftem Eifer. Dagegen sollen Maubeuge, le Quesnoy und Condé, die Forts Maulde und de Flines, Bergues und namentlich Lille bedeutend verstärkt und erweitert werden. (Nr. 843) : 1. Die Reorganisation der deutschen Artillerie , be züglich ihrer höheren Commando - Behörden, wird in anerkennender Weise
besprochen ; in Frankreich bestehe eine Trennung der Festungs- und Feld Artillerie nur für die Mannschaft, leider ! Die Deutschen seien bezüglich ihres Offizier- Corps um 18 Jahre voraus ; man möge die deutschen Reformen zum Muster nehmen .
La France militaire (Nr. 1366) : Recht bedenkliche disciplinare Zustände scheinen in der „ Ecole Polytechnique“ zu herrschen . Es kam jüngst ge
legentlich einer auf ungesetzlichem Wege angebrachten Beschwerde zu höchst tumultuarischen Ausschreitungen der Zöglinge. La France militaire sagt mit dürren Worten : „ Es giebt keine Disciplin in der polytechnischen Schule. “ Dem neuen Chef-General wird empfohlen, er möge die Zöglinge anweisen , „un peu militaire “ zu sein , zumal dieselben, 4–500 an der Zahl, bei ausbrechendem Kriege sofort zu Offizieren ernannt würden. (Nr. 1378 ): Die Befestigung von Paris. Es wird in Vorschlag gebracht, die alte Stadtbefestigung zu schleifen und durch eine neue, in der Linie der alten Forts, mit teilweiser Benutzung des Laufes der Seine und Marne als „Festungsgraben“ , zu ersetzen ; die alten Forts würden gewissermaſsen die Bastione dieser neuen Stadtbefestigung sein. Schienen wege sollen die einzelnen Teile derselben untereinander und mit dem ול
>
Centrum verbinden . Nr. 1380 : Mélinit - Handgranaten. Der mit der Armierung von Lyon 1870 beauftragte General de Rivière lieſs seiner
Zeit eine gewisse Anzahl mit Dynamit geladene Handgranaten anfertigen , cylindrisch -ogivaler Form , welche bei den Kämpfen gegen die Kommune Anwendung fanden, besonders nach dem Falle des Forts Issy ; aber man verzichtete auf ibren Gebrauch im Inneren der Stadt wegen ibrer allzu zerstörenden Wirkung auf die Gebäude.
Es wird nunmehr in Vorschlag
gebracht, Mélinit-Handgranaten einzuführen, welche von den Sappeurs der Genietruppen sowohl beim Angriff als bei der Abwehr geworfen werden sollen. Jeder Sappeur könnte, wenn man ihm das Gewehr abnehme, 3 oder 4 dieser neuesten Mordinstrumente bei sich führen .
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Umschau in der Militär- Litteratur.
La Belgique militaire ( Nr 925) : 1. Kavallerie - Manöver im Lager
von Beverloo : 2. Die am 15. November stattgehabten grossen Paraden, bei Gelegenheit der Feier des Namenstages des Königs geben der Belgique militaire den Anlaſs, über die geringen Effectivstärken der Truppen
Klage zu führen . Die ganze, 2 Regimenter Infanterie, 1 Jäger -Bataillon, 2 Kavallerie-Regimenter, 4 Batterien , dazu die „ Militärschule “ zählende Garnison von Brüssel vermochte nur in der Kopfstärke von 2115 Mann In anderen Garnisonen war dies ebenso, Grund dieser in mehreren Beziehungen Als
bei der Parade zu erscheinen .
wenn möglich schlimmer.
bedenklichen Schwäche der Kopfstärken in der Winter-Periode bezeichnet Belgique militaire die bedauerliche Gewohnheit allzu starker Beurlaubungen, welche den Compagnien , Eskadrons und Batterien ihre Selbständigkeit raube und die Ausbildung erschwere. - (Nr. 926) : „ Die allgemeine Wehrpflicht “ . Belgique militaire bestätigt, daſs der Kammer bei Be ginn ibrer Arbeiten bereits von allen Seiten Petitionen bezüglich der „ Allgemeinen Wehrpflicht“ zugegangen seien ; die Bewegung zu Gunsten durchgreifender Reformen im Heerwesen sei im Zunehmen begriffen . Schweizer- Militair-Zeitung ( Nr 46) : Die am 4. November stattgehabte Delegierten - Versammlung der Schweizerischen Offiziersgesellschaft “ nahm mit 86 gegen 7 Stimmen den Antrag an : „ Im Interesse der Schlagfertig
keit und Kriegstüchtigkeit, sowie der Landesverteidigung überhaupt ist die Übertragung des gesamten Militärwesens an den Bund gebiete rische Notwendigkeit“ . Das Budget des eidgenössischen Militär - Departements pro 1889 beläuft sich auf 22,316,526 Francs.
Rivista militare italiana. September: Bericht des Generallieutenant di San Murzano über die militärischen Unternehmungen zur Wiederbe setzung von Sauci im Winter 1887/88. Der sehr eingehende und interessante, durch 4 Seiten Karten beilagen anschaulich gemachte Bericht füllt das ganze Septemberheft und kann unmöglich im Auszuge hier wiedergegeben werden . Die Gesamtziffer der verfügbaren Truppen wird auf 814 Offiziere und
Beamte, 18,935 Italiener , 1900 Irregulaire , 151 Geschütze , darunter 19 Mitrailleusen , ungerechnet die noch vorhandenen egyptischen Geschütze, angegeben. Besonderes Interesse beanspruchen auch die italienischen Vor kehrungen über den Nachschub von Verpflegung, Wasser u. S. w. und die Nach richten über die verschiedenen Stämme sowie die Bemerkungen über die Kampfweise der Abyssinier.
Oktober : Linie oder Reihenkolonne ? Bemerkungen zu dem gleich lautenden Aufsatz im Aprilheft der Rivista militare, welcher der Reihen kolonne den Vorzug gegeben hatte. Die Verwendung der 3 Waffen im kampfe gegen die neue Bewaffnung der Infanterie . Bespricht den Einfluſs des Repetiergewehres auf die Taktik der 3 Waffen und auf das moralische
Element der Truppen. Der Raum für das „ Manövrieren “ ist geringer, der jenige für den Kampf selbst gröſser geworden, der Verbrauch wird stärker, die Gliederung nach der Tiefe muſs daher noch mehr berücksichtigt werden.
Umschau in der Militär- Litteratur,
109
Rivista di artiglieria e genio. Oktober: Einige Ideen über die Aus bildung und die Zusammensetzung der Feld-Batterie : Befürwortet u . a .
die Trennung der Leute in Fahrer und Bedienung n :it gesonderter Aus bildung für beide, die Vermehrung der Pferdezahl der schweren (9 cm )
Batterien und die Zuweisung von Batterien und Schnellfeuergeschützen an die Corps -Artillerie, die der Verfasser auf 11 Batterien gebracht zu sehen wünscht.
Die
italienische
Batterien . Revista Cientifico - militar
Feld - Artillerie :
Geschütze
der
einzelnen
Nr. 10. Unterirdische Forts : Mauerwerk
unterirdisch, sichtbar nur Panzerkuppeln mit schweren Geschützen. Memorial de Infanteria Nr. 19, 20, 21 : Die geographische Gestaltung und die Verteidigung Spaniens. Nr. 21 : Africa als Schule des Krieges. Revista militar
Aushebungsgesetz.
Nr. 21 : Das
Vorschläge
zur
Änderung des Bestehenden. Revista duo Scimicas militans Nr. 31–33 .
Die höheren Schulen im
französischen Heere.
United Service Gazette (Oktober): Die strategische Wichtigkeit der Insel Maddalena. Der französische VerfasserdiesesAufsatzes behauptet, daſs bei aller Achtung vor der Organisation der italienischen Flotte, die Er
richtung der strategischen Operationsbasen für diese geradezu mustergültig seien. Von den Hafenanlagen von Spezzia, die das Tyrrhenische Meer be herrscht, sei es bekannt, die schmalen Einfahrten verhindern jede An näherung von Torpedobooten, während die Entfernung der Stadt vom Ufer ein Bombardement durch eine feindliche Flotte ausschlieſse.
Eine weit
gröſsere strategische Bedeutung besitze aber Maddalena, eine Inselgruppe, die die Straſse von Bonifacio, zwischen Sardinien und Korsika beherrscht.
Von dieser Stellung heiſst es : „ Eine hier stationierte Italienische Flotte kann jeden Angriff annehmen , sie hat guten Ankergrund und einen natürlichen Hafen von groſser Ausdehnung, der durch Seeminen , eine Reihe mächtiger Forts und ein verschanztes Lager auf der Nordseite Sardiniens geschützt ist. Eine Blokade ist ausgeschlossen, da der Hafen nach beiden Seiten, nach Ost und West, Ausfahrten hat. Von Maddalena aus kann eine italienische Flotte die ganze Küste, von Marseille und
Toulon , bis hinunter nach Gaëta überwachen , und eine angreifende franzö sische Flotte entweder in der Flanke bedrohen oder die französische Küste
selbst angreifen, wobei sie die ganze Breite der Insel Korsika zwischen sich und dem Angreifer liegen hat. Die italienische Flotte kann in 7—8 Stunden von Maddalena aus jeden bedrohten Punkt der italienischen Küste er reichen. Schlieſslich kann sie, gestützt auf die Hilfsquellen Sardiniens eine Landung in Korsika unternehmen , Spezzia , Genua, Livorno, Rom und >
Neapel decken, Toulon, Marseille und Tunis bedrohen, dabei hat sie einen sicheren Zufluchtsort und kann eine Schlacht anbieten oder annehmen , wann es ihr gefällt.“ (November): Die Verteidigung der rus sischen Ostseeküste. Um dem Mangel an Häfen in der Ostsee abzu
Umschau in der Mililär- Litteratur.
110
helfen , soll die russische Admiralität beschlossen haben , bei Libau einen
Kriegshafen anzulegen. Ferner soll an der Meerenge, die die Inseln Oesel und Dagö von Finnland trennt , ein groſses verschanztes Lager bei
Hapselt errichtet werden und, in Verbindung mit diesem, ein Kriegshafen für den gröſsten Teil der jetzt in Kronstadt stationierten Scbiffe. Auf eine Mitwirkung der Flotte bei der Verteidigung dieser Häfen , wie auch
des von Sweaborg wird nicht gerechnet, die Flotte soll freie Hand behalten um, unter Anlehnung an einen der Kriegshäfen in Flanken und Rücken des Feindes operieren zu können .
Admiralty and Horse Guards Gazette. (September). Die ungenügende Küstenverteidigung Englands. Eine in Amerika erschienene Flug schrift, betitelt : „Flotten-Reserven und Küsten - Verteidigung“ hat die Ver anlassung zu jenem Aufsatz gegeben , in dem der Verfasser den ungenügenden 7
Küstenschutz Englands, besonders in Vergleich zu Deutschland , bespricht. Als Hauptfehler wird der Mangel einer gemeinsamen Leitung für Flotte und Heer in England bezeichnet. Von dem aufstrebenden Deutschland
heiſst es, daſs die Organisation und Verwaltung der deutschen Kriegsflotte besonders darin zu bewundern sei, daſs sie über eine groſse Zahl vollständig ausgebildeter Reserven verfügen könne, und daſs Flotten -Organisation und Küstenschutz sich in ein und derselben Hand hefinde. Die mustergiltigen Befestigungen von Kiel , Wilhelmshafen, der Elb- und Weser-Mündungen legen Zeugnis dafür ab , ebenso auch die vorbereitete Verteilung der Torpedoboote zum Küstenschutz. In England arbeite Flotte und Heer
nicht gemeinsam , sogar die unterseeischen Verteidigunsmittel seien der Marine entgegen. An Geschützen soll Mangel herrschen, und es giebt kein Reserve- Material, um Mängel oder Verluste der Flotte zu ersetzen. Die Kommission zur Prüfung neuer Waflen und Materialien bestehe nicht aus Fachleuten, die Folge davon sei , daſs die Ausrüstung fast überall mangelhaft sei, während doch sonst England in Bezug auf Technik und Maschinenwesen auf der allerersten Stufe stehe.
D.
Artillerie-Journal (russisches) Nr. 9 : Ausbildung der Feldartillerie. Über den Gebrauch des (Fortsetzung mit Skizze) von A. Baumgarten.
30 cm Mörsers bei der Küstenverteidigung. Mit Zeichnung :) Übersetzung derSchrift eines französischen Marineoffiziers. - Grundzüge der artilleristischen Verteidigungseinrichtungen an den Küsten, nach dem in der „ Revue d'artillerie “ erschienenen Artikel „ Etude sur le rôle et l'organisation des batteries de côte. “
Die Mängel der Achssitze der Feldlaffeten und Vor
schläge zur Abstellung derselben (mit Zeichnung)). – Bericht über die Prüfung des Apparates des Generallieutenants Moller zur Bestimmung der
Sprengweiten und der Seitenabweichungen der Geschosse auf den Schieſs plätzen bei Wilna und Charkow . – Nr. 10 : Inspizierung der Festungen an der Westgrenze durch S. K. H. den Generalfeldzeugmeister. Die schnell feuernden Geschütze (nit 4 Zeichnungen ). – Das Gefecht am groſsen ( Jagny 6. August 1877 (mit ( Plan). --- Ein Übungsmarsch mit Berggeschützen Über eine Vor im Kaukasus von N. Stepanoff und W. Gontscharoff.
Umschau in der Militär - Litteratur.
111
richtung zum schnelleren Richten des Geschützes (mit Zeichnung) von Polowatschewskij.
Ingenieur- Journal (russisches) Nr. 9 : Das Befestigungswesen der Gegen Der wart und Zukunft (mit Skizzen) von Ssarantschoff. Fortsetzung. Dienstbetrieb im
deutschen
Ingenieurcorps
von Papkewitsch .
Die
Ein neuer helleuchtender Apparat zum spanischen Ingenieurtruppen . zur Anzeigen des vom Torpedo ückgelegten Weges . Der Marine-Sammler ( russischer) Nr. 9: Hydraulische Laffeten für Panzertürme mit Drehungspunkt an der Mündung, von Oberstlieutenant M. Lewitzky. Aus
den
Theorie der Gasmaschinen von Kapitän Lindstrem. Soïmonoffs. Nr. 10 : Das Kreuzen des Klippers
Memoiren
,, Abrek “" im Ochotskischen Meere 1885. – Hydraulische Laffeten für
Panzertürme mit Drehungspunkt an der Mündung, von Oberstlieutenant M. Lewitzky. (Schluſs ). -- Untersuchung der verbundenen Operationen Aus den Memoiren Ssoimonoffs. (Schluſs ).
von Heer und Flotte . VI.
Krigsvetenskaps -Akademiens Handlingar och Tidskrift. 19. und 20. Heft: Die Feld-Übungen in Upland (mit einer Karte). Bericht über die in Upland im September dieses Jabres stattgefundenen Manöver mit Gegenseitigkeit zweier Divisionen und je 2 Brigaden ( 11 resp . 10 Bataillone), 5 Eskadrons, 4 Batterien, 1 Compagnie Pioniere mit Brückenbau , je 2 Munitions-Kolonnen, Fuſspark -Kolonne und Sanitätsdetachements. Die Division führte Kron prinz Gustav.
Militarit Tidskrift. 4. Heft : Das Fufsgefecht der Reiterei . Vergleich der Bestimmungen für dasselbe in den verschiedenen Armeen . De militaire Spectator Nr. 10 : Die Schlacht bei Austerlitz (mit Karte ). Ein Urteil über unsere Marine. Ein verstorbener höherer Seeoffizier betont in seinem Nachlaſs die Notwendigkeit einer totalen Reserve der heutigen Marine der Niederlande.
II. Bücher.
Kriegerleben des Johann v. Borcke, weiland Königl. preuſs. Oberstlieutenants, 1806-1815. Nach dessen Aufzeichnungen bearbeitet von v. Leszczynski , Major à la suite des 1. west fälischen Grenadier-Regiments Nr. 6 u. s. w. Berlin 1888 . E. S. Mittler & Sohn .
6 M.
Das vorliegende Werk enthält in geschickter Bearbeitung die Lebens erinnerungen des preuſsischen Oberstlieutenants v. Borcke. Ein Soldaten
leben entrollt sich vor uns, nicht das eines Mannes, der getragen von Glück , dieser besten Freundin des Soldaten, auf den höchsten Stufen der Armee, eingreifen durfte in entscheidende Ereignisse der Weltgeschichte ; sondern eines Offiziers, welchem , verfolgt von widrigem Geschicke , un geachtet treuester PAichterfüllung und ritterlicher Gesinnung der Schnecken gang einer mit dem Stabsoffizier abschlieſsenden Laufbahn beschieden war,
Umschau in der Militär -Litteratur.
112
Was aber diese Erinnerungen anziehend und lehrreich macht, das ist die schlichte Erzählung der Schicksale des subalternen Truppen -Offiziers, die Schilderung der schwersten Zeit des preuſsischen Offiziers, welche mit Jena und Auerstädt beginnend hineinführte in den Dienst der Fremd herrschaft.
Das Studium der Nachtseiten des Soldatenlebens, Rückzug, Entbehrung,
Enttäuschung in berechtigten Hoffnungen, ist vor Allem geeignet, den Charakter zu stärken , wenn wie hier wir einen Offizier auf solchem rauhen
Lebenswege nie abweichen sehen von dem nie betrügenden Leitstern der Ehre. viel wie der Herr Bearbeiter mit Recht sagt erlebt , gut beobachtet und Erfahrungen gesammelt , so daſs er von sich J. v. Borcke hat
sagen durfte : „ Nicht wer viel erlebt, sondern wer über das Erlebte denkt
Als Offizier des Regiments Alt und urteilt , gewinnt Erfahrung. “ v . Larisch (Nr. 26) 1805 aus Berlin ausgerückt, schildert v. Borcke die Kreuz- und Querzüge vor den Entscheidungstagen des Jahres 1806. Wir lernen die ganze Schwerfälligkeit der Heeresmaschine kennen , so daſs das Regiment
dessen Marsch , nur mit v. Borcke zu reden , in seiner
Schwerfälligkeit und Langsamkeit dem einer orientalischen Karawane glich bereits auf dem Friedensmarsche nach Hannover über 200 Deserteure verlor.
Sehr anziehend sind die Schilderungen der Verhältnisse beim
Corps des Generals v. Rüchel in den Tagen unmittelbar vor Jena, v. Boreke, Adjutant, giebt eine solebensvolle Darstellung der Hilfslosigkeit der Führung sowohl mit Bezug auf Verpflegung wie auf Anordnung der Märsche und Sicherung derselben , daſs wir diesen Teil des Buches für einen der lehrreichsten , wenn nicht den wichtigsten halten . Die Armee war geschlagen , ehe sie an den Feind kam , den sie –,> dies im Wider
spruche zu der landläufigen Auffassung - brav anzugreifen versuchte, bis sie in eigener Unbebolfenheit zerschellte.
Erzählt uns doch V. Borcke,
wie die seit Tagen frierenden , hungernden und ermatteten Soldaten bei
der Mitteilung, man solle eilen , dem Fürsten Hohenlohe den Sieg erringen zu helfen , in Jubel ausbrechen und mit lautem Gesange auf Kapellendorf rückten ; verlor doch allein das Regiment Alt Larisch in der Schlacht 13 Offiziere tot und verwundet.
Sehr fesselnd sind die Tage geschildert, welche der Katastrophe des 14. Oktober folgten. Wer sich die Schwierigkeit der Aufgabe vergegen wärtigen will , in das Chaos einer nach unglücklichem Gefechte zurück flutenden Armee Ordnung zu bringen, der lese diese Seiten des Werkes. J. v. Borcke war es gelungen , aus den Versprengten seines Regimentes in Magdeburg ein Bataillon zu formieren und sich mit demselben dem Blücher'schen Corps anzuschlieſsen. In Mecklenburg erkrankt , fiel er in die Hände der Franzosen, entkam aber nach Ostpreuſsen , woselbst er beim
3. Ostpreuſsischen Reserve-Bataillon angestellt, das Ende der aussichtslosen Kämpfe der an den Grenzen des Landes um
ihren Kriegsberren ver 1
sammelten Reste der Armee durchlebte.
Umschau in der Militär-Litteratur,
113
Die Jahre des Dienstes im westfälischen Heere, welchem J. v. Borcke
von 1808 bis zur Auflösung dieses Staates angehörte, geben uns ein anschauliches Bild der so wunderbaren und verwickelten Verhältnisse des
Offizier- Corps jener Schöpfung Napoleons I. Wieder war es v. Borcke be schieden , den Kelch der Leiden des Rückzuges 1812, wohl des traurigsten,
welchen ein Heer durchgemacht, bis zur Neige zu leeren. Erst in Cöln gelang es v. Borcke seinen Abschied vom Könige Jerome zu erhalten und nun wieder in der preuſsischen Armee, und zwar als Hauptmann im 1. Elblandwehr- Infanterie -Regiment angestellt zu werden. Als solcher
nahm er am Feldzuge 1815 teil. Hier sind es besonders die Mitteilungen über die Ereignisse nach der Schlacht von La Belle Alliance, welche unsere Aufnerksamkeit fesseln . Nach v. Borcke's Urteile scheinen die Verhältnisse im II. Corps des Generals v . Pirch nicht gerade normale gewesen zu sein. Mit der Rückkehr in die Heimat schlieſsen die Aufzeichnungen v. Borcke's,
welcher 1816 zum 32. Infanterie- Regiment versetzt, 1831 als Oberst lieutenant a. D. aus den Diensten schied . Wir können das lehrreiche Werk allen Freunden der vaterländischen
Heeresgeschichte auf das Wärmste empfehlen ; unbefriedigt wird
es
17 .
Niemand aus der Hand legen.
Zur Katastrophe des 10./20. Mai 1631. (Zerstörung Magde burgs.) Von Prof. Dr. K. Wittich in Rudolstadt. (Separat Abdruck aus den Geschichtsblättern für Stadt und Land
Magdeburg. 22. und 23. Jahrgang.
1887, 1888.)
Vorliegende Schrift ist eine Ergänzung zu des Verfassers groſsem , auf dem Gebiete der Geschichte des 30 jährigen Krieges epochemachenden Werke : Magdeburg, Gustav Adolf und Tiily. (Berlin 1874. Duncker's Verlag.)
Jahre lang mit unermüdlichem Eifer fortgesetzte Forschungen, nament lich in den Archiven von Stockholm und des Haag haben den Verfasser in den Stand gesetzt , endlich Licht zu verbreiten über jenen Abschnitt des 30 jährigen Riesenkampfes, in dessen Mittelpunkte Magdeburg steht.
Es war , nach dem Ausspruch zeitgenössischer Schriftsteller „ Die Braut, um welche vorzugsweise die Parteien tanzten. “ Wittich hat nachgewiesen, daſs die angeblich absichtliche Zerstörung Magdeburgs durch Tilly, wie
eine parteiische protestantische Geschichtsschreibung bis in die neueste Zeit hinein hat glauben machen wollen , eine geschichtliche Fälschung ist, nicht minder aber eine militärische Ungeheuerlichkeit gewesen wäre. Nicht er , oder Pappenheim , sondern die fanatisierte Bürgerschaft, an deren Spitze die Predigerschaft und vor Allem der heldenmütige schwedische Kommandant Falkenberg sind es gewesen , welche in finsterem Glaubens
eifer die planmäſsige Vernichtung der heiſs umworbenen Elb -Veste be schlossen und ausgeführt haben, als diese nicht mehr zu halten war. Als eine römische That wird die Selbstopferung der „ Luthrischen Lucretia"
in einem aus jener Zeit erhaltenen Gedichte „ Saguntina prosopopoeia “ Jahrbücher für die Deutsche Armee and Marine, Bd. LXX ., 1 .
8
Umschau in der Militär-Litteratur,
114
enthusiastisch gepriesen. Galt es doch, Tilly, welcher aus Magdeburg das „ Centrum und Fundament des Krieges" machen wollte und eine Hochburg des Katholizismus im Norden , mit der Zerstörung gleichsam den Boden Norddeutschlands unter den Füſsen zu entziehen. Tilly'n die absicht
liche Zerstörung in die Schuhe schieben , biefse ihn militärisch einer selbst mörderischen Handlung zeihen, deren dieser begabte Heeresführer schlechter dings nicht fähig gewesen wäre. Es würde zu weit führen, wollten wir an dieser Stelle auf die Einzel
heiten der interessanten kleinen Schrift eingehen. Wir meinen, Wittich's Beweisführung ist eine unwiderlegliche, ihm gebührt das Verdienst, end lich einmal mit einer geschichtlichen Legende gründlich aufgeräumt zu haben, welche allzu lange die Geister hüben und drüben beschäftigt und getäuscht hat.
1.
Institutionen des Völkerrechts von Dr. Carl Garreis , o. ö. Pro fessor der Rechte und Kanzler der Universität Gieſsen . 1888. Gieſsen bei Roth. M. 4,80. Der durch seine Arbeiten auf dem Gebiete des Rechtes rühmlichst
bekannte Verfasser hat mit der Herausgabe des vorliegenden Werkes die
zweifache Absicht verbunden , 1. zu zcigen, daſs das Völkerrecht nicht nur ein „ idealer Begriff “ ist , sondern eine „ leale Existenz“ , eine praktische Bedeutung und eine positive Entwickelungsfähigkeit besitzt, sowie 2. das Verhältnis Deutschlands zum Völkerrecht zum Ausdruck zu bringen .
In
letzterer Beziehung kommt der Verfasser zu dem Schlusse, daſs die augen blickliche deutsche Reichspolitik die dem Völkerrechte förderlichste Politik sei , welche es je gegeben hat, obwohl er anerkennt, daſs auch der Politik anderer Staaten in unserer Zeit wesentliches Verdienst um Ausbau der
völkerrechtlichen Einrichtungen gebühre.
(Brüsseler Konferenz, Peters
burger Konvention 1868 u. s. w.)
Vom militärischen Standpunkte kann man nur wünschen , daſs der Begriff des Völkerrechtes mehr und mehr auf die Kriegsführung praktischen Einfluſs gewinnen möchte, daſs namentlich auch der Begriff der Neutralität Haben doch die letzten Feldzüge immer fester gegründet werde. erwiesen , daſs selbst die Bestimmungen der Genfer Konvention nicht immer die gebührende Anerkennung gefunden haben. Von besonderem Interesse sind das V. Kapitel des 1. Buches, welches
die internationalen Rechte in Bezug auf das Staatsgebiet bebandelt und das III. Kapitel des 3. Buches, das Kriegsrecht. – Aber auch andere -
Teile des geistvoll geschriebenen Werkes, wie z. B. die Begründung des
Völkerrechts (II) und die geschichtliche Entwickelung desselben (III) wird der Offizier mit Befriedigung lesen !
17 .
Allgemeine Kriegsgeschichte aller Völker und Zeiten. IV. Abt. Allgemeine Kriegsgeschichte der neuesten Zeit. Heraus gegeben unter der Redaktion des Fürsten N. S. Galitziu,
Umschau in der Militär- Litteratur.
Aus dem Russischen
115
ins Deutsche übersetzt v. Streccius,
Königl . preuſs. Generallieutenant und Kommandanten von Karlsruhe. Zweiter Band . Erste Hälfte. Kriege der 1. Fran zösischen Revolution und der Republik ( 1792-1801). Kassel 1888. Theodor Kay. Von den hier geschilderten Feldzügen haben uns die Operationen des Jahres 1799 am meisten gefesselt.
Fürst Galitzin bat in erklärlichem
Bestreben , die Teilnahme der russischen Generale und ihrer Truppen in das richtige Licht zu stellen , mit besonderer Sorgfalt neue , russische
Quellen benutzt. Die Übersetzung ist die sorgfältigste, welcher bereits 17 .
früher die verdiente Anerkennung zu teil geworden ist. Neuheiten der infanteristischen Litteratur:
Es liegen einige Schriften zur Besprechung vor, welche „ Détails “ der Ausbildung bebandeln und somit vielleicht besonderen Reizes, aber nicht der Bedeutung entbehren ; empfiehlt doch der groſse König die den Sieg gründenden ,détails, qui ne sont pas sans gloire ". Es heiſst gerade jetzt, wo die Einführung neuer Vorschriften zabllose ,,Handbücher “, „ Anleitungen“ , „Ratschläge“, u. dgl. in das Leben gerufen hat, die Augen offen halten, um die Ratgeber zu entdecken und auszutreiben, die uns den Sinn der -
Allerhöchsten Vorschriften – unwissentlich jedenfalls, aber thatsächlich – entstellen, die guten Ratgeber aber als brauchbare Gehilfen bei Aus bildung unserer Unteroffiziere und Mannschaften dankend aufzunehmen.
Seinem Zwecke entspricht der in bescheidenster Form auftretende Separat abdruck aus ,Köhlers Leitfaden für den theoretischen Unter
richt des Infanteristen “ , welcher die „Garnisondienst - Vorschrift zum Gebrauch für die Mannschaften “ , (Straſsburg i/ E. Schulz & Co. 1888) bietet.
Die Vorschrift hat, wo dies nötig war, kurze sinn- und
zweckentsprechende Erläuterungen erfahren : der einzelne Mann findet Alles, was er für diesen Dienst wissen muſs, in dem Heftchen beisammen,
das 10 Pfennige kostet.
Eine aus der Praxis geschöpfte und in vielen
Punkten wertvolle Arbeit ist ferner diejenige des Hauptmann v. Busse : „ Die Ausbildung der Rekruten der Infanterie in Wochenzetteln .
Zweite Auflage. Berlin 1888. Verlag von A. Bath.“ Es ist eine tüchtige Leistung , diese auf Grund der neuesten Vorschriften, insbesondere des neuen Exerzier- Reglements aufgestellte und , wie eine genaue Prüfung ergiebt, in sich folgerichtige und gründliche Stoffeinteilung für die Aus bildung der Rekruten. Die alten erprobten Wochenzettel, in welchen nur durch Witterungs- und Personenwechsel, je nachdem , hier und da einige
Änderungen notwendig wurden, sind durch das neue Reglement mit einem Schlage fast entwertet, es muſs ein völlig umgearbeiteter Plan aufgestellt werden : daſs es, im ersten Jahre besonders, da an Irrtümern nicht fehlen
wird , ist ebenso klar, wie begreiflich ; nicht minder, daſs kaum ein einziger Compagnie-Chef genau so vorgehen wird, wie der andere . 8*
Umschau in der Militär - Litteratur.
116
hat der Plan des Hauptmann v. Busse selbstverständlich nur den Wert
eines Anhalts , vielleicht eines Ratgebers ; aber daſs derselbe Nutzen
stiftet, erkenne ich seit Wochen an den Verhandlungen meiner Compagnie Chefs, von denen mehrere die Schrift sachlich zergliedern und vielfach benutzen .
Die „ groſse Frage “, welche nach der Wortfassung der Ziffer 81 des neuen Exerzier-Reglements offen ist ob nämlich das Exerzieren des Zuges Aufgabe der Rekruten- oder der Compagnie -Ausbildung ist — deren Tragweite für Zeiteinteilung und Stoffanordnung der Wochenzettel eine recht bedeutende ist, vermag Verfasser auch nicht zu lösen ; er hilft
sich, indem er diese und jene Übungen und Bewegungen an passender Stelle mit dem Bemerken aufzählt: „ falls das Truppexerzieren (soll heiſsen
Zugexerzieren !) beim Truppenteil verlangt wird. “ Zum Schlusse muſs ich bemerken, daſs die kleine Schrift auſser den
zwölf, den praktischen Dienst behandelnden Wochenzetteln , in einem „ An hange “ noch die Gegenstände des theoretischen Unterrichts behandelt:
Unterweisung der Rekruten in der Signalkenntnis ; — was muſs der Rekrut zur Besichtigung wissen ? Bemerkungen, betreffend Revision des Anzuges zur Rekruten -Besichtigung für die Unteroffiziere ;
die ersten
vier Tage der Rekruten -Einstellung ; – Unteroffizier -Abteilungen. Nicht kann ich die Daseins- Berechtigung zusprechen einer Broschüre betitelt : „Einige Betrachtungen über die Erziehung und Ausbildung des Infanteristen . Von einem Infanterie - Offizier. Verlag von R. Eisenschmidt. “
Berlin 1888.
Die Mehrzahl der „ Betrachtungen “ enthält Dinge, die längst aller orten bekannt sind ; Dutzende von Schriften könnte ich aufzählen, in denen jene Dinge treffender und kürzer klargestellt wurden. Der ungenannte
Verfasser hat kein Recht, indem er die „Winterperiode“ bespricht und äuſsert : „Die Verhältnisse in Garnisonen und Truppenteilen sind so ver
schieden, daſs sich ein Dienstplan hier nur andeuten läſst“ . . . hinzuzu fügen : „und das will ich zum Nutzen für die Gesamtheit thun . “ Verbesserungsfähig sind Menschen und Verhältnisse an allen Orten und zu allen Zeiten.
Wer aber eine neue Lebre zum Nutzen für die
Gesamtheit zu verkündigen sich berufen fühlt , “ der darf nicht alte Wahrheiten in anderer Gewandung wieder vorbringen oder Sätze aufstellen,
deren Widerlegung jedwedem sachkundigen Leser ein Leichtes ist. 34.
Kavalleristische Aphorismen von H. v. T. Berlin 1888. Ver lag von R. Eisenschmidt. Wir möchten behaupten , daſs die Feldzüge 1864 und 1866 zeigten ,
daſs die seit vielen Jahren zu den Todten geworfene Kavallerie – wie der Herr Verfasser sagt – eine recht schwierige Auferstehung hatte. Un genügende Organisation und Vorbereitung waren wohl die Hauptursachen. Erstere brachte die zahlreichen Augmentations-Pferde in die Eskadrons und minderte bei der Mobilmachung deren Tüchtigkeit. Mangelnde Übung,
Umschau in der Militär - Litteratur,
117
in gröſseren Verbänden aufzutreten, war die Ursache, daſs selbst da , wo die Kavallerie nicht in Reserve zurückgehalten wurde, Sicherheit der Führung und Technik fehlte, somit ein Hemmschuh wurde, mit gröſseren
Massen entscheidende Schläge auszuführen . Auch der Feldzug 1870 zeigte auſser manchen glänzenden Leistungen noch viele Mängel in Beziehung auf Führung, Technik und namentlich auch auf Verwendung der Kavallerie- Divisionen im Gefecht.
Zwar können wir zustimmen , daſs viel geschehen ist, damit die Kavallerie zukünftig kriegstüchtiger und besser vorbereitet in das Feld rücke, aber wir können das Ziel unserer Hoffnungen noch nicht als erreicht betrachten .
Zugegeben, daſs die Ansichten vorerst geteilt bleiben , ob im Frieden
Kavallerie - Divisionen zu formieren seien oder die Kavallerie in ihrer gegen
wärtigen Einteilung verbleibe, so kann doch Niemand im Zweifel sein, daſs die Übungen in der Kavallerie-Division noch nicht sorgfältig und systematisch genug vorgenommen werden. Die bisherigen Exerzierübungen der Kavallerie-Divisionen müssen als zu einseitig bezeichnet werden . Die Übungen der Kavallerie-Divisionen gegeneinander boten weit höheres Die Verwendung von Kavallerie-Divisionen gelegentlich der gröſseren Truppenübungen wäre das anzustrebende Ziel , welches die Kavallerie erst auf gleiche Linie mit den übrigen Waffen stellen würde, die ja systematisch unter den gleichen Führern jährlich in jenen Körpern Interesse.
üben, in welchen sie im Felde aufzutreten haben .
Es würde zu weit führen, des Näheren darauf einzugehen , in wieweit
die Artillerie und Infanterie bereits besitzen , was die Kavallerie noch immer anstrebt, in wiefern die Ansicht begründet ist , daſs die Formation von Kavallerie - Divisionen zu Einseitigkeiten führen werde. Dagegen müssen wir wiederholt darauf hindeuten, was uns in der Kavallerie fehlt,
damit sie gut vorbereitet sei und ihre Verwendung dem Geiste derselben entsprechen könne.
Die Vergleiche der Stärke der Kavallerie mit jener unserer benach barten Staaten , lassen den Wunsch gerechtfertigt erscheinen , mehr Kavallerie zu besitzen, noch weit wichtiger aber scheinen uns die oben berührten Fragen .
Die Bewaffnungsfrage scheint auch uns von untergeordneter Be deutung insofern sie die blanken Waffen betrifft. Daſs der fest geschlossene energische Angriff einer Ulanenlinie gewisse Vorteile bietet , ist natürlich ; in wiefern die gröſsere Belastung des Pferdes und namentlich die gröſsere
erforderliche Gewandtheit im Reiten und Gebrauch der Waffe von mächtigem Einflusse für die Verwertung der Lanze ist, bleibt zu beachten. Wir sind der Überzeugung, daſs im Feldzuge 1866 die Attacken nicht so geritten worden sind, daſs sie bestimmte Anhaltspunkte über diese Fragen hätten geben können. Bei Beachtung der Verlust-Liste des 19. Dragoner - Regimentes bei Ville sur Yvron aber scheinen sich die
Lanzen der Gegner doch bemerklich zu machen.
118
Umschau in der Militär- Litteratur,
Einige weitere Bemerkungen nus dem Artikel „ Einheits-Kavallerie "
geben auch Beweise für unsere Anschauung. Der Erfolg der 1. Garde Dragoner gegen Alexander-Ulanen bei Königgrätz wird den gröſseren Pferden , dem geschlosseneren Reiten in beherrschterer Gangart und wendigeren Pferden zugeschrieben. Das Alles scheint uns aber nicht zu
beweisen, daſs die Lanze nicht Überlegenheit in gewisser Beziehung besitze, wenn auch alle anderen Ausführungen unbedingt richtig sind , namentlich
daſs die Lanze einer minder guten Kavallerie ein ausgesprochenes Über gewicht nicht geben kann. Das was wir Reiter allesamt anstreben und anstreben müssen ist :
,, Das stete Vorwärtsschreiten “ in der Ausbildung , Technik und Verwendung insbesondere in jenen Körpern, in welchen die Kavallerie be
rufen werden kann, nach wenigen Tagen die Gegner zu bekämpfen. Hier liegt das zunächst Erreichbare, der wichtigste Punkt für kriegstüchtige Vorbereitung. Diese Vorbereitung kann erzielt werden ohne nennenswerte Schwierigkeiten oder Kosten zu verursachen, sollten wir mitunter auch auf eingliederige Formationen zurückgreifen müssen , -
um dem Ziele näher zu kommen .
Von Interesse sind auch die anderen
berührten Fragen als : „Verbesserung und Erleichterung des Sattels und Gepäckes, Tragen der blanken und Feuerwaffen, Erhöhung der Fourage Rationen u . s. w. “ , das Wichtigste aber ist und bleibt die Übung in der Führung und Verwendung der Kavallerie -Divisionen !
8.
Der russische Felddienst nach den neuen Verordnungen von A. Pusyrewski, Generalmajor im Kais. russ. Generalstab . Mit Autorisation des Verfassers aus den Russischen über
setzt von Freiherr v. Tettau , Lieutenant im Braunschweig schen Infanterie - Regiment Nr. 92 . Hannover 1888. Hel wing'sche Verlagsbuchhandlung. Bei dem steigenden Interesse von der Kenntnis der russischen Heeres einrichtungen wird die obige Schrift allen denjenigen, welche des Russischen nicht mächtig sind -- und dies ist die überwiegende Mehrzahl – eine
hoch willkommene Gabe sein.
Die neuen russischen ,Verordnungen
über den Felddienst “ erschienen im Jahre 1881.
Verfasser hat nun
die hauptsächlichsten Bestimmungen derselben in Form einer Studie durch
erforderliche Erklärungen erläutert und durch zahlreiche, gut gewählte Beispiele aus der Kriegsgeschichte dem Verständnis noch näher gebracht. Die fünf Kapitel behandeln : Märsche, Unterkunft während der Ruhe, Sicherheitsdienst, Aufklärungsdienst und Verhalten eines zur Aufklärung
und Beobachtung gegen den Feind ausgesandten Kavallerie- Detachements. Letzterem Kapitel ist als Beispiel die „ Rekognoszierung Stuarts im Jahre 1862 " , erläutert durch eine Kartenskizze, hinzugefügt werden. Die Übersetzung ist eine tadellose. Besonderen Dank verdient die durch lateinische Buchstaben dem
Wortlaute
nach
wiedergegebene
Umschau in der Militär-Litteratur .
119
Bezeichnung gewisser taktischer Begriffe und Ausdrücke , wie Vortrupp ( golownoi otrjad), Nachtrupp (tylni otrjad ) u . m. - Wir empfehlen die fleiſsige Arbeit der verdienten Beachtung.
Demselben Zwecke, wie obige Schrift, dient eine ebenfalls in dem
rührigen Helwing'schen Verlage erschienene, betitelt: Einiges über die russische Armee. Mit Berücksichtigung der neuesten Erlasse und auf Grund zuverlässiger Quellen zu sammengestellt und bearbeitet von H. L. Hannover 1889. Wie der Titel besagt , ist dies keine erschöpfende Darstellung des russischen Heerwesens, nur die wichtigsten Themata sind kurz und bündig, auch, was die Zahlenangaben betrifft richtig, soweit wir dies zu kon trolieren vermochten, behandelt; Einiges , wie z. B. der Sicherheitsdienst,
Biwaks , Vorposten in allzu gedrängter Kürze.
Immerhin wird das
Schriftchen zur schnellen Orientierung über Stärken - Verhältnisse in Krieg und Frieden , Ausbildung und Taktik des russischen Heeres ein brauch 4. bares Hilfsmittel abgeben. III. Seewesen.
Im Verlage von Lipsius und Tischer Kiel und Leipzig erschien
soeben die Geschichte der Kaiserlich Deutschen Kriegs marine in Denkwürdigkeiten von allgemeinem Interesse von
A. Tesdorpf , Korvetten -Kapitän z. D. und Bibliothekar an der Marine- Akademie und Schule in Kiel .
Das oben genannte Werk, dessen Widmung Seine Königliche Hoheit Prinz Heinrich von Preuſsen anzunehmen geruht haben , hat einem in Marine- und Armee -Kreisen längst gefühlten Bedürfnis abgeholfen und bietet auch anderen Gesellschaftskreisen eine interessante Lektüre. In der Armee verfolgt und pflegt man die Geschichte der einzelnen Truppenteile,
des Regiments; eine Geschichte unserer Marine dagegen, insbesondere der einzelnen Schiffe und ihrer Expeditionen , Teilnahme an Gefechten u . s. w. existierte bisher nur in Bruchstücken. Wenn in der Marine bedauerlicher weise nicht oder doch selten wie bei den Regimentern der Armee die Biographien der Schiffe resp. die Erlebnisse der einzelnen Reisen mit den selben geschrieben worden, so liegt es darin, daſs für letztere die Offizier Corps für jede Indienststellung erst besonders zusammengesetzt werden, so daſs der Einzelne nie in der Weise mit dem Schiffe verwachsen kann, wie
dies bei den Regimentern der Armee der Fall ist. Der Herr Verfasser hat es, wie er in der Vorrede sagt, versucht, eine solche Geschichte zu liefern und zu diesem Zwecke das reichhaltige
Material der gesamten Marine- Litteratur und Manuskripte aus der Bibliothek
des hochseligen Prinzen Adalbert von Preuſsen, alte Schiffsbiographien , Verordnungsblätter, Denkschriften, Tagebücher, authentische Zeitungsbe
Umschau in der Militär -Litteratur.
120
richte u . s. w. benutzt, und in vier Abschnitten die Geschichte der Kur
brandenburgischen, der preuſsischen resp . der Kaiserlich deutschen Marine
bis auf die neueste Zeit geschildert. Die Porträts Ihrer Königlichen Hoheiten des hochseligen Prinzen Adalbert und Heinrich von Preuſsen mit der Überschrift : „ Der Anfang und die Zukunft der deutschen Kriegsmarine “ schmücken das Buch in seinem Eingange. Der erste der vier Abschnitte umfaſst zunächst einen kurzen Rückblick
auf die Brandenburg - preuſsische Kriegsmarine 1675 bis 1761 ; die geniale
Idee des groſsen Kurfürsten, die Gründung einer Kriegsmarine før Branden burg, den Gedanken an die Erschlieſsung des Welthandels für seine Lande, welcher ihn bis zur letzten Stunde seines vielseitig bewegten Lebens be gleitete. Leider gab es der Widerwärtigkeiten und ungünstigen Einflüsse zu viele, seine Umgebung, sein Volk konnte sich mit ihm nicht für die groſse Idee begeistern. Die Todtenglocken, welche zur Beisetzung seiner sterblichen Hülle ertönten, sie läuteten auch diese neu geschaffenen Institu tionen zu Grabe.
Es folgen dann der Versuch einer deutschen Reichs-Marine, 1848 bis 1852 , welche nachdem der Strohfeuer -Enthusiasmus sehnell verflackert
war, unter dem Hammer des Auctionators endete ; und schlieſslich die vormalig Schleswig- Holsteinische Marine 1848 bis 1851. In den Schilderungen des Versuchs zur Gründung einer deutschen ( Reichs-) Marine ist die vom hochseligen Prinzen Adalbert von Preuſsen im Mai 1848 abgefaſste „Denk schrift über die Bildung einer deutschen Flotte, welche noch heute ein hohes Interesse beansprucht, beachtenswert. Der zweite Abschnitt
enthält die Geschichte der Königlich -preuſsischen und später norddeutschen Bundesmarine unter dem Oberbefehl des hochseligen Prinzen Adalbert von Preuſsen 1848 bis 1871 , ihre Freuden und Leiden, ihre mühsame
Arbeit und die vielen Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten mit denen sie, kümmerlich ihr Leben fristend , zu kämpfen hatte.
Der dritte und vierte Abschnitt schildern den Aufschwung der
Kaiserlichen Marine und deren Weiterentwickelung, ibre Mitwirkung bei den Kolonialerwerbungen u. s. w. bis zu ihrem heutigen Stande 1872 bis 1888 .
Es folgen dann als Beilagen eine Flaggenkarte mit den Kriegsflaggen
der kurbrandenburgischen , der ehemaligen deutschen Reichsmarine, der preuſsischen und der Kaiserlichen Marine, ferner eine Gedenktafel der seit
dem Bestehen der Königlich preuſsischen Marine im Dienste des Vaterlandes
verunglückten Offiziere und Seekadetten ; eine Nachweisung einzelner längerer Expeditionen S. M. Schiffe seit dem Bestehen der preuſsischen Marine.
Eine Liste des Schiffsbestandes, und eine die sämtlichen deutschen
Kolonialerwerbungen wiedergebende Übersichtskarte als wertvolle Beigabe vervollständigen das Werk . Die Schilderung der Expeditionen u. 8. w. einzelner Schiffe wie : „ Amazone", „Danzig“ , ,,Gefion “, „ Arkona“ , n„ Hertha“,
,,Gazella “, ,,Nymphe“, „Meteor “ u. s. w. müssen wir als eine glückliche Idee des Herrn Verfassers bezeichnen, da bei der Kleinheit der damaligen
Umschau in der Militär-Litteratur.
121
Flotte diese Aufzeichnungen einen interessanten Eindruck in den Ent
wickelungsgang unserer Flotte gewähren ; jedes Schiff hat eine kleine Geschichte, aber Niemand erfährt sie, es ist nicht herkömmlich. Um so
bedauerlicher ist es nun , daſs dem Herrn Verfasser bei der Darstellung einzelner Details Irrtümer untergelaufen sind, die einem Geschichtsschreiber, der an die Öffentlichkeit tritt nicht hätten passieren dürfen und zwar um so mehr, als dadurch Maſsregeln noch lebender Persönlichkeiten in einem für jeden Sachverständigen ungünstigen Lichte erscheinen müssen. Sie beeinträchtigen den Wert des Buches als Urteilsquelle über einzelne Er eignisse wesentlich . Hoffentlich wird der Herr Verfasser recht bald in einer neuen Auflage Gelegenheit finden , sein verdienstvolles Werk von diesen Irrtümern zu befreien , und es somit auch für den Fachmann voll
ständig tadelfrei machen .
v. H.
Rang- und Quartierliste der Kaiserlich deutschen Marine für das Jahr 1889 (abgeschlossen am 27. November 1888). Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs. Redaktion : Die Kaiserliche Admiralität , Berlin und Kiel .
Verlag von E. S. Mittler & Sohn . Königl. Hofbuchhandlung Kochstraſse 68/70. Das obige Werk enthält auſser dem namentlichen Verzeichnis des
Gesamtpersonals der Marine, auch die Gliederung der Behörden , eine Liste des schwimmenden Flottenmaterials und eine Nachweisung der im Dienst befindlichen Schiffe.
Chef der Marine ist : Seine Majestät der Kaiser und König Wilhelm II. Das Seeoffizier-Corps zählt 3 Vice-Admirale, 5 Kontre Admirale, 30 Kapitäne zur See , 55 Korvetten-Kapitäne, darunter Seine Königl. Hoheit Prinz Heinrich von Preuſsen, 112 Kapitän -Lieutenants, 184 Lieutenants zur See und 127 Unterlieutenants.
A la suite der Marine werden : „Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen Oskar II. , 2 Kontre-Admirale, 1 Kapitän
zur See, 1 Kapitän -Lieutenant; à la suite des Seeoffizier -Corps, 1 General der Infanterie z. D., 1 Vice -Admiral z. D. und 1 Kapitän - Lieutenant ge fübit.
Der Commandeur des Seebataillons ist Oberst, ferner zählt das
selbe : 2 Majors, 6 Hauptleute, 6 Premier- und 18 Secondelieutenants. Seekadetten sind 70, Kadetten 41 aufgeführt. Das ärztliche Personal besteht aus : 1 General-Arzt I. Klasse, 4 Ober -Stabsärzte I. und 5 II. Klasse, An technischem 28 Stabsärzte, 25 Assistenzärzte I. und 23 II. Klasse. Personal zählt die Marine : 2 Stabs - Ingenieure, 4 Maschinen-Ober-Ingenieure ,
16 Maschinen -Ingenieure, 25 Maschinen -Unter -Ingenieure, 1 Torpeder-Ober Ingenieur und 4 Torpeder -Unter- Ingenieure. Von den Feuerwerksoffizieren
sind : 5 Feuerwerks-Hauptleute, 8 Feuerwerks- Premier- und 9 Seconde Lieutenants, von den Zeugoffizieren : 5 Hauptleute, 3 Zeug -Premier- und 1 Zeuglieutenant : von den Torpederoffizieren : 5 Torpeder -Kapitän -Lieute nants, 4 Lieutenants und 7 Unter-Lieutenants.
Umschau in der Militär-Litteratur,
122
Veränderungen. Zur Armee zurückgetreten ist der frühere Chef der Admiralität General der Infanterie v. Caprivi, zum Kontre - Admiral
befördert Kapitän zur See Hollmann. Abgegangen 4 Kapitäne zur See, 2 Korvetten -Kapitäne, 3 Kapitän-Lieutenants, 3 Lieutenants zur See. Behörden : 1. Die Central-Behörde ist die Admiralität , Kommando und Verwaltungsabteilung zugleich. Chef der Admiralität : Vice Admiral und kommandierender Admiral Graf von Monts ( Allerhöchst zur
Stellvertretung kommandiert.) Abteilungen der Admiralität sind : das Marinedepartement , Direktor : Allerhöchst mit Wahrnehmung der Ge schäfte beauftragt: Kapitän zur See Heussner ; das Verwaltungsde
partement , Statistische Büreau , das Hydrographische Amt, dessen Vorstand Kontre. Admiral Paschen ist .
2. Kommando der Marinestation der Ostsee in Kiel.
Stations
Chef: Vice- Admiral v.Blanc , ihm direkt unterstellt I. Marine - Inspektion , I. Matrosen - Division , I. Werft - Division , See bataillon und Schiffsjungenabteilung.
3. Kommando der Marinestation der Nordsee in Wilhelmshaven, Stations- Chef: Vice-Admiral Freiherr v. d. Golz, dazu : die II. Marine-In
spektion , II. Matrosen- und Werft - Divisionen und zweites Halb bataillon des Seebataillons.
4. Inspektion der Marineartillerie in Wilhelmshaven mit den drei Matrosenartillerie - Abteilungen und den resp. Artillerie Depots. 5. Inspektion des Torpedowesens in Kiel mit 2 Torpedoab teilungen , Torpedo - Versuchskommando u. s. w. 6. Technische Institute sind die Werften zu Danzig, Kiel und Wilhelmshaven .
7. Zu den wissenschaftlichen Instituten gehören : die Marine akademie und Schule, die Deckoffizierschule in Kiel, die deutsche Seewarte in Hamburg.
8. Die Liste S. M. Schiffe und Fahrzeuge weist nach : 12 Panzer
schiffe, 14 Panzerfahrzeuge, 8 Kreuzer -Fregatten, 10 Kreuzer-Korvetten, 5 Kreuzer, 4 Kanonen boote, 7 Avisos, 10 Schulschiffe und Fahrzeuge,
9 Schiffe und Fahrzeuge zu anderen Zwecken, darunter die Kaiserliche Yacht „Hohenzollern “ und die „ Nachtigal“ für den Dienst in Kamerun. 9. Von den in Dienst gestellten Schiffen und Fahrzeugen befinden sich 1. auf der ostasiatischen Station 2 Kanonenboote. 2. Auf der austra lischen Station : 1 Kreuzer -Korvette, 1 Kreuzer, 1 Kanonen boot. 3. Auf der ostamerikanischen Station Scbiffsjungen -Schulschiff. 4. Auf der ost afrikanischen Station : 2 Kreuzer und 1 Aviso. 5. Auf der westafrikanischen
Station : 1 Kreuzer, 1 Kanonenboot. 6. Das Kreuzergeschwader (Ostafrika) besteht aus :
1 Kreuzer -Fregatte, 2 Kreuzer -Korvetten .
7. Das Schul
geschwader ( im Mittelmeer) aus : 4 Kreuzer-Fregatten. - In heimischen Gewässern sind je eine Panzer -Fregatte Wachtschiffe in Kiel und Wilhelms
Umschau in der Militär-Litteratur.
123
haven, ein Panzerschiff und ein Panzerfahrzeug Stammschiffe der Reserve Divisionen . Mars ist Artillerie-Schulschiff in Wilhelmshaven, eine Kreuzer
Fregatte Torpedo-Schulschiff in Kiel.
V. H.
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Dezember
eingegangenen Bücher. ( Besprechung derselben nach Zeit und Gelegenheit ist vorbehalten .) I. Geschichte der Kaiserlich deutschen Kriegs -Marine in Denkwürdig
keiten von allgemeinem Interesse. Von Tesdorpf, Korvetten -Kapitän a. D. Kiel und Leipzig. Lipsius und Fischer. 1889. 2. Die Kriegszüge des Germanicus in Deutschland von Dr. F. Knoke,
Professor. Nachtrag. Berlin . B. Gaertner's Verlagsbuchhandlung. 1889. 3. Exerzieren und Garnisonwachtdienst für den Infanterie -Unteroffizier.
Zugleich Nachtrag zur 18. Auflage des Buches : Der Dienst des Infanterie
Unteroffiziers von F. H. Graf v. Waldersee, Königl. preuſs. Generallieutenant. Berlin.
B. Gaertner's Verlagsbuchhandlung
1889.
4. Der Munitions- Ersatz im Zukunftskriege. Von ***. Linz 1888. Im Verlage von E. Mareis, Hofbuchhandlung. 5. Des Freiherrn Carl Ernst Wilhelm v. Canitz und Dallwitz, Königl . preuſs. Generallieutenant und General-Adjutanten König Friedrich Wil
helms IV. , Staats- und Kabinetts -Minister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Denkschriften. Aus dem Nachlaſs herausgegeben von seinen Kindern. 2 Bde. Berlin . Verlag von W. Hertz ( Besser'sche Buch handlung). 1888. 6. Wahlstatt und sein Kadettenhaus. Zum fünfzigjährigen Stiftungs
feste des Kadettenhauses bearbeitet von Dr. Franz Lindner, Oberlehrer am Königl. Kadetten-Corps. Berlin 1888. E. S. Mittler & Sohn. – M. 2.
7. Gedanken über Österreich- Ungarns militär- politische Lage. Eine Studie von K. L. (Mit einer Karte.) Alle Rechte vorbehalten. Hannover
1888. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. 8. Das Kriegstheater an der Weichsel und seine Bedeutung für den Beginn der Operationen in einem Kriege Russlands gegen das mit Deutsch land verbündete Österreich. Mit einer Karte. Dargestellt von N. Han
nover 1888. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. 9. Der serbisch -bulgarische Krieg 1885 von R. Möller, Hauptmann im K. S. Inf.-Reg. Nr. 105. Hannover 1888. Helwing'sche Verlagsbuch handlung . 10. Der russische Felddienst
A. Pusyrewski, Generalınajor im
nach
den
neuen Verordnungen, von
Kais. Russ. Generalstabe.
Mit Autori sation des Verfassers aus dem Russischen übersetzt von Frhr. v . Tettau ,
Lieutenant im Braunschweig. Inf.-Regt. Nr. 92. wing'sche Verlagsbuchhandlung.
Hannover
1888.
Hel
11. Konstantinopel, die dritte Hauptstadt Russlands ? -- Eine politisch militärische Studie von X. ( Beilage: 1 Plan, darstellend das russische
Zukunftsreich .) Hannover 1888. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung,
Umschau in der Militär - Litteratur.
124
12. Studie über die Feldausrüstung der Infanterie .
Unter Berück
sichtigung der österreichischen, russischen, deutschen, französischen, eng lischen, italienischen, eidgenössischen und bulgarischen Infanterie. Mit 59 Abbildungen. Hannover 1888. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. 13. Einiges über die russische Armee. Mit Berücksichtigung der neuesten Erlasse und auf Grund zuverlässiger Quellen zusammengestellt und bearbeitet von H. L. Hannover 1889. Helwing'sche Verlagsbuchbdlg. 14. Leitfaden für die Ausbildung der Unterführer und Mannschaften im
gefechtsmäſsigen Schielsen. I. Teil : Gefechtsmäſsiges Einzelschieſsen. Ge fechtsmäſsiges Abteilungsschieſsen. A. Rotte.. B. Gruppe. 4. Auflage.. Nach dem Exerzier-Reglement vom 1. September 1888 neubearbeitet. Hannover 1889. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. 15. Der Mannschafts-Unterricht der deutschen Infanterie.
Von F. H.
Dritte, nach den neuen Vorschriften umgearbeitete Auflage, mit 28 Abbild. Preis 50 Pf. Hannover 1889. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. 16. Die Kriegswaffen. Eine fortlaufende, übersichtlich geordnete Zu
sammenstellung der gesamten Schuſswaffen , Kriegsfeuer, Hieb- und Stichwaffen und Instrumente, sowie Torpedos, Minen, Panzerungen u. dgl. seit Einführung von Hinterladern. Von Emil Capitaine und Th. v. Hert ling. II. Bd. Heft I - IX. Rathenow . Verlag von M. Babenzien. 1888. 17. Rang. und Quartierliste der Kaiserlich deutschen Marine für das
Jahr 1889. (Abgeschlossen ain 29. November ; die Seedienstzeit ist bis 31. Oktober 1889 berechnet.) Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs. Redaktion : Die Kaiserliche Admiralität. & Sohn.
Berlin. E. S. Mittler
Preis M. 2,50.
18. Die Entwickelung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit, von Mitte des 11. Jahrhunderts bis zu den Hussitenkriegen in 3 Bänden von G. Köhler, Generalmajor z. D. III. Band. 2. Abthlg. Die
Entwickelung der personellen Streitkräfte in der Ritterzeit. Breslau. Verlag von W. Koebner.
1889 .
19. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Herausgegeben vom Groſsen Generalstabe.
Abteilung für Kriegsgeschichte.
Heft 10.
Nachrichten über Preuſsen in seiner groſsen Katastrophe. Berlin 1888.
E. S. Mittler & Sohn .
20. Deutsches Armee - Liederbuch.
v. Clausewitz.
(Mit 2 Skizzen.)
M. 2,25.
Fünfte Auflage.
Leipzig
Druck
und Verlag von B. A. Dathe. 21. Der Patrouillen- und Meldedienst.
Ein Handbuch zur systema
tischen Ausbildung der Compagnie, sowie für den Unterricht in Winter und Einjährig - Freiwilligen - Schulen. Nach dem neuen Dienst - Reglement vom Jabre 1887 zusammengestellt von F. W. 2. veränderte und ver besserte Auflage. Wien. Verlag von L. W. Seidel & Sohn. 1888. -
An unsere Leser u. S. W.
125
An unsere Leser.
Aus Gründen einheitlicher Leitung ist die alleinige verant wortliche Herausgabe der > Jahrbücher
auf den Unterzeichneten
übergegangen . Derselbe richtet an sämtliche Gönner, Freunde und Mitarbeiter der Jahrbücher« die wiederholte ergebenste Bitte, letzteren in ihrem Bestreben , dem Heere und Vaterlande zu nutzen,
die bisherige kameradschaftliche Unterstützung nicht versagen zu wollen .
E. Schnackenburg, Oberstlieutenant a. D. Zur Nachricht für die Herren Mitarbeiter : Einsendungen , welche den Inhalt der Zeitschrift angehen, beliebe man zu richten : » An die Redaktion der Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine« Berlin NW., Unter den Linden 47.
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XI. Der zweite Abschnitt
des Rheinfeldzuges 1793 und sein Verlauf nach Berichten des dem General Wurmser unterstellten
hessischen Reichskontingents, Avant - Corps Schreiber (Marburger Staatsarchiv) bearbeitet von
Dechend, Premierlieutenant im hessischen Füsilier -Regiment Nr. 80.
Einleitung Der Rheinfeldzug 1793 war in seinem ersten Abschnitte für
die von dem Herzog von Braunschweig geführte verbündete Haupt armee nur ein Beobachtungskrieg zu Gunsten der Eroberung von
Mainz gewesen . Nach dem Falle dieser Festung gelangte man aber ebensowenig zur Verfolgung des naturgemäſsesten Zieles, der in den Niederlanden kämpfenden österreichischen Hauptarmee durch ein
Entgegenstreben in nordwestlicher Richtung die Hand zu reichen. Die Gründe dazu lagen in der Verschiedenartigkeit der in Wien und im preuſsischen Hauptquartier geltenden Absichten und wohl auch , wie nicht zu bestreiten , in den Sonderbestrebungen des an sich dem preuſsischen Oberbefehl unterstellten österreichischen Generals Wurmser .
So kam es , daſs man sich durch den in einer
festen Seitstellung bei Weiſsenburg - Lauterburg befindlichen Feind, welcher sich dort mehr oder weniger zu erholen suchte, endlich derartig fesseln liels, daſs auch nach mühsam erreichter Bezwingung dieser zuerst nicht entscheidenden Kräfte an ein Zusammenwirken
der beiden verbündeten Hauptarmeen nicht mehr zu denken war and daher ihre beiderseitig errungenen Siege doch nur einen vor übergehenden Nutzen behielten . Es ist seitdem viel über die
preuſsische sowohl als österreichische Kriegsführung während dieses
Feldzuges geschrieben worden, die Beurtheiler gehörten jedoch immer der einen oder anderen Partei selbst an und so schob man nach Jahrbficher für die Dentsche Armen und Marine, Bd. LXX ., 2.
9
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
127
und nach die Hauptschuld auf den allen bequemen Dritten, auf die Staatskünstelei dieser Zeit.
Diese Auskunft kann nicht wirklich
zufrieden stellen , denn Herr v. d. Goltz hat uns seitdem hinlänglich bewiesen , daſs in den Miſsständen der Heeresleitung und in den
verrotteten Heereseinrichtungen ein so erheblicher Hindernisgrund für die Durchführung ernster Kämpfe lag , daſs höchstens eine Hintertreibung der Kriege selbst durch die Staatsmänner den Zu
sammenbruch des alten Heereswesens aufgehalten hätte.
Diese
Kämpfe waren aber ebenso wenig zu vermeiden , wie der Sturz des französischen Königshauses. Herr v. d. Goltz hat uns aber auch
gezeigt, daſs die Miſsstände im Heere ein Gesamtzustand und daher von dem Einzelnen nicht verschuldet waren , ja wir möchten
hinzusetzen , daſs dem nicht nur in Preuſsen , sondern in ganz Europa so war , vielleicht die Staaten ausgenommen , welche ihre Truppen in dem amerikanischen Befreiungskriege hatten kämpfen und Ernst gegen Erust streiten sehen. Herr v. d. Goltz gehört jedoch immerhin auch nur einer Partei an und so liegt es nabe, 7
noch Beweise zu erbringen , welche ihrer Entstehung nach den
Vorzug besitzen , soweit dies überhaupt möglich erscheint , parteilos sich nach den augenblicklichen Zeiteindrücken gerichtet und daher auch eine unabhängigere Stimmung bewahrt zu haben . Sind daher
auch die von uns zu erbringenden Beweisstücke vielleicht nicht so
gewichtig, wie die von jenem Verfasser vorgeführten, so werden sie doch infolge dieses Vorzuges, namentlich da wir versuchen werden
das etwa schief ausfallende Augenblicksurteil unserer Berichterstatter
auf die Goldwage zu legen , einigen geschichtlichen Wert be halten .
Das hessische Avant- Corps bestand aus 2 Schwadronen Husaren Regiments v. Schreiber , 2 Compagnien Jäger und 2 Compagnien leichten Infanterie - Bataillons v. Lentz, wurde von Oberst v. Schreiber
geführt und zählte ungeachtet eines Sollbestandes von 1320 Mann zur Zeit infolge seiner aufreibenden Thätigkeit als hessische Avant garde im Feldzuge 1792 nur noch 900 Mann Kampffähige. Es ist bekannt, daſs dieser Feldzug von 1792 , wie seine nächsten Nach folger, um es mit den Worten Massenbachs auszudrücken , den
bloſsen Vorpostenkrieg zu seiner einzigen Beschäftigung machte nur einseitige , fragmentarische Operationen
und daneben
ausführte. War nun schon überhaupt in dieser Übergangszeit der Kampfesweise des 18. zu der unseres Jahrhunderts die Verwendung der zur Avantgarde ausgesuchten leichten Truppen eine sehr un glückliche für ihre Bestandteile, da von einer Ablösung derselben ។
und sein Verlauf.
128
durch Truppen des corps d'armée keine Rede war , so muſste die
bisherige Thätigkeit dieser hessischen leichten Truppen allerdings wohl in hohem Grade ermüdend geworden sein . Die Miſsstände in
den Heereseinrichtungen werden greller wohl in keinem Feldzuge dieser Zeit hervorgetreten sein , als in demjenigen , welcher die Verbündeten in die Champagne führte. Die hier genannten Truppen
teile hatten seit den Kämpfen bei Clermont alle unglücklichen
Umstände des sich vollziehenden Rückzuges der Verbündeten in erster Linie miterlebt, batten hierauf den zur Sicherstellung von
Koblenz nötig erschienenen Eilmarsch als vorgeschobene Truppe ausgeführt und , als dann der Flankenmarsch auf Frankfurt a/M.
erfolgte, am weitesten ausgreifend dem Feinde zuerst wieder diese reiche Handelsstadt entrissen .
Auch während des Winters war
diesen Truppen nur wenig Erholung gegeben worden , da sie , wie die übrigen leichten Truppen , die Winterpostierung erster Linie
gegenüber Castel/Mainz bezogen. Als nun im Frühjahr 1793 die Bewegungen der Verbündeten Armeen behufs Deckung der an
zustrengenden Belagerung von Mainz jenseits des Rheines begannen, wurde unser Avant-Corps von Neuem zu den Vortruppen beordert und zwar im Besondern der preuſsischen Avantgarde des Erbprinzen von Hohenlohe zugeteilt.
Seinen damaligen Zustand beschreibt
Oberst Schreiber dahin, daſs er sagt, er habe mit seinem Corps, als er den Befehl zum Aufbruch am 18. März erhielt, ohne alle Wagen
und Packpferde, ohne alle Feldrequisiten und was auſserdem alles noch habe ersetzt werden müssen , den Marsch angetreten . Diese nachteiligen Umstände und die sich fast noch steigernden Anforde rungen , welche man nun an dieselbe Truppe stellte, lassen es nicht
wunderbar erscheinen , wenn in ihr Zeichen der Zersetzung wenigstens bei einer Gelegenheit bemerkbar werden. Diese Zeichen würden unter anderen Umständen sich gegen die Güte unserer Quellen geltend machen , die Thatsache jedoch , daſs sowohl der Landgraf Wilhelm, als auch die unmittelbaren Führer dieser Truppen un geachtet aller » unbeschreiblichen Fatiguen « , wie Oberst Schreiber am 17. Dezember 1793 selbst versichert, gerade über dieselben auf
richtigste Art urteilen und für die makellose Haltung der Truppen sich ereifern , endlich aber die Bravheit der letzteren vor und nach diesem Fehltritt
-
diese Gründe sprechen dafür, daſs am Ende von
ihnen zu Vieles und Unzeitgemäſses gefordert worden war. Der Landgraf schreibt darüber : » Aus der Erzählung der Majestät V. ..... bemerke ich allerhand, was mir von dem guten Betragen und der Subordination der Jäger und leichten Infanterie nicht die 9*
129
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
beste Idee gegeben.
Da nun dem G. Oberst (Schreiber) sattsam
bekannt ist , wie sehr ich diesem , dem Soldatenstand so zuwider 9
laufenden Benehmen von jeher feind gewesen , so deklarire ich hier durch, daſs mir die Kommandeurs für alle zu besorgende Auftritte
lediglich stehen werden und daſs weder an ein zurückziehen ( des Avantkorps), noch an andere Avantagen zu denken ist , ehe die Reputation wieder hinlänglich souteniert worden und alle Raisonne
ments gänzlich abgestellt sind. « Oberst Schreiber selbst aber fügt seinem den Vorgang in keiner Weise beschönigendem Berichte hinzu : „ Die Jäger haben bereits am 7. d. ihren Fehler wieder gut
gemacht, indem sie den Feind, der sie im Walde mit Überlegenheit angriff, unter starkem Verluste zurückgeschlagen haben ; ich hoffe, die leichte Infanterie wird bei erster Gelegenheit ein gleiches thun , eine Zuversicht, die sich auch thatsächlich bereits 5 Tage nach jenem Gefecht erfüllte und während des ganzen Feldzuges Be stätigung fand. Wir kommen bei dieser Gelegenheit noch auf einen Punkt,
welcher nicht nur ebenfalls gegen unsere Quellen sprechen könnte, sondern auch gleichzeitig einen der schlimmsten Miſsstände in dem Heere der Verbündeten berührt, auf das geringe Gefühl von guter
Waffenbrüderschaft, also der Bürgschaft von Treu und Glauben für die damalige wie jetzige Zeit. Hier tritt uns der Mangel an kameradschaftlichem Gefühl, wenn wir dies so nennen können , in der Fassung entgegen, daſs diese hessischen mit den vielfach unregel mäſsigen (irregulären) leichten Truppen der Österreicher nicht gern zusammenleben und zusammen verwendet werden wollen. Es heiſst ។
darüber z. B. in einem Berichte :
Der Widerwille von Ew. Durchlaucht leichten Truppen ist weiter herzuholen. Sobald sie merkten , daſs Höchstdieselben sie zum corps d'armée zurückzuhaben wünschten , waren sie froh mit ihren Landsleuten wieder vereinigt zu werden. Allein es blieb
ihnen nicht verborgen, daſs hierin Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Diejenigen, welche am besten unterrichtet zu sein glaubten, hielten es für ein Unrecht , daſs Ew. Durchlaucht nicht über sie
disponiren sollten , ja sie gingen noch weiter und glaubten , ihrem Herren Unrecht geschähe. In dieser Stimmung wurde Avantgarde an die kaiserliche Armee übergeben und die Jäger leichte Infanterie muſsten sogleich mit den Türken , Raizen *) Slavoniern agiren und Dienste thuen *) Raizen heiſst ein serbischer Volksstamm .
.
daſs die und und
Die Türken würden
und sein Verlauf.
130
einen jeden, er sei Freund oder Feind, den Kopf abschneiden, wenn sie Geld bei ihm vermuten und die That ungesehen ausführen könnten ... !
Auch andere Stellen verbreiten sich darüber und , wie hier,
klingt etwas von einer Sucht zu » politisiren « mit hinein , ein Fehler, der thatsächlich die hier verbündeten Heere kennzeichnete.
Die
Reichsfürsten waren leider damals schon auf einem ähnlichen Stand
punkte zu Österreich , beziehungsweise dem Kaiserhause , wie zehn Jahre später. Nur ungern leisteten sie Heeresfolge mit dem wenigen, was man von ihnen forderte und sehr schnell hing die Mannschaft einem so gefährlichen Gedanken ebenfalls nach . Daſs allerdings daneben die hier berührte Buntheit in den Truppenverbänden störend einwirken muſste , bleibt wohl nicht unwahrscheinlich . Klagt man
doch an einer Stelle: Immer stecken wir unter den Türken, Raizen, Slavoniern , die wir so wenig verstehen , als die Wilden in den Cordilleren . * )
Wir brechen hier ab. Wie ersichtlich , ist der Standpunkt unserer Berichterstatter vielfach ein herber , die Darstellung ins graue malend. Nehmen wir diesen Umstand aber hinweg, so bleibt diesen Quellen immerhin eine genügende Vertrauenswürdigkeit. Vor Eingang in unsere eigentliche Darstellung bedarf es zu -
nächst noch einer kurzen Darlegung der Vorereignisse namentlich bei der Wurmserischen Armee.
Die im März beginnenden Bewegungen der preuſsischen Armee hatten die französischen Truppen aus ihrer Stellung an der Nahe sehr bald verscheucht und die Rheinarmee unter Custine von Mainz
selbst vollständig ab- und auf Landau zurückgedrängt. Hier war
ihres Bleibens aber auch nicht gewesen , denn der Übergang Wurmser's über den Rhein bei Ketsch, sein Vordringen bis Germers beim war, ungeachtet er nur etwa 12,000 Mann heranführte , im Verein mit dem Vorrücken der Preuſsen äuſserst bedrohlich erschienen .
Custine zog hinter die Lauter in eine vorbereitete Verteidigungs stellung ab [ Anfang April] , 1 Division ( 10,000 Mann ) unter General
Ferrières besetzte Lauterburg, 6000 Mann unter General Houchard Weiſsenburg, während einige Tausend Mann unter General Falk die linke Seite nach dem Haardt-Gebirge zu sicherten, beziehungsweise die Verbindung mit dem rechten Flügel der bei Saarbrücken Saarlouis stehenden Moselarmee aufrechterhielten .. Die französische * ) Die hessischen Truppen hatten , in englischem Solde stehend , den ameri kanischen Befreiungskrieg vom Jahre 1776-1783 mitgemacht.
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
131
Vorhut stand 6500 Mann stark hinter dem Otterbache bei Frecken
feld.
Während dem gegenüber die preuſsische Armee zuerst die
Linie Landstuhl-Kaiserslautern -Neustadt - Bobenheim mit ihrer Avant
garde besetzte und dem Gros eine Stellung bei Worms-Oppenheim beliels, während General Warmser mit der Avantgarde zwischen Germersheim-Bobenheim, dem Gros hinter dem Speyerbach blieb,
begann nun die Einschlieſsung von Mainz , um allerdings erst am 14. April vollendet zu werden . Die Entfernung von den Preuſsischen Heeresteilen , sowie die
weit vorgeschobene Stellung seiner eigenen Truppen veranlaſsten den General Wurmser , welcher die von ihm errungenen Vorteile nicht aufgeben wollte , zu dem Antrage (Ende April), durch ein preuſsisches Corps unterstützt zu werden.
Dies führte zu einer
Abänderung der Aufstellung überhaupt. Während Wurmser mit seinem Gros bei Fischlingen - Lingenfeld , den Vortruppen an der Queich Stellung nahm, bezog der Herzog von Braunschweig im Die Stellung
Centrum vorläufige Standquartiere bei Edenkobern .
der Preuſsen zwischen Landstuhl - Kaiserslautern - Frankenstein blieb
im Ganzen dieselbe , die dort befindlichen Truppen wurden jedoch als rechter Flügel der verbündeten Armee einbeitlich unter den Befehl des Prinzen von Hohenlohe gestellt . Der König blieb zu nächst mit nur wenigen Truppen in einer Rückhaltsstellung bei Guntersblum , halbwegs Mainz und Worms, um später das gleiche bei Dürkheim zu thun . Erst am 22. Juli sollte sich Mainz ergeben ; man hoffte auf bald und wollte dann von den hierdurch verfüg >
baren Truppen ein Teil Österreicher nach Trier , den anderen zu Wurmser senden , während die preuſsischen Truppen den Herzog, beziehungsweise den König verstärken , oder aber als besonderes
Corps mit den Sachsen vereint an die Nabe rücken sollten . Während der beiden letzten Monate der Belagerung von Mainz erfolgten von seiten des Gegners mehrfache Entsatzversuche. Zunächst wollte Custine , als er zum Befehlshaber der Nordarmee
ernannt worden war , bei seinem Abgange noch einen allgemeinen Angriff ausführen. Am 17. Mai sollte General Houchard gegen Hohenlohe's Rücken , General Falk im Annweiler Thal unter Ein
vernehmen mit der Garnison Landaus gegen den Herzog zum Scheinangriff übergehen , während Custine selbst gegen Wurmser auf Rülzheim und Ferrières gegen Rheinzabern vorstiefs . Der
scharfe Widerstand , welcher den Franzosen bei diesem Angriff gegen Wurmser von seiten der österreichischen Brigade Hotze
(900 Mann) entgegengestellt wurde, und die geringen Anstrengungen,
und sein Verlauf,
132
welche die übrigen französischen Heeresteile sonst machten , führte zur schnellen Aufgabe dieses allgemeinen Angriffsversuches.
Im
übrigen hatte derselbe die Nachwirkung, daſs Prinz von Hohenlohe seine Truppen fast ganz bei Kaiserslautern zusammenzog, und daſs ihm vom 21. Juni ab der Herzog mit Zurücklassung von
nur
3 '/, Bataillons dahin folgte , nachdem Wurmser bedeutende Ver stärkungen erhalten. Wurmser zog ebenfalls seine Vortruppen mehr zusammen und bis an die Queich zurück. Als der Nachfolger Custine's die Verschiebung bei den Verbündeten benützen wollte,
fand er bei Wurmser infolgedessen so bedeutenden Widerstand vor Offenbach (29.) and Germersheim, daſs auch dieser Versuch scheiterte. Während dessen
waren jedoch von neuem sowohl bei der Rhein-, als Moselarmee Verstärkungen in einer Stärke angelangt, daſs erstere 60,000 Mann , letztere 30,000 Mann zählte. Beide
sollten den Entsatz von Mainz abermals versuchen .
Am 3. Juli
ging somit die Rheinarmee gegen die Stellung Wurmser's vor, machte aber, nachdem sie die Vortruppen desselben aus Rülzheim Hördt (6. ) vertrieben , unbegreiflicherweise Halt , um dann am 19. abermals vorzustoſsen . Unter Scheinangriffen gegen die Queichlinie
gelang es den Franzosen, die Brigade Hotze aus Annweiler, Alberg weiler, Frankweiler zurückzutreiben , und am 22. auch Burrweiler
zu nehmen , beziehungsweise am nächsten Tage die Vorposten der Preuſsen vor Edenkoben zurückzuwerfen, obwohl General Hotze sie
Der rechte Flügel Wurmsers ging hierauf bis Venningen zurück. Gegen die Mitte und den linken Flügel Wurmser's gelangen andrerseits die französischen Angriffs versuche nicht, zwar gaben die Vortruppen an der Queich nach , die Hauptstellung bei Niederhochstadt wurde jedoch so gut verteidigt, nachdrücklich unterstützte.
daſs nicht nur die Franzosen hier zurückgehen muſsten , sondern General Beauharnais auch überhaupt den Entsatzversuch seinerseits
völlig aufgab. General Wurmser versuchte nun , da auch die Angriffe der Moselarmee auf die Stellung Hohenlohe's kraftlos ausgeführt an sich selbst zu Grunde gegangen waren und andererseits das jetzt zu erwartende Eintreffen der verbündeten Truppen von Mainz her die nahe Stellung Beauharnais gefährlich erscheinen lieſsen, seiner seits den Angriff auf diesen . Er griff am 27. Juli , im Centrum hinbaltend und bei Venningen verteidigungsweise verfahrend , den feindlichen rechten Flügel scharf an , nahm Rülzheim wieder , ver drängte den Feind ohne Schwertstreich aus seinen Schanzen bei
133
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
Insheim , während General Meszaros im Centrum denselben Offenbach - Bornheim - Dammheim warf. Beauharnais wich hierauf
bis Bergzabern zurück .
General Wurmser benutzte die hiermit errungenen Vorteile dazu , um seinem Lieblingswunsche, Landau zu gewinnen nach zugehen . Während sein linker Flügel bei Offenbach - Hersheim verblieb, näherte sich ein Verbindungsposten desselben mit dem bei Bornheim - Walsheim Stellung nehmenden Centrum bis auf / Stunde
der Festung. Der rechte Flügel stand hinter Nursdorf und schob im Gebirge Posten vor nach Siebeldingen, Albersweiler, Frankweiler, Ramberg und Hermersberger Hof. Zur Zeit war die Stärke der Wurmser'schen Armee einschlieſslich des. Emigranten -Corps 26 "/2 Ba taillone, 42 Eskadrons oder 32,314 Mann , ohne die auf dem rechten Rheinufer zur Überwachung dieses Stromes befindlichen Kräfte (2. August ).
Vorgreifend ist noch zu erwähnen , daſs nach dem Falle von Mainz, wie bereits als Absicht erwähnt wurde, ein besonderes Corps an die Nahe rückte, um von hier aus gegen die Blies vorzugehen . Der Prinz von Hohenlohe schob seine Stellung bis Hornburg vor,
übrigens nicht ohne stärkeren Widerstand zu finden ( 10. – 12. August ), der Herzog aber bis Hohen-Einöd, während der König mit 10 '/, Ba
taillone, 15 Eskadrons nach Edenkoben vorging, wo sonach 14 Ba taillone, 15 Eskadrons als Rückhalt für Wurmser aufgestellt blieben (15. August ).
Hier gehen wir auf unseren Akteninhalt selbst über. 1.
Vereinigung des hessischen Avant-Corps mit der Gefecht bei Rheinzabern -Jockgrim . Zeit vom 8.-21 . August einschlieſslich. Zeitereignisse:: Der Herzog geht mit Erfolg gegen die Mosel armee vor , Wurmser gegen die Rheinarmee ( 1. Versuch gegen ihre Stellung). Wurmser'schen Armee.
Oberst Schreiber erhielt Anfang August durch den Erbprinzen von Hobenlohe den Königlichen Befehl unter General Wurmser zu
treten zugestellt; wir übergehen die sich dabei ergebenden Neben umstände , welche sich namentlich darauf bezogen , daſs man Preuſsischerseits sich deshalb nicht, wie bisher wohl Sitte gewesen ,
in Verhandlungen einliefs, sondern schlichtweg befahl. Die hessischen Truppen in oben erwähnter Zusammensetzung marschierten hierauf am 4. August von ihren Postierungsquartieren nach Otterberg,
und sein Verlauf.
134
5. nach Hochspeier, 6. nach Neustadt , 7. nach Haardt und am 8. nach
Edesheim .
Ein Offizier war dem Befehl zufolge nach
zu General Wurmser vorausgeschickt worden. Oberst Schreiber berichtet in dieser Hinsicht (8.) aus Gimmeldingen : General v. Wurmser hat die Meldung wegen Ankunft unserer Avantgarde sehr gut aufgenommen und nachdem der Major Altdorf
v. Lehsten die Eröffnung gethan, daſs diese Truppen wegen Abganges an verschiedenen Bedürfnissen und weil man ihnen nicht soviel Zeit
gelassen solche nachkommen za lassen , sogleich zum wirklichen 7
Dienste nicht gescbickt seien , hätten der General Wurmser sich dahin geäuſsert, daſs er wohl wüſste, daſs diese Truppen einige Ruhe bedürften , weswegen solche auch nach Edesheim marschieren sollten , wo man die mangelnden Bedürfnisse an sich ziehen könnte .
Das Avant -Corps trat zunächst unter den Befehl des Generalmajor v. Meszaros, der eine Avantgarden -Brigade führte.
Über die augenblickliche allgemeine Lage der Dinge verbreitet sich ein zu unseren Belegen zählendes Tagebuch , wie folgt: Nachdem die Armee des Grafen v. Wurmser am 27. Juli durch
eine siegreiche Affaire* ) die demokratische Armee unter dem General Beauharnais aus der Gegend von Landau gedrängt und dieselbe
gezwungen hatte bis in die Linien von Weiſsenburg und Lauterburg zurückzugehen, wurde Landau investiert und hierauf blockiert. Die kaiserliche Armee besteht aus 25 Bataillonen Infanterie , 26 Divi
sionen**) Kavallerie, 1 ungarischen und 1 türkischen Freicorps und wird in Summa auf 35,000 Mann geschätzt. Hierzu kommen die Corps der Alliierten Reichsfürsten : 3 Bataillone, 3 Eskadronen
churpfälzische Truppen , zusammen 3000 Mann , die hessischen 1
leichten Truppen und das Corps des Prinzen von Condé , welches auf 5000-6000 Mann gerechnet wird. Von dieser Armee , welche die Festung Landau blockiert hält , haben die churpfälzischen Truppen den rechten Flügel und stehen zwischen dem Vogesen Gebirge und dem Dorfe Nuſsdorf im Lager. An das pfälzische Lager stöſst unmittelbar die ungarische Infanterie und geringere
Lager von 4 Bataillonen und einigen Divisionen sind mit Inter vallen von diesem Lager bis Offenbach plaziert. Offenbach ist durch das hessische Husaren -Regiment, das Jäger -Corps und die leichten
Infanterie-Compagnie Hegemann besetzt, Mörlheim aber mit 600 Mann *) Bei Rölzheim - Insheim -Offenbach. **) 2 Divisionen bildeten meist i Schwadron oder 1 Compagnie. Die öster reichische Schwadron zählte 150 Pferde in der Front.
135
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzages 1793
slavonischer Infanterie und der Leibcompagnie des leichten Infanterie Bataillons
v.
Lentz.
Links von
Offenbach
sind wieder kleine
abgesonderte Lager, welche sich bis jenseits Landau erstrecken und den Zirkel von jener Seite zuschlieſsen .
Das Corps des Prinzen von
Condé steht in Germersheim und Gegend. Die verschiedenen Frei corps sind teils in das Vogesen -Gebirge plaziert und decken die rechte Flanke, teils werden sie als äuſserste Vorposten gegen die Festung gebraucht. Das Hauptquartier des Grafen v. Wurmser ist in Ottersheim .
Landau ist ein kleiner Ort, welcher gegen Norden eine unab sehbare Ebene vor sich hat, südwärts aber von nicht unbedeutenden
Höhen dominiert wird , welche bereits durch kaiserliche Truppen
besetzt sind. Die Festungswerke, welche ich in der Entfernung von einer starken Viertelstunde zu observieren Gelegenheit gehabt habe, scheinen regelmäſsig und solide zu sein. Gegen Westen und Osten hat die Festung zwei Auſsenwerke, welche neuerdings
gebaut worden sind und in unmittelbarer Verbindung mit Der Feind ist auch gegenwärtig noch be schäftigt eine ceinture von Schanzen um die Festung auf zuwerfen, dieselben sind jedoch bis jetzt noch isoliert. Die derselben stehen.
Besatzung besteht aus 8000 Mann , welche vom General Forestier kommandiert werden, einem jungen Menschen von 22 Jahren, un 7
erfahren in der Kunst des Krieges , der diesen Kommandanten posten seinem fanatischen Eifer für die üble Sache zu verdanken
hat. Die Garnison ist mit Lebensmitteln wenig versehen und an Munition soll sie ebenfalls Mangel leiden . Das Dorf Ingenheim ist am Tage noch vom Feinde besetzt und hat derselbe in demselben
starke Batterien gegen die Alliierten etabliert, bei einbrechender Nacht aber zieht sich die Besatzung nach Landau zurück. *) Der Prinz von Waldeck , welcher bei Thionville (1792) einen
Arm verloren , ist vor einigen Tagen aus Wien mit dem ferneren Operationsplan der Campagne **) bei Sr. Majestät dem Könige (von *) Wie bei Mainz , so auch bei Landau begegnete den in der alten Be lagerangskunst festwurzelnden Verbündeten eine so bedeutende Rührigkeit und
wachsende Gewandtheit der mit allen Mitteln vorlieb nehmenden Verteidiger, daſs wohl auch Mainz wie Landau sich gehalten bätte , wären die Franzosen nur im freien Felde nicht auf teilweise wertlose Truppen angewiesen gewesen.
**) Die Unterhandlungen des preuſsischen Oberkommandos mit Wien über diesen Feldzugsplan dauerten eigentlich bis zum Schlusse des Feldzuges selbst fort. Das preuſsische Hauptquartier beabsichtigte nach dem Falle von Mainz ein den Bewegungen der österreichischen Hauptarmee zustrebendes Vorgehen nach
und sein Verlauf,
136
Preuſsen ) angekommen und gestern von Allerböchstdemselben in Ottersheim angelangt. Sr. Durchlaucht werden , wie es heiſst, ein detachiertes Corps kommandieren . *) Hierauf gehen die Berichte mehr auf die einzelnen Ereignisse ein .
-
Dem » Tagebuche « entnehmen wir folgendes:
12. August : Der Feind machte den Versuch einen convoi von 50 Wagen mit Munition und Lebensmitteln nach Landau zu führen . Um dieses zu erleichtern , griff er morgens mit Tages anbruch in 3 Kolonnen an ; die rechte Kolonne ging auf das Condé'sche Corps bei Germersheim los, die 2. drang über Bergzabern Hornbach - Rutzschach vor und die 3. , die Besatzung von Landau, umging Mörlau. Es kam zu einer lebhaften Kanonade , welche 9
9
bis 12 Uhr Mittags anhielt, wo die Franzosen nach einem sehr beträchtlichen Verlust gezwungen wurden sich in ihre Linien bei Weiſsenburg und Lauterburg zurückzuziehen . Sie brachten nur
3 Wagen mit Flintensteinen in die Festung, 46 Wagen muſsten wieder zurückfahren und einer wurde von den Kaiserlichen ge pommen .
Der Verlust auf kaiserlicher Seite bestand aus 1 Ober
Regiment Waldeck Dragoner, welcher nieder vom geschossen wurde, und aus 9 Mann, teils Toten, teils Blessierten .
lieutenant
13. August.
Der Feind schofs aus seinen avancierten Werken
mit achtpfündigen Kanonen auf unsere äuſsersten Vedetten und auf das Dorf Mörlheim .
Die Kanonade dauerte von früh morgens
bis spät abends , jedoch ohne Wirkung. 14. August. In der Nacht vom 13./14. wurde vor dem Dorf Mörlheim eine Batterie von 2 Kanonen und 1 Haubitze (öster reichischerseits) etabliert. Den ganzen Tag über fielen einzelne Schüsse.
15. August. Der Feind attackierte durch eine anhaltende Kanonade das Dorf Mörlheim und die Mörlheimer Mühle , welche durch ein Kommando aus Mörlheim besetzt war. Gegen 4 Uhr Nachmittags kamen unsererseits 2 Piecen und 2 Haubitzen bei dieser Mühle an, auch wurde 1 Batterie von Achtzehnpfündern auf
der Höhe von Mörlheim aufgefahren. Das kreuzende Feuer dieser Stücke, welches dem Feinde vielen Schaden zufügte, nötigte denselben
sich nach Ingenheim zurückzuziehen .
Die Ursache , warum der
Nordwesten, zunächst gegen die Saar. Diesem Zwecke galt z. B. auch die neue
Aufstellung des Corps Kalkreuth an der Nahe, beziehungsweise das Vorgehen des Prinzen von Hohenlohe gegen Homburg.
*) Wir werden diesem General später bei der Einnahme der Weiſsenburger Linien wieder begegnen .
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
137
Feind versuchte sich der Mühle zu bemeistern , scheint zu sein , daſs neben derselben die Schleuſse ist, vermittelst welcher Landau unter
Wasser gesetzt werden kann. Es folgen nun Berichte über den ersten Versuch Wurmser's gegen die feindliche Stellung am Bienwalde. *) Wir entnehmen aus ihnen :
Zwischen Rheinzabern und Jockgrim ist ein Teil Wald, welcher zu dem groſsen Bienwald gehört und durch kleine Felder, die zu beiden Ortschaften gehören, separiert wird. Diesen hatte der Feind
mit zwei aufeinander folgenden starken Verbauen und einigen Redouten impraktikabel gemacht. Da jedoch , um sich von den Linien bei Lauterbarg Meister zu machen , es erforderlich ist, daſs man diesen Wald besitze, so beschloſs der General Graf v. Wurmser
denselben anzugreifen und sich desselben zu bemeistern. Ein Teil seiner Armee verliefs in dieser Absicht das Blockade - Corps vor Landau .
Den 19. Abends um 6 Uhr wurde die hessische Avantgarde befehligt nach Rülzheim **) zu rücken und auf den rechten Flügel der daselbst stehenden Kaiserlichen unter der Ordre des Feldmarschall
Lientenant v. Kavenagh das Lager zu beziehen. Die Armee sollte in 3 Kolonnen gegen den Feind marschieren. Den 20. um 2 Uhr morgens setzte sich die mittelste Kolonne in Marsch gegen die Verhaue und den verschanzten Wald. Gegen 5 Uhr nahm die Attacke ihren Anfang. Die Kavallerie, wobei die hessischen Husaren , lieſsen Rheinzabern rechts und erhielten das
erste feindliche Kanonenfeuer, die Jäger und leichte Infanterie marschierten durch den Ort , formierten sich rechts der Chaussee and
griffen unter Begünstigung der kaiserlichen Artillerie sogleich den Wald an, welcher mit vielem schweren Geschütz verteidigt war. Nach der ersten Disposition sollten die sogenannten Türken die erste Attacke machen, darauf das serbische Corps folgen , diese durch die hessischen Jäger unterstützt und wieder diese von der leichten hessischen Infanterie souteniert werden , allein diese Disposition wurde wieder abgeändert und die Jäger vorgenommen . Auf die leichte Infanterie folgten die Infanterie - Regimenter, die Batterien waren in diese eingeteilt, um nach Befinden gebraucht zu werden. Bei Annäherung der Kolonne gegen den Wald feuerte der Feind aus einer Redoute, welche er an der Waldspitze gegen die *) Erstreckt sich zwischen dem Otterbach, der Lauter und dem Rheine.
**) %, Stunde von Rheinzabern , der Bienwald erstreckt sich bis auf 1500 Schritt von Rheinzabern .
F
und sein Verlauf.
138
Straſse angelegt und mit 10 schweren und leichten Stücken versehen hatte.
Diese Kanonade wurde unsererseits auf das lebhafteste
erwidert. Das Husaren -Regiment marschierte links der Straſse auf, um unsere Batterien zu decken , die beiden Freicorps zogen sich rechts in das Gehölz und das Jäger - Corps, sowie das leichte
Infanterie- Bataillon v. Lentz wurden befehligt die Verhaue an zugreifen . Unterdessen marschierte die Armee auf. Die Leib compagnie des Jäger-Corps hatte deu rechten Flügel. Sie traf auf einen Verhau , aus welchem sie den Feind ohne viele Mühe warf
und in Verbindung mit dem leichten Infanterie -Bataillon v. Lentz bis auf den zweiten Verhau vordrang.
Hinter diesem stand ein
feindliches Bataillon nebst 6 Kanonen aufmarschiert, aus welchem
einige Leute auf die Jäger zuliefen und sie anriefen , daſs sie nicht schieſsen möchten, weil sie von dem Condé'schen Corps wären . Sie
hatten so , wie das ganze Bataillon weiſse Schnupftücher um die Arme gebunden. Die Jäger sowohl, als die Infanteristen, hierdurch getäuscht, schossen wirklich nicht , aber als die Compagnien näher kamen und ein Teil den Verhau passiert hatte , ein Teil denselben noch passierte, erfolgte eine Generaldecharge und heftiges Kartätsch fener. Die Compagnien konnten den Verhau nicht passieren , sie muſsten denselben vor sich lassen und formierten sich hinter dem
Die Jäger - Compagnie v. Schlotheim , welche den linken Flügel gehabt hatte , griff während dessen ebenfalls an. Derjenige
selben ,
Teil des ersten Verhaus, auf welchen sie stiefs , war auch nur 9
schwach besetzt und der Feind wurde ohne viele Mühe hinter
demselben verjagt. Der zweite Verban, welcher in einem tiefen Rain eines Baches etabliert war, wurde von ihr nunmehr angegriffen , der Feind aus demselben verjagt, der Verbau mit vieler Beschwer passiert und die jenseitige Höhe genommen, wo sich eine freie Lichtung befand.
Durch dieses schnelle Vordringen der Schlot
heim'schen Compagnie war der Feind in die Flanke genommen und, es sei nun, daſs dieses Manöver oder unsere Batterien ihm gefährlich schienen , - er zog sich zurück . Die feindliche Batterie nahm die retraite unfern von dem Platze , wo der Oberst v. Schlotheim mit
der Compagnie postiert stand. Derselbe lieſs sogleich die Bedeckung derselben, welche aus 2 Zügen Infanterie und 2 Zügen Kavallerie bestand , mit der Compagnie attackieren . Die feindliche Infanterie zerstreute sich , die Kavallerie aber nahm die Flucht und die
Kanonen , welche so geschwind nicht fahren konnten , wurden von den Jägern koupiert und sämtlich erobert. Die feindliche Kavallerie, welche sich durch andere verstärkt in der Entfernung von 500 Schritt
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
139
hinter einem kleinen Gehölz wieder formiert hatte, sah ihre Kanonen in unseren Händen und sprengte, da sie bei uns kein Soutien bemerkte , sogleich wieder an , um dieselben zu retten. Es kam zu einem hitzigen Gefecht zwischen den Jägern und der Kavallerie.
Wir wurden genötigt die Kanonen wieder zu verlassen und zogen uns in den Wald zurück , wo wir uns setzten und nun unter die französische Kavallerie feuerten , welche nachdem der sie kom mandierende General, 1 Offizier und 8 Kavalleristen niedergeschossen worden waren die Flucht ergriff. Wir behaupteten 3 Kanonen, welche wir mit zurücknahmen , 1 achtpfünder (le médecin) und 2 vierpfünder (le joueur und le bassin .) Kaiserliche Husaren passierten jetzt als erste Hilfe *) das Gehölz , verfolgten den Feind und nahmen ihm die übrigen Kanonen ab.
Zu gleicher Zeit hatte
das ungarische Infanterie-Regiment Giulay den Wald rechter Hand von der Leibcompagnie passiert; der Feind leistete daselbst noch
einigen Widerstand, verlieſs jedoch auch hier bald seinen Posten und zog sich über Jockgrim nach Hagenbuch zurück. Der Feind wurde von dieser Kolonne den Tag über durch den Bienwald bis jenseits Wörth verfolgt.
Bei
Wörth
wurde Halt
gemacht und die Nacht hindurch kampiert. Die Jäger hatten alle ihre Patronen verschossen und muſsten auf Befehl des komman
dierenden Generals nach Rheinzabern zurückgehen , um andere zu
machen, denn das Gefecht hatte für die Jäger von morgens Tag werden bis 11 Uhr gedauert.
Der Verlust des Jäger-Corps besteht an Toten aus 1 Offizier Lieutenant v. Winzingerode , 1 Jäger , an Blessierten 7 Jäger , Ge fangenen 1 Oberjäger, 1 Jäger. Vom leichten Infanterie - Bataillon v. Lentz blieben 3 Mann tot,
der Kapitän v. Resius wurde schwer, der Oberst v. Lentz und Kapitän Hegemann leicht verwundet, das Bataillon hatte an Gemeinen 7 Verwundete .
Bei Eroberung der Kanonen zeichneten sich vorzüglich aus Kapitän v . Münchbausen , welcher sich in dem démelé einer feind lichen Kanone bemächtigte und dieselbe behauptete, und Lieutenant Wolff, welcher dem Feind ebenfalls eine solche entriſs, endlich aber
Lieutenant v. Winzingerode, welcher ebenfalls eine Kanone eroberte, aber von dem feindlichen General, welcher die Kavallerie herbei *) Eine andere Stelle spricht im Gegensatz zu diesem miſsverständlichen Ausdrucke von der nahen Unterstützung der kaiserlichen Infanterie , welche kräftig mitgewirkt habe.
und sein Verlauf.
140
brachte, um die Artillerie zu decken, mit 7 Stichen und 2 Hieben getötet wurde. Die Husaren haben in dem Bienwalde nichts thun können , auch war es schade , daſs die kaiserlichen Husaren nach
geschickt wurden, sonst wäre die ganze Batterie in hessische Hände gefallen.
Heute Mittag hat der General Wurmser Hagenbach angegriffen, aber wegen der starken Position nicht nehmen können . Dies wird wahrscheinlich morgen bewirkt werden , indem der Herzog von
Braunschweig die Linie von Weiſsenburg umgehen und , wie es heiſst, dieselben morgen angreifen wird. Geschieht dies , so muſs der Feind Hagenbach verlassen, wenn er nicht,, im Falle die Linien forciert werden, es wagen will gänzlich abgeschnitten zu werden. Den 21. Unsere Kolonne hatte gestern bei Wörth erst nach
verschiedenen Attacken den Bien wald gesäubert.
Am 21. des
Morgens 6 Uhr attackierte uns der Feind mit 4000 Mann nebst 1 Haubitze und 9 Kanonen . Das leichte Infanterie - Bataillon v. Lentz
muſste, weil der Oberst v. Lentz wegen seiner Blessur noch ab wesend war , unter Anführung des Kapitän Hegemann die vor gerückten kaiserlichen Kolonnen decken , wobei es ansehnlichen Verlust hatte . Indessen focht das Bataillon mit vieler Standhaftigkeit
und ging zuletzt, da der Feind sich zurückzuziehen genötigt wurde , ihm sogleich mit gefälltem Bajonett nach und delogierte ihn völlig aus dem Walde.
Der Lieutenant Wetzel , welcher vom Kapitän
Hegemann mit 50 Mann in seine linke Flanke detachiert war, benutzte diese Gelegenheit sogleich und setzte sich mit einem kaiserlichen Offizier mit 30 Pferden in den Besitz der feindlichen
Artillerie, wobei der Lieutenant Wetzel durch seine Leute 2 Kanonen zurückziehen liefs, die anderen Kanonen aber und 1 Haubitze dem kaiserlichen Offizier zu teil wurden .
Von unseren Husaren waren
ebenfalls 1 Offizier, 30 Pferde zum Soutien der Infanterie abgeschickt , welche aber unglücklicherweise auf den rechten Flügel gesetzt
wurden , sonst würde vielleicht die ganze Batterie in unsere Hände gekommen sein . Unsere Kolonne setzte sich hierauf vorwärts in Marsch und
kam bis Büchelberg , wodurch der Bienwald nunmehr gänzlich gereinigt ist und wir / Stunde nur von Lauterburg stehen. Der Feind hatte viele Tote und Verwundete.
Die Armee agiert jetzt in 5 Kolonnen , wovon wir die zweite und Hauptkolonne unter dem kommandierenden General selbst sind.
Wie weit die übrigen Kolonnen vorgerückt sind , kann man noch nicht sagen , das kanonieren dauert aber rechts von uns beständig
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
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fort und wir erwarten alle Augenblicke Ordre wieder aufzu brechen .
-
Wir fügen noch hinzu , daſs durch Tagesbefehl vom 21. den hessischen Truppen für ihre ebenso tapferen , als willig und unermüdet geleisteten Dienste die besondere Zufriedenheit und Lob des General Wurmser ausgesprochen wurde. II .
Der 2. Versuch auf die französische Stellung vor Weiſsenburg,
Zeit vom 22. — 27. August einschlieſslich. Zeitereignisse : General Wurmser unternimmt einen weiteren Angriff, da der Gegner den westlichen Teil des Bienwaldes
behauptet hat, der Versuch bleibt jedoch in dieser Beziehung erfolglos; die Österreicher räumen sogar freiwillig Berg zabern, nachdem sie es im Kampfe gewonnen. Unsere Berichte fahren fort, wie folgt:
Am 22. August marschierte auch das Jäger -Corps bis vor Büchelberg, wo es biwakierte. Das Husaren - Regiment kampierte diesen und die folgenden Tage neben ihm, das leichte Infanterie Bataillon v. Lentz aber jenseits des Dorfes und neben ihm die Wurmser'sche Kolonne in einem halben Zirkel um das Dorf herum
in einem Hüttenlager wie wir. Die Patrouillen gingen bis an den Verhau vor Lauterburg. Das Corps des Prinzen von Condé steht links gegen den Rhein und die Corps des Prinzen von Waldeck, des Generals Maszaros und General Hoze links gegen Weiſsenburg. Diese Corps sämtlich sind bestimmt die fürchterlichen *) Linien von Weiſsenburg wegzunehmen . Man glaubt aber, daſs der Angriff eher nicht geschehen könne, als bis der Herzog von Braunschweig das Gebirge passiert hat und sich mit seiner Armee jenseits Weiſsen burg befindet. Ist dies der Fall, so werden wir sehr wahrscheinlich noch einige Zeit hier stehen bleiben, sollte der Angriff aber vor sich gehen, ohne die Ankunft des Herzogs abzuwarten, so würden wir gewils einen harten Stand haben .
Die Geschichte liefert uns
Beweise, wie schwer es ist sich dieser Linien zu bemächtigen, vor welchen, wo ich nicht irre, Prinz Eugen mit 30,000 Mann die Be
lagerung von Landau aufheben und sich bis Speyer zurückziehen musste .
Seit der Revolution sind sie auſserodentlich ver
*) Dieses Wort ist zwar im Original ausgestrichen , beweist aber doch die Bedenken , welche sich in der verbündeten Armee in Betreff ihrer Wegnahme gebildet hatten. Wurmser's Plan galt überall als in hohem Grade köhn und bewundernswert.
142
und sein Verlauf.
stärkt worden . Man hat neue Werke gebaut, die Gräben erweitert und miniert, sodann aber die detachierten Werke mit Verhauen
und Wolfsgruben umgeben, dergestalt, daſs, wenn man wirklich Meister eines Werkes wird, man noch keineswegs Meister der Linie ist.
Hier, fürchte ich, wird das Blut noch stromweise flieſsen. -
Gestern kam der Prinz von Condé zum General v. Wurmser und
benachrichtigte ihn , daſs eins der Werke weder mit Mannschaft
noch mit Kanonen besetzt sei. Das Corps erhielt sofort Ordre sich auf den ersten Wink marschfertig zu halten . Der General Wurmser untersuchte dann die Sache selbst, es fand sich jedoch , daſs alles sehr gut besetzt war , und daſs der Prinz von Condé von einem Schurken von Emigranten hintergangen war. Man ist der Vorsicht
des General Wurmser vielen Dank schuldig, daſs er den Angriff nicht wagte, ohne den Erfolg zu prüfen, weil wir gewiſs bei einer Attacke viel würden gelitten haben . -
Wir gelangen zu dem Gefechte, welches für die hessischen Truppen von keinem sonderlichen Erfolge begleitet war und dessen wir bereits oben gedachten. Die Hessen sind Partei und bemüht die ihnen vorzubaltenden Dinge abzuschütteln.
Das ihnen kurz
vorher von österreichischer Seite gespendete Lob beweist, daſs sie es in gutem Glauben thun, ihre Darstellung bleibt jedoch immerhin
etwas schief. Sie geben namentlich Schuld der Führung, die von ihnen vorgebrachten Gründe sind jedoch wenig ausreichend für einen unparteiischen Beurteiler. Ein Bericht *) führt Folgendes aus :
Am 27. August brach eine Kolonne unter dem Befehl des * kaiserlichen Generals Neu ,** ) bestehend aus 1 Bataillon Wallis, dem Regiment Giulay, dem hessischen Jäger-Corps und leichten Infanterie Bataillon v . Lentz, welche die Avantgarde machten, und 1 schweren
Batterie ***) unter Bedeckung unserer und etwas kaiserlicher Husaren des morgens vor Tagesanbruch auf und marschierte von Büchelberg durch den Bienwald auf die Linien von Weiſsenburg und den Feind zu .
Nachdem wir ungefähr 2 Stunden beständig im Walde marschiert *) Der Berichterstatter ist ein Kapitän v. Münchhausen, ein Offizier, welcher vor kurzem wegen seiner Tapferkeit dekoriert worden war. **) Gehörte dem „ Leibregiment“ an , befehligte aber seit einiger Zeit die Jäger.
*** ) Die Geschütze standen für gewöhnlich in den Schanzen , erst in unserer Zeit verlegte man ihre Stellung nach auſsen . Hier waren sie jedenfalls ausnahms. weise vorgezogen worden, um mebr Wirkung und Freiheit zu haben . Jabsbücher für die Deutscbo Armee and Marine, Bd. LXX ., %.
10
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
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hatten, stieſsen wir vor Steinfeld an einem im Walde liegenden Quadratfelde von ungefähr 600 Schritt Seitenlänge auf den Feind,
welcher sich in einem jungen mannshohen Tannenschlage ver deckt hielt.
Die Jäger machten den ersten Angriff und unterbielten ihn, bis die Kolonne, welche aufmarschierte und en echellon anrückte, heran war .
Es war natürlich , daſs wir, da wir dem im Walde ver
deckten Feind nicht gewachsen waren , um ihn allein über den
Haufen zu werfen , uns durchziehen und auf die Flügel werfen mussten . Ehe wir aber dies auf Befehl des Majors v. Motz, der mit
vorn war und das Corps zu Pferde kommandierte, bewerkstelligen konnten, machten die zu hitzigen Bataillone des Regiments Giulay ein solches entsetzliches Bataillonsfeuer, ohne sich an uns zu kehren, daſs wir nur mit genauer Not zwischen ihnen und den Franzosen herauskommen konnten. Viele Jäger warfen sich auf die Erde, andere krochen auf Händen und Füſsen zurück und wieder andere
wollten sich lieber dem französischen, als dem terriblen kaiserlichen Feuer aussetzen und drückten sich auf der feindlichen Seite an die
Bäume.
Hierdurch kam es, daſs unsere Leute mit aller Mühe kaum
wieder zusammenzubringen waren , um sich zu formieren und dem
leichten Infanterie Bataillon v. Lentz, welches unsern linken Flügel
hatte, zu folgen und dasselbe zu unterstützen . Das Bataillon Lentz griff nun mit einem kaiserlichen Bataillon
Giulay, welches wütend drauf ging, die feindlichen Batterien an, sie wurden aber beide mit Kartätschen so empfangen , daſs das kaiserliche und unser leichtes Infanterie - Bataillon, welches man zuerst allein hatte zum Sturm ansetzen wollen, rechts umkehrt
machen muſsten . Das Bataillon Lentz repliirte sich , da sich das Bataillon Giulay in confusion rechtgezogen hatte , auf die Jäger und der Oberst Lentz setzte sich seitwärts der Chaussee nach dem
Walde in Marsch um dort, da niemand die Disposition mitgeteilt
worden war, also auch niemand gehörig instruiert war, die ferneren Verhaltungsbefehle von General Neu zu erwarten , die aber nicht erfolgten.
Nun erfolgte eine überaus heftige Kanonade aus den Batterien des kaiserlichen rechten Flügels, die der Feind ebenso heftig aus seinem
schweren Geschütz
Stunden dauerte.
beantwortete
uud welche mehrere
Sie schloſs damit, daſs der Feind seine vor
gebrachten Kanonen in seine Werke zurückzog und unsere ferneren Unternehmungen zu erwarten schien schien.. Wir blieben nun auf der linken Seite des Dorfes Schaidt im Walde stehen auf den mündlichen
und sein Verlauf.
144
Befehl des General Neu, bei dem wie es schien keine Adjutanten waren .
Ein anderer Bericht*) fügt hinzu :
Aus beigefügtem Tagebuch werden Euer Hochwohlgeboren er fahren, daſs unser success am 27. nicht der brillanteste war
und, was mir um so weher thut, ist, berichten zu müssen, daſs der General Wurmser dem Obersten Schreiber seine Unzufriedenheit be
zeigt hat, weil unsere Truppen nicht mehr gethan, obwohl wir doch alles gethan haben, was unter den damaligen Konjuncturen zu thun möglich war. Hätte das Regiment Giulay nicht früher gefeuert, als Not schien, so bin ich überzeugt, wir hätten den Feind selbst
aus dem Busch vertrieben, aber wie ist es möglich Stand zu halten , man sich zwischen zwei heftigen Feuern befindet. Und
wenn
wirklich war das Giulay'sche Feuer so stark, Bäume stellten und uns so dem feindlichen das Regiment Giulay an uns vorbei war . Batterien kam hierauf das Bataillon Giulay in
daſs wir uns vor die Feuer aussetzten , bis Bei den feindlichen
Unordnung und doch
sollte hier die leichte Infanterie Sturm laufen, 200 Mann ; das war nicht zu erwarten .
General Neu , um sich vermutlich keine Feinde
in der Armee zu machen, mag daher einen sehr unvorteilhaften Bericht an den General Wurmser gemacht haben, welchem wir nun den Verweis zu verdanken haben . Dabei gewährt man uns nicht die mindeste Hülfe, nicht die mindeste Schonung. Nach der Affaire haben wir im Walde gelegen , wo auch nicht ein Tropfen Wasser war, schickte man in ein Dorf, um Wasser holen zu lassen, so war
es von Kaiserlichen besetzt. Fleisch und sonstige Nahrungsmittel
sind sehr selten und dann nur schlecht zu bekommen. Ja es ging soweit, daſs, wie wir vor Büchelberg lagen , wir das Lagerbolz be
zahlen sollten . Die Bagage steht 8 Stunden von uns jenseits **) des Rheins, Rationen und Portionen müssen aus Neustadt a / H .
geholt werden . Man ist uns kaum behilflich Wagen zu beschaffen und die dabei Kommandierten haben schon die Wagen bezahlen müssen, nur damit das Vieh Unterhalt bekomme und nicht verrecke.
Die Husaren befinden sich beinahe in derselben Lage. Die üble Kleidung, schlechte Nahrungsmittel und die kalten Nächte haben
die Ruhr bei uns wieder erzeugt, über 30 Jäger liegen an ihr krank. Der Major v. Motz hat sie in hohem Grade und daher das Corps vorgestern verlassen um sich nach Bergzabern zu begeben. .. *) Aus der Feder des oben bereits genannten Kapitão v. Schlotheim . **) Am rechten Ufer. 10 *
145
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793 u. 8. W.
Bei aller Abhilfe und der bestmöglichen Behandlung bin ich über zeugt , daſs wir hier wenig werden leisten können. Hier sind Türken, Slavonier, Raizen, Wallachen, Granitzer, Franzosen , Deutsch
franzosen, schwäbische Reichstruppen, Pfältzer, Hessen
u.
8. f.
Keiner versteht den andern und jeder hat seine eigene Weise zu fechten.
Das Komment , die Harmonie fehlt und der
Feind steht hinter guten Werken und hat eine unzählbare Artillerie in denselben stehen.
Auch die Preuſsen verhalten sich
ruhig. Am 27. erwartete man die Ankunft des Herzogs von Braun schweig in der Gegend von Zweibrücken und Pirmasens.
Die
Kaiserlichen trauen den Preuſsen nicht und so machen
es die Preuſsen ebenfalls. Wer dabei gewinnt , ist leicht zu ermessen ,
Auch Oberst Schreiber, welcher sonst den Bericht über das Gefecht vom 27. in sehr anspruchsloser und rückhaltloser Art ab stattet, sucht die Gründe zu der Haltung seiner Leute in der
mangelnden Kenntnis des Terrains und der gegnerischen Stellung. Er spricht davon, daſs ehe der zuerst befohlene Angriff geschah,
ein anderer veranstaltet wurde, der, wenn völlig so ausgeführt, wie er angefangen worden war, den Feind für die Hessen en flanc
präsentiert haben würde. Ebenso betont er, daſs kein Adjutant zu sehen gewesen und deshalb Oberst Lentz ohne Befehl bis zu dem
Ende des Gefechts geblieben sei , wo ihm General Neu selbst Weisungen erteilt hätte.
Das Gefecht blieb ein ungünstiges, jedoch wird berichtet, daſs der Feind seine vorgeschobenen Stellungen räumte, um in seine Verschanzungen auf dem Geisberge zurückzugeben . Die Armee, heiſst es, bezog das Lager vor den feindlichen Verschanzungen zwischen Dörenbeck und Pfaffenhofep . ( Schluſs folgt.)
XII. Gesichtspunkte für die Übungen gröſserer Kavallerie-Körper. Die ganze Natur der Kavallerie fordert gebieterisch räumigste Bewegungen, rascheste Formationen und ideale Ordnung. Ebenso wie für die Truppe die eben angegebenen Momente von der gröſsten Wichtigkeit sind , ebenso müssen die Führer
anter allen Verbältnissen entschlossen handeln , thatkräftig und selbstständig eingreifen im Ernstfalle wie auch bei den Manövern .
Die rasch verlaufenden Kavalleriegefechte lassen im Allgemeinen nur Grundsätze aufstellen, nach welchen sich Alles zu richten hat.
Bei der groſsen Mannigfaltigkeit des Geländes und der Gefechts verhältnisse, dem Einflusse, welchen dieselben naturgemäſs auf die taktischen Formen und das jeweilige Eingreifen aller Unterabteilungen baben müssen, ist dies nahezu selbstverständlich.
Diese Grundsätze
müssen dem Ernstfalle entsprechen und bei den Übungen so viel wie möglich zur Geltung kommen . Die reglementären Formen sind deshalb als Anhaltspunkte ganz allgemeiner Art zu betrachten , sie haben ihre hohe Bedeutung insbesondere für den Beginn der Bewegungen und für das Ende jeder Thätigkeit gröſserer Kavallerie Körper.
Bei Angriffen auf Kavallerie muſs jeder Reiter den festen Willen haben , sich, wenn auf 100 Schritte vom Gegner das Signal oder Commando Marsch ! Marsch ! ertönt, fest in der Eskadron zusammenschlieſsend mit voller Wucht auf den Gegner zu werfen
und zwar mit der ganz bestimmten Absicht , denselben „ nieder zurennen “ . Nach dem Zusammenstoſse muſs sofortiges Schlieſsen und Ordnen die wichtigste Aufgabe sein. Bei Angriffen auf Infanterie muſs jeder Reiter trachten, mit seinen Nebenleuten zusammenschlieſsend , sich in den dichtesten
Haufen oder geordnete Linien zu werfen ; jeder Reiter muſs wissen, daſs das Vorbeischieben an den Flügeln der Infanterie jeden
Erfolg vereitelt , dagegen die Verluste unbedingt bis zur Ver nichtung steigern wird . Stetes Ordnen und Schlieſsen ist auch hier wichtig und Aufgabe
der Fübrer (Eskadronschefs) bleibt es, ihre wieder geordneten Eska
147
Gesichtspunkte für die Übungen gröſserer Kavallerie -Körper.
drons auf neue Objekte zu dirigieren .
Das Aufräumen muſs von
Teilen der beim Angriffe zurückgehaltenen Reserven besorgt werden.
Es ist somit ganz folgerichtig , wenn die Kavallerie beim Manöver die Attake auf geschlossenen Gegner nicht durchreitet, sondern auf 150 m von demselben entfernt, aus dem Galopp zum
Trab übergeht und sofort hält. Die Bewegungen werden erst dann weitergeführt, wenn die Schiedsrichter entschieden haben . Es empfiehlt sich , auſser der Divisions - Kavallerie , einer Partei nor -
markierte Kavallerie zuzuteilen, der andern eine geschlossene Brigade oder Division .
Bei Angriffen auf die Front des Gegners, gleichgültig welcher Waffe das Objekt angehört, ist eine gröſsere Breitenentwickelung in der Natur der Sache gelegen. Bei Angriffen auf die Flanke einer Linie oder mehrerer nach der Tiefe geordneter Linien -Objekte kann eine gröſsere Breitenentwickelung des Angriffes in geschlossener Linie keinen Nutzen gewäbren . jedes Objekt ein- oder zwei
Es werden im Allgemeinen für Eskadrons in Linie genügen ,
welche von anderen Eskadrons gefolgt und unterstützt werden, denen überdies die Weiterführung des Angriffes in die feindliche Stellung hinein obliegt.
Im Allgemeinen wäre Folgendes zu bemerken : 1. Die reglementäre Rendez -vous -Stellung (Bereitschaftsform in Brigaden ) ist nur eine Art Empfang- oder Paradestellung, könnte als solche auch füglich ganz fallen . 2. Aus der Bereitschaftsformation in Regimentern wird die Bereit schaftsform in Brigaden auf die Tete ausgeführt, indem die Tetenbrigade sich in Brigadekolonne setzt, die folgenden Brigaden die Regimenter bintereinander verbleibend, flügel weise aufschlieſsen ; hierbei
reiten die Commandeure
dieser
beiden Brigaden etwa bis in die Höhe der Eskadronschefs der
Tetenbrigade seitwärts vor, die Regiments -Commandeure halten sich so seitwärts -vorwärts ihrer Regimenter, daſs die Regimenter
ibre Commandeure und diese den Brigade -Commandeur seben können .
3. Formationen nach der ganzen bezw. halben Flanke werden aus der Bereitschaftsformation in Regimentern :
a ) Nach der ganzen Flanke durch / Schwenkung der Brigade Teten oder der Regiments- Teten vorbereitet. In letzterem Falle kann vorher das Ankündigungs-Commando » Zusammen schlieſsen « erfolgen , auf welches die Eskadrons auf 1 bis 2 Schritte Abstand an die Richtungseskadron schlieſsen .
Gesichtspunkte für die Übungen gröſserer Kavallerie- Körper.
148
b) Nach der halben Flanke durch '% Tetenschwenkung der Kolonne und wie bei 2 oder durch '/. Tetenschwenkung nach
der entgegengesetzten Seite und wie bei 3a ('/, Schwenkung mit Regiments -Teten ) ausgeführt. 4. Zeichen sind nur zwei nötig : a ) Säbel ( oder Taschentuch ) erheben bedeutet:
» Anreiten und Gangart verändern « , wobei die Stellung des zeichengebenden Führers als Direktionspunkt für die Richtungsabteilung gilt. b) Säbel über dem Kopfe schwingen : » Nächst höhere Formation . « 5. Sobald der Divisionsführer sich weit vorwärts in das Terrain
1. 8. w. begiebt, übernimmt der älteste der zurückbleibenden Offiziere die Führung der Division.
6. Wenn die Tetenbrigade Eskadronskolonnen formiert, setzen sich die hinteren Brigaden auf möglichst geringen Abstand, seitwärts rückwärts überragend, an den betreffenden Flügel der Teten brigade. Wenn andere Befehle nicht gegeben sind, wird in der Regel die innere Eskadron jedes Teten -Regiments als Unterstützungseskadron abgestoſsen, und der Brigade -Com mandeur formiert seine Brigade ganz nach eigenem Ermessen , auch in 2 Staffeln in Eskadrons- oder Regiments-Colonne u. s . w. Geht das 1. Treffen zur Attacke, so folgt das 2. so nahe , daſs es bereit bleibt , nach Ermessen seines Commandeurs
„ rechtzeitig “ einzugreifen.
Auf jenem Flügel, auf welchen
sich der Divisions-Commandeur begiebt, ist das 3. Treffen, dessen inneres Regiment nabe am 1. Treffen bleibt. 7. Alle Flügel-Eskadrons (unter besonderen Umständen Regimenter
und Brigaden ), insbesondere jene , welchen überflügelnde Ab teilungen nicht folgen, selbstverständlich auch jene der beiden zurückgehaltenen Treffen , benützen alle sich bietenden Verhält
nisse, um den Erfolg zu sichern . Sehr häufig wird es z. B. einzelnen Eskadrons gelingen, gedeckt durch das Gelände oder Anbau, sich überraschend in die Flanke oder den Rücken feind
licher Abteilungen zu werfen ; lichte Waldungen und Wald
ränderu. günstige Gelegenheit , um . 8. w. bieten
feuernde
Infanterie und Artillerie auf diese Art anzufallen . Die gleiche Aufgabe haben auch alle übrigen in der Nähe befindlichen Kavallerie-Abteilungen, natürlich auch vorübergehend entsendete. 8. Alle jene Eskadrons, welche bei irgend einer Attacke einen Gegner nicht unmittelbar vor sich haben , reiten natürlich
Gesichtspunkte für die Übungen gröſserer Kavallerie-Körper.
149
»Marsch ! Marsch ! « nicht mit , sie bewegen sich , durch ihre Chefs geführt, im Galopp weiter und gehen erst dann zum Chok über, wenn es die Umstände erheischen . Alle jene Eskadrons, welche den Chok durchgeführt -- d. b. den Gegner nieder geritten - haben , sammeln und ordnen sich vor Allem , setzen -
ihre Bewegung fort, neu auftretende feindliche Abteilungen angreifend. Verfolgt wird erst dann auf Signal , wenn geordnete feindliche Abteilungen nicht mehr wahr
zunehmen sind und zwar in der Regel von einem Teile jeder Eskadron, welche beim letzten Chok beteiligt war, während der andere Teil geordnet folgt. Mit Beginn der Verfolgung stellen alle übrigen Abteilungen die Verbände in der Form wieder her , wie sie vor Beginn der Attacke sich be fanden.
9. Angriffe auf Infanterie werden mindestens in 3 Treffen aus
geführt; sie können regimenter- , brigadenweise oder mit der gesamten Division erfolgen, indem sich die genannten Verbände entsprechend den Objekten formieren , wie dies bereits früher
Die Flügelbrigaden oder Regimenter namentlich auf einem exponierten Flügel sorgen für ausgiebigen Flankenschutz durch Gefechtspatrouillen und Reserven während kurz
erwähnt
ist.
des Gefechtes, wenn dies geboten . Es wird von ausgesprochenem Vorteile sein , wenn die Eskadrons der hinteren Treffen oder
Echellons in Zugskolonnen verbleiben und aus diesen wie folgend beschrieben zur Attacke schreiten. 10. Angriffe auf die Tete einer Kolonne werden in der Regel so ausgeführt, daſs sich eine Eskadron des zunächst befindlichen
Regimentes in der Zugskolonne auf diese Kolonnen - Tete wirft; die anderen Eskadrons nehmen nach beiden Seiten Abstände
von 1 /3-2 Zugbreiten und folgen sofort dieser Bewegung,
den Stoſs der vordersten Eskadron ergänzend oder erneuernd, oder je nach Uniständen eingreifend. Bei mehreren Regimentern ziehen sich die folgenden Regimenter rechts und links des ersten Regimentes und verhalten sich ähnlich ; das gleiche gilt für die Brigaden in der Division . Es wird hierbei vorteilhaft sein, wenn jede einzelne zur Attacke schreitende Eskadron so lange Zugskolonne beibehält, bis der Tetenzug vom feindlichen Feuer erreicht wird oder den Chok ausführt, worauf sich die
geraden Züge rechts , die ungeraden links aus der Kolonne ziehen und ebenfalls attackieren . Die
ganze Bewegung muſs von allen Abteilungen im
Gesichtspunkte für die Übungen gröſserer Kavallerie-Körper.
150
räumigsten Galopp ausgeführt werden und ist vor Allem darauf zu halten, daſs immer wieder neue Eskadrons in die Kolonne
geworfen werden , wenn die Angriffsbewegung in derselben stockt, damit nicht verheerende Verluste in den an der Flanke der
Kolonne vorüberjagenden Eskadrons den Erfolg des ganzen Angriffes vereiteln. Seitwärts auftretenden oder zur Formierung
aus der Kolonne heraustretenden Abteilungen werden flankierend die äuſseren Flügel- Eskadrons entgegengeworfen *).
Bei Verwendung der Kavallerie gelten vor Allem folgende oberste Grundsätze :
1. Verdeckt halten, möglichst verdeckt bewegen ; abwarten oder ausnützen jedes günstigen Momentes ; sich zeigen und attackieren . 2. Sobald man sich zeigen muſs, formiert das erste Treffen Eska dronskolonnen , mit den ersten feindlichen Kanonenschüssen aufmarschieren und Galopp. Überraschen kann man nur wenn man 3.
a) die Stellung oder Bewegung nicht durch zahlreiche Eclaireurs und Patrouillen, durch zahlreichen beobachtenden Stab vor zeitig verrät ,
b) weder Kommandos noch Signale anwendet oder doch auf das absolut Notwendige beschränkt, c) einmal zum Angriffe entschlossen , denselben auch rasch und
energisch zu Ende führt.
4. Überraschende Angriffe auf Infanterie sind nur möglich, wenn die Eskadrons von allen Seiten und in stets erneuerten Stöſsen in die Tiefe der Stellung einbrechen ; namentlich bei flankierenden
Angriffen werden die Infanterie - Abteilungen kaum wissen wohin sie ihr Feuer richten sollen .
*) Es giebt nur 2 Wege Kavallerie zu erziehen. Dieselbe wird entweder so geübt, daſs bestimmte Formen streng festgehalten werden, oder aber indem einfache
Grundsätze aufgestellt sind, nach welchen sich wenige Hauptformen für jeden Einzel-Fall richten . Die zweite Art scheint die einzig richtige, in ihr liegt die
Bürgschaft, daſs Führer wie Truppe für möglichst viele Fälle vorbereitet sind, daſs die sämtlichen Unterführer lernen, den Verhältnissen entsprechend einzugreifen. Bei allen Kavallerie -Gefechten aber kommt es insbesondere hierauf an .
Zahlreiche
Kavalleriegefechte gaben Zeugnis von der hohen Wichtigkeit dieser Punkte, zeigen wie schwer sich mitunter Versäumnisse gericht haben.
Die erstere Art der
Übungen verleitet überdies nur zu sehr dazu, daſs immer neue Formen ersonnen ond Bestimmungen für Einzel - Fälle erlassen werden ; dies alles aber kann ein Ende
nie finden und muſs ganz natürlich dazu beitragen, Alles zu komplizieren, gegen die erste Bedingung aller Kavallerie-Bewegungen, „ gegen die Einfachheit“ zu sündigen .
151
Gesichtspunkte für die Übungen gröſserer Kavallerie-Körper.
5. Die Kavallerie wird weitaus am Meisten erreichen können,
wenn sie namentlich in gröſseren Körpern nur ganz allgemein gehaltene Vorschriften erhält. Aus der Absicht und beabsichtigten Bewegung der anderen Waffen und aus der Beschaffenheit des
Geländes wird sich ergeben, auf welcher Flanke die Kavallerie thätig sein soll.
6. Diese Thätigkeit kann entweder in enger Verbindung mit den anderen Waffen oder aber in selbstständig aufklärender und
zugleich umfassender Bewegung der Kavallerie stattfinden. Es kann nicht nützlich sein , unter allen Verhältnissen die gegne rische Kavallerie stets und immer aufzusuchen und zu be
kämpfen.
7. Ein umfassendes Vorgehen mit reitenden Batterien wird beinahe immer erlauben die Thätigkeit der eigenen Truppen mindestens durch Artilleriefeuer von den Flanken oder in den Rücken
feindlicher Stelluvgen oder Bewegungen wirksam zu
unter
stützen .
8. Nach dem die Kavallerie die ausgesprochenst und ganz be
stimmte Aufgabe bat, jeden günstigen Moment zum Angriffe auszunützen , ist es absolut verwerf lich dieselbe durch > über
schickte « Befehle zum Angriffe zu drängen. In jedem Falle
muſs solcher Befehl – insbesondere auch bei gröſseren Übungen stets schriftlich mit kurzer Angabe der Gründe erlassen
.
werden .
9. Ausgiebige Unterstützung der anderen Waffen kann die Ka
vallerie nur dann leisten , wenn ihr Angriff in einem für die Waffe günstigen Momente erfolgt. Es ist also unter allen Umständen gründlich zu erwägen ob die Umstände > ge bieterisch « verlangen , daſs die Kavallerie auch ohne günstige Verbältnisse zum Angriffe schreite und dann auch meistenteils geopfert werde. Es ist die Vorbereitung des Angriffes ein Grundsatz, der ja auch für die Infanterie gilt. 10. Bei aufmerksamer Betrachtung der Kriegsgeschichte wie vieler Manöver ist es nicht sehr schwer zu erkennen , wie oft gegen diese einfachen Grundsätze verstoſsen wurde oder wird. Gute Kavallerieführer und frische Kavallerie wachsen
nicht
von selbst , sie erscheinen in der Geschichte nur dann , wenn Gelegenheit war sich zu bilden . Unsere schöne Kavallerie war zu allen Zeiten frisch ; der belebende Geist tüchtiger Führer führt sie sicher wieder zu unsterblichen Thaten , wenn Kavallerie und Führer sich verstehen lernen , wenn der Kavallerie in der Hauptsache auch 9
Zur Ausbildung der Feldartillerie u. s. w.
152
kavalleristische Aufgaben gestellt werden und die Führer Gelegenheit haben, solche Aufgaben zu lösen. Alles dies kann nur gelingen durch Üben und Denken durch Denken und Üben .
Daſs auch solche gute Kavallerie im Ausnahmefalle ohne Be sinnen in den sicheren Tod zu reiten versteht ist ganz natürlich ; daſs sie selbst in solchem Falle jeden unverhofft zu erbaschenden
günstigen Umstand ausnutzen wird , bringt ihr wie der Armee vielleicht auch noch dann Glück und Erfolg !
8.
Zur Ausbildung der Feldartillerie, hier deren Aufgaben im XIII.
Verbande eines Armee -Corps. II .
In den » Jahrbüchern für die Deutsche Armee und Marine « wurde im Juni- Heft des Jahres 1888 – Band LXVII, Nr. 201,
Heft , 3, sub Nr. XIX – unter der Überschrift „ Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Aufgaben im Verbande einer Infanterie Division « eingehend betrachtet, in welcher Weise das Feuer einer
Artillerie -Abteilung von 3 Batterien gegen die von ihr jeweilig zu bekämpfenden Ziele [ Artillerie, Infanterie u. s. w.) so geleitet werden könne, daſs jeder Batterie der Abteilung, die für die Wirkung ihres Feners unbedingt notwendige Beobachtung ihrer Schüsse ermöglicht wird. Auſserdem wurden die Aufgaben in Erwägung gezogen, welche an ein im Verbande mit einer selbstständig kämpfenden
Infanterie -Division befindliches Artillerie-Regiment von 2 Abteilungen à 3 Batterien berantreten .
Seit ungefähr 15 Jahren wird die Feldartillerie bei ihren jähr
lichen Schieſsübungen nicht mehr , wie früher, bloſs im Schieſsen ihrer einzelnen
selbstständigen
Batterien sondern auch im
Schieſsen ihrer Batterien im Abteilungs - Verbande ausgebildet.
Wie sehr sich das Schieſsen im Abteilungs -Verbande vorteilhaft für die im Kriege an die Feldartillerie herantretenden Aufgaben erweist,
153
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
wie viele wichtige Erfahrungen hierdurch bereits im Frieden ge Zu den so ge wonnenen Erfahrungen gehört auch , daſs es nicht nur böchst
wonnen worden sind , wird allseitig anerkannt.
vorteilbaft sondern dringend notwendig ist , beim Schieſsen im
Abteilungs -Verbande zwischen den einzelnen Batterien der Abteilung die Zwischenräume gröſser zu nehmen als zwischen den Geschützen ein und derselben Batterie.
Es erscheint ferner wünschenswert , daſs , nach Vornahme des Abteilungs -Schieſsens, mindestens ein, besser zwei mal das Schieſsen
im Regiments -Verbande, d . b . von 2 als Regiment vereinten Abtei lungen à 3 Batterien , unter Leitung des Regiments- Commandeurs,
vorgenommen werde. Da diese Übung aber nur dann wahrhaften Vorteil gewähren kann, wenn , in Folge ihrer Anreihung, nicht die Ausbildung im Schieſsen mit einzelnen Batterien und Abteilungen beeinträchtigt wird , so müſste die zur Zeit pro Batterie gewährte Munitionszahl entsprechend , etwa um 12 Granaten und 12 Shrapnels, erhöht werden .
Eine Übung im Schieſsen in noch gröſseren Verbänden , als im Regiment von 2 Abteilungen à 3 Batterien, verbietet, abgesehen von der dann nötig werdenden noch höheren Munitions-Gewäbrung, die hierfür nicht ausreichende Gröſse [ Breite] der Schieſsplätze.
Eine Betrachtung der Aufgaben , welche an die im Verbande eines Armee -Corps befindliche Feldartillerie im Gefechte herantreten, unter besonderer Beachtung, wie sich hierbei die Durchführung und Leitung des Artilleriefeuers, im Sinne der jeweiligen Gefechts Aufgabe, auf das wirksamste und einfachste gestalten lasse, erscheint aber sicher, auch bezüglich dieses groſsen Artillerie Verbandes , gerechtfertigt. Haben sich ja die Führer aller Grade bereits im Frieden mit den im Kriege an sie und die ihnen unter
stellte Truppe herantretenden Aufgaben vertraut zu machen . Im Verbande eines Armee-Corps befinden sich drei gleich starke Hauptgruppen an Feldartillerie, nämlich 3 Regimenter à 2 Abteilungen à 3 Batterien. Von diesen ist je 1 Regiment jeder der beiden Divisions Infanterie - Divisionen des Armee - Corps unterstellt .
Artillerie - Regiment, während das 3. Regiment, bei welchem die eine Abteilung aus 1 Feld- und 2 reitenden Batterien zusammen
gesetzt wird, das Corps -Artillerie -Regiment bildet. Ein Armee-Corps wird , selbst bei hinhaltenden oder verteidigungs
weise zu führenden Kampf, wenn es selbstständig auftritt, nicht über 5 km , kämpft es im gröſseren Verbande nur etwa 4 km Gefechts breite einnehmen können .
Diese zulässige Gefechtsbreite ver
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps.
154
mindert sich , wenn ein Entscheidung suchender Angriff ausgeführt wird , für ein selbstständig auftretendes Armee- Corps auf 4 km , kämpft es im gröſseren Verbaude noch mehr. Die einem Armee -Corps unterstehende Feldartillerie nimmt in
der Feuerstellung ,
bei
gewöhnlichen
-
Geschütz - Zwischenräumen
[20 Schritt] in den einzelnen Batterien, selbst dann , wenn zwischen den einzelnen Batterien ein und derselben Abteilung auch nur
20 Schritt Zwischenraum, dagegen von Abteilung zu Abteilung 200, von Regiment zu Regiment 400 Schritt Zwischenraum angenommen werden , einen Frontraum [ Breite] von 3440 Schritt 2752 m ein . Werden dagegen , damit die Batteriechefs die Schüsse ihrer Batterien
beobachten
können ,
von Batterie
zu
Batterie
etwa
50 Schritt Zwischenraum genommen , so beträgt die Frontbreite der Artillerie in der Feuerstellung , wenn
wie oben angegeben
von Abteilung zu Abteilung 200 Schritt , von Regiment zu Regiment 400 Schritt Zwischenraum angenommen werden , 3800 Schritt = 3040 m . – Durch die Vergröſserung der Zwischenräume der Batterien einer Abteilung von 20 auf 50 Schritt vermehrt sich also die Front
raumbreite , welche die gesamte Artillerie des Armee -Corps in ihren 288 m . Dieser, im Feuerstellungen bedarf , um 360 Schritt Verhältnis zum groſsen Gesamtbedarf , unbedeutend gröſsere Raum
bedarf kann also wohl nicht ein Hindernis, gegen die grundsätzliche Festsetzung gröſserer Zwischenräume der Batterien einer Abteilung Aber selbst , wenn dieser Mehrbedarf von unter sich bilden . 360 Schritt = 288 m ein Hindernis bilden würde , so könnte eine -
Verminderung der Zwischenräume der Abteilungen von 200 auf 150 , der Regimenter von 400 auf 300 Schritt ihn nahezu ganz decken [ 350 Schritt ]. Hierdurch würde die Beobachtung der eigenen Schüsse auch nicht entfernt so beeinträchtigt werden , als wenn die
von 3 Batteriechefs kommandierten 3 Batterien einer Abteilung als eine Batterie von 18 Geschützen, mit nur je 20 Schritt Zwischen raum aufgestellt werden .
Hauptsache ist und bleibt für die Artillerie stets , die möglichst günstige Wirkung gegen den Feind zu erreichen. Hierzu ist aber auch und zwar in allererster Linie nötig , daſs die Artillerie ihre eigenen Schüsse beobachten kann. Diese Beobachtung obliegt den Batteriechefs, und daher muſs sie ihnen , durch gröſsere Zwischen räume der Batterien unter einander , thunlichst erleichtert werden.
So weit es , ohne Beeinträchtigung der vor Allem stets an zustrebenden möglichst günstigen Wirkung gegen den Feind angängig ist, muſs die Artillerie, durch volle Ausnützung des gegebenen 9
155
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
Geländes , Deckung und Schutz für die eigenen Geschütze , und ganz besonders Erschwerung der Beobachtung der gegen sie abgegebenen Schüsse , namentlich in den bei Beginn des Kampfes einzunehmenden Feuerstellungen , zu ermöglichen trachten . Wohl nur höchst selten wird das Gelände auf eine so groſse Frontbreite, wie sie die Aufstellung der Artillerie eines Armee-Corps erfordert, frei und undurchschnitten sein. Schon hierdurch wird es Bedingung, **
die Aufstellung der Artillerie-Gruppen eines Armee-Corps [Regi menter u . s. w .] dem sich , in der für sie gewählten Feuerstellung darbietenden Gelände anzupassen . z.. B. Links dem schon in Feuer stellung befindlichen Artillerie - Regiment der Teten - Division des Armee -Corps, beziehungsweise der Avantgarde, haben die beiden anderen Artillerie -Regimenter ihre Feuerstellung zu nehmen .
Es
bietet sich zunächst dem schon stehenden Regiment der Grat einer Bodenwelle , welche bis zu einem Gehöfte, das behufs Schutz der
Artillerie , mit Infanterie besetzt wird , etwa 1 km breit und nicht in der Mitte ihrer Ausdehnung dem Gehöfte näher durch eine etwa 40 Schritt breite Schlucht unterbrochen ist. Der Brigade -Commandeur der Artillerie wird daher dem seinem
ganz
Regiment voraus , bei ihm eintreffenden Commandeur des Corps Artillerie-Regiments, nachdem er ihn über den Feind und die Gefechtslage, insbesondere auch über die von eigenen und feindlichen Truppen besetzten Geländeteile aufgeklärt und ihm die mit seinem
Regiment zu beschieſsenden Ziele bezeichnet hat, den Raum zwischen dem schon stehenden Divisions - Artillerie-Regiment und dem Gehöfte als denjenigen bezeichnen können, in welchem sein Regiment Feuer stellung zu nehmen hat. Sache des Regiments- Commandeurs ist es dann, in diesem Raum , die Aufstellung seines Regiments, mit aller
erster Rücksichtnahme auf möglichst beste Wirkung gegen die zu beschieſsenden Ziele , der gegebenen Gelände- Beschaffenheit zweck entsprechendst anzupassen . Er wird daher, nachdem er seine, ihren
Abteilungen voraus, bei ihm eingetroffenen Abteilungs- Commandeure über Feind und Gefechtslage aufgeklärt und ihnen die zu be schieſsenden Ziele zugewiesen hat, verfügen , daſs die eine Abteilung seines Regiments links, die andere mit etwa 200 Schritt Zwischen raum von der ersten Abteilung , rechts der Schlucht Feuerstellung Beträgt nun der Frontraum von Schlucht bis Gehöft z. B. nur etwa 400 Schritt Frontbreite , so werden bei der
zu nehmen habe.
betreffenden Abteilung, damit sie ihre Batterien mit etwa 50 Schritt Zwischenraum vom Gehöft und mit etwa eben so viel Zwischenraum unter sich aufstellen kann, die Geschütz -Zwischenräume in den
1 .
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee -Corps.
156
einzelnen Batterien nur etwa 16–17 Schritt (statt 20 Schritt] betragen dürfen . Die mit etwa 200 Schritt Zwischenraum von
dieser Abteilung , in dem Raum zwischen Schlucht und schon stehenden Divisions- Artillerie -Regiment ihre Feuerstellung nehmende andere Abteilung, kann dagegen , wenn sie von letztgenanntem Regiment etwa 250 Schritt und unter ihren Batterien 50 Schritt
Zwischenraum nimmt, noch immer mit gewöhnlichen Geschütz Zwischenräumen
[ 20 Schritt]] in den einzelnen Batterien
auf
marschieren .
Nun lassen sich leicht Fälle denken , in welchen das gegebene
Gelände bedingt, daſs auch für die einzelnen Batterien ein und der selben Abteilung nicht gleiche Frontraum -Breiten entfallen, nämlich ein oder der anderen Batterie statt 100 Schritt
Erfordervis bei
nur 80 Schritt zugeteilt 20 Schritt Geschütz - Zwischenraum werden können, wonach dann für die Geschütze dieser Batterie nur
16 Schritt Zwischenraum möglich ist . Ebenso können Fälle ein
treten , daſs in ein und derselben Batterie, behufs möglichst günstigem Anpaſsen der Geschütze an das Gelände des der Batterie in der
Feuerstellung zufallenden Frontraumes , die Zwischenräume der Züge und selbst der Geschütze ungleich groſs genommen werden müssen
-
zwischen 10 und 30 Schritt.
Jeder höhere Artillerie
Commandeur weist eben dem , ihm zunächst untergebenen, nachdem er ihn über den Feind und die Gefechtslage aufgeklärt und ihm das zu beschieſsende Ziel bezeichnet hat, den für seinen Truppenteil
treffenden Aufstellungsraum zu. Sache des Untergebenen ist es
dann, die ihm unterstellte Truppe in dem für diese bestimmten Aufstellungsraum am zweckentsprechendsten aufzustellen. Auch Vorausreiten der Zug- und mitunter selbst der Geschützführer an den Platz, an welchem ihr Zug, beziehungsweise Geschütz, un
mittelbar nach dem Abprotzen sich befinden soll , daher mitunter vorteilhaft ja sogar unerläſslich. Ebenso wie beim Kampfe einer selbstständigen Infanterie Division der Commandeur des dieser unterstellten Artillerie- Regiments, von dem durch dasselbe zu beschieſsenden Gesamtziel , jeder seiner
Abteilungen den ihr entsprechend gegenüber liegenden Teil zur Bekämpfung zuweist, muſs auch da, wo 2 oder alle 3 Artillerie
Regimenter eines Armee-Corps eine gemeinsame Aufgabe, z. B. den Kampf mit der feindlichen Artillerie , durchzuführen haben, ver fahren werden .
Die einheitliche Leitung des Feuers während des
Artillerie - Kampfes ist von höchster Wichtigkeit und bildet diese
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
157
Thätigkeit die vornehmste Aufgabe des Artillerie- Brigade- Commandeurs.
Von ihm müssen die hierauf bezüglichen, in Übereinstimmung mit den Absichten der Gefechts -Leitung – kommandierenden Generals
befindlichen , Anordnungen ausgehen. Für das Regiment, welchem der wichtigste, vor Allem zu überwältigende Teil der feindlichen
Artillerielinie zugewiesen ist, kann das Ziel kleiner, z. B. auf nur 4 feindliche Batterien, abgegrenzt und können dafür dann den anderen Regimentern entsprechend gröſser abgegrenzte Teile, z. B. bis 8 feindliche Batterien pro Regiment, der feindlichen Artillerie Jinie zur Bekämpfung zugewiesen werden . Mehr als den Regimentern ihren Zielteil anzuweisen , zu erkennen, wann sich die Verbältnisse wesentlich ändern und dann denselben in entsprechendst einfachster
Weise Rechnung zu tragen, kann die Feuer- Leitung des Brigade Commandeurs der Artillerie nicht umfassen .
Ihrerseits verteilen die
Regiments-Commandeuredieibrem Regiment vom Brigade-Commandeur zugewiesene Gruppe der feindlichen Artillerielinie, behufs frontaler
Bekämpfung, auf ihre Abteilungen.
Zu seinem Aufenthaltsort wählt der Brigade - Comman deur der Artillerie einen Punkt, von welchem aus er thunlichst
die ganze Feuerlinie und das Gefechtsfeld, also auch die Wirkung
der eigenen Artillerie, am besten übersehen kann. Dieser ist den Regiments-Commandeuren der ihm unterstellten Artillerie mitzuteilen und den kommandierenden General zu melden .
Seine einmal ge
wählte Aufstellung, welche oft zweckmäſsig vor einem Zwischenräume der Artillerielinie liegen kann, wird Commandeur nur im wirklichen Bedürfnisfalle gegen dem kommandierenden General und den unterstellten
der gröſseren der Brigade eine andere, Regimentern
sofort bekannt zu gebende, wechseln . Da der Brigade-Commandeur, von seinem gewählten Aufenthaltsorte aus, wohl nur selten die Thätigkeit und Wirkung seiner sämtlichen 3 Regimenter überblicken
kann, muſs er sich durch seinen Adjutanten über die Thätigkeit der seiner eigenen Beobachtung entzogenen Regimenter auf dem Laufenden erhalten lassen. Er selbst muſs vorzugsweise stets das Ganze im Auge behalten und bestrebt sein, den Gefechtszweck – -
also während des Artilleriekampfes, die Niederkämpfung der feind lichen Artillerie
-
durch richtige Anordnungen, das ist zweckent
sprechende Verteilung der feindlichen Artillerie zur Beschieſsung an seine unterhabenden Regimenter, sicher zu stellen. In seinen Befehlen an die Regimenter, bat er sich auf das Notwendigste zu beschränken , in deren Ausführung nur da einzugreifen , wo dieses dringend ge
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps.
158
boten ist. Insbesondere darf und kann er sich nicht in Einzelheiten verlieren. Deshalb muſs er auch die Ausnützung vorübergehender günstiger Einzelmomente in den den Regimentern zugewiesenen Zielbereichen diesen vertrauensvoll überlassen können.
Die gegen
seitige Unterstützung der einzelnen Regimenter wird er anordnen, wenn ein Regiment besonders empfindlich unter dem feindlichen Feuer zu leiden hat, wie z. B. beim Stellungswechsel eines Regiments,
wenn das Vorgehen der Abteilungen desselben nicht genügend ge sichert erscheint.
Die Commandeure der Artillerie - Regimenter nehmen ibren Aufenthalt vor oder auf demjenigen Flügel, beziehungsweise auch Abteilungszwischenraum , ibres Regiments von wo aus sie dessen Feuerlinie und Wirkung am besten im Auge behalten können . Dem Brigade- Commandeur und den Commandeuren der Artillerie
Regimenter obliegt auch ganz besonders, durch geeignete Avancierte, die etwa nicht unmittelbar an andere Truppen angelehnte Flanke ihrer Feuerstellung fortgesetzt beobachten, und dann auch das Ge lände, namentlich in den Richtungen , in welchen eine nutzbringende Thätigkeit der Artillerie erwartet werden kann – also nach sich weiter vorwärts beziehungsweise vorwärts - seitwärts darbietenden Feuerstellungen – bezüglich Gangbarkeit, insbesondere Übergängen U.
S.
W.
bei Zeiten erkunden zu lassen .
Ein eingehenderer Überblick , über die dem Brigade Commandeur der Artillerie eines Armee - Corps zufallende Gefechtsthätigkeit und wie sich diese gestalten dürfte, kann nur im Rahmen der Gesamthätigkeit dieses Armee- Corps gewonnen werden .
Im Kriege 1870/71 hat sich die Verwendung der Kavallerie in, den Armee - Oberkommandos unmittelbar unterstellten Kavallerie
Divisionen, den Corps der Armee um 1-2 selbst 3 Tagemärsche voraus, für ' Aufklärung der feindlichen und Verschleierung der
eigenen Maſsnahmen so sehr vorteilhaft erwiesen, daſs diese Ver wendung der Kavallerie in künftigen Kriegen in gewiſs nicht minderem Maſse stattfinden wird . Ein Armee-Corps, ob selbstständig oder im Armee- Verbande auftretend, wird daher, bei richtiger Verwendung der Kavallerie, nicht unverhofft mit dem Feinde zusammentreffen , sondern durch die von der Kavallerie eingebrachten Nachrichten über Marschrichtung und Stärke des Gegners, unterrichtet sein . Auf Grund dieser Nachrichten kann dann der kommandierende
General diejenigen Maſsnahmen anordnen, welche derselbe für die Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXX . ?
11
159
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
Durchführung des ihm erteilten Auftrages als die entsprechendsten erachtet.
Die Fortsetzung des Vormarsches mit dem Entschlusse, den Feind energisch anzugreifen , wird stets angeordnet werden , wenn der Auftrag und die von der Kavallerie eingegangenen Nachrichten über den Feind u. s. w. dieses gestatten.
Wo es durchführbar ist, wird sich ein Armee- Corps in breiter Front, beide Infanterie - Divisionen auf Parallelstraſsen vorbewegen und das einer dieser beiden Marschkolonnen zugeteilte Corps- Artillerie Regiment meistens bereits hinter dem Teten -Infanterie -Regiment des Gros dieser Kolonne marschieren .
Beide Infanterie - Divisionen bilden
ihre Avantgarde wie eine marschierende selbstständige Infanterie Division. Jedoch kann es sich unter Umständen empfehlen , der Avantgarde jener Infanterie -Division, mit welcher das Corps-Artillerie Regiment marschiert - oder der ein bestimmtes Gefechtsziel zuge wiesen ist, statt 1 Batterie, 1 Abteilung [3 Batterien] Artillerie zuteilen ; während die übrigen Batterien jedes Divisions- Artillerie Regiments hinter dem Teten-Bataillon , spätestens Teten - Infanterie Regiment, des Gros ihrer Infanterie - Division marschieren .
Marschiert das ganze Armee-Corps nur auf einer Straſse, so wird dessen Avantgarde [Infanterie -Brigade] gewöhnlich eine Ab teilung à 3 Batterien zugeteilt sein und die andere Abteilung des Artillerie-Regiments der Teten - Infanterie - Division hinter dem Teten Bataillon, beziehungsweise Regiment des Gros, das Corps- Artillerie Regiment hinter dem Teten - Infanterie- Regiment des Gros, spätestens
hinter der Teten - Infanterie -Division, das Divisions- Artillerie -Regiment der rückwärtigen Infanterie - Division hinter dem Teten-Bataillon,
wenn nicht gleich an der Tete dieser Division, mit dem vorge schriebenen
Abstand
von
250 m
von
der Queue der vorderen
Infanterie -Division , marschieren. Die Commandeure der Divisions- Artillerie- Regimenter befinden sich
während
des Marsches
im
Stabe
des
Commandeurs
ihrer
Infanterie-Division, der Commandeur des Corps-Artillerie-Regiments bei diesem , der Brigade-Commandeur der Artillerie im Stabe des kommandierenden Generals.
Gemäſs Ziffer 218 der Felddienstordnung haben die 2. Wagen staffeln der Batterien, abteilungsweise zusammengezogen, unmittelbar
an der Queue der selbstständig formierten Verbände [Avantgarde, Corps- Artillerie u. s. w.] zu folgen. Die so überaus wichtige and nötige Verbindung der Geschütze und der stets einen unmittelbaren Bestandteil dieser bildenden 1. Wagenstaffel der Batterien mit ihren
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps.
160
2. Wagenstaffeln ist mithin beim Corps-Artillerie-Regiment von Hause aus gesichert. Von den Divisions- Artillerie -Regimentern -
marschieren die 2. Wagenstaffeln der bei der Avantgarde eingeteilten Batterien , beziehungsweise Abteilung, unmittelbar an der Queue der
Avantgarde und jene der beim Gros der Infanterie - Division einge teilten Batterien unmittelbar an der Queue ihrer Infanterie- Division . Und zwar , da die Infanterie - Division ein selbstständig formierter Verband ist, auch dann, wenn das Armee -Corps auf nur einer
Straſse, also mit beiden Infanterie -Divisionen hintereinander marschiert. In jenen, voraussichtlich nicht seltenen Fällen , in welchen das
Corps- Artillerie - Regiment bereits hinter dem Teten - Infanterie Regiments des Gros folgt, sind die 2. Wagenstaffeln der Batterien
der vor ihm, hinter dem Teten-Bataillon des Gros, marschierenden Batterien des Divisions- Artillerie -Regiments der Teten-Division also weiter von ihren Geschützen entfernt als jene des Corps-Artillerie Regiments. Dieses muſs den Wunsch nahe legen, daſs in den Fällen, in welchen die Verbältnisse, das heiſst die Voraussicht des
baldigen Bedarfs, bedingen, das Corps-Artillerie-Regiment, nicht erst binter der Teten - Infanterie-Division , sondern bereits hinter dem
Teten - Infanterie -Regiment des Gros derselben folgen zu lassen , die 2. Wagenstaffeln der vor ihm im Gros marschierenden Batterien des Divisions-Artillerie-Regiments der Teten-Division , nicht erst am Schlusse dieser sondern am Schlusse ihres Regiments folgen .
Tritt ein Armee-Corps mit der Absicht zum energischen Angriff, in das Gefecht, so kann, bald nach Beginn des Kampfes seiner
Avantgarde, das Divisions - Artillerie -Regiment seiner Teten-Infanterie Division - marschiert das Armee-Corps auf 2 nur wenig von einander entfernten Straſsen, beide Infanterie-Divisionen also nahe neben
einander, beide Divisions -Artillerie -Regimenter nicht sehr viel später
Artillerie -Regiment.
etwa !
Stunde
zur Stelle sein , auch das Corps
Beim Marsche des Armee - Corps auf nur einer
Straſse wird jedoch das Divisions- Artillerie-Regiment der rückwärts
marschierenden Infanterie- Division erst wesentlich später zur Stelle sein können . Dieser Fall soll nun zuerst betrachtet werden. Nach Einleitung des Gefechts erfolgt die Verstärkung der Avantgarde- Artillerie, durch die noch übrige Artillerie der Teten
Infanterie -Division, in ähnlicher Weise wie bei der selbstständigen Infanterie- Division, jedoch unter Beachtung der vom kommandierenden W General gegebenen Weisungen. Die Verwendung des Corps-Artillerie
Regiments sowie jene des Divisions-Artillerie-Regiments der rück wärts marschierenden Infanterie-Division , erfolgt stets nach der 11 *
161
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
Bestimmung des kommandierenden Generals.
Nachdem derselbe
sich mit seinem Stabe, während des Gefechts der Avantgarde nach
vorn begeben hat, behufs Einleitung und Durchführung des beab sichtigten Angriffs und den Entschluſs zur Bekämpfung der feind lichen Artillerie gefaſst hat, wird er dem in seinem Stabe befindlichen Brigade-Commandeur der Artillerie befehlen , die gesamte Artillerie vorzuziehen und über dieselbe, also auch über die Avantgarde
Artillerie, das Commando zu übernehmen. Zugleich mit diesem Befehle, welcher auch den beiden Infanterie -Divisions -Commandeuren und dem Commandeur der Avantgarde mitzuteilen ist, wird der
kommandierende General dem Brigade -Commandeur der Artillerie auch angeben , auf welchem Flügel der Avantgarde die einzelnen
Artillerie-Gruppen (Regimenter] Aufstellung nehmen sollen. Am vorteilhaftesten wird die Hauptmasse der Artillerie , also 2, seltener alle 3 Regimenter, auf denjenigen Flügel der Avant garde genommen , von dem aus die spätere Durchführung des ent scheidenden Infanterie -Angriffs *) beabsichtigt ist. Haben die Bat terien [Abteilung] der Avantgarde auf dem anderen Flügel der Avantgarde Stellung genommen, so wird es sich, da dieser dann jedenfalls auch der zur Zeit in der Flanke gesichertere ist, wenn das Gelände dort selbst günstige Aufstellung für eine weitere Artillerie-Abteilung bietet, meistens empfehlen, auch die im Gros
marschierende Abteilung des Artillerie -Regiments der Teten- Infanterie Division, welche zuerst eintrifft, auf diesem Flügel Stellang nehmen
zu lassen . – Hat aber die Avantgarde- Artillerie auf demjenigen Flügel der Avantgarde Stellung genommen, von
dem
aus
der
kommandierende General die spätere Durchführung des entscheidenden Infanterie-Angriffs beabsichtigt, so wird es sich fast immer empfehlen, die nahe der Tete des Gros marschierende Abteilung des Teten
Divisions-Artillerie -Regiments auf dem anderen Flügel der Avantgarde, sobald dieser in der Flanke genügend durch eigene Infanterie ge sichert ist, Stellung nehmen zu lassen , trotz des dadurch entstehenden
gröſseren Zwischenraums der beiden Abteilungen dieses Regiments. *) Der entscheidende Infanterie-Angriff wird gegen denjenigen Flügel des
Feindes gerichtet, durch dessen Überwältigung die gröſseren Vorteile erreicht werden, wenn zugleich auch gegen denselben die Ausführung thunlicher erscheint als gegen den anderen feindlichen Flügel. Ist letzteres nicht der Fall, so wird er gegen den feindlichen Flügel gerichtet werden, wo das Gelände und andere Um
stände seine Ausführung entschieden begünstigen. Denn noch wichtiger, als den Feind am strategisch für uns günstigen Punkt zu überwinden, ist ihn überhaupt zu überwältigen.
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee - Corps.
162
Denn hierdurch wird nicht nur der letztgenannte Flügel und hiermit auch die andere Seite der eigenen Anmarschstraſse gesichert, sondern auch die Aufmerksamkeit des Feindes von dem Flügel abgelenkt, auf welchem etwas später das Corps -Artillerie -Regiment und dann noch später das andere Divisions- Artillerie - Regiment Stellung nehmen .
Würde bereits das ganze Teten -Divisions -Artillerie- Regiment auf Befehl seines Infanterie- Divisions -Commandeurs, auf dem Flügel der Avantgarde Stellung genommen haben, von welchem aus der kommandierende General die Durchführung des entscheidenden
Infanterie -Angriffs beabsichtigt, so kann, eine auf dem anderen Flügel der Avantgarde gebotene Aufstellung von Artillerie am ein den beiden später
fachsten dadurch erreicht werden, daſs von
eintreffenden Artillerie-Regimentern das zuerst anlangende Corps Artillerie -Regiment dortselbst die Stellung angewiesen erhält. Die Ausführung der vom kommandierenden General
über die Artillerie getroffenen Verfügungen obliegt dem Brigade- Commandeur der Artillerie , dessen eigentliche Gefechtsthätigkeit hiermit beginnt. Hat das ganze Teten Divisions-Artillerie-Regiment bereits auf Befehl seines Infanterie Divisions-Commandeurs Stellung genommen , so wird dieser auch
dessen Commandeur über den Feind und die Gefechtslage aufgeklärt haben. Der Brigade-Commandeur der Artillerie wird dem Commandeur des Teten - Divisions - Artillerie- Regiments daher nur mitzuteilen haben ,
wo die beiden anderen Artillerie - Regimenter Stellung nehmen werden und ihn beauftragen, insbesondere diejenigen feindlichen Batterien, welche den Anmarsch des zunächst eintreffenden Artillerie -Regiments Wurde aber die Avantgarde Artillerie noch nicht von den zunächst der Tete des Gros marschierenden
belästigen können, zu bekämpfen .
übrigen Batterien ihres Regiments verstärkt, so sendet der Brigade Commandeur der Artillerie, während er sich selbst in die für diese
Batterien gewählte Feuerstellung begiebt, an den bis dahin im Stabe seines Infanterie - Divisions- Commandeurs befindlichen Comman
deur des Teten -Divisions-Artillerie-Regiments, den Befehl, wo rechts oder links der Avantgarde - Artillerie, beziehungsweise Avant garde der übrige Teil seines Regiments Stellung zu nehmen
habe. Dieser Regiments- Commandeur hat dann sofort mit seinem Stabe dahin reitend, nachdem er dortselbst von dem Brigade
Commandeur über den Feind und die Gefechtslage, sowie über die einzunehmende Feuerstellung und die bis zum Eintreffen des Corps
Artillerie-Regiments zu beschieſsenden Ziele orientiert wurde, alles
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
163
Übrige auf sein Regiment bezügliche, im Sinne der Weisungen seines Brigade-Commandeurs, bethätigen zu lassen. *) Bis zum Eintreffen des Corps- Artillerie -Regiments obliegt die Feuerleitung dem Commandeur des bereits in den Kampf getretenen Divisions-Artillerie-Regiments.. Dieser wird jeder seiner Abteilungen den ihr entsprechend gegenüber liegenden Teil der feindlichen Batterien, deren Bekämpfung ihm geboten erscheint, beziehungsweise vom Brigade- Commandeur besonders empfohlen ist, zuweisen .
Jede
Abteilung hat dann insbesondere Rücksicht zu nehmen, daſs, von den ihr zugewiesenen feindlichen Batterien, diejenigen thunlichst
bald mit Übermacht – 2 diesseitigen Batterien – bekämpft werden, welche den Anmarsch des Corps -Artillerie-Regiments beschieſsen
können oder deren baldmöglichste Niederkämpfung aus anderen Gründen geboten ist.
Sobald der Brigade-Commandeur dem Commandeur des Teten Divisions - Artillerie - Regiments die dessen Regiment betreffenden -
Befehle erteilt hat , besichtigt er die von den beiden anderen Artillerie - Regimentern einzunehmenden Feuerstellungen. Hierbei wird er auch, wenn beide nicht auf demselben Flügel der Avant
garde, sondern die eine rechts , die andere links derselben liegen , erkennen , welche derselben bereits in der äuſseren Flanke , durch
eigene Infanterie oder wenigstens laut den von der dort beobachtenden Kavallerie eingetroffenen Meldungen , die gesichertere ist **). Von * ) Im hügeligen Gelände muſs besonders darauf geachtet werden, daſs jene Bodenwelle längs welcher die ein treffende Artillerie Feuerstellung nehmen soll, von der noch in der Marschkolonne befindlichen Artillerie nicht überschritten
wird. Diese daher rechtzeitig die Weisung zugesendet erhält, hinter der deckenden
Bodenwelle, der Einsicht des Feindes entzogen, gegen die für sie beabsichtigte Feuerstellung von der Apmarschstraſse abzubiegen, oder wenigstens, gedeckt gegen die Einsicht des Feindes, auf der der Anmarschstraſse, deren eine Seite freilassend
zu halten bis bezüglich des Einrückens derselben in die für sie beabsichtigte Feuerstellung die nötigen Bestimmungen getroffen sind. Dasselbe ist zu beachten, wenn von im Anmarsche befindlicher Artillerie, vorwärts oder seitwärts sie der
Einsicht des Feindes entziehenden Gelände-Bedeckungen (Gehölzen, Gehöften u . s . w.] Feuerstellung zu nehmen ist.
**) Diese Rücksicht kann gebieten , das Corps- Artillerie- Regiment und auch das später eintreffende Divisions -Artillerie-Regiment der rückwärts marschierenden Infanterie-Division - und nötigenfalls selbst die Gruppen ( Abteilungen )] dieser
Regimenter – in nach rückwärts gehaltenen Staffeln ins Gefecht treten und dann erst allmählich bis in die Höhe des Artillerie-Regiments der bereits mit ihrer Avantgarde in den Kampf getretenen Infanterie -Division vorgehen zu lassen, wenn die äuſseren Flügel dieser Staffeln durch Truppen aus dem Gros, gegen feindliche
Unternehmungen gedeckt und die etwa dort stehenden feindlichen Abteilungen entsprechend zurückgedrängt worden sind.
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee -Corps.
164
dieser , liegen beide Feuerstellungen auf demselben Flügel der
Avantgarde von der letzterer näher liegenden Feuerstellung aus, sendet der Brigade- Commandeur einen seiner Offiziere an den Punkt der Anmarschstraſse, wo das zunächst eintreffende Corps-Artillerie Regiment diese verlassen muſs, und, wenn Eile geboten, über diesen hinaus zu dem genannten Regiment zurück, um dessen Commandeur zu ihm vorzubefehlen . Diesem Offizier obliegt zugleich die Erkundung des Anmarsch -Geländes und, falls letzteres nicht bis in die Feuer
stellung einen der Einsicht des Feindes entzogenen Anmarsch er möglicht , die Ermittelung der Geländestelle bis zu welcher ein solcher ausführbar ist.
Der Regiments - Commandeur läſst an dem ihm angegebenen Punkt , wo das Regiment die Anmarschstraſse zu verlassen hat, seinen Adjutanten zurück. Dieser hat die vom Offizier des Brigade Commandeurs ermittelte Richtung und Art, in welcher die Abteilungen
des Regiments von da ab, der Einsicht des Feindes entzogen, in die Feuerstellung gelangen können , den Abteilungs-Commandeuren zu übermitteln . Läſst sich bis in die Feuerstellung ein der Einsicht des Feindes entzogener Anmarsch nicht ermöglichen, so wird von
dem Regiments- Adjutanten die Geländestelle , bis zu welcher der vom Brigade- Commandeur zurückgesendete Offizier einen der Einsicht
des Feindes entzogenen Anmarsch ermittelt hat, sowie die Art, in welcher sich die Abteilungen dortselbst für das Betreten des vom Feinde eingesehenen Geländes in Bereitschaft * ) setzen sollen , den Abteilungs -Commandeuren übermittelt. Nachdem der Regiments -Commandeur, welcher sich mit dem vom Brigade- Commandeur zu ihm gesendeten Offizier rasch in die
Feuerstellung vorbegab , dortselbst von dem Brigade- Commandeur über die Gefechtslage unterrichtet wurde und ihm die zu beschieſsenden
Ziele angegeben sind , wird er den seinem Regiment zugeteilten Feuerstellungsraum bereiten und so, auf Grund eigener Kenntnis nahme, seinen Abteilungen die einzunehmende Feuerstellung zuweisen können .
Jeder Abteilungs-Commandeur muſs sich, seiner Abteilung voraus, zum Regiments-Commandeur in die Stellung vorbegeben, sobald er, * ) Ob diese Bereitschaft in Linie oder Abteilungs-Kolonnen oder Batterie Kolonnen u . s. w. zu nehmen ist , darüber entscheidet die Beschaffenheit, ins
besondere auch die Ausdehnung der sie der Einsicht des Feindes entziehenden Geländeteile ( Höhen, Gehölze u, s. w.). Mitunter , wie beim Vorbrechen aus Gehölzen, kann auch nur Halten, in Kolonne zu Einem, auf den durch dieselben führenden Wege geboten sein.
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
165
entsprechend der ihm vom Regiments-Adjutanten am Abzweigungs punkte von der Anmarschstraſse, berichteten Weisung des Regiments Commandeurs , Richtung und Art des Vormarsches der Batterien
seiner Abteilung festgesetzt hat. Würde ein gänzlich der Einsicht des Feindes entzogener Anmarsch bis in die Feuerstellung nicht zu ermöglichen sein, begiebt sich der Abteilungs -Commandeur, während seine Abteilung hinter dem, sie der Einsicht des Feindes entziehenden
Geländeteil in die Bereitschaftsstellung für das weitere Vorgehen übergeht, in die betreffende Stellung vor. Hierdurch läſst es sich ermöglichen , daſs — ohne Zeitverlust - den Abteilungs-Commandeuren von ihrem Regiments- Commandeur die erforderlichen Mitteilungen -
über die allgemeine Gefechtslage, die für ihre Abteilung bestimmte Feuerstellung und Ziele erteilt werden können. Sache des Abteilungs Commandeurs ist es dann , in dem ihm für seine Abteilung zu
geteilten Raume seine unterhabenden Batterien zweckentsprechend also auch jedenfalls mit gröſseren Zwischenräumen , etwa 50 Schritt, unter sich
-
aufzustellen .
Ob es sich »nun « mehr empfiehlt, daſs die Abteilungs-Comman deure zu ihren Abteilungen zurück reiten, um sie persönlich in die Feuerstellung einzuführen, oder ob vorteilhafter, auch die Abteilungs
Commandeure, wie der Regiments-Commandeur, in der Stellung vorn verbleiben und die Batteriechefs, ihren Batterien voraus , dahin befehlen lassen, hängt namentlich von der Beschaffenheit der von
der Abteilung einzunehmenden Feuerstellung und auch des Anmarsch Geländes ab .
Das Vorbefehlen der Batteriechefs in die einzunehmende Feuer
stellung empfiehlt sich stets, wenn das Gelände einen der Einsicht
des Feindes entzogenen Anmarsch gestattet. In diesem Falle wird der Abteilungs - Commandeur durch seinen Adjutanten, den Batterie chefs mit dem Befehle, welcher Richtung und Art des Marsches ihrer Batterien bestimmt, auch den zukommen lassen, sich, sobald ihre Batterien dementsprechend marschieren , zu ihm in die Feuer
stellung vorzubegeben. Geradezu geboten ist dieses Vorreiten der Batteriechefs, wenn die Beschaffenheit des Geländes der einzunehmenden Feuerstellung ungleiche Frontraum breiten und Zwischenräume der einzelnen Batterien , ja selbst der Geschütze dieser , bedingt. Ist hierbei ein der Einsicht des Feindes entzogener Anmarsch bis in
die Feuerstellung nicht ausführbar, so empfiehlt es sich , daſs die Batteriechefs, sobald ihre Batterien in der für das weitere Vorgehen bestimmten, der Einsicht des Feindes noch entzogenen Bereitschafts stellung ihren Aufmarsch begonnen haben , zum Abteilungs-Com
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee- Corps.
166
mandeur in die Feuerstellung vorreiten . In dieser kann dann der Abteilungs- Commandeur den Batteriechefs die nötigen Weisungen für die Aufstellung und das Ziel ihrer Batterie erteilen. Zu ihren
Batterien hierauf wieder zurückreitend , können die Batteriechefs dann selbst die entsprechendste nähere Art und Weise für das Vor führen ihrer Batterie in die Feuerstellung erkennen .
Aber auch in
diesem Falle müssen die Batterien einer Abteilung gleichzeitig von den Batteriechefs in die Feuerstellung eingeführt werden , da ein batterienweises Vorwerfen innerhalb der einzelnen Abteilungen und das batterienweise Feuereröffnen sich nie empfiehlt.
Ein Zurückreiten des Abteilungs-Commandeurs aus der gewählten Feuerstellung *) in die vor dem Betreten des vom Feinde eingesehenen
Geländes genommene Bereitschaftsstellung der Abteilung, um diese, welche inzwischen die den Gelände - Verhältnissen entsprechendste Gliederung für den weiteren Vormarsch vollzogen bat, persönlich in die Feuerstellung vorzuführen, wird sich nur bei einem Vorrücken in ganz freiem , unbedeckten – exerzierplatzartigen Gelände in
eine in gewohnter Weise zu besetzende Feuerstellung empfehlen. Aber auch bei diesem Einführen in die Feuerstellung werden nicht
nur der Abteilungs - Commandeur , sondern auch die Batteriechefs, sobald die Abteilung aus den Batterie -Kolonnen in Front auf marschiert ist, den im Trabe vorrückenden Geschützen weit voraus in die einzunehmende Feuerstellung vorreiten und, jenseits derselben eingetroffen , Front gegen ihre anmarschierenden Batterien nehmen.
Jeder Batteriechef bezeichnet dabei durch seine Aufstellung die Mitte der ihm vom Abteilungs-Commandeur, während des Vorreitens, für seine Batterie zugewiesenen Feuerstellung. Jede Batterie nimmt nun die Richtung auf ihr 4. Geschütz, das seinerseits seinen vor geschriebenen Zwischenraum von seinem Zugführer, der die Marsch richtung auf den Batteriechef einschlägt, einhält. –
Der Regiments-Commandeur wird bestrebt sein , daſs seine beiden Abteilungen gleichzeitig oder wenigstens kurz nacheinander , und dann in der Regel die sich zunächst an die Avantgarde, beziehungs weise schon stehende Artillerie, anlehnende Abteilung zuerst , ihre Feuerstellungen erreichen . Können nach Lage der Gefechts verbältnisse, noch nicht beide Abteilungen des Regiments auf gleiche Höhe mit einander genommen , sondern muſs die auf den äuſseren
Flügel zu stehen kommende Abteilung anfänglich in Staffel zurück gehalten werden , so ergiebt sich daraus ein abteilungsweises Ein *) In welcher dann der Abteilungs-Adjutant verbleibt.
167
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
rücken von selbst , mitunter wohl auch derart , daſs die auf dem äuſseren Flügel vorgehende Abteilung ibre Feuerstellung , wegen
des bis dahin zurückzulegenden kürzeren Weges, zuerst erreicht und dadurch zugleich auch das über ihre Stellung hinaus erfolgende weitere Vorgehen der anderen Abteilung deckt. Im Falle die Avantgarde , beziebungsweise das bereits in den Kampf getretene Divisions - Artillerie- Regiment, dringend schneller Artillerie - Verstärkung bedarf, wird es sich empfehlen , die an der Tete des Corps- Artillerie- Regiments marschierende Abteilung, be ziehungsweise die reitende Batterie dieses Regiments , der anderen Abteilung, beziehungsweise den Feldbatterien des Regiments voraus,
thunlichst beschleunigt in die Feuerstellung einrücken zu lassen . Von dem Augenblicke ah, in welchem ein 2. Regiment (Corps
Artillerie-Regiment] Feuerstellung genommen hat, obliegt die Leitung des Artilleriekampfes dem Brigade- Commandeur der Artillerie. Von der gesamten bis dahin aufgetretenen feindlichen Artillerie über weist derselbe jedem seiner Regimenter den entsprechend gegenüber befindlichen Teil zur Bekämpfung. Hierbei empfiehlt sich, Abgrenzung der feindlichen Artillerielinie nach einem leicht erkennbaren Gelände
Merkmale und zwar so, daſs dem Regiment, welches die gefährlicheren oder wichtigeren feindlichen Batterien zu bekämpfen hat, der kleinere
der beiden Teile zugewiesen wird. Treten während des Artillerie kampfes neue feindliche Batterien auf, so fällt deren Bekämpfung, wenn sie zwischen den schon stehenden feindlichen Batterien ein
rücken , dem Regiment zu , dem der Raum , in welchem sie auf treten, zugewiesen ist. Verlängern die neu auftretenden Batterien die feindliche
Artillerielinie auf einem Flügel und zwar denjenigen, gegen welchen unser Hauptangriff sich richten will , so kann deren Bekämpfung,
wenn ihr Auftreten mit dem Eintreffen des Artillerie - Regiments unserer rückwärtigen Infanterie- Division zusammenfällt, diesem vom Brigade- Commandeur zugewiesen werden.
Ist aber dieses Regiment
noch nicht eingetroffen oder findet die Verlängerung der feindlichen Artillerielinie auf dem anderen Flügel statt, so wird der Brigade Commandeur die Bekämpfung der neu auftretenden feindlichen
Batterien dem Regiment zuweisen, dem gegenüber die Verlängerung der feindlichen Artillerielinie stattfindet. Wogegen dann ein ent
sprechender Teil der diesem Regiment seither zur Bekämpfung zugewiesenen feindlichen Artillerielinie
vom Brigade-Commandeur dem anderen Regiment von nun an mit übertragen wird.
Jedes Regiment hat in dem ihm zugewiesenen und entsprechend
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee -Corps.
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an seine Abteilungen verteilten Teil der feindlichen Artillerielinie stets vor Allem jene feindlichen Batterien bekämpfen zu lassen deren Niederkämpfung besonders geboten erscheint. Die von dem am tiefsten in der Marsch kolonne befindlichen
Divisions- Artillerie-Regiment der rückwärtigen Infanterie - Division
einzunehmende Feuerstellung hat der Brigade-Commandeur gleich zeitig oder unmittelbar nach der für das Corps -Artillerie -Regiment bestimmten Feuerstellung besichtigt.
Sobald die Feuerstellung für
dieses 3. Regiment in ihrer äuſseren Flanke durch eigene Infanterie oder wenigstens, laut den von der dort beobachtenden Kavallerie
eingetroffenen Meldungen , genügend gesichert erscheint, läſst der Brigade -Commandeur die Heranbolung dieses Regiments durch einen seiner Offiziere in ähnlicher Weise , wie vorstehend bezüglich des
Corps- Artillerie-Regiments des Näheren angegeben wurde bethätigen. Je eber dieses geschehen kann , desto günstiger ist es, und wird für dieses Regiment, noch häufiger wie für das Corps-Artillerie -Regiment, das Vorziehen im Trabe anbefohlen werden müssen .
Bezüglich
Einweisung des Commandeurs dieses Regiments in die für dasselbe bestimmte Feuerstellung, sowie bezüglich des gesamten Einrückens dieses Regiments, beziehungsweise seiner Abteilungen, in die Feuer stellung, findet das früher beim Corps -Artillerie -Regiment erwähnte » Seite 164–166 « entsprechende Anwendung . Nach Eintreffen dieses Regiments wird jedem der 3 Regimenter
vom Brigade- Commandeur der ihm entsprechend gegenüber liegende Teil der feindlichen Artillerielinie zur Bekämpfung zugewiesen, nach leicht erkennbaren Gelände - Merkmalen abgegrenzt . Seinen Aufenthalt wählt der Brigade - Commandeur nur unter
Beachtung des vorstehend » Seite 157 « Gesagten. Ganz besonders günstige Verhältnisse gehören dazu , wenn die
beiden später in den Geschützkampf eintretenden Artillerie - Regimenter, gleich von Anfang an, näher als das zuerst in den Kampf getretene Artillerie-Regiment an den Feind , beziehungsweise gar auf eine entscheidende Entfernung – etwa 2000 m , – an die Verteidigungs Artillerie genommen werden können. In vielen Fällen verbietet sich das schon durch die noch im Vorgelände vor ihrer Artillerie
befindlichen feindlichen Infanterie-Abteilungen . *)
Es
kann dann
*) Wenn es aber möglich wäre , die Artillerie oder eine Gruppe [Regiment] derselben , von Hause aus auf entscheidende Entfernung von der Verteidigungs
Artillerie, aber noch mindestens 1500 m von der feindlichen Infanterie entfernt, vorzunehmen , so dürfte es nicht versäumt werden.
Denn das Muster für eine
Artilleriestellung ist, daſs sie möglichst lange beibehalten werden kann.
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
169
zunächst nur angestrebt werden , die beiden später ins Gefecht tretenden Artillerie-Regimenter, wenn nicht gleich , so doch bald thunlichst ,> auf etwa gleiche Höhe mit dem zuerst in den Kampf
getretenen Artillerie-Regiment zu bringen . Wohl in den meisten Fällen wird , nach Entwickelung der
gesamten diesseitigen Artillerie , dieselbe auf 2400 m , wenn nicht
noch mehr Entfernung der Artillerie des Verteidigers frontal gegen über stehen .
Die einzelnen Regimenter , vielleicht auch die Abteilungen derselben , sind geschützt durch die Infanterie der Avantgarde and der zu diesem Behufe aus dem Gros vorgeschobenen Infanterie Abteilungen, der äuſsere etwa nicht an Infanterie angelehnte Flügel der Artillerie jedenfalls durch Kavallerie. *)
Nachdem durch den begonnenen Artilleriekampf das Feuer der
feindlichen Artillerie von der diesseitigen Infanterie abgelenkt ist, wird sich diese thunlichst weit möglichst bis an die Grenze des gegen den Feind wirksamen Infanteriefeuers etwa 1200 m -
vorschieben und dort , zum Schutze der in den meisten Fällen nunmehr erst auf entscheidende Entfernung vorrücken könnenden
Das Vorgehen der Artillerie auf wirksamere
Artillerie festsetzen .
[ entscheidende] Entfernung, mithin etwa 2000 m von der feindlichen Artillerie , aber noch mindestens 1500 m von der feindlichen In
fanterie entfernt, wird zweckmäſsigerweise jedoch erst dann er folgen ,** ) wenn der kommandierende General sich endgültig schlüssig gemacht hat , wohin der Hauptangriff mit der Infanterie gerichtet werden soll , damit die Artillerie ihre neue Feuerstellung auch gleich so wählen kann , daſs sie diesen Hauptangriff am besten 9
mit ihrem Feuer vorzubereiten und zu unterstützen vermag . *) Ist das Gelände von diesem äuſseren Flügel aus, „ weithin nach vorwärts und seitwärts “ übersichtlich, so kann die Artillerie, sobald sie in der Feuerstellung ihr Feuer eröffnet hat , sich selbst durch dieses schützen.
Vor übereiltem Vor
werfen der Artillerie nach einem nicht , durch eigene Infanterie oder wenigstens durch weit ausgeholte Beobachtung von dann jedenfalls vorher daselbst eingetroffen sein müssender Kavallerie, geschützten Flügel kann nicht genug gewarnt werden, da die Artillerie, ehe sie abgeprotzt und die Entfernung ermittelt hat, wehr los ist.
**) Im Falle die feindliche Artillerie, um den möglicher Weise ebenfalls im
Sinne ihrer Gefechtsleitung liegenden Angriff vorzubereiten , mit dem Vorrücken ihrer Artillerie früher beginnen würde als die diesseitige Artillerie, handelt es sich für letztere darum , dieses Vorrücken möglichst zu erschweren. Die hierfür
nötigen Anordnungen nähern sich den im Folgenden, bei der „ Verteidigung“ betrachtet werdenden.
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee- Corps.
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Sobald dann vom kommandierenden General der Befehl für
das Vorrücken der Artillerie erteilt ist, läſst der Brigade -Commandeur
der Artillerie die unterhabenden Regimenter, in der den Verhältnissen entsprechendsten Reihenfolge, in die von ihm inzwischen für die Durchführung des Artilleriekampfes und für die Vorbereitung des Infanterie - Angriffes gewählte neue [nähere] Feuerstellung vorgehen. Wenn hierdurch das Feuer der anderen Artillerie - Regimenter aus der noch innehabenden Feuerstellung nicht beeinträchtigt wird , so
empfiehlt es sich , das Artillerie-Regiment der für den Haupt angriff bestimmten Infanterie -Division zuerst in die neue Feuer
stellung und zwar nach jenem Flügel derselben vorgehen zu lassen, wo dasselbe seiner Infanterie-Division am nächsten , also zunächst
deren inneren Flügel zu stehen kommt.
Würde aber , durch das
Zuerstvornehmen dieses Regiments , das Feuer der anderen Regi menter aus der noch inne babenden Feuerstellung beeinträchtigt
werden , so läſst der Brigade-Commandeur die Regimenter , in der
sich hiernach ergebenden Reihenfolge, *) so in die neue Feuerstellung vorgehen, daſs in dieser, das zu der für den Hauptangriff bestimmten
Infanterie - Division gehörige Artillerie-Regiment dieser Division am nächsten , an dasselbe anschlieſsend das Corps- Artillerie- Regiment und dann erst das andere Divisions -Artillerie- Regiment, mithin auch dieses zunächst seiner Infanterie - Division zu stehen kommt.
Der Brigade -Commandeur erteilt den Befehl, für den Beginn
und die Reihenfolge des Vorgehens der Regimenter, nach dem von ihm für sie bestimmten, den Regiments-Commandeuren bereits früher mitgeteilten Teil der neuen Feuerstellung, in welcher er sich einen
neuen eutsprechenden Aufstellungsplatz, von welchem aus er ins besondere auch die für den diesseitigen entscheidenden Infanterie
Angriff gewählten Teil der feindlichen Stellung gut übersehen kann, wählt. Die weitere Ausführung des Vorrückens ist Sache der Regiments -Commandeure , welche bereits vorher durch die ihnen
untergebenen Abteilungen den für diese am besten entsprechenden - thunlichst der Einsicht des Feindes entzogenen — Anmarschweg in die neue Feuerstellung haben ermitteln lassen , und nun in schnellster Gangart, ihrem Regiment voraus, dahin reiten, um dort die nähere Aufstellung für ihre Abteilungen festzusetzen und das Gefecht im Auge zu behalten . *) Wobei es auch vorteilhaft ist, das Regiment, beziehungsweise die Abteilung
desselben , zuerst in die neue Feuerstellung vorgehen zu lassen, das , beziehungs weise dessen eine Abteilung , dieses Vorgehen uneingesehen vom Feinde be thätigen kann.
171
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
Jedes Artillerie-Regiment wird in der Regel sein Vorgehen in
Staffeln (Abteilungen ) ausführen. Nachdem der betreffende Abteilungs Commandeur seine Abteilung , in der bereits vorher für die Aus führung des Vorrückens ermittelt gewordenen entsprechendsten, thunlichst der Einsicht des Feindes entzogenen Richtung in Bewegung
gesetzt hat, begiebt er sich , dieser voraus, rasch in die nene Feuer stellung. In dieser erhält er vom Regiments -Commandeur den Raum für die Aufstellung seiner Abteilung und die Ziele für dieselbe angegeben . Hiernach kann er dann den Batteriechefs, welche sich ,
sobald sie das Vorrücken ihrer Batterie, im Sinne der Weisung ihres Abteilungs-Commandeurs in Gang gesetzt haben, rasch zu ihm
in die neue Feuerstellung vorbegeben, den für ihre Batterie treffenden Aufstellungsraum und das Ziel zuweisen. Während der Abteilungs Commandeur in der Feuerstellung verbleibt, reiten dann die Batterie chefs zu ihren sich inzwischen annähernden Batterien zurück und
führen diese persönlich in die für sie bestimmte Feuerstellung ein.
Die jeweilig stehende Abteilung des Regiments hat ihr Feuer gegen diejenigen der seither dem Regiment zur Bekämpfung zugewiesenen feindlichen Batterien zu richten, welche durch ihr Feuer die vor
gehende Abteilung belästigen können . Dieses werden hauptsächlich diejenigen feindlichen Batterien sein , mit welchen die vorgehende Abteilung seither kämpfte. Wenn das Vorrücken eines Regiments, beziehungsweise seiner
Abteilungen, nicht im Gelände gedeckt, dem Feuer einer gröſseren Zahl feindlicher Batterien ausgesetzt, bethätigt werden muſs, empfiehlt es sich , daſs der Commandeur des nebenstehenden Regiments -
nötigenfalls auch ohne den Befehl des Brigade -Commandeurs hierzu abzuwarten - die dieses Vorrücken erschweren und nicht bereits
von der stehenden Abteilung des vorrückenden Regiments beschossenen feindlichen Batterien, von den Abteilungen seines Regiments, welche dorthin richten können, beschieſsen läſst. Müssen mit dem Stellungswechsel Seitwärts -Bewegungen ver
bunden werden , so protzt die betreffende Abteilung, nachdem sie die Geschütze hinter die deckende Bodenwelle zurückgebracht hat, zum Zurückgehen auf, geht hinter der deckenden Bodenwelle in der geschlossenen Zugkolonne — nötigenfalls auch Kolonne zu Einem 1. Staffel stets unmittelbar am Schlusse ihrer Batterie, fort und dann später zur Front in der neuen Richtung über. Sind alle 3 Regimenter
in die neue [nähere] Feuerstellung vorgerückt, so hat jedes wieder den ihm vom Brigade-Commandeur zuzuweisenden Teil der feind lichen Artillerielinie zu bekämpfen .
bier deren Aufgaben im Verbande eines Armee -Corps.
172
Auch jetzt muſs im Allgemeinen noch an einer frontalen Be kämpfung und Beschäftigung der gesamten Verteidigungs- Artillerie, auf der ganzen Linie , festgehalten werden . Indem , wie schon mebrfach erwähnt , der Brigade - Commandeur jedem Artillerie Regiment den ihm entsprechend gegenüber liegenden Teil der feind lichen Artillerielinie als Ziel zuweist .
Jedoch wird , sobald im Laufe
des Geschützkampfes das eine oder das andere Regiment , durch Niederkämpfen der ihm zur Beschieſsung zugewiesenen feindlichen
Artilleriegruppe, die ihm erteilte Aufgabe mehr oder weniger gelöst hat , der Artillerie-Brigade-Commandeur das betreffende Regiment anweisen , das Feuer seiner beiden Abteilungen, oder einer derselben , nunmehr mit dem des Regiments, für welches Unterstützung geboten
erscheint, auf die von diesem beschossene feindliche Artilleriegruppe zu vereinigen. Dieser Befehl muſs den beiden betreffenden Regimentern mitgeteilt werden . Bevor ein Regiment oder eine Abteilung desselben das Feuer
auf die ihm als neues Ziel zugewiesene feindliche Artilleriegruppe aufnimmt, muſs der Regiments- beziehungsweise Abteilungs Com mandeur bei dem Regiment beziehungsweise Abteilung , welches diese Gruppe seither schon bekämpft, erholen lassen , welche insbesondere der ihr lästigen Batterien genannter feindlicher Gruppe zur Zeit etwa noch gar nicht oder nur von einer Batterie beschossen werden. Gegen jede dieser feindlichen Batterien wird
er dann, unter Beachtung der vom anderen Regiment, beziehungs weise Abteilung, bereits gegen dieselbe ermittelten Entfernung, von je einer seiner Batterien mit Granaten die Entfernung feststellen lassen und dann , unter Feuerverteilung auf die ganze feindliche Batterie mit Shrapnels oder, wenn die betreffende feindliche Batterie bereits von einer Batterie des anderen Regiments mit Shrapnels beschossen wird, mit Granaten fortsetzen lassen *).
Gegen eine bereits von 2 Batterien des anderen Regiments beschossene feindliche Batterie empfiehlt es sich , das Feuer einer weiteren diesseitigen Batterie und zwar mit Granaten erst dann auf nehmen und nach Feststellung der Entfernung, unter Feuerverteilung auf die ganze Batterie, durchführen zu lassen , nachdem die beiden *) Hierdurch läſst sich kreuzendes Feuer gegen die betreffenden feindlichen Batterien erzielen. Ob in dieser Weise zu verfahren oder, von der mit Übermacht
zu bekämpfenden feindlichen Artilleriegruppe, ein Teil dem nun auch gegen sie feuernden diesseitigen Regiment zuzuweisen ist, so daſs dem seither gegen diese Artilleriegruppe feuernden Regiment nur der übrige Teil dieser Gruppe zur Be kämpfung verbleibt, hängt von den Umständen ab.
Zur Ausbilduug der Feldartillerie,
173
anderen Batterien dieselbe mit Shrapnels, unter Feuerverteilung auf je eine Hälfte derselben , beschieſsen, um so die Auseinanderhaltung
und Beobachtung der eigenen Schüsse thunlichst zu ermöglichen. In der Regel wird jedoch gegen eine bereits von 2 diesseitigen Batterien beschossene feindliche Batterie nur dann das Feuer einer
3. diesseitigen Batterie gerichtet werden, wenn alle übrigen thätigen – insbesondere die lästigen - Batterien der zugewiesenen feind lichen Gruppe bereits mit 2 diesseitigen Batterien beschossen werden
oder die Überwältigung der betreffenden feindlichen Batterie besonders geboten erscheint.
Schon während, jedenfalls aber gegen Ausgang des Geschütz kampfes müssen die Entfernungen nach besonders wichtig erscheinen den Punkten der feindlichen Stellung ermittelt werden . Namentlich bei Erlahmen des feindlichen Feuers gewinnen die Regimenter, be
ziehungsweise die Abteilungen derselben , Zeit , nach im Gelände hervortretenden Punkten in und vor dem ihnen zur Bekämpfung zugewiesenen Teil der feindlichen Artillerielinie, von einer oder der
anderen Batterie, die Entfernung mit Granaten erschieſsen zu lassen . In dem stundenlang hin- und herwogenden Artilleriekampf werden sich öfters auch andere als Artillerie -Ziele den diesseitigen
Regimentern darbieten. Hauptaufgabe ist und bleibt aber für jetzt die Niederkämpfung der feindlichen Artillerie. Deshalb werden während desselben nur über die feindliche Artillerielinie zum Angriff
vorgehende Truppen von dem diesseitigen Regiment, beziehungsweise der Abteilung desselben, beschossen werden, in deren Zielbereich sie auftreten .
z. B. im Raume vor den 2 bis 3 feindlichen Batterien,
deren Bekämpfung der 2. Abteilung 1. Divisions-Artillerie -Regiments zugewiesen ist, erscheinen 2 Kompagnien feindlicher Infanterie, um
gegen einen vor ihrer Artillerie liegenden Gelände-Gegenstand vor zugehen. Von den beiden Batterien dieser Abteilung, welche gerade zusammen eine feindliche Batterie bekämpfen, kann sofort die mit Granaten schieſsende das Feuer gegen die vordringende feindliche
Infanterie aufnehmen . Auſserhalb der Flügel der feindlichen Artillerie linie vorbrechende feindliche Truppen [ Infanterie oder Kavallerie] werden von der ihnen entsprechend gegenüber befindlichen dies seitigen Flügel -Abteilung , nötigenfalls, wenn sie eine groſse Breite einnehmen , die gestattet jeder Batterie einen Teil derselben , ohne Behinderung der Beobachtung der eigenen Schüsse, zuweisen zu können , mit 2 beziehungsweise allen 3 Batterien beschossen. In letzterem Falle wird die andere Abteilung dieses Regiments gegen diejenigen der den beiden Abteilungen des Regiments zur Be
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee- Corps.
174
kämpfung zugewiesenen feindlichen Batterien ihr Feuer richten , deren Niederhaltung am gebotensten erscheint. *) Nachdem im Artilleriekampfe entschieden die Oberhand über die feindliche Artillerie gewonnen ist, hat der Artillerie-Brigade Commandeur seine erste und wichtigste Gefechtsaufgabe gelöst. Von da ab muſs er sein Augenmerk vor Allem auf denjenigen Flügel die Mitte, wenn ausnahmsweise ein Durchbruch der feindlichen
Stellung beabsichtigt ist – richten, gegen welchen der Hauptangriff anserer Infanterie erfolgen soll. Nicht nur der für den Einbruch gewählte Teil der feindlichen Stellung sondern auch der Zeitpunkt, wann dessen Beschieſsung beginnen soll, muſs durch die Gefechts
leitung dem Artillerie -Brigade -Commandeur auf das Genaueste be zeichnet werden. Dieser Zeitpunkt ist gegeben, sobald es der dies
seitigen Artillerie gelungen ist, eine unverkennbare Überlegenheit über die feindliche Artillerie zu erlangen. Tritt diese Überlegenheit bereits vor dem vollendeten Aufmarsch der zum Hauptangriff he stimmten Infanterie ein, so bleibt der Artillerie um so mehr Zeit,
den eine erhebliche räumliche Ausdehnung besitzenden Teil der feindlichen Stellung, gegen welchen unser Hauptangriff sich richtet, unter Feuer zu nehmen. Dagegen wird die zum Hauptangriff be stimmte Infanterie zu diesem erst dayn mit Aussicht auf Erfolg
antreten können , wenn die diesseitige Artillerie die Überlegenheit über die feindliche Artillerie gewonnen hat und nun wenigstens, während des mindestens / Stunde Zeit erfordernden Vorgehens dieses Angriffs, den Teil der feindlichen Stellung, gegen welchen er sich richtet, unter wirksames und lebhaftes Feuer nehmen kann .
In jedem Falle muſs aber spätestens von dem Augenblicke an , in welchem die zum Hauptangriff bestimmte Infanterie denselben beginnt , die Artillerie ihr Feuer gegen den Teil der feindlichen Stellung , gegen welchen er sich richtet , aufnehmen.
Sobald der Befehl der Gefechtsleitung zur Beschieſsung des an
zugreifenden Teils der feindlichen Stellung erteilt ist, läſst der Artillerie - Brigade -Commandeur den thunlichst gröſsten Teil der *) Geht der Gegner zum entscheidenden Angriff mit seiner Infanterie gegen ans vor , ehe wir selbst unseren Infanterie -Angriff begonnen haben , so handelt es
sich für die diesseitige Gefechtsleitung darum , diesen Angriff abzuwehren. Vom Brigade- Commandeur der Artillerie wird dann mindestens einem Regiment die vorgehende feindliche Infanterie als Ziel zugewiesen. Wie hierbei von Seite der Artillerie zu werden . Jahrbücher
verfahren ist , wird im Folgenden , eingehender betrachtet
die Deutsche Armee und Marine,
Bd . LXX., 2.
12
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
175
Artillerie sein Feuer dahin richten .
Das bereits Seite 137 erwähnte,
vorher erfolgte Ermitteln der Entfernung nach verschiedenen Punkten der feindlichen Stellung wird sich hierbei für rasche Wirkung sehr vorteilhaft erweisen .
Das ganze der Angriffs-Infanterie- Division zunächst stehende
Artillerie-Regiment, welches sehr vorteilhaft deren Divisions-Artillerie Regiment ist, dann aber auch das an dieses sich anreihende Artillerie Regiment [Corps-Artillerie-Regiment), dieses wenigstens mit allen Batterien , welche nach dem anzugreifenden Teil der feindlichen Stellung ( Einbruchstelle) richten können, werden daher vom Brigade Commandeur mit Beschieſsung der Einbruchstelle beauftragt. Hierzu weist er jedem dieser beiden Regimenter, den von demselben unter Feuer zu nehmenden Teil des anzugreifenden feindlichen Stellungs raumes zu, abgegrenzt nach einem leicht erkennbaren Gelände
Merkmale, unter Beachtung der Zahl ihrer dabin feuerp könnenden Abteilungen beziehungsweise Batterien. Das Feuer dieser den Hauptangriff vorbereitenden beiden Artillerie
Regimenter leitet der Brigade-Commandeur, daher wird er auch von
nun ab, seinen seither in oder besser vor der Mitte der gesamten diesseitigen Artillerielinie gewählten Standpunkt näher dem inneren Flügel der zum Hauptangriff bestimmten Infanterie - Division so
wählen , daſs er die Wirkung seiner Artillerie gegen den anzugreifenden Teil der feindlichen Stellung, das Vorschreiten des Angriffs der eigenen Infanterie und die vom Feinde dagegen unternommenen Bewegungen möglichst gut übersehen kann. Während die für den entscheidenden Angriff bestimmte Infanterie Division ihren Aufmarsch vollendet und in ihrer äuſseren Flanke
durch die Kavallerie gedeckt wird , müssen die in der Front stehenden Truppen – Infanterie der Avantgarde – den Gegner beschäftigen und festhalten .
Dem zunächst der Avantgarde stehenden Artillerie- Regiment, welches vorteilhaft das Divisions-Artillerie-Regiment der Infanterie Division ist, welcher die Avantgarde entnommen ist, obliegt nach Beginn des entscheidenden Infanterie-Angriffs im Vereine mit jenen
Batterien des mittleren [ Corps-) Artillerie-Regiments, welche nach dem anzugreifenden Teil der feindlichen Stellung nicht richten können , die Beschäftigung des Gegners in der Front, insbesondere
aber die Bekämpfung der gegen unseren Hauptangriff thätigen feindlichen Batterien . Vor allem werden jene feindlichen Batterien, welche unseren Hauptangriff flankieren können , sowie feindliche Truppen , welche in der Bewegung gegen den von uns anzugreifenden
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee - Corps.
176
Teil der feindlichen Stellung sichtbar werden zu beschieſsen sein. Die Feuerleitung über diesen Teil der Artillerie wird von nun ab, dem Commandeur des zunächst der Avantgarde stehenden Artillerie
Regiments im Allgemeinen selbstständig zufallen, da der Brigade Commandeur der Artillerie das Feuer der den Hauptangriff vor bereitenden beiden Artillerie -Regimenter persönlich leitet.
Die mit der Ausführung des Entscheidungsangriffs beauftragte Infanterie - Division bedarf auch zu dessen Durchführung der Unter
stützung der Artillerie. Diese wird am besten ermöglicht, wenn das zu dieser Division gehörige Artillerie-Regiment, nach Beginn der Ausführung des Ent scheidungsangriffs der Infanterie, unter den unmittelbaren Befehl des betreffenden Divisions-Commandeurs zurücktritt, und von nun ab im Verbande mit seiner Infanterie -Division kämpft. Deshalb
empfiehlt es sich auch, diesem Regiment in der zur Durchführung des Artilleriekampfes gewählten Feuerstellung den zunächst seiner Division befindlichen Platz einnehmen zu lassen. *) Von hier aus kann dieses Regiment im Vereine mit dem ihm
nächststehenden [Corps-] Artillerie-Regiment , unter Leitung des Brigade-Commandeurs, das Vorschreiten des Angriffs seiner Infanterie Division, durch Beschieſsung des Teils der feindlichen Stellung, gegen welchen sich der Angriff seiner Division richtet, am Besten unterstützen . Von hier aus kann dasselbe auch , sobald es später nötig wird, am
leichtesten und raschesten, in eine von seinem
Divisions-Commandeur für nötig erachtete, den Angriff der Infanterie Division, durch Beschieſsung des anzugreifenden Teils der feindlichen Stellung und der etwa zum Gegenangriff vorgehenden feindlichen Abteilungen noch besser unterstützende, dem Feinde nähere und erforderlichenfalls zwischen den Brigaden dieser Division gelegene, jedoch jedenfalls noch über 1000 m vom Feinde entfernte Feuer (Schluſs folgt.) stellung gelangen. *) Im Falle eines der beiden anderen Artillerie -Regimenter den Platz zunächst
der den Hauptangriff ausführenden Infanterie - Division in der Feuerstellung ein nehmen sollte, würde es wohl noch am einfachsten sein, dieses Regiment nach
Beginn der Ausführung des Hanptangriffs der Infanterie, unter den unmittelbaren Befehl des Commandeurs der diesen Angriff bethätigenden Infanterie- Division treten and von nun ab im Verbande mit dieser Division kämpfen zu lassen .
12 *
XIV . Der Einfluſs des Wurffeuers
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung. Von
V. Sauer, königl. bayer. Generallieutenant,
(Schluſs.)
Das zweite Kapitel des » Einflusses des Wurffeuers « ist der Einrichtung der Lagerfestungen « gewidmet und beginnt wieder mit einer Besprechung der » Vorschläge des Generals V. Sauer « . Es sind damit die Gedanken gemeint , welche ich in den » Taktischen Untersuchungen über neue Formen der Befestigungskunst « ent wickelt habe. Brialmont bekämpft im Wesentlichen die tech nischen Einzelheiten meiner Vorschläge und legt sich dieselben dabei wohl etwas anders zurecht , als ich mir sie je gedacht habe. Völlig und endgültig ausgesprochen darüber habe ich mich ja nie, schon aus dem einfachen Grunde , weil ich nicht zum Festungs baumeister berufen bin. Der Weg , auf welchem ich zu meinen
Vorschlägen über » neue Formen der Befestigungskunst « gelangte, war einfach folgender. Ich hatte meine Gedanken über > Angriff und Verteidigung « veröffentlicht und darin die ehedem geltenden Anschauungen über die Widerstandskraft damaliger Festungen bekämpft. Was war natürlicher , als daſs ich mir selber die Frage stellen muſste: wie ich denn über die beste Erhöhung jener Wider standskraft dächte ? die Antwort, die ich darauf fand , ist in den >
» taktischen Untersuchungen « enthalten und taktisch will ich diese Antwort auch gerne vertreten.
Sie lautet dahin , daſs selbst ein
Gürtel technisch bester Vorwerke eine Festung dann noch nicht vor gewaltsamen Angriffen schütze, wenn der Gürtel Lücken habe, welche durchstoſsen werden können .
Diese Lücken wollte ich aus
füllen und dadurch die heutigen Vorwerksgürtel wieder ebenso undurchdringlich machen , wie ihre Vorgänger zur Kugelzeit es waren . Ganz dasselbe will — in gewissem Sinne jeder heutige Festungsbaumeister, mit dem einzigen Unterschiede nur , daſs ich -
die sämtlichen , durchstofsbaren Lücken schon im Frieden und
Der Einfluſs des Wurffeners a, 8. W.
178
durch Befestigungen schlieſsen möchte , die – einmal das Minimum von Besatzungskräften erfordern und dann , unter dem heutigen Geschützfeuer so wenig als möglich leiden dürften. Andere meinen : es genüge, die zugänglicheren und allzugroſsen
(meilenlangen) Lücken durch Zwischenwerke (auf Stundenlänge) zu verkleinern , diejenige derselben aber, welche der Gegner wirklich — nicht gewaltsam , sondern förmlich angreifen werde , erst in diesem Falle selbst und zwar dadurch zu schlieſsen, daſs man sie mit Verteidigungs batterien und Laufgräben besetze. Mir sind diese Vorschläge nicht sicher genug ; denn sie haben einen Gegner zur Voraussetzung, wie ihn zwar jede Verteidigung wünschen, wie er ihr aber doch nicht immer zu Diensten stehen wird .
sind nämlich nur für einen > förmlichen « oder
Sie
schulgerechten
Angriff, keineswegs aber für einen »abgekürzten « oder » gewalt samen « berechnet.
