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German Pages 690 Year 1890
Jahrbücher für die
deutsche Armee und Marine.
Verantwortlich geleitet von
G. von MARÉES Oberstlieutenant a. D.
Achtundsechszigster Band.
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TEM
Juli bis September 1888.
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TIHEN
Bint.H
BERLIN . RICHARD WILHELMI. 1888 .
LOAN STACK
US M6
July - Dec 1888
Inhalts - Verzeichnis. Seite
Kaiser Friedrich .
I.
..
1
Die französische Armee im Jahre 1813.
Ein Beitrag zur Ge
schichte der Befreiungskriege. (Fortsetzung) II. Der Feldzug von 1809 in Tirol, im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. Mit besonderer Bezugnahme auf den An teil der bayerischen Truppen bearbeitet von J. v. Heilmann , Generallieutenant
2
20
III. Drei Kavallerie - Divisions - Übungen
40
IV.
57
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik
V. Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten. Von Spiridion Gopčević .
82
VI.
99
VII.
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den militärischen Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen
Aufsätze. (II . Quartal 1888. ) ( 15. März 1887
15. Juni 1888)
Ein Beitrag zur Ge schichte der Befreiungskriege. ( Fortsetzung) . IX. Der Feldzug von 1809 in Tirol, im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. Mit besonderer Bezugnahme auf den Anteil der bayerischen Truppen bearbeitet von J. v. Heilmann ,
VIII.
Generallieutenant. (Fortsetzung ) ... Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
X.
XI. Ziele der Festungs -Artillerie während der Bedrohung und Ein schlieſsung einer Fortsfestung XII. Befestigungs Ideen . Eine Antwort von K. H. auf die Auslassungen des Herrn Majors J. Scheibert . XIII. Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten. Von Spiridion XIV.
107
Die französische Armee im Jahre 1813.
123
151 169
189
206
Copčević. (Fortsetzung)
215
Umschau in der Militär - Litteratur
232
211
Setto
XV. Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Ge schichte der Befreiungskriege. (Fortsetzung) XVI. Die Feuerwirkung im Gelände . XVII. Ziele der Festungs -Artillerie während der Bedrohung und Ein schlieſsung einer Fortsfestung. (Schluſs) . XVIII. Beiträge zur Charakterschilderung des Reiter - Generals J. E. B. Stuart. Von J. Scheibert , Major z. D. .
240 274
292
310
XIX . Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten. Von Spiridion XX.
Gopčević. (Schluſs) .
317
Umschau in der Militär -Litteratur
330
Beilagen.
Kaiser Friedrich . + Wenige Tage mehr denn drei Monate sind dahin geschwunden, seit Kaiser Wilhelm einem hellstrahlenden Gestirne gleich seine ruhmerfüllte irdische Laufbahn vollendete und einging zur Stätte ewigen Friedens! Wie ein helllench tendes Meteor stand sein Heldensohn nun da, an der Spitze des Reiches und Heeres, allerdings bedroht von schwarzen, Unheil verkündenden Wolken ! Mit bewundernswerter Stand
haftigkeit bekämpfte Kaiser Friedrich das schwere , ihn heimsuchende Geschick
da riss ihn unerwartet schnell der
unerforschliche Rathschluss des Allmächtigen aus der kaum betretenen Schaffensbahn ! Ein hartes Loos !
Aber in der
kurzen Zeit, die ihm vergönnt war, an der Spitze des Heeres zu stehen, hat Kaiser Friedrich Entscheidungen und Be
stimmungen von grösster Tragweite getroffen , die neben seinen weltbekannten kriegerischen Thaten die Spuren seines Wirkens bis in die fernsten Zeiten tragen werden !
So hart und schwer der Verlust ist , den das Vaterland und das Heer erlitten – durch schwermütiges Trauern und Wehklagen ist er nicht zu mindern, sondern nur durch
Schaffen und Wirken iin Sinne des Heimgegangenen . Möge darum auch dieser schwere Verlust aller Welt zeigen, wie
Volk und Heer den theuren Todten ehren, indem sie ihn durch ihr Handeln weiter leben lassen , indem sie in seinem Sinne, in seinem Geiste weiterschaffen ! Der Hauptträger aber und Verkünder dieses Geistes, des Königlichen Willens und Wollens ist des Heimgegangenen erlauchter Sohn, Kaiser Wilhelm II . !
Mit ihm , durch ihn und für ihn
in treuester Pflichterfüllung weiterschaffen, heisst Kaiser Friedrich fortleben lassen im Herzen des Heeres !
G. v. Marées.
Berlin, Ende Juni 1888.
Jahrbüchor för
atsche Armeo und
LXVIII., 1 .
1
I.
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege.
(Fortsetzung .) 5.
Lützen und Bautzen .
Das Gefecht bei Weiſsenfels am 29. April eröffnete den Reigen der Kämpfe, in welchen die jungen französischen Truppen die Feuertaufe erhielten . Die Meldung Ney's, daſs seine junge Mann schaft sich mit einer Unerschrockenheit geschlagen habe, welche alles von ihr erwarten lasse, mag Napoleon einer groſsen Sorge
überhoben haben. Der Marschall zeigte sich jetzt von der Haltung seiner jungen Soldaten ebenso entzückt, als er vorher beunruhigt
gewesen war, und sah den Erfolg des moralischen Eindrucks wegen als sehr bedeutend an .
In der That hatte sich auch der junge
Ersatz gut gehalten und war durch die Angriffe der russischen Reiterei nicht auſser Fassung gebracht worden.
Am 1. Mai wurden die Kämpfe bereits ernster. Das mangel hafte Zusammenwirken der neugebildeten Truppen , in dem für die
Führung eine auſserordentliche Schwierigkeit lag, trat an diesem
Tage deutlich hervor.
Übrigens wiederholte sich dasselbe Bild,
welches der Kampf bei Weiſsenfels gezeigt ; die Angriffe der zahl reichen feindlichen Reiterei wurden von der durch ihre Artillerie
unterstützten und nicht ohne Begeisterung oder richtiger vielleicht mit einer gewissen neugierigen Erregung kämpfenden Infanterie abgeschlagen, worauf dieselbe wegen der Schwäche der eigenen Kavallerie in dichten Carrés vorging. Natürlich muſste ein der artiges Vorgehen überaus beschwerlich sein und konnte auch nur
3
Die französische Armee im Jahre 1813.
äuſserst langsam ausgeführt werden . Unter den Opfern dieses Tages befand sich auch der Marschall Bessières, einer der hervorragendsten Reiterführer der Armee, den sein Eifer in die vordersten Schützen
reihen geführt hatte.
Napoleon war wie seine Generale voll des Lobes über seine jungen Truppen , für welche er eine derartige Aufmunterung für durchaus erforderlich erachtete, dennoch war er weit entfernt, sich
durch den Erfolg blenden zu lassen, er wuſste sehr wohl, daſs die von den Truppen bewiesene angenblickliche Begeisterung nicht eins sei mit dem wahren Soldatenmut, der Kaltblütigkeit, Ausdauer und
vor allem Disziplin erfordert, lauter Eigenschaften, welche nicht von einem Tage zum anderen gelernt werden können. Demgemäſs schrieb Napoleon an Eugen zwar, Ney's Truppen hätten sich mit Ruhm bedeckt, der Marschall selber aber muſste erfahren , daſs über
zahlreiche von seinen Truppen begangene Unordnungen , in Folge deren mehrere Ortschaften von ihren Bewohnern verlassen wären , Klage geführt werde, und daſs es seine Sache sei, für Abhülfe zu
sorgen, da hierin eine groſse Gefahr liege. War bisher nur das III . Armee -Corps im Gefecht gewesen, so
sollte bereits am folgenden Tage bei Lützen die Masse der Armee ins Feuer kommen .
Die Hauptlast der Schlacht ruhte freilich auch
dieses Mal wieder auf dem Ney'schen Corps, welches zuerst allein žur Stelle war und mehr thun und leiden muſste als die gesamte
übrige Armee. Die Anforderungen, welche der 2. Mai an die jungen
Truppen Ney's stellte, waren dann doch anderer Art als diejenigen, denen dieselben bisher ausgesetzt gewesen waren, und sie drohten auch, ihnen zu erliegen. Als von den Dörfern, um welche der Kampf sich drehte, eins nach dem anderen den helden mütigen An
griffen der preuſsischen Infanterie überlassen werden muſste, da wankten die jungen Ausgehobenen ; ganze Bataillone lösten sich auf, und die Unordnung, welche so groſs war, daſs Napoleon ihrer sogar in seinem Sieges -Bulletin Erwähnung thun zu müssen glaubte, drohte allgemein zu werden. Aber Napoleon war zur Stelle, er zögerte nicht, seine junge Garde einzusetzen , und so wurde die Krisis über wunden .
Die sämtlichen Kräfte, über welche Napoleon gegen Ende
der Schlacht verfügte - die Garden , das III. , VI. und XI. Armee
Corps, die Division Morand des IV. Armee-Corps und das 1. Kavallerie Corps - mögen im Ganzen etwa 120,000 Mann betragen haben , wobei gegen 6000 Mann Kavallerie und fast 280 Geschütze. Gleichzeitig batte auch das V. Armee-Corps bei Lindenau gegen
den General Kleist im Gefecht gestanden, während gleichfalls die von 1*
Die französische Armee im Jahre 1813.
4
General Lauriston in Halle zurückgelassene Besatzung vom General
Bülow angegriffen und mit Verlust von 3 Geschützen von dort vertrieben worden war.
Die Verluste der Armee am 2. Mai waren ganz auſserordentliche. Den Löwen - Anteil an dem Kampfe hatte das III. Corps gehabt.
Am 20. April hatte dasselbe 48,605 Mann gezählt, darunter 37,459 Mann französische Infanterie, jetzt batte es 15,566 Mann - 1533 Tote, 11,512 Verwundete, 2521 Vermiſste französische Infanterie 13,240 Mann .
verloren, davon allein die Nächstdem
hatte die
Elb
Armee am meisten gelitten, namentlich das XI. Corps ; ihr Verlust bezifferte sich auf 4623 Mann. Da für die Garden und das VI. Corps, welche ebenfalls erheblich verloren hatten, so wie für das IV. Corps, dessen Verluste nur gering waren , nur mangelhafte Angaben vor handen sind, so ist man hier auf Schätzung angewiesen ; im Ganzen dürften diese 3 Corps wohl ebenfalls nocb 4 bis 5000 Mann ein gebüſst haben . Demnach wird man kaum fehlgehen, wenn man den französischen Gesamtverlust am 2. Mai auf etwa 25,000 Mann berechnet. Groſs war hierbei die Zahl der Offiziere, allein beim III. Armee-Corps trotz der Schwäche der vorhandenen Stämme 4 Generale und 429 Offiziere, welche sich mehr als je der Gefahr
hatten aussetzen müssen , um ihren jungen Soldaten ein durchaus erforderliches Beispiel zu geben. Ein Ersatz war hier nicht zu schaffen, und so fiel dieser Verlust um so mehr ins Gewicht.
Im Allgemeinen hatte sich die junge französische Infanterie gut, teilweise sogar mit Begeisterung geschlagen ; als Napoleon sich dem Schlachtfelde genähert hatte und den Verwundeten begegnet war , da hatten ihn die meisten derselben wie ehedem seine alten,
in Russland zu Grunde gegangenen Soldaten mit einem begeisterten
» vive l'empereur ! « empfangen. Die Macht seiner Persönlichkeit hatte das von Hause mitgebrachte gehobenen überwunden. Napoleon übertroffen , und darum belohnte er jene überschwengliche Proklamation hieſs : » Soldats, je suis content de
Übelwollen der jungen Aus war in seinen Erwartungen seine jungen Soldaten durch vom 3. Mai, in welcher es vous ! vous avez rempli mon
attente ! Vous avez suppléé à tout par votre bonne volonté et par La bataille de Lutzen sera mise au dessus des batailles d'Austerlitz, d'Jéna, de Friedland et de la Moskowa. «
votre bravoure ..
Wenn ihr Kaiser so sprach, konnten natürlich die Marschälle und Generale nicht zurückbleiben , und so stimmten sie in dessen über triebene Lobeserhebungen ein .
Der Soldat verkannte die hierin liegende Absicht, sein Selbst
Die französische Armee im Jahre 1813 .
5
bewuſstsein zu heben , nahm das volle Lob für bare Münze , hielt
sich für unüberwindlich , und da er daher glaubte , sich über die überflüssigen und unbequemen Regeln der Disziplin hinwegsetzen zu können , so kam der binkende Bote nach. Die Unordnung, welche schon bei dem Ney’schen Corps getadelt worden war, wuchs in der Armee in einer Weise , daſs die Generale derselben nicht mehr zu steuern vermochten ; Napoleon selbst muſste sich ins Mittel
legen und jene für den Zustand der Armee höchst bezeichnende Verfügung vom 6. Mai erlassen , welche gleichsam die Ergänzung zu der Proklamation vom 3. Mai bildet, in welcher es wörtlich hieſs:
» Beaucoup de soldats se répandent dans les campagnes à droite et à gauche , d'autres suivent en traîneurs.
C'est la faute des
officiers qui laissent sortir les hommes des rangs; c'est la faute de M. M. les généraux qui n'ont point d'arrière -garde pour ramasser les traîneurs.
Les soldats se permettent de décharger leurs armes
en tirant le coup de fusil, au lieu de se servir de tire -bourre; d'autres s'écartent dans les campagnes et tirent des coups de fusil sur les bestiaux ! C'est un crime , parce qu'un coup de fusil à la guerre c'est un signal d'alerte ; c'en est un , parce qu'on risque de tuer ou de blesser les gens qu'on ne voit pas, et parce qu'enfin c'est un acte de maraude.
Sa Majesté ordonne que tout soldat qui tirerait un coup de fusil, en marande ou pour décharger son arme, sera puui de prison et dégradé. Si le coup de fusil a blessé ou tué quelqu'un, le soldat sera puni de mort. «
Diese Zügellosigkeit seiner jungen Soldaten, welche der Kaiser tadelte, ist der französischen Armee während des ganzen Jahres 1813 eigen geblieben ; es feblte den höheren Offizieren entweder an der Macht oder an dem Willen, ihr zu steuern . Odeleben erzählt,
die widerwärtigsten Scenen hätten sich unter Napoleons Fenstern abgespielt, ohne daſs die Offiziere des kaiserlichen Hauptquartiers etwas dagegen gethan hätten . Mit frechster Rücksichtslosigkeit, ohne irgend welchen eigenen Nutzen daran zu haben , wurde fremdes
Gut zerstört , von den Plünderungs-Scenen ganz zu schweigen , die auch in den früheren Jahren schon den Marsch der napoleonischen Heere bezeichnet hatten.
Ein böses Vorzeichen war es, daſs von Anfang an eine scham lose Desertion in der Armee um sich griff; unter den als » Vermiſst« aufgeführten Mannschaften befanden sich zahlreiche Deserteure . Wenn Thiers von 3000 Deserteuren spricht, welche die italienischen und die deutschen Hülfstruppen vor der Schlacht von Bautzen
Die französische Armee im Jahre 1813.
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aufgewiesen hätten , so mag dies ja vielleicht richtig sein , er hätte
aber, um die volle Wahrheit zu sagen , hinzufügen müssen, daſs zu dieser Zeit auch bereits Tausende von Franzosen die Fahnen ver lassen hatten . Die Desertionen nahmen einen solchen Umfang an, daſs es sehr schwer ist, in der nächsten Zeit die Stärke der Armee
genau zu bestimmen. Bereits unter dem 17. Mai berichtete Keller mann an Berthier, daſs in ihm völlig unbegreiflicher Weise viele
unbewaffnete, aber sonst vollständig ausgerüstete Leute ohne jeglichen Ausweis von der Armee zurückkehrten , und daſs er alle Leute anbalten lasse, deren Entfernung von der Armee sich als Desertion
kennzeichne. Viele dieser Leute behaupteten auch , verwundet zu sein , ohne daſs sie es thatsächlich gewesen wären ; aber auch sie 9
hatten in Mainz eine scharfe Untersuchung zu bestehen. Auſser den Deserteuren verlieſsen zahlreiche Leute die Armee, welche nur so leicht verwundet waren , daſs sie nicht hätten zurück geschickt werden dürfen . Ihre Zurückschickung stand übrigens
auch im völligen Widerspruch mit den Befehlen des Kaisers, der es ausdrücklich verboten hatte , daſs die Verwundeten nach Frank
reich zurückgeschickt würden, und der deshalb in Magdeburg, Erfurt, Hannover und anderen Orten groſse Lazarette für 20,000 Mann hatte anlegen , lassen. Wenn trotzdem bereits am 19. Mai , also noch vor der Schlacht bei Bautzen, abgesehen von den bereits nach
Mainz gebrachten sich noch 8000 wirkliche oder angebliche Ver wundete allein in dem Groſsherzogtum Frankfurt befanden , so giebt dies ein Bild von dem Abgang , welchen die Armee gehabt baben muſs.
Indessen verlor die Armee nicht in gleichem Verhältnis an Wert, als sie an Zahl verlor, waren es doch gerade die schlechtesten Elemente, welche in dieser Weise abgestreift wurden, deren Beispiel sonst nur zu sehr die gutgesinnten Massen angesteckt haben würde, da junge Soldaten den entgegengesetztesten Eindrücken leicht zu gänglich sind , sowohl der Begeisterung als der Entmutigung, nament
lich aber wirkt Indisziplin ansteckend. Die Schlacht bei Lützen kann so recht zum Beweise dienen für
die Wahrheit des Satzes, daſs mit undisziplinierten und ungeübten
Truppen errungene Siege ungleich blutiger sind als solche , welche man mit wohl disziplinierten und gut geschulten Soldaten erficht. Die Unordnung, die Ungeübtheit und demnächst die körperliche Schwäche der jungen Soldaten waren die Ursachen der groſsen Verluste, welche bei allen Gelegenheiten bedeutender waren als diejenigen der Verbündeten.
Die französische Armee im Jahre 1813.
7
Hierzu kam nun noch der jammervolle Zustand des Sanitäts dienstes innerhalb der Armee, oft muſsten die Verwundeten wegen
des Mangels an Gespannen meilenweit auf Schiebeböcken fortgekarrt werden , wenn man sie nicht überhaupt auf dem Schlachtfelde liegen lieſs, und im besten Falle harrte ihrer in den Lazaretten ein Loos, welches sich kaum beschreiben läſst. Daſs unter diesen
Umständen der Prozentsatz derer, welche ihren Wunden erlagen, ein auſserordentlicher sein muſste, ist selbstverständlich. General Foy *) sagt hierüber: »Les blessés furent souvent abandonnés faute de moyens de transport. Vainqueurs ou vaincus , nous avons perdu quatre fois plus de monde par le désordre inséparable de notre système de guerre que par le fer ou le feu de l'ennemi. « Waren die älteren Soldaten auch gegen Eindrücke wie die eben geschilderten abgestumpft, so lange sie nur selbst verschont blieben , so muſsten dieselben doch eine geradezu niederschmetternde Wirkung auf die jungen Soldaten ausüben, aus denen sich die Masse der Armee zusammensetzte.
Das Schlimmste aber war , daſs es eben diesen jungen Soldaten an der physischen Kraft und an der Gewohnheit fehlte , Anstren gungen zu ertragen wie die, welche jetzt an sie herantraten . Diese
selben Soldaten , welche sich bei Lützen gut geschlagen und bewiesen batten, daſs sie in der Aufregung des Kampfes zu groſsen Leistungen fähig seien, waren nicht im Stande, derartige Anstrengungen längere Zeit zu ertragen ; sie schlugen sich gut, aber sie ermatteten sehr rasch , und sie würden die Lazarette überfüllt haben , wenn
man
hierauf keine Rücksicht genommen bätte. War sonst schon die Zusammensetzung der Armee für eine tbatkräftige Kriegführung nicht angetban , so lag hier doch der entscheidende Punkt.
Nicht
dals Napoleon, wie der Marschall St. Cyr sehr bezeichnend für den Eindruck , welchen die groſsen Verluste auf die Armee gemacht, berichtet, den Sieg bei Lützen deshalb nicht gehörig ausgenutzt habe, weil er selbst durch diese Verluste erschüttert gewesen sei , es war vielmehr der Zustand seiner Armee , welcher eine derartige
Ausnutzung des Erfolges, wie er sie die Welt gelehrt hatte , zur Unmöglichkeit machte. So gingen dem Kaiser viele Früchte seines Sieges verloren, die ihm voraussichtlich zugefallen sein würden, wenn er noch seine alten Soldaten gehabt hätte.
Nach der Schlacht bei Lützen trat eine abermalige Teilung der *) In der Einleitung zu seiner Geschichte des spanischen Krieges, in der uns der General ein Bild von den Verhältnissen der damaligen französischen Armee giebt.
Die französische Armee im Jabre 1813.
8
französischen Armee ein ; während Napoleon mit der Masse seiner Streitkräfte den nach der Elbe zurückweichenden Verbündeten folgte , muſste das Ney'sche Corps nach Leipzig rücken. Von hieraus erhielt Ney die Richtung auf Berlin angewiesen , da Napoleon bei der
groſsen Überlegenheit der feindlichen Reiterei sich in völliger Unkenntnis über die Bewegungen der Verbündeten befand und annahm , daſs die Preuſsen sich von den Russen getrennt hätten und dorthin zurückgewichen wären.
Für die Ausführung dieser
Operation wurden dem Marschall auſser seinem eigenen Corps noch die jetzt aus dem Hannoverschen zurückgerufenen Truppen Sebastiani's, die Division Puthod und das 2. Kavallerie -Corps, sowie die Corps von Victor und Reynier, dann sehr bald auch noch das von Lauriston unterstellt, welches letztere Napoleon ursprüng
lich bei der Hauptarmee behalten wollte. Was zunächst die so gebildete Armee- Abteilung des Marschall
Ney anbetrifft, so zählte dessen eigenes Corps wohl nur noch wenig über 30,000 Mann , während das V. Corps , dem jetzt dauernd die
freilich nur sehr schwache 3. leichte Kavallerie - Division zugeteilt war, ohne die Division Puthod etwa 20,000 Mann stark war. Hierzu
kam nun noch das jetzt neugebildete VII, Armee-Corps unter deni General Reynier, welches zunächst zwar nur aus der reorganisierten Division Durutte 2 Bataillone Würzburger und 8 Bataillone Franzosen mit zusammen 6000 Mann, 16 Geschützen
bestand ,
zu dem indessen schon in den nächsten Tagen die sächsischen Truppen stoſsen sollten. Napoleon rechnete bereits jetzt zuverlässig darauf, daſs sein Sieg bei Lützen ihm die Sachsen wieder zuführen würde.
Er täuschte sich hierin nicht ; nachdem Reynier, welcher
am 6. Mai von Merseburg , wo er die Division Durutte formiert hatte , aufgebrochen , bereits am folgenden Tage vor Torgau er schienen war, öffnete diese Festung am 10. Mai ihre Thore den
Franzosen , welche hierdurch auſser der Verstärkung ihrer Streit
kräfte einen wichtigen Stütz- und Übergangspunkt an der Elbe erhielten . Von den daselbst befindlichen sächsischen Truppen , welche bei einer Gesamtstärke von 11,700 Mann nur 8000 Mann in der
Front zählten, wurden 6000 Mann - 8/4 Bataillon,, 3 Schwadronen ,, 12 Geschütze – unter dem General v. Sahr dem VII. Armee-Corps
zugeteilt , der Rest verblieb als Besatzung in Torgau.
Durch den
Hinzutritt der Sachsen erreichte die Ney'sche Armee-Abteilung eine Stärke von etwa 62,000 Mann , 184 Geschützen.
Die übrigen dem Marschall unterstellten Truppen sind mit Ausnahme der Division Puthod thatsächlich niemals unter seinem
Die französische Armee im Jahre 1813.
9
Befehl vereinigt worden. Die letztere Division , von der in der Folge 2 Bataillone zunächst in Magdeburg zurückgelassen wurden , sowie das jetzt gegen 4000 Pferde zählende 2. Kavallerie-Corps waren
zur Zeit noch im Anmarsch von der Nieder-Elbe her begriffen ; jene rückte dem V. Corps nach , welches sie am Abende des 21. Mai erreichte, das Kavallerie-Corps wurde dagegen dem Marschall Victor überwiesen . Dieser Marschall verfügte jetzt über 22 Erfurter Bataillone, die fehlenden 6 Bataillone befanden sich in Magdeburg ; nachdem er am 15. Mai die Elbe bei Wittenberg überschritten hatte und daselbst durch eine vom General Lebrun formierte Marsch
Division des 2. Kavallerie-Corps von angeblich 3000 Pferden verstärkt worden war, wandte er sich auf Glogau , dessen Entsatz er bewirkte. An den groſsen Kämpfen hat sich weder sein eigenes noch das Kavallerie-Corps beteiligt. Mit dem Gros seiner Streitkräfte - dem IV. , VI., und XII. Corps, noch an den Garden und der Reiterei Latour - Maubourg's , 105,000 Mann, 252 Geschütze - folgte Napoleon den Verbündeten. Der Zustand seiner Truppen , der Mangel an Kavallerie und der kräftige Widerstand der preuſsischen und russischen Nachhut in den
Tagen vom 5. zum 8. Mai verzögerten dieses Vorgehen aber nicht unerheblich , und da überdies sämtliche Brücken von den Verbündeten zerstört worden waren, so konuten die Franzosen die Elbe erst am
11. Mai überschreiten. Bereits am folgenden Tage hatte die Vorbut der Armee – das XI. Corps und die 1. leichte Kavallerie- Division bei Bischofswerda ein heftiges Gefecht gegen die russische Nach hut zu bestehen , bei dem sich die Infanterie sehr brav benabm. An demselben Tage wurde die seit Lützen nur noch dem Namen
nach bestehende Elb - Armee aufgelöst , und muſste gleichzeitig der Vicekönig sich nach Italien begeben , um den Oberbefehl über die dort zu bildenden Streitkräfte zu übernehmen.
Es trat jetzt eine kurze Pause in den Operationen ein , da Napoleon das Eintreffen der im Anmarsch befindlichen Verstärkungen an Garde und namentlich an Kavallerie abwarten wollte, ehe er den Verbündeten eine zweite Schlacht lieferte , zu deren Annahme die selben sich entschlossen zeigten .
Den wichtigsten Bestandteil dieser Verstärkungen bildete bei der numerischen Schwäche
der Kavallerie die von dem
General
Lebrun für das 1. Kavallerie - Corps gebildete Marsch-Division , welche 4000 Pferde stark sein sollte , thatsächlich aber nicht unerheb
lich schwächer gewesen zu sein scheint, inden viele Pferde in Folge der anstrengenden Märsche und der schlechten Wartung
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Die gegen 1000 Pferde starke Dragoner -Brigade Beaumont muſste überhaupt einstweilen ganz in Dresden verbleiben, von wo aus dieselbe dann später nach hatten zurückgelassen werden
müssen .
Groſsenhain entsandt wurde.
Ebenfalls dem 1. Kavallerie-Corps wurde auch die früher er wähnte, 2300 Pferde starke sächsische Kavallerie - 8 Schwadronen
Kürassiere, 6 Schwadronen Husaren und Ulanen und eine reitende Batterie sowie anscheinend jetzt auch das bisher bei dem
IV. Armee - Corps eingeteilt gewesene 1. italienische Jäger -Regiment überwiesen .
Mit der Marsch - Division des 1. Kavallerie-Corps, vielleicht aber auch erst später, scheint auch das aus Spanien kommende 7. Che vauleger- Regiment bei der Armee angelangt zu sein, welches ebenso wie die beiden am 9. Mai eingetroffenen hessischen Schwadronen vorläufig dem VI. Armee-Corps überwiesen wurde. Nächst der Kavallerie war es vornehmlich die am 13. Mai in
Dresden anlangende Division junger Garde unter dem General Barrois 8000 Mann, 38 Geschütze, durch deren Eintreffen die Armee eine erhebliche Verstärkung erhielt. Was die westfälische Division Hammerstein 6 Bataillone, 8 Schwadronen = 5000 Mann, 12 Geschütze anlangt, welche -
bereits am 3. Mai von Heiligenstadt her zum VI. Armee - Corps ge stoſsen war, so wurde dieselbe bereits jetzt aufgelöst, da man den Truppen nicht trauen zu können glaubte ; die Infanterie verblieb
als Besatzung in Dresden, während die Kavallerie zum General Beaumont und mit diesem später zum XII. Armee-Corps stieſs . Durch das Eintreffen aller dieser Verstärkungen hätte die fran zösische Haupt -Armee abgesehen von den in Dresden verbleibenden Truppen trotz der Verluste in den letzten Gefechten auf 116,000 Mann anwachsen müssen , indessen waren ihre Reihen seit der Schlacht von Lützen durch Desertionen und Krankheiten unter der jungen
Mannschaft in einer Weise gelichtet, daſs ihre Stärke kurz vor der Schlacht bei Bautzen kaum mehr als 108 bis 110,000 Mann betragen haben dürfte. Hierbei befanden sich gegen 13,000 Reiter sowie anscheinend 296 Gsschütze.
Diese Zahl aber schien Napoleon für die bevorstehende Schlacht zu gering, nachdem er sich überzeugt, daſs die Preuſsen uud Russen vereinigt seien. So wurde denn der Marschall Ney aus der Richtung auf Berlin abberufen und gegen die rechte Flanke der bei Bautzen stehenden Verbündeten geschickt. Die heranrückende Avantgarde des III. Armee -Corps traf am 19. Mai gerade noch rechtzeitig bei
Die französische Armee im Jahre 1813.
11
Königswartha ein, um die Trümmer der Division Peyri des IV. Armee Corps, welche von den Russen überfallen worden war und 2900 Mann, 10 Geschütze eingebüſst hatte, aufzunehmen .
An demselben Tage
hatte auch das V. Corps von der Ney'schen Armee -Abteilung bei Weiſsig ein überaus heftiges Gefecht gegen das preuſsische Corps York zu bestehen , welches dem General Lauriston 1700 Mann kostete.
In der Schlacht bei Bautzen am 20. und 21. Mai verfügte
Napoleon nach den Verlusten der vorangehenden Tage und nach seiner Vereinigung mit Ney über etwa 165,000 Mann, wobei gegen 15,000 Reiter und 470 Geschütze.
Diese Zahlen müssen indessen
als höchste Angaben angesehen werden, und überdies schlossen sie die nur notdürftig geordneten Trümmer der Division Peyri ein. Dank dieser Uebermacht gelang es dem Schlachten -Kaiser auch hier wieder den Sieg an seine Fahnen zu fesseln , wenn auch das Er
gebnis nur wenig der auf eine Vernichtung der Gegner hinzielenden Anlage der Schlacht entsprach. Es war die Langsamkeit der Be wegungen Ney's, welche Napoleon um den gröſsten Teil des ange strebten Erfolges brachte ; da sich indessen nirgends ein Tadel gegen den Marschall findet, so liegt die Vermutung nahe, daſs der Zustand der Ney'schen Truppen ein kräftiges Vorgehen verhindert und daſs der Kaiser dies auch eingesehen habe.
Übrigens war der Sieg nicht so teuer erkauft als der von Lützen, vornehmlich wohl, wie C. Rousset sehr richtig sagt, weil
keine solche Krisis vorgekommen war, wie das III. Corps sie am 2. Mai durchgemacht hatte. Der Gesamtverlust an beiden Tagen soll sich auf 20,000 Mann belaufen haben , worunter sich aber auch dieses Mal wieder sehr viele Offiziere befanden ; auſserdem waren 2 Geschütze verloren gegangen .
Im Allgemeinen muſs der französischen Infanterie das Lob zu erkannt werden, daſs sie sich gut geschlagen hatte, und wenn sie dennoch von Napoleon in dem Sieges-Bulletin nicht in entsprechender Weise hervorgehoben wurde, so lag dies nur daran, daſs er sich mit dem Lob für sie bereits verausgabt, und daſs er Nichts mehr hin zuzufügen hatte. So fiel denn dieses Mal alle Anerkennung der Kavallerie zu, und da diese in der Schlacht selbst keine Gelegenheit gebabt batte, sich hervorzuthun , so muſste das Gefecht von Reichen bach am 22. Mai herhalten ; die Kavallerie, so hieſs es, sei derjenigen des Feindes an Zahl gleich , an Güte aber überlegen. Dieses Lob war nicht nur übertrieben, es war geradezu unsinnig ; wie nach Lützen, so verhinderte auch jetzt wieder die numerische Schwäche
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Die französische Armee im Jahre 1813 .
seiner Reiterei den Kaiser an einer kräftigen Ausnutzung seines Sieges, und daſs dieselbe den preuſsischen und russischen Schwa dronen auch an Güte nachstand, sollte sich sehr bald zeigen . Unter Zurücklassung des stark mitgenommenen XII. Armee Corps folgte Napoleon mit der Masse seiner Streitkräfte, nach dem Eintreffen der Division Puthod noch etwa 135,000 Mann, den Ver
bündeten nach Schlesien. Hier hatte der mit dem XI. Armee- Corps und dem 1. Kavallerie-Corps an der Spitze der Armee befindliche Marschall Macdonald am 27. Mai bei Goldberg ein heftiges Gefecht zu bestehen, bei welchem die eben noch so hoch gepriesene Reiterei ein glänzendes Fiasco machte ; die 1. leichte Division machte bei drei aufeinander folgenden Angriffen kehrt, und nur mit Mühe konnte sich der Marschall, der sich beim dritten Male persönlich an ihre
Spitze gesetzt hatte, noch in ein Carré retten. Alle Bemühungen der Generale und Offiziere, ihre Schwadronen wieder vorzubringen, scheiterten .
Macdonald war auſser sich, und er verfehlte denn
auch nicht, sich über die gänzlich unbrauchbare leichte Kavallerie zu beschweren ; nur die Kürassiere, schrieb er, seien brauchbar. Drei Tage später meldete auch der General Latour-Maubourg an Berthier, daſs seine beiden Divisionen die 1. leichte und die 1. schwere * ) in Folge der groſsen Märsche der letzten Zeit und der Ungeschicklichkeit der Leute im Reiten und in der Pferde
wartung sehr gelitten hätten. Natürlich waren es nicht sowohl die alten, von Hannover gekommenen Reiter, welche den hauptsächlichsten Abgang aufwiesen , als vielmehr die dermalen die Mehrzahl bildenden jungen, von Frankreich nachgerückten Ersatzmannschaften, welche im Reiten nur kümmerlich ausgebildet und in der Pferdewartung gänzlich unerfahren waren . Es zeigte sich auch hier wieder, daſs der Franzose nur ein schwacher Reiter und ein schlechter Pferde pfleger ist. Der Abgang war um so gröſser, als sich in den Schwadronen neben zahlreichen sehr alten fast noch mehr sehr
junge und kaum angerittene Pferde vorfanden, welche letztere namentlich durch die starken Märsche sehr gelitten hatten und
auſserdem vielfach gedrückt waren ; ein Augenzeuge berichtet, man habe eine französische Schwadron in Folge der groſsen Druckschäden auf 100 Schritt riechen können . Der Mangel an tüchtigen Offizieren *) Die 3. leichte Division befand sich bei dem V. Armee-Corps, während von später Reiset · in der 3. schweren Division die Dragoner-Brigade Beaumont vermutlich bei der aber sich Dresden zurückgelassen war, die Kürassier-Brigade -
1. schweren Division befand.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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und Unteroffizieren machte sich bei dieser Waffe im höchsten Grade fühlbar.
Und auch die Infanterie befand sich in einem Zustande, welcher
die ernstesten Besorgnisse erzeugen muſste. Es ist bereits früher gezeigt worden, in welcher Verfassung sich die französische Infanterie nach der Schlacht bei Lützen befunden hatte, seither war es noch
ungleich schlimmer geworden. Vielfach waren die in vorläufige Verbände zusammengewürfelten Truppenteile ins Feld gerückt, ehe noch ihre Organisation abgeschlossen, namentlich hatten sich die Bataillone des II. und VII. Corps in einem so unfertigen Zustande befunden , daſs mit demselben von Anfang an ernstlich hatte gerechnet werden müssen . Bei den anderen Corps war es anfänglich zwar etwas besser gewesen, dafür waren aber deren Reihen seither in
auſserordentlicher Weise gelichtet worden, namentlich begannen die Offiziere und älteren Unteroffiziere, deren Zahl von vornherein nicht
sehr groſs gewesen war, jetzt in bedenklicher Weise zu fehlen . Die Folge hiervon war, daſs die durch die Verluste und Anstrengungen
gelichteten Verbände sich in einer kaum glaublichen Weise lockerten, und daſs aller Zusammenhang verloren zu gehen drohte.
Das
Fehlen fast jeder Ausbildung und der Mangel der Gewöhnung an
Disziplin, worauf früher schon hingewiesen wurde, kamen hinzu. In wirren Massen wälzten sich, wie Odeleben berichtet, die Kolonnen fort, hier mit Abteilungen anderer Corps und anderer Waffen unter mischt, dort mit ihnen sich kreuzend, und oft schien es unmöglich , daſs der Knäuel sich jemals entwirren würde.
Zum groſsen Teil trug hieran auch die fehlerhafte Organisation des französischen Generalstabes die Schuld . Der Generalstab hat bis in die neueste Zeit hinein niemals in der französischen Armee
hervorgeragt und auch niemals eine ähnliche Bedeutung gehabt wie
bei uns. Es lag dies teils an seiner Vermischung mit der Adjutantur, teils auch daran, daſs er für junge Leute mit Empfehlungen ein
bequemes Mittel bildete, vorwärts zu kommen und sich den Krieg möglichst angenehm zu gestalten. Napoleon hatte diese Nachteile sehr wohl erkannt, und um dieses militärische Schmarotzertum ein
zuschränken und die Verbindung des Generalstabes mit der Truppe herzustellen, batte er mit Ausnahme des Obersten -Grades sämtliche Stabsoffizierstellen in denselben unterdrückt.
Dies rächte sich jetzt
sehr, denn sichtbar herrschte ein groſser. Mangel an geschulten Generalstabs-Offizieren, in Folge dessen den Truppen manche un
nötige Anstrengungen auferlegt wurden.
Die französische Armee im Jahre 1813 .
14
Fast noch schlimmer sah es mit der Organisation der Inten
dantur aus, deren Beamte, zumeist junge und unerfahrene Leute,
mehr auf ihr eigenes Interesse als auf dasjenige der Truppen bedacht Trotz der groſsen Unglückslehre des vorangegangenen Jahres war hier Alles beim Alten geblieben. » L'administration était vicieuse, « schreibt der General Foy,*) » nous ne nous servions ni de boulangeries portatives ni de fours mobiles ... Celui-là serait mort de faim qui aurait attendu pour manger, que l'administration de l'armée lui fit distribuer la ration de pain et de viande. « Da waren .
.
der Soldat somit für sich selber sorgen muſste, so konnte es nicht ausbleiben, daſs das Requisitions-System zum Raub - System wurde, und daſs Plünderung und Gewaltthätigkeiten den Marsch der fran zösischen Heere begleiteten, deren Disziplin dadurch immer tiefer
sank. Es war dies um so mehr der Fall, als auch die wenigen vorhandenen Offiziere nicht einmal Einbalt thun konnten, sondern ebenfalls an die Befriedigung ihrer leiblichen Bedürfnisse denken muſsten .
Natürlich litt der Dienstbetrieb hierunter in einem hohen
Grade, und nur die persönliche Gegenwart des Kaisers konnte hierin noch eine vorübergehende Besserung erzeugen. Zu alledem kam nun noch , daſs die Verbündeten bereits zweimal das Land
durchzogen hatten, daſs die Requisitionen sich daher weit zu beiden Seiten der Straſsen ausdehnen muſsten, und daſs selbst dann noch vielfach die Not nicht gestillt werden konnte.
Wenn es unter derartigen Verhältnissen den Generalen an Vertrauen zu ihren Truppen und an Unternehmungsgeist gebrach , so war das nicht zu verwundern , und immer wieder muſste Napoleon hiergegen ankämpfen.
Es war an alle Führer gerichtet, wenn
unter dem 6. Juni an Bertrand schrieb :
er
> Dans les affaires n'hésitez
pas à avoir confiance en vos troupes. Es war dies leichter gesagt als gethan, um all die Schwierigkeiten zu überwinden , dazu war eben die Macht einer Persönlichkeit nötig wie die seine, wie denn ja auch das Verhalten seiner Truppen bei allen Gelegenheiten für die Verbündeten das sicherste Anzeichen seiner Alles belebenden
Gegenwart oder seiner Abwesenheit abgab. Überall, wo er nicht war, machte sich , wie Marmont berichtet, Ermattung und Lasch heit in hohem Grade bemerkbar.
Wie sehr die Truppen unter den Folgen der schlechten Orga nisation der Intendantur. zu leiden hatten, darüber giebt uns ein Bericht Lauriston's an Berthier Aufschluſs, in welchem es heiſst: * ) In seinem erwähnten Werk.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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»Je dois appeler l'attention de votre Altesse sur la marche des troupes. La privation de destributions depuis plusieurs jours porte le soldat à oser tout pour se procurer des vivres. Il y a bien moins de traînards que de gens qui vont en avant, du moment que l'on aperçoit quelque ville ou village. Les généraux font tous leurs efforts pour arrêter ce désordre; le petit nombre des officiers paralyse les mesures, d'autant plus que ces officiers eux -mêmes cherchent des vivres. «
Die Folgen blieben nicht aus. Vom 25. Mai rührte Lauriston's Bericht her; bereits am Nachmittage des folgenden Tages erlitt die zu seinem Corps gebörende Division Maison bei Haynau eine em
pfindliche Schlappe durch die preuſsische Kavallerie. Es war wieder die Vernachlässigung aller Sicherheitsmaſsregeln im Verein mit der geschilderten Unordnung, welche diesen Unfall verursachte, durch den die genannte Division 1000 Mann Infanterie, ihre Sappeur Compagnie und 11 Geschütze verlor, von denen indessen 6 von der nachrückenden Division Puthod wieder genommen wurden, da die preuſsische Kavallerie sie wegen Mangelsan Bespannung hatte stehen lassen .
Überhaupt schwand das V. Corps zusehends, vornehmlich in Folge von 3 Nachtmärschen , welche es hatte machen müssen. Wenn man vielleicht auch einwenden mag, daſs die ehemaligen National gardisten, welche dieses Corps bildeten, eine ganz besonders strenge Zucht verlangten, so muſs anderseits doch bemerkt werden, daſs dafür auch dieses Corps nächst dem XI. aus den kräftigsten und best ausgebildeten Leuten gebildet war, welche noch am ehesten zur
Ertragung von Anstrengungen geeignet waren , daher es denn auch bei den übrigen Corps kaum besser ausgesehen haben dürfte. Ent bebrungen und Anstrengungen, wie sie dieselben bisher noch nicht gekannt, zu deren Ertragung überdies im Allgemeinen ihre physischen Kräfte nicht ausreichten, das war mehr, als diese jungen, meist noch im Wachstum begriffenen Ausgehobenen zu leisten vermochten ; sie blieben vor Ermattung liegen oder aber versuchten, wenn irgend möglich , zu desertieren .
Zu Tausenden
bedeckten
Kranke
und
Marode, Deserteure und Marodeure die Straſsen, und sichtlich lichteten sich die Reihen der Armee. Unter diesen Umständen gewinnt die Angabe Lefebvre's, die französische Armee hätte nach Bautzen
trotz aller Nachschübe nur noch 120,000 Mann gezählt, an Wahr
scheinlichkeit, und selbst wenn sie eine Übertreibung enthalten sollte, so giebt sie uns jedenfalls ein Bild davon, wie groſs der
Abgang gewesen sein muſs. Jedenfalls war dieser Abgang so be
Die französische Armee im Jahre 1813.
16
deutend, daſs Napoleon sich noch kurz vor dem am 4. Juni erfolgen den Abschluſs des Waffenstillstandes veranlaſst sah, Victors Heerteil
- das II. Corps und die Kavallerie Sebastiani's -
trotz dessen eine
Verwendung ausschlieſsenden Unfertigkeit näher an die Hauptarmee heranzuziehen . Während die letztere immer weiter nach Schlesien
hinein
vorgedrungen war, hatte sich der Marschall Oudinot von Bautzen aus in der Richtung auf Berlin in Bewegung setzen müssen. Da
sein Corps bei Bautzen sehr bedeutende Verluste gehabt hatte 6000 Mann und so viele Pferde, daſs 4 französische und 4 bayerische Geschütze wegen Mangels an Bespannung nach Dresden hatten zurückgeschickt werden müssen, - so hatte Napoleon befohlen , daſs er durch
die Kavallerie Beaumont's, die beiden hessischen
Schwadronen des VI . Armee - Corps und die 8 noch in Magdeburg verbliebenen Bataillone des I., II . und V. Corps verstärkt werden sollte, um so über ungefähr 24,000 Mann verfügen zu können. Da letztere 8 Bataillone das Corps indessen wahrscheinlich nicht erreicht haben, so dürfte der Marschall kaum über mehr als 20.000 Mann
verfügt haben. Am 28. Mai von Bülow bei Hoyerswerda angegriffen , schlug Oudinot diesen Angriff zwar ab, worauf er seinen wenig zielbewuſsten Vormarsch fortsetzte, fand dann aber am 4. Juni
seinen Weg bei Luckau durch den genannten General verlegt und muſste nach einem heftigen Gefecht über die Schwarze Elster zurück gehen , hinter welchem Fluſs er durch die Nachricht von dem Abschluſs des Waffenstillstandes vor einem weiteren Angriff Bülow's bewahrt wurde.
Auch in diesen Gefechten, welche den Franzosen mehrals 3000 Mann
gekostet hatten , waren die erwähnten Mängel deutlich zu Tage getreten ; in seinen Berichten klagt Oudinot sehr über die Traîneurs und nament
lich auch über seine schlechten Offiziere. Übrigens sollte dieser Teil des Feldzuges insofern nicht ohne Bedeutung bleiben, als der französische Feldherr Gelegenheit gehabt hatte, seinen demnächstigen Gegner Bülow kennen zu lernen, und als das Verhalten seiner
Truppen den preuſsischen gegenüber nicht dazu hatte beitragen können , sein Vertrauen zu ihnen zu stärken . Kurz vor dem Abschluſs des Waffenstillstandes fiel auch noch
Hamburg wieder in französische Hände. Trotz des Abmarsches der
Truppen Sebastiani's — Division Puthod und 2. Kavallerie-Corps — verfügte Davout Ende Mai nach dem Eintreffen sämtlicher vierten
und eines Teiles der dritten Bataillone der 28 Regimenter der beiden ersten Armee- Corps über beinahe 30,000 Mann . Die schwachen
Die französische Armee im Jahre 1813 .
17
Truppen der Verbündeten, welche sich auf diesem Teile des Kriegs
schauplatzes befanden, waren bei der gänzlichen Unthätigkeit des Kronprinzen von Schweden um so weniger in der Lage, die aus gedehnte Stadt zu behaupten, als sich auch noch Dänemark für Napoleon erklärte, und muſsten dieselbe daher räumen . Am 30. Mai konnte Davout seinen Einzug in die wieder unterworfene Stadt halten . Bei den verschiedenen kleineren Gefechten, zu denen es hier gekommen war , hatten sich die jungen Ausgehobenen im Allgemeinen leidlich benommen, so daſs Davout, der in diesem
Punkte ein sehr strenger Richter war, ihnen seine Anerkennung nicht vorenthielt .
Es bleiben noch einige Worte über die Ereignisse im Rücken der französischen Armee zu sagen . Hier waren fast alle Verbindungen durch die Parteigänger der Verbündeten unterbrochen, deren Streif
züge um so ergiebiger waren , je gröſser die erwähnte allgemeine Ermattung und Laschheit waren.
Das Feld , welches sich ihrer
Thätigkeit bot, war ein ganz auſserordentliches, denn ununterbrochen strömten Nachschübe an Menschen und Material zur Armee, letzteres
namentlich zur Ergänzung der noch immer schwachen Artillerie bestimmt. Auf diese Art gingen 2 gröſsere Artillerie-Parks ver loren , von denen der eine -- 24 von Augsburg kommende Geschütze, welche zu dem IV . Corps stofsen sollten, wahrscheinlich der von Straſsburg dorthin geschickte, – am 23. Mai von dem preuſsischen Rittmeister v. Colomb in der Gegend von Zwickau fortgenommen wurde, während der andere – 14 nach Magdeburg bestimmte west am 30. Mai bei Halberstadt von dem russischen General Tschernischew erobert wurde. Auch 2 vom General Poinsot fälische Geschütze
befehligte Marsch -Kavallerie -Regimenter wurden am 24. Mai bei Könnern vou dem russischen Oberst - Lieutenant Borissow auseinander
gesprengt.
Das gröſste Unternehmen dieser Art wurde von
dem
vor
Magdeburg stehenden russischen General Woronzow ausgeführt, der die gänzliche Unthätigkeit der dortigen Garnison benutzte und gegen Leipzig vorging, das den Hauptdepotplatz der französischen Armee bildete. In dieser Stadt lagen ungefähr 1500 Mann Infanterie, meist aus Nachzüglern der verschiedensten Regimenter gebildete Kommandos, sowie etwa 300 Reiter, ebenfalls aus fast allen Re gimentern der beiden ersten Kavallerie-Corps zusammengewürfelt, welche ihrer Pferde wegen hatten zurückbleiben müssen ; auſserdem lagen vor der Stadt noch 2 aus Frankreich nachgerückte Divisionen des 3. Kavallerie-Corps, welche indessen noch in der Formation Jahrbüoher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVIII ., 1.
2
Die französische Armee im Jahre 1813.
18
begriffen waren und zusammen nur 1600 Pferde gezählt haben sollen .
Am 7. Juni erschienen Woronzow und Tschernischew mit
etwa 5000 Mann vor Leipzig, sprengten die junge französische Kavallerie auseinander und nahmen derselben 18 Offiziere, 550 Mann
an Gefangenen ab. Die Nachricht von dem Abschluſs des Waffen stillstandes bewahrte hier die Franzosen vor noch gröſseren Ein buſsen. General Arrighi berichtete, der Wille der jungen Reiter sei ausgezeichnet, ihre Ausbildung aber so überaus mangelhaft, daſs es durchaus geboten sei , sie stets durch Infanterie zu unterstützen .
Teile dieser jungen Kavallerie waren es übrigens, welche im Verein mit der nachgerückten württembergischen Reiter-Brigade Normann
den bekannten Überfall von Kitzen gegen die Lützow'sche Streif schar ausführten .
Über die Gründe, welche Napoleon zum Abschluſs des Waffen stillstandes bewogen haben , ist vielfach gestritten worden ; gewiſs
haben politische Verhältnisse mitgesprochen , den Ausschlag hat aber doch der Zustand seiner Armee gegeben. Napoleon selbst hat dies freilich nicht zugeben wollen , er erkannte nur den Mangel an Kavallerie an, aber niemals würde anderenfalls gerade er, dem in rücksichtslosester Ausnutzung des Sieges kaum ein Anderer gleich gekommen ist, gerade in dem Augenblick Waffenstillstand geschlossen haben, wo ihm die bisher so schmerzlich vermiſsten Früchte seiner beiden letzten Siege endlich zufallen zu wollen schienen ! Die In fanterie befand sich in einer Verfassung, welche eine auch nur noch
kurze Fortsetzung der Operationen völlig ausschloſs. Wenn der Kaiser auch Dank der numerischen Überlegenheit seiner znsammen eten jugendlichen Ersatzmannschaften gerafften und unausgebild unausgebildeten 2 groſse Schlachten gewonnen und Sachsen und Nieder -Schlesien besetzt hatte, 80 war damit aber auch die nur irgend mögliche
Grenze seiner Erfolge erreicht ; seine physisch und moralisch noch nicht abgehärteten Soldaten , deren Zustand die Thatkraft seiner Kriegführung in einem so hohen Grade beeinträchtigt hatte, waren an der äuſsersten Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, be ziehungsweise hatte Napoleon dieselbe schon überschritten. Hier handelte es sich nicht mehr darum, ob man Tausende zurücklassen
sollte, bier blieb möglicher Weise der weitaus gröſste Teil liegen. Auch ein dritter Zusammenstoſs mit den völlig ungebrochenen Truppen der Verbündeten muſste vermieden werden , denn die Gefahr war groſs, daſs die jungen Truppen eine neue Krisis nicht über stehen würden , und dann war Alles verloren. Dazu kam die augen scheinliche Schwäche der Kavallerie, der es an jedem Halt gebrach,
19
Die französische Armee im Jahre 1813.
und die im Augenblick des Zusammenstoſses nicht minder fühlbare Unterlegenheit an Artillerie, endlich auch noch die so überaus er folgreiche und für die französische Armee so überaus empfindliche Thätigkeit der Parteigänger der Verbündeten.
Es war aber nicht allein der Wunsch, die rückwärtigen Ver bindungen wieder frei zu erhalten und seinen auf dem Kriegs
schauplatz befindlichen Truppen die unbedingt notwendige Zeit zur Erholung und zur besseren Ausbildung zu gewähren, der Napoleon zum Abschluſs des Waffenstillstandes bewog ; er wollte auch noch bedeutende Verstärkungen nach dem Kriegsschauplatz schaffen. Er hoffte, es werde ihm gelingen , den Waffenstillstand bis zum September hinzuziehen, bis zu welcher Zeit er seine Armee namentlich auch an Reiterei derartig zu verstärken gedachte, daſs er dann den Krieg durch einige vernichtende Schläge würde beendigen können. (Fortsetzung folgt.)
g*
II.
Der Feldzug von 1809 in Tirol, im salzburgischen und an der bayerischen
Südgrenze. *) Mit besonderer Bezugnahme auf den Anteil der bayerischen Truppen bearbeitet von
J. v . Heilmann , Generallieutenant.
I.
Die Katastrophe in Tirol am 13. April 1809. Dem Wunsche des Königs Maximilian Joseph entsprechend, hatte Kaiser Napoleon im Preſsburger Frieden die gefürstete Grafschaft Tirol
mit Inbegriff der Fürstentümer Brixen und
*) Auſser den im Kriegsarchiv befindlichen Feldzugsakten (Tiroler Insurrektion
von 1809. 4. Periode) wurden an Druckschriften und Manuskripten u. a. benutzt : 1. Anders , J. v. , Geschichtliche Skizze der Kriegsereignisse in Tirol i. J. 1809. Österr.-milit. Zeitschrift, 1833 und 1834. Unvollendet.
2. Baur , Der Krieg in Tirol während des Feldzugs 1809, mit besonderer Hinsicht auf das Corps des Obersten Grafen v. Arco. 1812, Hauptquelle für das Arco'sche Corps. Da vergriffen , wurde das treffliche Werk entsprechend ausgenutzt.
3. Danej (nicht Donay) , Geschichte Tirols von 1807-1814 in Briefen. Manu skript. Eine Abschrift derselben unter cod. germ. 5029 auf der Hof- und Staatsbibliothek in München .
Das Beste , was von einem Mithandelnden
über Tirol i. J. 1809 geschrieben worden ist.
4. Ditfurth , Aus dem Leben des bayerischen Oberst Karl Freiherr v. Ditfurth. Eine sehr gediegene Arbeit. Unentbehrlich für die Kämpfe in Innsbruck.
5. Egger , Dr. Joseph. Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit.
3 Bde.
Innsbruck .
Nicht frei von leidenschaftlicher Phrasen
macherei. 6. Heilmann , Leben des Generals der Infanterie Graf Deroy.
7. Heilmann , Die Katastrophe in Tirol vom 9. – 13. April 1809. Wochenblatt 1882 Nr. 13.
8. Heilmann , Feldmarschall Fürst Wrede.
Militär
Der Feldzug von 1809 in Tirol u. 8. W.
21
Trient Bayern überlassen . Dafür muſste es das Fürstentum Würz
burg , das ihm erst im Jahre 1803 zugefallen war , an den Erz herzog Ferdinand , Kurfürsten von Salzburg, abtreten . Der damalige Bestand Tirols war zu 443 '/, Meilen mit 620,854 Seelen angeschlagen , welche in 21 Städten , 21 Flecken und 3665 Dörfer lebten .
Schon wenige Monate nach dem Preſsburger Frieden vernichtete die jedes Herkommen , jede geschichtliche Überlieferung rücksichtslos verletzende Verfahrungsweise der damaligen bayerischen Regierung Alles, was den Bewohnern durch mehr als hundertjährigen Bestand ehrwürdig und heilig war.
In religiöser, politischer und sozialer
Beziehung sollte Tirol den übrigen Provinzen Bayerns gleichgemacht, ein Volk , das durch die Natur seines Landes auf eine eigenartige, aber langsame innere Entwickelung angewiesen war, mit einem Zuge in ein modernes Staatswesen eingepaſst werden .
Die Tiroler waren gewohnt , die Verehrung Gottes durch die beschränkteste Beobachtung leerer äuſserer Formen zu betreiben und die bayerische Regierung verordnete in unbesonnener Aufklärungs sucht die Aufhebung der Klöster , die gerichtliche Versteigerung der Prälatengüter , die Schlieſsung der Feldkapellen , die Entfernung der Heiligen bilder und Kruzifixe an den Straſsen. Die Tiroler waren
gewohnt, nach den Satzungen einer fünfhundertjährigen Verfassung durch die Vertreter der vier Stände – Adel, Geistlichkeit, Bürger und Bauernstand
das Recht der Steuerbewilligung und der
9. Interessante Beiträge zu einer Geschichte der Ereignisse in Tirol vom 10. April 1809 bis zum 20. Februar 1810. 10. Maye . Der Mann von Rinn.
11. Nüschler , Rückblick auf die kriegerischen Ereignisse in Tirol i. J. 1809. Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine, 19, 288. 12. Richter , Der Krieg in Tirol 1809. Zeitschrift für den deutschen und öster
reichischen Alpenverein. Eine treffliche Arbeit. 13. Staffler , Tirol und Vorarlberg.
14. ( Schütz ) , Geschichte der Kriege in Europa. 8. Teil.
15. Völderndorff, Kriegsgeschichte der Bayern. 2 Bde. 16. Weber , Andreas Hofer und das Jahr 1809.
Die Geschichte des 1. Infant.-Regts. von Prielmayer, des 4. Infant.-Regts. von Stapp , des 5. Infanterie Regiments von Gerneth , des 10. und 12. Infant. Regiments von Ruith und des 1. Chevaulegers-Regiments von Hutter. Die im „ Archiv für Offiziere aller Waffen “ befindlichen Aufsätze : über die
Verteidigung am Kufstein, die Gefechte der 1. Division im Sill- und Eisack thal vom 6.– 11. August 1809, das Gefecht im Salachthal am 25. September 1809 .
Die Geschichte des Mar - Josephordens von Schrettinger und Ruith.
22
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
Teilnahme an der Gesetzgebung auszuüben und ein Gouvernement, welchem ohne Wissen nur gegen den Willen des Landes die
Herrschergewalt überkommen, maſste sich an, das Recht der Steuer bewilligung , als zum Wesen der ständischen Verfassung nicht ge hörend , willkürlich aufzuheben , und an die Stelle der ständischen Verfassung selbst eine nach neufranzösischem Zuschnitte gemodelte
Schein - National - Repräsentation zu setzen , welche zudem nie ins Leben trat. Die Tiroler waren gewohnt , zu allen Zeiten eine ungeteilte und bevorrechtete Provinz unter dem alten Ehrennamen der gefürsteten Grafschaft Tirol zu bilden ; und die neue Staats
verwaltung, welche auf die historischen Denkmale des Landes keinen Wert legte , verkaufte das alte Stamm- und Hauptschloſs Tirol nach dem Meistgebot für 2200 Gulden an den Freiherrn Sebastian v. Hausmann und zerriſs das Land, dessen Namen in
Süd
bayern « verwandelt wurde, in drei, untereinander gänzlich ge trennte Kreise mit willkürlich erfundenen neuen Benennungen : Inn-,
Eisack- und Etsch kreis. *) Die Erwartung , durch eine Teilung der Provinz Tirol in drei gesonderte Kreise die Regierungsthätigkeit zu stärken, schlug gänzlich fehl. Die Tiroler waren gewohut, nach eigenem Ermessen die Anzahlkampffähiger Männer , sei es zur Verteidigung des heimischen Bodens , sei es zur Verfügung des habsburgischen Hauses gegen feindliche Angriffe zu bestimmen ; strenge Conscriptionsgesetze auf die rücksichtsloseste Weise durch
geführt, rissen nunmehr eine unverhältnismäſsige groſse Zahl Jüng linge aus dem menschenarmen Land in Krieg und Tod für eine Allen fremde, den Meisten aber verhaſste Sache. Bei der Durch führung des Militär-Conscriptionsgesetzes stieſs man denn auch auf mehr oder minder lebhaften Widerstand , je nach dem Grade der Beliebtheit , denen sich der Generalkommissär erfreute. Besonders
groſs und hartnäckig zeigte sich dieser Widerstand im Innkreis , wo fast die ganze Jugend aus ihren Wohnungen flüchtete und durch das Linienmilitär vergebens verfolgt wurde. Diese jungen Leute kamen hervor , wo immer sie nur ihrer Zahl vertrauten , und ver schwanden wieder , wenn sie sich zu schwach dünkten ; in einem Dorfe des Unter - Inntbales wurden Schüsse gewechselt und zuletzt muſste das Militär nach vielen vergeblichen Mühen zurückgezogen
werden. Diese ergebnislosen Verfolgungen steigerten auf der einen *) Innkreis , Hauptstadt Innsbruck ,
176 , Meilen, 202.751 Seelen ,
Eisackkreis , Hauptstadt Brixen ,
191,611 154 . 226,492 1124/4 443 /. Meilen, 620,854 Seelen .
Etschkreis, Hauptstadt Trient ,
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
23
Seite die Verwegenheit, während sie auf der andern das Selbst vertrauen verminderten .
Die Truppen fanden sich durch den ver
geblichen Kampf mit den Bauern gedemütigt , während diese , stolz auf den geleisteten Widerstand , sich um so kräftiger fühlten , von nun an nichts mehr für unerreichbar hielten und von jeder ihrer
Unternehmung Erfolg hofften. Durch Armeebefehl vom 7. Mai 1807 errichtete der König ein ans freier Werbung zu bildendes Bataillon von 4 Compagnien zu 888 Mann , einschlüssig der Offiziere, welches die Benennung > Tiroler Jäger- Bataillon « führte. Es
wurde im Jahre 1811 aufgelöst, nachdem es am 24. März 1808 auf 5 Compagnien gebracht , am 27. September in das 7. leichte Infanterie-Bataillon Günter , umgewandelt worden war und das noch die Namen Herrmann und Treuberg geführt hatte.
Sein
Ruf war nicht der beste, da es sehr zum Desertieren und Marodieren
neigte. Kein Wunder , da , wie sein Commandeur Major Günter in einem Berichte vom 25. April 1809 sagte, das Bataillon » aus Tirolern schlechtester Klasse « bestanden habe.
Die Desertion nahm
80 überband , daſs von 660 Mann , welche das Bataillon bei Aus bruch des Krieges zählte, am 25. April , also nach nur vierzehn Tagen, nur noch 158 Mann unter den Waffen waren . In kriege
rischer Beziehung konnte es mit keinem der übrigen leichten Bataillone , welche durchgehends Elitetruppen waren , verglichen werden . Die Tiroler waren gewohnt , von eingeborenen , mit ihrer
Sitte und Art vertrauten Beamten auf fast patriarchalische Weise verwaltet zu werden ; und eine neuerungssüchtige Schar zahlreicher, zum Teil sittenloser und frivoler Menschen drang in die stille Abgeschlossenheit dieser Gebirgsthäler ein , alles dort bisher be
stehende vornehm wegwerfend, Alles besser wissend und umgestaltend, oft mit rohem Trotz und unanständiger Öffentlichkeit jedem Gesetze der Sittlichkeit und religiöser Duldung Hohn sprechend. Am meisten sollen Graf Welsper, Generalkommissär in Trient, und v. Hof stetten , Direktor in Brixen , beigetragen haben , den Aufstand in Tirol vorzubereiten , während , wenn Bayern lauter so pflicht treue und würdige Beamte in Tirol gehabt hätte , als Bonn , dass Inswerksetzen des Buchowsky , Wagner , Eder 11 . a. , da Aufstandes wohl ein wesentlich schwierigeres Stück Arbeit ge wesen
wäre .
So meint Hormayr.
Wir
sind
dagegen
der
festen Überzeugung, daſs . wenn sämtliche Beamte nach Wunsch der Tiroler gewesen wären ,, der Aufstand , der von Wien aus mit allen Mitteln geschürt wurde, immerhin ausgebrochen wä re. Der Adel des Landes sah sich in seinen Vorrechten,
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
24
die Geistlichkeit in ihrem Einflusse wie im Besitztum beeinträchtigt ; der Handelsstand erlitt namhafte Verluste durch die Erschwerung des Handels nach Italien ; die alten Beamten, ihrer Stellen enthoben , wurden auf geringe Rubegehalte gesetzt; auf den Bürger- und
Bauernstand drückten schwere Steuern, die ungewohnte Rekrutierung und der Übermut der Beamtenklasse, doppelt fühlbar, weil diese in der überwiegenden Mehrzahl aus Fremden bestand.
Unter solchen Verhältnissen konnte alles Gute , was die baye
rische Regierung während ihres Bestehens in Tirol geschaffen. nirgendwo Anerkennung finden.
Hartnäckig verschlossen sich die
vernünftigsten und rechtlichsten Bewohver des Landes gegen jede noch so zweckmäſsige und wohlthätige Maſsregel, welche von der,
nach ihrer Überzeugung unrechtmäſsigen Gewalt ausging. Und nicht der kleinste Anteil , warum solche nützliche Neuerungen , wie die Festigung des landständischen Kredits durch Errichtung einer
Schuldentilgungs - Kommission , die Aufhebung der Patrimonial w. Gerichtsbarkeit, die Feststellung der gutsherrlichen Rechte u . s. W. ohne nachhaltige und vorteilhafte Wirkung verliefen , mag dem überstürzenden Unverstande, wie der blindgehorchenden Kriecherei der Bureaukratie zugeschrieben werden, welcher die Ausführung dieser
Verfügungen überlassen blieb . Die überall üppig wuchernde Un zufriedenheit Tirols blieb in Wien nicht verborgen , umsoweniger als die im Lande anwesenden ehemaligen Beamten darüber fleiſsig über die Grenze
berichteten .
Schon seit Ende Juli 1808 gingen
überdies fortwährend geheime Boten des tiroler Landvolkes an den von ihm besonders hochgeschätzten Erzherzog Johann , und drangen auf rasche und kräftige Unterstützung an Kriegs- und Mundvorrat, Wie das im begeisterten Fremdenbaſs aller an Volk und Geld . Orten aufflammende Spanien wollte auch das treue Land Tirol sein altes gutes Recht, seinen angestammten Kaiser wieder zurückerobern. Aber auch hier, wie in Spanien und wie vor hundert Jahren in
Altbayern hielten sich der hohe Klerus und der begüterte Adel scheu und zaghaft von der offenen Teilnahme an dem patriotischen Unternehmen zurück. Daſs aber englisches Geld seine Schuldigkeit that , kann nicht abgeleugnet werden. Es wanderten englische Agenten in Tirol herum , welche Subsidiengelder an die Häupter des Aufstandes verteilten .
Im Auftrage des Erzherzogs Johann verständigte sich im Laufe Januar 1809 der Freiherr v. Hormayr mit drei Tiroler Abgeordneten , worunter auch der Sandwirt Andreas Hofer von Passeyr sich befand , über den Plan zur Befreiung Tirols , dessen
in salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
Hauptzüge folgende waren :
25
An einem und demselben Tage
ursprünglich war der 9. Februar hierfür festgesetzt sollte auf allen Punkten Tirols gleichzeitig der Aufstand gegen die bayerische Herrschaft ausbrechen , welcher durch mündliche Mitteilungen von Thal zu Thal , von Haus zu Haus vorbereitet wurde ; die zerstreut
im Lande stehenden Truppenabteilungen sollten von allen Seiten umzingelt , Tag und Nacht beschossen und verfolgt und so durch
Erschöpfung zur Übergabe gezwungen werden . Die Flüchtung der öffentlichen Kassen, sowie die Zerstörung der in diesen Gebirgs gegenden doppelt wichtigen Kommunikationen , Straſsen , Brücken und Stege müssen ,
so hieſs es
im Interesse des einrückenden
österreichischen Militärs um jeden Preis verhindert werden . Dieses sollte in zwei Kolonnen einmarschieren ; die eine aus Kärnthen
durch das Pusterthal in geradester Linie auf die Hauptverbindung des Feindes zwischen
Italien und Deutschland ,
1
die Straſse von
Verona nach München , vorgehen und nordwärts über den Brenner gegen Innsbruck , südwärts gegen Botzen seine Spitzen vor schieben ; die zweite von Salzburg auf der Hauptstraſse in das Unterinnthal eindringen , Kufstein durch einen Handstreich nehmen und sich in Innsbruck mit der ersten Kolonne vereinigen . Als einstweilige höchste politische Behörde wurde Hormayr mit dem Titel eines » Intendanten « beauftragt, die Leitung der Landes verwaltung in die Hand zu nehmen ; ihm waren Rosch mann und Menz als Unterintendanten zur Seite gestellt. *) Freiherr v. Hormayr -Hortenburg, aus einem alten tiroler -
Adelsgeschlechte, darf ohne Zweifel als die Seele und der Kopf der
ganzen Erhebung betrachtet werden . Am 20. Januar 1782 geboren, batte sich Hormayr als Hauptmann der Tirolerschützen bei der Landesverteidigung vom Jahre 1808 dem General Chasteler vor teilhaft bemerkbar gemacht, auch damals schon die Gunst des Erzherzogs Johann erworben . Mit Vorliebe der Quellenforschung in der alten Tirolergeschichte zugethan , und dadurch in enger litterarischer Beziehung mit Hammer und Johannes v. Müller , kam der geistreiche und unermüdlich thätige Maou beim auswärtigen *) Am 13. April 1809 wurde Legationsrat Hormayr als „ Intendant “ unter dem General-Intendanten Graf Goës und als sein Stellvertreter ernannt, wenn er in Tirol nicht anwesend sei.
Der Graf betrat aber niemals Tirol und wurde
schon am 22. April in Padua gefangen. Die Generale , die wenig Lust hatten,
sich in den „ Bauern-Rummel “ zu mischen, hängten Hormayr auch herzlich gern (zumal seit der Achtserklärung gegen Chasteler ) die ganze Landesverteidigung auf die Schultern . Lebensbilder aus dem Befreiungskriege, 1 .
26
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
Ministerium in Wien rasch empor. Das Wohlwollen des Erzherzogs Johann und des Grafen Philipp Stadion hob ihn im Jahre 1809 auf die wichtige Stelle eines Hofkommissär in Tirol. Als solcher leistete er durch die Unerschöpflichkeit seines Geistes und die zäbe Unermüdlichkeit seines leidenschaftlichen Charakters in schwieriger und gefährlicher Lage Bewunderungswertes, wenn auch sein Betragen weniger durch die Gefühle des Patriotismus als durch blinden Hals
gegen die bayerische Regierung und durch maſslose Eitelkeit be stimmt worden sein mochte. Man vergleiche hierüber seine zahl reichen Werke, namentlich die Geschichte Andreas Hofers.
Wie
bekannt verlieſs Hormayr im Jahre 1828 den österreichischen Staatsdienst und fand durch König Ludwig I. in dem Lande eine ebren volle und einträgliche Verwendung , dessen Regierung , Heer und Bewohner er in früherer Zeit durch Wort und Schrift auf die
gehässigste Weise angegriffen und verleumdet hatte.
Nun wurde
er Österreicbs erbittertster Gegner. Noch vor Abreise der Tiroler Gesandtschaft wurde , trotz dem
ungestümen Vorwärtstreiben der Kriegspartei am Wiener Hofe, der Ausbruch der Feindseligkeiten in Tirol auf den 12. März ver Aber es war dies nicht die letzte Vertagung, zu welcher sich des thatkräftigen Reichsritters Stadion Feuereifer durch die
schoben .
zaudernde Bedächtigkeit des Erzherzogs Karl und seines Haupt Die Verlegung der groſsen Operationsheere vom linken an das recbte Donauufer im Laufe des Monats März, welche die erste Ursache zu dem gänzlichen Miſslingen der öster reichischen Kriegführung zwischen Isar, Donau und Abens gegeben ,
quartiers genötigt sab .
hatte auch für die Erhebung Tirols eine veränderte Zeitbestimmung
zur Folge , wonach der 9. April als letzter Zeitpunkt für dieselbe festgesetzt wurde. Zu dieser Zeit standen vom bayerischen Heere nur 4450 Mann in Tirol , *) welche sich in folgenden Stellungen befanden : Das 11. Infanterie-Regiment, 2 Bataillone, 1 Schwadron vom 1. Dragoner Regiment unter Rittmeister v. Schönhueb (bei derselben befand *)
Bat., Schwadr., Batt. , Mann,
11. Linien - Inf.-Regt.
2
1611 Oberst Frhr. v. Ditfurth ,
2. leichtes Bat. Wreden 1 3. leichtes Bat.Bernclau 1
809 Oberstlieutenant Wreden ,
4. 1. Bat. Donnersberg 1. Div. d. 1. Drag .-Reg.
1 1
4450
2 -
5
2
امن
1 Linienbatterie
809 809 260 152
1
Oberstlieutenant v.Bernclau , Oberstl. v. Donnersberg , Major Graf Erbach , Hauptmann Lainz Binder.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
sich Major Graf Erbach ) und 3 Geschütze in Innsbruck.
27
Das
2. leichte Bataillon, 2 Compagnien des 4. leichten Bataillons, 1 Schwadron des 1. Dragoner-Regiments unter Rittmeister v. Hahn und 2 Geschütze ( 1 Haubitze und 1 Kanone) unter Oberstlieutenant Wreden *) in Brixen , mit kleinen Abteilungen, zusammen 227 Mann
und 56 Pferde (Innichen und Brunecken) , in der Mühlbahn Klause , dann bei Oberau 1 Offizier und 40 Mann und an der
Ladritscherbrücke (auch » Hohe Brücke« genannt, eine Meile nördlich von Brixen , in einem einzigen Bogen über den Eisack gespannt) 1 Unteroffizier mit 14 Mann . 2 Compagnien des 4. leichten Bataillons nebst einer dreipfündigen Kanone unter Major Speicher
standen in Sterzing mit Abteilungen in Mauls , 1 Offizier und 40 Mann, und in der Richtung gegen das Pfitscher Joch , 1 Kor poral mit 14 Mann. Oberstlieutenant Wreden hatte den Auftrag, sein Corps bei Brixen zu » logieren « , und nur der Übermacht des Feindes zu weicben .
Alles übrige war ihm überlassen .
Major
Speicher in Sterzing erhielt Befehl »sich aufs äuſserste zu halten auch die Communication zu wehren und das Pusterthal zu wahren . «
Vom 3. leichten Bataillon standen 2 Compagnien unter Oberst lieutenant Bernclau in Hall und die übrigen 2 Compagnien unter Major Theobald in Schwaz , Rattenberg und Brixlegg mit kleinen Posten zu Wörgl und im Brixenthal (zwischen Hopfgarten and Kitzbühel). An der Spitze der kleinen Schar stand als Generalkommandant vôn Tirol der Generallieutenant Freiherr v. Kinkel , ein unent
schlossener, ängstlicher Mann, der den eigenen Mangel an geistiger Frische und moralischer Kraft vergeblich durch pedantische Kleinig keitskrämerei im Dienst und unverständiges Festhalten an dem Buchstaben des Reglements auszugleichen strebte.
Bei Abtretung
des Fürstentums Berg , der Heimat Kinkels , war er bereits der bayerischen Kriegsdienste entlassen, jedoch auf sein wiederholtes Ansuchen , im Oktober 1806 wieder in Pflichten genommen und obgleich schon 68 Jahre alt (geb. 1741 ) unglücklicherweise zum Generalkommandanten von Tirol ernannt worden .
Seine Schwäche
und die Unzuverlässigkeit seiner Gattin wurden benutzt, um Kenntnis von den militärischen Plänen und Vorkehrungen zu erlangen und
die österreichischen Agenten alsbald davon zu verständigen. Minister *) Wred en und nicht Wrede , wie meist geschrieben wird : Wreden , welcher in Tirol das 2. leichte Bataillon befehligte, wurde als Oberst und Commandeur des 8. Infanterie -Regiments am 18. August 1812 bei Polozk verwundet und starb am folgenden Tage.
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
28
Montgelas hielt sich verpflichtet, Vorstellung über die mangelhafte Befähigung des militärischen Befehlshabers zu machen und hierbei
auf die unbedingte Notwendigkeit hinzuweisen, denselben durch eine andere thatkräftige Persönlichkeit zu ersetzen. Allein , man wollte ihm den Verdruſs einer Abberufung ersparen und ergriff eine halbe Maſsregel, indem man den Oberst v, Mylius , Commandeur des 11. Infanterie - Regiments, den die Tiroler wegen seiner Schwäche, die er bei einem Exekutions-Kommando an den Tag legte , den Ehrentitel » der Bescheidene « beigelegt , mit Pension verabschiedete und an seine Stelle den thatkräftigen und hocheinsichtsvollen Oberst v. Ditfurth setzte , um den General mit seinem Rat zu unter stützen .
Es wäre aber jedenfalls nötig gewesen , ihm genaue
Weisungen zu erteilen , was aber nicht geschah . Aus dieser Unter lassung entsprang der nachteilige Umstand, daſs sich Kinkel um
seinen Beigeordneten gar nicht kümmerte , sondern nach wie vor bei seiner unklaren Beurteilung der Lage stehen blieb.
Ja , als
Ditfurth in den General drang, sämtliche Truppen bei Innsbruck zu versammeln , um nach Thunlichkeit den Begebnissen entweder mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten oder denselben durch
einen Rückzug auf bayerisches Gebiet auszuweichen , fertigte ihn der General mit den höhnischen Worten ab :
> Wie es ibm doch sehr
wundern müsse, daſs der Herr Oberst, der ihm als ein allzeit kampf lustiger Champion bekannt sei, plötzlich so schwarzen Phantastereien
sich hingeben könne. « *) Hätte aber Kinkel diesen » Phantastereien « eines Hellsehenden und über alle Maſsen tapferen Soldaten Gehör geschenkt, so würde die Niederlage vom 12. und 13. April erspart worden sein und einige tausend brave Soldaten , welche bis zum letzten Augenblicke ihren militärischen Pflichten in ebrenvollster Weise nachkamen, nicht in die Hände rebellischer Bauern gefallen sein . Die Katastrophe bat lediglich Generallieutenant Kinkel ver schuldet, indem er krampfhaft an der Weisung vom 7. März 1809
(s. w. u .) festhielt, die für ganz andere Verhältnisse bemessen, auf die wirklich obwaltenden durchaus nicht mehr anwendbar war.
Am 9. April, dem bestimmten Tage, überschritt Feldmarschall Lieutenant Chasteler mit ungefähr 10,000 Mann bei Lienz im Pusterthal die damalige bayerische Grenze, nachdem er im Namen des Erzherzogs Johann, dem Kommandierenden der Armee von Innerösterreich, eine Proklamation in tausenden von Exemplaren hatte austeilen lassen . Erzherzog Johann , der schon lange als Patron *) Ditfurth , Aus dem Leben des Obersten Ditfurth , 79, 80.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
29
von Tirol betrachtet wurde, hatte am 8. April zu Villach das Besitzergreifungspatent von Tirol unterzeichnet. Chasteler's Bestimmung war :
bei
Brixen
und
auf dem
Brenner sich festzusetzen, starke Streifparteien nach allen Richtungen in das nördliche Tirol abzusenden, das Volk in Aufstand zu bringen und die nächste Verbindung an der Donau mit der italienischen
Armee herzustellen .*) Im ganzen Laufe des Krieges war überhaupt der Besitz der Brennerstraſse für die Strategen in beiden Lagern Zweck und Siegespreis des Kampfes in Tirol. **)
Der Zug Chasteler's durch das Pusterthal, der zuerst den Krieg eröffnete, glich einem wahren Triumphzuge. Chasteler und Hormayr benutzten die Begeisterung sofort zur Organisation des Landsturmes und der Schützen -Compagnien. Der Andrang zu letzteren
war so groſs, daſs zu Silian in vierundzwanzig Stunden zwei voll ständige Compagnien gebildet waren. Gleichzeitig war eine Truppenabteilung unter Oberstlieutenant Taxis , 6 Compagnien und / Schwadron, durch das Pinz- und Zillerthal gegen Schwaz entsandt worden , wo sie am 13. Abends anlangte und von dort nach Innsbruck marschierte. Oberstlientenant
Reissenfels war mit 900 Mann von Salzburg nach St. Johann , auf der Straſse nach Innsbruck , marschiert . Die Ankündigung vom Ausbruche der Feindseligkeiten , welche
Erzherzog Johann an den bayerischen Vorpostenkommandeur ab gehen lieſs, gelangte zwar nicht an ihre Adresse.
Aber die in der
Nacht zum 10. auf den höchsten Bergen angezündeten Wach-(Kreide-) feuer trugen die Kunde hiervon rasch durch das Land und benach richtigten auch die darin zerstreuten bayerischen Besatzungen, daſs nun der Kampf auf Tot und Leben beginnen werde. Schon am 9. und 10. April wurden einzelne Patrouillen im Pusterthal von den Bauern aufgehoben und den heranziehenden
Österreichern in Triumph entgegengeführt. Die Posten bei Ivichen und Breunecken wurden gezwungen, sich auf die Mühlbach Klause zurückzuziehen , nachdem sie vorher noch die Brücke bei
Lorenzen zu verteidigen gesucht hatter..
Alle Brücken bis zum
Brenner und im Pusterthal bis Inichen waren zum Abtragen ein gerichtet worden . Am 9. hatte Oberstlieutenant Wreden das entbehrliche Geld ,
sowie das Offiziers-Gepäck nach Innsbrnek vorausgeschickt ; letzteres *) Egger , Geschichte von Tirol, 3, 535, 539, 540, 541. **) Richter , Der Krieg in Tirol i. J. 1809, Zeitschrift für den deutschen
und österreichischen Alpenverein. 6. Bd.
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
30
wurde von Tiroler Wegelagerern bei Sterzing erbeutet.
Um die
Verpflegung zu sichern, wurde auf fünf Tage Brot, Fleisch und Fourage empfangen. Am 10. verlieſs Oberstlieutenant Wreden mit > Soldat und Offizier waren hochgestimmt und seinen Truppen gesonnen, Alles für die Ehre und den glücklichen Ausgang zu leisten « die Stadt Brixen und führte sie in eine gesicherte Stellung auf dem rechten Eisackufer hinter die Ladritscherbrücke, indem er sich, -
durch Anlehnung an den Ort Oberau , den in Sterzing stehenden
zwei Compagnien unter Major Speicher zu nähern suchte. Schon vorher hatte Wreden die Ladritscherbrücke durch eine Com
pagnie besetzen und zum Abbrechen und Abbrennen herrichten lassen . *) An der Brücke angekommen, schickte Wreden einen Zug Infanterie nach Mühlbach. Und als dieser nicht mehr durch zukommen vermochte, muſste eine Compagnie vom Bataillon Wreden abgehen , um die im Pusterthal zum Rückzug genötigten Infanterie
und Kavallerie -Abteilungen, sowie dem in Mühlbach stehenden Kavalleriepikett Luft zu machen, was auch bewerkstelligt wurde, nachdem Oberlieutenant Kolbeck vom 1. Dragoner -Regiment auf die Bauern eingehauen hatte.
Diese Abteilungen waren kaum beim Gros hinter der Ladritscher brücke eingerückt, als der Feind vom linken Eisackufer aus ein
lebhaftes Feuer gegen die Bayern eröffnete, welches diese und ihrer ungedeckten offenen Aufstellung, so gut es gehen wollte, erwiderten und durch wiederholte Bajonettangriffe über den Fluſs auf die Mitte
des Feindes zu unterbrechen suchten . Die Abtragung des gröſsten Teiles des steinernen Brückenbogens wurde indes bis gegen Abend bewerkstelligt, obwohl sich die Haufen der Aufständischen
von
Stunde zu Stunde vermehrten und endlich auch die Spitzen von
Chasteler's Truppen auf den Höhen von Schabs eintrafen. Bei nahe gleichzeitig rückte eine 4000 Mann starke Kolonne französischer Marschbataillone unter den Generalen Bisson und Lemoine in
das Lager der Bayern. Es waren Ergänzungsmannschaften, meist Rekruten aller Waffen, welche, aus Italien kommend, zur Armee von Deutschland stoſsen sollten.
General Bisson zog mit der
ersten Hälfte, ohne sich an dem Gefecht der Bayern zu beteiligen,
noch am Abend weiter gegen Oberau , während General Lemoine *) Am 10. um 5 Uhr Morgens hatte der Feind den Posten an der Ladritscher
brücke angegriffen, welcher hierbei mehrere Tote und Verwundete hatte. Um 7 Uhr Morgens meldete der bei Oberau stehende Hauptmann Graeff das An Geschichtliche Darstellung u. s. w. Feldzug von 1809. I. Periode. Kriegs -Archiv.
sammeln der Feinde.
31
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
für sicherer hielt, mit der anderen Hälfte umzukehren und wieder
bei dem om Roveredo stehenden Corps des Generals Baraguay d'Hilliers einzurücken .
Es entsteht hier überhaupt die Frage, ob
es nicht besser gewesen wäre, wenn auch Bisson und Wreden dem General Lemoine gefolgt und nach Süden ausgewichen wären .
Jedenfalls wäre die Truppenabteilung Wreden's von einer Gefangen schaft bewahrt worden , in die sie General Bisson führte. Ohne alle Aussicht auf Unterstützung, von allen Seiten um
zingelt und angegriffen, nicht nur von bewaffneten Bauern, sondern anch von den nun beschleunigten, anrückenden österreichischen Trappen bedroht, beschloſs Wreden am frühen Morgen des 11 . seinen Rückzug nach Sterzing fortzusetzen. > Der Anblick der österreichischen Truppen verdoppelte den Mut der Insurgenten, und zwang die Bayern und Franzosen zum Rückzug über Mittenwald
gegen Sterzing. « *) Wreden nahm die Haubitze an die Spitze, die Kanone aber an das Ende. Die Tiroler stiegen teilweise von den Bergen herab und folgten der Kolonne so nahe, daſs sich
Wreden genötigt sah, die Tiroler durch Kartätschenschüsse vor einem zu heftigen Nachdrängen abhalten zu lassen . Fortwährend vom Feinde umschwärmt und beschossen, langte Wreden Abends unter namhaften Verlusten in Sterzing an , wo er zwar die Kolonne des
Generals Bisson , aber keinen Mann vom 4. leichten Bataillon mehr antraf.
Nach zwölfstündigem Widerstande hatte sich am Nachmittag des 11. der Rest der Truppenabteilung Speicher den 5000 Auf ständigen übergeben müssen, welche Andreas Hofer aus Passeyer, Algund, Meran und Mintschgau gesammelt, und noch am späten Abend des 10. über den Jaufen geführt hatte. Der Kampf fand anfänglich beim Zwölfeturm , dann bei der heiligen Kreuzkapelle und schlieſslich mitten auf dem Moose zwischen dem Pfitscher- und
Mareitherbach statt. **)
Hier leisteten sie, noch 212 Mann stark,
mit ihrer Kanone, in Carréstellung dem weit überlegenen Feinde kräftigen Widerstand. Die Aufständigen rückten ihnen über die
groſse Moosfläche entgegen , und schoben einen Heuwagen – nach dem Bericht des Major Speicber drei Heuwagen --- als bewegliche Schanze vor sich her, bis sie mit ihren Stutzen den Kanonieren
beikommen konnten. Den Wagen leitete das Bauernweib Maria Porer, geborne Hofer aus Wiese, mit Hülfe der Sterzinger Schneiders *) Cod. germ . 5029. Hof- und Staatsbibliothek in München. **) Oder unfern des Schlosses Sprechenstein, nahe bei der Einmündung des Riednauerbaches in den Eisack .
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
32
tochter Anna Zoder. Von 12 Mann, welche die Kanone bedienten,
wurden 11 getötet und verwundet. Major Speicher war gleich anfänglich verwundet worden und hatte bereits um 9 Uhr Vor mittags das Kommando dem Hauptmann Corseing übergeben . Um / , 12 Uhr übergab auch dieser, nachdem er gleichfalls verwundet
worden war, dem Hauptmann Poyk das Kommando. Dieser führte die Verteidigung bis 2 '/ Uhr Nachmittags, worauf er nach sechs maliger Aufforderung und nachdem alle Patronen verschossen waren , den Rest seiner braven Truppen den siegestrunkenen Aufständigen übergab, * ) welche die unglücklichen Soldaten durch Miſshandlung für ihren Widerstand bestraften. Die Bayern hatten 40, die Tiroler 64 Mann tot und verwundet. 1 Major, 10 Offiziere und 380 Mann fielen in Gefangenschaft. Die Kanone wurde erbeutet. Von öster reichischen Linien -Truppen hatte nur eine schwache Abteilung Jäger und einige Chevaulegers unter Oberlieutenant Gerardt am Gefecht teil genommen .
Mehrere Schriftsteller, namentlich Stutterheim , **) wissen von dieser Entsendung des Major Speicher nichts, sondern lassen das Gefecht zwischen Hofer und der Arrieregarde des Oberstlieutenant Wreden stattfinden .
Als Wreden über den Ausgang des Gefechtes seiner beiden
Compagnien Gewiſsheit erhalten, setzte er noch in der Nacht seinen Rückmarsch nach dem Brenner fort. Zwei Compagnien des 4. leichten Bataillons bildeten die Avant- und sämtliche Schützen der 6 Com
pagnien die Arrieregarde. Am 12. Nachmittags 3 Uhr erreichte die
Kolonne, nach Überwindung unsäglicher Schwierigkeiten und stets vom Feinde verfolgt, Steinach . Namentlich hatte der Übergang über den Brenner - dieser Mordhöhles , wie sich Wreden in »
seinem Bericht ausdrückt — viele Leute gekostet, da das Wegräumen
der Verhaue unter dem Feuer des Feindes geschehen muſste. Oberstlieutenant v. Donnersberg erhielt eine heftige Contusion auf
der Brust. » So immer fechtend, mit Hunger und Elementen kämpfend , zog die Truppe am 12. nach Steinach , wo die Pferde an beiden Geschützen (1 Haubitze und 1 Kanone) totgeschossen wurden . Hier
zeigte sich die Entschlossenheit der Soldaten im schönsten Lichte . Die Artilleristen bewaffneten sich mit den Gewehren der Getöteten, trieben mit der sehr geschwächten Arrieregarde den Feind znrück, *) „ Nachdem sie in mehrstündigem Kampfe gegen die unverhältnismäſsige Überzahl, ausgezeichnete Tapferkeit und Disziplin bewährt.“ (Schütz) Geschichte der Kriege in Europa, 8, 174 . **) La guerre de l'an 1809 entre l'Autriche et la France 1, 46.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
33
während die Pferde von einigen Rüstwagen vor das Geschütz gespannt, und solches auf diese Weise wieder fortgebracht werden konnte . > So wurde « sagt Wreden, » das Diadem des Corps gerettet. «
Wer von der Marsch kolonne zurückblieb, verwundet
oder entkräftet, fiel in die Hände des auf den Fersen folgenden Feindes und erlag oft den erbarmungslosen Streichen der zu sinn loser, grausamer Wut aufgestachelten Bauern . Die Tiroler legten hiermit den Grund zu den Wiedervergeltungsmaſsregeln, welche die Bayern bei der noch im Laufe des Jahres 1809 erfolgten Unter werfung Tirols nahmen - ein Umstand, der von den antibayerischen
Schriftstellern geflissentlich auſser Acht gelassen wird. Chasteler , der am 12. in Brunecken eintraf, nahm am 13.
Stellung bei Schabs. Er liefs die Stellung bei der Ladritscher Brücke und der Brixener Klause befestigen. Während sich diese Vorfälle im Süden des Brenners abspielten ,
erschütterte ein noch gewaltigeres Ereignis das nördliche Tirol. Generallieutenant Kinkel hatte weder durch die politischen Behörden des Landes noch von seinen auf den Hauptstraſsen vorgeschobenen
Posten andere als ungenügende, balbe, sich häufig widersprechende Andentungen über das Wesen der Bewegung erhalten, welche sich in den entfernten Winkeln des Landes verbreitete.
Unsicher und
ängstlich, fand er in dem geringen Vorrate seiner Erfahrung und seines Wissens kein Schema, welches auf eine solche, allerdings
trostlose Lage passen wollte. Aber er fand auch in sich selbst nicht die Kraft und den Mut, von einem erhaltenen höheren Befehle,
der für ganz andere Verhältnisse bemessen und auf die wirklich ob waltenden durchaus nicht mehr anwendbar war, rasch und gründlich
abzugehen. Im Unter- Innthal gingen am 10. April Laufzettel an alle Gemeindevorsteher und Gerichtsanwälte herum, welche das
allgemeine Aufgebot enthielten. Auch hiervon erfuhren die baye rischen Behörden nicht das geringste. Ein Beweis, daſs das Sicher beitswesen sehr schlecht bestellt war.
Am 11. fielen von seiten der Aufständigen die ersten Schüsse auf den Posten am Pulverturm Axams womit der Kampf mit
auſserhalb des
Innrains nach
der bayerischen Besatzung begann .
Die Sturmglocken lieſsen ihr schauerliches Geläute vernehmen . Zahlreiche Bauernschwärme bedeckten die Abhänge des Berges Isel. Aus allen Befehlen und Verfügungen, welche Kinkel noch am 11 . erliefs, geht mit voller Klarheit hervor, daſs er von der kritischen
Lage, in der er sich thatsächlich befand, nicht die geringste Ahnung hatte.
Statt seine Truppen, welche bis Wörgl ausgedehnt waren ,
Jahrbücher für die Deutache Armee und Marino, Bd. LXVIII ., 1.
3
Der Feldzng von 1809 in Tirol,
34
bei Innsbruck zu versammeln und die Abtei Miltau und die
Sillhöfe zur Verteidigung einzurichten , wie ihm Oberst Ditfurth vorgeschlagen hatte, sandte er noch am 11. 2 Compagnien, 1 Zug
Dragoner und 1 Kanone unter Major Zoller vach Zirl , um auch im Ober-Innthal einen Beobachtungsposten zu haben . Oberst Dit furth erhielt die Weisung, mit 4 Compagnien, 2 Geschützen und 2 Zügen (1. und 2. ) Kavallerie die vom Berg Isel vordringenden Tiroler zurückzutreiben und dann eine Strecke weit auf der Brenner
straſse vorzurücken . Ein Zug der 3. Dragoner- Schwadrou stand an der Straſse, welche nach
der Gallwiese führt.
>> Die Kavallerie
konnte an diesem Tage nicht mehr leisten, als die Infanterie zu
sutenieren und die Nacht hindurch zu patrouillieren . « *) Mit dem Rest verblieb Kinkel in Innsbruck, wo die gewöhnlichen Wachen verstärkt wurden .
Zunächst entspann sich das Gefecht beim Husselhof und an der Gallwiese . Die Bayern vermochten hier nichts auszurichten . Auch der Versuch Ditfurth's , über den Berg Isel und die Hoch
fläche von Natters die Aufständigen im Rücken zu nehmen, schlug fehl. Um die Mittagszeit begann das Kleingewehrfeuer auch auf dem rechten Sillufer beim Coret- oder Lemmenhof, das sich
allmählich über den Paschberg gegen Ambras ausdehnte. Hier standen die Mannschaften aus den Dörfern um Innsbruck.
Auf
beiden Sillufern dauerte das Feuern bis zum Einbruch der Nacht,
worauf Kinkel die Truppen wieder nach Innsbruck zurückgehen liefs. Starke Piketts blieben bei der Ziegelhütte in der Richtung gegen die Gallwiese und auſserhalb Mariahilf auf der Zirler straſse .
Auch die Truppenabteilung Zoller, welche kühn bis Zir]
vorgedrungen war, traf, nachdem es sich durch die inzwischen sehr
verstärkten Massen der Aufständigen durchgeschlagen hatte, eben falls glücklich in Innsbruck ein .. Eine Abteilung Chevaulegers,
welche unter Oberlieutenant von Hagen von Seefeld bis in die Nähe von Zirl aufklärend vorgezogen war, rettete sich, mit Hinterlassung von 10 Gefangenen, durch eilige Flucht.
Die Unternehmungen
nach beiden Richtungen , sowohl gegen den Berg Isel als gegen
Zirl , waren miſslungen. Schwereres sollte noch folgen . Ein Augenzeuge **) spricht sich über diese Gefechte wie folgt *) Relation des Major Graf Erbach. Feldzug 1809.
Tiroler Insurrection .
I. Kriegs -Archiv.
**) Danej , Geschichte Tirols von 1807—1814. Manuscript unter Cod. germ . 5029 auf der Hof- und Staatsbibliothek in München .
23a und b.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
35
» Ganz gewiſs sind bei den Ereignissen in und um Innsbruck groſse und wichtige militärische Fehler gemacht worden . Der
aus :
Oberst Ditfurth hätte seine Truppe nie auf Gebirgs- und Feld
straſsen den Bauern entgegenführen sollen. Durch unnütze zweck lose Erstürmungen verschiedener Hügel verlor er eine Menge Leute, oder ermattete sie wenigstens.
Durch das Vordringen in manchem
Gebirgsweg gab er den Aufständigen nur sicheren Spielraum aus ihren Felsen und Schluchten desto gewisser seine besten Offiziere, seine Kanoniere und Kanonenpferde zu erschieſsen.
Ich glaube,
daſs durch das ganze fürchterliche Kanonenfeuer nicht einem ein zigen Aufständigen ein Haar ist gekrümmt worden. Im Gegenteil, so oft eine Kanone abgefeuert wurde, und eine Kugel ein Felsen stück zersplitterte oder einen Baumast wegriſs, lieſsen sich wieder ganze Abteilungen Bauern frei auf den Hügeln sehen, und zeigten den Soldaten , in einer Hand den Hut, in der anderen den Stutzen haltend, wie sogenannte Zieler beim Scheibenschieſsen, wenn die Scheibe gefehlt, zu thun pflegen u . s. w. Hätte der Oberst
Ditfurth seine ganze Mannschaft und Gesamtkraft in der Stadt beisammen gehalten , ich zweifle , ob die Bauern
einen Sturm würden gewagt haben . Allein es schien , der Herr Oberst wollte sich Ehre machen , und glaubte anfangs den Spaſs gerade so mit einigen Kanonenschüssen abzu th an . Doch die Wahrheit zu sagen , haben die Herren Bayern damals weder unser Volk , noch weniger den Volks krieg im Gebirge gekannt. « * ) Ganz Tirol war im Aufstand und alle Verbindungen unter brochen .
In der Nacht zum 12. April vollendeten die Aufständigen die gänzliche Umzingelung Innsbrucks , was Kinkel in seiner Ver blendung nicht bemerkte. Eine Masse Aufständiger hielt den Berg Isel von der Gallwiese bis an die Sill oder Wiltau , eine andere den
Paschberg vom rechten Sillufer bis über Ambras und eine dritte die Höhen des linken Innufers von Kranabitten bis Höttingen besetzt. Bei den Aufständigen fehlte ein Oberkommando und ein Kriegsplan. Sie handelten instinktiv und siegten – da sie alle nur einen Zweck, die Vernichtung der Bayern , im Auge hatten. Neben vielem schlecht bewaffneten Gesindel, waren die trefflich organisierten und mit guten *) Der Vorwurf, sachlich gerechtfertigt, trifft eigentlich dem Generallieutenant Kinkel, der diesen Vorstofs angeordnet hatte. 3*
36
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
gezogenen Gewehren bewaffneten Schützen - Compagnien aus Axam , Selrain , Matrey, aus dem Ober - Innthal bis Fürstenmünz und Nau ders , aus dem Ötz- und Stubeithal , der Leutasch und selbst aus dem oberen Pinzgau vorhanden . Da sah man , wie es bei Massenaufgeboten gewöhnlich der Fall , eine wahre Musterkarte von wirklichen und improvisierten Waffen. Neben Flinten , Musketen, Pistolenläufen
beziehungsweise alle Arten von Gewehrsystemen , sah man Stangen, an deren Enden Bajonette, Sensen und Messer befestigt waren . Dagegen
waren die Schützen-Compagnien mit Stutzen bewaffnet, den sie mit groſser Geschicklichkeit handhabten, wenngleich ihre Sicherheit im Schieſsen sehr übertrieben worden ist.
So gefallen sich die Tiroler
den Verlust an toten Offizieren , welche die Bayern im Jahre 1809 erlitten , ungemein zu vergröſsern. In der That betrug er jedoch nur 26 Mann .
In Innsbruck warteten die unteren Volksklassen nur
den Augenblick ab, um gemeinschaftliche Sache mit ihren Lands leuten zu machen . Dazu das offene, zur Verteidigung höchst un vorteilhaft gelegene Innsbruck . Eine schöne Perspektive für die vielleicht noch 1200 Mann starke Besatzung.
Am späten Abend des 11. April hielt Generallieutenant Kinkel Kriegsrat , zu dem er auſser allen Stabsoffizieren auch eine Anzahl
hoher Civilbeamten berief, darunter den Justizrat Dipauli , der, obgleich bayerischer Beamter, zu den geheimen Häuptern des Auf standes gehörte.
Über das Schicksal des 3. leichten Bataillons
wuſste man noch nichts. Dagegen traf vom Oberstlieutenant Wreden die Mitteilung ein, daſs er hoffe am 13. April bei Innsbruck ein zutreffen .
Diese Mitteilung forderte zum Festhalten bis zum Eiu
treffen dieser Abteilung auf. Wiederholt machte Oberst Ditfurth den
Vorschlag, die Abtei Wiltau und die Sillhöfe mit gesamter Macht zu besetzen , was Kinkel abermals verweigerte. Der Schutz der Offizier- und Beamten - Familien in Innsbruck dünkte dem General -
böher als die Verteidigung jener wichtigen Stellung. Seiner völligen Unkenntnis der Lage aber setzte Kinkel durch
seinen Befehl vom 11. Abends 10 '/ vollends die Krone auf. *) Nachdem er die Abtragung der Brücke bei Lorenzen getadelt, erteilte er dem Oberstlieutenant Wreden den Befehl, den General Kommissär von Brixen zu veranlassen, eine Proklamation zu erlassen ,
wonach jeder mit der Waffe in der Hand betroffene Bauer *) Interessante Beiträge zu einer Geschichte der Ereignisse in Tirol vom 10. April 1809 bis zum 20. Februar 1810.
1810 , 31-33 .
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
37
auf der Stelle totgeschossen und alle in Aufständigkeit be findliche Gemeinden angezündet werden sollten . Bei gesetzt war : eine Maſsregel, welche der Herr Oberstlieutenant in Vollzug werde zu bringen wissen.
Im
Fall
sich
das General
Kommissariat nicht zur Ausführung einer solchen Maſsregel befugt
hielte, werden der Herr Oberstlieutenant suchen, die Überzeugung zu verbreiten , daſs aufständige Unterthanen als Rebellen von den
Militärbehörden angesehen, und so, wie oben gesagt, behandelt werden . In dem Augenblick, in welchem Wreden auf seine eigene Rettung bedacht nehmen muſste, erhielt er einen solchen Befehl , der vollste Freiheit des Handelns voraussetzte.
Die Nacht zum 12. April verlief ruhig. Hin und wieder krachte wohl noch ein Büchsenschuſs durch die dunkle Nacht, aber sonst
herrschte tiefe Stille in beiden Lagern ; nur zuweilen trug der untere Wind den Schall von fernem Gewehrfeuer aus der Gegend von Hall an das Ohr der müden Schildwachen.
Kinkel ahnte
noch immer nichts von den Vorfällen bei Brixen und Sterzing , er abnte nicht, daſs seine in der Nacht an Oberstlieutenant Beren
clau und Major Theobold abgesandten Boten von den Bauern aufgefangen wurden ; daſs die vom Unterinnthal hertönenden Schüsse die Gefangennahme der beiden in Hall und Volders eingeschlossenen Compagnien des 3. leichten Bataillons bedeuteten .
Für den 12. April traf Kinkel folgende Anordnungen . Major v. Zoller sollte die am linken Innufer gelegene Vorstadt Kothlake und die Innbrücke mit 2 Compagnien und 2 Ge schützen, Oberstlieutenant Spansky mit 4 Compagoien die inneren Wachen und die übrigen Eingänge besetzen . Major März wurde mit 2 Compagnien nach Wiltau entsendet, um von dort den General Bisson und Oberstlieutenant Wreden auf der Brenner
straſse entgegenzugeben . Die Hauptreserve, 4 Compagnien, 1 Geschütz und 120 Dragoner (Major Graf Erbach ) nahmen unter Oberst
Ditfurth Stellung auf dem Platz vor der Hauptwache. Ver rammlung der Eingänge der Stadt und Verteidigungseinrichtungen gutgelegener Objekte wurden nicht angeordnet. Von den Stubayern waren , als der Morgen des 12 April graute, einige Wagehälse vom Berge Isel heruntergeschlichen , in das Dorf Wiltau eingedrungen und hatten die Dragoner dort angegriffen . Allein diese hieben auf diese frechen Burschen ein und töteten
mehrere. Mit genauer Not und zum Teil verwundet, entkamen die übrigen . Die Dragoner hatten gleichfalls einige Tote. Wiltan
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
38
wurde nun mit Infanterie besetzt, wovon sich ein Teil hinter die Kirchhofmauer aufstellte.
Nachdem sich um 6
Uhr Vormittags die Ober - Innthaler mit
den Höttingern vereinigt hatten, schritten sie gemeinschaftlich zum Angriff der Innbrücke. Es geschah dies so schnell, daſs das auſser halb Mariahilf aufgestellte bayerische Pikett sich mit genauer Not in die Stadt zn retten vermochte.
Die Aufständigen waren
nun Herrn des linken Innufers und beschossen die auf dem rechten
Ufer stehende bayerische Infanterie.
Eine
Kanone
deckte
die
Innsbrücke .
Während dieses Gefechtes an der Innbrücke, wurde auch Major von zahlreichen Aufständigen unter Pfurtscheller ,
März
Schandel , Bucher und Tiefenbrunner angegriffen. Die Tiroler waren in Wiltau eingedrungen und hatten die Bayern aus der Kirche und dem Kirchhof vertrieben .
Major März leistete in
Wiltau zwar geraume Zeit kräftigen Widerstand, er konnte aber nicht verhindern, daſs die Aufständigen gegen die Triumphpforte vordrangen und ihn abzuschneiden drohten. Als Oberst Ditfurth hiervon Meldung erhielt, rückte er mit 2 Compagnien, denen die Kavallerie folgte, durch die Neustadt herbei. Beim Durchmarsch durch die Neustadt erhielt Ditfurth einen Schuſs in den rechten
Schenkel . Die Tiroler wurden wieder und von den Dragonern auf freiem einem blutigen Gemetzel kam , in Schandel zusammengehauen wurde.
aus Wiltau hinausgeworfen Felde eingeholt, wo es ጊzu welchem welchem der Bauernführer Auch die bei der Triumph
pforte liegenden Häuser wurden von den Aufständigen gesäubert. Oberst Ditfurth erhielt einen Schuſs oberhalb der linken Hüfte.
Seine Soldaten waren darüber so erbittert, daſs sie alle mit der
Waffe in der Hand ergriffenen Tiroler ohne Erbarmen über die Klinge springen lieſsen . Inzwischen hatte sich auch eine Bauern schar, die bisher auf dem Paschberg gestanden, über die Wiltauer
felder der Stadt genähert, während jene auf der Gallwiese sich gleichzeitig gegen den Innrain zogen. So wurde Innsbruck immer enger von den Bauern eingeschlossen.
Nun wurde an eine Übergabe gedacht. Während General lieutenant Kinkel als Grundbedingung den Abmarsch mit allen Kriegsehren
begehrte ,
verlangten die Bauern
Niederlegen der
Waffen. Umsonst war die weiſse Fahne aufgezogen worden . Von diesem Augenblicke an, bemächtigte sich Kinkel's eine völlige Ratlosigkeit ; er beratschlagte mit
dem
General- Kommissär und
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
39
seinen Beamten , frug die Pfarrer um Rat und zog sich dann klagend und verzweifelnd wieder in seine Wohnung zurück. Die Führung der Truppe fiel dadurch einem Tüchtigeren zu, dem Oberst Ditfurth , der leider die ganze Zeit über als der zweite in der militärischen Befehlsführung so wenig zu sagen gehabt hatte, daſs, als ihn die Verhältnisse auf den ersten Platz riefen , nichts mehr
zu thun übrig blieb, als mit Ehren unterzugeben . Und dies ge schah denn auch im höchsten Sinne des Wortes. (Fortsetzung folgt.)
III.
Drei Kavallerie-Divisions-Ubungen. Die Kavallerie-Divisions-Übungen , welche bisher stattgefunden haben, lassen sich im Allgemeinen in drei Arten einteilen . Anfänglich bestanden dieselben insbesondere aus Exerzier Übungen einer vollzähligen Division , für welche ein zweckmäſsiger Platz, zumeist ebenes oder hügeliges Gelände ausgesucht war.
Sodann fanden Übungen von zwei Kavallerie-Divisionen gegen einander statt ,
und wurde hierbei auch auf ein Glied formierte
Kavallerie verwendet.
Endlich waren auch Kavallerie - Divisionen gelegentlich der -
gröſseren Truppenübungen in Verwendung genommen worden. Nach unserer langjährigen Erfahrung sprechen wir die Über
zeugung aus, daſs diese vorbenannten Übungen in ihrer angegebenen Reihenfolge von groſser Bedeutung für die Kavallerie und die
Armee sein dürften . Brigade-Exerzieren wie Exerzieren der Kavallerie Division erhalten aber erst erhöhte Bedeutung durch die beiden anderen Übungen . Nur nach diesen , bei welcher Gelände und Gefechtsverhältnisse ihren groſsen Einfluſs auf Form und Wesen
des Gefechtes einer Kavallerie - Division erkennen lassen, werden erneute Exerzierübungen der Divivion von erhöhter Wichtigkeit, werden solche Exerzierübungen als wahre und richtige Vorbereitung
für das Gefecht an Bedeutung gewinnen können. Die Formationen auf einem Gliede sind insofern von praktischem Werte, weil durch dieselben die Möglichkeit gegeben ist, das Wesen
der Sache zu fördern , ohne die Schwierigkeit und Kosten der Ver sammlung so groſser Kavalleriemassen besonders fühlbar zu machen, und auſserdem sind sie ein Mittel, zahlreichere Führer bis zum
Zugführer herab vorzubereiten .
Im Allgemeinen haben Exerzier
Übungen der Brigaden und Kavallerie-Divisionen geringeres Interesse, während die Übungen zweier Divisionen gegeneinander und ins
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen .
41
besondere die Verwendung solcher Kavallerie-Divisionen gelegentlich
der gröſseren Truppenübungen eine sehr hohe Bedeutung haben. Diese hohe Bedeutung fanden wir insbesondere darin, daſs wir es für vollständig unmöglich halten , daſs Kavallerie - Divisionen zweckmäſsig in Gefechten verwendet werden können , wenn nicht solche vorbereitende Übungen mehrfach durchgemacht wurden, wenn
die Truppe nicht sorgfältig , gründlich und übereinstimmend nach gleichen Grundsätzen erzogen ist. Nach dieser allgemeinen Bemerkung möchte ich mich den
einzelnen Übungen zuwenden und vorausgebend mir nur noch einige kurze Bemerkungen über unseren kavalleristischen Unterricht ge statten .
Der Reitunterricht krankt ausgesprochen an einer übergroſsen Gelehrsamkeit.
Ich habe hier vor Allem zu bemerken , daſs es ein
überaus groſser Mangel in diesem Reitunterrichte ist, daſs die vor handenen vortrefflichen Reitinstruktionen gerade für unser kaval leristisches Vorgeben weitaus zu umfangreich und zu gekünstelt Ihre Verfasser waren unstreitig ganz vorzügliche Reiter ; sind . warum sie dies geworden, auf welchem Wege sie zu dieser gröſseren
Fertigkeit gelangt sind , ist ihnen jedoch leider in Vergessenheit geraten .
Sie stehen auf einer Stufe der Vollkommenheit , daſs sie
auf ihren Pferden nur denken und , ich möchte sagen , unbewuſst das Gedachte ausführen .
Sie haben vollständig vergessen , daſs es
lediglich die Übereinstimmung aller der verschiedenen Hülfen des Sitzes, des Gewichtes, der Zügel und der Schenkel ist, welche dahin
geführt hat , daſs eine jede der verschiedenen Hülfen in ganz unmerklicher Weise angewendet , gerade durch die volle Über einstimmung aller, auch die vollkommenste Wirkung erzielt. Mir ist es jedoch ganz unzweifelhaft, daſs es ein vollständig verfehlter Weg ist , wenn man unsere Reiter nicht auf eine Weise instruiert, daſs zuerst jede einzelne dieser Hülfen klar und deutlich erfaſst ist, um sodann dieselben mit der Zeit auch in Übereinstimmung anwenden zu lernen .
Ich werfe hier nur einige Fragen auf:
1. Wieviele ganz vorzügliche Abhandlungen über den richtigen Sitz bestehen und wie viele Lehrer giebt es, welche solchen Sitz anweisen, wie viele Reiter , die in der That beweisen, daſs sie vollständig richtig sitzen , daſs sie im Stande sind,
jeve Hülfen zu geben, welche allein bei ganz richtigem Sitze denkbar erscheinen ?
Drei Kavallerie- Divisions-Übungen,
42
2. Wie herrliche Instruktionen besitzen wir über die Wendungen
auf der Vor-, Mittel- und Hinterband , wie viele Lehrer besitzen wir , welche dies verständlich anweisen , wie viele Reiter, welche nur allein die wichtigste Wendung auf der Hinterhand richtig ausführen können ?
3. Was nützen hier die gelehrtesten Abhandlungen und Vor träge, was die vollkommensten nach der Instruktion aus einander gesetzten Faustdrehungen , wenn der Reiter
Hand aufs Herz – den Zügel jedesmal und hauptsächlich nach rückwärts verhält und zu den Wendungen noch ein wenig auf die verkehrte Seite aufwärts zerrt ?
4. Was nützt es, wenn der weitere Fehler gemacht wird , daſs die abgekürzten Gänge nicht aus den räumigen durch ver mehrte Körperanspannung erzielt werden , sondern durch feste Fäuste, durch Festhalten am Zügel, was noch zumeist mit losem Arme geschieht , wenn der Galopp nicht
grundsätzlich aus dem Mitteltrabe angenommen wird ? 5. Wohin gelangt man sodann , wenn man die gebogenen
Stellungen und Seitengänge ähnlich reiten läſst, wenn man Bearbeitung der Halswirbel und Genickbiegung ebenso gelehrt ausführen will ?
Man bewirkt das gerade Gegenteil von dem , was man be absichtigt , man macht aus den Pferden stumpfe , gebrochene Tiere Schenkelgänger statt Rückengänger
wie v. Öttinger in seiner
> Geschichte und verschiedene Formen der Reitkunst « nach Holleuffer
so überaus richtig und treffend sagt . Zudem erzieht man sich statt gewandter Reiter recht unbeholfene » Halte- und Druckmaschinen « , verdirbt sich Pferde wie Reiter ganz und vollständig für unsere kavalleristischen Zwecke .
Auf solche Weise will man im langen Galopp über Stock und Stein wegkommen und dabei die Gelenke und Sehnen der Pferde erhalten, auf solche Weise will man Kavalleristen erziehen ?! Andere Ergebnisse habe ich bei solchen Grundsätzen noch nicht
gesehen wie gebrochene Pferde mit dicken Gelenken und Sehnen, verdrehte und verschrobene ganz unbeholfene Reiter, wahre Kork ziehergestalten, und dazu natürlich beinahe ausschlieſslich verhaltene kurze oder heftige Gangarten ohne jede Spur von Räumigkeit, Rube und Ausdauer.
Schon mehrfach war ich bemüht, darauf aufmerksam zu machen, wie verkehrt hier leider noch recht oft verfahren wird : anstatt mit
den
einfachsten Handwerksvorteilen , anstatt mit gründlichem ,
1
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
43
einfachem und klarem Unterrichte in den Hauptfertigkeiten , wird
in der Regel mit unverwüstlicher und ganz unfruchtbarer Gelehr samkeit vorgegangen . Hier liegt ein schwerer Vorwurf für unsere Schulen des Reiters, da sich dieselben nicht vor Allem die Aufgabe gestellt haben zu zeigen : > wie man in sechs Monaten aus den Rekruten, brauchbare Reiter erziehen kann . « Hier liegt die Hanpt
schwierigkeit und die wahre Grundlage , um mit der Zeit eine tüchtige, praktische Soldatenreiterei zu verbreiten , die keineswegs im Gegensatze mit irgend einem Reitsysteme steht, wohl aber aus allen diesen Systemen das Einfachste, für unsere Zwecke Brauchbarste herausnimmt , eine klare , leicht faſsliche Schule oder Lehrweise festsetzt, auf welcher fortdauernd allein das überhaupt Erreichbare errungen werden kann .
Wird durch die Schule (Reitinstitute u. dergl.) dieser wichtigste Zweck möglichst vollkommen erreicht, so hat sie ihre Aufgabe gelöst ; alle Abzweigungen wie »höhere Schule« , »Rennen «, » Jagd mit oder ohne Hunde « u. s. w. können angefügt werden ohne jeden Schaden. Ist der Hauptzweck aber nicht erreicht , so bleibt
alles Übrige recht überflüssig , denn es kann nur dazu beitragen, die wichtigste Aufgabe der Schule dem Auge weiter zu entrücken fernzuhalten und
.
Nach dieser kurzen Berührung der wichtigsten und einfluſs reichsten Grundlagen für alle kavalleristischen Leistungen, welche um so einfluſsreicher bei der Kavallerie sind, weil obne tüchtige, praktische
Reitausbildung selbst die Ausnutzung des Pferdes, der Hauptwaffe der Truppe «, nur unvollkommen , wenn nicht am Ende mangelhaft,
möglich ist, wieder zurück zu unseren Übungen. Die Ausbildung der verschiedenen Regimenter und Schwadronen zeigte unbestreitbar recht bemerkliche Verschiedenheiten, Verschieden
heiten, welche allerdings nur dem erfahrenen Reiter-Offiziere be sonders auffällig sein konnten . Es gehört ein recht geübter Blick dazu, um vorhandene Ungleichheiten und Mängel in der Erziehung
und Ausbildung der Abteilungen klar zu erfassen und das Wesent liche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.
Dieser
Blick ver
schwindet unter Umständen sogar in der Kavallerie , wenn er nicht fortwährend und sorgfältig herangezogen wird . Die Grundpfeiler für entsprechende taktische Ausbildung der Kavallerie sind Festhalten von idealer Ordnung und Ruhe selbst bei räumigsten Gangarten . Die ganze Abrichtung und Erziehung darf dieses Ziel nie aus den Augen verlieren . Wenn in irgend einer Waffe Ruhe , Ordnung und Sicherheit bei entsprechender
44
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
Räumigkeit der Bewegung als wichtigste Grundlage für ihre Erfolge unter allen Verhältnissen herrschen muſs, so gilt dies insbesondere
für die Kavallerie. Sie muſs sich im Trab und Galopp, in allen taktischen Formen und in allen Lagen eben so sicher bewegen wie im Schritte ; sie muſs namentlich auch in ungünstigem Gelände diese Sicherheit bewahren bis zum Kommando Marsch ! Marsch !
Auf
dieses muſs die Truppe mit aller Macht und in den Schwadronen zusammenschlieſsend losreiten. Sind schon die Gangarten Trab und Galopp mit gröſserer Sicherheit und Ruhe bei voller Räumigkeit zu reiten , so wird meist noch der Fehler gemacht , daſs schon beim Exerzieren viel zu lange Marsch ! Marsch ! geritten wird . Der Fübrer muſs die Kommandos Marsch ! Marsch ! und gleich darauf Trab ! zur Beendigung des Angriffes rasch auf einanderfolgen lassen , dabei auf das ungestüniste , kräftigste und geschlossenste Losreiten halten . Sind wir befähigt, den Galopp mit voller Ruhe, Sicherheit und Räumigkeit zu reiten, so werden wir im Ernstfalle auf 100 Schritt
vom Gegner das Marsch ! Marsch ! befehlen und nach ungefäbr 50 Schritten auf denselben stoſsen .
Warum also reiten wir dieses
Marsch ! Marsch ! bei den Exerzierübungen auf längere Strecken ?
Es muſs solches Verfahren entschieden schlechte Folgen haben, Führer wie Truppe verderben . Nach unserer Überzeugung kommt es insbesondere daher, daſs die Führer der gröſseren Verbände dieses
Kommando auf den Entfernungen vor der Truppe geben, auf welche sie bei den Bewegungen nach dem Reglement angewiesen sind.
Unserer Ansicht nach wäre es weit besser, wenn die Führer voraus eilend sich Front gegen die Trappe stellen würden, auf ein Zeichen dieses Führers sodann durch Schwadronschefs und Zugführer die Kommandos Marsch ! Marsch ! - ähnlich wie in Ernstfalle, wo dies
auf 100 Schritte vom Gegner gegeben werden muſs – und kurz darauf Trab erfolgen würden . Das reglementäre Handgemenge und Verfolgen halten wir für ausgesprochen unzweckmäſsig und gänzlich unnötig , wenigstens in der bisher gebräuchlichen Art und Weise
ausgeführt. Das Handgemenge hat mit dem Zurückgehen der Kavallerie allerdings eine bedenkliche Ausdehnung angenommen, wie auch das regellose allgemeine Verfolgen . Wir erinnern uns noch recht wohl wie die längst verschwundene Generation der Kavallerie Offiziere die Ansicht vertreten hat , daſs » wirkliche Zusammenstöſse nur ganz selten stattgefunden hätten.
Erst die neuere Zeit brachte
der Kavallerie dieses Handgemenge bei jedem Angriff. Stellen wir
uns die Zusammensetzung der Kavallerie dieser Zeit vor : » Rekraten auf alten Pferden , die alten Leute auf Remonten und Augmentations
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
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pferden «, so können wir uns leicht die Ursache dieses Handgemenges erklären . Unter solchen Verhältnissen war der geschlossene, ge ordnete Augriff undenkbar, unklare Begriffe, unpraktische Übungen und Gewohnheiten vermehrten die Wirkungen dieser Verhältnisse.
Auf diese Art wurden die Angriffe anstatt in niederwerfenden fest geschlossenen Linien in lockeren , atemlosen Schwärmen ausgeführt und in natürlicher Folge trat Handgemenge und regelloses Nach
stürmen in den Vordergrund der Kavalleriethätigkeit ;
Beides
ist unkavalleristisch und wird nicht selten das Verderben
des Siegers.
Die für solche Angriffe unbedingt nötige Durch bildung der Truppe ist an und für sich so schwer , daſs wohl nur selten gleichwertige Kavallerie sich entgegentreten wird , und daſs diejenige Kavallerie , welche auch hier dem Ideale möglichst nahe zu kommen trachtet, ein ausgesprochenes Übergewicht über jede andere, gleichgiltig wie sie sonst aussieht und beritten ist , be sitzen muſs.
Unter den hier in Betracht gebrachten Kavallerie-Divisions Übungen nehmen die Exerzierbewegungen der Kavallerie in Brigaden und Divisionen die Hauptzeit in Anspruch ; diese Bewegungen bereiten in ausgesuchtem Gelände keinerlei Schwierigkeiten und drehen sich um die bekannten feststehenden Formen ; auch bei Bewegungen und
Angriffen auf einen markierten Gegner konnten wir einen wesent lichen Unterschied nicht finden . Ganz anders gestaltete sich schon die Sache bei den Übungen der Kavallerie-Divisionen gegen einander. Der schon auf groſse Entfernung in seinen Bewegungen gut erkenn bare Gegner veränderte und vereinfachte die ganze Sachlage in ungeahnter Weise. War es z. B. möglich, mit der Avantgarde eine beherrschende Stelle rasch zu erreichen , so konnte der Gegner
andauernd unter das Feuer der Artillerie dieser Avantgarde ge nommen werden ; die Avantgarden -Brigade gab der Artillerie aus reichenden Schutz , während die anderen beiden Brigaden eine flankierende Bewegung aus wo möglich im Gelände gedeckte führten. Wurde es dem Gegner gewährt, trotz des heftigen Artillerie feuers weiter gegen die Avantgarde vorzugehen , so muſste diese -
vielleicht mit der Artillerie zurückgenommen werden, und es war
dann kurz darauf möglich , den Gegner mit den zwei Brigaden ។
flankierend anzufallen unter entsprechender Mitwirkung der dritten ( Avantgarde- )Brigade. namentlich, War der Gegner im Begriffe sich vorzubewegen , 80 muſste geschehen wenn es des Geländes halber in Kolonnen Gefechtslage konnte die andere Kavallerie - Division je nach der
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
46
entweder verdeckt halten und den Angreifer unter Feuer nehmen ,
oder aber demselben unter anderen Verhältnissen kräftig auf den Leib gehen. Anreiten im Trabe , Escadronskolonnen bilden , bei den ersten Kanonenschüssen des Gegners aufmarschieren und Galopp ! War der Gegner beim Beginn solcher Bewegung 2 /2—3 Kilometer entfernt, so legte er vielleicht 1 Kilometer zurück und wir hatten 2 Kilometer, also 5 Minuten, Galopp zu reiten bis zum Zusammen stoſse, was doch unter gewöhnlichen Verhältnissen eine sehr be scheidene Leistung zu nennen ist. Bei allen solchen entschiedenen Vorbewegungen waren die
Angriffsrichtungen wegen der raschen Annäherung nur ganz un merklich zu verändern. Wir fanden auſserdem entschieden praktisch ,
in der Rendezvous -Stellung nur die vorderste Brigade in Brigade Kolonne, die beiden hinteren Brigaden neben einander in Regiments
Kolonnen zu stellen , sodann das gleichmäſsige Folgen der über ?
flügelnden beiden Hintertreffen auf möglichst kurzer Entfernung, vielleicht selbst in je zwei Staffeln an jedem Flügel des ersten Treffens
dieses
zu 8 Schwadronen für die ausgesprochen Wir erinnern uns nicht, auch
zweckmäſsigste allgemeine Form.
nur einmal zur Angriffsbewegung eines Signales benötigt gewesen Ein Zeichen , wenige Avertissements waren stets aus
zu sein .
reichend.
Dieses Zeichen war Säbelschwingen über dem Kopfe und
bedeutete jedesmal Antreten aus der Stellung sodann bei Wieder holung » nächsthöhere Formation « . Das Gelände bot bei den Exerzierübungen wenige oder ganz
selten bemerklichere Schwierigkeiten , die Normalformationen an zuwenden, zudem war durch diese Verhältnisse den Unterführern
nur wenig Gelegenheit geboten , durch selbstständiges Eingreifen
den wabren und wichtigsten Umstand kavalleristischer Erfolge zu erkennen und anwenden zu lernen .
Die früher gemachten Bemerkungen hinsichtlich der Angriffe zeigten sich bei den Übungen zweier Divisionen wie bei den gröſseren Truppenübungen stets sehr fühlbar ; wir muſsten auf 300 Schritt vom Gegner schon Marsch ! Marsch ! kommandieren und trotzdem fehlte diesem Marsch ! Marsch ! der unbedingt nötige Schneid, muſste
man doch vor dem Gegner halten und Handgemenge ausführen. Marsch ! Marsch ! kann allenfalls bei einem markierten Gegner ge ritten werden und zwar ebenfalls nur ein ganz kurzer kräftiger Stofs, sodann sollte das Verfolgen im Trabe stattfinden. Der markierte Gegner hätte in jedem Falle auf 100 Schritt kehrt zu machen und
im starken Galopp zurückzugeben ; einige Flügelschwadronen und
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
47
Unterstützungsschwadronen dieser markierten Division lassen das
erste Treffen zurückgehen und die Escadronschefs der geschlossenen Kavallerie führen ihre wieder geordnete Schwadronen auf diese neuen Ziele ; Signal zum Verfolgen wird erst gegeben , wenn keine geordnete
markierte
-
gegnerische Abteilung mehr sichtbar.
Zum Verfolgen möge endlich irgend ein Teil, das erste Glied oder die Flügelzüge der angegriffen habenden Schwadronen bestimmt werden, während der Rest geschlossen und geordnet nachfolgt. Auch dem Grundsatze ward im Allgemeinen die nötige Be achtung nicht zugewendet, daſs alle Unterführer, so bald es immer irgend möglich ist – jedenfalls aber mit beginnender Verfolgung – zu trachten haben , die gröſseren Verbände wieder aufzusuchen.
Von noch höherem Interesse waren jene Übungen, bei welchem die Kavallerie- Division im Truppenverbande während der Corpsmanöver aufzutreten hatte. Die überaus groſse Mannigfaltigkeit der Ver wendung und Möglichkeit des Eingreifens, namentlich aber der Umstand, daſs nur ausnahmsweise eine der bekannten Exerzierformen zur vollen Anwendung gelangen konnte, daſs dem thatkräftigen
Eingreifen aller Unterführer ganz auffallende – allerdings wegen
der Neuheit solcher Übungen nicht immer ausgenutzte – Gelegenheit geboten war, zeigten den hohen Wert dieser Verwendung der Kavallerie, zeigten endlich, daſs die Führung der Waffe diese Übungen
ebensowenig entbehren kann, wie die Truppenführung überhaupt, daſs nur solche Übungen das gegenseitige Verständnis wecken können. Diese Übungen zeigten, wie illusorisch die Idee ist, » man könne das Alles so gelegentlich improvisieren « , sie zeigten zur vollsten Klarheit, daſs die Kavallerie so vorbereitet sein muſs, daſs jeder Unterführer bis zum einfachen Reiter herab unter allen Ver hältnissen sich in die treffende Lage zu finden weiſs, daſs » be
sondere Weisungen nicht gegeben werden können , wohl aber allge meine Grundsätze die Richtschnur ibrer Handlungen sein müssen «. Kein Reglement der Welt wird hier nützen können, wohl aber
wird jedes Reglement um so schädlicher werden, je umfangreicher dasselbe wird. Wie bei der übrigen Ausbildung kann nur Übung und Erziehung auch hier Erfolge vorbereiten, das gegenseitige Verständnis anbahnen .
Der Führer kann zumeist nichts Anderes thun, als die
Richtung des Angriffs bezeichnen. Seine Aufmerksamkeit ist voll in Anspruch genommen, um irgend einen günstigen Augenblick zu erspähen , und tritt dieser ein, so kann er nur das Zeichen zum
Angriffe geben . Alle Exerzierkünstler der Welt werden meistens ohne Erfolg in ihren Reglements herumsuchen, um eine passende
48
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen .
Form zu finden , welche den jeweiligen Gefechts- und Bodenverhält nissen sich fügen kann, die besten Instrukteure der Welt werden
vergebens bemüht sein, den Unterführern in jedem einzelnen Falle besondere Verhaltungsmaſsregeln zu geben , sie werden den Augen blick versäumen, unbeholfen und schwerfällig bleiben und Nichts erreichen . Wohl aber wird der » geübte « Führer mit seiner gut und nach richtigen Grundsätzen erzogenen Truppe im plötz lich sich bietenden oder abgewarteten günstigen Augenblick das Zeichen zum Losreiten geben, seine Unterführer nach den Gefechts verhältnissen und den klargelegten Grundsätzen handelnd eingreifen
sehen, welche bei jenen Exerzierübungen geläufig wurden und zum Verständnisse gelangten « . Ruhig und verdeckt wird
solche Kavallerie stehen, deren Führer beobachtet auf geeignetem Punkte, er läſst bei Klärung der Gefechtslage, wenn unbedingt nötig, kurze besondere Befehle an die Brigade-Commandeure und giebt im geeigneten Augenblicke das Zeichen zum Angriffe. Aus jeder beliebigen Form wird so vorbereitete Kavallerie ohne weitläufige Vorbereitung oder Erläuterung und Weisung zum Angriffe los brechen können, in dem Bewuſstsein, daſs alle Unterführer in den verschiedensten Lagen das Richtige oder sicher wenigstens nicht das vollständig Falsche unternehmen werden.
In anderem Falle
aber gleicht eine solche Reitermasse einer Herde, die einmal los gelassen blindlinks und unlenkbar vorwärts stürmt oder nach allen Richtungen der Windhose auseinanderstiebt ! Die geschulte Kavallerie reitet an , formiert sich und stürzt sich wie eine Windsbraut auf den Gegner. »Sich zeigen und angreifen .« Der Gegner muſs, die Kavallerie bemerkend, zu gleicher Zeit den heranbrausenden Reitersturm hören , um im nächsten Augenblicke
unter den Hufen der Pferde zu liegen. Auch in dieser Richtung hatten wir Gelegenheit zu beobachten, wie weit man davon entfernt
ist, solches Ideal der Reiterangriffe ganz und voll zu erfassen und zu erstreben. Hier zog man sich durch ein vollständig deckendes Waldstück, um sich jenseits desselben vorerst zu » formieren « , dort schob man sich hin und her, mitunter im Gesichtskreise und Feuerbereiche des Gegners, um am Ende nach verschiedenen Ver suchen zum Angriff zu gelangen , diesen entweder ganz aufzugeben oder unter den denkbar ungünstigsten Bedingungen auszuführen. Wenn wir uns sodann erinnern, was wir in dieser Hinsicht in den
50 Friedensjahren erlebt und gesehen haben, so müssen wir auch heute noch staunend an diese Irrtümer zurückdenken. Vor 40 Jahren schon war es mir völlig klar, daſs wir uns vollständig und
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
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ohne jede Ausnahme verkehrt benahmen ; anderwärts Aufklärung suchend fand ich überall ziemlich genau die gleichen Verhältnisse. Wir balten das bezeichnete Ideal allein für kavalleristisch, in sehr vielen Fällen für mehr oder weniger möglich und durchführbar. In einem anderen Falle reitet der Führer einer gröſseren Kavallerie Truppe an der Spitze der Avantgarde oder des Gros ; es ergiebt sich die Möglichkeit, sich überraschend auf die Spitze einer Kolonne zu werfen . Ungeübte Führer und Truppen werden nicht wissen, was anfangen , und stürzen sich im besten Falle in der Form , in
welcher sie sich gerade befinden , auf diese Kolonnenspitze. Einige Salven strecken die Vorderzüge der angreifenden Schwadronen nieder, die folgenden Abteilungen stürzen über die gefallenen Pferde
und in kürzester Zeit wird die ganze Masse im glücklichsten Falle an den Seiten der anzugreifenden Kolonne in blindem Eifer vor überstürmen , eine Masse Pferde und Menschen verlieren u . s. w.
Hat jedoch der Führer für solche Angriffe bestimmte Grundsätze festgestellt und seine Truppe so erzogen , daſs diese derselben ge läufig geworden , so gewinnt Alles an Sicherheit und Kraft.
Er
fahrungen bei den gröſseren Truppenübungen und Schulübungen, welche diese Erfahrungen verwerteten, haben Einklang zwischen Führer und Trappe erzeugt, es ist das Verhalten aller Unterführer wie jeder einzelnen Schwadron wohl überdacht, geregelt und läſst einen wirklich günstigen Erfolg erwarten. Dennoch ist es, wie es scheint, nicht nötig, daſs man bestrebt bleibe, solchen Einklang zu
ermöglichen , dennoch hofft man mit einigen reglementarischen Formen auszureichen .
Die Zeit, in welcher die Kavallerie- Divisionen bei den Corps
Manövern zusammengestellt waren , gab manche Gelegenheit, über Dies und Jenes nachzudenken.
Die Fälle waren durchaus nicht
selten, bei welchen es möglich gewesen wäre oder wirklich möglich war, überraschend und mit Aussicht auf Erfolg einzugreifen .
Die
niedergelegten Anschauungen sind auch dieser Zeit entnommen und das reifliche Überdenken aller Lagen gab den Grund zu einer Fülle von Betrachtungen. Durch solches Überdenken aber werden derartige
Übungen von ganz hervorragender Bedeutung für Verbesserung der Führung wie der Ausführung. Wahrlich, es besteht keine Waffe, welche solcher praktischen Verwendung und geistigen Durcharbeitung ihrer Thätigkeit mehr bedarf wie die Kavallerie; die Kavallerie ist die einzige Waffe, welche vollständig fertig und klar gegen den Feind ziehen muſs, weil sich bei ihr Nichts mehr verbessern und verändern läſst. Führer wie Truppe müssen sich ganz und voll Jahrbtichar für die Deutsche Armeo und Marine. Bd, LXVIII., 1.
4
Drei Kavallerie - Divisions-Übungen.
50
verstehen ; je gröſser der Kavallerie-Körper wird, um so notwendiger ist dieses gegenseitige Verständnis, für Erfolge einer Kavallerie
Division ist es ganz unentbehrlich.
Auch die allgemeine Truppenleitung bedarf der Übung, um der Kavallerie und ihrem gauzen Wesen förderlich zu sein ; auch in dieser Richtung ist wohl nicht zu verkennen , daſs es notwendig ist, noch eine gröſsere Gewandtheit herbeizuführen, wenn — die Kavallerie wieder wirkliche Erfolge erringen soll . Freiheit und Bewegung sind die Elemente der Kavallerie : alle Befehle an die Kavallerie müssen
neun- unter zehumal so gegeben werden, daſs der Waffe Freiheit und Bewegung gewahrt bleibt und einmal unter zehnmal können der
Waffe vielleicht auch besondere Befehle für Bewegung und Angriffe erteilt werden .
Schon öfters hatten wir Gelegenheit zu erwähnen,
wie nachteilig es für die Kavallerie ist, wenn ihr besonders bindende Befehle zugehen. Wenn man sagen wollte, der Führer darf sich
eben nicht an solche Befehle halten, so ist deren volle Überflüssigkeit erst recht bestimmt ausgesprochen. So mancher Führer wird durch solche Befehle ängstlicher werden und sich beengt fühlen in seiner Freiheit und in der Bewegung. Wir hatten schon früher einmal das vollständig Unrichtige des Befehles klargelegt: „ Die Kavallerie an den rechten Flügel und greift die abfahrende feindliche Artillerie
an ;« auch bei den mehrerwähnten Übungen giebt es mancherlei solcher Befehle z. B. die Kavallerie greift die feindliche Corps
Artillerie an « oder » die feindlichen Vorposten «. Das Angreifen kann eben grundsätzlich nur von demjenigen befohlen werden , welcher an Ort und Stelle zugegen und allein auf diese Art auch in der Lage ist , alle Terrain- und Gefechts verhältnisse beurteilen zu können . Die wesentliche Bestimmung,
daſs Kavallerie » als Regel « einen günstigen Augenblick zu ihren Angriffen benutzen müsse, um volle Erfolge zu erzielen, wird leider nur zu häufig, wie wir eben bemerkten, schon in der Befehlsgebung übersehen .
So hoch wir die Verwendbarkeit der Infanterie an
schlagen, so können wir doch nicht umhin , solche Befehle als
infanteristisch zu bezeichnen .
Die Infanterie ist eben in der Lage,
sich jeden Angriff selbst vorbereiten zu können, die Kavallerie nur in seltenen Fällen , und danach müssen auch die Befehle an die beiden Waffen ganz verschieden lauten . Die Ausnutzung jedes
günstigen Augenblicks zum Angriffe ist Lebensgrundsatz für die Kavallerie, warum ihr · also obne ganz zwingende Gründe einen Angriff befehlen ? Die Angaben : Absicht der Truppenleitung, Deckung des Vormarsches, eines Flügels oder einer Flanke u . s. w.
Drei Kavallerie- Divisions-Übungen.
51
ist als Regel vollständig ausreichender Befehl für die Kavallerie ;
Ausnutzung des Augenblicks, der geeignet zum Angriff ist, bleibt stets und überall ibre eigene Aufgabe. Dies Alles schlieſst natürlich nicht aus, daſs der Kavallerie, in groſsen Massen vereinigt, unter
gewissen Voraussetzungen durch den Höchstkommandierenden ein Angriffsziel bezeichnet werde. Schon die bestimmten Voraussetzungen, unter welchen diese Art der Verwendung eintreten wird, deutet
darauf, daſs dies eine ausnahmsweise Verwendung der Kavallerie bleiben muſs. -
Sicherheitsdienst wie Aufklärungsdienst der Kavallerie hat ein besonderes Gepräge und muſs ein solches besitzen . Der Offizier oder Unteroffizier, welcher hier thätig ist, muſs unter allen Ver hältnissen und Umständen das herausfinden und melden, » was der nachfolgenden Truppe zu wissen notwendig und wünschenswert ist « . Versteht er das nicht, so taugt er nicht für diesen Dienst. Vor einer Kavallerie-Division in der Bewegung in der Nähe des Feindes ist dies alles von noch weit höherer Bedeutung, da
die Schnelligkeit, mit welcher hier das Wesentliche erforscht und gemeldet werden muſs, um der z. B. im Trabe folgenden Division volle Klarheit über alle Verhältnisse beim Gegner zu geben, die denkbar höchsten Auforderungen an Einsicht, Umblick und Ent
Wege, Gangbarkeit, deckendes Gelände zur Annäherung an den Gegner, wie dessen all
schlossenheit
des Patrouillenführers
stellt.
gemeine Verhältnisse sind von höchster Bedeutung und fordern jene
Eigenschaften in höchstem Grade, wenn – die Kavallerie in die Lage kommen soll, kavalleristisch d. h. überraschend aufzutreten. Alle diese Verhältnisse sind bei der Thätigkeit der Kavallerie aber 80 überaus rasch verlaufend und wechselnd, daſs auch für diesen
Aufklärungsdienst keine anderen Weisungen oder Vorschriften gegeben werden können , als »heller Kopf, Einsicht « der in Betracht kommen den Persönlichkeiten . Diese Eigenschaften können nur ent
wickelt und gefördert werden durch die Übungen und deren Leitung. Mir sind ganz vorzüglich einsiclitsvolle und gut instruierte Offiziere bekannt, welche ungenügende Meldungen er
statteten, welche an unbedeutenderen Verhältnissen kleben blieben und wichtiges übersahen. Wir sehen also auch hier wie überall ܐ »ܝÜbung
und Schule , kavalleristische Leitung « . Damit kann
es doch wohl nicht genügen, daſs wir uns sagen : eigentlich ist es recht gut beschaffen mit der Kavallerie« – nein, wir müssen un -
ermüdlich trachten zu verbessern und vorwärts zu kommen, und
Jeder, der ein warmes Herz für seine Waffe und den Dienst hat,
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
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wird noch der Punkte genug finden, wo Klärung und Verbesserung recht sehr wünschenswert erscheinen, wo solche Klärung und Ver besserung auch notwendig ist, um dem Ideale näher zu rücken. Wenn Stillstand überhaupt bereits ein Rückschritt genannt zu werden verdient, so ist dieser Stillstand nur zu verhüten durch stetes und praktisches Vorwärtsstreben. Ohne dieses Streben ist
der Rückschritt besiegelt und eine gewisse Mittelmäſsigkeit das höchste Ergebnis aller Arbeit, aller Mühe. Mittelmäſsige Kavallerie aber wird überall Hindernisse und Schwierigkeiten finden, sie wird überall stören, von ihr wird überall » zu viel « vorhanden sein. Nur
wenn die Waffe in jeder Richtung der Ausbildung, Führung und Verwendung dem Ideale bereits näher gerückt ist, wird sie mit Sicherheit in der eigenen Armee geschätzt, bei dem Gegner gefürchtet sein , und eben deshalb schlieſsen wir auch diese Zeilen mit den Worten : » trotz aller Hindernisse immer frisch vorwärts ! « Die Schluſsfolgerung dieser Abhandlung führt aber zu folgender Betrachtung :
Vom Reitunterrichte bis zu den verschiedenen Übungen in den gröſseren und gröſsten Verbänden ist der Einfluſs, welchen die Er ziehung der Truppe wie der Führer auf die Tüchtigkeit und Ver
wendung der Kavallerie bedingt, ein ganz überwältigender. Die Kavallerie, welche berufen ist in gröſseren Verbänden auf zutreten, bedarf vor Allem dieses Einflusses im höchsten Grade.
Weil dieser Einfluſs sowohl für Truppe wie Führung im Wesen durch kein Reglement ersetzt werden kann, tritt die Schule und
mit ihr die Persönlichkeit der Leitung unabweisbar in den Vorder grund ; damit diese Schule rasch zu einem entsprechenden Ziele führen könne, ist ebenso Bedingung, daſs
eine
Persönlichkeit
Diese Grundbedingung ist noch viel erforderlicher, nachdem eine gewisse Zerfabrenheit durch den Mangel einer ent sprechenden Leitung während einer langen Zeit nicht zu verkennen dieselbe leite.
war.
Diese Zerfahrenheit machte sich natürlich auch bemerklich in
allen erdenklichen Richtungen. Sie muſs um so schädlicher wirken, je öfter mit den Persönlichkeiten auch die bezüglichen Anschauungen wechseln . Gerade aber hierin finden wir den Hauptgrund dafür, daſs es mit der Kavallerie nicht so vorwärts gehen konnte, wie es möglich gewesen wäre. Man sucht dann vielleicht an den Reit
instruktionen und Reglements zu verbessern, auf welche es gar nicht ankommen kann . Es kommt lediglich darauf an , wie sie verstanden
und angewendet werden .
Auch hier möchten wir nicht unerwähnt
lassen , daſs Alles, was bereits erreicht wurde, nur und allein dem
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen .
53
Einflusse einer der Kavallerie leider viel zu frühe entrissenen höchsten Persönlichkeit zu danken war.
Die gröſste Einfachheit in der Erziebung vach allen Richtungen kann allein erwünschte Ergebnisse bringen.
Wenn wir die Einteilung der Kavallerie betrachten , so ist die vorhandene Verschiedenheit der Anschauungen und Grundsätze nur zu erklärlich. Es sollten mindestens jene Regimenter, welche be rufen erscheinen, in der Kavallerie - Division eingeteilt zu werden ,
ihre ganze Erziehung bis zur Kavallerie - Division nach gleichen Grundsätzen erhalten , deshalb auch in technischer Beziehung einer
geeigneten Persönlichkeit unterstellt sein, vor Allem wohl jener Persönlichkeit, welche berufen ist, diese Regimenter in der Kavallerie Division zu führen ; auſserdem verlangt es die Natur der Sache, eben wegen der erwähnten Mängel, daſs ein Inspekteur den ganzen
Betrieb überwache. Das Fehlen solcher Einrichtungen müſste da durch noch fühlbarer werden , wenn auch bei der Heranbildung zur
höheren Adjutantur und Truppenführung, der Kavallerie und deren Lebensbedingungen nicht die nötige Sorgfalt zugewendet und im Allgemeinen ausschlieſslich infanteristisch mit der Kavallerie verfahren würde.
Wir brauchen bier wohl nicht wiederholt zu versichern ,
daſs der Ausdruck » infanteristisch « in keiner Weise anders zu deuten
ist, wie er hier verstanden sein will.
Artillerie und Infanterie
haben im Gefechte fortlaufende Berührungspunkte, die Kavallerie kann nur einzelne ganz vorübergehende Streifpunkte mit den andern Waffen haben . Je weniger dieser Umstand anerkannt ist und auch angewandt wird , um so weniger können wir die Verwendung der Waffe >kavalleristisch « nennen.