Mit dem förmlichen Angriffe haben sich
meine Vorschläge wohl nur beschäftigt: seine Lehren sind ja längst bekannt.
Hinsichtlich des gewaltsamen Angriffes aber , glaube
ich, daſs ein Belagerer, welcher den Vorwerksgürtel durchstoſsen will , vermutlich dieser Absicht entsprechend gerüstet sein wird. In solchem Falle verrät er die Lücken schwerlich schon vorher,
gegen welche er seine Unternehmungen zu richten gedenkt, *) und wenn er dieselben richtig wählt , so hält ihn auch ein Zwischen werk ebensowenig auf, wie die Forts, die er taktisch nieder kämpfen muſs, um seine Zwecke erreichen zu können . Ich denke
nun allerdings, daſs die vollste Sicherheit vor jedem gewaltsamen Angriffe eine erste Grundbedingung für jede Festungsanlage bilde
und halte diese Sicherheit nicht gegeben, wenn nur die Forts und Zwischenwerke, nicht aber auch die Lücken , unbedingt » sturm sind . Darum habe freic – im taktischen Sinne wenigstens
ich also Einrichtungen vorzuschlagen versucht, mittels welcher diese Lücken
unüberschreitbar
würden und ich habe dabei deshalb
an die Besetzung derselben mit gepanzerten Schnellfeuer geschützen gedacht, weil ich glaube, daſs eine richtig angelegte, zwei- bis dreifache, hinlänglich enge Kette solcher, weder – ihres vernichtenden Feuers wegen
zu durchschreiten, noch aber –
der Schwierigkeit des Zieles halber - vom Geschütze des Angreifers
leicht zu zerstören wäre, dabei jedoch den weiteren , ganz auſser ordentlichen Vorteil geringster Besatzungskräfte böte. Jeder, *) „ Der Commandeur soll möglichst lange Zeit die Richtung des wirklichen Angriffs zu verdecken suchen “ (Biogr. Totlebens Seite 349.)
Der Einfluſs des Wurffeuers
179
mit der Festungsfrage einigermaſsen Vertraute wird mir gerne ein
räumen – und auch Brialmont bestätigt es durchaus daſs die Sicherung der Vorwerkslücken gegen den feindlichen Durchstoſs zur Zeit nur durch ganz auſserordentliche Besatzungskräfte möglich, keineswegs aber überall die unumstöſsliche Gewiſsheit dafür
gegeben ist , daſs diese Besatzungskräfte auch immer wirklich vorbanden sein werden . Dieser Erkenntnis gegenüber schien mir ein Vorschlag gerechtfertigt, dessen Durchführung Eines fast mit voller Sicherheit ausschlösse: die Gefahr, welche – seit Einführung gezogener Wurfgeschütze den meisten festen Plätzen heutiger Art aus Gewaltstöſsen droht. Mit der technischen Vorzüglichkeit der Forts haben die letzteren ja gar nichts zu thun ; denn die -
> Bestreichung « einer Lücke von etlichen Kilometern Breite kann zwar sehr störend gegen » förmliche« Angriffe sein - gegen richtig
angelegte (vielleicht auch nächtliche) » taktische « Unternehmungen würde aber nur eine Bestreichung sichern , die derjenigen einer
guten und ausgiebigen Grabepflankierung ähnlich wäre. Der Gedanke einer solchen Bestreichung aller zugänglichen Vorwerkslücken liegt meinen Anschauungen zu Grunde und darf hierbei hervor gehoben werden , daſs nur aus Panzerkonstruktionen , nicht aber
von den Wällen benachbarter Vorwerke aus, unbedenklich »gegen einander « geschossen werden kann , wenn die eigene Verteidigung nicht gefährdet werden soll. Eine neue Sorge für diese wird -
pach
Brialmont
insofern bei Beschieſsungen mit Brisanz
geschossen entstehen, als die letzteren nicht bloſs zerschmetternd
gegen ihre Ziele wirken , sondern auch giftige Gase entwickeln, deren schädliche Einflüsse Brialmont für so gefährlich hält, daſs er ihnen sogar den Zutritt in seine Panzertürme – durch her 1
metischen Abschluſs dieser – zu verwehren strebt.
Seine Panzer
türme liegen freilich in den Forts und da mögen sich allerdings dichte Wolken jener tötlichen Gase ansammeln und selbst die
Besatzung der Türme gefährden können. Wie sollen sich da aber erst diejenigen Mannschaften retten , welche , aus den dumpfigen Hohlräumen des Werkes heraus , an die Brustwehr desselben eilen wollen und nun den ganzen Innenraum des Forts mit Stickluft angefüllt finden ? Das sind Erwägungen , welche - unbedingt
von Kon
struktionen abraten , die – wie Forts, Redouten , Feldschanzen u. 8. w. - der feindlichen Artillerie günstige Ziele bieten . Was soll das
Angriffsgeschütz aber gegen die vorgeschlagenen Linien gepanzerter Schnelllader ausrichten ? Ist doch schon der einzelne dieser ein
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
180
kaum noch faſsbares Ziel, von seinen seitlichen und rückwärtigen Nachbarn aber je etliche hundert Meter entfernt.
Wie viel Schuſs
oder Wurf würden notwendig sein , um nur eines dieser Panzer geschütze gefechtsunfähig zu machen und was wäre damit allein
erreicht ? Darum habe ich meine Anordnungen mit » Plänklerketten «, das Fort aber mit dem » Carré « vergleichen zu dürfen geglaubt. Mit dem » sturmfreien Umzuge« , den ich so zu schaffen dachte, da wollte ich der Verteidigung nun aber den weiteren Vorteil bieten,
innerhalb jener » unüberschreitbaren Linie « all'dasjenige vor bereiten und ausführen zu können , was ihr zur Abwehr, auch des förmlichen Angriffes, erforderlich dünkt. Vor allem die nötigen – Geschützstellungen teilweise vielleicht wieder gepanzerten
zur Bekämpfung der feindlichen , die Unterkunftsbauten jeder Art u. s. w., u. s. w. Befänden sich doch all ' diese Anlagen immer hinter einer, jeden Gewaltstoſs ausschlieſsenden Sicherheitszone.
Wie gering würden die Sorgen um die rechtzeitige Armierung werden, wenn jene Sicherheitszone bestände ? Welcher Besatzungs kräfte bedurfte es , um einer Festung nur annähernd den Schutz zu verschaffen , den ihr die »sturmfreie Linie « bieten soll , die ich ebendarum so sehr befürworte . Ein Umzug von 60 km
Gesamtausdehnung würde kaum durch 60,000 Mann die » Sturm freiheit « erlangen , die man ihm durch 300 gepanzerte Schnelllader verschaffen könnte, welche in zweifacher Reihe von rund je 400 m
Abstand zu seiner Sicherung aufgestellt würden. Für jeden Schnell lader - mit allen Ablösungen 10 Mann gerechnet, giebt 3000 Maun Besatzung. Und wenn es doppelt und dreimal so viele wären – was ist das im Vergleiche zu den heutigen Forderungen für die Behauptung der ersten Verteidigungslinie ? Wie gering sind -
aber die Unterschiede, in der Besatzungsstärke, wenn die » gepanzerte
Plänklerkette « sich um etliche Kilometer verlängert, gegenüber den Kräften die jetzt für solche Erweiterungen der ersten Verteidigungs linie nötig werden. Darin liegt der fernere Vorzug, daſs die > sturmfreie Plänklerlinie« , ganz nach Ermessen , so angelegt werden kann, wie sie der vorteilhaftesten Verwertung der Geländes am besten entspricht.
Da ist es nicht mehr notwendig dort ein
Dorf, hier eine Waldparzelle, da eine Höhe unmittelbar vor der Front zu lassen, um sie dem Angreifer mit Strömen Blutes streitig zu machen , oder sie – zum eigenen Nachteile
von vorne herein
aufgeben zu müssen ; da kann jeder staubare Wasserlauf, jedes
sonstige Hindernis in den Befestigungsbereich gezogen , anderseits aber dem Vorbrechen aus der Festung weit umfassender entsprechen
Der Einfluſs des Warffeners
181
als das bei jetzigen Vorwerksgürteln möglich
werden , dürfte.
sein
-
Von allen Vorwürfen , die Brialmont gegen meine Anschau ungen erhebt , scheint er mir aber doch zu einem am aller
wenigsten berechtigt: zu demjenigen der Kostspieligkeit. Wer wie er – 20 Panzerkonstruktionen in ein Fort von (rund) 400 m Breiteausdehnung stellt, der kann unmöglich da von Kosten reden wollen , wo 20 leichte Panzergeschütze hinreichend scheinen, um eine Umzugslänge von 4 bis 5 km zu sichern .
Wenn
der
belgische Ingenieur aber, durch meine Vergleiche von » gepanzerter Plänklerkette « und »gemauertem Carre« zu der Bemerkung ver anlaſst wird , daſs man Befestigungsfragen nicht bloſs taktisch , sondern auch technisch beurteilen müsse, so möchte ich ihn wieder auf Totleben verweisen , von dem es heiſst: » Er verlange die
Anwendung der Befestigungsformen je nach den Umständen und
unter jeder Berücksichtigung der neuesten Vervollkommnung der anderen Waffen und deren Taktik « . (Biogr. Totlebens S. 313.) Was indes die technische Beurteilung meiner Vorschläge an belangt, so habe ich schon beim ersten Entwurfe dieser ( » Taktische
Untersuchungen etc. « S. 34) wörtlich erklärt: »einer weiteren Ausein andersetzung bedarf meine Idee wohl nicht , sondern lediglich berufener Kräfte für ihre richtige Ausführung , und wer die
Panzer -Konstruktionen deutscher Ingenieure kennt, der wird die Möglichkeit solcher Ausführung kaum bezweifeln, sobald die letztere erst gefordert wird. «
Und siehe da
es hat sicb ein
deutscher Ingenieur gefunden, der meine Anschauungen in der That technisch zu verkörpern strebt, und auch Brialmont wird
gerne zugestehen , daſs dieser deutsche Ingenieur kein Neuling in der Panzerfrage ist. Oberstlieutenant Schumann , von dem ich spreche, scheint aber allerdings die Meinung mit mir zu teilen , *) daſs die richtige Verwendung gepanzerter Geschütze nicht in deren Anbäufung im Fort , sondern in der Anordnung zusammen wirkender Systeme im Gelände gesucht werden müsse. Wo solche Anordnungen Beifall finden, da wird man aber – trotz aller gegenteiligen Warnungen Brialmonts – weder ihrer Feuer leitung und Kommandoverhältnisse halber, noch ob der voll *) Den Schumann'schen Anschauungen, aber damit wohl nicht minder jenen des Referenten, hat sich neuerdings auch Major Scheibert in seinen ,Befestigungs Ideen “ (letztes Juni-Heft der „ Jahrbücher“ ) und zwar gerade in kompetenter Würdigung ihrer technischen Ausführbarkeit, ganz ausdrücklich angeschlossen.
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
182
kommensten Herstellung ihrer Sturmfreiheit , in allzu groſser Sorge sein .
-
Nachdem General Brialmont die Vorschläge des Referenten
besprochen hat, wendet er sich zu denjenigen des Generals Schott , *) die » er höchstens für einen rein militärischen Platz, der die Rolle
eines Brückenkopfes zu spielen , nicht aber einen Festungskern vor feindlicher Beschieſsung zu schützen habe, « angängig erachtet.
Er bekämpft sodann einige Vorschläge Ungenannter, um hier nach auf Scheibert's »die Befestigungskunst und die Lehre vom
Kampfe « überzugehen. Es bedarf kaum der Erwähnung, daſs auch die Gedanken dieses geistvollen Schriftstellers auf den bestimmten Widerspruch Brialmont's stoſsen , den er denn auch den An schauungen Schumann's entgegensetzt. Es ist freilich richtig, wenn er dabei bemerkt, daſs die Vorwürfe, die er meinen Anschauungen
zu machen habe, auch auf jene Oberstlieutenant Schumann's be zogen werden könnten ; allein ich irre wohl nicht, wenn ich behaupte, daſs Brialmont die wahren Gedanken Schumann's eben
sowenig mit voller Gründlichkeit erfaſst bat, wie die meinigen. Was Brialmont voraussetzt, daſs es Schumann wolle, das will dieser eigentlich gar nicht, oder doch nicht so, wie Jener es dar
Der Unterschied ist einfach folgender: Brialmont vertritt - ganz unbedingt - sein altes, vor einem Vierteljahrhundert schon bewundertes, Antwerpener Fort und all' sein Streben geht immer stellt.
nur dahin : den Nachweis zu liefern , daſs dieses Fort das unum
stöſsliche Allheilmittel der ganzen Befestigungskunst sei und auch für alle Zukunft bleibe ; höchstens, daſs man es durch ein paar
Dutzend Panzergeschütze verstärke ( was er als » Armierungsänderung« bezeichnet), einige Verbindungen und Profile ändern, die Wider standsfähigkeit der Gewölbe erhöhen und in Beton und Cement herstellen , was ehedem in Erde ausgeführt werden konnte. Schu mann dagegen denkt, daſs die Befestigungskunst anderer Grund
lagen bedürfe, als die bisherigen Vorwerke es waren . Er will daher nicht diese , sondern die Festungen selber aufbessern und — wer das will, der wird für Brialmont zum natürlichen Gegner. Die Panzer konstruktionen ihm zur Verstärkung seiner Forts zur Verfügung zu -
stellen - das gestattet der belgische Ingenieur, keineswegs aber der -
Versuch : jene Konstruktionen so zu verwerten, wie der eigene Kon strukteur das denkt. Wer die Panzerfrage nur ein bischen ver folgen konnte, der wird einräumen müssen , daſs dieselbe gerade in *) „Zur Befestigungsfrage“. Berlin 1886.
Der Einfluſs des Wurffeuers
183
den paar letzten Jahren , die auſserordentlichsten Fortschritte ge macht hat und daſs sie diese in allererster Linie dem rastlosen Streben Schumann's verdankt. Damit habe ich allerdings nicht
bloſs die Kuppelwölbungen und Drehvorrichtungen, sondern die taktische Seite der Panzerfrage, also die richtige und beste Ver wendung der bezüglichen Konstruktionen im Auge und – wie man mit dieser Verwendung nicht am alten Vorwerk kleben bleibt, so -
hat man es mit Brialmont zu thun.
Das wird Schumann
ja nicht hindern , seine Wege weiter zu wandeln .
Von ihm wendet sich der belgische Ingenieur zum Zukunfts forts « des französischen Majors Mougin , das von diesem selber als ein > Riesenblock aus Beton und Cement, von beiläufig fünfzig Metern
Länge und dreiſsig Metern Breite « , bezeichnet wird, der an zehn Meter tief in den natürlichen Boden eingelassen ist, denselben aber nur um drei bis vier Meter, in Form einer eiförmigen Haube, über höht.
Dieser » künstliche Felsen « wird mit einem Panzerturm für
2 Ringrohre, mit 2 derlei Kuppeln für je 2 kurze 15 cm Kanonen und mit 4 gepanzerten Schnellladerpaaren armiert, deren Aktion nur durch Maschinenbetrieb erfolgt, weshalb das Fort ausschlieſslich mit 30 bis 40 Maschinisten besetzt ist. Man wird sich kaum verwundern,
daſs Brialmont diese Vorschläge bekämpft, immerhin geschieht dies aber mit unverkennbarer Nachsicht.
Die letzten Entgegnungen seines zweiten Kapitels widmet Brialmont dem Oberstlieutenant Voorduin des niederländischen
Ingenieur-Corps.
Nach den Angaben Voorduin's soll der Vor
werksgürtel eines Platzes aus kleinen Werken bestehen , als deren Kern eine Panzerkonstruktion erscheint, die sich aus einer Kuppel für 2 mittlere Geschütze und aus einer Batterie für 8 derlei Kanonen zusammensetzt. Sie bildet den Scheitelpunkt für zwei, wenig über
50 m lange Facen, welche in sehr stumpfem , einspringenden Winkel an sie stoſsen, mit (12 m) kurzen Flanken abschlieſsen und sowohl der Angriffs- wie der Kehlseite eine Feuerlinie zuwenden .
Die
Panzerkuppel ist der Sicht des Feindes bis auf eine Annäherung
von 1000 m entzogen, das ganze Werk ist von einem nassen Graben umgeben , auſserhalb welchem ihm noch eine fleschenförmige Schutz
maske vorliegt, so daſs die Geschütze der Panzerbatterie im wesent lichen als Traditoren wirken . Die Werkbesatzung ist auf 80 Mann Infanterie und 50 Mann Artillerie bemessen und bombensicher ge borgen.
Die einzelnen Forts sind nur 2000 m voneinander entfernt
und soll jedes derselben , ohne Arnierung und Bodenerwerb, auf 860,000 Franken zu stehen kommen.
Brialmont erläutert diese
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
184
Entwürfe durch gute Zeichnungen (Taf. XV) und meint, Voorduin habe sich eben der „ Sauer - Schumann'schen Schule « angeschlossen ,
welche 1. kleine Forts mit geringer Tiefe und wenig Besatzung, 2. der gegenseitigen Unterstützung wegen, kurze, durch die Trag weite des Shrapnelschusses begrenzte Vorwerkslücken fordere und
3. ob dieser gegenseitigen Unterstützung der Werke, jede Graben flankierung hei diesen für entbehrlich halte. Ich möchte hier nur einschalten , daſs ich mich denn doch
dagegen zu verwahren habe, wenn Brialmont mir eine Schule «
mit Grundsätzen zuzumuten gedenkt, die niemals von mir ausge sprochen noch vertreten worden sind . Ich dürfte oft genug geäuſsert haben, daſs jedes Werk, das an das bisherige Fort erinnert, dem Vorwurfe des » Bombenfanges « und »gemauerten Carrées« begegnen wird und daſs – ebendeshalb – die Grundform zukünftiger Be festigungsweisen wohl nicht im » Fort « , oder einer , demselben ähnlichen Konstruktion zu suchen sei . Forts zu rechnen bätte, da wären es wegen
Wenn und wo ich aber mit
eben des > Bombenfanges «
wohl nur gröſste und nicht kleinste solche, die ich
vertreten könnte. Die Tragweite des Shrapnelschusses ist mir , für vollste Sicherung der Vorwerkslücken , viel zu groſs ; nur die wirksamste Schuſsweite des Schnellladers – d . hb . des heutigen Stellvertreters der alten Büchsenkartätsche - gilt mir als das -
entsprechende Maſs. Da ich nirgends Vorwerkskonstruktionen ent wickelt habe, so konnte ich die Grabenbestreichung bei solchen auch niemals für entbehrlich bezeichnen ; ich brauche kaum beizu
fügen, daſs ich der Letzte wäre, der sich einer derartigen Erklärung anschlieſsen würde. -
Daſs Brialmont die Voorduin'schen Werke bekämpft, bedarf kaum der Erwähnung. Er meint dabei, daſs sie gröſser und eben seinen eigenen ähnlicher sein müſsten , dann könnten sie 3000 m von einander abstehen und würden nicht mehr so sehr auf ihre
gegenseitige Unterstützung angewiesen sein.
» Sie wären besser,
aber sie würden die Zustimmung der neuen Schule nicht erhalten,
welche die Forts nur als die Caponnieren einer Verteidigungslinie
ansieht, deren Hauptwiderstand in den Zwischenbatterien der Vor werkslücken bestehen soll . «
Ob Brialmont diese » neue Schule «
für gleichbedeutend mit der » Schumann - Sauer'schen ansieht, weiſs ich nicht, ich habe aber kaum erst ausdrücklich zu versichern , daſs ich den Zwischenbatterien « allein keine besondere Widerstands
kraft beizumessen vermag und – ebendeshalb -- unausgesetzt für
die wirkliche » Sturmfreiheit« der ganzen Vorwerkslücken eingetreten
Der Einfluſs des Wurffeuers
185
bin.
Brialmont läſst seinem zweiten Kapitel eine Berichtigung
folgen, die er von auſserordentlicher Wichtigkeit hält. Es war ihm nämlich neu gewesen , daſs mau die schweren Artillerie- und also auch die Brisanzgeschosse, ebensogut mit Aufschlags- oder Augenblicks-,
als mit verlangsamten Zündvorrichtungen verfeuern könne und er
meint, daſs die französische Artillerie eine groſse Entdeckung mit ihrem Aufschlagszünder gemacht habe.
Das Ganze beweist, daſs
Brialmont nicht allzufest in artilleristischen Dingen ist. Schon
zur Kugelzeit hatte man – und gerade auch in Belgien – Auf schlags- und langsame Zünder.
Daſs derlei Dinge der heutigen
Technik keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten, ist wohl selbstverständlich .
Das dritte Kapitel seines Buches widmet Brialmont den » Eigentümlichkeiten der Panzerkuppeln « und bespricht dabei vor allem die Bukarester Versuche, deren Ausführung ja – that sächlich seinem Einflusse zu danken ist. Demjenigen, der die Panzerfrage verfolgt und die verschiedenen Berichte über die Ver suche von Cotroceni kennt, bietet dieses Kapitel nichts Neues,
wenn Brialmont's Folgerungen und Ansichten auch vielfach von denen Anderer, gleichfalls Eingeweihter, abweichen . Es gilt dies nicht minder von der, dem dritten Kapitel beigegebenen » Ergänzung« .
Im vierten Kapitel kommen sodann die verschiedenen Typen der Panzerkappeln « zur Erörterung und tritt Brialmont vor allem wieder für Türme mit zwei Geschützen , statt einem ein.
Dabei beklagt er, daſs ihm vom Referenten vorgehalten werde : »die taktische Bedeutung der Panzerkonstruktionen nicht zu kennen.
gedeckten Geschützstände « bediente.
Nun war der Panzer bei
seinem ersten Auftreten wohl nichts Anderes, als ein gedeckter Geschützstand, er hat aber bis heute bereits eine viel ausgedehntere
Bedeutung gewonnen : er ist ein eigenes, neues Kampfmittel geworden und
» neue Waffen , neue Taktik. «
Wer den Panzer
lediglich im Fort und wesentlich im Sinne des einstigen Geschütz standes verwertet, der nützt dieses neue Kampfmittel aber nicht so vollwertig aus, als es sich, unabhängig vom Fort, in Systemen ausnützen läſst, die der ganzen Bedeutung des neuen Kampf mittels angepaſst sind.
Auf die lange Reihe von ( 15) Panzerkonstruktionen , welche
186
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
Brialmont ausführlich beschreibt, hier näher einzugehen, wird mir der Leser wohl erlassen .
Das fünfte Kapitel gilt der Verwendung der Panzer « und dreht sich hauptsächlich um die Frage : ob der Panzerturm mit gleichem Vorteil für direktes, wie für indirektes Feuer bestimmt werden könne. Die Sache istIdiese. Wenn man dem Panzer auf bisherige Demontierdistanze - also auf 1000 m - nabe gekommen ist, dann bietet es keine allzugroſsen Schwierigkeiten mehr, das Geschütz des Panzers zu treffen, sobald dieses genügend sichtbar wird. Dieses Sichtbarwerden tritt dann ein , wenn der Panzer selber für direktes
Schieſsen bestimmt und dementsprechend konstruiert ist. In dieser richtigen Erkenntnis will nun Schumann diejenigen Panzer, welche direkt feuern sollen , (Kanonen bis zum 12 cm Kaliber) » hebbar« herstellen , wobei Scharte und Geschütz nur im Augenblick des Schusses selbst ungedeckt erscheinen .
Brialmont
ist
darüber
anderer Meinung. Er hält die Panzerscharte durch > Abdrehen « des Turmes für hinlänglich gesichert und will das direkte Feuer schwerster Panzergeschütze schon deshalb nicht für kleinste
Entfernungen entbehren, weil »der Angreifer in Zukunft wohl genötigt sein werde , einen Teil seiner Geschützstellungen zu panzern .
Auch in dieser Streitfrage halte ich Schumann's
Ansicht für die richtige, glaube aber von einer weiteren Begründung füglich absehen zu können, weil es für eingeweihte deutsche Kreise kaum noch einer solchen bedarf, eine Änderung in den Anschauungen Brialmont's sich jedoch schwerlich damit erreichen lassen würde. Die > Armierung der Festungen « bildet den Inhalt des sechsten Kapitels der Brialmont'schen Arbeit. Er räumt hier, endlich, unumwunden ein, was er noch in der » gegenwärtigen Befestigung « 80 scharf bekämpft hat. Die Thatsache nämlich, daſs die » offene
Geschützaufstellung « auf dem Walle unhaltbar geworden ist, weil sie durch das Wurffeuer des Angreifers in kürzester Frist zum
Schweigen gebracht werden kann. Diese Erkenntnis war freilich der Ausgangspunkt all meiner > Gedanken über den Festungskrieg « es kann dem Wesen des letzteren aber gewiſs nur nützen, wenn sich endlich auch Brialmont einer Wahrheit nicht länger ver
schlieſst, die keineswegs schon allgemein gilt. *) Gerne hebe ich hierbei hervor, daſs der belgische General seine erfreuliche Sinnes * ) Vergl. z. B. Hauptmann v. Rehm's „Über den Sauer'schen Angriff gegen feste Plätze “ im Juni-Hefte von 1888 des „Organs der militär-wissenschaft lichen Vereine “ (S. 423)
Der Einfluſs des Wurffeuers
187
änderung nun sogar auf meine diese bezüglichen Ausführungen stützt. Er kommt zu dem Schlusse , daſs die offenen Geschütz stellungen « auf dem Walle durch solche unter Panzern , aber –
abweichend von meiner Anschauung
auch auf dem Walle , ersetzt werden müſsten und will die Armierung zu je 2/5 aus
Kanoven und Mörsern und '/s Haubitzen zusammensetzen .
Ich
glaube, daſs diese Ziffern sich dort und da als brauchbare Anhalts punkte verwerten lassen werden , daſs aber auch die Armierung so wenig als möglich schablonenhaft geregelt werden soll. Schema und Schablone sind es ja , die den ganzen Festungskrieg und Alles , was mit ihm zusammenhängt, so schön » förmlich « gestaltet haben.
Auch der Eingang des siebenten Kapitels , in welchem das » Relief der Festungswerke« erörtert wird , beschäftigt sich mit den Anschauungen des Referenten . Brialmont stimmt eigentlich bei, daſs es hauptsächlich der hohe Aufzug der Festungswerke ist, durch
welchen sie zu gar so günstigen Zielen werden ; allein : » dieses Relief ist unerläſslich , um die letzten Arbeiten des Angreifers zu überhöhen und jene Falten des Geländes unter direktes Feuer zu nehmen , welche nicht aus gewöhnlichen Batterien bestrichen werden können. «
Sollte es denn nicht genügen , derlei »Falten « zu be 1
werfen und wird sich wirklich ein Angreifer finden , der seine >>letzten Arbeiten « noch von direktem feindlichen Feuer bedrohen
läſst, während es ganz in seiner Hand liegt , solches Feuer durch seine eigene, entsprechende Formwirkung unmöglich zu machen und müſste er das nicht thun , ehe er nur an die Ausführung seiner
» letzten Arbeiten « denken könnte ? (Vergl. die folgenden Erörte rungen über den förmlichen Angriff).
» Im Übrigen lieſsen sich die Nachteile des hohen Aufzuges auch durch Anpflanzungen auf der äuſseren Brustwehrböschung sehr vermindern . «
Die Anpflanzungen sind wohl eine weitere Konzession an die Vorschläge des Referenten , Brialmont scheint dieselbe nur etwas zu leicht zu nehmen ; die Anlage solcher »Masken « ist keineswegs eive allzu einfache Sache , wenigstens nicht im taktischen Sinne . ( Vergl . des Referenten » Angriff und Verteidigung « S. 277 u . ff.) Wenn Brialmont nun des Weiteren bebauptet : » daſs ich den
förmlichen Angriff, der heutigen Verteidigungs - Artillerie gegen über, für unausführbar und
mit Schumann
tiefe Gräben
und bekleidete Contreescarpen für unnötig halte « , so habe ich hierauf das Folgende zu erwidern . Ich erachte den förmlichen
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
188
Angriff nur dann für unausführbar , wenn der Verteidiger den selben ernstlich bekämpfen will , das dazn nötige Wurfgeschütz besitzt und dasselbe dementsprechend zu verwerten versteht. Einem solchen Verteidiger gegenüber wird der förmliche , also besonders der > Ingenieur - Angriff « mit seinem ganzen Laufgrabennetze wohl erst dann möglich , * ) wenn der Belagerer vorher jenes Wurf
feuer niedergekämpft hat. Ist die Festungs - Artillerie aber schon so niedergekämpft, daſs sie den förmlichen Angriff nicht mehr ernstlich zu stören vermag, dann – weiſs ich allerdings nicht, was der Sappangriff noch soll ? Sein einstiger Zweck : die Geschütze für Bresch- und Contre- Batterien nahe genug an das angegriffene
Werk heranbringen zu können , ist ja hinfällig geworden ; man muſs aus gröſserer Entfernung Bresche legen und die Graben flankierung zu zerstören trachten : man vermag es jedenfalls gar nicht aus Angriffs- Batterien die allenfalls auf dem Glacis liegen. ebenso wenig der Gefahr aussetzen ein Werk erstürmen zu wollen , dessen Wall oder Bresche noch Man darf sich aber auch
-
durch wirksamstes »Magazinfeuer« verteidigt werden könnte; man muſs das Werk also aus entsprechender Entfernung taktisch niederkämpfen
was soll da noch der förmliche , bis zur
Glaciskrönung durchgeführte Ingenieur -Angriff nützen und be zwecken ? Damit will ich keineswegs behaupten, daſs er nicht doch wieder versucht werden wird, in künftigen Kriegen. Er bietet ja das herrlichste Mittel , einen , mit der Taktik des Festungskrieges nicht hinlänglich vertrauten Belagerer , über die Verlegenheiten wegzuhelfen , in welchen sich dieser vor dem festen Platze befindet,
den er erobern soll , und da fällt es kaum noch in die Wagschale, daſs der förmliche Angriff das Gefälligste ist , was man dem Ver teidiger thun kann ; denn er macht – je länger er dauert 1
-
nicht nur diesen , sondern auch den Belagerer zum Gegenstande allgemeinster Bewunderung. Was nun die tiefen Gräben « und die > bekleideten Contre
escarpen « anbelangt, so würde ich gewiſs kein Fort ohne solche konstruieren >, nur
- befasse ich mich eben überhaupt nicht mit
der letzteren Aufgabe. Brialmont hat aber vollkommen recht, sobald er annimmt, daſs mir jede Sorge wegen des Erdüber schusses zu mangeln scheine , der sich bei einem Fort von allen falls 3 m Aufzug und 10 m Grabentiefe ergeben müsse. Ich würde das Fort allerdings, wenn ich es sonst für richtig hielte , bauen * ) Vergl. auch die Besprechung des 13. Kapitels,
Der Einfluſs des Wurffeuers
189
lassen und die Frage : » wohin mit dem Erdüberschusse «, dann vielleicht schärfer, als durch bloſses Achselzucken beantworten . *) In seinem achten Kapitel bespricht Brialmont den »Grundriſs der Forts « und bleibt hier im wesentlichen bei den Ausführungen stehen , welche bereits in der gegenwärtigen Befestigung « enthalten
Dagegen wendet er sich im neunten Kapitel zu den » Wirkungen der brisanten Sprengstoffe und damit geladener Hobl geschosse.« Er giebt hier Auszüge aus den einschlägigen Arbeiten Trauze's , v. Foerster's u . A , und erneuert die Erklärung, von all' diesen Sachen , bei Veröffentlichung der gegenwärtigen Be sind.
festigung «, noch gar nichts gewuſst zu haben , diesmal mit dem auffälligen Zusatze: » in dem oben genannten Werke sei nur unter
sucht worden , wie man die Hohlbauten verstärken müſste, wenn bewiesen wäre , daſs ein Brisanzgeschoſs Beton -Gewölbe von 1 bis
1,50 m Dicke, mit 3 m Sanddecke darüber, noch durchschlage « . Also doch ! Schade ,**) daſs der belgische Ingenieur jenen Beweis nicht abzuwarten vermochte , ehe er die fortification du temps présenta
erscheinen lieſs.
Indes sind die eingehenden Ratschläge, die er nun
über die beste Gewölbeverstärkung u. 8. w. erteilt, gewiſs auch jetzt noch in seinen Kreisen willkommen .
Im zehnten Kapitel wendet sich Brialmont zur » inneren Einrichtung der Forts« und behandelt hierbei die Hohltraversen
der Wälle , die Beobachtungsstände und die Leuchttürme. Für die ersteren bietet er dem Leser eine Auswahl von drei
Mustern, als Beobachtungsstand beschreibt er einen Schumann' schen Entwurf, während er , zum Zwecke der Beleuchtung des Auſsengeländes auf beiläufig 3 km Entfernung, die Forderung stellt, daſs jedes Fort mit einem elektrischen Leuchtturme
wenn
nötig mit mehreren – ausgestattet werden müsse. Die Frage liegt wohl nicht so einfach ; denn : einmal ist ein Fort mit Leuchtturm
sicher auch vom Gegner aus gesehen, der dann den Turm bald und allenfalls schon bei Tage zu beseitigen wissen wird , wenn ihn sein Vorhandensein belästigt ; zweitens braucht die Dynamomaschine der elektrischen Beleuchtung ziemlich viel und jedenfalls mehr Wasser, als auf jedem Fort zu haben sein dürfte und Drittens reicht der Leuchtturm
bei Nebel , starkem
Regen und Schnee nicht immer
aus, müſste aber eine ganz auſserordentliche Höhe haben , wenn die Schatten vermieden werden wollten , die sich bei jeder elektrischen *) Vergl, auch die Besprechung des 13. Kapitels. **) Vergl. auch die Besprechung der Einleitung .“
und der Brisanzgeschosse auf die Befestigung.
190
Beleuchtung, durch die Falten und die Bewacbsung des Terrains u. s. w. ergeben . Die Beleuchtungsfrage des Auſsengeländes ist noch nicht gelöst ; die vorgeschlagenen Leuchttürme mögen zu dieser Lösung beitragen
die letztere selber sind sie aber kaum.
-
Der Inhalt des elften Kapitels bildet die » Grabenbestreichung « und darunter vor allem die Erwägung : ob Kaponnieren oder Koffer den Vorzug verdienen . Ich bekenne gerne, daſs ich -
persönlich den letzteren , ihrer ungünstigeren Verbindung mit dem Werke wegen , nie geneigt war, ihre Unentbehrlichkeit aber für viele Fälle sehr wohl einsehe. Unter allen Umständen stimme ich Brialmont hinsichtlich der Wichtigkeit einer guten Graben
bestreichung durchaus bei , glaube aber , daſs einige Grund bedingungen für die Wirksamkeit derselben manchmal nicht ganz so gewürdigt werden , als sie es vielleicht verdienen. Die Fragen
nämlich : ob jene Wirksamkeit wohl noch mit voller Sicherheit eintreten wird , wenn der Angreifer den Graben überschreitet und
ob dieses Überschreiten unter allen Umständen erfolgen muſs, um das Fort zu gewinnen, oder ob dieser gefährliche Weg nicht auch vermieden werden kann ?
-
Im zwölften Kapitel entwickelt Brialmont » verschiedene Typen von Forts « (zehn !) mit derjenigen Meisterschaft im Entwurfe, welche den belgischen Ingenieur von jeher ausgezeichnet hat. Kommt die Maas -Befestigung zur Ausführung, so wird dies wohl >
nach diesen Typen geschehen.
Das dreizehnte Kapitel behandelt die » Zwischen - Batterien « und bietet dreierlei Typen solcher. In den » allgemeinen Be trachtungen « darüber verlangt Brialmont , daſs die permanenten Zwischen - Batterien sturmfrei seien, nur mit Panzergeschützen armiert würden und einen schwachen Aufzug * ) erhielten. Dabei erklärt er
einmal, daſs es notwendig sei , die Zwischen - Batterien der an gegriffenen Front auch mit 21 cm Mörsern zu armieren ; denn der
Shrapnelwurf dieser Geschütze, sei den Belagerungs-Batterien und den Approchen des Angreifers * ) sehr gefährlich «, und dann , daſs der » Erdüberschuſs, der sich bier , des unerläſslichen , geringen Aufzuges wegen , ergebe , sehr wohl zur Anlage von Anschluſs Batterien neben den permanenten Zwischenwerken *) verwendet werden könne . « Diese Zugeständnisse bleiben entschieden wertvoll, wenn sie auch erst im letzten Kapitel des Buches und bloſs für Zwischenwerke erfolgen . *) Vergl. die Besprechung des 7. Kapitels. Jahrbăcher für die Doutache Armor und Marine, Bd. LXX ., 2.
13
Die Vereinheitlichung des schweizerischen Heerwesens.
191
In den vier Anhängen , welche jenem beigegeben sind , be schreibt Brialmont die Hotchkieſs Revolver -Kanone, dann eine neue Härte -Methode für Panzerplatten , welche vom Eisen
werke Saint - Jacques in Montlaçon befürwortet wird und im Eintauchen der Platten in flüssiges Blei besteht. Er verspricht sich groſse Erfolge von diesem Verfahren und giebt hierauf einige Mitteilungen über die fahrbaren Panzer Schumann's , schlieſslich noch von Panzerlafetten ohne Rücklauf sprechen.
um zu
>> Das ist der reiche Inhalt des Buches über den Einfluſs des
Wurffeuers «, das , schon des Bienenfleiſses wegen , den es zu einer Ausarbeitung auf so breiter Grundlage bedurfte, gerechte Auf merksamkeit erregen wird. Es ist durchaus zutreffend , wenn Brialmont behauptet, daſs seine Scbriften Etappen des Weges
bilden , den die Befestigungskunst zurücklegt » Etappen «.
Zum Vorzeichnen der Bahnen ,
aber auch
nur
welche die Be
festigungskunst der Zukunft wandeln soll, mangeln ihm wohl auch jetzt noch einige »Richtstäbe « ; denn dieser Zukunft kann unmöglich
durch bloſse Flickarbeiten und » Änderungen der Armierung « allein entsprochen
werden
wollen.
Sie
wird eines bahnbrechenden
Geistes und einer schöpferischen Kraft bedürfen , wie sie jede groſse Umwälzungsepoche fordert, aber auch findet, sobald der Wahrspruch gilt: » Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit Und neues Leben blüht aus den Ruinen. «
XV. Die Vereinheitlichung des schweizerischen Heerwesens. Die Schweiz ist der einzige europäische Staat, in welchem das Milizsystem rein zur Anwendung kommt. Auſser einigen Instruktions Offizieren sind weder Cadres noch Mannschaften längere Zeit bei den
Fahnen .
Es ist aus diesem Grunde die Organisation des
schweizerischen Heerwesens von besonderem Interesse, da nach und nach auch fast alle anderen Staaten für einzelne Klassen ihrer
192
Die Vereinheitlichung des schweizerischen Heerwesens.
Wehrpflichtigen eine Art Milizsystem einführten und die Tendenz vorhanden ist, dieses noch mehr auszudehnen ; wir nennen hier nur
die Ersatzreserven, die verschiedenen Landsturmorganisationen u . s . w. Für Deutschland ist aber die Organisation der schweizerischen Armee noch aus dem Grunde wichtig , da die Schweiz in
einen
künftigen deutsch -französischen Krieg möglicherweise mit hinein gezogen wird .
Zwar ist die Schweiz neutral und sie wird auch
ungezwungen nicht aus dieser Neutralität heraustreten ; es kann sich
die Kriegslage leicht so gestalten , daſs sich Frankreich genötigt sieht, durch schweizerisches Gebiet einen Vorstoſs zu versuchen . Es hat also Deutschland,, wenn es auch sein Gebiet selbst verteidigen kann , doch immerhin ein Interesse daran , daſs die
schweizerische Armee so organisiert sei , daſs sie im Stande ist einem solchen Versuche zu widerstehen .
Man ist sich in der Schweiz sehr gut bewuſst, daſs dem Miliz system manche Mängel anhaften, welche sich nur schwer beseitigen lassen.
Es ist aber in den letzten zwanzig Jahren viel an der
Verbesserung und weiteren Ausbildung gearbeitet worden , so daſs die schweizerische Armee in mancher Beziehung einem stehenden Heere nur wenig oder gar nicht nachsteht.
In Folgendem wollen wir kurz die bisherige organisatorische Entwickelung der Schweizerischen Armee darstellen und zugleich auch die nun hoffentlich bald zum Ziel gelangenden Vereinheit lichungsbestrebungen behandeln. I. Die alten Organisationen. Die äuſserst einfachen Staatsverhältnisse der alten Eidgenossen schaft liefsen vorerst kein Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung der Wehrverhältnisse aufkommen . Das bedrohte Bundesglied mahnte
jeweilen die Eidgenossen zu »getreuem Aufsehen « und diese schickten soweit es ihnen möglich war Hilfe. Der Grundsatz der Wehrpflicht jedes waffenfähigen Bürgers war dabei schon damals giltig und hat sich derselbe auch durch alle Wehrverfassungen stets erhalten .
Später finden sich wohl im Pfaffenbrief und namentlich im Sempacherbrief*) von 1393 einige Vorschriften , namentlich auch *) Der Sempacher Brief enthielt die nötigen Bestimmungen für die Hand habung einer guten Kriegsordnung in den künftigen eidgenössischen Feldzügen . Alle, die als Genossen eines städtischen oder ländlichen Gemeinwesens zu einem
Banner gehören , sollen, so hieſs es, in jeder Not bei einander bleiben als biderbe Leute nach Sitte der Vorfahren . Auch Verwundete dürfen vor dem Ende des
Kampfes sich nicht von der Wahlstatt entfernen . Fahnenflüchtigkeit und andere 13*
Die Vereinheitlichung des schweizerischen Heerwesens.
193
über das Verhalten der Mannschaften, doch von einer » Organisation konnte man nicht reden. Erst die Bedrohung der schweizerischen Grenzen gegen das Ende des dreiſsigjährigen Krieges lieſsen 1647 eine eidgenössische Wehrverfassung ( Wybr Abschied ) entstehen , in der die aus den Kontingenten der Kantone zusammengesetzten drei im Felde verübte Missethaten sollen streng bestraft werden , und zwar von dem Richter des Ortes , dem der Schuldige angehört. Nach Beute darf keiner aus gehen, so lange das Gefecht währt. Er soll „ als ein Biedermann “ kämpfend den
Feind nach Kräften schädigen, bis der Sieg errungen ist und die Hauptleute die Plünderung gestatten, denn eben bei Sempach wären weit mehr Feinde erschlagen worden , wenn man sich nicht voreilig der Beute zugewendet hätte.
Jeder hat dann den errafften „Plunder“ seinem Hauptmann zu übergeben, und dieser soll das Gut unter seine Leute, die beim Kampfe gewesen sind, gleich verteilen. Klöster, Kirchen und Kapellen dürfen nicht aufgebrochen werden und in offen stehenden Gotteshäusern darf man nichts verbrennen , verwüsten oder
rauben, es wäre denn, daſs die Feinde oder ihr Gut darin gefunden würden . Und da, durch ein Frauenbild aller Menschen Heil erneuert und gemehret worden ist, so soll niemand Frauen und Töchter mit bewaffneter Hand anfallen , auſser wenn
sie ein schädliches Geschrei erheben, oder sich zur Wehre stellen , oder jemanden angreifen. Endlich wurde im Hinblick auf Ausschreitungen , welche unbändige , der obrigkeitlichen Kontrolle entzogene Freischaren in der Periode des Sempacher Krieges begangen hatten , die wichtige Bestimmung aufgesetzt, daſs keine Stadt und kein Land und noch weniger einzelne Angehörige eines Ortes mutwilligerweise einen Krieg anfangen sollten, ohne daſs nach Vorschrift der Bünde durch die Gemeinde oder den Rat eine redliche Ursache des Auszuges eidlich anerkannt oder die Fehde förmlich beschlossen worden wäre.
„ Dierauer, Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft. I. Bd. p. 351. Der Sempacherbrief ist dann wiederholt erweitert und mit Zusätzen versehen worden, besonders 1499, 1521 und 1522. In den Zusätzen von 1499 findet sich z. B. zum ersten Male die Vorschrift daſs die Truppen auch den Hauptleuten anderer Orte als ihren eigenen Gehorsam schulden . Ebenso die bekannte Be stimmung , daſs die eidgenössischen Truppen keine Gefangenen machen sollen, 9
sondern Alles todtschlagen wie unsere frommen Altvordern auch gethan. Auch Bestimmungen über die Bewaffnung kommen in den Zusätzen von 1499 be reits vor :
Jeder Ort soll verordnen, daſs man die Kreuzdegen ganz abthue und zu den Spieſsen , wie zu den Hellebarden ein Schwert oder Mordächsli trage, wie das von
Bern, Luzern und Uri bereits angeordnet ist. In der Ordnung von 1521, die für den „ Leinlakenkrieg “ in der Romagna aufgestellt worden war , kommt die Ver pflichtung jedes Soldaten vor, täglich fünf „ Pater noster“ und fünf „ Ave Maria “ zu beten, des Schwörens und Trinkens sich zu enthalten, auf der Wache nicht zu schlafen, keine „ Gesellschaften “ oder „ Versammlungen“ zu machen .
(Dar zue kein bluotharsch noch frye gesellschaft zuo machen noch darin zu zühen, sonder by den fenolinen ze bliben , noch ouch einiche ufruor noch ver
sammlung ze machen etc.) und Jeden niederzustechen der flieht. (Feiſs, Wehrwesen der Schweiz, S. 3.)
Die Vereinheitlichung des schweizerischen Heerwesens.
194
Auszüge auf je 12,000 Mann und 50 Geschütze festgesetzt wurden . Leider blieb diese Wehrordnung nur auf dem Papier und auch das > eidgenössische Defensionale « vom 18. März 1668, welches die Auszugsstärken etwas erhöhte, kam nie ganz zur Ausführung. Immerhin sagt Daendliker's Schweizergeschichte darüber, daſs man
den Entwurf einer solchen schweizerischen Kriegsverfassung als den gröſsten Fortschritt bezeichnen müsse, welchen die Schweiz seit den
Tagen des Sempacherbriefes , also seit zweiundeinhalb Jahrhunderten gemacht hatte. Die im Defensionale festgesetzten Truppenstärken werden auch im eidgenössischen Schirmwerk « vom Jahre 1702
beibehalten , welch' letzteres bis zum Sturz der alten Eidgenossen schaft vom Jahre 1798 bestehen blieb. Die nun folgende Zeit der Helvetik centralisierte das Webrwesen vollständig in der Hand des Einheitsstaates ; es konnte sich aber diese Organisation, wie über haupt die ganze damalige Verfassung nicht einleben , da sie von auſsen mit Gewalt aufgezwungen in einem zu groſsen Gegensatze mit allen bisherigen Verhältnissen stand. Schon im Jahre 1804 wurde das Einheitsheer in Folge der » Mediationsakte « wieder durch
ein Contingentsheer ersetzt und die auf den Sturz Napoleons I., dessen Werk die Mediation war , folgende Zeit ging in dieser Be 1
ziehung noch weiter Militärreglenient für die schweizerische Eid genossenschaft vom 20. August 1817). Damals bestand das Bundes
heer aus dem Auszug (33,758 Mann and 72 Geschütze), der Reserve (33,743 Mann und 48 Geschütze) und der Landwehr. Der Sonderbundskrieg machte endlich im Jahre 1847 den nach und nach unhaltbar gewordenen Zuständen ein Ende, und es wurde
in der durch ihn hervorgerufenen Neuorganisation von 1850 doch wenigstens ein Teil des Militärunterrichtes in die Hände des Bundes gelegt. Vieles blieb aber noch immer beim Alten ; so wurden immer noch alle Kontingente von den Kantonen nach einer Skala von
3 Prozent der Bevölkerung zum Auszug und 1/2 Prozent zur Reserve gestellt. Die Gesamtstärke betrug 9 Divisionen mit etwa 15,600 Mann und 24 Geschützen , sowie einigen selbstständigen Truppenkörpern .
II. Die heutige Militärorganisation. Die Ereignisse des Jahres 1870/71 hatten die völlige Unzu länglichkeit der alten Militärorganisation von 1850 dargethan und man war allgemein überzeugt, daſs etwas geschehen müsse, wenn man den militärischen Aufgaben der Schweiz unter den heutigen, von denen der fünfziger Jahre völlig verschiedenen Verbältnissen
195
Die Vereinheitlichung des schweizerischen Heerwesens.
gerecht werden wolle. Die Rufe nach einem Heeres wurden immer dringender, als aber die centralistische Bundesverfassung im Jahre 1872, laut welcher das Militärwesen vollständig in die Hände
des Bundes übergegangen wäre, zur Volksabstimmung kam, wurde sie mit knapper Mehrheit verworfen. *) Das Ergebnis dieser Ab stimmung, weit davon entfernt, die Revisionsfreunde zu entmutigen, feuerte sie zu neuer Thätigkeit an und so kam im Jahre 1874 eine neue Bundesverfassung zu Stande, in welchen den Kantonen ein Teil der Militärverwaltung, sowie noch einige andere Rechte über
lassen wurden. Die anfänglichen Gegner der neuen Organisation haben sich dann in Folge der in die Augen fallenden Fortschritte der nunmehr aus dem lose zusammenhängenden Kontingentsheer zum Bundesheere gewordenen Armee bald damit ausgesöhnt und
auch das Volk hat sich verhältnismäſsig rasch in die ganze Neuerung eingelebt. Auch in diese neue Organisation ging der Grundsatz der all
gemeinen persönlichen Wehrpflicht über und wurde dieselbe anfäng lich bis zum vollendeten vierundvierzigsten Altersjahre festgesetzt, aber später durch das Landsturmgesetz vom 14. Dezember 1876
bis zum vollendeten fünfzigsten Altersjahre (beziehungsweise fünfund fünfzigsten für Offiziere) ausgedehnt. Einzelne Beamtenkategorien wurden vom Dienste während der Dauer ihrer Anstellung befreit. Die Rekrutierung wurde eidgenössisch und divisionsweise unter
Mitwirkung der kantonalen Beamten durch einen vom Bundesrate ernannten Aushebungsoffizier besorgt. Die Kontrollführung blieb dagegen in den Händen der Kantone, welche auch die Verwaltung der Rekrutierungskreise behielten .
Das Bundesheer selbst zerfällt in eidgenössische und kantonale
Einheiten, des Auszuges und der Landwehr. Zu den » Truppen einheiten des Bundes « gehören
je 12 Guiden-Compagnien in Auszug und Landwehr, 16 Parkkolonnen in Auszug, 8 in der Landwehr,
je 2 Feuerwerks-Compagnien im Auszug (neu) u. in der Landwehr, je 8 Train-Bataillone im Auszug und in der Landwehr, je
8 Genie - Batailsone « Das gesamte Medizinalpersonal, <
finden an einem nach damaliger Auffassung so durchaus unwissenschaft lichen und dürftigen Kriegsplane. Er würde wohl eine wenig günstige Meinung bekommen von dem preuſsischen Generalstabe, weil in diesem
Umschau in der Militär- Litteratur,
238
Entwurfe so gar nicht die Rede ist von strategischen Stütz- und Schlüssel
punkten , strategischen Bedrohungen und strategischen Reserven, von Stellungen, Festungen, Magazinen , Domonstrationen, Ombragen, Rochaden und abnlichen gelehrten Dingen, dafür aber in schlichten Worten vom
Feinde, von einer mit allen Mitteln anzustrebenden Entscheidungsschlacht gesprochen wird . " Verfasser wendet sich zunächst mit scharfem Wort gegen die leider noch mehr als wünschenswert verbreitete hausbackene Ansicht , daſs es eigentlich gar nicht der Mühe verlohne, sich mit der Lehre vom Kriege eingehender zu beschäftigen ; es wird daran erinnert, daſs die unver anderlichen Faktoren der Kriegführung - Zeit, Raum , Gestaltung der
Erdoberfläche, vor Allem der Mensch mit seinen Fehlern und Vorzügen, Empfindungen und Neigungen – es allerdings ermöglichen , eine Lehre vom Kriege zu begründen , deren Studium die Grundlage bildet für die Kriegführung . Zu besonderer Freude gereichte uns die treffliche Charakteristik des Groſsen Königs, „ als eines Feldherrn mit eigenartiger genialer Auf fassung vom Kriege “ . Es kann dies nicht oft genug betont werden , SO
wohl den systematischen neidvollen Verkleinerern des Ruhmes dieses unvergleichlichen Monarchen, zeitgenössischen Geschichtsschreibern aus der Umgebung des Prinzen Heinrich , welche den König kaum als einen glück lichen Empiriker wollten gelten lassen , als auch namentlich gewissen in
neuester Zeit von nicht-militärischer Seite hervorgetretenen Bestrebungen
gegenüber, welche den König als „Strategen der alten Schule“ , allenfalls einen „ sich aus der gesammten Menge seiner Zeitgenossen heraushebenden Nicht die Kriegführung Friedrich des Groſsen war es , die auf den Schlachtfeldern von 1806
Schlachtenlieferer “ zu bezeichnen belieben .
scheiterte , sondern diejenige schwächlicher Epigonen , eines Geschlechtes von Heerführern , „ Praktiker “ par excellence , welche lediglich die ent geistigten Formen jener Kriegführung bewahrt hatten , aber sonst Nichts aus derselben zu lernen für nötig hielten ! Die napoleonische Zeit brachte neue , vor Allem auf geistiger
Grundlage beruhende Elemente in die Kriegführung; die französische
Armee war denen ihrer Gegner geistig überlegen, die französische Strategie fing an, vom echten Geiste der Kriegführung durchdrungen zu werden.
Während bei den Alliirten alles genau geregelt, paragraphirt war, eignete sich die französische Heeresleitung immer mehr den Grundsatz an, Selbst
ständigkeit der Generale zu verlangen. Aber auch Elemente ethischer Natur
Vaterlandsliebe, Nationalgefühl, selbst der politische Fanatismus kommen der französischen Kriegführung zu Gute, vor allem jedoch die
Energie in der Krieg führung, die rücksichtslose Offensive, die zum ohersten Grundsatze erhoben wurde. Die napoleonische Kriegführung be deutet nicht nur einen Wendepunkt in der Art, Krieg zu führen, sondern bildet auch die Unterlage für die moderne Kriegslehre. Die verbesserte Taktik, eine sachgemäſse Organisation des Heeres und rücksichts Jabrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd . LXX., 2.
16
Umschau in der Militär- Litteratur.
239
loses Ausnutzen des Requisitions-Systems war jedoch nicht, wie insgemein geglaubt wird, von Napoleon, sondern von Carnot , „dem Organisator des Sieges“ , in die französische Armee eingeführt worden ; ebenso wenig sind
die strategischen und taktischen Grundsätze Napoleons unvermittelt und abgeschlossen in seinem Geiste entstanden, wie er es auch nicht gewesen, der zuerst die Schlachtenentscheidung durch massierten Angriff gegen einen bestimmten Punkt der feindlichen Schlachtlinie
-
Mitte
oder
Flügel herbeizuführen wuſste; das that vor ihm schon Hannibal, Julius Cäsar und in meisterhafter Weise Friedrich der Groſse. Das
Verdienst Napoleons besteht hauptsächlich darin, daſs er die Offensive 1
zur Richtschnur seiner Handlungen machte und damit den geistigen und moralischen Elementen die Vorherrschaft in der Kriegführung zurück er oberte; dies tritt am glänzendsten hervor in der Ausnutzung des Sieges und der strategischen Verfolgung. Äuſserst zeitgemäſs und dankenswert ist gegenüber der Zunft der „ Praktiker“ der Hinweis, daſs alle hervorragenden Generale der Neuzeit, Prinz Eugen, Friedrich der Groſse, Erzherzog Carl und Napoleon wissen schaftlich strebsam waren , studierten. Irren wir nicht, so war es Heinrich IV., welcher einst den trefflichen Ausspruch that , er fische prächtige Soldaten aus dem Tintenfasse. Kein groſser Feldherr hat die Theorie vernachlässigt ; das lehrt die Geschichte. Wissenschaftliche Bildung
ist, unserer Überzeugung gemäſs, nicht bloſs eine schöne Zugabe für den Offizier, sondern der Stempel, welcher den Soldaten zum höheren Krieger adelt, freilich nur dann, wenn ihm das geistig Erworbene kein tot aufge
bäufter Schatz geblieben, sondern zu seinem geistigen Eigentum geworden ist, wenn ihn gleichzeitig der echte Kriegergeist beseelt, diese erste Eigenschaft des Soldaten ; wenn Charakterstärke, Energie und Männlichkeit sein höchster Wert und Stolz sind .
Dem Bilde der napoleonischen Kriegführung steht gegenüber die trost lose Erscheinung der , die deutschen Generale von 1806 beherrschenden ,
selbstgenügsamen, an überlebten Theorien festhaltenden Lehre vom Kriege, Während Napoleon seine Truppen für den Krieg , für das Gefecht vor
bereitete, exerzierte man in Deutschland mit Winkelmaſs und Astrolabium , übte man Dinge, die im Frieden entbehrlich und im Kriege nicht gebraucht wurden .
1
Kriegslehre wie Gefechtslehre hatten die Fühlung mit den
lebendigen Faktoren der Kriegführung verloren ; man hatte den Formen den Vorzug eingeräumt vor dem Geist. —- Mit der Wiederaufrichtung des Preuſsischen Heeres und Staates kam die Wissenschaft
wieder zu Ehren ; das Wissen wurde zur Grundlage für das Können. Seit jener Zeit hat das Preuſsische Offizier-Corps seinen Stolz darin gesucht, das wissenschaftlich gebildetste Offizier-Corps Europas zu sein. Diese Richtung hat Kriegslehren gezeitigt, welche für alle Zeiten maſsgebend bleiben werden , und im Zusammenhang damit ist eine Kriegführung zur
Geltung gekommen, der in erster Linie die Erfolge von 1864, 66 und 70 zu danken sind .
Die Kämpfe gegen Napoleon in den Befreiungskriegen .
Umschau in der Militär-Litteratur.
240
beweisen, daſs das Geheimnis des Sieges hauptsächlich darin liegt, dem Gegner das Gesetz vorschreiben zu können ; für Thaten im Sinne
Friedrichs des Groſsen sorgte das wiedererwachte „ Vorwärts“ iru Preuſsischen Heere. – Aber eine lange Zeit nach dem Frieden verging , ebe der Kriegsgeschichte , als vornehmstem militärischem Lehrmittel , zu ihrem Rechte verholfen wurde.
Erst seit einem Menschenalter ist sie
die beste Grundlage für die Kriegslehre und die sicherste Ratgeberin für die Kriegführung geworden.
Der hervorragendste Vertreter auf
dem Gebiete der Kriegslehre , Clausewitz , dessen Werk „Vom Kriege“ klassisch bleiben wird, so lange es eine Kriegslehre giebt, hat für immer die Elemente festgestellt, welche die Kriegsführung bedingen und beein flussen .
Verfasser berührt in wenigen schlagenden Sätzen das Wesen der Krieg führung von 1815 bis 1859, welche in keiner Weise den Kriegslehren eines Clausewitz und den Vorbildern der napoleonischen Zeit entsprochen haben . Zu der Kriegführung von 1864, 66 und 70 übergehend , wird dann betont, daſs schon der erstgenannte Feldzug die Preuſsische Kriegführung als von
groſsen Gesichtspunkten ausgehend erkennen lasse, und 1866 die unleug bar vorhandenen mechanischen Schwierigkeiten durch Energie und Beweg lichkeit auszugleichen wuſste. Rühmende Anerkennung findet das Verhalten des Erzherzogs Albrecht in Italien, auch ein Mann des eifrigen Studiums, gleich seinem Vater Erzherzog Carl. Er hat durch die That bewiesen, daſs die Kriegslehre die Grundlage bildet für die Kriegführung, wenn sie thatkräftig und zweckentsprechend angewendet wird. Äuſserst treffend wird die Preuſsisch -Deutsche Kriegführung von 1864 bis 1871 in Vergleich gestellt mit der Preuſsisch -deutschen Politik
der letzten 25 Jahre. Beide nur mit der Wirklichkeit der Dinge rechnend, frei von vorgefaſsten Meinungen und abstrakten Theorien , zudem die
erstere den Vorteil genieſsend, auf den Grundlagen einer klassischen Kriegslehre eine vortrefflich geistige Schulung erhalten zu haben . Als Ergebnis der jetzt allgemein gültigen Lehren der Kriegführung werden vor allem drei Dinge bezeichnet, welche als die Unterlage des Er
satzes angestrebtwerden müssen : Einheitlichkeit der Kriegshandlung, Einfachheit derselben und Energie der Kriegführung , gestützt auf möglichste Vollkommenheit der Kriegsmittel.
Wir haben den Inhalt des in Rede stehenden Vortrages nur mit wenigen Worten streifen können ; aber diese Streiflichter werden vielleicht genügen, um die Aufmerksamkeit auf denselben zu lenken . Mit höchster
Befriedigung legten wir die vom Anfang bis zum Ende fesselnde kleine Schrift aus der Hand und zweifeln nicht, daſs der kundige Leser diese
Empfindung in vollem Maſse teilen werde .
Alfred Krupp und die Entwicklung der Guſsstahlfabrik zu Essen.
Nach authentischen Quellen dargestellt von Died 16 *
241
Umschau in der Militär- Litteratur.
rich Baedeker. Mit Titelbild, 5 Ansichten und Situatious
Plan . Essen. Druck und Verlag von G. D. Baedeker. 1889. Nach Alfred Krupp's Tode gab man sich der Hoffnung hin, die Firma Krupp werde in nicht ferner Zeit eine Biographie ihres Chefs aus dem ihr zu Gebote stehenden Material veröffentlichen .
Wie wir aus dem
Vorwort des vorliegenden Werkes entnehmen, liegt dies noch auf lange Jahre nicht in der Absicht der Firma.
Es ist daher mit Freuden zu
begrüſsen , daſs uns Herr Diedrich Baedeker in diesem Falle zu einem
gewissen Ersatz verhilft, den wir in der oben erwähnten Biographie und der mit derselben folgerichtig verwobenen Geschichte der Essener Gaſs stahlfabrik finden . Eine langwierige und mühsame Sammelarbeit muſste der Abfassung vorangehen. In einzelnen Punkten nur ist die Fabrik dem Verfasser zu Hülfe gekommen , insbesondere haben denselben Beamte der
Fabrik in der Sichtung des aus andern Quellen zur Verfügung stehenden Materials unterstützt, von dem ein groſser Teil absolut unbrauchbar war. In dem Hinblick auf diese Unterstützung batte Verfasser wohl nicbt Unrecht, seine Quellen authentische zu nennen , wenngleich man zunächst darunter wohl etwas Anderes verstehen möchte. Die Zurückhaltung der Firma ist in dem Falle wohl erklärlich, sie würde andernfalls eine groſse Verantwortung übernommen haben , denn der Fäden , durch welche die
Fabrik mit den meisten Staaten Europas und anderer Erdteile seit langer Zeit zusammenhängt, sind zu viele, als daſs nicht eine von ihr selber aus gegangene Veröffentlichung hier oder da hätte Anstoſs erregen sollen. Der Gedanke ist uns insbesondere bei der Darstellung der Beziehungen der
Fabrik zu der Entwicklung unserer Artillerie häufig gekommen ; das vor liegende Werk hatte bei der Art seines Entstehens die Möglichkeit da, wo es sich um die Erwähnung von Miſsgriffen oder unliebsame persönliche Notizen handelte, sich durch die Autorität anderer Schriften zu decken . Wenn die Darstellung von Diedrich Bädeker nun auch nicht als die endgültige Biographie A. Krupps gelten kann, so wohnt ihr doch ein hoher Wert bei , und es kann die Aufmerksamkeit aller mit der Guſs
stahl - Industrie zusammenhängenden Lebenskreise in erster Linie auf das Werk hingelenkt werden. Baedeker hat es in sehr fesselnder Weise ver standen, die Person A. Krupps und seine persönliche Geschichte mit der Geschichte des Unternehmens in innigen Zusammenhang zu bringen . Auch wer der Technik fern steht, wird den Lebensgang eines so hervor ragenden Mannes wie Krupp, und das allmähliche Aufblüben eines Instituts, das heute seines Gleichen auf Erden nicht kennt , mit Aufmerksamkeit
verfolgen. Jeder deutsche Patriot wird mit Stolz erfüllt, wenn er liest, wie Krupp durch unaufhörliches Ringen es dahin gebracht hat, der heimischen Stahl- Industrie die erste Stelle auf dem Erdball zu erwerben
und seine englischen Mitbewerber häufig selbst in ihrem eigenen Lande aus dem Felde zu schlagen. Was den artilleristischen Teil des Werkes betrifft, der hier in erster
Umschau in der Militär- Litteratur.
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Stelle anzieht, so können wir nur hervorheben, daſs demselben eine vorzugs weise Berücksichtigung geworden ist. An sich ist es natürlich, daſs diese so höchst wichtige Seite der Leistungsfähigkeit des Unternehmens mehr als die andere hervortritt. Diedrich Baedeker, obgleich ihm vielleicht dieses Gebiet ferner lag, hat trotzdem auch diesen Teil seiner Aufgabe in verständnisvoller Weise
gelöst. Nur an wenigen Stellen lieſse sich über die Richtigkeit der Auf fassung streiten .
Dem Leserkreis der Jabrbücher sei das Werk, welchem interessante
bildliche Darstellungen beigegeben sind, aufs wärmste empfohlen ! 12 . Felddienst- Instruktion für den Kavalleristen von Georg Freiherrn v. Fritsch , Rittmeister und Eskadronschef. 1888.
Berlin
Schneider & Co.
Eine recht klare, bestimmte Abhandlung über den Aufklärungs- und Sicherheitsdienst in 2 Hauptteilen, Formales und Verhalten . Sehr gründlich und sachgemäſs bespricht und erläutert der Herr Verfasser alle erdenklichen Aufgaben und Leistungen in diesen Diensten. Die gründliche Durchlesung dieses Werkchens wird jedem Kavallerie - Offizier nützlich sein und ihm An haltspunkte mancher Art geben .
In allen Diensten der Kavallerie geht
zwar Können weit über Kennen, immerhin aber kann die fleiſsige Lektüre sachgemäſser klarer Abhandlungen nur dazu beitragen, daſs in der Praxis das versucht werde, was Erfahrung und Theorie als richtig bezeichnen . Unsere Praxis haben wir nur bei den gröſseren Truppenübungen , dort muſs man also versuchen auch die Gedanken Anderer zu erproben und zu verwerten, so weit dies eben möglich ist.
1. Die Influenza (Grippe, Brust- und Rotlaufsseuche) der Pferde.
2. Die Kolik der Pferde. Ihre Entstehung, Verhütung u. naturgemäſse Heilung ohne Arznei. Beide von Spohr , Oberst lieut. a . D. Hann. Schmorl & v. Seefeld . 1889. (S. auch S. 248.) Beide Schriften sind vom Kgl. Pr. Kriegsministerium durch Anerkennung
ausgezeichnet worden . Oberstlieutenant Spohr schreibt in überzeugender Weise über dieUrsachen dieser in der Kavallerie leider so gut bekannten Krank
heitserscheinungen. In vollkommen sachgemäſser, erschöpfender und klarer Abhandlung giebt er uns die Mittel zur Verhütung wie Bekämpfung dieser Krankheiten, welche namentlich als Influenza so überaus störend in den ganzen Dienstbetrieb der Kavallerie eingreifen. Wenn auch zum Teile theoretisch bereits anerkannte und bekannte Mittel angegeben sind , so ge winnen sie doch eine hohe Bedeutung gerade dadurch, weil leider in der
Praxis noch recht vielfach und ausgiebig gegen diese Verhütungsmittel gesündigt wird.
Wie alle Geschöpfe bedürfen auch die Pferde gesunder
Luft und ausgiebiger Bewegung; wie oft aber stehen die armen Tiere während 24 Stunden 23 in dumpfen, schlecht gelüfteten Stallungen und gehen während der 24. Stunde in ebensolchen Reitschulen u. $. w.
Die
Umschau in der Militär -Litteratur.
243
Kavallerie kann diesen Verhältnissen nicht genug Aufmerksamkeit zu wenden und wird durch die genaueste Befolgung der gegebenen Anbalis punkte in jeder Beziehung nur Vorteile erzielen .
Wir können beide
Schriften aufs wärmste empfehlen und zwar nicht nur zur genauen Durch sicht, sondern zur pedantischsten Darnachachtung.
8.
Konstantinopel , die dritte Hauptstadt Russlands ? Eine politisch -militärische Studie von H. . . . ( Beilage : 1 Plan, darstellend das russische Zukunftsreich ). Hannover 1888. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. Diese Schrift gehört zur Gattung jener Zukunftskriege“ , deren Zahl seit der bekannten „Schlacht von Dorking “ bedenklich zunimmt. Das
Kapitel: „ Die politische Lage der Hauptstaaten Europas “ bietet nicht eben Neues und schlieſst mit dem prophetischen Worte : „ Das Ziel Russ lands ist, Konstantinopel zur dritten Hauptstadt seines Reiches zu machen.
Im 2. Kapitel wird die strategische Lage Russlands und der Türkei ein gehender besprochen. Verfasser ist der Ansicht, daſs eine Landung an 19
der Nordküste Kleinasiens für Russland das Beste sei . “
Von diesem Ge
sichtspunkte geleitet wird im 3. Kapitel der Transport der russischen Armee an die Nordküste des schwarzen Meeres auf das Genaueste, nach
Tag und Stunde, unter Benennung der Truppenteile bis zu den Regimentern hinab, klar gelegt , so wie ihn Verfasser sich denkt ; sodann der „ Vorinarsch der Armee des Schwarzen Meeres in Klein- Asien.“ Das 4. Kapitel be schäftigt sich mit der „ Befestigung des Bosporus und der Dardanellen“
und schlieſst mit einem Ausspruche Moltke's : „es bedarf um Konstantinopel völlig einzuschlieſsen zweier Heere in Europa, eines dritten in Asien und einer Flotte im Marmora -Meere . “ Das 5. Kapitel „ Russland in Central Asien “ giebt auch eine Dislokation der daselbst befindlichen Truppen. Von der Widerstandsfähigkeit der Türkei und ihrer Verbündeten scheint 6
der Verfasser nicht viel zu halten, denn auf dem beigegebenen Plane,
Das russische Zukunftsreich “, ist die Türkei als verschwunden verzeichnet. Die Balkan - Halbinsel ist , mit Ausnabme der österreichischen Provinzen, Montenegros, Serbiens und Griechenlands dem „ Zukunftsreiche “ einverleibt, Golf von Iskanderum . desgleichen Klein-Asien bis zur Linie Erzerum
- Wir müssen bekennen , daſs wir diesen „Zukunftskriegen“ keinen Ge schmack abgewinnen können und wissen nicht, Wem oder Was sie nützen sollen .
1.
Gedanken über Österreich -Ungarns militair- politische Lage. Eine Studie von K. L. Mit einer Karte ). Hannover 1888. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. Diese, offenkundig einer österreichischen Feder entsprossene Studie bespricht zuvörderst die Aussichten eines kriegerischen Zusammenstoſses
des Kaiserstaates mit Russland und bezeichnet als günstigen Faktor „die zweifellos raschere Mobilisierung “ , welche der österreichischen Armee
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die strategische Offensive sichere; selbst das weiteste Vordringen in das
russische Reich lasse einen glücklichen Feldherrn heut zu Tage nimmer das Miſsgeschick Napoleons befürchten, da das entwickelte Eisenbahnnetz die Schwierigkeiten der Verpflegung und des Nachschubes auf ein Minimum herabdrücke; in dem geographischen Element der Gröſse des Landes finde
Russland kaum noch den ehemaligen Schutz. (?) Über die „Orientalische Frage wird geurteilt, daſs sie auf baldige und entscheidende Lösung bin
Aute. Ein ganzes Kapitel beschäftigt sich mit den geographischen Ver hältnissen der Balkanstaaten in ihren gegenwärtigen territorialen Ver hältnissen ; vom Schlusse dieser Betrachtungen wird gesagt : „Österreichs Politik müsse die kleinen Balkanstaaten dahin bringen, im engsten An
schlusse an den Kaiserstaat die beste Wahrung und Forderung ihrer Interessen zu erblicken. “ – Bei Besprechung der Befestigungsfrage bezieht sich Verfasser auf Radetzky's, Blume's und Scheibert's Ansichten über den
Wert von Festungen überhaupt. „ Als den wahren und einzigen Schutz des Vaterlandes“ , darin wird ihn jeder denkende Offizier beistimmen, be
zeichnet er die Feld - Armee. Von den Festungen gegenüber Russland wird Krakau und Przemysl als strategisch wertvoll bezeichnet ; in der
Bukowina fehle ein befestigter Platz, (was schon Radetzky anerkannte), am besten geeignet hierfür sei Czernowitz ; „ alle sonstigen Befestigungen im Inneren Österreichs erscheinen überflüssig und geldraubend ; die Donau Bei der Besprechung Basis müsse stets in Feindesland verteidigt werden . der Befestigungen Deutschlands werden unbegreiflicher Weise Colmar, dann Osterode und das geschleifte Graudenz als Festungen erwähnt, das wichtige Befremdend sind die Ansichten über Be Glogau aber ist vergessen . deutung von Landwehren “, deren Kriegskunst (!) schlicht und einfach,
der Natur angemessen , weit von aller Künstelei bleibend sei “ ; für die Bezeichnung der Landwehr als „Bürgersoldaten “ fehlt uns, die wir doch in der Zeit der allgemeinen Wehrpflicht leben, völlig das Verständnis. Die im 5. Kapitel gegebene Übersicht der Webrkräfte Österreichs, seiner Nachbarstaaten , dann Frankreichs ist in Einzelheiten nicht über
jeden Zweifel erhaben. Das neue österreichische Wehrgesetz hat erklärlicher Weise noch keine Beachtung gefunden; die Wehrverhältnisse der Türkei werden sehr abfällig beurteilt : „sie dürften bald auf das Niveau Persiens herab sinken. “ Die das 6. Kapitel bildende Darstellung der „ Friedens Dislokation der russischen und österreichischen Kavallerie “ veranlaſst den
Verfasser zu dem Urteil „ daſs die erstere nur eine gebotene Defensiv
Mafsregel sei , daſs ferner Österreich wenig von einem Kavallerie - Einfalle zu besorgen habe, wenn es seine geeigneten Gegenmaſsregeln trifft. “ –
Die beigefügte Karte soll das Festungsnetz, sowie die Dislokation der russischen Armee und österreichischen Kavallerie in den Grenz -Provinzen veranschaulichen .
3.
Der Krieg von 1870/71 dargestellt von Mitkämpfern. I. Band Weissenburg, Wörth , Spichern . Von KarlTanera , Hauptmann. 9
Umschau in der Militär -Litteratur.
245
Mit vier Karten .
II. Band .
Um und in Metz 1870.
Von
Dr. J. Steinbeck. Mit einer Karte. Nördlingen . Beck 1888. In 7 Bändchen giebt das vorliegende Werk eine im Tone volkstümlicher Erzählung gehaltene Schilderung der wichtigsten Episoden des Feldzuges 1870/71 . Der Gedanke, Mitkämpfer sprechen und die Ereignisse gewisser maſsen in der Form eines Tagebuches vorführen zu lassen, ist ein sehr glücklicher.
Besser als Anderes spricht der Umstand , daſs von dem dritten im Sommer 1888 erschienenen , die Schlachten von Beaumont und Sedan be handelnden Bändchen bereits in demselben Jahre die dritte Auflage not
wendig geworden ist.
17 .
III . Seewesen .
The nautical Almanac and astronomical Ephemeris for the Year 1892.
For the meridian of the Royal observatory at
Greenwich , published by order of the Lords of the Admiralty. price 2° 6d London . Diese Schrift entspricht dem
deutschen nautischen Jahrbuch oder
Ephemeriden und Tafeln für das Jahr u . s. w., herausgegeben vom Reicbsant des Innern . Berlin . Carl Heymann's Verlag. Preis M. 1,50.
Army and Navy Gazette (Dezember 1888) : Auszüge aus den Par laments - Debatten bezüglich des Marine - Etats pro 1889. Die Regierung wird besonders heftig von einem Seeoffizier, Lord Charles Beren
ford angegriffen, welcher die Schäden der englischen Marine in sehr heftiger Weise angreift, die Flotte und deren Armierung zur Verteidigung der englischen Küsten, zum Schutz des englischen Seebandels als unzu reichend darstellt und eine Vermehrung der Panzerschiffe und der Kreuzer in dem Maſsstabe verlangt, daſs dieselbe stärker sei , als die kombinierten Flotten zweier anderer Seemächte. Hierzu sei der schleunige Bau von 4 Panzerschiffen erster Klasse und 40 Kreuzern erforderlich.
Beim Ver
gleich der von der englischen Regierung namhaft gemachten Schiffe der französischen Flotte mit den englischen, weist er nach, daſs von den 49 englischen gegenüber 30 französischen, 8 nicht mehr den jetzigen An 1
forderungen genügten und von diesen 2 auf der Verkaufsliste stinden , die weiter nichts als altes Eisen, 5 aber auf auswärtigen Stationen, mithin nur 36 zur Verteidigung der Küsten übrig seien . Die Franzosen hätten
auſserdem Panzerschiffe aufzuweisen, welche den englischen an Panzerstärke, Armierung und Schnelligkeit überlegen wären. Auch die französischen Kreuzer wären den englischen an Geschwindigkeit überlegen . Diesen Aus führungen stimmten mehrere andere Parlamentsmitglieder zu. Der Sekre
tär der Admiralität erklärte, man beabsichtige 2 Kreuzer zu bauen , welche 15000 Seemeilen mit 10 Knoten Geschwindigkeit dampfen könnten, ohne Kohlen einzunehmen.
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246
United Service Gazette. Nr. 2920 : Unterseeische Torpedoboote. Die im Monat Dezember v. J. in Toulon stattgehabten Versuche mit dem unterseeischen Torpedoboote „Gymnote“ sollen, nach französischen Berichten, befriedigend ausgefallen sein , da der Aufenthalt für die Mannscbaft im
Innern des Bootes keine erwähnenswerten Unbequemlichkeiten gehabt hat. In der englischen Marine sind die Ansichten über diese Boote geteilt, die Gegner derselben vergleichen sie mit einem kämpfenden Blinden , und be haupten, daſs sie bei jedem Zusammenstoſs mit dem feindlichen Schiff ver loren seien, da sie durch den Strudel des untergehenden Schiffes mit in den Grund gezogen werden würden. Andere halten die Boote für Küsten
verteidigungszwecke, namentlich zur Schonung von Hafen - Einfahrten be sonders wirksam . Für einen schwachen Verteidiger würden sie in diesem Falle eine starke feindliche Flotte von der Küste fern halten können .
Nr. 2922 : Die italienische Hülfsflotte. Die italienische Regierung bat mit der Societa generale di Navigazione Italiana einen Vertrag abge schlossen , der nach drei Richtungen hin von besonderer Bedeutung ist.
1. die bereits vorhandenen Küstenlinien werden vermehrt, die durch Eisen bahnlinien überflüssig gewordenen gehen ein . 2. Es werden neue über seeische Dampferlinien errichtet, die den Bedürfnissen der vermehrten Handelsbeziehungen entsprechen. 3. Es wird eine Anzahl neuer und starker Schiffe gebaut, deren innere Einrichtung nach den vom Marine Ministerium festgesetzten Grundsätzen hergestellt ist, und deren Mannschaft im Kriegsfall als Hülfspersonal für die Kriegsflotte dient. Die Schiffsge
sellschaft hat sich verpflichtet, 20 neue Schiffe von groſsem Tonnengehalt, mit allen Verbesserungen der Neuzeit versehen , zu erbauen , und diese mit Offizieren und Mannschaften zu besetzen, die sich verpflichten , im Kriegs
falle unter den Befehl der Kriegsflotte zu treten und auf jedem Schiffe zu dienen, für das sie bestimmt werden. Die Schiffsgesellschaft würde in der Lage sein, dem Staate im Kriegsfalle 65 schnelle Dampfer, Kreuzer, Trans portschiffe und Avisos zur Verfügung zu stellen. Marine-Sammler (Morskoj Sbornik). November 1888. 1 ) Die Be deutung der Torpedoboote als Kampfeseinheiten der Flotte. Der Verfasser will bei aller Würdigung des Wertes der Torpedoboote für
die Küstenverteidigung der Ansicht von ihrer Verwendbarkeit auf hoher See entgegentreten .
Wer in seinen Gewässern Herr bleiben will,
darf neben der Vermehrung der Torpedoboote keinen Moment den Bau von Panzerschiffen der gröſsten Dimensionen aus
dem Auge verlieren. “ Die Thätigkeit der Torpedoboote beschränkt er auf den Parteigångerkrieg, wobei er ihnen nur bei Nacht oder Nebel Er folg zubilligt und auf die Mithilfe bei der Hafenverteidigung. Hierbei
sollen sie erstens feindlichen Kreuzern und flachgehenden Fahrzeugen das Recognoszieren erschweren, zweitens beim feindlichen Angriff auf einen Punkt der Küste die Verteidigung unterstützen. Hierzu will er sie in zwei Teile getrennt sehen : der eine soll von geeigneten Punkten der Ein fahrt aus den durch die Schwierigkeiten des Fabrwassers und Minen
Umschau in der Militär- Litteratur.
247
sperren u. s. w. in seiner Bewegungsfähigkeit behinderten Angreifer an fallen, der andere von der der Küste abgekehrten Seite des Gegners aus unter Benutzung des Pulverdampfs diesen im Rücken fassen . Der Ge schwindigkeit der Torpedoboote miſst Verfasser nur insofern Wert bei, als
sie allen feindlichen Fahrzeugen darin gewachsen sein müssen und zur möglichsten Ausnutzung günstiger Zeitmomente. Für wichtiger erachtet
er, daſs ihre Dimensionen möglichst klein bleiben : als Maximum für die Ostsee 80 Fuſs Länge, 3 '/ ' Tiefgang, 4 ' Höhe über der Wasserlinie ; für das Schwarze Meer und den stillen Ocean 150ʻ Länge, 5' Tiefgang, 6 Fuſs Höhe über der Wasserlinie.
Dezember 1888. 1 ) Der Bericht des Commandanten des „ Admiral Nachimow “ erwähnt lobend die freundliche Aufnahme, die ihm in Kiel zu
Teil geworden. 2) Über das beste Kaliber für Küstengeschütze gegenüber den gegenwärtigen Panzerflotten. 3) Die Be deutung der Torpedoboote (Schluſs). 4) Bestimmung der Drehungsgeschwindigkeit bei Schiffen mit Hilfe des Walker schen Logs. 5) Herstellung und Bearbeitung der Stahlge
schütze im spanischen Arsenal bei Trubia. 6. Künstliche Ver stärkung des Zuges bei Kesseln auf Dampfschiffen (Schluſs). Revista marittima. (November) : „ Zum hundertjährigen Jubiläum der Dampfschiffahrt. Eine geschichtliche Skizze der Entwickelung derselben. ,,Das französische Marine - Budget " .
S
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Januar
eingegangenen Bücher. (Besprechung derselben nach Zeit und Gelegenheit ist vorbehalten.)
I. Alfred Krupp und die Entwickelung der Guisstahlfabrik zu Essen. Nach authentischen Quellen dargestellt von Diedrich Baedeker. Mit Titel bild , 5 Ansichten und Situations-Plan. Essen. Druck und Verlag von G. 1 ). Baedeker.
1889.
2. Allgemeines Militär- Notizbuch. 16. Auflage. Eigentum und Verlag von Th. Lehmann & Co. in Prettin a. Elbe.
3. Reden und Trinksprüche bei der Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Kaisers Wilhelm II. nebst Gedächtnis- Reden auf die verewigten Kaiser
Wilhelm I. und Friedrich III . von Dr. Nordheim. Kattowitz 0. S. Verlag von G. Siwinna .
4. Vaterländische Geschichte .
Ein Lesebuch für den preuſsischen
Soldaten von Paul v. Schmidt, Oberst u . Commandeur des groſsherzoglich
mecklenburgischen Füs.-Regts. Nr. 90. Mit einem Anhange: Grundzüge der deutschen Geschichte bis 1648. Dritte neubearbeitete Auflage. Berlin. Verlag der Liebel'schen Buchhandlung. 1889. Preis geh. M. 1,80.
5. Allgemeine Kriegsgeschichte aller Völker und Zeiten. IV. Abtlg. Allgemeine Kriegsgeschichte der neuesten Zeit. Herausgegeben unter der Redaktion des Fürsten N. S. Galitzin .
Aus dem Russischen ins Deutsche
Umschau in der Militär-Litteratur.
248
übersetzt von Streccius, Königl. preufs. Generallieutenant u. Kommandant von Karlsruhe. II. Band , 2. Hälfte. Kriege der 1. französischen Revo lution und der Republik ( 1792-1801 ). Porträts.
Mit 23 Karten , Plänen und
Verlag von Theodor Kay, Königl. Hofbuchhdlr.
Cassel 1889 .
6. Kriegslehre und Kriegführung. Vortrag gehalten in der Militärischen Gesellschaft zu Berlin am 12. Dezember 1888 von Keim, Major vom Nebenetat des Groſsen Generalstabes u. s. w. , Lehrer an der Kriegs Akademie.
Berlin 1889.
E. S. Mittler & Sohn .
7. Die Influenza (Grippe, Brust- und Rotlaufseuche) der Pferde, ihre
Entstehungsursachen , Verhütung und naturgemäſse Heilung ohne An wendung von Arznei. Preisbewerbungsschrift Nr. 181,881 , vom Königl. preuſsischen Kriegs-Ministerium durch Erteilung einer Anerkennung aus gezeichnet, und mit Bewilligung dieser hohen Behörden veröffentlicht von Spohr, Oberstlieutenant a. D. Hannover. Schmorl & v. Seefeld . 1889. 8. Die Kolik der Pferde , ihre Entstehung , Verhütung und natur
gemäſse Heilung ohne Arznei. Preisbewerbungsschrift Nr. 777,111 . Seitens des Königlichen Kriegsministeriums durch eine Anerkennung ausgezeichnet und mit Genehmigung desselben veröffentlicht von Spohr, Oberstlieute nant a. D. Hannover. Schmorl & v. Seefeld. 1889. 9. Der deutsche Infanterist im Dienst -Unterricht.
Bearbeitet in
Gliederungen. Ein Lehrbuch für das deutsche Heer. Herausgegeben von Max Menzel, Premierlieutenant u . s. w. Naumburg a. S. Verlag von Albin Schirmer.
1889 .
10. Der Feuerstoff. Sein Wesen , seine bewegende Kraft und seine Erscheinungen in der unorganischen und organischen Welt. Von L. Mann. Berlin . Hugo Steinitz, Verlag. 1888. 2 M.
11. Wandkarte für den Unterricht in der Terrainlehre , im Plan- und Kartenlesen und im Felddienst. Lehrbehelf für Militär- Bildungsanstalten , Unteroffiziers- Bildungs- und Compagnie- Chargenschulen. Leipzig , Wien, Iglau, Verlag von P. Biuerle.
12. Der Rekrut.. Kurze Anleitung zur Ausbildung des Infanteristen
bis zur Einstellung in die Compagnie von Koeppel, Major und Bataillons Commandeur. Vierte, nach den neuesten Vorschriften umgearbeitete Aufl. Preis 50 Pf.
Berlin 1888 .
E. S. Mittler & Sobn .
13. Geschichte des pommerschen Pionier-Bataillons Nr. 2. Zusammen gestellt von Troschel , Hauptmann und Compagniechef. Berlin 1888 . E. S. Mittler & Sohn .
Preis M. 7 .
14. Die Gymnastik als Mittel zur militärischen Ausbildung des Rekruten
der Infanterie bearbeitet an der Hand des Exerzier - Reglements von V. Dresky, Oberstlieutenant und Direktor der Militär -Turnanstalt. Zweite unveränderte Auflage.
Berlin 1888.
E. S. Mittler & Sohn.
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15. Neueste Bestimmungen über den freiwilligen Dienst im Heere.
Auszüglich aus der Wehr- und Heerordnung vom 22. November 1888. Berlin 1889.
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naoh Prof. Dr. Jäger.
XIX . Der zweite Abschnitt
des Rheinfeldzuges 1793 und sein Verlauf hten
dem General Wurmser unterstellten
hessischen Reichskontingents, Avant - Corps Schreiber (Marburger Staatsarchiv ) bearbeitet von
Dechend, Premierlieutenant im hessischen Füsilier -Regiment Nr. 80.
(Schluſs.)
III.
Zeit vom 28. August bis 12. Oktober : Ungeachtet ihrer Miſs erfolge gehen nach Eintreffen vom Conventsdeputierten die beiden feindlichen Armeen zum Angriffe über und zwar besonders heftig gegen Wurmsers rechten Flügel am 12., 18., 19., 20. September, von welchem Punkte der General bemüht ist, den westlichen vom Feinde noch besetzten Teil des
Bienwaldes zu umfassen und den links vorgeschobenen Posten Bundenthal aufzuheben . Die preuſsischen Heeresteile werden
am 12./13. September angegriffen, hierbei siegte der Herzog von Braunschweig zwar bei Pirmasens entscheidend, er ver
zögert aber die Ausnutzung dieses Sieges bis Mitte Oktober, um ein Corps aus den Niederlanden abzuwarten . Erst am 27. - 29. September gehen die Preuſsen beim Herannahen desselben gegen die Moselarmee vor , schlagen sie zurück 9
und unterbrechen die Verbindungen zwischen ihr undWeiſsen burg. Die Rheinarmee hat sich indessen noch stärker und zwar vorzugsweise am Bienwalde verschanzt.
Wurmser's
Lage wird schwierig. Unsere Berichte fahren in nachstehender Weise fort :
Am 28. August rückte auch das Husaren -Regiment ins Lager bei Schaidt zwischen 2 Kavallerie- Regimenter ein , das Jäger-Corps Jabrbücher für die Deutsche Armee und Marine,
Bd, LXX. , 8 .
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Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
aber und leichte Infanterie- Bataillone v. Lentz nahmen eine neue Position in dem Walde, um die linke Flanke zu decken. Die Vorposten scharmutzierten ohne Unterlaſs mit dem Feinde, jedoch ohne Verlust auf beiden Seiten .
Am 29. blieb alles ruhig, Abends rückte das Jäger-Corps und leichte Infanterie - Bataillon v. Lentz nach Büchelberg , und kamen fortan unter die Brigade des General Hotze, *) das Regiment Husaren
blieb in der Brigade des General Meszaros stehen . Am 30. marschierte das Jäger - Corps und leichte Infanterie Bataillon v. Lentz wieder in den Wald bei Schaidt und bekam
daselbst die äuſsersten Vorposten .
Das Jäger-Corps wurde links von Schaidt plaziert, hinter demselben zog sich ein Lager von 3 Bataillonen , die Chaussee, welche von Lauterburg nach Weiſsen burg führt, vor sich habend, und auf der linken Flanke dieses
Lagers wurde das leichte Infanterie- Bataillon v. Lentz postiert , um dieselbe zu decken .
Am 31. erhielt das Regiment Husaren die Ordre, aus dem Lager bei Dörrenbach aufzubrechen und nach dem Dorf Schaidt zu marschieren , um daselbst zu kantonieren . Hier stand ein Oberst lieutenant Brechern von den Kaiserlichen mit einer Division vom
2. Bataillon Slavonier nebst 2 Kanonen (Dreipfündern ) auf Postierung.
Das Husaren-Regiment wurde einquartiert. Am 1. September blieb alles ruhig, nur die Vorposten schar mutzierten mit dem Feind ohne Unterlaſs , auch kamen sehr viel Deserteure zu uns herüber.
Am 2. gegen Mittag fing der Feind von seiner Batterie bei
Steinfeld aus das Dorf Schaidt mit Sechzehnpfündern zu kanonieren an , weshalb die kaiserliche Infanterie und das Husaren -Regiment das Dorf verlieſsen und sich auſserhalb des Kanonenschusses hinter
demselben lagerten. Der Posten von Schaidt selbst wurde behauptet, die Infanterie und das Husaren - Regiment aber kampieren noch dahinter. Die Kaiserlichen verloren hierbei 2 Mann .
Am 3./4 . war alles ruhig auſser den gewöhnlichen Neckereien der äuſsersten Vorposten .
Den 5. überfielen des Nachts um 12 Uhr die Kaiserlichen ein feindliches Detachement von 200 Many
*) Die rechte Flügelstellung Wurmser's wurde vom 29. August an in der
Weise zur Umfassung des feindlichen linken Flügels am Bienwalde verlängert, daſs das Emigranten -Corps und General Pejachewich, letzterer mit 3000 Mann , nach Barbelroth , General Hotze nach Büchelberg und links neben diesem 4000 Mann unter General Jellachich kamen .
reichischen Untergenerale,
General Hotze war einer der tüchtigsten öster
und sein Verlauf.
Infanterie
zwischen
Nd . Otterbach
251
und Vollmersweiler,
wobei
1 Kapitän, 2 Offiziere und etliche 40 Mann niedergehauen , 1 Kapitän, 1 Offizier und 4 Mann als Kriegsgefangene ins Hauptquartier ge
bracht worden . Der übrige Teil entkam durch die Weinberge.. Am 6. war alles ruhig. Am 7. morgens um '/, 6 Uhr attackierte der Feind unter Begünstigung eines dicken Nebels unsere äuſsersten
Vorposten .
Das Jäger - Corps, welches dicht vor dem Dorfe Schaidt
im Bienwalde kampierte, nebst einem Detachement Granitzer rückte
auf den ersten Schuſs bin vor , um das Eindringen der Franzosen Die Vorposten wurden von dem Corps kaiserlicher Bataillone , indem sie Zeit gewannen unter das Gewehr zu treten ,
zu verwehren .
souteniert und es kam zu einem hitzigen Gefecht, welches bis 12 Uhr mittags ununterbrochen anhielt. Das Terrain erlaubte dem Feinde nicht mehr als 1 Bataillon ins Feuer zu bringen , und da die Jäger gut postiert standen und mit vieler contenance richtig schossen , so wurde dasselbe zum weichen gebracht. Ein zweites Bataillon rückte vor und versuchte die Jäger und Granitzer zu verdrängen: es wurde zurückgewiesen. Ein drittes Bataillon löste es ab , aber auch dieses vermochte trotz des schrecklichsten Feuers nicht das Jäger -Corps nebst den Granitzern um 1 Fuſs breit wanken zu machen. Es war ungefähr 11 Uhr , als der General Hotze
ankam und da sowohl die Jäger , als die Granitzer sich beinahe verschossen hatten , so lieſs er 1 Division Granitzer vorrücken und den Feind in der Flanke mit einem starken Kartätschfeuer be
grüſsen. Gegen 12 Uhr zog sich der Feind zurück, ohne sein Vorhaben , sich des Teils des Waldes, wo die Jäger Vorposten hatten, zu bemeistern , ausführen zu können .
Der feindliche Verlust an
Toten und Verwundeten soll sehr beträchtlich gewesen sein ; er hat nicht, wie sonst seine Toten mit zurücknehmen können . Das Jäger Corps hatte 4 Mann leicht blessiert und die Kaiserlichen 1 Offizier und 3 Mann tot und 11 Mann blessierte.
Vom 8. - 10. fiel auſser dem gewöhnlichen Scharmutzieren der äuſsersten Vorposten und häufigen nächtlichen Alarmien nichts vor. Am 11. griff der kaiserliche General Graf v. Pejachevich in der
Frühe vor Anbruch des Tages den Feind bei Busenberg *) in seiner Verschanzung an , schlug denselben , nahm ihm 3 Redouten und eroberte 5 Kanonen . 52 Mann wurden zu Kriegsgefangenen gemacht. Der Feind hatte an 2000 Mann Tote und Blessierte . Der Verlust auf kaiserlicher Seite belief sich auf etwa 480 Mann Tote und Blessierte. *) D. i . die Stellung bei Bundenthal a. d . Lauter. 17 *
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Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
Am 12. griff der Feind den rechten Flügel der Armee unter
General Jellachich bei Hagenbuch und General Hotze bei Büchelberg des Morgens vor Tagesanbruch in 3 Kolonnen an , und zu gleicher Zeit das Corps des Prinzen von Condé bei Bergzabern im Gebirge und den Prinzen von Waldeck auf dem linken Flügel. Um diese verschiedenen Attacken zu markieren und unsere Aufmerksamkeit auf andere Punkte zu richten , griff er morgens 6 Uhr auch
das Centrum und zwar dessen Teil , wo das Jäger-Corps und leichte Infanterie - Bataillon v. Lentz bei Schaidt im Walde postiert steht, an. Da des Feindes Zweck nicht wie am 7. d . Mts. war, sich dieses
Postens wirklich zu bemächtigen , sondern nur die Truppen des Centrums zu verhindern, den attackierten Flügeln zu Hülfe zu eilen , so war der feindliche Angriff zwar nicht so hitzig gegen uns wie
am 7., dagegen um so mehr anhaltend , indem das Corps teilweise ohne Unterlaſs bis Abends 8 Uhr mit dem Feinde engagiert war.
Das Gefecht hatte bei uns ungefähr /2 Stunde angehalten, als man eine feindliche Kolonne den Posten von Hagenbuch angreifen sah .
Die Kaiserlichen leisteten tapferen Widerstand, und obwohl die feindliche Artillerie ihnen 5 Kanonen demontierte und ganz unbrauchbar machte, wurde der Feind demungeachtet gezwungen ,
sein Vorhaben dort aufzugeben . Er zog sich zurück. 12 feindliche Bataillone, reichlich mit Artillerie versehen , marschierten bald
darauf gegen Büchelberg und griffen die daselbst unter General Hotze postierten Truppen an .
Die Kaiserlichen , welche sich ver
zweifelt wehrten , hätten der Übermacht endlich nachgeben und diesen Posten verlassen müssen , wenn nicht in dem entscheidenden Augenblicke einige Bataillone Giulay , Preiſs und Lattermann zum succurs angelangt wären . Der Feind wurde durch diese in den Rücken gefaſst und verliefs das Schlachtfeld unter Zurücklassung einer beträchtlichen Anzahl Toter und Blessierter. Die Brigade des General Hotze hat ungemein gelitten und zählt an 300 Tote. Da es dem Feinde so miſslungen war, sich der beiden Posten des linken
Flügels zu bemächtigen, so wagte er um 5 Uhr nachmittags einen nochmaligen Angriff auf das Waldlager bei Schaidt. 2 Bataillone Granitzer Infanterie hielten dieses Lager hinter den Jägern nur
noch besetzt, 1 Bataillon v. Lattermann war nach Büchelberg zum
succurs aufgebrochen.
Es würde dem Feiude sonder Zweifel ge
glückt haben, trotz des tapferen Widerstandes der Jäger und 2 Ba taillone Granitzer dieselben zu werfen , wenn nicht das Bataillon
Lattermann und 1 Bataillon Giulay rechtzeitig von Büchelberg zurückgekommen wären . Der Feind wurde nun von drei Seiten
und sein Verlauf.
253
angefallen und unter vielem Verlust zurückgedrückt. Auch das leichte Infanterie - Bataillon v . Lentz, welches den Vorposten auf dem
linken Flügel des Waldlagers hatte , wurde von einer feindlichen Partie angegriffen , welche jedoch durch die gute Wirkung seiner
Amüsetten bald zur Rückkehr gezwungen wurde. Während dies alles bei uns und auf dem linken Flügel vorging , griff der Feind auch den rechten an , aber auch hier wurde er unter beträchtlichem Verlust zurückgewiesen . - So glücklich dieser hitzige Tag auch
endete, indem der Feind überall zurückgeschlagen wurde, so kostete er doch der alliierten Armee über 1200 Mann an Toten und Blessierten , Den 13. in der Frühe machte der Feind den nämlichen Ver
such auf Büchelberg ; es entstand aber, man weiſs nicht warum , anter dem Feind ein Schrecken, als er den General Hotze in Bereit
schaft fand. Sie verlieſsen ihren Verhau sogar und liefen zerstreut bis Lauterburg, schlossen daselbst die Thore zu und läuteteu Sturm . Den 14. wurde die Attacke vom Feind mit 15,000 Mann auf den General Graf v. Pejachevich bei Busenberg unternommen , wo
sich der genannte General genötigt sah , sich mit seinem Corps, welches aus 2500 Mann bestand, und diesen Posten nicht ohne
succurs behaupten konnte , zurückzuziehen. Das Corps setzte sich dazn mit Ordnung in Marsch und da es der Feind unter beständiger
Kanonade und Kleingewehrfeuer verfolgte , so wurde bei Vorder Weidenthal Halt gemacht , wo beide Teile einander kanonierten . Der Feind zog hierauf ab und das Corps marschierte in der Nacht bis Annweiller. gewesen sein .
Der Verlust soll auf beiden Teilen sehr beträchtlich
Am nämlichen Tage griff der Feind den Herzog von Braun
schweig zwischen Bitsch und Pirmasens an . Der Feind wehrte sich eine Zeitlang tapfer und wurde dreimal zurückgeschlagen. Während
der Zeit detachierte jedoch der Herzog von Braunschweig 3 Regi menter Kavallerie , welche dem
Feind in den Rücken und in die
Flanken kamen , mit solcher Wirkung, daſs der Feind gänzlich geschlagen ist. Der Feind verlor 14 vierpfündige Kanonen, 3 acht zehnpfündige Kanonen , 2 Haubitzen, 8 Munitionskarren ; die ganze Bäckerei und 1800 Mann wurden gefangen .
An Toten soll der
Feind 2000 Mann gehabt baben ; bei der Verfolgung wurden noch 11 Kanonen im Gebirge erobert, welche der Feind nicht fortbringen konnte und die demontiert waren. Den 15. einschlieſslich 17. wird nichts besonders be -
richtet , auſser daſs der General Graf v. Ferraris und der Minister
254
Der zweite Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793
v . Lehrbach im Hauptquartier Wurmser's eintraf. Wir führen da gegen einige Worte aus einem Berichte des Obersten Schreiber an, welcher aus diesen Tagen herrührt :
» wie ich aus dem anliegenden Schreiben Ew. Hochf. Durchl. an den General Grafen Wurmser ersehe , wie sehr gnädig Ew . Hochf. Durchl . unsere gegenwärtige Lage und vorhergegangenen fatiguen geschildert , um alles zum soulagement der Truppen bei zutragen. Ich statte den unterthänigsten Dank für mich und ganze Corps hiermit ab. — Ich kampire mit dem Regiment seit dem
31. v . M. unweit des Hauptquartiers Freckenfeld vorm Lager binter dem Dorfe Schaidt, wohin der Feind aus seiner Batterie von Sechzehn
pfündern feuert, aber nicht mehr trifft; die Jäger und leichte
Infanterie neben diesem Dorfe im Walde. Sie haben täglich mit dem Feinde zu thun , jedoch ohne groſsen Schaden . Da ich jetzt in der Linie selbst kampire, wo weder Haus , Zelt , noch Hütte, weder Tisch , noch Stuhl zu haben sind , so kann ich nur auf der bloſsen Erde schreiben . «
Am 21. fügt der Oberst noch hinzu : » Nach vielen Vorstellungen ist endlich der General Wurmser bewogen worden , uns einige Tage nach Mühnfeld zu legen , sonst würde auch alles zu Grunde gegangen sein . Die Jäger sind nach Leimersheim zurückgeschickt, um Patronen zu verfertigen und die geschickte neue Montirung anzuziehen ; wenn dies geschehen, sollen sie die leichte Infanterie ablösen 7, welche ebenso zurückgehen muſs, um ihre Gewebre in Ordnung zu bringen und die neue Montirung anzuziehen . Wenn wir hier länger bleiben und noch
öfter angegriffen werden oder selbst angreifen , wie es heiſst, und bei dem nunmehr einfallendem Regenwetter wie bisher kampiren sollen, so wird vermuthlich von diesem Reichskontingent nicht viel zurückkommen .
Das Erkranken nimmt zu ; der Oberst v. Lentz
und Capitain Hegemann sind krank , aber noch hier und wollen nicht als krank gemeldet werden , ich befinde mich ebenfalls nicht wohl, denke aber deshalb das Regiment nicht zu verlassen , der Major v . Motz und Major v. Lehsten sind krank absens.
Seit dem 18. d . Mts. stehen die Jäger und die leichte Infanterie nicht mehr unter meiner Ordre , sondern bald in dieser , bald jener Brigade, selbst die Husaren muſsten noch 1 Offizier, 30 Pferde an einen kaiserlichen Oberst von der Infanterie in den Wald abgeben, wo denn die Pferde entsetzlich fatiguirt werden . Die Kaiserlichen haben bereits im Bienwald mehr als 1 Million Patronen verschossen , die Jäger und leichte Infanterie à proportion ;
und sein Verlauf.
255
für die Husaren sind heut zum ersten Mal 3000 Stück empfangen worden .
Avenir Militaire « mitteilt
die Einführung eines rauchfreien Pulvers auch für die Geschütz ladungen der französischen Artillerie bevor. Hiermit wird gleich zeitig eine Gewichtsverminderung der Ladung stattfinden . Dieselbe kommt entweder der Vermehrung des Inhalts der Protzen und
Munitionswagen an Kartuschen oder aber der Veränderung des Gewichts des Geschützes und der Munitionswagen als Fahrzeuge zu Statten .
Ohne Zweifel wird das rauchfreie Pulver, wenn es sich auf die Dauer bewährt , eingeführt bleiben und auch bei anderen Heeren ,
wenn auch in abweichender chemischer Zusammensetzung sehr bald auch eingeführt werden . Die Einwirkung dieser Veränderung in der Bewaffnung auf die Taktik vermag man heute sich erst aus der Phantasie vorzustellen , zu bestimmteren Anschauungen hierüber dürften bisher nur die Franzosen gekommen sein.
Sicher ist jedoch vor Allem Eines : Diejenige Artillerie und diejenige Infanterie, welche beim Schieſsen nur wenig Pulverdampf erzeugt, hat Aussicht – sehr viel besser zielen , also auch besser schieſsen zu können. Die Aussicht auf Überlegenheit im Treffen steigert
sich um so mehr , als die Leitung des Feuers wesentlich erleichtert und die Beobachtung der Geschofswirkung eher ermöglicht wird .
Infanterie wie Artillerie wird die zum Verziehen des Pulverdampfes erwünschten längeren Feuerpausen entbehren können. Einen ganz besonderen Vorteil aus dem
ranchfreien Pulver wird jedoch die
Der Einfluſs des rauchfreien u. schwachknallenden Pulvers u. 8. w.
281
Artillerie und zwar vorzugsweise dort ziehen , wo für groſse Batteriemassen sich eine gemeinsame Feuerleitung geltend machen will. In dem Maſse als das Pulver beim Verbrennen weniger Dampf verbreitet, können die niederen Führer bei den Compagnien und Bataillonen, wie in den Batterien auch die Einzelvorgänge innerhalb auch ihres Kommandobereichs und was oft sehr wichtig ist in den anstoſsenden Kommandobereichen übersehen , und danach entsprechend handeln. Je geringer der Knall der verfeuerten Patronen und Kartuschen ist, desto leichter vermögen sich bei der Infanterie die Gruppen-, Zug- und Compagnieführer, bei der Artillerie die Geschütz-, Zug- und Batterieführer mit der Stimme vernehmlich zu machen .
Selbst beschossen bietet eine in Pulverdampf liegende Infanterie Abteilung allerdings ein schlechteres Ziel, als eine nicht in Pulver dampf gehüllte , allein aus der Ferne beschossen ( von der feind lichen Artillerie) giebt der Pulverdampf oft die einzige Marke für das Entfernungsschätzen und das Zielen . Mit dem Pulverdampf fällt auch diese Marke weg. immerhin .
Einen Vorteil hatte der Pulverdampf
Hatte der Gegner sich auf eine liegende feuernde
Schützenlinie oder auf eine feuernde Batterie eingeschossen , so
vermochte erstere durch einen geringen Stellungswechsel, letztere durch allmähliches Vorziehen oder Zurückziehen der Geschütze
(durch die Mannschaften) um etwa 50 m sich der ferneren Treff wirkung zu entziehen . Ein solches Verfahren dürfte den mit rauchfreiem Pulver feuernden Abteilungen – namentlich Batterien — schwieriger werden und minder leichter unbeobachtet bleiben. Wir haben bisher nur von denjenigen Veränderungen gesprochen,
welche sich in Folge des rauchfreien Pulvers als Vorteile für das Schieſsen herausstellen . Dieselben sind so bedeutend , daſs zwischen zwei Heeren, von welchen das eine diese Pulvergattung, das andere
aber das bisher gebräuchliche Pulver führt, die Aussichten für den Erfolg der Schlachten und Gefechte gewiſs schon deshalb ungleich verteilt erscheinen . Ein Blick auf gewisse Vorgänge des Vorposten dienstes, des Verlaufes der Schlachten und Gefechte, sowie nament
lich auch auf das Gebiet des kleinen Krieges kann diese Auf fassung nur noch mehr bestätigen . Andererseits macht er aber auch auf Eigentümlichkeiten aufmerksam , die sich als Nachteil der Bewaffnung mit Patronen und Kartuschen herausstellen, welche im Abfeuern neben schwachem Rauch auch nur schwachen Knall ver breiten . Jabrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXX., 3.
19
282
Der Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers
Der Signalschuſs , die Signalsalve fällt weg , oder Beides ist nur auf unzureichende Entfernung hörbar. - Ein Posten , speziell
ein Doppelposten im Feldwachtdienst , vermag sich , um der Feld wache die bedrohliche Nähe des Feindes anzuzeigen , nicht mehr
durch Alarm- oder Signalschüsse bemerklich zu machen. Die Aus
sichten zur Überrumpelung von Feldwachen und anderen Vorposten Abteilungen , sowie von Ortschaften – welche den Truppen als Unterkunft dienen
steigern sich um so mehr, als das Feuer
gefecht selbst gröſserer Abteilungen , welche sich zuerst den Über rumpelnden entgegen werfen, nicht mehr den Lärm macht, um recht zeitig zu alarmieren (namentlich in der Nacht die betreffende Orts
besatzung) und auch Nachbarabteilungen beziehungsweise Reserven noch rechtzeitig zum Eingreifen zu veranlassen .
Eine Patrouille oder eine kleinere Abteilung, welche von einer gröſseren über eine gewisse Entfernung hinaus entsendet war, macht sich sobald sie mit dem Feinde zusammenstöſst bei heutiger Be
waffnung noch durch Schieſsen bemerklich , wo man bei der zu künftigen Bewaffnung nichts mehr von ihr hört. Kleine kooperie rende Abteilungen blieben bisher durch das gegenseitige Hören des Kleingewehrfeuers, gröſsere durch das Herübertönen des Kanonen donners mit einander in gewisser Verbindung. Das Gros einer Marschkolonne erfuhr durch den Kanonendonner oft schon sehr angenehm früh , daſs die Avantgarde oder daſs ein Seiten detachement
mit dem Feinde zusammengestoſsen wäre — ruhende Truppen wurden durch den Gefechtslärm bei den Vorposten auf eine Unternehmung des Feindes vorbereitet
Nebencorps wurden durch Kanonendonner
veranlaſst, auf das ihnen hierdurch markierte Gefechtsfeld zu eilen, also » auf den Kanonendonner los zu marschieren « .
Knallt unser
Pulver nur noch schwach , so fällt Alles das fort. Um so not
wendiger wird dann die sorgfältigste Einrichtung des Verbindungsdienstes und die gewandte Handhabung des selben . Der Telegraph , das Telephon , der Radfahrer können in stabilen Verhältnissen (im Festungs- und hier und da auch im
Etappenkrieg) viel in dieser Beziehung nachhelfen , im beweglichen Feldkrieg aber nur sehr bedingungsweise. Unter solchen Umständen ist es die Divisions-Kavallerie, welcher erweiterte Aufgaben zufallen ! Wird dieselbe in ihrem bisherigen Stärkeverhältnis aus und zwar
um so weniger, als in den letzten Jahren die Stärke der Divisionen und der Armee -Corps an reichen ? Schwerlich
Artillerie und an Infanterie zum Teil nicht unerheblich gewachsen ist. Dies gilt namentlich von solchen Verbänden , welche Infanterie
auf die Taktik.
Regimenter zu 4 Bataillonen haben.
283
Je stärker die Division , je
stärker das Armee -Corps, desto mehr kommt es bei denselben zu Detachierungen . Jeder Detachierung wird aber Kavallerie zugeteilt,
und so zersplittert sich die Divisions- Kavallerie schon überhaupt
leichter, als bei den Divisionen und Armee- Corps in ihren bisherigen minder starken Verbänden .
Den Signalschuſs durch besondere Mittel zu ergänzen, wäre ja technisch nicht schwierig, insofern man der Infanterie und Kavallerie besondere Sigualpatronen (auch andere Hilfsmittel) und der Artillerie besondere Alarm kartuschen geben könnte. Allein dies gilt doch nur im beschränkten Umfange und kann auch wohl nur unter ganz
bestimmten Lagen zur Verwendung gelangen , — z. B. im Festungs kriege and auf Etappenposten . In allen übrigen Lagen speziell im Feld - Vorpostendienst und bei Sicherung von wechselnden Orts unterkunften dürfte der Wegfall des Signalschusses wohl zu dem Übelstand führen , daſs man hier und da die Postenkette verdichten
und nach weit vorgeschobenen Posten, von denen aus man bei der heutigen Bewaffnung hinten bei der Unterstützungsabteilung das Schieſsen noch gut zu hören im Stande ist, Verbindungsposten einzuschieben gezwungen ist. Auch werden im Marsch - Sicherheits dienst, sowie beim Absuchen von unübersichtlichem Gelände von
Seiten der Infanterie mehr Kräfte verwendet, speziell mehr Ver
bindungspatrouillen eingeschoben werden müſsen, falls man in Folge des Mangels stark knallender Gewehrschüſse weit mehr als bisher auf die Augen- oder auf die Gehörverbindung angewiesen ist. Beim weiteren Nachdenken über die taktischen Veränderungen , welche das rauchfreie und schwachknallende Pulver zur Folge haben
dürfte, führt uns die Phantasie auf merkwürdige Vorgänge. Eine Patrouille hört auf einmal unerwartet einen Schuſs über sich hinweg pfeifen . Heute hören die Mannschaften sogar den Knall des auf sie gerichteten Schuſses in der Regel. Sie sehen sich schnell dahin um , können also oft noch bevor ein zweiter und dritter Schuſs
fällt oder doch wenigstens bevor Verwundungen stattgefunden, nach der Richtung hin , in welcher der Feind erkannt wurde, Deckung nehmen und weiter beobachten. In Zukunft weiſs aber die Patrouille nicht sofort woher sie beschossen wird , sie wird sich vielfach darüber
und in Folge dessen auch in der Zweckmäſsigkeit der Wahl des ersten Deckungsgegenstandes irren , darüber Verluste erleiden und unsicherer in Entschluſs, sowie im Handeln auftreten . Der Auf klärungsdienst dürfte sich also verlustreicher und sehr
viel schwieriger gestalten . Wenn heute Kavalleriepatrouillen 19*
284
Der Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers
gegen eine feindliche Stellung anreiten, und sie erhalten Kleingewehr feuer aus derselben , so erfahren sie aus dem Knall und ersehen
aus dem Pulverdampf, an welchen Stellen und in welcher ungefähren Ausdehnung der und der Wald, dieser und jener Höhenzug, dieses und jenes Fluſsufer u . S. w. vom Feinde besetzt ist. Müssen die Kavallerie
patrouillen sich auch oft danach schleunigst wieder aus dem Staube machen , so bieten ihre Wahrnehmungen doch auch schon bei dieser beschränkten Einsicht in die Verhältnisse beim Feinde für die Truppen
führer oft einen wertvollen Anhalt zur Beurteilung der Lage. Wenn aber die feindlichen Schüsse, welche auf unsere Reiter patrouillen fallen , für die Reiter nicht recht hörbar, noch durch Pulverdampf wahrnehmbar sind , so fallen nicht nur die wertvollsten
Aubaltspunkte zur ersten schuellen Erkundung der Stellung des Feindes fort, sondern es werden auch leicht falsche Schlüsse über
dieselbe gezogen . Mit den Repetiergewehren kleinen Kalibers vermag
der Feind sich fortan die Patrouillen seines Gegners noch weiter vom Leibe zu halten wie bisher, vielleicht sogar auf eine Entfernung, bei welcher der Knall seiner Gewehrschüsse überhaupt nicht mehr
hörbar ist. Hieraus folgt, daſs alle Erkundungsunternehmen sich in Zukunft schwieriger gestalten und daſs die von denselben abhängigen Truppenführer, wie z. B. namentlich die Avantgarden - Commandeure
mit ihren Entschlüſsen, wie mit ihren Anordnungen für die Erkundung
und die Beurteilung der Lage des Feindes oft vor sehr erheblich be deutenderen Schwierigkeiten stehen werden , als bisher.
Hiermit im
Zusammenhang dürfte die Einleitungsperiode der Gefechte namentlich bei Begegnungs- (Renkontre-) Gefechten sich mitunter sehr in die Länge ziehen . Man bedenke nur, daſs ja auch die feindlichen Batterien , wenn sie mit einem schwachknallenden und
rauchlosen Pulver schieſsen , sich und dadurch das Gerippe der Stellung des Feindes nicht mehr so leicht verraten . Diejenigen Truppen, welche direkt von diesen Batterien beschossen werden , werden ihrerseits unter Umständen sich wohl bald klar sein, woher
die Granaten und Shrapnels kamen , die sich gegen sie richten . Allein weiter hinten bei den höheren Truppenführern kann es sich
ereignen , daſs sie von dem Eingreifen feindlicher Artillerie – weil verspätet und zwar nicht früher etwas erfahren, als bis im besten Fall Meldungen diese für sie noch unhörbar und unsichtbar ist
von den durch das Feuer betroffenen Truppen eintreffen oder der Strom der Verwundeten darauf aufmerksam macht.
Wenn Napoleon sagte : » on s'engage et puis on voit ! « so be
zeichnet er damit nur das Verfahren aller selbstständigeren Heer
auf die Taktik .
285
und Truppenführer. Sie nehmen Fühlung am Feinde, sie » binden mit ihm an , « ist das erst erreicht , so ergiebt sich für ihr Auge Gelegenheit genug, » zu sehen und dann schnell zu handeln .
Die
Avantgardengefechte haben ja oft vornehmlich ganz oder nebenbei den Charakter von Erkundungsunternehmungen, durch die man den Feind betastet, zur vorzeitigen Entwickelung seiner vorderen Truppen linie, besonders seiner Artillerie zı veranlassen sucht. » On s'engage !«
Aus dem was der oberste Führer nun mit eigenem Ohr aus dem Geschützdonner und dem Knattern des Gewehrfeuers selbst hören und aus dem vor den feindlichen Batterien beziehungsweise Infanterie
linien sich lagernden Pulverdampf mit eigenen Augen zu sehen vermochte und dann was er aus den Meldungen der weiter seitwärts und weiter vorwärts thätigen Kavallerie - Patrouillen entnehmen konnte, stellte er sein vorläufiges Urteil über die Lage beim Feinde
fest (» puis on voit « ) und handelte danach. Dieses teilweise » Selbst - Sehenkönnen «, die Möglichkeit der direkten, wenn auch nur allgemeinen Einsicht und Übersicht über
die Stellung und den Stellungswechsel der feindlichen und auch entfernterer eigener Batterien , ferner die Möglichkeit, das Entbrennen eines Infanterie-Feuergefechts und ob dasselbe vor oder zurückgeht, selbst aus einiger Entfernung doch mit eigenem Auge verfolgen
zu können, erleichterte die Gefechtsleitung sehr wesentlich . Diese
Erleichterung fällt in dem Maſse weg, als das Pulver der Kartuschen und der Patronen ohne Knall und ohne Rauch verbrennt.
Die
Folge davon ist, daſs die Gefechtsleitung in weit erhöhtem Maſse von dem , was Andere für sie gesehen und erkundet haben , also von Patrouillen- und Truppenmeldungen , sowie von Bericht erstattenden Offizieren abhängt, um über den Feind und über den Verlauf der Ereignisse unterrichtet zu bleiben .
Dieser
Miſsstand ist zwar bei Einleitung eines Gefechts am fühlbarsten , dauert aber das ganze Gefecht über an . Die Aufklärung während des Gefechts und die Berichterstattung über den Stand des Gefechtes
an den Flügeln , wie bei weit vorn kämpfenden Truppen muſs also in Zukunft eine noch lebhaftere werden . Auf Meldungen der Truppen ist kein Verlaſs, die obere Leitung muſs den einzelnen Flügeln und
Kampfgruppen durch eigene Bericht erstattende Offiziere nahe bleiben und sich durch diese über den Verlauf der Ereignisse fortlaufend unterrichtet halten .
Diese Notwendigkeit führt zur Vermehrung
des Personals bei den höheren Stäben .
Bisher verriet der Gefechtslärm schon von Weitem den Stand
des Gefechts bei den verschiedenen Kampfgruppen, das plötzliche
286
Der Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers
Stärkerwerden des Kanonendonners und des Knatterns des Gewehr
feuers konnte auf das dortige Eingreifen feindlicher Verstärkungen oder auch auf das wirkliche dortige Eintreffen diesseits nach jener
Stelle abgesendeter Reserven gedeutet werden . Das Verstummen des Kleingewehrfeuers liels auf eine Gefechtspause oder auf eine eingetretene Entscheidung schlieſsen. Aus dem Vorwärtstragen des Gewehrfeuers, stellen weise auch des Geschützdonners vermochte man auf Fortschritte aus dem Näher- und immer Näherkommen des Gewehrfeuers auf Rückschritte in der Gefechtslage an diesem und
jenem Punkt zu schlieſsen. Diese Wahrnehmungen sollen nun in Zukunft wegfallen oder doch nur sehr abgeschwächt in die Erscheinung treten. Hiermit steigert sich für die Gefechtsleitung die Schwierig keit der Verwendung der Reserven , der rechtzeitigen Vorbeugung
von Katastrophen , der rechtzeitigen Ausnutzung von Erfolgen, des rechtzeitigen Übergangs zur Verfolgung oder des Abbrechens des Gefechtes.
Wenn der Mund der Kanonen nicht mehr laut spricht, also von Natur stumm ist und auch der schwache Rauch, der ihm bei jedem
Schuſs entsteigt, von Fern nicht sichtbar ist, so vermag man auch von unserer Gefechtsleitung nicht oder doch nur vielleicht verspätet und durch vorzüglich gute Ferngläser zu erkennen , ob feindliche Batterien >zum Schweigen « gebracht sind oder daſs und wo etwa neue feindliche Batterien in Thätigkeit getreten sind . Genug, wie die einzelne Truppe im Kampf selbst , so wird die
Gefechtsleitung auch ihrerseits infolge des Stummseins der feind lichen und der eigenen Waffen und infolge des Mangels an jenen Pulverdampflinien , welche dem bisherigen Gefecht eigentümlich
waren , vor Überraschungen gestellt, mit denen man bisher weniger zu rechnen hatte.
Diese Umstände können aber um so fühlbarer
werden , als mit der Vervollkommnung des Shrapnelschusses, der gesteigerten Schieſsfertigkeit der Artillerie und nach Einführung des
kleinkalibrigen Repetiergewehrs die Gefechtsleitung auch vor Über raschungen anderer Art gestellt wird , welche früher doch nur sehr ausnahmsweise vorkamen .
Wir haben es ja auch schon in unseren
Schlachten von 1870/71 gesehen , daſs im Verlauf ganz kurzer Zeit
(5, 10, 15 Minuten) durch ein plötzliches furchtbares Feuer Truppen ganz unerwartet vernichtet oder bis zur Leistungsunfähigkeit zusammengeschossen wurden .
So erging es u. A. der deutschen
Infanterie-Brigade des äuſsersten linken Flügels bei Mars la Tour am 16. August, ferner den Gardeschützen und Teilen der Artillerie
des IX . Armeecorps bei Amanvilliers und das VII. Corps bei
auf die Taktik .
287
Gravelotte am 18. August in der Schlacht bei St. Privat.
Auf
dergleichen überraschende Katastrophen muſs die Truppe und muſs die Gefechtsleitung sich in Zukunft noch sehr viel mehr gefaſst machen ! Die Gefechtsleitung und die Truppenführung sind eben sehr viel schwieriger geworden .
Nach einer siegreichen Schlacht soll nach den Grundsätzen einer energischen Verfolgung der Verfolger die Ruhe bedürftigen Rückzugskolopnen des geschlagenen Gegners immer wieder auf scheuchen, wenn sie Halt machen und rasten wollen. Hierzu ist nichts geeigneter, als das im Vorwärts-Stellungswechsel immer und
immer wieder erneut aufgenommene Geschützfeuer. Abgesehen von den Verlusten , welche es dem Feinde fortwährend bereitet, soll es auch vornehmlich moralisch wirken, indem durch den ehernen Mund
der Kanonen immer und immer wieder dem Verfolgten weithin verkündet wird, daſs der Sieger ihm nach wie vor auf den Fersen sitzt und noch nicht nachgelassen hat, ihm das Gesetz zu machen.
Durch den Wegfall des weithin hörbaren Kanonendonners geht der Verfolger des eben geschilderten moralischen Einwirkungsmittels verlustig. Dagegen gewinnt die Artillerie und Infanterie der Arrière garden, indem die von ihnen behufs gelegentlicher Beschieſsung der
Verfolgungstruppen genommenen Feuerstellungen in ihrer Lage schwerer erkannt werden .
Um zu konkreten Vorstellungen über die Einwirkung eines rauchfreien und schwach knallenden Pulvers auf den Verlauf der
Gefechte und anderweitiger kriegerischer Ereignisse zu gelangen,
muſs man seine Aufmerksamkeit auf gewisse Begebenheiten der Kriegsgeschichte richten und zwar auf solche, wo das bloſse Hören entfernten Kanonendonners oder das Zu- und Abnehmen beziehungs weise auch das Vor- und Zurückschreiten desselben zu bedeutungs
vollen Entschlüssen geführt hat.
Ich erinnere hier nur
Schlacht bei Wörth am 6. August 1870.
an
die
Bekanntlich lag es
nicht in der Absicht des Oberkommandos der III. deutschen Armee
schon am 6. August die Franzosen , mit denen man am 5. längs des Sauerbach-Abschnittes Fühlung genommen hatte , anzugreifen . Der 6. August sollte vielmehr zur vollständigen Entwickelung und zum Aufschlieſsen des Heeres in der neuen Front ausgenutzt und erst am 7. August zum Angriff gegen die gegenüber Wörth versammelten
Franzosen geschritten werden . Da es ja aber nicht ausgeschlossen war, daſs die Franzosen ihrerseits am 6. bei Wörth vorstieſsen, so
war das II. bayerische Corps, das in gleicher Höhe rechts neben dem V. preuſsischen stand, vom Oberkommando veranlaſst worden , sobald
Der Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers
288
am 6. » Kanonendonner bei Wörth « vernehmbar wäre, seinerseits
offensiv gegen die linke Flanke des Feindes einzugreifen. Als nun thatsächlich am 6. August früh Morgens bei den Baiern » Kanonen donner von Wörth her« hörbar ward, wurde das ganze II. baierische Corps allarmiert, und ging es mit einer Division sofort zum Angriff vorwärts.
Erst als diese bereits sehr ernst ins Gefecht getreten
war und ein Wiederabbrechen desselben sich ebenso schwierig als opfervoll gestalten muſste, ward festgestellt, daſs thatsächlich zwar
bei Wörth eine starke Kanonade stattgefunden, diese sich aber nicht in Folge eines Angriffs der Franzosen gegen die deutsche Stellung entwickelt, sondern vielmehr lediglich aus einem
vom
Avantgardencommandeur des V. preuſsischen Corps ohne Wissen des Generalkommandos unternommenen Rekognoszierungsgefechts sich ergeben habe. Da die Voraussetzung, unter welcher das II. bayerische Corps auf den > Kanonendonner von Wörth « hin eingreifen sollte und auch eingegriffen hatte, sich nun als nicht zutreffend heraus stellte, so brachen die Bayern - die bereits siegreich ziemlich weit vorgedrungen waren das Gefecht unter Opfern wieder ab. Hierbei hatten sie ihre vorgeschobenen Truppen wieder nahezu bis
in die ehemaligen Ausgangsstellungen ibrer Offensive zurückgenommen , als die Gesamtlage und danach der Befehl des Armeekommandos ein Wiedervorgehen notwendig machte. Beim V. preuſsischen Corps vor Wörth hörte man nämlich den Kanonendonner des Gefechtsfeldes
der Bayern und zwar um so vernehmlicher , als inzwischen auf
Eingreifen des Generalkommandos die Kanonade bei Wörth eingestellt worden war. Man wollte die Bayern – von deren Beweggründen in das Gefecht zu treten, nichts bekannt war — sich nicht isoliert
schlagen lassen ! Deshalb nahm das V. Armeecorps und zwar nun mehr mit allen Kräften und angriffsweise das Gefecht bei Wörth Diese Vorgänge bestimmten schlieſslich gegen Mittag wieder auf. das Obercommando der III. Armee, auf der ganzen Linie und mit
allen Armeecorps den Angriff gegen die Franzosen anzuordnen . Am selben Tage wurde bekanntlich auch bei der I. und
II . Armee und zwar bei Spichern gefochten.
Die Armee -Spitzen
hatten am 6. die Saar erreicht, am 7. sollte das Aufschlieſsen der
Marschkolonnen auf die vorderen Truppen und erst am 7. der Saar
übergang beziehungsweise der Angriff auf die jenseits der Saar stehenden Franzosen erfolgen . Bekanntlich sah sich jedoch die eine der vorderen preuſsischen Infanterie - Divisionen nach Passierung von
Saarbrücken zu dem Wagnis eines sofortigen Angriffs gegen die dort bemerkten feindlichen Truppen veranlaſst.
Rückwärts erstattete
auf die Taktik .
289
Meldungen über dieses den Entschlüssen der Heeresleitung nicht unbedenklich vorgreifenden selbstständigen Unternehmen und aber auch der vom Gefechtsfeld her ertönende Kanonendonner veranlaſsten
die zum Teil noch sehr weit rückwärts befindlichen Teile der
preuſsischen Marschkolonnen von mehreren Straſsen her auf das Schlachtfeld zu eilen .
Nach ihrer bei Spichern erlittenen Niederlage zog sich die französische Rheinarmee von der Saar zur Mosel auf Metz zurück
und lagerte am 12. und 13. August hart vor der Ostfront dieser Festung. Von den Deutschen folgte ihr die I. Armee dorthin direkt nach . Die beiden vordersten Armeecorps dieser letzteren nahmen mit je einer Vorposten -Brigade dichte Fühlung an den Vorposten des Feindes vor Metz.
Als man am 14. August bei den
deutschen Vorposten Bewegungen beim Feinde bemerkte, welche auf das Vorhaben der Rheinarmee schlieſsen lieſsen , sich auf das linke Moselufer zurückziehen zu wollen, hielten die Commandeure der
beiden deutschen Vorposten-Brigaden aus strategischen Gründen es für geboten , mit allen zur Hand befindlichen Truppen ungesäumt
den Franzosen auf den Leib zu gehen, um sie wieder zum Front machen zu zwingen . Dies geschah und gelang. So entwickelte sich Die beiden so entschlossen die Schlacht von Colombey- Nouilly . selbstständig handelnden Avantgarden -Commandeure konnten so kühn verfahren , weil sie sich darauf zu verlassen vermochten , daſs nicht nur ihre nach rückwärts erstatteten Meldungen , sondern nicht minder der Geschützdonner die Hauptkräfte ihrer Armeecorps aus
deren Lagern und Ortsunterkunften zur Unterstützung herbeirufen würde. Sie irrten sich nicht. Kanonendonner war es denn auch, welcher in dem mehrere Meilen entfernten groſsen Hauptquartier König Wilhelms zu Herny zuerst das Ereignis eines ernsten Waffen ganges mit dem Feinde im Osten von Metz verkündete und dieses
daher veranlaſste, Erkundigungen von dorther einzuziehen. Wenn nun in Folge der Einführung eines eigenartig ohne stärkere Lufterschütterung verbrennenden Pulvers es in Zukunft keinen Kanonendonner mehr giebt, so entbehren fortan unternehmende Truppenführer, welche sich zu so selbstständigen Thaten, wie es die
von Spichern und von Colombey -Nouilly sind – fortreiſsen oder bestimmen lassen , des allerschnellsten , nachdruckvollsten und an
haltendsten Mittels der Meldung von dem Entbrennen eines Gefechtes und der Aufforderung an rückwärtige oder benachbarte Truppen , in dasselbe mit einzugreifen.. Ein Führer, der sich sagen kann ::
»wenn Du nun ohne weiteres Anfragen in Ausnutzung einer glück
Der Einfluſs des rauchfreien u. schwachknallenden Pulvers a . s. w.
290
lichen Gelegenheit sofort angreifst oder in defensiver Lage) wenn
Du es unternimmst, hier auch der Übermacht gegenüber Stand zu halten , so kannst Du darauf rechnen , der Kanonendonner oder in kleineren Verhältnissen das Rollen des Gewehrfeuers alarmiert sofort
Deine Rückhaltsabteilungen zum Vormarsch , bevor noch Deine >
Meldungen bei denselben eingetroffen sind, « – ein Führer, wieder holen wir, der so mit sich selbst sprechen kann, wird naturgemäſs unternehmender sein , als ein anderer, dessen Geschütze und dessen
Gewehre ihr Werk geräuschlos und still verrichten. Als am Tage der Schlacht bei Orleans am 3. Dezember 1870 die deutschen Heereskolonnen in mehreren durch unübersichtliches
(waldiges) Gelände getrennten Kampfgruppen zu fechten genötigt waren , so daſs man mit Einbruch der Nacht bei der einen Kolonne
nicht wuſste, wie weit es der anderen gelungen wäre, vorzudringen da kam man bei der einen auf das Mittel, durch Batteriesalven sich vernehmlich zu machen , wo man zur Zeit stünde.
Wir erinnern bier auch an die Episode aus der Geschichte des Feldzuges von 1815 in Belgien, wo Grouchy den Kanonendonner vom Schlachtfeld von La Belle - Alliance her vernahm , und sich nun
zu entscheiden hatte, ob er von dem weiteren Vorgehen nordwärts auf Wavre gegen die preuſsischen Arrièregarden abstehen und zur Unterstützung Kaiser Napoleons nach Westen abbiegen sollte.
Bekanntlich nahm er Abstand von diesem » marcher aux
Sein Kaiser wurde geschlagen und er blieb isoliert. Wir haben bisher nur vom Groſsen Kriege gesprochen. Ganz
canons « .
besonders
veränderlich
dürfte
sich
die
neue Bewaffnung aber
namentlich auf dem Gebiet des Kleinen Krieges beweisen und zwar besonders auf demjenigen des Etappenkrieges. Ein Gewehr mit einem geräuschlosen und rauchfreien Schuſs ist so recht
eigentlich die Waffe des Franctireurs , des Freicorps , der Streifpartei ! — Sie kommt dem Angreifer zu Statten, dem Angriff aus dem Versteck gegen vorüberziehende Etappentruppen , gegen Wagentransporte, gegen Patrouillen, — dem Angriff durch Über rumpelung und durch Überfall einzelner Wachtposten und ganzer Wachtabteilungen an Eisenbahnhöfen, an Eisenbahnbrücken und an Eisenbahntunnels. Sie begünstigt den Überfall von Marschkommandos
und fliegenden Kolonnen in deren Nachtquartieren u. 8. w. Im Etappenkriege pflegen immer nur kleine Abteilungen aufzu treten und zwar so, daſs sie überraschend erscheinen, schnell handeln und dann so schnell wie möglich wieder verschwinden, um demnächst
in anderer Gegend und in anderen Unternehmungen wieder aufzu
Zur Ausbildung der Feldartillerie u. s. w. treten.
291
Es ist klar, daſs dies schnelle Wiederverschwinden und die
Verhinderung dessen, daſs ihnen der Feind anf die Spur kommt, um sie zu verfolgen, dadurch erleichtert wird, wenn sie ein Gewehr führen, welches sie durch einen möglichst geräuschlosen und rauch .
freien Schuſs denkbar wenig verrät.
38 .
XXI. Zur Ausbildung der Feldartillerie, hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee- Corps. ( Schluſs.)
Um den Hauptangriff, in der Regel Flankenstoſs, wirksam zu machen, muſs auch die Infanterie der Avantgarde, welche seither den Feind frontal beschäftigend
den Nebenangriff führte, mit
Beginn des entscheidenden Infanterie-Angriffs, weiter vordringen . Die Leitung dieses gegen die Front des Feindes gerichteten Angriffs obliegt dem Commandeur derjenigen Infanterie-Division, welcher die Avantgarde entnommen war . Auch dieser Angriff bedarf der Unterstützung der Artillerie und wird diese am besten er möglicht, wenn vom Beginn des Wiedervordringens der früheren Avantgarde ab, das zu deren Infanterie-Division gehörige Artillerie Regiment unter den unmittelbaren Befehl des Divisions- Commandeurs zurücktritt.
So lange die Artillerie aus der für den entscheidenden Artillerie kampf zuletzt inne gehabten Feuerstellung, das Vorschreiten der
beiden Infanterie- Angriffe wirksam unterstützen kann, setzt sie die Beschieſsung der ihr vom Brigade-Commandeur, bereits vor Beginn des entscheidenden Infanterie -Angriffs , zugewiesenen Ziele fort. Aus dem Befehlsbereiche des Brigade -Commandeurs scheidet das Artillerie-Regiment der den entscheidenden Infanterie -Angriff aus führenden Infanterie- Division , beziehungsweise das Artillerie- Regiment
der Infanterie- Division, welche den gegen die Front des Feindes gerichteten seitherigen Nebenangriff ausführt, wieder aus, sobald
292
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
dasselbe, aus der zum entscheidenden Artilleriekampfe und zur
Vorbereitung des entscheidenden Infanterie-Angriffs inne gehabten Feuerstellung , auf Befehl seines Divisions - Commandeurs, in eine von diesem für nötig erachtete nähere Feuerstellung vorrückt. Zur unmittelbaren Verfügung verbleiben der Gefechtsleitung von
nun ab nur das Corps-Artillerie-Regiment *) und die aus einer zumeist derjenigen, welcher die ausgeschiedene Haupt - Reserve [ Infanterie-Brigade oder Regiment) und Kavallerie, mit welchen der kommandierende General die Durchführung seines Angriffs da unter
der beiden Infanterie -Divisionen Avantgarde entnommen war
stützen wird , wo ihm dieses geboten erscheint. -
Die Verwendung des Corps - Artillerie - Regiments *) wird dem Commandeur dieses Regiments durch den Brigade-Commandeur der Artillerie bekannt gegeben, und obliegt dem Commandeur dieses Regiments die Leitung des Feuers seines Regiments im Sinne der ihm durch den Brigade- Commandeur bekannt gegebenen Absichten der Gefechtsleitung. Wenn daher auch, vom wirklichen Beginn des Infanterie -Angriffs ab, eine einheitliche Leitung des Feuers der ge
samten Artillerie des Armee-Corps durch den Brigade-Commandeur der Artillerie nicht nur nicht möglich , sondern oft geradezu aus geschlossen ist, so obliegt doch diesem die Verpflichtung, den Fort gang des Infanterie -Angriffs im Auge zu behalten , damit er, mit
dem Corps-Artillerie-Regiment*), welches der Gefechtsleitung und daher auch ihm zur ausschlieſslichen Verfügung geblieben ist, dem entscheidenden Infanterie- Angriff rechtzeitig da Unterstützung ge
währen kann, wo solche geboten ist. Namentlich ist es nötig, daſs, während die Artillerie der den entscheidenden Angriff ausführenden Infanterie- Division, beziehungsweise die Artillerie des gegen die Front gerichteten seitherigen Nebevangriffs, auf Befehl ihres Divisions
Commandeurs, in eine von diesem für nötig erachtete nähere Feuer stellung vorrückt und damit aus dem Befehlsbereiche des Brigade Commandeurs wieder ausscheidet, das Corps-Artillerie -Regiment *) diejenigen noch thätigen oder wieder thätig werdenden feindlichen
Batterien, beziehungsweise feindlichen Abteilungen , welche dieses Vorrücken erschweren können , insbesondere aber etwa in diesem Zeit
punkte erkennbar werdendeAngriffs-Bewegungen des Feindes, beschieſst. Bei der groſsen räumlichen Ausdehnung, welche Haupt- und Nebenangriff eines Armee-Corps einnehmen [bis gegen 4 km ], ist
es für den Brigade-Commandeur der Artillerie oft nicht möglich, *) Beziehungsweise eines der 3 Artillerie- Regimenter.
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps .
293
die gesamte Ausdehnung des Haupt- und Nebenangriffs zu über
blicken. In diesem Falle muſs er seine Aufmerksamkeit hauptsächlich dem Vorschreiten des Hauptangriffs, welchem der kommandierende General auch die sich für ausschlieſsliche eigene Verfügung vor
behaltene Reserve an Infanterie [ Brigade oder Regiment] und die
Kavallerie genähert haben wird, und der für diesen Hauptangriff, durch das seinem Befehlsbereiche unterstellt gebliebene Artillerie Regiment, gebotenen Unterstützung zuwenden .
Aufgabe des Brigade- Commandeurs der Artillerie ist es, dem diesseitigen Angriff an demjenigen Punkte Unterstützung mit dem Feuer des Corps -Artillerie- Regiments, *) oder Teilen dieses Regiments
zu geben, wo dieses entweder durch besonders zähes Aushalten des Gegners oder Anrücken feindlicher Reserven, insbesondere Gegenan griffe letzterer, geboten ist. Gegenangriffe des Feindes werden wohl meistens von demjenigen feindlichen Flügel aus, gegen welchen
unser Hauptangriff gerichtet ist, erfolgen. Dieses schlieſst jedoch nicht aus, daſs auch von dem anderen feindlichen Flügel aus ein
Vorstoſs unternommen werden könnte. Der feindliche Gegenangriff flankiert die äuſsere Flanke unseres Angriffs und muſs daher die uns zugewendete äuſsere Flanke des feindlichen Gegenangriffs von
uns wieder flankiert und so der feindliche Gegenstoſs zum Weichen gebracht werden . Zu diesem Zwecke kann es nötig werden, daſs die im Verbande des Corps -Artillerie- Regiments befindlichen beiden reitenden Batterien **) - unterKommando ihresAbteilungs-Commandeurs - nach der äuſseren Flanke unseres durch den feindlichen Gegen angriff bedrohten Angriffs beordert werden , um durch ihr Feuer unsere zur Abwehr des feindlichen Gegenangriffs in Thätigkeit
tretende Reserve wirksamst zu unterstützen , oder überhaupt die äuſsere Flanke unseres Angriffs zu stützen . Die frontale Bekämpfung des Teils der feindlichen Stellung, gegen welchen unser Hauptangriff gerichtet ist, obliegt fortgesetzt dem Artillerie-Regiment der den Hauptangriff ausführenden Infanterie Division. Der Commandeur dieses Regiments wird hierzu jeder seiner beiden Abteilungen die ihr entsprechend gegenüber liegende Hälfte des anzugreifenden Teils der feindlichen Stellung zur Be schieſsung zuweisen. Die nach dem äuſseren Flügel der den Hauptangriff ausführenden Infanterie -Division genommenen zwei reitenden Batterien richten *) Beziehungsweise eines der 3 Artillerie -Regimenter. **) Ihrer rascheren Beweglichkeit halber zu weiteren Bewegungen geeigneter als Feldbatterien .
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
294
ihr Feuer gegen jene feindlichen Truppen, welche den äuſseren Flügel des anzugreifenden Teils der feindlichen Stellung verlängern oder, von da aus sich zum Vorbrechen anschicken . Mit dem Feuer der unter dem Befeble des Commandeurs des
Corps- Artillerie -Regiments in diesem Falle « nur mehr verbliebenen vier
Feldbatterien wird
der sich
beim Vorschreiten
unseres
Angriffs immer mehr verengende Raum zwischen den beiden Infanterie Divisionen gedeckt.
Dieses Regiment kann, von der Mitte aus, gegen
beide Flügel zu, das Feuer der beiden Divisions -Artillerie -Regimenter jeweilig da unterstützen, wo solches geboten ist. Insbesondere werden von diesem Regiment jene feindlichen Abteilungen, welche den angegriffenen Teil der feindlichen Stellung von dessen inneren
Flügel aus flankieren können, beziehungsweise von da aus, gegen die innere Flanke unseres Angriffs vorstoſsen wollen , zu bekämpfen
sein. Hierzu wird jedoch nötig , daſs auch das Corps-Artillerie Regiment, der vorschreitenden Angriffsbewegung folgend, auf näherer Entfernung, jedoch nicht unter 1000 m vom Feinde, eine Stellung nimmt, von der aus dasselbe die für den Erfolg unseres Angriffs gebotene Unterstützung des Feuers der Divisions-Artillerie-Regimenter am wirksamsten, womöglich durch Flankierung der zu überwältigenden
feindlichen Abteilung gewähren kann . - Sobald hierbei das Corps Artillerie- Regiment, im Verein mit einem der beiden, räumlich von demselben nicht weit entfernten Divisions- Artillerie- Regimenter ein
und dasselbe Ziel beschieſst, übernimmt der Brigade-Commandeur der Artillerie die Feuerleitung über beide Regimenter, indem er jedem derselben den entsprechend gegenüberliegenden Teil des ge meinschaftlichen , in diesem Falle jedenfalls für die erfolgreiche Durchführung des Angriffs besonders wichtigen, Ziels zur Bekämpfung zuweist.
Sobald sich bei Vorschreiten des Angriffs die diesseitige Infanterie der feindlichen Stellung, beziehungsweise Teilen derselben oder zum Gegenangriff vorgegangen gewesenen feindlichen Abteilungen , so weit genähert hat, daſs hier eine Gefährdung der eigenen Truppen durch unser Artilleriefeuer zu befürchten ist, muſs unbedingt das gegen diesen Teil des Feindes gerichtete Artilleriefeuer sofort ein gestellt und gegen etwa sichtbare feindliche Reserven oder noch thätige
feindliche Artillerie gerichtet werden. Unbedingt muſs in dem so folgewichtigen Augenblick des Einbruchs, die Gefähr
dung der eigenen Truppen durch unser Artilleriefeuer mit gröſster Achtsamkeit vermieden werden. Ob die Artillerie, insbesondere jene der den Hauptangriff aus
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps.
295
führenden Infanterie- Division, noch näher, als 1000 m vom Feinde entfernt, neue Feuerstellung, beziehungsweise nur mit einer Ab
teilung oder mit einzelnen Batterien zu nehmen hat, hängt von den besonderen Verhältnissen des Gefechts und des Geländes ab.
Unter
Umständen kann es geboten sein, daſs auch der Brigade -Commandeur der Artillerie von dem in seinem Befehlsbereiche verbliebenen Corps
Artillerie -Regiment eine Abteilung, beziehungsweise einzelne Batterien , gegen Ausgang des Kampfes bis auf die kürzesten Entfernungen an den Feind zum Vorgehen veranlaſst.
Kommt der diesseitige Angriff zum Stocken , ja muſs sogar unsere Infanterie zurückweichen , so hat doch die Artillerie da, wo sie einmal
steht, auszuhalten und fortzufeuern . *) So allein kann sie der weichenden Infanterie den Stützpunkt zum Sammeln , Zurückschlagen des feindlichen Gegenangriffs und Ausgangspunkt zum neuen Vorstoſs gewähren .
Nach Wegnahme der feindlichen Stellung wird bereits
von Seiten der Infanterie - Divisionen Sorge getragen sein , daſs die ibnen unterstellte Artillerie dieselbe möglichst schnell gegen einen Rückschlag oder behufs Verfolgung des abziehenden Feindes besetzt. Aufgabe des Brigade- Commandeurs der Artillerie ist es, diese Be setzung, im Sinne der vom kommandierenden General erhaltenen
Weisung, alsbald durch das Corps -Artillerie -Regiment - überhaupt -
die gesamte Artillerie des Armee -Corps – vervollständigen zu lassen . Vom Verhalten des Feindes nämlich : je nachdem derselbe den Rückzug angetreten oder sich nur in eine Aufnahme-Stellung zurück gezogen hat, hängen die weiteren Verfügungen des kommandierenden Generals wesentlich ab.
Kann die Verfolgung verfügt werden, so werden den mit , derselben beauftragt werdenden , im Kampfe am wenigsten gelitten habenden Truppen das zu deren Verband gehörige Divisions-Artillerie
Regiment, oder, wenn die Verfolgung mit der Kavallerie und den Truppen der Gefechts-Reserve angeordnet wird, die reitenden Batterien oder das ganze Corps -Artillerie - Regiment zugeteilt. Die Artillerie,
welche den zur unmittelbaren Verfolgung des Feindes bestimmten
Truppen beigegeben ist, tritt in den Verband dieser Truppen und erhält vom Commandeur derselben ihre Weisungen.
Der Brigade
Commandeur der Artillerie befindet sich im Stabe des kommandie
renden Generals da wo dieser sich aufhält, und verfügt, im Sinne *) Beziehungsweise, wenn sie sich in einem solchen Augenblicke gerade in einer Vorbewegung befinden würde, abzuprotzen und zu feuern .
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
296
der von diesem bezüglich des Gros des Armee - Corps erteilten
Weisungen , über das Corps-Artillerie-Regiment, falls dieses nicht 7
der Verfolgungs - Avantgarde zugeteilt wurde. Die Commandeure der Divisions -Artillerie -Regimenter erhalten ihre Weisungen von den Commandeuren ihrer Infanterie- Division .
Hat sich der Gegner in eine Aufnahme - Stellung zurück gezogen , sp muſs der von der Gefechtsleitung beabsichtigte Angriff auf diese wieder von der gesamten Artillerie , unter unmittelbarer Leitung des Brigade-Commandeurs der Artillerie, vorbereitet werden . In diesem Falle handelt es sich für den Brigade -Commandeur vor Allem darum , baldmöglichst die allgemeine Leitung der Artillerie wieder in die Hand zu bekommen.
Deshalb
wird
derselbe an
dasjenige Artillerie -Regiment, welches bereits, im Verein mit seiner Infanterie - Division , in oder neben dem eroberten Gelände Feuer
stellung genommen hat, die , gegen die in Besitz genommene Stellung rasch heranrückenden anderen Artillerie - Regimenter in Feuerstellungen anreihen, aus welchen der Angriff auf die Aufnahme Stellung des Feindes möglichst vorteilhaftest vorbereitet werden kann .
Auch bei diesem neuen Angriff wird es sich zuerst um Über wältigung der feindlichen Artillerie handeln und wird daher der Brigade-Commandeur jedem seiner hierfür zur Verfügung stehenden Artillerie-Regimenter wieder eine Gruppe der feindlichen Artillerie zur Bekämpfung zuweisen .
Nach Überwältigung der feindlichen
Artillerie muſs dann der Brigade-Commandeur die entsprechende Vereinigung des thunlichst groſsen Teils des Artilleriefeuers gegen den für den Hauptangriff unserer Infanterie bestimmten Teil der feindlichen Stellung eintreten lassen u. s. w. -
Wurde aber der diesseitige Angriff abgeschlagen , so muſs die Artillerie in ihren gerade inne habenden Feuerstellungen die zurückweichende Infanterie aufnehmen , die ihrerseits zunächst
an ihrem sie begleitet habenden Divisions-Artillerie-Regiment Halt findet. Die auf einem oder auf beiden Flügeln der zurückweichenden Infanterie , meist weiter rückwärts, stehenden Teile des Corps Artillerie- Regiments und des anderen Divisions -Artillerie -Regiments müssen ebenfalls durch ihr Feuer , das hier häufig ein kreuzendes und flankierendes werden kann , den nachdringenden Gegner auf zuhalten und der eigenen Infanterie Luft zu machen suchen. Wenn nötig weicht die abgeschlagene Angriffs - Infanterie mit ihrer Divisions Artillerie bis in die Höhe der Corps- Artillerie zurück , wo sie wohl immer Aufnahme finden wird.
297
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee -Corps.
Bisher wurde betrachtet, wie sich die Entwicklung und Teil nahme der Artillerie am Kampfe gestaltet , wenn das mit der Absicht zum energischen Angriff des Feindes ins Gefecht tretende Armee-Corps auf nur einer Straſse marschiert.
Im Nachstehenden sollen nun die Änderungen erwogen werden , welche für die Artillerie eintreten , wenn das Armee - Corps auf 2 Straſsen , also mit beiden Infanterie Divisionen neben einander marschiert.
Sind die beiden Marsch kolonnen so weit von einander entfernt, daſs nur die Avantgarde der einen derselben auf den Feind stöſst und befindet sich bei dieser Marschkolonne der kommandierende
General und dann wahrscheinlich auch das Corps - Artillerie - Regiment,
so gestaltet sich der Kampf, und die Verwendung der Artillerie in demselben ganz ähnlich wie beim Marsche des Armee-Corps auf nur einer Straſse. Das Divisions -Artillerie-Regiment dieser Kolonne und das Corps -Artillerie-Regiment werden , der weniger tiefen Marsch kolonne wegen , sogar etwas früher zum Eingreifen in den Kampf gelangen können . – Die Durchführung des entscheidenden Infanterie Angriffs wird hier, wenn dem nicht ganz gewichtige andere Gründe entgegen stehen , auf dem Flügel sich empfehlen , auf welchem die andere Marschkolonne (Infanterie - Division ) des Armee - Corps marschiert. — Dem Corps- Artillerie-Regiment wird dann auf dem -
jener Marsch kolonne zugewendeten Flügel der in den Kampf ge tretenen Avantgarde die Feuerstellung angewiesen. Das zu dieser Avantgarde gehörige Divisions -Artillerie-Regiment wird dagegen meistens mit beiden Abteilungen, jedenfalls mit einer Abteilung, auf
dem anderen Flügel der Avantgarde Stellung genommen haben . Die nicht auf den Feind getroffene Marschkolonne des Armee Corps wird vom kommandierenden General Weisungen erhalten, welche deren Thätigkeit , namentlich die baldthunlichste Mitver wendung ihres Artillerie-Regiments zur Bekämpfung der feindlichen Artillerie, in Verbindung mit jener der Infanterie-Division bringen, ?
welche mit ihrer Avantgarde auf den Feind gestoſsen ist und diesen
einstweilen hinhaltend beschäftigt . Das bei der nicht auf den Feind getroffenen Marschkolonne befindliche Artillerie -Regiment wird also, nötigenfalls unter Bedeckung des oder eines Teiles des Divisions
Kavallerie-Regiments, wenn geboten auch Infanterie, in Richtung gegen die andere Marsch kolonne, seiner Infanterie - Division voraus gesendet, und erhält vom Brigade -Commandeur der Artillerie neben
dem Corps - Artillerie -Regiment, also seiner nachfolgenden Infanterie Division zunächst, die Feuerstellung angewiesen. Von da ab gestaltet Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine.
Bd . LXX .,
.
20
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
298
sich die Thätigkeit der Artillerie des Armee- Corps ganz ähnlich wie in dem Falle, wenn das Armee -Corps auf nur einer Straſse marschierte.
Würde beim Marsche des Armee - Corps auf zwei weit von -
einander entfernten Straſsen nicht die Marschkolonne , mit welcher
der kommandierende General und das Corps - Artillerie - Regiment marschieren, sondern die andere Marschkolonne mit ihrer Avantgarde in das Gefecht treten , so begiebt sich der kommandierende General mit seinem Stabe und dem in diesem befindlichen Brigade-Com mandeur der Artillerie zu dieser Kolonne. Von hier aus wird dann
die Heranziehung des Corps - Artillerie -Regiments und des Divisions Artillerie-Regiments aus der nicht auf den Feind gestoſsenen Marsch kolonne, deren Infanterie -Division voraus, angeordnet. Im Falle beide Marsch kolonnen des Armee -Corps, auf nur wenig
von einander entfernten Straſsen marschierend, mit ihren Avantgarden auf den Feind treffen und so nahezu gleichzeitig ins Gefecht treten, empfiehlt es sich , die Lücke zwischen beiden Infanterie - Divisionen durch das Corps -Artillerie-Regiment zu schlieſsen . Diesem Regiment wird dann , in dem Raume zwischen den beiden Marschkolonnen,
vom Brigade - Commandeur der Artillerie die Feuerstellung an Von der Entfernung der beiden Anmarschstraſsen an gewiesen . den Punkten, wo die auf ihnen marschierenden Kolonnen mit ihren
Avantgarden in das Gefecht treten , wird es wesentlich abhängen, ob eine oder beide Infanterie - Divisionen ihr Artillerie -Regiment besser auf dem inneren oder auf dem äuſseren Flügel ihrer Avant
garde Feuerstellung nehmen lassen . – Die Stellung beider Divisions -
Artillerie- Regimenter auf dem äuſseren Flügel ibrer Avantgarde, empfiehlt sich , wenn die Entfernung der beiden Anmarschstraſsen sehr gering - 1 höchstens 1 '/, km .
ist , während, wenn die
beiden Anmarschstraſsen 3 km oder noch weiter von einander ent
fernt sind , behufs Vermeidung einer zu groſsen Frontausdehnung 1
des Armee- Corps, beide Divisions- Artillerie-Regimenter besser auf der inneren Seite ihrer Anmarschstraſse die Feuerstellung angewiesen erhalten .
Bei der Marschkolonne, mit welcher der kommandierende General
marschiert, wird sich auch der Brigade-Commandeur der Artillerie befinden .
Derselbe kann daher , von da aus , im Auftrage der
Gefechtsleitung, sofort die Feuerstellung für den noch nicht in den Kampf getretenen Teil des Divisions -Artillerie - Regiments dieser Kolonne, dann, in der Richtung gegen die andere Marschkolonne, auch jene für das Corps - Artillerie - Regiment bestimmen .
299
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps.
Die Thätigkeit des in der anderen Marsch kolonne befindlichen und mit seiner Infanterie - Division bereits in den Kampf getretenen
Divisions - Artillerie- Regiments muſs dadurch in Einklang mit den Absichten der Gefechtsleitung gebracht werden , daſs auch dieses Regiment dem Befehle des Brigade- Commandeurs unterstellt wird . Dasselbe hat sich dann , im Vereine mit den beiden anderen Regi
mentern , an der Durchführung des Artilleriekampfes zu beteiligen
und erhält in der für die eigentliche Durchführung dieses Kampfes zu wählenden näheren Feuerstellung vom Brigade-Commandeur seine
Aufstellung zugewiesen . Wie bereits erwähnt, wird sich, sobald, durch den begonnenen
Artilleriekampf, das Feuer der feindlichen Artillerie von der dies seitigen Infanterie abgelenkt ist , diese thunlichst weit , bis an die Grenze des wirksamen Infanteriefeuers
etwa 1200 m
-
gegen
den Feind vorschieben , und dort , zum Schutze der , nun erst auf entscheidende Entfernung von der feind ungefähr 2000 m ns este r 1500 m von der aber imme noch mind lichen Artillerie feindlichen Infanterie entfernt - vorgehen könnenden diesseitigen -
Artillerie, festsetzen .
Es wurde auch erwähnt, daſs dieses Vorgehen
der diesseitigen Artillerie zweckmäſsigerweise erst dann erfolgen könne , wenn die Gefechtsleitung sich endgültig schlüssig gemacht hat, wohin sie den Hauptangriff mit der Infanterie richten will, damit die Artillerie ihre neue
entscheidende
Feuerstetlung
auch gleich so wählen kann , daſs sie diesen Hauptangriff am Besten mit ihrem Feuer unterstützen und in ihr die Divisions- Artillerie
Regimenter zunächst ihrer Infanterie - Division Aufstellung nehmen lassen kann .
Ebenso wurde auch bereits erwähnt, daſs die Be
stimmung des Zeitpunktes , wann die Beschieſsung des Teils der feindlichen Stellung , gegen welchen der Hauptangriff unserer In fanterie gerichtet wird, beginnen soll, von Seite der Gefechtsleitung erfolgt. Zugleich wurde bemerkt , daſs dieser Zeitpunkt spätestens mit dem vollendeten Aufmarsch der zum Hauptangriff bestimmten Infanterie - Division gegeben , aber auch wesentlich davon abhängig sei , daſs unsere Artillerie bis dahin die Überlegenheit über die feindliche Artillerie gewonnen habe , weil sonst das Vorgehen für unsere Infanterie zu verlustreich und damit der Erfolg des Angriffs 7
von Hause aus sehr in Frage gestellt würde .
Angenommen nun, unserer Artillerie gelinge es nicht, die Über legenheit im Kampfe mit der feindlichen Artillerie zu gewinnen, und der Feind schreite, mit der, für den von ihm ebenfalls be
absichtigten Angriff gesammelten Infanterie selbst zum Angriff, so 20*
300
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
ist die diesseitige Gefechtsleitung dadurch in die Notwendigkeit versetzt, diesen feindlichen Angriff abzuweisen , ehe sie selbst ihre Angriffsabsicht ausführen kann.
Der Angriff, mit welchem uns der Feind zuvorkommt, wird in
der Regel gegen einen unserer Flügel, könnte aber auch gegen unsere Mitte gerichtet sein. Gleichviel » wohin sich derselbe richtet« , in dem Augenblicke , in welchem er erkannt wird , muſs ihm be gegnet werden und zwar mit dem Feuer der diesseitigen Artillerie . Diejenigen Artillerie - Regimenter, welche aus der inne babenden
Feuerstellung gegen ihn richten können , müssen daher sofort ihr Feuer gegen denselben aufnehmen . Beim Angriff gegen unsere Mitte könnten dieses alle oder wenigstens Teile aller 3 Regimenter sein , beim Angriff gegen einen unserer Flügel , das auf diesem Artillerie -Regiment, befindliche und das anstoſsen de mittlere -
welch' letzteres , beziehungsweise eine Abteilung desselben , nötigen
Falls die erforderliche Feuerstellungs -Änderung vornehmen müſste. Für die Artillerie-Regimenter , welche den Angriff beschieſsen können und sollen, bestimmt der Brigade-Commandeur der Artillerie
den von ihnen zu bekämpfenden Teil des Angriffs. Dem nicht, beziehungsweise am wenigsten günstig , gegen den Angriff richten könnenden Artillerie -Regiment überträgt er die Bekämpfung jener feindlichen Batterien , welche ihr Feuer gegen den vom Feinde als Angriffsziel gewählten Teil unserer Stellung richten. Gelingt es, den gegen uns gerichteten feindlichen Angriff zurückzuweisen , so wird unsere Gefechtsleitung, wesentlich auch nach Maſsgabe der
hierbei über den Feind gewonnenen Vorteile, nun selbst zum Angriff übergehen. Schreitet dagegen der Angriff, mit welchem uns der Feind zuvorkam , weiter fort und wird die diesseitige Gefechtsleitung dadurch dauernd in die Verteidigung zurückgeführt, so schlieſsen sich die Maſsnahmen für die diesseitige Artillerie jenen an , welche in der weiteren Durchführung der Verteidigung geboten
sind und in Folgendem betrachtet werden. Im Anschlusse an das Verhalten , wenn bei angriffsweisem
Vorgehen zeitweise die Verteidigung eintritt, soll nun noch die Verteidigung einer Stellung , in der zunächst der feind liche Angriff abgewartet werden will , betrachtet werden.
Fortsetzung des Vormarsches, mit dem Entschlusse, den Feind , da, wo man ihn trifft, energisch anzugreifen, wird stets angeordnet werden , wenn der Auftrag und die von der voraus befindlichen Kavallerie eingebrachten Nachrichten über den Feind dieses ge
statten . Stehen aber der Auftrag oder die von der Kavallerie über
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee -Corps.
301
den Feind gebrachten Nachrichten
oder gar beides dem Entschlusse zum Angriff auf den Feind entgegen , muſs vielmehr
vorerst noch Zeit gewonnen werden , um den Anmarsch und das
Eingreifen weiterer diesseitiger Corps abzuwarten, so kann es Auf gabe des Armee-Corps werden , das Vorschreiten des Gegners in einer hierzu geeigneten Stellung aufzu halten .
Zum Aufhalten des Gegners eignet sich am Besten ein weithin beherrschendes , gegen denselben sanft abfallendes Gelände, weil dieses die Möglichkeit bietet , die eigene Fenerwirkung voll aus
nützen , den Hauptstofs des Gegners rechtzeitig erkennen und ihm erfolgreich begegnen zu können. Das Armee- Corps wird » in diesem Falle« seinen Marsch gegen den Feind , dessen Anmarschrichtung durch die Meldungen der voraus befindlichen Kavallerie bekannt ist, nur bis dahin fortsetzen , wo sich , in der für die Erfüllung
seines Auftrages entsprechendsten Richtung, ein derartiges für die Verteidigung günstiges Gelände, mithin die Stellung darbietet , in welcher dem Gegner mit Aussicht auf Erfolg begegnet werden kann.
Vor dem Gelände, in welchem die Einnahme der Verteidigungs Stellung , welche für ein einzeln kämpfendes Armee -Corps bis zu 4 km Frontbreite besitzen kann , beabsichtigt ist , klärt die beim 9
Armee- Corps befindliche Kavallerie, je nach ihrer Stärke unterstützt durch eine oder beide reitende Batterien des Corps-Artillerie Regiments, den Anmarsch des Gegners weiter auf. Beide Infanterie-Divisionen des Armee - Corps werden hinter
dem Gelände, in welchem die Einnahme der Verteidigungs- Stellung beabsichtigt ist , neben einander bereitgehalten . Jede Infanterie Division hinter dem ihr voraussichtlich zufallenden Teil der Stellung, über welchen sie ihre Vorposten vorschiebt, um ihrem Gros bis zum Erscheinen des Feindes thunlichste Ruhe gewähren zu können. Beim Herannahen des Feindes besetzt jede Infanterie- Division, von dem ihr zufallenden Teil , der unter Rücksichtnahme auf die
Avnäherungs- Richtung des Feindes einzunehmenden Verteidigungs Stellung, nur die Hauptpunkte im Gerippe und läſst kleine Infanterie Abteilungen
die Vorposten
bis gegen 500 m, über die für
die Artillerie sich bietenden Feuerstellungen , mitunter noch weiter, vorgeschoben .
Die Feuerstellungen für die Artillerie werden so gewählt, daſs jedes Divisions -Artillerie -Regiment auf den äuſseren Flügel seiner Infanterie -Division zu stehen kommt, und gegen einen, auf den äuſseren Flügel seiner Division gerichteten Angriff, und wenn
der betreffende Flügel der Verteidigungs-Stellung vom Angreifer
302
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
umfaſst werden kann , auch noch gegen die Umfassung gut wirken kann .
Ungefähr hinter der Mitte der Front der Verteidigungs
Stellung hält das Corps- Artillerie -Regiment, für welches die Feuer stellung , zwischen den beiden Divisions - Artillerie - Regimentern , so
gewählt wird, daſs dasselbe das ganze Gelände vor der Front der Verteidigungs- Stellung und insbesondere auch die gegen deren Front führenden Anmarschwege wirksam beschieſsen kann. Das gesamte vor und seitwärts der Verteidigungs - Stellung befindliche Gelände wird vom Brigade - Commandeur der Artillerie, während derselbe, mit den Commandeuren der Artillerie -Regimenter, die einzunehmenden Feuerstellungen abreitet und sie über die von
eigenen Truppen besetzten Punkte des Vorgeländes unterrichtet, nach leicht erkennbaren Gelände-Merkmalen abgegrenzt, den drei
Artillerie -Regimentern zur Überwachung zugewiesen . Die Regiments Commandeure verteilen den ihnen zugewiesenen Geländeteil an ihre unterhabenden Abteilungen , welche sich zunächst rückwärts der für sie auserwählten Feuerstellung *) verdeckt aufstellen und die besten »gedeckten « Anmarschwege in die Feuerstellung ermitteln . Während sich der Artillerie - Brigade - Commandeur zum kom mandierenden General zurückbegiebt , halten sich die Regiments Commandeure innerhalb des ibrem Regiment zugewiesenen Abschnitts,
jene der Divisions -Artillerie-Regimenter bei ihrem Divisions-Com mandeur auf.
Sobald der Anmarsch des Feindes bekannt wird, rücken von
jedem Artillerie- Regiment nur einzelne und zwar diejenigen Batterien, welche, von der für sie treffenden Feuerstellung ans, das ganze Vor gelände und insbesondere die Annäherungswege »weithin « am wirk samsten beschieſsen können , hinter ihre Feuerstellung. Diese Batterien treten in Thätigkeit , wenn die noch im Vorgelände befindliche Kavallerie, mit der ihr zugeteilten reitenden Artillerie, auf die Stellung des Armee-Corps, oder um deren Flügel, zurück geht und feindliche Artillerie oder Truppen unter 3500 m Entfernung sichtbar werden.
Um die ganze Ausdehnung der Stellung dem Feinde nicht vorzeitig zu verraten , empfiehlt es sich , daſs nur jene der bereit
gestellten Batterien , in deren ihnen zur Überwachung zugewiesenen Geländeabschnitt feindliche Abteilungen auftreten, das Feuer eröffnen.
Also, wenn der Feind gegen einen der beiden Flügel der Verteidigungs *) 300 besser 500 m vor dieser lassen sie , wenn nötig , Masken u. s. w. für besseren Schutz ihrer Batterien , d. h. Erschwerung der Beobachtung der gegen sie vom Feinde abgegeben werdenden Schüsse herstellen.
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee - Corps.
303
Stellung anmarschiert , die dort bereitstehenden Batterien des be treffenden Divisions- Artillerie-Regiments auf Befehl des Divisions Commandeurs.
Marschiert der Feind gegen die Mitte der Stellung
an, die dort bereit stehenden Batterien des Corps-Artillerie-Regiments, auf Befehl des commandierenden Generals , beziehungsweise des
Brigade-Commandeurs der Artillerie. Sobald aber der Angreifer seine anfangs schwache Avant-Garde- Artillerie verstärkt und der komman
dierende General die Aufnahme des Geschützkampfes befohlen hat, läſst der Brigade-Commandeur der Artillerie durch Adjutanten diesen Befehl den 3 Regimentern mitteilen , diese in die bereits für sie 9
ausgewählten Feuerstellungen einrücken und übernimmt, von diesem Zeitpunkte ab, persönlich das Commando über die gesamte Artillerie. Diese bildet in 3 groſsen Gruppen [ Regimentern] die Streben zum Einfügen der Infanterie, deren vordere Truppen , wie bereits erwähnt,
bis gegen 500 m über die Artillerie-Feuerstellungen hinausgeschoben sind und bleiben .
Der Brigade- Commandeur der Artillerie wählt für seinen Auf enthalt einen Punkt, von dem aus er das Gefechtsfeld am Besten
übersehen kann und läſst diesen der Gefechtsleitung und den 3 Regiments -Commandeuren der Artillerie mitteilen .
Sobald die feindliche Avantgarde - Artillerie verstärkt wird,
eröffnet jedes Artillerie-Regiment, in dessen ihm zur Überwachung zugewiesenen Raum dieses geschieht, das Feuer. Hierbei weist jeder Regiments-Commandeur jeder seiner Abteilungen den ihr entsprechend gegenüber auftretenden Teil der feindlichen Artillerie zur Bekämpfung zu . Die Abteilungs - Commandeure führen die Bekämpfung der ihnen zugewiesenen feindlichen Artilleriegruppe durch *). Marschiert der Feind auf 2 Wegen vor, von welchen » beispiels weise« jeder gegen einen Flügel der diesseitigen Stellung fübrt, so werden ziemlich gleichzeitig die 2 diesseitigen Divisions-Artillerie Regimenter in Thätigkeit treten und zwar jedes gegen den ihm entsprechend gegenüber auftretenden Teil der feindlichen Artillerie.
Das diesseitige Corps -Artillerie-Regiment » in diesem Falle « mit der möglicher Eröffnung seines Feuers bis zum Erscheinen der zuletzt beiden dessen Weise erst / Stunde später – beim Feinde, zwischen
Anmarschkolonnen, auftretenden Artilleriegruppe warten zu lassen, hieſse sich eines Vorteils begeben. Deshalb wird der Brigade Commandeur der Artillerie, sobald in der von einem seiner Divisions *) Wie die Abteilung diese Bekämpfung durchführen kann, wurde im Juni
Heft des Jahres 1888 ausführlich besprochen,
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
304
Artillerie-Regimenter zu bekämpfenden feindlichen Artilleriegruppe mehr als 4 Batterien aufgetreten sind , die über diese Zahl sich darbietenden Batterien der ihnen entsprechend gegenüber befindlichen Abteilung des Corps -Artillerie-Regiments zur Bekämpfung zuweisen. Marschiert der Feind auf nur einer Straſse an , so wird zuerst
nur das Artillerie-Regiment sein Feuer eröffnen können, in dessen ihm zur Überwachung zugewiesenen Geländeteil die Avantgarde Artillerie verstärkt wird . Führt diese Straſse ungefähr gegen die Mitte unserer Stellung, so wird dieses das Corps-Artillerie -Regiment sein. Sobald dann , in dem diesem Regiment zugewiesenen Gelände teil das Auftreten zahlreicherer feindlicher Artillerie, und zwar so
wohl rechts wie links der schon vom Corps- Artillerie-Regiment bekämpften , sich erkennbar macht, wird, vom Brigade-Commandeur der Artillerie, diesem Regiment nur die Bekämpfung des zuerst aufgetretenen mittleren Teils der feindlichen Artillerie, bezeichnet nach leicht erkennbaren Gelände- Merkmalen, belassen . -
Die Be
kämpfung der an diese Gelände-Merkmale sich anschlieſsenden Teile Flügel
der feindlichen Artillerielinie wird er dem diesen
Flügel entsprechend
gegenüber befindlichen Divisions- Artillerie
Regiment übertragen . Im Falle die Verlängerung der feindlichen Artillerielinie, nicht rechts und links, sondern nur nach einer Seite der zuerst verstärkt
gewordenen und vom diesseitigen Corps- Artillerie-Regiment bekämpften
Artilleriegruppe stattfindet, muſs die Bekämpfung dieser feindlichen Gruppe dem dieser entsprechend gegenüber befindlichen Divisions
Artillerie- Regiment übertragen und von diesem, unter Übernahme der vom Corps-Artillerie -Regiment bereits dahin ermittelten Ent fernungen , bethätigt werden . Denn auch in diesem Falles« muſs »
jedem der diesseitigen 3 Artillerie- Regimenter der ihm entsprechend gegenüber befindliche Teil der feindlichen Artillerie zur Bekämpfung zugewiesen werden. Beim Anmarsche auf nur einer Straſse kann der Angreifer seine
gesamte Artillerie noch weniger wie beim Anmarsch auf 2 Wegen gleichzeitig auftreten lassen , und kann bis zum Erscheinen seiner letzten Artilleriegruppe eine Stunde und mehr Zeit vergehen. Der Brigade -Commandeur der Artillerie des Verteidigers muſs daher, den
ihm bis dahin gegebenen » Vorteil der Überzahl « benützen , indem er, mit seiner gesamten Artillerie, gegen die vorerst noch minder zahlreicbe feindliche Artillerie
kämpft.
Entfallen
hierbei
nur
4 feindliche Batterien als Ziel für ein Regiment , also 2 für die 3 Batterien einer diesseitigen Abteilung, so ist Aussicht gegeben,
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee- Corps.
305
daſs, bis zum Auftreten der letzten feindlichen Artilleriegruppe, die
bis dabin thätig gewesenen feindlichen Batterien in einen Zustand versetzt sein können *), welcher es dem Brigade-Commandenr der Artillerie des Verteidigers ermöglicht, die neu auftretende feindliche
Artilleriegruppe ebenfalls sofort mit Übermacht bekämpfen lassen zu können . Die zweckentsprechende Abgrenzung der jeweilig zu be kämpfenden feindlichen Artillerie , das heiſst die Bestimmung des
von jedem der 3 Regimenter zu bekämpfenden Teils derselben, nach leicht erkennbaren Gelände -Merkmalen bezeichnet, ist hierbei von
höchster Wichtigkeit und Aufgabe des Brigade -Commandeurs. Der Beginn des Artilleriekampfes wird wohl selten auf geringeren , häufig sogar auf gröſseren Entfernungen als 2400 m stattfinden. Der Angreifer muſs aber trachten, seine Artillerie auf nähere entscheidende Entfernung - etwa 2000 m - heranzuführen . Jeder Abteilungs - Commandeur der Verteidigungs- Artillerie hat daher sämtliche Batterien der ihm zur Bekämpfung zugewiesenen feindlichen Artilleriegruppe im Auge zu behalten und sobald er bemerkt, daſs Batterien dieser Gruppe ihre Aufstellung verändern wollen , die An
ordnung zu treffen , daſs jede dieser Batterien von einer diesseitigen Batterie beschossen wird . **) *) Beim Artilleriekampfe von Batterie gegen Batterie also ohne Übermacht hat bereits diejenige Batterie die Aussicht, die gegnerische zu über wältigen, welcher es zuerst gelingt, „ die Entfernung zutreffend zu ermitteln . “ Das
an Zabl
Zuvorkommen hierin ist vor Allem von der richtigen Beobachtung der eigenen
Schüsse, der erlangten Schieſsausbildung, von der ursprünglichen Kenntnis der Entfernung und von der mehr oder weniger günstig dem Gelände der Feuerstellung
angepaſsten Aufstellung abhängig. Die letztere ist am günstigsten, wenn durch
sie dem Feinde die Beobachtung seiner Schüsse unmöglich oder wenigstens thunlichst erschwert wird. Bezüglich günstiger Aufstellung und Kenntnis der Ent
fernung wird sich die Verteidigungs- Artillerie meistens im Vorteil befinden , so daſs, wenn gleiche oder gar bessere Schiefsausbildung ihr zur Seite steht, sie Aus sicht hat, die zutreffende Entfernung zuerst zu ermitteln, und die feindliche Batterie nun
um so rascher überwältigen kann, wenn nun sofort 2 diesseitige Batterien
dieselbe beschieſsen . Es handelt sich daher darum, daſs jedes Regiment, und in diesem jede Abteilung der Verteidigungs- Artillerie, die Batterien des ihr als Ziel zugewiesenen Teils der feindlichen Artillerie, in der den Verhältnissen entsprechendsten
Reihenfolge, nacheinander mit Übermacht bekämpft. Wie die Abteilung diese Bekämpfung durchführen kann, wurde im Juni -Hefte des Jahres 1888 ausführlich besprochen.
**) In so lange sie in dem der Abteilung zugewiesenen Zielbereiche sichtbar ist, beziehungsweise in diesem neu erscheint. Ist die Entfernung bis zur auf oder abprotzenden
feindlichen Batterie bekannt, oder nähert sie sich in der
Bewegung Punkten im Gelände, deren Entfernung bereits ermittelt ist, so empfiehlt sich das Feuer mit Shrapnels , während sonst gegen in Bewegung befindliche Batterien das Feuer mit Granaten vorzuziehen ist.
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
306
Um aber den Stellungswechsel der feindlichen Artillerie möglichst günstig auszunützen, empfiehlt es sich, gegen eine Staffel des Feindes, welche sich anschickt vorzurücken, auch die andere Abteilung des
Regiments, beziehungsweise die nächststehende des anderen Regiments, das
Feuer
Shrapnels
ist die Entfernung bekannt , mit aufnehmen und von deren Batterien entsprechend auf
mit Granaten
die ganze Front, beziehungsweise Tiefe, der vorrückenden feindlichen Staffel verteilen zn lassen. Bereits vorher erlangte Kenntnis der Entfernungen, nach im Gelände hervortretenden Punkten , kann
hierbei von groſsem Vorteil werden und es ermöglichen , die vor rückenden feindlichen Batterien, im Augenblicke wo sie sich Punkten nähern , deren Entfernung bereits ermittelt ist , wirksamst mit
Shrapnels zu beschieſsen. Nachdem die Angriffs--Artillerie die nähere — entscheidende Feuerstellung eingenommen hat, wird vom Brigade - Commandeur der Artillerie wieder jedem Regiment der Verteidigungs-Artillerie , der ihm entsprechend gegenüber befindliche Teil der feindlichen Artillerie, zur Bekämpfung zugewiesen. Den begonnenen Geschützkampf muſs die Verteidigungs-Artillerie, wenn nicht ein besonderer Befehl der Gefechtsleitung dem entgegen
stehen sollte, bis zum Beginn des feindlichen Infanterie- Angriffs mit allen gefechtsfähigen Geschützen fortsetzen , auch wenn sich ihr gegenüber eine Überlegenheit der feindlichen Artillerie geltend zu machen beginnt .
Der Brigade- Commandeur der Artillerie wird,
wenn nur eine feindliche Artilleriegruppe diese Überlegenheit gewinnt, an dem Kampfe gegen diese dasjenige seiner Regimenter – oder einer Abteilung desselben - welches im Artilleriekampfe mit der ihm zugewiesenen feindlichen Gruppe die Oberhand gewann , Teil nehmen lassen *), und so gegen den überlegen werdenden feindlichen Teil überlegeneres diesseitiges Feuer zu richten trachten. Ist der Angreifer nicht in der Zahl an Artillerie überlegen, so wird, bei
gleich guter Leitung und Ausführung des Feuers, eine Überlegenheit der feindlichen Artillerie, wenn überhaupt, nicht so bald eintreten . Selbst, wenn sie aber eingetreten ist, muſs doch noch gegen jene
feindliche Artilleriegruppe, welche nun ihr Feuer, um den folgenden Angriff ihrer Infanterie zu erleichtern, gegen einen Teil der dies seitigen Stellung richtet, das Feuer aller dahin sehen könnenden
noch gefechtsfähigen diesseitigen Geschütze , und zwar von jedem *) Dieses Regiment, beziehungsweise Abteilung, wird hierbei ähnlich verfahren können , wie dieses vorstehend „ Seite 27 und 28 " angegeben wurde,
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee- Corps.
307
der betreffenden Regimenter, gegen den ihm entsprechend gegenüber befindlichen Teil dieser Angriffs - Artillerie gerichtet werden ; um so, wenn möglich, deren Feuer von unserer Infanterie abzulenken oder doch wenigstens zu schwächen . Zugleich aber wird es auch Zeit sein, Vorkehrungen zu treffen , damit der nun zu erwartende Infanterie
Angriff abgeschlagen werden kann. Die beim Angreifer sichtbar gewordenen Bewegungen , sowie die Meldungen der auf und vor den Flügeln unserer Stellung beob achtenden Kavallerie, dann auch das sich nun gegen einen Teil der diesseitigen Stellung besonders richtende, oben erwähnte, feindliche
Artilleriefeuer werden die Gefechtsleitung erkennen lassen , wohin – der in der Regel einen der beiden Flügel unserer Stellung feindliche Hauptangriff beabsichtigt ist. Dorthin ist jetzt Alles, was -
an Infanterie - Reserven in der Front entbehrt werden kann, heran zuziehen.
Die Gefechtsleitung wird aber auch erwägen, ob das
daselbst stehende, vielleicht nur noch teilweise kampffähige Divisions Artillerie -Regiment für die Abwehr des zu erwartenden feindlichen
Infanterie-Angriffs genügt, oder auch noch das Corps-Artillerie Regiment, aus der Front, jetzt mehr nach dem bedrohten Flügel herangenommen werden muſs. Dem auf dem nicht bedrohten Flügel der Stellung stehenden Divisions-Artillerie-Regiment kommt dagegen die Aufgabe zu, das vom Gegner, etwa in Verbindung mit dem Flankenangriffe, beabsichtigte Eindrücken der Front unserer Stellung zu verhüten .
Können , aus der inne habenden Feuerstellung, nicht beide,
sondern nur die dem bedrohten Flügel näher stehende Abteilung des Corps -Artillerie -Regiments gegen den feindlichen Infanterie
Angriff günstig wirken, so muſs, da die Artillerie, wo die Ent scheidung fällt, nicht zu schwach sein darf, die betreffende Abteilung wobei es vorteilhaft ist, wenn des Corps-Artillerie-Regiments *) dieses nur die beiden reitenden Batterien zu sein brauchen nach dem bedrohten Flügel herangenommen werden. Dort ist ihr, auf dem äuſsersten Flügel der Hauptfront, eine Feuerstellung zu geben,
aus welcher sie, unerwartet und überraschend, gegen den äuſseren Flügel – wenn möglich die Flanke – des Angriffs, mit ihrem Feuer wirken kann. Die Bodengestaltung und der Pulverdampf der stehen bleibenden Artillerie müssen ausgenützt werden , um das
Zurückziehen der betreffenden Abteilung aus der Front und ihre *) Nur ,wenn unbedingt nötig“, beide Abteilungen des Corps- Artillerie-Regi
ments, wird auch in der Regel schwer ausführbar sein.
308
Zur Ausbildung der Feldartillorie,
Bewegung nach dem bedrohten Flügel dem Feinde möglichst zu verbergen und so thunlichst verlustlos zu machen.
Je weniger der Gegner [Angreifer] in dem vorausgegangenen
Artilleriekampfe die Überlegenheit über die Verteidigungs- Artillerie gewonnen hat und je mehr es dieser letzteren gelungen ist, vorüber gebend gefechtsunfähig gemachte Geschütze wieder thätig zu machen, desto weniger Aussichten hat der Gegner für das Gelingen seines Infanterie -Angriffs. Aber selbst, wenn die Angriffs- Artillerie in dem stundenlang währenden Artilleriekampfe die Oberhand gewonnen hat, so müssen doch, sobald die Angriffs -Infanterie innerhalb der wirksamen Entfernung , also von etwa 2400 m an, sichtbar wird, alle Batterien, welche dabin richten können , ihr Feuer gegen diese Infanterie richten. Denn nun handelt es sich darum, die angreifende Infanterie, während ihres Vorgehens, mit unserem Artilleriefeuer so
zu erschüttern, daſs sie, bis sie an unsere ( Verteidigungs-] Infanterie herangekommen ist, von dieser um so leichter abgewiesen werden kann. Der Brigade-Commandeur der Verteidigungs- Artillerie hat das Feuer der beiden zu einem Zwecke zusammen wirkenden Regimenter zu leiten . Derselbe wird daher seinen Aufenthalt auf dem Flügel der Stellung, gegen welchen der feindliche Hauptangriff sich richtet,
so wählen, daſs ihm der Überblick dieses Angriffs bestens ermöglicht ist. Von der gesamten Breiten-Ausdehrung des feindlichen Angriffs teilt er dem Divisions-Artillerie-Regiment und dem stehen gebliebenen Teil des Corps-Artillerie -Regiments den entsprechend gegenüber befindlichen , mit ihrer Batterie-Zahl , thunlichst im richtigen Ver hältnis stehenden Teil zu. Sind eine Abteilung des Corps-Artillerie Regiments – beziehungsweise nur die reitenden Batterien – auf
den äuſsersten Flügel der diesseitigen Stellung genommen worden , so obliegt diesen das Feuer gegen den änſseren Flügelteil des An griffs und wird hierauf von Seite des Divisions - Artillerie -Regiments zu achten sein . Der Commandeur dieses Regiments weist, von der seinem Regiment zur Beschieſsung zukommenden Breiten -Ausdehnung des feindlichen Infanterie-Angriffs, jeder seiner Abteilungen die ihr entsprechend gegenüber befindliche Hälfte zu .
Wie jede Abteilung
die Bekämpfung des ihr zugewiesenen Teils des feindlichen Infanterie Angriffs ausführen kann, wurde im Juni-Hefte des Jahres 1888 aus führlich besprochen . Das Divisions -Artillerie - Regiment , welches nicht gegen den
feindlichen Infanterie -Angriff wirken kann, hat, in so lange sich ihm in der Front keine vordringenden feindlichen Truppen als Ziel
darbieten , die feindliche Artillerie und zwar vorzugsweise diejenige
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee - Corps.
309
zu bekämpfen, welche auf dem inneren Flügel der Angriffs -Infanterie deren entscheidenden Angriff vorzubereiten sucht. Die Leitung des Feuers dieses Regiments fällt unmittelbar dessen Commandeur zu.
Wenn ein oder weil sich daſs der Gegner den Rückzug
Armee -Corps, weil die nötige Zeit gewonnen ist, im Laufe des eingeleiteten Gefechts herausstellte, bedeutend überlegen ist, den Kampf abbrechen und freiwillig antreten will , so muſs es sich hierzu
möglichst noch vor ernsthafter Berührung, also sobald der Feind sich entwickelt, aber noch nicht den entscheidenden Infanterie Angriff begonnen hat, entschlieſsen . Während die Infanterie- Division , welche sich auf dem nicht
bedrohten Flügel der Verteidigungs-Stellung befindet, ihre Infanterie in die Marschkolonne setzend , den Rückzug antritt, bleibt die gesamte Artillerie des Armee -Corps, insbesondere die auf dem vom Gegner bedrohten Flügel und , wenn nötig , diesen entsprechend verstärkend, in Thätigkeit, um genügende Zeit für den Abmarsch der Infanterie zu gewinnen und diesen dem Gegner nicht ahnen zu lassen . Erst wenn die zuerst abgezogene Infanterie - Division mit ihrer gesamten Infanterie im Rückmarsche ist, folgt » dieser zunächst« ihr Divisions- Artillerie- Regiment, dann die nicht zur Arrièregarde bestimmte Infanterie der anderen Infanterie -Division , dieser das Corps- Artillerie- Regiment und, erst zuletzt , mit der Arrièregarde und daher unter die Befeble des Commandeurs derselben tretend, das, mit der Hauptmasse der Kavallerie, dieser zugeteilte Divisions Artillerie-Regiment der Infanterie -Division , welcher der Infanterie >
9
7
der Arrièregarde entnommen ist.
Der Brigade-Commandeur der Artillerie begiebt sich , sobald das Corps-Artillerie-Regiment den Rückmarsch angetreten hat, zum kommandierenden General und verbleibt , wenn ihm von diesem
nicht besondere Weisungen zur Ausführung übertragen werden, in dessen Stab .
Tritt aber ein Armee -Corps den Rückzug erst dann an , wenn
sich die Überlegenheit des Feindes bereits wirksam fühlbar zu machen angefangen hat – also mehr oder weniger unfrei dann kann der Rückzug geordnet nur erfolgen , wenn der willig entscheidende Infanterie- Angriff des Gegners, durch unser kräftiges Begegnen , Aufenthalt erfahren hat und er, nach diesen , während
der Gegner zur Fortführung seines Angriffs die Vorbereitungen trifft, begonnen wird.
Dieser Rückzug wird ähnlich , wie vorstehend
angegeben wurde, ausgeführt. Jedoch müssen, unter dem Schutze einer Arrièregarde, welcher, auſser dem Divisions -Artillerie-Regiment
310
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
der vom Angriff bedrohten und mit entsprechenden Kräften in der Verteidigungsstellung verbleibenden Infanterie - Division auch das Corps -Artillerie- Regiment und die Kavallerie zugeteilt wird , die übrigen Truppen in eine möglichst flankierende Aufnahme-Stellung zurückgenommen werden .
Der Commandeur des auf dem nicht bedrohten Flügel der Verteidigungs- Stellung gestandenen Divisions - Artillerie -Regiments, welches sich bei den in die Aufnahme- Stellung zurückgehenden Truppen seiner Infanterie - Division befindet, tritt bierbei unter die Befehle des Commandeurs dieser Infanterie- Division zurück, bis der
Brigade- Commandeur mit dem Corps - Artillerie-Regiment, oder im Auftrage des kommandierenden Generals diesem Regiment voraus,
in der Aufnahme-Stellung eintrifft. Der Brigade-Commandeur der Artillerie befindet sich, so lange sich der kommandierende General bei der Arrièregarde aufhält, bei
dieser und leitet, bis das Corps-Artillerie - Regiment zurückgenommen wird , das Feuer der zunächst dem Feinde befindlichen beiden
Artillerie -Regimenter. Hat er sich, im Auftrage des kommandierenden Generals, zur Auswahl der Feuer-Stellungen der Artillerie , in die
von diesem bestimmte Aufnahme-Stellung zurückzubegeben, so über nimmt, bis zum Abzuge des Corps -Artillerie-Regiments, der ältere Regiments-Commandeur die Oberleitung des Feuers. Nach Einnahme der Aufnahme- Stellung durch das mit der zuerst zurückgenommenen Infanterie - Division dahin gegangene Divisions- Artillerie- Regiment, geht zunächt das Corps-Artillerie Regiment zurück, und erhält dort, von dem mit ihm wenn nicht
schon früher dahin sich begebenden Brigade - Commandeur der Artillerie eine solche Feuerstellung zugewiesen , daſs durch das von nun ab vom Brigade -Commandeur zu leitende Feuer der in der
Aufnahme-Stellung befindlichen beiden Artillerie -Regimenter, der Abzug der noch am Feinde verbliebenen Arrièregarde gedeckt werden kann .
Die Arrièregarde mit dem zugehörigen Divisions- Artillerie
Regiment, dessen Commandeur nach dem Zurücknehmen des Corps Artillerie -Regiments unter die Befehle des Arrièregarde- Commandeurs tritt, folgen zuletzt, und verhindern ein zu ungestümes Nachdrängen des Gegners .
Obwohl sich beim Armee-Corps, wie bei einer selbstständig kämpfenden Infanterie -Division , meist ein flügelweiser Abzug ergiebt, 80 schlieſst dieses doch nicht aus, daſs unter Umständen *) auch ein * ) Wenn z. B. der feindliche Angriff gegen die Mitte der Stellung sich richtet,
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps.
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Abzug beider Flügel, unter Stehen bleiben der Mitte erfolgen könnte
und hier bei das Corps - Artillerie - Regiment der Arrièregarde zugeteilt wird. Zum Schlusse möchte noch der Fall in Betrachtung gezogen
werden, in welchem sich für den Verteidiger die Möglichkeit bietet, mit Aussicht auf Erfolg, selbst zum Angriff übergeben zu können .
Ist es dem Gegner ( Angreifer] nicht gelungen in dem voraus
gegangenen Artilleriekampf die Überlegenheit über die Verteidigungs Artillerie zu gewinnen und in Folge hiervon auch sein entscheidender Infanterie - Angriff nicht gelungen, so wird der Verteidiger, wenn
Auftrag und Verhältnisse dem nicht entgegen stehen , sich nicht damit begnügen , den Angriff abgewiesen zu haben.
Erlauben
> Auftrag und Verhältnisse « pun selbst zum Angriff auf den durch seinen miſslungenen Angriff mehr oder weniger erschütterten Gegner überzugehen, so wird dieses stets geschehen .
Die erlangte Oberhand
über die feindliche Artillerie wird dann gestatten, daſs sich sobald der kommandierende General diesen Entschluſs gefaſst hat , das
Feuer des gröſseren Teils der Artillerie, unter Leitung des Brigade Commandeurs der Artillerie, gegen den Teil des Feindes wendet,
gegen welchen nunmehr der eigene entscheidende Infanterie -Angriff gerichtet werden will . Mit dem Rest der Artillerie wird die noch thätige, insbesondere jene feindliche Artillerie bekämpft, welche das Vorschreiten unseres Infanterie -Angriffs belästigt.
In der Durchführung des nun begonnenen Angriffs treten über haupt an die diesseitige Artillerie alle, bereits beim Angriffe näher betrachteten Aufgaben heran, jedoch , da sich der Angriff gegen
einen nicht in ausgesuchter Verteidigungs- Stellung befindlichen Feind richtet, unter erleichterten Verhältnissen . Am Schlusse dieser Betrachtungen über die Lösung der Aufgaben , welche an die im Verbande eines Armee-Corps befindliche Artillerie herantreten können, machen sich folgende 3 Wünsche geltend, deren
Erfüllung für die Feld-Artillerie und damit auch die Armee von sehr groſsem Werte sein würde.
1. Nachdem im Kriege die im Verbande eines aus 2 Infanterie Divisionen bestehenden Armee-Corps befindliche Artillerie in drei Regimentern auftritt, möchte der Feld- Artillerie bereits im Frieden
die Gliederung gegeben werden , in welcher sie im Kriege zu be stehen und zu kämpfen hat. Also pro Armee - Corps , das sich aus 2 Infanterie- Divisionen zusammensetzt, in 3 Feld- Artillerie Regimentern.
Dadurch würde sich vermeiden lassen , daſs das
Corps -Artillerie -Regiment, welches der ausschlieſslichen Verfügung
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
312
des kommandierenden Generals unterstellt ist und einen selbstständig
formierten Verband des Armee- Corps bildet [Ziffer 218 der Feld dienstordnung], erst bei der Mobilmachung aus Abteilungen, ja sogar einzelnen Batterien , der beiden zur Zeit im Frieden nur bestehenden
Feld - Artillerie - Regimenter des Armee - Corps zusammengesetzt -
werden muſs.
2. Ebenso wie durch Ziffer 11 der Felddienstordnung für die
Infanterie und Kavallerie Übungsreisen festgesetzt sind , erscheint es höchst wünschenswert, daſs auch für die Feld-Artillerie, nicht blos Übungsritte oder Besprechungen im Terrain [Gelände ] sondern
ebenfallsÜbungsreisen (Feld - Artillerie- Übungsreisen) eingeführt werden. Bei den Übungsritten oder Besprechungen im Gelände, wie sie zur Zeit bei der Feld- Artillerie ausgeführt werden , läſst sich für dieselben jeweilig nur höchstens ein ganzer Tag und daher auch stets nur das der betreffenden Garnison nächstgelegene Gelände benützen.
Auſserdem können dieselben dadurch niemals über einen
gröſseren Verband als den des Regiments, unter Leitung des Regiments -Commandeurs, ausgedehnt werden. Feld -Artillerie -Übungs reisen mit thunlichst vielen Offizieren , insbesondere sämtlichen
Regiments- Commandeuren, Abteilungs.Commandeuren, Batteriechefs und Adjutanten einer Feld - Artillerie - Brigade, unter Leitung des
Commandeurs dieser Brigade, würden bereits bei einer ununter brochenen Dauer von 6 bis 8 Tagen reichlich das Mittel bieten ,
unter Zugrundelegung der an die im Verbande eines Armee -Corps
befindliche Feld-Artillerie, beim Angriff und bei der Verteidigung berantretenden Aufgaben , die für deren Lösung im jeweilig bei der
Übungsreise sich darbietenden Gelände, entsprechendsten Verfahrungs weisen kennen zu lernen. Die gerade für die Artillerie so überaus wichtige und vermöge ihres zusammengesetzten Materials wahrlich nicht leichte Findigkeit im Gelände , insbesondere die » jeweilig mögliche« entsprechendste Benützung des Geländes für vor Allem
der Einsicht des Feindes entzogenes, sowie gleichzeitiges und thunlichst Regimenter rasches Eintreffen der gröſseren Artillerie-Verbände insbesondere Abteilungen - in den für sie bestimmten Feuerstellungen, würde dadurch sehr gefördert werden.
Jede Artillerie -Feuerstellung muſs von dem seiner Truppe dahin besichtigt werden . Der Brigade Commandeur wählt, für die unterhabenden Regimenter die sie treffende, den Absichten des kommandierenden Generals entsprechende vorausgerittenen Commandeur
Feuerstellung aus.
Währendem muſs bereits einer der Adjutanten
oder Offiziere des Brigade- Commandeurs, den für das betreffende
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee-Corps.
313
Regiment von dessen Anmarschstraſse aus sich darbietenden, der
Einsicht des Feindes thunlichst entzogenen Anmarschweg in die Feuerstellung erkennen .
Damit er, vom
Brigade- Commandeur be
auftragt, diesem Regiment den Befehl zum zum Vorrücken aus der
Anmarsch-Kolonne des Armee -Corps u . s. w. in die Feuerstellung zu überbringen, sofort beim Zurückreiten zu diesem Regiment die
entsprechendste Anmarsch -Richtung und Weise für dasselbe ermitteln kann. Beziehungsweise, wenn der Einsicht des Feindes entzogener Anmarsch sich nicht ermöglichen läſst, erkennt, wo das Regiment nach dem Verlassen der Anmarschstraſse vor Betreten des vom
Feinde eingesehenen Anmarsch -Geländes, sich für die Zurücklegung desselben am zweckmäſsigsten bereit macht. Ob Bereitschaftstellung im Regiment oder in einzelnen Abteilungen oder auch nur natürlich ohne Beeinträchtigung des Weitermarsches der anderen
halten in Colonne in Batterien , in Zügen, ja sogar zu Einem stets aber jedenfalls der Einsicht des Feindes entzogen - dort geboten ist. Kann der vom Brigade -Commandeur zurück gesendete Offizier, zugleich mit dem Befehle »zum Vorrücken in die Feuerstellung «, dem betreffenden Regiments-Commandeur die Waffen
durch eigene Erkundung ermittelte zweckentsprechendste Art dieses
Vorrückens mitteilen, so ist es diesem ermöglicht , durch seinen Regiments -Adjutanten , ohne selbst sie erst noch erkunden lassen zu müssen, sofort den ihm gebrachten Mitteilungen entsprechend, seine Weisungen den unterhabenden Abteilungen übermitteln zu lassen , während er sich selbst, mit dem vom Brigade-Commandeur zu ihm gesendeten Offizier, in die für sein Regiment bestimmte Feuerstellung vorbegiebt .
In dieser vom Brigade-Commandeur über von eigenen und feindlichen Truppen besetzte Geländeteile , überhaupt über die Gefechtslage und die von seinem Regiment zu beschieſsenden Ziele anterrichtet, kann er sich nun selbst über die Aufstellung seiner
Abteilungen in der seinem Regiment zugewiesenen Feuerstellung, unter Beachtung der Beschaffenheit des Geländes derselben, bis zum
Eintreffen der Abteilungs - Commandeure schlüssig machen . Die Abteilungs-Commandeure begeben sich stets, sobald sie Richtung und Art des Vormarsches ihrer Abteilung in die Feuerstellung,
entsprechend der ihnen vom Regiments-Adjutanten überbrachten Weisung des Regiments-Commandeurs festgesetzt haben — beziehungs weise ihre Abteilung, vor dem Betreten des vom Feinde eingesehenen Anmarschgeländes, in der für das weitere Vorrücken entsprechendsten Gliederung Halt gemacht hat – zum Regiments-Commandeur in die Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine,
Bd. LXX. , 3 .
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314
Zur Ausbildung der Feldartillerie,
Feuerstellung vor.
Den ihnen zugewiesenen Teil derselben teilen sie
nun , der gegebenen Gelände- Beschaffenheit desselben am ent sprechendsten angepaſst, für ihre Batterien ein . Den Batteriechefs, welche in den meisten Fällen ihren Batterien voraus bei ihm ein
treffen müssen, kann dann der Abteilungs-Commandeur die Auf stellung für ihre Batterie genau angeben, und können dann diese das dementsprechende möglichst auch gleichzeitige – Einrücken
der Batterien der Abteilung in die Feuerstellung bethätigen. In dem Gelände, welches schon bei nur 6 bis 8 an einander anschlieſsenden Übungstagen betreten werden kann, werden sich sicher viele Verschiedenheiten der Oberflächen-, Bedeckungs-, Wege u . s. w. Beschaffenheit, mithin reichliches Übungsmaterial und vielfache Belehrungsmittel für jeweilige zweckentsprechende Benutzung des .
Geländes darbieten .
Auswahl und Einnahme von Feuerstellungen, den Verhältnissen
entsprechendste Art des Vorgehens in diese » regimenter- oder abteilungsweise « in Staffeln, Deckung durch das Feuer der jeweilig stehenden Abteilung, beziehungsweise Regiment u. s. w. , kurz alle Aufgaben, welche an die im Verbande eines Armee-Corps befindliche Feld - Artillerie im Ernstfalle, bei Angriff und Verteidigung herantreten, können im gerade sich darbietenden Gelände « erwogen und be sprochen werden . Der Einfluſs , welchen das Gelände auf die
Thätigkeit jeder Waffe, insbesondere jene der Feld-Artillerie ausübt, würde so recht zur wirklichen Anschauung gelangen.
Aufstellung
der 2. Wagenstaffeln der Batterien, der ersten Staffel der Munitions Kolonnen u. s. w., überhaupt das ganze so überaus wichtige und wahrlich nicht leichte Gebiet der Munitions- Versorgung u . . W., auf welches in Fortsetzung dieser Arbeit noch besonders eingegangen
werden wird, könnte bei diesen Übungsreisen ebenfalls zur Erwägung und Besprechung gebracht werden . 3. Während die ad 1 und 2 erwähnten Wünsche in unmittel
barem Zusammenhange mit der taktischen Ausbildung der Feld Artillerie für ihre Aufgaben im Kriege stehen, erscheint der Wunsch , daſs den Lieutenants der Feld- Artillerie, ebenso wie jenen der
reitenden Artillerie, je ein eigenes und 1 Chargen - Reitpferd bewilligt werden möchte, auſser Zusammenhang mit der Ausbildung -
der Artillerie für ihre Aufgaben im Kriege. Dieses ist aber nicht der Fall , denn bereits bei den jährlichen Herbstwaffenübungen erweist sich die Berittenmachung der Lieutenants der Feld -Artillerie mit
nur einem Reitpferd sehr häufig als ungenügend. Ebenso wie jeder Lieutenant der Kavallerie, ohne Rücksicht darauf, ob er der leichten
hier deren Aufgaben im Verbande eines Armee -Corps.
315
oder schweren Kavallerie angehört, 1 eigenes und 1 Chargen Reitpferd besitzt, bedarf diese Berittenmachung auch jeder Lieutenant der Feld -Artillerie, gleichviel ob er einer reitenden oder einer Feld Batterie angehört .
Die gröſsere Beweglichkeit der reitenden Artillerie, und deren Fähigkeit, namentlich längere Märsche in kürzerer Zeit als die übrige Feld-Artillerie zurücklegen zu können, ist nicht so entscheidend, um dieselbe mehr zu den berittenen Waffengattungen [Kavallerie ] zählen zu lassen als die Feld-Artillerie.
Av letztere muſs schon
deshalb , da sie häufig wie bei einer selbstständig auftretenden Infanterie -Division, nur allein die Artillerie vertritt, und auch im Armee- Corps- Verbande 8%, der gesamten Stärke an Artillerie umfaſst, ebenfalls die Anforderung thunlichst rascher Zurücklegung groſser
Wegestrecken gemacht werden . Die Leistungen, welche die Er kundungen des Geländes u. s. w. von den Artillerie - Offizieren ver langen, sind ganz gleich , ob sie für reitende oder Feld -Batterien nötig sind. Die Artillerie – gleichviel ob reitende oder Feld ist eine durch Pferde zu bewegende, also sicher auch berittene Waffe.
Erhöhung der Zahl der im Frieden bespannten Ge schütze einer Batterie von 4 auf 6 ist höchst wünschens
wert und teilweise auch bereits eingeleitet, aber noch viel wichtiger als die Erhöhung des Pferdestandes jeder Batterie – insbesondere jeder reitenden Batterie *) — ist die Berittenmachung jedes Lieutenants der Feld - Artillerie mit einem eigenen und einem Chargen -Reitpferd. -
*) Seit Jahren nehmen die Feld -Artillerie -Abteilungen, nicht nur die Schieſsen ihrer einzelnen Batterien, sondern auch die Schieſsübungen ihrer Batterien im
Abteilungs-Verbande mit , durch Geschütze der anderen Feld-Abteilungen ihres Regiments, auf die Stärke von 6 Geschützen gebrachten Batterien vor, Für die reitenden Abteilungen ist dieses, da die Regimenter jeder Feld-Artillerie-Brigade nur eine reitende Abteilung besitzen , nicht möglich .
Im Hinblicke darauf, denn es ist wahrlich ein groſser Unterschied, ob beim Schieſsen im Abteilungs-Verbande 3 Batterien à 4 Geschütze oder 3 Batterien à 6 Geschütze feuern, dann aber auch insbesondere deshalb, weil für die reitende Artillerie die Erhöhung des Pferdestandes bei der Mobilmachung mit noch viel
gröſseren Schwierigkeiten verknüpft ist als für die übrige Feld-Artillerie, erscheint ganz besonders für die gesamte reitende Artillerie die Erhöhung des Friedens
Pferdestandes dringend geboten. Durch die Erhöhung des Friedens- Pferdestandes der in der deutschen Armee bestehenden etwa 60 reitenden Batterien, vom Stande
von 4 auf den von 6 bespannten und bedienten Geschützen, würden überdies auch nicht entfernt so hohe Kosten entstehen, als wenn diese allerdings auch für die nicht reitende Feld -Artillerie höchst erwünschte Erhöhung auch auf diese aus gedehnt wird . 21 *
Zur Ausbildung der Feldartillerie u. 8. w.
316
Ingleichen erscheint es wünschenswert, daſs für jeden Hauptmann - Batterie - Chef – der Feld-Artillerie, ohne Rücksichtnahme darauf, ob derselbe eine reitende oder eine Feld - Batterie kommandiert, die
Berittenmachung gleich derjenigen des Eskadrons-Chefs der Kavallerie, welche
zur
Zeit
nur
für
den Batteriechef
einer
reitenden
Batterie in Kraft besteht, festgesetzt werde. Hierdurch würden dann auch, durch den Entfall des zur Zeit jedem Batteriechef einer Feldbatterie gewährten einen Dienstpferdes, einigermaſsen die, durch die Berittenmachung sämtlicher Lieutenants der Feld -Artillerie mit einem eigenen oder einem Cbargen -Reitpferd, entstehenden gröſseren Kosten gedeckt werden können.
Hierdurch würde dann auch be .
züglich der Berittenmachung der Hauptleute und Lieutenants der nicht reitenden Feld-Artillerie jene Gleichheit mit derjenigen der Rittmeister und Lieutenants der Kavallerie bestehen , welche zur
Zeit bereits bezüglich der Berittenmachung sämtlicher Stabsoffiziere der Feld-Artillerie mit jenen der Kavallerie besteht. Damit durch die Berittenmachung der Lieutenants der Feld
Artillerie mit einem eigenen und einem Chargen -Reitpferd für diese nicht persönliche Ausgaben erwachsen, würde es sich empfehlen,
denselben » vorerst« nur, an Stelle des Dienstreitpferdes ein Chargen Reitpferd *) zu gewähren . Ist dann dieses ebenso wie bei der Kavallerie und reitenden Artillerie nach 5 jähriger Benutzung, **) in ihr Eigentum übergetreten und ihnen dafür ein neues Chargen Reitpferd zugeteilt worden , so würden sich dieselben » von da ab « im Besitze von einem eigenen und einem Chargen -Reitpferd befinden . Hierdurch würden dann auch für die Heeres-Verwaltung nur dadurch unbedeutend gröſsere Mehrausgaben erwachsen , daſs die durch schnittliche Gebrauchszeit eines Dienstreitpferdes 9 Jahre, die eines
Chargen -Reitpferdes nur 5 Jahre beträgt. Auſserdem müſste aber darauf geachtet werden , daſs jedem Feld -Artillerie-Regiment, ebenso wie schon seither jedem Kavallerie -Regiment, die für die Beritten machung seiner Lieutenants entsprechende Anzahl von für Offiziere geeigneten Chargen -Reitpferden zugewiesen wird. Damit aber nicht in einem Jahre für sämtliche Lieutenants der
Feld-Artillerie alle Chargen-Reitpferde abgestellt werden müssen, würde es sich empfehlen, nicht erst nach 5 Jahren, sondern schon
von jetzt ab in jedem Jahre, jedem der Feld- Artillerie-Regimenter *) Das zur Berittenmachung des Lieutenants zur Zeit benutzte Dienstreitpferd wird dessen Chargen-Reitpferd,
**) Unter Einrechnung der Zeit in welcher das Chargen -Reitpferd gewordene Dienstreitpferd schon als letzteres Dienste leistete.
Kavalleristische Betrachtungen.
317
"); der Zahl der für die Berittenmachung seiner Lieutenants nötigen
Chargen -Reitpferde abzustellen. Ebenso würde es sich empfehlen , jenen Lieutenants der nicht reitenden Feld-Artillerie, welche sich aus eigenen Mitteln schon vor Ablauf der 5 jährigen Benutzung des ihnen zugewiesenen Chargen -Reitpferdes ein eigenes Reitpferd be
schaffen , die Fourage und übrigen Pferde-Gebühren nicht nur für ein Chargen -Reitpferd sondern auch für ein eigenes Reitpferd zu gewähren .
32.
XXII. Kavalleristische Betrachtungen. I. Säbel oder Lanze ?
Die Lanze ist eine ganz vorzügliche , eine furchtbare Waffe, wenn der Reiter der sie führt, tüchtig ist im Sattel und die Fähigkeit hat, sich seinen Gegner vom Leibe zu halten . Die tüchtige Ausbildung im Reiten und im Gebrauche der Waffe vorausgesetzt, wird die Lanze unstreitig die Königin der blanken Waffen bleiben ; sie wird ihre ausgesprochene Überlegenheit
bewähren beim Kampfe mit einzelnen Reitern , beim geschlossenen Angriffe und der Verfolgung.
Dagegen muſs die Lanze diese Überlegenheit natürlich und unbedingt verlieren im sogenannten »Handgemenge«. Wir haben
die feste Überzeugung und derselben wiederholt Ausdruck gegeben, daſs wir uns mit diesem Handgemenge auf einer falschen gänzlich unkavalleristischen Fährte
befinden .
Wenn mit dem
Verkennen
aller kavalleristischen Grundsätze das Handgemenge und die Ver folgung mitunter bis zum kopflosesten Herumjagen anf den Schlacht feldern gesteigert wurde, so war das Verkennen und Vergessen dieser Grundsätze ebenso sehr die Ursache, wie die höchst mangel bafte Organisation der Kavallerie in Beziehung auf Mobilmachung und Taktik .
Die Kavallerie hatte sich eine Zeit lang vollständig von richtigen kavalleristischen Grundsätzen entfernt; erst in neuerer Zeit nähern wir uns denselben wieder.
318
Kavalleristische Betrachtungen.
Nur jene Kavallerie , deren strategische und taktische Ver wendung nach solchen geschieht, — welche sich einer systematisch vorbereitenden, nach richtigen kavalleristischen Grundsätzen klar und sicher wirkenden Leitung zu erfreuen hat, — welcher durch
entsprechende systematische Übungen diese Grundsätze für Bewegung, Angriffe u. 8. w. ganz in Fleisch und Blut übergegangen sind, welche durch praktische Schule und Schulung tüchtig und kavalle ristisch richtig reitet, einzeln, wie im Truppenverbande, – nur jene Kavallerie wird als Waffe überhaupt und namentlich mit der Lanze wirklich groſse Erfolge erzielen können.
Diejenige Kavallerie , welcher dies gelingt, wird in einem kommenden Kriege mit aller Sicherheit eine Rolle spielen , von welcher man lange Zeit keine Ahnung hatte. Wir wissen , daſs in den vorstehenden Sätzen ziemlich viel verlangt wird. Daſs diese Ziele auch heute als vollkommen richtige erkannt werden müssen , darüber kann ein Zweifel kaum bestehen . Diesen Zielen aber können wir uns nur dann nähern , wenn wir,
wie auch bereits versucht wurde, das Alphabet mit dem A beginnen , indem wir in etwas schnellerem Tempo die anderen Buchstaben und dann sicher in kurzer Zeit auch lesen lernen werden.
Mit Absicht haben wir unser Alphabet wie angegeben gestellt,
denn wir haben in der Kriegsgeschichte die Erfahrung machen können , daſs gerade da , wo wir angegeben baben , unser Alphabet beginnt: » vortrefflich reitende mit den besten Waffen ausgerüstete
Kavallerie kann nur wenig leisten wenn nicht« u. . w., . s. w. Die technische Vorbereitung der Waffe ist schwer, schwieriger ist die kavalleristische Führung , noch schwerer die kavalleristische
Verwendung , namentlich dann schwieriger , wenn die Gelegenheit und Schule hierfür beinahe gänzlich mangelt. Um wirklichen gröſseren Nutzen aus dieser schönen Waffe zu ziehen , müssen wir in allen drei Richtungen trachten energisch vorwärts zu kommen ; wenn überhaupt Stillstand einfach Rück schritt bedeutet , so gilt dies für Kavallerie in erhöhtem Maſse,
insbesondere da wir eben erst wieder angefangen haben , kavalle ristisch zu fühlen , kavalleristisch zu denken ! - Dem Geiste der
Waffe entsprechend verwendete und geführte Kavallerie wird stets Leistungen erzielen und hat auch stets Leistungen gezeigt , wenn
Organisation und Technik nicht ganz gering waren . Kommt zu obigen Bedingungen gute Organisation, vortreffliche Technik und
Bewaffnung (Lanze) dann wird die Kavallerie auch wieder eine gefürchtete Waffe sein .
Der Seekrieg.
319
> Uns Kavalleristen aber steht es zu, das für die Waffe wieder erwachende Interesse lebendig zu erhalten mit allen Mitteln, welche
uns zu Gebote stehen. Früher oder später wird und muſs uns dies gelingen, wenn wir uns nicht entmutigen lassen die » Lanze « auch für die Waffe einzulegen . «
8.
XXIII. Der Seekrieg. I.
Der Krieg ist so alt wie das Menschengeschlecht, und da die
Schifffahrt nahezu ebensoweit zurückreicht, so ist der Schluſs nicht
fernliegend, daſs der Kampf von Menschen gegen einander vom Lande auch sehr bald auf das Meer übertragen worden ist.
In
dessen bleiben diese Kämpfe, wenn sie wirklich auf dem Wasser ausgekämpft worden sind und man es nicht vorzog , beiderseits die Schiffe irgendwo ans Land zu ziehen und den Kampf zu Lande auszufechten wie die Nordlandsrecken es thaten , doch immer nur
Kämpfe Mann gegen Mann , bei denen das Schiff nur Bewegungs mittel bleibt. Selbst noch zur Zeit des trojanischen Krieges diente die groſse Anzahl griechischer Schiffe, welche sich zum Zuge gegen Ilion vereinigten , nur zum Transport des Heeres. Von einem eigentlichen Seekriege ist erst von der Zeit an zu reden , wo das Schiff selbst Waffe wird , seine Zerstörung aber End zweck des Kampfes. Das Schiff wird hierbei zum Individuum und dabei ändert es auch nichts , wenn der Kampf durch Fernwaffen ausgefochten wird ; wie es zu Lande ein Kampf zwischen Menschen >
>
bleibt trotzdem diese durch die Artillerie auf 3000 und mehr Meter
hingestreckt werden , so bleibt es zur See auch stets ein Kampf Bei der Kriegführung zur See ist nun in erster
zwischen Schiffen .
Reihe mit einem nicht zu unterschätzenden Faktor : der Technik
zu rechnen , da diese erst das Individuum , den Boden für den Kampf, das Schiff, herstellen muſs. Die Schiffbautechnik ist aber eine äuſserst schwierige ; noch heute zeigt dieselbe groſse Lücken ,
der Betrieb derselben ist lange Zeit und teilweise noch jetzt ein rein erfahrungsmäſsiger gewesen.
Der Seekrieg .
320
Gehen wir näher auf die Taktik des antiken Seekrieges ein , so finden wir überraschende Analogien mit der Taktik zu Lande. Für den Kampf im Allgemeinen ist die Kampfesweise und die
Waffenwirkung entscheidend.
Diese fallen auf See zusammen
mit der Bewegung. Der Motor des Individuums spielt somit im Seekriege eine Hauptrolle und unterscheidet man daher in der Seekriegsgeschichte mit Rücksicht auf denselben folgende drei groſse Abschnitte :
1. Von 500 v. Chr. bis 1500 n. Chr. Es ist dies die Zeit, wo das Schiff im Wesentlichen durch Menschen kraft bewegt wurde, und diese namentlich der Motor für das Gefecht war, also die Zeit des Ruderschiffes. Allerdings ist das Jahr 1500 keine bestimmte
Grenze , denn schon vorher waren für die Kriegführung auf dem Ocean Segelschiffe im Gebrauch ; andererseits war noch nachher im Mittelmeere das Ruderschiff maſsgebendes Kriegsschiff, doch ist das Jahr 1500 , auſser der Zeit der Reformation und der Ent
deckung Amerikas , die der allgemeinen Einführung der Geschütze zur Bewaffnung der Schiffe und deren Aufstellung zu beiden Seiten derselben .
2. Von 1500 bis 1840. Es ist dies die Periode der Segel schiffe mit Breitseitarmierung , meist aus einer groſsen Zahl von leichten und glatten Geschützen bestehend. Die Segel dienten in
dieser Zeit als Fortbewegungsmittel für die Schifffahrt überhaupt, wie namentlich für die Kriegsschiffe im Gefecht. Dieser Zeitabschnitt unterscheidet sich ferner von dem vorhergehenden dadurch , daſs nicht mehr der Angriff Bug gegen Bug d. h. der Spornangriff stattfindet wie zur Zeit der Ruderschiffe, sondern der Bug als die verletzlichste Stelle des Schiffes gilt und die Breitseite zum
Angriff diente , die man zu dem Zwecke an Stelle der Ruder mit Geschützen besetzte. 3. Von 1840 bis zur Gegenwart .
Die Zeit
in
der die
Dampfschiffe anfangs vorwiegend , später ausschlieſslich zum Gefecht Verwendung fanden und in der eine Rückkehr zur alten Art des Angriffs Bug gegen Bug die zum Spornangriff der alten Taktik und dem Bugfeuer stattfindet.
In diesen drei groſsen Zeitabschnitten läſst sich eine Anzahl Unterabteilungen unterscheiden , auf die wir bei den einzelnen Perioden zurückkommen werden .
Zunächst ist das Schiff zur Zeit der Kämpfe der Griechen gegen die Perser u . s. w. als solches , sobald es anfängt Waffe zu
werden , nur zum Nahekampf geeignet , der Sporn soll es in den
Der Seekrieg.
321
Grund bohren , ein geschicktes Manöver, durch den sehr zuverlässigen Motor, die Ruder, unterstützt, dem Gegner die Riemen zerbrechen und ihn so bewegungsunfähig , d. h. als Waffe wertlos machen , da es von der Gnade des Gegners abbing, ihu durch einen Stoſs zum Sinken zu bringen. Sind die Schiffe auch nebenbei mit Schleuder maschinen u . S. w. versehen , so sind diese doch nur von sekundärer
Bedeutung, sie können den gegnerischen Schiffen wohl einige Leute verwunden und töten , aber das Schiff als solches kann durch die Ein Beispiel hierfür ist Salamis 480 v. Chr. Der Kampf von Thermopilae war zu Gunsten der Perser ausgefallen , Attika Preis gegeben , die Thore
selben nicht kampfunfähig gemacht werden.
Athens offen. Mit Heer und Flotte rückte der Perserkönig gegen die Hauptstadt Griechenlands vor. *) Die griechische Flotte hatte sich nach dem Seetreffen von Artemisium in die Bucht von Salamis zurückgezogen, ein Binnenmeer, das von der Felseninsel dieses Namens
gebildet wird und zu welchem zwei Eingänge führen. Diese Bucht von Themistokles deshalb gewählt worden , weil dort ein Umfassen der an Zahl viel geringeren griechischen Flotte seitens der Perser weniger als auf offenem Meere möglich war. Xerxes lieſs am Mitternacht den 20. September den westlichen Teil seiner Flotte , die bei Phaleron liegenden phönikischen Schiffe, die Insel
war
Salamis umschiffen und in den westlichen Eingang der salaminischen
Bucht einfahren. Sie stellten sich von diesem Eingange aus in der Bucht selbst in einem Bogen auf , so daſs ihr rechter Flügel sich
an Salamis anlehnte und den linken Flügel der Griechen einschloſs An ihren linken Flügel sollte sich das Mitteltreffen der persischen Flotte von Osten her anschlieſsen .
Dieses fuhr durch den östlichen
Eingang in die Bucht und vereinigte sich mit dem rechten Flügel der durch den westlichen Eingang vorgedrungenen Schiffe. Dann wurde auch der östliche Eingang bei Peiraius von der persischen Flotte besetzt , welche sich mit einem Flügel an Salamis anlehnte. Die ganze
Schlachtreihe der Perser bildete einen groſsen Bogen , der die griechische Flotte vollständig umschloſs , nur war der Rücken der letzteren durch das Festland gedeckt. Die persischen Schiffe, welche in der Schlachtlinie keinen Platz fanden , waren als zweites
Treffen binter den beiden Flügeln in den Eingängen aufgestellt, damit hier die Hellenen auf keinen Fall durchbrechen und entfliehen
konnten. Die ganze Aufstellung geschah während der Nacht mit solcher Stille, daſs die Griechen nichts davon merkten . Längs der ganzen Küste fand das Landheer Aufstellung; es sollte dazu dienen , *) S. Stoll.
Die Helden Griechenlands.
Der Seekrieg.
322
die in der Schlacht beschädigten Schiffe, welche hier antrieben , aufzunehmen resp. den ihrigen zum Schutz, den Feinden zum Ver derben . Zu demselben Zweck war auch die kleine griechische Insel Psyttalia, nahe am Ostende von Salamis gelegen, von persischen Truppen besetzt. Am frühen Morgen des 20. September rückten auch die griechischen Schiffe in die Schlachtordnung , 375 Schiffe mit 70,000 Mann, gegen 750 Schiffe mit einer Bemannung von 150,000. Die 200 athenischen Schiffe unter Themistokles bildeten den
linken Flügel; am westlichen Eingange, dem Ehrenplatz in der
Schlacht, war Eurybiades mit 106 Scbiffen aufgestellt. Der Rest der Flotte bildete das Centrum mit einer Reserve , um event. am
rechten oder linken Flügel der Schlachtlinie einzugreifen. Die Befehle des Themistokles an die Schiffsführer gipfelten darin, beim Angriff sich thunlichst zu zweien auf ein feindliches zu stürzen , dasselbe hinunterzurennen oder kampfunfähig zu machen ; eine Enterung der feindlichen Schiffe dagegen erst in zweiter Linie ins Auge zu fassen .
Nach Beendigung des Aufmarsches der Hellenen entfalteten sich die roten Flaggen an den Signalmasten der Befehlshaber , das
Zeichen zum Angriff. *) Die Hellenen stimmten unter Trompeten und Hörnerschall den Schlachtgesang (Paian) an , der weithin an den Felsen wiederhallte und schossen pfeilschnell auf den Feind los. Da wurde auch von den Persern der Befehl zum Angriff
gegeben . Den linken Flügel am östlichen Eingange kommandierte Aria bigues, der Bruder des Xerxes. Bis zur Insel Psyttaleia avan cirte die Perserflotte in Linie ; der Avgriff erfolgte mit groſsem Ungestüm , so daſs die Hellenen stutzig wurden und ohne Befehl,
zwar den Bug ihrer Schiffe noch dem Feinde zugekehrt, dennoch Wenn diese Panik lange dauerte, so wurden die griechischen Schiffe gegen die Küste von Salamis gedrängt und der Sieg der Perser unvermeidlich. Dies voraussehend , machte das un erschrockene Vordringen des Ameinias von Athen dem bangen
zurückwichen .
Weichen seiner Genossen ein Ende ; mit kräftigem Ruderschlag stürzte er sich auf den ihm zunächst befindlichen Gegner, und
bohrte den Sporn seiner Triare in die Seite desselben . Jetzt faſsten auch die zurückgewichenen hellenischen Schiffe wieder Mut, die Athener eilen Ameinias zu Hülfe und der Kampf wurde nun all
gemein, da auch der rechte Flügelthätig in denselben eingreift. *) Nach Herodot, Buch VIII Kapitel 87 und 88 soll der Angriff von den Griechen ausgegangen sein .
Der Seekrieg.
323
Man ringt und kämpft auf der ganzen Linie mit wechselndem Endlich gelingt es dem Themistokles , die Reihen der
Glücke .
Phönikier zu durchbrechen und sie in die Flucht zu schlagen . Ein Teil derselben setzen ihre Schiffe auf den Strand des Festlandes
und werden dort von persischen Truppen aufgenommen , während sich andere Schiffe hinter das Mitteltreffen ihrer Schlachtlinie zurück ziehen .
Diese Verwirrung benntzt Themistokles , das feindliche
Centrum in die Flanke zu fassen und dasselbe ehe es seine Front
ändern kann gänzlich aufzurollen ; was nicht niedergerannt wurde, wandte sich zur Flucht dem östlichen Eingange zu .
Da entstand
in der engen Passage ein verderbliches Gedränge. Der rechte Flügel der Perser, dessen zweites Treffen noch nicht im Gefecht gewesen war , ruderte nämlich in die Bucht von Salamis hinein , um unter 7
den Augen des Groſskönigs, der von dem Aigaleos aus der Schlacht zusah , nicht unthätig zu erscheinen ; ihm entgegen kommen die zurückweichenden , teils übel zugerichteten Schiffe, treiben in die
enggeschlossene Linie hinein , zerbrechen die Riemen oder rennen gegen einander um sich nur einen Weg zu bahnen . Jede Ordnung hört auf, die Verwirrung unter den Persern ist eine allgemeine.
Dies benutzend ging Themistokles mit seiner Triere gegen das viel
gröſsere Schiff des Ariabigues vor und bringt demselben einen Spornstoſs bei , während ein Hagel von Pfeilen und Speeren gegen ihn geschleudert wird. Ameinias unterstützt den Angriff des Themistokles , Ariabigues stürmt auf das Schiff des ersteren , aber ein attischer Speer stöſst ihn ins Meer. Trotz dieser allgemeinen Verwirrung gaben die Perser den Kampf nicht auf, denn immer von neuen konnten sie frische Schiffe ins Gefecht führen ; es wurde
daher auf beiden Seiten mit der gröſsten Erbitterung bis zum Abend gekämpft. Endlich räumte die persische Flotte, besiegt und übel zugerichtet, den Kampfplatz und zog sich in die Bucht von Phaleron zurück . Sie hatte über 200 Schiffe und Menschen verloren .
etwa 50,000
So verliefen die Kämpfe in der Griechenzeit. Zwar wurden die Schiffe gröſser bis zu 40 Reihenschiffen , aber die Taktik änderte sich kaum : zwei Linien waren die Regel, in der Schlacht wie in der Marschordnung ; indessen finden sich auch taktische Gliederungen wie Keil u. s. w. Auch die Kartager- Schiffe verfahren noch in gleicher Weise ; uns selbst die gerühmten Enterbrücken der Römer haben hierin keine Wandlung geschaffen : es war dies ihrerseits ein Not
bebelf, da ihre Schiffe an Beweglichkeit sich mit denen der Karthager nicht messen konnten ; derselbe gelingt auch nur, da die
Der Seekrieg.
324
Karthager sich durch dieselben überraschen lieſsen *) ohne ent sprechende Gegenmaſsregeln vorzubereiten . Die Periode der Drei reihenschiffe (Trieren , Triremes) dauerte denn auch noch bis nach der Zerstörung Karthagos, beziehungsweise bis zum Verfall der Flotten überhaupt. Nur in den asiatischen Provinzen Roms vollzog sich zur Zeit des Antonius abermals ein Wechsel in der Bauart der
Kriegsschiffe; man behielt den Sporn zwar bei , vergröſserte das Schiff aber selbst, stellte Katapulten und Ballisten auf dem Oberdeck
auf u. s. w. – kurz, man begann den Fernkampf und es treten die ersten Formen einer maritimen Artillerie zu Tage. **) Dennoch hören wir, daſs bei Actium 32 v. Chr. die Beweglichkeit der Octavianischen Schiffe diesen den Sieg gegenüber den unbe bülflichen Kolossen des Antonius gab.
Ein Beispiel für andere Formationen in der Schlachtordnung giebt die Schlacht von Ekuomus 256 v. Chr. Die auf dem Zuge nach Karthago befindliche römische Flotte unter den Konsuln Manlius und Regulus mit 330 Schiffen und 140,000 Schiffsmann schaften stiefsen, längs der Südküste Siciliens steuernd , beim Berge von Eknomus auf die ihnen unter Hamilkar und Hanno entgegen
kommende karthagische, 350 Schiffe stark mit etwa 150,000 Streitern u. s. W. w. Die Römer hatten ihre Flotte nach Zabl und Ordnung ihrer Legionen in drei Treffen oder Geschwader eingeteilt, welche
u.
zusammen die Form eines Dreiecks bildeten .
Die beiden
ersten
Treffen, mit je einem Sechsreihenschiffe unter Kommando eines der Kousuln an der Tête , waren staffelförmig formiert. Das dritte Treffen bildete die Grundlinie des Dreiecks, Schiff neben Schiff,
mit den Transport- und Pferdeschiffen im Schlepptau, die Flügel sich unmittelbar an die hintersten Schiffe der beiden ersten Ge schwader anlehnend . Parallel mit dem dritten Treffen, unmittelbar
hinter den Transportschiffen , ebenfalls Schiff neben Schiff, die Schnäbel dem dritten Treffen zugekehrt, befand sich das aus den stärksten Schiffen bestehende Reserve -Geschwader (Triarii) .
Von der karthagischen Schlachtordnung sagt Polybius : ***) » Drei Teile ihrer Schiffe stellten die karthagischen Feldherrn, den rechten Flügel, ein Schiff hoch , alle mit den Vorderteilen gegen den Feind *) Schlacht bei Mylae 260 v. Chr.
**) Nach Diocassius soll im Jahre 40 v. Chr. Caligula eine Maschine besessen haben, mit der er Blitze nachahmen und Donnerkeile schieſsen konnte. Unter Constantin dem Groſsen , 330 n. Chr. bediente man sich im Seekriege des „ Griechischen Feuers. “
***) Buch 1 , Kapitel 27.
Der Seekrieg.
325
gerichtet, weit in das Meer hinaus, um die Römer einzuschlieſsen . Den
vierten Teil
aber
von
der Flotte, der den ganzen linken
Flügel ausmachte und gegen die Küste gerichtet war, brachen sie so, daſs er die Gestalt einer Scheere batte. « Den rechten Flügel der
Karthager führte Hanno ; den linken Hamilkar. Im Centrum der karthagischen Schlachtlinie begann der Kampf : die staffelförmig formierten beiden ersten Treffen der Römer durch brachen mit ihrer gemeinschaftlichen Tête die Mitte der feindlicben Schlachtlinie. Hamilkar liefs seine Schiffe anfangs langsam zurück weichen , und als die Römer zur Verfolgung nachrückten , sich scheinbar zur Flucht wenden . Sobald aber seine Absicht , die
Zerreiſsung des geschlossenen Dreiecks, und die Trennung der ersten beiden Treffen vom dritten erreicht war, erfolgte wieder der Befehl
zum Angriff, während gleichzeitig die beiden Flügel auf das dritte römische Treffen und die Triarii lossteuerten . Der linke karthagische Flügel griff das dritte römische Treffen an , welches die Transportschiffe loswarf und das Gefecht aufnahm , während sich Hauno mit seinem
rechten Flügel auf die Schiffe des Reserve-Geschwaders warf. So entstanden drei gesonderte Treffen , die in räumlicher Beziehung weit von einander getrennt waren . Der Sieg gehörte also dem, der einer Stelle den Feind so rechtzeitig zu schlagen und zu ver nichten vermochte, daſs er mit den frei gewordenen Schiffen auf
an
der anderen Stelle in den Kampf eingreifen konnte.
Die erste Ent
scheidung erfolgte im Centrum , wo der Kampf begonnen hatte. Die nur
in einer Linie dort aufgestellten karthagischen Schiffe wurden bald von den
Römern überwältigt ; ihre Rückwärtsbewegung, anfangs ein geplantes Scheinmanöver, artete zur wirklichen Flucht aus.
Darauf nahm
Manlius die genommenen feindlichen Schiffe ins Schlepptau, während Regulus mit den Schiffen des zweiten Geschwaders dem
schwer
bedrängten Reserve-Geschwader zu Hilfe eilte. Er fand Hanno im vollen Siegen ; griff aber noch rechtzeitig in das Gefecht ein , er
mutigte die noch nicht vollständig überwältigten Triarier dazu , wieder zur Offensive überzugehen , indem er die Schiffe des Hanno im Rücken fassend, diesen zwang, vom Kampfe abzulassen. Sobald Manlius aber die genommenen Schiffe sowohl wie die Transportflotte in Sicherheit gebracht hatte, eilte er dem dritten Geschwader, das vom linken Flügel der Karthager ans Ufer gedrängt und eingeschlossen war, zu Hilfe. Hätten die Karthager hier nicht die Enterbrücken der römischen Schiffe gefürchtet, sondern hätten sich in Folge der gröſseren Beweglichkeit ihrer Schiffe mit mehr Energie auf die Gegner gestürzt, so muſsten die römischen Schiffe
Der Seekrieg .
326
früher erliegen , ehe ihnen Hilfe werden konnte. Die Schlacht war verloren , denn nun gingen Manlius und Regulus zur Verfolgung des Feindes über, so daſs nur die Hälfte der Schiffe desselben entkamen. 50 karthagische Schiffe wurden versenkt, 64 erbeutet, mehr als 30,000 Mann im Ganzen kamen um . Von den römischen Schiffen wurden nur 24 versenkt, keins genommen .
Die von den Römern gewählte keilförmige Schlachtordnung ist eine höchst schwierige, welche eine einheitliche Leitung wenn nicht gänzlich unmöglich machte, so doch auſserordentlich erschwerte ; auſserdem aber geschultes Personal und Gewandtheit im Manövrieren erforderte. Eine Staffelform mit einer so bedeutenden Zahl von
Schiffen herzustellen und aufrecht zu erhalten, ist schwierig und nur bei ruhiger See und gutem Wetter möglich ; ein Beweis, daſs dem mit der Aufstellung der Schlachtordnung Beauftragten, die Seeverhältnisse unbekannt gewesen sind . Das Ganze war auſserdem noch durch die Mitführung der Transportflotte in der freien Bewegung gehemmt, lieſs eine kräftige Offensive nicht zu .
Es ist geradezu ein
Fehler, eine so bedeutende Zahl Truppenschiffe durch die Flotte mit schleppen zu lassen und Landungstruppen über die See zu führen, ehe nicht die feindliche geschlagen, vernichtet und die Herrschaft des Meeres erlangt ist. Die Entscheidung der Schlacht ist daher >
keineswegs der von den Römern gewählten Schlachtordnung zuzu schreiben, welche weder vorher noch nachher im Seekriege An wendung gefunden hat ; dieselbe lag vielmehr in der Demoralisation
und wenig geschickten Leitung der Karthager. Mit dem Untergange des weströmischen Reiches, mit der Ver nichtung fast aller Errungenschaften des menschlichen Geistes durch die Völkerwanderung gerieten auch die Kriegsflotten im Mittelmeer, wo sie im Altertum allein geblüt hatten, ganz in Verfall, um sich erst ein halbes Jahrtausend später in dem Aufblühen der Republiken Venedig und Genua , sowie in den nordischen Meeren wieder zu erholen .
So sehen wir seit den Perserkriegen den Sporn als ein
bereits wohl bewährtes und lange gekanntes Angriffs mittel im Seekampfe. Ein solches blieb er auch bis an das Ende des Mittelalters .
Von Salamis bis auf die Schlacht von
Lepanto ( 1571 ), in welcher die beiden Admiralschiffe, nachdem sie
beim ersten Ansturm ihren Sporn verloren batten , sich zum Entern
anschickten, bietet fast jede Seeschlacht Beläge für die Verwendung dieser Waffe.
Im Laufe des
14. Jahrhunderts finden wir nach
Einführung des Pulvers die Kriegsschiffe mit Geschützen armiert;
Der Seekrieg
327
es tritt der Fernkampf in den Vordergrund, doch ändert sich die Taktik nicht, da die Geschütze im Bug aufgestellt, die Bewegung der Schiffe im Gefecht noch durch Menschenkraft geschieht.
Nur
trat eine Änderung in der Gefechtsformation ein ; man formierte drei Geschwader in Sichelform und stellte als Reserve-Geschwader
ein zweites Treffen binter dem Centrum auf (Lepanto). Waren früher die Flügel stark, so wurde es jetzt das Centrum . Im Allge meinen näherte man sich hier der Landtaktik, strebte ein Durch brechen und Umgehen der Schlachtlinie an . Die Schlacht selbst
wurde mit dem Bugfeuer eingeleitet und endete mit dem Entern der feindlichen Schiffe.
Mit dem Ende des 15. Jahrhunderts, dem Zeitalter der Ent
deckungen , wo Menschenkraft zur Fortbewegung der Kriegsschiffe auf dem Ocean nicht ausreichte, beginnt die Kindheit der Segel Kriegsschiffe, d. h. die Zeit, in der eine in ihren Grundzügen der modernen ähnliche Betakelung als Treibkraft derselben zur Ein
führung gelangt, und wo gleichzeitig die Aufstellung einer gröſseren Zahl glatter Geschütze, anfangs leichten , später schwereren Kalibers
Platz griff. Diese Umwandlung des Motors und die veränderte Geschützaufstellung hatte gleichzeitig eine Änderung der Taktik zur Folge. Vom Rammen (Spornangriff) muſste Abstand genommen werden ; die Erhaltung der Takelage war zum Manövrieren unum gänglich notwendig, der frühere starke Bug, das Heck wurden die
Achillesfersen. Gekämpft wurde in zwei eng geschlossenen , parallelen Linien 6 Strich (63–69 ') vom Winde, unter kleinen Segeln liegend, denn diese Formation war die einzige, welche den Schiffen jener Zeit gestattete, alle ihre Geschütze ohne Gefahr für die eigenen Schiffe zu gebrauchen. Intelligenz , Umsicht, Schneid , besonders aber seemännische Erfahrung der Kapitäne waren von gröſstem
Einfluſs auf die Entscheidung des Kampfes. Neben der Geschicklich keit im Manövrieren muſste jede Laune des Windes unverweilt ver wertet und selbst der Sturm mit Umsicht ausgenutzt oder bekämpft werden .
Die Taktik war in dieser Zeit noch eine ziemlich regellose ; für den Angriff wurde meist die Kiellinie angewendet, ebenso wie für
den Marsch, und bildeten sich auch die Überlieferungen mehr und mehr aus, so sind doch bis Mitte des 17. Jahrhunderts gewisse Normen für die Schlacht nicht zu erkennen . Von da ab aber machen sich bestimmte Regeln geltend ; es wurde bis Ende des Jahr
hunderts die Taktik völlig ausgebildet und bis in die Einzelheiten
Der Seekrieg
328
entwickelt, sowohl in der Praxis wie in der Theorie. *)
Näber
auf die Details der Taktik der Segelschiffe einzugehen ,, bleibt
vorbehalten ; wir begnügen uns daher nur einige allgemeine Bezeich nungen
zu
erläutern .
Zunächst
wurden
als Schlachtschiffe
Linienschiffe – Schiffe, welche in Linie kämpfen, nur solche von mindestens 50 Kanonen bezeichnet ; die kleineren hieſsen Fregatten . Brander waren alte Fabrzeuge mit Explosiv- und leicht entzünd lichen Brennstoffen angefüllt, welche in der Schlacht oder bei anderen
Gelegenheiten in die Nähe der feindlichen Schiffe gebracht, an dieselben mit Enterdreggen befestigt und dann in Brand gesteckt wurden .
Jede der beiden Schlachtlinien in Avantgarde, Gros oder
Centrum und Arrièregarde gegliedert, wurde von einem Vice-Admiral, dem Admiral en Chef und einem Contre -Admiral geführt und wurde
die Luv- bezw . Leelinie ( Wind und Unterwindlinie) genannt. Jede derselben hat ihr Vorzüge und Nachteile. Im Allgemeinen muſste der kommandierende Admiral, besonders wenn er der feindlichen Flotte überlegen war, danach streben, die Luvseite ( Windseite) des Gegners zu gewinnen , mit seiner Übermacht die Arrièregarde teilweise zwischen zwei Feuer zu nehmen oder aber mit seiner Tête nur bis
zur Queue der feindlichen Avantgarde vorzugehen und Centrum und Arrieregarde mit verdoppelten Kräften anzugreifen, die Avantgarde dagegen möglichst zur Unthätigkeit zwingen , bis sie sich entschloſs
zu wenden oder zu balsen . In der Schlacht von Abukir ( 1. August 1798) griff bekanntlich Lord Nelson die in der Bucht gleichen Namens in einer Nordwestlinie vor Anker liegende französische
Flotte in der Weise an, daſs er die Avantgarde und das Centrum zwischen zwei Feuer nahm, beide Abteilungen vernichtete, während
Admiral Villeneuve mit der Arrièregarde unthätig blieb und erst am Morgen des anderen Tages Anker lichtete und in See ging. Hätte letzterer sich entschlossen, beim Beginn des Kampfes den mit Über macht angegriffenen Schiffen zu Hilfe zu eilen, so wäre der Ausgang der Schlacht gewiſs ein anderer gewesen. Wie bekannt waren die Segelflotten stets vom Winde abhängig, und so batte man Anfangs die Kiellinie auch als Marschordnung gewählt, um am schnellsten die Schlachtordnung formieren zu können. Hierbei stell ten sich jedoch manche Unzuträglichkeiten heraus, so daſs man ge zwungen war, als Marschordnung drei Kolonnen zu wählen. Als Beispiel *) 1690 erschien vom Jesuitenpater Paul Hoste zu Toulon : „L'art des armées navales ou Traité des Evolutions navales“ .
1781 übergab der Schotte Clerk of
Elden seine Gedanken über Seetaktik der Öffentlichkeit. Fachleute .
Beide waren keine
Der Seekrieg
329
einer Seeschlacht mit Segel-Kriegsschiffen lassen wir die Schlacht vor der Themse am 11. Juni 1666 folgen : Die holländische Flotte unter Admiral de Ruiter bestehend aus 100 Segeln , darunter 70 Linienschiffe, 13 Fregatten, 10 Brander, mit 4600 Geschützen
und 21,900 Mann Besatzung ging Anfangs Juni in See. Dieselbe war in 3 Geschwader, und jedes Geschwader wiederum in 3 Divisionen Die Unterbefehlshaber der Flotte waren die Admirale van Tromp, Evertsen , Van Nees, Meppel , de Vries u . 8. w. Zur selben Zeit verlieſs auch die englische Flotte unter Kommando
geteilt.
des Prinzen Rupert, des Herzogs von Albemarle und der Admirale Ascue, Barkley und Allen , 81 Schiffe stark mit 4460 Geschützen 21,580 Mann Besatzung ihre Häfen . Sie zerfiel in 3 Geschwader : der roten, der weiſsen und der blauen Flagge. Am 11. Juni Morgens ankerte de Ruiter bei Northforeland. Um 11 Uhr wurde ihm von den Avisos die mit frischem günstigen
Winde im Ansegeln begriffene englische Flotte gemeldet. Er gab seinen Schiffen das Signal zum Segel setzen , die Ankertaue zu kappen, und die Schlachtlinie zu formieren . Die Engländer bildeten unter gleichem Kurse gleichfalls die Schlachtlinie, nahmen aber die Windseite. Um 1 Uhr wurde das Geschützfeuer bei der Avantgarde eröffnet.
Bei dem frischen Winde und dem Überneigen der Schiffe
waren die Engländer dies Mal im Nachteil, weil sie ihre untersten
Geschützpforten schlieſsen muſsten und auſserdem die Präcision des Geschützfeuers durch die Neigung der Schiffe in hohem Grade beeinträchtigt wurde, während die Holländer mit ihren Luvgeschützen
die Decks ihrer Gegner mit groſser Wirkung bestreichen , ihre Take lage zerschieſsen konnten . Das Gefecht nahm daher für die Engländer eine ungünstige Wendung, denn schon nach einigen Stunden waren ihre Schiffe arg zusammengeschossen , eins derselben ge sunken. Gegen 5 Uhr machten die Engländer eine Wendung nach Nordwest, um den vlämischen Sandbänken nicht zu nahe zu kommen ; doch 3 ihrer Schiffe, darunter das Flaggschiff der Avantgarde, waren
so beschädigt, daſs sie bei dem Manöver nicht schnell genug folgen können. Sie wurden von der holländischen Nachhut abgeschnitten, geentert und nach blutiger Gegenwehr genommen .
Der Admiral
Barcley selbst kämpft bis zum letzten Augenblicke mit dem Mute der Verzweiflung und will sich durchaus nicht ergeben , bis ein Pistolenschuſs den Tapfern niederstreckt. Aber auch dieHolländer hatten
stark gelitten ; Tromps Flaggschiff war vollständig wrackgeschossen , Masten und Bugspriet zerbrochen und treibt es steuerlos auf den
Wellen. Ähnlich ergeht es dem Flaggschiffe, auf dem Van Nees 1
Jahrbücher für die Deutsche Arnee und Marine, Bd. LXX ., S.
22
330
Der Seekrieg.
sich befindet, der Nächstkommandierende und Freund de Ruiters.
Beide Admiräle sind gezwungen , ihre Flaggen auf anderen Schiffen zu hissen . Zwei weitere holländische Linienschiffe geraten in Brand und werden von den Flammen verzehrt.
Nachdem die englische
Flotte gewendet , läſst der Oberbefehlshaber dieselbe ankern, teils um Lecke zu stopfen, teils um die zerstreuten Schiffe zu sammelo ; doch lange Zeit ist ihm nicht dazu vergönnt. De Ruiter steuert
auf ihn zu und zwingt ihn, seine Ankertaue zu kappen, um sich des
Angriffs zu erwehren. Wiederum beginnt der Kampf auf der ganzen Linie heiſser und blutiger denn je.
Die holländische Flotte sucht
die Windseite zu gewinnen, de Ruiter manövriert mit seinem ge wohnten Geschick, um den Feind auf jegliche Weise zu schädigen . Gegen 8 Uhr Abends gelingt es ihm noch, einem englischen Linien schiffe von 70 Kanonen auf Pistolenschuſsweite soviel Grundschüsse
beizubringen , daſs es, der Boden einem Siebe gleich, versinkt. Mit Anbruch der Dunkelheit wird auch das Schiff des englischen Admiral Harman durch de Ruiters Feuer furchtbar mitgenommen , doch Harman ist ein wahrer Held, und sein Widerstand erregt die Be wunderung der Holländer. De Ruiter entsendet einen seiner Brander gegen ihn. Schon hat dieser die Enterhaken geworfen und ist in Brand gesteckt, da gelingt es Harman mit fast übermenschlicher Anstrengung sich von ihm zu befreien und sein Schiff zu retten .
Ein zweiter Brander scheint mehr Glück zu haben, denn das Heck fängt Feuer, Hunderte seiner Besatzung springen über Bord, um der Glut zu entfliehen , doch nur um zum gröſsten Teile ihren Tod im Wasser zu finden . Trotzdem gelingt es dem braven Admiral mit dem Reste seiner Mannschaft Herr des Feuers zu werden.
Ein drittes
der unheimlichen Fahrzeuge wird unter dem Schutze von Geschütz feuer gegen ihn geschickt. Ehe es jedoch anlegen kann , wird es
durch einen wohlgezielten Schuſs vom englischen Admiralschiff in den Grund gebohrt und das Schiff selbst entkommt unter dem
Schutze der Dunkelheit. — Noch zwei englische Schiffe sieht man in Flammen aufgehen , um dann zischend in den Fluten zu ver löschen. Der Donner der Geschütze verstummt, die Nacht breitet ihren düstern Mantel aus und trennt die Kämpfenden , aber nur um
wenige Stunden zu ruhen und am anderen Tage das blutige Ringen neuem zu beginnen. Die Nacht wurde geankert und von beiden Gegnern zur Ausbesserung der Havarien benutzt. Am nächsten Morgen griffen sich die beiden Flotten , unter
von
entgegengesetzten Kursen steuernd, von neuem an , indem sich die Schiffe beim Vorübersegeln gegenseitig mit vollen Breitseiten
Der Seekrieg.
331
begrüſsen. Bald darauf wurde es windstill , so daſs beide Gegner bis Mittag umhertrieben , ohne einander erreichen zu können. Dann sprang wieder Brise auf, de Ruiter steuerte windwärts, van Tromp unterwindwärts von der englischen Schlachtlinie, und die Kanonade begann von neuem . zogen sich in
Die Engländer wurden arg zugerichtet und Gegen 4 Uhr nachmittags
die Themse zurück .
erhält die englische Flotte jedoch Verstärkung von 25 Schiffen, deren Vereinigung de Ruiter nicht hindern kann , hat aber die Genug thuung , eines der schönsten englischen Schiffe auf den Grund geraten und bald in Flammen aufgehen zu sehen. Am nächsten Tage wurde nicht gekämpft und waren die Gegner kaum in Sichtweite;; doch hatte am 14. Morgens die holländische Flotte drei Geschwader formiert und ging in geschlossener
Ordnung den Engländern entgegen ; der Wind war leicht, der Kampf platz zwischen Northforeland und den vlämischen Bänken . Gegen 9 Uhr erfolgte der erste Zusammenstoſs und die drei niederländischen Geschwader brachen mit furchtbarer Gewalt an drei verschiedenen
Punkten durch die feindliche Linie.
Zwei Stunden schlägt man
sich auf das Hartnäckigste. Gegen Mittag durchbricht de Ruiter mit seiner Flotte zum zweiten, gegen 3 Uhr nachmittags zum dritten Male die englische Linie. Bei dem letzten Durchbruch kommen drei seiner Schiffe in Brand ; auf zweien gelingt es , das Feuer zu
löschen, das dritte dagegen fliegt mit der ganzen Besatzung in die Luft. Den Engländern ergeht es nicht besser. Das Flaggschiff des Prinzen
Rupert ist von Kugeln durchlöchert, fast steuerlos und ein hollän discher Brander nähert sich ihm unheilverkündend. Ein englischer kommt letzterem zur Abwehr entgegen , zündet es an und beide Höllen maschinen gehen in Flammen auf, übertragen jedoch das Feuer gleichzeitig auf ein anderes englisches Linienschiff, so daſs es bis aufs Wasser niederbrennt. An einer anderen Stelle ist Tromp mit 9
mehreren seiner Schiffe in ein gleich heftiges Gefecht verwickelt
und so übel zugerichtet, daſs er einem von englischen Brandern bedrohten
Schiffe nicht
mehr
zu Hülfe
kommen
kann .
Der
Holländer, unfähig zu manövrieren, streicht die Flagge. Die Eng länder entern und nehmen das Schiff in Besitz, doch ehe sie noch in der Lage sind, es fortzuführen , kommen zwei holländische Schiffe und erobern es zurück.
So wogt der Kampf hin und her bis zum Abend und der Vor teil neigt sich bald auf diese, bald auf jene Seite. Beide Teile haben groſse Verluste gehabt, aber noch ist keine Entscheidung und dennoch ist de Ruiter fest entschlossen, sie vor der nahenden Nacht 22*
Der Seekrieg.
332
unter allen Umständen herbeizuführen. Erfordert von seinen Untergebenen eine letzte Anstrengung , seine Signale rufen sie zu einem allgemeinen konzentrierten Angriffe und mit dem Mute der Verzweiflung stürzt sich die ganze holländische Flotte auf das feindliche Zentrum .
Der Zusammenstoſs ist grausenerregend ; der
ununterbrochene Donner der Hunderte von Geschützen läſst die ganze Atmosphäre erzittern , die nur mit Pulverdampf, Rauch und Feuer erfüllt ist ; die Geschosse durchsausen die Luft wie riesiger Hagel bei einem furchtbaren Gewitter , die ganze Meeresfläche gleicht einem einzigen groſsen Schlachtfelde. Fast zwei Stunden währt dies mörderische Ringen, in dem die Engländer besonders arg
mitgenommen werden . Da endlich faſst der englische Oberbefehls haber den Entschluſs, sich nach der Themse zurückzuziehen, wenn
eine Fortsetzung der blutigen Schlacht nicht zu ihrer vollständigen Vernichtung führen soll.
Er macht das Signal zum Rückzuge.
De Ruiter setzt den Engländern nach , doch bald umhüllte ein dichter Nebel beide Flotten, das Feuer wurde eingestellt. De Ruiter behauptete das Schlachtfeld , und als sich am Morgen des nächsten
Tages kein Feind mehr zeigte, kehrte auch er nach Holland zurück. Der Verlust der Niederländer betrug 4 Schiffe, entweder gesunken oder verbrannt, 1000 Todte und 1100 Verwundete ; sie blieben aber
Sieger und waren durch ihre Leeschlachtlinie am ersten Tage bedeutend im Vorteil. Die Engländer dagegen verloren 23 Schiffe, von denen 17 zerstört und 6 als gute Prise nach den Niederlanden
gebracht waren ; sie hatten 5—6000 Tote und 3000 Gefangene eingebüſst. macht sich erst der Anfang einer Taktik bemerkbar . Eine groſse Anzahl von Flotten Von
1740
bis
1780
wurden bis dahin gebaut, Schlachten geschlagen , aber Keiner hat bestimmte Gedanken oder Grundzüge gefaſst, wie die Schiffe am zweckmäſsigsten
zu
verwenden
seien .
Jeder
Führer
hatte
die
Schiffe gesammelt und rangiert , ging aber obne einen Plan in die
Schlacht, wie die Überlegenheit event. auszunutzen oder solche durch Manövrieren herzustellen sei.
Von 1780 bis 1810 ist die Zeit der groſsen Seehelden , eines
Rodney , Suffren , Nelson u . A.
1810 bis 1840, eine Zeit des
Friedens , bietet in taktischer Beziehung keine Erfahrung ; es zeigt sich eine Verwertung des Gefundenen und namentlich eine Vervoll kommnung des Materials, vornehmlich in der Artillerie durch Ein
führung der Paix hans'schen Granatkanonen. Bewährten sich diese auch bei den Versuchen im Frieden schon gut , that sich anch
schlagend ihre Überlegenheit dar, so blieb man doch in dieser Zeit
Der Seekrieg
333
des Friedens fast unverändert bei den alten Schiffen und den glatten Geschützen .
Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges 1812 bis 1815 wurden zwar keine groſsen Seeschlachten geschlagen , in welchen sich nur ungleiche Kräfte hätten messen können, sondern
nur Einzelgefechte zwischen Fregatten, Korvetten, Briggs, die hin sichtlich ihrer materiellen Ergebnisse allerdings keine Bedeutung hatten , allein sie waren hinreichend, den Zauber zu brechen , welcher
bisher die britische Flagge umgab. Sie lehrten Europa die Wahrheit kennen, daſs zur See nur gute Seeleute den Sieg erringen , nur see gewohnte Geschützcommandeure und Artilleristen bei bewegtem Meere ihre Geschosse sicher in die Batterien des Gegner
und denselben kampfunfähig machen können .
senden
Es waren meistens
Fregatten -Duelle, welche sich abspielten und mit dem Verlust der Engländer endeten. So dauerte beispielsweise das Gefecht zwischen der englischen Fregatte » Java« und der amerikanischen » Konstitution « 2 Stunden und war das blutigste unter den Fregatten -Duellen. Die Java « strich ihre Flagge erst, nachdem sie einem Blockschiff gleich rasiert war und 22 Tote und 102 Verwundete zählte ; von ihren Geschützen waren mehrere demontiert , ihre Masten fielen
wenige Minuten nach Streichung der Flagge über Bord. Dagegen verlor die > Konstitution « weder Masten noch Raaen, ihr wurden nur 9 Mann getötet und 25 verwundet.
Der Schlacht im Hafen von Navarino (20. Oktober 1827) sei hier noch gedacht. Die türkisch -egyptische Flotte unter Ibrahim Pascba in einer Stärke von 3 Linienschiffen , 15 Fregatten, 18 Kor
vetten und einer groſsen Zahl kleinerer Schiffe lag hufeisenförmig hinter der Insel Sphagia oder Sphakteria vor Anker , 6 Brander bewachten den schmalen Südeingang zu der Bucht. Das kombinierte englisch - französisch -russische Geschwader in Stärke von 11 Linien schiffen, 9 Fregatten und 4 kleineren Schiffen segelte am 20. Oktober, einem schönen klaren Tage , mit frischem , günstigeni Winde durch
den engen Südeingang in Schlachtlinie in die Bucht, ohne seitens Ibrahim Paschas Widerstand zu finden .
Die kombinierten Flotten
ankerten nach Anordnung des englischen Admirals Sir Eduard Codrington in Schlachtordnung neben der türkisch -egyptischen, jedes Schiff hatte sich einen ebenbürtigen Gegner ausgesucht und als die
Unterhandlungen zu keinem Resultate führten , griffman Schwerte.
zum
Das englische Admiralschiff, » die Asia« , eröffnete das
Feuer gegen Ibrahim Paschas Schiff und brachte es nach einstündigem
Kampf zum Streichen der Flagge, die übrigen Schiffe folgten.
Es
Der Seekrieg .
334
wurde auf beiden Seiten mit der gröſsten Erbitterung gekämpft, auch die Brander kamen in Thätigkeit und wurden von den Türken
mit vielem Geschick gegen die feindlichen Schiffe dirigiert, ohne
denselben jedoch nennenswerten Schaden zuzufügen. Das Bom bardement endete nach vierstündiger heftiger Kanonade mit der vollständigen Vernichtung der türkisch - egyptischen Flotte. Die sämtlichen Schiffe, von denen die Mannschaften teils schon während
des Gefechtes sich durch Schwimmen gerettet batten , waren entweder zum Wrack geworden oder versenkt oder auf den Strand gelaufen . Der Verlust der Alliierten betrug 177 Tote und 469 Verwundete; der der Ungläubigen 1109 Tote und 3000 Verwundete. Die ganze
Aktion bildet eine groſse Zahl Artillerie -Duelle, welche zum Nach teil der weniger geübten Türken endeten.
Wir kommen jetzt zum dritten Abschnitt von 1840 bis zur Gegenwart. Derselbe zerfällt in drei Unter-Abteilungen und zwar : 1. Von 1840 bis 1856 .
2. Von 1856 bis 1870.
3. Von 1870 bis zur Gegenwart .
Die Kunst, Kriegsschiffe geschickt unter Segel zu manövrieren , war Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts zu hoher Vollkommenheit gelangt. Der widrige Wind wird bezwungen durch sich selbst ; gegen den Sturm dient das Reff. Mögen es gefüllte, schwellende Segel sein oder straff angeholte, gepreſste: gleich viel, der Stolz des Seemanns findet seine Nahrung darin , den Sturm zu
benutzen oder zu bekämpfen. Seitdem die Kraft des Dampfes sich breit macht auf der See, ist der Führer eines solchen Schiffes nur noch der beschränkte Meister desselben . Der Wind , der ihn früher so ungemein interessierte, ist ihm jetzt mehr oder weniger gleich
gültig geworden. Die See ist ihm nicht mehr Tummelplatz für kühne Manöver , gegen das Rollen und Stampfen seines Schiffes hilft ihm kein Segeltuch mehr. Er huldigt jetzt einer Kraft, die ihm dämonisch ihre Arme leiht, um deren Gunst er nicht bublen
kann , wie um die des Windes , die vielmehr, wie ein gefesselter Sklave, in seinem beständigen Ringen nach Freiheit, einen Mechanis mus in Bewegung setzt, der das Schiff rastlos vorwärts treibt, un
abhängig von Wind und Strömung jeder beliebigen Richtung za , die das Steuerruder ihm anweist.
Die Nutzbarmachung des Dampfes als Treibkraft muſste daher anſserordentlichen Einfluſs, sowohl was die Bauart der Kriegs
schiffe betrifft, als auch bezüglich der Taktik ausüben.
In der
ersten Periode von 1840 bis 1856 spielen besonders die Raddampfer
200 Jahre Geschichte des Grenadier-Regiments u . s. w.
eine Rolle, werden aber bald
335
durch Schiffe mit archimedischer
Schraube (Propeller) verdrängt, die anfangs allerdings, besonders bei Linienschiffen und Fregatten, nur als Hülfsmotor benutzt wurde, während hauptsächlich noch die Segel zur Fortbewegung dienten. Die Taktik hatte sich bis 1856 nicht geändert.
Das Jahr 1856 brachte die Einführung der Panzerschiffe und leitete Schiffe und Waffen des Seekrieges in neue Bahnen ; es begann der Wettkampf zwischen Panzerung und Geschütz, der auch
heute noch nicht abgeschlossen ist. Die Zerstörung der türkischen Flotte bei Sinope (30. November 1853) durch die Granaten der russischen Schiffe erwies die geringe Widerstandsfähigkeit der
hölzernen Kriegsschiffe zur Evidenz. Mau ging zum Eisenbau über, die Takelage verschwand nach und nach, und nach einem Kreislauf von 2000 Jahren tritt der Sporn wieder in die Reihe der Waffen des Seekrieges. Die Taktik hať abermals eine Wandlung erfahren. Werfen wir daher einen Blick auf die Taktik.
v. H.
(Fortsetzung folgt.)
XXIV . 200 Jahre Geschichte
des Grenadier-Regiments König Friedrich I. (4. ostpreuſsisches) Nr. 5. Im letzt vergangenen Jahre hat eine Anzahl von Truppenteilen, die ihre Errichtung der groſsen Erhebung des Vaterlandes zur · Abschüttelung des fremden Joches des französischen Eroberers ver danken , das Fest ibres 75jährigen Bestehens gefeiert. Die dem Jahre 1813 vorangegangenen Unglücksjahre hatten den Stamm der einst so stolzen Armee Friedrichs des Groſsen merklich schwinden
lassen und nur wenige Regimenter des heutigen preuſsischen Heeres können auf eine längere ununterbrochene Geschichte zurückblicken . Es erscheint daher nicht uninteressant, einige kurze Mitteilungen über die Schicksale eines solchen Regiments, welches zu den aller ältesten der Armee zählt, hier aufzuführen .
336
200 Jahre Geschichte des Grenadier-Regiments
Das Grenadier-Regiment König Friedrich I. (4. ostpreuſsisches) Nr. 5 blickt in diesen Tagen auf ein Bestehen von 200 Jahren zurück, einen Zeitraum , durchlebt in opferfreudiger Hingebung und unerschütterlicher Treue an das Haus Hobenzollern . Die Stämme des Regiments lassen sich auf die ältesten stehenden
Formationen der brandenburgischen Truppen zurückführen.
dem Regiment v. Kracht , welches 1626 dem Schwedenkönig nach Preuſsen entgegenrückte, ging später das Pillauer Garnison -Bataillon hervor und Teile
desselben
wurden
im Jahre
1689
mit einem
Bataillon des Regiments > Prinz Curland « zu dem Regiment » Alt >>
Dohna« vereinigt. Diesen Namen erhielt das Regiment nach seinem
Chef, dem späteren General-Feldmarschall Burggrafen Alexander zu Dohna-Seblobitten .
Die Erlebnisse des Regiments im ersten Jahr
hundert seines Bestehens auch nur annähernd richtig festzustellen ist eine schwere Arbeit , weil die ganzen Akten desselben in den Unglücksjahren 1806/7 verloren gegangen sind und lange Zeit herrschte völlige Unsicherheit über das Jahr der Errichtung , bis nach unermüdlichem Forschen der 11. März 1689 als der Stiftungstag des Regiments angenommen werden konnte, welche Annahme durch eine Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 6. November v. J. ihre Be
stätigung erhielt.
Das Grenadier -Regiment König Friedrich I. ist also eines der wenigen heute noch bestehenden Regimenter , deren Stiftungs Urkunde noch ein Kurfürst von Brandenburg unterzeichnet hat. Schon die ersten Jahre forderten von dem jungen Regiment zahlreiche Beweise seiner Brauchbarkeit.
Als erste Waffenthat des
vereinigten Regiments ist seine Beteiligung an der Schlacht von
Slankament am 19. August 1691 zu verzeichnen ; dann blieb ein Bataillon desselben bei der Armee des Prinzen Eugen von Savoyen, wo es sich besonders am 11. September 1697 in der Schlacht von Zenta hervorthat , während das andere Bataillon an den Rhein rückte, um dort an sechs Feldzügen ruhmreichen Anteil zu nehmen.
Bei der Königskrönung am 18. Januar 1701 stand das Regiment in seiner Garnison Königsberg i/Pr. Spalier vor dem Schlosse, and gehörte der Chef desselben zu den Ersten, denen König Friedrich I. den hohen Orden vom schwarzen Adler verlieh .
Am 27. Januar
d. J. hat Seine Majestät der König, in Anerkennung der Leistungen des Regiments in den Kriegen unter Preuſsens erstem Könige, demselben seinen jetzigen Namen verliehen .
Am spanischen Erbfolgekriege nahm ein Bataillon des Regiments von 1705-13 Teil und kämpfte bei der Belagerung von Menin,
König Friedrich I. (4. ostprenſsisches) Nr. 5.
337
Ath , Gent , Lille , Tournay, Mons, Douay und Landrecy, sowie in den Schlachten von Oudenarde und Malplaqnet.
Die friedliche Regierungszeit Friedrich Wilhelm I. war der ernsten Arbeit in Schulung und Ausbildung des Regiments gewidmet,
so daſs König Friedrich der Groſse bei seinem Regierungsantritt in dem nunmehrigen Regiment v. Flanſs ein scharfes und schneidiges Werkzeug für die schwere Arbeit vorfand, welche die erste Hälfte seiner Regierung ausfüllen sollte. ?
In den beiden ersten schlesischen Kriegen hatte das Regiment
an den Schlachten von Czaslau und Hohenfriedberg, sowie an der Erstürmung von Ratibor und der Einnahme von Cosel thätigen und
rahmvollen Anteil. Im siebenjährigen Kriege war das Regiment zunächst in Ostpreuſsen geblieben und hielt bei Groſs-Jägersdorf den dreifach überlegenen Russen lange Stand , wobei es mehr als 300 Mann einbüſste; im folgenden Jahre lieſs es nahezu tausend Mann auf dem Schlachtfelde von Zorndorf ; 1759 kämpfte es bei
Kay und Kunersdorf, wo abermals mehr als 500 Mann des Regiments tot oder verwundet die Wahlstatt bedeckten . Nach letzterer Schlacht
wurde aus dem Rest des Regiments ein schwaches Bataillon formiert,
das zunächst zur Bewachung des Königlichen Hauptquartiers be febligt wurde. 1760 half das Regiment Berlin gegen Russen und Österreicher schützen und trug zu dem Siege von Torgau bei, 1761
waren Teile desselben bei der Verteidigung von Colberg thätig ; im letzten Jahre dieses welterschütternden Krieges kämpfte es noch bei
Leutmannsdorf und nahm an der Belagerung von Schweidnitz unter groſsen Verlusten Teil. Mehr als hundert Offiziere und 4000 Mann hatte dieser Krieg dem Regiment gekostet ! Am 2. Januar 1790 wurde gemäſs der damaligen Annahme über den Stiftungstag in Königsberg i/Pr. das Fest des hundert jährigen Bestehens gefeiert. 1806 gehörten die beiden Musketier-Bataillone des Regiments damals v. Diericke -- zur Besatzung von Danzig , während die
beiden Grenadier - Compagnien und das Füsilier- Bataillon (welches 1797 von York in Johannisburg errichtet war), zum Corps des Generals v. L'Estocq stieſsen . Mit zäher Ausdauer verteidigten die 1
Musketiere Danzig , welches von da ab bis heute fast ohne Unter
brechung ihre Garnison geblieben ist , sodaſs selbst der Sieger ihre Tapferkeit anerkannte und bei der Kapitulation am 27. Mai 1807
der Garnison freien Abzug mit Fahnen , Waffen und Gepäck ge währte ; Grenadiere und Füsiliere kämpften tapfer bei Szymanen , Waltersdorf, Braunsberg und Pr. Eylau.
200 Jahre Geschichte des Grenadier -Regiments
338
Im Kriege Napoleons gegen Russland finden wir das 1. und Füsilier-Bataillon bei dem preuſsischen Hälfscorps, in welchem sie an den Gefechten bei Eckau und Dahlenkirchen Teil nehmen.
Die nun folgenden denkwürdigen Befreiungskriege gaben dem Regiment wiederholt Gelegenheit, manches neue Blatt in den Kranz seiner Lorbeeren zu flechten. Das Regiment zog mit drei Musketier-, einem Füsilier - Bataillon, zwei Reserve - Bataillonen und zwei Grenadier
Compagnien aus.
Die beiden Letzteren bildeten mit zwei anderen
Grenadier- Compagnien das 2. ostpreuſsische Grenadier - Bataillon, -
während das 3. Musketier- und die beiden Reserve- Bataillone schon
im Juli 1813 aus dem Verbande ausschieden und zu einem besonderen
Regiment
dem
heutigen
Infanterie - Regiment
Graf Barfus
(4. Westfälisches) Nr. 17 vereinigt wurden. Das Gefecht von Vehlitz am 5. April, die Belagerung von Spandau und der Sturm auf diese Festung am 21. April, sowie der Sturm auf Halle am 2. Mai und das Gefecht von Luckau am
4. Juni 1813 bildeten die Waffenthaten des Regiments bis zum
Waffenstillstande; nach demselben kämpfte es tapfer bei Groſsbeeren und Dennewitz, wo die Fahne des 1. Bataillons zerschmettert, die beiden Teile aber gerettet wurden ; ein Ring hält dieselben noch heute zusammen .
Dann deckte am 12. Oktober das Füsilier-Bataillon den kurzen
Rückzug der Division v. Thümen bei Coswig ; in der Völkerschlacht
von Leipzig fochten vom Regiment nur die Grenadiere. Auf dem Siegeszuge nach Paris gehörte das Regiment zunächst zu der Nordarmee, welche nach Holland zog und dort am 20 No vember 1813 den Sturm auf Arnheim ausführte; dann nahm es an
der Belagerung von Gorkum, den Gefechten bei Loenhut und Merxem und dem Sturm auf Deuren Teil.
Am 4. März 1814 er
folgte die Vereinigung mit der Blücher`schen Armee bei Soissons und hatte das Regiment in der Schlacht von Laon am 9. und 10.
desselben Monats blutige Kämpfe am Südausgange bei Semilly zu bestehen . Am 7. April rückte das Regiment in Paris ein. Im Herbst 1814 wurden die beiden Grenadier -Compagnien zur
Bildung des Kaiser-Alexander-Garde -Grenadier-Regiments als dessen 11. und 12. Compagnie abgegeben, am Feldzuge 1815 nahm das Regiment nicht Teil.
In der nun folgenden fünfzigjährigen Friedensperiode stand das Regiment von 1818 ununterbrochen in Danzig und hatte zeitweise ein Bataillon in andere Garnisonen der Provinz detachiert.
Während
König Friedrich I. (4. ostpreuſsisches) Nr. 5.
339
der Unruhen 1848/49 war es, ebenso wie 1863, zum Schutze an die
polnische Grenze vorgeschoben. Die neuesten Kriege haben das Regiment, das seit 1860 die Bezeichnung > Grenadier -Regiment« erhalten hatte, wieder voll und
ganz auf seinem Platze gefunden , wenngleich es in denselben nicht zu besonderen Thaten Gelegenheit fand. 1866 nabm es an den Gefechten von Trautenau und Tobitschau
und an der Schlacht von Königgrätz Teil, 1870 focht es bei Colombey
Nouilly, hatte einigen Anteil an der Schlacht bei Gravelotte auf dem rechten Moselufer und gehörte dann zu der Einschlieſsungs-Armee von Metz, wo es noch an der Schlacht bei Noisseville und dem
Gefecht bei Servigny beteiligt war , ohne aber namhafte Verluste Später belagerte es mit dem Infanterie - Regiment
zu erleiden .
Nr. 45 zusammen die kleine Festung La Fère und wurde nach deren Kapitulation der Nord - Armee zugeteilt, bei welcher es eine Anzahl kleinerer Rekognoscierungs -Gefechte durchzuführen hatte. Seit dem nunmehr zweihundertjährigen Bestehen des Regiments hat dasselbe zur Bildung neuer Formationen Teile an das jetzige Kaiser - Alexander - Garde-Grenadier - Regiment, an das Infanterie Regiment Graf Barfus (Nr. 17) , sowie an die Infanterie-Regimenter Nr. 45, 74, 128 und 135 abgegeben . Sein Offizier -Corps hat zu allen Zeiten einen reichen Beitrag zu den höchsten Führerstellen in der Armee geliefert. Von Letzteren seien hier nur die fünf General- Feldmarschälle und zwei kommandierende Generale, die das
Regiment zu den Seinen zählen kann, erwähnt ; es sind dies General Feldmarschall Burggraf Alexander zu Dohna -Schlobitten, der Stifter des Regiments und Chef bis 1728, General-Feldmarschall v. Flanſs, Chef des Regiments von 1728-1748, General-Feldmarschall v. Röder, Commandeur des Regiments 1706-171 , General-Feldmarschall Graf
Ludwig zu Dohna -Carwinden, Commandeur des Regiments 1721 bis 173 and General-Feldmarschall Graf York v. Wartenburg, im Regiment eingetreten 1772 ; ferner General der Infanterie v. Groſs genannt v. Schwarzhoff, im Regiment eingetreten 1828 und von 1876--1881 Chef desselben und General der Infanterie Freiherr
v . Meerscheidt-Hüllessem , der jetzige kommandierende General des Garde- Corps, von 1865—1870 Bataillons- Kommandeur im Regiment. Vor wenigen Wochen ist der Kriegsminister General der Infanterie Bronsart v. Schellendorff zum Chef des altehrwürdigen Regiments König Friedrich I. ernannt worden .
Mit Stolz kann das Regiment auf die zwei Jahrhunderte seiner rubmreichen Vergangenheit zurückblicken , in denen es in unwandel
340
Militärische Erinnerungen an Moskau.
barer Treue und Hingebung dem letzten brandenburgischen Kur fürsten, einer langen Reihe preuſsischer Könige und den ersten deutschen Kaisern aus dem Hause der Hohenzollern gedient hat, und
gewiſs wird jeder preuſsische und deutsche Soldat am 11. März d . J. gern in Gedanken Teil nehmen an dem Jubelfeste, welches eins
der ältesten preuſsischen Regimenter an diesem Tage zu be gehen hofft. Stobbe.
Premier-Lieutenant im Grenadier-Regiment König Friedrich I.
XXV. Militärische Erinnerungen an Moskau. I.
Für den Russland besuchenden Leute von Grund aus kennen lernen Stadt des weiten Reiches soviel des Matuschka Moskwa , das Mütterchen
Fremden , welcher Land und will, bietet bekanntlich keine Interessanten als Moskau , die Russlands , wie sie nicht nur
Glinka in seinen tiefempfundenen Versen nennt. Hier ist russisches Volksleben , bier trifft der Fremde auf Schritt und Tritt auf Neues,
Eigenartiges. Der Soldat wird in Petersburg , vielleicht auch in Warschau mehr Ausbeute für seine Belehrung finden ; – ist doch in erster Stadt die Heeresverwaltung vereinigt mit ihren Central instituten aller Art , bietet das naheliegende Kronstadt mit seinen Befestigungen und dem Hafen der Ostseeflotte sowie die Lager von Krasnoje Sselo und Zarskoje Sselo u. 8. w. auch viel mehr als
Moskau. Aber in hohem Grade wird jeder fremde Offizier gefesselt durch die kriegsgeschichtlichen Erinnerungen der alten Zaren
residenz, welche wiederum ihre Darstellung im Kreml, jener eigen artigsten aller Königsburgen unseres Weltteils, finden . Ist Moskau nach Napoleons wohl noch heute gültigem Aus spruche das Herz Russlands, so der Kreml das Herz dieser Stadt, in welchem alle Schicksale derselben ihre Erinnerungen zurück gelassen haben . Um seine Mauern tobte von den Zeiten des Dmitrij
Militärische Erinnerungen an Moskau.
341
Donskoi bis zu denen Alexanders I. oft das Flammenmeer, welches die Stadt verheerte. Tataren , Polen und die Heere Napoleons I. lagerten um ihn oder zerstörten mit der ihn umgebenden Stadt auch sein Inneres. Aber immer wieder und in immer neuer Pracht erstanden die Türme , die Kathedralen , die Palläste des Kreml aus der Asche . Betritt
njan
den
Kreml
vom roten
Platze
(der krassnaja
Ploschtschadj) aus durch das Nikolskij - Thor, so befindet man sich
auf einem ungefähr dreieckigen Platze. Derselbe ist umgeben auf der einen Seite vom Arsenal, auf der zweiten dem Eintrittsthor benachbarten Seite von einer groſsartigen Kaserne und auf der dritten vom Gebäude des Senats, letzteres heute Sitz mehrerer Behörden .
Das Arsenal , 1702 von Peter dem Groſsen erbaut auf
der Stätte des Hofes, von welchem die Strelitzen zur beabsichtigten Vernichtung dieses damals im Dorfe Preobraschensk residierenden Zaren auszogen , 1812 von den Franzosen gesprengt, aber unter Kaiser Nikolaus wieder neu errichtet, ist ein umfangreiches Bau werk , das zur Aufbewahrung von Kriegsvorräten aller Art dient. Längs seiner Front ist auf einem erhöhten Unterbau eine Sammlung von Trophäen ausgestellt , wie sie in dieser Zahl zur Erinnerung an einen Feldzug auf einer Stelle wohl kaum an anderen Orten sich finden mögen. Achthundert fünf und siebenzig Stücke aller Kaliber des Feldgeschützes im Anfange unseres Jahrhunderts stehen dort als stumme Zeugen des Gottesgerichtes , welches Napoleons I. Heere auf den Eisfeldern Russlands traf.
Von dieser Zahl sind
365 französischen, 189 österreichischen , 123 preuſsischen , 40 neapo
litanischen , 34 bayerischen , 70 italienischen, 1 westfälischen , 12 säch sischen, 1 hannoverschen, 5 württembergischen , 8 spanischen, 22 hol ländischen, 5 polnischen Ursprungs. Wir sagen » Ursprungs«, weil die Identität dieser Geschütze sich in keiner Weise für die an den
gleichnamigen Kontingenten , welche 1812 der groſsen Armee an gehörten , geführten Geschütze nach weisen läſst. So hat das York'sche Corps kaum eines seiner Feldgeschütze in Russland zurückgelassen, andererseits haben die polnischen Truppen des Groſs herzogthums Warschau ganz andere Verluste aufzuweisen gehabt.
- Die Zahl der preuſsischen Geschütze ist daher nur zu erklären durch die Ausrüstung polnischer, frauzösischer oder Rheinbunds truppen mit 1806 und 1807 erbeuteten preuſsischen Geschützen , welche nun zum zweiten Male eine Beute des Siegers wurden. Es war mir ein wunderbares Gefühl , diese Stücke mit den mir so wohl
bekannten Devisen und dem zur Sonne fliegenden Adler an diesem
342
Militärische Erinnerungen an Moskau.
Platze zu sehen . Welche Schicksale haben sie gehabt, ehe man sie an diesen Platz stellte.
Auf wie manchem , das noch die
Namenszüge des groſsen Königs trug , mag dessen Blick geruht haben voll Stolz und Zufriedenheit über das , was er durch sein
Heer geschaffen . So manches mag der Blick der Verzweifelung der Soldaten Friedrich Wilhelms III. in jenen Unglückstagen der Jahre 1806/7 getroffen haben . Und endlich, welche Ereignisse, nachdem sie zu Waffen der Heere dienen muſsten , die Napoleons Fahnen auf allen Schlachtfeldern Europas folgten , bis sie auf den eisigen Gefilden , umgeben von Leichen und Sterbenden , den Reitern der Steppe als leichte Beute zufielen ! Gedanken dieser Art waren es, welche mich veranlaſsten , die
schweigende Zustimmung des längs des Arsenals patrouillierenden Postens voraussetzend, den Unterbau zu ersteigen, um die auf einem der preuſsischen Geschütze eingegrabene, besser eingekratzte Inschrift, kennen zu lernen . Es war eine polnische. »Zdobity pod Neu fahrwasserem przez pycerstwem polskich pod generalem Sokolnickim. « ( Erobert bei Neufahrwasser 1807 durch die Tapferkeit der Polen
unter General Sokolnicki). Also ein Geschütz , welches bei der tapferen Verteidigung Danzigs 1807 in die Hände der damals von Napoleon gebildeten polnischen Truppen geraten war. Schade, daſs nicht die letzten Eroberer eine ähnliche Notiz
gemacht hatten . Bin ich recht berichtet, so feiert Moskau alljährlich auf diesem Platze Angesichts dieser Trophäen ein Fest zur Erin nerung an die Befreiung des heiligen Boden Russlands von dem Einfall der Franzosen und der mit ihnen verbündeten » 20 (?) Nationen « , zu dem übrigens auch die diplomatischen Konsulen dieser » Nationen als Festgäste Einladungen zu erhalten pflegen.
-
Vor der Kaserne , welche die dritte Seite des auch > Impe ratorskaja ploschtschadj« (Kaiserplatz) genannten Platzes abschlieſst, stehen 20 Geschütze alter russischer Fabrikation und oft wunder barster Konstruktion auf eisernen Lafetten .
Unter diesen nimmt
ein besonderes Interesse die Riesenkanone in Anspruch , welche im Munde des Volkes den Namen » Zarj-Puschka « ( Kaiserkanone) führt. Gegossen 1586 unter der Regierung Fedors Jojannowitsch nach einer darauf bezüglichen Inschrift, hat sie ein Gewicht von 2400 Pud
(gegen 391,300 kg), eine Länge von 7 '/ Arschin (etwas über 5 m), einen Durchmesser von 20 % . Werschok (über 0,92 m) und ihr Geschoſs ein Gewicht von 120 Pud (circa 1960 kg). Von den andern eigenartigen Produkten der Waffentechnik der russischen
Groſsfürsten verdient Erwähnung die sogenannte » Troilj dlinnaja «
Militärische Erinnerungen an Moskau .
343
(die lange Troil), ein 430 Pud schweres, ebenfalls 1586 gegossenes Geschütz mit schmalem Mundstück und ein sogenanntes > Einhorn «
aus der Regierungszeit des Alexei Michailowitsch. II .
Ein Gang durch die Rüstkammer (Oruscheinaja Palata) des Kreml .
Die Rüstkammer befindet sich , nachdem sie im Laufe der Zeiten in den verschiedensten Gebäuden des Kreml untergebracht war, in dem im Jahre 1849 auf Befehl des Kaisers Nikolai westlich
des groſsen Palastes errichteten Bau. Es ist eine der eigenartigsten Sammlungen, welche der militärische Tourist in Europa sehen kann. Zusammengebracht wurde sie aus allen Gegenden des Ostens und bereichert nicht allein durch Waffen und Kunstschätze aller
Art und aller Zeiten des Slaventums , sondern auch durch die
Kronen vieler Groſsfürsten und Kaiser, sowie der dem Scepter des Czaren unterworfenen Reiche und ihrer Thronsessel, vor allem aber aber durch die Trophäen und historischen Erinnerungsstücke der russischen Heere.
Die Entstehung der Rüstkammer reicht zurück in die ältesten Zeiten der Geschichte des Groſsfürstentums Moskau .
Die Feuerg
brünste, welche den Kreml verheert, die Wirren der Aufstände und der inneren Kämpfe , besonders aber der Einfall der Polen im
Jahre 1612 baben manches wertvolle Stück verloren gehen lassen . Aber der Patriotismus und die Opferwilligkeit aller Kreise des russischen Volkes und die Sorge der Kaiser hat diese herrliche
Sammlung nicht allein geschützt, sondern auch bereichert. Im ersten Saale treffen wir auf Fürstenhüte und Kaiserkronen von der Zeit des Monomaih im 12. Jabrhundert bis zu der Krone des Kaisers Paul . Die Krone des grusinischen Reiches und die
Malteser-Krone, welche letztere in schwärmerischer Verkennung realer Verhältnisse Kaiser Paul sich aufsetzte , ebenso das Scepter Grusiens und des polnischen Reiches erinnern an die gewaltigen Kämpfe und Eroberungen Russlands. In seltsamer Nähe befinden >
sich die polnischen Uniformen der Kaiser Alexander 1. und
Nikolai und diejenigen der Regimenter Preobraschensk und Pawlowsk. Friedrich des Groſsen Bildnis schaut uns inmitten aller dieser Selt
samkeiten gleichsam überraschend an und zwar auf einem knöchernen Stockknopfe des Kaisers Paul . Im zweiten Saale fesseln zuerst das Auge sechzig farbenprächtige Fabnen der ungarischen Armee, welche bei der Übergabe derselben
Militärische Erinnerungen an Moskau.
344
in die Hände der Russen gerieten.
Die neuesten Memoiren und
kriegsgeschichtlichen , diesen Feldzug behandelnden Werke haben bei aller Anerkennung der kriegerischen Eigenschaften der Ungarn gelehrt, was für unwürdige Führer zum Teil diese Feldzeichen ver liehen und was für Scharen oft denselben folgten. Unwillkürlich erinnerte ich mich des stolzen Wortes des russischen Generals, mit
welchem er die Übersendung dieser Trophäen an seinen Kriegsherrn begleitete : » Ungarn liegt zu den Füſsen Euer Majestät !« – ein Wort, das bekanntlich der Ausgangspunkt der tiefen inneren
Trennung zwischen Österreich und Russland wurde, die ihren Aus druck zuerst im Krimkriege fand. Im grellen Gegensatz zu den das Auge blendenden magyarischen Fahnen mit ihrem Grün und Weiſs
stehen die Trophäen aus der Schlacht bei Poltawa. Die onbeugsame, allem Tand des Lebens abholde Einfachheit und Energie des tapferen Schwedenkönigs charakterisierten dieser ärmlich aussehende
hölzerne Tragstahl, diese jeden Schmuckes entbehrenden Fahnen seiner tapferen Regimenter, denen die Verwegenheit ihres königlichen Feldherrn in den unwirtlichen Ebenen Südrusslands ein so tragisches Ende bereitete, die meist aus Messing bestehenden Abzeichen der Offiziere, die Säbel im unscheinbaren Lederfutteral u. s. w.
Und wenige Schritte weiter tritt uns wieder ein Bild entgegen , das, die Gedanken des Soldaten unwillkürlich bannend , ein Stück
Geschichte vor dem geistigen Auge entrollt. Einunddreiſsig in allen Farben schillernde Fahnen der 1830
gebildeten polnischen Regimenter und drei französische letztere ein Geschenk an polnische Freicorps auf der einen , und vierzig durch Kaiser Alexander I. und Kaiser Nikolai ihren polnischen Regimentern verliehene und ihnen 1831 im Kampfe abgenommere -
Feldzeichen auf der anderen Seite.
Eine über diesen letzteren angebrachte Inschrift zeigte folgende stolze Worte : > Alexander I., der Wohlthäter Polens, verlieh diese Fahnen seiner polnischen Armee. Diese dankte der Groſsmut ihres Die tapfere, treue, russische Armee Kriegsherrn mit Verrat.
gewann dieselben zurück, indem sie am 25. und 26. August des Jabres 1831 Warschau im Sturme nahm. «
Unweit davon ergänzt eine Truhe mit der vom Kaiser Alexander I.
den Polen verliehenen Verfassung gewissermaſsen den Inhalt obiger Worte. - Von den anderen Erinnerungsstücken dieses Saales seien noch die Schlüssel der polnischen Festung Zamosc und des türkischen Braila erwähnt, sowie 18 Bilder russischer Herrscher, unter welchen -
zwei Peters des Groſsen ,
Militärische Erinnerungen an Moskau. Der dritte Saal enthält unter Anderem
345
Teile der Uniform
Peters des Groſsen , welche ein Bild der Armeetracht jener Zeit
geben , einen groſsen Becher aus dem Jahre 1720 mit allegorischen Darstellungen des Erscheinens der, vergebliche Versuche zur Unter stützung der schwedischen machenden englischen Flotte in der
Ostsee, ein Erinnerungsbild Peter des Groſsen , zum Andenken an die Schlacht
bei Poltawa und
neben
einem Bilde des Kaisers
Alexander I. eine Bildsäule seines Gegners, des Kaisers Napoleon I. Im vierten Saale finden wir zunächst die Fahne des Seeregiments
Peters des Groſsen aus dem Jahre 1696, Waffen , Offizier-Abzeichen, einen Säbel mit einem Kalender aus der Zeit dieses Kaisers.
Als ein besonderes nationales Heiligtum werden hier aufbewahrt die Fahne des Fürsten Posharsky und der Säbel desselben und des Schlächters Minin .
Diesen beiden Männern ist auf dem roten Platz
( krassnaja Ploschtschadj) unter den Mauern des Kreml ein gemein sames Standbild errichtet. Ihrer Führung vertraute sich – als 1612 Alles verloren schien und Moskau mit Ausnahme des Kreml
und der Kitai-gorod von den Polen in Asche gelegt war – die in Nishny Nowgorod versammelte Opoltschenie an , um die Hauptstadt nicht allein nach dreitägigem harten Kampfe wiederzugewinnen , sondern auch für immer von der polnischen Herrschaft zu befreien .
Reich ist dieser Saal an vortrefflichen Repräsentanten der berühmten Tulaer Waffenfabrikation . Daneben sieht man türkische Trophäen , wie z. B. die Flagge der Festung Warna und ausgezeichnete türkische Waffen, zum Teil Geschenke türkischer Sultane.
An die
in der Geschichte Russlands einen nicht unwichtigen Platz ein nehmenden Strelitzen erinnern die allerdings nur noch in unschein baren Überresten vorhandenen Überreste ihrer Fahnen aus dem 17. Jahrhundert.
Altrussische Rüstungsstücke aller Art finden sich in dem nächsten Saal neben Waffenstücken seltener Herkunft, z. B. eines sibirischen Herrschers , altmandschurische, chinesische, imeretinische Waffen und
Rüstungen , und Trophäen aus Feldzügen späterer Zeit, so der Thron des Chans von Chiwa, 1873 von den Russen erbeutet, der Thron
sessel des letzten Königs von Grusien. - Wie früher der Feldstubl Karls XII. , so fesselt hier vor allem die Aufmerksamkeit das an der 1
Beresina erbeutete Feldbett des Kaisers Napoleon I. Welch Elend sah der Tag, an dem der Kaiser zum letzten Mal auf diesem Lager
ruhen durfte , wenn anders er Ruhe fand. Über dem Feldbett hängt ein Ölgemälde des Kaisers mit der Inschrift: » Dies Bild worde 1814 in Brüssel von Kosaken erobert und ihrem komman Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine
Bd. LXX ., 3 .
23
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
346
dierenden General , dem General - Adjutanten Grafen Alexander Christoforowitsch Benkendorf zum Geschenke dargebracht. « Wir stehen am Ende unserer Wanderung.
In den Reliquien
und den Bildern dieser Sammlung zog die Kriegs- und Heeres Geschichte Russlands an unserem geistigen Auge vorüber. Sie bilden unstreitig eines der den Nationalrussen teuersten Heiligtümer v. Z.
des altehrwürdigen Kreml .
XXVI.
Umschau auf militärtechnischem Gebiet. Die Berichterstattung auf diesem Gebiete wird durch die immer zunehmende Geheimhaltung der Versuche und Absichten aufs höchste erschwert.
Es sind heute nicht bloſs die Mehrzahl der Staaten ,
sondern auch viele Privatwerke , welche es vorziehen »zugeknöpft« zu bleiben , sei es bei diesen auch nur mit Rücksicht auf die Staaten , für welche sie zu liefern gedenken , oder mit welchen sie schon in
Verbindung getreten sind. Die Geheimhaltung ist ein zweischneidiges Schwert ; wenn sie auf der einen Seite zeitweise der einen oder anderen Macht die Möglichkeit verschafft, sich auf diesem oder
jenem Gebiete ein wirkliche oder eingebildete Überlegenheit zu ver schaffen , so schlieſst sie auf der anderen Seite mehr und mehr die
Möglichkeit aus, dem Heere eine Mitarbeit an der Vervollkommnung
des Kriegsmaterials einzuräumen. Der Intelligenz des Offizier- Corps wird die Teilnahme hieran erschwert, ja nahezu unmöglich gemacht. Mehr und mehr tritt daher der Einfluſs der Privattechnik in den
Vordergrund, welche zudem in viel ausgedehnterem Maſse als früher an
der Ausführung beteiligt ist ,
und
es versteht ,
zugleich
hervorragende Intelligenzen aus den Offizierkreisen an ihre Fahnen zu fesseln. Wenden waffen zu .
wir
uns zunächst dem Gebiete der Handfeuer
Hier sind die Ansichten soweit geklärt, daſs eine
Waffe von dem sogenannten kleinen Kaliber , 8 mm , oder sogar
vur 7,5 mm , mit einem dem Mechanismus fest einverleibten Magazin , oder besser noch mit einer Einrichtung zum gleichzeitigen
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
347
Einführen einer gewissen Zahl von Patronen (4 bis 8), der soge
nannten Paket- oder Bündelladung, in Zukunft allein noch als kriegstüchtig gilt. Der Einlader vom Kaliber 10 bis 11 mm kann heute schon als völlig überlebt angesehen werden ; die Umformung zum Mehrlader vermag aber, auch unter Beibehalt der Kalibergröſse, daraus eine Waffe zu schaffen, welche wenigstens für die Übergangs zeit noch Berechtigung besitzt. Trotz alles Sträubens von dieser oder jener Seite kann der Sieg des kleinen Kalibers als entschieden angesehen werden . Auffälliger Weise begegnet man bei Leuten, welche auf dem Gebiete der Handfeuerwaffenlehre sich eines wohl
begründeten Rufes erfreuen , dem Bestreben , die Vorzüge des kleinen Kalibers als lediglich dem geringeren Patronengewicht entspringend hinzustellen . Wäre dem so , so könnte der breitschulterige kräftige Germane getrost das kleine Kaliber dem schwächlicheren Romanen
überlassen , wodurch viele Millionen erspart werden würden . Wir 9
können uns der Ansicht nicht verschlieſsen , daſs das Entscheidende
die ballistische Überlegenheit des kleinen Kalibers ist. Kleines Kaliber und Mehrladung , letztere in der einen oder anderen Form , sind zwei unerläſsliche Eigenschaften der auf » das Attribut zeitgemäſs« Anspruch machenden Handfeuerwaffe. In eigentlichen Mechanismus sehen wir heute eine absolute Über einstimmung in der Anwendung des Cylinder - Verschlusses. Ein wesentlicher Fortschritt besteht hier in dem Wegfall der Dreh
bewegung oder Umwandlung der teils drehenden, teils fortschreitenden, Bewegung des Verschluſscylinders in die lediglich fortschreitende, wofür man in Österreich -Ungarn die treffende Bezeichnung »Gradzug Gewehr« angenommen hat. In der Konstruktion der Seele wird meist
dieZahlvon 4, öfters auch eine gröſsere Zahl von Zügen mit sehr schwachem Profil, aber sehr steiler Windung festgehalten . Die gröſseren Visier winkel werden unter Zuhülfenabme einer zweiten seitlichen und
verkürzten Visierlinie dargestellt , wobei wir noch der Anwendung des unveränderlichen Visiers und verstellbaren Korns begegnen.
Die Geschosse stimmen überein in der relativen Länge und in der Anwendung der Ummantelung von härterem Material als Blei . Der
Kern des Geschosses besteht aus einer harten Bleilegierung (Hartblei) , die Ummantelung, für welche der verstorbene Oberstlieutenant Bode
Kupfer vorgeschlagen, das sich indessen nicht bewährt hat, besteht entweder aus Stahl oder aus Nickel , beide in Form einer dünn
gewalzten Haut. Beim Stahl ist der Rostschutz eine schwierige, indes zu lösende Frage.
Kern und Mantel sind durch Lötung verbunden .
Die Herstellung der Geschosse auf rein maschinellem Wege scheint 23 *
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
348
eine noch nicht in jeder Hinsicht gelöste Aufgabe. Bezüglich der Gestaltung der Patronenhülse ist der Wegfall der Patronenkrempe eine sehr wichtige Neuerung, wie wir sie als eine Konstruktion Mauser's bei den belgischen Versuchen finden.
Die relative Länge
der Geschosse ist fast durchweg 4 Kaliber , es ergiebt dies ein Geschofsgewicht von ungefähr 15 gr mit der Querschnittsbelastung von 0,33 gr auf den Quadrat-Millimeter gegen 0,26 des 11 mm
Kalibers. Die Längenschnittsbelastung beträgt gegen 0,060 gr, beim
11 mm Kaliber 0,090 gr. Beide sind wichtig für die Überwindung des Luftwiderstandes, da bekanntlich die Geschoſsachse nicht in der Bahntangente verharrt , sondern konisch um die Bahntangente
pendelt. Die bedeutende relative Länge des Geschosses bedingt die oben erwähnte Steilheit des Dralls .
Der schwierigste Teil der Aufgabe entspringt aus dem Treib
mittel. Daſs dieselbe auf den Wege des gekörnten Schwarzpulvers gelöst werden kann, beweist das österreichisch -ungarische Repetier
Gewehr M/88. Der eine der beiden Haupt-Übelstände des bisherigen Pulvers, der Rückstand, tritt beim kleinen Kaliber in erhöhtem
Maſse hervor, indes liegt bier eine gewisse Abhilfe in den Mantel Der Mantel trägt erfahrungsmäſsig sehr zur Reinigung der Seele bei. Der andere Übelstand, der Rauch, bat weniger mit dem Kaliber, als mit der Mehrladung zu thun. Da aber die leichtere
Geschossen .
Munition des ersteren die Munitions- Ausrüstung zu vermehren ge
stattet und die Anwendung des Schnellfeuers eine häufigere sein kann als bisher, so hat man sich bereits daran gewöhnt, die Rauch
losigkeit des Pulvers mit der Kaliberfrage im Zusammenhang zu behandeln . Das gesteigerte Ladungs - Verhältnis des kleinen Kalibers läſst es noch mehr als bisher wünschenswert erscheinen , die Gas
Entwicklung von vorneherein zu beschränken , beim Vorrücken des Geschosses aber zu beschleunigen . Beim Schieſspulver sind die Mittel dazu die bekannten : Körpergröſse und spezifisches Gewicht.
Die Rauch - Entwicklung bei einem Treibmittel wie das bisherige Schieſspulver wesentlich einzuschränken , dürfte kaum zu erwarten sein , immerhin ist eine Verminderung wohl möglich , wie es das braune Pulver der Fabrik Rottweil bei Hamburg beweist, das gegen wärtig von den meisten Artillerien für die schwersten Geschütze benutzt wird . Man nimmt aber ziemlich allgemein an , daſs das
Treibmittel der kleinkalibrigen Handfeuerwaffen auf dem Gebiet der Nitrate gesucht werden muſs. Geeignete Snbstanzen dürften hier die Schieſswolle und die Pikrate sein , sobald es gelingt , denselben
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
349
die gehörige Aufbewahrungsfähigkeit und einen genügenden · Grad von Ungefährlichkeit zu verleihen. Die Abnahme des Gewebrgewichts durch die Kaliber -Ver minderung ist wie bekannt keine erhebliche, da stärkere Laufwände erforderlich werden ,, dennoch ist dieselbe nicht zu unterschätzen .
Der Rückstoſs ist beim kleinen Kaliber erfahrungsgemäſs wesentlich
verringert. Ein Gedanke , welcher gegenwärtig die Erfinder in Athem erhält, ist die Ausnutzung des rückwirkenden Teils der Pulverkraft zur Bewegung des Verschluſs- und Schloſsmechanismus. Ein derartiges Automaten-Gewehr wurde zuerst von dem Amerikaner
H. Maxim unter Benutzung des Winchester Repetierkarabiners her gestellt. Neuere Konstruktionen der Art geben dem Lauf eine gewisse Verschiebbarkeit im Schaft und suchen auf diese Weise die Kraft des Rückstoſses zur Spannung einer Feder zu verwerten , welche die bewegende Kraft dann auf den Mechanismus überträgt. Wenden wir uns nun den einzelnen Staaten zu, so finden wir in Frankreich die Fabrikation der kleinkalibrigen Gewehre und
ihrer Munition soweit fortgeschritten, daſs die Bewaffnung der aktiven wie der Territorial-Armee in diesem Jahre ihrer Vollendung ent gegensieht. Die Einrichtung des Gewehrs Modell 1886 ist im ver gangenen Jahre durch die » Instruction sur l'armement, les munitions,
les champs de tir et le matériel de l'infanterie « zur Veröffentlichung gelangt; über die Munition sind die Angaben sehr unvollständig, über Flugbabn - Verhältnisse fehlen sie ganz. Eine Ergänzung in
beiden Richtungen hat die » Agenda de l'armée française« gebracht. Eine mit guten Zeichnungen ausgestattete Beschreibung des franzö sischen Infanterie -Gewehrs findet sich im Heft 12 der » Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens« von 1888. Die Veröffentlichung des französischen Gewehrs hat zunächst gezeigt, daſs die bis dahin zur Krankhaftigkeit gesteigerte Geheimniskrämerei gänzlich zwecklos gewesen ist, denn es war auch keine irgendwie
wichtige Angabe der »»Instruction « , welche nicht schon längst bekannt gewesen wäre. Es ergab sich fernerhin, daſs nicht bloſs Festungen und Panzerschiffe, sondern auch Gewehre in der Aus führung veralten können. Die Gewehrmechanik zeigt nicht den nindesten neuen Gedanken, höchst bedenklich erscheint die umfang reiche Anleitung bezüglich Beseitigung der Hemmungen ( enrayages), welchen der Mechanismus ausgesetzt ist. Allerdings werden die
mechanischen Übelstände reichlich aufgewogen durch die Vorteile, welche das neue Treibmittel, eine Erfindung des Ingenieurs im
350
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
Kriegsministerium Vieille bietet. Jenes Pulver B (der für Frank reich verhängnisvolle Buchstabe bedeutet » Pulver Boulavger «, nach
dem anfänglich gerechter Weise nach dem Erfinder die Bezeichnung Pulver V in Geltung gewesen war) ist rauch- und rückstandfrei, der Knall des Gewehrs ist nicht weiter als 100 m vernehmbar.
2,7 gr Ladung genügen , dem 15 g schweren Geschoſs eine Anfangsge schwindigkeit von 630 m zu verleihen, die völlig rasante Bahn gegen über dem
aufrechtstehenden Manne geht bis 500 m , gegenüber
Reiterei bis 600 m .
Positives bekannt.
Über die Substanz des Treibmittels ist nichts
Bei dem eingehenden Interesse, welches man in
Frankreich seit längerer Zeit dem Pikratpulver geschenkt hat, ist man versucht, hieran zu denken. We Wenn die Aufbewahrungsfähigkeit, woran manche zweifeln, wirklich genügend vorhanden, so war es eine groſsartige Erfindung, welche dem Herrn Vieille geglückt ist,
und ist die Ängstlichkeit, mit welcher man das Geheimnis bewacht , wohl begreiflich . Bei den ungeheuerlichen Summen , welche die Munition fortgesetzt verschlingt, ist man indes versucht anzunehmen , daſs die Gebrauchsdauer des neuen Pulvers eine sehr beschränkte
ist. Es würde sich dann fragen , wie lange Frankreich, das sich einst reich genug dünkte, seinen Ruhm zu bezablen, für seine
Patronen aufkommt. Österreich - Ungarn blieb bei Annahme des kleinen Kalibers dem schwarzen Pulver getren, welches bereits für das Repetier-Gewehr M/1886 in einer verbesserten Qualität herge stellt worden war. Mit einem Geschofsgewicht von 15,8 g, und einem
Ladungsgewicht von 4 g wird eine Anfangsgeschwindigkeit von 530 m erzielt. Die Einrichtung des Gewehrs und seiner Munition ist unter Beigabe guter Abbildungen im » Handbuch der österreichisch ungarischen Handfeuerwaffen « von Ferdinand Lankmayr (Wien 1888) geschildert. Der Mechanismus , welcher eine Erfindung des Ober Ingenieur Mannlicher in Wien ist, zeigt wesentliche technische Fortschritte in Gestalt des Gradzug-Verschlusses und der Packet ladung. Auch die Visiereinrichtung trägt der erweiterten Wirkungs sphäre Rechnung durch Beigabe einer zweiten verkürzten Visierlinie
(Seitenkorn am Mittelring, seitlich verschiebbare Visierplatte). Wie bekannt, werden die Repetiergewehre für das k. k. Heer und die Landwehr der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder durch die österreichische Waffenfabriks -Gesellschaft in Steyr ange
fertigt, wäbrend die Anfertigung der Gewehre für die k.-ungarische Landwehr der neugebildeten ungarischen Waffenfabriks-Gesellschaft übergeben worden ist, deren Fabrik in Budapest sich noch im Bau befindet. Kleinkalibrige Repetier-Gewehre sind bis jetzt nur an drei
Unschau auf militärtechnischem Gebiet.
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Infanterie -Regimenter und ein Jäger -Bataillon in Wien ausgegeben , wäbrend die Infanterie des IX. und X. Corps die groſskalibrigen
Repetier-Gewehre M/1886 führt, deren weitere Fabrikation im Herbst 1887 eingestellt worden ist. Italien hatte im Jahre 1887 eine Umänderung seines Vetterli
Gewehrs M/1870 zur Bündelladung nach einem sehr zweckmäſsigen Vorschlag des Artillerie-Hauptmann Vitali begonnen. Nach der im Dezember bei Gelegenheit des auſserordentlichen Militär -Budgets vom Kriegsminister Bertolè-Viale der Deputiertenkammer gemachten Eröffnung, sind bereits 800,000 Stück Vetterli-Gewehre umgeändert.
Für die Territorial-Armee waren bisher nur Carcano -Gewehre (groſs kalibrige Zündnadel-Gewehre , durch Umänderung der Vorderlader entstanden ) vorhanden , es werden nun Vetterli-Gewehre angefertigt. Auf die Zwischenfrage eines Abgeordneten , warum man nicht klein kalibrige Gewehre wähle, erwiederte der Minister, daſs die Versuche damit im besten Gange seien, daſs man aber noch viele Schwierig keiten zu überwinden habe, welche aus der Munition hervorgingen . Er hoffe mit Grund, daſs das Problem
des rauchlosen Pulvers für
Italien baldigst, und zwar im Inlande seine Lösung fände. Wenn aber auch heute schon das Modell des neuen Gewehrs feststände,
würde eine Verausgabung doch nicht eher stattfinden , bis die Aus rüstung vollendet sei, denn er würde niemals mit zweierlei Munition ins Feld rücken . Dies wird aber nicht zu umgehen sein . In England glaubt man im Besitz eines brauchbaren klein
kalibrigen Modells zu sein, wie der Bericht des Vize - Präsidenten -
der Versuchs-Kommission, Oberst Slade, aussagt. Die Schwierigkeiten, welche die Munitionsfrage einschlieſst, werden anerkannt. Sie wird als der Stein des Anstoſses für alle Mächte, welche sich mit der Frage beschäftigen, bezeichnet. Das Treibmittel der Zukunft wird
zweifellos ein chemisches Pulver ohne Rauch sein, aber im Augenblick ist es klüger, sich noch auf die Anwendung eines gewöhnlichen braunen oder schwarzen Pulvers mit komprimierten Körnern zu be schränken .
Eine absolute Vollkommen heit zu erreichen wird als
unmöglich hingestellt ; jeder weitere Aufschub der Waffen -Anfertigung gelte aber als ein entschiedener Fehler. Über das Modell werden folgende Angaben gemacht : Kaliber 7,7 mm , 7 Züge des System Metford , Drallänge 25,4 cm, Magazin nach Lee für 8 Patronen, Gesammtgewicht des Gewehrs 4,152 kg, Bajonett auf 30 cm verkürzt, Visierung bis 2560 m, für die gröſseren Entfernungen Visier feststehend, Korn verschiebbar. Mit Rücksicht auf das Repetier - Gewehr mit seinem vergröſserten Munitions - Verbrauch hat man bereits einen
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
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Schiebe-Wagen angenommen, mittelst dessen zwei Maun die Patronen in die Gefechtslinie befördern.
Die Räder sind ähnlich wie beim
Zweirad gebaut. Schutzbleche sichern die Leute gegen Gewehrfeuer. Die Schweiz, welche wohl zuerst die kleinkalibrigen Gewehre
in Versuch genommen , ist bis heute nicht zum Abschluſs gelangt. Die Idee, das bisherige Gewehr durch Einschieben eines Rohres auf das kleine Kaliber umzugestalten , welche man hier wie anderwärts ins Auge gefasst, ist längst verlassen .
Den Versuchen wurde der
Laufunddie Munition des Artillerie -Major Rubin zu Grunde gelegt. Wie es scheint, wird damit ein Gradzug - Verschluſs und ein unter dem selben liegendes Magazin nach Angabe des bekannten Waffentechnikers
Rudolf Schmidt, eidgenössischer Oberst, in Verbindung gebracht werden .
In Belgien haben im vergangenen Jahre weitere Versuche stattgefunden , ohne zu endgültigen Ergebnissen zu führen .
Es wird
hier ein belgisches Mauser- Gewehr erwähnt von Kaliber 7,6 mm, das Geschoſs wiegt 14 g, die Ladung 3,05 g ; das Geschoſs hat Hart bleikern und Nickelmantel; die Geschofsgeschwindigkeit wird zu 603 m angegeben . Der Lauf widersteht einem Druck von
4000 Atmosphären, sodaſs er auch für ein chemisches Treibmittel die nötige Widerstandsfähigkeit verspricht. Die Patronenhülsen sind ohne Krempe , wodurch sie sich besser lagern lassen. In Dänemark hatte man bereits ein kleinkalibriges Repetier Gewehr mit Magazin - Anordnung nach Lee zur Verfügung, als neue
Versuche mit Rückstoſsladern aufgenommen wurden . Eine derartige Konstruktion wurde von einem Herrn A. Burgess aus Owego ( Staat New-York) vorgelegt. Ein anderer Rückstofslader mit einem Magazin für 6 Patronen unterm Schloſs rührt vom Kapitän Madsen und
Rüstmeister Rasmussen her. Eine neue Gewehr-Fabrik ist im Bau, nach deren Vollendung soll die Waffen fabrikation des bis dahin
angenommenen Modells beginnen. Portugal hat ein 8 mm Magazin-Gewehr nach Kropatscheck, die Türkei ein 9 mm desgleichen nach Mauser, beide Gewehre sind noch in der Fabrikation begriffen .
In Spanien und Holland
sowie in Rumänien schweben Versuche.
In Russland ist nach
den neuesten Nachrichten der kleinkalibrige Mehrlader im Prinzip angenommen , doch will man Rückstoſslader und rauch loses Pulver als Grundbedingungen der anzunehmenden Konstruktion. Im Gebiet der Feld - Geschütze hat Frankreich durch die
Annahme des rauchlosen Pulvers für dieselben den Anstoſs zu einer
gründlichen Umwälzung gegeben.
Ein Artikel im Oktoberheft der
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
353
» Revue des deux mondes « hat dies zuerst zur weiteren Kenntniſs
gebracht. Dagegen ist ein ablehnendes Verbalten geradezu undenkbar, denn eine Armee , welche ihre Artillerie mit rauchendem Pulver
einem Gegner mit rauchfreiem Pulver gegenüberstellt , giebt von vornherein die besten Chancen aus der Hand . Eine minderwertige Infanterie -Bewaffnung wird sich lange nicht in dem Maſse geltend
machen, als es bei einer Überlegenheit in jener Beziehung zu fürchten ist.
Aus
einem neu erschienenen waffentechnischen
Werke
> L'artillerie actuelle « Paris 1889 ist zu entnebmen, daſs die fran
zösischen fahrenden Batterien in ihre Ausrüstung Melinit -Granaten aufgenommen haben . Man müſste danach annehmen , daſs jener vielbesprochene Sprengstoff eine Vervollkommnung erfahren hat. –
Eine an sich geringfügige Änderung an den Protzen der französischen Feldbatterien hat eine wichtige organisatorische Maſsregel ermöglicht; es ist die Abänderung des Protzkastendeckels zum Aufsitzen von fünf Mann statt drei das Mittel gewesen, die Munitionswagen von den Geschützen in eine ähnliche Unabhängigkeit zu versetzen, wie sie in der deutschen Feld-Artillerie herrscht.
Nachdem inan bisher
bei einer Friedensbatterie von 4 Geschützen stets 2 Munitionswagen bespannt balten muſste, um überhaupt iv der Batterie exerzieren zu
können, sind diese beiden Bespannungen jetzt verfügbar geworden, um das 5. und 6. Geschütz der Friedensbatterie zu bespannen. (Da die Munitionswagen nur 4 Pferde hatten, war noch eine Ergänzung
auf 6 Pferde nötig, wozu der auch im Übrigen reiche Friedensstand die Mittel leicht darbot.) Es wird häufig die Idee in Erwägung gezogen , der Feld-Artillerie Schnellfeuergeschütze verringerten Kalibers zu geben. Das Gruson werk in Buckau bei Mageburg verfügt über ein ausgeführtes System von Schnellfeuergeschützen, worunter sich auch ein zu Feldzwecken bestimmtes befindet. Es ist dies die 5,3 cm Schnellfeuerkanone L/30,
deren Rohr mit Verschluſs 170 kg wiegt. Eine Ladung von 365 gr
grobkörnigen Pulvers verleiht dem Geschoſs von 1,63 kg Gewicht eine Geschwindigkeit von 455 m bei einer Maximal -Gasspannung von 1800 Atmosphären . Die Feuergeschwindigkeit bedingt 35 bis 40 Schuſs in
der
Minute.
An Geschossen bestehen :
Einfache
Wandgranaten , Ringgranaten , beide mit 70 gr Sprengladung und Perkussions-Zünder, Shrapnels mit kombiniertem Perkussions- und Zeitzünder (dünnwandig mit 56 Hartbleikugeln), Kartätschen. Das Rohr der Feldlaffete wird von 2 Mann bedient ; der Rücklauf beträgt: bei gebremster Laffete 40cm , nicht gebremst 1,100m . Die Protze faſst 94 Patronen (Geschoſs und Ladung sind durch die Messinghülse der
354
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
letzteren verbunden ).
Mit Munition wiegt das ganze Geschütz
1480 kg und ist mit 4 Pferden bespaunt (Zuglast pro Pferd 369 kg) . Die Schuſstafel für Granaten und Shrapnels geht bis 4500 m . Als Haupt - Einwände von artilleristischer Seite werden geltend
gemacht : Die ungenügende Beobachtungsfähigkeit des Geschosses zufolge seiner geringen Sprepgladung , die ungenügende Wirkung gegen tote Ziele, der Mangel einer Wirkung gegen gedeckte Ziele. Es scheint danach kaum eine Aussicht vorhanden, daſs Schnellfeuer
Geschütze kleinen Kalibers in der Feld- Artillerie Eingang finden , selbst nicht bei reitenden Batterien . Eine kürzlich erschienene Broschüre eines früheren deutschen Artillerie - Offiziers, welcher seit
zwanzig Jahren im Auslande lebt, als Civil- Ingenieur die Technik in England und Amerika wohl verfolgt hat, auch gediegene mathe matische und ballistische Kenntnisse besitzt, weist auf einen anderen
Weg hin, um die Wirksamkeit der Feld -Geschütze zu steigern. Mit Beibehalt des gegenwärtigen Kalibers des deutschen schweren Feld Geschützes und ohne Vermehrung des Rohrgewichts entwickelt der Verfasser ( Karl B. Bender » die Bewegungs - Erscheinungen der Lang-Geschosse und deren Beziehungen zu den Eigenschaften des Feld-Geschützes der Zukunft « , Darmstadt 1888) unter Zugrunde legung der nur mäſsigen Geschwindigkeit von 400 m und eines
4/4 Kaliber langen Geschosses von 12 kg Gewicht ein Einheits Feldgeschütz, bei welchem die lebendige Kraft des Geschosses die jenige der deutschen und selbst der französischen Feld -Geschütze ganz erheblich übertrifft. Verminderung der Protzbeladung , Ver mehrung der Munitionswagen werden notwendig , erstere ist ohne Nachteil, da die Protzen im Gefecht selten mehr bei der Batterie bleiben , es daher notwendig geworden ist, die Munitions - Versorgung
auf eine andere Art als früher zu regeln . Die Broschüre, welche sich besonders an das deutsche Heer wendet, hat in militärischen wie in politischen Blättern bereits eine günstige Beurteilung gefunden .*) Die Schnellfeuer -Geschütze sind zur Zeit das Schoſskind der
Privat-Technik . Ihre Bedeutung für den Festungs- und Seekrieg ist anerkannt und haben dieselben hier schon vielfach Eingang gefunden. Die sogenannten Mitrailleusen , selbst die selbstthätige von
Hiram Maxim , welche in Österreich -Ungarn angenommen scheint und für welche Krupp das Ausführungsrecht im Deutschen Reich erworben hat , treten dagegen zurück. Die Ausbildung der Schnell *) Die bei dieser Gelegenheit zu Tage getretenen abfälligen Urteile über die Wirksamkeit der deutschen Feldgeschütze gegenüber den russichen und franzö sischen sucht das Militär - Wochenblatt in Nr. 14 zu widerlegen.
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
355
feuergeschütze, als deren Schöpfer der schwedische Ingenieur Norden felt gilt, wird in Deutschland besonders vom Krupp'schen Etablissement und vom Grusonwerk gepflegt. Krupp ist vom 8,4 cm Kaliber L/27 ausgegangen und hat jetzt die Kaliber : 4, 5, 6, 7,5 cm L/40, sowie 10, 5 und 13 L/35 mit Geschwindigkeiten bis 654 m . Das Gruson werk hat die Kaliber 3,7 cm L/23, 5,3 cm L / 24, 5,3 cm L /30, 5,3 cm L/39 , 5,7 cm L/28 . Die Geschofsgeschwindigkeiten gehen
bis 455 m , die Feuergeschwindigkeit bis 40 Schuſs per Minute. Herr Hiram Maxim hat seiner selbsttätig wirkenden Gewebrkaliber Kanone (einlänfige Mitrailleuse) nunmehr auch eine 25 mm Maxim kanone, sowie eine 47 und 57 mm Maximkanone zugesellt und plant seit seiner Vereinigung mit Nordenfelt noch gröſsere Kaliber, mit deren Zunahme die selbstthätige Einrichtung sich mehr und mehr einschränkt. – Die Fabrik von Hotchkiss in Paris, welche jetzt der
anonymen Gesellschaft des alten Etablissement Hotchkiss angehört, bat 2 Kaliber von Schnellfeuerkanonen : 65 mm und 100 mm .
Die
65 mm Kanone hat ein Panzergeschoſs von 4 kg Gewicht, eine Ladung von 1,5 kg , Geschoſsgeschwindigkeit von 620 m , Feuer geschwindigkeit 12-15 Schuſs per Minute ; die 100 cm Kanone hat ein Panzergeschoſs von 15 kg, eine Ladung von 4,3 kg, Geschoſs geschwindigkeit von 600 m , Feuergeschwindigkeit von 8-10 Schuſs per Minute. – Auf der Nordischen Industrie- Ausstellung in Kopen
hagen 1888 hatte Nordenfelt eine Schnellfeuerkanone von 55 mm , die Finsponger Aktien -Gesellschaft für Geschütz - Fabrikation eine Schnellfeuerkanone von 47 mm ausgestellt. Letztere hatte 657 m Anfangsgeschwindigkeit bei einem Gasdruck von 2800 Atmosphären,
die Feuergeschwindigkeit war 24 Schuſs per Minute. In der Feld-Artillerie hat man neuerdings dem indirekten Feuer gröſsere Beachtung geschenkt. Es scheint, daſs man da, wo man die
verringerten Ladungen ( Wurfladungen) bisher ausgeschlossen hatte, denselben wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet hat.
Die Annahme
von Feldmörsern , der Russland sehr zuneigt , ist bisher nirgends erfolgt. Wenn Zeitungs - Nachrichten aus Deutschland derartige Versuche glaubten melden zu sollen und sogar die Ungeheuerlichkeit von 2 Röhren auf 1 Laffete Verbreitung fand, so sind dies eben
Ausgeburten des Reporter-Wahnwitzes, der heute glaubt, selbst mit den persönlichen Angelegenheiten der höchsten Offizierkreise wie mit » Lokalnachrichten « umspringen zu dürfen. Dagegen ist , wie aus Österreich -Ungarn von angesehenen Militär- Zeitungen gemeldet wird, dort die Mobilmachung leichter Belagerungs- Trains von 12 cm
Kanonen und 15 cm Mörsern als Verstärkung der Feld - Armee in
356
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
Aussicht genommen ; wie die Corps - Artillerie den Armee-Corps, sollen jene leichten Belagerungs - Trains den Armeen beigegeben werden. Wenn eine dortige Militär -Zeitung geringeren Kalibers aus den 12 cm Kanonen und 15 cm Mörsern 12 cm Mörser kombiniert
hat, so kann man auch irgend einem Lokalblatt im Sächsischen Erzgebirge die deutschen 12 cm Feldmörser verzeihen.
Die Dynamit -Geschütze sind in ein lebensfähiges Stadium getreten. Abgesehen von deren Annahme iu Nord - Amerika bat Italien
eine 15 cm pneumatische Dynamitkanoue bei der » Pneumatic Gun Company « bestellt.
Herr Hiram Maxim hat eine Dynamit - Kanone
konstruiert , welche ein Gemenge von komprimierter Luft und füchtigem Petroleum (Gasolin ) als Treibmittel benutzt. Auf der Hälfte der Rohrlänge angekommen , explodiert das Mittel, die Spannung wird dann die achtfache, das Rohr kann in Folge der Anordnung wesentlich verkürzt werden . Zu den vielfachen Sprengstoffen der neueren Zeit ist wieder das Emmensite des Dr. Stephen H. Emmens in New- York getreten, bei dem es uns nicht auffällt, daſs es wiederum Alles bisher Dagewesene angeblich weit hinter sich läſst. .
Bezüglich der schwersten Geschütze ist bis heute Krupp mit seinen 40 cm Kanonen L/40 Konstruktion 1886 nirgends übertroffen worden . 143 Tonnen Rohrgewicht, 640 m Aufangsgeschwindigkeit, 21,910 Metertonnen lebendige Kraft an der Mündung , 120,7 cm
Panzerstärke, welche die 1050 kg schwere Panzergranate an der Mündung durchschlägt, kennzeichnen die kolossalen Verhältnisse. Auf dem Gebiete der Schutzpanzerungen ist das Grusonwerk Dach seiner Verbindung mit Schumanns erfindungsreicher Schaffenskraft
tonangebend geworden . zurückkommen.
Hierauf wollen wir im nächsten Bericht 12 .
XXVII. Umschau in der Militär - Litteratur. I. Ausländische Zeitschriften .
Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “, Nr. 4 : „ Ein Schleunige Entschluſsfassung läge auch im ökonomischen Interesse, da die Munitions-Erzeugung für die neuen Gewehre noch lange nicht beendet sei : „ Das rauchfreie Pulver giebt einer Armee
rauchloses
Pulver“ .
eine unzweifelhafte Überlegenheit gegen eine andere, die sich diesem Fort schritte nicht anschlieſsen wollte. " - Nr. 6 : „Die fremden Kriegs marinen im Jahre 1888 : In allen groſsen Marinen bat sich eine auſser ordentlich lebbafte Bewegung, die in Manövern, Flottenrevuen und Mobili sierung ganzer Geschwader gipfelten , und das Bestreben erkennen lassen , die Kampfbereitschaft so viel wie möglich zu steigern ; in dieser Beziehung ist die deutsche Marine im verflossenen Jahre in ganz hervor
ragender Weise in den Vordergrund getreten und ihre Thätigkeit gewinnt dadurch ungemein an Bedeutung, daſs sie zum gröſsten Teile auf
politische und diplomatische Dienste gerichtet war, und sich unter dem scharf beobachtenden und streng kritisierenden Auge des Kaisers vollzog. Bei dem groſsen Interesse, welches derselbe für die Marine hegt, ist es unzweifelhaft, daſs das deutsche Marinewesen in absehbarer Zeit in ganz
andere Bahnen gelenkt werden und der projektierte Weg zum Ausbau der deutschen Kriegsflotte zu einer Marine ersten Ranges führen wird. Es folgen Betrachtungen über die Flottenmanöver der übrigen Marinen
und Angaben über die Neubauten von Schiffen, Torpedo-Schieſsversuche u. dergl.
Nr. 9 : Aërona utische Revue.
Militär-Zeitung österreichische, Nr. 4 : „ Über den Kriegswert der Repetiergewehre mit Rohrmagazin unter dem Laufe“ (Schluſs) : Derselbe beschränke sich darauf, daſs er dem Manne für gewisse Zeit den Ladegriff erspare und das Bewuſstsein gebe, in gewissen Manövern einmal etwas rascher schieſsen zu können als mit dem Einlader, für das Brechen
des feindlichen Widerstandes werde der Repetierer künftighin nicht mehr leisten als der Einlader, wohl aber werde bei besserer Schieſsausbildung und unter Einsatz gröſserer Munitionsmassen namentlich ein Repetierer von kleinerem Kaliber zu einer jederzeit anwendbaren Feuerüberlegenheit führen können und den Satz bethätigen : „nur die Masse bringt es. “ Nr. 5 : Strom - Flotillen. “ - Nr. 6 : Über den militärischen Wert „ „ der Eisenbahnen. “ Die innigen Berührungspunkte zwischen Heeresleitung und Eisenbahnen werden dargelegt.
Als Beweis, welche Vorteile eine
Eisenbahn für den Nachschub der Heeres -Bedürfnisse gewährt, wird an
Umschau in der Militär -Litteratur.
358
geführt, daſs ein Zug von 700 Tonnen Bruttogewicht die eintägige Ver
pflegung für etwa 2 Armee- Corps, in der Stärke von 48,000 Mann und 30,000 Pferden zu fassen und der Armee in 40 Stunden an 600 km weit
nachzuführen vermag , während für den Nachschub dieser Menge mittelst Fuhrwerk mindestens 1000 Wagen 20 Tage unterwegs sein müſsten. Mannlicher - Gewehr : Von der Wiener Garnison sind zur Zeit 2 Infanterie
Regimenter und 1 Jäger- Bataillon bereits mit demselben bewaffnet. – Nr. 7 : Repetiergewehr und Feuertaktik. Es wird hervorgehoben u. A., daſs die Zahl von 100 Patronen für das 8 mm Kaliber als Taschen
munition zu gering bemessen sei. – Nr. 9 : Schnellfeuergeschütze im Feld kriege : Die Zweckmäſsigkeit der Verwendung solcher wird in Abrede gestellt.
Revue des deux mondes. 15. Januar. „ Unsere Remontierung. “ Vergleichende Studie der Remontierung und des Pferdestandes der französischen und deutschen Armee ; die erstere benötigt im
Mobilmachungsfalle an 400,000 Pferde. Der Pferdestand der französischen Armee im Frieden beträgt 131,139 , der deutschen 108,679 ; davon entfallen auf die Artillerie 31,879, beziehungsweise 20,044 ; dagegen auf die Kavallerie
63,652, beziehungsweise 71,500. Diese Minderzahl von 7,875 Pferden bei der französischen Kavallerie steigert sich noch, da in der Zahl der Pferde
der deutschen Kavallerie die in den Remonte- Depots befindlichen (etwa
9000) jungen Pferde nicht einbegriffen sind. — Nach Abzug der in den Kolonien befindlichen und dort unentbehrlichen Kavallerie-Regimenter werde die französische Kavallerie der deutschen mit 15,000 Pferden weniger entgegen treten können . Dies sei gleichbedeutend mit einer Minder Stärke von 100 Eskadrons, d . h. 25 Kavallerie-Regimentern oder 4 Kavallerie Divisionen, obschon das französische Militär-Budget (einschlieſslich der Pferde für die Infanterie, Artillerie, den Train , das Genie -Corps, die Kavallerie Schule und die Gendarmerie) 22,460 Pferde mehr aufzuweisen habe als das Deutsche.
Spectateur militaire :
15. Januar : 17Entwurf eines
Exerzier
Reglements für die Infanterie . “ – Über die kürzlich von den Kammern bewilligten Gehalts - Verbesserungen werden einige interessante Angaben gemacht. Die Generale, welche bisher auf Märschen keine Zulage erhielten, bekommen eine solche von 10 francs per Tag, während des Aufent haltes in Paris 5 francs; Hauptleute im gleichen Falle eine Zulage von 1 (!) Sou täglich, nämlich statt bisheriger 2 francs 55 nun 2 francs 60. Von 1891 ab werden die Hauptleute während der 6 ersten Jahre ein
schlieſslich der Pferdegelder, 3600 francs jährlich (432 francs mehr als 1888), die älteren Hauptleute aber 4320 francs (900 francs mehr ) erbalten. Die Mannschaften erhalten bei der Infanterie vom 1. Juli 1889 ah 2 Centimes
mehr, nämlich 28 Centimes täglich , die der Kavallerie 30 Centimes, am
Solde des Unteroffizier-Corps bat sich nichts geändert. Spectateur meint, das Dekret vom 5. Januar sei weit davon entfernt, alle Wünsche zu be friedigen. – Die Formation der 12 Alpen - Jägerbataillone, in der
Umschau in der Mililär- Litteratur.
359
Stärke von je 6 Compagnien, ist beendet ; man verspricht sich viel von denselben. – Die Rangliste für 1888 enthält 469 Hauptleute der Infanterie, welche sich mehr als 13 Jahre in ihrer Charge befinden. Verabschiedete Offiziere , welche wieder einzutreten wünschten, muſsten
bisher ihre Laufbahn von unten herauf von Neuem anfangen , als ob sie nie gedient hätten ; in Zukunft soll denselben ibre bisherige Dienstzeit voll angerechnet werden. Journal des sciences militaires. Januar.
„Die Taktik der Ver
pflegung: (Tactique des Ravitaillements ), von General Lewal. Der vor liegende erste Teil dieser schon seit längerer Zeit angekündigten Studie behandelt einleitend Rechte und Pflichten der Befehlshaber, darauf folgt
ein geschichtlicher Rückblick, welcher bis zu den Heeren des Xerxes und Alexander des Groſsen zurückgreift ; die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich mit dem System und den verschiedenen Arten der Verpflegung. Wir verfehlen nicht, die Aufmerksamkeit unserer Leser auf diese geistvolle Studie des gelehrten Verfassers zu lenken . Saint - Cyr und Saumur. Der Kampf
Studie über Kavallerie. Kavallerie gegen
von
Infanterie . ( Schluſs ).
Revue du Cercle Militaire . Nr. 2 : „ Exerzier - Reglements der Infanterie. “
Eine an das neue deutsche Exerzier -Reglement anlehnende
Studie über das in Aussicht stehende neue französiscbe Reglement, welches Einfachheit und Klarheit, kriegsgemäſse Ausbildung und Entwickelung des
Geistes der Initiative als Hauptgesichtspunkte betrachten müsse ; zugleich eine abfällige Kritik der schematischen und viel zu umfangreichen Vor Nr. 3 : „ Die drei Waffen im Gefecht und die Zukunfts - Bewaffnung der Infanterie. " Letztere bezeichne keine neue Phase in der Kriegskunst. Die Kavallerie bedürfe keiner neuen Formationen ; hingegen müsse die Infanterie die Treffenabstände vergröſsern und werde gröſsere Verluste erleiden , die
schriften der „ Instruction pour le combat.“
Artillerie werde in der Offensive nicht näher als bis 700 m an eine feind
liche Infanterie, welche Stellung genommen hat , herangehen können ; aus demselben Grunde müsse in der Verteidigung die Infanterie 600 bis 700 m
über die Artillerie - Linie vorgeschobeu werden . – Übungen der Terri torial- Armee 1889.
Dieselben finden in 2 Serien in der Dauer von
13 Tagen, in der Zeit vom 1. April bis 11. Mai statt, für Infanterie, Kavallerie und Genie ; im Herbst (Zeit noch unbestimmt) für die Kavallerie. Nr. 3 : Die Gefechts - Schieſsübungen in Russland. Dieselben wurden auf Veranlassung des Generals Dragomirow 1861 eingeführt. Nr. 5 : Mitrailleusen und schnellfeuernde Geschütze.
Dieselben
werden als unbrauchbar für den Feldkrieg bezeichnet.
Revue de Cavalerie. Januar. „Die Kavallerie und die 3 jährige Dienstzeit. “ (Schluſs). Als Vorbedingung der letzteren gelte die Selbst ständigkeit der Eskadron, wie in Deutschland ; die heutige Organisation erlaube die Einführung der 3 jährigen Dienstzeit nicht ; die jetzigen militärischen Sitten, Vermächtnis der vergangenen Zeit, seien nicht mehr
Umschau in der Militär - Litteratur.
360
im Einklange mit dem Wesen des „ Volkes in Waffen “ . – Die französische Reitkunst , von der Mitte des XV. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. -
Revue d'Artillerie. Januar. „Studie über die Organisation des technischen Dienstes in den Waffenfabriken “ ( Schluſs). Revue du Service de l'Intendance militaire. November bis Dezember
1888 : 1. „Die Militär- Verwaltung in Tonkin .“ ול
2. „Das Mahlen des
Getreides während der Belagerung von Paris.“ In diesem im provisirten Dienstzweige hat die Verteidigung dieser Riesenfestung geradezu „ Wunderbares" geleistet, wie schon Jules Simon in seinen „ Erinnerungen an den 4. September“ anerkannte. Während der beiden letzten Monate der Belagerung war Paris ausschlieſslich auf seine Mühlen angewiesen ,
welche den täglichen Bedarf ohne irgend welche Störung herstellten. Über die Zusammensetzung des „ Belagerungs- Brotes “ (pain du siège) werden interessante Angaben gemacht. Die Mischung desselben bestand vom 25. Dezember ab aus 78 Teilen Waizen , 12 Roggen, 10 Gerste ; am 5. Januar : 48 Teilen Waizen, 12 Roggen, 10 Gerste, 20 Reis, 10 Hafer; endlich in den letzten Tagen der Belagerung aus nur 25 Teilen Waizen, 5 Teilen Roggen, Gerste, Erbsen oder Malz, 20 Reis, 30 Hafer, 10 Stärke und Stärkemehl, aus 10 Kleie. Die Tagesportion betrug vom 18. Januar ab : 300 gr für Erwachsene, 150 für Kinder unter 10 Jahren ; schon seit dem 15. November war die Portion Roſsfleisch auf 30 gr täglich heral
gesetzt worden . Die Militärportion betrug bei Beginn der Belagerung 1000 gr Brot, 180 Fleisch ; sie wurde am 12. Dezember auf 750 beziehungs weise 175, am 27. Januar auf 500, beziehungsweise 200 gr herabgesetzt. Der Unterschied zwischen der Civil- und Militärportion war sonach ein sehr
bedeutender . – Die Folgen der mangelhaften Ernährung traten in der -
um das Vierfache gestiegenen Sterblichkeit zu Tage.
Es
starben
43,000 Personen des Civilstandes mehr innerhalb der 4 Monate als in sonstigen normalen Verhältnissen . Frost und Hunger trugen gemein schaftlich hierzu bei, nicht zu reden von den moralischen Leiden der Bevölkerung
L'Avenir militaire. Nr. 1335 : „Die Berichte des ehemaligen deutschen Militär - Attachés in Madrid und die Geschichte. "
Die „ Affaire Morier“ giebt dem Avenir militaire den Anlaſs zu heftigen Ausfüllen auf den preuſsischen Generalstab ; Avenir militaire findet die Beziehungen des Majors v. Deines zu dem Ex-Marschall Bazaine ,,befremdend“ und fordert das „ Berliner Tageblatt“ auf, in seinen
auf Abschaffung der Militär-Bevollmächtigten abzielenden Bestrebungen Schlieſslich wird geltend gemacht, daſs man 13. August in Metz von dem Linksabmarsch der deutschen
nicht nach zu laſsen (!). schon am
Armee durch füchtende Landleute in Kenntnis gesetzt worden sei ; am 15. hätten die Patrouillen des Prinzen Murat und des General de Grammont
schon Fühlung mit dem Feinde auf der Straſse nach Verdun gehabt.
Unter diesen Umständen hätte das Telegramm Moriers, selbst wenn es mit demselben seine Richtigkeit habe, dem Marschall Bazaine nichts
Umschau in der Militär- Litteratur,
361
Nr. 1336 : Regional - Rekrutierung. Avenir militaire spricht sich gegen dieselbe aus : sie mache starke Verluste
Neues melden können.
-
einzelner Regimenter besonders empfindlich fürden betreffenden Rekrutierungs Bezirk, auch würden die Regimenter dann zu Provinzial- Truppen und Lokal-Milizen werden ; (! ) dies sei der Hauptgrund , abgesehen von der Gefährdung der Disziplin , welcher die Kammer veranlaſst habe, solche ab
zulehnen. – Nr. 1337 : Behufs Beschleunigung der Konzentrierung der Streitkräfte an der Ost - Grenze wird die Teilstrecke Vitry le Français Lèrouville der Linie Paris-Avricourt ein drittes und viertes Geleise erhalten .
Avenir militair würde dem Bau einer besonderen neuen Linie den Vorzug
gegeben baben . Nr. 1340 : Avenir militaire macht für den gemeldeten Fall der Massen - Desertion in Longwy die kurze Dienstzeit und das Fehlen solider Cadres verantwortlich .
Man bedürfe nicht allein tüchtiger,
durch Wiederanwerbung gebildeter, langgedienter Unteroffiziere, sondern auch
der
Berufssoldaten.
Die
3
Millionen
Soldaten
des
Herrn
de Freycinet werden, wenn sie schlecht und ungenügend geführt sind, weit entfernt davon , die Sicherheit und Unabhängigkeit des Landes zu schützen, zu einer wahren nationalen Gefahr.
Le Progrès militaire. Nr. 857 : Die jüngst erfolgte Wiedereinführung der „Soldaten erster Klasse “ (Gefreiten) wird getadelt : „ Ein bloſses Abzeichen ohne höheren Sold werde sich bei dem Zustande unserer militärischen Sitten keiner besonderen Gunst zu erfreuen haben . “
Nr. 858 : 4 kommandierende Generale, des V. , XI., XVIII. und XIX . Armee - Corps, Blot, Forgemol, Cornat und Delebecque werden , da dieselben die gesetzliche Altersgrenze erreicht baben, demnächst in den Ruhestand
treten. - Nr. 859 : Die „Bataillone der leichten afrikanischen Infanterie “ werden laut Kammer-Beschluſs von 3 auf 5 vermehrt.
Nr. 860 : Unsere Feldgeschütze. Das Material derselben wird als zu schwer bezeichnet.
Nr. 861 : Vergleichende Schieſsversuche der
Gewehre M/74 und M/86 , gegen drei binter einander gestellte Eisenplatten
und den Kadaver eines Maultieres, ergaben die unzweifelhafte Über legenheit des letzteren Modello bezüglich seiner Durchschlagskraft .
Ein kleiner, mit nasser Erde gefüllter Sandsack wurde jedoch nicht durch bohrt.
Der Schuſs des Gewehrs M /86 ist fast lautlos und ohne Rauch ;
derjenige des M/74 erzeugt viel Rauch und lang anhaltenden Schall. La France militaire . Nr. 1416 : „ Die zweite Portion . “ Auf Antrag (
mebrerer Abgeordneten und mit Zustimmung des Kriegsministers hat die Kammer den Beschluſs gefaſst, daſs diejenigen Mannschaften, welche bei
der Aushebung die besten Nummern gezogen haben , in Zukunft nur 1 Jahr bei den Fahnen bleiben sollen . Dies wäre demnach gleichbedeutend
mit der Wiedereinführung der sogenannten „deuxième portion.“ France militaire ist mit dieser Neuerung nicht einverstanden ; 6 Monate würden genügen, um diese Leute auszubilden, vorausgesetzt, daſs sie im Aprij Nr. 1417 : Es giebt eingestellt und Ende September entlassen würden . gegenwärtig 10 Divisions- und 21 Brigade -Generale , welche aus dem Jahrbücber für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXX ., 3.
24
Umschau in der Militär- Litteratur.
362
Genie - Corps hervorgegangen sind. - Nr. 1419 : Bei den zu den „unabhängigen Divisionen “ gehörigen 12 Dragoner- Regimentern soll das erste Glied versuchsweise mit Lanzen bewaffnet werden. Nr. 1425 : Es ist im Plane , die Marine - Infanterie in drei Brigaden als
20. Armee - Corps zu formieren. – Nr. 1431 : Angehend die bekannte Thatsache der Desertion von 71 Leuten des in Longwy stehenden
9. Jäger- Bataillons sagt la France militaire, es sei ein Zeichen der Zeit, daſs der betreffende Compagnie- Chef wegen seiner Tüchtigkeit bekannt sei ; die „unglücklichen jungen Leute “ hätten auf die Schwäche einiger
ihrer Vorgesetzten im Voraus gerechnet. Es müsse aber ein Exempel statuiert werden, da dieser Fall der Indisziplin der zweite innerhalb weniger Monate in jenem Landesteile sei .
La Belgique militaire Nr. 932 : „ Das heutige Belgien in kauf männischer, kolonialer und militärischer Beziehung. “ Die unter diesem Titel erschienene Broschüre , als deren Verfasser eine sehr hoch gestellte Person gilt, wird zustimmend besprochen ; hier zunächst die Schöpfung einer Kriegs -Marine in Stärke von 10 Torpedobooten, 10 Kanonenbooten, 6 Avi sos und 2 Kreuzern . „Belgien würde sich ein Armutszeugnis ausstellen, wenn dasselbe allein unter allen handeltreibenden Nationen seine Kriegsflagge nicht zeigen könne." - Panzertürme der Maas - Befestigungen. Dieselben sind zum gröſseren Teile den Gruson - Werken in Magdeburg, der Rest französischen und belgischen Hüttenwerken in Auftrag gegeben 19
worden ; es handelt sich um ein Material im Werte von 20 Millionen. 200 bis 300 Schnellfeuer-Geschütze werden von der „ Nordenfelt-Gesellschaft“
in London geliefert.
Nr. 933 : „Das heutige Belgien u. s. w. (Fort
setzung). Die Gegner dieser Broschüre behaupten , der Verfasser wolle Belgien „ prussianisieren “ und es in eine groſse Kaserne verwandeln . Diese „ Sybariten “ (sic !) werfen dem Verfasser Ungeduld und Unklugheit vor, welche schlimme Folgen haben werde. – Die „Gesellschaft der vormaligen Unteroffiziere “ bat sich der Bewegung zu Gunsten der in jener Broschüre vorgeschlagenen Reformen angeschlossen : „ Krieg bis aufs Messer dem Gesetz, welches gestattet, daſs man sich durch Stellvertretung töten lasse . “ Nr. 934 : „Das heutige Belgien u. 8. W .: Unsere Vor
fahren betrachteten die Verpflichtung , das Vaterland zu ver teidigen , nicht als eine Last , sondern als ein nur einem freien Volke eignendes Vorrecht. Allgemeine Schweizerische Militärzeitung Nr. 3 : Saint- Helena .
Medaille. Die Zahl der Besitzer ist von 43,592 im Jahre 1870 auf 244 im Jahre 1887 zurückgegagen ; der älteste derselben wurde 1785 geboren. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie Nr. 1 : „ Die Taktik
der Artillerie unter Berücksichtigung unserer Manöver im
Jahre 1887. Als Hauptgrundsätze derselben 1870 bezeichnet Verfasser folgende : Schon zur Einleitung wurde so viel Artillerie als möglich ver wendet ; man hielt Artillerie in Reserve für unnütz ; dieselbe marschierte grundsätzlich so weit vorn als möglich, einzelne Armee -Corps sandten ihre
Umschau in der Militär -Litteratur,
363
gesamte Artillerie voraus , um die begonnene Schlacht zu unterstützen ; >
der Anmarsch der Artillerie in groſsen Massen geschieht stundenweit im
Trabe, um möglichst früh zur Stelle zu sein ; die Artillerie tritt überhaupt möglichst bald und möglichst stark auf.
Revue militaire suisse (Nr. 1) : „Die Feuerleitung bei derInfanterie. Dieser bemerkenswerte Aufsatz schildert in groſsen Zügen den Verlauf des Infanterie -Gefechts und bemerkt zum Schlusse, Offiziere und Mannschaften müſsten vor Allem Ruhe, nochmals Rube, unter allen Umständen Ruhe
bewahren . - Formation s - Veränderungen der Positions- Artillerie. -
Der Bundesrat hat durch Beschluſs vom 28. Dezember v. J. verfügt, daſs
die 25 Compagnien derselben in 5 Abteilungen und eine Ersatz-Reserve formiert werden, zu je 2 Compagnien des „ Auszuges“, 2 der „ Landwehr “. Jede Abteilung soll 14 Kanonen von 12 cm, 10 Mörser von 12 cm und 8 Hartbronce-Kanonen von 8,4 cm führen , Summa 32 Geschütze ; die
Reserve- Abteilung das Doppelte dieser Zahlen . Es ergiebt dies im Ganzen einen Geschützpark der Positions- Artillerie von 98 Stück 12 cm Kanonen, 70 12 cm Mörsern und 56 8,4 cm Hartbronce -Kanonen .
Auſser den
200 Schüssen pro Geschütz wird die Hälfte dieser Zahl in den Munitions Depots in Vorrat gehalten werden . The Admiralty and Horse-Guards-Gazette Nr. 220 : Die Schlacht bei Suakim. Der offizielle Bericht des Generals Sir Francis Granfall enthält
eine kurze, rein sachliche Darstellung der Vorbereitungen , des Verlaufes und der Folgen der Schlacht. Auf dem rechten Flügel wurden unter dem Schutze der Wasser-Schanze die Lebensmittel für einen Tag, die gesamte groſse und kleine Bagage, die Wasser-Vorräte und das Material für zwei
Feldschanzen, bestehend aus Sandsäcken, Schlafdecken, Mänteln u. dergl. gesammelt. Ein Dampfer wurde als Lazareth für 5 Prozent der Gesamt stärke eingerichtet, die Signal-Abteilung wurde auf die verschiedenen Punkte verteilt, jedes Geschütz erhielt 100 Granaten, jeder Infanterist 130 Patronen und Lebensmittel und Wasser für einen Tag. Es folgt die Ordre de bataille und die Aufstellung der Truppen. Das 11. Bataillon in erster Linie auf dem rechten Flügel, drei Seiten eines offenen Carrés
bildend, eine geschlossene Compagnie in der Mitte als Reserve. Die zweite Linie bildete 1 Compagnie des 9. und 2 des 10. Bataillons. Eine Unter stützung für diese bildeten 2 Compagnie - Kolonnen des 9. und 2 des 12. Bataillons. Das 4. Bataillon folgte im Bataillons- Carré auf dem äuſseren Flügel als Reserve. Auf 600 m eröffnete der Feind das Feuer, das von den Engländern aber erst auf 200 m erwidert wurde.
Bei dem
darauf folgenden Bajonett-Angriff räumte der Feind unter Zurücklassung von 50 Toten die verschanzte Linie.
Ein vierundsechzigpfünder Marine
Geschütz, die Nordenfelt -Batterie und die reitende Artillerie beschossen
den abziehenden Feind. Zwei feindliche Geschütze, egyptische Neunpfünder, wurden genommen, nachdem deren Bedienungsmannschaften bei den Ge schützen niedergemacht waren .
Ein feindlicher Kavallerie - Angriff auf die
rechte Flanke wurde vom 20. Husaren-Regiment, das dabei 4 Tote und 24*
364
Umschau in der Militär- Litteratur.
3 Verwundete verlor, abgewiesen . Um 8 '/. Uhr vor ormittags war der Kampf zu Ende, die Verfolgung wurde eingestellt und 4 Zarebas (Ver schanzungen mit Dornengestrüpp, Sandsäcken u. dergl.) erbaut. Nach den
aufgefundenen Toten zu urteilen, muſs der Feind gegen 500 Mann verloren haben . Nr. 221 : Miſserfolg mit neuen Geschützen. Der Verschluſs der neuen Hinterladungs -Geschütze ist in keiner Weise genügend, die Geschütze leisten nicht mehr wie die früheren Vorderlader.
Bei den letzten
Schieſsversuchen an Bord der Impérieuse ist die Mannschaft gezwungen gewesen , sich zu Boden zu werfen , strömenden Feuerstrahl zu schützen .
um sich
gegen den hinten aus
Die nach französischem Muster
hergestellten Hinterlader -Geschütze werden als in jeder Beziehung besser bezeichnet .
Schnellfeuernde Geschütze für Befestigungen .
Unter dem Vorsitze des General Wolseley hat der Artillerie- Hauptmann Shone, Lebrer der Fortifikation in Woolwich , einen Vortrag über diesen
Gegenstand gehalten .. Bei der Frage der Überlegenheit der Streitkräfte zur See ist der Besitz von Arsenälen, Kriegshäfen und Kohlen - Stationen in erster Linie entscheidend, diese müssen derart befestigt sein, daſs die eigene Flotte ohne Gefahr die feindliche Küste angreifen kann, und gleich zeitig genügende Kräfte übrig bleiben, die Handelslinien zu schützen . Die Thätigkeit der Kriegsflotte soll eine ausschlieſslich offensive sein . Alle Häfen und Fluſsmündungen müssen durch eine Reihe von Seeminen gesperrt, und diese durch schnellfeuernde Geschütze, die an geeigneten Punkten verborgen aufgestellt sind, geschützt werden. Ein Schnellfeuer Geschütz, das 20 Schuſs in der Minute abgiebt, leistet dasselbe wie ein Vierundsechzigpfünder, der nur einen Schuſs in einer Minute abgeben
kann, die Geschosse der ersteren vermögen 4 '/2 Zoll tief in Panzerplatten einzudringen. Der Redner verlangt ferner, daſs die Küsten- und Häfen Verteidigung dem Landheer überwiesen werden sollte , der Angriff auf solche sei Sache der Marine, was nicht ausschlieſse, daſs ein Zusammen wirken Beider stattfinde, wenn es darauf ankomme, einen entscheidenden Schlag zu führen. Schlieſslich wird vor dem Fehler gewarnt, Geld für permanente Befestigungen und für den unabsehbaren Kampf zwischen
Panzer und Geschütz auszugeben, sondern statt dessen Magazingeschütze und passagere Befestigungen zu beschaffen . – Die Snyder Dynamit Geschosse .
Der Amerikaner Snyder hat in Londoner Offizierkreisen
Vorträge über Geschosse gehalten, die mit Dynamit als Sprengstoff gefüllt sind, und mit voller Sicherheit aus jedem beliebigen Geschütz abgefeuert werden können . Die Gefahrlosigkeit ist durch mechanische Mittel erreicht. Offiziere der Armee und Marine, die den Versuchen beigewohnt haben, sind überzeugt, daſs durch Anwendung dieser Geschosse eine vollständige Umwälzung im Kriegswesen erfolgen wird . In der Marine werden diese besonderen Nutzen gewähren , wenn es darauf ankommt, Hafeneinfahrten von Seeminen und Obstruktionen jeder Art frei zu machen. Die Spreng
Wirkung ist 20 mal gröſser wie die des Pulvers, so daſs schon die Ver wendung von Geschossen kleineren Kalibers groſse Wirkung sichert.
Umschau in der Militär - Litteratur.
United Service Gazette Nr. 2923 :
365
Die letzte Umwälzung im
Festungswesen. Mit dem Mittelalter haben dreimal groſse Umwälzungen im Befestigungswesen stattgefunden, die erste nach Erfindung des Schieſs pulvers durch Vauban, die zweite nach Einfübrung der gezogenen Geschütze
nach 1860 , die dritte gegenwärtig durch die neuen Sprengmittel. Die Schieſsversuche in Toul, Chalons, Bukarest, Magdeburg, Kosel , Kummers dorf und Bruges haben bewiesen , daſs Erddeckungen wertlos geworden , daſs hingegen ellipsenförmige oder Dreh - Türme von Eisen genügend schützen ,
Mauerwerk ist nicht mehr verwendbar, ein einziger Schuſs eines
20 cm Mörsers genügt, um ein Pulvermagazin bisheriger Bauart zu zer stören. Der Schwerpunkt der Verteidigung muſs in den Panzertürmen
und den zum Flankenschutz und zur Grabenbestreichung aufgestellten Magazingeschützen liegen . Zum Schutz der Magazine und Brustwehr Böschungen kann auſser Eisen nur freiliegender Cement von 9–12 Fuſs
Stärke dienen. Die mit Panzertürmen und cementierten Böschungen ver sehenen Forts müssen kleine , durch Gräben verbundene Zwischenforts erhalten. Um die Beweglichkeit der Verteidigung zu fördern , müssen Eisen babnen zum Transport von Geschützen und Truppen angelegt werden. An allen Punkten muſs wohlgeschützte Artillerie abwechselnd auftreten ,
um das Feuer des Angreifers zu zersplittern . Artillerisky - Journal (Dezember 1888) : 1. Bemerkungen über Schieſsen
(Fortsetzung ) W. Schklarewitsch. 2. Über kriegsgemäſse Ausbildung der Feldartillerie ( Fortsetzung) A. Baumgarten. 3. Über einen Artillerie Kriegs -Spiel -Apparat, Oberst Jakubowitsch . 4. Bemerkungen zu dem Artikel ad 3 von W. Schklarewitsch . 5. Ein System optischer Linsen als Entfernungsmesser ( Schluſs) N. Ragosin . 5. Zum Artikel „ Photographische Darstellung der das fliegende Geschoſs umgebenden Luftschichten “ . 6. Nekrolog des Generallieutenant N. F. Moller. Beilage. Über Wetter prognose, M. Pomorzew .
Esercito italiano Nr. 150 : Die organische Stärke des italie nischen Heeres ist für das Budgetjahr 1889/90 wie folgt vorgesehen : Offiziere 15,292 , Beamte 3733 , Unteroffiziere und Leute 265,541 , zu sammen 284,566 (gegenüber 283,443 im laufenden Jahre ). Pferde 53,770
(gegenüber 52,678 im laufenden Jahre). Die ,,bilancierte " Stärke beziffert sich auf: Offiziere 14,877 , Beamte 3660, Unteroffiziere und Leute 235,069, total 253,606 (gegenüber 244,443 im laufenden Jahre ). Pferde 51,563 (gegenüber 50,776 im laufenden Jahre). Die Erhöhung der , bilancierten “ Stärke des Heeres hat ihren Grund einesteils in der Vermehrung der Carabinieri reali um 822 Mann , ferner darin, daſs die zweitälteste Jahresklasse der gegenwärtig dienenden Leute »
nicht mehr 17,000 sondern nur 10,000 Leute enthält, die nur 2 Jahre dienen .
Rivista militare italiana. Dezember: Vorkehrungen und Hülfs mittel zum Richten der Geschütze im Felde. Verwendung von Geschützen im Verein mit den irregulären Truppen in Afrika :
Umschau in der Militär - Litteratar,
366
Anforderungen an diese Geschütze sind Leichtigkeit, schneller Beginn des Feuers, Ununterbrochenheit des Feuers; Leichtigkeit der Handhabung, leichte Feuerkonzentration ; Schnellfeuer- Kanonen empfehlen sich am meisten, müssen aber die Garantie bieten, daſs der Mechanismus dauerhaft
und vor Störungen bewahrt bleibt. Batterien zu 6 oder 4 Schnellfeuer Kanonen werden als die geeignetsten bezeichnet.
Memorial de Infanteria (Spanien) Nr. 24 : Vorschläge zur Änderung des Remington -Gewehrs in eine Repetier -Waffe. Revista Cientifico-MHitar Nr. 1 und 2 : Die Verteidigung von Catalonien
und Verteidigung gegen eine französische Offensive nach Catalonien aus dem Departement der Pyrenäen. Betrachtungen über den gegenwärtigen Stand der Befestigungsfrage. Betrachtungen über die Schiefsvorschrift für die deutsche Infanterie.
Memorial de Ingenieros del Ejercito Nr. 1 und 2 : Bergforts. Revista militar (Portugal) Nr.1 : Beförderung und Verabschiedung der Offiziere in Portugal. Das Heer im Parlament. Beleuchtet die 3 in der Thronrede bei Eröffnung des Cortes als wünschenswert be zeichneten Neuerungen und Abänderungen des Militär-Strafgesetzbuches, Reform des Militars, Vervollkommnung und Ausbildung der einzelnen Waffen .
Revista dos Sciencias militar. September : Das Fort der Zukunft. Ansichten über Manöver des portugiesischen Heeres im vergangenen Jahr hundert und in diesem .
Revista militar de Chile Nr. 27 : .
Studien über Taktik der Feld
Artillerie.
Krigsvetenskaps Akademiens Handlinger Heft 23 und 24 :: Jahres bericht über Vorträge in der Kriegsgeschichte und Kriegs wissenschaft. Das neue französische ( ! ) und deutsche Exer zier - Reglement für die Infanterie.
Norsk Militaert. Tidsskrift. 12. Heft : Soll das Exerzier - Reglement geändert werden ?
Militare Spectator (Holland) Nr. 1 : Die Schlacht bei Austerlitz .
(mit 3 Skizzen ). Das neue deutsche Exerzier - Reglement für die Infanterie. II. Bücher.
Der siebenjährige Krieg nach russischer Darstellung. I. Teil. Der Feldzug Apraxin's in Ostpreuſsen 1756–1757 von Mass lowski , Oberst im russischen Generalstabe. Mit Autorisation
des Verfassers übersetzt und mit Anmerkungen versehen von A. v. Drygalski . Berlin 1888. Verlag von R. Eisen schmidt.
Obwohl die Litteratur des siebenjährigen Krieges eine äuſserst umfang
reiche ist und die Quellenforschung sich in neuester Zeit mit besonderer
Umschau in der Militär -Litteratur.
367
Vorliebe dieser Epoche der Kriegsgeschichte zugewendet hat, so fehlte es doch bislang an einem selbstständigen , auf archivalische Studien ge
stützten, die Teilnahme der russischen Truppen an diesem denkwürdigen Kriege behandelnden Werke. Diesem Mangel verspricht die in trefflicher Übersetzung vorliegende Arbeit des Oberst Masslowski abzuhelfen . Von hoher Wichtigkeit für die vom Preuſsischen Generalstabe von Neuem in
Angriff genommene Geschichte dieses Krieges ist es, daſs sich die russischen Quellen noch vor dem Erscheinen der letzteren öffnen ; dadurch steigern sich die Aussichten auf Herstellung einer wirklich . umfassenden, objektiven und allseitig befriedigenden Geschichte jenes Riesenkampfes. Der I. Teil des vorliegenden Werkes behandelt in erschöpfendster, für
den deutschen Leser vielleicht zu sehr in das Breite gehender Weise den Feldzug Apraxin's in Ostpreuſsen. Die verdienstliche Arbeit des Über setzers beschränkte sich nicht nur auf Sichtung des überreichlich ge botenen Materials , sondern besteht des Ferneren in der Beigabe vieler
wertvoller kritischer Anmerkungen, durch welche manche, russisch - einseitiger Auffassung entsprungene Ausführungen des Verfassers berichtigt und in das rechte Licht gestellt werden. Das 1. Kapitel giebt zunächst eine „ Skizze des Zustandes der Kriegs kunst in Russland in Mitte des 18. Jahrhunderts “ . Überraschend neue Aufschlüsse über das russische Heerwesen werden bier geboten. Sie be stätigen die völlige „ Unbereitschaft “ des russischen Heeres , welches erst einige Monate vor Beginn des Krieges mit tief einschneidenden organisa
torischen Reformen den Anfang gemacht hatte; besonders die völlig desorganisierte Kavallerie hatte unter diesem Umstande schwer zu leiden. Diese „ Unbereitschaft “ ist es, welche den General Apraxin hinderte
auch in Rücksicht auf die groſse Behendigkeit des preuſsischen Königs “ und : „ weil mit einem solchen Gegner nicht zu scherzen ist “ ( Bericht Apraxin's vom 17./28. April) — zu Anfang des Krieges mit Entschiedenheit
zu operieren. Wenn das russische Heer gleichwohl einen hohen Grad moralischer Tüchtigkeit zeigte , so war dies vor Allem in seiner einheit lichen nationalen Zusammensetzung begründet. – Die Stärke des russischen Heeres unter Apraxin wird auf 82,976 Mann beziffert, darunter 71,947 Kombattanten mit 2511 Offizieren und 144 Geschützen .
Das 2. Kapitel, welches sich mit dem russischen Verpflegungswesen 1757 eingehend beschäftigt, verdient besondere Beachtung, weil der Ver fasser den auffälligen Rückzug Apraxin's nach der Schlacht von Groſs
Jägersdorf mit der mangelnden Organisation des Transportwesens und der Ungescbicklichkeit in Ausnutzung der einheimischen Hülfsmittel zu begründen versucht.
Auf das Entschiedenste wird in Abrede gestellt, daſs
politische Erwägungen (der bevorstehend geglaubte Thronwechsel) den selben verursacht hätten ; Apraxin habe sich an keinen politischen Umtrieben
beteiligt, und nur durch vielleicht übergroſse militärische Bedenken und die strategischen Umstände sich leiten lassen. – Treffend sagt der Über setzer : Wenn das Verhalten Apraxin's durch politische und nicht
Umschau in der Militär- Litteratur.
368
militärische Gründe veranlaſst worden wäre, so würde der Feldzug von
1757 in Ostpreuſsen des strategischen Interesses und des eingehenden Studiums nicht in dem Maſse wert sein, als er es wirklich ist. Denn es kommen jetzt, nachdem die Politik an die zweite Stelle tritt , als
zwingendes Motiv für den Rückzug nicht nur der Charakter und die er schöpften Hülfsquellen des Operationsschauplatzes, sondern auch die Art der preuſsicher Seits geführten Verteidigung mehr zu ihrem gebührenden Rechte. Apraxin muſste nicht nur mit den in Preuſsen aufzutreibenden
Vorräten und seinen eigenen Verpflegungs- und Transportmitteln, sondern (mehr noch) mit der noch immer gefürchteten Armee Lehwaldt's rechnen . Wir verfehlen nicht, hier zu bemerken, daſs, unseres Wissens, einzig und allein Stuhr in seinen Forschungen und Erläuterungen über Hauptstücke der Geschichte des 7jährigen Krieges“ , I. 306, entgegen der »
landläufigen Ansicht von der „ Verräterei" Apraxins, darauf hinweist, der
(damalige) russische Gesandte in Hamburg habe aus Petersburg Berichte von seinem Hofe erhalten, die das Benehmen Apraxin's durchaus recht fertigten und die Gründe billigten , die er angeführt babe, um die
Unmöglichkeit der Fortsetzung des Feldzuges im laufenden Jahre darzu stellen . “
Im 3. und 4. Kapitel finden wir eine Skizze der politischen und all gemeinen Verbältnisse zu Anfang des Feldzuges, eine Übersicht des Kriegs theaters, dann den Operationsplan für den Feldzug 1756/57 . Das 5. und 6. Kapitel giebt die Konzentration der russischen Truppen am Niemen, die Operation gegen Memel , ferner den Anmarsch gegen Königsberg ; das 7. die Schlacht von Groſs- Jägersdorf, das 8. den Rückzug von Allenburg bis zum Niemen.
Zum 5. Kapitel ist zu bemerken , daſs sich die Stärke der Lehwaldt'schen
Truppen auf 30,476 nicht 36,476 Mann, laut Generalsta bswerk , beziffert hat. Bei Darstellung der Ursachen des Verlustes der Schlacht vermissen wir die Erwähnung des schlechten Verhaltens der im 2. preuſsischen Treffen stehenden Garnison-Regimenter Manteuffel und von Sydow. ,,Die Garnison -Regimenter aus dem Hintertreffen ,“ berichtet am 1. September Lehwaldt an den König (vergl. Polit. Korrespondenz Friedrich des Groſsen XV. 331 ff), „schossen aus einer fatalen Bévue auf die Vorderlinie, feuerten auf unsere eigenen Leute und erregten dadurch nicht allein die Konfusion, sondern auch, daſs man 20 Mann hoch stand und durch das unglaubliche Kartätschfeuer mehr litte. Es war nicht mehr möglich , die Leute von der Retraite a bzu halten ! u . s. w. “
In dem Anhange “ finden sich zahlreiche Ergänzungen, Tabellen, Zitate , endlich auch eine (russische) Quellenkritik zur Geschichte dieses Krieges. Auf die Einzelheiten dieser hervorragenden Arbeit einzugehen, müssen
wir uns versagen und schlieſsen uns gern den einleitenden Worten an : „ Wir Deutsche sind dem Autor (wir fügen hier hinzu : nicht minder dem Herrn Übersetzer ) für seine Arbeit zu äuſserstem Danke verpflichtet
369
Umschau in der Militär - Litteratur,
und sehen der demnächst zu erwartenden Fortsetzung mit noch erhöhtem Interesse entgegen .“
1.
Das Kriegstheater an der Weichsel und seine Bedeutung für den Beginn der Operationen in einem Kriege Russlands gegen das Deutschland verbündete Öster reich mit einer Karte, dargestellt von N. Hannover 1888. Helwing'sche Buchhandlung. In der 68 Seiten langen Schrift hat der Verfasser wohl selbst weniger eine tiefernste militärische Studie, als ein allgemeines Orientierungsmittel
in einer schwebenden Tagesfrage zu geben beabsichtigt. — Diesem Zweck entspricht die Arbeit im Allgemeinen. – In der „Charakteristik des Grenzgebietes“ verfährt der Verfasser freilich zu sehr nur vom geo >
graphischen und zu wenig vom militärgeographischen Standpunkt. Ein Verständnis über das „ Kriegstheater an der Weichsel" läſst sich aus dem Gegebenen nicht gewinnen. Es fehlt eine Charakteristik der Wasserläufe,
der periodischen Überschwemmungserscheinungen und Überschwemmungs gebiete derselben , der Brückenverhältnisse, der allgemeinen Wegsamkeit und der Beförderungsmittel besonders zur Zeit des Winters und des Frühjabrs (in welchem bekanntlich auf mehreren Wochen über weite Landesstrecken hin jeder Verkehr absolut zu stocken pflegt), es fehlt ferner eine Charakteristik über die Ortschaften vom Standpunkt der Truppen
unterbringung und als taktische Kampfobjekte, sowie ein Wort über die Schwierigkeiten, welche für die Verpflegung und die Unterkunft groſser Truppenmassen dort entstehen. - Das der Schrift beigefügte Kärtchen, in fünf verschiedenen Farben in Buntdruck ausgeführt, hätte neben den Eisenbahnen, welche es bringt, wohl noch die Hauptstraſsen mit aufnehmen können . - In den Angaben des Kapitels „Die Befestigung der russischen Grenzlande“ fehlt die Erwähnung der Sperrfort-Gruppe bei Goniondz, durch
welche die Eisenbahn Königsberg-Lyk -Bialistok bei Überschreitung der Bobra -Niederung gesperrt ist. – Der Abschnitt „ Berechnung der Truppen stärke , mit welcher Russland in einem europäischen Kriege auftreten
kann“ giebt eine gute , übersichtliche Zusammenstellung der russischen Streitkräfte. - In seinen strategischen Erwägungen giebt Verfasser wohl ganz richtig der Meinung Ausdruck, daſs Russland bei einer Kriegführung
gegen Deutschland und Österreich -Ungarn unmöglich nach beiden Seiten hin angriffsweise zu verfahren im Stande sei.
„ Es würde sich daher zu
entscheiden haben, gegen welche Macht es zunächst offensiv vorgehen resp . Russlands Defensivstellung gegenüber Deutschland sei in Folge der polnischen und lit hauischen Festungsanlagen , sowie zufolge der gröſseren natürlichen Operations
gegen welche es defensiv verbleiben will. “
hindernisse eine sehr viel bessere , als gegen Österreich. „ Insofern also der Schutz des eigenen Gebietes in Frage kommt, würde Russland gegen
Deutschland die Defensive leichter durchführen können , als Österreich gegenüber.
„ Bei seinen späteren Betrachtungen kommt der Verfasser dann
370
Umschau in der Militär - Litteratur.
bezüglich der Offensive gegen Österreich zu dem Schluſs: „ Der Invasion steht daher nur der Weg über die Nordost-Grenze von Galizien , zwischen Jaroslaw und Czernowitz offen . Von der Eisenbahn Brest Litewsk - Berdischew
als Basis ausgehend, würden die russischen Arineen bestrebt sein , die feindlichen Heere von der Festung Przemysl und der Eisenbabn Lemberg Munkacz ab gegen die südlichen Karpathen -Pässe zu werfen . Przemysł würde eingeschlossen und belagert werden müssen ... Zum Schluſs
einige Bemerkungen aus Anlaſs der Betrachtungen über eine russische Invasion in Deutschland.
Der Verfasser stellt in seinem Text wie auf dem
Kärtchen die Obra -Brüche südwestlich Posen als ein bedeutendes Bewegungs hindernis dar.
Die Brüche im Obra -Gebiet sind jedoch längst so weit
entwässert 9, daſs im wesentlichen nur die Entwässerungskanäle noch Hindernisse bilden . Wie die Schrift dazu kommt zu sagen : „der Stand
der Eisenbahnbauten bei Lodz“ ( Fabrikort südwestlich Warschau) läſst eine baldige Fertigstellung “ der Eisenbahnverbindung zur deutschen Grenze „im Bedarfsfall erwarten “ ist uns nicht erklärlich. Bisher hat Russland allen vielfach wiederbolten Versuchen von Handels- und Industrie
gesellschaften gegenüber in der Frage einer Fortsetzung der Eisenbahn linie Warschau -Lodz in der Richtung auf Posen oder auf Breslau sich 38. immer noch völlig abweisend verbalten .
Die Entwickelung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit von Mitte des 11. Jahrhunderts bis zu
den Hussitenkriegen von G. Köhler , Generalmajor z. D. u . s.w. Dritter Band, zweite Abteilung. Die Entwickelung der personellen Streitkräfte in der Ritterzeit. Breslau . Wilhelm Koebner 1889. XXXII und 368 Seiten . M .. Die fleiſsige und gründliche, von groſser Sachkenntnis und quellen kritischer Begabung ihres Verfassers zeugende Schrift des General Köhler
über die „ Entwickelung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit“ ist in militärischen Kreisen nicht sehr bekannt geworden . Sie
hat daher bis jetzi nicht diejenige Beachtung gefunden, welche sie verdient und welche wir ihr wünschen .
Der gegenwärtig vorliegende Teil bringt die Arbeit ihrem Ende nahe; der noch zu erwartende Schluſsband wird den nach Ansicht des Verfassers
wichtigsten Teil , die Entwickelung der Kriegführung , enthalten.
Die
beiden ersten Bände haben das Kriegsgeschichtliche des Zeitraumes be handelt ; in der ersten Abteilung des dritten ist die Entwickelung der materiellen Streitkräfte dargestellt .
General Köhler ist also von der sonst üblichen Reihenfolge bei An ordnung seines Stoffes abgewichen. Während gewöhnlich zuerst von den Streitkräften berichtet und dann erzählt wird, wie sie gebraucht wurden, ist hier der umgekehrte Weg eingeschlagen . Wir halten denselben nicht für den richtigen und würden dem Leser raten zunächst den 3. Band zu
studieren und sich erst nachher an die Kriegsgeschichte zu machen. Wenn
Umschau in der Militär- Litteratur.
371
man letztere verstehen will, muſs man wissen, welches die den Kämpfenden zu Gebote stehenden Streitkräfte und Streitmittel waren. Daſs die Ent
wickelung der Kriegführung, als das Ergebnis der Erzählung und der daran geknüpften Betrachtungen, zuletzt kommt, ist selbstverständlich. Übrigens bat General Köhler mit seiner Arbeit ein Gebiet betreten , welches die zünftigen Geschichtsschreiber gern allein bestellen möchten und auf dem sie den Offizier als einen unberufenen Eindringling betrachten. Wir können ihnen die Berechtigung dazu nicht einräumen und behaupten
vielmehr , daſs militärisches Verständnis für die Behandlung einer jeden kriegs- und heeresgeschichtlichen Aufgabe unerläſsliche Vorbedingung sei , möge es sich um das Zeitalter der Ballisten und Katapulten oder um das der gezogenen Geschütze und der Repetiergewehre handeln. Von den Angriffen , welche der Verfasser bei seinen Arbeiten erfahren hat , legen
die „ Vorbemerkungen “ Zeugnis ab. Um einen Begriff von dem zu geben, was der Leser zu erwarten hat, sei erwähnt, daſs der Band sich mit den „ Bestandteilen der Armee“ , „der
Armee in ihrer Zusammensetzung und Organisation “, „der Armee als Instrument der Kriegführung “ oder der niederen Taktik und mit „ Be sonderen Gebräuchen“ beschäftigt. Der Inhalt ist ein so reicher, daſs hier nicht versucht werden kann , auf denselben näher einzugehen. 14 .
Der Munitions -Ersatz im Zukunftskriege, Linz 1888, im Ver lage von E. Mareis Hofbuchhandlung. Der ungenannte Verfasser unterzieht die höchst wichtige Aufgabe des Munitions- Ersatzes sehr eingehenden Betrachtungen .
Von der Ansicht
ausgehend, daſs eine stramme Feuer-Disziplin sich nur durch Kommando feuer erreichen lasse , bezeichnet er die Salve als die einzige berechtigte Feuerart im Zukunftskriege.
Obwohl durch die Salve (Linien- wie
Schwarmsalve) die Truppe am sichersten in der Hand bleibt , so wird doch, auch nach Einführung der kleinkalibrigen Repetiergewehre, das Feuer einer Schützenlinie schon deshalb besser als Schützenfeuer wie als Salven
abgegeben, weil bei ersterem der Mann rubig zielen und den günstigen Augenblick zur Abgabe des Schusses abwarten kann , mithin dieses Feuer die Wahrscheinlichkeit der gröſseren Treffwirkung für sich hat. - Einen Unterschied zwischen Plänkler- und Schützenfeuer kennt die deutsche
Die Forderung , daſs beim Schützenfeuer im Unterschied vom Plänklerfeuer die Leute , welche nicht die Schützen
Schieſsvorschrift nicht.
schnur erworben haben , ohne einen Schuſs zu thun , unthätig liegen
bleiben , kann, in Übereinstimmung mit dem Verfasser, als eine durchaus za miſsbilligende bezeichnet werden. – Der Impuls zum Munitions zu Ersatz muſs von rückwärts nach vorne erfolgen . Nicht auf Aufforderung, sondern aus innerem Drange müssen jene Organe , welche bei den
Compagnie-Munitionswagen und den Reserve -Anstalten fungieren , die erforderliche Munition vordisponieren. Insbesondere muſs, nach jedem heftigen Kampf, nach jedem Sturm , jeder Führer von nachfolgender
Umschau in der Militär- Litteratur.
372
Munition nach vorne eilen, um seine Truppe zu erreichen . Die Patronen sollen im Patronenwagen nicht in Verschlägen , sondern in Rucksäcken
verpackt sein und jeder Munitionszuträger einen solchen erhalten. In allen diesen Punkten kann dem Verfasser zugestimmt werden .
In dem
Bestreben , den Munitions- Ersatz immer von rückwärts nach vorne erfolgen
zu lassen , kann aber nicht so weit gegangen werden , den Compagnie Munitionswagen unmittelbar in die Gefechtslinie herankommen zu lassen . Verfasser giebt dieses selbst zu , und will deshalb jedes der zur Be spannung von Compagnie -Munitionswagen verwendeten Pferde, mit auf
Packsätteln befestigten Patronensäcken , in die Gefechtslinie vorschicken können.
Dem Heranschaffen von Munition in die Gefechtslinie durch
Mannschaften, welche sich auf Befehl zu den Wagen begeben , dort gegurtete Pakete erhalten und damit zur Truppe zurückkehren , wie die
deutsche Felddienst-Ordnung ( 1887) festsetzt, muſs der Vorzug gegeben werden .
Ingleichen sind dem
vom Verfasser befürworteten Ausscheiden
der Compagnie-Munitionswagen aus den Truppen - Kolonnen und der Ein teilung derselben auf dem Marsche und am Gefechtsfelde in drei Staffeln (Gruppen ), die Bestimmungen der deutschen Felddienst -Ordnung , gemäſs welchen die Compagnie -Patronenwagen , als zur kleinen Bagage gehörig,
auf dem Marsche stets bei ihrem Truppenteile verbleiben , und bei Beginn des Gefechts eine verdeckte Aufstellung , nicht über 800 m von der fechtenden Truppe nehmen , bezüglich Einfachheit und Kriegsgemäſsheit, wohl auch in jedem Zukunftskriege , vorzuziehen . - Dem vom Verfasser am Schlusse seiner Studie ausgesprochenen Wunsche , daſs jedes Infanterie Regiment bereits in Frieden über mindestens einen Offizier verfügen >
sollte , welcher in Kenntnis des Pferde- und Bespannungswesens, der
Geschirrlehre , des Hufbeschlages u. s. w. unterrichtet wäre, kann dagegen beigetreten werden .
Sp.
Die Kriegswaffen. Eine fortlaufende , übersichtlich geordnete Zusammenstellung der gesamten Schuſswaffen, Kriegsfeuer, Hieb- und Stichwaffen und Instrumente, sowie Torpedos, Minen, Panzerungen und dergl. seit Einführung von Hinterladern .
Von Emil Capitaine und Ph . v . Hertling. II . Band ,, I. Heft - IX . Heft . Rathenow , Verlag v. Max Babenzien , 1888 . Die Kriegswaffen bilden den Teil eines gröſseren Sammelwerks, betitelt
„„ Technische Speziallitteratur“ ; dasselbe verfolgt den Zweck , die Fülle von schätzbarem Material, welches in den nach hunderttausenden zählenden
Patentschriften, wie technischen Spezialschriften enthalten ist und zumeist in die neueren Fachzeitschriften und technischen Spezialwerke nicht über
geht, in einer fortlaufenden, gedrängten und übersichtlich geordneten Zusammenstellung dem Spezialtechniker insgesamt vorzuführen . Die Herren Verfasser, beide Civil- Ingenieure, sind als Mitglieder des kaiserlichen Patentamts zur Veranstaltung eines derartigen Sammelwerks besonders gut
im Stande. Die Kriegswaffen berücksichtigen auch die sonstigen Er
Umschau in der Militär - Litteratur.
373
scheinungen des betreffenden Gebiets, welche der neueren Zeit angehören .
Sie gewähren daher einen leichten Überblick über den Entwickelungsgang der neuern Waffentechnik und ein Spiegelbild von den jeweiligen Fort schritten auf diesem Gebiet. Zeichnungen und ein gedrängter Text gehen zweckmäſsig Hand in Hand .
Unter den neuesten Erscheinungen heben wir als besonders interessant folgende hervor : Torpedo boot von Miller in Newyork, Geradezug-Verschluſs für Gewehre mit Mehrladevorrichtung von Ritter Jurnitschek von Wehrstedt in Wels, doppelt wirkender Zünder für Geschosse von Lentzen in Düssel dorf, ansteckbares Patronenmagazin für Magazingewehre von Mauser in Oberndorf, Repetiervorrichtung fürMehrladegewehre mit Cylinderverschlüssen von Dreyse in Sömmerda, Neuerungen an Torpedos von Maxim , Gewehr
Repetier - Vorrichtung mit elastischen Stofsflächen für die Patronen von Schüler in Suhl. Seltsam erscheint eine Doppelkanone mit nach entgegen gesetzten Seiten gerichteten Rohren von Krupp in Essen, durch welche der Rückstoſs beim Abfeuern ganz oder teilweise beseitigt werden soll , wobei der Schuſs des einen Robres verloren gegeben wird .
12.
Wahlstatt und sein Kadettenhaus. Zum fünfzigjährigen Stiftungsfeste des Kadettenhauses bearbeitet von Dr. Franz Lindner , Oberlehrer am Königlichen Kadetten - Corps.
Berlin 1888. E. S. Mittler & Sohn , Königliche Hofbuch handlung.
2 Mark .
„ Ein halbes Jahrhundert ist verflossen im August 1888 “ , lesen wir im Schluſsworte dieser Jubelschrift „ seitdem König Friedrich Wilhelm III.
unsre Anstalt als eine Bildungsstätte für das Heer gründete, in welcher die heranwachsende Jugend auf dem Grunde christlicher Gottesfurcht zu treuem Dienst und zu allen den Tugenden erzogen werden sollte, die einem Heere seine innere Kraft und Stärke verleihen .
Die herzlichen Wünsche,
die bei der Begründung der Anstalt ausgesprochen wurden, sind in Er
füllung gegangen . Die Huld unserer Könige hat ihr nicht gefehlt; auch ist es ihr beschieden gewesen, an ihren Leitern, Officieren und Lebrern
Männer zu besitzen, die bestrebt waren, in den Herzen ihrer Zöglinge die Liebe zum Guten , Wahren und Schönen zu pflanzen und dauernd zu be gründen, die Cadetten in der Treue gegen Gott, König und Vaterland zu erziehen. Eine Reihe trefflicher Officiere verdankt dem Wahlstätter -Hause die erste militärische Bildung ; sie gereichten und gereichen der Anstalt zur Ehre, dem Heere zur Zierde, den neuen jugendlichen Geschlechtern zum begeisternden Vorbild. “ Nicht Wenige haben ihre Treue mit einem opfermüthigen Tode auf dem Schlachtfelde besiegelt. . . . Ich meine, solche Anstalt darf schon ibre fünfzigjährige Geschichte veröffentlichen . Dieselbe wird eingeleitet durch zwei Kapitel: „ Wahlstatts Lage“ und „ Bilder aus Wahlstatts geschichtlicher Vergangenheit ;“ leider bat die Verlagshandlung keine Karte gespendet, (wie denn die deutsche Militär Literatur dauernd in kartographischer Ausstattung hinter den Veröffent
Umschau in der Militär - Litteratur,
374
lichungen aus der österreichisch - ungarischen Armee weit zurückbleibt.) Es folgt sodann in 9 Abschnitten die Geschichte des Cadettenhauses
von 1838–1888 “ . Zweifellos werden alle ehemaligen „Wahlstätter“ wie alle vormaligen Kadetten überhaupt sich an der trefflichen kleinen Schrift erfreuen . An Zöglingen des Wahlstätter Hauses sind gefallen oder in Folge der Strapazen gestorben : 1864 : drei ; 1866 : achtzehn ; 1870/71 : achtund achtzig 36 Generale sind aus Wahlstatt hervor gegangen im Laufe der Zeiten : von den jetzt noch in den höchsten Stellungen bei der Armee be findlichen seien genannt : v. Schlichting, v. Roerdansz, v. Lewinski I und II, v. Schkopp, v. Werder, v. Sobbe, v. Beczwarzowski, John v. Freyend, v. Winterfeld .
34.
Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preuſsischen Armee für 1889.
Nach dem Stande am 1. Januar 1889.
Die neue Rangliste ist dieses Mal, weil mit dem 1. Januar abschlieſsend, einen Monat später erschienen ; sie füllt einen stattlichen Band von
1000 Seiten , gegenüber 958 des Vorjahres. Auf Seite 1 werden nächst dem Allerhöchsten „Chef der Armee, Se. Majestät der Kaiser und König Wilhelm “ , aufgeführt die von einem Trauerrande umrahmten Namen Weiland Ihrer Majestäten der Kaiser und Könige Wilhelm I. und Friedrich III. nebst Angabe des Todestages.
Die 5 Armee-Inspektionen , von denen im Vorjahre nur 2 besetzt waren , sind dies nun sämtlich.
An hervorragenden Neuerungen nennen wir die zum ersten Male auf
geführten „ Corps -Bekleidungs-Ämter“ ; ferner werden, mit Ausnahme der Garde-Landwehr -Regimenter, keine Truppenteile der Landwehr mehr in der Rangliste nambaft gemacht. Die Offiziere der Provinzial-Landwehr werden , nach der Nummer des Armee- Corps, beziehungsweise der Infanterie Brigaden , waffenweise, nach beiden Aufgeboten gesondert, bei den Land wehr -Bezirken geführt. Letztere, deren zu jeder Infanterie-Brigade 4 oder 5 gehören, sind, ohne Nummer, nur nach dem Stabsquartier benannt, z. B. ,, Landwehr - Bezirk Tilsit . “66
An der Spitze der Generalität steht als Präses der Landesverteidigungs Kommission General- Feldmarschall Graf v. Moltke ; auſserdem giebt es noch 3 Feldmarschälle: Graf v. Blumenthal, Prinz Georg von Sachsen und Prinz Albrecht von Preuſsen ; ferner 1 General-Oberst von der Kavallerie, Groſs herzog von Baden, und 1 General-Oberst von der Infanterie, v. Pape.
Von den 63 Generalen hat der älteste, Herzog Adolf v. Nassau, ein Patent vom 12. Juli 1855, ist demnach schon 33 Jahre in dieser Charge;
von den 87 General-Lieutenants ist der älteste patentiert vom 4. September 1884, von den 132 General-Majors desgleichen vom 4. Dezember 1886 . Die ältesten Oberste der Infanterie, Feld- und Fuſs -Artillerie (abge sehen
von
2 Adjutanten deutscher Fürsten) sind patentiert vom
Dezember 1885, bei der Kavallerie vom April 1886 ; Der älteste Oberst lieutenant von der Infanterie hat ein Patent vom September 1886, der
375
Umschau in der Militär-Litteratur.
Fuſs - Artillerie vom November desselben Jahres, der Kavallerie und Feld Artillerie vom Januar 1887. Die ältesten Majore der Infanterie, Kavallerie und Feld-Artillerie sind ernannt im Juni , bei der Fuſs - Artillerie im August 1882, beim Ingenieur-Corps im Juni 1883, beim Train im August 1884. Die
„ Verjüngung “ der Armee im Bereich der höheren Chargen war
im abgelaufenen Jahre somit eine sehr bedeutende.
4.
III. Seewesen .
Revue maritime et Coloniale über die Angelegenheiten im Orient.
Dezember 1888.
1. Das Journal eines Offiziers der Levante - Station
während der Jahre 1839 bis 1841 von Du Pin de Saint-André, Kontre Admiral der Reserve ( Fortsetzung ). 2. Die Schifffabrt auf dem Niger nebst der Skizze eines Kanonenbootes vom Linienschiffslieutenant E. Carou.
3. Historische Studien der französischen Kriegsmarine , Actionen zur See
unter der Verwaltung Colberts. d'Estrées
De Martel
Colbert und Du Quesne Jean Jean Gabaret u. 8. W. ( Fort
D'Alméras
setzung) von Chabaud -Arnault, Fregatten - Kapitän der Reserve. ville und die Marine seiner Zeit.
4. Tour
Berichte, Briefe, Dokumente von 1642
bis 1701 (Fortsetzung ) von J. Délarbre, Staatsrat und General-Schatzmeister der Marine - Invaliden .
Januar 1889 .
1. Fortsetzung und Schluſs der
Angelegenheiten im Orient von 1839-1841 : Intervention und Thätigkeit der europäischen Flotten vom Ausbruch der Feindseligkeiten in Folge des Bombardement von Zustände in Syrien Vertrages vom 15. Juli .
Beyrouth von Kontre-Admiral der Reserve Du Pin de Saint -André. 2. Fortsetzung der historischen Studien der französischen Kriegsmarine unter der Amtsdauer Colberts vom Fregatten -Kapitän der Reserve Chaubaud Arnault. 3. Tourville und die Marine seiner Zeit u. s. w. (Fortsetzung von 1664-1667 ) von J. Délarbre .
Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens : Vol. XVI. NI . XI 1888 .
1. Die englischen Flottenmanöver 1888. (Zusammengestellt nach Berichten der „Army and Navy Gazette“ und der „ Admiralty and Horse Guards Gazette“ ).
Zur Durchführung dieser Flottenmanöver waren 22 Panzerschiffe, 19 Kreuzer verschiedener Klassen, 4 Torpedojäger und 24 Torpedoboote berangezogen worden. Diese Schiffe und Fahrzeuge waren in zwei Flotten , eine britische (Oberbefehlshaber Admiral Baird, Sammelpunkt die Rhede von Spithead) und eine feindliche (Oberbefehlshaber Admiral Tryon , Sammelpunkt Portland) eingeteilt. Die Idee, welche den auszuführenden Manövern zu Grunde lag, war
folgende: Ein Seestaat rüstet, in Erwartung eines baldigen Kriegsaus
376
Umschau in der Militär -Litteratur.
bruches mit England, in zwei stark befestigten , entfernt von einander Ehe diese aber völlig bereit sind, erfolgt die Kriegserklärung, und beide Geschwader werden von überlegenen britischen Geschwadern blockiert. Erstere suchen die Blockade zu brechen. Gelingt dieser Versuch, so war die Möglichkeit geboten , die
liegenden Häfen seiner Küste zwei Geschwader aus.
einzelnen britischen Geschwader nach einander oder das eine oder andere
mit vereinten Kräften zu schlagen ; unter allen Umständen werden sie nach vollführtem Blockadebruche dem englischen Handel den gröſstmög lichsten Schaden zufügen, wenn möglich , britische Häfen angreifen und an unbefestigten Stellen der britischen Küste Landungen ausführen. Die Aufgabe der britischen Geschwader hingegen war , die erwähnten Unter -
nehmungen des Gegners zu vereiteln. Irland sollte das feindliche Land vorstellen.
Die irischen Telegraphenlinien können daher nicht von den
britischen, die englischen nicht von den feindlichen Schiffen benützt werden ; die Stationen der Küstenwachen auf britischem Boden baben die britischen
Schiffe, jene auf irischem Boden die feindlichen Schiffe zu unterstützen. Als feindliche Kriegshäfen , in welchen die gegnerischen Geschwader stationieren sollten, wurden die Bautry - Bay im Süden, die Bucht Lough
Swilly im Norden Irlands angenommen. Britischerseits diente der Hafen von Milford als Operationsbasis des Geschwaders, welches die Bautry -Bay zu blockieren hatte, Lamlash auf der Insel Arran (Schottland) als jene des Geschwaders, welches den Feind in der Bucht Lough -Swilly blockieren sollte :
2. Die italienischen Flottenmanöver 1888.
Bericht des Vice-Admirals Acton. (Aus „ Revue du cercle militaire“) Die Flotte bestand aus drei Geschwadern mit je 4 Panzerschiffen, 14 Tor pedobooten u. s. w. Die Generalidee war etwa folgende: Zu einem Zeitpunkte tiefsten
Friedens entsteht plötzlich ein Konflikt und die Feindseligkeiten nehmen 48 Stunden nach der ersten Alarmnachricht ihren Anfang. Das Gros der italienischen Flotte befindet sich in Porto Ferraio.
Eine Division (welche nur auf dem Papier existiert) befindet sich im griechischen Archipel; sie kann daher die Enge von Messina erst 36 Stunden nach der Alarmierung durchfahren . Die Insel Sardinien stellt das feind liche Gebiet vor.
Die nationale Flotte hatte folgende Aufgaben : 1. Die Instandsetzung der Verteidigung des Golfes von Spezia zu sichern ; –- 2. das Gros des Ge schwaders behufs Verproviantierung in Spezia zu konzentrieren und zwar in geschlossener Schlachtordnung fahrend ; – 3. der Division der Levante
Instruktionen zu geben, damit sich dieselbe mit dem Geschwader von
Spezia vereinigen könne; – 4. in offener See zur Auskundschaftung und Verteidigung einen Kreuzerdienst einzurichten ; – 5. in aller Eile Kohlen , Wasser u. s. w. zu ergänzen, um möglichst rasch die Offensive zu ergreifen. Der Zweck der feindlichen Flotte war : 1. Die Instandsetzung
der Verteidigung des Goltes von Spezia zu hindern ; - 2. einen Angriff
Umschau in der Militär- Litteratur.
377
durch Überraschung auf Spezia zu versuchen ; – 3. die Levante- Division von der Vereinigung mit dem Gros der Flotte abzuhalten ; 4. die italienische Flotte zu verhindern , Spezia zu erreichen , um sich kriegsbereit auszurüsten ; - 5. kühne Handstreiche auf das italienische Küstengebiet zu versuchen, Zerstörung von Eisenbabnen u . s. w.
Revista maritima. Dezember 1888. Über die Bedeutung der Torpedos für den Seekrieg. Vortrag des Kapitän Grenfell in der englichsen R. U. S.J.
-- Subriarimer Signalapparat, G. Barlozzi. - Die Entwickelung der deutschen Kolonien und die Thätigkeit der Flotte bierbei.
( Der „ internationalen
Revue“ entnommen .) - Granaten mit brisanter Sprengladung. E. de G. Quer durch die Eisregionen Grönlands. G. M. - Januar 1889. Bewegungs. messer für Schiffe. Korvetten - Kapitän D. Bonamico. -- Der Hafen von .
Natur und Leben in Südamerika, Reise- Ein Marseilles. E. Borgatti. Schiffsbauten im Jahre 1888. C. A. drücke von Dr. G. Petella. Die Marine im englischen Parlament. A. A.
Esercito Italiano. Nr. 5 : Die Erläuterungen des Marine - Budgets für 1889, dessen Umfang schon im letzten Hefte dargestellt wurde, ent balten u. A. die Angaben über Schiffsneu- beziehungsweise Ersatzbauten . Fortsetzungsarbeiten sind : die Ausrüstung der Schiffe Re Umberto, Fiamosia , Partenope. Zahlung für das (käuflich erworbene) Schiff Piemonto ; Bau und Ausrüstung der Schlachtschiffe : Sicilia , Sardegna, Etruria , Umbria, Liguria , Lombardia, Mario Polo , Minerva , Aritusa, Urania, ferner einer Anzahl von Torpedos, Avisos, Hochsee- Torpedos u . S. W. Neubauten : 2 Schiffe erster, 6 dritter Klasse, 2 Transportschiffe u. s. w. Das Kapitel Schiffsersatzbau enthält 27 Millionen , Schiffsbau auf Grund des Gesetzes vom 30. Juni 1887 5 Millionen .
Auſser den auſserordent
lichen Bewilligungen, die sich auf 10 Millionen belaufen, sind demnach für Bauzwecke 32 Millionen verfügbar gemacht worden. Ein Aufsatz des „ Diritto “ : „ Rettet die Ehre “ klagt über den Offiziers mangel in der italienischen Marine.
Dieselbe zählt laut Rangliste per
1889 nur 507 Offiziere, braucht aber im Falle der Mobilmachung an 1200. Woher wird man die fehlenden 700 Offiziere nehmen ?
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Februar
eingegangenen Bücher. (Besprechung derselben nach Zeit und Gelegenheit ist vorbehalten .)
I. Das Invaliden -undVersorgungswesendes brandenburgisch- preuſsischen Heeres bis zum Jahre 1806. Mit Benutzung archivalischer Urkunden dar gestellt von E. Schnackenburg , Oberstlieutenant a. D.
Zum
Besten
der Hinterbliebenen gefallener Unteroffiziere und Mannschaften. Berlin . Richard Wilhelmi .
1889 .
2. Der siebenjährige Krieg nach russischer Darstellung. I. Teil . Der
Feldzug Apraxin's in Ostpreuſsen 1756--1757 von Masslowski , Oberst Jahrbücher für die Deuts ?he Armee ond Marine.
Bd . LXX ., 3
25
Umschau in der Militär -Litteratur.
378
im russischen Generalsta be. Mit Autorisation des Verfassers übersetzt und
mit Anmerkungen versehen von A. v. Drygalski. Berlin 1889. Verlag von R. Eisenschmidt.
3. Handbuch für die Unteroffiziere der Fuſs - Artillerie. Zusammen , gestellt auf Veranlassung der General-Inspektion der Fuſs - Artillerie. Berlin 1889. Verlag von R. Eisenschmidt. 4. Allgemeine Regeln für die Verwendung der drei Waffen im Gefecht. Herausgegeben vom Königlich italienischen Generalstabe. Übersetzt von v . Bruchhausen , Premierlieutenant. E. S. Mittler & Sohn. M. 1,40.
Mit vier Tafeln .
Berlin
1889 .
5. Reise S. M. Schiffes ,, Albatros “ unter Kommando des k. k. Fregatten Kapitäns A. Müldner nach Südamerika, den Kaplande und Westafrika
1885-1886. – Auf Befehl des k . k. Reichs-Kriegsministeriums, Marine Sektion, unter Zugrundelegung der Berichte der k. k. Schiffs-Kommando's
verfaſst von T. Frhrn. v. Benko, k. k. Korvetten -Kapitän. Herausgegeben von der Redaktion der Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens “. »
Mit einer orientirenden Reiseskizze. Pola. Im Kommissions - Verlage bei C. Gerold's Sohn in Wien.
1889.
Preis 7 M.
6. Leitfaden für den Veterinär- Unterricht.
Zusammengestellt für
Unteroffiziere , Unteroffiziers - Aspiranten , Einjährig -Freiwillige berittener Truppen , Trainfahrer und Wagenmeister der Infanterie von J. Bitsch , Veterinär 1. Klasse im k. b. Feld - Artillerie -Regiment „ König “. Augsburg 1889. Verlag der M. Bieger'schen Buchhandlung. 7. Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preuſsischen Armee für 1889. Mit den Anciennitäts-Listen der Generalität und der Stabsoffiziere. Nach dem Stande vom 1. Januar 1889 . Auf Befehl Sr. Majestät des
Kaisers und Königs. Redaktion : Die Königliche Geheime Kriegs-Kanzlei.
Berlin. E S. Mittler & Sohn. Preis M. 7 , cart. M. 8, geb. M. 8,50. 8. Deutschlands Einigungskriege 1884–1871. Von Wilhelm Müller , Professor. Leipzig . Verlag von R. Voigtländer. Lieferung 1 . Preis 50 Pf. Vollständig in 10 Lieferungen. 9. Unterweisung für das Verhalten des Infanteristen im Gefecht von A. v. Boguslawski , Generalmajor u. s. w. w 5. neu bearbeitete Auflage. Berlin 1889 .
E. S. Mittler & Sohn .
20 Pf.
10. Die Kontrollversammlung . Nach der Wehr- und Heerordnung vom 22. November 1888 bearbeitet von Transfeldt , Oberstlieutenant u. 8. W. 3. Auflage. Berlin 1889. E. S. Mittler & Sohn. 70 Pf. 11. Der Dienst bei den Kontrollversammlungen. Nach der Wehr- und Heerordnung vom 22. November 1888 neubearbeitet von W. v. Jahn , Oberstlieutenant u. $. W. 2. neubearbeitete Auflage. Berlin 1889. E. S. Mittler & Sohn .
70 Pf.
12. Die gesetzlichen Bestimmungen über das Militär- Versorgungswesen. Sonderabdruch aus „ Die Militärgesetze des deutschen Reiches “ heraus gegeben auf Veranlassung des Königl. Preuſs. Kriegsministeriums.
Neue
Umschan in der Militär -Litteratur.
379
Ausgabe, mit Nachträgen bis 1. Oktober 1888. Berlin 1888. E. S. Mitt ler & Sohn .
M. 7 .
13. Genossenschaft freiwilliger Krankenpflege im Kriege.
Mitteilungen
über die Begründung , bisherige Entwickelung und den gegenwärtigen Bestand der Geno -senschaft nebst Reden und Ansprachen u. s. w. Heraus gegeben von J. Wichern , Vorsteher der Genossenschaft. Berlin 1889. E. S. Mittler & Sohn .
M. 1 .
14. Geschichte des 2. Groſsherzoglich hessischen Infanterie-Regiments (Grolsherzog) Nr. 116. Mit einer Übersichtskarte und zwei Skizzen in Steindruck.
Berlin 1888.
E. S. Mittler & Sohn.
M. 1,50.
15. Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege.
Berlin.
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Jahrbücher für die
deutsche Armee und Marine. Verantwortlich geleitet von
E. Schnackenburg Oberstlieutenant a. D.
Einund siebzigster Band. April bis Juni 1889.
BERLIN .
RICHARD WILHELMI. 1889 .
Inhalts - Verzeichnis. Seite
1. Die neuen Heeresgesetze in der Türkei und ihre Wirkung auf die Wehrkraft .
.
1
II . Die italienische Schiefsvorschrift für die Infanterie vom 23. No. vember 1888 .
31
.
III. Über Mängel und Reformbestrebungen bei der russischen Kavallerie. Von A. v . Drygalski IV . Einiges über Ausbildung und Organisation unserer Feld -Artillerie V. Der Seekrieg ( Fortsetzung und Schluſs ) VI. Zur Ausbildung der Offiziere und Offizier - Aspiranten des Beur Umschau in der Militär - Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III. Seewesen
106 .
114 124
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum eingegangenen Bücher .
VIII.
84
102
laubtenstandes
VII .
45 73
15. März
Berichtigung
126 127
Nachrichten über die altfranzösische Armee aus den letzten Jahr zehnten ihres Bestehens .
128
IX . Bemerkungen zu der „ Neuen Folge “ der „ Kritischen Rückblicke auf den russisch - türkischen Krieg 1877/78 von Kuropatkin . Krah mer
X.
144 161
Zur Geschichte der Schlacht von Torgau
XI. Änderungen in der Taktik der drei Waffen nach Einführung eines Kleinkaliber-Repetiergewehres . XII . Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte. Von Petermann , Premierlieutenant im Infanterie-Regiment Nr. 120 XIII . Das neue englische Exerzier -Reglement für die Infanterie
XIV . Kavalleristische Betrachtungen IV . Die Verwendung von Schnellfeuerkanonen im Feldkriege. Von .
C. H. Egli , Artillerie -Lieutenant
163
181 194 207 211
XVI. Die russische Marine ihre Vergangenheit und ihr gegenwärtiger Zustand .
(Nach „ l'Avenir militaire
Major a. D.) .
bearbeitet von Berghaus , :
217
Seite
XVII.
Umschau in der Militär- Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III . Seewesen
221 232 238
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. April ein gegangenen Bücher . Nachrichten über die altfranzösische Armee aus den letzten Jahr zehnten ihres Bestehens. ( Schluſs ) XIX . Der Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers auf die Taktik. Nachtrag zum Artikel XX des März -Heft 1889
240
XVIII.
.
XX .
Anderes Pulver, andere Taktik
XXI. Das neue englische Exerzier -Reglement für die Infanterie.
262 266
(Fort
setzung und Schluſs) XXII . Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff XXIII.
242
Wo stammt die Artillerie her ?
273 291
304
XXIV. Geschichte der Königlich Preussischen Fahnen und Standarten seit dem Jahre 1807 .
308
XXV. Episoden aus dem Küsten kriege: Landungen und Einzelgefechte Von v. H.
312
Umschau auf militärtechnischem Gebiet
325
der Neuzeit.
XXVI.
XXVII. Das neue Eisenbahngesetz in Italien . XXVIII.
335
Umschau in der Militär - Litteratur :
I. Ausländische Zeitschriften II . Bücher III. Seewesen IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Mai ein
gegangenen Bücher .
340 347 357
359
I. Die neuen Heeresgesetze in der Türkei und ihre Wirkung auf die Wehrkraft. Nachdem die russische Presse einige Zeit lang das Märchen von einer engen Allianz des Osmanischen Reiches mit seinem Erb feinde, Russland, mit besonderer Vorliebe verbreitet , hat dieselbe
jüngst, nachdem ihr Wahngebilde zerronnen , eine ganz andere Tonart angeschlagen. Die schärfsten Kritiken des türkischen Heerwesens jagen einander ; daſs die französische Presse der russischen hierin eifrigst folgt, bedarf kaum der besonderen Erwähnung. Haupt gegenstand der Angriffe bildet die Thätigkeit der prenſsischen Offi
ziere in Konstantinopel, deren Wirken als ein durchaus verfehltes, deren Verweilen in der Türkei als nur durch » Eigen nutz « erklärlich bezeichnet wird . Dem gegenüber erscheint eine objektive Darstellung
des Wirkens der deutschen Mission in Konstantinopel für die Wehr kraft des osmanischen Reiches geboten und da dieses in der Haupt
sache seinen Ausdruck in den neuen , für die Reorganisation des türkischen Heeres grundlegenden Gesetzen findet , so werden wir uns zunächst mit diesen zu beschäftigen haben .
Man darf , will man die Regeneration der Wehrkraft des os manischen Reiches ihrer Schwierigkeit und ihrer vollen Bedeutung nach richtig auffassen, nicht übersehen, daſs die Türkei in dem
Friedensschlusse, der dem Kriege 1877/78 folgte, nicht allein einen bedeutenden Teil ihres Gebietes ein büſste, sondern daſs auch ihre Armee und ihre Finanzen total zerrüttet waren.
Noch hente leidet
die Finanzkraft des Landes , die sich ja zweifellos etwas gehoben hat , an der bedeutenden , Russland zu entrichtenden Kriegsent
schädigung. Mukhtar Pascha ghazi entwarf zwar kurze Zeit nach dem Berliner Congreſs einen Reformplan für das Heer. Dieser erwies sich jedoch sofort als zu weitrabmig und als in der Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd, LXXI ., 1 .
1
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
2
Praxis undurchführbar, in organisatorischer Beziehung schuf er dagegen Einiges von bleibendem Werte. Eine deutsche Mission wurde nach Stambul berufen , sie legte durch Kähler Pascha schon 1882 einen neuen Reformplan vor. 3 Jahre, d . h . bis zu seinem Tode, verfocht Kähler Pascha den Plan , ohne denselben jedoch in die Wirklichkeit übersetzt zu sehen .
Persönliche Ursachen und
Wirkungen , Finanzkalamität und die ununterbrochenen Unruhen auf der Balkanhalbinsel waren die Gründe für diese Erscheinung. v. d . Goltz Pascba trat Kähler's Erbschaft an .
Seiner Initiative
und der Mitarbeit der übrigen preuſsischen Offiziere wie des ein sichtigen Muzzaffer
Pascha
entstammt der neue Plan , dessen
wichtigster Teil das Rekrutierungsgesetz genaunt werden muſs, welches , nach Prüfung durch eine militärische Kommission von 8 Mitgliedern unter Vorsitz des Kriegsministers und durch den Ministerrat durch ein. Irade des Sultans am 1. März 1887 in Kraft trat.
Am 28. September folgte das Gesetz über die Redifs
(Landwehr) und die Neugliederung des Reiches in Aus hebungsbezirke entsprechend den im Kriege aufzustellenden Einheiten sowie über die Friedensvorbereitung für die Aufstellung
Damit war in organisatorischer Beziehung sowie in Bezug auf Ersatzwesen des Heeres und die Vorbereitung der Ordre de bataille für den Krieg eine neue Grundlage gelegt. Neue Be stimmungen über die Vorbereitung der Mobilmachung in decentra lisierender Richtung folgten. Gleichzeitig wurde dahin gestrebt, dem Offizier-Corps des osmanischen Heeres die nötige taktische und derselben .
strategische Vorbildung zu geben , Führer - Elemente für die niederen
und höheren Einheiten zu schaffen und die Gleichmäſsigkeit der
Schulung in den Truppenteilen der einzelnen Waffen zu sichern. Nach der einen Richtung ist besonders die durch v. d. Goltz Pascha vollzogene Umgestaltung des Generalstabs und der Militär schulen , nach der anderen die Schaffung von Lehrtruppen
aller Waffen von der höchsten Bedeutung. Seit mehr als zwei Jahren wurden auch der Landesverteidigung mit Erfolg Aufmerk samkeit und Mittel zugewendet und nach und nach dürfte auch die
Flotte modernen Ansprüchen gemäſser umgestaltet werden. Fassen wir nun den Inhalt und die Wirkung der durch die deutsche Mission zustande gekommenen Gesetze und Einrichtungen
etwas näher ins Auge. Wir werden auf diese Weise am besten zur Erkenntnis kommen, wie haltlos die Anschuldigungen der fran Presse sind . - Muſste das Hauptstreben des militärischen Gesetzgebers naturgemäſs darauf gerichtet sein , dem
zösisch - russischen
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
3
osmanischen Reiche ein an Zahl möglichst starkes Heer zu schaffen und dasselbe so kriegsbereit als angängig zu gestalten , so war andererseits darauf zu rücksichtigen , daſs die Finanzlage des Landes
eine groſse Friedenspräsenzstärke nicht erlaubte. Die vorzüglichen Soldateneigenschaften der Türken kamen dem Gesetzgeber insofern zu Hilfe, als es erfahrungsgemäſs möglich ist, das Rekrutenmaterial
in verbältnismäſsig kurzer Zeit feldverwendbar zu machen , man also ein langes Verweilen unter den Fahnen nicht zur unerläſslichen Bedingung zu machen brauchte.
Rekrutierungsgesetz vom 1. März 1887 enthält 8 Kapitel mit 120 Artikeln und setzt die fundamentalen Prinzipien über Verpflichtung zum Dienst und die Durchführung der Aus Das
hebung fest. Die Dienstpflicht ist eine allgemeine für alle Moslems,
die Bewohner von Konstantinopel einem alten Vorrechte gemäſs aus genommen . Die Dienstpflicht beginnt mit dem 1. März des Jahres, das dem vollendeten 20. des Pflichtigen folgt.. Die Dienstdauer rechnet dagegen erst von dem Tage der wirklichen Einstellung ab.
Stellvertretung ist ausgeschlossen , dagegen nach Artikel 8 die Versetzung aus der 1. in die 2. Portion der 1. Kategorie, d. h . zu denjenigen Leuten, welche die Vergünstigung einer kürzeren aktiven
Dienstdauer im Frieden genieſsen, gegen Zahlung von 50 türkischen Pfund gestattet. Ein Erlaſs des Kriegsministers wies jedoch jüngst darauf hin , daſs die Zahlung dieser Summe nur denjenigen Leuten
erlaubt werden soll , die aus wirtschaftlichen Gründen längere Zeit von Hause unabkömmlich und den Betrag ohne Schädigung ihres Vermögens aufzubringen im Stande sind. Bei der Kavallerie berechtigt das Mitbringen eines eigenen, durchaus dienstbrauchbaren und gerittenen Pferdes und die Verpflichtung, ein solches auch in der Landwehr ( Redif) dauernd bereit zu halten, gleichfalls zum Vorzuge der verkürzten aktiven Dienstdauer.
Auf diese Weise sichert man
sich zugleich einen Teil der Pferde für die Redif-Kavallerie. – Die
Wehrpflicht im engeren Sinne, – wir wählen nicht ohne Absicht diese Bezeichnung, da es dem Sultan in Fällen dringender nationaler Gefahr freisteht, die grüne Fahne des Propheten (Schandschak Scherif) zu erheben und dann wehrpflichtig ist , was überhaupt Waffen tragen kann
währt 20 Jahre, von denen 6 auf das
stehende Heer (Muassaff, wie dasselbe jetzt im Gegensatz zu der früheren Bezeichnung Nizamié, d . h. » regulär «, genannt wird) und seine Ergänzung ( Ychtiat ), 8 auf die Landwehr ( Redif) und 6 auf den Landsturm (Mustahfiz ) entfallen . Die Wehrkraft enthält also
durchweg Leute im kräftigsten Alter von 20—40 Jahren . 1*
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
4
Die in das wehrpflichtige Alter tretenden Leute, die nicht aus Rücksicht auf die Ernährung ihrer Familien im Frieden von dem
Dienste im aktiven Heere befreit sind 7, oder zur Vollendung der eigenen Ausbildung eventuell mehrere Male Aufschub (bis zum 26. Jahre) erhalten, loosen , nachdem eine ärztliche Revision sie als dienstbrauchbar bezeichnet hat. Sie bilden die 1. Kategorie ( Birindschi Kism ). Diese zerfällt nach der Loosnummer in 2 Portionen , deren
1. (Tertib ewel), die Zahl der Leute umfaſst, welche das normale, zur Erreichung der Friedenspräsenzstärke erforderliche Rekruten kontingent ausmachen , normal 2-3 Jahre unter den Fahnen ver
bleiben , dann auf 4 beziehungsweise 3 Jahre zur Disposition des stehenden Heeres beurlaubt werden, auf Befehl des Kriegsministers aber auch über 3 Jahre hinaus unter den Fahnen behalten werden
können , wenn sie der Einberufung nicht sofort gefolgt sind , oder nicht eine ausreichende Schulung erlangt haben , deren 2. (Tertib sani) die übrigen abkömmlichen Dienstpflichtigen enthält, die höhere Loosnummern zogen, nur 5—9 Monate unter den Fahnen bleiben und dann in die Heimat beurlaubt werden .
Sie nehmen an den
Übungen der 1. Portion im Beurlaubtenverhältnis teil und können deshalb als für Feldzwecke ziemlich genügend vorgebildet angesehen werden .
Der Rest der Diensttauglichen , aber vom aktiven Dienst be freiten jungen Leute bildet die 2. Kategorie (lkindschi Kism ), welche wöchentlich nur einen Tag, den Sonntag, in ihren Wohnorten beziehungsweise in deren Nähe durch aktive Offiziere und Unter offiziere ausgebildet werden und im Ganzen 5 Monate (also die Sonntage von 3 Jahren ) Übung erhalten. Diese Leute können nur im Sinne einer Ersatzreserve betrachtet werden .
Es liegt jedoch
im Plane , diese Leute bei den Stämmen des Redif (Landwehr) in Zukunft ununterbrochen 4 Monate zu schulen , während gleichzeitig die 2. Portion der 1. Kategorie zu einem vollen Jahre Dienst bei
den aktiven Truppenteilen zurückgehalten werden soll. Finanzielle Rücksichten werden hier allein bestimmend sein , wie sie auch die
Teilung der 1. Kategorie in 2 Portionen herbeigeführt baben. Wenn der Bedel, die Wehrsteuer , welchen die als Nichtmoslems, als
Familien - Ernährer oder wegen leichter Gebrechen vom Dienst Dispensierten zu zahlen haben , erst geregelt ist , dürften gröſsere Mittel zur besseren Schulung der 2. Portion und 2. Kategorie sich finden .