Es wäre ein ganz bedeutender
Irrtnm , wenn man das Interesse für Verwendung der Waffen z. B. nach ihrer länger oder geringer andauernden Gefechtsthätigkeit fest halten würde. Wenn diese Thätigkeit bei Infanterie und Artillerie eine fortlaufende und andauernde, bei der Kavallerie nur eine kurze
und ganz vorübergehende sein kann, wenn diese Thätigkeit der ersteren Waffen in Folge dessen eine fortlaufende groſse Wichtigkeit erlangt, so kann ein entsprechender Einfluſs der Kavallerie doch
nur dann erhofft werden, wenn auch dem Wesen dieser Waffe
fortlaufende Beachtung zugewendet bleibt, wenn ihre Thätigkeit auch nur eine kurze, rasch vorübergehende sein kann. Nachdem die Bildung weiterer Kavallerie -Divisionen aus
ver
schiedenen Gründen nicht erreicht worden ist, sollten wenigstens die 6 Regimenter, welche diese Division zu bilden haben in 2 oder
3 Brigaden im Frieden formiert sein und eine ähnliche Stellung
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
54
wie die Corps -Artillerie einnehmen, d. h. ihre technische Ausbildung müſste rückhaltslos dem Führer der Kavallerie- Division unterstellt
werden. Die Übungen müſsten so eingeteilt sein, daſs Übungen in Brigaden zu 2 Regimenter zu 4 Schwadronen , in der Division zu
6 Regimentern, in 2 Divisionen gegeneinander wenn nicht anders möglich auf 1 Glied formiert und auſserdem Formation der Kavallerie - Division bei den gröſseren Trappenübungen jährlich statt fände, um die hier gemachten Erfahrungen bei den Exerzierübungen auf die Truppe zu übertragen. Denn unsere bisherigen Divisions Übungen haben sich als unzulänglich erwiesen, weil die weitaus meisten Angriffe, Boden- und Gefechtsverhältnisse halber, wohl
nach ähnlichen Grundsätzen , aber durchaus nicht in den dort geübten Formen stattfinden können. Dieses unbedingt gebotene
Anpassen, um nicht zu sagen Ändern dieser Formen nach fest stehenden Grundsätzen, das Eipfinden in die jeweiligen Verbältnisse ist es, was der Kavallerie notwendig ist, wenn sie ihre Kraft richtig anwenden und verwerten soll, und gerade dies kann nur bei den
gröſseren Truppenübungen geschehen.
Die Exerzierübungen der
Division haben sonach ebenso bestimmt den überaus wichtigen Zweck,
die Kavallerie für diese Verwendung vorzubereiten, wie einige reglementäre Formen geläufig zu machen . -
Bei jährlich sich wiederholenden Übungen, würde etwa folgende Einteilung genügen :
1. Jabr. 2 Tage Brigade, 3 Tage Division, 3 Tage Divisionen gegeneinander, 4 Tage Corpsmanöver,
2. Jahr. 3 Tage Division, 2 Tage Divisionen gegeneinander, 4 Tage Corpsmanöver, 3. Jahr.
2 Tage Division, 2 Tage Divisionen gegeneinander
4 Tage Corpsmanöver,
wobei aber eine eigentliche Besichtigung nicht stattfinden dürfte. Sollten Corpsmanöver nicht stattfinden , SO so dürfte es sich empfehlen die Kavallerie - Division auch bei Divisions-Manövern zu formieren .
Es wird ferner vorteilhaft sein , wenn nach dem letzten Tage der Corpsmanöver noch ein Tag eingesetzt würde zu Erörterungen,
an welchen sämtliche Kavallerie -Offiziere vom Regiments-Commandeur aufwärts teilzunehmen bätten . Die Sache ist zwar leicht und einfach ; gerade aber diese Ein
fachheit ist schwer zu erringen, wenn sie nicht klar zum Bewuſstsein gekommen ist. Andererseits aber ist in gar keinem Falle zu ver kennen, daſs gerade die Führer der Kavallerie nie vom Himmel
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
55
herunter gefallen sind . - Wenn man beachtet, welche manigfache
Gelegenheit geboten ist, um Infanterie und auch Artillerie wie gemischte Abteilungen zu führen, so besteht noch ein ganz wesent licher Unterschied zum Nachteile der Kavallerie.
Niemand wird
die allgemeine Wichtigkeit verkennen , welche die ersteren Übungen besitzen, Niemand aber wird bestreiten können, daſs der Grundsatz richtig ist :
> ohne entsprechende Einrichtungen und Übungen können Kavallerie - Divisionen noch viel weniger wie andere Formationen gut geführt werden. «
Die feststehenden Formen können dem ganzen Wesen der Waffe nach nur ganz einfacher Art sein, ebenso die Übergänge von einer Form zur anderen . Besondere Schwierigkeiten der Klarlegung dieser Formen
werden
um
SO
weniger
bestehen ,
da die Exerzier
übungen meistens auf einem Boden vorgenommen werden, welcher nur ganz geringe Bewegungshindernisse bieten wird.
Das, worauf es bei der Thätigkeit gröſserer Kavallerie-Körper insbesondere ankommt, kann bei solchen Exerzierübungen nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die praktische Erfahrung die Erfordernisse vor Augen führt. Solche praktische Erfahrung ist
nur zu gewinnen bei Übungen zweier Kavallerie -Divisionen gegen einander, bei zweckmäſsiger Verwendung solcher Divisionen gelegent lich der gröſseren Truppenübungen. Das Anpassen der reglementären Formen je nach den wechselnden
Gefechtslagen und Bodenverhältnissen, die Initiative aller Unter führer bei solchen Gelegenheit en ist es, worauf es insbesondere Gelegenheiten ankommt.
Diese Gewandtheit und Sicherbeit kann die Kavallerie
nie und nimmer entbehren ; je nachdem nun die volle Gelegenheit geboten war, diese unentbehrlichen Eigenschaften zu erwerben , je
nachdem zeigte sich die Kavallerie gut vorbereitet für ihr Gefecht zeigte sie andererseits natürlich, mit wenigen Ausnahmen, Unbe holfenbeit, Schwerfälligkeit und Unsicherheit.
Die Kavallerie der
Verbündeten in den ersten Revolutionskriegen zeigt am deutlichsten die Folgen derartiger Mängel, die Schwierigkeit diese Mängel zu verbessern , wenn sich die Geister in eine falsche Richtung gewöhnt haben .
Gerade Jene, welche es für überflüssig hielten , auch der Kavallerie das zuzugestehen, was zu ihrer gedeihlichen Entwicklung unbedingt notwendig gewesen wäre, sind es sodann welche, Alles übersehend,
was hier gesündigt worden , den Schluſs ziehen : > Die Thätigkeit der Kavallerie auf dem Schlachtfelde
56
Drei Kavallerie-Divisions-Übungen.
ist unter den heutigen Verhältnissen nicht denkbare und der Mangel an guten Kavallerie - Führern scheint allen Heeren anzukleben. «
Zu allen Zeiten war zu bemerken, daſs immer, wenn mangelhaft
erzogene Kavallerie in gröſseren Massen nicht Erfolg hatte, die Ursache keineswegs dort gesucht wurde, wo sie allein zu finden war , sondern stets der veränderten Taktik oder den verbesserten Feuer
waffen zugesprochen wurde und zugesprochen wird. Ohne entsprechende Leitung und zwar ganz unbeschränkte Leitung und Erziehung, wird es schwer sein die Kavallerie tüchtig für ihren Beruf vorzubereiten, ohne entsprechende, fortwährende
Übung der gröſseren Kavallerie-Körper und namentlich der Kavallerie Divisionen , darf man wohl kaum erwarten, daſs Führer für diese Divisionen vorhanden sind, daſs Sicherheit und volle Zuversicht bei
jenen wie in den Massen erreicht werde; obne zweckmäſsige Ver
wendung der Kavallerie - Divisionen bei den gröſseren Truppenübungen wird es nicht denkbar sein, daſs die Truppenleitung im Allgemeinen die nötige Gewandtheit in der Verwendung dieser Divisionen gewinnt. Ohne diese Grundlage aber wird die Kavallerie auch in Zukunft wenig mehr erringen können, wie höchstens mittelbare Erfolge .
die Geschichte ist auch hier die sicherste Führerin.
Die gesamte Kavallerie lebt der sicheren Überzeugung , Erfolge erkämpfen zu können und zwar um so gröſsere , je mehr den Eigentümlichkeiten der Waffe rückhaltlos Zugeständnisse gemacht werden.
IV .
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “. Unter der Aufschrift:
Russische und türkische Heerführer im
Kriege 1877/78, eine Antikritik «, veröffentlichte Herr Major Thilo v. Trotha in den » Preuſsischen Jahrbüchern «, November 1887, einen Aufsatz als Erwiderung auf die » Kritische Beleuchtung« der » Rück
blicke auf die strategischen Verhältnisse des Krieges von T. v. T. « , welche im September -Hefte 1887 der > Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine « erschienen war.
Von dieser > Antikritik « erhielt ich erst durch die, mir verspätet
in die Hände gefallene Nummer der »Deutschen Heeres-Zeitung « vom 17. März d. J. Kenntnis , die eine wohlwollende Beurteilung
meiner » Kritischen Beleuchtung « enthält , welcher die Leitung der >Zeitung« folgende Anmerkung zufügte :
» Inzwischen hat Thilo
v. Trotha in den » Preuſsischen Jahrbüchern « auf obigen Aufsatz der > Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine « geantwortet. Diese Antwort , welche unserem Rezensenten wohl nicht bekannt eworden ist , zeichnet sich , wie das bei T. v. T. nicht anders zu erwarten , durch groſse Gründlichkeit und Sachlichkeit -
hauptsächlich in der Beurteilung Gurko's und Skobelew's – aus und es kann nach derselben keinem Zweifel unterliegen, daſs Russ land in Skobelew einen begabten Heerführer verloren hat und in Gurko einen solchen besitzt. Es wird gut sein, sich darüber nicht durch den Aufsatz in den Jahrbüchern für die Deutsche Armee
und Marine « hinwegtäuschen zu lassen . «
Der Herr Antikritiker macht die Äuſserung, daſs verschiedene Auslassungen der kritischen Beleuchtung der Rückblicke eigentlich nur dann erklärlich seien ,
wenn
man annimmt , es sei die un
bedingte Absicht gewesen , immer das Gegenteil von dem zu haupten, was er ausgesprochen .«
be
Ein derartiges Gelüste zum Widerspruch wäre schwer zu er
klären ; mir lag es um so ferner, da ich nicht den Vorzug habe,
58
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
Herrn T. v. T. persönlich zu kennen und , als mir die » Rückblicke « zu Gesichte kamen, selbst nicht einmal wuſste, wer ihr wirklicher Verfasser war.
Nur das Bestreben, zum allgemeinen Frommen vielfach ver breitete irrige Anschauungen über den russisch -türkischen Krieg
richtig zu stellen , bewog mich , die » Rückblicke« kritisch zu be leuchten .
Auch jetzt kann meine Absicht nicht sein, Herrn T. v. T. oder
die Leitung der » Heeres-Zeitung« in dem Glauben an die Richtigkeit ibrer subjektiven Anschauungen erschüttern zu wollen, doch halte ich mich den geneigten Lesern der Jahrbücher gegenüber für verpflichtet, die > Antikritik« zu widerlegen . Ihr Verfasser verwahrt sich vor Allem gegen den Vorwurf ungenügender Kenntnis der türkischen Verbältnisse und führt die
bekanntesten Veröffentlichungen über die Vorgänge bei der türkischen Armee an , aus welcher er die Berechtigung geschöpft haben will, maſsgebende kritische Urteile zu fällen. Ein paar Bücher über den Krieg lesen , selbst gewissenhaft studieren , was er gethan zu haben glaubt, heiſst noch lange nicht, sich genügende Kenntnisse über die türkischen Verhältnisse erwerben und zwar so genügende , daſs sie ibren. Inhaber berechtigen, über >
die handelnden Personen mit unfehlbarer Sicherheit die bärtesten
Urteile abzugeben . Dazu würde vor allen Dingen entweder die persönliche Erfahrung oder ein sehr eingehendes vorurteilsfreies Studium der gesamten
inneren Zustände gehören . Die erste besitzt Herr T. v. T. wobl nicht und zum zweiten hat ihm augenscheinlich die Muſse oder die .
Neigung gefehlt. Deshalb hätte er vorsichtiger sein sollen . Wenn seine Art , die türkischen Heerführer samt und sonders zu
ver
urteilen, weil sie unglücklich waren, durch sachliche Erwiderung eine Rüge erfährt, so wird das Jedermann natürlich finden . Billige unparlamentarische Redensarten einer > Antikritik« , wie >Unsinn ,
sebr naive Auffassung, harmlos« u. dergl. m . , können darüber nicht hinweghelfen. Die >» Antikritik « begnügt sich – wegen Mangels an Raum
mit dem Versuche der Widerlegung eines geringen Teiles der »streitigen Punkte« und ordnet die Reihenfolge derselben , » behufs besserer Übersichtlichkeit ihrer Entgegnung « anders an , als es in der » Kritik « geschehen . Die Art und Weise der Widerlegung verdient besondere Beachtung.
Ich werde dagegen zur folgerichtigen Klarstellung der
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
von ihr angezogenen streitigen Punkte, die in der » Kritik «
59
d. h.
der > Rückblicke « gewählte
in der Kritischen Beleuchtung «
Reihenfolge einbalten und dabei allen Einwendungen der » Antikritik « volle Würdigung angedeihen lassen . Dieselbe giebt in Bezug auf Gurko die allgemeine Erklärung ab , daſs sein Verfahren > sicherlich nicht frei von Fehlern
war « aber ein unparteiisches Urteil ihm nicht absprechen darf : » den, weder von kleinlichen Rücksichten beengten noch von un vorhergesehenen Widerwärtigkeiten beirrten, stets auf die groſse Entscheidung gerichteten Blick – dabei kluge Umsicht , welche die beabsichtigten Unternehmungen mit Ausnutzung aller Initiative des vorhandenen Mittel sorgfältig vorbereitete und die stets bedurft Ansporns fremden des Wollens , die niemals danach rang , dem Gegner das Gesetz aufzuzwingen - endlich Energie des Handelns , welche vor keinen wirklichen oder ein gebildeten Schwierigkeiten zurückschreckte, und welche die Zügel der Befehlsführung so fest und sicher in der Hand behielt, daſs kein Untergebener « – in der, vornehmlich im passiven Sinne, vortrefflich disziplinierten russischen Armee ! - > Schwierigkeiten zu machen >>
nur versuchte.
Die Belege, anf welche sich dieses unparteiische
Urteil stützt, fehlen .
Gurko's ersten Balkanübergang betreffend erwähnt die > Anti
kritik «, daſs die Kritik« zwei, seine 'Thätigkeit während dieses Zeitabschnittes wesentlich und durchaus unvorteilhaft beeinflussende
Faktoren fast ganz unberücksichtigt gelassen hat und zwar erstens die fortgesetzte störende Einwirkung des in seinen Anschauungen haltlos hin und her schwankenden Armee - Ober Kommandos, und
zweitens die groſse Unklarheit und Unsicherheit der Lage, in welcher sich Gurko's schwaches Corps auf der Südseite des Balkan Gebirges befand.
Beide Einwendungen sind haltlos. Etwaige Schwankungen in den Anschauungen des Oberkommandos haben Gurko nicht gestört.
Die » Rückblicke « führen selbst ganz richtig an, daſs er nach Über schreitung des Balkan »in südlicher Richtung nicht über Kesanlik habe vorgehen sollen «, »seine persönlichen Wünsche gingen über die ihm gestellte verhältnismäſsig bescheidene Aufgabe weit hinaus« ,
er wollte bis Philippopel und in der Richtung auf Adrianopel vordringen , was er damit in letzter Instanz erreichen wollte , ist nicht ganz klar.« Das weitere Vorgehen Gurko's entsprang also ganz seiner eigenen Initiative des Wollens ; er ist allein
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
60
verantwortlich ,
ihn sein stets auf die groſse Ent scheidung gerichteter Blick die kluge Umsicht vergessen lieſs und ihn über die groſse Unklarheit und Unsicherheit der Lage hinwegtäuschte. Wenn das Armee-Oberkommando vorübergehend die Ansicht hegte, die Hauptmasse der Armee über den Balkan wenn
vorgehen zu lassen , so wurde sie dazu durch Gurko's erste leichte
und überschätzte Erfolge, so wie durch die Aussicht auf die von langer Hand vorbereitete Masseverhebung der bulgarischen Be völkerung , welche auch Gurko in Rechnung zog , verleitet. Eine richtige Auffassung der Lage brach sich bald Bahn. Gurko erhielt die weitere Weisung »sich mit seiner Infanterie nicht zu weit von Kesaplik zu entfernen . «
In
esanlik » fand in seiner Anschauung
über die ganze Sachlage ein merkwürdiger Umschlag statt, dessen innere Motive leider nicht klar erkennhar sind. «
Dieser
Umschlag seines eigenen zielbewuſsten Willens ist allerdings bei der » Unklarheit und Unsicherheit der Lage« um so merkwürdiger, als er durch das Oberkommando auch Mitteilung von dem im Gange befindlichen Transport der Armee Sulejman's auf den rumelischen Kriegsschauplatz und von der Niederlage Schilder-Schuldner's bei Plewna erhalten hatte.
> Er teilte am 26. Juli dem Oberkommando
mit : Falls ihm die im Chajn-Köj stehende Brigade Boresch zur freier Verfügung gestellt würde, habe er die Absicht, in energischer Offensive über die noch in der Versammlung begriffene Armee Sulejman's herzufallen und deren noch getrennte Teile in der Vereinzelung zu schlagen .« Er erhält die Brigade und volle Freiheit des Handelns. Wie soll da das Armee -Oberkommando für sein > Fiasko « verantwortlich gemacht werden ?
Die » Kritik« hatte die Aufzeichnung in den »Rückblicken «, daſs >Gurko unter fortgesetzten siegreichen Gefechten vom Südausgange des Chajn -Köj- Passes bis zum Dorfe Schipka vor gedrnngen sei« durch den Nachweis entkräftet, daſs derselbe nur ein wirkliches Gefecht bei Uflanly gegen drei türkische Bataillone geliefert habe. Die » Antikritik « sucht nun die Reihe der sieg reichen Gefechte durch die Einnabme von Kesanlik vollzählig zu machen, das 1 '/, türkische Bataillone mit einem vierpfündigen Feld und zwei dreipfündigen Gebirgsgeschützen selbstverständlich nicht gegen Gurko's 6 %, Bataillone, 19 %, Schwadronen und 2 Batterien zu halten vermochten .
Weiter wird der » Kritik « vorgeworfen , sie spräche unlogisch mit besonderer Betonung von der zahlreichen Kavallerie Gurko's. Die Kritik sagt wörtlich :
> Diese Anordnung
für Gurko's
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
Vorgehen
61
war die Folge einer gänzlichen Verkennung der
-
Absicht des Gegners, sowie seiner Stärke und der Verteilung seiner Kräfte, worüber Gurko's zahlreiche Kavallerie, die Tage hindurch den Türken auf geringe Entfernung gegenüber gestanden hatte,
sich nach keiner Richtung hin irgend welche nennenswerte Kenntnis zu verschaffen vermocht hatte, trotzdem daſs Sulejman, dessen Corps bei der Eisenbahnstation Karapınar ausgeschifft wurde , anfänglich über gar keine Kavallerie und später nur über 2 Schwadronen und einige Hundert Irreguläre verfügte.« Die » Antikritike will aus dem > Subdetul Hakajk « – einer willkürlichen Zusammenstellung einer geringen Anzahl Depeschen, ohne Zusammenhang und ohne Klarheit durch den > Schriftsteller « Midhat Effendi, der sie mit eigenen
Bemerkungen versah und die durch die Übersetzung in die deutsche Sprache auf dem Umwege durch die russische nicht an Wert ge wonnen hat, - das wohl viele, auch nachweisbar irrige Stärke Angaben , aber keine über die Armee Sulejman's enthält , wissen , daſs dieser über vier reguläre Schwadronen, einige Hundert anatolische Reiter und gegen 3000 Tscherkessen verfügte. That sächlich befand sich gar keine Kavallerie bei Sulejman's In fanterie, als deren erste Staffeln bei Karapunar ausgeschifft wurden. Erst bei dem Vormarsche gegen Eski-Saghra hatte er bei seiner Kolonne zwei reguläre Schwadronen und 470 irreguläre Reiter versammelt; auſserdem verfügte Rauf Pascha bei Jeni-Saghra über eine Schwadron und 600 Irreguläre und Mebmed Chulussi bei
Tschirpan über 150 Irreguläre. Die » Antikritik « giebt aber selbst zu, daſs die russische Kavallerie anfangs 16 Schwadronen stark
gewesen sei. Welche Ansichten muſs sie über deren Aufgabe und Wert hegen , wenn sie sie nicht für binreichend zahlreich hält, 1
um unter den vorhandenen Verhältnissen sich so viel Kenntnis zu
verschaffen , daſs es Gurko wenigstens möglich gewesen wäre , die
Lage im Allgemeinen richtig aufzufassen. Übrigens wird ihre Gegenbemerkung schon dadurch hinfällig , daſs sie » ausdrücklich zugiebt « , daſs die Leistungen dieser Kavallerie nicht auf der Höhe der Situation standen .
Die Kritik« hatte sich veranlaſst gesehen, die Angabe der
»Rückblicke« , daſs bei Dschuranly »zwei, während des Gefechtes vor dem Gros ibres Detachements abgekommene Kavallerie Regimenter Leuchtenberg's, sich , die Truppen Rauf's durch
brechevd , mit Gurko vereinigten « , richtig zu stellen.
Die voll
ständige Unkenntnis von dem Verlaufe des Gefechtes und dem Gelände, in dem es stattfand, welche aus dieser Angabe hervorgeht,
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
62
sucht die Erwiderung der Antikritik « vergeblich zu verdecken. Diese schweigt vollständig von dem Abkommen der Regimenter von ihrem Gros und gesteht zwar ein, » daſs der Ausdruck « durch brechend » falsch gewesen « womit der Zwischenfall eigentlich seine Erledigung fand, - bemerkt aber, daſs die erwähnte Kavallerie » -
den linken feindlichen Flügel umging « und legt dem klaren Satze der » Kritik « : » Darauf - nämlich nach dem Gefechte ging Gurko mit den beiden Kavallerie- Regimentern auf der ganz freien -
Straſse gegen Eski-Saghra vors, willkürlich einen falschen Sinn unter, indem sie schreibt, der Zusatz »auf der ganz freien Straſse« habe sichtlich die falsche Anschauung erwecken sollen, die erwähnte Bewegung habe ganz ungestört stattgefunden. Besetzt war die Straſse allerdings während des ganzen Gefechtes nicht ; Rauf Pascbas, von seiner Front rechtwinklig zurückgebogener linker Flügel war parallel mit der Straſse im Walde von Dschuranly auf gestellt. An diesem linken Flügel vorüber hatte das von Leuchten
berg vorgeschickte 9. Husaren -Regiment die Verbindung mit Gurko herstellen sollen , war aber durch türkische, zwischen Wald und Straſse aufgestellte Schützen und Irreguläre und durch feindliches Artilleriefeuer aus dem Walde von Dschuranly , das ihm einen Verlust von 12 Reitern und 10 Pferden verursachte, bewogen worden zurückzugehen . Bald darauf wurde der General Rauch von Gurko nach Aidinly gesandt, von wo er persönlich das 8. Dragoner- und 9. Husaren-Regiment , nebst einer reitenden Batterie in Bewegung setzte , deren Kommando darauf der Oberst v. Korff übernabm , welcher mehrere Angriffe von Tscherkessen , die von Rauf's linken
Flügel gegen ihn vorgingen , zurückzuweisen hatte. Die Verbindung mit Gurko wurde erst hergestellt, als dieser Rauf vollständig geworfen hatte. Darauf ging er mit der Kavallerie auf der ganz freien Straſse in der Richtung von Eski- Saghra vor.
Weiterhin greift die »Antikritik « nun beispielsweise einige Einzelnheiten, behufs Prüfung der Urteile der » Kritik «, heraus. Erstens bemerkt sie , daſs die Kritik irrtümlich die Stärke von
Gurko's Truppen bei Ober-Dubnik auf 52 statt 36 Bataillone an gegeben habe. Diese, auf einem Versehen beruhende Angabe war allerdings unrichtig - Gurko verfügte über 37 nicht über 36 Ba taillone, nämlich über die 1. und 2. Garde- Division, 4 Schützen und 1 Sappeur- Bataillon. Doch war sie ganz un wesentlich , denn für die Beurteilung des Vorgehens gegen Ober-Dubnik ist es ganz
gleichgültig, ob der Angreifer zehn- oder fünfzehnmal so stark war als der Verteidiger.
Noch weniger wird durch diesen Zahlen -Irrtum
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
63
der Nachweis der » Kritik «, daſs es Osman Pascha unmöglich war,
die » Katastrophe von Dubnik « abzuwenden , irgendwie abgeschwächt, da die gegen Dubnik zu viel in Anschlag gebrachten Bataillone zur direkten Verwendung gegen etwa von ihm zu ergreifende Maſsnahmen verfügbar blieben .
Zweitens stellt er die von der » Kritik« gemachte Behauptung, daſs der Übergang des Gebirges am Schipka -Passe unverhältnis mäſsig weniger Opfer gekostet habe , wie der des Etropol- Balkan , als ein interessantes Beispiel hin » für die Unbefangenheit , mit welcher sich die Kritik mit unanfechtbaren Zahlen abfindet. «
Antikritik « selbst sehr unbefangen um, wenn sie zur Erhärtung
ihrer Aussage anführt, daſs Gurko's Heer durch den Übergang über den Etropol-Balkan bis zur Einnahme von Sofia auſser 1000 Mann
Gefechtsverlust nur einen Abgang von weniger als 1000 Mann Dieser betrug allein bei der 9 Bataillone starken Kolonne Dandeville innerhalb zweier Tage ungefähr 1000 Mann ; bei
gehabt habe.
dem noch viel schwächeren Detachement Brok belief er sich, aller
dings in einem längeren Zeitraum, ebenso hoch und bei der ganzen, 82 Bataillone starken Armee auf mehrere Tausend.
Drittens erklärt sie den von der Kritik Gurko gemachten Vorwurf, daſs er, anstatt mit einem Teile seiner Armee nach Sofia zu marschieren , die Bewegung der ganzen Armee auf das Hauptziel zur » groſsen Entscheidung « hätte beschleunigen sollen , » vom Standpunkte des reinen Doktrinärs « für wohl begreiflich, giebt aber zu bedenken, daſs die bisherigen Leistungen der Serben kaum eine groſse Zuversicht auf ihr exaktes Eingreifen in die Operationen hervorrufen konnten und daſs es russischerseits wahrscheinlich grade als politisch notwendig betrachtet werden mochte , Sofia nicht von den Serben erobern zu lassen . Diese waren , nachdem sie die türkischen schwachen Detachements von Scharköj ( Pirot) zurück
geworfen hatten , was Gurko bekannt war , weiter vorgerückt und
trafen auch in Wirklichkeit ungefähr gleichzeitig mit Gurko vor Sofia ein , das unter allen Umständen nur ein unbedeutendes
64
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
Nebenziel im Gange der Operationen bildete. Wenn sie selbst Sofia nicht hätten einnehmen können, so wäre doch durch sie eine
Anzahl türkischer Bataillone festgehalten worden, welche die Russen entkommen lieſsen. Die Leitung ihrer Operationen hätte sehr gut dem , auf dem äuſsersten rechten russischen Flügel , zur Aufrecht haltung der Verbindung mit ihnen, mit einer Kavallerie- Brigade
operierenden General Arnoldi übertragen werden können , wodurch das politische Moment einer etwaigen Eroberung Sofias durch die Serben abgeschwächt worden wäre, das auch an und für sich keine
hohe Berücksichtigung verdiente, da es gegen Russlands Machtspruch nicht zur Geltung gelangen konnte. Da die » Antikritik « freundlichst zugesteht, daſs das Verfahren Gurkos während der verschiedenen Operationen des Krieges sicher lich nicht frei von Fehlern war und ihr » der Raum fehlt , um auf
die Thätigkeit Gurko's während des winterlichen Balkan-Überganges und
wäbrend der Operationen auf Philippopel näher einzugehen
und auch hier die Urteile der » Kritik « über seine Führerbegabung
in Bezug auf ihre Berechtigung zu prüfen «, so kann es wohl den geneigten Lesern der » Kritik « überlassen bleiben , selbst zu be urteilen , in wie weit die von der > Antikritik « Gurko zuerteilten
Feldherrn - Eigenschaften während dieser Operationen zu Tage traten . Nun zu Skobelew.
Jeder Leser der »Kritik « wird in ein gelindes Erstaunen ver setzt werden, wenn er erfährt, daſs die »Antikritik « behauptet, jene habe als Quelle für die Beurteilung Skobelew's hauptsächlich das Buch : Michael Dimitrijowitsch Skobelew , nach russischen Quellen,
von Ossip Ossipowitsch « benutzt. Einige Stellen aus demselben wurden zusammenhängend und zwischen Anführungszeichen aus drücklich als Zeugnis dafür angeführt, daſs auch unverdächtige Stimmen von Landsleuten und Kameraden Skobelew's kritisch an
die Legende von dem panslavistischen Helden Hand legen. Wenn die > Antikritik « es unternimmt, einen Satz aus dieser zusammen hängenden Ausführung herauszuziehen , welcher von einem russischen
Autor – Gradowski – stammt und von dem Ossipowitsch be hauptet, daſs er nie widerlegt worden ist, ibn als » Unsinn « bezeichnet und damit einen Beweis gegen die Richtigkeit der Angaben der » Kritik « zu liefern glaubt, so zeugt das von wenig Sinn. Wenn sie von andern Sätzen derselben, die von Skobelew's Charakter handeln, behauptet, durch die in ihnen enthaltenen Vorwürfe würde
nichts gegen seine Begabung als Truppen- und Heerführer bewiesen, was hat sie sachlich für dieselbe vorgebracht ?
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
65
Durch den Hinweis auf Kuropatkin wird auch nicht ein einziges Wort der von der » Kritik « über Skobelew's Verhalten bei Plewna
gemachten selbstständigen Bemerkungen entkräftigt, ebensowenig ihr Urteil über sein Verhalten bei den Kämpfen um die Schipka
Stellung durch die ureigene Äuſserung der »Antikritik «, daſs sie dasselbe vorläufig als eine » gehässige Behauptung « auffasse.
Die
Anordnungen für den Angriff auf die Stellung, der Verlauf der Bewegungen der Umgehungskolonnen, wie des Kampfes, die Be schaffenheit des Geländes, die Ansichten russischer Offiziere, auch
der Kolonne Skobelew angeböriger, und dessen Charakterzeugen
für die Richtigkeit der in der » Kritik« ausgesprochenen An schauungen .
Wird die » Antikritik « Zustimmung finden zu dem Ausspruche, daſs selbst für den Fall , daſs der gegen sein Verhalten erhobene Vorwurf berechtigt sein sollte, in demselben nicht ein Beweis gegen sein hervorragendes Führertalent zu finden sei, wohl aber ein solcher > für seine Virtuosität in der Truppenführung , weil er unter den damaligen schwierigen Umständen die Zügel der Leitung So fest in der Hand hielt und sein Eingreifen so genau zu berechnen verstand , daſs sich Alles genau nach seinem Plan und
Willen abspielen muſste ? « Einigermaſsen schwierig waren die Umstände, in Folge von Skobelew's Verhalten, nur bei der Kolonne Mirski geworden ; jener sammelte die seinige, die allein mindestens ebenso stark war wie die türkische Gesamtmacht in der Ebene
bei Schenowo - Dorf Schipka- Chassköj - in einer günstigen Stellung am Fuſse des Gebirges bei Himetty. Welche Anschauung über die in dem russischen Heere herrschende Disziplin birgt die Bemerkung, daſs er die Zügel der Leitung fest in der Hand hielt ! Ihm allerdings, doch nur ihm allein gelang es, die Bande der in den >>Rückblicken « mit Recht hervorgehobenen » Unterordnung« in einigen Fällen zu zersprengen .
Auf die Äuſserung der » Kritik «, daſs neben den in den » Rück blicken« aufgezählten »hervorragend tüchtigen « russischen Generalen, > welche selbstständige Operationen gröſserer Truppenkörper mit Erfolg geleitet und dabei diejenigen Eigenschaften in hohem Maſse an den Tag gelegt haben , die die notwendigen Attribute eines Heerführers sind ,« recht gut noch andere hätten genannt werden
können, wie z. B. Loris Melikow , Imeretinsky, Sweatopolk-Mirski , erwidert Herr T. v. T., daſs allerdings Mirski nur aus Versehen nicht genannt worden sei, « er aber die beiden anderen nicht den hervorragenden Truppenführern beizählen könne ; sein rein sub Jaksbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . LXVIII , 1.
5
66
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
jektives Urteil könne » durch den Umstand nicht erschüttert werden, daſs Loris Melikow Höchstkommandierender auf dem armenischen
Kriegsschauplatze war, noch durch den anderen, daſs Imeretinsky als Generalstabschef Totleben's von diesem sehr gelobt wird . « Mebr als dieses subjektive Urteil dürfte wohl dasjenige Totleben's An
erkennung verdienen ; dazu war Imeretinsky Befehlshaber der Truppen Abteilung, welche Lofdsche einnahm, ein Ereignis, das als Waffen erfolg gewiſs über Gebühr gepriesen worden ist, aber, vornehmlich nach den Niederlagen von Plewna, auſserordentlich wertvoll war.
Er hat also eine selbstständige Operation eines gröſseren Truppenkörpers - 25 Bataillone, 13 Schwadronen, 90 Geschütze – mit Erfolg geleitet, was nicht bei allen jenen, in den Rück blicken « aufgezählten Truppenführern zutrifft, vornehmlich nicht bei Rauch, der als Brigade - Commandeur nach Russland zurück -
kehrte, den ich aber auch, auf Grund meiner persönlicher Erfahrung entstammenden, subjektiven Anschauungen für die Leitung gröſserer Truppenkörper befähigt balte. Daſs die » Kritik « in Bezug auf die russische Ober - Heeres
Leitung nicht in den Ton der » Rückblicke « einstimmte, ihr Ver halten nicht auch als diletanttenhaftes Gebahren, Kopf- und System
losigkeit« kennzeichnete, nicht kurzweg die absprechenden , rein subjektiven Urteile über dieselbe anerkannte, sondern versuchte, ihre Handlungen in folgerichtigen Zusammenhang zu bringen, daſs sie, im Gegensatz zu den Anschauungen der » Rückblicke « nach wies, das Verlegen des Schwerpunktes der Ereignisse nach Plewna sei ihr Hauptfehler gewesen , dadurch wird Herr T. v. T. nicht etwa
zu einer Widerlegung, sondern zu der Äuſserung gereizt: » verschiedene Auslassungen der » Kritik « sind eigentlich nur dann erklärlich, wenn man annimmt, es sei die unbedingte Absicht gewesen, immer das Gegenteil von dem zu behaupten , was ich ausgesprochen .« Nur die Auseinandersetzungen der » Kritik « über den Wert eines Brückenkopfes bei Schischtow werden von der Antikritika einer Erwiderung gewürdigt.
Über denselben schreiben die Rückblicke « : Die durch ein Zusammenhalten der Truppen erlangte taktische Zuversicht hätte die
russische Heerführung von einer ängstlichen Rücksicht auf die Flanken und Verbindungen enthoben und ihr eine groſse Be wegungsfreiheit gegeben, allerdings nur, wenn bei Schischtow
eine selbstständige permanente taktische Verteidigung organisiert war, die mehrere Tage dem Angriffe eines feindlichen Corps Wider stand leisten konnte ; diese Forderung würde am besten erfüllt
1
Gegen Thilo v. Trotha's „Antikritik“ .
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worden sein durch einen bei Schischtow angelegten, ausgedehnten,
für die Verteidigung durch eine Division einzurichtenden Brücken kopf. Der Mangel einer derartigen Befestigungsanlage und in Folge davon die Rücksichtuahme auf die Sicherheit der Armee bei allen
eventuellen strategischen Bewegungen hat sich mehrfach störend bemerkbar gemacht. Anstatt Schischtow zu einem selbstständigen befestigten Punkt zu machen , hat die Heeresleitung gerade das Gegenteil gethan und die Armee in drei Richtungen excentrisch in Bewegung gesetzt, zwei Corps nach Osten , eines nach Westen , ein viertes und das Avantgarden-Corps nach Süden . - > Die strate
gische Bewegungsfähigkeit der Lom - Armee wurde in hohem Grade beengt, weil man versäumt hatte, bei Schischtow eine zur
selbstständigen Verteidigung befähigende Befestigung anzulegen. « Die Kritik bemerkte dagegen : » Die Anschauung, daſs die russische Heerführung von einer ängstlichen Rücksicht auf die
Flanken und Verbindungen entbunden war, wird allgemeine Zu stimmung finden , nicht aber, daſs das Vorhandensein eines für die Verteidigung durch eine Division eingerichteten Brückenkopfes
bei Schischtow eine genügende Sicherheit für die Operationen geboten hätte. Eine derartige Anlage sicherte nur so weit ihre taktische Wirkungssphäre reichte, jedoch in keiner Weise entfernt
von ihr operierende Truppenkörper gegen Unternehmungen des Gegners. Sie lieſs ganz Westbulgarien offen und hatte das nahe gelegene Nikopoli als Stützpunkt für den Gegner in der Flanke. Zur Sicherung gegen Westen muſsten also unbedingt andere Truppen körper verfügbar gemacht werden . Sebr zweckmäſsig wurde damit das 9. Armee - Corps betraut« . Darauf die > Antikritik « : » Eine ganz wunderbare Auffassung strategischer Verhältnisse geht aus der Polemik (!) hervor, welche
die Kritik gegen den von mir gemachten Vorschlag eines bei Schischtow auzulegenden Brückenkopfes führt. Was ich dabei beab sichtigt habe und allein beabsichtigen konnte , hat die Kritik ab solut nicht verstanden . « » Gelang es selbst nur einem schwachen
türkischen Corps vorübergehend bis Schischtow vorzudringen und die Brücke zu zerstören, so geriet die russische Armee in eine sehr bedenkliche Lage .«
Die » Rückblicke « waren wohl nicht miſszuverstehen . Dagegen hat die > Antikritik « die » Kritik « nicht verstanden oder nicht ver stehen wollen und deutet deshalb den Satz : » Eine derartige Lage sicherte nur so weit ihre taktische Wirkungssphäre reichte, aber in keiner Weise « u. s. w. falsch .
Die Rückblicke « treten für die >>
5*
68
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
Anlage des » Brückenkopfes « aus strategischen Rücksichten ein, die » Kritik « behauptet, daſs sie solchen unter den obwaltenden Umständen nicht entsprochen hätte , sondern nur örtlich sicherte , was die » Antikritik « ganz bestimmt als » natürlich richtig « zugiebt und » für den gewollten Zweck vollständig aus reichend « erklärt. Ihre weitere Polemik entspringt einer falschen Auffassung der allgemeinen Verhältnisse. >>» Ein schwaches türkisches
Corps« konnte bei der russischerseits gleich nach dem Übergange getroffenen Maſsnahmen , aber auch weil das 9. Corps mit der Sicherung gegen Westen betraut war , nicht nach Schischtow vordringen . Wenn aber die Türken zu irgend einem Zeitpunkte befähigt gewesen wären , dis Offensive zu ergreifen , so würde ein Teil ihres Heeres irgendwo , unterhalb Schischtow über die Donau gegangen sein und die russischen Verbindungen durch Rumänien direkt unterbrochen haben. Ein Brückenkopf bei Schichtow konnte den von den » Rückblicken « und der Antikritik « an ihn geknüpften Erwartungen nicht entsprechen, weil er nur eine einzige Rückzugs linie der operierenden Heereskörper zu ihren ungünstig gestalteten und nicht gesicherten rückwärtigen Verbindungen , nicht
aber zu einer Basis und deren Hülfsquellen deckte. Abdul Kerim Pascha steht an der Spitze der von den » Rück blicken « verurteilten türkischen Heerführer.
Sie sagen von ihm :
» Ob sein Verfahren schlieſslich zu tadeln oder zu loben , ob es als Ausfluſs höchster Unfähigkeit oder der gröſsten Weisheit anzusehen sei, das hing ganz davon ab , ob und mit welchem Erfolge er den zweiten Teil des Planes zur Ausführung bringen würde . Dies 211 thun oder doch wenigstens zu versuchen , hat man dem alten
Serdar -Ekrem durch seine plötzliche Abberufung die Gelegenheit abgeschnitten .
> Was schlieſslich geschah,
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ . war eben thatsächlich ein schwächliches Gegenspiel.«
und
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schwerfälliges
Wo bleibt der Beweis ? Thatsächlich hat Abdul Kerim trotz
aller ungünstigen Umstände den Gegner unbedingt das Gesetz vorgeschrieben , vornehmlich auch durch die Berufung Osman Paschas nach
Plewna
-
die er schon früher angeordnet hatte,
deren Ausführung aber damals verhindert worden war – und das um so mehr, wenn die in den Rückblicken « ausgesprochene Ansicht
begründet wäre, daſs die russische Heeresleitung die ernste Absicht
hatte, nach dem Donau- Übergange die Hauptmasse der Truppen offensiv über den Balkan vorgehen zu lassen .
Daſs die Rückblicke « den unglücklichen , in der Verbannung gestorbenen alten Marschall Abdul Kerim , den ihr Verfasser jeden falls gar nicht gekannt hat, »grob « nannten , fand in der » Kritik « eine Zurechtweisung mit den Worten :
» Derselbe war ein charakter
voller gebildeter Soldat, kein Formenmensch , noch weniger ein Phrasen held , dabei durchaus gutmütig und wohlwollend « und das in so hohem Grade, daſs er es nicht dazu brachte, je irgend Jemand ein böses Wort zu sagen . Die > Antikritik « spricht nur von der
»sittlichen Entrüstung « des Kritikers ob des Gebrauches des Epitheton > grob «, das sie nicht in einem verletzenden Sinn gebraucht zu haben erklärt; es sei ja auch nichts als eine etwas drastische
» Zusammenfassung « der von dem Kritiker selbst gegebenen Charakteristik :
» er war allerdings kein Formenmensch « .
Diese
Zusammenfassung ist gewiſs recht eigentümlich. – Vor Erledigung der weiteren, das Verhalten der türkischen Heerführer betreffenden streitigen Punkte , scheint es nötig nach zu weisen , daſs die allgemeinen Anschauungen des Herrn » Anti kritikers « über die Stellung derselben von Grund aus irrige sind, die er keinenfalls aus der von ihm als Quellen für sein Studium
angeführten türkischen Quellen geschöpft haben kann. Er ist der Ansicht, daſs die türkischen Heerführer weit selbst
ständiger waren als die Erlauchten Heerführer der verschiedenen deutschen Armeen 1870/71 und spricht sie besonders und als » un
zweifelhaft « richtig gelegentlich der Beurteilung Osman Paschas aus, der ja » nur dann und wann Weisungen von Konstantinopel empfing , die vielfach auf die wirklichen Verhältnisse gar nicht paſsten. « Diese Begründung ist zwar eigenartig , als
unzweifelhaft richtig dürfte sie aber keine allgemeine Anerkennung Man war bisher geneigt, zu glauben, daſs unzutreffende Weisungen von oben her den Untergebenen in seinen Handlungen
finden .
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
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beengen und daſs nur allgemein gehaltene, aber auf die Verhältnisse passende, die Selbstständigkeit der Unterführer erhöhen .. Darum hat man auch gerade die groſse Freiheit des Handelns bewundert,
welche den Erlauchten Heerführern 1870/71 von oben her gewährt wurde, und darin eine Ursache ihrer Siege gesehen. Daſs diese groſse Selbstständigkeit durch höhere Weisungen erzielt worden sei ,
die auf die wirklichen Verhältnisse gar nicht paſsten, wie man nach der Anschauung des Herrn Antikritikers annehmen sollte, ist bislang unbekannt geblieben.
Die vergleichende Zusammenstellung türkischer und deutscher Verhältnisse hinkt überhaupt .
Zwischen einem orientalischen Staate, dessen Haupt zugleich Beherrscher aller Gläubigen , Chalif und Padischah in einer Person ist und einer abendländischen konstitutionellen Monarchie besteht
ein grofser Unterschied . Es ist ferner etwas Anderes, wenn wie bei den deutschen Heeren 1870/71 der Souverain selbst als Höchst
kommandierender im Felde steht und nach eigener Anschauung selbst befiehlt, als wenn Befehle oder Weisungen von dem in der fernen Hauptstadt weilenden Kriegsminister , einem vielköpfigen Kriegsrat oder von dem Chef einer Kabinetts-Kanzlei, der gar nicht Militär , sondern Civilbeamter ist , erlassen werden und die von den
Heerführern zu treffenden oder getroffenen Maſsnahmen
deren
Billigung bedürfen.
Die Erlauchten deutschen Heerführer hatten vielfache Gelegen heit , mit dem Kriegsherrn direkt zu verkehren und erforderlichen Falles sich ihm gegenüber zu verantworten. Sie befanden sich also türkischen ,, deren in einer ungleich günstigeren Lage als die türkischen Beurteilung abhängig blieb von der Einwirkung verschiedener Einflüsse und die nicht sicher waren , sich an der höchsten , allein maſsgebenden Stelle Gehör verschaffen zu können . Demnach möchte es einleuchtend erscheinen, daſs ungefähr das
Gegenteil von dem richtig ist , was die » Antikritik « behauptet , daſs nämlich der selbstständigste türkische Heerführer niemals so selbstständig und frei in seinen Entschlieſsungen , also auch in der
Entfaltung seiner Fähigkeiten und Eigenschaften war , als der gebundenste und unselbstständigste deutsche General im Felde. Auch bei den preuſsisch- deutschen Armeen in den Jahren 1866
und 1870/71 sind Fehler vorgefallen, die Kreise der gläuzenden obersten Leitung gestört, einzelne Gefechte verloren worden , doch traf keinen der dabei beteiligten Generale das Schicksal türkischer Führer.
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
71
Die Ungnade hat im Orient etwas Anderes zu bedeuten als in
Deutschland, der Gedanke an ihre Folgen muſs selbst auf den stärksten Charakter einwirken
und das ist auch bei Beurteilung
der Leistungen der Einzelnen in Rechnung zu stellen. Belege für die Richtigkeit des Vorstehenden hätte die » Anti kritik « gerade in den von ihr angeführten Quellen « »der kriegs gerichtliche Prozeſs gegen Sulejman Pascha« und » Subdetul Hakajk « – auf deutsch ; die Quelle (wörtlich der Rahm) der Wahrheit finden können . Dem Herrn Übersetzer der letzteren Schrift ist es, trotz ihrer Mangelhaftigkeit gelungen, das Wesen aus der » Wahrheits
quelles herauszuziehen, über das er sich in der Vorrede zu der
Übersetzung folgendermaſsen äuſsert: » Der geneigte Leser wird nach Kenntnisnahme dieser Zusammenstellung von Depeschen manche bisber fast unbegreiflich erscheinende Handlungen der türkischen Heerführer erklärlicher, ja zum Teil wohl begründet finden ; er wird die vergeblichen Anstrengungen kennen lernen , welche der Sultan in Person nicht scheute, um der äuſserst un
gelenken und zerrütteten Organisation der türkischen Wehrverfassung und Administration
durch
Palliativmittel
mehr Aktionskraft zu
Es fehlte eben in Allem ein festes, durchgreifendes System , eine einheitliche centrale Oberleitung, wie sie in dem vom Sultan eingesetzten , aber fortwährend durch die groſsherrliche Kanzlei beeinfluſsten Kriegsrat am allerwenigsten zu finden ist. « Seit dem Kriege haben sich allerdings die Verhältnisse in der Türkei günstig umgestaltet. Die Widerlegung durch die » Kritik « des, von den » Rückblicken « über Mehmed Alys Verhalten ohne jegliche Begründung erlassenen Urteils, wird von der Antikritik « als ein » geradezu harmloser verleihen .
Versuch « bezeichnet,
mit einigen Phrasen
und
haltlosen
Be
hauptungen zurückgewiesen, der Hauptnachdruck darauf gelegt, daſs ihm die eiserne Faust « fehlte.
Im Besonderen schreibt sie : „ Die Behauptung der Kritik, die Gesamtstärke von Mehmed Alys Armee , die Festungsbesatzungen mit in begriffen , sei nie derjenigen der im gegenüberstehenden Gegner gleichgekommen , ist im Hinweis auf die offiziellen Angaben im Prozeſs
Sulejman einfach nicht richtig. « » Die russische Kavallerie war nicht doppelt so stark als die türkische. < Es ist nicht schwer nachzuweisen , daſs diese Behauptung der >Antikritik « zum Mindesten einfach nicht richtig ist. Die Kritik konnte, wie sich das ganz von selbst versteht, trotz dem aber ohne jeden Sinn und Berechtigung von der » Antikritik «
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
72
miſsdeutet wird , als Gegner Mehmed Alys nicht allein den Groſs fürsten Thronfolger im Auge haben, sie sprach ja ausdrücklich von
den ihm gegenüberstehenden Gegnern , deren Stärke wohl als bekannt vorausgesetzt werden durfte; sie verwies deshalb für weitere Einzelnheiten auf die von Mittler & Sohn in Berlin herausgegebene Schrift :: » Das bulgarische Festungsviereck « , in der die Mehmed Aly gegenüberstehenden russischen Streitkräfte aufgezählt und auf 11 Infanterie- Divisionen, 154 Schwadronen und 600 Geschütze be rechnet werden .
Dabei gieht sich der Herr » Antikritiker « der » Kenner« der türkischen Verhältnisse, eine groſse Blöſse, wenn er die in dem Proze Sulejman angeführten Stärke-Angaben für die Infanterie der türkischen Armee als Gefechtsstärke in Rechnung setzt , auch nichts davon weiſs, daſs zahlreiche Schwadronen Kavallerie dauernd
damit beauftragt waren , die zahllosen zubringen , und zu begleiten, aus denen und Proviantkolonnen gebildet wurden. seinem gewissenhaften und gründlichen
Bauernwagen zusammen die türkischen Munitions Wie konnten ihm , bei
Studium der türkischen
Quellen , auſserdem noch Zweifel aufsteigen » ob in der obigen Be
rechnung « – d. . h . in der Angabe der Totalstärke der türkischen Armee des Festungsvierecks, » die Stärke der Besatzungen der Festungen und der Stellung von Pasardschik mit inbegriffen sei oder nicht?
Es kam aber nicht nur die Gesamtstärke an Streitenden der
türkischen Infanterie in der Armee der Gesamtzahl der ihr gegen
überstehenden russischen Infanterie an Streitenden nicht gleich , sondern auch die, für eine von Mehmed Aly allein gegen Westen zu unternehmende, zielbewuſste Offensive verfügbare Infanterie kam nicht der, in jener Front, dem Gegner zur Verfügung stehenden gleich , – zu dessen Unterstützung im Monat August auch noch die eben auf dem Kriegsschauplatz eingetroffenen beiden Infanterie Divisionen herangezogen werden konnten . -
Ebenso ist auch die Bemerkung der » Antikritik « : » die russische Kavallerie war also durchaus nicht doppelt so stark als die türkische «, durchaus falsch , selbst , wenn sie nur auf die in der russischen Ostfront von Djutin bis an die Donau befindliche 9
und die dagegen verfügbare türkische bezogen wird , die die » Anti kritik « auf 6000-7000 Pferde berechnet, aber irrtümlich , denn dieselbe bestand nicht aus »der 8., 12., 13. und Teilen der
11. Kavallerie -Division «, sondern aus 3 Regimentern der 8. , der 12., 13. und der ganzen 11. Division, dazu aber noch 4, der Armee
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “.
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des Groſsfürsten Thronfolger zugebörige Donsche Kosaken -Regimenter, 24 Schwadronen, die völlig auſser Acht gelassen worden sind. – In Bezug auf Mehmed Aly's Verhalten als Befehlshaber der Armee im westlichen Balkan schreibt sie : > Daſs seine Aufgabe, so weit sie den Ersatz von Plewna in sich schloſs, in der That wohl
unlösbar war und ihm keine verständige Kritik einen Vorwurf daraus machen wird , daſs er sie nicht lösen konnte,« wohl bleibt sie aber bei der Behauptung, daſs Mehmed Aly's ganzes Verfahren » während seiner damaligen Kommandoführung eine Kette von
Schwächen und Halbheiten war und den Vorwurf der Unentschlossen
heit und Energielosigkeit rechtfertigt. Zwischen den sich kreuzenden
Ansichten verschiedener Untergebener und den zum Teil unquali fizierbaren Weisungen aus Konstantinopel schwankt er stellen
weise sichtlich im Gegensatz zu seiner eigenen besseren Überzeugung haltlos hin und her. «
Unter den Quellen «, aus welchen der Antikritiker die Kenntnis der türkischen Verhältnisse geschöpft hat, ist, für die Beurteilung von Mehmed Aly's Thätigkeit während dieses Zeitraums maſsgebend, angeführt: „ Die Verteidigung des Etropol-Balkan unter Mehmed
Aly Pascha . Von einem Augenzeugen . Jabrbücher für die Deutsche Armee, August 1878. «
Dieser » Augenzeuge « setzt auseinander, daſs während der kurzen Zeit seiner Befehlsführung Mehmed Aly » Tage hindurch durch un ausgesetzten Verkehr mit der Dari-Schura - jenem dem Kriegs
minister untergeordneten Kriegsrat — in Anspruch genommen wurde, « daſs Sulejman's Eifersucht ihm binderlich war, daſs die ihm unter stellten Truppen unzuverlässig waren , an Offizieren Mangel war, die
Leute in seiner Umgebung ihre Stellung vicht vollständig aus füllten , die ganze Thätigkeit des Oberkommandos auf ihm lastete und er, so oft nur ein Gewehrschuſs fiel, stets persönlich ein 9
greifen und Alles anordnen muſste. « » Zu dieser in der That auf reibenden Thätigkeit trat dann der störende Verkehr mit der Dari-Schura, die in barocken Fragen und Belästigungen Auſser ordentliches leistete. «
Befand sich etwa irgend einer der Erlauchten Heerführer 1870/71 in einer Lage, die auch nur den Vergleich mit der seinigen gestattete ?
Trotzdem gelang es ihm Gurko's Offensive aufzuhalten . Wenn dennoch der » Augenzeuge« in der Schluſsphrase seines Aufsatzes seine subjektive Anschauung dahin ausspricht, daſs Mehmed Aly > schlieſslich das Vertrauen auf sich selbst verloren habe,
so
74
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik ".
scheint das nicht seiner eigenen Darstellung der Ereignisse und ihrer Begründung zu entsprechen , noch weniger aber enthält die Dar
stellung Beweise für die Richtigkeit der Äuſserungen der » Anti kritik .
Der von den Rückblicken « Mehmed Aly gemachte Vorwurf, » daſs er keinen Versuch gemacht habe, seine Stellung als Höchst kommandierender den anderen Armee - Kommandanten, besonders Sulejman gegenüber zur Geltung zu bringen , wird von der » Anti kritik « aufrecht gehalten. Zum Beweise dafür, daſs derselbe thatsächlich Oberbefehlshaber
der drei, auf dem europäischen Kriegsschauplatz befindlichen Armeen gewesen sei, und daſs es ihm nur an der » eisernen Faust« gefehlt habe, um sich Geltung zu verschaffen , führt sie zwei aus der
Kabinettskanzlei an ihn gerichtete Depeschen an , ganz als ob die selben eben so anzusehen seien, wie etwa Königlich Preuſsische Kabinettsordres. Sulejman Pascha würde auch heute ins höchste Erstaunen geraten , wenn er durch freundliche Vermittelung der
» Antikritik« erführe, daſs er Mehmed Aly unterstellt gewesen sei, Osman Pascha noch mehr, denu die Ernennung zum Oberbefehls haber der Donau - West -Armee befreite ihn gerade aus seiner bis
herigen untergeordneten Stellung und machte ihn nur von den Behörden in Konstantinopel abhängig. Zur Ergänzung dieser Depeschen hätte zunächst eine dritte, an Sulejman und Osman gerichtete vorhanden sein müssen, die da lautete : » Sie sind von nun an Mehmed Aly unterstellt und haben dessen Befehlen Folge zu leisten. « Die zweite Depesche – vom 21. Juli : – >>> Versehen sie sofort Sulejman mit Instruktionen über die von ihm auszuführenden
Operationen « ist übrigens in der von der » Antikritik « gegebenen Fassung gar nicht vorhanden ; Subdetul- Hakajk enthält aber
von demselben Tage die folgende: »Ihre Depesche aus Warna, worin Sie die begonnene Konzentration der Truppen meldeten, hat den Sultan sehr erfreut.
Fabren Sie damit fort und instruieren
Sie Sulejman, der sich heute mit seinen Truppen von Dedeagatsch nach Adrianopel begiebt.« Das klingt schon ganz anders als eine unbedingte Anerkennung seiner Oberbefehlshaberschaft. Wie es mit dieser beschaffen war, hat ja Sulejman sofort bewiesen, indem er
eine an demselben Tage ihm von Mehmed Aly gegebene Weisung als Anmaſsung zurückwies.
Die »„Antikritik « sagt weiter: » Die oberste Behörde in Konstantinopel hatte weder die Macht, noch den Willen, Klärung
Gegen Thilo v. Trotha's „Antikritik“.
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in diese Sache zu bringen .« Dem ist nicht so. Die Sache war klar und Konstantinopel versah fortan sowohl Sulejman wie Osman mit direkten Befehlen , die nicht durch Mehmed Aly's Hand gingen. Welcher Widerspruch überhaupt zwischen solchen Anschauungen und einer durch ein eifriges Quellen studium erworbenen Kenntnis der türkischen Verhältnisse.
Die maſsgebendste Quelle für diesen Fall, der von der » Antikritike mehrfach ins Feld geführte » Prozeſs Sulejman's «, legt die Sache ganz klar, durch den Nachweis, daſs sogar das Kriegs
gericht Sulejman's Auffassung über seine Stellung mit 6 Stimmen gegen eine als richtig anerkannt hat. Wie in aller Welt hätte unter diesen Umständen Mehmed Aly die
reiserne Faust « walten lassen sollen ?
Die » Antikritik « hat
unterlassen, die Mittel anzugeben , um dieselbe Sulejman und Osman fühlbar zu machen, wohl weil auch sie keine kannte ; ihre Behauptung bleibt also eine leere Phrase.
In der Tasche durfte er die Faust
wohl ballen, zum Gebrauche fehlte ihm die Macht. Strafrecht über
Sulejman besaſs er nicht. Hätte er ihn etwa verhaften lassen sollen ? Durch wen ? Nach dem Rezepte von der » eiserpen Faust« wäre ihm nichts übrig geblieben, als mit seiner Armee gegen Sulejman zu marschieren, um ihn zur Raison zu bringen und damit – hätte er den sicheren Weg ins Narrenhaus oder vor ein Kriegsgericht eingeschlagen.
Die » Antikritik « will, immer auf Grund ihres Quellenstudiums, die Unrichtigkeit der von der » Kritik« gemachten Angabe nach weisen, daſs Osman Paschas Armee in Plewna am Tage der Einnahme von Ober - Dubnik nur 25,000 Mann
und nicht 45,000
stark
gewesen sei. Ihre Beweisführung muſs auch anderen Nichtkennern der türkischen Verhältnisse als unantastbar richtig erscheinen , denn sie schreibt : »Major Telaat Bey, Adjutant Osman Paschas, giebt in seinem Werke — » Die Ereignisse bei Plewna«« dieser Armee für den Tag der Schluſskatastrophe eine Stärke von 37,500 Kom battanten, ohne Kranke. « » Die hierauf bezüglichen sehr interessanten Detailangaben Telaat's können hier, als zu viel Raum bean spruchend , nicht wiedergegeben werden . « Telaat Bey giebt aber in Wahrheit auf Seite 815 u. f. seines Buches an , daſs sich bei der Armee von Plewna am Tage der
Einschlieſsung — also nach der Einnahme von Dubnik und nicht am Tage der Schluſskatastrophe – 136 (ein unsinniger Druck fehler) Bataillone Infanterie befanden und ihre Stärke, ohne 2500 Kranke und Verwundete mitzu rechnen , 40,000 Mann betrug.
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Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritiku.
Die Mehrzahl der Bataillone batte eine Stärke von 350 - 400 Mann ,
die übrigen eine noch geringere. Um eine bessere taktische Verwendung zu ermöglichen, bildete man aus allen vorhandenen Bataillonen deren 57, zu einer Stärke von nicht weniger als 400 Mann .
Die Angabe Telaat's von 40,000 Mann ist eine irrtümliche , was schon daraus hervorgeht, daſs sich aus ihr, nach Abzug von
etwa 3000 Mann für Kavallerie und Artillerie, für jedes der 57 Ba taillone eine Stärke von 650 Mann ergeben würde. 57 Bataillone zu 400 Mann ergeben eine Summe von 22,800 Mann . Die Ziffer 25,000 der » Kritik « ist übrigens einer eigen bändigen Aufzeichnung des Marschall Osman Pascha selbst entnommen .
-
Die » Rückblicke « enthalten die Äuſserungen, daſs Osman Pascha mit der » Westarmee « nur » ganz zufällig « nach Plewna ge kommen sei, wo er seinen ermüdeten Truppen einige Tage Ruhe
Rückblicke« seinen Gesamtwert« immer sehr niedrig stellt – und daſs er » in Armenien unter schwierigen Verhältnissen sehr Tüchtiges leistete. Die Rückblicke finden unter den türkischen >>
Hauptführern » Keinen « , der seinem Gesamtwerte nach auch nur
einem der russischen Generale zweiter » Kategorie « , gleich zu setzen wäre, welchen die notwendigen Attribute von » Heerführern « zu erkannt werden, obschon einzelne unter ihnen nie mehr als eine
Division befehligt haben. Da ist es denn doch tröstlich zu er fahren , daſs wenigstens Muchtar Pascha als wirklicher > Heer >>
führer « unter schwierigen Verhältnissen sehr Tüchtiges ge leistet hat.
Die Angabe der » Antikritik « , daſs sie » die anfangs in den Kreis der Betrachtungen der Rückblicke hineingezogenen Ereignisse
Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
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auf dem armenischen Kriegsschauplatze schlieſslich mit Rücksicht auf den zur Verfügung stehenden Raum wieder eliminieren muſste « scheint nicht recht am Platze, denn die Rückblicke auf
die strategischen Verhältnisse des Krieges« stellen , nachdem sie die türkischen Führer in der Gesamtheit und einzeln kurz abge urteilt, noch auf mehr als 30 Seiten des zur Verfügung geblie benen Raumes, taktische Betrachtungen über die Ereignisse bei Plewna an. Der » Abgrund « , welchen die » Kritik « , als zwischen den An
schauungen und Urteilen der >>Rückblicke« und den that »
sächlichen Erscheinungen des Krieges bestehend aufgedeckt hat, überrascht die »> Antikritik« .
Da sie ihn nicht zu überbrücken
vermag, verneint sie einfach sein Vorhandensein und schreibt :
> Keiner der von mir anerkennend genannten russischen Führer
ist bei irgend einem der von mir besprochenen und gerügten Fehler als Schuldiger beteiligt folglich besteht der nicht zu überbrückende Abgrund nur in den Augen der Kritik, nicht aber in Wirklichkeit. «
So harmlos war die » Kritik « denn doch nicht, um auf Grund des von den Rückblicken « einzelnen russischen Generalen über
trieben gespendeten Lobes, nachdem sie dasselbe nicht anerkannt hatte, das Vorhandensein des Abgrundes nachweisen zu wollen . Die » Antikritik « bat eben wieder einzelne aus dem Zusammen
hange der »Kritik « gelöste Sätze willkührlich gedeutet, begeht aber selbst bei ibrer Auffassung einen Irrtum , wenn sie behauptet, daſs keiner der von den Rückblicken « belobten Führer an den,
in diesen gerügten Fehlern als Schuldiger beteiligt war.
Die
» Rückblicke« erklären ganz bestimmt, daſs »nur grobe Fehler und die störende Einwirkung gewaltiger Schneestürme die Schuld trugen, daſs es der türkischen Armee gelang, sich der tötlichen Umarmung am Arabadschi-Konak -Passe zu entziehen « . An dem entscheidenden Tage von Taschkessen gab es aber keinen Schnee sturm, allein diese Fehler tragen die Schuld, daſs der erstrebte Erfolg nicht erreicht wurde. Oberbefehlshaber der ganzen Operation war Gurko ;
unter den Unterführern befanden sich Schuwalow und
Rauch . Über den Verlauf der Operation gegen die Arabadschi Konak - Stellung giebt, neben anderen, das in der » Kritik « angeführte Buch „ Die Operationen im Etropol- Balkan, von Thilo v. Trotha « Aufschluſs, das auch Gurko durchaus nicht frei von Schuld und Fehler « erscheinen läſst.
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Gegen Thilo v. Trotha's „ Antikritik “ .
Die » Kritik« hat das Vorhandensein des » Abgrundes « folge richtig begründet: Die »Rückblicke « heben hervor , daſs schon das russische Bataillon als taktische Einheit dem türkischen unbedingt über legen war und dieser Unterschied sich zu Gunsten der Russen in den höheren Verbänden in immer böherem Maſse steigerte, sie stellen das russische Führerpersonal in den unteren Graden über
das türkische, sie behaupten, daſs eine groſse Anzahl russischer Generale niederer Rangstufen und selbst Regiments -Comman
deure durch ganz hervorragende Leistungen ihre Befähigung zu den höheren und höchsten Stellungen bewiesen haben , verurteilen aber die türkischen höheren Führer in der Gesamtheit und ver künden in einer Weise, die keine Berufung gestattet
denn ihr
» Urteil ist aus einem anparteiischen Studium der türkischen Quellen hervorgegangen « – urbi et orbi,, daſs auch unter den türkischen Hauptführern keiner vorhanden ist, der mit Gurko und Skobelew auch nur annähernd den Vergleich aushält, ja sogar keiner , der seinem militärischem Gesamtwerte nach den in zweiter Linie auf
geführten russischen Generalen gleichzusetzen wäre. Einer solchen Charakteristik zu Folge muſste man erwarten,
daſs die türkischen Führer aller Grade im Kriege so viele Fehler begehen, die Verwendung der Truppen und deren Leistungen der artige sein würden , daſs die Erreichung des Endzieles des Krieges eigentlich in der Hauptsache nur von dem Bewegungs -Tempo des russischen Heeres abhängen würde, besonders bei Berücksichtigung auch der wirklichen Mängel des türkischen Heeres in Allem, was mit seiner Organisation und der Ausbildung der Truppen zusammen
hängt, wie der Vielköpfigkeit der obersten Heeresleitung und des Umstandes, daſs die russischen Truppen vom Beginn der Feindselig keiten an zablreicher als die türkischen, nach dem Eintreffen der Garden und Grenadiere mindestens doppelt so stark und bei vielen Gelegenheiten - in der Offensive fast immer - mehrfach über legen waren. Wenn dann in Wirklichkeit von den russischen Führern
grobe Fehler begangen werden, der Krieg einen ganz unerwarteten Verlauf nimmt und es der russischen Führung nirgends gelingt,
den erstrebten oder erreichbaren Erfolg in der gewünschten Weise
zu erzielen, so zeigt sich der unüberbrückbare » Abgrund « , der die Charakteristik der » Rückblicke« von den thatsächlichen Erscheinungen im Verlanfe des Krieges trennt. Jahrböcher für die Dentonhe Armee and Marine. Bd, LXVIII ., 1 .
6
V.
.
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten. Von
Spiridion Gopčović. 1
Auf keinem Gebiete haben in der neuesten Zeit so gewaltige Veränderungen stattgefunden wie auf jenem der Kriegsschiff bauten. Was sind die Fortschritte auf dem Gebiete der Kriegswissenschaften , des Verkehrswesens, des Elektro -Magnetismus, der Arzneikunde u.s.w.
gegen jene , welche der Kriegsschiffbau seit 30 Jahren zeigt ! Das Jahr 1858 bezeichnet den Markstein mit dem Stapellaufe der ersten
Panzerfregatte (GLOIRE). Bald darauf erfolgte die Einführung der schweren und immer mächtiger werdenden gezogenen Geschütze, welche ein beständiges Anwachsen der Panzerstärke hervorriefen . Mit 114 mm Panzerstärke hatte die GLOIRE begonnen ; man war
aber schon 1867 bei 203 mm Panzerstärke angekommen. In folge dessen sah man sich genötigt die Panzerung , welche ursprünglich, die ganzen Schiffsseiten schützte , an minder wichtigen Teilen des Schiffes fortzulassen . Man beschränkte sich also auf den Schutz der
Wasserlinie, der Artillerie und der Maschinen, wodurch es möglich wurde, die Panzerstärke bis auf 354 mm zu erhöhen . Als auch dies
sich der immer mächtiger werdenden Artillerie gegenüber unzu länglich erwies, ging man in dem Entpanzern der Schiffe noch weiter : zunächst lieſs man den Panzergürtel an den Schiffsenden weg , dann nahm man der Artillerie ihren Panzerschutz, endlich begnügte man sich mit einem nur ein Drittel der Schiffslänge an der Wasserlinie schätzenden Gürtel, der allerdings von beträchtlicher Stärke war (bis zu 610 mm). Andere wollten zwar auf den Panzer schutz der Artillerie nicht verzichten , lieſsen aber dafür den Seiten panzer ganz weg und ersetzten ihn durch ein sich an der Wasser
linie über das ganze Schiff ziehendes Panzerdeck (ITALIA ). Dieses Panzerdeck, welches schon bei den ersten Verkürzungen des Panzer
gürtels aufgetaucht war , fand bald allgemeinen Eingang in alle 1
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
83
Flotten ; es veranlaſste das Erscheinen der heute so beliebten
Panzerdeckkreuzer (von den Engländern »geschützte Schiffe « [ protected ships] genannt ).
Obschon noch einige Staaten Panzer
schiffe bauen , kann man doch sagen, daſs deren Zeit bereits vorbei ist.
Die Panzerstärke blieb bei 610 mm stehen ; doch ist die Eut
panzerung bereits eine so allgemeine und so ausgedehnte , daſs es eine Selbsttäuschung ist, wenn man solche zum vierten oder
achten Teil durch Pauzer geschützte Schiffe als > Panzerschiffe « bezeichnet.
Mit dem Panzer hat die Artillerie gleichen Schritt gehalten.
Aus dem ersten, nur 3 Tons wiegenden gezogenen Rohren hat sich im Laufe der Jahre das heutige 111 Tons- Rohr entwickelt. Übrigens machte Krupp auf diesem Gebiete vor einigen Jahren die wichtige Neuerung, durch Verlängerung der Rohre mit leichteren Geschützen
dieselbe Wirkung zu erzielen , welche bisher die schwereren hatten . Durch seine 35 Kaliber langen Geschütze hat er dieses Problem
gelöst ; sein 35 Kaliber langes 30.5 cm Geschütz von 43 Tons Rohr gewicht übertrifft an Wirkung das englische 40.6 cm Geschütz von 81 Tons Rohrgewicht des INFLEXIBLE.
Neben der schweren Artillerie hat sich aber, Dank den Torpedo booten , seit mehreren Jahren auch eine früher ganz unbeachtete leichte Artillerie entwickelt.
Zur Abwehr der Torpedoboote
bewaffnete man vorerst die Schiffe mit einigen Mitrailleusen, danu mit Gatling -Kanonen , mit Hotchkiſs -Revolverkanonen endlich mit
Nordenfeldt -Schnellfeuerkanonen, und zwar vergröſserte sich auch hier das Kaliber von 2 auf 6.5 cm , die Zahl der Mitrailleusen , Revolver- und Schnellfeuerkanonen vermehrte sich bis auf 23 für jedes Schiff! Nicht zufrieden
mit diesem Fortschritte der Artillerie
führen
die Amerikaner Zalinskis Dynamitkanonen von 27 und 32 cm Kaliber in die Flotte ein, doch muſs erst abgewartet werden, ob sie sich bewähren. Vor der Hand halten wir ihre Anwendung für das eigene Schiff gefährlicher als für den Gegner. Sollten sie sich aber wirklich bewähren, dann bekommt der Torpedo einen furcht baren Nebenbuhler oder vielmehr Gehilfen , und der Seekrieg be
ziehungsweise der Kriegsschiff bau würde eine Umwälzung erleiden, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Eine Seeschlacht müſste dann wie der berühmte Kampf der Löwen endigen, welche sich
gegenseitig bis auf die Schwänze aufgefressen ! Aber die Fortschritte und Veränderungen im Kriegsschiff bau beschränken sich nicht allein auf Artillerie und 6*
Panzer,
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
84
sondern auch auf die innere Einrichtung und äuſsere Bauart der Schiffe.
Vor 1858 wurden nur vereinzelte Schiffe aus Eisen gebaut. Holz bildete nach wie vor das beliebteste Baumaterial. Bis 1872 wurden selbst die Panzerschiffe (mit alleiniger Ausnahme der
COURONNE) in Frankreich und bis 1870 in Österreich aus Holz gebaut. Auch Spanien , England, Italien, Dänemark, Deutschland und Holland besaſsen hölzerne Panzerschiffe. Bald aber wurde der
Bau von eisernen Schiffen allgemein ; man suchte seinen Nachteilen durch ein Kompromiſs zwischen Eisen und Holz (Komposit -System ) abzuhelfen und ging schlieſslich auf Stahlschiffe über. Auch hier gab es verschiedene Bausysteme, so daſs man die gegenwärtig vor handenen Schiffe nach ihrem Baumateriale in folgende Klassen teilen kann : 1. Holzschiffe ;
2. Holzschiffe mit eisernen Deckbalken und Querschotten ; 3. Eisenschiffe ;
4. Eisenschiffe mit vollständiger Auſsenbeplankung (aus Holz);
5. Eisenschiffe mit leichter Holzbeplankung für Zinkhaut ; 6. Kompositschiffe aus Eisen und Holz ;
7. Kompositschiffe aus Stahl und Holz; 8. Stahlschiffe ;
9. Stahlschiffe mit vollständiger Auſsenbeplankung (aus Holz) ; 10. Stahlschiffe mit leichter Holzbeplankung für Zinkhaut ; 11. Schiffe aus Stahl und Eisen mit vollständiger Auſsen beplankung.
Auch das Maschinenwesen hat einen groſsen Aufschwung genommen . Schon die Compound -Maschinen bedeuteten einen un geheuren Fortschritt gegen jene, welche man 1858 kannte. Durch
Einführung der Dreifach -Expansions -Maschinen mit künstlichem Zug im geschlossenen Heizraume) hat man es jedoch erreicht, daſs jetzt die Maschinen nicht nur achtmal gewaltiger sind als vor 30 Jahren, sondern auch dreimal leichter, wobei sie obendrein fünfmal weniger
Kohlen verbrauchen ! Überdies bat Russland eine Neuerung ein geführt, welche von ungeahnter Tragweite sein dürfte: seine neue Pontusflotte brennt nämlich statt der Kohlen Petroleum und Naphta reste, was folgende Vorteile für sich hat: 1. Dreifache Gewichtsersparnis. Jedes Schiff mit flüssigem Heizmaterial wird also dreimal länger kreuzen können als eines mit Kohlen.
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
85
2. Keine Rauchentwickelung, für die Kriegsschiffe, welche da durch ihre Gegenwart dem Feinde verbergen von unschätz barem Werte ; denn heutzutage verrät sich ein Dampfer mit rauchenden Kohlen schon viele Stunden , bevor er in Sicht kommt.
3. Leichtes und schnelles Ergänzen des Brennmaterial-Vorrates.*) 4. Bedeutende Kostenersparnis . Welche Leistungen die heutigen Maschinen erzielen im Ver hältnis zu jenen des Jahres 1858 mag man aus dem Umstande ersehen, daſs damals die gröſste Maschinenleistung der vorhandenen Kriegsschiffe 2700 Pferdekraft nicht erreichte (MARLBOROUGH 2688, GLOIRE 2699) und das schnellste Schiff kaum 16.8 Knoten machte ( VICTORIA and ALBERT) während heute die SARDEGNA
mit 22,800 Pferdekraft auf dem Stapel liegt **) und der RAYO eine Schnelligkeit von 26.11 Knoten erreicht hat.
Wer da weiſs , mit
welchen Opferu jeder Viertelknoten Mehrschnelligkeit erkauft werden muſs *** ), der wird solche Leistungen zu würdigen verstehen . Mit der Maschine hat auch der Motor Fortschritte gemacht. Nachdem
noch
1858 neben
den erst seit kaum
20 Jahren
be
stehenden Schraubendampfern viele Raddampfer gebaut wurden und man eine ausgiebige Takelung für unentbehrlich hielt, gab man den Bau von Raddampfern bald ganz auf (auſser für Jachten oder Fluſs
schiffe) und verbesserte nicht nur die Schraube selbst, sondern auch ihre Anwendung , indem man auf Zwillingsschraubenschiffe überging d . h. Schiffe mit zwei Schrauben .
Russland
übertrieb
jedoch die Sache, indem es seinen runden Panzerschiffen ( Popovken ) 4 und 6 Schrauben gab. Die französischen Panzerschiffe BRENNUS und CHARLES MARTEL, deren Bau eingestellt worden ist, sollten je 3 Schrauben erhalten .
*) Der Verfasser fuhr vor einigen Jahren auf der Wolga an Bord des mit Petroleum geheizten russischen Dampfers PETR VELIKIJ und konnte sich nicht genug über die Schnelligkeit wundern, mit welcher in Kazan die Petroleumvorräte des Dampfers ergänzt wurden .
**) In England beabsichtigt man den Bau eines Torpedovorratsschiffes von 25,000 Pferdekraft.
***) Die IRIS z. B lief mit 607 Pferdekraft, 8 Knoten. Mancher Laie wird vielleicht denken, daſs dann 1214 Pferdekraft eine Schnelligkeit von 16 Knoten
ergeben würden und 1420 Pferdekraft eine solche von 18 €/, Knoten . Thatsächlich aber bedurfte es einer Leistung von 5132 Pferdekraft, um der IRIS 16.5 Knoten, einer von 7735 Pferdekraft, um ihr 18.572 Knoten Schnelligkeit zu verleihen! Oder um ein Beispiel aus der deutschen Flotte zu nehmen : der KAISER lief 14.56 Knoten mit ganzer und 13.78 mit halber Kraft; es bedurfte somit einer doppelten Maschinenleistung (7695 Pferdekraft statt 4000 ), um die Schnelligkeit um nur % Knoten zu erhöhen !
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
86
Mit der Verbesserung der Maschinen und Schrauben verkleinerte man immer mehr die Takelung der Schiffe. Bei den neueren Schiffen hat man sie vernünftigerweise ganz abgeschafft. Die ersten un bemasteten Kriegsschiffe waren die Monitors ; man hielt jedoch lange noch an der Überzeugung fest, ein Kreuzer bedürfe auch der Segel kraft, teils um Kohlen zu sparen, teils um die eigene Schnelligkeit zu erhöhen , teils um im Falle einer Maschinenbeschädigung oder Schraubenhavarie eine andere Bewegungskraft zu besitzen. Es hat sich jedoch herausgestellt, daſs die Segel bei der heutigen Schnellig keit der Kreuzer zu deren schnelleren Fahrt gar nichts beitragen, daſs sie im Gegenteil dieselbe hemmen und daſs sie insbesondere auch in der Schlacht verderblich sind.
Aus diesem Grunde wird
man wohl bald gar kein Kriegsschiff mehr mit Takelung be schweren .
Die ältesten Panzerschiffe entbehrten sowohl des doppelten Bodens als auch der wasserdichten Zellen , der Kofferdämme, der
Kohlenstauung um die Maschinen (zu deren Schutz), der Querschotte und Längsschotte sowie der Panzerdecke, durch welche Einrichtungen
sich die heutigen Kriegsschiffe auszeichnen. Ein einziger glücklicher Schuſs kann eine der alten englischen Panzerfregatten zum Sinken bringen, wäbrend es bei den heutigen Schiffen dazu sehr vieler glücklicher Schüsse bedarf. Auch die Gröſse der Schiffe hat in den letzten 30 Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Während 1858 das gröſste vorhandene Kriegsschiff, der MARLBOROUGH 6300 Tous
Deplacement hatte *) ist man heute bereits auf ein Kriegsschiff von 13,550 Tons **) ( LEPANTO) gekommen. Aber die gewaltigste Umwälzung hat die Erfindung des Tor pedos und der schnellen Torpedoboote hervorgerufen eine Umwälzung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Im Jahre 1858 war vom Torpedo noch keine Spur vorhanden . Erst im Sezessions kriege tauchten die ersten Seeminen auf, denen bald die Spieren torpedos folgten. Nach dem kurzen Zwischenspiel der Schlepptorpedos
kam Whitehead mit seinen Fischtorpedos, welche sich bald als die furchtbarste Waffe des Seekrieges entpuppten und (nach englischer Behauptung) von dem Brennan - Torpedo sogar übertroffen worden sein sollen .
Die ersten Torpedoboote waren jene, welche Deutschland 1871 *) Das französische Linienschiff LA BRETAGNE soll 6873, nach einer anderen Angabe aber nur 5289 Tons groſs gewesen sein.
**) Nach einer anderen Angabe soll der LEPANTO sogar 14,385 Tons groſs sein .
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
87
in seinen heutigen » Minenlegern « Nr. 1—3 erhielt. Sie sind 24 '/, Tons
groſs, entwickeln 60 Pferdekraft und laufen nur 7.5 Knoten, sind also als Torpedoboote unverwendbar. Thornycroft, welcher zu jener Zeit das damals schnellste Fahrzeug der Welt gebaut hatte — -
den über 21 Knoten laufenden SIR ARTHUR COTTON – lieferte
schon 1873 den Regierungen von Schweden und Norwegen zwei Torpedoboote von 7 '/4 Tons, welche an der gemessenen Meile 17.27 und 17.22, bei einer sechsstündigen Dauerfahrt aber 15.75 und 15 Knoten liefen . Damit war die Reihe der unzähligen Torpedo boote und Torpedofahrzeuge eröffnet, welche seither von allen See mächten gebaut wurden. Aus dem 7 '/, Tops des ersten Thorny croft'schen Torpedo bootes sind binnen 13 Jahren die 845 des italie
nischen TRIPOLI geworden ; aus seinen 17 '/, Knoten die 26/5 des spanischen RAYO. Auſserdem entstanden noch andere Torpedo fahrzeuge: Torpedoavisos , Torpedokreuzer , Torpedorammkreuzer, Torpedovorratsschiffe u. dergl., deren Gröſse ins Ungeheure geht. Ja die gröſsten vorhandenen Kriegsschiffe (ITALIA , LEPANTO , SARDEGNA , SICILIA , RE UMBERTO von 13,300—13,550 Tons) sind eigentlich nichts als ungeheure Torpedorammkreuzer. Nachdem wir hier in allgemeinen Zügen ein Bild der groſsen
Umwälzungen entworfen haben , welche der Kriegsschiffbau in den letzten 30 Jahren erlitten hat, wollen wir jetzt den gegenwärtigen Stand des Kriegsschiffbaus bei den einzelnen Seemächten beleuchten ,
indem wir dabei in alphabetischer Ordnung vorgehen, Deutschland jedoch für unsere Schluſsbetrachtung aufsparen. Brasilien hat in den letzten Jahren ( 1883 und 1885) zwei
ausgezeichnete Panzerschiffe seiner Flotte zugefügt: RIACHUELO und AQUIDABAN. Es sind dies Schiffe, welche sowohl als Schlacht schiffe wie als Kreuzer Verwendung finden können, obschon sie
eigentlich nur als Panzerkreuzer erbaut wurden. Sie entwickelten
die bedeutenden Schnelligkeiten von 16.238 beziehungsweise 15.257 Knoten bei natürlichem und 16.718 beziehungsweise 15.818 Knoten bei künstlichem Zug. Die Bewaffnung — je vier 20 Tons Armstrong Hinterlader, sechs 13 cm ebensolche, nebst 15 Revolverkanonen wäre allerdings für ein europäisches Schlachtschiff etwas schwach,
ist jedoch für Amerika vollständig genügend. Die Panzerung beträgt 178 mm an der Wasserlinie, 279 mm an der Brustwehr, 254 mm an den Türmen und 53—79 mm am Deck. Die Gröſse beträgt 5792 Tons,
die Maschinenkraft 6926 beziehungsweise 5270 Pferdekraft bei natür lichem und 7336 beziehungsweise 6201 bei künstlichem Zuge. Der Kohlenvorrat reicht bei 8 Knoten Fahrt auf 8500 Meilen .
88
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
Als Panzerkreuzer betrachtet, zählen diese Schiffe zu den besten , die es giebt und stellen die 3000 Tons gröſsere englische IMPÉRIEUSE weit in den Schatten .
Der Panzerdeckkreuzer ALMIRANTE TAMANDARÉ be
findet sich in England im Bau . Er soll 4023 Tons groſs werden , vier 12 Tons -Geschütze, zwölf 15 cm Amstrong -Hinterlader, 4 Schnell feuer- und 12 Nordenfeldt-Kanonen, sowie ein Torpedoboot erhalten . Bei 7500 Pferdekraft soll er 17 Knoten laufen.
Ein anderer, 4500
Tons groſs, mit 7500 Pferdekraft, 17 Knoten , vier 7 Tons-Geschützen , zwölf 15 cm Hinterladern und 20 Revolverkanonen soll ebenfalls in
England im Bau gelegt worden sein . Die übrigen Neubauten Brasiliens sind ohne Interesse.
Man
hat wohl einige Yarrow-Torpedoboote von 20 Knoten , aber keinen einzigen Kreuzer, der sich mit den europäischen messen könnte, oder mehr als 14 Knoten liefe .
Chile hat seine kleine aber tüchtige Flotte in den letzten
Jahren um ein Dutzend Torpedoboote und zwei Panzerdeckkreuzer vermehrt. Von letzteren befindet sich einer noch in England im Bau. Er soll 4500 Tons groſs werden , 19 Knoten laufen und mit zwei 26 Tons Hinterladern , einem 14 Tons Hinterlader, 2 ebensolchen Sechszöllern und 14 Revolverkanonen bewaffnet werden.
Der andere Panzerdeckkreuzer ist die berühmte 1883 vom
Stapel gelaufene ESMERALDA von 2810 Tons und 6083 Pferde kraft, welche 18.35 Knoten läuft und mit zwei 26 Tons Hinterladern ,
6 Sechszöllern und 6 Revolverkanonen bewaffnet ist. Sie gilt als eines der vorzüglichsten Schiffe ihrer Klasse und diente vielen anderen Schiffen zum Vorbild .
China bat in den letzten Jahren bedeutende Anstrengungen gemacht, sich eine Flotte von vorzüglichen Kriegsschiffen zu schaffen . Da man für Geld das Beste haben kann, scheuten die Chinesen kein Opfer, ihren Zweck zu erreichen und thatsächlich haben sie es in den letzten Jahren dabingebracht, 4 Panzerschiffe, 7 Panzerdeck-, 8 gewöhnliche Kreuzer , 11 Kanonen boote vom Staunch - Typ,
1 sehr schnellen Raddampfer, 1 Torpedojäger und 35 Torpedoboote zu erwerben , welche alle zu den besten Fahrzeugen ibrer Art gehören
und um welche so manche Macht Europas sie beneiden könnte. Die zahlreichen übrigen Schiffe dazugerechnet , verfügt China heute bereits über eine Flotte, welche an sich wohl Achtung gebieten würde, wenn das lebende Material dem toten entspräche, was
glücklicherweise nicht der Fall ist. Beweis dessen Futschu und der Zwist mit Frankreich .
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
89
Über die vorzügliche Bewaffnung und groſse Schnelligkeit der
neuen chinesischen Kriegsschiffe mag man aus der nachstehenden Liste selbst urteilen :
Bewaffnung.
Name.
Pferde kraft.
Tons.
Knoten .
Stapel lauf.
A. Panzerschiffe ;
TING -JUEN ... 14-32 ts 30.5 cm K ; 2-7.5 cm . ) 2-4 ts 15 cm K ; 8 Rev. - Kan. . CHEN-JUEN
6300 7200
7430 | 15.384
1 2-21 cm K (35 Kal. lg.) 7 Rev. 52-15 cm K (35 Kal. lg. )
3450
2850
15.5
4400 B. Panzerdeckkreuzer :
2850
15.78
1887 1887
1883
KING -JUEN
.
LAI-JUEN .
TSI-JUEN ...
7430 | 14.47
1881
1882
2-21 cm K ; 1-15 cm K ; 4 7.5 cm K ; 6 Rev. ...
2800
2355
15
TSCHI-JUEN . . 13-18 ts 86 AH ; 8-6 cm ; 2-5 cm
6000
2300
18.836
1886
TSCHING - JUEN ) 2-4 ts 6 " AH ; 6-4 cm N in Futschu ?
5500
2300
18
}
2000
1600
1887 1884 1886
2-26 ts 10" A ; 2-9 pfd.; 6 Rev || 4-40 pfd. 4 "/2 " A ...
2677 2580
16.8
1300 | 16.2
1881 1881
erbaut
TSCHAO - JUNG . JANG- WEI
1300
C. Gewöhnliche Kreuzer : JANG -PAO
.
I-SING ... KAI -TSCHI
2500
15
1-25 cm K ; 1-17 cm K ; 6 15 cm K ; 6 Rev. . .
3c00
2477
15.5
} 2-21 cm K ; 8-12 cm K ; 6 Rev.
2400
2200
15.5
2-20 cm Var.; 7-12 cm Var..
2400
2152
15
1884 1883 1884 1883
2-15 cm K ; 5-12 cm K
3000
1300
16
1885
6-6 " AH .
2100
?
18
NAN- THIN ..
NAN -SCHUIN KAI- TSI .... N (Schwester schiff des bei Futschu zerstörten TSCHING -KING N (bei Doxford im Bau ) ...
1883 1885
2400
} 3-21 cm K; 7-12 cm K. 3
D. Küstenkanonen boote . ALPHA BETA GAMMA DELTA
9.4
1876 1876
9
1877
9.25
} 1-27 "/, ts AA ; 2-12 pfd.; 1 Gatl.. 1-38 ts A ; 2-12 pfd .; 1 Gatl. .
310
310
319
400
TSCHEN - PEI .
10
TSCHEN - NGAN
10
TSCHEN - HSI ..
1-36 ts A ; 2-12 pfd; 2 Gatl .
380
440
TSCHEN-TUNG
1879 10
11
TSCHEN - PIEN
TSCHEN-TSCHUNG } 1-22 ts AH ; 2-12 pfd. ; 2 Gatl. LAMBDA
380
480
10
1881
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
90
Pferde
Name.
Bewaffnung
Tons.
Knoten .
kraft.
Stapel lauf.
E. Raddampfer : KIANG - SU
.
.
.I ?
| 2279 | 1000 | 16.7
| 1882
F. Torpedofahrzeuge : 1-10 cm ; 4 Rev. . 1 Torpedojäger Torpedoboot No.21 ( 25 m lang 0.9 breit) 3
No. 4-7 8-10
1 Rev. (27 mlg., 3 br., 1.2Tiefg .)
n
11-19
99
20
2 Rev. (26 m lg. , 3.6 m br.) 2 Rev. (44m lg., 5 m br., 2.3 T.) (19.7 m lg., 2.62 m br.) 2 Rev. ( 36.91 m lg., 3.97 m br.)
.
.
21-24
25 26-33
90
34-35
wie No. 11-19
3000
450
350 400
28
700
500
58 30
1597
115
200
14
15
700 500
69
22.94 19 20
28
28
30 28
20
18.25 19.75 18-20 19.87 20 24.23
1887 1881 1881 1883
1884 1886
1886 1883 1887
1885 1887
Dänemark ist durch seine spärlichen Mittel daran verhindert, eine Flotte zu schaffen, wie sie seine topographische Lage zur wirk samen Verteidigung bedingen würde. Die geringen Mittel, welche das Thing bewilligt, werden überdies auf ganz unzweckmäſsige Weise verschwendet. Statt sich auf die Herstellung einer groſsen Torpedo
flottille zu verlegen , welche – etwa aus 4 Torpedokreuzern, 8 Torpedo avisos, 16 gröſseren und 64 kleineren Hochseetorpedobooten , 50 gröſseren und 50 kleineren Küstentorpedobooten bestehend – im Stande wäre Dänemarks Unabbängigkeit gegen jede in Frage kommende Macht zu verteidigen, vergeudet man das Geld für Schiffe wie TORDENSKJOLD, HVITFELDT,, FYEN, GRÖNSUND und GULDBORGSUND, welche schon zur Zeit ihrer Baulegung keines wegs den Anforderungen der Neuzeit entsprachen. Der Panzerdeckkreuzer TORDENSKJOLD, welcher 1880 vom
Stapel lief, ist wegen seiner unbedeutenden Schnelligkeit (14 Knoten)
als Kreuzer gegen Seinesgleichen nicht zu verwenden, weil die Panzerdeckkreuzer der übrigen Mächte meist zwischen 16-19 Knoten machen .
Für ein Schlachtschiff ist wieder seine Artillerie zu schwach
(eine 35 %, cm Kanone ; vier 15 cm Kanonen ; sechs 12 cm Kanonen). Auch beschränkt sich die Panzerung auf Turm ( 200 mm) und Deck ( 102 mm).
Sonst hat der TORDENSKJOLD 2480 Tons und 2556
Pferdekraft.
Etwas besser, aber den heutigen Anforderungen ebensowenig genügend ist der IVER HVITFELDT, 1886 vom Stapel gelaufen, welcher bei 3260 Tons, 5000 Pferdekraft entwickeln soll, es aber
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
91
trotzdem nur auf 15.6 Knoten brachte. Zwar ist er besser gepanzert
(50, 210, 280, 290 mm), aber so wie seine Schnelligkeit für einen Panzerkreuzer ungenügend erscheint, so ist es seine Bewaffnung für ein Schlachtschiff. Er führt nämlich nur zwei 26 cm , vier 12 cm, zwei 6 cm Geschütze und 10 Revolverkanonen. Zwecklos ist auch
der sogenannte » Kreuzer « FYEN von 2596 Tons, 2700 Pferdekraft und nur 13.5 Knoten, der 1882 vom Stapel lief. Er ist mit acht zehn 15 cm , acht 9 cm Geschützen und 6 Revolverkanonen bewaffnet und höchstens als Schulschiff verwendbar, obschon er ein 44 mm starkes Panzerdeck besitzt. Zwecklos sind ferner die 1883 und 1884 erbauten Kanonen
boote GRÖNSUND und GULDBORGSUND, deren zwei 12 cm Ge schütze und 3 Revolverkanonen zur Verteidigung gegen angreifende
Kriegsschiffe ungenügend sind, während andererseits ibre geringe Schnelligkeit (12 Knoten) jede Verwendung als Kreuzer ausschlieſst. Sie haben je 215 Tons und 418—420 Pferdekraft. Das einzige zweckmäſsige Schiff durfte der im Bau befindliche
Torpedokreuzer VALKYRIEN sein. 2900 Tons groſs, soll er bei 5000 Pferdekraft, 17 Knoten laufen und mit zwei 21 cm , sechs 15 cm Geschützen und 10 Revolverkanonen bewaffnet werden .
Der Bau von Torpedobooten ist dagegen von Dänemark sehr vernachlässigt worden ; es besitzt nur 9 gröſsere Torpedoboote (von 35 – 85 Tons) [die neuesten sind HAVHESTEN und NARHVALEN ] und 11 kleinere (von 8–15 Tons) . Frankreich hat in den letzten Jahren den Bau von Panzer
schiffen vernachlässigt, dagegen jenem von schnellen Kreuzern und Torpedofabrzeugen besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Bei der Wichtigkeit, von welcher Frankreichs Seemacht für Deutschland ist , wird man es begreiflich finden , wenn wir die groſsartige Ent wickelung derselben seit 1882 *) ausführlicher schildern. Was die Schlachtschiffe betrifft, so hat sich deren Zahl seit 1882 nicht vermehrt, da der Bau der einzigen während dieser Zeit auf den Stapel gelegten Panzerschiffe (CHARLES MARTEL und BRENNUS) schon 1884 eingestellt wurde. Von den im 42. Band der >Jahrbücher « beschriebenen Panzerschiffen liefen seither folgende vom Stapel: *) Über die Entwickelung der französischen Seemacht von 1870 bis 1882 mag der Leser meinen diesbezüglichen Aufsatz im 42. Band der „Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine“ nachlesen. Die dort bereits beschriebenen Schiffe erwähnen wir hier nur in Kürze.
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
92
COURBET ( EX-FOUDROYANT)
1882 (Vollendung 1885)
AMIRAL BAUDIN
1883 1885 1886
FORMIDABLE HOCHE MARCEAU NEPTUNE
.
INDOMPTABLE
.
.
.
1883 1885 1885 1887
.
.
REQUIN . CAIMAN TERRIBLE FURIEUX
90
1887 ( 1887 ( 1888 ? (
.
.
MAGENTA (noch im Bau)
( ( (
.
VAUBAN
DUGUESCLIN
99
1888 ) 1888 ?) 1890 ) 1889 ?) 1889 ? )
1890 ?) 1885 ) 1888 )
( ( ( (
1888 )
1888 ?)
1883 (
1885 )
1882 1883
1885) 1885 ).
( (
Der HOCHE hat 10,650 Tons und soll bei künstlichem Zug
mit 12,030 Pferdekraft, 17 '/, Knoten laufen .
Von MARCEAU ,
NEPTUNE und MAGENTA (je 10,581 Tons) erwartet man bei
künstlichem Zug mit 12,030 Pferdekraft, 18 Knoten. HOCHE wird mit zwei 34 cm 50 Tons Geschützen, zwei 27 cm 23 Tons Geschützen , achtzehn 14 cm Geschützen und 8 Mitrailleusen bewaffnet, die andern mit je vier 34 cm Geschützen, siebzehn 14 cm Geschützen und 10 bis
20 Mitrailleusen . Die Panzerstärke beträgt 80 mm am Deck, 350 bis 450 mm an der Wasserlinie und 400 mm an den Türmen. Nach Deutschlands Vorbild hat auch Frankreich 8 Panzer
kanonenboote in Bau gelegt ( 1882 ) , aber letzteren so lässig betrieben, daſs von diesen kleinen Fahrzeugen , welche mit Leichtigkeit binnen einigen Monaten hätten gebaut werden können , erst vier vollendet sind . FLAMME , FUSÉE , GRENADE und MITRAILLE sind 1045 Tons groſs und sollen mit 1500 Pferdekraft, 13 Knoten laufen.
Die Panzerung beträgt 50, 100, 180 und 240 mm ; die Bewaffnung besteht aus einem 27 cm Geschütz, einer 9 cm Kanone und 2 Mitrail leusen .
PHLÉGÉTHON, ACHÉRON, COCYTE und STYX sind 1640 Tons groſs, haben 1700 Pferdekraft und statt der einen 9 cm Kanone Sonst gleichen sie den vorigen.
zwei 10 cm Geschütze.
Die wirkliche Schnelligkeit der neuesten Panzerschiffe ist folgende : COURBET
16 Knoten bei künstlichem Zug, 14 2 Knoten bei natürlichem Zug.
DUPERRÉ
?
DÉVASTATION 15.17 TURENNE
.
.
14.55 ?
99
14.14 14.53
BAYARD VAUBAN , 14.32 INDOMPTABLE 15 .
14.22 99
99
n
99
19
99
99
90
9
»
97
13.1
13.96 13.5
n
93
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
Von schnellen Kreuzern beziehungsweise Panzerdeckkreuzern
hat Frankreich in jüngster Zeit eine groſse Zahl auf den Stapel gelegt, von denen die meisten eine Schnelligkeit von 19—20 Knoten erhalten sollen . In dieser Beziehung dürfte Frankreich bald alle übrigen Seemächte überflügelt haben, wie nachstehende Tabelle zeigt, in welcher die gewöhnlichen Kreuzer von den Panzerdeckkreuzern durch einen vorgesetzten * unterschieden sind : De
Name.
Pferdekraft bei Schnelligkeit b . Stapel
Bewaffnung. place- natürl. künstl. natürl. künst) . Zug.
ment.
lauf.
Zug.
6-16 cm SFAX
10-14
15.9
16.84
1884
10330
17
19
1886
9600
17
19
4503
4333
6034
7045
8115
5766
6900
8 Rev. - Kan. 6-16 cm
TAGE
10-14 , 16 Rev.
CÉCILLE
6-16 cm 10-14 ,
1888 (?)
13 Rev.
ISLY .. 4-16 cm ALGER
4123
6-14 10 Rev.
6000
BRENNUS ..
DUPUY DE
LÔME
2-16 cm 6-14 cm , 14 Rev. 2-19 cm
6-16
im
8200
n
MOGADOR JEAN BART
17
19 Bau
(?) 4325
(?)
(? )
(?)
17.5
20
6297
(?)
(?)
17.5
20
3300
4200
14 Rev.
4-16 cm
* ARÉTHUSE
3356
1882
4-16 cm *DUBOURDIEU 22-14 cm , 8 Rev. 3354
14
15
23-14 cm, 8 Rev.
1884
DAVOÛT
CHANCY
4-16 cm 10 Rev.
im
3027
(? )
1877
(?)
6060
) ? (
SUCHET
6000
3400
4133
9000
(?)
20 Bau
LALANDE .
FORBIN
COSMAO .
2-14 cm 7 Rev.
1 Torpedoboot 1848
COËTLOGON *MILAN .... 5-10 cm , 8 Rev. * CONDOR * EPERVIER . 5-10 cm * FAUCON 6 Rev.
* VAUTOUR .
) ? (
TROUDE . SURCOUF
1546 1272
2000
3200
19.5 1888 im
17.27
17.7
18.4
Bau 1884
1885 1886 18.3 1887
1888
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
94
Die vier letztgenannten sind Torpedokreuzer.
Wie verlautet,
sollen sie mit je vier 14 cm Geschützen bewaffnet werden, da ihre Artillerie wirklich lächerlich unbedeutend ist. Dies gilt übrigens
auch von den meisten übrigen Kreuzern. Man sehe sich z. B. den 7045 Tons groſsen TAGE an, dessen 16 schwere Geschütze zusammen nur 57 Tons Rohrgewicht haben und vergleiche ihn mit anderen Kreuzern . Eine solche Zusammenstellung beweist neuerdings, daſs die französischen Schiffe wie zur Zeit der Segelschiffe so auch jetzt
verhältnismäſsig die schwächste , die englischen im Gegenteil die stärkste Artillerie führen : Artillerie Rohr
De Land .
Schiffsname.
place ment
Gattung:
gewicht in Tons.
Frankreich .
England
TAGE NELSON .
HERO SHANNON AURORA
n
19
.
SHAH
Deutschland
THAMES OLDENBURG . IRENE . MOLTKE
REINA REGENTE . ETNA ERSATZ KAISER
Spanien Italien
Österreich Brasilien . Russland
AQUIDABAN . KORNILOV
7045
57
7630
174
6200
106
5390
120
5000 6250 3550
124
Kreuzer
68
Rammkreuzer
5200 4250
140 62
Casemattschiff
2857 4800 3474
64
Rammkreuzer Kreuzer
96
Rammkreuzer
4200
5000
72 92
5000
70
Rammkreuzer Panzerkreuzer Turmschiff Panzerkreuzer
84
74 Panzerkreuzer Rammkreuzer
Aus dieser Zusammenstellung sehen wir, daſs der TAGE z. B. eine schwächere Artillerie hat als die kaum halb so groſse THAMES und auch in Bezug auf die übrigen Schiffe ist das Miſsverhältnis ein stark in die Augen springendes. Das Gleiche finden wir, wenn wir die Bewaffnung der übrigen französischen Kreuzer mit jenen der Kreuzer anderer Mächte vergleichen : Frankreich .
England
•
Deutschland
JEAN BART BOADICEA MERSEY . PRINZESS. WILHELM ALEXANDRINE .
.
4325
36
Panzerdeckkreuzer
4140 3550
56
Kreuzer Panzerdeckkreuzer
68
4300
62
2373
Kreuzer
3400
48 52
2950
44
Panzerdeckkreuzer
Kreuzer Panzerdeckkreuzer
Holland Russland Dänemark
VITJAZ FYEN
Italien
G. BAUSAN .
2596 3020
Spanien . Österreich
NAVARRA
3342
72 74 34
ERSATZ LISSA
3800
72
.
DE RUYTER
o
99
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten. De
Schiffsname.
Land.
place
Artillerie Rohr
95
Gattung .
gewicht in ment.
Tons.
DAVOÛT
3000
VOLAGE COMUS . OLGA
3078 2377 2169
20 46
44
VALKYRIEN
2900
42
Italien
DOGALI .
2050
24
Chile China .
ESMERALDA
3000
76
2300
64
Frankreich ... England
.
Deutschland Dänemark
.
.
TSCHI- JUEN
Frankreich . China .
.
England Deutschland
Russland Spanien ..
.
.
.
LALANDE , ...
| 1877
5
1350 1630
56
LUISE .
1719 1224
28
1030
12
.
URALEC . ISLA DE CUBA
Kreuzer
32
TSCHAO -JUNG . ARCHER •
Panzerdeckkreuzer
Panzerdeckkreuzer
24
Kreuzer
22
Panzerdeckkreuzer
Betrachten wir diese Zusammenstellungen , so entdecken wir mauche
überraschende
Thatsachen .
Der
GIOVANNI BAUSAN
2. B. hat eine mehr als doppelt stärkere Artillerie als der um
ein Drittel gröſsere JEAN BART! DAVOÛT ist gröſser als die ESMERALDA und trotzdem ist der letzteren Artillerie fast viermal
stärker ! Der LALANDE aber, obschon nabezu um ein Drittel
gröſser als der TSCHAO - JUNG , bat gar eine mehr als elfmal schwächere Artillerie. Es ist wohl richtig , daſs heutzutage die Artillerie im Seekriege eine geringere Rolle spielt als ehedem, weil ihr Gebrauch eine Pulverdampfentwickelung bedingt , welche dem schieſsenden Schiffe verhängnisvoll werden kann, indem sie ihm das Herangleiten der Torpedoboote verbirgt ; aber gleichwohl werden sich im Seekrieg noch Fälle genug ereignen , in denen der Artillerie eine leitende Rolle zufällt. Besonders für einen Kreuzer , der ge wöhnlich selbstständig operieren wird , ist eine starke Artillerie erforderlich . Man setze den Fall, der LALANDE befinde sich auf
Kreuzung und habe bereits seinen Vorrat an Torpedos verbraucht. In seinen weiteren Gefechten wird er also auf diese seine Haupt waffe verzichten müssen.
Es bleiben ibm somit nur seine beiden
14 cm Geschütze als Waffe.
Was kann er mit einer solchen Be
waffnung unternehmen ? Er wird nicht einmal im Stande sein , gröſsere Hilfskreuzer zu nehmen (welche durchschnittlich 4-6 ähn
liche Geschütze führen ), geschweige denn das kleinste Kriegsschiff. So lange des LALANDE Maschinen unversehrt sind, bleibt ihm
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
96
noch der unrühmliche Ausweg , dem feindlichen Kanonenboote zu entfliehen, aber wenn seine Maschinen versagen sollten (was ja im Frieden schon sehr häufig vorkommt), so wird er sich einem kleinen
aber gut bewaffneten Kanonenboote , wie z. B. dem deutschen ALBATROS von 716 Tons, ergeben müssen , weil dieser eine mehr
als doppelt stärkere Artillerie besitzt ( 12 Tons Rohrgewicht gegen 5 Tons des LALANDE) .
Wir halten demnach das französische System der schwachen Artillerie für ein gänzlich verfehltes und sehr gefährliches. Würden die Franzosen ihre Kreuzer mit doppelt so starker Artillerie versehen ( was ja nicht unmöglich ist), so verloren jene nur un bedeutend an Schnelligkeit und gewännen doppelt an Stärke. Beim TAGE z. B. bedürfte es nur eines Umbaues seiner Schwalbennester, um die 16 cm Geschütze durch solche von 19 cm Kaliber zu ersetzen
und die 14 cm Geschütze lieſsen sich ohne Umstände durch 16 cm
Geschütze ersetzen . Die beiden Türme am Bug und Heck könnten ebenfalls umgebaut und statt mit 16 cm Geschützen, mit solchen von 24 cm Kaliber bestückt werden . Dann betrüge das Rohrgewicht seiner Artillerie nicht mehr 57 Tons sondern 113 Tons und dieser
Gewinn wäre mit einem Schnelligkeitsverlust von höchstens '/ Knoten
erkauft. Ebenso könnte der LALANDE ganz gut mit sechs 16 cm Geschützen bestückt werden , wodurch seine Bewaffnung sechs mal stärker würde, ohne daſs seine Schnelligkeit um mehr als / oder '/ Knoten abnähme. Es ist uns überhaupt unbegreiflich , daſs die Franzosen für die 14 cm Geschütze – über deren Wirkungslosigkeit sich schon Courbet bei Futschu bitter beklagt hatte, – eine solche Vorliebe besitzen .
Das 16 cm Geschütz sollte
von der schweren
.
Artillerie das leichteste an Bord von Schlachtschiffen oder Kreuzern sein. Mit dem 14 cm Geschütz könnte man die Flottillen
fahrzeuge, Transportschiffe oder dergl. bestücken . Dem
Bau
von Torpedofahrzeugen hat Frankreich ebenfalls
groſse Aufmerksamkeit zugewendet.
Auſser den
obenerwähnten
Torpedokreuzern und Torpedorammkreuzern wurden seit 1882 fol gende Torpedofahrzeuge in Bau gelegt: 8Torpedoavisos: BOMBE,COULEUVRINE,DAGUE, DRAGONNE,
FLÊCHE, LANCE, SALVE, SAINTE BARBE, alle 1885—1886 vom Stapel gelaufen und von 321 Tons.
Bei natürlichem
Zug
haben sie 1000 Pferdekraft und 14-16 Knoten, bei künstlichem 1800 Pferdekraft und 18 Knoten . Die Bewaffnung war auf zwei
9 cm Kanonen und 3 Revolverkanonen festgesetzt, doch sollen erstere durch 14 cm Geschütze ersetzt werden .
Bei diesen Fahr
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
97
zeugen, welche eigentlich nur als groſse Torpedoboote zu betrachten sind , finden wir die Bewaffnung mit 14 cm Geschützen überflüssig. Besser wäre es, sie mit 12-18 Revolver- und Schnellfeuerkanonen
zu bewaffnen. Übrigens sollen sich diese Torpedoavisos als schlechte Seeschiffe erwiesen haben .
Dreizehn gröſsere Torpedoboote : OURAGAN von 1700 Pferde kraft 148 (nach anderer Angabe 114) Tons, 25 Knoten und 2 Re volverkanonen ; GABRIEL CHARMES (jetzt Nr. 151) von 69 Tons und 586 Pferdekraft, früher als » bateau -canon « mit einem
14 cm
Geschütz bestückt, hatte es 74 Tons und lief 19.86 Knoten ; jetzt, da man es entwaffnet hat, dürfte seine Schnelligkeit sich auf mehr
als 20 Knoten gesteigert haben ; BALNY, DÉROULÈDE, DOUDART DE LAGRÉE, BOUËT -WILLAUMEZ, DEHORTER , CHALLIER , EDMOND FONTAINE, CAPITAINE MEHL, CAPITAINE CUNY von 66-70 Tons, 700 Pferdekraft, 21.5-22 Knoten und 2 Revolver kanonen ; endlich zwei noch unbenannte von 120 Tons, 800 Pferde
kraft und 20.5 Knoten, welche kürzlich bei Normand in Bestellung gegeben wurden. 79 kleinere Torpedoboote: Nr. 99-114 und 128 133 (22 Stück) wurden 1886–1888 bei den Forges & Chantiers, Nr. 115--120 bei der Gironde, Nr. 121-125 bei Schneider und Nr. 126-127 bei Normand gebaut. Sie alle haben je 54 Tons und
18 Knoten Minimalschnelligkeit. Nr. 81–86 (bei Claparède), Nr. 74-80 (Loire), Nr. 87 --- 92 (Cail) , Nr. 93 - 98 (Schneider) , zusammen 25 Stück, sind etwas kleiner (50 Tons). Die 1881–1882 gebauten Boote Nr. 47–53 haben 32 Tons , 400 Pferdekraft und laufen
18 Knoten ; Nr. 54–55 (von Normand 1882 gebaut) haben 43 Tons, 460 Pferdekraft und laufen 20 Knoten ; Nr. 56–59 sind kleine 1882 von Thornycroft gelieferte Boote von 10 '/ Tons, 150 Pferde kraft und 16 Knoten ; Nr. 60 75 wurden 1882–85 von Normand
gebaut, (Nr. 67 ging 1887 zu grunde), Nr. 60—64 sind 46 Tons, die andern 49 '/2 - 50 Tons groſs, jedes hat durchschnittlich 460 Pferde kraft, 1 Revolverkanone und läuft 20—20.62 Knoten. 6 Torpedobarkassen von 7 Tons , 13.05–14.18 Knoten und 92 Pferdekraft.
An kleineren Kriegsschiffen liefen in Frankreich seit 1882 vom Stapel :
Drei Schraubenavisos ; nämlich PAPIN ( 1886), FULTON ( 1887), INCONSTANT ( 1886 ) von je 811-825 Tons, 850—1100 Pferde kraft, 12-13.5 Knoten ;
Fünf Radavisos : VIGILANT (997 Tons), HÉRON ( 603 Tons), Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine, Bd. LXVIII., 1.
7
98
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
MÉSANGE (574 Tons), BENGALI (547 Tons), ARDENT (571 Tons). 53 Flottillenfahrzeuge von 10—460 Tons. 7 Kanonen boote von 480-502 Tons.
Von Transportschiffen hat Frankreich seit 1882 15 in Bau
gelegt, nämlich GIRONDE und NIVE von je 5775 Tons, MAGELLAN,
CALÉDONIEN, PACIFIQUE von je 3991 Tons, DRÔME und LOIRET von je 2198 Tons, SCORFF, DURANCE, MEURTHE, AUBE, EURE,
RANCE, MANCHE and VAUCLUSE von je 1585-1597 Tons. um
Griechenland hat in den letzten Jahren seine kleine Flotte 2 Küstenkanonenboote , 4 kleine Kanonenboote ( ALPHEOS,
ACHELOUS , EUROTAS , PENEOS) , 2-4 kleine Kreuzer und 8 Torpedoboote vermehrt.
Die Küstenkanonenboote (HYDRA und
SPETZAS) sind 440 Tons groſs, mit je ein 26 cm Krupp Geschütz und 2 Revolverkanonen bewaffnet und laufen
11.3 Knoten bei
Der 1884 angekaufte Kreuzer MYKALI soll 1000 Pferdekraft und 1000 Tons haben , der 1885 angekaufte
682 Pferdekraft.
SPHAKTIRIA 2400 Pferdekraft, 1100 Tons und 16 Knoten ; auſser dem sollen 1886 noch 2 Kreuzer von 720 Tons und 15,25 Knoten
angekauft worden sein. Von den Torpedobooten sind sechs beim Vulkan in Stettin gebaut und haben je 85 Tons, 1000 Pferdekraft und 19 Knoten ;
die beiden anderen sind unterseeisch und von Nordenfeldt ( 160 Tons, 250 Pferdekraft, 12 Knoten ), sollen sich aber nicht bewährt haben. ( Fortsetzung folgt.)
VI.
Aus ausländischen Militär- Zeitschriften . Journal des sciences militaires.
Protection et défense des frontières.
Par Bontoux. In einem durch drei Hefte der Zeitschrift laufenden Auf satze sucht der Verfasser nachzuweisen, wie notwendig und wichtig es für
jeden Staat, besonders aber für Frankreich, ist, seine Grenze durch Be festigungen zu sichern, um bei Beginn eines Krieges das Betreten des eigenen Landes durch den Feind unter allen Umständen zu verhindern. Die bei Eröffnung des Krieges stattfindenden Operationen sind meistens für den ganzen Krieg entscheidend, und die in dieser Zeit begangenen
Fehler sind selten wieder gut zu machen . Um die Grenze in ihrer ganzen Ausdehnung zu sperren, genügen, nach Ansicht des Verfassers, die bisher befolgten Grundsätze nicht. Es ist zwar eine riesige Summe Geldes darauf verwandt, gewaltige Werke längs der deutsch-französischen Grenze berzu
stellen, allein diese hätten zum groſsen Teile weit wirksamer, und mit weit geringeren Mitteln hergestellt werden können , wenn man , unter gründ
licher Ausnutzung des Geländes, mehr improvisierte Werke in zusammen hängender Linie errichtet hätte. Das Beispiel von Plewna zeigt, welchen Widerstand derartige Werke zu leisten im Stande sind. Die Kunst des
Ingenieurs besteht vorzugsweise darin , daſs er es versteht, die natürlichen Verteidigungspunkte, die das Gelände darbietet, durch die Kunst zu ver stärken .
Es ist zweifellos eine Notwendigkeit, die Grenze durch starke Be festigungen zu schützen, allein ebenso notwendig ist es, diese Forts in entsprechender Entfernung durch Feldschanzen, Batterien, Laufgräben und dergleichen mehr zu verstärken, denn ohne diese sind sie wertlos.
Ein
gleiches Bedürfnis ist es aber, diese Art leichter Befestigungen durch die tüchtigste Artillerie und Infanterie besetzt zu halten , d. h . eine Truppe zur Hand zu haben , die gerade für diesen Dienst ganz besonders aus gebildet ist.
Der groſse Vorteil dieser Art von Befestigungen liegt vorzugsweise darin, daſs sie nur geringe Kosten verursachen , und in wenigen Stunden
ausgeführt werden können. Um sie aber in wirklich widerstandsfähiger Weise anzulegen, ist eine gründliche Kenntnis und Ausnutzung des Geländes unbedingt erforderlich . Auf jeden Fall müssen sie dem Auge des Gegners
100
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
nicht bemerkbar sein, so daſs die Eröffnung des so lange wie möglich zurückgebaltenen Feuers auf den Angreifer überraschend wirkt, und ihn zwingt, seine Maſsnahmen zu ändern.
Ebenso notwendig, wie es für die
dem Feinde bekannten permanenten Befestigungen ist, Geschütze schwersten
Kalibers zu besitzen, um die feindliche Artillerie auf weiteste Entfernungen zu vernichten, ebenso notwendig sind für die improvisierten Befestigungen die Geschütze kleinen Kalibers von 80 mm , die bei einer Ladung von nur 400 gr ein Geschoſs von 5 kg auf eine Entfernung von 4000 m schieſsen,
und dabei so leicht sind , daſs sie auf dem Rücken eines Maultieres getragen und von 2 Mann bedient werden können. Auch würden hier die sogenannten
Magazin -Geschütze mit Vorteil zu verwenden sein. Die Verteidigung dieser fliegenden “ Befestigungen, wie sie der Ver fasser nennt, müſste der Infanterie und Artillerie übertragen werden, die 19
ein besonderes Corps bilden und für diesen Dienstzweig auch ganz besonders ausgebildet sind . Es ist dabei von Wichtigkeit, daſs sie in dem Gelände,
in dem sie zu kämpfen haben , durchaus bekannt sind. Tägliche Übungen würden sie in diesem Dienste bald geschickt machen und sie auch alle diejenigen Punkte im Gelände kennen lernen lassen, von wo aus man dem Feinde blutige Überraschungen bereiten könnte . Der Gedanke, eine fest stehende Grenz -Armee zu haben, ist übrigens nicht neu, doch ist man der Ausführung leider noch nicht ernstlich näher getreten. Die Forts haben zwar eine Besatzung , die sich mehr oder weniger lange Zeit in derselben aufzubalten hat, und wir haben Jäger -Bataillone, die vorzugsweise in den
Alpenpässen manövrieren, doch ist das immer noch keine fertige Grenz Armee . Eine solche muſs vollständig und ausschlieſslich für die Grenz
Verteidigung ausgebildet werden, und muſs sich in dem Gelände befinden , das sie am Tage der Kriegserklärung zu verteidigen hat. Die Zahl von 100,000 Mann würde für die am meisten bedrohte Grenze von Belfort bis Mézières nicht zu hoch bemessen sein.
Unsere Gegner haben an derselben Grenzstrecke, um sofort in unser Gebiet einbrechen zu können, 150,000 Mann stehen, eine Zahl, die in Folge des günstigen Eisenbahnnetzes in 12 Stunden noch verdreifacht werden kann. Die Deutschen versäumen es nicht, mit ihren Truppen täglich
derartige Übungen zu machen , wie sie das Überschreiten der Grenze mit sich bringen wird. Unsere französische Landesgrenze wird durch die Reihe der Sperrforts nur ungenügend geschützt, wenn nicht fliegende Befestigungen und die Grenz - Armee die Lücken ausfüllen .
Wollte man diese und das erforder
liche Kriegsmaterial erst im Augenblicke der Kriegserklärung an die Grenze befördern, so würde das ein groſser Fehler sein. Gerade diese Truppen müssen den Aufklärungsdienst übernehmen , um sofort der oberen Heeresleitung die Stellung und die Mafsnahmen des Feindes sicher mit teilen zu können. Ihre Aufgabe muſs sein , den Feind durch fortwährende
kleine Gefechte zu erschöpfen, ihn unbemerkt in den Bereich der fliegenden Befestigungen zu ziehen, und ihn dann durch Artilleriefeuer zu vernichten:
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften .
101
Ist dann die ganze Grenze mit diesen kleinen Befestigungen gespickt, so wird der Feind stets aus der Scylla in die Charybdis geraten und überall,
wo er sich Durchbruch zu verschaffen sucht, in ein vernichtendes Artillerie Feuer kommen .
Das gegenwärtige Verteidigungs-System Frankreichs umfaſst zwei Arten von Befestigungen , groſse befestigte Lager und Sperrforts. Die ersteren sollen vorzugsweise strategischen Zwecken dienen, während die
letzteren einen beschränkteren Wirkungsbereich haben und durch ihre mächtige Artillerie nur eine starke Wache bilden sollen. Wenn Frankreich deshalb auch nicht düster in die Zukunft zu blicken braucht, so darf es
doch nichts versäumen, diese Werke auch geradezu unangreifbar zu machen .
Dazu wird aber vorzugsweise die Errichtung einer Grenz -Armee nach den erwähnten Grundsätzen dienen können. Zum Schluſs ruft der Verfasser der französischen Heeresleitung den
altrömischen Ruf „ caveant consules“ entgegen, und fordert dringend auf, nichts dem Zufall zu überlassen , sondern Alles vorzubereiten, dainit kein unerwarteter Zwischenfall eintreten kann.
Revue militaire suisse. Das Infanteriegefecht nach dem neuen Exerzier Reglement. Die schweizerische Infanterie hat im Juni vorigen Jahres ein neues Exerzier -Reglement bekommen, das sich von dem früheren wesentlich nur in den neuen Vorschriften für die Feuerleitung und die Verwendung der Waffe im Gefecht unterscheidet. Es ist unverkennbar, daſs die deutsche
Schieſsvorschrift hierbei von Einfluſs gewesen ist, denn das schweizerische Exerzier- Reglement enthält alle die Vorschriften für Feuerleitung und
Feuerdisziplin, wie sie unsere Schiefsvorschrift giebt, während diese bei uns im Exerzier-Reglement nur kurze Andeutung finden, stellenweise unter nicht unwesentlichen Änderungen. Die richtige Feuerleitung hat, so heiſst es in der Einleitung, einen entscheidenden Einfluſs auf den Ausgang des Gefechts. Es genügt nicht, daſs der Höchstkommandierende seine Maſsnahmen trifft und seine Arniee
nach richtigen Grundsätzen aufstellt, er muſs auch in der ersten Linie Offiziere und Unteroffiziere haben, die das Feuer in sachgemäſser Weise zu leiten und zu kommandieren verstehen, die den Munitionsersatz über wachen und die Wirkung des Feuers auf die feindlichen Linien beobachten. Der Bataillons- Commandeur wird sich nur in den seltensten Fällen um
die Feuerleitung kümmern können, es ist dieses ausschlieſslich Sache der Unterführer.
Der Offizier soll stets im Auge behalten, so heiſst es weiter, daſs die Schuſswaffe so zur Verwendung gebracht wird, daſs möglichst viele Gegner auſser Gefecht gesetzt werden , und daſs er, um diesen Zweck zu erreichen,
die richtigen Mittel anzuwenden hat. Diese Mittel liegen in der den jedesmaligen Verhältnissen des Gefechts entsprechenden Anwendung der Feuerarten, von denen Einzelfeuer, Salven und Magazinfeuer zur Ver fügung stehen.
Nach welchen Grundsätzen dieses geschehen soll, wird im
Folgenden eingehender festgestellt .
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften .
102
Das Einzelfeuer wird auf Befehl des Zugführers vom ganzen Zuge
ausgeführt, jeder Mann schieſst nach ruhigem Zielen einen einzigen Schuſs. Eine Ausnahme bildet nur das Schieſsen der besten Schützen, die dann namentlich aufgerufen werden. Das Einzelfeuer ist die normale Feuerart, es beginnt ungefähr 600 m von der feindlichen Linie entfernt;
bis auf diese Entfernung müssen die Schützen so rasch als irgend möglich , und ohne zu schieſsen, zu gelangen suchen, allein vom Bestreben durchdrungen,
rasch vorwärts zu kommen. Ist man auf dieser Entfernung angekommen, so beginnt das sprungweise Vorgehen in kleineren Abteilungen. Von diesem Augenblicke an nimmt das Feuer an Wichtigkeit zu. Recht bezeichnend ist die nun folgende Schilderung des Wesens des Magazin-Gewehrs, über das es wörtlich heiſst:
„ Unsere Truppen sind mit dem Magazin -Gewehr bewaffnet. In dieser Thatsache liegt nur dann ein groſser Vorteil, wenn die Leute ruhig , gut
diszipliniert und aufmerksam sind, und wenn anderseits die Führer ibre Mannschaft fortgesetzt scharf beobachten und in der Hand behalten. Das Bewuſstsein der Möglichkeit, den Feind jederzeit mit einer Unmasse von Geschossen in einigen Augenblicken überschütten zu können, ist ein mächtiger Hebel für das Selbstvertrauen des Soldaten.
Wenn er weiſs,
daſs seine Waffe ihm in jedem entscheidenden Augenblick derartige Dienste leisten kann , so wird er mit gröſserer Sicherheit und mit mehr Kalt
blütigkeit in das Gefecht treten. Diese Überlegenheit hält aber nur so lange vor, als der Soldat in dem Besitz des Magazin -Gewehrs die Sicherheit fühlt, in entscheidenden Augenblicken ein ausnahmsweise rasches Feuer
abgeben zu können. Ist dasaber nicht der Fall, so verliert das Magazin Gewehr nicht allein seine Überlegenheit, sondern es zieht auch groſse Nachteile nach sich.
Eine aufgeregte und schlecht disziplinierte Truppe
wird sich sehr bald, in Folge übermäſsigen Patronen - Verbrauchs vom ersten Beginn des Gefechts an, in einen Zustand von Kampfunfähigkeit versetzt sehen . Tritt dieser Fall ein, sind die Kampfesmittel in unüberlegter Weise vergeudet, so ist eine solche Truppe in zweifacher Weise dem Feinde gegenüber geschwächt, erstens, weil sie dem Feinde nicht die
Verluste beibringen kann, auf die er sonst hätte rechnen müssen, und zweitens, weil sie auſser Stande ist, dem Angriff des Feindes entgegen zu
treten oder, wenn der Befehl dazu erfolgt, selbst den Angriff durch zuführen .
Dieser Fall kann nie eintreten , wenn der Munitions- Verbrauch
auf den weiten Entfernungen ein sparsamer , bis zur Einleitung des schlieſs lichen Einbruchs ein verständiger gewesen ist.
Es folgt hieraus, daſs auf dem Exerzierplatz wie im Gelände die Grund sätze der Sparsamkeit mit der Munition stets maſsgebend sein müssen ; es kann nicht genug darauf hingewiesen werden, daſs das Magazin nur ein Hülfsmittel ist, von dem nur im äuſsersten Falle, wenn ein wirklicher Vorteil daraus erwartet werden kann , und auch dann nur auf besonderen
Befehl, Gebrauch gemacht werden darf.
Das Magazin muſs stets gefüllt
sein, die normale Verwendung des Gewehrs ist aber die als Einzellader.“
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften ,
103
So wichtig, wie dieser Grundsatz ist, so ist es doch befremdend, daſs das schweizerische Reglement als einziges Mittel, um diesen Zweck zu er reichen , das Einzelfeuer auf Kommando mit jedesmaligem Verschieſsen nur
einer Patrone hinstellt. Ein ungeleitetes Feuer, eine Selbstthätigkeit des Schützen ist nirgends erwähnt. Wie also diese Feuerart fortgesetzt werden soll, wenn Zug- und Gruppenführer auſser Gefecht gesetzt sind , wenn im
Laufe des Gefechts die Abteilungen durcheinander geraten sind, darüber ist nichts gesagt.
Die Einteilung der Entfernungen und der mit Erfolg zu beschieſsenden Ziele ist von unseren Grundsätzen nicht unwesentlich verschieden.
Es
heiſst hier :
„Auf den kurzen Entfernungen bis zu 300 mn können alle einzelnen Ziele (Reiter oder Infanterist) beschossen werden. “
„ Auf den mittleren Entfernungen 300 -- 600 m können Unter-Ab teilungen, Sectionen , Züge, einzelne Geschütze und Schützenlinien be schossen werden . “
„ Auf den weiten Entfernungen 600-1000 m können Compagnien oder Escadrons, in Linie oder Kolonne, beschossen werden . “
„ Auf den Entfernungen du feu aux grandes portées von 1000-1600 m können tiefe Kolonnen und Batterien in Gefechts - Formation beschossen werden . “
Für das Salvenfeuer ist die Vorschrift überraschend, daſs dieses stets und ausschlieſslich Magazinfeuer sein soll, da man annimmt, daſs alle die Ziele, die ein Salvenfeuer als geboten erscheinen lassen, nur auf ganz kurze Zeit sichtbar sein werden. Über 600 m ist das Salvenfeuer über
haupt Regel, um jede Munitionsvergeudung auszuschlieſsen . Sobald das Feuer eingestellt wird, erfolgt die Nachfüllung des Magazins ohne besonderes Kommando.
Das Magazinfeuer soll, wie das Reglement vorschreibt, nur in „ ent scheidenden Fällen“ zur Anwendung kommen, als Grundsatz gilt dabei, daſs jeder Mann möglichst viele , wohlgezielte Schüsse gegen den Feind abgiebt. Als , entscheidende Fälle “ werden für die Offensive der Augenblick vor dem letzten Einbruch, für die Defensive der Augenblick dieses Einbrucbs bezeichnet , auſserdem Kavallerie- Angriffe und die Ver folgung.
The Admiralty and Horse Guards Gazette. Der Normal- Angriff der Infanterie.
Da die Ausgabe der neuen Vorschriften für das Infanterie
Gefecht in England noch nicht erfolgt ist, so hat der General Sir Archibald
Alison für das laufende Jahr für die gröſseren Truppenübungen in Alders hot folgende Vorschriften erlassen .
Der Angriff. Sobald die Truppen für den Angriff aufgestellt sind, beginnt das Vorgehen in Linie bis auf 600 m an den Feind heran, unter dem Schutze einer dünnen Schützenlinie. Auf den Entfernungen über 600 m darf, auſser von diesen Schützen, nicht gefeuert werden.
Auch
diese Schützen sollen nur ausnahmsweise Artillerie, Kavallerie-Abteilungen
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
104
oder tiefe Infanterie - Kolonnen beschieſsen .
In unübersichtlichem Gelände
soll das Feuer auch auf kürzeren Entfernungen eröffnet werden .
Als
Grundsatz ist festzuhalten, daſs man so nahe als irgend möglich an den Feind heranzukommen streben soll, denn jeder Munitionsverbrauch ohne sichtbare Wirkung ist nicht allein Munitions- sondern auch Zeitverschwendung.
Sobalb die Bataillone die Gefechtsformation annehmen, werden die Spiel leute in der Mitte der Aufstellung vereinigt, um sie hier geschlossen zur
Verfügung zu haben. Das Feuer beginnt mit Salven, wobei es sich empfiehlt, dieses Feuer abwechselnd auf ganz bestimmte Punkte zu einigen .
ver
Die in der ersten Linie kommandierenden Offiziere sollen die
hierzu erforderlichen Kommandos abgeben. Auch während der folgenden Momente des Angriffs soll ausschlieſslich Salvenfeuer zur Verwendung kommen.
Auf den Entfernungen 600—400 m geschieht das weitere Vorgehen,
nachdem die Schützen das Herankommen des zweiten Treffens abgewartet haben, sprungweise in halben Compagnien , jeder Sprung 30 m weit. Hierbei rücken die Soutienzüge in die Schützenlinie ein. Um für diese den erforderlichen Platz zu schaffen, wird der Abstand der Schützen , der bisher zwei Schritt betragen hat, auf einen Schritt verringert. Im dritten Teile des Angriffs, der Entfernung von 400-150 m, findet
das sprungweise Vorgehen compagnieweise statt. Ist man auf 150 m an gekommen, so werden schnell aufeinanderfolgende Salven im Knieen so lange abgegeben, bis das zweite Treffen herangekommen ist. Das Letztere hat, 100 m von der Schützenlinie entfernt, das Bajonett aufgepflanzt, ist dann berangerückt und giebt stehend Salven auf den Feind, während welcher Zeit die Schützenlinie das Bajonett aufpflanzt. Auf Kommando des Bataillons- Commandeurs schlagen nun die vereinigten Spielleute den
Sturmmarsch, und das Ganze stürzt mit gefälltem Gewehr gegen den Feind .
Die Verteidigung. Die in der Verteidigungsstellung stehenden Truppen können die zugweise abzugebenden Salven auf weitere Ent fernungen beginnen, wie für den Angriff vorgeschrieben, um einerseits den Angriff aufzuhalten , anderseits den Angreifer zur Erwiderung des Feuers zu zwingen.. Ist der Letztere bis auf 200 m herangekommen, so kann an Stelle des Salvenfeuers das Einzelfeuer treten.
Beim hinhaltenden
Schützengefecht, wie es so häufig vorkommt, ist das Salvenfeuer auch für die kürzeren Entfernungen beizubehalten . Der Munitionsersatz im Gefecht ist durch das in Reserve stehende
Bataillon zu besorgen .“
Wir sehen aus vorstehender Vorschrift, wie die Engländer, gleichwie bei allen Vorschriften über den Felddienst, sich stets damit begnügen, nur
die Formen festzustellen. Allgemeine Grundsätze und zum Nachdenken anregende Gesichtspunkte finden wir bei ihnen nirgend erwähnt. Die ganze Vorschrift zeugt von geringer Kenntnis des Gefechts der Infanterie,
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
105
wie es in den Heeren des europäischen Festlands fast überall gleichmäſsig vorbereitet ist.
United service gazette. Der Schutz der Handelsflotte im Kriege. Der ungenügende Schutz Englands durch Flotte und Heer, der vor einigen Wochen zu einer lebhaften Verhandlung im Parlament führte, und seit dieser Zeit die politischen und militärischen Blätter füllt, hat auch dem in Marinekreisen als Autorität geltenden Admiral Hornby Veranlassung
zu einem Vortrage in einer militärischen Gesellschaft über obigen Gegen stand gegeben.
Admiral Hornby erwähnt in der Einleitung die vielfachen Änderungen , die das Kriegswesen zur See durch Einführung der Dampfkraft erfahren hat, und weist dann auf die verschiedenen Gesichtspunkte bin, die für den Fall eines Europäischen Krieges seitens Englands ins Auge zu
fassen sind. Sache der Admiralität ist es, zu bestimmen , wie viele Schiffe auf den verschiedenen Stationen aufgestellt werden sollen.
An
der
Mündung des Kanals hält er 15 für nötig, von dem Gesichtspunkte aus gehend , daſs der Tonsgehalt der englischen Flotte ungefähr siebenmal gröſser ist, als er im Jahre 1794 war. Beim Kap Finisterre müſsten vier, am Kap St. Vincent drei , im Ganzen aber zehn Kreuzer aufgestellt werden, um die Geschwader vollzählig zu halten.
Die Zahl der über
Verde
hinaus aufzustellenden Schiffe hängt von der Stärke des Geschwaders in Goree, (kleine Insel an der Küste von Senegambien) ab, hier müſsten 8 Schiffe auf der Station und 4 auf der Linie sein.
Diese 5 Geschwader
würden allein schon 38 Kreuzer erfordern, während England im Jahre 1890 im Ganzen nur 42 haben wird . Dann fährt Admiral Hornby fort : „Im Palle eines europäischen Krieges müſsten für England noch drei neue Stationen errichtet werden, und zwar alle an der Küste der irischen See.
Admiral Colomb hat vor Kurzem darauf aufmerksam gemacht, daſs wir im Jahre 1808, also drei Jahre nach der Schlacht bei Trafalgar, 41 Kreuzer im Kanal bis Yarmouth aufstellen muſsten .
Es darf daher wohl nicht
überraschen oder beunruhigen, wenn wir jetzt mindestens eine gleiche Zahl verlangen. Ich habe die Zahl der im Atlantischen Ocean kreuzenden Schiffe auf nur 14 berechnet, eine Zahl, die kaum ein einziger Marine Offizier für genügend erklären würde. Um diese Schiffe mit Koblen zu
versorgen , würden noch 8 Schiffe erforderlich sein, wir müssen überhaupt auf 7 Schiffe 2 zur Reserve, d. b. zur Versorgung mit Kohlen, rechnen. Bei der sparsamsten Berechnung würden sich nun folgende Zahlen er geben : Im Kanal 16, den einheimischen Stationen 40, den vier Atlantischen Stationen 22 , den übrigen 24 auswärtigen Stationen 108 , im Ganzen 186 Kreuzer.
Wir besitzen aber nur 121 Kreuzer der verschiedensten
Arten, wozu noch 12 Panzerkreuzer, die als Panzerschiffe gerechnet werden,
kommen sollen. Würden alle diese Fahrzeuge nur solche von groſser Schnelligkeit sein, so würden gegen 50 fehlen. Da wir aber nur 42 Kreuzer von 16 Knoten Fahrgeschwindigkeit haben, so besitzen wir nur den vierten Teil von derjenigen Zahl, die wir unbedingt haben müſsten
Aus ausländischen Militär - Zeitschriften .
106
Werfen wir einen Blick auf die Geschichte, so sehen wir, daſs wir im Jahre 1793, wo wir 16,806 Schiffe von im Ganzen 1,589,758 Tons zu schützen batten , 185 Kreuzer besaſsen ; im Jahre 1814 hatten wir
489 Kreuzer zum Schutze von 24,111 Schiffen von 2,616,965 Tons; im Jahre 1887 verlangen wir wenigstens 186 Kreuzer, um 36,752 Schiffe von 9,135,512 Tons zu schützen. Sollen wir den Schutz unserer Handels flotte aufgeben , oder sollen wir so handeln wie unsere Vorfahren ? Es ist ganz zweifellos, daſs wir die Zahl der Kreuzer auf 489 zu erhöhen haben , und wir sehen darin keine unmögliche Leistung."
An den Vortrag knüpften sich vielfache Besprechungen, an denen sich auch Lord Brassey beteiligte, der einfach den Grundsatz aufstellte daſs England dreimal so viele Kreuzer besitzen müsse, wie jede andere Seemacht.
Dasselbe Blatt bringt auch die Mitteilung von einem neuen Maxim
3 Plünder Geschütz, das vom englischen Kriegsministerium zur Einführung in die Armee bestimmt ist. Die Maxim -Gewebre und Geschütze baben in letzter Zeit in allen Staaten ein nicht zu verkennendes Aufsehen hervor
gerufen, da es dem Erfinder Maxim wirklich gelungen ist, den Rückstoſs der Feuerwaffen zum selbsthätigen Bewegen des Mechanismus auszunutzen. Die erste dieser Waffen war ein englisches Henri-Martini-Gewehr, das der Erfinder vor 6 Jahren nach seinen Grundsätzen umgeändert hatte. Durch den Rückstofs der Ladung öffnete sich der nach unten fallende Verschluſs block von selbst und schloſs sich ebenso, sobald die neue Patrone eingelegt war .
Nach denselben Grundsätzen ist der neue 3 Pfünder bergestellt,
äuſserlich gleicht er den bekannten Schnellfeuer -Geschützen ; das Rohr ruht auf einem Dreifuſs mit Kugelgelenk, und endet in einem Kolben, der von der Schulter des Kanoniers aus gerichtet wird . Sobald das Geschütz abgefeuert wird, bewegt sich das Rohr durch den Rückstoss um ungefähr 4 Zoll rückwärts, während welcher Zeit der Verschluſsteil geschlossen bleibt. Sobald das Rohr, von einer Spiralfeder gedrückt, wieder nach vorn schnellt, fällt das Verschluſsstück nach unten, die leere Hülse wird herausgeschleudert und der Schlagbolzen gespannt. Durch Einlegen der neuen Patrone schlieſst sich der Verschluſs von selbst, und das Geschütz
ist zum Abfeuern fertig. Das Gesamtgewicht des Geschützes ist nicht
gröſser, wie das der gewöhnlichen Schnellfeuer-Geschütze, der Rückstoſs ebenfalls nicht bedeutender, so daſs dasselbe ohne Bedenken für kleine Torpedoboote Verwendung finden kann, weshalb auch schon eine gröſsere Anzahl dieser Geschütze für Marinezwecke in Bestellung gegeben sind. Schlieſslich wird in dem Aufsatz auch noch erwähnt, daſs die Firma
Krupp in Essen von dem Erfinder das Recht erlangt hat, auf die Dauer
von 20 Jahren Maxim -Geschütze für Deutschland anfertigen zu dürfen. D.
VII .
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den militär. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze. *) (II. Quartal 1888.) ( 15. März — 15. Juni 1888.)
Für das nachfolgende Verzeichnis sind benutzt: 1.
Militär-Wochenblatt.
M. W.
2. Neue militärische Blätter.
3. Allgemeine Militär-Zeitung. 4. Deutsche Heeres -Zeitung.
N. M. B. A. M. 2 . D. H. z .
5. Militär- Zeitung. Organ für Reserve- und Landwehr-Offiziere. 6. Internationale Revue über die gesamten Armeen und Flotten .
7. Archiv für Artillerie- und Ingenieur-Offiziere.
M. 2. R. -
1. R. A.
- A. A. 1.
8. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. -- A. H. M. 9. Zeitschrift für Luftschifffahrt.
10. 11. 12. 13. 14. 15.
2. F. L.
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. J. A. M. Österreichische Militär- Zeitschrift (Streffleur ). O. S. M. Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. 0. W. V. Österreichisch -ungarische Wehr- Zeitung. 0. U. W. Österreichisches Armeeblatt . 0. A. B. Österreichische Militär -Zeitung. 0. M. 2.
16. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens. – 0. A. G. 17. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. 18. Le Spectateur militaire. F. S. M.
0. M. S.
-
19. Journal des sciences militaires. F. J. S. 20. Revue de cavallerie. F. R. C.
21. Revue du Cercle Militaire. 22. Le Progrès militaire. 23. L'Avenir militaire. 24. La France militaire.
F. C. M. F. P. M.
F. A. M. F. M.
*) Die mit einem * versehenen Bücher sind der Redaktion zur Besprechung lichkeit Berücksichtigung finden. zugegangen und werden in der „ Umschau in der Militär- Litteratur“ nach Mög.
108 Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den 25.
26. 27.
F. R. A. Revue du service de l'intendance militaire. Revue maritime et colonial. F. R. M. Revue d'artillerie.
F. R. I.
28. Russischer Invalide. – R. 1. 29. Wajenny Sbornik . R. W. S. 30. Russisches Artillerie - Journal. R. A J.
31. Russisches Ingenieur-Journal. 32. 33. 34.
35. 36.
R. I. J. R. M. S. Rivista militare italiana . I. R. L'Esercito italiano. I. E. Rivista di artiglieria e genio. 1. A. G. Rivista marittima. 1. R. M.
Morskoi Sbornik.
-
-
37. Journal of the Royal United Service Institution . 38. The illustrated Naval and Military Magazin . E. 39. Army and navy Gazette. E. A. N. 40.
The Broad Arrow .
E. B. A.
41. Admiralty and Horse guards Gazette. E. A. 42. The Military Telegraph Bulletin . - E. M. T. 43.
Sch. M. 2 .
47. Schweizerische Zeitung für Artillerie und Genie. 48.
De militaire Spectator.
49.
De militaire Gids.
50.
Revue militaire belge.
-
- I. U. s.
A. A. N.
45. Allgemeine Schweizerische Militär -Zeitung. 46. Revue militaire Suisse. Sch. R. M.
Sch . A. G.
Nd. M. S. Nd . M. G.
51. La Belgique militaire. 52. Memorial de Infanteria. 53. Revista cientifico militar.
54. Memorial de Ingenieros .
B. R. M. B. M.
Sp. M. Sp. R. O.
Sp. M. I.
Revista militar. P. R. M. Revista das sciencias militares. Revista maritima Brazileira. .
P. R. S. Br. R. M.
58. Revista militar (Republica de Colombia ). 59. Krigsvetenskaps Academiens Handlingar. 60. 61.
H.
Journal of the united Service Institution of India.
44. Army and navy Journal.
55. 56. 57.
E. U. S. N. M.
C. R. M. Schw . K. A.
Norsk militaert Tidsskrift . N. M. T. Militaert Tidsskrift . D. M. T.
I. Hoerwesen und Organisation. * Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militär Wesen ,
XIV . Jahrgang 1887.
Oberst z, D.
gº – 568 S.
Herausgegeben von H. v. Löbell .
Berlin , E. S. Mittler & Sohn .
- 9 M.
* Die europäischen Heere der Gegenwart. Von Hermann Vogt , Oberst lieutenant a . D.
Illustrationen von Richard Knötel.
Heft XXVI und
XXVII. Vergleichende Zusammenstellung der Stärke aller europäischen 80 44 S., Heere und der auf ihre Unterhaltung verwendeten Summen. Rathenow , M. Babenzien .
1 M.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
Nos cent quarante - quatre régiments , par E. M. de Lyden. Paris, Libr. illustrée.
564 p. -
18°
- 5 fr.
L'armée d'Afrique par le Dr. F. Quesnoy. Jouvet
109
16°
355 p.
Paris,
2,25 fr.
Zur Rekrutierung und zu den Stärkeverhältnissen des italienischen Heeres. M. W. 28. Das Heerwesen von Chile.
-
M. W. 35, 48.
Das italienische Heer in den drei letzten Vierteljahren 1887 – M. W. 50.
Die Armeen der Balkanstaaten in ihrer neuen Organisation und Zusammensetzung. -
N. M. B. April.
Die englische Heeresreform .
A. M. Z. 44 .
Die neuesten Heeresgesetze in Frankreich .
D, H. Z. 33, 34.
Die neue deutsche Wehrvorlage, ihre Notwendigkeit und ihre Begründung . 1. R. A. April. Negere Nachrichten über die chinesische Armee.