Nach den Ergebnissen der Rekrutierung des vorigen Jahres,
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
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die sich mit dem Kalkul des Kriegsministers ziemlich genau decken , zeigte sich folgendes Bild :
Die 1. Kategorie zählte total 65,000 Köpfe und zwar : 1. Portion (Tertib ewel ) 45,000 Mann , die normal 2-3 Jahre unter den Fahnen blieben, dann auf 4 beziehungsweise 3 Jahre zur Disposition des aktiven Heeres ( Ychtiat) beurlaubt werden .
2. Portion (Tertib sani) 20,000 Mann , die nur 5—9 Monate unter den Fahnen bleiben , dann wird die 1. Portion zur Disposition des Muassaff beurlaubt werden.
2. Kategorie (Ikindschi Kism) 30,000 Leute , die
nur
an
150 Sonntagen geschult werden.
Zusammen ergiebt dies als zu Übungen von kürzerer oder längerer Dauer pro Jahr herangezogen 95,000 Mann , von denen 65,000 bei den vorzüglichen soldatischen Eigenschaften der Türken
und wegen der Übungen , zu denen sie im Beurlaubtenstande ver pflichtet sind , als für Feldzwecke genügend geschult angesehen
werden dürfen, 30,000 den jährlichen Zuwachs zur Ersatzreserve bilden . Hier treffen wir gleich auf einen groſsen Fortschritt des neuen Gesetzes , auf den wir weiter unten noch zurückzukommen haben , den nämlich, daſs alle Diensttauglichen eine längere oder kürzere Schulung erhalten .
Die Bildung einer Ersatzreserve ist
von der gröſsten Tragweite , da man zur Sicherstellung des Füllens der Lücken nun nicht die Leute , die über den Rahmen der plan mäſsigen normalen Formationen hinaus überschieſsen , in Ersatz truppenteilen zurückzuhalten braucht, aus ihnen vielmehr überplan
mäſsige Neubildungen vornehmen kann. Die 2. Kategorie kann im Laufe einiger Wochen ihre Schulung vervollkommnen , um so mehr, wenn die Neuerung , dieselbe bei den Redif - Cadres volle 4 Monate zu schulen, erst durchgeführt ist.
Zum Zweck der Rekrutierung ist das Reich in 12 Corps bezirke (Ordu Daire), das XIII . Corps neuer Einteilung, Yemen , kommt besonderer Verhältnisse halber hierbei nicht in Betracht, eingeteilt worden , jedes derselben besitzt, unter Aufsicht des kom
mandierenden Generals , eine regionale Corpsverwaltung.
Jeder
Corpsrayon wird sowohl zu Aushebungszwecken als behufs Bildung der Cadres für die planmäſsigen Formationen der Redifs ( Landwehr) in 2 Divisionsbezirke, jeder von diesen wieder in 2 Brigade bezirke geteilt. Jeder Brigadebezirk umfaſst 2 Regiments distrikte , jeder von diesen wieder 4 Bataillonsbezirke.
Jeder
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
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Brigadebezirk hat eine eigene Oberersatz -Kommission, jeder Bataillons
bezirk eine Unterersatz-Kommission (eigentlich eine Sektion der Oberersatz-Kommission), so daſs in jedem Corpsrayon also 4 Ober und 32 Unterersatz -Kommissionen bestehen , erstere entsprechend der
Zahl der Linien-Infanterie- Regimenter, die aus dem Corpsrayon be ziehungsweise speziell aus dem Redif-Brigadeersatzbezirk ihre Rekruten erhalten , letztere entsprechend der planmäſsigen Zahl der Redif Bataillone, die von dem Corps planmäſsig aufzustellen sind. Auſser der Aushebung liegt diesen Behörden auch die Kontrolle der Leute des Beurlaubtenstandes, sowohl des Ychtiat, als Redif und Mustahfiz, und die Führung der Stammrollen ob. An der Spitze eines jeden Divisionsbezirks steht ein Ferik
( Divisionsgeneral) mit einem kleinen Stabe , jeder Brigadebezirk untersteht einem
Brigadegeneral (Liwa), dem gleichfalls ein Stab
beigegeben ist, die ungraden Regimentsbezirke haben einen Oberst (Miralai) , die graden einen Oberstlieutenant an der Spitze , beide haben einen Adjutanten und einige Schreiber. Weit reichlicher sind die Redif - Bataillonsbezirke ausgestattet, sie haben einen Major (Bimbaschi), einen Adjutanten, einen Lieutenant oder Unterlieutenant als Verwalter der Waffen-, Munitions- und Bekleidungsvorräte, einen Sergeantmajor, einige Schreiber und einen Büchsenmacher. Die Compagniecadres (in jedem Bataillonsbezirk 4) sind im Frieden schon ziemlich stark : 1 Kapitän , 2 Lieutenants, 1 Feldwebel und 4 bis 5 Unteroffiziere.
Auf diese Weise besitzt das Redif - Bataillon schon
im Frieden nahezu die Ziffer der Offiziere, deren es im Kriege bedarf. Auſserdem ist aber ein Gesetz in der Ausarbeitung begriffen, welches ein Reserve -Offizier - Corps schafft, und sollen die Muassaff
Regimenter bei der Mobilmachung je 24 Unteroffiziere an die Redifs abgeben. – Die Stäbe beziehungsweise Cadres garnisonieren in den Mobilmachungsorten, woraus schon allein zu schlieſsen ist, daſs die Ergänzung bei der Mobilmachung eine rein territoriale sein wird und muſs.
Die Kapitäns reisen monatlich einmal in das Bataillons
stabsquartier, um Instruktionen zu holen, alle 3 Monate müssen sie bei Appells sämtliche Leute des Beurlaubtenstandes in ihren Bezirken sehen . ab .
Die Bataillons - Commandenre halten jährlich einen Appell Die Leute , welche die aktiven Truppenteile, zur Disposition
beurlaubt, verlassen, haben sich spätestens innerhalb 6 Wochen bei ihren Redif - Bataillonsbezirken zu melden und dort ihre Papiere zu
deponieren. Sie dürfen sich dann innerhalb ihres Regimentsbezirks frei bewegen. Wollen sie denselben verlassen, so hat der Bataillons bezirk , d . h . die untere Ersatz -Behörde zu prüfen, ob sie genügende
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
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Garantien dafür bieten , daſs sie im Falle einer Einberufung spätestens
in 14 Tagen ihren Bataillonsbezirksort erreichen. Nötigenfalls sind die Garantien durch die Hinterlegung einer bedeutenden Geldsumme zu vergröſsern. Im Bataillonsstabsquartier sind Waffen und Be
kleidung niedergelegt, dasselbe bildet also den Mobilmachungsort. In gewissen , durch den Kriegsminister festzusetzenden Zeit räumen sind die Leute des Ychtiat (Ergänzung des Muassaff) auch
in die Bataillonsstabsquartiere zu Übungen, namentlich auch im Schieſsen , in kleineren Verbänden einzuberufen . Für die Redif- und
Mustahfiz - Bataillone sind Übungen bei den im Frieden schon be stehenden Stämmen nach den vom Kriegsminister zu erlassenden Ordres vorgeschrieben, so zwar, daſs in dem einen Jahr die ungraden, im anderen die graden Bataillone völlig kriegsmäſsig zusammen gestellt werden. Dafür war zunächst bestimmt, daſs den Leuten
Uniformen nicht ausgegeben werden sollten , diese Bestimmung ist jedoch zum Nutzen der Disziplin schon aufgehoben worden. Die Bataillone werden während der einen Monat dauernden Einbeorderung
durch den Regiments- Commandeur besichtigt und nach Ablauf der
Übung in die Heimat entlassen . Die Einbeorderungen nehmen in sofern den Charakter einer kleinen Mobilınachung an , als sowohl die Cadres als die Civilbehörden vom Kriegsminister möglichst durch
Telegraph benachrichtigt werden , die Einbeorderung der Leute sowohl als ihre Instradierung genau nach den für die Mobilmachung gegebenen Vorschriften stattfinden und von den Bataillonen be ziehungsweise aufwärts auf dem Instanzenwege an den Kriegsminister über den Verlauf genau zu berichten ist. Im Falle der Mobil machung wird durch ein Iradé des Sultans bestimmt, welche Klassen ( voraussichtlich wohl alle, wenn man einen groſsen Krieg und nicht eine kleine Unternehmung in Aussicht hat) einbeordert werden sollen .
Die Bataillone teilen dies den Civilbehörden mit und diese
senden die schon im Frieden vorbereiteten Einberufungsordres an die
einzelnen Leute. Diese stellen sich bei den Redif-Compagnien und werden von diesen unter militärischem Kommando an die Bataillons
stäbe gesendet , dort ausgerüstet und bekleidet, um dann auf dem
kürzesten Wege, wenn dem Ychtiat angehörend , zum aktiven Truppenteil zu stoſsen. Wo möglich sind für diese Leute durch die Mobilmachungspferde Fahrgelegenheiten zu schaffen, um die selben möglichst schnell ibre Truppenteile erreichen zu lassen. Die Redif- und Mustahfiz - Bataillone machen bei den Redif
Bataillonscadres völlig mobil , dann brechen sie nach dem Stabs >
quartier des Regiments auf.
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
8
Die Bezirke der Redif -Bataillone sind so bemessen , daſs sie im
Durchschnitt 7200—7400 wehrfähige und geschulte Leute im Alter von 20 bis 40 Jahren enthalten.
Die Tscherkessen und bulgarischen
Einwanderer, die eine russische Quelle jüngst erst auf 18--20.000 schätzte, sind dabei nicht einbegriffen . Die Tscherkessen formieren eigene Körper irregulärer Reiterei, die Bulgaren werden den übrigen Waffen zugeteilt und im Frieden überzählich geführt.
Für
den
Fall der Mobilmachung müssen die Bataillonsbezirke mindestens 2600- 2800 kriegsbereite und geschulte Leute liefern, nämlich : 1. Ychtiat für das aktive Heer (Muassaff) 2. Redif- Infanterie
400 Mann ,
= 1300--1600 Mann,
3. Ersatzleute für Artillerie, Jäger, Kav.
---
4. Mustahfiz zusammen
300 Mann , 600 2600-2800 Manp .
Da im Ganzen 6 X 64 = 384 Redif- Bataillonsbezirke vorhanden
sind, so würde man , abgesehen von dem stehenden Heere, den Tscherkessen und Bulgaren , im Durchschnitt über 384 X 2700 geschulter Leute, d. h . 1,035,800 verfügen . Rechnet man selbst mit sehr starken Abgängen, so bleiben einschlieſslich des stehenden Heeres, aber abgesehen von der Gendarmerie, (Zapties), immer noch über eine Million geschulter Leute, eine ungeheuere Ziffer gegen über dem was man 1877/78 auch nach Anspannung aller Kräfte ins Feld zu stellen vermochte.
Da jeder Redif- Bataillonsbezirk ein
Bataillon Redif (Landwehr) aufbringen soll , so würde man im Ganzen auf 384 Redif- Bataillone zählen können , die den Bestand der
Infanterie von 12 Armee- Corps (das Corps zu 32 Bataillonen à 600 bis 1000 Mann in 8 Regimentern) ausmachen. Dazu kommt, daſs nach dem Kalkul des Kriegsministers die stark bevölkerten Bezirke
der 4 ersten Corps, auſser den planmäſsigen je 4 noch je 2 weitere Divisionen formieren können, so daſs man in 2. Linie total auf 24 + 8 = 32 Divisionen Redif- beziehungsweise auch Mustahfir
rechnen könnte.
Hier tritt ein charakteristischer Zug des neuen
Gesetzes hervor, die Verlegung des Schwergewichts der Wehr kraft auf die Formationen 2. Linie , ein Zug, der sich in den modernen Heeren fast überall geltend macht. Das anfängliche
Bedenken des Kriegsministers gegen das Goltz'sche Rekrutierungs gesetz, die 3 Millionen Kurden würden nicht einen Mann zum Rekruten - Kontingent stellen, hat sich als übertrieben herausgestellt,
auch die meisten Albanesen sind der Einbeorderung gefolgt und auch ohne die Bewohner von Tripoli, die nicht auſserhalb ihres Landes verwendet werden sollen, kann man die nötige Ziffer von
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
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kriegsbereiten Leuten erreichen . Das Seraskeriat hat sich denn auch bald wohl eines Besseren überzeugt, ebenso wie bezüglich der Leute in den Ländern , die die eine Seite des Roten Meeres säumen und
die Corps 5, 4 und 6 alter Einteilung (Hauptorte Erzinghian, Damaskus, Bagdad) bildeten . Gerade aus jenen Gegenden ist die Zahl der Freiwilligen so groſs, daſs man im Seraskeriat für den Mobilmachungsfall auf 60,000 kurdische und tscherkessische Reiter rechnet. Neger meldeten sich so zahlreich, daſs bei der 2. Garde Division allein 2 Neger-Regimenter aus Freiwilligen formiert worden
sind. Hier dürfte auch der Platz sein, auf einige andere wichtige Neuerungen, die das Redif -Gesetz vom 28. September 1887 herbei führte, hinzuweisen, da sie bezeichnend sind für den Grundgedanken, der die Reform des türkischen Heerwesens durchzieht.
Bis zum Erlaſs
des neuen Gesetzes wurden die Redifs in 2 Kategorien geteilt, die
Redif Taali, d . h . die Leute der 4 jüngsten Redif -Jahrgänge und die Redif mykkadem , d. h . die Leute der 4 ältesten Redif-Klassen,
die im Kriege prinzipiell zuerst einbeordert werden sollten, um mit dem Nizam sogleich auszurücken. Lag schon darin ein bedeutender Miſsgriff, ein Verkennen der eigensten Natur des modernen Krieges, daſs man nicht alle Wehrpflichtigen zugleich und sofort einberief, dem Feinde so viel Kräfte als möglich gleichzeitig entgegenstellte,
so war die Ansicht, auf Grund deren der Fehler begangen wurde, noch eine weit irrigere. Man glaubte nämlich die Redif Taali, d . bh . die Leute, welche den aktiven Dienst noch nicht so lange verlassen,
als die des Redif mukkadem , als eine wichtige Reserve zurückhalten zu müssen , um sie später einzusetzen . Nicht das Brauchbarste an Redifs, sondern das weniger mehr mit der Schulung des aktiven
Heeres Vertraute wollte man also für die ersten und doch wichtigsten Entscheidungen dem Gegner entgegenstellen , eine strategische Reserve in groſsem Style behalten. Mit diesem Irrtum ist durch das neue Redif -Gesetz vom 28. September 1887 gründlich aufgeräumt, eine Teilung der Redifs in 2 Kategorien besteht nicht mehr, alle
8 Klassen werden im Momente der Mobilmachung gleichzeitig ein beordert.
Einsatz
der
Gesamtwehrkraft
schon
für
die
ersten
Schläge ist zum Grundsatz geworden. Gleichzeitig ging man mit der Neu -Einteilung des Territoriums in Redif - Bataillonsbezirke vor. Bis dahin bestanden mm 160 Redif - Bataillonsbezirke, die fast durch weg zu ausgedehnt waren , daher die Kontrole schwierig und die
Mobilmachung schleppend gestalten muſsten . Die Erhöhung der Bataillonsbezirke auf 384 half diesem Übelstand ab und die Auf
hebung der 2 Redif-Kategorien machte das Bestehen einer doppelten
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
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Kontrol- und Verwaltungsbehörde für Redif Taali und Redif mukkadem überflüssig, die Verdoppelung der Bezirke kostet also verhältnismäſsig wenig.
Aus einem Teil der früheren Bataillonsbezirke wurden
Brigadebezirke, die früheren Brigadebezirke wurden zu Divisionen , deren Zahl pro Corps, wie oben schon bemerkt, auf 4 stieg. Zugleich wurden die oben näher bezeichneten Ersatzbehörden eingesetzt, jedem
Infanterie - Regiment ein Redif- Brigadebezirk als Aushebungsorgan, die übrigen Waffen wurden auf den ganzen Corpsbezirk angewiesen . Das Bedürfnis an Rekruten bestimmt der kommandierende General,
der Kriegsminister kontroliert dasselbe. Als wichtige Zugabe trat die Bestimmung über die Übungen der Redifs im Bataillonsverbande hinzu.
Hervorzuheben bleibt dann ferner noch, daſs die Redif
Cadres wegen ihrer Verteilung auf die Ergänzungsbezirke auch die berufenen Organe für die Ausbildung der 2. Kategorie ( Ikindschi
Kism) an den Sonntagen sind. Waffen und Munition werden an die Redif-Compagnie -Stämme zu diesem Zwecke von den Bataillons Kammern ausgegeben . Dürfen wir die Vorteile der beiden von uns in ihren Grund
zügen dargestellten Gesetze , die die Türkei der deutschen Mission verdankt, zusammenfassen, so ergeben sich als für die Wehrkraft
des Reiches bochwichtige Resultate die folgenden : 1. Der Grundsatz ,
daſs alle wehrfähigen Leute eine
militärische Schulung erhalten , der Begriff Heer und » Volk in Waffen « sich also mehr decken .
2. Die Entscheidung über die Zuweisung jedes Wehr pflichtigen an die 1. oder 2. Kategorie beziehungs weise
seine
Dienstbefreiung
wird
bei der ersten
Musterung getroffen , nicht mehr wie früher erst nach vollendetem
26. Jahre , d . h . nach Ablauf der event.
Zugehörigkeit zum Muassaff beziehungsweise Y chtiat. 3. Die Einteilung des Territoriums zum Zwecke der Aushebung , der Ordre de bataille der Redifs und ihrer Mobilmachung deckt sich mit der politisch -admini strativen . Die früheren Redif-Bataillonsbezirke sind
auf mehr als die doppelte Zahl gestiegen , wodurch Aushebung und Einbeorderung vereinfacht und be beschleunigt werden . Die sorgfältig durchgeführte Organisation des Ersatzwesens, der Kontrole , die Vorbereitungen für die Mobilmachung durch die Schaffung nicht allein von Redifbehörden , sondern
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
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auch von Redifstämmen müssen den Übergang von dem Friedens- auf den Kriegsfuſs in wesentlich sicherere lenken .. Man Man hat durch die und glattere Bahnen lenkeu Stam mrollen und durch die wiederholten Apells der Leute des Beurlaubtenstand es sichere Zahlen, mit denen man rechnen kann, nicht bloſse Kalkuls, die
sich oft als trügerisch erwiesen haben . 4. In jedem Bataillonsbezirk sind selbstständige Depots für Bekleidung , Munition und Waffen vorhanden . Auch diese Dezentralisation muſs beschleunigend auf die Mobilmachung wirken .
5. Die Übungen der 2. Kategorie ( Ikindschi Kism ), d . h. für die nicht in die Muassaf- Truppenteile eingestellten
Leute (Ersatz-Reservisten) an den Sonntagen in der Nähe ihrer Wohnorte haben eine groſse Popularität erlangt , da sie dem kriegerischen Geist des Volkes entsprechen . 6. Die Ordre de bataille für den Krieg zeigt eine enge
Verschmelzung der Redifs mit den aktiven Truppen teilen , wie wir sehen werden .
Dies ist von der böchsten Be
deutung, weil den Landwehrformationen dadurch ein aktiver
Kern, damit gröſsere Festigkeit gegeben wird .
7. Die wiederholten Übungen der Redifbataillone formen aus
diesen homogene Truppenteile und bildet die Zusammenstellung derselben gleichzeitig eine kleine Mobilmachung.
Diese Neuerungen allein würden schon genügend deutlich sprechende Beweise für das Wirken und den Einfluſs der deutschen
Mission unter v. d . Goltz Paschas Leitung sein. Wir werden weiter unten deren aber noch mehr zu bieten haben .
Das numerische Ergebnis des neuen Rekrutierungs- und Redif gesetzes läſst sich , wie folgt, zusammenstellen :
Für die Muassaff - Truppen , das aktive Heer, (das nun im Frieden, ohne die Gendarmerie ( Zapties) auf 180,000 Mann ange nommen werden kann ), sind verfügbar : 1. permanenter Stamm an Offizieren und Unter offizieren für die Muassaff- Truppen
= 30,000 Köpfe,
2. 6 Jahrgänge der 2-3 Jahre dienenden Leute
der 1. Portion ( Tertib ewel ) = 6 X 45,000 = 270 000 3. 6 Jahrgänge der 5-9 Monate dienenden Leute der 2. Portion ( Tertib sani) = 6 X 20,000 = 120,000 Zus. an für Feldzwecke genügend geschulten Leuten 420,000 Mann.
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
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4. 6 Jahrgänge der 2. Kategorie (Ikindschi Kism) d. h. Ersatz reservisten 6 X 30,000 180,000 Mann. Mann . Zusammen im starken Abgängen, nach davon , Mann Maassaff 600,000 400,000 für Feld- und 150,000 für Ersatzzwecke. Für die Redifs.
1. wenn wir die beiden Portionen der 1. Kategorie, ( Biriudschi Kism) zusammenfassen, 8 Jahrgänge 8 X 65,000 Mann = 520,000, nach starken Abgängen vielleicht 480,000 Mann für Feldzwecke, 2. 8 Jahrgänge 2. Kategorie, d. h. 8 X 30,000 = 240,000, nach
starken Abgängen vielleicht 200,000 Mann für Ersatzzwecke, Summa 680,000 Mann Redif, davon 480,000 für Feld- und
200,000 für Ersatzzwecke. Hierzu würden noch die Freiwilligen, die im Muassaff ausgedient haben , und die tscherkessischen Reiter wie Bulgaren zu rechnen sein, über deren Zahl uns genaue Daten nicht zur Verfügung stehen . Für den Landsturm (Mustahfiz)
6 Klassen , würden , die beiden Portionen der 1. Kategorie zusammengefaſst, 6 X 65,000, nach starken Abgängen 300,000 Mann für Feldzwecke, -
6 Klassen 2. Kategorie = 6 X 30,000 , nach starken Abgängen 120,000 Mann für Ersatzzwecke liefern , ganz abgesehen von den Massen, die eine wirkliche levée en masse hervorbringen und deren Ergebnis zum Landsturm zu rechnen sein würden .
Rechnen wir die für Feldzwecke genügend ausgebildeten Leute Wehrkategorien zusammen , so ergeben sich = 1,200,000 Köpfe,, zu denen starke 480,000 + 320,000 =
der verschiedenen
400,000 +
Reiterformationen der Kurden und Tscherkessen sowie die bulgarischen Einwanderer zu zählen
sein
würden .
Für Ersatzzwecke stehen
470,000 Mann mit einiger Vorschulung zur Verfügung. Summa der Wehrkraft also 1,670,000, ohne Kurden, Tscherkessen und bulgarische Einwanderer. Ziehen wir zunächst nur Muassaff und
Redif für Operationszwecke in Betracht, so darf man , einschlieſslich der den Kosaken nicht unähnlichen irregulären Reitermassen und der bulgarischen Einwanderer , auf rund 960,000 Mann zählen. Wir glauben aber – und haben hierfür eine Reihe von Anzeichen ,
daſs man sofort auch den Mustahfiz aufbieten wird, für den im Frieden schon Offiziere designiert sind .
Werfen wir nun einen Blick auf die aktiven (Muassaff-) Verbände des türkischen Heers , so finden wir, daſs nach den
neuen Aufstellungen nicht nur die auf die aktiven Truppenteile der
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und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
Kriegs-Corps entfallenden Einheiten , sondern darüber hinaus auch noch zahlreiche für besondere Aufgaben vorhanden sind. Nachdem am Schlusse des Jahres 1887 die 64 Redif-Bataillone aufgelöst worden , die zum Theil wegen der Unruhen in Macedonien, zum Teil wegen des Staatsstreiches in Bulgarien -Ostrumelien auf geboten worden waren und zu der 84,000 Mann zählenden Armee
bei Adrianopel gehörten, nachdem ferner bei der 2. Garde-Division 2 Neger -Regimenter formiert worden und ein Freiwilligen -Bataillon zur Aufstellung gelangt ist, zählt die zu den Muassaffs gehörende Infanterie 280 Bataillone, von denen jedoch 7 , die Neger Regimenter und das albanesische Freiwilligen- Bataillon als Leib wache des Groſsherrn für kriegerische Zwecke kaum in Rechnung kommen dürften . Zu den 273 übrigen gehören 19 Bataillone, die als aktive Divisionen dauernd nach Tripoli entsendet sind , 9 Miliz
Bataillone für Creta und 34 Bataillone, (8 Regimenter Infanterie, 2 Jäger -Bataillone ), die mit 7 Feld- und Gebirgs- Batterien das Corps XIII ( Yemen ) bilden , welches im Kriege die Besatzung für Konstantinopel bildet, auf welches man also für die 12 aktiven Corps
nicht
zählen
kann.
Nach
Abzug
von
diesen
bleiben
216 Bataillone übrig, d. h. für jedes der 12 Corps 16 Infanterie und 2 Jäger -Bataillone, also eine starke Division. Das Bataillon besitzt im Frieden einen Stand von 400 Köpfen, im Kriege einen solchen von 800-900 ausschlieſslich der Offiziere und der Nicht
kombattanten. Hinzutritt, daſs die Bataillone in Tripoli und Rumelien einen erhöhten Friedensetat besitzen , indem dort bei letzteren die
bulgarischen Einwanderer als überzählig geführt werden.
Die not
wendige Friedenspräsenzstärke der Infanterie beläuft sich auf 274 X 400 = 109,600 Köpfe, ausschlieſslich der Offiziere, der
Neger-Regimenter und des Freiwilligen -Bataillons. Der erhöhte Etat der Truppen in Rumelien und Tripoli bringt die thatsächlich vorhandene Stärke auf 119,600 Köpfe. Das mobile Muassaff - Bataillon zu 800 Mann berechnet, würden die 274 Bataillone rund 109,600 Mann
Kompletierungsmannschaften verlangen. Wir bringen dabei nicht einmal in Rechnung, daſs Yemen nur Muassaff, nicht aber Ychtiat and Redif besitzt . Auf jedes der 274 Muassaff -Bataillone entfallen
jährlich 140 Rekruten der 1. Portion ( Tertib ewel) der 1. Kategorie. Bei der Mobilmachung stehen also für dasselbe zur Verfügung 3 Jahrgänge Muassaff, 3 Jahrgänge Ychtiat von Leuten dieser Ausbildungsklassen = 6 X 140 = 840. Auf jede Compagnie ent fallen also 210 Mann , nach 10 % Abzug 190. Von diesen Leuten =
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Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
blieben aber nur 150 für die Zuweisung an die Muassaff -Compagnie
verfügbar, einstweilen wenigstens, da man den Rest als Unteroffiziere beziehungsweise auch als Stammanschaften für die Feld -Reserve Bataillone zu verwenden beabsichtigt.
Die Ergänzung der Muassaff
Compagnie findet durch Leute des Tertib sani, d. h . der 2. , 9 Monate dienenden Portion der 1. Kategorie entnommen , von welcher, wie oben dargestellt , 20,000 - jährlich eingereibt werden ,
darunter
16,800 bei der Infanterie, der Rest bei der Feld-, Festungs- Artillerie und den Genietruppen .. Von den Bataillonen in Tripoli und Yemen abgesehen, erhalten wir pro Muassaff -Bataillon jährlich 80 Leute 2. Portion , in 6 Jahrgängen also 480, für jede Compagnie 120, nach 15 % Abzug nur 105 Mann.
50 von diesen treten zu den
Muassaff-Compagnien, die damit auf 200 Mann kommen, 220 bleiben pro Bataillon , 4 X 220 = 880 also pro Regiment übrig. Hinzutreten 16 X 40 = 640 Leute, die dem Tertib ewel angehören, aber wie oben bemerkt, nicht in die Muassaff-Compagnien eingestellt werden, sondern in dem Feld-Reserve-Bataillon aus 880 Mann der 2. und
640 der 1.Portion die Unteroffizierposten besetzen , beziehungsweise die Stämme bilden . Dies Bataillon, das in jedem Regimentsbezirk das 5. ausmacht, im Corps- Bezirk für die 4 Muassaff - Regimenter also
4 starke Bataillone ergiebt, in zwei Corps-Bezirken eine Division, in den 12 also 6 Divisionen, stöſst seinerseits wieder von 1540 Mand
seines Bestandes 540 als Ersatztruppen ab, kann aber eventuell auch durch Redifs auf 2 Bataillone gebracht werden , so daſs man im Corps- Bezirk dann mit einer Division Feld-Reserve- Truppen zu rechnen hätte.
An Leuten für Ersatzformationen fehlt es denn doch
nicht , 30,000 Mann werden jährlich in die 2. Kategorie eingereiht, in 6 Jahren also 180,000.
Offiziere des Ruhestandes und alle
Unteroffiziere bilden die Cadres, pro Bataillon rund 800 Mann, pro Regiment also 3200. Hierzu kann noch ein vorgreifend einzuberufender Jahrgang der Rekruten treten , so daſs sich pro Bataillon des Muassaff ein sehr starkes Ersatz - Bataillon aufstellen läſst. Resumieren
wir, so haben wir an Infanterie des Muassaff in jedem Corps-Bezirk eine Feld - Division zu 18 Bataillonen à 800 Mann, ohne Chargen. d . h . 14,400, 8 Bataillone Feld -Reservetruppen zu 600 Mapn = - 4800, und 4 Ersatz -Bataillone, Summa 30 Bataillone Muassaff, darunter 26 für Feldzwecke mit 19,200 Mann ohne Chargen.
Die 12 in
Frage kommenden Corps liefern also an geschulten Infanterie-Trappen des Muassaff für Feldzwecke 230,400 Mann, einschlieſslich der Chargen
und des permanenten Stamms rund 265,000. Die Ersatztruppen können auf 78,000 Köpfe veranschlagt werden .
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und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
Jeder Corps-Bezirk enthält 32 Redif - Bataillons-Distrikte.
Die
Dienstdauer im Redif währt 8 Jahre, so daſs also 8 Jahrgänge des Birindschi Kism Redif, d . h . Leute der 1. Kategorie 1. und
2. Portion . In jedem
Redif-- Brigadebezirke sind , wenn auf die
Infanterie jährlich 36,700 Leute des Tertib ewel entfallen , in 8 Jahr
gängen 8 X 140 X 4 = 4480 , nach 20 % Abgang noch 3600 solcher gut geschulten Leute vorhanden, dazu die im Frieden be stehenden Stämme und je 24 zu Unteroffizieren geeignete Leute,
die von den Muassaff-Regimentern an jedes Redif-Regiment abzu = 192 Köpfe. Hierzu treten 8 Jahrgänge geben sind = 8 X 24 = der 2. Portion, pro Regiments-- Bezirk 320 XX 8 = 2560. Total sind 6160, nach starken Abgängen also 5400, also 3600 + 2560 d . h . der Bestand
für 8 Bataillone Feld-
und
1 Bataillon Feld
Reserve - Truppen , à 600 Mann. Im Corps- Bezirk sind also 4 X 8 32 Feld- und 4 Bataillone Feld - Reserve - Truppen , Summa 36 Bataillone. In den 12 Corps- Bezirken wären also 12 X 32 = 384 Feld - Bataillone = 24 im Frieden schon vorbereitete
Redif- Divisionen an Feldtruppen und 12 X 4 = 48 Ba taillone = 3 Divisionen an Feld - Reservetruppen des Redifs zu verzeichven . Für die Redif - Ersatzformationen sind in jedem Redif-Brigadebezirk rund 3000 Leute der 2. Kategorie (Ikindschi- : Kism Redif) vorhanden , d . h . 4 Ersatz- Bataillone , pro Redif Regiment also 2 . Muassaff und Redif liefern also an Infanterie pro Corpsbezirk: 1. Feldtruppen : 18 Bataillone Muassaff , 32 Bataillone Redif =
50 Bataillone in 3 Divisionen als Infanterie des mobilen Corps 1. Linie .
2. Feldreservetruppen : 8 Bataillone Muassaff, 4 Redif = 12, d. h . eine schwache Division .
3. Ersatztruppen eventuell 16 Bataillone Muassaff, 16 Redif = 32 Bataillone. Total liefert der Corpsbezirk also 50 + 12 + 32 94 Bataillone, darunter 62 zu Feldzwecken .
Die 12 Corpsbezirke sind also im Stande 724 Bataillone Feld- und Feld - Reservetruppen aufzustellen , d . h . 36 starke und 12 schwächere Infanterie - Divisionen , beziehungsweise 12 Corps zu je 3 Divisionen und 12 Reserve-Divisionen , die man den Armeen
direkt zuweisen , oder in Corps (4) zusammenfassen ; oder aber zu Spezialzwecken , namentlich als Kern für Spezialverteidigung ver
wenden kann . Ausschlieſslich der Ersatztruppen, die man bei dem eben näher beschriebenen Verfahren auf über 250,000 Mann an
etwas vorgebildete Leute der 2. Kategorie und an Rekruten bringen
16
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
kann , würden die 12 Corpsbezirke also rund 630,000 Mann für Feldzwecke genügende Infanterietruppen einschlieſslich der Stämme zu liefern vermögen. Diese Ziffern allein sprechen deutlich genug für die auſserordentliche Steigerung, welche die Streitkräfte der Türkei durch die der Initiative der deutschen Mission entsprungenen Gesetze erfahren hat , die Vorbereitung der Mobilmachung durch
Redifstämme und Bezirke , Decentralisation der Bekleidungs- und Waffenvorräte sowie durch die Möglichkeit der Kontrolle sind dabei Beweise dafür , daſs auch die Schlagfertigkeit gewachsen ist. Russische und französische Zeitschriften werden uns vielleicht ein
werfen , es möge die Organisation auf dem Papier existieren, in der Praxis sorge das System des » laisser aller« , die vis inertiae in der
Türkei dafür, daſs sie nicht durchgeführt werde. Dem ist jedoch nicht so. Goltz Paschas Drängen und die Einsicht des Kriegsministers
einerseits, der feste Wille und die Beihilfe des Groſsherrn anderseits haben die Reserven in den Hauptteilen in die Praxis übergeführt. Wir wollen damit nicht sagen , daſs nun im türkischen Heer Alles vollkommen
sei, einige Truppenteile stehen noch nicht in ihren Corpsbezirken , ein zelne Einheiten sind auch noch , vor Allem bei den Spezialwaffen, zu formieren, aber die Hauptsache ist vollzogen, die Rekrutierungs
maschine funktioniert glatt und regelmäſsig, die Einteilung in Ersatz bezirke und die Schaffung der Redif - Behörden und Redif- Stämme ist vollendet , Kontrole und Apells finden statt , viele von den Redif- Bataillonsstäben haben auch schon brauchbare Räume für die
ihrer Verwaltung überwiesenen Bekleidungs- und Waffen vorräte
sowie die Kriegschargierung, die Muassaff- Bataillone haben im Frieden die planmäſsige Stärke . Voll und ganz kann sich der Wert des neuen Rekrutierungs- und Redif -Gesetzes natürlich erst dann zeigen, wenn der Turnus durchlaufen ist und die Praxis eine ernste Probe
verlangt. Die Mustahfiz - Truppen ( Landsturm), 6 Jahrgänge, haben wir bei unseren Berechnungen auſser Betracht gelassen.
Eine
organische Gliederung derselben ist, so viel uns bekannt geworden, bisher im Frieden noch nicht durchgeführt, wohl aber die Vor bereitung einer solchen geplant und dabei auf frühere Unteroffiziere für die Offizierstellen gerechnet. Daſs die türkischen Mustahfir Truppen höchst brauchbar sind, ist 1877/78 mehrfach hervorgetreten .
Sie können heute auf rund 650,000 Mann geschätzt werden. Ehe wir uns den übrigen Waffen zuwenden , sei noch die Einteilung des Reiches iu Corpsbezirke verzeichnet: I. Corps europäische Umgebung von Konstantinopel, II. Corps asiatische
Umgebung von Konstantinopel , III. Corps Adrianopel , IV . Corps
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
17
Saloniki, V. Corps Kossowo, VI . Corps Monastir, VII. Corps Erzerum VIII. Corps Erzinghian, IX. Corps in Syrien rekrutierend, aber an der Bahn von Saloniki gegen die serbisch -bulgarische Grenze mit dem Hauptort Kossowo gestaffelt, X. Corps Damaskus, XI . Corps Mossul, XII . Corps Bagdad. Das XIII . Corps ( Yemen ) kommt, aus den oben angeführten Gründen nur für bestimmte Zwecke , nicht für Operationen in Betracht. 8 Corps , d . h . 2/3 der Armee sind also in dem
europäischen beziehungsweise dem
asiatischen Teile
dislocirt , der für einen Krieg gegen Russland zunächst in Betracht kommt.
Die Kavallerie kann , im Frieden wenigstens, noch heute in etwas als das Schmerzenskind des türkischen aktiven (Muassaff-) Heeres bezeichnet werden .
Zu den 199 Schwadronen in 40 Regi
mentern , davon 39 zu 5 ; 1 (das als spezielle Leibwache des Sultans bestimmte Regiment Erthogrull) zu 4 Eskadrons, die am Schlusse des Jahres 1887 vorhanden waren , sind zwar unterdes noch 3 weitere
Regimenter zu 5 Schwadronen, eines im Bezirk des III . Corps (Adrianopel), eines im Bezirk des VI . Corps (Monastir) und eines im Bezirk des XIII . Corps ( Yemen ) getreten , so daſs total 214 Schwa dronen vorhanden sind, von denen jedoch nur 205 in 41 Regi mentern für Operationszwecke in Rechnung kommen . Da für die Corps 4, 5 und 6 alter Einteilung (Erzinghian, Bagdad, Damaskus) auf die Reiterformationen der Tscherkessen und Kurden gerechnet wird , welche türkische Quellen auf 60,000 Reiter beziffern , so
würden mit 41 Regimentern 9 Corps zu dotieren sein . Wiese man jedem Corps 2 Regimenter im Sinne der Divisions-Kavallerie zu , so blieben noch 23 Regimenter übrig , d . h . der Bestand für 9
4 Kavallerie- Divisionen , die auch den 4 Armeen entsprechen, welche
man im Kriege aufzustellen gedenkt.
Ob man den Kavallerie
Divisionen je 2 oder 3 reitende Batterien (von den vorhandenen 18 ) zuteilen wird , darüber hat man sich noch nicht entschieden. Plan
mäſsig würde man anf Kriegsfuſs über rund 28,000 Pferde des Muassaff verfügen. Die 5ten Schwadronen bilden entweder Ersatztruppen, oder dienen als Stämme für Redif - Formationen . Planmäſsig sollen
in jedem der 12 Corpsbezirke 3 Redif-Reiter-Regimenter zu 4 Feld und 1 Ersatz- Schwadron zur Aufstellung gelangen , total also 144 Feld-, 36 Ersatz- Schwadronen mit rund 18,800 Pferden .
An Leuten dazu
fehlt es nicht, die Beschaffung der nötigen gerittenen Pferde ist eine andere Frage. Die Maſsnahme, Leute, die eigene gute Pferde mit bringen und sich verpflichten , 8 Jahre im Redif ein brauchbares, sofort kriegstüchtiges Pferd bereit zu halten , frühzeitiger aus den Dienst Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine.
Bd. LXXI . , 1 .
2
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
18
im Muassaff zu entlassen hat allerdings schon ihre Früchte getragen. Eine Musterung, die in den Redif -Regimentsbezirken im Herbst 1888 durch einen Kavallerie - Offizier des Kriegsministeriums abgehalten wurde , ergab , daſs die sämtlichen , mit der oben genannten Ver günstigung entlassenen Leute, meist Landwirte, dienstbrauchbare Pferde besaſsen .
Goltz Pascha hat also bier wieder den richtigen In der Muassaff- Kavallerie sieht es bezüglich des
Griff gethan . Friedensetats zweifellos auch schon tröstlicher aus, als 1887, die vorgeschriebene Zahl von 620 Pferden wird aber durchweg noch
nicht erreicht.
Die Regimenter in den nördlichen Grenzbezirken
haben im Durchschnitt 550, die übrigen zum Teil nur 500 Pferde.
Ankäufe im Auslande, speziell Ungarn, die jüngst vollzogen worden
sind, werden die Durchschnittsziffer haben , im Übrigen geht sowohl des Kriegsministers wie des Generalinspekteurs der Kavallerie, Hobe Paschas, eifrigstes Bemühen dahin, die Zucht geeigneter Pferde zu heben, wozu in Ostpreuſsen eine Anzahl von Hengsten erworben worden ist. Im vorigen Herbste haben im Bezirk des III. Corps übrigens auch gröſsere Kavalleriemanöver stattgefunden, zu welcher 30 Eskadrons und 2 reitende Batterien herangezogen waren.
In der
Kavallerie bleibt ohne Frage noch Vieles zu thun, ebenso zweifellos
ist man aber auf dem richtigen Wege zu ihrer Hebung . Die Über setzung der deutschen Felddienstordnung , welcher sich Goltz Pascha gegenwärtig unterzieht , wird naturgemäſs auch für die Kavallerie
von groſsem Werte sein und sie auf ihrem strategischen Dienst vorbereiten helfen .
Die Reform der Artillerie , die pro Armee-Corps auf zwei
Regimenter kommt, war keine leichte. An Personal fehlte es nicht, wohl aber an Material nach den Verlusten des Krieges 1877/78
und gleichzeitig muſste man doch auch die Fortschritte der nenen Technik beachten, um einem Gegner ebenbürtige Waffen entgegen Man darf bebaupten , daſs diesen Rücksichten vollste zustellen .
Rechnung getragen ist. Die Türkei hat bei Krupp die umfassendsten Bestellungen nicht allein an Feld- und Gebirgs-Geschützen sondern auch an schweren Kalibern gemacht und schon abgenommen. Jedes Armee -Corps verfügt heute, nachdem beim 4. Corps ein neues Regiment formiert worden ist, über 2 Feld -Artillerie- Regimenter mit 14 bezw .
15 Batterien , für das Corps Yemen, für Kreta und Tripoli sind be sondere Batterien vorhanden, für die Redif -Formationen liegt, nach dem das Arsenal in Tophane die nötigen Munitionswagen hergestellt hat, das Material bereit. Die beiden Feld -Artillerie- Regimenter der
Armee - Corps haben , wie bemerkt , die vorgeschriebene Zahl
an !
1
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
19
Batterien erreicht, die normale Zusammensetzung aber noch nicht,
da die Gebirgs- Batterien in einem zu starken Verhältnis vertreten sind , zwei pro Corps, während jedes Corps planmäſsig nur eines enthalten soll.
In der nächsten Zeit dürfte das Verhältnis jedoch
durch Neuaufstellung von Feld - Batterien das richtige werden , 12 Feld-Batterien, darunter 6 leichte und 6 schwere (8 und 9 cm ), 1 Gebirgs-Batterie, 1-2 reitende, total 144 Feld- , 18 reitende,
12 Gebirgs - Batterien , die 14 übrigen Batterien entfallen auf Yemen und Tripoli. Für die Redifs sind für die 2. Division jedes Corps 4 Redif -Batterien planmäſsig, die 1. Division erhält Muassaff Artillerie. Das Corps zu 3 Divisionen würde also 18-19 Batterien
mit 108-114 Geschützen zählen. Wir halten es nicht für unwahr scheinlich , daſs man , um die Artillerie für die 2. Redif - Division
jedes Corps schnell zu bilden, dieselbe aus Gebirgs- Batterien formieren wird .
Darauf läſst auch die eifrige Thätigkeit im Arsenal von
Tophane schlieſsen , wo es bis jetzt gelungen ist , 36 broncene, 7,5 cm Gebirgs-Geschütze zu schaffen , die sich bei den eingehenden Versuchen als durchaus brauchbar erwiesen . In der Herstellung von Bronce - Geschützen mittleren Kalibers
kann sich
die Türkei
also als vom Auslande unabhängig ansehen. Ebenso ist es gelungen, im Arsenal von Tophane Geschosse Krupp'schen Systems herzustellen. Nur die Zünder für Shrapnels bezieht man einstweilen noch aus dem Auslande. Die billigere Beschaffung der Munition , die so
möglich geworden ist , hat ihren Einfluſs schon dahin geübt, daſs im vergangenen Jahre bei der Hälfte der Feld -Artillerie-Regimenter Schieſsübungen stattfanden . Die Feld -Artillerie zählt im Frieden 14,000 Mann und rund 9000 Pferde , ohne Offiziere, sie besitzt die meisten, in Deutschland geschulten Offiziere und hat in Ristow
Pascha einen Vertreter, der mit Energie ihr Interesse verficht. Die Festungs - Artillerie , deren Material wir bei der Be sprechung der Landesverteidigung näher beleuchten werden , soll planmäſsig 78 Compagnien in acht Regimentern von verschiedener, durch den Spezialzweck bestimmter Stärke umfassen. Die Compagnien sind jedoch heute noch verhältnismäſsig schwach , sie belaufen sich
zusammen auf nicht mehr als 6500 Mann . Unter Heranziehung der Leute des Ychtiat, der Redifs 1. Kategorie, 1. und 2. Portion
und des Mustahfiz, läſst sich die Zahl von 120 Compagnien im Kriege jedoch erreichen. Im Frieden sind die 78 Compagnien so dislociert, daſs 2 Regimenter mit 24 Compagnien die Besatzung der Konstantinopel gegen West-Nord - West schützenden Tschataldscha Linien bilden , 2 Regimenter mit 12 Compagnien die Bosporus 2*
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
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Befestigungen besetzen , 4 Regimenter mit 42 Compagnien auf die
Befestigungen der Dardanellen, der kleinasiatischen Küste, auf Epirus, Macedonien , Albanien und Creta verteilt sind .
Die Genietrappen haben die vorgeschriebene Stärke von einem Bataillon pro Armee-Corps noch nicht erreicht. Gegenwärtig bestehen, abgesehen von dem in Konstantinopel in der Formation begriffenen Eisenbahn - Bataillon zu 4 schwachen Compagnien und der Telegraphen-Sektionen jedes Armee-Corps , von denen bisher jedoch nur 6 die für Feldtelegraphenzwecke erforderliche Ausrüstung besitzen, 32 Genie-Compagnien, 1 für jedes Corps, 20 für Festungs zwecke. Im Kriege ist man im Stande pro Corps 2 Genie-Compagnien zu bilden , immer noch ein sehr geringes Ausmaſs für Corps zu 3 Divisionen .
Für jedes Corps ist ein Brückentrain vorhanden, für
die Division besitzt man solche noch nicht .
Neu ist im türkischen Heere die durch Friedenscadres
vor
bereitete Aufstellung der Trainformation. Im Frieden sind 6 Train - Bataillone zu je 4 Compagnien vorhanden , die sich im Kriege verdoppeln , so daſs dann für jede Division eine Train Compagnie gegeben ist. 10 Bataillone zu je 3 Compagnien Artillerie. Arbeiter und 6 Remonte - Compagnien vervollständigen die Organi sation des Heeres. Für Kriegszwecke kommt eventuell auch die sehr umfangreiche und durchaus militärische Polizeimacht (Zapties) in Frage. Nach einer im vorigen Jabre vollzogenen Reform zählt -
dieselbe 101 Bataillone za je 600-800 Mann und 106 Schwadronen
zu 90--100 Pferden , d. h . 60,600—80,800 Mann , 10,000 bis 1
10,600 Pferde.
Kann man dieselben natürlich auch bei weitem
nicht alle ihrem eigentlichen Dienste entziehen , so darf man doch auf einem Teil derselben für Feldverwendung rechnen und kann
eventuelle Ausfälle in der Redif -Kavallerie durch Zapties-Schwadronen abhelfen .
Hier dürfte auch , ehe wir uns dem Entwicklungsgange des türkischen Heerwesens in Bezug auf Schulung von Offizieren und Leuten zuwenden , der Platz sein , die Bewaffnung der Infanterie zu streifen . Seit man sich im Jahre 1887, nach langer Prüfung der verschiedenen Systeme , zur Einführung des Mauser -Repetier Gewehres von 9,5 mm Kaliber entschloſs und der Fabrik in Obern dorf, als erste Rate der auf das vierfache zu veranschlagenden
Bedarfssumme für die ganze türkische Infanterie und die nötige Reserve, 500.000 solcher Gewehre in Auftrag gab , in der Patronen fabrik von Konstantinopel und im Arsenal von Tophane die nötigen
Maschinen für die Herstellungder Patronen aufstellte, ist die Bewaffnung
1
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
21
der Infanterie in einem Übergangsstadium begriffen. Man besitzt im türkischen Heere, nachdem jüngst sechs weitere Lieferungen à 1300 Stück eingetroffen sind , heute ungefähr 62,000 Mauser Repetier -Gewehre, auſserdem rund 1 Million Henry-Martini und .
800,000 Remington- und Winchester-Gewehre, die Kavallerie führt Winchester Karabiner.
Das Gewehr ist eine in etwas modifizierte
Nachbildung des deutschen Gewehres M 71/84. Daſs mit der Annahme eines eine recht gute ballistische Leistung aufweisenden
Repetier -Gewehres die Türkei Russland in Bezug auf Bewaffnung der Infanterie weit vorausgeeilt ist, bedarf kaum der Versicherung. Gleichzeitig mit der Einführung des neuen Gewehres that man es auch in Bezug auf die Ausnutzung der verbesserten Waffe. Wie zur Lehrbatterie und Lehrschwadron wurden auch zum Lehrbataillon
in Konstantinopel Offiziere und Unteroffiziere aller Truppenteile der Waffe kommandiert, um dort den ganz nach preuſsischem Muster betriebenen Schiefsdienst kennen zu lernen und das Verständnis für
die neue Schieſsvorschrift und speziell auch das Gefechtsschieſsen in die Truppe zu tragen , welcher pro Mann ein gröſseres Patronen
quantum zugewiesen wurde. Daſs das Lehrbataillon, überhaupt die Lehrtruppen durch die Instruktoren , die sie heranbilden, die Garantie für die schnellere Herstellung der Gleichmäſsigkeit der Schulung in der Armee bieten , bedarf keiner besonderen Versicherung.
Auch
hier also wieder ein zweckmäſsiger Entschluſs der deutschen Mission. Hemmte nicht Geldmangel deren Wirken , so würden wir baldigst
eine Ausdehnung der Manöver, wie sie in diesem Jahre bei Adrianopel
mit höheren Verbänden gemischter Waffen stattfanden, auf die ganze Armee zu verzeichnen haben .
Da es für ein Heerwesen von der allergröſsten Tragweite ist,
daſs ihm Offiziere nicht allein in der nötigen Zahl, sondern auch mit den für den modernen Krieg erforderlichen Eigenschaften heran gebildet werden , so ist die Reform des Militär- Erziehungs und Bildungswesens, die Goltz Pascha als eine seiner Haupt aufgaben betrachtete und durchführte, ein Fortschritt von der eminentesten Bedeutung . Als Goltz Pascha in den Dienst der Pforte trat, waren im türkischen Heere etwa 23,000 Offiziere vor
Von den früheren Zöglingen der Militärschulen dienten jedoch nur 1200 im wirklichen Truppenverbande, in der Front, der Rest hatte die verschiedensten Stellen beim Generalstabe, im Kriegs handen .
ministerium , bei den Behörden und Kommandostellen inne.
Das
Gros der eigentlichen Truppen -Offiziere bis zum Major aufwärts bestand aus Leuten , die aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen
22 waren .
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
Die früheren Zöglinge der Militärschulen reichten eben aus,
die höheren Stellen zu besetzen , es konnte der Fall eintreten , daſs Generalstabs-Offiziere Truppen kommandieren würden , die bis dahin 7
gar nicht in der Front Dienst geleistet hatten . Die Goltz'sche Reform zielte deshalb dahin, die Troupiers auf ein Minimum zu beschränken , auch die Front mit den Zöglingen der Militärschulen
zu versehen und den Bildungsgrad des türkischen Offizier -Corps durchweg zu heben .
Die türkischen Militärschulen lassen sich in
drei Kategorien scheiden : Vorbereitungsschulen , Schulen für die allgemeine Heranbildung von Offizieren und Anstalten für Spezialzwecke. Sämtliche Schulen ressortieren vom Kriegs ministerium , ausgenommen die Artillerie- und Genie - Akademie, welche dem Groſsmeister der Artillerie unterstehen , besondere In
spekteure bestehen für alle Schulen . Jeder junge Muselmann hat 1
die Berechtigung , um Aufnahme in die vorbereitenden Schulen zu bitten, die Eltern zahlen nur einen sehr geringen Erziehungsbeitrag, Eine bindende Verpflichtung,
der Staat liefert auch die Lehrmittel .
1
1
die Militär-Carriere einzuschlagen , besteht für die Zöglinge der vorbereitenden Schulen nicht. Die letzteren zerfallen in die niederen
und die höheren . Von ersteren bestehen in Konstantinopel allein 8, Ein Beweis für ihre durch Ordnung,
in der übrigen Türkei 30.
Disziplin und zweckmäſsigen Unterricht sich auszeichnende Ein
richtung muſs darin gesehen werden , daſs diese militärischen Anstalten viel besuchter sind , als die Civilschulen.
Die Schüler
wohnen bei ihren Eltern, tragen aber eine bestimmte Kleidung. Die höheren Vorbereitungsschulen (mekteb idadie) , deren 13 bestehen (in Konstantinopel, Brussa, Adrianopel, Monastir, Kos
sowo , Saloniki , Damaskus, Bagdad , Erzingbian und Tripoli), umfassen 3 eventuell 4 Klassen und können nach vielen Richtungen hin mit dem deutschen Kadetten-Corps bis zur Sekunda verglichen werden. Die Lehrer und Erzieher sind Offiziere, die jungen Leute werden auch praktisch -militärisch ausgebildet. Die Schule in Konstantinopel hat durchschnittlich 250 Schüler, die übrigen je 80--120 . Das Programm der Schulen erstreckt sich meist auf die nicht rein militärischen Wissenschaften , die militärische Schulung tritt hinzu.
Den höheren Vorbereitungsschulen schlieſst sich die Kriegsschule in Konstantinopel (mekteb barbie) beziehungsweise für diejenigen jungen Leute, welche sich für die Artillerie oder die Genietruppen vorbereiten wollen, die Artillerie - Akademie an .
Die Mekteb
barbie hat zwei Sektionen, eine für Infanterie und eine für Kavallerie. Der Schule sind eine Compagnie und eine Eskadron zugewiesen . 1
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
23
Der Besuch dauert 3 Jahre, die Zöglinge müssen das militärpflichtige Alter erreicht haben und erbalten die Löhnung des Gemeinen , be
ziehungsweise später des Unteroffiziers. Die Zahl der Schüler beträgt 400 .
Jedes Jahr findet ein Examen statt.
Nach Ablauf der drei
Jahre treten die Zöglinge als Offiziere in die Armee . Artillerie -Akademie währt die Schulzeit 4 Jahre.
Bei der Das von Goltz
Pascha entworfene neue Programm für die Mekteb barbie ist dem jenigen unsererKriegsschulen nicht unähnlich, geht aber, entsprechend der längeren Dauer des Verweilens der Zöglinge in der Anstalt etwas weiter als dieses. So werden auch Sprachen (Deutsch , Russisch
und Französisch) gelehrt, der Topographie ein weiteres Feld ein geräumt und Übungen in höheren Verbänden bis zur Brigade auf wärts vorgenommen, Sicherheits- und Aufklärungsdienst geübt ; die
Schüler nehmen auſserdem an den praktischen Übungen der General stabs - Akademie teil .
Die besten Schüler der Mekteb barbie und der Artillerie
Akademie, jedoch nicht mehr als 10 % treten gleich in die General stabs -Akademie über, die Entscheidung darüber fällt die Prüfungs C
Kommission.
Auch das Programm dieser wichtigsten Bildungs
Anstalt ist durch Goltz Pascha wesentlich geändert worden. selbe hat 3 Coeten .
Die
Das Programm weist für die 1. Klasse in
theoretischer Beziehung Kriegskunst, Topographie, Feldbefestigung , Waffenlehre, Theorie des Schieſsens, Kriegsgeschichte, Dienstkenntnis, französische , russische und deutsche Sprache, höhere Mathematik ,
in praktischer Beziehung Aufnahmen, Schieſsen, taktische Übungen mit Truppenverbänden im Gelände, Felddienst auf . Im 2. Jahre werden Kriegsgeschichte , angewandte Taktik, Militärgeographie des osmanischen Reiches und der angrenzenden Länder , permanente
Befestigung, Eisenbahnbau, Organisation der fremden Armeen , Waffenlehre , höhere Mathematik , Chemie, Geologie und die oben genannten Sprachen vorgetragen und auf praktischem Gebiete taktische Aufgaben zunächst im Sinne von kleinen Generalstabs reisen, dann mit gemischten Truppenverbänden im Gelände gelöst, endlich die verschiedenen Etablissements besucht. Die Aufgaben für das 3. Jahr bilden Kriegsgeschichte nach applikatorischer Methode,
Generalstabsdienst, Festungskrieg, Geschichte der Militär - Litteratur, Eisenbahn- und Telegraphendienst, Militärbauten , Mechanik , Ver waltung und die verschiedenen Sprachen . Praktisch finden General Es ist Goltz Pascha's Verdienst, daſs dieser so hochwichtige Zweig der Ausbildung der Generalstabs - Offiziere im
stabsreisen statt .
-
osmanischen Reiche in den letzten beiden Jahren so eifrig kultiviert
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
24
worden ist .
1888 haben in drei verschiedenen Zonen des Reiches
gröſsere Generalstabsreisen stattgefunden , die wichtigste derselben war die von Goltz selbst geleitete , die von Adrianopel aus sich gegen die serbisch-bulgarische Grenze richtete. Der türkische Offizier der die Generalstabs-Akademie besucht , hat im Durchschnitt ein
sehr schnelles Fassungsvermögen und ein recht gutes Gedächtnis; was bisher an seine Ausbildung fehlte war die Praxis, welche die Initiative und den schnellen Entschluſs, sowie eine gewisse Sicherheit verleiht .
Diese Praxis ist nun in die Schulung nicht allein den
Schulen der Generalstabs -Akademie, sondern auch der wirklichen Generalstabs - Offiziere eingeführt und wird zweifellos sehr gute Früchte tragen. Denke man sich diese Initiative 1877/78 nach der ersten Schlacht von Plewna als in den Oberkommandos vorbanden, die Russen würden dann sehr schnell wohl den Weg über die Donau
zurückgefunden haben. Der Initiative des Groſsherrn und v. d. Goltz Paschas entspringt auch die mit Eifer betriebene Schaffung brauchbarer Karten. Die Karte der russisch - türkischen Grenzzonen wurde 1877 im Maſsstabe von 1 : 210,000 neu aufgenommen, von der arabischen Küste existiert
eine ganz vorzügliche Karte 1 : 100,000.
In denselben Verhältnis
werden jetzt die Grenzen Rumeliens, Griechenlands und der Türkei in Klein- Asien aufgenommen , sonst existieren österreichische Karten ( 1 : 300,000) und russische (1 : 210,000) der Türkei, die jetzt durch
türkische Offiziere in gröſserem Maſsstabe verbessert werden . In einigen Jahren kann hierin in der europäischen Türkei schon Be trächtliches geleistet sein .
Um ein brauchbares Corps von Reserve-Offizieren zu gewinnen, ist jüngst von der deutschen Mission der Vorschlag gemacht worden, eine Schule mit einjährigem Kursus zu schaffen, welche die gebildeten Elemente des Mannschaftsstandes und auch alle Unteroffiziere zu Offizieren des Beurlaubtenstandes vorbereiten soll . Es bedarf keiner
Frage, daſs man damit einen glücklichen Griff thun würde. Die 7 Mekteb- idadie-Schulen sollen jährlich 350 junge Leute an die
Kriegsschule (Mekteb barbie) in Konstantinopel liefern.
Da diese
nach besonderer Prüfung auch 150 junge Leute aufnehmen darf, die nicht die höhere Vorbereitungsschule durchlaufen haben , so würde man jährlich rund 500 neue Offiziere für das Heer gewinnen ,
die die gewünschte Vorbildung besitzen. Damit würde die Beförde rung von Troupiers zu Offizieren vollkommen für das aktive Heer ausgeschlossen, sie kommen nur als Reserve -Offizier in Betracht.
Goltz Paschas berechtigte und wohlbegründete Ziele würden also
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
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erreicht, es gelangten auch nicht mehr Offiziere in die höheren Stellen, die mit der Praxis des Truppendienstes nicht hinreichend vertraut sind.
Die Landesverteidigung hat in den letzten Jahren wirklich rapide Fortschritte gemacht. Die Verteidigung der Landeshauptstadt steht im Vordergrunde. Der Entwurf der Kommission
unter
Ristow Paschas Vorsitz umfaſst sowohl die
Verteidigung gegen einen Angriff von der Landseite wie von der Küste her.
Natürlich wird aber auch auf einen Angriff von der
Rumelischen Seite her Rücksicht genommen . Man nimmt an , daſs ein Angriff von der Landseite längs des Thales der Maritza und ihrer Zuflüsse auf Konstantinopel gehen würde und hat deshalb
hauptsächlich in der Richtung der Hauptoperationslinie Philippopel,
Adrianopel-Konstantinopel eine Reihe von Befestigungen errichtet. Adrianopel kann als vorgeschobener Posten in der Verteidigungs linie Konstantinopel angesehen werden. Adrianopel ist zu einer
Lagerfestung geworden und soll im Stande sein, 100,000 Mann aufzunehmen . Adrianopel besaſs schon früher 24 in Erde aufge führte Werke, welche die Höhen krönen, welche die Stadt um geben, das Vorgelände beherrschen und im Osten durch steile Felsen und schwer gangbare Schluchten starke Fronthindernisse besitzen .
In den letzten Jahren sind auf Ristow Paschas Veran
lassung 6 weitere in Mauerwerk mit starker Erddecke ausgeführte die Geschütze hinter Panzerschilden schützende Werke getreten ,
die jüngst vollendet und armiert wurden . Die wichtigsten dieser Werke liegen im Nordosten und Nordwesten , sie sind mit je
16 Kruppschen Geschützen von 15-35 cm Kaliber armiert, besitzen auch einige Mörser und Schnellfeuerkanonen und nehmen je ein Bataillon und 1 Compagnie Festungsartillerie auf. Die Werke sind untereinander und mit Adrianopel durch unterirdische Doppel Telegraphenlinien verbunden, gegenwärtig arbeitet man an Schmal spurbahnen , welche den Munitionsnachschub erleichtern sollen. Ristow Pascha hat jüngst die Errichtung eines starken Forts an Stelle der Redoute verlangt, welche das Gelände südlich der Eisen bahnstation und der Brücke über die Arda deckt, da hier ein schwacher Punkt des Platzes sei .
Die bei Mustafa Pascha an der Bahn und der Maritza wie ihren
Nebenflüssen , gebauten modernen Werke sichern mit ihrer vorzüg
lichen Kruppschen Armierung und den sehr starken natürlichen Hindernissen die Umgehung Adrianopels von Westen her.
Gleich
zeitig haben alle Bergpässe, die von Ostrumelien zum Einmarsch
benutzt werden könnten , Sperrforts erhalten, denen man einen
26
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
hohen Wert nicht absprechen kann, solange der Gegner nicht Brisanzgeschosse besitzt. Der Kriegsminister hielt es für äuſserst wichtig, den Gegner zu hindern Adrianopel von irgend einer Seite zu umgehen und liegen zu lassen . Daber auch die Bedeutung, die man Kirk -Kilissa zuschreibt und die starke Besatzung, die man dort untergebracht hat. Die geographische Lage des Ortes weist darauf hin, Kirk -Kilissa als Stützpunkt des rechten Flügels der Stellungvon Adra nopel zu betrachten. Kirk-Kilissa ist sowohl mit Adrianopel als mit
Konstantinopel durch eine gute Fahrstraſse verbunden , bliebe es ohne starke Befestigung und Besatzung, so könnte ein in Burgas landender Gegner über Kirk-Kilissa direkt auf die Verbindung von Adrianopel mit
Konstantinopel durchstoſsen, Adrianopel verlöre dann seinen Wert als Festung und als Deckung der Konzentration der Armee. Daher der Wert, den man auf Kirk - Kilissa legt, daher die Verstärkung dieses Ortes durch eine Reihe modern konstruierter und modern
bewaffneter Werke, daher die Errichtung von Zwischenwerken zwischen Kirk-Kilissa und Adrianopel, die im Charakter der Feldbefestigung
gehalten sind. Kirk-Kilissa-Adrianopel soll eine Verteidigungslinie gegen jeden Einbruch aus Rumelien bilden. Als zweite Linie, gewissermassen als Zwischenposition zwischen Kirk - Kilissa and
Adrianopel , kommt diejenige von Visa und Malgara in Betracht, die gleichfalls mit Feldwerken versehen ist. Ristow Pascba hat mit besonderem Nachdruck auch die Neu
befestigung der Tschataldscha-Linien betont, seine Pläne sind heute in der Hauptsache als durchgeführt zu betrachten. Die 27 km lange Linie vom Derkos -See bis zur Bai von Bcjuk- Tschekmetsche starrt heute von einer dichten Linie von Werken , die das Vorgelände durch Etagenfeuer bestreichen, in erster Reihe Schützengräben mit
sehr ausreichenden Deckungen und Unterständen, in 2. Geschütz einschnitte für Feldgeschütze, deren allein 360 den Tschataldscha Linien zugeteilt sind, in der 3. Forts zum Teil in Mauerwerk und Batterien in Erde, die schwere Kruppsche Kanonen 12 cm , 21 cm, 15 und 20 cm Mörser, 34 und 35,5 cm besitzen .
Schlüssel der
Stellung scheint der Schnittpunkt der Bahn von Adrianopel und der Straſse von Kirk - Kilissa zu sein, um diesen finden wir Gruppen
von Werken mit stärkerem Profil und zum Teil mit Panzerschilden. Die Zahl der schweren Geschütze auf den Tschataldja-Linien kann zu 320 angenommen werden . Auch auf dem rechten Flügel, beim
Derkos- See sind die Werke gebäufter und flankieren einander.
Im
Rücken der Stellung beginnt bei der Station Hadem-Kioi der Bahn von Adrianopel ein Schienenstrang, der hinter der ganzen Position
27
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
fortläuft. Die letzte Verteidigungsstellung von Konstantinopel bildet die 38 Forts zählende Linie Makrikioi-Xilia, die früher veraltete Werke und veralteten Geschütze enthielt, jetzt aber moderne Forts und über 100 Kruppsche Kanonen schweren Kalibers besitzt. Die Ziffer der Geschütze in den Tschataldscha- Linien und der Position
Makrikivi- Kilia kann total auf 800 angenommen werden , darunter 440 schwere Kalibers Kruppscher Provenienz.
Konstantinopel selbst
hat keine Festungs-Enceinte erhalten , wohl aber einige Batterien. Am Bosporus sind nahezu sämtliche Werke moderner Forderungen entsprechend umgestaltet worden . Bosporus und Dardanellen haben
auch besonders das Interesse des Groſsherrn gewonnen , der an den Sitzungen der Kommissionen Teil genommen hat. Den Eingang vom Schwarzen Meere her schützen 4 starke Batterien mit Kroppschen 40 cm Geschützen , durch Panzer gedeckt , bei Rumili Feneri ,
Anadoli Feneri , Papass und Poiruss Liman die hohen Forts bei
Therapia sind abgetragen, eine Reihe von andern Forts desgleichen. Die Enge des Bosporus vermag heute aus niederen , zum Teil ge panzerten Batterien rund 300 schwere Kruppsche Küstengeschütze gegen
en feindlichen Durchbruchsversuch zu richten,
Torpedo
sperren und zahlreiche Torpedoboote vollenden den Abschluſs. Ähnlich ist man bei den Dardanellen vorgegangen, auch hier wurde
das noch Brauchbare der alten Befestigungen modernen · Ansprüchen gemäſs verwendet .
An der Dardanellen - Mündung hat auf der
europäischen Seite das alte Fort Sedul Bahr mit 12 Kanonen durch eine
Batterie mit 11 Kruppschen 21 , 26 und 28 cm Geschützen eine sehr kräftige Flankierung erhalten ; 13 km von der engsten Stelle wurde ein neues Fort hergestellt, das 24 Krupp - Kanonen verschiedenen Kalibers, darunter 4-46 cm in Panzertürmen erhielt. 2 km von diesem
Fort liegt auf den Teke-Höhen eine Batterie mit 6 Kruppschen 28 cm Mörsern, bestimmt, gegen das Panzerdeck von Kriegsschiffen zu wirken, und ganz nahe bei ihr finden wir 3 weitere Batterien
mit je 4 Kruppschen 28 cm Geschützen . Zu derselben Gruppe von Werken gebört auch das alte, abgetragene Fort Kilid Bahr, das eine Küstengeschütz- und eine Mörserbatterie erhielt.
Weiter sind
Fort Derman - Burnum - Kalé (8 Kruppsche Küstengeschütze) , ein altes Fort und eine neue Batterie mit je 4 Krupps, die Batterie Maitos (4 Krupps ), die Batterie Kelia- Teke (6 Krupps), je eine Batterie (zu 4 Krupps) zu beiden Seiten des alten Forts Boghali Kalé zu nennen .
Auf der europäischen Seite der Dardanellen sind also im Ganzen 12 neue Forts und Batterien entstanden, zu deren
Armierung 106 Krupp -Geschütze und Mörser verschiedener Kaliber
28
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei
verwendet wurden .
Hierzu sind noch die neuen 5 Redouten
und
Batterien am Golf von Saros zu rechnen , die zusammen 30, 28 und 40 cm Geschütze erhielten, sowie die Anlagen bei Galipoli, 3 Reihen von Werken mit 102 Kruppgeschützen .
Auf der asiatischen Seite sind am Eingange der Engen 1 Batterie zu 10 Kruppschen 40 cm, in der Nähe des Dorfes Kanak -Kalessi 4 Batterien und bedeutende Vorräte an Munition und Lebensmitteln ,
2 groſse Batterien (Hamidie und Sultanich je 12 Kruppsche 28 cm ) auf beiden Ufern des Rhodius, eine Batterie zu 4 Krupp- und 8 ältere Bronce - Kanonen, das Fort Medjidie mit 16 Krupp 28 cm
fertig gestellt. 2 weitere Batterien , jede zu 4 Kanonen und ein Fort z11 12 Krupp 28 cm sind noch im Bau , dürften aber in 2 Monaten vollendet sein , die Geschütze liegen schon bereit. Sämtliche Forts und Batterien der beiden Ufer sind durch Telegraphen
mit einander verbunden , Kanak - Kalessi auf der asiatischen und
Namasie auf der europäischen Seite haben Verbindung durch ein unterseeisches Kabel .
Auf der Rückseite aller Forts der beiden
Seiten laufen sehr gute Straſsen , deren eine Seite eine Schmalspur bahn trägt. Die Fürsorge Ristow Paschas und des Kriegsministeriums wie des Groſsherrn für die hoch wichtigen Engen kann kaum deutlicher Ausdruck gewinnen . Die befestigten Linien von Bulair sind erst im Bau begriffen, am Golfe von Ismidt sind 3 Batterien à 6 Kruppsche 28 cm errichtet worden .
Seit der Grenzverschiebung, die durch die Bestimmungen des Berliner Kongresses eingetreten ist , hat Erzerum eine besondere Bedeutung als Stützpunkt gegen eine russische Invasion nach Kleinasien am Schwarzen Meere oder von Kars her genommen.
Der
gestiegenen Bedeutung entspricht aber auch die Verbesserung der Werke bei
Erzerum .
Am Schlusse des Jahres 1887
10 Forts des Platzes vollendet.
waren
die
Sie krönen die Höhen , welche die
Stadt in der Entfernung von 1 /2-3 Stunden umschlieſsen . 5 Forts
beherrschen den hauptsächlichsten Zugang zum Thal von Erzerum , die groſsartige Enge von Deve- Boina.
Jedes Fortintervall besitzt
schon im Frieden 3 permanente Zwischen batterien und ausgedehnt Anschluſsbatterien, in den 5 wichtigsten Forts finden wir je sechs schwere Geschütze in Panzerkuppeln, Kasematten und Unterstände sind in sehr starken Wölbungen gehalten, man denkt jetzt daran
auch eine Plattendecke auf dem Erdbewurf anzubringen . Die Kasematten der Forts sind sehr geräumig, in zweien fehlt aber das Wasser, dasselbe muſs durch eine Leitung beschafft werden .
Eine
Enceinte mit 6 vorgeschobenen , auf den Höhen zwischen der
und ihre Wirkung auf die Wehrkraft.
29
Enceinte und den vorgeschobenen Forts liegenden Werken umschlieſst die Stadt selbst, sie verfügt über 120 Kruppsche und Schnellfeuer
geschütze, enthält groſse Kasernen und Vorräte für eine längere Belagerung und kann 50,000 Mann Garnison aufnehmen . Erzerum ist ein Waffenplatz ersten Ranges. Einige Worte über die Eisenbahnen mögen folgen . Nachdem der Bau der anatolischen
Bahnen Ismidt- Angora beschlossen , die Verlängerung der Rumpfbahn Smyrna - Seruj- Riss bis Gontsche Ali , Ak Khan, Bodjali und Schamli beendet und die Eröffnung dieser Anschluſsstrecke erfolgt ist, hat
man 2 Projekte genehmigt, von denen das erstere eine strategische Bedeutung gewinnt, das letztere, ob zwar für Truppentransporte ebenso wichtig, mehr Interesse für die direkte Handelsverbindung Europas mit Klein- Asien hat; 1 ) Anschluſsbahn an die Linie Ueskup
Saloniki bei Gradjko über Monastir bis Serfidje an der griechischen Grenze. 2) Anschluſsbahn an die rumelische Linie bei Uzunköprii über Keschan, Twirdji Kadikioi (am Saros -Golf) über die Landzungen von Bulair über Golipoli nach Kilid Bahr (Dardanellen -Festung ). Von hier sollen Dampffähren bis Sultan Kaleh führen, die Linie dann Balikesri passieren und bei Kassaba Anschluſs an die Smyrna - Bahn finden . Das kleinasiatische Bahnnetz, das jetzt in Betrieb ist, hat 598 km Ausdehnung und umfaſst die Linien : 1. Skutari- Ismidt 92 km, 2. Madani - Brussa 38 km ; 3. Smyrna
Alakscher 169 km, 4. Smyrna- Aidin - Sarykioi 232 km, 5. Mersina
Adana 67 km. Die Ausführung des von der türkischen Regierung genehmigten Planes einer Bahn von Ismidt am Marmara -Meer, das mit Scutari schon durch Babn verbunden ist, bis nach Busia am Persischen Golf, würde nicht nur einen ununterbrochenen Schienen
weg vom Mittelmeer zum Persischen Golf schaffen, sondern auch die wichtigsten Städte der asiatischen Türkei mit einander verbinden.
Die wichtigsten Punkte der projektierten Linie sind : Sogud, Eski Schehr, Sivrihissar - Angora, Kaisarie, Diabrekir, Mardin, Nesibin, Bagdad.
In der Nähe von Angora tritt sie in das Thal des
Kisil- Irmak , tritt in die Sciarkista -Schlucht ein , durchquert sie und gelangt in das obere Euphrat- Thal, folgt demselben bis zum
Skirmer-Paſs, tritt in das Tigris-Thal ein bei Diarbekir, biegt dann auf Mardin und Bagdad zurück .
Bei Eski Schehr zweigt sich von
dieser Linie eine andere über Kiutahija, Kara-Hissar, Konia, Mirasch , Aintab, biegt auf Aleppo und Damaskus ab und endet bei Haifa am Mittelmeer.
Diese verbindet das Centrum von Anatolien mit
Syrien. Von Aintab in Syrien geht über Urfa nach Diarbekir eine der Nähe des Verbindungsbahn der beiden wichtigsten. In der
Die neuen Heeresgesetze in der Türkei u. s. w.
30
Sciarkista - Passes biegt eine Strecke auf Sivas ab, zerteilt sich dort auf Erzerum und Amasia - Port Samsum .
Der Hafen Alessandretta
wird durch eine Zweigbahn mit der 2. der Hauptlinie verbunden. Das Projekt würde 7800 km Schienenstränge umfassen . Die Bedeutung der Bahnen für die Konzentration der asiatischen Truppen sowohl an den europäischen Grenzen der Türkei als gegen den Kaukasus liegt auf der Hand. Im Frieden dienen sie der Versammlung
gröſserer Truppenmassen zu Übungszwecken. Von einer Ausnätzung der Bahnen in dem groſsartigen Netze wie bei den europäischen Groſsmächten zu Zwecken der Mobilmachung ist heute im osmanischen Reiche noch nicht möglich, das Netz ist dazu noch zu weitmaschig. Die türkische Flotte ist nach den Verlusten im Kriege 1877/78
lange in eine Lethargie versunken gewesen. Diese ist nunmehr seit einigen Jahren gewichen , in der Flotte geschieht, wasdie allerdings nicht erlauben. Die Panzerfregatte Hamidie ist seebereit, ein Kreuzer neuesten Typus desgleichen, 2 von derAdmiralität selbst gebaute Kreuzer, mit Lokomotivmaschinen haben ihre Proben bestanden, das für Scutari
bestimmte Kanonenboot Boyana ist im Oktober dorthin abgegangen,
ein von Whitchead gebauter Torpedokreuzer ist abgenommen worden, der Türkei selbst gebautes Torpedoboot desgleichen, die Germania -Werft liefert 3 Torpedokreuzer und 9 Torpedoboote, ein in
15 Germania, 8 Schichau-, 1 Touloner, 1 in Konstantinopel gebautes Torpedoboot, 4 Nordenfelt - submarine Boote sind auſserdem in den
letzten Jahren erworben beziehungsweise gebaut worden, 1 Torpedo bootsjäger, der 21 Knoten laufen soll und ein weiterer des englischen Ingenieurs John Isaac sind in Konstantinopel auf der Werft, ein klarer Beweis dafür, daſs geleistet wird, was die Mittel erlauben, auch ist ein Ratcliff - Ofen zur Herstellung von Panzerplatten auf gestellt worden .
An Bauthätigkeit und Eifer ist also kein Mangel.
Leider ist ein Teil der türkischen Panzerschiffe als veraltet zu be
trachten und erlauben die Mittel nicht , eine groſse Zahl von Schiffen in Dienst zu stellen und Seemanöver abzuhalten . Letzterer Umstand veranlaſst eine russische Fachschrift auf den Schweizer
Admiral im Pariser Leben hinzuweisen , der da singt : » Je suis amiral
mais
mais
Je ne m'embarque j'amais. « Am Wollen liegt es freilich in der Türkei nicht, es steht zu hoffen, daſs der einsichtige Marine-Minister und der deutsche Einfluſs in der Flotte auch hier wohlthätig wirken werden , wie dies in Bezug auf den Aufschwung der Torpedowaffen schon geschehen ist. Die Neuordnung der türkischen Wehrkraft, die neben der
Die italienische Schiefsvorschrift u . 8. W.
31
Einsicht des Groſsherrn und des Kriegsministers zum
groſsen
Teile der Thätigkeit der deutschen Mission zu verdanken ist, zieht,
wenn wir resumieren dürfen , die Wehrfähigen in nahezu ihrer ganzen Zahl zur Schulung heran , ohne die Finanzen zu sehr zu beschweren, verstärkt das Feldheer numerisch bedeutend, schafft ihm ein aus
reichendes militärisch geschultes, der > unité d'origine« näher kommendes Offizier-Corps und praktisch vorgebildeter Führer , be reitet die Kriegsformation im Frieden eingehender vor, erhöht durch Gliederung nach Redifstämmen, durch Decentralisation, durch zahl reichere Übungen und dauernde Kontrolle die Schnelligkeit der Mobilmachung und auch die Schulung der Redifs, giebt der ganzen Armee eine brauchbare, der russischen überlegene Waffe in die Hand , vermischt die Muassaff und Rediftruppen enger mit einander, nutzt
die militärische Leistungsfähigkeit des Landes mehr aus, stellt den r'assischen Reitermassen gröſsere, als früher gegenüber, beginnt die gröſsere Ausbreitung des Bahnnetzes
kurz schafft eine Groſs
machtarmee im modernen Sinne. Eine bessere Widerlegung der Beschuldigungen , welche die russische und französische Presse
gegen die deutsche Mission und die türkische Heeresverwaltung Rh .
erhoben , kann wohl kaum gefunden werden .
II. Die italienische Schieſsvorschrift für die Infanterie vom 23. November 1888.. Die Einführung des Magazin-Gewehrs System Vitali hatte in Italien längst vielfache Abänderungen der Schieſsvorschrift für die Infanterie vom 2. März 1885 erforderlich gemacht. Nunmehr liegt eine neue Schieſsvorschrift
vom
23. November
1888
vor,
welche diese Abänderungen einheitlich zusammenfaſst, gleichzeitig aber auch einen weiteren Schritt auf dem Wege thut, den die erstgenannte Vorschrift einschlug: Die Einzelausbildung wird zu Gunsten des Abteilungsfeuers verkürzt ; dem Präcisions schieſsen wird ein geringerer Wert beigelegt als dem Massenfeuer .
Wenn wir im Nachstehenden wiederholt unsere Schiefsvorschrift
Die italienische Schieſsvorschrift
32
zum Vergleich heranziehen und hauptsächlich die Verschieden heiten der beiden Vorschriften hervorheben , so rechtfertigt sich 1
das wohl von selbst.
In der Stoffeinteilung sind die alte und neue italienische Schiefsvorschrift einander sehr ähnlich ; die Abbildungen der Anschlags
stellungen , sowie der Geräte sind in der neuen in Fortfall gekommen. Die ersten 6 Nummern der Einleitung der neuen Vorschrift lauten wörtlich : 1. Die Schiefsvorschrift für die Infanterie besteht aus vier
Teilen : I. Teil Ausbildung im (scuola di) Zielen ; II. Teil Ausbildung im Entfernungsschätzen ; III . Teil Ausbildung im Schieſsen nach
der Scheibe ; IV. Teil Feuerleitung im Gefecht. 2.
Alle Offiziere der Infanterie müssen mit dem Inhalt der Die Subaltern - Offiziere schieſsen
vier Teile völlig vertraut sein.
alljährlich einige Übungen nach der Scheibe durch. 3. Die Unteroffiziere (graduati) und die Gemeinen müssen aus den drei ersten Teilen der Vorschrift Alles kennen und verstehen,
was sie angeht. Alljährlich wird den Unteroffizieren in besonderen Schulen oder Vorträgen dasjenige aus dem IV . Teil mitgeteilt, was
zur Anwendung der Regeln über die Feuerleitung bei kleinen Abteilungen erforderlich ist. 4. Die Unterweisung der Unteroffiziere und Gemeinen über den Inhalt der vier Teile der Vorschrift erfolgt nach den Bestimmungen
der Reglements für die Ausbildung und den juneren Dienst der
Infanterie , sofern nicht im Nachfolgenden Abänderungen fest gesetzt sind.
5. Es schieſsen überhaupt nicht mit : Die Handwerksmeister, die etatsmäſsen Musiker und die Marketender.
Ferner werden von
jährlichen Übungen befreit: Die Burschen ohne Waffen , die zu besonderen Dienstleistungen verwandten Leute , sofern sie Uniform
ohne Waffen tragen , und endlich alle abkommandierten Lente, sofern
sich an ihrem Aufenthaltsorte keine Abteilung ihres Truppenteils befindet.
Kein Soldat darf zu besonderen Dienstleistungen , bei
denen er keine Waffe trägt kommandiert werden , wenn er nicht wenigstens einmal das Einzelschieſsen und das Prüfungsschieſsen durchgeschossen hat. 6. Bevor das Schieſsen nach der Scheibe beginnt , muſs der Rekrut die Zielschule durchgemacht haben . Die Ausbildung im
Entfernungsschätzen kann vor oder während des Einzelschieſsens stattfinden, muſs jedoch beendet sein , bevor die Compagnien mit dem Gefechtsschieſsen beginnen.
für die Infanterie vom 23. November 1888.
33
I. Ausbildung im Zielen . Bei der Ausbildung im
Zielen lernt der Soldat die Visierlinie
ins Ziel bringen, gewandt und genau in allen Körperlagen , in denen er schieſsen kann , zielen ; seine Waffe laden und abfeuern ; das Visier gebrauchen und die Störungen beseitigen, die sich beim Laden und Abfeuern zeigen könnten . «
In diesem Satze ist die Disposition
für den ganzen Abschnitt gegeben. Wir bemerken vorweg , daſs ebenso wie bei uns, der Soldat nicht abdrücken soll , wenn er nicht eine Exerzier -Patrone eingeladen hat.
An Zielmaterial kommen zur Anwendung: der Auflegebock mit Sandsack sowie ein Auflegegestell in derselben Weise wie bei uns ; ferner eine besondere Zielscheibe: ein weiſs überzogenes Stück Pappe oder dergl. mit einem schwarzen Ring in der Mitte.
Im Übrigen ist der Ausbildungsgang dem bei uns üblichen ähnlich ; die beiden Schieſsvorschriften unterscheiden sich jedoch sehr wesentlich darin , daſs die unsere mehr allgemeine Anhalts
punkte giebt, während die italienische ins Einzelne geht und mehr
präcisiert. Ein Belag für unsere Auffassung : während beim Ein nehmen des Anschlages unser Infanterist den rechten Fuſs etwa einen halben Schritt « in der durch die Wendung neugenommenen
Front fortsetzt, soll beim italienischen der rechte Fuſs 25 cm rück wärts und 25 cm seitwärts gestellt werden , unbekümmert um die Gröſse des Mannes .
Es ist sodann ganz genau vorgeschrieben, wie der Ausbildende hat. Einen Spielraum zur Erreichung seines Ziels
zu verfahren
läſst ihm die Vorschrift nicht. In strenger Methodik schreitet sie von den ersten Zielübungen am Bock bis zu den viergliedrigen Salven (bei uns im Exerzier-Reglement aufgenommen ) vor. Indessen
ist die viergliedrige Salve noch nicht die letzte Übung der Ziel schule : abweichend von unserem
Brauch verfeuert der Mann auf
50 m zwei scharfe Patronen nach der Schulscheibe, bevor er in die eigentliche Schieſsübung tritt. Das geschieht aber nur einmal im Jahre und zwar für die Rekruten .
An weiteren Verschiedenheiten haben wir zu vermerken : Bei
uns ist es gestattet , beim Zielen das linke Auge offen zu halten ; -- Eine Anschlagsart : » liegend mit senkrechter
in Italien nicht .
Unterstützung « führt unsere Schiefsvorschrift nicht auf; ähnlich ist
freilich der Anschlag hinter dünnen Bäumen . - Der Ausbildung im » Schnellzielen «, wobei von dem vorschriftsmäſsigen Anschlag abzusehen bleibt, ist in Italien ein besonderer Paragraph gewidmet. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine.
Bd. LXXI., 1.
3
34
Die italienische Schiefsvorschrift
Vorübungen mit Platzpatronen finden nur einmal im Jahre und zwar für die Rekruten statt.
Einzelgefechtsschieſsen kennt die italienische Schieſs
Was darüber gesagt wird , hat in einem Paragraphen der Zielschule : » Regeln für das Zielen beim Einzel vorschrift nicht.
schieſsen « Aufnahme gefunden .
Der als Posten oder Patrouille mit dem Gegner in Berührung
kommende Mann soll : a) auf Gruppen feindlicher Lente oder Reiter nur bis zu 350 m feuern ; b ) auf einzelne Leute oder Reiter nur bis zu 200 m ; c) des Nachts, auſser wenn er einen Meldeschuſs abgiebt , nur auf 10—20 m , einerlei ob der Gegner in Gruppen oder einzeln erscheint. Bekanntlich
gehen wir in unseren Zahlen für das Einzel gefechtsschieſsen um etwa 100 m weiter.
Über die Haltepunkte ist bestimmt : Bis zu 200 m wird das Visier 200 , bei 250–300 m das Visier 300 und bei 350 m das Visier 400 angemeldet . Dieser eigentümliche Haltepunkt findet
seine Erklärung in einer Fuſsnote des dritten Abschnitts : > Die Verlegungen des Haltepunktes werden bei unserm Gewehr M 70/87 durch den Umstand erforderlich , daſs die Zahlen der Visierung nicht der wirklichen Schuſsweite entsprechen, sondern einer Schuſs
weite, die um 50 m geringer ist, als die auf dem Visier ange gebene. « Der Grund hierfür ist uns nicht bekannt. Jedenfalls wird nun
aber verständlich, wenn unter den Vorzügen einer neuen Patrone,
die zur Zeit im Groſsen erprobt wird und bei gröſserer Anfangs geschwindigkeit (463 m statt 425) gröſsere Flugweiten ergeben hat, aufgeführt wird , daſs sie eine neue Visierung nicht nötig mache, daſs vielmehr die alte jetzt passe.
Die in Rede stehende Patrone
ist mit einem neuen Pulver geladen und führt ein Geschoſs mit Kupfermantel. Weitere Regeln für den Haltepunkt sind : Bei seitwärts sich bewegenden Zielen muſs vorgehalten werden : Entfernung
Mann oder Reiter im Schritt
100 m 200 m
0,40 m 0,80 m
Mann oder Reiter im Laufschritt oder Trab
1,00 m 2,00 m
Reiter im Galopp
1,50 m
3,00 m
Bei vor- und zurückgehenden Zielen wird wie überhaupt Fleck gehalten . Die letzten Paragraphen der Zielschule handeln von der Be
seitigung der Störungen , die beim Laden oder Schieſsen eintreten
1
für die Infanterie vom 23. November 1888.
35
können, und von den Prüfungen der erreichten Zielfertigkeit durch die Vorgesetzten .
Den besichtigenden Vorgesetzten wird empfohlen, sich auf das rechte Auge zielen zu lassen . Am Schluſs der jährlichen Ausbildung im Zielen bei uns kennt man keinen derartigen Schluſs sollen
die Compagniechefs jeden einzelnen Mann , die Bataillons-Commandeure mindestens 10 Mann jeder Compagnie und die Regiments-Commandeure mindestens 5 Mann von jeder Compagnie in der erlangten Ziel fertigkeit prüfen .
II. Entfernungsschätzen. Die Grundlagen für die Ausbildung im Entfernungsschätzen sind natürlich dieselben , wie bei uns : Das Eintragen von Maſs einheiten auf dem Boden mit dem Auge und die Berechnung der
Entfernung nach dem Unterschied in der Geschwindigkeit von Licht und Schall .
Alle Gemeinen und Korporale haben jährlich die ganze
Schule durchzumachen . „ Die Unterweisung im Entfernungsschätzen ist anfänglich in ebenem und übersichtlichem Gelände, später in durchschnittenem vorzunehmen , wobei dem Soldaten allzubekannte Gegenden zu vermeiden sind . « - Es ist auch nützlich , daſs man ,
falls Zeit dazu vorhanden ist , das Entfernungsschätzen zu ver schiedenen Jahres- und Tageszeiten bei verschiedener Beleuchtung
und auch in verschiedener Körperlage der Schätzenden (knieend und liegend) vornimmt. An einem Tage dürfen , sowohl mit dem Auge wie nach dem Schall, nicht mehr als 10 Schätzungen vorgenommen werden ; eine Ausnahme bildet der Prüfungstag , an dem die vor geschriebenen 15 Schätzungen stattfinden . « im Auch hier läſst die neue Vorschrift dem Lehrpersonal Gegensatz zu den unsrigen wenig Freiheit im Ausbildungsgang .
Manche Vorschriften erscheinen uns etwas verwickelt .
An bemerkenswerten Unterschieden gegen unsere Schieſsvor schrift führen wir an :
Eine Unterscheidung der Ausbildungsgrenzen je nach dem Grade beziehungsweise der Anlage des Einzelnen (bis 400, 400--800, 800-1200 ), wie bei uns , kennt die italienische Schieſsvorschrift
nicht ; sie dehnt die Schätzungen bis 1600 und selbst bis 3000 m aus, während bei uns 1200 m als weiteste Entfernung gilt. Wir lassen den Mann beim Abschreiten seine gewöhnlichen
Schritte machen ; in Italien beginnt die Ausbildung damit, daſs der Mann sich an den reglementarischen Schritt gewöhnen muſs. Bei der Infanterie muſs er 67 und bei den Bersaglieri 58 Doppelschritte auf 100 m mạchen . 3*
Die italienische Schieſsvorschrift
36
Dem Entfernungsschätzen nach dem Schall wird in Italien ein gröſserer Wert beigemessen als bei uns. Umständlich erscheint es, die Mannschaften im Zählen bis 10 während dreier Schwingungen eines meterlangen Pendels auszubilden, während z. B. die italienische
Artillerie mit einem 9 cm langen Pendel gleich ein solches Zeit maſs erhält, daſs die vollen Zahlen je 100 m Entfernung angeben.
(Bei uns ist die Einprägung des Zeitmaſses nach Feuerwehrgalopp Parademarsch im Laufschritt
üblich ).
Wichtig und nachahmenswert erscheint uns dagegen der Wert zu sein , den die italienische Schieſsvorschrift auf die Ermittelung der guten Schätzerlegt. Die Blätter (foglietti) auf denen die Schätzungen jedes einzelnen Mannes eingetragen werden, sind nach
jeder Übung an den Compagnie - Chef abzuliefern.
Derselbe sucht
nach Beendigung der Übung die 12 besten Schätzer unter den Korporalen und Gemeinen aus, worauf der Bataillons- Commandeur mit den vorgeschlagenen 60 Mann seines Bataillons ein Prüfungs schätzen abhält.
10 Schätzungen mit dem Auge und 5 nach dem Schall
Die Entfernungen dürfen nicht über 1600 m betragen.
Sämtliche Offiziere und Unteroffiziere des Bataillons sind zugegen. Die 4 besten Korporale oder Gemeinen jeder Compagnie werden zu estimatori scelti (ausgesuchte Schätzer) ernannt und erhalten darüber ein besonderes Zeugnis; auch in den Entlassungpapieren wird ein entsprechender Vermerk gemacht. Die beiden besten Schätzer vom Bataillon erhalten auſserdem eine Prämie von je 5, die fünf nächstbesten eine Prämie von je 2 Lire . Die Schieſsvorschrift vom 2. März 1885 kapnte die estimatori scelti noch nicht .
Wer sich auf unseren Schieſsplätzen davon überzeugt hat, von
welcher ausschlaggebenden Bedeutung für die Trefferfolge richtige Visirstellungen sind und wie schon bei verhältnismäſsig geringen Abirrungen die Ergebnisse sehr schlecht werden , wird den vorer wähnten Bestimmungen der italienischen Schieſsvorschrift gewiſs seinen Beifall zollen. Es fragt sich, ob es sich nicht empfiehlt, noch weiter zu gehen und ob nicht der hier und da aufgetauchte Gedanke, die guten Entfernungsschätzer durch äuſsere Abzeichen kenntlich zu machen, volle Beachtung verdient. III.
Das Schieſsen nach der Scheibe.
Scheiben. 1. Schulscheibe: Ein Rechteck von 1,20 m Breite und 1,80 m Höhe aus Leinwand mit grauem Papier überklebt. Um
den Mittelpunkt der Scheibe sind mit einem Durchmesser von 40
für die Infanterie vom 23. November 1888 .
37
beziehungsweise 80 cm zwei Kreise beschrieben ; die Kreisflächen sind weiſs überklebt .
2. Ganze Figur (soldato in piedi): Ein Rechteck von 0,50 m Breite und 1,80 m Höhe aus Leinwand mit grauem Papier überklebt.
3. Brustscheibe (soldato a terra ); wie vorstehend , nur 0,50 m breit und hoch .
4. Sektionsscheibe (di riparto) : Ein Rechteck von 2,50 m Breite und 1,80 m Höhe. Um den Mittelpunkt der Scheibe sind mit einem Durchmesser von 60 beziehungsweise 1.20 cm zwei Kreise beschrieben . Die Kreisflächen sind weiſs überklebt. Die bisherige Sektionsscheibe zeigte keine Ringe sondern Vertikalstreifen ähnlich wie bei uns. Die Schieſsvorschrift giebt nun eine Reihe von Kombinationen an , um unter Verwendung der voraufgeführten Scheiben gefechts mäſsige Ziele zum Ausdruck zu bringen . Hierbei ist zu bemerken, daſs knieende Schützen in der Weise dargestellt werden, daſs man parallel mit dem obersten Rande der ganzen Figurscheibe 60 cm von oben einen Querstrich zieht und die Treffer oberhalb dieses
Striches nicht rechnet. In gleicher Weise werden auch Querstriche
über die Sektionsscheibe gezogen, wenn kuieende Unterstützungs trupps dargestellt werden sollen : ein Aushülfemittel, mit dem wir uns nicht einverstanden erklären können , da es dem Schützen kein
richtiges Bild von der zu treffenden Fläche giebt. An Zielzusammenstellungen werden aufgeführt: Infanterie in Linie, stehend, knieend, liegend und feuernd, liegend obne zu feuern (25 cm Höhe) ; Infanterie in Kolonne; Schützenkette, stehend ,
knieend, liegend (wie in Linie) ; Sektions -Kolonne stehend ; Kavallerie in Linie, ein aufgefahrenes Geschütz ; eine Protze, Front nach den Schützen ; ein Geschütz im
Flankenmarsch .
Hinsichtlich der Schützenlinien ist zu benierken , daſs sie bei
einer Dichtigkeit von 1,30 m pro Mann (23 Mann auf 30 m) » ge
wöhnliche « , bei Ellenbogenfühlung » dichte « heiſsen ; auſserdem können sie rinforzati sein : d . h . die Unterstützungstrupps sind eingerückt, ( vergl. weiter unten die Gliederung beim gefechtsmäſsigen Schieſsen). Schieſsstände.
Das Einzelschieſsen kann auf Scheibenständen
wie in offenem Felde stattfinden .
Die Scheibenstände müssen 350 m
( früher 400) und wo dies nicht zu ermöglichen ist, mindestens 250 m lang sein. Ihre Breite muſs mindestens die Anlage von zwei , womöglich von mehr Schuſslinien mit 6 m Abstand von
einander zulassen . Nach unseren Erfahrungen und Begriffen sind so nah bei einander liegende Schuſslinien störend.
Die italienische Schiefsvorschrift
38
Beim Einzelschieſsen in offenem Felde müssen 3-500 m rechts und links von der Schuſslinie bis auf inindestens 2,700 m m
Schützen soviel Posten gedeckt aufgestellt werden , daſs sie das Betreten des gefährdeten Geländes verhindern können .
Das Gefechtsschieſsen findet unter Beobachtung derselben Vor schriften stets in offenem Felde statt.
Anrechnung der Schüsse. Beim Einzelschieſsen gelten die Treffer auf Schul- und Sektionsscheibe, wie folgt:
3 Punkte, wenn der innere und 2, wenn der nächste Ring getroffen ist ; 1 Punkt, wenn die Scheibe auſserhalb des weitesten Kreises getroffen ist. Bei den anderen Scheiben gilt jeder Treffer gleichmäſsig 1 Punkt. Die Schieſsübung. Jährlich wird geschossen : 1. Das Einzel 2. Das Gefechtsschieſsen . 4. Das Preisschieſsen . schieſsen .
3. Das Prüfungsschieſsen .
1. Das Einzelschieſsen . Es umfaſst folgende Übungen :
Ausführung
Ziel .
m
1
150
200
8
4 Schuss stehend aufgelegt knieend 14
Schulscheibe
n
2
200
200
8
knieend
s4 14
stehend freihändig liegend
4
3
250
300
8 4
99
4
4
350
400
desgl.
stehend freihändig liegend
} desgl.. Sectionsscheibe a.
8
5
200
200
8
stehend freihändig knieend mit aufgepflanztem
6
200
200
9
stehend freihändig mit aufge
4
>1
Seitengewehr ; Schnellfeuer
d . breiten Seite
desgl.
pflanztem Seitengewehr, Ma
gazinfeuer dasselbe liegend
desgl. desgl.
8
250 100
300 200
9 4
knieend
liegende Fig. ver schwindend Ziel
9
250
300
4
stehend freihändig
Schulscheibe,
7
rasch vorbeigez.
Sämtliche Korporale , alten Leute der 3. Schieſsklasse und
Rekruten schieſsen alle 9 Übungen durch ; die Unteroffiziere sowie
für die Infanterie vom 23. November 1888.
39
die Korporale und alten Leute der 1. und 2. Schieſsklasse nur die 6. , 8. und 9. Übung. Jeder Mann soll im Allgemeinen an einem Tage nur eine
Übung abmachen ; indessen dürfen bei Mangel an Zeit auch zwei Übungen geschossen werden ; die Übungen 8 und 9 werden regel mäſsig am selben Tage erledigt. Das Schieſsen wird vom Compagnie Chef geleitet und überwacht. » Bedingungen « , wie bei uns werden nicht geschossen ; weshalb auch ein Vergleich zwischen der Zahl der bei uns und in Italien auf das Einzelschulschieſsen verwandten
Patronen keine zutreffenden Ergebnisse liefert. In Italien werden 66 beziehungsweise 17 Patronen darauf verwandt, bei uns ohne Wiederholung der einen oder anderen Übung für die dritte Klasse 59, für die zweite 46 und für die erste 48 Patronen .
Die italienische Schieſsvorschrift geht beim Einzelschieſsen nicht über Entfernungen von 350 m und zeigt dabei wiederum das Streben nach Verkürzung der Entfernungen : nach der Vorschrift vom Jahre 1874 wurde bis zu 1000, nach der Vorschrift von 1885 bis
1100 geschossen ; wir gehen je nach den Schieſsklassen bis 400 beziehungsweise 600 m. Die Zugscheibe ist bei uns aus dem Schulschieſsen verbannt und kommt nur beim Gefechtsschieſsen vor.
Wer in Italien krankheitshalber bei einer Übung ausgefallen ist, muſs dieselbe nachschieſsen bevor er mit seiner Kompagnie zur vächsten Übung übergehen kann. Über die Schieſsklassen und ihre Bedeutung wird unter > Prüfungsschieſsen « die Rede sein . Wesentliche Abweichungen der neuen Vorschrift von der alten vom 2. März 1885 sind :
Nach der alten Vorschrift zerfiel das Einzelschieſsen in die
Vorübung (2) Hauptübung ( 10) und besondere Übung (3) ; in diesen 15 Übungen wurden 5 X 15 Patronen und zwar nur auf Schul scheibe (Näheres darüber findet sich im Militär - Wochen - Blatt 1886 Nr. 2 und 3) geschossen . Die besondere Übung umfaſste das O
Schieſsen nach der Zugscheibe und verschwindenden Zielen. 2. Das Gefechtsschieſsen. Es soll die Mannschaften im
Abteilungsfeuer, die Offiziere und Unteroffiziere in der Feuerleitung üben. Zu schieſsen sind die folgenden 12 Übungen:
Die italienische Schiefsvorschrift
Entfernung .
.Übung der
.Nummer Lfd
40
Gliederung der schiessenden
Feuerart.
Ziel.
Abteilung m
1
1
2
3
450
1000
In Linie, 1. Glied lie gend , 2. knieend .
Einzelfeuer,
In Linie, 1. Glied
langsam . Salven , lang
knieend , 2. stehend.
sam .
1450 In Linie, beide Glie
desgl.
der stehend.
Infanterie - Linie, Breite der Front 30 m .
stehende
desgl.
stehende Infanterie - Kolonne, gebildet aus 2 Staffeln mit 15 m Abstand ; Front 30 m .
4
500 bis 1000
Gewöhnliche
desgl.
Schützenlinie ,
Infanterie
Breite der
in gewöhnlicher
Schützenlienie
knieend.
mit
einem
Unterstützungstrupp auf 300 m rückwärts der Mitte ; Breite der Schützenlinie 30, Unterstützungstrapps des 15 m ; Schützen wie Unter. stützungstrupp stehend, im Vormarsch.
5
desgl.
Gewöhnliche Schützenlinie,
Einzelfeuer, langsam .
Infanterie in
gewöhnlicher
Schützenlinie mit 2 Unter
stützungstrupps
liegend .
nach
der
Flanke abmarschiert zu
Vie
ren , 300 m hinter den Flügeln der Schützenkette ; Breite der Schützenkette 30 m , Tiefe des
Unterstützungstrupps 20 m ; Schützen und Unterstützungs trupps stehend , im 6
400
Gewöhnliche
bis 700
Schützenlinie, lie
desgl .
Schützen und Unterstützungs trupp halten und sich hin gelegt haben .
gend , die mit einem Sprunge von 100 m bis an den Punkt ge langt, von wo sie schiessen soll.
7
300 bis 600
Gewöhnliche
Einzelfeuer,
Schützenlinie, lie gend ; der Unter stützungstrupp geht
lebhaft
in Sprüngen in die Feuerlinie.
Vor
marsch . Ziel wie bei Nr. 4 , nur dass
(accelerato ).
desgl.
Entf ernung .
.Lfd N ummer
der :Übung
41
für die Infanterie vom 23. November 1888.
Gliederung der schiefsenden Abteilung
Feuerart.
Ziel.
300
Dichte Schütenlinie,
Salven, leb-
bis
liegend . Der Unter stützungstrupp geht
haft.
Infanterie in dichter Schützen linie mit 2 Unterstützungs
m
8
500
trupps, nach der Flanke ab marschiert zu Vieren , 50 m hinter den Flügeln der Schützenlinie; Breite der Schützenlinie 30 m, Tiefe des Unterstützungstrupps 20 m ;
in die Feuerlinie.
die Schützenlinie im Feuer liegend, die Unterstützungs
trupps stehend, marsch. 9
100
Gewöhnliche
bis
Schützenlinie mit
300 eingerücktem Unter stützungstrupp ; Schützen knieend ,
im
Vor
Magazinfeuer Infanterie in Schützenlinie mit mit aufge-
eingerücktem Unterstützungs
pflanztem Seitengewehr.
trupp , stehend , im Vor marsch ; Breite der Front 30 m.
Unterstützungtrupp stehend. 10
500 1000
Gewöhnliche Schützenlinie, liegend.
1000
Gewöhnliche
bis 1600
Schützenlinie , knieend.
bis
11
12
Einzelfeuer, Artillerie, 2 aufgefahrene Ge schütze mit 18 m Zwischen lebhaft. raum ; 2 Protzen 20 m hinter den Geschützen. Salven ,
desgl .
300 In Linie beide Glie- Magazinfeuer, Kavallerie in Linie, Front bis
400
der stehend .
mit aufge-
breite 20 m .
pflanztem
Seitengewehr.
Die vorstehenden Übungen werden alljährlich von sämtlichen Korporalen und Gemeinen durchgeschossen. Die Unteroffiziere sind
dabei zugegen , ohne selbst mitzuschieſsen. Die Übungen im gefechts mäſsigen Schieſsen werden Compagnieweise unter der Leitung des Bataillons-Commandeurs ausgeführt, der von den Hauptleuten die
strengste Innehaltung der reglementarischen Formen verlangt, ihnen aber hinsichtlich der Wahl des Visiers und der Ziele , auf welche
42
Die italienische Schiefsvorschrift
sie das Feuer vereinigen wollen , volle Freiheit läſst.
Die Com
pagnien desselben Bataillons schieſsen an ein und demselben Tage auch dieselbe Übung. Mit Ausnahme der Übungen 9 und 12,
wofür je 9 Patronen ausgeworfen sind , werden auf jede Übung 5 Patronen pro Mann verwandt. Die Compagnie bildet für das Gefechtsschieſsen 2 Züge und 4 Halbzüge, sofern sie nicht über 100 Mann stark ist ; tritt dieser Fall ein, sowie auch stets bei den Übungen 7 und 9, so stellt sie sich in 3 Zügen und 6 Halbzügen auf. An demselben Tage können 2, 3 und auch 4 Übungen erledigt werden . Der Scheibenaufbau wird geheim gehalten. Während des Schieſsens sollen alle Belehrungen , Korrekturen
u. s. w. unterbleiben. » Die Hauptleute müssen dahin streben, daſs bei den gefechtsmäſsigen Schieſsübungen auſser den reglementarischen Kommandos kein Ton zu hören ist. «
Für die Ausführung des gefechtsmäſsigen Schieſsens sind eine Menge Vorschriften im Allgemeinen, wie auch für jede einzelne
Übung gegeben, deren Erörterung uns hier zu weit führen würde.
Mit Ausnahme der 12. Übung wird stets - auch wo die Compagnie dem taktischen Bilde nach ganz auftritt - in Zügen geschossen ; bei der 12. Übung wird das Feuer in der geschlossenen Compagnie abgegeben . Unsere Schiefsvorschrift hat
was wiederum bezeichnend für
den verschiedenartigen Geist der beiden Vorschriften ist , kein Gegenstück zu dem gefechtsmäſsigen Schieſsen aufzuweisen .
Das durchdachte System ( reichlich viel Salven !) sowie das nicht ohne Geschick durchgeführte Streben, kriegsgemäſses Schieſsen zum Ausdruck zu bringen , ist bei der italienischen Schieſsvorschrift ohne
Weiteres anzuerkennen . Dagegen entsteht das schwere Bedenken, ob nicht trotz aller Vermahnung der Vorschrift dagegen , aus diesem Gefechtsschieſsen die Ableierung eines Schemas wird , zumal die 4 Compagnien eines Bataillons genau dasselbe zu schieſsen haben . Den Compagnieführern und Bataillons-Commandeuren ist dieser Dienst sehr leicht gemacht im Gegensatz zu den Verhältnissen
bei uns, wo die dem freien Entschlusse vollständig überlassene Anlage des gefechtsmäſsigen Abteilungsschieſsens mit zu deu schwierigsten Dienstgeschäften gehört.
Auch ist zu bedenken , ob
wenn auch die Vielseitigkeit der vorgeführten Gefechts bilder besticht – doch 5 Patronen zu wenig sind, um die einzelnen nicht
Gefechtsbilder nutzbringend zur Darstellung zu bringen .
Endlich
für die Infanterie vom 23. November 1888.
43
wird stets in friedensstarken Abteilungen geschossen : ein Umstand, den wir als einen Mangel bezeichnen müssen.
Die Schieſsvorschrift vom 2. März 1885 führte 9 Übungen im gefechtsmäſsigen Schieſsen auf.
An Patronen für diesen Zweck
waren nach den Schieſsvorschriften von 1874, 1881 and 1885 im Ganzen 24, 40 und 45 zu verwenden ; jetzt 68. Also eine wesent liche Vermehrung .
3. Das Prüfungsschieſsen. Alle Subaltern -Offiziere, Unter offiziere, Korporale und Gemeinen des Truppenteils, welche nicht überhaupt von der Schieſsübung dispensiert sind , nehmen daran teil. Die Übungen 2 und 6 des Einzelschieſsens werden wiederholt und zwar an 2 verschiedenen Tagen. Nach dem Ausfall des Prüfungsschieſsens – und nicht etwa nach den Ergebnissen der ganzen Schieſsübung, wie bei uns
richtet sich die Einteilung der Korporale und Gemeinen in drei Klassen .
Wer mit den 17 Schuſs 13 und mehr Treffer erzielt hat,
wird der 1. Schieſsklasse zugeteilt ; 8–12 Treffer haben die 2. und weniger als 8 Treffer die 3. Schieſsklasse zur Folge. 13 Treffer auf 200 m Entfernung auf Schulscheibe ( 8) beziehungsweise Sektions scheibe (9) erscheinen uns als eine sehr milde Bedingung, selbst wenn man in Betracht zieht, daſs die letzten 9 Schuſs in Magazin feuer zu verschieſsen sind. Auch hat die Klasseneinteilung nicht dieselben Folgen wie bei uns : Der einzige Unterschied zwischen den späteren Schieſsübungen der einzelnen Klassen ist der schon
erwähnte, daſs die Korporale und Mannschaften der 1. und 2. Schieſs
klasse nur noch drei Übungen des Einzelschieſsens (6, 8 und 9) durchzumachen haben. - Innerhalb der Klassen findet eine Num
merierung auf Grund der verschossenen Punkte bei gleicher Treffer
zahl statt ; die Compagnien werden innerhalb des Bataillons nach der Güte des Schieſsens klassifiziert.
4. Das Preisschieſsen. Alljährlich werden nach dem Prüfungs schieſsen zwei Preisschieſsen abgehalten : eines für Unteroffiziere und
eines für Korporale und Soldaten. Es werden abermals die Übungen 2 und 6 des Einzelschieſsens geschossen , wobei die Erledigung an einem Tage statthaft ist. Zum Preisschieſsen der Unteroffiziere werden vom Regiment die 8 (auf Grund des Prüfungsschieſsens ermittelten besten Schützen
zugelassen ; zum Preisschieſsen der Korporale und Gemeinen die 5 besten pro Compagnie.
Die 3 besten Unteroffiziere und die
24 besten Korporale und Gemeinen pro Regiment werden durch Tagesbefehl zu tiratori scelti ernannt.
Sie erhalten als Abzeichen
Die italienische Schieſsvorschrift u. 8. w.
44
einen kleinen Karabiner von scharlachrotem Tuch (Korporale und Gemeine) beziehungsweise von Silber- ( Infanterie) oder Gold- (Ber saglieri) Gewebe ( Unteroffiziere) auf dem linken Armel . Jeder Unteroffizier, der zum tiratore scelto ernannt ist, bezieht eine Prämie von 10 Lire, jeder Korporal oder Gemeiner von 5 Lire. Auſserdem wird an jeden Soldaten, der sich in seiner Compagnie im ersten Fünftel der Schützen befindet, 1 Lire ausgezahlt. Endlich erhält diejenige Compagnie , welche beim Gefechtsschieſsen die besten Leistungen
aufzuweisen
hat,
eine
Gesamt - Prämie
und
zwar
von 2,50 Lire für jeden Unteroffizier, 1 Lire für jeden Korporal und 0,40 Lire für jeden Gemeinen . Wie man sieht, wird in Italien der Konkurrenz « ein höherer
Wert als Anspornungsmittel beigelegt als bei uns. Ersparte Patronen
es werden pro Kopf der Stärke am
1. April jedes Jahres 137 scharfe Patronen gewährt – sollen von den General-Kommandos zur Veranstaltung von Gefechtsschieſsen mit untergelegter taktischer Idee verwandt werden . Der IV . Teil der Schiefsvorschrift vom 23. November 1888 :
»Die Feuerleitung im Gefecht« ist in dem uns zugegangenen Exemplar nicht enthalten .
Wir haben auch nicht ermitteln können , ob es
überhaupt zur Ausgabe gelangt ist. Zum Schluſs noch ein Wort über das allgemeine Verhältnis der neuen italienischen Schieſsvorschrift zu der unsrigen. Unsere Schieſsvorschrift betont die Einzelausbildung des
Schützen und will die Individualität des Mannes gewahrt und aus genutzt sehen ; die italienische legt den Hauptwert auf das Massen
feuer. Nicht ohne Interesse ist ein Vergleich in Bezug auf die Länge der einzelnen Abschnitte .
Bei ziemlich gleichem Format verwendet unsere Schieſsvorschrift auf die Unterweisung im Zielen und Schieſsen 13, die italienische 33 Seiten ; auf das Entfernungsschätzen unsere 6, die italienische 14 Seiten .
Der 3. Teil entzieht sich wegen ganz verschieden
artiger Anlage dem Vergleiche.
Im Übrigen ist der italienischen Schieſsvorschrift eine klare, im allgemeinen verständliche Fassung nachzurühmen . C. v. Br.
III. Uber Mängel und Reformbestrebungen bei der russischen Kavallerie. Von
A. v. Drygalski .
Amten Dezember 1888 hielt der Oberst im Generalstabe Griasnow in der Versammlung der Generalstabs- Offiziere der Garde
und des Petersburger Militärbezirks einen Vortrag, dem verschiedene der in Petersburg anwesenden Groſsfürsten beiwohnten und der das Thema :
» Skizze des Lebens und der Ausbildung der Eskadron in
Deutschland , Österreich, Frankreich und England « behandelte. Oberst Griasnow, der in Russland für einen der ersten Specialisten im kavalleristischen Fach gilt und ein eifriger Anhänger der von dem Generalinspekteur der russischen Kavallerie , Groſsfürst Nicolai
dem Älteren , vertretenen und geförderten neuen Ausbildungs prinzipien ist , kommt nachdem er die entsprechenden Verhältnisse bei den Kavallerien der fremden Armeen auseinandergesetzt und mit den bei der russischen Kavallerie obwaltenden Zuständen verglichen hat, zu folgendem Resultat. Die russische Kavallerie bedarf, um ihre Aufgaben in einem
europäischen Kriege erfüllen zu können, vielfache Verbesserungen. 1. Eine konzentriertere Einquartierung der Regimenter oder doch mindestens der einzelnen Eskadrons behufs Erleichterung des Dienstbetriebes.
2. Entlastung der Eskadronschefs von
einer Masse von öko
nomischen Aufgaben : Beschaffung von Brod , anderen Lebens mitteln , Fourage u. s. w. 3. Eine bessere Auswahl der Leute .
4. Eine frühere Einberufung der Rekruten oder die Auswahl der für die Ergänzung der Kavallerie bestimmten Mannschaften aus Rekruten der Infanterie , welche bei dieser ihre erste Aus bildung erhalten haben .
5. Eine gröſsere Berücksichtigung der Einzelausbildung und eine mehr praktische Richtung in der Ausbildung im Reiten .
6. Verwendung der Offiziere hauptsächlich für den Reitunterricht und die mündliche Instruktion , während der Dienst zu Fuſs den Unteroffizieren zu übertragen ist.
46
Über Mängel und Reformbestrebungen
7. Vermehrung der praktischen Ausbildung der Unteroffiziere. 8. Sorgfältigere Ausbildung im Gebrauch der Hiebwaffe und in
ihrer Anwendung gegen Bajonett und Lanze, an Stelle des mehr als nötig geübten Bajonettfechtens. 9. Geringere Anforderungen im Exerzieren und im Kampf zu Fuſs, sowohl was deren Umfang, als die pedantische Art der Kontrolle anbetrifft; Griffe sollen nur insoweit geübt werden, als sie zum Laden und Schieſsen unentbehrlich sind .
10. Abänderung des jetzigen Systems der Pferdebesichtigungen , der Art, daſs nicht nur an bestimmten, vorher angekündigten Tagen, sondern stets, nicht nur der Futterzustand , sondern auch die
Leistungsfähigkeit der Pferde zu kontrollieren ist.
11. Heranziehung der Offiziere zum Reiten von Remonten und schwierigen Pferden an Stelle des obligatorischen Manège Reitens der eigenen Pferde. 12. Anregung zum Reiten im Terrain vermittelst Vornahme ver
schiedener Arten von Jagden zu Pferde. 13. Ausschluſs alles desjenigen aus den Eskadronsexerzitien , was schon während der Winterperiode erlernt sein muſs. Schlieſslich : unbedingte Ausführung nicht nur der Vorschriften des Exerzier
Reglements, sondern auch der über die Einübung des Feld dienstes erlassenen Bestimmungen und Instruktionen. Es sind in diesen Punkten gewissermaſsen die Forderungen der gesamten Anhänger der
neueren
kavalleristischen Richtung in
Russland zusammengestellt, die jedoch einem immer noch stark bemerkbaren Widerstande begegnen und daher nur sehr allmählich
zur Durchführung gelangen dürften . Diese einer rationelleren d . h . kriegsmäſsigeren Ausbildung entgegenstehende Opposition der Vertreter der alten Schule man hat für dieselben die Bezeichnung »Manège-Cavalleristen « ist dabei
nicht nur durch eine gewisse, auch bei anderen Armeen bemerkbare Neigung zur Routine, sondern ebenso sehr durch die wenig günstigen Verhältnisse bedingt , unter denen die russische Kavallerie sowohl was ihre Unterbringung als das dienstliche Leben im allgemeinen anbetrifft, existiert.
Zur Erläuterung dieser Umstände , welche unwillkürlich zu einem Vergleich mit unseren eigenen, so viel günstigeren Bedingungen der militärischen Existenz und der Ausbildung anregen, andererseits aber auch einige Analogien mit bei uns zu Tage tretenden Mängeln und Wünschen bieten , wollen wir hier auf einige der von Oberst
Griasnow gestellten Abänderungsvorschläge etwas näher eingehen,
bei der russischen Kavallerie.
47
dabei aber auch den Einwänden der »Manège-Cavalleristen « Rechnung tragen .
Was zunächst den 1. Punkt, nämlich die allzu weitläufige
Dislocierung nicht nur der Regimenter hinsichtlich der Ent fernung der Eskadrons von einander, sondern auch der Bestandteile der einzelnen Eskadrons anbetrifft, so ist es nicht zu verkennen, wie sehr namentlich im Winter der Dienstbetrieb der Eskadron dadurch
gehemmt werden muſs, wenn, wie es thatsächlich häufig der Fall, selbst die einzelnen Züge einer Eskadron nicht immer in ein und
demselben Orte zusammen stehen , sondern in verschiedenen , von einander weit entfernten und nur durch schlechte Wege verbundenen
Gehöften untergebracht sind. Oft liegt im Winter der Schnee so tief, daſs Menschen und Pferde bis über die Knie darin einsinken ,
des Schmutzes im Herbst und Frühjahr nicht zu gedenken. Dabei sind die Ställe und Quartiere selbst vielfach äuſserst mangelhaft, und gedeckte Reitbahnen giebt es eigentlich nur in den Stabs garnisonen der Regimenter und auch dort nicht immer. So verfügt z. B. die ganze , in Volhynien dislocierte 9. Kavallerie - Division
nur über eine einzige gedeckte Reitbahn. Dieselbe, ein ehemaliger Schuppen , ist aber so klein , daſs immer nur 5 Pferde gleichzeitig in derselben geritten werden können. Was man sonst Manège nennt , sind kleine , mit Flechtwerk eingehegte allen Unbilden der Witterung ausgesetzte Plätze. Alle Reitübungen müssen daher auch im Winter im Freien vorgenommen werden , und da es wegen
der vielen Abkommandierungen zum Garnisondienst, zu ökonomischen und Ausbildungszwecken fast immer an Mannschaften fehlt , 80 kommen viele Pferde im
Winter in der Woche höchstens 2-3 mal
ans dem Stall, während dies bestimmungsmäſsig 5 mal in der Woche geschehen soll . Die Mannschaften ihrerseits werden, da das Reiten im Freien nicht immer möglich ist, teils auch um die Pferde zu
schonen , über Gebühr mit Fuſsdienst und Instruktion beschäftigt. Eine Ausnahme hiervon machen eigentlich nur die meistens im Stabsquartier der Eskadron zusammengelegten Rekruten , desgleichen die Remonten mit ihren Reitern , aber auch diese werden fast aus
schlieſslich im Freien geritten. Ebenso fehlt es an ausreichenden Exerzierplätzen und Schieſsständen , namentlich für die weiteren Entfernungen.
Nach Beendigung der Winterperiode, das heiſst Ende Mai, werden die Schwadronen behufs Vornahme der Exerzitien in der
Schwadron und im Regiment, in der Nähe des Stabsquartiers des Regiments zusammengezogen und meistens sehr enge und schlecht
en Über Mängel und Reformbestrebung
48
in der betreffenden Stadt oder in den Vororten derselben unterge
bracht. Auch hier mangelt es meistens an ausreichenden Exerzier plätzen und Schieſsständen, die auſserdem oft weit entfernt liegen . Desgleichen ist in der Regel das umliegende Terrain zur Vornahme von Felddienstübungen wenig benutzbar, weil die Ländereien bis Ende August mit Getreide bedeckt sind . Es folgt dann meistens im Juli die etwa 4 Wochen dauernde Periode, während deren die
Pferde weitläufig in Dörfern untergebracht und in den Ställen mit Gras gefüttert werden. Abgesehen von den Nachteilen , welche diese wohl nur noch aus Ersparnisrücksichten beibehaltene Fütterungs Methode für die Leistungsfähigkeit der Pferde hat, stockt während 1
dieser Zeit auch der Dienstbetrieb fast ganz. Es ist das um so fühlbarer, als gleich nach Beendigung der Grasfütterung die viele
Kräfte beanspruchenden Divisionsübungen beginnen und sich daran die Manöver mit gemischten Waffen anschlieſsen , bei denen sich die Truppe auch im Felddienst als völlig ausgebildet zeigen soll . Nichts
destoweniger wird von den älteren Kavalleristen auf die Beibehaltung der Grasfütterung gedrungen , weil es die einzige Zeit sei, während deren sich Menschen und Pferde wirklich erholen .
Es ist somit begreiflich, daſs die erwähnten Übelstände und Schwierigkeiten bei der Ausbildung der russischen Kavallerie nur dann beseitigt werden können, wenn die Einquartierungsverhältnisse eine vollkommene Änderung erfahren. Hierüber herrscht denn auch in den Kreisen der Beurteiler keinerlei Meinungsverschiedenheit. Man stöſst, wenn man von einigen unter normaleren Bedingungen arbeitenden Truppenteilen wie z. B. der Garde und einigen in
groſsen Städten in Kasernen untergebrachten Regimentern absieht, überall auf dieselben Klagen, und man muſs anerkennen, daſs unter so erschwerenden Umständen von einzelnen Truppenteilen , wir nennen speziell die 9. Division, geradezu Erstaunliches geleistet wird. Dennoch haben diese Wünsche jetzt weniger denn je Aussicht erfüllt zu werden , da die Schwierigkeiten der Dislozierung natur gemäſs um so mehr zu nehmen , je mehr Kavallerie - Divisionen ans
ihren bisherigen , günstigere Bedingungen darbietenden , Stand quartieren
im
Osten
und im
Süden nach den bereits früher so
stark mit Truppen angefüllten westlichen Provinzen des Reichs ver legt werden. Man darf dabei nicht vergessen, daſs während die Regimenter früher nur 4 Eskadrons stark waren , sie jetzt deren 6 zählen, die auſserdem eine gröſsere Rottenstärke haben . Man
muſs also die Quartiere nehmen wie man sie findet. Eine Besserung dieser, allein die strategische Seite auf Kosten der übrigen Faktoren
bei der russischen Kavallerie .
49
berücksichtigenden Verhältnisse der Dislokation könnte nur ver mittelst der Beschaffung von Kasernements mit allem sonstigen Zubehör erfolgen , doch gehören dazu sehr groſse Geldmittel, und so haben die jetzigen Zustände noch Aussicht auf eine lange Dauer.
Im
engen Zusammenhang mit dem ad. 1 genannten Punkt
stehen die Ausstellungen, welche gegen die Überbürdung der Schwadronschefs mit ökonomischen Aufgaben aller Art
erhoben werden. Es ist einleuchtend, daſs bei derartig ungünstigen Dislocirungsverhältnissen die wirtschaftliche Seite der Schwadrons führung mit auſserordentlichen Schwierigkeiten verbunden ist und den betreffenden Offizieren so viel Zeit raubt, daſs sie eine Kontrolle des auf die kriegerische Ausbildung gerichteten Dienstbetriebs nicht
in genügendem Maſse auszuführen vermögen . Es sei nur daran er innert, daſs die Schwadronschefs beziehungsweise ihre Vertrauens männer, nicht nur sämtliche Lebensmittel, incl. Getreide zum Brod
einzukaufen, die Zubereitung und Ausgabe an die Mannschaften zu besorgen und zu überwachen , sondern meistens auch die Fourage anzukaufen und die Wiesen zur Grasfütterung zu mieten haben .
Dabei müssen die in einzelnen Gehöften untergebrachten Mann schaften häufig sehr weit gehen, um
das Essen aus den je nach
Umständen , gröſsere oder kleinere Verbände (Artels) versorgenden Menagen oder aber die Fourage aus den Aufspeicherungsorten , deren es bei ein und derselben Schwadron mitunter mehrere giebt, zu empfangen. Auch dieser ganze, auf die Wohlfahrt von Mensch
und Tier so groſsen Einfluſs habende Dienst , desgleichen die Ans gabe der Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände aus den Kammern, wollen kontrolliert sein. Häufig mieten die Schwadronen, um sich die Lebensmittel billiger zu beschaffen , auch Ackerstücke auf denen
Kohl, Kartoffeln und andere Feldfrüchte angebaut werden . Auch hierüber hat der Schwadronschef zu wachen , ebenso wie über die
Anschaffung und den Verkauf von Vorräten für die jetzt fast überall eingeführten Mannschaftsbuffets, in denen die Soldaten für billigeren Preis nicht nur Erfrischungen verschiedener Art , Thee , Zucker, Taback u . s. w. w sondern auch Putzutensilien und dergleichen ent nehmen .
Es kommt hinzu die Beschaffung der dazu notwendigen
Lokalitäten , ferner eines Raums für die Schwadronsschule, der Schulbücher, Schreibmaterialien und sonstigen Erfordernisse. Häufig müssen die Schwadronen sogar das Terrain für die Exerzierplätze und die Schieſsstände mieten. Mit einem Wort, es erwächst dem Schwadronschef durch alle diese Obliegenheiten eine Arbeit, die sich Jahrbücher für die Dentache Armee und Marine
Bd, LXXI , 1 .
4
Über Mängel und Reformbestrebungen
50
auf die eigentliche militärische Seite seines Dienstes sehr nachteilig äuſsert und nur dann verringert werden könnte, wenn es möglich
wäre vermittelst Unterbringung des ganzen Regiments oder doch wenigstens der einzelnen Schwadronen in Kasernen den ökonomischen Teil des Dienstes in centralisierenderer Weise zu verwalten .
Diesen
Wünschen einigermaſsen entgegen steht freilich die bei der russischen Nation und auch bei der Armee se sehr hervortretende Neigung der selbstständigen Wirtschaftsführung innerhalb kleinerer Genossen schaften , wodurch mehr den individuellen Bedürfnissen und Ge schmacksrichtungen der Betreffenden Rechnung getragen wird . So ziehen es selbst die in groſsen Städten garnisonierenden Truppen teile, anstatt ihr Brot von den Intendantur-Bäckereien zu empfangen , vielfach vor, dasselbe selbst zu backen und die dabei gemachten Ersparnisse für andere Zwecke zu verwerten .
Auch bei der Be
schaffung der Fourage, ja selbst der Bekleidung und anderer Er fordernisse , macht sich dasselbe Bestreben nach Decentralisation geltend .
Es gehört dazu aber ein Personal , über welches die Cadres der russischen Armee nicht in dem nötigen Maſse gebieten , so daſs wenn
man diesem System der Selbstbeschaffung allzusehr nachgeben würde, die militärische Ausbildung darunter leiden müſste. Eine sorgfältigere Auswahl der Mannschaften für die Kavallerie ist die dritte Anforderung , welche Oberst Griasnow
behufs Erhöhung ihrer Leistungen stellt. Es ist dieser Wunsch ein um so allgemeinerer, als die heute von der Kavallerie verlangten Leistungen nicht nur ein intellektuell und körperlich viel ausge suchteres Material als früher beanspruchen , sondern auch die jetzige verhältnismäſsig kurze Präsenzzeit bei der Fahne auf den Mannschafts
bestand und seine Leistungsfähigkeit insofern ungünstig einwirkt, als fast der 4. Teil jeder Schwadron jetzt aus nur ungenügend aus
gebildeten Rekruten besteht. Dieser Übelstand, den man bei der früheren langen Dienstzeit gar nicht kannte , macht sich um so fühlbarer , da erfahrungsmäſsig die meisten Mobilmachungen im Frühjahr, also zu einer Zeit stattfinden , in welcher die Rekruten
noch kaum so weit sind , um in die Schwadron eingestellt werden zu können, während sie von den Obliegenheiten des Felddienstes noch so gut wie garnichts gelernt haben . Auch kommt es in Be tracht, daſs jetzt die Mobilmachungen viel schneller vor sich gehen als früher ; es fehlt also die Zeit um während der Mobilisierung beziehungsweise während des Marsches nach der Grenze die Aus
bildung zu vervollständigen. Man steht sofort dem Feinde gegenüber.
bei der russischen Kavallerie.
51
Bei dem jetzt noch gültigen Rekrutierungsmodus wurde der Ersatz
für die Kavallerie nur insofern ausgesucht, als eine gewisse Gröſse und geeignete Körperbeschaffenheit verlangt wird . Auch sollen die zur Kavallerie ausgehobenen Leute womöglich schon früher mit Pferden zu thun gehabt haben. Thatsächlich wird aber auch auf diese bescheidenen Ansprüche bei der Aushebung nur sehr selten Rücksicht genommen. Der Ersatz für die Kavallerie ist daher
vielfach auch in körperlicher Hinsicht sehr mangelhaft, und was das geistige Niveau der zur Kavallerie Ausgehobenen betrifft, so findet hierin den anderen Waffen gegenüber erst recht keine Be vorzugung statt. Nur zu häufig verstehen die Rekruten der
Kavallerie nicht einmal die groſsrussische Sprache, geschweige denn vermögen sie dieselbe zu lesen oder zu schreiben . Es bedarf also einer längeren Zeit, ehe die Vorgesetzten und Instrukteure sich überhaupt ihnen verständlich machen können .
Es kommt hinzu,
daſs die Bean lagung des Russen zum Reiten im allgemeinen keine groſse ist , da mit Ausnahme der Angehörigen der Kasaken heere und der Bewohner einiger die Pferdezucht in gröſserem Umfange
betreibenden Provinzen , der gemeine Mann nur wenig Gelegenheit hat, schon vor seiner Dienstzeit das Pferd anders als als Zugtier zu
benutzen . Da nun die zur Kavallerie eingezogenen Rekruten in ganz derselben Ausbildungszeit erheblich mehr zu leisten und zu lernen haben, wie die der andern Waffen und auch während der späteren Dienstzeit von dem Kavalleristen viel mehr Selbstständigkeit und Umsicht verlangt wird als z. B. von dem Soldaten der Infanterie,
so erscheinen die Wünsche nach einem ausgesuchteren Ersatz durch aus gerechtfertigt. Mehr zu erreichen wäre, selbst wenn der Ersatz für die Kavallerie derselbe bliebe wie bisher, dann , wenn die Rekruten
schon im Oktober oder November und nicht wie jetzt erst Ende Dezember, häufig sogar erst Ende Januar echelonweise bei der Truppe einträfen . Durch diesen späten Beginn der Ausbildungszeit, welcher sowohl durch Ersparungsrücksichten als durch die groſsen, von den Einberufenen zurückzulegenden Entfernungen , gestörte Kommunikationen u. s. w. zu erklären ist, gehen 2-3 Monate ver
loren und zwar in einer Jahreszeit, welche die Ausbildung im Freien noch eher ermöglicht, als die eigentlichen Wintermonate. Es bleiben also bis Mitte Mai, n . St., zu welchem Termin die Rekruten in die Eskadron eingestellt werden sollen, kaum vier Monate übrig, während dazu bei anderen Armeen die noch obenein über ein geistig vorgeschritteneres Material verfügen, 6-7 Monate verwendbar sind . Sollte sich daher aus diesen oder jenen Gründen , 4*
Über Mängel und Reformbestrebungen
52
deren Aufzählung hier zu weit führen würde, eine frühere Einbe rufung der für die Kavallerie bestimmten Rekruten nicht ermöglichen lassen , so bliebe nach Oberst Griasnow's und vieler anderer Sach
verständigen Meinung nur der Ausweg übrig, zur Kavallerie solche Mannschaften auszuwählen, die ihre erste militärische Ausbildung bereits bei der Infanterie erhalten hätten und sich
wie es durch
besondere Kommissionen festzustellen wäre – zur Einstellung bei der Kavallerie besonders eigneten. -
Die Einstellung dieser Mannschaften bei der Kavallerie würde
in diesem Falle erst mit Beginn des zweiten Dienstjahres (Ende September) zu erfolgen haben. Man ersparte dadurch die Zeit, welche sonst auf die infanteristische Schulung des Dragoners ver wendet werden müſste und könnte gleich von vorneherein das Hauptgewicht auf seine Ausbildung als Reiter und in allen dem
Kavalleristen der Neuzeit zufallenden Obliegenheiten richten . Man vermöchte auf diese Weise innerhalb 6-7 Monaten die jungen Soldaten der Kavallerie so weit zu bringen, daſs sie nach ihrer Einstellung in die Eskadron thatsächlich den an sie zu stellenden Anforderungen gewachsen, das heiſst unter Umständen auch selbst
ständig im Felddienst zu verwenden wären und nicht nur auf Tritt und Schritt von den älteren Leuten am Gängelband gehalten werden müſsten .
Der von anderer Seite erhobene Einwand, daſs eine derartige Ergänzung der Kavallerie aus der Infanterie den kavalleristischen
Geist der Dragoner ungünstig beeinflussen und dieselben noch mehr denn früher im Licht einer berittenen Infanterie erscheinen lassen
würde, will Oberst Griasnow nicht gelten lassen .
Vielmebr sieht er gerade in dieser Art der Auswahl des
Ersatzes für die Kavallerie eine geeignete Verwirklichung der Elite stellung, wie sie eine zu so wichtigen und vielseitigen Dienstleistungen berufene Truppe wie die Kavallerie einnehmen muſs. Unserer eigenen Auffassung nach will uns diese von Oberst Griasnow und nicht von ihm allein befürwortete Art der Ergänzung
der Kavallerie wenn auch nicht als absolut unzweckmäſsig, so doch
als etwas zu drastisch und namentlich die Infanterie beeinträchtigend erscheinen . Dürfte es doch den Truppenteilen der Infanterie nicht besonders anmutend sein ihre besten Leute -- denn darum handelt
es sich doch – nachdem auf ihre Ausbildung bereits so viel Zeit und Mühe verwendet worden ist, schlieſslich an die Kavallerie ab
Diese Abneigung würde um so begründeter sein, als die Zahl solcher Leute, welche sich zur späteren Ver
gegeben zu müssen .
bei der russischen Kavallerie.
53
wendung als Unteroffiziere eignen, bei den russischen Kompagnien 1. s. w. keineswegs eine groſse ist, so daſs zumal bei der jetzigen kurzen Dienstzeit den Kompagniechefs viel daran liegen muſs die zu solchen Posten geeigneten Individuen für den eigenen Bedarf zu behalten.
Die russische Armee lebt aber unter anderen Be
dingungen als die Streitkräfte der übrigen , auf einer höheren Stufe der Civilisation stehenden, Staaten , sie braucht also auch um
ihre Ziele zu erreichen, andere Mittel und darf weniger Rücksichten nehmen . Wurden doch früber häufig die besten, bereits längere Zeit gedient babenden Mannschaften der Armee der Garde überwiesen ,
und betrachteten die davon betroffenen Truppenteile eine solche Maſsregel sogar als eine Art Auszeichnung. Bei der groſsen Be deutung, welche man heute mit Recht in Russland nicht nur der Zahl , sondern auch der Beschaffenheit der Kavallerie, speziell der selbstständigen Verwendbarkeit des einzelnen Mannes zum Sicher
heits- und Kundschaftsdienst, beilegt, wäre es daher keineswegs undenkbar, daſs den hier besprochenen Vorschlägen, die Kavallerie mit geeigueterem Ersatz zu versehen, Folge gegeben würde. Sei es auch
nur in so weit, als man den Ersatzkommissionen eine
strengere Befolgung der für die Aushebung der Kavallerierekruten gültigen Bestimmungen zur Pflicht machte.
Wir gelangen zu dem 4., auf die Art der Ausbildung des Kavalleristen im Reiten bezüglichen Punkt, der unser Interesse deshalb am meisten fesselt, weil gerade hierüber seit längerer Zeit in der russischen Militärlitteratur ein ziemlich lebhafter Meinungs austausch obwaltet, der dem Beobachter manche Einblicke in die
wahre Sachlage gewährt, gleichzeitig aber auch daran erinnert, daſs auch bei uns ähnliche Abrichtungsmethoden, wie sie Oberst Griasnow als nicht mehr zeitgemäſs rügt, angewendet wurden und noch nicht ganz dem Reich der Vergessenheit angehören . Die frühere lange Dienstzeit in der russischen Armee ( 16 , 20 ja 25 Jahre ,) und die so viel einseitigeren Anforderungen , welche
vor Einführung der neueren, die ganze Taktik verändernden , Bewaffnung an die Ausbildung der Kavallerie stellte, brachte es mit sich, daſs das Hauptgewicht dabei auf die Bahnreiterei und eine peinliche Ausgleichung des Sitzes, der Zügelführung, des Tempos und der Haltung des Pferdes gelegt wurde. Nur unter Erreichung dieser Anforderungen glaubte man diejenige Geschlossenheit und
man
Genauigkeit bei den Bewegungen der Schwadronen und Regimenter erzielen zu können, welche dieselben befähigte, den ehemals fast aus schlieſslichen Zweck der Kavallerie, das heiſst ihre Verwendbarkeit
Über Mängel und Reformbestrebungen
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in der rangierten Schlacht zum Niederreiten des Feindes zu erfüllen . Man konnte sich mit der Ausbildung des Kavalleristen im Reiten
im Verhältnisse zu den anderweitig ihm obliegenden Dienstleistungen, speziell im Sicherheits- und Kundschaftsdienst, um so mehr Zeit lassen, als die lange Dienstzeit bei der Fahne es ermöglichte auch in dieser Hinsicht den damaligen, auf ein Minimum beschränkten, Ansprüchen zu genügen. Die Zeiten haben sich geändert, die Schlachten nehmen einen anderen Verlauf, die strategische Wirksamkeit
der Kavallerie und damit die Leistungsfähigkeit des einzelnen Mannes, sind in den Vordergrund getreten, Ausdauer und Schnelligkeit von Reiter und Pferd werden im wesentlich erhöhtem Maſse verlangt, die Dienstzeit ist auf ein Minimum reduziert und dennoch
SO
äuſsern sich die Vertreter der modernen Richtung - ist die alte Ausbildungsschablone trotz aller darüber erlassenen Vorschriften und Instruktionen, in der Hauptsache dieselbe geblieben. Oberst Griasnow tadelt es namentlich , daſs sowohl bei dem den Rekruten, als den älteren Mannschaften im Winter erteilten Reitunterricht immer noch
zu viel, ja alleiniges, Gewicht darauf gelegt wird, daſs die in der Bahn reitenden Abteilungen sich wie ein aufgezogenes Uhrwerk präsentieren und absolute Gleichmäſsigkeit in Sitz , Führung und Bewegung zeigen, ohne daſs man auf die Individualität und Körper beschaffenheit von Reiter und Pferd irgend welche Rücksicht nähme.
Anstatt die Reittouren zu variieren, das heiſst unerwartete Bewegungen ausführen zu lassen, und dadurch dem einzelnen Reiter Gelegenheit zu geben, sein Pferd wirklich selbstständig zu führen wie es schon die 1884 erlassene neue Instruktion entschieden verlangt, lernt er bei der noch immer beliebten Methode --- man bat dafür den Ausdruck : » die Abteilungen treiben « eigentlich nur hinter seinem Vorder mann in bestimmten Abständen einherzureiten und gedankenlos genau -
dasselbe zu machen wie die Anderen.
Die Mannschaften verlieren
auf diese Weise alles Interesse an dem Unterricht, denken nur an
Äuſserlichkeiten und gelangen nie zu einem festen natürlichen Sitz, weil sie jeden Augenblick gestört werden und eine Rüge fürchten. Die Pferde ihrerseits fallen dabei unwillkührlich in die ihnen als
Remonten mit Mühe ausgetriebenen Erinnerungen ihrer » Heerden zeit « nämlich in die Gewohnheit sich möglichst enge zusammen zu halten, zurück und behalten diese Neigung zum » Kleben « auch im Sommer bei.
Auch sie wissen nach einiger Zeit ganz genau , wie
der Mechanismus und die Aufeinanderfolge der Übungen vor sich geht und tragen ihre Reiter mehr, als daſs sie von ihnen geführt werden .
Aus demselben Grunde, das heiſst, um die dem Auge des
bei der russischen Kavallerie .
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Vorgesetzten so erfreuliche und ohne viel Aufwand von Nachdenken
zu erreichende Gleichmäſsigkeit der Haltung und der Bewegungen nicht zu stören, wird auch das in der Instruktion mit Recht so stark betonte und auch im Winter verlangte Reiten im Terrain,
das Nehmen von Hindernissen , das Voltigieren auf dem Pferde 1. s. w. fast garnicht geübt, selbst von den älteren Mannschaften nicht. Dieselben schreiten somit in der Ausbildung eigentlich nicht vor, sondern wiederholen von Jahr zu Jahr das, was sie schon als
Rekruten gelernt haben, nur mit dem Unterschiede, daſs sie aus den eben angegebenen Ursachen viel seltener in den Sattel kommen als die Rekruten .
Eine Ausnahme hiervon machen nur die Remonte
reiter und die zum Schulkommando (dasselbe bildet geeignete Leute zu Unteroffizieren aus) gehörigen Leute.
Der Grund für diese Erscheinung liegt nach Oberst Griasnow's Meinung darin, daſs die mit der Leitung des Reitunterrichts betrauten Offiziere, an ihrer Spitze der an erster Stelle verantwortliche Schwadronschef, selbst bei besserer Einsicht nicht dasjenige aus
führen lassen, was den Zwecken des Krieges und den Anforderungen der Instruktion entspricht, sondern dasjenige, was die Vorgesetzten bei den Besichtigungun verlangen. So wird, da es immer noch sehr viele Anhänger der früheren Methode, namentlich unter den in höheren Stellungen befindlichen älteren Offizieren giebt, in den meisten Fällen lediglich auf die am Schluſs der Winterperiode stattfindenden Besichtigungen hingearbeitet. So kommt es , daſs die Ausbildung des einzelnen Mannes , auf die es doch in dieser Periode zunächst ankommt, zur Nebensache wird , alle Anstrengungen
vielmehr dahin zielen , die Reitabteilungen so zusammenzustellen , daſs die Vorführung derselben als Ganzes betrachtet möglichst glatt, (Oberst Griasnow braucht
dafür den
karouſselartig) vor sich geht.
bezeichnenden
Ausdruck
Läſst man dann die Abteilungen
wirklich einmal im Terrain reiten, so ist es so zu sagen mit der
ganzen Kunst zu Ende, namentlich wenn man sich anf stärkere Gangarten einläſst, die mühsam » eingefuchste « Haltung geht sofort verloren, und die Pferde machen was sie wollen.
Eine klassische Bestätigung dafür, daſs die von Oberst Griasnow, Terechow u . A. als nicht mehr zeitgemäſs bezeichnete Methode der Bahnreiterei auch von höherer maſsgebender Seite nicht gebilligt und als dem Geist der Instruktion von 1884 wiedersprechend be
zeichnet wird, finden wir in einem Befehle des Generalinspekteurs der Kavallerie, Groſsfürst Nicolai des Älteren von 1887, derselbe lautet : »die Art der Einzelausbildung hat unzweifelhaft einen un
56
Über Mängel und Reformbestrebungen
geheueren Einfluſs auf die kriegerische Leistungsfähigkeit des Reiters. Dennoch habe ich bei eivigen meiner Inspektionen der winterlichen Thätigkeit bemerkt, daſs das Reiten der Abteilungen in der Bahn auch heute noch in der althergebrachten Weise, ohne
Berücksichtigung der gestellten Anforderungen und der unter meiner
persönlichen Leitung in der Kavallerieoffizierschule angewendeten Methode ausgeübt wird.
Die Ausbildung soll hauptsächlich die selbstständige Ent wickelung des einzelnen Kavalleristen erstreben, und alle Übungen sollen an erster Stelle den Dienst im Felde als Zweck im Auge haben . Das während der Winterperiode ausgeübte Reiten in Ab teilungen nach dem früheren System (das auch ich einst befolgt, dem ich aber längst entsagt habe) darin bestehend, daſs alle Reiter nur gleichmäſsig stets dieselben Wendungen und Bewegungen aus führen, hat den Charakter des ermüdenden Hinschleppens auf den
Pferden und entspricht den Bedürfnissen der kriegerischen Aus bildung und den in dieser Hinsicht gestellten Anforderungen nicht u . S. w . , u . s . w .
Der Befehl schlieſst mit einer neuen Einschärfung, die Instruktion nicht nur ihrem Wortlaut, sondern auch ihrem Geist nach zu be folgen. Hören wir nun aber auch die Einwände der Anhänger der alten Richtung, wobei man nicht vergessen darf, daſs die bereits
erwähnten Mängel der Dislokation, ferner die ungünstigen Witterungs verhältnisse, die ungenügende Zahl der geeigneten Reitlehrer und die starken Anforderungen im Dienst zu Fuſs, Exerzieren, Schieſsen Bajonetfechten u . 8. w. viel dazu beitragen, die Routine des Reitens in Abteilungen zu erhalten . Wollten sich , so antworten die Ver teidiger der Bahnreiterei, die Reitlehrer in der von der Instruktion
und dem Generalinspekteur verlangten Weise mit jedem Mann ihrer Abteilung einzeln beschäftigen und jeder Individualität Rechnung tragen , so würde das eine Zeit erfordern, die nur so begünstigten Truppenteilen zur Verfügung steht, wie etwa der Garde und dem Personal der unter den Augen des Generalinspekteurs arbeitenden Kavallerieoffizierschule. Man müſste, um sich mehr mit dem einzelnen
Reiter beschäftigen zu können , kleinere Abteilungen zusammen
stellen, dafür aber ihre Zahl vermehren und die Schwierigkeiten blieben dieselben . So macht man denn, damit doch Jeder wenigstens etwas lerne, die Abteilungen grofs und wendet eine Methode an,
bei der wenige Lehrer gleichzeitig viele Schüler bis zu einer gewiſsen Stufe zu bringen vermögen , ähnlich wie es bei überfüllten Lehr anstalten geschieht . - Auſserdem aber müſse, ehe man Reitübungen
bei der russischen Kavallerie .
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im Terrain mit Nutzen vornehmen könne, erst ein gewisses Fundament vorhanden sein, das nur in der Bahn zu erreichen ist. Sonst erzöge man nicht reguläre Kavalleristen , sondern eine Art von Pseudokasaken ,
die weder zum geschloſsenen Kampf, noch sonst etwas taugten u . 8. w. , . s. w. Man sieht, auch diese Auffassung hat ihre Berechtigung .
und liegt die Schwierigkeit wie so oft , nur im Einhalten des richtigen Maſses.
Die Beschaffenheit des Lebrerpersonals spielt hierbei natürlich auch eine groſse Rolle .
Oberst Griasnow wünscht, daſs der
Unterricht im Reiten und die mündliche Instruktion hauptsächlich von den Offizieren erteilt, die Ausbildung im Fuſsdienst aber mehr
den Unteroffizieren überlassen werden soll . Die Beweggründe für dieses Verlangen sind darin zu suchen, daſs die Offiziere schon ihrer höheren Intelligenz und der daraus hervorgehenden Neigung zum selbstständigen Denken und zur Initiative halber, weniger geneigt sind an der Schablone haften zu bleiben , als die Unteroffiziere und besser als diese in der Lage sein werden , den neuen Anforderungen
Rechnung zu tragen. Auſserdem aber schreitet die geistige Ent wickelung des gemeinen Mannes unter dem Einfluſs des persönlichen Verkehrs mit den
Offizieren
viel schneller fort , als
wenn
die
Instruktion nur von den Unteroffizieren geleitet wird , welche nur zu leicht an der toten Form
Augen lassen.
haften und das Wesentliche auſser
Es gilt das nicht nur für die Ausbildung im Reiten ,
sondern auch für die Unterweisung in allen dem Soldaten obliegenden Pflichten , Vaterlandsliebe , Ehrgefühl, Gehorsam , Selbstverläugnung, Tapferkeit, Verhalten als Posten und in der Ausübung des Feld Namentlich wird empfohlen , die theoretische Aus dienstes .
bildung der Rekruten vorzugsweise dem Schwadronschef oder doch einem älteren Offizier zu übertragen , weil der erste Unterricht eine entscheidende Einwirkung auf das spätere dienstliche Verhalten des Mannes und seine Auffassung seines Berufes ausübt. Alle mebr mechanische Fertigkeiten verlangenden Dienstzweige, wie z. B. Fuſsexerzieren , Griffe, Kenntnis des Gewehres , Vorübungen zum Schieſsen , Satteln , Packen u. S. w. können dagegen den Unter offizieren übertragen werden . Auch sie aber müſsten zu ihrem
Beruf als Lehrer in praktischerer Weise ausgebildet werden , als es bei den (geeignete Individuum zu Unteroffizieren vorbereitenden und bei jedem selbstständigen Truppenteil bestehenden ] Lehr- oder Schulkommandos geschieht.
Den Schülern werden dort eine Menge
von theoretischen Kenntnissen beigebracht, die nur das Gedächtnis belasten und im Grunde für ihren künftigen Beruf überflüssig sind ,
58
Über Mängel und Reformbestrebungen
während sie wenig oder gar keine Übung darin erhalten, das was sie selbst wissen und können, dem Soldaten in für ihn faſslicher Weise beizubringen oder praktisch zu zeigen .
Des besseren Zusammenhangs wegen, übergehen wir hier zunächst die vom Oberst Griasnow unter Nr. 8 bis incl. Nr. 10 geäuſserten Reformvorschläge und wenden uns noch einmal zu den an die Lehr
fähigkeit der Offiziere zu stellenden Anforderungen, Punkt 11 und 12 .
Da naturgemäſs nur ein solcher Lehrer erfolgreichen Unterricht
zu erteilen vermag, der den Gegenstand, den er lehren soll, selbst
in vollem Maſse beherrscht, so ist es eine Notwendigkeit, daſs die als Reitlehrer verwendeten Offiziere (und sie werden es fast alle) auch selbst vorzügliche Reiter sind und durch ihr eigenes Beispiel zu wirken vermögen . Dieses ist nun anerkannter Maſsen keineswegs durchgehend der Fall und hat seinen Grund hauptsächlich darin , daſs die russischen Kavallerieoffiziere bis vor nicht langer Zeit nur
über ein Pferd verfügten , welches sie fast ausschlieſslich im Dienst ritten, während sie sonst mit geringen Ausnahmen nie in den Sattel kamen, geschweige denn irgend welchen Reitsport betrieben .
Erst
seit einigen Jahren ist hierin auf Veranlassung des Generalinspecteurs eine Änderung eingetreten, darin bestehend, daſs die Offiziere ein Chargenpferd und eine zweite Ration, letztere nur unter der Be dingung erhalten , daſs sie sich ein eigenes Pferd anschaffen.
Auch
wurden Bestimmungen erlassen, um vermittelst Bewilligung von Rennpreisen die Neigung der Offiziere für den Sport und das Reiten im Terrain , die Zurücklegung gröſserer Strecken u . s. w. zu
befördern . Diese Maſsregeln haben denn auch ihre Wirkung nicht ganz verfehlt, namentlich hat die ebenfalls von Groſsfürst Nicolai
ausgegangene Organisation der Kavallerieoffizierschule, die eine nach den neuesten Prinzipien geleitete Reitschule mit einem wissen schaftlichen Kursus vereinigt , sehr viel dazu beigetragen , den
kavalleristischen Sinn zu fördern und die der Verwendung der moderneu Reiterei zu Grunde liegenden Prinzipien der Ausbildung zur Geltung zu bringen.
Es bleibt in dieser Hinsicht jedoch der bereits erwähnten und anderen nur durch die Zeit zu beseitigenden hindernden Umstände wegen , noch sehr viel zu thun .
So giebt es immer noch eine
gröſsere Anzahl von Kavallerieoffizieren - nach dem letzten Nachweis mehr als 70 -- die keine eigenen Pferde besitzen und ihren ganzen
Dienst auf ein und demselben Tiere verrichten, so daſs bei ihnen von einem Reiten aus Passion selbst beim besten Willen nicht die Rede sein kavn . An den allgemeinen Rennen beteiligen sich nur
bei der russischen Kavallerie.
wenige, meistens der Garde angehörige Offiziere.
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Aber auch das
bestimmungsmäſsige Reiten der Offiziere in der Bahn unter Leitung eines älteren Offfziers wird meistens sehr oberflächlich vorgenommen ,
da die Regimenter nur selten an einem Ort vereinigt stehen und die 2, höchstens 3 Offiziere, über die jede der , noch dazu weit dislozierten Schwadronen verfügt, dem an sich schon überbürdeten
Schwadronschef wenig Anregung geben, sich speziell mit ihrer Ausbildung im Reiten zu beschäftigen Die Hauptsache für ihn und die Offiziere selbst bleibt es daher, daſs sie überhaupt Pferde besitzen , welche sie im Dienst reiten können, und die in dieser Hinsicht den Vorgesetzten genügen. Wer ihre Dressur übernimmt, ist dabei Nebensache, und ein Wechsel mit Pferden findet so selten
wie möglich statt, schon deshalb nicht, weil die Preise für gutes Reitmaterial jetzt auch in Russland in stetem Steigen begriffen sind. Um somit den Offizieren Gelegenheit zu geben nicht immer ein und dasselbe Pferd, sondern möglichst viel verschiedene zu
reiten und sich dadurch eine gröſsere Übung in der selbstständigen Dressur anzueignen , schlägt Oberst Griasnow vor, den jüngeren Offizieren stets eine Remonte oder ein schwieriges Pferd zuzuteilen, welches sie unter Aufsicht des Schwadronschefs thätig zu machen haben .
In vielen, ja in den meisten Fällen wird auch dieser Wunsch ,
der erwähnten localen und dienstlichen Schwierigkeiten , namentlich des Mangels au Zeit wegen, unausführbar bleiben. Eine Bestätigung hierfür finden wir in einem von Grossfürst Nicolai am
11. Dezember
1888 erlassenen und auch später mehrfach von uns citierten Befehl , worin er tadelt, daſs die bestimmungsmäſsig bei jedem Regiment zu formierenden Bereitercommandos (najäsdniki) nicht überall vorhanden wären .
Diese aus Offizieren und Unteroffizieren bestehenden Kom
mandos sollen sich im Winter beim Stabe des Regiments vereinigt befinden, und ist es ihre Aufgabe, schwierige Pferde zu verbessern, junge Pferde, welche einer besonders vorsichtigen Behandlung be dürfen , und die für die Offiziere bestimmten Remonten zuzureiten . Diese Bereiter sollen sämtlich aus der Offizierkavallerieschule und
der damit verbundenen Bereiterschule hervorgegangen sein . In vielen Fällen kommt man dieser Vorschrift deshalb nicht nach , weil die Schwadronen die betreffenden Offiziere und Unteroffiziere nicht ent
bebren können . Gleiche Schwierigkeiten stellen sich der gedeihlichen Entwickelung der sogenannten Jagdkommandos entgegen , welche
ganz ähnliche Zwecke verfolgen und ebenfalls beim Regimentsstabe zusammentreten. Zu derselben soll jede Eskadron 6 der gewandtesten
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Über Mängel und Roforwbestrebungen
Reiter und besten Pferde stellen.
Unter Führung der Offiziere
haben diese Kommandos regelmäſsig auch im Winter Reitübungen aller Art im Terrain , Jagden mit Windhunden , Schleppjagden, Schnitzeljagden und Ueberschwimmungen von Flüssen vorzunehmen . Auch sind mit diesen Übungen Patrouillenritte, Rekognoszierungen, Aufnahme des passierten Terrains und schriftliche wie mündliche Berichterstattungen über das Wahrgenommene zu verbinden . Es sollen dadurch Eliten herangebildet werden, die den übrigen Mann
schaften als Beispiel der Unerschrockenheit und Umsicht zu dienen
und im Kriege besonders schwierige Aufträge auszuführen haben. Die Schwadronen setzen aber auch der Ausführung dieser Be
stimmungen einen gewissen passiven Widerstand entgegen , weil sie ihre besten Leute nicht missen mögen, und auch die Offiziere ver halten sich mit geringen Ausnahmen ziemlich ablehnend. So giebt es, wie der Befehl des Groſsfürsten Nicolai von 1888 zeigt, eine
groſse Zahl von Kavallerieregimentern, bei denen die anbefohlenen Jagden noch nie zur Ausführung gekommen sind . Während sich die bisher betrachteten Punkte der von Oberst
Griasnow gemachten Reformvorschläge hauptsächlich auf die Aus bildung des Kavalleristen im Reiten beziehen , richten sich Punkt 8
und 9 gegen die bisher in Anwendung gewesenen Übungen im Gebrauch der Waffen und gegen die zu weit getriebene Verwendung der Kavallerie zum Gefecht zu Fuſs.
Die seit dem letzten Kriege vor sich gegangene Umwandlung der gesamten regulären russischen Kavallerie zu Dragonern , das heiſst einer Truppe, die sich ebensowohl zum Kampf zu Fuſs wie zu
Pferde eignen soll, hat es mit sich gebracht, daſs die Übung in Be nutzung des Säbels beziehungsweise der Lanze als der bisherigen
Hauptwaffe des Reiters, immer mehr in den Hintergrund getreten ist und das Hauptgewicht nicht nur auf das Schieſsen aus dem mit einem Bajonett versehenen Dragonergewehr, sondern eben so sehr auf das infanteriemäſsige Exerzieren mit demselben und das Bajo nettieren gelegt wird. Die Ansprüche, welche man an die Leistungen der Kavallerie in diesen Dienstzweigen macht, sind dieselben wie die
an die Infanterie gestellten, und muſs die Ausbildung im Gebrauch des Säbels darunter leiden.
Es äuſsert sich das darin, daſs sowohl zu Pferde wie zu Fuſs,
eigentlich nur darauf gesehen wird , daſs die Hiebe und Deckungen von allen Leuten der Abteilung à tempo und ganz mechanisch aus geführt werden , während man keine Rücksicht darauf nimmt , ob
die Hiebe scharf oder flach fallen, und ob die Mannschaften auch
bei der russischen Kavallerie.
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im Stande sind, sich einem wirklichen Gegner gegenüber zu decken ,
das Contrafechten wird gar nicht vorgenommen . Man beschränkt sich also eigentlich nur auf die Vorübungen zum Fechten und führt auch diese fast ausschlieſslich zu Fuſs und auf Kommando aus.
Das Reglement schreibt zwar vor, daſs die Übungen im Hauen und Stechen, nachdem die Mannschaften in den Anfangsgründen fest sind, gegen Strobfiguren , Reisigbündel , Ballons u. s. w. ausgeführt werden sollen .
Wie aber der bereits erwähnte Befehl des General
inspecteurs hervorhebt, werden diese Vorschriften nur in den seltensten Fällen ausgeführt, so daſs die Ausbildung im Fechten sowohl bei der regulären Kavallerie als bei den Kasaken auf sehr schwachen Füſsen steht und einer Vervollkommnung dringend bedarf. Was die Offiziere anbetrifft, so beschäftigen sie sich mit dem Fechten gar nicht . Um so mehr Zeit wird bei den Dragonern auf die Gewehrgriffe, das Laden, den Anschlag und das Bajonettieren ver
wendet, und bestrebt man sich darin in völliger Verkennung des eigentlichen Berufs des Kavalleristen , es der Infanterie mindestens 1
gleich zu thun .
Es verführt hierzu auch der Umstand , daſs die
Witterungsverhältnisse im Winter das Reiten erschweren . Um die Mannschaften zu beschäftigen, läſst man sie daher zu Fuſs exerzieren . Die Reaktion gegen diese den Wert des Reiters als Kämpfer zu Pferd schwer beeinträchtigenden Übertreibungen ist denn auch , wie aus den Vorschlägen Griasnow's und Anderer zu ersehen, nicht ausgeblieben , aber auch hierin begegnen die Reformatoren einem 1
lebhaften ,
sich auch in der Litteratur äuſsernden Widerstande.
Griasnow und seine Gesinnungsgenossen sind der Meinung, daſs nicht nur im Kampfe zu Pferde der Säbel beziehungsweise die Lanze die einzige von dem Kavalleristen zu brauchende Waffe sein soll, sondern daſs auch beim Gefecht zu Fuſs das Bajonett für den Dragoner überflüssig und er vollkommen im Stande sei, sich mit dem
Säbel in der Faust der Bajonettangriffe des Infanteristen zu erwehren . Als Beispiel werden die Montenegriner, die kaukasischen Bergvölker
und die Turkmenen angeführt, welche, obwohl nur mit Jatagan und Säbel fechtend , ihre mit dem
Bajonett bewaffneten Feinde ohne
Besinnen angreifen und häufig genug die Oberhand gewinnen . Da das Bajonett den Kavalleristen beschwert und ihn auch beim Schieſsen hindert, so sei es viel zweckmäſsiger, ihm diese nur dem
Infanteristen gebührende Waffe ganz zu nehmen, wohl aber durch Fechtübungen dafür Sorge zu tragen, daſs der Dragoner sich auch dem Bajonett gegenüber auf seine Reiterwaffe verlassen könne. Die Reformatoren behaupten sogar, daſs das Bajonett auf den Kavalleristen
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Über Mängel und Reform bestrebungen
demoralisierend wirke und zur Übertreibung des Gefechts zu Fuſs mit allen seinen Konsequenzen verführe. Die Anhänger der alten Dragonertradition, deren es in Russland noch eine groſse Anzahl giebt, behaupten dagegen , daſs der Dragoner nur dann den an ihn
als Doppelkämpfer zu stellenden Ansprüchen genügen könne, wenn ihm das Bajonett belassen wird. Nur dadurch würde ihm im Kampfe zu Fuſs jenes Gefühl der Selbstständigkeit gegeben werden, welches
ihn dazu befähige, auch feindlicher Infanterie mit Nachdruck ent gegenzutreten und mit ihr handgemein zu werden . Letztere Even tualität würde aber bei den selbstständigen Unternehmungen , zu
denen die Kavallerie heute berufen sei, sehr häufig eintreten. Noch gröſsere Vorteile würde das Bajonett natürlich beim Fuſsgefecht von Kavallerie gegen Kavallerie gewähren. Um ihn dabei za er leichtern , sei es zweckmäſsig , wenn der Säbel nicht von dem Dragoner selbst getragen , sondern an dem Sattel befestigt 9
würde u . S. w . u .
. w.
Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, zu entscheiden , welche von den beiden sich entgegenstehenden Richtungen das gröſsere Recht auf ihrer Seite hat.
Es scheint aber in der That, daſs, seit
die ganze russische Kavallerie das Bajonettgewehr erhalten hat, ein
derartiges Überwiegen des Infanteriedienstes bei ihr eingetreten ist, daſs die dagegen geäuſserten Bedenken wohl begreiflich sind . Man vermag nicht einzusehen , weshalb die Dragoner, mag man die An sprüche an ihre Leistungen im Gefecht zu Fuſs auch noch so hoch
stellen, in der Genauigkeit der Griffe, Wendungen, Marsch bewegungen und sonstiger Friedenskünste, (man verlangt sogar einen vollkommenen
Parademarsch und Bewegungen im Tritt in der Kolonne, vollständige Schützenmanöver u . s. w.) der Infanterie durchaus gleich kommen sollen, wie es thatsächlich von vielen Vorgesetzten verlangt wird . Daſs die kavalleristische Ausbildung darunter leiden muſs, ist um so
unausbleiblicher, als die russische Kavallerie bei der jetzigen kurzen Dienstzeit sich in einer ganz anderen Lage befindet, als die 20 bis 25 Jahre dienenden Dragoner der früheren Perioden .
Bei einem so langen Verbleib bei der Fahne war es wenigstens denkbar, einen Soldaten zu einem zu Pferde und zu Fuſs gleich vollendeten Kämpfer heranzubilden, obwohl auch hieran gezweifelt werden darf. Bei der jetzigen Dienstzeit von nur 6-5 Jahren muſs man von einer solchen Möglichkeit ganz absehen, um so mehr, als die localen Bedingungen , Mangel an Instruktoren, die Art des Er satzes, die mittelmäſsige Beanlagung des Russen zum Reiten und sonstige Umstände keineswegs dazu beitragen , einer gleichmäſsig
bei der russischen Kavallerie.
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gründlichen Ausbildung nach beiden Richtungen Vorschub zu leisten . Man gewinnt denn auch bei näherem Eingehen auf die sich über
diese Angelegenheit äuſsernden Meinungsverschiedenheiten den Ein druck, daſs die Vorliebe, welche man schon seit längerer Zeit und speziell seit dem letzten türkischen Kriege dem sogenannten Drago nertyp entgegen brachte, und die jetzt die Schöpfung einer derartigen Einheitskavallerie herbeiführte, stark zu schwinden beginnt, und daſs sogar von höchster Stelle aus hierin eine Umkehr gewünscht wird . Es wäre sogar nicht unmöglich, daſs man , um das kavalleristische Element mehr in den Vordergrund treten zu lassen , nicht nur den Kasaken die Piken wiedergäbe ( jetzt hat sie nur noch das erste
Glied) , sondern auch eine Anzahl von Regimentern der regulären 9
Kavallerie wieder mit der Lanze ausrüstete.
Auch die beabsichtigte
Zuteilung von Schützenbataillonen an die Kavalleriedivisionen spricht dafür, daſs man letztere mehr in rein kavalleristischem Sinne zu
verwenden gedenkt und auch behufs Ausführung der jetzt so in den Vordergrund getretenen strategischen Aufgaben die Mitwirkung von Infanterie für notwendig erachtete.
Wie wenig befestigt die Ansichten über die Verwendung und dem entsprechend die Ausrüstung der Kavallerie in Russland immer
noch sind, geht daraus hervor, daſs von einigen Seiten dem Schieſsen vom Pferde nicht nur mit dem Revolver , sondern auch mit dem Gewehr das Wort geredet wird. In vielen Fällen , so heiſst es, lieſse sich das Schieſsen vom
Pferde gar nicht vermeiden , namentlich dann nicht, wenn der Feind sich des Gewehres in dieser Weise bediente.
So käme es auch er
fahrungsmäſsig im Kriege, namentlich gegen halbzivilisierte Völker schaften , bei Parteigängerunternehmungen beim Plänkeln u. s. W. stets dahin , daſs die Kavallerie vom Pferde schösse, und zeigte das Beispiel der Tscherkessen , der Turkmenen und anderer Steppenvölker, daſs das kavalleristische Element trotz eines derartigen Gebrauchs der Schieſswaffe keineswegs litte. Wir gehen mit Punkt 10 auf ein neues , aber für die Leistungs
fähigkeit der Kavallerie nicht weniger wichtiges Gebiet über. Er bezieht sich auf die Haltung und den Futterzustand der Pferde. Trotz der geringen Bemessung der Rationen *) für die Kavallerie, welche in keinem Verhältnis zu den in neuerer Zeit von
den Pferden
verlangten höheren Leistungen in Ausdauer und
* ) Das Dragonerpferd erhält für 11 Monate im Jahre 9 Pfund Hafer, 10 Pfund
Heu, 4 Pfund Stroh. Für die übrige Zeit nur Heu oder Gras.
Über Mängel und Reformbestrebungen
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Schnelligkeit stehen , verlangen immer noch viele der höheren Vor gesetzten, daſs sich die Pferde bei den viermal im Laufe des Jahres
abgehaltenen Besichtigungen in gutem Futterzustande befinden. Es ist hierunter aber nicht jene durch Ausgiebigkeit der Lungen, Entwickelung der Muskulatur, Reinheit der Beine u. s. w. gekenn zeichnete Körperbeschaffenheit zu verstehen , wie sie ein wirklich leistungsfähiges Kavalleriepferd stets aufweisen soll , sondern die Inspizienten verlangen runde, volle Formen, mit einem Wort Fleisch, um nicht zu sagen Fett, und selbst im Winter glattes Haar zu sehen. Die natürliche Folge derartiger Anforderungen ist es, daſs selbst diejenigen Schwadronschefs , welche einer rationelleren An
schauung hinsichtlich der Körperbeschaffenheit ihrer Pferde huldigen, genötigt sind , sich zu fügen und diejenigen Mittel in Anwendung zu bringen , welche geeignet sind , das Auge des inspizierenden Generals zu erfreuen , beziehungsweise zu täuschen .. Die Sache ist sehr einfach . Man läſst während der Winterperiode die Pferde so viel wie möglich in den fest verschlossenen Ställen, damit die Haare kurz bleiben , verstärkt einige Wochen vor dem stets bekannten >
Termine der Besichtigung die Rationen an Heu und Stroh auf Kosten der Haferportion , wodurch der Umfang des Leibes zunimmt und läſst die Pferde zu demselben Zweck am Tage der Vorstellung
möglichst viel saufen. Ob durch das lange Stehen in den dumpfigen Ställen und die geringe Bewegung im Freien die Beine der Pferde schwellen, ob die Augen leiden , die Lungen sich verfetten, kommt dabei wenig in Betracht . Gerne gesehen wird es dagegen, wenn die
Pferde beim Vorführen Stallmut zeigen, was bekanntlich am leichtesten dadurch erzielt wird, daſs man sie möglichst wenig arbeiten läſst, kurz vor der Vorstellung aber gehörig mit Peitschenhieben , Knallen und Zurufen » aufmuntert «.
Während der Sommerperiode verfährt man in ganz ähnlicher
Weise, das heiſst man schont die Pferde, so weit die an das Exerzieren und den Felddienst zu stellenden Anforderungen es irgend
gestatten. Da wir hierauf bei den den Schluſs unserer Aufzählung bildenden Betrachtungen über das Exerzieren noch ein Mal zurück kommen , so sei hier nur erwähnt, daſs so lange das gegenwärtige
System der Pferdebesichtigungen nicht abgeändert wird , meistens nicht diejenigen Schwadronschefs die gröſste Anerkennung ernten , welche ihre Schwadronen am besten den Bedingungen des Krieges
gemäſs ausbilden und ihre Pferde dementsprechend in Kondition halten, sondern diejenigen , welche es sich mit dem Dienst bequem niachen und nur auf Konservirung des Pferdefleisches Bedacht nehmen .
65
bei der russischen Kavallerie.
Die einzige Möglichkeit ,
9
dieser auf die Leistungsfähigkeit der
Kavallerie so nachteilig einwirkenden Praxis zu begegnen, liegt nach Griasnow's Ansicht darin , daſs man für die Pferdebesichtigungen keine vorher bestimmten Termine ansetzt, sondern dieselben zu jeder beliebigen Zeit unvermutet vornimmt, und dabei nicht den Futterzustand allein , sondern den momentanen Grad der Brauchbar
keit der Pferde für die Benutzung im Kriege , den sogenannten » Arbeitskörper« zum Maſsstab der Beurteilung nimmt. Bei einer richtigen Kontrolle, heiſst es weiter, seien derartige besondere Be sichtigungen des Zustandes der Pferde überhaupt nicht nötig, höchstens
im Herbst vor der Ausrangierung. Die Vorgesetzten müſsten viel mehr auch ohne dieselben über den Zustand des Pferdematerials jeden Augenblick orientiert sein und würden denselben am besten und richtigsten erkennen, wenn sie die Pferde recht oft nicht nur an
der Hand geführt, sondern in voller Arbeit unter dem Reiter sähen .
Auch hier muſs man bei aller Anmerkung der Berechtigung und Zweckmäſsigkeit der von Oberst Griasnow geäuſserten Wünsche
daran erinnern, daſs Ansprüche leichter gemacht als erfüllt werden können, und daſs auch die Freunde » des Pferdefleisches « einige Entschuldigungsgründe für sich haben. Wenn es nämlich auch den Regiments-Commandeuren möglich ist, sich vermittelst häufiger Inspektion der Schwadronen von dem Futterzustande, gleichzeitig aber auch der Leistungsfähigkeit der Pferde ihres Regiments zu überzeugen , so ist das für die Brigade und Divisions -Commandeure , der zurückzulegenden Entfernungen wegen , schon schwerer.
Diese Vorgesetzten können die Pferde nur in bestimmten Zeit räumen , meistens bei Gelegenheit der Frühjahrsbesichtigungen oder
aber dann sehen, wenn die Divisionen zu den Übungen in diesem Verbande zusammengezogen werden. Häufig werden zu diesen In spektionen auch besondere Generale kommandiert, um dadurch eine
gröſsere Gleichmäſsigkeit in der Beurteilung zu ermöglichen. Diese Herren müssen viele Truppenteile sehen und haben für jeden ein zelnen nicht viel Zeit. Es ist nur zu natürlich , daſs die Schwadronen
sich auf diese Besichtigungen, bei denen das Äuſsere zunächst ins Auge fällt, vorbereiten , das heiſst den Pferden gerade für den gegebenen Moment ein gutes d . h. wohlgenährtes Aussehen zu geben bemüht sind. Man stützt sich dabei auf das oft angeführte Citat, »daſs in derselben Zeit , in welcher ein dickes Pferd mager wird, ein mageres ganz zu Grunde geht, und daſs es vielleichter ist ein Pferd herunterzubringen , als es wieder aufzufüttern. Beiden Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marloe.
Bd . LXXI ., 1 .
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Ansprüchen zu genügen , nämlich die Pferde stets auf einem dem
Auge wohlgefälligen Futterzustande, andrerseits sie aber auch in einer solchen Kondition zu erhalten , die ibnen bei vollen Formen
die Überwindung groſser Anstrengungen ermöglicht, ist bei der Knappheit der gewährten Ration nicht ausführbar. Entweder das Pferd hat einen Hängebauch und geschwollene Beine und thut nichts, oder es arbeitet und ist dann mager, wo -nicht abgetrieben. Selbst jetzt, wo die Pferde, namentlich im Winter, nur wenig thun, können sie in einer leidlichen Körperverfassung nur dadurch erhalten 7
werden , daſs man ihnen aus anderweitigen Ersparnissen Rations zulagen an Heu und Stroh gewährt. Sie fressen sonst vor Hunger alles an was sie erreichen können , und man hat verendete Pferde
gefunden , deren Magen 2-3 Pad ( 1 Pud hielten .
40 Pfund) Sand ent Es ist also sehr schwer, was die Ruhe und das gute
Aussehen einerseits, die Arbeit und Leistungsfähigkeit andererseits anbetrifft, stets die goldene Mittelstraſse einzuhalten, d. h . nicht zu viel und nicht zu wenig zu thun . Verlangt man gröſsere Leistungen, so muſs unbedingt auch die Ration erhöht werden . Das bestreiten auch die Reformatoren nicht , und die im
vorigen Herbst bei
Jetisa wetgrad abgehaltenen groſsen Manöver haben diese Notwendig. keit aufs Neue erwiesen. Die Pferde fielen bei der angestrengteren
Thätigkeit sehr schnell ab und erholten sich nur sehr langsam . Der letzte Punkt der Griasnow'schen Ausstellungen bezieht sich , das bisher Gesagte gewissermaſsen resumierend, auf die Ausbildung der Kavallerie während der Sommerperiode , speziell auf das
Exerzieren und die Übungen der Eskadron. In Folge der zu weit gehenden Anforderungen , welche man trotz der jetzigen kurzen Dienstzeit und anderen hinderuden Umstände, immer noch an die Detailausbildung oder besser gesagt, die Bahn dressur stellt , kann es nicht ausbleiben , daſs am Schluſs der Winter
periode der Grad dieser Dressur noch nicht die von den Anhängern der alten Schule beanspruchte Höhe erreicht hat.
So kommt es ,
daſs anstatt sofort nach der Zusammenstellung der Schwadron
energisch die im Reglement und in der Instruktion vorgeschriebenen Exerzitien in der ganzen Eskadron zu beginnen, eine Menge von Zeit darauf verwendet wird , das während des Winters noch nicht
hinlänglich Erreichte, von den Vorgesetzten aber Verlangte, nach zuholen. Mit anderen Worten , die zum Schwadronsexerzieren be stimmten Stunden werden namentlich in der ersten Zeit lediglich
mit Reiten in Abteilungen und Vorbeireiten zu Einem oder zu Dreien in verschiedenen Gangarten ansgefüllt, wobei der Schwadrons 1
bei der russischen Kavallerie.
67
chef sein Hauptaugenmerk auf Ausgleichung des Tempos, genaue Abstände, peinlichste Gleichmäſsigkeit des Sitzes , der Sattlung und
der Zäumung richtet. Für das eigentliche geschlossene Exerzieren
der vereinigten Schwadron , die Ausführung von Attacken in allen Gangarten gegen einen markierten Feind , die Lösung kleiner taktischer
Aufgaben und die Übungen im Felddienst, wie sie die Instruktion schon für diese Periode vorschreibt, bleibt nur ein Minimum von Zeit übrig. Sogar während der Regimentsexerzitien wird in derselben Richtung weiter gearbeitet, denn man bereitet sich nicht für die
Verwendbarkeit im Felde, sondern lediglich für die Besichtigungen vor.
Diese Tendenz spricht sich auch darin aus, daſs man die
Evolutionen fast nie in den reglementsmäſsigen schnelleren Gang arten ausführen läſst. Man beschränkt sich meistens auf einen ge mächlichen Trab, um die Pferde recht zu beruhigen, und auch die
Attacken werden meistens nur markiert. Eine Regimentsbesichtigung hat, nach Terechow , einem entschiedenen Anhänger der von Griasnow
vertretenen Prinzipien, in der Regel folgenden Verlauf: 1. Abreiten des Regiments und Prüfung der Richtung auf der Stelle.
2. Vorbeireiten aller Offiziere, rechts zu dreien mit weiten
Intervallen. 3. Vorbeireiten des ganzen Regiments zu dreien ( fast immer nur rechts) mit auseinandergezogenen Rotten und in ver schiedenen Gangarten . Speziell hierauf wird , wie Terechow bemerkt,
das Hauptgewicht gelegt, und nachdem diese Produktion vorüber ist, schwächt sich das Interesse nicht nur des Inspizienten, sondern
auch der gesamten der Besichtigung beiwohnenden Offiziere wesent lich ab . Man reitet auf dem Platze plaudernd umher, tauscht seine Ansichten über das Gesehene aus und giebt auf das, was weiter vorgeht, kaum mehr Obacht; denn das Urteil über die Leistungs fähigkeit der Truppe steht nunmehr fest. 4. Eine besonders dazu bestimmte Schwadron reitet zu Einem in der Carrière vorbei, wo
bei Lufthiebe ausgeführt werden. 5. Ausführung der im Reglement vorgeschriebenen Bewegungen incl. Absitzen und Gefecht zu Fuſs. 6. Lösung einer (meistens sehr einfachen ) taktischen Aufgabe.
7. Parademarsch, von dessen Ausfall ebenfalls sehr viel abhängt. Man sieht also, daſs selbst bei den Regimentsbesichtigungen Details inspiziert werden, die lediglich in die Winterperiode gehören und längst zum Abschluſs gebracht sein müſsten. Darunter leidet namentlich der Felddienst, zu dessen Einübung man keine Zeit findet, und der auch nur in den seltensten Fällen inspiziert wird. Vielfach begnügen sich die Schwadronschefs, anstatt ihre Truppe zur Einübung des Vorposten- und Patrouillendienstes in das Terrain 5*
68
Über Mängel und Reformibestrebungen
zu führen , damit , die Übung auf dem Exerzierplatze und nur auf der Stelle vorzunehmen .
Diese Vorpostenübungen dauern denn
auch nicht, wie es vorgeschrieben, 24 oder doch 12 Stunden hinter einander, sondern nur 2-3 Stunden .
Dabei kommt immer nur ein geringer Teil der Mannschaften dazu, das Erlernte wirklich praktisch durchzumachen . Viele der neu in die Schwadron eingestellten Leute baben vor Beginn der Übungen mit gemischten Waffen noch nie auf Vorposten gestanden oder an einem Patrouillenritt teil genommen .
Die alte Schule
erwidert hierauf, die Ausbildung im Reiten wäre und bliebe für den regulären Kavalleristen die Hauptsache. Selbst der dümmste Bauer könne , wenn er erst im Reiten fest sei, in viel längerer Zeit zum gewandten Patrouilleur ausgebildet werden als ein noch so kluger Mensch zum Reiter. Aber auch das rein reglementarische
Exerzieren in gröſseren Verbänden , auf das neben der Detail inspektion immerhin einiger Wert gelegt wird , entspricht nach Ansicht der Reformatoren durchaus nicht den an eine kriegstüchtige
'Truppe zu stellenden Auforderungen . » Das Regimentsexerzieren, « schreibt Terechow, > beschränkt sich fast ausschlieſslich auf das Abschwenken und Abbrechen aus der
Linie in die Kolonne ( und umgekehrt).
Oft geschieht das auf das
Kommando des Regiments - Commandeurs von allen Schwadronen gleichzeitig. Bei den Bewegungen wird lediglich auf Genauigkeit,
Richtung und gleichzeitige Ausführung auf Kosten der Plötzlichkeit und Schnelligkeit gesehen . Signale und Kommandos werden möglichst gedehnt abgegeben, um eine recht genaue Ausführung zu erzielen. So strenge man darauf hält , daſs die einzelnen Eskadrons in sich
geschlossen bleiben, so wenig achtet man auf die Aufrechterhaltuug der Intervalle zwischen den Schwadronen , die oft die Breite von drei Zügen einnehmen , und wodurch der Zusammenhalt der Regi mentsfront verloren geht.
Was die Anwendung der reglementarischen Formen auf be sondere Fälle, so z. B. das Debouchieren aus Defilees, das Zurück
gehen durch ein solches , die Veränderung der Front nach einer
gegebenen Richtung unter Verschiebung der Nummernstellung der Schwadronen betrifft, so wurde das noch vor einigen Jahren geübt, jetzt hört man aber nur noch wenig davon «
» Taktische Aufgaben werden nur selten gegeben. Dank dieser Art der Besichtigungen erlangen unsere Regimenter im Exerzieren eine hohe Stufe der Geschlossenheit und Ausbildung auf dem Platze,
bewegen sich aber im Gelände äuſserst langsam , verlieren beim
bei der russischen Kavallerie,
69
Manövrieren die Einheitlichkeit im Zusammenwirken der Eskadrons und machen alle die Fehler, die bei den Manövern so oft zu Rügen Veranlassung geben « u. s. w., u . s. w. .
Der Leser könnte beim Anhören dieser , eine Besserung er
strebenden Selbstbekenntnisse zu dem Glauben veranlaſst werden ,
daſs dieselben einen zu pessimistischen Charakter an sich tragen und nur der Auffassung einer neuerungssüchtigen Minorität entsprechen. Es ist das aber keineswegs der Fall.
Diese Mängel in der Aus
bildung der russischen Kavallerie , obwohl vielleicht durch die Umstände entschuldbar, möglicherweise auch ganz unabwendbar, sind thatsächlich vorhanden, und auch von uns selbst bei verschiedenen Gelegenheiten persönlich beobachtet und hervorgehoben worden. Eine nicht zu beanstandende Bestätigung dafür, daſs eine Reform als dringend notwendig anerkannt wird, enthält der gewisser
maſsen als eine Antwort auf die Äuſserungen Griasnow's zu be trachtende Befehl des Groſsfürsten Nicolai vom 11. Dezember 1888 .
Er lautet bezüglich der Sommerausbildung wie folgt : » Fast bei allen , während dieser Thätigkeitsperiode besichtigten Regi mentern ( es waren dazu zwei Generale besonders kommandiert worden)
haben die Schwadronsexerzitien begonnen , ohne daſs vorher Übungen im Exerzieren im Gliede und im Zuge vorgenommen worden wären . Man muſste daher eine verhältnismäſsig lange Zeit auf den rein formellen Drill der Schwadronen verwenden, und dabei kannten bei vielen Truppenteilen weder die Gemeinen noch die Unteroffiziere
die auf die Richtung und Fühlung bezüglichen Regeln, namentlich bei den Schwenkungen .
Die Schwadronen verwenden zu viel Zeit auf das Abreiten zu
dreien mit geöffneten Intervallen und machen diese Übung zu einem besonderen Ausbildungsgegenstande.
Die Eskadronsexerzitien werden vielfach nur in abgekürztem Tempo ausgeführt und beschränken sich meistens nur auf das Ab
brechen in die verschiedenen Kolonnen (Wendungen und dergl . ), die Instruktion verlangt aber, daſs die meiste Zeit auf das Wesent
lichste verwendet wird , nämlich auf die regelrechten Frontal bewegungen , genaue Innehaltung der eingeschlagenen Richtung,
schnelle Herstellung der Front aus der Kolonne, die Vornahme von Attacken und schnelles Rangieren nach Ausführung derselben . Auf das Exerzieren mit taktischer Idee wird wenig Gewicht
gelegt. Die Attacken werden nicht gegen sichtbare Ziele, sondern ins Blaue hinein ausgeführt. Dadurch wird das Augenmaſs der
Über Mängel und Reformbestrebungen
70
Schwadronschefs und Regiments-Commandeure hinsichtlich der nötigen Aufeinanderfolge der Gangarten bei der Attacke nicht entwickelt.
Übungen im Vorposten- und Kundschaftsdienst werden in dieser Periode nirgends vorgenommen . 10. 22.
Bei vielen Truppenteilen waren am 1. Mai die Rekruten noch nicht in die Schwadron eingestellt.
In Anbetracht , daſs ein derartiger Dienstbetrieb eine äuſserst mangelhafte Ausbildung der Kavallerie für deren Gebrauch im Felde und im Kriege mit sich bringt, befehle ich hiermit : 1. Gemäſs der Instruktion soll bei allen Trappenteilen am
Ende der Winterperiode, etwa vom 271. März ab , in der Bahn sowohl von den älteren Mannschaften als den Rekruten zugweise geritten werden , wobei am
Ende der Stunde anstatt des Reitens in der
Abteilung Übungen im Gliede und im Zuge, verbunden mit Ab brechen , Wendungen und Wiederherstellen der Front, vorzunehmen sind [gewissermaſsen als Vorbereitung zum Exerzieren im Eskadrons verbande].
Auſserdem verlange ich, daſs bei allen Regimentern auch im Winter Cadreseskadrons mit 9 Rotten pro Zug , darunter wenn es nicht zu umgehen ist, event. einige blinde, in Bereitschaft sind, welcbe wöchentlich ein Mal in diesem Verbande zu exerzieren haben .
Wird dieser Befehl genau befolgt, so werden die Cadres im Frühjahr 13 Mai ab nach vollständig ausgebildet sein , und man kanu vom 1. 2-3 Vorübungen behufs Eingewöhnung der neueingestellten Rekruten, sofort zum Exerzieren nach rein kriegsgemäſser Richtung schreiten.
Das ganze für die erste Periode vorgeschriebene Programm ist dann leicht ausführbar.
2. Die Rekruten sind auf alle Fälle, mögen sie bereits von den höheren Vorgesetzten besichtigt sein oder nicht , am Mai in die 13. Schwadron einzustellen.
Sonst wird das ganze Exerzieren und die
Ausbildung im Felddienst aufgehalten . 3. Die Übungen der ersten Periode der sommerlichen Aus bildungszeit sind genau so vorzunehmen , wie es die SS 85-124 der Instruktion vorschreiben .
Das A breiten zu dreien rechts mit 1.
a nseinandergezogenen Rotten darf nach dem 13. Mai nicht mehr geübt werden, da dasselbe gar keinen kriegerischen oder auch nur einen Frontalzweck hat, sondern nur zur Kontrolle des gleich
mäſsigen Sitzes, der Haltung der Hände und der Waffen, der regel rechten Sattlung und Zäumung dient und demgemäſs lediglich in die Winterperiode gehört. Im Sommer nimmt diese Übung unnötig Zeit fort , verleitet zu irrigen Anschauungen und darf daher zur
bei der russischen Kavallerie.
71
Kontrolle der Verfassung des Truppenteils nur nach Beendigung
des Exerzierens vorgenommen werden (also doch !), das Schwa drons- und Regimentsexerzieren soll sich durchaus nicht auf rein reglementarische Bewegungen beschränken , sondern unter Zugrunde legung einer taktischen Idee und gegen einen supponierten oder markierten Feind ausgeführt werden , wie es die Instruktion vor scbreibt.
Attacken sind nur gegen sichtbare Ziele vorzunehmen und eifrig zu üben .
Die Ausbildung im Vorposten- und Kundschaftsdienst ist eben falls schon in dieser Periode zu beginnen , am eifrigsten aber während der Märsche zu den Divisionskonzeptrationen und zu den
Übungen mit gemischten Waffen hin und zurück zu betreiben. 4. Die höheren Vorgesetzten sind verpflichtet , bei den
Besichtigungen nicht nur die exerzierplatzmäſsige, sondern auch die taktisch feldmäſsige Ausbildung der Schwadronen und Regimenter, desgleichen ihre Leistungen im Vorpostendienst, zu prüfen . « Man ersieht aus diesem sich noch auf verschiedene andere
Dienstzweige, z. B. die ebenfalls im Argen liegenden theoretischen und praktischen Winterarbeiten der Offiziere, die Ausbildung der Raswädtschiki (Patrouilleure) , der Najäsdniki ( Bereiter) und der Ochotniki ( Jäger) beziehenden Befehl des Generalinspekteurs zum
mindesten , daſs die der bisherigen Ausbildung der russischen Kavallerie anhaftenden Mängel richtig erkannt sind , und daſs ihre Beseitigung erstrebt wird.
In wieweit diese Bestrebungen von Erfolg begleitet sein werden, dürfte schwer zu beantworten sein , da man immer wieder auf die
der Ausführung der Reformen entgegentretenden Schwierigkeiten Rücksicht nehmen muſs. Derartige Befeble, die im Grunde nur die Bestimmungen der an und für sich vortrefflichen Instruktion wiederholen , sind schon unzählige gegeben worden , und auch an Erläuterungen dieser Vorschriften , welche eine einheitliche Auf fassung und ein allseitiges Verständnis derselben herbeiführen sollen , hat es nicht gefehlt. Immer aber wieder treten je nach der Individualität und den
Neigungen der betreffenden höheren Vorgesetzten und je nach den lokalen Bedingungen, unter denen sich diese oder jene Truppe be findet, Verschiedenheiten in ihrem Dienstbetrieb und demgemäſs auch in ihrer Leistungsfähigkeit hervor, die selbst, wenn von oben her erkannt , nur schwer wieder auszugleichen und auf die Norm zurückzuführen sind . So giebt es heute in der russischen Kavallerie
Über Mängel und Reformbestrebungen u. s. w.
72
unserer Überzeugung nach , neben sehr gut ausgebildeten und auch was das Offiziercorps anbetrifft, den weitgehendsten Ansprüchen genügenden Regimentern (nicht nur bei der Garde) solche von sehr
mangelhafter Beschaffenheit und Leistungsfähigkeit, namentlich was die kavalleristische Seite derselben anbetrifft.
Von einer Durch
schnitts -Beschaffenheit, wie sie bei anderen Armeen die Mehrzahl bildet, kann bei der russischen Kavallerie kaum gesprochen werden .
Es giebt für diese Erscheinung indessen auch einen weiteren Grund . Man schüttet auch in Russland , was Reformen anbetrifft, das Kind gar zu leicht mit dem Bade aus , das heiſst, man über stürzt sie und verlangt gleich von Anfang zu viel , ohne daſs die
nötigen Fundamente vorhanden wären . An Beispielen hierfür, auch in militärischer Hinsicht , feblt es keineswegs , und man darf sich
daher nicht wundern , wenn die Anhänger der alten Schule mit einer gewissen Skepsis auf die Propheten einer neuen Lehre blicken
und ihren Bestrebungen einen wenn auch nicht aktiven , so doch passiven Widerstand entgegensetzen. Erst wenn die durch den Generalinspekteur Groſsfürst Nicolai
ausgestreute neue Saat Decennien hindurch ihre Früchte getragen, namentlich dann , wenn die Mehrzahl der Schwadronschefs und
Stabsoffiziere vermittelst Absolvierung des Kursus in der Kavallerie die neuen Ausbildungsprinzipien theoretisch und praktisch in sich aufgenommen haben wird , kann man auf eine durchgehende Änderung der bestehenden Verhältnisse und einen
offizierschule
Ausgleich der zu Tage tretenden Verschiedenheiten rechnen. Der neue Nachwuchs berechtigt jedenfalls zu den besten Hoffnungen und regt unwillkürlich bei dem Beobachter den Wunsch an , daſs man auch bei uns nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen
und sich beim Rennen um den Siegespreis von den russischen Kameraden nicht distancieren lassen möge.
IV . Einiges über Ausbildung
und Organisation unserer Feld -Artillerie. Im verflossenen Jahre ist die Feld - Artillerie in Frankreich wieder
derartig vermehrt worden , daſs dieselbe nach Fertigstellung der
Neuformationen ein Übergewicht von 85 Batterien , das sind 510 Geschütze (nach einer neueren Angabe sogar 96 Batterien = 576 Geschütze) über die deutsche haben wird. Die ballistischen Leistungen der Feldgeschütze der europäischen Groſsmächte sind im
Allgemeinen gleich. Die Erfahrungen auf den Schieſsplätzen baben gelehrt, dass im Artilleriekampf selbst auf Entfernungen von 2000 m die Wirkung der Geschosse eine derartige ist, daſs beiderseits binnen Kurzem auf groſse Verluste gerechnet werden muſs, und daſs die von einer überlegenen Geschützzahl beschossene Artillerie ihr Feuer bald stark
gedämpft sehen wird, wenn dasselbe nicht zeitweise ganz aufhören muſs. Diese Erfahrungen sprechen dafür, von vorn herein über legene Artilleriemassen ins Gefecht zu bringen, weisen aber auch darauf hin, daſs man sich selbst bei solcher Überlegenheit auf starke Verluste, besonders an lebendem Material, wird gefaſst machen müssen . Im » Entwurf zum Reglement für die Feld - Artillerie « vom Jahre 1888 ist es daber in den über das Gefecht der Feld-Artillerie
und über die Feuerleitung handelnden Teilen wiederholt zum Ausdruck gebracht worden , daſs es vor Allem darauf ankomme , von
vornherein dem Gegner gegenüber mit einer überlegenen Geschützzahl aufzutreten. Um das zu ermöglichen, soll die Artillerie in gröſseren Massen nahe der Tête der Marsch kolonne
marschieren . Wohl kann es einer geschickten Heerführung gelingen , an der entscheidenden Stelle, trotz geringerer summarischer Stärke,
eine Überzahl von Geschützen zu vereinigen, doch erscheint es fraglich , ob das bei der groſsen räumlichen Entfernung, in welcher die Armeen schon 1870 von einander standen und künftig wieder stehen werden, immer möglich sein wird. Auch giebt jetzt eine einzige Schlacht nicht die Entscheidung eines Feldzuges , sondern der Friede wird das Resultat eines langen Ringens der Nationen in vielen Schlachten bis zur Erschöpfung des einen Teils sein.
74
Einiges über Ausbildung und Organisation
Wie 1870, so kann es auch in einem künftigen Feldzuge vor kommen, daſs am selben Tage mehrere Schlachten auf verschiedenen Teilen des Kriegsschauplatzes geschlagen werden . Selbst wenn die Heeresleitung an der einen Stelle eine gröſsere Masse von Geschützen vereinigt haben sollte, als der Feind, so wird an der anderen Stelle
der an summarischer Geschützzahl überlegene Gegner um so mehr im Vorteil sein. Dies wird sich besonders bemerkbar machen, wenn eine Überzahl von werden kann .
fast 600 Geschützen auf die Armeen verteilt
Es ist ja richtig, daſs ein Mehr an Batterien auch
die Marschtiefen vergröſsert; der Nachteil aber, daſs 3 Batterien die Marschtiefe des fechtenden Teils eines Corps um 800 m verlängern , wird wohl reichlich durch die Widerstandskraft, welche dem Feuer
dieser Batterien innewohnt, aufgewogen. Wenn nicht zu Anfang eines Krieges, so wird es nach den ersten Schlachten , d . b. nachdem
die Leistungsfähigkeit der an denselben beteiligt gewesenen Artillerie bedeutend vermindert ist, um so wünschenswerter erscheinen , die gleiche, wenn nicht eine überlegene Zahl an Feldgeschützen von vornherein gehabt zu haben. Da uns nun Frankreich gegenüber ine überlegene Zahl an Feldgeschützen nicht zu Gebote steht, ist es die Frage, ob die fehlende Zahl von Feuerschlünden durch andere Momente ausgeglichen werden kann.
Da, wie schon erwähnt, die
ballistische Leistungsfähigkeit der Feldgeschütze der europäischen Staaten eine annähernd gleiche ist und auch die Gröſse der Wirkung der Geschosse etwa auf derselben Höhe steht, so bleibt nur noch
übrig, eine vervollkommnete Ausbildung im Schieſsen zu erstreben. In dieser Beziehung kann nun allerdings noch Vieles erreicht werden . Das gute Schieſsen einer Batterie hängt von vielerlei Um ständen ab ; in erster Reihe von
dem
das Schieſsen leitenden
Batterie-Chef, sodann von der Güte der Ausbildung der Richt kanoniere, der Bedienung der Geschütze und der Organisation der Waffe.
Bei der Leitung des Schieſsens einer Batterie durch deren Commandeur kommt es vor Allem auf Ruhe, schnelles Auffassen des Zieles und des ihm gegebenen Auftrages, karz gefaſsten Entschluſs nach schnell ausgeführter Rekogooszierung des Zieles, Beherrschen der Schieſsregeln, richtige Anordnungen für den vorliegenden Fall und auf eine gewisse Übung im Schieſsen an . Alles das wird auf unseren Schieſsplätzen jährlich von den Batterie-Chefs etwa 9 Mal geübt ; das ist zu viel für diejenigen, welche im Verlauf einer durchschnittlich 10 jährigen Dienstzeit als Batterie - Chef schon gut schieſsen gelerut haben und grade genügend
unserer Feld -Artillerie .
75
oft für diejenigen , welche die Stelle eines Batterie - Chefs erst kurze Zeit bekleiden .
Am ersten Schieſstage der Schieſsübung schieſsen die Lieutenants
mit je 2 Geschützen, am zweiten die Premier-Lieutenants mit der ganzen Batterie. Die letzteren sind aber zum groſsen Teil berufen , bei einer Mobilmachung Reserve - Batterien zu kommandieren d . h .
Batterien, deren Bedienung vielleicht jahrelang nicht mehr am Geschütz exerziert hat und die gleichwohl bald mit ins Feld muſs. Der Batterie - Commandeur bat dann beim Schieſsen seine Aufmerk
sainkeit nicht nur auf die Bedienung und die Beobachtung seiner Schüsse beim Feinde zu richten, sondern auch noch mit der eigenen Ungewandtheit im Schieſsen zu kämpfen. Denn auf dem Schieſs platz schoſs er jährlich nur einmal und zwar im Allgemeinen gegen leichte Ziele.
Zwar schieſst so mancher Batterie-Commandeur im
Felde viel besser als im Frieden , weil ihm dort nicht der Vor gesetzte mit der scharfen Kritik auf den Fersen sitzt und er nicht
durch Fragen beim Schieſsen gestört wird . Aber trotzdem hat das
Sprüchwort : » Übung macht den Meister« nirgend mehr Geltung als beim Schieſsen und ein Meister hierin ist nirgends erwünschter als bei einer Reserve - Batterie.
Auſser den oben erwähnten Erfordernissen
für einen gut schieſsen sollenden Batterie- Commandeur kommt es aber noch auf richtige Beobachtung der Schüsse der eigenen Batterie an ,
wenn
nicht auf falsche Beobachtungen hin eine fehlerhafte
Korrektur eintreten soll, welche vielleicht das ganze Schieſsen zu einem verfehlten gestalten kann. Alle zum guten Schieſsen nötigen
Eigenschaften werden aber am besten durch Übung im wirklichen Schieſsen erreicht, weniger gut durch Lösung von Schieſsaufgaben
beim Geschützexerzieren der Batterie. Eine gröſsere Übung im Schieſsen könnte aber wenigstens für einen Teil der zur Führung einer Batterie im Mobilmachungsfalle Berufenen dann herbeigeführt
werden, wenn es dem Brigade- oder Regiments- Commandeur gestattet würde, an Stelle der gut schieſsenden Batterie-Chefs die betreffenden Lieutenants das Schieſsen während des gröſsten Teiles der Schieſs übung leiten zu lassen.
Auch könnte es öfters geschehen , daſs
während des Schieſsens der Batterie -Commandeur auf Befehl ausfällt,
so daſs der älteste Offizier der Batterie gezwungen wird, sich sofort in die Lage desselben zu versetzen und das von diesem begonnene Verfabren durchzuführen .
Wie schon erwähnt, ist die richtige Beobachtung der Schüsse von hervorragendem Einfluſs auf ein richtiges Schieſsverfabren. Derjenige, der richtig beobachtet und dementsprechend korrigiert,
76
Einiges über Ausbildung und Organisation
wird stets bessere Schieſsresultate haben als derjenige, der seine Schüsse teils fraglich oder gar falsch beobachtet und demgemäſs korrigiert.
Der Zugführer beobachtet aber nur die Schüsse seiner
beiden Geschütze, ohne daſs nach beendetem Schieſsen eine Kontrolle darüber ausgeübt würde , ob er richtig beobachtet habe. Die Schwierigkeit der Beobachtung wächst aber mit der Zunahme der
Entfernung, der Kleinheit des Zieles, bei nebeligem Wetter, bei sich vorlagerndem Rauch u . s..W., immer aber ist es erwünscht, gleich
gut zu beobachten. Eine Übung der Zugführer hierin ist daher sebr zu wünschen und leicht zu erreichen . Wenn auch nicht alle, 80 könnten doch wenigstens die älteren Lieutenants dem Schieſsen je einer der Batterien einer Abteilung, bei welcher sie nicht stehen,
jedes Mal beiwohnen , während desselben ihre Beobachtungen notieren und dieselben gleich nach dem Abschieſsen der betreffenden
Batterie dem etatsmäſsigen Stabsoffizier beziehungsweise ältesten Hauptmann des Regiments einreichen .
Der letztere könnte bei der
Kritik des Schieſsens eine kurze Übersicht über die Beobachtungs resultate der betreffenden Offiziere geben. Dadurch würde der Artillerieschieſsschule, auf welcher be
kanntlich alle nicht beim Schieſsen persönlich beteiligten Offiziere eine Beobachtungsliste anfertigen, bedeutend vorgearbeitet werden. Da die Verhältnisse immer noch so liegen, dass nur 1-2 der ältesten Premierlieutenants der Regimenter die Schieſsschule besucht
haben , so würden die zu derselben kommandierten Offiziere praktisch besser vorbereitet hinkommen, wenn das oben angegebene Verfahren eingeführt würde.
Eine andere Art und Weise gleiche Resultate zu erlangen, könnte auch dadurch herbeigeführt werden, daſs die Artillerieschieſs schule vergröſsert und eine zweite Lehrbatterie formiert würde, doch würde hierbei der Kostenpunkt mit in Frage kommen. Der zweite Faktor für gutes Schieſsen und gute Wirkung am Ziel sind sorgfältig ausgebildete Richtkanoniere. Diese Leute sollen in der Verrichtung des Richtens ganz besonders aus
gebildet werden, und in der artilleristischen Fachwissenschaft, wenn wir uns dieses Ausdrucks bedienen dürfen, so viele Kenntnisse er langen, daſs sie im Stande sind , den Geschützführer zu vertreten . Dazu bedarf es aber einer gröſseren Vorbildung, als Pferdeknechte sie im Allgemeinen besitzen . Sieht man sich aber das Menschen material an , welches der Feldartillerie als Rekruten überwiesen wird, so findet man , daſs dasselbe zur Hälfte aus Pferdeknechten
und Arbeitern besteht , während die andere Hälfte aus Handwerkern
unserer Feld - Artillerie.
77
und dreijährig Freiwilligen gebildet wird. Da die letzteren Kate gorien meist auf höherer Bildungsstufe stehen als Knechte, so zeigt
sich auch fast immer die Erscheinung, daſs die dreijährig Freiwilligen und Handwerker die Richtkanoniere ( "/a der Rekruten) liefern ; und zwar sind meist die Freiwilligen die besten . Nun sollen aber im zweiten und dritten Jahre die besten Richtkanoniere weiter gebildet werden und das ist nur möglich , wenn dieselben im zweiten Jahre nicht Fabrer werden . Der Batteriechef steht daher vor der Alter native, entweder nicht die besten Richtkanoniere weiter ausbilden
zu lassen , oder auf seinen Ersatz an Unteroffizieren Verzicht leisten zu müssen .
Meist wird der Batteriechef das erstere wählen müssen ,
allerdings ein wenig zum Nachteil der weiteren Ausbildung der Richtkanoniere, denn die Handwerker haben neben dem weiteren Dienst als Richtkanonier noch die Bekleidung und Ausrüstung von Mann und Pferd beziehungsweise die Geschütze im Stand zu halten .
Es liegt also in einem gewissen Grade an der Güte der
Ersatzmannschaften , wenn in der Ausbildung der Richtkanoniere
nicht das geleistet wird , was erreicht werden könnte.
Vergegen
wärtigt man sich nebenbei, daſs die Richtkanoniere nicht nur hervor
ragend im Richten und alledem , was damit zusammenhängt, sondern ebenso gut wie die Nicht- Richtkanoniere in jedem anderen Dienstzweig ausgebildet werden sollen, so folgt daraus, daſs sie notwendig mehr Dienst haben müssen als die letzteren.
Der Posten eines Richt
kanoniers erscheint daher den Leuten als wenig begehrenswert, denn zu der Höhe der Anschauung, daſs » viel Dienst viel Ehre « bringe,
vermögen sich wohl nur wenige aufzuschwingen.
Der Lobu , der
den Leuten dafür winkt, daſs sie sich durch Gewandtheit und
Zuverlässigkeit vor den anderen auszeichnen , besteht für die besten zwei beziehungsweise drei Richtkanoniere in einem Geldpreise und
einer Denkmünze beziehungsweise einer Auszeichnung, die am Waffen rock getragen wird.
Wir kommen nun zur Bedienung der Geschütze , bei deren Besprechung aber des besseren Verständnisses wegen die Organisation der Feld- Artillerie gleich mit behandelt werden soll .
Die meisten
unserer Batterien haben nur 4 Geschütze bespannt, die Zahl der jährlich eingestellten Rekruten beträgt 30, die dreijährig Freiwilligen inbegriffen. Diese 30 Mann werden zunächst als Fuſsmannschaften eingekleidet und in jedem Dienstzweig auſser dem Reiten ausgebildet. Kommt nun die Periode heran, in welcher die Batterien bespannt
exerzieren, so können zu den 4 bespannten Geschützen nur 20 Mann Bedienung mitgenommen werden .
Zehn Rekruten erfahren also
78
Einiges über Ansbildung und Organisation
dann, selbst wenn zeitweise ein Wechsel der Bedienung eintritt, eine schlechtere oder ungenügende Ausbildung am bespannten Ge schütz als die übrigen 2 Drittel. Läſst man dagegen einen steten Wechsel in der Bedienung der Geschütze eintreten, so werden fast
alle nicht genügend ausgebildet. Mit diesem Mangel hat dann der Batteriechef zu kämpfen, wenn in der Schieſsübung 2 Geschütze
von einer anderen Batterie geborgt werden, um in der Batterie à 6 schieſsen zu können.
Im Manöver , in welchem dem jungen Kanonier möglichst kriegsmäſsige Ziele vor Augen treten , werden definitiv nur 20 Rekruten ausgebildet, der Rest derselben macht das Manöver garnicht mit. Kommt nun das zweite Dienstjahr für die Leute heran, so werden 16 von den 30 Mann im Reiten ausgebildet, um mit Beginn des Frühjahrs als Fahrer verwendet zu werden .
3-5 Mann finden als
Handwerker Verwendung, ein weiterer Teil wird als Burschen, Ordonnanzen, zum Wacht- und Arbeitsdienst kommandiert, so daſs bei 20 Abkommandierten von den im 2. und 3. Jahr dienenden
50 Mann ( 10 Mann werden nach Ablauf von 2 Jahren zur Disposition beurlaubt) nur ein Mann übrig bleibt. Und auch diese Zahl ist nicht konstant, sondern wechselt.
Von einer weiteren Ausbildung
im Geschützexerzieren, einer Befestigung und Erweiterung des im 1. Jahre Gelernten kann daher nicht die Rede sein und auch in der Schieſsübung finden nur die älteren Richtkanoniere und ab und
zu einige Leute aus dem 2. und 3. Jahrgang Verwendung, weil in erster Linie die Rekruten ausgebildet werden müssen . Was nun die 16 Fabrer aus dem 2. Jahrgange betrifft, so findet sich auch für diese Leute selten die Zeit, sie im Geschützexerzieren weiter
auszubilden . Denn im Winter haben sie zweimal täglich 2-3 Pferde (23 Fahrer zu 51 Pferden , die Pferde der Einjährig -Freiwilligen eingerechnet) zu putzen, die Pferde aller Reitklassen zu dem Reit dienst und nach demselben zurecht zu machen und deren Sattel
und Zaumzeug in Ordnung zu halten .
Im
Sommer kommt dann
die Instandhaltung der Geschirre zu diesem Dienst noch hinzu. Des Weiteren wird die Zeit in Anspruch genommen durch Turnen und Fuſsexerzieren , die Ausbildung mit dem Kavalleriesäbel, dem
theoretischen Unterricht über Alles , was mit dem Pferde, dem Reiten , Fabren und Bespanntexerzieren zusammenhängt, sodaſs wohl mit einigem Recht behauptet werden kann , der Fahrer der Feld Artillerie habe den meisten Dienst in der ganzen Armee.
Auch hier tritt noch der weitere Übelstand ein, dafs die Fahrer pur ein Jahr hindurch praktische Übung im Fahren haben, weil
unserer Feld -Artillerie.
79
stets die im 2. Jahr dienenden Leute zu diesem Dienst berufen werden müssen, um die nötige Zahl von Fahrern ausbilden zu können .
Während der Infanterist und Kavallerist 2-3 Jahre in der
Handhabung des Gewehrs und im Dienst zu Pferde ausgebildet wird, muſs der Feld- Artillerist in den Hauptgegenständen seines
Dienstes, dem Geschütz- und Bespanntexerzieren, sich auf ein Jahr beschränken und zwar ungeachtet dessen , daſs er den vielseitigsten Dienst hat.
Diesen Übelständen kann durch die Bespannung von 6 Geschützen nur zum Teil abgeholfen werden , um sie ganz zu beseitigen, soweit es überhaupt möglich erscheint, müſsten die Rekruten in anderer Weise ausgebildet werden . Zunächst müſste der Etat an Mannschaften etwa um 9 Mann erhöht werden . Dann wären aus der Zahl der Rekruten zunächst 10 Mann auszuwählen, die vermöge ihrer guten Sehkraft als Richt kanoniere zu verwenden wären . Aus der dann bleibenden Zahl von Leuten müſsten etwa 10-12 von vornherein im Reiten und Fahren
ausgebildet werden, der Rest so, wie bisher im 1. Dienstjahr.
Um
die Rich tkanoniere in ihren Verrichtungen möglichst gewandt zu machen
und sie besser als bisher an Stelle von Geschützführern
verwenden zu können , könnten im 1. Dienstjahre 10, im 2. und 3 . die 6 besten aus dieser Zahl weitergebildet werden .
Auch wenn wir nur 4 bespannte Geschütze behalten sollten , dürfte sich der vorgeschlagene Modus empfehlen . Es geht dies aus folgenden beiden Tabellen hervor.
a) Gegenwärtiger Modus. Von 30 Rekruten werden ausgebildet im :
Reiten
Fahren
1. Jahr 16
3. Jahr
7
12
Am
Geschütz
kanonier
noch
Geschütz
10
20
30
am
4 1
2
}
7
Komman
diert sind
) 2
2. Jahr
Summa
Als
Richt
20
Summa von
3 Jahren
23
12
16
21
37
20
Einiges über Ausbildung und Organisation
80
b) Vorgeschlagener Modus. Von 30 Rekruten werden ausgebildet im :
Fahren
Reiten
Als Richt kanonier
Geschütz noch
am
diert
Geschütz
sind
10
20
1. Jahr
10
6
10
2. Jahr
10
6
6
3. Jabr
7
Am
Summa | Komman
1
}
6
13
20
33
20
Summa 27
von
12
22
11
3 Jahren
Vergleicht man a und b, so ergiebt sich : bei a resp. b werden ausgebildet (wobei nur die Unterschiede hervorgehoben werden). b.
a.
7 Mann 2 Jabr im Reiten, >> 9 im Reiten , 1 12
>>
1
>>
im Fahren ,
im Fahren ,
6
2
>>
6
2
>>
als Richtkan .,
6
3
10
1
>>
am Geschütz.
4
2
als Richtkan .,
2
3 1
als Richtkan .,
20
10 Mann 2 Jahr im Reiten , 7 im Reiten , 3
am Geschütz .
als Richtkan . ,
Der Vergleich fällt bedeutend zu Gunsten von b aus, nur in der Zahl der im Verlauf von 3 Jahren in Summa am Geschütz aus
gebildeten Leute ergiebt sich anscheinend ein Unterschied
von
4 Mann zu Ungmusten von b . Derselbe wird jedoch dadurch aus geglichen , daſs einmal 6 Richtkanoniere mehr ausgebildet worden sind und ferner 4 Mann mehr als bei a Reiten gelernt haben , aber ebenfalls am Geschütz ausgebildet worden sind . Es würde danu also ein ähnliches Verhältnis wie bei der reitenden Artillerie, welche ihren Rekruten reiten und am
Geschütz exerzieren lehrt für die
jenigen 10 Mann eintreten , welche im ersten Dienstjahre reiten lernen .
Ein weiterer Vorteil wäre der, daſs, da 27 Pferde in der Winter
periode von Fahrern geritten werden , 4 Pferde weniger unter Unter offizieren zu gehen brauchen , diese letzteren also mehr zur Aus bildung der Leute verfügbar sind . Weil ferner ein Teil der Fahrer ein Jahr lang länger reiten würde als bisher , so würden dieselben gröſsere Sicherheit in dieser Kunst erlangen und auch zur Ausbildung
unserer Feld -Artillerie.
81
der Remonten , beziehungsweise für schwierige Pferde Verwendung
finden können . Davon kann aber jetzt gar keine Rede sein . – Ein weiterer Nachteil des jetzigen Modus ist der , daſs die Unter offiziere, welche am besten reiten , jetzt garnicht mehr auf gerittene Pferde kommen, sondern sie reiten oft eine junge Remonte und in der Unteroffiziertour eine alte Remonte. Geschieht dies Jahre lang, so geht ihnen allmählich das Gefühl dafür, wie ein gut gearbeitetes Pferd treten soll , vollständig verloren .
Darunter muſs dann das
Reiten im Allgemeinen und das Pferdematerial leiden . Unsere Unteroffizier -Aspiranten werden durchschnittlich nach 3 Jahren Dienstzeit zu dieser Charge befördert, haben aber in dieser
Zeit nur 18 Monate lang zu Pferde gesessen und vor ihrer Be förderung ist wieder eine Pause von 6 Monaten im Reiten eingetreten, denn in der Schieſsübung und im Manöver gestattet der geringe Pferdeetat der Batterien noch nicht einmal das Berittenmachen
sämtlicher Unteroffiziere. Die nach dreijähriger Dienstzeit im Oktober zu Unteroffizieren Beförderten sind also meist herzlich schlechte Reiter und auch dieser Umstand weist darauf hin , sie schon im
ersten Dienstjahr im Reiten auszubilden und sie 3 Winter lang reiten, 2 Sommer lang fahren zu lassen . Kommen die eben zu Unteroffizieren Beförderten dann noch auf Regimentsschule, so sitzen sie ein weiteres halbes Jahr nicht zu Pferde. Nach Rückkehr vom Manöver muſs jetzt für die zur Dienst
entlassung kommenden abkommandierten Leute aus den ein Jahr dienenden der nötige Ersatz bestimmt werden. übrig bleibenden Leute fangen einige Tage später an lernen . Erweisen sie sich hierzu als ungeeignet , oder
nun bald Die dann reiten zu recht un
geschickt, so kann ein Austausch gegen die Abkommandierten kaum noch stattfinden .
Man muſs das Übel mit in den Kauf nehmen ,
daſs man möglicherweise unter den jungen Fahrern einige recht schlecht zu Pferde sitzende hat. Lernen dagegen 10 Rekruten gleich nach der Einstellung reiten , so können die schlecht Beanlagten mit
Leichtigkeit umgetauscht werden . Als ein weiterer Vorteil der vorgeschlagenen Ausbildungsweise erscheint es uns , daſs mehr Richtkanoniere als bisher ausgebildet werden , und daſs von den im ersten Dienstjahr hierbei beteiligt
gewesenen Leuten die 6 besten auch in den folgenden beiden Jabren diesen Unterricht genieſsen , das ihnen Gelehrte also feste Wurzeln schlagen kann. Wenn auch nicht alle 22 Richtkanoniere
gleichzeitig als solche Verwendung finden können , so ist es doch möglich , sie abwechselnd
an den Schieſstagen als solche zur
Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd . LXXI ., 1 .
6
Einiges über Ausbildung und Organisation
82
Geschützbedienung einzuteilen . Jetzt hat man hierzu 16 Richt kanoniere und 20 Rekruten, Summa 36 Mann, nach dem Vorschlag 22 Richtkanoniere und 10 Rekruten , Summa 32 Mann , hier über wiegt also das besser ausgebildete Element, dort das schlechtere.
Hier ist nur ein Überschuſs von 2 Mann über die zur Besetzung von 6 Geschützen nötige Zahl , dort ein solcher von 6 Mann , die Einheitlichkeit der Bedienung ist hier also mehr bewahrt. Zum Manöver werden dann , wenn die Batterien 6 bespanute 1
Geschütze bekommen sollten , alle Richtkanoniere und die 10 am
Geschütz ausgebildeten Leute mitgenommen und da von den im ersten Dienstjahr ausgebildeten Richtkanonieren im Beginn des
zweiten nur 4 aus der Zahl der weiter auszubildenden scheiden, so sieht eine gröſsere Anzahl Richtkanoniere und zwar aus jedem Jahrgang 6 während dreier Manöver kriegsmäſsige Bilder und richtet nach kriegsmäſsigen Zielen . Bei 6 bespannten Geschützen würden sich die oben für 4 Ge
schütze angegebenen Zahlen unter der Annahme, daſs die Batterien 3 Rekruten jährlich mehr bekommen, der Pferdeetat um 14 Pferde pro Batterie erhöht wird und 13 Mann nach dem 2. Dienstjahr zur Disposition beurlaubt werden, wie folgt stellen . Von 33 Rekruten werden ausgebildet im :
kanoniere.
Am Geschütz noch.
Geschützt.
10
20
-
12
20
32
20
Als Reiten .
Fahren .
Richt
1. Jahr
13
9
10
2. Jahr
13
9
6
3. Jahr
8
Summa am
}
6
Komman diert sind.
Summa
18
34
von
22
10
3 Jahren
Total
= 86 (aus Spalte 1 , 3, 4 und 6 ).
Erwähnenswert ist ferner noch der Umstand, daſs die Feld
Artillerie eine verhältnismäſsig groſse Anzahl von Rekruten mit mangelhafter Sehkraft bekommt und zwar 12-16%. Die betreffenden Leute leiden an » Kurzsichtigkeit mit gröſserem Fernpunktsabstande als in Anlage 4 der Heerordnung angegeben ist, wenn die Sehschärfe mehr als die Hälfte der normalen beträgt.«
unserer Feld - Artillerie,
83
Bei Prüfung des Sehvermögens stellt sich heraus, daſs die Leute z. B. über den Fenstern eines Stalles befindliche, sich von der roten Wand schwarz abhebende, 6 cm im Quadrat groſse Luft
löcher aus einer Entfernung von 150 Schritt überhaupt nicht sehen . der Gröſse einer abgeprotzt stehenden Lafette auf 2000-3000 m, oder Infanteriekopfscheiben auf Wie sollen dieselben
da Ziele von
600–800 m sehen können, um von schwierigen Zielen garnicht erst
zu reden ! Alle diese Leute fallen daher für die Ausbildung als Richt kanoniere von Anfang an aus , obgleich sie vielleicht durch
ihre Schulbildung dazu recht geeignet wären .
Es wäre daher
wünschenswert , daſs der Feld - Artillerie nur Leute mit tadelloser Sehkraft überwiesen werden.
Schlieſslich darf wohl noch darauf hingewiesen werden, daſs der nicht als Berittener eingekleidete Feldartillerist auf Parkwache in
Feindesland nicht nur vollkommen schutz- und wehrlos jedem mit einer Heugabel bewaffneten Bauern gegenübersteht , sondern auch nicht einmal in der Lage ist , ein Alarmzeichen zu geben . Auch das halblange Faschinenmesser ist unpraktisch, da es oft genug vorkommt , daſs das Seitengewehr des auf dem Achssitz sitzenden Mannes zwischen die Radspeichen kommt und verbogen oder zer
brochen wird. Es dürfte am besten sein , der Bedienung der Feld batterien das Infanterie-Seitengewehr neben dem Revolver zu geben. Die Ausrüstung der Feld -Artillerie mit ersterem ist vor kurzem befohlen worden .
Fassen wir unsere Wünsche nochmals zusammen , so erscheint
uns die Neuformierung von Feldbatterien , wenigstens eines Stammes
von Mannschaften und Pferden für dieselben, sowie die Bespannung aller 6 Geschütze der bestehenden Batterien als wünschenswert.
Ferner können die Premier- Lieutenants mehr als bisher zum
Schieſsen und Beobachten herangezogen werden. Für die Ausbildung der Richtkanoniere scheint ein besser vor gebildetes, als das bis jetzt vorherrschend gelieferte Menschenmaterial nötig, wie auch die Heranbildung einer gröſseren Anzahl von Leuten zu diesem Dienst, um bei den zu erwartenden Verlusten im Gefecht
andere Richtkanoniere an Stelle der in Abgang gekommenen setzen zu können. Es erscheint das um so nötiger, als die anderen Leute kaum nennenswert im Richten ausgebildet werden. Um die Richt kanoniere in ihrem speziellen Dienst mehr anzuspornen , wäre es angemessen , ihnen eine höhere Besoldung , als den anderen Leuten zu geben .
Ferner scheint eine Entlastung der Fahrer insofern nötig , als 6*
84
Der Seekrieg .
die Zahl derselben derartig zu vermehren wäre, daſs dieselben nicht mehr als 2 Pferde zu besorgen haben . Im Übrigen sollen die Fahrer nach der vorgeschlagenen Ausbildungsweise von den Fuſs mannschaften getrennt , aber im Geschützexerzieren ebenfalls aus gebildet werden . Die in letzterem Dienstzweige an die Fahrer zu stellenden Anforderungen müſsten aber ermäſsigt werden. Diese Wünsche erscheinen um so mehr berechtigt , als unser Geschützmaterial , wenn es auch auf gleicher Höhe mit dem der
anderen Groſsstaaten Europas steht , doch in Bezug auf Leistungs fähigkeit au lebendiger Kraft, Geschoſsgeschwindigkeit, bestrichenen
Raum , Trefffähigkeit und Wirkungssphäre dem der französischen und russischen Artillerie nicht durchaus überlegen ist.
42 .
V. Der Seekrieg. ( Fortsetzung und Schluſs.) II.
Taktik heiſst nach militärischen Begriffen die Lehre von der Verwendung der Truppen zur wirksamen Ausnutzung der Waffen. Der Ausdruck > Seetaktik « (Evolutionslehre) umfaſst im weitesten Sinne die Kunst mit Schiffen zu manövrieren, sei es zum
einfachen Navigieren oder ein Kampf zum Angriff oder zur Ver teidigung Die » Seetaktik « im Speciellen lehrt die Grundsätze und
Regelu , nach welchen eine Anzahl Schiffe zu einem Geschwader vereinigt, den Kampf einzuleiten und unter möglichster Ausnutzung ihrer Streitmittel derselben durchzuführen hat.
Die » Seetaktik « ist
daher auch die auf das Gefecht angewendete Evolutionslehre zu nennen , die den einzelnen Waffen möglichst ergiebige Wirkung verspricht. Sie muſs bestehen, wenn auch nur in einzelnen Grund
zügen. Wenn behauptet wird , Nelson habe keine Taktik gekannt, so ist das ein Irrtum , seine Taktik war eben die noch immer maſs
gebende: den Feind stets mit Übermacht anzugreifen .
Der Seekrieg.
85
Mit dem Terrain hat die Seetaktik nicht zu rechnen . Die hohe
See bildet eine weite Fläche , welche den Flotten , etwaige Untiefen
abgerechnet, keine Hindernisse entgegenstellt.
Dem Befehlshaber
ist eine freie Rund- und Fernsicht gestattet, ohne daſs sich ihm
jedoch ein Einblick in das Operationsfeld des Gegners bietet, wie es etwa am Lande möglich ist. Die Freiheit der Bewegung für einzelne Schiffe und Flotten findet ihrerseits auf hoher See vermöge der Natur des Meeres eine Grenze nur insofern , als dasselbe ein
bewegliches Element ist und Wind und Seegang einzuwirken im Stande sind. Für die ehemaligen Segel-Linienschiffe (Schlachtschiffe ), deren Manövrierfähigkeit durchaus von der Benutzung des Windes abhing, lagen die taktischen Anforderungen auſserordentlich einfach .
Ein Fahrzeug dieser Gattung hatte zwei starke Seiten : die beiden Flanken und zwei schwache Punkte : die beiden Enden ( Bug und Heck ). Am meisten fürchtete es den Enfilierschuſs. Indem aber
während der Schlacht sich jedes Linienschiff in dem Kielwasser des ihm direkt voransegelnden hielt und die in dieser Weise formierte Linie sich möglichst eng zusammenschloſs , geschah es , daſs die beiden schwachen Punkte jedes einzelnen in die Formation ein
hegriffenen Individuums , durch seinen Vorder- resp. Hintermann gedeckt und zwei gleiche Fronten nach rechts und links hingewendet wurden . Ausgenommen von diesem doppelten Schutze waren nur die Schiffe der Tête und der Queue. Diese zu tournieren und zwischen zwei Feuer zu nehmen , oder die Linie zu durchbrechen und eins oder mehrere Schiffe besonders der Nachhut abzuschneiden
und einzeln zu vernichten , war in den meisten Fällen das, worauf Um diesen letzten Angriff zu vereiteln , waren es nur die Nachbarschiffe, die sich gegenseitig zu unterstützen vermochten.
es ankam .
Alle anderen blieben , weil auf einen bestimmten Posten zwischen
ihrem Vorder- und Hintermann verwiesen , in dem
Bann einer
starren taktischen Ordnung gehalten. Diese Taktik steht in demselben Verhältnis wie die Linear
oder Feuertaktik der Infanterie im vorigen Jahrhundert.
Hier wie
dort eine dünne Schlachtlinie, welche den Gegner durch die Masse ihres Feuers piederzu werfen suchte.
Die bessere Artillerie entschied
die Schlachten , eine höhere Führung war meist im Gefecht nicht erkennbar, der Admiral wirkte gröſstenteils nur durch sein Beispiel . Die entscheidende Waffe zu Nelsons Zeiten war die Artillerie.
Wie wichtig dieselbe für die groſsen Siege der Engländer zu damaliger Zeit
gewesen ist, darüber äuſsert sich Jurien de la Gravière an verschiedenen Stellen ; es seien hier nur einige erwähnt: > Dem
Der Seekrieg.
86
Kugelregen, wie Nelson sich ausdrückte, verdankte England damals die unbedingte Herrschaft zur See.« - » Admiral Jervis, der Sieger von St. Vincent und der Lehrmeister der englischen Flotte auch für Nelson forderte ein tägliches strenges Exerzieren am Geschütz. «
Über die durch diese Schule erreichten Resultate
heiſst es dann aus der Wintercampagne 1796–97 : » Bald erlag die feindliche Fregatte dem furchtbaren Kugelregen , den die Spanier >
mit dem Feuer der Hölle verglichen und das die »Minorra « in
Admiral Jervis strenger Schule gegen den Feind zu unterhalten gelernt hatte.« Und aus den Betrachtungen über Trafalgar: » Anstatt die unwiderstehliche Kraft (einer Breitseite ), in der Hoff
>>
nung, einige dünne Seile zu zerreiſsen , oder höchst zufälligerweise irgend ein richtiges Tau zu treffen , oder einmal einen Mast zu
ritzen, in der Luft zu vergeuden, wie die Franzosen es damals machten , konzentrierten die Engländer , besser beraten , jene Kraft gegen die Batterien des Feindes. Sie erfüllten das Deck ihrer
Gegner mit niedergestreckten Feinden , während deren Kugeln über ihre Köpfe hinweggingen. Auſserdem waren die evglischen Kanoniere 7
geübter als die französischen . Mit der Genauigkeit des Treffens verbanden sie eine Schnelligkeit im Schieſsen , die den Franzosen
noch lange fremd blieb. Bereits im Jahre 1805 hatten sie es, wenn auch nicht auf allen , so doch auf den gut befehligten Schiffen , wie z. B. auf dem » Foudroyant« , den Nelson geführt und auf dem > Dreadnought«, den Collingwood unlängst verlassen hatte, so weit gebracht, aus jedem Geschütz fast jede Minute einen Schuſs zu thun . Die am vorzüglichsten bedienten Geschütze der Franzosen
dagegen machten damals nach jedem Schuſs eine Pause von mehr als drei Minuten . «
U. S. W. , U. 8. W.
Seit Ende des vorigen Jahrhunderts hat die Seetaktik danach
gestrebt, sich aus dieser geistlosen Gefechtsform , der Lineartaktik, zu befreien. Es macht aber die wesentlichste Bedeutung Nelsons als Taktiker aus, daſs er in dieser Hinsicht am weitesten gegangen ist . Bei > Abukir warf er sich mit Übermacht auf die Avant
garde der vor Anker liegenden französischen Flotte. Als er SO nahe war, daſs er die Stellung des Gegners zu übersehen vermochte, erkannte er dessen groſse Stärke, zugleich aber auch, daſs sein mit
den Kapitänen verabredeter Angriffsplan nicht paſste. Feldherrngenie entwarf im Augenblick einen neuen .
Doch sein » Ich beab
sichtige die feindliche Vorhut und das Centrum zuerst anzugreifen
und diese beide zwischen zwei Feuer zu nehmen . «
>Mit dem Heck
anker ankern in unmittelbarer Nähe des Feindes. « » Weitere Befehle
Der Seekrieg.
87
sind nicht nötig, jeder Kapitän weiſs, was er zu thun hat ! « --waren Nelsons Signale vom Flaggschiff » Vanguard « . Der » Goliath « übernahm die Führung im Kampfe. Um keine Zeit zu verlieren, hielt Nelson seinen Platz in der Linie (Centrum) und lieſs seine Avantgarde an die Innenseite der Franzosen gehen, *) während er selbst mit der Arrièregarde an der äuſseren blieb. Nelsons Befehle wurden pünktlich ausgeführt. Admiral Jervis's (Graf St. Vincents) Schule bewährte sich abermals in furchtbarer Weise und dies ebenso
schnelle wie genaue Schieſsen verschaffte den Engländern sehr bald
die Überlegenheit. Nelson blieb Sieger ! Vorhut und Centrum des Feindes wurden vernichtet, während die Arrièregarde und einige
Schiffe des Centrums miiſsige Zuschauer blieben. » Das wuſste ich wohl , « sagte Nelson einige Monate später , » wenn ich die franzö sische Avantgarde und das Centrum mit einem Winde angreifen würde, der in der Richtung ihrer Ankerlinie weht , daſs ich dann meine Schiffe nach eigenem Belieben gegen eine kleine Zahl der ibrigen konzentrieren könne « (de la gravière ).. Er hatte recht !
Andererseits liegt die Frage nahe : welches Verhängnis hatte denn in dieser Unglücksnacht Villeneuve's Schiffe auf ihrem Ankerplatz festgehalten , daſs sie während der ganzen Aktion , während eines so
mörderischen Kampfes, müſsige Zuschauer blieben , als die Engländer die französische Schlachtlinie an verschiedenen Stellen doublierten
und ihre verheerenden Geschosse aus nächster Nähe gegen die fran zösischen Schiffe richteten ? Sollte man da nicht zu glauben geneigt sein, die französischen Admirale hätten bei dem unerwarteten Er scheinen Nelsons den Kopf verloren ?
Bei Trafalgar suchte Nelson statt der einheitlichen Schlacht linie zwei Kolonnen zu substituieren, statt der zu der Schlacht
ordnung des Gegners sich parallel haltenden Bewegungen die senk recht auf jene Front fallende Angriffsrichtung zu wählen , mit dieser die etwa 5 englische Meilen ( 10 Kilometer lange, noch unvoll
kommen rangierte Schlachtlinie des Gegners zu durch brechen und einzelne Abteilungen desselben mit Übermacht zu erdrücken , ehe sie Hülfe erwarten konnten. Mit recht machte er darauf aufmerksam,
daſs: je gröſser die Zahl der Schiffe sei, aus denen sich die einheit *) Die französische Flotte unter Admiral Brueys lag bei Nord -West- Wind in der Richtung Nord-West und Süd-Ost der Küste so nahe , daſs die englischen Schiffe an der Innenseite der französischen Flotte nicht drehen konnten , sondern ohne zu wenden mit dem Heckanker in unmittelbarer Nähe ihres Gegners ankern muſsten. Heckanker sind die am Hinterteil der Kriegsschiffe befindlichen Anker.
88
→
Der Seekrieg
liche Linie formierte, um so schwieriger auch die Handhabung dieser letztern sein müsse, und daſs in demselben Maſse zugleich der Möglichkeit Raum gegeben werde , bei unstäten atmosphärischen Strömungen das Vordertreffen (Vorhut) unter andere Windverhältnisse gestellt zu sehen , wie die Nachhut.
Als Nelson am Morgen des 21. Oktober 1805 die Tags zuvor aus Cadix unter Villeneuve's Leitung ausgelaufene französisch spanische Flotte zu Gesicht bekam , gab er auf dem » Victory « das
Signal : »zwei Kolonnen bilden und auf den Feind lossteuern ! « Die westliche aus 12 Linienschiffe bestehende führte Nelson, die östliche
(Leekolonne), 15 Schiffe stark , Collingwood. Die Geschützzahl der Engländer betrug 2148, die der Gegner 2626 auf 33 Schlachtschiffen. Als Nelson seine Angriffskolonnen in vorzüglicher Ordnung ihren Lauf verfolgen sah, überkam ihn das Gefühl, daſs der bevorstehende Kampf ein äuſserst schwerer, blutiger werden müsse und leicht sein letzter werden könne. Er verhehlte sich nicht die Möglichkeit, daſs seine Angriffstaktik sich für ihn selbst sehr gefährlich gestalte, weil er so wohl sein, wie Collingwood's Schiff (Royal Sovereign ) längere Zeit dem en filierenden Feuer der Breitseiten von 6 bis 8 feindlichen
Linienschiffen auszusetzen gezwungen war, ehe ihnen Gelegenheit geboten wurde, selbst mit ganzer Kraft in den Kampf einzutreten. Doch er zauderte deshalb nicht, diese beiden Schiffe und seine
eigene Person zum Opfer zu bringen, wenn er das erhoffte Ziel, die Vernichtung des Feindes, erreichen konnte. Es waren lange, peinvolle Stunden , welche durch die schwachen
Winde zwischen dem Entschlusse Nelsons zum Angriffe und dem Angriffe selbst herbeigeführt wurden. Von seiner Seelenstimmung giebt sein Tagebuch Zeugnis. Als er seinen letzten Willen auf gezeichnet und dann im Gebet mit Erde und Himmel abgeschlossen hatte, kehrte er auf das Deck zurück und fortan gehörten seine ganzen Gedanken den kommenden Ereignissen . Er trug seine Galauniform und vier Ordenssterne auf der Brust. Besorgnisvoll bemerkten dies die Offiziere.
Es war bekannt , daſs sich auf den
feindlichen Schiffen eine groſse Zahl Scharfschützen ( Tyroler) befand und man befürchtete, daſs die Sterne das Ziel ihrer Kugeln würden. Gegen 11 Uhr waren Ihre Befürchtung war nur zu begründet!
sich die Gegner so nahe gekommen, daſs Nelson an Collingwood mit dem Semaphore telegraphierte : » Ich beabsichtige quer durch
die Vorhut zu segeln , um sie am Einlaufen nach Cadix zu ver Schneiden sie beim zwölften Schiffe, von hinten an ge rechnet, die Nachhut ab ! « Die seinen Kapitänen gegebene In hindern.
Der Seekrieg.
89
struktion lautete : » Die beste Segelordnung ist diejenige, welche Sie möglichst rasch Bord an Bord mit einem feindlichen Schiffe zusammenbringt !« und sein letztes Signal vor dem Durchbrechen der feindlichen Schlachtlinie war bekanntlich :
»>> England erwartet,
daſs Jeder seine Pflicht thut ! « *) »Jetzt, « sagte Nelson, >kann ich nichts weiter thun. Wir müssen nun auf den groſsen Lenker aller Dinge und auf die Gerechtigkeit unserer Sache vertrauen .
Ich
danke ihm für diese wichtige Gelegenheit , meine Pflicht thun zu können . «
Und der groſse Held, er hat seine Pflicht gegen sein Vaterland bis zum letzten Augenblick gethan ! Energie , Tollkühnheit, die Umsicht seiner Kapitäne, die Lässigkeit seiner Gegner und sein Glück waren auch die Faktoren seines letzten Sieges , den er mit 9
seinem Blute erkaufte.
Höchst interessant sind die folgenden Bemerkungen des franzö sischen Admirals de la Gravière über » Nelson « und » Suffren «
bezüglich der von ihnen befolgten Taktik : » Tollkühn , aber durch eine seltene Einsicht in das Seewesen seine Verwegenheit recht fertigend, einen unvollständigen Erfolg für keinen achtend , und jeder Zeit zu den gröſsten Wagnissen bereit, weil er nur nach entscheidenden Vorteilen strebte , war Nelson allerdings wie dazu geschaffen, bei dem ungleichen Kampfe, worin England den in Hast ausgerüsteten französischen Schiffen seegewohnte längst geübte Besatzungen auf gleich fäbigen Schlachtschiffen entgegenstellte , die Hauptrolle zu spielen . Schiffe ins Gefecht zu führen, die ihm stets zu folgen und mit ihm in das dichteste Kampfgewühl vorzudringen bereit waren, hatte die Natur ihn wunderbar begabt. Eine zweifel hafte Mitwirkung seiner Kapitäne, Unentschiedenheit oder Zag haftigkeit in ihren Entschlüssen wären seinem Ruhme verderblich
gewesen, denn er erfand keineswegs eine neue Taktik , sondern trat alle klugen und vorsichtigen Regeln der alten Taktik mit Füſsen . *) Der französische Admiral Villeneuve erliefs an seine Unterbefehlshaber
folgende allgemeine Ordre : „ Die Bemühungen der Kapitäne von Linienschiffen müssen darauf gerichtet sein , den angegriffenen Schiffen zu Hülfe zu eilen und sich dem Admiralschiffe zu nähern , das ihnen dabei als Muster dienen wird .
Der Kommandant eines Schiffes muſs sich weit mehr seinen Muth und seine Liebe
zum Ruhme. als die Signale des Admirals zur Richtschnur dienen lassen, denn für diesen, der selbst am Gefecht Teil nimmt, und von Pulverdampf umhüllt ist,
wird das Signalisieren vielleicht schwierig ... Jeder Kapitän, der nicht im Gefecht wäre, würde nicht auf seinem Posten sein ... und ein Signal, um ihn dahin zu beordern , würde nur als eine entehrende Schmach für ihn angesehen werden müssen u. 8. W. “
Der Seekrieg.
90
Schien er auch durch die von ihm gewählte Angriffsart auf schwachen
Punkten erdrückende Massen in Wirksamkeit bringen zu wollen, so ergab sich doch in den meisten Fällen vielmehr, daſs er selbst nabe daran war , durch ein überlegenes Feuer zermalmt zu werden , weil er sich nicht die Zeit nahm , seine Kolonnen schlieſsen zu lassen und seine Schiffe zu ordnen. Er versäumte es aber nie, lange vor her schon seinen Schlachtplan zu entwerfen und den Geist seiner Unterbefehlshaber darauf vorzubereiten . Sobald aber der Feind in Sicht war , schien er an nichts weiter zu denken , als in kürzester Frist mit ihm Handgemein zu werden. Statt sich schüchtern um die Gunst der Fortuna zu bewerben , verfuhr er dann wie ein
kühner Liebhaber der Glücksgöttin u . s. w . « > Fünfzehn
Jahre
vor
der
Schlacht
von
>> Abukir
wollte
» Suffren « gleichfalls die Seetaktik von den Fesseln der Wissen schaft und obwaltenden Ansichten freimachen ; als er aber mit
einem kühnen Sprunge die Bahn des Schlendrians verliefs, lief er Gefahr, an den Klippen des neuen Weges, den sein Mut entdeckt hatte, zu scheitern. Das bei Abukir und Trafalgar mit vollständigem Gelingen gekrönte Wagnis hätte in der Bucht von Praya und im indischen Ocean beinahe blutige Niederlagen zur Folge ge babt« u . S. W., u. s. w.
Wenn die Seetaktik des vorigen Jahrhunderts, nicht ohne Avlehnung an das Beispiel derjenigen der Landheere, in verknöcherten Formen verkommen war, so kann man der heutigen vielleicht, durch
das Element der freien Bewegung , welches durch die Dampfkraft in die Schlacht eingeführt ist, mit einigem Recht den Vorwurf einer zu weit gehenden Formlosigkeit machen. Keine Regel oder Vor schrift kann heute als vollkommen bestehend gelten. Gleich wie man unschlüssig der Frage über die Zusammensetzung des Marine Materials gegenüber steht, ist man unentschieden in Betreff des
leitenden taktischen Hauptgedankens. Und das Andere . Diese Lage der Dinge involviert die gezwungenen Verzichts auf die obere Leitung des es bereits zu Anfang des laufenden Jabrhunderts,
Eine bedingt das Gefahr eines auf Gefechts, mit der und selbst in den
Nelson'schen Schlachten , auf britischer Seite, nicht minder wie auf
gegnerischer, überall nur schlecht bestellt war. Den heutigen Gefechtsformationen wohnt an und für sich die Tendenz inne : sich in der Breite und Tiefe ungleich weiter aus
zudehnen und taktisch einen Raum für ihre Bewegungen in Anspruch zu nehmen , der über die ehemaligen Grenzen eines maritimen Schlachtfeldes hinausreicht.
Der Seekrieg.
91
Zu dieser Erweiterung der Sphäre der heutigen Seetreffen trägt auch die Eigenart der gegenwärtigen Kriegsschiffe an und für sich, wie namentlich auch die Natur der von ihnen verwandten Offensiv waffen mit bei .
Wenn die letzteren einerseits auf einen Nahkampf hinweisen ,
weil die Durchschlagskraft der heutigen Schiffsgeschosse, wie mächtig sie auch immer sein mag , mit geringen Ausnahmen dennoch Panzerschiffen gegenüber, nur aus nächster Nähe den beabsichtigten
Erfolg haben wird ; und ferner die Schiffe selbst , um mit ihrem Sporn in Wirksamkeit zu treten , ein direktes Anrennen herbei zuführen haben , schlieſslich auch die Wirksamkeit von Torpedos weite Distancen ausschlieſst, so kann doch andererseits keiner dieser
Angriffe ohne einen entsprechenden Evolutionsraum gedacht werden . Da der angegriffene Teil, um die Schläge des attackierenden Gegners zu parieren , oder zum Abbrechen des Treffens und zum Rückzug, wodurch das Gefecht in ein fliegendes umgewandelt werden würde, kein anderes Mittel hat als die Evolution, und dieselbe unter allen Umständen Raum, ja viel Raum , erbeischt, so kann man zu diesem letzteren Bedürfnis beide kämpfenden Parteien als annähernd gleich
gestellt ansehen und diese Verhältnisse schlieſsen die Möglichkeit, auf die alten Formen der linearen Ordnung im Gefecht zurückzugreifen an und für sich schon auf das Entschiedendste aus.
Allen diesen Dingen muſs die Seetaktik der Neuzeit Rechnung tragen , gleichzeitig aber solche Formationen schaffen , welche mit Bezug auf die Natur der gegenwärtig disponiblen Kampfesmittel den höchsten militärischen und taktischen Wert in sich vereinigen
und dann die einfachsten und zugleich praktisch günstigsten Über gangsmethoden aus einer Formation in die andere herausfinden. Bei der Seltenheit von Seekriegen und der geringen Zahl der in diesen vorkommenden Aktionen kann die Erfahrung nur wenig lehren . In den letzten 50 Jahren ist nur eine einzige See schlacht, die von Lissa, geschlagen , und auch diese hat nur geringe Aufschlüsse sowohl bezüglich der Taktik wie der Artillerie , des Panzerwiderstandes u. s. w. geliefert . .
Die italienische Flotte unter Admiral Persano bestand aus 11
mit gezogenen (englischen und französischen ) Kanonen armierten Panzerschiffen, 8 hölzernen Fregatten , 1 Korvette und 10 Avisos mit zusammen 654 Geschützen und 10,715 Mann. Die österreichische unter Admiral v. Tegethoff aus 7 Panzerschiffen, 6 hölzernen Fregatten, 1 Korvette, 9 Kanonenbooten , 4 Avisos mit zusammen 516 Geschützen und 7492 Mann.
Der Seekrieg.
92
Die schwersten österreichischen Kaliber waren glatte 60 und 48 Pfünder und nur der fünfte Teil ihrer Gesamtarmierung bestand aus gezogenen 24 Pfündern (Gewicht des Langgeschosses etwa 56 Pfund .) Die Italiener hatten somit eine Übermacht von 4 Panzern mit
138 Geschützen ; dagegen war ein Teil ihrer Schiffe noch mit der Einschiffung des auf Lissa debarkierten Landungscorps beschäftigt, als die österreichische Flotte gemeldet wurde. Admiral Persano lieſs beim Heranpahen des Feindes eine Schlacht S ائسS شSLi Sssa :
.
g.S
5.0
$$099 $$ $ o •D.
珍
go
Fitalienische Panzorschiffe .
欢 欢
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D
0
与
A österr.Panzerschitte. Holzschitte . $ A kleinereFahrzeuge. italienische Holzschiffe . Kleinore Fahrzeuge .
linie bilden , indem sich die Panzerschiffe wie in der Kiellinie der alten Segelflotten hinter einander rangierten und somit den Österreichern ihre schwächste Seite, die Flanke boten . Dies war ein Fehler, der sich auf das schwerste hätte rächen können und nur durch einen
anderen Fehler der Österreicher aufgewogen wurde. Die von Admiral v. Tegethoff gewählte Schlachtordnung war die Keilform d. h. sie bestand in einer Gruppierung der gleichartigen Schiffe hintereinander , die dann unter sich einen Keil bildeten . Die
erste Division bestand aus den sieben » Panzerschiffen mit Tegethoffs Flaggschiff » Erzherzog Ferdinand Max « an der Spitze, während drei an jeder Seite von ihm die Schenkel eines rechten Winkels aus machten .
Der Seekrieg.
93
Dahinter folgten die sieben gröſseren Holzschiffe mit dem
Linienschiffe » Kaiser« an der Spitze, während die dritte Division aus neun Kanonen booten bestand und die Avisos als Repetiteure
zwischen den Abteilungen verteilt wurden . Diese Formation war neu , wie ja überhaupt bei Lissa zum ersten Male Panzerschiffe auf offenem Meere mit einander kämpften.
Die Panzer waren fertig zum Spornstoſs und sämtliche Schiffe konnten ihre Breitseiten zur Geltung bringen.
Mit einer Geschwindigkeit von acht Seemeilen per Stunde kam Tegethoff schnell näher, und vom Flaggschiffe wehte das Signal: » Distanzen schlieſsen , Panzerschiffe den Feind aurennen und zum
Sinken bringen ! « Der Kurs der Österreicher war senkrecht auf den Kurs der
sechs vordersten Schiffe des Gegners gerichtet, während die übrigen hinteren Schiffe der Italiener soweit entfernt waren , daſs sie beim ersten Zusammenstoſs nicht in den Kampf eingreifen konnten .
Wäre Tegethoffs Befehl, » den Feind anrennen und zum Sinken zu bringen « beim ersten Zusammentreffen befolgt , so würde höchst wahrscheinlich mit dieser einen That die ganze Schlacht entschieden worden sein. Daſs es nicht geschah , die österreichischen Schiffe vielmehr ohne den Gegner zu treffen nur durch die Intervalle brachen, war einem Schlage ins Wasser gleich und ein groſser Fehler, der höchst wahrscheinlich in Folge des zu frühen Artilleriefeuers und
des dadurch erzeugten Pulverdampfes herbeigeführt war, wodurch den Kommandanten die Fernsicht geraubt wurde. *) Nach dem Durchbruch der Österreicher wandte sich der linke
Flügel ihrer ersten Division gegen die feindliche Vorhut nach links, Tegethoff mit dem rechten Flügel nach rechts gegen das Centrum , ohne indessen während der nächsten Stunde irgend welche Ent scheidung herbeizuführen . Die Schlacht bei Lissa bestand nach den Berichten in einem
unausgesetzten Hin- und Herfahren, einem ruhelosen Getümmel und einem gelegentlichen Schieſsen der beiderseitigen Schiffe, bis die Ré d'Italia vom österreichischen Flaggschiff in die Seite gestoſsen unterging und die Schlacht entschieden war. Die italienische Flotte trat den Rückzug an ; ein zweiter kleiner Panzer » Palaestro « geriet im Gefecht durch das Krepieren einer Granate in Brand, und ver sank, da man nicht Herr des Feuers werden konnte, bei der *) Bei Trafalgar wurde von den Engländern nicht früher ein Schuſs abgefeuert, bis sie nicht die feindlichen Schiffe enfilieren konpten.
Der Seekrieg.
94
Explosion der Pulverkammer in Atome zersprengt, in die Tiefe.
Damit war die Niederlage eine vollständige geworden. Die Italiener verlieſsen den Kampfplatz, die Österreicher zogen sich unter dem Schutz der Batterien nach Lissa zurück .
Die Schlacht selbst liefert für die Bedeutung des Artilleriefeuers
nur negative Resultate ; man kann hier nur aus dem , was nicht geschehen, auf das schlieſsen, was mit dem vorhandenen Material
hätte geleistet werden können . Die Italiener waren nicht nur in der Zahl der Geschütze, sondern auch im Kaliber und in der Treff
fähigkeit den Österreichern weit überlegen . Die Ré d'Italia zählte z. B. 36 gezogene Kanonen mit einem Durchschnitts-Geschoſsgewicht von 46 kg, während > Ferdinand Max « nur 16 glatte Geschütze mit einem Durchschnitts-Geschofsgewicht von 29,5 kg führte. Trotzdem fehlt den Italienern jeder artilleristische Erfolg . In den offiziellen Berichten der österreichischen Kommandanten finden sich folgende Stellen : Der Kommandant des Linienschiffes > Kaiser « schreibt: Die
Italienerschossen im Allgemeinen zu früh und zu hoch , so daſs, obgleich Schornstein , Takelwerk, Boote u. s. w. beschädigt wurden, die Batterie doch unversebrt blieb . «
Der Kommandant des
» Don Juan « führt seine geringen Schäden darauf zurück , daſs die italienischen Schiffe auf konzentrierte Breitseiten gänzlich ver zichteten . «
Die Österreicher dagegen schossen stets mit konvergierenden
Breitseiten und dennoch war das Feuer machtlos gegen den feind lichen Panzer.
Bei Lissa machte nur das schlechte Schieſsen der
Italiener es möglich, daſs der Kampf der Schiffe sich auf die Ramme beschränkte, und dass also die besonders schwache Stelle der Österreicher, ihre artilleristische Ausrüstung, garnicht in die Wag Das Rammen war für die Österreicher aber um so
schale fiel.
leichter, als die italienischen Schiffe auſsenbords grau gestrichen waren und sie selbst im Pulverdampf den Gegner leicht herauszn finden
vermochten.
Durch
den
ausschlieſslichen
Gebrauch
des
Sporns fehlt aber der Schlacht von Lissa der Charakter des Ringens
der Kräfte und auch der eigentliche Sieg.
Die beiden Flotten gehen
nach beendetem Gefecht aus einander und Jeder eilt dem heimischen Hafen zu.
-
Lissa kann uns deshalb nicht als Beispiel für den
Verlauf einer Schlacht dienen, sondern darf für Lernzwecke nur benutzt werden , um aus dem Einzelnen Schlüsse zu ziehen . Einen ähnlichen Verlauf einer Schlacht dürfen wir heute nicht
mehr erwarten , denn die heutige Artillerie ist dem Panzer wieder ebenbürtig geworden und der Torpedo hat sich zwischen das eigene
Der Seekrieg .
95
Schiff und den feindlichen Sporn geschoben . Die Gefährlichkeit des Torpedo wird zwar vielfach bezweifelt, gewiſs aber dürfte sein ,
daſs, wenn derselbe trifft, das getroffene Schiff, besonders ein solches älterer Konstruktion, verloren ist. Nicht die Bedeutung des Torpedo schusses kann daher in Frage gestellt werden , sondern nur die Treff
fähigkeit und höchstens die Zuverlässigkeit des Individuums im Augenblicke des Gebrauchs. Die erstere ist auf die Entfernung von 300 m noch als ziemlich sicher zu bezeichnen .
Der Sporn wird
daher kaum noch anders wie gegen ein wehrloses Schiff zur An wendung kommen . Durch das Element der freien Bewegung, welches durch die Dampfkraft in die Schlacht hineingetragen ist, wird auch ferner, wie bei Lissa , jener Charakter der Unruhe in unseren Gefechten verbleiben . Die Folge dieser steten Bewegung aber wird es sein ,
daſs mit dem Beginn der Schlacht auch die Leitung derselben auf gehört hat und der Erfolg allein von der Leistung der einzelnen Kommandanten und von der Tüchtigkeit ibrer Besatzungen abhängen
wird .. Die ganze Seekriegsgeschichte weist darauf hin , daſs der Admiral, im Gegensatz zum Feldherrn, die Leitung der Schlacht
mitten unter den Kämpfenden suchen muſs. Es ist jedoch keine leichte Aufgabe, wichtige Fragen über Seekriegführung und Seetaktik zu erörtern. Die Seekriegsgeschichte bietet hierzu nur lückenhaftes Material. Dagegen ist die Zahl der Landkriege während der letzten 50 Jahre eine auſserordentlich groſse. In diesen Kriegen weisen die unsrigen soviel Schlachten 1
und Gefechte am Lande auf, als alle Kämpfe zur See in den letzten
hundert Jahren zusammengenommen . Eine solche Schule, wie diese Kriege für den Landoffizier geben, fehlt auf See vollkommen ; auch ist nicht abzusehen, daſs wir in nächster Zeit zu gröſseren, nennens werten Erfahrungen auf dem Gebiete des Seekrieges kommen werden . Um so mehr müssen wir Gewicht auf die Theorie legen, um so
mehr versuchen, an der Hand der Theorie und unter Anwendung derselben auf frühere Erfahrungen uns zu vervollkommen .
Das
Studium der Kriegsgeschichte soll uns nicht bestimmte Gesetze für das Handeln vorschreiben, sondern uns mit dem Wesen und allen Lagen kriegerischer Thätigkeit möglichst genau bekannt und vertraut machen , die Erkenntnis mebren , die Urteilskraft wachrufen .
Seekriegsgeschichte bietet hierzu aber leider Material .
nur
Die
lückenbaftes
Die Berichte über Seeschlachten und Gefechte, selbst
heute noch, sind kurz abgefaſst, meistens nur trockene Darstellungen, ohne den Versuch einer Kritik, ohne wissenschaftliche Behandlung
Der Seekrieg.
96
der Vorgänge, so daſs der, welcher an der Action nicht beteiligt gewesen ist, sich nur schwer ein Bild von derselben machen kann . Die Schiffe selbst sind mit Bezug auf Gröſse , Material,
Armierung, Panzer, treibende und bewegende Kraft, kurz, in jeder Hinsicht, sowohl für den Angriff wie für die Verteidigung so ver ändert, daſs, wie kürzlich ein hoher englischer Seeoffizier äuſserte:
» von den Mitteln , mit welchen unsere Vorfahren kämpften und Schlachten gewannen , fast nichts geblieben ist , als das Element auf dem sie schwammen und das starke Herz
ihrer Besatzung . «
Ein Nähertreten der Fragen über Seekriegführung und Seetaktik hat sich besonders in den Ländern als ein längst gefühltes Be dürfnis geltend gemacht, deren Flotten im Kriege eine Hauptrolle zugewiesen ist.
Es sind daher England und Frankreich n. S. w.
die sich mit diesem Thema eingehend beschäftigt haben. Wir erinnern an die preisgekrönte Schrift des Commander Noël : > das
Geschütz, die Ramme, der Torpedo «, welche die Aufmerksamkeit der Fachmänner in hohem Grade auf sich zog ; ferner an die Elemente
der Seetaktik der Vice -Admirale Penboat , Gueydou , und Jurien de la Gravière u. A. , des russischen Admirals Butakow , sowie
an die Studien über den Seekrieg mit den Kriegsmitteln der Neuzeit von Ferdinand Attimayer, Professor der k. k. Akademie zu Pola u . 8. W.
Wirkliche Erfahrungen haben wir, wie schon oben bemerkt, auſser der Schlacht von Lissa, sowie einzelnen Episoden aus dem
amerikanischen Bürgerkriege, dem russisch - türkischen Kriege von 1877–78 und den Kämpfen an der Westküste Süd - Amerikas ( 1879—82) u. s. w. keine, aber aus der Anschauung, die wir uns über den Wert der betreffenden Waffen bilden, entspringt häufig die Bevor
zugung der einen oder der andern , hieraus wiederum die Konstruktion des Materials , die Ausbildung des Personals, in einem
Wort, die
Vorbereitung zum Kampf. Die entscheidende Waffe auch der Neuzeit ist die Artillerie,
erst in zweiter und dritter Reihe folgt der Sporn und Torpedo. Die Kriegsschiffe heute haben ebenso wie vor tausend Jahren ihre starken wie ihre schwachen Punkte und sind bezüglich der letzteren
auf gegenseitige Unterstützung des Einen auf den Anderen ange wiesen ; ein regelloses pêle-mêle , in dem es unbestinimt bleiben würde, welche Schiffe im Besonderen zusammen gehören und sich helfend die Hand zu reichen haben , erscheint bedenklich ,
dem
blinden Zufall mehr als nötig Raum giebt.
da es
Die Lösung des
Der Seekrieg
97
obigen Problems ist offenbar in einer zweckmäſsigen Gliederung der Streitmacht in Abteilungen ( Divisionen) und diese wiederum in Gruppen gelegen , deren einzelne Schiffe auf eine unbedingte Kooperation mit einander angewiesen sind. Schon zur Zeit der Segel-Kriegsschiffe war die Einteilung der
eines gröſseren Geschwaders in Unterabteilungen (Divisionen), sowohl in der Marschordnung, *) als in der Schlacht ordnung (Vorhut, Centrum, Nachhut) geboten. Jetzt ist es durch die Unruhe, welche die Einführung des Dampfes in die Kriegsflotten gebracht hat, erforderlich, auch die Divisionen wiederum in kleinere Flotte oder
Gruppen - zu gliedern.
Teile
Die Gründe hierfür sind teils nautischer , teils militärischer Natur :
Die nautische Sicherheit der Schiffe wird mehr gewahrt bleiben, wenn die Schiffe nicht in Gesamtheit, nicht in einem Manövrier körper vereint sind. Es wird ferner vermieden, daſs Schiffe der verschiedensten Leistungsfähigkeit d. i. Geschwindigkeit und Manövrier fähigkeit zusammen als einheitliches Ganze zu evolutionieren baben .
Durch Sonderung der Schiffe in mehrere Divisionen ist es thunlich, Schiffe gleicher Leistungsfähigkeit in die einzelnen Manöverkörper zu verteilen .
Es haben ferner in den Divisionen relativ weniger Schiffe zu manövrieren ; die Ausführung der Evolutionen wird dadurch vereinfacht und erleichtert, Irrungen und Miſsverständniſse
zusammen
seitens einzelner Schiffe werden teils ganz vermieden , teils abge schwächt u. s. w.
In militärischer Beziehung können Schiffe von gleicher mili tärischer Stärke und Leistungsfähigkeit, welche unter einander zwar verschieden sind, sich dennoch gegenseitig ergänzen, sowie gemein sam in Aktion gebracht und verwendet werden.
Die Schnelligkeit der Formierung in Gefechtsordnung in be
liebiger Richtung wird in hohem Grade gefördert, da jede einzelne Division für sich manövriert, alle zusammen aber gleichzeitig sich formieren .
Überhaupt wird hierdurch der einzige sichere Weg angebahnt, rücksichtlich
der Formierung der einzelnen Divisionen
sowie
*) Marschordnung heiſst bei Geschwadern diejenige Ordnung, in welcher die Schiffe desselben behufs Navigierens so formiert sind, daſs sie vom Admiral bequem übersehen werden können, ohne mit besonderer Peinlichkeit die Position inne zu
halten. In Kriegszeiten besonders muſs aber aus dieser die Schlachtordnung in kürzester Frist herzustellen sein. Jabrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . LXXI . , 1.
7
Der Seekrieg
98
Regelung der Positionen derselben zu einander eine Gesamtstellung einzunehmen, je nachdem es der Operationsplan des Admiral-en - Chef, die Formation und Lage des Gegners, die Natur der eigenen und der feindlichen Schiffe, die eigene und die feindliche Machtentfaltung fordert oder zweckdienlich erscheinen läſst. Die Divisionen sind wiederum in Unterabteilungen, – Gruppen
genannt, — zu gliedern und diese Einteilung muſs eine feste resp. permanente sein, da sie bestimmt ist, eine Anzahl von Schiffen so
eng zu verbinden, daſs sie während des ganzen Gefechtes sich als ein Ganzes betrachten . Zur Ermittelung der Grundzahl der Schiffe ob zwei – resp. vier — oder drei, aus welcher so eine Grappe -
zu bestehen hat, ist zunächst erforderlich, sich das Ziel klar zu
machen , welches durch das Gruppensystem in der zerstreuten Ordnung erreicht werden soll. Zweck dieses Systems ist es in erster Linie , den Schiffen möglichsten Spielraum zu lassen, ohne dieselben völlig zu isolieren. In jeder Gruppe wird einem bestimmten Schiffe die Führung zuge
wiesen , den übrigen dagegen sind entweder spezielle Positionen vorgeschrieben oder nicht. Im letzteren Falle haben sie derartig zu manövrieren und solche Position einzunehmen , damit die Leit schiffe in der Wahl des Kurses nicht beirrt werden . Andernfalls werden diese Positionen hinter dem Führer d . i . entweder im Kiel
wasser desselben, oder zu beiden Seiten der Kurslinie des Leitschiffes
Die betreffenden Schiffe an eine ganz präcise Innehaltung bestimmter Peilungen ( Richtungen gegen einander) zu binden, dürfte
sein .
in der Praxis kaum durchführbar sein .
Die Rangierung der Gruppen zu einander kann eine ähnliche , sein wie sie bei Schiffen in geschlossener Ordnung vorkommt. Ob es ausführbar sein wird ,1 daſs den Leitern der Gruppen auch im Gefecht die Führerrolle verbleibe; ihre Bewegung auch für die zugeteilten Schiffe maſsgebend ist, diese jene bei Rammversuchen zu unterstützen haben indem sie die Aufmerksamkeit des Gegners 1
teilen oder ihn durch die eigenen Bewegungen zu unrichtigen
Manövern verleiten u . s. w., oder wenn die Gruppenführer in Gefahr kommen , die zugeteilten Schiffe dieselben wittest des eigenen Sporns resp. der eigenen Waffen zu decken haben und dergleichen , muſs die Erfahrung lehren .
Das Prinzip , möglichst zwei resp. drei Schiffe gegen
ein Schiff des Gegners zur Aktion zu bringen , sollte der Ausgangspunkt
bei
Einteilung und Verwendung der
Gruppen sein ; demgemäſs sollten passende Schiffe in jeder Gruppe
Der Seekrieg.
99
bestimmt werden z. B. je zwei von gleicher Schnelligkeit, oder je
zwei, welche in militärischer Beziehung sich ergänzen, indem das eine als Widder, das andere durch seine mächtige Artillerie sich voll und ganz zur Geltung bringt.
Man unterscheidet die Gruppe zu zwei , zu vier und zu dreien.
Die Gruppe zu zweien ist von untergeordneter Bedeutung und kommt nicht in Betracht. Bei dem Carré sind zwei Dispositionen
zu unterscheiden und zwar solche mit einer der Spitzen des Vierecks Beide geben auf vier Schiffe
oder mit einer Seite desselben voran .
angewendet, eine vorzügliche Marschordnung, doch verdient die
erstere den Vorzug, - weil sie die Einheit der Führung durch das Leitschiff der Tête am meisten sichert .
Kurswechsel mit Beibehalt
der Form sind leicht ausführbar, vorausgesetzt, daſs es irrelevant ist, welches resp. welche Schiffe die Tête zu bilden haben. Die Kurs
änderungen können mittelst gleichzeitiger Bewegung (Drehung) geschehen und handelt es sich nur darum , für zweifelhafte Fälle das, resp. die Schiffe zu bestimmen , welche die Führung zu über nehmen haben ; die übrigen Schiffe werden dann ohne Schwierigkeit ihre Posten für den neuen Kurs finden .
Das Carré hat ferner den Vorteil, daſs der Raum, welchen die Schiffe einnehmen, der relativ kleinste ist ; die Tiefe der Aufstellung ist gleich der Breite derselben und zweifellos geringer als bei vier
Schiffen in anderen Formationen (in vorspringenden oder einfallenden Winkel ). In sich selbst als Carré ist jedoch der militärische Wert dieser
Formation in so fern nicht von so groſser Bedeutung, als die Stellung der Schiffe zueinander , vornehmlich des Schluſsschiffes gegenüber einem nachdringenden Feinde , nicht hindern könne, daſs beim Zusammenstoſs mit letzterem die vorderen Schiffe in der Freiheit
des Manövers durch Rücksichten für das Schiff an der Queue resp.
für die folgenden beiden Schiffe gebunden erscheinen .
Die Anwendung des Carrés als Formation des einzelnen Gruppen körpers würde daher nicht empfehlenswert erscheinen. Dagegen dürfte, unserer Ansicht nach, die Gruppenformation zu dreien die beste Grundlage für die Gliederung von Geschwadern jeder Gröſse bilden . ( Selbstredend handelt es sich hierbei in erster Reihe um die Schlachtschiffe .)
Die, wie nicht in Abrede zu stellen ist, sehr bedeutenden Vor teile der Gruppe zu dreien , als Gliederungs -Grundlage für eine maritime Streitmacht sind folgende: 1. Sie ist die denkbar kleinste, daher auch auf kleine Geschwader
Der Seekrieg.
100
anwendbar. Sie erleichtert für die Spezialführung am meisten die Übersicht und ist bequem und zugleich präcise zu handhaben; letzteres besonders mit Bezug auf die Signale , welche keine Ver mittelung durch eine Zwischeninstanz erheischen . 2. Obgleich nur aus drei Schiffen sich formierende Fronten,
bietet sie nichtsdestoweniger dem Feinde drei, aus je zwei Schiffen bestehende Fronten, in deren jede das dritte ohne Zeitverlust ein rücken kann .
3. Da das in Rede stehende Dreieck einen gedeckten Raum abgrenzt, so ist die Gruppe zu dreien im Stande, andere, eventuell im Gefecht havarierte Schiffe aufzunehmen . dieser Hinsicht,, Alles,, was immerhin
Sie leistet mithin, in
nur eine aus zahlreichen
Schiffen formierte Gruppe zu leisten vermag . Ferner ist sie zu Detachierungen ganz besonders geeignet ; oder aber vermag sie unter Beigabe von Kreuzerfregatten, Avisos, Torpedobooten u. s. w. ein handliches kleines Geschwader zu bilden .
4. Käme es ferner darauf an, in einem gegebenen Moment, eine in Gruppen zu dreien sich gliedernde Streitmacht , behufs strategischer Beherrschung einer gröſseren Meeresfläche in Eskadrillen aufzulösen, so würden auch unter diesem Gesichtspunkt, jene die beste Grundlage der Einteilung bilden .
5. Im Besonderen schmiegt sie sich den taktischen Verhältnissen
mehr wie jede andere Formation an, denn wie sie selbst vergleichs weise am leichtesten zu handhaben ist, macht sie das Geschwader,
auf das sie als Gliederung zur Anwendung kommt, in einem höheren Grade manipulationsfähig, als dies durch irgend welches andere S. w. Arrangement zu erreichen wäre u. 8. w., u. s.
Die nächste Frage, welche sich hier unmittelbar anschlieſst ist
die : ob die gemischte oder die Gattungsgruppe den Vorzug verdient ?
An und für sich bietet die Dreizahl der Fahrzeuge, aus der sich die soeben empfohlene Gruppe zusammensetzt, die Möglichkeit dar, sämtliche Offensiv - Elemente der heutigen Kriegsmarine in ihr zu vereinigen : die Repräsentanten des Artillerie- wie des Stoſs
gefechts und des Torpedoangriffs. Auſserdem ist es ebenso zulässig und vielleicht praktischer in der Gruppe nur ein Offensiv -Element vertreten zu lassen. Erstere Formationsart führt zu den gemischten Gruppen ,
etzere zu den einheitlichen oder Gattungsgruppen . Dazwischen st die aus zwei Elementen gemischte Gruppe gelegen.
Der Seekrieg.
101
Welche von diesen Gruppen sich in der Wirklickeit am besten bewähren wird, muſs die Erfahrung lehren . Die Hauptmomente bei der Gruppenbildung im Speziellen sind folgende: 1. Die einzelnen Gruppen müssen bei ihrem Manöver, um
möglichst frei und in ihren Bewegungen den geringsten Störungen ausgesetzt zu sein, Einem Willen gehorchen. 2. Die Zahl der Schiffe in der Gruppe, so wie die Zahl der Gruppen in der Division muſs so bemessen werden, daſs die Flotte,
(Geschwader oder Division) in der Marschordnung wie in der Schlacht ordnung in der Hand des kommandierenden Admirals ist, daher auf
einem Raume vereint bleibt, welcher, ohne die freie Bewegung der Schiffe zu beeinträchtigen, dem Admiral die Übersicht und die schnelle Befehlserteilung sichert.
3. Die Formation der Divisionen resp. der Gruppen in denselben zu regeln, daſs dieselbe nicht allein einer zweckmäſsigen
ist so
Marschordnung entspricht, sondern einen schnellen Übergang sämtlicher Gruppen aus der Marschordnung in die Schlacht
ordnung , ohne Gefahr einer Kollision unter den eigenen Schiffen und ein nahezu gleichzeitiges Eintreffen sämtlicher Schiffe eines Manöverkörpers auf dem Kampfplatz, gewährleistet. In Hinsicht auf das Verhalten des Oberbefehlshabers und sein
Eingreifen in die Aktion beziehungsweise die Leitung derselben und Erteilung der maſsgebenden Direktiven, liegen die heutigen Ver hältnisse keineswegs anders wie in früherer Zeit. Die ganze See kriegsgeschichte weist darauf hin, daſs der Admiral , im Gegensatze zum Feldherrn , die Leitung der Schlacht mitten unter den
Kämpfenden suchen muſs. Die Flagge des Höchstkommandierenden wird sich auf dem gröſsten und schnellsten Panzerschiffe befinden . Doch vor der Schlacht schon muſs er seinen Kapitänen die bündigsten Befehle schriftlich und mündlich erteilt haben , so daſs sie seine
Intentionen kennen, und es nur einzelner Signale in der Schlacht selbst bedarf, um sie auf diesen und jenen Punkt seiner Dispositionen hinzuweisen .
Der Admiral selbst muſs sein Geschwader in den
Kampf führen .
Ist der Zusammenstoſs aber erfolgt, so ist auch
heute noch das Signal Nelsons vor der Schlacht von Abukir maſs gebend : » Heran an den Feind ! « » Weitere Befehle sind nicht nötig,
jeder Kapitän weiſs, was er zu thun hat ! « Das, was aber für den Admiral sich zu allen Zeiten bewährt
hat, gilt ebenso für die Kapitäne der Schiffe. Will der Kapitän
Zur Ausbildung der Offiziere und
102
das lebende Element auf seinem Schiffe sein, und die volle Kraft
des Schiffes selbst, wie der Besatzung zur Geltung bringen , dann muſs er Alles sehen und von Allen gesehen werden, und sich nicht wie man es auf manchen Schiffen des Auslandes sieht, durch Schutz v. H. schirme nach allen Seiten kugelfest machen wollen .
VI. Zur Ausbildung der Offiziere und
Offizier - Aspiranten des Beurlaubtenstandes. Im Februarheft 1888 der Jahrbücher hatte ich in dem Aufsatze :
» Über die Ausbildung der Reserve- und Landwehr - Offizieres die Notwendigkeit betont, diese Ausbildung mit wesentlich gröſserem Nachdrucke zu fördern, als dies an vielen Stellen , - um nicht zu sagen : überall
bislang geschah . Inzwischen hat die neue » Heer und Wehr -Ordnung« (vom 22. 11. 88.) diesem Gegenstande ganz besondere Beachtung zugewendet, die zu erreichenden Ziele fest gestellt und zum Teil auch die einzuschlagenden Wege, die zu ver wendende Zeit u. dergl . vorgeschrieben ; nicht minder ist der Aus
bildung der Einjährig -Freiwilligen ,
aus denen die Offiziere des
Beurlaubtenstandes zum gröſsten Teil hervorgehen , — die gebührende Beachtung geschenkt : sonach darf man versichert sein, daſs ein anderer Zug in die Sache kommt. Aber freilich : in der Hauptsache wird es von dem Eifer , dem Sachverständnis und der Lehrbe
fähigung der mit der Unterweisung der Einjährigen bezw. der Reserve- u . s. w. Offiziere betranten Berufsoffiziere
abhängen , in wie weit die betreffenden Zöglinge in rebus militaribus an Wissen und Können Forschreiten. An dem guten Willen der Lehrenden liegt es nun wohl nicht, wenns nicht recht » fleckt « ;
aber jedes Ding will ausprobiert sein . Da empfehle ich denn den betreffenden
Lehrern ,
wie
damals
Kardinal
VOD
Widdern's
» Infanterie im Gefecht «,, – so heute ein bereits im vorigen Jahre erschienenes Buch : »Felddienst und Gefecht eines Detachement
( 1 Bataillon , 1 Eskadron). « Nach applikatorischer Methode zum Studium der Felddienstordnung der einschlägigen Bestimmungen der
Offizier -Aspiranten des Beurlaubtenstandes.
103
Schieſsvorschrift und des Exerzier-Reglements bearbeitet von Zorn , Premier - Lieutenant im königlich bayerischen Infanterie Leib - Regiment. Mit 1 Karte. München und Leipzig, 1888. Druck und Verlag von B. Oldenburg. Wir können diese Arbeit des bayerischen Kameraden im All gemeinen als eine recht gelungene bezeichnen . Sie giebt ein in sich wohl durchgeführtes, höchst anregendes Beispiel, wie man die einfachen Grund - Lehren und Regeln der Taktik u . s. w. den Zuhörern oder Lebrern klar zu legen hat. Können und sollen die Berufsoffiziere nicht der wissenschaftlichen Unterweisung der Theorie entraten , für die Reserve u . 8. w. -Offiziere, die nur bis in die
Hauptmannsstellen hinein im Kriegsfalle Verwendung finden , reicht die Zeit nicht aus zu solcher völligen Durchbildung, für sie genügt >etwas Theorie« , – aber höheres Können in bescheidenen » » Grenzen « muſs erstrebt werden. Für sie empfiehlt sich in erster Linie die applikatorische Methode. Premier - Lieutenant Zorn muſs seine Schrift umarbeiten, da seine sämtlichen Hinweise auf das
- alte - Exerzier-Reglement verschwinden und danach manches Ich empfehle ihm, daſs er nicht den Wort laut der Stellen aus der Schieſsvorschrift u . s. w. anführt, sondern
geändert werden muſs.
nur angiebt, welche Stellen zu vergleichen sind : damit wird die Arbeit um ein Drittel kürzer und billiger. Überdies muſs , meines Erachtens, jeder Offizier und Aspirant als Eigentum die Schieſs vorschrift, das Exerzier -Reglement und die Felddienstordnung be sitzen : das Nachschlagen würde ihm die Bücher um so vertrauter machen .
Ferner befürworte ich, für die »zweite , umgeänderte «
Auflage einige » Verbesserungen « vorzunehmen. Dahin gehören u . a. folgende Punkte : – Generalidee oder » Kriegslager «. Im eigenen Lande wird man auf 50 km Entfernung doch mit Bestimmtheit wissen , » ob am Abend des 4. Juni die feindlichen Vortruppen den Inn erreicht haben ; « – und, wenn die bayerische Division von München aus am 5. Juni gegen den Inn vorgebt, hat sie denn gar keine Kavallerie am Feinde ? In der » Truppen -Einteilung« fehlt bei der linken Seiten kolonne der Name des Führers ; - ebenso im -
Detachement- Befehl der Name des Avantgarden - Commandeurs. In diesem Befehl ist nicht angegeben, auf welchen Abstand das Gros der Avantgarde folgt. Die einzige Eskadron als »selbstständige« Kavallerie vorauszusenden , anstatt sie ohne Beeinträchtigung ihrer
Thätigkeit, in engerem Verbande mit dem Detachement zu halten , widerspricht den praktischen Erfahrungen und auch dem Sinn der Felddienstordnung. Beim Vormarsch des Bataillons, weit ab vom
Zur Ausbildung der Offiziere und
104
läſst Zoru » die groſse Bagage der kleineren unmittelbar folgen « und zwar unter Zuteilung einer Infanterie Sektion, welche zur Unterstützung des Führers der Bagage bei Feinde noch ,
Handhabung der Marschzucht bestimmt ist ; « die Sektion erscheint
im vorliegenden Falle ganz überflüssig. Auch dürfte es gevägen, wenn der Commandeur, der im Gros « nur 3 Compagnien hat, im
Befehl sagt: » Ich befinde mich beim Gros : « die Zorn'sche Angabe: » an der Tete des Gros « hat Wert nur für lange Kolonnen , für Verhältnisse einer Division oder mindestens gemischter Brigaden.
Daſs während der ersten Stunden des Vormarsches, beim Eintreffen vor einem Dorfe, der Führer der Infanteriespitze, welcher selbst seinen Patrouillen erklärt : » Der Feind ist noch weit weg von uns,
doch einige Einwohner als » Geiseln « mitnimmt, im eigenen Lande, ist weder zu verstehen , noch zu rechtfertigen ! Wenn, wie ich oben erwähnte, die Heeresleitung nicht einmal weiſs, wo au
Abend des 4. Juni die feindliche Avantgarde steht, wenn keine Kavallerie am Feinde sich befindet,
nun , dann kann die bei
München konzentrierte (!) bayerische Division, am 5. früh vor marschierend, doch nicht darauf angewiesen sein, durch Einwohner des 1 Meile von München entfernt liegenden Dorfes zuverlässige Kunde über den Gegner zu erlangen. Woher sollen die Einwohner von Dornach, welche die Patrouillen als » Geiseln . herausgreifen , Kenntnis vom Feinde haben ? Oder sollen sie des Einverständnisses
mit letzterem verdächtig sein ? Als Wegweiser aber werden sie doch hoffentlich nicht nötig sein –- 11 Meile von München ab. Hier hat das in der Schrift recht gut durchgeführte Bestreben, alle in
praxi gewöhnlichen Fälle und Vorfälle in seine Darstellung binein zuflechten , dem Verfaſser einen kleinen Streich gespielt. Der Bataillons- Commandeur, Führer des Seitendetachements,
welches Vorposten ausgestellt hat, befiehlt am Abend, schriftlich u . a.: » Bei Alarm
wird das Signal >das Ganze « mit dem Zusatz
des Alarmsiguals gegeben, Tambours schlagen Generalmarsch. Bei Ertönen des Signals ist dasselbe von allen Spielleuten selbstständig auf zunehmen , « – dieser Befehl ist überflüssig, weil er Selbstverständliches anordnet ; und wenn es weiter heiſst: »Bei einem Überfall sammeln
die Compagnien für sich und werfen sich dem Feinde entgegen . « 80 ... nun solchen Befehl giebt man überhaupt nicht, am wenigsten schriftlich .
Der Herr Verfasser überschätzt offenbar den Wert
und die Durchfübrungsmöglichkeit des » Flankenangriffes«, wenn er sagt : „ Es wird sich heutzutage jede (!) kämpfende Linie in zwei Teile scheiden : in einen schwächeren (1) Teil, welcher in der Front
Offizier -Aspiranten des Beurlaubtenstandes.
105
festhält und beschäftigt – und in die Hauptkräfte, welche für die eigentliche Entscheidung in der Flanke eingesetzt werden. «
Das
kann in einzelnen Fällen bei allein kämpfenden kleinen Abteilungen zutreffen, ist aber nicht als Regel hinzustellen. Ja, wenn nur nicht fast jeder » Flankenangriffe zuletzt wieder Frontalangriff würde ! In diesen Beziehungen muſste
bei einer zweiten Auflage die
bessernde Hand angelegt und das Augenmerk darauf gerichtet
werden , alle Einzelangaben in strengste Übereinstimmung mit den Vorschriften zu bringen (z. B. finden wir wiederholt 3, 4 Uhr Nachmittags anstatt Abends u. dgl. m.) Dann wird zweifellos die feiſsige und tüchtige Arbeit des Premierlieutenant Zorn vielen zu Lehrern der Reserve -Offiziere u. s. w. berufenen Offizieren ein
willkommener Anhalt und eine Anregung sein , in ähnlicher , nach den Verhältnissen abgeänderter Weise ihres Amtes zu walten .
Meine oben gemachten Ausstellungen sollen nicht den Wert der Arbeit des Premierlieutenant Zorn herabsetzen , sondern sie sind der Ausdruck meines besonderen Interesses für diese Schrift, zu deren
Vervollkommnung ich aber meinen bescheidenen Anteil beitragen Ferner sei betont, daſs diese Arbeit auch besonders geeignet ist zum Selbststudium für Reserve- u . s. w. Offiziere. wollte .
Denn auf solches sind selbige am letzten Ende hingewiesen, wenn anders sie es ehrlich meinen mit ihrer Vervollkommnung als Führer kleiner militärischer Abteilungen. Gerade die vom Herrn Verfasser gewählte Form wird , wenn sie auch das Durcharbeiten der doch nicht ver Allerhöchsten Vorschriften nicht ersetzen kann,
fehlen, Nutzen bringend zu wirken. Ich würde mich im Interesse der Fortbildung unserer der hoch wichtigen Sache Offiziere des Beurlaubtenstandes - aufrichtig freuen , wenn
meine Bemerkungen an dieser einfluſsreichen und weithin sichtbaren Stelle dazu beitragen sollten , die Verbreitung einer zweiten, ver besserten Auflage der Zorn'schen Schrift zu fördern ! 34 .
VII. Umschau in der Militär- Litteratur. I. Ausländische Zeitschriften . Streffleur's Österreichische militärische Zeitschrift (Januar
Februar):
„Betrachtungen über die Verwendung der groſsen Kavallerie körper in der Schlacht. “ Die Aufgaben der Kavallerie der Gegenwart sind keine anderen, als jene der Vergangenheit, nur deren Lösung ist eine schwierigere geworden . „Statistik der Kämpfe der Neuzeit 1792 bis inclusive 1871. “
Drei Tabellen , von denen die erste die Streitkräfte
der kämpfenden Parteien, die zweite den Ausgang des Kampfes, die dritte die Verluste nebst der Angabe, in welchem Kampfe reguläre Truppen gegen
Irreguläre fochten, angiebt. Diese verdienstvolle, fleiſsigeArbeit,der die verläſs lichsten Quellen zu Grunde liegen , hat hohen Wert für das Studium der Kriegsgeschichte. Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. XXXVIII Bd. I. Heft.
„ Über die Änderungen in der Taktik der Infanterie , welche die Einführung des Repetiergewehrs bedingt.“ Durch die Ein führung des Repetiergewebrs dürften kaum andere Kampfesformen not wendig werden, als die geübten. Eine gründliche Umgestaltung jener
Taktik, wie sie der Einzel-Hinterlader geschaffen, wird voraussichtlich auch der nächste Krieg mit der Repetierwaffe nicht bringen. Mit dem Repetier gewehr ist der Infanterie eine sehr scharfe Waffe in die Hand gegeben , deren Vorteile bei nicht gehöriger Verwendung zu groſsen Nachteilen werden können. Feuerdisziplin ist die Hauptsache, diese liegt zum gröſsten
Teile in der Hand der jüngeren Führer. In den letzten Stadien des Zukunfts gefechtes wird der Mann meist sich allein überlassen sein und da ist es
nur die Einzelausbildung, die individuelle Schulung, welche vorhält! – „Über photographische Meſskunst. “ Behandelt die Verwendbarkeit der Photographie zu geometrischen Aufnahmen , welche in Italien und Amerika schon praktisch ausgeübt wird .
Armeeblatt (Österreichisch) Nr. 9 : „ Die militärischen Linien Kommissionen der französischen Eisenbahnen.“ – „Die Reor ganisation der königlich serbischen Armee. “
Österreichisch -ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad“ , Nr. 12, 13 1
und 14 : „Darstellung der Entwickelung der 8 mm Handfeuer waffen in Österreich bis zur Annahme des 8 mm Repetier gewehres M. 1888. “ Kurze Besprechung der praktischen Lösung der Kaliberfrage, ferner der Vorgänge bei Ermittelung der ballistischen Daten , 50 wie der Wirkungsfähigkeit des Modelles 1888.
Umschau in der Militär - Litteratur.
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Militär- Zeitung, Österreichische, Nr. 12 : „Eine russische Probe mobilmachung“ ( entnommen dem Novemberheft des ,Wojennyi Sbornik . ) Dieselbe fand bei dem Kaisermanöver im Süden Russlands im Sommer 1888
statt und betraf die 51. Reserve - Infanterie -Division und 51. Reserve
Artillerie -Brigade und wird als „ vollständig gelungen“ bezeichnet. Nr. 13 : „Unsere neue Wehrverfassung. “ Dieselbe wird mit derjenigen der übrigen Groſsmächte verglichen ; das neue österreichische Militärgesetz erscheint demnach als das mildeste. Während für die eigentliche Kampfes truppe in Deutschland 19, Russland 18, Frankreich 20 (?) Altersklassen
in Anspruch genommen werden, sind in Österreich -Ungarn hierfür nur 12, beziehungsweise 11 Jahrgänge bestimmt. –- Nr. 14 : Am 15. Februar hielt Feldmarschall -Lieutenant Freiherr v. Waldstätten einen Vortrag „ über das neue preuſsische Exerzier - Reglement für die In fanterie , “ von welchem er urteilt : es beruhe auf einer geläuterten Kriegserfahrung und sei taktisch vollkommen richtig und unanfechtbar. Spectateur militaire. 15. Februar : „Das deutsche Exerzier
Reglement.“ – „ Ein praktischer Entfernungsmesser.“ Derselbe soll Entfernungen bis zu 2000 m auf geometrischem Wege, mit Hülfe einer Tabelle messen. „ Zu viel sprechen ist schädlich. “ „Man spricht seit einiger Zeit zu viel in der französischen Armee und namentlich über Dinge, welche dem Dienste fern stehen,“ sagt Spectateur militaire, anknůpfend an die Vorfälle, betreffend den Oberst Sènart und General Riu . „ Denken wir stets daran , aber sprechen wir niemals davon ! “ (La revanche ? D. Ref.).
Journal des sciences militaires. ( Februar ) : „ Die Taktik der Ver pflegung (Tactique des Ravitaillements), vom General Lewal. Fort setzung dieser hochbedeutsamen Studie des gelehrten und geistvollen Verfassers. „Studie über Kavallerie. “ (Schluſs): Die Reitschule von Saumur.
Verfasser ist der Ansicht, daſs dieselbe nicht auf der Höhe
ihrer Aufgabe stehe, folglich eben so wenig das Reitwesen der französischen Kavallerie überhaupt. „ Der Untergang von Staaten und die ver schanzten Lager. “ Besprechung des gleichnamigen Buches, ferner des Werkes „Der Einfluſs des Wurffeuers und der Brisanzgeschosse “ ( l'Influence
du tir plongeant et des obus-torpilles sur la fortification ) von General Brialmont. Eine Polemik gegen letzteren Autor.. – „Verteidigung und Angriff von Höhen. “
,,Eine Mobilmachungs-Ordre aus dem Jahre
1363 “ (!) Geschichtliche Studie aus der Zeit der alt -französischen Armee, deren Einrichtungen in Vergleich gestellt werden mit den gegenwärtigen Verbältnissen .
Revue du Cercle Militaire. Nr.6 : „Das neue Exerzier - Reglement für die Infanterie.
Dasselbe datiert vom 3. Januar 1889 und ist be
titelt: „ Réglement du 29 juillet 1884, modifié par décision du 3 janvier 1889, sur l'exercice et les manoeuvres de l'infanterie. “ Vorläufig sind nur 9
die ersten beiden Teile erschienen : Bases de l'instruction und Ecole du Soldat.
-
(Wir werden nach Abschluſs des neuen Reglements uns ein
Umschau in der Militär -Litteratur.
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gehend mit demselben an anderer Stelle beschäftigen. D. R.) - ,,Eine militärische Rekognoszierung Vaubans ,“ von ihm selbst erzählt. Das Original dieses Briefes befindet sich im „ Dépôt de la guerre“ ; den
Inbalt desselben bildet ein nach Eroberung von Lille 1667 von Seiten Vauban's (damals 34 Jahr alt) abgegebenes Gutachten über die Herstellung
einer neuen Befestigung dieses Platzes . Louvois billigte den ihm einge reichten Entwurf und beauftragte Vauban mit der Ausführung. — Nr. 7 : „ Die Lanzenfrage .“ Einführung der Lanze wird, anläſslich der probe weisen Bewaffnung des ersten Gliedes bei 10 Dragroner-Regimentern, „ Der Phanotélémètre Thou venin.“ Dieser neue
warm befürwortet.
Entfernungsmesser basiert auf der Fortpflanzungegeschwindigkeit des Schalles; derselbe ist in Verbindung gebracht mit einer Taschenuhr und
gestattet das direkte Ablesen der Entfernung bis zu einer Genauigkeit von 10 zu 12 m . Dieser Entfernungsmesser hat den Vorzug, auch zu Pferde und bei Nacht verwendet werden zu können.
Revue de Cavalerie. Februar : „ Ein Divisions - Kavallerie Regiment. “ Diese taktische Studie behandelt die Aufgaben eines solchen in ähnlicher Weise, wie Verdy's Studien über Truppenführung, also nach der applikatorischen Lehrweise. — ,Die deutsche Kavallerie während „ 4
des Krieges" 1870/71 (Fortsetzung ).
Revue d'Artillerie. Februar : „ Artilleristische Übungsarbeiten auf der „ Ecole supérieure de guerre“ ( Fortsetzung). – „Stahl Erzeugung in den Werkstätten von Trubia“ (Spanien ). Dieses
groſsartige Hüttenwerk beschäftigt jetzt an 1200 Arbeiter und hat 200 Maschinen, dazu Schienenwege in Ausdehnung von 4 km innerhalb „ Formation von 16 neuen Batterien. “ Nach
des Etablissements.
-
weis der durch diese Vermehrung notwendig werdenden organisatorischen Veränderungen und Dislokationen. L'Avenir militaire. Nr. 1342 : „ Das Soldaten - Duell. “ Demselben wird das Wort geredet. „Ohne Duell würde es bei jeder Gelegenheit in den Regimentern zu Prügeleien kommen ; an Stelle der Kameradschaft, Einigkeit und des guten Zusammenlebenswürden Feindschaften und
Unordnungen treten. Dasselbe sei eine Notwendigkeit.“ - Nr. 1343: -
„Organisation des Generalsta bes.
Derselbe sei bei den einzelnen
Stäben zu zahlreich ; man möge sich nach dem Vorbilde der Deutschen richten , deren Truppen -Generalstab nur die Hälfte oder ein Drittel des
französischen betrage. - Nr. 1344 : „Neue Schieſsvorschrift für die Artillerie. “
Dieselbe befindet sich im Druck und soll diejenige vom
Mai vorigen Jahres ersetzen . L'Avenir militaire beklagt diesen unauf hörlichen Wechsel der dienstlichen Vorschriften; man sei nach 18 Jahren der Arbeit und der Reorganisation berechtigt, eine völlige Stetigkeit der „Neue Patrontasche für die Infanterie , “ ein geführt durch Verfügung vom 24. Januar 1889 ; dieselbe wiegt 200—220 gr. „ Das französische Militär - Budget für 1890. “ Dasselbe weist eine Erhöhung der Friedensstärke auf von 201 Offizieren , 13,764 Mann selben zu fordern !
Umschau in der Militär - Litteratur.
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und 2,324 Pferden ; der Geldbedarf beziffert sich auf 557,893,750 fr.
(7,241,346 fr. mehr als im Vorjahre) im Ordinarium ; im Extra -Ordinarium
180,938,000 fr. (42,383,640 fr. mehr), in Summa ein Militärbudget von 738,831,750 fr. (49,624,986 fr. mehr als im Jahre 1889. Le Progrès militaire. Im Januarheft der Jabrbücher hatten wir
Anlaſs über die bedenklichen disziplinaren Zustände in der „ Ecole Polytechnique“ Einiges mitzuteilen. Dieselben haben sich seit her nicht gebessert. Pr. M. bringt in Nr. 864 die Nachricht von einer neuen , Seitens der Zöglinge, dem Kommandanten, General Henry, gegen
über vorgefallenen Ausschreitung. Letzterer hatte , damit die Zöglinge nicht zu sehr von ibren Studien abgehalten würden, verfügt, daſs die Zahl der Abendgesellschaften, an denen dieselben Teil nehmen dürften, auf gewisse offizielle Festlichkeiten beschrinkt werden sollte. Die mit
dieser Maſsregel nicht zufriedenen Zöglinge entsprachen in Folge dessen einer Einladung des General Henry zu einer von diesem veranstalteten Abendgesellschaft insgesamt nicht. Der General hat mit Genehmigung des Kriegsministers diesen gesellschaftlichen Strike“ seiner Untergebenen damit beantwortet, daſs denselben der sonst übliche, in die Mitte des
Kursus fallende 10 tägige Urlaub entzogen werden wird, unter gleich zeitiger Mitteilung, daſs er dieselben nicht mehr in seinem Hause empfangen und nur noch dienstlich mit ihnen verkehren werde. Die befestigten Plätze. Der Kriegsminister hat dem Parlament einen um fangreichen , auf Verminderung der festen Plätze und teilweise Schleifung derselben abzielenden Plan vorgelegt. Anregung zu demselben gab das Werk des General Pierron „Les Méthodes de guerre actuelle et vers la fin du XIX siècle. “ Der Verfasser bekennt sich als energischen Gegner
des Miſsbrauchs von Befestigungs -Anlagen und beruft sich auf Vauban . In einem Memoire vom Jahre 1682 meldete dieser dem Könige, daſs der selbe 221 Festungen und Forts besitze, für welche an Besatzung 135,000 Mann Infanterie und 26,000 Mann Kavallerie erforderlich seien, ein Heer „mit dem man ganz Europa (damals) erobern könne. “ 3 Jahre später dringt Vauban auf Schleifung vieler noch jetzt bestehender fester Plätze,'wie St. Omer, Arras, Douac u. a.
Was würde Vauban sagen “,> äuſsert
n
dieser Aufsatz, „wenn er wüſste, daſs wir 1889 150 Festungen oder un abhängige Forts, mit 540 detachierten Forts besitzen, welche eine Garnison von 600,000 Mann benötigen ! “
La France militaire. Nr. 1438 : „Die Politik in der Armee.“ Der
Kriegsminister hat durch Cirkularschreiben sämtliche Corps -Commandeure angewiesen , darauf hinzuweisen, daſs politische Kundgebungen jedweder „ Die Affaire von Longwy. “ Art auf das Bestimmteste verboten sind .
Die schon gemeldete Desertion von 71 Chasseurs hat folgende Ahndung gefunden. 8 Korporale sind wegen Mangels an Energie und Wachsamkeit von ihrer Charge entfernt und in die zweite Klasse versetzt worden ;
12 Chasseurs sind in die „Straf- Compagnien“ geschickt, 3 der „ leichten
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Umschau in der Militär - Litteratur.
afrikanischen Infanterie zugeteilt worden ; 3 Chasseur's wurden mit 30, 51 mit 60 Tagen Arrest bestraft. La Belgique militaire Nr. 935-37 :: „Die Wahrheit über die
Effektivstärke der belgischen Armee. “ Dieselbe beläuft sich nach Einziehung aller Reservisten angeblich auf 138,967 Mann ; in Wahrheit aber sind es, wie hier ziffermäſsig bewiesen wird, nur 118,975. Dieser
Artikel macht die Regierung auf die Gefahren des jetzigen Systems auf merksam und fordert Einsetzung einer Kommission, welche sich mit der wichtigen Frage der Wehrkraft des Landes unverzüglich zu beschäftigen habe. – „Das Volk in Waffen“ (Fortsetzung ). – „„Die Propaganda zu Gunsten der allgemeinen Wehrpflicht. “ Graf d'Oultramont, Abgeordneter für Brüssel, hielt vor Kurzem in Gent einen mit vielem
Beifall aufgenommenen Vortrag vor einem gewählten Publikum aller Gesellschaftsklassen ; er forderte eine Feld -Armee von 95,000 Kombattanten
und 65,000 zur Besatzung der Festungen. Allgemeine Schweizerische Militärzeitung Nr. 6 : „ Resultate der Schieſsübungen im Jahre 1887.“ Dieselben haben dargethan, daſs die
Vereinfachung der Schieſsprogramme der Rekruten- und Schieſsschulen im Ganzen keinen ungünstigen Einfluſs ausgeübt haben, doch wird den
Übungen auf feldmäſsige Ziele eine vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken sein, um wieder auf den früher erreichten Standpunkt zu gelangen. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie Nr. 1 und 2 : ,, Be deutung und neue Organisation der Positions -Artillerie.“ P
„ Die Taktik der Artillerie unter Berücksichtigung unserer Manöver im Jahre 1887. “ – „ Schieſsversuche der Artillerie Kommission in Thun mit einem 7,5 mm Maschinengewehr von Gardner
und einem 11 mm Maschinengewehr von Maxim ." Beide Gewehre haben bis zu 1300 m eine bedeutende Leistungsfähigkeit gezeigt, doch hat das Maxim-Gewehr einige Vorzüge, nämlich gröſsere Präzision, gröſsere Stabi lität in der Richtung, gröſsere Feuergeschwindigkeit und einfachere Be dienung.
Das Ziel waren 20 Figurscheiben, in 2 Reihen auf 8 m Abstand
hintereinander, in Linie stehend, ferner 2 Geschütze mit Protzen , Be dienung und Pferden, durch Holzscheiben dargestellt. Auf 300 m batte Maxim noch 33, auf 1300 m 13,6 Prozent- Treffer auf 320, beziehungsweise 332 Schuſs; das Maxim-Gewehr erreicht eine maximale Feuergeschwindigkeit von 9,8, das Gardner -Gewehr von 5,4 per Sekunde, wenn während den Serien keine Pause zum Richten gemacht wird .
Revue militaire suisse Nr. 2 : La téléphonie militaire ". Be sprechung des vom belgischen Kapitän Waffelaert vorgeschlagenen Systems eines telegraphischen und telephonischen Apparates. Illustrated Naval and Military Magazin Februar. Der in den
„Jahrbüchern“ erschienene Aufsatz des Major Kunz über „ Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges “ wird anerkennend beurteilt ; einzelne Angaben bedürften jedoch der Richtigstellung , da Verfasser sich zu viel auf die französischen Quellen verlassen babe .
Der Grund für das ver
1
Umschau in der Militär -Litteratur,
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spätete Eintreffen der Engländer am 20. September, der Ausbruch der Cholera, sei nicht erwähnt. Der Angriff begann in Echelons vom rechten Flügel ab, weshalb Lord Raglan das Eingreifen der Franzosen abwarten muſste, bevor er selbst in Thätigkeit treten konnte.
Der die Entscheidung
herbeiführende Angriff der Garden und Hochländer sei gar nicht erwähnt. Die Behauptung , daſs ohne die Franzosen die Engländer keinen Erfolg gehabt hätten , müsse umgedreht werden : der Knotenpunkt der russischen Stellung, deren rechter Flügel, sei von den Engländern genommen .
Die Beurteilung des Kavallerie -Angriffes bei Balaklawa wird als richtig anerkannt. – Daſs nach der Schlacht bei Inkermann die Verfolgung der Russen seitens der Engländer nicht früher angetreten wurde , sei Schuld Canroberts, der den Lord Raglan zurückgehalten habe. Mangel an Pferden bei der Kavallerie in England. Bei allen Kavallerie - Regimentern herrscht solcher; im Jahre 1887 wurden nur 1000 Remonten geliefert. Im Ganzen sind für 18,300 Kavalleristen nur 11,800 Pferde vorbanden. Die 7 Kavallerie-Regimenter des I. Armee Corps sind noch am besten versehen , bei dem 4. Dragoner -Regiment bin gegen sind nur 300 Pferde für 440, bei dem 5. nur 400 für 700 Mann
u.. 3. W. w . Die Leistungsfähigkeit der Kavallerie im Kriegsfall sei damit ernstlich in Frage gestellt. Nr. 1516 : „ Der Wert der Feld - Artillerie im Gefecht. " ( Vortrag des Artillerie -Generals Owen.)
Es scheine, als ob nach dem Krimkriege
der Wert der Artillerie für das Gefecht in England in Vergessenheit geraten sei. Man halte die auf den Schieſsplätzen erreichten Treffer für die Hauptsache und unterschätze die Wichtigkeit des moralischen Eindrucks.
Die Artillerie-Schieſsschule zu Shoeburyness leiste ungenügendes, da sie gleichzeitig Versuchs -Abteilung sei und alle Übungen nur auf flachen Sandboden stattfinden , besser seien die Schieſsplätze in Haye und Okcham phon , wo den Schieſsübungen taktische Ideen zu Grunde gelegt werden
können . Die neueren Schnellfeuer -Geschütze eignen sich nur zur Zuteilung Feuer auf weiten Entfernungen sei Munitions -Vergeudung. Rauchloses Pulver habe sich für Artillerie bis jetzt noch nicht bewährt, zur Beobachtung der Sprengwirkung sei es auch nicht zu entbehren . Shrapnels können nur gegen ungedeckte Infanterie und Kavallerie Verwendung finden , in allen übrigen Fällen müsse mit Granaten gefeuert werden. Jedes Armee - Corps müsse 39 Feld- und an Infanterie oder Kavallerie.
8 reitende Batterien haben .
The Admiralty and Horse-Guards-Gazette. Die Snyder Dynamit Granaten. Die fortgesetzten Versuche mit Dynamitgefüllten Granaten aus gewöhnlichen Feldgeschützen geben immer mehr überraschende Re sultate, so daſs deren Kriegsbrauchbarkeit kaum mehr in Zweifel zu ziehen
ist. Die Granate selbst ist ganz glatt und berührt die Wände des Rohres nicht. Am Boden derselben ist eine messingene Hülse angebracht, die durch einen Gummi- Puffer in Bewegung gesetzt und durch die Züge geführt wird.
Hülse und Puffer fallen bald nach Verlassen des Robrs
Umschau in der Militär- Litteratur.
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zur Erde, die erstere kann wiederholt gebraucht werden. Bei 150 aus demselben Geschütz abgegebenen Schüssen kam keine Störung vor. Der
Rückstoſs des Feldzwölfpfünders, der sonst 13 Fuſs betrug, war jetzt nur 14 Zoll .
Eine Scheibe, bestehend aus 12 einzölligen Stahlplatten mit
einander vernietet, wurde durch den ersten Schuſs aus einer sechszölligen Haubitze vollständig zerstört. Von den verschossenen Granaten ist nichts
wieder aufgefunden , sie schmelzen vollständig. Die Aufbewahrungs Fähigkeit des Sprengstoffes soll für die längste Zeit gesichert sein. Nr. 223 : „ Conscription." Das Unzureichende der gegenwärtigen Heeres-Ergänzung Englands wird von vielen militärischen Autoritäten ,
namentlich Lord Wolseley , erkannt. Die Abneigung der ganzen Nation gegen Zwangs-Aushebung ist aber so groſs, daſs an deren Einführung vorläufig garnicht zu denken ist , obgleich die ganze Landesverteidigung
im Vergleich zu den europäischen Groſsmächten lächerlich erscheint. Man überschätzt den Wert der Volunteers, deren Leistungen doch nur zweifel haft sind.
Die Zahl aller in der Linie , Miliz und den Volunteers aus
gebildeten Leute beträgt höchstens 600,000 Mann, was bei einer Zahl von 17 Millionen männlicher Bevölkerung zu gering erscheint. Gerade die besitzenden Volksklassen, die sich der Conscription am meisten wider setzen , würden im Kriegsfall die meisten Verluste erleiden. England würde nach Einführung der Conscription eine ganz andere Weltstellung >
einnehmen und seinen Frieden weit mehr sicher stellen .
Russisches Ingenieur -Journal Nr. 11 und 12 ( Jahrgang 1888) : Die
transk aspische Bahn , Batum-Poti, hatte bislang sehr unter Verkehrs störungen, durch Überschwemmungen, Schneeverwehung, starke Steigungen Am meisten Schwierigkeiten bereitete die Über schreitung des über 3000' hohen Suram -Passes, auf welcher Strecke nur Züge von höchstens 8 Last- oder 12 Passagierwagen verkehren konnten. Passagierzüge gebrauchten auf der Strecke Poti- Tiflis 12, Truppen- und
u . dergl. zu leiden.
Güterzüge sogar 18 Stunden , zudem war die Bahn eine eingeleisige. Diesen Übelständen verspricht die den Suram-Paſs umgehende, 22 Werst lange Umgehungslinie , deren Tunnel im Oktober vollendet wurde, abzuhelfen. – „ Untersuchung der modernen Mittel zur Belage rung und Verteidigung von Festungen “ von K. Welitschko. Keine
Periode der Geschichte der Befestigungskunst weist so geringe Beständig keit auf wie die der Gegenwart, welche von der Einführung der gezogenen Geschütze datiert. Brialmont hat binnen 3 Jabren ( 1885–88) zwei Mal seine Typen geändert. Russisches Artillerie -Journal Nr. 1 : 500 Jahre russiscber Ar tillerie “ . 1389 wurden zuerst aus Deutschland die Feuerwaffen ein .
geführt, folglich datiert von diesem Jabre ab die Geschichte der russischen Artillerie, welche die nächsten Hefte bringen werden. „ Die
neuesten Systeme optischer Telegraphen “ . Die russische Armee hat gleich der englischen reiche Gelegenheit zur Anwendung dieses Nachrichten - Vermittlers gehabt.
Umschau in der Militär- Litteratur.
113
Rivista militare italiana. Dezember - Heft. Die Verwendung der Artillerie im Verein mit den irregularen Truppen in Afrika . Von einer Artillerie , die im Verein mit diesen kämpfen soll, muſs
entsprechend dem Zwecke der irregulären Truppen, der Bodengestaltung des Landes und der Kampfweise der Abyssinier : Leichtigkeit, bequemen Transport, schnelle Feuer -Eröffnung , dauerndes Feuer gegenüber einem Feinde, der von allen Seiten anzustürmen pflegt, verlangt werden. Weitere Bedingungen sind leichte Handhabung, schnelles Richten , rasche Feuer Konzentration auf einen Punkt.
Feld -Artillerie eignet sich zur Ver
wendung in Afrika nicht, Gebirgs -Artillerie hat die Leichtigkeit des Transportes für sich, sonst aber nicht die erforderlichen Eigenschaften . Es bleiben also Schnellfeuergeschütze und Mitrailleusen übrig. Von diesen wird die Gardiner -Mitrailleuse mit 2 Läufen von 10,25 mm Kaliber und zwar in Batterien zu 6 Geschützen, 31,680 Patronen, die wie die Geschütze auf Maultieren transportiert werden, empfohlen. Esercito italiano Nr. 7 : Oberer Marinerat. Unter Verantwort lichkeit des Marineministers ist ein Admiral mit der Leitung der Studien
und Vorarbeiten für die Kriegsbereitschaft der Marine betraut worden . Derselbe Admiral ist Chef der Abteilung des Marineministeriums, die zu gleichem Zwecke geschaffen worden ist. Der Obere Marinerat ist am 1. Januar wie folgt gebildet worden : Vice -Admiral Ferdinand Acton
Präsident, Generaldirektor des Marine- Ingenieurwesens Pucci, Contre Admirale Murtine, Cottrau, De Negri, Magnaghi, Generaldirektor im Marine Ministerium Basso als Mitglieder , ein Kapitän zur See als Schriftführer. Für den Zustand der Bereitschaft der Schiffe sind in der Gazzetta Ufficiale
die folgenden Bestimmungen erlassen worden :
Man unterscheidet : See
fertig, bedingt seefertig, Reserve I. und II. Klasse, und Ausrüstung. Für eine Anzahl von kleineren Fahrzeugen bestehen nur die beiden Zustände der Reserve, für die Torpedoboote nur derjenige steter Bereitschaft. Nr. 19 : Der Minister des Schatzes Perazzo hat in der Sitzung vom 3. Februar der Kammer eine vorläufige Schätzung der im Budget des Kriegs- und Marineministeriums pro 1889/90 zu erzielenden Ersparnisse
vorgelegt, deren Summe sich für das Kriegsministerium auf 1,103,110 Lires im Ordinarium , 20,865,000 im Extra -Ordinarium , für Marineministerium auf 1,545,349 bezw. 1,600,000, in Summa auf 25,154,449 Lires beläuft. - Nr. 20 : Dem Bericht des Generals Torre über die Rekrutierung >
und den Bestand des Heeres vom 30. Juni 1888 entnehmen wir
beztiglich der Jahresklasse 1867 das Folgende: Wehrpflichtig wurden 340,275 junge Leute. Von diesen wurden aus den Listen gestrichen 4626, untauglich erklärt 66,753 , zurückgestellt 74,646, als renitent erklärt
12,148, der 1. Kategorie zugeteilt 78,921 , der 2. Kategorie 16,469 , der 3. Kategorie 86,712 junge Leute. Total wurden einschlieſslich der zurück gestellten Leute des Jahrganges 1866 der 1. Kategorie 82,000 überwiesen
und eingestellt, den Ausfall deckten die Freiwilligen vollständig. Das Durchschnittsgröſsenmafs betrug 1,64 m. Derselbe Bericht orientiert über Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine .
BJ , L & XT , 1 .
8
Umschau in der Militär -Litteratur.
114
die Zahl der Offiziere der verschiedenen Wehrkategorien . Im stehenden Heere dienten am 30. Juni 1887 13,560, am 1. Juli 1888 dagegen
14,044 Offiziere, d. h . ein Plus von 484. Die Zahl der Offiziere di com plemento betrug 4023 bezw . 4178, d. h . sie wuchs um 155.
Auf Warte
sold bezw. in der Disponibilität befanden sich 220 Offiziere.
Die zum
stehenden Heere zu rechnenden Offiziere vermehrten sich also um 639. In der Mobilmiliz stellte sich die Ziffer der Offiziere dieser Webrklasse
auf 637, diejenige der Offiziere di complemento auf 2736 , so daſs total Das Offizier -Corps der Territorialmiliz stieg
459 mehr vorhanden waren.
in der genannten Zeit von 5390 auf 5566 d. h . um 174. – Die Offiziere
des Ruhestandes vermehrten sich um 48 der posizione ausiliaria ( Hülfs dienst , auch für Feldformationen verwendbar ) und 128 di riserva (Be
setzungsdienstbrauchbar ), im Ganzen in allen Wehrklassen eine Vermehrung um 1448 Offiziere .
Die Steigerung hält dauernd an und ist dies für das mobile italienische Heer von gröſster Bedeutung, Nr. 23 : Die vom
Feuerwerks- Laboratorium Bologna vorgeschlagenen Patronen für das
Gewehr 1870/87 sind definitiv angenommen worden. Dieselben enthalten 15 gr Pulver aus roter Kohle, besitzen eine stärkere Aufkröpfung am hinteren Rande und liefern 490 m Anfangsgeschwindigkeit. Revista scientifico -militar Nr. 3 : Das Repetiergewehr Nagant. Kritik der deutschen Schieſs - Vorschrift für die Infanterie vom 22. Februar 1887 .
– Nr. 4 : Die Geschichte des Krieges auf Cuba (Fortsetzung ). Kritik der deutschen Schieſsvorschrift für die Infanterie.
Die Schlacht von Austerlitz
(init Karte ).
Memorial de Infanteria Nr. 1 : Entwicklung).
Krieg und Kriegskunst (historische
Memorial de Ingenieres del Ejercito Nr. 4 : Die Eisenbahntruppen und ihre Verwendung . Revista militar Nr. 3 : Unsere Kavallerie.
Hinweis darauf, daſs die
Zahl der Pferde in der portugiesischen Kavallerie nicht die vorgeschriebene Sollstärke erreiche.
Revista militar de Chile Nr. 28 : Studie über die Verwendung der Feld -Artillerie .
Krigsvetenskaps Akademiens Handlingar. Januar : Der Mobilmachungs Versuch in Russland.
Norsk Militaert. Tidskrift.
1. Heft : Die schwedischen Felddienst
übungen 1888 . Militaert. Tidskrift. 6. Heft : Der serbisch -bulgarische Krieg. II. Bücher.
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte
der Befreiungskriege. Berlin. Verlag von R. Wilhelmi. 1889. Die Befreiungskriege haben bekanntlich eine kriegsgeschichtlich be friedigende , auf arcbivalischen Studien fuſsende Gesamt- Darstellung .
115
Umschau in der Militär- Litteratur.
bislang nicht gefunden.
Beiträge zu einer solchen nur, wie die 1859
als Beibeft zum Militär - Wochenblatte erschienene „Geschichte der Nord armee im Jahre 1813 “ , C. Rousset's „ Geschichte der groſsen Armee von 1813 “ , u. A. sind es, welche dem Studium zur Verfügung stehen Bausteine zu einem in hoffentlich nicht zu ferner Zeit erstehenden würdigen Werke über diese denkwürdige Periode unserer Kriegsgeschichte. - Der
nicht übermäſsig groſsen Zabl wertvoller , jene Zeit behandelnder Schriften hat sich mit der vorliegenden eine neue , überaus verdienst volle zugesellt.
Angeregt durch C. Rousset's erwähntes Werk hat der
ungenannte Verfasser das Werkzeug der napoleonischen Kriegführung, die französische Armee des Jahres 1813, in Bezug auf Stärke , Organisation und kriegerische Tüchtigkeit einer gründlichen , auf fleiſsigster Quellen
forschung beruhenden Untersuchung unterworfen ; durch diese allein wird, wie derselbe sagt , der Schlüssel gegeben , um Napoleons in vielen Be ziehungen so oft mit Unrecht gescbmxhtes Verhalten in diesem seinen
Sturz herbei führenden Feldzuge zu verstehen . “ In 10 Kapiteln werden
der Untergang der groſsen Armee in Russland, der Rückzug ihrer Trümmer bis zur Elbe; Napoleons Hülfsmittel; die Neubildung der Armee im Jahre 1812/13 ; die groſse Armee von 1813 ; dann die Wandelungen ,
welche die Periode der Schlachtenentscheidungen von Lützen bis Leipzig in Bezug auf Stärke und Gefüge der napoleonischen Heere im Gefolge
hatten , anschaulich und eingehend geschildert. . – Man wird der hohen organisatorischen Begabung des Schlachtenkaisers Bewunderung zollen müssen , und doch erstaunt sein über die nahezu grenzenlose Leichtfertig
keit, init welcher, uneingedenk der in Russland gesammelten bitteren Erfahrungen, die französische Heeresleitung alle auf Ergänzung, Aus rüstung und Verpflegung dieser unfertigen Heeresmassen bezüglichen Angelegenheiten behandelte. Napoleon hatte, als er den russischen Feldzug begann, die Möglichkeit eines Miſsgeschicks völlig auſser Acht gelassen und keinerlei Vorbereitung für den letzteren Fall getroffen , so daſs nun
nahezu Alles improvisiert werden muſste. Nur die in Spanien stehende Armee zählte alte Soldaten in ihren Reihen ; sie wurde in ausgiebigster
Weise benutzt, um die Rahmen herzustellen für die zahlreichen Regi
menter, welche Napoleons eiserner Wille so zu sagen aus der Erde stampfte. Frankreich war , zumal in Bezug auf Menschenmaterial , in hohem Grade erschöpft ; mit Konskribierten, kaum dem Knabenalter entwachsen, muſsten die klaffenden Lücken , welche der russische Feldzug in den Reihen des Heeres geschaffen hatte, ausgefüllt werden ; zudem war die Nation kriegs müde ; auch die Marschälle begannen der nie endenden Kriegsarbeit satt zu werden, und sehnten sich nach dem friedlichen Genuſs der erbeuteten
Schätze.
Immerhin – und dies ist der Beachtung würdig - blieb das -
napoleonische Weltreich , das seit Jahren von keinem Feinde betreten worden war, durch seine unermeſslichen Hülfsmittel den Verbündeten
weitaus überlegen. Bereits im März konnte der Kriegsminister dem Kaiser melden, daſs sich die Zahl der Infanterie (ohne Garde) auf 626,212, 8*
Umschau in der Militär- Litteratur.
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die der Kavallerie auf 120,000 Mann beziffern lasse, so daſs Napoleon prahlerisch der Welt verkünden konnte , daſs er einschlieſslich des Heeres und der Festungsbesatzungen in Spanien und Deutschland – eine C
Million Soldaten unter den Waffen habe.
In wie weit diese in vielen
Beziehungen übertriebenen Angaben auf Wahrheit beruhen , wie es um >
die innere Beschaffenheit und taktische Leistungsfähigkeit
dieser der Zahl nach imposanten Heeresmassen bestellt war, das wird vom Verfasser in schlagender Weise nachgewiesen. Die , enfans soldats“ der neuen Regimenter waren den Strapazen der groſsen Märsche, welche in der napoleonischen Kriegführung eine so groſse Rolle spielten , nicht gewachsen . „ Einst hatten wir alte Soldaten , junge Generale, jetzt führen Greise Kinder“ , so lautete Ney's zorniges, was die Soldaten betrifft nur zu wahres Wort. Wie sehr die mangelhafte Beschaffenheit seines Heeres die Politik des Kaisers beeinfluſste , zeigt am besten der Abschluſs des Waffenstillstandes an Stelle gewohnter rücksichtslosester Aus nutzung seiner Siege. Die Infanterie befand sich in einer Verfassung, welche eine auch nur noch kurze Fortsetzung der Operationen völlig ausschloſs. “ Es würde zu weit führen , wollten wir auf Einzelheiten dieser hoch
interessanten , kriegsgeschichtlichen Studie näher eingehen. Wir meinen , daſs, wer immer sich mit der Geschichte der Befreiungskriege eingehend
zu beschäftigen gedenkt, auch jene zuvörderst zu Rate ziehen solle, denn ohne genaueste Kenntnis von der damaligen französischen Armee und der eigenartigen Erscheinungen innerhalb derselben ist ein Verständnis
für Napoleons Verhalten überhaupt unmöglich. – Es wäre in hohem Grade wünschens- und dankenswert , wenn der Verfasser seine Forscher
arbeit auch auf die Kriegsjahre 1814 und 15 ausdehnen wollte!
1.
Über den abgekürzten Angriff gegen feste Plätze und seine Abwehr.
Vier Vorträge, auf Veranlassung der königlich
bayerischen 4. Infanterie- Brigade gehalten vor Offizieren aller
Waffen der Festung Ingolstadt, von K. Th . v. Sauer , k. b. Generallieutenant und Gouverneur der Festung Ingolstadt. Berlin 1889.
E. S. Mittler & Sohn.
Der Verfasser, welchem auch die „ Jahrbücher “ zahlreiche höchst geschätzte Beiträge zu verdanken baben , giebt in dem vorliegenden ,
82 Seiten füllenden Schriftchen , gewissermaſsen die Quintessenz seiner umfangreichen, gehaltvollen Studien auf dem Gebiete des Festungskrieges . *)
*) Vergl. 1. „ Über Angriff und Verteidigung fester Plätze .“ 28 Bogen. gr. 8a und 8 Tabellen. 2. „Taktische Untersuchungen über Neue Formen der Befestigungs kunst. “ Beide von K. v. Sauer, Generalmajor u. 8. W. Preis 8, bezw . 1 Mark. Verlag von R. Wilhelmi , Berlin . 3. „Die Befestigungskunst der Gegenwart. “ „ Jabrbücher f. d. deutsche Armee und Marine. “ 1886. Jan. Febr. 4. „ Der
117
Umschau in der Militär- Litteratur,
Ursprünglich nur dazu bestimmt, die Offiziere der Festung Ingolstadt auf
die taktischen Aufgaben des Festungs -Kriegsspieles vorzubereiten , sind diese lichtvollen Vorträge nunmehr auch dem groſsen Lesepublikum zu gänglich gemacht worden. – Es ist Thatsache, daſs es der Mehrheit unserer Infanterie- und Kavallerie - Offiziere an Zeit und Gelegenheit fehlt, den rastlosen Fortschritten auf dem Gebiete der Waffentechnik , des Be
festigungswesens, und der von diesen abhängigen Wandelungen im Festungs kriege fort und fort zu folgen. Und dennoch dürfen wir uns der Wahr
nehmung nicht verschlieſsen , daſs den neuen Kampfmitteln in den Kriegen der Zukunft eine hervorragende, wenn nicht Entscheidung gebende Rolle zufallen dürfte, daſs der Kampf um befestigte Plätze, welcher wieder holt schon zum Brennpunkte ganzer Feldzüge wurde, dies auch in Zukunft sein werde. Genügende Kenntnis der Eigenheiten solcher Kämpfe werden wir deshalb von den Offizieren aller Waffen mit Recht
fordern müssen. Aber nicht Jedem ist, wie schon angedeutet wurde, die Möglichkeit geboten, sich in umfangreichen Werken Rats zu erholen ; wir begrüſsen deshalb das Erscheinen dieses, den Bedürfnissen des Infanterie und Kavallerie -Offiziers entsprechenden Schriftchens mit besonderer Freude; die Lektüre desselben ist nicht nur lehrreich in hobem Grade, sondern allgemein verständlich und fesselnd zugleich. Des Verfassers Absicht, „ dem
Studium des Festungskrieges auch taktische Lichtseiten abzugewinnen , deren Bedeutung des Fleiſses des Truppenführers wert erscheint“ , ist wahrlich voll und ganz erreicht worden.
Von den vier Kapiteln giebt das erste „ Einleitendes über technische
und taktische Verhältnisse der Artillerie “. Es erscheint diese Einleitung um so mehr erforderlich, als ja, wie schon angedeutet wurde, namentlich älteren Offizieren eine genügende Vorstellung des sich auf drei Jahrzehnte beziehenden Entwickelungsganges des gezogenen Geschützes mehr oder minder mangeln dürfte. Wer von Jenen sich noch seiner vor 20, 30 oder mehr Jahren erworbenen Kriegsschul-Kenntnisse zu erinnern vermag, der
wird inne werden, daſs sich inzwischen eine Wandelung auf allen Ge bieten der Waffentechnik vollzogen hat, „ wie sie sich seine Schulweisheit nicht träumen läſst “ .
In leicht faſslicher Weise werden das Wesen und
die Wirkung des neuen Artillerie -Materiales in ballistischer Hinsicht, bis zu den Brisanz-Geschossen und Schnellfeuerkanonen , dann die Eigenheiten
der neuen Schutzmittel, der Panzerkuppeln, fahrbaren und hebbaren Panzer, endlich die taktische Bedeutung des Wirkungsbereiches des heutigen Artillerie- Materials zur Anschauung gebracht.
Hieran schlieſst
ein
zweites Kapitel : „ Die Vorbereitung abgekürzter Festungsangriffe “, dann ein drittes : „ Die Durchführung abgekürzter Festungsangriffe“, auch er läutert an zwei besonders markanten Beispielen aus der neuesten Kriegs geschichte, der Erstürmung von Arica am 7. Juni 1880 durch die Chilenen, Einfluſs des Wurffeners und der Brisanzgeschosse auf die Befestigungen .“ „ Jahr bücher“ .
1889.
Jan. Febr.
Umschau in der Militär - Litteratur.
118
und der Sturm auf Kars in der Nacht vom 17./18. Nov. 1877.
„Beide
Angriffe “, sagt der Verfasser, „ waren mit taktisch richtigem Verständnis angelegt und darin wurzelt ihr Erfolg .“ Ein Schluſskapitel behandelt „ Die Abwehr abgekürzter Festungsangriffe “, dies wiederum namentlich von taktischem Standpunkte.
Es gereicht uns zu besonderer Genugthuung, die Aufmerksamkeit der Kameraden aller Waffen auf diese gediegene kleine Schrift lenken zu können. Wir versprechen uns von dem Studium derselben den gröſsten
Nutzen für die Verallgemeinerung der Kenntnisse vom Festungskriege. 2.
Der Kampf ums Mittelmeer.
Biserta.
Von Otto Wachs ,
Major a. D. Separat - Abzug aus der » Deutschen Rundschau « . 5. Heft. Jahrgang 1889. Der durch zahlreiche militärisch - politische Schriften längst vorteilhaftest bekannte Verfasser entführt in obiger Schrift den Leser dieses Mal an die südlichen Gestade des Mittelmeeres, auf jenen klassischen Boden, wo Römer und Carthager in Jahrhunderte langem Ringen um die Herrschaft des Mittelmeeres zugleich die Frage zur Entscheidung brachten, ob in Europa die griechisch - römische Kultur des Abendlandes oder die phönizisch -semitische des Morgenlandes den Bildungsgang der Menschheit bestimmen solle. Biserta heiſst der bis jetzt noch unbedeutende, den Meisten kaum dem Namen nach bekannte Ort, welchen die französische Regierung durch Be schluſs vom Monat März 1887 in einen Kriegshafen erster Ordnung, ein zweites Toulon an der afrikanischen Küste, unweit des alten Carthago, umzuwandeln im Begriffe ist. Verfasser leitet seine wie immer geist vollen , durch Schönheit des Vortrages ausgezeichneten Ausführungen ein
mit einem Rückblick auf die geschichtliche Vergangenheit dieses blut getränkten Bodens, auch jener Zeit gedenkend, da das nach seiner Zer
störung neu aufblühende Carthago nächst Alexandria und Rom die be völkertste Stadt des römischen Weltreiches noch im dritten Jahrhundert n. Chr. war .
Wir erkennen daraus, wie an dieser schmalsten Stelle des Mittel
meeres Afrika und Europa von jeher in lebendigster Wechselwirkung ge Der trefflichen geschichtlichen Skizze ist eine durch ein
standen haben .
Kärtchen erläuterte militär- geographische Studie angeschlossen über das jetzt unter französischem „ Protektorate “ lebende Tunesien .
Dieselbe ent
wickelt die Gründe, weshalb der „ nautisch -strategische Schwerpunkt “ aus dem Golf von Tunis mebr nach Norden, an die Stelle des jetzigen Biserta, verlegt worden ist. Dieser noch im Entstehen befindliche neue Kriegshafen verdankt seine Bedeutung nicht allein seiner ausgezeichneten Rhede, sondern mehr noch und namentlich dem Vorhandensein eines , nur durch
eine schmale, aber sehr tiefe Wasserstraſse mit der Rhede in Verbindung stehenden Binnensees, welcher groſs und tief genug ist, um den gröſsten Flotten der Welt einen vollkommen sicheren Ankerplatz zu geben. Die
Arbeit weniger Jahre nur und nicht übermäſsiger Kosten wird es bedürfen,
Umschau in der Militär -Litteratur,
119
um, meint der Verfasser, Biserta in eine Festung ersten Ranges, in den besten Hafen der Atlasländer zu verwandeln. Schon sind die Arbeiten
an dem Kanal so weit gediehen , daſs auch die tiefstgehenden Kriegs
fahrzeuge heute in das groſse dahinterliegende, 10 km breite, 16 km lange, zwischen 10 und 13 m tiefe Seebecken , der Hipponensis lacus der Alten, einlaufen können. Ein Blick auf die Karte genügt, um die hohe nautisch strategische und politische Bedeutung dieser neu gewonnenen Stellung für Frankreich zu begreifen ; in 18 stündiger Fahrt vermag man Malta , in 12 Stunden Sizilien , in 14 Sardinien von hier aus zu erreichen ; dabei
übersehe man nicht, daſs die Häfen von Toulon und Marseille sorgfältig vorbereitet sind, um die gleichzeitige Einschiffung mehrerer Divisionen zu bewirken ! – Ein hervorragender französischer Marine- Offizier erklärte kürzlich unverhoblen , daſs Biserta die vorzüglichste Operations Basis für offensive Unternehmungen französischer Geschwader abgebe , daſs der Besitzer von Biserta die ganze, zwischen diesem Platze (C. Blanco ), Sizilien und Sardinien sich ausbreitende Seefläche beherrsche.
- Biserta schneidet der maritimen italienischen Entwickelung Lebensluft Doch nicht minder wie Italien hat das meer
und Lebenslicht ab. “
beherrschende England, dessen Seeweg nach Indien hart an diesen Gestaden
vorüberführt, Ursache, sich durch das eisengepanzerte Biserta in seinen Lebensinteressen bedroht zu fühlen .
Schon im Jahre 1881 erhoben der
englische Admiral Spratt, dann 1886 die Times ihre warnenden Stimmen , um darauf aufmerksam zu machen, daſs Biserta in den Händen Frank
reichs (oder Italiens) die Verbindung zwischen dem östlichen und west lichen Teile des Mittelmeeres beherrsche.
Ist Biserta erst zur unein
nehmbaren Festung geworden, dann geht der französische Traum : „ Das Mittelmeer ein französischer See“ wenigstens für das Westbecken in Erfüllung! Biserta ist in das Centrum des Interesses gerückt ; es ent kleidet teilweise Malta , nicht minder aber , wenn der französische Kanal du midi (von Cette nach Bordeaux ), wie es im Plane ist, für Kriegs schiffe fahrbar gemacht werden sollte, auch Gibraltar, das bis dahin die >
Schlüssel zum Mittelmeer in Händen hat, seiner Bedeutung.
Vorstehende wenigen Fingerzeige werden genügen , um die Aufmerk samkeit unserer Leser auf diese wichtige Tagesfrage und die diese be
handelnde, unser Interesse in höchstem Grade fesselnde neueste Studie 3. des geschätzten Verfassers binzulenken , Anmerkung : Ein in Bordeaux erscheinendes Organ „la Gironde“ vom 12. März meldet, daſs vom 13. d. M. ab Biserta an die Dampferlinien der „ Com
pagnie transatlantique “ angeschlossen sein werde ; hierdurch würde die Entwicke lung dieses Hafenplatzes, welcher eine groſse Zukunft habe, Dank seiner bevor zugten Lage, mächtig gefördert werden.
Umschau in der Militär -Litteratur.
120
Allgemeine Kriegsgeschichte aller Völker und Zeiten . IV . Abteilung. Allgemeine Kriegsgeschichte der neuesten Herausgegeben unter der Redaktion des Fürsten Zeit. N. Galitzin . Aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt
von Streccius , k. preuſs. Generallieutenant und Kommandant von Karlsruhe . 2. Band, 2. Hälfte. Kassel 1889. Theod. Kay. XVI und 491 Seiten. (Mark 18,00 .) Unsere Besprechung hat vor allein Anderen dem Bedauern Ausdruck zu geben , daſs der vorliegende Band der letzte des groſsen Werkes sein
wird, welcher zur Veröffentlichung gelangt. Die Vorrede des Übersetzers “ sagt, , daſs der Verfasser auf die Herausgabe der im Manuskript längst n
fertigen Fortsetzung bis zu der ursprünglich von ihm beabsichtigten Grenze (Jahr 1815) verzichtet habe .“ Alle Zeiten “ haben freilich auch u
mit dem Jahre 1815 nicht aufgehört; ein Innehalten bei diesem Abschnitte würde ebenfalls groſses Bedauern hervorgerufen haben ; dasselbe wird aber dadurch gemehrt , daſs das Werk an einer Stelle abbricht, welche einen Abschnitt in der Geschichte kaum bezeichnet, und daſs es geschieht während noch Stoff zur Veröffentlichung vorhanden ist. Gründe für den Entschluſs, welchen zu fassen dem Verfasser vermutlich nicht leicht ge worden ist, sind nicht mitgeteilt. Dem Danke, welchen der Übersetzer
dem Urheber bei dieser Gelegenheit darbringt, werden alle Benützer sich gern anschlieſsen .
Ein Blick in den reichen Inhalt des Bandes rechtfertigt und steigert
Bedauern und Dankgefühl. Es sind die Unternehmungen in Ägypten und in Syrien, die Vorgänge der Jahre 1799 bis 1801 auf den Kriegsschau plätzen in Italien, der Schweiz, Deutschland und Holland, und der Seekrieg in den nordischen Gewässern dargestellt; daran schlieſst sich ein Abschnitt, welcher unter der Überschrift, „ Die Wissenschaft der Kriegführung. Litteratur und Stand derselben “ die strategischen Systeme Bülow's und das erste des General Jomini behandelt; in den „ Beilagen “ werden die bemerkenswertesten Kriegshelden aus den Jahren 1796 bis 1801 geschildert; zahlreiche Karten und Pläne und vier Bildnisse von Napoleon Bonaparte, alle der damaligen Zeit entstammend , unter einander freilich nicht allzu ähnlich, unterstützen das Verständnis.
Nach einer beigegebenen „General-Übersicht“ über das gesamte Unter nehmen sind vier Abteilungen veröffentlicht, nämlich „ Das Altertum “, bis »
476 n. Chr., in fünf, das „Mittelalter“ von 476 bis 1618, in einem ganzen und zwei Halbbänden die „ Neue Zeit“ von 1618 bis 1792, in drei Bänden und einem Ergänzungsbande Russische Kriege im 17. Jahrhundert “ ; end n
»
lich die „ Neueste Zeit“ von 1792 bis 1801 in einem ganzen und zwei Halbbänden . sie 168 Mark .
Ein jeder Band wird einzeln abgegeben , zusammen kosten 14 .
Umschau in der Militär -Litteratur,
121
Neuheiten der infanteristischen Litteratur. Abermals habe ich Veranlassung, auf einige Schriften hinzuweisen , deren Zweck die Förderung der Ausbildung des Infanteristen ist. Der Rekrut. Kurze Anleitung zur Ausbildung des In
fanteristen bis zur Einstellung in die Compagnie , von Koeppel , Major und Bataillons - Commandeur.
Berlin 1888. E. S. Mittler
& Sohn. Preis 50 Pf. Vierte Auflage. Die dritte, im Jahre 1882 erschienene Auflage hat, entsprechend den inzwischen eingeführten Vorschriften, zumal dem neuen Exerzier-Reglement, eine vollständige Umarbeitung erfahren. Die Wochenzettel sind sach
gemäſs entworfen, so daſs ein Fortschritt vom Leichteren zum Schweren, das Ineinandergreifen der einzelnen Dienstzweige, das Hand in Hand gehen der Theorie und Praxis überall gesichert sind ; demnach können die Zettel sehr wohl zum Anbalt für die Ausbildung dienen, welcher je nach den Garnison- und Witterungsverhältnissen a. s. w. von dem Compagnie-Chef oder Rekruten -Offizier, der das Büchlein zu Rate zieht, ergänzt, ver
ändert u. s. w. werden muſs. Als besonderer Beachtung wert bezeichne ich die „ einleitenden Betrachtungen “ , welche Grundsätze und Regeln enthalten über Ausbildungszeit, Anordnung der einzelnen Dienstgegen stände u. dgl. So verwirft Verfasser den „langsamen Schritt“ : vielleicht
versucht es nach seiner Anweisung mancher seitherige Anhänger einmal ohne dies „erprobte“ Mittel !? Die Wochenzettel enthalten auch das Exerzieren des Zuges. Ob solches mit Rekruten zu üben und von ihnen bei der Besichtigung zu verlangen ist, erscheint zweifelhaft ; es kommt auf die Auslegung an, die man der Ziffer 81 des Teil I des Exerzier -Reglements giebt.
Das Reglement eröffnet den, die Einzelausbildung behandelnden Teil mit dem Satze: „ Die Grundlage der Gesamtausbildung liegt in der sorg n
fältigen , straffen Einzelausbildung, welche unter Berücksichtigung der in der Turnvorschrift gebotenen Freiübungen u. s. w. folgen hat. “
zu
er
Damit diese Berücksichtigung der gymnastischen Übungen eine recht sach- und vernunftgemäſse überall werde – und ehrlich ! es gebt vielen
„ Exerziermeistern “ das eigentliche, vom Reglement jetzt mit Betonung geforderte Verständnis dafür einigermaſsen ab ! – empfiehlt sich emsige und stetige Anwendung der durchaus klaren, brauchbaren Regeln, welche der Director unserer Militär- Turnanst, Oberstlieutenant v. Dresky , niedergelegt hat in seiner 1888 bei Mittler & Sohn in Berlin in zweiter Auflage erschienenen Schrift - (35 Pfennige) - : ,, Die Gym nastik als Mittel zur militärischen Ausbildung des Rekruten der Infanterie , bearbeitet an der Hand des Exerzier - Regle ments “ .
Ich pflichte dem Herrn Verfasser fast in allen Stücken rückhaltlos bei, erwähne aber als „ bedenklich
seine eine Behauptung, die von der
Meinung Köppels und seiner Anhänger sich abwendet : „ Zur Erlernung
Umschau in der Militär-Litteratur.
122
der Form des Marschierens werden wir in irgend einer Weise uns des
sogenannten „ langsamen Schrittes“ bedienen und erst wenn wir dem Manne Form und Zeitmals beigebracht haben , werden wir zu dem eigent lichen Marsch übergehen “.
Das Patrouillieren und Melden erfordert die umsichtigste, gründ
lichste Ausbildung des Mannes, da zur Lösung dieser Aufgaben nicht nur groſse Gewandtheit, sondern auch entsprechende Entwickelung des Denk und Urteilsvermögens zur Auffassung des Auftrages und richtigen Schätzung der Verhältnisse erforderlich ist. Die natürlichen Anlagen des Menschen sind die Grundlagen für diesen Teil der kriegerischen Ausbildung, denn die Findigkeit des Patrouilleurs kann im Heere nicht geschaffen, nur ge weckt , erweitert werden. Die Felddienstordnung sowohl wie das neue Exerzier-Reglement stecken hohe Ziele für die Heranbildung nicht nur der Führer, sondern auch der einzelnen Leute zur Selbständigkeit und Ent schluſsfertigkeit. Ich kann deshalb nicht umhin, als ein vortreffliches Büchlein zu empfehlen, den 1888 bei den k. k. Hofbuchhändlern Seidel & Sohn in Wien verlegten :: „ Patrouillen- und Meldedienst. Ein Handbuch zur systematischen Ausbildung der Compagnie , sowie für den Unterricht in Winter- und Einjährig - Freiwilligen Schulen. Von J. W. Zweite verbesserte Auflage. Preis 1,60 Mark “ .
Abgesehen von den fast durchweg formellen Besonderheiten , die eine Folge der österreichischen Heeres - Verhältnisse und -Vorschriften sind, enthält die Schrift eine auch für unsere Verhältnisse brauchbare, in wohlgeglie derten Abschnitten vollständige Anleitung, die obenein sehr interessant geschrieben ist und viele neue Gesichts- und Anhaltpunkte giebt ; ich trage kein Bedenken , sie neben den Schriften von Schleinitz, Nickisch
Rosenegk, Hellfeld u. a. zu empfehlen , welchen sie mindestens in der er schöpfenden Behandlung des Gegenstandes überlegen ist. U
Schlieſslich erwähne ich , daſs ein neues „Instruktionsbuch “ sich den
vorhandenen zugesellt hat ; es bildet gewissermaſsen eine Klasse für sich “. Denn es unterscheidet sich wesentlich von den Arbeiten Dossow's, Weiſs
hun's und Transfeldt's, ich wüſste keines ihm å hnliches zu nennen. „ Der deutsche Infanterist im Dienst - Unterricht. Bearbeitet in Glie
derungen. Ein Lehrbucb für das deutsche Heer. Herausge geben von Max Menzel , Premier - Lieutenant u . s. w., comman diert zur Unteroffizier - Schule Weiſsenfels. Naumburg aa / Saale, 1889. Verlag von Albin Schirmer. Preis 2,25 Mark “. Das Buch ist um das Vielfältige umfänglicher als die kleinen Mann schafts- Instruktionsbücher, weil es eben ein Lehrbuch für den Unter -
richt sein soll.
Offenbar ist es entstanden aus den Bedürfnissen der
Unteroffizier - Schulen heraus und zunächst für dieselben abgefaſst: denn es ist in unleugbar praktischer und in streng methodischer Weise derart bearbeitet, daſs die angebenden und jungen Unteroffiziere durch
seinen Gebrauch in kurzer Zeit zu guten Instruktionslehrern ausgebildet werden können ; nicht minder würden die Fähnriche auf den Kriegsschulen
Umschau in der Militär -Litteratur.
123
Nutzen aus der Schrift ziehen, deren erster Abschnitt ganz treffliche Lehren und Fingerzeige bietet : „ Anleitung zur Ausbildung von Lehrern im Dienst unterricht. “
Das Menzel'sche „ Lehrbuch “ hat, m. E., eine gewisse Zukunft. Es
gebt seinen eigenen Weg, der stellenweise mit demjenigen der übrigen zusammenläuft, denselben aber nirgends durchkreuzt.
Ein Vermächtnis Kaiser Wilhelms I.
34.
Ergänzung zu dem
Kaiserbuch » Einundneunzig Jahre in Glaube, Kampf und Sieg « von Oskar Meding. Unter Allerhöchster Genehmi gung Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm II. Stuttgart, Leipzig, Herausgegeben von Carl Hallberger. Berlin, Wien. Deutsche Verlags -Anstalt. 1889. Preis 50 Pf. Pietätvolles Gedenken des unvergeſslichen Monarchen, welcher vor Jahresfrist sein ruhmreiches Dasein beschloſs, macht es uns zur will kommenen Plicht, die Aufmerksamkeit unserer Leser auf diese wahrhaft
zeitgemäſse, hochbedeutende Veröffentlichung zu lenken , welche, anknüpfend an den Briefwechsel des Verfassers mit dem Korrespondenz- Sekretair des
Kaisers Wilhelm I. , alle von letzterem an jener Schilderung seines Lebens gemachten Korrekturen , Randbemerkungen, Änderungen und Richtig stellungen erkennen läſst. Sie gewährt in der That einen überraschenden Einblick in das Seelenleben des „ Heldenkaisers“ und seine Auffassung der Geschichte des 19. Jahrhunderts, und darf aus diesem Grunde den Wert
einer selbstständigen Schrift für sich in Anspruch nehmen, für welche wir der Verlagsbuchhandlung, welche es an würdigster Ausstattung derselben nicht hat fehlen lassen , zu Danke verpflichtet sind.
3.
Die gesetzlichen Bestimmungen über das Militär - Versor gungswesen .
Sonderabdruck aus > Die Militärgesetze des
deutschen Reiches« herausgegeben auf Veranlassung des Königlich Preuſsischen Kriegsministeriums. Neue Ausgabe, mit Nachträgen bis 1. Oktober 1888. Berlin 1888. E. S. Mittler & Sohn.
Preis M. 7.
Die in den letzten Jahren gänzlich veränderten Bestimmungen über das Versorgungswesen haben diese neue Ausgabe des bekannten Buches erforderlich gemacht. Dasselbe enthält übrigens auch die älteren Preus
sischen Militär-Pensionsgesetze seit dem Jahre 1825, die Versorgung der Militär-Personen im Civildienste, die Gesetze, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen von Angehörigen des Reichsheeres und der Marine, sowie für Beamte und Personen des Soldatenstandes infolge von
Betriebsunfällen . Das Werk gehört zu denjenigen, welche auf keinem Bureau fehlen dürfen ; aber auch der Einzelne wird in demselben den zu verlässigsten Ratgeber in allen Versorgungs -Angelegenheiten finden . 4.
124
Umschau in der Militär- Litteratur,
Studie über die Feldausrüstung der Infanterie. Hannover 1888. Helwing'sche Buchhandlung. Der ungenannte Verfasser behandelt der Reihe nach die Infanterie
Ausrüstung der österreichischen , russischen , deutschen, französischen , eng lischen, italienischen, eidgenössischen und bulgarischen Armee mit gleicher Ausführlichkeit. Auſser der Bekleidung werden alle zur Feldausrüstung gehörenden Gegenstände als Tornister, Lederzeug, Kochgeschirre, Feld
flaschen, Schanzzeug u. dergl. bis in alle Einzelheiten in Bezug auf Form, Stoff, Anfertigungsart, Tragweise und Gewicht mit einer Genauigkeit ge schildert, wie es bisher noch in keiner Schrift darüber der Fall gewesen . Gut gezeichnete Holzschnitte, 59 an der Zahl, erleichtern das Verständnis. Wer sich über diesen Gegenstand belehren will, findet in dem vortreff lichen Buche umfassendes Material.
Daſs der Herr Verfasser neben der
Ausrüstung der deutschen Infanterie M/87 auch noch die frühere beschreibt und durch Holzschnitte illustriert, erscheint überflüssig .
Wir wollen
wünschen, daſs der Erfolg dieser Schrift ein derartiger ist, das er den Herrn Verfasser veranlaſst, in einem zweiten Bande auch die Feldausrüstung der übrigen Waffen in gleicher Weise zur Darstellung zu bringen . d.
III. Seewesen .
The Admiralty and Horse Guards Gazette. Nr. 222 : „ Beförderungen im See - Offizier- Korps “ . Die Beförderung der Lieutenants zur See zu Stabsoffizieren (in England giebt es die Charge der „ Kapitän- Lieutenants nicht) nach jetzigem Modus sei unzweckmäſsig, da bei Auswahl der zu befördernden Offiziere leicht andere Rücksichten als Verdienst und Be
fähigung allein , bestimmend sein könnten ; die Beförderung nach dem Dienstalter, wie bei der Artillerie, den Ingenieuren und dem Seesoldaten Corps verdienen den Vorzug. Die Admiralität hat 2 Panzerschiffe (Lord Warden und Repulse) und 5 bölzerne Schiffe als unbrauchbar zum Verkauf gestellt; dagegen ist der Neubau von 10 stählernen Torpedo
booten 2. Klasse, von 60 Fuſs Länge, 11 bis 12 Tons Gewicht, in Bestellung gegeben . Dem Parlament wird wahrscheinlich eine Nachtragsforde rung von 3 Millionen L. St. für Neubauten von Schiffen zugeben. Army and Navy Gazette. Nr. 1514 : „, Zustand der türkischen Flotte “ . Derselbe ist seit dem Tode Hobart Pascha's ein sehr trauriger; zwar habe der Sultan Abdul Aziz viel für Vergröſserung der Flotte ge than, doch habe der jetzige mehr Interesse für das Heer ; infolge des
chronischen Geldmangels gehe die Flotte ihrem Untergange entgegen. – „ Zerspringen eines 34 cm Schiffsgeschützes “ wird auf Vermeh rung der Ladung von 267 auf 303 kg zurückgeführt (Zersetzung des „ Neubauten der franzö Pulvers wahrscheinliche Ursache ? D. Ref.). sischen Marine “ : Ein Küsten -Verteidigungsschiff von 6800 Tons, 2 schnelle
gepanzerte Kreuzer, 15 Torpedoboote und 4 Torpedo-Kanonenboote. — „ Die amerikanische Flotte “ : Dieselbe besaſs bis 1885 kaum ein leistungs
Umschau in der Militär - Litteratur.
125
fähiges Kriegsschiff; nunmehr sind 6 neue Kreuzer fertig gestellt. Mit dem braunen prismatischen Pulver ist man sehr zufrieden . Den Howell Torpedos wird der Vorzug vor den Whiteheads gegeben. Nr. 1515 : ,,Kraftaufserungen der konzentrierten Schiffsgeschütze “ , von 4 nach 12 verschiedenen Richtungen feuernden Schiffen .
Die Maximal
leistung einer Breitseite des englischen Panzers „ Victoria" in der querab Stellung ( rechtwinklich zum Kiel) betrug 118,600 Fuſstonnen, des franzö 7
sischen Hoche“ 67,300 , der „ Italia " 218,400, der n„ Catharina II " ( russisch ) 96,800 Fuſstonnen auf 1000 Yards.
Army and Navy Journal (amerikanisch).
Nr. 31 : „ Marine - Etat " .
Derselbe beziffert sich auf 7,250,000 L. St. , darunter 3,500,000 für Neu
bauten, Reparaturen und Maschinen. Der Dynamitkreuzer , Vesuvius“ soll auf der Probefahrt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 21,7 Knoten erreicht haben . Die Schieſsversuche mit dem 15 zölligen pneumatischen Gescbütz, mit dem er armiert ist, und welches Granaten mit 500 Pfund
Dynamitladung schleudern soll, gaben bislang sehr ungünstige Treff-Re sultate. Ein zweiter derartiger Kreuzer ist in Bestellung gegeben, des gleichen soll der Bau eines schwer armierten Ramm - Turmschiffes mit 8-17 zölligem Panzer, armiert mit 10 zölligen 26 Tons Geschützen , beab sichtigt sein .
The illustrated Naval and Military Magazine (englisch ). Nr. 1 : Lord St. Vincent und Lord Nelson. Aus dem Französischen des Admirals Skizze der deutschen Korvette „ Irene“ , Angaben Jurien de la Gravière.
über Bau, Armierung u. s. w. Revue maritime et coloniale : 1 ) Tourville und die Marine seiner Zeit
( 1642 bis 1701 ). 2) Notizen über den Lauf des Niger. 3) Reise um Cap Horn (Schluſs ).
4) Studie über unterseeische Boote.
Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens.
Vol. XVI.
Nr. XII.
„ Straſsenrecht auf See “ . Wie hat sich ein Handelsschiff einem mano vrierenden Geschwader gegenüber zu benehmen ? Behandelt den Zusammen stofs des Dampfers Hohenstaufen (Norddeutscher Lloyd) mit der Korvette
Sophie am 3. Sept. 1884. Die Ausführungen des Ober- See-Amtes lassen erkennen , daſs eine Lücke in den internationalen Vorschriften vorhanden sei, welche traurige Folgen haben könne. -- „ Schiefs versuche gegen italienische und französische Panzerplatten ".
„ Beschreibung
des italienischen Panzerschiffes Ré Umberto " . Reise S. M. Schiffes , Albatros" unter Kommando des k. k. Fregatten Kapitäns A. Müldner nach Südamerika , dem Kaplande und West afrika 1885—1886. -- Auf Befehl des k. k. Reichs-Kriegsministeriums,
Marine-Sektion , unter Zugrundelegung der Berichte des k. k. Schiffs Kommandos verfaſst von T. Frhrn. v. Benko , k. k. Korvetten -Kapitän. Herausgegeben von der Redaktion der Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens “ .
Mit einer orientierenden Reiseskizze.
Pola.
Im Kom
missions -Verlage bei C. Gerold's Sohn in Wien. 1889. Preis 7 M. Wie es in der Einleitung heiſst, war nach dem Wortlaut der Instruktion, dem
Umschau in der Militär-Litteratur,
126
Kommandanten des Albatros, nebst der Sorge für die sachliche Ausbildung von Stab und Mannschaft, ganz besonders die thunlichste Förderung der kommerziellen Interessen der Monarchie an der in so
rascher Entwickelung begriffenen Ostküste Südamerikas “ empfohlen werden. Rücksichtlich des Besuches von Buenos -Ayres wurde speziell darauf hingewiesen , daſs der Kommandant gelegentlich der dort
beabsichtigten landwirtschaftlichen Ausstellung, den österreichischen und ungarischen Ausstellern in besonderen Fällen die etwa wünschenswerte Förderung der resp. Interessen angedeihen lassen solle.“ Der Kommandant des „ Albatros“ hat sich seiner Aufgabe mit vieler Umsicht, Sorgfalt und groſsem Fleiſse erledigt. Seine Schilderungen über u
kommerzielle und andere Verhältnisse sind höchst interessant und liefern
den Beweis, mit welchem eifrigen Bestreben er sich in den Besitz der
Daten über Handel, Bevölkerung, Kulturverhältnisse u. s. w. der besuchten Orte gesetzt hat. Der Herr Verfasser des Buches hat das Material aus den Berichten
übersichtlich und sachgemäſs zusammengestellt und dem Ganzen eine hübsche Form gegeben , so daſs es für Fachleute wie für Laien eine in teressante und lehrreiche Lektüre bildet. Dem Buche gebührt in jeder Richtung die volle Anerkennung und kann dasselbe zur Lektüre nur
angelegentlich empfohlen werden.
v. H.
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. März eingegangenen Bücher. ( Besprechung derselben nach Zeit und Gelegenheit ist vorbehalten.)
1. Ein Vermächtnis Kaiser Wilhelms 1. Ergänzung zu dem Kaiserbuch Einundneunzig Jahre in Glaube, Kampf und Sieg“ von Oskar Meding. Unter Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm II. Herausgegeben von Carl Hallberger. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien. Deutsche Verlags - Anstalt. 1889. Preis 50 Pf. 2. Hilfsmittel zur Einzel -Ausbildung des Schützen im Gelände. Ihre Anlage und Ausnutzung von v. Jahn , Oberstlieutenant und etatsmäſsiger Stabsoffizier im schles. Füsil.-Regt. Nr. 38. Mit 2 Tafeln. Zweite un veränderte Auflage. Berlin 1889. Verlag von R. Eisenschmidt.
3. Über den abgekürzten Angriff gegen feste Plätze und seine Abwehr. Vier Vorträge, auf Veranlassung der königl. bayer. 4. Inf.-Brigade gehalten vor Offizieren aller Waffen der Festung Ingolstadt, von Karl Theodor v. Sauer , k. b . Generallieutenant u. Gouverneur der Festung Ingolstadt. Berlin 1889.
E. S. Mittler & Sohn .
4. Leitfaden für die Vorbereitung der russischen Truppen zum Kampf
von M. Dragomirow , kais. russischer Generallieutenant u. s. w. , Chef der Akademie des Generalstabes . I. Teil : Vorbereitung der Compagnie. Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen von Freih . v. Tettau ,
Umschau in der Militär - Litteratur.
127
Lieutenant im braunschweigischen Inf.-Regt. Nr. 92. Hannover 1889 . Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. Preis M. 1,50. 5. Was von Pflaster ., Salben-, Einreibungs- und Schmierkuren zu halten ist.
Von Spohr , Oberstlieutenant a. D.
Separatabdruck aus
„Hygieia“ 1888. Heft XI und XII. 6. Die Ausbildung der Infanterie im Schielsen im Anschluſs an die „ Schiefsvorschrift 1887 “ und an das „ Exerzier -Reglement 1888"“ von v. Brunn , Major und Bataillons- Commandeur im Grenadier - Regiment König Friedrich Wilhelm IV. ( 1. pommersches) Nr. 2. Dritte Auflage. Mit Figuren und 2 Figurentafeln im Text. Berlin. Verlag der Liebel' schen Buchhandlung. 1889. Preis M. 3. 7. Das Recht des Militärs zum administrativen Waffengebrauch von Fritz van Calker. München. Theodor Ackermann, Königl. Hofbuch 12
händler.
1888.
Preis M. 1,60.
8. Der Kampf ums Mittelmeer. Biserta . Von Otto Wachs , Major a. D.
Separat abzug aus der „ Deutschen Rundschau “ . 5. Heft. Jahrgang 1889. 9. Der Kampf um Konstantinopel. Von Otto Wachs. Sonderabdruck aus der „ Internationalen Revue über die gesamten Arnieen und Flotten. “ Alle Rechte vorbehalten . 2. Auflage. Leipzig. E. Baldamus. 1888 . Preis M. 1 .
10. Index of Publications on Methods of Communication in The Field -
and on Torpedo Warefare, by R. v. Fischer - Treuenfeld , Comendador; Late Director of Army Telegrapbs etc. London. house & Co. , 22 Paternoster Bow. 1889.
K. Alabaster , Gate
11. Die geschichtliche Entwickelung der Handfeuerwaffen, bearbeitet nach den in den deutschen Sammlungen noch vorhandenen Originalen von M. Thierbach , Oberst z. D. Dritter Teil (Schluſs). Dresden . Verlag von C. Höcker, Königl. Hofbuchhändler. 1889. 12. Reglements der kaiserlich russischen Armee. Erstes Heft. Regle mentarische Bestimmungen für das Gefecht der russischen Infanterie. Hannover. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. 1889. Preis 50 Pf.
Berichtigung. Auf Seite 372, Zeile 3 und 4 von unten, des März - Heftes, sind die Verfasser
des daselbst besprochenen Werkes: „Die Kriegswaffen “, die Herren Capitaine und
v. Hertling, irrtümlich als Mitglieder des kaiserlichen Patentamtes bezeichnet worden.
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VIII. Nachrichten über die
altfranzösische Armee aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens. Unsere Jahreszahl erinnert daran , daſs demnächst 100 Jahre verstrichen sein werden , seit Ausbruch der ersten französischen
Revolution, nicht minder an die überraschende Thatsache, daſs wenige
Jahre nach Eintritt dieser Umwälzung der altehrwürdige, französische Königsthron in Trümmer fiel, ohne daſs von dem zwar starken, tapfern und in seiner Mehrheit auch loyalen doch moralisch in
Verfall geratenen Kriegsheere des bedrängten Fürsten ein ernsthafter Versuch gemacht worden wäre, diese Katastrophe abzuwenden . Niemals ist der Einfluſs verkannt worden, welchen gewisse Zustände der altfranzösischen Armee auf den Ausbruch und weitern Verlauf
der Revolution geäuſsert haben . Gröſsere Geschichtswerke beschränken
sich jedoch zumeist darauf, im Allgemeinen auf diesen Einfluſs hinzuweisen, ohne Einzelheiten zu berühren . Deshalb soll nach stehend darzustellen versucht werden , von welcher Beschaffenheit
das französische Heer im Jahre 1789 gewesen, und in wiefern die Eigenheiten und Mängel desselben von Einfluſs auf den Lauf der Ereignisse geworden sind . Wir betrachten das altfranzösische Heerwesen , während der Regierungszeit Ludwig XVI. ( 1774-1793) und wenden uns dann zu einer Besprechung des Verhaltens der französischen Truppen während der Juli Ereignisse des Jahres 1789 . Die unumschränkte Macht, zu welcher das Königtum unter Ludwig XIV. in Frankreich gelangt war, hatte durch die schwache und verschwenderische Regierung Ludwigs XV. bereits eine schwere Erschütterung erfahren , als Ludwig XVI. im Jahre 1774 den französischen Thron bestieg. Die durch die Eroberungssucht Ludwigs XIV. erzeugte, durch das üppige Leben am französischen Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine .
Bd . LXXI ., 2
9
Nachrichten über die altfranzösische Armee
129
Hofe lawinenartig angewachsene Finanznot des französischen Staates hatte bereits eine beängstigende Höhe erreicht; überdies stand das in den oberen Gesellschaftsklassen übliche, ausschweifende Leben in grellem Gegensatze zu der in den untern Volksschichten herrschenden Armut. Die schreiendsten Übelstände aber hatte das Heerwesen aufzuweisen. Die höheren Führerstellen waren das Ziel der Be
werbungen des gewinnsüchtigen höheren Adels, dem sie altem Her kommen gemäſs ausschlieſslich anheimfielen ; die Offiziere der niederen Grade, meist dem Landadel angehörig , boten vielfach das Bild völliger geistiger Verkommenheit; Unteroffiziere und Mannschaften
aber waren mehr oder minder durch Entbehrung bei knappem Solde und moralischen Druck entnervt.
Eine vor Ausbruch des 7 jährigen Krieges im November 1750 erlassene Ordonnanz lieſs zwar diejenigen , welche in Folge eigenen Verdienstes durch die niedern Grade zur Stellung eines Lieutenants
emporgestiegen waren ( officiers de fortune) weitere Beförderung bis zum Rang eines Hanptmanns erhoffen. Sie gestattete dies bezüglich der Söhne von Geadelten oder angesehenen Bürgerlichen, die wie Edelleute lebten, oder einen wissenschaftlichen Beruf ausübten .
Auf Anregung des Marschalls Segur aber wurde 1781 verfügt, daſs wenn sie nicht geborene Ludwigsritter wären , sich einer Adelsprobe zu unterwerfen , und
alle Bewerber um Lieutenantsstellen ,,
von väterlicher Seite 4 Ahnen nachzuweisen hätten .
Durch diese
Maſsregel wurden mit einem Schlage nicht nur die Unteroffiziere
und Gemeinen, sondern die gesamte bürgerliche Bevölkerung zu Feinden der Regierung gemacht. Dieser an sich schon unbegreifliche Miſsgriff bekam
noch gröſsere Bedeutung dadurch, daſs der Adel
selbst sich in zwei Klassen spaltete. Die eine Klasse, welche be fugt war , in den Königlichen Hofequipagen Platz zu nehmen , besafs, wie schon erwähnt, allein das Recht zur Erlangung der höheren Führerstellen ; der Hofadel ging schnell durch die unteren
Grade oder übersprang sie und füllte alle Stellen vom Stabsoffizier aufwärts ; die hohe Aristokratie begann ihre militärische Laufbahn meist mit dem
Regiments -Commandeur, es gab unter der Zahl
derselben deren in dem jugendlichen Alter von kaum 20 Jahren. Fast alle Stellen vom Kapitän an aufwärts waren käuflich . Die höheren Offiziere lebten nur ihrem Vergnügen und lieſsen sich selten
bei den Truppen sehen . Die andere Klasse, dem gering geachteten Landadel angehörig, brachte es selten weiter als bis zum Kapitän und muſste den Dienst fast allein thun .
Alle Zweige der Militär- Verwaltung waren in Unordnung, der
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
130
Habgier und dem Eigennutz zugänglich ; strenge Strafgesetze, wie die mit schrankenloser Willkür verhängten Disziplinarstrafen ver mochten die militärische Zucht nicht zu erhalten, weil das Ehr gefühl der Soldaten , das moralische Element nicht geweckt wurde.
Das war die Schuld des Offizier -Corps, welches weder Liebe noch Achtung besaſs. — Es bewäbrte sich wieder einmal an dem alt französischen Heere die alte Wahrheit, daſs der Geist des Offizier
Corps jederzeit den der ganzen Armee bestimmt. -- Wie kann aber , muſs man fragen , eine Armee kriegerische Tüchtigkeit und Treue bewahren, wenn ein seine hohen Pflichten vergessendes, sittlich verwahrlostes Offizier -Corps an seiner Spitze steht ?! Den tief eingewurzelten
Schäden , welche die bourbonische
Armee gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aufwies, war besonders deshalb so schwer beizukommen , weil mit diesen dringend der Abhülfe bedürfenden Übelständen die Interessen und Vorurteile der
yanzen Umgebung des Königs auf das Invigste verwachsen waren. Wiederholten , seit Mitte des 18. Jahrhunderts vorgenommenen
organisatorischen Änderungen lag in erster Linie das Bestreben zu Grunde,, möglichst vielen Günstlingen des Hofes einträgliche Stellungen (Sinekuren ) zu verschaffen . Nur ein hervorragend thatkräftiger Regent wäre im Stande gewesen , gesündere Zustände in der Armee herbeizuführen .
Ludwig XVI. war mehr, als irgend
ein anderer seiner Vorgänger für das Wohl seines Volkes besorgt, besaſs auch gründliche Kenntnisse, aber der erforderlichen Charakter festigkeit entbehrte er.
An seinem Willen , den stürmisch an ihn
herantretenden Forderungen der Zeit gerecht zu werden, kann man billiger Weise nicht zweifeln . Allein die Ministerien der ver schiedensten und mitunter entgegengesetztesten Richtungen folgten
in raschem Wechsel aufeinander, ohne eine Wendung zum Besseren herbeizuführen . Die gutgemeinten Versuche des Königs , den Mängeln des Heerwesens abzuhelfen , sollen an anderer Stelle erörtert werden .
Zunächst scheint es geboten, Beschaffenheit und Zusammen setzung der altfranzösischen Armee in allgemeinen Umrissen zu schildern .
Frankreich , dessen Truppen während des 7 jährigen Krieges Mancherlei zu wünschen übrig gelassen hatten , beeilte sich alsbald nach Abschluſs des Friedens von Fontainebleau seinem Heerwesen
eine in verschiedenen Beziehungen veränderte Verfassung zu geben ,
Dieselbe trat gegen Ende des Jahres 1762 in Kraft, bezog sich aber in der Hauptsache nur auf die Feldtruppen , während die 9*
Nachrichten über die altfranzösische Armee
131
in bevorzugter Stellung befindlichen Garden oder königlichen
Haustruppen (la maison du roi) davon wenig oder garnicht be troffen wurden.
Da die Staatskassen infolge der vielen Kriege er
schöpft waren, konnten die beschlossenen Änderungen nur allmählich ins Leben treten.
Wir entnehmen deshalb nachstehende Angaben
über die Stärke und Gliederung der französischen Armee nicht dem Jahre 1763, sondern im Wesentlichen dem Jahre 1766,, obwohl
auch zu dieser Zeit die Umbildung noch nicht völlig Platz gegriffen hatte. Die Verwaltung des Heeres lag einem Kriegsministerium
ob, welches jedoch nicht kollegialisch, sondern rein büreaukratisch organisiert war. An der Spitze dieser obersten Verwaltungsbehörde stand der Staatssekretär, General- Lieutenant Herzog v. Choiseul, General- Oberst der im französischen Solde stehenden Schweizer und
Graubündner (Grisons), welcher zugleich die auswärtigen An gelegenheiten bis zum Jahre 1771 leitete. Seitdem unter Ludwig XIII. im Jahre 1627 die Stelle eines Kronfeldherrn (connétable) abge schafft worden war, nahmen die Inhaber der Marschallswürde, deren
Amt in alter Zeit nur in der Aufsichtsführung über den Marstall des Regenten bestanden, und erst zu Anfang des 13. Jahrhunderts einen militärischen Charakter erhalten hatte, innerhalb der Armee
den höchsten Rang ein. Im Jahre 1766 gab es 14 Marschälle ; im Jahre 1779 deren noch 12 , ferner 131 Generallieutenants, 334 Maréchaux
de Campoder Generalmajors, 417 Brigadiers
des
der Infanterie und Kavallerie, 7 Maréchaux Généraux Logis, des Camps , des Armées ( Generalquartiermeister ).
Die
Zahl
von
1
der
Generäle
stand
zur
Heeresstärke
in
lächerlichen Verhältnis; 1789 gab es deren sogar 1171.
wahrhaft
Nächst
den Marschällen nahmen die militärischen Gouverneure der
Provinzen , ferner die General - Inspektoren (deren es für die Infanterie 15, für die Kavallerie 10 und für die sogenannten leichten
Truppen 2 gab) sehr einfluſsreiche Stellungen ein. Nur die un mittelbar unter dem Befehle des Königs stehenden Garden bildeten dauernd ein geschlossenes, verschiedene Truppengattungen , jedoch keine Artillerie) umfassendes Corps. Die übrigen Truppen rangierten innerhalb ihrer Waffen
Infanterie oder Kavallerie
nach der
Zeit ihrer Errichtung, wobei jedoch bemerkenswert ist, daſs die Artillerie nicht als besondere Waffengattung behandelt, sondern den Infanterie-Regimentern beigezählt wurde. I. Die königlichen Haustruppen (La maison du roi). Dieselben zerfielen 1. in solche, welche innerhalb des Louvre zu
Paris, der damals als königliches Residenzschloſs benutzt ward , und 2. solche, die auſserhalb des Louvre Dienst thaten .
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
132
1. Garden des innern Dienstes: a) die 4 Compagnien (zu
Pferde) der Gardes du corps ; b ) 1 Compagnie (zu Fuſs) der 100 Schweizer (cent Suisses de la garde), c) 1 Compagnie (zu Fuſs) der Thürhüter des Königs (Gardes de la porte) ; d) 1 Compagnie (zu Fuſs) der Profosengarde des Schlosses (Gardes de la prèvôté de l'hôtel.
2. Garden des äuſseren Dienstes : e ) 1 Compagnie zu der Garde -Gendarmerie, f) 1 Compagnie zu Pferde der
Pferde
Garde-Chevaulegers, g) 2 Compagnien zu Pferde der Musketiere des Königs (mousquetaires du roi), h) i Compagnie Grenadiere zu Pferde, i ) 1 Regiment französischer Garde zu Fuſs (Gardes françaises ), k) 1 Regiment Schweizergarde (Gardes suisses) . Sämtliche königliche Garden genossen das Vorrecht, sobald sie mit irgendwelchen andern Truppen gemeinschaftlich Dienst thaten, stets den rechten Flügel einzunehmen , und die Ehrenposten zu geben.
Den ersten Rang unter den Haustruppen nahmen die Gardes
du - Corps ein. Sie bildeten 4 Compagnien, deren jede wieder (entgegengesetzt dem gewöhnlichen Gebrauch) in 2 Eskadrons und 6 Brigaden zerfiel. Jede Compagnie zu 336 Mann, ausschlieſslich der Offiziere, 6 Trompeter und eines Paukers. Jede der 3 ersten Brigaden einer Compagnie wurde von einem Lieutenant, (im Range eines Generalmajors, maréchal de camp), jede der 3 letzten von einem Fahnenjunker (enseigne), der gewöhnlich Oberstenrang hatte, befehligt. Ein Corps-Stab befand sich bei dieser Garde nicht.
Das Offizier-Corps jeder Compagnie bestand aus : 1 Kapitän (ge wöhnlich Generallieutenant), 3 Lieutenants (Generalmajor) 3 Fahnen junkern, 15 Gefreiten (Exempts) 12 Brigadiers, 12 Unter-Brigadiers, 6 Standartenträgern . Jeder Gardist hatte den Rang eines Unter lieutenants. Die Mannschaft dieser Garde war bewaffnet mit : Degen,
Pistolen, Karabinern (Mousquetons). Eine Anzahl Gardisten führte auch gezogene Büchsen (carabines). Die Uniform dieser Elitetruppe bestand aus königsblauen Leibröcken . Kragen, Aufschläge, Besätze, das Futter – auch beim Dienst im Innern des Schlosses die kurzen Beinkleider und Strümpfe -
waren von ponceauroter Farbe.
Beim Dienst zu Pferde wurden
weiſse Lederhosen und hohe Stiefel getragen . Tressen und Sticke reien bestanden aus Silber, der Grundstoff der Bandoliere ebenfalls,
weil » weiſs « von jeher die Landesfarbe der Franzosen gewesen ist. Die bei jeder Brigade befindliche Standarte hatte im Mittel punkte des Fahnentuches eine Sonne in Goldstickerei mit der
Umschrift: » Nec pluribus impar « .
133
Nachrichten über die altfranzösische Armee
Name
Stiftungsjahr
Standquartier
a) schottische Compagnie b) 1. französische Compagnien
1445
Beauvais Châlons- sur-Marne
1475
Troyes 1475 c) 2. französische Compagnien d) 3. französische Compagnien 1514 Amiens . Die Compagnien lösten einander vierteljährlich im Dienst bei der Hofhaltung des Königs ab.
b) Die Compagnie der 100 Schweizer bestand aus 100 erprobten Unteroffizieren (den Schweizer -Regimentern der Linie ent nommen ). Davon 6 Korporale, 4 Tamboure und 1 Pfeiffer . Das
Offizier -Corps bestand aus : 1 Hauptmann-Oberst ( capitaine-colonel), 2 Hülfs-Majors, 2 Lieutenants, 2 Fahnenjunkern, 8 Gefreiten (exempts). Der Commandeur war ein Franzose, bei den übrigen Graden bestand die eine Hälfte aus Franzosen, die andere aus Schweizern . Wenn
die Haustruppen den König ins Feld begleiteten , thaten die 100 Schweizer Grenadierdienste
bei dem schweizerischen
Garde
Regiment z. F. , und wurden diesfalls mit Feuergewehren versehen, während sie im Frieden Partisanen führten .
Die Uniform dieses
Corps bestand aus einer Galatracht und zwei mit goldenen Ver zierungen ausgestatteten Interims-Kleidungen. Die Grundfarbe aller drei Anzüge war blau , die Doublüre rot , ebenso die Unterkleider. Als Galatracht wurde die alte Schweizertracht von mittelalterlich
spanischem Geschmack getragen . Hierzu groſse, weiſse Krausen, auch einseitig aufgekrempte Federhüte.
c) Die Compagnie der Thürhüter (gardes de la porte) war das älteste Corps sämtlicher Haustruppen und erhielt die obengedachte Benennung erst unter Ludwig XV. 1759. Sie bestand aus 50 Gar disten, welche vierteljährlicherweise sich im Dienste ablösten, das Offizier-Corps aus 1 Hauptmann (von höherm Rang), der im Dienst nie den Deger zog, sondern zu symbolischer Andeutung des Burg friedens einen Stock in der Hand führte .
Dieser Offizier war der
stete Begleiter des Königs.
Die Uniform auch dieser Truppe bestand aus blauen Röcken , roter Doublüre und roten Unterkleideru .
Kleidungsstücke, sowie die Bandoliere und Wehrgehänge waren mit Vierecken in Gold- und Silberstickerei verziert.
d) Die Compagnie der Profosen - Garde , errichtet in Jahre 1271 unter Philipp III. dem Kühnen, umfaſste 88 Gardisten, wovon abwechselnd jedes Vierteljahr 22 Mann Dienst thaten . Das Offizier -Corps bestand aus 1 Groſs - Profofs und 4 Lieutenants. Die Uniform war blau und rot, mit Goldstickereien versehen , hatte
auſserdem auf den Rabatten goldene Querstreifen ( brandebourgs);
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
134
auch trugen die Gardisten über die rechte Schulter gehängt eine Art von Mäntelchen – Waffenrock (hoqueton ) genannt - auf dem in Gold eine Herkuleskeule mit der Umschrift gestickt war: > Erit -
haec quoque cognita monstris « .
e) Die Compagnie der Garde -Gendarmen (neuere Schreibart statt gensd'armes) *) errichtet durch Heinrich IV. im Jahre 1609, bestand aus 210 Gardisten , eingeteilt in 4 Brigaden . Da die 10 ältesten Gardisten vom Dienst beurlaubt waren , belief sich die
Stärke jeder Brigade auf 50 Mann , anſserdem dazu 2 Wachtmeister (maréchaux des logis), 4 Trompeter , 1 Pauker ; an Offizieren : 1 Kapitänlieutenant , 2 Kapitänsouslieutenants, 3 Fahnenjunker, 3 Fähnchenträger (guidons).
Die weiſsseidenen ,
goldgestickten
Standarten enthielten als Devise zuckende Blitze mit der Umschrift :
» Quo jubet iratus Jupiter«. Die Uniform bestand aus roten Röcken und Unterkleidern , schwarzsammtner Doublüre und Goldstickerei, yoldbesetztem Gürtel und betrefstem Hut mit weiſsem Federstutz und schwarzer Kokarde.
f) Die Compagnie der Garde -Chevaulegers war stark :
1 Lieutenant , 2 Souslieutenants, 2 Fahnenjunkern ( enseignes ), 4 Kornettes, 10 Wachtmeister und 200 Chevaulegers, einschlieſslich 8 Brigadiers , 10 Unter- Brigadiers, 4 Standartenträger, 4 Hülfs Majors. Sie war in 4, sich vierteljährlich ablösende Brigaden geteilt, Die Standarten , aus weiſsem , mit Gold und Silber besetzten Taffet,
zeigten in der Mitte ein Achteck , auf welchem ein Blitzstrahl mit der Umschrift : » Sensere gigantes «. Die Uniform war scharlach rot, mit schwarzem Sammet aufgeschlagen (auf den Rabatten goldene Querstreifen (brandebourgs), die Weste gemsfarbig (chamois) und 7
ebenso wie der schwarze Gürtel mit Gold- und Silberstickerei ver sehen .
Federstutz und Kokarde weiſs. -
g) Von den beiden Compagnien berittener Garde - Musketiere
(monsquétaires du roi) war die erste 1622 durch Ludwig XIII. er richtet worden .
Im
Jabre
1660 trat der Kardinal Mazarin eine
Compagnie, die er bis dahin als persönliche Leibwache benutzt hatte, dem König Ludwig XIV. ab ; letzterer wandelte dieselbe in eine zweite Musketier -Compagnie um , die vorläufig zu Fuſs diente, aber 1663 beritten gemacht wurde. Der König erklärte sich zum *) Als Bezeichnung für einen Polizeisoldaten kommt erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts das Wort „ gendarme“ vor. Früher bezeichnete es seit der Zeit Ludwig XIV. in Frankreich einen schweren Reiter ohne Küraſs. Auch die preuſsische Armee hatte bis zum Jahre 1806 ein Kürassier-Regiment „Gensdarmes “, mit der Stamm - Nummer 10 ,
Nachrichten über die altfranzösische Armee
135
Hauptmann beider Compagnien, die sich nur in unwesentlichen Punkten
von einander unterschieden, die erste Compagnie ritt Schimmel, die zweite nur Rappen. Jede Compagnie war stark : 1 Kapitänlieutenant, 2 Unterlieutenants, 2 Fahnenjunker, 2 Kornetts, 10 Wachtmeister, 1 Standartenträger, 1 Fahnenträger und 200 Musketiere, 6 Tam bours und 4 Hautboisten. Die Musketiere dienten, wie die Dragoner der damaligen Zeit, sowohl zu Fuſs, als zu Pferd , und wurden daher
je nach Umständen in Bataillone beziehungsweise Eskadrons formiert. Die Fahnen waren weit kleiner, als die der Infanterie. Fahnen und
Standarten hatten auf weiſsem Grunde goldgestickte Embleme, die der ersten Compagnie eine auf eine Stadt sich niedersenkende Bombe mit der Umschrift : > Quo ruit et lethum « ; die zweite ein Bündel von 12 befiederten Pfeilen mit dem Motto : »> Alterius Jovis altera tela « . Die Uniform beider Compagnien bestand aus roten Röcken
mit gleichfarbiger Doublüre und Goldstickerei, beim Dienst zu Fuſs 1. Compagnie weiſse ; 2. Compagnie rote Strümpfe. Beide trugen über dem Rocke blaue Westen auf deren Vorder- und Rückseite
ein Kreuz von Silber aufgestickt war.
h) Die Compagnie der (zu Pferd und zu Fuſs fechtenden) Grenadiere zu Pferd
war
von Ludwig XIV. 1676 errichtet
worden , und sollte eine Art von Avantgarde für die königlichen Haustruppen im Felde bilden . An Offizieren besaſs das Corps : 1 Kapitänlieutenant, 3 Lieutenants, 3 Souslieutenants, 1 Standarten träger ; an Unteroffizieren : 3 Wachtmeister, 3 Sergeanten, 3 Brigadiers, 3 Unter-Brigadiers, 6 Gefreite; an Mannschaften , 124 Grenadiere (aus den Unteroffizieren der Linien-Kavallerie ausgewählt); 4 Tam bours.
Uniform blauer Leibrock, scharlachrote, silber betreſste
Doublure, silberne Querstreifen (brandebourgs) auf den Brustpatten; weiſslederne Beinkleider , hohe Stiefel, weiſses Riemzeug ; auf den
Patrontaschendeckel 3 silberne Granaten ; Bärenmütze mit silbernem Schild ; blaue, silberumsäumte Pferdedecken . Bewaffnung: Säbel in Lederscheide, Infanteriegewehr mit Bajonett, Pistolen.
i) Regiment der französischen Garden (gardes -françaises). Dieses , von König Carl IX. im Jahre 1563 errichtete Infanterie Regiment, welches im Laufe der Zeit mancherlei Wandelungen er fahren hatte, war 1766 in 6 Bataillone formiert worden und zählte
30 Füsilier- und 3 Grenadier -Compagnien, jede zu 110 Mann .
Da
in dem betreffenden État militaire als eine besondere Auszeichnung erwähnt wird , daſs Se. Majestät diesem Regimente ein Musikchor von 16 Mann verliehen habe, läſst sich annehmen, daſs die fran
zösischen Infanterie - Regimenter
damals in der Regel keine
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
136
Regimentsmusik besessen haben werden. Die Offiziere dieses Regi mentes standen sämtlich in einem höheren Range, als ihrer Stellung entsprach ; 1691 kam sämtlichen Kapitäns der Rang von Obersten, den Lieutenants der von Oberstlieutenants, den Souslieutenants und
Fahnenjunkern der von Hauptleuten zu . Der Uniformrock war hellblau , Kragen , Weste , Unterkleider und Strümpfe rot ; Knöpfe weiſs . Da dieses Regimentes später wiederholt gedacht werden
wird , so seien hier nur einige Bemerkungen über seine ehrenvolle Vergangenheit eingeschaltet. Das Regiment war 1563 errichtet worden, weil der junge König Carl IX. sehr oft seine Residenz veränderte, und man zur Sicherung der jedesmaligen Hofhaltung eine zuverlässige Truppe für notwendig hielt. Zur Zeit der Er
richtung bestand das Regiment aus 10 Compagnien zu 50 Mann. Später hat die Zahl der Compagnien , als auch deren Stärke viel
fach gewechselt. Die im 16. Jahrhundert bei diesem Regimente, wie bei der übrigen französischen Infanterie vorkommenden Chargen sind fol gende : 10 Kapitäns , deren erstem das Amt des Obersten oder
mestre de camp oblag ; 10 Lieutenants, ferner eine (wechselnde) Anzahl von Fähndrichen (enseignes) , Sergeanten (sergens) , Kor
poralen (caporaux) und Gefreiten (appointès). – Die Bezeichnung > exempt « (eine Übersetzung des deutschen Wortes > Gefreiter « )
kennt die jetzige französische Armee nicht mehr. Der französische exempt hatte einen höheren Rang, als der deutsche Gefreite, zwischen Fähndrich und Unteroffizier. In älterer Zeit nannte man exempts eine Art Polizeibeamte (gardes de la prévôté , de la maréchaussée
etc.) , welche königliche Befehle überbrachten , Verhaftungen vor nahmen u . dgl. m. Ziemlich gleichbedeutend mit dem deutschen Grade der Gefreiten war ehemals bei der französischen Armee der
Ausdruck : L'anspessade (durch Verunstaltung aus dem italienischen > Lancia spezzata «, » zerbrochene Lanze « , entstanden ). So nannte inau bald nach Untergang des Rittertums einen leichten Reiter, der in ehrenvollem Kampfe Pferd und Lanze verloren hatte , bei der
Infanterie eintrat und nun dort Dienste als Hülfskorporal leistete. Später wurden dazu nicht mehr frühere Kavalleristen , sondern nur tüchtige und zuverlässige Soldaten verwendet. Der Grad eines Majors wird bei dem Regimente der Gardes
Françaises 1581 , der eines Souslieutenant 1657 zuerst erwähnt. Einige Grenadiere zum Werfen
von Granaten wurden einzelnen
Compagnien zuerst in der Zeit zwischen 1667–1670 zugeteilt. Als eine Eigentümlichkeit verdient erwähnt zu werden, daſs in der ersten
Nachrichten über die altfranzösische Armee
137
Zeit nach Errichtung des Regiments bei der Obersten -Compagnie
4 sogenannte gentilshommes du drapeau bestanden, eine Rangstufe zwischen Offizieren und Unteroffizieren , welche im Dienste mit
Partisanen bewaffnet, der Fahne ihrer Compagnie als Bedeckung dienten .
Das Regiment der Gardes Françaises war bis zum Jahre 1789 das angesehenste in der altfranzösischen Armee, und ging im Range allen andern vor, wenn schon die 4 Infanterie -Regimenter Picardie, Champagne, Navarra und Piémont als älter galten . Das Regiment der Gardes Françaises war vorzugsweise zur Bewachung des Monarchen
bestimmt, gehörte mit zum » militärischen Hause « des Königs, und genoſs verschiedene Vorrechte ; so z. B. konnte es sich im Felde seine Stellung wählen, stand aber in der Regel im Mittelpunkt der Infanterie des ersten Treffens, und bei Belagerungen an der Spitze der Sappe. Auf dem Marsche und in Garnisonen auſserhalb Paris wählte sich das Regiment sein Quartier, in Friedenszeiten aber war es bis zur Regierungszeit Ludwigs XIV. in Paris einquartiert, und seine Compagnien wurden in die verschiedenen Vorstädte dieser Residenz verteilt.
Die ersten Kasernen zu Paris waren bereits zur
Zeit Ludwigs XIII. ( 1610–1643 ) auf Anregung des Ministers, Herzogs von Richelieu 1630 errichtet worden . Sie lagen am Ende der äuſsersten Vorstädte und auſserhalb der damaligen Umfassungs mauern . - Ludwig XIV. (1643-1715) setzte das begonnene Werk -
fort.
Auf seinen Befehl entstanden 4 weitläufige Kasernen im
Innern der Vorstädte. Alle fünf Tage versahen 4 Compagnien dieses Regimentes gemeinsam mit dem Regimente der Schweizer Leibgarde (Gardes Suisses) die Wache in dem ersten Hofe desjenigen Schlosses, in welchem der König residierte. Wurde, sobald die Gardes Françaises sich im Gefolge des Königs mit im Felde be fanden, eine Festung eingenommen , so marschierte gedachtes Regiment stets an der Spitze des in dieselbe einziehenden Heeres. Die Fahnen des Regiments waren von hellblauem Taffet, mit unzähligen goldenen Lilien besät. In der Mitte des Fahnentuches befand sich ein groſses weisses Kreuz , dessen zwei übereinander
liegende Balken an den Enden mit goldenen Kronen verziert waren. Solange die Könige von Frankreich persönlich mit ins Feld zogen ,
hat auch das sie stets begleitende Regiment der Gardes Françaises wesentlichen Anteil an vielen, glänzenden Waffenthaten genommen .
Es kämpfte unter Heinrich IV. bei Ivry, unter Ludwig XIII. bei Pas de Suse, unter Ludwig XIV. in allen Feldzügen , denen derselbe beiwohnte. Ferner begleitete es Ludwig XV. 1744 ins Feld . Das
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
138
letzte Treffen, an dem das Regiment der Gardes Françaises thätigen Anteilnahm , war die Schlacht bei Lawfeldt (Laeffeldt) am 2. Juli 1747 .
K. Das Regiment der Schweizer Garden (Gardes Suisses) hatte vormals als Linien -Regiment Galati geheiſsen , und obigen Namen von Ludwig XIII . im Jahre 1616 als Auszeichnung wegen geleisteter treuer und guter Dienste beigelegt erhalten. — 1763 formierte das Regiment 4 Bataillone, zu je 4 ( 1 Grenadier- und 3 Füsilier-) Compagnien. - Jede Grenadier- Compagnie bestand aus 1 Hauptmann, 1 Premierlieutenant, 1 Secondelieutenant, 1 Sous lieutenant, 2 Sergeanten, 1 Fourier, 4 Korporalen, 4 Gefreiten, 40 Grenadieren und 1 Tambour. Jede Füsilier - Compagnie aus : 1 Kapitän, 2 Lieutenants, 2 Souslieutenants, 6 Sergeanten, 6 Fourieren, 12 Korporalen , 12 Gefreiten, 132 Füsilieren und 6 Tambouren. Zum Regimentsstab gehörten : 1 Oberst , 1 Oberstlieutenant,
4 Hülfs -Majors, 4 Unterhülfs-Majors; für jedes Bataillon 2 Fahnen träger, sowie die übrigen bei den französischen Regimentern üblichen
Chargen. Auch bei diesem Regimente standen die Offiziere in eineni höheren Range, als bei der Linie. Uniform : Roter Leibrock ; Kragen, Aufschläge, Rabatten königsblau; Futter, Weste, Beinkleider und Gamaschen weiſs.
Das eben erwähnte Garde-Regiment bildete mit den iv franzö sischem Solde stehenden 11 schweizerischen Feld - Regimentern den Kern
der französischen Infanterie ,
und übertraf
alle
andern
Truppen durch seine vorzügliche Disziplin , Zuverlässigkeit und Kriegstüchtigkeit. Der Dienst der Schweizer-Regimenter beruhte auf Sonder- Verträgen, welche die französiche Regierung mit ver schiedenen Schweizer Kantonen abgeschlossen hatte.
Wenn ein
Kanton ein Regiment stellen wollte, so ernannte derselbe in der Regel den Oberst und die Kapitäne, welche sodann ihre Bestallung vom Könige erhielten . Der Kanton rüstete das Regiment vollständig aus, bevor es an Frankreich übergeben wurde, und erhielt dafür
eine reichliche Entschädigung. Nach der Übernahme des Regiments in den französischen Sold wurde das Wohl dieser Truppen durch den in Paris angestellten Generalobersten der Schweizer über wacht .
II.
Französische und
fremde Infanterie.
Schon
seit
Anfang des 16. Jahrhunderts besoldeten die französischen Könige neben der aus ihren persönlichen Garden und den geborenen Franzosen gebildeten Rängen eine Anzahl ausländischer Feldtruppen.
Bis zur Beendigung des 7 jährigen Krieges waren zwar die letztern
Nachrichten über die altfranzösische Armee
139
allmählich vermindert worden , immerhin aber gehörten noch gegen Ende des
18. Jahrhunderts von den 221 Bataillonen der Feld
Infanterie, einschlieſslich der Artillerie, 43 andern Nationalitäten , an .
Die inländische französische Infanterie zählte :
19 Regimenter zu 4 Bataillonen 1 Grenadier -Corps von 38 Regimenter zu 2 Bataillonen 8 Regimenter zu 1 Bataillon
76 Bataillone, 4 = 76
>>
8
>>
7 Artillerie -Regt. à 2 Bataillone
14 178 Bataillone.
Die ausländische Infanterie :
1 deutsches Regiment (Alsace) zu
5 deutsche Regimenter zu 2 Bataillonen 1 deutsches Regiment (Zweibrücken)
3 Bataillonen , = 10 -
11 Schweizer- Regimenter zu 2 Bataillonen
5 irländische Regimenter zu 1 Bataillon 1 italienisches Regt. (Royal-Italien) zu 2 Bat. =
3
22
>
5
>>
2
43 Bataillone. Summa : 221 Bataillone.
Der Stab jedes Infanterie-Regiments bestand aus 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, 1 Major, 1 Hülfsmajor, 1 Unterhülfsmajor, und für jedes Bataillon 2 Fahnenträger ; 1 Quartier- und Schatzmeister, 1 Feld
geistlichen , 1 Wundarzt und 1 Regiments- Tambour. Jedes Bataillon hatte 1 Grenadier- und 8 Füsilier -Compagnien ; 1 Grenadier-Compagnie zählte : 1 Hauptmann , 1 Lieutenant und ein Unterlieutenant, sow!e 2 Sergeanten , 1 Fourier, 4 Korporale, 4 Gefreite, 40 Grenadiere und
1 Tambour ; eine Füsilier-Compagnie 1 Kapitän, 1 Lieutenant, 1 Sous Lieutenant, 4 Sergeanten, 1 Fourier, 8 Korporale, 8 Gefreite, 40 Füsi liere und 2 Tambours. Die ausländischen Regimenter waren , was die Stärke und Einteilung ihrer Bataillone betrifft, der französischen
Infanterie völlig gleichgestellt.
Alles in Allem bestanden 1766
92 Infanterie -Regimenter, wobei das Artillerie- Corps (7 Regimenter umfassend) als ein Infanterie-Regiment gerechnet ist. Die 4 ältesten französischen Infanterie - Regimenter hieſsen : Picardie , Champagne, Navarra und Piémont. Die beiden erst genannten waren 1562 unter König Karl IX. ( 1560—1574 ) errichtet worden. Bezüglich der Regimenter 3 und 4 ist die Stiftungszeit
nicht genau bekannt, doch steht fest, daſs sie vor dem Jahre 1616 aufgestellt worden sind. Eine erhebliche Anzahl von Regimentern entstand auf Befehl des König Ludwigs XIV. Das jüngste aus geborenen Franzosen bestehende Infanterie - Regiment war das
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens .
140
Regiment Bouillon Nr. 90, errichtet 1757, das jüngste Regiment der französischen Armee überhaupt , das Schweizer- Regiment Eptingen Nr. 92, errichtet 1758. Uniformierung : Die gesamte Infanterie trug als Kopf bedeckung dreieckige Hüte nach der um die Zeit des siebenjährigen Krieges üblichen Form. Die Grenadiere unterschieden sich von den Füsilieren durch farbige Büschel auf den Hüten. Nur das Grepadier Corps Nr. 40 führte als Kopfbedeckung Bärenmützen, an deren Vorderseite sich ein silbernes Schild mit dem königlichen Wappen befand . Die Mehrzahl der einheimischen französischen Infanterie Regimenter trug weiſse Röcke mit breiten, nur oben geschlossenen Rabatten , und hinten aufgehakten Schöſsen , verschiedenfarbigen Kragen , Aufschlägen u . S. W., gelben Knöpfen und goldenen w Tressen, oder weiſsen Knöpfen und silbernen Tressen, entsprechend den Borden . Nur die Röcke der Infanterie-Regimenter Nr. 3, 7, 9 and 12 waren nicht von weiſser, sondern grauweiſser Farbe ; Unter kleider und Westen fast durchgängig weiſs.. Die Röcke des Grenadier -Corps Nr. 40 waren blau, desgleicben die der 6 deutschen 9
Regimenter. Sämtliche schweizerische Regimenter waren ponceaurot,
sehr ähnlich den schweizerischen die 5 irländischen Regimenter bekleidet mit dem Unterschied, daſs die Farbe ihrer Röcke nicht ponceau , sondern krapprot war. Das einzige, vorhandene, italienische Regiment Royal- Italien unterschied sich kaum merklich von den fran zösischen Regimentern .
III . Die berittenen Feldtruppen. Dieselben bestanden nach Beendigung des siebenjährigen Krieges aus : a) dem Corps der Feldgendarmerie (Gendarmerie de France) ; b) 31 Kavallerie -Regi mentern ; c) 17 Dragoner-Regimentern und d) 4 Husaren-Regimentern. Die Feldgendarmerie bildet ein Mittelding zwischen der
Garde- und der Linien-Kavallerie. Ursprünglich hatten Gendarmes die dem Adelstande angehörenden , mit vollständiger Rüstung ver
sehenen, schweren Lanzenreiter geheiſsen, aus welchen die von König Carl VII . 1445 errichteten 15 sogenannten compagnies d'or donnance, ein Elite-Corps schwere Kavallerie zusammengesetzt waren.
Nach Einführung der Feuerwaffen legten die Gendarmen ihre Spezial waffe, die Lanze, ferner die Schutzwaffen, wie Panzer, Helme, Bein schienen u. s. w. ab, worauf deren Bewaffnung nur noch aus Säbeln, Pistolen und einer gezogenen Büchse (carabine) bestand. Sie waren thatsächlich die eigentliche und einzige schwere Kavallerie Frank reichs. Bemerkenswert ist, daſs sich diese Truppe bis zu ihrer Auflösung aus dem Adel oder doch den böheren Ständen rekrutierte,
Nachrichten über die altfranzösische Armee
141
auch sehr groſse und starke Pferde ritt. Kürasse führten sie seit 1643 nicht mehr. Dies Corps stand unter Befehl eines Major Inspekteur und war 10 Compagnien stark , deren jede 1 Eskadron formierte. Jede Compagnie hatte einen besonderen, althergebrachten
Namen, als : » Schottische« , » Englische« , » Burgundische«, » Flan Jede Compagnie zählte : 1 Kapitän
drische« Gendarmen u . s. w.
Lieutenant, 1 Lieutenant, 1 Souslieutenant, 2 Fahnjunker, 6 Wacht
meister , 3 Brigadiers , 3 Unter-Brigadiers, 1 Standartenträger, 3 Fouriere, 3 Trompeter und 96 Gendarmen einschlieſslich 12 Ge freiten. Uniform : Rote Leibrücke mit gleich farbigen Kragen , Auf schlägen, Rabatten u. s. w.., silberne Knöpfe und Stickereien ; gemsfarbene Westen , rote Beinkleider, hohe Stiefel.
Die vorzugsweise sogenannten 31 Kavallerie - Regimenter ritten leichtere Pferde, als die Gendarmes und schwerere, als Dra
goner und Husaren, sie führten Säbel in Lederscheide, Karabiner und Pistolen.
Zum Regimentsstabe zählten : 1 Oberst, 1 Oberst
lieutenant, 2 Hülfs -Majors, 2 Unter -Hülfs-Majors, 1 Quartier- und Schatzmeister, sowie 4 Standartenträger. In Kriegszeiten kamen -
hierzu noch 1 Feldgeistlicher und 1 Arzt.
Jedes Regiment bestand
aus 4 Eskadrons, je zu 2 Compagnien. Jede Compagnie war stark : 1 Kapitän , 1 Lieutenant und 1 Souslieutenant, 4 Wachtmeister, 1 Fourier, 8 Brigadiers, 8 Karabiniers, 31 Reiter und 1 Trompeter.
Die 6 ältesten Regimenter, sowie das Regiment Karabiniers waren
bereits 1635 errichtet worden, das jüngste Kavallerie-Regiment, Noailles, stammte aus dem Jahre 1688 .
Die Uniform sämtlicher Kavallerie-Regimenter bestand aus blauen Leibröcken . Auch führte die Mannschaft durchgängig gems lederne Koller und dergleichen Beinkleider mit hohen Stiefeln. Als Kopfbedeckung wurden dreieckige Hüte getragen . Die französischen Dragoner dienten teils zu Pferde, teils zu Fuſs, hatten als Signalgeber nicht Trompeter, sondern Tambours, und waren auſser den Husaren das einzige berittene Corps, dessen Kopfbedeckung nicht aus dreieckigen Hüten bestand. Sie führten schon seit 1755 kleine Helme mit nach der Rückseite herabfallenden
Roſsschweifen, ähnlich wie sie nachmals bei der napoleonischen Armee gebräuchlich waren. Jedes Dragoner-Regiment zählte 4 Es kadrons zu 2 Compagnien. Zum Regimentsstab gehörten 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, i Major, 2 Hülfs- und 2 Unterhülfs -Majors, 4 Fahnenträger und in Kriegszeiten 1 Geistlicher, sowie 1 Arzt; zu jeder der 8 Compagnien : 1 Kapitän, 1 Lieutenant, 1 Unter
Lieutenant, 1 Fourier, 8 Brigadiers, 8 Gefreite, 24 Dragoner und
1
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens,
142
Von der Mannschaft waren jedoch nur 30 Mann beritten . Uniform : Durchgängig grüne Tuchröcke mit verschieden farbigen Doublüren. Westen und Beinkleider gemsfarbig . 1 Tambour.
An Husaren zählte die französische Armee im
Jahre 1766
4 Regiinenter. Sie waren in Friedenszeiten meist sehr schwach, und
wurden im Kriegsfalle durch Anwerbungen (vornehmlich in Ungarn) verstärkt. Jedes Husaren-Regiment sollte im Frieden 3, im Kriege 6 Eskadrons haben und je zu 2 Compagnien. In Friedenszeiten bestand der Regimentsstab aus : 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, 1 Major, 1 Hülfs- und 1 Unter-Hülfs-Major, 1 Quartier- und Schatzmeister: Jede Com 1 Geistlichen und 1 Arzt aber nur in Kriegszeiten. pagnie war stark : 1 Kapitän, 1 Lieutenant, 1 Sous -Lieutenant,
1 Wachtmeister, 1 Fourier, 2 Brigadiers, 1 Trompeter und 20 Husaren , von denen jedoch nur 10 beritten waren . Sämtliche 4 Regimenter trugen Pelze und Dolmans von grünem Tuch mit rotem Ausputz, roten Unterkleidern, weiſser Verschnürung, ungarischen Stiefeln und als Kopfbedeckung Tschakos von Filz. IV. Artillerie und damit zusammenhängende Dienst
zweige. Das Artillerie -Corps war seit 1766 in einem Stadium der
Umbildung begriffen, das erst 1776 seinen Abschluſs fand. Seitdem stand die gesamte französische Artillerie unter 10 General-Inspek teuren , deren einer unter dem Titel » Erster Inspekteur « die Auf sicht über das ganze Corps führte. Im Jahre 1779 fungierte als 1. General-Inspektor der Generallieutenant v. Gribeauval, ein um die Fortbildung der Artillerie hochverdienter Offizier von europäischem
Auſser den 10 General- Inspektoren zählten zum Artillerie Corps die 6 Artillerie - Schulen in Douay, Auxonne, La Fère, Metz, Rufe .
Straſsbourg und Besançon, sowie auch die 7 Artillerie-Regimenter zu je 2 Bataillonen, 5 Brigaden und 15 bis 20 Compagnien . – Ferner gehörten zum Artillerie- Corps die Mineurs, ingleichen 9 Compagnien Handwerker . Hiernächst waren dem 1. General - Inspektor der Artillerie noch unterstellt : 12 Artillerie- Direktionen , deren jede in
einer der vielen Festungen ihren Sitz hatte, ingleichen 15 auf ver Über die Stärke schiedene Städte verteilte Kriegskommissariate . der damaligen Artillerie-Compagnien fehlen uns zuverlässige Nach richten , doch dürften sie , da ja auch die Infanterie -Compagnien
ziemlich schwach waren , höchstens etwa 50—60 Mann betragen haben .
geschieden . gestellt.
Festungs- und Feld - Artillerie waren damals noch nicht Feld-Batterien wurden nur im Kriegsfalle zusammen
Ein besonderer Artillerietrain entstand erst während der
Revolutionskriege ; ebenso reitende Artillerie.
Die
Uniform
der
Nachrichten über die altfranzösische Armee u. s. w.
143
Artillerie bestand aus blauen Röcken mit roten Abzeichen und weiſsen Unterkleidern .
V. Besondere Corps. a) Das königliche Genie- Corps bestand aus 329 Offizieren , von denen 13 die Stellung von Genie Direktoren bekleideten , die übrigen aber in 21 Brigaden verteilt Zu jeder Brigade gehörte: 1 Chef in Oberstrang, 1 Sous waren . chef im Range eines Oberstlieutenants, 1 Major, 4 erste Kapitäns, 4 zweite Kapitäns und 3 Premierlieutenants. b) Das königliche Invaliden - Hotel zu Paris , errichtet
1674 durch Ludwig XIV., enthielt an Offizieren und Soldaten im Ganzen gegen 4000 Verpflegte, welche in 3 Klassen verteilt waren . c) Königliche Militär - Schulen. Bis 1776 bestand in Frankreich nur eine Militär -Schule, welche 1751 zu Paris ips Leben gerufen worden war. Diese Schule hatte den Zweck ,
500 Zöglingen, welche in 8 Klassen geteilt waren , unentgeltlich eine militärische Erziehung angedeihen zu lassen . 1776 wurde angeordnet, daſs die Zöglinge der Pariser Militär-Schule von da ab in verschiedene Unterrichts -Anstalten, nämlich die königlichen Militär Schulen von Gorèze , Brienne , Tiron , Rebais , Beaumont , Pont- le
Roy, Vendôme, Effiat, Pont- à -Mousson und Tournon verteilt werden sollten.
d) Maréchaussées.
An Stelle der in Frankreich ungefähr
seit 1798 eingeführten Landgendarmerie besorgte in älterer Zeit innerhalb des Königreichs ein Polizei-Corps den Sicherheitsdienst, namentlich bezüglich der Landstraſsen , welches > Maréchaussées
genannt ward . Dieses 35 Compaguien zählende Corps war zusammen gesetzt aus 6 General-Inspektoren , 33 General-Profoſsen, 108 Lieute nants, 164 Unterlieutenants, 150 Wachtmeistern, 710 Brigadiers, 2580 Reitern und 33 Trompetern und in 6 Divisionen geteilt.
e) Leichte Truppen , zusammengesetzt aus 4 Legionen von je 17 äuſserst schwachen Compagnien , nämlich 1 Grenadier-, 8 Füsi lier- und 8 Dragoner - Compagnien ; ingleichen 2 Freiwilligen -Corps von Clermont-Prince and Soubise. Jedes der letzteren war unter das
Kommando eines Oberstlieutenants gestellt, und sollte 1 Grenadier-, 4 Füsilier- und 4 Dragoner-Compagoien enthalten , insgesamt mit einem
sehr schwachen Etat.
f) Auſserdem waren noch Küstenwächter , Milizen und
Rekruten- oder Ersatz - Regimenter vorhanden. Die Küsten wächter bildeten eine Art von Landwehr, wozu alle geeigneten männlichen Bewohner der Küstenorte im Alter von 16 bis 60 Jahren
herangezogen werden sollten, entbehrten aber einer festen Organisation .
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke.
144
- 1763 waren 31 Rekruten-Regimenter zu je einem Bataillon -
formiert worden, selbige bestanden aber nur bis 1775, und wurden 1778 durch Errichtung von 106 Bataillonen sogenannte » Provinziale
Truppen « ersetzt , welche im Notfall die bei den Feldtruppen ein getretenen Lücken ausfüllen sollten .
Doch
scheint auch
diese
Einrichtung sich in der Folgezeit nicht besonders bewährt zu haben. Die Gesamtstärke der ganzen französischen Landmacht wurde im Jahre 1779 offiziell auf 250,000 Mann berechnet. Doch ist diese Zahl offenbar zu hoch gegriffen. Die ungewöhnlich zahl -
reiche Kriegsflotte, auf deren Zustand wir an dieser Stelle nicht eingehen können, hatte eine Besatzung von etwa 82,000 Mann. 7. ( Fortsetzung folgt.)
IX. Bemerkungen zu der „ Neuen Folge“ der „Kritischen Rückblicke“ auf den russisch -türkischen Krieg 1877|78 von
Kuropatkin -Krahmer. “) Herr Oberstlieutenant Krahmer fügt dieser » Neuen Folge« ein zu an der Spitze des letzten Heftes derselben dem er durch die Besprechungen veranlaſst wurde, die seine deutsche Bearbeitung der früheren , in dem ersten Teile der » Kritischen Vorwort bei
Rückblicke « veröffentlichten Aufsätze des General Kuropatkin er fabren hat.
Des Bearbeiters, im Vorworte ausgedrückten Ansicht nach , dürfte es » kaum zu bestreiten sein , daſs der Herr Verfasser
(Kuropatkin ) durch seine Aufsätze einen wertvollen , ja den wert vollsten Beitrag zur Geschichte des russisch - türkischen Krieges 1877/78 gegeben und insonderheit ein Bild von den Kämpfen *) Berlin 1887. E. S. Mittler & Sohn . Vergl. „ Jahrbücher für die Deutsche
Armee und Marine. Jahrgang 1887, April -Heft“. Bemerkungen zu Kuropatkin Krahmer. Kritische Rückblicke.
Erster Teil .
Jahrbücher für die Dontsche Armee ond Marine, Bd. LXXI., 2.
10
145
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
um Plewna entrollt hat , das einzig dasteht. Die Aufsätze ent halten aber nicht bloſs eine Aufzählung der einzelnen Thatsachen, sondern eine kritische Beleuchtung derselben , auf Grund persön licher Wahrnehmungen und vieler uns nicht zu Gebote stehender Quellen . – Sie lassen uns ferner einen tiefen Einblick in die Ver -
hältnisse der russischen Armee während des Krieges thun. « Allerdings wird Niemand bestreiten , daſs das von den Kämpfen um Plewna entrollte » Bild « einzig dasteht in seiner Art. Das selbe leidet aber doch an einer groſsen Unvollkommenheit , weil Licht und Schatten auf ihm unregelmäſsig verteilt und die türkischen Verhältnisse nur in ganz verschwommenen Farben dargestellt sind , was nicht anders sein kann , da Kuropatkin sie nicht genügend kannte . Wenn er jedoch auch nur seine Kenntnis über die Stärke der türkischen Truppen in Plewna , welche den Grundtou für das ganze Bild geben muſs , hätte folgerichtig zum Ausdruck gelangen lassen, so würde dieses eine ganz andere Färbung erhalten haben. Er sträubte sich dagegen , weil diese Kenntnis im Widerspruch mit seinen sonstigen Anschauungen stand. Wie er schon im ersten Teile der » Kritischen Rückblicke « die
Stärke der türkischen Besatzung von Plewna vor dem
groſsen
Kampfe im September auf 29,400 Mann Infanterie, 2600 Mann
Kavallerie und 1000 Mann Artillerie (S. 122) angab und darauf (S. 126) anführte, »somit befanden sich 40,000 Mann mit 60 Ge schützen in der stark befestigten Stellung« , so steigert er ihre Zahl ganz ungerechtfertigt in der Neuen Folge « . Auf Seite 4 und 111
wird sie für den Septemberkampf mit 30,000 Mann in Rechnung gestellt und dabei bemerkt, daſs der türkische Verlust während desselben 4000 Mann betrug. Sie erhielt am 23. September einen
Zuwachs von 17 Bataillonen Infanterie, 1 Regiment Kavallerie und 2 Batterien 12,000 bis 13,000 Mann nach Kuropatkin , nach Krylow ((S. 98)) richtiger 10,000 Mann - so daſs also ihre Stärke darauf, nach seiner eigenen Berechnung 39,000 Mann betrug. Der Vorstand des Nachrichten wesens, Oberst Artamanow , berechnete
sie auf 40,000 bis 45,000 Mann (S. 144) , wobei er besonders die Kopfstärke der Bataillone, die im Durchschnitt an Streitenden kaum 400 Mann betrug, zu hoch in Anschlag brachte. Trotzdem erklärt der Verfasser (S. 144 ), daſs sie Ende September thatsächlich 45,000 Mann, am 14. Oktober (S. 148) in Wirklichkeit 55,000 bis 60,000 und am 30. Oktober, nach Abgang von 13 in Telisch 1
und Ober- Dubnik gefangen genommenen Bataillonen 50,000 Mann betragen habe (S. 144 ), also an diesem Tage 11,000 Mann mehr,
auf den russisch -türkischen Krieg 1877/78.
wie am 23. September , als diese 13 Bataillone noch
146
vorhanden
Diese übertriebene Schätzung legt er seiner weitern Dar stellung der Ereignisse zu Grunde. waren .
Es dürfte demnach gleichfalls kaum zu bestreiten sein , daſs
auf solcher Grundlage ein richtiges Bild der Kämpfe um Plewna nicht entstehen konnte.
Ein noch übertriebeneres Bild von Osman Paschas Truppenmacht
erhält der Leser, wenn er den Angaben Glauben schenkt (S. 135 und 136), welche die Stärke seiner Armee in und auſserhalb Plewna mit 192 Bataillonen ,
190 Geschützen ,
42 Schwadronen
und
3100 Tscherkessen beziffern . Dieses Ergebnis ist ein reines Erzeugnis der Phantasie.
Die auf Seite 136 unter 3 und 5 angeführten
Divisionen von Sofia und Adriauopel waren nämlich gar nicht vorhanden und die von Widdin bestand
aus der Besatzung
nur
dieser Festung und der ganz unbedeutenden einiger kleiner Plätze am rechten Donau -Ufer .
Die Unrichtigkeit dieser Angaben läſst
sich übrigens aus ihrem Wortlaut selbst herausfinden . Unter 2 wird angeführt, daſs Schewket Pascha mit 30 Bataillonen Oschanje und die Straſse von Telisch nach Sofia besetzt hielt , unter 3, daſs die Division Iset in Sofia stand , ein Teil derselben aber mit dem
Corps Schewket vereinigt war und unter 5, daſs auch ein Teil der in Adrianopel zusammengezogenen Reserve - Division auf 1
Sofia und Orchanje vorgeschoben war.
Was die letztere Division
anbetrifft, so ist kurz vorher (S. 134) auch ganz bestimmt bemerkt worden , daſs in Adrianopel Bataillone aus Müstahfis- Mannschaften
gebildet wurden , die nach Plewna abgehen sollten .
Diese Be
7
merkung zeugt nebenbei von einer groſsen Unkenntnis der türkischen
Heeres -Organisation , denn in Adrianopel konnten nicht Müstahfis Bataillone in gröſserer Zahl gebildet werden, da diese, wie die >
der Linie und Landwehr in ihren Bataillons- Bezirken zusammen gestellt wurden .
Trotz seiner eigenen Überschätzung der Kräfte Osmans und selbst unter Annahme von der Richtigkeit der zeit weise noch übertriebeneren Schätzung derselben durch Totleben , kann sich der Verfasser nicht enthalten , der Ansicht entschieden Ausdruck zu verleihen (S. 146 , 148 u. a.), daſs die Menge der für Plewna bestimmten russischen Verstärkungen das Bedürfnis überstieg . - Damit erkennt er die Richtigkeit
der bisher nur vereinzelt ausgesprochenen und wie eine Stimme in der Wüste verhallten Anschauung an , daſs das russische groſse
Hauptquartier einen Fehler beging, indem es den Schwerpunkt der 10*
147
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
Ereignisse nach Plewna verlegte, und das ist, unserer Ansicht nach, für die kritische Darstellung des Feldzuges die wertvollste der in seinen Aufsätzen enthaltenen Angaben ; denn alle andern über die Kriegsereignisse sind , soweit sie nicht Plewna betreffen , unsicher oder enthalten nichts Neues von Wichtigkeit. Die » Neue Folge« bildet wie der erste Teil der »Kritischen Rückblicke« nicht ein geordnetes und abgerundetes Ganzes ; der Verfasser hatte jedenfalls nicht die Muſse, das ihm zu Gebote រ
stehende reiche Material zu sichten und zu ordnen .
Sie enthält
deshalb auch zahlreiche Flüchtigkeitsfehler.