1. R. A. Mai.
Landwehr und Landsturm in Deutschland und Österreich-Ungarn. Ein Vergleich ihrer Organisation und Leistungsfähigkeit. – J. A. M. April.
Zur Reorganisation des niederländischen Heeres.
S
J, A. M. Mai.
Studie einer Reorganisation bei gleichzeitiger Vermehrung der k . k. Feldartillerie 0. U. W. 28.
Der Staatsvoranschlag für das Heer pro 1889. – 0. U. W. 47. Russische Kavallerie-Corps. 0. M. 2. 37 . Zur Revision des Wehrgesetzes.
-
0. M. Z. 20, 23, 24, 26, 30.
Die österreichisch -ungarische Landwehr-Kavallerie.
O. M. Z. 25 . 0. M. Z. 41, 42.
Stärkeverhältnisse des italienischen Heeres.
Kritische Betrachtungen der militärischen Gesetze und Reglements. – F. S. M. 182-185 , 188.
Die Umänderungen in der französischen Armee. Die Instruktionsarmee.
F. S. M. 186-189 .
F. S. M. 187, 188, 189.
Die Reorganisation der Genie -Truppen.
Über die Reorganisation der Armee.
F. J. S März. F. J. S. März,
F. C. M. 17 . F. 0. M. 20, 21. Die russische Armee in Turkestan . F. C. M. 22, 23.
Das Rekrutierungsgesetz .
Die Sanitätstruppen der Schweizer Armee.
F. C. M. 25 .
Die höheren Stäbe in Frankreich und Deutschland.
F. P. M. 770, 771 .
Der oberste Kriegsrat. – F. P. M. 788. Die Militär-Taxe.
F. P. M. 788. -
Die Umänderung der General-Inspektionen. – F. A. M. 1255. Das Militärgesetz und der Heereshaushalt.
F. A. M. 1259, 1261.
Die Kavallerie und der dreijährige Dienst. F. A. M. 1260, 1262. Die Militärtaxe im Ausland. F. A. M. 1266 , 1267, 1269, 1271, Über die Kasaken der Neuzeit. R. W. S. Mai. -
Über die Rekrutierung. – 1. R. März. Die spanische Armee . E. N. M. April. Die Grenadiere der englischen Armee . E. N , A. a .
-
Die Mobilmachung der italienischen Armee; die Bahnhofs -Commandeure.
110
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Die russische Gebirgs -Artillerie. – 1. U. S. 70. Die Streitkräfte Russlands.
Sch. A. G.
V.
Die zukünftige Organisation der portugiesischen Artillerie. - P. R. M , VIU , IX.
II. Ausbildung. * Der Dienst des Infanterie - Unteroffiziers . Von F. G. Graf v. Walder Achtzehnte Auflage. see , Königlich preuſsischer General- Lieutenant. Unter Berücksichtigung aller neuen Verordnungen , umgearbeitet von A. Graf v. Waldersee , General -Adjutant Seiner Majestät des Kaisers and Königs und General-Quartiermeister. Mit einem Anhang und drei litho graphierten Tafeln. Berlin, H. Heyfelder. 8º – 336 s. * Militärischer Dienstunterricht für die Kavallerie des deutschen -
Reichsheeres. Zunächst für Einjährig -Freiwillige, Offizier- Aspiranten und jüngere Offiziere des Beurlaubtenstandes bearbeitet von B. Poten , Königlich
preuſsischer Oberst z. D. bearbeitete Auflage.
8°
Fünfte, auf Grund der neuesten Vorschriften 344 S. Berlin , E. S. Mittler & Sohn. -
4 M.
Le vade -mecum de l'officier d'infanterie , en route , aux manoeuvres , au campagne , par G. Le Noir , lieutenant au 121 , d'infanterie.
16º –
269 p. – Lyon, Pelletier.
Übungen in kriegsstarken Verbänden.
M. W. 27.
Zum Exerzieren und Manövrieren der Kavallerie in kriegsstarken Verbänden. M. W. 30 .
Die Belagerungsübung bei Verona im Sommer 1887.
Zur taktischen Ausbildung der Pioniere.
-
-
M. W. 32.
M. W. 33.
Und nochmals der Gleichschritt. – M. W. 34.
Die Übungen der 1. Kavallerie-Division im Sommer 1887. M. W. Die Sommerübungen der russischen Armee 1888. -
Was hat uns die Schiefsvorschrift gebracht.
M, W. 37 . 51.
N. M. B. April.
Bemerkungen über die taktische Ausbildung der russischen Infanterie.
N. M. B.
Mai.
Über den richtigen Zügelgebrauch. A. M. 2. 37 . Rückblick auf das Übungsjahr 1886/87 der Fuſs - Artillerie. Die Übungen der Reserven in Frankreich 1888. D. H.
D. H. 2. 22, 23, 24. Z. 43.
Über die französischen Manöver des Jahres 1887. M. Z. R. 18, 19. Der heutige Standpunkt der Detachementsführung im deutschen Heere.
- I. R. A.
Mai.
Über Besichtigungen, insbesondere der Feldartillerie. Zur Entwickelung der Taktik. – 0. S. M. IV, V.
J. A. M. Mai.
Die Entwickelung des Infanterie -Exerzierens und des österreichischen Infanterie
Exerzier-Reglements bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts. -- 0. W. V. XXXVI, 5 . Von Reisemärschen im Frieden .
0. A. B. 14.
Die Kavallerie auf den groſsen Manövern 1887. F. J. S. April. Die verschiedenen Methoden des Schieſsunterrichts bei der Infanterie . 12, 13, 14, 15 .
F. C. M.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze, Die Manöver im Herbst 1888. Die Manöver im Herbst 1888.
111
F. P. M. 791 . -
F. A. M. 1264.
Die neue Manöver - Vorschrift für die Infanterie. F. A. M. 1271. Die neue Schiefsvorschrift. F. A. M , 1272, 1274. .
Die Manöver.
- F. M. 1177.
Über die Übungen der Reserven im Herbst 1887. R. W. S. März, April, Mai. R. W. S. April. Die Vorbereitung der Truppen zum Schieſsen. Die taktische Ausbildung der Infanterie. R. W. S. Mai. Der praktische Schieſskursus bei der Offizier. Artillerieschule 1887.
R. A. J.
Febr .
Der praktische Wert des Kriegsspiels. Die Oster -Manöver. Die Oster -Manöver .
E. U. S. 143.
E. A. N. 1472. E. B. A. 1032 .
Die groſsen Manöver der italienischen Armee in der Emilia 1887. Die Schieſsübungen der niederländischen Infanterie .
Sch . M. Z. 15 .
Nd. M. S. V , VI.
Cantonnementsübungen in Seeland im September 1887. – D. M. T. I.
III. Krieg-, Heer- und Truppenführung, Truppendienst. * Die Artillerie - Truppe des Festungskrieges.
Studie
Artilleristen von Wiebe , General der Infanterie z. D. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. 4,50 M.
eines
alten
8° - 218 S.
-
* Die Infanterie- Patrouille von v. Hellfeld , Königlich preuſsischer Haupt mann a. D. Zweite Auflage. Mit 5 in den Text gedruckten Skizzen . Berlin, E. S. Mittler & Sohn . - 1 M. 8 ° - 48 S.
Die heutige Lineartaktik und ihre pragmatische Entwickelung von Oberst Finke.
Wien, Seidel & Sohn.
* Views on the framing of orders in the field , at manoeuvres and in & war ganie. Collected by Captain Normann Bray , 2nd. Royal Yorktown, W. Webb. - 1 sh. 23 S. gº Inniskilling Fusiliers.
Zur Infanterietaktik der Zukunft.
M. W. 45 .
Einige Gedanken über Änderung und Vereinfachung des Exerzier- Reglements der Infanterie.
M. W. 51.
Das neue Exerzier-Reglement der Infanterie. Zur Exerziervorschrift der Infanterie.
M.
-
M. W. 52. W , 53.
Die Ursachen der serbischen Miſserfolge im Feldzug 1885.
N. M. B. April,
Mai, Juni,
Napoleon als Feldherr . – N. M. B. April. Nach welchen Grundsätzen muſs ein neues Exerzier-Reglement für die Infanterie entworfen werden .
N. M. B. Mai.
Schiefsvorschrift, Infanterie -Gewehr M. 71/84 und Infanterie -Gefecht.
N. M , B.
Juni.
Was erwarten wir von einer neuen Exerziervorschrift für die Infanterie. A. M. 2. 29, 30.
Ansichten des Generals Lord Wolseley über Landesverteidigung. Die neue Exerziervorschrift für die Infanterie. – D. H. 2. 29. Taktische Studie.
M, Z. R. 17-20.
A , M. 2. 36.
112
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
1, R. A. April. Napoleon als Feldherr. Ein Beitrag zur Beurteilung der Kriegführung Friedrich des Groſsen. April. Zur fridericianischen Strategie.
J. A. M.
-
J. A. M. Mai.
-
Zur Ausbildung der Feldartillerie und deren Verwendung im Verbande einer Infanterie - Division .
J. A. M. Juni.
Der Swipwald und Bazeilles.
J. A. M. Juni.
Die Verwendung der deutschen Artillerie in der Schlacht bei Beaumont am
30. August 1870. – 0. W. V , XXXVI, 5.
Über den Sauer'schen Angriff gegen die festen Plätze. O. W. V. XXXVI, 6. Der Einfluſs des Repetiergewehrs auf die Feldartillerie. 0. U. W. 24, 26, 27 . Die Kavallerie im Kampfe gegen das Repetiergewehr. – 0. A. B. 18. -
Taktische Studien.
F. J. S. März.
Schutz und Verteidigung der Grenzen.
F. J. S. April F. J. S. April.
Die Feuer - Taktik der französischen Infanterie,
In der Schlacht. F. R. C. März, April. Ein Kavallerie -Regiment bei einer Infanterie -Division .
Der Führer der Kavallerie und die Befehlsführung. Die Verwendung der Mitrailleusen. – F. P. M. 794.
F. R. C. April. F. R. C. Mai.
-
Die Verwendung der gezogenen 30 cm Mörser bei der Verteidigung der Küsten. – F. R. M. April.
Die Verwendung fortschaffbarer Beobachtungstürme im Felde.
R. l. 85.
Die Kavallerie auf dem Schlachtfelde.
Die Minenverteidigung der heutigen
R. W. S. März. Festungen . R. 1. J. März.
Die französische Gefechtsinstruktion für die Infanterie (vom Februar 1887) und unsere Vorschriften . - I. R. März.
Das Schnellfeuer und seine Verwendung. Das Gefecht der Brigade. 1. R. März.
-
1. R. März.
Die Unterstützungstrupps und die Haupttrapps. - I. R. April. Linie oder Reihen -Kolonne.
- I. R. April.
Die taktischen Veränderungen seit Einführung der Hinterlader. – 1. R. Mai.
Über die Feuerleitung bei der Feldartillerie.
1. A. G. März,
Grundsätze über die Verwendung der Artillerie eines Armeecorps.
E. U , S. 143.
Gedanken über eine Invasion und die Küstenverteidigung bei einem überraschenden Angriff. E. U. S. 143. Die Verwendung der Feldartillerie, -
E. A. N. 1482.
Die Feuerleitung der Artillerie -Gruppen (Regiment und Brigade). – Sch.. R. M. III..
Über den Einfluſs der neuen Handfeuerwaffen (Repetier-Gewehre) auf die Taktik der Infanterie .
Nd . M. S. IV .
Der Festungskrieg . Nd. M , G. III. Taktische Plaudereien, Nd. M. G. III.
Die Notwendigkeit der Befestigung der holländischen Maas-Linie.
Taktische Folgerungen, abgeleitet aus dem Kriege 1870/71.
Die Gefechtstaktik und der Dienst im Felde bei der Kavallerie. 28-30. Der Dienst der Artillerie im Belagerungskrieg. P. R. S. 28-30. Das Angriffsgefecht der Infanterie. Schw . K. H. VI.
Die Rolle von Armee und Flotte bei Verteidigung des Reicbs. IV, V.
B. M , 894 .
Sp. M. X. P. R. S.
N. M , T.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
113
IV. Befostigungswesen, milit. Bauten. * Ideen über Befestigungen . gº - 71 S. Berlin, E. S. Mittler 1,50 M. Les forts et la mélinite par un Pionnier .
80
& Sohn .
Paris, Charles
63 P
Lavauzelle.
Über den Bau von Geschützeinschnitten.
-
M. W. 27.
Über die vermehrte Anwendung des Eisens und Stahls beim Festungsbau. N. M. B. April, Mai, Juni.
Über die Einrichtung von Dörfern zur Verteidigung.
N , M. B. Juni.
Befestigungsideen .
J. A. M. Juni, Versuche im Gebiete des Minenwesens.
- 0. A G. III.
Projekt eines den Anforderungen der Gegenwart entsprechenden Forts. – 0. A. G. IV. Versuche auf dem Gebiete des Minenwesens, Sprengung starker Eisenbahn konstruktionsteile .
0. A. G. V.
Das Festungsviereck Morvan. F. M. 1169. Die Befestigungskunst der nächsten Zukunft.
F M. 1217,
-
Die heutige Bedeutung und die Konstruktion des gedeckten Weges und der Raveline als Schutzmittel für permanente Umwallungen. R. 1. J. R. I. J. Jan., Febr . Die Baumaterialien aus gebranntem Thon. -
Die Befestigungskunst im Hinblick auf die neue Artillerie. Die Formen und das Material der neuen Befestigungen.
Jan.
R. I. J. Febr.
1. A. G. März, April.
Die empirische Formel des Druckes der Schanzen. – I. A. G. April.
Sp. M. X. Einige Ideen über das Befestigungssystem des Staates. – .
Über Feldbefestigungen .
Sp. M. 1. VI, VIII. Schw. K. H. VII, VIII, IX , X, Die Veränderungen in der Befestigungskunst. -
V.
Waffen und Munition
( auch Theorie des Schieſsens und dergl.). *Die Kriegswaffen. Eine fortlaufende, übersichtlich geordnete Zusammen
stellung der gesamten Schuſswaffen, Kriegsfeuer, Hieb- und Stichwaffen und Instrumente, sowie Torpedos, Minen, Panzerungen u. dergl. seit Einführung von Hinterladern. Von Emil Capitaine u. Ph. v. Hertling. II. Bd. -
I - III. Heft. — Jedes Heft 24 S. – 1,60 M. – 8º – Rathenow , Max Babenzien . * Die Entwickelung der Gewehrfrage in Frankreich. — Beschreibung der französischen Armee-Gewebre M/84, M /85 und M/86 (System Lebel). – Mit 60 Holzschnitten. 2. erweiterte Auflage des Buches : Die französischen Repetier-Gewehre M/84 und M/85. 80 100 S. Hannover, Helwing. 2 M.
Über Kriegsdistanzmesser von Feldmarschall-Lieutenant Roskiewicz. Mit 3 Tafeln .
- gº - 75 S.
Graz, Pechel.
3,20 M.
* Fragmentos d'une tratado de balistica por J. M. Rodrigues , 1. tenente d'artilheria, da academia real das sciencias de Lisboa. Lisboa .
Die Kupferhülsen des neuen dänischen Repetiergewehrgeschosses.
Über das Repetiergewehr kleinen Kalibers.
- gº
48 S.
M , W. 28.
N. M. B. Juni,
Jahrbücher für die Deutscbe Armee und Marine. Bd. LXVIII., 1.
8
-
114
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren in den
Die moderne Mitrailleuse und ihre Verwendung im Felde.
N. M. B. Juni,
-
Vom Einheits-Feldgeschütz. - A. 4. M. 2. 20, 26 . Die Panzer-Schieſsversuche der Krupp'schen Fabrik mit einer Krupp'schen 28 cm Kanone L /22 und einer 24 cm Kanone L /35 am 10. und 19. Dezember 1887 in Meppen. A. M. Z. 20.
Die physischen Wirkungen der Geschosse mit groſser Geschwindigkeit. — A. M. 2. 33. Krupp'sche Schieſsversuche .
-
D. H. Z. 25-26, 36.
Gedanken über die deutsche Gewehrfrage.
D. H. Z. 31.
Über die neuen österreichischen und französischen Gewehre kleinen Kalibers. M. Z. R. 20. Rauchloses Pulver,
1. R. A. Mai.
Das Geschützmaterial des französischen Belagerungs-Trains, sowie einzelne karze Angaben über das praktische Schieſsverfahren . Noch einmal die kleinen Ladungen der Feldartillerie.
A. A. I. März, April. A. A. 1. März.
Über das Schätzen naher Entfernungen von Seiten der Feldartillerie.
A. A. I.
April.
Über das Korrekturverfahren beim Schieſsen der Feldartillerie mit Shrapnels. A. A. I. Mai, Juni.
Über die Hülfsziele bei der Feldartillerie. A. A. I. Mai, Juni. Die pneumatische Dynamitkanone. – 0. W. v . XXXVI, 4. Betrachtungen über die Wirkungsfähigkeit des neuen Armeegewehres. XXXVI, 4. Zur Munitionsfrage der Infanterie. 0. M. Z. 42.
0. W. V.
Das italienische Feldartillerie -Material. 0. A. G. III. Mitrailleusen und schnellfeuernde Kanonen . 0, A. G. IV, V.
Übersicht der Versuche auf dem Gebiete des Artillerie- und Waffenwesens im 0. A. G. V.
Jahre 1887.
Die Michaud'sche Brille zum Entfernungsmessen .
F. C. M. 18.
Die Versuche mit Panzertürmen im Lager bei Chalons,
Über die inneren Spannungen beim Gieſsen .
F. P. M. 783.
F. R. A. März, April.
Die mechanische Theorie der Lemoine'schen Hemmvorrichtung bei den Feld lafetten .
F. R. A. Mai.
Das Belagerungsmaterial der spanischen Artillerie,. – F. R. A. Mai. Der umgeänderte Chronograph Le Boulengé. F. R. A. Mai. -
Gewehrkugeln mit Mantel und ihre Wirkungen auf den menschlichen Organismus. - R. I, 96.
Die heutigen Schnellfeuergeschütze. – R. A. J. Febr., März. Über die Möglichkeit der Beschleunigung des Feuers aus Feldgeschützen M /77. – R. A. J. April. R. M. S. April, Mai. Durch Draht verstärkte Geschütze. Die Wahrscheinlichkeit des Treffens beim Scheibenschieſsen . – R, M , S. Mai.
Die Repetiergewehre.
I. A. G. Febr .
Der indirekte Schuſs bei der Feldartillerie.
I. A. G. März.
1, R. Die pneumatische Dynamitkanove Zalinsky. Schnellfeuernde Feldgeschütze. E. U. S. 143. Die pneumatische Dynamit-Kanone. - E. U. S. 143. E. N. M. April. Das neue Krnka-Magazingewehr.
Das Lebel-Gewehr .
M. März.
Sch , R. M. V.
Vergleich der neuen kleinkalibrigen Gewehre.
B. M. 897.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
Die Repetiergewehre.
115
B. M. 899.
Über Repetiergewehre. - Sp. M. X. Sp. M. I. IX . Die pneumatischen Kanonen . P. R. S. 28-30 . Analytische Ballistik . Die Krupp'sche und de Bange'sche Artillerie. – P. R. S. 28–30 .
VI. Militär - Verkehrswesen
(Eisenbahnen , Telegraphen , Telephon , Brieftauben u. 8. w.). * L'aérostation et les colombiers militaires par Alb. Keucker , capitaine adjoint d'état-major. 8º — 138 p. – Bruxelles, Th. Falk. Conférence sur la velocipedie militaire, par M. le lieutenant colonel Depis. - gº
37 p .
Über Fesselballons.
-
Bordeaux, Libr, nouvelle.
-
0,50 fr.
M. W. 31.
Trockene Parks für Kriegsballons.
0. A. B. 14.
Die Militär-Tauben in Italien .
F. C. M. 21. Die militärischen Luftschiffer in Tonkin. F. A. M, 1257.
Errichtung einer Telephonlinie mit dem Material eines Pontonier- Bataillons zur Verbindung zweier Fluſsufer.
R. I, J, März. - I. R. Mai. Nd, M. S. V. Die Radfahrer bei der Armee. Sp. M. 1. VI- X . Die Militär - Luftschiffahrt. -
Über Militärtauben .
--
Zor Militär - Telegraphie. Sp. M. I. X , X1, XII. Optische und akustische Telegraphie. P. R M, X.
VII. Militär - Verwaltungswesen ( auch Verpflegung , Bekleidung und Ausrüstung). * Praktische Winke für das Verpassen, die Handhabung und die Ab nahine neu gefertigter Stücke der Infanterie - Ausrüstung M/87. Von Krause , Hauptmann u. Compagnie-Chef im Schleswig-Holsteinischen Füsilier-Regiment Nr. 86. kl. 8º – 18 S. – Berlin , E. S. Mittler & Sohn 0,20 M.
Zur Frage der Entlastung des Kavalleriepferdes. Die Rationen der Militärpferde.
M.
M. W. 26, 36.
W. 33.
Zur Bewaffnung der Fuſsmannschaften der Feldartillerie.
M. W. 36.
Gedanken eines Offiziers über die Verwendbarkeit des Eilrades in der Armee mit Rücksicht auf die neuesten Erfindungen. M. W. 49.
Neuerungen in der Feldausrüstung der k . k. Genio-Truppe und ihrer Reserve Anstalten . 0. A. G. lll. Die Nachschübe zu den Armeen, F. J. S. März.
Ausrüstungserleichterungen bei der Kavallerie.
F. R. C. Mai.
8*
116
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Eine neue Bepackungsweise der Artilleriepferde.
F. R. A. April.
Der Feldzug von 1806-1807 vom Standpunkt des Verpflegungsdienstes. F. R. 1. März, April.
VIII. Militär -Gesundheitspflege ( auch Pferdekunde ) .
* Rechenschaftsbericht des bayerischen Landesbilfsvereines über seine Thätigkeit in den Jahren 1885 bis mit 1887. - 8º – 42 S. -- München ,
Über Kolik.
M. W. Bhft. IVI V.
Über Lahmheiten der Gelenke und Sehnen (bei Pferden ).
M. W. Bhft. 1V/ V.
Über Behandlung und Beschlag gesunder, fehlerhafter und kranker Hafe. N. M. B. April, Mai. Über Kolik . N. M. B. Juni.
Marschfähigkeit und Marschkrankheiten . - I. R. A. April. Der Ladendruck und seine Bedeutung im Frieden und Kriege. Das sofortige Absatteln nach langem Marsche. F. C. M. 22. Die Behandlung des Artilleriepferdes.
J. A. M. Mai.
F. R. A. April, Mai.
Die Militär-Gesundheitspflege in Frankreich und Deutschland.
Sp. R, C. VI,
7, 8.
Die Krankenträger bei der schwedischen Armee im Felde.
Schw . K. H. VII, VIII.
IX. Militär -Rechtspflege (auch Völkerrecht im Kriege) .
Nouveau code du duel , législation , droit contemporain par le comte Du Verger de Saint Thomas , officier supérieur de cavalerie, ancien député.
- 80
483 p .
Uber das Militär - Strafverfahren .
Paris, Dentu. - 6 fr.
J. A. M. April.
Zur Reform des österreichisch-ungarischen Militär-Strafprozesses . Über Bestrafung der Ehrenzweikämpfe. O. M. Z. 38.
0. S. M. IV , V
Das internationale Recht mit Bezug auf die Eisenbahnen in Kriegszeiten. R. I. 70.
Über das Verbrechen des Verrats.
1. R. Mai.
X, Militärische Aufnahmen , Terrainlehre, Geographie, Karten wesen und Statistik .
* Der nordostfranzösische Kriegsschauplatz . – Eine militär-geographische Skizze von E. Kallee , Hauptmann und Compagniechef im Infanterie Regiment König Wilhelm (6. Württ.) Nr. 124. 8º – 61 S. Berlin, E. S. Mittler & Sohn.
1,40 M.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze .
117
Garnison -Übungskarten. – M. W. 34. Im Lande des Zukunftskrieges. M. Z. R. 22-24, 26. Mitteilungen über neuere Arbeiten im Gebiete der Photographie und der graphischen -
0. W. V. XXXVI, 6.
Künste.
Beiträge zu einer Militär-Statistik Russlands von 1869–1884,
R.
W. S.
März, April.
Schleuniges Aufnehmen im Felde.
E. N. M. Mai, Juni.
XI. Kriegsgeschichte ( auch Regimentsgeschichten , Lebensbeschreibungen und Memoiren )
Auf
* Geschichte des brandenburgischen Pionier- Bataillons Nr. 3.
dienstliche Veranlassung zusammengestellt von Wollmann , Hauptmann
à la suite der II. Ingenieur - Inspektion, Lehrer an der Kriegsschule Metz. Mit 1 Formations- und 1 Uniformentafel - Tafel und 5 Plänen. - 80 — 279 S. Minden, J. C. C. Bruns. 7, 50 M.
* Kurze Darstellung der Geschichte des brandenburgischen Pionier Bataillons Nr. 3. 1742 – 1887. — Auf dienstliche Veranlassung zusammen gestellt von Wollmann , Hauptmann u. 8. W. – kl. 8° 75 S. – Minden, -
J. C. C. Bruns.
* Die Schlacht bei Kesselsdorf am 15. Dezember 1745.
Vortrag gehalten
in der militärischen Gesellschaft zu Berlin am 14. Dezember 1887 von
W. v. Bremen , Hauptmann à la suite des Colbergschen Grenadier -Regiments und im Nebenetat des groſsen Generalstabes. Mit einem Plane und gº – 42 S. – Berlin, E. S. Mittler & Sohn. – 1,50 M.
zwei
Skizzen .
* Geschichte des 8. pommerschen Infanterie - Regiments Nr. 61. – Be
arbeitet von Paul Henning, Hauptmann und Compagniechef im 8. pom merschen Infanterie -Regiment Nr. 61. – Mit 10 Abbildungen und 5 Karten 8° - 333 s.
und Plänen.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn.
8,50 M.
* Geschichte des magdeburgischen Pionier - Bataillons Nr. 4, 1813 bis 1817. – Von Volkmann , Hauptmann und Compagniechef im magde burgischen Pionier- Bataillon Nr. 4. Mit einem Titelbild und zwei Übersichtskarten.
gº
166 S.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn .
-
3,75 M.
* Die Schlachten von Beaumont und Sedan von Carl Tanera , Haupt mann z. D. Mit einer Karte. 8° -- 235 S. Nördlingen , C. H. Beck. -
2 M.
Erlebnisse eines deutschen Feldpaters während des deutsch - franzö
sischen Krieges 1870/71 von Leop. Kist. – 8º – 407 S. – Innsbruck, Vereinsbuchhandlung. - 2,60 M.
* Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. . - Herausgegeben vom groſsen Generalstabe, Abteilung für Kriegsgeschichte.
Heft 9 : Anteil der
Churpfalzbayerischen Kavallerie an den Feldzügen 1790–1796. (Mit 3 Karten.) – Die Stärkeverhältnisse im deutsch - französischen Kriege 1870/71. bis zum Sturze des Kaiserreichs. - Mit 3 Skizzen . Berlin, E. S. Mittler & Sohn. – 2,50 M. 416 S. go
* Schlachten - Atlas des neunzehnten Jahrhunderts. Zeitraum : 1820 bis zur Gegenwart. . 16. und 17. Lieferung. – Deutsch -dänischer Krieg
118
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren Aufsätze. 1864. Nr. 5. Das Gefecht bei Fredericia am 8. März. Plan mit zwei Skizzen nebst Text. Nr. 6. Das Gefecht bei Veile am 8. März. Plan mit Skizze nebst Text Feldzug 1859 in Italien .
Nr. 1. Compendiöse Darstellung des Verlaufs des Feldzugs. Zwei Übersichtskarten mit Text. am 31. Mai.
Nr. 3. Das Treffen bei Palestro Plan mit Skizze nebst Text. - Nr. 5. Das Gefecht bei
Melegnago am 8. Juni. Plan mit zwei Skizzen nebst Text. Jede Lieferung 2,65 M. Les grands généraux de Louis XIV, Notices historiques par L. Dussieur, Iglau, P. Bäuerle.
Paris, Lecoffre.
8º – 420 p.
Histoire militaire de la France de 1643 à 1871. par Emile Second, lieutenant au 28. do ligne.
320
2 t. 391 p.
Paris, Charles - La
vauzelle.
* Précis des campagnes de Turenne 1644–1675. Avec 7 croquis dans le texte. 80
II vol . de la Bibliotheque internationale d'histoire
375 p.
militaire .)
Bruxelles C. Muquardt.
80 – 644 p. et carte. Paris, Perrin. 1814, par Henry Houssaye. Une colonne dans le Soudan français par Gallieni , lieut.-colon, d'infant. -
de marine.
80
68 P.
Paris, Baudoin. A. M. Z. 35, 38, 40-42 .
Die Belagerung von St. Sebastian im Jahre 1813.
Der 1. Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793.
D. H. Z. 36-42.
D. H. Z. 38, 39. Das Gefecht von Montebello am 20. Mai 1859. D. H. Z. 40. Das Gefecht von Palestro am 30. und 31. Mai 1859.
Die Schlacht von Magenta.
D. H. 2. 41, 45 .
-
Das Gefecht von Melegnago am 8. Juni 1859.
D. H. Z. 45 .
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Be freiungskriege.
J. A. M. April, Mai, Juni.
J. A. M. April. Die zweite Schlacht bei Plewna am 18. Juli 1877. Lebwaldt und Apraxin 1757 in Ostpreussen . J. A. M. Mai, Juni.
Ein französisches Urteil über Österreichs Siege in Italien 1848 und 1866.
0.
W. V. XXXVI, 4.
Eine Erinnerung aus den denkwürdigen Tagen von Aspern 1809. Die französischen Expeditionen nach Tonkin, Die Schlacht bei Dreux.
0. A. B. 19.
F. S. M. 183–189,
F. S. M. 184.
Geschichte des 148. Regional-Regiments. — F. J. S. März. F. J. S. April. Erinnerungen an den Feldzug in Tonkin. Die drei Colberts.
F. R. C. März, April.
Die Belagerung von Bougia im Jahre 1871.
F. C. M. 12.
Die militärischen Schriften des Generallieutenant Marquis de Vibraye.
F. C. M.
13, 15 .
Feldzüge in Indien . R. W. S. März, April, Mai. R. W. S. April. Das Eriwandetachement im Kriege 1877/78 .
Skizze der Unternehmung gegen Achal-Teke 1879/80 . R. W. S. Mai. Zur Geschichte des 7. Sappeurbataillons. R. I. J. April. Die militärischen Ereignisse und Operationen in Nordost- Afrika (Juli 1887 bis März 1888.) – 1. R. April. Prinz Friedrich Carl von Preuſsen.
Die Eroberung des Pendschabs.
1. R. Mai.
E. N. M , April, Mai, Juni,
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
119
XII. Marine-Angelegenheiten. Les torpilles , par le lieutenant-colond Hennebert. – 8° -
328 p . et 82 vign .
Paris, Hachette.
* La puissance maritime de l'Angleterre. Par P. C. officier de l'armée française.
Avec 18 cartes.
-
go -
Paris , Berger -Levrault
156 p.
& Cp .
Die neue nordamerikanische Kriegsmarine. – A. M. 2. 45. Beiträge zur Berechnung der Deviation der Schiffskompasse, mit Untersuchungen A. H. M. III. über die ältesten Flinderschen Deviationsbeobachtungen. Der Einfluſs der Sonne und des Mondes auf den Erdmagnetismus, den Luftdruck und die Luftelektricität.
A. H. M. V.
Die maritimen Kampfmittel der Gegenwart. Die französische Marine.
0. W. V. XXXVI, 3.
0. M. 2. 26 .
Über Blokaden, deren Bedeutung und Durchführung .
0. M. S. III, IV .
Episoden aus der Seekriegsgeschichte. 0. M. S. 111, IV . Zur Geschichte des Seerettungswesens.
0. M. S. III VI.
Der Kompaſs mit Universalkompensation für Torpedoboote. Die allmähliche Entwickelung der Torpedoboote.
0. M. SV. VI. F. C. M. 25
Historische Studien über die Kriegsmarine Frankreichs.
F. R. M. April, Mai.
Die Znsammenstöſse auf dem Meere.
Die Grundzüge des internationalen
F R. M. Mai, Juni. Seerechts. F. R. M. Juni,
Neueste Formeln zur Berechnung des Wellenwiderstandes gegen Zwillingsschrauben schiffe.
R. M. S. April.
Die Theorie der Kontrol-Kompasse.
Über den Torpedokrieg.
R. M. S. April, Mai.
R. M. S. Mai.
-
Proben mit zwei- und vierflügeligen Schrauben.
R. M. S. Mai. Die italienischen Seeleute bei den Arabern und Türken . 1. R. M. April.
Die elektrische Beleuchtung unter Wasser. Die italienischen Marine -Ausgaben .
1. R. M. April. 1. R. M. April.
Schnelligkeit als ein Faktor in der Seekriegführung. Über Torpedos. E. B. A. 1035 . Englands Verteidigungskräfte zur See.
E. U. S. 143.
E. B. A. 1038.
XIII. Verschiedenes. * Neue militärische Briefe von Oberstlieutenant Steinmann . 80 19 S. Hannover, Helwing. – 0,60 M. * Die Schäden unserer reitenden Artillerie und deren Beseitigung , insbesondere im Hinblick auf ihre Verwendung bei den selbstständigen Kavallerie -Divisionen 8º – 31 S. – Hannover, Helwing. – 1 M. * Neue Bismarck - Anekdoten, Interessante Aufzeichnungen aus dem Leben unseres Reichskanzlers. Gesammelt und bearbeitet von A. S. Schmidt. Mit 8 Illustrationen (Vollbilder ). 80 – 120 S. - Leipzig, Zangenberg & 1,60 M. Himly.
120
Verzeichnis der neu crschienenen Bücher und der gröſseren , in den
* Zur Erinnerung an den zweihundertjährigen Todestag des Groſsen
Kurfürsten von Dr. Leonhard Rogge , Hofprediger und Garnisonpfarter in Potsdain .
gº
Berlin, Brachvogel & Ranft.
121 S.
* Der Groſse Kurfürst in der Dichtung von Eduard Belling. go Berlin, Brachvogel & Ranft. — 4 M. * Serbien und die Serben von Spiridion Gopčević. Erster Band : Das Land. Mit 12 Tafeln, 2 Doppelbildern, 35 Holzschnitten im Text und einer Karte. 40 - 492 S. Leipzig, B. Elischer. -
* Geschichte Deutschlands von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart erzählt von H. Buchholz,
Hierzu 54 Bildnisse der Deutschen Kaiser 8° Berlin, Frdr. 32 S. Tafel mit Bildnissen 3 M.
von Karl dem Groſsen bis Friedrich III. Pfeilstücker.
0,40 M.
-
* Engers. Zur Feier des 25jährigen Bestehens der Königlichen Kriegsschule.
Mit einer Ansicht und einer Übersichtskarte in Steindruck, Berlin, E. S. Mittler & Sohn,
-
8º – 105 S.
1,80 M.
* Lehrbuch der russischen Sprache für den Selbstunterricht nebst Gespräch sammlung und einem kurzgefaſsten russisch -deutschen und deutsch -russischen Wörterbuche von Raimund v. Baczyński , K. K. Oberlieutenant. – Als Manuskript gedruckt. gº 192 s. (Drei Bogen des Wörterbuches sind noch nicht erschienen .) Lemberg , Selbstverlag des Verfassers. – -
3 M.
Lehrbuch der Schwimmkunst für Anfänger
* A. Ladebeck's Schwimmschule.
Ausführliche Anleitung zum Selbsterlernen desselben . Vierte Auflage. Mit 131 Abbildungen in Holzschnitt. go 78 und Geübte.
S.
Leipzig, H. Brückner. – 2 M. -
* Trauer - Ode
Deutschen Kaisers Wilhelm I. von
auf den Tod des
Nedschîb Sallûm aus Hama in Syrien, im transscribierten Urtext heraus
gegeben. Aus dem Arabischen ins Deutsche übertragen und mit einem Vorwort begleitet von Dr. C. Lang , Rektor der Deutschen und Schweizer Schule in Konstantinopel. -8° - 15 S. Berlin, G. Schenck. -
* Der Offizier als Erzieher des Volkes, 0,50 M. Sohn.
· Berlin , E. S.Mittler
-
8° - 35 S.
Militärische und sociale Zukunftsträume eines pensionierten Offi 80
ziers.
Hannover, Hahn.
* Die Legende von Metz von Graf M. J. v. Hérisson. Autorisierte Über
setzung von 0. Th. Alexander mit einem einleitenden Original-Brief des Verfassers.
gº
Berlin, C. Ulrich & Co.
304 S.
-
3 M.
Das zweite Waterloo des 19. Jahrhunderts. Beilage: 1 Skizze.
8°
Hannover, Helwing. 0,80 M. * Rome et Berlin. Opérations sur les côtes de la Méditerranée et de la Baltique au printemps de 1888 par Charles Roppe , ancien officier de marine. 289 p . 8° Paris, Berger -Levrault Avec cartes, planes et croquis. 5 fr. & Co. * La Légende de Metz par le comte D'Hérrison. Neuv. Edit. gº 39 S.
-
316 p .
-
Paris, P. Ollendorf.
-
Saint Cyr. Neuf années de commandement : 1871–1880 par le général L. Hanrion.
80 – 347 p.
-
Paris, Baudoin,
6 fr.
La bataille de Damvillers. Récit anticipé de la prochaine campagne, par un cavalier du 35. dragons.
89 – 362 p.
Paris, Ch . Delagrave.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
121
Le peuple allemand , ses forces et ses ressources , par Charles Grad , 16 °
député de l'Alsace au Reichstag.
Über Vorträge in den Offiziercorps.
Paris, Hachette.
440 P.
-
M. W. 24.
Zur Verwendung des Magnesiumlichtes in der Armee. M. W. 32. Eine Osterfeier vor vierzig Jahren.
-
Russische Äuſserungen über die russische Kavallerie.
M. W. 26.
M. W. 53.
Feldartilleristisches von allgemeinem Interesse. – N. M. B. April. A. M. Z. Die gesellschaftlich -sittliche Seite unseres Militärwesens. A. M. Z. 29 . Belgien und der nächste deutsch - französische Krieg. Unsere Militärmärsche.
-
27, 28.
A. M. Z. 40.
Die Mannszucht im französischen Heer.
D. H. Z. 25 u. 26 .
D. H. Z. 32, 33, 34. Kürassiere oder Panzerreiter. D. H. Z. 35 . Die Fuſs - Artillerie im Kriegsfall. D. H , Z. 41, 42. Die Transkaspische Eisenbahn. M. Z. R. 16. Tscherkessenreiterei.
Der Offizier des Beurlaubtenstandes in seinen Beziehungen zum gesellschaftlichen und staatlichen Leben . M. Z. R. 26 . Zu dem Thema „ Der Tierschutz im Kriege “. - 1, R, A. April. Die Eisenbahn-Brücke über den Amu-Darja. 1. R. A. Mai. -
-
Tiryns, Mykenai und Troja, die ältesten Denkmäler der Festungs-Baukunst aus A. A. 1. April. dem Heroen -Zeitalter. Über Cürassiere. J. A. M. Juni. Pilege des Armeegeistes. 0. S. M. IV, V. Frontdienst und Front-Offizier im Lichte des Idealismus. 0. S. M. IV , V. Die heutige militärische Situation Englands. 0. S. M. IV , V. Wissen und Können im Kriege. 0. W. V. XXX VI, 3.
Der Ehrenzweikampf.
· O. M. 2. 27. 0. M. Z. 32,
Zum Eisenbahnbau in Ungarn.
Die Kaiserin Maria Theresia im Lager ihrer Armee bei Heidelberg 1745. 0. M , Z. 34 . Die Marschälle Frankreichs.
F. S. M. 184.
F. J. S. März, Die moralische Erziehung des Soldaten . F. J. S. April. Über den militārischen Geist in Frankreich.
Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit.
F. R. C. März,
Die Militär- Etablissements und die Industrie in Russland.
-
Der Kriegsminister und der Oberbefehl über die Armee. Die Militär -Bahn von Chartres nach Orléans.
Die Stellung des Offiziers im Auslande. Das Heiraten der Offiziere.
-
F. C. M. 13, 15 . F. P. M. 774.
F. P. M. 785.
F. A. M. 1253.
F. A. M. 1273.
Einige Angaben über die militärischen Verhältnisse in Frankreich von 1730—1830. F. R. 1. März, April.
Historische Aktenstücke über die Militärverwaltung Frankreichs.
F. R. 1.
März, April.
Über die Leistungsfähigkeit der Kavallerie im Gefechte. R. 1. 96. Die Vorteile einer einfachen Benennung der verschiedenen Formationen gleichmäſsig für alle Waffen , belegt durch ein Vorkommnis in der Schlacht bei Tel-el Kebir. - E. U. S. 143 .
Die Armee -Pferde im Jahre 1887,
E. A. N. 1479.
8
122
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren Aufsätze.
A. A. N. 1289. Die Kriegsverluste. Reformen im Schieſswesen auſser Dienst. C
.
Sch . A. G. April.
Über militärische Eigenschaften . Sp. M. X. Sp. M. I. IX. Die Befestigung der Häfen Englands und ihrer Besitzungen . Politisch -militärische Angaben über die verschiedenen Staaten Europas. -
P. R. S. 28-30.
Die internationalen Flüsse während des Krieges.
P. R. S. 28-30. N. M. T. III.
Die norwegische Armee in den früheren Jahrhunderten.
Druck von A. Hauck in Berlin , NW ., Dorotherostrano 65.
VIII.
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege.
( Fortsetzung .) 6.
Der Waffenstillstand .
Die Kräftigung und Verstärkung der Grundlagen seiner Macht waren
für für
Napoleon die ausschlaggebenden Beweggründe zum
Abschluſs des Waffenstillstandes gewesen , und dementsprechend waren auch alle seine Anordnungen während desselben auf dieses eine Hauptziel gerichtet.
Da die Waffenstillstands-Bedingungen die Räumung von Mittel Schlesien und das Zurücknehmen der groſsen Armee über die Katz bach geboten , so sollte die Masse derselben für die Dauer der Waffenruhe in Nieder -Schlesien und der Lausitz untergebracht werden , während die abgezweigten Corps im Wesentlichen in den Gegenden zu verbleiben hatten , in denen sie sich im Augenblick 7
des Abschlusses der Waffenruhe befanden .
Um die Zeit der Ruhe
der Ausbildung der Truppen und der Befestigung ihrer Disziplin möglichst gründlich widmen zu können, wurde angeordnet, daſs im allgemeinen nur die Kavallerie und Artillerie Ortschaftsquartiere, die Infanterie aber Baracken - Lager beziehen sollte. Die Errichtung dieser Baracken - Lager war den Truppen selbst
überlassen und da dieselben auſserdem täglich 6 bis 7 Stunden
exerzieren muſsten, so war für ihre Beschäftigung reichlich gesorgt. Bei einer auskömmlichen Ernährung der Soldaten würde dies auch eine durchaus zweckmäſsige Maſsregel gewesen sein , hatte doch so
schon der plötzliche Übergang von den groſsen Anstrengungen zu Jahrbücher für die Dantecho Armeo und Marino . Bd. LXVIII ., 2 .
9
Die französische Armee im Jahre 1813,
124
einer zeitweisen Unthätigkeit, welche die Ermattung der Trappen gefordert, eine heftige Dyssenterie unter denselben hervorgerufen;
wie nun aber einmal die Verhältnisse lagen, waren diese unaus gewachsenen und hungernden Soldaten auſser Stande, diese neuen Anstrengungen zu ertragen , und auch die Epidemie forderte um so
mehr Opfer, je weniger widerstandsfähig die jungen Ausgehobenen waren , so daſs es in kurzer Zeit Tausende von Kranken gab.
Zur
Erklärung muſs gesagt werden , daſs seit Abschluſs des Waffen
stillstandes die vorher schon unregelmäſsig gelieferte Brotportion, welche im Jahre 1810 von 28 auf 24 Unzen herabgesetzt worden, fast regelmäſsig ausgeblieben oder höchstens in Form von Kleiebrot ohne jeglichen Nährwert geliefert worden war.
Am schlimmsten sah es bei dem Ney'schen Corps aus, welches Anfangs Juni kaum 24,000 Mann unter den Waffen zählte, während
es fast 26,000 Mann in den Lazaretten zu liegen hatte.
Bei den
übrigen Corps, welche nicht so viele Verwundete hatten , betrug der Krankenbestand immerhin doch 33 Prozent im Durchschnitt.
Gegen Ende des Waffenstillstandes, zu einer Zeit also, wo die Armee allerdings sehr viel stärker war, dafür aber auch bereits viele Leute wieder die Lazarette verlassen hatten, erreichte der gesamte Kranken
bestand der Armee die kaum glaubliche Höhe von 90,000 Mann. *) Ein höchst bedenkliches Zeichen für den die Armee gegen Ende des Frühjahrsfeldzuges beherrschenden Geist war es, daſs sich unter den in den Lazaretten befindlichen Kranken und Verwundeten nicht allein zahlreiche nur sehr leicht erkrankte oder verwundete
Soldaten befanden , sondern auch viele Simulanten und Selbst
Aufmerksam geworden durch die groſse Zahl von Verwundungen am Unterarm und an der Hand, in Dresden allein lagen 2128 derartige Verwundete, lenkte Marmont Napoleons Angen
verstümmler.
merk auf diesen Punkt.
Letzterer ordnete sofort die strengsten
Nachforschungen an und erlieſs unter dem 11. Juni eine äuſserst strenge Verfügung, welche für die Folge die Todesstrafe auf Selbst verstümmlung setzte. Das Ergebnis der bezüglichen Untersuchungen war , daſs von den derartigen Verwundeten ungefähr der vierte Teil **) aus Selbstverstümmlern bestand, welche sich dem Militärdienst hatten entziehen wollen , der Rest bestand meist aus jungen Soldaten , *) III. Corps 22,141 Mann, IV. Corps 5500 Mann , V. Corps 8864 Mann, VI. Corps 9433 Mann, XII. Corps 5700 Mann, XIII. Corps 5800 Mann, Von den übrigen Corps konnten die bezüglichen Zahlen nicht ermittelt werden .
**) Beim Marmont'schen Corps , von dem wir allein die genauen bezüglichen Zahlen kennen, 109 von 405.
Die französische Armee im Jahre 1813.
125
bei denen die bezüglichen Verletzungen zum überwiegenden Teile durch die Ungeschicklichkeit im Gebrauch der Waffen verursacht waren.
Die Überfüllung der Lazarette bereits während des Waffen stillstandes war für die französische Armee ein um so gröſseres Unglück, in je trostloserem Zustande dieselben sich von Anfang an befanden .
Nervenfieber und alle möglichen Lazarettkrankheiten
herrschten und forderten zahlreiche Opfer , so daſs nur ein ver
hältnismäſsig geringer Prozentsatz geheilt diase Pesthöhlen verlieſs. Hierzu kam , daſs die Lazarette bei so massenhaften Erkrankungen nicht ausreichten , so daſs z. B. in Dresden alle Häuser mit Kranken
überfüllt waren, trotzdem man dieselben nach Möglichkeit zu Schiff von dort fortzubringen versuchte , viele Verwundete auch nach Frankreich schaffte. Einen Gutteil der Schuld an diesen Verhältnissen trug die
erbärmliche Organisation der Verwaltung und des Sanitätsdienstes , iv Folge deren die Soldaten hungerten und die Kranken am Not wendigsten Mangel litten. Marmont bezeuget, daſs wenn in Dresden
die unumgänglichsten Vorräte für die Truppen angesammelt worden wären, die französische Armee um 50,000 Mann stärker gewesen sein würde .
Er stellte dies dann auch dem Kaiser mit dem Be
merken vor, daſs ganz abgesehen von der Wichtigkeit der Erhaltung so vieler Menschen die Auslagen für solch eine Zabl alter Soldaten um die Hälfte kleiner seien als die durch die Aushebung, Ausrüstung und Marschverpflegung von 50,000 Ausgehobenen verursachten Kosten, und daſs mithin eine Auslage von 25 Millionen Franken für die Verbesserung des Unterhaltes der Truppen und der Hospitäler eine Ersparnis von 50,000 Mann und 25 Millionen Franken be wirken würde. Napoleon pflichtete dem Marschall zwar bei, fügte aber hinzu , daſs wenn er wirklich das Geld geben wollte , dasselbe
gestohlen und doch alles beim Alten bleiben würde. Gewissenhafte Beamte galten nach zeitgenössischen Angaben in der französischen Armee für Dummköpfe.
Übrigens schien. Dresden, wo sich das kaiserliche Hauptquartier befand, in eine französische Stadt verwandelt zu sein. Die säch sische Hauptstadt war
ganz abgesehen von den Kranken und
Verwundeten – nicht nur überfüllt von französischen Offizieren, Soldaten , Beamten und was sich sonst noch im Gefolge einer Armee befindet, sondern es war auch alles mögliche gewinnsüchtige und abenteuernde Gesindel beiderlei Geschlechts, Dirnen und Gassen jungen, der Auswurf der Pariser Bevölkerung der Armee dorthin 9*
Die französische Armee im Jahre 1813.
126
gefolgt. Für die bevorzugten Truppen der Kaisergarde, welche hier und in der nächsten Umgebung lagen , drohte die Stadt ein Capua zu werden ; die Soldaten derselben waren zum gröſsten Teile mit
allen nötigen Hülfsmitteln versehen, und ihre Sittenlosigkeit war schrankenlos.
Im scharfen Gegensatz mit diesem Treiben stand das Leben
in den Barackenlagern, in welchen die Masse der Infanterie unter gebracht war . Ununterbrochen angestrengt beschäftigt und dabei kaum notdürftig ernährt, litten die Truppen unter letzterem Umstande umsomehr, als weder Offiziere poch Soldaten Geld batten,
indem der Sold seit Monaten ausgeblieben war, so daſs sie nicht einmal in der Lage waren , den nötigen Lebensunterhalt kaufen zu
können . Endlich wurde der Armee unter dem 27. Juni angekündigt, daſs alle noch vorhandenen Rückstände bis zum 31. März, deren Auszahlung Napoleon schon von Mainz aus in Aussicht gestellt hatte, beglichen werden sollten .
Der Sold für Mai wurde nur für
die Offiziere angewiesen, dabei aber für diejenigen, welche mehr als 1800 Francs Gehalt im Jahr bezogen , in Anweisungen auf die Tresorkasse in Paris. Die guten Tage dauerten also nicht lange,
und mit dem sich bald wieder einstellenden Hunger und Elend erschien auch ein bei französischen Truppen sonst seltener Gast,
eine tiefe Niedergeschlagenheit, welche sich ihrer bemächtigte. Einem so scharfen Auge wie dem des Kaisers konnte dies natürlich nicht verborgen bleiben, und es konnte nicht anders sein, als daſs der Eindruck auf ibn ein äuſserst lebhafter war.
Um ab
zuhelfen, befahl er, daſs in allen Lagern etwas für die Zerstreuung der Soldaten geschehen sollte ; soldatische Spiele sollten getrieben, vor Allem aber nach der Scheibe geschossen und dabei steigende Preise für die besten Schützen innerhalb der Compagnien, Bataillone, Divisionen und Corps verteilt werden . Der hiermit verbundene
Zweck war ein doppelter , einmal sollte die Ausbildung gefördert, dann aber auch Interesse und Frohsinn bei den Soldaten geweckt werden .
Letzterem
Zweck
diente es auch ,1 daſs die Feier des -
Napoleonsfestes, dessen eigentlicher Termin – der 15. August dem Wiederbeginn der Feindseligkeiten zu nahe lag , vorgerückt wurde , indem die Vorbereitungen zu dem Feste ebenfalls zur Er
heiterung der Truppen beitragen sollten . Wie wenig sich die Corps- Befehlshaber von alle dem versprachen, geht aus einem vom 25. Juli aus Liegnitz herrührenden Berichte
Ney's hervor, in welchem das Scheibenschieſsen zwar gebilligt wurde, weil es der Ausbildung förderlich sei, in Bezug auf die Spiele aber
Die französische Armee im Jahre 1813.
127
gesagt wurde, das beste Mittel, um die Stimmung der Soldaten zu heben , bestehe darin , daſs man ihnen den Sold unverkürzt zu kommen lasse und sie auskömmlich ernähre ; die an sich schon sehr
knappe Portion werde nicht einmal vollständig geliefert, und dabei seien die Soldaten des III. Corps in einem Alter, in dem selbst die ganze Portion nicht genügen würde; fortwährend bei dem Bau der Baracken oder auf den Übungsplätzen beschäftigt, müſsten sie eine gröſsere Brotportion erhalten. Ähnlich äuſserte sich auch Marmont, der ebenfalls eine aus
kömmliche Nahrung für das geeigneste Mittel zur Hebung der Stimmung erklärte. Auch Victor klagte sehr , daſs seine Leute vielfach Hunger leiden müſsten, so daſs ihre Kräfte sichtlich ab nähmen. Der ungemein hohe Krankenbestand der Armee war zum
groſsen Teil durch die mangelhafte Ernährung der Soldaten ver ursacht.
Indessen alle Vorstellungen der Generale waren vergebens; es fehlte an Geld, und so blieb alles beim Alten . So muſsten sich denn die Truppen selber helfen , und trotz der Wohlhabenheit des Landes bedurfte es bei der feindlichen Stimmung der Bevölkerung
der schärfsten Requisitionen. Das Raubsystem , welches sich während des Frühjahrsfeldzuges entwickelt hatte , dauerte fort, Wohnhäuser und Scheunen wurden ohne jeden Nutzen zerstört, sogar die in der Nähe der französischen Lager liegenden Kirchhöfe verwüstet und die aus den Gräbern gestohlenen Sachen öffentlich auf den Märkten verkauft.
Unter solchen Umständen , wo der Offizier mit plündern
muſste , wenn er leben wollte , konnte die Disziplin sich kaum be festigen, und dies sowie die Zerstörung des ländlichen Wohlstandes sollten in der Zukunft für die französische Armee geradezu ver nichtende Folgen haben .
Stärke und Zusammensetzung der Armee erlitten während des Waffenstillstandes mannigfache Änderungen , teils durch das Ein treffen von Ergänzungs-Mannschaften, teils durch die Aufstellung neuer Formationen sowie durch organische Veränderungen inner halb der bestehenden Verbände.
Die überstürzte Ausbildung der jungen Mannschaft, an welcher die Armee während des Frühjahrsfeldzuges so sehr gekrankt hatte, dauerte auch während des Waffenstillstandes fort. Die jungen ,
meist der Altersklasse von 1814 angehörenden Ausgehobenen , welche die Nachschübe für die Armee bildeten , hatten zum gröſsten Teil
nicht einmal die 14 tägige Dienstzeit in den Depots durchgemacht, auf welche der ursprünglich festgesetzte Monat herabgesetzt worden
Die französische Armee im Jahre 1813.
128 war.
Sobald 100 Mann in einem Depot vereinigt waren , wurde
aus ihnen eine Marsch-Compagnie gebildet ; die Marsch -Compagnien zu Marsch - Bataillonen , Regimentern und Truppen Abteilungen zusammen , welche aufgelöst werden sollten , wenn sie die Armee erreicht , vielfach aber auch namentlich in dem
schlossen
späteren Teile des Herbstfeldzuges in dieser Formation verwandt wurden. Wie früher versuchte man auch jetzt wieder, dem Mangel in der Ausbildung dadurch abzuhelfen , daſs die begleitenden Offiziere und Unteroffiziere ihre jungen Soldaten während des ganzen Marsches zur Armee täglich noch zwei Stunden üben lassen muſsten , aber dieser Notbehelf trug natürlich keine besseren Früchte wie damals. Ununterbrochen strömte so die französische Jugend von allen Teilen des Reiches nach Mainz zusammen , um dort den Rhein zu über
Dabei sollten auch diese jungen Leute jetzt wieder ähnliche, wenn auch nicht ganz so schlimme Eindrücke empfangen, wie sie ihre Vorgänger vor wenigen Monaten erhalten hatten, denn unterwegs begegnete ihnen die groſse Menge derer, welche die Armee abgeschoben hatte , und welche sich dem Rhein von der
schreiten .
anderen Seite näherten .
Diese jungen Soldaten bildeten nur einen schwachen Ersatz für die erlittenen Verluste, durch welchen die gelichteten Reihen nur
vorübergehend gefüllt wurden, denn zur Ertragung von Anstrengungen waren sie nicht befähigt. Sehr schlimm aber war es, daſs es geradezu unmöglich war, den Verlust an Offizieren und Unteroffizieren zu ersetzen , was dringend erforderlich war. So berichtete Ney unter
dem 10. Juni :
» Der Zustand der Truppen seines Corps verdiene
die ernsteste Aufmerksamkeit des Kaisers; alle hätten Ersatz nötig,
namentlich an Offizieren und Unteroffizieren , denn es sei unmöglich, die Verluste an diesen aus der Truppe heraus zu ersetzen ; um die Bataillone reorganisieren zu können , bedürfe das Corps eines Zu schusses von 80 Hauptleuten , 100 Lieutenants und 140 älteren Unteroffizieren , ohne den auch der Rest nicht viel tauge, da dann
die Ausbildung unmöglich und die Disziplin immer schlechter werde .
Andere Mängel kamen hinzu. Nicht alle diese jungen Soldaten
waren bestimmt, die vorhandenen Lücken zu füllen , ein groſser Teil von ihnen sollte zur Bildung neuer Formationen dienen. Fast bei jedem Regiment entstanden neue Bataillone, deren Zahl kaum zu berechnen sein dürfte. Zum geringeren Teil stieſsen diese neuen Bataillone zu ihren Regimentern , die groſse Mehrzahl von ibnen muſste zur Bildung provisorischer. Regimenter dienen , aus denen
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Trotz der groſsen Schattenseiten ,
neue Divisionen formiert wurden .
welche diesen provisorischen Formationen anhaftete , muſste auch jetzt wieder zu diesem Notbehelf gegriffen werden. Die Stämme für diese Neubildungen muſste immer wieder die
spanische Armee liefern , zu deren entsprechender Ergänzung der Senat kurz nach Wiederbeginn der Feindseligkeiten unter dem 24. August eine Aushebung von 30,000 Mann aus den drei Klassen
vou 1812 bis 1814 genehmigte. Schlieſslich konnte aber auch die in Spanien kämpfende Armee den ununterbrochen an sie her antretenden Anforderungen nicht mehr genügen. Auch die Militär Schulen wurden bis auf die Neige geleert, allein die Schule von St. Cyr hatte seit dem Oktober nicht weniger als 450 Unter
lieutenants zur Armee geliefert, eine an sich hohe Zahl , dem vor handenen Bedarf gegenüber indessen doch nur verschwindend ; und dann, mochten diese jungen Leute auch von dem besten Willen and dem gröſsten Mut beseelt sein, ihre Ausbildung und Erfahrung waren doch zu gering, als daſs vorläufig von ihnen groſse Dinge zu Der Mangel an Stämmen wurde noch wesentlich vermehrt durch das riesenhafte Anwachsen der Garde,
erwarten gewesen wären.
indem die wenigen alten Soldaten , über welche man verfügte, von der alten Garde geschluckt wurden , während die junge Garde die 7
Elite der Aushebungen erhielt , welche allein geeignet gewesen
wäre, mit der Zeit tüchtige Unteroffiziere zu liefern. So bestanden denn diese neugebildeten Verbände durchweg aus blutjungen und
fast jeder Ausbildung entbehrenden Rekruten , die in überaus lücken hafte Stämme eingereiht waren , welche letztere immer spärlicher wurden, je mehr Formationen aufgestellt wurden. Die in dieser Weise neuformierten Divisionen
muſsten zur
Bildung von 2 Observations-Corps dienen , von denen das eine in
Italien durch den Vicekönig, das andere, vorläufig als Reserve Corps bezeichnete, am Main durch den Marschall Kellermann auf
gestellt wurde. Von ersterem Corps wird später noch gesprochen werden , hier kommt zunächst nur das 6 Divisionen starke letztere
in Betracht, welches im Juni die Bezeichnung > Observations-Corps von Bayern « erhielt und dem Marschall Augereau in Würzburg unterstellt wurde. Anfang August wurde das Corps geteilt ; während 4 französische Infanterie - Divisionen unter dem Marschall Gouvion
St. Cyr als XIV. Corps nach Sachsen rückten , blieben die beiden anderen Divisionen , das nachmalige IX . Corps , unter Augereau, einstweilen noch in Franken zurück. Zu letzteren beiden Divisionen
Die französische Armee im Jahre 1813.
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sollte eigentlich als Dritte noch eine bayerische Division stoſsen.
Die Stellung derselben wurde indessen von Bayern verweigert. Ein ähnliches Verfahren wie mit dem IX . war bereits mit dem
I. Armee- Corps vorgenommen worden , nachdem zwischen diesem 9
und dem II. Corps der Austausch der zugehörigen Divisionen bewirkt und bei beiden Corps die Herstellung der Regiments - Verbände erfolgt war. Da das I. Corps jetzt 4 Divisionen zählte, - zu seinen ursprünglichen 3 Divisionen hatte es als eine neue die anfänglich aus seinen vierten Bataillonen formiert gewesene 40. Division erhalten , deren eigentlich den Weichsel-Regimentern vorbehaltene
Nummer infolge der Unmöglichkeit von deren Neubildung offen geblieben war ,
so hatte Napoleon die Teilung dieses Corps
angeordnet. Zwei Divisionen waren als I. Corps anter Vandamme nach Sachsen gezogen , woselbst der gröſste Teil der zu Marmont's lebhaftem Miſsvergnügen diesem abgenommenen Division Teste zu ihnen gestoſsen war ; die beiden anderen Divisionen, verstärkt durch die zu einer Division angewachsene Hamburger Brigade sowie durch das dänische Hülfscorps waren als XIII. Corps unter Davont an der Nieder - Elbe verblieben .
Eine wesentliche Verstärkung für die Armee bildete das pol nische Hülfscorps unter dem Fürsten Poniatowski, dem während
des Waffenstillstandes von der österreichischen Regierung der Durch marsch von Krakau nach Sachsen gestattet worden war. Ursprünglich 16,000 Mann stark, langte dieses Corps in Folge zahlreicher Desertionen zwar nur mit ungefähr 12,300 Mann in Sachsen an, immerhin aber bildete es namentlich wegen seiner zahlreichen leichten Reiterei einen ansehnlichen Zuwachs . Aus diesen Truppen wurde das VIII. Armee-Corps unter dem Fürsten Poniatowski und das 4. Kavallerie-Corps unter dem General Kellermann gebildet. Auch die von dem General Dombrowski reorganisierten polnischen Truppen, über 4000 Mark stark , stiefsen jetzt zur Armee. Ein weiteres – 5. – Kavallerie-Corps, ebenso wie das 3. aus
Schwadronen der in Spanien kämpfenden Regimenter gebildet, war noch in der Formation begriffen. Teile dieses Corps rückten eben falls noch vor Beginn der Feindseligkeiten nach Sachsen. Die Trappen der Rheinbundstaaten waren gleichfalls wesent lich verstärkt worden ; mit Ausnahme von Bayern , welches bereits im Juni ohne die bei dem XII. Armee -Corps befindlichen Division 25,000 Mann unter den Waffen gehabt, aber sowohl deren auch
nur teilweise Überlassung an Angereau als auch die Verstärkung jener Division abgeschlagen, hatten sie meist nicht nur die vor
Die französische Armee im Jahre 1813.
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handenen Stämme ergänzt, sondern vielfach auch neue Truppen aufgestellt.
Die in der Zusammensetzung der Armee vorgenommenen Ver änderungen beschränkten sich hierauf aber nicht, vielmehr erfuhren auch diejenigen Corps, welche den Feldzug mitgemacht hatten , mehr fache organische Veränderungen. Wegen der groſsen, nur unvoll kommen gedeckten, an Stämmen überhaupt nicht zu deckenden Verluste wurde zunächst bei fast sämtlichen Cohorten - Regimentern die Zahl der Feld - Bataillone von 4 auf 3 herabgesetzt, einige wenige
dieser vierten Bataillone wurden in Festungen gelegt, die meisten wie auch noch einige Bataillone anderer Regimenter aber aufgelöst. In Folge dieser Verminderung ging auch die Division Lagrange des V. Corps ein, ihre Regimenter wurden unter die 3 anderen Divisionen dieses Corps verteilt.
Es sei gleich hier erwähnt, daſs auch die
41. Division, welche der General Doucet in Erfurt formiert hatte, aufgelöst wurde ; die 10 Bataillone dieser Division wurden zum Teil in die Festungen Magdeburg, *) Erfurt, Würzburg und Wittenberg
gelegt, zum Teil auch wohl aufgelöst und unter andere unvoll zählige Truppen verteilt.
Eine fernere Organisations-Veränderung bestand in der Auflösung einer Anzahl von provisorischen Regimentern . Die bereits früher erwähnten Schäden dieser Formationen hatten sich im Laufe des
Feldzuges in einem hohen Grade bemerkbar gemacht, das Urteil
aller Generale war einstimmig. Es liegt ein am 11. Juli abgefaſster
Bericht von Ney vor, in dessen Corps sich 25 derartig zusammen gewürfelte Bataillone befanden , in welchem er die Vernachlässigung dieser Bataillone durch die bezüglichen Depots in schärfster Weise hervorhebt und dringend ihre baldige Einverleibung in die Stamm Regimenter befürwortet, da hierdurch allein den vorhandenen Mängeln
abgeholfen werden könnte. Napoleon , Berthier und Clarke **) sahen dies vollständig ein , es wurden auch die nötigen Befehle erlassen, um dies zu thun ; da man sich indessen scheute, die bestehenden Verbände kurz vor dem Wiederbeginn der Feindseligkeiten zu zer
reiſsen, so beschränkte sich Alles, was in dieser Beziehung geschah, *) In Magdeburg beziehungsweise bei der aus Teilen der Garnison von Magde burg gebildeten Division Lanusse befanden sich 2 Bataillone des Regiments Nr. 134 ; vielleicht waren dies die beiden vom General Doucet neu gebildeten
Bataillone des ehemaligen Infanterie-Regiments Nr. 125, welches mit dem ur sprünglich nur 2 Bataillone starken Regiment Nr. 134 verschmolzen worden war, **) Der Kriegsminister.
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Die französische Armee im Jahre 1813.
auf die Auflösung von 6 provisorischen und die Herstellung von 8 Stamm - Regimentern. Von der gröſsten Wichtigkeit war es, daſs jetzt dem Mangel
an Kavallerie und Artillerie abgeholfen war ; beide Waffen befanden sich der Zahl nach auf einer Achtung gebietenden Höhe . Während neben einigen französischen Regimentern der gröſste Teil der deutschen und italienischen Reiterei den Armee - Corps beigegeben
war, bildete die Masse der französischen und polnischen Kavallerie die Reserve -Kavallerie- Corps. Die letzteren sowie auch die Kaiser garde, bei welcher sich eine starke Reserve - Artillerie befand, erhielten
während des Waffenstillstandes ihre endgültige Formation. Die Stärke und Organisation der groſsen Armee war beim
Wiederbeginn der Feindseligkeiten die nachstehende. Die in und bei Dresden stehende Kaisergarde war stärker denn je ; ihre Infanterie bestand jetzt aus einer Division alter Garde
unter dem General Friant und 4 vom Marschall Mortier befehligten Divisionen janger Garde, welche von den Generalen Dumoustier, Barrois, Decouz und Rognet geführt wurden . Die alte Garde zählte in 10 Bataillonen 5500 Mann, von der jungen Garde waren 52 Ba taillone zur Stelle, 4 weitere noch in der Formation begriffen . Die
von dem General Nansouty befehligte Garde-Kavallerie zäblte in 59 Schwadronen 12,500 Pferde ; ihre Regimenter waren vollzählig und verstärkt durch das aus Polen bestehende 1. Lancier-Regiment, die zu einem Regiment angewachsenen bergischen Chevaulegers und die 4 Regimenter Ehrengarden , welche letzteren indessen erst 12 Schwadronen zur Stelle hatten, während 8 fernere, in obiger Zahl nicht enthaltene Schwadronen erst im September in Mainz Auſser den bei den Divisionen eingeteilten Batterien besa's die Garde eine Reserve - Artillerie von 90 Geschützen,
eintreffen konnten .
durch deren Massen-Verwendung der Kaiser wie früher die Ent scheidungsstöſse seiner Angriffs-Kolonnen vorzubereiten gedachte, Die Gesamtstärke der Garde betrug einschlieſslich der noch erwartetep Verstärkungen, Kommandierten und Kranken 80,000 Mann, von 62 Bataillone, denen aber nur 58,191 Mann, 218 Geschütze 59 Schwadronen, 29 Batterien — zur Stelle waren. waren . Die Ausbildung
der jungen Garde hatte bedeutende Fortschritte gemacht, so daſs dieselbe jetzt eine wirkliche Elite bildete. -
Das zwischen Stolpen und Neustadt stehende I. Armee -Corps bestand aus 36 von den 64 Bataillonen, welche das ehemalige Davout'sche Corps batten bilden sollen, zu denen dann noch der General Teste mit 6 Bataillonen seiner – der 4. Marmont'schen
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Division, sowie eine aus dem 9. Chevauleger -Regiment und den an haltinischen Jägern formierte leichte Kavallerie- Brigade gestoſsen
war. Die Infanterie war in 3 Divisionen gegliedert, welche von den Generalen Philippon , Dumonceau und Teste befehligt wurden. Im Ganzen zählte das Corps 42 Bataillone, 4 Schwadronen , 10 Batte rien
33,298 Mann, 76 Geschütze ; dasselbe befand sich in einem
durchaus brauchbaren Zustande, und seine Bataillone zählten trotz der Jugend der sie bildenden Mannschaft zu den besseren der
Armee. Der General Vandamme, welcher das I. Corps befehligte, war bereits mit 23 Jahren zum Divisions- General aufgerückt, welche Charge er seit nunmehr 20 Jahren bekleidete ; er war ein feuriger und höchst befähigter, trotz seiner Schärfe bei seinen Truppen äuſserst beliebter Führer, dessen glänzende, echt kriegerische Er scheinung mit seiner ganzen Beanlagung im harmonischen Ein klange stand. Das II.
Victor'sche
-
Corps, welches von Rothenburg nach
Zittau gerückt war, bestand aus den 3 Divisionen Dubreton, Dufour und Vial-Stall 48 Bataillone, welche das Corps hätte haben sollen , zählte es nur 43 ; die fehlenden 5 Bataillone gehörten möglicher Weise entweder zu der aus Teilen der Garnison von Magdeburg
gebildeten Division Lanusse, bei der sich 6 Bataillone von Regimentern des II. Corps befanden, oder zu der an der Weser stehenden Ab teilung des General Lemoine, die aus 7 Bataillonen von Regimentern desselben Corps gebildet war. Die Bataillone waren bei weitem nicht so vollzählig als diejenigen des I. Corps, denen sie auch an innerem Werte nachstanden .
An Kavallerie erhielt der Marschall
Victor die höchst unzuverlässige westfälische Husaren - Brigade über wiesen, einschlieſslich derer sein Corps in 43 Bataillonen, 6 Schwa dronen, 10 Batterien = 25,158 Mann, 76 Geschütze zählte .
Bei dem III. Armee -Corps, welches in der Umgegend von Liegnitz stand, waren auſser den bereits allgemein angedeuteten
keine wesentlichen Formations-Veränderungen vorgenommen worden. Die 5 Divisionen des Corps wurden jetzt von den Generalen Souham, Delmas, Albert, Ricard und Marchand befehligt. Die groſsen Ver luste der französischen Infanterie waren nur unvollkommen gedeckt, der Kranken bestand des Corps noch immer ein sehr hoher
22,141 Mann ; – von den als Ersatz nachgeschickten 3 badischen -
und 2 hessischen
Bataillonen hatte nur ein
hessisches Marsch
Bataillon das Corps erreicht, das andere war nach Torgau geschickt,
während die badischen Bataillone dem General Margaron in Leipzig überwiesen waren .
Das Frankfurter Bataillon, welches sich bei dem
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Corps befunden hatte, war ebenso wie ein anderes nachgeschicktes
Bataillon desselben Gebietes zur Verstärkung der Glogauer Garnison verwandt worden. In 62 Bataillonen , 11 Schwadronen , 16 Batterien hatte das Corps beim Schluſs des Waffenstillstandes eine Stärke von 40,006 Mann, 122 Geschützen .
Bei dem IV. Corps, welches am 17. August von Sprottau her die Gegend von Peitz erreichte ,, war die so übel zugerichtete italienische Division, welche jetzt von dem General Fontanelli be
fehligt wurde, vollständig reorganisiert worden, aber sowohl bei ihr als auch bei der französischen Division Morand waren die groſsen Verluste dem Werte nach sehr schlecht ersetzt worden.
Beim
Ablauf des Waffenstillstandes 21,217 Mann , 66 Geschütze stark, wurde das Corps kurz nach Eröffnung der Feindseligkeiten am 20. August durch eine dritte württembergische Infanterie- Brigade, welche 2446 Mann , 6 Geschütze zählte, verstärkt, so daſs seine Stärke auf 23,663 Mann, 72 Geschütze – 36 Bataillone, 8 Schwa dronen, 10 Batterien – berechnet werden muſs .
Bei dem in und um Goldberg stehenden V. Corps des General Lauriston , hatte die Auflösung fast aller vierten Bataillone auch die der vom General Lagrange befehligten 18. Division zur Folge gehabt. Nach Heranziehung des ursprünglich an der Nieder Elbe belassenen 152. Regiments, sowie anscheinend auch der seiner Zeit in Magdeburg zurückgelassenen beiden Bataillone der Division Puthod zählte die Infanterie des Corps ohne ein nach Glogau ge
legtes Bataillon des 151. Regiments 37 Bataillone. An Kavallerie war dem General Lauriston endgültig eine Brigade der 3. leichten Division zugeteilt worden. Demnach betrug die Stärke des Corps 37 Bataillone, 7 Schwadronen, 11 Batterien = 27.905 Mann,, 74 Ge
schütze.
Übrigens ist es nicht ausgeschlossen , daſs dieses Corps,
wie Th. v. Bernhardi ausführt, noch einige tausend Mann stärker gewesen ist, doch läſst sich dies nicht mit Gewiſsheit nachweisen .
Das von Marmont befehligte VI. Armee- Corps, dessen Haupt quartier sich in Bunzlau befand, war durch 2 Marine-Bataillone und
die bereits früher erwähnte württembergische Reiter-Brigade Nor mann verstärkt worden und zählte jetzt in 42 Bataillonen, 8 Schwa dronen, 12 Batterien
27,754 Mann , 84 Geschütze.
Die
Aus
bildung der Infanterie dieses Corps war sehr gefördert worden, so daſs die Bataillone allen berechtigten Anforderungen gewachsen waren .
Die Division Teste, welche ursprünglich zu diesem Corps
gehört hatte, war zu Marmont's lebhaftem Miſsvergnügen endgültig
Die französische Armee im Jahre 1813.
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abgezweigt und teils dem I. Armee- Corps, teils dem Observations Corps des Marschall Augereau überwiesen worden. Bei dem VII. Armee-Corps, Reynier, welches am 17. August
von Görlitz und Hoyerswerda ber Kalau erreichte, waren vier in Regensburg neugebildete Bataillone der Division Durutte eingetroffen . Auſser dieser Division zählte das Corps jetzt 2 sächsische Infanterie Divisionen und eine leichte sächsische Kavallerie-Brigade, so daſs seine Gesamtstärke 33 '/, Bataillone, 13 Schwadronen, 9 Batterien =
21,283 Mann , 68 Geschütze betrug. Vier andere , für die Division Durutte bestimmte Pataillone wurden dem General Margaron in Leipzig überwiesen .
Das bei Ostritz stehende, lediglich aus Poleu gebildete, VIII . Armee Corps unter dem Fürsten Poniatowski zählte nur 10 Bataillone, 6 Schwadronen , 6 '/, Batterien = 7573 Mann , 44 Geschütze. Ein tapferer Soldat und bewährter Führer, war der Fürst seiner hohen
Stellung würdig, welche er wohl vornehmlich seiner Abkunft ver dankte; übrigens war er ein treuer Anhänger Napoleons und hatte alle Anerbietungen der Verbündeten ausgeschlagen. Auf dem Papiere gehörte zu dem Corps auch noch die von dem General Dombrowski
gebildete Division, einschlieſslich einer dem 4. Kavallerie-Corps zu gezählten Kavallerie - Brigade 4 Bataillone, 8 Schwadronen, 1 Batterie 4000 Mann , 6 Geschütze ; thatsächlich ist diese Division in dessen nicht mit dem VIII. Corps vereinigt worden , sondern auf 9
einem ganz anderen Kriegsschauplatz zur Verwendung gekommen . Dem Macdonald'scben – XI. – Armee - Corps mit dem Haupt
quartier Löwenberg war auſser dem neapolitanischen Truppencorps auch noch eine westfälische Infanterie-Brigade zugeteilt worden . Die Stärke des Corps betrug 38 Bataillone, 7 Schwadronen, 12 Bat terien = 24,418 Mann, 90 Geschütze.
Die 3 Infanterie - Divisionen
des Corps wurden jetzt von den Generalen Ledru, Gérard und Charpentier geführt. Das XII. Corps hatte bei Bautzen und durch den nachherigen Feldzug gegen Bülow sehr gelitten, der Ersatz war nach Zahl und Beschaffenheit durchaus unzureichend gewesen , so daſs das Corps nur schwach war und viele sehr junge Soldaten zählte. Die bayerische Division Raglowich hatte überhaupt keinen Ersatz erhalten und
zählte im Ganzen nur 5800 Mann, 12 Geschütze. Die beiden fran zösischen Divisionen wurden jetzt von den Generalen Pactod und Guilleminot geführt.
Von der Kavallerie, welche sich bei diesem
Corps befunden, war die Dragoner-Brigade zum 1. Kavallerie-Corps
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zurückgekehrt, auch die westfälische Husaren - Brigade hatte ab gegeben werden müssen, so daſs nur noch die bayerischen, west fälischen und hessischen Chevaulegers zurückgeblieben waren ,
zu
welchen letzteren am 15. August noch die beiden fehlenden Schwa
dronen stieſsen . Die Stärke des Oudinot'schen Corps, welches sich in der Gegend von Dahme und Baruth befand, betrug 30 Bataillone, 14 Schwadronen , 9 Batterien = 19,324 Mann, 58 Geschütze. Das an
der Nieder - Elbe stehende, von Davout befehligte XIII. Armee-Corps war durch Teilung des bisherigen I. Armee Zu den 28 Bataillonen, welche nach Abzug Vandamme's von den ursprünglich für Davout bestimmt gewesenen
Corps entstanden .
64 Bataillonen noch verblieben, waren die 3 Regimenter der Ham burger Brigade, deren 5 Bataillone auf 15 angewachsen waren ,, hinzugekommen , sowie 2 neu organisierte Bataillone des an der
Beresina vernichteten 44. Linien -Regiments vom ehemaligen Victor schen Corps, welche anfänglich zur Division Teste gehört hatten . Aus diesen 45 Bataillonen waren 3 Divisionen gebildet worden, die
3., welche von Anfang an für das Davout'sche Corps bestimmt gewesen war, die 40. — anfänglich Nr. 3 bis – und die 50., deren
Nummer neu war. Die Nr. 40 war, wie schon gesagt, ursprünglich für die neuzubildende Weichsel -Legion offen gehalten, indessen frei geworden, da man wegen Mangels an polnischen Soldaten nur ein - in Wittenberg befindliches Weichsel-Regiment hatte bilden können . Befehligt wurden die 3 Divisionen von den Generalen Loison , Thiébault und Vichery. Da 11 Bataillone * ) als Besatzung in Hamburg belassen wurden, zählte Davout's französische Infanterie im
freien Felde nur 34 Bataillone.
Einschlieſslich der Artillerie
und einer leichten Kavallerie-Brigade, welche gebildet war aus einem ursprünglich für das 3. Kavallerie-Corps bestimmt gewesenen Chasseur -Regiment und einem - anscheinend von dem General Dombrowski organisierten polnischen Regiment, zählte das Corps
34 Bataillone, 5 Schwadronen, 7 Batterien = 27,034 Mann, 52 Ge schütze.
Hierzu stiefs nun noch das von dem Prinzen Friedrich
von Hessen befehligte dänische Hülfscorps — 13 Bataillone, 10 Schwa dronen , 3 Batterien = 10,480 Mann, 24 Geschützen
80 daſs
*) Nach Bernhardi hätte die französische Infanterie Davout's nur 43 Bataillone
gezählt, von denen 10 in Hamburg verblieben wären ; die Geschichte der Nord Armee führt 45 beziehungsweise 7 Bataillone an ; Rousset giebt nur die Zahl der ausgerückten Bataillone, und zwar berechnet er dieselbe auf 34. Letztere Zahl sowie die wahrscheinliche Gesamtzahl von 45 Bataillonen als richtig angenommen , giebt für die Besatzung 11 Bataillone.
Die französische Armee im Jahre 1813.
137
Davout im freien Felde im Ganzen über 47 Bataillone, 15 Schwa dronen , 10 Batterien
37,514 Mann , 76 Geschütze verfügte.
Die Infanterie des XIII. Armee -Corps, welche mit derjenigen des I. Armee -Corps eigentlich auf einer Stufe bätte stehen müssen , stand dieser doch an Güte nach , sie hatte teilweise schwächere
Stämme und bestand überdies zum groſsen Teil aus Ausgehobenen der 32. Militär- Division d . h. der aufständischen Gebiete an der Nieder - Elbe ; die Kavallerie und Artillerie waren namentlich in An
betracht der besonderen Verwendung des Corps nummerisch sehr schwach, das Kaliber der dänischen Geschütze überdies sehr leicht.
Das im Lager von Pirna stehende XIV. Armee - Corps unter dem Marschall Gouvion St. Cyr, einem, wie schon erwähnt, hochbedeutenden Offizier, bestand aus den in der gröſsten Eile aus Franken herbei gezogenen 4 zusammengewürfelten Divisionen der Generale Mouton
Davernet, Claparède, Berthezène und Razout, welche der Marschall Augereau hatte abgeben müssen. An Kavallerie erhielt das Corps das aus Polen gebildete 7. Chevauleger-Regiment, sowie die 14. Hu saren und die 2. italienischen Jäger, welche letztere beiden Regimenter mit übertriebener Hast in Italien neu gebildet beziehungsweise
reorganisiert worden waren und eine nur äuſserst bedingte Ver wendungsfähigkeit besaſsen . In 51 Bataillonen, 12 Schwadronen , 12 Batterien zählte das Corps 26,149 Mann , 92 Geschütze, darunter
22,000 blutjunge Ausgehobene ohne jegliche Ausbildung. An der Spitze der Reserve-Kavallerie stand wie in früheren Jahren wiederum der König von Neapel.
Zur Zeit erst 42 Jahre
alt, ein ausgezeichneter Reiter und sehr tapferer Soldat, aber ohne den Mut der Verantwortung und überdies schon schwankend in
seiner Anhänglichkeit an Napoleon , genoſs Murat einen seine Fähig
keiten weit überragenden Ruf; wie der Rückzug aus Russland seine Unfähigkeit zum Armeeführer bewiesen, so sollte der kommende
Feldzug ihm auch den Nimbus des Reiterführers rauben. Übrigens war seine Unfähigkeit von den meisten französischen Generalen längst erkannt, die Befehlshaber der Armee -Corps suchten ihre Reiter-Brigaden seinen Blicken zu entziehen , damit er sie nicht zu ihrem Verderben irgend einer sinnlosen Rauferei aussetze, und die tüchtigeren Kavallerieführer, wie Latour-Maubourg und Nansouty, halfen sich , indem sie die Befehle des >> Kavallerie -Verderbers« in
ihrer Weise oder garnicht zur Ausführung brachten. Die bei Görlitz und Freystadt stehenden beiden ersten Kavallerie
Corps unter Latour-Maubourg und Sebastiani waren durch die von dem General Bourcier in Hannover aufgestellten Reiter, sowie durch
Die französische Armee im Jahre 1813.
138
dep
vom General Lebrun in Frankreich organisierten zweiten
Nachschub verstärkt worden . Es zählte jetzt das 1. Corps 78 Schwa
dronen, 6 Batterien = 16,537 Mann, 36 Geschütze , während das 2. 52 Schwadronen , 3 Batterien = 10,304 Mann , 18 Geschütze stark war .
Dagegen war die Formation des aus Schwadronen der in
Spanien kämpfenden Regimenter gebildeten 3. Kavallerie- Corps unter dem General Arrighi, das am 17. August von Leipzig her in Dahme
eintraf, sehr hinter den Erwartungen zurückgeblieben . Da überdies aus einem Teil der für dieses Corps bestimmten Schwadronen ein neues, 5., Kavallerie- Corps gebildet war, so zählte es statt 74 nur 27 Schwadronen mit 4 Batterien und dürfte daher auch wohl kaum
stärker als 6000 Mann, 24 Geschütze gewesen sein. Die Ausbildung dieser Kavallerie war noch immer eine überaus mangelhafte, ihre Verwendungsfähigkeit daher auch eine sehr beschränkte; alle Mängel einer improvisierten Kavallerie traten hier zu Tage, wiewohl Pferde und Ausrüstung gut waren.
Es kam binzu, daſs der Befehlshaber
des Corps nur ein äuſserst mittelmäſsiger Reiterführer war, der seine Stellung ausschlieſslich seiner Verwandtschaft mit dem Kaiser verdankte.
Das bei Zittau stehende 4. Kavallerie-Corps war aus der Masse der polnischen Kavallerie gebildet, welche mit Poniatowski nach Sachsen gekommen war.
Wiewohl ebenfalls meist aus Rekruten
bestehend, bildete es doch in Folge der natürlichen Beanlagung der Polen einen sehr brauchbaren Truppenkörper.
Einschlieſslich der
von dem General Dombrowski formierten und bei dessen Division
mitaufgeführten Brigade zählte das Corps in 32 Schwadronen,
2 Batterien = 4831 Mann, 12 Geschützen, ohne diese Brigade 24 Schwadronen , 2 Batterien = 3923 Mann , 12 Geschütze. In dem General Kellermann , dem Sohne des Marschall Kellermann,
besaſs das Corps einen bewährten Führer, der sich schon bei Marengo in glänzender Weise hervorgethan hatte. Das bereits erwähnte, noch im Marsch auf Dresden befindliche
5. Kavallerie-Corps des General L'Heritier war, wie schon gesagt, aus 20 Schwadronen der Regimenter des spanischen Kriegsschauplatzes gebildet. Von diesem Corps gilt in verstärktem Maſsstabe, was von dem dritten gesagt wurde , es bestand wohl aus den schlechtesten Schwadronen der ganzen französischen Kavallerie. Die Stärke mochte etwa 3000 Mann, 6 Geschütze betragen.
Der allgemeine Artillerie- und Ingenieur -Wesen -Reservepark
Die französische Armee im Jahre 1813. der Armee zählte 8010 Mann .
139
Derselbe bildete nicht etwa eine
Reserve - Artillerie, wie vielfach angenommen ist, — als solche verwandte Napoleon die Artillerie seiner Garde - sondern bestand vielmehr nur
aus einer Anzahl von Artillerie-Compagnien , bestimmt zum Ersatz der entstehenden Lücken sowie zur Bedienung von Positions-Batterien und zum Dienste in den Parks , und ferner aus einer Anzahl von
Ingenieur - Truppen, sowie den nötigen Handwerker - Formationen für beide Waffen .
Endlich verfügte der Kaiser Napoleon auf dem Hauptkriegs theater noch über zwei auſserhalb jeden Corps - Verbandes stehende Heerteile , denen besondere Rollen zugedacht waren ; es waren dies die Abteilungen der Generale Girard und Margaron. Was erstere Abteilung betrifft, so sollte sie sich aus den ammensetzen . Die schon Divisionen Dombrowski und Lanusse zusan mehrfach erwähnte Division Dombrowski zählte in 4 Bataillonen,
8 Schwadronen , 1 Batterie etwa 4000 Mann, 6 Geschütze , ohne die
bei dem 4. Kavallerie-Corps bereits erwähnte leichte Kavallerie Brigade höchstens 3000 Mann, 6 Geschütze.
Die Division Lapusse
zum überwiegenden Teile aus Truppen der Garnison von Magdeburg gebildet ; genaue Angaben über Stärke und Zusammen war
setzung fehlen, wahrscheinlich zählte sie in 12 Bataillonen, 8 Schwa dronen , 3 Batterien = 11,000 Mann , 22 Geschütze. Die Truppen
bestanden zum überwiegenden Teile aus Deutschen, Italienern und Kroaten und waren durchweg neugebildet ; ihr Führer, der General Girard , war ein junger, höchst energischer und sehr tüchtiger Offizier.
Das zur Deckung von Leipzig, dem Hauptdepotplatz im Rücken der französischen Armee, bestimmte Observations-Corps des General Margaron war beim Ablauf des Waffenstillstandes noch in der
Formation begriffen . Gebildet war das Corps aus den erwähnten 3 Bataillonen Badener , 4 Bataillonen der Division Durutte und einigen provisorischen Truppenteilen und zählte in 10 Bataillonen, 2 provisorischen Regimentern und 1 '/ Batterien = 7800 Mann, 10 Geschütze.
Die Gesamtstärke der auf dem norddeutschen Kriegsschauplatz verfügbaren Armee betrug demnach in 559 '/, Bataillonen , 395 Schwadronen, 178 Batterien = 442,818 Mann , 1284 Geschütze
oder ohne 3333 Mann , welche der Armee - Verwaltung angehörten, in runden Zahlen Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine,
Bd . LXVIII., 2.
10
Die französische Armee im Jahre 1813.
140
332,000 Mann Infanterie, 70,500 Reiter, 33,500 Mann Artillerie,
4000 Mann Ingenieur - Truppen im Ganzen etwa
440,000 Mann. *) *) Für die Zusammensetzung der groſsen Armee ist die Ordre de bataille zu Grunde gelegt, welche C. Rousset giebt.
Dieselbe stimmt mit der von Th
v. Bernhardi in den Denkwürdigkeiten Toll's gegebenen im Wesentlichen überein, doch finden sich immerhin mehrere Abweichungen vor. Die Erklärung hierfür
liegt darin , daſs Rousset die Archive benutzen und nach ihnen die Einteilung für August geben konnte, während Bernhardi auf die Zusammenstellung angewiesen war, welche der General Pelet für September und Oktober veröffentlicht hat, und aus ihr die Zusammensetzung der Armee beim Beginn der Feindseligkeiten zurück gebildet hat. Die gröſsten Verschiedenheiten finden sich bei der Garde und dem
3. und 5. Kavallerie - Corps, während es sich sonst meist nur um einzelne Bataillone und Schwadronen handelt.
Die von Bernhardi gegebene Einteilung der Garde
trat erst in der zweiten Hälfte des September in Kraft, bis dahin gab es por eine Division alter Garde. Was das 3. Kavallerie-Corps anbetrifft, so hatte das selbe von Anfang an nur 27 Schwadronen , nicht 87, wie Bernhardi auf Grund
älterer Quellen anführt. Das 5. Kavallerie-Corps wird von Bernhardi überhaupt
nicht aufgeführt, derselbe spricht vielmehr nur von der Division L'Heritier dieses Corps, welche im August nach Sachsen gelangt sei, während die beiden anderen Divisionen erst im Oktober nachgerückt seien ; es ist dies ein Irrtum , die be reitesten Teile aller 3 Divisionen rückten unter dem General L'Heritier im August
nach Sachsen , und wurde bei ihnen der Corps-, Divisions- und Brigade- Verband völlig aufrecht erhalten ; der zum gröſsten Teil aus Spanien herbeigezogene Rest der 3 Divisionen stiefs im Oktober zur Armee.
Für die Heerteile Girard's und
Margaron's giebt Rousset keine Zusammensetzung an , hier waren also die Angaben Bernhardi's beziehungsweise der Geschichte der Nord -Armee bestimmend. Für
die Truppen Girard's ist die Zusammensetzung gewählt, welche in letzterem Werke enthalten ist ; dieselbe erscheint genauer als die von Bernhardi gegebene, welche aus Plotho entnommen zu sein scheint , da Bernhardi erstlich das 13. Husaren Regiment, welches am 19. August zu Girard stiefs, überhaupt nicht erwähnt und
zweitens das 4. westfälische Infanterie -Regiment aufführt, welches sich in Cüstrin befand . Die Truppen Margaron's anlangend, so sind die Angaben Bernbardi's wiedergegeben desgleichen bei dem groſsen Artillerie- und Ingenieur-Wesen Reservepark, den Rousset ebenfalls nicht aufführt. Die Zahlen anlangend, so giebt Rousset nur die Gesamtstärke an , während Bernhardi auf Grund der Veröffentlichungen des General Pelet die Stärken der einzelnen Corps aufführt. Die von Pelet gegebenen Zahlen sind entnommen den von Berthier für Napoleon gefertigten Zusammenstellungen vom 6. August, nach welchen die Stärke der Armee an diesem Tage ungerechnet 3333 Mann, welche
zur Armee - Verwaltung gehörten, 418,628 Mann
betragen haben soll, nämlich 312,306 Mann Infanterie, 69,707 Reiter, 32,528 Mann Artillerie, 4087 Mann Ingenieur-Truppen. Nicht enthalten sind in diesen Zahlen die Heerteile Girard's , d. h. die Divisionen Lanusse und Dombrowski , und Mar
garon's, durch deren Zuzählung Bernhardi auf die Zahl von 440,000 Mann
Die französische Armee im Jahre 1813 .
141
Es war dies die Stärke der Feld-Armee beim Beginn der Feind
seligkeiten, auſserdem befanden sich noch gegen 90,000 Mann in den Lazaretten .
kommt, von denen 330,000 Mann Infanterie, 72,500 Reiter, 33,500 Mann Artillerie und
4000 Mann Ingenieur - Truppen, wobei die 3333 Mann, welche zur Armee -Verwaltung gehörten, ebenfalls nicht gerechnet sind. Wie wohl der General Pelet selbst versucht, den Wert seiner eigenen Zahlen
herabzusetzen, dieselben enthielten , sagt er , nur die Effectivstärke, nicht den Präsenzstand, es sei noch ein anderer Rapport vorhanden, in dem von 301,000 Mann Infanterie und 55,000 Reitern die Rede sei, aber selbst das sei zu viel, wahr scheinlich seien die Angaben Fain's und Vaudoncourt's richtig, daſs die Armee so gelingt ihm dies doch nicht, denn es steht nur 300,000 Mann gezählt habe ,
Napoleons eigenes Zeugnis sowie das seiner Marschälle St. Cyr und Marmont entgegen, daher denn auch selbst Thiers nicht unter 360,000 Mann heruntergeht. Zu obigen Zahlen müssen nun aber noch einige Verstärkungen gerechnet werden, die bei Beginn der Feindseligkeiten eintrafen, 1. die 3. württembergische Infanterie-Brigade mit 2446 Mann , 6 Geschützen. 2. 2 Schwadronen hessischer Chevaulegers mit 338 Mann, 3. Das 5. Kavallerie-Corps mit 3000 Mann, 6 Geschützen. Rechnet man diese, von Bernhardi zwar aufgeführten aber nicht mit eingerechneten
Truppen sowie das Personal der Armee - Verwaltung hinzu, so kommt man auf die von Marmont gegebene Zahl von 450,000 Mann .
Daſs die Pelet'schen Zahlen die Präsenzstärke und nicht den Effectivstand
geben, ist in neuster Zeit durch das Werk von C. Rousset bestätigt worden. Nach Rousset betrug die Stärke der französischen Armee ohne Lanusse und Margaron
425,000 Mann, mit beiden sowie den Truppen Augereau's und Milhaud's aber 460,000 Mann,
ungerechnet 90,000 Kranke. Diese Zahlen kommen also ungefähr auf dasselbe Ergebnis heraus.
Hier ist von den Bernhardi'schen Zahlen nur insofern abgewichen, als die erwähnten Verstärkungen mitberechnet, und als das 3. Kavallerie-Corps nur zu 6000 Mann berechnet, auſserdem bei der Abteilung des General Margaron auch noch 200 Mann Artillerie hinzugerechnet sind. Bei einer Stärke von 27 Schwa
dronen, 4 Batterien hätte das 3. Kavallerie - Corps ohne die Artillerie eine Stärke von 6200 Reitern haben müssen, man wird dasselbe Alles in Allem also kaum viel höher als 6000 Mann berechnen können ; in der Geschichte der Nord-Armee
ist als mittlere Zahl für dieses Corps eine Stärke von 7000 Mann angenommen , was entschieden auch noch zu hoch gegriffen ist.
Darin , daſs die Rapporte vom 6. August für die Berechnung der Stärken am 17. August zu Grunde gelegt sind, dürfte kaum eine wesentliche Fehlerquelle liegen, keinesfalls dürfte der Stand der Armee an letzterem Tage geringer gewesen sein
als an ersterem ; die auf Grund der Akten des französischen Kriegsministeriums in der Geschichte der Nord -Armee für das IV. und XIII. Corps gegebenen Zahlen für den 16. beziehungsweise 15. August, für das VII, Corps und 3. Kavallerie Corps sind in dem erwähnten Werke nur ungefähre Stärke -Angaben, für das XII. Corps die vom 1. August gegeben zeigen gegen die hier angeführten nur 10*
Die französische Armee im Jahre 1813.
142
Die Stärke der national-französischen Truppen, welche fast vier Fünftel der Infanterie und zwei Drittel der Kavallerie bildeten,
betrug 444 Bataillonen, 255 Schwadronen, 143 Batterien , der Rest 115 '/, Bataillone, 140 Schwadronen , 35 Batterien — bestand aus
den Gestellungen der Bundesgenossen. Von letzteren bestand mehr als die Hälfte, nämlich 64 '/, Bataillone, 74 Schwadronen, 16 '/, Batterie, aus Deutschen, während die andere Hälfte sich aus Italienern , Polen,
Dänen, Kroaten und Spaniern zusammensetzte. Aber auch anter den dem Namen nach französischen Truppen befanden sich auſser den früher erwähnten in den Verband der französischen Armee
aufgenommenen polnischen Reiter - Regimentern noch zahlreiche -
Deutsche, Niederländer und Italiener, umfaſste doch das unmittelbare
französische Gebiet einen groſsen Teil von Ober- und Mittel- Italien, ganz Holland, das linke Rheinufer und die deutsche Nordseeküste. so geringe Abweichungen, daſs dieselben einfach durch die Verschiedenheit des Datums der Rapporte zu erklären sind. In derselben Quelle findet sich noch ein Beweis dafür, daſs die bezüglichen Zahlen die Präsenzstärken geben und nicht
etwa die Sollstärken, wie u. a. auch der Verfasser von „ Napoleon als Feldherra annimmt, der die Präsenzstärke auf nur 350,000 Mann schätzt , denn es ist bei
den betreffenden Corps auſser derselben auch noch die Effektivstärke gegeben d. h, der Stand der Corps einschlieſslich der Kranken, Entsendeten u. 8. w. Was die Letzteren anbetrifft, so sind dieselben weder in einem älteren Werke noch
auch hier in Anrechnung gebracht, wiewohl sie nach Tausenden zählten, z. B. beim XIII. Corps 1500 Mann , und voraussichtlich später zum groſsen Teil zu ihren Truppen gestoſsen sind. Der Grund hierfür liegt in der Lückenhaftigkeit der vorhandenen Quellen. Es sei dies zum Beweise dafür angeführt, daſs die in Obigem gegebenen Zahlen für die Stärke der groſsen Armee nicht zu hoch ge griffen sind . Die Geschützzahlen sind im allgemeinen nach der von Rousset gegebenen
Zahl der Batterien berechnet, wobei zu bemerken ist, daſs die bayerischen, west fälischen und württembergischen Fuſs- Batterien sowie alle reitenden zu 6, die übrigen Batterien mit Ausnahme eines Teiles der polnischen sowie einer Anzahl
französischer Fuſs- Batterien beim III., V., VI. und XII. Corps, welche nachweislich - d. b. gefolgert aus der bekannten Geschützzahl der betreffenden Corps eben falls nur 6 Geschütze hatten , zu 8 Geschützen berechnet sind. In dieser letzteren
Ausnahme liegt schon , daſs die Angabe des Geschützstandes der Armee keine
vollständig genaue sein kann, sondern vielmehr als höchste Zahl gelten muſs. Für das I. , III., IV., V., VI., VII., VIII. und XII. Corps ist die Geschützzahl genau bekannt. Die Artillerie Girard's wird meist nur zu 18 Geschützen gerechnet, da
aber 7 Geschütze verloren gingen und 15 gerettet wurden, muſs sie 22 Geschütze gezählt haben. Im Ganzen rechnen Bernhardi und Pelet 1200, Fain 1250, Ode leben, Thiers und der Verfasser des „précis militaire“ 1300 Geschütze. In der
Geschichte der Nord - Armee ist die Artillerie des 3. Kavallerie-Corps wohl irrtüm licher Weise mit nur 9 Geschützen , die dänische Artillerie bei Davout dagegen zu hoch berechnet.
1
Die französische Armee im Jahre 1813 .
143
Hierzu kamen non noch zahlreiche in zweiter und dritter Linie befindliche Streitkräfte.
Es ist bereits früher gesagt worden , daſs die bayerische Regierung ein Corps von 25,000 Mann aufgestellt hatte , welches jetzt unter Wrede am Inn stand . Wenn dieses Corps nun auch thatsächlich im Oktober seine Rolle wechselte und in den Reihen
des Feindes erschien , so wurden augenblicklich immerhin doch durch dasselbe nicht unerhebliche feindliche Streitkräfte in Schach
gehalten.
Auch die westfälische Regierung verfügte, trotzdem sie ihre Truppen erheblich verstärkt batte, noch über ungefähr 10,000 Mann ,
welche indessen zu ihrem eigenen Schutze erforderlich und überdies so ungeübt und widerwillig waren , daſs der König Jerome sich mit
einer französischen Leibwache umgeben muſste. Teils ebenfalls zum Schutz der westfälischen Regierung , teils auch zur Verhütung von Einfällen feindlicher Parteigänger war bei
Minden ein Observations-Corps unter dem General Lemoine zu sammengezogen . Zusammengesetzt war diese Abteilung aus 7 Ba taillonen, *) welche eigentlich zu Regimentern des II. Corps gehörten , sowie aus 500 Pferden verschiedener Kavallerie - Regimenter und einer Batterie, im Ganzen vielleicht 5000 Mann, 8 Geschütze stark. Als der General Lemoine im September nach Magdeburg gezogen wurde , um dort die Division Lanusse zu ersetzen , rückte in seine
bisherige Stelle bei Minden der General Amey mit 3 Bataillonen Schweizer.
Zu all diesen Streitkräften kamen nun noch die Besatzungen einer groſsen Zahl von Festungen , welche sich in den Händen der
Franzosen befanden. Abgesehen von den 45,000 Mann der Garnisonen von Danzig und derjenigen Festungen , die Napoleon noch in Polen und an der Oder besaſs, welche immerhin zwar vorläufig noch einen Teil der feindlichen Streitkräfte fesselten, über die er indessen nicht
verfügen konnte , da die genannten Festungen auſserhalb seiner
Machtspbäre lagen , standen in den deutschen Festungen gegen 30,000 Mann – in Hamburg 12,000 Mann , Bremen 1500 Mann, Magdeburg 3250 Mann, **) Wittenberg 2318 Mann, Torgau 2000 Mann, Dresden 4500 Mann , Erfurt 1874 Mann und Würzburg 2500 Mann. Sodann hatte noch die Reiterei der groſsen Armee in Deutsch land drei dem General Bourcier unterstellte Depots, welche sich in *) Nach anderen Angaben 6 oder auch 8 Bataillone. **) Nach Abzug der Division Lanusse.
144
Die französische Armee im Jahre 1813.
Magdeburg, Hamburg und Frankfurt a / M . befanden und anfänglich zusammen 7800 Mann zählten , später aber stärker waren . Im
September wurden diese Depots nach Frankreich gezogen. Die Feld - Armee erbielt aus all diesen Truppen keinen unmittel baren Zuwachs ,, es waren aber auſserdem nicht unerhebliche Ver
stärkungen und Ersatzmannschaften vorhanden , welche derselben im Laufe des Feldzuges zuflieſsen sollten , darunter auch die einst 7
weilen noch fehlenden 4 Bataillone junger Garde und 8 Schwadronen Ehrengarde, welche erst im September beziehungsweise Oktober bei der Armee anlangten .
Den hauptsächlichsten Bestandteil dieser Verstärkungen bildete das zur Zeit noch in der Formation begriffene Observations-Corps
des Marschall Augereau, das spätere IX. Armee- Corps. Nach Abgabe von 4 Divisionen an den Marschall St. Cyr bestand dieses Corps nur noch aus 2 Divisionen , welche 23 Bataillone, 46 Geschütze zählen sollten . Hierzu sollte nun noch eine bayerische Division >
stoſsen , deren Gestellung indessen , wie erwähnt , unterblieb. Beim Ablauf des Waffenstillstandes war das Corps, welches sich mit Aus nahme des 113. Regiments, das ursprünglich zur Division Teste gehört hatte, aus lauter provisorischen Regimentern zusammensetzte, noch im Werden begriffen. Als das Corps später Anfang Oktober von Franken durch Thüringen nach Sachsen rückte , scheint es 23 Bataillone , 2 Batterien = 12,000 Mann , 16 Geschütze stark
gewesen zu sein . Zwei zur Verstärkung dieses Corps bestimmte, ausschlieſslich aus jungen Ausgehobenen gebildete Divisionen, welche in der Folge 20 Bataillone mit ungefähr 10,000 bis 12,000 Mann stark gewesen sein mögen , befanden sich zur Zeit erst in den aller
ersten Anfängen ihrer Organisation ; gegen Ende des Feldzuges gingen sie als Marsch-Bataillone zur Armee, bei der sie zum gröſsten Teil aufgelöst wurden.
Mit Augereau zusammen wurde seiner Zeit auch noch das zur Zeit im Marsch auf Würzburg befindliche Kavallerie - Corps des -
General Milhaud nach Sachsen gezogen .
Aus
17 Schwadronen
gebildet, von denen 16 denselben Regimentern wie diejenigen des
5. Kavallerie - Corps angehörten, sollte es mit diesem nach seiner Ankunft bei der Armee verschmolzen werden, daher es eigentlich nur eine Verstärkung für dasselbe war und demgemäſs auch die Nummer 5 bis führte. Diese unmittelbar aus Spanien kommenden 3000 alten Reiter bildeten nach ihrer Ankunft bei der Armee zweifellos den besten Bestandteil der französischen Kavallerie .
Auſser durch diese geschlossenen Verbände erhielt die Armee
Die französische Armee im Jahre 1813 .
145
in der Folge im Laufe des Feldzuges noch mannigfachen Zuwachs durch das Eintreffen von Ersatzmannschaften , welche als Marsch truppen formiert in gröſseren, meist aus allen Waffen bestehenden Abteilungen ihr nachrückten . Es war die Furcht vor den Partei gängern der Verbündeten , welche das Nachsenden kleinerer Ersatz Abteilungen ausschloſs und zur Bildung gröſserer Verbände zwang, deren Schutz die für die Armee erforderlichen Transporte anver
Bei der Armee angelangt, wurden diese Marsch truppen teilweise aufgelöst, teilweise aber auch wie z. B. diejenigen
trant wurden .
des General Lefol in ihren provisorischen Verbänden verwandt. Vielfach gelangten diese Marschtruppen übrigens garnicht zur Armee, sondern wurden als Besatzungen in die Etappenplätze gelegt.
Wie groſs die Gesamtstärke aller dieser der Armee zuflieſsenden
Verstärkungen gewesen sein mag, ist kaum festzustellen, nach einer Angabe bei Thiers, die gewiſs nicht zu hoch gegriffen sein dürfte, scheint dieselbe mindestens 50,000 Mann *) betragen zu haben .
Einschlieſslich der für die Feld -Armee in der Bildung begriffenen Verstärkungen, sowie der Kranken und Verwundeten und ein schlieſslich der Besatzungen und zwar auch derer der preuſsischen und polnischen Festungen, sowie endlich noch der bayerischen und westfälischen Truppen, über welche der Kaiser nur bedingt verfügte, betrug demnach die Gesamtstärke aller auf dem nordischen Kriegs
schauplatz vorhandenen napoleonischen Streitkräfte über 700,000 Mann .
Um das von Napoleons organisatorischen Maſsnahmen gegebene Bild zu vervollständigen , muſs in der Kürze noch der in Italien gebildeten Armee Erwähnung gethan werden .
Trotzdem während
des Waffenstillstandes nicht nur die nötigen Ersatzmannschaften namentlich für die bei Königswartha so übel zugerichtete italienische die 13. und Division , sondern auch noch 4 Reiter-Regimenter 14. Husaren, die italienischen Napoleon -Dragoner und die 2. italie nischen Jäger nach Deutschland gezogen worden waren , hatte Napoleon es dennoch möglich gemacht, auf dem italienischen Kriegs 60,000 Mann auf schauplatz 85 Bataillone, 26 Schwadronen **) *) Ohne 15,000 Mann Ersatztruppen, welche erst nach der Schlacht von Leipzig bei der Armee eintrafen beziehungsweise teilweise nach Kassel rückten. **) Franzosen 48 Bataillone, 10 Schwadronen, Fremden -Regimenter 3 Ba taillone, Italiener 24 Bataillone, 12 Schwadronen, Illyrier 4 Bataillone, Neapolitaner 6 Bataillone, 4 Schwadronen.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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zustellen , welche in 7 Divisionen * ) eingeteilt waren. Den Haupt bestandteil dieser von dem Vicekönig befehligten Armee bildeten die reorganisierten französischen und italienischen Truppen des ehe maligen IV. Armee- Corps der groſsen Armee von 1812. Hierzu waren dann noch mehrere provisorische Halbbrigaden, ferner einige neuformierte beziehungsweise ergänzte französische, italienische und illyrische Truppen , einige Bataillone der Fremden -Regimenter und
eine neapolitanische Abteilung gestoſsen. Napoleon hoffte, daſs das Gros der neapolitanischen Armee, noch über 25,000 Mann, die Streitkräfte des Vicekönigs verstärken würde, allein er sollte sich
hierbei ebenso verrechnen, wie bei den bayerischen Truppen des General Wrede.
Die auf dem spanischen Kriegsschauplatz stehenden Armeen hatten unter den fortwährenden Abgaben an die Neuformationen natürlich in einem hohen Grade leiden müssen , und dazu waren
dann noch die groſsen Verluste gekommen, welche sie namentlich in der Schlacht bei Vittoria erlitten hatten .
Dank dem Eifer des
Marschall Soult, der in Folge dieser Schlacht als Stellvertreter des Kaisers nach Spanien geschickt worden, war es aber gelungen, diese Verluste einigermaſsen zu ersetzen und die geschlagene Armee zu reorganisieren , und so zählten denn die jetzt von ihm und dem Marschall Suchet befehligten französischen Heere in Spanien zu sammen zur Zeit über 100,000 Mann .
Im Inneren des Reiches standen freilich nur noch schwache
Stämme und Depots, deren Stärke kaum einmal schätzungsweise angegeben werden kann . Zieht man die für die Ersatzmannschaften der groſsen Armee angegebenen und bereits verrechneten Zahlen ab, so dürften diese Stämme und Depots ohne dieselben im gegen
wärtigen Augenblick kaum mehr als 40 bis 60,000 Mann gezählt haben .
Hierzu kam nun noch eine Anzahl von Marine-Soldaten,
sowie sehr bald auch die bereits erwähnte, von dem Senat unter dem 24. August genehmigte Aushebung von 30,000 Mann aus den 3 Klassen von 1812, 1813 und 1814, welche eigentlich zur Füllung der Lücken bei der Armee in Spanien bestimmt war. Die Gesamtstärke aller von Napoleon und seinen Verbündeten
aufgestellten Streitkräfte wird demnach im August 1813 kaum weniger als 1,000,000 Soldaten
*) Auſser einer Reserve-Division die Divisionen mit den Nummern 46, 47, 48, 49, 50 und 56.
Die französische Armee im Jahre 1813.
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betragen haben. Es waren dies gewaltige Massen, und wenn ihre Güte nur einigermaſsen berechtigten Anforderungen entsprach, so
konnte ein Napoleon getrost mit ihnen den Kampf gegen das gesamte übrige Europa aufnehmen . Wenn man die Verbältnisse der groſsen Armee beim Wieder
Ausbruch der Feindseligkeiten kurz schildern will , so kann man sagen , daſs die im Frühjahrsfeldzuge erlittenen Verluste zwar in numerischer Beziehung, nicht aber in Bezug auf inneren Wert gedeckt
waren, daſs die Armee durch eine groſse Anzahl neuer Formationen von meist höchst zweifelhaftem Werte verstärkt war, und daſs ein Mangel an Kavallerie und Artillerie nicht mehr bestand. Bei der Infanterie hatten sich die Verbände mehr in einander
gelebt und die Ausbildung im groſsen Ganzen sich entschieden ge bessert. Ganz abgesehen von der alten Garde hatten namentlich die junge Garde und die Infanterie des VI. Corps bedeutende Fort
schritte gemacht, so daſs deren Bataillone sogar Bewegungen in Linie ausführen konnten. Daſs der letztere Umstand überhaupt überliefert ist, muſs für die damalige französische Infanterie als höchst bezeichnend angesehen werden. Sehr zurück war dagegen die Infanterie des II. und des XIV. Corps, von denen letztere eben erst aus Rekruten neugebildet war, während erstere in Folge der
langen Entsendung des Corps in jeder Beziehung von dem groſsen
Hauptquartier in einer Weise vernachlässigt worden war, daſs sie nach einem Bericht Victor's vom 5. August kaum zu irgend welchen Hoffnungen berechtigte. Bei den übrigen Corps sah es abgesehen von den zuletzt eingetroffenen Ersatzmannschaften im Allgemeinen besser aus, indessen erwarteten fast alle noch weiteren Ersatz. Die beiden Hauptübel der Armee und namentlich der Infanterie, die Schwäche der Stämme und die groſse Schwächlichkeit der jungen Soldaten , hatten natürlich nicht beseitigt werden können, sondern hatten vielmehr noch zugenommen . Bei der Unmöglichkeit, die erlittenen Verluste an Offizieren und Soldaten auch nur einiger
maſsen zu ersetzen , wurde doch so schon jeder aus Spanien kommende Soldat zum Unteroffizier befördert, und bei der ununterbrochenen Aufstellung neuer Formationen muſsten die denselben zugeteilten Stämme natürlich iminer spärlicher ausfallen . Und auch die Schwäch
lichkeit der Soldaten wurde immer allgemeiner, je mehr die Lücken mit Ausgehobenen von 1814 gefüllt wurden ; deutschen Augenzeugen schienen diese jungen Soldaten unter der Last ihrer Ausrüstung
erliegen zu müssen, und der Marschall St. Cyr, dessen Bataillone lediglich aus Angehörigen dieses Jahrganges gebildet waren, sagte
Die französische Armee im Jahre 1813.
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von ihnen : »ils étaient d'une faiblesse qui faisait peine à voir. < Für eine energische Kriegführung war die Infanterie fast noch weniger angethan, als sie es im Frühjahr gewesen. Die Kavallerie war zahlreich und der Stärke der Armee ent
sprechend .
Die Garde -Kavallerie mit Ausnahme der Ehrengarden
und die schweren Divisionen der beiden ersten Kavallerie-Corps waren leidlich , die leichte Kavallerie dagegen mit Ausnahme der polnischen Schwadronen so schlecht, daſs Napoleon mit ihr im höchsten
Grade
unzufrieden
war .
Durchweg die schlechtesten
Schwadronen befanden sich zweifellos bei dem 5. und demnächst
dem 3. Kavallerie -Corps, dieselben waren zur Aufklärung gar nicht verwendbar und bedurften stets des Schutzes ihrer Infanterie.
Was
insbesondere die deutsche Kavallerie anlangt, so vertrug sich die selbe mit der französischen sehr schlecht und war überdies unzu
verlässig, ganz besonders galt dies von den westfälischen Schwadronen , welche auſserdem noch eine auffallend groſse Zabl von gedrückten Pferden aufwiesen .
Die Artillerie war stark und im Allgemeinen auch gut ; der Nachteil der Verschiedenheit und der vielfach übermäſsigen Schwere des Materials batte natürlich nicht abgestellt werden können . Von den Bundesgenossen galten die Sachsen und die Polen als die zuverlässigsten, dagegen die Westfalen , Spanier, Kroaten und nächst ihnen die Italiener als die unzuverlässigsten .
Der Geist der Armee hatte sich im Allgemeinen nicht gebessert. Wenn sich die Soldaten auch während der Zeit der Ruhe etwas
mehr an die Disziplin gewöhnt hatten, so hatte es anderseits doch auch nicht an zersetzenden Einflüssen und Eindrücken gefehlt, und
so war dieselbe noch immer überaus mangelhaft, ihre Stichhaltigkeit daher im höchsten Grade zweifelhaft ; es kam hinzu, daſs diejenigen
unter ihnen, welche den Frühjahrsfeldzug mitgemacht, statt der erhofften und ihnen vorgespiegelten Genüsse nur Entbehrungen und Anstrengungen und zwar in einer Weise kennen gelernt hatten, daſs ihnen der Geschmack am Kriege vergangen war. Die Rück
wirkung auf den jungen Nachschub war natürlich nicht ausgeblieben. Mit Ausnahme eines Teils der Subaltern -Offiziere und vielleicht auch
der wenigen alten Soldaten wünschte in der Armee jeder — nament lich aber die höheren Offiziere
den Frieden .
Es zeigte sich jetzt, wie sehr Frankreich durch die vorau gegangene einundzwanzigjährige Kriegs-Periode ermattet war, so daſs selbst nicht einmal die Armee oder auch nur ihre Führer die
Energie Napoleons teilten, welcher ausschlieſslich mit der Herstellung
Die französische Armee im Jahre 1813.
149
der Grundlagen seiner Macht d . h. der Verstärkung seiner Streit mittel beschäftigt war . Auſser bei ihm , der als Usurpator einen glücklichen Krieg gebrauchte, war das Bedürfnis nach Frieden all gemein, und jedem sagte sein Gefühl, der Kaiser hätte den Frieden
haben können, es aber nicht gewollt oder bestenfalls den richtigen Augenblick verpaſst. Hierzu kam, daſs in Folge des Beitritts Österreichs zu den Verbündeten jeder bis zum letzten Trainsoldaten herab von dem Gedanken an die bevorstehende ungeheure Kriegs
arbeit überwältigt war, namentlich aber die Marschälle und Generale, welche sich des Gedankens nicht erwehren konnten , daſs sie es mit
einer erdrückenden Übermacht zu thun haben würden . »Ce qu'il y a de fâcheux dans la position des choses, « schreibt Napoleon am 22. August an Maret, »c'est le peu de confiance qu'ont les généraux en eux-mêmes. Les forces de l'ennemi leur paraissent considérables partout où je ne suis pas. « Dies muſste verhängnisvoll werden bei den zu selbstständigen Stellen berufenen Führern, welche mit der Zuversicht auf den guten Ausgang auch einen groſsen Teil der Aus
a
sichten auf Erfolg einbüſsten ; so machte denn nicht nur Macdonald
seine Unthätigkeit von 1812 nicht wieder gut, sondern auch selbst Ney, der Tapferste der Tapferen, und Oudinot, der noch bei Bautzen nene Lorbeeren zu seinen an der Beresina erworbenen hinzugefügt
hatte, ja selbst sogar der eiserne Davout, der bis dahin so recht eigentlich Napoleons Schlachtschwert gewesen, sie alle waren gegen früher wie verwandelt.
Napoleon hat sich in der Folge in dem
Memorial von St. Helena über seine Marschälle bitter beklagt. Er hätte sie mit Ehren und Reichtümern vollgestopft, so heiſst es dort,
sie aber hätten den Becher des Genusses getrunken und nach Ruhe verlangt; das heilige Feuer sei bei ihnen erloschen gewesen, sie wären lieber Marschälle Ludwigs XV. gewesen .
» La fatigue et le
découragement,« so fährt er wörtlich fort, » gagnaient le plus grand nombre ; mes lieutenants devenaient mous, gauches, maladroits, conséquemment malheureux . < Zu verwundern war dies freilich nicht, denn wenn die französischen Generale durchschnittlich vielleicht
auch 10 Jahre jünger sein mochten als diejenigen der Verbündeten , so hatten sie dafür 2 Jahrzehnte im Feldlager zugebracht, und
Nichts zehrt mehr am Lebensnervals fortwährender Krieg, wie denn ja auch die meisten von ihnen in verhältnismäſsig jungen Jahren starben .
Anderes kam hinzu. Durch Gunst und Umtriebe mannigfachster Art waren zahlreiche Personen untergeordneten Geistes bis in die höchsten Stellen hinaufgelangt, und vielfach hatten ihnen tüchtige
150
Die französische Armee im Jahre 1813.
Lente weichen müssen , weil sie nicht immer ihr Miſsfallen hatten
verbergen können , oder weil sie zu selbstständig gewesen. Überhaupt hatte Napoleon während seiner ganzen Laufbahn seine Generale
planmäſsig zur Unselbstständigkeit erzogen, so daſs selbst die hervor ragenderen unter ihnen wie Macdonald, Marmont, Ney und Oudinot zwar gute Unterführer, aber nur mittelmäſsige Feldherren waren ; die hervorragendsten unter ihnen befanden sich aber entweder wie Soult und Suchet in Spanien oder waren wie Massena und Davout
ganz oder teilweise in Ungnade gefallen, so daſs jener überhaupt nicht, dieser auch nur auf einem Nebenschauplatz Verwendung fand. Ein anderer Umstand, der sich im
höchsten Grade fühlbar
machen sollte, war endlich noch die schon erwähnte Indisziplin unter den höheren Führern. Wohl gehorchten alle diese stolzen Marschälle und Generale noch unbedingt ihrem Kaiser, der wie wenige es verstand, sich Gehorsam zu verschaffen, aber untereinander war von Subordination nicht die Rede, das hatte Ney in Spanien, Oudinot in Russland und ganz neuerdings auch Reynier bewiesen,
dessen kaum zu bezeichnendes Benehmen gegen Davout im März 1813 schon erwähnt wurde .
» Personne dans l'armée, « so schreibt
Marmont, > n'avait l'autorité nécessaire pour commander plusieurs
corps d'armée á la tête desquels étaient des maréchaux. Napoléon seul pouvait se servir de semblables éléments . « Dies alles waren Umstände, welche um so schwerer ins Gewicht fallen muſsten, je mehr die Gröſse des Heeres und die räumliche
Ausdehnung des Kriegsschauplatzes eine Teilung der Streitkräfte erforderten und es Napoleon unmöglich machten, überall zu sein. Es war ein prophetisches Wort, welches ihm Marmont am 15. August schrieb : > Je crains bien que le jour où Votre Majesté aura remporté
une victoire et cru gagner une bataille décisive, elle n'apprenne (Fortsetzung folgt.) qu'elle en a perdu deux. «
IX .
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. Mit besonderer Bezugnahme auf den Anteil der bayerischen Truppen bearbeitet von
J. v. Heilmann, Generallieutenant,
( Fortsetzung ) I.
Die Katastrophe in Tirol am 13. April 1809. Major Zoller war inzwischen genötigt worden, die Stellung an der Innbrücke zu verlassen .
Er warf sich in die oberhalb der
Innbrücke befindliche Innkaserne.
Als sich auch Major März an
die Triumphpforte zurückgezogen hatte , lieſs Oberst Ditfurth die dort entbehrlichen Truppen durch den Oberstlieutenant Spansky an die Hauptwache führen , wohin er selber mit einigen Dragonern vorauseilte. Als er dort anlangte, muſste er sich zu seinem Er
staunen überzeugen, daſs die dort zurückgelassenen Compagnien von dem Generallieutenant Kinkel inzwischen abteilungsweise nach
allen Richtungen ausgeschickt worden waren , um den gerüchtweise
in die Stadt eingedrungenen Aufständigen entgegenzutreten. Dit furth entsandte sofort Dragoner-Ordonnanzen, um diese Abteilungen aufzusuchen und wieder an die Hauptwache zurückzuführen. Das war nun nicht so leicht durchzuführen, da doch einzelne Schwärme der Anfständigen über die Innbrücke in die Stadt eingedrungen waren, *) was zu verschiedenen Einzel-Gefechten führte. Ungeduldig
*) Es war 84/2 Uhr Vormittags, als der Schwall der am linken Innufer stehenden Bauern sich über den Ursulinergraben und das goldene Dächel in die Stadt zu ergieſsen begann,
152
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
hierüber ritt Ditfurth selbst umher, um die herankommenden
Truppen zur gröſsten Eile anzuspornen. Als er bei dieser Gelegenheit auf einen Haufen Bauern stieſs, den er zum Auseinandergehen auf forderte, erhielt er einen Schuſs, der ihm den Knöchel des linken
Fuſses zerschmetterte. Bei der Hauptwache angelangt, muſste Dit furth aus dem Sattel gehoben werden .
Die Aufständigen hatten sich mittlerweile der Spitalkirche und der Spitalgebäude bemächtigt. Da hierdurch die Verbindung mit dem an der 'Triumphpforte stehenden Major März unterbrochen war, beschloſs Ditfurth die Aufständigen zunächst aus der Spitalkirche
zu vertreiben , hierauf den in der Inukaserne eingeschlossene Major Zoller zu entsetzen und dann mit diesem vereint die Aufständigen über den Inn zurückzuwerfen .
Da Ditfurth in Folge seiner mannigfachen Verwundungen weder marschieren noch reiten konnte, so lieſs er sich auf einer Tragbahre, welche von Dragonern , die ihre Pferde verloren hatten , getragen wurde, in die Nähe des Gefechtes bringen . Der Avantgarde, welche Lieutenant Martini führte und aus Freiwilligen bestand , waren
Zimmerleute des Regiments zugeteilt, um die Thore der Spitalkirche
aufzusprengen, dann folgte Oberstlieutenant Spansky mit einer Abteilung, welche in die Spitalkirche eindringen und dieselbe vom Feinde säubern sollte. Unerschrocken gingen die Zimmerleute, unter
einem heftigen feindlichen Feuer , an die Arbeit. Schon begannen die Thorflügel unter ihren Axtbieben zu wanken , als gleichzeitig Lieutenant Martini und Oberstlieutenant Spansky getötet wurden. Dem Oberst Ditfurth wurde die Kinnlade zerschmettert und ein
Teil seiner Träger getötet und verwundet. Ditfurth stürzte zur Erde.
Als dies die Aufständigen sahen, gerieten sie in unbändigen
Jubel und stürmten unter den Ruf:
Der Ditfurth ist hip !
Der
Ditfurth ist hin ! alleweil d’rauf! « mit wütendem Ungestüm auf die Truppen ein. Der Hingebung und Aufopferung mehrerer Unter
offiziere und Soldaten gelang es, den Oberst nach der Hauptwache zu schaffen , wohin alle Truppen zurückgingen. Auch Major Zoller aus der Innkaserne und Major März von der Triumphpforte fanden sich gleich falls dort ein , so daſs sich mit den Dragonern unter
Major Erbach , etwas mehr als 500 Mann dort befanden . Alles übrige war tot, verwundet und gefangen oder leistete in kleinen vereinzelten Abteilungen verzweiflungsvollen und rühmlichen Wider stand. Ditfurth hatte seinen Soldaten den ganzen Tag über mit einer solchen Todesverachtung und einem Heldenmut vorangeleuchtet,
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. daſs ein Tiroler hierbei in die Worte ausbricht : *)
153
> Der Haſs der
Tiroler ob der Fleimsergeschichte (wo Ditfurth die Widerspänstigen zu Paaren trieb) milderte sich beim Anblick solcher Tapfer keit , die so lange leben wird , als der Kampf der Tiroler selbst. «
Solcher Heldenmut fand Nachahmung.
Soldat Gang
hofer , **) der die Fahne aus der Hand eines Sterbenden genommen , sprang mit ihr in einen Ziehbrunnen, um dieses Kleinod nicht lebend dem Feinde überlassen zu müssen .
Die andere Fahne wurde nicht
aufgefunden , vermutlich hat auch ihr Träger sein Leben zum Opfer
gebracht und das ihm anvertraute Panier vernichtet. Die Tiroler rühmen sich zwei bayerische Fahnen erobert zu haben , was insoweit
richtig ist , als sie auſser der oben erwähnten Fahne, die sie unter dem zerschmetterten Leibe des braven Ganghofer hervorholten, auch die alte, nicht mehr im Dienstgebrauch befindliche, in der Wohnung des Oberst Ditfurth aufgefunden haben.*** ) Statt den schwachen Rest der zusammengedrängten Besatzung
vollends zu vernichten , durchzogen die Aufständigen jubelnd und jauchzend die Straſsen , feuerten ihre Stutzen in die Luft und trieben eine Menge thörichter Dinge. Es war 9 Uhr Vormittags , als die an der Hauptwache versammelten Majore Zoller , März und Erbach den Entschluſs faſsten , sich nach der eine Viertelstunde unterhalb
Inusbruck gelegene Muhlauer Brücke durchzuschlagen , daun auf dem linken Ufer des Inn nach Hall zu marschieren und hierauf vereint mit dem dort stehenden Oberstlieutenant Berenclau durch
das Achenthal nach Bayern zu entkommen . Als die drei Majore nach Muhlau aufbrachen, wurde Oberst Ditforth von der Haupt wache durch Seitengassen in das Stadtspital gebracht, wo sich seiner der Hospitalverwalter Cornelli in menschenfreundlichster Weise, ja mit Gefahr seines Lebens, annahm. Ehre dem trefflichen Mann ! Unangefochten erreichte die Kolonne die St. Lorettokapelle, wo sie unglücklicherweise Halt machte, um zu rasten , statt ohne Aufenthalt auf Hall zu marschieren.
Dieser Aufenthalt brachte ihr Verderben .
Übrigens hatte sich auch die Lage bei Hall und Volders verändert. Als am 11. der Aufruhr in Innsbruck ausbrach , wurde die in
Bürgerquartieren untergebrachte Compagnie in leere Kasernen zu sammengezogen . Die ausgeschickten Patrouillen merkten » nicht die *) Bei Weber , Andreas Hofer, 37. **) Stapp , die Emmerlingo, 3. Auflage, 45, 46. Der heldenmütige Gang hofer hatte vorher im 4. Regimente gedient. ***) Ditfurth , Aus dem Leben des bayerischen Obersten v. Ditfurth, 94, 95 .
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
154
geringste zweideutige Bewegung, gingen eben über den Inn auf den sogenannten Ellenbögen « , der Weg, der über Matrey und Sterzing nach dem Brenner führt ; ausgeschickte Patrouillen muſsten
Ambas wieder umkehren , weil der Weg und die Berge mit be waffneten Bauern besetzt waren.
Der Posten an der Innbrücke
wurde verstärkt und die Furthen Innsbrucks besetzt.
Der Posten
zu Volders wurde durch die bei Mils stehende Mannschaft ver
stärkt.
Die Verbindung mit Major Theobald war unterbrochen .
Vom Generalkonimando in Innsbruck traf der Befehl in Hall
ein : Eine Compagnie zum Abschicken immer in Bereitschaft zu halten und von zwei zu zwei Stunden Patrouillen nach Innsbruck zu schicken . Um Mitternacht wurde der Posten von Volders von den Bauern aufgehoben . Die Nacht über war der Weg von Hall
nach Innsbruck offen ; die am 12. April früh 4 Uhr abgeschickte Patrouille kam nicht mehr zurück.
Als sich überall bewaffnete
Banern blicken lieſsen , wurde die in Bereitschaft gehaltene Com
pagnie verteilt und alle Zugänge in die Stadt besetzt , um das Eindringen der Bauern zu verhindern und sie zurückzujagen. Der Hauptandrang geschah auf das Absamthor, von welchem Lieutenant
Besser » sie sehr gut zurückhielt « . Auf anderen Punkten gewannen die Bauern die Oberhand , fielen über die Bayern her und ent waffneten sie.
Der Posten an der Innbrücke war der letzte , den
die Bauern überfielen .
» So waren in Zeit von drei Stunden
die
Posten alle durch die ungeheure Menge rasender Menschen über wältigt , und meine schöne Hoffnung vereitelt , diese Stadt den Anfällen der Aufrührer, wie es mir zweimal einige Jahre früher zu Frankenstein in Schlesien gelungen , zu entreiſsen ; glückte mir die Beliauptung der Stadt nur noch einige Stunden , so wäre nebst meinem Kommando zugleich die sich nach Hall zurück gezogene Garnison von Innsbruck gerettet , und wabrscheinlich durch die Vereinigung ein Rückzug nach Kufstein mittelst durch schlagens möglich gewesen . « *) Major Erbach , der mit seinen Dragonern im » allzugroſsen Eifer « vorgegangen war, geriet in einen Hinterhalt und wurde gefangen. Beim Abliefern der Pferde drückte mancher Dragoner seinem treuen Roſs eine Kugel ins Ohr. Auch die Majore Zoller und März muſsten sich kriegsgefangen ergeben. *) Relation des 3. leichten Bataillons. Feldzug von 1809. Tiroler Insurrektion. I. Periode. Verloren ging : Bagagewagen mit Kasse und 1553 Fi , 28 Pf. In
halt ; die Offiziersbagagen ; der Schuh wagen mit 156 Paar Schuhen und 71 Paar Sohlen , der Medizinwagen mit chirurgischen Apparaten , Bandagen kasten ; Munitionswagen Alles mit ganzer Bespannung.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze,
155
Nur 2 Compagnien des 3. leichten Bataillons unter Major Theobald gelang es , zu entkommen .. Als Theobald am 11. be merkte , daſs es auf der Straſse bei Schwaz merklich lebhafter wurde, und besonders sich viel Landvolk anzusammeln begann, gab
er der halben Compagnie, welche sich bei ihm befand, Befehl, sich an der Innbrücke zu vereinigen. Kaum war dieses geschehen , als ihm mitgeteilt wurde , daſs in der Stadt Sturm geläutet werde. Theobald begab sich zu der Truppe , lieſs laden , ermahnte seine
Soldaten zu entschlossener Gegenwehr, jedoch keinen Schuſs vorher Theobald mochte eine Stunde in dieser Stellung zu gebracht haben, als er wahrnahm , daſs die Zahl der Bauern wachse. Die Sturmglocken tönten durch das Thal, Alarmfeuer brannten auf allen Bergen rund ein ganzes Volk stiefs unter gräſslichem Geschrei,
zu
thun .
Drohungen und Verwünschungen gegen uns aus. « von allen Seiten , es war die Nacht der Trübsale. schloſs den Abmarsch .
Schüsse fielen Theobald be
Er trat den Marsch nach Rothholz an ,
um sich mit der andern Hälfte der Compagnie zu vereinigen. Der Abmarsch
war für die Aufständigen das Zeichen zum Angriff ;
wiederholt prallten brüllende Haufen gegen die Truppen , die ruhige Haltung und der kalte Mut derselben benahm den Angreifenden das Herz, in die Abteilung einzudringen. Nur einige Leute, welche nicht fest aufgeschlossen waren und sich in der Dunkelheit verirrten , fielen nebst den Bagagewagen mit seiner Bedeckung, 1 Sergeant und 12 Mann, in feindliche Hände. Die Offiziere erlitten groſsen Schaden, so verlor Major Theobald seine 3 Pferde und in barem Gelde 1700 Gulden, welche er in seinem Koffer verwahrt hatte . Am
12. Morgens 1 Uhr Vereinigung in Roth holz mit der andern Compagnie und Marsch ins Achenthal.
Eine weitere Compagnie
des Bataillons, die in Rattenberg und Wörgl stand , erhielt von Theobald die Weisung, über Branden- und Steuberg sich eiligst nach dem Achenthal zu begeben. Die Brücke am Rothholz, Bixlegg und Rattenberg wurde abgeworfen. Lieutenant Engler, der mit 24 Mann , das Abwerfen der Brücke bei Rothholz zu besorgen hatte, und nicht schnell genug anschlieſsen konnte, wurde 7
in Jenbach von einigen Hundert Bauern überfallen und entwaffnet.
Abends 4 Uhr traf die Compagnie Syberg ein. Rührend war die Teilnahme, die uns die guten und patriotisch gesinnten Be wohner von Kreut , Gmünd und Tölz bewiesen . «
pagnie
e, , 15 15 Gefreite und Unteroffiziere vermiſste 44 Unteroffizier
Die Com Gemeine
und 2 Fourierschützen, die Majors- Compagnie Hiepgen in Wörgl 2 Offiziere, 3 Unteroffiziere, 1 Tambour, 63 Gefreite und Gemeine Jabrböcber für die Deutsche Armee and Marine. Bd. LXVIII., 2.
11
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
156
und 2 Fourierschützen .
Die Haltung der Truppe verdient rein
ausgezeichnetes Lob. « *)
Am 4. Mai 1809 traf Major Theobald mit 7 Offizieren und 279 Mann in Salzburg ein, wo ein Teil der Mannschaft mit öster reichischer Armator versehen und mit " grünen Röckeln «, die sich
dort vorfanden , gekleidet wurde. Diese beiden Compagnien wurden ergänzt und vermochten während des weiteren Feldzuges in Tirol an verschiedenen Orten tüchtige Dienste zu leisten . **) Unterdessen hatten kleinere bayerische Abteilungen den Kampf
in Innsbruck fortgesetzt. Namentlich leistete eine Truppe in der Innkaserne deu tapfersten Widerstand. Von Stockwerk zu Stock werk bis unter das Dach verteidigten sich diese Braven Schritt vor Schritt gegen die eingedrungenen Aufständigen und streckten erst dann die Gewehre, als die letzte Patrone verschossen war. Erst kurz vor 12 Uhr Mittags pach anderen schon um
10 Uhr Vormittags – war der Kampf mit vollständiger Niederlage der Besatzung Innsbrucks beendet.
Entkommen war auch
nicht
Einer, allein bei weitem die Mehrzahl hatte erst nach ruhmwürdigsten Widerstand den Untergang gefunden und nur ein Einziger war beim eigentlichen Kampf unbeteiligt geblieben : Generallieutenant v. Kinkel. Es wird erzählt, er habe sich nach jenem verunglückten Kapitulationsversuch in seine Wohnung zurückgezogen und sei dort im Hauskleide von den Aufständigen gefangen worden. Nur durch einen ehrlichen Soldatentod hätte Kinkel die Schmach Sühnen
können , die er über die braven Truppen gebracht hatte. Die Auftritte, welche sich nun in Innsbruck abspielten, über steigen alle Begriffe. Ein Augenzeuge***) sagt : »Ich würde zu keinem Ende kommen, wenn ich Ihnen die schauerlichen wütenden
Auftritte dieses Tages einzeln und umständlich beschreiben wollte.
In der ersten Wut dachte die siegende Horde nur ans Plündern und Beutemachen . Nachdem sich die erste Plünderungswuth gelegt, so dachten die Stürmer ans Essen und Trinken.
Was Anarchie
nach dem eigentlichen Sinn und Umfang des Wortes sagen will, kann nur der begreifen, der den Zustand und die Folgen derselben
mit eigenen Augen gesehen. « Wo sich ein österreichischer Doppel adler vorfand, wurde er hervorgezogen, mit grünen Reisern bekränzt, *) Major v. Theobald an Kronprinz Ludwig , Commandeur der 4. Div. Tölz, 14. April 1809. K.-A. Tiroler Insurrektion I. Periode. **) Ruith , Das königliche bayerische 12. Infanterie-Regiment Prinz Ar nulf, 31 .
***) Im Cod. germ . 5029 auf der Hof- und Staatsbibliothek in München ,
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
157
von Alt und Jung umtanzt und angebrüllt, während der bayerische Löwe an der Burg und anderen öffentlichen Gebäuden den Stutzen der Landesschützen als Scheibe dienen muſste. *) Hand in Hand mit
diesen lärmenden Äuſserungen der Freude ging das düstere Geschäft der Gefangennahme bayerischer Beamten , denen keine Art der Demütigung und des Hohnes erspart wurde, welche der Übermut siegreicher Rache über den ehemals zu harten , nun machtlos ge wordenen Unterdrücker zu verhängen vermochte.
Ein
Teil
der
zunächst beheimateten Aufständigen begab sich nach Hause , indes der übrige Teil in Innsbruck verblieb und dort ein tolles Leben führte bis er dem Schlafe in die Arme sank.
Da auf einmal gegen 3 Uhr Morgens heulten die Sturmglocken aufs neue von den Türmen der Stadt und den umliegenden Dorf
kirchen . Ein starkes Corps Bayern und Franzosen, so hieſs es, sei von Schönberg e im Anmarsche und seineVortruppen ständen bereits vor Wilten ! Es waren Bisson und Wreden , welche um die Mitternachtsstunde von Steinach aufgebrochen waren , und am
frühesten Morgen den 13. über Matrey und Schönberg südlich von Innsbruck eintrafen. Als der Nachtrupp am Berge Isel an kam , wurde er von allen Seiten beschossen. Um ihm Luft zu machen, ging ein Zug zur Vertreibung der Bauern in seinem Rücken
auf die Berge, was auch seinen Zweck erreichte. In Wilten , wo aus den Häusern auf die Kolonne gefeuert wurde , erfuhr Wreden nun erst die Gefangen nahme der Garnison Innsbruck und der
2 Compagnien des 3. leichten Bataillons Bernclau. Der Schützen major Straub in Hall war den 13. um 3 Uhr Morgens von Hall
aufgebrochen und hatte die Sillbrücke und die waldigen Anhöhen des rechten Sillufers besetzt. Die Triumphpforte wurde in Eile mittelst Barrikaden aus Wagen , Weinfässern, Dünger u . 8. w . ge sperrt. » So traf diese ungelehrte Insurrektionsmasse Anstalten , welche Tags vorher dem bayerischen Anführer wahrscheinlich die Schmach seiner Niederlage erspart hätte.***) Dieses französisch - bayerische Corps befand sich übrigens in einer verzweiflungsvollen Lage.***) Seit dem Morgen des 11 . *) Als die österreichischen Adler dem bayerischen Löwen wieder Platz machen muſsten , erschien in Österreich der Vers : Vergeblich suchet ihr die Adler auszumerzen , Solange sie noch steh'n auf Münzen und im Herzen . “
**) Geschichte der Kriege in Europa u s. w., 8, 177. 1
***) Der ganze Weg von Sterzing bis Innsbruck war für die marschierende Kolonne ein immerwährender Kampf, sie sah sich von alten Seiten bedroht, 11 *
158
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
ununterbrochen auf dem Marsche, ohne einen einzigen längeren Ruhehalt zu machen , ohne etwas anderes zu genieſsen, als die Reste aus ihrem Brotbeutel und das an der Straſse flieſsende Bachwasser,
hatte es in voller Rüstung mit Gepäck und Waffen , einen durch enge Schluchten und über steile Berge führenden Weg von zwanzig Stunden Länge im fortwährenden Gefecht zurücklegen müssen, und zwar in einem Rückzugsgefecht entmutigendster Art. So waren schon seine Kräfte erschöpft , sein Mut erschüttert, seine Ordnung gelockert , ehe es vor Innsbruck ankam und die niederschlagende Kunde erhielt , daſs auch die Hauptstadt des Landes schon in der Gewalt des Feindes sei. Wreden schickte seinen Adjutanten Mark reiter nach Innsbruck voraus , um seine Ankunft zu melden ; an
der Triumphpforte angelangt, wurde Markreiter *) vom Pferde geschossen und gefangen . Um Zug in die Sache zu bringen , schlag Wreden dem General Bisson vor » entweder auf freien Abzug zu kapitulieren oder sich nach Zirl durchzuschlagen .« General Bisson , welcher nicbt zu jenen Charakteren gehörte, denen un erwartet hereinbrechende Gefahr doppelte Spannkraft verleiht , ent schloſs sich für das erstere .
Nachdem Wilten von den Bauern
gereinigt und die Zugänge und der Kirchhof besetzt worden waren , rückte Oberstlieutenant Wreden mit einer starken Abteilung zur Beobachtung der verrammelten und besetzten Thore vor ; der Rest
der bayerischen Truppen mit 2 Compagnien Voltigeurs und 1 Zug Chasseurs nahm auf der Gallwiese Stellung . Das Feuer ent wickelte sich bald auf allen Seiten, so daſs sich die Abteilung beschossen, verfolgt, ohne etwas anderes als passive Tapferkeit entgegensetzen zu
können , worin denn auch die Bayern, nach allen Zeugnissen, sich als ausgezeichnete Truppen bewiesen haben. Richter , Zeitschrift des Alpenvereins, 6, 170, 171. Der Cod. germ. 5029 auf der Hof- und Staatsbibliothek in München sagt: „Sie können sich vorstellen, mit welchen Mühseligkeiten und Elend die retirierenden Truppen auf ihrem Marsche von Sterzing bis Innsbruck , und besonders über den rauhen steilen Brennerberg zu kämpfen haben muſsten . Da hatten sie eine abgetragene Brücke herzustellen, dort einen untergrabenen Weg auszufällen. Hier wurden von den Bauern halbe Berge herabgerollt, die Mann und Pferd, samt Kanonen zusammenschmetterten , dort muſsten sie wieder an einer Straſsen
krümmung einen ihnen von hinter Steinen und Bäumen versteckten Insurgenten zugefeuerten Kugelregen mit Sturm passieren. Nun können Sie sich denken , wie ermattet und mutlos diese Truppe nach Miltau kam .
Zudem hatte sie sich an
Munition beinahe ganz erschöpft.“ (S. 24 b und 25 a.) *) Geschichtliche Darstellung des Schicksals eines Kapitäns königlich bayer.
Truppen vom Tage seines Ausmarsches bis zur Gefangennehmung des Oberst lieutenant Wreden. München, 10. gbris 1809. K.-A. Feldzug von 1809. Tiroler Insurrektion ,
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
159
genötigt sah , mehr gegen die Mitte der Wiese , um dem Feuer im Rücken nicht zu sehr ausgesetzt zu sein , vorzurücken, und war sie auch wirklich , auſser einigen Kanonenschüssen von der Höttinger
Höhe her, nicht mehr soviel ausgesetzt.
Der Rest des 4. leichten
Bataillons schloſs sich an das 2. Bataillon an . höchstens noch 8 - 10 Patronen .
Der Mann hatte Wreden wurde nun nebst einem
französischen Major zum Parlamentieren nach Innsbruck abgeschickt, wobei ihm persönliche Sicherheit zugestanden worden war. > Am Thor sagt Oberstlieutenant Wreden – > begegnete uns der >>
österreichische Major Teimer. Dieser binderte es nicht, daſs wir gefangen und beraubt wurden .
Umringt von einem Haufen be
trunkener Bauern wurden beide zum Generallieutenant Kinkel ge
führt, in dessen Zimmer sich in kurzem über 50 bewaffnete Bauern Man drang auf eine Kapitulation , welcher
eingefunden hatten .
Wreden entschieden widersprach. Um ihn unschädlich zu machen, wurde er
von seinem Kollegen getrennt und nach Höttingen
geführt, wo er eine empörende Behandlung erfuhr. Um 8 '/4 Uhr Vormittags kam die Kapitulation zu Stande ; sie ist von Öster reichischer Seite von Martin Teimer k. k. Major und bevoll mächtigter Kommissär « , von französischer Seite von General Bisson u. a. und von bayerischer Seite vom Oberstlieutenant Donnersberg unterzeichnet. Donnersberg war , als das Parlamentieren begann, zu den äuſsersten Vorposten geritten um das Feuer einzustellen. Er wurde jedoch bei dieser Gelegenheit von einem herbeigeeilten Bauernhaufen vom Pferde gerissen; er wäre sicher erschlagen worden , wenn ihn nicht der Wirt von Höttingen in Schutz
genommen und in die Stadt gebracht hätte. Nach der Kapitulation streckten die Truppen bei dem Wolkenstein'schen Schloſs zu Miltau die Gewehre und ergaben sich kriegsgefangen. Es waren zusammen 3500 Mann, darunter etwa 1300 Bayern ; verloren batten die Bayern auf dem Marsche von Brixen bis Innsbruck 250 Mann an Toten und
Verwundeten . General Bisson , um die Schmach zu entschuldigen, log Napoleon vor, daſs von seinen Leuten 700 Mann ermordet worden seien eine offenbare Lüge , die Bisson vorbrachte, um
die Tiroler bei Napoleon herabzusetzen und sich selber zu ent
schuldigen.
Durch solche Übertreibungen auf beiden Seiten , von
denen selbst Völderndorff nicht ganz frei ist , wurde das ohnehin traurige Bild noch mehr verdüstert.
Teimer , welcher den richtigen Augenblick erfaſste und auseigener Machtvollkommenheit die Kapitulation abschloſs, war am 12. , nach der Gefangennahme der Besatzung in Innsbruck eingetroffen, muſste
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
160
aber, als er öffentlich auftreten wollte, der Wut der Bauern , welche
ihn mit dem Tode bedrohte, weichen, worauf er sich versteckte. Als Bisson verlangte, nur mit einer österreichischen Militär Autorität unterhandeln zu wollen, wurde Teimer aus seinem Versteck
hervorgeholt, in eine österreichische Offiziers - Uniform gesteckt, welche bei dem pensionierten Obersten Graf Speur entlehnt worden war – und nach Miltau geführt,, wo er die Kapitulation mit Bisson abschloſs.
Dieser Akt brachte Teimer ein seltenes Glück.
Durch Handbillet des Kaisers aus Neupolla vom 15. Mai 1803
wurde er zum Major in der Armee, zum Ritter des Maria - Theresia Ordens und zum Freiherrn von Miltau , mit der Anwartschaft auf
ein Lehengut, ernannt. *) Die Gefangenen wurden über Salzburg gleichsam »zur Schau durch Österreich nach Szegedin « geführt, wo sie eine schwere Ge fangenschaft durchmachen muſsten . Allen liberalen Grundsätzen eines gebildeten Staates zum Hohn war das Verfahren der öster
reichischen Regierung mit den gefangenen Offizieren . Zwanzig bis dreiſsig Offiziere muſsten zusammen in einer Stube wohnen, in welcher immer für zwei Mann ein schlechter Strohsack am Boden lag. Man benahm ihnen die Freiheit, und nur, wenn wegen ver
pesteter Luft Krankheiten einzureiſsen begannen, gestattete man ihnen, zu gewissen Stunden auf dem Walle, der jedoch jedesmal mit Schildwachen umzingelt wurde , frische Luft einzuatmen . Ebenso übel war es mit dem Unterhalt bestellt ** ) u . s. f. Bald richtete das
Sumpffieber gräſsliche Verheerungen unter ihnen an , so daſs, als der Krieg zu Ende ging, nur noch wenige in die Heimat zurückkehrten . Und auch von diesen glich die Mehrzahl wandelnden Gespenstern und trug den Keim des frühen Todes in sich. ***) Von den Ge fangenen, welche überhaupt im Jahre 1809 von den Österreichern
gemacht wurden, gelangten wegen » übler Behandlung in Ungarn « kaum der dritte Teil zu seinen Regimentern. t) Am 15. April hielt Feldmarschall- Lieutenant Chasteler mit
einem Teil seiner Truppen seinen Einzug in Innsbruck, nachdem
schon früher eine Abteilung unter Major Seppenburg über den Brenner gegangen war.
Der gröſsere Teil von Chasteler's Truppen
* ) Staffler, Tirol und Vorarlberg, II, 2, 575, **) Oberstlieutenant v. Geldern's Bericht aus Salzburg, 6. November 1809. K.-A. Tiroler Insurrektion .
***) Ditfurth, 107, 108.
+) Übersicht der Verhältnisse der königlich bayerischen Armee im Jahre 1809. Feldzug von 1809. K.-A.
E
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2
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. blieb auf den Schabser Höhen und bei Brixen stehen.
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Am 15. traf
auch die Taxis'sche Abteilung in Innsbruck ein , nachdem sie Tags zuvor, aus dem Zillerthal kommend, in Schwaz angelangt war .
Chasteler lieſs sich von der begeistert gestimmten Volks
menge als Sieger begrüſsen, obwohl die Bauern das ganze Werk allein vollbracht und die regulären Truppen in diesen Tagen that sächlich keinen Kampf bestanden hatten. Die Österreicher machten demungeachtet den Tirolern ihre Unkenntnis der Taktik zum Vorwurf. Ein poetischer Scharfschütze verteidigte dagegen seine Landsleute durch folgendes Epigramm : » Dem, der von Taktik nichts versteht, Durch Zufall nur der Sieg entsteht,
So schulgerechte Krieger sagen Und zu uns Armen Mitleid tragen ; Doch besser ist's durch Zufall siegen , Als Taktik lehrend Schläge kriegen. « Die Bayern verloren durch die mörderischen Gefechte vom 10.
bis 13. April an Toten und Verwundeten : 1 Oberst, 12 Stabs- und Oberoffiziere und beinahe 500 Mann ; 1 General, 8 Stabs- und 52 Oberoffiziere, 3350 Mann , 220 Pferde mit 6 Geschützen und 2 Fahnen fielen von ihnen, etwa 1800 Mann von der französischen
Armee in Gefangenschaft; nicht ganz 306 Mann entzogen sich unter Major Theobald diesem harten Lose durch den Rückzug auf bayerisches Gebiet. Oberst v. Ditfurth war am 19. April gestorben . Chasteler hatte den sterbenden Helden besucht und hierbei die
Bemerkung gemacht : > Wie man wohl bayerischerseits habe an nehmen können, mit so geringer Macht Tirol behaupten zu wollen. « Da richtete sich Ditfurth , alle seine Kräfte zusammennehmend , hoch auf und entgegnete: » Hätten Alle gethan wie ich , dann wären Sie nicht hier. «
Darauf sank er zurück und schloſs
erschöpft die Augen : Chasteler durch die stolzen Worte Ditfurth's nicht im mindesten verletzt, entfernte sich mit den Worten : » Welch
ein Mann . 0, wie schade um ihv . « *) Der Armeebefehl vom 3. September 1809 widmet dem Oberst v. Ditfurth folgenden Nachruf: » Der Oberst uod Commandeur des
11. Infauterie-Regiments Kinkel, Karl v. Ditfurth , ist am 19. April in Innsbruck an den Folgen der am 12. dieses Monats in einer tapferen Verteidigung gegen den Volksaufstand erhaltenen Wunden gestorben .
Dieser würdige Stabsoffizier focht unter den
* ) Ditfurth, 111,
un
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
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günstigsten Verhältnissen mit Geistesgegen wart und einer uner
schütterlichen Standhaftigkeit. Umrungen von den Horden der Rebellen, obne wahrscheinliche Aussicht auf einen glücklichen Erfolg, blieb ein glühender Eifer für die Gerechtsame seines Königs und die Ehre der bayerischen Waffen die unabänderliche Richtschnur
seiner Handlungen. Nur nach einer Reihe mutvoller Anstrengungen, durch mehrere Wunden entkräftet, unterlag er, eines besseren
Schicksals würdig, einem bösen Verhängnis .« Die Thaten Dit . furth's in Innsbruck und des Hauptmanns Fahrbeck des 13. In fanterie -Regiments in Danzig sind die schönsten, welche die neuere bayerische Kriegsgeschichte kennt. Nirgends gelangt die eigene Persönlichkeit zu solch mächtigem Ausdruck. Dies war der Verlauf einer Revolution, welche seit Monaten der
Mitwissenschaft eines ganzen Volkes anvertraut, mit keinem Worte verraten wurde und in der beispiellos kurzen Zeit von nur vier Tagen, ohne Beihülfe einer bewaffneten Macht,, ein ganzes Land von fremder
Abhängigkeit befreite, genau nach dem Plane , welcher hundert Stunden entfernt, von einem Hofrate, einem Kanzelisten und zwei Landwirten entworfen worden war . Die Wirkung, welche die Nachricht von dieser verhängnisvollen Katastrophe auf Deutschland, auf ganz Europa übte, war eine ungeheuere. Als sie Napoleon mit geteilt wurde, wollte er anfangs nicht daran glauben; dann aber stampfte er wütend mit dem Fuſse und stieſs eine Flut von Ver wünschungen über Chasteler aus.
Im südlichen Bayern begriff man
augenblicklich, welchen Gefahren direkten Angriffes man von nun an ausgesetzt sein werde, und die Bildung von Freicorps, zum Schutze der Grenzbezirke während der Abwesenheit des Heeres,
machte sich geltend . Längere Zeit blieb auch die Hut des Königs und seiner Residenzstadt der Tapferkeit seiner bürgerlichen Unter thanen überlassen, welche hierbei mit nicht geringerem Eifer ihre patriotischen Pflichten erfüllten , als die Söhne der Tiroler Berge den ihrigen gegen ihr altes geliebtes Kaiserbaus nachgekommen waren .
Nur die unansehnliche, von den benachbarten Höhen eingesehene Veste Kufstein , deren Verteidigung seit 1806 ein tapferer Soldat, Major D’Aicher *) leitete, war in bayerischen Händen geblieben. *) So unterzeichnete sich der wackere Mann , der es noch bis zum General
major brachte. Er starb im Jahre 1831 zu München in Pension im Alter von 78 Jahren. Er war im Jahre 1815 auch Kommandant von Eichstädt und 1817
Kommandant von Rosenberg gewesen. 1795 hatte er sich das Militär- Ehren zeichen erworben, für welches er im Jahre 1806 das Ritterkreuz den Militär Max - Joseforden erhielt.
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im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
Sie besaſs 64 Geschütze, war auf drei Monate verproviantiert und hatte einschlüssig der Artillerie eine Besatzung von 576 Mann .
Sie war
seit dem 13. April 1809 durch Oberstlieutenant Reissenfeld mit 3 Com pagnien vom Regiment Devaux, 4 bayerischen Geschützen und dem Aufgebot der Landgerichte Kufstein , Kitzbuhel und Ratten
berg eingeschlossen . An demselben Tage fand sich der französische
aide de camp und Kammerherr Napoleons St. Germain auf der Veste ein .
Major D'Aicher verlangte sofort von ihm zu wissen ,
in welcher Eigenschaft und mit welchen Aufträgen er sich nach Kufstein begeben ? St. Germain erklärte darauf: > Daſs er beauftragt sei , die feindlichen Positionen aufzunehmen , Tirol zu
bereisen, um die Gesinnungen der Bewohner zu erforschen und da sich
nun
schon die Rebellen
vor der Festung zeigten , 80
bleibe er hier, um Zeuge der Verteidigung zu sein ; keineswegs aber in der Eigenschaft als Kommandant; er ersuche daher diesen auf das freundschaftlichste, in seinem Geschäfte fortzufahren . «
Sein
kaiserliches Kreditiv bestätigte Alles, was er hier gesagt hatte. Am 21. Mai verlieſs St. Germain die Veste, nachdem er zuvor dem
Kommandanten und der ganzen Garnison über ihr höchst tapferes und musterhaftes Benehmen die schönsten Lobsprüche erteilt hatte. Nach dem von Hormeyr entworfenen Plan hätte die Veste durch
Überfall genommen werden sollen , was an dem mangelhaften Zu sammenwirken der österreichischen Befehlshaber scheiterte.
Feld
marschall- Lieutenant Jellacic , zur Mitwirkung aufgefordert, weigerte sich Befehle von dem jüngeren Chasteler anzunehmen. Als endlich Oberstlieutenant Reissenfeld vor der Veste erschien , war ihre
Wegnahme durch einen Handstreich zu einer Unmöglichkeit geworden . Zur Übergabe aufgefordert, erwiderte D'Aicher : » Daſs er mit Bauern nur mit dem Degen und Kanone, aber nie mit der Feder correspondieren werde. « Und so geschah es auch. Nachdem die
Brücke zwischen Stadt und Veste zerstört und einige Geschütze auf eine der Höhen des, Kaiserberges gebracht waren , war die völlige Einschlieſsung bewerkstelligt und der Besatzung die Verbindung mit der Stadt abgeschnitten. Am 25. April begann zwar die Beschieſsung der Veste, jedoch mit sehr geringem, ja lächerlichem Erfolg. Bei dem Mangel an Belagerungsgeschütz war keine Hoffnung vorhanden ,
dieselbe durch Waffengewalt zu bezwingen . Am 26. April sprengten die Belagerten ein österreichisches Pulvermagazin in die Luft, wobei einige Mannschaft umkam. Am 4. Mai machte die Besatzung einen kühnen wud erfolgreichen Ausfall, wobei die Hoch wacht erstürmt
und dort mehrere österreichisehe Geschütze unbrauchbar gemacht
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Der Feldzug von 1809 in Tirol,
wurden. Schlieſslich muſste ein groſser Teil der Einschlieſsungs truppen gegen Ebs, Windhausen und Wildbüchel abziehen, um dort das Eindringen der Bayern (Brigade Minucci von der 3. Division) zu verhindern, was auch vollkommen gelang. Nachdem Chasteler am 20. April das Kommando von Nordtirol dem Generalmajor Buol übertragen hatte, verliels er mit 2 Bataillonen Lusignan und einer Abteilung Kavallerie Innsbruck um zur Er oberung Wälschtirols abzugehen. Chasteler hatte die Zeit vom 15. bis 20. April zur Civilorganisation und zur Ordnung der Landes
verteidigung benutzt. Die wichtigsten Punkte des Innthales wurden Oberstlieutenant Taxis wurde mit 6 Compagnien und
besetzt.
'/ Schwadron Chevaulegers nach der Schweiz entsandt – wobin
am 29. April eine neugebildete Studenten-Compaguie, über 200 Mann stark, unter Hauptmann Mersy folgte. Zur Unterstützung des Oberstlieutenant Taxis - welcher Befehl erhielt Excursionen nach
Bayern zu machen , um Neuigkeiten von der Armee in Deutschland
zu erhalten – wurden die Landesverteidiger der Gerichte Hörten berg und Petersberg entboten. Nach Reute kam eine Abteilung Jäger und Hohenzollern- Chevaulegers, nach dem Arlberg eine kleine Abteilung Jäger und Landesverteidiger unter Temier. Alle diese Abteilungen, sowie Oberstlieutenant Reissenfeld bei Kufstein
wurden angewiesen , Streifzüge vach Bayern zu machen . In Innsbruck verblieben 2 Bataillone Lusignan und 2 Schwadronen Chevaulegers.
Es gebrach an Munition und Gewehren. Das Landsturmpatent vom Jahre 1803 wurde in Kraft gesetzt und zur Bildung einer Land wehr nach dem Beispiele der übrigen Provinzen aufgefordert. Nebenbei lief die Organisation der Landesverteidigung und die Be setzung der Grenzen . *)
Nachdem der Siegesrausch etwas verraucht war, unternahmen Oberstlieutenant Taxis und Major Teimer Streifzüge aus Tirol in der Richtung gegen Landsberg , München , Schongau and Augsburg , auf welchen Kriegskontributionen erhoben , Lebensmittel und Munition erbeutet, nach Tirol geschafft und geheime Einver ständuisse in Schwaben (Mergentheim, Kempten und a. O.) angeknüpft wurden, denen man die nachmalige Befreiung mehrerer tausend Kriegsgefangene zu danken hatte. Garmisch und Partenkirchen muſsten jedes 10,000 Gulden , 12 Ochsen, 500 Centner Heu u. s. w. abliefern. Die Vorarlberger boten nun auch , von dem einbringlichen
Raubsystem ihrer östlichen Nachbarn angesteckt, diesen die Hände *) Egger , Geschichte von Tirol, 3, 566—569.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
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zum brüderlichen Bunde. Sehr zu statten kamen ihnen hierbei, daſs die ganze Strecke vom Bodensee bis zum Inn ohne jeglichen mili tärischen Schutz war. Um diesen räuberischen Einfällen zu begegnen , wurde in Eile aus den Depots, aus Förstern und ausgedienten Soldaten Abteilungen gebildet, welche unter Führung von Offizieren und Civilbeamten manchem Bauernhaufen die Lust zum Rauben und
Zerstören gründlich benahmen.
Dann sammelten sich badische,
württembergische, französische und bayerische Truppen
1 kom
biniertes Bataillon unter Major Pillement – zwischen Lindau und Kempten . Letzteres, sowie Landsberg und Schongau wurden besetzt und mobile Kolonnen aufgestellt. Der französische Divisions general Beaumont übernahm die Leitung dieser Verteidigungs anstalten im südwestlichen Deutschland, mit dem Sitz in Augsburg. Demungeachtet kehrte Major Teimer erst nach dem 11. Mai, also nachdem Generallieutenant Wrede bereits gegen den Posten Strub vorrückte, nach Tirol zurück, nachdem er die Städte Kempten ,
Günzburg und Memmingen überfallen und gebrandschatzt, sowie die königlichen Kassen geraubt hatte. Bei gröſserer Kühnheit Teimer's wäre Augsburg , welches ganz von Soldaten entblöſst war, mit der Königlichen Familie in seine Hände gefallen. In Altbayern wurde zum Schutze der Südgrenze, in der zweiten Hälfte April, der Oberstlieutenant Graf Seyssel d'Aix , welcher die Reserve des 2. Chevaulegers-Regimentes befehligte und in München stand, nach Miesbach entsandt, um den dortigen Land sturm zur Verteidigung der Grenze gegen Tirol zu organisieren. Er fand sowohl die Behörden wie die Gebirgsbewohner vom besten Geiste beseelt.
Auf seinen Aufruf stellte sich hinreichende, meist
ausgediente Mannschaft; allein es fehlte durchaus an Führern. Seyssel liels daher diejenigen, die früher als Unteroffiziere gedient
hatten, vortreten, welche er dann, wie die Mannschaft compagnie weise abteilte und deren ältesten er zu Kommandanten bestimmte.
Er besetzte dann die Grenze, indem er längs derselben eine Posten
linie aufstellte, und führte einen ganz geregelten Felddienst ein. Am 29. April hatte das Generalkommando München folgende Avisoposten zum Schutze Münchens gegen Tirol und Salzburg ausgestellt.
1. Pfaffenhofen , Inning und Landsberg 1 Lieutenant, 2 Unteroffiziere, 21 Pferde,
2. Forstenried , Starnberg und Weilheim
1 Lieutenant,
2 Unteroffiziere, 21 Pferde, 3. Schäftlarn , Wolfrathshausen und Tölz 1 Lientenant, 2 Unteroffiziere, 21 Pferde,
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
166
4. Sauerlach , Holzkirchen u . Tegernsee 1 Wachtm., 21 Pf. 5. Höhenkirchen ; Feldkirchen und Aibling 1 Lieutenant, 2 Unteroffiziere, 24 Pferde.
Von Murnau aus versetzten die Tiroler die umliegende Gegend
in Kontribution und erlaubten sich Ausschreitungen aller Art. Schongau wurde von ihnen am 2. Mai besetzt. Am 3. Mai fiel eine bayerische Patrouille, 3 Chevaulegers und 8 Mayn Infanterie, in einen feindlichen Hinterhalt und wurde aufgehoben ; die Feinde zogen sich hierauf nach Starnberg. Der A visoposten Weilheim
wurde nach Starnberg zurückgenommen , worauf Weilheim vor übergehend von den Tirolern besetzt wurde. Der Avisoposten Tölz , Oberlieutenant v. Hagen vom 3. (nun 5. ) Chevaulegers-Regiment überfiel eine Tiroler Raubhorde, die über Kahl und Benedikt beuern eingefallen war, jagte ihr 8 Stücke Rindvieh ab und nahm
ihren Nachtrupp, bestehend aus 11 Mann, gefangen. Der Aviso posten Tegernsee wurde nach Miesbach verlegt. Im Mai kam erst das rechte Leben in die Landesverteidigungs anstalten. Am 7. und 8. Mai wurde, wie im Jahre 1805, die Auf stellung eines Gebirgsschützen- und eines freiwilligen Jäger -Corps zu Fuſs und zu Pferde angeordnet; letzteres befehligte der Forst Inspektor von München Graf v. Oberndorf als Oberst en chefs .
Das Gebirgsschützen-Corps bestand aus drei Abteilungen, deren jede von dem einschlägigen Forst- Inspektor geführt wurde. Die erste Abteilung bestand aus den Einwohnern der Gerichte Reichen
hall , Traunstein und Trostberg unter Leitung der Forst Inspektion Traunstein ; die zweite Abteilung aus den Bewohnern der Gerichte Rosenheim , Miesbach , Tölz und Wolfraths hausen unter der Leitung des Forst - Inspektors in Rosenheim ; die
dritte aus den Gerichten Werdenfeld , Wielheim und Schongau ,
unter der Leitung der Forst - Inspektion Garmisch. Die erste Ab teilung stellte 500 Schützen , die zweite und dritte Abteilung je
1000 Mann zum beständigen Dienst ; hierzu kam noch das Doppelte als Reserve, so daſs das ganze Corps zu 7000 Mann angeschlagen worden ist. * )
Das freiwillige Jäger -Corps bildete sich aus frei
*) Übersicht , wie die Gebirgsschützen - Compagnien aus
den
Landgerichts -Sammelplätzen in die erste Verteidigungslinie und von da nach Umständen weiter vorzurücken haben :
Landgericht Compagnien Erste Verteidigungslinie Schongau Murnau
1 2 1 2 3
Steingaden , Saulgrub,
Rechter
Murnau,
Flügel
Murnau,
Murnau ,
im salzburgischen nnd an der bayerischen Südgrenze.
167
willigen Jägern und Forstleuten ; diejenigen, welche zu Pferde dienen wollten und ein brauchbares Pferd mitbrachten, bildeten eine
Abteilung reitender Feldjäger. Die Bewaffnung der Gebirgsschützen bestand aus Stutzen, welche sie selbst mitbringen muſsten, jene der freiwilligen Jäger in einem Stutzen oder in einer kurzen Flinte mit gezogenem Rohr. Den Befehl über das ganze Corps übertrug der König dem Obersten Max Grafen v. Arco , welchem gestattet wurde, die Uniform des General-Adjutanten zu tragen. Als Generalstabs Offizier wurde demselben der Hauptmann Baur , Lehrer der Kriegs wissenschaften am k. Kadetten -Corps beigegeben. Von ihm stammt jenes klassische Buch , welches den Titel führt: » Der Krieg in Tirol während des Feldzuges von 1809 mit besonderer Hinsicht auf das
Corps des Obersten Graf v. Arco. « München 1812. Aus Depot-Compagnien wurde ein Bataillon unter dem Kommando des Platzmajor von München Hamel gebildet und gemeinschaftlich mit den Gebirgsschützen unter die Befehle des Obersten Arco ge stellt.
» Man versprach sich von dieser Mischung der mit dem
Lokale bekannten Schützen und den an Ordnung und genauen Dienst gewöhnten Soldaten, sehr viel. « Es zeigte sich aber gar
bald , daſs man sich hierin vollständig getäuscht hatte.
Diese
Mischung führte zu Streitigkeiten und Zänkereien ; der Landkapitulant wollte sich von Forstleuten als Offizier nicht befehlen lassen , und
diesen standen zu wenig Mittel zu Gebote, unbedingten Gehorsam zu erzwingen. Je weiter sich der Gebirgsschütze von seiner Heimat entfernte, desto mehr gab es Ausreiſser. Die Mischung der bürger lichen Autoritäten und der Militärgewalt wollte durchaus nicht gedeihen .
Nur allein in den Gebirgsgegenden selbst, wie in Tölz
und Miesbach , besiegte die Vaterlandsliebe alle Schwierigkeiten . Bis auf den letzten Augenblick, selbst in den gefahrvollsten Zeiten , Landgericht Compagnien Erste Verteidigungslinie Garmisch
1
Mittenwald ,
Tölz
1 2 1
Kochel, Länggries, Tegernsee,
2
Schliersee, Fischbach , Auerdorf,
Miesbach
Rosenheim
1 2 1
Neubeuern,
Traunstein
2
Marquardstein,
Reichenhall
Aschau,
Reichenhall ,
Linker
Flügel.
Der Feldzug von 1809 in Tirol u. s. w.
168
konnte man sich auf diese kühnen Bergbewohner beinahe mehr als auf den Linien-Soldaten verlassen . * )
Am 14. Mai 1809 übernahm Oberst Arco in Tölz das Kommando
von dem für den ersten Augenblick mit 1 : 0 Mano Infanterie und 60 Pferden nach dieser Gegend entsendeten Oberstlieutenant Grafen
Seyssel. Tags darauf trafen das Linien - Bataillon zu 400 Mann, 100 Pferde und gegen 250 Schützen , erstere beide aus München , letztere aus Tölz und Miesbach in Benediktbeuern ein .
Ferner
waren von den drei Abteilungen des Gebirgsschützen -Corps beisammen 1100 Mann, so daſs im Ganzen vorhanden waren : 1350 Schützen, 500 Mann Infanterie uud 140 Mann Kavallerie .
Oberstlieutenant Seyssel rückte wieder bei der Reserve des 2. (nun 4.) Chevaulegers -Regiments in München ein . Eine wesentliche Vermehrung aber erhielt
die
Landes
verteidigung durch die Errichtung von 12 Reserve- Bataillone, von denen
6
an
8.
Mai
und
errichten angeordnet wurde.
weitere
6
am
25. Juni
1809
za
Wer die schöne Haltung dieser Ba
taillone, ihre musterhafte Kleidung und Bewaffnung im Oktober des nämlichen Jahres, zu welcher Zeit dieselben bereits in Tirol oder an den Grenzen desselben sehr gute Dienste leisteten , sah - wer bedenkt,
daſs die Schöpfung dieser 12,000 Mann, ihre Bildung zu Soldaten, das Werk von nicht vollen fünf Monaten war, der muſs wirklich
erstaunen über die Hälfsmittel, welche die Nationalkraft eines ener
gischen Volkes darbietet, und über die Art, mit welcher dieselben von der Regierung benutzt wurden . **) *) Baur , 18, 43, 44, **) Baur , 51 .
( Wird fortgesetzt.)
X.
Zur Frage des kleinen Kalibers
bei Infanterie -Gewehren .*) Als Frankreich für seine Infanterie ein neues Gewehr unter
dem Namen Infanterie -Gewehr M/86 einführte und die französische
Tageslitteratur von den ballistischen Fähigkeiten dieses Kleinkaliber Gewehres so Vorzügliches rühmte, erregte das in Deutschland kein geringes Aufsehen, und in weitesten Kreisen begann man sich mit der Kaliber -Frage zu beschäftigen und die Frage zu stellen : Warum nimmt nicht auch Deutschland, wie dies unser Erbfeind und Nachbar
im Westen bereits gethan , für seine Infanterie ein neues Gewehr kleinen Kalibers an ? — Wir finden dies Interesse sehr begreiflich,
da naturgemäſs die Gewehrfrage für die militärische Welt und somit auch für das ganze deutsche Volk , von höchster Wichtigkeit ist. Wir glauben deshalb mit Fug und Recht behaupten zu dürfen, daſs »die Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren « ein all
gemeines Interesse hat, und wollen in Nachstehendem die allmählige
Entwickelung des kleinen, oder besser kleinsten, Kalibers klarzulegen versuchen. Es ist jedoch nicht unsere Absicht hierbei die ganze Geschichte der Handfeuerwaffen vor Augen zu führen , sondern lediglich dasjenige ins Gedächtnis zurückzurufen, was auf die Kaliber frage Bezug hat.
Die ersten , sogenannten Knallbüchsen (1364) hatten ein 9
Kaliber von 22 mm, bei einer Rohrlänge von 87 cm .
Nach und
nach trat immer mehr das Bestreben hervor, das Kaliber zu ringern, und so finden wir im Jahre 1525 bereits 1,5-2 m
yer
lange
Musketen in allgemeinem Gebrauche, von anfangs 21 mm , später ungefähr 17 nim Kaliber , mit kugelförmigen Bleigeschossen und *) Vorliegende Abhandlung ist hauptsächlich nach einem Aufsatze der „ Rivista militare italiana " verfaſst.
170
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren.
einem Gewicht der ganzen Waffe von 8-10 kg.
Man blieb nun
volle drei Jahrhunderte bei diesem Kaliber stehen und richtete
sein Augenmerk lediglich auf die Verbesserung der Feuer geschwindigkeit der Waffe. Die Erfindung des Lantenschlosses ( 1423), des Radschlosses (1517) , des Steinschlosses ( 1640), die Anwendung der Patrone (Gustav Adolf, 1630), der Perkussions zündung ( Frankreich 1822) bezeichnen ebensoviel Halte -Stufen des
allgemeinen Fortschritts in der Bewaffnung der Heere, doch er reichte man hierbei nie eine gröſsere wirksame Schuſsweite als diejenige bis 400 m.
Es stellte sich nun nach und nach das
Bedürfnis einer gröſseren Treffgenauigkeit ( Präzisionsleistung der Feuerwaffe) ein , und das führte zur allmählichen Ausbildung des gezogenen Infanterie -Gewehres. Anfangs suchte man unter Beibehaltung der Kugelform eine bessere Führung des Geschosses dadurch zu erreichen , daſs man dieses mit Spielraum von oben in den Gewehrlauf einführte und durch Klopfen mit dem Stofsteil des Ladestockes und Auftreiben
des Geschosses auf einen Absatz (Delvigne 1827) oder Dorn (Thou venin 1844) der Pulverkammer auszudehnen suchte , wodurch sich
das Geschoſs seitlich in die Züge preſste ( Compressionsgesch osse). Der Umstand , daſs dadurch das Kugelgeschoſs seine Form verlor und an Länge einbüſste , führte allmählig zur Anwendung von Langgeschossen (und zwar Expansionsgeschossen ) . Von pun an tritt wieder das Bestreben der Kaliber - Verringerung in den Vordergrund. Vor Delvigne bedurfte man zur Erzielung einer
gröſseren Durchschlagskraft eines gröſseren Geschofsgewichtes und damit auch einer stärkeren Pulverladung , was einen sehr starken
Rückstoſs zur Folge hatte . Daher behielt man bis zur Erfindung der Langgeschosse das frühere Kaliber bei. Mit diesen Lang geschossen erreichte man bald , ohne das Kaliber vergröſsern zu müssen, ein Geschofsgewicht von 48 gr, wodurch man Durchschlags kraft und Treffgenauigkeit bedeutend erhöhte . Alle bisherigen Bestrebungen waren darauf gerichtet , das Vorderladungs -Gewehr zu vervollkommenen, bis Preuſsen im Jahre 1841 für seine Infanterie das Dreyse’sche Zündnadelgewehr mit
Hinterladung annahm . Dasselbe hatte einen gezogenen Lauf 15,43 mm Kaliber und eine Einheits-Patrone mit Papierhülse. Um die Zündpille und damit die Pulverladung zur Entzündung zu bringen , muſste die Nadel die Pulverladung durchstechen .
Im
Jahre 1855 wurde das Geschoſskaliber bei Einführung des eiförmigen Langblei-Geschosses von 31 gr Gewicht auf 13,6 mm verringert ,
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren.
171
wobei das 13,6 mm Geschoſs im groſskalibrigen Laufe durch den in Anwendung gebrachten Zündspiegel sichere Führung erhielt ; das Zündnadelgewehr hieſs seitdem » Infanterie -Gewehr M 41/55.
Im
Jahre 1870 ging Preuſsen zum erleichterten Langblei M/70 von 21 gr Gewicht über , wodurch die Taschenmunition des einzelnen Infanteristen von 78 auf 98 Stück Patronen erhöht wurde.
Somit
hatte sich das Zündnadelgewehr wiederum den anderen Waffen mittleren Kalibers gegenüber behauptet.
England nahm im Jahre 1853 für sein Enfield -Gewehr ein Kaliber von 14,7 mm, Österreich im Jahre 1857 für sein Lorenz Gewehr mit Compressionsgeschossen ein solches von 13,9 mm an . Der Schweiz jedoch gebührt das eigentliche Lob, den ersten Schritt in der Einführung eines kleinkalibrigen Gewehres gethan zu haben ,
denn während Preuſsen 15,43 mm , England 14,7 mm und Österreich 13,9 mm Kaliber wählten , nahm die Schweiz für ihre Jäger im Jahre 1851 ein 10,5 mm Gewehre an, womit sie im Jahre 1863 auch ihre Infanterie bewaffnete, nachdem Versuche mit verschiedenen
Gewehren vorgenommen worden waren , deren Kaliber zwischen Das Gewehr M/63 besaſs ein bis zu 1000 Schritt eingeteiltes Visier.
10 und 12,6 mm schwankte.
Wir sehen daſs, wie stets, auch hier wieder die Rücksicht auf
die Präzisionsleistung mit der auf die Feuergeschwindigkeit der Waffe abwechselt.
Diesmal war erstere
im Verein mit der Ver
ringerung des Kalibers wieder an der Reihe , doch währte es bloſs
bis zum Jahre 1866 , als die taktischen Erfolge des preuſsischen Hinterladungs -Zündnadelgewehres gegenüber dem österreichischen Lorenz - Vorderlader eintraten . Der Feldzug in Böhmen bewies zur
Genüge den Vorzug der Feuer -Geschwindigkeit vor der Treff genauigkeit der Schuſswaffe. Die Vorderladungs-Gewehre Österreichs und der dentschen Südstaaten waren 1866 dem preuſsischen Zünd nadelgewehr an ballistischer Leistungsfähigkeit, also an Treffwirkung , weit überlegen . Der groſse Vorzug des letzteren bestand nur in der Ladegeschwindigkeit und somit der gröſseren Feuerbereitschaft und Feuergeschwindigkeit des Schützen ; der Dreyse’sche Hinter lader schofs eben vier- bis fünfmal rascher als das österreichische
Lorenz-Gewehr, und trotz dessen besseren ballistischen Eigenschaften
hatten die Österreicher zum Beispiel in der Schlacht von Königgrätz 24,000 Kampfunfähige durch Gewehrfeuer, während die Preuſsen
deren nur 9153 hatten . Alle Mächte änderten nun rasch ihre alten Vorderlader in Hinterlader um .
Doch trat nach Vollzug dieser
Jahrbticher für die Deutsche Armee and Marine. Bd. LXVIII., 2.
12
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
172
Umänderung die Verringerung des Kalibers wieder in den Vorder grund .
Frankreich nahm 1866 das Chassepot mit 11 mm Kaliber
nur beging es dabei den Fehler , eine Papierpatrone zu dieser Waffe zu wählen , trotzdem die Flobert'sche Metallpatrone bei den Remington- und Henry -Gewehren im amerikanischen Secessionskriege sich so gut bewährt hatte. Die Schweiz wählte ( 1866) das System Remington mit 12 mm
an ;
Kaliber und (1869) das Vetterli-(Repetier-)Gewehr mit 10,4 mm Kaliber; die Schweizer waren somit die ersten, welche durch Annahme eines Repetiergewehres auf die Feuergeschwindigkeit ein gröſseres Gewicht legten , als alle übrigen Nationen ; das Vetterli-Repetier Gewebr besaſs ein festes (Röhren-)Magazin mit 11 Patronen im Vorderschaft, die Patronen waren Metall -Einheitspatronen mit Rand zündung. – Belgien wählte das System Albini mit 11 mm ( 1867 );
Dänemark das System Remington mit 11,44 mm (1867) ; Öster reich das System Werndl mit 11 mm (1867) ; Italien das System Vetterli mit 10,40 mm ( 1870 ); England das System Martini mit 11,43 mm ( 1871 ) ; Holland das System Beaumont mit 11 mm
( 1871 ) ; Preuſsen das System Mauser mit 11 mm (1871) ; Russ land das System Berdan ( II) mit 10,66 mm (1872) und Frank
reich das System Gras (aptiertes Chassepot) mit 11 mm ( 1874). Als Geschoſsmaterial wählte man Weichblei oder Hartblei (Zusatz von Zinn oder Antimon). Letzteres hatte wegen gröſserer Härte den Vorteil , daſs die Züge schwerer verbleiten , hingegen den Nach teil, daſs die Hartblei-Geschosse an Stauchungsfähigkeit und Gewicht verloren . Die Geschosse, welche bei all diesen Gewehren verwendet
wurden, waren entweder Pressions- oder Stauchungs - Geschosse. Bei ersteren war der Durchmesser gröſser als das Kaliber nebst Zugtiefe (Führung durch Pression), bei letzteren war der Durch
messer gleich dem Kaliber (Führung durch Stauchung), wobei durch die Stauchung eine Verkürzung der Geschoſslänge eintrat. Als Vorteile des kleineren Kalibers ergaben sich :
Verringerung des Munitionsgewichtes, also gröſsere Patronen ausrüstung des einzelnen Soldaten ;
es erlaubt ein gröſseres Ladungsverhältnis daher gröſsere Anfangs geschwindigkeit;
gröſsere Gestrecktheit der Flugbahn , sowohl infolge der gröſseren Anfangsgeschwindigkeit, als auch wegen des geringeren Luftwider standes infolge der gröſseren Belastung des Querschnitts;
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
173
gröſsere Durchschlagskraft (geringerer Verlust an Perkussions kraft) trotz des geringeren Geschofsgewichts. Der Hauptwert des kleineren Kalibers besteht jedoch darin, daſs es gestattet, den einzelnen Schützen ohne Mehrbelastung, mit
einer gröſseren Patronenzahl auszurüsten oder, bei gleichbleibender Patronenzabl, die Zahl der Fahrzeuge und dadurch die übermäſsige
Länge der Kolonnen zu vermindern , ein Vorteil , der jetzt , nach
Einführung der Repetiergewehre, von unschätzbarem Werte ist. Derjenige, welchem das Verdienst gebührt, auf die groſsen ballistischen Vorteile des kleinen Kalibers aufmerksam gemacht
zu haben, ist der groſsherzoglich hessische Major Wilhelm v. Plönnies, der durch sein Werk : » Neue Studien über die gezogene Feuerwaffe der Infanterie « der Ballistik der Handfeuerwaffen die vorzüglichsten Dienste geleistet hat.
Man besaſs nun Gewehre , die mit der gewünschten Treff genauigkeit auch eine gute Feuergeschwindigkeit verbanden , und mit allen zuletzt genannten Waffen konnte ein guter Schütze auf 200 m Entfernung in einer Minute innerhalb eines Streuungskreises von 40 cm Durchmesser 4 Treffer erhalten . Man hatte so haupt sächlich in Bezug auf die Präzisions-Leistung der Feuerwaffe Gutes erreicht, und richtete sein Hauptaugenmerk wieder auf die Feuer Geschwindigkeit, wobei man zur Herstellung von Magazinwaffen gelangte. Die Schweiz nahm , wie bereits erwähnt zuerst (im Jahre 1869) für ihre Infanterie ein Magazingewehr nach dem
System Vetterli an, dann Frankreich ( 1878), welches seiner Marine, unter
Beibehaltung der Verschluſs- und Schloſseinrichtung des
Einladergewehres Gras M /74, ein Gewehr gab mit einem Repetier mechanismus nach der Erfindung des österreichischen Artillerie Oberst Ritter v. Kropatschek; dieses Gewehr führte den offiziellen Namen : M/78 marine.
Trotz der Überlegenheit ihrer Infanterie-Bewaffnung setzten die Schweizer ihre Thätigkeit auf dem Gebiete der Vervoll kommnung der Handfeuerwaffen eifrigst fort und sie waren stets bestrebt , die Leistungen ihres Infanterie-Gewehres in Bezug auf Bahn - Rasanz und Geschoſs - Wirkung zu heben . An der Spitze dieses Fortschrittes stehen der Major Rubin , Direktor der Eid genössischen Patronenfabrik in Thun, und der frühere Artillerie Offizier und Maschinen - Ingenieur, Professor Hebler in Zürich .
Man suchte durch Vermehrung der Pulverladung und An wendung brisanteren Pulvers mit nicht zu starkem Maximal-Gasdruck 12 *
174
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie-Gewehren .
die Anfangsgeschwindigkeit und durch Vermehrung des Geschoſs Gewichts durch Verlängerung des Geschosses dessen lebendige Kraft und Endgeschwindigkeit zu steigern , stiels dabei aber auf zwei Übelstände:
1. za starker Rückstofs (durch Vermehrung der Pulverladung) und
2. ein Aufreiſsen des Geschosses.
Letzteres hatte seinen Grund in Folgendem : Je längor man das Geschoſs machte (zur Erzielung eines gröſseren Gewichtes), desto mehr bedurfte dies zur Erhaltung der Festigkeit (Stabilität) seiner Umdrehungsachse für die ganze Länge der Bahn einer energischeren Rotation , erreicht durch stärkeren Drall.
Man verkürzte demgemäſs
die absolute *) Dralllänge auf 55—60 cm, wodurch ein Aufreiſsen des weichmetalligen Geschoſses, verbunden mit Verbleien der Züge, eintrat; hierdurch wiederum entstand eine Verminderung der Präzi sionsleistung der Waffe. Es ergab sich , daſs die Papierumhüllung des Geschosses nicht genügte , um dies Verbleien zu hindern , und Rubin umgab deshalb das Geschoſs mit einem Mantel aus härterem
Metall und wählte hierzu Kupfer , welches genügend weich ist, um sich den Zügen vollkommen anzuschmiegen, aber auch genügend widerstandsfähig , daſs ein Aufreiſsen des Geschosses, wie dies bei den Bleigeschossen der Fall, ausgeschlossen bleibt. Um nun den Rückstofs zu verringern, ging Rubin zur Ver ringerung des Kalibers über. – Bezeichnet man mit m die Masse
des Geschosses (plus einem gewissen Teil der Masse und mit v die Anfangsgeschwindigkeit, so ergiebt das das Maſs der Bewegung, welche dem Geschoſs zu teil Maſs der Bewegung macht sich in entgegengesetzter
des Pulvers), Produkt mv wird . Dieses Richtung der
Schulter des Schützen als Rückstoſs fühlbar, es darf also mv eine
gewisse Grenze nicht überschreiten . Will man aber die ballistische Leistungsfähigkeit einer Waffe durch Vergröſserung der Anfangs
geschwindigkeit erhöhen , hier durch Vergröſserung des Faktors v, so muſs man füglich, damit das Produkt das gleiche bleibt, m ver ringern , also die Masse des Geschosses , was man durch eine Ver ringerung des Kalibers erreicht.
Im Frühjahr 1881 wies Rubin dem schweizer Kriegsminister die Ergebnisse seiner Versuche vor , die er mit einem Gewehr von
9 mm Kaliber, 20 gr Geschofsgewicht, 3 '/, Kaliber Geschoſslänge *) Bekanntlich unterscheidet man zwischen absoluter und relativer Drall länge ; erstere wird in Metern, letztere in Kalibern ausgedrückt.
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie-Gewehren.
und 4,7 gr Ladung vorgenommen hatte.
175
Die Präzisionsleistung
dieses Gewehres war eine sehr gute , aber der Rückstoſs, den es batte, wurde noch als zu stark und die Gestrecktheit der Flugbahn noch als ungenügend erachtet ; immerhin konnte man von günstigen Ergebnissen sprechen. So war man wieder in der Vervollkommnung der Handfeuer waffen um einen guten Schritt vorwärts gekommen. Man hatte
eingesehen, daſs die Papierumhüllung, wie sie bei allen Heeren im Gebrauche, nicht geeignet war, das Verbleien der Züge zu hindern. Sie war auſserdem der Feuchtigkeit in den Magazinen ) unter worfen, und man machte die Beobachtung, daſs oft beim Verlassen
des Rohres durch das Geschoſs die Papierumhüllung sich von diesem nicht loslöste, und daraus ergaben sich Unregelmäſsigkeiten in der Schuſsleistung , aber besonders bei andauerndem Schieſsen , bei Anwendung der schnelleren Feuerarten , erwies sich die Papier umhüllung als vollständig nutzlos. Bei Geschossen aus Hartblei mit Fettung , von 11 mm Kaliber und mit einer Anfangs
geschwindigkeit von 450 m leistete die Papierumbüllung ja immer hin gute Dienste, aber bei Gewehren von 8 mm Kaliber und 600 m
Anfangsgeschwindigkeit ist ihre Anwendung vollständig unnütz. Auch die Fettung ist hierbei von wenig Nutzen, denn es entwickelt
sich bei diesen Gewehren durch Reibung infolge des starken Dralls
eine solche Wärme, daſs eine derartige Verbleiung eintritt, daſs weder Papierumhüllung noch Fettung im Stande sind , darau etwas zu ändern .
Ein härterer Metallmantel hingegen erwies sich als besonders
vorteilhaft, beim kleineren Kaliber (unter 10 mm ) sogar als un umgänglich notwendig.
Ein Verbleien war hierbei natürlich voll
ständig ausgeschlossen , die Durchschlagskraft der Mantelgeschosse erwies sich mindestens sechsmal gröſser als bei den 11 mm Blei geschossen, sowohl infolge des Widerstandsfähigeren, härteren Mate
rials des Geschoſsmantels als wegen der erzielten groſsen Anfangs geschwindigkeit. Auch stellte sich heraus, daſs Aufschläger sich hier wegen des härteren Materials nicht so leicht deformierten wie die
Bleigeschosse beim Aufschlag , welche durch letzteren viel mehr Einbuſse an Durchschlagskraft erlitten, als die Mantelgeschosse. Allerdings stellten sich bei diesen auch zwei Nachteile ein und zwar ergab sich :
1. eine raschere Abnutzung der Züge und 2. Oxydation bei Vorräten.
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
176
Es handelte sich nun darum, eine möglichst kurze Patrone zu
finden, welche dazu geeignet war, bei Repetiergewehren angewendet zu werden. Das Geschoſs durfte man nicht verkürzen , weil sonst die Querschnittsbelastung, somit auch Schuſsweite und Treffwahr
scheinlichkeit geringer geworden wären. Auch die Wirkung durch die Pulverladung muſste die gleiche bleiben.
Man suchte nun
anfangs nach einem brisanteren Treibmittel und machte Versuche
mit Schieſsbaumwolle, wobei diese eine zu unregelmäſsige Wirkung zeigte, um bei Handfeuerwaffen Anwendung finden za können .
Hierauf nahm man an Stelle des gekörnten Pulvers comprimiertes Pulver
und
erhielt
vorzügliche Ergebnisse.
ganz
Durch
die
Verwendung dieses Pulvers war man in der Vervollkommnung der Handfeuerwaffen wieder um ein gutes Stück fortgeschritten und hatte endlich jene Elemente erlangt, um zu einer weiteren Ver ringerung des Kalibers schreiten zu können, zur Erreichung des Kalibers, das man heutzutage als » kleines Kaliber « zu bezeichnen pflegt, das man aber richtiger » kleinstes oder Minimal-Kaliber nennt.
Die mit 9 mm
Kaliber erzielten günstigen Ergebnisse ver
anlaſsten Rubin noch zu einer weiteren Kaliber- Verkleinerung zu schreiten, er machte Versuche mit einem Kaliber von 8,5 mm, 8 mm,
7,5 mm und selbst 7 mm , doch schien hiermit die günstigste Grenze überschritten , und die Versuche zeigten , daſs man unter 8 mm
nicht heruntergehen dürfe. Unter dieser Grenze wird das Geschoſs zu leicht, seine Durchschlagskraft zu gering (sie reicht nicht mehr aus, um z. B. Pferde kampfunfähig zu machen), und die Waffe verliert an Kriegsbrauchbarkeit. Wenn auch gröſsere Treff genauigkeit, Bahnrasanz und Anfangsgeschwindigkeit erzielt wurden, so wurden doch Anfertigung, Reinigung und Revision der Waffe zu schwierig. Um
den
durch
Rubin
1883
erzielten
Fortschritt
zu
er
sehen, diene hier eine vergleichende Tabelle *) der Schuſsleistungen seines Gewehres mit denen eines schweizer Gewehres mit 10.4 mm Kaliber . Rivista militare italiana.
Januar 1888.
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie-Gewehren . Bestrichene Räume 1,80 m )
Entfernungen
177
Radius des50 % igen Streuungs
(Zielhöhe
Kreises beim
in Metern .
10,4 mm Gew. 8 mm Gewehr. 10,4 mm Gew. I 8 mm Gewehr.
m 一 仍 一 阳
m
300 89 63
600
47,5 37,5
700 800
30
900
24,5
1000
21
1100
18 15,5
1200
13,5
1500
10,5
1600
9,4
85
0,27
0,77
43
0,54
0,93 1,10 1,28
25
1,18
1,47
18
12
Patronengewicht
0,24 0,35 0,48 0,62
0,157
B - 4
1300 1400
173
一一 一 %
400 500
m
m
0,16
14
1,69
des 10,4 mm Gewehres 30,5 gr [ 43 gr ] *)
Patronengewicht
8 mm
Bestrichener Raum
10,4 mm
Bestrichener Raum
8 mm
>>
32 gr 346 m 436 m
Eindringungstiefe auf 20 m in Tapnenholz
10,4 mm
in Tapnenholz
8 mm
Anfangs -Geschwindigkeit Anfangs -Geschwindigkeit
>>
15 cm 28 cm
10,4 mm
435 m [ 435 m ]
8 mm
552 m
Dralllänge 10,4 mm 66 cm [55 cm] 30 cm . 8 mm Dralllänge Aus diesen Angaben ist leicht zu ersehen , welche praktischen >>
Vorteile ein kleines Kaliber von 8 mm bringen würde, denn die Schuſsleistungen unseres Infanterie -Gewehrs M 71/84 sind annähernd
die gleichen, wie die des schweizer Gewehres mit 10,4 mm Kaliber. Diese Vorteile wären :
1. ein um ungefähr 100 m gröſserer bestrichener Raum , wegen der gröſseren Bahnrasapz, und die Möglichkeit, der An
wendung nur eines Visieres bis 400 m (Standvisier);
2. eine Vermehrung der Treffgenauigkeit, die mit der Ent fernung wächst, denn während sie auf 300 m
für beide
Kaliber die gleiche ist, ist sie auf 600 und 900 m fast die *) Die Zahlen in Klammern bezeichnen das Patronengewicht, die Anfangs
geschwindigkeit und Drallänge unseres Infanterie - Gewehres M 71/84.
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
178
Doppelte ; bezüglich der Anfangsgeschwindigkeit ergäbe sich ein Zuwachs um 117 m, da die unseres Infanterie-Gewehrs, wie beim schweizer 10,4 mm Gewehr, 435 m beträgt ; 3. eine beträchtliche Vergröſserung der Durchschlagskraft des Geschosses.
Die Dralllänge unseres Infanterie -Gewehrs müſste, da dieselbe 55 cm beträgt, um 25 cm verkürzt werden. Bezüglich des Patronengewichts ergäbe sich für die Schweizer eher ein Zuwachs als eine Abnahme desselben, denn, wenn auch das Gewicht des Geschosses um 3,5 gr geringer würde, müſste man
doch das der Ladung und der Hülse, welch letztere widerstands fähiger gemacht werden müſste, vermehren. Für uns lägen die Verhältnisse anders und günstiger, denu da unsere Patrone 43 gr
wiegt, hätten wir den Vorteil einer Gewichtsverminderung der ein zelnen Patrone um 11 gr.
Die erzielten Ergebnisse schienen den schweizer Behörden jedoch nicht bedeutend genug, um einen Wechsel in der Infanterie Bewaffnung zu rechtfertigen , und wurden die Arbeiten zur Herstellung eines noch besseren Kleinkaliber-Gewehrs in ausgedehnterem Maſse fortgesetzt.
Möglich auch , daſs sich bei Versehung des Rubin
Gewehrs mit einem Repetier -Mechanismus Schwierigkeiten eingestellt haben. Jedenfalls wurde die Unterlassung einer endgültigen Ent scheidung auch durch die Erfindung der Stahlmantel- Geschosse veranlaſst. Diese sogenannten Compound- oder Verbund geschosse wurden nach Angaben des verstorbenen preuſsischen Oberstlieutenants der Artillerie Bode in der Lorenz'schen Patronen
fabrik zu Karlsruhe hergestellt, an welche sich Hebler gewandt hatte, um für sein 7,5 mm Gewehr ein passendes Geschoſs zu er
halten . Hebler erzählt in Bezug hierauf, daſs, als er die Dralllänge seines Gewebres unter 24 cm verkürzen wollte, durch die sich ent wickelnde Centrifugalkraft der Kupfermantel in Stücke zerrissen sei, auch wenn er mit dem Geschoſskern zusammengeschweiſst wurde. Desbalb nahm er seine Zuflucht zu einem widerstandsfähigeren Metall , dem Stahl.
Zur Herstellung der Geschosse wurde der aus Stahl gezogene und gepreſste Mantel, welcher, auſser vorne,, wo er eine gröſsere
Stärke hat, überall so dünn ist wie ein Blatt Papier, auf warmem Wege verzinnt und mit Hartblei (96 Teile Blei, 4 Teile Antimon ) ausgegossen . Diese auf eben beschriebene Art hergestellten Geschosse bezeichnet man zum Unterschied von den auf mechanischem Wege hergestellten Mantel-Geschossen als » Verbund-(Compound-)Geschosse. «
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
179
Die Vorteile all dieser Mantel- und Verbundgeschosse be stehen in :
1. Vermeidung unnötiger zerstörender Wirkungen im mensch lichen Körper (die Bleigeschosse verursachen durch Spritzen auf Knochen schmerzhaftere Wunden );
2. besserer Führung des Geschosses im Laufe; 3. Umgehung des Verbleiens der Züge ; 4. vermehrter Durchschlagskraft und damit Möglichkeit, mehrere
hintereinander stehende Gegner kampfunfähig zu machen. So erhielt Hebler für sein Gewehr mit 12 cm Dralllänge Geschosse,
die einer Anfangsgeschwindigkeit von 600 m gut widerstanden und mit einer Durchdringungsfähigkeit viermal gröſser, als die der Rubin'schen Kupfermantel-Geschosse. Auſserdem hat Hebler die Humanität auf seiner Seite, denn, wenn auch Rubin seine Kupfer mantel-Geschosse gut eingefettet aufbewahrte, so bildete sich bei ihnen doch häufig das unter dem Namen »Grünspan « bekannte giftige Kupferoxyd, welches die schmerzhaftesten, beinahe unheilbaren Wunden erzeugt, *) während die Stahlmantel-Geschosse, wenn sie auch unter Umständen mehr Leute kampfunfähig machen, doch weniger schmerzliche, wenigstens oft heilbare Wunden hervorbringen.
Dementgegen haben die harten Compound -Geschosse allerdings den
Übelstand, daſs sie die Läufe mehr angreifen, indem die Felder eher abgeschliffen werden .
Schlieſslich erregten noch groſses Aufsehen die Versuche des französischen Hauptmanns Pralon , welcher in Bourges in Gegenwart
des französischen Kriegsministers mit einem von ihm hergestellten Gewehre mit Stahlgeschoſs und kupfernem Führungsring auf eine Entfernung von 100 m noch eine 30 mm starke Stahlplatte durch bohrte .
Soweit die Entwickelungsgeschichte der Handfeuerwaffen . Möge abgesehen
es uns nun auch gestattet sein , klarzulegen , wie weit
*) Nach dem dänischen „Vort Forsvar“ sollen jedoch Blutvergiftungen durch
die Kupferhülsen nur höchst selten vorkommen , da sich der menschliche Organismus gegen den schädlichen Einfluſs fremder, in denselben gelangter, Stoffe durch Ein kapselung in das Zellengewebe zu wehren sucht, sodaſs ein Oxydieren des Metalls,
wozu eine starke Einwirkung der atmosphärischen Luft erforderlich ist, nur sehr selten stattfinden kann. Auch ein zweiter Einwurf, daſs die Kupferhülsen im
Körper zerspringen sollen (durch Aufschlagen auf Knochenteile ), wurde durch an einem Pferdekadaver vorgenommene Versuche glänzend widerlegt. Eine Zer sprengung der Kupferhülsen fand nur beim Auftreffen auf die stärksten Gelenk
knochen des Pferdekörpers statt, unter welchen Umständen jedoch auch Blei geschosse zerspringen.
180
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie-Gewehren,
von den uns ja bekannten deutschen Verhältnissen einzelne ver die Da Mächte mit dem kleinen Kaliber gekommen sind. wendeten Quellen nicht sämtlich amtliche sind , ist es möglich , daſs einzelne Angaben nicht unbedingt genau sind, doch ist immerhin darauf Bedacht genommen , unter den nichtamtlichen diejenigen zu wählen, die am meisten Beachtung verdienen . Vorerst sei jedoch eine kurze Bemerkung gestattet. Bekanntlich unterscheidet man zwischen Repetiergewebren mit festem Magazin , mit Lage des Magazins längs dem Lauf (Schweiz 1869 beim System Vetterli, Deutschland 1884 beim System Mauser, die Magazinröhre -
befindet sich hierbei im Vorderschaft, unterhalb des Laufes ) oder
im Kolben (Spencer, Hotchkiſs u. A.) und solchen mit anhäng
barem Magazin oder Schnellladern.
Bei
letzteren
unter
scheidet man :
1. am Gewehr zeitweise anhängbare , aber nicht selbst thätig wirkende Magazine (oder auch nur Patronen schachtel-Halter ); durch diese wird nur ein besseres Bereit stellen
einer Anzahl
Patronen
zum Einführen mit der
Hand erreicht, sie befähigen also den einfachen Einlader zum Gelegenheits- Repetiergewehr(solche sogenannte chargeurs rapides, System Krnka, wurden bereits im letzten russisch
türkischen Kriege angewendet ) ; 2. am Gewehr anfügbare , aber selbstthätig wirkende Magazine ( Dänemark 1886 beim System Lee, Österreich 1886 beim System Mannlicher, Italien 1887 beim System Vitali) ; diesem System wird der Vorzug vor allen übrigen Repetier -Systemen zuerkannt.
Dänemark hat ein Kleinkaliber -Gewehr mit anfügbarem , selbst thätigem Magazine angenommen .
Dieses vom Amerikaner Lee er
fundene Gewehr führt den Namen M/1886 ; es hat 6 Züge, 8 mm Kaliber und ein Kupfermantel-Geschoſs. Die 77 mm lange Patrone, mit Centralzündung, wiegt 33 gr, sodaſs 13 Stück solche Patronen nicht mehr wiegen als 10 Stück Mauser-Patronen ; es kann demnach der mit dem 8 mm Gewehr bewaffnete dänische Infanterist etwa ein Dritteil Patronen mehr mit sich führen als der mit dem Mauser
Gewehr bewaffnete deutsche Soldat bei gleicher Belastung.
Die
beim dänischen 8 mm Gewehr verwendete Pulverladung wiegt 5,2 gr und besteht aus gewöhnlichem komprimiertem Pulver. Das anfüg bare, selbstthätige Magazin faſst 5 Patronen und besteht aus starkem Stahlblech . Jeder Soldat führt 3 solcher Patronenmagazine oder Patronen pakete mit sich ; eine im Magazin enthaltene Feder hebt
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
181
die einzelnen Patronen nach einander in die Patroneneinlage, und
in 3 Sekunden kann ein verschossenes Magazin durch ein gefülltes
ersetzt werden. Die Präzisionsleistung des Lee -Gewehres ist eine solche, daſs man mit ihm auf 375 m in einem 16 cm hohen und 21 cm breiten Rechteck und auf 1000 m in einem 86 cm hohen
und 89 cm breiten Rechteck 50 % Treffer erhält. Nach dem » Army and navy journal« ergab ein Vergleichsschieſsen zwischen dem Lee Gewehr und dem dänischen Remington -Gewehr M/67 folgende Er gebnisse: Die Anfangs-Geschwindigkeit beim Remington-Gewehr betrug 377 m , beim Lee -Gewehr 534 m ; bei ersterem erhielt man einen bestrichenen Raum von 325 m, bei letzterem einen solchen
von 465 m. Das Patronengewicht ist für beide Waffen das gleiche und beträgt 33 gr, die Feuergeschwindigkeiten verhalten sich da gegen wie 3 beim Remington- zu 5 beim Lee-Gewehr. Interessant ist das vom dänischen Artillerie- Hauptmann Madsen und dem Rüstmeister Rasmussen erfundene selbstladende Gewehr
(Selbstlader oder automatisches Gewehr), welches nach der halb amtlichen > Berlingsken Tidende « in der dänischen Armee eingeführt werden sollte.
Der Lauf sitzt bei diesem Gewehr nicht fest am
Schaft, sondern wird daran nur durch eine Feder festgehalten. Beim Abfeuern wird das Rohr durch den Rückstoſs zu einer rückläufigen Bewegung gezwungen, dadurch das Bodenstück geöffnet, die leere Patronenhülse ausgeworfen und eine neue Patrone an ihren Platz befördert.
Sobald ein Schuſs abgefeuert worden, ladet sich das
Gewehr selbstthätig, wobei der Schütze in der Anschlagsstellung verbleiben kann.
Der Patronen- Behälter enthält 6 Patronen, sind
diese verfeuert, so wird ein neuer eingesetzt. Die Feuergeschwindigkeit wird auf diese Weise natürlich bedeutend vermehrt; fraglich ist es
immerhin , welchen Grad von Kriegsbrauchbarkeit ein solches Gewehr besitzt.
Portugal hat 40,000 Repetiergewehre, System Kropatschek, mit 8 mm Kaliber bei der Waffenfabrik in Steyr (Österreich ) bestellt. Dieses Gewehr führt den Nanien M/86, hat, wie unser Mauser
Gewehr, ein festes Magazin unter dem Lauf im Vorderschaft zu 8 Patronen und ein Kupfermantel-Geschoſs.
Die Patrone wiegt
35 gr, die Pulverladung 4,5 gr. (Für seine Karallerie bestellte Portugal 6000 Repetiergewehre bei Gebrüder Mauser in Oberndorf.) Anfangs beabsichtigte man bei der Infanterie ein Gewehr ein zuführen, welches von einem portugiesischen Offizier Namens Guèdes
erfunden worden war ; da jedoch der Repetier-Mechanismus dieses
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
182
Gewehres zu Störungen Veranlassung gab, zog man das System Kropatschek vor.
Das dänische und portugiesische Gewehr haben auſser in Bezug auf das Gewicht, welches bei letzterem viel gröſser ist als bei ersterem (das portugiesische Kropatschek -Gewehr wiegt geladen 4,867 kg), fast die nämlichen Eigenschaften. Beide haben eine Anfangs -Geschwindigkeit von ungefähr 530 m und einen bestrichenen Raum (bei 1,60 m Zielhöhe) von 370 m ; die Treffgenauigkeit ist fast die gleiche wie beim Rubin-Gewehr, auch in Bezug auf die Durchschlagskraft der Geschosse soll das gleiche der Fall sein. Das dänische und portugiesische Kleinkaliber -Gewehr sind die einzigen bisher eingeführten Gewehre, welche ein Kupfermantel-Geschoſs besitzen .
Österreich - Ungarn erprobte in Anbetracht dessen, daſs die Adaptierung des Werndl-Gewehres M/67 zum Repetiergewehr sehr groſse Schwierigkeiten ergeben hätte, da sich der Wellenverschluſs beim deutschen des Werndl-Gewehres hierzu nicht eignete Manser-Gewehr mit Cylinder- Verschluſs lagen die Verhältnisse wesent lich anders – folgende Systeme: das Mannlicher-, Krnka-, Schulhof und Jurnitschek-Gewehr, und wurde schlieſslich dem vom Ingenieur Mannlicher erfundenen Gewehre der Vorzug gegeben. Im Frühjahr 1887 wurde mit der Herstellung dieses Gewebres, welches die
amtliche Bezeichnung > Repetiergewehr M/1886« führt, begonnen. Der Kolben - Verschluſs dieses Gewehres ist derart eingerichtet,
daſs das Öffnen und Schlieſsen desselben durch ein einfaches gerad liniges Vor- und Zurückführen der Handhabe erfolgt und dadurch das Repetier-Werk in Thätigkeit gesetzt wird . Der Kolben (Knopf) wird also nur gezogen, nicht gedreht ; daher erhielt das Gewehr in Österreich den Namen >Gradzug -Gewehr«. Die Anordnung des Magazins, für Patronenpäcke und Laden selbstthätiges Magazin durch die Funktion des Verschlusses gestattet, die ganze Munition des Soldaten in leichten Magazinen mit je 5 Patronen zu verpacken, sodaſs dieselbe im Bedarfsfalle
vollständig verschossen werden kann. Mithin findet hier das Paket ladungs-System Anwendung.
Unterhalb des
Verschlusses ist ein
festes Gehäuse angebracht, welches ein Kästchen umschlieſst, das unten (oder auch obeu ) geschlitzt ist, sodaſs ein Zubringer durch Federkraft nach und nach ins Kästchen tritt und die Patronen
heben kann. Das mit Patronen gefüllte Kästchen kann auch von oben oder unten eingesteckt werden , durch einen Druck auf einen
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie-Gewehren.
183
rechts seitlich am Gewehr befindlichen Daumenstollen
wird das
Kästchen (bei geöffnetem Verschluſs) nach oben ausgeworfen . Die Österreicher rühmen dies Gewehr sehr, und ihr früherer
Kriegsminister, Graf Bylandt-Rheidt, sprach sich dahin aus, daſs nach seiner Überzeugung das Mannlicher-Gewehr das entsprechendste unter allen bisherigen Systemen sei.
Manche behaupten zwar, die
Ladegeschwindigkeit habe eine groſse Munitions -Verschwendung zur Folge, – nun für einen unvollkommen ausgebildeten Soldaten ist
das Gewehr – und das wird bei allen Repetiergewehren der Fall allerdings gefährlich , aber in der Hand eines besonders in sein der Feuerdisziplin gut ausgebildeten Soldaten, wird diese Waffe einen ungemein höheren Wert haben als der langsam feuernde Einzellader. – Ein Grund mehr, auf die Erziehung der Feuer -
disziplin ein erhöhtes Gewicht zn legen .
Andere behanpten, daſs der mit dem Mannlicher -Gewehr be waffnete Soldat vielleicht gerade wenn es darauf ankommt , wenn das Kommando zum Magazinfeuer ertönt, kein gefülltes Magazin
besitzt, d. h . es werden dem anstürmenden Gegner nicht soviel Geschosse entgegengeschlendert, als der Verteidiger Gewehre besitzt mal fünf – soviel Patronen enthält ein Magazin-Paket sondern weniger, vielleicht nur die Hälfte dieser Zahl, da das Magazinfeuer stets auf das Schützenfeuer folgt und zu letzterem die Patronen des
Magazins verwendet werden. Dieser Nachteil wird aber glänzend anfgewogen und aufgehoben durch den Vorteil der groſsen Lade geschwindigkeit, und macht sich ersterer nur durch eine augenblick liche geringere Feuer - Intensität bemerkbar; es ist dies also ein Nachteil von äuſserst geringem Belang, der durch die Lade geschwindigkeit der Waffe in überreichem Maſse ersetzt wird.
Sicherlich wäre man in Österreich bei Einführung des Mannlicher Gewehrs auch gleich zur Annahme eines kleinen Kalibers geschritten wenn dies möglich gewesen wäre.
Der Unterlassungsgrund ist
eben in der in Österreich seiner Zeit noch ungelösten Pulverfrage zu suchen ; nur im Verein mit dieser Frage hätte die Kleinkaliber
Frage zum Austrag gebracht werden können, die Herstellung einer passenden Patrone war mit den gröſsten Schwierigkeiten verbunden . Man behielt infolgedessen das Kaliber des Werndl-Gewehrs M/67 (mit der deutsch -österreichischen Einheitspatrone zu 11 mm Kaliber) bei.. Nachdem jedoch im vergangenen November von den in der Waffenfabrik Steyr bestellten 143,000 Mannlicher-Viewehren zu 11 mm Kaliber 90,000 Stück
fertiggestellt waren ,
wurde
die weitere
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren.
184
Fabrikation eingestellt, um solche Gewehre mit 8 mm Kaliber anzu fertigen.
Die durch die Versuche mit kleinem Kaliber (8 mm) gemachten Erfahrungen hatten zur Folge, daſs die Einführung eines Mannlicher Gewehrs mit 8 mm Kaliber als Ordonnanzwaffe endgültig beschlossen wurde. Die österreichische Waffenfabrik -Gesellschaft zu Steyr wurde
mit der schleunigsten Herstellung von Gewehren neuen Modells beauftragt.
Hiermit sollte im März 1888 begonnen werden .
Auch
das Pulver, welches erst die Anwendung des kleinen Kalibers er möglichte, ist bereits hergestellt.
Bis Ende dieses Jahres sollen
fünf Divisionen mit diesem neuen Gewehr versehen sein .
Das neue Gewehr ist mindestens ein halbes Kilogramm leichter als das 11 mm Gewehr. Das Pulver besitzt bei geringem Volumen eine Triebkraft von 590 m Anfangs -Geschwindigkeit (anstatt 487 m beim alten Gewehr) . Das neue Gewehr hat ein Standvisier bis 400 Schritt und einen bestrichenen Raum von 480 Schritt, auf
15 Schritt durchbohrt es eine 6 mm starke Stablplatte. Das Gewicht der Patrone beträgt 30,6 gr ( Pulverladung 4 gr , Geschoſs 16 gr) . Auſser in Bezug auf die ballistischen Leistungen ( Anfangs geschwindigkeit, flache Bahn, Schuſsgenauigkeit und Durchschlags kraft), welche beim neuen 8 mm Gewehr besser sind, sind die beiden Gewehre einander völlig gleich, sodaſs auch auf eine probe weise Einführung verzichtet werden konnte. Russland , welches in seinem Berdan-Gewehr eine vorzügliche
Waffe besitzt, blieb der ganzen Neubewaffnungsfrage ziemlich kühl gegenüber. Man will in Russland mit der Einführung eines Repetier gewehres warten, bis sich diese mehr lohnt, bis man dort ein rauchloses Pulver und ein selbstthätiges Gewehr erfunden hat. Ein Vergleichsschieſsen zwischen dem Infanterie-Gewehr M/72, System Berdau II ( Einzellader), und dem Magazin -Gewehr, System Mossin, ergab für letzteres so geringe Vorteile, daſs Generalmajor Wasmundt, welcher in Russland in allen das Schieſswesen betreffenden Fragen als Gewährsmann gilt, die Beibehaltung des Berdan -Gewehrs befür wortete.
Italien machte seit 1878 Versuche mit Mehrladern , und es wurden nacheinander erprobt : Das Repetiergewehr Bertoldo, das modifizierte Repetiergewehr, die Schnellladung nach Vitali und nach Carcano, die Gendarmerie-Karabiner der Systeme Bertoldo und Vitali , die Repetiergewehre Bertoldo und Vitali, der Kavallerie Repetierkarabiner Vitali, die Schnelllader nach den Systemen von Bertoldo, Vitali und Arnaldi , bis endlich das modifizierte System
!
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie-Gewehren.
185
Vitali den Sieg davon trug. Im Ganzen wurden 4087 Repetier waffen geprüft und aus denselben 400,000 Schüsse abgegeben . *) Italien änderte also seinen Vetterli-Einlader M/70 von 10,35 mm Kaliber nach dem System des Majors Vitali zum Repetiergewehr
um . Die italienische Armee - Verwaltung beabsichtigt jedoch später die uingestalteten Gewehre Vitali-Vetterli der Landwehr (milizia mobile) und dem Landsturm ( milizia territoriale) zu geben und das stehende Heer (exercito permanente) mit neuen Repetiergewehren
zu bewaffnen . Das Gewehr führt die amtliche Bezeichnung M 70/87 und hat ein Gewicht von nur 4,3 kg. Der Lauf ist mit 4 Zügen versehen und hat eine Dralllänge von 66 cm.
Das Gewehr kann,
wie das österreichische Mannlicher-Gewehr, mit einem anfügbaren , selbstthätigen Magazin versehen werden. Jeder Mann führt 6 solche Magazine zu je 4 Patronen mit sich, auſser den übrigen 72 Einzel Patronen , sodaſs die Taschenmunition des einzelnen Soldaten 96 Schüsse
zählt. Die Einzel- Patrone wiegt 37 gr (Geschoſs 20 gr, Pulverladung
4gr), die Magazin -Patrone 46,5 gr. Die Geschoſs -Ladung der letzteren , welche aus einem kleinen Geschosse und neun aus Blei gegossenen
Segmenten besteht, hat ein Gesamtgewicht von 30,3 gr ; die Pulver ladung der Magazin -Patrone hat ein Gewicht von nur 3 gr.
Ein
vollständiges Magazin - Patronenpaket wiegt 389 gr. Die hier ver wendeten Kartätsch -Geschosse, von denen jedes einzelne Geschoſs eine genügende Verwundungswirkung hervorbringt, sind nicht zu verwechseln mit den durch die Petersburger Konvention von 1868
ausgeschlossenen Sprenggeschossen unter 450 gr Gewicht.
Beim
italienischen Vitali - Vetterli-Gewehr M 70/87 ist ein besonderes Magazin
unter dem Verschluſsgehäuse angebracht ; in dieses wird von oben eine Patronenschachtel zu 4 Patronen eingeschoben , welche durch die Bewegung des Verschlusses selbstthätig geladen werden . Mit dem Gewehr soll ein gewandter Schütze in der Minute 30 Schuſs abgeben können .
Frankreich blieb lange Zeit unschlüssig, ob es seinen Gras Einlader unter Beibehaltung des Kalibers von 11 mm in ein Repetier gewehr umwandeln solle, wie dies Deutschland mit seinem Mauser
Einlader gethan hatte, oder ob es nicht besser sei, eine völlig neue Waffe einzuführen . Doch bevor man zu irgend einem Entschluſs gekommen war, erfuhr man , daſs Deutschland bereits 600,000 Mauser Repetiergewehre besitze. Es war also keine Zeit mehr zur Über legung, und entschied man sich schleunigst für Einführung des *) Rivista militare italiana, Februar 1887 .
186
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie-Gewehren.
8 mm Lebel-Gewehrs. – Da plötzlich erschien Pralon mit seiner Erfindung (Stahlgeschoſs mit kupfernem Führungsring) und es hatte den Anschein, als müsse Alles wieder rückgängig gemacht werden. Das währte jedoch nur kurze Zeit, denn bald wurde durch eine Mitteilung der französischen Regierung jeder Zweifel gehoben. Diese Mitteilung lautete : » La fabrication du fusil, modèle 1886, se poursuit activement. A l'beure actuelle cinq corps d'armée sont pourvus de fusil de petit calibre. Après peu de temps les appro visionnements seront complets.« *) Nach dem > Progrès militaire« sind diese 5 Armee-Corps das 1., 2. , 6., 7. und 8., von denen das 6. und 7. an der Ostgrenze stehen .
Das französische Infanterie -Gewehr M /86 ist ein Repetiergewehr mit festem Magazin im Vorderschaft unterbalb des Laufes ; das Das Normalgewicht des Magazin kann 8 Patronen aufnehmen .
Lebel-Gewehres ist geringer als das des Gras- und Kropatschek Gewebres und beträgt 4 kg. Die Windung der Züge ist um mehr als das Doppelte schärfer als beim System Gras, die Dralllänge beträgt 25 cm (beim Gras-Gewehr 55 cm ).
Das Gewehr hat einen
Gradzug -Cylinderverschluſs mit centralem Rückstoſs und doppeltem Abzug, die Visiereinteilung reicht bis 2000 m. Das vierkantige Bajonett kann ohne Anstrengung bis zur Parierstange in die Brust des Gegners gestoſsen werden . Die 32 gr schwere Patrone hat eine Messinghülse und ist für Centralzündung eingerichtet. Das Geschoſs ist ein Stahlmantel-Geschoſs mit innerem Kern aus gepreſstem Blei, der Mantel besteht aus Hartmetall mit Nickel als Grundlage ( ver nickelter Stahlmantel). Das verwendete Pulver soll bei seiner Ver brennung nicht einmal den Rauch eines Wachs - Zündhölzchens er
zeugen ; nach der italienischen Militär -Zeitung » Pro victoria« ist es vom Pulver- und Salpeter- Ingenieur M. Vieille erfunden und besteht aus Collodium und Schieſswollpulver (polvere-cotone), dessen physi kalische Zustände vor und während der Anfertigung Geheimnis sind, wie überhaupt in dem Pulver das wahre Geheimnis des Lebel Gewehres beruht. Dasselbe soll ein sogenanntes Progressiv-Pulver sein, d . h . es werden ihm während der ganzen Bewegung im Laufe bis zum Austritt neue Antriebe erteilt, und wird durch die fort
schreitende Wirkung des Pulvers der Rückstoſs beinahe aufgehoben. Mit diesem Pulver sollen schon Avfangs-Geschwindigkeiten von 600—700 m
erreicht worden sein .
Das Lebel-Gewehr soll allen
bisherigen Gewehren in Bezug auf die Ausdehnung der bestrichenen *) Avénir militaire, 25. November 1887.
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
187
Räume, Durchschlagskraft and Trefffähigkeit überlegen sein (man spricht von einem bestrichenen Raume von über 400 m bei 1,80 m
Zielhöhe); gute Schützen sollen auf die Ordonnanz- Scheiben mehr als 90 % Treffer erhalten ; so soll angeblich die Schule von Saint- Cyr auf dem Felde von Châlons im verflossenen Sommer auf 1000 m
gegen eine durch Scheiben dargestellte Compagnie-Kolonne 98,8 % (?) Treffer erhalten haben, mit welcher Feuerart ist nicht gesagt.
Das Gewicht der Patrone ist ein so geringes, daſs dadurch eine
Erhöhung der Munitionsausrüstung des einzelnen Soldaten um 30 Stück Patronen möglich wurde ; trotzdem konnte das Munitionsgewicht um 270 gr verringert werden . – Man wird gut thun, in die von den Franzosen gerühmte Vorzüglichkeit ihres Gewehrpulvers einigen -
Zweifel zu setzen, besonders nach den Erfahrungen, die sie mit
ihrem Melipit gemacht haben , das ihnen soviel Enttäuschungen brachte. Wenn das Pulver des Lebel-Gewehres auch fast rauchlos ist,*) so ist es immerhin doch zweifelhaft, ob es sich in den Magazinen und beim Fortschaffen gut erhält.
Besitzt jedoch das bei den Patronen des Lebel-Gewehres ver wendete Pulver wirklich die von ihm gerühmten Eigenschaften, sowie
auch die Fähigkeit eines geringen Maximal-Gasdruckes, dann hat Frankreich sicherlich auf dem Gebiete der Vervollkommnung der Handfeuerwaffen einen groſsen Fortschritt gemacht.
in
Mannlicher Lebel
Frankreich 4,000 ?| 8
Bestr .R aum Zielh 1,80 m.=
schwindigkeit
P d. atrone
Material
m
dung
mm
m
33 530 387 Eichen 8 Kupfer 50 | 165 35 532 380 ? Holz 8 Kupfer 6 11 8 vernickelt. 30,6 590 360 Stahl Stahl
vernickelt. 32
550 400 ? Stahl
. d A. Münd .
Kropatschek
Fähigkeit Eatf.
gr
mm
Durchdringungs V. d . Mun
Geschoſs Mantels
kg Dänemark 4,100 Portugal 4,550 Osterreich 4,500
Lee
- e G Anfangs
Material des
Gewicht
Gewehres
eingeführt
Kaliber
Gewicht
Name des Erfinders
des
Zusammengefaſst lassen wir hier die wichtigsten Eigenschaften der bisher eingeführten Kleinkaliber -Gewehre folgen, die sämtlich die amtliche Bezeichnung führen : M/1886 :
15
Stahl
Das portugiesische Kropatschek- und das französische Lebel Gewehr haben ihr Magazin im Vorderschaft ( feste Röhren-Magazine) ; *) Nach dem „ Fränkischen Kurier “ hat übrigens auch die Pulverfabrik Rottweil Hamburg bereits ein rauchloses Pulver erfunden .
Es sollen deshalb dort die
Versuchswerke zur fabrikmäſsigen Herstellung umgewandelt und vergröſsert werden, Jahrbücher für die Deutsche Armeo and Marine. Bd. LXVIII ., 2.
13
Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren .
188
das dänische Lee- und das Österreichische Mannlicher-Gewehr besitzen
anfügbare, selbstthätige Magazine ; entschieden muſs letzterer Art der Magazinsvorrichtung vor allen übrigen Repetier -Systemen der Vorzug gegeben werden. Der Ersatz eines leeren durch ein gefülltes Magazin-Paket läſst sich in 2--3 Sekunden vornehmen, während die Füllung eines Röhren Magazins schon für jede einzelne Patrone durchschnittlich eine Zeitdauer von 2-3 Sekunden erfordert. Angenommen, ein Röhren
Magaziu kann 8, ein anfügbares 4 (die Zahl ist hier nicht von Wichtigkeit) Patronen aufnehmen , so erfordert beim festen Magazin das Laden von 8 Patronen 16—24 (also durchschnittlich 20) Se kunden , beim anfügbaren 4–6 ( also durchschnittlich 5) Sekunden .
Somit stehen bei einer Waffe mit anfügbarem Magazin in der näm lichen Zeit zum Schieſsen 15 Sekunden mehr zur Verfügung, als bei einer solchen mit festem Magazin ; mit ersterer kann also eine
bedeutend höhere Feuergeschwindigkeit erzielt werden als mit letzterer.
Es scheint mithin , daſs bei dem zukünftigen Kleinkaliber -Gewehr
die Verwendung eines anfügbaren, selbstthätigen Magazins an die Stelle des festen Röhren -Magazins unseres jetzigen Infanterie Gewehres M 71/84 treten dürfte .
Daſs man sich für ein solches
Kleinkaliber -Gewehr in Deutschland noch nicht endgültig entschieden hat , hängt unmittelbar mit der doch wohl noch nicht endgültig gelösten Pulverfrage zusammen. Es ist entschieden besser, zu warten und etwas dauernd Gutes zu schaffen , als Übereilt
Unfertiges. Mögen das namentlich diejenigen bedenken, welche - wie man das vor Kurzem in der Tageslitteratur ziemlich häufig lesen konnte - ohne tiefere Sachkenntnis die Frage stellten : Warum
ist man in Deutschland mit der Einführung des Magazin -Gewehres nicht gleichzeitig zur Annahme des kleinen Kalibers geschritten ? Ausdrücklich sei daher betont unser jetziges Gewehr möge man in seinem Werte ja nicht unterschätzen , in der Hand gutausgebildeter Soldaten , wie solche anerkannter Maſsen bei uns erzogen werden ,
ist es eine ganz vorzügliche Waffe, auch im Verhältnis zu anderen Ordonnanz-Gewehren, selbst zum französischen Lebel-Gewehr M/86,
bei dessen Munition ein so ausgezeichnetes (??) Pulver Verwendung findet.
Mitte Mai 1888 .
H. B.
XI.
Ziele der Festungs- Artillerie während der Bedrohung und Einschlieſsung einer Fortsfestung Die Ziele, welche der Festungs - Artillerist während der Bedrohung und Einschlieſsung einer Festung zu bekämpfen hat, kommen während
der Übungen der Truppen im Festungskriege nur wenig oder gar nicht zur Darstellung. Es hat dies seinen Grund darin, daſs bei diesen Gelegenheiten die einschlägigen Maſsnahmen des Belagerers keine Verwirklichung finden können, weil diejenigen Waffen, d . h.
Infanterie, Kavallerie und Feld - Artillerie, dem Übungsfelde fern bleiben, welche die Bedrohung und Einschlieſsung der Festung zu bewerkstelligen haben würden. Infolge dessen lassen sich diese Abschnitte der Belagerung nur theoretisch behandeln und bilden daher sozusagen ein Phantasiegebilde, aus dem die zugehörigen Ge fechtsaufgaben und Zielverhältnisse ebenso entwickelt werden müssen . Soll nun das Verständnis Seitens der unteren Führer für die von
ibnen selbstständig zu lösenden taktischen Aufgaben in genügendem Grade vorhanden sein, so ist dazu eine entsprechende Unterweisung
derselben vor Beginn der Übung eine unerläſsliche Bedingung. Da jedoch die Lehrbücher und sonstigen Vorschriften nur den allge meinen Verlauf des Angriffes während der Bedrohung und Ein
schlieſsung einer Festung schildern , die in Betracht kommenden Ziele und Zielverhältnisse dagegen nicht besonders behandeln, so ist für jene Unterweisung erforderlich , das Vorzutragende zuvörderst aus gedachten Quellen zu einem Gesamtbilde zusammenzutragen. Eine dementsprechende Abhandlung gestatten wir uns in dem Nachstehenden folgen zu lassen . Dieselbe enthält :
1. Entwickelung der hauptsächlichsten Ziele. II. Darlegung der Zielverhältnisse.
III. Allgemeines über das Schieſsverfahren . 13 **
190
Ziele der Festungs - Artillerie
I. Entwickelung der hauptsächlichsten Ziele. Die Bedrohung einer Festung besteht in einer allgemeinen derselben durch Offiziere des Generalstabes, der Artillerie und Ingenieure. Kavallerie wird auf den nach der Festung führenden Hauptanmarschstraſsen vorgeschoben . An solchen Punkten, deren Bewachung der Angreifer für wichtig hält, nehmen geschlossene Abteilungen Aufstellung. Diese bestehen aus gemischten Waffen,
Erkundung
insbesondere Infanterie, Feld - Artillerie und Pionieren .
In der Regel
wird das Beobachtungscorps der Wirkung der weittragendsten Festungsgeschütze sich fern halten . Nur die auskundenden Offiziere
desselben müssen sich der Festung so weit nähern , daſs sie das, was sie erkunden sollen , auch sehen können . Liegen aber die durch das Beobachtungscorps besonders zu bewachenden Punkte innerhalb des Wirkungsbereichs der Festungsgeschütze, so sollen diese dem Feinde den Aufenthalt daselbst unmöglich machen.
Ferner soll der Verteidiger Alles aufbieten , den gegnerischen Anmarsch durch schwierig zu beseitigende Hindernisse zu erschweren.
Dazu gehört das Unbenutzbarmachen von Verkehrswegen, namentlich an solchen Stellen , wo die Beschaffenheit des Nebengeländes ein Ausweichen nicht gestattet , wie in Sumpfgegenden, Thälern , Hobl wegen u. s. w. Ist es nun aus bestimmten Gründen nicht angängig
oder wenigstens nicht ratsam , gedachte Verkehrsstörungen aus nächster Nähe durch die Festungsbesatzung verteidigen zu lassen, so kann es Aufgabe genügend weitschieſsender Festungsgeschätze
werden, das Wegräumen oder die Wiederherstellung von Verkehrs störungen dem
Gegner zu untersagen.
Sodann
kann es
upter
Umständen auch Sache der Festungs -Artillerie werden , Brücken, welche der Gegner zum Überschreiten von Gewässern für seinen Vormarsch hergestellt, durch Geschosse wieder unbrauch bar zu machen . Endlich fällt den Festungsgeschützen noch die Beschieſsung der für sie erreichbaren und von den Trappen des Beobachtungscorps besetzten Örtlichkeiten und Gehöften zu. Nach
beendeter Beobachtung hat der Angreifer dahin
zu
streben, die Festung von allen Seiten mit einem Gürtel von Truppen zu umgeben, um den Verkehr ihrer Besatzung mit der Auſsenwelt so vollständig als möglich abzuschneiden . Eine solche Einschlieſsung kann nur dadurch bewirkt werden , daſs das mittlerweile verstärkte
Beobachtungscorps Märsche um die Festung herum ausfiihrt, um
die der Hauptanmarschrichtung gegenüberliegende Umgebung des Platzes zu erreichen .
Da diese Märsche, wenn die Festung als im
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung.
191
Mittelpuukte eines Kreises gelegen angesehen wird , nicht nur auf dessen Halbmesser, sondern auch auf seiner Kreislinie selbst zu erfolgen haben , so gestalten sie sich zu Flankenmärschen .
Ein mutiger Verteidiger soll die völlige Einschlieſsung des Platzes nicht ohne weiteres gestatten , dem Gegner vielmehr den
gröſstmöglichsten Widerstand dabei entgegenstellen. Hierdurch ent stehen Kämpfe der Festungsbesatzung - vornehmlich der Infanterie - mit den Einschlieſsungstruppen , wenn diese Stellungen im Gelände oder Ortschaften in Besitz zu nehmen , versuchen, welche jene nicht freigeben will. Liegen diese Streitpunkte innerbalb des Wirkungs bereichs der Festungsgeschütze, so haben diese die eigenen Truppen dabei zu unterstützen . Gelingt aber dem Belagerer trotz der hart näckigsten Gegen wehr der Festungsbesatzung die Eroberung der -
fraglichen Punkte und Stellungen dennoch, so muſs er auch ferner
im Stande sein , etwaigen Ausfällen der Besatzung gewachsen zu sein , insbesondere dann , wenn sie mit überlegenen Kräften gegen einzelne Teile der Einschlieſsungslinie vorstoſsen sollte.
Zur
Er
höhung ihrer Verteidigungsfäbigkeit muſs Letztere daber mit Mitteln der Feldbefestigung thuplichst verstärkt werden . Hierzu werden die in der Einschlieſsungslinie befindlichen Ortschaften , Gehöfte,
Waldungen , Abhänge u . dergl. m. befestigt und zur Verteidigung eingerichtet.
Die Einschlieſsungslinie ist mittlerweile in Abschnitte
eingeteilt worden .
Die Besatzung der einzelnen Abschnitte wird in
Vorposten und Gros der Abschnittsbesatzung gegliedert. Die Vorposten gliedern sich in Vorposten-Gros und Vorposten Compagnien.
Von Letzteren werden die nötigen Feldwachen , und
von diesen die Doppelposten und erforderlichenfalls Unteroffizier posten ausgesetzt.
Das Gros der Vorposten ist bestimmt, Ausfällen
der Festungsbesatzung hartnäckigsten Widerstand zu leisten,
wenn
die Vorposten -Compagnien beziehungsweise Feldwachen der Unter stützung bedürfen .
Das Gros der Vorposten steht daher entweder
in der befestigten Einschlieſsungsstellung selbst, oder in unmittel barer Nähe hinter derselben bereit und ist, soweit als möglich, in den daselbst vorhandenen Örtlichkeiten untergebracht , oder es ist in Ermangelung solcher durch Anlage feldmäſsiger Unterkunftsräume für ihre Unterbringung Sorge zu tragen.
Vorwärts des Gros der Vorposten stehen weiter die Vorposten Compagnien und noch weiter vorwärts die Feldwachen mit ihren Posten .
Die zum Gros der Abschnittsbesatzung gehörigen Truppen ver bleiben in nicht befestigten Ortschaftsquartieren und Lagern rückwärts
192
Ziele der Festungs -Artillerie
des Gros der Vorposten. Die beiderseitige Entfernung muſs jedoch zulassen , daſs das Erstere im gegebenen Augenblick zur Unter stützung des Letzteren die befestigte Einschlieſsungsstellung eher erreicht hat, als ein überraschender Ausfall der Festungsbesatzung.
Um endlich noch eine Ablösung oder erforderliche Verstärkung des Gros der Abschnittsbesatzung zeitweise eintreten lassen zu können , wird eine Hauptreserve abgeteilt, welche in dritter Linie, also rückwärts jenes, bereit gehalten wird. Infolge letztberegter Maſs nahmen des Angreifers wird eine zu Unternehmungen ins Vor
gelände befähigte Besatzung das Möglichste aufbieten , selbst nach vollzogener Einschlieſsung den Feind in den von ihm eroberten und besetzten Stellungen fortgesetzt zu beunruhigen um ihn aus denselben wieder zu verdrängen. Diese Beunruhigung wird bewirkt, entweder durch unmittelbare Infanterie - Angriffe, das sind die erwähnten Ausfälle gegen die Einschlieſsungslinie, unterstützt durch weittragende Geschütze , oder durch alleinige Beschieſsung der Stellungen und Ortschaftsquartiere des Feindes Seitens der Festungs- Artillerie . -
Die Einschlieſsungsstellung bildet die Grundlage für die auf bezug den förmlichen Angriff habenden Maſsnahmen . Dazu gehört in erster Linie eine gründ
das weitere Angriffsverfahren
-
lichere Erkundung der Festung, als dies während der Beobachtungs zeit insbesondere den taktischen Verhältnissen nach möglich war.
Hierbei muſs vor allem festgestellt werden, welche Front sich am besten zu einem förmlichen Angriff eignet. Demnach kommt nicht nur die Beschaffenheit des Geländes, in dem die bezüglichen Angriffs arbeiten des Artilleristen und Ingenieurs ausgeführt werden sollen
zur Sprache , sondern auch die Beschaffenheit und Widerstands fähigkeit der permanenten Festungswerke und der feldmäſsig befestigten
Stellungen im Vor- und Zwischengelände der Forts. Zur Erkundung alles dessen werden sich Offiziere und kleinere Trupps in dem un mittelbaren Wirkungsbereich der Festungsgeschütze zeigen und von
diesen beschossen werden ; sei es auch nur zu dem Zweck , den Gegner damit zur Vorsicht zu zwingen. Fassen wir das Gesagte noch einmal kurz zusammen , so sind demnach während der Beobachtung und bis nach erfolgter Ein
schlieſsung der Festung die hauptsächlichsten Ziele für die Festungs Artillerie folgende: 1. Während der Beobachtung.
a) Punkte im Gelände , besetzt vom Gegner zur Sicherung seines Vormarsches gegen die Festung ; mithin u. a. Punkte, wo Straſsen und Eisenbahnen aus Thülern, Tunnels, Hohl
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung.
wegen und Waldungen austreten ,
193
ferner Brücken und
Dämme zur Überführung von Eisenbahnen und Landstraſsen über Gewässer und sonst ungangbare Stellen , wie Sümpfe.
b) Hindernisse als Verkehrsstörungen zur Erschwerung des Anmarsches des Feindes, bewirkt vom Verteidiger durch Anlage von Baumverhauen , Barrikaden oder durch Abbrechen
beziehungsweise Sprengen von Brücken und Tunnels, oder durch Aufreiſsen von Straſsen und Eisenbahnlinien.
c) Hauptanmarschstraſsen Kriegsbrücken.
und
vom Angreifer
hergestellte
d ) Unterkunftsstätten des Beobachtungscorps, wie Örtlichkeiten und Gehöfte.
2. Während der Einschlieſsung. a) Truppen des Einschlieſsungscorps bei ihrem
Vor- und
Flankenmarsch in die Einschlieſsungslinie; ferner Gefechts stellungen des Gegners zur Bekämpfung und Zurückweisung der ihm zur Gegenwehr sich setzenden Festungsbesatzung. b ) Feindliche Vorpostenstellungen. c) Die befestigte Einschlieſsungsstellung zu Wiedereroberungs versuchen und fortgesetzten Belästigungen der Truppen des Belagerers in derselben. d) Quartiere des Gros der Abschnittsbesatzung und der Haupt reserve hinter der Einschlieſsungslinie. e ) Auskundende Offiziere und Trupps. II. Zielverhältnisse.
1. Während der Beobachtung. Allgemeines. Die Ziele während dieser Zeit liegen , wenn überhaupt erreichbar, dann jedenfalls an der äuſsersten Schuſsgrenze der weittragendsten Festungsgeschütze. Ihrer Lage nach sind sie der Sicht der Festung in der Regel entzogen . Als Ziele sind unter I. insbesondere genannt: a) Vom Beobachtungscorps besetzte Punkte im Gelände zur
Sicherung des Vormarsches des Einschlieſsungscorps.
Diesbezüglich
ist eine für alle Fälle zutreffende Annahme hinsichtlich der Be
schaffenheit des Ziels nicht möglich , weil die jedesmaligen örtlichen Verhältnisse die Sachlage zu ändern pflegen .
Dieser Umstand will
aber für die dem Artilleristen darüber erwünschte Kenntnis nicht
viel besagen , weil diejenigen Punkte in der Umgebung einer Festung,
deren rechtzeitige Besetzung das Beobachtungscorps für wichtig
Ziele der Festungs -Artillerie
194
halten könnte, meist im Voraus bekannt sind und daher schon zur Friedenszeit von ihm erkundet sein werden .
Wo aber diese Vor
aussetzung nicht zutrifft, und gedachte Punkte von den Werken aus unmittelbar nicht einzusehen sind , da ist der Artillerist mit
Hülfe der ihm im Ernstfall zur Verfügung stehenden Pläne in der Lage, sich über die den einschlägigen Schieſsaufgaben zu Grunde zu legenden Zielverhältnisse Klarheit zu verschaffen .
Der taktischen Sachlage entsprechend bilden Truppen des
Beobachtungscorps das zu bekämpfende Ziel.
Dieselben
werden
voraussichtlich Ortschaften und Gehöfte besetzen , welche in der
Nähe des Austritts von Anmarschwegen, aus sogenannten Defileen liegen .
Sind jedoch Wohngebäude an den fraglichen Punkten nicht vor handen, so suchen die Abteilungen im Gelände selbst Schutz gegen Witterung, Sicht und Geschützfeuer von der Festung her und machen sich dazu soweit als angängig die Gestaltung beziehungs
weise die Bedeckung des Geländes zu Nutzen , wie Erhebungen, Senkungen beziehungsweise Waldränder, kleinere Gehölze, Hecken u. dergl. m. Da nun der Belagerer gewärtig sein muſs, von Truppen
der Festung in seinen Stellungen angegriffen zu werden , so kann hieraus die Notwendigkeit für ihn entstehen , eine zur Abwehr solcher Angriffe geeignete Gefechtsstellung einzunehmen . Trotzdem hat der Festungs -Artillerist für seine Zwecke den ihm zunächst liegenden Austritt fraglicher Defileen als Hauptziel anzusehen , um die Benutzung desselben dem zu erwartenden Einschlieſsungscorps zu untersagen und dieses so behufs Vermeidung von schweren Ver
lusten zu zeitraubenden Umwegen zu zwingen. Zur bestmöglichsten Lösung dieser Aufgabe muſs hinsichtlich der Beschaffenheit des Ziels zweierlei berücksichtigt werden : Ist die letzte Wegestrecke bis zu ihrem Austritt aus dem Defilee von den Wällen ans in ihrer Längsrichtung zu fassen , oder
liegt die eigene Schuſsrichtung senkrecht zu derselben. Im ersteren Fall bietet das Ziel eine gröſsere Längen- als
Breitenausdehnung dar, im letzteren dagegen umgekehrt. Bestimmte Maſse dafür lassen sich nicht angeben, weil sie von den örtlichen Verhältnissen abhängig sind.
Für gewöhnlich wird die Breite des Ziels der einspuriger Landwege oder 12-14 m breiter Straſsen gleich kommen. Schneidet dagegen , wie zweitens angenommen, die Schuſsrichtung das Defilee in seiner Breite, so ist jetzt die Ziellänge gleich jener Breite. Auſserdem muſs die Beschaffenheit des Geländes seitlich der Verkehrs
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung.
195
straſse Beachtung finden . Gestaltet sich dasselbe beispielsweise bei Thälern und Hohlwegen zu unbedeckten, hochflächeartigen Erhebungen, dann bilden die das Defilee begrenzenden Erdränder eine mehr oder weniger hohe Schulterwehr, und es stellen daher die auf der ein geschnittenen Anmarschstraſse sich bewegenden Truppen ein Ziel
hinter Deckungen dar, dessen erfolgreiche Beschieſsung von der Gröſse des Einfallwinkels der Geschosse abhängt. Dies tritt in noch höherem Grade in die Erscheinung, wenn fragliches Nebengelände dazu mit Wald bedeckt ist.
b) Vom Verteidiger bewirkte Verkehrsstörungen für den geg nerischen Anmarsch.
Das vorstehend unter a Gesagte findet auch hier sinngemäſse Anwendung, indem fragliche Verkehrsstörungen an solchen Punkten der Anmarschstraſsen des Feindes vorgenommen werden , wo ein seitliches Ausweichen ohne vorausgegangene Maſsregeln nicht möglich sein darf.
Hinsichtlich der Beschaffenheit des Hindernisses handelt
es sich weniger darum , seine Abmessungen als seine Lage zu kennen , weil es nicht auf eine Zerstörung desselben ankommt, sondern auf ein Unterfeuerhalten seiner nächsten Umgebung Zwecks Verhinderung einer Beseitigung desselben durch den Feind.
Demnach ist nach
Möglichkeit darauf Bedacht zu nehmen, die Annäherung an die Wegesperrung soweit nach vor- und seitwärts zu bestreichen, daſs der Anmarsch des Feindes schon aufgehalten wird, bevor er das Hindernis erreicht hat. Da nun Letzteres vom Verteidiger her gestellt wird, so kann es dem Artilleristen auch keine Schwierig keiten bereiten, über Lage und Beschaffenheit des Ziels und seiner Umgebung die genaueste Auskunft zu erhalten, um seinen Schieſsplan darauf zu gründen . c ) Vom Angreifer hergestellte Kriegsbrücken . Es sind zu unterscheiden : Brückenstege von wenigstens 1 , Laufbrücken von 3 und Kolonnenbrücken von mindestens 5 Manns breiten . Diese Arten werden wieder eingeteilt in Brücken aus vorbereitetem und solche aus unvorbereitetem Material.
Jede Brücke zerfällt in den Oberbau , bestehend aus der Brücken
decke und dem Geländer, sowie dem Unterbau, d . h. die Unter stützungen der Brückendecke. Brücken aus vorbereitetem Material sind in der Ausrüstung
eines mobilen Armee-Corps enthalten . Man bezeichnet sie allgemein mit Brückentrain .
Jeder Train führt Ponton- und Bockbrücken
Material mit sich . Das Erstere dient zum Überbrücken von Ge wässern von wenigstens 0,60 m Tiefe. Das Letztere wird zum
196
Ziele der Festungs -Artillerie
Übergang über trockene Einschnitte, sumpfige Stellen und Gewässer bis höchstens 2,50 m Tiefe benutzt. Pontonbrücken verwenden Pontons aus verzinntem Eisenblech
als schwimmende Unterstützung. Auf diesen wird ein aus Balken
und Bretterbelag hergestellter Oberbau befestigt. Bei Bockbrücken bilden aus Holz gefertigte Böcke die Unter stützung, welche einen ebenfalls aus Balken und Bretterbelag zusammen gefügten Oberbau zu tragen hat. Jeder Bock besteht aus zwei Bockbeinen, in denen in zwei Ketten ein Holm hängt.
Bei fertiger
Brücke beträgt die Entfernung zweier Pontons gewöhnlich 4,50 m, d . h. die Spannung zweier Böcke 5 m. Brücken aus unvorbereitetem Material werden in allen ihren
Teilen aus in der Nähe oder an Ort und Stelle ihrer Verwendung entweder vorgefundenem
oder zubereitetem Material hergestellt.
Zu unterscheiden sind zwei Hauptarten, nämlich :
Uferbrücken ,
deren Streckbalken von einem Ufer zum anderen reichen , und
Brücken mit Unterstützungen .
Je nach der Art der Letzteren
werden sie bezeichnet als : Bock-, Pfahljoch-, Schiff-, Floſs-, Tonnen 9
brücken und dergl. mehr.
Dasjenige, was über diese Ziele sonst noch anzuführen wäre ist unter a bereits erwähnt worden .
Es erstreckt sich im Wesent
lichsten auf die Schuſsrichtung, ob sie in der Längen- oder Breiten ausdehnung der Brücke streicht, und auf die Beschaffenheit und
Gestaltung des Geländes, wo der Brückenschlag ausgeführt werden
soll, ob nämlich derselbe das Ziel als freiliegendes oder als gedecktes erscheinen läſst. d) Anmarschstraſsen des Feindes.
Auch bezüglich dieser Ziele ist das Hauptsächlichste unter a schon berührt worden .
Da es sich aber daselbst ausschlieſslich um
Engstraſsen, also um Wege mit ungangbarem Nebengelände handelte, so erübrigen hier nur solche, deren anstoſsendes Gelände ein Betreten
gestattet. Letzteres ändert die Sachlage insofern, als es dem Gegner
hierdurch ermöglicht wird , durch Geschosse der Festungsgeschütze >
besonders gefährdete Strecken seiner Anmarschstraſsen auf so genannten Kolonnen- oder llilfswegen zu umgehen.
Zu solchen
Stellen gehören namentlich diejenigen, welche ihrer Länge nach von
den Geschossen wirksam bestrichen werden können . Es bildet nun mehr die Breite der Straſse nicht die des ganzen Ziels, sondern es tritt das Nebengelände in einer den örtlichen Verhältnissen ent sprechenden Ausdehnung hinzu.
In welchem Umfange dies statt
finden muſs, ist danach zu bemessen, daſs eine gründliche Schädigung
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung.
197
des Feindes für den Fall seines etwaigen Ausweichens von der Anmarschstraſse, um den Vormarsch in gesicherter Entfernung seit lich derselben fortzusetzen, gewährleistet bleibt. Hinsichtlich der zu erwartenden Wirkung ist es auch hier von wesentlicher Bedeutung, daſs die Schuſsrichtung die Anmarschstraſse thunlichst ihrer Länge nach bestreiche, weil sich hierdurch eine für die Trefffähigkeit
günstigere Zielfäche ergiebt, als wenn die Schuſsrichtung die Straſse senkrecht schneidet.
e) Von den Truppen des Beobachtungscorps besetzte Ortschaften und Gehöfte .
Anlässlich der hier in Betracht kommenden groſsen Entfernungen und der damit verbundenen ungenügenden Trefffähigkeit der Ge
schütze gegen Ziele von geringer Ausdehnung, wie einzelne Gehöfte und dergleichen Baulichkeiten, hat sich die Thätigkeit der Festungs Artillerie lediglich auf die Beschieſsung gröſserer Ortschaften zu beschränken. Für den Erfolg hierbei ist es wesentlich, ob die Ort schaft in ihrer gröſseren Ausdehnung die Zielbreite oder Ziellänge darstellt und welcher Schutz derselben durch die Beschaffenheit und
Gestaltung ihres benachbarten Geländes gewährt wird. Breitet sich beispielsweise ein Dorf am jenseitigen Abhange einer Anhöhe aus,
oder ist es nach der Festung hin durch Wald geschützt, so beein Aussen diese Umstände die Trefffähigkeit im höchsten Grade. Ins besondere trifft dies bei Waldungen zu, in deren hohen Baum gipfeln Granaten frühzeitig zum Zerspringen gebracht werden, und
deren Wirkung so gegen das eigentliche Ziel verloren geht. Wie dem aber auch sei, als Zielfläche gilt nicht die Ortschaft allein, sondern es muſs auſserdem die nächste Umgebung derselben mit veranschlagt werden , weil in derselben der unausbleibliche Verkehr der im Orte befindlichen feindlichen Truppen zur Handhabung des notwendigen Sicherheitsdienstes nach Aufsen hin stattfindet.
2. Zielverhältnisse während der Einschlieſsung. Unter I. sind für die Einschlieſsungszeit folgende Ziele ent wickelt worden :
a) Truppenbewegungen zur Vollziehung der Einschlieſsung der Festung und Gefechtsstellungen gegen die dabei zur Gegenwehr sich setzende Festungsbesatzung. Der Vormarsch des Einschlieſsungscorps gegen die Festung findet bis zu den Punkten, wo dasselbe zu Flankenmärschen über geht, hauptsächlich auf den nach der Festung hinführenden Verkehrs wegen statt. Die früher bereits dargelegten, einschlägigen Ziel
198
Ziele der Festungs-Artillerie
verhältnisse ändern sich daher nur insofern, als die Zielentfernungen sich naturgemäſs nach Maſsgabe des Näherrückens des Gegners verringern und somit allmählich in den Wirkungsbereich der Ge schütze mit mittlerer Tragweite eintreten .
Gleichwie zur Zeit der Bedrohung der Festung, bilden, während die Einschlieſsung derselben sich vollzieht, Truppen das Hauptziel. Die Unterfeuernahme der von diesen benutzten Anmarschstraſsen
hat aber nicht nur den alleinigen Zweck, die auf denselben that sächlich im Vormarsch begriffenen feindlichen Truppen zu beschieſsen, sondern behält auch eine allgemeine Beunrubigung der Straſsen selbst im Auge, um den Feind an der beabsichtigten Benutzung derselben unausgesetzt zu hindern .
Betreffs der Flankenmärsche liegen die Verhältnisse in frag licher Beziehung etwas anders. Es ist anzunehmen , daſs sie der Sicht der Festung möglichst entzogen ausgeführt werden, und dazu Wege gewählt werden , welche nach der Festung hin durch Höhen ränder oder Waldungen gedeckt und daher nicht einzusehen sind. Dazu kommt noch, daſs die feindlichen Truppen bei Flankenmärschen ein Ziel von nur geringer Tiefe darstellen, gegen welches die Treff wahrscheinlichkeit der Festungsgeschütze im Hinblick auf die Gröſse der Entfernung starke Einbuſse erleidet. Der Artillerist wird daher zur beregten Belästigung des Gegners namentlich auf solche Punkte
im Vorfelde sein Augenmerk richten müssen, welche dieser zur Voll ziehung seiner Absicht unbedingt betreten muſs. Dahin gehören : Überführungen von Straſsen über Gewässer und ungangbare Gegenden vermittelst Brücken und Dämme, ferner Knoten- und Gabelpunkte von Straſsen , sodann in Richtung der Festung streichende Thäler und Thalerweiterungen, Höhenrücken , Waldblöfsen und endlich auch Landungsstellen bei Überfahrten von einem Ufer nach dem anderen.
Zweitens sind als Ziele : Gefechtsstellungen genannt worden, zu deren Besetzung der Angreifer infolge Gegenunternehmungen der Festungsbesatzung genötigt werden kann.
Als solche kommen in
Betracht: Höhen, Ortschaften, Waldungen, sowie das Gelände in
der nächsten Umgebung von Übergängen über Gewässer.
Sind
diese Punkte von den Wällen aus sichtbar, so hat der Artillerist
das Möglichste aufzubieten, Ausfälle der eigenen Truppen dagegen zu unterstützen .
Hat der Feind Anhöhen besetzt, so liegt das Ziel für die
Festungsgeschütze nicht in der vordersten Gefechtslinie jenes, sondern da, wo seine Unterstützungstrupps beziehungsweise Reserven ver
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung.
199
mutet werden, wodurch auch vermieden wird, daſs die zum Angriff vorschreitenden eigenen Truppen durch die Geschosse der in den Kampf eingreifenden Festungsgeschütze gefährdet werden. Dagegen bilden von feindlichen Truppen behauptete Ortschaften so lange in
ihrem ganzen Umfange das Ziel für die Artillerie bis die Festungs truppen zum Sturm dagegen schreiten . Jedenfalls muſs auch darauf
gerücksichtigt werden, die hinter oder seitwärts der Ortschaft bereit stehenden Reserven des Gegners rechtzeitig zu beunruhigen , um ihre Reihen so zu lichten, daſs sie ihre Stofskraft bereits
eingebüſst haben, wenn der Entscheidungskampf ausgeführt wer den soll.
Bei Waldungen endlich liegt das Ziel einesteils in dem dies seitigen Rande, also in der vordersten Linie der gegnerischen Ge fechtsentwickelung, anderenteils auch seitlich derselben, weil die
feindlichen Reserven im gegebenen Augenblick von dort hervor zubrechen pflegen, um den Angriff abzuschlagen. Die über die Lage letzterwähnter Ziele hingestellten Grundsätze erfahren selbstredend eine den jedesmaligen Verhältnissen ent
sprechende Änderung, wenn der Gefechtszweck der Festungstruppen nicht, wie im Obigen unterstellt worden , offensiver sondern defensiver
Natur ist. In diesem Fall hat der Festungs - Artillerist das Ziel so zu wählen, daſs die Annäherung der Einschlieſsungstruppen an die von den Festungstruppen zu behauptenden Stellungen erschwert wird.
b) Vorpostenstellungen des Einschlieſsungscorps. DasFestsetzen des Angreifers in der Einschlieſsungslinie bedingt die sofortige Einrichtung besonderer Gefechtsstellungen, Befestigung von Örtlichkeiten u. dergl. m., um das Angriffsmaterial zu decken und Ausfällen zu begegnen.
Die Vorpostenlinie liegt entweder vor dieser befestigten Stellung, meist aber wird sie sich in derselben befinden, jedenfalls die des Vorposten -Gros.
Da Letzteres den Vorposten - Compagnien zum Rückhalt dient und, im Falle eines Angriffs des Feindes, die zunächst verwend baren Verstärkungen bietet, so ist dementsprechend die Entfernung zwischen Vorposten-Gros und Vorposten - Compagnien zu bestimmen. Beide werden möglichst in Gebäuden untergebracht, welche für schnelle Bereitschaft, bequeme Bewachung und zur Verteidigung einzurichten sind.
Die Vorposten -Compagnien sichern sich ihrerseits durch die von ihnen vorzuschiebenden Feldwachen beziehungsweise selbst ständige Unteroffizierposten. Den beiden Letzteren fällt die Sicherung
Ziele der Festungs-Artillerie
200
wichtiger Wege und Punkte zu, wonach sich ihre Aufstellung zu richten hat. Als Feldwachen werden möglichst geschlossene Züge oder Halbzüge verwendet und, wenn angängig, in bedeckten Räumen untergebracht, wobei durch Vermehrung oder Verbreiterung der Ausgänge eine schnelle Gefechtsbereitschaft ermöglicht werden muſs. Die von den Feldwachen auszustellende Postenkette, aus ein
zelnen Doppelposten bestehend, wird so eng aufgestellt, daſs Niemand sie unbemerkt oder ohne beschossen zu werden durchschreiten kann. Sie wird danach unter Umständen bei Dunkelheit verdichtet. Auch
für die Posten werden Deckungen ausgesucht oder geschaffen. Die Postenkette zieht sich demnach vielfach durch bedecktes Gelände, wie mitten durch Ortschaften, Wälder und Gräben.
Die von den Feldwachen aus abzulösenden Doppelposten sollen im Allgemeinen nicht weiter als 400 m vor denselben aufgestellt werden .
Nach der allgemeinen Gliederung der Vorposten bieten die selben Ziele von verschiedener Ausdehnung dar. Dieselbe nimmt, vom Vorposten -Gros bis zu der Linie der Doppelposten gerechnet, von groſsen Zielfächen, wie Dörfern, bis sozusagen Zielpunkten, wie Doppelposten, ab. In Anbetracht der einstweilen noch groſsen Entfernung der Vorpostenstellung von den Werken während der Zeit der Einschlieſsung der Festung werden gehörig gedeckte Feld wachen und Doppelposten wegen Mangels an hinreichender Treff fähigkeit dagegen vom Festungsgeschütz einstweilen noch unberück sichtigt bleiben müssen . Ein Gleiches gilt mehr oder weniger hin sichtlich der im Gelände gedeckt auftretenden Vorposten - Compagnien.
Dagegen bilden Dörfer und sonstige Stellungen des Vorposten Gros beachtenswerte Ziele, indem bei einiger Ausdehnung, selbst bei verdeckter Lage , ein Beschieſsen derselben sich meist verlohnt. Die Zielverhältnisse gestalten sich aber etwas anders, als es
den vorigen Erörterungen nach den Anschein haben möchte, wenn die Schieſsaufgabe eine allgemeine Beunruhigung der feindlichen Vorpostenstellung bezweckt. Näheres hierüber wird bei der Be sprechung des einschlägigen Schieſsverfahrens später noch ausgeführt werden.
Es soll daher an dieser Stelle nur mit dem Hinweis sein
Bewenden haben, daſs hinsichtlich der Zielverhältnisse im Groſsen
und Ganzen die gesamte Vorpostenstellung, soweit sie in einzelnen Fall in Betracht kommt, ins Auge zu fassen ist, namentlich auch auf den Verkehr gerücksichtigt werden den der Dienst in der Vorpostenstellung nach Tiefe und erheischt.
jedem indem muſs, Breite
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung.
201
c) Die befestigte Einschlieſsungsstellung. Mit der Befestigung der Einschlieſsungsstellung bezweckt der Belagerer, das gewonnene Gelände so einzurichten, daſs er im Stande ist, etwaigen Angriffen der Festungsbesatzung gegen dieselbe auch
mit einer Minderzahl von Truppen gegenüber einer Überlegenheit an solchen sich nachdrücklich behaupten zu können . Die dazu erforderlichen feldmäſsigen Befestigungsanlagen müssen sich daher
in ihrer Gesamtheit zu einer wohl eingerichteten Gefechtsstellung gestalten .
Hierzu gehört :
Befestigung der in der gewählten Stellung vorhandenen natür lichen Stützpunkte, wie : Höhen, Wälder, Dörfer, Gehöfte u. dergl. m. Sicherung der verbleibenden Zwischenräume durch Schützen gräben für einzelne Schützen und Schützenlinien , durch künstliche Feldschanzen Stützpunkte für geschlossene Infanterie - Ab teilungen, und endlich durch Deckungen für Feldgsechütze und deren
Protzen - Geschütz und Protzen -Deckungen.
Herstellung von Laufgräben und Brücken ; erstere zur Erlangung einer gedeckten Verbindung der vorgenannten Einrichtungen , letztere zur Vermittelung eines fortlaufenden Verkehrs in der ganzen
Stellung, da wo dieselbe durch Bäche und unwegsames Gelände unterbrochen ist. Anlage von Hindernissen verschiedenster Arten, um dem Feinde
vor der befestigten Stellung Halt zu gebieten und zur Schlieſsung von Lücken in derselben .
Einrichtung von Beobachtungsposten .
Die Darlegung der Zielverhältnisse für die genannten Ein richtungen erfordert einige allgemeine Angaben über die Art ihrer Herstellung. : ,
Befestigung von Höhen . Es wird gewöhnlich ihr vorderer Rand mit Schützengräben durchzogen. Geschützeinschnitte für Feld geschütze werden so angelegt, daſs an den Abhängen hinaufführende Schluchten, Mulden und Hohlwege, sowie das nächste Vorfeld be strichen werden können . Zum Schutz der Truppen werden nötigen falls gegen Shrapnelfeuer schützende Deckungen hergestellt. Breiten sich auf der Höhe oder auf den vorderen Abhängen derselben Wälder, Dörfer oder Gehöfte aus, so werden sie gleichfalls zur
Verteidigung eingerichtet. Befestigung von Wäldern. Um den Gegner die Erstürmung des Saumes zu erschweren, wird dieser so zur Verteidigung ein gerichtet, daſs etwa 10—25 m waldwärts Bäumchen, starke Äste,
Ziele der Festungs-Artillerie
202
starke Sträucher und dergleichen Gehölz abgehauen , am Waldrande
zwischen Bäumen oder eingeschlagenen Pfählen aufgezackt und bis zur Anschlaghöhe 1,30 m mit Erde beschüttet werden.
Bei älterem
Waldbestande pflegt man auch starke Bäume zu fällen, abzuästen , in der Richtung des Saumes zu legen und durch Erdnachfüllung als Brustwehr einzurichten.
Kann vom Walde aus das Vorfeld
nicht gehörig übersehen werden, so schiebt man verstärkte Schützen gräben vor und verbindet sie durch Deckungsgräben mit dem Waldrande. An den Stellen, wo es sich um Flankierung längerer gerader Linien vor dem Waldsaume, oder um Deckung des Aus trittes wichtiger Wege handelt, werden Schützengräben über den Waldrand vorgeschoben . Für Unterstützungstrupps und Reserven , welche rückwärts des vorderen Waldrandes bereit zu halten sind ,
werden zum Schutz gegen Shrapnel-, Granat- und Holzsplitter Unter stände einfachster Art hergerichtet. Befestigung von Dörfern. Dieselbe besteht in der ver
teidigungsfähigen Einrichtung der äuſseren Dorfbegrenzung, unter Benutzung von Hecken, Zäunen , Mauern und Häusern hinter dem Dorfrande, im Verbarrikadieren von Straſsen, sowie im Schutz
der Einfriedigungen gegen Geschützfeuer und in der Anbringung von Unterständen innerhalb des befestigten Dorfrandes. Die Be festigung einzelner Gehöfte erfolgt ähnlich wie bei Dörfern, indem der Saum derselben verteidigungsfähig eingerichtet wird . Zur Ver längerung der Feuerfront werden nötigenfalls Schützengräben seit wärts angehängt. Bei groſsen Gutshöfen, Fabriken und Schlössern , welche mit Parks und Gartenanlagen umgeben sind , befestigt man die Gebäude zur Verhinderung eines gewaltsamen Eindringens des Gegners und zur Verteidigung durch entsprechendes Einschneiden
von Scharten in die Umfassungsmauern , Thüren und Fensterläden . Schützengräben für einzelne Schützen und Schützenlinien behufs Sicherung der Lücken zwischen natürlichen und künst
lichen Stützpunkten. Es kommen vier Profile vor : das für liegende Fig. 1 , knieende Fig. 2 und stehende Schützen Fig. 3, sowie das für verstärkte Schützen- und Deckungsgräben Fig. 4. Fig . 1 .
s. Spatenty
Fig. 2.
܀ 3.Spatenla to
- $ 257 ,
anzeiglange
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung.
203
Fig . 4.
Fig. 3.
.
Protonly. lawyer oder i sjen
nach Becay
Künstliche Stützpunkte. Es giebt dafür drei Profile : Profil
für verstärkte Schützengräben Fig. 4, oder zur besseren Übersicht für den Verteidiger desselben über das Vorfeld Fig. 5. Schlieſslich zur Erlangung eines noch besseren Überblicks und gröſseren Wider standes der Brustwehr als bei Profil Fig. 5, das Feldschanzen profil Fig. 6. Fig. 5. + loc
No u {
m.
2,50 0,00
Fig. 6. les 150 Einfal .
Geschütze und Protzendeckungen. Feldgeschütze werden wie in Fig. 7 dargestellt, mit Abständen einzeln eingeschnitten. Die Zwischenräume der einzelnen Geschützstände werden durch Gräben
mit einander verbunden und in diesen zum besseren Schutz der Bedienungsmannschaften Unterstandsräume erbaut. Nach Zeit und
Bedarf wird die Widerstandsfähigkeit der Deckungen durch eine gröſsere Brustwehrstärke vermehrt. Protzendeckungen, Fig. 8, werden nur dann angelegt, wenn es nicht möglich ist, die Protzen im Gelände gedeckt aufzustellen . Erfolgt die Aufstellung ohne Gespanne, so stehen die Protzen mit der Deichsel senkrecht zur aufgeworfenen Brustwehr.
die Bespannung ebenfalls gedeckt werden, so ist dieselbe nebst Protze gleichlaufend zur Deckung aufzustellen. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXVIII., 2.
14
Ziele der Festungs -Artillerie
204
Fig. 8 .
Fig. 7.
10,53 1 1 .
6/1
ante
tro
Herstellung von Lauf gräben . Ist der Zweck der
A
selben ausschlieſslich , eine ge
deckte Verbindung unter den zur Verteidigung hergerichteten Punkten der Einschlieſsungs stellung zu erhalten , so reicht eine Deckungshöhe von 2,00 m
Fus
aus , um die im Laufgraben sich bewegenden Truppen gegen Sicht zu schützen .
Die Breite
der Sohle beträgt 1,00—2,00 m. Die Brustwehrstärke ergiebt sich
1 1
! a.
aus diesen Profilsverhältnissen.
Brücken in der Einschlieſsungsstellung. Dieselben werden in der Weise hergestellt, wie unter II. 1 c, betreffend Ziel verhältnisse während der Bedrohung der Festung, näher ausgeführt worden ist.
Anlage von Hindernissen vor und in der befestigten Einschlieſsungsstellung. Es sind zu unterscheiden natürliche und künstliche Hindernisse.
Zu Ersteren rechnen : Einfriedigungen
(Mauern, Hecken und Zäune), steile Abhänge, Einschnitte, Gestrüpp, 9
Sümpfe, nasse Wiesen und flieſsende Gewässer, wenn sie nur auf vorhandenen Wegen und Brücken
überschreiten sind .
Um
Letzteres zu verhindern, werden fragliche Stellen mit entsprechenden Mitteln der Feldbefestigung verstärkt beziehungsweise gesperrt. Hierbei kommt die zweite Art, nämlich künstliche Hindernisse, zur
Verwendung, als da sind : Wolfsgruben, Pallisaden, Sturmpfähle, Spanische Reiter, Verhaue (Baum- und Astverhaue), Drahtnetze, Verpfählung, Eggen und nach Umständen auch Minen. Einrichtung von Beobachtungsposten. Dazu werden Punkte gewählt, von denen aus ein guter Überblick über das Gelände bis zur Festung hin vorhanden ist, ohne von letzterer aus leicht entdeckt zu werden .
Zu einer geschützten Unterkuuft des
205
während der Bedrohung u. Einschlieſsung einer Fortsfestung,
Beobachtungs-Personals werden entweder vorhandene Baulichkeiten benutzt, oder besondere Unterstände hergerichtet. Bestimmte Ab messungen bierfür sind nicht gegeben , vielmehr richtet sich die Ausführung der Bauten nach örtlichen Verhältnissen, nach der Zahl
der in ihnen unterzubringenden Beobachter sowie nach Zahl und Gröſse der von diesen zum Durchsuchen des Geländes zu ver wendenden Fernrohre und dergleichen Hilfsmittel mehr. Weitere Ziele während der Einschlieſsung bilden : d) Cantonnements des Gros der Abschnittsbesatzung. Es sind dies Dörfer, Gehöfte und , falls diese in genügender
Zahl nicht vorhanden sein sollten , auch Zeltlager. Während die oben erwähnten , vom Gros der Vorposten besetzten Örtlichkeiten und Baulichkeiten befestigt wurden , geschieht solches mit den Cantonnements in der Regel nicht, weil sie in einer solchen Ent fernung hinter der befestigten Einschlieſsungsstellung gelegen sind , daſs auf eine Verteidigung derselben nicht gerücksichtigt wird. 7
Dies schlieſst aber nicht gänzlich aus, daſs sie, falls hinter der
Einschlieſsungsstellung eine Aufnahmestellung für nötig befunden werden sollte, mit in die zu befestigende zweite Linie hineingezogen und ebenfalls zur Verteidigung eingerichtet werden .
Aufnahme
stellungen sollen den in vorderster Linie geschlagenen beziehungs weise aus derselben zurückweichenden Truppen einen neuen Stütz punkt bieten. Die Einrichtung solcher Stellungen erfolgt dann in gleicher oder ähnlicher Weise, wie die bereits erwähnte Befestigung der Einschlieſsungsstellung .
e) Auskundende Offiziere und Trupps. Das in ihnen sich darbietende Ziel richtet sich in jedem zelnen Fall nach der Zahl des auf einem
Punkte
im
ein
Gelände
erscheinenden Personals. Die Entfernung, in welcher sich dasselbe den Festungsgeschützen nähert, muſs bestimmend bleiben , ob sich eine Beschieſsung desselben aus Geschützen lohnt, oder eine Ver
treibung desselben lediglich den Vorposten überlassen bleiben muſs . Nach Möglichkeit suchen gedachte Trupps Deckung im Gelände und bieten daher eine schwer zu treffende Zielfäche dar. (Schluſs folgt . )
14 *
XII.
Befestigungs-Ideen. Eine Antwort von K. H. auf die Auslassungen des Herrn Majors J. Scheibert.
In dem Juni-Heft der Jahrbücher für die Deutsche Armee und
Marine hat Herr Major z. D. Scheibert meine Schrift »Ideen über
Befestigungen « einer Besprechung unterzogen, auf welche ich mich um so mehr bewogen finden muſs zu antworten, als Herr M. S.
am Schluſs die Erwartung einer Antwort ausspricht, und als seine Gegenäuſserung in so kameradschaftlich wohlwollendem Tone gehalten ist, daſs aus einer Fortsetzung dieser Auseinandersetzung nur ein ersprieſslicher Meinungs- Austausch, niemals ein unliebsamer Feder krieg entstehen kann .
Herr M. S. sagt S. 318 sehr richtig, daſs vor Allem er und ich auf einem verschiedenen Standpunkte stehen . Er wollte nur Privzipien Fragen lösen, ich aber setze mich im Geiste an die Stelle der
obersten Heeresleitung und zöge dann die praktischen Folgerungen. Hierin hat Herr M. S. nicht nur sehr Recht, sondern es sind
auch durch die Verschiedenheit dieser Standpunkte ganz allein die scheinbaren Verschiedenheiten in unseren grundsätzlichen Ansichten entstanden .
Ehe ich hierauf näher eingehe, muſs ich vorerst darauf auf
merksam machen, daſs beide Standpunkte der vollkommenen Festig keit entbehren. Prinzipien -Fragen lassen sich im Befestigungswesen
nicht endgültig lösen. Ihre Beantwortung wird sich immer nach dem wechselnden Standpunkte der Technik richten. Wie die Fort schritte in der Technik der Angriffsmittel und des Eisenbahnwesens die Bedeutung permanenter Befestigungen herabgedrückt haben, so
können Fortschritte in der Technik der Schutzmittel diese Bedeutung wieder erhöhen.
Noch weit unsicherer ist aber der Standpunkt
der praktischen Lösung, wenn man sich im Geiste an die Stelle
der obersten Heeresleitung setzt und mit seiner Ansicht vor die
Öffentlichkeit tritt.
Denn die praktische Lösung ist noch mehr
Befestigungs- Ideen.
207
von der Angriffs- wie Verteidigungs - Technik abhängig, und die öffentliche Besprechung darüber kann derselben nicht einmal voll Rechnung tragen. Die Staaten halten ja ihre neuesten Erfindungen geheim , und wer über diese Frage öffentlich redet, hat entweder
keine genaue Kenntnis von den Einzelheiten dieser Erfindungen, oder er darf, wenn er sie kennt , schon aus Patriotismus nicht davon sprechen. Deshalb gebe ich zu, daſs ich mich auf weit schwanken deren glatteren Boden begeben habe, als Herr M. S. Das soll mich aber nicht davon abhalten, ihm in seinen Ausführungen zu
folgen, obgleich ich hier einem Manne vom Spezialfache, einem Sachverständigen gegenüberstehe, und selbst kein Solcher bin . In dessen bedürfen alle Erfindungen, wie Grundsätze der Techniker und Sachverständigen auch noch einer Prüfung durch solche Militärs, welche nicht Sachverständige sind, aber in den Fall kommen könnten,
die Grundsätze oder Erfindungen anzuwenden . Dabei muſs ich mich gegen den etwaigen Verdacht verwahren , als ob ich etwas unanfechtbar Richtiges, Unumstöſsliches vorzu bringen meinte. Der Boden , auf den ich mich stellen muſs, ist ja nicht nur mit den Fortschritten der Technik wechselnd, sondern
auch für den augenblicklichen Standpunkt der Techvik unsicher,
weil dieser letztere eben, wie vorstehend angedeutet, der Öffent lichkeit nicht vollständig bekannt gegeben werden kann .
Die
Brisanz -Geschosse haben viel von sich reden gemacht, dann drangen
Nachrichten in die Öffentlichkeit, daſs das vielbesprochene Melinit nicht aufbewahrungsfähig sei und sich binnen kurzer Zeit verzuckere. Von anderen Versuchen mit Brisanz-Geschossen wurde erzählt, daſs
sie eine vernichtende Wirkung äuſserten, und ihnen Nichts wider stehen könne ; wieder von anderen, daſs sie den Erwartungen gar nicht entsprochen hätten und eine sehr geringe Wirkung erzeugten , ja sogar die eigene Mannschaft gefährdeten. Weiterhin ist in die
Öffentlichkeit gedrungen , daſs Eindeckungen innerhalb der Festungs werke, sei es durch Panzer, sei es durch Cement, gegen die neuere Geschoſswirkung verstärkt seien oder würden . Es ist doch nicht
denkbar, daſs vernünftig handelnde Heeresleitungen derartige Ver stärkungen mit groſsem Aufwande an Geld- und Arbeitsmitteln hergestellt haben würden, wenn sie sich nicht vorher durch Schieſs
versuche davon überzeugt hätten, daſs diese Verstärkungen auch gegen die neuesten Angriffsmittel Schutz gewährten. Nur in diesem Sinne ist die Anforderung zu verstehen , die ich in meiner Schrift »Ideen über Befestigungen « S.67 unter 12 stellte, daſs die permanenten Befestigungen mit denjenigeu Schutzmitteln zu versehen seien,
208
Befestigungs- Ideen.
welche den Fortschritten der Belagerungs - Artillerie ent sprechen. In diesem Jetzten Nachsatze ist enthalten , daſs, wenn Panzertürme diesen Fortschritten nicht entsprechen , dieselben fort
zulassen sind. Nur gründliche Schieſs - Versuche können darthun, ob solche Panzertürme oder Verstärkungen durch Beton - Deckungen , von denen Herr M. S. spricht, ausreichenden Schutz gewähren. Sofern diese Versuche ergeben , daſs sie keinen Schutz gewähren , wird eine einsichtsvolle Heeresleitung dafür nicht Hunderte von Millionen verausgaben . Jedenfalls können wir zu unserer obersten
Heeresleitung das Vertrauen hegen , daſs sie hierin verständig ver fahren wird ; dies Vertrauen hat sie durch die bisherigen Erfolge verdient.
Herr M. S. spricht auf S. 319 von leichten , fahrbaren, provi
sorischen Anlagen mit eisernen Schirmen , die in Buckau gefertigt und für Rumänien bestimmt sind, und in den Fortzwischenräumen
Verwendung finden sollen. Es wird von ihnen gesagt, daſs sie gegen die Wirkung von Feldgeschützen Deckung gewähren und durch ihre geringe Sicht- und Treffbarkeit fast völlig gegen die schweren Geschosse schützen .
Wenn sich diese Schirme praktisch bewähren, so können sie den Vorzug der provisorischen Befestigungen vor den permanenten bedeutend erhöhen.
Um dieses festzustellen , sind nicht nur aus
gedehnte Schieſsversuche notwendig, sondern auch Aufstellungs versuche, um festzustellen, wie viel Zeit und Arbeitskräfte dazu
gehören, um einen zu verteidigenden Platz ( Eisenbahnknotenpunkt) von einer bestimmten Ausdehnung verteidigungsfähig zu machen . Von dem Ausfall dieser Versuche wird es abhängen, ob man diese Schirme zwischen den vorgeschobenen Forts bereit zu halten gut thun wird . Im günstigen Falle könnte man ganze Festungen per manenten Stils eingehen lassen , und sie durch Bereithaltung der
erforderlichen Schirme in Lagerungsplätzen ersetzen , aus denen sie nach Bedarf an diesen oder jenen Platz geschafft werden müſsten .
Eine kühne Phantasie wird sogar behaupten , Technik, Gewandheit und Schnelligkeit müſsten soweit vervollkommnet werden können, daſs auf diesem Wege eine Festung binnen 24 Stunden her zustellen
ist.
Dann allerdings könnten auch die Grenzfestungen
entbehrt werden .
Ich hege zu einer verständigen Heeresleitung das Vertrauen, daſs sie diese Erfindung, wie eine jede neue im Auge behält, und die erforderlichen Versuche anstellt. Aber ich glaube nicht, daſs die Ergebnisse solcher Versuche so bald gedruckt zu lesen sein
4
Befestigungs - Ideen .
209
werden , und erst auf Grund solcher Veröffentlichungen wird man öffentlich darüber verhandeln können , in wie weit diesen neuen
Erfindungen gegenüber die permanenten Befestigungen in den Hintergrund zu treten haben.
Jedenfalls darf man sich mit solcher Änderung der Grundsätze nicht übereilen . Denn wenn sich diese neuen Erfindungen der pro visorischen Fortifikation nicht so bewähren sollten , wie man es
erwartet hatte, und man dafür voreilig Festungen eingehen lieſse, die bis dahin notwendig waren , so würde man im Ernstfalle die bittersten Enttäuschungen mit den übelsten Folgen erleben .
Zu gleicher Zeit wird die Heeresleitung in Erwägung ziehen , wie hoch sich die Kosten für die Herstellung und dauernde Unter haltung dieser vorrätig zu haltenden Schirme belaufen .
Die Kosten
für einzelne solcher Schirme, welche Herr M. S. angiebt, sind ja nicht hoch . Man muſs nur in Rechnung ziehen, daſs es nicht genügen würde, die Schirme für Zwischenstellungen zwischen zwei Forts
vorrätig zu halten. Wollte man sich ganz auf diese Erfindung verlassen , so könnte man in den Fall kommen, auf der Front des Kriegstheaters 4, 5 oder mehr solcher » befestigten Stellungen «, wie sie Herr M. S. nennt, herstellen zu müssen . Dann wächst das vor rätig zu haltende Material, und weil man vorher nicht immer weiſs,
wo sich der Bedarf nach provisorischer Stellung herausstellen wird, auch das der dafür bereit zu haltenden Fortschaffungsmittel be deutend . Die Anschaffung von alledem veranlaſst nicht zu unter schätzende einmalige Kosten, ebenso die Unterhaltung laufende
Ausgaben. Die Heeresleitung wird nicht unterlassen können, diese Ausgaben mit denjenigen zu vergleichen, die durch den Bau und die Unterhaltung von Festungen verursacht werden , und das Er gebnis dieses Vergleichs als einen wichtigen Umstand bei der Ent
scheidung für die praktische Befolgung der einen oder der anderen Grundsätze mitsprechen lassen. Uns aber fehlen die Grundlagen, um eine solche Frage bis zur Beschluſsfähigkeit zu lösen. Ich will durchaus nicht alle diese Einwände gemacht haben, um die praktische Anwendbarkeit der in Rede stehenden Erfindungen zu bestreiten. Im Gegenteil! Wenn diese leichten, fahrbaren pro visorischen Anlagen sich vollkommen bewähren sollten , so würde mein Ideal einer Kriegführung sich der Art gestalten, daſs man dem Feinde offensiv ins Land fiele, und den Fortschritten der
Heere mit der » beweglichen Befestigungs -Anlage« und den » fahr baren provisorischen Anlagen « unmittelbar folgte, so daſs dasjenige Heer, welches einen Miſserfolg erfahren sollte, stets unmittelbar
210
Befestigungs-Ideen.
hinter sich in nächster Nähe einen Halt fände, der dem nach
dringenden Feinde die Ausbeutung des Erfolges vorläufig unter sagte. Wir können indessen nicht unberücksichtigt lassen , daſs nicht
jeder Krieg nur nach einer einzigen Front hin geführt werden wird. Sobald es sich darum handelt, mit zwei Feinden zugleich zu kämpfen, kann man nicht mit Bestimmtheit darauf rechnen, gegen alle Beide
offensiv beginnen zu können. Man wird sich vielleicht damit be gnügen müssen , gegen den Einen mit aller Kraft offensiv aufzu treten, um ihn schnell nieder zu werfen, und dem Anderen unter dessen durch eine hinhaltende Defensive zu begegnen. Gegen
welchen dieser Gegner die Offensive, gegen welchen die Defensive am Platze ist, weiſs man vorher nicht. Der Entschluſs hierzu ist von zu vielen augenblicklichen Umständen abhängig. Gewiſs wird man nach der Front hin, in der man zuerst offensiv aufzutreten
gedenkt, die fahrbaren provisorischen Anlagen und die bewegliche Befestigungs -Anlage am Meisten benutzen , um sich schnell in Feindes Land festsetzen zu können .
In der anderen Front macht
sich dann das Bedürfnis von richtig angelegten permanenten Festungen geltend, welche, wenn geschickt ausgebeutet, einem schwächeren Heere gestatten, auch dem überlegenen Feinde gegenüber mit Glück zu operieren und die Gelegenheit zu offensiven Schlägen auch in der allgemeinen Defensive zu erfassen . Durch Vorstehendes glaube ich genügend dargethan zu baben, daſs die Grundgedanken , die mich in meiner Schrift leiteten, wohl nicht von denen des Herrn M. S. verschieden sind.
Die
Ver
schiedenheit der zu ziehenden Folgerungen wird aber bestehen bleiben, wenn Einer von uns nur Grundsätze aufstellt, der Andere
die praktische Anwendung bespricht. Weil aber, wie vorbemerkt, uns Beiden der ganz sichere Grund fehlt, auf dem wir aufbauen
müſsten , so würde eine Fortsetzung der Besprechung kein ersprieſs liches Ergebnis mehr liefern, sondern mehr der phantastischen Hunnenschlacht in den
Lüften gleichen , welche Kaulbach ge 9
malt hat.
Es sei mir nur erlaubt, noch einzelne Sätze aus der Kritik des Herrn M. S. herauszugreifen, welche ich nach meiner Ansicht nicht
unbesprochen lassen kann, nachdem er die Erwartung geäuſsert, ich werde seine Darlegungen nicht ohne Antwort lassen : 1. Im Eingange, wo Herr M. S. die Sätze meiner Schrift anführt, denen er zustimmt, lautet nach ihm (S. 309) der Eine: > Festungen , welche nicht rechtzeitig armiert werden
Befestigungs- Ideen.
211
können, sind wertlos. « Ich habe mich entschiedener aus gesprochen und lege Wert darauf, daſs ich (S. 64 der
» Ideen « ) hinzusetzte: »ja schädlich « . 2. Ich habe (zu S. 310 und 311 der Kritik) weder die Wirkung der Brisanz-Geschosse
noch
die Fortschritte
des Feld
Eisenbahnwesens unterschätzt. Über den ersteren Gegen stand habe ich mich vorstehend wohl genügend ausgesprochen. Es bleibt mir nur noch übrig darauf aufmerksam zu machen, welchen Wert ich in jener Schrift auf die Wirkung der Brisanz-Geschosse auch von Seiten des Verteidigers legte. Was die Fortschritte des Eisenbahnwesens betrifft, so
beschränkt Herr M. S. (S. 311) die Möglichkeit, den Bau von Bahnen mit vormarschierenden Armeen fast gleichen Schritt halten zu lassen, auf das ebene Gelände. Das Be festigungswesen sucht sich aber meistens nach Stromläufen
oder beherrschenden Höhenzügen , ja Gebirgen zu richten. Da wird auch das jetzige Feld - Eisenbahnwesen groſsen Aufenthalt erfahren . Die Aufgabe, z. B. Metz oder Verduu zu umgehen, würde auch jetzt noch viel Zeit kosten, wenn auch nicht ganz so viel, wie 1870. 3. Der Satz (S. 312 der Kritik) : »Festungen, welche nicht wichtige Bahnen sperren , oder die nicht an natürlichen
Hindernissen liegen, welche den Bau einer Umgehungsbahn sehr schwierig machen, möchten wohl kaum der Besatzung wert sein, welche man dort vergräbt; denn der Angreifer wird sie einfach bei Seite lassen, « ist demnach keine Ent
gegnung auf meine Ansichten , sondern eine Bestätigung derselben .
4. Herr M. S. will (S. 312) Festungen, die man liegen lassen will, durch eine ebenso geringe Truppenmacht unschädlich machen, als die ist, welche die Festung zu einem Ausfalle zu verwenden im Stande ist (von ihm Ausspeiungs-Coeffizient genannt). Hierin kann ich ihm nicht beistimmen . Wird
das Vorterrain der Festung durch die Natur in Abschnitte geteilt, zwischen denen die Verbindung schwierig ist, so
muſs man zur Unschädlichmachung der Festung auf jedem Abschnitte eine Macht verwenden, die dem » Ausspeiungs Coeffizienten « fast gleich kommt.
5. Auch der (auf S. 314 der Besprechung ausgesprochenen ) Meinung des Herrn M. S. bin ich nicht, daſs ein sogenanntes
212
Befestigungs- Ideen. offenes Paris
militärisch
eine
Null
wäre .
Taktik und
Strategie sind ohne Politik nicht denkbar. So lange Paris in den Augen der Franzosen Frankreich ist, so lange ist auch ein offenes Paris militärisch keine Null , denn Frank reich widersteht dann nicht mehr, wenn Paris genommen ist. 6. Herr M. S. legt ( S. 320 der Kritik ) wiederholt groſsen Wert darauf , daſs die Befestigungen rückwärts offen seien,
so daſs sie verlassen werden können , ohne die Ehre der Armee zu schädigen. Vielleicht verstehe ich nicht ganz,
wie er das meint, und könnte eine genauere Auseinander setzung mich belehren, daſs ich auch hierin im Grunde
derselben Meinung bin , wie er. Wenn er aber verlangt, daſs die stärkeren Schanzen , welche die Stützen einer Stellung bilden , und die Forts einer Festungslinie, wie er sie auf dem
linken Moselufer bei Metz bestehen lassen will,
hinten ganz frei und jedem Überfalle zugänglich bleiben sollen, so kann ich ihm darin nicht beistimmen . Wenn sie
hinten nicht mindestens provisorisch geschlossen sind, so könnten sie ja durch einen kühnen nächtlichen Handstreich
sogar von Kavallerie genommen werden. 7. Auf derselben Seite schlägt Herr M. S. für Metz vor, nur die Werke des linken Mosel-Ufers bestehen zu lassen, wo gegen er meint, bei einigen Rheinfestungen würde die Be
festigung des rechten Ufers genügen. Wenn hier zuletzt wicht ein Druckfehler vorliegt, so kann ich ihm nicht bei stimmen.
Ich würde bei der Befestigung eines Strom
Übergangs-Punktes den gröſsten Wert auf die Befestigungen nach der feindlichen Seite zu legen, wenn ich die Festung zu operativen Zwecken benutzen wollte. Denn die Be
schränkung auf die Befestigung des anderen Ufers mit dem Strome vor der Front verdammt uns dort zur
starren
Defensive, weil wir dann den Strom -Übergang nicht frei haben .
8. In denselben Sätzen ist der militärische Wert der
Stadt
Metz wohl zu gering angeschlagen. Ganz abgesehen von dem
moralischen Wert, den wir darauf würden legen
müssen , diese Stadt, die so viel deutsches Blut gekostet hat, nicht leichten Kaufs in Feindes Hand zu lassen , dürfte
doch die » Stadt « Metz der Hülfsquellen aller Art genug enthalten, die man nicht gern Preis geben würde. An ein
Befestigungs -Ideen.
213
rechtzeitiges Zurückschaffen wäre wohl bei der Nähe der Grenze nicht zu denken .
9. Wenn Herr M. S. (ebenfalls S. 320 ) dafür ist , diejenigen
Festungen zu erhalten , welche auf der Hauptstraſse von Mainz bis Berlin liegen , so wechseln wir hier die Rollen .
Ich halte für einen Krieg gegen Westen zwischen Mainz und Berlin keine Festung für nötig . Warum gerade Mainz ? Warum gerade Berlin ? Berlin ist ja nicht Deutschland, wie
etwa Paris Frankreich
ist .
Aber selbst, wenn dies
der Fall wäre, läge keine Notwendigkeit vor, den Feind durch eine Festung aufzuhalten .
Ehe derselbe die wohl
400 Kilometer von Mainz bis Berlin zurücklegt, kann die vor ihm zurückweichende Armee bei unserer Organisation durch Landwehr und Landsturm derart verstärkt werden, daſs ein Umschlag erfolgen muſs.