So vergiſst er auf Seite 4 und 11 die Don - Kosaken. Regi menter Nr. 4, 34 und 38 bei der Aufzählung der vor Plewna vor handenen Kavallerie- Regimenter. Auf Seite 98 führt er irrtümlich die Kosaken - Regimenter Nr. 21 und 22 als auf dem rechten Wid. Ufer befindlich an , von denen das erstere zu der , auf dem linken
Ufer operierenden Don-Kosaken-Brigade gehörte und das andere 1
sich gar nicht auf dem Kriegsschauplatze befand. Die Stärke der Garde- Kavallerie- Division giebt er (S. 146) auf 16 Schwadronen mit 36 reitenden Geschützen an, als ob er nicht gewuſst hätte, daſs die Division, von den organisatorischen Bestimmungen abweichend , aus 3 Brigaden zu 2 Regimentern zusammengesetzt und 2 Batterien der reitenden Garde - Artillerie in Petersburg zurückgeblieben waren . Seite 179 enthält eine irrige Angabe der vor Plewna vorhandenen Feldgeschütze , weil er von der Zahl 414 nicht die in Nikopoli verbliebene Fuſsbatterie abzog und 2 reitende Batterien zu viel in Rechnung stellte. Unter den aus Russland erwarteten Ver
stärkungen führt er Ende September (S. 18) die 24. and 26. In fanterie - Division an , welche beide schon , die letztere am Lom , die
erstere seit längerer Zeit Silistria gegenüber, am Kriege teil nahmen. Seite 17 spricht er von 20 Bataillonen , die Schewket Pascha Osman als Verstärkung zugeführt haben soll , Seite 115 von den Ver stärkungen , die dieser durch Achmed Hifsi und dann durch
Schewket erhalten haben soll , während er sehr richtig die von Achmed Hifsi nach Plewna geführten Verstärkungen auf Seite 91 angiebt und auf Seite 106 anführt, daſs Schewket am 12. Oktober mit seinem Detachement wieder nach Orchanje zurückkehrte ; die diesem beigegebene Artillerie beziffert er, das eine Mal (S. 65 ) auf
einige Batterien , das andere Mal (S. 106) auf einige Geschütze. Auf Seite 137 macht er Osman Pascha einen Vorwurf daraus, daſs
derselbe trotz der » bedeutenden Kräfte «, welche ihm zur Verfügung standen , schon Anfangs Oktober um die Erlaubnis bat, sich nach
auf den russisch- türkischen Krieg 1877/78 .
148
Orchanje zurückziehen zu dürfen , während er auf Seite 140 sehr sachgemäſs urteilt, daſs Osman sich damals in einer » keineswegs günstigen Lage « befand. Die Andeutung über die Bestimmung der Regimenter der 9. Kavallerie- Division nach dem Falle von Plewna (S. 225) erweckt falsche Anschauungen über die spätere
Verwendung derselben ; er wuſste jedenfalls, daſs das 9. Dragoner Regiment und das 9. Ulanen-Regiment sich an dem Kampfe gegen die Armee Sulejman Paschas in der Ebene von Philippopel unter Gurko beteiligten, und daſs auch das 9. Husaren -Regiment an dem Vormarsche nach Konstantinopel teil nahm. Die Bezeichnung
>viertes Redif - Bataillon «, dem der gefangene Offizier Achmed Agha angehört haben soll , dessen irrtümliche Angaben auf Seite 155 angeführt werden , ist eine ganz falsche, denn die türkischen Redif ( Landwehr-) Bataillone führen die Nummern der Linien-Regimenter und Bataillone ihrer Bezirke, und dazu den Namen ihres Bataillons Bezirks, was dem Verfasser wohl bekannt sein konnte.
Die Bearbeitung des angeordneten russischen Materials war eine sehr schwierige Aufgabe. Eine Beschreibung des » einzig da stehenden Bildes der Kämpfe um Plewna« in zusammenhängender,
flieſsender Sprache, die der Herr Übersetzer gewiſs gern auf Grund lage der russischen Aufsätze geliefert hätte, war nicht möglich ohne eine vollständige Umarbeitung des Stoffes, bei der aber gewisse Eigentümlichkeiten der Arbeit des Verfassers verloren gehen muſsten. Der Übersetzer begnügte sich deshalb mit der vorliegenden Ver öffentlichung in der Form der „ Neuen Folge« .
Die Übersetzung weist einzelne stylistische Härten auf, die wohl hätten vermieden werden können, so Seite 35, wo von »Heumähen«
gesprochen wird, ferner die Bezeichnung des Zwiebacks der türkischen Soldaten als >Kuchen « u.
. w.
Auffallend ist auch , daſs das
62. russische Infanterie- Regiment fälschlich Susdalski (in der Adjektiv form ), anstatt Susdal und daſs das 9. Infanterie - Regiment Staro 7
Jagermannland und nicht, deutsch Alt-Jagermannland genannt wird. Die Verdeutschung des Namens des 20. Infanterie-Regiments » Galitsch « in »Galizien « ist dagegen eine ganz ungerechtfertigte und willkür liche , denn es kann nicht zulässig erscheinen , den Namen der russischen , im Bezirk Kostroma gelegene Stadt Galitsch , den das Regiment führt, im Deutschen zu verändern ; sie würde auch selbst dann keine Berechtigung haben , wenn es sich nicht um diese russische , sondern um die gleichnamige galizische Stadt Holitsch , russisch Galitsch handelte , wenn gleich der Name Galizien von dieser hergeleitet wird . 1
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
149
Die in der Vorrede von dem Übersetzer abgegebene Erklärung, » daſs die wenigen erlänternden Bemerkungen , die sich allein auf
die Organisation beziehen, nur andeuten sollen, wie vieles sich schon
seit jenem Kriege geändert hat « , findet in Wirklichkeit keine Bestätigung.
Nur einzelne der dem Texte zugefügten Anmerkungen
gehören dieser Art an ; die übrigen haben - ganz abgeseben von den äuſserst zahlreichen , welche nur einen Hinweis auf andere Stellen den Zweck, auf, für die Darstellung des
des Textes enthalten
>>Bildes der Kämpfe« unwesentliche Zahlenirrtümer aufmerksam zu machen oder auch solche richtig zu stellen, was selten gelingt. Der mangelnde Zusammenhang in der Darstellung des Verfassers und die durcheinandergeworfenen Angaben von häufig falschen Ziffern sind allerdings geeignet, zu verwirren und die Richtigstellung zu erschweren . In einzelnen Fällen läſst sich eine solche auf Grund des Inhaltes der verschiedenen Hefte der »Kritischen Rückblicke
überhaupt nicht bewerkstelligen , in andern bieten sie aber die Mittel dazu .
Auf Seite 15 wird die Angabe des Verfassers , daſs am 27. September 6 russische reitende Batterien vor Plewna vorhanden
gewesen seien, ganz irrtümlich und willkürlich abgeändert und als Grund dafür in Anmerkung 2 die Behauptung, aufgestellt, daſs damals nur die 7. und 16. reitende und die 2., 8. und 16. Don
Kosaken - Batterie vor Plewna standen , später allerdings auch von der zur 4. Kavallerie -Division gehörigen 8. reitenden Batterie die Rede sei .
Der Herr Übersetzer hätte wissen können, daſs diese
Batterie sich auch schon damals vor Plewna befand , wohin sie
aber schon früher mit der 4. Kavallerie - Division gekommen war und wo er selbst sie, als Anfangs September anwesend , im ersten Teile der » Kritischen Rückblicke « auf Seite 129 anführte.
Die Anmerkung auf Seite 70 und 71 , welche damit begründet wird, daſs bei der West - Armee- Abteilung nur 20 Belagerungs Geschütze vorhanden waren , hat keine Berechtigung, denn auſser den 20 russischen Belagerungs-Geschützen befanden sich bei derselben auch noch 4 türkische, in Nikopoli erbeutete 15 cm Geschütze, -
deren mangelhafte Verwendung bei dem Angriffe auf Lofdsche am
3. September in dem ersten Teile der » Kritischen Rückblicke « be schrieben wurde und die auſserdem in demselben noch mehrere
Male unter der Benennung » Erbeutete türkische Batterie « erwähnt werden .
In den Anmerkungen auf Seite 146 und 168 sollen die, die
Stärke der Kavallerie und Artillerie des Garde- Corps betreffenden,
auf den russisch -türkischen Krieg 1877/78.
150
irrigen Angaben richtig gestellt werden , was für die erstere nur
bedingungsweise geschieht und für die letztere miſslingt. Die ordre de bataille des Garde -Corps hätte dazu den besten Anhalt
geliefert. Auch die – in der Anmerkung auf Seite 168 – hervor gehobene Übereinstimmung mit Thilo v. Throta ist nicht vorhanden, denn dieser führt in den > Operationen im Etropol-Balkan« auch nur 4 zum Garde- Corps gehörige Batterien an.
Über die Verteilung der gesamten Kavallerie vor Plewna za den verschiedenen Zeiten eine richtige Anschauung zu gewinnen, ist
bei den unvollständigen Angaben des Verfassers nicht möglich. Deshalb vermochte auch der Übersetzer nicht, sich eine solche zu verschaffen, um so weniger als er bei seinem Bestreben es zu thun, sich nicht die Zahl der jeweilig vorhandenen Regimenter vergegen wärtigte und unter diesen besonders die Don -Kosaken Nr. 4, 34 und 38 und einige Garde - Kosaken- und Konvoi-Schwadronen häufig auſser Acht liefs. Wäre das nicht der Fall gewesen, so würde er wohl auch in den Anmerkungen auf Seite 98 die Zahl 24 durch die ihm schon aus dem ersten Teile der > Kritischen Rückblicke « be
kannte 34 ersetzt und gewiſs den Anmerkungen 2 auf Seite 14
und 203 eine andere Fassung gegeben haben. Die Anmerkung auf Seite 198, in welcher mitgeteilt wird, daſs der General Dellingshausen - der Commandeur des, mit der Front
nach Osten, gegen das Festungsviereck aufgestellten russischen 11. Corps — bei Elena von Fuad Pascha geschlagen wurde, wäre besser ganz unterblieben, da sie geeignet ist, Nichtkennern der Ereignisse, die sie ja belehren soll, eine irrige Anschauung bei zubringen, denn nicht sein Corps, sondern eine, den linken Flügel der Balkan - Armee bildende, ihm aus strategischen Rücksichten vorübergehend unterstellte Brigade der zum 8. Corps gehörigen 9. Division erlitt die schwere Niederlage bei Elena. Hochinteressant ist jedenfalls die Schilderung, welche der Ver -
fasser von den innern Zuständen des russischen Heeres und von den
Maſsregeln entwirft, welche ergriffen wurden, um die Verpflegung von Mannschaften und Pferden sicher zu stellen, um genügende Bekleidung zu verschaffen, die Waffen in Stand zu halten u. s. w. Es werden in derselben die vorhandenen Mängel mit anerkennens
werter Offenheit aufgedeckt. Wir heben aus ihr nur einige Stellen hervor.
Die 16. Infanterie -Division wird in jeder Beziehung als Muster hingestellt. Skobolew war ihr Commandeur und sein Freund Kuropatkin , der Verfasser, ihr Stabschef. Doch fielen selbst bei
151
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
einer ihrer Batterien in einer Nacht 16 Pferde vor Hunger ; ein
Batterie - Commandeur und später auch sein Nachfolger müssen ihrer Stellen enthoben und nach Russland zurückgeschickt werden (S. 40 ). Auch bei ihr gab es Leute, die der Gefahr aus dem Wege gingen . (S. 25). Auch sie hatte sich erst am 20. Oktober von der Folge des Sturmes im September wieder erholt. (S. 247). Einmal werden drei Compagnie -Commandeure, ein anderes Mal zwei ihrer Stellen enthoben (S. 287 und 297).
Der Commandeur der 2. Division verpflichtet seine Compagnie Commandeure, eine eingehende Berechnung ihrer Compagnien mit zuführen , damit dieselben in möglichst groſser Rottenzahl aus rücken (S. 235). Der General Sotow hielt es, in Rücksicht auf die, nach dem
Sturm im September eingerissene Unordnung für gefährlich , 12 Tage nachher, zur Unterstützung der russischen Kavallerie, Infanterie auf der Straſse nach Sofia vorgehen zu lassen (S. 95)
und ebenso noch 14 Tage später, als sich schon Abteilungen der Garde Plewna näherten (S. 105). General Totleben tritt der Ansicht des Fürsten
von Rumänien und des General Sotow bei, daſs die
West-Armee -Abteilung zu zerrüttet und zu ungenügend sei, um mit ihr vor dem Eintreffen von Verstärkungen etwas zu unter
nehmen (S. 145). Diese Ansicht stimmte bis zu einem gewissen Grade mit der Stimmung der Truppen überein (S. 145) . Nun , d. h. Ende Oktober lieſs es sich Totleben, da die Truppen nach der Annahme seines Operationsplanes (?) vorläufig nicht thätig sein sollten, besonders angelegentlich sein, eine feste innere Ordnung herzustellen u . 8. w. (S. 154). Am 22. November löste die nach dem Sturm vom September wieder vervollständigte und geordnete 2. Infanterie-Division die 2. Brigade der 30. Division ab (S. 233). Seitdem Totleben an die Spitze der West- Armee- Abteilung gestellt
war, fühlten die Truppen eine feste Hand über sich ; bei ihrer Verwendung, besonders aber in den innern Verbältnissen wurde nun nach einheitlichen Grundsätzen verfahren (S. 63 , 64).
Anfangs ist aber noch keine einheitliche Befehlsführung vorhanden (S. 156 unten u. a.). Skobelew zeigt auch später Unabhängigkeits Gelüste und erhält deshalb einen Verweis (S. 264) .
Die Rumänen
blieben während der ganzen Dauer der Einschlieſsung von Totleben unabhängig. Weshalb der Verfasser das bedauert, ist schwer zu begreifen, denn grade sie waren im Geiste der Offensive weiter thätig und würden, wie er selbst eingesteht, wenn sie von den Russen ernstlich unterstützt worden wären, die Griwitza - Redute
auf den russisch-türkischen Krieg 1877/78.
152
Nr. 2 genommen haben ,« deren Besitz den baldigen Fall von Plewna zur Folge gehabt haben würde (S. 62). Totleben ernannte den General Moller zum Commandeur der
Artillerie und nun wurde die bis dahin vollständig fehlende Einheit in das Artilleriefeuer (S. 61 ), dadurch aber Verwirrung in
den allgemeinen Dienstbetrieb gebracht, da die Artillerie in den Batterien in Bezug auf ihre Thätigkeit nicht ihren Brigade Commandeuren, sondern Stabs- Offizieren der Belagerungs-Artillerie unterstellt wurde (S. 74 ). Auch wurde in jede Batterie ein Sappeur Offizier kommandiert, um den Artillerie- Offizieren Anleitung zur Ausführung von Einzelheiten bei dem Batterie-Bau zu geben (S. 73). Erst im November waren die Batterien gehörig eingeschossen, um die Anmarschwege des Feindes unter Feuer nehmen zu können ( S. 72 ) .
Die Kavallerie hatte, abgesehen von Toten und Verwundeten , vor Plewna einen Verlust von ungefähr 5000 Mann (S. 86 ) . Auch
bei ihr gingen einzelne Comandeure zu sparsam mit dem vom Staate in reichlichem Maſse verabfolgten Fouragegeld um. Es war ein geheiligter Gebrauch der Commandeure, die Gelder zum Ankauf der vollen Rationen auszuzahlen, die dann oft nur die
halben Sätze verkauften oder requirirten und garnicht bezahlten (S. 34). Obwohl den Verbündeten ein verhältnismäſsig (?) schwacher Gegner gegenüberstand, so erschwerte man doch der Kavallerie den Dienst
auſserordentlich.
Dabei
lieſsen
ganz
unbedeutende
Tscherkessen- Abteilungen oft bedeutende Kavallerie - Abteilungen allarmieren (S. 87).. Bei den ersten Schüssen einiger Tscherkessen werden tausende von Pferden gesattelt (S. 101). Von den Türken wird im Allgemeinen mit Geringschätzung gesprochen.
Skobelew setzt seinen Herren Offizieren auseinander, daſs Fehler von ihrer Seite, selbst bei einem so » verhältnismäſsig unbe
deutenden « Feinde, wie die Türken, schädliche Folgen haben könnten (S. 285 und 86).
Und das nach den Miſserfolgen, die sich
die Russen bisher vor Plewna geholt hatten ! Sotow macht die Commandeure des kombinierten Kavallerie
Corps und der 9. Kavallerie -Division in seinem Befehle darauf auf merksam , daſs ihnen eine Kavallerie -Masse in einer Stärke zur Ver
fügung steht, wie sie in der Kriegsgeschichte selten vorkommt. » Die Verhältnisse für ihre Thätigkeit sind dazu beispiellos günstig. « » Die feindliche Kavallerie ist schwach und furchtsam. « » Die Bevölkerung ist den Russen freundlich gesinnt und die
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
153
moralischen Eigenschaften der Commandeure, wie auch der Mann schaften der russischen Kavallerie sind über jeden Zweifel erhaben .
> Sie
verstärkten
die
bestehenden
Werke und legten neue an« (S. 113, 115). Sie setzten ihre Arbeiten unter dem heftigsten russischen Feuer fort (S. 114, 297). Sie halten die Russen durch das Feuer ihrer Artillerie und der Vorposten
wach und allarmieren dieselben , was des Nachts häufig zu einem
Vorgehen kleinerer Truppen-Abteilungen von beiden Seiten führt (S. 122). Die Russen beunruhigen die Türken Tag und Nacht durch auf ganz verschiedene Ziele abgegebenes Salvenfeuer (S. 183). Die Angriffe der Rumänen am 15. und 18. September und am 19. Oktbr. gegen die Griwitza- Redute Nr. 2, gegen die sie von dem letzten Angriffe bis auf 60 Schritte mit regelmäſsigen Belagerungsarbeiten vorgegangen waren, zerschellten an der Ausdauer der Türken (S. 6,
62, 80, 81 , 209, 210). Die späteren bedeutenden rumänischen Minenarbeiten
werden
von den Türken entdeckt , die ihrerseits
Fladderminen anlegen, weshalb die Rumänen, aus Furcht vor einem noch blutigeren Miſserfolg als die früheren , sich entschlieſsen, die Minen nicht zu sprengen und nicht zu stürmen (S. 210). Die Türken gingen trotz ihrer numerischen Schwäche auch mehrere Male angriffsweise vor. So schon am 13. September ,, nachdem sie aber den russischen, mit gewaltiger Übermacht unternommenen Hauptavgriff zurückgeschlagen hatten, gegen die Griwitza - Redute Nr. 1 ; sie wiederholten den Angriff wiederum ohne Erfolg am 18. und schlugen an demselben Tage den feindlichen Angriff auf die Redute Nr. 1 zurück (S. 46, 48). Sie nahmen anfangs Oktober
ohne Weiteres den 2. Kamm der grünen Berge unter den Augen der Russen (S. 146). Sie leisteten das Mögliche, um mit ihren schwachen Kräften das Fortschreiten der Arbeiten des russischen
Plewna - Lofdscher- Detachements im Monat November zu verhindern . (3. Heft, 4. Kapitel) .
Der Verfasser spricht sich gegen die ziemlich allgemein ver breitete Anschauung aus, daſs die Miſserfolge der Rnssen dem geringeren Werte ihrer Waffen zuzuschreiben seien. Seine Behandlung des
Gegenstandes kann jedoch nicht als erschöpfend betrachtet werden.
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
155
Er legt derselben nur das avgriffsweise Vorgehen der Russen gegen die in der Verteidigung befindlichen Türken zu Grunde, während
diese bei Plewna auch häufig durch den taktischen Angriff Erfolge erzielten .
Auſserdem berücksichtigt er nicht, daſs die Zahl der
Russen und Rumänen der Einschlieſsungsarmee, welche, mit dem türkischen Martini - Peabody - Gewehre annähernd gleichwertigen Berdan- oder Peabody -Gewehren bewaffnet waren , die Zahl der
Infanterie- Besatzung von Plewna in Wirklichkeit überstieg und daſs der gröſsere Teil der letzteren nur mit dem minderwertigen Snider Gewehre bewaffnet war. – Was die Geschützfrage anbetrifft, so
ist eine Erledigung derselben nicht schwierig. Die Artillerie der Einschlieſsungsarmee war der türkischen numerisch sechsfach über legen. Die Zahl der russischen 4 pfündigen Geschütze, welche minder leistungsfähig waren als die türkischen, war doppelt so groſs als die Gesamtsumme aller in Plewna befindlichen Geschütze, ebenso die der russischen Neunpfünder, deren ballistische Leistungsfähigkeit ungefähr der der besten türkischen gleichkam , so wie auch die
Zahl der russischen Belagerungs- und rumänischen Kruppschen Ring- Geschütze , deren Leistungsfähigkeit doppelt so hoch als die der türkischen Geschütze – sechspfündige und vierpfündige
stählerne Hinterlader älterer Systeme und dreipfündige bronzeve veranschlagt werden darf. Gebirgsgeschütze Wenn dennoch und bei den herrlichen Eigenschaften der russischen Truppen, die vielfach hervorgehoben werden , » bei der groſsen Anzahl der Artillerie, ihren guten Offizieren und Mann schaften « (S. 321), »die türkischen Truppen sich so lange und mit solchem Erfolge in dem bisher unbekannten Orte balten konnten « (S. 141 ), so beweist das, daſs diese » verhältnismäſsig unbedeutenden
Gegner « sich aus irgend welchen Gründen den Russen überlegen gezeigt baben . Mit Unrecht sucht der Verfasser diese Erscheinung allein durch die fehlerhafte Leitung und Führung auf russischer Seite zu erklären .
Die Darstellung in der » Neuen Folge « enthält zahlreiche An
deutungen, die auf diese Überlegenheit schlieſsen lassen . Der Leser muſs sich jedoch die Mühe geben, den häufig unklaren Text genau zu studieren und verschiedene Angaben mit einander zu vergleichen , um den Kern der Wahrheit herauszufinden .
Selbst in fortifikatorischer Beziehung zeigten sich die Türken, unter denen sich keine Ingenieure befanden, nicht als > verbältnis
mäſsig unbedeutende Gegner « . Für die Zeichnungen , welche der Ingenieur General Totleben als Normaltypen für die Befestigungen
auf den russisch -türkischen Krieg 1877/78.
156
der Blockadelinien anfertigen lieſs, wurden die türkischen Be festigungen mehr oder minder als Muster angenommen (S. 175). Wie sehr man sich auch auf russischer Seite gegen die Er kenntnis des Wertes der türkischen Truppen sträubte, das Gefühl von demselben war doch vorhanden und dieses Gefühl leitete die russischen Befehlshaber bei allen Maſsnahmen , welche sie trafen.
Trotz der bestimmten Überzeugung von der geringeren Zahl der türkischen Truppen – die aber immer noch für viel zahlreicher begannen gehalten wurden , als sie es in Wirklichkeit waren
die Russen nach dem miſslungenen Angriff im September eine
zweite Linie von Befestigungen anzulegen, um ein Durchbrechen der Türken zu verhindern (S. 6 u. a.).
Damit wurde besonders der
taktischen Befähigung der türkischen Truppen ein glänzendes Zeugnis ausgestellt. Einem wirklich » verhältnismäſsig unbedeutenden Gegner« würde man wohl die Wege zum Heraustreten aus dem Lager von Plewna geebnet haben, um ihn dann im freien Felde um so sicherer zu schlagen.
Sotow hielt es für notwendig, die West- Armee -Abteilung hinter die Osma zurückzuführen , um in der Stellung von Bulgareni Ver
stärkungen abzuwarten (S. 5) . Die Idee, die Armee hinter der
Osma aufzustellen, entsprach vollständig einer richtigen Auffassung der allgemeinen strategischen Lage ; ihre Ausführung hätte zu einer Erledigung des Zwischenfalls von Plewva geführt, alle aus Russland im Anmarsche befindlichen Verstärkungen für höhere strategische
Ziele verfügbar gemacht. Es war jedoch nicht der freie strategische Gedanke, sondern die Besorgnis , welche Sotow bestimmte, seinen Vorschlag zu machen. Von hohem Interesse in Bezug auf die aus ihm hervorgehende
Wertschätzung des Gegners ist sein Brief an das groſse Haupt quartier (S. 7, 8, 9), in dem er zum Schlusse erklärt, daſs er die feste Hoffnung hat, mit den augenblicklichen Kräften dem Feinde, in Falle seines Angriffes, mit Gottes Hülfe - in der befestigten .
Stellung
-
einen solchen Widerstand entgegenzusetzen, wie der
war. Wenn bei Pelischat gegen 7000 Türken der Verfasser, auf Grund seiner Kenntnis der damaligen russischen inneren Verhältnisse, nachträglich erklärt, daſs Osman Pascha gut daran gethan bätte, schon Mitte September einige Punkte auf der Straſse nach Sofia besetzen zu lassen (S. 126) , so stellt er damit eben den Wert der türkischen Truppen über den der russischen . Osman Pascha aber einen Vorwurf daraus zu machen, daſs er die
am 31. August
Straſse nach Sofia nicht durch Truppen aus Plewna besetzen
157
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
liefs, ist er durchaus nicht berechtigt, denn die Einschlieſsungs
Armee war damals mehr als doppelt so stark als die türkische, an Kavallerie mehr als vierfach, an Artillerie sechsfach stärker. Osman
hätte einen groſsen Fehler begangen, wenn er unter solchen Um ständen seine geringen Kräfte zersplittert, einen Teil derselben auf 20 km Entfernung über den Wid geschickt hätte. Dadurch wäre auch seine Lage in keiner Weise günstiger gestaltet worden , denn
die nach Plewna bestimmten Munitions- und Verpflegungs- Transporte gelangten auch so nach Plewna (S. 91–106), und die Straſse nach Sofia lieſs er besetzen, nachdem er Verstärkungen erhalten hatte. Als Sotow am 22. September von dem groſsen Hauptquartier, dessen Blick damals noch nicht vollständig durch den Nebel von Plewna verhüllt war, aufgefordert wurde, »einen Teil seiner Truppen den herankommenden türkischen Verstärkungen
welche
einen
entgegenzu Munitions- und Lebensmittel- Transport geleiteten stellen, sie nicht nach Plewna gelangen zu lassen und sie zu schlagen zu suchen,
wobei seine starke Kavallerie von besonderem Nutzen
sein muſste (S. 55), hielt er eine derartige Verwendung seiner Trappen, aus inneren Gründen, für gefäbrlich (S. 95). Der Ver fasser hat also Unrecht, wenn er annimmt, daſs Sotow den Vor schlag des groſsen Hauptquartiers nicht ausführte, weil er dazu die russischen Truppen hätte marschieren und manövrieren lassen müssen
(S. 55), stellt aber bei dieser Gelegenheit den » wenig beweg lichen « Türken das Zeugnis aus, daſs sie unter den Augen der Russen mehrere Male manövrierten ; also waren sie doch beweglich und zeigten sich sogar beweglicher als die Russen. Auch gegen den , Anfangs Oktober unter dem Schutze von 15 Bataillonen Iu
fanterie, 2 sogenannten Tscherkessen-Regimentern und einer Batterie, nach Plewna vorrückenden groſsen Transport gelangte keine In
fanterie zur Verwendung (S. 105 ); aus denselben Gründen .
Durch
das Eintreffen der beiden Transporte wurde Osman befähigt, seinen Widerstand in Plewna zwei Monate länger fortzusetzen . Die Besorgnis vor einem Durchbruche der Türken steigerte sich immer mehr seit dem Eintreffen des General Totleben .
Der berühmte Verteidiger von Sebastopol hatte bisher dem Kriege ferngestanden und war besonders mit den türkischen Ver hältnissen nicht vertraut, er überschätzte die Kräfte der Türken
sebr – er äuſserte sich einmal, daſs sie » Armeen aus der Erde stampfen können
überschaute nicht mit klarem Blick die allge
meine strategische Lage und behielt mit eiserner Beharrlichkeit
auf den russisch -türkischen Krieg 1877/78 .
158
immer nur das für ihn als Fachmann wichtigste Ziel, das, seiner Ansicht nach formidabel verschanzte Lager von Plewna im Auge. Am Tage nach seiner Ankunft auf dem Kriegsschauplatze
wurde unter dem Vorsitze Seiner Majestät des Kaiser Alexander in Gorni-Studen ein Kriegsrat abgehalten und in demselben der Beschluſs gefaſst, daſs der gröſste Teil der für die russische Armee
bestimmten Verstärkungen nach Plewna herangezogen und dieses genommen werden solle, da seine Einnahme als Hauptauf gabe der russischen Armee zu betrachten sei (S. 142). Nachdem er sich vor Plewna eingehend mit allen Verhältnissen
bekannt gemacht hatte, sprach er sich sowohl gegen einen Sturm, wie auch gegen eine förmliche Belagerung aus und schlug als Ver fahren zur Erreichung des Zwecks die Blockade vor, für deren Durchführung seiner Ansicht nach die West - Armee -Abteilung un bedingt durch das ganze Garde - Corps , 3 Infanterie -Divisionen , eine Schützen -Brigade welche der Verfasser aufzuzählen ver giſst und eine Kavallerie - Division zu 3 Brigaden , verstärkt werden müsse (S. 143).
Seine Anschauung wurde im groſsen Hauptquartier gebilligt und erhielt auch die Zustimmung der Mehrzahl der Commandeure
der West-Armee - Abteilung (S. 143) . Er hielt es nicht für möglich, vor dem Eintreffen von Ver stärkungen die Straſse von Plewna nach Lofdsche — wo eine nicht
zur Einschlieſsungs -Armee gehörige russische Truppen - Abteilung stand
zu besetzen (S. 146) .
Er hielt dafür, daſs, selbst nach Ankunft der 1. und 3. Garde Division die Türken immer noch stärker seien, als die Russen .
Ihre numerische Stärke hatte er auf 50,000 Mann festgesetzt
(S. 144, 163, 170 ), die der Russen aber mit 55 - 60,000 Mann zu niedrig beziffert, denn sie betrug 85,000 Mann ( S. 144); dazu 32 Garde- Bataillone, mindestens 25,000, macht 110,000 Mann !
Das groſse Hauptquartier war der Ansicht, daſs die, durch die 1. and 3. Garde - Infanterie- Division und die Garde- Schützen -Brigade verstärkte, Armee von Plewna ausreiche, um auch die Straſse von Sofia zu besetzen und Plewna vollständig zu blockieren (S. 147) . Totleben erklärte dagegen, daſs allein die Straſse nach Lofdsche mit 30 Bataillonen besetzt werden müsse, anderen Falls könne man
sich auf diese Stellung nicht stützen ; daſs 90 Schwadronen für die Operationen der West -Armee -Abteilung jenseits des Isker nichts erreichen könnten , daſs die Russen, wenn sie nicht durch die 2. Garde- Infanterie- und die Garde -Kavallerie - Division
Bemerkungen zu der Neuen Folge der Kritischen Rückblicke
159
verstärkt würden , Gefahr liefen , getrennt und einzeln geschlagen zu werden (S. 148 ).
Er fürchtete , daſs sich ein heftiger Kampf auf der Straſse Plewna - Lofdsche entspinnen würde, wenn Skobelew am 24. Oktober aus seiner Stellung angriffsweise gegen die Türken vorginge und erteilte diesem, wie dem General Katalei, Commandeur der 3. Garde Infanterie - Division - die Gurko auf seine Bitten an diesem Tage
auch zur Verfügung gestellt worden war (S. 152) — den bestimmten Befehl, sich, um die Aufmerksamkeit der Türken von Gurkos Vor gehen gegen Ober -Dubnik abzulenken , nur auf einen Scheinangriff zu beschränken (S. 254 ).
Um einen Durchbruch der Türken zu verhindern, hielt er
140,000 Mann grade für ausreichend , wenn sie die von ibnen besetzten Stellungen stark befestigten (S. 166). Der Einschlieſsungsring wurde nach Möglichkeit verengert; die in zwei, auf dem linken Wid -Ufer in mehreren Linien hinter
einander angelegten Schanzen wurden durch Laufgräben mit ein ander verbunden, solche auch gegen die türkische Stellung vorge schoben ; Emplacements, Batterien und , zur Erleichterung des Marsches der Trappen innerhalb der Stellung, Wege wurden an gelegt ; Alles ohne einen Offensivgedanken, nur im Sinne der Ver teidigung, um den Geguer zu verhindern, die Aufstellung der
russischen Truppen irgendwo zu durchbrechen (S. 173). Verhält man sich einem » verhältnismäſsig unbedeutenden Gegner« gegenüber so, wie es die Russen vor Plewna thaten, noch dazu, wenn derselbe numerisch mehrfach schwächer ist ?
Der Krieg hat Russland schmerzliche Enttäuschungen bereitet, weil es den Gegner unterschätzte. Eine Überhebung nach dem selben, wenn sie auch dem Gefühle des Patriotismus entspringt oder ihm Rechnung trägt, kann gleichfalls für die Zukunft keinen Nutzen stiften .
Zum Schluſs sei noch auf die Beschreibung des letzten Aktes
des blutigen Kampfspieles um Plewna, als bezeichnend für die Darstellungsweise des Verfassers aufmerksam gemacht (S. 206 , 207). » Um 8 Uhr brach Osman Pascha auf die Stellung der 3. Grenadier Division vor und bedrängte die russischen Vortruppen. Eine Brigade
d. h.
die 2.
-
dieser Division eilte herbei und ver
stärkte die im ungleichen Kampfe unterliegenden 6 Bataillone der ersten Brigade. Vom linken Flügel aus faſsten die Bataillone und Batterien der 5. Division mit einem mörderischen Feuer
die dichten Massen der Türken in die Flanke.
Vom rechten Flügel
auf den russisch -türkischen Krieg 1877/78.
160
her war die 2. Grenadier -Division bereit , Hülfe zu bringen. Hinter ibr standen 6 Bataillone der 3. Garde-Division in voller Gefechts
bereitschaft. Nach einem verzweifelten Handgemenge hielten die Türken den tapferen Regimentern der Grenadiere nicht mehr Stand und beganneu langsam nach dem Wid hin zu weichen. Es gingen nun , den Türken auf den Fersen , alle Truppen des 6. Abschnitts
– 44 Bataillone, 6 Kavallerie -Regimenter und 160 Geschütze – zum gemeinsamen Angriff vor. > Der Groſsfürst - Oberkomman dierende empfing in Begleitung des General Totleben, des Fürsten Imeretinsky, des Helden des Tages General Ganetzki u. s. w., -
Osman Pascha.s
Osman Pascha hatte sich entschlossen, mit seinen, durch die langen Anstrengungen und Entbehrungen nicht erschöpften, noch weniger aber entmutigten Truppen am 10. Dezember die russischen
Linien anzugreifen, nicht in dem Glauben, daſs es ihm gelingen würde, dieselben vollständig zu durchbrechen und sich Freiheit der Bewegung zu verschaffen , sondern um der Waffenehre willen.
Die Türken » bedrängten « bei ihrer Angriffs -Bewegung nicht nur die russischen » Vortruppen « , sondern sie warfen dieselben zurück, nahmen
während ihres Vorgehens beständig vom
17. Infanterie- Regiment in der Flanke beschossen (S. 220) – in einem Anlaufe bis gegen 9 Uhr die Laufgräben und zwei hinter -
einanderliegende Schanzen im 6.russischen Verteidigungs - Abschnitt -
die erste Linie der Russen schien durchbrochen « (S. 220 Z. 14 v. 1.), »der Feind hatte die Linie durch brochen « (S. 220 Z. 3 v. u .) und machten dann
noch weitere Vorstöſse.
In
der
eroberten
Stellung behaupteten sie sich, in der Flanke und selbst im Rücken
beschossen, noch länger als 2 Stunden, auch gegen die konzentrisch vorrückenden Reserven ; » gegen 11 Uhr – allerdings sehr spät nach allen von Totleben getroffenen Vorkehrungen kamen die Reserven des Grenadier- Corps auf dem Kampfplatze an, so daſs die Türken zum Teil zum Stehen gebracht wurden, zum Teil sogar den Rückzug begannen « (S. 221 ). » Die herbeigeeilte 2. Brigade der 3. Grenadier-Division ging mit dem Bajonett vor« -
( S. 346 ). Sie fübrten dann den Rückzug schrittweise und kämpfend aus und selbst , als sie schon durch die , auf dem linken Wid -Ufer 1
von allen Seiten und auf dem rechten von Norden her, nach rückenden Gegner an dem Flusse zusammengedrängt waren und die feindliche Artillerie ein vernichtendes Feuer in ihre dichten Massen
richtete , versuchten noch einzelne der schwachen Bataillone, sich durch Offensivstöſse Luft zu verschaffen . Jahrbücher får die Deutsche Armeo und Marine
Bd. LXXI ., 2
11
161
Zur Geschichte der Schlacht von Torgau.
Osman Pascha leitete an der Spitze seiner Truppen mit Ruhe alle Bewegungen , bis er gegen das Ende des Kampfes durch einen Granatsplitter verwundet wurde. Als er darauf die Nachricht erhielt, daſs die, auf dem rechten Ufer des Wid gelegenen türkischen
Schanzen dem Feinde in die Hände gefallen waren und ihm damit auch die Aussicht genommen war, die alten Stellungen durch seine
Truppen wieder besetzen zu lassen, wodurch er vielleicht günstigere
Bedingungen für die unvermeidliche Übergabe erlangt bätte, fügte er sich der eisernen Notwendigkeit und kapitulierte. Wer verdient auf dem Bilde « dieses letzten Kampfes in den Vordergrund gestellt, wer vor der Geschichte als » der Held des Tages « anerkannt zu werden ?
Ganetzki oder Os man ?
Der geneigte Leser möge sich diese Frage selbst beantworten. 45.
X
Zur Geschichte der Schlacht von Torgau. Die erst kürzlich zu unserer Kenntnis gekommenen » Urkundlichen
Nachträge zu den Geschichtlichen Nachrichten von dem reichs ritterlichen Geschlechte Eberstein v. Eberstein auf der Rhön « ent halten auf Seite 46, Nr. 158 einen für die Geschichte der Schlacht
von Torgau nicht unwichtigen Beitrag. - Ein vormaliger Waffen
gefährte des Groſsen Königs, W. v. Eberstein, richtete im Jahre 1808 ein Bittschreiben an den König Friedrich Wilhelm III., betreffend Wiederanstellung seiner nach der Schlacht von Jena unverschuldet in Gefangenschaft geratenen Söhne. Der alte friderizianische Offizier schlieſst seinen Brief mit folgenden patriotisch erregten Worten : »Meine bitteren Gefühle seit dem unglücklichen 14. Oktober schildern zu wollen, wäre ein Frevel. Verzeihen Ew. K. Maj. aber, wenn mein blutendes Herz sich der Kühnheit nicht erwehren kann, zu äuſsern , daſs aus meinen Jugendjahren folgender oft ge hörter Umstand mir noch vorschwebt : Vor der Bataille von
Torgau eröffnete der Groſse Friedrich seinen zusammen berufenen Generalen , Obristen und Stabsoffiziers , daſs er Daun aus Sachsen vertreiben müsse.
Glückte es nicht ,
ihn zu schlagen , so ginge der Rückzug nach Magdeburg ,
Zur Geschichte der Schlacht von Torgau .
162
und die zu nehmende Position daselbst nebst den zu be
folgenden Maſsregeln hat er zugleich detaillirt ! -- Sollte denn Niemand in der Armee übrig gewesen sein, der sich dessen
erinnert ? Niemand derälteren Generale wenigstens durch theoretisches Studium der Militärgeschichte dieses groſsen Lehrmeisters den Gedanken aufzufassen vermögend gewesen sein, um bei Magdeburg davon Gebrauch zu machen ? - wo doch wenigstens soviel momentane Zeit gewonnen worden wäre, um in Schlesien die übrigen Kräfte zu sammeln und aufzustellen, da der Bogenzug nach Stettin ebenso schlimm sich dirigirte, als wenn man bei Magdeburg mit Ehren sich unter seinen eigenen Trümmern begraben hätte ? u. S. W. «
Wir bemerken zu diesen auf volle Glaubwürdigkeit und Neuheit Anspruch erhebenden Angaben des alten friderizianischen Offiziers, daſs in keiner der bisherigen Darstellungen der Schlacht von Torgau von der hier dem Könige zugeschriebenen Absicht, sich im
Falle einer Niederlage auf Magdeburg zurückzuziehen , die Rede gewesen ist. Die bekannte Ansprache des Königs am Abend vor der Schlacht wird übereinstimmend ( siehe Generalstabswerk IV. 214 ;
Beiheft zum Militär- Wochenblatt 1860, S. 41 ) mit dem Bemerken wiedergegeben : » Hierauf folgte die mündliche Disposition « , deren Inbalt, soweit dies durch Überlieferung möglich war, schon Tempel hoff (IV. 297) mitteilte, mit dem Zusatze : » Diese Disposition wurde nachher während des Marsches und auf der Stelle sehr geändert«.
Die Disposition enthielt keine Bestimmung über den Marsch des Zieten'schen Corps; Tempelhoff sagt ferner: » vermutlich damit
der Feind von dem eigentlichen Entwurf des Königs durch Spione oder auf andere Art keine Nachricht bekommen solle ; der König gab dem General Zieten unter vier Augen die Disposition « . Ist die Disposition nach dieser Seite hin lücken haft , so enthält sie gar
keine Verfügungen für den Fall der Niederlage. » Nirgend findet sich «, sagt die treffliche Darstellung der Schlacht im Militär-Wochen blat 1860, reine Spur von einer Bestimmung über das, was nach einem abgeschlagenen Angriffe zu thun sei . Und doch wären all gemeine Angaben über die Rückzugslinien, da man in getrennten Kolonnen manövrierte, dringend notwendig gewesen , wollte man
dem gänzlichen Ruin vorbeugen .« Da die von Tempelhoff, wohl in Anschluſs an Gaudis Tagebuch, wiedergegebene, dann von späteren Darstellern der Schlacht übernommene, mündliche Disposition nun aber erweislich nicht alles enthält, was der König den versammelten
Generalen und Stabsoffizieren mitgeteilt hat, so ist die Möglich 11 *
Anderungen in der Taktik der drei Waffen
163
keit nicht ausgeschlossen , daſs er dennoch Verfügungen
für den Fall des Rückzuges getroffen habe. -- Wir glauben in vorerwähntem Briefe eine Spur derartiger Bestimmungen erkennen zu dürfen .
Daſs der Rückzug des geschlagenen Heeres nur auf Magdeburg gehen konnte, ist begreiflich. Die Möglichkeit eines Elbüberganges bei Wittenberg, welches am 14. Oktober 1760 kapituliert hatte, war ausgeschlossen . Das starke und wohl verwahrte Magdeburg, in welchem schon seit längerer Zeit die Königliche Familie and das General-Direktorium sicheren Aufenhalt genommen hatten, er scheint dagegen in dieser Periode des Königs als Preuſsens letztes Bollwerk. Für die Rückzugslinie auf Magdeburg spricht ferner die nahe liegende Erwägung, daſs auf diesem Wege am ehesten eine
etwaige Vereinigung mit dem Heere des Herzogs Ferdinand von Schbg. Braunschweig hätte bewirkt werden können.
XI. Anderungen in der Taktik
der drei Waffen nach Einführung eines Kleinkaliber- Repetiergewehres.*) Die Einführung eines Kleinkaliber -Repetiergewehres in der deutschen Armee ist nur mehr eine Frage der Zeit.
Wir glauben,
daſs die Einführung einer solchen Feuerwaffe bei unserer Infanterie nicht allzulange mehr auf sich warten lassen wird. Daſs das Kleinkaliber - Gewehr bedeutende Vorteile mit sich
bringt, ist zur Genüge erwiesen. Abgesehen von der durch dasselbe erreichten gröſseren ballistischen Leistungsfähigkeit (Anfangs geschwindigkeit, **) flache Bahn , Schuſsgenauigkeit und Durch schlagskraft) des Gewehres würde der Vorteil der Verringerung *) Nach der „ Rivista militare italiana “ bearbeitet,
**) Die Anfangsgeschwindigkeit des 8 mm Mannlicher - Gewehres beträgt
590 m , die unseres Infanterie -Gewehr M 71/84 nur 435 m. Vgl. übrigens Jahr bücher für die Deutsche Armee und Marine“ August 1888. kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren . “
S. 177 und 184 .
„Zur Frage des
nach Einführung eines Kleinkaliber -Repetiergewehres. des
164
Munitionsgewichtes ,* ) also Möglichkeit , den einzelnen
Soldaten ohne Mehrbelastung mit einer ( um ein Dritteil) gröſseren
Patronenzahl ausrüsten zu können , allein genügen die Einführung eines Kleinkaliber-Gewehres zu rechtfertigen . Daſs wir hierbei gleichzeitig ein Magazingewehr wählen, ist selbstredend, um die
Feuergeschwindigkeit der Waffe nicht zu verringern.
Dänemark , Portugal, Österreich und Frankreich haben bereits រ
im Jahre 1886 Gewehre mit 8 mm Kaliber eingeführt und zwar die Systeme Lee, Kropatschek , Mannlicher und Lebel. Jedenfalls
ist die Einführung eines Kleinkaliber -Magazingewehres auch in Deutschland , wie bereits oben erwähnt, nur eine Frage der Zeit,
und es werden wohl in wenigen Jahren sämtliche europäische Heere mit solchen Gewehren bewaffnet sein .
Es scheint uns mithin von
nicht geringer Wichtigkeit zu sein, zu antersuchen, ob und welchen Einfluſs eine solche Neubewaffnung auf die Verwendung der drei Waffen im
Gefecht haben wird .
Die Rivista militare italiana veröffentlicht in ihrem Oktober
Heft 1888 einen bemerkenswerten Aufsatz : » L'impiego delle tre armi nel combattimento di fronte al futuro armamento delle fanterie
( fucile a piccolo calibro ed a ripetizione)« vom Hauptmann Zavattari im 88. italienischen Infanterie - Regiment. Verfasser legt seiner -
Studie die Annahme zu Grunde , daſs die Heere der europäischen Hauptstaaten mit
einem
gleichwertigen Magazingewehr kleinen
Kalibers bewaffnet, daſs also alle Unterschiede technischer Natur
äuſserst geringe seien , die Leistungsfähigkeit aller Waffen jedoch eine gleiche sein werde. Es gäbe dabei nun sehr viele und mannigfaltige Fragen zu erörtern , doch kann man dieselben in die beiden Folgenden zusammenfassen : 1. Bezeichnet die neue Waffe einen neuen Zeitabschnitt in der Taktik ?
2. Erleiden durch die Neubewaffnung die Verwendungs arten und Formen der drei Waffen im Gefecht eine
Änderung ? Was die erste Frage , ob die neue Waffe einen neuen Zeit abschnitt in der Taktik bezeichne , anbetrifft, so müssen wir uns 9 .
erinnern , daſs wesentliche Änderungen in der Taktik , wie die Kriegsgeschichte lehrt , in vielen Fällen die Folge einer neuen Erfindung waren , wie diejenigen des Schieſspulvers oder des *) Die Patrone des 8 mm Mannlicher -Gewehres wiegt beispielsweise 30,6 gr, die unseres Infanterie-Gewehres M 71/84 43 gr.
Änderungen in der Taktik der drei Waffen
165
Hinterladers.
Die Taktik ändert sich eben nur dann wesentlich,
wenn ihr auch wesentlich verschiedene Kampfmittel zur Verfügung gestellt werden. Man hat hierbei genau zu unterscheiden zwischen Evolution (naturgemäſser Entwickelung) und Revolution (plötzlichem Umsturz) auf taktischem Gebiete. Das Erste ist eine natürliche Bewegung und ein Hilfsmittel des Fortschritts, während das zweite eine von der vorhergehenden wesentlich verschiedene Stufe in der Taktik darstellt, welche lange Zeit hindurch sich erhält. Zur Zeit könnte Nichts ein wesentlich verschiedenes System in der Fechtweise hervorrufen , es müſste denn eine vollkommen 1
neue Waffe sein mit einem vom jetzigen Pulver wesentlich sich unterscheidenden Treibmittel, eine Waffe , von der wir zur Stunde
uns noch gar keine Vorstellung zu machen im Stande sind.
So
lange dieser Fall nicht eintritt, kann es sich höchstens um eine
allmählich eintretende, geringe Änderung in der Fechtweise handeln. Von der Goltz *) sagt in dieser Hinsicht : > Die Steigerung der
Feuerkraft der Infanterie , welche bei Einführung des Repetiergewehres bevorsteht , dürfte keine grundsätzliche
Änderung in die Natur des Gefechts bringen.
Eine solche
wird voraussichtlich erst erfolgen , wenn die Entdeckung einer anderen treibenden Kraft an Stelle des gewöhnlichen Schieſspulvers gelungen ist. Dieses muſs, im Vergleich zum allgemeinen Stande der heutigen Technik , als ein veraltetes Mittel angesehen werden , das seine Existenz nur fristet, weil der passende Ersatz noch nicht gefunden ist. Seine Beseitigung aber kann als eine Zeitfrage angesehen werden.
Gelänge es, eine treibende Kraft zu ermitteln,
welche ohne die starke Detonation und Dampferzeugnng auf die Geschosse wirkt, aber von der nötigen Gewalt ist, so würden in der
Fechtweise gewiſs Umwälzungen vor sich gehen , welche sich jetzt noch nicht abschätzen lassen. «
Durch die Verringerung des Gewehrkalibers und durch die Steigerung der Feuergeschwindigkeit der Waffe ist ein Fortschritt in der Waffentechnik erreicht, welcher auch einen Fortschritt in
der Taktik zur Folge haben wird. Letztere wird aus einer der artigen technischen Vervollkommnung wohl Nutzen ziehen , eine
wesentliche Änderung aus diesem Grunde jedoch nicht erleiden. Seit dem 14. Jahrhundert bis heute verringerte man das Kaliber
der Infanterie -Feuerwaffen von 22 mm (bei den sogenannten Haken büchsen) bis zu 7,5 mm beim Hebler-Gewehr ; die Feuergeschwindigkeit *) Von der Goltz, „Das Volk in Waffen . “ Berlin 1883. S. 355.
nach Einführung eines Kleinkaliber-Repetiergewehres.
166
wurde entsprechend gesteigert von 2- 3 Schuſs in der Stunde (bei
den ältesten Musketen) bis zu 16–18 Schüssen in der Minute bei den jetzigen vervollkommneten Gewehren . So sind wir auf dem von der Waffentechnik durchlaufenen Wege nach aufeinander
folgenden Umwälzungen zur modernen Gefechtskunst gelangt: dem stetigen Fortschritt in der Technik entsprach auch ein stetiger Entwickelungsgang auf taktischem Gebiete. Die Verringerung des Kalibers und die Einführung des Repetiergewehres bezeichnen eine weitere Haltestufe auf dem vom technischen Fortschritt be
zeichneten Wege , und naturgemäſs darf auch die Taktik nicht zurückbleiben .
Bekanntlich besitzt das Kleinkalibergewehr folgende Vorteile : 1. gröſsere Gestrecktheit der Flugbahn ( Rasanz ), 2. gröſseren bestrichenen Raum , 3. gröſsere Treffgenauigkeit, 4. gröſsere Durch
schlagskraft, 5. geringere Seitenabweichung, 6. geringeres Gewicht des Geschosses, deshalb die Möglichkeit , eine gröſsere Patronenzahl mitzuführen und 7. weniger füblbaren Rückstofs. Das Repetiergewehr besitzt infolge der gesteigerten Feuer geschwindigkeit das Vermögen, dem Gegner in bestimmten Gefechts momenten eine gröſsere Zahl von Geschossen entgegenzuschleudern, als der langsamer feuernde Einzellader.
Von all diesen Elementen wäre jedoch nur die Repetier Vorrichtung im Stande, die Kampfesweise fühlbar zu modifizieren, wenn die Wirkung jener eine fortdauernde und unbegrenzte wäre. noch nicht der Fall . Alle Das ist indes – wenigstens bis jetzt , die Taktik wesentlich zu Stande im übrigen Elemente sind nicht -
beeinflussen . – Die Kriegskunst tritt also für dieses Mal -
in keinen neuen Zeitabschnitt ein.
Die zweite Frage, ob durch die Neubewaffnung die Verwendungs arten und Gefechtsformen der drei Waffen eine Änderung erleiden, ist nach folgenden Gesichtspunkten zu erörtern : 1. In Bezug auf den allgemeinen Verlauf eines Gefechtes und zwar speziell in Bezug auf die Einleitung , Durchführung und Entscheidung des Kampfes. 2. In Bezug auf die besondere Verwendung der drei Waffen , speziell der Kavallerie, Infanterie und Artillerie. 3. Ist noch der Einfluſs
der Neubewaffnung auf das moralische Element der Truppen zu erörtern .
1. Einfluſs der Neubewaffnung auf den allgemeinen Verlauf eines Gefechtes.
Bezüglich der Einleitung des Gefechtes wird es zweck entsprechend sein , sich der charakteristischen Merkmale der jetzigen
167
Anderungen in der Taktik der drei Waffen
Schlachten zu erinnern .
Diese sind : in der Offensive konzentrischer
Anmarsch der Truppen gegen die feindliche Stellung, nach vorher gegangener Aufklärung durch die Kavallerie , in der Defensive : konzentrischer Anmarsch der Truppen auf die vorbereitete Stellung oder gewählte Verteidigungslinie nach vorhergegangener Aufklärung der gegen die Stellung führenden Angriffsstraſsen durch Kavallerie.
In Bezug auf die Offensive wäre die Frage zu erörtern, ob bei der Bildung der Marschkolonnen die Hauptmasse der Artillerie an die Tête zu nehmen sei oder nicht.
Wir müssen im Auge be
halten, daſs wir es für die Zukunft mit gröſseren horizontalen Trefflächen zu thun haben werden, demnach ein gröſserer Prozentsatz
von Verlusten sich ergeben wird, als bisher, und zwar auf allen Entfernungen .* ) Die Feuerthätigkeit der Infanterie, welche bisher auf 1600 m begann, auf 1200 m bemerkbar wurde, sich steigerte bis zu 500 m, wo sie entscheidend genannt werden konnte, ver nichtend war auf 300-200 m, wird in Zukunft bereits bemerkbar auf 1600 m , fühlbar auf 1200 m, entscheidend auf 700—400 m und von da an vernichtend .
Die Feuerthätigkeit der Artillerie ist
entscheidend zwischen 2000 und 1200-1100 m .
1500 m und vernichtend auf
Diese Entfernungen zu meiden , nicht nur infolge
der wirksamen Artillerie -Schuſsweite, als auch wegen der von nun an mörderischen Infanterie- Feuerwirkung, wird die Artillerie stets
fertig bringen und auf 5—3 km vom Feinde stets Stellungen finden können , aus denen sie nicht nur die feindliche Artillerie zur
Demaskierung zu zwingen, sondern auch den Eintritt der eigenen Infanterie in den Kampf zu decken vermag.. Ein rascher Aktions
beginn der Artillerie des Angreifers ist mithin von nicht geringer Wichtigkeit, denn wenn bis jetzt die Artillerie durch ihren Zweikampf nichts that als das Gefecht einleiten oder demselben eine be
stimmte Entwickelung geben, so wird sie jetzt infolge der besseren Wirkung ibrer Geschoſse, falls es ihr bei Beginn des Kampfes ge lungen ist, die gegnerische Artillerie rasch zum Schweigen zu bringen, *) Anmerkung der Redaktion. Die Annahme, daſs sich die Prozentsätze der Verluste mit der Vervollkommnung der Waffen entsprechend gesteigert hätten, wird durch die Kriegsgeschichte nicht bestätigt. Abgesehen von den die Treff fähigkeit beeinflussenden veränderten taktischen Formen (zerstreute Fechtart) sind
die Entfernungen, auf denen das Feuergefecht geführt wird, gleichen Schritt haltend mit der Vervollkommnung der Waffen, stetig gewachsen. So erklärt es sich, daſs Verluste, wie diejenigen einiger Schlachten des 7 jährigen Krieges und der napoleonischen Zeit (Kollin, Zorndorf, Torgau, Borodino u. a.), selbst in den
blutigsten Kämpfen der Neuzeit nicht übertroffen worden sind.
nach Einführung eines Kleinkaliber Repetiergewehres.
168
auch auf die Entscheidung des Gefechtes wesentlichen Einfluſs aus
üben. Es ist mithin notwendig, schon bei Beginn des Kampfes groſse Artilleriemassen in vorderster Linie zu haben , und wird es genügen, wenn sie in der Marschkolonne soviel Truppen vor sich haben , als unbedingt nötig sind, um das Gelände aufzuklären und
die Artillerie vor überraschenden Angriffen zu sichern. Auſserdem würde die Artillerie bei der Frontausdehnung der neueren Schlachten
und infolge der groſsen Tiefe der gegenwärtigen Marschkolonnen, falls man sie nicht an die Spitze stellen würde, zu viel Zeit ge brauchen , um das Gefechtsfeld zu erreichen ; ihre Feuerthätigkeit würde sodann der Zeit nach nur eine sehr beschränkte sein .
Die Aufgabe der Kavallerie während dieser Gefechtsperiode beschränkt sich auf die Beobachtung und Sicherung.
Infolge der
ihr eigenen Geschwindigkeit wird sie stets den Gegner beobachten, Fühlung mit ihm halten , die Bewegungen der eigenen Truppen
maskieren und eben wegen dieser ihr eigenen Beweglichkeit sich der vernichtenden Wirkung des feindlichen Infanteriefeuers entziehen können .
Was den Einfluſs der Neubewaffnung auf die Durchführung des Geïechtes betrifft, so müssen wir uns folgende charakteristischen Merkmale dieser Gefechtsperiode ins Gedächtnis zurückrufen .
In
der Offensive : Zusammenstoſs der beiderseitigen Kavallerie- Ab
teilungen , Rückzug der Kavallerie des Angreifers sowie des Ver teidigers hinter die Flügel oder die Truppen, denen sie zur Sicherung
beigegeben waren, Vormarsch der Spitzen der Angriffskolonnen und
Entwickelungsaufmarsch der letzteren , Fernangriff, Treffen bildung, Vorgehen der Treffen unter stetigem Feuern, entscheidendes Feuer des ersten Treffens,
Sturmanlauf ,
Einbruch in die feindliche
Stellung, Verfolgung des weichenden Gegners durch Feuer, Nach folgen der hinteren Treffen ; beziehungsweise Rückzug des ersten Treffens unter den Schutze der übrigen Treffen. In der Defensive : Zusammenstoſs der beiderseitigen Kavallerie- Abteilungen , Rückzug derselben hinter die Flügel oder die Truppen , denen sie zur Sicherung beigegeben waren , Zusammenstoſs der Spitzen der Angriffskolonnen mit den Vorposten oder den Truppen in der vorgeschobenen Ver teidigungsstellung *), Zurückweichen dieser letzteren, Fernkampf des *) Hierin stimmen wir mit dem Herrn Verfasser des Originalartikels nicht ganz überein. Auch in französischen Reglements findet sich dieser Gedanke wieder (vgl. Règlement sur les exercices et les manoeuvres de l'infanterie, mis en essai par décision ministérielle du 3 mai 1888, titre III. S. 145, 147, 183 und S. 157 und 161 ; wo geradezu peinlich auf das Besetzen 187, dann titre IV.
169
Änderungen in der Taktik der drei Waffen
Verteidigers , Nahkampf desselben , Entscheidung , Räumung der Stellung, Känıpfe um nacheinander eingenommene Aufnahmestellungen, beziehungsweise Gegenangriff, Verfolgung des zurückweichenden Gegners durch Feuer . – Alle übrigen Fälle können auf die beiden erwähnten zurückgeführt werden. -
Für die Feuerwirkung des Kleinkaliber - Gewehres im
Gefecht können bestimmte Anhaltspunkte nicht gegeben werden, denn der Zustand des Schützen , die Beschaffenheit des Geländes, die Verluste und deren Ersatz sind im Kriege wechselnde Elemente. Die Führung muſs stets den Umstand im Auge behalten, daſs das
kleine Kaliber gröſsere horizontale Treffflächen zur Folge haben wird, daſs mithin der Raum im Gelände, den man als Manövrier Zone bezeichnet, durch diese Eigenschaft eine Beschränkung erfahren
hat, das heiſst: Für die Zukunft wird man früher (auf gröſsere Entfernung vom Gegner ) die zerstreute Ordnung annehmen müssen, als bisher; dieser Umstand legt den Führern gröſserer Truppenkörper, da die Führung von langen Schützenketten eine erschwerte ist, in
erhöhtem Maſse die Pflicht auf, ihre Truppen so lange auſserhalb des feindlichen Infanteriefeuer -Bereiches zu halten, bis die Stellung
des Gegners vollkommen erkannt und der Angriffspunkt genau fest gestellt ist, sodann dem Vortreffen eine solche Dichtigkeit zu geben,
daſs man schon bei Beginn des Kampfes eine Feuerüberlegenheit über den Feind besitzt.
Nun zum Einfluſs der Neubewaffnung auf die Entscheidung des Kampfes. Wir wiesen bereits früher auf den innigen Zusammen hang des Fortschritts in der Technik mit den Fortschritten auf dem Gebiete der Taktik hin ..
Der durch das kleine Kaliber erreichte
technische Fortschritt ergiebt eine vermehrte Anwendung des Fernkampfes. Während dieser immer mehr den Charakter eines die Entscheidung der Schlacht bestimmenden Elementes annehmen wird, dürfte der Nahkampf mehr auf die durch die Entscheidung der
Schlacht hervorgerufenen Folgen ( Rückzug, Verfolgung) als be der sogenannten avantligne gesehen wird) , daſs vor der eigentlichen und vorbe reiteten Verteidigungsstellung noch eine vorgeschobene Verteidigungslinie zu suchen
sei, zum Zwecke, die eigentliche Stellung zu maskieren und den Gegner frühzeitig zur Entwickelnng zu zwingen ; wenn dies erreicht ist, sich hinter die Flügel der Hauptstellung zurückzuziehen, hat doch manchen Nachteil. Eine vorgeschobene Stellung kann für die Haupt- Verteidigungsstellung verhängnisvoll werden, besonders
wenn der Gegner dies auf Täuschung berechnete Manöver erkennt, vor Allem aber, weil auf diesse Weise schon bei Beginn des Gefechtes eine Art von Rückzug un bedingt erforderderlich wird, was sicherlich auf das Selbstvertrauen der Truppe nur verderblich wirken kann.
nach Einführung eines Kleinkaliber-Repetiergewehres. stimmendes Element wirken.
170
Die Schlachten der Zukunft werden
gewaltige Kämpfe sein, welche auf den Ausgang des Krieges von entscheidender Wirkung sind ; es werden derartig groſse Massen Verwendung finden , daſs der Fernkampf allein nicht genügen wird , eine wirkliche Entscheidung der Schlacht herbeizuführen , vielmehr wird auch der Nahkampf den Ausgang der Schlacht in fühlbarem Grade beeinflussen , allerdings in zweiter Linie, weil beim Nahkampf das Gelände, der Hauptkorrektor des Formalismus in der Taktik, eine Hauptrolle spielt.
Da man von Anbeginn groſse Massen einsetzen wird, so werden die Kriege der Zukunft durch groſse und entscheidende Schlachten , deshalb verhängnisvolle materielle und moralische Wirkungen, die
Entscheidung des Krieges durch wenige solcher Schlachten und Folgen von einschneidender Wirkung gekennzeichnet sein. 2. Einfluſs der Neubewaffnung auf die besondere Verwendung der drei Waffen im Gefecht.
a ) Einfluſs auf die Verwendung der Kavallerie. Diese Frage theoretisch betrachtet, gestattet folgenden Schluſs: Die neue Infanterie - Feuerwaffe in Verbindung mit der erhöhten Feuer wirkung der Artillerie zwingt die Kavallerie , sich so entfernt von -
der Gefechtsfront zu halten, daſs sie selten im Stande sein wird, zur rechten Zeit zu attackieren oder, wenn es ihr dennoch einmal
gelingt, den richtigen Zeitpunkt zu finden, infolge der erhöhten Feuerwirkung der Infanterie vernichtet ist, bevor sie zum erwünschten Zusammenstoſse mit dieser Waffe kommt. Es ist diese Frage indes auch von einer anderen Seite zu betrachten ; das Gefechtsfeld ist kein ebener Exerzierplatz, und die Kavallerie wird häufig, auch in
der Nähe des Gegners Deckung gegen Sicht und Feuer finden . Deshalb wird die Kavallerie wie bisher zwar noch Attacken auf Infanterie reiten können , doch mit Aussicht auf Erfolg nur unter
zwei Bedingungen : gegen erschütterte Infanterie und wenn sie überraschend wirken kann .
Wodurch wird nun die Infanterie erschüttert ? Sicherlich durch Infanterie- oder Artilleriefeuer. Nur das erstere betrachtend sehen
wir, daſs die neue Waffe mehr Aussicht hat, eine solche Wirkung hervorzurufen. Durch die erhöhte Feuergeschwindigkeit der Waffe (Magazingewehr) wird es jetzt öfter als früher vorkommen , daſs sich Infanterie-Abteilungen verschieſsen , daſs die Läufe sich durch das Magazinfeuer erhitzen , die Leute dadurch unruhig werden , d . h. Die durch das Magazinfeuer die Infanterie erschüttert wird .
171
hervorgerufene
Änderungen in der Taktik der drei Waffen
erhöhte
Rauch - Entwickelung wird
ein
über
raschendes Vorgehen der Kavallerie in hohem Grade be günstigen. *) Wir sehen also, daſs auch trotz der neuen Infanterie
Bewaffnung die Kavallerie, nachdem sie ihre Rekognoszierungsauf gabe gelöst hat, ohne auſser Fühlung mit dem Feinde zu kommen, doch noch im Stande sein wird, sich auf die feindlichen Kolonnen
zu stürzen, deren Aufmarsch und das Sammeln zum Gefechte zu verzögern und zu stören. Während des Gefechtes wird sie auſser
halb des Feuerbereiches der feindlichen Infanterie den Bewegungen dieser Waffe folgen und sie bedrohen können. Mit ihrer Haupt masse wird sie sich an den gefährdeten Flügel begeben, um die eigenen Truppen anderer Waffen gegen Umgehungen und Über raschungen oder gegen Bedrohnngen durch feindliche Kavallerie zu sichern und sich bestreben , diese durch geschicktes Manövrieren
womöglich in den Feuerbereich der eigenen Infanterie zu locken . Zur Entscheidung der Schlacht wird sie vereinigt und gefolgt von reitender Artillerie sich in
die Flanken der feindlichen Massen
werfen und so die Schluſskrisis günstig beeinflussen können . Der Hauptwert der Kavallerie kommt nach wie vor bei der Verfolgung des Gegners zum Ausdruck . Was die Gefechtsformationen der Kavallerie anbetrifft, so wird
man deren keine ausfindig machen können, die dem Gegner un
günstigere Ziele bieten wie bisher.
Auſserdem sind die Angriffs
formationen der Kavallerie von den besonderen Verhältnissen des
Geländes und beim Feinde bestimmt. – Durch die Bewaffnung der Kavallerie mit dem Kleinkaliber-Magazingewehr wird dieselbe endlich im Stande sein, beim Fuſsgefecht in kürzerer Zeit bessere Erfolge zu erzielen .
b) Einfluſs auf die Verwendung der Infanterie . Durch die Kaliber - Verringerung wird die Zone des Infanterie -Feuer bereiches wesentlich vergröſsert und die Manövrierzone fühlbar ver kürzt. Die gesamte Feuerzone kann man in verschiedene kleinere Zonen einteilen und zwar in die Annäherungszone, welche bisher auf einer Entfernung von 700-600 m von der Feuerfront des Gegners lag und jetzt schon auf 900-800 m beginnt, die Zone der Vorbereitung durch Feuer oder Angriffszone bis 600 oder 500 m , und die Zone der Entscheidung, und zwar der Nahentscheidung von 500-300 m , und der Einbruchsentscheidung von 300 m bis zum Rande der feindlichen Stellung.
*) Anmerkung der Redaktion : Die Einführung eines rauchfreien Pulvers wird ein überraschendes Vorgehen der Kavallerie stark beeinträchtigen.
nach Einführung eines Kleinkaliber- Repetiergewehres.
172
Forschen wir nun nach den Änderungen, welche das Kleinkaliber Gewehr in Bezug auf die Gefechtsformen bringen wird , so müssen wir uns vorerst erinnern, daſs die groſsen taktischen Körper bei der
Einleitung des Gefechts in drei Treffen zerfallen . Das erste Treffen (Vortreffen) hat die Bestimmung das Gefecht einzuleiten und den ersten Angriff durchzuführen, in der Defensive den ersten Angriff
auszuhalten . Das zweite Treffen (Haupttreffen ) dem ersten Treffen als Rückhalt zu dienen und im Verein mit dem dritten Treffen die
dem ersten Angriff folgenden Gefechts -Aufgaben durchzuführen ; in der Defensive auſsergewöhnliche Verluste zu ersetzen und den feindlichen Ansturm zurückzuweisen , indem es jene Punkte der
Front verstärkt, auf welche der Angreifer seine Kräfte konzentriert. Das dritte Treffen dient als Rückhalt für beide vordern Treffen, es wird in der Regel jedoch den ersten Angriff nicht mit zu unter
stützen , sondern nur, falls dieser miſslingt, dem verfolgenden Gegner entgegenzutreten haben, nach gelungenem Angriff das zweite Treffen in der Lösung der folgenden Gefechtsaufgaben unterstützen und in der Defensive den Rückzug der beiden vorderen Treffen decken, wenn der Verteidiger auf der ganzen Front oder auch nur auf einigen Punkten derselben überwältigt ist. In der Offensive unter scheidet man drei Phasen des Gefechtes: Einleitung, Durchführung
und Entscheidung, in der Defensive deren zwei : Fern- und Nah Verteidigungskampf.
Es ist klar, daſs für die beiden angeführten
Hauptkampfesarten und für alle übrigen, die stets in eine oder die
andere der beiden erwähnten fallen, die Neubewaffnung Einfluſs üben wird : 1. anf die Treffenabstände, 2. auf die Gefechtsformen
jedes einzelnen Treffens und 3. auf die Dichtigkeit des zur Durch führung des Gefechtes bestimmten Treffens. Was nun die Treffenabstände anbetrifft, so wissen wir, daſs
das kleine Kaliber die verschiedenen Infanteriefeuerzonen vergröſsert infolge der durch die gröſsere Gestrecktheit der Flugbahnen erzeugten gröſseren Treffgenauigkeit, lauter Eigenschaften, welche dazu nötigen, die Treffenabstände gröſser zu machen als bisher, die jedoch auch einen rascheren Verbrauch der Treffen zur Folge haben. Wir haben es hier mit zwei Thatsachen zu thun, die sich gegenseitig wider sprechen ; denn durch die Vergröſserung des Abstandes von einem Treffen zum andern entsteht die Gefahr, daſs das hintere dem vorderen
Treffen nicht zu rechter Zeit beistehen kann, um Lücken, die durch Verluste im vorderen Treffen entstanden sind, rasch auszufüllen und der Aktion Stätigkeit und Impuls zu geben. Man muſs deshalb auf bejde Punkte Rücksicht nehmend, das richtige Gleichgewicht derart
173
Änderungen in der Taktik der drei Waffen
herstellen , daſs die Aktion des vorderen Treffens sich unaufhörlich abwickelt, ohne sich dem raschen Beistand durch das hintere Treffen zu entziehen .
Was die Gefechtsformationen der Infanterie anbetrifft,
von dem Zeitpunkt an, wo diese in den Feuerbereich des Gegners tritt, so handelt es sich darum, solche Formationen zu wählen , daſs 1. die Truppen möglichst den Wirkungen des feindlichen Feuers
entzogen werden, indem man diesem das kleinstmöglichste ( für Treffwahrscheinlichkeit ungünstigste) Ziel bietet, 2. daſs man dem Gegner durch das eigene Feuer möglichst groſsen Schaden zufügen
kann, 3. daſs man mit möglichst geringen Verlusten und mit der
gröſsten Geschwindigkeit den Übergang aus einer Formation zur anderen bewerkstelligen kann und 4. daſs die Führung durch die Kommandostimme eine möglichst leichte ist. Die Gefechtsformationen sind nun verschieden, je nachdem sich
eine Truppe innerhalb oder auſserhalb des feindlichen Feuerbereichs befindet, im Marsche gegen den Feind oder in gedeckter Stellung ist, ob sie wirklich fechtet, im Rückzug begriffen ist u . s. w. Aus den Versammlungsformationen auf einer Straſse oder auſserhalb der
selben zu jenen des Angriffes muſs der Übergang unter dem Infanterie- und Artilleriefeuer des Gegners vor sich gehen und die
Truppe muſs verschiedene Gefechtsformationen passieren, bis jene Formation erreicht ist, welche ihr die gröſste Feuerentwickelung und die gröſste Wucht beim Sturmangriff oder die gröſste Wider standskraft in der Verteidigung bietet. Wenn man vom Artillerie feuer absieht, könnte man mit dem Gros ohne fühlbare Verluste
bis 1600 m gelangen und zwar in einer Formation, welche die leichteste Führung durch Kommando gestatten würde, wobei man
sich bestens über das Angriffsobjekt würde orientieren und die in Bezug auf dessen Beschaffenheit angemessenste Aufstellung würde wählen können . Aber da dies nicht angängig ist, wird man bereits
auf gröſsere Entfernung vom Gegner Gefechtsdispositionen treffen müssen , ausgenommen in der Verteidigung, wo man bereits früher
die richtige Aufstellung und die den erwähnten Anforderungen am meisten entsprechenden Treffenformationen gewählt haben wird. >> Wie die angewandte Taktik und die Strategie,« schreibt ein hervorragender Taktiker, *) » gemeinsame Grundsätze haben , welche bei ersterer auf dem Schlachtfeld, bei letzterer auf dem ganzen *) Gemeint ist hier der auf dem Gebiete der Taktik in Italien als Autorität geltende Oberst Mogni, früher Lehrer der Taktik.
nach Einführung eines Kleinkaliber-Repetiergewehres.
174
Kriegsschauplatz zum Ausdruck kommen , so hat auch die heutige dem Einfluſs der Feuerwaffen unterworfene formelle Taktik bei allen militärischen Mächten dieselben Grundformen .
Da die im Gebrauch
befindliche Infanterie-Schuſswaffe fast überall die gleiche ist, so müssen notwendigerweise auch die Gefechtsformen überall die gleichen Während die Grundsätze der Strategie und angewandten Taktik, wenn man sie auch nicht niederschrieb oder drucken konnte,
sein .
seit undenklichen Zeiten sich unveränderlich erhalten haben, wechseln gerade aus diesem Grunde die Gefechtsformen mit dem Wechsel der Schuſswaffen , und jeder radikale Fortschritt in der Waffen technik ruft das begierige Streben Aller hervor, neue geeignetere Gefechtsformen zu ersinnen , über den eingeführten Fortschritt nach zugrübeln und ihn im ausgiebigsten Maſse nutzbar zu machen . « Alle taktischen Formationen kann man in folgende zwei Arten zusammenfassen : Manövrier- und Gefechts- Formationen im engeren
Sinne oder Kampfformationen). Die ersteren sind stets komplizierte, die letzteren müssen die denkbar einfachsten sein. Die Manövrier formationen sind der Hauptsache nach die Linie und die Kolonne , die Gefechtsformationen beschränken sich auf die Linie allein .
Die glückliche Vereinigung beider Formationsarten bildet eine so zusagen gemischte Ordnung , welche gerade im Bereich des Wären uns die feindlichen Feuers angewendet werden wird. Resultate von Schieſsversuchen bekannt gegen Scheiben, welche alle
Formationen dieser gemischten Ordnung darstellen, so könnten wir jetzt schon die Abstände der verschiedenen Treffenlinien auf alle Entfernungen bestimmen und den Zeitpunkt genau feststellen, wenn die eine Linie mit der anderen sich verschmelzen muſs, um die durch die Verluste der vorderen Linie entstandenen Lücken auszufüllen
und die nötige Feuerintensität zu wahren und zu erhöhen. Doch , da dies nicht der Fall, können wir jetzt unmöglich in dieser Hinsicht genaue Festsetzungen treffen .
Immerhin ist es uns möglich , zwei
Betrachtungen anzustellen, die wir in die beiden Fragen zusammen fassen :
Wird man die Unterstützungstrupps beibehalten ? Haben die
Gros in geschlossener Ordnung oder in Schützenketten aufgelöst in Thätigkeit zu treten ?
Bei Erörterung dieser Fragen müssen wir auch die Wirkungen des feindlichen Artilleriefeuers in Rechnung ziehen . Die Lage der
Unterstützungstrupps wird eine sehr schwierige, denn sie sind nicht nur, wie die Schützenketten, dem feindlichen Feuer ausgesetzt, sondern sie können auch nicht einmal selbst Feuer geben, und der
175
Änderungen in der Taktik der drei Waffen
Umstand, daſs sie Verluste durch den Gegner zu erleiden haben ,
ohne selbst demselben solche beibringen zu können, wird sicherlich nur moralisch niederdrückend auf sie wirken . Daraus folgt, daſs die Unterstützungen sich möglichst rasch mit der Kette verschmelzen müssen , womit sie auch ihrer Aufgabe nachkommen , die gewollte
Feuerintensität bei den Schützen zu erhalten , ohne der Gefahr aus gesetzt zu sein , vernichtet zu werden, bevor sie in Thätigkeit
getreten sind. Wenn man sich nun an die früher erwähnten Eigen schaften des Kleinkaliber -Gewehres erinnert und die Wirkungen des feindlichen Artilleriefeuers mit in Rechnung zieht, so wird man zu dem Schlusse kommen, daſs geschlossene Unterstützungstrapps in Zukunft verschwinden müssen und daſs das erste Treffen lediglich
aus zwei dichten Schützenlinien zu bestehen hat, *) von denen die Hiermit soll hintere der vorderen auf ungefähr 300 m folgt. jedoch nicht gesagt sein, daſs die Unterstützungstrupps vollkommen abgeschafft werden sollen. Wenn das Gelände gute Deckungen bietet, hinter denen man geschlossene Trupps in Bereitschaft halten kann, so werden Unterstützungstrupps sogar notwendig werden.
Im Übrigen muſs man im Auge behalten, daſs der Erfolg nicht von dem strengen Einhalten der Formen abhängt, sondern von jener Elastizität, vermittelst welcher diese Formen den Umständen gemäſs modifiziert werden können.
Was nun die Frage anbetrifft, wie die Gros an der Thätigkeit der Schützenketten teil zu nehmen haben, ob in geschlossener oder 7
zerstreuter Ordnung, so sind die Ansichten hierüber sehr verschieden.
Da die Verschmelzung der Gros mit den Ketten durchschnittlich zwischen 600 und 300 m stattfindet und gerade in solchen Momenten, wo infolge der mörderischen Wirkungen des feindlichen Infanterie feuers der Soldat sich zur Anwendung des Magazinfeuers, hier zur
Munitionsverschwendung, leicht verführen läſst, so wird immerhin zur Erhaltung der zur Vorbereitung des eigenen , beziehungsweise zur Abwehr des feindlichen Sturmanlaufes nötigen Feuerdisziplin *) Anmerkung der Redaktion : Mit dem Vorschlage der doppelten Schützenlinien , welcher schon einmal, bald nach dem Kriege, gemacht , dann aber
als unpraktisch erkannt wurde, sind wir nicht einverstanden . So bald der Unter stützungstrupp aufgelöst wird, verliert man mehr oder minder die Verfügung
über denselben. Es ist dann kaum noch möglich , ihn beliebig demjenigen Teile der Feuerlinie zu zuführen , welcher der Unterstützung vornehmlich bedarf, sei es daſs es sich um eine Verstärkung oder Verlängerung derselben handelt. Der Unterstützungstrupp wird nach wie vor sich durch geschickte Benutzung des Geländes und zweckmäſsigste Formation vor unzeitigen Verlusten schützen müssen .
nach Einführung eines Kleinkaliber-Repetiergewehres.
176
eine gröſsere Geschlossenheit der feuernden Massen von nicht ge ringem Vorteil sein . Es fragt sich noch , wie dicht das Treffen sein muſs, welches
den Kampf zu entscheiden hat. Zweck des Angreifers ist, den Verteidiger zur Aufgabe seiner Stellung zu zwingen, Zweck des Verteidigers, die eigene Stellung gegen den angreifenden Gegner zu halten.
Im einen wie im anderen Falle wird man in den
modernen Schlachten und Gefechten das angestrebte Resultat durch den Nahkampf erreichen oder durch einen kräftigen Vorstofs, wenn
derselbe durch Feuer genügend vorbereitet ist und der Gegner er hebliche Verluste erlitten hat. Zur Erreichung dieses . Gefechts zweckes ist eine entsprechende Verteilung der Kräfte notwendig und eine >kontinuierliche Verwendung aller Kräfte.
In der Regel
ist hier von Einfluſs die Höhe der Verluste, aber auch in dieser Hinsicht kann man bestimmte Grenzen nicht feststellen.
Das eine
Mal genügt schon der Verlust von 10 der Gesamtstärke, ein ander Mal erst der von /
Doch nur ein entschiedener Vorstofs mit
überlegenen Kräften kann ein Sinken des moralischen Elements hintanbalten .
In der Offensive fragt es sich nun , welche Dichtigkeit man , um einen Angriff mit überlegenen Kräften durchzuführen, diesen letzteren geben muſs.
Die Erfahrung lehrt, daſs in der Regel der
Angreifer 25 - 30%, seiner Kräfte verliert, bevor es zum Nahkampf kommt. Natürlich gehört der gröſste Teil dieses Prozentsatzes den Truppen des ersten Treffens an . Mithin wird die Führung dafür sorgen müssen, daſs das zweite Treffen zur Unterstützung vorgeht, sobald das moralische Element zu schwanken beginnt. Um einen einfachen Angriff auszuführen mit Hoffnung auf Erfolg, muſs man mindestens eine Dichtigkeit von 6—7 Mann für jeden Schritt der Front besitzen, selbstredend unter Einrechnung der Wirkung der eigenen Artillerie bei der Vorbereitung und Durchführung des
Angriffs. Will man den Erfolg sicher stellen, so muſs man noch weitere 2 Mann pro Schritt hinzufügen. Will man den Erfolg aus nützen zur Verfolgung des Gegners, muſs man abermals 2–3 Mann pro Schritt hinzufügen, da man hierbei auf die Truppen, die den Angriff eingeleitet und durchgeführt haben, nicht rechnen kann . Im Ganzen schwankt inithin die erforderliche ¡Dichtigkeit zwisehen 10 und 12 Mann pro Schritt der Front. *) Bei all diesen Betrachtungen wurde abgesehen von dem besonderen Einfluſs des *) Vgl. „ Wehr-Zeitung“ 1886, Nr. 4, 5 und 7. Jahrbücher für die Deutache Armee und Marine,
Bd . LXXI., 2 .
12
177
Änderungen in der Taktik der drei Waffen
Geländes, welches jene Zahlen merklich reduzieren kann, auch wird nicht jeder Angriff stets vollkommen frontal ausfallen . Die Stärkeverhältnisse der einzelnen Treffen sind nun
verschieden , je nachdem man sich offensiv oder defensiv verhält.
Beim Angriff werden alle drei Treffen ungefähr gleich stark sein ; nur wenn das dritte Treffen als Reserve voraussichtlich gar nicht
oder wenig zur Verwendung kommen wird, ist es vorteilhaft, jedes der beiden vorderen Treffen merklich stärker zu machen als das Dritte. In der Defensive richten sich die Stärkeverhältnisse der
verschiedenen Treffen nach dem Grade des Widerstandes, den man
dem Gegner zu leisten beabsichtigt. Will man defensiv wirklich eine Entscheidung herbeiführen , so muſs man schon dem ersten Treffen eine solche Stärke geben, daſs es, ohne Unterstützung durch
die andern Treffen zu genieſsen , auf dem gröſsten Teile der Front einen wirksamen Widerstand zu leisten im Stande ist.
Man kann
die Einwendung machen , daſs der Verteidiger als numerisch schwächer vorausgesetzt werden muſs als der Angreifer und daſs er der eigenen Front eine solche Ausdehnung geben muſs (beim ersten Treffen 2 Gewehre pro Schritt der Front) , daſs Umgehungen durch den
Gegner allerdings verhindert werden , daſs er aber wenig Truppen für das zweite und dritte Treffen übrig behält.
Wir erwidern
hierauf, daſs die Schwäche des Verteidigers vernünftiger Weise nicht im ersten Treffen , sondern in den hinteren Treffen zu suchen ist.
Der Verteidiger hat zu verhindern , daſs der Angreifer die Überlegenheit im Feuer erlange. Gelingt dies letzterem dennoch , so wird Nichts im Stande sein , beim Verteidiger die gebrochenen organischen Fesseln wiederherzustellen, und wenn man das erste Treffen so schwach macht, daſs man erfolgreichen Wider stand mehr vom zweiten Treffen erwartet , so wird wohl nicht
selten der Fall vorkommen , daſs dieses die Verteidigungsfront
erreicht, um — in eine Katastrophe verwickelt zu werden. Im Interesse des Verteidigers liegt es , alle Momente aus zunützen , in denen der Angreifer ihm günstige Ziele bietet, um
diesem möglichst groſsen Schaden zu zufügen . Die Feuerlinie muſs jedoch seit Beginn des Gefechtes in der Lage sein , dem eigenen Feuer die erforderliche Intensität zu geben , ohne daſs letzteres in
ein Schnellfeuer ansarte , wodurch auf weitere Entfernungen dem
Verteidiger der Vorteil verloren ginge, den er daraus zieht, daſs er im Stande ist, gut zu zielen und auf bekannte oder leicht zu schätzende Entfernungen zu schieſsen. Dazu kommt noch , daſs
der Verteidiger stets danach streben muſs, die Übermacht zu
178
nach Einführung eines Kleinkaliber-Repetiergewehres.
behalten. Um nicht Gefahr zu laufen , zu spät zum Zurückwerfen des anstürmenden Gegners zu kommen , ist es für ihn sicherlich 2
wünschenswert, daſs er nicht nur die in erster Linie zur Besetzung
der Verteidigungsfront bestimmten Truppen , sondern auch die unmittelbaren vom Gros gegebenen Reserven möglichst stark mache. Auf diese Weise werden auf dem gröſsten Teile der Front die Truppen in der richtigen Weise verwendet ; sodaſs sie der nach haltigsten Verteidigung fähig sind , und das zweite Treffen wird nur dazu berufen sein , durch auſsergewöhnliche Verluste im ersten Treffen entstandene Lücken auszufüllen uud durch sein Feuer den
feindlichen Sturmanlauf zurückzuwerfen , indem es jene wenigen Strecken der Front verstärkt , gegen welche der stürmende Gegner seine Streitkräfte konzentriert.
Unter solchen Umständen darf das
zweite Treffen verhältnismäſsig schwach sein und trifft man über
die zu ihm gehörenden Truppen derart Verfügung , daſs man sie hinter die am meisten bedrohten Punkte verteilt. *) Da , wo es dem Feinde dennoch gelänge, durchzubrechen , verwendet man das dritte Treffen im Verein mit den Reserven , deren Stärke in der
Defensive ungefähr ein Viertel der Gesamtstärke betragen wird . Hat die Defensive einen lediglich demonstrativen Zweck , so wird
vaturgemäſs die Verteidigungsfront eine ausgedehntere sein und eine geringere Dichtigkeit besitzen als bei einem (dezisiven ) Verteidigungs gefecht, durch welches eine wirkliche Entscheidung herbeigeführt
werden soll. Es wird in diesem Falle ein Gegenangriff gegen be sonders kühne Unternehmungen des Angreifers ausschlieſslich Auf gabe des zweiten Treffens sein .
c) Einfluſs auf die Verwendung der Artillerie. Die rationelle Verwendung der Artillerie im Gefechte findet stets nach
zwei Gesichtspunkten statt und zwar : 1. in Bezug auf den all gemeinen Zweck des Gefechtes und 2. in Bezug auf das Zusammen wirken der drei Waffen im Gefecht.
Solange die Artillerie den Hauptanteil am Kampfe hat, nämlich
in der Offensive zur Vorbereitung des Angriffs, in der Defensive während aller Gefechtsperioden ist sie die dominierende Waffe auf dem Gefechtsfeld . Rücksicht hat sie zu nehmen auf das Gelände
und die feindliche Artillerie , auſserdem darauf zu achten , daſs sie nicht in den wirksamen Bereich des gegnerischen Infanteriefeuers gelangt.
Ihre Aufgabe ist , die Entwickelung der Infanterie zu
*) Vgl. „Il battaglione inquadrate nei futuri combattimenti “ vom Oberst Fanchiotti. 12 *
Änderungen in der Taktik der drei Waffen
179
decken , in dem sie das Feuer der feindlichen Artillerie anf sich
zieht, und das Gelände vor der eigenen Infanterie zu säubern , um dieser den Angriff zu erleichtern. Doch sowie die Infanterie in die Angriffszone eingetreten ist, knüpft sich die Thätigkeit der Artillerie unlösbar an jene der Infanterie und die Artillerie muſs das Loos teilen , das dieser wartet. Sie muſs das Gefecht fortsetzen, ohne je die Fühlung mit den andern Waffen zu verlieren . Dies ist der
Zeitpunkt , wo sie die Wirkungen des feindlichen Infanteriefeners zu spüren beginnt.
Immerhin hat sie nicht viel von diesem Feuer
zu fürchten, wenn es vom Feuer der eigenen, weit vor der Artillerie stellung befindlichen Infanterie im Schach gehalten wird. Da wir die Resultate von Schieſsversuchen gegen Scheiben,
welche Infanterie mit 100—150 m dahinter aufgestellter Artillerie darstellen, nicht kennen , ist es uns nicht möglich anzugeben , wie weit im äuſsersten Falle die Artillerie sich vorwagen darf, um die
Bewegungen der eigenen im Vorrücken begriffenen Infanterie zu unterstützen .
Doch kann man es füglich als Wahnsinn bezeichnen,
wenn sich die Artillerie in der Offensive unter 700 m Entfernung der feindlichen , in guter Stellung befindlichen Infanterie nähert immerhin wird sich diese Waffe zwischen 700 und 1200 mm halten Würde man die Artillerie während der Angriffsperiode können . weiter zurücklassen , so würde sie nicht nur nicht den Moment der
Entscheidung teilnahmslos an sich vorübergehen lassen , sondern
auch Gefahr laufen, vom Gegner überrascht zu werden , beziehungs weise erfordern , daſs man den Angriff abschwäche , indem man ihr eine genügend starke Partikular -Bedeckung zuteilt. Im Übrigen ist es für den Erfolg des Gefechtes von gröſserem Vorteil , wenn die Artillerie eine Teilkrisis erleidet , als wenn sie unthätige Zu schauerin der infanterischen Anstrengungen bleibt. In der Defensive sucht man die Artillerie vor dem wirksamen feindlichen Infanteriefeuer dadurch zu schützen, daſs man die Plänkler linien 600-500 m vor die Artillerie- Feuerlinie vorschiebt, wenn
Eigentümlichkeiten des Geländes nicht noch mehr gestatten.
Da
durch würde die feindliche Infanterie sich der Artillerie- Feuerlinie
nicht unter 1000 m nähern können , eine Entfernung , welche ge
nügend groſs ist, die Bedienung der Geschütze zu ermöglichen. Schwierig wird die Sache nur dann, wenn die eigenen Schützen linien zurückgeworfen werden.
Würde
sich
die
Artillerie am
Rückzuge beteiligen , so wäre Alles verloren. Je mehr der Feind avanciert, desto mörderischer werden die Wirkungen seines Infan 1
teriefeuers ; der Versuch zum Rückzug würde den Verlust der
nach Einführung cines Kleinkaliber-Repetiergewehres.
180
Artillerie bedeuten . In diesem Momente genügen ein paar Kartätsch Ladungen gegen den Feind , seinen Elan zu hemmen und ihn zum Weichen zu zwingen .
3. Einfluſs der Neubewaffnung auf das moralische Element der Truppe. Jeder Fortschritt in der Bewaffnung eines Heeres bedeutet ein Wachsen dessen materieller und moralischer Kraft.
Diese Kraft
wächst um so mehr, je gröſser das Bewuſstein der eigenen materiellen Überlegenheit wird. Das sozusagen materielle Element muſs aus allen Fortschritten der Technik Nutzen ziehen können .
Für die
mehr die technische Ver Bewaffnung ist das um so nötiger, nötiger, je meh vollkommnung sich äuſsert in einer Zunahme der aktiven Kraft für den Kampf. Wir können deshalb sicherlich mit Fug und Recht behaupten, daſs die Neubewaffnung einen wesentlichen Einfluſs auf
den Geist der Truppen haben wird , denn sie bedeutet: gröſsere Kraft.
Diese Betrachtungen erklären uns in vollkommenster Weise die
Thatsache, daſs in jüngster Zeit fast sämmtliche Armeen – Russland machte hiervon bisher eine bemerkenswerte Ausnahme *)
mit
Repetiergewehren bewaffnet wurden. Die Repetiergewehrfrage war sozusagen eine moralische Frage, und wenn auch die Einführung
eines Repetiergewehres ans militärischen Gründen nicht absolut nötig war
denn sonst hätte gewiſs auch Russland schon Repetier
gewehre angenommen – so zwangen uns doch Gründe moralischer Natur dazu .
Das zukünftige Kleinkaliber-Repetiergewehr wird in
dieser Beziehung noch höheren Einfluſs ausüben , weil es wirklich reelle Vorteile über unser jetziges Infanterie -Gewehr besitzt. Zavattari kommt nun zum Schlusse , indem er noch ungefähr
folgende Betrachtungen anstellt : Ist die Kriegführung eine Kunst , so müssen wir für diese harmonische, praktisch ausführbare und nützliche Gesetze finden, ist sie eine Wissenschaft , so müssen wir auf Grund von Experimenten
Lehrsätze ausfindig machen , aus denen wir die richtigen taktischen Gesetze ableiten. Was auch immer das Richtige sei, am besten hilft und nützt uns in dieser Beziehung das Experiment, der Krieg selbst.
All zu oft können wir aber dies Experimevt nicht machen. Der soziale Fortschritt ist ein beständiger und äuſsert sich in allen *) In letzter Zeit ist übrigens auch Russland der Repetiergewehrfrage näher getreten.
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
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Zweigen des menschlichen Wissens ; die Heere müssen ihm folgen,
Umwälzungen durchmachen uud sich stets rüsten zu neuen Kämpfen und praktisch ungelösten Fragen. Die Folgen einer irrigen Lösung wirken tief zurück auf den sozialen
mit nur zu viel neuen
Organismus und berühren die vitalsten Interessen der Nationen,
Es ist mithin eine Notwendigkeit, daſs während der langen Friedens Perioden der Sinn des Militärs in allen neuen Fragen sich festige
und danach strebe, günstige Lösungen zu finden auf Grund von
Erfahrung und Überlegung. Auch in diesen Betrachtungen haben wir Solches anzustreben gesucht, indem wir uns mit der Behandlung einer der hervorragendsten militärischen Tagesfragen beschäftigten.
Mögen auch die vorstehenden Zeilen zur Klärung der Frage H. B.
beitragen.
XII. Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte. Von
Petermann , Premierlieutenant im Infanterie -Regiment Nr. 120.
In Anbetracht der durch die Wirkung der heutigen Feuer
waffen auſserordentlich gewachsenen Schwierigkeiten des Angriffs, ist von verschiedenen Seiten die Verlegung der Angriffskämpfe auf die Nachtzeit vorgeschlagen worden . Obschon nun dieser Gedanke ernster Erwägung wert erscheint, so unterliegt es doch keinem
Zweifel, daſs die groſsen Schlachtenentscheidungen im Feldkrieg wegen der zur Verwendung kommenden Massen heute mehr als
jemals am Tage gesucht werden müssen . Wer eine Angriffsschlacht schlagen will, muſs den Angriff am Tage zum Siege durchzukämpfen verstehen . Dessen ungeachtet werden kleinere Angriffsunternehmungen
auch in Zukunft mit Vorteil im Dunkel der Nacht ausgeführt werden können . An einem Beispiel dieser Art, dem Nachtgefecht bei Podol am 26. Juni 1866, soll im Folgenden versucht werden , einige Lehren hierfür aufzustellen. Der nachstehenden Schilderung des Gefechts
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
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verlaufes liegen die amtlichen Berichte beider Gegner zu Grunde,
welche sich gegenseitig ergänzen , wenn man von einigen Wider sprüchen in untergeordneten Punkten und von einzelnen verschiedenen Zeitangaben bezüglich derselben Ereignisse absieht. Die allgemeine Kriegslage, innerhalb welcher sich die zu be sprechenden Vorgänge bei und in Podol abspielten , war kurz folgende: Als im letzten Drittel des Juni 1866 die erste preuſsische Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl gegen die Iser im Anmarsch war , standen österreichischerseits das sächsische und das erste öster Pent
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reichische Corps unter dem Kronprinzen von Sachsen, bei München grätz , während die österreichische Hauptarmee zwölf Meilen süd
östlich von diesem Punkte eben ihre Versammlung vollzog. Am 26. Juni nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr erhielt der Kronprinz von Sachsen seitens des österreichischen Oberkommandos den Auftrag, Münchengrätz und Turnau um jeden Preis zu halten. Zur Durch führung dieser Aufgabe beschloſs derselbe, am 27. Juni einen
allgemeinen Angriff über die Iser hinaus ins Werk zu setzen. Die bereits zerstörte Eisenbahnbrücke bei Podol sollte zu diesem Zwecke
wieder gangbar gemacht werden . Auf preuſsischer Seite hatte Prinz Friedrich Karl am Nach mittag des 26. Juni an seine Divisionen Befehl zum Aufbruch
183
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
erteilt, um sich noch an diesem Tage des wichtigen Übergangs über die Iser bei Turnau zu bemächtigen . Dorthin sollte die 7. Division (Fransecki ), die 8. nach Preper vorgehen und letztere ihre Vor posten nach Podol vorschieben. Auch den übrigen Divisionen war der Vormarsch in der Weise befohlen worden , daſs nach voll
zogener Bewegung nahezu die ganze Masse der Armee bei einem sich am 27. etwa entspinnenden Kampfe an der Iser mitwirken konnte.
Zugleich wurde durch die Märsche am 26. ein weiterer
Schritt vorwärts gethan im Sinne einer Annäherung an die eben falls dem gemeinsamen Zielpunkte Gitschin zustrebenden preuſsischen Flügelarmeen , die Elbarmee rechts, die zweite Armee links unter
dem Kronprinzen von Preuſsen .
Die 7. preuſsische Division unter
Generallieutenant Fransecki fand am Nachmittage des 26. Turnau unbesetzt.
Der General lieſs sofort eine Pontonbrücke über die
Iser schlagen und die teilweise zerstörte Hauptstraſsenbrücke zur Benutzung wenigstens für Infanterie wiederherstellen. Als die Nach
richt, daſs Turnau von den Preuſsen angeblich nur mit schwachen Kräften besetzt sei , beim sächsisch - österreichischen Hauptquartier einlief, wurde hier beschlossen , die für den 27. Juni beabsichtigte Bewegung noch am Abend des 26. dadurch eipzuleiten , daſs Turnau überfallen und bei Podol die jenseitige Höhe von Swigan besetzt werde , um auch dort den Übergang für den nächst folgenden Tag sicher zu stellen . – Die auſserordentliche Schwierigkeit der Sachlage auf Seite der verbündeten Österreicher
nnd Sachsen kennzeichnet das preuſsische Generalstabswerk treffend durch folgende Worte: > Man übersieht nach Lage der Verhältnisse
leicht , daſs die Zeit zur Ausführung nicht mehr gegeben war.
Selbst wenn es gelang, sich der Übergänge zu bemächtigen, würde man beim Vorrücken die preuſsische erste Armee in der Front, die Elbarmee in der linken Flanke und die Iser im Rücken gehabt haben . «
Am Nachmittag des 26. Juni standen drei Compagnien des österreichischen Regiments Martini in der Gegend , welche zum Schauplatz des Gefechts werden sollte : die 18. in Swigan, die 17. auf Vorposten nördlich Swigan und die 13. in Podol . Letztere hatte anfänglich nur Posten im Schüttkasten , sowie in der östlich .
des Ortes liegenden Au aufgestellt; nach dem Anlangen des Angriffs befehls für den 27. besetzten sie aber , einen Zug bei der Brücke zurücklassend, das nordöstliche Ende des Dorfes und errichtete in demselben Straſsensperren . Die vorgeschickten Patrouillen stieſsen schon um 6 Uhr abends mit preuſsischen zusammen. Von diesen
Podol , ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
184
Maſsregeln kann die Besetzung des dem Gegner zugewendeten Dorf randes unter gleichzeitiger Sicherung der Brücke , sowie die Aus sendung von Patrouillen in der mutmaſslichen Anmarschrichtung der Preuſsen als zweckmäſsig angesehen werden . Die Errichtung von Straſsensperren hingegen entsprach wohl nicht dem Angriffs
gedanken ; denn derartige Hindernisse haben in der Regel für Freund und Feind dieselbe aufhaltende Wirkung. Die Brückenenge sollte aber nicht gesperrt , sondern für den geplanten eigenen Vormarsch der Österreicher freigehalten werden. Dies schloſs allerdings nicht aus, daſs vorwärts der Wegenge unter Anwendung anderer geeigneter Mittel feindlichen Angriffen kräftigster und nachhaltigster Wider stand entgegengesetzt wurde.
Ereignisse in der Zeit von 7 '/, Uhr bis 9 '/, Uhr abends. Erstmalige Wegnahme des Dorfes Podol und der dortigen Iserbrücken durch die Preuſsen .
Die 8. preuſsische Division war im Verfolg des erhaltenen Marsch befehls nach dem Abkochen bei Sichrow um
6 Uhr abends
nach Preper marschiert, in welchem Dorfe die Vorhut Halt machte. Eine Auskundschaftung ergab , daſs Podol vom Feinde besetzt sei , und General von Schmidt befahl , daſs eine Compagnie des magde burgischen Jäger- Bataillons Nr. 4 vorgehen sollte, um Podol zu
nehmen und die dortigen Übergänge zu sichern . In Ausführung dieses Auftrags drang die 4. Compagnie unter Hauptmann Micha lowski in Podol ein.
In der Mitte des Ortes von einer Straſsen
sperre her durch Feuer empfangen , nahm dieselbe das Hindernis durch entschlossenen Angriff und setzte den Kampf um drei weitere Straſsensperren fort, indem die 13. Compagnie des österreichischen Regiments Martini vor ihr bis an die Brücke zurück wich .
Diese
letztere verzichtete sonach trotz der künstlichen Verstärkung ihrer
Verteidigungsabschnitte auf zähe Gegenwehr. Gleichzeitig säuberte der Hauptmann Mertens mit der 2. Compagnie des 4. preuſsischen Jäger - Bataillons die Höhe von Swigan von der dort stehenden
17. Compagnie des Regiments Martini, welche in der Folge nach Laukow abzog, und drang von der Westseite in Podol ein . Auch die 18. Compagnie des Regiments Martini war von Swigan nach Podol an die dortige Hauptstraſsenbrücke zurückgegangen. Die Österreicher überlieſsen aber, angeblich weil das Auftreten preuſsischer Abteilungen bei dem Wirtshaus südlich von Podol ihren Rückzug gefährdete, die Brücke den nachdrängenden preuſsischen Jägern, welche nach dem preuſsischen Berichte — nunmehr über alle vier Iserbrücken gelangten , jenseits derselben aber durch heftiges -
185
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
Feuer aus den Straſsengräben und einem einzelnstehenden Hause empfangen wurden . Bei dieser Gelegenheit fiel Hauptmann Micha lowski und seine Compagnie ging hinter die Iserbrücke zurück .
Dort trafen um 8 °/2 Uhr die 10. und 11. Compagnie des preuſsischen Infanterie- Regiments Nr. 72 ein , welche zur Unterstützung nach geschickt worden
waren .
Major v. Flotow führte sie über die
Brücke vor und vertrieb den Gegner aus dem einzelnstehenden Hause.
In einer Stellung dort behaupteten sich die beiden Füsilier
Compaguien etwa bis 9/2 Uhr. Zwei Compagnien des preuſsischen Regiments Nr. 71 wurden vom Divisions-Commandeur wieder zurück
geschickt, weil das Feuer vor Podol schwieg und man das Gefecht als beendet ansehen
konnte .
Dagegen trafen noch die 9. und
12. Compagnie Regiments Nr. 72 ein , so daſs nunmehr das ganze Füsilier-Bataillon dieses Regiments zur Verfügung stand . Die beiden preuſsischen Jäger-Compagnien waren anscheinend bei dem Eintreffen der Füsiliere Regiments Nr. 72 zurückgegangen und nahmen an
den folgenden Kämpfen nicht mehr Teil. Dagegen befanden sich bedeutende österreichische Kräfte zu dieser Zeit im Anmarsch auf
Podol. An die österreichische Brigade Poschacher war nämlich um 7 ' ], Ubr abends der Befehl erlassen worden , noch vor Einbruch
der Nacht mit allen Abteilungen auf den Höhen des rechten Iser ufers vor Swigan Stellung zu nehmen .
Dieser Befehl war
um
8 % Uhr abends bei der Brigade Poschacher eingetroffen . Um schneller zum Ziel zu gelangen, marschierte Oberst Bergau, welcher anstatt des zur Zeit im Corpsquartier befindlichen Generalmajors Poschacher das Kommando über die Brigade übernommen hatte, mit dieser in zwei Abteilungen ab.
Die eine dieser Abteilungen
unter Oberst Bergau selbst, im Ganzen 19 Compagnien stark , rückte auf der Hauptstraſse gegen Podol vor und vernahm schon unter wegs das heftige Feuergefecht, welches in diesem Ort zwischen den beiden Compagnien Martini und den Füsilieren Nr. 72 entbrannt war. – Für die Beurteilung der beiderseitigen Stärkenverhältnisse
ist zu beachten, daſs die österreichischen Bataillone 6 Compagnien zählten, ohne daſs ihre Durchschnittsstärke derjenigen der preuſsischen Bataillone überlegen war ; die österreichischen Compaguien waren um so schwächer.
Ereignisse in der Zeit von 9/2 bis 11 Uhr abends. Podol wird von den Österreichern zurückerobert. Oberst Bergau lieſs mit zehn seiner Compagnien den Angriff auf Podol aus führen, während neun Compagnien als Rückhalt folgen sollten.
Die Brücke wurde nun durch diesen mit weit überlegenen Kräften
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
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unternommenen Angriff , wenn auch unter groſsen Verlusten der Österreicher, den Preuſsen entrissen und diese hinter die Brücke zurückgeworfen ; doch verhinderte das Feuer der preuſsischen Schützen die Österreicher, nachzudrängen. Auf die Meldung, daſs ein österreichisches Bataillon von Westen her gegen das Dorf vor rücke, und bei der Schwierigkeit der Gefechtsleitung in der Dunkelheit und im unbekannten Gelände entschloſs sich Major v. Flatow um 11 Uhr, Podol zu räumen. Die Österreicher drangen nun, während vier Compagnien an der Brücke blieben, mit den übrigen sechs Compagnien der Angriffskolonne in das Dorf ein. Diesem Angriff
schlossen sich auch die 13. und 18. Compagnie Martini an . -- In dem nur eine halbe Meile entfernten Biwak bei Preper und Swerzin batte der Commandeur der preuſsischen 15. Infanterie - Brigade, Generalmajor v. Bose, ungefähr um 10 Uhr abends die zunehmende Heftigkeit des Feuers bemerkt und eilte nun selbst mit den beiden 2. Bataillonen der Infanterie -Regimenter Nr. 31 und Nr. 71 vor, deren Gesamtstärke kaum 1300 Mann betrug, da die Rückkehr der zum
Wasserholen abgeschickten Leute nicht abgewartet wurde.
Helme und Tornister waren abgelegt. Von den zurückgehenden Abteilungen ( Füsilier-Bataillon Regiments Nr. 72 ) erfuhr man die bedeutende Stärke, welche der Gegner vor Podol entwickelt hatte.
In Erwägung aber, daſs dieser wichtige Übergang unter allen Umständen genommen werden müsse und daſs dies später wahr scheinlich noch gröſsere Opfer kosten würde, entschloſs sich General v. Bose zum sofortigen Angriff.
Ereignisse in der Zeit nach 11 Uhr abends. Podo ] wird von den Preuſsen zum zweiten Mal genommen und behauptet . .
· Das 2. Bataillon Regiments Nr. 71 ging von Westen her, das 2. Bataillou Regiments Nr. 31 auf der Hauptstraſse gegen das Dorf vor.
Die 5. Compagnie Regiments Nr. 31 erhielt Feuer aus den
nächsten Häusern und bald trat eine feindliche geschlossene Ab teilung zum Angriff hervor.
Das Bataillon machte Halt, liefs die
beiden vordersten Glieder niederknieen , um den geschlossen anrückenden Gegner mit einer Salve aus vier Gliedern zu empfangen. Erst als dieser auf 30 Schritt Nähe
im
hellen Mondschein
deutlich
zu
erkennen war, wurde das Feuer und zwar mit vollster Wirkung
abgegeben, dann unmittelbar zum Bajonettangriff geschritten.
Eine
groſse Zahl Toter auf dem Platze lassend, wich die österreichische
Abteilung zurück , setzte sich aber hinter der schon früher ge nommenen , jedoch nun teilweise zerstörten Straſsensperre in der >
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
187
Mitte des Dorfes wieder fest. Vielfache Hornsignale lieſsen einen erwarten . Er erfolgte und wurde nun von der 7. Compagnie Regiments Nr. 31 in derselben Weise und mit derselben Wirkung zurückgewiesen . — Bezüglich der Beleuchtung des Gefechts
neuen Vorstoſs
feldes durch den Mond ist zu bemerken, daſs in jenen Tagen Voll
mond herrschte, welcher während des Gefechtes schien, sofern nicht Wolken ihn verdunkelten .
-
Inzwischen war auch von Westen
her das 2. Bataillon Regiments Nr. 71 in das Dorf eingedrungen. Die Österreicher, welche zu den eben geschilderten Kämpfen auch den gröſsten Teil ihrer Rückhaltstruppen herangezogen hatten , räumten einen Teil desselben und verloren dabei in einem massiven
Gebäude zahlreiche Gefangene. Alle ihre Versuche, sich wieder Besitz zu setzen, scheiterten . -
Der bisherige Verlauf des Gefechtes giebt zu einigen Be merkungen Anlaſs.
Von den durch die Österreicher hergerichteten Straſsensperren gewann diejenige in der Mitte des Dorfes dadurch einige Bedeutung, daſs sie den zurückgewiesenen österreichischen Angriffstruppen Gelegenheit bot, Halt zu machen, sich zu sammeln , zu ordnen und einen zweiten
Vorstofs zu versuchen versuchen..
Im Übrigen blieben die
Straſsensperren ohne wesentlichen Einfluſs auf den Gang des Gefechtes. Sie hätten jedoch einen solchen gewinnen können, wenn sie sich für den Angreifer als schwierige, nicht ohne Weiteres übersteigbare Hindernisse erwiesen und denselben zur Umgehung des Ortes ge zwungen
hätten.
Gerade zur Nachtzeit , zumal in unbekannter
Gegend, sind Truppenbewegungen auſserhalb der Straſsen nicht leicht und der Verlauf des Gefechtes zeigt, wie sowohl die Preuſsen, als auch die Österreicher auf die Benutzung des seitwärts der Straſsen und des Ortes gelegenen Geländes verzichteten , indem
beiderseits alle Abteilungen sofort dem Innern des Dorfes zu strebten .
Weiter verdient die Wirkung der ausgeführten Flankenangriffe besondere Beachtung.. Der preuſsische Major v . Flotow hatte Podol auf die Nachricht hin geräumt , daſs ein österreichisches Bataillon von Westen her gegen das Dorf vorrücke; und nachher sahen sich auch die Österreicher veranlaſst, einen Teil Podols Preis zu geben, als die Flankenwirkung des 2. Bataillons des preuſsiscben
Regiments Nr. 71 sich fühlbar machte. Am Tage bei unbeschränkter Übersicht kann eine drohende feindliche Flankenbewegung unschwer
rechtzeitig erkannt und unschädlich gemacht werden ; in der Nacht, wo ein Stoſs meist erst durch seine Wirkung erkannt wird , wo
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
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an sich schon jede Gefahr gröſser erscheint, als sie wirklich ist, wächst die Bedeutung der gegen die Flanken gerichteten Bewegungen.
Die groſsen Verluste der Österreicher an Gefangenen sind neben der Besetzung der Häuser durch dieselben namentlich dem Flankenangriff des 2. Bataillons des preuſsischen Regiments Nr. 71 zuzuschreiben, welcher ihnen den Rückweg zur Brücke abschnitt. Die Anordnungen des Generals v. Bose und ihre Ausführung durch das 2. Bataillon des Regiments Nr. 31 können als muster
giltig für derartige Gefechtslagen hingestellt werden. Die Zurück lassung des Gepäcks und der Helme war im Hinblick auf die ge botene Eile und die damals herrschende groſse Hitze eine durchaus
zweckmäſsige Maſsregel. Auch bei ungünstigem Ausfall der nächt lichen Unternehmung hätte sich der Rückschlag nicht soweit aus gedehnt, daſs die zurückgelassene Ausrüstung nicht wieder aufge nommen , beziehungsweise auf anderem Wege in Sicherheit gebracht werden konnte.
Während ferner im Anfang des Gefechtes die
Preuſsen von der Überlegenheit des Zündnadelgewehrs über den Vorlader ihrer Gegner keinen entscheidenden Gebrauch machen
konnten , indem sie die Angreifer waren und nachher die Dunkelheit die volle Ausnutzung der Feuerwaffe hinderte, bewährte sich in der
Verteidigung bei einigermaſsen günstiger Beleuchtung die Waffe selbst ebenso wie die Art ihrer Verwendung. Die Zurückhaltung des Feners, bis der Gegner einen Abstand erreicht hatte, auf welchen jeder Schuls ein Treffer sein muſste, erforderte Einsicht und Einfluſs der Führung in gleich hohem Maſse. Die preuſsische Mannszucht und die treffliche Führung siegten über den Gegner. Durch die viergliedrige Aufstellung wurde auch in der Enge der Dorfstraſse die ganze Feuerentfaltung ermöglicht und der auf die Salve un mittelbar folgende Sturm mit der blanken Waffe unter Hurrah konnte zumal nächtlicher Weile seine Wirkung nicht verfehlen .
( In
ganz ähnlicher Weise und mit gleichem Erfolg wies das 1. Bataillon 3. badischen Infanterie-Regiments in der Nacht vom 26./27. November 1870 bei Daix und Talant die wiederholten Angriffe der weit über
legenen Schaaren Garibaldis blutig ab .) Auf österreichischer Seite war schon gegen 10 Uhr Generalmajor Poschacher and bald darauf auch der Führer des ersten österreichischen Armee-Corps, General der Kavallerie Graf Clam , bei Podol eingetroffen . Letzterer stellte nun weitere Angriffsversuche ein , befahl aber das Vorrücken der Brigaden Abele und Piret zur Unterstützung der Brigade Poschacher,
eine Anordnung , welche jedoch nicht mehr zu voller Ausführung
kam . Bald nach 11 Uhr langten dagegen zur Verstärkung der
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
189
Preuſsen die beiden Füsilier - Bataillone der Regimenter Nr. 31 und 71
am nördlichen Eingang Podols an . Das erstgenannte Bataillon wurde, um sich der Brücke zn bemächtigen, vorgezogen . General v. Bose und Oberstlieutenant v. Drygalski setzten sich an die Spitze. Es war verboten zu schieſsen . Als das Bataillon sich auf 60 Schritt der
Brücke genähert hatte, wurde es durch eine Salve und durch flankierendes Feuer vom Eisenbahndamm her empfangen ; es stockte und begann das Feuer zu erwiedern . Bald gelang es aber der Bemühung der
Offiziere, das Bataillon wieder in Bewegung zu setzen . General v. Bose hatte selbst ein Gewehr ergriffen und schritt der Truppe vorav .
ES
kam
zum
wirklichen Zusammenstoſs und zu
Handgemenge, in welchem
einem
der Gegner zurückgedrängt wurde.
General der Kavallerie Graf Clam hatte zwar ein in der Nähe ein
getroffenes frisches Bataillon zur Sicherung der Brücke und der östlich von Podol liegenden nächsten Uferstrecke heranbefohlen , allein kaum waren zwei Compagnien an der Brücke angelangt, als es den Österreichern unmöglich wurde, den Ort länger zu behaupten. Denn General v. Bose führte, da Oberstlieutenant v. Drygalski von
mehreren Kugeln tötlich getroffen worden war, das Füsilier- Bataillou Regiments Nr. 31 persönlich über die Iserbrücke und nahm mit drei Compagnien Stellung vor ( südlich) derselben ; die 4. wurde rechts (westlich ) an den Eisenbahndamm entsendet ; dahinter be setzte das Füsilier- Bataillon -Regiment Nr. 71 die Straſsenbrücke
und die Eisenbahnbrücke mit je einer Compagnie. Mitterweile war auf österreichischer Seite der Rückzug angeordnet worden. Nachdem hier eine groſse Zahl Verwundeter zurückgeschafft und in die bereit stehenden Eisenbahnzüge verbracht war , räumten die kämpfenden Abteilungen nicht ohne groſse Schwierigkeiten den Ort und muſsten eine bedeutende Zahl Gefangener in den Händen der Prenſsen
zurücklassen . Das Gefecht endete etwa um 1 Uhr morgens.
Wie das 2. Bataillon Regiments Nr. 31 in der Verteidigung, so be währte sich das Füsilier- Bataillon dieses Regiments in Angriff. Der entscheidende letzte Vorstofs brachte für letztere Truppe eine
schwere Probe, als dieselbe in Front und Flanke von feindlichem Feuer überschüttet wurde.
Die Füsiliere lieſsen sich zwar in dem
Augenblicke des Wankens dazu hinreiſsen, trotz des Verbotes das
feindliche Feuer zu erwidern ; allein Beispiel und Einwirkung ihrer Führer halfen ihnen über den gefährlichen Augenblick hinweg. Vor allem ist hier das kräftige persönliche Eingreifen des prenſsischen Brigade -Commandeurs, welcher die Seele des ganzen Unternehmens
war, hervorzuheben . Sein Verfahren zeigt vorbildlich die Aufgabe
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
190
des höheren Truppenführers im Nachtgefecht. Nach Erteilung der erforderlichen Befehle bleibt diesem nur noch die persönliche Ein
wirkung an der Spitze derjenigen Abteilung, welcher die Herbei führung der Entscheidung obliegt, und hier kann er nach dem Beispiel des Generals v. Bose allerdings einen Ausschlag gebenden Einfluſs üben . Nicht 80
glücklich waren die österreichischen Oberführer.
Denn als dieselben in der Nähe des Gefechtsfeldes eintrafen , war
für die österreichische Sache durch sie nicht mehr viel zu retten .
Ihre vorhandenen Truppen waren erschöpft und vermischt, die frischen kamen zu zu spät. Übrigens verdient das Verhalten der österreichischen Truppen im Gefecht volle Anerkennung.
Wiederholt
gingen sie im östlichen Teile Podols zum Angriff vor und der
Nahkampf bei der Brücke beweist, daſs auch auf dieser Seite die äuſserste Kraft zur Abwehr des Gegners eingesetzt wurde, um dem
gegebenen Befehl gemäſs den Übergangspunkt festzuhalten .
Die
verscbiedenen
ein
Zusammenstöſse
mit
der
blanken Waffe
sind
eigentümliches Merkmal des Nachtgefechts; jede Truppe, die in ein solches eintritt, muſs auf den Kampf mit der blanken Waffe, Mann gegen Mann gefaſst sein . Daher empfiehlt es sich, vor dem Beginn des Gefechtes schon das Seitengewehr aufpflanzen zu lassen . Um den Besitz der gewonnenen Stellung zu sichern, ritt General v. Bose nach dem Divisionsstabsquartier Preper zurück und erbat sich eine Batterie, mit welcher er noch vor Tagesanbruch wieder in Podol anlangte. War auch in dem Nachtgefecht bei Podol selbst die Verwendung von Artillerie durch die Umstände ausgeschlossen, so konnte bei einer Erneuerung des Kampfes am folgenden Morgen die Mitwirkung dieser Hilfswaffe durch Bestreichung der Brückenstelle von entscheidender Bedentung werden . Während der Abwesenheit des Generals waren in Erwartung eines allge
meinen Angriffs die über die Brücke vorgeschobenen preuſsischen Abteilungen hinter dieselbe zurückgenommen worden. Ein solcher Angriff erfolgte indes nicht. Die österreichische Darstellung bestreitet es, daſs preuſsischerseits überhaupt auf dem linken Iserufer Fuſs gefaſst worden sei. Es ist aber gegenüber der Thatsache, daſs die Preuſsen den Österreichern durch das Gefecht in Podol die Iser
brücken dort entrissen , ganz gleichgiltig, ob die Sieger durch
Stellungnahme auf , hinter oder vor den Übergängen den errungenen Besitz sicherten .
Auch die Zurücknahme der über die Brücke vor
geschobenen Abteilungen hinter dieselbe erscheint im Hinblick auf die beiderseitigen Stärkenverhältnisse durchaus gerechtfertigt. Denn
191
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
österreichischerseits waren bei Schluſs des Gefechts südlich der
Brücke zwei Brigaden versammelt, deren eine (Poschacher) zwar durch die vorhergegangenen Kämpfe an Wert und Streiterzahl bedeutend verloren hatte, deren andere aber ( Abele) eben erst auf dem Gefechtsfelde eingetroffen war . Wenn nun die Österreicher
mit ihrer, auch auf preuſsischer Seite bekannten Übermacht die südlich der Brücke stehenden, verhältnismäſsig schwachen Kräfte der Preuſsen angriffen, auf die Brücke und hinter dieselbe zurück warfen, so war letztere für die Preuſsen verloren. Dagegen konnten diese von einer Stellung auf dem rechten Fluſsufer aus die vor ihnen liegende Brücke vermittelst des Zündnadelgewehrs derartig
mit Blei überschütten, daſs an einen Übergang seitens der Öster reicher um so weniger gedacht werden konnte, als ein solcher 1
unter dem flankierenden Feuer der am Bahndamme stehenden Preuſsen hätte erfolgen müssen .
Die durch das Gefecht in Podol für die preuſsische Sache ge wonnenen Ergebnisse waren nach verschiedenen Richtungen hin sehr Die besetzten Iserbrücken, deren groſse Wichtigkeit bedeutend . General v. Bose mit richtigem Blick erkannt hatte, öffneten der ersten preuſsischen Armee die kürzeste Linie nach Gitschio , dem befohlenen Vereinigungspunkt für alle Teile der preuſsischen Streit macht auf dem böhmischen Kriegsschauplatze. Waren diese Über gänge aber in preuſsischer Hand, so wurde dadurch die Verbindung der sächsisch-österreichischen Heeresabteilung mit der österreichischen Hauptarmee bedroht. Infolge der Ereignisse bei Podol muſste auch der österreichischerseits beabsichtigte nächtliche Angriff auf Turnau
unterbleiben und am 27. kam das allgemeine Vorrücken gegen Sichrow ebenfalls nicht zur Ausführung. Die groſse Verschiedenheit der auf beiden Seiten erlittenen Ver luste zieht die Aufmerksamkeit besonders auf sich.
Während die
Preuſsen in dem hartnäckigen fünfstündigen Nachtgefecht nur 12 Offiziere und 188 Mann ( 1/2 der im Gefecht gewesenen Truppen)
einbüſsten , verloren die Österreicher den vierten Teil der am Kampfe beteiligten Streitkräfte : 33 Offiziere und 1015 Mann, darunter nach preuſsischer Angabe 5 Offiziere und 504 Mann als Gefangene. Von letzteren abgesehen , waren sonach bei Podol 2-3 mal mehr Öster
reicher als Preuſsen gefallen. Auſser anderen miſslichen Umständen schreiben denn auch die Österreicher hauptsächlich ihren bedeutenden Verlusten den ungünstigen Ausgang dieses Kampfes zu . So tapferen Truppen gegenüber, wie es die Österreicher bei Podol waren, kann
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
192
man sich aber mit dieser Erklärung nicht begnügen. Andere Truppen von derselben Tüchtigkeit haben in noch viel härteren Kämpfen den dritten Teil und mehr auf dem Kampfplatze gelassen und dennoch gesiegt. Vielleicht kommt man aber der wahren Ursache des Gefechts ausganges näher, wenn man nach der Ursache der groſsen Verluste auf der einen und der sehr unbedeutenden Verluste auf der anderen
Seite forscht. Der fragliche Unterschied ist, wie in allen Gefechten
dieses Feldzuges so auch bei Podol in erster Linie auf die Ver schiedenheit der Gewehre zurückzuführen und in unmittelbarem
Zu
sammenhang biermit auf die verschiedene Kampfesweise beider Gegner. Die Österreicher suchten ihre Angriffe wiederholt mit der blanken Waffe ohne Feuervorbereitung durchzuführen, während die
Preuſsen auf möglichste Ausnutzung ihres schnellfeuernden Hinter Allein die Ausbeutung des in der Waffe
laders bedacht waren.
liegenden Vorteils war den Preuſsen nur dann möglich , wenn der
Gegner durch Gliederung und Gruppierung seiner Kräfte dazu Ge legenheit gab, und dies führt auf den Kero punkt der Frage. Nach dem österreichischen Bericht nämlich wurde auf dieser Seite der
Kampf dadurch genährt, daſs alle zur Stelle befindlichen Truppen nach und nach ins Gefecht geführt wurden , wobei sich die vorher . zurückgeworfenen Abteilungen dem erneuten Vorgehen wieder an schlossen .
Hierdurch befanden sich die Österreicher während der
ganzen zweiten Hälfte des Gefechtes in bedeutender Überzahl, allein eben diese bewirkte ihre Schwäche ; denn auf dem
beschränkten
Raume der engen Dorfstraſse muſste in der Dunkelheit die ange häufte Truppenmasse sich mischen und verwirren, die Führung aber muſste infolge der Lösung der Verbände aufhören .
Unter solchen
Umständen fand in dieser Masse selbst ungezieltes Blei des Feindes zur Nachtzeit seine Opfer.
In der unzweckmäſsigen Leitung des
Gefechts also beruhte vor Allem der österreichische Miſserfolg bei Podol. Auf preuſsischer Seite verfuhr die Führung gerade entgegen gesetzt. Dieselbe machte es durch wiederholtes Auswechseln ver branchter Streitkräfte gegen leistungsfähige frische möglich, daſs auch in der Dunkelheit an der entscheidenden Stelle die Herrschaft
über die Truppen erhalten blieb. Durch dieses fortgesetzte Auslösen ihrer Truppen standen die Preuſsen in den einzelnen Gefechts augenblicken wohl an Zahl hinter ihren Gegnern zurück ; durch ihren inneren Wert aber waren die prenſsischen Compagnien den österreichischen an Gefechtskraft überlegen und wurden so schlieſslich der feindlichen Massen Herr. Jabrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd, LXXI., 2.
13
193
Podol, ein Beitrag zur Geschichte der Nachtgefechte.
Schluſsfolgerungen. Nach vorstehender Schilderung zeigen im Feldkrieg die Kämpfe in der Dunkelheit folgende Eigentümlichkeiten :
1. Die Infanterie ist die zur Durchführung solcher Kämpfe nahezu ausschlieſslich berufene Waffe. Eine Mitwirkung der Hilfswaffen im Gefecht selbst ist, wenn nicht ausgeschlossen , so doch auf seltene Ausnahmefälle beschränkt.
2. Aber auch die Verwendung der Infanterie ist in mehreren Be
ziehungen beschränkt. a) Ihre Bewegungen sind namentlich in unbekannter Gegend an die Straſsen gebunden, welche sich auch in der Finsternis von dem umgebenden Gelände als hellere Streifen abheben. b) Hierdurch vermindert sich naturgemäſs die ins Gefecht zu führende Truppenzahl. c) Um die Truppen in der Hand zu behalten denn nur insolange besitzen die selben Gefechtskraft -- ist es geboten , dieselben geschlossen in den Kampf treten zu lassen . ( Exerzierreglement S. 116. ) -
d) Der Gebrauch der Schuſswaffe beschränkt sich auf die kürzesten
Abstände, eine überlegene Schieſsausbildung kommt nicht zur Geltung, wohl aber die Feuerdisziplin.
3. Die Entscheidung wird meist durch wirklichen Zusammenstoſs und Nahkampf der Gegner herbeigeführt. 4. Da jede auseinandergekommene, nicht mehr geführte Truppe mehr schadet als nützt, ist auf Zurücknahme der aufgelösten Teile und Ersatz durch frische Kräfte Bedacht zu nehmen.
Sparsamkeit in Verausgabung der Streitkräfte entspricht daher dem Bedürfnis des Nachtgefechtes.
5. Bei der Schwierigkeit der Überwachung der Leute muſs die Führung auf den guten Geist und die feste innere Zucht in der Truppe zählen können. 6. Die Führung erleichtert sich ihre Aufgabe durch Bekanntmachung des Zweckes und Zieles des beabsichtigten Gefechtes an die Mannschaften vor dem Antreten . Es empfiehlt sich nicht, die Leitung durch viele Signale zu bewerkstelligen, indem hierdurch die eigene Absicht dem Feind leicht verraten wird.
7. Da die Dunkelheit dem Gefecht sein eigentümliches Gepräge aufdrückt, so tritt die Eigenart des Nachtkampfes je nach dem Grade der Dunkelheit mehr oder weniger hervor. In Nacht gefechten bei hellem Mondschein auf schimmernden Schnee flächen u. 8. W., oder wenn brennende Gehöfte das Gefechtsfeld
beleuchten , kann eine Verwendung der Truppen fast wie am Tage stattfinden (Villersexel).
Das neue englische Exerzier-Reglement u. $. W.
194
Aus den Eigentümlichkeiten der Gefechte in der Dunkelheit und den damit verbundenen mannigfachen Beschränkungen der Führung
in Verwendung der Streitkräfte folgt, daſs, wie schon oben hervor gehoben wurde, groſse, entscheidende Schlachten in der Dunkelheit nicht geschlagen werden können . Dagegen läſst sich die nächtliche Dunkelheit sehr wohl zur sachgemäſsen Vorbereitung der groſsen Entscheidungen verwerten , um bei Beginn des Tages den Kampf unter möglichst günstigen Bedingungen sofort aufzunehmen . Selbst ständige nächtliche Unternehmungen aber werden immer in kleinerem Rahmen bleiben müssen und sich meistens an bestimmte Örtlichkeiten ,
wichtige Fluſsübergänge und dergl. anschmiegen. Finsternis, Ungunst des Wetters, undurchdringlicher Nebel u. s. w. vermögen die Aus führung zu erleichtern und zu begünstigen . Doch nicht diese Umstände an und für sich schon verringern die Opfer, sondern nur Umsicht und Tüchtigkeit erreichen das Ziel mit dem geringsten Einsatz.
XIII. Das neue englische Exerzier- Reglement für die Infanterie. Die kriegsministerielle Ordre, durch welche das neue Exerzier Reglement zur Einführung gelangt, lantet: » Se . Königliche Hoheit, der Höchst Kommandierende, *) hat von der Königin den Befehl erhalten , den Offizieren die genaueste Befolgung des nunmehr veröffentlichten Reglements für Exerzieren
und Manöver zu empfehlen. Bei der Ausbildung des Soldaten sind die Feuerleitung und die Gefechtsführung als wichtigste Dienstzweige auf das Sorgfältigste zu lehren. Das neue Reglement ist von dem Gesichtspunkte ausgegangen, die peinlichste Genauigkeit in der Ausführung der vereinfachten Exerzierformen zu verlangen, anderer seits aber allen Unterführern beim Manövrieren die gröſstmöglichste Selbstständigkeit zu gewähren. Die Vorschriften für das erstere sind wörtlich , für Letzteres dem Geiste nach
aufzu fassen .
*) Der Herzog von Cambridge. 13*
Der
195
Das neue englische Exerzier-Reglement
höhere Grad von Selbstvertrauen, der allmählich allen Chargen an erzogen werden soll, um sie im Gefecht mehr weniger selbstständig
handeln zu lassen , sichert den Erfolg nur in Verbindung mit strenger Disziplin . Bei richtiger Würdigung dieser Grundsätze seitens der Generäle und Offiziere, und Berücksichtigung der durch
die gegenwärtige Kriegführung bedingten Änderungen in der Aus bildung, erwartet Se. Königliche Hoheit eine gründliche Ausbildung der Infanterie für alle Verhältnisse des Schlachtfeldes .
Anf Befehl Sr. Königlichen Hoheit der Ober-Kommandierende
Horse-Guards Kriegsministerium den 1. Januar 1889. Wolseley A. G. « Das umfangreiche englische Exerzier-Reglement *) unterscheidet sich dadurch wesentlich von dem unsrigen, daſs es erstens eine groſe Menge von Formen sowohl für das Exerzieren wie auch für
das Gefecht vorschreibt, die bei uns ganz unbekannt sind, und daſs es zweitens alles dasjenige, was unsere Felddienstordnung und teil weise auch unsere Schieſsvorschrift und Turninstruktion enthalten,
mit in sich aufgenommen hat. Dahingegen ist die Ausbildung mit dem Gewehr in Griffen und zum Schieſsen nicht darin enthalten, diese sind in den » Rifles exercices and Musketry instruction « vor geschrieben.
Das ganze Reglement zerfällt in drei groſse Haupt-Abschnitte, deren erster das Exerzieren, der zweite das Manöver, der dritte
Verschiedenes enthält. Wir werden im Folgenden den Inhalt der einzelnen Abschnitte in kurzem Auszuge wiedergeben . I. Teil : Das Exerzieren .
I. Ausbildung des Rekruten , einzeln und im Trupp. 1. Allgemeine Grundsätze. Die Ausbildung soll allmählich und stufenweise fortschreiten, es soll nicht eher etwas Neues gelehrt
werden, ehe das Vorangegangene nicht verstanden ist. Es wird empfohlen , oft und nur kurze Zeit zu exerzieren , und die Rekruten
je nach ihren Leistungen in Abteilungen zusammenzustellen. Auch sollen die Rekruten von anfang an darin geübt werden , sich gegen seitig zu belehren und zu verbessern, um frühzeitig die Lente zu erkennen, die sich zur Beförderung eignen .
Ein besonderer Abschnitt
schreibt die Art und Weise vor, wie Ankündigungs- und Ansführungs Kommandos abgegeben werden sollen . *) Es enthält 508 Druckseiten .
für die Infanterie.
196
2. Stellung des Rekruten allein und im Trupp mit
Abstand. Es wird zunächt die Stellung im Stillstehen und im
Rühren gelehrt, dann folgen die Wendungen, zu denen auſser den halben und ganzen auch viertel und dreiviertel Wendungen gehören.
Dann folgen die Freiübungen, bei denen auf fortgesetzte Wieder holungen besonderer Wert gelegt zu sein scheint, da die Begleitung
der Übungen durch Musik, einzelner sogar durch Gesang vorge schrieben wird. Schlieſslich werden die Ehrenbezeugungen, in Tempos zerlegt, in diesem Abschnitt gelehrt. 3. Der Marsch. Die Schrittlänge des gewöhnlichen Marsches soll 30 Zoll, 176,5 cm ) bei freiem Ausschreiten 33 Zoll , beim Kurz treten 21 Zoll betragen. Die Marschgeschwindigkeit soll beim langsamen Schritt *) 75 Schritt, beim Geschwindmarsch 120 Schritt,
beim beschleunigten Marsch 165 Schritt in einer Minute betragen. Das Einüben des Marsches soll grundsätzlich stets mit Trommelschlag
geschehen. Damit der Lehrer die Richtigkeit des Marschtempos festsstellen kann, soll stets ein Pendel, eine an einem Bindfaden von vorgeschriebener Länge hängende Kugel, zur Hand sein . 4. Der Trupp zu einem und zu zwei Gliedern. Der Abstand bei Aufstellung zu einem Gliede ist so festgesetzt, daſs jeder Mann 24 Zoll Raum einnehmen soll, bei zwei- Gliedern steht der Hintermann 30 Zoll vom Vordermann, von Hacken zu Hacken gemessen , entfernt. Statt der Einteilung in Sektionen wird die
Kolonne zu Vieren in der Weise gebildet, daſs nach der Wendung rechts oder links die geraden Nummern neben die ungeraden treten,
wodurch gleichzeitig auch doppelter Gliederabstand entsteht. Beim Halten und Frontmachen treten die geraden Nummern auf ihre früberen Plätze und stellen so die Linie wieder her.
II. Das Compagnie - Exerzieren.
Allgemeine Grundsätze. Sobald die Ausbildung iin Trupp beendet ist , soll die in der Compagnie beginnen, wobei jedoch nicht unter 18-20 Rotten zugegen sein dürfen . Die Rangierung der
Compagnie geschieht von der Mitte aus nach den Flügeln zu in der Weise, daſs die gröſsten Leute in der Mitte stehen , und rechte und linke Flügelleute gleich groſs sein müssen . Die Compagnie wird in zwei Halbcompagnien, und diese in je zwei Züge eingeteilt, so daſs die Compagnie im Ganzen 4 Züge hat. Der älteste Offizier der Der langsame Schritt kommt bei verschiedenen Gelegenheiten, z. B. beim Ablösen der Wachen und Abholen der Fahnen zur Anwendung.
Das neue englische Exerzier-Reglement
197
Compagnie führt die rechte , der nächstälteste die linke Flügel Halbcompagnie. Die Compagnie soll grundsätzlich so exerzieren ,
als ob sie sich im Bataillons- Verbande befände. Der Compagnie Führer soll häufig einem seiner Offiziere das Kommando über die Compagnie übertragen, und dabei selbst als Lehrer die Aufsicht
führen, auch soll die Compagnie nicht nur auf dem Exerzierplatze, sondern auch auf unebenem Boden in veränderter Rangierung exerzieren .
Formationen und Bewegungen der Compagnie.
Die
Grundformation ist die Linie zu zwei Gliedern, auf dem rechten und linken Flügel stehen Unteroffiziere; Compagnie -Führer und Lieutenants stehen 2 Schritt hinter der Front in der Reihe der schlieſsenden Unteroffiziere. Bei Marschbewegungen treten die drei Offiziere 7 Schritt vor die Front. Die Compagnie wird bei allen Exerzierformen nicht als selbstständiger taktischer Körper, sondern als Teil des Bataillons angesehen. Gefechtsformen sind in diesem Abschnitt nicht enthalten .
III . Bataillons- Exerzieren .
Allgemeine Grundsätze. Unter Bataillon wird eine Ab teilung von 4 und mehr Compagnien verstanden, die von einem Offizier kommandiert werden, und die in 2 Halbbataillone eingeteilt sind.
Das Bataillon soll stets so exerzieren als ob es sich im
Brigade *) - Verband befände.
Von
den Offizieren sind
die
drei
ältesten und der Adjutant beritten , der zweite und drittälteste
kommandieren das rechte, beziehungsweise das linke Halbbataillon , und haben nicht verstandene Kommandos des Bataillons- Führers zu
wiederholen. Salvenfeuer des Bataillons soll Zug- Halbcomgagnie oder Compagnieweise von einem Flügel aus abgegeben werden. Wenn die Mannschaft niederkniet, sollen Offiziere und Unteroffiziere ebenfalls knien .
Formationen und Bewegungen.
Bei der Aufstellung in
Linie stehen die Compagnien ohne Abstand neben einander, zwischen
dem rechten und linken Halbbataillon stehen die Fahnen , rechts die der Königin , links die des Regiments, beide von Offizieren ge
tragen . Lieutenants und Unteroffiziere stehen 2 Schritt, Compagnie Führer 4 Schritt hinter der Front, Spielleute und Musik 12 Schritt hinter der Mitte. Bei der Aufstellung in Linie in geöffneter * ) Unter Brigade wird eine Abteilung von 2 oder mehr Bataillonen verstanden. Die Bezeichnung „ Regiment“ wird nur in administrativer Beziehung gebraucht.
für die Infanterie.
198
Ordnung treten Offiziere und Unteroffiziere 3 Schritt vor die Front, und das zweite Glied nimmt 3 Schritt Abstand von dem ersten , in dieser Formation wird avanciert.
Hlemmen hierbei Bodenhindernisse
das Vorgehen, so brechen einzelne Abteilungen ab, indem sie sich in Kolonnen zu Vieren setzen .
Soll das Bataillon in Linie eine
Frontveränderung vornehmen, so wird eine Compagnie bestimmt, die dann in der Kolonne zu Vieren in die neue Richtung rückt und Front macht, die übrigen Compagnien folgen nacheinander und nehmen die Richtung auf.
Bei den Kolonnen ist der Abstand der Compagnien so weit, daſs sie beim
Einschwenken wieder die Linie herstellen können .
Soll
die Kolonne auf der Stelle hergestellt werden , so rücken die Compagnien, wie bei allen Bewegungen nach der Seite, in der Kolonne zu Vieren hinter die rechte, beziehungsweise linke Flügel-Compagnie. Wird sie im Marsche gebildet, so bleibt die betreffende Flügel-Compagnie geradeaus, während die übrigen die Kolonne zu Vieren nach der Seite bilden, und die Wendung nach der Front ausführen, sobald
sie Vordermann auf die vorhergehende Compagnie haben . – In den Halbbataillonen wird die Kolonne ( immer die geöffnete) entsprechend gebildet. Sollen die Kolonnen - Abstände verringert werden , so wird
es besonders befohlen, das geschieht, wenn zur Linie aufmarschiert werden soll .
Auſser der Aufstellung in Linie und in Kolopne giebt es noch die in Echelous, und zwar in kurzen Echelons und in solchen in schräger Front. Bei den ersteren gehen die beiden der Fahne zunächst
stehenden Compagnien geradeaus, die übrigen folgen , je eine auf jedem Flügel mit einem Abstande von ungefähr halber Compagnie. länge. Bei den letzteren stehen die Compagnien so hintereinander, daſs der rechte Flügel der hinteren sich in gleicher Höhe mit dem liuken der vorderen befindet. -Schlieſslich ist noch das Bataillons
Carré vorgeschrieben, das aus der geöffneten Kolonne in der Weise gebildet wird, daſs die Teten -Compagnie stehen bleibt, die der Queue Kehrt macht, alle mittleren in Halbcompagnien nach den Auſsen seiten abschwenken .
IV . Brigade -Exerzieren und Exerzieren der Divisionen *) oder gröſserer Truppenkörper. Das Bataillon soll im Brigade -Verbande in demselben Verhältnis
stehen , wie die Compagnie im Bataillons - Verbande.
In der Linie
stehen die Bataillone mit 30 Schritt Abstand nebeneinander, aus *) Unter Division wird eine Abteilung von 2 oder mehr Brigaden verstanden . Sie entspricht ungefähr unserer Infanterie- Brigade.
Das neue englische Exerzier -Reglement
199
nahmsweise kann dieser Abstand auf 12 Schritt verkürzt werden .
Derselbe Abstand wird gehalten, wenn die Bataillone in geschlossener Kolonne stehen. Sind sie in geöffneter Kolonne so beträgt der Abstand Deployier - Distanze und 30 Schritt. Alle Bewegungen seitwärts sollen , wenn irgend möglich in der Kolonne zu Vieren gemacht werden .
Es folgen eine Reihe von Exerziervorschriften
für Avancieren, Front -Veränderungen , Deployements, bei denen alle Bewegungen und Kommandos auf das Genaueste vorgeschrieben sind .
Besonderer Wert ist überall darauf gelegt, daſs die beiden überzähligen Majors jedes Bataillons und der Adjutant bei den Front- Veränderungen die neue Linie festlegen. Die Vorschriften für das Exerzieren der Division beziehen sich
nur auf Aufstellung und Bewegung in der Rendezvous-Formation, über das Gefecht ist hierbei nichts erwähnt.
II. Teil, Manöver : Manöver und Marschdienst. Allgemeine Grundsätze.
Unter »>>Manövrieren «
soll
die
Anwendung der Exerzier- Fornien auf das Gelände und den Feind verstanden
werden .
Alle Bewegungen sollen unter strenger Be
obachtung der Exerzierdisziplin ausgeführt werden , doch ist gestattet, den für die einzelne Rotte gewährten Raum von 24 Zoll auf 30 Zoll zu erweitern . Die Aufstellung in Echelons wird als besonders zweck
mäſsig empfohlen. Für die Zusammenstellung der verschiedenen Waffen zu gröſseren Verbänden * ) gilt folgender Grundsatz: Ein Armee -Corps soll 1, bestehen aus : 3 Divisionen Infanterie, 1 Schwadron Kavallerie, 3 Batterien reitender Artillerie, 2 Batterien Feld-Artillerie, 1 Compagnie Ingenieure mit Feld- Park und Ponton Abteilung, / Telegraphen-Bataillon . Eine
Infanterie - Division
soll
bestehen
aus :
8
Bataillonen
Infanterie (2 Brigaden von 4 Bataillonen ), 1 Schwadron Kavallerie, 3 Batterien Feld-Artillerie, 1 Compagnie Ingenieure, 1 Abteilung Polizei- Truppen, 1 Reserve- Munitions- Kolonne. Bei allem Manöve rieren sollen folgende optische Signale zur Anwendung kommen : Ausdehnen
der Front .
Schulterhöhe ausgestreckt .
Beide Arme werden horizontal in
Verkürzen
der
Front.
Beide
Arme werden wie vorher ausgestreckt und dann an den Seiten
heruntergelassen. – Vorgehen oder Verstärken. Der Arm wird
von hinten nach vorn geschwungen und zum Schluſs mit der Hand *) Gröſsere Truppen -Verbände sind in England im Frieden nicht aufgestellt. Nur die im Lager von Aldershot jedes Mal vereinigten Truppen bilden vorüber gehend Brigaden , Division u. s. w. unter besonders bestimmten Führern.
für die Infanterie.
nach der Richtung gezeigt.
den Kopf gesch wungen . –
200
Zurückgehen . Der Arm wird über Halt. Halt.
Der Arm
wird senkrecht aus
gestreckt. – Wendung. Der Arm wird horizontal in der be treffenden Richtung ausgestreckt. Wird das Zeichen wiederholt, so wird die Kolonne zu Vieren gebildet.
Schwenkungen oder
Richtungs - Veränderungen. Kreisförmige Bewegung des in Schulterhöhe ausgestreckten Armes in der betreffenden Richtung. Schnell. Der Arm wird ausgestreckt, der Ellenbogen gekrümmt, .
die Faust mit der Schulter in Berührung gebracht. — Laufschritt. Die Faust wird zwischen Schulter und Oberschenkel auf und ab be Niederlegen . Die offene Hand wird mehrere Mal von wegt. Aufstehen . Dasselbe Zeichen der Brusthöhe nach unten bewegt. wie >» Vorgehen . « - Kein Feind in Sicht. Beide Hände werden
von den Seiten gegen das Gesicht bewegt. Marschordnung. Die auf Märschen einzunehmenden Forma tionen sollen sich ganz nach der Breite und der Beschaffenheit der Wege richten . Jede an der Tete vorgenommene Formations- Ver änderung soll von den nachfolgenden Abteilungen aufgenommen werden. Die Bagage soll stets hinten marschieren, bedingen besondere Verhältnisse die Einreihung in die Marschkolonne, so soll sie hinter den Brigaden, niemals aber hinter den Bataillonen folgen . Die Artillerie hat für gewöhnlich ibren Platz zwischen den Divisionen
oder Brigaden . Die Offiziere verbleiben stets auf den vorgeschriebenen Plätzen . Bei Beginn des Marsches und nach einem Halt soll stets die Musik blasen , die Mannschaft marschiert im Tritt, bis das
Kommando > ohne Tritt«« gegeben , und von allen Compagnie Führen wiederholt ist. Jedem auf dem Marsche gegebenen Kommando
muſs das Wort » Achtung« vorausgehen, worauf der Tritt aufgenommen wird .
Wenn ohne Tritt marschiert wird, können die Rotten- und
Gliederabstände vergröſsert werden, doch muſs stets das Glied, der Zug, die Compagnie deutlich zu erkennen sein .. Hat ein Major oder ein Hauptmann dem Bataillons- Commandeur etwas zu melden , so
wird diese Meldung von den Offizieren, beziehungsweise den Sergeanten weiter gerufen . Wenn das Kommavdo » Halt« kommt, so halten die Teten der Bataillone auf der Stelle, und die Compagnien schlieſsen auf vorgeschriebenen Kolonnen -Abstand auf. Soll Alles aufschlieſsen ,
so wird das Kommaudo weiter gerufen ; sobald das letzte Bataillon aufgeschlossen ist, giebt der an der Queue befindliche Hornist das Signal » Halta . Wo Marsch hindernisse zu überwinden sind, begeben
sich die Compagnie- Führer an die Tete, und bleiben hier, bis die be treffende Compagnie das Hindernis überschritten hat .
Für
das
201
Das neue englische Exerzier -Reglement
Austreten einzelner Leute gelten folgende Vorschriften : 1. Niemand darf aus dem Gliede treten oder zurückbleiben ohne Erlaubnis des
Compagnie -Führers.
2. Die Offiziere sollen die Erlaubnis zum
Austreten nur bei Krankheit oder bei besonders dringendem Be dürfnis geben. 3. Die Offiziere sollen die Leute verhindern , aus dem Gliede zu treten , um Wasser zu schöpfen, wo dieses erforderlich, soll die Kolonne halten .
4. Wer aus einer anderen Veranlassung
als Krankheit die Erlaubnis zum Austreten erhalten hat, soll sein Gepäck und Waffen bis zu seiner Rückkehr durch Leute seines Zuges tragen lassen . Wenn die Abstände in der Marsch- Kolonne zu groſs werden , so soll die Teten- Abteilung kürzer treten , die hinteren Abteilungen aber niemals zu freierem Ausschreiten veranlaſst werden.
Wenn
eine der hinteren Compagnien den Abstand verliert, so soll der
Compagnie-Führer rufen : » Nr. 4 kann nicht mitkommen.
Dieser
Ruf wird von den Offizieren der vorderen Compagnie weiter gegeben,
erfolgt darauf keine Antwort, so marschiert die Compagnie Nr. 4 ohne das Marschtempo zu ändern, ruhig weiter. Gehen auf schlechten Wegen die Abstände häufiger verloren, so genügt es , wenn nur die Compagnien in sich geschlossen bleiben . Wenn gröſsere Truppen- Verbände einen Fluſs zu überschreiten haben , sollen drei Brücken, eine für Infanterie, eine für Kavallerie
und eine für Artillerie und Fuhrwerk geschlagen werden. Eine Vermischung der Waffengattungen soll vermieden werden . Jedes Halten auf Brücken ist verboten.
Wenn beim Passieren der Brücken
mit Artillerie sich starke Schwankungen einstellen , so muſs so lange gehalten werden, bis diese aufhören, dabei müssen die Räder mög lichst zwischen je zwei Pontons stehen. Jeder Offizier ist verpflichtet, den Anordnungen des bei der Brücke aufgestellten Ingenieur- Offiziers
Folge zu leisten . Das Überschreiten von Ponton - Brücken soll von
allen Waffen häufig zum Gegenstand der Übung gemacht werden. Einfluſs der Feuerwirkung auf die Taktik. Je besser eine Truppe im Frieden in Allem , was zum Kriege gehört, vorgebildet ist, desto mehr wird Allgemeine Grundsätze.
sie im Kriege leisten. Leute, die im Frieden häufig in allen Gefechts
lagen ausgebildet sind, werden gewohnheitsmäſsig anch im heftigsten Feuer dasselbe thun, wie sie es unter gleichen Verhältnissen gelernt haben und gewissermaſsen mechanisch ausführen. Für die Ausnützung der Schuſswaffen ist in erster Linie ein freies Schuſsfeld Bedingung.
Der Sieg hängt nicht so sehr von den Verlusten ab, die man dem
für die Infanterie.
202
Feinde zufügt, sondern von dem festen Entschluſs, zu halten was man erreicht hat, und vorzugehen , wenn es befohlen wird . Das Feuer, dem man ausgesetzt ist, läſst sich in drei Zonen einteilen. Die erste Zone beginnt auf 3000 Yards von den feindlichen Geschützen , und hat eine Tiefe von ungefähr 1300 Yards, anderer
seits beginnt sie auch auf 1700 Yards von der feindlichen Infanterie, wo das ungezielte Feuer sich bemerkbar macht. Man kann diese erste Zone die Artillerie -Zone nennen .
Die zweite Zone beginnt an
der Grenze der ersten und reicht bis 800 Yards von der feindlichen
Infanterie, wo das gezielte Feuer und das Artillerie-Feuer bedeutende Wirkung hat. Die dritte Zone reicht von der Grenze der zweiten bis zur feindlichen Stellung. Bei der Wahl der Gefechtsformationen ist der Grundsatz
festzuhalten , daſs die gröſstmöglichste Feuerwirkung erzielt und dem Feinde ein möglichst schwer zu treffendes Ziel dargeboten wird , dabei aber freie Bewegung jederzeit möglich ist. Beim Angriff muſs die unter Feuer liegende Strecke in aufgelöster Ordnung weit aufeinander folgenden Linien durchschritten werden . Die vordere Linie muſs von der hinteren derart verstärkt werden , daſs die
Feuerwirkung nicht nachläſst und dem Angriff die nötige treibende Kraft verliehen wird.
In Bezug auf das Artilleriefeuer werden folgende Grundsätze aufgestellt.
1. Eine in guter Stellung befindliche Artillerie muſs so lange stehen bleiben, als ihr Feuer wirksam ist. Geschütze können nur dann wirken , wenn sie in Position stehen . 2. Die Artillerie hat
für gewöhnlich eine solche Aufstellung zu nehmen , daſs sie von Einem kommandiert werden kann . 3. Wenn das Feuer der Artillerie
aufhört, so bedeutet das gewöhnlich, daſs sie aufprotzen will .
Das
Feuer ist deshalb auf die Bespannung zu richten, sobald sie heran kommt. 4. Die Flugbahn der gegenwärtigen Schnellfeuer -Geschütze ist gestreckt, die Infanterie hat daher mehr Deckung, je näher sie
herankommt, denn die Trefffäbigkeit jener ist auf 1500 Yards ebenso grofs wie auf 500 Yards. 5. Wenn die Infanterie eine Stellung einnimmt, mit der Absicht, feindliche Artillerie zu beschieſsen , so
soll sie bedenken, daſs jene mit Vorliebe höher gelegene Stellungen einnimmt und es vermeidet , in den Bereich von Infanterie zu
kommen, die nicht mit anderen Waffen im Kampf ist. 6. Die In fanterie soll die Nähe von besonders sich im
Gelände abhebenden
Gegenständen ( Bäume, Häuser, Mauern u . s. w .) vermeiden, da diese der Artillerie das Auffinden der Entfernung erleichtern . Sanfte
Das neue englische Exerzier- Reglement
203
Abhänge und weicher Boden vor der Front, auch das Zurückbleiben hinter dem höchsten Punkt der Anhöhe erschweren das Einschieſsen
jener. 7. Das Feuer der Batterie beginnt gewöhnlich mit einer Granate aus einem Flügel-Geschütz, erst wenn hierdurch die Ent fernung festgestellt ist, beginnt das regelmäſsige Feuer. 8. Dem Shrapnelfeuer geht gewöhnlich das Granatfeuer voran . Die kurze Pause zwischen beiden Feuerarten ist für eine Schützenlinie eine
günstige Gelegenheit, rasch weiter vorzugehen. Die Batterie muſs sich dann von Neuem wieder einschieſsen .
9
Im Artilleriefeuer
stehende Infanterie hat beim Zurückgehen mehr Verluste als beim weiteren Vorgehen . 10. Wenn die Artillerie eine Salve abgiebt, so bedeutet das gewöhnlich , daſs die Infanterie eine so günstige Stellung eingenommen hat , daſs es nicht möglich ist, das Ein schlagen der Geschosse zu beobachten. 11. Wenn ein oder zwei Schrapnel , auf eine vor der Front der Infanterie liegenden Stelle abgegeben , zur rechten Zeit krepieren , so ist damit die Stelle be zeichnet, wo die Artillerie beim weiteren Vorgehen Schnellfeuer mit Shrapnels abgeben will. Der Zwischenraum muſs deshalb so rasch als möglich durchschritten werden .
12. Das Auftreten
einzelner
Offiziere auf einer geeigneten Artillerie - Position zeigt gewöhnlich die Ankunft der Geschütze an . In der Nähe befindliche, ungesehene Infanterie muſs sich bereit halten , die Batterie mit vernichtendem
Feuer zu empfangen. Zum Schluſs wird die Art und Weise an gegeben , wie genommene Geschütze unbrauchbar gemacht werden können .
Infanteriefeuer.
Beim Angriff wie auch bei der Ver
teidigung wird dem Salvenfeuer unter allen Umständen der Vorrang zugesprochen. Auf weitere Entfernungen sollen die Salven Halb compagnieweise, auf den kürzeren zugweise abgegeben werden . Das Schützenfeuer ist schwer in der Hand zu behalten , und macht
rasches Aufspringen und Vorgehen aus einer Stellung schwierig, es soll deshalb nur auf kurzen Entfernungen , unmittelbar vor dem schlieſslichen Einbruch abgegeben worden . In der Verteidigung kann das Feuer auf weitere Entfernungen eröffnet werden wie beim
Angriff, doch ist der vorhandene Munitious - Vorrat dafür mals gebend. gesetzt:
Als allgemeine Grenzen für das Salvenfeuer werden fest
Bis 800 Yards auf Abteilungen von schmaler Zugbreite. Bis 1000 Yards auf Abteilungen in gröſserer Zugbreite. Bis 1200 Yards auf Halbcompagnien oder auf 2 Geschütze.
für die Infanterie.
204
Anf 1400—1700 Yards auf ein Bataillon, oder auf Compagnie Kolonnen , Artillerie- oder Kavallerie -Massen .
Es werden vier Arten von Entfernungen unterschieden : Bis zu 400 Yards kurze Entfernungen, von 400–800 Yards mittlere Entfernungen , 800—1700 weite, 1700 Yards und darüber äuſserste Entfernungen .
In Bezug auf die Treffwahrscheinlichkeit in offenem Gelände heiſst es , daſs auf den kurzen Entfernungen ein knieender Gegner fast ebenso leicht zu treffen ist wie ein stehender. Auf den mittleren
Entfernungen steht die Treffwahrscheinlichkeit gegen eine Schützen
linie in gleichem Verhältnis zu der Dichtigkeit derselben. Geschlossene Züge sind gezwungen , sich auf 400—700 Yards in Schützen auf
zulösen . Compagnie -Kolonnen in Zügen haben auf weiten Ent fernungen doppelt so viel Verluste wie in Linie. Zur Ermittlung der Entfernung wird den Compagnieführern die Beschaffung von
Entfernungsmessern empfohlen, da das Schätzen mit dem Auge nur unsicher ist. Auf den nahen Entfernungen gleicht die gestreckte Flugbahn alle Schätzungsfehler aus.
Für die weiten Entfernungen
wird Erkundigung bei nahestehender Artillerie, auch Einschieſsen mit Salven empfohlen .
Die Feuerleitung liegt ausschlieſslich in der Hand des Com pagnieführers, die Offiziere und Unteroffiziere unterstützen ihn hierbei. Durch die Pfeife soll die Aufmerksamkeit auf das Kommando
des Führers gerichtet werden .
Da plötzliche Verluste auf den
Feind gröſseren Einfluſs ausüben als allmähliche, so muſs das Feuer unerwartet und in Masse abgegeben werden , die Pausen dienen dazu, den Rauch abziehen zu lassen, die Wirkung zu beobachten ,
neue Befehle zu geben und die Mannschaft in Disziplin zu halten. Es ist wichtig, das Feuer in Bezug auf Zeit und Raum mögliehst In Bezug auf die Stellung der Mannschaft beim Feuern wird dem knieenden Anschlag der Vorzug gegeben , zusammenzuhalten .
liegender Anschlag soll nur ganz ausnahmsweise beim Angriff statt finden, in der Verteidigung ist er Regel . Der Angriff . Der Angriff auf eine Stellung hat Ähnlichkeit mit dem gegen eine Festung. Das Artilleriefeuer wird gegen eine besondere Stelle gerichtet, unter dessem Schutze geht die Infanterie vor, und sucht das Feuer des Gegners niederzuhalten , schlieſslich wird der Einbruch auf einen Punkt gemacht, in der die Sturm kolonnen festen Fuſs fassen können .
Daraus ergeben sich drei
Zeiträume : 1. Die Vorbereitung ; 2. die Durchführung, einschlieſslich
205
Das neue englische Exerzier-Reglement
des Bajonett -Angriffes; 3. das Sammeln nach dem Erfolg, das Be setzen der Stellung, oder der Rückzug. Die richtige Wahl des Angriffspunktes und die Vereinigung des Feuers auf diesen sind sehr schwierig, und müssen bei den Manövern besonders geübt werden . Das Feuer muſs auf diesen Punkt so lange
gerichtet werden , bis dessen Widerstandsfähigkeit gebrochen ist. Bei der Einleitung des Gefechtes wird der Feind schwächere Ab teilungen auf 300–800 Yards vorwärts detachiert haben , die zuerst
geworfen werden müssen . Dann beginnt der Kampf der Artillerie gegen Artillerie, kömmt diese in den Bereich des Gewehrfeuers, so ist sie zunächst zu beschieſsen. Das Gewehrfeuer hat nur dann
Erfolg, wenn es konzentriert wird, deshalb soll nur wenig mit den Zielen gewechselt werden. Der Erfolg liegt zwar in dem schlieſs lichen Einbruch , allein die Erfahrung lehrt, daſs dieser nur dann gelingt, wenn der Feind durch vereintes Artillerie- und Infanterie Feuer erschüttert ist, anderseits ist ein Durchschreiten der Feuerzone überhaupt unmöglich .
Bei der Durchführung des Angriffs darf keine Unentschlossenheit
eintreten , anderseits muſs aber jede Übereilung vermieden werden. Die mit Munition reichlich ausgerüstete Infanterie muſs auf den
Punkt herangeführt werden, wo sie ein wirksames Feuer eröffnen kann , und wo das Vorgelände gedeckte Annäherung gestattet. Die Kunst der Führung der Infanterie besteht darin, alle Vorteile des
Geländes auszunutzen und die Formen denselben anzupassen .
Die
Compagnie -Führer haben zu bestimmen, wann das Feuer eröffnet werden soll, und dabei zu berücksichtigen ob die einznsetzende Munitionsmasse auch dem Gefechtszweck entspricht. Wenn es
irgend möglich ist, muſs der Feind mit Flankenfeuer beschossen werden , da es einen groſsen moralischen Eindruck ausübt , man soll
sich aber nie verleiten lassen, einen selbstständigen Angriff auf die Flanke , ohne gleichzeitigen Angriff auf die Front zu unternehmen .
Ist aber nur ein Scheinangriff beabsichtigt, so soll man sich hüten , in ein ernsteres Gefecht verwickelt zu werden .
Ein Vermischen der
in erster Linie kämpfenden Compagnien und Bataillone mols so lange als möglich vermieden werden . Wird die vorderste Linie an irgend einer Stelle durch das feindliche Feuer stark erschüttert, so
müssen sofort Züge, Halbcompagnien oder Compagnien einrücken und dem Angriff frischen Nachdruck geben . Wenn auch der Angriff gegen eine Stellung ein allgemeiner ist, so ist doch der schlieſsliche Sturm nur an einzelnen , wenn möglich vorher genau bestimmten , Stellen durchzuführen . Es führt somit nicht jedes Schützengefecht
für die Infanterie.
206
zum Sturm, der Führer darf denselben deshalb nicht unternehmen ,
wenn er nicht weiſs, daſs es von der höheren Führung beabsichtigt ist. Das Aufpflanzen des Bajonetts hat groſsen moralischen Einfluſs, wenn daher die zweite Linie mit Trommelschlag vorgeht, soll sie vorher das Bajonett aufpflanzen, sobald sie durch die erste Linie hindurchgeht, erhebt sich diese rasch, pflanzt ebenfalls das Bajonett auf und schlieſst sich dem allgemeinen Sturme an . – Nach ge
lungenem Angriff sind alle Truppen in die erste Linie zu nehmen , um den abziehenden Feind so lange als möglich mit Salvenfeuer zu verfolgen. Die Artillerie, die sich dem Angriff auf 1000 Yards angeschlossen hat, muſs dann suchen , sobald als möglich in Thätigkeit treten zu können .
Ein Rückzug in feindlichem Feuer kann nur mit groſsen Verlusten ausgeführt werden . Die Gefahr eines solchen Rückzuges muſs jedem Einzelnen so genan bekannt sein, daſs er Alles daran setzt, den Angriff bis zum Sturm durchzuführen . Die Stellung der Munitionswagen im Gefecht wird durch eine rote Fahne mit schwarzer Kugel darin bezeichnet. Jeder berittene Offizier muſs bei Beginn des Gefechts die Stellung des eigenen und der zunächst stehenden
Patronenwagen kennen. Vor Beginn des Gefechtes muſs ein gröſseres
Munitionsquantum ausgegeben werden , ferner muſs jede Pause während des Gefechtes dazu benutzt werden, den in erster Linie kämpfenden Truppen Patronen zuzuführen .
Infanterie gegen Kavallerie. Wenn die Kavallerie nicht
in groſser Übermacht auftritt, oder sich zu einem besonderen Zwecke aufopfern muſs, so wird sonst der Erfolg, den sie gegen uner schütterte Infanterie erreichen kann, in keinem Verhältnis zu den Verlusten stehen , die sie unvermeidlich erleiden muſs. Es braucht
daher beim Angriff einzelner Schwadronen kein Carré gebildet zu werden, häufig will die Kavallerie nichts weiter erreichen , als die Infanterie veranlassen, geschlossene Formen anzunehmen, um den Angriff aufzuhalten und bessere Zielpunkte für das eigene Feuer zu
haben .
Im Allgemeinen soll die Kavallerie stets in Linie
empfangen werden , wobei die bedrohten werden können .
Flügel
zurückgebogen d.
(Fortsetzung folgt. )
XIV. Kavalleristische Betrachtungen.. II. Kavalleristisches Reiten.
Wiederholt wurde darauf hingewiesen, daſs die Kavallerie, selbst
bei mittelmäſsigem Reiter, aber guter Verwendung und Führung bessere Erfolge erzielen werde, wie im umgekehrten Verhältnis. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daſs wir auch im Reiten nach kavalleristischer Vervollkommnung trachten müssen ; selbst verständlich ohne die angeführten wichtigsten Gesichtspunkte aus den Augen zu verlieren . Nur jene Kavallerie, welcher mehr als die gewöhnliche Durchschnittsleistung zur Verfügung steht, wird sich bei gröſserer Ausdauer, geschontere Pferde erhalten und ge schlossenere kräftigere Attacken ausführen können .
Es kann nicht unsere Absicht sein, hier eine eingehende Ab handlung über kavalleristisches Reiten niederzulegen. Wir leben
im Allgemeinen der Überzeugung, daſs dieses Thema schon genügend nach allen Seiten theoretisch Glück
.
allerdings mit mehr oder weniger
besprochen worden ist. In vielen dieser Abhandlungen
vermiſsten wir jedoch das, was für den Kavalleristen das Wichtigste genannt werden muſs : » ein einfaches, klares und praktisches System « . – Zwar werden die zu erreichenden Ziele vollkommen richtig bezeichnet, nicht aber immer an der Hand praktischer Er fahrungen die Wege vorgeschrieben, auf denen die gesteckten Ziele schnell und einfach erreicht werden können.
Dieser Frage näher tretend, finden wir in den Reitinstruktionen zwar : -
1. Den richtigen Sitz des Reiters eingehend beschrieben , allein es fehlt eine leicht faſsliche Belehrung darüber, auf welche Art und Weise wir bei den Reitern solchen Sitz erreichen können ; und doch wird darüber ein Zweifel kaum bestehen , daſs nur mit dem richtigen Sitze allein auch richtige Hülfen zu geben sind.
Schluſsfassen und Gewichtsverlegung sind Ausdrücke und
Fertigkeiten, welche in jeder Instruktion zu finden sind ;
wie
aber diese Fertigkeiten zum Verständnisse aller Reiter gebracht werden können , darüber haben wir keine klaren , leichtfals lichen Anhaltspunkte.
Kavalleristische Betrachtungen .
208
2. Ganz ähnlich ist es mit den Zügelhülfen . Wenn auch betont wird, daſs die Hülfen anfänglich nicht in der schulmäſsigen Vollkommenheit gefordert werden sollen oder können, so fehlt aber
mals jede Angabe über den zu diesem Ziele führenden Weg. Nur bei ganz klarer, einfacher und konsequenter Belehrung kann das absolut nötige zahlreiche Ausbildungspersonal gewonnen,
nur auf solche Weise der Schüler dahin gebracht werden , daſs er jede einzelne Hülfe richtig erfaſst, mit der Zeit dieselben auch in richtiger Übereinstimmung anwenden lernt und bierdurch an Reit fertigkeit gewinnt. 3. Auch die Reitinstitute befassen sich anscheinend nicht in
der notwendigen Gründlichkeit mit diesen für die Ausbildung der Kavallerie so überaus wichtigen Fragen , sondern begnügen sich in der Hauptsache damit, die Reitfertigkeit des einzelnen Schülers nach seinem Talente zu vergröſsern; sie vermögen auf diese Art nicht jenen Nutzen für die Waffe zu bringen, wie es wünschenswert, erreichbar und notwendig wäre.
Der Reiter, welcher richtig sitzt, in Folge dessen die Hülfen
des Sitzes, » Schluſsfassen , Gewicht und Schenkel « , anwenden kann, der gelernt hat, klare und verständige Zügelhülfen zu geben, er allein wird reiten lernen, wird in kurzer Zeit allen Anforderungen mit und auf dem Pferde genügen können, und im Stande sein , ein junges Pferd zuzureiten. So lange dieser oder ein ganz ähnlicher einfacher Weg nicht beschritten wird, kann der Unterricht sich nicht von den bekannten Gebrechen befreien .
Als diese müssen wir
folgende bezeichnen : 1. Mangel an gewandten zahlreichen Reit lehrern.
2. Völlig unklare Systeme, welche recht oft nur höchst
bescheidene Resultate herbeiführen können .
In Folge von Systemlosigkeit hört der junge Lehrer hier auf diese, dort auf jene Art instruieren , bleibt unklar und unsicher, bis er sich selbst ein System aufgebaut hat oder - alle Instruktion ver
fällt in verderbliche Programm - Hudelei, welche einen wirklichen Fortschritt entschieden ausschlieſst, dagegen trotz scheinbarer Re sultate die wahre Grundlage für unausbleiblichen Rückschritt bildet. Es ist ferner nur natürlich , daſs bei gänzlich ungenügender Basis,
mit dem Vorschreiten der Übungen stets neue Schwierigkeiten er wachsen, welche sodann gewaltsam unterdrückt
wenn auch teilweise überwunden oder
ihre bedenklichen Erscheinungen an dem
kostbaren Pferdemateriale sichtlich zurücklassen .
Es giebt dann
Abteilungen , in welchen man nach Pferden mit vier gesunden Beinen vergeblich suchen wird. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine ,
Bd . LXXI., 2 .
14
Kavalleristische Betrachtungen .
209
Ganze Bibliotheken sind über Reitkunst, Reitausbildung, Pferde und deren Dressur geschrieben worden ; Systeme genug wurden er
sonnen, angewendet, zum Teile auch durchgeführt, ohne doch eine breite und dauernde Grundlage für unsere Soldaten - Reiterei ge Alle bezüglichen Schriften sind sprechende Zeugnisse dafür, wie verschieden die Gesichtspunkte sind, wie weit man trotz der gleichen Reitinstruktion, trotz der Reitinstitute
schaffen zu haben .
noch davon entfernt ist, die gleichen Prinzipien überall wieder zu finden . Obschon die eben bezeichneten Gesichtspunkte in jeder Instruktion enthalten sind , so lassen die letzteren doch nicht
die wahren Ursachen der bestehenden Ungleichheiten erkennen. Wir glauben sie, wie schon erwähnt, darin suchen zu müssen, daſs
unsere Instruktionen nicht die Wege andeuten , auf welchem das gestreckte Ziel erreicht werden soll und kann. Jeder Reiter maſs so lange Unterricht im Sitze auf stehendem Pferde erhalten, bis er denselben auch während der Bewegung gut zu erhalten vermag. Das gleiche Verfahren muſs mit den Hülfen des Sitzes, vermehrte Anspannung ( Schluſsfassen ) und Gewichtsverlegung beobachtet werden. Ganz ähnlich sind die Hauptfunktionen der Zügelfaust - halbe,
ganze Paraden, Vorhand zur Wendung, führen oder nach seitwärts Verhalten – in Verbindung mit den entsprechenden Hülfen des Sitzes zu lehren .
Hier also kann und muſs geholfen werden und
wenn darüber auch alle Professoren der Wissenschaft und Kunst des
Reitens auſser Rand und Band geraten .
Welche lange Reihe von Jahren und Erfahrungen haben viele unter uns durchzumachen gehabt, um endlich zur Erkenntnis zu gelangen wie die Zügelwirkung hier vorherrschend verhaltend und dann wieder seitwärts führend wirken muſs, wie nur auf diese
Weise zuerst der Reiter, dann das Pferd Verständnis dafür erlangen, daſs diese Zügelwirkung, durch die anderen Hülfen unterstützt, in einer mäſsigen Drehung der Faust besteht, befolgt wird. Was erblicken wir aber in der Regel da, wo dieser Vorgang nicht be achtet war ? Die Reiter halten sich bei jeder Gelegenheit fest in den Zügeln und die Wirkung der Zügel stebt den anderen Hülfen geradezu entgegen.
Ja noch mehr, sie stören den Reiter in der
richtigen Haltung, wenn ihm je eine solche beigebracht war, das Pferd in einer entsprechenden Bewegung. Auch das System der Reitübungen kann im Allgemeinen nicht durchgehends entsprechend genannt werden. Es scheint ein keineswegs praktisches und kavalleristisches Verfahren , wenn
im
Winter
nur Reitschulübungen
vorgenommen
Kavalleristische Betrachtungen .
210
werden , wenn hier abgekürzte Gänge und gebogene Stellungen u. 8. w. eingedrillt werden, ohne auf die Reitfertigkeit der Mannschaften und auf ganz richtige Ausführung besondere Rücksicht zu nehmen . Man kann ja auch hierbei auf die verschiedensten und verkehrtesten
Hülfen etwas Ähnliches vorführen, aber wirklichen Nutzen wird dieses Verfahren gewiſs nicht bringen.
Dagegen ist mit Sicherheit
anzunehmen, daſs solche unüberlegte Anforderungen vicht nur die Pferde verderben müssen , sondern auch die Haltung der Reiter . Uns erscheint ein früherer Gebrauch, nach welchem es auch Ab teilungen erster Klasse in Vorbereitung für die zweite gab, ganz gut und vollständig kavalleristisch .
Würde unser System ferner verlangen, daſs in täglichem Wechsel Reitübungen auf der Bahn oder dem Vierecke und solche auf geraden Linien im Freien vorgenommen werden sollen, wenn es Boden und
Witterung einigermaſsen erlauben, so würden mit solchem Systeme ganz wesentliche Vorteile zu erreichen sein.
Vor Allem würde mehr wie die doppelte Zeit für die Übung des Reiters mit dem Pferde gewonnen, da nicht die mehr oder weniger vorhandenen Reitschulen oder Bahnen das Zeitmaſs für
diese Übungen bestimmen würden . Die eingeschaltete Bewegung im Freien auf Exerzierplätzen und im Terrain würde auſserdem weit mehr vor der kaum zu verhütenden Einseitigkeit, welche aus
schlieſsliche Benutzung von Reitbahnen mit sich bringen, bewahren ; es wäre ferner Gelegenheit geboten , die Bewegungen in den Mittel
und den Exerzier - Tempos gut vorzubereiten, allmählich vorschreitend auch die taktischen Grundsätze des Exerzierens schon hier zum
vollen Verständnisse zu bringen. Solche Reitübungen im Freien böten im Winter Gelegenheit zu den verscbiedensten Übungen im Terrain , welche im Sommer wegen des Anbaues nicht durchzuführen sind .
Auch der Gesundheit von Reiter
wie Pferd könnten diese Übungen nur vorteilhaft sein und es wäre solches Verfahren sohin ein Gewinn in jeder Hinsicht.
Ein Reiter, der in allen räumigen Gangarten richtig sitzt, in richtiger Anspannung eine ruhige und stete Faust gewonnen hat, die Wendung auf der Hinterhand richtig ausführt, ist weit ver wendbarer zum Dienste, wie ein anderer, der ganze Tage lang ver
kehrte Seitengänge und Biegungen versucht. Unter 100 solchen Reitern erster Art sind leicht 25% weitergebildet, von den letzteren
werden kaum 5 % reiten lernen, alle Anderen aber bei täglich ver drehterer Haltung unverständlichere Hülfen geben , sich und die Pferde für den Dienst ruinieren .
8.
14*
XV. Die Verwendung
von Schnellfeuerkanonen im Feldkriege. Von
C. H. Egli, Artillerie - Lieutenant.
Es ist in letzter Zeit des Öftern der Vorschlag gemacht worden, alle oder einen Teil, und zwar namentlich der reitenden Feld batterien mit sogenannten Schnellfeuerkanonen zu bewaffnen *).
Diese Frage ist es immerhin wert, näher ins Auge gefaſst zu werden, da für die meisten Festungsartillerien bereits gröſsere An schaffungen solcher Geschütze gemacht worden sind, die sich an
scheinend gut bewähren. Bei Beantwortung derselben gehen wir am besten von denjenigen Anforderungen aus, die an ein Feldgeschütz gestellt werden und vergleichen dieselben dann mit den Leistungen der Schnellfeuerkanonen.
Bei unseren Betrachtungen haben wir die Nordenfelt'schen Schnellfeuergeschütze zu Grunde gelegt, da dieselben typische Ver treter dieser Geschützgattung und bis jetzt wohl auch am meisten erprobt worden sind.
Die heutige Kampfweise verlangt von einem kriegsbrauchbaren Feldgeschütz hauptsächlich folgende Eigenschaften: 1. Gröſstmög
liche Geschoſswirkung gegen alle feldmäſsigen Ziele , also auch gegen Feldbefestigungen , verbunden mit genügender Treffähigkeit , auch auf die gröſsten Entfernungen (700 m).
2. Genügende Manövrierfähigkeit. 3. Einfachheit , Halt barkeit und namentlich auch Widerstandsfähigkeit gegen
Witterungseinflüsse (Nässe , Staub u. s. w.) 4. Leichte und
schnelle Bedienung und daraus folgende groſse Schuſs geschwindigkeit. Untersuchen wir nun in welchem Maſse die Schnellfeuerkanonen
diesen Anforderungen entsprechen. *) Vergl. 1. Nordenfelt, Schnellfeuerkanonen und Mitrailleusen im Feldkriege Wien 1888. 2. Schuhmacher, Oberst ; die Ergänzung der Schweizerischen Artillerie mit Rücksicht auf den Gebirgskrieg. Frauenfeld 1886.
4. Revista d'Artigleria e Genio, 1887. III.
3. Revue d'Artillerie XXVI .
Die Verwendung von Schnellfeuerkanonen im Feldkriege.
212
Die Geschoſswirkung ist bedingt durch die Endgeschwindigkeit, das Gewicht und die Konstruktion des Geschosses.
Nordenfelt.
Osterreich .
Kaliber Gewicht der Granate
9 cm
8 cm
88
68
38
mm
8,7 6,363
7,5 4,325
61
kg
3,495
56,89 2,72
1,50
Gewicht der Sprengladung der Granate... gr Gewicht des Shrapnels kg Gewicht der Sprengladung des Shrapnels .. gr Zahl der Kugeln im Shrapnel Gewicht der Kartätsche kg
47
113,4 1,50
215
128
340
269
7,155
4,773
3,493
2,72
90
48 105
63,8
56,7
105
77
28,3 48
165 7,5
4,738
4,54
3,63
2,04
72 950 300
250 794 330,25
200 567
297,7
422,5
502,9
203,2 457,5
188 457,5
347
366
364,8
326,13
305,7
2000
294
268,22
257,2 .
260
300 246
294,1
3000
253
228,59
218,5
Zahl der Kartätschenkugeln Gewicht der Pulverladung gr Gewicht d. Geschützrohrs kg Anfangsgeschwindigkeit m
120 1500 439 448,4
89
Endgeschwindigkeit auf Schritt 1000
Yards
( in Metern)
Obige Zusammenstellung zeigt, daſs Nordenfelt's Schnellfeuer kanonen den jetzt in Gebrauch befindlichen Geschützen in Bezug auf Anfangsgeschwindigkeit und Geschofskonstruktion etwas über legen sind, wobei in Berücksichtigung zu ziehen ist, daſs die
österreichischen Geschoſse bereits längere Zeit eingeführt sind, also die Fortschritte der neuesten Zeit nicht angewendet werden konnten .
Dagegen ist das Rohrgewicht verhältnismäſsig wenig ausgenützt : während beim österreichischen 8 cm Geschütz auf 1 kg Geschoſs gewicht 69,2 kg Rohrgewicht kommen , ist diese Zahl bei dem Achtpfünder Nordenfelt -Geschütz 94,5 und steigt bei dem kleinsten
Kaliben sogar auf 125,3 kg. Auffallend sind die verhältnismäſsig groſsen Sprengladungen sowohl der Granaten wie der Shrapnels. Während dieselben bei den ersten eine Vergröſserung der minen artigen Wirkung zur Folge und damit einen praktischen Wert haben , ist eine Shrapnelsprengladung, die gröſser als zum Ausstoſsen der Kugeln beziehungsweise zum Zersprengen des Geschoſses absolut nötig ist, zwecklos. Wir erwähnen dabei nur die italienischen
Die Verwendung der Schnellfeuerkanonen im Feldkriege.
213
Shrapnels, die bei 4,3 beziehungsweise 6,7 kg. Geschofsgewicht eine Sprengladung von nur 13 beziehungsweise 17 gr haben. Immerhin muſs anerkannt werden , daſs die Schnellfeuerkanonen
gegen lebende Ziele eine im Verhältnis zum Geschofsgewicht groſse Wirkung äuſsern können.
Etwas anderes
ist es aber mit der
Wirkung gegen tote Ziele. In diesem Falle macht sich das kleinere Kaliber sehr unangenehm geltend, da es z. B. wohl sehr schwer halten wird , mit den kleinen Geschoſsen ohne allzugroſsen Munitions verbrauch eine solide Mauer zu breschieren, ein Fall, der doch nicht allzu selten vorkommt, namentlich bei solchen Geschützen , die zur
direkten Unterstützung der Infanterie bestimmt sind. *) Es besitzt beispielsweise die französische 80 mm Granate (obus ordinaire) einen Querschnitt der sich zu derjenigen der achtpfund Schnellfeuerkanone wie 1,7 : 1 verhält, während die von derselben auf 1800 m 2000 Yards) beziehungsweise 2700 m ( 3000 Yards) hervorgebrachte lebendige Kraft des Geschoſses wie 1,98 beziehungsweise 2,7 : 1 ist. Die österreichischen Geschütze werden von den Schnellfeuerkanonen in
Folge deren gröſsern Fluggeschwindigkeit auf kürzere Entfernungen allerdings übertroffen , ein Verhältnis, welches sich auf die gröſseren Schuſsweiten wieder zu Gunsten der ersteren verschiebt.
Die Präzision der Schnellfeuerkanonen steht unter derjenigen
der Feldgeschütze. **) Welchen Einfluſs die bei schnellerem Schieſsen eintretende groſse Erhitzung des Rohres auf die Präzision ausübt, müssten gröſsere Versuche darthun . - Die wirksamen Schuſs weiten der Schnellfeuerkanonen werden kaum über 3000-3500 m hin
ausgehen . Da nun aber dieselben gröſstenteils der Kavallerie beigegeben werden sollen , müssen diese Schuſsweiten als entschieden zu klein
bezeichnet werden, da es gerade diese Batterien sind, die im Gefecht meistens zuerst ins Feuer kommen und bei Demonstrationen und
dergleichen verwendet werden , denen also Anfgaben zufallen, bei deren Lösung eine fühlbare Wirkung auf gröſsere Entfernungen notwendig ist. ***)
*) Vergl. Archiv für die Artillerie -Offiziere Band 94. 384 ff.
**) Vergl. Zeitschrift für schweizerische Artillerie und Genie. 1888 Nr. 11 und 12.
***) Vergl. Hohenlohe, Militärische Briefe III. 2. Aufl. pag. 154 ff. und 227.
214
Die Verwendung der Schnellfeuerkanonen in Feldkriege.
Nordenfelt.
Osterreich.
Gewicht des Rohres kg Gewicht der Laffete ohne Rohr kg Gewicht der Protze Gewicht des ganzen Ge .
schützes
kg
.
Zaglast p. Pferd 6 spänn, kg 4
99
9 cm
8 cm
88
68
38
487
300
330,25
203,2
188
549 879
467 785
660,5 774,8
609,7 787,5
1915
1552
319,2
258,7
1765,55 297,6
1600,4 266,7
-
19
-
} 952,7 1140,7 285,2
Die Manövrierfähigkeit der Schnellfeuerkanonen ist, wie aus obiger Zusammenstellung ersichtlich , eine den heutigen Feldgeschützen ähnliche, pur scheint der Achtpfünder für reitende Batterien etwas zu schwer . Für die achtpfünder Schnellfeuerkanone ist eine zweirädrige sogenannte Galopplaffete verwendet worden , wie solche auch bei den englischen Mitrailleusen im Gebrauch sind.
Es mag dieselbe allerdings gewisse Vorteile besitzen, immerhin aber hat ein solches Fuhrwerk kaum die zu einem wirksamen Schieſsen
erforderliche Stabilität, ja, die Verwendung oder das Stürzen eines
oder beider Deichselpferde, überhaupt die Unruhe derselben, welche im Gefecht sehr leicht eintritt, kann das Feuern, wenigstens zeit weise unmöglich machen. Namentlich dürfte auch das genaue Ein stellen der Zeitzünder auf Schwierigkeiten stoſsen. Das an den Laffeten der Schnellfeuerkanonen angebrachte Schild legt den Schwerpunkt des Fuhrwerks etwas höher und kann dieser Umstand
bei Fahren in schwierigem Gelände immerhin von einigem Be lang sein.
Es ist klar, daſs die Schnellfeuerkanonen einen viel kompli zierteren Mechanismus besitzen, als die Feldgeschütze. Wir sind nun weit davon entfernt, dieses als einen absoluten Nachtteil zu
betrachten , da sich derselbe durch eine gute Ausbildung der Mann
schaften gröſstenteils ausgleichen läſst. Eine andere Frage ist aber die Widerstandsfähigkeit der Waffe gegen die Einflüssse der Witterung , namentlich gegen Staub und Nässe. Ob die Schnellfeuerkanonen auch unter solchen Umständen ihren Dienst
nicht versagen , müſste ebenfalls noch durch Versuche festgestellt werden.
Der Hauptvorteil, den die Schnellfeuerkanonen besitzen ,
ist die Möglichkeit in kurzer Zeit eine gröſsere Anzahl von
Die Verwendung der Schnellfeuerkanonen im Feldkriege.
215
Schüssen zu verfeuern . Nordenfelt giebt an , daſs die gröſste erreichbare Geschwindigkeit 30 Schüsse in der Minute sei und die mittlere 15 Schüsse.
Die Versuche der Schweizerischen Artillerie
kommission in Thun ergaben dagegen nur eine höchste Geschwindig
keit von 7 Granat oder Shrapnel- beziehungsweise 8 Kartätschen schüsse per Minute, bei nicht vorher tempierten Shrapnels sogar nur 2,8 Schuſs. *) Diese Resultate werden im Felde unter den, den Ver
hältnissen des Schieſsplatzes gegenüber fast immer ungünstigeren Umständen wohl noch bedeutend reduziert werden , falls man nicht ohne die Geschütze zu richten , schieſst, d. h . die Munition verschwendet.
Es ist völlig unrichtig, wenn behauptet wird, daſs die Schnell feuerkanonen » rücklauflos < sind ; selbst die nur mit 280 gr geladenen dreipfünder Schnellfeuerkanonen ergaben einen Rücklauf und muſsten also neu gerichtet werden . Demnach ist der Unterschied in der Schuſsgeschwindigkeit kein allzu groſser. Es ist auch bei den ge wöhnlichen Feldgeschützen möglich, in einer Minute 4 Kartätsch schüsse abzugeben , eine Anzahl die genügen dürfte um jeden Frontalangriff scheitern zu lassen. Für alle anderen Gefechts zwecke genügt aber die gewöhnliche Feuergeschwindig keit der Feldgeschütze. Es ist wohl jedem Batteriechef zu zutrauen , daſs er auch eine Batterie-Schnellfeuerkanone so in der 9
Hand halten kann, daſs eine Munitionsverschwendung nicht vorkommt, immerhin liegt aber auch für ihn die Gefahr nahe , daſs er in der
Aufregung des Gefechts schneller schieſsen läſst , als absolut not wendig ist. Sah man sich doch auch in Deutschland veranlaſst, die gröſste Schieſsgeschwindigkeit einer Batterie auf 12 Sekunden für
jeden Schuſs abgesehen von einzelnen Ausnahmen , die genau be zeichnet sind, festzusetzen, obwohl sie das doppelte leisten kann. **) Der vermehrte Munitionsverbrauch der Schnellfeuerkanonen,
erheischt ebenfalls eine gröſsere Anzahl von Munitionswagen. Herr Nordenfelt glaubt zwar mit einer Dotation von 188 Schüssen für jedes Geschütz auskommen zu können , was immerhin zu bezweifeln
ist, ***) da, wenn die Schnellfeuerkanone auch um das Doppelte eines *) Zeitschrift für schweizerische Artillerie und Genie. 1888 Nr. 11 und 12. **) Verfügung der Generalinspektion der Artillerie vom 17. Januar 1885 . ***) Auf jeden Fall geht der Munitionsersatz nicht ganz so glatt, wie Herr Nordenfelt es sich vorstellt, wenn er schreibt : Zu Beginn der Aktion werden das
Geschütz und sein daneben stehender Munitionswagen abgeprotzt, aus der Geschätz protze einige Munitionskisten entnommen und neben dem Protzstock , gedeckt durch den Lafettenschild, hingestellt, worauf beide Protzen zurückfahren und sich
Die Verwendung der Schnellfeuerkanonen im Feldkriege.
216
gewöhnlichen Feldgeschützes feuert, in kurzer Zeit Munitionsmangel eintreten wird .
Teilt man einer selbstständigen Kavallerie-Division mehrere solcher
Batterien zu , so werden die vielen Munitionswagen ein lästiges Impedimentum für die ganze Truppe sein und die Division wird viel an ihrer Beweglichkeit einbüſsen . Es werden den Schnellfeuerkanonen noch einige Vorteile zu geschrieben , welche die Feldgeschütze nicht besitzen und ist es deshalb notwendig, auch diese etwas weiter anzusehen :
1. Die Einheitspatrone. Diese ist schon lange der Gegen stand eingehender Versuche bei der Feldartillerie und ist zu hoffen, daſs man mit der Zeit dieselbe auch bei schweren Geschützen in
Anwendang bringen kann .
2. Das Einschieſsen soll rasch vor sich gehen können .* ) Die Geschwindigkeit des Einschieſsens ist abhängig von dem raschen und sicheren Richten des Geschützes und dem genauen Beobachten
Die Schnelligkeit des Ladens kann höchstens bei Abgabe des ersten Schusses in Betracht kommen, eine Verzögerung,
der Schüsse .
welche kaum nach Sekunden zählt.
3. Die Anbringung eines Schildes zum Schutz der
Bedienungsmannschaft.**) Es sind schon mancherlei Vorschläge gemacht worden zur Deckung der Kanoniere gegen die feindliche Geschoſswirkung, ohne daſs dieses Ziel bis jetzt erreicht werden konnte. Auch dieser Vorschlag entspricht nicht, da man , um einen Schutz gegen schief von der Radseite kommende Schüsse zu er reichen , den Schild viel zu breit und damit zu schwer und un
behilflich konstruieren müſste ; ferner aber die Durchschlagskraft womöglich gedeckt aufstellen.
Darnach
ersetzt
man
die herausgenommenen
Munitionskisten der Geschützprotze durch solche aus der Wagenprotze, während mittlerweile vorn zunächst die Patronen aus den beim Geschütze bereitgestellten Kisten und nach deren völligen Entleerung aus Kisten von dem , neben den Kanonen stehenden Munitions-Hinterwagen genommen werden. Auf diese Weise
bleibt die Geschützprotze bis zu jenem Momente unversehrt , wo der Inhalt der beiden Behälter des Munitionswagens (Protze und Hinterwagen) aufgebraucht ist, worauf dieses leere Fuhrwerk von der weiter rückwärts stehenden
Munitions - Reserve frische Munition holt , während welcher Zeit nun das Feuer aus den Kisten der Geschützprotze gespeist wird. “ Die Munitionskolonnen werden schwerlich so nahe bei der Feuerlinie sein, daſs man , wenn man sie auch sofort findet, vor Ablauf mehrerer Stunden zurück sein kann .
*) Vergl . Nordenfelt, Schnellfeuerkanonen u. s. w. pag. 7 u. a . a. 0. ** ) Vergl. Feix, Neue Prinzipien zur flüchtigen Deckung der Feld -Artillerie
beim Angriff. Wien 1887.
Die russische Marine, ihre Vergangenheit
217
der neueren Infanteriegeschosse so groſs ist , daſs man mindestens 5-6 mm dickes Stablblech bester Qualität verwenden müſste, wenn man einen wirksamen Schutz auch gegen Schüsse aus kleinen
Entfernungen erreichen wollte. Eine solche Dicke der Panzerung würde aber ein nicht unbedeutendes Gewicht haben , welches man wohl besser in Form von Munition mitführen oder zur Vergröſserung des Kalibers verwenden dürfte. Auſserdem verhindert der Schild den
Richtkanonier an der freien Übersicht über das Schieſsfeld, was eine Verzögerung des Richtens, namentlich bei einem schnellen Ziel
wechsel zur Folge haben kann. Schluſsfolgerungen : 1. Die Schnellfeuerkanonen stehen den heutigen Feld geschützen nach in Bezug auf Wirkung des einzelnen Schusses , namentlich gegen tote Ziele , Trefffähigkeit , Schuſsweite , Einfachheit wahrscheinlich auch Haltbar keit ,
sowie
Wiederstandsfähigkeit
gegen
Witterungs
ein flüsse .
2. Die gröſsere Schuſsgeschwindigkeit ist nicht in dem Maſse vorhanden , daſs die geringere Leistungs
fähigkeit in den oben genannten Punkten dadurch aus geglichen wurde. 3. Die Schnellfeuerkanonen besitzen sonst keinerlei
Vorteile , welche den Ersatz der bisherigen Feldgeschütze durch dieselben wünschbar machte.
XVI. Die russische Marine
ihre Vergangenheit und ihr gegenwärtiger Zustand. (Nach „l'Avenir militaire “ bearbeitet von Berghaus , Major a . D.)
Man muſs bis 1581 bis Iwan IV. zurückgreifen , um die Spuren einer nationalen moskowitischen Marine zu finden .
Im Jahre 1481
hatte Iwan III., genannt der Groſse, wohl Altrussland von dem Joch der Mongolen, die das Land während 150 Jahren im Besitz
und ihr gegenwärtiger Zustand.
218
hatten , befreit, aber erst zu dem von uns angegebenen Zeitabschnitt
liels der vorletzte Fürst der Rurik'schen Dynastie Iwan IV ., der Schreckliche, der den Zarentitel annahm , einige holländische Hand werker nach Archangel kommen, um den Bau der projektierten Flotte
zu leiten, da das weiſse Meer und ein Teil des kaspischen die einzigen den Russen geöffneten Meere waren ; die Tartaren der
Krim hatten damals noch fast das ganze nördliche Küstenland des schwarzen Meeres im Besitz, die Schweden waren Herren der
Mündungen der Newa und fast sämtlicher Häfen der Ostsee . Alexis I. bediente sich ebenfalls eines Holländers, Namens David Butler, um eine Flotille zu erbauen, die auf dem Fluſs Oka organisiert wurde ; das kleine Geschwader fuhr die Wolga hinab und ging dann im kaspischen Meere zu Grunde.
In Wirklichkeit ist Peter der Groſse der wahre Schöpfer der russischen Marine.
Bei einem Besuch , den er in Ismaïlof abstattete,
bemerkte er unter anderen Merkwürdigkeiten eine auf Befehl seines Vaters erbaute Sloop; nach den Angaben Limmermanns von Straſsburg beauftragt er Brandt, diese Sloop, die er alsbald in Gebrauch nehmen
konnte, auszubessern, und liels diesen Schiffsbaumeister den Befehlen des Zaren gemäſs 2 kleine Fregatten und 3 Yachten bauen, die Peter zu seiner groſsen Freude 1689 im Hafen von Archangel manövrieren
sah. Indes genügte dies seinem Ehrgeize noch nicht. Im Jahre 1696 verfügte der Zar über 23 Galeeren, 4 Brander, 3 Galioten und 2 Fregatten , deren er sich zur Wegnahme von Asow bedienen
konnte ; bald wurde der Hafen von Taganrog gegründet. Von dem Wunsche beseelt, die Seestreitkräfte Russlands zu vermehren, sandte Peter der Groſse hierauf mehrere junge Russen von hoher Geburt nach Holland und England , um dort die Schiffsbaukunst zu erlernen. Er selbst durchzog Europa zu diesem Zwecke, und noch zeigt man zu Zaardam in Holland das Haus, in dem er unter dem Namen
Peter Michaïloff lange Zeit gewohnt hat, während welcher er als einfacher Zimmermann auf den dortigen Werften arbeitete. Er ging auch nach England, und zeigt man ebenfalls dort noch in Deptford den Fremden das Haus, das er bewohnt haben soll.
In Frankreich, wo Peter der Groſse sich einige Zeit aufhielt, veranlaſste er mehrere Gelehrte und Ingenieure, ihm nach Russland zu folgen, welche, unter der Leitung des bekannten Admiral Lefort der russischen Marine eine so groſse Entwickelung geben sollten.
Im Jahre 1698 kam in Archangel ein Linienschiff von 60 Kanonen an , an dessen Bau Peter selbst Teil genommen hatte. Im Jahre 1718 bestand die russische Marine aus 23 Linien
Die russische Marine ihre Vergangenheit
219
schiffen und 3 Fregatten. *) .
Unter der Regierung Peters des
Grossen wurden 112 Linienschiffe erbaut, 20 kaufte der Kaiser und
nahm dem Feinde 1 Linienschiff, 6 Fregatten, 4 Yachten , 6 Galeeren und wie man sagt, 60 Sloops. Der grofse russische Herrscher baute nicht
allein die Flotte, sondern er organisierte dieselbe auch und stattete die Marine mit besonderen Reglements aus . Ebenfalls schuf er auch die Häfen von Kronstadt und St. Petersburg. Unter den Kaiserinnen Anna and Elisabeth machte die Marine
keine Fortschritte, hingegen besaſs Katharina die Groſse, die sich stets im Kriege mit den Schweden und mit den Türken befand , bald 100 Schiffe in der Ostsee, 90 im schwarzen und 8 im kaspischen Meere.
Im Jahre 1770 entsandte die Kaiserin , als sie den Griechen
in ihrem Kampfe gegen die Türken Beistand leisten muſste, ein ziemlich groſses Geschwader unter dem Befehl des Grafen Orlow in das Mittelmeer.
Es muſs bemerkt werden, daſs zu dieser Zeit mehrere englische
Offiziere, unter denen sich der Admiral Elphinstone **) befand, in der russischen Flotte dienten.
Am 7. Juli 1770 griff die aus 9 Linienschiffen und mehreren Fregatten bestehende russische Flotte die in der Bai von Tschesme, gegenüber Scio ankernde türkische an. ***) Die Türken verfügten
über 16 Linienschiffe, 6 Fregatten und mehrere Galeeren . Lebhaft angegriffen , flüchteten sie in die Bai, wo sie, von der russischen Flotte verfolgt, alsbald vernichtet wurden . Die Russen verloren 700 Mann dadurch, daſs das Schiff, auf dem sich der Admiral Spiridoff befand, in die Luft ging, +) seitens der Türken betrug der Verlust hingegen ungefähr 10,000 Mann . *) Der Bau der Kriegsschiffe wurde unter die Adligen und Priester verteilt. So muſste der Patriarch des Reiches mit dem Fürsten Trajekureff und Tscherkaski allein 20 Fregatten erbauen. **) Elphinstone war der erste Admiral, der die Dardanellen forcierte.
***) Die Seeschlacht bei Tschesme fand nicht am 7., sondern in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 1770 statt.
t) Dies insofern nicht richtig , als das Admiralschiff des Kapudan Pascha mit dem Admiralschiffe Spiridoff's hart zusammen , und ersteres in Brand geriet; als es in die Luft fog riſs es das russische Admiralschiff mit sich . Beide Admirale wurden übrigens gerettet. Orlow war noch besonders der englische Contre - Admiral
Greigh zugeteilt. Das Hauptverdienst, die in die enge und verschläinmte Bai von Tschesme nach dem vorhergehenden Gefecht geflüchtete türkische Flotte, und zwar durch Feuer, vernichtet zu haben, gebührt dem englischen Seeoffizier Dugdale, der trotz des feindlichen Feuers Brander an die feindlichen Schiffe befestigte, sich an Gesicht und Händen verbrannt in das Meer stürzte und fast unversehrt
zu den Seinigen zurückschwamm .
und ihr gegenwärtiger Zustand.
220
Der Sieg von Tschesme belehrte Europa, daſs es nunmehr eine Seemacht mehr zähle, und gestattete der folgende Friedensvertrag Russland freie Schiffahrt auf dem Schwarzen Meere ; die Krim ward
erobert und alsbald die Häfen von Odessa und Sewastopol erbaut. Mehrere Engagements, deren Ausgang aber ein unentschiedener war, fanden gegen die Schweden in der Ostsee statt. *) Alexander I. beschäftigte sich lebhaft mit der russischen Marine und lieſs zahlreiche Schiffe bauen. – Unter seinem Nachfolger Nikolaus I. bestand die Flotte des Kaiserreiches aus 310 Fahrzeugen,
die 6000 Kanonen führten und 33,000 Mann Besatzung hatten ; auſser
3000
Mann
Marine - Artillerie und 9000 Mann Marine
Infanterie. **) Bekanntlich nahm
die russische Marine an der Seeschlacht
von Navarin , die am 20. Oktober 1827 stattfand, teil. Das russische, vom Grafen Heyden befehligte Geschwader bestand aus 7 Linienschiffen . Die Engländer wurden vom Admiral Codrington ***) befehligt. Was das französische Geschwader, das den thätigsten Anteil an der Schlacht nahm , betrifft, so ward es von dem Admiral de Rigny befehligt.
Navarin wurde das Grab der türkisch - egyptischen Flotte, die aus 6 Schiffen von 84 Kanonen , 2 von 74, 2 von 64, 2 von 60,
*) Diese „ Engagements “ , wie der Verfasser des französischen Artikels sie betitelt, waren Seeschlachten in zum Teil riesigen Verhältnissen . Wir erinnern nur an das Treffen bei Hogland am 17. Juli 1788 (Greigh gegen den Herzog von Südermannland, Bruder des Königs Gustav III.) ; die Seeschlacht am 26. Juli 1789
( Tschitschagoff gegen Karl von Südermannland ); von Swenskasund am 24. August desselben Jahres ; bei Friederichshamm am 15. Mai 1790, bei Kronstadt am 3. Juni
( Tschitschagoff, Kruse und Nassau gegen den König von Schweden) 1; den helden mütigen Kampf und Sieg des Königs bei Miborg am 3. Juli 1790 und schlieſslich
den groſsen Sieg Gustavs über Nassau bei Swenskasund (Verlust der Russen 55 Schiffe mit 643 Kanonen) am 9. Juli 1790. Man kann die „Resultate “ dieser Engagements“ als solche, wenn man von dem später geschlossenen Frieden ab sieht, denn doch nicht unentschieden nennen , doch paſst dies dem französischen
Verfasser wahrscheinlich so besser, falls er überhaupt von diesen Kämpfen ge nügende Kenntnis haben sollte.
**) Diese Zahlen erscheinen auf den ersten Anblick übertrieben. Die Flotten
enthielten aber früher bedeutend mehr Fahrzeuge, führten eine bedeutend gröſsere Anzahl Geschütze und hatten daher vielmehr Besatzung. So besaſs England zur Zeit seiner unangefochtensten Oberherrschaft zur See nach der Wegnahme der dänischen Flotte 1807 : 293 Linienschiffe, 258 Fregatten und 557 andere kleinere
Fahrzeuge, im Ganzen 1108 Schiffe mit 32,000 Kanonen und einer Besatzung von 175,000 Seeleuten,
***) Codrington hatte von vorn befehl über die vereinigte Flotte.
herein im Falle einer Schlacht den Ober
Die russische Marine, ihre Vergangenheit u. s. W.
221
2 von 50, 15 Fregatten von 48 Kanonen, 26 Korvetten, 11 Briggs und aus Brandern bestand. Nur eine Fregatte und 15 kleine Fabr
zeuge entrannen dem Untergang. Der Sieg von Navarin hatte die Beendigung des griechischen Unabhängigkeitskrieges zur Folge. Im Jahre 1853 zerstörte ein russisches Geschwader bei Sinope
im Schwarzen Meer mehrere türkische Fahrzeuge. - Während des Krimkrieges verschwand jedoch die in Sewastopol und den Häfen -
des Nordens blockierte russische Flotte von selbst, da sie sich mit den alliierten Kräften nicht messen konnte.
Die russische Kriegsmarine hat die Veränderungen durchgemacht, die in den anderen Marinen seit nahezu 30 Jahren stattgefunden haben. Während des letzten russisch - türkischen Krieges ist es den
russischen Schiffen gelungen mebrere türkische Panzer mit groſser Kühnheit mittelst Torpedos in den Grund zu bobren .
Gegenwärtig verfügt Russland in der Ostsee, im Schwarzen Meer, auf dem Kaspischen Meer und auf dem Aral-See über unge fähr 590 Fahrzeuge aller Art: Panzer, Torpedofahrzeuge und Segel schiffe.
Die Flotte führt 942 Geschütze, hat eine Betonnung von
285,644 Tonnen und eine nominelle Dampfkraft von 48,851 Pferden . Es ist dies immerhin eine recht bedeutende Flotte, die von mehr
als 3500 Offizieren (wenn man die Civilbeamten mitrechnet) gut befehligt und von etwa 26,000 Matrosen bedient wird. Es ist, wie man sieht, ein weiter Weg bis zu dieser Flotte
von der kleinen Sloop Peters des Groſsen an , die als Reliquie aufbewahrt und in Petersburg den Besuchern der Festung ge zeigt wird .
XVII. Umschau in der Militär - Litteratur. I. Ausländische Zeitschriften .
Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. XXXVIII Bd. 2. Heft: , Betrachtungen über das Überschieſsen der vorderen Linien
durch die Artillerie vom technischen Standpunkte.“ – „ Über den militärischen Wert der Eisenbahnen . “ – „ Über elektrische -
Beleuchtungs - Apparate für militärische Zwecke. “ Armeeblatt (Österreichisches) Nr. 10 : „ Reglementarisches. “ Noch malige Besprechung des neuen deutschen Exerzier-Reglements. Dasselbe
tauge nur für die preuſsische Armee, keine andere werde damit zurecht kommen, es sei förmlich Mode geworden , Anti - Schematiker zu sein. Die Ansicht, Schwarm- und Schützenlinien in unumschränkter Freiheit würden
die künftigen Schlachten gewinnen , sei ebenso doktrinar , wie jene , daſs der Normalangriff absolut verwerflich sei . Es sei rätlich , den Infanterie Angriff einheitlicher und fester zu gestalten in dem gröſseren Verhältnis.
– „ Kavalleristisches “. - Nr. 13 : „Rencontre und bataille rangée. " .
Eine Erzählung für Anhänger des „abteiligen Schrittes“ und des „ Normal angriffes “.