10. Am Ende von S. 320 schlägt Herr M. S. vor, in den zu erhaltenden Festungen Lagerungsplätze von eisernen Deck schirmen zu errichten , nicht nur zum Bedarfe der Festung selbst, sondern auch um » in und auſserhalb des Landes
leicht herstellbare und doch starke Stellungen schaffen zu können «. Hierbei hat er wohl ganz auſser Acht gelassen , daſs er sich früher selbst (unter 4. ) dahin aussprach, die
Festungen könnten nicht mehr als geeignete Lagerungs plätze dienen , weil die Leistungen der Eisenbahnen diese Aufgabe übernommen haben . Ich schloſs mich ( S. 25 der > Ideen « ) dieser Ansicht an und führte des Weiteren aus,
daſs Lagerungsplätze in Festungen nur in solcher Masse anzulegen seien, wie das Material zur Verteidigung der Festung selbst erforderlich ist.
Die Lagerungsplätze der
beweglichen Festungs - Anlage schlug ich vor an offnen Orten niederzulegen, welche Eisenbahn -Knotenpunkte seien , und Herr M. S. hatte in seiner Besprechung (S. 317) seiner Freude darüber Ausdruck gegeben, daſs ich mit ihm in der Behauptung, Festungen seien keine geeigneten Lagerungs plätze, übereinstimme. Ich kann deshalb nicht umhin , diese Ansicht auch betreffs der Deckschirme, sofern sie sich be
währen sollten, aufrecht zu erhalten, und schlage vor, davon in den Festungen nur so viel vorrätig zu halten,, als für dieselben zu ihrer eigenen Verteidigung für nötig erachtet werden . Alle für die » bewegliche Festungs - Anlage « nötigen
Befestigungs-Ideen.
214
Deckschirme würde ich aber vorziehen, an offnen Orten, an
Eisenbahn -Knotenpunkten niederzulegen. Herr M. S. wird mir nicht grollen, daſs ich diese im Einzelnen
bestehenden Verschiedenheiten noch hervorgehoben habe. Es würde mir von besonderem Werte sein , wenn ich auch in Einzelheiten eine
Übereinstimmung unserer Ansichten bestätigen könnte. Denn die freundliche und kameradschaftliche Art und Weise, in welcher er
mir gegenüber aufgetreten ist, wo er glaubte, daſs unsere Ansichten auseinander gingen, verpflichtet mich zu persönlichem Danke. Noch mehr aber bin ich ihm im Interesse der Sache dankbar dafür, daſs
er auf meinen im Vorwort zu den » Ideen« ausgedrückten Wunsch eingegangen ist und sich die Mühe gegeben hat, auch entgegen stehende Ansichten zu veröffentlichen, damit die Angelegenheit recht vielseitig beleuchtet werde. Juni 1888 .
XIII .
Der gegenwärtige Stand derKriegsschiffbauten, Von
Spiridion Gopčović. (Fortsetzung.)
Groſsbritannien hat natürlich in den letzten Jahren gewaltige Anstrengungen gemacht, seine Seeherrschaft zu bewahren , obschon ihm dies nach unserem Dafürhalten nicht gelungen ist. Was zu nächst die Schlachtschiffe betrifft, so liefen von 1881 bis jetzt deren 14 vom Stapel. Sechs davon (VICTORIA , SANSPAREIL , EDINBURGH ,
COLOSSUS, HERO und CONQUEROR) sind Turmschiffe, die übrigen Barbetteturm- und Citadelschiffe.
Keines dieser Schiffe ist voll
ständig gepanzert; bei HERO und CONQUEROR ist ein Viertel, bei den anderen gar zwei Drittel der Schiffslänge ungepanzert. Da wir dem Panzerdeck kein übermäſsiges Vertrauen entgegenbringen , sind wir entschiedene Gegner der halben oder Drittelpanzerung. Aus nachstehender Tabelle ersieht der Leser, wie beschaffen die neuesten 14 Schlachtschiffe sind : Pan
De-
Pferdekraft bei
Schnelligkeit b .
zer
Bewaffnung.
Namen.
4-43 Tons
EDINBURGH COLOSSUS
5-5
14 Rev. -Kan. 4-45 Tons COLUNGWOOD
stärke placein mm ment.
457 406 355
6-5
natürl. künstl. natürl. künstl. Stapel 15.999 (? 8002 (?) 15.5 7488 (? )| 15.448 16.53 (? )
9146
7520
9150
7096
9162
8009
9573
8262
11157
7733
r.-K.
laufs,
1882
16.844
1882
11729
16 16.9 15.872 | 16.936
1885
8319
12568
16.523 | 17.435
8421
11741
16.305
9700
6-5
Zug.
Zug.
16 Rev.-Kan. 4-67 Tons
RODNEY HOWE
Jahr des
16.4
1884
16-20 Rev.-K. ANSON
4-68 Tons .
6-5
CAMPERDOWN
22 Rev. - Kan .
99
10162 17.144
1886 1885
1
216
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten. Pan
Bewaffnung
Namen .
2-110 Tons BENBOW
10-5
23 Rev. -Kan .
Pferdekraft bei Schnelligkeit b. Jal:
stärke placein mm ment.
natürl. künstl. natürl. künstl. stap Zug.
Zug.
lag
457 406 10016 355
8614
10852
2-111 Tons 1-30
VICTORIA
16.3
17.5
( 16—
17.4
16.5 )
( 17 )
15.5
16.5
183
1 99
SANS -PAREIL
De-
zer
12-5
10470 (8500 ) | 14244
24 Rev. - Kan . 508
4-67 Tons
NILE ...
457
8-5
TRAFALGAR .
11940 ( 8500) (12000 )
406
18 1887
11836
25 Rev.-Kan. 355
2-45 Tons
CONQUEROR .
4-4 99
305 291
6260
4658
5842
14.75
15.25
1651
6200
?
6160
?
15,5
1885
18 Rev.- Kan . 2-43 Tons
HERO .
4-4 20 Rev. -Kan .
"
An Panzerkreuzern hat England seit 1883 nicht weniger als
9 vom Stapel gelassen ; nämlich : 4-22 Tons
IMPÉRIEUSE .
254 203
6-4
WARSPITE .
8540
7858 7451
9915
15.5
10242
15.2
15.9 16.25
1
1883 1984
19-23 R.-K. * ) AURORA ... AUSTRALIA GALATHEA .
2-22 Tons
IMMORTALITÉ ..
10-4 25 Rev.- Kan .
NARCISSUS . ORLANDO
UNDAUNTED
5000
5670
8862
(bei Zulad.
5800
8876 9206
254
von
51
mehr Kohlen 6000 )
5858 6979 5300 5617 5640
? ? 8622 8602
18.53
18.8 17.25 1887 17.397 | 19.008 18 17
19,5 18.5
17.28 16.78
19
1806
18.9
IMPÉRIEUSE und WARSPITE sind als miſsglückte Kreuzer zu betrachten .
Planmäſsig sollten sie nur 7390 Tons groſs werden
und bei der diesem
Deplacement entsprechenden Tauchung er
reichten sie auch 17.213 und 17.25 Knoten mit künstlichem und 16.684 Knoten mit natürlichem Zug. Als sie aber vollständig aus
gerüstet waren , stellte sich heraus, daſs sie bedeutend tiefer tauchten, als erwartet war, was eine Vergröſserung des Deplacements von 1150 Tons und demgemäſs eine Verminderung der Schnelligkeit,
um 1 '/4-1 /2 Knoten zur folge hatte. Überdies kam der Panzer *) In den beiden Tabellen (wie überall) sind sämtliche leichte Geschütze (also
auch Schnellfeuerkanonen, Mitrailleusen, Gatlings u. s. w.) der Kürze halber als „ Revolverkanonen “ zusammengefaſst.
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
217
gürtel dadurch gänzlich unter Wasser, so daſs der Schutz der Seiten mithin bedeutend verloren hat.
Endlich sah man sich genötigt,
auch die Bemastung zu entfernen, da bei Beibehaltung derselben das Deplacement noch gröſser und die Schnelligkeit noch ge ringer geworden wäre und zudem die Bemastung die Schiffe zu stark rollen machte .
Die 7 Panzerkreuzer von der AURORA-Klasse scheinen dagegen vorzügliche Schiffe zu sein. Die Wasserlinie ist durch einen Gürtel
von 254 mm Compound -Panzer genügend geschützt, besonders da sich im Innern ein Panzerdeck von 51–76 mm Stärke befindet.
Dagegen glauben wir, daſs man schlecht gethan hat, die beiden schweren Geschütze nicht hinter Panzertürmen (en barbette) auf zustellen (sie stehen ganz ungeschützt am Bug und Heck ), sowie die 10 Sechszöller nicht durch Panzerschilde zu schützen.
Denn
von diesen stehen vier in ganz ungeschützten Schwalbennestern und die übrigen auf Drehscheiben hinter den eingezogenen Bordwänden der Mittelbatterie. Erscheint es also auch schwierig die AURORA gegen Rammstöſse und durch Schüsse zum Sinken zu bringen
Torpedos halten wir sie nicht für gefeit
so ist es dagegen um
so wahrscheinlicher, daſs sie ( vorausgesetzt die Schnelligkeit des Gegners erlaube ihr nicht die Flucht) vor dem Gegner die Flagge wird streichen müssen , sobald dieser ihre Bedienungsmannschaft durch das verheerende Feuer seiner leichten Artillerie ( insbesondere der Revolver- und Schnellfeuerkanonen ) sowie durch die furchtbare
Wirkung seiner schweren Granaten auſser Gefecht gesetzt hat. Gut ist dagegen die Idee, den Kommandoturm mit 305 mm starken Compoundplatten zu panzern. In der Seeschlacht hängt der Ausgang weniger von der Geschicklichkeit des Admirals ab (der nach den ersten Schüssen schwerlich in die Lage kommen dürfte, irgend welche Befehle zu erteilen), als von der Kühnheit und Geschick
lichkeit der Kapitäne. Es ist aber ebenso erwiesen, daſs ein Kom mandant besonders dann recht kühn ist und seine Geschicklichkeit
am schönsten zeigt, wenn er sein Leben sicher weiſs. Die Geschichte lehrt uns, daſs es in den meisten Seeschlachten Kapitäne gegeben hat, welche aus Besorgnis für ihr eigenes Ich dem Kampfgetümmel fern geblieben sind oder zu bleiben suchten. Da nun keine See macht ausschlieſslich Helden in den Reiben ihrer Offiziere besitzt,
so ist es jedenfalls von groſsem Vorteil, wenn die gröſseren Schiffe gutgepanzerte Kommandotürme besitzen .
Denn
dann
entfällt
für
den Kapitän jede Besorgnis, und er wird sein Schiff kühner und ruhiger lenken, als in den meisten Fällen der nicht geschützte
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
218
Kapitän eines anderen Schiffes. Wenn wir dagegen an der Bauart der AURORA etwas zu tadeln hätten , wäre es der Umstand, daſs man (nach dem Plane zu urteilen ) dem für schnelle Schiffe ohnehin unmöglichen Unterwasserlancieren der Torpedos den Rammsporn geopfert hat; auch scheint uns die runde Form des Mittelspants und die merkwürdige Form des achteren lebenden Werks (wodurch der Tiefgang achter bedeutend geringer ist als mittschiffs !) gerade nicht
geeignet, aus dem Typ AURORA gute Seeschiffe zu machen und das sollen Kreuzer doch in erster Linie sein !
An Küstenverteidigern ist in den letzten Jahren der englischen
Flotte nur der Torpedowidder POLYPHEMUS zugewachsen. Dieser kann als miſsglückter Versuch eines cigarrenförmigen Schiffes be trachtet werden. Die Idee zu der eigentümlichen Form hatte dem Admiral Sartorius offenbar der in den fünfziger Jahren von Winan ersonnene OCEAN gegeben, ein Schiff, von dem man sich einbildete,
es werde den Ocean in vier Tagen durchschneiden können (was also eine Schnelligkeit von ungefähr 32 Knoten bedingt hätte), das aber nur 12 Knoten erreichte.
Auch der POLYPHEMUS bereitete
dem Erbauer eine Enttäuschung. Seine Schnelligkeit betrug statt 19 nur 17 Knoten , seine Hauptwaffe, den Torpedo kann er bei mehr als 14 Knoten Fahrt nicht lancieren , als Widder ist sein
Gebrauch für ihn selbst ebenso gefährlich wie für den Gegner, bei schlechtem Wetter kann er die See nicht halten - kurz der
POLYPHEMUS (2640 Tons, 5523 Pferdekraft) ist wohl als Küsten verteidiger verwendbar, aber sonst nicht zu gebrauchen. An Panzerdeckkreuzern hat England in den letzten Jahren
folgende Fahrzeuge gebaut:
Namen .
Bewaffnung.
Pferdekraft bei Schnelligkeit b. Jahr des Tons. natürl. künstl. natürl. künstl. Stapel Zug.
Zug.
(5500) | 6648
MERSEY . SEVERN
2-13 Tons 10-4
THAMES .
13-18 Rev.-K.
4262
6158 5871
10-4 Tons
? ?
5550
? 3550
FORTH
AMPHION . ARETHUSA . LEANDER . PHAETON .
8-14
?
5600
?
5577
4773
5511
?
18
?
17.5 18.2
1885
? ?
17.32
1886 1883
?
16
17.2
5744
14
15.2
16.7
3748
Rev.-Kan.
laufs.
1882
15.3
15.5
1883 1884 1883
4-4 Tons
CALLIOPE
.
3000
.
12-2
CALYPSO
.
6 Rev.-Kan .
4020
13.75
15
3720
13
13.9
2765
219
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten,
Pferdekraft bei Schnelligkeit b. Jahr des
Namen ,
Bewaffnung
Tons. natürl. künstl. natürl. künstl. Stapel Zug
Zug.
laufs.
2-4 Tons
CANADA
2306 10-2
2433
13
14,177 1881
2383
CORDELIA
2423
14.25
6 Rev.-Kan . MARATHON
6-4 Tons
MAGICIENNE
9-6 pfd.
MELPOMENE .
(u, wahrsch .
MEDEA
noch andere
2950 (5500)
Teils 14-2 Tns. u 5 Rev.-Kan ., teils 8-4 Tns.
PYLADES .
2-4 Rev.- Kan ., | 1420 teils 2-4 Tons, 12-2 Tons u.
ROYALIST
SATELLITE
( 19.5)
9000
17
(20)
1440
1900 1470
14 13.11
1445
13.1 ? ?
1882
1127 1195
13.1
1881
?
1640
11.5
13
1884
?
1400 1510 1397
11.125 12.5
12.484 1882 1883 13 12.5 1881
?
Rev.-Kan .)
CAROLINE HEROINE . HYACINTH
RAPID ..
17
1888 2800
MEDUSA
(9000)
5 Rev.- Kan .
1160 610
10.2
1881
Zu bemerken wäre indes, daſs nur die 4 Schiffe vom Typ MERSEY und die 5 vom Typ MARATHON als vollkommene Panzer deckkreuzer zu bezeichnen sind , denn bei allen andern beschränkt sich das Panzerdeck auf den Schutz der Maschinen und Pulver
kammern und ist von geringer Stärke : 38 mm bei den Typen AMPHION und SATELLITE, 51 mm bei den Typen CALLIOPE, CANADA und HEROINE. Die sieben letztgenannten Sloops können
übrigens gar nicht als Kreuzer betrachtet werden, da ihre Schnellig keit eine viel zu geringe ist. Als Stationsschiffe sind sie wieder zu
kostspielig. Von dem Typ MARATHON bleibt erst abzuwarten, ob es die erwartete Schnelligkeit von 19 /2-20 Knoten auch erreichen Der Typ AMPHION ist insofern miſslungen , als es ihm unmöglich ist, mit künstlichem Zug zu fahren ohne zusammen
wird .
zubrechen.
Der PHAETON z. B. machte bei seiner ersten Probe
fahrt 18.684 Knoten, während er es jetzt über 15.3 nicht hinaus bringt. Die Typen CALLIOPE und CANADA sind wegen ihrer geringen Schnelligkeit auch keine brauchbaren Kreuzer, dagegen scheint der Typ MERSEY allen Anforderungen so ziemlich zu entsprechen. Freilich bleibt die wirkliche Schnelligkeit hinter den
Probefahrtsergebnissen weit zurück, da das Deplacement bei den Probefahrten von 500-800 Tons geringer war .
An Torpedofahrzeugen hat England in den letzten Jahren erworben : Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine, Bd. LXVIII., 2.
15
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
220
Jahr
Pferdekraft bei Schnelligkeit b.
des
Namen.
Bewaffnung.
Tons.
natürl.
künstl. natürl. künstl. Stapel laufs. Zug. Zug.
10 Torpedokreuzer : SCOUT .. FEARLESS
2139 2169
3194 3302
15 15.281
1630
2404
3829
15
( bei
2617 2557 ?
3807
15.75
3640
16.25
3398
?
4-5 "
1430 10 Rev.- Kan .
ARCHER . BRISK COSSACK MOHAWK .. PORPOISE TARTAR
6-6 "
Zula-
8 Rev.-Kan
dung v.Kohl.
1810) 6-6 " 11 Rev. -Kan .
RACOON SERPENT
2477 ? ? 2549
16.9 17.27 17.3
1886
17.65 17.7 16.87 17.57
1886
3943 3824
16 ?
17.28
4487 4059
? 14.57
17.4
15 15
16
1885
18
}
1887
2 Torpedokanonen boote : 1.6 " 3-5 "
CURLEW LANDRAIL
800
1452
10.5
901
1500
12.8
785
1885
1886
4-8 Rev. - Kan .
12 Torpedojäger : RATTLESNAKE . .
.
2718
?
( 2700 )
17
18.779
1886
GRASHOPPER
SANDFLY ..
1-4 " 590
.
1800
6 Rev. - Kan . SPIDER
1887
( 18.5)
.
N ....
i. Bau
SHARPSHOOTER . SKIPJACK
SHELDRAKE . SEAGULL ... SALAMANDER
?
735
?
( 4500 )
?
21
i. Bau
SPEEDWELL . SPANKER .
61 Torpedoboote: Von letzteren wurden Nr. 21-22 (je 50 Tons, 711 Pferdekraft,
19 '/4 Knoten ), Nr. 26—29, 41–60 und 66 (je 62 Tons, 750 Pferde kraft, 19/2 Knoten ) von Thornycroft , Nr. 23—24 (je 50 Tons,
Pferdekraft, 21 Knoten), Nr. 30--33,, 61–63 und 70—72 (je 750 62 Tons, 750 Pferdekraft, 194/2—20 '/, Knoten, Nr. 79 (69 Tons, 950 Pferdekraft, 22.39 Knoten ) und Nr. 80 (130 Tons, 1660 Pferde kraft, 23 Knoten ) von Yarrow , Nr. 34-38 ( je 62 Tons, 750 Pferde kraft, 19/2 Knoten ) und Nr. 81 (125 Tons , 1387 Pferdekraft,
20.79 Knoten ) von White beigestellt . Bezüglich der übrigen Schiffe sei bemerkt, daſs sich fast keines von ihnen bewährt hat.
Die meisten brechen bei der Fahrt mit
künstlichem Zuge schon nach kurzer Zeit zusammen , so daſs sich
221
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
die Admiralität kürzlich genötigt sah anzuordnen, daſs der künst . » Broad Arrow « bemerkte liche Zug nicht mehr anzuwenden sei. dazu mit Recht, daſs dann die Fahrzeuge - weil zu langsam
ihrer eigentlichen Bestimmung nicht entsprechen würden. Die Torpedokanonenboote haben sich als ganz miſslungener Typ heraus gestellt, und auch die Torpedojäger sind nicht im Stande längere Zeit bei künstlichem Zuge zu fahren . Auſserdem zeigten sie sich als schlechte Seeschiffe.
Bei den Torpedokreuzern muſs man berücksichtigen , daſs sie
im Kriegsfall jedenfalls volle Kohlenladung einnehmen und somit 1810 Tons Wasser verdrängen werden.
In diesem Falle verlieren
sie jedoch abermals über 1 Knoten Schnelligkeit. Der BRISK z. B., dessen Schnelligkeit bei der Probefahrt 17.65 Knoten betrug, sah
diese bei einem Deplacement von 1810 Tons auf 16.5 sinken , also um 1.24 Knoten. Bei natürlichem Zuge würde er demnach höchsteus
144/2 Knoten laufen , was heutzutage für einen Kreuzer (noch dazu für einen Torpedokreuzer ), viel zu gering ist. Bezüglich der Torpedoboote sei bemerkt, daſs sie sich mit den trefflichen Torpedobooten von Deutschland, Frankreich und Russland nicht messen können . Nicht nur daſs sie viel langsamer sind als diese , scheint auch ihre Bauart keine besondere zu sein , da be
kanntlich bei den vorjährigen Übungsfahrten, die Hälfte kampf unfähig wurde ! Und dies im Frieden bei ruhiger See ! An sonstigen Fahrzeugen stieſsen in den letzten Jahren zur engliscben Flotte : 5 Schraubenjachten: FIRE QUEEN , DART , IMOGENE , ALACRITY und SURPRISE .
Von diesen verdienen nur die beiden
letzteren Erwähnung. Sie liefen 1885 vom Stapel, sind 1400 Tons groſs, mit je 6 Fünfzöllern und 4 Revolverkanonen bewaffnet, ent wickelten 2157 beziehungsweise 2104 Pferdekraft bei natürlichem und 3173 beziehungsweise 3018 Pferdekraft bei künstlichem Zug.
Die Schnelligkeit betrug in diesen Fällen 16.143 und 16.49, be ziehungsweise 17.956 und 17.846 Knoten .
4 Raddampfer (WAVE, ALECTO, TRITON, SPHINX ). 11 Sloops ( DAPHNE, BUZZARD , NYMPHE, BARRACOUTA ,
BARROSA, BARHAM, BEAGLE, BELLONA, BLANCHE, BASILISK, BLONDE ). Die drei erstgenannten haben 1080 Tons und sollen bei künstlichem Zug 15 Knoten mit 2000 Pferdekraft, und bei natür lichem 13.5 Knoten mit 1400 Pferdekraft laufen ; doch erreichte BUZZARD nur 14.1 Knoten bei 2092 Pferdekraft.
Sie liefen 1887
bis 1888 vom Stapel und sind mit 8 Fünfzöllern und 8 Revolver 15 *
222
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiff bauten ,
kanonen
bewaffnet.
BASILISK und BEAGLE haben 1170 Tons;
BARHAM und BELLONA werden 1800 Tons, die übrigen 1580 Tons groſs. Letztere sollen bei natürlichem Zuge 15 Knoten , bei künst lichem mit 3000 Pferdekraft, 16.5 Knoten laufen und 6 sechsunddreiſsig pfündige und 4 dreipfündige Schnellfeuergeschütze erhalten. Stahl
schutzdeck von 25–51 mm bei allen gleich. 30 Kanonenboote ( DOLPHIN , WANDERER, ACORN , MARINER, RACER, REINDEER, MELITA , ICARUS, SWALLOW von 925 bis
1070 Tons, 532—1500 Pferdekraft und 7–13.5 Knoten liefen 1883 bis 1888 vom Stapel ; REDBREAST,REDPOLE ,MAGPIE ,GOLDFINCH ,
THRUSH , LAPWING, RINGDOVE, SPARROW , WIDGEON ron 805 oder 850 Tons, 6 Vierzöllern und 3 Revolverkanonen von denen
man 15 Knoten Fahrt erwartet, wurden erst kürzlich in Bau gelegt ; MISTLETOE, WATCHFUL , ALBACORE von 560 Tons, 10–11 Knoten,
650—770 Pferdekraft, liefen 1883 vom Stapel; PIGEON , PEACOCK , PLOVER , PIGMY, PIIEASANT, PARTRIDGE, von denen die drei letztgenannten kürzlich vom Stapel liefen , während sich die anderen noch
in Bau befinden.
Sie führen 6 Vierzöller und 6 Revolver
kanonen, haben 755 Tons und sollen mit 1200 Pferdekraft, 13.5 Knoten
laufen ; BRAMBLE, LIZARD, RATTLER und WASP sind 670 Tons groſs und mit je 6 Vierzöllern und 4-6 Revolverkanonen bewaffnet.
Die Maschinen entwickeln bei natürlichem Zug 565–685 Pferde kraft ( 11.5–12.2 Knoten ), bei künstlichem Zug 1025-1291 Pferde kraft ( 13.2--14.08 Knoten ).
Alle vier Kanonenboote liefen 1886
vom Stapel, doch ging WASP bereits auf seiner ersten Reise 1887 spurlos zugrunde wie es heiſst, wegen schlechter Bauart d. h. geringer Stabilität dieses Typs.
12 Hafendampfer u. dergl . m . , von denen nur der HEARTY ( 1300 Tous, 1800 Pferdekraft) wegen seiner Schnelligkeit (15 Knoten ) bemerkenswert ist .
Was die englische Marine in eigentümlicher Weise von den übrigen unterscheidet, ist das starre Beibehalten des Althergebrachten dieser Grundzug des englischen Charakters ! – wodurch jeder Fortschritt sich nur mühsam Bahn bricht. Gegen die Dampfschiffe,
Panzerschiffe, Torpedoboote, Hinterlader und auſserordentlich schnellen Kreuzer hat sich England bekanntlich so lange als möglich ab lehnend verhalten , dann allerdings gewöhnlich in fieberhafter Hast das Versäumte einzubringen gesucht und dabei keine Geldopfer
gescheut.
Im Allgemeinen wird jedoch in der englischen Marine
viel zu viel versucht und dies erklärt die bedeutende Anzahl miſs
lungener Schiffe, sowie die groſse Verschiedenheit der Typen . Auffallend ist ferner die rührende Sorgfalt , mit welcher die
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten. Briten ihre ältesten und unbrauchbarsten Schiffe ausflicken
223 und
aufbewahren – eine Eigenschaft, welche sie mit den Russen und
Nordamerikanern teilen, die aber bei diesen allerdings einen anderen Beweggrund hat. *) In England ist man nämlich nicht im Stande, angesichts der groſsen Rüstungen in allen anderen Seestaaten mit diesen gleichen Schritt zu halten, d. h . die englische Flotte derart zu vermehren, daſs sie einer möglichen gegen -englischen Verbindung gewachsen sei.
Man klammert sich daher an die alten Schiffe in
der Hoffnung, die Lücken wenigstens numerisch auszufüllen . Man läſst aber hierbei ganz auſser Acht, daſs heutzutage ein den An forderungen entsprechendes Schiff weit zweckmäſsiger und vorteil
hafter ist , als vier veraltete. Die Franzosen begreifen dies recht gut und haben daher in den letzten Jahren nicht weniger als nach englischen Begriffen 27 Panzerschiffe, von denen die Hälfte ganz gut noch weitere 10 Jahre hätte Dienst thun können, aus der Flottenliste gestrichen , während in derselben Zeit nur 6 eng lische Panzerschiffe aus der Flottenliste schieden , obschon weitere
14 zur Abbrechung oder Veräuſserung mehr als reif wären . Wie mit den Panzerschiffen so verhält es sich auch mit den
ungepanzerten, von denen 44 (engliche) die Kosten ihrer Erhaltung nicht wert sind . Für den Altertumsforscher mögen allerdings die hunderte von Schiffsrümpfen und sonstigen alten Fahrzeuge recht interessant sein , aber ihre Erhaltung kostet groſse Summen , welche zu ihrem Nutzen in keinem Verhältnisse stehen . Wenn man Schiffe
von geschichtlichem Interesse aufbewahrt (wie z. B. die 123 Jahre alte VICTORY , auf welcher Nelson fiel, oder den 67 Jahre alten
MONKEY, welcher der erste Dampfer der englischen Kriegsmarine war), so ist dagegen nichts einzuwenden, aber welchen Nutzen kann 7
der 65 Jahre alte SPRIGHTLY gewähren , welcher heute noch als
Hafendampfer Dienst thut , oder die 28 jährigen Breitseitpanzer fregatten, welche weder Panzerschiffe noch Kreuzer sind und durch einen einzigen Schuls unter der Wasserlinie mit Mann und Maus zum Sinken gebracht würden ?
Italien hat trotz seiner ungünstigen finanziellen Lage, Dank
der Opferwilligkeit der Bevölkerung, welche die Schmach von Lissa gesühnt wissen will , in den letzten Jahren groſse Anstrengungen *) Es ist bekannt, daſs in Russland und Amerika die alten unbrauchbaren Schiffe nur deshalb so lange aufbewahrt werden , weil sie beständig Ausbesserungen benötigen, bei welchen die betreffenden Persönlichkeiten auf Kosten des Staates ihren Vorteil finden . Denn die Vereinigten Staaten besitzen tatsächlich 50, Russ land gar 84 anbrauchbare Fahrzeuge ( Segelschiffe u. dergl. nicht berück sichtigt), welche kein besseres Loos verdienten als abgebrochen oder verkauft zu werden.
224
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
zur Hebung seiner Seemacht gemacht. Leider ist man dabei von dem ganz und gar verfehlten Grundsatze ausgegangen , daſs eine kleine Flotte von Schiffsungeheuern einer groſsen Flotte von kleineren Schiffen vorzuziehen sei.
Obendrein beging man den
schweren Fehler, die Schiffsungeheuer derart zu bauen , daſs sie weder Schlachtschiffe noch Kreuzer sind .
Schlachtschiffe sind sie
nicht, weil ihre Seiten ganz ungepanzert sind (wenn auch die offenen Türme mit ungeheuren Panzerplatten bekleidet sind), und Kreuzer sind sie nicht, weil sie nicht , die genügende Menge von Kohlen mitführen und für Kreuzer überhaupt zu kostspielig sind .
Die italienische Panzerflotte zerfällt in zwei scharf gegen einander abstechende Teile : 11 Schiffe darunter 3 hölzerne, sind 16–27 Jahre
alt, mit 4 /2-8 / zölligen Panzer versehen, ungenügend bewaffnet, sehr langsam (7—12 Knoten) und so veraltet, daſs ihre Verwendung gegen zeitgemäſse Schiffe gefährlich erscheint. Die übrigen 10 Schiffe
sind noch neu oder gar noch im Bau , entsprechen den heutigen Anforderungen in den meisten Punkten, kosten aber 22–27 Millionen Francs jedes Stück. Für diese ungeheueren Summen hätte man eine ganz andere Flotte herstellen können ! Zur Zeit als noch die Artillerie die einzige Waffe bildete, hatte es einen Sinn, jedes Schiff recht groſs und stark zu machen ; seitdem aber die Artillerie der
Ramme und dem Torpedo untergeordnet wurde , spielt weniger die Gröſse und Macht des einzelnen Schiffes, als die Anzahl der ver fügbaren Rammen und Torpedorohre die Hauptrolle. Die ITALIA z. B. hat 27 Millionen Francs gekostet, für welches Geld man vier geradeso schnelle und ebenso eingerichtete Schiffe von je 3500 Tons erhalten hätte , welche zusammen eine ebenso starke Artillerie
geführt hätten wie die ITALIA . Diese vier Schiffe zusammen hätten nur das eine Ziel gehabt die ITALIA entweder durch Schüsse oder durch Rammstofs oder durch Torpedos zu vernichten. Die
ITALIA hingegen bätte vier Schiffe nacheinander zu zerstören gehabt. Giebt es einen vernünftigen Menschen, welcher glaubt, daſs die ITALIA aus diesem Kampfe als Sieger hervorgegangen wäre ? daſs sie sich des gleichzeitigen Angriffes vierer Schiffe (also von
vier Rammen !) erwehrt hätte ? – daſs es ihr geglückt wäre , vier glückliche Torpedos zu entsenden , bevor die vier Gegner zu sammen einen einzigen entsendet hätten ?? Zu diesen Fragen kommen aber noch eine Menge anderer , welche zu Ungunsten der
Riesenschiffe sprechen : Letztere können sich nicht teilen und an vier verschiedenen Orten gleichzeitig sein , können also auch nur ein viermal kleineres Gebiet blockieren ; ihr groſser Tiefgang schlieſst
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiff banten .
225
sie von vielen Häfen und Gewässern aus ; sie finden auch nicht
überall entsprechend groſse Docks ; ihre Bauzeit währt viermal länger als jene der kleineren Schiffe ; bei ihrem Untergang ist ein
viermal gröſserer Verlust zu beklagen; wenn sie ausbesserungs bedürftig sind, ist eine viermal gröſsere Macht lahmgelegt; wenn die ITALIA verfolgt wird, kann sie eingeholt und zerstört werden ;
von den vier in auseinandergehender Richtung fliehenden kleineren Schiffen würden mindestens drei entkommen ; eine Maschinen
oder Steuerhavarie kann die ITALIA lahmlegen und der Tod ihres
Capitäns ihre Ergebung herbeiführen ; behufs Erzielung der gleichen Wirkungen bei ihren Gegnern wären vier Havarien und der Tod
aller vier Kapitäne erforderlich; oft wird zu irgend einer Bestimmung der viermal kleinere Gegner genügen, während andererseits die ITALIA jenen Auftrag übernehmen müſste und dadurch viermal gröſsere Kosten verursachen würde u . s. w., u . s. w. Wie man sieht , hat es seinen Grund , wenn wir entschiedene
Gegner der Riesenschiffe sind. Unsere diesbezüglichen Ansichten haben wir übrigens bereits in der » Studie über moderne Schiffs typen « ( » Deutsche Heeres -Zeitung « 19. Januar - 13. Februar 1884)
dargelegt.
Hier eine Übersicht der 10 modernen italienischen
Panzerschiffe : Pan
Jahr d. Pfer
Kno
de
ten .
zer
Namen .
Bewaffnung.
Tons. stärke
kraft.
in mm .
Stapel- Vollen laufs. dung
550
4-100 Tons 6-7.5 cm
DUILIO
DANDOLO
450 430
11138 11202
7710 15.04 8150 15.55
1876
1880
1878
1881
13398
13500 17.86
1880 1883
1887
1884 1885 1885
1888 1888
( 19)
1888 1889
1892 1893
(22800) (20)
1890
1894
12 Rev. - Kan. 400 4-100 Tons
ITALIA LEPANTO .
8-4 /2
99
6-7.5 cm 14 Rev.- Kan . 4-101 Tons
RUGGIERO DI LAURIA
FRANCESCO MOROSINI ANDRA DORIA RE UMBERTO SICILIA . SARDEGNA .
480 75
13550 18000
18
450
2-4 ') 4-7.5 cm
360 11000 (10000) ( 16) 75
1885
1888
12 Rev.-Kan , 4-106 Tons
12-4 '/ , 6-7.5 cm 10 Rev.- Kan .
480 75
13298 { (19500 )
{(198
Auch der Bau von Panzerdeckkreuzern wurde nicht vernach
lässigt wie nachstehende Liste zeigt. (Genau genommen hätten wir
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
226
die acht zuletzt genannten Schlachtschiffe viel richtiger in die Reihe der Panzerdeckkreuzer aufnehmen sollen, welche sie ja thatsächlich sind). Italien besitzt jetzt deren neun, nämlich : Jahr
Namen.
Bewaffnung.
Tops.
Pferde Knoten . des
Stapel
kraft.
lanfs. GIOVANNI BAUSAN
3020 3474
ETNA
6680
(7700 )
17.5
17.3
1883 1884
2-25 cm , 6-15 cm VESUVIO
1886
3530
8 Rev.-Kan. STROMBOLI
ETTORE FIERAMOSCA DOGALI . FLAVIO GIOJA AMERIGO VESPUCCI .
6-15 cm , 17 Rev.-K. 8-15 cm , 3-7.5 cm 6 Rev.-Kan.
SAVOIA ... •
3530 } (7700 }(17.5) 3745 2050 2524 2533 2850
8045
4066
(5000 )
1886
( 17)
1888
19.66 15.7 15
1886
14.5
1883
1881 1882
Bei den drei letztgenannten beschränkt sich jedoch das an sich nur dünne Panzerdeck auf den Schutz der Maschinen und Pulver kammern .
Über die Ergebnisse der in Italien abgehaltenen Probefahrten verlautet selten etwas verläſsliches , da dort die Geheimniskrämerei
an der Tagesordnung steht.
Wir haben daher hier, wie überall in
diesen Aufsatze, dort wo die Probefahrtsergebnisse mangelten , die
planmäſsigen Zahlen in ( ) eingestellt. Von Torpedofahrzeugen besitzt Italien bereits eine beträchtliche Zahl, wie aus nachstehender Liste ersichtlich :
Pferdekraft bei Namen.
Bewaffnung.
Schnelligkeit b .
Jahr d.
Tons. natürl. künstl. natürl. künstl. Stapel- Vollen laufs. dung
Zug.
Zug.
5 Torpedokreuzer mit Stahlschutzdeck : TRIPOLI .
845
3058
4259
19.8
22.8
(4200 )
( 19)
(21 )
MONTEBELLO CONFIENZA
11 Rev. - Kan .
745- (2800 767
.
you
MONZAMBANO
3200)
GOITO ..
1886
1886
1888
1889
1887
1888
1886
1887
1887
1888
2 Torpedojäger : 6 Rev.- Kan.
.
.
:}
317
(?)
2800
) ? (
FOLGORE . SAETTA .
21
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten,
227
120 Torpedoboote. Von letzteren sind Nr. I -- IX , 1 --- 21 sowie Nr. 84-85 solche
2. Klasse von 11 -- 33 Tons, 150-420 Pferdekraft, 15-21.3 Knoten ; die übrigen sind 1. Klasse, 35-125 Tons groſs, mit 446—2000 Pferde kraft und von 18-25.5 Knoten . ( Siehe unsere Studie > Die Torpedo
flottillen aller Seemächte « im August-Heft 1887 der » Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine « .)
An sonstigen Fahrzeugen erwarb die itatienische Flotte in den letzten Jahren :
2 Avisos (ARCHIMEDE und GALILEO von je 784 Tons, 1700 Pferdekraft, 15 Knoten );
4 Kanonenboote (SEBASTIAN VENIERO und ANDREA PROVANA von je 649 Tons, 1000 Pferdekraft, 13.4--13.6 Knoten ;
CURTATONE und VOLTURNO von je 1056 Tons, 1000 Pferde kraft, 11.7 Knoten ).
5 Transportdampfer (VOLTA von 2842 Tons , 2500 Pferde kraft, 10 Knoten ; ERIDANO von 2970 Tons, 10 Knoten ; AMERICA
von 9550 (oder 6500 ?] Tons, 7457 Pferdekraft, 18.25 Knoten ; CITTA DI MILANO von 1247 Tons Gehalt und GARIGLIANO von 2667 Tons, 1500 Pferdekraft.
19 kleinere Fahrzeuge ( ARNO, PALINURO , MISENO, GIGLIO
TEVERE, BISAGNO, MAGRA, TANARO, SEBETO, 4 Schlepp dampfer und 6 Dampfbarken). Japan macht gleich China groſse Anstrengungen eine Flotte von zeitgemäſsen Fahrzeugen zu erwerben , durch welche es im Stand
gesetzt würde, sich der » fremden Eindringlinge« zu erwehren . Ob schon ein Dutzend mal kleiner als China und nicht so reich wie
dieses, hat Japan doch verhältnismäſsig mehr geleistet. Da überdies die Japaner bessere Seeleute sind als die Chinesen , kann man als sicher annehmen, daſs Japan, wenn auch vielleicht nicht numerisch so doch thatsächlich bald eine weit mächtigere Flotte besitzen wird
als China. Letzterem nützen die besten Schiffe wenig , sobald sie von Chinesen bemannt und befehligt sind.
Die Japaner hingegen
haben bewiesen, daſs sie auch ohne Europäer ihre Flotte bemannen und in See stechen lassen können . In den letzten Jahren vermehrte sich die japanische Flotte um nachstehende Fahrzeuge :
228
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten Jahr
Namen .
Bewaffnung
Tons.
Pferde des Knoten . Stapel kraft. laufs.
6 Panzerdeckkreuzer : N.
1-32 cm ; 11-12 cm ;
{ 19 Rev.-Kan. (bei Toulon i. B.)
N.
1888 1888
4140
5400
16
3650
7235 7828
18.72 18.75
1885
NANIVA
2 35 Kal . lg 26 cm ; 16 Rev.-K.
TAKATSCHIHO
6 35 Kal lg. 15 cm 4 35 Kal . Ig. 24 cm ; 16 Rev.-K.
3651
7200
18.5
1886
7 35 Kal . lg . 15 cm 2-26 cm ; 4-12 cm ; 6 R.-K.
1350
2887
16.8
1882
1760
2330
15
?
?
3800
?
1600
14
1885 1885 1885
UNEBI *) ZUKUSCHI
.
1885
5 Kreuzer : TAKAO
4-15 cm ; 1-12 cm
NAWA . KATSURAGI JAMATO MUSASI .
? .
.
2-17 cm ; 5-12 cm ; 4 Rev.-K. 1476
1887
8 Kanonen boote : GWAKI TENRIU . KAIMON
1-15 cm , 2-12 cm
1-17 cm , 6-12 cm ?
?
TSCHOKAI MAJA : ATAG0 AKAGI .
1-21 cm , 1-12 cm, 2 Rev.-K.
600
650
10 12
1160
12
1882 1882
? 950
?
1882
13
1490
750 613
1880
1250
1887 1886
614
950
13
615
950
13
1-24 cm , 1-15 cm , 2 Rev.-K.
1886 1888
46 Torpedoboote von 50-190 Tons, 500-1600 Pferdekraft, 17—19 Knoten, 3 Torpedolarkassen . Die Niederlande, deren groſser Kolonialbesitz der Unterhalt einer starken Flotte nötig machen würde, sind trotz ihres Reich tums als Seemacht stark herabgekommen. Geradezu auffallend
erscheint die Vernachlässigung ihrer Flotte in den letzten Jahren. Seit 1880 liefen nur zwei Kreuzer von 13.5 Knoten : VAN SPEIJK
und JOHAN WILLEM FRISO vom Stapel. Beide sind je 3400 Tons groſs. VAN SPEIJK entwickelte 2891 Pferdekraft und die Be waffnung besteht aus je 6-17 cm und 8-12 cm Geschütze nebst 4 Revolverkanonen .
Der sonstige Zuwachs zur holländischen Flotte beschränkt sich auf folgende Fahrzeuge:
4 Schooner (JAVA von 1108 Tons, 1020 Pferdekraft, 10.6 Knoten , SOMMELSDIJK von 890 Tons , 732 Pferdekraft, 9 Knoten ; je *) Der UNEBI verschwand spurlos auf der Überfahrt nach Japan ( 1887).
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
229
1-15 cm und 3-12 cm Geschütz ), CERAM, FLORES von je 550 Tons, 650 Pferdekraft, 11 Knoten .
4 kleine Lootsendampfer. 19 Torpedoboote deren gröſste: BATOK , CYKLOOP, ARDJOENO , DEMPO und CERBERUS heiſsen ; sie haben 72 Tons, 750 Pferde kraft, 20 Knoten ; HEKLA und ETNA haben je 46 Tons, 550 Pferde
kraft, 21 Knoten. 3 kleinere Fahrzeuge von 140—340 Tons. Da während derselben Zeit der Abgang von der holländischen Flotte 18 Schiffe betrug (2 Panzerfahrzeuge, 1 Fregatte, 5 Kor vetten (ohne die 1883 am Stapel verbrannten KORTENAAR und
DOGGERSBANK ) , 6 Schooner, 4 Raddampfer) und 15 andere Fahrzeuge höchstens wert wären abgebrochen zu werden, so läſst sich das stete Sinken der holländischen Seemacht nicht wegleugnen . Be zeichnend ist der Umstand, daſs – von den Torpedobooten ab gesehen, - Holland einen einzigen Kreuzer von 14.5 Knoten (DE
RUYTER) besitzt; die anderen 5 » Kreuzer« machen 13-14 Knoten, alle übrigen Schiffe durchschnittlich 7-8 Knoten. Erinnert man sich, daſs vor 200 Jahren Hollands Seemacht den Kampf gegen die
vereinigte englisch -französische aufnahm und glücklich durchführte; ruft man sich die Namen Ruyters, der beiden Tromp, Evertsens, Wassenaers , Kortenaars u. s. w. ins Gedächtnis : so begreift man nicht, wie die holländische Seemacht so herabkommen konnte! Norwegen kann bei der Bescheidenheit seiner Mittel an die Schaffung einer groſsen Flotte nicht denken ; immerhin könnte man aber verlangen , daſs es sich wenigstens vor der Landung feindlicher
Truppen durch eine starke Torpedoflottille stütze. Man verläſst sich jedoch in Norwegen auf die Fortdauer des mehr als 70jährigen Friedens, dessen sich das Land erfreut und geizt mit den Mitteln für die Entwickelung der Seemacht. Demnach kann es nicht wundern, wenn sich die norwegische Flotte in den letzten 8 Jahren nur um 14 kleine Fahrzeuge vermehrte; nämlich :
7 Kanonenboote TYR, GOR, NOR, BRAGE, KARMÖ, VIDAR, SKUDESNAES von 59-278 Tons.
8 Torpedoboote von 36-40 Tons.
1 Kreuzer : ELLIDA von 1006 Tons, 900 Pferdekraft, 12 Knoten , 5-15 cm und 1–12 cm Geschütz, 3 Revolverkanonen . Österreich hat seit dem Ableben des Admirals Pöckh, der es verstanden hatte, die österreichische Flotte gründlich herabzubringen ,
wieder Fortschritte auf maritimen Gebiete gemacht. Seitdem Ster neck die Leitung der Seemacht übernommen , durchweht diese ein
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten.
230
neuer Geist und es läſst sich erwarten, daſs binnen wenigen Jahren die österreichische Flotte wieder achtunggebietend darstehen werde. Die Zahl der Panzerschiffe vermehrte sich im vorigen Jahre durch die Turmschifte RUDOLF und STEFANIE .
Ersteres hat
6867 Tons, 7500 Pferdekraft (6500 bei natürlichem Zug), 279 bis
305 mm Panzer, 3 35 Kaliber lange 30.5 cm Geschütze (von 48 '/ Tons) , 6 ebensolche 12 cm Geschütze ( 3 '/ Tons), 2–7 cm Kanonen und 11 Revolverkanonen . Die Schnelligkeit dürfte 15 bis 16 Knoten betragen.
Die STEFANIE ist kleiner (5152 Tons), doch
sollen ihre Maschinen bei künstlichem Zug 11,000 (?) Pferdekraft entwickeln (bei natürlichem Zug 6500 ), was eine Schnelligkeit von Die Bewaffnung ist um ein
nahezu 20 Knoten erwarten lieſse.
30.5 cm Geschütz schwächer als jene des RUDOLF ; ebenso beträgt die Panzerstärke nur 223 - 229 mm.
Panzerdeckkreuzer lieſs Sterneck 6 in Bau legen ; die gröſsten sind ERSATZ LISSA und ERSATZ KAISER, ersterer von 3800, letzterer von 4200 Tons.
Da die zu ersetzenden Schiffe 6080 und
5810 Tons groſs sind, erscheint es sonderbar, daſs der Admiral 8000 Tons zum Ersatz von 11.900 für genügend hält.
Bestückt
sollen diese Schiffe mit je 2–24 cm und 64-15 cm Geschütze wahrscheinlich auch
werden
35 Kaliber lange.
PANTER ,
LEOPARD, TIGER und N. sind zugleich Torpedokrenzer von 1530 bis 1675 Tons, welche mit 2-4 35 Kaliber langen 12 cm Geschütze und
10 Revolverkanonen
bestückt sind.
PANTER
machte
bei
natürlichem Zug nit 3500 Pferdekraft, 16.25 Knoten, bei künst
lichem Zug mit 7080 Pferdekraft, 18.37 Knoten ; LEOPARD hin gegen bei natürlichem Zug mit 4600 Pferdekraft, 17.6 Knoten und bei künstlichem Zug mit 6984 Pferdekraft, 18.5 Knoten. Beide liefen 1885 vom Stapel, TIGER 1887, N. wurde erst kürzlich in Bau gelegt .
An sonstigen Torpedofahrzeugen wuchsen noch
zur
öster
reichischen Flotte dazu :
3 Torpedojäger: METEOR, BLITZ, KOMET, von denen der erstgenannte 1887 vom Stapel lief und bei 6500 Pferdekraft,
23.4 Knoten zurücklegte, bei 3300 (natürlichem Zug) angeblich 22 Knoten . Er ist 350 Tons groſs und mit 9 Revolverkanonen be waffnet.
Die anderen liefen 1888 vom Stapel.
8 gröſsere Torpedoboote: FALKE, ADLER (à 88 Tons, 825 Pferde kraft, 22.263-22.4 Knoten ), HABICHT, SPERBER (à 88 Tons, 900 Pferdekraft, 21.77--21.23 Knoten ), BUSSARD , CONDOR,
1
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten .
231
UHU, GEIER (den vorigen ähnlich aber nur 83 Tons; vier weitere sollen gebaut werden ).
26 kleinere Torpedoboote von 40 - 56 Tons, 450—850 Pferde kraft, 21-22 Knoten .
2 Torpedokanonenboote vom miſslungenen Typ ZARA : SEBENICO 880–913 Tons, 1200—1000 Pferdekraft und
und LUSSIN von
13 Knoten , deren Bewaffnung aus zwei 35 Kaliber langen 15 cm Geschütze und 3 Revolverkanonen besteht,
Sonst stiefs noch der
umgebaute Raddampfer GREIF ( 1370 Tons, 1000 Pferdekraft, 11 Knoten ) zur Flotte.
Der jetzige energische Oberkommandant der österreichischen Seemacht , Admiral Sterneck , dürfte immerhin Mühe haben , die
durch seinen Vorgänger unausgefüllt gelassenen Lücken auszufüllen . So wurden z. B. die Panzerfregatten DRACHE und SALAMANDER , die Fregatten NOVARA, SCHWARZENBERG und ADRIA , die Korvette DANDOLO und kleinere Fahrzeuge thatsächlich nicht ersetzt ; die Panzerfregatte HABSBURG , die Korvette FRIEDRICH ,
die Raddampfer ELISABETH und TRIEST , die Kanonenboote HUM , SANSEGO , KERKA , NARENTA , wären auſserdem
schon
reif aus der Flottenliste gestrichen zu werden, da ihr Nutzen zu den groſsen Erhaltungs- und Ausbesserungskosten in gar keinem Verhältnisse steht.
Sterneck hätte daher ganz wohl den Bau von
weiteren 4 Panzerdeckkreuzern von 4000 Tons, von weiteren 6 eben solchen von 1550 Tons und von einem Dutzend Torpedojägern be antragen können .
In Portugal beschränken sich die Neubauten letzterer Zeit auf den kleinen Kreuzer AFFONSO D'ALBUQUERQUE von 13.5 Knoten
bei 1362 Pferdekraft (mit künstlichem Zug ; 11 Knoten bei 1055 Pferde kraft mit natürlichem Zug) und 1111 Tons. Es ist mit zwei 4/2 Tons Geschützen, fünf 12 cm Geschützen und 3 Revolverkanonen bewaffnet. Ferner auf 8 Kanonenboote (RIO AVE, VOUGA, ZAIRE, LIBERAL,
DIEGO CÃO, CACONGO, MASSABI, ZAMBEZIA ), von 220 bis 721 Tons, 8–11 Knoten ; 9 Hafendampfer und 4 Torpedoboote. Nachtrag : England hat jüngst die Panzerkreuzer BLAKE und
BLENHEIM von je 9000 Tons und 20,000 Pferdekraft in Bau gelegt.
Sie sollen 22 Knoten laufen und wie AURORA bewaffnet
Ebenso das Torpedovorratsschiff VULCAN von 6600 Tons, 25,000 Pferdekraft,, 18-20 Knoten , 63-127 mm Panzerdeck , werden .
8 sech sunddreiſsigpfündige und 12 dreipfündige Schnellfeuerkanonen . ( Schluſs folgt.)
XIV .
Umschau in der Militär - Litteratur. Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen . XIV .. Jahrgang 1887. – Heraus gegeben von H. v . Löbell , Oberst z. D.
Berlin, E. S.
Mittler & Sohn .
Zur gewohnten Zeit, d. h. etwa ein halbes Jahr nach Ablauf des
Berichtjahres, sind die Löbell'schen Jahresberichte auch in diesem Jahre erschienen .
Der verhältnismäſsig lange Zeitraum zwischen Ablauf des
Berichtjahres und der Veröffentlichung bringt es in unserer schnelllebigen, erfindungsreichen und neuerungssüchtigen Zeit mit sich, daſs die Jahres berichte " weniger ein aktuelles Interesse baben, indem sie den Belehrung
Suchenden sagen „so ist es zur Zeit“ , als ein historisches, das uns mit teilt „ So war es im Jahre 1887 “ . Recht merklich tritt diese Eigenschaft z. B. hervor, wenn man in dem Berichte über das Heerwesen Frankreichs
S. 95 betreffs des Lebel-Gewehres liest „über dessen Konstruktion u . s. w.
nur folgende Angaben in die Öffentlichkeit gedrungen sind “. Es folgen dann einige höchst dürftige Angaben über dieses Gewehr, das zur Zeit ja
bis ins Kleinste hinein allgemein bekannt ist.
Übrigens bringen die
Jahresberichte selbst dann auf S. 446 in dem Berichte über die Hand
feuerwaffen nicht unerheblich mehr Angaben über das Lebel -Gewehr als auf S. 95 enthalten sind. Auch widerspricht der letztere Bericht mehrfach den ersteren ; während z. B. dieser die Anfangsgeschwindigkeit des Ge
schosses mit 600 m angiebt und den General Bruyère als Erfinder des verwendeten Pulvers bezeichnet, setzt jener die Anfangsgeschwindigkeit auf 680 m fest und nennt richtig den Pulver- und Salpeter - Ingenieur Vieille als Erfinder des Pulvers.
Solche Widersprüche dürften die Zu
verlässigkeit der Jabresberichte nicht besonders günstig hinstellen, um so weniger, da der vorliegende Band ziemlich reich an dergleichen ist. So finden wir z. B. in dem Berichte über das Heerwesen Belgiens auf S. 39
die Angabe, daſs „die Befestigungen der Maas nicht ausschlieſslich für die belgischen Truppen bestimmt sind, sie sollen daher nur einem gewaltsamen Angriff Widerstand leisten ; ihr Hauptzweck besteht darin, daſs sie derjenigen
Armee, welche sich mit den belgischen Truppen verbündet, sobald der eine
Umschau in der Militär -Litteratur.
233
oder der andere der Kriegführenden das belgische Gebiet verletzt, ihre Thore öffnen und derselben die ihnen innewohnenden strategischen Vor teile zuwendet “ . Über diese höchst sonderbaren Anschauungen wollen wir uns hier nicht weiter aussprechen , sondern nur erwähnen, daſs es im
vorliegenden Bande in dem Berichte über die Taktik des Festungskrieges auf S. 433 im vollen Widerspruche mit denselben heiſst, daſs diese Be
festigung nur zur Verhinderung des Durchzugs fremder Heere geplant ist " .
In dem Berichte über das Heerwesen Chinas lesen wir dann auf
S. 60 , daſs China sich zwei Luftballons aus Frankreich habe kommen lassen , die unter Leitung eines französischen Luftschiffers gemachten Versuche sind zur allgemeinen Befriedigung ausgefallen “. In dem Bericht über die Militär-Luftschiffahrt befinden sich hingegen über diese Ballons u. A. auf S. 497 nachstehende Angaben : „Leider hat der Ballonfirniſs, wie es scheint, die Tropenhitze nicht vertragen , denn als man in China die Ballons auspackte, klebten die einzelnen Falten so fest aneinander daſs es nur mit Mühe gelang, den kleineren Ballon auseinander zu be kommen. . . . Die Dampfwinde wurde für zu schwer gehalten, um auf 72
jeder Straſse fortbewegt werden zu können.“
Ob bei den bezopften
Söhnen des himmlischen Reiches die allgemeine Befriedigung “ in solcher Ebenfalls die Luftschiffahrt betreffend Weise zum Ausdruck gelangt ? ! wird auf S. 68 in dem Berichte über das Heerwesen Dänemarks von
Kapitän Jubles' gefesseltem Ballon gesprochen ; auf S. 497 ist dieser dänische Kapitän ein französischer Luftschiffer . In dem Berichte über das Heerwesen Frankreichs finden wir dann auch, abgesehen von den bereits erwähnten Widersprüchen betreffs des Lebel-Gewehres, auf S. 104,
daſs bei dem 90 mm Geschütz beziehungsweise dessen Geschoſs 231 Spreng teile entstanden ; auf S. 464 hingegen ist diese Zahl auf 237 festgesetzt. -
In dem Berichte über das Heerwesen Österreich -Ungarns lesen wir auf S. 247 über das kleinkalibrige Repetiergewehr der österreichischen Armee, daſs das Geschoſs eine Anfangsgeschwindigkeit von 500 m habe und das
Gewicht der 11 mm Patrone 42 gr betrage.
S. 451 nennt hingegen
580—590 m Anfangsgeschwindigkeit und 42,4 gr Patronengewicht. Gröber ist der Widerspruch, der sich auf den S. 336 und 456 befindet; auf ersterer wird dem Gewehr der türkischen Infanterie ein Kaliber von 9,5 mm, auf letzterer von 8 mm gegeben . Wenn wir schlieſslich noch erwähnen , daſs die Länge der russischen Eisenbahnen Anfang 1887 nach S. 295 des
vorliegenden Jahresberichtes 27,647 Werst betrug und 1098 Werst Staats eisenbahnen in Finnland vorhanden waren, während das russische Eisen bahnnetz in der That nach den amtlichen Berichten Ende 1887 nur
25,276 Werst und die Staatseisenbahnen in Finnland 1884 bereits 1462 Werst umfaſsten, so schlieſsen wir hiermit die Aufzählung der Widersprüche und Unrichtigkeiten , die uns bei einer oberflächlichen Durchsicht der dies
jährigen Jahresberichte in die Augen gefallen sind.
Sie dürften
zur
Genüge darthun , daſs, wie gesagt, die Zuverliissigkeit der Jahresberichte
doch auf recht lockerem Boden zu stehen scheint. Alles Kleinigkeiten
234
Umschau in der Militär -Litteratur.
könnte man einwenden. Gewiſs! Aber aus einzelnen kleinen Steinen setzt
sich das Haus zusammen ; sind die einzelnen Steine nicht vollständig tadel los, so darf man auch auf einen mangelhaften Bau des Ganzen schlieſsen. Nur ungern wenden wir uns nunmehr noch mit einigen Worten den schon wiederholt als verfehlt und – ein Erzeugnis von Kleistertopf und Papier
scheere – als ziemlich wertlos bezeichneten „ Nekrologen “ zu ; die Ver letzung des patriotischen Gefühles drückt uns diesmal die Feder in die Hand .
Unter den verstorbenen hervorragenden Offizieren finden wir
u. A. auch den Königlich hannoverschen Oberst a. D. Dammers aufgeführt. Nachdem dieser Offizier bis zum Jahre 1866 nur dadurch hervorgeragt
batte , daſs er sich im Jahre 1864 bei Gelegenheit der Occupation Hol
steins als Kommandant von Rendsburg unmöglich genacht, ernannte ihn sein König, als um diesen alles zusammenbrach, am 17. Juni 1866 zum Oberst und Generaladjutanten . Während der 12 Tage, in welchen Oberst Dammers diese Stelle bekleidete, wurde er als Parlamentär verwendet und hat unter dem Schutz dieser Stellung mit Vorbedacht schnödesten Betrug an Preuſsen ausgeübt.
Heimlich schickte er von Gotha einen vorher mit
Weisung versehenen Offizier an seinen König zurück, der diesem mit
teilen sollte, was der Oberst Dank seiner Stellung in Bezug auf die preuſsischen Truppen gesehen, und der auch zum Angreifen auffordern sollte; der
Oberst ging inzwischen gleichzeitig leichten Herzens Verpflichtungen be treffs Fortbestand der Waffenruhe ein.
Daſs sich seine Pläne nicht
erfüllten, lag in anderen, von ihm nicht beherrschten Verhältnissen. Wer in dieser Weise die hohe und geschützte Ehrenstellung eines Parla
mentärs miſsbraucht, darf auf Treue und Glauben keinen Anspruch mehr machen, er stempelt sich zum Betrüger. Der vorliegende „Nekrolog“ schwächt durch die Behauptung, daſs über die diplomatische Sendung des Oberst Dammers vollständige Klarheit noch nicht gebracht sei, die überaus klaren und bestimmten Angaben Wengen's in seiner Geschichte der Kriegs ereignisse zwischen Preuſsen und Hannover“ nicht ab. Für uns liegt jeden
falls die Sache so klar, daſs wir uns zu vorstehendem Urteil berechtigt glauben.
Die Jahresberichte aber haben sich dadurch , daſs sie einen
Mann in ihre „Nekrologe“ aufnahmen , der nicht nur nichts Hervor ragendes geleistet, sondern der auch Preuſsen schmählich betrogen hat, nach unserer Ansicht geradezu beschmutzt. Für diese Nekrologe ist es wohl auch kennzeichnend , daſs ihnen zufolge die musterhafte englische Armee, die in den letzten dreiſsig Jahren ja durch herrliche Kriegs thaten und auſserordentliche militär- wissenschaftliche Leistungen besonders hervorgeragt hat, von dem harten Schicksal betroffen wurde , 15 her vorragende Offiziere u. s. w. im Jahre 1887 zu verlieren , das deutsche
Heer hingegen nur den Verlust von 10 zu beklagen hatte. - Im Übrigen ist über die diesjährigen Jahresberichte nur noch zu sagen, daſs sie in
der bekannten bisherigen Art des Guten recht viel bringen, sich aber auch mit groſser Hartnäckigkeit einzelnen wiederholt laut gewordenen Änderungsvorschlägen vollständig verschlieſsen .
Umschau in der Militär- Litteratur.
235
Friedrich der Groſse bei Collin ( 18. Juni 1757) . Eine Studie Berlin , Friedrich Luckhardt. – von Karl Bleibtreu . -
Ich möchte es als ein recht trauriges Zeichen der Zeit bezeichnen , daſs ein phantasiereicher und schwungvoller Roman - Schriftsteller von groſser „ industrieller Betriebsamkeit“ , wie es Bleibtreu ist, seit einiger Zeit seine
Neigungen und Gaben zur romanartigen Darstellung sowohl von Zukunfts
schlachten als auch von wirklich gelieferten benutzt und hierin, wie es scheint, noch von gewisser militärischer Seite unterstützt wird . In der Phantasie eines Roman -Schriftstellers entstandene Zukunftsschlachten haben
leicht begreiflicher Weise nicht den geringsten militärischen Wert, und habe ich es auch nicht der Mühe für Wert erachtet, in einer militär wissenschaftlichen Zeitschrift wie die Jahrbücher der Schlachten bei Bochnia,
Belfort und Châlons auch nur mit einem Worte zu gedenken. Auch daſs der genannte Schriftsteller in seinem „Napoleon bei Leipzig“ und „ Napoleon bei Wagram “ diesen Feldherrn in seiner eben berührten Weise in die Mache nahm , konnte mich noch nicht veranlassen , die Feder zu
ergreifen und solchem Getreibe entgegenzutreten. Anders liegt die Sache jetzt. Bleibtreu versucht in seinem „Friedrich der Groſse bei Collin“ den
ruhmumstrahlten Heros der preuſsischen Kriegsgeschichte zu
einem
Phantasie -Gebilde seiner Art umzugestalten und historische Thatsachen
nach seiner Einbildung und seinen Anschauungen auf Kosten der Wahrheit umzumodeln, um so einen recht anregenden Roman zusammen zuflicken . Seine Darstellung der Schlacht bei Collin hat auch nicht den geringsten militärischen Wert, im Gegenteil durch Verbreitung falscher Nach den treff Thatsachen kann sie verwirrend , also schädlich wirken.
lichen Forschungen von Max Dunker, denen u. A. Taysen und Georg Winter mit wertvollen Erweiterungen folgten, ist es wohl über jeden Zweifel erhaben , daſs Friedrich der Groſse am 18. Juni die Stellung der Österreicher von „Novi Mesto“ aus überschaute, daſs der König beim Ausgeben der Schlacht- Disposition von dem Vorhandensein des für die
Schlacht so wichtig werdenden „Eichbusches“ keine Abnung hatte, daſs der Fürst Moritz von Dessau und nicht der König den Hauptteil des
Heeres viel zu frühzeitig halten und angreifen lieſs, daſs der König sich niemals über die Unthätigkeit oder falsches Eingreifen Zietens während oder nach der Schlacht tadelnd und hart ausgelassen hat. – Trotzdem
läſst Bleibtreu, alten, meistens absichtlich entstellten Überlieferungen folgend, den König nicht von „Novi Mesto “ , sondern von der „goldenen >
Sonne“ aus die Stellung der Österreicher beobachten ; der „ Eichbusch “, trotzdem er, wie gesagt, für den König nieht vorhanden war, spielt in der Disposition, die Bleibtreu dem König in den Mund legt, einen besonders
wichtigen Teil. Bleibtreu tischt dann natürlich auch das Ammenmärchen
auf, wie der König dem Fürsten Moritz den Befehl zum Halten giebt, wie dieser nicht gehorchen will, wie der König schlieſslich den Degen
zieht. Seitenlang spinnt sich bei Bleibtreu das erregte Gespräch fort, das Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVIII ., 2 .
16
236
Umschau in der Militär- Litteratur.
kein Wort davon ist der König dieserbalb mit Fürst Moritz führte wahr ! Auf den äuſserst braven Zieten läſst Bleibtreu , obne Verständnis
für die Aufgabe des Ersteren, seinen Friedrich in erregter Weise weidlich Diese Thatsachen werden wohl genügen, um den schimpfen und fluchen. militärischen Wert des Bleibtreu'schen Collins zu würdigen ; leicht würde
es sonst sein, noch eine groſse Menge von historischen Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten seiner Erzählung aufzudecken . Dem Kenner der damaligen Heeresorganisation wird es ein Lächeln abzwingen , wenn er U. A. von Compagnie -Kolonnen und Compagnie-Befehlen liest. Gaudi, der erweislich der Schlacht bei Collin gar nicht beigewohnt, findet bei Bleibtreu als Flügeladjutant des Königs einfluſsvolle Verwendung ! Und Friedrich selbst ! Wie schrecklich hat ihn Bleibtreu verhunzt ! Nach ihm ist der König ein unermüdlicher Schwitzer, der seinen Generalen mit selbstgefalligem Behagen seine Grundsätze über den Krieg, sogar während der wichtigsten Augenblicke der Schlacht, des Breitesten aus einanderzusetzen sucht. Diese Grundsätze, wie sie Bleibtreu anführt,
waren aber schon längst, seit dem Jahre 1753, in den Generalprinzipien vom Kriege niedergelegt, Gemeingut der Generalität und dem Geiste des Heeres eingeimpft. Der König hatte wahrlich nicht nötig, hierüber ein Wort an seine Generale zu richten . Aber Bleibtreu muſste doch seine eigene Weisheit leuchten lassen . Anderenteils wird uns der Bleibtreu'sche
Friedrich recht wie ein launenhafter Tyrann dargestellt, der mit seiner Um gebung wie die Katze mit der Maus, geradezu : brutal spielt. Bleibtreu läſst den König in ernster Lage sogar „ österreichern “. Nun noch einige wenige Proben von der Bleibtreu'schen Schreibweise und seinen Bildern . Auf S. 4 sagt er vom König : „Die tiefgefurchte Falte von der Nase herab krümmte sich zu jenem Lächeln tötlicher Ver achtung, vor dem die Seinen zitterten . ... In dem Auge ein ruhiges,
unwiderstehliches Feuer. . . . Jeder Zoll nicht bloſs ein König, jeder Zoll ein Genie. “ S. 60 und 61 heiſst es : „Schnell schwand die kurze Sommer nacht! Das tiefe Schnarchen all der übermüdeten Tausende, gleich dem ununterbrochenen Murmeln eines Wasserfalls, starb mählich dahin im Morgengrauen . Die Hände falteten sich zum Gebet, die Waffen klirrten nieder, bald vielleicht rot vom vergossenen Blute. “ S. 63 : „ Der Himmel wölbte sich wolkenlos und die Sommersonne goſs ihren goldigen
Nimbus über die spiegelblanken Waffenlinien dieser tadellosen Bataillone '
und Schwadronen, deren Banner nicht der leichte Morgenwind, sondern der eigene Ruhmesstolz zu blähen schien. “
S. 72 und 73 :
schoben sich hin und her, dann aneinander.
„ Die Treffen
Ordonnanzen schwärmten
überall wie feiſsige Bienen. Die Haubitzen summten mit ihren Rädern die Kuppen binauf, wie dicke Hummeln mit metallisch Himmernden Flügeln. . . . Und die Schlacht hebt sich gleichsam wie eine schwefel
gelbe Gewitterwand am Horizont empor. Langsam , langsam . Bald wird sie die Sonnenscheibe verdunkeln mit düsterem branstigem Rot.
-
Die
Armee zieht sich in eine lange gerade Zeile auseinander. Dann spannt sie
Umschau in der Militär-Litteratur,
237
sich scbråg über das Gefild wie eine straffe schwarze Schnur. “ S. 75 : „ Die blechernen Mützenschilde und Bajonette der Grenadiere glitzerten
fröhlich . “ S. 113 : , In buntem Gemenge, so weit das Auge blickte, wogte und brodelte und zischte die Schlacht wie eine hochgehende See.
Wie
Leuchttürme dazwischen die umbrandeten Batterien . Wie Leuchtschiffe auf- und niedertauchend, die Fahnen . Die Adjutanten wie Rettungsboote schieſsen hin und her, und mitten im Gischt schwimmen die Wraks der stolzen Linienschiffe.“ S. 149 : „ Ein fürchterliches Gebrüll barbarischer
Mordlust brach los, als ob die Würgengel der Apokalypse daherbrausten , um die Menschheit niederzumachen.
Das preuſsische Feldgeschrei ant
wortete voll Wut und Ingrimm ."“ - Genug auch hiervon. Daſs Bleibtreu den „General en chef der Kavallerie“ Zieten mit goldenem Scepter und Adlerflügel auf dem Kolpak, dann an einer anderen Stelle auch noch mit
dem Reiherbusch, der von einem Säbelhieb geknickt wird , in die Schlacht ziehen läſst, daſs er die Generale mit breiten Ordensbändern schlafen zu
wenigstens haben sie Morgens um 3 Uhr am Schlacht tage diese Bänder schon angelegt daſs er die Schlacht bei Kesselsdorf in das Jahr 1744 verlegt (natürlich ein Druckfehler), sei nur nebenbei lassen scheint
bemerkt.
Treitschke sagt in seiner trefflichen „ Deutschen Geschichte im neun zehnten Jahrhundert“ über die Schriften von Amadeus Hoffmann : „ Der wüste Spuk drängte sich so nahe, so sinnlich greifbar auf, daſs der Leser,
wie vom Alpdruck gelähmt, still halten muſste und dem kecken Humor, der diabolischen Grazie des meisterhaften Erzählers Alles glaubte. Zuletzt blieb von dem tollen Spiele freilich nichts zurück als die dumpfe Be täubung des physischen Schreckens.“ Diesen letzten Satz möchte ich auf
das Bleibtreu’sche Collin anwenden. Das Ganze ein wirres Phantasiegebild,
ein Gemengsel von Unrichtigkeiten und Übertreibungen ! Tolles Spiel und dumpfe Betäubung! In militärischen Kreisen kann das wertlose Buch unmöglich Anbänger finden ! Aber wo dann ? Gott weiſs es !
Anhaltspunkte für die Kritik taktischer Maſsnahmen von A. Falkner v. Sonnenburg , Hauptmann à l. s. des General stabes, Lehrer der Taktik an der k. Kriegs - Akademie. München, Franz'sche Verlagshandlung. und das wird wohl zugegeben werden müssen Wenn es richtig ist daſs auf dem Gebiete der Taktik in weiten Kreisen ein unheilbar scheinender Zustand der Unsicherbeit herrscht, dann müssen „ Anhalts
punkte “ gewiſs als willkommen begrüſst werden ; sie müssen um so will
kommener sein, als sie die Aussicht eröffnen, die vielfach auseinander gehenden und sich durchkreuzenden Eindrücke der taktischen Schriften, wie durch eine Linse gesammelt, zu klaren Bildern zusammengefaſst zu sehen .
Dies die Erwartung, welche der Titel der vorwürfigen Schrift weckt, und – gegenüber mancher raschen und herben Besprechung mag das 16*
Umschau in der Militär -Litteratur.
238
gleich anfangs hervorgehoben sein - in dieser Erwartung wird der auf merksame Leser nicht ganz getäuscht. Das in dem vorangeschickten friedericianischen Motto vorgezeichnete Ziel : „ Klarheit über jene Dinge, für welche wir zu sorgen haben “ ist in der ganzen Arbeit scharf fest gehalten, diese Anerkennung darf dem Verfasser nicht versagt werden .
Andererseits sind freilich die Ausstellungen , welche sich aufdrängen, so zablreich, daſs man sich unwillkübrlich nach „ Anhaltspunkten für die Kritik“ umsieht. Nicht sowohl den Inhalt soll diese Bemerkung treffen, mit dessen Richtung wir im Wesentlichen uns vorstehend schon einver standen erklärt haben und dessen Einzelheiten dem Leser anheimgegeben werden möchten ,
als die Form der Bearbeitung : Titel, Anlage und
Sprache. -
Es kann im allgemeinen kaum übersehen werden , daſs die Arbeit – und damit sollen nicht die Gedanken, sondern nur deren schriftliche
Niederlegung gemeint sein - sehr rasch entstanden sein muſs; sie bat vermutlich gar nicht, und gewiſs nicht lange genug im Inneren des Schreibtisches sich zu erholen Gelegenheit gehabt, und muſs nun den
Vorwurf tragen, daſs sie Unebenheiten enthält, welche selbst der rasch lebigen Tagespresse nicht zu verzeihen wären. Wir meinen, jemehr Technik
und Verkehr die Veröffentlichung erleichtern, desto mehr müſste ein „Buch“ sich durch Genauigkeit und Sorgfalt auszeichnen , wenn auch das „nonum prematur in annum “ heute nicht mehr buchstäblich anwendbar erscheinen sollte.
Zum Titel möchten wir noch bemerken , daſs es uns nicht ganz ein leuchten will, warum die Anhaltspunkte besonders der „ Kritik “, und nicht >
unmittelbar den „* taktischen Maſsnahmen “ dienen sollen ? Dem Titel nach
glaubt man vorher das Signal Commandeurruf gehört zu haben, und doch hat der Verfasser kaum beabsichtigt, gerade die höheren Führer über die Kritik zu belehren.
Das Vorwort sieht sich auch genötigt, einen Teil des
Titels zurückzunehmen . Wir vermuten, daſs bei der Zwischenschiebung der „ Kritik “ etwa der Gedanke an Kriterien vorgeschwebt haben mag. Nur eine Rücksichtnahme auf die Bezeichnung als „ Anhaltspunkte
scheint uns die Anordnung in fortlaufend numerierte Sätze zu sein. Von den 600 Thesen ist eigentlich nur die 1. ganz unabhängig von einem Vorder satze, die übrigen sind fast alle ausgesprochen konjunktiv gehalten, und die Numerierung, welche doch den einzelnen Sätzen eine gewisse Selbst ständigkeit verleihen soll, wird so zu einem erst zu beseitigenden Hinder nisse des Zusammenhanges. Und endlich die Sprache! Sie muſs schon um deswillen Bedenken erregen , weil der Verfasser sie anderwärts entlehnt hat. Hegt derselbe -
den Wunsch, daſs diese Sprache zum Gemeingut wird und hält er das auch nur für möglich ? Sollte auch dem Schriftsteller die Sprache dazu zu dienen haben , seine Gedanken zu verhüllen ? Wir halten es wirklich
für angezeigt, unseren Lesern zu verraten, daſs der Verfasser ein durch und durch praktischer Soldat ist, damit sie nicht von vorneherein vor
Umschau in der Militär-Litteratur.
239
solcher grauer Theorie zurückschrecken . Aber bedauern müssen wir es immer, wenn unsere edle Kunst auf den Stelzen der Wissenschaft uns vorgeführt wird. Und doch möchten wir dem Buche viele Leser wünschen, Leser, welche es langsamer lesen , als es geschrieben zu sein scheint, – dann werden sie es nicht ohne Nutzen aus der Hand legen, vielleicht sogar
gleich uns, nach einiger Rast neuerdings zur Hand nehmen. Der Schleier der Sprache wird sich dann lüften und der Kern zum Vorschein kommen
– als ein schätzbarer Beitrag zu der „ Klarheit über jene Dinge, für n
welche wir zu sorgen baben“.
Der Offizier als Erzieher des Volkes.
Berlin, E. S. Mittler
& Sohn .
Ein vortreffliches kleines Büchlein, das auf 35 Seiten in belebender und erhebender Weise darthut, welche schönen Pflichten den Offizieren
heutigen Tages bei der Erziehung der Soldaten und so mittelbar als Er
zieher des Volkes zufallen. Es ist ein wahrer Genuſs dem Gedankengang des Verfassers von Seite zu Seite zu folgen ; viele sehr zu beberzigende Vorschläge werden dem Leser dabei begegnen. Natürlich handelt es sich
im Wesentlichen nur um die geistige Erziehung des Soldaten, gestützt auf die Tugenden eines tüchtigen Bürgers. Verfasser faſst die Stellung des Offiziers sebr ideal auf ; aber ob sich in der rauhen und hemmenden Wirk
lichkeit des praktischen Dienstes alles so ausführen läſst, wie er das aus malt und wünscht, dürfte manchen Zweifel hervorrufen .
Er ist zwar
selbst ein praktischer Soldat, der den Dienst und seine verschiedenen Seiten genau kennt, doch scheint bisher ein ganz besonders freundlicher
Stern seine militärische Laufbahn begleitet zu haben, denn sonst würde er mehr den vielen Schwierigkeiten Rechnung tragen, die oft unüber
windbar sind und das edelste aufopferndste Streben sehr einengen. Verfasser strebt nach Idealen. Wer erreicht sie im Leben ?! Aber, wie gesagt, berz erquickend und erfrischend muſs sein Büchlein selbst auf eine verknöcherte Soldatenseele wirken, auch wird es gewiſs hier und da neuen Antrieb zu
edlem Streben wecken. Unsere gute deutsche Muttersprache hat übrigens
Grund sich zu beklagen, daſs Verfasser sie nicht mit gebührenden Ehren behandelt bat, obgleich ein tief ernster, christlich - germanischer Standpunkt sonst gerade das Büchlein auszeichnet.
Druck von A. Haack in Berlin NW ., Dorotheenstr . 55 . .)
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franco zu Diensten steht.
XV.
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege.
(Fortsetzung .) 7.
Dresden
Kulm
Katzbach .
Beim Ablauf des Waffenstillstandes wuſste Napoleon , daſs er es mit je einer feindlichen Armee in Böhmen, in Schlesien und in der Mark zu thun haben würde ; er täuschte sich indessen insofern, als er die feindliche Haupt -Armee in Schlesien , in Böhmen aber
nur die Österreicher vermutete , und als er überdies die Stärke der feindlichen Nord -Armee unterschätzte. Gegen letztere sollte ein Teil seiner Streitkräfte offensiv werden , während er selbst mit der
Masse seiner Armee zunächst eine abwartende Haltung einnehmen
wollte, um so seiner Berliner Armee Flanke und Rücken gegen die Unternehmungen der beiden anderen feindlichen Heere zu sichern. Demgemäſs war die Verteilung der französischen Streitkräfte
bei Beginn der Feindseligkeiten die folgende: der schlesischen Armee gegenüber standen in erster Linie unter Ney
das III., V., VI., XI. Armee -Corps und das 2. Kavallerie-Corps 130,000 Mann, 388 Geschütze,
dahinter in zweiter Linie unter Napoleons persönlicher Führung die Garden, das II. , VII. Armee-Corps, das 1., 4. Kavallerie Corps 112,000 Mann, 386 Geschütze, gegen die böhmische Armee
das I., XIV. Armee- Corps
60,000 Mann , 168 Geschütze,
Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . LXVIII ., 3.
17
Die französische Armee im Jahre 1813.
241
gegen die Nord- Armee unter Oudinot das IV., VII. , XII. Armee-Corps, das 3. Kavallerie Corps 70,000 Mann, 222 Geschütze, unter Davout das XIII . Armee -Corps = 37,000 Mann , 76 Ge O
schütze, unter
Girard die
Divisionen
Lanusse
und
Dombrowski
15,000 Mann, 28 Geschütze. Rechnet
man
hierzu
noch
das
im
Anmarsch
befindliche
5. Kavallerie-Corps sowie die Truppen Margaron's und den Artillerie und Ingenieur -Wesen -Park, so erhält man die früher errechnete Summe von rund
440,000 Mann , * ) 1284 Geschütze.
Der Begiun der Operationen sollte dem Kaiser sofort den unliebsamen Beweis liefern , daſs die innere Linie trotz aller Vorzüge eine Zwangslage in sich schlieſse , und daſs es bei einiger Energie
des Gegners schwer sei , demselben die Initiative zu entreiſsen ; gleichzeitig sollte er aber auch sofort erfahren , von welchem seiner drei Gegner ihm die gröſste Gefahr drohe .
Am 14. August – noch drei Tage vor dem für die Eröffnung der Feindseligkeiten festgesetzten Zeitpunkt überschritt nämlich der General Blücher die Demarkationslinie und besetzte das die beiden Heere trennende neutrale Gebiet .
Auf französischer Seite machte
sich jetzt sofort ein groſser Mangel an einheitlicher Führung be merkbar ; Ney, der den Kaiser vertreten sollte, in dieser Eigenschaft
aber über keinen besonderen Stab verfügte und auſserdem das Kommando über sein Corps beibehalten hatte , kümmerte sich aus schlieſslich um letzteres, und die Folge war , daſs alle Corps Befehlshaber in der bekannten Weise der napoleonischen Marschälle >
völlig unabhängig von einander handelten . Infolge dieser fehler haften Einrichtung wichen denn die französischen Corps auf allen Punkten bis hinter den Bober zurück , ohne dies eigentlich nötig zu haben . Bei den seit dem 18. August täglich stattfindenden,
teilweise äuſserst lebhaften Gefechten schlugen sich die französischen Soldaten und zwar namentlich die Infanterie im allgemeinen nicht schlecht ; nur das Verhalten seiner leichten Kavallerie gab dem
General Lauriston Veranlassung zu klagen. Um das Vorgehen Blücher's zu strafen und den durch das übereilte
Zurück weichen
seiner Marschälle verursachten
Schaden
wieder gut zu machen, beschloſs Napoleon , sich selber nach Schlesien *) Nach Abzug der 3333 Mann, welche der Armee -Verwaltung angehörten.
Die französische Armee im Jahre 1813.
242
zu begeben , indem er dabei die Hoffnung hegte , dort die ge wünschte Entscheidungsschlacht zu finden .
Die Garden
und die
Kavallerie Latour-Maubourg's , im Ganzen 75,000 Mann , 254 Ge schütze, muſsten ihn dorthin begleiten. Am 20. August in Lauban eingetroffen, lieſs er am folgenden Tage sofort auf der ganzen Linie die Offensive ergreifen .
Sobald indessen Blücher die Anwesenheit
Napoleon's erkannt hatte, trat er sofort den Rückzug an und ging, ohne sich in eine entscheidende Schlacht einzulassen, unter heftigen Nachhut-Gefechten , die er den scharf nachdrängenden Franzosen dem 21. August an diesem Tage bei Löwenberg und am
23. bei Goldberg lieferte, bis hinter die Katzbach zurück . Den französischen Truppen kann das Lob nicht versagt werden, daſs sie sich in diesen Gefechten gut geschlagen haben , namentlich die Infanterie des V. Armee-Corps , welches letztere an beiden Tagen
die Hauptlast zu tragen gehabt, hatte eine ausgezeichnete Haltung bewiesen , und auch die Kavallerie desselben hatte Gelegenheit gefunden, die wenige Tage zuvor erlittene Scharte auszuwetzen .
Das Verhalten der Truppen hatte den Verbündeten sofort die Alles belebende Gegenwart Napoleons verraten , eine Erscheinung, die sich im Laufe des ganzen Feldzuges wiederholen sollte.
Übrigens hatte sich Napoleon nur während des Gefechts bei Löwenberg, aber nicht mehr während der Kämpfe bei Goldberg bei seiner Bober - Armee befunden ; das Vorgehen der böhmischen Armee
gegen Dresden hatte ihn zur Rückkehr nach dieser Stadt gezwungen, von der aus der Marschall St. Cyr ihn um Hülfe avgerufen hatte. So war denn der Kaiser bereits am Morgen des 23. August mit den Garden , dem VI. Armee -Corps und der Kavallerie Latour
Maubourg's dorthin aufgebrochen. Auch der Marschall Ney war angewiesen worden , seinem Herrn für seine Person dorthin zu
folgen , der bezügliche Befehl war aber ganz unglaublicher Weise so undeutlich abgefaſst gewesen , daſs der Marschall geglaubt hatte, sein Corps mitnehmen zu sollen, ein Irrtum , der nicht ohne erheb liche Unzuträglichkeiten ausgeglichen werden konnte. In Schlesien blieben unter Macdonald das III. , V., XI . Armee-Corps und das z 2. Kavallerie-Corps zurück, das III, vorläufig jetzt von dem General Souham , das XI. ebenso von dem General Gérard befehligt.
St. Cyr's Hülferufe waren berechtigt gewesen , denn in der That war die Gefahr bei Dresden groſs, da sich gegen diese Stadt die Haupt -Armee der Verbündeten in Bewegung gesetzt hatte. Dieser erdrückenden Übermacht gegenüber verfügte der Marschall, abgesehen von der zum gröſsten Teil aus Westfalen bestehenden, 17*
243
Die französische Armee im Jahre 1813.
kaum 4500 Mann starken Besatzung, einzig und allein über das XIV. Armee-Corps, 26,000 Mann, darunter an Infanterie 22,000 un ausgebildete » enfans soldats« . Das inzwischen bei Dresden ein getroffene Corps des General L'héritier, dessen Reiter in dem Gefecht
vor dieser Stadt bereits Gelegenheit gehabt hatten, ihre geringe Kriegstüchtigkeit zu beweisen , war jetzt gerade nach Groſsenhain entsendet worden.
Wie ernst die Lage bei Dresden war, das
muſste dem Kaiser St. Cyr's Schreiben vom 25. August klar machen .
» Nous sommes bien déterminés, schreibt der Marschall, à faire tout ce qu'il sera possible : je ne puis rien garantir de plus à Votre Majesté avec d'aussi jeunes soldats « . Aber die Hülfe war nahe.
Am 23. Morgens war Napoleon
mit den oben aufgeführten Corps von Löwenberg aufgebrochen , am 25. Abends standen dieselben mit den Spitzen bereits bei Rossen dorf, 2 Meilen von Dresden, der Rest bis gegen Groſs -Hartbau hin,
2 Meilen weiter zurück. Hiermit aber nicht genug, hatte Napoleon auch noch das I. und II. Corps von Rumburg und Gabel aus ebenfalls auf Dresden in Bewegung gesetzt, so daſs an der böhmi schen Grenze nur die Polen verblieben.
Zur Sicherung der Ver
bindung mit Macdonald gegen die Parteigänger der Nord -Armee war L'héritier nach Groſsenhain entsendet worden und hatte Marmont
eine Truppenabteilung – 2 Bataillone, 5 Schwadronen, 1 Batterie in Hoyerswerda zurücklassen müssen. Während dieses mit solchen Massen fast beispiellosen Marsches hatte Napoleon die Meldung bekommen, daſs die beiden westfälischen Husaren-Regimenter des Victor'schen Corps in der Nacht zum 23. August mit Ausnahme
von 2 Schwadronen geschlossen zu den Österreichern übergegangen seien ; es war dies ein schlimmes Vorzeichen , und schlimmer als der materielle Verlust war der moralische Eindruck , den dieses
Ereignis machen muſste. Es ist bekannt , daſs Napoleon am 25. August die Absicht gehabt hat , am folgenden Tage mit der ganzen Armee , welche er heranführte , die Elbe oberhalb Dresdens zu überschreiten und die Verbündeten zwischen sich und diese Stadt zu bringen . Aber die immer dringlicher werdenden Hülferufe St. Cyr's , dessen in der
Nacht eingehende Meldung, daſs er Dresden gegen einen am 26. zu erwartenden ernsten Angriff nicht werde behaupten können , und die Erkenntnis, daſs der Marschall in Anbetracht der Beschaffenheit
seiner Truppen Recht habe, zwangen den Kaiser, diesen groſsartigen Plan , dessen Ausführung unberechenbare Folgen hätte haben können, aufzugeben und sich damit zu begnügen , den General Vandamme >
Die französische Armee im Jabre 1813.
244
mit ungefähr 40,000 Mann bei Königstein über die Elbe zu senden, während er sich selbst mit der Masse seines Heeres nach Dresden wandte .
Es war die höchste Zeit , daſs die Hülfe kam . Nachdem die Spitzen der böhmischen Armee bereits am 25. vor Dresden erschienen
waren, hatten die Kämpfe vor dieser Stadt am frühen Morgen des 26. begonnen.
Da die 42. Division sich bei Königstein befand , so
verfügte der Marschall zur Verteidigung Dresdens nur über 3 Divi sionen seines Corps, 37 Bataillone, 12 Schwadronen, 10 Batterien mit ungefähr 19,000 Mann , 76 Geschütze, im Ganzen einschlieſslich der Garnison über kaum mehr als 23,000 Mann, wobei höchstens Es war daher ein für die französischen
20,000 Mann Infanterie.
Waffen nicht hoch genug zu schätzendes Glück, daſs der eigentliche
Angriff der Verbündeten erst um 4 Uhr Nachmittags begann. Napoleon hatte nicht so lange gezögert, sondern war für seine
Person bereits um 9 Uhr früh in Dresden eingetroffen , wo sein unerwartetes Erscheinen , wie Bernhardi sagt , eine geradezu be zaubernde Wirkung ausgeübt hatte ; von Mittag an hatten dann auch die Garden und um 2 Uhr die halbe Division Teste des
I. Armee- Corps und das 1. Kavallerie- Corps begonnen, die Elbe zu überschreiten , so daſs er vorbereitet war , wie er sich ausdrückte, den Verbündeten das Geleite zu geben. So verfügte denn der Kaiser auf dem linken Elbufer bereits über mehr als 90,000 Mann , *) *) Es waren dies auſser der ständigen Garnison von Dresden : Die Garden
59 Bat., 49 Schw , 212 Gesch.
2 Bat., 10 Schw. , 6 Gesch. waren unter dem General Lefebvre -Desnouettes noch
auf dem rechten Elbufer. Das XIV . A.-C.
37 -
12
76
»
die 42. Division stand bei
Königstein. Die halbe Division
Teste des I, A.-C. Das 1. Kav.-C.
16
8
56
-
die Div . Corbineau befand
30
sich beim Gen. Vandamme. 104 Bat. , 117 Schw ., 334 Gesch .
Für den 27, kamen als Verstärkungen hinzu : Die Kav. des Gen. Lefebvre - Despouettes
Das II. A.-C.
Bat., 10 Schw., 37
2
6 Gesch.
die beiden Bat. blieben auf dem rechten Elbufer.
die Brig. Reuſs befand sich
76
mit Ausnahme eines Bat. Das VI. A.-C.
40 ,
3
78
9
beim Gen. Vandamme . 2 Bat. , 5Schw., 6Gesch. waren
bei Hoyerswerda zurückgel. 77 Bat. , 15 Schw ., 160 Gesch. Gesamtstärke am 27. 181 Bat. , 132 Schwadr. , 494 Gesch.
Die französische Armee im Jahre 1813 .
245
334 Geschütze , als er um 6 Uhr von der Abwehr zum Augriff
überging and sich durch einen erfolgreichen Gegenstoſs für den folgenden Tag den nötigen Entwickelungsraum verschaffte. Wiewohl Napoleon in der Nacht durch das Eintreffen des II. und VI. Armee - Corps sowie der bisher entsendet gewesenen Garde- Kavallerie - Division des General Lefebvre - Desnouettes verstärkt
worden war , verfügte er am 27. nach den Verlusten des voran gegangenen Tages doch kaum über mehr als 125,000 Mann, 494 Ge schütze.
Trotz dieser bedeutenden Minderzahl entschied sich der
Kaiser aber doch für einen beide feindliche Flügel umfassenden Angriff. Während er selbst mit einem Teil der Garde unter Ney sowie mit dem VI. und XIV. Corps im Centrum die Verbündeten festhielt und durch eine lebhafte Kanonade beschäftigte, muſsten Mortier und Nansouty mit 24 Bataillonen , 28 Schwadronen der
Garde den rechten , Murat dagegen mit den Truppen Victor's, der vom Teste's, Latour-Maubourg's und – anscheinend auch General Pajol befehligten Reiterei St. Cyr's den feindlichen linken Flügel umfassen . Auf dem französischen linken Flügel gelang es Mortier zwar , Boden zu gewinnen , doch fiel die eigentliche Ent
scheidung nicht bier, sondern auf dem rechten Flügel .
Die durch
den Plauenschen Grund von der Haupt-Armee getrennten 18,000 Öster reicher, welche hier fochten , konnten dem Stofs der 40,000 Fran zosen Murat's nicht widerstehen ; sie wurden völlig geworfen und ihr linker Flügel durch die französische Reiterei um so leichter
vernichtet , als das regnerische Wetter jede Fernsicht sowie den Gebrauch der Gewehre erschwerte.
Die Schlachttage von Dresden sind Ruhmestage nicht nur für Napoleon, der sich hier noch einmal als der groſse Schlachten kaiser zeigte, sondern auch für die französischen Soldaten, die unter seiner
Führung und seinen Augen hier Groſses geleistet haben. Am 26. hatte die Hauptlast des Kampfes auf den jungen Ausgehobenen des XIV . Corps und der jungen Garde geruht ; der 27. ist einer der gröſsten Glanztage der napoleonischen Kavallerie. So hatte Napoleon unter den Mauern von Dresden die in
Schlesien vergeblich gesuchte Schlacht gegen die feindliche Haupt Armee gefunden und mit dem verhältnismäſsig geringen Verlust von 10,000 Mann , nach den höchsten Angaben von 15,000 Mann, einen Erfolg errungen , welcher hätte entscheidend werden müssen,
wenn er richtig ausgenutzt worden wäre. Alle Bedingungen hierfür waren
vorhanden .
40,000 Mann im
Schon befand sich Vandamme mit mehr als Rücken des Feindes , dem
die Garden , Marmont
1
Die französische Armee im Jahre 1813.
246
und St. Cyr unmittelbar folgten, ein beispielloses Glück winkte dem Kaiser. Aber in diesem , vielleicht dem entscheidendsten Augenblick nicht nur des ganzen Krieges sondern seines Lebens überhaupt
verdunkelte sich Napoleons Stern ; die matte Verfolgung wurde ein gestellt, Vandamme seinem Schicksal überlassen. Das Benehmen des Kaisers erscheint hier völlig unerfindlich ; in dem
Zustande
seiner Truppen ist für dasselbe eine Begründung nicht zu finden , denn dieselben befanden sich in einer Stimmung, daſs trotz der groſsen Anstrengungen der letzten Tage Alles von ihnen zu ver
langen gewesen wäre. Die einzige zur Erklärung mögliche Annahme ist die, daſs Napoleon den Feind im Rückzuge über Freiberg, wohin Murat folgte, vermutet und selbst nicht geahnt habe, welchen Einsatz er hätte gewinnen können , aber auch nicht, in welcher Gefahr sein General schwebte .
Der General Vandamme hatte am 26. August die Elbe bei Königstein überschritten. Mehr als irgend ein anderer General der französischen Armee schien er für den ihm erteilten Auftrag , in der Richtung auf das Teplitzer Thal in den Rücken der Verbündeten zu operieren, geeignet ; seine durch die Aussicht auf den Marschall
stab zum Höchsten angefachte Energie schien den Erfolg zu ver bürgen . Sein mit Ausnahme zweier Reiter - Regimenter durchweg -
aus Franzosen bestehender Heerteil zählte wenigstens 40,000 Mann, *) 82 Geschütze und war zusammengezetzt aus seinem eigenen Corps (ohne die halbe Division Teste) , aus einer Division des XIV . und
einer Brigade des II. Corps sowie aus der 1. leichten Division des 1. Kavallerie -Corps. Durch den
heldenmütigen Widerstand
der ihm
entgegen
stehenden schwachen russischen Kräfte aufgehalten, hatte Vandamme trotz aller Tapferkeit seiner Truppen nur langsam bis Kulm vor dringen können.
Hier aber stiels der frauzösische Feldherr auf
stärkere feindliche Kräfte, denen er am 29. und 30. eine Schlacht liefern muſste . Die alte Erfahrung » wer umgeht, ist umgangen « erwies sich auch hier wieder als richtig ; Napoleon hatte die Ver folgung eingestellt, und so konnten sich *) I. Armee -Corps ohne die halbe Div. Teste
diejenigen feindlichen
34 Bat .,
4 Schw . , 60 Gesch .
Brigade Reuſs des II. Armee - Corps mit Aus nahme eines Bataillons
6
.
9
42. Division des XIV. Armee -Corps mit Aus nahme zweier Bataillone
1. leichte Kavallerie-Division
.
.
.
12
-
99
13
22
16 6
3
52 Bat., 26 Schw., 82 Gesch.
247
Die französische Armee im Jahre 1813.
Corps , welche das Gebirge noch nicht überschritten hatten , ohne gedrängt zu werden gegen Vandamme's Rücken wenden, statt selber zwischen zwei Feuer gebracht zu werden. Der Ausgang konnte nicht zweifelhaft sein ; von allen Seiten gefaſst, muſste Vandamme erliegen. Daſs auch hier die einfachsten Sicherheitsmaſsregeln in Flanke und Rücken verabsäumt worden waren, ist ein Vorwurf, der mehr die Führung trifft als die Truppen , welche sich sehr brav be nommen hatten . Trotz der äuſserst kritischen Lage hatten diese jungen Soldaten sich bis zum letzten Augenblick meist ausgezeichnet geschlagen und zum groſsen Teil den Widerstand erst aufgegeben,
nachdem die letzte Patrone verschossen war.
Daſs sich einzelne
Truppenteile, welche von den fliehenden Trofsknechten der Artillerie
niedergeritten worden waren , in der furchtbaren Verwirrung auf gelöst und grobe Handlungen von Zuchtlosigkeit begangen hatten, kann eigentlich erklärlich gefunden werden . Groſse Anerkennung verdient entschieden die Haltung der Kavallerie , welcher es
zum
groſsen Teil gelang , sich durchzuschlagen. Die Kanoniere hatten bis zum letzten Augenblick bei ihren Geschützen ausgehalten,
während die Fahrer sich zum Teil mit der Kavallerie gerettet hatten. Wenn der zweite Schlachttag von Kulm auch zu den unglücklichsten der französischen Kriegsgeschichte gehört, und wenn er auch manche dunkle Punkte enthält, so muſs doch dem I. Corps nachgerühmt werden, daſs es mit Ehren untergegangen ist. Die Verluste waren auſserordentliche, gegen 6000 Mann deckten das Schlachtfeld, mehr als 10,000 Mann darunter Vandamme selber waren bereits auf dem Schlachtfelde in Gefangenschaft geraten, 80 Geschütze d. h. die gesamte Artillerie mit Ausnahme zweier
nach Aussig entsendeten Kanonen, welche von der dorthin geschickten Abteilung bei ihrem eiligen Rückzuge aber auch noch stehen ge lassen werden muſsten, und über 200 Munitionswagen waren verloren gegangen .
Was von den Truppen Vandamme's dem Verderben
entronnen war , bestand nur aus Haufen von Flüchtlingen , welche durch die Wälder und Schluchten des Erzgebirges die französische Armee zu erreichen suchten , von denen jedoch noch Tausende den Verbündeten in die Hände fielen. Diejenigen aber von ihnen , denen
es wirklich gelang, bis zu dem französischen Heere durchzudringen, befanden sich in der denkbar traurigsten Verfassung. Der Marschall
St. Cyr, der bemüht war, die ersten Anstalten zu ihrer Ordnung zu treffen, meldete am 31. August, es möchten ungefähr noch 10,000 Mann sein , die immer noch einen brauchbaren Heerteil bilden könnten,
Die französische Armee im Jahre 1813.
248
aber er fügte den bedenklichen Nachsatz hinzu » s'ils parviennent à se rassurer un peu . «
Die Ordnung dieser Trümmer wurde dem General Mouton Lobau übertragen, den Napoleon für das Kommando über das zu reorganisierende I. Armee-Corps ausersehen hatte. Von den 34 Ba taillonen des I. Armee- Corps, welche bei Kulm gefochten , fanden sich unmittelbar nach der Schlacht nur 263 Offiziere, 5361 Mann , also noch nicht ein Viertel ihrer ursprünglichen Stärke , ein , aus
denen 18 schwache Bataillone gebildet wurden . Nachdem zu diesen Resten die 8 Bataillone des General Teste sowie anscheinend *) auch noch 2 Bataillone des XIV. Corps und auch noch eine fernere Anzahl Versprengter – etwa 3000 Mann – hinzugekommen waren , wurden aus all diesen verschiedenen Bestandteilen 3 Divisionen zu
10 Bataillonen gebildet, wobei anscheinend 2 neuformierte Bataillone.
An Artillerie sollte das Corps 60 Geschütze erhalten , auſser den 16 Geschützen der Division Teste noch 44 von anderen Corps abzugebende, **) doch scheint diese Zahl nicht erreicht zu sein ; die
Bedienung muſste der Artilleriepark stellen , die Bespannung hatte sich dagegen zum groſsen Teil durchgeschlagen, zum Teil wurde sie auch mit den Geschützen abgegeben.
Sehr schwach aber nur war
die Kavallerie , welche kaum 300 Pferde zählte. Mit der gröſsten Thatkraft vorgehend , gelang es dem General Lobau , in den ersten September - Tagen die Neubildung des Corps im Wesentlichen durch
znführen ; trotz aller erwähnten Verstärkungen zählte dasselbe aber doch kaum 14,000 Mann.
Etwas besser als den Truppen des I. Corps war es der 42. Di vision des XIV . Corps ergangen, welche auf dem rechten Flügel gekämpft, und von der sich viele Soldaten in die Berge gerettet hatten ; von ihren 6 bis 7000 Mann waren ungefähr 4000 Mann davon gekommen. Nach Abzug der beiden an das I. Corps abge gebenen Bataillone mochte die Stärke des XIV. Corps einschlieſslich der erwähnten Division noch ungefähr 20,000 Mann betragen. * ) Eine unbedingt zuverlässige Angabe über die Zusammensetzung des reorganisierten I. Armee-Corps hat sich nicht auffinden lassen. Selbst das all gemein als Quelle benutzte „ tableau de la grande armée en septembre et octobre 1813“, welches der General Pelet veröffentlicht hat , ist nicht durchaus zu
verlässig ; dasselbe giebt für das I. Armee-Corps dieselbe Zusammensetzung, welche es vor der Schlacht bei Kulm gehabt hat.
Hierauf wird später noch zurück
gekommen werden.
**) Von Torgau wurden nach dem 27. August 1 Fuſs- und 1 reitende west fälische Batterie zur Armee gezogen , deren Verbleib nicht festzustellen ist, viel
leicht sind sie dem 1. Armee -Corps zugeteilt worden.
249
Die französische Armee im Jahre 1813.
Sehr starke Verluste hatte die Brigade Reuſs des II. Corps erlitten , welche im Centrum gekämpft hatte. Rechnet man die
Verluste des Corps bei Dresden sowie den durch den Abfall der westfälischen Kavallerie -Brigade verursachten Ausfall, so dürfte dasselbe, einschlieſslich der Trümmer der gedachten Brigade, zur Zeit wohl kaum mehr als 21,000 Mann stark gewesen sein . Sonach betrugen die Verluste, welche diese 3 Corps seit Beginn
des Feldzuges gehabt, gegen 30,000 Mann , und rechnet man hierzu noch die Verluste der Garde, des VI. Corps und des 1. Kavallerie Corps, von welchem letzteren Teile ja ebenfalls den unglücklichen Zug nach Böhmen mitgemacht hatten , so ergiebt sich hieraus für die auf diesem Teile des Kriegsschauplatzes verwandten Truppen ein Gesamtverlust von mehr als 36,000 Mann, 82 Geschütze. Waren
die Verluste der Verbündeten wohl auch noch gröſser, so lag darin doch ein groſser Unterschied, daſs diese über einen reichlichen Ersatz verfügten, während die französiscne Armee auf kaum pennens werte Nachschübe zählen konnte.
Hiermit aber nicht genug, sollte sich Marmont's propbetisches Wort noch mehr als bewahrheiten, nicht nur daſs Vandamme ver
nichtet war und Oudinot einen Miſserfolg erlitten hatte, der weiter unten geschildert werden wird, aus Schlesien kam jetzt auch noch die Nachricht von der Niederlage Macdonald's.
Als Napoleon am 23. August von Löwenberg nach Dresden zurückgekehrt war, hatte er in Schlesien den Marschall Macdonald
mit dem Auftrage zurückgelassen, die schlesische Armee über Jauer zurückzutreiben , sich dann mit dem Hauptteil seiner Kräfte an der Bober- Linie zwischen Bunzlau und Hirschberg aufzustellen und von hieraus soweit mit dem Feinde Fühlung zu halten, daſs derselbe weder nach Böhmen noch nach den Marken abmarschieren könne .
Die Mittel, über welche Macdonald zur Erfüllung dieser Auf
gabe verfügte, waren ansehnlich bemessen und setzten sich aus dem III. , V., XI. Armee-Corps und dem 2. Kavallerie-Corps zusammen . Von den 11 Infanterie-Divisionen, welche die Bober-Armee zählte,
bestanden 8 Divisionen und 2 Brigaden aus Franzosen , eine Division und eine Brigade aus Deutschen Hessen, Badenern und West falen -- und 2 Brigaden aus Italienern ; die Kavallerie bestand mit Ausnahme von 2 deutschen und 2 italienischen Regimentern durch weg aus Franzosen .
Die 3 Infanterie -Corps hatten Lützen und
Bautzen mitgemacht; die groſsen Verluste — namentlich des III. Corps waren durch blutjunge Rekruten in jeder Beziehung unzureichend ersetzt worden ; von den älteren Soldaten hatten diejenigen des
Die französische Armee im Jahre 1813 .
250
V. Armee - Corps sich im Frühjahrsfeldzuge durch ihre mangelhafte
Disziplin hervorgethan . Die Kavallerie stand derjenigen der schle sischen Armee sowohl an Zahl als an Güte erheblich nach , nament
lich was die leichten Schwadronen anbetrifft.
In 137 Bataillonen ,
77 Schwadronen , 42 Batterien sollen die 4 Corps beim Beginn der Operationen eine Gesamtstärke von 102,600 Mann, 304 Geschütze
gehabt, in den bisherigen Gefechten hatten sie aber bereits erheb liche Verluste * ) erlitten, so daſs die Armee im gegenwärtigen Augenblick kaum mehr als 90 bis 95,000 Mann stark gewesen sein dürfte.
Der an der Spitze der Armee stehende Marschall Macdonald war ein tüchtiger und erprobter General , der schon mehrfach selbst ständig geführt hatte, und den, wie schon gesagt, Napoleon sehr schätzte ; dennoch war die Wahl keine glückliche, da er der allge meinen Schwarzseherei der französischen Generale verfallen war und
überdies, wie Napoleon selber äuſserte, kein Glück hatte.
Von
seinen Corpsführern waren Souham und Gérard in ihren Stellungen
neu , beide aber bewährte Divisions -Generale; von Lauriston und Sebastiani wurde bereits erwähnt, daſs ihre Verdienste auf einem anderen Gebiete als dem der Truppenführung lagen. Da Macdonald das Wiedereinrücken des
-
wie oben erwähnt
irrtümlicher Weise zurückgegangenen III. Corps in die Schlacht linie abwarten muſste, so konnte er erst am 26. August die unter brochene Offensiv-Bewegung auf Jauer wieder aufnehmen . Die ihm für diese Operation zur Verfügung stehenden Kräfte werden nach Zurücklassung der Division Ledru am Bober immer noch über 80,000 Mann, 288 Geschütze betragen haben , von denen indessen
auf die zur Umfassung des linken feindlichen Flügels in das Gebirge entsendete Division Puthod des V. Armee-Corps am 26. nicht zu rechnen war.
Auch Blücher hatte auf die Kunde von der Umkehr Napoleons sofort wieder die Offensive ergriffen, und so kam es schon am 26.
zur Entscheidung.
Da sich beide Teile in der Offensive befanden,
so ist die Schlacht an der Katzbach , wie sie in der Folge genannt wurde, so recht eigentlich eine Rencontre -Schlacht, bei der alle
Vorteile auf Seiten Blücher's waren, der auf den Zusammenstoſs rechnete, während Macdonald, dessen Truppen überdies im Augen bliek des Zusammentreffens in den Engpässen der wütenden Neisse *) Allein das V. Armee-Corps hatte laut Meldung Lauriston's an den Kaiser in den Kämpfen vom 19., 21. und 23. August 5000 Mann verloren,
251
Die französische Armee im Jahre 1813.
steckten, den Gegner erst bei Jauer zu treffen erwartete. Ausgang konnte nicht zweifelhaft sein .
Der
Während auf seinem rechten Flügel der Marschall selbst mit dem V. Corps von Goldberg aus auf dem linken Ufer der wüten den Neisse vorgehend dem russischen General Langeron ein nicht ungünstiges Gefecht lieferte, hatten im Centrum die Corps von Gérard und Sebastiani bei Kroitsch, woselbst der ohne jede Sicherung
an der Spitze marschierenden Masse der leichten Kavallerie durch die preuſsischen Vortruppen ein höchst unliebsamer Empfang bereitet
worden war, die Katzbach überschritten . Nach Überwältiguug dieses Widerstandes versuchten sie es nun, in mehreren Kolonnen über die wütende Neisse gehend , die jenseitige Hochfläche zu erreichen, um
sich auf derselben mit dem III. Corps zu vereinigen, welches die Katzbach weiter unterhalb überschreiten sollte.
Ohne die einfachsten
Vorsichtsmaſsregeln vorrückend , wurden hier aber die in Folge der höchst mangelhaften Marschanordnung durcheinandergekommenen und daher nur vereinzelt und auſserdem ohne einheitliche obere
Leitung zur Verwendung gelangenden Truppen überraschend von dem Gros der schlesischen Armee angegriffen. Es kam hinzu, daſs Fernsicht und Gebrauch der Gewehre durch Wind, Regen und Hagel in hohem Grade erschwert und das Übergewicht der gegnerischen Reiterei dadurch noch vermehrt war, während von der eigenen
Kavallerie die Kürassier - Division in Folge vorheriger Kreuzung mit dem III. Corps erst sehr spät eintraf. Die Franzosen erlitten eine vollständige Niederlage, die Kavallerie riſs die Infanterie mit fort, und in grenzenloser Verwirrung wurden beide unter Verlust aller
Geschütze die steilen Hänge hinabgeworfen und muſsten über die inzwischen stark angeschwollene und jetzt nur noch auf Brücken
zu überschreitende Neisse zurückgehen, wobei viele von ihnen er tranken. Die Schlacht war bereits verloren, als 2 Divisionen und die Kavallerie des durch schlechte Wege und Marschirrtümer auf
gehaltenen III. Corps anlangten, welche indessen in Anbetracht der Lage und bei der bereits eingetretenen völligen Dunkelheit bald wieder
zurückgingen, ohne sich in einen ernstlichen Kampf einzulassen . Von der französischen Armee waren im Laufe der Schlacht
6 Infanterie - Divisionen und fast die gesamte Kavallerie auf dem
Schlachtfelde erschienen , über 50,000 Mann, *) 170 Geschütze, von *) Vom III. Armee-Corps die Divisionen Albert und Ricard Das V. Armee-Corps ohne die Division Puthod
Das XI. Armee -Corps ohne die Division Ledra
=
24 Bataillone, 24 24
9
72 Bataillone.
Auſserdem die gesamte Kavallerie mit Ausnahme einiger kleineren Abteilungen bei den Divisionen Ledru , Puthod und dem Rest des III, Armee -Corps.
252
Die französische Armee im Jahre 1813.
denen aber die Hälfte der Infanterie, nämlich die beiden Divisionen
des III. und eine des XI. Corps, welche letztere überhaupt nicht bis auf die Hochebene gelangt war, garnicht zur Verwendung gelangt war.
Diese 3 Divisionen
waren denn auch ziemlich angerupft
davon gekommen, nur daſs die des XI. Corps ihre sämtlichen Fahr zeuge verloren hatte. Wenn die französische Armee aus lauter kräftigen und geschulten Soldaten bestanden hätte, so würde, wie die Verhältnisse nun einmal
lagen, die Schlacht zwar wohl auch verloren gegangen sein , jeden falls aber wäre die Scharte wieder auszuwetzen gewesen, war doch kaum die Hälfte der Infanterie
6 Divisionen von
11
ins
Gefecht gekommen. Und von diesen 6 Divisionen war überhaupt nur eine einzige, welche mit der Kavallerie im Centrum gekämpft hatte, wirklich scharf mitgenommen worden, während der linke Flügel überhaupt kaum zur Verwendung gekommen, der rechte Flügel aber sogar vom Erfolg begünstigt gewesen war . Aber diese jungen Soldaten, welche die Masse der Infanterie ausmachten , waren zu schwach und erst zu kurze Zeit bei der Fahne, als daſs sie die Eigenschaften hätten haben können , welche den eigentlichen Soldaten erst ausmachen, die physische und moralische Kraft, um den Strapazen
und Eindrücken einer Niederlage zu widerstehen . So wurde die Schlacht, im Grunde genommen ein Reitergefecht, die Veranlassung zu einer Katastrophe.
Der Rückzug der französischen Armee ging teils auf Bunzlau, teils über Goldberg auf Löwenberg.
Das III. Corps, an dessen
unversehrte Divisionen sich die Heerteile des Centrums, soweit sie
die Ordnung bewahrt, angeschlossen hatten , ging mit diesen ver
einigt auf Bunzlau zurück, welcher Ort unter groſsen Anstrengungen und erheblichen Verlusten , aber in leidlicher Ordnung am 28. August erreicht wurde.
Der Strom der Flüchtlinge hatte sich unterdessen auf Goldberg gewandt, wo die ersten von ihnen bereits am Abende des 26. ange langt waren . Im bunten Gemisch folgten dann im Laufe der Nacht ununterbrochen gröſsere und kleinere Abteilungen aller Waffen , meist vom XI. Corps. Die Verwirrung erreichte den Höhepunkt, als in der Frühe des anderen Tages das V. Armee -Corps, bei welchem sich Macdonald selber befand, eintraf und mit Gewalt Bahn zu
brechen begann. Wenn dieses Corps am vorhergehenden Tage auch nicht unglücklich gekämpft hatte, so waren bei den ehemaligen Cohorten -Männern doch jetzt bereits die Wirkungen des nächtlichen Rückzuges erkennbar, und so wurde dieses Zusammentreffen für die
253
Die französische Armee im Jahre 1813.
Truppen Lauriston's im höchsten Grade verhängnisvoll ; bald zeigten sie die Spuren vollster Auflösung. Vergebens versuchten die Führer,
die durch das unaufhörliche Regenwetter und die Kälte abgestumpften, durch den Marsch in dem knietiefen Schlamm erschöpften und dabei hungernden Soldaten in den Gliedern festzuhalten ; unter Weg werfung ihres Gepäcks und ihrer durch die Nässe unbrauchbar gewordenen Gewehre verlieſsen dieselben die Reihen, teils um zu
marodieren , teils um in den Häusern Schutz gegen die Unbillen der Witterung zu finden. Zu Tausenden fielen die Nachzügler in die Hände der rastlos verfolgenden feindlichen Kavallerie, vor deren schwächsten Abteilungen
ganze
Schaaren die Flucht
ergriffen,
Geschütz und Gepäck ihnen überlassend. Die Verluste steigerten sich, da das Austreten der angeschwollenen Gebirgswasser den
Marsch in hobem Grade verzögerte. Die Auflösung war eine voll ständige, kaum daſs noch 5000 Mann einige Ordnung hielten, der Rest bestand aus einer wirren Masse.
Als die ersten Flüchtlinge
bereits am Morgen des 27. vor Löwenberg erschienen, liels der Kommandant die Thore schlieſsen , und so groſs war der Eindruck der Niederlage, daſs viele von ihnen sich in den angeschwollenen Bober warfen und denselben zu durchschwimmen versuchten.
Als
dann die Masse der Flüchtlinge und die schwachen , noch einiger maſsen geordneten Truppenreste vor der Stadt eintrafen , war die Bober- Brücke nicht mehr benutzbar, und so muſste der Rückzug
bis Bunzlau auf dem rechten Fluſsufer fortgesetzt werden . Endlich wurde letztere Stadt am 29. erreicht und der Bober bei derselben
überschritten ; was Macdonald an Truppen noch mit sich führte, befand sich im Zustaude vollster Auflösung und in der elendesten
Verfassung und verdiente kaum noch die Bezeichnung als Truppe. Bei Bunzlau befand sich jetzt die ganze Macdonald'sche Armee auf dem linken Bober -Ufer vereinigt, es fehlte nur noch die in das
Gebirge entsendet gewesene Division Puthod , von der man keinerlei Nachricht hatte. Bei dem entschiedenen Widerspruch der Generale Souham , Lauriston und Sebastiani, welche erklärten , der Zustand
ihrer Truppen erlaube keine Unternehmung zu Gunsten des General Puthod , der letzte Rest von Zucht und gutem Willen würde dabei verloren gehen, entschloſs sich Macdonald schweren Herzens,, die Division ibrem Schicksal zu überlassen .
In noch höherem Grade als der Rest des V. Corps hatte diese unglückliche Division die Schrecknisse des Rückzuges durchgemacht, auf dem sich auch bei ihr dieselbe Auflösung gezeigt hatte. In einer aufgefangenen Meldung Puthod's heiſst es : »trotz aller Be
Die französische Armee im Jahre 1813 .
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mühungen hätten sich drei Viertel der Soldaten in Häuser und Wälder geworfen ; weder Güte noch Drohungen oder Schläge hätten etwas vermocht, die Antwort wäre stets dieselbe, daſs es besser sei,
gefangen zu werden , als vor Elend umzukommen . «
Nirgends über
den Bober hinüber könnend und sich selber überlassen, erlagen die letzten Reste der Division nach mannbafter Gegenwehr am 29. August
bei Löwenberg den verfolgenden Russen. Am 15. August hatten die 13 Bataillone Puthod's 364 Offiziere, 7491 Mann gezählt, davon sollen nur 254 Mann über den Bober zurückgekehrt sein . Am letzten Tage des so ereignisreichen Monat August stand die Macdonald'sche Armee hinter dem Queis.
7 bis 8000 Flücht
linge stieſsen wieder zur Armee, trotzdem fehlte aber noch die doppelte Zahl .
Bei Görlitz wurde die Armee am 1. September durch die Polen aufgenommen, welche bisher bei Zittau gestanden hatten. Ein schlieſslich derselben verfügte Macdonald jetzt wieder über ungefähr 70,000 Mann, 255 Geschütze, er hatte also seit dem 23. August 30 bis 35,000 Mann verloren, darunter allein 20,000 Mann *) als
Gefangene, sowie 105 Geschütze, 300 Munitionswagen und fast sämtliche übrigen Trains. Am härtesten war das V. Corps betroffen, beim Beginn der Operationen hatte es einschlieſslich der Division Puthod 28,000 Mann, 74 Geschütze gezählt, wahrscheinlich war es sogar noch etwas stärker gewesen, am 31. August war seine Stärke bis auf 6000 Mann, 300 Pferde, 42 Geschütze herabgesunken ; durch
das Eintreffen einzelner Abteilungen und zahlreicher Flüchtlinge wuchs es jetzt wieder auf 12,263 Mann an . Bei den anderen Corps
sah es, wie Lauriston an den Kaiser berichtete, nicht ganz so schlimm aus : das III . Corps hätte die Schlacht nicht mitgemacht, das XI. wäre durch die unversehrte Division Ledru verstärkt worden, und
auch das 2. Kavallerie-Corps, welches sich am 26. unter ungünstigen Bedingungen geschlagen hätte, befände sich in einem gutem Zustande . «
Trotz dieser Lauriston'schen Schönfärberei war die Verfassung der Macdonald'schen Armee eine trostlose und rechtfertigte des
Marschalls Meldung : » Sire, votre armée du Bober n'existe plus. « Etwa 10,000 Mann waren ohne alle Waffen, der Rest ohne Munition,
da die vorhanden gewesene verbraucht oder durch die Nässe ver dorben
war .
Wiewohl keine eigentliche Panik herrschte , war
*) In dem Armeebefehl Blücher's vom 1. September sind 18,000 Gefangene, 103 Geschätze, 250 Munitionswagen angegeben ; diese Zahlen vermehrten sich aber in den ersten Tagen des Septembers noch um etwas,
Die französische Armee im Jahre 1813 .
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die Entmutigung sowie die Zuchtlosigkeit innerhalb der Armee doch groſs, und furchtbar litt dieselbe durch Desertion. Odeleben erzählt,
wie Anfang September die mutlosen Versprengten der Macdonald'schen Armee verhungert, zerlumpt und waffenlos auf Seitenwegen an Dresden vorübergeschlichen sein, und daſs sie alle versucht hätten, den Rhein zu erreichen. Macdonald that alles Mögliche, um wieder Ordnung in die Massen zu bringen , aber er fand nur geringe Unter stützung, denn bis in die oberen Stellen hinein herrschte eine völlige Gleichgültigkeit, so daſs er an dem Erfolge verzweifelte und um Enthebung von seinem Kommando bat. Er sowohl wie Lauriston forderten dringend die Anwesenheit Napoleons als das einzige Mittel, um die Armee neu zu beleben ; der Marschall schloſs seinen Bericht
mit den Worten : » Si dans ce moment cette armée s'expose à un échec, il y aura dissolution totale . «
Um wenigstens etwas dem Unheil bei der Bober -Armee zu steuern, ordnete Napoleon unter dem 3. September die Absendung von Gendarmerie-Kolonnen unter der Führung von Generalstabs Offizieren an , welche die Flüchtlinge aufsammeln und nach Bautzen
bringen sollten , bis zu welchem Ort Macdonald seinen Rückzug fortgesetzt hatte. An demselben Tage wurden ebendahin auch 4000 Gewehre, 6000 Paar Schuhe und 55 gefüllte Munitionswagen gesandt; weitere 5000 Gewehre folgten. Bis zum 7. September hatte der General Sorbier bereits 5 bis 6000 Artillerie - Schuſs und 480,000 Patronen an Macdonald gesandt, das wollte aber in Anbe
tracht des Bedarfs wenig sagen, und Napoleon tadelte den General deshalb auch scharf, indem er hinzufügte, derselbe möge das Vier fache senden .
Mit all diesen Maſsregeln war es aber noch nicht gethan , das
kühne Vordringen Blücher's erforderte gebieterisch Napoleons An wesenheit . Während das I., II. und XIV. Armee-Corps gegen die böhmische Armee stehen blieben und L'héritier bei Groſsenhain be
lassen wurde, eilte der Kaiser selber mit den Garden und den Corps von Marmont und Latour -Maubourg dem Marschall Macdonald zu Hülfe.
Am 4. September in Bautzen angelangt, zog er bereits am
folgenden Tage in Görlitz ein, nachdem an beiden Tagen lebhafte Gefechte bei Hochkirch und Reichenbach stattgefunden , in welchen
die französische Kavallerie in Folge der unvorsichtigen Führung Murat's recht bedeutende Verluste erlitten hatte .
Da Blücher der
Schlacht auswich und sich zurückzog, so ging auch Napoleon sehr bald wieder nach Dresden zurück .
Die kurze Anwesenheit des Kaisers genügte nicht , die tiefen
Die französische Armee im Jahre 1813.
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Wunden zu heilen, welche die Armee erlitten , und welche er schnellen Macdonald war zwar von Napoleon in höchst ehrenvoller Weise behandelt worden und hatte auch das Kommando über die Armee behalten müssen, desto übler aber war Blickes vollauf erkannt hatte.
es den übrigen Generalen ergangen, namentlich war Sebastiani von dem durch die furchtbare Unordnung in die entsetzlichste Stimmung versetzten Kaiser in empörender Weise heruntergemacht worden. Das Nachspiel von Napoleons Anwesenheit bei der Bober - Armee bildet die nachstehende, so berühmt gewordene Ordre vom 6. Sep tember :
> Tout soldat qui quitte ses drapeaux, trahit le premier de ses En conséquence, Sa Majesté ordonne: Article 1ier. Tout soldat qui quitte ses drapeaux sans cause légitime sera décimé. A cet effet, aussitôt que 10 isolés seront réunis, les généraux commandant les corps d’armée les feront tirer
devoirs.
au sort, et en feront fusiller un. Article 2 .
Le major général est chargé de l'exécution du
présent ordre. Bautzen, le 6 septembre 1813. Napoléon. « Unter demselben Tage wurden auch die von dem Kaiser für notwendig erachteten Umänderungen in der Formation der einzelnen
Corps der Macdonald'schen Armee angeordnet. Das III. Corps, von Anfang an das stärkste, welches am wenigsten gelitten hatte, muſste
von seinen 5 Infanterie - Divisionen zwei abgeben, die Division Marchand, um dem schwer erschütterten XI . Corps einen Halt zu geben , und die Division Albert, um bei dem V. Corps die Division Puthod zu ersetzen , deren schwache Reste der Division Maison ein verleibt wurden.
Zwei für die gesamte französische Armee von 1813 im höchsten
Grade charakteristische Erscheinungen hatte der Feldzug der Bober Armee zum ersten Male in ihrem vollen Umfange zu Tage treten
lassen , die Folgen des schlechten Verpflegungswesens und die Nach wirkungen der Katastrophe von 1812. War bereits im Zustande der Ruhe die Verpflegung der Soldaten
eine durchaus unzureichende gewesen, so blieb dieselbe meist ganz aus, sobald die Bewegungen begonnen hatten . Die Truppen waren gewöhnt, aus der Hand in den Mund zu leben , und dieses Verfahren
hatte man trotz der Erfahrungen des russischen Feldzuges bei behalten . Was früher bei den kleinen Heeren im raschen Bewegungs
kriege und in reichen Ländern angängig und sogar vorteilhaft gewesen, hatte man bei den jetzigen Massen heeren und der an Ort Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXVIII ., 3 .
18
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Die französische Armee im Jahre 1813 .
und Stelle bleibenden Kriegführung in ausgesogenen Gegenden bei behalten ; die Soldaten nahmen einen kleinen Vorrat mit und er
hielten im Übrigen Geld. So konnte es nicht ausbleiben, daſs, wie schon früher gesagt, Mord und Brand, Raub und Plünderung das Heer begleiteten ; selten hat wohl eine Armee in Feindesland der artig gehaust wie die französische in Schlesien im Jahre 1813.
Die Folgen lieſsen nicht lange auf sich warten ; bald waren die Vorräte des Landes erschöpft, der dringendste Bedarf an Lebens mitteln war nicht mehr aufzutreiben , weite Requisitionen muſsten ausgeführt werden, und die jungen Soldaten blieben nicht nur vor übermäſsiger Anstrengung sondern auch vor Hunger liegen. So war es nur natürlich, daſs bei jedem Marsch Wege und Stege von Nachzüglern wimmelten , von denen die wenigsten zur Fahne zurück kehrten , die meisten aber sich entweder verloren und nach Hause
gingen oder in Gefangenschaft gerieten. Zwar hatte sich dies auch schon bemerkbar gemacht, so lange es vorwärts gegangen war, im vollen Umfange war es aber doch erst fühlbar geworden , als man zurückgehen muſste, verfolgt von einem rastlosen Feinde, der alle
Nachzügler aufgriff. Aber auch bei denen, welche bei den Fahnen ausgehalten, hatte sich die so schon so überaus lose Mannszucht in
Folge der mangelhaften Verpflegung noch mehr gelockert, und haarsträubende Thaten waren in dieser Beziehung vorgekommen. Zum groſsen Teil hierin muſs die Ursache dafür gesucht werden , daſs der Rückzug der Bober - Armee nach der Schlacht an der Katz bach so verhängnisvoll wurde.
Auf diesem Rückzuge hatten sich die Nachwirkungen der russischen Katastrophe in einer auſserordentlichen Weise fühlbar gemacht. Während früher die französischen Truppen mit Lust und
Zuversicht in den Krieg gezogen waren , zeigten dieselben jetzt ihre frühere Tapferkeit nur noch unter dem Einfluſs der gewaltigen Persönlichkeit Napoleons, und so groſs war der Unterschied in ihrem Verhalten , daſs aus demselben die Verbündeten stets sofort seine Anwesenheit erkennen konnten . Es war dies nicht nur bei den
jungen Soldaten der Fall, auch die alten vollbrachten im Allgemeinen wirklich nennepswerte Thaten
nur noch
unter den Augen des
Kaisers. Die anfänglichen Erfolge hatten die Niederlage von 1812 aus dem Gedächtnis verdrängt, jetzt nach den Miſserfolgen war die Erinnerung an dieselbe um so schärfer hervorgetreten, als der Eindruck des persönlich jüngst Erlebten hinzugekommen war, und während des ganzen übrigen Feldzuges litt die Armee unter dieser Erinnerung, namentlich die Kosaken - Furcht war epidemisch.
Die französische Armee im Jahre 1813.
258
8.
Groſs -Beeren
Dennewitz.
Auch im Norden hatten die Ereignisse einen für die fran zösischen Waffen höchst ungünstigen Verlauf genommen . Hier hatte Napoleon von Anfang an offensiv sein wollen, und, wie schon gesagt, in dieser Absicht 3 verschiedene Heerteile gegen die feindliche Nord - Armee in Bewegung gesetzt : Oudinot, um von Süden her den Hauptschlag zu führen , Davout, um durch ein Vorgehen von Hamburg aus die Rückzugs linie des Feindes zu bedrohen und dadurch möglichst starke feindliche Kräfte von Oudinot abzuziehen , endlich
Gérard von Magdeburg aus, um zwischen beiden ein Verbindungs Corps zu bilden .
Von der Ansicht ausgehend , daſs es Oudinot um so leichter sein werde, die ihm entgegenstehende » nuée de mauvaises troupes « Landwehren und Kosaken
zu zerstreuen , als er deren Ober
befehlshaber nur wenig zutraute, hatte Napoleon die Mittel für dieses Unternehmen nur kärglich bemessen . Nur 70,270 Mann, 222 Geschütze *) - 99 '/, Bataillone, 52 Schwadronen , 32 Batterien --darunter etwa 9 bis 10,000 Reiter, waren es, welche das Heer Oudinot's bildeten, ein buntes, kaum zur Hälfte aus Franzosen
bestehendes Völkergemisch, dessen Wert noch hinter seiner Zahl zurückstand. Von 9 Infanterie -Divisionen bestanden nur vier ganz oder doch überwiegend aus Franzosen , eine aus Italienern , eine aus Württembergern , zwei aus Sachsen und eine aus Bayern . Die leichten Kavallerie . Brigaden der Armee -Corps bestanden durch weg aus Deutschen , das Kavallerie - Corps zwar aus französischen Schwa dronen , aber aus den schlechtesten der ganzen Armee. Die fran
zösischen Infanterie-Regimenter des IV. und XII. Corps waren zwar gut, hatten aber für die im Frühjahrsfeldzuge erlittenen starken Verluste nur den allgemeinen mangelhaften Ersatz der französischen Infanterie erhalten ; die französischen Regimenter des VII . Corps waren, wie früher erwähnt wurde, aus unsicheren Heerespflichtigen, eingefangenen oder zurückgekehrten Deserteuren und sogar aus Verbrechern gebildet. Von den Bundesgenossen desertierten die
Italiener und Westfalen **) bei jeder Gelegenheit haufenweise, die *) Einschlieſslich der 3. württembergischen Infanterie - Brigade , welche erst am 20. August bei der Armee eintraf. **) Bei dem XII. Armee - Corps befand sich ein westfälisches Kavallerie Regiment. 18*
259
Die französische Armee im Jahre 1813.
übrigen hielt nur die Furcht und der Gehorsam gegen ihre Landes herren bei Napoleons verhafsten Fahnen ; für die zuverlässigsten galten noch die sächsischen Truppen. Die Persönlichkeit der Unterführer that das Ihrige, um Oudi
not's Aufgabe zu erschweren, zwei militärisch wenig ausgezeichnete dafür aber anspruchsvolle kaiserliche Günstlinge und ein tüchtiger aber verbitterter Corps-General , der zu den schwierigsten Unter gebenen der ganzen Armee gehörte. Es kam hinzu , daſs Oudinot, ebenso wie Ney bei dem Beginn der Feindseligkeiten in Schlesien, das Kommando über sein Corps hatte behalten müssen , und daſs kein besonderer Armeestab gebildet war.
Die Folge hiervon war,
daſs der Marschall , zweifellos gegen Napoleons Meinung , sein Ver hältnis zu den anderen Corps-Generalen mehr als das eines Beraters denn eines Vorgesetzten auffaſste, was bei der natürlichen Milde seines Charakters ein thatkräftiges Auftreten gegen Männer wie Bertrand und Reynier ausschloſs.
Es waren dies Umstände , welche um so
mehr in das Gewicht fielen , als Oudinot zwar ein sehr erprobter Corps- General war, aber noch niemals ein derartiges selbstständiges Kommando gehabt hatte.
Der Marschall selbst sah seine Aufgabe
denn auch nicht so leicht an wie sein Herr, die Erfahrungen seines Feldzuges gegen Bülow vor der Waffenruhe, in welchem er keine
Lorbeeren gesammelt hatte, so wie die trüben Bilder, welche er sich wie die anderen Generale von der Zukunft machte, lieſsen ihn
keinen günstigen Ausgang erwarten ; so versuchte er denn , das Kommando abzulehnen, doch vergebens. Am 17. August hatten die Feindseligkeiten begonnen , am 19. trat der Marschall nach vollendeter Versammlung seiner Armee bei Baruth seine Operationen an , indem er sich zunächst mit seiner Armee links schob , um sich Girard zu nähern und um eine ge sicherte Operationsbasis zu gewinnen. Statt nun aber seinen Weisungen gemäſs kräftig vorzugehen, blieb er am 20. stehen und durchbrach erst an den beiden folgenden Tagen in 3 Kolonnen die
von den preuſsischen Vorposten verteidigte Überschwemmungslinie der Nuthe und Notte, sich jedesmal mit einer halben Tagesleistung begnügend. Das Verhalten seiner Truppen in diesen ersten Gefechten
schien im Allgemeinen Oudinot's Befürchtungen nicht rechtfertigen zu wollen , dieselben schlugen sich nicht schlecht , und namentlich zeigten die Bataillone der Division Durutte am 22. bei Wittstock
nichl nur viel Mut, sondern auch eine groſse Geschicklichkeit in der Benutzung des Geländes und seiner Hülfsmittel.
Die französische Armee im Jahre 1813.
260
Am folgenden Tage setzte Oudinot seinen Vormarsch durch den
nördlich der Überschwemmungslinie gelegenen Waldstrich in drei durch mehr oder minder bedeutende Bodenhindernisse getrennten
Kolonnen fort, rechts das IV. Corps mit der ihm zugeteilten leichten Kavallerie des XII. Corps, in der Mitte das VII ., links das XII . Armee Corps und das 3. Kavallerie -Corps ; die bayerische Division war an
der Überschwemmungslinie zurückgeblieben. Das IV. Corps machte im Laufe des Vormittags einen zaghaften Versuch , den
von
Tauentzien's Landwehren verteidigten Ausgang von Blankenfelde zu öffnen , und als derselbe infolge der schlechten Haltung der Italiener, welche allein in das Gefecht kamen , nicht sofort glückte, ging
Bertrand nach Jühnsdorf zurück , um das Öffnen des Weges durch das Vorgehen der mittleren Kolonne abzuwarten .
Dagegen gelang es der an der Spitze der letzteren marschierenden sächsischen Division Sahr in den Nachmittagsstunden den von einer schwachen preuſsischen Abteilung verteidigten Waldausgang bei
Groſs - Beeren zu öffnen. Da letztere zurückging , die Zeit überdies auch schon vorgeschritten war und ein sehr heftiger Regen fiel, glaubte Reynier , der hier sein ganzes Corps mit Ausnahme zweier etwa 20,000 Mann, 68 Geschütze - zur Stelle
Bataillone * )
hatte , daſs für diesen Tag Nichts mehr zu erwarten sei , und lieſs seine Truppen bei Groſs - Beeren Freilager beziehen . In diesem Augenblick , es war gegen 6 Uhr und die Truppen eben mit der
Einrichtung ihrer Lagerplätze beschäftigt, erfolgte der preuſsische Angriff. Die trübe Witterung und die den damaligen französischen Truppen eigene Vernachlässigung der einfachsten Sicherheits maſsregeln, welche sich hier auch auf ihre Verbündeten ausgedehnt, hatten es den Preuſsen ermöglicht , unbemerkt fast auf Kanonen schuſsweite heranzukommen . Wiewohl eigentlich überfallen, schlug sich die in und unmittelbar bei Groſs - Beeren den rechten Flügel
bildende Division Sahr, unterstützt von der gesamten Artillerie des
Corps, ausgezeichnet, aber in der rechten Flanke umfaſst, erlag sie der Übermacht, wobei 2 Bataillone buchstäblich vernichtet wurden .
Die Lage der sächsischen Infanterie, war am so schwieriger, als der sündflutartige Regen dieselbe auf das Bajonett beschränkte, wodurch
die groſse Überlegenheit der preuſsischen Reiterei um so empfind licher wurde.
Reynier hatte , sobald er die Lage erkannt , alles
Mögliche gethan , seine Bemühungen scheiterten aber jetzt an dem *) 1 Bataillon Niesemeuschl bei der Bagage, 1 Bataillon Maximilian als Besatzung in Luckau.
Die französische Armee im Jahre 1813.
261
gänzlichen Versagen der zur Aufnahme der Sachsen vorgeführten französischen Bataillone der Division Durutte, welche von panischem Schrecken ergriffen sich unter Wegwerfung vieler Gewehre in den Wald von Groſs - Beeren retteten. Das Gefecht hatte sich zu schnell
abgespielt , als daſs die bei Neu-Beeren den linken Flügel bildende sächsische Division Lecoq hätte eingreifen können ; dieselbe muſste jetzt den Abzug des Corps auf Löwenbruch decken . Von der linken Flügel-Kolonne der Armee , welche am Nach mittage ohne Kampf Ahrensdorf erreicht hatte , war die Infanterie Division Guilleminot und die Reiter - Division Fournier auf den -
Kanonendonner hin zur Unterstützung Reynier’s vorgegangen, in dessen war nur letztere, aber auch erst nach Beendigung der eigent
lichen Schlacht und nach Eintritt völliger Dunkelheit bis auf den Kampfplatz gelangt, wo sie teils niedergemacht, teils zersprengt worden war.
Das XII. Corps ging ebenfalls noch in der Nacht bis
hinter die Nuthe zurück .
Wiewohl eigentlich nur die mittlere Kolonne von einer Nieder lage betroffen war , so erzeugte dieselbe dennoch in der ganzen Armee eine überaus gedrückte Stimmung. Es kam hinzu, daſs die Verluste des VII . Corps – 3100 Mann, 13 Geschütze, 60 Munitions
anfänglich so erheblich erschienen , daſs Reynier nicht glaubte, in den nächsten Tagen wieder zur Offensive übergehen zu können, und sich bestimmt gegen ein derartiges Beginnen aussprach.
wagen
Zu schwach , um diesen Widerstand und diese Eindrücke zu über
winden, gab Oudinot nach und trat mit der Armee den Rückzug nach Wittenberg an , bei welcher Festung ein verschanztes Lager bezogen wurde.. Wiewohl eine eigentliche Verfolgung nicht statt
fand , daher denn auch die Schlacht bei weitem nicht so verhängnis voll wurde als die an der Katzbach , so war dieser Rückzug doch für die französische Armee überaus beschwerlich , da die an sich
sonst nur kleinen Märsche wegen der grofsen Überlegenheit der feindlichen leichten Kavallerie und wegen der schlechten Beschaffen
heit der eigenen, von der Infanterie stets in Gefechtsformation zurückgelegt werden muſsten .
Im Lager bei Wittenberg litt die französische Armee auſser ordentlich , namentlich war der Futtermangel groſs, daher die Pferde denn auch haufenweise fielen ; allein die beiden Divisionen Morand
und Fontanelli büſsten 81 Proviantwagen ein und muſsten sogar 8 Geschütze
wegen Mangels an Bespannung nach Wittenberg
zurückschicken.
Die französische Armee im Jahre 1813.
262
Der Gesamtverlust Oudinot's während seines kurzen Feldzuges
und im Lager bei Wittenberg dürfte bedeutender gewesen sein, als bisher im allgemeinen angenommen wurde.
Beim Beginn des
Feldzuges hatte die Armee in ihren drei Armee- Corps und einem
Kavallerie-Corps eine Stärke von 70,270 Mann gehabt, am 4. Sep tember zählten dieselben Truppen nur noch 61,270 Mann d . h . 9000 Mann weniger. Der Verlust muſs aber noch gröſser gewesen sein , denn nachweislich hatten das IV. und XII . und wahrscheinlich
auch das VII . Armee-Corps Verstärkungen erhalten, die mit 2000 bis 3000 Mann wohl kaum zu hoch berechnet sein dürften, so daſs
der Gesamtverlust auf mindestens 11,000 Mann zu schätzen ist.
Rechnet man biervon 4000 Mann auf die Kämpfe des 23. August, etwas reichlich 2000 Mann auf die übrigen Gefechte , während in Luckau, welches als befestigter Etappenpunkt hergerichtet und mit 1000 Mann meist vom VII. Corps und 8 schweren Geschützen besetzt war , diese weiteren 1000 Mann verloren gingen , so muſs der Abgang an Kranken , Deserteuren u. s. w. über 4000 Mann betragen haben .
Ungleich schlimmer als Oudinot erging es dem General Girard.
Lauter neuformierte und zusammengewürfelte Truppen der ver schiedensten Nationalitäten unter seinem Befehl vereinigend , dabei nur schwach mit Kavallerie versehen , sollte dieser General von
Magdeburg aus in der Richtung auf Berlin vorgehen.
Da die
beabsichtigte Vereinigung mit der zum Vorrücken von Wittenberg aus bestimmten Division Dombrowski nicht zu Stande kam, lediglich
auf sich selber angewiesen, verfügte der General nur über die Division Lanusse,
12 Bataillone , 8 Schwadronen , 3 Batterien,
höchstens 11,000 Mann, 22 Geschütze. Ohne die Möglichkeit einer Verbindung mit weit entfernten Heerteilen Oudinot's und Davout's,
inmitten einer feindseligen Bevölkerung, einem Feinde gegenüber, der über eine zahlreiche leichte Reiterei verfügte , war für Girard's Vormarsch die gröſste Vorsicht geboten. Sobald dieser General daher die erste Kunde von dem Verlust der Schlacht von Groſs Beeren erhielt, trat er denn auch sofort seinen Rückmarsch an, fortwährend von Kosaken umschwärmt, auf dem er am 27. August
von dem preuſsischen General v.v Hirschfeld angegriffen und aufs Haupt geschlagen wurde. Die vornehmste Quelle der Niederlage war auch hier die groſse Sorglosigkeit der Franzosen gewesen,
welche es möglich gemacht, daſs sie am hellen Tage im Lager überfallen wurden ; in dem darauf folgenden erbitterten Kampfe
waren die zweckmäſsigsten Maſsnahmen Girard's an dem vollständigen
Die französische Armee im Jahre 1813.
263
Versagen seiner Truppen gescheitert , welche teils niedergemacht, teils zersprengt worden waren. Nur 3500 Mann , 15 Geschütze sollen sich im elendesten Zustande, obne Waffen , Tornister und
Schakos nach Magdeburg gerettet haben, davon in einiger Ordnung aber nur etwa 1700 Mann Infanterie und 45 Reiter. Dieser Heerteil
war gänzlich vernichtet und fiel für die Folge aus, seine Trümmer konnten nur noch innerhalb der Wälle Magdeburgs Verwendung finden .
Der General Dombrowski war mit seiner Avantgarde
überhaupt nicht über Jüterbog hinausgekommen . Ähnlich wie Girard, wenn auch in gröſseren und daher nicht ganz so schwierigen Verhältnissen , befand sich Davout inmitten
einer feindlich gesinnten Bevölkerung, einem an Reiterei sehr über legenen Gegner gegenüber und ohne jede Verbindung mit der übrigen Armee. Zwar setzte sich sein Corps abgesehen von der dänischen Division mit Ausnahme eines polnischen Reiter- Regiments ausschlieſslich aus französischen Truppen zusammen , aber dieselben waren ebenfalls erst neu formiert und bestanden mit Ausnahme der
notwendigsten Stämme aus neuen Offizieren und jungen , unaus gebildeten Soldaten , von denen über die Hälfte Holländer und Niederdeutsche aus den rechtsrheinischen Departements und daher im höchsten Grade unzuverlässig waren . So lichteten sich denn >
die Reihen seines Corps durch Desertion in einer Weise, daſs die allerstrengsten Maſsnahmen gegen die Truppen notwendig wurden. Diese schlechte Beschaffenheit seiner Soldaten ist die einzige Er
klärung für das sonst geradezu unerklärliche Verhalten des » eisernen Marschalls « , von dem man nach den glänzendeu Leistungen von 1806 und 1809 Anderes hätte erwarten sollen , denn er war nicht
der Mann, der allgemeinen Schwarzseherei der kriegsmüden franzö sischen Generale
anheim
zu fallen .
Statt durch
ein
kräftiges
Vorgehen feindliche Kräfte von Oudinot abzuziehen , fesselte Davout
kaum das ihm gegenüber stehende schwächere und bunt zusammen gewürfelte Wallmoden'sche Corps und zog sich nach einem schwäch lichen , auf die Kunde von Groſs - Beeren eingestellten Offensivversuch in seine starke Stellung hinter die Stecknitz zurück , um dort
während des ganzen übrigen Feldzuges einen müſsigen Zuschauer abzugeben .
Napoleon hatte sich auf das Unternehmen gegen Berlin ver bissen und trotz der groſsen Verluste der beiden letzten August
wochen beschlossen , dasselbe durch den Marschall Ney wiederholen zu lassen . Diese Verluste waren in der That ganz auſserordentliche; im
besonderen hatte :
Die französische Armee im Jahre 1813 .
Die Oudinot'sche Armee General Girard
.
9,000 Mann, 13 Gesch . *)
etwa
7,500
7
gegen 42,000
105
•
Die Corps der Bober - Armee Die Corps unter seinem eigenen
264
36,000
Befehl
>
82
verloren, im Ganzen über
94,500 Mann, 207 Geschütze. Da die Reste des Girard'schen Heerteils
3500 Mann, 15 Ge
für den Feldkrieg gänzlich ausfielen , auſserdem 8 Ge schütze des IV . Armee-Corps nach Wittenberg zurückgeschickt waren , schütze
9
endlich noch in obiger Zahl die Verluste Davout's, L'héritier's und der Polen noch nicht einmal enthalten sind , so zählte die franzö
sische Armee jetzt gewiſs über 100,000 Mann , 230 Geschütze weniger, als sie bei Beginn der Feindseligkeiten gezählt hatte, also nur noch etwa
337,000 Mann, 1054 Geschütze. **) Rechnet man
von dieser Summe nun noch die Truppen Davout's
ab, so kommt man zu dem Ergebnis, daſs Anfang September die Stärke der französischen Armee in Sachsen nur noch gegen 302,000 Mann, 978 Geschütze
betrug. Die Verteilung dieser Truppen war am 4. September die folgende: gegen die böhmische Armee standen das I., II . , XIV . Armee
Corps = 55,000 Mann , 168 Geschütze, die Armee Ney's bestand aus dem IV., VII . , XII. Armee -Corps, dem 3. Kavallerie-Corps und der Division Dombrowski = 65,000 Mann , 207 Geschütze,
die Armee Macdonald's umfaſste jetzt das III., V. , VIII. , XI . Armee Corps und das 2. , 4. Kavallerie-Corps 70,000 Mann, 9
255 Geschütze,
unter Napoleons persönlicher Führung trafen in und bei Bautzen
ein die Garden, das VI. Armee-Corps und das 1. Kavallerie Corps = 95,000 Mann, 332 Geschütze, -
bei Groſsenhain gegen die Parteigänger der Nord - Armee das 5. Kavallerie-Corps, bei Leipzig der General Margaron, in Dresden der groſse Artillerie- Park = 17,000 Mann, 16 Ge -
schütze.
*) Die Verluste der Berliner Armee betrugen eigentlich 11,000 Mann, waren indessen zum geringen Teil gedeckt worden. Die 8 Geschütze, welche in Luckau verloren gingen, sind nicht mitgerechnet. **) Ohne das Personal der Heeresverwaltung.
Die französische Armee im Jahre 1813 .
265
Die Verschiebung des Machtverhältnisses zu Ungunsten Napo leons war eine auſserordentliche , denn während er über keinen
nennenswerten Ersatz verfügte, wurden die an sich schon sehr viel geringeren Verluste seiner durch ihre Erfolge gehobenen Gegner durch
zahlreiche Ersatzmannschaften
und das Herannahen
der
russisch -polnischen Reserve - Armee überreich gedeckt. Daher wäre er denn auch in der That kaum in der Lage gewesen , die Armee Ney's stärker zu machen , selbst wenn er gewollt hätte , er hielt dies aber auch nicht einmal für geboten , da seiner Meinung nach der Miſserfolg von Groſs - Beeren Oudinot's Unentschlossenheit nicht aber der Unzulänglichkeit von dessen Mitteln zuzuschreiben war. Er mag in dieser Annahme bestärkt worden sein durch Bertrand, der , um seinem Herren etwas Angenehmes zu sagen , berichtet
batte , die Armee sei weit entfernt davon , entmutigt zu sein , das IV. Corps sei sogar besser geworden. Es ist früher schon gesagt worden , welche Schwierigkeit für Napoleon in dieser wie in den
anderen Stellen so auch in der Armee allgemeinen Augendienerei lag , da er sich nicht einmal auf die Berichte seiner nächsten Vertrauten verlassen konnte und dadurch zu mancherlei Miſsgriffen
veranlaſst wurde. Daſs gerade im Gegenteil der Geist der Truppen durch die Schlacht von Groſs- Beeren und den folgenden Rückzug erheblich gelitten hatte, sollte Ney sehr bald erfahren. Am 3. Sep tember bei der Armee angelaugt, musterte der Marschall am folgenden Tage die Truppen, um dieselben durch seine glänzende Erscheinung und die Aussicht auf die erneute Offensive zu begeistern , wurde indessen
anscheinend
überall mit groſser Gleichgültigkeit auf
genommen .
Das so schon nicht übergroſse Vertrauen des neuen Ober
befehlshabers auf einen glücklichen Ausgang seines Unternehmens muſste durch diesen Empfang natürlich einen neuen Stoſs erhalten . Es war dies um so schlimmer, als dem Marschall auſser dieser
Zuversicht auch noch andere sehr wichtige Eigenschaften für seine neue Stelle fehlten. War Ney auch zweifellos eine der glänzendsten Erscheinungen unter den napoleonischen Generalen, so hatte er doch noch niemals eine ähnliche selbstständige Stellung gehabt, sondern sich stets nur als Unterführer, meist unter den Augen
seines Kaisers hervorgethan, und es fehlte ihm daher die Erfahrung eines derartigen Kommandos.
Unter diesen Umständen wurde die
Stelle eines Stabschefs bei ihm um so wichtiger , als er Fremden >
gegenüber ebenso störrisch auf einer vorgefaſsten Meinung beharrte, wie er von Bekannten leicht sich lenken liefs.
Es war daher eine
Die französische Armee im Jabre 1813 .
266
entschieden unglückliche Maſsregel, daſs sein Stab aus ihm mehr
oder minder unbekannten Offizieren der Corpsstäbe der Berliner Armee zusammengesetzt wurde , und daſs er eigentlich nur seinen zum Chef bestimmten bisherigen ersten Adjutanten , den Oberst le Clouet, kannte ; ein ersprieſsliches Zusammenwirken war nicht möglich .
Die Armee des Marschalls war im Wesentlichen dieselbe, welche Oudinot gegen Berlin geführt hatte, deren Verluste in durchaus anzureichender Weise nur durch
die Division Dombrowski
und
einige geringe Nachschübe an Ersatzmannschaften und Genesenen gedeckt waren .
Das IV. Armee -Corps hatte in seiner Zusammensetzung keine Veränderung erfahren , nur war es sowohl an Kopfzahl als an Geschützzahl etwas schwächer, da 8 Stück nach Wittenberg zurück geschickt waren ; seine Stärke betrug 19,208 Mann, 66 Geschütze. Vom VII. Armee -Corps war in Luckau das Bataillon des Regi ments Maximilian gefangen genommen worden , auſserdem waren die beiden Bataillone des Regiments Low wegen der groſsen Verluste bei Groſs - Beeren in eins verschmolzen worden ,
Dafür wurden nun
die beiden Bataillone des zur Division Dombrowski gehörenden 2. polnischen Regiments 1200 Mann der Division Durutte zugeteilt, so daſs die Zahl der Bataillone unverändert war . 13 Ge schütze waren bei Groſs-Beeren verloren gegangen . Die Stärke des Corps betrug am 4. September 18,003 Mann, 55 Geschütze . -
Das XII . Armee - Corps hatte Nachschub erhalten und war aufser dem durch die 8 Schwadronen der Brigade Krukowiecki der Division Dombrowski verstärkt worden, so daſs es jetzt 20,718 Mann, 58 Ge schütze zählte.
Das 3. Kavallerie-Corps endlich noch, welches bisher etwas über 300 Mann verloren haben mochte, und dessen am 23. August
zersprengte Division Fournier wieder neugeordnet worden war, mag gegen 5700 Mann , 24 Geschütze gezählt haben . Der Rest der Division Dombrowski – das 14. polnische In fanterie-Regiment und eine Batterie, etwa 1500 Mann , 6 Geschütze befand sich nicht bei der Feld- Armee, und war möglicher Weise in Wittenberg zurückgelassen . Die Gesamtstärke der Ney'schen Feld - Armee betrug demnach 63,629 Mann, 201 Geschütze, *) dieselbe war also nicht unerheblich schwächer als es die Oudinot'sche Armee gewesen . *) In der Geschichte der Nord -Armee ist das 3. Kavallerie -Corps mit 7000 Mann,
Die französische Armee im Jahre 1813.
267
Die Corps-Generale waren dieselben geblieben , sogar Oudinot hatte – ein verhängnisvoller Miſsgriff -
-
das Kommando seines
Corps behalten, wodurch eine Quelle unaufhörlicher Reibungen mit dem neuen Ober-Kommando geschaffen war.
Am 5. September trat Ney mit seinen 3 Corps, denen je eine Division des Kavallerie-Corps zugeteilt war, die Offensive an, indem er mit der Armee aus dem Lager von Wittenberg in der Richtung
auf Jüterbog rechts abmarschierte. Das preuſsische Corps Tauentzien, auf welches die Armee an diesem Tage bei Zahna stieſs, konnte dem übermächtigen Angriff nicht widerstehen und muſste nach leb haftem Gefecht zurückgehen .
Das XII. französische Corps hätte
hier einen glänzenden Erfolg erreichen können, doch benutzte Oudinot die Gelegenheit nicht, sei es aus übertriebener Vorsicht, sei es aus Übelwollen gegen Ney. Am folgenden Tage
dem 6. September
-
setzte Ney den
Vormarsch mit einer selbst für damalige französische Armeen kaum glaublichen Sorglosigkeit fort, ohne Kavallerie vor sich oder in der Flanke zu haben, so daſs die Anwesenheit des preuſsischen Corps v. Bülow in der linken Flap ke der Armee unbemerkt blieb.
Nächst
der vorgefaſsten Meinung Ney's, daſs es nicht zur Schlacht kommen werde, in Folge deren er die Meldung des General Franquemont ,
aus dessen Lager man die preuſsischen Biwaks teilweise hatte sehen können, nicht berücksichtigte , war es vornehmlich die schlechte Beschaffenheit seiner 9000 Pferde starken Kavallerie, welche den
Marschall in Unklarheit lieſs; die deutsche Reiterei war unzuverlässig, und die französischen Schwadronen hatten einen so geringen Halt und wurden von einer solchen Kosakenfurcht beherrscht, daſs sie im Gefecht stets des Schutzes ihrer Infanterie bedurften , und daſs Patrouillen von ihnen nicht vorzubringen waren .
Das IV . Armee- Corps, bei welchem sich heute auch die polnische Kavallerie - Brigade befand, stiefs zuerst auf den Feind ; es war dies das preuſsische Corps Tauentzien, mit welchem jede Fühlung nach
dem Gefecht des vorangehenden Tages verloren gegangen war, und welches jetzt zwischen Dennewitz und Jüterbog dem weiteren Vor dringen der französischen Armee entgegentrat.
Die französische
und württembergische Infanterie schlug sich gut, ebenso auch die polnische Kavallerie, welche letztere indessen zu schwach war, um die schlechte Haltung der französischen Reiter gut machen zu 9 Geschütze berechnet, daher die Stärke der Ney'schen Armee in derselben auf 64,929 Mann, 186 Geschütze angegeben ist.
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können.
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Fortgerissen von seinem feurigen Temperament, vergaſs
Ney, der hier persönlich zur Stelle war, den Oberfeldherren ganz and gar, war wieder ausschlieſslich Corps-General und nahm Bertrand die Fübrung ganz aus der Hand. Indem er nun mit aller Macht
die Entscheidung hier auf seinem rechten Flügel suchte, vernach lässigte er ganz die linke Flanke, gegen welche die Masse des preuſsischen Corps v. Bülow anrückte, während ein Teil des letzteren Tauentzien zu Hülfe eilte, wodurch Bertrand geworfen wurde. Gegen Bülow wandte sich Reynier, der die Division Durutte zu Bertrand hatte senden müssen , und versuchte mit seinen beiden sächsischen Divisionen das Vordringen des Feindes aufzuhalten ;
die Sachsen schlugen sich heldenmütig, aber der Übermacht gegen über hatten sie einen schweren Stand. In dieser Krisis machte sich
auf französischer Seite das Fehlen jeder höheren Leitung im höchsten
Grade fühlbar; nachdem sich Ney für seine Person mitten in das heftigste Gefecht begeben hatte und alles Andere darüber vergaſs, der Oberst le Clouet aber ziemlich im Anfang der Schlacht gefangen
genommen war, fehlte in dem so überaus mangelhaft zusammen
gesetzten Armeestabe jede geeignete Persönlichkeit, welche hätte eingreifen können . Hierzu kam nun noch die feindselige Stimmung zwischen Ney und Oudinot, welcher letzterer, sich allzu wörtlich an die ihm gewordenen Befehle haltend erst aufgebrochen war, nachdem man in seinem Quartier den heftigen Kanonendonner schon
seit 2 bis 3 Stunden gehört hatte. Vergebens versuchte Reynier Oudinot's Unterstützung zu erhalten ; zu gehorsam dem von den persönlichen Kampfeseindrücken eingegebeven Rufe Ney's folgend , marschierte er hinter dem VII. Corps fort nach dem rechten Flügel . Ehe das XII. Corps dort ankam , war links aber schon die Ent
scheidung gefallen, die Sachsen über den Haufen geworfen und das XII. Corps mit fortgerissen, ohne zum Kampf gekommen zu sein ; die Bayern allein bewahrten ihre Ordnung und deckten den Rückzug. Die Niederlage war eine vollständige; nur die deutschen und
polnischen Truppen sowie die Bataillone der Division Morand hielten noch zusammen , während die Divisionen Guilleminot, Pactod, Durutte
und Fontanelli, von denen erstere beide garnicht, letztere beide eigentlich nur wenig ins Gefecht gekommen waren , sich völlig auf
lösten. Der Rückzug artete in wilde Flucht aus ; die Trainsoldaten schnitten die Stränge durch und lieſsen die Fahrzeuge stehen , Waffen und Gepäck, Verwundete und Versprengte bedeckten die
Die französische Armee im Jahre 1813 .
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Felder und lieſsen erkennen, in welcher Auflösung sich die ge schlagene Armee befand, in der jeder Befehl aufgehört hatte. In zwei wirren Massen ging der Rückzug auf Torgau beziehungs weise auf Dahme, bei welchem letzteren Orte die Division Morand
am folgenden Tage noch ein heftiges Gefecht zu bestehen hatte, in dem das 23. Linien-Regiment fast aufgerieben wurde.
Zucht
losigkeit und wilder Schrecken, diese beiden Erbfeinde französischer Soldatenehre, traten auf diesem Rückzuge in ihre vollsten Rechte. Vor einigen Tausend russischen Reitern , die etwas reitende Artillerie
mit sich führten, ergriffen das ganze IV . und XII. Corps am 8. Sep tember bei Torgau die Flucht, wobei das 13. Linien-Regiment der Division Morand ebenfalls beinahe ganz vernichtet wurde. Die Division batte eine Reihe hervorragender Waffenthaten vollbracht, die hier einen wenig würdigen Abschluſs fanden .
Anfangs schien nicht einmal die Elbe den Rückzug aufhalten zu können, viele flohen bis zur Mulde und noch weiter ; Ney selber, der in Torgau mit seinen Generalen versucht hatte, einige Ordnung
in die entmutigten und völlig haltlosen Massen zu bringen, ging am 10. September bis Wurzen zurück, muſste aber auf Napoleon's ausdrücklichen Befehl sein Hauptquartier nach Torgau zurück verlegen.
Die Verluste der Ney’schen Armee waren auſserordentliche und betrugen 26 bis 27,000 Mann, 80 Geschütze, 412 Wagen . *) Un gefähr 13,500 Mann waren in Gefangenschaft geraten , der Rest *) In der Geschichte der Nord -Armee sind die Verluste der Ney’schen Armee für die Tage vom 5. bis 8. September auf 23,247 Mann, 53 Geschütze, 412 Wagen berechnet. Als Quelle haben teilweise Rapporte gedient, teilweise sind Verhältnis .
zahlen angenommen . Diese Zahlen ändern sich aber , wenn man den Abgang bis
zum 15. September hinzuzählt, der wohl noch auf Rechnung der Katastrophe vom 6. gesetzt werden muſs. Bernhardi und mit ihm die meisten und zuverlässigsten Schriftsteller nehmen an , daſs die Stärke der Ney'schen Armee gegen Ende der
zweiten Septemberwoche 36,000 bis 37,000 Mann betragen habe, wie dies auch oben angegeben ist , die Armee muſs demnach gegen 26,000 bis 27,000 Mann verloren haben. Da 13,500 Mann gefangen waren , 7635 Versprengte in Torgau
gesammelt wurden , würden bei einem Gesamtverlust von 27,000 Mann nur un gefähr 6000 Mann an Toten, Verwundeten und solchen Versprengten übrig bleiben ; welche nicht aufgegriffen wurden, deren Zahl, wie noch gezeigt werden wird, sehr Diese Zahl würde sogar gering erscheinen, wenn man nicht annehmen
groſs war,
wollte, daſs sich unter den Gefangenen und Versprengten zahlreiche Verwundete befunden haben werden , sowie daſs die Zahl der in Torgau aufgegriffenen Ver sprengten anfänglich vielleicht auch noch geringer gewesen ist. Was den Verlust an Geschützen anbetrifft, so giebt Pelet denselben auf 53 Stück an , und ist diese Zahl auch in die Geschichte der Nord -drmee übernommen worden , wobei noch
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war tot, verwundet oder versprengt. Wenn auch der gröſste Teil der Versprengten sich wieder einfand , so daſs aus ihnen in Torgau 9
8 Bataillone für den Festungsdienst gebildet werden konnten , welche eine Gesamtstärke von 7635 Mann erreichten, sofielen dieselben
doch für die Feld -Armee aus . Ney selber schätzte am 15. Sep tember die Stärke seiner 3 Infanterie -Corps nur noch auf zusammen
28,000 Mann Infanterie, die des Kavallerie-Corps auf 4000 *) Reiter. Rechnet man zu diesen Zahlen die leichten Kavallerie -Brigaden der 3 Corps sowie die Artillerie und die Division Dombrowski hinzu , so dürfte die Gesamtstärke der Ney'schen Armee an diesem Tage 36 bis
37,000 Mann , 121 Geschütze betragen haben . Aber noch schlimmer als die materiellen waren die moralischen Unter dem 10. September berichtete der württembergische General Graf Franquemont an seinen König : Folgen der Niederlage.
... Die Retraite vom 6. artete in eine schändliche Flucht aus,
der Vorfall vorgestern vor Torgau zeugt von der groſsen Demora lisation der Armee ; .. Es scheint mir, die französischen Generale
and Offiziere sind des Krieges überdrüssig, und die Soldaten kann bloſs die Gegenwart des Kaisers beleben . « In ähnlichem Sinne äuſserte sich der General Raglovich unter dem 9. September : » .... Die
Stimmung der französischen Armee wird immer ungünstiger .... So viel scheint mir gewiſs, daſs wir nicht leicht mehr etwas groſses werden ausführen können, und unfähig zu irgend einer offensiven Operation sein möchten. «
Von den Corpsführern meldete Oudinot am 7. September, der erste Appel seiner Infanterie weise kaum 4000 Mann auf und fügte
hinzu : » Personne ne sait être maître de l'infanterie . « Bertrand, bemerkt ist , daſs in derselben eine Anzahl von Geschützen enthalten sein dürfte, welche nachweislich in Torgau vorgefunden wurden . In dem Bulletin des Kron prinzen von Schweden ist von 80 eroberten Geschützen die Rede, und diese Zahl findet sich auch bei den meisten Schriftstellern . Bernhardi sagt , auf dem Schlachtfelde seien bereits 53 Geschütze genommen worden , den Gesamtverlust berechnet er aber gelegentlich einer Zusammenstellung aller von den Franzosen verlorenen Geschütze auf 80 Stück . Die letztere Zahl ist hier für richtig an
genommen und vorausgesetzt , daſs auſserdem noch eine Anzahl von Geschützen in Torgau zurückgeblieben sein müssen , denn von den 201 Stücken , welche die Ney'sche Armee am 5. September besafs, sind in der Folge nur noch 97 nach zuweisen, es fehlen also noch 24, selbst wenn 80 als verloren angenommen werden . Die Artillerie der Division Dombrowski ist in diesen Zahlen nicht einbegriffen.
*) Hiermit stimmt eine in der Geschichte der Nord -Armee angeführte Meldung den 15. September, Ney's vom selben Tage daſs er die Division Lorge auf 2500 Pferde geschätzt habe, anscheinend nicht überein,
Die französische Armee im Jahre 1813.
271
der sich auch hier wieder als der gelehrige Schüler seines Herrn zeigte und die Schuld von den Franzosen auf die Bundesgenossen zu schieben suchte, meldete dem Kaiser, die italienischen Regimenter 2
wiesen nur noch 2 bis 300 Mann auf, die Württemberger seien fast aufgerieben , nur die Franzosen , von denen allein Verwundete
dem Feinde in die Hände gefallen seien, hielten noch Ordnung. Es war dies eine unverschämte Lüge, denn wenn die Division Morand sich auch sehr brav gehalten hatte, so war sie schlieſslich doch an der Herzberger Brücke der allgemeinen Verwirrung zum Opfer ge fallen, während die schwachen Reste der Württemberger sich brav gebalten hatten.
Im
scharfen Gegensatz zu Bertrand versuchte
Reynier gegen Ney's Anschuldigungen sich zu wehren , als der Marschall die Schuld an der Niederlage den Sachsen zuzuschieben
es nicht, daſs, wie Ney meldete, unter den Truppen des Rheinbundes ein böser Geist sich zu regen
suchte.
Zu verwundern
war
begann.
Wie sehr die Armee erschüttert war, davon geben uns auch die Meldungen Ney's ausführliche Kunde : »J'ai été battu com plètment,« schrieb er am 7. dem Kaiser, »je ne sais point encore, si toute mon armée est ralliée,« und wenn er sich zu den Napoleon gewiſs höchst unliebsamen Zusätzen aufraffte . » Ihre linke Flanke ist offen, wahren Sie Sich « und » Ich glaube, es ist Zeit, die Elbe zu verlassen und sich auf die Saale zurückzuziehen , « so liegt hierin
ein neuer Beweis für die Auflösung seiner Armee. Dasselbe spricht sich in noch höherem Grade in der Mitteilung an den Kommandanten von Wittenberg aus : »Ich bin nicht mehr Herr der Armee, sie
versagt mir den Gehorsam und hat sich selbst aufgelöst .« In einem vom 12. September herrührenden Bericht Ney's heiſst es : » Am 11. marschierte das XII. Armee-Corps auf Domitsch, traf hierbei auf einige Kosaken und überlieſs sich einer solchen Panik, daſs die
Truppen kaum gesammelt werden konnten.
Auf meine Truppen
kann nur noch gezählt werden , wenn sie sich mit den frischen
Kräften vereinigen, welche der Kaiser gegen Berlin führen will ;
sollen sie für sich allein aus Torgau vorbrechen und den Übergang über die Elster erzwingen, so ist die Entmutigung der Truppen so
groſs, daſs ein neuer Miſserfolg zu befürchten steht. « Die Schwierigkeiten seiner Stellung gegenüber dem Eigen willen der Corps-Generale waren durch Ney's Unglück natürlich noch ver mehrt worden.
Bezeichnend für die damalige französische Armee
ist in dieser Beziehung sein vom 10. September abgefaſstes Schreiben an Berthier : » Il est impossible de tirer un bon parti des IV., VII.
Die französische Armee im Jahre 1813.
272
et XII. corps d'armée dans l'état actuel de leur organisation . Ces corps sont réunis par le droit, mais ils ne le sont pas par le fait; chacun des généraux en chef fait à peu près ce qu'il juge convenable
pour sa propre sûreté. Les choses en sont au point qu'il m'est très-difficile d'obtenir une situation .
Le moral des généraux, et en
général des officiers est singulièrement ébranlé. Commander ainsi n'est que commander qu'à demi, et j'aimerais mieux d'être grenadier. Je vous prie, Monseigneur, d'obtenir de l'Empereur, ou que je sois seul général en chef, ayant sous mes ordres des généraux de division d'aile, ou que Sa Majesté veuille bien me retirer de cet enfer . « Wie Macdonald so verlangte auch er die Anwesenheit des Kaisers als das einzige Mittel, um all die kleinen Geister vor dessen Genie verstummen zu machen .
Napoleon konnte nicht kommen , und auch Ney wurde nicht
abberufen , wohl aber Oudinot, während Reynier blieb, trotzdem Ney sehr bestimmt dessen Abberufung verlangte und ihn des Un gehorsams beschuldigte. »Je demande, « schrieb der Marschall am 24. September, que ce général ou moi reçoive une autre destination. < Die Verluste der Armee machten es unmöglich, die bisherige
Einteilung beizubehalten ; viele Truppenteile muſsten aufgelöst werden, und unter dem 17. September befahl Napoleon sogar die Auflösung
des ganzen XII. Armee-Corps. Bei dem IV. Armee- Corps konnten aus den 12 württembergischen Bataillonen nur 4 gebildet werden ; die Division Morand wurde
durch das 137. Linien - Infanterie- Regiment der Division Guilleminot des XII. Armee-Corps verstärkt, desgleichen wurde die westfälische Kavallerie sowie die schwachen Reste der auf dem Rückzuge fast ganz zu Grunde gegangenen hessischen Chevaulegers dem General Bertrand. überwiesen .
Bei dem VII. Armee-Corps muſste aus den beiden sächsischen Divisionen eine einzige gebildet und zu diesem Zweck die 25. Division aufgelöst werden .
Zum Ersatz erhielt Reynier die 13. , jetzt von
dem General Guilleminot befehligte Division des ehemaligen XII. Corps, welche aus den Resten der nach Abgabe des 137. Regiments ver bleibenden französischen Infanterie dieses Corps gebildet wurde. Von dem XII. Armee-Corps verblieben nach all diesen Abgaben nur noch die Reste der bayerischen Division, welche nach Abgabe einiger zurückgesandter Stämme nach Dresden geschickt wurden, um die dortige Garnison zu verstärken, später aber von dort aus
dem Kaiser folgen muſsten. Ebenfalls nach Dresden ging auch der Marschall Oudinot, um ein Kommando bei der jungen Garde zu Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, BD, LXVIII . , 3.
19
Die französische Armee im Jahre 1813.
273
übernehmen ; auch der General Pactod wurde dorthin berufen, um den General Dumoustier in dem Kommando über die 1. Division
dieser Truppe zu ersetzen . Die Division Dombrowski scheint wieder in ihrer alten Form
hergestellt und durch das Eintreffen ihres noch fehlenden Teiles
sowie in der Folge durch 2 Bataillone des 4. polnischen Regiments verstärkt worden zu sein , so daſs sie jetzt 6 Bataillone, 8 Schwa dronen , 1 Batterie zählte. ។
Bei dem 3. Kavallerie - Corps muſsten ebenfalls mehrere Schwa dronen aufgelöst werden, so daſs sämtliche Regimenter jetzt nur noch je eine Schwadron zählten . Die Divisionen wurden in der Folge einzeln verwandt und der General Arrighi sehr bald ab berufen , um das Kommando über die im Rücken der Armee zur Verwendung gelangenden Streitkräfte zu übernehmen .
Sehr schwach war Ney's Armee mit Artillerie versehen , da ein Teil der Geschütze, sei es wegen Unbrauchbarkeit, sei es wegen Mangels an Bedienung, Bespannung u. s. w. in Torgau zurück gelassen werden muſste; das IV. Corps zählte nur 32, das VII. 48,
das 3. Kavallerie-Corps 9 und die Division Dombrowski 6 Geschütze. Die Bayern hatten 8 Geschütze gerettet.
Da das IV. Armee- Corps ungefähr 14 bis 15,000 Mann, das VII. 15,000 Mann und das 3. Kavallerie-Corps allerhöchstens 4000 Mann zählte, so dürfte nach Abzug der Division Raglovich die Stärke der Ney'schen Armee einschlieſslich der Division Dom
browski ungefähr 36 bis 37,000 Mann, 95 Geschütze betragen haben .
Ehe aber diese so neugebildete Armee wieder operationsfähig wurde , muſsten Wochen vergehen , vorläufig war sie nicht einmal zu defensiven Aufgaben zu verwenden , sondern bedurfte dringend der Ruhe. Und selbst während dieser Zeit der Ruhe litt sie auſser ordentlich durch die Desertion , welche jetzt hier ebenso einriſs wie bei der Macdonald'schen Armee.
( Schluſs folgt.)
XVI.
Die Feuerwirkung im Gelände. » Ruhige Überlegung, taktische Urteilskraft, Fertigkeit im Ent fernungsschätzen, gute Beobachtung, richtige Würdigung des Ge ländes und Kenntnis der der Waffe innewohnenden Leistungsfähigkeit sind notwendige Vorbedingungen ,« mit diesen Worten leitet die
Schieſsvorschrift den Abschuitt über Feuerleitung und Feuerdisziplin (840 ) ein . Von den hier erwähnten » Vorbedingungen « wird die Würdigung des » Geländes « — weniger des von der Truppe besetzten, sondern vielmehr des von der Truppe unter Feuer zu nehmenden Geländestreifens – in der Ausbildung von Führern und Mann schaften am meisten stiefmütterlich behandelt. Die Schiefsvorschrift
giebt auf Seite 93 Andeutungen über den Einfluſs des Geländes auf die Feuerwirkung und auf Seite 95 Materialien zur Anwendung des indirekten Infanteriefeuers, obne jedoch zu zeigen, wie die einzelnen Angaben zur Ermittelung der Visierstellung benutzt werden können . Der Satz eines unseres bedeutendsten Schieſslehrer :
» Wer eine für
die eigene Feuerwirkung ungünstige Position besetzt, begeht meist einen doppelten Fehler, für den er unausbleiblich gestraft wird. Mangelndes Verständnis bezüglich des Einflusses des Geländes auf
die Feuerwirkung oder die Nichtberücksichtigung desselben möchte sich selten in so empfindlichem Grade und so unmittelbar auf dem Fuſse folgend rächen, wie hier ! « Ferner der Umstand, daſs unsere Nachbarn jenseits der Vogesen und im Osten dem Einflusse des
Geländes eine groſse, vielleicht zu groſse Bedeutung beimessen, war die Veranlassung, eingehender dieser Frage näher zu treten . Im ebenen Gelände wird auf Entfernungen über 400 m und unter Anwendung von etwa 100 Schuſs ein Raum von 100 m Aus dehnung beherrscht und verteilen sich die Geschosse derart, daſs die gröſsere Dichtigkeit derselben -- im geraden Verhältnis zu der Gröſse der bestrichenen Räume – sich etwa auf der Visierentfernung als » Trefferkern « findet, und daſs die Verteilung der Geschosse von 19*
Die Feuerwirkung im Gelände.
275
dem Kerne aus stetig nach beiden Seiten hin abnimmt, wie dieses
aus der Skizze eines » Trefferberges « zu ersehen ist (Fig. 1 — Beil . I). Bei Anwendung von zwei Visieren wird ein Raum von 200 m Länge beherrscht und findet sich die gröſste Dichtigkeit an der Stelle, wo
die beiden Trefferberge ineinander übergreifen. Auf graphischem Wege läſst sich somit leicht die Trefferzahl in jeder Scheiben
aufstellung auf beliebige Entfernungen ermitteln .
Wir
erhalten
somit gegen ein Linienziel auf 560 und 620 m mit dem Visier 600 m : 35 beziehungsweise 55, im Trefferkern 70% Treffer.
Bei
Anwendung der Visiere 7 und 800 m gegen eine Scheibenaufstellung auf 750 m : 45 % Treffer.
Während auf Entfernungen unter 400 m die Länge der be strichenen Räume von Zielhöhe, Einfallwinkel und Anschlagsart
abhängig, ist auf mittleren und weiteren Entfernungen für die Ausdehnung des vom Feuer beherrschten Raumes nur die Zahl der verwandten Patronen (d. b. mindestens 100) und die Böschung des Geländes ausschlaggebend.
Im ebenen Gelände haben zwei sich gegenüberliegende Feuer linien unter sonst gleichen Vorbedingungen auch die gleiche Feuer kraft; dieses wird jedoch wesentlich anders, wenn für die eine Linie
am Ziel ein Steigen oder ein Fallen des Geländes stattfindet, indem hierdurch das Gleichgewicht der beiden Abteilungen wesentlich ver schoben werden kann und es der einen Abteilung möglich sein
wird, durch Ausnutzung dieses Umstandes die Feuerüberlegenheit zu erringen .
Unabhängig von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch ist für den vorliegenden Zweck als abfallendes oder ansteigendes Gelände nur solches zu bezeichnen,
welches sich unter die Visierlinie senkt
beziehungsweise über dieselbe erhebt. So ist z. B. in Fig. 2 die Strecke ab ansteigend , bc abfallend.
Im Allgemeinen wird zur
Visierlinie abfallendes Gelände der Sicht jedoch nicht dem Fener - des Schützen entzogen sein. Auf mittleren und weiten Ent
fernungen muſs man sich gewöhnen, flachgeböschte Wellen nur als Masken , jedoch nicht als Deckungen zu betrachten , da bei der
groſsen Fallhöhe der Geschosse der Schutz, welchen niedrige Deckungen gewähren , leicht verloren geht. Die Geschofsgarbe unter Anwendung des Visiers 800 m erreicht den horizontalen Erdboden unter einem Winkel von etwa 30, bei
einer Höhe der Geschoſsgarbe von etwa 8 m ; steigt das Gelände aber an, so wird infolge des vergröſserten Einfallwinkels natur gemäſs der vom Feuer beherrschte Raum verkürzt, während bei
Die Feuerwirkung im Gelände.
276
abfallendem Gelände der Einfallwinkel verkleinert, der vom Feuer
beherrschte Raum vergröſsert wird ( Fig. 3). Der beherrschte Raum nimmt zu, bis die Böschung gleichlaufend mit der Bahn tangente am Einfallpunkte wird, bei noch gröſserem Falle des Abhanges entsteht, wenn die Visierlinie den Kamm trifft, unmittel bar hinter demselben ein toter Winkel .
Der Einfallwinkel der
Geschosse im ansteigenden beziehungsweise fallenden Gelände ist gleich dem Fallwinkel in der Ebene, vermehrt beziehungsweise ver mindert um den Unterschied des Böschungs- und des Neigungs winkels der Visierlinie zur Wagerechten . Die Kenntnis der Gröſse dieser Winkel ist jedoch ohne jeden praktischen Wert. Ist es auch im Gelände, namentlich von der Feuerstellung aus, nicht möglich,
den Grad der Steigung zu schätzen , so sind doch bei geringer Übung mit Leichtigkeit jene Punkte zu bezeichven, wo das Gelände mit der Visierlinie gleichlaufend ist, oder zu derselben ansteigt oder fällt. Während die Verlängerung oder Verkürzung des vom Feuer beherrschten Raumes auf nahen Entfernungen bei geringen Böschungs verhältnissen in bedeutendem Maſse sich verändert, ist auf weiten
Entfernungen schon ein ziemlich groſser Winkel notwendig, um die gleiche Verlängerung hervorzurufen. Bei einem Falle von '50 (2% ,
etwa 1-1'/2º) wird nach französischen Ermittelungen auf nahen Entfernungen der vom Feuer beherrschte Raum verdrei- oder ver vierfacht, während auf weiten Entfernungen durch den gleichen Fall
keine nennenswerte Verlängerung bewirkt wurde . Das gleiche Ergebnis würde auf weiten Entfernungen erst bei einem Fall von '/12 (8,35 % , etwa 59) eintreten.
Unter der Annahme, daſs eine Änderung des Böschungswinkels im Einschlagepunkt des mittleren Geschosses eintritt, giebt die fran
zösische Schieſsvorschrift vom Jahre 1882 (S. 307) Angaben über die Ausdehnung der vom Feuer beherrschten Räume für das Visier 1000 m . Bei fallendem Gelände sind zwei Werte gegeben , je nach dem die Hälfte oder die ganze Masse der Geschosse auf den
Hang fällt :
Steigung von W10 : '/
:
975–1025 m, 65 m von 968—1033 m, 50 m
*/50 : 82 m von 960—1042 m , % : 100 m von 950—1050 m .
Hiernach lassen sich leicht die Werte auch für andere Steigungen SO Z. B. für
4/40 : 76 m von 963—1039 m finden .
Die Feuerwirkung im Gelände.
277
Fall von 9/10 : 365—247 m ,
'/20 : 184–96 m, '/ so : 124-62 m. Die italienische Schieſsinstruktion enthält folgende Angaben :
400 , 500, 600, 800, 1000 , 1200 , 1400 , 1600 m, Wagerechtes Gelände : 450, 250, 200, 150, 100, 100, 100 , 100 m, Steigung von 30 (5% ) 85 , 76, 78, 78, 62, 69, 75, 80 m , , 41, 48 , 55 m. Steigung von 10° ( 16%) 31 , 27, 33, 38, 33,
Nicht bekannt ist es, ob diese Zahlen das Ergebnis eines gröſseren Versuches sind oder auf kleineren Versuchen beruhen, da die Zuverlässigkeit derartiger Versuche im Verhältnisse der Quadrat
wurzeln der aufgewandten Patronenzahl wächst ; deutlich ist aber zu erkennen, wie auf den weiteren Entfernungen die Flächen sich immermehr der Strecke von 100 m nähern .
Oberst Paquié macht folgende, leicht dem Gedächtnisse einzu prägende Angaben über die Gröſse der vom Feuer beherrschten Räume. Ist der Fall gleich dem Fallwinkel der mittleren Flugbahn,
so findet eine Verlängerung von 2 % , bei einem Fall gleich dem Falls nkel der unteren Flugbahn eine Verlängerung von 24/7 statt, erhebt sich aber die untere Flugbahn um Mannshöhe über den
vorliegenden Kamm , so tritt eine fünffache Verlängerung ein. Hierbei findet die Voraussetznng statt, daſs : der Fall auf 400 m : 100, bei 500 m : 8/100 und so fort beträgt. Der Fall von 100 ( 4/30) giebt auf 600 m die vierfache, auf 700 m die dreifache und auf 900 m die zweiundeinhalbfache Ausdehnung des vom Feuer beherrschten Raumes in der Ebene.
Handelt es sich darum , eine Hochfläche
unter bestreichendes Feuer zu nehmen , so muſs die feuernde Ab teilung sich aufstellen auf 100 m multipliziert mit der Quadrat wurzel aus der relativen Höhe der Hochfläche:
Also bei 25 m
Erhebung zum mindesten auf 500 m. Nähere Auskunft über die Feuerwirkung gegen eine Hochfläche giebt nachfolgende Tabelle : Erhebung
20 m 40 m 5m 10 m 30 m 50 m wirk- gröss- wirk- (gröss- wirk- gross wirk- grðss- wirk- gröss- wirk- gross same te te te te samo
te
same
te
same
same
Feuerwirkung bei Visier 5001
5001
Ebene
200 900
(5 % = 39)
600
Abfall von 10 cm
1200
auf 1 m
( 10 '/, == 7,5)
600
1000
1050
1100 875
900 900
1400 11001
1100
1200
875 875
13001 1050
1000
700 700
650
875
1300
1200 950
950
750
110001 650
1100
750
600
900 600
600
1100
1100
595
9001 475 )
475
300
2001
Abfall von 5 cm auf 1 m
7001 300
| 1150
1500 1 1501
[1200
1200
Die Feuerwirkung im Gelände.
278
Die Gröſse der vom Feuer beherrschten Räume wird erweitert durch Aufschläger, welche im abfallenden Gelände durchgehends gröſsere Flugweiten aufweisen ; in der Ebene betragen sie auf nahen Entfernungen 3—400 m , auf mittleren 2–300 m und auf weiten Entfernungen 1—200 m. Beim Schieſsen gegen die reine Ebene finden wir beim Visier 1000 m auf 50 m vor dem Kerne noch 13,
und auf der gleichen Entfernung hinter dem Trefferkern noch 9% Treffer. Durch Verkürzung der Flugbahn bei ansteigendem Gelände werden die Geschoſseinschläge auf engstem Raume zu
sammengerückt, so daſs wir die gleichen Ergebnisse bei 5° Steigung für die gleiche Entfernung auf 27 m vor und hinter dem Trefferkern finden, sodaſs die Tiefe des vom Feuer beherrschten Raumes etwa
der doppelten Tiefe der Kolonne nach der Mitte entspricht. Dieser gesteigerten Geschoſswirkung im ansteigenden Gelände steht die Wirkung bei abfallendem Gelände entgegen , da hier naturgemäſs eine entsprechende Auseinanderzerrung der Geschoſseinschläge statt finden muſs , wohingegen in diesem Falle die Wahrscheinlichkeit des Treffens wesentlich gesteigert wird. Auf graphischem Wege lassen sich nun ebenfalls für jede beliebige Böschung im ansteigenden
oder fallenden Gelände Trefferreihen aufstellen , welche auf das Deutlichste die Verteilung der Geschosse vor Augen führen (Fig. 3) . Die Trefferzahlen
der Ebene
von 10 zu
10 m rücken zu
sammen :
Bei Steigung des Geländes fiber der verlängert gedachten Visierlinie von
bei Visier 400 500 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 m
2,5 Grad aufMeter 3,4 4 4,9 5,3 5,7 6,3 6,9 7,1 7,5 7,9 5 Grad aufMeter 2,0 2,5 3,2 3,6 4 4,6
5,2
5,6
10 Grad aufMeter 1,1 1,4 1,9 2,2 2,5 2,9 3,5 3,8
5,9
8
6,2 6,5
4,1 4,4 4,8
8,2 8,3 m 6,8
7
m
5,2 5,3 m
Bei Gelände, welches unter die verlängert gedachte Visierlinie abfällt, nimmt die Länge der Trefferreihen in demselben Maſse zu, als sie bei steigendem Gelände sich verkürzt. Bei 10 °, 50 und 2,5° Steigung der zur verlängert gedachten Visierlinie abfallenden Treff fläche würde die Trefffläche 3 mal, 2 mal und | mal so lang sein als in der Ebene (Fig. 5 und 6 – Beil. II). Die Wirkung gegen Linienziele wird durch die Steigung des
Geländes in keiner Weise beeinfluſst, hingegen werden Kolonnen mehr im ansteigenden Gelände leiden, wohingegen dicht hinter der ersten Feuerlinie auf abfallendem Hange herangehaltene Unter stützungen in hohem Maſse Verlusten ausgesetzt sind. In richtiger Erkenntnis dieses Umstandes hatten die Türken in der Verteidigungs
stellung von Zewin ihre Reserven, welche am rückwärtigen Rande
279
Die Feuerwirkung im Gelände.
einer Hochfläche standen , ebenso wie die am vorderen Rande fechtende Hauptlinie eingegraben . Beim Feuer gegen abfallendes
Gelände wird es auf Entfernungen über 600 m nicht immer not wendig sein, mit zwei Visieren zu fenern , man wird ohne Bedenken ein einziges Visier verwenden können, wohingegen bei ansteigendem Gelände, bei der vergröſserten Schwierigkeit, die Geschoſsgarben ans Ziel zu bringen , falls eine gute Beobachtung nicht möglich , die Anwendung von zwei , selbst drei Visierstellungen ratsam ist , um eine Wirkung zu erzielen . Da aber der Hang in seiner ganzen
Ausdehnung dem Schützen sichtbar ist , die Geschosse auf engem Raume einschlagen, so wird, falls Bewachsung und Bodenart nicht dagegen sprechen, ein Einschieſsen mit Salven von Erfolg sein. Bei bedeutenden Erhebungen ist für die Wahl der Visier stellung noch zu beachten : „Beim direkten Schusse gegen Ziele, welche mehr als 10—25 ° über den Standpunkt der Schützen erhöht
sind, oder gegen Ziele, die ebensoviel tiefer stehen, müssen wir bis 10 % der Entfernung zugeben oder abziehen , bei noch gröſserem
positiven Terrain winkel ( 25-45 % ) ebensoviel Prozente abziehen oder zugeben. Beachten wir diese Regel nicht , was im Gefechte vorkommen kann , so gehen unsere Schüsse gegen den Feind auf 1
der Höhe zu kurz, während wir die Ziele in der Tiefe überschieſsens (Rothpletz, Infanterie- Feuer S. 85). Da auf einem zur Visierlinie ansteigenden Gelände das Ziel
sichtbar ist , so wird die geringe Wahrscheinlichkeit , das Ziel zu treffen , durch die Möglichkeit einer besseren Beobachtung zum Teil ausgeglichen . Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse muſs der Verteidiger die Besetzung hoch gelegener Punkte vermeiden und zur Erzielung gröſserer Treffwirkung bestrebt sein , eine vom Feuer beherrschte Zone auf denjenigen Punkten zu schaffen , in denen die Böschung sich möglichst der Visierlinie nähert, ( jenseitiger Abfall einer vorliegenden Höhe, Kuppen , Terrassen ), da beim Feuer
gegen den gegenüberliegenden Hang , beim Feuer gegen die Thal sohle die Tiefe der Geschoſsgarbe erheblich verkürzt wird. Ver hältnismäſsig günstig ist immer noch der Schuſs gegen den vor liegenden Hang , falls dieser nicht zu stark geböscht und nicht zu tief unter der Feuerstellung liegt, da hier eine merkliche Verkürzung der Geschofsgarbe nur selten eintritt. Die Skizze ( Fig. 4 ) bringt
die Momente zur Darstellung, welche der Verteidiger zum Einsetzen seiner vollen Feuerkraft ausnutzen muſs ; meistens wird sich dann selbst ein lebhaftes Feuer auf weiten Entfernungen rechtfertigen
lassen .
Zeigt der Feind auf dem Abhang B Kolonnen, so wird
Die Feuerwirkung im Gelände.
280
man nach genauer Ermittelung der Entfernung gute Ergebnisse Der Angreifer wird seine Schützen nicht auf der
erzielen können .
Höhe, sondern auf dem Abhange etwa bei 2 halten lassen , so daſs
die Linie selbst möglichst geringe Verluste erleidet und der ober
balb gelegene Hang für die geschlossenen Abteilungen als Kugelfang Beim weiteren Vorgehen empfiehlt sich für zweite Treffen und Unterstützungen die Linienformation und können dieselben dicht an die Schützen herangebalten werden . Beim Feuer gegen ein zur Visierlinie abfallendes Gelände wird im Allgemeinen das wirkt.
Ziel der Sicht entzogen sein. Es wird daher der Fall eintreten , daſs beim Schuſs von einer Höhe gegen eine tiefer gelegene Höhe ,
deren rückwärtiger Hang bestrichen wird , so daſs Abteilungen , welche sich zwischen zwei Bodenwellen befinden , keineswegs gegen Feuer gedeckt sind , sodann beim Schuſs von der Tiefe gegen eine Höhe (Fig. 7). Das Feuer wird um so wirksamer sein , je aus gedehnter die Kuppe ist ; fällt dieselbe steil nach der anderen Seite ab (Feuer der 38. Brigade gegen die Division Grenier am 16. August ), so ist die Wirkung eine geringe, sie wird aber in hohem Maſse gesteigert , wenn sich an den Rand A eine Hochfläche unter geringem
Steigungswinkel anschlieſst.
Bei einer Tiefe der Hochfläche von
100 m kann aber eine Bestreichung des rückwärtigen Hanges nicht
gleichzeitig mit einem Bestreichen der Hochfläche stattfinden . Das Feuer gegen die bei A befindliche , sich in Umrissen abhebende Schützenkette wird nicht allein in dieser Verluste herbeirufen , sondern auch hinter derselben einen vom Feuer beherrschten Raum
schaffen , in welchem Bewegungen nicht ohne Verluste vorgenommen
werden können . Durch die Einwirkung des Geländes gewinnt somit
das Fener des Angreifers eine Überlegenheit über das Feuer des Verteidigers .
Artillerie ,,
welche
sich
mit Vor Vorliebe liebe
hinter
der
Kammlinie aufstellt , ist durch den Kamm der Höhe der Sicht des
Feindes entzogen , sie wird aber in dieser anscheinend so geschützten Stellung doch recht empfindliche Verluste erleiden können. Wünschens
wert ist es, Führer in der Beobachtung der Feuerwirkung gründlich anszubilden , da anderenfalls die Wirkung doch immer vom Zufall abhängt. Der Angreifer wird beim Überschreiten derartiger Hänge dünne Schützenlinien anwenden, denen auf weiten Abständen kleine
Kolonnen folgen . » Die genaue Kenntnis der Leistungen des Gewehres und die häufigen Proben in Anwendung des indirekten Feuers bei den Friedensübungen , in verschiedenen Gefechtslagen, wird uns im Ernstfalle das Blut von manchem braven Soldaten
Die Feuerwirkung im Gelände.
281
ersparen , der , nach nutzlosem direktem Feuer , zum Sturme einer unerschütterten Stellung vorwärts geführt wird . « >Auf der anderen Seite muſs aber sehr davor gewarnt werden,
die Theorie des indirekten Feuers nicht in unkriegerischer, spitz finderischer Art in der Praxis zur Anwendung bringen zu wollen. < (Rothpletz, Infanterie -Feuer S. 88.)
Diese Bahnen scheint man in einigen Kreisen Frankreichs wandeln zu wollen , indem Stimmen laut werden , welche beim
Besetzen von Höhenstellungen das Zurückziehen der Feuerlinie von dem vorderen nach dem rückwärtigen Rande und die Durchführung der Verteidigung an dieser Stelle fordern .
Als
Führer
dieser
Richtung gilt der Oberst Paquié, Verfasser der Bücher » Tir inclinée und » Tir en terrain varié «, welche grundlegend für die französische
Schieſsvorschrift vom 11. November 1882 geworden sind .
Die
Anhänger dieser Ansicht suchen dieselbe durch Gefechtsmomente
der Verteidigungsschlachten des Herzogs v. Wellington zu begründen und führen z. B. als Belege Busaco , Vittoria, Pampluna und Waterloo an.
Gegen Besetzung des vorderen Randes einer Höhe wird geltend gemacht : Die Feuerlinie hebt sich silhouettenartig ab , und ist es leicht, dieselbe durch konzentriertes Infanterie- und Artillerie- Feuer zu
erschüttern . Stützpunkte werden frühzeitig durch das Geschützfeuer unhaltbar gemacht , Reserven sind in hohem Grade Verlusten aus gesetzt. - Es wird nun vorgeschlagen , den vorderen Rand der Höhe
nur als vorgeschobene Stellung zu betrachten , welche man räumt, sobald der Angreifer zur Entwickelung gezwungen ist ; wenn auch rein theoretisch betrachtet, die Truppe bei Besetzung des rück wärtigen Randes am meisten geschützt ist, so sind die rein taktischen Verhältnisse, selbst wenn wir eine Hochfläche von entsprechender
Tiefe finden , doch derart ungünstige, daſs der Verteidiger gern auf alle ballistischen Vorteile verzichten wird , um nicht in völliger >
Unkenntnis über die Bewegungen des Gegners die Vorbereitungen zur Abwehr treffen zu müssen .
Schlieſslich wird das Feuer, welches gegen einen sichtbaren Gegner gerichtet, immer wirksamer wie das Feuer sein , welches
aufs Geratewohl gegen eine Kammlinie abgegeben wird, hinter der man die Reserven des Gegners vermutet, die fast immer Gelegenheit finden werden, sich dem wirksamsten Strichfeuer durch Bewegungen zu entziehen , und schlieſslich wird der Angreifer uns nur selten
den Gefallen erweisen, frontal anzulaufen , er wird vielmehr den
Die Feuerwirkung im Gelände
282
deckenden Rand benutzen , um fankierend und überraschend gegen
die Stellung des Feindes loszubrechen . So treffliche Ergebnisse auch das Feuer gegen der Sicht entzogene Ziele haben kann , so können doch derartige Über schätzungen der Theorie nie zum Erfolge führen ; derartige Aus wüchse tragen von vornherein den Keim des Miſserfolges in sich. --
Um die Feuerwirkung in einem zur Visierlinie geneigten Gelände durch ein Beispiel zu erläutern , lassen wir nachstehend einen Abschnitt aus der Geschichte des Brandenburgischen Füsilier Regiments Nr. 35, geschrieben vom Hauptmann Isenburg, folgen. Hier heiſst es in Betreff der Thätigkeit des Regiments in den ersten Momenten der Schlacht von Vionville wie folgt: > Die Division (es war die 6.) marschierte bei Buxières auf,
vorn die 12., dahinter die 11. Brigade, jede in 2 Treffen . « » Halbrechts waren bei Vionville und Rézonville französische
Lager zu unterscheiden .« » Südlich hiervon war ein heftiges Gefecht zu erkennen, es war der Kampf der 5. Division gegen das 2. französische Corps .« » Um 9 '/, Uhr wurde, da um diese Zeit jenes Gefecht für die 5. Division günstig stand , und sich annehmen lieſs, daſs sich der Feind im Rückzuge nach Norden befinde, befohlen , in dieser Richtung über Mars la Tour zu marschieren, um dem Gegner jeden Ausweg nach Westen zu verlegen . « » In der Höhe von Tronville , westlich dieses Ortes angelangt,
war die Sachlage jedoch soweit aufgeklärt, daſs es nun unthunlich erschien , noch weiter nach Norden vorzurücken , der Angriff muſste vielmehr in östlicher Richtung erfolgen. Um 10'/, Uhr liels
Generallieutenant v. Buddenbrock daher brigadeweise rechts ein schwenken , so daſs nun die Brigaden neben einander zu stehen kamen , jede mit dem jüngeren Regiment im ersten Treffen . « »Der Feind batte Vionville und Flavigny durch Teile der Division Bataille des 2. und der Division la Font de Villiers des
6. Corps besetzt , der Rest dieser Divisionen stand dahinter in Schlachtordnung, während , mit der Front gegen die von Süden vorgehende 5. Division , der gröſsere Teil des 2. Corps die Höhen südlich Rézonville und Flavigny besetzt hielt. « 1
» Vom 35. Regiment hatte sich das 1. Bataillon in Compagnie Kolonnen auseinandergezogen und ging so durch Tronville gegen Vionville vor. «
>Nachdem der Gegner die beiden Teten - Compagnien lebhaft
beschossen , räumte er Vionville, das zugleich nördlich der Chaussee
Die Feuerwirkung im Gelände.
283
vom 64. Regiment umfassend angegriffen wurde, überschüttete das
von den rückwärts (nordöstlich und östlich ) ge legenen Höhen mit einem heftigen Artillerie- und Infanterie-Feuer.e Dorf aber nun
> Das Dorf wurde im Lauf erreicht, von der 1. wie auch von
der 2. Compagnie auf der südlichen Dorfstraſse durcheilt und schon mit Teilen des 64. Regiments gemischt , die jenseitige Lisière gewonnen . «
» Die 1. Compagnie hielt den östlichen, die 2. den südöstlichen Ausgang besetzt .
> Dieser Augenblick entschied über die taktische Ordnung des ganzen Tages.
Von dem Schützenzuge folgte nur ein Teil diesem Angriff, da die Aufmerksamkeit des anderen von den Höhen jenseits der Chaussee in Anspruch genommen wurde. ( Hier tritt, durch die starke Wirkung des feindlichen Feuers hervorgerufen, selbst Zer splitterung der einzelnen Züge ein .) « » Beim 2. Bataillon stürmte die 6. Compagnie links am Kirchhof
vorüber, dann ging sie links der 3. Compagnie gegen Flavigny vor . « > An Offizieren büſste sie in
dem Strichfeuer am Kirchhof,
welches links von den Höhen kam ( 1600 m), zwei Offiziere und den Feldwebel ein . «
» Die 7. Compagnie blieb in der Richtung auf das Pappel wäldchen und hatte bei diesem Vormarsch ganz auſserordentliche Verluste, sie verlor zwei Offiziere, den Feldwebel und Vizefeldwebel , in Summa alle Offiziere und 43 Tote, 117 Verwundete, zwei Drittel ihrer Stärke . «
» In dem Halbbataillon, 5. und 8. Compagnie, hatte das feind
liche Feuer gleich nach dem Passieren der Höhe derart gewirkt,
285
Die Feuerwirkung im Gelände.
daſs im Zeitraum weniger Minuten 8 Offiziere, 2 Feldwebel und ein
Vizefeldwebel auſser Gefecht gesetzt wurden . « » An Mannschaften verlor die 5. Compagnie 26 Tote, 61 Ver
wundete, zusammen 87 Mann, die 8. Compagnie 24 Mann tot, 74 Verwundete, zusammen 98 Mann, also in noch nicht fünf Minuten
beide Compagnien 8 Offiziere und 185 Mann, mehr als / ihrer Stärke.
» Der Eindruck dieser Verluste auf die Mannschaft war ein so
überwältigender, daſs die Kommandos zum Deployieren und Aus einanderziehen nicht mehr zur Ausführung kamen , das Halbbataillon
vielmehr hinter den Kirchhof zurückgenommen werden und dort von den drei übrig gebliebenen Offizieren ralliiert werden muſste . < Hierzu sei noch bemerkt:
Die Wirkung des Feuers beim Überschreiten der rückwärtigen Hänge findet keine Erwähnung, daſs das Vorgehen des Regiments aber auch hier nicht ohne herbe Verluste blieb, erhellt aus General stabswerk I, 560 : >>Dasselbe ( III, 35) hatte zwei Compagnien
ins Vortreffen genommen , von denen sich die 11. links gegen Vionville zog, um dem flankierenden Feuer von der Baumgruppe her die Front zu bieten ;« wahrscheinlich zog sich 11/35 hinter dem II. Ba 4 and 7 taillon gegen Vionville. Später hatte sich 11/35 mit 35 vereinigt und sich an der Wegnahme von Vionville und an dem weiteren Vorgehen gegen die Baumgruppen beteiligt. Der Fall des Geländes westlich der Kirchhofshöhe zu der nach den Tronviller Büschen
heraufziehenden Mulde beträgt 2 bis 50. Einen wirksamen Schutz gegen die gegnerische Feuerwirkung konnte der nur 12 m höher als
die Baumgruppe gelegene Kirchhof nicht bieten . Die empfindlichsten Verluste traten ein , als die Compagnien den südlich Vionville nach
dem Kirchhofe führenden Weg überschritten , und wird etwa die Horizontale 900 des Planes im Generalstabswerke den feindlichen Schützen als Rand erschienen sein ; das Regiment hatte somit einen etwa 2-300 m tiefen unter der Visierlinie des Feindes liegenden,
Geländestreifen zu durchschreiten .
Leider sind gegnerische Dar
stellungen über diesen Vorgang nicht bekannt geworden, und so
muſs der Vermutung ein gröſserer Raum zugemessen werden, als es im Interesse der Sache wünschenswert ist.
Wir erwähnen noch ,
daſs das Feuer von 2 französischen Regimentern (23. und 93.) und von einem Jäger -Bataillon gegen eine 1600 m lange Front auf 9—1600 m Entfernung abgegeben wurde, sodaſs sich auf etwa 1200 m d. h. ungefähr an der erwähnten Horizontale ein Treffer kern bildete .
1
Die Feuerwirkung im Gelände.
286
Französischerseits wird als Beleg für die Wirksamkeit des feu inclinés die Feuerwirkung der deutschen Infanterie in der Schlacht
von Champigny angeführt, von welcher der General Ducrot sagt, daſs die Entscheidung zu Ungunsten der Franzosen durch den Einfluſs des Geländes hervorgerufen wäre.
Eine beabsichtigte Ausnutzung
der Vorzüge des Feuers gegen eine zur Visierlinie gesenkte Fläche, wie dieses von französischer Seite behauptet wird, ist jedoch nicht in Anwendung gekommen . Die deutsche Gefechtslinie war mit
Rücksicht auf die französischen Befestigungen des Mont Avron und des Fort Nogent bis nach dem rückwärtigen Rande der Hochfläche zurückgenommen und wurde durch das Dorf Villiers und den Park
von Coeuilly bezeichnet.
Der belgische General Brialmont bemerkt hierzu : » Diejenigen, welche die Kämpfe um Metz und Paris als ein Beleg anführen, daſs die Deutschen ihre Hauptverteidigungslinie am jenseitigen Rande einer Hochfläche einrichteten, verkennen den Unterschied, welcher
besteht zwischen einer Feldstellung und der Stellung in einer Ein schlieſsungslinie.« >In diesem Falle wird man am rückwärtigen Rande gelegene
Stützpunkte besetzen und befestigen, da sie völlig dem feindlichen Artillerie - Feuer entzogen sind, in ersterem Falle wird man hingegen Objekte zu besetzen suchen , welche so gelegen sind, daſs sie das Vorgehen des Feindes zu flankieren im Stande sind , und wird man sie daher mehr vor der Front als in der Linie zu suchen haben .
Ein verschanztes, hinter der Höhe gelegenes Dorf, wird allerdings gegen Artillerie - Feuer mehr geschützt sein, als wenn es auf der Kuppe
läge, aber auch geringeren Einfluſs auf den Gang des Gefechts aus zuüben vermögen, wie dieses. « Oberst Robert ( Tactique des grandes unités II, 233) entwickelt unter Anschluſs an die Besprechung der Befestigung von Champigny und Villiers die Grundsätze für Verteidigung einer Stellung und fordert eine erste Verteidigungs linie am vorderen, eine zweite Linie am rückwärtigen Rande der Hochfläche.
Ebenso ein anderer auf dem Gebiete der Feuertaktik
ungemein thätiger Schriftsteller, der Oberst P... (le tir en terrain varié, s. 70 ) der von der zweiten Stellung am rückwärtigen Rande der Höhe, wie folgt, spricht : »C'est là la vraie ligne de resistance, c'est là que la bataille doit être gagnée et poussée jusqu'aux derniers limites des forces .
trennte
Zoller die einzelnen Compagnien von einander und rückte, mehr in Gruppen tiraillierend als geschlossen , jedoch mit beiden Bataillonen in möglichst breiter Front vor. «
Der Gegner wurde mit dem
Bajonett aus Abtenau geworfen und noch eine Stunde weit gegen Annaberg verfolgt, wobei von den Bayern 2 Offiziere und 10 Mand verwundet und von den Österreichern 32 Mann gefangen wurden. Unterdessen war Generalmajor Stengel in Begleitung des Obersten Maingarnaud , Adjutant des Marschalls , mit dem 2. Bataillon des 2. Regimentes und 1 Schwadron Dragoner bei Abtenau ein getroffen , wo er Halt machte .
Zoller muſste auf der Höbe bei
Annaberg gedeckte Aufstellung nehmen , mit Vorposten zwischen Auschenried und Gewehrberg . Ein Posten der Österreicher in
der Flanke des Passes Lueg wurde von den Bayern überfallen und aufgehoben . Nach dem Abmarsche Stengel's von Golling rückte
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
33
Generalmajor Raglovich noch am 3. Mai mit dem 1. Linien Infanterie-Leib -Regiment und zwei kurzen siebenpfündigen Haubitzen der sechspfünder Batterie Wagner in diese Stellung rum die Stirnseite des Luegpasses zu beobachten . «
Als sich Raglovich
am 4. Mai überzeugte, daſs die feindliche Vorpostenlinie seine eigene Linie und die Verbindung mit Generalmajor Stengel bei Abtenau unterbreche, schickte er zwei Truppen -Abteilungen, jedes aus 2 zu -
sammengestellten Compagnien des 1. Regiments *) gebildet , unter
den Majoren Rummel und Cronegg , der eine rechts , der andere links der Straſse von Golling auf die nnwegsamen Höhen des Haagen- und Tännengebirges, um bei dunkler Nacht dem Passe Lueg in die Flanke zu fallen . Die erste Abteilung , Major Rum mel, geführt vom Generalstabs - Hauptmann Sartorius , brach Abends 8 Uhr auf , überschritt die Salzach , ging am linken Ufer
aufwärts bis gegen den Ederhof, erkletterte den Ederberg in den Holzrissen und gelangte so bei Tagesanbruch über das feindliche Hauptpikett. Lieutenant Graf Verri erhielt Befehl , dasselbe mit 30 Schützen aufzuheben , Oberlieutenant v. Pechmann folgte mit 24 Grenadieren , wäbrend Lieutenant v. Grieſsenbeck rechts vor rückte , um mit 24 Mann allenfalls nach dem Passe fliehende ab
zufangen. Da wegen gleichzeitigen Alarmes am Fuſse des Berges der Feind sein Augenmerk dorthin richtete, so gelang der Überfall vollständig und wurden ohne Widerstand 1 Offizier und 70 Mann
gefangen, 5 Mann fielen auſserdem noch dem Lieutenant Grieſsen beck in die Hände. Damit war der Auftrag erfüllt und das linke Ufer vom Feinde gesäubert. Eine Compagnie, Hauptmann Ober mayr , bei den » Oefen « belassend , kehrte Major Rummel mit den anderen Compagnien und seinen Gefangenen nach Golling zurück . Die zweite Abteilung, Major v. Cronegg , geführt vom Oberlieutenant v. Völderndorff des Generalstabs, marschierte auf
der Straſse bis an die Brunnenkapeile vor , wo Oberlieutenant Mendel mit 56 Mann der 1. Hauptmanns- Compagnie mit dem Befehle stehen geblieben war , beim Angriffe sich sofort auf das vor ihm stehende feindliche Pikett zu stürzen . Die Abteilung setzte
ibren Marsch über Grisidelring , Jimmerau auf den Vier eckenberg fort. Trotz aller Hindernisse wurde der hohe felsige Berg erstiegen . Mit Tagesanbruch entdeckte der Feind diese
Kolonne , die in Schuſsweite von seinem Vorposten immer noch höher stieg und gab sofort Lärmschüsse ab. Daraufhin lieſs Major *) Jede Compagnie des Regiments stellte hierzu 56 Mann. Jahrbüchor für die Deutsche Armeo und Marine,
Bd . LXIX . , 1 .
3
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
34
Cronegg sofort angreifen und der Feind wurde verdrängt; nach dem die Stellung einige Stunden gehalten worden war , zog sich Cronegg wieder zurück .
Oberlieutenant Mendel hatte auf das
Schieſsen bin ebenfalls angegriffen, er stiefs aber unvermutet auf ein Blockhaus , verlor 21 Mann an Tote und Verwundete , sowie 7 Vermiſste; er erhielt selbst einen Schuſs in die rechte Schulter
und muſste sich zurückziehen.
Auch Generalmajor Stengel muſste
am 5. Mai der Übermacht Jellacic's weichen ; er zog sich von
Abtenau durch die Scheffau über die Lämer zurück ; Hauptmann Waydtmann des 8. Regiments, der die Brücke anzünden wollte, wurde hierbei so schwer verwundet , daſs er am folgenden Tag in
Golling starb. Der weitere Verlust bestand in 6 Toten , 73 Ver wundeten, darunter 2 Offiziere, ferner 218 Gefangene und Vermiſste,
darunter 1 Offizier. Die österreichische Besatzung im Passe Lueg besetzte die Tuscherbrücke , nachdem sie von ihr vollständig ab gebrannt worden war.
Generalmajor Raglovich sicherte seine
Stellung durch einen Verhau und lieſs zur besseren Verbindung aller Posten bei Golling eine Brücke über die Salzach schlagen. Am 10. Mai Abends wurde nach Hallein und am 12. nach
Salzburg zurückmarschiert. Ebenso erfolglos blieben die Maſsnahmen zum Entsatz von Kufstein , welches von 4 Compagnien Devaux und einer starken Abteilung des Unterionthaler Landsturmes eingeschlossen war. Generalmajor Vincenti hatte von seinem Divisions-Commandeur, Generallieutenant Deroy den Befehl erhalten, mit 3 Bataillonen (1 Bataillon vom 5. Regiment, 1 Bataillon vom 14. Regiment und
7. leichtes Bataillon, 2 Schwadronen des 4. Chevaulegers-Regiments und 2 Geschützen der Batterie Roys) von Reichenhall über Traunstein, Hohenaschau und Sacharang gegen Kufstein vorzurücken und
diese Veste
zu
entsetzen .
Oberstlieutenant Montélégier,
Adjutant des Marschalls Lefebvre , sollte diese Unternehmung mit
dem 2. Bataillon des 4. Infanterie-Regiments und 1 Schwadron vom 1. Dragoner -Regiment auf der Straſse von Rosenheim über Reden
felden unterstützen. Am 4. Mai geschah der Angriff bei Sacha rang ; allein die vorteilhafte Stellung des überlegenen Feindes, lieſsen diesen Versuch ohne den gewünschten Erfolg. Von der Brigade hatte nur die Infanterie Teil am Gefechte genommen , da
die Geschütze und die Kavallerie wegen des steinigen Bodens nicht recht eingreifen konnten sondern nach Hohenaschau zurück gesendet werden muſsten . *) Mit einem Verlust von 19 Verwundeten , *) Gerneth , Geschichte des 5. Inf.-Regts . , II. Teil , 1 , Hälfte 227.
in salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
35
darunter 2 Offiziere, zog sich Vincenti bis Hainbach von den Insurgenten verfolgt, über Hohenaschau , nach Rosenheim , wohin anch Oberstlieutenant Montélégier zurückkehrte. Generallieutenant
Deroy vereinigte hier den gröſsten Teil seiner Division in der Absicht , die Entsetzung des Kufsteins persönlich durchzuführen. Schon waren alle Vorbereitungen hierzu getroffen, als er den Befehl erhielt , die Bewegung erst am 12. Mai zu beginnen , zu welchem Zeitpunkte dieselbe durch das Vordringen Wrede's über St. Jo hann begünstigt werden würde.
Generallieutenant Wrede war
schon auf dem Wege nach Wels und Linz , und hatte in Ge münden groſse Vorräte an Getreide, Salz 1. u s. w. erbeutet, als er aus dem groſsen Hauptquartier den Befehl empfing , den Marschall Lefebvre gegen das neuerdings empörte Tirol zu unterstützen .
Am 9. Mai traf Wrede in Salzburg ein.
Den Generalmajor,
Graf Preysiug hatte er mit dem 2. (nun 4. ) Chevaulegers -Regiment in Lambach , Gmunden und Schwanenstadt zur Beobachtung Steiermarks zurückgelassen.
Während die 1. Division als Reserve in Salzburg stehen blieb und die 3. Division vorerst
zum
Entsatze des eingeschlossenen
Kufstein schritt, ging die 2. Division von Salzburg aus über Reichenhall und Lofer den geraden Weg auf Innsbruck los. Der Marschall nahm sein Stabsquartier in Reichenhall; Neumarkt, Frankenmarkt und Vöcklabruck wurde von 3 Schwadronen des
1. Chevaulegers - Regiments (nun 3. ) besetzt . Nach Berchtes gaden kamen jene 2 Compagnien des 3. leichten Bataillons unter Major Theobald , welche im April glücklich aus Tirol entkommen waren .
Das 5. leichte Bataillon und das 10. Infanterie- Regiment
von der 3. Division wurde der 1. Division zugeteilt. Um diese Zeit standen der Feldmarschall - Lieutenant Chasteler ,
welcher die Verteidigung Tirols leitete , zur » Verteidigung der Nordgrenze von Tirol an Kräften zu Gebot« : 11 Bataillone ( davon 3 Bataillone auf dem Marsche von Brixen nach Innsbruck ), 2 Com
pagnien , 28/, Schwadronen mit 24 Geschützen regulärer Truppen,
sowie 68 Compagnien Landesverteidiger, zusammen 15,000 bis 18,000 Mann. Davon standen unter Generalmajor Buol 2 '/, Ba taillone, /, Schwadron mit 34 Compagnien Landesverteidigungen an der Nordgrenze vor Reutte bis gegen Achenthal; hier schloſs sich Generalmajor Fenner mit 1 Bataillon, 3/4 Schwadronen und ebenfalls 34 Compagnien Tiroler, welcher die Pässe in der Linie von Achenthal, Thiersee, Ebs , Kössen , Lofer , Luftenstein bis Hochfilzen besetzt hielt.
Die Hauptreserve unter Chasteler,
7
3*
36
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
5 Bataillone, 1 '/, Schwadronen, standen zwischen Innsbruck und
Schwaz. Zur Kräftigung des Aufstandes in Vorarlberg schickte Chasteler eine Abteilung unter Hauptmann Tschifelli (310 Mann Infanterie, 16 Mann Kavallerie und 1 dreipfündige Kanone) dorthin ;
es sollte auch die Verbindung mit der Schweiz unterhalten werden. Eine andere Abteilung unter Rittmeister Esch , 365 Mann Infanterie und ein Zug Kavallerie, ging über Reutte nach Immenstadt und Weil . Ein drittes unter Major Teimer , 6 Compagnien Tiroler Schützen , ging gegen Memmingen und Waldsee vor. Zur Unter stützung der Salzburger marschierte Oberlieutenant Leis mit 120 Mann Infanterie und 2 Pusterthaler Compagnien von Bruneck über die Krimmler Tauern an die Pässe Hirschbühel und Luftenstein , wo Nach der Aufstellungsliste vom 9. Mai war Chasteler's Corps in Tirol stark ; 15,529 Mann Infanterie, 1,032 Mann Kavallerie, 31,015 Mann Landesschützen ,
er das Kommando übernahm .
von denen freilich zwei Drittel auf dem Papier standen . *) Nachdem Generallieutenant Wrede in Salzburg eingetroffen
war , bestimmte Marschall Lefebvre , daſs er mit 12 Bataillonen und 4 Schwadronen äber Lofer vordringen, Deroy mit 6 Bataillonen und 2 Schwadronen auf beiden Innufern gegen Kufstein vorgehen
solle , während 10 Bataillone und der Überrest der Kavallerie, den
Befehlen des Kronprinzen untergeordnet , die Umgegend von Salz burg besetzt hielten.** )
Wrede sollte zunächst Stellung bei
U'n ken nehmen und eine Avantgarde zur Auskundung der feind lichen Stellung vorschieben ; ferner sollte er sich die Überzeugung verschaffen , ob der Strubpaſs, der den Eingang in Tirol auf der Hauptstraſse von Salzburg und Lofer verteidigt, auf nahe Entfernung umgangen werden könne. Alle » Rebellen ,***) die mit der Waffe in der Hand ergriffen würden sollten über die Klinge springen .«
Wenige Tage später erschien ein weiterer Befehl des Marschalls, *) Egger , Geschichte von Tirol, 3 , 581, 582. **) Geschichte der Kriege in Europa, 8, 158. ***) „Seit einem halben Jahrtausend war Tirol österreichisch gewesen. 9
Vor etwas mehr als å rei Jahren hatten Napoleons Siege es zu Bayern ge schlagen. Dennoch sprach der Herzog von Danzig in gleichem Stile von Re bellion , als hätte sich der Unterdonau-, Steyer- oder Isarkreis gegen sein altes
und geliebtes Wittelsbachsches Herrscherhaus aufgelehnt !?
Ja noch sprechen
manche grimmig von einer Tiroler Revolution 4. s. w." Hormayr , Taschen buch, 1833, XVIII.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
37
welcher u . a. sagte: „ Wo an einem Orte oder Landgericht ein Soldat tot gefunden wird , soll das ganze Thal (!) oder das ganze
Gericht (! ) binnen vierundzwanzig Stunden verbrannt, und der Vornehmste davon an dem nächsten Baume aufgehängt werden. « Welche Wirkung solche Befehle auf den schon ohnehin im höchsten Grade erbitterten Soldaten hervorbringen muſste, ist leicht erklärlich.
Nicht wenig hat noch ferner die tückische Art der Kriegführung von seiten der Tiroler, welche jedoch ihren wohlberechtigten Grund im Charakter des Gebirgs- und Volkskrieges findet , beigetragen. Inimerhin aber darf nicht übersehen werden , daſs der bayerische Soldat in dem Tiroler nur den treulosen Unterthan seines geliebten Königs erblickte , der mit Strenge, koste es was es wolle , zum
Gehorsam zurückgeführt werden müsse. Die pöbelhaften Lästerungen, welche von den Tirolern gegen den allgemein verehrten und liebten Monarchen und gegen das bayerische Volk fortwährend aus gestoſsen wurde , waren dem Soldaten ebenso wenig unbekannt
geblieben, wie die niedrige Behandlung, welche die im April über fallenen und in Gefangenschaft geschleppten bayerischen Soldaten erdulden muſsten .
Kein Wunder, wenn der Soldat seinem Rache
gefühl, das namentlich Marschall Lefebvre , statt zu unterdrücken , nur zu steigern suchte, an den folgenden Tagen freien Lauf lieſs. *) Nachdem
der Marschall dem
Generallieutenant Wrede freie
Hand in Betreff der Einzelheiten gelassen, brach dieser am 11. Mai um 2 Uhr Morgens mit der Absicht aus dem Biwak bei Unken auf , den Angriff auf den 3/2 Stunden entfernten und für sehr stark
besetzt angenommenen Strub paſs durch eine Umgehung über das Gebirge zu unternehmen. Major Theobald , der bei Berchtes
gaden stand, hatte Befehl , sich beim Rückzug des Feindes über den Paſs Hirschbühel mit Wrede zu vereinigen. Im Strubpaſs be fand sich eine Compagnie des österreichischen Regiments Devaux **) unter Lieutenant Balthasar (nach anderen Bolthezar ), dem 40 öster reichische Jäger, 1 Zug Chevaulegers, 2 sechspfündige Kanonen nebst 2 Compagnien Tirolerschützen, nämlich die Kitzbühler unter
Joseph Hechenberger und die Jochberger unter Oppacher, im
Ganzen
thasar
365 Mann
stellte
die
zugeteilt
beiden
waren .
Geschütze
zur
Lieutenant
Bestreichung
Bal
der
*) Siehe hierüber das höchst interessante Schreiben Wrede's vom 26. Juni 1809 am Schlusse dieses Abschnittes. Aus demselben geht mit gröſster Klarheit hervor, welchen nachteiligen Einfluſs Lefebvre auf das Moralische der Soldaten ausübte.
**) Nach Stutterheim , 2, 149, 1 Compagnie vom Regiment Hohenlohe.
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
38
Straſse nach Lofer auf, besetzte die Verschanzungen mit der Com pagnie vom Regiment Devaux und verteilte die übrigen Leute zur
Verteidigung der beiden Flanken auf den Hängen vor dem Passe, wodurch Oppacher mit den Jochberger auf die Seite des Strut kopfes, Hechenberger mit den Kitzbühlern und den Feldjägern auf jene des Rauchkopfes zu stehen kam. Die Besatzung hörte am 11. um 5 Uhr die Feldmesse und begab sich dann auf ihre Posten . Auf den Gipfeln der senkrechten Bergwände wurden Stein batterien errichtet. Man hieſs sie > Losoh « . Es waren dies Massen groſser Steine, die durch Querbalken oder Bäume vom Herabrollen aufge halten wurden. Sie waren bei sehr engen Durchgängen auf den
Bergen angelegt, und wurden in dem Augenblicke losgelassen, in welchem die feindliche Kolonne unter ihr vorbeimarschierte .
Auf
das Kommando : »Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit laſs oa« ( laſs ab) wurden diese Steinbatterien von den eigens hierzu bestimmten Männern und Weibern losgelassen, worauf sie mit ungeheurem Lärm in die Tiefe stürzten und alles, was ihnen in den Weg kam , ver nichteten . Recht wirksam wurden sie im August bei Oberau gegen
die Sachsen und zwischen Landeck und Prutz gegen die bayerische Kolonne Bourscheid angewandt. Was die Umgehung des Passes betrifft, so setzte sich Wrede beim Abmarsch von Unken an die Spitze des 2. Bataillons vom
14. Infanterie -Regiment, welches von der 3. Division bei Melleck stehen geblieben war, und bestieg damit, unter Führung eines Jägers aus Reichenhall den Fuſssteig über die Loferer Hochalpe zur Andlgasse , indes das Gros im Thale marschierte. Allein der auf 1
den Bergen und Felsenkuppen noch tief liegende Schnee, und der
gefährliche Steig herab in die linke Flanke des Passes zeigte sich für das ganze Bataillon als nicht ausführbar.
Wrede hatte sich
jedoch hierbei überzeugt, daſs der Paſs nur schwach besetzt und auf der Waidringerstraſse keine Unterstützung im Anzuge sei. Er stieg daher über Feistau in das Thal nach Lofer herab, lieſs nun die Schützen dieses Bataillons unter Oberlieutenant Faber , den zum
Umgehen eingeschlagenen Gebirgspfad verfolgen, und beschloſs nun den Angriff von der schmalen Stirnseite des Thales her zu eröffnen. Wie sehr es dem Generallieutenant Wrede um eine Umgebung des Passes zu thun war, geht noch ferner daraus hervor, daſs er schon am 10. den Obersten v. Dallwigk von Schnaizreudt aus mit dem 13. (nun 11.) Infanterie-Regiment über die Saalach gehen lieſs, um noch an diesem Tage auf dem untersten Absatz des Reuter-Gebirges bis Reut vorzugehen , während das Gros der Division seinen Marsch
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
nach
Unken
fortsetzte.
Beim
weiteren
Vorrücken
39
der Division
sollte Dallwigk die Loferpässe links durch das Kirchthal über das Gebirge umgehen. Dallwigk traten aber solche Hindernisse in den Weg, daſs er das Dorf Reut erst am 11. Morgens 2 Uhr erreichte. Trotzdem sagt die Lebensbeschreibung Speckbacher's, daſs die Um gehung aus Mangel an Landeskunde, guten Karten, wohl auch aus Miſsachtung der Feinde und dem Umstand, daſs die Berge an ihren höchsten Stellen noch mit Schnee bedeckt und die schwindelnden Stiege für Flachländer nicht ersteigbar waren , unterlassen wurde.
Auch gehörte Wrede , so fährt die Lebensbeschreibung fort, vom feurigen Rheinlandsblut durch wallt, zu jenen Kriegsmännern, welche mehr mutig als geduldig, immer eher brechen als biegen. In den Gewittern vieler napoleonischen Schlachten hatte er Schonung von Menschenleben auch lange schon verlernt und dafür militärische Ruhmsucht bis zum höchsten Grade eingesogen . Nicht das All tägliche, sondern das Groſse, das Ungewöhnliche, sollte geschehen. Das ist fades Geschwätz eines Mannes, der vom Kriege nichts ver
steht, denn Wrede schonte das Blut seiner Soldaten so lange es nur immer ging. War der entscheidende Augenblick gekommen, 80 wurde eingesetzt, was zur Erreichung des Zweckes nötig war. Am 11. Mai um 6 Uhr Vormittags hatte die Avantgarde 6. leichtes Bataillon Laroche , 3. Infanterie- Regiment und eine halbe sechspfündige Batterie Caspers – den Markt Lofer erreicht und rückte unter Generalmajor Minucci in Lofer und die enge -
Klamm ein, wobei das an der Spitze marschierende 1. Bataillon
vom 3. Regiment Stutzenfeuer von den nächsten Bergen empfangen hatte und ihm einige Leute getötet wurden . Während das 3. Regiment den Bergabhang zur Linken entlang zog, um sich in der Wildbach schlucht festzusetzen , ging Lieutenant Commender der leichten
Batterie Caspers mit zwei sechspfündigen Kanonen, deren Auf fahren die schmale Thalsohle kaum erlaubte, auf der Straſse vor.
Nach einigen Schüssen lieſs Generalmajor Minucci das 6. leichte Bataillon Laroche und das 2. Bataillon 13. Regiments ( jetzt 11.)
eine Sturmkolonne bilden . Bis jetzt war auf feindlicher Seite aus den Verschanzungen des Passes selbst noch kein Schuſs gefallen, denn
Balthasar und Oppacher geboten , nur auf nahe Entfernung zu feuern . Als jedoch die Sturmkolonne bis auf Büchsenschuſsweite an das Paſsthor herangerückt war, ergofs sich ein Hagel von Kugeln gegen die Anstürmenden , welcher sie zum Umkehren veranlaſste.
Sobald die Straſse wieder frei war, übernahm Lieutenant Com mender das Feuergefecht mit seinen beiden Geschützen , unterdessen
40
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
sich das 2. Bataillon vom 13. Regiment abermals zum Sturm ordnete. Es wurde abgeschlagen, sowie zwei weitere Anläufe, welche, unter stützt vom Artilleriefeuer, durch das 6. leichte Bataillon und das 13. Regiment abwechselnd ausgeführt worden waren. Bei dem
dritten Sturm war eine Abteilung österreichischer Jäger der Sturm kolonne in die Flanke gefallen und die Stein batterie wurde los gelassen, wodurch der Zugang zum Paſs mit Steinen verschüttet wurde.
Lieutenant Commender hatte bis dahin aus seinen beiden
Sechspfündern Kanonen schon 149 Schüsse ohne Erfolg gegen die Felsen veste entsandt, und es waren demselben bereits seine beiden
Geschütz-Kommandanten , 2 Kanoniere und ein Zugpferd verwundet worden .
Nach 10 Uhr Vormittags erteilte Wrede seinem Adjutanten, Artillerie - Lieutenant Guthy , den Befehl, die beiden Sechspfünder durch zwei Zwölfpfünder Kanonen der Batterie Ulmer zu ersetzen . Nachdem diese Zwölfpfünder eingetroffen waren , eröffneten sie ein so schnelles Feuer, daſs die in den Protzkasten befindliche Munition bald verschossen war. Ein Kanonier und ein Stangenreiter wurden
getötet und ein Kanonier verwundet. Während des noch eine halbe Stunde äuſserst hitzig fortgesetzten Geschützfeuers rückte Lieutenant
Guthy nach jedem abgegebenen Schuſs stets um mehrere Schritte mit seinen beiden Zwölfpfünder mittelst des Schlepptaues vor, um, ohne sein Feuer einstellen zu müssen , dem Passe immer näher zu
kommen . Nachdem Guthy bis an den Märzenbierkeller vorgegangen
war, eröffnete er ein so erfolgreiches Feuer, daſs dem Feinde in kurzem 2 Kanouiere getötet, 5 Kanoniere verwundet und 1 Kanone
unbrauchbar wurden . Doch auch einer der beiden Zwölfpfünder hatte in der Stellung am Märzenkeller gelitten : 1 Kanonier und 1 Fuhr soldat (Fahrkanonier) wurden verwundet, 2 Zugpferde getötet, der Wischer und die Ladzeughaken abgeschossen und endlich eine der Lafettenwände zertrümmert. Guthy lieſs die andere Zwölfpfünder Kanone vorfahren, und das unbrauch bare Geschütz zurückbringen,
was im Feuer des Feindes nur mit Mühe gelang.. Kaum hatte jene Kanone einige Schüsse abgegeben, so wurden auch an ihr 2 Kanoniere schwer verwundet, 1 Handpferd getötet und bei dem fortgesetzten Feuer an dem einen Rade zwei Felgen und Speichen, sowie das Ladzeug zusammengeschossen.
Es wurde hierauf von der Batterie
Ulmer eine dritte Zwölfpfünder Kanone herbeigeschafft, an welcher der richtende Kanonier sofort schwer verwundet zu Boden stürzte.
Guthy setzte das Feuer fort und brachte nach einem achtstündigen
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
41
heiſsen Kampfe auch die zweite feindliche Kanone zum Schweigen, indem er die kanoniere an derselben niederschofs. *)
Gegeu 2/2 Uhr Nachmittags erteilte Wrede dem 2. Bataillon des 3. Regiments den Befehl, den Paſs mit stürmender Hand zu nehmen . Der Regiments -Commandeur, Oberst Graf Berchem , der Oberstlieutenant v. Sarny als Bataillons - Commandeur und Major v. Rogeville als zweiter Stabsoffizier setzte sich sofort an die Spitze
des Bataillons. Demselben folgten die Leib- Compagnien des 1. Ba taillons vom 3. Infanterie-Regiment und vom 6. leichten Bataillon Laroche als Unterstützung. Unaufhaltsam stürmte das Tetenbataillon bis an die Pallisaden und die Verhaue vor, überwältigte alle in der Thalschlucht angehäuften Hindernisse und erreichte endlich, an den Felsenhängen hinkletternd, glücklich das versperrte Thor des Eng passes.
Oberst Graf Berchem war der erste, welcher mit dem
Ingenieur-Hauptmann Hazzi in den Verhau eindrag, und unter der Leitung des letzteren diesen , sowie die spanischen Reiter von der Grenadier- Compagnie rasch aufräumen lieſs. Ohue Aufenthalt wurde das Thor durch die Zimmerleute des Bataillons eingeschlagen, und
der Regiments-Adjutant, Lieutenant Weigand , war der erste , welcher durch die rasch gemachte Lücke mit einigen Soldaten schlüpfte und gegen das am Felsen klebende und von Aufständigen besetzte Mauthaus vordrang, und daselbst im Erdgeschoſs 17 be waffnete Tiroler zu Gefangenen machte, wäbrend ein von oben über die Treppe herabstürzender Bauer mit einem Spieſse auf den Lieutenant Weigand eindrang, dessen Stoſs ein Unteroffizier noch glücklich mit dem Gewehr auffing. Das Bataillon stürmte durch das nun völlig gesprengte Thor, rannte Alles vor sich nieder, und eroberte die auf die Höhe links gezogenen 2 Kanonen und eine Fahne. Die übrigen Abteilungen der Sturmkolonne drängten dem Bataillon des
3. . Regiments nach, und Vernichtung war das Los aller sich noch zur Gegenwehr stellenden Aufständigen, da es auch der Umgebungs kolonne des 14. Regiments gelungen war, eben zur rechten Zeit noch im Rücken des Feindes einzutreffen .
Dem Oberlieutenant Faber war es nämlich geglückt, mit den
Schützen des Bataillons vom 14. Regiment nach Überwindung vieler Naturhindernisse die Aufständigen vom Hang des Strubkopfes zu *) Daſs 12 oder gar 18 Geschütze gegen die Befestigungen des Passes feuerten, in welche fehlerhafte Angabe selbst Völderndorff verfiel, war eine reine
Unmöglichkeit, da gar kein Raum zu deren Aufstellung vorhanden war. Der tapfere Guthy , welcher für seine Leistung am Strubpaſs den Max-Josephorden erhielt, blieb am 26. Februar 1814 bei der Erstürmung von Bar- sur-Aube.
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
42
vertreiben , und durch eine auf den Gipfel dieses Berges entsandte Patrouille , die in ihrem Geschäfte an der mörderischen Steinbatterie
überraschten Bauern in die Flucht zu jagen, was den in der Thal schlucht vordringenden Bayern den Sturm erleichterte. Nach dieser gelungenen That hatte sich Oberlieutenant Faber mit seinen Schützen von dem Berge gegen den Felseneingang zu herabgeschlichen und 1 Korporal mit 7 Freiwilligen nach einem, der im Passe zerstreut gelegenen und vom Feinde besetzten Hause, voraus entsandt. Durch dieses unerwartete Erscheinen der Bayern hier im Passe überrascht,
flohen die Aufständigen aus dem Hause, sprangen in den Strubbach, durchwateten denselben bis an die Brust im Wasser und verschwanden
in den jenseitigen Schluchten. Oberlieutenant Faber war mit den übrigen Schützen seiner Spitze rasch gefolgt, stürmend in das er wähnte Haus eingedrungen, und hatte daselbst den verwundeten Lieutenant Balthasar mit 1 Feldwebel und 24 Mann vom Regiment
Devaux gefangen genommen. Die bayerischen Schützen, nun Herren dieses Hauses, verteilten sich an seine Fensteröffnungen, und richteten eben in dem Augenblicke, als das 2. Bataillon vom 3. Regiment zu dem aufgesprengten Paſsthor eindrang, ihr Feuer auf die mit dem Zurückbringen der beiden Kanonen beschäftigten österreichischen Artilleristen, wodurch sie
diese zum Verlassen ihrer Geschütze
zwangen .
Die Compagnie vom Regiment Devaux und die kaiserlichen
Jäger, von den Aufständigen verlassen , muſsten sich ergeben . Oppacher entkam nur mit einem Teil der Jochberger unter groſser Mühe über die steilen Gebirge nach Pillersee , während Hechen berger sich mit dem Reste seiner Schützen kämpfend durch die Wälder über Waidring ebenfalls nach Pillersee flüchtete. Zu seiner Verfolgung wurde eine Abteilung Dragoner nachgeschickt, welche die Aufständigen in Waidring am Posthaus einholten, wo noch ein Dragoner getötet wurde.
Der neunstündige Kampf um den Besitz des Strubpasses kostete den Bayern nur 22 Tote und 44 Verwundete, unter letzteren befanden
sich 3 Offiziere. Das war der unge heure Verlust, den die Bayern erlitten und die Opfer, welche Wrede an den Besitz des Strubpasses, den er unter allen Verhältnissen haben muſste, setzte.
Von den
im Passe befindlichen österreichischen Truppen sollen nur der Lieutenant Balthasar mit 17 Mann, die groſsenteils verwundet waren, übrig geblieben sein ; sie fielen in Gefangenschaft. Die Tiroler hatten 70 Tote und Verwundete auf dem Platze liegen lassen . Die von
Wrede verwandten Truppen betrugen kaum 3000 Mann Infanterie
43
im salzburgischen und an der bayerischen Südrgenze.
mit 5 Geschützen (zuerst 2 Sechspfünder, dann 2 und schlieſslich 1 Zwölf pfünder Kanone), welche, was die Infanterie betrifft, der
1. Brigade angehörten ; die 2. Brigade war nicht zum Schuſs ge kommen .
Wrede hatte mit der ihm eigenen Kühnheit und mit Nachdruck sein Unternehmen eingeleitet und führte es auch also durch. *) Die
Verteidigungslinie des Feindes war durchbrochen, der Weg nach Innsbruck stand offen .
Wrede marschierte noch am
11.
nach
Waidring, von wo aus er noch an demselben Tag seinem König meldete: »Nichts ist vermögend, die Soldaten meiner Division zur möglichsten Schonung gegen die rebellischen Bauern zu bewegen . Ich werde es mir zur Pflicht machen , den wilden Unwillen, den die
Soldaten gegen die Elenden hegen, möglichst zu dämpfen. Heute sind alle bewaffneten Bauern nach dem Befehl Sr. Majestät des
Kaisers und Königs niedergemacht worden. « Die Rachegeister waren wach gerufen worden ; es bedurfte einiger Zeit, um sie wieder zu bändigen. Mit edler Menschlichkeit rügte Wrede in einem Tages befehl aus Elmau vom 12. Oktober die Unthaten seiner Soldaten
gegen Wehrlose, indem er sagte: „ Ihr habt Unbewaffnete gemordet, Häuser und Hütten geplündert und Feuer an Häuser und Dörfer gelegt. Soldaten, ich frage euch, wie tief sind heute und gestern eure Gefühle von Menschlichkeit gesunken ! Blicket zurück auf den Weg von Lofer hierher, auf die Brandstätten, auf die geplünderten Dörfer, auf jene Leichen, die, ohne Waffen in der Hand, gemordet worden sind . Ich fordere euch auf, von heute an wieder das zu sein , was ihr sein sollt, Soldaten und Menschen. « **) Zwei Stunden südöstlich vom Pals Strub standen noch österreichische Verteidiger
im Passe Luftenstein . Vergeblich wurde dieser Posten am 12. und 13. von dem in Lofer stehenden 9. Infanterie- Regiment der 3. Division angegriffen . Als aber Wrede am nächsten Tag soweit vorgedrungen war, daſs die sämtlichen Querstraſsen , welche hinter dem Paſs Luftenstein ausmünden , in seinen Händen sich befanden ,
zogen sich die Verteidiger über Hochfilzen nach St. Johann , von da über Wildschönau nach Gerlos ins Zillerthal und über
das Pfitscherjoch nach Sterzing. Jellacic stand noch immer mit 9000 Mann bei Werfen und Radstadt und sah zu, wie kaum
zwei Märsche von ihm der Paſs Strub genommen, die Tiroler Ver teidigungslinie gesprengt und aufgerollt wurde. Erst nachdem er *) Richter , 184,
**) Der Tagesbefehl befindet sich bei Völderndorff, 2, 141-143.
44
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
den Fall des Passes Strub erfahren, entsandte er den General Ettingshausen mit 3 Bataillonen über Dienten nach Saalfeld. Die Abteilung kam natürlich zu spät, um den Paſs Strub zu retten. Aber sie konnte Wrede bei seinem Vormarsch auf Innsbruck
über Hochfilzen im Rücken beunruhigen , General Ettingshausen begnügte sich jedoch damit, Dienten zu besetzen und die Grenzen Tirols zu beobachten . *)
Roschmann und Wintersteller, welche mit der Hauptnacht der Aufständigen der nördlichen Gegenden Tirols bei Kössen standen, eilten mit den Schützen von St. Johann und Kirchdorf in die
Gegend von Waidring ; ein Teil der Aufständigen blieb zur Beobachtung der Nordgrenze bei Kössen stehen. Generalmajor Fenner begab sich von St. Johann auf die Hauptstraſse nach Ellmau. Wintersteller blieb mit seinen Schützen bei Waidring stehen , während Roschmann in Erpfendorf den Landsturm der
Umgegend sammelte. Man hatte den kühnen und sehr gewagten Entschluſs gefaſst, im offenen Felde sich dem Vordringen Wrede's
entgegenzustellen. Die Aufständigen waren bis 1 Uhr Nachmittags auf 2500, nach anderen auf 4000 Mann angewachsen. Das Vor dringen der Bayern sollte durch Anlage von Verhauen und einen hartnäckigen Widerstand oberhalb Waidring bis zum Eintreffen des Feldmarschall- Lieutenant Chasteler verhindert werden.
Unter dem
Zuzug aus den Thälern des Gerichtes Kitzbühel befanden sich etliche 40 mit Mistgabeln bewaffnete » Weibsbilder« . Wir müssen gleich hier anführen, daſs sich die > Weibsbilder « sehr lebhaft am Kampfe,
mit der Waffe in der Hand , oder bei der Bedienung der Stein batterien beteiligten. Kein Wunder, wenn so manches > Weibsbilds, welches mit der Waffe in der Hand ertappt wurde, über die Klinge springen muſste. Man sah Weiber, welche Heuwagen vor sich her schoben und, wie bei Sterzing am 10. April, die Kanonenkugeln, wie bayerische Dampfnudeln auffingen. In der Gegend von St. Johann hatte sich sogar eine Weiber -Compagnie gebildet, deren Hanptmann eine » Nähterin « ( Näherin ) war. Von besonderen Heldenthaten dieser tiroler Amazonenschar hat man übrigens nichts gehört. **) Die im Jahre 1845 im Neubackhause im Markte Werfen im Pongau verstorbene 79 Jahre alte Anna Feuchtinger war » Kommandant von 60 Weibsbildern « und hielt sich ausweislich eines vom * ) Stutterheim , 2, 174 , 175.
**) Maye, Der Mann von Rinn, 195.
Kapuziner
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
45
Haspinger ihr ausgestellten Zeugoisses »sehr tapfer « . *) So wird von einer Lebzelter Marie erzählt, einem wilden Mann weib, welche fünfzig Schützen zum Gefolge hatte, mehrere bayerische Soldaten tötete und bei keckem
Ausfall aus Schwaz weitere Grausamkeiten
verübte. ** )
Schon vor Tagesanbruch, den 12. Mai um 4 Uhr Vormittags,
brach Wrede mit der Brigade Minucci von Waidring auf. Die leichte sechspfündige Batterie Caspers und einige Kavallerie ging
auf der Straſse, 2 Compagnien des 13. Regiments unter Major Zaiger zur Deckung der Flanke zogen die Berghänge links. Die Batterie Caspers eröffnete ihr Feuer gegen das Mühlthal, während
sie von den Berghöhen herab, besonders durch Kitzbüheler Schützen von dem auf 120 Schritte entfernten Haimingerwald her beschossen wurde. Wrede sandte dem Major Zaiger die übrigen 2 Compagnien des 2. Bataillons vom 13. Regiment als Verstärkung zu, um die
Kitzbüheler aus dieser Stellung durch eine Umgehung zu vertreiben . Allein ein überlegener Haufe Bauern unter Wintersteller verlegte den Weg, es kam zu einem harten Zusammenstoſs, bei welchem Hauptmann Zwanziger und Lieutenant Kneip schwer verwundet wurden. Der rechte Flügel des Feindes drang hierauf auf den Berghängen vor und bedrohte wiederholt die Stellung der Batterie Caspers. Rechtzeitige Unterstützung, welche Generalmajor Minucci auf den bedrohten Punkt schickte, zwang die Tiroler zum Rückzug. Inzwischen war es » der nie genug zu belobenden « Batterie Caspers gelungen, den Aufständigen am Mühlthal und der dortigen Brücke empfindlichen Verlust beizubringen . Dem Führer Hörl von Reith
riſs eine Kanonenkugel den Kopf weg, was auf die Tiroler einen niederschlagenden Eindruck machte. Nach abgegebenen 155 Schüssen und Granatwürfen, während dessen 1 Unteroffizier, 2 Kanoniere
und 3 Zugpferde verwundet worden waren, und die Munition durch Infanteristen aus den weiter rückwärts in Sicherheit gebrachten
Munitionswagen herbeigeschleppt werden muſste, wurde der Feind am Mühlthal vor 9 Uhr Vormittags zum Weichen gebracht. *) Stapp, Die Emmertage, 2. Auflage, 56.
Gegen Ausgang des Aufstandes war folgender Reim im Umlauf: „ Die Bayern und die Bauern Sind alleweil im Stritt,
Die Madels wollen bayerisch sein Die Buben aber nit. "
Stapp ebend. 53.
**) Hausschatz in Wort und Bild. 6. Heft 1871 , 235 und 236.
46
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
Durch die Wirkungen des Geschützfeuers erschüttert, und ohne Aussicht auf Unterstützung, ordnete Wintersteller den Rückzug seiner Schar an , welche Reischer mit der Kirchdorfer Compagnie zu decken hatte . Das verfolgende 3. Chevaulegers-Regiment fügte den feindlichen Nachtruppen namhafte Verluste bei, stieſs jedoch unweit Kirchdorf auf Widerstand und verlor drei Tote ; es fielen ihm aber mehrere österreichische Kavalleristen als Gefangene in die
Hände. Die feindlichen Nachtruppen flüchteten bei Erpfendorf in die Schluchten gegen Gastein. Wrede eilte über Erpfendorf und Kirchdorf nach St. Johann , wo er seiner Division eine zwei stündige Ruhe gönnte. Der Marschall, der im brennenden Kirch dorf bei der Division eintraf, erlieſs einen Aufruf an die Tiroler, worin er sie zur Rückkehr zum Gehorsam aufforderte. Er blieb
erfolglos, wie alle übrigen, denn die Tiroler waren, anfgehetzt von Wien aus, fest entschlossen, die bayerische Regierung nicht mehr anzuerkennen . Schlieſslich muſsten sie sich doch fügen und noch mehrere Jahre das bayerische Joch ertragen . Von St. Johann entsandte Wrede die Schützen des 3. In
fanterie-Regiments in das Achenthal aufwärts nach Oberdorf, um durch Wegnahme der dortigen stark besetzten Brücke bei dem Vormarsche nach Ellmau die linke Flanke der Marschkolonne zu sichern .
Nachdem
die Schützen Verstärkungen erhalten hatten,
wurde nicht nur die Brücke, sondern auch die vom Feinde besetzte Anhöhe am Fuſs der Hornspitze mit stürmender Hand genommen. Die Bauern nahmen Reifsaus und die österreichische Compagnie muſste sich ergeben .. Die Abteilung rückte mit den Gefangenen über Sperten nach Ellmau , wobin inzwischen die Division mar schiert war . Hier endigte der Kampf Vormittags 11 Uhr und die Division bezog Biwak. Die Aufständigen hatten in dem Gefechte bei Waidring , 12. Mai, einen Verlust von beiläufig 100 Mann, darunter 23 Gefangene ; die Bayern zählten 40 Tote und Verwundete » obgleich die Defilées mit einer zahllosen Masse rebellischer Bauern
besetzt waren , die nebst dem Kugelregen, den sie auf uns richteten , ungehenre Steinwürfe bei jedem Schritt auf uns herabschleuderten .
konnte nicht reussieren , so daſs ihre Angriffe in einen Scheinangriff
verwandelt wurden. « Auf der Hauptstraſse rückte die Hauptkolonne vor . Sie bestand aus dem leichten Bataillon Habermann , dem 2. Ba
taillon des 4. Infanterie-Regiments, 2 Compagnien des 5. Infanterie Regiments unter Major Flad , dem 7. leichten Bataillon Günter, 1 Schwadron vom 1. Dragoner- und 1 Schwadron vom 4. Chevau legers- Regiment und der Batterie Roys. Das 1. Bataillon vom 4. Regiment, 2 Schwadronen und die Batterie Gotthard liels Deroy
zur Deckung seines Rückens unter Generalmajor Vincenti nachfolgen . Von Brannenburg , Nieder- und Oberaudorf aus, wurden ver schiedene Abteilungen in die Schluchten und über die Anhöhe detachiert, teils um die rechte Flanke zu sichern , teils um die Feinde
in ihrer linken Flanke zu beunruhigen und dadurch die Hauptattacke zu begünstigen . Auſser einigen Kanonenschüssen, welche man vom rechten Innufer unterwegs erhielt und erwidert wurden, verlief der Marsch bis Oberandorf ganz ruhig. Am Kieferbach , über welchen die Brücke abgebrochen war, stiefs man auf die Aufständigen, welche aber nach einem kurzen Schützen- und Artilleriefeuer aus ihrem
Verhau vertrieben wurden . Nachdem die Brücke brauchbar gemacht worden war, wurden die Aufständigen von Anhöhe zu Anhöhe gejagt, und der Weg bis Kufstein frei gemacht. Da aber von der Brücke ein Joch von 54 Fuſs Breite abgetragen war, so wurde die Division auf der linken Seite unter den Kanonen der Veste
aufgestellt.
Das an der Spitze marschierende 1. leichte Bataillon
Habermann hatte sich ganz besonders hervorgethan. Von der dritten Kolonne, nämlich 1 Bataillon des 14. Infanterie -Regiments unter Oberst v. Schloſsberg , hatten 2 Compagnien unter Major v. Pil lemont den mit Artillerie besetzten Kaiserturm , welcher zu zer
stören vergessen worden war, angegriffen und sowohl Österreicher als Aufständige aus demselben vertrieben ; doch konnte diese Kolonne
auf dem rechten Innufer wegen der vielen, in dem Gebirge ver steckten Aufständigen nicht weiter vorrücken, so daſs auf dieser Seite die Kolonne nicht viel über den Kaiserturm vorgerückt ist. Deroy liefs Kufstein verproviantieren und die Stadt besetzen. *) Unterdessen *) Anmerkung siehe nächste Seite.
Der Feldzug von 1809 in Tirol a. s. w.
48
war auch bei dem Einschlieſsungs -Corps die Nachricht von dem Falle des Passes Strub nnd dem Vorrücken der Division Wrede
gegen Wörgl eingetroffen, was dem österreichischen Kommandanten, Oberstlieutenant Reissenfels , um seinen Rücken groſse Besorguis
einflöſste. Er zog eiligst mit den österreichischen Truppen von Kufstein nach Innsbruck ab, wohin um 1 Uhr nach Mitternacht
Speckbacher mit den Aufständigen folgte.
Generallieutenant
Deroy lieſs seine Truppen ein Biwak zwischen Kufstein und Zell
beziehen, wo sich die Seitenkolonnen unter Oberst Metzen und Major Pillement mit ihm vereinigten. Das Vorrücken des letzteren war durch einen Ausfall aus der Veste in der Richtung von Niedern dorf erleichtert worden ; es kostete der Besatzung 2 Tote uud 4 Verwundete.
( Fortsetzung folgt.)
*) Am 21. Mai zählte die Besatzung der Veste Kufstein : Personal der Veste aufser dem Kommandanten 112 Mann, vom leichten Bataillon Wrede Habermann
129
93
99
19
*
Laroche
Butler Artillerie
.
.
•
127 69 154 97
III.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.. Von
H. Kunz , Major a. D.
Einleitung und Schlacht an der Alma
am 20. September 1854. Im Juli 1853 überschritten 70,000 Mann Russen den Pruth und besetzten die Donaufürstentümer, das heutige Rumänien , als
Unterpfand dafür, daſs die Regierung der Türkei diejenigen Garantien geben würde, welche Russland verlangte. Die Türkei , im Vertrauen auf England und Frankreich , wohl
auch auf Österreich, war aber zum Kriege entschlossen , und gab um so weniger nach, als die vereinigte englisch -französische Flotte bereits am 14. Juni 1853, fast drei Wochen vor dem
Pruthüber
gange der Russen , in die Besika-Bai eingelaufen war und hier am südlichen Ausgange der Dardanellen bereit stand, Konstantinopel zu schützen.
Zwar wurde am 24. Juli 1853 die Wiener Konferenz eröffnet,
um die Streitfragen zu lösen , welche zwischen der Türkei und
Russland schwebten ; allein der Standpunkt der beiden Gegner war
ein so verschiedener, daſs nur die Entscheidung durch die Waffen übrig blieb.
Am 8. Oktober beschloſs der türkische Divan die Kriegs erklärung an Russland. Der Krieg begann zuerst in Asien mit einem Überfalle der Türken auf einen schwachen russischen Posten . Die Russen hatten,
obschon auch bei ihnen die Absicht eines Krieges gegen die Türkei schon seit langer Zeit bestand , doch nur sehr mangelhafte Vor bereitungen für denselben getroffen. Es standen daher in Kleinasien den 90,000 Mann Türken, welche hier aufgeboten worden waren , nur 30,000 Mann Russen gegenüber. Jahrbücher für die Deutscbo Armee und Marine,
Bd. LXIX , 1
4
50
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges. Unter
diesen
Umständen
muſsten
die Russen sich
auf die
Verteidigung beschränken , erfochten aber dennoch bei Achalzich und auf den Höhen von Basch-Kadyklar glänzende Siege , so daſs es den Türken nicht gelang, in das russische Gebiet einzudringen. Auch an der Donau begannen im November 1853 die Feind seligkeiten. Am 1. November setzten sich die Türken bei Oltenitza, sieben Meilen von Bukarest, am linken Donauufer fest. Am 4. November griffen etwa 6000 Mann Russen hier die Türken an , waren aber viel zu schwach , um einen durchgreifenden Erfolg erringen zu können und muſsten mit einem Verluste von mehr als 1000 Mann wieder zurückgehen. Omer Pascha, der Befehlshaber der Türken , wurde nun von der gesamten russenfeindlichen Presse Europas als Feldherr ersten Ranges ansposaunt, obschon er in keiner Weise auch nur den 1
bescheidensten an einen Feldherrn zu stellenden Anforderungen genügte und sogar einige Tage später ohne jede Veranlassung wieder freiwillig auf das rechte Donauufer zurückging.
Am 30. November 1853 griff der russische Vice - Admiral Nachimoff mit 6 Linienschiffen , 2 Fregatten und 3 Dampfern die türkische Flotte im Hafen von Sinope an .
Dieselbe bestand aus
7 Fregatten , 3 Korvetten und 2 Dampfern. Ein türkischer Dampfer wurde noch vor dem Beginne der Seeschlacht nach Konstantinopel geschickt und entging dadurch der Vernichtung. Die Russen zählten 372 , die Türken 225 Geschütze an jeder Langbordseite.
Das Ende des Kampfes war, daſs die türkische Flotte gänzlich zerstört wurde .
In Folge dieses glänzenden Sieges der Russen zur See liefen am 3. Januar 1854 die Flotten Englands und Frankreichs in das schwarze Meer ein und verboten der russischen Flotte , den Hafen von Sebastopol zu verlassen.
Jetzt war der Krieg mit England und Frankreich
unver
meidlich . Inzwischen
hatten die Türken
bei Widdin
schritten und sich in Kalafat auf dem
die Donan über
linken Ufer dieses Stromes
festgesetzt. Von hier aus griffen am 6. Januar 1854 18,000 Mann -
.
Türken eine russische Truppen - Abteilung von 2500 Mann an .
Dieselbe wurde in dem sehr ungleichen , aber vier Stunden lang mit groſser Tapferkeit durchgeführten Kampfe, geschlagen. Es kamen dann russische Verstärkungen an , etwa 3400 Maun, wurden aber
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
51
gleichfalls von der türkischen Übermacht geworfen . befürchteten die Türken
Indessen
die Ankunft weiterer , russischer Ver
stärkungen und gingen mit einem Verluste von 3000 Mann und 2 Geschützen zurück. Der Verlust der Russen betrug 2000 Mann . In Kleinasien hatten die Russen sich bis auf 54,800 Mann
verstärkt, denen jedoch 100,000 Türken gegenüber standen . Es konnte unter diesen ungünstigen Umständen abermals nicht angriffs weise vorgegangen werden . Indessen erlitten auch im Jahre 1854 die Türken in Kleinasien
fortgesetzt Niederlagen, so bei Tschelok am 16. Juni, auf den Höhen von Tschingilsk am 29. Juli und am 5. August bei Kjuruk- Dar.
Im März 1854 lieſsen England und Frankreich an Russland die Aufforderung ergehen, bis zum 15. April die Donaufürstentümer zu räumen. Auf diese Forderung erfolgte Seitens Russlands keine Antwort , worauf dann England und Frankreich am 27. März Russland den Krieg erklärten. Die Franzosen landeten
nun
gegen
Ende des Monats Mai
42,500 Mann in Gallipoli , während England 27,000 Mann nach 1
der Türkei sandte.
Die erste offene Feindseligkeit der Westmächte war die Be schieſsung von Odessa am 22. April 1854 . Im Anfange des Juli 1854 wurde das Kloster Ssolowetsk auf
der Ssolowetskij Insel im weiſsen Meere am Ausgange der Onega Bai vergeblich von den Engländern angegriffen ; ebenso erfolglos verliefen zwei englische Angriffe auf das Peter -Pauls Fort in Kamtschatka, wobei die Engländer mit bedeutendem Verluste zurück geschlagen wurden .
Nur auf den Aalandsinseln gelang es den
Verbündeten , welche über 15,000 Mann Landungstruppen unter
Baraguey- D'Hilliers verfügten , sich der Festung Bomarsund zu bemächtigen. Etwas mehr als 2000 Mann Russen gerieten hierbei in Kriegsgefangenschaft. An der Donau erzwang Fürst Gortschakoff Ende März 1854
den Übergang bei Braila , Galatz und Tultscha . Bald darauf traf Fürst Paskiewitsch ein und übernahm den Oberbefehl .
Ende April begann er die Belagerung von Silistria. Der Angriff richtete sich gegen das Werk Arab - Tabia und schritt rüstig vor wärts. Die feindselige Haltung jedoch , welche Österreich damals annahım, zwang die Russen zur Aufhebung der Belagerung.
Über diese Belagerung sind von der russenfeindlichen Presse Europas die abenteuerlichsten Behauptungen aufgestellt worden. Man fabelte von einem abgeschlagenen Sturme auf Silistria, obschon 4*
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
52
die Russen gar keinen Sturm
unternommen hatten .
Das Wahre
an diesen Gerüchten ist folgendes: In der Nacht zum 29. Mai überfielen die Türken die Schanze,
welche den linken Flügel der russischen Laufgräben sichern sollte. Dieser Angriff wurde abgewiesen ; es lieſsen sich jedoch 2 russische Bataillone dazu hinreiſsen , den Türken zu folgen und in Arab Tabia einzudringen . Dieser Angriff war gegen den Willen der
höheren Führung unternommen worden und wurde daher nicht unterstützt, um so weniger, als in der dunkeln Nacht dem russischen
Oberkommando die Einnahme des türkischen Werkes gar nicht Es wurde daher zum Rückzuge geblasen,
gemeldet worden war.
um der weiteren Verfolgung der abgeschlagenen Türken Einbalt zu thun. Auf diesem Rückzuge erlitten die Truppen , von den nun ihrerseits scharf verfolgenden Türken hart bedrängt, schwere Ver luste, welche sich auf mehr als 700 Mann beliefen. Der Gesamtverlust der Russen während der Belagerung von Silistria betrug 2500 Mann. Ende Juni hoben die Russen die Belagerung Silistrias auf, im
September räumten sie die Donaufürstentümer, welche nun von den Österreichern besetzt wurden .
Im Juli rückten die Franzosen mit 3 Divisionen in die Dob
rudscha ein.
Dieses erste groſse Unternehmen der Verbündeten
endete jedoch kläglich. Zwar stieſs man nur auf einige Trupps Kosaken , dafür aber trat die Cholera auf und wütete furchtbar
unter den Truppen. Auch die Flotte wurde von der Krankheit erreicht und erlitt groſse Verluste. Die Verbündeten gaben selbst ihre Verluste durch die Cholera im Anfange des Septembers 1854 auf 7000 Tote und 12,000 bis 15,000 Kranke an .
Im August 1854 waren die Heere Russlands folgendermaſsen verteilt :
Im Gouvernement Petersburg in Finnland . .
.
in Esthland .
.
in Lievland und Kurland
137,500 Mann, 29,100
.
23,500 17,000
zusammen in den Ostseeprovinzen : 207,100 Mann. 141,000 Maun, Im Königreich Polen an der Donau, in Bessarabien, Kiew, Podolien u . Wolhynien a. d . Nordküste d. schwarzen Meeres
181,800
32,100
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges . In der Krim
.
53
39,000 Mann,
am Asowschen Meere, am Don und
d} 46,000 54,800
in Tschernomorien .
an der kaukasisch-türkischen Grenze
>>
Die gesamten verwendbaren Streitkräfte Russlands beliefen sich mithin auf 701,800 Mann. Im Innern des Reiches beziehungsweise in Asien befanden sich dann noch 476,000 Mann Besatzungs-, Lokal- und Ersatztruppen
und 80,000 Mann Bemannung der Flotte, welche 512 Kriegsschiffe mit 7105 Geschützen zählte.
Die gesamte Heereskraft des Riesenreiches erreichte mithin die ungeheure Summe von 1,257,800 Mann und dennoch war es den Russen unmöglich , auch nur an einem Punkte ein Heer von 200,000 Mann zu versammelo .
Diese Zahlen sind sehr lehrreich, auch für heutige Verhältnisse ; sie geben ein Bild von dem, was Russland wirklich leisten kann .
Nach dem verunglückten Eindringen in die Dobrudscha muſsten
die Verbündeten endlich etwas ernstes unternehmen, wenn sie Russ land zur Nachgiebigkeit zwingen wollten . Es wurde also eine groſsartige Landung in der Krim beschlossen, man wollte gegen Sebastopol vorgehen, seine Hafeneinrichtungen und Befestigungs werke, sowie die dort ankernde russische Flotte zerstören.
Der Brand von Varna am 10. August vernichtete aber fast alle dort aufgehäuften Vorräte der Verbündeten . Es gelang den Franzosen nur ihre Vorräte an Branntwein und Rum zu retten,
alles andere ging zu Grunde. Fast wären auch die groſsen Massen von Pulver in die Luft geflogen , welche in Varna untergebracht waren ,
Nur mit äuſserster Mühe vermochte man dies Unglück zu
verhüten .
Natürlich
muſste erst alles ersetzt werden , was vernichtet
worden war , doch hielt man an dem einmal gefaſsten Plane fest und häufte riesenhafte Mittel zur Ausführung desselben an . Die Franzosen verwendeten zur Überführung ihrer Landungs truppen 55 Kriegsschiffe und 117 Kauffahrer, die Engländer 25 Kriegs schiffe und 150 Kauffahrer, die Türken 9 Kriegsschiffe. Die gesamte Flotte bestand also aus 89 Kriegsschiffen und 267 Kauffahrern. Das Landungsheer bestand aus: 27,600 Streitbaren der Franzosen mit 68 Feldgeschützen, 26,800 6-7000
>>
» Engländer >
Türken
zusammen also aus rund 61,000 Streitbaren .
54 ?
>>
54
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
Am 7. September 1854 lief die verbündete Flotte von Varna beziehungsweise von Baltschik aus und erschien am 13. September vor Eupatoria, hatte also 6 Tage gebraucht, um die 65 Meilen zurückzulegen, welche Eupatoria von Varna trennen . Noch am 13. September wurde Eupatoria von den Verbündeten besetzt, am 14. begann die Landung der Truppen, welche bis zum 18. dauerte .
In Eupatoria und dem Old-Fort blieben Besatzungen zurück, so daſs die Stärke der Verbündeten, welche am 19. September den
Vormarsch auf Sebastopol antraten , noch etwa 57,000 Streitbare mit rund 120 Feldgeschützen betragen haben mag. Diesen Streitkräften vermochten die Russen nur erheblich geringere entgegen zu setzen. In der Krim befanden sich 51,500 Mann , zu welchen allerdings
noch 18,500 Mann Bemannung der Flotte hinzu kamen . Allein diese Truppen waren auf weitem Raume verteilt. Am 13. September erfuhr man in Sebastopol, daſs eine sehr
groſse feindliche Flotte an der Westküste der Krim vor Anker gebe und zwar, wie bereits erwähnt, bei Eupatoria. Fürst Menschikoff, der russische Oberbefehlshaber in der Krim ,
traf nun sofort die nötigen Anordnungen zur Verteidigung Sebastopols und vereinigte demnächst alle im freien Felde . noch verfügbaren
Kräfte an der Alma, einem kleinen Flüſschen, welches etwa 3 /, Meile nördlich von Sebastopol in das schwarze Meer mündet. Die gesamten an der Alma vereinigten Streitkräfte der Russen bestanden aus : 42/2 Bataillonen , 16 Schwadronen , 11 Sotnien Kosaken,
96 Feldgeschützen. Im Ganzen 33,600 Mann, davon 3600 Reiter.
Die Infanterie führte glatte Gewehre, nur 24 Mann jedes Bataillons führten gezogene Gewehre. Die vom Fürsten Menschikoff zum Kampfe ausersehene Stellung an der Alma, lag auf dem linken Ufer dieses von Osten nach Westen flieſsenden Flüſschens , welches sich , fast in senkrechter
Richtung zur Küste, ins schwarze Meer ergieſst. Beim Dorfe Burljuk, ungefähr 4 Werst ( ein Werst = 1067 Meter, eine deutsche -
Meile = 6,956 Werst) von der Mündung macht die Alma eine sehr schwache Krümmung und bildet gegen Süden einen stumpfen ausspringenden Winkel . Das rechte Ufer der Alma bietet, auf einer Strecke von 6 Werst,
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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nach Norden zu , ein ziemlich ebenes , offenes und leicht hügeliges Gelände dar. An diesem Ufer lagen drei Dörfer : Almatamak ,
1 '/. Werst, Burljuk, 4 Werst, und Tarchanlar, ungefähr 7 Werst von der Mündung der Alma entferut. Auſser diesen Dörfern waren am rechten Ufer noch viele einzeln gelegene Tatarenhäuser zerstreut,
von Gärten, Weinpflanzungen und kleinen Wäldchen umgeben, die sich, längs der ganzen Ausdehnung des Flusses, zwischen dem Meere und dem Dorfe Tarchanlar hinzogen .
Dicht bewachsene und mit Stein - Umzäumungen eingefaſste Gärten bedeckten das rechte Ufer bis zum Rande des Wassers ; während sich auf dem linken Ufer nur an einer Stelle , und zwar
in der Nähe des Dorfes Burljuk , Weingärten befanden . Das linke Ufer der Alma ist, im Gegensatze zum rechten , sehr erhöht. Zum Meere hin in eine, als steiler, fast unzugänglicher Fels hervorragende Landzunge auslaufend, bietet das linke Ufer auf
einer Strecke von etwa 4 Werst von der Mündung, fast bis an das Dorf Burljuk , eine Reihe von steilen Berghöhen dar , die eine Erhebung von gegen 100 Fuſs über dem Meeresspiegel haben . Diese, nicht nur für Artillerie , sondern auch sogar für Infanterie schwer zugänglichen Höhen , fallen unterhalb des Dorfes Almataniak jäh zum Fluſsbette ab .
Von hier ziehen sich die, über dem Flusse
selbst , schroff hervorragenden Felsabhänge bis zur Mündung der Alma hin, so daſs an manchen Stellen der obere Rand dieser Vor sprünge nur auf Gewehrschuſsweite vom rechten Ufer entfernt ist. Beim Dorfe Almatamak, stromaufwärts, lenkt der Höhenkamm vom Fluſsbette ab ; auf der Strecke zwischen den Dörfern Almatamak
und Burljuk entfernt er sich auf 300 bis 900 Schritte vom Flusse; gegenüber dem letztgenannten Dorfe beträgt diese Entfernung schon eine Werst und darüber.
Oberhalb dieses Dorfes macht der Höhenkamm einen Bogen
und nähert sich abermals, jedoch weniger steil und mehrere Ab stufungen bildend, dem Ufer. Die Front der Stellung wird, gegen über Burljuk, von einer zum Flusse hinablaufenden Schlucht durch
schnitten, deren Wände zwar abschüssig, aber doch leichter zu gänglich sind ; für die Infanterie sind sie überall , an manchen Stellen auch sogar für Artillerie ersteigbar. Von der Mündung der Alma an , und fast bis zum Kap Lukull, 7
ist die Meeresküste hoch und steil und daher wenig zu einer
Landung geeignet , und vom Meere aus auch schwer zu ersteigen. Auf dieser Strecke befindet sich die Mündung der Lukull- Schlucht, die beim Dorfe Akles ziemlich sanft zum Meere herabsteigt.
Diese
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
56
Mündung der Schlucht war der einzige Punkt der russischen Stellung, der dem Feinde einige Möglichkeit darbot , im Rücken des linken Flügels der Russen eine Landung zu bewerkstelligen , und das auch nur mit einer geringen Truppenzahl. Zwei Werst südlich von der Alma erhebt sich, längs des oberen
Randes der Lukull- Schlucht, stufenförmig eine weite Hügelreihe; rechts von der bei Burljuk mündenden Schlucht befindet sich, gegenüber dem Dorfe Tarchanlar , ein hoher Berg , der anfangs in 7
ziemlich steilen, später aber in sehr sanften Abhängen, abfällt, dieser
Berg beherrscht fast die ganze Umgegend. Rechts von ihm liegt ein anderer, minder hoher Berg, und zwischen beiden , ganz in der Nähe des Flusses, erhebt sich ein vereinzelter, ziemlich hoher Hügel ; an demselben lief die , vom Wirtshause des Dorfes Tarchanlar , zur Katscha, nach dem Süden führende Straſse vorbei. Die ganze Gegend zwischen der Alma und der Katscha bietet
eine nackte, etwas hügelige Steppe dar, die nach allen Richtungen hin von Truppen bequem durchschritten werden kann .
Der bequemste und hauptsächlichste Übergang über die Alma befand sich etwas oberhalb des Dorfes Burljuk ; hier war auf der
groſsen Straſse von Eupatoria nach Sebastopol, eine hölzerne Brücke
erbaut, die einzige auf der ganzen Ausdehnung der von den russischen Truppen eingenommenen Stellung. Nachdem die Straſse durch die , die russische Stellung durch
schneidende Schlucht , zur Hochfläche des Berges hinangeführt, teilte sie sich in zwei Wege , von denen der eine nach Sebastopol, Eine zweite Straſse ging vom Dorfe Almatamak und teilte sich ebenfalls in zwei Arme : der eine führte nach Hadschibulat, der andere nach Ortakessek . Kurz vor der Mündung der Alma befand sich eine, von einer
der andere nach Bachtschisarai fübrte .
sehr schmalen Sandbank gebildete Furt ; diese Sandbank war durch die Strömung des Flusses einerseits , und den Wellevschlag des >
Meeres andererseits, entstanden . Von
allen
erwähnten
Straſsen
führende die beschwerlichste.
war
die
durch
Almatamak
Dessen ungeachtet wurde dieselbe
beständig von den Tataren befahren , die auf ihren hohen zwei
rädrigen Karren verschiedene landwirtschaftliche Erzeugnisse nach Sebastopol brachten. Auſser den benannten Wegen führten auch einige steile Fuſspfade zum Flusse hinab. Einer derselben zog sich , bei der Mündung der Alma selbst , auf dem Grunde einer engen und steilen Schlucht bin, welche zwar mit groſser Unbequemlichkeit, aber immer doch zu ersteigen war.
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Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges. 29
Dodoxe boson
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges .
58
In Folge des niedrigen Wasserstandes der Alma während der ersten Tage des September , konnte man den Fluſs fast in seiner
ganzen Ausdehnung bequem überschreiten . Aus dieser Beschreibung der Alma-Stellung ist ersichtlich, daſs dieselbe, indem sie den Verbündeten den Weg nach Sebastopol ver sperrte und die umliegende Gegend beherrschte , zugleich für die Verteidigung selbst, groſse Vorteile darbot. Die Zahl der zu ihr führenden Zugänge war sehr beschränkt,
auch waren dieselben stellenweise nur mit groſsen Schwierigkeiten zu ersteigen. Für den Fall eines Rückzuges batten die russischen Truppen Berghöhen hinter sich , welche die erste Stellung be herrschten und folglich den Russen die Gelegenheit boten , den Doch hatte die Alma
Feind im weiteren Vorrücken aufzuhalten .
Einer derselben bestand
Stellung auch ihre wesentlichen Nachteile.
darin , daſs sie zu sehr ausgedehnt war , indem ihre Front sich fast
auf 8 Werst hin erstreckte. Der zweite Übelstand lag darin , daſs die linke Flanke sich nicht an die Meeresküste stützen konnte , da
die Truppen sonst dem Feuer der feindlichen Flotte ausgesetzt gewesen wären .
Letzterer Umstand sowohl, als auch die beschwerliche Ersteigung des linken Alma- Ufers bei der Mündung des Flusses, waren die
Veranlassung, daſs die Stellung nur auf einer gewissen Strecke, oberhalb und unterhalb von Burljuk, mit Truppen besetzt wurde, wobei der linke Flügel derselben kaum
bis an die Straſse nach
Almatamak reichte.
Der linke Flügel bestand aus 4 Reserve - Bataillonen , den Regimentern Tarutino , Moskau und einem Bataillon Minsk , nebst 10 leichten Geschützen ; zusammen 13 Bataillonen , 10 Geschützen .
Das 2. Bataillon Minsk stand ganz allein beim Dorfe Akles, etwa eine Werst von der Küste, hierauf kam ein unbesetzter Raum
von 2 Werst und dann begann erst die eigentliche Stellung des linken russischen Flügels. Die Mitte der Stellung vorwärts des Telegraphen und dem Dorfe Burljuk gegenüber nahm das Regiment Borodino ein , nebst 24 leichten Geschützen .
Auf dem rechten Flügel standen in erster Linie, rechts der Straſse nach Eupatoria, die Regimenter Michael Nikolajewitsch und Susdal, dahinter die Regimenter Wladimir und Uglitsch . Der rechte Flügel verfügte über 20 schwere und 24 leichte Geschütze, er bestand mithin aus 16 Bataillonen uud 44 Geschützen .
Die Hauptreserve war gebildet aus dem Regiment Wolhynien, 3 Bataillonen Minsk, 16 Schwadronen Husaren und 18 Geschützen
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
59
7 Bataillonen , 16 Schwadronen , 18 Geschützen . 11 Sotnieen Kosaken befanden sich auf dem rechten Ufer der Alma zur Be
obachtung des Feindes. 2 '/2 Bataillone (Schützen , Marine und Sapeurs) hatten als Schützen auf dem rechten Almaufer die Dörfer Burljuk und Alma
tamak besetzt, sowie die Weingärten und Gemüsefelder bis Tarchanlar. Rechter Flügel
16
Mitte
Schwadr .,
Bat ..
Sot., 44 Gesch .
4
Linker Flügel
13 7
Reserve
Vorgeschoben
24 >>
18
16
2 '/
Zusammen
10
>>
11
42 '/, Bat., 16 Schwadr., 11 Sot., 96 Gesch .
Das russische Bataillon ist im Durchschnitt mit 700 Mann zu berechnen .
Das französische Bataillon zählte im Durchschnitt 600 Mann, das englische 750 Mann .
Die Verbündeten verfügten über folgende Truppen : Franzosen :
Division Canrobert Bosquet >>
>>
11 Bataillone 11
Napoléon
9
Forey
9
>>
zusammen
40 Bataillone,
140 chasseurs d'Afrique , 1 Zug Spahis,
68 Feldgeschütze. Von der Infanterie waren 13 Bataillone mit gezogenen Gewehren
bewaffnet, die übrigen mit glatten . Engländer : Division Brown >>
8 Bataillone
Cambridge 6 Lacy -Evans 6 6 England Cathcart
zusammen
32 Bataillone,
6
10 Schwadronen unter Cardigan , 54 Feldgeschütze.
Es scheint, als ob die ganze englische Infanterie ein gezogenes Gewehr geführt habe.
Über die Zusammensetzung der türkischen Division fehlen genauere Angaben , ebenso läſst sich nicht mit Sicherheit sagen , welche Truppenteile in Eupatoria beziehungsweise im Old - Fort zurückgelassen worden waren .
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
60
Am 19. September lagerten die Verbündeten am Flüſschen Bulganak und zwar am südlichen Ufer desselben, kaum 7 Kilometer von der Alma entfernt. Die Franzosen auf dem rechten Flügel am Meere , die Engländer links von ihnen , die Türken hinter dem
rechten Flügel der Franzosen . Die Truppen hatten einen kleinen Marsch gemacht , von nur 16 Kilometern , sie waren bereits um Mittag am Bulganak an gekommen. Beide Heere sahen sich und hatten vollauf Zeit, sich auf die
Schlacht des nächsten Tages vorzubereiten .
Die Franzosen sollten am 20. September die linke Flanke, die Engländer die rechte Flanke der Russen umgehen. Die Division Bosquet sollte um 5 '/2 Uhr früh aufbrechen, sie hatte den äuſsersten rechten Flügel ; um dieselbe Zeit sollten auch die Engländer sich in
Marsch setzen, während der Rest des französischen Heeres erst um 7 Uhr früh antreten sollte , um dann die Mitte des russischen Heeres anzugreifen.
Die Franzosen begannen am Morgen des 20. September ihre Bewegungen zur befohlenen Zeit , wobei ihnen ein ziemlich dichter Nebel zu Statten kam .
Die Engländer waren jedoch noch nicht
fertig, und es trat in Folge dessen eine groſse Verzögerung ein, auch die Franzosen muſsten warten .
Man sieht hier im Kleinen , wie die Verhältnisse bei einem aus
mehreren verbündeten Truppen-Corps bestehenden Heere sich wesent lich ungünstiger gestalten , als bei einem einheitlich geleiteten Heere. Erst um 11/2 Uhr rückte das ganze verbündete Heer zum Angriffe vor. Die Flotten der Verbündeten waren schon am
Morgen des
20. Septenibers , in der Nähe der Mündung der Alma vor Anker gegangen, um durch Artilleriefeuer den linken Flügel der Russen zu beunruhigen und die Unternehmung der Division Bosquet gegen denselben zu erleichtern.
Endlich um 12 '/2 Uhr Mittags erschien diese Division am Ufer der Alma, während sie dem ursprünglichen Befehle gemäſs schon um 7/2 Uhr früh hier hätte eintreffen müssen. Die Langsamkeit
der Engländer hatte also eine Verzögerung von 5 Stunden zur Folge. Es war inzwischen der verbündeten Flotte gelungen , durch das
ihren mächtigen Marinegeschützen, die Be obachtungsposten der Russen von dem Rande der Uferhöhen zurück Artilleriefeuer
aus
zutreiben , so daſs die Franzosen hier nur das Gelände zu über winden hatten, nicht aber einen Gegner.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges .
61
Das Überschreiten der Alma gelang ohne Schwierigkeiten, dank der Furt von Almatamak und einer Sandbank , welche von einer
Schaluppe des Dampfers Roland an der Mündung der Alma entdeckt worden war , und welche bereits oben erwähnt ist. Der niedrige Wasserstand des Flüſschens erleichterte ohnehin schon das Über schreiten desselben auſserordentlich .
Desto mehr Schwierigkeiten bot aber das Erklimmen des Abhanges am
südlichen Ufer der Alma.
Das Zuaven -Bataillon, welches die Avantgarde der Division Bosquet bildete , kletterte jedoch mit groſser Behendigkeit herauf; allein die Artillerie sah sich hier vor einer fast unmöglichen Auf gabe. Es waren furchtbare Anstrengungen nötig, um die Geschütze
auf die Hochfläche zu bringen, je 20 Mann stemmten sich mit den Schultern gegen die Protzenwände , die Räder, die Lafettenwände, während gleichzeitig die Pferde mit äuſserster Kraft anzogen . Der gute Wille und die Kampfesfreudigkeit siegten hier glänzend über die Ungunst des Geländes. Die französische Artillerie kam glücklich auf den Berg hinauf. Das zweite Bataillon Minsk sah die Frauzosen zu seinem höchsten
Erstaunen plötzlich auf dem Höhenrücken erscheinen und kam in eine sehr schwierige Lage, aus welcher es sich nur durch schleunigen Rückzug retten konnte.
Die übrigen Truppen des linken russischen Flügels waren durch das Artilleriefeuer der feindlichen Kriegsschiffe gleichfalls zum Zurückgehen veranlaſst worden und zwar führten sie diesen Rückzug mehr nach der russischen Mitte hin aus. Als Fürst Menschikoff die Franzosen in seiner linken Flanke
sah, sandte er das Regiment Moskau, von den Truppen des linken , russischen Flügelsund 2 leichte Batterien ((20 Geschütze), ) der Hauptreserve , nach seinem linken Flügel. Die beiden leichten
Batterien trafen jedoch nicht gleichzeitig an ihrem Bestimmungsorte ein , es hatte daher die zuerst angekommene Batterie gegenüber den 12 Geschützen der Division Bosquet, welche auch im Kaliber den
russischen Geschützen überlegen waren und namentlich gegenüber dem Gewelrfeuer der Zuaven einen schweren Stand.
Sie verlor in
ganz kurzer Zeit von 100 Bedienungsmannschaften 48 .
Das Regiment Moskau ging, sobald es angekommen war, tapfer vor , wurde aber durch heftiges Feuer von den Franzosen zurück gewiesen.
62
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
Nun schickte Menschikoff aus der Hauptreserve die 3 noch übrigen Bataillone Minsk, 4 Schwadronen Husaren und 24 Geschütze gegen die Division Bosquet vor.
Allein diese Truppen kamen wiederum nicht gleichzeitig an, aber es standen doch nun wenigstens den 12 Geschützen der Division Bosquet 28 russische Geschütze gegenüber.
Inzwischen gingen die Divisionen Canrobert, Napoléon, sowie eine Brigade der Division Forey gegen den Raum zwischen der russischen Mitte und dem äuſsersten linken Flügel vor, also 24 fran zösische Bataillone mit 28 Geschützen .
Bekanntlich waren die
ursprünglich hier stehenden Truppen des russischen linken Flügels in der Richtung auf den Telegraphenberg zurückgegangen, es be
fanden sich also nur wenige Schützen hier, im Übrigen war eine groſse Lücke vorhanden , auf welche der französische Vormarsch sich
richtete. Die Russen verstärkten nun ihre Artillerie gegenüber der Division Bosquet um weitere 16 Geschütze, welche jedoch in der Feuerlinie erst ankamen , als die zuerst im Feuer gewesenen 20 Ge schütze abgelöst werden muſsten . Endlich kamen auch die 3 Bataillone Minsk an , es gelang aber auch diesmal der russischen Infanterie nicht, die Franzosen vom
Höhenrande herunter zu werfen, vielmehr muſsten die Russen ver teidigungsweise verfahren . Die rassischen Schützen , welche thörichterweise auf dem rechten
Ufer der Alma, also tief unten im Grunde, ausgeschwärmt waren, konnten den 24 gegen sie vorgehenden französischen Bataillonen begreiflicherweise nur einen kurzen Widerstand entgegensetzen. Sie muſsten nun aber ihren Rückzug den Abhang herauf ausführen, was im Verfolgungsfeuer der Franzosen nicht eben sehr leicht war. Zwei Compagnien des 6. russischen Schützen - Bataillons, welche auf dem linken Ufer der Alma ausgeschwärmt waren , hätten der Division
Canrobert bei ihrem Übergange über die Alma groſsen Verlust bei bringen können , allein – sie hatten keine Patronen mehr und ihre Munitionskasten befanden sich
hinter dem rechten Flügel der
Russen , waren also unerreichbar. Diese beiden Compagnien wichen daher zurück und die Franzosen konnten ohne jeden Widerstand die Höhen erklettern .
So erschien die Division Canrobert ohne groſse Mühe auf der
Hochfläche. Hier kam es aber zu einem Umschwunge des Gefechts. Das Regiment Moskau nahm eine der Stellung des Feindes ent sprechende Front und eröffnete ein heftiges Gewehrfeuer. Zu gleicher Zeit griffen die übrigen Truppen des linken , russischen Flügels,
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
63
also das Regiment Tarutino und die 4 Reserve- Bataillone unter dem General Kirjakoff die Franzosen an . Die letzteren worden dadurch
zum Halten gebracht; allein bald darauf kam ihnen die Brigade d'Aurelle der Division Forey zu Hilfe, auch die Division Napoléon erstieg die Höhen und nun war die Übermacht der Franzosen so
groſs, daſs an einen siegreichen Ausgang des Kampfes nicht mehr zu denken war. Es standen hier die Divisionen Bosquet, Canrobert, Napoléon und die Brigade d'Aurelle der Division Forey im Feuer,
also 35 französische Bataillone, während die Türken und die Brigade Lourmel der Division Forey hinter dem rechten Flügel folgten . Ihnen gegenüber standen die Regimenter Minsk, Moskau, Tarutino, und die 4 Reserve- Batailloue, also 16 russische Bataillone.
Der
Rückzug wurde für die Russen unvermeidlich. Auch der Telegraphen berg, der höchste Punkt der dortigen russischen Stellung ging ver loren . Nur mit äuſserster Mühe gelang das Zurückbringen der Artillerie. Viele Geschütze hatten nur noch 2 Pferde, viele Munitions
kasten nur noch ein Pferd zur Bespannung. Sämtliche Geschütze wurden jedoch gerettet . Der Umstand, daſs die Franzosen nicht schon während des
Ersteigens der Höhen Feuer bekamen , sondern erst, als sie auf dem
Rande der Hochfläche erschienen, hatte bei dem Kampfe des russiscben linken Flügels sehr nachteilig seine Wirkung geäuſsert. Das Ansetzen von 4 Schwadronen Husaren zum Angriffe vom
linken, russischen Flügel aus, machte sehr zur rechten Zeit die Franzosen stutzen und brachte sie zum Halten.
Das ganze französische Heer befand sich jetzt in der Schlacht linie.
Gegen 1 ' /2 Uhr kamen endlich auch die Engländer am rechten Ufer der Alma an.
Hier legten sie sich nieder und im Gelände
gedeckt, eröffneten sie ein gutgezieltes Feuer, besonders auf die russische Artillerie .
Erst nachdem
die Division Napoléon die Alma überschritten
hatte, begannen die Engländer den Angriff. In erster Linie befandeu sich die Divisionen Brown und Lacy- Evans. Als die Engländer sich der Brücke über die Alma bei Burljuk näherten, wurden sie von dem Kartätschfeuer von 16 russischen
Geschützen und dem Gewehrfeuer der Schützen der Regimenter Borodino und Michael Nikolajewitsch empfangen. Die Brigade Codrington der Division Brown litt derart, daſs
sie in völliger Unordnung hinter Burljuk zurückging. Allein die englischen Schützen nisteten sich in den Gärten an
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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der Alma ein und nahmen von hier aus die ihnen sichtbaren russischen
Kolonnen und Batterien unter ein heftiges und gut gezieltes Gewehr feuer.
Die Russen erlitten bald schwere Verluste .
Es gelang dann auch 2 englischen Geschützen, die beiden russischen Batterien der Länge nach zu bestreichen und das Regiment Borodino, dessen dichte Kolonnen schwer unter dem englischen Gewehrfeuer litten, muſste endlich Kehrt machen und zurückgehen , mit ihm auch die beiden russischen Batterien, welche nach einander
abzogen. Inzwischen war auch die Division Cambridge bis zur Alma vorgerückt und nun überschritt das ganze englische Heer diesen Flufs; nur die Division England folgte weiter rückwärts.
Die Division Brown geriet jetzt aber in das Feuer der 12 Ge schütze, welche rechts der Straſse nach Eupatoria in einer Feld
schanze standen . Unglücklicherweise entschloſs sich gerade in diesem Augenblicke Fürst Gortschakoff 2 Bataillone des Regiments Michael zum Angriffe vorzusenden. Diese beiden Bataillone hinderten die russische Batterie am Feuern . Die Engländer lieſsen die beiden
angreifenden, russischen Bataillone ganz nahe herankommen , eröffneten dann aber ein mörderisches Feuer, welches die Russen unter groſsen Verlusten zurückwarf.
Ungeschickterweise gingen die Russen gerade auf die Feld schanze zurück, so daſs die russische Batterie wiederum nicht feuern
konnte. Die Engländer folgten den weichenden Russen auf dem Fuſse, drangen in die Schauze ein und nahmen sie, 2 russische Geschütze gingen hierbei verloren . Jetzt griffen aber 2 Bataillone des Regiments Wladimir mit groſser Tapferkeit an , eroberten die Schanze zurück und verfolgten den weichenden Feind mit starkem Gewehrfeuer.
Zu dieser Zeit hatten die Franzosen bereits den Telegraphen berg genommen .
Die Engländer kamen sehr bald aus der wirksamen Schuſsweite der glatten russischen Gewehre heraus und ordneten sich wieder, was ihnen um so leichter möglich wurde, als sie zu dieser Zeit auch von der russischen Artillerie gar nicht beschossen wurden. Noch einmal griff nun alles an, was vom Regimente Wladimir noch übrig war. Schon begannen die Engländer zu weichen, als plötzlich in der linken Flanke der Russen 18 französische und 5 englische Geschütze ein furchtbares Feuer eröffneten .
Die Engländer sowohl wie auch die Franzosen überschütteten nun das Regiment Wladimir mit Gewehrfeuer, das Regiment muſste
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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daber zurück weichen. Zwar versuchte es noch, die Schauze zu halten , aber endlich blieb doch nichts übrig, als der Rückzug. Das Regiment Wladimir hatte einen Verlust von 47 Offizieren
und 1260 Mann , das Regiment Michael einen solchen von 28 Offizieren und 1224 Mann ,
Die beiden schon früher verloren gegangenen Geschütze blieben nun endgültig in den Händen der Engländer. Die Regimenter Ug litsch und Susdal, welche den äuſsersten rechten , russischen Flügel
gebildet hatten, gingen nun auch zurück. Das Regiment Uglitsch hatte am Kampfe so gut wie gar keinen Anteil genommen und erlitt erst auf dem Rückzuge einige Verluste. Der Rückzug der Russen wurde durch 24 Geschütze, das Re
giment Wolhynien , welches noch gar nicht gefochten hatte, und die Kavallerie (Husaren und Kosaken ) gedeckt. Die Engländer ver folgten nur bis auf Kanonenschuſsweite von der russischen Nachhut. Eine ernste Störung des Rückzuges der Russen fand also nicht statt.
Etwa um 4 Uhr Nachmittags war die Schlacht selbst zu Ende. Die Franzosen verfolgten gar nicht.
Die Schlacht war sehr blutig gewesen. Die Russen verloren : Tot und Verwundet 191 Offiziere, 4783 Mann , Vermiſst .
7
728
>>
198 Offiziere, 5511 Mann.
Dies ergiebt 17 % der Iststärke, und da die Verluste fast nur die Infanterie und Artillerie betrafen , sogar 19% . Einzelne russische Regimenter hatten ganz auſserordentlich
groſse Verluste. Das Regiment Wladimir verlor sogar 48,79 % seiner Iststärke.
Die Franzosen verloren 1300 Mann, die Engländer 2000 Mann. Da es nicht bekannt ist, welche Truppenteile die Verbündeten in Eupatoria beziehungsweise im Old-Fort zurückgelassen hatten , so kann eine genaue Stärkeangabe der Franzosen, Engländer und Türken nicht gemacht werden. Bekannt ist nur, daſs im Old - Fort ein Teil der Brigade Torrens
der Division Cathcart und das 4. leichte englische Dragoner-Regiment zurückblieben, daſs ferner Eupatoria, gleich nach erfolgter Einnahme dieses bekanntlich nicht verteidigten Ortes, eine Besatzung von 3170 Mann Infanterie, nebst 4 Gebirgs- und 8 Belagerungs-Geschützen erhielt.
Wir vermuten, daſs diese Infanterie aus Türken und ge
landeten Marine- Detachements bestand, das französische und eng Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine. Bd. LXIX ., 1.