Österreichisch -ungarische Wehr-Zeitung ,,Der Kamerad “ , Nr. 17 : „ Die Wiedereinführung der Pike. “ Selbige wird, nach dem Beispiele der
übrigen Groſsmiichte, befürwortet. - Nr. 18 : „ Die einheitliche Be waffnung der deutschen und österreichisch - ungarischen In Es mehren sich die Anzeichen , daſs die deutsche Heeres
fanterie. “
leitung entschlossen ist , das österreichische Infanteriegewehr Modell 1888
in der deutschen Armee zur Einführung zu bringen . Zum ersten Male
kommt in diesem Entschlusse der deutschen Heeresverwaltung das Prinzip der Gegenseitigkeit in diesem Bündnisse zum praktischen Ausdrucke, dieses Ergebnis wird nicht verfehlen zur Stärkung und Popularisierung der
Bundesgenossenschaft, aber auch zur Erhöhung der Autorität des Bünd nisses mächtig beizutragen . - Nr. 19 : „ Die Wehrverfassung in Österreich vor 100 Jahren . “ Nr. 21: „ Rauchfreies Pulver. “
Der Aufsatz Nr. XX der Jahrbücher für d. d. A. u. M. “ wird zustimmend
besprochen und mit einigen Bemerkungen begleitet. - Nr. 22 : „ Zu den Übungen mit dem neuen Repetiergewehre. “ Die Rauchentwickelung war eine derartige , daſs das Vorfeld in undurchdringlichen Pulverdampf gehüllt war. „Es stellte sich heraus, daſs ein Repetiergewehr nur dann seinen Zweck erfüllen kann, wenn ein rauchfrei verbrennendes Pulver die
223
Umschau in der Militär -Litteratur,
unerläſsliche Vorbedingung hierfür gewährleistet.
Nr. 25, 26 , 27, 28 :
Steht unsere Feld-Artillerie auf der Höhe der Situation ?
Militär-Zeitung, Österreichische, Nr. 16 und 17 : „ Die Munitions Dotation des Infanteriegewehres." Eine fernere Steigerung der selben wird gewünscht, versage man diese, so bringe die neue Waffe keine Vorteile. Die Einführung des Infanteriegewehrs Modell 1888 hatte bereits eine Vermehrung der Patronenzahl von 270 auf 360 Patronen zur Folge, davon Kriegs - Taschenmunition 100 Patronen, Compagnie-Munitions-Wagen
40, Munitionsparks der Divisionen , Corps und Armeen 108, Armee Munitions -Reservepark und Felddepot 112 , zusammen 360 Patronen. Die Munition der nur für den Hinterlader berechneten russischen Infanterie stellt sich auf 364 Patronen ! Nr. 21 : „ Aufklärungs - Manöver der
Kavallerie in gröſserem Maſsstabe “ sollen von 2 Kavallerie Divisionen in diesem Jahre ausgeführt werden ; Einzelheiten feblen nocb. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie -Wesens. 2. Heft : Die 8 mm Handfeuerwaffen in Österreich -Ungarn, deren Entwickelung , ballistische Eigenschaften und Wirkungsfähigkeit. Scbarfe Übungen der beiden Genie-Regimenter im Jahre 1887 .
Le Spectateur militaire. (1. März) : „ Studie über den Gebrauch Die Brauchbarkeit für das Gefecht. Im 19. Jahrhundert hat die Gendarmerie fast an allen Kriegen Teil genommen und einen Gesamtverlust von 660 Mann gehabt ; es wird
der Gendarmerie im Felde , “ 1. Teil.
auf die durch die deutsche Felddienstordnung vorgeschriebene Einrichtung der Meldereiter und Relaisposten verwiesen ; man solle, da dieselbe in Frankreich nicht bestehe, die Gendarmen mit diesem Dienst beauftragen ; eine 150 Pferde starke Eklaireur-Eskadron “ per Armee - Corps, also
3000 Gendarmen für 20 Armee-Corps würden genügen . — , Tous lanciers ! " Die Wiedereinführung der Lanze wird energisch bekämpft; man möge ihr mit Säbel , Karabiner und Revolver entgegen treten. Es sei ein Wider
spruch, daſs man jetzt in Frankreich die Dragoner als berittene Infanterie mit Repetier-Karabinern ausrüste, welche in 30 Sekunden 9 Schuſs geben könnten, schon auf Entfernung von 1800 m , und gleichzeitig mit Lanzen, mittelst deren man den Feind erst auf 6 Fuſs Entfernung erreichen und höchstens zwei Stöſse in der Minute beibringen hönne. 15. März : „ Unsere Remontierung. “ „ Studien über den Gebrauch der -
12
u
Gendarmerie im Felde “ (2. Teil). Journal des sciences militaires. ( März ): „ Taktik der Verpfle . Anfertigung und Übermittelung von gung " ( Fortsetzung ). Meldungen. Befehlen und Bemerkungen über die Reorga nisation der Armee.
Die Artillerie der Reserve- Divisionen .
Es ist
bekanntlich in Vorschlag gebracht, per Armee-Corps je eine dritte Division zu formieren ; die hierzu erforderliche Artillerie in Stärke von
6 Batterien soll durch Abgaben der beiden Regimenter jeder Artillerie Brigade gebildet werden. Ferner wird vorgeschlagen , das 8. Corps bis zu den Vogesen, zwischen das 6. und 7. Corps, vorzuschieben, die Kavallerie
Umschau in der Militär- Litteratur.
224
zu vermehren, nicht durch Aufstellung neuer Regimenter, sondern durch Verstärkung von 18 bei dem Armee-Corps eingeteilter Regimenter bis auf je 6 Eskadrons und Bildung von 3 neuen selbstständigen Kavallerie
Divisionen aus den anderen 18 Corps -Kavallerie -Regimentern.
Die zu
formirenden dritten Divisionen sollen teils durch afrikanische Truppen , Marine, Infanterie, Territorial-Regimenter oder vierte Bataillone der aktiven Wir lenken die Aufmerksamkeit auf diesen Armee gebildet werden . Eine kriegs hoch bedeutsamen Artikel ! Der Massen -Krieg . “" geschichtliche Studie , mit besonderer Beziehung auf die napoleonischen Feldzüge. – Die Militär - Schulen “ ( 1682-1793). n
Revue du Cercle militaire. Nr. 10 : „ Bewegliche Deckungsmittel“ (la fortification mobile ). Anknüpfend an die vom Spectateur militaire in
Vorschlag gebrachten tragbaren und schuſsfesten Schilde zum Schutze der angreifenden Kolonnen , bezeichnet dieser Aufsatz solche als keineswegs widersinnig (?) ; doch fehle die Erfahrung, welche allein Licht über diese Frage verbreiten könne. Nr. 11 : „Nacht - Manöver. “ – „ Die tür kische Armee 1889. Die „ Vereinheitlichung des schweize n
rischen Heerwesens. “ Anerkennende Besprechung des gleichnamigen Aufsatzes im Februar -Heft der „ Jahrbücher f. d. d. A. u. M. “ Nr. 12 :
Das „ Infanterie -Gewehr der europäischen Armeen . “ – „Nacht Manöver. “ erläutert.
Das Wesen derselben wird an geschichtlichen Beispielen
Revue de Cavalerie. (März) : 1. „ Rekognoszierungen .“ 1806. Ein sehr fesselnder Aufsatz, welcher von dem vorzüglichen Aufklärungs dienste der französischen Kavallerie unter Soult Zeugnis ablegt. 2. „ Die Lanze. “ Geschichte derselben in der französischen Kavallerie. Die Wieder
einführung derselben für das erste Glied der Kürassiere und Dragoner wird warm befürwortet. 3. Die „ Märsche der deutschen Armeen , vom 3. Juli bis 1. September 1870. Eine strategisch -kavalleristische Studie über den Aufklärungsdienst der deutschen Kavallerie in jenem Zeitabschnitt.
Revue d'Artillerie. (März) : „ Artilleristische Übungsarbeiten auf der Kriegs- Akademie .“ . – „ Das spanische Artillerie - Bela gerungs- Material . " Revue de l'intendance Militaire .
( Januar- Februar): Die Militär
Verwaltung in Tonkin. – Die Organisation des Militär -Verwaltungsdienstes in Deutschland .
L'Avenir militaire. Nr. 1347 : „ Das neue Reglement für den Telegraphendienst bei der Ka vallerie , vom 9. Februar 1889. “ Nr. 1350 : Die „ Entfestigungs - Frage. “ A. m . spricht sich mit groſser
Entschiedenheit, unter Hinweis auf die belgischen Befestigungs-Anlagen , gegen die Entfestigung gewisser Plätze der Nordgrenze, wie Arras, Douai,
Cambrai aus , und meint, man behandele diese Lebensfrage mit groſser Leichtfertigkeit. 20gs von Aumale
Nr. 1351 : A. m. begrüſst die Rückkehr des Her „ Namens der ganzen Armee, mit tiefster Ver
Jahrbücher für die Deutscbe Armeo und Marine. Bd LXXI., 2 .
15
Umschau in der Militär-Litteratur.
225
ehrung dieses berühmten und ruhmreichen Rangältesten der Generalität. “ Nr. 1354 : Gesetz vom 18. März 1889 über Wiederanwerbung von In Ergänzung oben gemachter Mitteilungen fügen wir hinzu, daſs die Wiederanwerbung bis zur Gesamtdauer von 15 Dienst jahren statthaft ist ; die Zahl dieser Unteroffiziere darf nickt /, der Etats stärke übersteigen. Bei Antritt ihrer neuen Dienstzeit erhalten sie eine einmalige Abfindung, genannt „ mise d'entretien“ , deren Höhe, je nach der Zeitdauer der Verpflichtung zwischen 200 und 600 Francs beträgt, ferner Unteroffizieren.
eine jährliche Gehaltszulage von 200, endlich eine bei der Entlassung zahlbare Prämie, genannt „ prime de rengagement“, in Höhe von 600, 900 oder 1500 Francs, je nachdem dieselben sich für 2, 3 oder 5 Jahre verpflichtet hatten . Die Beträge für Unteroffiziere der Kolonial- Truppen
sind bis um das Doppelte der obigen Sätze höher. Die Berechtigung zur Versorgung im Civildienste beginnt nach 15jähriger, bedingungsweise 10 jähriger Dienstzeit. Le Progrès militaire.
Nr. 870 :
Das Gesetz über Wiederan
werbung von Unteroffizieren ist endgültig durch Kammerbeschluſs angenommen worden ; dasselbe gestattet Wiederanwerbungen (rengage ments) auf 2, 3 oder 5 Jahre und zwar sowohl in dem Jahre, welches
der Dienstentlassung vorausgeht oder in den drei auf dieselbe folgenden Jahren. P. m . meint, viele alte Sergeanten würden , nachdem sie sich vergeblich um eine Civilanstellung bemüht hätten , gern wieder zu den Tressen zurückgreifen ; das Gesetz sei für die Bildung tüchtiger Cadres von gröſster Wichtigkeit und ermögliche jetzt die Einführung der drei jährigen Dienstzeit. Nr. 871 : „ Die deutsche Artillerie.“ P. m. sagt anläſslich der geplanten Vermehrung derselben : „ Wir können ohne -
Gefahr zu laufen warten ; wir haben in Bezug auf Feldartillerie einen
Vorsprung vor Deutschland , sowohl bezüglich der Zahl, als auch der Effektivstärken wenigstens an Pferden der taktischen Einheiten ; wir laufen nicht Gefabr, derselben beraubt zu werden . La France militaire,. Nr. 1451 : „ Versuche mit Schnellfeuer.
geschützen“ System Hotchkiss. Dieselben haben ein Kaliber von 65 mm bezw . 0,10 m , ein Geschofsgewicht von 4, bezw . 15 kg ; die Pulverladung wiegt 1 kg. 500 gr., bezw. 4 kg 300 gr. Die Anfangsgeschwindigkeit
beträgt 620, bezw. 600 m, die Feuergeschwindigkeit 12 bis 15, bezw . 8 bis 10 Schuſs in der Minute. L. F. m. meint, diese Geschütze genügten noch nicht den an ein Feldgeschütz zu stellenden Anforderungen. -
Nr. 1456 : ,,Herbst-Manöver.
Durch kriegsministerielle Verfügung ist
bestimmt worden, daſs das 6. und 8. Armee -Corps gemeinschaftliche
Manöver von 20 tägiger Dauer abzuhalten haben ; Divisions-Manöver finden statt in und 18. 14., 15. Division General
Dauer von 15 Tagen beim 1., 4., 5., 7., 9. , 10., 12., 13., 17. Corps ; Brigade-Manöver von 14 tägiger Dauer beim 2., 3. , 11., und 16. Corps. Die 2. und 4. ferner 2 Brigaden der 6. Kavallerie werden 12 tägige Kavalerie-Divisions -Manöver unter Befehl des de Gallifet im Lager von Châlons abhalten, in der Zeit vom
Umschau in der Militär- Litteratur.
226
30. August bis 10. September. - Nr. 1461 : „Die Kavallerie - Manöver vor und nach 1870. - Nr. 1470 : „Offiziermangel." Derselbe sei in Folge der vielen, für den Kriegsfall vorgesehenen Neuformationen ein auſserordentlich groſser. Man solle bedenken, daſs man sofort bei Beginn des Krieges 3 Millionen Menschen auf die Beine bringen müsse ; die deutschen Wehrkräfte beliefen sich auf 7 Millionen Mann ( !), von denen 3,200,000 Soldaten
mit 3 jähriger Dienstzeit (?) -- Nr. 1472 : „Die Lanze.“ Die versuchsweise mit derselben ausgerüsteten Regimenter werden 3 Typen derselben zu probieren haben : die Lanze Modell 1823 , dann eine solche von Bambusrohr, endlich eine dritte Art, welche aus drei Teilen besteht, von denen der
obere und untere aus Eisen gefertigt und durch einen mittleren hölzernen Teil verbunden sind. Die 6 Dragoner -Regimenter , welche an den Kavallerie - Manövern im Lager von Châlons Teil nehmen, werden bereits die neue Waffe führen.
La Belgique militaire. Nr. 938 :
„ Die Wahrheit über die Frage
der Effektivstärken des Heeres.
Die brennende Frage der Allgemeinen
Wehrpflicht beschäftigt mehr denn je die Geister. Die Armee erwartet die Lösung derselben mit Ungeduld , dieselbe berühre Interessen von
höchster Bedeutung. – „Das Volk in Waffen “ . (Fortsetzung .) Nr. 939: „Ein Wort zu Gunsten der Abschaffung der Lanze“ . – Nr. 941 : „ Die Militärfrage“. Die Bewegung ergreift immer weitere Kreise. „ Kämpfen wir weiter für den Erfolg der guten Sache ; sie wird schlieſslich triumphieren .
Wir appelieren an die Vernunft und den Patriotismus und
zweifeln nicht, daſs wir in nicht zu ferner Zeit unser Vaterland vor einer fremden Invasion sicher gestellt haben werden. “ Revue militaire suisse. (15. März) :
Maſsregeln der Bundes
Versammlung , bezüglich der Bundes - Armee und nationalen Verteidigung im Zeitraum von 1815 bis 1831. “ Ein geschichtlicher Rückblick auf die Organisation des schweizerischen Heerwesens. Dieser Artikel schlieſst mit den Worten , früher habe man die Schweiz für unfähig
gehalten, sich zu verteidigen ; jetzt müsse man mit ihr rechnen, sie besitze 200,000 Mann ausgezeichneter Truppen , welche ihre Schuldigkeit thun würden und auf alle Eventualitäten durch den Eifer der Behörden vor bereitet seien.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 11 : „ Die Eisenbahnen der europäischen Kontinentalmächte im Dienste des Krieges. " Die anläſslich der Unruhen im Kanton Tessin erfolgte Mobilisierung des Bataillons 68 (Zürich) beanspruchte nur die kurze Zeit von 24 Stunden und verlief in gröſster Ordnung; dagegen hat sich die Gotthard bahn, welcher der Transport nach Bellinzona und Lugano oblag, nicht
durch schnellen Truppentransport ausgezeichnet. „Der erste Versuch ist nicht glänzend ausgefallen .“
Die Fahrt dauerte 12 bezw . 14 Stunden .
United service gazette. Nr: 2929 : „ Frankreich gegen England “. In Form eines Dialogs werden die Streitkräfte beider Staaten mit einander verglichen. Frankreich kann , ohne seine Flotte in einer entscheidenden 16*
227
Umschau in der Militär -Litteratur.
Seeschlacht auf das Spiel zu setzen, den gesamten Handelsverkehr Englands vernichten, ohne dabei seine eigenen Häfen preis zu geben.
Unruhen in
Irland, sowie mit Irländern bemannte Schiffe bergen eine groſse Gefahr für England in sich. Frankreich im Bunde mit Russland würde England
vollständig vernichten . – „Geschützpulver.“ Die verschiedenen Ex plosionen schwerer Geschütze haben Veranlassung gegeben, Versuche anzu stellen, welchen Einfluſs anhaltende Hitze auf das Pulver ausübt. Geschütz
pulver muſs langsam verbrennen und muſs den Stofs allmählich ausführen . Man vermutet, daſs die Unglücksfälle dadurch entstanden sind, dass das in enge Magazine eingeschlossene und groſser Hitze ausgesetzt gewesene prismatische Pulver sich nach und nach in feinkörniges, rasch verbrennendes
verwandelt hat.. – Nr. 2931 : „ Die Ausrüstung der Artillerie. “ Der Zustand der englischen Artillerie wird in Bezug auf Mannschaft, Geschütze und Pferde als äuſserst mangelhaft geschildert, und als Abhülfe eine bessere Organisation, namentlich der Volunteer-Artillerie empfohlen. Die französische Feld - Artillerie wird als mustergültig hingestellt, da sie sich schon im Frieden fast auf dem Kriegsfuſs befinde. Der neue engliche Zwölfpfünder übertreffe in ballistischer Beziehung das französische und deutsche Feldgeschütz, doch sei dessen Einführung noch nicht abzusehen. Die Leistungen der deutschen Artillerie in den Schlachten des Krieges
1870–71 zeigen, was von einer guten Artillerie erwartet werden kann. Pferde für die Indische Armee“ . Im Falle eines Krieges zwischen Russland und England werden groſse Kavalleriemassen dringendes Bedürfnis 9
werden, trotzdem herrscht in Indien Mangel an Pferden.
Bei aller An
erkennung der indischen Kavallerie werde sie ohne Zuteilung europäischer
Kavallerie nur ungenügendes leisten, diese ist aber schwer zu beschaffen, da die in Indien gezogenen Pferde für Europäer nicht zu gebrauchen sind, seit mehreren Jahrzenten sind sie ausgeartet. Das beste Pferdedepot, Merw , ist seit der Besitznahme durch die Russen für die Engländer ver loren gegangen . Nr. 2932 : „ Bericht über die Armee im Parlament . “ Im Jahresbericht über die Armee im Kriegsfall wird erwähnt, daſs die Reserve in 48 Stunden einberufen sein könne, und in 4 Tagen marschfähig
sei ; die Miliz wird in 15 Tagen aufgestellt sein, dazu treten dann noch Yeomanry und Volunteers. Den Schutz der heimischen Häfen und Kohlen stationen versehen Seeminen , von denen einzelne in 3 Tagen, der Rest in 10 Tagen gelegt werden . Zur Besetzung derGarnisonen bleiben 124,000 Mann der Reserve verfügbar.. Die Verteidigung Londons und der Themse wird einem selbstständigen Führer übertragen. Die Mobilisierung der
80,000 Mann Linientruppen wird rasch beendet sein, eine groſse Zahl Volunteers, die nicht zur örtlichen Besetzung bestimmt sind , und 67 Batterien mit 238 Geschützen bleiben noch zur Verfügung. 20,000 £ sind bewilligt, um die Befestigung strategisch wichtiger Punkte vorzubereiten; eine
permanente Befestigung Londons ist nicht beabsichtigt.
Von den neuen
Zwölfpfündern werden in kürzester Zeit 45 Batterien mit zugehörigen
Munitionswagen fertig gestellt werden. Für Küstenverteidigung werden
Umschau in der Militär - Litteratur,
228
88 Geschütze schwersten Kalibers in den nächsten 9 Monaten geliefert, für die Befestigung und Armierung der Kriegshäfen und Kohlenstationen sind im verflossenen Jahre 2 %, Millionen Pfund Sterling ausgegeben . The Admiralty and Horse-Guards - Gazette. ( 16. März ): „ Berittene Infanterie“ . (Vortrag des Major Huthon, Commandeur der berittenen Infanterie in Aldershot ). Zusammenwirken der Infanterie mit Kavallerie ist auch von den Deutschen anerkannt; Blick auf die amerikanische O
Kavallerie 1862–64 im Vergleich mit der deutschen 1870–71. Die besonderen Eigenschaften der englischen Soldaten für den Dienst zu Pferde. Unentbehrlichkeit berittener Infanterie für den Krieg mit wilden Völkerstämmen. Ausbildung und Organisation derselben. Mangel an Kavallerie in der englischen Armee und in wie weit derselbe durch berittene Infanterie beseitigt werden kann. Sattel und Zaumzeug müssen geändert, das Gepäck erleichtert und günstiger verteilt werden. Notwendigkeit berittener Infanterie für Miliz und Volunteers bei dem Mangel an
Kavallerie. Diese Truppen müssen eine besondere Schule besitzen, um Mannschaften für den Dienst berittener Infanterie auszubilden . Bei den Linientruppen muſs die Ausbildung im Winter geschehen, im Sommer kann das Fuhrwesen geübt werden .
Wajennüj Sabornik (Militärischer Sammler).
Januar :
Die Be
deutung der Selbstständigkeit der Truppencommandeure. Aus welchem Grunde siegten die Deutschen 1870 und welches war die Ursache der Niederlagen der Franzosen ? " von K. M. Woide. (Fortsetzung im Februar- und März -Hefte .) Der Verfasser zeigt in einer auf Grund der beiderseitigen Quellen gegebenen kritischen Schilderung der
deutschen und französischen Führung im Gefecht von Spicheren (Saar brücken ), wie auf der einen Seite die nie auf Befehle wartende Initiative
der deutschen Commandeure bis zu den Führern der Compagnien herab und auf der andern die Unklarheit und der Mangel an selbstständigem , zu gemeinsamen Handeln bereiten Entschluſs den trotz aller Chancen der
Franzosen für sie ungünstigen Ausgang dieses Tages herbeigeführt hat. – Er ist weder mit der Leitung des Generals v. Steinmetz, noch auch mit derjenigen des Commandeurs der 14. preuſsischen Infanterie - Division ein verstanden.
Dennoch hebt er anerkennend hervor, wie das deutsche
Generalstabswerk ( Band I, Seite 377) die Handlungsweise des letzteren verteidigt, obwohl es in der Absicht des Oberkommandos gelegen hatte, die Saar unterhalb Saarbrücken zu überschreiten .
„ Diese Verteidigung
einer ihm durchaus nicht genehmen Kriegshandlung Seitens des deutschen Generalstabes beweist mehr als alles andere, und hierin liegt die tiefe,
wohlbegründete Bedeutung dieses Verfahrens, wie hoch man in der deutschen Armee den selbstständigen Entschluſs der Unterführer zu schätzen weiſs. – Diese Methode beruht augenscheinlich auf der vollen Über zeugung, daſs in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle die kühne Iniative
von Seiten der Truppen befehlshaber zu günstigen Resultaten führt. Diese Überzeugung bat ihre Berechtigung in dem Umstande, daſs im allge
Umschau in der Militär- Litteratur,
229
meinen in der deutschen Armee die Führer aller Grade ihr Handwerk
völlig beherrschen und es in der Praxis des Krieges anzuwenden ver - Wahrlich, eine vornehme, selbstlose Anerkennung fremder Tüchtigkeit, wie wir in der Militärlitteratur Russlands erfreulicher Weise ihr oft begegnen im Gegensatz zu der politischen Presse dieses Landes. Über die französische Führung bei Spicheren lautet das Urteil : „ Das stehen .
Gefecht entwickelte sich unter solchen Umständen , daſs es den Franzosen
leicht gewesen wäre, den Deutschen gegenüber eine solche Übermacht zu vereinigen , daſs der Sieg sicher sein muſste .“ Unter den als Grund für
die Miſserfolge angeführten Hauptfehlern der französischen Heeresleitung finden wir : „ Die theoretische Centralisation der Befehlsführung, welche weder Selbstständigkeit des Willens noch des Gedankens zuliefs; völlige A pathie der Truppenbefehlshaber, welche stets auf Anregung von oben warteten ; unklares Umhertasten in ihren Maſsnahmen , eine Folge der Abhängigkeit von jedem Gerücht. “ –- ( Februar): Auſser einer bereits im Januar-Heft begonnenen und im März -Heft weitergeführten vortrefflichen -
Abhandlung von A. Pusürewsky : „ Entstehung der stehenden , re gulären Heere und der Zustand der Kriegskunst im Zeitalter Ludwig XIV. und Peter des Groſsen , “ enthält dies Heft u. A. den Anfang einer Darstellung Abyssiniens in physischer und historischer Be
ziehung und die Beendigung der ( im Januar-Heft begonnenen ) Über sicht über die Tbätigkeit der bedeutendsten westeuropäischen Armeen im Jahre 1888 " von Njedowjäzky.
Klar und gründlich ge
schrieben, finden wir hier das folgende charakteristische Urteil über die französischen Heeresreformen seit dem Jahre 1871 : „Haben die fran zösischen Staatsmänner auch bis zu einem gewissen Grade ihr Vorbild
Preuſsen nachzuahmen verstanden , haben sie auch die Fingerzeige aus der Geschichte der Kriegskunst wohl benutzt, dennoch ist eine Aufgabe noch
nicht erfüllt, und zwar die schwierigste von allen, die Militärorganisation der Monarchie der demokratischen Republik anzupassen .“ Und weiter wird mit deutlichem Hinweise auf Boulanger gesagt, wie das Bestreben einiger französischer Generale, eine politische Rolle zu spielen, ein ihr fremdes Element in die Armee hineingetragen habe. März 1889. Dem Infanterie - Pionierdienst ist ein anregender Artikel des Hauptmannes Nikolajeff gewidmet. Die dienstliche Thätigkeit in der russischen Armee ehemals und heute vergleicht eine launig geschriebene Abhandlung von Butowsky, betitelt „ Aus den Erinnerungen eines Compagnie chefs “ . Den Zustand des heutigen Persiens schildert Herr Solotarieff.
Rivista militare italiana. (Februar): Die groſsen Manöver in der Romagna (2. Periode) : Bericht des Leiters derselben, Herzogs von Aosta. Der Herzog spricht sich im Allgemeinen äuſserst anerkennend über
Anlage und Durchführung, sowie über die Führer der beiden starken Marine - Corps, Generallieutenants Driquet und Avogadro und den General stab aus. Das taktische Verhalten aller Waffen bekundete sehr bemerkens
1
werte Fortschritte , die einbeorderten Reservisten des Jahrganges 1862
1
Umschau in der Militär- Litteratur.
230
waren mit dem Dienste noch vollkommen vertraut. Sie betrugen % der
ganzen Truppen. Die Disziplin lieſs nichts zu wünschen übrig. Die In fanterie wendete die in dem jedesmaligen Falle zweckmäſsigen Formationen an , nutzte das Gelände zweckentsprechend aus und besaſs eine recht gute
Feuerdisziplin. Die neue Methode des Munitionsersatzes funktionierte glatt ; wünschenswert erscheinen genauere Festsetzungen über die Verwendung der Patronen der Toten und Verwundeten.
Bei der Kavallerie war der
Zustand von Leuten und Pferden dauernd ein guter, die Gefechtsthätigkeit liefs wenig, der Aufklärungsdienst in groſsen wie in kleinen Verbänden
viel zu wüuschen übrig. Der Herzog schlägt gründlichere Vorbildung der Offiziere durch Kriegsspiel und Erkundungsritte und der Unteroffiziere durch Cadremanöver vor. Die Artillerie entsprach allen Anforderungen,
manchmal wurde jedoch das Feuer auf zu groſsen Entfernungen begonnen. Bezüglich der Genietruppen wird eine reichlichere Dotirung mit elektrischen Lichtstationen zu Signalzwecken empfohlen. – Die frühere Vorliebe zu -
ausgedehnten Fronten ist nicht mehr wahrgenommen worden . - Das Lebel- und das italienische Repetiergewehr. Der Aufsatz weist nach, daſs man mit der neuen Patrone auf den entscheidenden Ent
fernungen mit dem italienischen Gewehr M 71/87 dem Lebelgewehr unit Vertrauen entgegentreten kann . Esercito italiano. Nr. 26 : Bei Spezia fanden Ende Februar die Proben
von 6 Hochseetorpedobooten Typ Schichau statt, von denen 5 der heimischen Industrie entstammen , 1 in Elbing gebaut ist. Die Fahrzeuge machten die Fahrt von Spezia nach Genua unter Volldampf, hielten sehr gut See, bei dem in Elbing gebauten erlitt der Kessel eine Beschädigung. Das Ergebnis wird als ein sehr befriedigendes bezeichnet. Nr. 29 : Zuver lässigen Nachrichten zufolge sollen in diesem Jahre eigentliche groſse Manöver nicht stattfinden , wohl aber gemischte Brigaden und auch einige
Divisionen nach Schluſs der Übungslager gegen einander manövrieren. Im Ganzen werden 96,000 Mann des Beurlaubtenstandes ein beordert. Die
Kavallerie soll in gröſseren und kleineren Verbänden Aufklärungsdienst Mobil- und Territorial -Miliz formieren die gleiche Anzahl von Verbänden, wie im vergangenen Jahre. Revista cientifico -militar. Nr. 5 : Das Mittelmeer , Spanien und Marocco. Weist daraufhin, daſs Spanien in Marocco ein Feld der Thätig üben .
keit suchen müsse, wenn es seine Bedeutung als Mittelmeermacht nicht ganz verlieren wolle.
Krigsvetenskaps-Akademiens-Handlingar. (Februar ): Bestimmungen über die Ausbildung der Indelta - Infanterie. Norsk - Multaert. - Tidskrift. 2. Heft : Anstalten für die Schulung der Kavallerie .
231
Umschau in der Militär - Litteratur,
II .
.
Bücher .
Der serbisch -bulgarische Krieg 1885 , von Robert Möller , Hauptmann im K. S. Inf.-Regt. Nr. 105. Mit einer groſsen Skizze des Kriegsschauplatzes und zahlreichen Skizzen der C
Gefechts- und Schlachtfelder.
Hannover 1888.
Helwing'sche
Verlagsbuchhandlung. Der kurze serbisch- bulgarische Feldzug ist sowohl in der Tageslitteratur als in besonderen Schriften bereits Gegenstand zahlreicher, mehr oder minder wertvoller Darstellungen geworden, ohne daſs auch nur eine einzige der
selben Anspruch auf dauernden kriegsgeschichtlichen Wert zu erheben berechtigt wäre . Diesem Mangel ist durch die vorliegende Arbeit, welche Verfasser bescheiden als eine „Studie “ bezeichnet, abgeholfen worden. Seine Aufgabe war keine leichte, da demselben , trotz aller Bemühungen um Überlassung etwaiger Operationsakten, Kriegstagebücher und ähnlicher
offizieller Quellen, solche von Seiten des serbischen und bulgarischen Generalstabes nicht zur Verfügung gestellt werden konnten , hauptsächlich
wohl aus dem Grunde, weil solche überhaupt nicht vorhanden sein dürften . So war denn der Verfasser auf die Aufzeichnungen der Berichterstatter der groſsen Zeitungen und von Offizieren , welche in bevorzugten Stellungen am Feldzuge Teil genommen haben, endlich auf die über den Krieg erschienenen Broschüren angewiesen. Mit groſsem Geschick und überraschend sicheren, taktvollem Urteile ist es ihm gelungen , aus dem gesammelten reichen Stoff ein Bild dieses Krieges herzustellen , dem der
1
kundige Leser seine rückhaltlose Anerkennung nicht versagen wird. Der Versicherung, daſs der Verlauf dieses jüngsten, von modernen Heeren mit modernen Waffen geführten Krieges interessant “ sei, hätte es nicht be durft. Wir haben die Schilderung desselben von Anfang bis zum Ende mit regstem Interesse gelesen und verdanken, namentlich dem taktischen
Teile derselben, reiche Belehrung . Das I. Kapitel behandelt „ Die politischen und militärischen Verhältnisse vor Ausbruch des Krieges"“ - das Kriegstheater, die politischen Ursachen des Krieges, die Armeen der beiden Gegner. Von der militär- geographischen Schilderung des Kriegstheaters darf man be haupten, sie sei mustergültig. Das II. Kapitel, „Der Krieg , handelt von den Rüstungen , dem Aufinarsch und Operationsplan der beiden Gegner,
1
11
den Ereignissen auf dem Haupt- und Nebenkriegsschauplatz, der Einstellung der Feindseligkeiten, dem Friedensschluſs, endlich „ Psychologische Rück blicke “ . Das III. Kapitel: „ Die politischen Folgen des Krieges“ . Im Anhange wird der Inhalt der wichtigsten vor und während des Krieges
veröffentlichten politischen und militärischen Schriftstücke wiedergegeben. Aus dem Verlaufe der Kämpfe bei Sliwnitza und Pirot gewinnt man
von Neuem die Überzeugung, daſs schlieſslich die unoralischen Faktoren die ausschlaggebenden sind. Gleich am ersten Tage von Sliwnitza “, sagt der Verfasser, „ rüchte sich die falsche taktische Erziehung der serbischen 97
Umschau in der Militär -Litteratur.
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Soldaten bitter. Den Wert eines Bajonettangriffs als ultima ratio, um den Gegner zum Weichen zu bringen , kannte der serbische Soldat nicht. Obwohl von Natur zur Offensive sehr befähigt, war ihm eine Geringschätzung des Bajonetts und eine Überschätzung der Kugel anerzogen worden. Man
hatte ihm gesagt, daſs sein Gewehr jedem anderen überlegen sei, infolge dessen erwartete er , daſs sein bloſses Schnellfeuer jeden Gegner zum Weichen bringe. Ungeübt im Schätzen der Entfernungen und in der Verwendung seiner Waffe eröffnete er auf übergroſsen Entfernungen ein schlecht gezieltes Feuer und steigerte dasselbe beim weiteren Vorgehen
derartig, daſs ihm meist die Munition zu mangeln begann, wenn er den bulgarischen Stellungen auf entscheidende Entfernungen gegenüber stand. Da nun die Bulgaren zu seinem Erstaunen vor dem serbischen Gewebr nicht zurückwichen , wurde er an der Brauchbarkeit seines Gewebres irre, und trat, statt den durch das verlustreiche Avanzieren errungenen Vorteil nun durch einen Bajonettangriff auszubeuten, regelmäſsig wieder den Rückzug an. Die bulgarische Taktik befolgte beinahe das der serbischen entgegengesetzte Extrem . Von seinem russischen Lehrmeister war dem
Soldaten jene Hochachtung vor dem Bajonett und jene Geringschätzung der Kugel anerzogen worden, die in dem bekannten Worte Suwarows ihren Ausdruck findet. Die Bulgaren hatten zu ihrem Staunen bemerkt, welchen Eindruck ein entschlossener Bajonettangriff auf die Serben machte und erlangten dadurch ein auſserordentliches Selbstgefühl, welches durch das Bewuſstsein gröſserer Körperkraft noch gehoben wurde. “ – (Wir meinen,
daſs der italienische Feldzug 1859 ganz ähnliche Erscheinungen aufzuweisen hat ; dieselben beweisen eben nur, daſs gegenüber einem mangelhaft
ausgebildeten , schlecht geführten Gegner das Bajonett nach wie vor die Waffe der Entscheidung ist ; gegenüber einer tüchtig disziplinierten ,
gut ausgebildeten und gleichwertig bewaffneten Infanterie wären zweifellos die bulgarischen Bajonettangriffe mit ungeheueren Verlusten abgewiesen – Einen hervorragend psychologischen Einfluſs auf den glücklichen worden ! ) – Ausgang des Feldzuges hat unstreitig Fürst Alexander gehabt - nicht
durch sein Feldherrn -Genie, sondern durch die Macht seiner Persönlich keit. Volk und Armee hingen mit um so gröſserer Hingebung an ihrem Fürsten, als man , von Russland verlassen , thatsächlich nur von seiner
Energie und Klugheit die Rettung des Vaterlandes erwartete. „ Was ein Herrscher in solcher Lage leisten kann , das hat Fürst Alexander wahrlich geth an. Er war der Mittelpunkt der Begeisterung
des Volkes und die Seele der Armee ; ja ohne ihn und seine That- und Willenskraft ist der ganze Krieg überhaupt kaum denkbar. “
Wir haben den reichen Inhalt des trefflichen Buches nur mit wenigen
Worten gestreift; Weiteres verbietet der knapp bemessene Raum .
Eine
kleine Ausstellung müssen wir zum Schlusse machen : Der Skizze des Kriegsschauplatzes fehlt ein Mafsstab.
233
Umschau in der Militär - Litteratur.
Wir halten das vorliegende Werk für eine der besten Neuheiten auf dem Gebiete der neueren Kriegsgeschichte und empfehlen sie namentlich 1.
Regimentsbibliotheken zur Beschaffung.
Geschichte des 2. groſsherzoglich hessischen Infanterie Regiments (Groſsherzog ) Nr. 116. Mit einer Übersichts karte und 2 Skizzen
Mittler & Sohn .
in Steindruck.
Berlin 1888.
E. S.
Preis : M. 1,50.
In der Geschichte des Infanterie-Regiments Nr. 116 ist die schwierige Aufgabe, gleichzeitig eine Regimentsgeschichte und eine Mannschaftsans gabe herzustellen, mit Geschick und Glück gelöst. Der Verfasser, als welchen die Vorrede Hauptmann Klingelböffer, Adjutant beim Gouvernement Mainz, von 1869 bis 1887 ein Angeböriger des Regiments, nennt, hat seine Arbeit in zwei Teile geteilt. Im ersten hat er die Erlebnisse und Schick sale des Regiments geschildert; im zweiten , dem Anhange“, hat er
zunächst „ hervorragende Thaten von Unteroffizieren und Mannschaften, sowie sonstige bemerkenswerte Einzelhandlungen “ aufgezeichnet und dann eine Anzahl von Listen und Ansichten, meist persönliche Verhältnisse von Mitgliedern des Truppenteils betreffend , gegeben . Die Geschichte des Regiments ist vielseitig und wechselvoll. Die
punktierten Linien, welche das beigegebene Farbenbild durchfurchen, gehen der Kreuz und der Quere nach von Lyon und Grenoble bis Wilna, von Tours bis Karlstadt und Fiume.
Im Jahre 1792 am Rhein und am Main
beginnend führt der Kriegspfad, welchen damals das gleichte Infanterie
Bataillon “ beschritt, von der Nordsee an das Adriatische Meer, dann zur Weichsel und an die Ostsee, nach einem Abstecher in das Ungarland nach Russland hinein und nach kurzer Heimkehr auf die Schlachtfelder in Sachsen vom Jahre 1813.
Dann war es aus mit dem Franzosendienst
und nach weniger bedeutenden Zwischenfällen ging es 1870 nach Frankreich
hinein. Diesem Teile des Kriegslebens ist natürlich die verhältnismäſsig gröſste Zahl der Seiten gewidinet. Unter den Anlagen befinden sich vierzebn Namenlisten des Offizier
Corps, zu verschiedenen Zeitpunkten aufgestellt, und auſserdem ein Ver zeichnis sämtlicher Commandeure u. s. w. bis zu den Hauptleuten herunter. Wäre es nicht zweckmäſsiger gewesen , ein einziges Verzeichnis sämtlicher Offiziere zu geben, welche dem Regimente angehört haben ? Seite 9 bis 12 ist mehrfach von einem General v. York die Rede, welcher sich zuletzt als der Oberbefehlhaber der englischen und in englischem Solde stehenden Truppen offenbart.
Hier liegt die Gefahr einer Ver
wechselung mit dem ziemlich gleichnamigen General Graf Yorck von Wartenburg nahe. Die Vorrede sagt, daſs der Arbeit eine umfangreiche fertiggestellte Regimentsgeschichte als Grundlage und als Hauptquelle gedient habe und
daſs das Regiment in naher Zeit die Feier des hundertjährigen Bestehens
Umschau in der Militär -Litteratur.
234
seines 1. Bataillons, sowie seinen fünfundsiebenzigjährigen Geburtstag als
Regiment begehen werde. Wir würden uns freuen dann der vorliegenden 14 . Schrift in anderer gröſserer Gestalt von neuem zu begegnen.
Beitrag zur ältesten Geschichte des Kosakentums von Hans Pöllmann , Premierlieutenant a. D. , mit 3 Skizzen in Farbendruck . München. Oldenburg 1888. Vorliegende Schrift ist das Ergebnis etymologischer und militär geographischer Studien des Verfassers über die politische Entstehung des Kosakentumes, welche ihn allerdings zu Folgerungen führten , welche zum Teil von den herrschenden Anschauungen weit abweichen. – Was den
Ursprung des Wortes „ Kosak “ anbetrifft, so weist Verfasser darauf hin, daſs dies Wort im älteren Russisch stets „Kosák“ und nicht wie heute
„ Kasák “ geschrieben wird. ( Die Aussprache war stets die gleiche, da in der russischen Sprache das „0“ vor einer betonten Silbe stets wie „a" ausgesprochen wird .) Er weist die bei der bekannten politischen Ent stehung des Kosakentums nahe liegende Verbindung mit dem türkischen „Kazak“ d. b. „ Freibruder “ zurück und sucht dafür das Wort „ Kosak " als identisch mit „ Ziegenbauer“ (von Kosa die Ziege) zu erklären, welche Bezeichnung dem ürmeren Bauer von dem mehr Schafzucht betreibenden Bauern innerhalb der alten Grenzen Russlands gegeben wurde. Ob diese Erklärung mehr innere Wahrscheinlichkeit hatte als die frühere, welche doch auf geschichtlichem Untergrunde ruht, sei dahingestellt. Aus dem Umstande, daſs 1224 in der Schlacht an der Kalka, einem sich ins Asowsche Meer ergieſsenden Flüſschen, die Niederlage der Russen u
durch die Mongolen wesentlich wegen des Mangels an Reiterei so ver nichtend wurde, und daſs auch bei der zweiten Invasion unter dem Enkel Dschingis-Khans, Batu, nirgends eine Spur von Kosaken oder Saporagern zu entdecken ist, folgert Verfasser, daſs dieselben damals noch als ein faches Hirten- und Fischervolk in den Steppen des Dniepr saſsen . Bei dem Fehlen aller Urkunden wird es schwer sein, Beweise für und
gegen diese Behauptung aufzubringen. Dennoch empfehlen wir den für das Thema sich interessierenden Kameraden das anregend geschriebene Schriftchen .
17 .
Neuheiten der infanteristischen Litteratur. Hilfsmittel zur Einzel - Ausbildung des Schützen im Ge
lände .
Ihre Anlage und Ausnutzung von v. Jahn , Oberst
lieutenant und etatsmäſsiger Stabsoffizier im schles. Füsilier Regt. Nr. 38.
Mit 2 Tafeln.
Zweite unveränderte Auflage.
Berlin 1889. Verlag von R. Eisenschmidt. 80 Pf. Teil I der Schrift enthält 16 Ziffern des Exerzier -Reglements im Wortlaut,
-- Bestimmungen, welche die Wichtigkeit der Einzel -Ausbildung des Mannes als Schütze hervorheben und dabei diejenigen Übungen anordnen , die
erforderlich sind, um einen für das Gefecht gewandten Schützen zu er
Umschan in der Militär -Litteratur.
235
Dieser Teil erscheint durchaus entbehrlich : daſs jeder
ziehen .
Offizier , selbst der Unteroffizier, die Allerhöchsten Bestimmungen über
die Ausführung der in Betracht kommenden Übungen genau kenne , ist mit aller Strenge zu fordern .
Wichtig, praktisch und dankenswert
sind die durch genaue, zahlreiche Abbildungen erläuterten Mitteilungen über Anlagen, die Verfasser bei seinem Regiment für geringe Kosten ge schaffen hat und sich auch an vielen anderen Orten werden schaffen lassen :
Anlagen für sorgsamste Einzelausbildung des Schützen durch künstliche
Herrichtung des Geländes, Erddeckungen, Mauern, Gråben, Zäune, Bäume Die Herstellung eines solchen Schützengartens “ wird überall um so dringender sich fühlbar machen,
von verschiedenen Durchmessern u. 8. W.
als die landwirtschaftliche Bebauung, die industrielle Verwertung von Grund und Boden sich erweitert und vervollkommnet.
Der Verfasser hat sich
durch seine zweckmäſsigen Anregungen und Winke den Dank, zunächst
aller Compagniechefs, ebenso verdient , wie jüngst durch seine andere,*) dasselbe Gebiet behandelnde Schrift den Dank weiterer Kreise.
Die neuesten Vorschriften über Schieſsen , Felddienst und Exerzieren erheischten Umarbeitung – und nunmehriges Erscheinen in fünfter Auf lage --- der bekannten kleinen : „, Unterweisung für das Verhalten
des Infanteristen im Gefecht von A. v. Boguslawski , General major .“
Berlin 1889.
E. S. Mittler & Sohn .
Preis : 20 Pf.
Es ist sicherlich geraten, ganz bestimmte, kurze Regeln und Vor die Dinge, auf welche es hauptsächlich ankommt im Gefecht den Infanteristen immer und immer zu wiederholen, zu erklären, so daſs schriften
sie ihm völlig zu eigen werden und er geradezu gewohnheitsmäſsig und überall danach handelt. General v. Boguslawski stellt 139 solcher Grund und Lehrsätze auf, mit denen man sich wohl einverstanden erklären kann.
Mancher wird diesen oder jenen Satz streichen, manchen hinzufügen aber der Anhalt, den das Schriftchen bietet, ist sehr willkommen . Nicht einverstanden würden Viele sein mit der in den Nummern 21 und 22
gegebenen Einteilung der Entfernungen in nähere und weitere, da die Schieſsvorschrift im § 38 auch noch „mittlere“ angiebt ; – auch nicht mit der Fassung der Nummer 66, welche „ im letzten Moment stets den Gegenstoſs “ des Verteidigers verlangt. Satz 2 der Nummer 29 gehört wohl an das Ende der Nummer 28 .
34.
Leitfaden für die Vorbereitung der russischen Truppen zum Kampf. Von M. Dragomirow. I. Teil: Vorbereitung der
Compagnie. Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen *) Im Sommer 1888 erschien im gleichen Verlage für den Preis von 1 Mark : Gefechtsmäſsige Ziele für das gefechtsmäſsige Abteilungsschieſsen “. Vorrichtungen zum Erscheinen- und Verschwinden-Lassen von Zielen für das ge
19
fechtsmäſsige Abteilungeschieſsen . Mit 27 Abbildungen und 2 Anlagen. -
Umschau in der Militär- Litteratur.
236
von Freiherr v. Tettau , Lieutenant im braunschweigischen Inf.- Regt. Nr. 92. Hannover 1889. Helwing'sche Verlags buchhandlung.
Preis : 1,50 M.
Der Verfasser, welchem wir schon mehrere Schriften über Ausbildung und Dienst der russischen Infanterie zu danken haben, hat sich der dankens
werten Arbeit unterzogen, das neu erschienene Werk des in der russischen Armee als Kriegs-Theoretiker in höchstem Ansehen stehenden Generals
Dragomirow einer Übersetzung zu unterziehen. Der vorliegende I. Teil bezieht sich nur auf Erziehung , Einzel - Ausbildung und Ausbildung der
Compagnie, ferner das Manövrieren innerhalb der Schuſssphäre. Wir wüſsten kein Werk namhaft zu machen, welches geeigneter wäre, mit den Eigenheiten der russischen Infanterie und ihrer Taktik bekannt zu machen , als dieses. Der Russische Invalide “ (Jahrgang 1885 Nr. 77 ) schlieſst seine Besprechung des Dragomirow'schen Buches mit den Worten : „In n
militär- litterarischer Beziehung stellt der Leitfaden eins der kostbarsten Elemente dar , welche den Ruhm des heutigen russischen Gedankens bilden “ . Wir enthalten uns des näheren Eingehens auf diese wichtige infanterie -taktische Neuheit in dem Wunsche, daſs dieselbe einen recht zahlreichen Leserkreis finden möge. Die Fortsetzung wird hoffentlich nicht 2. allzu lange auf sich warten lassen .
Allgemeine Regeln für die Verwendung der drei Waffen im Gefecht.
Herausgegeben vom Königlich Italienischen
Übersetzt von Generalstabe . Lieutenant. Mit vier Tafelu . & Sohn .
v. Bruchhausen , Premier Berlin 1889 .
E. S. Mittler
Die zum ersten Male im Jahre 1885, dann in verbesserter Auflage
1887 erschienenen „ Norme generali per l'impiego delle tre armi nel com battimento“ dürften nur wenigen Lesern der Jahrbücher dem Wortlaute nach bekannt sein.
Wir halten deshalb die vorliegende, tadellose, mit er
läuterndem Vorworte versehene Übersetzung dieser, die Kampfesweise des italienischen Heeres behandelnden Vorschriften für eine höchst will
kommene Bereicherung unserer taktischen Litteratur. Daſs wir und weshalb wir allen Vorgängen jenseit der Alpen warmes Interesse ent
gegen bringen , bedarf wohl kaum der Begründung. – Die „ Allgemeinen Regeln “ handeln zunächst von der Marschordnung einer Division , dann den Aufgaben der Avantgarde, wenn der Feind gemeldet ist, den Maſsnahmen
des Gros, Übergang von der Aufstellung in zusammen gezogener Ordnung zur Offensive und Entwickelung des Angriffs einer Division, die in gröſserem Verbande auf einem Flügel oder selbstständig kämpft ; entsprechend dann das Defensiv -Gefecht einer Division, ferner die Regeln für die Besetzung
von Stellungen auſserhalb des Berührungsbereiches mit dem Gegner, Ver folgung und Rückzug, endlich Allgemeine Regeln für die Verwendung starker Kavalleriekörper in Verbindung mit reitender Artillerie. – Ein
Umschau in der Militär- Litteratur.
237
alphabetisches Inhalts -Verzeichnis bezieht sich auf die 141 Nummern dieser Vorschrift und erleichtert die Orientierung. Die vier Tafeln enthalten die
„Ordre de bataille“ einer italienischen Division, die graphische Darstellung der Marschordnung, endlich eben solche eines Beispieles für die Ent
wickelung eines Normalangriffes in 7 Momenten. – Über den in neuerer Zeit stark angezweifelten Wert derartiger Angriffs - Schemas uns sprechen, müssen wir uns an dieser Stelle versagen .
auszu
2.
Der theoretische Unterricht für den Unteroffizier der Hilfsbuch zur Unterweisung und Selbst Kavallerie. belehrung auf Grund der allerhöchsten Vorschriften . Von C. v . P. 1889.
Zweite Auflage.
München.
Theodor Ackermann .
Auf 66 Seiten behandelt das Büchlein in Form von Fragen und
Antworten die wissenswerten Vorschriften des Garnisondienstes, der „ Ab richtung “, des Exerzierens, dann die Aufgaben eines Kavallerie - Unter offiziers im Felde und Manöver, im kleinen Kriege und in den einzelnen Gefechten . Es ist, auch in Rücksicht auf das handliche, kleine Format ein wahres Vademecum und ein zuverlässiger Ratgeber in der Garnison, im Manöver und im Felde für den in Rede stehenden Leserkreis. Wir wünschen dieser gediegenen kleinen Schrift, welche durch ihre zweite Auflage dar thut , daſs sie sich zahlreiche Freunde zu erwerben wuſste, die verdiente weitere Verbreitung.
3.
Die Kontrollversammlung. Nach der Wehr- und Heerordnung vom 22. November 1888 bearbeitet von Transfeldt, Oberst
lieutenant und etatsmäſsiger Stabsoffizier im Infanterie Regt. Nr. 129. Dritte Auflage. Berlin 1889. E. S. Mitt ler & Sohn .
Der Dienst bei den Kontrollversammlungen. Nach der Wehr und Heerordnung vom 22. November 1888 neu bearbeitet von W. v. Jahn , Oberstlieutenant und etatsmäſsiger Stabs offizier im schles. Füs.-Regt. Nr. 38. Auflage.
Berlin 1889.
Zweite, neubearbeitete
E. S. Mittler & Sohn .
Beide Schriften enthalten eine vollständige Zusammenstellung aller
auf den Dienst der Kontrollversammlungen bezüglichen , durch die neue Wehr- und Heerordnung in mancher Beziehung geänderten Vorschriften,
denen einzelne Erläuterungen und praktische Winke für die die Ver sammlung abhaltenden und an ihnen teilnehmenden Offiziere beigefügt sind . In Bezug auf Umfang und Inbalt sind beide Schriften ganz gleich, ebenso auch im Preise (70 Pf.), so daſs wir keiner derselben einen Vorzug vor der anderen eiprdiumen können .
D.
Umschau in der Militär- Litteratur.
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Neueste Bestimmungen über den freiwilligen Dienst im Heere. Auszüglich aus der Wehr- und Heerordnung vom 22. Nov. 1888. Berlin 1889. E. S. Mittler & Sohn .
Die Schrift enthält nur eine Zusammenstellung aller auf den drei oder vierjährigen und einjährigen Dienst bezüglichen Vorschriften mit den dazu gehörigen Anlagen. Erläuterungen sind nicht beigefügt. D. Leitfaden für den Veterinär- Unterricht.
Zusammengestellt
für Unteroffiziere, Unteroffiziers -Aspiranten , Einjährig - Frei willige berittener Truppen , Trainfahrer und Wagenmeister der Infanterie von J. Bitsch , Veterinär 1. Klasse im k. b.
Feld -Artillerie-Regiment » König« . Augsburg 1889. Verlag der M. Biegerschen Buchhandlung. Diese Schrift ist zwar klar und übersichtlich gegeben, auch leicht verständlich , doch aber für beregten Zweck zu umfangreich. Die wichtigsten Regeln für Erhaltung der Gesundheit, Konservierung der Beine, Behandlung der am häufigsten vorkommenden Krankheiten und Beschädigungen wären zweckmäſsiger in einem Hauptteile zusammen gestellt worden ; auf diese Weise würden sich dieselben dem Gedächtnis Immerhin wird das Schriftchen in dem vor besser eingeprägt haben.
gesehenen Leserkreise nutzbringend wirken können.
8.
III. Seewesen .
The army and navy Gazette. Nr. 1522 : Weitere Schieſsversuche gegen das Panzerschiff Resistance " (Mitte März). Die Experimente betrafen die Prüfung der zerstörenden Wirkung, welche , Lyddite-Granaten " 19
gegen Panzerplatten hervorbringen .
Das Resultat war, daſs sie meistens
beim Auftreffen krepierten, diejenigen aber, welche % zöllige Platten der
Schiffswand durchschlugen, zwar das Deck aufbrachen , im Übrigen aber wenig Schaden im Innern des Schiffes anrichteten und nicht einmal die vertikalen Eisenwände , welche zum Schutze der Geschütze aufgestellt waren, zerstörten . Wie wenig Effekt die „ Lyddite - Granaten “ übrigens haben, geht daraus hervor, daſs eine solche in der Rohrmündung krepierte,
obne das Geschütz im Geringsten zu beschädigen. Auſser den obigen Experimenten wurden Deckpanzermodelle ( Turtledecks) für gepanzerte Kreuzer beschossen , welche jedoch ebensowenig günstige Resultalte ergaben u. S. W. Nr. 1523 : Mitteilungen über den Bau von schnellen Kreuzern für die englische Marine. Von diesen haben 4 (Borraconta ,
Barrosa , Blanche und Blonde) je 1580 Tons Deplacement und 3000 Pferde
krifte, welche eine Geschwindigkeit von 17 bis 18 Knoten haben sollen . Zwei andere ( Barham und Bellona) bei einer Länge von 280 Fuſs, einer Breite von 35 Fuſs und einem Tiefgange von 13 Fuſs 3 Zoll, ein
Umschau in der Militär -Litteratur.
239
Deplacement von 1830 Tons mit einer Maschine von 6000 Pferdekräften .
Man erwartet von ihnen 19 '), bis 20 Knoten Geschwindigkeit. Zwei andere (Phoebe und Philomel) von 2500 Tons Deplacement und mit 7500 Pferdekräften sollen 19 Knoten Geschwindigkeit haben. Die Armierung der letzteren soll auſser den Schnellfeuer-Kanonen noch aus einigen schweren Geschützen bestehen . Ein anderer Kreuzer (Vulcan) nähert sich seiner Vollendung. Er hat ein Deplacement von 6000 Tons, ist mit Maschine von 1200 Pferden versehen und soll 20 Knoten Geschwindigkeit haben. Er ist mit einem Sporn und Torpedo-Lancierrohr versehen . Ein ver besserter „ Vulkan “ von 360 Fuſs Länge, 60 Fuſs Breite und etwa 24 Fuſs
Tiefgang mit einem Deplacement von 7500 Tons soll in Devanport auf Stapel gelegt worden sein. Man sieht hieraus, wieviel Gewicht man auf die Schnelligkeit der Kreuzer in England legt. Die Frage der geschützten Kreuzer ist jetzt bei allen Marinen so in den Vordergrund getreten , daſs z. B. England in seinem neuen Flottenerweiterungsprogramm nicht weniger als 42 dieser Schiffe vorgesehen hat, davon 9 von 7300 Tons, 29 von 3400 Tons und 4 von 2600 Tons
Deplacement. Die deutsche Marine hat solchen Schiffen gegenüber nur zwei : die „Prinzeſs Wilhelm ,“ und „ Irene“ von 4400 Tons Deplacement und 8000 Pferdekräfte gegenüberzustellen . Sie sind aus Stahl gebaut und mit einer doppelten Holzbeplankung und Kupferhaut versehen . Charak teristisch für diesen Schiffstyp ist das 76 mm starke Stahlpanzerdeck
(engl. Turtledeck ), welches sich über die ganze Länge des Schiffes erstreckt und alle vitalen Teile, wie Maschinen-, Kessel- und Munitionsräume, vor einschlagenden Geschossen schützt. Dieses Stahldeck ist stark gewölbt und reicht in der Mitte bis zur Wasserlinie, zu beiden Seiten und vorn und
hinten dagegen l '/, bis 2 m unter die Wasserlinie. Die Armierung be steht aus 6 langen 15 cm Geschützen in Schwalbennestern , 8 kurzen 15 cm Geschützen, 6 Revolverkanonen und eine der neuesten Erfahrung entsprechenden Torpedoarmierung. The army and navy Journal Vol. XXVI . Nr. 29 : (New - York) bringt -
einen Necrolog des berühmten Mechanikers und Ingenieurs John . Ericsson
nebst Porträt, sowie Abbildungen des von ihm konstruierten Torpedobootes „Destroyer" , eine von ihm erfundene Sonnenmaschine, in welcher
die durch direkte Sonnenstrahlen auf angeblich 250° Celsius erbitzte atmosphärische Luft den Motor bildete; ferner eines submarinen Geschützes nebst Projektil,
des ersten Schraubenschiffes, welches 1840 über den
Ozean fuhr. John Ericsson, 31. Juli 1803 in Langbanshytten , dem Minendistrikt in der schwedischen Provinz Wermland geboren, war schon in seinem 15. Jahre als Ingenieureleve beim Bau des Gothakanals thätig, trat 1820 in die schwedische Armee und brachte es dort in kurzer Zeit
bis zum Hauptmann (Kapitän). Um sich mehr seinen Ingenieur-Studien hingeben zu können und mehr Unterstützung darin zu finden, ging er 1826 nach England und 1836 nach New-York, wo er 1889 am 8. März starb.
Er konstruierte 1833 die kalorische Maschine, 1836 eine vervoll
Umschau in der Militär -Litteratur.
240
kommnete Schiffsschraube (Propeller) und 1861 das Panzerschiff „Monitor“ , berühmt durch das Gefecht desselben mit dem „ Merrimac “ 9. März 1862 U. S. W.
Vol. XXVI Nr. 30 enthält Mitteilungen über den Bau amerikanischer
Monitors, Kanonenboote und Kreuzer.
Von den letzteren sind zwei aus
Stahl gebaute mit je 3000 Tons Deplacement und 19 Knoten Geschwindigkeit, ein dritter von 5300 Tons Deplacement mit 20 Knoten Geschwindigkeit vorgesehen . Der Erbauer erhält für jeden viertel Knoten mehr Ge schwindigkeit 50,000 £, muſs aber auch für geringere Leistungsfähigkeit als die kontraktlich stipulierte 50,000 £ Strafe bezahlen. Marine- Sammler.
( Februar ) :
Kurzer Abrils von Angriffen auf
Küstenbefestigungen Seitens der Flotte und Folgerungen für den Munitions bedarf von Küstenbefestigungen. Gen.-Lieut. Pestitsch . Verfasser hebt hervor, daſs von 11 derartigen Angriffen 7 gelungen, 3 unentschieden geblieben und nur einer (Charlestown) miſslungen sei; letzterer, weil mit einer Minderbeit von Artillerie unternommen. Auch für die Gegenwart und Zukunft hält er den Angriff für aussichtsvoller als die Verteidigung. Er hebt ferner hervor, daſs ein wiederholter Angriff auf Küsten befestigungen nur einmal vorgekommen sei (Fort Fischer) und hält daher bei der kurzen Dauer derartiger Kämpfe eine Munitionsausrüstung von 250 Schuſs pro Geschütz wohl für wünschenswert, aus finanziellen Gründen aber eine solche von 100 Schuſs für ausreichend, wozu er eine an den Haupt punkten zu vereinigende Reserve von 25 % rechnet, in Summa also
125 Schufs. Die Kosten für dieselbe berechnet er bei Hartguſsgeschossen auf 6 '/ , bei solchen aus Stahl auf 13 Mill. Rubel.
verbrauch auf Torpedobooten.
2. Über den Kohlen
Lt. Beklemischew . Verfasser vergleicht
denselben bei den Booten von Schichau und Norman .
Wiewohl wider
willig giebt er dem deutschen System den Vorzug und schlieſst mit folgen den charakteristischen Worten : „Ohne den groſsen ausländischen Fabrikanten zu nahe treten zu wollen , zähle ich sie doch zu den Feinden Russlands, da sie nicht nur unser Geld aus dem Lande ziehen, sondern uns auch
hindern, unsere eigenen Werkstätten für Torpedomaterial zu kommen .“
4. Howells Torpedo.
Lt. Lewitzki.
vervoll
5. Amorphe Zellulose.
Kapit. Withest. 6. Stahlplatten für Schiffbau und Kesselfabrikation. C. Kern . 7. Die russische Flotte zur Regierungszeit Katharina II. 1783.
1772 bis
A. Krotkow.
Rivista marittima. ( Februar ) : Die Taktik der Torpedo boote im Offensiv- und Defensiv -Kriege. - Der Seekrieg der Zukunft.
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. April eingegangenen Bücher. (Besprechung derselben nach Zeit und Gelegenheit ist vorbehalten.)
1. Strategisch-taktische Aufgaben nebst Lösungen. Von H. vv.. Gizycki , Oberst und Commandeur des 2. Brandenburgischen Feld -Artillerie -Regiments Nr. 18 (General-Feldzeugmeister).) Heft 1.. Mit drei Krokis und einer Jahrbacher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXXI, 8 .
16
Umschau in der Militär - Litteratur.
241
Generalstabskarte. Vierte, nach der Felddienst -Ordnung umgearbeitete und wesentlich vermehrte Auflage. Hannover 1889. Helwing'sche Verlags Buchhandlung. Preis M. 2. 2. Der theoretische Unterricht für den Unteroffizier der Kavallerie.
Hilfsbuch zur Unterweisung und Selbstbelehrung auf Grund der aller höchsten Vorschriften . Von G. v. P. Zweite Auflage. München. Th. Acker mann, königl. Hof buchbändler.
1889.
3. Der deutsch-dänische Krieg von 1864. Nach gedruckten Quellen und eigenen Erinnerungen erzählt von Dr. Karl Blasendorff, Oberlehrer
am Königlichen Bismarck -Gymnasium zu Pyritz. Mit 2 Karten. Berlin. Weidmann'sche Buchhandlung. 1889. Ladenpreis M. 3. 4. Geschichte der Königlich Preuſsischen Fahnen und Standarten seit dem Jahre 1807. Bearbeitet vom Königlichen Kriegsministerium . 2 Bände. Berlin 1889.
E. S. Mittler & Sohn.
M. 24 .
5. Das Schielsen der französischen Infanterie, nach den neuen Vor
schriften dargestellt von C. H. Egli , Lieutenant. Berlin 1889. E. S. Mitt ler & Sohn.
Preis 80 Pf.
6. Militärischer Dienst- Unterricht für Einjährig-Freiwillige , Reserve
Offizier - Aspiranten u .Offiziere des Beurlaubtenstandes der Feld -Artillerie, bearbeitet von Abel , Oberstlieutenant u . etatsm. Stabsoffizier im groſsherz. hess. Feld -Art.- Regt. Nr. 25. Dritte, gänzlich umgearbeitete Auflage. Berlin 1889.
E. S. Mittler & Sohn .
Preis M. 5 .
7. Die Kreuzer - Korvette ,,Problem ". Eine nautisch - technische Studie von Hans Johow , Kaiserlicher Marine - Schiffbau -Ingenieur. Mit 5 litho
graphierten Tafeln. Kiel und Leipzig. 1889.
Verlag von Lipsius & Tischer.
Preis M. 5.
8. Geschichte des Grenadier-Regiments König Friedrich I. (4. ost Erster Band. Band . Stammgeschichte und Zeitraum 1626 bis 1713. Im Auftrage des Regiments verfaſst von Kopka v. Lossow ,
preuſsisches) Nr. 5.
Hauptmann à la suite des Regiments u. s. w.
Mit Bildnissen , Uniform
und Fahnen -Abbildungen . Berlin 1889. E. S. Mittler & Sohn. Preis M. 8. 9. Nouveau Journal d'un Officier d'Ordonnance.
par le Comte d'Hérisson.
La Commune
5 ième édition. Paris. P. Ollendorf, Éditeur.
1889.
10. Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges. Von H. Kunz , Major a. D. Mit vier Schlachten - Skizzen . Berlin. Verlag von R. Wil helmi.
1889.
(Sonder -Abdruck aus : Jahrbücher für die deutsche Armee
und Marine. )
11. La Marine et les progrès modernes von A. Bocher, ancien officier de Marine.
Paris.
Paul Ollendorf.
1888 .
Druck vun A. Haack in Berlin NW . Dorotheenstr . 55 ,
2
XVIII. Nachrichten über die
altfranzösische Armee aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens. (Schluss.) II .
So gestaltet, wie darzustellen versucht wurde, war die seit dem Jahre 1762 in langsamer Neubildung begriffene Armee , als am 11. Mai 1774 der im 20. Lebensjahre stehende König Ludwig XVI .
den Thron bestieg. Neben trefflichen Herzenseigenschaften verfügte der jugendliche Herrscher zwar über gediegene Kenntnisse aber nicht in gleichem Maſse war es gelungen , seinen Charakter zu
kräftigen , namentlich war es versäumt worden , den Geschmack an
kriegerischen Übungen in ihm zu entwickeln. Daſs Ludwig XVI. dem Heerwesen wenig Interesse zuwendete,
mag weniger in seiner persönlichen Abneigung begründet gewesen sein, als in dem Umstande, daſs Ludwig XV. in den letzten Jahren
seiner Regierung dem thörichten Grundsatze huldigte, man müsse die Prinzen von Geblüt allen kriegerischen Neigungen möglichst
Gleichwohl erkannte Ludwig XVI. alsbald die in allen Zweigen der französischen Militär - Verwaltung herrschende
entfremden .
Zerrüttung. Um die erschöpften Kassen zu füllen, wurden oft neue verkäufliche Offizierstellen geschaffen , ohne zu berücksichtigen, daſs durch
die
erwuchsen .
zu zahlenden Gehälter der Staatskasse neue Lasten
Der König sann ernstlich auf Mittel, wie diesem
Unfuge zu steuern sei , und war Willens, die ehrenrührige Käuf lichkeit der Offizierstellen zu beseitigen. Er glaubte in dem Staats sekretär v. Muy , welcher im
Jahre 1774 das französische Kriegs
wesen leitete , die geeignete Persönlichkeit zu besitzen , welche der 9
Jahrbücher får die Deutsche Armee und Marine
Bd . LXXI ,
3.
17
Nachrichten über die altfranzösische Armee
243
schwierigen Aufgabe einer Reorganisation des Heerwesens wachsen sei . Der Chevalier
ge
v. Muy genofs den Ruf eines hervorragend
tüchtigen Offiziers, leider starb derselbe bald nach dem Regierungs antritt Ludwig XVI. Der junge König bestimmte zu seinem Nachfolger den General Graf v. St. Germain, einen alten, verdienst vollen Offizier, welcher der Armee nicht mehr angehörte und in
Zurückgezogenheit in Cernay im Elsaſs lebte. St. Germain batte längere Jahre im französischen Heere, dann 4 Jahre (von 1762-66) dem Könige von Dänemark als Kriegsminister gedient und in dieser Stellung durch zweckmäſsige Reformen des dänischen Heerwesens die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Nach seinem Rücktritt lebte er von den Zinsen der ihm vom Könige von Däne mark bewilligten Dotation von 300,000 livres, welches Kapital jedoch durch den Bankerott eines Hamburger Bankhauses verloren ging.
Ein schöner Beweis von dem in alt-französischen Offizier -Corps herrschenden Geiste der Kameradschaft und ritterlichen Gesinnung
ist es , daſs das Offizier- Corps des Regiments Alsace , dessen Mit glieder gröſseren Teils Landsleute St. Germains waren , aus eigenen Mitteln ein Kapital zusammenbrachte, dessen Zinsen zu einer Pension für den allgemein geachteten, greisen General bestimmt waren . Dieser Vorfall gab den Anlaſs , daſs der Kriegsminister
v. Muy dem General St. Germain eine Jahrespension beim Könige auswirkte, damit man nicht sagen solle, » der König lieſse seine Dies war der Mann , auf alten Diener im Elend verkommen . « welchen die Wahl des Königs fiel, als es sich darum handelte, dem
Herrn v. Muy einen Nachfolger zu geben. Seinem aus Anlaſs der bewilligten Pension an den Minister gerichteten Dankschreiben hatte Graf v. St. Germain auch eine von ihm verfaſste Denkschrift über den Zustand der französischen Armee beigefügt , welche durch Muy zur Kenntnis des Königs gekommen
Als durch den Tod Muy's die Stelle des Kriegsministers frei wurde, erinnerte sich Ludwig XVI. der eben erwähnten Vorgänge. Auch der Premierminister v. Maurepas war der Ansicht, daſs die Ernennung St. Germains vielleicht einen der Regierung günstigen
war .
Eindruck machen werde . Eine solche Wirkung zu erzielen , war damals besonders erwünscht, weil kurz zuvor die Ernennung von 7 Marschällen von Frankreich, deren Keinem man kriegerische
Befähigung zutraute , die Veröffentlichung einer Flut spöttischer Epigramme hervorgerufen hatte. *) St. Germains Ernennung zum *) Siehe Anmerkung nächste Seite.
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
244
Kriegsminister erschien von nicht geringer Wichtigkeit wegen der
weittragenden an dieselbe geknüpften Folgen , welche sich später freilich nicht in dem erwarteten Grade verwirklichen sollten . Der Plan , dessen Durchführung der neue Kriegsminister an
strebte war folgender: 1. Verstärkung der Feldarmee, welche beim Regierungsantritt Ludwigs XVI. nur 127,000 Mann zählte, auf 150,000 Manu, 2. Hebung der sehr in Verfall geratenen Disziplin,
3. Abschaffung der bisherigen Käuflichkeit der Offizierstellen, 4. Ab schaffung der meisten den königlichen Haustruppen zustehenden, sogenannten Garde -Vorrechte, namentlich der Sitte, daſs die Offiziere der Haustruppen in der Regel einen höheren Rang hatten , als diejenigen der Linie, 5. Verringerung der allzuzahlreichen Offizier stellen , 6. Aufhebung des Pariser Invaliden -Hôtels und Verteilung der Invaliden auf 36 ländliche Pflegeanstalten.
Was Punkt 1 anbelangt, so huldigte St. Germain, der Ansicht, daſs eine Streitmacht von 150,000 Mann genüge, nicht nur um die
Landgrenzen Frankreichs, sondern auch die ausgedehnten Küsten zu decken , auſserdem aber noch die Besatzung für die zahlreichen Festungen zu stellen. Um die geplante, mäſsige Vermehrung des Heeres zu bewirken , erhöhte der neue Minister die Etats der bisher sehr schwachen Compagnien und Eskadrons auf je 80 Kombattanten im Frieden, und 160 im Kriege , teilte anch jeder Compagnie und Eskadron 2 Hauptleute und 4 Subaltern -Offiziere zu . Auſserdem errichtete er für jedes Bataillon und Kavallerie-Regiment eine Ersatz -Compagnie beziehungsweise Eskadron . Für die Regimenter wurde eine neue Anciennität festgestellt, auch wurden deren mehrere neue errichtet.
Zur Besserung der Disziplin griff St. Germain jedoch, in gänz licher Verkennung des französischen National-Charakters, zu einem höchst bedenklichen Mittel , der Einführung der Prügelstrafe, Die gefährliche Neuerung bewährte sich in keiner Weise und ist entweder überhaupt nicht
nach dem Vorbilde fremder Armeen .
zur Durchführung gekommen oder doch nach ganz kurzem Bestehen wieder beseitigt worden. - Besseren Erfolg hatte anscheinend die Abschaffung der Käuflichkeit der Offizierstellen . Dagegen vermochte *) Aus der groſsen Zahl sei als einziges Beispiel nur das nachstehende erwähnt :
Réjouissez - vous, ô Français! Ne craignez de long temps les horreurs de la guerre ;
Les prudents maréchaux, que Louis vient de faire, Promettent à vos voeux une profonde paix ! 17*
Nachrichten über die altfranzösische Armee
245
er nicht die Aufhebung des bei der Bevölkerung sehr beliebten
Invaliden-Institutes durchzusetzen. Ebenso scheiterten seine Pläne bezüglich der Reformen der königlichen Haustruppen , namentlich an dem offenen und geheimen Widerstande der Inhaber der zahl
reichen , gut besoldeten höheren Stellen jener bevorzugten Corps; selbst der Premierminister widerstrebte diesen Plänen , ingleichen der beabsichtigten Verminderung der Offizierstellen. Das Offizier Corps der französischen Armee zählte laut Etat 11,672 Offiziere aller Grade, also auf etwa 13 Mann der Kopfstärke je einen. Doch der Etat wurde zu Gunsten des zahlreichen, zu versorgenden Adels vielfach überschritten . Zahllose , à la suite der Armee stehende höhere Offiziere warteten , ohne irgend welche Dienstleistungen
Jahre lang mit reichlichen Gehältern auf die zur Erledigung ge langenden Stellen. Gouverneurposten , als Versorgung von Generälen, wurden geschaffen in Städten und Schlössern , die deren garnicht bedurften .
Daſs Hofgunst , Protektion und Konnexion bei diesem
Unwesen eine bedeutende Rolle spielten , ist selbstverständlich. Die guten Absichten des Königs , welcher mit Hülfe St. Ger mains eine durchgreifende Reform des Heerwesens ernstlich
er
strebte , scheiterten nach kurzem Anlauf an dem Verhängnis , daſs die Staatsmänner, welche er in seine Nähe zog , zwar wichtige Neuerungen anregten , doch keine zu gedeihlichem Abschlusse zu bringen im Stande waren . St. Germain , das Fruchtlose seiner >
Bemühungen erkennend , bat und erhielt im September 1777 seine Entlassung ; ihm folgte im Amte der Prinz von Montbarey . Um diese Zeit war es, als Franklin, der Abgesandte der ame
rikanischen im Kampfe mit England hegriffenen Kolonien , das Interesse des Versaillerhofes für seine Landsleute zu erregen und
zu fesseln wuſste. Die Kapitulation von Saratoga ( vom 17. Oktober 1777), bei welcher mehrere 1000 Engländer die Waffen strecken
muſsten , that ein Übriges, um den König, welcher der öffentlichen Meinung glaubte Rechnung tragen zu sollen , zum Abschluſs eines Bündnisses zu bestimmen . Anfänglich unterstützte Frankreich seinen neuen Bundesgenossen nur mit Geld und Schiffen ; im Jahre 1780
aber entschloſs sich die Regierung, namentlich auf Betreiben Lafayette's, zur Absendung eines Hülfs -Corps unter General Rochambeau. Der
König nährte die geheime Hoffnung, daſs durch die Teilnahme französischer Truppen an diesem volkstümlichen Kriege die schon
allzu deutlich sich kund gebende Miſsstimmung des Volkes sich mindern und erwünschte Ablenkung nach Aufsen finden werde. Nachdem das englische Heer unter Cornwallis bei Yorktown
1
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
246
durch das vereinigte französisch-amerikanische unter Lafayette und
Washington zur Übergabe gezwungen worden war, wurde England genötigt , die Unabhängigkeit der aufständischen amerikavischen Kolonien anzuerkennen .
Der am 3. September 1783 zu Versailles abgeschlossene Friede beendete in einer für die französischen Waffen ehrenvollen Weise den Krieg mit England.
Doch brachte dieser Erfolg der Krone
Frankreich nicht die erwarteten Vorteile.
Er schmeichelte aller
dings dem Nationalstolze der Franzosen, im Übrigen aber stand das in diesem Feldzuge Erreichte in einem wenig günstigen Verhältnisse
zu dem dadurch verursachten , die Staatseinnahmen dreier Jahre verschlingenden Ausgaben, wodurch die ohnehin schon vorhandene
Finanzverlegenheit der Regierung noch erheblich gesteigert wurde. Das Umsichgreifen der in Amerika empor gekommenen neuen
Ideen erweckte überdies der Regierung nicht nur zahlreiche, heim liche Gegner, sondern trug auch dazu bei , die ohnehin schon erschütterte Disziplin der Armee noch mehr zu untergraben . Wennschon St. Germain mit den meisten seiner Reformpläne nicht durchgedrungen war , so hatte er doch zu einer Anzahl or
ganischer Veränderungen die Anregung gegeben ; spätere Kriegs minister batten in den Etats der Armee noch weitere Neuerungen eingeführt, so daſs 1789 die Armee folgendermaſsen zusammen gesetzt war : I. Garde : 2 Regimenter zu Fuſs ( 1 französisches zu 6 Bat. ,
1 schweizerisches zu 4 Bat.) ; 4 Compagnien Gardes du Corps; 1 Compagnie Cent -Suisses.
Alle übrigen bevorzugten Corps der
Garde, sowie die Feldgendarmerie ( Gendarmerie de France) waren abgeschafft worden .
II. Linie : 102 Linien -Infanterie- Regimenter, worunter 79 fray zösische und 23 fremde ; 12 leichte Infanterie -Bataillone ; 62 Kavallerie
Regimenter, nämlich 24 (sch were) Kavallerie, 2 Carabiniers-, 6 Hu saren-, 18 Dragoner- und 12 Chasseur - Regimenter; 7 Artillerie Regimenter; 9 Compagnien Arbeiter und 6 Compagnien Mineurs. Die Gesamtstärke der Armee
sollte auf
den
Friedensfuſs
182,600 Mann, einschlieſslich 38,000 Mann Kavallerie, betragen . Aus der Geschichte ist zur Genüge bekannt, wie innerhalb des Zeitraumes von Beendigung des amerikanischen Krieges bis zum Zusammentritte der französischen Reichsstände zu Anfang Mai 1789 die Stimmung der Nation und namentlich der Pariser Bevölkerung sich der Regierung gegenüber nach und nach derartig verschlechtert
hatten, daſs Zusammenstöſse zwischen den durch geheime Agentey
247
Nachrichten über die altfranzösische Armee
aufgereizten untern Volksschichten und den zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung berufenen Truppen mit Bestimmtheit
vorauszusehen und nur noch eine Frage der Zeit waren. Die Geistlichkeit, Adel und Bürgerstand französischen Reichsstände waren vom Könige für den 27. April 1789 nach Versailles zusammenberufen worden , und nachdem von ihnen einige vor
bereitende Sitzungen abgehalten worden waren , hatte sich am 17. Juni 1789 der dritte Stand zur Nationalversammlung erklärt. Dieser vom Bürgerstande errungene Erfolg, noch mehr die tumultuarischen Auftritte, zu denen sich seit diesem Vorgange die Pariser Bevölkerung fast täglich hinreiſsen lieſs, erschreckten 1
den Hof und dessen Anhänger, erregten auch in diesen Kreisen
die Befürchtung, es könnte die ständige Garnison von Paris, die in ruhigen Zeiten selten mehr als 4 Infanterie -Regimenter zäblte möglicherweise nicht ausreichen , um die sich steigernden Volksauf läufe auf die Dauer niederzuhalten .
Der König befahl daher, in
der Nähe von Paris eine Anzahl von Regimentern aus der Provinz zusammenzuziehen . Die Gesamtzahl dieser Truppen belief sich an geblich auf 30,000 Mann . Den Oberbefehl über sämtliche in und
bei Paris versammelte Streitkräfte führte der Marschall Herzog v. Broglie während zum Stadtkommandanten von Paris der Marschall Baron V. Besenval ernannt wurde. Die regierungsfeindliche Partei erblickte in dieser Maſsregel besonders deshalb einen Grund zur Beschwerde, weil ein groſser Teil der um Paris zusammengezogenen Regimenter aus Soldaten nicht französischer Abkunft bestand . Diese gereizte Stimmung der Pariser ward durch die schon damals zahlreich
erscheinenden Journale und verschiedene neuerdings entstandene, politische Vereine geflissentlich geschürt und gipfelte in allerhand Ausschreitungen , die sich Ende Juni und Anfang Juli 1789 fast täglich wiederholten .
Wir wenden uns nun zur Darstellung der Ereignisse, welche sich in den Tagen vom 12. bis 14. Juli zu Paris abspielten, und unterziehen zunächst das Verhalten der Truppen während dieser erregten Zeit , einer kurzen Besprechung. Der Herzog v . Broglie, welchem die oberste Leitung der in und um Paris zu treffenden, militärischen Maſsregeln oblag, batte
versäumt, den ihm unterstellten Truppenführern bestimmte Befehle zu erteilen , wie im Falle eines Aufstandes planmäſsig zu verfahren sei. Daher kam es , daſs, als die von einem , im Monat Juli im
Café Foy des Palais royal versammelten Ausschuſse in Scene ge setzten Tumulte immer bedrohlicheren Charakter annahmen, die
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
248
von den Führern einzelner Truppen -Abteilungen zur Wahrung der Ruhe und Ordnung getroffenen Vorkehrungen sowohl jeden Zu sammenhanges untereinander als auch der erforderlichen Entschieden heit entbehrten .
Da wie man erzählte,
bereits
am
23.
Juni
2 Grenadier-Compagnien der Gardes Françaises sich ausdrücklich geweigert haben sollten, auf Tumultuanten zu feuern, weil ferner ein Offizier desselben
Regiments Soldaten innerhalb der Pariser
Kaserne angeblich zur Parteivahme gegen die Regierung aufgefordert hatte, so befahl die miſstrauisch werılende Regierung, die in Paris garnisonierenden Truppen in ihren Kasernen zu konsignieren . Allein bereits am 25. , sowie neuerdings am 26. Juni entwichen einzelne französische Gardisten ihren Kasernen , und eilten unter dem Ru
» Es lebe der dritte Stand « nach dem Palais royal. Die Aufrührer bewirteten hier die meuterischen Gardisten
verschwenderisch mit
Wein und sonstigen Erfrischungen ; damit war ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Angeblich wegen der vorerwähnten Weigerung, auf Tumultuanten zu feuern , befanden sich einige Grenadiere der französischen Garde in der Abtei von Saint-Germain
in Haft und sollten am 1. Juli in das Gefängnis von Bicêtre über führt werden. Am 30. Juni forderten einige junge Leute im Café Foy zur Befreiung dieser Gefangenen auf.
Man begab sich sofort
in zahlreichem Zuge, der sich unterwegs lawinenartig vergröſserte auf den Weg, versah sich mit Waffen, und eilte nach der bezeichneten Abtei ; deren Thüren wurden erbrochen und aus den Arrestlokalen
9 Grenadiere der Gardes Françaises und 11 Soldaten anderer Truppen gattungen befreit.
Daſs dieser dreiste Überfall ungehindert ausgeführt werden konnte, und nach erfolgter Ausführung völlig ungeahndet blieb, obwohl nicht unerhebliche Streitkräfte in der Nähe waren ,
ist ein
schlagender Beweis für den gänzlichen Mangel an Entschlossenheit wenn über und Umsicht, welcher alle militärischen Maſsregeln baupt deren ergriffen worden sind — kennzeichnete , und in der
Folge mehr als alles andere die üble Lage der Regierung ver schuldet hat.
Es war nicht zu verwundern , daſs die Aufrührer im Vertrauen
auf das unentschiedene Verhalten der Truppen zusehends dreister wurden . Am Morgen des 12. Juli glaubte das Publikum , die Regierung werde an diesem Tage die Nationalversammlung durch
Waffengewalt auflösen lassen, da durch regierungsseitige Plakate die Einwohnerschaft aufgefordert wurde, ruhig in ihren Behausungen zu bleiben, und sich jeder Zusammenrottung in den Straſsen zu
249
Nachrichten über die altfranzösische Armee
enthalten . Gegen Mittag verbreitete sich im Palais royal die Nachricht, daſs Necker aus dem Ministerium entlassen sei, dieselbe
rief bei dem zahlreich versammelten Publikum eine ungeheure Aufregung hervor.
Plötzlich erstieg ein junger Mann
-
Camille
Desmoulin, in der einen Hand einen entblöſsten Degen, in der andern eine Pistole haltend, einen Tisch und forderte die versammelte Mevge auf, zu den Waffen zu greifen.
Befragt, aus welchem Grunde dies
geschehen solle , erwiederte er , daſs gegen Abend die Deutschen (d. h . die deutschen Truppen im französischen Solde) in Paris ein rücken
würden .
Unmittelbar
darauf verlieſs der Sprecher das
Palais royal , gefolgt von einem Schwarm aufgeregter Menschen. Bei einem Bildhaner entnahm man
die Büsten Necker's und des
Herzogs von Orléans, welcher angeblich verbannt worden sein sollte, behängte dieselben mit Flor und trug sie im Triumphe umher. Der Zug, dessen Teilnehmerzahl sich allmählich auf 15 bis 20,000
vermehrte, langte schlieſslich auf dem Vendôme-Platze an. Mit Rücksicht auf die am Morgen dieses Tages bekannt gemachten Aufforderungen
an die Einwohner, die Häuser nicht
zu verlassen , hätte man umfassende, militärische Vorkehrungen erwarten dürfen , um aufrührerischen Bewegungen , auf die man
jedenfalls gefasst sein muſste, erfolgreich begegnen zu können, nicht minder um diejenigen Punkte der Hauptstadt, welche man nicht in die Gewalt der Aufständischen fallen lassen wollte, wie die Bastille, das Zeughaus, das Invalidenhotel , (welches gleich dem Zeughause
ansehnliche Waffen vorräte enthielt,) sowie andere derartige Gebäude gegen einen Handstreich bei Zeiten zu sichern . Allein man findet nirgends erwähnt, daſs diese wichtigen Punkte mit Infanterie oder Geschütz besetzt worden wären. Anscheinend mehr aus Zufall, als in Folge wohlberechneten Planes befanden sich auf dem Vendôme Platze, als der zu Ehren Necker's und des Herzogs von Orléans veranstaltete Zug in denselben einbog, zwei mäſsig starke Kavallerie
Abteilungen, die eine dem Kavallerie-Regiment Royal- Allemand, die andre dem Dragoner -Regiment Noailles angehörend . Da die Teil nehmer des Zuges der Aufforderung, auseinander zu gehen, nicht Folge leisteten, lieſs der Commandeur der Kavallerie einhauen ;
hierbei wurde ein unter der Menge befindlicher Gardist getötet,
während einige Civilpersonen Säbelhiebe davontrugen , andere von den Pferden getreten wurden .
Während dieses Vorfalles auf dem
Vendome- Platze hielt das Gros des Regiments Royal-Allemand auf
dem Platze Ludwigs XV. (jetzt Place de la Concorde) an dessen Spitze der Prinz von Lambesc.
Derselbe, einer Nebenlinie des
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
250
Hauses Lothringen angehörend, war, weil verwandt mit der Königin Marie Antoinette, dem Hofe besonders treu ergeben . Zu Anfang des Jahres 1789 war derselbe zum königlichen Groſsstallmeister, sowie zum obersten Tuhaber des Regiments Royal-Allemand er nannt worden. *)
Durch Flüchtlinge, die vom Vendôme-Platze kamen , war unter
die auf dem Platze Ludwigs XV. befindlichen zahlreichen Spazier gänger die Kunde von dem stattgehabten Reiterangriff gelangt. Das Publikum wurde bei Empfang dieser Nachricht sehr erbittert, und erging sich gegen die Soldaten des Regiments Royal-Allemand in Drohungen und Schmähreden . Da oft wiederholter Abmahnungen ungeachtet diese feindlichen Zurufe nicht aufhörten, liefs der Prinz
v. Lambesc gegen die ihm gegenüber befindliche Menge anreiten,
und verfolgte sie bis in den Tuileriengarten. Bei diesem Auftritte kamen ebenfalls einige Verwundungen vor , durch deren Bekannt werden die Aufregung der Pariser Bevölkerung noch gesteigert wurde.
In allen Straſsen der innern Stadt rief man zu den Waffen «,
und da der Prinz Lambesc fürchtete, das Regiment der Gardes Françaises, an dessen Zuverlässigkeit der eigene Commandant zweifelte, möchte gegen die Regierungstruppen Partei ergreifen , so lieſs er dessen Kaserne in der Chaussée d'Antin durch 60 ihr gegeu
über aufgestellte Reiter seines Regiments beobachten . Allein unge achtet ihrer Konsignierung verlieſsen unbewaffnete Mannschaften der Gardes Françaises massenhaft ihre Kasernen, mischten sich unter das Publikum , und vereinigten sich verabredetermaſsen bei ihrem Depot auf dem
alten Boulevard zu einem
geschlossenen
Haufen , nachdem sie sich zuvor durch Plünderung von Waffen handlungen in den Besitz von Gewehren und Munition gesetzt hatten. Dem nach Säuberung des Tuilerien -Gartens sich wieder formierenden Regimente Royal- Allemand traten die französischen Gardisten in geordneter Aufstellung gegenüber, und riefen der Reiterei 21 : » Seid ihr für den dritten Stand ? « Als die Antwort
erfolgte: » Wir sind für die , welche uns Befehle geben !« gaben die meuterischen Gardisten eine Salve auf ihre berittenen Kameraden ,
durch welche mehrere der Letzteren getötet, oder verwundet wurden . Prinz Lambesc trug Bedenken, sich in den engen Pariser Straſsen in einen Kampf gegen Infanterie einzulassen, und zog daher seine *) Prinz Lambesc wanderte noch im Jahre 1789 aus, trat in kaiserliche Dienste, wurde 1796 daselbst Feldmarschall und bat an allen Kriegen gegen die Republik und Napoléon Teil genommen .
Nachrichten über die altfranzösische Armee
251
Reiter gegen die Boulevards zurück , während die Mehrzahl der ihren Kasernen entflohenen französischen Gardisten , angeblich 1200 Mann, Stellung auf dem Platze Ludwigs XV . mit der Front nach den Elysäischen Feldern nahm . In späterer Nachtstunde rückten königliche Truppen, welche zuvor auf dem Marsfelde in Reserve gestanden hatten, durch die Elysäischen Felder gegen den Platz Ludwigs XV. heran , und erhielten angeblich Befehl , die Gardes Françaises anzugreifen . Es kam jedoch zu einem solchen Angriffe nicht, vielmehr wurden nach einiger Zeit diese Trappen wieder nach dem Marsfelde zurückgezogen, weil wie vielfach be hauptet, aber nicht genügend nachgewiesen worden ist , einzelne Abteilungen sich geweigert hätten , gegen die Gardes Françaises zu fechten .
Gewiſs ist, daſs am 13. Juli Morgens beim Hoflager zu Versailles die niederschlagende Meldung des Pariser Stadtkommandanten Marschall Besenval einlief, daſs derselbe durch die Uygunst der Verhältnisse genötigt worden sei, die innere Stadt auf dem rechten Ufer der Seine völlig zu räumen, und sich mit seinen Truppen in den Bereich des Invalidenhotels zurückzuziehen .
Am 13. Juli nahm der von geheimen Agenten geleitete Anfstand einen regelmäſsigen Charakter an.
Es wurden die Sturmglocken
geläutet, auch vereinigten sich die Tumultuanten zu zahlreichen
Freischaren, welche laut nach Waffen verlangten. Übrigens scheint Marschall Besenval seine Stellung beim Invaliden hotel sehr bald mit einer weiter hinaus in der äuſseren Umgebung befindlichen ver tauscht zu haben ; denn andernfalls würden die Aufständischen nicht, wie geschehen, an diesem Tage eine groſse Waffenmenge, 1. A., wie man behauptet, 80,000 Gewebre aus dem Invaliden hause haben entnehmen können .
Zu einem erheblichen Zusammenstoſs zwischen
den königlichen Truppen und den bewaffneten Volkshaufen kam es auch an diesem Tage nicht.
Unter den mancherlei unverbürgten Gerüchten, welche wie dies in Zeiten der Aufregung zu geschehen pflegt, am Abende des 13. Juli plötzlich auftauchten, verbreitete unter den Parisern den gröſsten Schrecken die Nachricht, daſs von St. Denis aus mehrere
Regimenter in Anmarsch , auch die Kanonen der Bastille auf die
Straſse St. Antoine gerichtet seien . Da die Bastille der Bevölkerung von Alters her verhafst war, so bewirkte das eben erwähnte Gerücht, daſs schon am 13. Juli gegen Mitternacht von unbekannter Hand einige Fliutenschüsse gegen die auf den Türmen des Schlosses auf
gestellten Beobachtungsposten abgefeuert wurden . Um zu sehen,
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens
252
was es mit dieser Feindseligkeit für eine Bewandtnis habe, begab sich der Gouverneur des Schlosses, de Launay auf die Platform und gewahrte die bereits im Verlöschen befindliche Lohe der durch das
Volk in Brand gesteckten Pariser Barrièren, bemerkte aber keine Anzeichen , die auf Feindseligkeiten gegen die Bastille hätten schlieſsen lassen .
Die Bastille , ein mittelalterliches Kastell in Form eines länglichen Vierecks, bildete ein das Thor St. Antoine schützendes Fort. Die 8 auf den Ecken beziehentlich auf den Langseiten an
gebrachten, fünfstöckigen Türme von je 20-25 Meter Höhe waren am oberen Ende durch eine, zur Aufstellung von Geschütz dienende Platform
verbunden .
sollen am
sein.
Die Mauern der Türme und der Kourtinen
obern Ende 15, am Fuſse aber 40 Fuſs stark gewesen
Rings um die Feste lief ein ziemlich breiter Graben, über
welchen eine Zugbrücke führte. Als Festung im Sinne der neueren Kriegskunst hatte die Bastille keinen Wert mehr, gegen einen Handstreich aber vermochte sie sich recht wohl zu verteidigen .
Auf ihrer Terrasse waren 15 Geschütze aufgestellt, während im ersten Hofe dem Thore gegenüber 3 Feldstücke standen , um erforderlichen Falles den Eingang zu bestreichen .
Auſserdem
be
herrschten 12 Wallbüchsen (die Böller des Grafen von Sachsen genannt) den Eingang zur Wohnung des Gouverneurs. Munition für Geschütz, wie für kleines Gewehr war ausreichend vorhanden ; nur die Proviantierung der Feste war ungenügend, dieselbe be schränkte sich
auf zwei Säcke Mehl und eine mäſsige Quantität
Reis. Die Besatzung bestand aus 82 Invaliden, welchen auch die Geschützbedienung mit oblag, sowie 32 Mann des schweizerischen Infanterie-Regimentes Salis- Samaden . Schon am frühen Morgen des 14. Juli lenkte sich die Aufmerk samkeit der von den Agitatoren im Palais royal in fortwährender
Aufregung erhaltenen Pariser Bevölkerung wieder auf die Bastille. In allen Stadtteilen ertönte der Ruf: » Nach der Bastille ! « und aus
allen Richtungen strömte eine beträchtliche bewaffnete Menschen menge
auf dem Platze vor dieser Feste zusammen .
Von Zeit zu
Zeit ertönte aus diesem Menschenknäuel der Ruf: » Wir wollen die
Bastille ! « Ein Plan , die Bastille zu bewältigen , konnte auf Seite
der Volkskämpfer nicht bestehen , denn es ist ein widersinniger Gedanke, mit einem undisciplinierten , schlecht bewaffneten Haufen und sei er auch noch so zahlreich , einen derartigen von gut bewaffneten
Berufssoldaten verteidigten, festen Punkt im nehmen .
ersten Anlaufe zu
Ein von vornherein so aussichtsloses Unternehmen, wie
253
Nachrichten über die altfranzösische Armee
der in tollem Übermute begonnene Sturm auf die Bastille, würde niemals ohne das Zusammentreffen verschiedener verhängnisvoller Umstände von Erfolg gewesen sein. Der Gouverneur des Schlosses, de Launay, hatte durch lang jährige Verwaltung der Bastille mehr den Charakter des Verwalters einer Strafanstalt, als den eines Festungskommandanten angenommen.
Er war daher in so kritischer Zeit keine für seinen Posten befähigte Persönlichkeit. Ferner muſste es auf die Besatzung der Bastille herabstimmend einwirken , daſs, obwohl seit mehreren Tagen, mindestens seit dem 12. Juli – đem Herzog v. Broglie, dem Marschall Besenval und überhaupt der Regierung hinreichend bekannt war, daſs ein feindliches Vorgehen des Volkes gegen die Bastille bevorstehe, ja, obgleich diese Vermutung seit dem frühen Morgen des 14. Juli zu Gewiſsheit wurde, die in der Nähe befindlichen Königlichen Truppen nicht die mindeste Anstalt machten, den leicht -
zu ermöglichenden Entsatz zu bewirken . Als im Verlauf des 14. Juli die bewaffneten Volkshaufen zum
Angriff auf die Brücke schritten, feuerte zwar die Besatzung einige Male ; als jedoch auch gröſsere Abteilungen der Gardes Françaises sich am Sturm beteiligten, mochten die Invaliden der Besatzung wohl sich zu der Annahme berechtigt halten, daſs, wenn die Garden
abgefallen seien, auch die Linientruppen nicht die Treue bewahrt haben würden, eine Fortsetzung der Verteidigung folglich aus sichtslos sei. Am Wesentlichsten trug zum Falle der Bastille der Umstand bei , daſs die Aufständischen der Besatzung gegenüber von einer Taktik Gebrauch machten , die auch in neuerer Zeit, namentlich im Jahre 1848 wiederholt in Anwendung gebracht worden ist. Als
sie gewahrten, daſs in Folge der zur Übergabe auffordernden Zurufe, sowie des vergeblichen Harrens auf Ersatz die Haltung der Besatzung an Entschiedenheit verlor, gaben die Aufrührer den Soldaten die bestimmte Versicherung, es solle ihnen nicht das Mindeste geschehen, wenn die Zugbrücken gutwillig herahgelassen würden. Da in diesem Augenblick auch die französische Garde zum
Sturm
vorrückte,
drang die Besatzung selbst in den Gouverneur, sich zu ergeben.
Dieser, welcher ahnen mochte, daſs er im Falle der Übergabe das Schlimmste zu gewärtigen habe, eilte mit brennender Lunte nach der Pulverkammer um die Feste in die Luft zu sprengen .
Seine
Untergebenen hinderten ihn jedoch , diesen Vorsatz auszuführen, steckten auf der Terrasse die weiſse Fahne auf, und kehrten zum Zeichen der Waffenruhe die Läufe ihrer Gewehre nach unten .
Vertrauen auf den zugesicherten Schutz wurden
Im
dann von der
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
254
Besatzung die Zugbrücken niedergelassen, und die Festungsthore geöffnet, worauf das Volk sich in die Höfe drängte, sämtliche Lokalitäten überflutend.
Die gesamte Besatzung geriet in die Gefangenschaft der Be lagerer, und sollte noch an demselben Tage erfahren , daſs eine mit aufständischen Scharen geschlossene Kapitulation eine trügerische
Sache sei . Ungeachtet des formell zugesagten Schutzes wurden der
Gouverneur, einige seiner Offiziere sowie mehrere Invaliden und Schweizer wenige Stunden später vom Volke getötet ; nur mit äuſserster Anstrengung gelang es einigen energischen Männern, den
Rest der Besatzung vor demselben traurigen Schicksale zu be wahren .
Mit der Erstürmung der Bastille war der erste Akt der in Frankreich so hoch gefeierten , ersten Revolution beendet. Was das Verhalten der Königlichen Truppen , insbesondere dasjenige der Gardes Françaises während der stürmischen Tage vom 12. bis 14. Juli anbelangt, so muſs man bei Beurteilung desselben , selbst unter Be
rücksichtigung aller Entlastungsgründe, sich zu der Ansicht be kennen , daſs 1. die Truppen -Führer eine groſse Lauheit in Erfüllung ihrer Pflichten, offenkundige Schwerfälligkeit in Ergreifung zweck
mäſsiger Maſsregeln , und einen gänzlichen Mangel an Entschlossenheit bei Abweisung des angriffsweisen Vorgehens der Aufrührer an den Tag gelegt haben ; 2. daſs die Gesamtheit der in und um Paris zu
sammengezogenen Feldtruppen im Allgemeinen eine mürrische, zur Auflehnung geneigte Stimmung hat erkennen lassen, welche die Offiziere Bedenken tragen liefs, rücksichtslos gegen die Aufständischen zu verfahren ; endlich 3. daſs zahlreiche Mannschaften des Regiments der Gardes Françaises, uneingedenk ihres Eides, der ihnen als Leib wache besonders obliegenden Verpflichtung zum Schutze des Königs, und der ehren vollen Vergangenheit ihres Regimentes während jener Julitage sich in schwerster Weise vergangen haben, indem sie aus den Kasernen desertierten , und bewaffnet am Kampfe gegen ihre pflichtgetreuen Kameraden Teil genommen haben . Der Name der » Gardes Françaises « ist durch diesen schmählichen Treu bruch für alle Zeit gebrandmarkt. Die früher geschilderten Miſsstände im altfranzösischen Heer
wesen mögen diesen Vorfällen nicht sowohl zur Entschuldigung als Erklärung dienen ; doch kann nicht verschwiegen werden , daſs die übel angebrachte Nachsicht und Herzensgüte des Königs der fort
schreitenden Zuchtlosigkeit im Heere offenbaren Vorschub geleistet hat. Es möge zur Begründung dieser Ansicht die kurz gefaſste
255
Nachrichten über die altfranzösische Armee
Darstellung einiger bekannter Vorgänge aus den Jahren 1789 bis 1791 hier eine Stelle finden .
In der Nacht, welche dem 14. Juli folgte, hatte der Herzog von Liancourt dem Könige den ihm bis jetzt verheimlichten Abfall seiner Garden , sowie die Erstürmung der Bastille mitgeteilt. Als der König, welcher den herauf ziehenden Sturm durch sein persön liches Erscheinen noch zu beschwören hoffte, wenige Tage später
nach Paris fubr, um seiner Hauptstadt einen Vertrauensbeweis zu geben , lieſs die Pariser Stadtverwaltung dem Galawagen des feierlich in die Stadt einziehenden Königs ein starkes Kommando der ab
trünnigen Gardes Françaises, also eben derjenigen Truppen voraus marschieren , welche zu der schweren Niederlage, die das Königtum
jüngst erlitten , das Meiste beigetragen hatten . Mit dieser ver letzenden Taktlosigkeit schien die Stelle der bisherigen Elitentrappe ausgespielt zu sein, denn der König lehnte es in einer Anwandlung von Energie zunächst entschieden ab, diese Mavnschaft bei seiner Person wieder Dienst thun, oder sie, wie vorgeschlagen ward, der Pariser Volksbewaffnung einverleiben zu lassen .
Am 21. Juli aber
gab Ludwig XVI. bereits einen erneuten Beweis seiner schwäch lichen Nachgiebigkeit, indem er die Aufnahme dieser fahnenflüchtigen Soldaten in die Pariser Nationalgarde genehmigte. Die nächste Folge dieser Handlungsweise war, daſs die einzigen Truppen, welche sich bisher so zuverlässig gezeigt hatten, daſs man ihnen zu Versailles den Schutz der Königlichen Familie glaubte anvertrauen zu können,
4 Compagnien französische und 2 Compagnien schweizerische Garden, in der Nacht vom 30. zum 31. Juli ihre Posten verlieſsen , und samt Fahnen und Gepäck zur Nationalgarde in Paris übertraten . -
Nicht minder schädigend für das Ansehen des Königs wirkte der folgende Vorfall.
Im Herbst 1789 hatten die Pariser den Plan
gefaſst, den König dem Einflusse der vornehmen Welt zu Versailles zu entziehen , indem man ihn nach Paris entführen wollte, wo der Volkswille deutlicher zu seinem Ohr dringen könne. Da die National
garde von Versailles sich nicht stark genug fühlte, einem solchen Gewaltstreiche zu widerstehen , hatte die Municipalität dieser Stadt das Regiment Flandre aus Douay nach Versailles berufen , dessen
Zuverlässigkeit anerkannt war. Auſser der beim Königlichen Hoflager befindlichen Compagnie der Gardes du corps hatte der König noch einige andere Truppen dahin beordert, so daſs zwar nicht zahlreiche, doch ausreichende Streitkräfte vorhanden waren , stark genug, um
jeden Angriff ungeordneter Volkshaufen energisch abzuweisen. Mili tärisch richtig gehandelt wäre es gewesen, wenn der König, als
aus den letzten Jahrzehenten ibres Bestehens .
256
ihm das Herannahen dieser Banden, welche alsbald Versailles über
fluteten und deren Thun und Treiben lediglich als Aufruhr ge kennzeichnet werden muſs , gemeldet wurde, mit Waffengewalt dieselben hätte zerstreuen und nach Paris zurücktreiben lassen. In unver zeihlicher Schwäche verbot der König seinen wenigen ihm getreu
gebliebenen Truppen, von den Waffen Gebrauch zu machen.
Un
gestraft verübte der fanatisierte, durch die geübte Nachsicht zu
gröſstem Übermut gereizte Pöbel in Versailles die ärgsten Aus schreitungen. Eigentum und Leben der Anbänger des Königs waren roher Willkür preisgegeben ; die niedrigsten Schmähungen und Demütigungen muſsten die Truppen über sich ergehen lassen,
und nur dem Zufall ist es zu danken, daſs nicht Mitglieder der Königlichen Familie selbst die unerhörte Milde Ludwig XVI. schon
bei dieser Gelegenheit mit ihrem Leben bezahlen muſsten . Der dritte der genannten Vorfälle ereignete sich am 21. Juni 1791 . Als an diesem Tage der König mit seiner Familie aus Paris entflohen war, wurde sein Wagen unter dem Thor des Städtchens Varennes durch einen umgestürzten Karren aufgehalten. Noch wäre es möglich gewesen, sich der schmachvollen Gefangennahme von Seiten der radikal gesinnten Einwohner dieses Städtchens zu ent ziehen , wenn der König es über sich hätte gewinnen können , dem Chef einer Husaren -Schwadron, welche General Bouillé zum Schutze
des Königs diesem bis an das Thor des Städtchens entgegengeschickt hatte, freie Hand zu lassen . Das die Weiterfahrt sperrende Hindernis wäre mit leichter Mühe zu beseitigen gewesen. Jedenfalls hätte die Königliche Familie, die Wagen im Stiche lassend, unter dem Schutze der getreuen Husaren auf Umwegen sicher aus der Stadt geleitet und daun vollends in Sicherheit gebracht werden können , da Zuzug aufrührerischer Nationalgarden von auswärts erst in Folge des Sturmläutens in Varennes nach geraumer Zeit eintraf. In völliger
Verkennung seiner gefährdeten Lage erwiederte der König, welcher augenscheinlich nicht mehr Herr seiner Entschlieſsungen war, dem nach seinen Befehlen fragenden Eskadrons- Chef: » Sagen Sie Herrn v. Bouillé, « (dessen Herannahen mit genügenden Streitkräften der König zuversichtlich erwartete) »daſs ich Gefangener bin und keine Befehle erteilen kann, daſs ich leider befürchte, für mich könne nichts mehr gethan werden , daſs ich ihn aber bitten lasse, zu thun ,
Damit war das Geschick des Königtums in Frank reich in verhängnisvoller Weise entschieden . Die angeführten Beispiele werden genügen, um darzuthun, daſs Ludwig XVI. durch seine unüberwindliche Abneigung gegen scharfe was er vermag .
> Die
Armee ist ohne Disziplin, die Subordination ist verloren gegangen ; gebt den Führern ihre Autorität wieder und die Gefahr wird ver schwinden ! « — Nach langwierigen Versammlungen kam am 28. De zember 1790 ein Dekret zu Stande, welches die Grundlage der neuen
Militär- Verfassung bilden sollte. durch dieselbe von Neuem
Das Ansehen des Königs wurde
auf das Empfindlichste geschädigt, da
der National- Versammlung die weitgehendsten Machtbefugnisse ein geräumt, dem Könige aber nur die Stellung eines von der National Versammlung init dem Kommando der Armee beauftragten Generals bewilligt wurde. Bezeichnend für den Geist , welchen dieses Dekret atmete , ist es , daſs in demselben der
schmach volle 14. Juli , jener Tag , an welchem die Gardes Françaises die Treue gebrochen hatten, als der glor reichste Ehrentag des französischen Heeres bezeichnet wurde !
Die Bande des Gehorsams lockerten sich bei den Truppen mehr
und mehr mit dem Umsichgreifen des Klubwesens im Heere; gleich zeitig steigerten sich die Übergriffe der städtischen Verwaltungs Wir greifen aus der behörden in Bezug auf das Ileerwesen. langen Reihe skandalöser Vorfälle nur Weniges heraus; so das
widerspenstige
Verhalten des Infanterie-Regiments Vivarais ጊzu
Bethune am 26. Januar 1790 ; der durch Nationalgarden ausgeführte Überfall dreier von Infanterie besetzter Forts in Marseille und der
Übertritt dieser Regimenter zu den ersteren , gegen welche sie kämpfen sollten ; die zu förmlichen Straſsenkämpfen ausartenden
Schlägereien zwischen Regimentern, deren politische Ansichten ver schiedene waren ; die am 7. Februar 1790 stattgehabte gewaltsame
Entweichung des Regiments Royal Liégeois aus seiner Kaserne in Avesnes ,
WO
es konsignirt war u . a. m.
Nicht minder verdienen
Erwähnung die von mehreren Regimentern bewirkte Vertreibung eines Teiles, auch wohl aller Offiziere, sowie die äuſserst zahlreichen
Fälle , in denen Soldaten durch Gewalt oder Drohungen ihre Offiziere zu Auszahlung beträchtlicher Summen aus den Regiments Kassen genötigt haben.
Eine äuſserst gefährliche Meuterei, welche Anfang August 1790 unter 5 Reginentern der Garnison Metz ausbrach , sowie empörende Excesse, welche seit längerer Zeit durch die Regimenter Poitou und Jab
ch
Escle Armee und Marine, Bd . LXXI., 3 .
18
259
Nachrichten über die altfranzösische Armee
Royal Champagne begangen worden waren , setzten die National Versammlung momentan dergestalt in Schrecken, daſs dieselbe mit Zustimmung des Königs am 6. August 1790 ein die Herstellung der Ordnung bezweckendes Dekret erliefs, welches auch einigen Erfolg
hatte. Nur das französische Regiment Du Roi, das schweizerische Chateau-vieux und das schwere Kavallerie-Regiment Mestre-du-Camp in Nancy in Garnison schenkten demselben nicht die mindeste
Beachtung und setzten ihr aufrührerisches Verhalten fort. Es wurden von den Mannschaften dieser Regimenter Offiziere verhaftet, längere Zeit gefangen gehalten und gemiſshandelt, Magazine und Kassen geplündert und andere Gewaltakte verübt. Die National- Versammlung beschloſs Einleitung der Untersuchung wegen Hochverrates gegen
alle Teilnehmer des Militäraufstandes zu Nancy, sofern sie nicht binnen 24 Stunden schriftlich ihre Unterwerfung erklären würden . Das Regiment Chateau-vieux verweigerte dies, wogegen zwei andere Regimenter der Garnison Nancy die verlangte Unterwerfungs erklärung ausstellten und Straflosigkeit zugesichert erhielten. Da ihnen indes dieser Gnadenakt als ein Beweis von Schwäche Seitens
der Regierung gelten mochte, vereinigten sie sich gleichwohl mit
dem Regiment Chateau-vieux zu Fortsetzung des Widerstandes. Der Aufstand gewann nun einen um so gefährlicheren Charakter, als die Nationalgarde und der Pöbel von Nancy mit den Meuterern gemeinschaftliche Sache machten . In Betracht dieser bedenklichen Wendung beauftragte endlich der König den General Bouillé mit
Niederschlagung des Aufstandes durch Waffengewalt. General bildete darauf aus mehreren, zwar numerisch aber zuverlässigen Regimentern ein Expeditions -Corps in von gegen 4000 Mann mit 8 Geschützen ; vor Nancy
Genannter schwachen , der Stärke angelangt,
nahm er das zunächst gelegene Thor mit Sturm, drang trotz heftigen Kartätschenfeuers in das Innere der Stadt, und zwang nach erbittertem
Straſsenkampfe, bei welchen beide Parteien erhebliche Verluste erlitten, die Meuterer zum Strecken der Waffen .
Soweit dieselben
französischen Regimentern angehörten , wurden sie den neuerrichteten Hochverrats - Tribunalen zur Aburteilung überwiesen, von den ge fangenen schweizerischen Soldaten dagegen 23 zum Tode, 4 aber zn langjähriger Galeerenstrafe verurteilt; die Vollstreckung dieser Strafen erfolgte ohne Aufschub . -
Diese energischen Maſsregeln brachten die Armee allerdings nur für kurze Zeit zur Besinnung. In der Befürchtung, daſs das stehende Heer der Revolution gefährlich werden könne, setzten die Jakobiner Alles daran, um den letzten Rest von Disziplin im Heere
aus den letzten Jahrzehenten ihres Bestehens.
260
Im Frühjahre 1791 entstanden erneute Truppen Aufstände, so bei dem Infanterie-Regiment De la Reine ; in den Garnisonen von Douai, Cahors, Weiſsenburg u. s. w. Der damalige Kriegsminister Duportail war so verblendet, daſs er das Besuchen
zu vertilgen .
politischer Gesellschaften Seitens der Soldaten nicht nur nicht unter
sagte, sondern sogar empfahl. Sogar nach den auſser europäischen Besitzungen Frankreichs, namentlich nach der Insel St. Domingo verpflanzten sich die Erschütterungen der Revolution, und gaben Anlaſs, daſs zwischen den verschiedenen Klassen der dortigen Be
völkerung, beziehungsweise dieser und den französischen Truppen die blutigsten Kämpfe entbrannten. Auch in der damals zum Kirchenstaate gehörigen Stadt Avignon verübten die Infanterie
Regimenter Soiſsannais und Penthièvre, welche Ende 1790 auf Wunsch des Pabstes dorthin verlangt worden waren , eine Reihe der gröbsten Excesse, es konnte denselben erst Einhalt geschehen, nach dem 1791 die National - Versammlung die Einverleibung der Enclave Avignon in das französische Gebiet beschlossen hatte. Während im Laufe des Jahres 1791 Militärunruhen der eben
erwähnten Art zu den alltäglichen Erscheinungen gehörten , dauerte die bereits 1789 begonnene Auswanderung der immer häufiger in änſserst bedenkliche Lagen geratenden Offizieren ohne Unterbrechung fort; da die von der National - Versammlung zur Ordnung der Militär Verbältnisse gemachten Versuche meist erfolglos blieben, so ging das altfranzösische Heer langsam aber unaufhaltsam seiner völligen Auf lösung entgegen. Die am 21. Juni 1791 zu Varennes vereitelte Flucht des Königs aus Paris hatte in Frankreich das Ansehen der Monarchie so schwer
geschädigt, daſs, obwohl Ludwig XVI. die am 14. September 1791 bekannt gemachte neue Verfassung annahm , schon damals zahlreiche
Anzeichen auf die nahe bevorstehende Abschaffung des Königtumes
schlieſsen lieſsen. Der kritische Zeitpunkt, zu welchem diese Vor aussetzung sich bewahrheiten sollte, trat Anfang August 1792 auf die Nachricht hin, daſs das verbündete österreichische preuſsische Heer die französische Grenze überschritten habe, am 10. August 1792 zu Paris ein so heftiger Volksaufstand
ein ; und war aus
gebrochen, daſs sich der König, obwohl sich zu seinem Schutze
nicht nur das Regiment der Schweizergarde zu Fuſs, sondern auch Freiwillige aus dem Adelstande der Nationalgarde um ihn geschart hatten, in dem Schlosse der Tuilerien nicht für gesichert hielt, sondern innerhalb der National - Versammlung eine Zufluchtstätte suchte . Bei seiner Entfernung aus dem Schlosse, zu dessen Ver 18*
261
Nachrichten über die altfranzösische Armee u. s. w.
teidigung eigentlich kein Grund mehr vorlag, hatte er unterlassen, seinen getreuen Schweizern den Befehl zum Abmarsch zu geben; die letzteren harrten daher auf den ihnen angewiesenen Posten ge treulich aus. Ohne besonderen Anlaſs entbrannte hier plötzlich ein
Gefecht zwischen den Truppen und den ihnen gegenüberstehenden Aufständischen .
Starke Haufen der letzteren , namentlich die soge
nannten Federirten aus Marseille drangen auf die in den Schloſshöfen postierten Schweizer ein . Diese verhielten sich Anfangs ganz ruhig ; dann aber fielen von beiden Seiten Schüsse, ohne daſs zu ermittelu gewesen wäre, welche Partei den Anfang gemacht hatte. Die Schweizer, welche vom Volke auch mit Geschütz beschossen wurden ,
leisteten kräftigen Widerstand, bis ihnen der König den Befehl zu gehen lieſs, das Feuern einzustellen. Die pflichtgetreuen Gardisten gehorchten diesem Befehle sofort, der Pöbel beachtete den Willen des Königs nicht, sondern schofs ohne Unterlaſs auf die sich nicht mehr verteidigenden Soldaten , deren verhältnismäſsig wenige dem Gemetzel lebend entkamen .
Als nach Beendigung dieses Kampfes das Geschrei » Sieg, Sieg bis in den Sitzungssaal der National - Versammlung ertönte, war das Schicksal des Königtumes in Frankreich entschieden . Der Beschluſs
des National-Konventes vom 21. September 1792 gab dem Staate eine republikanische Verfassung und bedeutete den Untergang der Königlichen altfranzösischen Armee. Sie verfiel dem Verhängnis, welches sie zum Teil selbst herauf beschworen hatte, denn sie hatte in ihrer Mehrheit vergessen , daſs nur der Kriegs herr, dem sie den Eid der Treue schwört, desselben sie entbinden
kann , daſs sie verpflichtet ist, seine Sache zu verteidigen bis zum letzten Atemzuge, mit ihr zu fallen und unterzugehen. So gebietet es die Kriegerehre und Kriegertreue!
7.
XIX. Der Einfluſs des
rauchfreien und schwachknallenden Pulvers auf die Taktik . Nachtrag zum Artikel XX des März -Heft 1889.
Im Märzheft der Jahrbücher « veröffentlichten wir einen Aufsatz über den Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers
auf die Taktik « . Derselbe geht im Allgemeinen auf alle diejenigen Veränderungen ein, welche sich voraussichtlich bei Einführung des erwähnten Pulvers für das Gewehr, wie auch für die Geschütze in
der Taktik ergeben dürften . Die freundliche Notiznahme anderer Zeitschriften und Zeitungen auf unseren Artikel veranlaſst uns noch zu einigen nachträglichen Bemerkungen. Wir gedachten des Festungskrieges nicht und doch treten auch bei ihm nach Einführung des rauchfreien und nur schwach
knallenden Pulvers einige erbebliche Veränderungen ein . Der Angreifer einer Festung sucht jede neue gegen den Waffenplatz aufgeworfene Batterie möglichst überraschend wirken zu lassen , er
sucht ihnen im Gelände so viel Deckung zu verschaffen, daſs sie während des Baues nicht beschossen und nachdem sie selbst ihr
Feuer eröffnet haben, womöglich garnicht oder doch nur mangelhaft von feindlicher Seite eingesehen werden können.
Besonders sind
es die Mörser batterien , welche so angelegt werden können. Eine binter einem Hügel, hinter einem Gebüsch oder mitten im Walde erbaute Mörserbatterie vermag, da sie nur im hohen Bogen wirft, also kein klares Schuſsfeld verlangt, diese Deckungsmittel
ohne Schädigung ihrer eignen Wirkung auszunutzen sobald nur was unsch wer gelingt, ein indirektes Zielen durchführbar ist.
Bisher verrieten sich dergleichen gedeckte Batterien häufig
nur durch den Pulverdampf, der über ihnen aufstieg.
Dieser
Pulverdampf bildete auch das einzige Mittel für die Artillerie des Gegners, über die Lage der Batterie zuerst im Allgemeinen sich zu orientieren und demnach durch ein besonderes Verfahren sich gegen dieselben einzuschieſsen . Der Pulverrauch der feindlichen Geschütze wird nämlich von zwei verschiedenen auf dem Plan genau fest
Der Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Pulvers
263
gestellten Beobachtungspunkten mittels der Latte
angeschnitten
und danach genau festgestellt, wo sich die beiden aus gesteckten Lattenlinien in ihrer Verlängerung treffen . Der Schnittpunkt beider Linien ergiebt die Lage der Batterie. Dieselbe wird auf dem Plan eingetragen, und vermögen nun die diesseitigen Batterien nachdem sie die Entfernung bis dorthin vom Plan abgemessen , gegen die verdeckten, sich nur durch ihren Pulverdampf verratenden Batterien das Feuer aufzunehmen.
Fällt nun in Zukunft nach Einführung des rauchfreieu Pulvers die Möglichkeit, durch dies eben angedeutete Verfahren (Anschneiden des Rauches vermittels der Latte) die Lage der verdeckten feind lichen Batterien zu ermitteln , fort, so ist die Bekämpfung derselben äuſserst erschwert.
Im Belagerungskriege sucht der Verteidiger jede neue feindliche Batterie oder Batteriegruppe durch alle Forts und Batterien, welche nach dorthin zu feuern in der Lage sind, sofort niederzukämpfen. Die verdeckten Mörserbatterien mit rauchfreiem Pulver sahen wir
gegen diese Taktik sehr viel mehr gesichert, als solche Batterien, welche mit den stark rauchenden Pulver schieſsen.
Aber auch den
der Sicht im Allgemeinen sehr viel weniger entzogenen Kanonen batterien
diejenige
kommt der rauchfreie Schuſs in sofern zu Statten , als
für
die direkte Sicht derselben ungünstig stehende
Artillerie des Feindes, welche bisher in Folge des » Anschneiden des Pulverdampfes
an der Bekämpfung derselben teil zu nehmen
vermochten , es nunmehr
nicht
mehr
SO
leicht zu
leisten
im
Stande sind .
Man wird an Stelle des » Anschneiden des Pulverdampfes< ein anderes Mittel ersinnen müssen. Im Übrigen steigt im Festungs kriege nach Einführung des rauchfreien Pulvers die Bedeutung der Erkundung der Lage feindlicher Batterien vermittels des Luftballons. Bei Wind, Regen, Nebel, Schneefall garnicht verwendbar, wird auch
der
Ballon
häufig auch
erst verspätet benutzt werden
können .
Wer im Kriege schon vor einer Festung gestanden hat, wird sich entsinnen ,
daſs man im Feuer einer
einzelnen feindlichen
Batterie oder auch im Feuer mehrerer, aber langsam schieſsender Batterien durch das Aufsteigen des Pulverdampfes und den darauf erfolgenden Knall gewarnt, häufig noch Zeit fand eine Deckung aufzusuchen , bevor das feindliche Geschoſs einschlug.
Ein
Be
obachtungsposten oder auch irgend Einer, der Pulverdampf zuerst bemerkte, rief warnend » Schuſs ! « und Jedermann suchte, insofern
auf die Taktik .
264
er nicht selbst zu feuern oder aus anderen Gründen da zu bleiben batte, wo er sich befand, die Deckung auf. Einer feindlichen Batterie gegenüber, welche Kartuschen mit rauchfreiem und schwach
knallendem Pulver führt, versagt dieses Mittel . Das Feuern ausgeschlossenen Räumen , aus Block häusern , Grabenkoffern (Kaponièren ), zum Teil wohl aus Panzertürmen wurde durch das bisher
gebräuchliche Pulver
immer überaus lästig. Den in Grabenkoffern u . 8. w. bald herrschenden Qualm mit seinen schädlichen Gasen kann erfahrungsmäſsig die Be satzung nur auf sehr kurze Zeit aushalten , ohne ohnmächtig und
von einer Vergiftung befallen zu werden , welche für den Augenblick leistungsunfähig macht und zu ernstlichen Krankheiten führt. Ob durch das rauchfreie Pulver ein Präparat gefunden ist, welches -
minder schädliche Gase entwickelt, ist uns unbekannt.
Jedenfalls
muſs dasselbe aber die Wirkung der Besatzung von Blockhäusern und von Grabenkoffern zur niederen Grabenbestreichung insofern erhöhen, als sich nun kein Pulverdampf vor die Scharten lagert, die Einsicht in den Graben beziehungsweise auf die anderen unter Feuer zu erhaltenden Flächen also eine freiere ist.
Im Küstenkriege dürfte das rauchfreie und schwachknallende Pulver vorzugsweise den Strandbatterien , welche im Schiffen stehen, zu Statten kommen .
Der Rauch
Kampf mit
hebt sich
einer Strand batterie für die Beobachtung vom Schiff aus --man annehmen darf, leichter ab, als der Qualm
von
wie
eines von einem
Schiff aus abgefeuerten Kanonenschusses gegen seinen im allgemeinen helleren Hintergrundes . Je mehr die Festungs- wie die Feldartillerie durch die Eiu führung eines rauchfreien und schwachknallenden Pulvers in vieler Beziehung taktisch gewinnt, um so mehr muſs sie jedoch bestrebt sein , zur Beobachtung ihrer Geschoſseinschläge
geschosse
für ihre Spreng
ein möglichst starkqualmendes Sprengmittel zu
er
halten .
Nachteilig betroffen ist durch die Eigenschaften des neuen Pulvers die Reiterei.
Wir führten in unserem März -Artikel schon
des Weiteren an , wie viel schwieriger sich für diese Waffe der Auf klärungsdienst gestalten wird . Durch die kleinkalibrigen Gewehre und weittragenden Geschütze schon so wie so immer mehr zurück gehalten von den Brennpunkten des Gefechts, findet die Reiterei in Zukunft auch den Pulverdampf, der sich bisher um die feindlichen Batterien und vor den Feuerlinien der Infanterie zu lagern pflegte,
265
Der Einfluſs des Pulvers auf die Taktik.
nicht mehr als ihren Verbündeten zur Ausführung eines über
raschenden Angriffs. Unter solchen Umständen steigert sich die Schwierigkeit der Führung der Reiterei in der Schlacht abermals um ein Bedeutendes .
Im Infanteriegefecht mindert sich die Aussicht auf die Mög lichkeit des Zusammenhaltens geschlossener Abteilungen noch mebr. Wenn der herrschende Pulverdampf es bisher noch hier and da
gestattete, geschlossene Abteilungen unbemerkt, also ohne direkt mit Zielfeuer beschossen zu werden in die Schützenlinien hinein
zuführen, so fällt nach Anwendung des rauchfreien Pulvers diese
Möglichkeit gänzlich weg es sei denn , daſs eben Deckung vor handen ist .
Im Frieden wird nach Einführung des rauchfreien und schwach
knallenden Pulvers die Leitung der Felddienstübungen und
der gröſseren Truppenmanöver erheblich erschwert.
Wo man
nicht durch den Pulverdampf und durch den Kanonendonner oder durch das Knattern des Kleingewehrfeuers auf die einzelnen Kampf gruppen schon von Weitem aufmerksam gemacht wird , da begiebt man sich als Schiedsrichter auch nicht hin , da wird man als Leitender auch in seiner Aufmerksamkeit nicht gefesselt.
Die
Schiedsrichter werden häufig nicht feststellen können , wer zwei sich bekämpfenden Kampfgruppen deu ersten Schuſs gehabt von
und von welcher Seite
das stärkste Feuer unterhalten worden
ist. Durch ihr Auge und ihr Gehör nicht rechtzeitig auf das
Entbrennen eines Entscheidungskampfes aufmerksam gemacht , werden die Leitenden wie die Schiedsrichter häufig verspätet dort ein treffen, wo ihre Gegenwart notwendig ist. Die Zahl der Schieds richter bedarf daher der Vermehrung.
38 .
XX. Anderes Pulver, andere Taktik . Der im März -Heft dieser Zeitschrift Seite 280-290 enthaltene Aufsatz über den Einfluſs des rauchfreien und schwachknallenden Palvers auf die Taktik hat ohne Zweifel in den weitesten Kreisen
die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, und dies mit vollem Recht. Es ist Zukunftsmusik , die aus diesen Betrachtungen hervorklingt, ein Vorauseilen des Geistes zu den Schluſsfolgerungen aus einer noch kaum ins Leben getretenen Neuerung von ganz unabsehbarer
Bedeutung.
Der Aufsatz ist in der That geeignet , Anregung zu
weiterer geistiger Bewegung zu geben und es mögen im Folgenden an seiner Hand Punkt für Punkt einige sich an den gegebenen Kern anschlieſsende Gedanken niedergelegt werden . Zu Seite 280 Absatz 1 .
Wenn auch anzunehmen ist , daſs
die französische Schilderung der Wirkung der Lebelpatrone sich zunächst nur auf den einzelnen Schuſs bezieht und sonach eine
mit Magazingewehren bewaffnete dichte Schützenlinie durch volle Feuerentfaltung einen immerhin beträchtlichen und deshalb ziemlich weit sichtbaren Pulverrauch unter entsprechendem Geknatter erzeugt,
so ist mit der Erfindung des neuen Pulvers doch eine Richtung eingeschlagen , welche mit der Zeit sicherlich allgemein zu fast
völliger Rauchlosigkeit des Pulvers und erheblicher Abschwächung des Knalls
führen
wird .
Ein Schieſspulver ohne jede Rauch
entwickelung wird allerdings wohl niemals geschaffen werden ; ein solches Pulver ist auch zur Erreichung der Seite 280 Absatz 3, Seite 281 Absatz 1 und 2 erwähnten Vorteile nicht erforderlich.
Es genügt vielmehr, wenn das gegenwärtig allgemein gebräuchliche Pulver mit seiner weiſsen weithinsichtbaren Farbe, seiner undurch
dringlichen Dichtigkeit, seinem zähen Beharrungsvermögen, seinem geringen Ausdehnungs- und Auflösungsbestreben durch ein Pulver ersetzt wird, welches vermöge seiner Zusammensetzung einen dünnen , bläulichen, sich auch bei groſser Luftdichtigkeit rasch verflüchtigenden Rauch erzeugt , so daſs selbst bei ungünstiger Windrichtung nicht jene Einhüllung der feuernden Truppe wie bisher entsteht. Vielleicht dürfte zu dem
Seite 281 Absatz 2 am
Schluſs an
geführten Vorteil des dermaligen Pulverrauches noch ein zweiter hinzugefügt werden. Die wichtige Rolle nämlich , welche das
267
Anderes Pulver, andere Taktik.
Einschieſsen bei den Gefechtsleistungen der Artillerie spielt , führt zu der Frage, ob dasselbe gegen eine rauch bedeckte Batterie leichter ist , als gegen eine blank dastehende.
Zweifellos wird die Rauch
erscheinung der platzenden Einschuſsgranate vor einer freistehenden feindlichen Batterie leichter wahrgenommen und sicherer beurteilt, als vor einer in Pulverdampf gehüllten, da im letzteren Fall die aus der zerspringenden Granate entwickelte kleine Rauchwolke vom Rauch der feindlichen Batterie unter Umständen völlig aufgenommen wird und deshalb nicht bemerkbar ist, um so weniger, je näher
am Ziel die Einschuſsgranate platzt. Täuschungen hinsichtlich des Einschieſsens sind hierdurch sehr leicht möglich öglich.. Ein richtiges Einschieſsen ist aber die erste Vorbedingung für ein wirksames Beschieſsen . Auf Seite 281 Absatz 1 ist die Kehrseite der Medaille un
beachtet geblieben. Gewiſs werden die Klarheit und die Stille, mit welchen sich die Gefechtsvorgänge nach Einführung des neuen
Pulvers vollziehen , die Aufgabe der Führung wesentlich erleichtern. Wie steht es aber , wenn , für die ganze Truppe bemerkbar,
die Stimme des Führers plötzlich verstummt , weil er , von feind lichem Geschoſs hingestreckt, niedersinkt, wenn auch sein Nachfolger fällt, wenn der zweite und dritte Stellvertreter dasselbe Schicksal
erleidet und alles dies sich in kurze Zeitspanne zusammendrängt ? Welche Eindrücke werden die nur zu deutlich gehörten Töne des Wimmerns und Stöhnens der Verwundeten hervorrufen ? Wie wird der Anblick der furchtbaren Zerstörungskraft des feindlichen Feuers
auf die Herzen der Leute wirken , wenn die ganze Entsetzlichkeit solcher Scenen offen vor ihren Augen liegt ? Bisher hatte das Rollen des Gewehrfeuers und der Donner der Geschütze jene Laute des Eleuds übertönt, der Pulverrauch hatte die Schrecknisse der Schlacht
vielfach den Blicken selbst der nahen Umgebung entzogen. Das neue Pulver stellt daher an die Seelen- und Nervenstärke
der Leute im Gefecht ungleich höhere Anforderungen. Die Mannszucht und der wahre innere Wert einer Truppe werden eine bis jetzt noch nie dagewesene Probe zu bestehen haben, wenn an Stelle des betäubenden Schlachtgetöses, das schon über manche schwierigen Augenblicke hinweghalf, eine Alles verratende Stille
und Klarheit tritt. Man hüte sich, diese bedeutungsvolle Folge des neuen Pulvers zu unterschätzen !
Zu Seite 282 und Seite 283 Absatz 1. Die hier geschilderten
Vorteile des Signalschusses, beziehungsweise die aus seinem Fehlen entspringenden Nachteile weisen gebieterisch darauf hin, den Knall
Anderes Pulver, andere Taktik .
268
als Signal unter allen Umständen auch nach allgemeiner Einführung des neuen Pulvers beizubehalten .
Weshalb aber dieses wichtige,
ja unentbehrliche Hilfsmittel » nur in ganz bestimmten Lagen , z. B.
im Festungskriege und auf Etappenposten zur Verwendung gelangen kann , ist nicht einzusehen ; dasselbe kann und muſs vielmehr in
allen Lagen, besonders auch im Feld kriege angewandt werden. Es macht gewiſs keine Schwierigkeit, die Infanterie mit Signal- oder
Knallpatronen, vielleicht ohne Geschoſs, auszurüsten , von möglichst geringem Gewicht, äuſserlich leicht erkennbar durch Farbe und Form, letzteres , um eine Verwechslung bei Nacht zu verhüten . Als Nachtsignale könnten sogar Raketpatronen eingeführt werden, um durch Feuerstreifen und Knall die drohende Gefahr rasch weiter zu melden. Auch die Artillerie wäre in ähnlicher Weise mit Signal kartuschen von ganz besonders starkem Knall zu versehen , um ihr die Abgabe einzelner Notsignalschüsse zu ermöglichen .
Bei
der
Infanterie würden einige wenige Signalpatronen für den Mann voll kommen hinreichen , da ihre Anwendung nur im Vorposten- und Patrouillendienst erfolgen dürfte und bei dem üblichen Wechsel der Vortruppen ein Ausgleich leicht zu vollziehen sein würde. Alles Nähere : unter welchen Umständen , in welcher Zeitfolye u. s. w.
diese Signalschüsse abzugeben wären , würde sich leicht und zweck mäſsig regeln lassen , auch die Beantwortung des gehörten Signals 9
könnte bestimmt werden .
Selbstverständlich würde diese Meldeart
durch Schüsse die Aufstellung besonderer Horch posten und Horch patrouillen im Vorpostendienst wie während des Gefechts erfordern, welche an geeigneten Punkten ausschlieſslich ihrer wichtigen Aufgabe oblägen , im Gefecht z. B. in einer Entfernung von der eigenen Feuerlinie , welche jede Täuschung ausschlieſst. Bei solchen Maſs
regeln würde der Sicherungsdienst keine wesentliche Änderung oder Erschwerung erleiden ; im Gegenteil, er würde durch das neue Pulver gewinnen. Man vergegenwärtige sich nur die wirklichen Verhältnisse. Der Doppelposten bat in unübersichtlichem Gelände oder in der Dunkelheit gegenüber dem anschleichenden Gegner alle Vorteile auf seiner Seite. Sein Auge ist an die Umgebung gewöhnt, er kennt jeden Baum , Strauch u . s. w . , sein Ohr kann in Ruhe
lauschen , während dasjenige des herankommenden Gegners, von der Luft umspielt, ebenso unzuverlässig ist, wie dessen Auge, welches in jedem Augenblicke neue, unbekannte Gegenstände vor sich sieht. Wer sich bewegt, wird auſserdem leichter bemerkt, als wer stille hält.
Läuft nun eine feindliche
Patrouille dem Posten in den
Schuſs, so kann er sie durch das neue Pulver lautlos unschädlich
Anderes Pulver, andere Taktik .
269
machen, ohne sich selbst und seine Stellung, wie es bisher geschah, durch den Knall weiterhin zu verraten .
Zu Seite 283 Absatz 2. Dagegen wird die Aufklärung durch das neue Pulver schwieriger, besonders gegenüber einem seinen
Vorteil wahrnehmenden Gegner. Ein solcher wird nämlich feind liche Patrouillen u. s. w. so nahe herankommen lassen , daſs er sie mit hoher Wahrscheinlichkeit niederlegen kann . Die Grenze der
Treffwahrscheinlichkeit nun gegen einen einzelnen Mann liegt gegen wärtig auf 250, gegen einen einzelnen Reiter auf 450 m. Durch das neue Pulver in Verbindung mit dem kleineren Kaliber wird diese Grenze vielleicht um 200 m erweitert werden und auf solche
Entfernung sind die Erscheinungen einzelner Schüsse wohl kaum
sofort und sicher bemerkbar. Schon im Feldzuge 1870/71 erlitten unsere Truppen Verluste, ohne den Feind wahrzunehmen , wie sie
auch letzteren oft bemerkten , ohne von ihm beschossen zu werden . Wenn der erstere Fall künftighin Ausnahme, der letztere Regel werden soll, so muſs die Ausbildung unserer Aufklärer ( Spitze, Patrouillen u . s. w. ) allerdings eine andere werden . Die mit der Aufklärung beauftragten Leute müssen » schärfer « sehen lernen ,, wenn sie ihrer Aufgabe genügen sollen .
Da in den Reihen der
Truppe ganz vorzügliche Augen vorhanden sind , würde es sich nur
darum handeln , die geeigneten Leute als » Späher « entsprechend vorzubilden. Hierbei dürfte von der Voraussetzung auszugehen sein ,
daſs jeder Schütze, welcher im Feldkrieg treffen will, sich bis zu einer gewissen Höhe über die Deckung erheben, das heiſst: sich bis zu einem gewissen Grade zeigen muſs; desgleichen werden von der
feindlichen Artillerie wenigstens die Geschützmündungen in den Batterie - Einschnitten von Seiten des Zieles zu sehen sein .
Nach
diesen Gesichtspunkten müſsten pun abwechslungsreiche Übungen im Gelände abgehalten und die mit Erfolg an denselben beteiligten Lente als ausgebildete Späher
ähnlich wie die besten Schützen
durch besondere Abzeichen ausgezeichnet werden , um im Felde oder bei den Übungen ihren Fähigkeiten entsprechende Dienste zu leisten.
Auch die Offiziere wären in
diesem
neuen Dienstzweige
vorzubilden unter allgemeiner Benutzung der vorzüglichsten Fern
gläser. Um das Sehvermögen, beziehungsweise die Sehfähigkeit zur höchst möglichen Schärfe zu entwickeln, könnte ein Teil dieser Späher-Übungen ohne Anwendung von Platzpatronen
vorgenommen werden . Dagegen würde es sich nicht empfehlen, alle Übungen, namentlich auch die kleineren und gröſseren Feld dienstübungen, in dieser Weise ausführen zu lassen , weil Auge
Anderes Pulver, andere Taktik.
270
und Ohr in der raschen Wahrnehmung und sicheren Beurteilung der Erscheinungen des neuen Pulvers geübt werden müssen und anderer Seits auch die Führung lernen muſs , die durch den schwächeren Knall und Rauch erwachsenden Schwierigkeiten zu beherrschen .
Derartige Verbesserungen im Aufklärungsdienste werden zweifels ohne bestimmte Gegenbestrebungen zur Folge haben, welche die Erreichung möglichster Unsichtbarkeit bezwecken . Hierbei kommen in erster Linie Farbe und Stoff der Bekleidungs und Ausrüstungsstücke in Betracht. Denn was nützt das Schweigen der Feuerwaffen , wenn die Farben schreien ! Glänzende Beschläge und Waffenteile, grelle Tuchfarben sind in Zukunft für
den Feldkrieg noch weniger geeignet als bisher. Wir sehen also, daſs die bevorstehende Neuerung auf verschiedene Gebiete ihre um wälzende Wirkung überträgt. Die Verteidigung aber zieht aus dem neuen Pulver voraussichtlich den gröſsten Nutzen, denn es steht
auſser Frage, daſs der mangelnde Rauch und Knall hauptsächlich dein besser gedeckten weniger dem gut sichtbaren Gegner nützen wird . Zu Seite 284 und 285 .
Die hier aus der Einführung des neuen Pulvers abgeleiteten Veränderungen und Schwierigkeiten werden sich im nächsten Kriege von selbst auch aus der Gröſse
der Heere ergeben .. Schlachten wie Königgrätz und Gravelotte St. Privat und von noch bedeutenderem Umfang bilden künftigbin
die Regel . Wenn aber solche Massen zur Entwickelung gebracht werden sollen, müssen sich die Einleitungsgefechte naturgemäſs in
die Länge ziehen und die Selbstständigkoit der Unterführer wird Die Art , wie Napoleon I. sich persönlich über die Stellung u. s. w. des Feindes Aufklärung zu verschaffen pflegte, ist heutzutage , wo die Schlachtfelder ein Gelände von mehreren Meilen umfassen , ohnehin nicht mehr anwendbar . Die Oberleitung ist schon durch diese Verhältnisse mehr auf die Erlangung eines geistigen , als auf die Gewinnung eines leiblichen Gesamtüberblickes über die Schlacht hingewiesen . Schon die Notwendigkeit der Ver bindung mit allen Teilen des Schlachtfeldes erfordert einen mehr rückwärts gelegenen , leicht aufzufindenden Standpunkt des Ober feldherrn . Wie diese Verbindung am besten im Gang gehalten wird, ist eine Frage für sich . Im Allgemeinen dürfte der Grundsatz wachsen .
sich bewähren , daſs, wer etwas wissen will , auch Anstalten zu
treffen hat, daſs er etwas erfahre . Den Truppen den Vorwurf der
Lässigkeit in Bezug auf ihre Meldungserstattung zu machen , erscheint
271
Anderes Pulver, andere Taktik .
nicht ganz gerechtfertigt. Da sich aber für und gegen jede derartige Behauptung zahlreiche Beispiele aus der Kriegsgeschichte auführen lassen , wird hier auf nähere Begründung des Gegenteils verzichtet . Den Seite 287–289 für die Bedeutung des hörbaren Kampfes angeführten Beispielen gegenüber soll indes auch eines an Stelle mehrerer dafür beigefügt werden, daſs Kanonendonner und Gewehr
feuer als Nachrichtenvermittler der Ereignisse in der Ferne auch sehr wohltäuschende , für leichtgläubige Fübrer sogar ver hängnisvolle Boten sein können . Um bei dem Beispiel der Schlacht bei Spicheren zu bleiben, möchten wir an die Geschehnisse
auf dem äuſsersten rechten deutschen Flügel erinnern . Hier war infolge des vernommenen Kanonendonners die 13. Division im besten Zuge, durch Vorgehen gegen die Rückzugslinie der Franzosen eine rasche und glückliche Entscheidung herbeizuführen , als um 4 Chr
Nachmittags ihr Vormarsch eingestellt wurde, weil der Kanonen donner vom Schlachtfelde her verstummte und das Gefecht beendet
schien. In Wirklichkeit aber dauerte der heftige Kampf fort , dessen Getöse jedoch durch die groſsen Waldungen gedämpft wurde. Erst um 6 Uhr vernalım man bei Groſs Rossel von Neuem Geschützfeuer
und nun trat die Avantgarde, als zugleich auch andere Nachrichten über die Fortdauer der Schlacht einliefen , wieder an und lieferte das denkwürdige Gefecht am Kaninchenberg . Wäre an diesem
Punkte zwei Stunden früher die ganze 13. Division aufgetreten, so
hätte der Erfolg der deutschen Waffen bei Spicheren ein ungleich gröſserer sein können.
Der trügerische Kanonendonner hatte dies
verhindert.
Wie jede Verbesserung des Pulvers die Stellung der Kavallerie als Kampfwaffe schädigt, ebenso wirkt das neue Pulver zu ihren Ungunsten . Wenn auch die Möglichkeit eines erfolgreichen Ein greifens der Kavallerie in den Gang der Schlacht seit 1870,71
vielfach angezweifelt wurde , so lebte doch bisher in dieser Waffe selbst, und mit Recht gepflegt, die Zuversicht, unter günstigen Umständen ihr altes volles Gewicht in die Wagschale der Ent scheidung werfen zu konnen . Abgesehen von der Gupst des Geländes, welche ihren unterstützenden Einfluſs immer behalten
wird , war gerade in den Minuten der Entscheidung die Thätigkeit der Kavallerie erleichtert.
Wo Aller Augen und Sinne vorwärts
auf den zunächst zu werfenden oder drohenden Gegner gerichtet sind, wo die aufs Äufserste gesteigerte Feuerentfaltung durch den Pulverdampf den weiteren Blick verschleiert und durch das Getöse das Ohr betäubt, wo alle Nerven ihre höchste Anspannung erfahren,
Anderes Pulver, andere Taktik.
272
da ist in der That der Kavallerie noch Gelegenheit geboten , ein
entscheidendes Wort über den Ausgang der Schlacht mitzusprechen, denn selbst die rechtzeitige Ankündigung ihres Herannahens wird in solcher Lage überhört werden oder unbeachtet bleiben.
Ohne
den Pulverrauch , ohne das Rollen des Magazinfeuers, ohne den
Donner der Geschütze fehlen der Kavallerie die hauptsächlichsten Voraussetzungen für ein solches überraschendes Eingreifen. Umsomehr
wird diese Waffe im Aufklärungsdienst (Divisions -Kavallerie) wirken können und müssen .
Von mancher Seite könnte nun gegen unsere Besprechung der Einwurf erhoben werden , daſs die ganze Frage noch nicht spruch
reif, vielmehr einem » Streit um des Kaisers Bart « gleich zu achten sei und es sich doch empfehlen möchte, erst die weitere thatsäch liche Entwickelung der Dinge abzuwarten. Mit Verlaub ! In der preuſsischen Armee ist es seit langer Zeit nicht mehr üblich, sich
durch irgend eine Neuerung auf dem Gebiet des Kriegswesens zu lassen . Dasjenige Heer Europas , welches in unserem Jahrhundert die längste Friedenszeit verlebte , das überraschen
preuſsische, von 1815 bis 1864,
während
die
österreichischen
und französischen Truppen wiederholt ( 1848 , 1854/56 , 1859) ins Feld zogen , schlug dennoch die kriegsgeübteren Gegner 1866 und
1870/71.
Die groſsartigen Erfolge in Böhmen und Frankreich
wurden aber nur erreicht durch eine zielbewuſste und sachgemäſse Vorbereitungsarbeit während der langen Friedensjahre. Bei dieser Vorbereitungsarbeit spielte nun die sorgfältigste Beobachtung der anderwärtigen Kriegsereignisse und die thatsächliche Nutz anwendung aus letzteren die Hauptrolle. Ohne die Gabe der Vor stellung von dem , was ein Krieg erfordert, wäre die Einführung des Zündnadelgewehrs , eines verbesserten Artilleriematerials und die ganze vortreffliche Erziehung und Ausbildung der Führer wie der
Truppen nicht möglich gewesen . Ob in allen diesen Dingen, welche lediglich in bestimmter Voraussicht ihrer Bewährung eingeführt wurden, das Richtige getroffen war, konnte nur ihre Erprobung im Felde zeigen . Hinterher war es sehr leicht, die Zweckmäſsigkeit der getroffenen Maſsregeln einzusehen . - Das deutsche Heer hat nun bald zwei Jahrzehnte Friedenszeit hinter sich ; dasselbe besteht
beim nächsten groſsen Waffengang in der Hauptmasse aus Neu lingen , welche den Krieg nur vom Hörensagen kennen , selbst ein
groſser Teil der Compagnieführer ist jetzt schon ohne wirkliche Kriegserfahrung. Deshalb gilt es , mit allen Mitteln sich auf die Dinge, die da kommen sollen, gefaſst zu machen, um von un
273
Das neue englische Exerzier-Reglement
erwarteten Erscheinungen nicht überrumpelt zu werden . solche
wäre auch
die wahrhaft unheimliche Heimlichkeit ,
Eine
mit
welcher nach allgemeiner Einführung des neuen Pulvers künftige Kämpfe sich vollziehen werden . Wer aber ivfolge besserer geistiger Vorbereitung sich im Felde mit Gewandtheit einer Neuerung an zuschmiegen versteht , besitzt von vornherein über den weniger
gefaſsten Gegner ein hohes Maſs der Überlegenheit.
In diesem
Siune sind vorstehende Zeilen niedergeschrieben ; ihr Inhalt läſst sich kurz in den Worten zusammenfassen ::
Infolge allgemeiner
Einführung des neuen Pulvers wird :
1. Die Verteidigung gewinnen , 2. die Kavallerie als Schlachten waffe verlieren und 3. die geistige und moralische Tüchtig. keit der Truppe mehr als jemals den Ausschlag geben . P-n .
XXI. Das neue englische Exerzier-Reglement für die Infanterie. ( Fortsetzung und Schluſs.)
Avantgarden , Arrieregarden und Vorposten . Jede Truppe, die möglicher Weise mit dem Feinde in Berührung treten kann, soll 1. das Verhalten , die Stärke und Absicht des Feindes aufklären, 2. die Stärke und die Bewegungen der eigenen
Truppe verschleiern, diese decken und vor Überraschungen sichern , und 3. eine genaue Kenntnis des Operationsfeldes erwerben .
Um diesen Anforderungen zu genügen, muſs eine Avantgarde, Arrieregarde und Flauken -Deckungen ausgeschieden werden. Wenn gleich deren Stärke auf %6 bis / der Gesamtstärke berechnet wird, so wird dieselbe doch für die verschiedenen Truppen -Verbände noch
besonders festgesetzt, und soll » unter gewöhnlichen Verhältnissen in folgender Weise zusammengesetzt werden :
für die Infanterie.
274
Die Division .
1 Regiment Kavallerie und 1 Schnellfeuer -Geschütz; Detachement berittener Infanterie (100 Mann ) und 1 Schnellfeuer -Geschütz; 1 Compagnie Pioniere ; 3 Batterien Feld - Artillerie ; 2 Infanterie Brigaden (8 Bataillone) und 4 Schnellfeuer -Geschütze; Kranken
träger- Compagnie; Infanterie- und Artillerie-Munitionswagen ; Pro viant- kolonne; Armee -Gensdarmen .
A vantgarde . 3/2 Eskadron Kavallerie mit einem Schnellfeuer-Geschütz ; De tachement berittener Infanterie mit einem Schnellfeuer -Geschütz ;
'/2 Compagnie Pioniere; 1 Batterie Feld -Artillerie ; 1 Bataillon In fanterie mit einem Schnellfeuer -Geschütz ; pagnie ; Infanterie -Munitionswagen.
Krankenträger-Com
%
Die gemischte Brigade. 1 Regiment Kavallerie mit einem Schnellfeuer -Geschütz ; 4 Ba taillone Infanterie mit 2 Schuellfener -Geschützen ; Detachement be
rittener Infanterie mit 1 Schnellfeuer-Geschütz; 1 Batterie reitender Artillerie ; 1 Batterie Feld -Artillerie ; 1 Compagnie Pioniere; Munitions Kolonne; Krankenträger-Compagnie und Trains. Avantgarde. 3 % Eskadron Kavallerie mit
einem
Schnellfeuer -Geschütz ;
1/2 Bataillon Infanterie mit einem Schnellfeuer-Geschütz; Detachement berittener Infanterie mit
; 1 Schnellfeuer-Geschütz;
/
Batterie
reitender Artillerie ; '/2 Compagnie Pioniere ; 1 Zug Krankenträger. In derselben Weise wird auch die Stärke der Avantgarde
für die Infanterie-Brigade von 4 Bataillonen mit 2 Schnellfeuer Geschützen auf 4 Compagnien mit 2 Schnellfeuer -Geschützen fest gesetzt.
Die Avantgarde selbst soll wiederum in 2 Abteilungen einge
teilt werden , die » Van guard «, d . h. der Vortrupp, der alle die zur Aufklärung zu verwendenden Truppen umfassen , und die Re serve , die erstere bei einem soll .
feindlichen Zusammenstoſs aufnehmen
Der Abstand beider soll 1000 -- 3300 Yards betragen ,
die
Verbindung zwischen denselben hat die Kavallerie aufrecht zu erhalten .
Für die berittene Infanterie und die Schnellfeuer-Geschütze
werden folgende Grundsätze aufgestellt : » Berittene Infanterie wird in Zukunft wahrscheinlich jeder Abteilung im Felde zugeteilt werden, es empfiehlt sich , sie den aufklärenden Truppen zuzuweisen , Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXXI., 3.
19
Das neue englische Exerzier -Reglement
275
wo sie mit Vorteil zum Patrouillieren verwandt werden können, um dadurch der Kavallerie die Möglichkeit zum Auftreten in Ver
bindung mit den übrigen Waffen zu geben. Es ist wünschenswert, bei der Avantgarde stets eine geschlossene Kavallerie - Abteilung für den Angriff bereit zu haben . - Die Schnellfeuer -Geschütze
werden bei Avantgarden und detachierten Abteilungen von gröſster Wichtigkeit sein , um alle von denselben besetzte Abschnitte im
Gelände, als Brücken , Defileen u . dergl . in den Fällen festzuhalten , wo das Heranziehen der Infanterie mit Zeitverlust verbunden sein
würde.. Sie müssen deshalb in der Avantgarde so marschieren , daſs sie in kürzester Zeit zur Verwendung herangezogen werden können .
Alle Vorschriften über die Einteilung, die Marschformation , das Verhalten beim Aufklären, beim Zusammenstoſs mit dem Feinde u. s. w.
sind, sogar unter Beifügung von Krokis, mit einer Weitschweifigkeit gegeben, daſs wir sie hier nicht wiederzugeben vermögen. Trotzdem
wird besonders betont, daſs sich für alle Fälle nur allgemeine Grund sätze aufstellen lieſsen .
So heiſst es z. B. von dem Absuchen eines
Dorfes: > Wenn eine Avantgarde in der Nähe des Feindes auf ein Dorf trifft, so muſs sie mit der gröſsten Vorsicht vorgehen. In beträchtlicher Entfernung von dem Dorfe muſs die Spitze und der Vortrupp halten , während starke Abteilungen in die Flanken entsaudt werden , um die Rückzugslinie des Feindes zu bedrohen. Dann muſs
eine kleine Abteilung des Vortrupps in einem Gliede vorgehen, dahinter folgt, mit weitem Abstande der Rest des Vortrupps. Zeigt es sich, daſs das Dorf nicht besetzt ist, so kann der letztere seinen
Was mit den Post- und Telegraphen Stationen zu geschehen hat, ist in einem besonderen Abschnitt Abstand wieder verkürzen .
gesagt . «
Arrieregarden sollen bei einem Rückzuge nach denselben Grundsätzen wie Avantgarden zusammengesetzt werden ; sie sollen reichlich mit Schanzzeug versehen werden , um , wo es irgend möglich ist, dem verfolgenden Feinde Hindernisse zu bereiten . Den Seiten deckungen fällt hier eine noch gröſsere Wichtigkeit zu, wie beim Vorgehen , da der Feind fortwährend bestrebt sein wird, die Flanken zu bedrohen .
Vorposten .
Allgemeine Grundsätze. Die den Vorposten obliegenden Pflichten bestehen in : 1. der Aufklärung über Stellung, Stärke, Bewegungen und Absichten des Feindes, 2. der Verhinderung der Einsicht der eigenen Stellung durch den Feind , und 3. dem Schutz 1
für die Infanterie.
276
der eigenen Truppen vor Überfällen, und Aufhalten des angreifen den Feindes, bis Vorbereitungen zu dessen Empfang gemacht sind. Die Vorposten werden in Reserve, Supports (ungefähr unseren Vorposten - Compagnien entsprechend) und Pikets (Feldwachen ) eingeteilt. Stärkere Patrouillen sollen von den Reserven gestellt werden, die Pikets baben die Posten und deren Unterstützung, die detachierten Posten , Durchlaſsposten, Schleich- und Visitierpatrouillen zu stellen .
Die taktischen Verbände sollen im Vorpostendienst so
wenig wie möglich zerrissen werden , die Reserve wird von einer Brigade, einem Bataillon oder Halbbataillon gebildet, die Supports und Pikets werden von Compagnien oder Halbcompagnien gebildet. Die Vorposten sollen stets so weit vorgeschoben sein , als sich
dieses nur irgend mit ihrer Sicherheit verträgt.. Ob sie, im Falle eines Angriffes, sich auf die rückwärtigen Truppen zurückziehen sollen, oder ob sie Verstärkungen zu erwarten haben, wird in jedem Falle besonders befohlen .
In der Nacht soll die erhöhte Sicherheit
durch vermehrten Patrouillengang erreicht werden , ein Zurückziehen der Vorposten näher an das Gros heran darf nur ausnahmsweise
vorkommen. Wo Änderungen in der Aufstellung für die Nacht vorgenommen werden , müssen sie bei Tage bereits angeordnet werden , dürfen aber erst nach
Dunkelwerden zur Ausführung gelangen .
Eine Stunde vor Tagesanbruch tritt Alles unter Gewelr, bleibt dann Alles vor der Front ruhig, so kann die Tagesstellung wieder ein genommen werden . Bei längerem Aufenthalt wird bei Tagesanbruch abgelöst, um zu einer Zeit, wo meistens Angriffe erfolgen, eine
stärkere Abteilung bei der Hand zu haben . keinerlei Ehrenbezeugungen zu erweisen.
Die Mannschaft hat
Die Reserve bildet die Haupt-Unterstützung für die vorge schobenen Abteilungen , sie muſs daher in einer guten Ver
teidigungsstellung stehen ; soll die Verteidigungslinie aber bei den Supports liegen, so muſs eine leichte Annäherung zu diesen möglich sein.
Der Abstand der Reserve von dem Gros der Truppen wird
im allgemeinen 1—2 Meilen betragen .*) In manchen Fällen wird es sich empfehlen, die Reserve in zwei Teile zu gliedern, wenn beispiels weise zwei Brücken, Engwege oder Straſsen zu den Supports führen.
Wenn das Gros der Truppen in einer Verteidigungsstellung lagert, und rasch gefechtsbereit gemacht werden kann , so darf die Reserve ganz in Wegfall kommen .
Die Supports bestehen aus einer oder mehreren Compagnien desselben Bataillons, das die Pikets zu stellen hat. Nicht jedes *) Bemerkung der Redaktion : Die englische Meile = 1523 m . 19*
Das neue englische Exerzier-Reglement
277
Piket hat ein eigenes Support, häufig werden zwei oder drei ein solches haben, im allgemeinen müssen aber Supports und zugehörige Pikets von gleicher Stärke sein. Die Eutfernung beider vonein ander beträgt 400-800 Yards, für ihren Standpunkt ist allein die Verteidigungsfähigkeit des Geländes maſsgebend. Die Supports müssen ununterbrochen mit den Pikets, der Reserve und den Supports rechts und links Verbindung halten .
Die Pikets stellen die Posten aus und unterstützen diese im Falle eines Angriffs, auſserdem schicken sie Schleich- und Visitier Patrouillen , sowie detachierte Posten und Durchlafsposten. Ihre Aufstellung ist am besten hinter der Mitte der Postenreihe, wenn möglich auf der Straſse selbst, 400 - 800 Yards von den Supports
Wo in nächster Nähe des Feindes ein Angriff zu ge wärtigen ist, bleibt ein Teil des Pikets auch während der Nacht unter dem Gewehr, dieser Teil bleibt aber von dem Rest gesondert,
entfernt.
damit bei einer Alarmierung keine Unordnung entsteht.
Ein ein
facher Posten vor dem Gewehr hat ununterbrochen die Postenlinie
zu beobachten. Wenn nach dem Ablösen bei Tagesanbruch Alles ruhig bleibt, kehrt das abgelöste Piket zu dem Support zurück. Die Posten werden , den Umständen gemäſs, paar- oder gruppen weise aufgestellt. In ersterem Falle befindet sich die Ablösung bei dem Piket, in letzterem so nahe wie möglich , jedoch dem Auge
des Feindes entzogen, bei dem Posten . Die Gruppen bestehen aus 3, 4, 6 oder mehreren Leuten , ein Unteroffizier kommandiert eine
bis drei derartige Gruppen . Wenn irgend möglich, sollen alle Posten gruppenweise gestellt werden, da hierdurch mehr Ruhe für die Mannschaft erzielt, und den Posten gröſsere Sicherheit verliehen wird . Bei gruppenweiser Aufstellung genügt auch bei Tage ein einfacher Posten . - Detachierte Posten sind drei bis zwölf Mann
stark, sie stehen unter dem Befehl eines Offiziers oder Unteroffiziers, und bilden gewissermaſsen ein kleines Piket.
Sie werden an be
sonders wichtigen Punkten vor der Front oder auf den Flanken
aufgestellt. – Der Durchlaſsposten steht hinter der Postenlinie, er wird vom Piket gestellt und darf nicht schwächer als 6 Mann sein.
Er wird von einem Offizier oder Unteroffizier kommandiert,
der, wenn irgend möglich, der Landessprache kundig ist. Nur solche Personen, die zu den Vorposten gebören, werden ohne Weiteres durchgelassen, alle anderen werden zum Vorposten-Commandeur ge führt, oder zu einem der Stäbe, dem ein Offizier des Kundschafts
Dienstes beigegeben ist. Wo kein Durchlaſsposten aufgestellt ist, hat das Piket dessen Dienst zu versehen .
für die Infanterie.
278
Von Patrouillen werden drei Arten unterschieden : Visitier
Patrouillen , ein Offizier oder Unteroffizier mit 1-2 Mann, die das Gelände in der Nähe der Postenlinie aufzuklären und die Wach
samkeit der Posten zu prüfen haben . Ferner giebt es Schleich Patrouillen (knownaitring patrols), die, 3—7 Mann stark, in der Richtung gegen den Feind entsandt werden . Wenn möglich sollen hierzu berittene Truppen genommen werden, die täglich ein- bis zweimal gehen, und sich 4-5 Meilen , wenn es sein muſs, bis zu 10 Meilen vor die Front begeben . Diese Patrouillen schicken Kund schafter voraus, » denen kein Geräusch oder Zeichen vom Feinde
entgeht, und deren geübten Augen und Ohren jede Gefahr entdecken. « Die dritte Art der Patrouillen sind die starken Patrouillen , die
die Annäherung feindlicher Patrouillen verhindern und vorgeschobene Posten angreifen sollen, um zu sehen , was hinter ihnen steht. Sie sollen stets von einer berittenen Ordonnanz begleitet sein, um rasch nach rückwärts Meldung erstatten zu können . Sie sollen regelmäſsig unmittelbar vor Tagesanbruch entsandt werden. Ein
besonderer
Abschnitt
behandelt
die
Pflichten
des
Offiziers im Vorpostendienst . Es heiſst hier wörtlich : »Alle Offiziere, die im Vorpostendienste Verwendung finden , müssen sich den groſsen Unterschied zwischen diesem Dienste und dem Exer zieren klar machen . Während bei dem letzteren die genaueste
Ausführung und wörtliche Befolgung des gegebenen Befehls die Hauptsache ist, darf der Offizier im Vorpostendienste niemals Anstand nehmen, auf eigene Verantwortung zu handeln, wenn es im Sinne des Vorposten - Commandeurs geschieht. Der Letztere bildet den Mittelpunkt des ganzen Systems, aber er decentralisiert seine Be fehle, er giebt so wenig Befehle als irgend möglich, aber er erklärt deutlich den Zweck und das Ziel seiner Anordnungen . Er muſs den Untergebenen einen möglichst groſsen Spielraum lassen , und diese müssen sich des ihnen geschenkten Vertrauenswürdig er weisen . Ein Erfolg kann nur dann erzielt werden , wenn vollständiges
Verständnis für die gegenwärtige Lage und Absichten vorhanden ist, obne gedankenloses Befolgen gegebener Befehle . Die allgemeinen Grundsätze des Vorpostendienstes müssen allen Offizieren bekannt
sein, die Ausführung derselben richtet sich aber vach der persön lichen Einsicht jedes Einzelnen. Der Zustand der Truppen , die Beschaffenheit des Geländes, das Wetter, die Taktik und Bewaffnung des Gegners u . n . a. , machen es unmöglich, Grundsätze aufzustellen, die für alle Verhältnisse passen . Wollte man das thun , so würde man die Einsicht und die Selbstthätigkeit des Offiziers lahm legen,
279
Das neue englische Exerzier-Reglement
oder einen weniger Einsichtsvollen irre leiten . Die Verhältnisse sind in der That so wechselnd, daſs ein Offizier ganz recht hat, wenn er in demselben Gelände an verschiedenen Tagen die Vor posten ganz verschieden aufstellt. « In ähnlicher Weise werden die Pflichten des Vorposten -Com
mandeurs und der Führer der verschiedenen Unter - Abteilungen bis zu den einzelnen Posten entwickelt. Zum Schluſs folgt noch ein kurzer Abschnitt über die Art und Weise, wie der Vorpostendienst
im Frieden eingeübt werden soll . Zerstreutes Gefecht , Angriff und Verteidigung nebst Vorschriften für Schiedsrichter.
Sobald die Rekruten in dem im 1. Teile vorgeschriebenen ge
schlossenen Exerzieren vollständig ausgebildet sind, beginnt die Aus bildung im zerstreuten Gefecht. Zweck desselben ist Aufklärung des Geländes vor der Front, Fühlung nehmen mit dem Feinde,
Platz schaffen für vorgehende Truppen, Schutz gewähren gegen den Andrang des Feindes, die Absicht und Bewegungen der eigenen
Truppen verbergen und sie vor Überraschungen zu sichern, dabei die Bewegungen des Feindes zu beobachten.
Die Schützen sollen
einen Schleier vor der Front desjenigen Truppenteils bilden , von
dem sie entsandt sind , ihre Thätigkeit wird von rückwärts geleitet, und ihre Bewegungen müssen im höchsten Grade lenkbar sein. Das zerstreute Gefecht wird mit peinlicher Genauigkeit zuerst auf dem Exerzierplatze gelehrt , und dann erst im unebenen Gelände
geübt, so daſs der Soldat gewohnheitsmäſsig sich in zerstreuter Ordnung ebenso sicher bewegt wie in der geschlossenen Ordnung. Ferner muſs ihm gezeigt werden , wie er das Gelände zur Deckung gegen feindliches Feuer benutzen kann. Im Halten dürfen Fehler in der Richtung und Fühlung niemals verbessert werden , dieses
darf nur in der Bewegung geschehen . Der Mann des ersten Gliedes sorgt für die Richtung, der des zweiten für den Abstand . Der Abstand der Schützen von einander wird in jedem
besonders , durch Angabe der Schrittzahl, befohlen . 7
einzelnen Falle
Je 4 Rotten
bilden eine Schützengruppe. Auſser durch Kommandos werden die Schützen auch durch Hornsignale geführt, es werden von diesen 22 verschiedene aufgeführt . Der Gebrauch der Pfeifen seitens der Compagnieführer bedeutet Einstellung des Feners und Achtung auf das Kommando.
Die Compagnie .
Nachdem die allgemeinen Grundsätze für
das zerstrente Gefecht gelehrt sind, wird es in der Compagnie
280
für die Infanterie.
Bei Beginn desselben wird jedes Mal die Angriffsrichtung bestimmt und eine Rotte als Richtungs -Rotte bestimmt. Die feind
geübt.
liche Stellung soll deutlich bezeichnet sein.
Die Eröffnung und die
Art des Feuers wird von einem Compagnieführer bestimmt, die Zugführer
benennen die Leute, die feuern sollen . Das Feuer wird gewöhnlich glieder- oder rottenweise abgegeben , auſserdem werden einzelne Schüsse auf besondere Ziele gerichtet. Nur bei heftiger Verfolgung oder überlegenem Angriff werden zugweise Salven abgegeben . In der Bewegung darf niemals geschossen werden, sondern nur im Halten und während des Vorgehens, gewöhnlich je ein Schuſs. Bei gruppenweisem Feuer übernimmt der jedesmalige älteste Soldat das
Kommando über die Gruppe. Sobald alle diese Grundsätze durch geübt sind, sollen je zwei Compagnien gegeneinander dasselbe üben . Der Unterstützungstrupp (Supports) wird bei einer allein fechtenden Compagnie von einer Halbcompagnie gebildet , bei mehreren Compagnien bildet die eine die Schützenlinie, die andern den Unterstützungstrupp. Der Abstand desselben von der Schützen linie beträgt durchschnittlich 300 Yards. Er macht die Bewegungen derselben in gleicher Gangart mit , wobei er in der Regel hinter 9
der Mitte der Schützenlinie folgt und zwar in Linie mit 1 Schritt
Rottenabstand. Der Unterstützungstrupp soll grundsätzlich ebenso stark wie die Schützenlinie sein .
Falls letztere verstärkt
werden
soll , rückt der Unterstützungstrupp vor , nimmt während des Vor gehens dieselbe Ausdehnung wie die Schützenlinie an, und dubliert 1
in diese ein. Soll die Schützenlinie abgelöst werden, so geschieht das in derselben Weise ; hält die Schützenlinie, so gehen die ab gelösten Schützen zurück und sammeln sich als Unterstützungstrupp, soll sie im Vorgehen bleiben , so bleiben die abgelösten Schützen liegen und sammeln sich , wenn sie den erforderlichen Abstand haben . Sollen zurückgehende Schützen abgelöst werden, so schwärmt der Unterstützungstrupp auf der Stelle aus, und läſst die vordere Schützenlinie durchgehen, die sich dann auf Kommando des Führers zusammenschlieſst.
Wenn beim Vorgehen der Schützenlinien
feindliche Kavallerie in der Nähe ist, so sollen die Schützen enger zusammenschlieſsen und in Sektionen bleiben . Bei einem Angriff seitens der Kavallerie sollen die Schützen > Sammel Carrés « bilden , indem sich dieselben um ihre Zugführer sammeln 1
und nach allen Richtungen hin Front machen , wobei das Bajonett aufgepflanzt wird. Die Schützen einer Compagnie werden mehrere dieser Sammel -Carrés bilden.
Die Unterstützungstrupps empfangen
die Kavallerie gewöhnlich in Linie.
Das neue englische Exerzier-Reglement
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Ein im Gefecht befindliches Bataillon wird in Schützen
linie , Unterstützungstrupps und Reserve eingeteilt, die Abstände dieser Abteilungen von einander sollen im Allgemeinen 500 Yards betragen. Im Übrigen gelten für das zerstreute Gefecht des
Bataillons die erwähnten allgemeinen Grundsätze.
Angriff und Verteidigung. Die bereits erwähnten Grundsätze sollen in Verbindung mit
dem Folgenden beobachtet werden . – Der Angriff auf die feindliche Stellung erfordert das Durchschreiten verschiedener Feuerzonen , welche die Art des Vorgehens und die Führung beeinflussen . Die Grenzen dieser Zonen lassen sich annähernd wie folgt feststellen .
Artilleriefeuer | 3000–1700 Äuſserste Entfernung 1. Zone. { Wirksames Grenze des Gewehrfeuers Yards. 2. Zone. 3. Zone .
Ungezieltes Gewehrfeuer 1700–800 Yards. Gezieltes Gewehrfeuer
800—400 Yards . 400- O Yards.
( 910
Weite Entf.
Mittlere Entf. Kurze Entf.
Innerhalb der ersten Zone ist das Infanteriefeuer nicht von
Bedentung, auch das Artilleriefeuer ist hier gegen Infanterie in
zerstreuter Ordnung von geringer Wirkung , die in Verteidiguugs stellung stehende Artillerie wird ihr Feuer hier vorzugsweise auf die angreifende Artillerie zu richten haben. Das ungezielte Infanterie
feuer verursacht zwar Verluste, doch kann dessen Wirkung abge man beobachtet, wo es einschlägt, und
schwächt werden , wenn
diese Stellen vermeidet.
Das gezielte Infanteriefeuer verursacht die
schwersten Verluste und hemmt das Vorgehen. Die zum Angriff bestimmte Truppe gliedert sich in erste , zweite
und dritte Linie. Die erste Linie, die in Fenerlinie, Unterstützungs trupps und Reserve eingeteilt wird, beschäftigt den Feind und richtet sich im
wirksamen Feuerbereich vor demselben ein .
Es ist
die Aufgabe der Feuerlinie , so nahe wie möglich an die feindliche Stellung heranzugehen und diese so unter Feuer zu halten , daſs die zweite Linie an die zum Einbruch bestimmte Stelle herankommen
Die Unterstützungstrupps und Reserven müssen die in der Schützenlinie entstandenen Lücken ausfüllen , die Flanken decken kann .
und den Mannschaften der ersten Linie das Gefühl der Sicherheit
für notwendig werdende Unterstützung verleihen . Im letzten Augen blick werden sie in die Feuerlinie hineingenommen .
Die zweite
Linie ist diejenige, die den Angriff auf die feindliche Stellung aus führt, sobald die erste Linie die erforderliche Feuerwirkung erzielt hat.
Die dritte Linie hilft dazu, den Erfolg auszunutzen und den
für die Infanterie.
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geworfenen Feind zu verfolgen , oder nimmt bei abgeschlagenem Angriff die zurückgehende erste und zweite Linie auf. Beim Eintritt in den Feuerbereich der feindlichen Artillerie und
des Gewehrfeuers muſs die geschlossene Marschformation aufgegeben werden . Eine Schützenlinie kann zwar die unter Fener liegenden
Zonen durchschreiten und schwächere vorgeschobene Abteilungen des Feindes zurückdrängen , allein für den eigentlichen Einbruch in die feindliche Stellung genügt sie nicht. Hierzu muſs sie dichter werden ,
einerseits, weil sie den eigentlichen Kampf durchzuführen hat , und anderseits weil sie so stark sein muſs, daſs sie alle durch feindliches
Feuer erlittene Verluste ersetzen kann. Sobald ein Vorgehen in Linie oder Kolonne nicht mehr möglich ist , müssen geöffnete Formationen angenommen werden . Dabei gilt als Grundsatz , daſs namentlich die für den Einbruch bestimmten Truppen sich niemals
weiter ausdehnen sollen als unbedingt nötig, unter jedesmaliger Berücksichtigung des Geländes und der Feuerwirkung. Bietet das Gelände günstige Deckungen, oder herrscht Nebel oder Dunkelheit, so wird es möglich sein , auf entscheidender Entfernung anzukommen, ohne die Kolonnen -Formation aufzugeben . Die Feuerlinie bewegt sich in der Regel in aufgelöster Ordnung,
obgleich dieses vor dem Erreichen der zweiten Zone nicht unbedingt nötig ist. Die Rottenabstände betragen dabei ungefähr 3 Schritt, je nach dem Gelände etwas mehr oder weniger, bei Eröffnung des Feuers sollen sie 2 Schritt betragen . - Die Unterstützungstrapps
folgen gewöhnlich in Linie mit 1 Schritt Rottenabstand und nutzen die Deckungen des Geländes so viel als möglich aus. Sie müssen die äuſsere Flanke decken .
Rücken sie in die Feuerlinie ein , so
sollen sie darauf achten, daſs die taktischen Verbände nach Möglich keit erhalten bleiben .
Die Reserven bewegen sich in Linie oder
kleinen Kolonnen , wenn nötig mit 1 Schritt Rottenabstand, wobei jedoch das Gelände so viel als möglich zur Deckung auszunutzen ist.
Den Führern ist hierin die gröſstmöglichste Selbstständigkeit
zu lassen .
Die erste und zweite Linie sollen ununterbrochen miteinander
Verbindung halten , niemals darf aber die letztere in die Feuerlinie einrücken . Das Bestreben der Führer muſs darauf gerichtet sein, ihre Kräfte zusammen zu halten , um sie nachher frisch , energisch 7
und ohne Übereilung in die Front zu bringen. Die von der dritten Linie anzunehmenden Formen richten sich ganz nach den Umständen, besonders nach den Wirkungen der feindlichen Geschosse beim Durchschreiten der drei Zonen . Es ist wichtig, daſs die für den
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Das neue englische Exerzier- Reglement
Durchbruch bestimmten Truppen zusammengehalten werden . Jeder Führer der ersten Linie muſs sich seine Unterstützungstrupps und Reserven selbstständig ausscheiden . Für die Stärke der zum Angriff bestimmten Abteilungen gilt
als Grundsatz, niemals mit ungenügenden Kräften einen Angriff zn beginnen. Die jedes Mal zu verwendende Stärke läſst sich nicht feststellen, doch kann man im Allgemeinen annehmen, daſs 4 Mann
auf je 1 Yard erforderlich sind.
Aufgabe der Feuerlinie ist es, den
Feind mit Geschossen zu überschütten , würde man sie aber zu
stark machen, so würden die Leute sich gegenseitig in der Ver wendung der Waffe hinderlich sein ..
Die in der Feuerlinie ent
stehenden Lücken sollen durch die Unterstützungstrupps ausgefüllt werden, und, wenn diese aufgebraucht, durch die Reserven. Bei
Beginn des Kampfes sollen Feuerlinie und Unterstützungstrupps gleich stark sein , die Reserve so stark wie beide zusammen .
Die
zweite Linie soll mit der ersten gleich stark, und dem Feinde
jedenfalls überlegen sein . Die dritte Linie ist mit der zweiten von gleicher Stärke , bei gröſseren Truppenmassen kann sie etwas schwächer werden . Die Abstände der drei Linien von einander werden durch das
Gelände und die feindliche Waffenwirkung bedingt, und müssen daher häufig wechseln . Werden die Abstände zu kurz ,, so leiden die hinteren Linien zu sehr vom feindlichen Feuer, sind sie zo weit, so können die vorderen Linien nicht rechtzeitig unterstützt werden.
Im Allgemeinen dürfen daher die Abstände nicht mehr als 300 Yards
betragen. Im Bereiche des gezielten Gewehrfeuers verkürzt sich diese Entfernung, vor Beginn des Einbruchs aber müssen Unter stützungstrupps und Reserven in die Feuerlinie eingerückt sein . Die Erfahrung hat gelehrt, daſs , sobald man auf die kurzen Entfernungen herangekommen ist, die Entscheidung bald eintritt, und daſs das eigentliche Schnellfeuer kaum länger als einige Minuten dauert. Da damn der Augenblick eintritt, wo die zweite Linie mit frischen Truppen den Einbruch ausführt, so ergiebt sich daraus die Notwendigkeit, daſs diese Linie nahe bei der Hand ist. Die Ent fernung darf nicht gröſser sein , als daſs sie in wenigen Minuten durchschritten werden kann . Anderseits kann bei Beginn des Gefechts der Abstand in offenem Gelände bis 800 Yards betragen ,
sind aber Unterstützungstrupps und Reserven in die Feuerlinie ein getreten , so darf er höchstens 200 Yards betragen . Die dritte Linie kam bei Beginn des Angriff's gegen 1000 Yards von der zweiten entfernt sein . Die Zwischenräume betragen in der
für die Infanterie.
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Fenerlinie zwischen den Compagnien 6, den Bataillonen 12 , den Brigaden 12 und den Divisionen 60 Schritt. Leitung des Angriffs. Der Angriff beginnt fast ansnahmslos
mit dem Artilleriekampfe, erst wenn die Artillerie des Verteidigers niedergehalten wird, kann die Infanterie die erste Zone durchschreiten. In diesem Zeitraume vereinigt sich die Thätigkeit der Artillerie, der Schnellfeuer-Geschütze und der Gewehrsalven auf weite Entfernungen.
Ist das Artilleriefeuer des Verteidigers schwächer geworden oder ganz niedergehalten, und die Infanterie in die zweite Zone ein
getreten , so kann die angreifende Artillerie weiter vorgenommen werden , um das Vorgehen zu erleichtern . Man muſs darauf
Rücksicht nehmen, daſs der Verteidiger vor seiner Hauptstellung, in einer Entfernung von 4 - '/ Meile, starke Besatzungen vor genommen hat, die erst zurückgetrieben werden müssen , um zu
verhindern , daſs die Artillerie in wirksames Infanteriefeuer gerät. Wenn es möglich ist, müssen diese Besatzungen unter Artilleriefeuer genommen werden , bevor die Hauptstellung beschossen wird. Schnellfeuer-Geschütze und Salven von Halbcompagnien können hier mit Erfolg Anwendung finden . So lange der Artilleriekampf anhält, kann die erste Linie vor
rücken, ohne erhebliche Verluste zu erleiden, selbst dann noch , wenn
der Bereich des ungezielten Gewehrfeuers beginnt. Die Eröffnung des Gewehrfeuers muſs grundsätzlich
so lange als möglich auf
geschoben werden. Erst beim Eintritt in die dritte Zone wird man gezwungen sein, langsam vorzugehen und das Feuer auf den Gegner, der dann ein sichtbares Ziel bietet, zu beginnen . Wo die Schützen linie beim weiteren Vorgehen ins Stocken gerät, bedarf sie der
moralischen und physischen Unterstützung durch die in die Linie einrückenden Unterstützungen . Das Feuer des Angreifers wird immer mehr und mehr wirksam , so daſs daran gedacht werden
muſs, jede Bewegung des Feindes, jedes Schwanken in seiner Haltung dazu auszunutzen , mehr Truppen in die Feuerlinie zu ziehen und den schlieſslichen Einbruch vorzubereiten .
In dieser dritten Zone machen sich zwei von einander getrennte Momente bestimmt bemerkbar. Der erste dieser Momente beginnt, wenn die wirksame Feuerzone erreicht wird , und endet, wenn die Feuerlinie allein nicht mehr weiter vorgehen kann. Der zweite
beginnt mit dem Ansetzen des eigentlichen Angriffes und endet mit dem . Durchführen desselben seitens der zweiten Linie. Innerhalb der dritten Zone muſs die Feuerlinie so stark gehalten werden , daſs
sie ein möglichst wirksames Fener unterhalten kann , ihre Stärke
.
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Das neue englische Exerzier -Reglement
Das Vorgehen wird so lange als irgend möglich in einer Linie , unter fort währendem lebhaften Artillerie- und Infanteriefeuer, durchgeführt, um während dieser Zeit dem Feinde möglichst viel Verluste bei zubringen und sein Feuer zu schwächen . Dieses Vorgehen darf nicht übereilt werden , um die Kräfte der Leute nicht unnütz zu erschöpfen . Ist das Feuer des Verteidigers zu mächtig , so muſs in Abteilungen sprungweise vorgegangen werden . darf aber auch nicht unnötig vermehrt werden.
Es ist natürlich , daſs in einer ausgedehnten Stellung nur
einige , vielleicht nur ein zum wirklichen Einbruch geeigneter Punkt vorhanden ist.
Es schlieſst das nicht aus , daſs die gesamte
Verteidigungslinie unter Feuer genommen werden muſs, während die Feuerüberlegenheit an der Einbruchstelle angestrebt wird. Es
ist darnach Aufgabe der Feuerlinie, nach Verstärkung durch Unter stützungstrupps und Reserven , so nahe als möglich an die feindliche
Stellung heranzugehen . Ist diese Grenze erreicht, und ein weiteres Vorgehen nicht möglich , so muſs eine solche Stellung eingenommen sein , daſs der Feind unter ein convergierendes Feuer genommen Die bis zu diesem Zeitpunkt erlittenen Verluste werden kann . bedingen einen neuen moralischen Antrieb , um den Kampf zur Entscheidung zu bringen .
Dieser muſs von der zweiten Linie aus
gehen, die bis dahin unter dem Schutze der ersten Linie ihren Vormarsch ungestört hatte ausführen können . Bemerkt der Führer der zweiten Linie, daſs der Feind genügend erschüttert ist, so wirft er sich kühn auf den Angriffspunkt.
Beim Durchschreiten der
ersten Linie reiſst sie diese mit sich fort, und unter Trommelschlag und Hornsignalen stürzt Alles auf den Feind .
Die dritte Linie
rückt ebenfalls in der den Verhältnissen am besten passenden Formation vor, um den Angriff zu unterstützen , feindliche Reserven
zurückzuwerfen , und schlieſslich den Erfolg durch Feuer auf den abziehenden Feind auszunutzen oder die genommene Stellung zu
besetzen . – Die Geschütze werden dann ebenfalls in die genommene Stellung gebracht, um die feindliche Artillerie zu beschäftigen, während Kavallerie und reitende Infanterie die Verfolgung antreten und die Vernichtung des geworfenen Gegners vollenden .
In den folgenden kurzen Abschnitten wird die Anwendung der für den Angriff auſgestellten allgemeinen Grundsätze für die tak tischen Einheiten von der Compagnie aufwärts festgestellt, wie sie sich für diese naturgemäſs gestalten müssen .
für die Infanterie.
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Die Verteidigung. Die für den Angriff aufgestellten Grundsätze sind in gewisser Beziehung auch für die Verteidigung maſsgebend , indem man sie
geradezu umkehrt. Bestimmte Regeln lassen sich auch hier nicht feststellen , da Alles zu sehr von den jedesmaligen Verhältnissen ab hängt. Vou groſser Wichtigkeit ist die Wahl der Stellung, für die eine gerade Linie, ohne ausspringende Winkel, am vorteilhaftesten erscheint . Dabei sind folgende Punkte zu berücksichtigen : 1. Die Ausdehnung der Front muſs der Stärke der Verteidigungskräfte entsprechen . 2. Freies Schuſsfeld und weiter Überblick in das Vor 3. Gesicherte Flanken 4. Gute Deckung, besonders für Unterstützungstrupps,
gelände und nach beiden Flanken hin .
Anlehnung.
Reserven und zweite Linie . 5. Günstige Artillerie - Stellung. 6. Gute
Seiten -Verbindungen .
7. Sichere Rückzugslinie.
Sobald man sich für die Wahl der Verteidigungsstellung ent schieden hat, soll darnach gesehen werden , vorgeschobene Stellungen mit schwächeren Kräften bis zu einer Compagnie, ausnahmsweise auch mit einem Halbbataillon zu besetzen, und diese Stellungen möglichst zu befestigen . Diesen vorgeschobenen Posten sollen im
Signaldienst ausgebildete Mannschaften zugeteilt werden, die die Verbindung mit der Hauptstellung unterhalten . Die Entfernung bis dorthin soll ungefähr eine halbe Meile betragen.
Die Truppeneinteilung soll in der Weise geschehen, daſs, ebenso wie beim Angriff, drei Linien gebildet werden .
Die erste
Linie stellt die Feuerlinie, die so dicht sein soll, als es der unge
hinderte Gebrauch der Waffe gestattet. Unterstützungstrupps und Reserven müssen, dem Auge des Feindes entzogen und möglichst gegen dessen Feuer gedeckt, in der Nähe gehalten werden . Die Einteilung der ersten Linie hängt von dem Gelände und auch davon
ab, ob man nur eine vorübergehende oder eine hartnäckige Ver teidigung ausüben will . - Die 2. und 3. Linie soll zunächst hinter
der Mitte gedeckt aufgestellt werden , sobald aber die Angriffs richtung des Feindes erkannt ist, sollen sie auf den Punkt rücken,
von welchem aus am besten ein Gegenangriff gemacht werden kann. Artillerie- und Infanteriefeuer soll möglichst früh eröffnet werden , um den Angreifer schon auf den weitesten Entfernungen zur Ent wicklung zu zwingen . Die Stärke der Verteidigung soll im Allgemeinen auf 5 Mann für die Yard , oder 3 Mann Infanterie ohne die anderen Waffen ,
bemessen werden . Ist die Verteidigungsstellung sehr ausgedehnt, so wird empfohlen, die erste Linie möglichst dünn zu machen, und
Das neue englische Exerzier-Reglement
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dafür eine um so stärkere Macht für den Gegen- Angriff bereit zu
halten. Grundsätzlich soll jede Gelegenheit zu augriffsweisem Vor gehen, die sich im Laufe des Kampfes darbietet, sofort dazu aus genützt werden. Eine Verteidigungsstellung, die die Möglichkeit zum Gegenangriff ausschlieſst, ist überhaupt nicht zu gebrauchen.
Leitung der Verteidigung. 1. Zone.
Die Artillerie soll
den vorgehenden Feind zwingen, sich zu entwickeln, seine Stärke zu zeigen und seine Absichten klar zu legen. Abteilungen reitender Infanterie sollen dann, nachdem sie ihren Aufklärungsdienst beendet haben, aus günstigen Stellungen Salven auf weite Entfernungen abgeben. Der Rückzug dieser Abteilungen , der stets nach der Seite erfolgen muſs, wird durch die Artillerie und durch die iu den
vorgeschobenen Stellungen befindliche Infanterie gedeckt. 2. Zone. Bis zu dieser Zone muſs die Verteidigungs-Mannschaft
zurückgebalten bleiben, ziehen sich aber die vorgeschobenen Posten zurück, so muſs das Feuer mit Halbcompagnie- oder zugweisen Salven eröffnet werden . Sobald der Angreifer in Sprüngen vorgeht,
werden die Verstärkungen herangezogen , wobei stets die taktischen Einheiten zu erhalten sind.
3. Zone. Sobald der Angreifer auf den mittleren Entfernungen ankommt, wird das Feuer nicht allein auf seine Schützen, sondern
auch auf die Unterstützungstrupps und Reserven gerichtet. Jede Gelegenheit zu einem Gegenangriff, gewöhnlich durch berittene Truppen, muſs in diesem Stadium benutzt werden . Die Angriffs richtung des Feindes ist jetzt erkannt, es müssen daher solche Kräfte auf dieser Stelle in die Feuerlinie gebracht werden, daſs die Wirkung des Feuers eine überlegene ist. Das Salvenfeuer wird so lange fortgesetzt, bis der Angreifer auf der letzten Station ankommt,
von wo er seinen Einbruch antritt, erst dann beginnt das selbst ständige Feuer. Gleichzeitig tritt die zweite Linie an , um (den Angreifer, sobald er an die Feuerlinie herankommt, zurückzu werfen.
Kann die Stellung nicht gehalten werden, so wird der Rückzug unter dem Schutz der Artillerie und der berittenen Truppen angetreten, während die dritte Linie eine Aufnahmestellung vor bereitet.
In Bezug auf die Gegenangriffe werden zwei Arten unter schieden, erstens solche, die von den Truppen der 3. Linie aus geführt werden , und zweitens solche, die von besonders zu diesem
Zweck zusammengestellten Brigaden oder Divisionen unter selbst ständigen Führern ausgeführt werden .
Die erste Art des Gegen
angriffs wird gewöhnlich in dem Falle eintreten, wenn der Feind
für die Infanterie,
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sich zum Einbruch anschickt, oder wenn er sich zum Rückzug wendet . Lange Verteidigungsstellungen können immer nur auf einzelnen ganz besonderen Punkten angegriffen werden , so daſs die Flanken des Angreifers stets gefährdet sind . Deshalb muſs, sobald dieser in die dritte Zone eingetreten , sich also im
wirksamsten
Feuer befindet, der Gegenangriff seiteus der dritten Linie energisch angesetzt werden .
Erfolge erzielen.
Die Divisions - Kavallerie kann
bierbei
groſse
Ein gleich ginstiger Augenblick ist der, wenn der
Angreifer in die Feuerlinie einbricht.
Die zweite Art des Gegenangriffs wird am besten gegen Evde des Gefechts stattfinden, wenn der Angreifer ermattet und durch Dieser Gegenangriff kann sowohl gegen Feuer erschüttert ist . Centrum als auch gegen eine Flanke gerichtet werden und wird meistens zur Vernichtung des Angreifers führen . Konzentriertes Feuer der gesamten Artillerie muſs dabei mitwirken.
Munitions - Ersatz für kämpfende Truppen. Die Munitions - Ausrüstung der Infanterie ist folgende: 70 Pa tronen vom Soldaten getragen. 30 Patronen für jeden Mann in 4 kleinen Munitionswagen und auf 2 Maultieren des Bataillons
mitgeführt. 10 Patronen für jeden Mann im Regiments-Bagagen wagen .
40 Patronen für jeden Mann bei der Divisions-, 30 bei der
Corps-Munitions-Kolonne. Zusammen : 180 Patronen. Jeder Offizier wird für die Ergänzung der gebrauchten Munition innerhalb seines
Bereiches verantwortlich gemacht. Beim Eintritt in das Gefecht soll die Taschen -Munition von 70 auf 100 Patronen erhöht werden.
Während des Gefechtes soll 1 Unteroffizier und 2 Mann von jeder Compagnie mit einem Maultiere den kämpfenden Truppen Munition zuführen . Der Munitionswagen soll nie weiter als 1000 Yards von der kämpfenden Abteilung entfernt folgen .
Offiziere und Hornisten
sollen 40 Patronen mit in das Gefecht nehmen und diese nach Bedarf verteilen.
Grundsätze für die Schiedsrichter.
Die für die Schiedsrichter aufgestellten Grundsätze in Bezug auf Formen , Beurteilung der Gefechtslage, Berücksichtigung von Friedens Verhältnissen und dergleichen mehr können hier übergangen werden . Von Wichtigkeit sind nur die Festsetzungen für die allgemeine Beurteilung der Waffenwirkung, über die es heiſst : 1. Ein in starker Stellung ohne Befestigung stehende Infanterie kann in der Front nur durch eine doppelt starke Abteilung mit
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Erfolg angegriffen werden. Bei gelungenem Angriff verliert der Angreifer ein Sechstel, bei Mislingen ein Viertel seiner Stärke. Der zurückgeworfene Verteidiger verliert ein Viertel. – 2. Bei
Ver
teidigung einer durch Schützengräben verstärkten Stellung muſs der Angreifer dreimal stärker sein wie der Verteidiger. Bei gelungenem
Angriff verliert er ein Drittel, bei abgeschlagenem ein Viertel seiner Stärke. Der geworfene Verteidiger verliert ein Viertel. – 3. Beide genannten Angriffe haben um ein Drittel mehr Verluste, wenn dem
Angriffe keine genügende Artilleriewirkung vorausgegangen ist. Bei abgeschlagenem Angriff darf die Truppe nicht früher wieder in das Gefecht eingreifen, als der Schiedsrichter dazu die Genehmigung erteilt hat. 4. Zwölf Mann, die einen Hohlweg oder eine Brücke besetzt halten , weisen Kavallerie so lange ab, bis sie von über
legenen Kräften zurückgetrieben werden . - 5. Kavallerie darf die Infanterie nur dann attackieren , wenn sie diese auf die Flanke, im Rücken oder überraschend trifft, anderenfalls verliert sie zwei Drittel ihrer Stärke. --- 6. Kavallerie, die feuernde Artillerie in der Front anders als in Linie angreift, wird als geworfen angesehen.
7. Wirksamer Feuerbereich beginnt bei der Infanterie von 800 Yards an , bei der Artillerie liegt er zwischen 1700 bis 3000 Yards. 8. Aufgeprotzte oder ohne Bedeckung betroffene Artillerie wird beim
Kavallerie - Angriff als genommen angesehen. Dasselbe gilt für den Angriff seitens der lufanterie.
Leitung nächtlicher Unternehmungen. Den nächtlichen Unternehmungen wird groſse Wichtigkeit bei gemessen . Die darüber gegebenen Vorschriften sind sehr umfang
reich und geben für alle Einzelheiten die eingehendsten Be stimmungen .
Für den Angriff müssen zunächst Führer ausgesucht werden,
welche die feindliche Stellung, die dahin führenden Wege und die etwa zu wartenden Hindernisse genau kennen . Diese müssen Landeseinwohner zu ihrer Unterstützang mitnehmen, in feindlichem Lande werden diese gezwungen gegen Belohnung die Führung zu übernehmen .
Der Unternehmung soll eine bestimmte Befehlsgebung und die
eingehendste Belehrung der Mannschaft über die Absicht und die Art der Ausführung des Angriffs vorangehen. Gröſste Ruhe ist Grundbedingung, kein Mann darf sein Gewehr ohne Befehl laden.
Den Führern folgt zunächst eine Abteilung, die die sich im Gelände entgegenstellenden Hindernisse beseitigt. Leuchtraketen für Signale sind unentbehrlich .
für die Infanterie.
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Die zum Angriff bestimmten Abteilungen werden so eingeteilt, daſs den Führern und Pionieren die Spitze, und dieser auf 50-100
Yards die Kolonnen folgen . Die Unterstützungstrupps folgen auf 200-400 Yards, bei diesen befinden sich Geschütz - Abteilungen und Ingenieur-Detachements.
Die Reserve hat einen Abstand von un
gefähr einer halben Meile, mit dieser marschieren die Artillerie, die Kavallerie und die Munitionswagen. Bei näherem Herankommen wird der Abstand um die Hälfte verkürzt.
Sobald der Einbruch
erfolgt, nehmen die Unterstützungstrupps 300—400 Yards hinter den
Stormkolonnen Stellung, um
im Falle des Miſslingens die Zurück
strömenden aufzunehmen . Die Reserve soll besonderen Befehl zum Eingreifen abwarten . Ist die feindliche Stellung genommen , so
werden die hinteren Treffen durch Signal hiervon in Kenntnis gesetzt, worauf Kavallerie und berittene Infanterie die Verfolgung übernehmen .
Für den Fall des Miſslingens müssen die genauesten Befehle
vorher gegeben sein . Die hinteren Truppen sollen dann die Aufnahme stellung besetzen , zu deren Bezeichnung Laternen empfohlen werden . Hier sollen dann die Zurückgeworfenen wieder in taktische Ein heiten gesammelt werden.
Für die Verteidigung wird die Vorbereitung eines möglichst freien Schuſsfelds und die Anlage von Annäherungs-Hindernissen vorgeschrieben. Die Stellung soll in Abschnitte eingeteilt und für jeden besondere Commandeure ernannt werden , jeder Truppenteil hat für sich eine Reserve auszuscheiden . Beim Angriff des Feindes muſs das Vorgelände durch Leuchtkugeln erhellt werden, die Infanterie giebt Salven feuer, kann sie den Feind nicht sehen, so soll etwas
unter den Horizont gezielt werden. Artillerie und Schnellfeuer Geschütze schieſsen ebenfalls.
Genügen die Truppen der ersten
Stellung mit ihren Reserven nicht, den Angriff abzuweisen, so wird die allgemeine Reserve herangezogen. Glaubt der Verteidiger, die Stellung nicht halten zu können ,
so schickt er zunächst die Geschütze und Fahrzeuge, und (beim Kampf gegen uncivilisierte Völker) die Verwundeten zurück. Es muſs dann eine zweite Stellung besetzt, und dort Alles gesammelt werden .
III. Teil : Vermischtes.
Der dritte, nur sehr kurze Teil des Reglements enthält Vor schriften für Paraden und Wachtdienst rein formeller Art.
In
mancher Beziehung bieten diese nur eine Wiederholung der bereits Jahrbächer für die Deutsche Armee und Marine.
Bd. LXXI , 3 .
20
291
Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
im ersten Teile gegebenen Vorschriften , so daſs sie hier keiner Erwähnung weiter bedürfen .
Es folgen dann noch kurze Be
stimmungen für die Anlage von Schützengräben, für Begräbnisse und schlieſslich die Noten für die 22 Hornsignale.
D.
XXII. Die erste
Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
Die Lehren des heutigen Schulangriffs lassen kaum Zweifel darüber zu , nach welchen Gesichtspunkten die Anlage der ersten Artillerie -Aufstellung zu erfolgen hat.
Wenn wir nun trotzdem
diesen Gegenstand zu einer Besprechung wählen , so geschieht dies zwecks Untersuchung : inwieweit gedachte Gesichtspunkte das theore tisch Wünschenswerte mit dem praktisch Zweckmäſsigsten verbinden. Die erste Artillerie -Aufstellung soll die Verteidigungs -Artillerie be kämpfen, die Einrichtungen der Wälle zerstören , die Festungs besatzung gefährden , nach Möglichkeit die im Kern der Festung gelegene Stadt und die dorthin führenden Straſsenverbindungen beschieſsen und endlich das Festsetzen der Infanterie auf dem
Diese Aufgaben auf den ganzen be festigten Umzug zu lösen , ist in Rücksicht auf die verfügbaren Kampffelde unterstützen .
artilleristischen Kräfte gegenüber den Riesenfestungen mit ihrem
weit vorgeschobenem Fortsgürtel nicht angängig. Schulmäſsig richtet sich der Angriff daher gegen zwei Forts als Hauptangriffsobjekte, sowie gegen die erste beziehungsweise linke Hälfte der sogenannten
Collateralforts. Die Angriffsfront hat somit , in der Linie des Ver
teidigers gemessen, eine Ausdehnung von mindestens 10 km . Hierbei werden die beiden Flügel des Angriffs in der Regel durch die verlängert gedachte Mittellinie der Collateralforts begrenzt, weil der
Angriff durch eine vollkommnere Überflügelung der Angriffsfront in den Wirkungsbereich neuer Werke geraten und zur Aufbietung weiterer Kräfte dagegen gezwungen sein würde. Für die Not
wendigkeit einer so gewaltigen Ausdehnung der Angriffsfront macht der Schulangriff geltend, daſs mindestens zwei benachbarte Forts
Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
292
dem Verteidiger entrissen , und die Collateralforts völlig nieder gekämpft sein müssen , um unbelästigt durch die dann noch kampf fähigen nächsten Werke des Fortsgürtels den Angriff gegen die
Kernbefestigung fortsetzen und durchführen zu können. Dies sind in der Hauptsache die Grundzüge des schulmäſsigen Angriffsplanes zum Durchbrechen der ersten Verteidigungsstellung einer modernen Festung.
Gegen die praktische Zweckmäſsigkeit dieses Angriffsverfahrens machen wir geltend , daſs es dem für die heutige Kriegsführung mehr als je in den Vordergrund getretenen Bedürfnis, die die Unter nehmungen des eigenen Heeres hindernden feindlichen Festungen trotz ihres Umfanges von mehreren Meilen in kürzester Zeit zu
Falle zu bringen , nicht genügend Rechnung trägt. Zu dem Ende
erscheint es zunächst geboten, auf Mittel und Wege zu sinnen, mit der Eröffnung des Feuers der Belagerungs -Batterien früher zu be
ginnen , als bis nahezu die gesamten artilleristischen Belagerungs bedürfnisse vor der Festung eingetroffen sind .
Für diese Vor
bereitungen beansprucht der Schulangriff mindestens drei Wochen , so daſs in der Regel 30 Operationstage bis zur Eröffnung des
Kampfes der ersten Artillerie -Aufstellung verstreichen. Dieses Ver fahren wird damit begründet, daſs die Belagerungs - Artillerie erst dann , wenn es ihr gelungen , eine dem Gegner überlegene Anzahl von Geschützen in Stellung gebracht zu haben , in Gefechtsthätigkeit treten dürfe. Mit diesem Grundsatz sind wir ganz einverstanden . Nur fragt es sich , ob der Sonderentwurf für den einleitenden
Geschützkampf vielfach nicht zu breit angelegt und in demselben dem Umstande zu wenig Beachtung geschenkt wird , die verlangte
Überlegenheit zu erzielen , ohne dazu aus mehreren Hunderten schweren und schwersten Geschützen an einem und demselben Tage
das Feuer eröffnen zu müssen . Unseres Erachtens kann dem entsagt werden , wenn der Fernangriff zeitig und räumlich gegliedert wird, und man sich bei regelrecht angelegtem Fortsgürtel vorerst nur das
Ziel setzt , die beiden Hauptangriffsforts mit den zwischen ihnen auftretenden Batterien niederzukämpfen. Wir bezeichnen für das Weitere die zur Angriffsfront gehörenden
Werke vom rechten Flügel der Verteidigungsstellung mit I, II, III and IV und
betrachten die Forts I und IV als Collateralforts.
Diese Angriffsfront teilen wir für die Anlage der ersten Artillerie Aufstellung in drei Abschnitte. Fort I - II umfasse den einen , Fort II-III den andern und Fort III-IV den dritten. Die be
lagerungsmäſsigen Vorbereitungen für den Fernangriff sollen zunächst 20*
293
Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
nur dem Abschnitt Fort II-III gegenüber getroffen werden. Damit nun dieser Angriff dem flankierenden Feuer der Forts I und II und dem Schuſsbereich der auf den Zwischenräumen der Forts I- IV und
III- IV vom Verteidiger bis zur Feuereröffnung der Angriffsbatterien
etwa schon schuſsfertigen Geschützstellungen möglichst entzogen bleibe, soll der rechte und linke Flügel der so geplanten ersten
Artillerie -Aufstellung nicht über die Mittellinie der Forts II und III binausgreifen. Hierdurch muſs allerdings auf die im Schulangriff von Hause aus angestrebte Umfassung der Hauptangriffsforts, als welche hier Fort II und III gelten, verzichtet werden.
Diese Verzichtleistung erscheint augängig, weil bei der hente erreichten groſsartigen Sprengwirkung der Geschosse der Steil geschütze die Niederkämpfung der geringen Auzahl der Geschütze der ersten Geschützaufstellung eines Forts und die Zerstörung seiner
inneren Einrichtungen nicht mehr als zeitlich getrennte Aufgaben angesehen zu werden brauchen . Wir halten dafür, daſs unter Anwendung gedachter Geschosse die Störung des Dienstbetriebs auf
den Wällen und die allgemeine Verwüstung der zu Verteidigungs zwecken bestimmten Einrichtungen eines Forts sich vollkommen
genug bewerkstelligen läſst, wenn letzteres auch nur aus einer Richtung in seiner gröſstmöglichsten Ausdehnung unter Feuer ge nommen wird. Wenn dieses Verfahren zur Bewältigung der Colla teralforts bislang für ausreichend befunden ist , warum sollte man dann nicht mit demselben Recht ein Gleiches auch hinsichtlich der
Hauptangriffsforts versuchen, falls dies den Vorteil verspricht, anstatt einstweilen noch gefechtsunthätig zu bleiben, die Erfolge der ersten
Artillerie -Aufstellung schrittweise zu erringen und den Verlauf des ganzen Angriffsverfahrens dadurch abzukürzen . Allerdings darf bierbei der Einfluſs nicht auſser Acht bleiben , den die vom Ver
teidiger auf den Zwischenräumen der Forts I-II und III-IV schon bei der Eröffnung des Feuers der ersten Artillerie - Aufstellung schuſs bereit gestellten Batterien zu äuſsern vermöchten .
Dieser Uinstand
wird zum Mindesten eine Überlegenheit der Artillerie des Ver teidigers über die des Angreifers, was die Geschützzahl betrifft, zur Voraussetzung haben ; denn es ist selbstverständlich , daſs jener auf den Zwischenräumen von vier Forts gröſsere Artilleriemassen zu eutwickeln vermag, als dieser in dem durch die Mittellinien zweier
Werke begrenzten Abschnitt.
Dieser Vorsprung kann aber für
Ersteren deshalb nicht gar zu viel ausmachen , weil er die Flucht der von ihm in der Linie Fort I - II und III-IV zu erbauenden Batterien ,> im Hinblick auf die weiteren Angriffsmaſsnahmen , nicht 1
Die erste Artillerie - Aufstellung beim Festungsangriff. um
294
so Vieles schwenken darf, daſs sie in ihrer Gesamtheit eine
nennenswerte Wirkung gegen die Angriffsbatterien vor der Front II- 111 äuſsern werden .