5
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
66
lische Landungsheer selbst dadurch also nicht geschwächt wurde. Indessen ist dies nur eine Vermutung. Die Schlacht an der Alma giebt Veranlassung zu einer ganzen Reihe von Bemerkungen.
1. Die Verbündeten griffen mit 57,000 Mann, eine von Natur sehr starke, aber künstlich so gut wie gar nicht verstärkte Stellung an, welche von 33,600 Mann besetzt war. Das Verhältnis der An
greifer zu den Verteidigern war also das von 1000 zu 589. Die russische Stellung war viel zu ausgedehnt für die geringe Zahl der
Verteidiger, ihre linke Flanke war von der Flotte der Verbündeten vollständig beherrscht. Alles lud zu einer Umgehung der linken Flanke der Russen ein, welche denn auch mit anerkennenswertem
Geschick von den Franzosen ausgeführt wurde und den Sieg entschied . Die Franzosen haben zweifellos den Gewinn der Schlacht sich anzu
rechnen . Die Engländer würden ohne den Beistand der Franzosen kaum mit den Russen fertig geworden sein. 2. Die Verbündeten waren nicht allein an Zahl der Streiter
den Russen überlegen, sondern sie waren auch weit besser bewaffnet.
Die groſse Masse der russischen Infanterie konnte nur auf 300 Schritte noch hoffen , den Gegner zu treffen, während die Engländer und ein groſser Teil der Franzosen mit ihren gezogenen Gewehren auf 1200 Schritte und darüber wirksames Gewehrfeuer abgeben konnten. Es waren also die Russen in Bezug auf ihre Infanterie- Bewaffnung
den Verbündeten gegenüber noch weit mehr im Nachteile, als die deutsche Infanterie im Jahre 1870 gegen die französische Infanterie im Nachteile war.
3. Die Russen verstanden nur mit groſsen Massen zu manövrieren , aber auch das nicht mit der nötigen Berücksichtigung des Geländes. Ihre Taktik bestand im Wesentlichen nur im Bajonettangriffe mit groſsen , dichten Kolonnen und im Abgeben von Salvenfeuer. Von Schätzenentwickelung oder gar von geschickter Verwendung der Schützenschwärme war keine Rede. Die wenigen Schützen , welche die Russen wirklich entwickelten, können kaum in Betracht kommen. Die russische Infanterie war entsetzlich unbehülflich , verstand gar nicht das Gelände zu benutzen und war einem so gewandten Feinde
gegenüber, wie es die Franzosen waren, von vornherein sehr im Nachteile .
Die Franzosen erwiesen sich als sehr gewandt in der Benutzung
des Geländes und als sehr geschickt in der Verwendung ihrer Schützen schwärme und Kolonnen .
Die Engländer dagegen standen weit hinter den Franzosen
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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Ihre Taktik war ganz veraltet, sie waren in Bezug auf ihre Ausbildung für das Gefecht den Russen nicht sehr überlegen .
zurück .
Ihre bessere Bewaffnung und die noch gröſsere Unbeholfen heit der russischen Kolonnen gaben jedoch den Engländern im Vereine mit den gezogenen Gewehren ein gröſseres Maſs von Gefechtstüchtigkeit, als die Russen es besaſsen . 4. Es war ein groſser Fehler, daſs die Engländer in groſsen
geschlossenen Massen vorgingen und dadurch der russischen Artillerie ein sehr willkommenes Ziel darboten . 5. Die russische Artillerie wurde von den feindlichen Schützen schwärmen sehr wirksam beschossen und zwar auf Entfernungen ,
auf welche die Tragweite des russischen Kartätschschusses nicht mehr ausreichte. Die Russen muſsten daher mit Shrapnels feuern,
deren Vorrat gering war, nämlich nur 15 Stück bei jeder Batterie. Die Wirkung der russischen Artillerie wurde dadurch auſserordentlich beeinträchtigt. 6. Die Suworoff'sche Theorie von der allmächtigen Wirkung des Bajonettangriffs in Kolonnen bewährte sich in der Schlacht an der Alma ganz und gar nicht. Die Verluste, welche die russischen Kolonnen schon auf weitere Entfernungen erlitten , waren so groſs,
daſs eine Erschütterung der Truppen die unvermeidliche Folge war, trotz allen Heldenmutes und aller Zähigkeit, welche die Russen an diesem Tage bewiesen. 7. Es fehlte den unteren Führern der Russen sehr an Selbst
ständigkeit, Gewandtheit und Scharfblick , keineswegs aber Tapferkeit.
an
Im Gegenteil, wenn überhaupt ein Unterschied in dem
Heldenmute zu machen wäre, welchen Russen, Engländer und Fran zosen in der Schlacht an der Alma bewiesen , so möchte man den Russen den Preis zuerkennen .
8. Der gröſste Fehler, welchen die Russen begangen, war das
Unterlassen künstlicher Verstärkungen des Geländes. Schon am 14. September früh 8 Uhr traf das russische Heer
an der Alma ein, mit Ausnahme des einzigen Regiments Moskau. Es war also vollständig ausreichende Zeit vorhanden , um aus der Stellung an der Alma eine Art von verschanztem Lager zu schaffen .
Die Natur hatte ohnehin schon auſserordentlich viel für die Stellung gethan. Hätten sich die Russen gehörig in die Erde gegraben und gegen das Artilleriefeuer der Flotte durch Traversen gedeckt, so würde die Umgebung der Division Bosquet unmöglich geworden sein, und es konnte sehr wohl dem Vordringen der Verbündeten an der 5*
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Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
Alma Halt geboten werden , wenigstens so lange, bis russische Ver stärkungen eintrafen . Hätten sich die Verbündeten von der Küste entfernt, um die
rechte Flanke der Russen zu umgehen , so entbehrten sie in einer Schlacht jedenfalls die Mitwirkung ihrer Flotte. Allein die Verbündeten würden am 20. September unter allen Umständen angegriffen haben, ob sie nun auf Befestigungswerke gestoſsen wären, oder nicht. Wären sie nun auf eine künstlich sehr
geschickt verstärkte, gut und zweckmäſsig besetzte Stellung gestoſsen , so würden sie am 20. September mit schweren Verlusten abgewiesen
worden sein, und es hätte gewiſs geraume Zeit gedauert, bis sie sich zu einem erneuten Angriffe entschlossen hätten . In dieser Zeit konnten mit ziemlicher Sicherheit so viele russische
Verstärkungen ankommen, daſs ein zweiter Angriff noch weniger Aussicht auf Gelingen hatte, als der erste. der sehr steilen Thalränder würde den Das Ersteigen der französischen Divisionen schwerlich geglückt sein, wenn oben auf
dem Rande der Hochfläche zweckmäſsig angelegte Schützengräben
vorhanden gewesen wären, aus welchen die Berghänge unter ver nichtendes Feuer genommen werden konnten. Allein die Russen hatten nicht einen einzigen Schützengraben ausgehoben. 9. Es ist nicht recht verständlich, wie das Artilleriefener der
Flotte ganz allein ausreichen konnte, die Truppen des linken russischen Flügels von dem Rande der Höhen hinweg zu scheuchen, da doch die Beschaffenheit des Geländes derartig war, daſs die Flotte auf eine Hochfläche hinauf feuern muſste, deren Unebenheiten vom
Meere aus keinenfalls eingesehen werden konnten . Die äuſserst unzweckmäſsige Aufstellung der russischen Truppen erklärt jedoch diese Thatsache.
So standen z. B. die Regimenter Borodino und Tarutino, sowie die 4 Reserve- Bataillone in Angriffskolonnen auf dem Abhange des Almaufers, also weithin sichtbar.
Das zweite Treffen stand nur
150 Schritte hinter dem ersten, die wenigen entwickelten Schützen befanden sich 50 Schritte, ja bei dem Regimente Borodino nur 10 Schritte vor der Front des ersten Treffens.
Eine solche Auf
stellung schwerer Artillerie gegenüber, ist freilich so unzweckmäſsig, daſs man heute kaum begreift, wie dies möglich war. Hätten die russischen Befehlsbaber gründliche Kenntnisse in
der Kriegsgeschichte besessen, so würden sie sich wohl gehütet haben, ihre braven Truppen so als Scheibe für das feindliche Artillerie feuer aufzustellen , allein die arme Kriegsgeschichte muſs eben
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
69
immer binter dem Exerzierplatze weit zurückstehen, nicht bloſs bei den Russen .
10. Man sollte nun wenigstens meinen , daſs die Schlacht an der Alma dem Gebrauche der Angriffskolonne des geschlossenen Bataillons im wirksamen feindlichen Feuer für alle Zeiten den
Todesstols gegeben hätte, allein dem war nicht so.
Wir werden
die Russen bei Inkerman und an der Tschernaja trotz aller blutigen
Erfahrungen immer und immer wieder in dichter Kolonne vorgehen sehen, immer wieder mit dem gleichen Miſserfolge, der aber niemals ausreichend ist, um die höheren Führer davon zu überzeugen, daſs
es eben unmöglich war, den verbesserten Feuerwaffen gegenüber mit solchen dicht zusammengedrängten Massen Erfolge zu erzielen . Von manchen Dingen kann sich die militärische Engherzigkeit schwer trennen, namentlich wenn diese Dinge in der lieben zu gar Friedenszeit bei den Besichtigungen so hübsch aussehen und für
eine demnächstige Besprechung so bequem sind. Eines dieser Lieb lingskinder des militärischen Schlendrians ist nun einmal unbestritten
die Angriffskolonne, Kolonne nach der Mitte oder wie sie immer in den verschiedenen Heeren genannt wurde.
Es wäre aber sehr ungerecht, wenn man nur den Russen diese Vorliebe für veraltete Formen zum Vorwurfe machen wollte.
In
anderen Heeren finden wir dieselben Erscheinungen , mitunter trotz aller Kriegserfahrungen. 11. Von einer Leitung im Groſsen war während des ganzen Verlaufs der Schlacht an der Alma russischerseits keine Rede .
Es wäre wohl möglich gewesen, die Division Bosquet, als sie noch allein auf der Hochfläche stand, von derselben wieder herunter zu werfen . Die Russen konnten zu diesem Zwecke über die gesamten
Truppen des linken Flügels und der Hauptreserve verfügen , auch
konnten vom rechten Flügel, dem ja zunächst gar keine Gefahr drohte, Truppen , namentlich Artillerie weggenommen werden. Auf solche Weise lieſs sich ohne jede Schwierigkeit eine Masse von 20 Bataillonen, 16 Schwadronen , 11 Sotnien und etwa 60 Ge
schützen auf dem linken Flügel der Russen vereinigen .
Es ist freilich bei der hohen Gefechtstüchtigkeit und der groſsen Tapferkeit der französischen Truppen fraglich , ob es selbst einer so
bedeutenden russischen Übermacht gelungen wäre, die nur 11 Ba taillone und 12 Geschütze zählende Division Bosquet so schnell von der Hochfläche herunter zu werfen, daſs die übrigen französischen Truppen nicht Zeit hatten , ihr zu Hilfe zu kommen . Die Gelegen heit war jedenfalls für die Russen günstig. Ein erfolgreicher
70
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
Schlag gegen die Division Bosquet hätte dieselbe in eine Katastrophe
verwickelt und den übrigen französischen Truppen einen heilsamen Schrecken eingejagt. Die Russen handelten aber ganz anders. Sie lieſsen zuerst das 2. Bataillon Minsk ganz allein, dann verwendeten sie die 4 Bataillone des Regiments Moskau zum
Angriffe auf die Division Bosquet und schlieſslich die übrigen 3 Bataillone des Regiments Minsk, im Ganzen also nur 8 Bataillone.
Das war freilich viel zu wenig, um einen Erfolg zu erzielen, besonders da diese 8 Bataillone nicht einmal gleichzeitig vorgingen. ( Fortsetzung folgt.)
IV .
Über den Infanterie - Angriff. Von
Petermann , Premierlieutenant.
Keinen anderen Abschnitt der Taktik haben die Militärschrift
steller im vergangenen Jahrzehnt mit so viel Eifer und Gründlichkeit
behandelt, als den Infanterie -Angriff. Gleich nach Beendigung des siegreichen Krieges 1870/71 erschien die Frage nach der besten Art der Durchführung des Infanterie -Angriffs als eine brennende auf der Tagesordnung und heute noch bewegt sie die Geister mit derselben Lebhaftigkeit. Nicht mit Unrecht ; denn der Erfolg des Angriffs der Infanterie bedeutet eine siegreiche Schlacht , und eine siegreiche Schlacht hat durch die heute daran beteiligten Massen auf den Ausgang des Krieges fast einen noch gröſseren Einfluſs als ebedem .
Wenn auch in dem Verlauf, welchen die schriftstellerische
Behandlung des Infanterie -Angriffs genommen , nicht immer die gerade Linie nach vorwärts eingehalten wurde , sondern , wie dies
bei dem eifrigen Suchen und Streben nach Wahrheit unvermeidbar, auch Irrgänge und zeitweilige Rückschritte vorgekommen sind , so wirkten doch die vielfachen Besprechungen dieses wichtigen Gegen standes läuternd und klärend auf die Begriffe und von allem Dar gebotenen fand das Beste durch die Aufnahme in das Exerzier
Reglement thatsächliche Verwertung. In wie weit aber die erste ernste Probe mit Pulver und Blei die Vorstellungen über den Verlauf und die zweckmäſsigste Art der Durchführung des Infanterie
Angriffs berichtigen wird , kann nur die Zukunft lehren ; jedenfalls wird Manches auf dem Schlachtfelde in nichts zerflieſsen , worauf
man heute groſse Hoffnungen und Erwartungen gründet. Diejenige Infanterie wird dann Meisterin bleiben , welche sich am leichtesten
und raschesten in die ungewöhnlichen Lagen und Verhältnisse des Kampfes der heutigen Massen mit den neuesten Kampfmitteln
Über den Infanterie - Angriff.
72
Was in dieser Beziehung die ersten Schlachten im August 1870 von unserer Infanterie forderten , wird sich in ähnlicher Weise, nur unter schwierigeren Verhältnissen beim nächsten groſsen Waffengang wiederholen . Verständnis und Gewandt hineinzufinden versteht.
heit der Führer in Verbindung mit tüchtigster Schulung und Erziehung der Truppe müssen daher unter solchen Umständen in Zukunft mehr als jemals den Ausschlag geben. Auſserdem wird es aber auch darauf ankommen, alle jene Fehler zu vermeiden, welche früher schon den Infanterie -Angriff scheitern machten , solange derselbe noch leichter war als heute. Daher haben Gefechtsbeispiele aus der Vorderlader- beziehungsweise Zündnadelgewehrzeit heute noch
ihre belehrende Kraft. Die Führer aller Grade vermögen daraus zu lernen , wie es nicht zu machen ist.. Doch dürfen die Lebren
nicht losgetrennt sein von den Ereignissen, aus welchen sie gezogen werden ; denn nur aus dem Boden der Thatsachen quellen die
Wahrheiten lebendig mit arkräftiger Unwiderstehlichkeit hervor. In diesem Sinne ist nachstehend der Versuch gemacht , an einigen Gefechtsbeispielen aus den Feldzügen von 1866 zu zeigen , wie ein und derselbe Fehler der Führung jedesmal dieselbe nachteilige Ein wirkung auf den Verlauf des Angriffs äuſserte. Erster Angriff der Oesterreicher auf den Monte della Croce in der Schlacht bei Custoza am 24. Juni 1866.
Der Höhenzug von Sommacampagna wird von der südlich
desselben gelegenen Höhengruppe von Custoza durch das von Westen nach Osten ziehende , 2500 Schritt lange und im Durch schnitt 700 Schritt breite Staffalothal getrennt. Im Westen ver engert sich das genannte Thal dergestalt, daſs die nördlichen und südlichen Höhen miteinander in Verbindung treten . Im Osten
geht dasselbe in die sich um Villafranca ausbreitende italienische Ebene über, welche die Höhen von Sommacampagna und Custoza im Osten
umgiebt.
Durch zahlreiche mehr oder weniger hohe
Kuppen, tiefeingeschnittene Schluchten und Thäler, sowie durch die Bewachsung sind beide Höhengruppen , besonders aber diejenigen von Custoza auſserordentlich unübersichtlich und für die einheitliche
Durchführung eines Gefechtes sehr ungünstig. Das Staffalothal ist an allen Stellen gangbar und bietet , abgesehen von zerstreuter Baumbewachsung und einigen Häusern oder Gehöften nur wenig Gelegenheit zur Deckung. Da sich jedoch die südlichen Höhen vom
Thale aus steil erheben , findet dort ein von Norden her vor dringender Angreifer gegen das Feuer aus der hinter dem südlichen
Über den Infanterie -Angriff.
73
Höhenrand zurückliegenden Verteidigungsstellung Schutz im toten Winkel . – Die Straſse von Sommacampagna nach Custoza durch zieht die südliche Höhengruppe in der Richtung von Nordosten nach Südwesten und teilt dieselbe in zwei ziemlich gleich groſse Hälften .
Die östliche wird durch den Monte della Croce und den
Monte Torre, eine mit der Straſse im Allgemeinen gleichlaufende Linie hervorragender Kuppen , beherrscht, während auf dem nörd lichen Teile der westlichen Hälfte der Monte Molimenti die Haupt erhebung bildet . An beziehungsweise in der Nähe der erwähnten
Straſse liegen folgende Örtlichkeiten : im Thale, nahe dem Nordfuſs der südlichen Höhen, Staffalo ; etwa 1000 Schritt südlicher, auf den
Höhen , Cavalcbina ; 700 Schritt südlich davon Gorgo , ebensoweit südwestlich hiervon Palazzo Baffi. Um die Höhen des Monte della Croce und Monte Molimenti
entspannen sich am Vormittag des 24. Juni 1866 heiſse Kämpfe.
Die allgemeinen Umstände, welche zur Schlacht führten, sind kurz folgende. Das dem österreichischen weit überlegene italienische Heer befand sich nach Überschreitung des Mincio in östlicher Richtung im Vormarsch gegen Villafranca und Sommacampagna. Die Österreicher hatten zu derselben Zeit wider jede Vermutung
ihrer Gegner die Etsch überschritten und rückten mit vereinter Kraft von Nordosten her gegen die linke Flanke der Italiener an. Um jedoch den Stoſs nicht schräg , soudern gerade und mit voller Wirkung gegen die Flanke des Feindes führen zu können , muſste das österreichische Heer eine Linksschwenkung mit dem Drehpunkt
bei Sommacampagna ausführen . Die Festhaltung, beziehungsweise die Sicherung dieses Punktes war die Aufgabe des 9. öster reichischen Corps.
Die Italiener hatten gegen 8 Uhr Morgens mit vier Bataillonen östlich der Kuppe des Monte della Croce Stellung genommen, links
(westlich) davon auf der Kuppe selbst und dem Höhenrücken zehn Geschütze, links von diesen und zwar in Bataillonsstaffeln vorwärts
(nördlich) auf dem Abhang gegen Gorgo zwei Bataillone im ersten, dahinter zwei weitere Bataillone im zweiten Treffen aufgestellt und ein Bataillon Schützen auf den nördlichen Hang vorgeschoben.
Diese starke Besetzung der die umliegenden Höhen beherrschenden Kuppen seitens der Italiener erschien
dem Kommandanten des
österreichischen 9. Corps, Feldmarschall-Lieutenant Hartung, um so gefährlicher, als die Gegner unter dem Schutze der Höhe, falls das Gefecht in der naheliegenden, nur durch Reiterei gedeckten Ebene eine ungünstige Wendung nahm , auf dem kürzesten und bequemsten
Über den Infanterie - Angriff.
74
Wege Sommacampagna selbst angreifen konnten . Der österreichische Corpskommandant bielt daher den Besitz des Monte della Croce
zur Durchführung der ihm zugewiesenen Aufgabe für unbedingt notwendig, desgleichen daſs die Festsetzung auf diesem beherrschenden Höhenrücken um so rascher erstrebt werden müsse , als es schien, 9
Feld
daſs der Feind sich auf demselben fortwährend verstärke.
marschall- Lieutenant Hartung ordnete in diesem Sinne die Erstürmung
des Monte della Croce durch zwei seiner drei Brigaden an . Die dritte Brigade ( Kirchsberg) hatte rückwärts Sommacampagna besetzt und wirkte bei dem bevorstehenden Kampfe nicht mit. Die zum Angriff bestimmten Brigaden Weckbecker und Böck standen bei Boscone,
beziehungsweise Berettara . (Boscone befindet sich am südlichen Teil des Höhenzuges von Sommacampagna, dem Monte della Croce gerade gegenüber ; Berettara liegt ungefähr 1500 Schritt nördlich von Boscone.) - Die Erwägungen des österreichischen Corps kommandanten entsprachen vollständig den vorliegenden Ver hältnissen .
Die Wegnahme des Monte della Croce sicherte den
Österreichern den Besitz von Sommacampagna am meisten , ein richtig geführter Stoſs war die beste Deckung. Ob es aber an gezeigt erschien, zum Schutze von Sommacampagna eine ganze 9
Brigade zurückzulassen und dadurch dem Angriff den dritten Teil ungefäbr 6000 Mann - der Gesamtkraft zu entziehen, darüber kann mit Recht gestritten werden .
In der Besitznahme und Be
hauptung des Monte della Croce lag die Entscheidung des Kampfes auf diesem Teil des Schlachtfeldes; zu der entscheidenden That und an dem entscheidenden Punkte muſsten daher so viele Kräfte als
nur möglich zunächst herangezogen und wenn erforderlich auch
eingesetzt werden. Gelang der Angriff nicht , wurden die Öster reicher zurückgeworfen und nachdrücklich verfolgt, so waren die Höhen von Sommacampagna auch durch die eine zurückgebliebene Brigade auf die Dauer nicht mehr zu halten. Das Öster reichischerseits ins Auge gefaſste beschleunigte Handeln erschien bei dem sichtlichen Anwachsen der feindlichen Streitkräfte auf den
Höhen südlich des Staffalothales zwar geboten ; allein die Rücksicht auf eine ergiebige Vorbereitung des Angriffs und die Bereitstellung der Truppen durfte om so weniger auſser Acht bleiben , als der Sturm gegen die vom Feinde stark besetzten Höhen keineswegs leicht war.
Das Staffalothal muſste
im Feuer
der italienischen
Artillerie durchschritten und der auſserordentlich schwierige Aufstieg
an den Hängen des Monte della Croce und Monte Molimenti viel leicht unter heftiger Gegenwehr der feindlichen Infanterie erzwungen
Über den Infanterie -Angriff.
75
Daher war eine kräftige Artillerievorbereitung ins Auge zu fassen , denn eine solche konnte den Österreichern den Angriff werden .
wesentlich erleichtern.
Die beiden Batterien - sechzehn Geschütze
der zwei zum Sturm bestimmten Brigaden beschäftigten zu diesem Zweck den Gegner von möglichst günstigen Punkten der nördlichen Höhengruppe aus.
Die drei Reserve- Batterien des Corps
vierundzwanzig Geschütze
wurden zwar von Sommacampagna
ebenfalls herbeibefohlen, um den beginnenden Angriff der Infanterie zu
unterstützen ; es kam aber nur eine dieser Batterien noch
rechtzeitig am Boscone zur Thätigkeit. Vom Monte della Croce aus übersah unterdessen der italienische Divisionskommandant,
Generallieutenant Brignone, die Vorbereitungen des österreichischen 9. Corps zum Angriff und erkannte hieraus die wahre Sachlage. Er beeilte sich nun , die wichtigsten Punkte des Höhenzuges von Custoza zu gewinnen und die ganze Nordfront der Stellung vom Monte della Croce bis zum Monte Molimenti zu besetzen .
Etwa
um 8 °/, Uhr morgens begann der Vormarsch der beiden öster reichischen Brigaden in Staffeln vom linken Flügel. Die Brigade Weckbecker ging vom Boscone aus in südlicher Richtung über Staffalo gerade gegen den nördlichen Abfall des Monte della Croce vor .
Die vorderste Staffel wurde von zwei Bataillonen des Regi
ments Bayern Nr. 5 1800 Mann (ein Bataillon befand sich in Sommacampagna), gebildet, die zweite bestand aus dem Kaiser Jäger -Bataillon Nr. 4 – 940 Mann, — die dritte aus dem Regi ment Dom Miguel Nr. 39,
- 2800 Mann ,
zwei Bataillone im
ersten, ein Bataillon im zweiten Treffen. Die Brigade Böck folgte etwa 700 Schritt westlich der Brigade Weckbecker in der Richtung
gegen die Mitte des nördlichen Höhenrandes mit dem Regiment Toscana Nr. 66 2950 Mann im ersten, und dem Regiment Niederlande Nr. 63 2500 Mann im zweiten Treffen . Das Jäger -Bataillon Nr. 15 920 Mann hatte die Abfälle des -
Boscone besetzt, zwei Compagnien Niederlande bildeten die Be deckung der Corpsgeschütz - Reserve und machten ebenfalls den Angriff nicht mit. Es fehlten mithin den beiden Brigaden beim Sturm zwei und ein drittel Bataillon , ungefähr 2000 Mann. Durch das Nichtabwarten der Reserve-Batterien, durch die Be
setzung des Boscone mit einem Bataillon, nachdem zum Schutze der Artillerie schon zwei Compagnien zurückgelassen waren, wurde die Angriffskraft ohne Not geschwächt, ein besonderer Vorteil da
durch jedoch nicht erreicht. Denn das Jäger -Bataillon am Boscone vermochte bei der Entfernung des Gegners nicht einmal vorbereitend
76
Über den Infanterie -Angriff,
den Angriff zu unterstützen, es blieb vielmehr bloſser Zuschauer Die von Anfang an zu bei den nunmehr folgenden Vorgängen.
übersehenden Schwierigkeiten einer Durchschreitung des Staffalothales hätten durch Verlegung der Angriffslinie mehr nach Westen an die schmalere Stelle des Thales vermindert, beziehungsweise ver Durch die gesamte Artillerie und einen kleineren Teil der Infanterie muſsten die Italiener allerdings in der mieden werden können .
Front kräftig festgehalten werden, bis die Hauptmacht der Öster reicher die Stellung auf dem Monte della Croce in der Flanke an fallen konnte. Rechtzeitig ins Auge gefaſst, war diese Angriffslinie kein bedeuteuder Umweg, aber ungleich vorteilhafter, als die that Durch die erwähnte Gliederung der Angriffs sächlich gewählte.
truppen wurden die beiden Brigaden schon im Anmarsch etwa 700 Schritt seitwärts und noch mehr rückwärts auseinandergezogen und somit ihr einheitliches Zusammenwirken von vornherein in Frage
gestellt. Auſserdem erfuhr die Brigade Weckbecker in sich wieder eine weitere Gliederung nach der Tiefe, was auf dem äuſserst
unübersichtlichen Kampfplatze die Zersplitterung der Kraft zor Alle zu Beginn des Gefechtes n trugen nach Vorstehen Anordnunge herseits getroffenen österreichisc dem den Stempel der Eile, entsprungen aus dem Drang, den Gegner notwendigen Folge haben muſste.
zu erreichen und zu werfen, ehe er seine ganze Macht herangezogen hätte. Die mangelhafte Artillerievorbereitung, die Wahl der un
günstigsten Angriffslinie, die Trennung der beiden Brigaden sind
wohl hauptsächlich auf die genannte Ursache zurückzuführen. Die beiden Brigaden, durchgehends in Divisionsmassen zu je zwei Com pagnien formiert, rückten unter dem Feuer der am Monte della Croce stehenden feindlichen Geschütze in musterhafter Ordnung
durch das Staffalothal. Die zwei vordersten Staffeln der Brigade Weckbecker warfen die bis an den Bergfuſs vorgeschobenen italie nischen Schützen zurück und erklommen die Höhe, wurden aber
durch das Eingreifen der rückwärts stehenden Bataillone nach leb haftem Kampfe geworfen . Das Regiment Dom Miguel kam erst zur Gefechtsthätigkeit, als der Angriff des Regiments Bayern und
des 4. Kaiser-Jäger-Bataillons bereits abgewiesen war. Es drang dessenungeachtet mit dem zweiten und dritten Bataillon auf dem Bergrücken und mit zwei Compagnien selbst bis auf die Kuppe des Monte della Croce vor und in die feindliche Batterie ein. Namentlich
hier und bei Casa di Monte Torre, einem südlich dieser Kuppe gelegenen Gehöft, kam es mit den entgegenstürmenden Italienern zum Handgemenge. Der linke Flügel des österreichischen Regiments
Über den Infanterie -Angriff.
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ward sogar durch Kavallerie – (wahrscheinlich ein auf Befehl des italienischen Divisions-Kommandanten gemachter Vorstoſs seiner Begleitung ) angefallen. Nach einem kurzen, aber erbitterten
Nahkampf und infolge des Auftretens frischer feindlicher Truppen wurden die durch den langen und eiligen Vormarsch, das Erklimmen der steilen Höhen und die herrschende Hitze gänzlich erschöpften Abteilungen des Regiments Dom Miguel unter schweren Verlusten
ins Staffalotbal zurückgeworfen . Das spätere Eingreifen des im zweiten Treffen stehenden Bataillons des Regiments, sowie die er neuten Angriffe einzelner Compagnien der beiden anderen Bataillone dieses Regiments vermochten es nicht, dem Gefecht eine bessere Wendung zu geben. Italienischerseits waren inzwischen nach und nach vier weitere Bataillone in den Kampf um die Höhe eingetreten.
Diese wendeten das Gefecht zu ihren Gunsten und beteiligten sich auch an den folgenden Kämpfen.
Der soeben geschilderte Verlauf des Gefechts der Brigade Weckbecker zeigt deutlich, welche ungünstigen Folgen eine zu weitgehende Tiefengliederung der Truppe für den Angreifer haben kann .
Die sechs verfügbaren Bataillone der Brigade waren in vier
Gruppen bintereinander geordnet und wurden stückweise in den Kampf geworfen . Die rückwärtige Staffel traf jedesmal am ent scheidenden Punkte ein, als die vor ihr befindliche, eben geschlagen, zurückflutete. Bei diesem Angriffsverfahren wurde es den Italienern möglich , entsprechende Verstärkung jeweils an die bedrohte Stelle
heranzubringen und dadurch in der Überlegenheit zu bleiben . Die Unübersichtlichkeit des Geländes erwies sich für den Angreifer nur wegen seiner Zersplitterung als ein Nachteil. Wäre derselbe mit zusammevgehaltenen Kräften gegen einen Punkt des Verteidigers vorgebrochen, so hätte gerade das Gelände den Angriff unterstützt, weil verborgen , und den bis zum letzten Augenblick im Ungewissen bleibenden Italienern die rechtzeitige Heranziehung ihrer Unter stützungen wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht. Als sich der Kampf am Monte della Croce eben zu Ungunsten des Regiments Dom Miguel entschied, war das im zweiten Treffen der Brigade Böck marschierende Regiment Niederlande, (zwei und zwei drittel Bataillone), welches das erste Treffen der Brigade in der dichten Kultur aus den Augen verloren hatte, in Folge des zu
groſsen Treffenabstandes, teilweise auch durch das Rechtshalten des vorderen Treffens aus seinem Verhältnis gekommen und, angezogen durch das heftige Feuer der feindlichen Geschütze, auf der über alle
Baumwipfel sichtbar gewesenen Kuppe des Monte della Croce hinter
78
Über den Infanterie -Angriff.
dem Regiment Dom Miguel angelangt.
Der gröſste Teil des Re
giments Niederlande wiederholte augenblicklich den Angriff, erstieg den Berg und bemächtigte sich sogar eines Geschützes, welches in eine Schlucht geworfen und am Abend noch dort aufgefunden
wurde. Aber auch dieser Angriff scheiterte, das Regiment muſste sich zurückziehen. In demselben Augenblick langten zehn Com pagnien des Regiments Kronprinz Nr. 19 von einer Brigade des 7. Corps als eine ganz unerwartete Verstärkung an, welche in dem ungünstigen Gelände die Verbindung mit dem rasch vorstürmenden rechten Flügel ihrer eigenen Brigade verloren hatten und, im Glauben, der eigenen Brigade zu folgen, sich dahin wandten, wo der Kampf am lautesten tobte . Ohne Zögern stürmten diese zehn Compagnien auf die Kuppe des Monte della Croce los, drangen bis über die Batterie, wo der Feind vier Geschütze im Stich lieſs, gegen Casa di Monte Torre (südlich der Kuppe), wurden aber durch zwei frische, in den Kampf tretende italienische Bataillone in Front und Flanke angegriffen und muſsten, obwohl durch zwei Compagnien Niederlande unterstützt, schlieſslich weichen.
-
Der Monte della Croce
blieb
vorläufig im Besitz der Italiener. Dieselben hatten in dieser äuſserst
festen Stellung bis jetzt im Ganzen elf Bataillone ins Gefecht gebracht, gegen welche die vereinzelt und ohne gehörigen Einklang unternommenen Angriffe der zehn und ein drittel österreichischen
Bataillone erfolglos blieben. Der Kampf hatte auf beiden Seiten schwere Opfer gekostet. Die am Gefecht beteiligt gewesenen öster reichischen Truppen waren mitunter in Unordnung und auſser Zusammenhang gebracht und so erschöpft, daſs sie erst nach längerer Zeit wieder vollständig gesammelt und geordnet werden konnten und auf ihre erfolgreiche Verwendung vor Ablauf mehrerer Stunden
nicht mehr zu rechnen war. Aber auch die Verteidiger des Monte della Croce waren eingestandenermaſsen aufs Äuſserste erschüttert, und es gelang ihnen trotz anerkennenswerter Tapferkeit nur mit groſser Mühe, sich zu behaupten ; ja es gab einen Augenblick, in welchem sie dem völligen Rückzug und dem Aufgeben der Stellung nahe waren . Der italienische Brigadegeneral war verwundet, der Divisionskommandant, welcher mit rühmlicher Unerschrockenheit
und in erster Linie den Kampf leitete, war sehr im Gedränge ge Die Italiener begnügten sich mit der Behauptung ihrer Stellung, sie waren auſser Stande, die sich über das Staffalothal lang sam zurückziehenden österreichischen Truppen zu verfolgen. Letztere
wesen .
wurden durch das kräftige Feuer der Batterien gedeckt, deren
Mitwirkung während des hin- und herwogenden Kampfes auf dem
Über den Infanterie - Angriff.
79
Monte della Croce ausgeschlossen war, weil in dem bedeckten Ge lände Freund und Feind nicht unterschieden werden konnte.
Die
italienischen Truppen auf dem Monte della Croce wurden gegen 11 Uhr Vormittags nach Abweisung der Österreicher durch eine Was nun das Österreichische Regiment Toscana Nr. 66 anbelangt, so war dieses im ersten Treffen der
frische Division ersetzt.
Brigade Böck im Staffelverhältnis hinter dem Regiment Dom Miguel
vorgerückt. Als das letztere die Straſse Sommacampagna - Custoza überschritt, rückten eben neue italienische Kräfte auf Cavalchina
vor und vorausgeeilte Abteilungen griffen sogar das Regiment Dom Miguel in der rechten Flanke an . Bei dieser Wahrnehmung änderte das Regiment Toscana ohne Weiteres die Richtung und stürzte dem Feinde entgegen. Bald nach dem ersten Zusammenstofse wichen
die Italiener vor dem österreichischen Regiment, welches Cavalchina und Gorgo stürmte und bis Palazzo Baffi vordrang, in voller Un ordnung zurück . In diesem schwierigen Augenblick brachten herbei
geeilte italienische Unterstützungen das Gefecht mit groſser An strengung zum Stehen und durch das Auftreten der die erschöpften Truppen ablösenden italienischen Division Govone wurde das Regiment Toscana, nachdem es sich fast zwei Stunden am Abhang des Monte Molimenti und im Thale gehalten hatte, endlich zum Rückzug
genötigt. – Nach Vorstehendem war die Zersplitterung der Kräfte bei der Brigade Böck noch gröſser als bei der Brigade Weckbecker,
indem dort zu der zeitlichen auch noch die örtliche Trennung der den Brigadeverband bildenden Truppenteile hinzutrat. Die beiden Regimenter kämpften , der dargebotenen Gefechtslage folgend, an ganz verschiedenen Punkten des Schlachtfeldes. Ferner zeigt das unverhoffte Eingreifen eines groſsen Teils des Regiments Kronprinz am Monte della Croce, daſs sich die Lösung und Vermischung der
Verbände sogar auf die Armee -Corps erstreckte. Obschon nun bei allen österreichischen Truppen das lebhafte Bestreben vorhanden
war, da einzugreifen, wo ein Kräftezuschuſs notthat, und der Richtung nach dem entbrannten Kampfe, dem Schall des Feuers zu folgen,
lieſs es die räumliche Entfernung der einzelnen Treffen von einander doch zu keinem ersprieſslichen Gesamtergebnis kommen. Das Re giment Toscana hatte im Ganzen noch am meisten Erfolg, konnte
sich jedoch den eintreffenden bedeutenden Verstärkungen der Italiener gegenüber nicht im Besitze der blutig errungenen Vorteile halten. Nur dieses Regiment war, bei seinem Vorstofs nach Süden, die starke Stellung des Feindes auf dem Monte della Croce links liegen lassend , im Allgemeinen der Straſse Sommacampagna - Custoza ge
80
Über den Infanterie -Angriff,
folgt; ihm war es auch gelungen, die hier entgegengetretenen italienischen Bataillone in raschem Siegeslauf zu werfen. Aber nor drei von dreizehn österreichischen Bataillonen hatten diesen Weg eingeschlagen, zehn faſsten den Stier an den Hörnern. Am 24. Juni 1866 verlor
die Brigade Weckbecker 42 Offiziere und 1144 Mann , die Brigade Böek zusammen
761
36
>>
78 Offiziere und 1905 Mann,
mithin ungefähr den fünften Teil ihrer Zahlenstärke, angenommen , daſs beide Brigaden mit 10,000 -11,000 Mann in das Gefecht ge treten sind . Stärke und Verluste der zehn Compagnien des 7. Re giments sind hierbei auſser Betracht gelassen. Die Verlustziffer einer Truppe von so rühmenswerter Tapferkeit, wie sie die Österreicher in dem vorbeschriebenen Kampfe bewährten, erklärt allein nicht den hohen Grad von Auflösung und Erschütterung,
welcher in Folge des Gefechtes zu Tage trat.
Weder an den Nord
rand der blutig umstrittenen Höhen von Custoza vermochten sich
die abgewiesenen österreichischen Bataillone zu klammern, noch am Boscone, wo eine unversehrte Rückhaltstruppe zur Aufnahme und mehrere Batterien zur Stütze bereit standen , gelang es ihnen , die Stirne dem Feinde wieder zuzukehren ; sondern rückwärts zogen
sie langsam aber unaufhaltsam bis in die Gegend von Somma
campagna, ohne daſs die Italiener folgten, geschweige verfolgten. Dort erst wurde gehalten und stundenlang gesammelt und geordnet,
so daſs an eine abermalige Verwendung der Brigaden Weckbecker und Böck für die weiteren Kämpfe am 24. Juni nicht mehr zu denken war . Diese Verhältnisse zeigen , daſs neben den erlittenen Verlusten auch die Art des Kampfes auf die Gefechtskraft einer
Truppe von wesentlichem Einfluſs ist. Denn nicht nur die Herrschaft der Führung und der äuſsere Zusammenhang der österreichischen Truppenverbände hörte auf, sondern auch der innere Halt dieser tapferen Truppe ging in Folge des Durcheinanders auf dem un übersichtlichen Gefechtsfelde verloren .
Auffallend erscheint es,
daſs von Seiten der Italiener, obschon gerade im rechten Augenblick eine frische Division auf dem Kampfplatze eintraf, kein Verfolgungs
Versuch gemacht wurde. Bei der Beschaffenheit der abgewiesenen österreichischen Brigaden hätte ein Nachdrängen der Italiener sehr
wirksam und erfolgreich werden können. Daſs ein solches unter blieb, ist wohl hauptsächlich auf die gewaltigen Anstrengungen zurückzuführen , deren es italienischerseits bedurfte, um die heftigen
Angriffe der Österreicher abzuwehren. Auch die Eindrücke , welche
Über den Infanterie -Angriff.
81
die höheren italienischen Führer persönlich im Kampfe empfangen hatten , waren wenig geeignet, kühne Entschlüsse hervorzurufen . Man war auf dieser Seite offenbar allgemein froh , als die Vorstöſse
der Österreicher nachlieſsen , und wagte nicht , ihren Rückzug zu stören, obschon man hierza wohl in der Lage gewesen wäre . Das eben besprochene Beispiel ist in der Kriegsgeschichte nicht das einzige, daſs ein mit Entschiedenheit und Thatkraft durchgeführter Angriff, wenn er auch ohne schlieſslichen Erfolg blieb , lähmend
auf den Verteidiger gewirkt hat. (Fortsetzung folgt.)
Jahrbücher für die Deutsche Armeo und Marine, Bd. LXIX., 1 .
6
V.
Die neue Schieſs - Vorschrift für die französische Infanterie:.
Die Annahme und allmähliche Einführung des Gewehrs M/86, System Lebel , hat die Herausgabe einer neuen Schieſs - Vorschrift
für die französische Infanterie zur Folge gehabt, welche am 1. März d. J. von dem Kriegsminister, dem General Logerot , unterzeichnet wurde. Seit dem Kriege 1870/71 ist diese Vorschrift die vierte, welche diesen wichtigen Dienstzweig der Infanterie betrachtet.
Noch für das Chassepot - Gewehr M/66 berechnet erschien schon 1872 eine verbesserte Schieſs - Vorschrift in Paris. Dieselbe blieb bis zum Jahre 1877 in Kraft. Dem » Manuel de l'instructeur .
de tir« vom 12. Februar d. g. J. war das » fusil modèle 1874 (System Gras) zu Grunde gelegt. Trotzdem die Bewaffnung nicht geändert wurde, erschien für dieselbe Waffe 1882 eine neue Schieſs Vorschrift unter der Überschrift: » Réglement sur l'instruction de tir, approuvé le 11 novembre 1882 « ; der letztgenannten war eine verhältnismäſsig lange Wirksamkeit gegönnt , erst jetzt ist die Vorschrift von 1882 auſser Kraft gesetzt worden . Was nun den Inhalt der Schiefs -Vorschrift vom 1. März 1888
anbelangt, so ist es eine Eigentümlichkeit fast aller französischen
Dienstschriften , daſs sie mit einem Bericht an den Kriegs minister eröffnet werden . Aus demjenigen der vorliegenden Schieſs Vorschrift geht hervor, daſs durch Entschlieſsung vom 4. November v . J. eine Kommission mit dem Auftrage eingesetzt wurde, eine neue Schieſs - Vorschrift vorzubereiten . Vorsitzender der erwähnten
Kommission war der Divisions
General de Négrier. Als Mitglieder werden genannt: der Oberst Duchesne vom 110. Infanterie-Regiment ;
der Oberst Lebel vom 120. Infanterie-Regiment, bekanntlich derjenige Offizier, welchem ein groſser Anteil an der Einrichtung des Gewehrs M/86 zugeschrieben worden ist ;
Die neue Schiefs - Vorschrift u . 9. W.
83
endlich der Oberstlieutenant Le Joindre , Befehlshaber der Normal -Schieſsschule. Als Berichterstatter waren ernannt :
der Hauptmann Gory, Lehrer an der Normal-Schieſsschule und der Hauptmann Desoille , Ordonnanz - Offizier des Generals
de Négrier. Richtiger Weise begann diese Kommission ihre Arbeiten damit, die allgemeinen Grundsätze über die Anwendung und
Leitung des Feuers festzustellen , welche die Grundlage für die Fechtweise der Infanterie bilden und auſserdem gestatten , die
Gesichtspunkte zu bestimmen , nach welchen bei der Ausbildung des einzelnen Mannes und der Truppe im Schieſsen zu verfahren ist.
Die Bestimmungen, welche sich auf das vorschriftsmäſsige Laden der Waffe und auf die Ausbildung des Schützen darin bezogen , wurden gesondert bearbeitet und nach vorher gegangener Zustimmung der Kommission übersandt, welche die
Durchsicht der Exerzier - Vorschrift obliegt und diese Teile in der > Soldaten-Schule « einzufügen hat.
Bemerkt sei hier , daſs die
französische Exerzier - Vorschrift, genannt » Réglement du 29 juillet 1884« seit Mai 1887 in einer neuen verbesserten Auflage erscheint, welche durch die Einführung der Gewehre M/84 und M/85 sowie das Inkrafttreten der » Instruction pour le combat« geboten war. Jetzt muſs also abermals eine Neu -Auflage der Exerzier - Vorschrift
stattfinden , deren Erscheinen indessen noch nicht angekündigt ist. Die neue Schieſs - Vorschrift enthält die Einzel-Bestimmungen , welche sich auf den Unterricht und die praktische Schieſs
Ausbildung der Truppe beziehen . Eine hiervon getrennte Instruktion enthält Mitteilungen über Bewaffnung , Munition , Schieſsstände und Schieſsmaterial , deren Kenntnis den Offi zieren notwendig ist.
Die schlieſslich erbetene Auſserkraftsetzung
aller der früheren Bestimmungen über diesen Gegenstand wurde von dem Kriegsminister genehmigt. Wie auch seither beginnt die 1888er Vorschrift mit der
> Thätigkeit der verschiedenen Vorgesetzten. « Der Oberst soll sich bemühen , die Ausbildung im Schieſsen mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu fördern .
Die Vorschrift von 1882
verlangte von dem Genannten : Die Entwickelung der Lust am Schieſsen durch alle Mittel der Aneiferung.
Der Oberstlieutenant überwacht die Ausführung der Schiels
Übungen und überzeugt sich , daſs dieselben der Vorschrift ent sprechend abgehalten werden. 6*
Die nene Schiels - Vorschrift
84
Leitung und Verantwortlichkeit für die Ausbildung ihrer Truppe ist wie seither den Bataillons - Commandeuren und Haupt leuten verblieben .
Die alte französische Einrichtung der Schieſs - Offiziere , welche von französischen Offizieren selbst so oft als nachteilig erklärt worden ist, hat die neue Vorschrift beibehalten .
Demnach
hat jedes Regiment oder jedes selbstständige Bataillon einen Schieſs Hauptmann , dem in jedem Bataillon ein Lieutenant oder Unter
Lieutenant zugeteilt ist. Früher war über die Auswabl dieser Offiziere nur gesagt , daſs sie einen Lehrkursus bei einer Schieſs schule durchgemacht haben muſsten, jetzt wird möglichst die Aus wahl unter sehr guten Schützen gefordert.
Wie seither ist in jeder Compagnie der » Adjutant « (Unter offizier) oder im Falle dieser fehlt ein anderer von dem Hauptmann bestimmter Unteroffizier besonders mit den Einzelheiten des Schieſsens beauftragt.
Über die Thätigkeit der genannten Offiziere ist festgesetzt: Der Schieſs - Hauptmann wohnt den Schieſs -Übungen bei.
Er unter
hält oder beschafft die zu denselben notwendigen Gerätschaften, leitet die Einrichtung der Schieſsstände und führt die allgemeine
polizeiliche Aufsicht daselbst. *) Ebenso hat er die Aufsicht über die Ausbesserung der Gewehre u . s. w., zu welchem Zweck ihm der 9
Waffen - Offizier unterstellt ist .
Die Schieſs - Offiziere wohnen allen Schieſs -Übungen der Compagnien ihres Bataillons bei. Sie sorgen für das Anortbringen und Wegschaffen der Scheiben, deren richtige Abmessungen und die Erhaltung der Schieſs-Gegenstände. Ferner liegt ihnen die Über wachung der Anzeiger und die Feststellung der Ergebnisse ob. Der Adjutant ist zur Unterstützung der Comgagnie-Offiziere bei allen Schieſs-Übungen bestimmt und hat auſserdem das Schieſs
Verzeichnis der Compagnie zu führen . Empfang und Ausgabe der Munition, Ersatz der Versager und der beschädigten Patronen, sowie der Unterricht zurückgebliebener und ungeschickter Schützen sind weiterhin seine Dienstobliegenbeiten .
Die Regiments - Schieſsschule , welche einen theoretischen und praktischen Schieſs -Unterricht für die Cadres umfaſst, ist in der Hauptsache nach unverändert geblieben . Hinzugetreten ist die
Ausbildung der Offiziere im Gebrauche von Entfernungsmessen durch den Bataillons- Commandeur. Neu aufgestellt ist der Grundsatz, daſs *) Letzteres nach der älteren Vorschrift Sache des Schieſs -Lieutenants.
für die französische Infanterie.
85
der Hauptmann für den theoretischen wie praktischen Unterricht der Unteroffiziere und Korporale seiner Compagnie verantwortlich
ist. Er wählt einen Offizier, welcher unter seiner Oberleitung mit den Einzelheiten dieses Unterrichts beauftragt ist. Bei Ankunft der Rekruten muſs diese Ausbildung beendigt sein. Reichen die Unteroffiziere nicht aus, dann bestimmt der Haupt
mann einige umsichtige Leute seiner besten Schützen , welche be sonders ausgebildet werden, um den Unteroffizieren u. 8. w. bei der
Ausbildung der jungen Leute helfen zu können . Der nunmehr in der älteren Vorschrift folgende Abschnitt Exercices préparatoires de tir « fehlt in der neuen und hat merk
würdiger Weise seinen Weg in das » Exerzier -Reglement« genommen. Seine Stelle vertritt ein der Schieſslehre gewidmeter Teil . Der selbe ist in ähnlich kurzer Weise abgefaſst wie in der deutschen Vorschrift von 1887, sehr wahrscheinlich hat dieselbe als Muster
gedient. Diejenige Stellen , welche für den Unterricht des Mannes bestimmt sind , werden besonders kenntlich gemacht. Der nächste Abschnitt ist dem Entfernungs - Schätzen ge
widmet. Hierin wird der Grundsatz ausgesprochen , daſs bei dem Gefechts - Schieſsen und vor dem Feinde die Entfernung im Allge
meinen unbekannt ist und notwendiger Weise so rasch und genau als möglich der Abstand bestimmt werden muſs , um das Feuer leiten zu können .
Demzufolge wird das Schätzen der Entfernungen mit dem Auge bis auf 600 m den Soldaten und bis auf 1200 m den Offizieren,
Unteroffizieren, Korporalen und Korporal-Schülern gelehrt.
Die Übungen bierin beginnen wie auch anderwärts mit dem Abschreiten gewisser Entfernungen , damit jeder Mann die zum Zurücklegen von 100 und 10 m notwendige Zahl von Schritten kennen lernt. Nachdem diese Übung erledigt, geht man zu dem Abschreiten gemessener Entfernungen über. Die französische Vor schrift nennt das Abschreiten gut, wenn der begangene Fehler 2 m auf 100 m nicht übersteigt.
Das Schätzen der Abstände mit dem
Auge stützt die Vorschrift auf den Grad des Sichtbarseins des Ziels auf seiner bemerkbaren Höhe, falls man die Abmessungen
kennt, oder auf dem Vergleich der Entfernung mit einer bekannten, welche der Schätzende vor Augen hat oder sich durch zahlreiche
Übungen dem Gedächtnis hat einprägen können. Diese verschiedenen Verfahren sollen gleichzeitig in Anwendung kommen.
Die Übungen beginnen damit, daſs der Leiter auf 200 und 400 m je zwei Mann aufstellen läſst. Die Leute werden angehalten,
Die neue Schiefs -Vorschrift
86
sich die Unterschiede in der Sichtbarkeit und der scheinbaren Höhe
des Ziels zu merken. Die Höhe des Korns über seiner Warze deckt eine ganze Mannshöhe auf 400 m. *)
Später werden die Übungen auf Abständen zwischen 400 und 600 m fortgesetzt, wobei schlieſslich die bisher auf bekannten Ent
fernungen aufgestellten Vergleichsposten in Wegfall kommen. Das Schätzen mit dem Auge wird bis zu 1200 m vorgenommen und auf Abständen zwischen 600—1200 m zum Anschätzen ganze
Gruppen oder Halbzüge entsandt.
Schlieſslich fordert die Vorschrift noch , daſs die Übungen im Entfernungsschätzen mit dem Auge während der ganzen Dienstzeit und in allen Jahreszeiten stattfinden sollen .
Ein Hauptunterschied zwischen der neuen und alten Vorschrift bilden die gänzlich veränderten Betrachtungen über des Schätzen mit Hülfe des Schalls.
Während die alte Vorschrift eine Aus
bildung sämtlicher Leute der Compagnie in diesen Dienstzweigen verlangt, wünscht die neue nur eine Übung der Offiziere , Unter
offiziere , Korporale und Korporal - Schüler und sagt sogar ausdrücklich, daſs die Soldaten keinen Unterricht über das Schätzen nach dem Schall erhalten sollen .
Die Gründe für diesen Wechsel der Ansichten scheinen in der
Beschaffenheit des im Lebel-Gewehr verwandten Pulvers zu liegen, welches ohne Rauch zu zeigen verbrennen soll ("poudre sans fumée « ).
So lange indes bei den fremden Heeren man den Gebrauch der schwarzen gegenwärtig eingeführten Pulverarten fortsetzt, deren Verbrennung einen weithin sichtbaren Rauch hervorbringt, wird das Schätzen nach dem Schall seinen Nutzen bewahren .
Für die Übung in demselben gelangen Platz - Patronen M /74 zur Verwendung. Das Schätzen selbst soll in der Weise vor genommen werden, daſs man zwischen Rauch- oder Blitz-Erscheinung des Schusses bis zum Vernehmen des Knalls in einem gewissen Tempo zählt. Das letztere soll so genommen werden, daſs man in 3 Sekunden bis auf 10 zählt.
Da der Schall im Mittel 333 m in
der Sekunde zurücklegt, so würde jede Einbeit einem Hundert von Metern entsprechen . Bei dieser Gelegenheit möge darauf hingewiesen werden , daſs
dem französischen Hauptmann Journée , wie » République française *) Das Korn muſs demnach sehr hoch sein. Das Korn der deutschen Jäger Büchse M /71 deckt beispielsweise schon auf 240 m die Mannshöhe bis an den Hals.
für die französische Infanterie.
87
mitteilt , einige bemerkenswerte neue Erfahrungen über die Ge schwindigkeit des Schalls zugeschrieben werden. Bei den Versuchen mit dem Lebel-Gewehr, dessen Geschosse eine Anfangs -Geschwindigeit von 600 m besitzen sollen , erhielt man die Zahl 600 für die Ge
schwindigkeit des Schalls. Beim Schieſsen gegen eine eiserne Scheibe wurde an dem Ziel gleichzeitig der Knall des Schusses wie das Aufschlagen des Geschosses in dem Falle vernommen , sobald die
Entfernung eine gewisse Grenze überschritt. Wird der Abstand sehr groſs dann geht der Knall dem Geräusch des Einschlagens voraus und wird die Zwischenzeit um so gröſser, je weiter die Entfernung ist. Auf der Grenz-Entfernung, auf welcher die beiden
Geräusche sich zu trennen beginnen , ist nur die Geschwindigkeit des Geschosses genau der gewöhnlichen des Schalls (etwa 340 ni) gleich .
Durch Beobachtungen will man nun in Frankreich festgestellt haben , daſs der Schall des Schusses , welcher den Abgang des
Geschosses begleitet, gleichsam mit dem letzteren zusammen, weiter geht , so bald die Geschwindigkeit des Geschosses gröſser als die gewöhnliche des Schalls ist.
Aus dem Vorhergehenden zog der französische Oberst Sebert folgende Lehren : Einmal kann man nicht hoffen , das Geräusch bei Feuer- beziehungsweise Luftwaffen verschwinden zu lassen , wenn man groſse Geschwindigkeiten für das Geschoſs erreichen will ;
andererseits sei heute nicht mehr die Entfernung einer feuernden Waffe nach Blitz und Knall festzustellen . Demzufolge hat die französische Vorschrift den Betrieb des Schätzens nach dem Schall
ganz wesentlich eingeschränkt. Erhöhten Wert miſst die neue Verordnung dem Bestiminen der Entfernungen unter Zuhülfenahme von Instrumenten bei.
Die
Bataillons - Commandeure sollen ihren Offizieren den Gebrauch der
Entfernungsmesser lehren . (Hierzu bemerken wir , daſs die französische Infanterie mit dem
bei
der
Infanterie
verwendeten
Labbez’schen Spiegel - Entfernungsmesser nit und ohne Fernrohr ausgerüstet ist.) Bei allen Übungen auſserhalb der Garnison sollen die Commandeure oftmals praktische Anwendung eintreten lassen. Alle Unteroffiziere, welche eine ausreichende Geschicklichkeit zeigen, sollen gleichfalls in der Anwendung der Entfernungsmesser aus gebildet werden. Die Bestimmungen über das Schieſsen leitet ein Abschnitt ein , welcher die Thätigkeit der Schieſs -Offiziere u. s. w. näher be trachtet. Weiter wird hier festgesetzt, daſs bei dem Einzelschieſsen
Die neue Schiefs -Vorschrift
88
die Scheiben und Figur - Scheiben oder Gruppen der letzteren mindestens 4 m von der Längenmitte auseinander stehen sollen.
Bei dem Einzel-Übungs- Schieſsen lassen die Schieſs- Offiziere auf der Scheibenlinie eine Quadrat - Scheibe von 2 m Seitenlänge, deren
Vorderfläche in Dezimeter-Quadrate eingeteilt ist, aufstellen .
Diese
Scheibe dient zur Ermittelung der an dem betreffenden Übungstage notwendig werdenden Zielkorrekturen.
Vor dem Eintreffen der ersten Compagnie hat der Schieſs Offizier des betreffenden Bataillons aufgelegt mit einem gut schieſsen den Gewehr 12 Schuſs mit dem gleichen Haltepunkt, der durch
einen Kreis oder schwarzes Quadrat von dem Durchmesser oder der Seitenlänge gleich " 1000 der Entfernung gebildet wird, abzugeben. Hierauf bestimmt der Offizier den mittleren Treffpunkt. Der hier aus sich ergebende Haltepunkt wird auf der vorschriftsmäſsigen
Scheibe mit einem Kreis oder Quadrat aus schwarzem Papier der angegebenen Abmessung bezeichnet. Diese Scheibe wird in der Verlängerung der zum Schieſsen benutzten Ziele so aufgestellt, daſs
sie von jedem Schützen während der ganzen Übung gesehen werden kann .
Auf Entfernungen über 400 m stellt man im Bedarfsfalle eine zweite Scheibe neben die erste und bezeichnet den Haltepunkt wie oben beschrieben .
Wenn während einer Schieſs-Übung die Witterungs - Verhältnisse beträchtlichen Schwankungen unterliegen , hat der Schieſs-Offizier von Neuem den Haltepunkt zu bestimmen. In ähnlicher Weise hatte die frühere französische Vorschrift
die Bestimmung des Haltepunkts angeordnet. Abgesehen davon, daſs es kaum möglich erscheint, mit einem Gewehr und 12 Schüssen
insgesamt den Haltepunkt für die Waffen eines ganzen Bataillons bestimmen zu können , muſs diesem Verfahren vorgeworfen werden ,
daſs es in höchst nachteiliger Weise auf die Selbstständigkeit des einzelnen Schützen
einwirkt .
In
keiner auſser der französischen
Schieſs -Vorschrift sehen wir daher diese Maſsregel angewandt. – Die genannten Offiziere sollen von den Hauptleuten über alle Vorkommnisse beim Schieſsen Kenntnis erhalten .
Hier erwähnt die
Vorschrift Schwierigkeiten beim Einführen der Patrone beziehungs weise Ausziehen der Hülsen , Springen des Ausziehers, Ausspritzen , Reiſsen der Hülsen vom Boden beziehungsweise der Schweifung,
Versager, Ladehemmungen u. s. w. Wird während der Übung eine Waffe als schlecht schieſsend bezeichnet, so stellt der Hauptmann beziehungsweise der Schieſs
für die französische Infanterie.
Offizier die Leistung der Waffe fest.
89
Kommt man zu dem Schlusse,
daſs die Waffe Ursache der schlechten Leistung ist, dann wird das Gewehr zur Seite gestellt, um von dem Schieſs -Hauptmann einer
erneuten Prüfung unterzogen zu werden. Hierauf findet eine Aus besserung oder ein Einschieſsen statt.
Eine Eigentümlichkeit des französischen Schieſsbetriebes besteht in der sehr reichlichen Anwendung von Signalen. Vor Beginn des Feuers wird geblasen >Garde à vous ! « sodann » Commencez le feu ! «
Zum Schlusse der Übung ertönt » Cessez le feu ! « und für die An zeiger geltend » Levez vous ! «
Über den Anzug der Schützen ist festgesetzt : Für das Schieſsen mit verringerten Ladungen, das Vorbereitungs - Schieſsen, das Einzel
Übungs-Schieſsen und das Preis - Schieſsen Exerzier- Anzug ohne Tornister. Zu dem angewandten Einzel - Schieſsen und dem Abteilungs
Feuer erscheint der Mann im Exerzier- Anzug mit belastetem Tornister. Bei dem Gefechts - Schieſsen
wird
der feldmarschmäſsige
Anzug angelegt.
Vor jeder Schieſs -Übung sollen sich die Unteroffiziere ver sichern, daſs die Gewehre in gutem Zustande sind und der Verschluſs gut arbeitet.
Ihre Aufmerksamkeit hat sich besonders darauf zu richten, daſs 1. in der Seele keine Lappen oder fremde Körper sind ;
2. das Patronen -Lager eingefettet ist und keine Beschädigungen am Eintritt besitzt;
3. das Lager der Warzen des Verschluſs-Kopfes und der kreisförmige Ausschnitt rein sind ; 4. die Reibeflächen behufs Vermeidung von Beschädigungen
gut eingefettet sind ; 5. der Schlagbolzen mit seiner Spitze ungefähr 3 Millimeter über den Verschluſs -Kopf hervorragt wenn das Schlöſschen entspannt ist;
6. das Schlöſschen und der Abzug gut arbeitet. Zu diesem Zweck spannt man und läſst das Schlöſschen mehrere Male vorgleiten , um sich zu überzeugen , daſs der Schlagbolzen frei in seiner Bohrung spielt, daſs die Schlagbolzen-Feder
weder in ihrem Lager noch auf dem Schlagbolzen reibt, daſs der Abzugs -Federstollen frei einspringt und keine
Reibung vorhanden ist, welche das Losgehen des Schusses wie die Handhabung der Waffe erschweren könnte.
Die neue Schieſs - Vorschrift
90
Wird beim Schieſsen die Mehrlade- Vorrichtung gebraucht, dann haben die nachsehenden Unteroffiziere ihr Augenmerk darauf noch zu richten, daſs 1. der Löffel sich frei senkt und hebt und in seinen beiden
Lagen feststeht;
2. die Mehrlade -Vorrichtung gangbar ist. Um letzteres fest zustellen werden Exerzier- Patronen in das Magazin eingeführt,
das Schloſs mehrmals geöffnet und geschlossen, um sich zu vergewissern, daſs die Magazin-Feder genügend biegsam und kräftig ist, die Feder -Kapsel nicht reibt und die Kralle der Sperrklinke das Eintreten der Patronen gestattet, das Heraustreten derselben aber verwehrt. Ferner wird geprüft,
die Übereinstimmung der Bewegungen des Löffels mit den jenigen der Sperrklinke, der leichte Übertritt der Patronen aus dem Löffel in den Lauf, das sichere Auswerfen der
abgeschossenen Hülsen. Keine Beschädigung darf an der Waffe sein , welche Ladehemmungen verursachen könnte.
Als allgemeine Regel gilt, daſs ein als fehlerhaft erkanntes Gewehr der Prüfung durch den Compagniechef unterzogen wird und im Bedarfsfall dem Büchsenmacher übergeben wird .
Für jeden Offizier und Mann, welche der Iststärke während des Jahres angehört hat, ist nachstehend mitgeteiltes Munitions Ausmaſs bewilligt worden, nämlich : für
Gewehr M / 86 Revolver, 36 *) 120
Gewehr M 86 .
120
Leute, die mit dem Revolver bewaffnet sind
120
•
27
Leute, die mit dem Gewehr bewaffnet sind
27
Leute, die mit dem Revolver bewaffnet sind Offiziere
27 20
Leute, die mit dem Gewehr bewaffnet sind Leute, die mit dem Revolver bewaffnet sind
20 20
50 **) 36
12 *) 12
|।।७ ।।
Heer des Reserve
Platz - Patronen
für Offiziere Leute, die mit dem Gewehr bewaffnet sind
Offiziere
Heer
Territ.
Stehen
Scharfe Patronen
20 ***)
12 * ) 6
12
Die Straf-Compagnien haben je nach ihrer Bewaffnung Anspruch auf 30 scharfe Gewehr- beziehungsweise 36 Revolver- Patronen . Ein Vergleich mit dem früheren Munitions-Ausmaſs ergiebt, daſs nach der obigen Übersicht eine Vermehrung der Zahl der *) 90 scharfe Revolver - Patronen können jährlich gegen Bezahlung an jeden Offizier ausgegeben werden. **) Den Sappeur- Pompiers von Paris werden keine Platz - Patronen bewilligt.
***) Für die Reservisten, welche nicht an den Herbst-Übungen Teil nehmen.
für die französische Infanterie.
91
bewilligten Patronen nicht eingetreten ist. Zu bemerken bleibt, daſs die 1888er Vorschrift indeſs ausdrücklich den Offizieren eine gewisse
Übungs -Munition zuteilt, während dies früher nur im Allgemeinen der Fall war. Zur Erläuterung diene noch, daſs bei der französischen
Infanterie » Korporal- Tambours, Tambours, Fahrer der Bataillons Wagen und Handpferde -Halter« mit dem Revolver, dagegen Hornisten mit dem Gewehr bewaffnet sind.
Für jeden Teilnebmer an dem gefechtsmäſsigen Schieſsen
sind in Frankreich 50 Patronen bewilligt. Früher wurden die für dieses Schieſsen notwendigen Patronen auf ein besonderes Anfordern denjenigen Truppenteilen bewilligt, welche über günstige Schieſs plätze verfügten.
Die Vorschrift von 1888 bedeutet daher für eine
groſse Zahl französischer Infanterie- Regimenter eine Vermehrung
der Übungs -Munition von fast 50 Prozent. Auffallend gering erscheint die Bemessung von Platz -Patronen. Besondere ministerielle Verordnungen setzen indessen jährlich das Ausmaſs an Platz - Patronen für die an den Herbst-Übungen Teil nehmenden Truppen fest.
Als Grundsatz gilt: » Die ganze für die Schieſs- Übungen be willigte Munition ist im Verlauf des Jahres zu verbrauchen . «
Sollten
nach Beendigung des vorgeschriebenen Schieſsens noch Patronen übrig bleiben, so sind dieselben zu Übungen zu verwenden , welche eine Vervollkommnung des Schützen bezwecken. Das Schieſsen mit verringerten Ladungen. Aus dem Gewehr M/86 werden keine Patronen
mit verminderter Ladung
geschossen. Diese Übung findet nur der Gebrauch der Gewehre M /74, M/84 und M/85 statt, welch ' letztere bekanntlich das Einheits Kaliber von 11 mm besitzen .
Jedem Manne der Iststärke stehen jährlich 100 Patronen mit
verringerter Ladung zu, welche sämtlich auf 15 m Entfernung ver feuert werden. Nichts desto weniger sollen die Stände von 30 oder 45 m Länge in Ordnung gehalten werden, um dieselben schlieſslich zu wirklichen Schieſs-Übungen auf verringerten Entfernungen ver wenden zu können .
Die Vorschrift von 1882 gab genau die Verwendung der Pa tronen mit verminderter Ladung an. Auf den Entfernungen 15,
30 und 45 m waren zusammen 10 Übungen zu je 6 Patronen mit den Visieren 200, 300 und 400 m zu schieſsen.
Die 40 anderen
Patronen sollten im Salven - Feuer der Gruppen und im Einzel schieſsen auf 15 und 30 m mit Visieren über 400 m verbraucht werden .
Die neue Schiels - Vorschrift
92
Die neue Vorschrift überläſst den Hauptleuten die freie Ver fügung der ihrer Compngnie bewilligten Zielmunition .
Ein
Teil
derselben soll zur häufigen Übung der Leute in der Korrektur des Zielens dienen. Ein anderer Teil soll zur Erklärung der Wirkung der Visier- Einrichtung gebraucht werden . Der Lehrer soll hier auf praktische Weise zeigen : 1. Daſs beim Zielen auf den gleichen Punkt unter Erhöhung der Visier -Kimme die Mündung sich mit dem Hochziehen des Schiebers immer mehr bebt und
2. daſs bei dem Verdrehen der Waffe nach rechts oder links die Schüsse immer nach der betreffenden Seite und etwas
tiefer gehen.
Die mangelhafte Einrichtung der französischen Zielmunition, welche aus der gewöhnlichen Hülse , einer sehr schwachen Pulver Ladung und einer Blei-Rundkugel besteht, läſst die Vorschrift deut lich erkennen.
Sie verlangt vor jeder Schieſs-Übung die starke Einfettung des Lauf-Innern, um das Durchgleiten der Kugel zu erleichtern.
Tritt
bei dem Schieſsen der Fall ein, daſs eine Kugel im Laufe stecken bleibt, dann wird dieselbe mit dem Ladestock herausgestoſsen und von Neuem der Lauf eingefettet.
Als Ziel dient beim Zimmer-Schieſsen ein auf der Scheibe ge zogener Kreis von 10 cm Durchmesser.
Bei dem Schieſsen mit
Zielmunition und denjenigen Leuten deren Leistungen unsicher sind, haben die Unteroffiziere mit Ziel-Kontroll- Vorrichtungen sich zu überzeugen , ob im Augenblicke des Abdrückens die Visierlinie gut auf den Zielpunkt gerichtet war. Die alte Vorschrift kannte keine Ziel- Kontroll- Vorrichtungen .
Früher verlangte man in Frankreich, daſs jeder junge Soldat
mit den bei den vier ersten Übungen gemachten 24 Schuſs eine gewisse Zahl von Punkten erreicht haben muſste, um zum Scheiben
Schieſsen zugelassen zu werden. Die neue Vorschrift begnügt sich damit zu bestimmen, daſs vor Beginn des Scheiben - Schieſsens die Leute mindestens 24 Patronen der Zielmunition zu verfeuern baben . Jedem Manne der Reserve des stehenden oder Territorial- Heeres,
welcher für eine Übungs-Periode einberufen wird, sind 18 (früher 12) Zielmunitions- Patronen bewilligt, welche den oben wiedergegebenen Bestimmungen entsprechend zu verfeuern sind. Der Nutzen, welchen das Schieſsen mit verringerter Ladung bietet, wird in Frankreich dadurch wieder verringert, daſs der Soldat hier mit einem gänzlich verschiedenen Gewehre schieſst, als mit der scharfen Patrone.
für die französische Infanterie.
93
Das Einzel- Übungs - Schieſsen. Dieses umfaſst das Vor bereitungs- und das Unterrichts - Schieſsen . Übungen sind :
Die hier zu schieſsenden
1. Vorbereitungs - Schieſsen . Entfernung
Nr.
Zahl der scharfon
der Übung 1 2 3
Patronen
100 Stehend aufgelegt gegen die Scheibe von 0,5 m Durchm . 100 Stehend aufgelegt gegen die Scheibe von 0,5 m m Durchm .
4
100 Kniend freihändig gegen die Scheibe von 0,5 m Durchm.
4
4
12
2. Unterrichts - Schieſsen. 200 Kniend gegen die Scheibe von 1 m Durchm.
4 5 6
200
7
8 9
600
Stehend
1
400
Kniend
n
400
Liegend
n
99
n
300 99
6
1 m
6
1,5 m 2m
6
2 m
6
6
48 9
»
ein Rechteck von 3 m Breite, 2 m Höhe
6
10
200 Stehend m. aufgepflanztem Baj. geg. d. Scheibe v. 1 m Durchm. 6
11
200 Kniend gegen die Scheibe von 1 m Durchm.
6 60
zusammen
Zum Vergleiche sind hier die 12 Übungen der 1882er Vorschrift aufgeführt: Unterrichts -Schieſsen. Entfernung
Nr.
der Übung 1 2
Zahl der Patronen
Platz- scharte
ה
200 Kniend gegen die vorgeschr. Scheibe 200
Stehend
3
100
Kniend
12
4
200
Stehend
99
Kniend
5
200
6
300
7
300
Stehend
8
400
Kniend
9
99
12
1
Vorbereitende
2
Übungen
2
6
99
99
12 61
6 6
19
60 6
»
6
500
10
600 Liegend
6
11
200 200
6
12
Kniend n
6)
n
Aus diesen beiden Zusammenstellungen geht deutlich der Um
schwung der an leitender Stelle maſsgebenden Ansichten über die Ausbildung im Schieſsen hervor. Zunächst die Bemerkung, daſs in der ersten Zusammenstellung ziemlich deutlich die letzte deutsche Schieſs- Vorschrift als Vorbild hindurch schimmert. Das Vorbereitungs Schieſsen ist die deutsche Vor-, das Unterrichts -Schieſsen einfach O
die Haupt-Übung. In welch' einschneidender Weise die Entfernungen gewechselt haben, geht aus Nachstehendem leicht hervor.
Die neue Schiefs - Vorschrift
94
Zahl der Übungen auf 100, 200, 300, 400, 500, 600 m . Alte Vorschrift
1,
6,
2,
1,
Neue Vorschrift
3,
4,
1,
2,
1,
1. 1.
Wohlbedachter Weise hat die deutsche Vorschrift von 1887 ein
allmähliches um je 50 m stattfindendes Wachsen der Entfernungen festgesetzt, wogegen man in Frankreich unverweilt zu der nächsten
immer um 100 m gröſseren Entfernung übergeht. Die Vorschrift von 1882 hatte den knienden Anschlag in ganz auffälliger Weise
bevorzugt : 8 Übungen von 12 muſsten in dieser Körperlage ver schossen werden .
Die neue Vorschrift hat augenscheinlich dem
deutschen Vorbilde nachfolgend einen groſsen Wert dem stehenden
Anschlage zuerkannt, in welchem jetzt 5 Übungen von 11 ( früher 3 von 12) geschossen werden .
Auch ist hervorzuheben, daſs der
Anschlag stehend aufgelegt beim Schulschieſsen in Frankreich bis her nicht bekannt war. In sehr auffallender Weise ist der liegende Anschlag vernachlässigt, welcher treffend als > Normal-Gefechts
Anschlag « bezeichnet worden. Die alte Vorschrift lieſs ihn nur einmal, die neue nur zweimal beim Unterrichts -Schieſsen anwenden.
Die durch die neue Vorschrift eingetretene Änderung der Scheiben lassen auf eine
wenn auch nur in unbedeutendem
Maſse eingetretene – gröſsere Wertschätzung eines genauen Schieſsens schlieſsen . Während man früher auf 400 m gegen eine Scheibe mit Trefffläche von 2 m Höhe und 1,5 m Breite schofs, hat man jetzt
bei dieser Übung eine Quadrat-Scheibe von 2 m Seiten-Länge, welche innen zwei Kreise , von 2 und 1 m
Durchmesser enthält.
Die
Änderung der Scheibe für 600 m ist später erwähnt. Die beim Unterrichts - Schieſsen verwandten Scheiben sind sämt
lich Rechtecke und zwar für die Entfernungen bis einschlieſslich 400 m von 2 m Höhe und Breite. Für die Übungen auf 100, 200, 300 und 400 m wird in der Mitte dieser Scheibe ein Kreis gezogen, dessen Durchmesser 0,5 beziehungsweise 1 , beziehungsweise 1,5, be ziehungsweise 2 m ist. Im Innern dieses Kreises zieht man noch mals einen solchen mit einem halb so groſsen Durchmesser. Auf 600 m *) dient ein Rechteck von 3 m Breite, 2 m Höhe als Ziel, in dessen Mitte ein anderes Rechteck von zweimal kleineren Abmessungen angebracht ist, welches die alte Vorschrift nicht kannte.
Auf allen diesen Scheiben sind zwei Achsen, eine senkrechte
und eine wagrechte angebracht, welche in der Scheiben-Mitte sich *) Die Entfernung 500 m ist beim Unterrichts -Schieſsen nicht mehr vertreten.
für die französische Infanterie.
95
schneiden und den Entfernungen entsprechend stärker oder schwächer sind (5 und 10 cm).
Hier sei gleich die Berechnung der Treffer nach ihrem Treff punkte in der Scheibe erwähnt. Jeder Schuſs innerhalb des mittleren Kreises beziehungsweise Vierecks zählt zwei, jeder in dem äuſseren Gürtel einen Punkt.
gerechnet.
Treffer auſserhalb der Kreise werden als 0
Auch hier zeigt es sich, daſs die neue Vorschrift einen
etwas gröſseren Wert dem genauen Schieſsen beimiſst.
Die früher
zu treffende Fläche auf 400 m war 2 m hoch , 1,5 m breit , jeder hier sitzende Treffer zählte zwei Punkte, auſserhalb dieses Rechtecks
gleich null. Jetzt zählt der Treffer im mittleren Kreise zwei Punkte, im äuſseren Gürtel einen Punkt.
Auf 600 m ist die Gröſse des Ziels die gleiche geblieben . Während aber früher ein Schuſs auf der 3 m breiten und 2 m bohen Scheibe zwei Punkte zählte, rechnet die neue für einen Treffer im mittleren Rechteck zwei Punkte und einen für einen solchen auſser halb desselben.
Für die nahen Entfernungen ist die französische Vorschrift von
1888 ebenso bescheiden in ihren Anforderungen als ihre sämtlichen Vorgängerinnen. Der kleinste Kreis der französischen Scheiben hat einen Halbmesser von 12,5 cm . Zum Vergleiche sei hier ange
führt, daſs der entsprechende Halbmesser der deutschen Strich- und Ringscheibe 5 cm beträgt. Die französische Scheibe mit ihrem 12,5 cm Kreis kommt nur auf 100 m zur Verwendung, die deutsche
Ringscheibe dagegen bis auf 200 m . Bei der deutschen Scheibe wachsen die Halbmesser der Ringe um je 5 cm von 5 cm bis zu 60 cm, die französischen Halbmesser für 100 und 200 m sind da
gegen 25, 50 und 100 cm ! Diese Zahlen zeigen deutlich wie himmel weit verschieden die Anforderungen an die Schieſsleistung der Infanterie jenseits und diesseits der Vogesen sind. — Zu dem Vorbereitungs - Schieſsen bemerkt die Vorschrift noch einiges Mitteilungswerte.
Der erste Schuſs, welchen der Mann aus dem Gewehr abgiebt,
ist von Einfluſs auf die Ergebnisse seiner späteren Schieſs-Übungen. Es ist daher notwendig, daſs dieses » debut « unter den günstigsten Verhältnissen geschieht und der Soldat hiervon keinen schlechten Eindruck bewahrt. Der Unteroffizier soll namentlich darauf achten , daſs der Schütze eine richtige Stellung eingenommen und den Kolben stark gegen die Schulter gesetzt hat, um die Wirkung des Rückstofses beinahe unfühlbar zu machen .
Die drei vorbereitenden Übungen sollen den Rekruten in der
Die neue Schieſs - Vorschrift u s. w.
96
Genauigkeit des Zielens befestigen , an den Knall und Rückstoſs gewöhnen, dem älteren Soldaten eine Vorstellung der seiner Waffe eigentümlichen Streuungen geben. Zu diesem Zweck soll ein Unteroffizier u . s. w. bei dem Schützen
auf einem Scheibenbild die Lage eines jeden Treffers einzeichnen .
Nach beendetem Schieſsen soll die Lage des mittelsten Schusses bestimmt und dem Soldaten gezeigt werden , wie sein Gewehr im Verhältnisse zu dem Zielpunkte schieſst.
Der Unteroffizier macht
dem Schützen klar, daſs bei den folgenden Übungen sein Schieſsen so viel besser wird, je dichter und näher zum Zielpunkt die
um
Schüsse sitzen . Er zeigt ihm dann nach den Ergebnissen des Vor bereitungs -Schieſsens, welche Verbesserung beim Zielen eintreten
muſs, um die Schüsse in die Mitte der Scheibe zu bringen . Die vorbereitenden Schieſs-Übungen werden für die Klassen Einteilung nicht gerechnet und auch in den Einzel- Schuſslisten nicht aufgezeichnet.
Bei der Ausführung des Übungs- Schieſsens ist hervorzuheben, daſs der französische Infanterist seine sechs Schüsse hintereinander
mit Anzeigen eines jeden einzelnen abgiebt. Als vorteilhaft wird empfohlen, dem Unteroffizier bei dem Schützen einen Mann bei zugeben, welcher auf einem Scheibenbild nach jedem Schusse den Sitz desselben einzeichnet.
Auf diese Weise hat der Schütze nach
Beendigung des Schieſsens eine Vorstellung von der Streuung seiner Schüsse. Erlaubt die Ausdehnung des Schieſsplatzes das Einzel schieſsen nicht bis auf 600 m Entfernung auszuführen, dann werden die Patronen, welche auf Abständen, die gröſser als die Stände sind, zu verbraucht werden müssen , auf der gröſst möglichen Entfernung verschossen .
( Schluſs folgt.)
VI.
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.. Über die in den Monaten Juli und August des Jahres 1588 in den englischen Gewässern erfolgte Niederlage der berühmten spa nischen Armada Philipps II. herrscht im Allgemeinen die Ansicht,
daſs dieselbe im Wesentlichen durch die Ungunst der Witteruvg, durch Sturm , der sie überfallen und zerstreut habe, verursacht worden sei. Die vielfach bekannte Inschrift einer zur Erinnerung
an jenes denkwürdige Ereignis geschlagenen Denkmünze jener Zeit : » Deus afflavit, et dissipati sunt« mag sehr zur Verbreitung dieser Ansicht beigetragen haben. Auch die Geschichtswerke gehen über die Kämpfe jener Flotte ziemlich rasch hinweg, und alle verweisen auf die Stürme, welche in erster Linie deren Zerstörung verursacht hätten .
Es dürfte daher nicht des Interesses entbehren, im Folgenden Schicksale jener Flotte und vor Allem die heldenmütigen fast die
beispiellos dastehenden Kämpfe der Engländer wie der Spanier im Hochsommer jenes Jahres, an der Hand einer englischen Quelle einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen, und darauf hinzu weisen, daſs es englischer Seits einer sechstägigen heiſsen Schlacht bedurfte, um den Stolz Spaniens und Portugals, die Armada, zu schlagen, und zum Rückzug zu zwingen und daſs dann erst der Sturm ihr den Rest gab . Die Darstellung jener Ereignisse aber dürfte zur Zeit um so mehr das Interesse beanspruchen, als Deutschland anscheinend im
Begriff steht, wenn auch unter sehr veränderten Verhältnissen, mehr Gewicht auf seine Schlachtflotte zu legen wie bisher . Hentzutage hält die überwiegende Anzahl der Bevölkerung Englands einen Einfall in dieses Land und die Landung eines aus
wärtigen Feindes an seinen Küsten geradezu für ein unglaubliches Ereignis. Die Erinnerung an viele glorreiche Siege, das glückliche Befreitbleiben von den Schrecknissen des Krieges, und der Genuſs Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine.
Bd . LXIX ., 1 .
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Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
langer Jahre des Friedens und des Wohlergehens trugen im Verein dazu bei, die bloſse Erwähnung einer solchen England bedrohenden Gefahr schwer begreiflich für die jetzige Menschheit Englands zu
machen. Ganz anders war dies mit deren Vorfahren gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Fall. Die Angehörigen jener groſsen Zeit der britischen Geschichte, welche durch die Herrschaft Elisabeth
Tudors bezeichnet wird, waren, obgleich sie nicht thatsächlich unter dem eisernen Joch eines Feindes geseufzt hatten, doch erst seit kurzer Zeit von einer Knechtschaft und Tyrannei befreit worden, die sie nicht weniger gequält hatte, weil sie ein einheimisches
Erzeugnis war. Stolz und eifersüchtig auf ihre neugewonnenen bürgerlichen und religiösen Freiheiten, stolzer noch auf ihre zu Lande und zur See wachsende Macht, und nicht ohne Verständnis für die Aufgabeo, welche ihren Nachkommen bestimmt schienen, sah die englische
Bevölkerung jener Zeit rund um sich den klaren Beweis, mit welcher Leichtigkeit stärkere, weit zahlreichere, und augenscheinlich gröſserer Sicherheit als sie selbst sich erfreuende Nationen, unter das Joch
der Eroberer von Mexico und Peru gerieten. Als sie jedoch schlieſs lich erfuhr, daſs die volle Stärke und die reichen Hilfsquellen des mächtigsten und reichsten Monarchen Europas, unterstützt von den
Versprechungen, Segnungen und des weit reichenden Wirkungskreises des römischen Pontifex im Begriff standen zur Niederwerfung ihres Landes verwandt zu werden, legten sie ihre Händel und Streitig
keiten bei Seite, und standen wie ein Mann gegen den gemein schaftlichen Feind. Wie dieselben sich rüsteten der Gefahr ent gegenzutreten , wie sie die wider sie gesandten Streitkräfte bekämpften,
und wie sie unter dem Schutz der Vorsehung ihr Land und indirekt ganz Nord - Europa vor Knechtschaft schützten , ihren Glauben und
ihre weltlichen und geistigen Freiheiten bewahrten, und die Ehre und das Ansehen ihrer Nation rein und unbefleckt überlieferten,
bildet einen Vorgang, dessen Darstellung nicht verfehlen kann,
selbst den kältesten Zuhörer anzuregen. Der glücklichen Beendigung dieser momentanen Krisis in der englischen Geschichte verdankt die
Handels- und Kolonialherrschaft, auf welche England mit Recht so
stolz ist, hauptsächlich ihre Entstehung; und sicher sind die staats männische Klugheit, die rühmliche Vaterlandsliebe, die glänzende
Tapferkeit und der unbeugsame Mut der Engländer jener Zeit der
dankbaren und verehrensvollen Erinnerung am dreihundertsten Jahrestage der denkwürdigen Ereignisse, welchen sie hervorriefen, wert.
Die Niederlage der spanischen Armade 1588.
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Wir beabsichtigen nicht uns lange mit den Ursachen, welche za der Entwickelung des feindlichen Auftretens Spaniens führten ,
zu beschäftigen . Es ist jedoch ein Irrtum anzunehmen, daſs reli giöser Eifer oder Sektirer Gründe hauptsächlich oder nur unmittel bar mit ihrer Unternehmung verbunden gewesen wären .
Es waren
stärkere Gründe für den Aufruf zu den Waffen notwendig , als die Anerkennung und die Unterstützung, welche Elisabeth den Thaten eines Howkins, Drake und anderer Seeleute zollte , die in den Augen der Spanier nur für die Hände des Henkers und des Inquisitors geschaffene Piraten und Schmuggler waren . Die Eroberung von England wurde als eine gerechte und wünschenswerte Unternehmung betrachtet , und es sind zahlreiche Zeugnisse vorhanden , daſs lange vor dem damaligen Versuch , Vorbereitungen gemacht wurden, die Insel und ihre Vipernbrut anzufallen und zu überwältigen. Die Vorbereitungen der Spanier waren höchst umfangreiche. Die Gesamtzahl von Schiffen aller Arten, welche die Armada bildeten,
war annähernd 130. Wenigstens 60 waren Galleonen von hoher Bauart und Stärke, von 700 bis 1250 Tons Gehalt .
Sie waren
jedoch ursprünglich nicht für Kriegszwecke gebaut, und die Geschütz zahl, welche sie führten, war im Vergleich zu ihrer Gröſse nicht bedeutend. Nur für lange Reisen eingerichtet, ragte ihr Oberdeck weit aus dem Wasser und ihr Hauptgebälk war 3 bis 4 Fuſs stark. Hundert Jahre früher hatten die portugiesischen Galleonen unter Diaz das Kap der guten Hoffnung umschifft, und mit der Eroberung Portugals fielen einige der schönsten Schiffe der Welt in die Hände
des Königs von Spanien. Die portugiesischen Galleonen waren es, welche das Avantgarde-Geschwader der Armada bildeten ; die gröſsten derselben führten 50 Geschütze, darunter manche kleinen Kalibers .
Bei den gemieteten Schiffen, war mit Ausnahme der schwersten Galleonen der Levante das Verhältnis zwischen Geschütz und Tons
inhalt noch geringer. Da sie gewöhnlich in ruhigen Gewässern segelten, so führten sie keine zahlreiche Bemannung; jetzt jedoch waren sie in einem nachteiligen Maſse mit Soldaten überfüllt. Von der zweiten, Galeassen genannten , Art von Schiffen befanden sich 4 in der Flotte. Dies waren richtige Kriegsschiffe, und erfüllten ihre Aufgabe im Kampf vollständig. Wie die Galleonen waren sie Dreimaster, wurden jedoch auch durch Ruder bewegt, zu deren Handhabung sie eine groſse Anzahl Galeerensklaven mit sich führten . Ihre Vorderteile und Spiegel waren mit schweren Geschützen auf hohen Kastellen versehen, und sie führten kleinere Geschütze auf den Breitseiten in Pforten zwischen den Ruderern .
Von den beiden 7*
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Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
gröſseren führte jedes fast 300 Soldaten und über 100 Matrosen, nebst 350 Rudersklaven.
Es waren ferner Galeeren mit einer oder
mehreren Reihen von Rudern an den Seiten, viele Handels- und Transportschiffe, » caravels « und » urcas « darunter.
Die Bemannung dieser Flotte bestand aus mehr als 30,000 Mann, einschlieſslich 18,000 Soldaten, 8000 Matrosen, 2000 Galeerensklaven, und einem zahlreichen Lazarettpersonal, das von 180 Priestern der verschiedenen Orden unterstützt wurde .
Die Armierung betrug
2000 Geschütze. Einige mögen 64 oder 32 Pfünder gewesen sein, doch die bei weitem gröſsere Anzahl waren Zehn-, Sechs- oder Vier Pfünder, Halb - Couleuvrinen » Sakers « und » Minions « genannt. Die gesamte Truppenmacht war für 6 Monate verproviantiert; die Flotte führte eine groſse Geldsumme mit sich, und die Befehle zur Er haltung der Disziplin waren ungewöhnlich streng. In der Nach barschaft von Nieuport und Dünkirchen hatte Farnese, der Prinz von Parma, eine Armee von 30,000 Mann Fuſsvolk und 4000 Reitern
versammelt , auserlesene Truppen , bereits truppweise auf flachen Booten und Transportschiffen eingeschifft, um über den Kanal nach Margate und Deal geführt zu werden, sobald die englischen und
holländischen Schiffe durch das Auftreten der ungeheuren Flotte aus den benachbarten Gewässern weggefegt sein würden. Von den Fübrern, die mit diesen groſsen und anscheinend un überwindlichen Unternehmungen beauftragt waren , hatte Santa Cruz eine längere Diensterfahrung hinter sich, als irgend ein Geschwader chef auſserhalb Englands, während Parma als der erste Heerführer jener Zeit anerkannt war. Allein Parma setzte nie seinen Fuſs auf englischen Boden , und Santa Cruz starb im Februar, bevor die
Armada zum Auslaufen völlig bereit war. Der Herzog von Medina Sidonia, sein Nachfolger, hatte wenig, was ihn für den Posten
empfahl, ausgenommen sein blaues Blut und seinen persönlichen Mut. Er hatte jedoch einige anſsergewöhnlich fähige Seeleute und Befehlshaber als Ratgeber. Don Juan Martinez de Recalde, Vice Admiral und Kapitän der biscayischen Armada, war beides, und bewies dies während der ganzen unglücklichen Kreuzfahrt. Er war so glücklich, wie sein Chef zurückkehren zu können, aber er starb
kurz nach der Landung. Don Diego Flores de Valdes, General der Flotte von Castilien, hatte schon mit Auszeichnung zur See gedient. Er war es, der das Verbrennen der englischen Flotte in Plymouth
anempfahl, und er war es, der nach dem groſsen Kampf von Grave lines völlig den Mut verlor. Don Pedro de Valdes, Admiral der andalusischen Armada, hatte eine Flotte in den nördlichen Gewässern
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
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befehligt, und man hoffte, daſs seine Ortskenntnisse von Wert sein würden ; allein sein Schiff Nuestra Señora del Rosario , gewöhnlich die Capitana genannt, war das erste das genommen wurde, und er selbst ward zum Gefangenen gemacht. Andere Befehlshaber, von deren Heldenthaten berichtet wird, waren Don Miguel de Oquendo, ein glänzender und ritterlicher Offizier, im Gegensatz zu dessen Rat der Rückzug durch die Nordsee unternommen wurde ; Don Martin
de Bertendona, dessen Flaggschiff, die Ragazona, stets da war, wo am heftigsten gekämpft wurde, er befehligte das Geschwader der gemieteten Galleonen, unter denen sich einige der schönsten Schiffe der Armada befanden ; und Don Hugo de Monçada, der den Befehl über die 4 Galeassen hatte, und der sein Leben verlor, als sein
Schiff bei Calais genommen wurde. Befehlshaber der eingeschifften Landungstruppen war Don Alonzo da Leyva, der seine Standarte auf der Rata Coronada hiſste, ein verdienter General, der in seiner Jugend gegen die Mohren gefochten und seitdem in mancher Land- und Seeschlacht Dienste geleistet hatte. Seiner Aufsicht war, wie berichtet wird, der gröſste Teil der hochgeborenen spanischen Jugend anvertraut, welche das Unter nehmen mitmachte. Dieser tapfere alte Soldat ertrank, nachdem er dreimal Schiffbruch gelitten hatte, mit den meisten seiner Gefährten an der Küste von Irland.
In England war eine Kommission von Edelleuten und Gentlemen , wie der erfahrensten See- und Land -Offiziere zusammenberufen worden, um die geeignetsten Mittel zu bestimmen , die Streitkräfte
des Reichs in die Verfassung zu setzen, jedem Eindringen zu wieder stehen « . Es ist bemerkenswert, daſs nach Ansicht der Sachkundigen jener Tage, das einzig sichere Mittel einem Einfalls vorzubeugen, in der Erhaltung einer unbesieglichen Flotte bestand. Gleichzeitig wurden Sicherheitsmaſsregeln an der Küste getroffen, für den Fall, daſs der Feind bei Milford, Plymouth, Portland auf Wight, bei Portsmouth, der Themse oder Harwich landen sollte.
Milizen und
Freiwillige wurden in groſser Anzahl zu Truppen - Corps gebildet und begannen sich im Waffengebrauch zu üben ; Lager wurden abgesteckt und befestigt, während auf jedem hohen Platz Pechpfannen und
Signalfeuer vorbereitet wurden, um angezündet von der Ankunft des Feindes Kunde zu geben und die Verteidiger des Landes auf zurufen .
Diese Vorbereitungen waren keinem einzelnen Teil des
Landes oder einer besonderen Klasse oder Truppe anvertraut. Manche Städte, wie die City von London, bemühten sich ihre Schuldigkeit zu thun, indem sie nicht nur an Land- sondern auch
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an Seestreitkräften Truppen aufstellte, Anleihen ausschrieb, Scbiffe
und Leute auftrieb, und sie verproviantierte und bewaffnete. Überall war nur ein Bestreben zu erkennen, und Protestanten wie Katholiken wetteiferten einmütig mit einander, die Waffen zu ergreifen, und
gebotenen Falls ihr Leben in der Verteidigung ihrer Rechte gegen die drohende Tyrannei der spanischen Herrschaft zu lassen . Unter den tapferen Seeleuten und Soldaten jener Zeit waren manche, welche die spanische Macht weder fürchteten noch unter schätzten . Während der entfachte patriotische Geist durch die Handlungsweise des Piraten deutlich gekennzeichnet wird, der sich den Händen der Justiz zu dem Zweck überlieferte, rechtzeitig Nach richt von der Ankunft der feindlichen Flotte zu bringen, so bildet
die Bemerkung, welche Sir Francis Drake bei der Unterbrechung seines Kegelspiels auf Plymouth Höhe gemacht haben soll: » Es ist noch Zeit, das Spiel zu gewinnen und die Spanier doch zu prügeln ,« gleichzeitig ein Beispiel von der geringschätzigen Meinung, welche diejenigen von den Eroberern hegten, die sie am besten kannten . Die kühnen kaufmännischen Abenteurer, Buccaniers oder Schmuggler, man mag sie nennen wie man will welche gegen die Dons zur See und zu Lande gefochten und sie geschlagen hatten, nicht ohne harte Schläge ihrerseits zurückzuerhalten – erblickten in dem stark
gerüsteten, damals in die englischen Gewässer dringenden Geschwader, wenn nicht frische Gelegenheit zum Plündern und Prisengeldmachen,
so doch wenigstens eine gute Veranlassung, alte Scharten auszu wetzen . Sie verstanden den wirklichen Wert der langsamen schwer fälligen, schlechtbewaffneten und überfüllten Galleonen zu beurteilen ,
und zweifelten keinen Augenblick an dem Ausgang des Seekampfes, so lange sie genügenden Ersatz an Vorräten und Munition von den Behörden erhielten.
Die Gesamtzahl der Schiffe der englischen Königlichen Marine
betrug 30, groſse und kleine, die vier gröſsten waren der Triumph, die Elisabeth, der Weiſse Bär und die Victoria , sämtlich nach den Entwürfen von Sir John Hawkins, des Schatzmeisters der Marine, eines Seemanns, Schiffbauers und Seefahrers, erbaut. Ein Mann dessen Fruchtbarkeit an Hülfsquellen und Kenntnissen, sowie dessen Begabung der folgende Sieg mehr, wie irgend einem anderen Manne jener Zeit zugeschrieben werden muſs. Damals und lange Zeit nachher herrschte kein Friede auf der See, und jeder Kauf
inann war genötigt, seinem Geschäft bewaffnet nachzugehen, während es üblich war, seine Schiffe zu Kriegszeiten zum Schutz der See
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
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häfen zu verwenden. Derart wurde die Schiffszahl der Flotte bald vergröſsert. Alles in Allem bestand die englische Flotte aus 197 Schiffen , von denen manche nur Pinassen und Küstenfabr zeuge waren . Die Bemannung betrug etwa 15,000 Mann, aber
das Verhältnis von Seeleuten zu Soldaten , war in jedem Schiff viel
stärker wie bei der angreifenden Flotte.
Holland sandte eben
falls eine Anzahl Schiffe unter Justin von Nassau .
Diese hollän
dischen Schiffe scheinen mit den Fahrzeugen der Armada nicht ins Gefecht gekommen zu sein ; aber sie thaten an der niederländischen Küste ihre Schuldigkeit.
Das englische Flaggenschiff war der Ark Royal, ein Schiff von 800 Tons ; dasselbe trug 425 Mann und eine Armierung, die sich etwa folgendermaſsen aufzählen läſst: 4 Kanonen (Sechzig
pfünder), 4 Halbkanonen ( Zweiunddreiſsigpfünder ), 12 Couleuvrinen (Achtzehnpfünder ), 6 Sakers (Sechspfinder) und einige geringere Kaliber. Die Letzteren waren in Art der Stückpforteugeschütze und » Feuerkatzen « , kleine aus zwei Teilen gefertigte Geschütze, deren Kammern rasch geladen werden und im Bedarfsfall in das Geschütz geführt werden konnten. Die stärksten Geschütze waren gewöhnlich als Jagd-Geschütze eingerichtet, und befanden sich am Stern ; die Halbkanonen und Couleuvrinen in den Breitseit- Stück pforten , die häufig kreisrund waren . Die Sakers, minions ( Vier pfünder) und » Falken « (Zweipfünder) waren auf dem Hinterdeck und dem Vorderkastell auf Holzblöcken oder als Drehbassen ange bracht, während die kleinste, zuweilen > Mördergeschütze « genannte Art auf Barrikaden an Bord zur Verwendung gegen Enterer aufgestellt war. Von den Masten aus gelangten ferner » Feuer werke « zur Anwendung, von denen es hieſs, daſs die Spanier sie besonders fürchteten .
Die Schiffe waren mit Schnitzereien in ihrem Holzwerk hübsch
verziert, ihre Hintersteven und Gallionfiguren waren oft schön geschnitzte, geformte, gemalte und vergoldete Kunstwerke. Auſser
dem führten sie die groſsen Schiffshinterteil-Laternen , und an allen möglichen Stellen hingen die Banner und Wappen der Befehls haber und die nationalen Abzeichen .
Die Länge dieser Banner
und Wimpel kann nach dem einen beurteilt werden, das zum Andenken an dieses groſse Ereignis eine der groſsen Kirche zu Leyden in Holland aufgehängt wurde, und an der Decke befestigt bis auf die Erde reichte .
Die Bemannung der Schiffe sowohl der Marine als der ge mietheten oder freiwilligen Kauffahrer war höchst unvollständig,
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Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
der Sold war gewöhnlich im Rückstande, und da auch sanitäre Ein richtungen gänzlich fehlten, so verbreitete sich Mangel und Krankheit. Der berühmteste und hervorragendste der englischen See - Offiziere war Lord Charles Howard von Effingham, er war Lord Admiral, wie sein Vater gewesen war, und ein Mann von groſser Erfahrung zur See, zu der Zeit, als der Einfall drohte.
Seiner Vorsicht und
Ruhe, seinem Urteil und besonders seiner Begabung als Seetaktiker verdankte man in nicht geringem Grade den Sieg von 1588. Um die Schwierigkeiten zu verstehen , mit denen er zu kämpfen hatte,
muſs man seine Korrespondenz lesen. Die beständige Klage der selben ist, daſs während er Schiffe und Leute hätte, die letzteren so gut wie irgend welche in der Welt, und bereit ihr Leben in ihrer Majestät Dienst hinzugeben Geld, Magazine, Munition und
Vorräte, Alles fehlte. Und so geht es bis zum Ende des Feldzuges. In beständiger Aufmerksamkeit auf die Einzelheiten seines Amtes, in eifriger Sorgsamkeit für seine Leute und in entgegenkommender
Erwägung der Bemerkungen seiner Ratgeber ( von denen einige sich mehr durch Temperament als durch Takt hervorthaten ) handelte der Admiral stets weise, und als der Augenblick kam gegen den Feind entscheidende Unternehmungen auszuführen, zeigte er sich hochbe gabt an festem Mut und Tapferkeit. Die 4 Männer, welche Lord Howard als seine Ratgeber wählte, und von denen er schreibt, daſs die Welt sie für die erfabrensten Männer halten muſs, welche das
Reich besitzt,« waren Sir Frances Drake, die Kapitäne John Haw kins, Martin Frobisher und Thomas Fenner. Von diesen vieren ist Sir Francis Drake von einigen Schriftstellern zur Hauptfigur der
Niederlage der Armada gemacht worden. Seine Hauptthat war die Wegnahme der Nuestra Señora del Rosario, der Capitana Don Pedro de Valdes'.
Drakes Benehmen auf der Höhe von Plymouth war,
wenu die Geschichte recht berichtet, kaum das eines eifrigen Unter gebenen, der den unter seinem Befehl stehenden Leuten ein gutes
Beispiel geben will. Im Allgemeinen wird ihm Ungehorsam vor geworfen, auch in der Angelegenheit des Lichtführens in der Nacht des Gefechts von Stast. Seine Haltung bei dem Kampf von Grave lines war die eines ungestümen, tapferen und kühnen Offiziers, und er war unbestreitbar ein hervorragender Seemann und ein uner schrockener Befehlshaber ; allein er scheint vielleicht in Folge alter
Beziehungen sich durch seine Sucht nach Geldgewinn von der Pflicht, die er seinem Chef und seinem Lande schuldete, haben abziehen zu
lassen. Kapitän Johın Hawkins entstammte einer Seefahrerfamilie.
Die Niederlage der spanischen Armada 1588 .
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Er war aus Devonshire, während Frobisher aus der Grafschaft York abstammte ; allein alle Bezirke Englands können mit Stolz bean
spruchen, unter den Seebefehlshabern bei diesem groſsen Ereignis vertreten gewesen zu sein . Hawkins Vater war ein berühmter Schiffs
bauer von Plymouth und zu den Zeiten Heinrichs VIII. wohlbekannt Hawkins Sohn Richard , der den > Swallow « (die Schwalbe) gegen die Armada befehligte, wird eben falls als ein fähiger Seemann erwähnt und hat in seinen » Beobach tungen « einen sehr wertvollen Bericht von den Gepflogenheiten und Gewohnheiten der Seeleute zur Zeit Elisabeths gegeben . Unter Kapitän John Hawkins war Drake ausgebildet worden , und manche der besten Matrosen und Seefahrer jener Zeit waren auf seinem als ein erfahrener Seefahrer.
Vorderkastell oder Offizier bei ihm gewesen . Unter den ersten und hervorragendsten der ausgezeichneten Seeleute seiner Zeit war Martin Frobisher.
Seine unbezähmbare
Tapferkeit und bulldogartiger Mut in dem Treffen von Portland wurde gebührend durch die Ritterschaft, die ihm am anderen Tage zuerteilt wurde, anerkannt. Frobishers gerechte Ansprüche an die Dankbarkeit Englands sind letzthin unter den Händen Rev. Frank Jones zur Geltung gekommen, dessen gediegene und interessante
Schilderung des Lebens dieses tapferen Seemannes und Entdeckers weithin bekannt und gelesen zu werden verdient. Von vier Brüdern, die auch auf der Flotte dienten, ist wenig berichtet worden, und scheint wenig bekannt zu sein .
Lord Henry Seymour führte seine Aufgabe mit rühmlichem Eifer aus , besonders tapfer focht er an dem Tage der Schlacht von
Gravelines. Sir W. Wynter, sein Vize - Admiral, ein alter und fähi ger Offizier, leistete an demselben Tage ausgezeichnetes. Er war >master of the Ordnance« und hatte 30 Jahre früher ein Kommando
eines Gescliwaders gegen die Franzosen in Firth of Forts gehabt. Er stammte von einer alten und vornehmen Gloucestershire- Familie. Es dürfte von Interesse sein, bevor die einzelnen Ereignisse des Seekampfes geschildert werden, einen Vergleich zwischen den beider seitigen Streitkräften - der spanischen und der englischen Flotte
zu ziehen. Es ward ganz allgemein geglaubt, daſs die Spanier in jeder Beziehung überlegen waren ; heute jedoch ist dies als ein völliger Irrtum bekannt. In den Zahlen war die Armada dem eng lischen Geschwader überlegen ; und was die eigentlichen Schlacht schiffe betrifft, war die von Professor Laugthon gegebene Zahl der Spanier 62, der Engländer 49 ; allein in Manövrierfähigkeit und
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Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
Geschützgewicht gestaltet sich der Vorteil ganz entgegengesetzt. Der englische Schriftsteller Charnock legte groſses Gewicht auf die über legene Handlichkeit und Geschwindigkeit der englischen Schiffe und Laughton, der wahrscheinlich diesen Gegenstand mehr Studien unter
zogen hat, wie irgend Jemand sonst, scheint endgültig bewiesen zu haben , daſs die Spanier in Bezug auf Bewaffnung ebenfalls über troffen wurden. Und wenn dies die einzigen Vorteile der Engländer waren, welche der hervorragenden Tapferkeit und Erfahrung der englischen Befehlshaber Nichts vom Wert nehmen , so beweisen sie
die Behauptung eines englischen Seekrieggeschichtsschreibers, daſs kein Wunder oder besonderes Dazwischentreten der Vorsehung er
forderlich war, um den englischen Waffen den Sieg zu sichern. Die englischen Seeleute jener Zeit waren die erfahrensten und geschick testen der Welt.
Es waren rauhe wetterfeste Männer, an hartes
Schiffstagewerk gewöhnt, sie brachten einen groſsen Teil ihres Lebens in Todesgefahr zu. Sie kannten ihre Offiziere und wurden von diesen gekannt. Ein jeder war stolz auf den Andern, und es be stand eine Kameradschaft zwischen dem Hinterdeck und dem Vorder
kastell, die im spanischen Dienst völlig unbekannt war. Denn sie kannten nicht nur ihre Offiziere, sondern auch ihre Schiffe und verstanden sie bei jedem Wetter und unter allen Umständen zu handhaben. Wie Sir Walter Raleigh und Sir William Monson uns erzählen, hatten sie vielfache Verbesserungen im Manövrieren ein geführt, von welchen die Spanier, die besonders Handels -Matrosen waren , keine Kenntnis hatten .
Die Artilleriewissenschaft war zu
dieser Zeit fast unbekannt, und das Bogenschützenwesen bildete einen Teil derselben, allein die Engländer hatten sie zu ihrem Studium
gemacht, während die Spanier sie verachteten , da sie das Schwert
für die edlere Waffe hielten . Dieser Anschauung und der starken Zahl Soldaten, welche sie auf den hohen Kastellen ihrer Galleonen
mitführten, müssen ihre beständigen Versuche zu entern zugeschrieben werden. Nach glaubwürdigen englischen Urteilen jener Zeit waren die Spanier in allem, was seemännisches Geschick und Geschütz
wesen betrifft, schlecht bestellt, und mit den Engländern nicht zu vergleichen. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, daſs die numerische Überlegenheit der Spanier gegenüber ihren Gegnern in der ersten Woche des Kampfes etwa 6 : 1 betrug. Am 29. und 30. Mai 1588 segelte die Felicissima Armada
von der Tajomündung ab. Unter dem Befehl des Herzogs von
Medina - Sidonia lichtete die mächtige Flotte mit groſsem Pomp und Feierlichkeit die Anker, und hätte sie damals sofort an die englischen
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
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Küsten gelangen können, so würde die Geschichte vielleicht einen anderen Verlauf der Ereignisse zu berichten haben . Allein in jenen Tagen hatten die Seeleute mit Wind und Wetter zu rechnen, und diese zeigten sich so stürmisch, daſs sich die Geschwader der Gal
leonen und Transportschiffe bald trennten, und es unmöglich wurde vorwärts zu kommen .
Einige wurden entmastet, eins oder zwei
gingen in der Bay von Biscaya völlig verloren, und obgleich es bieſs, daſs einige der Schiffe vorwärts gekommen und die Scilly Inseln zu Gesicht bekommen hätten, hatten wahrscheinlich alle wieder
zurück gemuſst und im Groynebusen Schutz gesucht. Der erlittene
Schaden, die im Wiederzusammenbringen der Schiffe verlorene Zeit und deren Wiederverproviantierung wurden nebst anderen Dingen zum Gegenstand eines Kriegsrats in Corunna gemacht, der auf einen Aufschub des Unternehmens drang. Philipp II. war jedoch uner bittlich und befahl die sofortige Abfahrt. In diesem Augenblick erreichte den Herzog Sidonia das Gerücht, daſs Lord Howard seine Schiffe für die jetzige Jahreszeit entlassen hätte, und es wurde
daher beschlossen mit der Hauptmacht vor Plymouth zu erscheinen, und wenn möglich die englische Flotte zu überraschen und zu ver
brennen, auch sofort eine Landung zu bewerkstelligen . ( Schluſs folgt.)
1
VII.
Umschau in der Militär -Litteratur. Taschenkalender für das Heer.
Mit Genehmigung des König
lichen Kriegsministeriums herausgegeben von W. Freiherr v. Fircks , Oberstlieutenant und etatsmäſsiger Stabsoffizier des 1. schlesischen Grenadier-Regiments Nr. 10. — Zwölfter Jahrgang. 1889. (Dienstjahr vom 1. Oktober 1888 bis 30. September 1889.) Berlin , Bath. -
Mit gewohnter militärischer Pünktlichkeit ist der zwölfte Jahrgang des bekannten „ Fircks“ bei Beginn des neuen militärischen Dienstjahres erschienen . Wir würden den Vorwurf des „ Wiederkäuens“ auf uns laden,
wollten wir heutigen Tags noch ein Wort über den Wert und die Be
deutung dieses für den Truppen -Offizier fast unentbehrlichen Ratgebers verlieren , oder die Vorteile hervorheben , welche die alljährliche Neu beschaffung dieses Taschenkalenders mit sich bringen. Alle bis zum 10. August veröffentlichten und einschlagenden Bestimmungen haben in
dem vorliegenden Jahrgang Aufnahme gefunden. Er bringt eine ganze Reihe neuer Bestimmungen u . 8. w.: so die Änderungen des Wehrgesetzes
die erlassenen Verfügungen über Civilanstellung von Offizieren, vielfache Neuverordnungen über Kommandos der Offiziere u. dergl. , namentlich die Dienstordnung vom 26. April 1888 über den Besuch der Kriegsakademie, das Erforderliche aus der neuen Schieſs -Vorschrift, der Militär- Straf vollstreckungs -Vorschrift und aus den Bestimmungen über Errichtung von Corps-Bekleidungsämtern u. s. w. u. s. w. Trotz dieser reichen Fülle
von neuen Bestimmungen u. dergl. hat der Verfasser es doch verstanden , den Umfang des Textes gegen das Vorjahr um 4 Seiten zu kürzen. Eigentümlich mutet es einen zuweilen an, wenn man an den Stellen, an welchen der Verfasser nicht den Wortlaut der Bestimmungen, sondern eine eigene Fassung bringt, die sichtlichen Bemühungen wohl empfindet, eine reine gute deutsche Sprache zu schreiben gegenüber den Erlassen einzelner
Behörden , die sich noch gar nicht mit der Muttersprache befreunden wollen . Blicken wir z. B. in die Verordnung über die Ergänzung der Offiziere des Friedensstandes vom 11. März 1880, so springen recht un
liebsam die „ Bestandenen“ und „ Nicht-Bestandenen “ in die Augen ; es
Umschau in der Militär -Litteratur.
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soll dies nämlich heiſsen, diejenigen, welche die Prüfung bestanden oder nicht bestanden haben . – Dem Herrn Verfasser wollen wir von Herzen wünschen , daſs er nach Erledigung des ersten Dutzends seines Kalenders
mit ungeschwächter Kraft die mühevolle, oft gewiſs nicht genug an erkannte Herstellung des zweiten Dutzends beginnen kann. Schlachten -Atlas des neunzehnten Jahrhunderts . Zeitraum : 1820 bis zur Gegenwart . 18. und 19. Lieferung. Iglau, P. Bäuerle.
Das vorstehend benannte, in seiner Idee groſsartige und in der Aus führung bestens gelungene Werk schreitet rüstig vorwärts. Die vor liegende 18. und 19. Lieferung bringen Text und Pläne der beiden in
teressanten Schlachten bei Sedan und Magenta sowie die Schilderung des Feldzuges in Nordvirginien im August 1862 nebst der zweiten Schlacht bei Bull -Run (Manassas ), begleitet von zwei Skizzen und einem Plan .
Wie wir dies schon früher lobend hervorgehoben , ist die Darstellung der Begebenheiten kurz, klar und bündig, alles Nebensächliche ist weislich ausgeschieden . Pläne und Skizzen genügen vollständig den Anforderungen an ein solches Sammelwerk , wobei stets der äuſserst geringe Preis im Auge behalten werden muſs.
Das in nicht zu ferner Zeit vorliegende
Gesamtwerk wird für die Besitzer einen seltenen Schatz bilden .
VIII.
Ergotzliches. Den Jahrbüchern " ist in der letzten Zeit viel Ehre widerfahren .
Das „Deutsche Tageblatt “ brachte am 14. September in seiner zweiten Ausgabe einen umfangreichen Aufsatz über das neue Reglement für die Infanterie, welcher folgenden Abschnitt enthält : Zähe wie das deutsche Wesen , war der Kampf Jahre hindurch, aber abgesehen, von der ganz vereinzelt dastehenden unparlamentarischen Kampfweise, welche in dieser Frage die „ Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine “
wiederholt anzuschlagen für „zeitgemäſs“ fanden, ist der Streit mit Geist und Mäſsigung geführt worden. Der Aufsatz ist zwar ohne Namen erschienen ; aber er trägt den Namen des Verfassers an der Stirne. So kann nur Einer schreiben ; Alles liest sich wie „ klirrender Stahl “ ! Cromwell's Geisteskind, Fritz Hoenig -Cromwell, hat ihn geschrieben. Für den weitaus
gröſsten Teil der Leser des „ Deutschen Tageblattes“ sind die „ Jahrbücher “ ein ganz unbekannter Gegenstand; er kann also kein Interesse an der Haltung einer ihm gar nicht bekannten militärischen Zeitschrift haben. Der scharfsinnige Verfasser wendet sich daher mit seiner Äuſserung wohl auch nicht an die Leser ; er bezweckte anderes. Selbst ein unbefangener Leser wird das Richtige leicht erraten.
Das Ergötzliche“ hierbei ist nun , daſs mir aus einer langen Reihe von Jahren eine Menge an mich gerichteter Briefe von Fritz Hoenig
Cromwell vorliegen , welche von Lobgewinsel gegenüber dem verehrten „Herrn und Meister “ geradezu überströmen ! – Karl Bleibtreu, der wilde Weltenstürmer und Geistesverwandte Hoenig Cromwell's, den er auch als Bahnbrecher der neueren Militär - Litteratur Grand honneur au marquis de bezeichnet, („ Chapeau bas! Chapeau bas! Carabas !“" — v.M.) hatte jüngst ein Buch veröffentlicht : , Friedrich der Groſse bei Collin “, welches im September -Heft der Jahrbücher lediglich vom militär-wissenschaftlichen Standpunkt aus eine Besprechung fand. Der .
Verfasser jenes Buches hat nun in einer neuen Schrift „Der Kampf ums Dasein der Litteratur “ seinen „ Friedrich der Groſse bei Collin “ selbst eine n
Groſsthat realistischer Charakteristik genannt und betreffs der erwähnten Besprechung in den Jahrbüchern Folgendes geäuſsert (Einleit. S. XVII. Anm.) : „Ähnlich (bezieht sich auf das Herausreiſsen einzelner Stellen v. M.) ein geistiger Unteroffizier (natürlich anonym ) in den Jahrbüchern
111
Ergötzliches.
für Armee und Marine“ , der aus meinem „ Collin “ gerade die besten Sätze als Proben schlechten Stils herausreiſst ! “ Was zunächst das „natürlich n
anonym“ anbelangt, so würde Herr Karl Bleibtreu, wenn er eine Ahnung von den bei den „Jahrbüchern“ herrschenden und oft kundgegebenen Redaktions -Grundsätzen hätte , wohl wissen , daſs die Redaktion sich ein
für allemal zunächst verantwortlich für alle in den Jahrbüchern “ anonym erscheinenden Veröffentlichungen erklärt hat. Also kann von einem Ver kriechen hinter „Anonymität“ auch nicht im entferntesten die Rede sein. Im vorliegenden Falle rechne ich es mir aber noch zur besonderen Ehre an , jener geistige Unteroffizier zu sein , der „Collin“ besprochen hat. Das „ Ergötzliche“ hierbei ist nun , daſs Karl Bleibtreu , der über wissentliche Fälschungen seiner zahlreichen Gegner laut aufschreit, von mir im vorliegenden Falle dieses schweren Vergehens selbst geziehen werden muſs. Ich schrieb in jener Besprechung : „ Nun noch einige wenige Proben von der Bleibtreu'schen Schreibweise und seinen Bildern. “ Zu den gebrachten Proben ist von meiner Seite nicht der geringste Zu satz u. s. w. gemacht worden ; ich wollte den Leser lediglich in Stand setzen , sich ein Urteil über das Buch in dieser Beziehung selbst zu bilden . Und da behauptet Karl Bleibtreu mit einer ihm allerdings eigentümlichen n
Kühnheit : ich hätte die besten Sätze als Proben schlechten Stils
herausgerissen !
Hoenig - Cromwell und Karl Bleibtreu haben beide sehr recht : Wir leben in einer ganz erbärmlichen Zeit ! G. y . Marées.
IX.
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den militär.
Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze. *) (III. Quartal 1888.) ( 15. Juni – 15. September 1888.)
Für das nachfolgende Verzeichnis sind benutzt: 1. 2.
Militär -Wochenblatt.
M. W. Neue militärische Blätter. N. M. B.
3. Allgemeine Militär-Zeitung. –- A. M. Z. 4.
Deutsche Heeres -Zeitung.
D. H. Z.
5. Militär-Zeitung. Organ für Reserve- und Landwehr-Offiziere. 6. Internationale Revue über die gesamten Armeen und Flotten . A. A. I. 7. Archiv für Artillerie- und Ingenieur -Offiziere.
8. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. 9.
10.
M. Z. R. · I. R. A.
A. H. M.
Zeitschrift für Luftschifffahrt. – 2. F. L.
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine.
11. Österreichische Militär-Zeitschrift ( Streffleur). 12. Organ der militär -wissenschaftlichen Vereine.
-
J. A. M. 0. S. M. O. W. V.
13. Österreichisch -ungarische Wehr-Zeitung. – 0. U. W. 14. Österreichisches Armeeblatt. – 0. A. B. 15. 16. 17. 18.
0. M. 2 . Österreichische Militär- Zeitung. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie -Wesens. -0. A. G. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. -- 0. M. S. F. S. M. Le Spectateur militaire. -
19. Journal des sciences militaires. 20.
21. Revue du Cercle Militaire. F. 22. Le Progrès militaire. 23. 24.
L'Avenir militaire. La France militaire.
F. J. S.
F. R. O.
Revue de cavallerie.
-
-
F. O. M. P. M.
F. A. M. F. M.
*) Die mit einem * versehenen Bücher sind der Redaktion zur Besprechung zugegangen und werden in der Umschau in der Militär-Litteratur “ nach Mög. lichkeit Berücksichtigung finden .
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren Aufsätze. 113 F. R. A.
25.
Revue d'artillerie.
26.
Revue du service de l'intendance militaire.
27. 28.
Revue maritime et colonial. F. R. M. Russischer Invalide. - R. 1. Wajenny Sbornik. · R. W. S. Russisches Artillerie-Journal . R. A J.
29. 30.
31. Russisches Ingenieur-Journal.
F. R. 1.
R. I. J.
32.
Morskoi Sbornik.
33. 34. 35. 36.
Rivista militare italiana. I. R. L'Esercito italiano. 1. E. Rivista di artiglieria e genio. 1. A. G. Rivista marittima. I. R. M.
- R. M. S.
37. Journal of the Royal United Service Institution. 38. 39.
The illustrated Naval and Military Magazin . Army and navy Gazette. E. A. N.
40.
The Broad Arrow.
E , U , S. E. N. M.
-
E. B. A.
41.
Admiralty and Horse guards Gazette.
42. 43. 44.
The Military Telegraph Bulletin . E. M. T. Journal of the united Service Institution of India. Army and navy Journal. A. A. N.
E. A. A.
45. Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. 46.
Revue militaire Suisse.
De militaire Spectator.
49.
De militaire Gids.
50.
Revue militaire belge.
- 1. U. S.
Sch . M. Z.
Sch . R. M.
47. Schweizerische Zeitung für Artillerie und Genie. 48.
-
Sch . A. G.
Nd. M. S. Nd. M. G.
51. La Belgique militaire.
B. R. M. B. M.
52.
Memorial de Infanteria.
Sp. M.
53.
Revista cientifico militar .
Sp. R. O. Sp. M. I.
54. Memorial de Ingenieros . 55. 56. 57.
Revista militar. – P. R. M. Revista das sciencias militares. Revista maritima Brazileira.
58. 59.
Revista militar (Republica de Colombia ). — C. R. M. Schw . K. Krigsvetenskaps Academiens Handlingar.
60 . 61 .
Norsk militaert Tidsskrift . N. M. T. Militaert Tidsskrift. - D. M. T.
P. R. S. Br. R. M. H.
I. Heerwesen und Organisation. Der Landsturm in der Schweiz.
M. W. 55.
Das italienische Heer im ersten Vierteljahr 1888. Das Heerwesen von Chile,
M. W. 58.
M. W , 59, 78.
Die norwegische Armee seit dem Jahre 1816.
M. W. 64.
Die Königlich schwedische Armee im Jahr 1887. M , W. 68 . Die Armee der Balkanstaaten in ihrer neuen Organisation und Zusammensetzung, N. M. B. Juli, Aug., Sept.
Die italienische und die französische Gebirgs-Infanterie. Jahrbücher für die Deutscbe Armee und Marine. Bd, LXIX .. , 1 .
A. M. Z. 49.
8
114
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren in den
Neuordnung des englischen Kriegsministeriums. Das russische Heer in Turkestan .
-
D. H. Z. 57, 58.
D. H , Z. 70. I. R. A. Juh .
Neuerungen im Heerwesen Portugals. General Cassola's Reform des Heerwesens Spaniens. – I. R. A. Aug. Organisation und Personal der transkaspischen Militär- Eisenbahn. I, -
Infanterie - Pioniere.
-
R. A. Aug.
0. M. Z. 57 .
Die Territorial-Armee im Frühjahr 1888. F. S. M. 190 . Angaben über die niederländisch -indische Armee. F. s. M. Angaben über die russische Kavallerie. F. R. C. Juli.
191.
-
Die Armee von Marokko.
F. C. M. 32.
-
Studie über Rekrutierung und Mobilmachung.
F. C. M. 35-37.
-
Vergleichende Betrachtung der Genietruppen Frankreichs mit denen der euro päischen Hauptmächte.
F. C. M. 38 .
Die Organisation der Armee (Infanterie) nach dem Dreiteilungssystem .
F. C. M.
26, 28 .
Berittene Infanterie und ihre Verwendung in Afrika. Die Wehrsteuer ,
F. C. M. 31.
F. P. M. 797.
F. P. M. 809, 811, 812, 816-821.
Der Heereshaushalt für 1889.
Die Bildung des 21. Chasseurs - Regiments. F. A. M. Das neue Rekrutierungsgesetz.
F. A. M. 1293. 1293.
Die Organisation der Jagd-Kommandos bei der Infanterie.
R. W. S. Juni.
Das donische Heer als Hauptbestandteil der Kasakenbevölkerung . – R. W. 8. Sept. Die Eingeborenen -Armee von Bengalen . · E. U S. 144 . E. U. S. 144 . Die Eingeborenen -Armee von Madras. -
Über reitende Artillerie .
E. U , S. 144.
Die Organisation der englischen Artillerie.
E. A. N. 1494.
II. Ausbildung . * Mathematische Formeln und Regeln , sowie Aufgaben mit Lösungen zur Vorbereitung für die Portepée -Fähnrichs- Prüfung von Liebmann , Haupt mann à la suite des Cadetten - Corps. k). 8 139 S. - Berlin, Liebel'sche Buchhandlung. – 2,50 M.
* Die theoretische Aus- und Fortbildung des Reserve - Offiziers und des Unteroffiziers der Kavallerie in der Kenntnis des Geländes und des Felddienstes.
Leitfaden für den Unterricht und zur Selbst
unterweisung. Mit 42 Figuren und 2 Plänen. Von Hann v. Weyhern , Zweite ver Generalmajor und Commandeur der 7. Kavallerie-Brigade. mehrte und verbesserte Auflage. – 8 - 181 S. Berlin, Fr. Luckhardt. -
- 3 M.
* v. Dossow's Anleitung zur Anfertigung der militarisch -schrift . lichen Arbeiten als : Meldungen , Rapporte, Liquidationen , Quittungen,
Atteste, Berichte, Lebenslauf, Verhandlungen, Schriften in Briefform , Tita laturen u. 8. W., nebst vielen erläuternden Beispielen und einem Anhange, enthaltend die gebräuchlichsten Fremdwörter, der Hauptpankte bei Er
kundung des Geländes, Bestimmungen für den Post- und Telegraphen Verkehr u. s. w.
Dreizehnte Auflage.
Nach den neuesten Be
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
115
stimmungen umgearbeitet von R., Bataillons-Adjutant und W., Zahlmeister. 1 M. Berlin, Liebel'sche Buchhandlung. 90 S. 80 * Leitfaden für den Unterricht in der Terrainlehre , im militärischen
Planzeichnen und im militärischen Aufnehmen an der Königlichen Kriegsschule. Mit Genehmigung der Königlichen Inspektion der Militär
Bildungsanstalten bearbeitet von Karl Ulrich , Hauptmann u. Compagnie chef im 1. Jäger-Bataillon.
Mit 10 Tafeln in Steindruck.
- 4°
124 S. München, Th. Ackermann . * Schiefsdienst und Felddienst der Kavallerie. Sonderabdruck aus Bal thasar's Leitfaden bei der Instruktion der Rekruten und älteren Mann
schaften der Kavallerie. Auf Grund der „ Felddienstordnung von 1887“ und der Schiefsvorschrift von 1888 bearbeitet von v. Dewall , Rittmeister und Berlin, Liebel'sche Buchhandlung . Escadronschef. - kl. 8° - 111 s.
2,50 M. * Taschenbuch für den Schieſslehrer (Offizier, Unteroffizier, Einjährig
Freiwilligen, Gefreiten u. s. w.) bei den Zielübungen , im Entfernungsschätzen und in der Verwendung der Waffe. Von v. Brunn , Major und Bataillons Commandeur. Mit 10 Abbildungen im Text. kl. 80 122 S. Berlin, Liebel'sche Buchhandlung. 1,20 M. Gesamt -Ausgabe für Kaval -
.
lerie, Ausgabe für Fuſs - Artillerie, Ausgabe für Pionier.
Das Militär- Erziehungs- und Bildungswesen in England.
M. W. 57 .
Die neue französische Vorschrift für das Schieſsen der Infanterie.
Die Truppenübungen der italienischen Armee 1888. Pferdeschwimmer.
-
M. W. 75.
M. W. 79.
M. W. 79.
Das Handgelenk beim Reiten .
A. M. 2. 47.
Einige Worte über die Ausbildung der Infanterie und die Vereinfachung des Z. 51. Exerzier- Reglements. – A. M. 2. Die neue französische Schiefs . Vorschrift.
Die neue französische Exerzier - Vorschrift.
D. H. Z. 64. D, H. Z. 66.
Gefechtsmäſsige Ziele für das gefechtsmäſsige Abteilungsschieſsen. M. Z. R. 31, 32. Einige Betrachtungen über die Erziehung und Ausbildung der Infanteristen. M. Z. R. 36, 37, 39.
Über die Ausbildung der Unteroffiziere in der Orientierung und in der Distanz schätzung auf dem Felde.
- 1. R. A. Juli.
Wie soll das Geschütz - Exerzieren betrieben und wie muſs dasselbe besichtigt werden,
A. A. J. VIII, IX.
Die Kavallerie -Divisions-Übungen. – J. A. M. Juli.. Die Entwickelung des Infanterie -Exerzierens und des österreichischen Exerzier 0. W. V. XXXVII, 2. Reglements in den letzten fünfzig Jahren. 0. M. Z, 51. Friedensausbildung der Feldbatterie. 0. M. 2. 63 . Eine neue Schieſsübung der Festungs - Artillerie.
Über die Reorganisation der Armee. – F. J. S. Juni, F. R. C Juni. Die Zugschule zu Pferde. Die Ausbildung der Truppenpferde.. – F. R. C. Aug. Die deutsche Schieſs - Vorschrift. F. C. M. 36, 37, 38.
Die neue Schiefs -Vorschrift für die Infanterie.
F. A. M. 1275 .
Die neue Vorschrift über die Übungen und die Manöver der Infanterie. F. A. M. 1283.
8*
116
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Die Kavallerie -Manöver.
Die groſsen Manöver,
-
F. A. M. 1298. F. A, M. 1299, 1300 . F. A. M. 1311, 1312, 1313, 1315.
Die groſsen Manöver. Nachtmärsche – R. W. S. Juni, Juli.
Bemerkungen über die Sommerausbildung der Truppen.
R. W. S. Juni,
Die Thätigkeit der IX. Kavallerie -Division im letzten Ausbildungsjahre. – R. W. 8. Juni, Juli.
Über die Winterarbeiten der Offiziere gemäſs der Instruktion vom Jahre 1882. R. W. S. Juli, Aug., Sept. Die Kriegsausbildung der Feldartillerie.
R. A. J. Mai.
1. E , 94 . Die groſsen Manöver in der Romagna. E , N. M. Aug., Sept. Die Oster -Manöver bei Dover.
Das Kriegsspiel.
1. U. S. 71.
Die Ausbildung der Infanterien Europas.
Sch . M. Z , 28-32 , B. M. 909, 910. B. M. 914. Die Manöver im unebenen Gelände 1888 .
Eine Übungsweise mit Cadren.
Die Ausbildung der Offiziere in der schwedischen Armee.
Sch . K. H , XI, XII.
III. Krieg-, Heer- und Truppenführung, Truppendienst. * Die Schwierigkeiten beim Schieſsen der Feld-Artillerie in gröſseren Verbänden und ihre Abhülfe , von Laser , Hauptmann u. Batteriechef im Thüringischen Feld -Artillerie-Regiment No. 19. 8° - 121 S. - Köln , >
Warnitz & Co.
**
Cavalerie en campagne. Etudes d'après la carte. Berger-Levrault.
8°
Les méthodes strategiques des Allemands en 1870.
327 P.
Paris, -
8°
36 p .
Paris, Charles -Lavauzelle.
Noch ein Wort zum neuen Exerzierreglement für die Infanterie. Zusammenschlieſsen oder Vereinzeln .
M , W. 55, 76.
M. W. 61, 62.
Das Exerzierreglement für die Infanterie vom 1. Sept. 1880.
M. W. 81.
Verwendung und Leistungen unserer Kavallerie in den Feldzügen 1866 und 1870/71, sowie Verwendung dieser Waffe für die Zukunft. N. M , B. Sept. Über den taktischen Wert der Nachtschieſsen , A. M. Z. 57 . Das neue Infanterie-Reglement. - D. H. Z. 74. Italiens strategische Stellung zu Wasser und zu Lande gegen Frankreich.
M.
Z. R. 27, 29, 34.
Die Verwendung des Magazingewehres im Gefecht. M. 2. R. 35 . Die Bedeutung der Schnellfeuergeschütze für den Feldkrieg. – M. Z. R. 39. Napoleon als Feldherr. – I. R. A. Juli, Aug.
Ziele der Festungs - Artillerie während der Bedrohung und Einschlieſsung einer Forts festung. J. A. M. Aug., Sept. J, A. M. Sept. Die Feuerwirkung im Gelände. Zur Entwicklung der Taktik. 0. S. M. VI. Logische Durchführung der Analogie taktischer Formen . – 0. S. M. VI. Die Munitionsfrage. 0. S. M. VI. -
.
Mitrailleusen im Landkriege.
O. U. W. 55.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
117
Mitrailleusen in ihrer Verwendung bei der Truppe. – D. A. B. 29. Die neuen Reglements. - F. S. M. 190 - 193. F. J. S. Juni. Der Kampf bei der Kavallerie. F. J. S. Juli. Studie über die Taktik der Infanterie. F. J. S. Juli. Die Feuertaktik der französischen Infanterie.
Entwurf einer Gefechts - Instruktion , – F. J. S. Aug.
Die Organisation der englischen Küstenverteidigung. – F. C. M. 36. Die Dreizahl als taktische Einheit.
F. 0. M. 37 .
Historische und taktische Studie über die deutsche Kavallerie während des Krieges 1870/71. - F. R. O. Juni, Juli. Armee -Kavallerie. – F. R. C. Juli.
Die neue Manövervorschrift für die Infanterie. Die Massenmanöver der Artillerie.
F. P. M. 796, 797.
F. P. M. 814, 816.
Die Verteidigung der Kriegshäfen. Die Verteidigung der Häfen .
F. A. M. 1285, 1288. F. M. 1272, 1273.
Eine taktische Studie. - F. M. 1288.
Schnellfeuerkanonen.
-
F. M. 1299 .
Die Organisation des Zielens in den Festungen. – F. R. A. Juni. Die Infanterie und die kleinkalibrigen Gewehre.
I. R. Juni, Juli. R. W. S. Juli, Aug. Der Generalstabsdienst bei den kaukasischen Truppen.
Die Artillerie des Angreifers unter dem Magazinfeuer mit kleinem Kaliber. R. W. S. Aug. -
Die Mittel zur Vermeidung der Verluste durch Infanteriefeuer. – R. W. S. Sept. Die Verwendung der Artillerie auf den kleinen Entfernungen . – I. R. Juni. Die zerstreute Ordnung bei der Infanterie . 1. R. Juli. Unterstützungstrupps und Gros. - 1. R. Juli. Die Kriegsmärsche. I. R. Aug. -
-
Der Mechanismus des Gegenangriffs. E. U. S. Sicherung der Schützenlinien. E , U , S. 144.
144.
Die Verwendung der modernen Kavallerie. E. B. A. 1050. Die neue Vorschrift vom 13. Juni 1887 über die Gefechtsweise und die Anwendung -
des Infanteriefeuers. Taktik der Kavallerie,
Sch . R. M. VIII.
B. M. 902, 903, 905, 909, 911.
Schnellfeuer gegen Kavallerie -Angriffe. Taktische Offensive u. taktische Defensive.
B. M , 907. Nd. M. G. V.
Das Schieſsen mit einer und mehreren Artillerie -Abteilungen. Nd. M. S. VIII. Der Einfluſs des Infanteriefeuers in geschlossener Ordnung auf groſse u. mittlere Nd. M. S. VIII. Entfernungen, Sp. R. C. VII, 2, 3. Die historische Entwickelung der Schlachtordnungen. In wie weit ist die spanische Infanterie für den modernen Kampf geeignet.
Sp. M. I. XVI.
Die Verwendung der Armee und Flotte bei Verteidigung des Reiches.
IV. Befestigungswesen, milit. Bauten. Über Ortsbefestigung. M. W. 74, 80. Neueste Befestigungsvorschläge. A. Befestigungs- Ideen. – J. A. M. Aug.
A. J.
VIII.
· N. M. T. VI.
118
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren , in den
Über ausgeführte Transport -Anlagen bei Bauten im Gebirgsterrain.
0. A. G.
VI, VII. Beton and Panzer .
F. A. M. 1286.
R. I. J. Mai. Entwurf zu einem provisorischen Fort. R. I. J. Juni, Juli. Die Befestigungskunst in der Gegenwart und Zukunft.
Nochmals das Eisen in der Befestigungskunst. – 1. A. G. Juli, Aug. .
Heutige Anschauungen über Befestigungeemn in Deutschland . - Sch . A. G. VII, VIII.
Einige Ideen über das Befestigungssyst
V.
des Staates.
-
Sp. M , XI, XII, XIV .
Waffen und Munition
( auch Theorie des Schieſsens und dergl.).
* Schieſswolle in ihrer militärischen Verwendung.
Unter besonderer
Berücksichtigung der neuesten Erfahrungen mit Schieſswollgranaten. Heraus gegeben von Max v. Förster , Premier-Lieutenant a. D., Technischer Leiter der Schiefswollfabrik Wolff & Co., Walsrode. Mit 3 Figurentafeln . gº 27 S.
1,50 M.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn.
* Neue Geschosse für Feld- und Fuſs - Artillerie , nebst einer Figuren - Tafel. Von Sokolowski , Seconde -Lieutenant im Feld -Artillerie-Regiment Nr. 15. 8° - 36 s. Straſsburg i. E., W. Heinrich.
* Die Kriegswaffen. Eine fortlaufende übersichtlich geordnete Zusammenstel lung der gesamten Schuſswaffen, Kriegsfeuer-, Hieb- und Stichwaffen und Instrumente, sowie Torpedos, Minen, Panzerungen u. dergl. seit Einführung von Hinterladern , von Emil Capitain und Ph. v. Hertling. II. Bd. gr. 8º. – Rathenow , M. Babenzien ,
Heft IV, V, VI.
Manuel du dynamiteur. La dynamite de guerre et le coton - poudre, leur fabri cation, leur conservation, leur transport et leur emploi, par Max Dumas 160. 360 p . Paris, Charles- Lavauzelle. 4 Fr.
Guilin.
-
Zur Repetiergewehrfrage in Ruſsland.
M. W. 66 .
Ermittelung der Visirstellung bei dem indirekten Feuer der Infanterie. – M. W. 77. Panzerlaffeten .
M.
W. 80.
Über das Repetiergewehr kleinen Kalibers.
N. M. B. Juli, Aug.
Über Distanzschätzung des Infanteristen für seine Visirstellung August. Studien zur Gewehrfrage.
-
N. M. B. Judi,
1. R. A. Aug., Sept.
Über Verlegung des Treffpunktes nach der Höhe.
A. A. J.
VII.
A. A. J. VII. Die schnellfeuernden Kanonen der Kruppschen Fabrik. A. A. J. VIII, IX . Direkte Brennlängen -Korrekturen nebst Entgegnung.
J. A. M. Aug. Zur Frage des kleinen Kalibers bei Infanterie -Gewehren. 0. A. B. Schieſsversuche mit einem 7,5 mm a. einem 8 mm Rubin -Lauf.
26 .
Schieſsversuche mit erweiterten Läufen kleinen Kalibers unter Verwendung von Nickel-Mantel-Geschossen.
0, A. B. 34.
0. M , Z. 44 Das französische Ordonnanzgewehr M/86 (System Lebel). Untersuchungen über die Spannungsverhältnisse bei der Verbrennung des Pulvers
in geschlossenen Gefäſsen.
0. A. G. VI, VII.
Die Regelung des Infanteriefeuers und über Ricochetschüsse. - F. J. S. Juni. Eine Scheibe, welche die Treffer selbst anzeigt. – F. C. M , 32, 33, 34.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze,
119
Die Wirkungen der heutigen Geschosse.
F. A. M. 1275 . F. 4. M. 1286 .
Das Stellen des Zeitzünders.
Die Anwendung der Grundsätze der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf artilleristische Fragen. F. R. A. Juni, Juli. Die Verwendung der Telemeter zur Regelung der Zeitzänder. F. R. A. Juni, Die Umformung der Grävenitzschen ballistischen Tafeln, F. R. A. Aug. Die neue Art der Organisation des Schieſsens in den Festungen. F. R. A. Aug. Die Einwirkung der Kugelgestalt der Erde auf die Genauigkeit der Küsten R. A. J. Mai. Entfernungsmesser mit vertikaler Basis. -
Vorrichtung zur Beobachtung des Einschlagens und Krepierens der Geschosse. R. A. J. Juni,
Der indirekte Schuſs bei Verteidigung der Küsten . 1. E. 68, 69. Die Verbesserungen der Patrone des Gewehrs M /70 /87 in den Jahren 1885 bis -
1888.
.
I. R. Aug.
Die Repetiergewehre. 1. A. G. Juni. Die Schieſswoll-Sprenggranaten und die Festungswerke. - I. R. M. Juli, Aug -
Die Forts und das Melinit.
I. R. M. Juli, Aug.
Das Magazingewehr. – E. A. N. 1494. Das Anfertigen von Schuſstafeln für gezogene Mörser. Nd, M , G. VIII, IX . Die beim Karabinier- Regiment geprüften Repetier-Gewehre. B. M. 902. .
Schieſsversuche in Thun. Sch. A. G. VII, VIII. Das Gewehr Lebel. Sp. M. XI. Jarmanns 10,05 Repetiergewehr. N. M. T. VI.
VI. Militär - Verkehrswesen
(Eisenbahnen , Telegraphen, Telephon , Brieftauben u . 8. w.). Reformgedanken über Leistungsfähigkeit von Eisenbahnen in militärischer Bo ziebung .
N. M. B. Juli, Aug.
Die militärischen Brieftauben - Anstalten Italiens.
-
D. H. Z. 65 .
Über den gegenwärtigen Stand der militärischen Luftschiffahrt.
0. W. v .
XXXVII, 1.
Die Hydro -Lokomobile Nossians.
0. A. G. VI.
Die militärische Luftschiffahrt im Jahre 1888.
Die französischen Eisenbahnen im Kriegsfalle. F. A. Die Geschwindigkeit der Reiträder.
P. S. M. 192 .
F , J. S. Aug. M. 1293.
Die neuesten Verbesserungen an den Straſsen -Lokomotiven. Verwendung des Bambusrohres bei der Militär- Telegraphie.
I. A. G. Juni.
Sp. M. I. XIII, XIV.
Die militärische Verwendung des Reitrades. – N. M. T. VII vu .
VII. Militär - Verwaltungswesen (auch Verpflegung , Bekleidung und Ausrüstung ). Zur Fleischkost des Soldaten.
M. W. 71 .
Die technischen Mittel zur Förderung der Brotverpflegung im Kriege. – 0. W. V. XXXVII, 2.
120
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Fahrversuche mit neuartigen Kriegsbrückenwagen . Konservenverpflegung im Kriege. O. M. Z. 50.
0. M. Z. 45 .
Ein Pontonpark zur Überführung von Artillerie, Kavallerie und Bagage von den Schiffen nach den Ufern . - R. I. J. Mai.
Die Nachschübe zu den Armeen. - FJ, S. Juni, Juli.
Die Verwendung der Straſsenlokomotiven und der mechanischen Backtröge für die F. R. 1. Juli, Aug.
Feldbäckerei.
Maschine zum Zusammendrücken der Fourage nach dem Systeme Pilter,
1. A. G.
Juli, Aug.
VIII. Militär -Gesundheitspflege (auch Pferdekunde).
* Selbsthülfe bei Verwundungen, Entworfen von Dr. E. Diemer in Dresden , 6 Blätter.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn .
Die hygienischen Verhältnisse der gröſseren Garnisonorte der öster reich - ungarischen Monarchie. II. Budapest. Mit 18 Linear Skizzen im Texte, einer Umgebungskarte und 9 weiteren graphischen Beilagen. 80
130 S.
Wien, K. K. Hof- und Staatsdruckerei.
A nos soldats , Soins et Conseils par le docteur A. Tissot.
12 ° – 215 p. -
Paris, Charles -Lavauzelle .
Die Quellen der Leistungsfähigkeit des Pferdes. Über Kolik.
M. W. 65 .
N. M. B. Juli, Aug.
Ein Wort über die Behandlung von Wunden und Verletzungen nach rationellen Grundsätzen und Methoden . 1. R. A. Juli, Aug. Der Gesundheitszustand der russischen Armee 1869-1885 .
R. W. S. Aug.
Die Ambulanz-Baracken auf der Antwerpener Ausstellung 1885. Dss Rohren der Pferde.
1. A. G. Mai
E. N. M. Aug.
IX. Militär - Rechtspflege (auch Völkerrecht im Kriege). Der Soldat im Felde den Bewohnern des feindlichen Landes und dem Staats- und
Privateigentum desselben gegenüber. – I. R. A. Juli. Zur Reform der Militär-Strafprozeſs- Ordnung.
0. A. B. 26, 27 .
Zur Militär-Strafgesetzgebung. - 0. M. 2. 46. Die Todesstrafe im Militär- Gesetz.
1. E, 81,
X, Militärisches Aufnehmen , Terrainlehre, Geographie, Karten wesen und Statistik. Über Anordnung des K. K. Reichs-Kriegsministeriums bearbeitet und herausgegeben von der
* Militär - Statistisches Jahrbuch für das Jahr 1887.
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze. III. Sektion des technischen und administrativen Militär - Komitee.
199 S. Text , 52 Tabellen.
121 4°
Wien , K. K. Kof- und Staatsdruckerei,
M. Der Melde- und Croquier-Block des Rittmeisters v. Katzler. Schleuniges Aufnehmen im Felde. - E. N. M. Juli, Aug., Sept.
W. 60.
XI. Kriegsgeschichte ( auch Regimentsgeschichten, Lebensbeschreibungen und Memoiren ). * Napoleon als Feldherr. Von Graf Yorck v. Wartenburg , Hauptmann, aggregiert dem Generalstabe.
Zweiter Teil.
-
- Zweite Auflage.