Hierzu werden daher höchstens die dem
Fort II und III zunächst gelegenen Zwischenbatterien gegen die Batterien des äuſsersten Flügels des Angriffs in dem Grade imstande sein , als ihre linke beziehungsweise rechte Schuſsgrenze solches gestattet.
Ferner kommt aber in Betracht , daſs der Verteidiger
aus der etwaigen Wissenschaft der Ausführung von Angriffs-Batterie banten vor der Front II -- III noch keineswegs den sicheren Schluſs ziehen kann , ob der Angriff sich in seinem weiteren Verlauf vor nehmlich gegen die Front I-II oder III-IV ausdehnen wird. Um daher sicher zu gehen , seine General-Geschütz- Reserve nicht in
einem
Abschnitt zu entwickeln , gegen welchen Angriffsbatterien
womöglich garnicht zur Aufstellung gelangen, wird der Verteidiger
sich in die unabweisliche Notwendigkeit versetzt sehen, einen groſsen Teil seiner Geschützverstärkung in Reserve zu behalten, bis er volle Klarheit darüber erlangt hat, was der Gegner sonst noch gegen ihn im
Schilde führt.
Aus dem Letzteren erhellt der Vorteil , daſs der
Verteidiger länger als bei dem Verfahren des Schulangriff's in der langen
Ungewiſsheit erhalten
wird ,
aus welcher
Hauptstofs gegen ibu geführt werden soll.
Richtung der
Der Schulangriff legt
gerade diese Absicht dem Feinde von dem Zeitpunkte ab offen zu Tage, in dem
an den umfangreichsten Vorbereitungen für den
Batteriebau und an diesem selbst im Vorgelände von drei bis vier nebeneinander liegenden Forts mit gleicher Rührigkeit gearbeitet wird . Angesichts solcher Maſsregeln kaunes dem
im Dienste der
Festung stehenden Kundschaftswesen nicht mehr schwer fallen, frühzeitig genug zutreffende Nachrichten über die Ausdehnung der Angriffsfront in die Festung gelangen zu lassen , um in den 3 bis 4 Wochen vom Beginn jener Arbeiten bis zur Feuereröffnung der Angriffsbatterien ihr Gelegenheit zu geben ,1 ihre gesamte General Geschütz -Reserve auf den Zwischenräumen der angeriffenen Forts in Stellung zu bringen.
Wie anders liegen aber die Verhältnisse
dann für den Verteidiger, wenn
er in fraglicher Beziehung im
günstigsten Fall schlechterdings weiter nichts erfährt, als daſs im Vorgelände von zwei benachbarten Forts Batterien erbaut werden. Wir meinen , er wird in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit , daſs
diese Batterien nach ihrer Fertigstellung jeden Tag den Kampf eröffnen können , zuvörderst sein Hauptaugenmerk allein darauf zu richten haben, bis zu jenem Zeitpunkte mit den Zwischenbatterien
in dem einstweilen bedrohten Abschnitt und der sonstigen Einrichtung
295
Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
des Kampffeldes daselbst zu Stande zu kommen. Aber , wenn ihm auch noch Zeit und Kräfte verbleiben sollten, auf den benachbarten
Fronten seine Verteidigungsfähigkeit gleichzeitig zu vervollständigen, 80 wird er bei der Unkenntnis der taktischen Angriffspläne nur auf
die Gefahr hin dazu schreiten können , daſs der Angriff sich nicht 9
gemüſsigt sieht, diesem Schachzug zu folgen , es vielmehr für besser
befindet, seine Feuerfront nach der Richtung zu verlängern , wo es jenem in Ermangelung von Zeit und Kräften bis dahin noch nicht gelungen ist eine zur hartnäckigen Gegen wehr ausreichende Zahl von Batterien aufzustellen .
Die dem oben entwickelten einleitenden
Angriffsverfahren zuerkannten Vorteile möchten wir durch einige
Zablen näher begründen . Für die Folge bezeichnen wir die zu nächst in Thätigkeit zu setzenden Geschütze der ersten Artillerie Aufstellung mit der ersten Staffel derselben . Die dazu erforderliche Geschützzahl errechnet sich aus derjenigen, welche der Verteidiger auf der Front Fort II-III räumlich zu ver
wenden vermag. Nach dem allgemeinen Satz, wonach ein Fort eine
Ausrüstung von 18-30 Wallgeschützen erhält, entfallen auf vor genannte beiden Werke im Mittel je 24 Kampfgeschütze, einschlieſs lich der in den Anschluſsbatterien aufzustellenden Spezial-Geschütz Reserven . Da jedoch einstweilen nur die nach dem Angriffsfelde hinschlagenden Hälften beider Forts Berücksichtigung zu finden haben, so sind für beide zusammen vorerst nur 24 Geschütze in
Rechnung zu setzen . Wird nun die Entfernung der einzelnen Forts von Mittellinie zu Mittellinie wieder auf 3000 m bemessen und der Raum , welchen
die Anschluſsbatterien , das zwischen Fort II und III gedachte Zwischen werk sowie die für die Unternehmungen der Ausfalltruppen auf den Zwischenräumen der Forts frei zu lassenden Ausfallthore
für sich in Anspruch nehmen, in Abzug gebracht, so finden zwischen Fort II -III etwa 16 Batterien zu je 6 Geschützen Platz.
Der
Verteidiger ist demnach in der Lage, dem Angriff daselbst 24 + 96 , also 120 Kampfgeschütze gegenüberzustellen . Eine gleiche Anzahl von Geschützen hat der Angreifer in
Thätigkeit zu setzen , um dem Verteidiger darin gleich zu kommen. Damit ist nun die für Ersteren in dieser Beziehung erwünschte Überlegenheit noch nicht erreicht. Wie dieselbe erzielt werden soll, darüber werden wir uns später noch näher auslassen . Wir wollen an dieser Stelle nur vorausschicken , daſs wir dem keines
wegs beistimmen können , wenn diese Überlegenheit , wie vielfach
üblich, gar zu wörtlich in Zahlen gesucht wird. Es kann wirklich 1
Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
296
keine gar so groſse Rolle spielen, wenn der Verteidiger über einige Geschütze mehr, als der Angreifer verfügt. Wesentlicher ist die Leistungsfähigkeit des Geschützmaterials und dies bezüglich darf
wohl angenommen werden , daſs der Belagerer darin in der Regel besser gestellt ist, als der Belagerte. Es liegt einmal in der Natur der Verhältnisse, daſs in der artilleristischen Ausrüstung der eigenen
Festungen, wie der fremder Länder, eine Anzahl nach heutigen Begriffen minderwertiger Geschütze vorhanden ist , auf die im äuſsersten Fall zurückgegriffen werden muſs, um wenigstens durch eine ansehnliche Geschützzahl auf den Gegner Eindruck zu machen .
Unseres Bedünkens fällt aber die Überlegevheit schwerer ins Gewicht, welche in der Nutzbarmachung des Geländes zur Erhöhung der eigenen Schuſswirkung und zur Abschwächung der der Festungs geschütze durch eine sorgfältige Auswahl der Batteriebaustellen für günstige Schuſsrichtungen, gute Deckung gegen feindliche Sicht und eine sichere Beobachtung der eigenen Schüsse zu finden ist. Diesen Bedingungen läſst sich unter allen Umständen auf Seiten des Angreifers leichter gerecht werden, als beim Verteidiger, weil dieser die weithin sichtbaren Forts dem gegnerischen Auge nicht entziehen kann , ohne ihr Schuſs- und Gesichtsfeld ungünstiger zu gestalten. 7
Auſserdem ist er für die Anlage seiner Zwischenbatterien auf einen durch die Forts nach Breite und Tiefe ziemlich genau begrenzten Ranm angewiesen, ein Umstand, der den gegnerischen Ziel- und Beobachtungsverhältnissen immerhin sehr zu Statten kommt, ins besondere, wenn es sich darum handelt, den Verkehr unmittelbar
hinter der Gefechtsstellung des Verteidigers zu belästigen und zu stören . Wie nachteilig eine solche Störung u. A. für die Sicherung des rechtzeitigen Munitionsersatzes und damit für die Widerstands
fähigkeit der Festungs -Artillerie werden kann , bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Muſs also alles in Allem selbst bei gleicher Geschützzahl, dem Angreifer eine gewisse Überlegenheit über den Verteidiger zuerkannt werden , so gedenken wir für die erste Staffel der ersten Artillerie
Aufstellung gegen Front II - III zunächst mit 120 Kampfgeschützen auszukommen .
Zur Heranschaffung dieser Geschützzahl nebst Munition aus der
Heimat bis zu ihrer Bereitstellung in den Belagerungspark genügen etwa 10–12 Tage. Während dieser Zeit werden die schon vor dem Beginn jener Materialbeförderung vor der Festung eingetroffenen Fuſs - Artillerie Truppenteile imstande sein , die Vorbereitungen für den Batteriebau und diesen selbst soweit zu fördern , daſs die
Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
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Ausrüstung der erbauten Batterien mit Geschützen und dem ersten
Munitionsbedarf nach weiteren zwei Tageu vollendet, und das Feuer mithin am 15. Tage nach der Ablassung des ersten Eisenbahnzuges
mit Artilleriematerial, aus allen Batterien zugleich eröffnet werden kann .
Der hieraus sich ergebende Zeitgewinn für den Beginn des
Artilleriekampfes beziffert sich gegenüber dem Schulangriff auf etwa 14 Tage, denn dieser würde gegen die Angriffsfront I-IV keines wegs früher in den Kampf treten , bis mindestens eine gleiche
Geschützzahl, wie gegen Front II - III von uns veranschlagt, auch gegen die Front I-II und III-IV schuſsbereit gestellt worden. Dies würde nach vorstehender Annahme jedenfalls die doppelte Zeit in Anspruch nehmen. Damit nun die im Obigen erwähnte erste Staffel der ersten
Artillerie -Aufstellung nicht in die Gefahr komme , aus Geschütz stellungen des Verteidigers auf den Zwischenräumen der Forts I-II und III-IV bedrängt zu werden , ohne nennenswerte Kräfte dagegen
entbieten zu können , so erübrigen Seitens des Angreifers noch die nötigen Maſsregeln , den Einfluſs solcher Batterien auf das Aller geringste zu beschränken . Dazu , sowie gleichzeitig zur möglichsten Verbinderung des Aufkommens neuer Zwischenbatterien , ist der Letztere genötigt, Geschütze gegen die betreffenden Zwischenräume in Thätigkeit zu setzen . Zu dem Ende möchten wir ausgiebigsten Gebrauch von den dem Belagerungs-Corps zugeteilten Feld - Batterien und den neuerdings hinsichtlich ihrer Beweglichkeit in Versuch befindlichen bespannten schweren Batterien gemacht wissen . Was erstens die Feld - Batterien betrifft, so kennt der Schul
angriff deren belagerungsmäſsige Verwendung eigentlich nur noch in dem Zeitabschnitt von der Einschlieſsung der Festung bis zur Eröffnung des Feuers der ersten Artillerie -Aufstellung zur Beun
ruhigung der Festungsbesatzung aus wechselnden Aufstellungen. Von da ab erstreckt sich ihr Gebrauch lediglich auf die Sicherung der Einschlieſsungsstellung . Dieser Verzicht auf ihre Mitwirkung zur Bekämpfung der Festungs - Artillerie muſs als eine Folge der Erfahrungen des Feldzuges von 1870/71 angesehen werden , in dem sich die Leistungsfähigkeit dieser Waffe zu Bombardementszwecken als nicht ausreichend erwiesen hat.
Wenn nun aber bedacht wird,
daſs die seit diesem Ereignisse bei der Feld- Artillerie eingeführte 8,8 cm Kanone dem damaligen 9 cm Feldgeschütz ballistisch um Vieles überlegen und insbesondere durch die Erweiterung der Schuſs entfernung ihres Shrapnels zum Beschieſsen lebender Ziele bis zu
1
1
Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
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3500 m befähigt worden ist , so fragt man sich wohl mit Recht, ob der Feld - Artillerie in den Reihen der schweren Belagerungsgeschütze nicht wieder ein Platz angewiesen werden muſs, um diese in ihrer
Gefechtsthätigkeit zu unterstützen und ihre Feuerwirkung zu er gänzen. Nach unserem Dafürhalten dürfte sich der Versuch empfehlen , die Wirkung des 8,8 cm Feldgeschützes vornehmlich unter Anwendung des Shrapnelschusses gegen lebende Ziele hinter regelrechter Batterie brustwehr festzustellen . Jedenfalls wäre schon sehr viel gewonnen , wenn sich hierbei herausstellen möchte, daſs die schwere Feldkanone
mit Erfolg verwendet werden kann , feindliche Batterien zu be
schäftigen. Die groſse Beweglichkeit derselben durch Menschen kräfte, da wo es nicht mehr angängig erscheint, sie durch ihre
Gespanne in Gefechtsstellung bringen zu lassen , lieſse sich jedenfalls vorteilhaft ausnützen , um die Geschütze jederzeit und allerorts aus günstigsten Stellungen für eigene Wirkung und Deckung kämpfen zu lassen , ohne das Pferdematerial dem
preis zu geben .
feindlichen Feuer unnütz
Aus demselben Grunde lieſse sich ein Stellungs
wechsel leicht bewerkstelligen , sobald dies zur Abschwächung der gegnerischen Wirkung für zweckmäſsig befunden werden sollte. Zur Gewinnung eines Urteils, über die gedachte Leistungs fähigkeit der Feldgeschütze beim Festungsangriff, liefern die Schieſs übungen der Fuſs -Artillerie die beste Gelegenheit. Nach Erlangung guter Ergebnisse wäre es sodann geboten , der taktischen Ver
wertung der Feld- Batterien sowohl im Kriegsspiel, als auch bei den Armierungsübungen der Waffe die nötige Beachtung zu schenken . Es kann doch immerhin darauf gerechnet werden , daſs sich etwa zehn Batterien aus der gesamten Feld- Artillerie eines Belagerungs
Corps zu einer mehr oder weniger dauernden Verwendung auf der Angriffsfront während des Kampfes der ersten Staffel der ersten Artillerie -Aufstellung würden verfügbar machen lassen , ohne die
Sicherung der Einschlieſsungsstellung in den der Angriffsfront zunächstliegenden Abschnitten durch jene Inanspruchnahme der Feld Batterien gänzlich aufgeben zu müssen .
Wir kommen nun zweitens zu den bespannten schweren Batterien. Der Schulangriff macht es von dem Bedürfnis abhängig, ob vor der Heranschaffung der Geschütze für den belagerungsmäſsigen Artillerie kampf gewisse Geschützarten und Kaliber dem Einschlieſsungs- Corps zu Gebote zu stellen sind, um mit ihnen im Verein mit der Feld Artillerie die Infanterie bei der Eroberung etwaiger Vorpositionen
des Verteidigers zu unterstützen . Diese Unternehmungen haben in der Regel zur Voraussetzung, daſs der Belagerer schon mit sich
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Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
darüber im Klaren ist, ob zur Bewältigung des Platzes das förmliche Angriffsverfahren erforderlich ist. Mit der Beantragung jener Ge schütze, deren Hergabe aus den Beständen der für weitere For derungen bereitgestellten Belagerungstrains erfolgt, wird er daher zur Vermeidung von Verzögerungen zugleich auch die Ablassung dieser letzteren nachsuchen. Es kann deshalb bei diesem Gang der Dinge durch jene Voraussendung von Geschützen eine Zeitverringerung in der Beförderung der für die erste Artillerie -Aufstellung benötigten Materials nicht die Rede sein .
Aber anläſslich der von uns ange
strebten thunlichsten Beschleunigung der Eröffnung des eigentlichen Artilleriekampfes gegen die Angriffsfront müssen wir insofern der Gegenwart etwas vorauseilen, als wir hier schon darauf rechnen, daſs das Einschlieſsungs-Corps in Zukunft mit bespannten schweren Batterien vor einer Fortsfestung erscheinen wird. Welche Auf gaben dieselben zunächst zu lösen haben werden , mag dahin gestellt sein. Uns kommt es nur darauf an, daſs eine gewisse Anzahl von mittleren und schweren Kalibern , welche in der ersten Artillerie - Aufstellung bislang schon zur Aufstellung gekommen sind, für die Beförderung des Belagerungsmaterials aus der Heimat oder von einer bereits
belagerten Festung her in Abrechnung gelangen können, und daſs eben dieser Umstand dazu verhilft, den Beginn des Fernangriffs wesentlich zu fördern .
Um zu finden, wie hoch sich die hierbei in Betracht kommende
Geschützzahl belaufen muſs, um neben den verfügbaren Feldgeschützen zur Unterstützung der ersten Staffel der ersten Artillerie -Aufstellung auszureichen , ist es angezeigt, die Gefechtsaufgaben fraglicher Batterien in Erwägung zu ziehen . Gesetzt, daſs unter ihnen schwere 12 cm , kurze 15 cm und
15 cm Mörser vertreten sind , so ist damit hinsichtlich der Leistungs fähigkeit dieser Geschütze die Bedingung erfüllt, die Aufgaben der ersten Artillerie -Aufstellung gegen die Zwischenbatterien des Ver teidigers mit Erfolg lösen zu können .
In Obigem ist die Befürchtung ausgesprochen, daſs die Batterien auf den Flügeln der ersten Staffel der ersten Artilleriestellung gegen über der Front II—III durch die dem Fort II beziehungsweise III sich zunächst anschlieſsenden Batterien , soweit deren linke Scbuſs
grenze dies gestattet, belästigt werden könnten . Mit anderen Worten : der Angriff gegen Fort II-III hat damit zu rechnen, durch die Artillerie des Verteidigers umfaſst zu werden . Daraus ergiebt sich die Notwendigkeit, das Erforderliche zur Unterstützung der so bedrohten Flügel des Angriffs anzuordnen .
Die erste Artillerie -Aufstellung beira Festungsangriff.
300
Bezüglich dieser Bedrohung ist zu unterscheiden : eine gegen
wärtige und eine zukünftige. Versteht es der Belagerer die Vor- ' bereitungen für die Aufstellung der ersten Staffel seiner Batterien gegen Front II --III nicht von zu langer Hand zu treffen , sondern
die möglichste Überraschung in der Feuerbereitstellung derselben dem Verteidiger gegenüber zu wahren, so wird dieser die Angriffs richtung jedenfalls zu spät erfahren , um die auf den Zwischenräumen der Forts I-II, II - III und III-IV Raum findenden Zwischen batterien bei der Eröffnung des Feuers der ersten Staffel des Augriffs sämtlich schuſsbereit zu haben .
Immerhin steht aber zu erwarten,
daſs der Verteidiger, wenn ihm vom Augenblick des Erkennens der Angriffsfront bis zu jener Feuereröffnung acht Tage verbleiben , er
in dieser Zeit die Einrichtung des Kampffeldes zwischen Fort II-III vollendet und im günstigsten Falle vielleicht auch einige Batterien im Gelände zwischen Fort I -- II und III - IV schuſsfertig herstellen
Aus unserer früheren Berechnung geht hervor, daſs auf jedem der drei genannten Zwischenräume etwa 16 Batterien Platz wird .
finden können , wenn die Entfernung der Forts unter sich 3000 m
beträgt. Ferner ist festgestellt worden, daſs die erste Staffel des Angriffs gegen Fort II- III 120 Geschütze erhalten muſs, um an Streitmitteln ebenso stark zu sein , als der Verteidiger in dem gegen
überliegenden Abschnitt. Es ergiebt sich hieraus, daſs die Angriffs Artillerie in acht Tagen 20 Batterien zu je 6 Geschützen zu er bauen und in Kampfbereitschaft zu setzen bat. Da aber der Ver teidiger durch eine Herstellung von Deckwällen während der allge meinen Instandsetzung des Platzes dem Batteriebau schon vorzu arbeiten pflegt, so soll ihm durch diesen Vorsprung die Möglichkeit zuerkannt werden, in demselben Zeitraum , in dem der Angreifer 20 Batterien baut, 24 desgleichen auszuführen . Von dieser Zahl entfallen auf das Kampffeld zwischen Fort II-III
16 Batterien, Die übrigen 8 Batterien sind mithin entweder auf dem Zwischenraume Fort II-III oder III- IV oder auch auf beide
Zwischenräume verteilt , zu erwarten .
Hier
nehmen
wir
das
Erstere an .
Nach diesen Entwickelungen müſsten also zur Herstellung des Gleichgewichts bei der gegenwärtigen Bedrohung des linken Flügels der ersten Batteriestaffel 8 schwere Batterien verfügbar gemacht werden. Da jedoch nicht zu vergessen ist, daſs die in der rechten Anschluſsbatterie der Forts II befindlichen Geschütze bei fraglicher Gefährdung mit in Betracht kommen , so muſs zu ihrer Bekämpfung jene Zahl um 2 Batterien vermehrt werden .
Es sind mithin im
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Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff.
Ganzen 10 schwere Batterien zur Unterstützung des linken Flügels des Angriffs in Ansatz zu bringen. Für das bei diesen Erörterungen auf die Verwendung von Batterien der letzteren Art gelegte Schwergewicht ist der Umstand
bestimmend, daſs sie mit dem Einschlieſsungs - Corps vor der zu be lagernden Festung zu erscheinen haben . Sie bilden daher vom Beginn der Feindseligkeiten an einen Bestand an Belagerungs Geschützen , unter dessen Schutz sich die erste Staffel der ersten
Artillerie- Aufstellung um so leichter in Stellung bringen lassen wird . Andernteils verfügt der Belagerer durch ihre ständige Bespannung über eine bewegliche schwere Artillerie. Dies ermöglicht, sie selbst während des einleitenden Artilleriekampfes in wechselnden Auf stellungen kämpfen zu lassen . Der Belagerer ist somit in der Lage, Geschütze mit ansreichender Wirkung, der im Verlauf des Kampfes durch neuerdings auftretende Zwischenbatterien sich steigernden
Bedrohung beider Flügel des Angriffs – welche im Obigen als die zukünftige bezeichnet wurde – nachdrücklich entgegen zu treten .
und zwar unter Hinzuziehung der verfügbaren Feld- Batterien.
Auf
diese Art wird sich sowohl eine fortgesetzte Beunruhigung der
Festungsbesatzung auf der ganzen Angriffsfront I-IV als auch das fernere Aufkommen von Zwischen batterien des Verteidigers thun lichst verhindern lassen . Wie jener wiederholte Stellungswechsel, Angesichts der einstweilen noch nicht bekämpften Forts I und IV ohne groſse Verluste für den Angreifer vollzogen werden muſs, bleibt Sache reiflichster Erwägung der Oberleitung und soll deshalb hier nicht näher erörtert werden . Das steht aber jedenfalls fest, daſs die Fuſs - Artillerie solchen Unternehmungen erst dann gewachsen sein wird, wenn sie sich von dem bei ihr allzusehr eingefleischten Be streben, zur Minderung der Wirkung der gegnerischen Geschosse die umfangreichsten und zeitraubendsten künstlichen Deckungen aufzuführen, etwas lossagt und diesen im Festungskriege allerdings nicht ganz entbehrlichen Schutz vornehmlich durch eine geschickte Benutzung der Vorteile des Geländes zu erreichen lernt. Ist die Beweglichkeit der schweren Batterien auf die ihrer Verwendung entsprechende Höhe gebracht, so ist das Verlangen wohl kein über
triebenes, unter dem Schleier der Dunkelheit beispielsweise eine Gefechtsstellung vor
der Front Fort I-II zu verlassen , um während der Abend- und Nachtstunden den Batteriebau auf der
Front II-III zu stören, am nächsten Morgen aber wieder in ihrer ersten Aufstellung den Kampf fortzusetzen, falls solches von ihnen gefordert werden sollte.
Die erste Artillerie-Aufstellung beim Festungsangriff.
302
Unsere bisherigen Ausführungen dürften dargethan haben , wie es sich erreichen lieſse, den belagerungsmäſsigen Artilleriekampf
schleuniger in die Wege zu leiten, als es beim Schulangriff zu ge schehen pflegt, und welch' letzteres seine Begründung darin findet, das Feuer der ersten Artillerie -Aufstellung nicht früher zu eröffnen ,
bis die nötigen Kräfte zur Verfügung stehen, vor der gesamten Angriffsfront mit einer der Verteidigungs -Artillerie überlegenen Ge schützzahl auftreten zu können .
Dieses Verfahren hat zur unmittel
baren Folge, daſs der Verteidiger alsbald die vollste Gewiſsheit über den Einbruchspunkt erhält und einesteils hierdurch, sowie andern teils durch die ihm anläſslich so umfangreicher Vorbereitungen
belassene Muſse die Möglichkeit gestattet wird , seine ganze General Geschützreserve noch vor der Eröffnung des Feuers der Angriffs batterien in Kampfstellung zu bringen . Der von uns entwickelte Angriffsentwurf hingegen mit seiner ersten Staffel in dem durch die Mittellinien von zwei Forts begrenzten
Abschnitt und den zur Unterstützung der Flügel desselben in Aus sicht genommenen bespannten schweren Batterien in zweckmäſsiger
Vereinignng mit der Shrapnelwirkung der verfügbaren Feld-Batterien erhält den Verteidiger zunächst in Ungewiſsheit, gegen welchen Teil der Angriffsfront demnächst der Hauptstoſs geführt werden soll . Dies zwingt ihn daher zum einstweiligen Zurückbehalten einer ent
sprechenden Geschützzahl der General-Reserve, eine Notwendigkeit, die ihm ferner auch dadurch aufgedrungen wird , daſs er bei aller
Anstrengung nicht die Zeit erübrigt, der ersten Staffel des Angriffs wesentlich gerüsteter entgegenzutreten , als die Einrichtung des Kampffeldes zwischen den zunächst angegriffenen Forts erheischt. Endlich ist durch die Verwendung der in Rede stehenden schweren Batterien dafür gesorgt, daſs eine allmähliche Verstärkung der Verteidigungs -Artillerie nicht ungestraft geschehe und sie durch die ihr beigebrachten Verluste sich genötigt sehe, von weiteren derartigen Versuchen dauernd Abstand zu nehmen .
Es ist uns wohl bewuſst, daſs der Angreifer die ihm zuge
dachten Erfolge im Ernstfalle nicht so glatt einheimsen wird, wie es hier entwickelt worden ist. Dies kann aber kein durchschlagender Grund dafür sein , das Ergebnis eines etwa achttägigen Kampfes der ersten Staffel der Belagerungsbatterien geringer zu veranschlagen
als : die Niederkämpfung der Artillerie in den Forts II und III und eine fühlbare Erlahmung der Feuerthätigkeit der zwischen diesen Werken befindlichen Zwischenbatterien , sowie endlich die Rückwärts
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Die erste Artillerie -Aufstellung beim Festungsangriff,
verlegung der gegnerischen Vorpostenstellung auf 800—1000 m von der Fortslinie .
Anläſslich dieser unterstellten Gefechtslage kann es nunmehr
nicht mehr schwierig sein, aus dem inzwischen im Belagerungspark eingetroffenen Nachschub an Geschützen nicht nur zeitlich, sondern auch im Vergleich zu der Entfernung der ersten Staffel der ersten Artillerie - Aufstellung, räumlich eine zweite Staffel derselben auf so
wirksame Schuſsentfernung von der Front I-II, beziehungsweise III-IV, oder auch je nach den Verhältnissen vor beiden Fronten in Stellung zu bringen , daſs es zur endgültigen Bekämpfung der in volle Widerstandslosigkeit zu versetzenden Werke und Zwischen batterien einer zweiten Artillerie -Aufstellung dagegen im Späteren
im Allgemeinen nicht nehr bedarf. Verträgt sich dies auch nicht ganz mit dem Wortlaut der Anleitung zum Schieſsen aus Geschützen, indem dieselbe auf Seite 11 , für das planmäſsige Beschieſsen von Geschützen in der Front als gröſste Schuſsweite für schwere 12 cm 1
und 15 cm Ringkanonen 1500 m anführt, so glauben wir dennoch,
daſs bei ausreichender Verwendung von Steilfeuer -Geschützen, selbst bei Schuſsweiten über die Demontier-Entfernung hinaus, im Wege des allgemeinen Beschieſsens der feindlichen Geschützaufstellungen, diese mindestens so schnell zum Schweigen gebracht werden, als mit Hülfe des mehr Zeit und Munition beanspruchenden und über dies, hinsichtlich der erhofften Wirkung, meist sehr undankbaren Demontierens aus Flachbahngeschützen . Hat die zweite Staffel der ersten Artillerie - Anfstellung erst festen Fuſs gefaſst, sei es vor einer oder vor zwei Fronten, so wird die gänzliche Räumung des Vorfeldes Seitens der Festungsbesatzung gegenüber der ganzen Linie des Angriffs nur noch eine Frage kürzester Zeit sein.
Ihrem Zurücktritt in die Linie der Forts aber
kann die zweite Artillerie -Aufstellung gegen die Front II — III, und zwar diese nach Bedarf gehörig umfassend, ungesäumt folgen. Ist es dahin gebracht, so ist auch mit Sicherheit anzunehmen , daſs die
zweite Staffel der ersten Artillerie -Aufstellung jener den nötigen Flankenschutz bieten wird, um ihre Aufgabeu trotz der auf den Fronten Fort I- II und vielleicht auch III-IV noch gefechtskräftigen Zwischenbatterien zu lösen, wie überhaupt die weiteren Angriffs
mafsnahmen bis zur Herstellung einer gangbaren Bresche in den mit Sturm zu erobernden Forts durchzuführen.
Aus dem Gesagten erhellt, daſs die zweite Artillerie - Aufstellung mit ihrer Feuerthätigkeit schon zu einer Zeit zu beginnen vermag,
bis zu welcher es der Schulangriff erst für möglich hält, den all
Wo stammt die Artillerie her ?
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gemeinen Artilleriekampf aus der ersten Artillerie -Aufstellung zu eröffnen . Und , wenn dies zurecht besteht, dann darf der von uns entwickelte Angriffsentwurf auch Anspruch darauf erheben, die Frage gelöst zu haben , wie es anzustellen ist, das Angriffsverfahren
gegen die erste Verteidigungsstellung bis zur Eroberung zweier Forts derselben gegen den Schulangriff um einige Wochen abzukürzen
und damit den Fall einer Festung früher herbeizuführen , als es bis W. lang erreichbar erscheinen will .
XXIII. Wo stammt die Artillerie her? Die Zuteilung der deutschen Feld - Artillerie an die Armee- Corps und Divisionen rechtfertigt obige Frage.
Beantwortet ist sie aller
dings schon öfters, in besonderer eigenartiger Form geschah es vor Jahren in der Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte
des Krieges (65. Band Jahrg.. 1845).
Ein Jünger der heiligen
Barbara hatte etwa Folgendes geschrieben : » Betrachtet man die Artillerie in dem innigen Verbande, in
welchen sie durch die letzten Kriege bei den meisten Heeren mit den andern Waffen gebracht worden , wie sie mehr und mehr mit ihnen zu einem Ganzen verschmilzt, so wird man veranlaſst zu glauben, die Artillerie habe stets einen so wesentlichen Teil der Heere aus
gemacht und müsse daher auch mit ihnen die Geschichte teilen . In sofern erschiene es gewiſs angemessen , die Geschichte der Artillerie auf der der Wurfmaschinen , welche vor Erfindung des Geschützes den Heeren folgten , aufzubauen . Allein geht man nur wenige Jahrzehnte zurück, ja beleuchtet man den Standpunkt der
Artillerie mancher Heere, wie er noch heute ist, so findet man eine bemerkliche Absonderung der Artillerie von der andern Waffe. Sie steht da als ein abgeschlossenes Corps, im Frieden in fast keinem Verbande mit der Armee, im Kriege in einem höchst losen , mit der
Prätension höherer wissenschaftlicher Bildung, sich persönlich ent fernend von den Schwesterwaffen, dagegen in Allem , was das Feuer gewehr betrifft, sie bevormundend, in Werbung, Dienstzeit und
Arangement andern Gesetzen folgend, forterbend in derselben Familie.
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Wo stammt die Artillerie her ?
Diese Entfremdung kann keine zufällige sein , sie ist zu allgemein und trotz vielfachem Bemühen leider noch nicht ganz verbannt. Eine solche Erscheinung muſs einen tiefer liegenden Grund haben und wo sollten wir den anders finden können , als in ihrer Geschichte ? Die Artillerie, so zeigt es sich bald , ist eine fremde Kolonie im
Lande der Kriegsvölker, allerdings vor langen Jahren schon ein gewandert, mit ihrem Gewerbefleiſse aber in einem fremden Himmels
striche geboren, in anderer Sitte auferzogen, konnte sie sich nur schwer in die neuen Formen fügen, trägt noch heute die Spuren ihrer Abkommenschaft und wird von den Urbewohnern, denen sie
Wohlstand und Kultur gebracht immer noch als balber Fremdling betrachtet und mitunter bintenangesetzt. Forscht man so, Formen , Sitten und Gewerbe als Führer wählend, nach dem Wege, den die Artillerie gekomnien , und sucht man das Mutterland auszukund schaften, das die Kolonie selbst nicht mehr kennt, so findet man sehr
bald, daſs die ältere Chemie, die vielverkannte Alchymie, unleugbar die Artillerie geboren und sie, begabt mit ihren besten Geheimnissen aber auch mit all ihren Träumen, Sagen und Wunderlichkeiten, habe hinausziehen lassen , um in einer anderen Region eine Bedeckung zu gewinnen , die ihr in der eignen niemals werden konnte. Der
älteste Artillerist zeigt sich in Sprache und Denkweise, in Geheimnis krämerei und Religionsansicht ganz als Alchymist und es ist nicht ohne Interesse, ihn durch den Büchsenmeister, den Konstabel, den Feuerwerker und den neueren Artilleristen hindurch immer weniger
Alchymist und immer mehr Soldat werden zu sehen, so langsam jedoch, daſs noch heute z. B. die Feuerwerkerei, die Nabelschnur, durch welche die Artillerie an ihre Mutterwissenschaft gebunden
war, ganz den Stempel des die Alchymie so sehr bezeichnenden Durcheinanderknetens der gleichgültigsten und oft unwirksamsten Substanzen trägt. Die beiden Hauptwaffen der Heere bestanden fertig, als die Alchymie ihnen Steinbüchsen hot und da jene weder das Pulver dazu noch die Büchsen selbst zu fertigen verstanden,
so bedurften sie immer einiger Alchymisten, die reichlich belohnt wurden und so wirklich ihren Stein der Weisen gefunden hatten . Die Kriegsleute selbst behielten aber vor ihren neuen Alliirten eine gewisse Scheu, da sie die Wirkung der neuen Waffen nicht recht begriffen und bequemten sich nur ungern dazu , Hülfe zu leisten. So entstand die Notwendigkeit, junge Leute dazu anzulernen, die mit nützlichen und unnützen Kenotnissen gequält wurden nud Büchsenmeister waren , nicht Soldaten ; und so entstand die Artillerie,
deren schwierigste Aufgabe es noch heute ist, zu zeigen, daſs sie
Wo stammt die Artillerie her ?
ganz Soldat geworden
und
Konstabelthhum um das Konstabelt
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abgeschworen
habe. «
Den Beginn der Weltgeschichte bilden fast überall Sagen und Märchen, klingt diese Alchymistensage nicht ungleich besser als das so verbreitete Märchen von der Büchsenmeisterzunft ? Wie oft findet
man in kriegsgeschichtlichen Werken noch diese wunderbare Zunft mit ihren wandernden Gesellen ? Kein älteres Artilleriebuch, keine
Chronik , obgleich häufig in solchen die Zunftgenossenschaften gröſserer Städte aufgezählt werden, kennt eine Zunft der Büchsen
meister. Im Mittelalter gab es keine Gewerbefreiheit. Wer es zur Meisterschaft bringen wollte, muſste das Handwerk , die Kunst als Lehrling erlernen , als Geselle treiben, kein edelgeborner Jüngling erhielt früher den Ritterschlag, bevor er als Bube und Knappe seine Lehrzeit durchgemacht hatte. Das verfallende Rittertum machte dem Söldnerwesen Platz, da wurde auch nicht Jedermann
ohne Weiteres als Soldat angenommen , bis Ende des 16. Jahrhunderts muſste jeder, der auf den Musterplätzen als Landsknecht oder Reisiger eingeschrieben werden wollte, zuvor seine Geschicklichkeit
im Gebrauch der Waffen zeigen . Seine Sache war es, das Waffen werk zu erlernen, um wie viel mehr verlangte man von einem teuer bezahlten Büchsenmeister, daſs er sein Handwerk, meistens Kunst
genannt, verstände.
Durch schriftliche Beglaubigung seines Lehr
herren musste er sich ausweisen, seine Schieſskunst durch wirkliche
Probeschüsse zeigen. Während nun die Knechte des Fuſsvolks und die Reisigen der Reiterei ihren Ersatz meistens aus der Hefe des niederen Landvolks erhielten , ergänzten sich die Büchsenmeister aus den jedenfalls gebildetern Handwerkern der Städte. Diese über trugen natürlich viele ihrer zunftmäſsigen Einrichtungen auf die Artillerie und erhielten sich letztere daher auch länger bei ihr als
bei den andern Waffen. Daſs die Artilleristen keine geschlossene Zunft bildeten , geht wohl auch daraus vor, daſs häufig Gelehrte, Künstler und Edelleute die Artillerie und Feuerwerkskunst erlernten
und sich sehr zum Vorteil der letzteren mit ihr beschäftigten, so z. B. der Baumeister Tartaglia, der Arzt Rivius, Albrecht Dürer, Leonardo da Vinci u . a.
Im Kriegsbuch des Reinhart von Solms findet sich eine Instruktion und Unterricht eines jungen Gesellen, der Krieg suchen und gebrauchen will . Ein junger Gesell vom
Hofe frägt da einen Älteren um Rat, wie er sich wohl am besten in der Kriegskunst ausbilden soll . Es wird ihm abgeraten , sofort zur Artillerie zu gehen, weil man da nur Leute von einiger Kriegs Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd . LXXI, 3.
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Wo stammt die Artillerie her ?
erfahrung brauchen könne, er solle zuerst zum :Feldmarschall gehen, der habe auch mancherlei mit der Artillerie zu tun, da lerne er
etwas davon kennen und könne dann seinen nächsten Kriegszug beim Zeugmeister mitmachen. In einer Beziehung waren die Büchsen meister in neuerem Sinne mehr Soldaten als die Knechte und
Reisigen, schon im Frieden hielten die meisten Fürsten und freien Städte einen kleinen Stamm davon beständig in ihrem Dienst, um bei plötzlich ausbrechenden Fehden ihrer nicht zu entbehren, Ersatz für die andern Waffen war leichter zu beschaffen .
Solche
fest besoldeten Büchsenmeister hatten im Frieden die Aufsicht über
den Zeug und die Arkelei . Im Ordenslande Preuſsen gab es im Anfange des 15. Jahrhunderts eine ganze Menge solch fest ange
stellter Büchsenschützen , später erhielt jede Ordensburg wenigstens einen derselben .
Die Aufsicht über die Büchsenmeister führte der
oberste Zeugmeister , dessen Amt übrigens schon vor Einführung der Feuerwaffen bestanden und dem alle Kriegsmaschinen unter stellt waren . Auſserder des Zeugmeisters gab es anfangs als Offiziers-Stellung nur die seines Lieutenants, doch hat es bei Beginn des 16. Jahrhunderts in Deutschland einschlieſslich der Niederlande
schon eine gröſsere Zahl von Edelleuten von Geschütz , auch
wohl Adelsborste genannt, gegeben. Solms begründet in seineni Kriegsbuche die Notwendigkeit eines gröſsern Offizier -Corps der Artillerie, wie folgt: » Es ist Gebrauch, daſs man im Ziehen das Geschütz teilt in den Vorzug, gewaltigen Haufen und Nachzug, wie ist es nun einem Zengmeister möglich, daſs er an 3 Orten sein mag , da es doch von Nöthen ist, daſs an jedem Ort ein Hauptmann sei , denn auf die Büchsenmeister ist kein Verlaſs, es folgt keiner dem andern , wenn aber ein oberster oder einer von Adel über ihren
ist, dem müssen sie dann achten und gehorsam sein . Ein groſser Herr soll sich daher in seinem Lande nach guten armen Gesellen von Adel umsehen und sie dem Zeugmeister zuteilen. « Die Ausbildung der Büchsenmeister geschah derartig, daſs
Lehrlinge bei gelernten Meistern die Feuerwerkskunst und Arkelei
erlernten und nach einer Art von Prüfung eine Bestallung als Büchsenmeister erhielten .
Aus den in allen ältern Feuerwerks
büchern fast wörtlich übereinstimmenden Büchsenmeisterfragen geht hervor, daſs sich die Ausbildung hauptsächlich auf das Schieſsen und die rechte Geschützbedienung bezog, doch wurde auch Zeichnen
und Mathematik gelehrt. Die von Karl V. errichtete Artillerieschule in Burgos, deren Gesetze noch bekannt sind, inacht durchaus keinen zunftmäſsigen Eindruck. Besondere Rechte hatte den Büchsenmeistern
Geschichte der Königlich Preuſsischen Fahnen u. Standarten 1. s. w.
308
schon Friedrich III . 1446 in Gestalt eines Artikelsbriefes erteilt,
welcher ihnen vor den andern Kriegsleuten ein gewisses Ansehen gab. Ein Gang durch die Geschütz- Abteilung unseres Zeughauses
zeigt uns , wie weit die Arkelei und Feuerwerkskunst vor dem 30 jährigen Kriege schon gediehen waren , das Handwerk war aller dings nicht im Stande gewesen , die gezogenen Hinterlader für den Kriegsdienst so brauchbar herzustellen, als es hervorragende Fener
werksmeister schon damals vielfach geplant hatten .
R. Stein .
XXIV. Geschichte Geschichte
der Königlich Preuſsischen Fahnen und Standarten seit dem Jahre 1807 *) Dieses schon seit längerer Zeit angekündigte Werk, das Ergebnis jahrelanger , unermüdlicher Forscherarbeit, liegt nunmehr vollendet yor .
Pietätvoll gedenkend des erhabenen Herrschers, auf dessen
Befehl dies schöne Werk seiner Zeit in Angriff genommen wurde, nehmen wir dasselbe zur Hand und wollen zuvörderst im
Namen
des Heeres ( > für dessen Wohlfahrt Er bis zu seinem Sterbelager besorgt war und dem sein letztes Gedenken gewidmet gewesen « , wie die Vorrede äuſsert), unserem tiefgefühlten Dank für das teure
Vermächtnis des geliebten Hochseligen Herrn , weiland Sr. Majestät Kaiser Wilhelm I., hiermit geziemend Ausdruck geben . Die Geschichte der Königlich Preuſsischen Fahnen und Stan
darten « ist ein heeresgeschichtliches Prachtwerk ersten Ranges, wie sich dessen in seiner Eigenart keine andere Armee berühmen mag. Welche Mühe es den Bearbeitern gekostet haben mag , das umfang reiche Material , dessen sie benötigten, zu beschaffen , zu ordnen, zu
sichten und ihm die jetzige Form zu geben, läſst sich unschwer erraten ; auch ihnen, den Bearbeitern , gebührt unser Dank. *) Bearbeitet vom Königlichen Kriegsministerium , E
S. Mittler & Sohn ,
2 Bände.
Berlin 1889.
Preis M, 24 .
21*
309
Geschichte der Königlich Preuſsischen Fahnen und Standarten Der erste Band dieses mehr als 1000 Seiten füllenden Werkes
behandelt einleitend den > Verbleib der Fahnen der alten Armees ;
dann : I. » Die Zeit der Reorganisation 1807 bis 1812 « ; II. » Die Zeit der Befreiungskriege 1813, 1814, 1815 « ; III. > Die Zeit bis zur zweiten Reorganisation der Armee 1815 bis 1859 « ; IV. > Die zweite
Reorganisation der Armee und die Regierungszeit König Wilhelms I. 1859 bis 1888 « ; V. »Die Regierungszeit König Wilhelms II.« ; VI. » Allgemeine Grundsätze über Fahnen und Aufbewahrung der Fahnen und Standarten « . Dazu » Anlagen «, nämlich : > Übersicht über den Verbleib der von der Armee im Jahre 1806 geführten Fahnen und Standarten ; Farben der Fahnen- u. s. w. Tücher der alten Armee; Fahnen der stehenden Grenadier - Bataillone; Standarten
tücher nach dem Fahnenbuch in der Groſsherzoglichen Kabinetts Bibliothek zu Darmstadt 1747. «
Sodann :
>Geschichte und Be
schreibung der einzelnen Fahnen und Standarten « ; nochmals » An
lagen « : » Namentliches Verzeichnis der Fahnenträger während der
Kriege seit 1848 ; landes- und heeresgeschichtlich wichtige Feiern, an denen Fahnen und Standarten Teil genommen haben ; Verzeichnis
derjenigen Fahnen und Standarten , in Ansehung deren besondere Vorkommnisse berichtet sind . «
Der zweite ( Urkunden- ) Band enthält zu Vorstehendem die urkundlichen Beläge, dann auf 16 Tafeln 64 künstlerisch in Farben druck ausgeführte Fahnenbilder. Nur sehr Weniges können wir hier aus dem überreichen In halte dieser Bände herausheben , welche, indem
sie die Geschichte
unserer ehrwürdigen Feldzeichen , der stummen Zeugen der ruhm vollen Kämpfe der Vergangenheit, erzählen, als ein überaus wert voller Beitrag zur vaterländischen Kriegs- und Heeresgeschichte bezeichnet werden müssen .
Von den Fahnen und Standarten der friderizianischen Armee
ist, wie aus dem Einleitungskapitel hervorgeht, sehr, sehr wenig bis auf die Gegenwart gekommen . Die entsetzliche Katastrophe des Jahres 1806 fügte es , daſs bei Weitem die Mehrzahl der alten preuſsischen Paniere, in Folge der zahlreichen Kapitulationen auf freiem Felde , sowie der Festungen , in Feindes Hand fielen , von 236 Fahnen 208, von 145 Standarten 96 ! Die Zeugen der Helden kämpfe Friedrichs des Einzigen wurden nach Paris entführt, um 9
im Invaliden - Dome den Sieg des Korsen zu verkünden. - Aus dem
I. Kapitel (Zeit der Reorganisation 1807 bis 1812) ersehen wir, von den Infanterie -Regimentern der alten Armee nur die Nummern 2, 16, 52 und 58 ( gegenwärtig 1 , 5, 6 und 7 ) ihre daſs
seit dem Jahre 1807.
Fahnen bewahrt haben .
310
Während bis zum Jahre 1787 sämtliche
Compagnien und Eskadrons (ausgenommen die nicht zu Bataillonen vereinigten Grenadier-Compagnien der Regimenter und die Husaren) je eine Fahne beziehungsweise Standarte führten , wurde im ge
nannten Jahre verfügt, daſs jedes Infanterie-Regiment von seinen 10 Fahnen 6 an die Zeughäuser abzuliefern babe. Jedes Bataillon behielt nur eine Avancier- und eine Retirierfahne.
Im Jabre 1811
wurde die Zahl der Fahnen und Staudarten dahin geregelt, daſs die beiden Musketier - Bataillone jedes Regimentes, ingleichen jedes Kavallerie-Regiment nur je eine Fahne , beziehungsweise Standarte mit in das Feld nehmen sollten . Im Anfang des Jahres 1812 besaſs das Heer im Ganzen 48 Fahnen und 40 Standarten , welche
jedoch nur in der durch jene Ordre beschränkten Zahl beim Aus
marsch vor dem Feinde geführt wurden.
Neuverleihungen von
Fahnen und Standarten an die neuformierten Truppenteile (seit 1814 auch an die Husaren und Ulanen,, welche bis dahin keine
hatten) fanden teils noch in der Zeit der Befreiungskriege oder bald nach denselben in groſser Zahl nach obigem Modus statt. Unsere in jener denkwürdigen Zeit fast ausnahmslos siegreichen Fahnen durften zweimal in die bezwungene Hauptstadt des Feindes einziehen ; stets waren sie, Dank dem Heldenmute der Truppen, aus dem Sturm der Schlachten gerettet worden ; nur ein einziges Mal hatte es der hingebendsten Tapferkeit nicht gelingen wollen , das Geschick zu wenden ; nur ein Feldzeichen war (Etoges, 14. Februar 1814) im Verlauf der zahlreichen Schlachten und Gefechte in Feindes Hand gefallen . - Die Schmach von Jena war gelöscht. Dem genauen Nachweis sämtlicher neu verliehenen Feldzeichen -
bis zur Reorganisation von 1859 schlieſst sich an die Schilderung der Ereignisse bis zum Jahre 1888. Die fast endlosen Listen der in den 3 Feldzügen beschädigten Fahnen legen Zeugnis ab, beredter als jede Sprache, daſs dieselben den Gefahren nicht feige entzogen worden sind , sondern den Truppen aller Orten auf der blutigen
Bahn voran geleuchtet haben. Unter 25 Fahnen und einer Standarte waren allein im Feldzuge 1870/71 die Träger mit der Todeswunde zusammengebrochen ; bei einer dieser Fahnen hatten nach einander
je 3, bei fünfen je 2 Träger ihr Leben für König und Vaterland
opfern dürfen . Unzählbar aber sind die Namen derjenigen, welche der Fahne die Treue durch besondere Thaten , bei Verteidigung des Heiligtums, mit ihrem Blute zahlen durften . Nur zweimal im
Verlauf sämtlicher Feldzüge seit 1848 sah sich der Opfermut der Truppe nicht mit dem verdienten Erfolge gekrönt : bei Vionville
311
Geschichte der Königlich Preuſsischen Fahnen u. Standarten u. s. w.
am 16. August 1870, wo der obere Teil der zerschossenen Fahne
des 2. Bataillons Infanterie -Regiments Nr. 16 auf der Wahlstatt zurück blieb, welche aber gleichzeitig 49 Offiziere und 1400 Mann des tapferen Regimentes, tot oder verwundet, mit ihren Leibern deckten ; das andere Mal bei Dijon, am 23. Januar 1871 , wo die
Fahne des 2. Bataillons Infanterie- Regiments Nr. 61 ruhnivoll ver loren ging, nachdem die ganze Fahnensektion zu Boden gestreckt war ; unter einem Leichenhügel wurde sie vom Feinde gefunden .
Den weitaus gröſsten Teil des I. Bandes, 350 Seiten, füllt die
genaue »Geschichte und Beschreibung der einzelnen Fahnen und Standarten «, enthaltend sämtliche Einzelheiten über die Verleihung,
das Fahnentuch, die Stange, Nagelung, Fahnenringe, Auszeichnungen , Beschädigungen durch feindliches Feuer und Feldzüge. Nicht ohne innere Bewegung wird man die kurzen und doch so inhaltreichen Inschriften der an den Fahnenstangen zu ehrender Erinnerung an gebrachten silbernen Ringe lesen , wie, um nur eine herauszuziehen ,
diejenige des 2. Bataillons Infanterie -Regiments Nr. 82 : » Es starben mit dieser Fahne in der Hand am 6. August 1870 den Heldentod : Sekonde- Lieutenant Schopper und Sergeant Meyer. Es wurde mit dieser Fahne in der Hand am 6. August 1870 verwundet und starb in Folge dessen Feldwebel Bohn « . Ungern nur trennt man sich von der Lesung dieser tief ernsten, ruhmreichen Aufzeichnungen ,
welche zukünftigen Geschlechtern von der opferfreudigen, bis in den Tod getreuen Hingebung der Vorfahren berichten mögen. Aus dem Inhalte dieses Bandes ergiebt sich , daſs von sämt lichen Fahnen und Standarten, welche gegenwärtig geführt werden , nur 20 Falinen und 14 Standarten mit ziemlicher Sicherheit ihren Ursprung der Zeit vor 1806 verdanken.
Die ältesten beiden Fahnen
führt demnach (abgesehen von der Fahne des Kadetten -Corps) das
Infanterie-Regiment Nr. 1 ( vormals Alt - Stutterheim Nr. 2 der alten Armee); sie datieren aus dem Jahre 1769 ; dann 2 des Regiments Nr. 2 , je 3 der Regimenter Nr. 5, 6 , 7 und 11 ; eine des Kaiser
Alexander-, zwei des Kaiser Franz -Grenadier-Regiments. Die ältesten Standarten führen die Kürassier -Regimenter Nr. 1 und 7, ferner das Dragoner-Regiment Nr. 3, sämtlich aus dem Jahre 1722 ; dann
die Garde du corps , Leib -Garde - Husaren, Kürassier - Regimenter Nr. 2-8 , Dragoner-Regimenter Nr. 1 , 2 und 4. Aus dem Inhalte des Urkunden - Bandes möchten wir nur hin
weisen auf die beiden Verzeichnisse derjenigen Truppenteile, welche in den Feldzügen 1866 und 1870/71 an ihren Fahnen, beziehungs
weise Standarten durch feindliches Feuer Beschädigung erlitten
Episoden aus dem Küstenkriege u. 8. w.
312
haben , es sind 99, beziehungsweise 151. – Die Lesung auch dieses Bandes wird jeden Freund unserer Heeresgeschichte in hohem Grade fesseln .
Wir können
von dem hochbedeutsamen Werke
nicht scheiden, ohne uns der Hoffnung hinzugeben, daſs mindestens jede Regiments- und Divisions- Bibliothek sich in den Besitz des selben setzen werde. Der Verlags-Buchhandlung aber gebührt für die würdige und gediegene Ausstattung dieses vaterländischen Ehrenbuches unsere wärmste Anerkennung.
Schbg.
XXV. Episoden aus dem Küstenkriege: Landungen und Einzelgefechte der Neuzeit. *) Von
v. H.
1.
Einleitung ,
Die Aufgaben einer Flotte im Kriege sind mannigfacher Art. Sie bestehen hauptsächlich : in der Gewinnung der Seeherrschaft
und Vertreibung der feindlichen Flagge vom Meere ; der Wegnahme wichtiger Küstenpunkte oder deren Zerstörung im Bereich der Aktion ; der Blockade und Bewachung der feindlichen Küsten ; dem Abschneiden des Seeverkehrs und Zerstreuen der Handelsflotte ; der Aufnahme,
Überführung , Deckung der Ausschiffung und Landung, sowie Ein schiffung eines Landungs-Corps; andererseits : in dem Schutz der Küsten ; der. Sicherung wichtiger Häfen gegen Angriffe ; Hinderung feindlicher Landungen ; dem Brechen der Blockade ; Schutz der eigenen Handelsflotte und event. der Kolonien u. s. w. Allen diesen
Anforderungen können, wenigstens jedem Gegner gegenüber, nur Seemächte ersten Ranges genügen , da nicht jeder Staat eine Flotte zu unterhalten vermag, die jeder anderen die Spitze bieten
kann.
Alle anderen Staaten bis auf England und Frankreich
haben daher von vornherein auf den Besitz der Seeherrschaft ver
zichtet. Nur wenige Flotten setzen sich zum Ziel , dem Feinde die Herrschaft in den heimischen Gewässern streitig zu machen : es *) Siehe Beiheft 9 Marine -Verordnungsblatt.
Episoden aus dem Küstenkriege:
313
sind dies die Flotten zweiten Ranges : Russland, Österreich , Italien , Deutschland, Türkei u. s. w.
Die meisten Staaten be
schränken sich indessen allein auf die Hafenverteidigung : so Holland, Dänemark , Schweden u . s. w.
Hierbei kommt den letzteren be
sonders die Vervollkommnung des Torpedo- und Seeminenwesens zu Gute.
Ein Erfolg, der für den groſsen Krieg in Betracht kommt, ist
nur durch einen planmäſsigen Angriff gegen die feindliche Küste zu erzielen. Die vom Angreifer hier zu treffenden Maſsregeln, denen die des Verteidigers folgen müssen, sind : 1. Rekognoszierung der feindlichen Gewässer, 2. Vordringen der Schlachtflotte zum Lahm legen der feindlichen Panzerflotte, 3. Heranführen der Transport flotte zur Landung. Dem gegenüber besteht die Defensive: 1. in dem Sicherheitsdienst, 2. der Gegenoffensive, 3. der lokalen Ver
teidigung im engeren Sinne. Der eigentliche Sicherheitsdienst umschlieſst wiederum eine Reihe von organischen Einrichtungen . Dies sind : Kundschatter im feindlichen Lande (wenn man sie haben kann) , Bericht erstatter *) in neutralen , dem
Feinde benachbarten Staaten , der
*) Hierbei möge eine Episode aus dem deutsch -französischen Kriege 1870/71 Erwähnung finden : Das preuſsische Geschwader war am 10. Juli 1870 von
Plymouth scheinbar nach den Azoren abgedampft. Der Geschwader -Chef hatte aus Vorsicht , hervorgerufen durch die ersten Symptome der bevorstehenden Katastrophe, das Panzerfahrzeug „ Prinz Adalbert“ nach Dartmouth detachiert, wohin demselben Nachrichten seitens der Gesandtschaft in London übermittelt
werden sollten . Mit diesen versehen stiefs es am 13. Juli Morgens wieder zu dem Geschwader an einem bestimmten Rendezvous-Platz und kehrte in Folge der über
brachten Nachrichten dasselbe sofort nach Plymouth zurück , von wo
es nach
einem Aufenthalt von wenigen Stunden die Rückreise nach der Nordsee antrat und am 16. Juli Abends vor Wilhelmshaven eintraf. Da eine offizielle Kriegs. erklärung bei der Rückkehr des Geschwaders in den Kanal noch
nicht erfolgt war , so konnte der mögliche Plan , die französischen Schiffe in Cherbourg zu überraschen , jedenfalls nicht zur Aus führung gebracht werden. Daſs das oben gedachte Manöver den Franzosen gänzlich unbekannt geblieben ist, ergiebt sich aus Folgendem : Unter den in St. Cloud aufgefundenen und seitdem veröffentlichten Depeschen wird aus Brest
vom 18. Juli telegraphiert : „ Preuſsisches Geschwader ist in Torbay , Treffen bevorstehend . Gestern war Rhode von Brest in Verteidigungs Zustand . Marine sehr glücklich über ihre wichtige Rolle in diesem Feldzuge _ " Ferner ist aus dem offiziellen Bericht über die Thätigkeit der französischen Flotte in der Ost- und Nordsee zu ersehen , daſs der Admiral Bouet
Villaumez am 25. Juli auf das preuſsische Geschwader fahndet, und daſs er ihm nicht begegnet sei, auf den Umstand schiebt, daſs das Passieren seiner Flotte
durch Signale von dem Feuerschiffe des „Golloper“ den Preuſsen bekannt geworden
Landungen und Einzelgefechte der Neuzeit.
314
Rekognoszierungsdienst auf hoher See, und endlich der Vor posten- und Beobachtungsdienst in den heimischen Küsten gewässern und längs der eigenen Küste selbst. Übergehen wir die Kundschafter und Berichterstatter als etwas
allgemein Bekanntes und wenden uns zunächst dem Rekognos zierungsdienst auf hoher See zu. Die Rekognoszierung beziehungsweise die Beobachtung des Feindes und dessen Kriegshäfen d. h . der Sammelplätze seiner
Seestreitkräfte, ist um so sicherer , je näher sie dem Bereich des selben kommen kann .
Hat der Angreifer ein Défilée (im maritimen Sinne z. B. Straſse
von Dover, den groſsen Belt, den Sund, die Einfahrt in den bott nischen und finnischen Meerbusen u. s. w.) auf seinem Wege zur
Küste des Verteidigers zu passieren , und ist die Entfernung dieses Defilées groſs genug , um dem Verteidiger Zeit zu gewähren , dem Debouchieren des Feindes noch rechtzeitig entgegentreten oder doch das
seelbe erschweren zu können , so genügt natürlich die Beobachtung dieses In jedem Falle müssen die Punkte dem Angreifer wie Verteidiger ja bekannt sein , bis auf welche er seine Rekognos zierungsschiffe vorschicken muſs, und er kennt die Ausdehnung des Rekognoszierungs - Terrains auf diesen Punkten . Defilées.
Gehen wir nun auf die Anforderungen , die wir an solche
Rekognoszierungsschiffe stellen zu müssen glauben, näher ein. Auf gezählt sind diese Anforderungen leicht , erfüllt aber nur schwer, wenn man sich nicht davon lossagt, den Rekognoszierungsdienst gleichsam nur als einen Nebendienst zu betrachten , auf den man gelegentlich nur etwa überflüssige Mittel oder Kräfte . anwenden dürfe . Wir stellen den Rekognoszierungsdienst weit höher und verlangen für die bezüglichen Schiffe : *) 1. Schnelligkeit : gröſser sei u . 8. W. Am 16. Juli telegraphierte Napoleon III. an den Kriegsininister in Paris : „ Ich sehe, daſs das Geschwader abgesegelt ist. Was für Befehle erteilt man ? klärt ist . " 6
Man kann die Feindseligkeiten nicht eher beginnen , bis der Krieg er Ein französischer Seeoffizier war nach Dänemark gesandt und soll
derselbe es erwirkt haben , daſs die Küstenwächter in Jütland Instruktionen er
hielten , welche ihnen erlaubten , mit den französischen Schiffen mittels geheimer Signale zu korrespondieren.
*) Auch die behufs Zerstörung des Seehandels des Gegners, zur Aufbringung von Handelsschiffen mit Kriegscontrebande, zum Abschneiden der Zufuhren u . s . w. von den feindlichen Parteien ausgesandten Schiffe, „ Kreuzer “ genannt, bedürfen zur Erfüllung ihrer Aufträge einer groſsen Geschwindigkeit, eines bedeutenden
Kohlenvorrats, einer Anzahl leichter, weit tragender Geschütze, einer leichten Takelage u. s. w. , damit sie längere Zeit vollständig gefechtsbereit auf hoher See
315
Episoden aus dem Küstenkriege:
als irgend ein Panzerschiff, 19 bis 20 Knoten d . i . etwa 5 deutsche
Meilen pro Stuude; 2. Kohlen : mindestens für Hin- und Rückreise ( zwischen dem Rekognoszierungs -Terrain und dem entferntesten Rückzugshafen, auf den das Schiff angewiesen ist), und kreuzen mit langsamer Fahrt auf dem Rekognoszierungs -Terrain für einen nicht zu kurz bemessenen Zeitraum ; 3. Artillerie : nicht zu schwer,
aber Geschütze mit groſser Durchschlagskraft, starkes Feuer in der Kielrichtung; Torpedo- Lanzierrohre und Schnellfeuer -Geschütze. Ob mit oder ohne Minenmaterial lassen wir dahin gestellt. 4. Groſse Manövrierfähigkeit event. Doppelschrauben. 5. Gröſse den obigen Anforderungen entsprechend bezw. bis zu 5000 Tons Deplace ment, mit möglichst geringem Tiefgang unter Berücksichtigung der etwa zu wählenden Rückzugshäfen. 6. Takelage : Pfahlmasten mit Gaffelsegeln u. s . w.
Bezüglich der Schnelligkeit haben wir möglichst hohe Anforde rungen gestellt , weil seitens
der französischen und englischen
Marinebehörden Schiffe von solcher Geschwindigkeit in neuester Zeit in Aussicht genommen sind. Das letzte Glied in der Kette der organischen Einrichtungen für den Sicherheitsdienst ist der Dienst an der Küste selbst .
Derselbe wird, je nach der Beschaffenheit der Küsten , Fluſs mündungen 1. s. w . sowohl auf dem
Lande als auf dem
Wasser
von Patrouillen, Postenketten 1. s. w. ausgeübt. Zu der Bewachung der Küsten , Fluſsmündungen , Rheden, Inseln u. s. w. sowie einer eventuellen blockierenden Flotte werden hauptsächlich wohl die Torpedojäger resp. Torpedoboote, sowie etwaige submarine Boote
falls die -letzteren noch gröſsere Vervollkommnung erfahren, Ver wendung finden. Es sind aber zuvor noch einige Einrichtungen zur Beschleunigung der Übermittelung der von den Rekognoszierungs schiffen überbrachten Meldungen, sowie zur Sicherung dieser Schiffe, falls sie vom Feinde gejagt werden sollten, hervorzuheben . Dem erstgenaunten Zweck dienen ,
auſser den
eventuell vorhandenen
Leuchttürmen, zweckmäſsig auf geeigneten Küstenpunkten angelegte Kriegs -Semaphorstationen . diesen Stationen, dem
Die sachverständigen Beobachter auf Personal der Marine entnommen , stehen in
telegraphischer Verbindung unter einander und mit dem komman dierenden Admiral sowohl wie mit dem Kommandierenden der Küsten
verweilen können . Sie haben die genommenen Schiffe aus ihrer Mannschaft zu besetzen, sie entweder den eigenen Häfen oder, wenn das nicht angängig ist, in einen neutralen Hafen, conform dem See- und Prisenrecht, überführen zu lassen, oder sie zu zerstören .
Landungen und Einzelgefechte der Neuzeit.
316
verteidigung und beobachten die ihnen zugewiesene Strecke vom Lande aus . Der Vorteil hiervon ist, daſs das Rekognoszierungsschiff,
nachdem es seine Meldung der nächsten erreich baren Telegraphen resp . Semaphor-Station übermittelt hat, frei zu neuer Thätigkeit wird. Man darf sich hierbei nicht scheuen, solche Signal- Stationen auf exponierten, ja selbst isolierten Punkten zu errichten ; denn sie sind bald wieder angelegt, wenn sie durch einen Handstreich des Feindes zerstört werden . Und wenn der Feind es für nötig halten sollte, solche Punkte dauernd zu besetzen , so könnte er dies doch
nur thun, wenn er zugleich die betreffende Küstenstrecke blockierte. Dann aber ist die Thätigkeit der Rekognoszierungsschiffe wenigstens
auf dem in Frage kommenden Gebiete überhaupt beendigt und die Signal-Stationen haben ihren Dienst gethan .
Betreffs der Maſsregeln
zur Sicherung des Rückzuges der Rekognoszierungsschiffe muſs vor ans bemerkt werden, daſs die letzteren wohl nur von einem oder
vielleicht zwei gleichartigen, oder doch nicht viel stärkeren Schiffen
gejagt werden . — Zieht sich also das Rekognoszierungsschiff auf ein in einem Kriegshafen des Verteidigers u. s. w. liegendes Ge schwader zurück, so wird im schlimmsten Falle ein, mit einem oder zwei Fahrzeugen ausgeführter Vorstoſs seitens des Verteidigers
genügen, das Rekognoszierungsschiff zu degagieren.
Einen solchen
Rekognoszierungsdienst versah vor der Schlacht von » Lissa« 20. Juli 1866 der italienische Aviso » Exploratore « . Das an seinem Top wehende Signal » Feindliche Schiffe in Sicht ! « kündigte die Ankunft des zum Entsatz der Insel Lissa herbeieilenden österreichischen Admirals v. Tegethoff an , welcher den Italienern wenig Zeit mehr
lieſs, sich mit der ganzen versammelten Flotte zum Angriff vorzu bereiten . Eine andere Rekognoszierung unternahm 1870 am 21. August Abends die preuſsische Korvette »Nymphe« von Neufahr wasser nach der Putziger Bucht, um die dort ankernde französische Flotte zu alarmieren. Dagegen gehört das von der preuſsischen Korvette » Augusta « am 4. Januar 1871 ausgeführte kühne Seemamus stückchen, wo es innerhalb der Gironde-Mündung zwei französische Regierungsschiffe nahm , wodurch das französische Nationalgefühl sich so tief verletzt fühlte, zum Kreuzerdienst.
Das Patrouillieren am Lande längs der bedrohten Küsten strecke ist Sache der Verteidigungs -Armee. Ungleich tiefer aber in
das geschulte Personal der Marine schneidet der Vorpostendienst in den Küstengewässern, Fluſsmündungen u . s. w. ein, und zwar sowohl materiell wegen der Zersplitterung der Kräfte, als auch moralisch , wegen der Art des Dienstes. Die Fahrzeuge für den
Episoden aus dem Küstenkriege:
317
Vorpostendienst müssen je nach den Tiefenverhältnissen der Fluſs mündungen, der Sicherheit der Ankerplätze, Stärke des Seeganges, Strömung u. s. w. ausgewählt werden.
Es können natürlich nur
kleine Fahrzeuge zu demselben Verwendung finden und flach gebaut , so daſs sie sich nötigenfalls, wenn angegriffen, auf seichte Stellen aus der verderblichsten Schuſsweite zurückziehen können. Das Leben
auf solchen Fahrzeugen , ob Kanonen- oder Torpedoboote, ist be sonders im Herbst und Winter auf das äuſserste unbequem und von einer Aktion mit denselben wohl kaum die Rede, wohl aber von
ihrer Zerstörung, wenn sie nicht auf ihrer Hut sind. Es fehlt diesem Dienst also das erfrischende Element, die wahre Freudigkeit, be sonders bei anhaltendem stürmischen Wetter und in dem Bewuſstsein
der Mannschaft, in der Aktion selbst nicht zur Verwendung zu kommen , sondern nur mit dem Fahrzeug als Boje am Rande des
Fahrwassers zu dienen . – Deshalb darf der Vorpostendienst nicht -
früher in seiner ganzen Strenge beginnen, als bis der Feind wirklich da ist.
Daſs er nicht unvermutet komme, dafür haben die Rekog
noszierungsschiffe, sowie das Nachrichten wesen und später eventuell die Patrouillen zu sorgen .
2. Die Gegenoffensive. Das nächste, was der Gegner thut, ist, daſs er seine Schlachtflotte zum Lahmlegen der feindlichen Panzerschiffe heranführt. Hierbei darf aber der Verteidiger nicht ruhig still halten , sondern muſs Offensivstöſse machen, sobald er im gegebenen Moment aus irgend einem Grunde stärker oder gleich
stark zu sein glaubt als der Angreifer. Daſs die enge Cernierung einer Fluſsmündung, einer Rhede u. s. w. heut zu Tage , besonders während der Nacht für die feindlichen Schlachtschiffe höchst ge
fährlich ist, darf wohl , Angesichts der Fortschritte im Torpedo- und Minenwesen, als unzweifelhaft angenommen werden. Wenn daher an irgend einem Punkte der angegriffenen Küsten strecke Seestreitkräfte in gröſserer Anzahl versammelt sind, als sie der defensive Schutz des betreffenden Punktes unbedingt erfordert, so ist dieser Überschuſs für eventuelle Vorstöſse frei. Wie groſs dieser Überschuſs überhaupt ist , das hängt von der Stärke der Flotte im Ganzen ab .
Daſs derselbe aber an den für die Offensive
am meisten geeigneten Punkten vorbanden ist, ist Sache der Dis lokation, welche daher jede Zersplitterung der Seestreitkräfte, auch der unbedeutendsten, über die notwendigsten Erfordernisse der reinen Defensive hinaus, vermeiden und auf Versammlung aller verfügbaren an gewissen wenigen Ausgangspunkten für Offensivunternehmungen hinarbeiten muſs. Es werden beim Beginn kaum alle disponibelen Kräfte
Landungen und Einzelgefechte der Neuzeit.
318
des Gegners zur Stelle sein ; jedoch ist nicht ausgeschlossen, daſs der Verteidiger ein Evolutionsgeschwader haben kann, welches stark genug und so früh fertig ist, daſs es schon das Auslaufen der ersten feindlichen Blockadeschiffe durch Einnahme einer Position dem betreffenden
feindlichen Hafen
verhindern kann .
Doch
sehen wir hiervon ab und betrachten nur diejenigen Vorstöſse,
welche ein, in einem Kriegshafen versammeltes Geschwader des Verteidigers ausführen kann , nachdem die Nachricht von dem schon
stattgefandenen oder demnächst bevorstehenden Auslaufen der An griffsflotte eingegangen ist. Die Zusammensetzung der feindlichen Flotte muſs bei geordnetem
Nachrichtendienst dem Verteidiger bekannt sein, ebenso die Stärke,
Fahrgeschwindigkeit und Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Schiffes. Auch dürfte die Leistungsfäbigkeit der dem feindlichen Geschwader
beigegebenen resp. voranzuschickenden Avisos resp. Rekognoszierungs schiffe, Torpedoboote vom Verteidiger wohl beurteilt werden können . Ist dies der Fall , so kann sich der Verteidiger jedenfalls ein ziemlich genaues Bild von der Absicht des Angreifers ent werfen und feststellen, d . h . ob derselbe nur blockieren , ob er einen
Kriegshafen oder befestigten Platz bombardieren oder ob er eine Landung ausführen will.
Einen für den Zweck des groſsen Krieges in Betracht kommen
den Erfolg kann der Angreifer nicht durch Cernierung der Küsten, durch bloſses Bombardement von Küstenplätzen oder durch gelegent liche Handstreiche gegen unbefestigte Orte erreichen . Er muſs ein
Truppencorps landen, um Terrain dauernd zu occupieren, sei es als Faustpfand, sei es als neue Operationsbasis. Die Landung wird also stets das groſse Ziel jeder Operation zur See gegen eine Küste sein . Dabei kann der Fall einer in einem wohleingerichteten Kriegshafen auszuführenden Landung unter normalen Verhältnissen unberücksichtigt bleiben, da
in der Regel andere Küstenstrecken, Häfen oder Buchten u . s. w. günstigere Chancen bieten . Um seine, wegen ihrer sehr bedeutendeu
numerischen Stärke, nur langsam sich bewegende Transportflotte gegen etwaige Störung zu sichern, muſs der Angreifer einen Teil seiner Schlachtflotte zu dem Zweck voraussenden, um die für die
hohe See geeigneten Panzerschiffe u. s. w. des Gegners da festzu halten wo sie sich befinden , nämlich in der Regel in dem nächst
gelegenen groſsen Kriegshafen des betreffenden Küstengebietes. Ein weiterer
Teil
der
feindlichen Schlachtschiffe
wird
sich
bei
der
Transportflotte befinden, namentlich dann, wenn dieselbe Küsten
Episoden aus dem Küstenkriege:
319
batterien passieren muſs, um zu der Landestelle zu gelangen, wie überhaupt, um die webrlosen Transportschiffe gegen feindliche
Überfälle durch Torpedoboote u . s. w. möglichst zu sichern. Dabei ist aber äuſserste Beschleunigung namentlich für eine Landung erstes Erfordernis, um
dem Verteidiger möglichst wenig
Zeit zur Heranziehung seiner Reserven aus dem Innern des Landes nach dem bedrohten Punkt zu lassen .
Aus diesem Grunde aber
und weil der Verteidiger ja auch seinerseits nicht gänzlich unthätig bei der Leitung der Ereignisse, welche den wirklichen Ausbruch des Krieges bedingen , geblieben sein wird , kann man von vorne herein mit Sicherheit darauf rechnen, daſs eine Anzahl Panzerschiffe
des Angreifers auf entfernten Stationen zur Zeit unabkömmlich ist. Daher ist es im Allgemeinen wahrscheinlich , daſs das erste feindliche Geschwader, welches ausläuft, um die Feindseligkeiten zu eröffnen, nicht so stark sein wird , daſs jeder Gedanke an eine offensive Unternehmung dagegen ausgeschlossen wäre.
Ist dem
aber so, hat der Verteidiger durch seinen Bericht
erstatter Kenntnis von dem Auslaufen des feindlichen Geschwaders und ist durch seine Eclaireurs genau von dessen Bewegungen event.
Absichten unterrichtet, so glauben wir, daſs er nichts besseres thun kann, als ihm so früh als möglich mit seiner eigenen, für die Offensive verfügbaren Flotten-Abteilung, seinen Torpedobooten u. s. w.
soviel er davon irgend für den Zweck brauchen kann, auf den Leib zu gehen. Wie weit vom eigenen Hafen entfernt das Treffen an zunehmen ist, hängt von den lokalen Verhältnissen ab, jedenfalls muſs der Ort so gewählt sein , daſs der zum Rückzuge etwa ge genötigte Verteidiger nicht durch die Defiléen , welche die äuſsere Grenze
seiner
Häfen
bilden ,
im Manövrieren
behindert
und
event. mit seinem ganzen Geschwader oder einem Teil desselben nach einem
andern Hafen auszuweichen im Stande . ist .
Wenn der Ver
teidiger in seinen Kriegshafen zurückgeht, so findet er daselbst natürlich die vorbereitete Aufnahme-Position, ist also selbst am
wenigsten gefährdet. Aber es besteht die Schwierigkeit,, daſs man sich den Feind nicht so nahe auf die Fersen kommen lassen darf,
sonst zeigt man ihm das Fahrwasser durch das Defilée. Der Rück zug in einen anderen Hafen gewährt daher unter Umständen mehr Freiheit im Handeln , ist aber nur möglich , wenn man dort Schutz
findet, möge dieser nun in Sperren mit Artillerieverteidigung oder aus aktiven Seestreitkräften bestehen. Es ist daher recht eigentlich Sache des Studiums und der Thätigkeit im Frieden, solche Eventua litäten in Betracht zu ziehen und vorzubereiten ,
Landungen und Einzelgefechte der Neuzeit .
320
Der Grundsatz, daſs zu einer wirksamen Verteidigung eine ge
legentliche kräftige Offensive gehört, ist unanfechtbar und in An erkennung dieses Grundsatzes ist auch der Gedanke der deutschen Ausfallflotte entstanden . *) Hängt nun der Begriff des Ausfalles auch mit der Voraussetzung
eines gesicherten Rückzuges zusammen , so schlieſst er doch andere seits, wenn auf eine Flotte angewendet, eine energische Verfolgung des aus seiner Blockadenstellung verdrängten oder erst im Anmarsch *) Es dürfte hier vielleicht angezeigt sein, einen kurzen Rückblick auf die Flotte des norddeutschen Bundes während des Krieges 1870/71 zu werfen , um dem
Laien klar zu machen , weshalb besonders die drei Panzerschiffe „ König Wilhelm “, „, Kronprinz “ und „ Friedrich Karl “ die französische Blockadeflotte, welche sich an
Zahl den unseren gegenüber wie 3 : 1 stellte nicht angegriffen hat und den von der
öffentlichen Meinung gehegten Erwartungen nicht entsprechen konnten . Beim Aus bruch des Krieges war unsere Flotte nicht gerüstet und konnte es nicht sein : sie war eben erst im Entstehen . Unsere Kriegshäfen befanden sich in einem für das plötzliche Hereinbrechen des Krieges höchst bedenklichen Zustande, die
definitiven oder provisorischen Befestigungswerke teils erst in der Anlage begriffen, teils noch unvollendet und ohne alle Armierung, das Minen- und Torpedowesen noch in sehr mangelhaftem Zustande, unsere Panzerschiffe erst seit wenigen Monaten vollständig armiert und damit beschäftigt, durch ein im atlantischen Ocean abzuhaltendes Kreuzen über die Anwendbarkeit der Geschütze und der so
schwierigen Laffettierung u. s. w. Erfahrungen zu sammeln . Unsere Kriegshäfen waren noch nicht eingerichtet zum Bau und zum Betrieb von Schiffen ; die vor handenen Schiffe fanden nur notdürftige Unterkunft in einem derselben : „ Kiel “
Die baulichen Schwierigkeiten bei der Hafenanlage in Wilhelmshaven hatten es noch immer nicht ermöglicht, die dortigen Bassins, den Verbindungskanal und die Docks mit Wasser zu füllen trotz der im Herbst 1868 stattgehabten offiziellen
Einweihung des Hafens durch Se. Majestät den König.
Es
wurde
deshalb
nötig, da eiserne Schiffe mindestens alljährlich einmal ihren Boden reinigen müssen
von den Anwüchsen der See, von Moosen, Muscheln und Seegras, um nicht allzu bedeutend an ihrer Fahrgeschwindigkeit einzubüſsen, die Panzerschiffe „ Kronprinz “ und „Friedrich Karl“ nach England zu schicken, um in einem dortigen Kriegshafen zu docken , auf welcher Fahrt letzteres Schiff im groſsen Belt durch unrichtige Lootsenanweisung zwei Schraubenflügel durch Aufstofsen verloren hatte. Der „ König Wilhelm “ war im Frühjahr 1869 gedockt. Als die 3 Panzerschiffe 1870
in England zu einem Geschwader vereinigt waren, wurde die üble Entdeckung gemacht, daſs einer der Dampfzylinder des „König Wilhelm “ einen Rils bekommen hatte. Somit waren „ König Wilhelm “ und „ Friedrich Karl“ auf eine
mittlere Geschwindigkeit reduziert. Der Ausfall des Kampfes ist aber vollständig abhängig von der steten und guten Leistungsfähigkeit der Maschine! Nicht nur das Maſs der Beweglichkeit, auch das Moment der Geschwindigkeit kommt bei dem Kampf in Betracht. Die Panzerschiffe haben aber trotzdem eine feindliche Landung verhindert und den Ausbau von Wilhelms haven geschützt! Lorbeeren konnten sie unter den obwaltenden Verhältnissen leider nicht erringen !
321
Episoden aus dem Küstenkriege:
befindlichen zurückgeschlagenen Feindes und die Möglichkeit zu einem Tausche der Rollen nicht aus .
Ausfall wie Verfolgung sind
aber nur dann denkbar, wenn die diese Unternehmungen ausführenden Schiffe dem Gegner an Geschwindigkeit mindestens gleich sind und der Rückzug ist nur dann gesichert, wenn die sich zurückziehenden Schiffe nicht von einem schnelleren Feinde überholt und abgeschnitten
werden können, und wenn ihr Tiefgang jederzeit das Einlaufen in den Hafen gestattet.
Wir sind also geneigt, unter den angedeuteten Voraussetzungen,
dem möglichst frühzeitig unternommenen und auf möglichst weite Entfernung auf die See hinaus ausgeführten Offensivstoſs mit dem disponibeln Teil der Schlachtflotte des Verteidigers ein günstiges Prognostikon zu stellen . Erringt der Verteidiger den Sieg, so ist, abgesehen von dem hohen moralischen Erfolg, die Disposition des Angreifers mehr oder weniger gestört und dieser für die nächste Zeit in Skat gelegt, wenigstens so lange, bis er Munition- und Kohlenvorräte u. s. w. wieder ersetzt hat, eine Operation , für welche er, wenn auch nicht eine lange Zeit, so doch eine viel längere Zeit braucht, als der Verteidiger. Ist der Offensivstoſs aber miſs glückt, so ist doch ( unter Berücksichtigung unserer Annahmen) damit die Sicherheit der Küste noch ebensowenig in Frage gestellt wie früher, selbst wenn ein oder das andere Schiff verloren gegangen ist. Für den Angreifer wird es zunächst Sorge sein, sich in den
Besitz eines möglichst sicheren Ankerplatzes *) zu setzen, um seine Kohlenvorräte zu schonen. Die Occupation einer solchen Rhede ist unerläſsliche Vorbedingung für jede in Betracht kommende Aktion : Landung, Angriff mit der Panzerflotte, Bombardement u. 8. W. Es wird nun Aufgabe der, für weitere Offensivstöſse noch geeigneten Seestreitkräfte des Verteidigers sein , den Angreifer in dem Besitz
dieses Ankerplatzes nach äuſserster Möglichkeit zu stören . Welche Fahrzeuge, welche Schiffe er hierzu verwendet, hängt von der Lokalität und den Verhältnissen ab.
Diese Ausfälle während der
Cernierung, welche den Charakter von Handstreichen haben, werden in der Hafenverteidigung wohl am besten in der Nacht mit einzelnen Panzerschiffen und besonders Torpedobooten ausgeführt werden. Für den Rückzug dieser Ausfallschiffe ist, wie bereits oben schon *) Eine solche Rhede oder Ankerplatz für die französische Flotte 1870/71 war bei Schillig ( südlich von Wangeroog, und war es daher Aufgabe der deutschen Panzerschiffe dies zu verhindern .
Der Aufenthalt der feindlichen Flotte unter
Helgoland während der Winterstürme war höchst anstrengend und strapaziös.
Landungen und Einzelgefechte der Neuzeit.
322
erwähnt, der Besitz mindestens zweier derartiger Positionen für
jedes Operationsfeld fast ein unumgängliches Erfordernis. Ist das Ausfallthor zugleich die Einfahrt des Kriegshafens, so muſs man erst recht dahin streben , die Ausfallschiffe beim Rückzug event.
nach einem anderen Hafen seitwärts dirigieren zu können . Man gewinnt dann den groſsen Vorteil, einen Vorstoſs aus dem Kriegs hafen gegen den nachdringenden Feind ausführen oder auch nur damit demonstrieren zu können, um den Ausfall zu degagieren. Erwägtman nun , daſs defensive Einrichtungen um so vollkommener sind, je besser sie die Offensive begünstigen, so wird man auch die
Sperren derjenigen Häfen und Fluſsmündungen, welche sich über haupt für den vorliegenden Zweck eignen, derart einrichten müssen , daſs sie eben mehr leisten, als bloſs das Fahrwasser defensiv zu
sperren, daſs sie vielmehr auch die aktive Küstenverteidigung er möglichen d. b ., daſs sie gute Ausfallthore und sichere Aufnahme Positionen bilden . *) Die Flotte des Verteidigers muſs in der Lage sein, die Gegen
offensive, sei es in rangierter Schlacht gegen den anrückenden Feind, oder sei es in kleinen Offensivstöſsen im weiteren Verlauf der Ereignisse, selbst dann noch zu unternehmen , wenn die Küsten
verteidigungs-Armee ihre Dispositionen in solcher Vollkommenheit hat treffen können , daſs sie schon für sich allein den Besitz des
Küstenlandes garantiert. 3. Die lokale Defensive.
Die oft bewiesene Möglichkeit, ein groſses, stark bemanntes und schwer armiertes feindliches Schiff mit nur geringem Aufwand an Mannschaften und Kriegsmaterial vernichten zu können, hat zu
allen Zeiten und bei allen Kriegsbegebenheiten etwas höchst ver lockendes gehabt, namentlich für diejenige von zwei kämpfenden Parteien , welche zur See die schwächere war und sich daher an ihren Küsten durch die stärkere feindliche Flotte bedroht sah .
Neben den Wurfmaschinen des Altertums, der Artillerie der Neuzeit u . s. w. waren schon in den frühesten Zeiten und bis in
die neueste Zeit hinein gröſsere Feuerwerkskörper aller Art, wie *) Ein anerkannt bedeutender und wohl einer der tüchtigsten und begabtesten englischen Admirale Sir Ph. Hornby, sagt über das Blockieren von Häfen : „ die letzten britischen Flottenmanöver haben zu der Annahme geführt, daſs die Stärke eines blockierenden Geschwaders vor einem Hafen im Verhältnis von 7 zu 5 zu
den in demselben befindlichen Kräften, völlig ungenügend zum Sperren dieses Hafens ist. Er hält hierfür mindestens 8 : 5 Panzerschiffe erforderlich, die aber stets, ohne ihren Posten zu verlassen mit Kohlenvorrat versehen sein müssen . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine , Bd, LXXI., 3 .
22
323
Episoden aus dem Küstenkriege:
» Brander «, » das griechische Feuer « 1. s. w. sehr gebräuchliche und oft mit Erfolg verbunden gewesene Vernichtungsmittel des Seekrieges. Schon Alexander der Groſse bediente sich der Brander bei der
Belagerung von Tyrus im Jahre 332 v. Chr. u . s. w. Aus den Brandern entstanden später die >Explosivschiffe « oder >Höllen maschinen « ; diese Wasser- oder Seeminen wurden in dem Maſse,
wie die physikalischen Wissenschaften und die Technik fortschritten, mehr und mehr verbessert; hieraus entstanden die heutigen »See
minen « und » Torpedos« , welche das Hauptsperrmaterial der Häfen und Fluſsmündungen der Neuzeit bilden. Noch heute haben Seeminen und Torpedos mit den Braudern hinsichtlich der gegen dieselben erforderlichen Schutzmaſsregeln viel gemein. Die Ver teidigung der Hafeneinfahrt besteht, je nach der Wichtigkeit des
zu verteidigenden Objektes und des zu demselben führenden Zuganges - der Einfahrt – entweder nur in der möglichst hartnäckigen -
.
Behauptung eines Abschnittes, beziehungsweise mehrerer Abschnitte, oder es tritt noch der Gegenstoſs der in Reserve gehaltenen See streitkräfte gegen den event. eingedrangenen Feind hinzu. Natürliche Abschnitte sind enge Stellen des Fahrwassers,
also Defiléen, deren Behauptung um so leichter ist, je länger, ge wundener und schwieriger sie aufzufinden sind. Künstliche Ab schnitte sind Sperren , welche unter Geschützfeuer stehen , und nur
durch gewisse verhältnismäſsig enge Öffnungen passierbar sind. Es kommt vor allem darauf an, dem Feinde die Aufsuchung des Fahrwassers, wo nicht unmöglich zu machen , so doch diese Operation nach Kräften zu erschweren und zu verzögern . Das Studium der eigenen Hafeneinfahrt u. 8. w., sowie des Flotten
materials des Feindes, giebt die Vordersätze, aus denen sich beurteilen läſst, welche Schiffe der Angreifer verwenden kann oder muſs, um
gewissermaſsen als Spitzen der Avantgarde die Einfahrten zu rekognoszieren und für das Gros der Angriffsflotte zu bezeichnen. Dasselbe Studium liefert dem Verteidiger die Bedingungen für die Konstruktion der zu dem vorliegenden Spezialzweck bestimmten Fahrzeuge, gepanzerte Kanonenboote mit schweren Geschützen, Torpedoboote, ferner Minen und andre Sperren u. 8. w.
Trotz aller Fähigkeit und geschickten Benutzung der Lokalität, vielleicht nach groſsen Verlusten, wird schlieſslich der Angreifer die kleinen Fahrzeuge mit Übermacht zurücktreiben und in das Fahrwasser eindringen. Es kommt dann zum Entscheidungs kampf um
den Besitz der Einfahrt.
Supponieren wir, um doch
auf einigermaſsen greifbare Verhältnisse zu kommen, daſs sich der
Landungen und Einzelgefechte der Neuzeit.
324
Kampf in der äuſsersten Einfahrt zu einem groſsen Kriegshafen abspielt und daſs dieselbe nicht durch feste Werke oder Strand batterien verteidigt ist.
Was irgend über die Anforderungen der
lokalen Defensive hinaus an seegehenden Schlachtschiffen verfügbar war, sei , gemäſs unseren früheren Erörterungen , zu den einleitenden Kämpfen auf hoher See resp. zu anderen Offensivstöſsen hinaus geschickt worden . Von dem Erfolg dieser Kämpfe hängt es ab, ob der Verteidiger noch einige seiner seegebenden Schlachtschiffe in gefechtsmäſsigem Zustande in den Kriegshafen zurückgebracht hat. Je gröſser die natürlichen oder künstlichen Hindernisse in dem Abschnitt sind, um desto weniger wird es zulässig oder zweckmäſsig sein , diese groſsen Schiffe in den Defiléen selbst oder in unmittel barer Nähe derselben zu verwenden . Sie werden also unter normalen Verhältnissen als Reserve zurückbehalten werden und einen letzten
Offensivstofs gegen den Angreifer auszuführen haben, wenn derselbe
nach Überwältigung der zum Schutz des Abschnitts in Position gebrachten Streitkräfte und Überwindung der Hindernisse im Fahr wasser vordringt. Es fragt sich nun, welcher Art die Seestreitkräfte zum Schutz des Abschnitts selbst sein müssan ? Ihre Bestimmung ist lediglich eine lokale.
Jeder Hafen ver
langt eigentlich streng genommen ein anderes Sperrmaterial.. Ohne also auf die lokalen Verhältnisse einzugehen, können wir keine
Bedingungen aufstellen und sei hier nur im Allgemeinen bemerkt, daſs Seeminen und Torpedos in Verbindung mit flachgehenden gepanzerten Kanonen booten resp. Balken und anderen Sperren in Hafeneinfahrten ohne Gezeitenströmung, in Verbindung mit den Festungswerken , am geeignetesten sein werden. Eine andere wichtige Frage bei der Besprechung der Küsten
verteidigung ist das Bedienungspersonal der Küstenwerke und das Auslegen von Seeminen u. s. w. Wir sind der Ansicht, daſs dasselbe aus dem Marinepersonal
entnommen werden muſs, besonders aber das Legen der Seeminen an Orten von heftigen Gezeitenströmungen.
Der Landartillerist,
welcher nach den Küstenforts geschickt wird, findet sich plötzlich
in ganz neue Verhältnisse bineingeworfen ; er hat Waffen zu hand haben, die er früher höchstens nur aus Beschreibungen kannte, er muſs eventuell gegen einen Feind kämpfen, von welchem er keinen Begriff hatte. Mit einem Worte : Ein Mann , der nie die See und nie ein
Kriegsschiff näher kennen gelernt hat, dürfte kaum im Stande sein, die Verteidigung eines Küstenforts zweckmäſsig leiten zu können. (Fortsetzung folgt.) 22*
XXVI. Umschau
auf militärtechnischem Gebiet. Im Vordergrund des Interesses steht gegenwärtig das rauch freie Pulver. Daſs man demselben auch auſserhalb Frankreichs eine ernste Beachtung schenkt und der Verwirklichung seiner Aufnahme
in
das Waffensystem nahe gerückt ist ,
beweisen
die Äuſserungen des preuſsischen Kriegsministers als Mitgliedes des Bundesrats wie des italienischen Kriegsministers in den betreffenden parlamentarischen Körperschaften . Letzterer sprach sich schon um die Jahreswende dahin aus, daſs die Lösung des Problems ohne Hülfe des Auslandes alle Chancen biete. Der kürzlich abgetretene
preuſsische Kriegsminister stellte in der Reichstags -Sitzung vom 15. März d. J. dem Hause als möglich hin , daſs man demnächst
von demselben die Mittel zur Beschaffung eines neuen Pulvers fordern werde , welches doppelt soviel als das bisherige kosten werde. Im Zusammenhang damit stand es wohl, daſs das » Militär
Wochenblatt« in seiner Nr. 31 vom 6. April d . J. , also sehr bald nachher, einen Aufsatz : » Der Einfluſs des rauchfreien Pulvers auf das Gefecht « brachte, mit welchem Thema die > Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine « im März-Heft bereits vorangegangen
waren . In jenem Aufsatz des » Militär-Wochenblatts« , der abweichend vom sonstigen Gebrauch mit einer Chiffre (Km .) gezeichnet ist, dokumentiert sich eine auffällige Wärme und Frische der Auf
fassung gegenüber der Einführung eines neuen Kriegsmittels. Man erinnert sich der ablehnenden Haltung , welche das Blatt vor 14/2 bis 2 Jahren gegenüber dem kleinkalibrigen Gewehr beobachtet. Damals hieſs es in einem Aufsatz, es bedürfe einer zehnjährigen
Aufbewahrung, um über die Lagerbeständigkeit eines neuen Treib Km. dagegen vergleicht das Ver
mittels ins Klare zu kommen .
halten derjenigen , welche für das jetzt übliche Pulver gegenüber dem rauchfreien eintreten, mit dem der Verteidiger der glatten
Geschütze oder der Zündnadel gegenüber dem Chassepot, welche glaubten, » dem guten Alten zu Liebe das bessere Neue anfeinden zu müssen . « Diejenigen, welche noch glauben, Vorteile für das jetzige Pulver herausrechnen zu sollen , verteidigen nach Ansicht
326
Umschau auf militärtechnischem Gebiet .
des Referenten eine » hoffnungslose Sache.« Da jenem »Überflieger « bis heute noch kein Dämpfer aufgesetzt worden ist , so kann man annehmen , daſs sich Referent im Einvernehmen mit den an maſs gebender Stelle herrschenden Anschauungen befindet. Es ist daher
an der Zeit, alle taktischen und sonstigen Folgerungen aus der Natur des neuen Mittels aufs eingehendste zu ziehen , womit der Verfasser des Aufsatzes XX im
März -Heft der Jahrbücher « in so
anschaulicher Weise vorangegangen ist. Auch in der reinen Gewehrfrage stehen wir in Deutschland am Eintritt in einen neuen Abschnitt. Am 4. April d . J. hat eine preuſsische Militär -Abordnung dem Kaiser Franz Joseph in Wien im Auftrage des Deutschen Kaisers das Modell des neuen Infanterie - Gewehrs überreicht.
Damit ist also die Thatsache
der Annahme eines neuen Gewehrs aus dem bisherigen Stadium der Geheimhaltung herausgetreten . Die Konstruktions -Verhältnisse sind noch nicht veröffentlicht und, so lange dieses noch nicht erfolgt
ist, bleiben wir selbst der Versuchung gegenüber fest, aus den mannigfachen in die Zeitungen durchgesickerten Angaben uns ein Bild der neuen Waffe zu entwerfen .
Daſs sie allen Forderungen
der Zeit entspricht, können wir getrost annehmen ; daſs gewisse Beziehungen zum österreichisch - ungarischen Gewehr vorliegen
müssen, beweist die Thatsache jener Überreichung aufs bestimmteste. Welche Fortschritte die Bewaffnung des k. k. Heeres mit dem Mannlicher - Gewehr MM /88 inzwischen gemacht hat , ergab eine Mitteilung der ( Berliner) » Militär- Zeitung « Nr. 12 wonach das ( Wiener) II. Corps und die Infanterie' in Galizien schon damit bewaffnet sind. sind bereits 14
Nach den Jahresberichten für 1888 (v. Löbell ) Divisionen
im
Besitz
der
neuen
Waffe.
Dem JX. und X. Corps sollen die groſs - kalibrigen Repetier Gewehre wieder abgenommen werden . Inzwischen sind, namentlich durch die belgischen Gewehr - Versuche , Einzelheiten über das Mannlicher-Gewehr bekannt geworden , welche die Konstruktions -
Verhältnisse in einem weniger günstigen Lichte erscheinen lassen, als es auf den ersten Blick der Fall ist. Beim Gradzug -Verschluſs
haben sich , abgesehen von dem nur einseitigen Widerlager, Nachteile gezeigt, indem für die Lockerung der Patronenhülsen nach dem Schuſs keine Hebelkraft zur Verfügung steht, welche beim dreh baren Verschluſs die Schraubenflächen der Hülse gewähren . Es hat sich dies besonders bei den ohne Krämpe angefertigten neuen
Mauser'schen Patronenhülsen als wichtig herausgestellt.
Beim
327
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
Mannlicher-Gewehr giebt es nur bei leerem Magazin Einzelfeuer,
sonst immer Magazinfeuer. Das Magazin springt vorwärts des Abzugsbügels, gerade an der Stelle, welche bei »Gewehr über « die Schulter des Mannes berührt, stark nach unten vor , wodurch das Tragen erschwert wird . Das Gewicht des Gewehrs ist verhältnis mäſsig groſs und das Pulver nicht rauchfrei . Wir heben diese Umstände hervor , weil sie ein Bild gewähren , an welchen Stellen
dem vielen Guten , welches das Mannlicher -Gewehr enthält, noch Besseres zuzufügen wäre. Auf eine Munitions-Einheit mit Österreich Ungarn hat Deutschland schwerlich Wert zu legen , wenn irgend welche nachteiligen Umstände daraus erwachsen. Bei den raschen Fortschritten, welche der heutigen Technik eigen sind, ist jeder 9
Staat im Interesse seiner Selbsterhaltung genötigt , wenn
er ein
neues Kriegsmittel annimmt , stets zu dem augenblicklich Voll kommensten zu greifen ; dies schlieſst aber nicht aus , daſs trotzdem Zeitabschnitte kommen , in welchen man sich von einem dereinstigen politischen Gegner überflügelt sieht. Wollte man aus irgend einem auſserhalb liegenden Grunde eine Sache annehmen , die schon vor vier oder fünf Jahren reif geworden ist und damals vielleicht selbst vorzüglich war, heute aber überholt ist (und das kann bei vier bis fünf Jahren Bestehens mit ziemlicher Sicherheit immer angenommen
werden ), so würde man jenes ungünstige Verhältnis selber erzeugen . Man darf eben keinen Augenblick vergessen , daſs wir uns in einer sebr raschlebigen Zeit befinden.
Manche gute alte Maxime, z. B.
» das Bessere ist der Feind des Guten « kann unter Umständen auf dem militär-technischen Gebiet recht verderblich wirken .
In Frankreich hat in jüngster Zeit eine neue Gewehr Patrone viel von sich reden gemacht, bis die Erfindung durch ein Machtwort der obersten Gewehr - Autorität, des Generalmajor Gras,
Inspekteur der Waffen -Manufakturen des Staates , zur Ruhe ver wiesen worden ist . Ein chemischer Technologe Biennait erstrebt mit seiner Idee zweierlei : Ersatz der Metallhülse durch einen
organischen Stoff, der sich bei der Zersetzung des Pulvers völlig(?) in Gas auflöst und keine Spur von Rückstand hinterläſst, Wahl
eines Geschoſsmaterials, welches bei dem Durchschlagen selbst des widerstandsfähigsten Ziels nicht die mindeste Gestalt -Veränderung
erleidet. *) Als Vorteile werden betont: wesentliche Verminderung des Munitions -Gewichts, damit zulässige Vermehrung der tragbaren *) Man ist geneigt an das Metall Wolfram zu denken , welches bereits in
Deutschland als Ersatz des Bleis bei Gewehrgeschossen vorgeschlagen wurde.
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
328
Patronenzahl, erheblich billigere Munition, auſserordentliche Durch
schlagskraft der Geschosse. Das Pulver ist das bisherige französische Gewehrpulver, die Patrone soll sowohl für M/74 als M/86 brauch bar sein, der Verschluſs verlangt aber wieder eine Liderung.
Was
General Gras sagt, ist bezeichnend : Das neue Pulver erheische eine widerstandsfähige Hülse , da es sonst nicht die nötige Kraft ent wickle.
Bereits seien 7000 Patronen pro Mann auf Lager, eine
Umänderung in gedachtem Sinne stelle also die ganze seit vier Jahren mit groſsen Kostenaufwand beschaffte Munitions -Ausrüstung wieder in Frage.
Wir glauben auch, daſs die feste Umhüllung des
Pulvers, wie sie die Metallhülse bietet, mit Rücksicht auf die gute Erhaltung der Patrone im Magazin von nöten ist und nicht durch Papier oder Leinwand ersetzt werden kann. – Nach der » Armée terri toriale « wurde in Auxerre ein neues Gewehrpulver versucht, welches bei einer Verminderung der Ladung von 5,25 g auf 3 g die Geschwindig keit des Geschosses beim Gras -Gewehr M /74 von 450 auf 580 m
steigert , das groſskalibrige Gewehr also in dieser Hinsicht fast , auf das Niveau des M/86 bringt. Rauchlosigkeit und sehr geringer Rückstofs werden dem Pulver gleichfalls zugeschrieben.
Italien hat bei seinem durch Umänderung eines einfachen Hinterladers zur Bündelladung enstandenen Repetier-Gewehrs M/70, 87 die ballistische Wirkung durch Annahme einer neuen Patrone erhöht.
Das Pulver ist mittelst Hanfkohle hergestellt, die Ladung beträgt 4,15 g (nicht 15 g wie Esercito Ital. Nr. 23 irrtümlich berichtet ). Das Geschoſs hat Kupferführung. Die Konstruktion wird dem Feuerwerks-Laboratorium von Bologna zugeschrieben. Die Anfangs geschwindigkeit wird zu 490 m angegeben (bisher 430 m ). Der Gewinn steht wohl noch im Verhältnis zu alle den Komplikationen
( Visierung, Schieſs - Vorschrift,Gebrauchsregeln), welche die Änderung im Gefolge bat.
In Belgien findet die entscheidende dritte Reihe der Gewehr Versuche statt.
Die Resultate der letzten Vergleichs - Versuche mit
Gewehren verschiedener Einrichtung, stehen noch aus. Schweden stellt neuerdings die Munition für kleinkalibrige Gewehre selber her. Das Pulver ist ein in den Bestandteilen ver ändertes Schwarz - Pulver, welches in den Hülsen verdichtet wird.
Als nachteilige Eigenschaft der rauchfreien Pulversorten wird der hohe und ungleichförmige Druck der Gase bezeichnet und die An
nahme einer abwartenden Stellung in der Pulverfrage empfohlen. Eine Entscheidung ist hier noch nicht getroffen.
329
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
Von Russland verlautete vor Kurzem , es habe die Einführung des Cumming- Repetier-Gewehrs beschlossen.
Niemand
war über
diese Nachricht so sehr überrascht, als – Herr Cumming selber, Ein Aufsatz im > Russischen der keine Ahnung davon hatte. Invaliden « von General Wasmundt , der ersten Fach -Autorität dieses
Gebietes , spricht sich gegen das Magazin -Gewehr , aber für das kleine Gewehrkaliber aus.
Bezüglich der Wertschätzung des heutigen deutschen Feld
geschützes im Vergleich mit demjenigen Frankreichs und Russlands hat sich im Schoſse des » Militär-Wochenblattes « und der gleicher Leitung unterstehenden » Militär -Litteratur -Zeitung « eine interessante Polemik entwickelt. Wir hatten in unserer Umschau im Märzheft der
» Jahrbücher « die Bender'sche Broschüre über das Feldgeschütz der Zukunft erwähnt. Ein Referent im Januarheft der Militär- Litteratur
Zeitung « hatte sich mit etwas weitgehender Wärme auf den Bender schen Standpunkt emporgeschwungen und namentlich die Leistungs fähigkeit des deutschen Feld -Materials C/73 als hinter derjenigen fremder Artillerien , insbesondere der Französischen und Russischer , In gewissem Sinne hatte dies Major
zurückstehend erachtet.
R. Wille in seinem bekannten Werke : » Über die Bewaffnung der Feld -Artillerie« Berlin 1880, schon nachgewiesen , ohne, soweit wir uns zu erinnern vermögen, einer Widerlegung zu begegnen . Der Unterschied war kein entscheidender, das bessere Geschoſssystem Deutschlands gegenüber dem damaligen Frankreichs, die hohe Schieſs fertigkeit und taktische Schulung des deutschen Personals glichen die geringen Vorteile, über welche damals die französische Feld Artillerie in Folge der später als in Deutschland erfolgten Rohr
Konstruktion verfügte, mehr als aus, Russland machte uns damals noch keine politischen Sorgen , hatte es doch sein neues Feld -Material ganz aus deutscher Quelle beziehen können . Inzwischen hat Frankreich
ein besseres Shrapnel-Geschoſs mit Doppel- Zünder angenommen, auch die Qualität des Personals wird Fortschritte gemacht haben ; die Bender'sche Mahnung erschien daher wohl nicht ungerechtfertigt.
Daſs die von ihm vorgeschlagenen Verbesserungen, namentlich der groſse Drallwinkel und das groſse Geschoſs-Gewicht (12 kg) am Platze, kann gerechter Maſsen angezweifelt werden. Wir können die Frage hier nur streifen, es ist aber unsere PAicht, auf den Aufsatz im >>Militär-Wochenblatt « Nr. 14 hinzuweisen , welcher , indem er den Referenten der Militär -Litteratur -Zeitung « abthun will, zu dem »
Schlusse kommt, daſs » nach allseitiger Abwägung der Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Geschütze das dentsche Feld -Artillerie
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
330
Material gegenüber dem Französischen und Russischen immer noch den Vorzug verdient. « Wenn es nur darauf ankam, die öffentliche Meinung zu beruhigen, die heute auſserhalb der militärischen Kreise den Bewaffnungsfragen viel eingehender und interessierter folgt, als man gemeinhin annimmt, so mochte die Erklärung des Militär Wochenblattes« hingehen. Der Verfasser des Artikels über das
rauchlose Pulver in Nr. 31 hat dies jedenfalls nicht geschrieben und würde es nur für einen sehr schwachen Trost erachten.
Was
uns not thut und was Bender will, was auch auſser dem »Militär Wochenblatt« Nr. 14 und einem
zweiten Referenten der >>»Militär
Litteratur- Zeitung «, im Märzheft, Jedermann für Benders Absichten einnahm , das ist die starke Überlegenheit in materieller Hinsicht , welche zu erstreben er der deutschen Feld - Artillerie als
eine Notwendigkeit hinstellt. Die Motion » Bender« ist jedenfalls noch nicht aus der Welt geschafft, mag man über den einzu schlagenden Weg denken, wie man wolle. Hoffentlich erweist sich Alles als ein Streit um Kaisers Bart und die Lösung der Pulver frage, die doch zweifellos in erster Linie der Feld - Artillerie zu Gute kommen wird, hebt uns mit einem Schlage auf die Höhe, welche wir Alle wünschen. — Wir möchten bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daſs bezüglich des Standpunkts, auf welchem sich gegenwärtig unser Feld -Artillerie -Material befindet, die neueste Auflage des > Leitfaden für den Unterricht in der Waffenlehre an
den Königlichen Kriegsschulen « 1888 auf kürzestem Wege Auskunft giebt ; eingehender finden wir solche in dem Abel'schen Werk für Einjährig -Freiwillige der Feld- Artillerie. Das » stolze Albion « befindet sich mit seinen neuen Hinter lader - Feldgeschützen noch immer im Stadium der Ungewiſsheit.
Seit sechs Jahren sind die Versuche im Gange. Nach der » Rivista d'artigleria e genio « handelt es sich jetzt um drei Kaliber : Zwanzigpfünder als Bewaffnung der Positions-, Zwölfpfünder als solche der Feld-, leichte Zwölfpfünder als solche der reitenden
Batterien . Der Zwanzigpfünder, mit acht Pferden bespannt, feuert ein Geschoſs von 9 kg, der Zwölfpfünder (Kaliber 7,62 cm) ein solches von 5,675 kg. Der Zwanzigpfünder ergiebt eine Geschoſsgeschwindig keit von 513 m, der Zwölfpfünder eine solche von 524 m , der leichte solche Zwölfpfünder (mit geringerer Geschützladung) eine solche
von
468 m .
Nach der » Revue maritime et coloniale « vom Februar d. J. hat
das
französische Geschütz - Pulver ( Poudre BC)
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
331
bereits bei der Schiffs - Artillerie Eingang gefunden .
Die Geschoſs
geschwindigkeiten erreichen damit angeblich 7–800 m ohne Ge fährdung der Haltbarkeit der Röhre. Das Pulver ist dem rauch losen Gewehr-Pulver analog.
Vom Krupp'schen Etablissement in Essen liegen uns eine Reihe von Mitteilungen vor. Die ballistischen Angaben über Panzergranaten L /3,5 und L/2,8 mit Gefechtsladung für Kanonen L /40 und L/35, C/87 zeigen gegenüber denjenigen C/86 insofern
eine Veränderung als Geschützladungen, Anfangsgeschwindigkeiten, Rohrgewichte geringer geworden sind, die Leistung an lebendiger Kraft
pro Kilogramm Rohrgewicht aber zugenommen hat. Die aufgeführten Kaliber sind 12, 15, 17, 21 , 24, 26, 28, 30/2, 35 '/,, 40 cm . Beim
40 cm Kanon L /40, C/87 ergeben sich folgende Werte: Rohr gewicht 124,6 Tonnen ( 143), Geschützladung 400 kg (485), Anfangs geschwindigkeit 610 m ( 640) , lebendige Kraft an der Mündung 19914 Metertonnen (21910), durchschlagene Panzerstärke an der Mündung 112,13 cm (120,7) , dagegen lebendige Kraft in Meter Kilogramm pro Kilogramm Rohrgewicht 160 (153) , alles für die Panzergranate L /3,5 von 1050 kg Gewicht. Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf C/86. Die Schieſs - Versuche mit neuen Pulversorten , welche in den letzten Jahren stattgefunden haben, erstreckten sich auf: Das
»grobkörnige Geschütz -Pulver C/86 « und das » Prismatische Pulver C / 86 « der » Vereinigten Rheinisch -Westfälischen Pulverfabriken in Köln « .
Das erstgenannte Pulver stimmt in Form, Gröſse der
Körner und Farbe mit dem bisherigen » grobkörnigen Pulver « für Feld -Geschütze ziemlich überein , hat aber eine andere Zusammen setzung. Daraus entspringen folgende Vorteile : Gröſsere Leistung pro Kilogramm , sehr geringer und leicht zu beseitigender Rückstand,
dünner leicht verfliegender Rauch , geringere Feuererscheinung; die Feuchtigkeits - Anziehung ist etwas gröſser als beim alten Pulver, wogegen aber die heutige bessere Verpackungsweise den entsprechen den Schutz gewährt. Das Pulver wurde probiert: Beim 4 cm, 5 cm , -
6 cm , 7,5 cm Kanon L/40 mit Metallpatronen , bei der 7,5 cm Feldkanone L/30 mit Metallpatronen und mit gewöhnlichen Kartuschen , bei der 8,4 cm Kanone L/27 mit Metallpatronen , bei der 8,7 cm Kanone L/24 mit gewöhnlichen Kartuschen . Mit 3 % der alten Ladung erhält man etwa die gleiche Leistung wie bisher.
Das
Prismatische Pulver C/86 ergab eine wesentlich gröſsere Leistung pro Kilogramm als C/82 , dabei gleiche Geschwindigkeit bei kleinerem
Drucke als letzteres ; ohne Überschreitung des zulässigen Druckes
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
332
konnten Geschoſsgeschwindigkeiten erreicht werden, die mit Pulver C/82 nicht zu erzielen sind .
Die Versuche fanden statt :
Beim
10,5 cm Kanon L/35, 15 cm Kanon L/25, 15 cm Belagerungs Kanon L/28 und L/30, beim 15 cm Schiffskanon L /35. -- Die Ver /
suche mit Krupp'schen schnellfeuernden Kanonen sind fortgesetzt worden. Zu den früheren 8,4 cm Kanonen mit Messingpatronen sind hinzugetreten : 4, 5, 6 und 7,5 cm Kanonen L /40 , die 10,5 cm .
Kanone L /35 und die 13 cm Kapone L/35. Alle Kanonen sind aus
Tiegelguſsstahl gefertigt. Bis zum 8,4 cm Kanon hinauf ist der vertikale, beim 10,5 und 13 cm Kanon der horizontale Keilver schluſs. Die 4 und 5 cm
Kanonen haben als Laffeten einen Ständer,
welcher auf dem Schiffsdeck festgeschraubt wird ; ein Rücklauf existiert nicht; bei den Laffeten der übrigen ist ein Rücklauf von 3 Kaliber gestattet. Nach dem Schusse geht das Rohr selbstthätig in die Feuerstellung vor.
Alle Kanonen schieſsen Granaten, Shrap
nels und Kartätschen , für jedes Kaliber von gleichem Gewicht. Die Geschoſsgeschwindigkeiten liegen zwischen 500 m ( 13 cm Kanon ) und 654 m (4 cm Kanon), die Gasdrücke zwischen 1950 und 2200 Atmosphären. Die Geschwindigkeit des Feuers pro Schuſs ist bis zum 7,5 cm Kanon hinauf 3-3 %, Sek., beim 10,5 cm 4 Sek. , beim 13 cm 5 Sek. An stählernen Panzerplatten wurden durchschlagen : vom 4 cm Kanon 55 mm Stärke, vom 5 cm Kanon 75 mm Stärke, vom 6 cm Kanon 100 mm Stärke.
An Panzer-Schieſsversuchen gröſserer Kaliber liegen Berichte vor über solche aus der 28 cm Kanone L/22 und aus der 24 cm Kanone
L/35 gegen eine Stahleisen- und gegen eine Schmiedeeisen-Platte von Cammel et Co. in England, Stärke 39,5 cm, Hinterlage aus Eichenholz von 20 cm. Die 24 cm Granaten (215 kg) haben beide Ziele glatt durchschlagen, Rechnung und Versuchsergebnis stimmten Die 28 cm Kanone (Granate 250 kg), welche
gut zusammen .
älterer Konstruktion ist, ergab zwar auch ein sehr günstiges, indes nicht so übersichtliches Resultat, da die Granaten die Ziele nicht ganz durchschlagen haben . Ein anderer Versuch fand aus der
21 cm Kanone L / 35 statt. Derselbe giebt ein glänzendes Zeugnis von der Gröſse der Durchschlagskraft der Kruppschen Geschosse ab :
Ziel Stableisenplatte von Cammel et Co. , 39/2 cm ( 15 '),% Zoll) Stärke, dahinterliegende Wand von 20 cm Eichenholz und zwei Innenhautbleche von je 2 cm Stärke, Geschoſs Stahlgranate L /3,5 von 138 kg Gewicht, Auftreffgeschwindigkeit 550 m . Die Geschosse wurden vollständig unversehrt, nur ganz wenig gestaucht, hinter dem Ziele wiedergefunden, das eine auf 40 m , das andere auf 670 m .
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
333
Es ist dies dasselbe Kaliber ( 72 Pfünder) , womit um die Mitte der
sechsziger Jahre die Panzerschieſsversuche in Preuſsen begannen ; damals erschien die Schmiedeeisen - Platte von 11,4 cm (4'7 " ) noch als ein leidlich wirksamer Schutz.
Welche Fortschritte sind
aber auch seitdem gemacht in Rohr-, Geschoſs -Konstruktion und Material, wie im Treibmittel ?
Am Schlusse der vorigen Umschau hatten wir Mitteilungen über die Schutzpanzerungen versprochen, welche das Gruson werk nach den Vorschlägen des Oberstlieutenant Schumann herstellt. Panzerkuppeln nennt General v. Sauer in seinem abgekürzten Angriff
gegen feste Plätze (vergl. Aprilheft) das alleinige Schutzmittel, um den kämpfenden Mann und das feuernde Geschütz wirksam gegen
steil einfallende Geschoſse zu decken . » Man darf wohl behaupten, daſs es, gerade in der Panzerfrage, Deutschland ist, welches sich die Führung erobert und hierfür dem Oberslieutenant Schumann
des Königlich preuſsischen Ingenieur - Corps und dem nach seinen Angaben arbeitenden Gruson werk ganz besonderen Dank zu sagen hat. Schumann
nennt
seine neuesten
Konstruktionen
Panzer
laffeten , auf Grund der starren Verbindung des Panzers mit der Laffete, bei welcher das Gewicht des Panzers zur Hemmung des Rücklaufs ausgenutzt und die Hydraulik durch eine gewöhnliche Winde ersetzt wird. Eine als Manuskript gedruckte Broschüre : » Die Panzerlaffeten auf dem Schieſsplatze des Grusonwerk bei Magdeburg-Buckau « von Julius v. Schütz, Ingenieur des Grusonwerk , enthält die mit Zeichnungen ausgestatteten Erläuterungen über das Gruson - Schumannsche System. Die Basis der Geschütz- Armierung bildet nicht mehr das 15 cm Ringrohr, sondern das 12 cm Rohr, welches mit ausreichender Wirkung den groſsen Vorzug vereinigt, daſs es ohne Hydraulik in versenkbaren Panzerlaffeten aufgestellt und dem feindlichsn Feuer so gut wie völlig entzogen werden kann. Jeder 12 cm wird unterstützt von 2 gepanzerten Mörsern mittleren Kalibers ( 12 oder 15 cm), auſserdem kann gegen Hohlbauten hier und da ein 21 cm Mörser oder 21 cm Haubitze zur Verwendung kommen . Jede der aus einem gepanzerten 12 cm und zwei Mörsern bestehenden Batterien wird von mehreren 53 mm Schnellfeuer
geschützen unterstützt, welche den leichten Truppengeschützen ent sprechen, die zur Sicherung der Kampfgeschütze in Batterie gestellt werden . Diese befinden sich gleichfalls in versenkbaren Panzerlaffeten. Endlich wird aus 37 mm Schnellfeuergeschützen in fahrbaren Panzer laffeten , gleichsam die Infanterie ersetzend, eine Vorpostenlinie her
334
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
gestellt, welche man auch Schützengrabenpanzer nennen könnte, da die fahrbaren Laffeten in einen Schützengraben eingeschüttet werden.
Eine solche Normal- Panzerbatterie umfaſst nach einer
vorliegenden Skizze einen schwerern 12 cm in versenkbarer Panzer zwei 12 cm Panzermörser , sechs 53 mm Schnellader (Versenklaffeten ), einundzwanzig 37 mm Schnellader (fahrbare
laffete ,
9
Panzerlaffeten ). Die Anhäufung von Panzern in fortsartigen Anlagen ist vermieden und die ganze Feuerkraft in Linie entwickelt , über einstimmend mit General v. Sauers Grundsätzen.
Die fahrbare
Panzerlaffete für den 37 mm Schnelllader kommt in zwei Konstruk
tionen , einer leichteren und einer schwereren vor. Die Hauptteile sind : der fahrbare Blechmantel , welcher im Schützengraben ver senkt ist, und die drehbare Panzerdecke, mit welcher das durch
eine Scharte feuernde Rohr verbunden ist ; letzteres liegt dicht über den Erdboden , die Drehung geschieht zugleich mit der Panzerdecke durch ein Handrad. Der bedienende Mann sitzt rittlings hinter dem rücklauffreien Rohre, ein zweiter Mann reicht die Munition zu,
welche in 6 Munitionskasten im Innern befindlich ist. Die ganze Laffete ist auf zwei Rädern fahrbar, Gewicht mit Geschütz (ohne
Räder) 1300 kg.
Das Munitionsmagazin zählt 400 Schuſs.
Die
leichtere Konstruktion hat 100 Schuſs, sie wird auf einen besonderen
Wagen gesetzt, das Gesamtgewicht (ohne letzteren ) beträgt 900 kg. Bei den versenkbaren Panzerlaffeten ist der Hauptteil die Panzerhaube, bestehend aus Panzerdecke und Panzerring. Letzterer, die Scharte des Geschützes enthaltend, hat vertikale Führung im Vorpanzerring. Beim Feuern ist Panzerring und -Decke hoch, das Geschütz überragt den Vorpanzer, zum Laden senkt sich die Haube, sodaſs die Decke auf dem Vorpanzerring ruht. Unter dem Vorpanzer befindet sich der Unterbau mit Bewegungsvorrichtung sowie mit der Einrichtung zur Lagerung der Munition .
Von der Oberfläche
des Vorpanzers ab nach abwärts ist alles in die Erde versenkt. Beim Schieſsen tritt das 53 mm Schnellfeuerkanon mit seinem Rohr
über die Scharte vor, das 12 cm Kanonenrohr ist stets mit seiner ganzen Länge innerhalb der Haube. Die Panzerlaffeten für Mörser
entstehen, indem das Mörserrohr mit einem kugelförmigen Pauzer versehen ist, welcher die in der Panzerdecke des Mörserstandes be
findliche Schartenöffnung verschlieſst. Das Mörserrohr ergänzt also die Panzerdecke .
Der Panzerstand des 21 cm
Mörsers ist durch
einen Ring von Hartguſsplatten gedeckt, dessen Öffnung die kugel förmige, ebenfalls in Schalenguſs hergestellte Ausbauchung des Mörserrohrs fast vollständig ausfüllt.
Das neue Eisenbahngesetz in Italien .
335
Zu weiteren
Einzelheiten fehlt uns hier der Raum .
Wem
nicht das als Manuskript gedruckte Werk selber zugänglich ist, findet noch weiteren Aufschluſs durch Militär-Wochenblatt Nr. 30
von 1888, sowie die Entwickelung des Gruson werk während der letzten Jahre « von J. v. Schütz (Sonder - Abdruck aus » Internationale Revue « , IV. Quartal 1888).
Die fahrbare Panzerlaffete gewährt
Schutz gegen Gewebr- und Shrapnelfeuer, die schwerere Konstruktion
auch gegen Feldgranaten und 15 cm Mörsergranaten. Die versenk bare Panzerlaffete sichert gegen Belagerungsgeschütz. Die Kugel des Mörsers ist so hart, daſs ein eigentliches Eindringen von Geschossen ausgeschlossen ist.
Von der Armierung haben wir die Schnellfeuergeschütze das letzte mal gekennzeichnet.
Der 12 cm besteht aus Gruson'scher
Mangan bronze. Die 12 und 21 cm Mörser sind Gruson'sche Hart
guſs-Kugelmörser. Der 12 cm hat Schrauben - Spindelverschluſs, die -
Mörser haben Schrauben -Kammerverschluſs. Das Grusonwerk verfügt heute über die nötigen Einrichtungen zur Geschütz -Fabrikation in groſsem Maſsstabe. Die neueste Konstruktion ist eine 12 cm Sch .
Schnellfeuer -Haubitze in Panzerlaffete.
XXVII. Das neue Eisenbahngesetz in Italien. Die letzte Stunde des Jahres 1888 hat für das Eisenbahnwesen -
Italiens noch eine einschneidende Veränderung – und zwar eine Veränderung von der gröſsten Tragweite für die mili tärischen Interessen des Landes gebracht. Am 19. De zember v . J. legte der Minister der öffentlichen Arbeiten Saracco
der Kammer eine Forderung von nicht weniger als 86 Millionen Lire zur Hebung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen vor ; am 23. genehmigte die Kammer den Gesetzentwurf mit 175 gegen 32 Stimmen, am 27. that der Senat dasselbe mit 65 gegen 10 Stimmen und am 31. Dezember enthielt das amtliche Blatt
bereits die Veröffentlichung des Gesetzes !
Die italienische Gesetz
gebung hat damit gezeigt, daſs sie rasch zu arbeiten versteht, wenn es darauf ankommt; das italienische Volk aber , wie opfermutig es
Das neue Eisenbahngesetz in Italien .
336
in Sachen der Landesverteidigung sein kann , denn zur selben Zeit, als es die Forderung dieser 86 Millionen gutbiels, bewilligte es
146 Millionen auſserordentlicher Ausgaben für Heer und Flotte. War dieser Betrag für unmittelbare Zwecke der Landesverteidigung bestimmt, so jener für mittelbare. Jeder mit den Verhältnissen Italiens Vertraute weiſs, daſs in
der Verbindung der südlichen Teile des Reichs mit den nördlichen also in den Eisenbahnen
der wundeste Punkt der italienischen
Landesverteidigung zu suchen war. Das neue Gesetz soll Abhilfe schaffen, zum Mindesten den Anfang dazu machen. Paragraph 1 gestattet die Entnahme von 2 Millionen Lires aus den Reserve- Patrimonial-Kassen der drei Eisenbahn - Verwaltungen
( adriatisches Netz , mittelländisches Netz und sicilianisches Netz). *) Paragraph 2 ermächtigt die Regierung, durch Ausgabe von Eisen bahn-Obligationen oder auf einem anderen ihr zweckmäſsig er scheinenden Wege 84 Millionen Lire flüssig zu machen . **) Ein Wort zunächst über die
Patrimonial - Kassen .
Als
Italien 1885 den umgekehrten Schritt that , wie Preuſsen in den letzten Jahrzehnten, seine Eisenbahnen nämlich entstaatlichte und
die Verwaltung drei Privat-Gesellschaften übertrug, wurde bestimmt, daſs ein gewisser Prozentsatz vom Reingewinnst in diese Kassen Alieſse, um dann zu Verbesserungen des Eisenbahnwesens soweit -
sie nicht in den PAichtbereich der Gesellschaften selbst gehörten verwandt zu werden . Man erwartete einen raschen Aufschwung des Betriebes und dadurch reiche Einnahmen . Der Kammer Ausschuſs sagt aber in seinem Bericht über die in Frage stehende .
Eisenbahn - Vorlage: »Hinsichtlich dieser Kasse gab man sich , um die Wahrbcit zu sagen , sehr rosigen Hoffnungen hin und die Minister der Finanzen und der öffentlichen Arbeiten rechneten auf
sie für Handelszwecke und anderen Anlagen, für welche weiter keine Mittel ausgeworfen waren, als das hypothetische Aufblühen des Bahnverkehrs . «
Die in der Anlage veröffentlichte Übersicht beweist dagegen, daſs diese Voraussetzung aus Gründen, deren Erörterung hier zu *) Vergleiche einen Aufsatz über die Entstaatlichung der italienischen Eisen bahnen im Oktober -Heft 1885 der „ Jahrbücher. “
**) 1. Zur Beschaffung von rollendem Material. 2. Metall-Konstruktionen und Brückenanlagen. 3. Bahnhofsanlagen u. s. w. 4. Vermehrung der Geleise, Weichen U.
S.
W.
5. Wasserstationen und Kohlenniederlagen . 6. Verdoppelung und Aus
besserung der Geleise. 7. Herstellung von Verbindungsgeleisen zwischen im Betriebe befindlichen Linien.
337
Das neue Eisenbahngesetz in Italien .
weit führen würde, nicht eintraf.
Es hätten nämlich von 1886 an
die Festland - Bahnen eine jährliche Zunahme des Betriebes um 3 '/2, die sizilianischen Bahnen um 2 '/, Prozent ergeben müssen . Die Wirklichkeit blieb erheblich dahinter zurück . «
So haben sich also
die Bedenken, welche 1885 von einsichtigen Männern über die
Entstaatlichung der Eisenbahnen ausgesprochen wurden , rasch und in vollem Umfange erfüllt. Die einzelnen Positionen der bewilligten Summe lassen ihren Zweck klar erkennen. Hinsichtlich des rollenden Materials waren am 1. November 1888 vorhanden :
2137 Lokomotiven, 5989 Personen- und 38,297 Güterwagen im Be
triebe ; 113 Lokomotiven, 685 Personen und 2259 Güterwagen im Bau. Zu Nr. 6 und 7 bemerkt der Ausschuſsbericht :
> Da die
Gestalt unserer Halbinsel und ihrer Gebirgszüge, die längs der Küsten laufenden Eisenbahnlinien im Kriegsfall sehr gefährden, so wird dann auch der Betrieb auf der rückwärts gelegenen Linie
Neapel -Rom und Rom-Florenz ein schwieriger.
Die Ansammlung
einer Million Streiter im Thale des Po erheischt weiterhin eine
sichere und rasche Verbindung zwischen dem Fuſs der Alpen, Turin, Mailand und dem venetianischen Gebiet. Von diesem Gesichtspunkte aus sollen die Arbeiten in Angriff genommen werden und zur Legung eines zweiten Geleises auf diesen Linien sind 53 Millionen Lire ( einschlieſslich Nr. 7) für erforderlich gehalten . « Die italienischen Bahnen sind zu % 10 der Gesamtlänge eingeleisig.
Doppelgeleise weisen nur Stücke einzelner Linien und die ganze Linie Turin -Genua auf. Man will jetzt also mit der Fertigstellung des zweiten Geleises auf den inneren » Linien « – wie der Ausschuſs -
-
an einer anderen Stelle sagt — beginnen und zwar mit einer inneren Linie durch die Halbinsel und mit einer quer durch Oberitalien. > Ein Ausschuſs von Ingenieuren und Generalstabsoffizieren – so heiſst es weiter im Kammerbericht
hat in diesem Herbst eine
sorgfältige Untersuchung aller in Betrieb befindlichen Linien vor genommen und in einem Bericht an den Minister diejenigen Vor
schläge gemacht, welche in der Anlage A (uns leider nicht zugänglich geworden) niedergelegt sind. Das vorliegende Gesetz will vor allen Dingen doppelgeleisige Verbindung zwischen Neapel und Chiusi, (liegt in der Mitte zwischen Rom und Florenz), Rho und Chiaosso, Alessandria und Cantalupo. Ausgeschlossen soll die Linie Chiusi-Arezo -Florenz sein, und zwar
ihrer geringeren Bedeutung wegen . Der Minister erklärte auf unser Befragen, daſs er die Inangriffnahme auf dieser Linie zur Zeit für
Das neue Eisenbahngesetz in Italien.
338
unthunlich halte, da entsprechende Vorarbeiten noch nicht ausgeführt seien und da wegen der vielen dort erforderlichen Kunstbauten die
Kosten sehr hoch werden könnten . Der Ausschuſs gab nach langer
Verhandlung mit den Kriegsminister und dem Minister der öffentlichen Arbeiten die Berechtigung dieser Gründe zu , war aber der Ansicht, daſs das erstrebte Ziel nicht erreicht werden würde, wenn man nicht die
Linie Chiusi- Florenz
die einzige im Kriegsfalle wirklich
mit aufbessere. Wenn sich nun auch für den Augen blick hierin nichts ändern läſst, so schlägt der Ausschuſs doch, um
sichere
seine Ansicht für die Zukunft niederzulegen, die folgende Tages ordnung vor : » Die Kammer fordert die Regierung auf , mit der
gröſsten Beschleunigung die Vorarbeiten für die Legung eines zweiten Geleises auf der Linie Chiusi-Arezzo -Florenz ausführen zu lassen
und gleichzeitig die Fertigstellung der Linie Florenz - Faenza zu beeilen . «
Das Fehlen einer doppelten Verbindung zwischen Chiusi und Florenz würde vorläufig dadurch ausgeglichen werden , daſs die Linie
Chiusi-Siena-Empoli, welche bei letztgenanntem Ort in die Linie Florenz- Livorno mündet, durchUmgestaltung der Krümmungen und Steigungswinkel, sowie durch Legung von Stahlschienen, anstatt der bisherigen eisernen , leistungsfähiger gemacht wird. Diese Bahn (Florenz-Empoli- Siena -Chiusi) würde also gleichsam das zweite Geleise der direkten Linie Florenz - Arezzo - Chiusi darstellen .
Ver
bindungsgeleise sollen zu Rom zwischen den Linien Rom - Neapel und Rom - Florenz hergestellt werden .
Ein Teil der bewilligten 50 Millionen soll zur Ausbesserung - wir haben uns gescheut, das Wort rifacimento wörtlich mit »> Wiederherstellung « zu übersetzen - der bestehenden Linien Ver
wendung finden . Hinsichtlich der Notwendigkeit dieser Ausbesserung berichtet der Kammerausschuſs :
» Die
italienischen Eisenbahnen
ältester Bauart – und das sind gerade diejenigen , die von dem sind sehr mangel vorliegenden Gesetz ins Auge gefaſst werden haft (le più difettose ). Angelegt, als die Kunst des Eisenbahnbaues noch in den Kinderschuhen stak , als die einzelnen Landstriche
Italiens noch nicht zur Einigung gelangt waren , weisen diese Eisen bahnen Mängel auf, die stets zur Sprache kamen , so oft Minister
und Techniker sich damit zu beschäftigen hatten . Starke Neigungs winkel , Krümmungen mit kleinem Halbmesser, Brücken von geringer Tragefähigkeit, Schienenbefestigung nach veraltetem System , im Raum beschränkte Bahnhöfe mit zu wenig toten Geleisen, das Fehlen
direkter Verbindungen, wie z. B. bei Rom (s. o.) : Alles das war Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine,
Bd . LXXI., 3.
23
Das neue Eisenbahngesetz in Italien,
339
wohlbekannt und sollte allmählich gebessert werden. Es wurde sogar ein besonderes Kapitel im Staatshaushalt für Arbeiten solcher
Art eingefügt .« einem
Den geschilderten Mängeln soll nun zum gröſsten Teil mit Schlage und zwar durch Verwendung der bewilligten
86 Millionen abgeholfen werden. Der Kammerausschuſs spricht zum Schluſs noch den Wunsch aus, daſs bereits der gegenwärtige Winter - der ja in Italien für derartige Arbeiten nicht hinderlich sei, aber eine Menge von Arbeitern beschäftigungslos mache – aus genutzt werde. Da im Paragraphen 2 des neuen Eisenbahngesetzes die Arbeiten ausdrücklich als dringlich und unaufschiebbar « be
zeichnet sind, so kann die Regierung unverweilt mit denselben vorgehen . Anderenfalls hätte sie die gesetzlichen Fristen , wie sie für den Abschluſs von Lieferungs- und Arbeitsverträgen , von Ex propriationen u. s. w. vorgeschrieben sind, einhalten müssen . Was den Bau neuer Linien angeht, so wird der Staatshaus halt für 1889–90 dafür besondere Beträge auswerfen . Bemerkens wert ist, daſs der Kriegsminister, General Bertolè - Viale, am 22. No vember 1888 in der Kammer darauf hinwies, wie bereits 1879 einer
seiner Vorgänger eine Reihe von Linien genannt habe, deren Aus bau aus strategischen Gründen als sehr wünschenswert bezeichnet
werden müsse. Für viele dieser Linien sei das bislang ein frommer Wunsch geblieben . ( Der Kammerbericht bemerkt dazu: »>Be wegung ! « ) Es unterliegt keinem Zweifel, daſs Italien auch in dieser Be ziehung die Hände nicht in den Schoſs legen wird. Diese Opfer freudigkeit der Italiener ist um so höher anzuerkennen, als die Finanzverhältnisse des Landes z. Z. keineswegs glänzende sind. Gegner des Bündnisses der Centralmächte haben wohl behauptet, daſs diese gewaltige Anspannung der Wehrkraft nur eine Folge dieses Bündnisses sei. Italien werde durch Deutschland und Österreich in den Strudel des Militarismus mit hineingerissen . Solchen
Politikern sagte der Kriegsminister in der wiederholt erwähnten Kammersitzung mit vollem Recht, daſs Italien, wenn es isoliert bliebe, noch weit mehr zu rüsten haben werde, um sich seiner Haut zu wehren !
K. v. Br.
XXVIII. Umschau in der Militär -Litteratur. I. Ausländische Zeitschriften . Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. XXXVIII Bd . 3. Heft : ,, Klein - Döttingen und Dietikon 1799. “ Eine vortreffliche kriegs geschichtliche Studie, in welcher Verfasser (Oberst Kirchhammer) ausführt, daſs die Denker in den Heeren zu allen Zeiten den ungeheuren Wert der .
Vorbereitung erkannt haben. „ An Kenntnissen ist man am Tage der Anwendung nur dann reich, wenn man davon einen übergrofsen Reichtum besitzt. “
Initiative und Offensive . “
4. Heft :
Der Auf
klärungsdienst gegen überlegene Kavallerie. “ – „ Die Schnell feuerkanonen und der Zukunftsfortschritt der Feld - Artillerie.
Die Annahme der Prinzipien der Schnellfeuerkanonen für die Konstruktion neuer Feldkanonen wird warm befürwortet.
Beachtenswerter Aufsatz !
,, Ein Beitrag zur Ausbildung der Technik des Infanterie Gefechts. “ - „n Das deutsche Exerzier -Reglement. “" Streffleur's Österreich. - Militär - Zeitschrift. ( März ) : „,, Angriffs Formation der Kavallerie auf Infanterie , Betrachtungen über
die Verwendung der groſsen Kavallerie körper in der Schlacht. “ (Fortsetzung ). - „ Über die Ausbildung der Kavallerie für den Kampf mit der Infanterie. “ - „ Abschaffung der Pike bei den k. k. Ulanen. ““ Die Wiedereinführung dieser 1884 gänzlich abgeschafften Waffe wird befürwortet.. -- , Die taktische Gliederung im Kampfe mit Rücksicht auf die Feuerkraft des Repetier -Gewehrs. " Letzteres
bedingt vor Allem gröſsere Dichtigkeits -Verhältnisse im Kampfe, was Verkleinerung der Kampffronten zur Folge habe. Armeeblatt. Nr. 14 : „ Das Fechten zu Pferde. “ Eine gröſsere Pflege desselben, ein abgestufter Unterricht sei zu wünschen, das „ Säbel schwingen zu Pferd“ , wie es jetzt geübt werde, verleihe dem Reiter nicht
die erforderliche Geschicklichkeit. -- Nr. 15 : „ Vorschläge zu einem neuen Feuergefecht der Kavallerie. “ – Nr. 16 : „, Zum Kampfe -
ums Wehrgesetz. “ Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ . Nr. 28 : „ Steht unsere Feld - Artillerie auf der Höhe der Situation ? (Schluſs). Die Notwendigkeit einer Artillerie - Vermehrung wird dringend betont; jetzt
noch sei es Zeit, vom Staate dieses groſse Opfer zu verlangen, bald könne es zu spät sein und Ströme des Blutes seiner Soldaten müſsten dieses Versäumnis sühnen ! Nr.31 : „ Amerikanisches Geschützwesen . “ 23 *
Umschau in der Militär- Litteratur,
341
Militär-Zeitung. Nr. 24 : „ Der Tag von Novara ; “ Erinnerung an die vierzigste Wiederkehr dieses Ruhmestages.
„ Mortara - Novara , der
Kürzeste aller Feldzüge – Die eigentliche Aktion dauerte bloſs 45 Stunden -
lieferte den Beweis, was das Genie eines gottbegnadeten Feldherrn im Verein mit talentvollen , erprobten Generalen und todesfreudigen Truppen selbst unter den ungünstigsten Chancen zu leisten vermag. Zum Schlusse wird an den versöhnenden Willkommen -Gruſs erinnert, welcher unlängst Erzherzog Albrecht am lombardischen Ufer des Gardasees entgegen schallte : „ Wer hätte dies im Bereich der Möglichkeit gehalten heute vor 40 Jahren Distanzritt. “ 8 Offiziere der „ Infanterie
am Tage von Novara. “
Equitation “ in Innsbruck unternahmen in der Zeit vom 16. bis 23. März einen Distanzritt über den tiefverschneiten Brenner bis Trient und zurück ;
es wurden in dieser Zeit 386 km auf Dienstpferden , bei vielfach sehr
ungünstiger Witterung und Bodenbeschaffenheit zurückgelegt. – Eine in Nr. 26 : „ Denkmale auf dem der That vorzügliche Leistung ! e grätz. htfeld In der Sitzung des ungarischen “ – von König Schlac Abgeordnetenhauses wurde das neue Wehrgesetz mit den bekannten
Abånderungen der Vorlage in dritter Lesung (4. April) angenommen . Nr. 29 und 30 : „ Ver Nr. 27 : „ Strategische Eisenbahnen . 66
mehrung der Kavallerie . “
Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie -Wesens. 3. Helt : Über Positions- Artillerie. “ Die Anwendung von Wurfgeschützen im Feldkriege, wird auch unter Hinweis auf den Aufsatz des General v. Sauer im Januar -Hefte der „ Jahrbücher f. d . D. A. u. M. “ besprochen . - „ Starke Lichtquellen für militärische Zwecke. “
Le Spectateur militaire.
Band 45. - Lieferung 209 u. 210 : „ Das
deutsche Reglement. 66" - ,, Entwurf eines Exerzier - Reglements
für die Infanterie. “ ( Fortsetzung .) – Bemerkungen über die Ar mee und ihre Organisation . ( Fortsetzung .) – Studien über den -
Gebrauch der Gendarmerie im
Felde. “"
(Fortsetzung ). –. „,, Eine
neue Gewehr- Patrone“ wird jetzt eingehenden Versuchen unterworfen ; selbige soll der jetzigen des Gewehrs M/86 bedeutend überlegen sein. Sie bedarf keiner metallischen Umhüllung, ist folglich leichter, gestattet also
eine abermalige Vermehrung der Taschenmunition ohne Mehrbelastung des Soldaten ; auch soll sie um 70 % billiger sein als die jetzige , ver
unreinigt nicht das Innere des Laufes und kann sowohl für das Gewehr M /74 als auch M /86 benutzt werden. Ihre Durchschlagskraft ist angeb lich eine bei Weitem gröſsere, auf 100 m durchbohrte sie noch eine Bestätigung dieser Nachrichten Schwarzblech - Platte von 11 mm Stärke. ist abzuwarten !
-
„ Tragbare Deckungsmittel in Deutschland.“
Spectateur kommt nochmals auf seine früheren Vorschläge, betreffend die
Einführung von Aluminium -Schilden zurück und sucht dies damit zu be gründen , daſs man solche in Deutschland (?) eingehenden Versuchen unterworfen .
Revue du Cercle militaire. Nr. 13 : „ Das neue Exerzier - Reglement
Umschau in der Milităr-Litteratur.
342
für die Infanterie , titre III : Ecole de compagnie. “ Dasselbe wird im Allgemeinen als ein groſser reglementarischer Fortschritt bezeichnet. – Militärisches Leben im äuſsersten Osten “ ( Tonkin ) ( Nr. 13 u . 14) - Nr. 14 : Über die Beteiligung von Reserven an der Erstürmung von Stellungen. “ „ Nachtmanöver von Kertch . “ Anknüpfend an einen Aufsatz des Rouskii Invalid wird darauf hingewiesen , daſs die
Tragweite und Trefffähigkeit der jetzigen Waffen einen unternehmenden Gegner dazu auffordern, mit Hülfe der Dunkelheit die Verluste beim Sturm auf Stellungen, welche bei Tage unüberwindlich seien, zu mindern.
In Russland betrachte man Nachtmanöver als eine Notwendigkeit der gegenwärtigen Taktik und erziehe die Truppe in diesem Sinne.
Nr. 15
und 16 : „ Die Aufgabe der Festungen in der Gegenwart. “ Revue d'Artillerie. Eisen und Bronze. “
(April): „ Einfluſs des Aluminiums auf „ Über die Ballistik des M. Siacec. “
,, Englische Belagerungs -Schieſsübungen 1887. “ Revue de Cavalerie.
( April ):
„ Die 5. Eskadron. “
Die
Ein
fübrung einer solchen nach deutschem Muster wird dringend gewünscht. Die deutsche Ka vallerie während des Krieges 1870-1871 . “ ( Fortsetzung.) L'Avenir Militaire. Nr. 1356 : , Besetzung höherer Kommando stellen. “ XVIII. Armee-Corps: General Ferron , vormaliger Kriegsminister,
an Stelle des General Cornat; XIX. Armee-Corps (Algier) : General Bréart
(bisher Delebecque); XVII. Armee-Corps: General Warnet (bisher Breart); XIII. Armee-Corps : General Dufaure du Bessol ( bisher Warnet). - Im Jahre 1888 haben, dem A. m . Nr. 1357 zu Folge, von 20 Armee-Corps 9 ,
seit dem Januar 1889 bereits 7 ihren kommandierenden General gewechselt. Das genannte Blatt beklagt diesen häufigen Wechsel, namentlich in Rücksicht auf den Mobilmachungsplan, welcher steten Abänderungen unter
liege. – „ Ordens - Verleihungen .“ Zur 100 jährigen Gedenkfeier der 72
Revolution von 1789 sollen 1000 Kreuze der Ehrenlegion und 730 Militär Medaillen , die eine Hälfte am 5. Mai, die andere am 1. November (Tag der Eröffnung , bezw. des Schlusses der Pariser Weltausstellung) an die Armee verteilt worden .
Nr. 1359 : Kürzlich hat in aller Stille eine
Probemobilmachung der hart an der deutschen Grenze stehenden
11. Division stattgefunden. A. m . tadelt es, daſs gewisse Zeitschriften gewisse Einzelheiten über dieses bisher wenig beachtete Ereignis gebracht haben !
„ Schieſsübungen der Territorial -Armee . "
Jede zur
Übung einberufene Compagnie wird 20 Lebel -Gewehre erhalten , jeder Mann 12 Patronen M /86 , 8 M/79.
Le Progrès Militaire. Nr. 877 : Uniformtragen der Offiziere . “
Der Kriegsminister hat der Kammer ein Gesetz unterbreitet, wonach jeder nicht in der aktiven Armee angestellte Offizier, welcher bei anderen als den durch die militärischen Vorschriften
bestimmten Gelegenheiten
Uniforin trägt, mit 6 Tagen bis 2 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 16 bis 500 francs, oder einer von beiden Strafen belegt wird ; aus
343
Umschau in der Militär-Litteratur.
genommen sind Generale der Reserve oder zur Disposition, ebenfalls nicht aktive Offiziere , deren Posten eingegangen ist oder die zeitlich erkrankt
sind.
Nr. 879 P. m . sagt bezüglich des General Boulanger : man
beuge sich in Frankreich gern vor dem Kühnen, welcher den Erfolg zur Seite habe, aber die Sympathie wende sich ab von denen, welche über die Grenze gehen , um sich vor dem gerichtlichen Urteilsspruch in Sicherheit zu bringen ! - ,, Lebel -Gewehr. “ Die ganze Territorial-Armee wird in kurzer Zeit mit demselben bewaffnet und dann in der Lage sein , der aktiven Armee zur Seite ins Feld zu rücken .
Nr. 882 :
Rechen
schafts - Bericht über die Rekrutierung im Jahre 1889. “
Ein
gestellt wurden im Ganzen (Heer und Flotte) 158,278 Mann, darunter 10,08, welche weder lesen noch schreiben konnten. Die mittlere Körper
gröſse betrug 1,64 m . Wiederanwerbungen von Unteroffizieren und Soldaten gab es 6,683 also 286 mehr als im Vorjahre. La France militaire . Nr. 1476 : „Schleifung fester Plätze. “ Von den Kammern ist eine gewisse Zahl solcher kürzlich verfügt worden. Die
Maſsregel wird, in Rücksicht auf den gegenwärtigen Stand der Befestigungs kunst, beifällig besprochen. — Nr. 1481: „ Die groſsen Artillerie Linien .“ – Nr. 1484 : „Batterien von 8 Geschützen und Abteilungen von 4 Batterien. “ L. F. m . schlägt vor,, jedes Armee --Corps mit 132 Geschützen (gegenüber 120 des jetzigen Systems) auszurüsten, davon
64 für die beiden Infanterie - Divisionen, 68 für die Corps-Artillerie (von diesen 18 reitende). – Nr: 1488 : „ Der Signalschuſs auf Vorposten . “ F. m. macht darauf aufmerksam , daſs die neuen Gewehrpatronen mit ihrem schwachknallenden Pulver, dessen Schall nicht stärker sei als derjenige eines Revolvers von groſsem Kaliber, keinen Signalschuſs mehr
gestatten. Marschall Bugeaud habe schon für den Fall, daſs ungünstige Witterungsverhältnisse den Schall des Schusses nicht hörbar werden lieſsen , die Anwendung von Petarden, im Gewicht von 1-2 Pfund Pulver, in Vorschlag gebracht. Dieser von Bugeaud vorgesehene Ausnahmefall sei jetzt die Regel ; es sei notwendig, die Vorposten mit derartigen weithin hörbaren Signalen auszustatten, und zwar könne man jene Petarden, die zu schwer seien, durch solche, welche mit 150 gr. Mélinit zu füllen seien und keinen Platz wegnehmen und sehr leicht sind, ersetzen . Die Ange legenheit verdiene ernstliche Erwägung, wenn man im nächsten Feldzuge die demoralisierende Überrumpelung von Vorposten vermeiden wolle.
Nr. 1490 : Bei einem am 13. April stattgehabten Schieſsversuch mit Mélinit -Granaten krepierte eins dieser Geschosse im Rohre aus bisher nicht ermittelten Ursachen .
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 13 : „ Verordnung des Bundesrates betreffend die Dienstzeit der Offiziere. “ Die Dienst pflicht dauert: Im Auszug: für Lieutenants bis zum 34., Hauptleute 38.
in der Landwehr: für alle Offiziere bis zum 48. vollendeten Lebensjahre. Im Landsturm bis zum vollendeten 55. Lebensjahre. Stabsoffiziere können
bis zum vollendeten 48. Lebensjahre entweder dem Auszuge oder der
Umschau in der Militär - Litteratur,
Landwehr zugeteilt werden.
344
An die vom Bunde unterstützten Schützen
gesellschaften sollen , laut Zirkular vom 1. März d . J., auſserordentliche Abgaben von Repetiergewehren , M. 1869/71, auf Verlangen im Verhältnis zu der Anzahl ihrer Mitglieder, welche sich freiwillig im Schieſsen üben, stattfinden . Revue militaire suisse. Nr. 4 : „ Die Artillerie - Taktik bei den Manövern
1887. “
,, Truppenzusammenzug im Jahre 1889 " :
An den Herbstmanövern werden Teil nehmen die 3. Division (Divisions
Übungen) und 5. Division (Brigadeübungen ), ferner 2 Landwehr-Infanterie Regimenter ; die Divisions- und Brigademanöver finden in der Zeit
zwischen dem 5. und 12. September in der Gegend zwischen Bern und Soleure statt.
La Belgique militaire. Nr. 942 : Der gröſsere Teil dieser Nummer be
schäftigt sich nach wie vor mit der brennenden Frage der , Allgemeinen Wehrpflicht “ und der geplanten Heeres -Reorganisation ; auch Gemeinde Vorstände sprechen sich neuerdings zu Gunsten derselben aus, nicht minder
Zeitungen gewisser politischer Richtung, so das Journal „la Meuse“ vom 22. März. – Das neue Repetiergewehr wird in Lüttich hergestellt werden ; ein Syndikat der Waffenfabrikanten bat Vorbereitungen getroffen 3
Was zur ' Fabrikation von 150,000 Gewehren . Mr. 943 4. 944 : würde Belgien eine feindliche Besitzergreifung kosten ? “ Dieser
Aufsatz fordert auf, eine Armee zu schaffen, welche der das Land drohenden
Gefahr entsprechend sei, die jetzige sei geschwächt durch die Art ihrer Rekrutierung; sämtliche Bürger müſsten in ihren Reihen stehen. The Admiralty and Horse -Guards -Gazette.
Nr. 227 :
97
Militärische
Überlegenheit.“ Die Wehr - Verhältnisse der Heere der drei durch Defensiv - Bündnis eng verbundenen Mächtewerden beleuchtet. Deutschland nimmt durch die Aufopferung der ganzen Nation für den Heeresdienst die erste Stelle ein . Die Nation vermehrt sich, allerdings nur in den Städten jährlich um eine halbe Million. Trotz der dadurch bedingten Auswanderung vermehrt sich die Wehrkraft in günstiger Weise. Groſser Reichtum ist nicht vorhanden, doch sind die Finanzverhältnisse so geordnet, daſs im
Kriegsfall keine Schwierigkeiten entstehen können. Österreich ist durch die Zusammenstellung verschiedener Nationen in nicht günstiger Lage. Ungarn, Czechen und Polen vermehren sich nicht, die Deutschen hingegen in derselben Weise wie in Deutschland. Im Kriegsfall liegt in der Ver schiedenheit der Nationen eine nicht zu unterschätzende Gefahr.
Die
Finanzverhältnisse genieſsen weniger Vertrauen , da die Steuerkraft auf
das Äuſserste angespannt ist. Ungarn bietet dem Angreifer die denkbar günstigsten Verpflegungsverhältnisse für Reitermassen . Bekleidung und Ernährung des österreichischen Heeres sind aus Sparsamkeitsrücksichten ungenügend. In Italien nimmt die Bevölkerung zu, doch gewinnt das
Heer nicht dadurch, da der Bauernstand durch schlechte Ernährung und übergroſse Steuern kein kräftiges Menschenmaterial liefert. Die verhältnis mäſsig sehr starke Flotte entzieht dem Landheer zu viele Kräfte. Die
345
Umschau in der Militär- Litteratur.
Finanzen sind ungünstig, im Kriegsfall wird es kaum möglich sein, die erforderlichen Geldmittel aufzubringen. Nr. 228 : ,,Militärische Aus bildung “. Bis vor wenigen Jahren galt die Exerzierausbildung als einziger Mafsstab für Beurteilung der Leistungen einer Truppe. Seit dem Jahre 1883 hat man sich bemüht, hierin Fortschritte zu machen. Bis jetzt ist darin aber nur wenig erreicht, da den Offizieren die Fähigkeit feblt, zu lehren und in geistiger Beziehung mehr auf die Erziehung zu wirken .
Army and Navy Gazette. Nr. 1519 : „ Das Kriegsministerium und die Volunteers. Das Kriegsministerium hat beschlossen , die Volunteers brigadeweise 4 Tage lang in den Orten und unter den Verhältnissen üben
zu lassen, wie sie im Falle einer Kriegserklärung Verwendung finden sollen. Die Zahl der dazu einberufenen Volunteers beträgt aber kaum die Hälfte der sonst zu Manövern vereinigten Stärke. Man glaubt darin eine schwere Schädigung der Leistungsfähigkeit der Volunteers zu sehen, wenn nur die Hälfte der sonst eingezogenen zur Übung gelangt, Ersparnisrücksichten dürfen in diesem Falle nicht geltend gemacht werden. - Nr. 1521 : „ Rekruten - Aushebung im Jahre 1888. Seit dem Jahre 1882 ist
das vergangene Jahr in Bezug auf Rekruten - Anwerbung das ungünstigste gewesen , was
um so mehr zu verwundern, da in Handel und Industrie
kein groſser Bedarf an Arbeitskräften war. Kavallerie, Ingenieure und Artillerie haben ihren Bedarf decken können .
Es folgt eine statistische
Zusammenstellung der verschiedenen Bezirke, die in einzelnen Fällen regel mäſsige Zunahme, in anderen das Gegenteil aufweist. Mit der ärztlichen
Untersuchung ist man schärfer vorgegangen wie in früheren Jahren, in Folye dessen sind weit weniger Leute als dienstunbrauchbar entlassen. Dauernde Verbesserung des Anwerbungssystems ist nur zu erwarten , wenn
für die Versorgung der Soldaten nach
beendeter
Dienstzeit
mehr
gesorgt wird .
Wajennüj Ssbornik 1889. Nr. 4 : „ Der Anfang der stehenden Heere und der Stand der Kriegskunst im Zeitalter Ludwig XIV. und Peters des Groſsen.“ (Schluſs.) ( Schluſs.) von Pusürewsky. Als Beispiele für die Kriegführung und das Kriegswesen dieser Epoche werden der Feldzug Turennes 1675 im Elsaſs, die Operationen des Marschalls Villars bei Denain 1712 und der Kampf Peters des Groſsen mit Karl XII. einer kritischen Betrachtung unterzogen. Die Strategie dieser Zeit steht derjenigen Gustav Adolphs bei weitem nach. Das allmählich zur Geltung
gelangende Magazinsystem , eine Steigerung zu schwerfälligem Methodismus, das Streben der Centralgewalt, aus weiter Ferne auf die Operationen ein zuwirken, drücken der Kriegführung den Stempel des Schleppenden und des Kleinlichen auf. Die Theorie, daſs das Manövrieren die Hauptsache, das Schlagen aber erst in zweiter Linie stehe, gewinnt an Umfang. In der Verteidigung macht sich die Neigung zur Zersplitterung der Truppen (Cordonsystem ) bemerkbar.. - „ Der Dienst früher und heute. “ (Aus
den Erinnerungen eines Compagniechefs .) Schluſs. von Butowski. Bilder
Umschau in der Militär - Litteratur,
346
aus der Zeit des oft mit dem Scheinwesen verknüpften Dienstlebens der
alten Schule ; ihre Mängel, ihre Vorzüge und Vergleiche mit der heutigen russischen Armee mit kurzer Dienstzeit.
Russisches Artillerie - Journal.. 1889.
Nr. 2 :
Eine Methode der
theoretischen Schieſsübung mit Hülfe des Taschenbuches. “ Bisher wurden diese vorbereitenden Übungen in der russischen Armee nach dem vom Obersten Muratoff vorgeschlagenen Apparat betrieben. Um
nun aber diese Übung aus dem Zimmer auf das Feld zu übertragen, macht K. Kondrazky, gestützt auf die Autorität von Schklarewitsch, einen sorg fältig durchgearbeiteten Vorschlag.
„ Die Schwierigkeiten beim n
Schieſsen der Feldartillerie in gröſseren Verbänden und ihre A bhülfe.“ (Übersetzung.) Broschüre : „ Bericht über den prak ' tischen Schieſskursus in der Offizier - Artillerie - Schule.
1888. “
Russisches Ingenieur-Journal. 1889. Nr. 1 : Untersuchung der modernen
Mittel
zur
Belagerung und
Verteidigung von
Festungen “ von K. Welitschko (Fortsetzung ). Enthält u. a. die deutschen Versuche in Kosel 1883 , in Kuhnersdorf 1883 und 1884 , die italienischen
in Palmanova 1884—1885, die französischen in Malmaison 1886, in Bourges und Saint Cyr 1886-1887 , sowie diejenigen in Bukarest 1886 mit den von den Russen als ,,Bomben-Torpedos “ bezeichneten Zerstörungsmitteln.
Vergleichende Übersicht über die Organisation der Ingenieur truppen in den Heeren der europäischen Militärmächte.“ Deutsch
land : 654 Offiziere u. S. W. , 12,285 Mann, Österreich -Ungarn: 446 Offz.u.s.W., 8492 Mann, Frankreich : 564 Offz. u . s. w. , 13,240 Mann , Italien : 377 Ofr. , 7701 Mann, Russland : 903 Offz., 21,231 Mann . Russland besitzt die meisten Eisenbahntruppen, Frankreich die geringste Zahl, letztere Macht
dagegen die stärkste Pontoniertruppe, Italien die verhältnismäſsig zahl reichste Formation für den Telegraphendienst. Im Verhältnis zur Gesamt stärke des Heeres im Frieden hat Italien die stärksten Ingenieurtruppen (37; %.), Deutschland und Frankreich die schwächsten ( 2 / % ). „ Das Denkmal aus türkischen Geschützen in St. Petersburg " (mit
2 Skizzen). Geschichtliche Notizen über die Entstehung dieses zur Er innerung an den Feldzug 1877/78 an der Kirche der heiligen Dreieinigkeit ( Swataja Troiza) auf Befehl des Kaisers errichtete Denkmal, nur mit einer Siegesgöttin gekrönte , 13,5 Saschen (gegen 29 m ) hohe Säule und Be
schreibung der vom Ingenieurcorps ausgeführten Arbeiten. Esercito italiano. Nr. 38 : Vom 8. bis 20. April hat im Bezirk des Corps Rom unter Leitung des 2. Chefs des Generalstabes der Armee, General-Lieutenants Sironi ein Cadremanöver (eine Generalstabsreise) statt
gefunden , an welcher sich eine Anzahl von Generalstabs -Offizieren und alle diejenigen Truppen - Offiziere beteiligten, die zum Generalstabe kommandiert sind . Nr. 42 : In Rom tagt gegenwärtig unter Vorsitz des Chefs des Generalstabes der Armee, Generals Cosenz, eine Kommission aus 3 General
majors, 2 Obersten, 1 Oberst und einem Major des Generalstabes behufs Beratung der im Exerzier -Reglement für die Infanterie vorzunehmenden
347
Umschau in der Militär -Litteratur.
Änderungen. Voraussichtlich werden aus den „Normen für den Kampf der 3 Waffen “, die vom Generalstabe vor einigen Jahren ausgearbeitet wurden, mit leichten Modifikationen die taktischen Grundsätze in das
überarbeitete Reglement aufgenommen werden. – Nr. 44 : Ein italienischer -
Offizier - Verein . Aus den Reihen des Heeres heraus ist jüngst die An regung zur Bildung eines italienischen Offizier - Vereins nach deutschem
und englischem Muster hervorgegangen. Seitens des Kriegsministeriums ist derselben jedoch noch nicht Folge gegeben worden .. -- Nr. 45 : Der Kreuzer Piemonte, der demnächst die italienische Flagge tragen wird, soll eines der mächtigsten Schiffe der Flotte werden.
Der Stablrumpf hat
97 m Länge, 2500 Tonsgehalt, zablreiche Compartiments. Das Schiff hat 2 Humphray -Maschinen mit dreifacher Expansion , 12,000 Pferdekraft (indic). Gefordert waren 21 Knoten Geschwindigkeit, man hofft aber 22 zu erreichen . Das Schiff erhält 6 Hundertpfünder, 6 Kanonen zu 45,
10 Sechspfünder und 6 Schnellfeuergeschütze System Maxim. Alle Ge schütze sollen auf Schnellfeuer (5–10 Schuſs in der Minute ) eingerichtet sein . Hinzutreten 6 Torpedolancier -Rohre und 3 elektrische Maschinen. Nr. 7 : Der Ausgleich der Carrieren : Ein Revista militar. parlamentarisches Dokument, das die neuen Grundsätze über Beförderung, die den Cortes vorgelegt worden sind, enthält. Den Grundzug der Neue
rungen, die beantragt werden, bildet der Gedanke der Trennung des Ranges von der Funktion, so daſs z. B. auch Generalmajors eiu Regiment kommandieren könnten . Gegen die Vorschläge lassen sich als gewichtigsten Grund die Zustände in Spanien anführen, die zum Teil die Ursache der vielen früheren militärischen Pronunciamenten bildeten .
Revista cientifico - militar. Nr. 8 : Die Geschichte des Krieges auf Cuba. – Die Hauptschlachten des Krieges 1870/71 und kurze Darstellung dieses Krieges. Memorial de Infanteria . Nr. 5 : Bajonett und Feuer. die Ausbildung der Infanterie im Feuergefecht.
-
Ideen über
Memorial de Ingenieres del Ejercito. Nr. VIII : Die Organisation der Küsten -Verteidigung in Europa.. Russland. Sehr bemerkenswerte, durch
beigegebene Skizzen illustrierte Darstellung der Verteidigungs -Anlagen in Kronstadt , Dünamünde, Wiborg und Helsingfors.
Krigsvetenskaps - Akademiens - Handlingar och Tidskrift.
Nr. 7 : Eine
streitige Ansicht über den Infanterie -Angriff. Norsk- Militaert- Tidskrift.
3. Heft :
Die moderne deutsche Auffassung
über die Rolle der Reiterei und die damit in Verbindung stehende Anderung der deutschen Kavallerie -Organisation . Militaert-Tidskrift. 1. Heft: Das Schwimmen der Kavallerie. II .
Bücher .
Der Kampf um Constantinopel. Von Otto Wachs. Sonder Abdruck aus der Internationalen Revue über die gesamten >>
Umschau in der Militär -Litteratur.
348
Armeen nnd Flotten « . 2. Auflage. Leipzig , E. Baldamus.. 1888.
Preis M. 1 .
Der Aufgabe genügend, auf obige Publikation des bekannten Verfassers die Aufmerksamkeit unserer Leser zu lenken, sei vorweg bemerkt, daſs wir es hier keineswegs mit einem jener übel beläumundeten „ Zukunfts kriege“ zu thun haben , wie der Titel glauben machen könnte, sondern
mit einer ernsten, scharf durchdachten militär-politischen Studie, welche sich eine der wichtigsten Zeitfragen , die orientalische , zum Thema wählte.
Die Einleitung bildet ein „Geschichtlicher Rückblick “ auf die mehr als tausendjährige Vergangenheit des meerumspülten Byzanz, der Christen Constantinopel, der Türken Stambul; einer jener seltenen Orte auf dem Erdenrunde, an denen sich von jeher die bedeutendsten und folgenschwersten Ereignisse abgespielt haben. Wiederum bereiten sich dort, an der Scheide zweier Weltteile, in absehbarer Zeit Entscheidungen vor von unendlicher Tragweite, für den kulturellen Fortschritt sowohl , wie für die gesamten Interessen der alten Welt .
Abermals droht der Weltstadt am Bosporus
ernste Gefahr, dieses Mal von ihrem mächtigen nordischen Nachbar, dessen Trieb , sich nach freien Meeresküsten Bahn zu brechen, mit elementarer Gewalt geltend macht. Verfasser erinnert u. A. an ein denkwürdiges
Wort Napoleon I. , als der Zar Alexander I. von demselben Constantinopel als den Schlüssel zu seinem Hause naiv begehrte. „ ולConstantinopel ist die denkbar glänzendste aller Eroberungen , “ erwiderte der erstere,
„welche ich selbst dem erklärtesten Feinde der Engländer nicht gönne. Constantinopel russisch ? Niemals ! Das wäre die Herrschaft der Welt.“ Seit Peter des Groſsen Zeit bietet Russland, so lehrt die Geschichte, ziel bewuſst Alles auf, um in den Besitz der „ Schlüssel Alexanders I. “ zu 46
gelangen . Diesem Zwecke allein, nicht der Befreiung der Bulgaren (die nur Mittel zum Zwecke sein sollte) galt auch der letzte russisch -türkische Krieg.
Constantinopel ist die gefährdetste Hauptstadt der Welt, aber Natur und Kunst im Verein haben hier auch mächtige Schutzwehren geschaffen,
deren Bewältigung freilich die Lösung der orientalischen Frage bedeuten
dürfte. – Einer kurzen Schilderung der geographischen Lage der Stadt folgt eine „ Militärische Betrachtung“ , vom militär-geographischen zunächst, dann strategisch - fortifikatorischen Standpunkte: die Befestigungen der
Wasserstraſsen ; dann die westwärts Constantinopel, landeinwärts gelegene Verteidigungsfront, welche bestimmt ist, den östlichen Teil von Thrazien zu decken, jene zwischen dem Schwarzen und Marmara-Meere gelegene, 40 km breite Halbinsel ; endlich die kleinasiatische Landseite, die Achilles ferse von Constantinopel; letzteres in um so höherem Maſse, seitdem Kars
in russische Hände gefallen ist. - Es folgt dann eine mit genialen
Strichen gezeichnete Schilderung der militärischen russisch - englischen Stellung in und zu Vorder-Asien ; Verfasser weist nach, daſs der Glaube
349
Umschau in der Militär- Litteratur.
an die strategische Wichtigkeit Cyperns augenblicklich „ graue Theorie", daſs ferner die Stellung Brittaniens am persischen Meerbusen lediglich kommerzieller Natur sei und jeden militärischen Haltes entbehre. Weitere
Aufschlüsse über diese nur flüchtig angedeuteten Beziehungen wird man in des Verfassers früheren Schriften finden : „ Die Weltstellung Englands, militärisch - politisch beleuchtet , namentlich in bezug auf Russland (Th. Fischer, Cassel) und ,das Mittelmeer vom militärischen Gesichtspunkte, insbesondere die Stellung der Engländer in demselben “ (3. Beiheft zum Mil. Woch. Bl . 1884.
Im Schluſs-Resumé , betreffend die Bedeutung Constantinopels, der ungeheuersten Burg zweier Erdteile, der Armeefestung und Flottenstation mit dem vielfachen strategischen Uferwechsel, des durch Natur und Kunst befestigten Lagers im Südosten des Erdteils “, wird darauf hingewiesen,
daſs der Bosporus namentlich militärische Vorzüge vereinige, wie wir sie ein zweites Mal nirgends wiederfinden . Russland in Constantinopel würde der europäischen Mittelmeerpolitik Schach bieten, Westeuropa in Handel und Wandel zu einer Trabanten -Rolle (?) verdammen.
Constanti
nopel verteidigt alle Plätze am Schwarzen Meere ; das Zarenreich mit der Position am Bosporus würde nicht allein ein mächtiges Vorwerk gegen Westen und Süden , den besten Ausfall- und Zufluchtshafen der Welt ge
winnen , sondern einen trennenden Keil zwischen das europäische und asiatische Staatensystem eintreiben, der das Mittelmeer da erreicht, wo es
am verwundbarsten ist. - Wer den streng logischen Betrachtungen des
Verfassers aufmerksam und mit den nötigen geographisch -geschichtlichen Kenntnissen versehen folgt, wird sich unserer Ansicht anschlieſsen , daſs
wir es hier nicht mit Utopien zu thun haben, sondern mit einem licht
vollen Ausblick in eine vielleicht nicht zu ferne Zukunft, in welcher das hier entworfene, farbenreiche militär- politische Bild greifbare Gestalt gewinnen dürfte! Bei den Schluſskapiteln : „ Wirtschaftliches , Religiöses , Resultat“, 19
welche des Interessanten in Fülle enthalten, können wir zu unserem Be „Zu welcher dauern nicht verweilen ; der Raum gestattet es nicht. Stunde die Schicksalsfrage in Constantinopel gestellt werden wird,“ sagt Verfasser zum Schluſs, „kann heute noch Niemand sagen, obgleich alle Zeichen verkünden , daſs wir uns dem Tage der Entscheidung naben. Videant Consules . “
Möge die hier ertönende Kassandra - Stimme an he
teiligter Stelle , zumal an den Gestaden des Goldenen Hornes , nicht un gehört verhallen .
1.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges. Von H. Kunz, Major a. D. Mit vier Schlachtenskizzen . Berlin . Verlag von R. Wilhelmi 1889. Sonderabdruck aus : Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine .
Den Lesern unserer Zeitschrift werden diese im vergangenen Jabre in den Spalten derselben veröffentlichten Schilderungen zur Genüge
Umschau in der Militär- Litteratur.
350
bekannt sein. Doch wollen wir nicht unterlassen , die Aufmerksamkeit nanientlich jüngerer Offiziere auf dieselben zu lenken . Der Verfasser hat eine hervorragende Begabung in der leicht faſslichen , klaren und knappen Behandlung taktischer Vorgänge. Seine verdienstvolle Arbeit wird Jeden in den Stand setzen, sich, ohne umfangreiche Werke zu Rate ziehen zu
müssen , ein sicheres Urteil über die taktische Seite der Kämpfe des Krim krieges zu bilden. Die dort gesammelten Erfahrungen sind, trotz aller Fortschritte der Waffentechnik, mehr oder minder noch heute von maſs gebender Bedeutung, darum nicht veraltete. Wir wünschen der kleinen,
überaus lehrhaften Schrift verdiente Verbreitung, da auch wir der Ansicht des Verfassers
nur zustimmen können , daſs (leider ! ) „ der Wert des 6
Studiums der Kriegsgeschichte noch immer nicht genug gewürdigt wird. " 1.
Geschichte des pommerschen Pionierbataillons Nr. 2, zusammen gestellt von Troschel , Hauptmann und Compagniechef im
pommerschen
Pionierbataillon
Nr. 2.
Berlin
1888 .
E. S. Mittler & Sohy .
Eine fesselnd geschriebene Truppengescbichte, welche besonders für die Feldzüge 1864 und 1870/71 ein interessantes Bild der Thätigkeit der
aus dem Bataillon formierten Feldcompagnien giebt. Von Tag zu Tag werden die den Pionieren im Felde gestellten Aufgaben und die denselben
entsprechenden Leistungen vorgeführt, so daſs hier die Kriegsgeschichte zugleich zu einer Erläuterung der „ Feldbefestigung in Beispielen “ wird ,
wie wir sie in verschiedener Bearbeitung (z. B. von Hauptmann Schueler) besitzen .
Daſs die pommerschen Pioniere mit Freuden jede gebotene
Gelegenheit ergriffen, nicht nur technisch , sondern fechtend thätig zu sein, beweisen die Kämpfe bei Dijon und die Teilnahme an der Schlacht bei Champigny. Seitdem das Werk erschienen, haben die für Westpreuſsen so schweren Ereignisse des Frühjahres v. J. den braven Pommern be kanntlich Gelegenheit gegeben, durch hingebende Aufopferung sich auszu zeichnen und auch im Frieden“
neue
Ruhmesblätter
den
früheren 17 .
hinzuzufügen.
Strategisch -taktische Aufgaben nebst Lösungen. Heft 1. Mit 3 Krokis und einer Generalstabskarte von H. v. Gizycki. Vierte , nach der Felddienstordnung umgearbeitete und
wesentlich vermehrte Auflage. (Mierziensky).
Hannover 1889.
Hellwing
Die Vortrefflichkeit der vorliegenden Arbeit des Oberst v. Gizycki ist in dem Offiziers- Corps der deutschen Armee wohl schon dadurch anerkannt, daſs binnen wenigen Jahren die 3. Auflage notwendig wurde. 0. v. G. entwickelt das Wesen und den Zweck seiner einzelnen Aufgaben in sehr gründlicher und klarer Weise. Er selbst erkennt es an , daſs nicht jede Seiner Lösungen auf Unfehlbarkeit Anspruch mache.
Wir sehen aber
Umschau in der Militär -Litteratur,
351
auch nicht hierin den Wert der G. strategisch -taktischen Aufgaben, sondern in der sehr willkommenen Unterstützung bei der Übung
logischen , soldatischen Denkens an konkreten Beispielen. Hierdurch gewinnt der Offizier allein die nötige Unterlage für die schnelle
Fassung richtiger Entschlüsse in jedem gegebenen Falle - wobei freilich stets die Eigenschaften des Charakters des Beurteilenden in letzter Instanz entscheiden werden , Eigenschaften , welche kein Lehrbuch lehren kann. Die hier in Rede stehende 4. Auflage ist ein Beweis der Bedeutung unserer neuen Felddienstordnung.. Zwei Jahre haben genügt,, den Mechanismus unserer Befehlsführung in vieler Hinsicht so zu fördern, Beim
daſs der Verfasser selbst sein Werk als „ veraltet“ bezeichnen muſs.
Durcharbeiten der Aufgaben des 1. Heftes machten sich diese Fortschritte merklich fühlbar. Beginnt doch sogleich der Verfasser mit Abweichungen Wir freuen uns, die strategisch von der „ Schablone “ und mit Recht. taktischen Aufgaben auch in ihrer neuen Gestaltung dem Offiziers - Corps
empfehlen zu können. Zum Schluſs gestatten wir uns zu Seite 10 die Bemerkung, daſs ein Avantgardenbefehl wohl kaum gegeben werden konnte , weil das Detachement nach beendetem Gefecht seine Vorposten 17.
aussetzte.
Leitfaden für die Vorbereitung der russischen Truppen zum Kampf von M. Dragomiroff , Kais. russ. General Lieutenant und Chef der Akademie des Generalstabes. II. Teil.
Vorbereitung des Bataillons. Autorosierte Übersetzung von v. Tettau . Freiherrn .
Hannover 1889.
Helwing.
Eine eigenartige Schrift des bekannten , geistvollen Verfasser. Eigen artig
für uns deutsche Offiziere
nicht nur in der Ausdrucksweise,
sondern auch im Inhalt.. — Verfasser spricht vom „ angewandten Reglement “ im Gegensatz zum „ Reglement“, wie man wohl von „ formaler “ und „ angewandter “ Taktik zu reden pflegt. Er sieht im Exerzierreglement nur eine Sammlung von Grundtypen “, welche in ihrer Anwendung nicht nur abgeändert werden können , sondern entsprechend dem Orte , wo man sich schlägt, der Zeit , wann und dem Feinde , gegen den wir uns schlagen , umgeändert werden müssen. Er erklärt ferner, daſs die Gewalt der Thatsachen nicht gestatte, sich im Gefecht auf die Formen des Reglements zu beschränken , daſs im Gefecht nicht derjenige sachgemäſse Anordnungen träfe, dessen Kopf mit einer groſsen Zabl von Formen voll gepfropft ist ; sondern derjenige, welcher gewöhnt ist, die Orts- und Zeit verhältnisse in Rechnung zu ziehen und seine Handlungen und Formationen in Abhängigkeit von was dasselbe ist an dieselben anzulehnen ; oder den Umständen die reglementarischen Typen abzuändern . Wir bekennen offen , daſs wir diesen eben wiedergegebenen An schauungen in keiner Weise beitreten können. - Fern davon , einem toten Formenwesen das Wort zu reden , glauben wir doch dieser miſs achtenden Charakteristik der Reglements gegenübertreten zu müssen. >
>
Umschau in der Militär -Litteratur.
352
Was der General befürwortet, ist die Improvisation im Moment
der Gefahr.. – Ein Reglement soll aber gerade für den Augenblick des heiligen Ernstes, welcher sich auch der gröſsten Seelenstärke wie den unempfindlichsten Nerven fühlbar macht, den Durchschnittscharakteren das Handwerkzeug bieten, mit welchem sie arbeiten. Wohlgemeint die bleibt frei. d . h . der jedesmaligen Form Wahl des Instrumentes
Hierin liegt ja eben die im Frieden zu lernende Kunst der Führung. Aber das Instrument muſs gegeben, sein Gebrauch zur zweiten Natur geworden sein . Ob es links oder rechts angesetzt wird, stark oder schwach gebraucht wird, ist Sache der Erkenntnis der augenblicklichen Lage. Aber andere Werkzeuge als die bekannten erfinden und gebrauchen diese Forderung scheint mit den Thatsachen , mit dem Wesen sollen des Krieges in Widerspruch zu stehen. Wir möchten hier die Worte der Einleitung zum deutschen Exerzier reglement für die Infanterie für unsere Ansicht anführen : „ Im Kriege verspricht nur Einfaches Erfolg. Es handelt sich daher nur um die -
Erlernung und Anwendung weniger , einfacher Formen, welche aber mit Straffheit eingeübt und mit voller Sicherheit beherrscht werden müssen.
Die Vorschriften des Reglements geben hierfür allein die Norm . Sie sind ihrem Geiste und Wortlaute nach für Krieg und Frieden unbedingt verbindlich. Alle Künsteleien sind untersagt.“ Was nun den Geist der Schrift des Generals anlangt, so ist dieselbe 6
unstreitig getragen von dem Bestreben , die russischen Offiziere zu heben und ihnen die Mittel anzugeben, sich ihrer hohen Aufgabe ganz fähig zu machen .
Die vielen Aufgaben, welche der Verfasser stellt und löst, werden unbedingt zum Nachdenken anregen. Mit allen Lösungen möchten wir uns freilich nicht einverstanden erklären . Oft vermissen wir die Kürze des Befehls, welche in der deutschen Armee von den Führern aller Grade
verlangt wird. Vortrefflich sind die Wahrsprüche, welche derselbe im Schluſs seinen Kameraden zuruft. Sie entsprechen ganz der hohen Stellung,
welche General D. in der Achtung des russischen Offizier-Corps einnimmt. Die Übersetzung scheint sorgfältig und ist gewandt.
17 .
Die Ausbildung der Infanterie im Schieſsen , im Anschluſs an die Schieſsvorschrift von 1887 und an das Exerzier-Reglement 1888 von v. Brunn , Major. Dritte Auflage. Mit Figuren und 2 Figurentafeln im Text.
Liebel'schen Buchhandlung.
Berlin 1889 .
Verlag der
Preis 3 Mark.
„ Das Infanteriegefecht wird der Regel nach durch die Feuerwirkung entschieden, “
so verkündet das neue Exerzier-Reglement (II, 13) in ge
sperrter Schrift . Daher die hohe Bedeutung, die ich der Brunn'schen Schrift beilegte der ersten Auflage, deren Vortrefflichkeit ich ini
Aprilhefte 1883 der „ Jahrbücher “ nachwies – und die ich der jetzigen, den neuesten Verordnungen gemäſs umgearbeiteten dritten Auflage in noch
Umschau in der Militär -Litteratur.
353
verstärktem Grade beilege.
Die mit der niederen Taktik, mit der Be
urteilung des Geländes, mit dem Entfernungsschätzen, mit der Anlage von Feldbefestigungen verquickte ,,Schiefsausbildung " - beginnend mit der Einzelausbildung der Rekruten und endend mit den unter kriegsähnlichen
Verhältnissen nach Annahmen durchgeführten Übungen kriegsstarker Com pagnien oder Bataillone mit scharfen Patronen
wahrlich , das ist ein
ausgedehntes Feld, dessen ersprieſsliche Bebauung nur bei unermüdlicher und umsichtigster Thätigkeit aller Beteiligten gelingen kann. Das Buch von Brunn , gründlich durchgearbeitet , wird jedem Infanterie - Offizier Gewinn bringen. Es sei den genannten Chargen , aber auch Stabs offizieren und Generalen empfohlen, die als Leitende und Prüfende fortan nach der Schieſsvorschrift thatigen Anteil an der Ausbildung zu nehmen haben . Brunn bietet ein vollständiges Handbuch für das Ganze der Schieſsausbildung.
Abweichende Ansichten werden natürlich genug
sam laut werden. So lehrt er : „ So lange der Anfänger das linke Auge nicht willkürlich zu schlieſsen und zu öffnen vermag , muſs er möglichst
nicht zum Schieſsen herangezogen werden oder es muſs ihm gestattet sein, das ' linke Auge mit irgend einem Hülfsmittel zu verdecken oder erforder lichenfalls links zu schieſsen . “ Dagegen ist einzuwenden : mancher lernt das Schlieſsen des ( linken ) Auges gar nicht oder sehr spät; bis dahin kann er mit dem Schieſsen nicht warten ; der bekannte Lappen, die Binde u. s. w. über dem Auge ist eine Verwöhnung des Mannes, denn solches „Hülfs mittel“ trägt er im Kriege gewiſs nicht, auch im Frieden bei den Übungen 6
auſserhalb des Standes nicht.
Ein Linksschieſsen muſs auf dieselben Fälle
beschränkt bleiben, in welchen das rechte Auge thatsächlich nicht aus
reicht. Im Übrigen giebt es Schützen, die ganz gut treffen bei Offen haltung beider Augen und schlieſslich sagt die neue Schiefsvorschrift: „Es giebt Leute, welche beini Zielen beide Augen offen lassen ; einem der artigen Verfahren steht nichts entgegen. “ Etwas ausführlicher konnte Brunn den Anschlag an Mauern , Zäunen, in Gräben bezw. an Grabenrändern , an Fenstern, Thüren u. s. w. besprechen. Wenn gesagt wird : „ Es dürfte dem Feldgebrauch entsprechen , wenn )
der Schütze hinter einem Baum zumeist nur liegend und (soll heiſsen : oder) knieend anschlägt,“ so wäre besser der zugleich die Begründung wie es gebende Wortlaut des Exerzier-Reglements angeführt (I, 73), sich überhaupt empfiehlt, möglichst auf das Reglement genau hinzuweisen . Z. B. lehrt Brunn : „ Die Salve muſs rund sein ;" mando viel bei.
Vielleicht war es hier im
dazu trägt das Kom Platze anzuführen , daſs
während nach dem alten Reglement „ Feuer“ gedehnt zu kommandieren war, das neue (I, 31 ) Reglement dies Kommando ,,kurz “ abzugeben vorschreibt .
Es sind im Grunde geringfügige Dinge , die ich „ erinnert “
habe ; nochmals ich erkenne in dem Brunn'schen Buche ein wertvolles Hülfsmittel für die Hebung unserer infanteristischen Schieſsausbildung . 34 .
Umschau in der Militär - Litteratur,
354
Neue Geschosse für Feld- und Fuſs - Artillerie nebst einer Figuren-Tafel von Sokolowski , Seconde-Lieutenant im Feld
Artillerie- Regiment Nr. 15. W. Heinrich .
Straſsburg i/E., Verlag von
1888 .
Verfasser schickt voraus, daſs die Feld -Artillerie, deren Bewaffnung und Leistungsfähigkeit seit Jahren in der Hauptsache dieselbe geblieben ist, in Folge der Fortschritte der Infanterie -Gewehre auf weitere Vermehrung ibrer Leistungsfähigkeit binarbeiten muſs, wenn sie nicht ihren bislang behaupteten weiten Vorsprung vor der Infanterie verkleinert sehen will . Des Verfassers Vorschläge, deren erste Gedanken er schon in einem Aufsatz der „ Neuen Militärischen Blätter niedergelegt hat, beziehen sich auf die Verbesserung der Geschosse, und zwar will er einmal das bestehende Geschützsystem durch die Konstruktion eines neuen schweren Feldshrapnels leistungsfähiger machen, für den Fall aber der Annahme eines neuen Geschützsystems der Feld -Artillerie führt er für diese die Konstruktion eines Einheitsgeschosses vor.
Beide Geschoſs-Einrichtungen sind durch eine
sehr sauber ausgeführte Tafel in Farbendruck erläutert. Das Wesentliche
der Vorschläge, die sich bezüglich aller sonstigen Anordnungen (Zahl und Lage der Kugeln, Sprengladung, Zünder) an die deutschen Normen an schlieſsen, besteht in der Anbringung einer Rauchkammer in der Geschoſs spitze. Die Rauchkammer ist mit komprimiertem Pulver gefüllt, das später als die Sprengladung zur Entzündung gelangt; es entsteht also,
indem sich Verfasser die Geschoſsspitze nach Sprengung des Geschoſsmantels ibre Bahn in regelmäſsiger Weise fortsetzend denkt, etwa 40—50 m hinter dem Geschoſs- Sprengpunkt (nahe der Erde) eine starke Rauchwolke, durch welche das Einschieſsen wesentlich erleichtert und vereinfacht werden soll .
Namentlich wird das vorherige Einschieſsen mit Granaten und da, wo das
Geschoſs mit Doppelzünder versehen ist, das Einschieſsen mit dem Per kussions-Zünder entbehrlich. Das Einheits -Geschoſs soll auch gegen tote Ziele dienen, nur in diesem Falle wird der Perkussions-Zünder des bier
vorausgesetzten Doppelzünders gebraucht. Von einer Sprengwirkung im Ziele kann aber bei der geringen Sprengladung keine Rede sein , ebenso wenig von Brandwirkung. Es ist nicht ersichtlich, ob Verfasser seine Vorschläge auf etwa vorangegangene Versuche gründet, da rin dürfte das
Entscheidende liegen. – Für die Shrapnels der Fuſs- Artillerie wird eine entsprechende Einrichtung vorgeschlagen. Am Schlusse der kleinen Schrift findet sich noch der Vorschlag, den Brandsatz des Brennzünders
durch Tränken mit einer Fettmasse gegen Feuchtigkeit unempfindlich zu machen .
Militärischer Dienst-Unterricht für Einjährig -Freiwillige, Reserve-Offizier -Aspiranten und Offiziere des Be urlaubtenstandes der Feld -Artillerie, bearbeitet von A bel , Oberstlieutenant und etatsmäſsiger Stabsoffizier im Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXXI., 3
24
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groſsherzoglich hessischen Feld -Artillerie-Regiment Nr. 25 (G. A. C.). Dritte gänzlich umgearbeitete Anflage. Berlin 1889. E. S. Mittler & Sohn. VI und 412 Seiten. (5 Mark.) In der Entwickelung unseres militärischen Bildungswesens ist eine
stete Wechselwirkung zwischen Geben und Nehmen, zwischen Soll und Haben wahrnehmbar. Der Forderung des Besitzes von Kenntnissen, welche bei der Neugestaltung des Heeres nach dem Frieden von Tilsit aufgestellt
wurde, folgte die Errichtung von Anstalten, welche den Erwerb jener Kenntnisse ermöglichten ; den Vorschriften der Heerordnung für die Prüfung der Reserve-Offizier - Aspiranten entspricht der Unterricht der Einjährig freiwilligen ; für das Bedürfnis der Fähnriche sorgen die amtlichen ,,Leit fäden" ; für den Beurlaubtenstand die „ militärischen Dienstunterrichte“,
von denen der hier vorliegende den Vermerk trägt, daſs er auf Ver
anlassung der königlichen General-Inspektion der Feld - Artillerie ver faſst ist.
Der Feld -Artillerist hat es am schwersten .
Das Gebiet, welcbes er
sich zu eigen machen muſs, ist das umfassendste und mannigfaltigste. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis des Abel'schen Einjährig - Freiwilligen be weist es .
Das Buch handelt von der Heeres-Organisation, unter welcher
Überschrift Wehrpflicht und Ersatzwesen , Beruf und Pflichten des Soldaten,
Gliederung des Heeres und Heeresanstalten, die Verbältnisse der einzelnen Militärpersonen im Allgemeinen , der des Beurlaubtenstandes insbesondere und das Gerichtswesen begriffen sind, vom Garnison-, innerem und Feld dienst, von Bewaffnung und Ausrüstung und von der Ausbildung. Dem technischen Teile der Aufgabe, der Belehrung über Pulver, Geschosse und
Geschütze, ist hervorragende Beachtung geschenkt ; die Ausbildung ist weniger berücksichtigt; aus dem Inhalt der Vorschriften für das Exerzieren , Reiten, Fahren, Turnen u. s. w. ist nichts mitgeteilt ; auch vermissen wir einen Abschnitt über die Gebührnisse.
14 .
Kleiner Gefechts -Katechismus für den Infanteristen und
Jäger. Zur Selbstbelehrung. Darmstadt und Leipzig. Verlag von E. Zernin .
1889.
Vorliegende kleine, nur 27 Seiten zählende Schrift verdankt einer
Vorschrift des neuen Exerzier-Reglements, daſs es Pflicht des Offiziers sei, „ durch angemessene, der Fassungskraft des Soldaten angepaſste Dar legungen in dem Soldaten Beurteilungsvermögen und Selbstvertrauen zu erwecken ,“ ihr Entstehen . Verfasser hat seine Aufgabe in sehr glücklicher Weise gelöst. Das Verhalten im Einzelgefecht, dann in der Gruppe und gröſserem Verbande, Vorgehen im Feuer , Verhalten beim Sturm , in der Verteidigung , gegen Kavallerie und Artillerie ; endlich das Verhalten in besonderer Gefechtslage, wenn die Führer gefallen , wenn die Abteilung ein unglückliches Gefecht zu bestehen hat, bei Verwundung, Gefangene machen und Beute machen, wenn man von seiner Truppe abgekommen Alles Sachen, über welche unsere Instruktions- Bücher insgemein ist
Umschau in der Militär - Litteratar.
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nur sehr spärliche Auskunft geben – werden in echt soldatischer, knapper
und verständlicher Weise besprochen. Wir glauben, daſs dieser „Gefechts Katechismus “ vor Allem dem Lehrpersonal , Offizieren und Unter offizieren , eine willkommene Gabe sein wird, und wünschen ihm, des hoch 2. wichtigen Zweckes wegen weiteste Verbreitung.
Deutschland's Einigungskriege 1864—1871. Von W. Müller, Professor. Leipzig , Verlag von R. Voigtländer 1889.
Lieferung 1. Preis 50 Pf. Vollständig in 10 Lieferungen. Das Buch, welches uns vorliegt, verspricht eine zusammenhängende, von einheitlichen Gesichtspunkten aufgefaſste , volkstümliche
und nicht zu umfangreiche Schilderung der drei deutschen Kriege (1864-1871 ) zu geben.
Wenn die folgenden Lieferungen das
halten , was die erste verspricht, dann wird , unseres Erachtens, dieser
lobenswerte Zweck in der That erreicht werden. Die Darstellung ist klar und übersichtlich, ohne zu sehr in das Breite zu gehen und von einem uns sehr ansprechenden echt patriotischen Geiste durchweht.
Es wird der
deutschen, reiferen Jugend sowohl als auch dem gebildeten Laien, welcher Belehrung über jene Ereignisse sucht, volle Befriedigung gewähren und
zweifellos Gutes stiften für die Pflege vaterländischer Gesinnung. Kleine, gut gezeichnete Karten dienen zur Erläuterung des Textes. Ausstattung
und Druck sind gut, der vorgesehene Preis ist ein sehr mäſsiger zu nennen. 4.
Der deutsch - dänische Krieg von 1864. Nach gedruckten Quellen und eigenen Erinnerungen erzählt von Dr. Karl Blasendorf,Oberlehrer am Königlichen Bismarck -Gymnasium in Pyritz. Mit 2 Karten. Berlin. Weidmann'sche Buch handlung. 1889. Preis 3 M. Verfasser, ein Mitkämpfer dieses Krieges (er war Reserve- Unteroffizier
des 60. Regiments) giebt in Anlehnung an das jüngst vollendete General stabswerk und mit Benutzung der gesamten einschlägigen Litteratur eine recht geschickte, sich von jeder Ruhmredigkeit fern haltende Schilderung
der Kämpfe um das „meerumschlungene“ Land. Frische, im besten Sinne volkstümliche Darstellung, der man es anmerkt, daſs Verfasser über Erlebtes berichtet, zeichnen diese gehaltvolle Schrift aus. Sie kommt, da seit den Ereignissen des Jahres 1864 just 25 Jahre vergangen, eben zur rechten Zeit, und wird namentlich allen denjenigen willkommen sein, welche ihre Erinnerungen an den ruhmreichen Winterfeldzug auffrischen wollen. Auch der österreichischen Waffengeführten von damals und ihrer Thaten ist in ehrendster Weise gedacht worden, nicht minder der „wackeren dänischen Krieger, die, wie ihre Gegner, tapfer kämpfend ihr Leben für König und Vaterland hingegeben haben . “ Wir können das Werk auf das Wärmste der Beachtung empfehlen.
4.
24*
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Umschau in der Militär- Litteratur.
III. Seewesen .
Mittellungen aus dem Gebiete des Seewesens. Vol. XVII Nr. 1 u. II. I. Die Rolle des Torpedos in der Seekriegführung von H. Grenfell, Kapitán der britischen Marine; Vortrag gehalten in der United Service Institution, April 1888.
Nach unserer Ansicht ist der Vortrag des
Kapitän Grenfell weniger interessant als die Diskussion, welche sich daran knüpfte, und können wir unseren Lesern obigen Aufsatz zur Belehrung
angelegentlichst empfehlen. II. Die Torpedos. Preisschrift pro 1888 von Lieutenant-Kommander W. Reisinger der Vereinigten Staaten - Marine. (Proceedings of the United States Naval Institute. Vol. XIV, Nr. 46.) Verfasser zieht zunächst die Bedeutung der Torpedos in der Seekriegführung in Betracht und kommt dabei zum Schluſs, daſs denselben vor dem Geschütze und der Ramme der Vorzug gebühre u. s. w. In der Dis kussion, welche sich über den Inhalt der Preisschrift im Naval Institute entspann, so wie in den schriftlichen Gutachten, welche über dieselbe zur Vorlage kamen , wurde die vom Verfasser für den Torpedo beanspruchte Position als erste Waffe des Seekrieges lebhaft bekämpft, welchem letzteren Urteile wir uns gleichfalls anschlieſsen . Budgetvoranschlag der italienischen Kriegsmarine für das Verwaltungsjahr vom 1. Juli 1889 bis 30. Juni 1890 im Gesamtbetrage von 127,491,847,45 Lire.
Hiervon sind hervorzuheben : Im Ordinarium : 1. für Instandhaltung und Ersatz des Flottenmaterials 27 Millionen. 2. Für Indienststellungen
u. 8. w. 6,380,000 Lire. 3. Kompetenzen des See-Offizierkorps 2,843,753 Lire. 4. Matrosenkorps 10,076,760 Lire. 5. Verproviantierung u.s. w. 7,977,402 Lire. Im Extraordinarium :
1.
Schiffbauten ( Jahresquote) 5 Millionen.
2. Küstenverteidigung (Jahresquote) 1 Million. 3. Befestigungen und Armierung von Maddalena (Jahresquote) 5 Millionen. 4. Ankauf von antomobilen Torpedos (Jahresquote) 1,500,000 Lire. 5. Ankauf von Schnellfeuerkanonen ( Jahresquote) 1 Million Lire u. s. w. Bei den Schiff bauten werden aufgeführt als im Bau begriffene Schiffe erster Klasse: Re Umberto , Sicilia , Sardegna ; Schiffe zweiter Klasse : Fieramosca, Etruria, Umbria , Liguria, Lombardia, Marco Polo ; Schiffe dritter Klasse 6 ; ferner Torpedoavisos und Hochseetorpedoboote ; Schiffe für lokale Zwecke u . S. W. In Bau zu legen sind : ein Schiff erster Klasse ; drei Schiffe zweiter Klasse ; zwei Transportschiffe erster Klasse ; vier Schiffe dritter Klasse; ferner Torpedoavisos, Hochseetorpedoboote u. s. w .
Revue maritime et coloniale April. Schluſs der bistorischen Studien der französischen Kriegsmarine betreffend die Seekriege unter dem Ministerium
Colberts von Chabaud -Arnault, Capitaine de frégate de réserve. — Tour -
ville und die Marine seiner Zeit 1642-1701 ( Fortsetzung ). Tour villes Correspondence von J. Delarbre. Conseiller d'État honoraire. Trésorier général des Invalides de la Marine.
Journal of the Royal United Service Instutition. Vol. XXXII Nr. 146 pro 1889 enthält einen höchst interessanten Vortrag von H. J. Oram ,
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Engineer R. N., of the Navy's Departement, Instructor in Marin Engineering at the Royal naval College Greenwich über die Schraubenmaschinen der
modernen englischen Kriegsschiffe. Wir entnehmen demselben, daſs der Kreuzer Rattlessnake mit einer Fahrgeschwindigkeit von 19 Knoten jetzt zwar der schnellste in der englischen Flotte ist, daſs jedoch eine Anzahl anderer, welche noch in diesem Jahre fertig gestellt werden , eine Geschwindigkeit von 20 Knoten, ja der „ Blake“ und „ Blenheim “ sogar 22 Knoten Fabrgeschwindigkeit erreichen sollen u. 8. W. Eine andere Abhandlung über das System der Küstenverteidigung verschiedener Staaten Europas, unter denen Deutschland zuerst genannt wird, findet sich in oben bezeichnetem Journal, welche wohl der Prüfung wert ist. The illustrated naval and military Magazine. Vol . I. Nr. 5. Beschreibung
des französischen Panzerschiffes „ Formidable“. Die Länge des Schiffes beträgt 98 m zwischen den Perpendikeln, die gröſste Breite 21,2 m,
Deplacement 11,400 Tons; mittlerer Tiefgang 7,98 m. Das Schiff ist aus Stahl gebaut und hat einen Panzer von 55 cm Mittschiffs. Die Kreuzer -Korvette ,, Problem " . Eine nautisch -technische Studie von Hans Johow; kaiserlicher Marine-Schiffbau- Ingenieur. Kiel und Leipzig ,
Verlag von Lipsius und Tischer 1889. Verfasser hat sich , wie es im Vorwort heiſst, in erster Reihe die
Aufgabe gestellt, seinen jungen Fachgenossen ein Bild über die Art und Weise zu gewähren, wie der Konstrukteur eines gröſseren Schiffes der Neuzeit im Allgemeinen zu verfahren bat, um bei gegebenen Bedingungen, alles, was zur Anfertigung der Pläne erforderlich ist, schon vor in Angriff nahme des Baurisses rechnungsmäſsig derart festzustellen, daſs alle ge forderten Eigenschaften in günstiger Weise in der fertigen Konstruktion zum Ausdruck gelangen. Er hat hierfür als Beispiel ein Kriegsschiff gewählt, weil, wie er sagt, bei dieser Klasse von Schiffen weit schwierigere Verhältnisse vorwalten, als dies bei einem selbst der neuesten Zeit an
gehörigen groſsen Handelsdampfer der Fall ist. Der vom Verfasser ge wählte Typus ist eine Kreuzer - Korvette , eine Schiffsklasse, welche im zukünftigen Kriege nach den Schlachtschiffen eine Hauptrolle spielen
wird und deren Anforderungen besonders jetzt dem Urteil vieler Sachver ständiger unterliegen. Ihnen fällt nämlich im Kriege die Aufgabe zu, auf
hoher See den feindlichen Handel möglichst zu vernichten oder doch brach zu legen . Auſser einer besonders groſsen Geschwindigkeit müssen ihre vitalsten Teile gepanzert und mit einer Anzahl nicht zu schwerer aber mit groſser Durchschlagskraft versehener Geschütze armiert sein und groſse Kohlen- und andere Vorräte an Bord nebmen können u. S. W.
Ohne auf die vom Verfasser angeführten Detail- Konstruktionen näher ein zugehen, möchten wir hier nur hervorheben, daſs uns die angenommene Geschwindigkeit von 16,5 Knoten pro Stunde für Kreuzer nicht genügend erscheint, wenn man in anderen Marinen schon Kreuzer I. Klasse wie in England „Blake“ und „ Blenheim “, “ , von 9000 Tons mit Maschinen von
20,000 Pferdekraften und 22 Knoten Geschwindigkeit baut. Im Übrigen
Umschau in der Militär - Litteratur.
359
ist die obige Schrift nicht allein für Schiffbauer, sondern auch für Nicht techniker lehrreich und verständlich geschrieben und können wir dieselbe unsern Lesern nur empfehlen.
IV. Verzeichnis der bei der Redaktion bis zum 15. Mai
eingegangenen Bücher. ( Besprechung derselben nach Zeit und Gelegenheit ist vorbehalten.)
1. Die französischen Vorschriften über die Verwendung der Artillerie im Gefecht. Herausgegeben von C. H. E. Hannover 1889. Helwing'sche Verlags-Buchhandlung. Preis 80 Pf. 2. Leitfaden für die Vorbereitung der russischen Truppen zum Kampf von N. Dragomirow , kaiserl. russ. Generallieutenant.
II. Teil : Vor
bereitung des Bataillons. Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen von Frbr. v. Tettau , Lieutenant. Hannover 1889. Helwing'sche Verlags Buchhandlung. Preis M. 1,50.
3. Beschreibung des russischen Gewehrs System Berdan Nr. 2. Nach russischen Quellen bearbeitet von Frhr. v. Tettau , Lieutenant. Mit einer Tafel. Hannover 1889. Helwing'sche Verlags-Buchhandlung. Preis 80 Pf.
4. Zusammenstellung der wichtigsten militärischen Bestimmungen für den aus dem aktiven Dienst entlassenen Beurlaubtenstand , sowie für
Ersatzreserve, Landsturm und Invalide, nebst Anleitung zur Abfassung militärischer Meldungen und Gesuche. Bearbeitet auf Grund der neuesten Verordnungen und Gesetze. Hannover 1889 . Helwing'sche Verlags Buchhandlung. Preis 50 Pf. 5. Die Kriegswaffen . Von E. Capitaine und Pb. v. Hertling, II . Band .
Heft X - XII.
Rathenow .
Verlag von M. Babenzien . 1888.
Preis per Heft M. 1,50.
6. Règlement du 29 Juillet 1884, modifié par décision du 3 janvier 1889 sur l'Exercice et les Manoeuvres de l'infanterie .
Titre I : Bases de
l'Instruction . Titre II : Ecole du Soldat. Titre III : Ecole de Compagnie. Paris. Librairie Militaire de Berger -Levrault et Cie. 1889. 7. Das Kriegsheilwesen im Einklange mit der culturellen Entwicke lung der Civilisation und Humanität, von Dr. Alexander Och wadt , Generalarzt a. D. Berlin 1889. Verlag von Funcke & Naeter. Preis M. 5.
8. Précis des Campagnes de 1796 et 1797, en Italie et en Allemagne avec 14 Croquis dans le Texte. Bruxelles. Librairée Militaire C. Muquardt. 1889.
9. Graf Moltke. Ein Bild seines Lebens und seiner Zeit. Von Her
mann Müller - Bohn . Mit zahlreichen Illustrationen von ersten deutschen
Künstlern. Vollständig in 12 Lieferungen à 50 Pf. 1. Lieferung. Berlin W. Verlag von P. Kittel.
1889.
Umschau in der Militär-Litteratur.
360
10. Schlachten -Atlas des neunzehnten Jahrhunderts.
Zeitraum : 1820
bis zur Gegenwart. 20. -23 . Lieferung. Preis für Subskribenten à M. 2,65, Nicht-Subskribenten das Doppelte. Iglau. Verlag von P. Bäuerle.
11. Von Gravelotte nach Paris. Erinnerungen aus dem deutsch-fran zösischen Kriege. General Philipp H. Sheridan. Deutsch von U. Brach vogel . Leipzig. Verlag von C. Reiſsner. 1889. 12. Die schlesische Gebirgs-Landmiliz 1743 bis 1745. Von F. Schwarz. Sonder-Abdruck der „ Zeitschrift d. Vereins f. Geschichte und Altertum Schlesiens. “
Bd . XXIII.
13. Kleiner Gefechts- Katechismus für den Infanteristen und Jäger. Zur
Selbstbelehrung. Darmstadt und Leipzig. Verlag von E. Zernin . 1889. 14. Nachrichten über Heerführer und Familien, deren Namen Truppen teilen durch Allerhöchste Kabinetts -Ordre vom 27. Januar 1889 verliehen sind .
Sonder - Abdruck aus dem Soldaten-Freund. Berlin 1889. E. S. Mitt
ler & Sohn . Preis 75 Pf.; 50 Exempl. 30 M .; 100 50 M. 15. Deutschlands Erwachen. Ein Heldengedicht in 3 Abteilungen von Dr. J. Anders. Erste Abteilung : Deutsche auf Jütland ( 1864). Oranien
burg. Ed. Freyhoff's Verlag. Preis eleg. brosch. mit Porträttafel M. 1,20. Prachtband M. 2. 16. Anciennitäts- Liste der Offiziere des Deutschen Heeres für 1889 .
Im engen Anschluſs an die Reihenfolge der Ranglisten zusammengestellt nach
dem
Stande vom
1. April 1889.
Berlin .
E. S. Mittler & Sohn .
Preis M. 5 .
17. Gedanken über den Artilleriekampf im Festungskriege. von Wiebe , General d . Inf. z. D.
Berlin 1889 .
Eine Studie
E. S. Mittler & Sohn.
Preis M. 1,80. 18. Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militär wesen . XV. Jahrgang: 1888. Unter Mitwirkung vieler Offiziere heraus gegeben von H. v. Löbell, Oberst z. D. Berlin . E. S. Mittler & So Preis brosch . M. 8 ; geb. 9,50.
Druck von A. Haack in Berlin NW . Dorotheenstr. 56 .
Dr. von Guérard, prakt. Zahn -Arzt Grossherz. Mecklenb .-Schwerinscher
Hofrath N. u. Hof-Zahnarzt Ihrer Königl. Hoheit der Frau Grossherzogin -Matter von .
Mecklenburg - Schwerin, geb. Prinzessin von Preussen .
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und deren Angehörigen gewähre eine Ermässigung von 20 pct. auf vorher vereinbarte oder ortsübliche Honorarsätze .
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11
4. Haase $ $0. € . K. Königl. Hof-Photographen
BERLIN NW . Unter den Linden No. 62 u. 63 zw . d. Neust. Kirch- u. Schadowstr .
Die
Infanterie- Schiess -Instructionen Europas und ihr Verhältniss zur modernen Taktik. Eine vergleichende Reglementsstudie von
John Leerbech , Premier - Lieutenant im dänischen Generalstabe.
13 Bogen gr. 8 °. Mit 2 lithographirten Tafeln . Preis Mark 4,-. Verlag von Richard Wilholmi, Berlin NW .