Mit einer Karte des russischen Kriegsschauplatzes und einer Skizze. Berlin , E. S. Mittler & Sohn.
424 S.
80
10 M.
* Das 3. pommersche Infanterie- Regiment Nr. 14 von seiner Gründung bis zum Jahre 1888.
Auf Grund der Vorarbeiten des Generals der In
fanterie v. Verdy du Vernois, des Premierlieutenants Werner und anderen Offizieren von Paul v. Schmidt, Oberstlieutenant und etatsmäſsiger Stabs offizier des Regiments. Mit Kartenskizzen vou Lieutenant Frühling.
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Zweiter Band. Dritter Teil : * Oliver Cromwell von Fritz Hoenig . Berlin, 1646-1650. Mit 6 Plänen und 2 Facsimiles. 8° - 476 s. -
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6 M.
* Schlachten -Atlas des neunzehnten Jahrhunderts. Zeitraum 1820 bis 18. und 19. Lieferung . Deutsch - französischer Krieg zur Gegenwart. 1870/71. Nr. 8. Die Schlacht bei Sedan am 1. September 1870
und die Kapitulation. Plan und zwei Skizzen nebst Text .
Feldzug 1859
in Italien . Nr. 4. Die Schlacht bei Magenta am 4. Juni. Plan mit Skizze nebst Text. Nordamerikanischer Bürgerkrieg 1861–1865. Nr. 7.
Der Feldzug in Nordvirginien im August 1862. Zwei Skizzen und Plan der zweiten Schlacht am Bull- Rum (Manassas) am 29. und 30. August, nebst Text. Lex . Iglau, P. Bäuerle. 2,65 M. * François - Joseph I. et son règne 1848–1888. A L'occasion du 40 anniversaire de son avènement au trône. une eau - forte de Manesse.
Par A. de Bertha. Avec gravures, dout gº Paris, L. Westhausser. 155 p .
3,50 fr.
Journal d'un volontaire de 1791 , par Louis Bonneville de Marsangy. 80 – 239 p.
Paris, Perrin .
Campagne dans le haut Sénégal et dans le haut Niger ( 1885–1886) par H. Frey . 8° 515 p. et 3 cartes . Paris , Plon, Nourrit & Cp. 7,50 fr.
Sur la Loire, Batailles et combats (avec cinq cartes) par M. Bois , cap. au 6 fr. Paris, Dentu. 80 – 400 p. 76. rég. d'inf. Les Prussiens en Touraine et en Anjou 1815 par M. Faye. Angers, Germain et Grassin.
gº
13 p.
Souvenirs et campagnes 1804–1883 par le général De la Motte Rouge. Tome 1 .
8 ° - 613 p.
Nantes, Grimaud.
1 1
122
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
Generaladjutant Graf Totleben. Sein Leben, seine Thätigkeit als Ingenieur und Truppenführer. M. W. Bhf.. VI - VIII. Relation des Markgrafen von Baden - Durlach , General -Wachtmeister , aber den O
N , M. B. Juli, Aug.
Feldzug wider die Türken im Jahre 1685 .
Die ( zweite) Eroberung von Rügen durch die Preuſsen und ihre Alliierten im Jahre 1715.
N. M. B. Juli, Aug.
N. M. B. Juli, Aug., Sept.
Der Bayern Kämpfe in Tirol im Jahre 1809.
Vom groſsen Seekriege des Sommerhalbjahres 1588. – N. M. B. Juli, Aug. Betrachtungen über den Feldzug von 1859 in Italien. N. M. B. Juli, Aug., Sept. General Aurelles de Paladine im Jahre 1870 .
A. M. Z. 55, 56.
Die Belagerung von Belgrad im Jahre 1688.
A. M. Z. 68-71. D. H. Z. 48-54 .
Die Schlacht bei Solferino am 24. Juni 1859.
Der erste Abschnitt des Rheinfeldzuges 1793.
D. H. 2. 55–62, 64, 65 , 66, 69.
.
Die französische Armee im Jahre 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungs kriege.
J. A. M. Juli, Aug., Sept.
Der Feldzug von 1809 in Tirol, im Salzburgischen und an der bayerischen Süd grenze. Mit besonderer Bezugnahme auf den Anteil der bayerischen Truppen J. A. M. Juli, Aug.
Beiträge zur Charakterschilderung des Reitergenerals J. B. Stuart, – J. A. M. Sept.
Aus dem Tagebuche eines Kaiserlich mexikanischen Offiziers.
0 , S. M. VII, VIII,
Erinnerungen an den deutsch - französischen Feldzug 1870/71. – 0. S. M. VII, VII . Die französischen Unternehmungen gegen Tonkin. F. S. M. 190. 191. 192. Der Rückzug des 10. Corps der groſsen Armee von der Dwina bis Danzig ( 1812 ). F. S. M. 193, 194.
Der Feldzug von 1814 nach noch nicht veröffentlichten Akten. Erinnerungen an den Feldzug in Tonkin . – F. J. S. Aug.
F. S. M. 195.
.
Das französische 3. Cürassier-Regiment.
F. R. C. Juni,
-
F. R. C. Aug.
Murat.
Das Eriwan - Corps im Kriege 1877–78. · R. W. S. Juni, Juli. Aus den Erinnerungen eines Dragoner-Offiziers. R. W. S. Jwi. Die Märsche der mobilen Teile der 5. und 6. Gebirgsbatterie der 20. Artillerie R. A J. Juni, Brigade 1877. .
Der Feldzug nach Rio Janeiro im Jahre 1711.
Der Kampf bei Saganeiti.
F. R. M. Juli.
1, E. 100 .
Geschichte der italienischen Feldartillerie.
-
1. A. G. Mai.
Geschichte der Bombay -Armee von 1837 bis 1887. Suwarow . E. N. M. Juli, Aug., Sept.
E , U , S. 144 .
-
XII. Marine -Angelegenheiten . * Der Einfluſs des Derivationswinkels bei Schiffs - Kollissionen von
Dr. C. Schilling u. Dr. H. Wiegand. Kähtmann.
80.
48 S. - Bremen , J.
1,80 M.
* Proceedings of the United States Naval Institute. 8. – 296 S. - Annapolis.
Vol. XIV , 1 .
Uber Unterwasserboote und deren Verwendung im Küstenkriege. – 1. R. A. Juli.
milit, Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
123
Die wissenschaftlichen Anstalten und wissenschaftlichen Leistungen der K. K. Marine. -
1. R. A. Sept.
Der gegenwärtige Stand der Kriegsschiffbauten . – J. A. M. Juli, Aug., Sept. Über die Methode des nautischen Unterrichts und über nautische Lebrmittel. 0. M. S. VII, VIII. IX .
Die Verteidigung von Cherburg durch Torpedos.
J. C. M. 30.
Die Grundzüge des internationalen Seerechts.
Elektrische Beleuchtung auf Kriegsschiffen.
F. R. M. Juli, Aug., Sept. R. M. S. Juni.
Der Einfluſs von Wind und Wellen auf Guſseisen, Stahl und Eisen .
-
R. M. S.
Juli .
Die Seemanieren . I. E. 87, 96, 97. Die italienischen Seeleute bei den Arabern und Türken.
1. R. M. Mai.
Die Ausgaben der italienischen Marine. 1. R. M. Juni, Juli, Aug. Die Schnelligkeit der Schiffe in einem Seekriege. 1. R. M. Juni. Die italienischen Seeleute bei den Griechen .
Die Mobilmachung der Marine.
I. R. M , Juli, Aug.
E U. S. 144.
Die Ursachen, welche die Flottenentwickelang verhindert haben . – E E. U. S. 144. Die Blockade im Kriegsspiel.
E. U. S. 144 . E. U. S. 144. Die Seeverteidigung Groſsbritanniens. E , U , S. 144. Die spanische Armada. E. N. M. Juli. Die Seemanöver . E. A. N. 488, 1489, 1490, 1491. Der Wert der Seemanöver. E. B. A. 1048. Ein Urteil über die niederländische Marine. Nd. M. S. VIII.
Der Torpedo im Seekrieg.
XIII.
Verschiedenes .
Die Kavallerie im Frieden und im Kriege von Felix Wit v. Dörring, K. K. Oberst i. R. – 80. Wien, Seidel & Sohn, 0,80 Fl. * Durch Dick and D ünn . Allerlei Sport aus Wald und Feld von Herrmann Vogt. Illustriert von Richard Knötel. 8º. 232 S. Rathenow , M Babenzien . -
-
* Taschenkalender für das Heer , mit Genehmigung des Königl. Kriegsmi
nisteriums herausgegeben von W. Freiherr von Fircks , Oberstlieutenant und etatsmäſsiger Stabsoffizier des 1. Schles. Grenad. - Regts. Nr. 10.
.
Zwölfter Jahrgang. 1889. ( Dienstjahr vom 1. Octbr. 1888.– 30. Sept.1889 ) - kl. 8 °.
476 S.
Berlin, A. Bath .
4 M.
*Rang- und Quartier - Liste der Offiziere des Beurlaubtenstandes der Königl. Preuſs. Armee für 1888.
Abgeschlossen am 18. August 1888.
8º. 773 S. Berlin , E. S. Mittler & Sohn. 1,75 M. * Der Soldatenfreund . Kalender für katholische Soldaten . Von P. Herm .
Roneberg
1889 .
Vierter Jahrgang. – kl. 8º. -- 95 S. -
Donauwörth ,
L. Auer.
* Impressions militaires d'un séjour à Constantinople en octobre 1887. Par up officier allemand.
8º.
24 p.
Berlin , E. S. Mittler & Sohn.
- 0,75 M.
Souvenirs et pré L'approvisionnement de Paris en temps de guerre. 358 P. Paris, Perrin. 16º. visions par A. Morillon,
124
Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröſseren, in den
L'heroïsme militaire en France avant 178 9 par Fr. Desplantes, 176 p .
8.
Rouen , Mégard.
Principes de la fortification antique depuis les temps préhistoriques jusq'aux croisades , par M. le lieutenant-colonel G. de la Noë. 131 p., 10 pl.
- 8 .
Paris, Leroux.
Les chiens de guerre , par Léon Dormoy. Avec gravures. Paris, librunio.
16. – 16 p.
0,15 Fr.
Les gloires maritimes de la France. L'amiral Baudin par le vice-amiral Jurien de la Gravière. Ouvrage accompagné de sept cartes. 172 p.
8, -
Paris, Plon.
-
Zum Artikel „ Über Vorträge im Offiziercorps in Nr. 24 des Militär-Wochenblattes “. M. W. 58.
Manöverflaggen .
M. W. 63.
-
Einige Worte über die Kasaken . Oberst v. Hallen an seinen Freund. -
M. W. 63. M.
W. 68.
N. M. R. Juli, Aug. Eine Flugschrift am Kriegs -Vorabend 1740. N. M. B. Juli, Aug. Die militärische Bilanz des Jahres 1887 in Frankreich.
Über Sprachstudien in den militärischen Kreisen .
A. M, 2. 46.
A. M. Z. 52, Die künftige Schlacht bei Belfort. Einige Nachrichten über den Stand der preuſsischen Armee im Jahre 1775 and über den Stand der preuſsischen Armee 1782, 1787, 1806 und kurhannoverschen
und kursächsischen Armee im Jahre 1782. Der Luxus in dem Heere.
-
D. H. Z. 68 .
- D. H. Z. 69.
Das Vordringen der Russen in Central -Asien .
D. H. Z. 72, 73, 74.
Einige Worte über die heutigen Kosaken von einem Nichtkosaken. – M. Z. R. 28. Ein Beitrag zur Kenntnis der französischon Infanterie.
M. Z. R. 30, 31, 32.
Kavalleristische Wünsche and Hoffnungen. – M , 2. R. 38. Kritische Erörterungen über den strategischen Wert des englisch - indischen See weges.
-
1. R. A. Sept.
Das Kamel im Kriegsdienst.
1. R. A. Sept.
Wanderungen über die Schlachtfelder von Weiſsenburg und Wörth.
0. S. M.
VII, VIII.
Einige Worte zur Broschüre : XXXVII, 1.
„ Die Feldartillerie der Zukunft “.
0. W. V.
Die Entstehung der Waffenfabriks - Werke zu Steyr and Letten. – 0. U. W. 54. Avancementsverhältnisse des deutschen und österreichisch - ungarischen Heeres. 0. A. B. 28.
Das geistige Leben im Heere.
-0. M , 2. 47.
Die militärische Lage Belgiens. – 0. M. 2. 50. Die elektrische Beleuchtungs -Anlage in der k. k. Pulverfabrik in Wien. – 0. A. G. .
-
VII.
Über Fernrohre und Binocles im militärischen Gebrauch .
0. A. G. VIII.
F. S. M. 190, 191, 192, 194. F. S. M. 192-195. Kanonen bei der Infanterie ( 1740—1813 ).
Die obersten Heerführer Frankreichs.
Die Züchtung und Aufziehung des französischen Truppenpferdes. Der Einfluſs der Dressur auf die Willigkeit des Pferdes.
Die beweglichen Feldbeobachtungsposten.
-
F. C. M. 27 .
Die Photographie ohne Objectiv. – F. C. M. 35.
J. S. S. Juli. - F. R. O. Juni. -
milit. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze.
125
Die Möglichkeit einer Vereinigung der deutschen und italienischen Streitkräfte auf der Hochebene der Schweiz .
Die Eisenbahnen in den Festungen .
Der erste höhere Kriegsrat (1787). Die Eisenbahnen in den Festungen .
F. C. M. 29.
F. A. M , 1287 . F. M. 1268 .
F. M. 1275 .
Die Organisation des technischen Dienstes in den Waffenfabriken .
F. R. A.
Juli, Aug.
Die Verbesserung der Pferde in den donischen Regimentern und Batterien. R. W. S. Juli.
Über Bewaffnung der Kavallerie.
R. W. S. Sept.
Sp. M. 1. XV. Die militärische Disziplin . Die norwegische Artillerie im vorigen Jahrhundert.
N. M. T. VII, VIII.
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X.
Der Feldzug von 1809 in Tirol, im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. Mit besonderer Bezugnahme auf den Anteil der bayerischen Truppen bearbeitet von
J. v. Heilmann, Generallieutenant.
( Fortsetzung ) II .
Erste Offensive gegen Tirol, im Mai 1809. Als Chasteler die Kunde von dem Eindringen Wrede's in Tirol erhalten, rückte er mit den zwischen Hall und Innsbruck stehenden Truppen Wrede entgegen. Es waren 3500 Mann Infanterie, 100 Pferde und 9 Geschütze nämlich : 2 Bataillone Lu
signan, 4 Bataillone Kärnthner Landwehr, 2 Schwadronen Hohen zollern Chevaulegers und 1 '/ Kavallerie-Batterien (9 Geschütze ). Zugleich rief er in den von ihm berührten Gegenden die Laudes
verteidiger zu den Waffen . Im Verlauf seines Vorrückens zog er den von Ellmau zurückgehenden Generalmajor Fenner an sich , wodurch seine Stärke auf 5000 Mann Österreicher stieg ; sie sollten
noch überdies durch 2000 Aufständige unter Straub unterstützt Die Kössener Aufständigen wurden nach Erpfendorf und jene von Kitzbühel nach St. Johann entboten. Zugleich marschierten in derselben Nacht vom 11. Mai 50 Chevaulegers mit werden .
2 Kanonen von Innsbruck nach der Scharnitz ab, denen General
major Buol dorthin folgte, von wo er über Murnau und Be nediktbeuren vorrücken sollte. *) *) Schon war Generalmajor Buol über die Scharnitz zu einen kräftigen Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine,
Bd . LXIX .. 2
9
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
127
Chasteler von dem Vorrücken der 3. Division Deroy nach Kufstein noch nicht unterrichtet, rückte noch am 12. Mai mit
einem Teil seiner Truppen (2 Bataillone Lusignan , 2 sechspfündige Kanonen und 3 Haubitzen ), den er von Hall aus auf Schiffen fortschaffen liels , nach dem 3 /, Stunden von Wörgl entfernten
Dorfe Söll gegen Ellmau vor, und lieſs nun das 1. Bataillon vom Regiment Lusignan im Biwak bei Wörgl stehen. Die übrigen Truppen unter Major Veyder : 1 Bataillon der Villacher und 1 Bataillon der Klagenfurter Landwehr, 2 Schwadronen Hohenzollern Chevaulegers und '/, leichte Batterie waren auf der groſsen Straſse marschiert. Zur Deckung eines etwaigen Rückzugs sollte Staub seinen Landesverteidigern bei Rettenberg Stellung nehmen . Chasteler hatte nämlich nach dem Rückzug Fenner's das Vor haben , den Bayern entgegenzugehn , aufgegeben , und nunmehr
beschlossen , die Bayern bei Söll in einer Verteidigungsstellung zu empfangen . Demzufolge nahm Chasteler mit seinen Vorposten von Söll , zwischen Dorf und Blaiken Stellung ; mit seinem Gros besetzte er die Brücke über den Stampfangerbach , rechts davon die Höhen des Salvenberges mit der Stampfanger Kapelle durch das 2. Bataillon vom Regiment Lusignan , und links die Anhöhen des Eierberges durch die Landwehr - Bataillone unter Generalmajor Fenner.
Nachdem Wrede durch einen österreichischen Überläufer in
Erfahrung gebracht hatte , daſs Chasteler im Eilmarsch auf Söll anrücke, setzte er sich am 13. von Ellmau aus in Bewegung. Seine Avantgarde: 1. und 2. Majors-Escadron des 3. ( jetzt 5.) Che vaulegers-Regiments , das 6. leichte Bataillon Laroche und die
Schützen des 1. Bataillons vom 13. (jetzt 11. Regiment) stieſs bei Blaiken auf feindliche Vorposten .
Diese wurden
durch
rasche
Angriffe der Schützen des 6. leichten Bataillons und einer Chevaulegers
Abteilung zum Rückzug auf die Haupttruppe von Söll gezwungen. Gegen diese liefs Wrede das Gefecht durch eine auf die Straſse
vorrückende halbe Batterie Caspers unter Oberlieutenant v. Gre venreuth eröffnen , und dann die Brigade Minucci unterstützt durch die übrigen verfügbaren Truppen anstürmen .
Das Gefecht
gestaltete sich sehr hartnäckig , indem Wrede die mit Tapferkeit Vorstofs auf die Münchener Straſse bestimmt, was in der Nacht vom 12. Mai geschehen sollte , als der Fall des Passes Strub die Ausführung nutzlos machte.
Hormayr sollte diese Kolonne führen, welchen die Abbrennung der Isarbrücke bei Tölz und die Entwaffnung der dortigen Bürgergarde übertragen war. Lebens bilder , 3, 414.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze,
128
abgeschlagenen Angriffe immer wieder erneuerte , und den rechten Flügel des Feindes mit dem 6. leichten Bataillon zu umgehen suchte. *) Chasteler sah sich hierdurch veranlaſst, das bei Wörgl
zurückgelassene 1. Bataillon vom Regiment Lusignan heranzuziehen und zur Unterstützung und Aufnahme mit 4 Geschützen Stellung jenseits der über den Markenbach führende Grundbüchlerbrücke bei Stüſs nehmen zu lassen.
Die
österreichische Kavallerie
wurde
unterdessen durch die über Strauch werke und Steingerölle aus
geführten Angriffe der zwei obengenannten, von den Rittmeistern Ritter und Scholl befehligten Schwadronen geworfen, und die
ganze Linie des Feindes samt Geschütz sahen sich zum Rückzug nach Söll gezwungen .
Die beiden Schwadronen verfolgten die
zurückgehenden bis an die Grundbüchlerbrücke. Das zur Unter stützung eingetroffene 1. Bataillon vom Regiment Lusignan rückte über diese Brücke an .
Die sich zurückziehende Kavallerie und
Artillerie rannte diesem Bataillon auf der Straſse entgegen und drohte es in Unordnung zu bringen , welchem Schicksal es durch
eine geschickte Seitenbewegung auswich . Ein von diesem Bataillon hierauf noch rechtzeitig genommene vorteilhafte Stellung vor den Häusern von Oberstraſs und das Feuer der 4 Geschütze brachte
die bayerischen Chevaulegers zum Stehen , nachdem
ihnen rechts
das 2. Bataillon des Regiments Lusignan auf dem Rückzug als
Gefangene in die Hände gefallen war. Dieser Halt versetzte die Österreicher in die günstige Lage in der hinter dem Eierberg liegende Bucht wieder Stellung zu nehmen .
Fenner besetzte mit den Landwehr- Bataillonen die Abhänge der Grundbüchlerhöhen und das Gelände in der Richtung von Ober Steinthal bei Ried und Reit ; eine Compagnie von Lusignan unter hielt die Verbindung zwischen der Landwehr und dem auf der Straſse nach Wörgl bei der Zehenthoferbrücke aufgestellten 1. Ba taillon des Regiments Lusignan, das mit einer in Plänkler auf gelösten Compagnie die bewaldeten und ziemlich steilen Bahuen der Höhen von Haus besetzte ; 2 Geschütze nahmen auf der Straſse zur
Bestreichung der Thalebene Stellung; die übrigen Geschütze mit einer Compagnie Landwehr wurden hinter die Brücken zurück gesandt, wo die Geschütze auffubren . In dieser Stellung hielten
sich die Österreicber eine Stunde lang durch ein wirksames Artillerie feuer und durch die hartnäckige Verteidigung des auf ihrem rechten *) Vom Weiler Dorf und durch die Schluchten des Bron- und Salvenberges nach dem Brandstalljoch emporsteigend. 9*
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
129
Flügel gelegenen Waldes von Hausbergen fest, bis die übrigen bayerischen Truppen angerückt kamen , während dessen Oberst
Ruitz 4 Compagnien vom Regiment Lusignan nach Wörgl zurück sandte.
Nach Wiederaufnahme des Feuers durch die leichte sechspfündige Batterie Casper, die jedoch , in den Gefechten der vorhergehenden Tage und am heutigen schon 577 Schüsse verfeuert und dasselbe
nur mit dem Zuge des Lieutenant Katzenberger fortsetzen konnte, lieſs Wrede die 3 Schwadronen der Rittmeister Bernhard , Ritter
und Scholl zum Angriff auf die feindliche Kavallerie und Geschütze schnell vorgehen . Die letzteren sandten einen Hagel von Kartätschen entgegen.
Trotzdem
warf sich der Rittmeister Ritter mit seiner
Schwadron gegen diese Geschütze, während die anderen Schwadronen auf die österreichische Kavallerie losstürzten und dieselbe warfen . Ritter nahm 5 Haubitzen , darunter 2 bayerische, welche von den
Aufständigen im April erbeutet worden waren. Oberst v. Dell wigk war mit dem 13. Regiment eiligst nachgerückt, und stürmte , unterstützt von den 2 Geschützen Katzenberger, über die Brücke und entwickelte sich jenseit derselben rittlings der Straſse, mit seinen beiden Bataillonen .
Die österreichische Infanterie zog sich in Ordnung auf Egen dorf zurück , indes die Aufständigen , von welchen sich unter Straub , der die Hauptmasse unter Lechner in Rattenberg zurücklieſs, nur ungefähr 300 Mann eingefunden hatten, sich in das Gebirg flüchteten und an der Grattenbrücke wieder sammelten. Wrede liefs die Österreicher durch das 3. Chevaulegers
Regiment (jetzt 5.) und die 2 Kanonen der Batterie Caspers hart auf dem Fuſs verfolgen , was Chasteler veranlaſste, vor Wörgl nochmals Stellung zu nehmen . Er stellte die ihm noch gebliebenen 4 Kanonen , durch seine Kavallerie gedeckt , auf und neben der Straſse und besetzte links das Grattenbregel, rechts die Häuser und ។
Zäune des Weilers Winckel und in der Mitte die Grattenbrücke
und den Weiler Egendorf mit seiner Infanterie.
Die österreichische Artillerie empfing die bayerischen Chevau legers mit einem kräftigen Feuer, das jenem die zwei vorrückenden Sechspfünder der Batterie Caspers weit überlegen war , welchen alsbald 1 Unteroffizier, 3 Kanoniere verwundete und 1 Zugpferd getötet wurde. Um das Feuer von diesen beiden Geschützen ab
zulenken , entsandte der Abteilungs-Commandeur, Major v. Zoller, die sechspfündige Fuſsbatterie Dorn auf eine zur Rechten an der
1
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
130
Zehenthoferbrücke gelegenen Anhöhe des Jalingerberges zur Seiten bestreichung der österreichischen Batterie.
Wäbrend dessen entwickelte Wrede seine Truppen auf dem > Wörglerboden « , einer der weitesten Ebenen in Tirol , in einer Entfernung von 800 bis 1000 Schritten von der Grattenbrücke.
Das 3. Chevaulegers-Regiment rückte im
Kanonenfeuer auf der
Straſse vor und formierte sich auf der Ebene bei Egendorf
schwadronsweise unter den Rittmeistern Bernhard , Ritter , Scholl und dem Oberlieutenant Fürsten Löwenstein zum Angriff. Der selbe geschah unter dem heftigsten Kartätschfeuer der feindlichen Batterie und dem Gewehrfeuer des rechts am Gratten bregel stehenden 2. Villacher Landwehr- Bataillons, sowie der an der Grattenbrücke
und bei Winkel am linken Ufer der Brixenthalerache aufgestellten
4 Compagnien des 1. Bataillons vom Regiment Lusignan. An der Wirkung dieses heftigen Feuers scheiterte der erste Angriff. Wrede befahl dem Oberst Dallwigk 2 Compagnien gegen die Kuppe des Grattenbregels vorzuschicken und mit den übrigen 6 Compagnien des 13. Regimentes in Sturmkolonnen VOD der Zehenthofer Brücke vorzurücken , um auf das linke Ufer der
Brixenthalerache unmittelbar auf Wörgl in die rechte Flanke und den Rücken des Feindes zu manövrieren , wo der Major Veyder
das Gefecht leitete. Major v. Zaiger erstieg unterdessen auf dem linken Flügel des Feindes mit der 1. Grenadier- und der Leib Compagnie des genannten Regiments das Gratten bregel, griff die Villacher Landwehr mit Ungestüm an, und warf sie herab, während Dallwigk über den Wörglerberg und gerade gegen die Zehenthofer brücke anrückte .
Letzterer stiefs hierbei auf drei hintereinander
angelegte Verbaue , welche die vormarschierende Compagnie des Hauptmann v. Zobel im Kanonenfeuer des Feindes aufräumte,
wodurch der Weg für die Kavallerie und Artillerie frei wurde. Inzwischen war auch die Batterie Dorn in der oben bezeichneten
Stellung unter Bedeckung einer Compagnie vom 6. leichten Bataillon eingetroffen. In kurzem zerstörte sie eine der Kanonen des Feindes und zwang die übrigen drei baldigst zum Aufprotzen und Abziehen , worauf der Angriff des 13. Regiments unterstützt wurde. Wrede liefs nun , nachdem die Verbaue durch das 13. Infanterie
Regiment aufgeräumt worden waren, das 3. Chevaulegers- Regiment schwadronsweise angreifen.
Die Leib- und Oberst- Eskadron
rannten gegen die österreichische Kavallerie , warfen sie zurück , eroberten die 4 Kanonen , eilten dann in raschem Fluge über die
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
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Grattenbrücke, sprengten dadurch die Linie des Feindes und hieben auf das von Winkel aus entgegen gerückte 1. Bataillon von Lusignan ein , wobei der Korporal Stein die Fahne dieses Bataillons eroberte, Lieutenant Deissenberger jedoch tötlich verwundet wurde. Der die österreichische Kavallerie kommandierende Rittmeister Haimann
hatte hierbei durch wiederholte Angriffe das Regiment Lusiguan unterstützt.
Doch vergebens.
Der österreichische rechte Flügel
wich , nachdem der linke geworfen war , ebenfalls in Unordnung zurück . Die schnell nachgeeilten zwei anderen Schwadronen des 3. Chevaulegers-Regiments und die auch bald angekommene Infanterie vollendeten den Sieg durch die Gefangennehmung von nahezu 2000 Mann , darunter 1 Oberst , 2 Majore und 32 Offiziere der von der Grattenbrücke abgeschnittenen feindlichen Infanterie, und erbeuteten 70 Pferde von der vor Wörgl noch eingeholten öster reichischen Kavallerie ; auſser den bereits eroberten 9 Geschützen
fielen ihnen 27 Munitionswagen und das sämtliche Gepäck in die Hände. Die Fahnen des Regiments Lusignan, nebst noch 3 Fahnen der Aufständigen wurden zunächst nach Augsburg gebracht , wo sich der König eben aufhielt. *) Chasteler eilte mit dem kleinen Reste seiner bis auf 30 Mann
zusammengeschmolzenen Kavallerie durch Wörgl gegen Ratten
berg , wohin auch die Überbleibsel der Landwehr-Bataillone folgten , die so versprengt waren , daſs sich ein Teil von ihnen bei Ober
langkampfen auf Schiffen über den Inn und dann über den Angelberg und Maria Stein auf die höheren Gebirge bis Ratten
berg Aüchteten. Um 10 Uhr Vormittags bestand das Hauptcorps der nordtiroler Verteidigung nicht mehr. Es waren nur noch die wenige hundert Mann übrig , welche Reiſsenfels von Kufstein zurückgeführt hatte.**)
Die Leib- und Oberst-Eskadron des 3. Chevaulegers-Regiments eilten , die feindliche Infanterie überrennend, durch Wörgl und über die Wörglerachenbrücke. Ihnen folgte mit klingendem Spiele Oberst
Dallwigk mit 6 Compagnien in Geschwindschritt auf dem linken Ufer der Brixenthalerache, teilweise auf den Mittelhöhen des Bruck berges in die rechte Flanke von Wörgl , worüber Lefebvre durch wiederholtes Bravorufen seinen
Beifall
äuſserte.
Jenseits Wörgl ,
vor Bruckenberg, empfing ihn die österreichische Infanterie in 6 Compagnien mit einem lebhaften Feuer. Dallwigk ging sofort *) Befinden sie sich zur Zeit im Armee-Museum in München . **) Richter.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
132
zum Angriff über , erstürmte den Bruckberg und verfolgte den Feind .
Eine Stunde hinter Wörgl , vor Kundel, holten einige voraus
geeilte Chevaulegers den Feldmarschall- Lieutenant Chasteler ein und nahmen zwei Chevaulegers seiner Begleitung an dem Dorf brunnen gefangen , welch gleichem Schicksal Chasteler nur durch die Schnelligkeit seines Pferdes entging. Hier machten die beiden bayerischen Schwadronen vor der Brücke über die sich vom Sonnen
joche durch die Wildschönau herabwälzende Kundlerache Halt , um der überholten Infanterie den Rückzug nach Rattenberg abzuschneiden . Diese von dem rasch nachrückenden 2. Bataillon vom 6. Infanterie
Regiment ( Oberstlieutenant v. Braun) unermüdet verfolgt, wodurch sie bei diesem Rückzug schon 4 Offiziere und 70 Mann Gefangene eingebüfst batten , und sonach jetzt von dem genannten Bataillon auch im Rücken bedroht , warf sich , um der Gefangenschaft zu entrinnen , in die Gebirge von Wildschönau . Am nächsten Tage sammelten sich nur noch 600 Mann wieder ; einer kleinen Abteilung
gelang es, an dem bewaldeten Uferrande des Inn Rattenberg glück lich zu erreichen . Die Gefangenen , 24 Offiziere und 600 Mann, wurden nach Kufstein gebracht. Zur Verfolgung der in das
Gebirge geflüchteten Abteilungen saſsen die Chevaulegers teilweise ab, und fochten zu Fuſs mit Säbel und Karabiner. Lieutenant Münnich drang mit einer abgesessenen Abteilung in ein Seitenthal
des Wildschönaugebirges und nahm noch 1 Offizier und 30 Mann der österreichischen Landwehr gefangen. Hierauf setzte die Leib- und Oberst- Eskadron ihren Zug durch
Kundel gegen Rattenberg rasch fort, vor welchem sie eben ein trafen , als die den in eiliger Flucht begriffenen Feldmarschall 9
Lieutenant Chasteler mit seinen Reitern begleitenden Rittmeister Haimann und Oberlieutenants Wieser und Altmann , nachdem
ihr Kommandierender und der Generalmajor Fenner den Ort glück lich hinter sich hatten , die Thore verrammelt hatten und die Ein
wohner sich mit all' ihrer beweglichen Habe nach dem Gebirge Hierdurch geschah der weiteren Verfolgung Einhalt,
flüchteten .
und das Gefecht endete Abends 10 Uhr vor den Thoren von Ratten
berg, während es schon vor Sonnenaufgang bei Söll begonnen hatte.
Die Thore von Rattenberg * ) wurden eingesprengt und die Bayern, *) „ Der erste Anblick für uns “
schrieb Wrede damals
„ war die auf
dem Städtchen stehende Inschrift: Daſs der 13. April , an welchem Tage die Rebellen die königlichen Truppen entwaffnet haben , ewig un vergeſslich für die Stadt sei. Der österreichische Adler prangte, mit Lor
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
133
welche die Sperrung der Thore durch die Einwohner vollzogen glaubten , drangen mit Wut ein , welcher nur allein die gröſste Strenge Wrede's und seiner Unterführer Einhalt zu thun ver mochte, um eine Einäscherung des ganzen Städtchens zu verhindern. 1
Wrede bot auch anderseits alles auf, die erschreckten Gemüter
der Einwohner zu beruhigen , und entschloſs sich , seine von dem
dreitägigen Kampfe, am 11. , 12. und 13. Mai, und namentlich von dem am letzteren Tage dabei zurückgelegten zwölfstündigen Eil marsche höchst ermüdeten Truppen um so mehr am 14. Mai in der Umgegend von Rattenberg ausruhen zu lassen , als der Herzog von 1
Danzig auch vor dem weiteren Vordringen in das Herz von Tirol
noch seine Vereinigung mit der durch das Unterinnthal über Kuf stein vorrückenden 3. Division Deroy hergestellt. wissen wollte, die am 12. bereits vor dieser Veste eingetroffen war. Die Truppen der 2. Division lagerten in der Thalebene bei Rattenberg mit aus gestellten Sicherheitsposten ; das 3. Infanterie - Regiment als äuſserster Posten auf der Straſse nach Schwaz , eine Stunde von Rattenberg bei der Schlofsruine Knopfsberg ; das 13. Regiment bezog mit seinem 1. Bataillon Quartiere in der Stadt. Kranke und Ver wundete liefs Wrede auf dem Inn nach Kufstein schaffen .
Die Hoffnung, daſs Nord -Tirol zur Ruhe zurückkehren werde, wurde vereitelt, als schon am Abend des 13. Mai die Sturmglocken im
Innthal von Kundel aufwärts bis Hall ertönten .
Die ganze
Nacht strömte bewaffnetes Volk nach der Brücke von Volders , wo Chasteler die Bayern kräftig zu empfangen gedachte. Speck becher , der vor Ankunft der Division Deroy von Kufstein ab
gezogen war , muſste die Stellungen an der Zillerbrücke bei Strals und an der Brettfall-Kapelle besetzen, während der Oberstlieutenant v. Taxis mit 2 Bataillonen Davoux und Lusignan, 2 Bataillonen Landwehr und
100 Kavalleristen von Volders aus nach Schwaz
vorgeschoben wurde, wo auch Oberstlieutenant Reissenfels mit Blokadecorps von Kufstein , 2 Compagnien Davoux ein getroffen war, und die Schwazer Brücke über den Inn besetzte . Die Österreicher gaben ihren Verlust in dem Treffen bei Wörgl , ohne Einrechnung jenes der Aufständigen auf 607 Mann an , nebst dem
4 Kanonen und eine Fahne .
Der gröſste Teil des Regiments Lusig
beren bekränzt , an allen Thoren.
So weit hat sich ein groſser Teil des Tiroler
Volks , durch die kraftlosen Versprechungen der Aufwiegler verblenden lassen .“ Wrede fügt bei : „Es wurden mehrere Fahnen erobert, welche dem rebellischen
Bauer vom Hause Österreich zugestellt worden sind, allein ich halte es unter meiner Würde, solche E. Maj. durch einen eignen Kurier zu übersenden .“
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
134
nan und der niederösterreichischen Landwehr vermochte sich erst
peun Stunden hinter Rattenberg , bei Volders , zu sammeln ,
während Oberst Ruitz des Regiments und Oberstlieutenant Göld ling des 9. Jäger -Bataillons, der seit 5. Mai mit 2 Jäger -Compagnien, ", Schwadron und 1 Sechspfünder mit dem Auftrage in Wörgl stand, die Brücke bei Wörgl zu verteidigen und die Truppen vor Kufstein und im Passe Strub zu unterstützen, sich nunmehr mit einem Teile über das Gebirge zum Feldmarschall- Lieutenant Jella
cic ins Pinzgau und Pongau retten konnte.. Chasteler war an der Grattenbrücke schon von bayerischen Chevaulegers umringt, wo ihn der Rittmeister Henrion aus der Gefahr rettete. Die Bayern hatten einen Verlust von 33 Toten und 158 Ver wundeten .
Unter ersteren befand sich der Lieutenant Deisen
berger vom 3. Chevaulegers-Regiment, welcher noch an demselben Tage seinen Wunden erlag, unter letzteren Hauptmann Zwanziger und Lieutenant Kneip vom 13. und Rittmeister Ritter vom 3. Chevaulegers -Regiment. Gefecht an der Zillerbrücke bei Straſs , am
14. und
15. Mai. Lefebvre rückte am 15. Mai von Rattenberg über Brixlegg mit der 2. Division unter Generallieutenant Wrede im Innthal wieder vor.
Die Division Deroy war am 14. von Zell bei
Kufstein aufgebrochen und bis Rattenberg marschiert. Am Nachmittag den 14. schob Wrede die Schützen der 1. Brigade Minucci, einen Zug des 3. Chevaulegers - Regiments unter Oberlieutenant Grimmeisen und die zwei kurzen
sieben
pfündigen Haubitzen der leichten Batterie Caspers unter Ober lieutenant v. Grevenreuth , sämtliche unter Major v. Zaiger vom 13 Infanterie -Regiment als Avantgarde gegen die Zillerbrücke bei Straſs vor .
Schon eine Viertelstunde hinter Rattenberg, am
Eingang des Alpbachthales wurde die Avantgarde mit Büchsenfeuer empfangen. Major Zaiger verjagte die Aufständigen, und setzte seinen Marsch fort. Er vollzog denselben eben über die Anhöhe, welche die Straſse bei St. Gertaud zwischen dem Kropfsberg und dem Koppelberge überschreitet, als die Aufständigen am Klauseck
ihren viel gefährlicheren Hinterhalt zu früh durch einige abgegebene Schüsse verrieten , denen vom Koppelberg herab ein lebhaftes Feuer nachfolgte. Durch dasselbe wurden Major v. Zaiger und mehrere Schützen getötet und der Adjutant des 6. leichten Bataillons Laroche , Schmidt, verwundet.
Wrede , welcher sich bei der Avantgarde befand, lieſs dieselbe halten, und sprengte, nur von einen Trompeter und einer Ordonnanz
135
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
begleitet , bis an den Fuſs des Berges, um die Örtlichkeit zu erkunden . Die Aufständigen hatten ihr Feuer wieder eingestellt; nur 7 Zillerthaler, mit dem Pfarrer von Straſs an der Spitze näherten sich dem bayerischen General mit dem Vorgeben , mit ihm unter handeln zu wollen . Wrede gab diesen Abgesandten die Ver >
1
sicherung , daſs der König von Bayern Alles vergebe und niemand ein Leid geschehen solle, sofern die Bauern die Waffen niederlegen
und die ohnehin völlig geschlagenen Österreicher verlassen würden. Bei dem Landhaus -Wirtshaus wurde denselben befohlen, ihre Waffen abzulegen, als plötzlich ein Schuſs aus waldiger Höhe fiel, der das Pferd des neben Wrede reitenden Ordonnanz-Korporals tötete. Die Bedeckung Wrede's fiel über die 7 Bauern her und packte 5 der selben. Es wurde ungesäumt zum Angriffe geschritten. Für den gefallenen Major Zaiger setzte sich Oberlieutenant Molitor vom 13. Regiment an die Spitze der Schützen , formierte
sie in geschlossener Kolonne, erstürmte die Verbaue und drängte die Bauern bis an die Zillerbrücke zurück, wo er jedoch von einem sehr heftigen Feuer empfangen wurde, das ihn zu einer rückgängigen Bewegung zwang. Um diesem Feuer auszuweichen, wandte sich Molitor mit den Schützen des 13. Regiments rechts entlang des Ziller bis an das mit Laubholz bewachsene Innufer, während die
Lieutenants Bauer und Weigand mit den Schützen des 3. Regi ments , gegen den Koppelberg empor gesandt wurden. Zugleich fuhren die beiden Haubitzen der Batterie Caspers auf der rechts der Straſse gelegenen Ebene auf, entsandten ihr Wurffeuer nach den Höhen des Koppelberges , welches schon nach einigen Granat würfen ein Tannenwäldchen auf der Bergkuppe in Brand steckte. Unter diesem Feuer erstiegen die Schützen des 3. Regiments den Koppelberg von der Seite des Zillerthales. Hierdurch unerwartet im Rücken angefallen , räumten die hier stehenden Bauern unter Praxmair diesen wichtigen Punkt durch die Flucht in das Gebirge nach Reut , wobei ihnen die bayerischen Schützen noch 20 Gefangene abnahmen . Nun eilte Molitor Zilleraufwärts, warf sich rasch auf die Brücke , rutschte mit mehreren seiner Leute im Feuer des
Feindes über den Lezerbalken, überstieg die Verhaue, sammelte jenseits seine Schützen und vertrieb die Aufständigen vom linken Ufer der Ziller, worauf dieselben auch das Dorf Straſs , nach einer
lebhaften Gegenwehr, vollständig räumten. Am Fuſse des Brettfalles stieſsen die Schützen auf Verhaue und sonstige Hindernisse , was Wrede veranlaſste, sich mit dem Besitz von Straſs und des Koppel
berges zu begnügen ; eine Abteilung Chevaulegers muſste die Schützen
1
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. im Patrouillendienste unterstützen .
136
In der Nacht wurde die Ziller
brücke hergestellt. Die Truppen lagerten teils im Dorf, teils an der Brücke; Wrede kehrte nach Rattenberg zurück .
Schlitters und Brugg wurden auf Befehl des Marschalls in Brand gesteckt, da sie den Führer einer Patrouille vom Pferde
geschossen. Ferner erging von Lefebvre an die Ortsvorstände im Zillerthal die schriftliche Mitteilung, daſs im Falle ein Soldat getötet werde, das ganze Thal oder Gericht in 24 Stunden verbrannt, und die Vornehmsten dann , wenn sie auch ohne Waffen betroffen werden, an den nächsten Bäumen aufgehängt werden sollen. In der Nacht waren aber bei den Bauern zwei Abgeordnete aus dem
Innthal eingetroffen, welche versicherten , daſs bis um 10 Uhr am nächsten Vormittag bei 30,000 Mann Österreicher, Schützen und Landstürmen eintreffen würden , was noch eine gröſsere Menge be waffneter Haufen aus dem Zillerthale herbeilockte.
Kaum war am 15. die Sonne aufgegangen , als Wrede von Rattenberg mit seinen Truppen nach Straſs eilte, um den Angriff gegen den noch stark besetzten Brettfall zu erneuern .
Die sechs
pfündige Batterie Caspers muſste über die hergestellte Zillerbrücke fahren, jenseits von Strals Stellung nehmen und die hochgelegene
Kapelle, an der sich Speckbecher festgesetzt hatte, beschieſsen . Nachdem das Kanonenfeuer erfolglos geblieben , eröffneten die beiden kurzen siebenpfündigen Haubitzen ihre Thätigkeit; ihnen gelang es durch einige wirksame Würfe Speck becher mit seiner Schar von diesem gefährlichen Posten zu vertreiben und zum eiligen Abzug nach Schwaz zu zwingen.
Das Treffen bei Schwaz, 15. Mai . Nachdem die 3. Division Deroy von Wörgl her bei Rattenberg eingetroffen war, muſste Wrede noch am
15. seinen Vormarsch fortsetzen .
Bei Rothholz schienen die Aufständigen unter Aschbacher ernsten Widerstand leisten zu wollen . Als jedoch 2 Compagnien des 3. Infanterie - Regiments ( Hauptleute Golsen und Eginhard
Treuberg) die Höhe erstiegen, auf welcher die Ruinen der Roten burg liegen, suchten die Bauern mit Zurücklassung einiger Ge fangenen das Weite.
Fortwährend beschossen kam Wrede's Avantgarde Nachmittags von Schwaz an .
Speck becher hatte den Falkenstein und Frundsberg , Aschbacher mit den Achenthalern Schwaz besetzt. Chasteler
war nach Volders geeilt und hatte dem
nach Volders vor
geschobenen Oberstlieutenant v . Taxis den Befehl gegeben mit
137
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
seinen 2 Bataillonen der Regimenter Lusignan und Davoux, 2 Ba taillonen Landwehr, 100 Reitern und 2 Kanonen die Bayern auf zuhalten , wozu demselben die Haufen Speckbachers und Asch bachers, sowie mehrere andere Haufen , die am 15. Mai noch
zugezogen und die hinter Schwaz an den Hängen des Arzbergs bis gegen die Kapelle von Heiligkreuz, unweit Pill , Aufstellung genommen hatte, unterstützen sollte.
Oberstlieutenant Reissenfels wurde mit
seinen 2 Compagnien vom RegimentDavoux nach Volders gerufen. Die
Hauptleute Bergertibecher und Patsch stellten sich bei Stans und im Thirgarten auf, welche Stellungen sie aber beim Anmarsche Wrede's verlassen muſsten .
Taxis erwartete zwischen Inn und Innberg, den Markt im
Rücken , den Angriff der Bayern. Die Innbrücke hatte er mit den Jägern, die Vorstadt St. Martin mit 2 Compagnien und 2 Kanonen besetzt.
Wrede, der inzwischen mit der 1. Brigade des Generalmajor Minucci im Dorfe Bach eingetroffen war , lieſs eine Halbbatterie vorgehen, um das Gefecht zu eröffnen ; Oberlieutenant v. Graven werth fubr mit 2 Kanonen und 1 Haubitze in wirksamer Schuſs
1
1 1
weite auf und eröffnete das Feuer gegen die österreichischen Truppen. Nach einigen Schüssen und Würfen flohen Landwehr und Bauern in die Vorstadt von Schwaz , wo sich ein Teil von ihnen in die
Häuser warf. Die beiden Linien - Bataillone bielten jedoch standhaft Da setzte sich Wrede persönlich an die Spitze des 3. Che vaulegers -Regiments, und unternahm einen Angriff, sah sich aber,
als .
von dem wirksamen Feuer einer dreimaligen Salve empfangen , zum Umkehren gezwungen . Unter den Verwundeten befand sich Oberst lieutenant Prinz Löwenstein . Ein zweiter Angriff von dem Feuer der
Halbbatterie wirksam unterstützt, sprengte die Linie des Feindes. Nur wenige entkamen. Durch die Flucht in die Vorstadt, wo sie sich an der oberen Brücke des Lahnbaches, nächst der Pfarrkirche,
aufstellten ; was eingeholt und nicht getötet wurde , fiel verwundet in Gefangenschaft. Die Chevaulegers brachten von 2 Compagnien Davoux 3 Offiziere und 182 Soldaten als Gefangene ein . Unterdessen hatte in dem Orte Aschbacher mit den Achen thalern und Patsch mit den Schützen von Wilten Anstalten gemacht, die Innbrücke abzutragen und die Lagerbalken anzuzünden , um das linke Ufer zu sichern .
Dieses abzuwenden , muſsten
sich die Bayern beeilen , in den Besitz von Schwaz selbst zu gelangen , in dessen Häuser und Gärten sich jetzt die Feinde
zu
einer ernsthaften Verteidigung festgesetzt 1
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
138
hatten. Zu einem Sturm auf die Vorstadt und zu deren bleibenden
Besitz war es jedoch notwendig , vor Allem die jeden Angriff seit
wärts fassenden Schützen Speckbachers von Falkenstein und Frundsberg zu vertreiben . Zu diesem Behufe wurde den Haupt leuten Golsen und Treuberg befohlen, mit ihren Compagnien : vom 2. Bataillon 3. Regiments die Berge links vorwärts zu ersteigen,
die Aufständigen von denselben zu verjagen und dann in die Vor stadt von der Ostseite herab einzudringen.
Gleichzeitig sollten die
Schützen der 1. Infanterie- Brigade und der 6. leichten Infanterie Brigade auf der Straſse gegen die Vorstadt , des 1. Bataillons 3. Regiments nahe am rechten Innufer aufwärts gegen die Inn
brücke, die beiden noch übrigen Compagnien des 2. Bataillons vom 3. Regiment in Vereinigung mit dem 13. Infanterie-Regiment auf der Thalebene gegen den Marktflecken vorgehen ; die Brigade Beckers , das 14. Infanterie-Regiment , das 3. Chevaulegers -Regi ment und die Batterie Caspers sollten in Reserve auf der Ebene zwischen der Straſse und dem Inn stehen bleiben .
Das 6. leichte Bataillon Laroche hatte mit dem General
lieutenant v. Wrede an der Spitze bereits zweimal die Vorstadt
gestürmt, muſste sie aber durch das Feuer aus den Häusern, be sonders von der oberen Lahnbrücke her, gezwungen , wieder ver lassen .
Auch die Kolonnen des 3. Infanterie -Regiments waren von
dem wirksamen Feuer der quer im Thale angelegten Häuser und Gärten der Vorstadt, besonders aber von der Gegend der Pfarrkirche her , abgeprallt. 9
Die 1. Brigade Minucci hatte dabei bereits viele
Tote und Verwundete eingebüſst , unter welch' ersteren sich der Lieutenant Rüdersheim des 3. Regiments befand, der beim Sturm auf den Kirchhof fiel.
Nun liels Wrede nach 8 Uhr Abends die leichte sechspfündige
Batterie Caspers vorfahren , und das Geschützfeuer gegen den Ort
selbst richten. Nachdem dasselbe einige Zeit angedauert hatte, befahl Wrede unter dem fortgesetzten Artilleriefeuer den Sturm durch die Infanterie - Abteilung der 1. Brigade zu wiederholen . Die
schon weit vorgedrungenen Schützen der Brigade und die 6 Com pagnien des 3. Regiments wurden abermals von einem so lebhaften
Feuer aus den Gärten und Häusern empfangen ; daſs er sie , ob gleich schon zerstreut in den Ort eingedrungen, zum drittenmal den Rückzug antreten lieſs . Da wurde das 13. Regiment mit Oberst v. Dallwigk eiligst herbeigerufen. Als die Feinde dieses Regiment
im Laufschritt anrücken sahen, räumten sie groſsenteils die Vorstadt und zogen sich über den Lahnbach in das Innere des Ortes in
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
139
die groſse Marktgasse, wo sie sich zu beiden Seiten an den Hänsern und beim Marktbrunnen aufstellten . Oberst v. Dallwigk sandte, als die Lahnbachbrücke überschritten war , dem Major Palm mit
dem 2. Battaillon in der geraden Straſse links , einem eben aus einer Seitenstraſse flüchtig hervorstürzenden gemischten Haufen aus österreichischen Infanteristen und Bauern nach, um ibm , der sich
mit dem 1. Bataillon , dem 3. Regiment nachrückend, rechts wandte, den Rücken zu decken .
Die 6 Compagnien des letzteren Regiments
standen bereits von dem Oberst Graf Benchen gesammelt, auf dem Marktplatz ; doch nicht lange konnten sich dieselben bei dem mitten im Orte aus allen Fenstern auf dasselbe gerichtete Büchsen feuer halten, und zogen sich bis an die Hauptkirche zurück. Da kam rechtzeitig noch Oberst v. Dallwigk mit dem 1. Bataillon des
13. Regiments zur Unterstützung nachgerückt, und rannten Abtei lungen in die Häuser, um dort den Kampf fortzuführen . Durch diesen rasch vollführten und gelungenen Angriff wurde die schon
angezündete Innbrücke vor Zerstörung gerettet. Ein Teil der öster reichischen Truppen und der Bauern eilte ordnungslos über dieselbe und auf dem am linken Ufer aufwärts führenden Fahrweg nach dem Dorfe V omp.
Die andere Hälfte der Batterie Caspers unter
Lieutenant Commen der von einer Schwadron des 3. Chevaulegers Regiments gedeckt war durch den Markt nachgeeilt , jenseits der Brücke aufgefahren , und sandte dem über dieselbe Aiehenden Feind ihr Feuer nach , wobei Lieutenant Commender , 5 Kanoniere,
1 Fuhrsoldat und 6 Pferde durch Schüsse aus den Häusern ver wundet wurden .
Die Halbbatterie konnte dadurch nur noch mit den
2 sechspfünder Kanonen das Feuer fortsetzen , an welchem ab
gesessene Chevaulegers die Funktionen der Munitionszuträger über nehmen muſsten . Die Batterie Caspers hatte hier und vor dem Orte 340 Schüsse und Würfe mit Kugeln , Kartätschen und Gra naten gemacht.
Inzwischen kam auch die 2. Brigade Beckers in den Markt flecken nachgerückt. Dieselbe wurde von Wrede nebst der sechs pfündigen Batterie Dorn über die noch rauchende Brücke am
linken Ufer gegen Vomp entsandt. Oberst Graf Spaeti ging mit einer Abteilung des 6. Regiments gegen Vomp vor, um die Gegend zu erkunden, er wurde aber mit Büchsenfeuer empfangen und nebst 15 Mann verwundet, wonach Oberstlieutenant v. Braun das Kom mando über das 6. Regiment übernahm . Einige Granaten , welche
von der Batterie Dorn in das Dorf geworfen wurden, steckten mehrere Scheunen in Brand und veranlaſste den Abzug des Gegners:
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
140
der über die Vomperbrücke bis Trofens von den Schützen der Brigade Beckers verfolgt wurde. Auf dem rechten Innufer war es während des Sturmes auf
Schwaz auch den Hauptleuten Golsen und Treuberg gelungen, den Falkenstein zu ersteigen , von da herab in die Vorstadt zu steigen und, durch dieselbe und über die obere Lahnbachbrücke
sich durchschlagend , jenseit auſserhalb des Ortes gegen die Höhe
des Schlosses Frundsberg zu stürmen . Speckbacher hatte aber, als er schon den Rückzug der österreichischen Truppen aus Schwaz
und dann den erfolgten Angriff gegen ihn bemerkt, auch jenen Punkt mit seinen Banden schnell verlassen .
Ebenso wie der Generalmajor Graf Beckers am linken Innufer die Verfolgung bei Trofens vollzog, lieſs Generalmajor Graf Minucci denselben durch die beiden genannten Compagnien des 3. Regiments
und eine Abteilung Chevaulegers unter Führung des Obersten Berchem auch auf dem rechten Ufer auf der Poststraſse ebenso
weit, bis an den Weerbach verfolgen. Schon vor der Erstürmung von Schwaz waren im Orte aus mehreren Häusern Rauch und Flammen emporgestiegen , wo die bei der Beschieſsung des Ortes hineingeworfenen und mit geschmolzenem
Zeug gefüllten Granaten , die meist mit Schindelholz gedeckten Häuser nach und nach gezündet hatten und das Feuer rasch um sich griff, so daſs nach 9 Uhr Abends zugleich mit dem schon brennenden Dorfe Vomp auch die Vorstadt und ein Teil des Marktfleckens in Flammen stand , dieselben durch einen heftigen
Wind genährt , wüteten noch die ganze Nacht , wodurch in dem nur aus 100 Häusern bestehenden Dorfe Vomp 80 und in Schwaz bis
300 Häuser samt
2 Kirchen
vom Brande verzebrt wurden.
Wrede , welcher sein Quartier im gräflich Tannenberg'schen , in der breiten Marktgasse gelegenen Palais bezogen hatte, sah sich bei dem immer weiter um sich greifenden Element , dessen Wut kein Einhalt mehr gethan werden konnte, gezwungen, Schwaz zu ver lassen und sein Quartier nach Vomp zu verlegen.
Die Brigade Minucci lagerte die grauenvolle Nacht hindurch vor und hinter Schwaz bis zum Arzberg , die Brigade Beckers auf der Vomper Ebene , beide Brigaden einerseits mit Vorposten über Pill bis Weer , anderseits bis Trofens und noch zwei Stunden von
Volders entfernt ausgedehnt . Als am andern Morgen des 16. Mai der Brand noch auf eine
grauenhafte Weise fortgewütet hatte , sandte Wrede von Vomp aus eine Abteilung mit dem Auftrag nach Schwaz , Alles zur
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
141
Löschung des Brandes aufzubieten. Allein, es fehlte an den nötigen Löschgeräten und von den Einwohnern waren fast Alle in die Berge geflüchtet. Dennoch gelang es einem Unteroffizier des
3. Infanterie -Regiments die mittelst eines Bogens mit dem brennenden Tannenbergschen Palais in Verbindung stehende schöne Pfarrkirche zu retten. Schon zog sich auf jenem Verbindungsbogen , das Feuer nach der Kirche.
Da warf sich der erwähnte Unteroffizier mit
einigen Soldaten seines Regiments auf diesen gefährlichen Punkt, um das Feuer durch Niederreiſsen des Bogens abzuschneiden , wurde aber , als dieser krachend niederstürzte , selbst unter dem Schutte
begraben. Der Name des Mannes ist unbekannt geblieben. Bereits hatten die Flammen auch schon
die ersten Joche der Innbrücke
ergriffen , was die Verbindung zwischen den auf beiden Ufern stehenden bayerischen Brigaden gefährdete. Eine Abteilung des
3. Regiments war bereits die halbe Nacht mit dem Löschen der Brücke beschäftigt , wobei es hauptsächlich den Anstrengungen des Soldaten Nagel, der unter Lebensgefahr, zeitweise mit dem halben Leibe in den Wellen des reiſsenden Flusses hing, zugeschrieben wird, daſs endlich das an den Jochen der Brücke leckende Feuer gedämpft worden war. Dennoch wütete der Brand, von dem heftigen Winde immer wieder angefacht , in dem Orte selbst auch noch die ganze Nacht des 16. Mai hindurch , an welchem Tage Wrede seine Division auf beiden Ufern des Inn ruhen liefs. Die Division Deroy, welche der Division Wrede als Reserve gefolgt war , traf am 17. östlich von Schwaz ein .
Der Verlust in dem Treffen bei Schwaz wird zu 31 Toten und
113 Verwundeten angegeben ; unter ersteren der Lieutenant Ruders heimer des 3. Infanterie -Regiments, unter letzteren 5 Offiziere.
Von dem österreichischen Regiment Davoux fielen den Bayern, wie bereits erwähnt, 182 Mann mit ihren Offizieren als Gefangene in die Hände. Der Verlust der Österreicher und Tiroler an Toten und Verwundeten ist nicht bekannt. Nach Veyder's die Österreicher 48 Tote und 2 Verwundete.
Angabe hatten
Der Schaden , den die Marktgemeinde Schwaz erlitt , wird zu 1,618,051 Gulden angeschlagen. Ein besonderer königlicher Erlaſs an die 2. Division rühmt
ihre Leistungen auch wie folgt:
»„ Wir haben mit ganz besonderem
>>
Vergnügen die Nachricht jener glänzenden Siege vernommen, welche die braven Truppen der 2. Armee- Division unter der durch Einsicht und Mut ausgezeichneten Führung Unseres Generallieutenant Freiherr v. Wrede am 12. und 13. Mai im Unter - Innthal erfochten habe.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
142
Wir haben ferner mit Wohlgefallen vernommen , mit welcher un
erschütterlichen Tapferkeit und mutvollen Anstrengung , sich die brave 2. Armee-Division , den Weg bis Schwaz geöffnet hat, und den Generallieutenant Freiherr v. Wrede , welcher bei allen diesen
Gelegenheiten den Mut der braven Krieger , durch sein eigenes ruhmvolles Beispiel zu erheben suchte und ihre militärische Kraft mit so vieler Einsicht leitete , wie allen Abteilungen der Division,
Unsere Allerhöchste Zufriedenheit über ihre unausgesetzte Bemühung, sich am Besten ihres Vaterlandes hinzugeben, bekannt machen . « Dals in Tirol damals der Brand von Schwaz benutzt wurde,
um das Volk zum Hasse gegen die bayerischen Truppen zu ent flammen , ist leicht erklärlich. Aber auch später und selbst in neuester Zeit *) hat man von einem absichtlichen Abbrennen
der Stadt Schwaz gesprochen, und dieses dem General Wrede zur Last gelegt. Selbst in Romane ist diese Darstellungs
art übergegangen. Es ist dies ein Gegenstück, wenn auch in kleinerem Maſse zu den Anschuldigungen gegen Tilly. – Der Vorwurf ent behrt jeder Begründung. Wrede muſste Schwaz haben , da -
von seinem Besitze auch jener des dortigen Innüberganges abhing. Der Brand entstand lediglich durch die in den Ort geworfenen Granaten, welche den Sturm der Infanterie einleiten und erleichtern Für die Richtigkeit dieser Angabe spricht der Umstand, daſs es schon vor der Erstürmung im Orte brannte. Eine grobe Lüge ist es , wenn gesagt wird , daſs die Soldaten Pechkränze
sollten .
auf die Dächer und brennende Fackeln in die Häuser ge worfen hätten.
Wie aber der Soldat zu diesen Brandmitteln
gelangte, wird nicht gesagt. Die Artillerie führte aber weder damals
noch jetzt derartige Gegenstände mit sich. Abgesandte wollten dem General Wrede entgegengehen , um die Stadt seiner Gnade und
Schonung zu empfehlen. Allein die Bauern lieſsen dieselben nicht über ihre Vorpostenlinie hinaus. **) Demungeachtet findet sich Herr Egger veranlaſst zu sagen : »Doch das Benehmen des Generals Wrede gegenüber der um Schonung bittenden Deputation des
Marktes, und die äuſserungen einzelner Soldaten macht es fast zur Gewiſsheit, daſs die Zerstörung des Marktes Schwaz in der That beschlossen gewesen . «
Wenn Herr Egger die Lösch vorkehrungen Wrede's bemängelt, so hatte er sehr Unrecht, denn es geschah hierin geradezu das Auſserordentlichste. Daſs beim Sturm auf den *) Egger , Geschichte in Tirol. **) Cod. germ . 5029 auf der Hof- und Staatsbibliothek in München . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd, LXIX., 2.
10
143
Der Feldzug von 1809 in Tirol u. s. w.
Markt der Soldat auf das Rücksichtsloseste verfuhr, lag in der Natur der Sache. So lange die Kriegsgeschichte besteht, haben eroberte Städte, namentlich aber solche, an deren Verteidigung sich
die Einwohner beteiligt , schrecklich zu leiden gehabt. Daſs wird auch heute, trotz aller Humanitätsredensarten, der gleiche Fall sein. Die Ausschreitungen der bayerischen Soldaten waren lediglich das
Ergebnis des zähen Widerstandes und der Hinterlist , welche der Gegner entgegensetzte. Wenn auch Weiber und Kinder der Rache des Soldaten zum Opfer fielen, so hatte dies seinen Grund in ihrer
Beteiligung am Kampfe. Der Augenzeuge Mändler , welcher damals im leichten Bataillon Laroche diente , sagt: *) » Ich sah Knaben von 12-14 Jahren , welche mit Pistolen auf uns schossen ; ich bemerkte Männer und Weiber auf den Dächern, welche Ziegel und Steine auf uns herabschleuderten . « Kein Wunder, wenn solche auf der That ergriffene Buben und Weibsbilder von den Soldaten
erschlagen oder in die Flammen geworfen wurden. Daſs der Soldat aber absichtlich Kinder tötete , bleibt ein leeres Gefasel, welches, von tiroler Schriftstellern absichtlich erfunden , jeder Begründung
entbehrt. Nicht in Abrede soll gestellt werden , daſs sich Soldaten auch mit Plündern beschäftigten . Es kann aber auch nicht ge leugnet werden , » daſs das Kvappenburg- und sonstige Gesindel der Stadt einen wesentlichen Anteil an der Plünderung seiner Mit bürger nahm .« ** (Schluſs folgt.) *) Erinnerungen aus meinen Feldzügen, 29. **) Cod . germ . 5029.
XI.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges. Von
H. Kunz , Major a. D.
(Fortsetzung .)
Das Treffen von Balaklawa am 25. Oktober 1854. Schon am 21. September traf das an der Alma geschlagene
russische Heer auf der Südseite von Sebastopol ein . Admiral Korniloff wünschte eine Seeschlacht zu liefern und
hoffte selbst im Falle eines unglücklichen Ausganges derselben, die
feindliche Flotte derartig zu schwächen, daſs die Verbündeten keine Möglichkeit mehr hätten, das gelandete Heer mit Lebensmitteln , Fourage, Munition und sonstigen Bedürfnissen zu versorgen , und daſs mithin das verbündete Heer in absehbarer Zeit durch das
Eintreffen groſser russischer Verstärkungen einer Katastrophe ent gegen gegangen wäre.
Allein weder der einberufene Kriegsrat, noch Fürst Menschikoff billigten diesen heldenmütigen Entschluſs. Es wurden daher am 23. September 5 Linienschiffe und 2 Fregatten am Eingange der Rhede versenkt, um der feindlichen Flotte das Einlaufen in den Hafen von Sebastopol zu versperren . Aus den Bemannungen der
versenkten Kriegsschiffe wurden 17 Marinebataillone gebildet. Die Verbündeten brachen erst am 23. September aus ihrer Stellung an der Alma auf. In der Nacht zum 25. September
marschierten die Russen von der Südseite Sebastopols nach der Nordseite, um von hier aus die Verbindung mit dem Innern der Krim und damit Russlands offen zu erhalten.
Umgekehrt marschierten am 25. September die Verbündeten nach der Südseite Sebastopols auf Balaklawa. Es kam bei diesem Flankenmarsche, den beide Heere an einander vorbei unternahmen ,
zu einem kleinen Scharmützel, in welchem die Russen einige Park fahrzeuge verloren . 10*
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
145
Balaklawa war nur von 110 Mann Russen besetzt und wurde
am 26. September von den Engländern nach heldenmütigem Wider Die Besatzung der
stande der Handvoll Verteidiger genommen .
Südseite Sebastopols bestand am 27. September nur aus 16,000 Mann.
Die Befestigungswerke, nach der Landseite hin, waren noch keines wegs vollendet und konnten in ihrem damaligen Zustande weder einer Beschieſsung noch einem Sturme ernstlich und erfolgreich widerstehen.
Die Russen gingen nun aber mit einem ungeheueren Eifer an die Verstärkung der Befestigungswerke. Die Seele aller Arbeiten und der ganzen Verteidigung war der damalige Oberstlieutenant Todleben. Mit jedem Tage nahm die Stärke der russischen Werke zu . Auch die Besatzung wurde durch Abgaben der Heeresabteilung des Fürsten Menschikoff und durch das Eintreffen von Verstärkungen aus Russland wesentlich
vermehrt.
Um
die Mitte
des Monats
Oktober betrug die Besatzung bereits gegen 32,000 Mann. Am 17. Oktober fand die erste Beschieſsung Sebastopols statt und zwar zu Wasser und zu Lande.
27 groſse Kriegsschiffe der Verbündeten beteiligten sich an demselben und feuerten mit 1244 Geschützen auf die Küstenforts
von Sebastopol, welche ihrerseits nur mit 152 Geschützen antworten konnten .
Dieser sehr ungleiche Kampf verlief aber dennoch höchst
unglücklich für die verbündete Flotte.
Dieselbe erzielte gar keine
Erfolge von irgend welcher Bedeutung, verlor vielmehr selbst 520 Mann an Toten und Verwundeten , wobei der Verlust der
türkischen Kriegsschiffe, weil unbekannt, noch fehlt. Die Russen verloren im Kampfe gegen die Flotte nur 138 Mann und brachten den feindlichen Kriegsschiffen derartige Beschädigungen bei, daſs die verbündete Flotte sich nie wieder zu einer Wiederholung des Ver suches entschloſs. Zu Lande feuerten 49 schwere französische Geschütze gegen
64 russische und wurden von den letzteren vollständig zum Schweigen
gebracht, während die Engländer mit 71 schweren Geschützen den Kampf gegen 54 russische durchführten und allerdings aus demselben als Sieger hervorgingen. Die Franzosen verloren 204 Mann .
Die Engländer Die Russen
>>
144
1112
Der Verlust der Russen erreichte besonders deshalb eine so
bedeutende Höhe, weil sie fort während einen Sturm befürchteten
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
146
und daher ihre Reserven in der Nähe der Verteidigungslinie hielten , wodurch dieselben ungeheuer litten . In den folgenden Tagen wurde die Beschieſsung fortgesetzt,
jedoch nur zu Lande. Erst vom 12 November an liels das Feuer wesentlich nach. Wie hier gleich vorausgeschickt werden mag, ver loren die Russen bis einschlieſslich den 14. November (dem Tage des furchtbaren Seesturmes, welcher den ersten Zeitabschnitt der
Belagerung beendete) durch die Beschieſsung 6471 Mann, und zwar am meisten in den ersten Tagen desselben , so z. B. am 18. Oktober 324 Mann, am 19. Oktober 519 Mann , am 20. Oktober 308 Mann, also an den 4 ersten Tagen der Beschieſsung allein 2263 Mann. Vom 21. Oktober an wurden die Verluste geringer und erreichten im Durchschnitt nur noch die Höhe von 168 Mann täglich , während sie während des Winters vom 15. November 1854 bis einschlieſslich 12. März 1855 nur 3101 Mann , also 26 Mann auf den Tag
betrugen.
Zur Sicherung des Hauptetappenplatzes Balaklawa hatten die Verbündeten den Ort mit einer Reihe von Befestigungswerken un geben, denen weiter vorwärts auf den Höhen , welche die Ebene von Balaklawa vom Tschornaja - Thale trennen, 5 Schanzen vorgelagert waren . Die Stellung war besetzt von 2850 Mann Infanterie, unter welchen sich 1000 Mann Türken befanden und
von
1500 Mann
englischer Kavallerie.
Die Russen hatten inzwischen bedeutende Verstärkungen er halten und beschlossen dieselben zu einem Schlage gegen Balaklawa auszunutzen . Hierzu wurden bestimmt:
Unter General Liprandi
Unter General Schabokritzky
17 Bataillone,
20 Schwadronen , 10 Sotnien, 64 Geschütze,
73/4 Bataillone, 2 Schwadronen, 2 Sotnien , 14 Geschütze,
Die Abteilung des Generals Liprandi hatte eine ungefähre Stärke von 13,000 Mann Infanterie, 3000 Reitern, 64 Geschützen .
Die Abteilung des Generals Schabokritzky zählte etwa 4100 Mann Infanterie, 400 Reiter, 14 Geschütze. Am 25. Oktober früh 5 Uhr traten die Russen den Vormarsch
an . Schon um 7 '/2 Uhr früh hatte das Regiment Asow die Schanze Nr. 1 erobert und die Türken unter starken Verlusten heraus
geworfen. Die Schanzen Nr. 2, 3, 4 wurden nun von den Türken geräumt, ohne den Angriff der Russen abzuwarten. 11 Geschütze
fielen in die Hände der Sieger, welche sofort die Schanze Nr. 4
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
147
einebneten, ihre Geschütze vernagelten und den Berg hinunter
stürzten. Dies geschah deshalb, weil diese Schanze sehr nahe an dem von den Verbündeten stark besetzten und befestigten Sapun
berge lag. Die übrigen 3 Schanzen wurden von den Russen besetzt und behauptet, welche sich nun im Besitze der die Ebene von Balaklawa beherrschenden Höhen befanden . noch 3500 Meter von Balaklawa entfernt.
Die Russen waren nur
Der Kanonendonner hatte inzwischen schon früh Morgens die Verbündeten unter die Waffen gerufen und von allen Seiten kamen nun die Verstärkungen herbei . Sowohl vom Sapunberge, als von den westlich desselben ge legenen Höhen aus, hatten die Verbündeten nur wenige Kilometer
nach dem Gefechtsfelde zurückzulegen, es konnte ihnen also nicht schwer fallen, in kurzer Zeit völlig ausreichende Verstärkungen herbeizuziehen.
Ein Angriff auf Balaklawa selbst wurde damit für die Russen aussichtslos.
Aber General Liprandi wollte wenigstens den beim Dorfe Kadikioi vorwärts von Balaklawa angelegten Park des Feindes erreichen und sandte zu diesem Zwecke 14 Schwadronen Husaren
und 9 Sotnien Kosaken nebst 2 reitenden Batterien zu je 8 Ge schützen in das Thal hinab.
Die beiden reitenden Batterien eröffneten alsbald ihr Feuer, die Kavalleriemasse ging zum Angriff vor. 6 Schwadronen Husaren und 3 Sotnien Kosaken warfen sich
auf das 93. schottische Regiment, welches nur 650 Mann stark war. Die Bergschotten lieſsen die russische Kavallerie ganz nahe heran und warfen sie durch kräftiges Feuer vollständig über den Haufen. Während nun dieser Teil der russischen Kavallerie in Eile
zurückwich und seinen Auftrag um so weniger ausführen konnte,
als der Park des Gegners mit Gräben umzogen war , also ohnehin schon ein schweres Hindernis darbot, wurden die übrigen 8 Schwa dronen Husaren und 6 Sotnien Kosaken von der englischen Kavallerie 800 Engländer ritten hier gegen 1400 Russen an , und erfochten , obschon an Zahl so unterlegen,
Brigade Scarlett angegriffen .
einen glänzenden Sieg.
Sie warfen die Russen völlig über den
Haufen , was nicht gerade für die Tüchtigkeit der russischen
Kavallerie spricht. Die Verfolgung der geworfenen Russen muſste jedoch von den Engländern sehr bald aufgegeben werden , weil sie in das Kreuzfeuer der russischen Batterien gerieten .
Nun trat eine Pause im Kampfe ein , welche den Verbündeten
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
148
die Zeit verschaffte, ihre nach und nach ankommenden Verstärkungen in Schlachtordnung aufzustellen. Gegen Mittag glaubte Lord Raglan, der englische Oberbefehlshaber, zu bemerken , daſs die Russen sich anschickten, die in den Schanzen eroberten Geschütze in Sicherheit zu bringen.
Um dies zu verhindern , befahl er der englischen Kavallerie 1
anzugreifen. Ein Kavallerie -Angriff, dessen Anordnung bis in die kleinsten Einzelheiten von den Russen eingesehen werden konnte, gegen eine
mit starker , noch ganz frischer , Infanterie und Artillerie besetzte Höhe , welche noch dazu mit Schanzen gekrönt war und hinter
welcher eine weit überlegene feindliche Reitermasse hielt, erscheint fast unglaublich !
Aber es ist eine einfache geschichtliche Thatsache. 700 englische Reiter ritten hier mit bewundernswerter Todes verachtung gegen 16,000 Mann Russen an. Die Franzosen nennen so etwas rune folie sublime et héroique« , vom Standpunkte des Taktikers aber muſs man diesen heldenmütigen Angriff auf das allerschärfste verdammen. Es traf hier keiner der Gründe zu, welche das rücksichtslose Einsetzen der Kavallerie
gebieten, es war weder ein eigener Rückzug zu decken , noch ein geschlagener Feind zu verfolgen (denn die Russen dachten gar nicht daran , ihren Rückzug anzutreten) , noch endlich war die Gefechtslage so drohend, daſs die Kavallerie ein Opfer hätte bringen müssen . Die Engländer ritten mit vorzüglicher Tapferkeit an . Eine Anhöhe verdeckte wenigstens den ersten Anfang des Angriffs den Blicken der Russen, sobald aber die Reitermasse auf der Höhe erschien , konnten die Russen alles auf das genaueste einsehen .
Alsbald geriet die englische Kavallerie in das Kartätschfeuer der russischen Artillerie und in das Gewehrfeuer des Regiments Odessa.
Aber die Engländer drangen in eine reitende russische Batterie ein, hieben die Bedienungsmannschaften nieder, warfen dann die dahinter haltende russische Kavallerie und verfolgten sie bis weit hinter die Schanzen.
Plötzlich griffen 3 Schwadronen russischer Ulanen die auf gelösten Reiter von der Flanke her an .
Jetzt war die Kraft der Brigade Cardigan gebrochen.
Der
Rückweg wurde noch weit schrecklicher, als der Angriff selbst. Um die mörderische Wirkung der russischen Artillerie wenigstens einigermaſsen zu hemmen , warfen sich 2 Schwadronen des 4. fran
zösischen Regiments chasseurs d'Afrique auf diejenige russische
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
149
Batterie , welche die mörderischeste Wirkung hatte. Auch diese Schwadronen drangen in die Batterie ein und begannen die Be dienungsmannschaften der Geschütze niederzuhauen , muſsten aber bald vor dem Gewehrfeuer zweier Bataillone des Regiments Wladimir zurückweichen .
Dieses heldenmütige Opfer ersparte dennoch der Brigade Cardigan die Vernichtung nicht. Von 700 Pferden verlor sie 500, also über 71 %
Der weitere Kampf wurde nunmehr nur durch die Artillerie
fortgeführt. Um 4 Uhr Nachmittags war alles zu Ende. Ein ziemlich zweckloser Kampf hatte doch nicht unbedeutende Opfer gefordert. Die Russen verloren :
Tot und verwundet 40 Offiziere, 572 Mann, vermiſst 15 Mann, im Ganzen 40 Offiziere, 587 Mann. Die Engländer verloren 300 Mann , die Franzosen verloren
38 Mann , die Türken verloren 260 Mann, zusammen 598 Mann. Das Treffen von Balaklawa trägt den Charakter aller halben Maſsregeln ; es verschaffte den Russen nur einen Anfang von Erfolg.
Wenn die Russen den Verbündeten ernsthaft zu Leibe gehen wollten , dann muſsten sie Balaklawa nehmen und dort alles zer
stören , was sie an Schiffen , Vorräten , Munition u . s. w. irgend Dazu aber waren groſse Streitkräfte notwendig, eine erdrückende Übermacht, welche einen entscheidenden Schlag finden konnten .
ausführen konnte .
Die Richtung dieses Schlages gegen die Operationsbasis der Engländer, war ganz richtig gewählt. Im Falle des Gelingens standen die Verbündeten vor einer Katastrophe.
Es hatte aber gar
keinen Zweck , ihnen ein paar elende Schanzen wegzunehmen und sie bei dieser Gelegenheit auf die Gefahr aufmerksam zu machen, welche ihnen hier drohte.
Die Russen begingen im Krimkriege einen Hauptfehler; sie konnten sich nicht dazu entschlieſsen , die Fehler ihres ursprüng lichen strategischen Aufmarsches allmählich wieder gut zu machen ; sie wollten alle bedrohten Punkte decken und deckten , wie immer in solchen Fällen , nichts.
Im August 1854 standen 207,000 Mann in den Ostseeprovinzen. Weshalb ? Um eine Landung der Verbündeten hier abzuwehren , genügte schon die Hälfte dieser Macht. In Bessarabien und an derösterreichischen Grenze standen
einschlieſslich des Heeres in Polen mehr als 322,000 Mann ,
Auch
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
150
das war zu viel, namentlich waren in Bessarabien 181,000 Mann gewiſs nicht notwendig. An den Küsten des schwarzen und des Asowschen Meeres standen 78,000 Mann. Wiederum viel zu viel.
Es kam darauf an, die Verbündeten in der Krim zu vernichten ,
ob irgend eine kleine Hafenstadt dann von der feindlichen Flotte zerstört wurde, oder nicht, war ganz gleichgültig.
Nur Odessa und
Nikolajew muſsten gehalten werden. Hätten die Russen nach richtigen strategischen Grundsätzen
gehandelt, so konnten sie aus Bessarabien und von den Küsten recht gut 150,000 Mann fortziehen und nach der Krim werfen.
Die in Bessarabien fehlenden Truppen konnten aus Polen , die hier in Wegfall kommenden Truppen aus den Ostseeprovinzen 1
wieder ergänzt werden.
Ein entscheidender Sieg that not. Wurden die Verbündeten in das Meer geworfen beziehungsweise vernichtet , dann würde
Österreich sich gehütet haben , wirklich feindselig zu handeln, Es kam nur auf einen unbedingt vernichtenden Schlag an. Die Truppen aus Bessarabien brauchten 30 Tage , um
vor
Sebastopol anzukommen, die Truppen des Küstenheeres gröſstenteils viel weniger Zeit. Am 25. Oktober konnten also einschlieſslich der bereits in der
Krim versammelten Truppen recht gut 200,000 Mann Russen in und bei Sebastopol stehen.
Verzögerte sich das Heranziehen der Truppen etwas, so konnte man ruhig warten . Die Gefahr eines Sturmes auf Sebastopol war Ende Oktober schon nicht mehr so ernsthaft zu nehmen , als im
September. Griff man dann gleichzeitig mit 80,000 Mann Balaklawa , mit 70,000 Mann die Höhen von Inkermann an , und lieſs man gegen
den linken Flügel der Belagerer , also gegen die Franzosen, 20,000 Mann aus Sebastopol einen Ausfall machen , dann durfte man hoffen, mit den Verbündeten fertig zu werden. Ende Oktober verfügten die Verbündeten vor Sebastopol über etwa 41,800 Mann Franzosen ; ferner über 24,500 Mann Engländer und 5000 Mann Türken .
Diesen 71,000 Mann standen dann als Angreifer 170,000 Mann Russen gegenüber, während Sebastopol selbst noch von 30,000 Mann
besetzt blieb, welche im Falle des Gelingens auch noch Verstärkungen abgeben konnten.
Eine Übermacht von 240 gegen 100 kann man wohl als
151
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
erdrückend bezeichnen .
Ein Erfolg war unter diesen Umständen
bei der anerkannten Tapferkeit der Russen fast mathematisch sicher. Man denke sich nun blos den Eindruck in Europa , welchen die Vernichtung des mit so ungeheuren Kosten nach der Krim geworfenen Heeres der Verbündeten gemacht haben würde?! So ,, wie das Treffen von Balaklawa in Wirklichkeit durch
geführt wurde , konnte es nur eine einzige Folge haben , nämlich die, daſs die Verbündeten die Befestigungswerke vor dem Orte der artig vermehrten , daſs ein zweiter Versuch der Russen von vorn herein aussichtslos bleiben muſste.
Man erstaunt, wenn man sieht , wie sehr seit den Zeiten
Napoleons die Kriegskunst herunter gekommen war, trotz der groſs artigen und welterschütternden Lehren , welche dieser gewaltige kriegerische Lehrmeister der ganzen Welt gegeben hatte, und welche auch die Russen teuer bezahlt hatten .
Die Türken haben sich bei Balaklawa nicht eben mit Ruhm
bedeckt, sie hatten am 25. Oktober 1854 entschieden keinen glück lichen Tag .
Von den Kavallerie -Augriffen ist bereits gesprochen. Es muſs aber die Entschlossenheit noch besonders hervorgehoben werden, mit welcher die englische Reiterei trotz der denkbar ungünstigsten Gefechtsverhältnisse alles vor sich her niederwarf.
Dieser Angriff bei Balaklawa erinnert in vieler Beziehung an den der Brigade Bredow bei Mars -la -Tour. Man sieht bei beiden, daſs bei einer guten Kavallerie schon der Befehl genügt , daſs sie
überhaupt angreifen soll, um fast ungeahnte Erfolge zu erringen. Wäre bei beiden Angriffen ein zweites und drittes Treffen gefolgt, wer kann wissen, wie der Ausgang gewesen wäre ? Thatsächlich sind beide Angriffe in dem Augenblicke gescheitert, als die Kraft der Pferde gebrochen war, als von allen Seiten frische feindliche Truppen über die ermatteten Sieger herfielen und als diese keinerlei Unterstützung von den eigenen Truppen erhielten. Wenn man also aus den Angriffen von Balaklawa den Schluſs
ziehen will , daſs Kavallerie schon dem glatten Vorderladegewehr gegenüber auf dem Schlachtfelde nichts mehr auszurichten ver
mochte, so irrt man sehr. Unserer Ansicht nach geht gerade das Gegenteil aus diesem Angriffe hervor. Man muſs nur die Kavallerie richtig verwenden und sie nicht vor eine unmögliche Aufgabe stellen . Es bietet sich in den heutigen Schlachten Gelegenheit genug zu einem rücksichtslosen Einsetzen der Kavallerie, wenn man dann
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
152
nur immer höhere Führer zur Stelle hätte , welche die Verant
wortung für den Verlust von ein paar hundert Pferden nicht scheuen möchten . Es seien bei dieser Gelegenheit aus dem Kriege von 1870/71 nur einige Beispiele herausgegriffen, in welchen unserer Ansicht nach die Kavallerie geradezu erstaunliches geleistet haben würde, wenn sie rechtzeitig zur Stelle gewesen , beziehungsweise wenn sie rechtzeitig und rücksichtslos eingesetzt worden wäre. So bei Wörth , zur Zeit , als der fluchtartige Rückzug der Franzosen 9
begann , die 4. Kavallerie -Division ; so am 10. Oktober 1870 bei
Artenay die 2. und 4. Kavallerie -Division , bei Beaune la Rolande am 28. November 1870 die 1. Kavallerie- Division, bei Loigny am 2. Dezember 1870 die 4. Kavallerie- Division und die bayerischen Kürassiere, zur Zeit als endlich auch die beste Truppe des Generals Chanzy, die 1. Division 16. französischen Armee-Corps in Auflösung zu geraten anfing. Allein
bei Wörth war die 4. Kavallerie - Division nicht zur
Stelle, als sie gebraucht werden konnte und die wenigen preuſsischen und württembergischen Schwadronen , welche wirklich ernsthaft
verfolgten, konnten nur zeigen, was hier im Groſsen hätte geleistet werden können .
Bei Artenay griffen nur wenige Schwadronen an , diese aller dings mit glänzendem Erfolge; auch hier giebt das thatsächlich erreichte nur einen Maſsstab für das , was man erreicht haben
würde , wenn die ganze überwältigende Kavalleriemasse , welche diesmal rechtzeitig zur Stelle war, eingesetzt worden wäre. Bei Beaune la Rolande griff die 1. Kavallerie - Division nicht an, weil der Boden zu aufgeweicht war. Bei Loigny wurde zwar zu wiederholten Malen zum Angriff angesetzt, aber doch nicht mit der wünschenswerten Entschlossen
heit, welche nun einmal unerläſslich ist , um groſse Erfolge zu erzielen .
Die Schlacht von Inkermann am 5. November 1854. Die bedeutenden Verstärkungen, welche die Russen fortgesetzt
erhielten , brachten den Fürsten Menschikoff zu dem Entschluſs, einen groſsen Schlag gegen die Verbündeten zu führen .
Die Richtung dieses Hauptschlages konnte nicht mehr auf Balaklawa gehen, nachdem das Treffen vom 25. Oktober 1854 die
Verbündeten gewarnt und sie veranlaſst hatte, sich hier bedeutend besser als bisher zu sichern .
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
153
Ein Angriff auf den Sapunberg erschien erst recht aussichtslos,
weil die steilen Abhänge dieses Berges eine Erstürmung desselben ohnehin fast unmöglich machten und auſserdem der Höhenrand noch stark befestigt worden war.
Es blieb also nur ein Angriff auf den rechten Flügel des Belagerungsheeres ührig , auf welchem keine schweren Batterien vorhanden waren.
Der östliche Teil der Chersones-Hochfläche bildet ein unregel mäſsiges Dreieck , welches von der Sarandinaki-Schlucht, der Süd
Bucht, der Rhede und den steilen Felsabhängen des Sapunberges begrenzt wird. Dieser ganze Teil der Hochfläche wird von einigen langen und tiefen Schluchten mit steilen Wänden , die in der
Richtung von Südost nach Nordwest laufen, durchschnitten . Zunächst der Sarandinaki-Schlucht liegt, nach Osten hin, die Delagardie -Schlucht, hinter ihr die Laboratorium-, die Dock-, und endlich die Kiel-Schlucht ; letztere hat sehr steile und an manchen Stellen felsige und senkrecht abfallende Wände, die ihrer seits wiederum von jähen Schluchten durchschnitten werden. Die ganze Strecke zwischen der Dock-Schlucht und den Felsabrissen,
welche den Gipfel des Sapunberges nach der Tschornaja hin be grenzen , wird , auf einer Ausdehnung von etwa drei Werst in die Länge, durch die Kiel- Schlucht in zwei , gänzlich von einander geschiedene Teile geteilt, die gar keine Verbindung mit einander haben, mit Ausnahme eines einzigen, dicht bei der Kiel- Schlucht hinüberführenden Weges. Was hingegen die , zwischen der Kiel - Schlucht und der -
Tschornaja liegenden Höhen betrifft, so bilden sie eine Hochfläche, deren gröſste Ausdehnung in der Breite nicht über 770 Meter, die geringste nur gegen 135 Meter beträgt. Die Abdachungen dieser Hochfläche sind sehr durchschnitten , mit niedrigem Gesträuch be deckt und werden von mehreren Schluchten unterbrochen , die teils
in der Richtung zur Kiel-Schlucht, teils in der Richtung zur Tschornaja laufen . Die Geländebeschaffenheit des erwähnten Teils dieser Hoch
fläche ist zum Marsche von Truppen und zu Kriegsoperationen wenig geeignet.
Zwischen dem oberen Teile der Kiel-Schlucht und den jähen Abhängen des Sapunberges befindet sich der höchste Punkt. Diese
Höhe bildet eine ausgezeichnete 1100 Meter lange Verteidigungs Stellung. Nach Sebastopol hin wird dieselbe von zwei Schluchten gedeckt : links liegt eine tiefe Schlucht, welche in die Kiel-Schlucht
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Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges 154
BARBARA
155
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
mündet, rechts die Steinbruch -Schlucht, welche sehr steile, fast senkrecht abfallende Wände hat. Der enge Zwischenraum zwischen den Höhenrändern dieser beiden Schluchten bildet den einzigen bequem zugänglichen Teil der Stellung. Auf dieser fast unzugäng
lichen Hochfläche war die zweite englische Division aufgestellt, in der Front durch drei Befestigungswerke mit sehr schwachem Profile gedeckt. Eins derselben, Nr. 1, befand sich auf dem rechten
Flügel , hinter der Steinbruch -Schlucht, unweit eines schroffen Abhanges des Sapunberges.
Das Werk Nr. 2 lag östlich von der
Straſse hinter Nr. 1 ; quer über die Straſse selbst endlich war ein
laufgrabenförmiger Graben angelegt. Batterie Nr. 1 war noch nicht vollendet und nicht armiert, Nr. 2 aber mit 2 Geschützen versehen.
Zur Höhe des nordöstlichen Teiles des Sapunberges führen
nur einige wenige, höchst ungünstige Zugänge. Vom Inkermanner Damme, welcher die Tschornaja unweit der Spitze der groſsen Rhede durchschneidet, laufen zwei Wege aus :
Der
eine
nach
Westen, die sogenannte Sapeurstraſse, die längs der Georgs-Schlucht hinansteigt, dann zur Kielschlucht abfällt und über die steinerne Brücke nach Sebastopol führt; der andere biegt von der Inkermanner
Brücke nach links, erhebt sich längs der Steinbrüche von Inkermann auf den Sapunberg und läuft dann in die Woronzoff - Straſse aus, die durch die Laboratorium -Schlucht nach Sebastopol führt.
Diese
beiden Straſsen bilden häufige und starke Krümmungen und führen bisweilen sehr steil bergan. Von der Steinbruchschlucht bis zur Straſse nach Balaklawa,
auf einer Ausdehnung von 10 Werst, war die Stellung der Ver bündeten fast unzugänglich, indem die Abhänge des Sapunberges hier sehr steil und die Abgründe sehr tief sind. Der Sapunberg, welcher sich bedeutend über die Fedjuchinhöhen und die Ebene von Balaklawa erhebt, hat von dieser Seite nur drei, sehr schwer zu
ersteigende Zugänge. Der eine derselben beginnt bei der Furth der Tschornaja und durchschneidet den Wasserleitungs -Kanal, steigt dann
einen sehr steilen Abhang hinan und vereinigt sich weiter mit der Dieser Weg bildet einen schmalen Gebirgspfad,
Woronzoff -Straſse.
welcher, in Folge der steilen Abhänge des Sapunberges, nur mit
groſser Schwierigkeit erstiegen werden kann . Überdies hatten die Franzosen in der Nähe dieses Weges die Schanze Canrobert erbaut.
Der zweite Zugang befand sich auf der Woronzoff -Straſse ; er führte zwischen den Befestigungswerken der Circumvallationslinie
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
156
durch und wurde zu jener Zeit durch das vorgeschobene Werk , Batterie Nr. 11, gedeckt.
Der dritte Zugang endlich liegt auf der Straſse, die von Bala klawa über Kadikioi nach Sebastopol führt. Derselbe ist zwar nicht sehr steil, jedoch bilden die Abdachungen des Gebirges einen ein
gehenden Winkel, dessen einen Schenkel die befestigten Abhänge des Sapunberges bildeten, während die ebenfalls befestigten Höhen, welche Balaklawa deckten, den anderen Schenkel bildeten. Schlieſs lich deckte die nach dem Treffen bei Balaklawa verstärkte und mit
22 Geschützen groſsen Kalibers armierte Circumvallationslinie der Verbündeten den Rücken des Belagerungsheeres und ihre Ver bindungen, und bot zugleich eine genügend zuverlässige Stütze für das Observations- Corps dar, welches längs des Randes des Sapun berges und der, Balaklawa deckenden, Höhen aufgestellt war. Zwischen den Abdachungen des Sapunberges und dem oberen Teile der Kielschlucht stand die englische Division Lacy - Evans, 6 Bataillone = 3400 Mann .
Zwischen dem oberen Teile der Kielschlucht und der Woronzoff
Straſse stand die leichte Division Brown, 7 Bataillone = 3400 Mann . Zwischen der Woronzoff- Straſse und der Delagardie- Schlucht stand die Division Cathcart, 6 Bataillone = 3950 Mann . Zwischen der Delagardie- und der Sarandinaki-Schlucht stand
die Division England, 6 Bataillone =
3900 Mann .
Rückwärts der
Divisionen Lacy - Evans und Brown, in der Nähe der Mühle, stand
die Division Cambridge, 3 Bataillone = 1700 Mann. (Es war hier nur die Brigade Bentink zur Stelle, die Garde- Brigade, während die andere Brigade Colin-Campbell in Balaklawa lag.) Westlich der Sarandinaki -Schlucht befand sich die französische Division Napoléon,, 9 Bataillone = 6500 Mann. Noch weiter west lich, längs der Quarantaine -Schlucht befand sich die französische
Division Forey, 9 Bataillone = 5900 Mann. Hinter dem linken Flügel dieser Division stand die Division Levaillant, 14 Bataillone = 6100 Mann .
Auf dem Sapunberge befand sich die Division Bosquet und die Brigade Espinasse, zusammen 16 Bataillone = 12,400 Mann. Zum Observations-Corps gehörten auſser diesen Truppen des Generals Bosquet noch: -
1. Die türkische Division, 8 Bataillone = 4900 Mann,
2. 5 Bataillone der französischen Division Vinoy bei Kadikioi 2750 Mann,
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
157
3. 1970 Mann englischer Kavallerie, 1960 Mann französischer Kavallerie,
4. die Brigade Colin-Campbell, 3 Bataillone
1900 Mann,
in Balaklawa.
Die Absicht des Fürsten Menschikoff ging dahin, die Engländer auf ihrem rechten Flügel, wenn möglich, zermalmend anzugreifen. Zu diesem Zwecke befahl er folgendes : General Soimonoff sollte mit 29 Bataillonen , einer Sotnie, 38 Geschützen
18,900 Mann , von der Kielschlucht aus die Enge
länder angreifen . General Pawloff sollte mit 20 '/2 Bataillonen , 96 Geschützen 15,800 Mann, die Tschornaja auf der erst noch wieder herzustellen den Inkermann-Brücke überschreiten und demnächst den rechten -
Flügel der Engländer angreifen. Endlich sollte Fürst Gortschakoff mit 16 Bataillonen , 52 Schwa
22,400 Mann, gegen Bala klawa beziehungsweise gegen den Sapunberg vorgehen und wenn möglich, einen Aufgang zum Sapunberge nehmen. Die Besatzung von Sebastopol sollte mit ihrem Artilleriefeuer den rechten Flügel der Angreifer decken, wenn möglich sich der nächsten feindlichen Batterien bemächtigen, und zwar sollte der zu
dronen, 10 Sotnien , 88 Geschützen
diesem Behufe zu unternehmende Ausfall von Bastion Nr. 6 aus
erfolgen, also sich gegen den linken Flügel der Franzosen richten . Auf Grund dieses am 4. November Nachmittags 5 Uhr im Stabsquartier des 4. Infanterie -Corps eintreffenden Befehls, erlieſsen die einzelnen selbstständigen Generale folgende Anordnungen : General Soimonoff wollte um 4 Uhr früh seine Truppen bei Bastion Nr. 2 versammeln , um 6 Uhr früh den Marsch über die Kielschlucht antreten und auf dem östlichen Rande derselben vor
gehen. General Pawloff wollte um 2 '/, Uhr früh zur Inkermann - Brücke marschieren , dieselbe wieder herstellen lassen und hier die Tschornaja überschreiten und die Höhen hinan steigen, um sich auf der Hoch fläche zwischen Sapunberg und Kielschlucht mit General Soimonoff zu vereinigen. Fürst Gortschakoff wollte die bei Kadikioi befindlichen feind
lichen Streitkräfte verhindern, ihren vor Sebastopol stehenden Waffen brüdern zu Hilfe zu kommen.
Der Oberbefehlshaber der Besatzung von Sebastopol, General Moller, beschloſs durch starkes Artilleriefeuer der Festungswerke den
Angriff zu unterstützen. Die Regimenter Minsk und Tobolsk , nebst
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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12 leichten Geschützen , sollten sich bereit halten , im geeigneten
Augenblicke von Bastion Nr. 6 aus einen Ausfall zu machen . General der Infanterie v. Dannenberg, der Commandeur des 4. In fanterie- Corps, sollte den Oberbefehl über die Kolonnen der Generale Soimonoff und Pawloff übernehmen, sobald dieselben sich auf der Hochfläche vereinigt hätten. Der vom Fürsten Menschikoff erlassene Befehl lieſs an Klarheit
recht viel zu wünschen übrig, namentlich blieb ganz ungewiſs, ob General Soimonoff auf dem östlichen oder westlichen Rande der
Kielschlucht vorgehen sollte.
General der Infanterie v. Dannenberg hielt es daher mit Recht für notwendig, einige Änderungen zu treffen, leider aber auch nicht in der zweifellosen Weise, welche hier ganz allein am Platze war .. Er glaubte mit vollem Rechte, daſs auf beiden Seiten der Kiel
schlucht vorgegangen werden müsse, wenn die Übermacht auch wirklich zur Geltung kommen sollte. Er befahl daher dem
General Pawloff, seinen Vormarsch um
5 Uhr früh anzutreten , den Übergang über die Tschornaja, sowie das darauf folgende Ersteigen der Hochfläche aber selbst zu decken. An den General Soimonoff erliefs er den Befehl, um 5 Uhr früh vom Malachoff-Hügel aus vorzurücken. Seine Hauptreserve sollte General Soimonoff hinter seinem rechten Flügel marschieren
lassen , da der linke Flügel durch die tiefe Kielschlucht und durch die Kolonne des Generals Pawloff hinreichend sicher gestellt sei. Der Malachoff -Hügel lag auf dem westlichen Rande der Kiel schlucht, die Bemerkung, daſs der linke Flügel Soimonoff's durch eben diese Kielschlucht gesichert sei, war wohl eigentlich deutlich genug, um ein Miſsverständnis auszuschlieſsen . Auch hätte General
Soimonoff noch immer anfragen können, wenn er Zweifel hatte. Allein es war nicht gesagt worden, daſs General v. Dannenberg die Bestimmungen des Fürsten Menschikoff aufhebe, nach welchen General Soimonoff auf dem östlichen Rande der Kielschlucht vor
gehen zu sollen meinte, und auf Grund welcher Bestimmungen der eben genannte General seinen besonderen Befehl erlassen hatte .
Diese Unterlassung genügte, den Verlust der Schlacht herbeizu führen . General Soimonoff entschloſs sich nämlich, seine ursprüng liche Absicht auszuführen , also auf der östlichen Seite der Kielschlucht vorzugehen. Allerdings war eine Abschrift des besonderen Befehls des
Generals Soimonoff an den General v. Dannenberg gelangt, und Jahrbücbor für die Deutsche Armee und Marine. Bd . LXIX ., 2 .
11
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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hätte dieser in Folge dessen wohl seinen Befehl nochmals genau bestimmen können .
Dies geschah nicht nnd General Soimonoff blieb also zum
Unglück für die russischen Waffen bei seinem Entschlusse. Am 4. November regnete es vor Sebastopol fast unaufhörlich . Alle Wege waren völlig aufgeweicht und, so zu sagen, grundlos geworden.
Die russischen Truppen hatten keine Biwaksfeuer angezündet, um den Feind nicht auf die Vorbereitungen zur Schlacht auf merksam zu machen.
Die englischen Vorposten waren vom Regen und durch den kalten schneidenden Wind fast erstarrt, sie hörten zwar in der
Ferne Geräusch und Rädergeknarr, legten dieser Wahrnehmung aber keine Bedeutung bei. Um 4 Uhr Morgens am 5. November ertönten die Glocken der Kirchen Sebastopols zum Gebet für den glücklichen Ausgang der Schlacht.
Da der 5. November aber ein Sonntag war,
so hielten die Engländer das Läuten der Glocken für die Einladung General Soimonoff rückte um 5 Uhr früh von Bastion Nr. 2 aus zur Kielschlucht herunter und begann seine
zur Frühmesse.
Truppen den steilen und vom Regen aufgeweichten Aufgang der Sapeurstraſse ersteigen zu lassen, also auf der östlichen Seite der Kielschlucht.
Um 6 Uhr früh befanden sich die Truppen Soimonoff's auf der Hochfläche.
In der ersten Linie stand rechts das Regiment Tomsk, links das Regiment Kolywan , in Reserve das Regiment Katharinenburg. 22 schwere Geschütze befanden sich gleichfalls in der ersten Linie. 2 Compagnien des 6. Schützen - Bataillons waren als Schützen vor der Front ausgeschwärmt. Hauptreserve.
Der Rest der Truppen bildete die
Sobald die Gefechtsordnung hergestellt war, begann der Vor marsch längs der Kielschlucht. Der dichte Nebel und die grauen Mäntel der Russen gestatteten
diesen fast unbemerkt an die Engländer heranzukommen, welche vollständig überrascht wurden. Nach einem ersten Augenblick jähen Schreckens ordneten sich jedoch die Engländer schnell. Die Division Lacy Evans und die Brigade Buller der Division Brown stellten sich nebst 18 Geschützen auf der Hochfläche den
Russen entgegen , die Brigade Codrington der Division Brown nebst 6 Geschützen blieb westlich der Kielschlucht.
Der erste Angriff der Russen gelang vollkommen , 8 Bataillone
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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der Regimenter Tomsk und Kolywan und 2 Bataillone Regiments Katharinenburg drängten die Brigade Pennefather der Division Lacy Evans zurück , nahmen das vor dem Lager der Engländer angelegte kleine Werk Nr. 2, nebst den darin befindlichen 2 Geschützen.
Zur selben Zeit griffen die Regimenter Borodino und Tarutino der Kolonne des Generals Pawloff an .
Diese Kolonne war um 5 Uhr früh an der Inkermanner - Brücke
angekommen, begann aber erst gegen 7 Uhr früh den Übergang über die Tschornaja . Das Regiment Borodino erklomm die Hochfläche längs der
Wolowja - Schlucht, während das Regiment Tarutino längs der alten Poststraſse die Höhe erstieg.
Der Rest der Kolonne nebst der gesamten Artillerie nahm den Umweg auf der Sapeurstraſse. Der Aufstieg an den Abhängen der Steinbruchschlucht war für die
beiden Bataillone des Regiments Tarutino, welche diesen Weg ge wählt hatten , besonders schwierig, während die übrigen 6 Bataillone ohne Schwierigkeiten auf die Hochfläche gelangten,.
Sobald alle
8 Bataillone oben angekommen waren, griffen sie die Brigade Adams an und trieben sie zurück .
Während dieser ganzen Zeit feuerten die 22 schweren Geschütze
Soimonoff's vom Kosakenberge aus auf das englische Lager. Die Batterie Nr. 1 wurde von den Russen genommen, von der Brigade Adams alsbald wieder erobert. Diese bereits sehr erschöpfte Brigade wurde jedoch sofort aufs Neue von den 8 Bataillonen Pawloff's zurückgedrängt. Jetzt erschien aber die englische Garde Brigade Bentinck mit 6 Geschützen und gebot den Russen Halt.
Inzwischen waren die vordersten Truppen Soimonoff's bis zum Lager der Division Lacy Evans vorgedrungen . 2 Bataillone Regiments
Katharinenburg überschritten die Kielschlucht, warfen sich auf die Brigade Codrington und eroberten 4 Geschütze, welche sie sofort vernagelten . Die Brigade Codrington ermannte sich aber sehr bald zu einem
entschlossenen Angriffe, eroberte die verlorenen Geschütze wieder und warf die beiden russischen Bataillone unter schweren Verlusten in die Kielschlucht zurück .
Diese beiden Bataillone litten dabei derartig, daſs sie sofort auf der Sohle der Kielschlucht ihren Rückzug aus dem Gefechts bereich antraten .
Auch bei dem übrigen Bataillone Soimonoff's wirkte das mör
derische Gewehrfeuer der nur langsam zurückweichenden Engländer 11*
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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furchtbar.
General Soimonoff selbst fiel.
Mit seinem Tode hörte
die einheitliche Leitung auf; es begann alsbald der Rückschlag. Die noch übrigen 10 Bataillone der Kolonne Soimonoft's machten
Halt, konnten aber dem verheerenden Gewehrfeuer der Engländer nicht lange Stand halten und glitten ebenfalls in die Kielschlucht binab, um für den ganzen Rest des Tages aus dem Gefechtsbereich
zu verschwinden. Jetzt wurden die Regimenter Butyrsk und Uglitsch vorgezogen, aber nicht in das Infanteriegefecht verwickelt, sondern zum Schutze der Artillerie verwendet, welche auf 38 Geschütze verstärkt wurde.
Die letzten beiden Regimenter der Kolonne Soimonoff's, Wladimir und Susdal bliehen in Reserve.
Durch diesen Umschwung des Kampfes frei, stürzten sich die Brigaden Buller und Pennefather auf die Regimenter Tarutino und Borodino und warfen sie ins Inkermann - Thal hinunter.
Auch diese
8 Bataillone verschwanden vom Schlachtfelde.
Somit waren bereits um 8 Uhr früh 12 Bataillone Soimonoff's,
8 Bataillone Pawloff's völlig geworfen und verlieſsen das Schlachtfeld. Die Engländer benutzten die nun entstehende Gefechtspause, um sich wieder neu zu ordnen.
30 englische Geschütze erwiderten das Feuer der 38 Geschütze Soimonoff's anf 900—1000 Meter. Eine Zeit lang nahm die Schlacht den Charakter eines Artillerie -Duells an , bei welchem jedoch die
russische Artillerie durch das Feuer der englischen Schützen , welche nur 800 Schritt entfernt waren, sehr litt. Schon das erste Kampfgetöse hatte auch die Truppen des
Generals Bosquet unter die Waffen gerufen . Bosquet bot den Engländern seine Hülfe an , jedoch lehnten diese eine unmittelbare Unterstützung ab und baten nur um Besetzung des Geländes in ihrem Rücken, zwischen der Schanze Canrobert und der Woronzoff Straſse.
General Bosquet willfahrte dieser Bitte ohne Zögern und lieſs sofort 3/2 Bataillone und 24 Geschütze hier Aufstellung nehmen. Das Verhalten des Fürsten Gortschakoff trug allerdings auſser ordentlich dazu bei, den höheren französischen Führern die Über zeugung beizubringen, daſs auf der Seite von Balaklawa nur ein
Scheinangriff Seitens der Russen stattfinde. Fürst Gortschakoff überschritt um 7 Uhr früh die Tschornaja und ging auf Kanonen schuſsweite an den Sapunberg heran, worauf seine Artillerie das Feuer eröffnete, welches von den Franzosen sofort erwidert wurde.
Die Russen machten keinerlei Versuch wenigstens den Fran
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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zosen die Möglichkeit eines ernstlichen Angriffs vor Augen zu führen,
alles blieb unbeweglich und nur ein Artilleriekampf ganz unschäd licher Natur wurde hier weiter geführt. Unter diesen Umständen konnten freilich so erfahrene Generale, wie Canrobert und Bosquet
nicht daran zweifeln, daſs hier eine ernste Gefahr entschieden nicht drohe.
Der erste Teil der Schlacht von Inkermann wurde russischer
seits ganz allein von 20 Bataillonen durchgeführt, welche 15,100 Mann stark waren .
Englischerseits waren bisher nur die Divisionen Lacy Evans, Brown und die Brigade Bentinck ins Gefecht gekommen, zusammen 11,500 Mann .
Allein diese englischen Truppen blieben auch weiter im Gefechte, während die 20 russischen Bataillone für den weiteren Verlauf der
Schlacht vollständig ausfielen.
Die Schlacht hatte sich bisher auf
einem Raume abgespielt, welcher 1500 Meter Frontausdehnung nicht überschritt.
Es war den Russen mithin nicht möglich , ihre Übermacht zur Geltung zu bringen. Bei 20 Bataillonen kommt auf jedes Bataillon uur 75 Meter, wenn man alle Truppen sich neben einander ent wickelt denkt, wie es doch notwendig war, um ihre Gefechtskraft voll auszunutzen .
Aber wenn man auch nur die Hälfte in erster
Linie entwickelt annimmt, kommt noch immer nur 150 Meter auf
jedes Bataillon, auch noch viel zu wenig Raum . Wenn die Kolonne Soimonoff aber auf dem westlichen Rande
der Kielschlucht vorgegangen wäre, dann hätte sich alles weit günstiger gestaltet. Schon bis zur Dockschlucht gewannen die Russen 900-1000 Meter an Raum zur Entwickelung ; da aber die
Dockschlucht ungleich leichter zu überschreiten war, als die Kiel schlucht, so konnte der Angriff auch gleich bis zur Laboratoriums schlucht sich ausdehnen , was einem Raumgewinn von weiteren 900 bis 1000 Metern gleich kam . Denkt man sich nun den Entwurf für eine so entscheidende
Schlacht auf das allersorgfältigste ausgearbeitet, wie es doch eigent lich nicht anders sein dürfte, und beim Angriffe selbst diesen Entwurf mit der allerpeinlichsten Gewissenhaftigkeit ausgeführt, so muſste es ein leichtes sein, auf einem Raume von 3300-3500 Metern
die verfügbaren 134 Feldgeschütze zu entwickeln , den Feind mit geradezu zerschmetterndem Artilleriefeuer zu überschütten und dann einen in 3 Treffen gegliederten wuchtigen Angriff zu führen. Wenn man ins 1. und 2. Treffen je 15 Bataillone nahm ,
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Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
10 Bataillone ins 3. Treffen , so behielt man noch immer 9 '/ Ba
taillone als Reserve. Dann hatte jedes in erster Linie befindliche Bataillon 220-230 Meter Raumentwickelung, völlig genügend , um eine entscheidende Wirkung auszuüben . Die örtliche Beschaffenheit des Geländes muſste den Russen
ganz genau bekannt sein , die Zeit, welche jede Kolonne zum Auf marsche brauchte, muſste leicht vom russischen Generalstabe aus
gerechnet werden können. Alle zufälligen Verhältnisse waren den Russen auſserordentlich günstig , so der Regen , der Nebel und die grauen Mäntel. Wenn auch wirklich nicht alles ganz genau klappte, so traf der wuchtige Angriff jedenfalls in breiter Front auf das
englische Heer überall in gleicher Stärke und mit gleicher Kraft.
Die Verstärkungen des Gegners konnten von rückwärts her nicht auf engen Raume versammelt werden, sondern wären jedenfalls ins Gefecht geführt worden , gerade da , wo sie am ersten hätten helfen können. Auf der ganzen langen Linie konnte aber dainit
einem Miſserfolg unmöglich vorgebeugt werden , und es war
an
zunehmen , daſs bei einer in ähnlicher Weise vorgenommenen
Anordnung und Ausführung der Schlacht das ganze englische Heer gleich Anfangs über den Haufen gerannt worden wäre. Es war dann Sache des Fürsten Gortschakoff, durch energisches
Vorgehen gegen den Sapunberg beziehungsweise Balaklawa das Observationscorps hier zu fesseln und an einer Unterstützung der
Engländer zu verhindern .
Gelang der in breiter Front unter
nommene heftige Ansturm der Russen , so muſsten sie, bei ihrer
groſsen Überlegenheit (es gingen hier 34,700 Mann Russen gegen höchstens 16,350 Mann Engländer vor, welche noch dazu durch den
Angriff völlig überrascht wurden) , ohne Schwierigkeit bis zur
Woronzoffstraſse vordringen können , ebenso bis zu den Abhängen des Sapunberges. Es wäre dann auch möglich gewesen , von dem Corps des Fürsten Gortschakoff Verstärkungen auf die Hochfläche heran zuziehen , wozu der nördlich der Fedjuchin -Höhen auf den Sapunberg führende Weg verfügbar war, sobald die Engländer bis zur Woronzoff straſse zurückgetrieben worden waren .
Dies Heranziehen russischer Verstärkungen auf die Hochfläche würde namentlich dann haben stattfinden müssen , wenn man einen unmittelbaren Angriff auf den Sapunberg, beziehungsweise auf
Balaklawa für zu gefährlich und zu wenig aussichtsvoll gehalten hätte . Gelang es den Russen , sich längs der Woronzoffstraſse fest zusetzen , zu behaupten und dann so schnell als möglich zu
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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verschanzen, so muſsten die Verbündeten die Belagerung Sebastopols aufgeben.
Während der geschilderten erbitterten Kämpfe setzte der Rest der Kolonne Pawloff seinen Marsch nach dem
der Sapeurstraſse fort.
Schlachtfelde auf
Namentlich die schweren Batterien hatten
groſse Schwierigkeiten zu überwinden , um auf die Hochfläche zu Die Folge davon war, daſs eine groſse Verzögerung eintrat und die Hauptmasse der Truppen des Generals Pawloff erst auf der Hochfläche eintraf, als der erste Teil der Schlacht
gelangen .
bereits zu Ungunsten der Russen entschieden war . Endlich aber hatte auch diese Infanteriemasse ihre Gefechts
aufstellung beendet und wurde sofort zum Angriffe vorgeführt, welche durch 32 schwere Geschütze, welche auf dem linken russischen
Flügel auffuhren , unterstützt wurde. Die 4 Regimenter Soimonoff's, welcher bisher noch nicht gefochten hatten, wurden auch jetzt noch in Reserve zurück behalten .
Man wird vergeblich einen Grund für das Zurückhalten einer Masse von 16 Bataillonen suchen, wenn nicht allenfalls der Umstand dafür eine Erklärung abgeben kann , daſs drei dieser Regimenter
bereits in den früheren Kämpfen sehr gelitten hatten . Das Bataillon zählte im Durchschnitt: beim Regiment Wladi
mir 530 Mann , beim Regiment Susdal 560 Mann , beim Regiment
Uglitsch 445 Mann, beim Regiment Butyrsk 715 Mann. Bei den eben auf der Hochfläche angelangten Bataillonen Pawloff's zählte dagegen das Bataillon durchschnittlich 800 Mann . Allein dies erklärt noch lange nicht in wirklich durchschlagender Weise die völlige Unthätigkeit jener 16 Bataillone, welche doch >
immerhin zusammen noch 9000 Mann stark waren.
Um die Deckung der Artillerie zu übernehmen , konnten wohl die Trümmer jener 12 Bataillone Soimonoff's recht gut noch Ver wendung finden , ebenso konnten die 8 Bataillone Pawloff's als
Reserve gewiſs noch eine Rolle spielen. Die eben erwähnten 9000 Mann frischer Truppen aber konnten , vereint mit den 9600 Mann Pawloff's, noch eine recht erhebliche
Wirkung hervorbringen. So, wie sie leider in Wirklichkeit ver wendet wurden , dienten sie nur als Scheibe für die feindliche Artillerie,
Man sieht hier , wie gering die Selbstständigkeit des einzelnen russischen Infanteristen gewesen sein muſs, wenn man in Folge des allerdings ungeheueren Verlustes an Offizieren auf die fernere Mit
wirkung von ganzen 20 Bataillonen verzichten muſste.
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Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
Es sei hier noch besonders hervorgehoben, daſs die russischen Berichte erkennen lassen , daſs die Truppen, wie es scheint, überall
in erster Linie in Compagniekolonnen, in zweiter Linie in Bataillons kolonnen vorgingen. Es herrschte jedoch augenscheinlich bei den Truppen noch groſse Ungewohntheit, mit Compagniekolonnen im Gelände zu manövrieren .
Anscheinend kam die erste Linie stets
sehr bald in Unordnung, die Truppen drängten sich dann aus alter Gewohnheit in groſsen Massen zusammen und muſsten dann natür lich durch das Feuer des Feindes sehr leiden.
Die ungeheueren
Verluste der Russen wird man hauptsächlich diesen Massen formationen zuschreiben müssen .
An der Spitze der zuletzt angekommenen Truppen des Generals Pawloff marschierte das Regiment Ochotsk , dahinter folgten die Regimenter Jakutsk und Selenginsk. Das Regiment Ochotsk benutzte geschickt die dichte Bodenbewachsung auf der Höhe der Steinbruchs Schlucht, brach plötzlich aus dem Buschwerk hervor und stürzte sich auf den Feind.
Die russische Schützenkette, im ersten Augen
blicke wieder zurückgedrängt, erholte sich bald unter kräftiger Mit wirkung der Sapeurs und der Angriffsstofs richtete sich geraden Weges auf die Batterie Nr. 1, welche von der Coldstream Garde besetzt war . Ein wütender Kampf entstand , mehrfach wurden die Russen nach Überschreitung der Brustwehr zurückgeworfen, ein erbittertes Handgemenge entspann sich , man schofs aus nächster 7
Nähe auf einander, Bajonett und Kolben hielten reiche Ernte, selbst Steine und zerbrochene Gewehre wurden als Waffen benutzt.
lich siegten die Russen .
End
9 Geschütze wurden erobert , drei davon
stürzten die Russen sogleich in die Schlucht hinab , die übrigen wurden vernagelt.
Jetzt war aber auch die Division Cathcart angelangt und stellte sich auf der östlichen Hochfläche der Kiel- Schlucht auf,
während die ebenfalls angekommene Brigade John Campbell auf der westlichen Seite der Kiel-Schlucht blieb und zwar hinter der
Brigade Codrington. Alsbald gingen die Engländer wieder zum Angriffe vor . Die Garde-Brigade Bentinck warf sich, von der Brigade Adams unter stützt, auf die von den Russen eroberte Batterie Nr. 1 , General
Cathcart umging mit der Brigade Torrens den linken Flügel des Regiments Ochotsk , die Brigade Goldie warf sich auf den rechten Flügel der Russen. Die englische Garde griff mit solchem Un gestüm an , daſs sie die Batterie wieder eroberte. Allein nun gingen auch die Regimenter Jakutsk und Selenginsk vor; das
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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erstere Regiment eroberte aufs Neue die Batterie Nr. 1 und warf
sowohl die englische Garde, als auch die Brigade Goldie zurück. Inzwischen war die Brigade Torrens in den Grund hinab gestiegen , welcher die Fortsetzung der Steinbruchs - Schlucht bildet.
Am jenseitigen Rande derselben kam jedoch eben jetzt das Regi ment Selenginsk an, ebenso erschienen 16 reitende Geschütze längs der Steinbruchs- Schlucht.
Der Angriff der Brigade Torrens miſslang vollständig, sie wich eilig auf die Batterie Nr. 1 zurück , welche inzwischen vom Regi ment Jakutsk bereits wieder erobert war .
Von hier aus erhielten
die Engländer nun heftiges Gewehrfeuer. General Cathcart glaubte, daſs die eigenen Truppen auf ihn schössen und lieſs, um dem ein Ende zu machen, seine Leute die Mäntel abwerfen . Sobald die Russen nun aber die roten Uniformen sahen , verstärkten sie ihr Feuer natürlich noch mehr. Jetzt geriet die englische Brigade in
eine sehr gefährdete Lage. Die Patronen begannen zu fehlen, und das Äuſserste schien bevorzustehen. Zwei tollkühne Angriffe der Engländer auf das Regiment Selenginsk wurden zurückgeschlagen,
ein dritter Angriff auf das Regiment Jakutsk gelang zuerst gleich falls nicht.
General Cathcart selbst fiel tötlich getroffen, endlich
aber brachen sich doch die Engländer mit dem Mute der Ver
zweiflung Bahn . Jetzt waren die Russen überall siegreich.
Der rechte Flügel
der Engländer war geworfen und völlig entblöſst. Wenn jetzt die vier noch in Reserve befindlichen Regimenter eingesetzt wurden , muſste der Sieg sich den Russen zuneigen .
Aber Niemand dachte
daran , diese Regimenter heranzuholen. Die Gelegenheit zum Siege, so günstig sie auch war, entschlüpfte zum zweiten Male den Russen .
Keinerlei Verfolgung trat ein, obschon die Engländer jetzt mit ihren Kräften fertig waren ; sie wagten sogar nicht einmal die einzigen noch leidlich frischen Brigaden Codrington and John Campbell, welche westlich von der Kiel-Schlucht standen, von hier wegzuziehen , weil sie selbst nicht für möglich hielten , daſs die 12 Bataillone Soimonoff's völlig vom Schlachtfelde verschwunden sein könnten .
Wieder trat. eine Gefechtspause ein. Die Engländer hatten 2 achtzehnpfündige Geschütze mühsam aus dem Belagerungspark herbeigeschleppt, diese und die englische Feldartillerie unterhielten den Kampf, durch lebhaftes Gewehrfeuer der englischen Schützen 6
unterstützt. Besonders die Artillerie westlich der Kiel - Schlucht faſste die Flanke der Russen und ihre Reserven .
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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Ihrerseits brachten die Russen 94 Geschütze ins Feuer , zogen aber 28 Geschütze aus derselben zurück , welche bisher gefeuert
hatten, so daſs doch noch lange nicht die ganze gewaltige Artillerie kraft der verfügbaren 134 russischen Feldgeschütze entwickelt wurde . Immerhin stellten auch die nun im Feuer befindlichen 94 Geschütze eine sehr Achtung gebietende Feuerkraft dar. Auch
die Regimenter Wladimir und Susdal wurden vorgezogen , aber wiederum nicht in die erste Linie , sondern hinter den linken russischen Flügel. Die russische Artillerie stand aber viel zu weit ab, um wirksam feuern zu können , sie beging den schweren Fehler, ihrer Infanterie nicht in das Gefecht zu folgen . Der einzige Grund für dieses
Benehmen kann nur in der Furcht gesucht werden , daſs man Geschütze verlieren könne. Man vergaſs, daſs es ganz gleichgültig ist, ob ein paar Geschütze in Feindes Hände fallen oder nicht, wenn sie nur bis zum letzten Augenblicke dem Feinde recht viel
Schaden zugefügt haben ; daſs dagegen die beste Artillerie der
Welt gar nichts nützt , wenn sie nicht nahe genug an den Feind herangeht, um auch wirklich ihre Gefechtskraft voll und ganz ein setzen und ausnützen zu können .
Nun begann der dritte und letzte Akt der Schlacht von Inkermann .
Die Engländer , deren Stolz es bisher nicht erlaubt hatte , die
Unterstützung der Franzosen anzunehmen, sahen sich nun gezwungen, Es mag dem Lord Raglan nicht leicht ge worden sein , die Bitte um Unterstützung auszusprechen , aber Not bricht Eisen und sogar englischen Stolz und englischen Starrsinn . General Bosquet brach sofort mit 2 Bataillonen und 12 Geschützen um Hilfe zu bitten.
auf, kurze Zeit später folgten weitere 2 '/, Bataillone und 4 Schwa dronen und schlieſslich noch 3 Bataillone des Belagerungscorps. Die zuerst ankommenden 2 französischen Bataillone warfen sich mit groſsem Mute den Russen entgegen. Die ebenfalls ins Gefecht gebrachten 12 Geschütze feuerten sofort sehr wirksam. Indessen
die Russen sahen sehr bald wie gering die Zahl ihrer Angreifer war und wiesen den französischen Angriff energisch zurück . Aber
mals war den Russen das Schicksal besonders günstig, hätten sie es zu benutzen verstanden, so konnte auch jetzt noch der Sieg ihnen zufallen.
Allein General Dannenberg konnte sich nicht dazu
entschlieſsen , die 16 noch frischen Bataillone Soimonoff's einzusetzen .
Keinerlei Verstärkung wurde den braven 12 Bataillonen Pawloff's
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
zugeführt.
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Damit richteten die Russen sich selbst. Auch die Kraft
dieser vorzüglich tapferen 12 Bataillone war endlich gebrochen. Sobald die nächste Verstärkung der Franzosen, 2 '/2 Bataillone, ankam , gingen sie wieder vor und warfen die Russen zurück . Allein
trotz aller Verluste ermannten sich die Russen doch noch zu einem abermaligen Angriffe, welcher anfangs glücklich war. Sogar ein französisches Geschütz ging verloren . Jetzt kamen aber die 4 Schwa
dronen chasseurs d'Afrique an , weitere 3 Bataillone nebst einer Batterie folgten . Endlich muſsten die Russen weichen , wobei namentlich das Regiment Selenginsk sehr litt, indem es die Abhänge des Sapunberges heruntergeworfen wurde . jetzt von den Russen angetreten werden .
Der Rückzug muſste
Die französischen Batterien fuhren auf 150 Schritt an
die
zurückgehenden Kolonnen heran und überschütteten sie mit Kartätsch feuer.
Furchtbare Verluste waren die Folge.
Inzwischen hatten sich auch die Engländer erholt und mit neuen Patronen versehen , worauf sie wieder vorgingen. Um 11 Uhr war die Schlacht entschieden .
Der weitere Rückzug muſste für die Russen sehr gefahrvoll werden, weil die Artillerie nur unter groſsen Schwierigkeiten von
der Hochfläche heruntergebracht werden konnte. General Dannen
berg lieſs um 1 Uhr das Regiment Wladimir auf dem Kosakenberge Stellung nehmen, um
besonders den Flankenmarsch zu decken,
welchen die Truppen Pawloff's wieder nach der Inkermanner-Brücke ausführen muſsten .
Die Franzosen verfolgten heftig und drangen immer weiter vor. Um 3 Uhr Nachmittags fuhr eine französische Batterie oberhalb der Wolowja -Schlucht auf, um die Kolonnen Pawloff's zu beschieſsen , welche noch immer im Marsche nach der Brücke von Inkermann
Ein kräftiges Feuer der russischen Dampfschiffe Wladimir und Chersones auf die Franzosen zwang diese jedoch zum Rückzug. Immerhin fügte das Gewehrfeuer der Franzosen den im Grunde nach der Inkermann - Brücke abziehenden Russen noch erhebliche waren.
Verluste zu . Die Franzosen standen mit ihren Schützenschwärmen in diesem
letzten Abschnitte der Schlacht von der alten Poststraſse bis zur
Ssuschilnaja -Schlucht oben auf den Hängen der Hochfläche und hatten vor sich in der Tiefe die abziehenden Russen , welche die
Brücke von Inkermann auf 500 Meter Entfernung von den franzö sischen Schützenschwärmen überschreiten muſsten .
169
Die Schlachten und Treffen der Krimkrieges.
Bei unserer heutigen Bewaffnung wäre dies eine vollständige Unmöglichkeit gewesen, auch den damaligen gezogenen Gewehren gegenüber konnte der Rückzug nur unter schweren Opfern glücklich durchgeführt werden. Es muſs besonders anerkannt werden, daſs der Rückzug Seitens der Russen mit groſsem Geschick ausgeführt wurde, besonders bei der Kolonne Pawloff's. Die gesamte Artillerie dieser Kolonne benutzte wiederum die Sapeurstraſse, muſste also im Feuer der Franzosen Spieſsruthen laufen, dennoch gelang es alle 96 Geschütze zu retten.
Nur die Artillerie der Kolonne Soimonoff's kam ernstlich ins
Gedränge, sie konnte auf ihrem Rückmarsche nach Sebastopol picht recht vorwärtskommen und reichte mit ihrem Ende bis zur Georgs
schlucht. Die feindlichen Schützen kamen, durch das Gebüsch ge deckt, ganz nahe heran , so daſs sie im Begriff standen , sich der Geschütze zu bemächtigen. Zum Glück für die Russen bemerkte
der Oberst Todleben die Gefahr, holte das Regiment Butyrsk und eine Compagnie Regiments Uglitsch heran, und liefs auch einige Geschütze abprotzen und feuern . So ging die Gefahr glücklich vorüber, aber erst um 8 '/, Uhr Abends war das letzte Geschütz in Sebastopol wieder angekommen . Fürst Gortschakoff hatte während der Schlacht sein Artilleriefeuer unterhalten, jedoch nur bis 9 Uhr Vormittags. Zu dieser Zeit verstummte hier das Feuer vollständig , und zwar zuerst von Seiten der Franzosen, dann von russischer Seite. Bis 4 Uhr Nachmittags, also noch volle 7 Stunden, blieb Fürst Gortschakoff unbeweglich stehen und erreichte durch dies
allerdings unglaublich wenig thatkräftige Benehmen , daſs die Fran zosen ihm gegenüber die einzige Brigade Espinasse stehen lieſsen, 3200 Mann, alle anderen Truppen des Observations-Corps aber den Engländern zu Hilfe schickten. Dies war genau das Gegenteil von dem, was Fürst Gortschakoff erzielen sollte.
Um 4 Uhr marschierten die Truppen des Fürsten Gortschakoff auf ihre alten Lagerplätze zurück, sie hatten bei einer Stärke von 22,400 Mann nur einen Verlust von 15 Mann zu beklagen, also von 0,067 Prozent. Diese Zahlen sprechen eine so deutliche Sprache, daſs sie keiner Erläuterung bedürfen.
Um 9 '/, Uhr früh unternahm General Timofejeff mit dem Re giment Minsk und 4 Geschützen einen Ausfall von Bastion Nr. 6 aus. Die Russen marschierten
auf die französischen Batterien los,
welche sich an die Quarantaineschlucht anlehnten. Da der Nebel in der hier so groſsen Nähe des Meeres sich noch nicht zerstreut
hatte, gelang es den Russen, bis zum Nordabhange des Rudolphs
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
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berges vorzudringen, ohne bemerkt zu werden. Sie erstürmten die französischen Batterien Nr. 1 und 2, und eroberten 15 Geschütze,
welche sie alsbald vernagelten . Zu dieser Zeit hatte General Canrobert bereits den General
Monet den Engländern zu Hilfe gesandt, der Zweck des Ausfalls wurde also nicht völlig erreicht.
Die Brigade Lourmel rückte nun
schleunigst nach dem Rudolphsberge, die Brigade d'Aurelles aber sollte den rechten Flügel der Russen umgehen. Auch die Division
Levaillant wurde vorgeschoben, während die Division Napoléon, soweit dieselbe nicht bereits den Engländern zu Hilfe marschiert war (Brigade Monet) als Reserve hinter den französischen Belagerungs arbeiten verblieb .
Sobald General Timofejeff die bedeutenden Verstärkungen der
Franzosen bemerkte, begann er sehr richtig seinen Rückzug. Die Franzosen verfolgten bei ihrem nationalen Ungestüm sehr heftig. Jetzt kamen den Russen 3 frische Bataillone zu Hilfe, welche 8 Geschütze mit sich führten .
Dennoch lieſs sich die Brigade
Lourmel dazu verleiten, bis zur Batterie Schemjakin zu folgen, sie
geriet hier in ein furchtbares Flankenfeuer der Befestigungswerke und erlitt schwere Verluste . Ohne das rechtzeitige Eingreifen der Brigaden la Motterouge und d'Aurelles dürfte es mit dem Rückzuge
der Brigade Lourmel sehr traurig ausgesehen haben. Um 11 Uhr früh war der Kampf zu Ende, worauf auch noch der Rest der Di vision Napoléon den Engländern zu Hilfe gesandt wurde. Die Verluste der Russen waren ungeheuer grofs. Die 34,700 Mann, welche an der Kielschlucht gefochten hatten , verloren 6 Ge nerale, 256 Offiziere, 10,467 Mann, also 30,9 Prozent ihrer Stärke.
Es ist dies ein Verlust, an welchen selbst unsere gröſsten Verluste in den Schlacbten von 1870/71 nicht heranreichen . Wiederum eine
Bestätigung der Thatsache, daſs die modernen Schlachten keineswegs blutiger geworden sind, als die früheren . Die russischen Ausfallstruppen verloren 23Offiziere und 1071 Mann, während das Corps des Fürsten Gortschakoff nur 15 Mann ein büſste .
Endlich betrug der Verlust der Besatzung Sebastopols
durch das Feuer der feindlichen Belagerungsbatterien 10 Offiziere, 111 Mann .
Im Ganzen verloren mithin die Russen 6 Generale, 289 Offiziere, 11,664 Mann.
Der Verlust der Engländer belief sich auf 9 Generale, 147 Offiziere, Sie hatten etwa 12,000 Mann wirklich im Feuer gehabt, verloren mithin etwa 21,9 Prozent. 2465 Mann.
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
171
Die Franzosen verloren 2 Generale, 119 Offiziere, 1680 Mann,
davon kamen etwa 950 Mann auf den Kampf gegen die russischen usfallstruppen. Es hatten also die 4200 Mann, welche in dem Kampfe an der Kielschlucht wirklich Teilnahmen einen Verlust von 850 Mann, mithin von 20,2 Prozent.
Der Verlust der Russen überstieg den der Verbündeten fast um das dreifache, auf dem entscheidenden Punkte sogar um mehr als das dreifache.
Dies ist erklärlich :
1. Durch die weit bessere Bewaffnung der Verbündeten . 2. Durch die schweren Verluste der Russen bei ihrem Rückzuge, namentlich für die Truppen , welche die Abhänge herab geworfen wurden . 3. Durch die ungeschickten Massenformationen , mit welchen die Russen angriffen .
Eine Thatsache geht aber unzweifelhaft daraus hervor, nämlich die, daſs die Russen an diesem Tage einen über alles Lob erhabenen Heldenmut bewiesen haben . Die Schlacht von Inkermann giebt zu
vielen Bemerkungen
Veranlassung :
Wie günstig die Aussichten für die Russen standen, wenn die Kolonne Soimonoff's auf dem westlichen Rande der Kielschlucht vor
gegangen wäre, ist bereits hervorgehoben. Der erste und vornämlichste Grund zum Verluste der Schlacht
für die Russen liegt zweifellos in dem höchst mangelhaften Entwurf für dieselbe. Wenn es sich darum handelt, ein ganzes feindliches Heer in das Meer zu werfen, und es handelte sich hier um nichts geringeres, dann muſs jede Maſsregel vorher auf das sorgfältigste abgewogen und auf das Gewissenhafteste ausgeführt werden . Jedem selbstständigen Truppenführer ( hier also den Generalen Soimonoff, Pawloff, Timofejeff und Fürst Gortschakoff) muſste auf das Genaueste vorgeschrieben werden : 1. Der für den Angriff einzuschlagende Weg. 2. Das für jede Kolonne zu erreichende Ziel. 3. Die Zeit des Beginns der Operationen . Daſs dies nicht geschah, ist geradezu unverantwortlich und giebt es dafür überhaupt keine Entschuldigung. Wenn erst der Geschützdonner sich mit dem Knattern des Gewehrfeuers mischt, dann tritt die höchste Leitung des Gefechts in ihre Rechte, und diese ist ausschlieſslich Sache des Höchst kommandierenden .
Er muſs sich seine volle Freiheit des Entschlusses
bewahren , Sache des Generalstabs und der Adjutanten ist es, ihn
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
172
auf das Genaueste über jede Phase der Schlacht auf dem Laufenden zu erhalten. Bei den geringen Entfernungen, um welche es sich während der Schlacht von Inkermann handelte, war dies ein Leichtes . Wir finden aber nichts von alledem .
Eigenmächtigkeit des Führers der Hauptkolonne bringt die Russen in eine schwierige Lage.
Der Führer büſst seine Eigen
mächtigkeit mit dem Leben. Er handelt wie ein Held, falsch aber bleibt sein Verhalten dennoch .
Während der Schlacht lächelt die launische Siegesgöttin zu wiederholten Malen den Russen. Aber keine Spur von Initiative zeigt sich beim Oberkommando. Man spart 16 Bataillone auf, um den Rückzug zu decken ; hätte man sie nur rechtzeitig eingesetzt,
dann war ein Rückzag gewiſs nicht notwendig . Die 20 Bataillone, welche den ersten Teil der Schlacht allein durchfochten , verlassen
sogar das Schlachtfeld . Die stärksten Verluste rechtfertigen solches Verhalten nicht. Soviel Offiziere waren sicherlich noch übrig, daſs diese zusammengeschossenen Bataillone in geordneten Massen wieder gesammelt werden konnten, um den Schutz der Artillerie zu über nehmen und schon durch den bloſsen Anblick ihrer Massen auf
den Gegner einen Eindruck hervorzubringen. Das Verhalten des Fürsten Gortschakoff
richtet sich selbst.
Wenn ein Scheinangriff seinen Zweck erreichen soll, nämlich starke Kräfte des Gegners fest zu halten, dann muſs er thatkräftig durch
geführt werden. Nur ein dreistes kräftiges Anfassen des Gegners kann diesem den Glauben beibringen, daſs man hier eine Entscheidung sucht. Wenn man aber dem Gegner gegenüber 7 Stunden lang ganz unthätig stehen bleibt und selbst die Artillerie nicht einmal
verwendet, dann muſs auch der anfähigste General sehen, daſs ernste Gefahr hier nicht droht.
Der Ausfall des Generals Timofejeff erfolgte zu spät und hätte mit gröſseren Kräften unternommen werden sollen . Wenn 12 russische Bataillone schon um 8 Uhr früh die französischen Belagerungs
Batterien angriffen, dann wäre nicht ein Mann Unterstützung für die Engländer weggeschickt worden. -
Die Engländer befanden sich in der Schlacht von Inkermann genau in derselben Lage, in welcher sie sich 1815 bei Waterloo befunden hatten . Ohne den Beistand der Franzosen wären sie trotz
aller Seitens der Russen begangenen Fehler verloren gewesen.
Die Engländer haben bei Inkermann aufs Neue gezeigt, daſs ihr alter Ruf heldenmütiger Tapferkeit durchaus begründet sei . Besonderes militärisches Geschick haben sie jedoch nicht bewiesen .
Der eng
173
Die Schlachten und Treffen des Krimkrieges.
lische Stolz verschob die Bitte um Unterstützung bis zum letzten
Augenblicke; fast wäre es zu spät gewesen, wenn nicht die groſse Manövrierfähigkeit und Gewandtheit der Franzosen, im Verein mit ihrer bekannten Tapferkeit, die sehr schlecht stehende Sache der
Verbündeten wieder zum Guten gewendet hätten. Den Franzosen muſs man volles Lob zollen.
Ihre Generale
erkennen die Absicht des starken Corps des Fürsten Gortschakoff sehr früh, handeln schnell und thatkräftig und zeigen sich in sehr günstigem Lichte. Die russische Infanterie wendete in der Schlacht von Inkermann ,
wie wir glauben, zum ersten Male, die Compagnie-Kolonnen an . Es fehlte augenscheinlich an der nötigen Übung, sowohl bei den Offizieren, als bei der Truppe. Man sagt dem Russen ohnehin schon nach, daſs er eine Vorliebe für Massenformationen habe, es ist daher
erklärlich, wenn sich die recht ungewandt geführten Compagnie Kolonnen, nachdem sie schwere Verluste erlitten hatten , wieder in dicke Haufen zusammen ballten . Unter diesen Umständen waren freilich schon die Engländer, weit mehr aber noch die Franzosen im
Vorteil, welche letzteren, bei ihrer Gewandtheit in Schützenschwärmen zu fechten, jeden kleinsten Vorteil des Geländes ganz anders aus nutzen konnten, als die russischen Kolonnen. Die russische Artillerie
folgte, wie bereits erwähnt, ihrer Infanterie nicht weit genug ins Gefecht, ihre sonst guten Leistungen litten darunter sehr. Die englische und französische Artillerie dagegen gingen mit ihrer In fanterie vor, setzten sich ohne Sorge der Gefahr aus, Geschütze zu verlieren und leisteten daher auch etwas. Daſs die Franzosen sich verleiten lieſsen, den Russen , als diese bei ihrem Ausfalle wieder nach der Festung zurückgingen , bis in
das schärfste Feuer der Festungswerke zu folgen , rächte sich, wie in allen ähnlichen Fällen früher, sofort. Man dringt nicht unge straft selbst einer geworfenen feindlichen Abteilung bis in das Feuer
sturmfreier Festungswerke nach . Allein so oft dieser alte taktische Lehrsatz auch schon in Büchern ausgesprochen worden ist, ebenso oft und noch weit öfter ist er im Ernstfalle vergesseu worden , weil
eben leider die Kriegsgeschichte so furchtbar wenig gelesen wird.
-
Die Verfolgung war namentlich Seitens der Franzosen that kräftig , wobei freilich das den abziehenden Russen sehr ungünstige Gelände den Franzosen sehr zu statten kam .
( Schluſs folgt.)
XII.
Über den Infanterie -Angriff. Von
Petermann , Premierlieutenant.
(Fortsetzung .)
Die Angriffe der Österreicher gegen Rosberitz in der
Schlacht bei Königgrätz am Nachmittag des 3. Juli 1866. Die groſse Straſse von Horitz nach Königgrätz läuft ziemlich geradlinig von Nordwest nach Südost über das Schlachtfeld von
Königgrätz.
Nördlich dieser Straſse liegt die damals den Mittel
punkt der österreichischen Stellung bildende Höhe von Chlum , von welcher sich eine breite, sanfte Wiesenmulde in südlicher Richtung
gegen die Hauptstraſse hinzieht. In dieser Mulde liegt , mit seiner südlichen Spitze die Straſse berührend, das schmale Dorf Rosberitz. Die Ortsstraſse steht zur Hauptstraſse senkrecht, liegt aber 600 Schritt von dieser entfernt in stumpfem Winkel nach Norden herum . Von diesem Straſsenknie an breitet sich der nördliche Teil der Ortschaft etwa 400 Schritt im Geviert aus. Durch seine Gestalt bildet
sonach Rosberitz gegen Westen einen einspringenden , gegen Osten einen ausspringenden Winkel. Der südliche Teil des Dorfes besteht aus einer einzigen Reihe Häuser an der Südostseite der Ortsstraſse; auf der Nordwestseite derselben breitet sich ein mit
nur
wenigen Bäumen bestandener Wiesenstrich aus . Im Norden und Osten ist der Ort von Gärten umgeben ; die östliche Umfassung ist
durch drei, die westliche durch einen Zugang unterbrochen . – Da Rosberitz im Rücken der von den Österreichern eingenommenen Stellung lag, so waren zu seiner Verteidigung keinerlei Vor
bereitungen getroffen. Es kam sonach bei einem sich um Rosberitz entspinnenden Gefecht nur die natürliche Beschaffenheit, Lage und
Umgebung des Ortes in Betracht. 300—400 Schritt entfernte, mit Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine.
Bd LXIX .,
12
Über den Infanterie - Angriff.
175
den Dorfrändern gleichlaufende Hohlwege im Osten und Norden von Rosberitz konnten dem Angreifer zur Vorbereitung des Sturmes dienen.
Ein von Norden auf das Dorf zuführender Hohlweg be
günstigte hier, die schmale Spitze des Dorfes im Süden den Angriff. Die zur Zeit der Schlacht hochstehenden Kornfelder erleichterten auſserdem von allen Seiten die gedeckte Annäherung mit Ausnahme
von Westen, wo der erwähnte, etwa 200 Schritt breite vorliegende
Wiesenstrich unter der Feuerwirkung des Verteidigers ohne jede Deckung zu überschreiten war. Ein hier geführter Angriffsstoſs lief überdies gerade in den einspringenden Winkel hinein. – Rosberitz wurde in der zweiten Nachmittagsstunde des 3. Juli 1866 durch von Norden vorrückende preuſsische Abteilungen betreten und von denselben , ohne daſs seitens der Österreicher bedeutender Widerstand geleistet wurde , folgendermaſsen besetzt . Nach Schilderung des preuſsischen Generalstabswerkes, mit welcher die österreichischen Angaben im Wesentlichen übereinstimmen ,
standen in der südlichsten Ecke drei Füsilier- Compagnien des 2. Garde-Regiments, nämlich die 10. am Ausgang nach der Haupt straſse, die 11. im westlichen, die 12. im östlichen Teile der Dorf spitze. Am oberen nördlichen Ende des Dorfes standen östlich das 2. Bataillon des 1. Garde-Regiments, westlich das 3. Bataillon des Garde - Füsilier-Regiments, rechts davon
die
9. Compagnie des
2. Garde-Regiments gegen ein Gehöft, welches etwa 500 Schritt östlich von Rosberitz an der Hauptstraſse lag.
Auſserdem waren
drei im raschen Verlauf des Gefechtes von ihren Bataillonen ab
gekommenen Compagnien , die 4. und 9. des 1. Garde- Regiments, und die 2. des 3. Garde-Regiments ebenfalls in Rosberitz eingerückt. Der Rest der Division befand sich bei Chlum und hielt den Rand der Hochfläche besetzt. -
Durch die Wegnahme von Rosberitz hatten die Preuſsen im Rücken der Österreicher an deren Hauptrückzugsstraſse Stellung gefaſst, waren aber zugleich selbst durch die in nächster Nähe
südlich der Hauptstraſse stehenden österreichischen Rückhaltstruppen
zwei ganze , an diesem Tage noch nicht im Gefecht gewesene Armee -Corps
aufs Höchste gefährdet.
Die rasche, fast un
bemerkte, jedenfalls ganz unerwartete Besetzung von Rosberitz durch Teile des preuſsischen Garde -Corps muſste aber die österreichische
Oberleitung zu den kräftigsten Gegenmaſsregeln herausfordern . Denn blieb Rosberitz in den Händen der Preuſsen, so war be deutenden Teilen des österreichischen Heeres der Rückzug nach der Elbe, welche unmittelbar hinter dem Schlachtfeld floſs , erschwert
Über den Infanterie -Angriff.
176
beziehungsweise abgeschnitten . Die Preuſsen muſsten deshalb unter allen Umständen wieder aus Rosberitz binausgeworfen und aus der
Nähe der Hauptrückzugsstraſse vertrieben werden .
Sobald daher
der wahre Sachverhalt österreichischerseits erkannt worden war,
richteten mehrere Batterien ein so heftiges Kreuzfeuer gegen das Südende des Ortes und überschütteten die Verteidiger derartig mit
Granaten, Shrapnels und Raketen, daſs sich die Straſse mit brennenden Trümmern bedeckte. Österreichische Jäger nisteten sich, zum Teil durch wenig mehr als die Breite der Hauptstraſse vom Dorfe getrennt, im Vorgelände ein . Dennoch behaupteten sich die drei preuſsischen Compagnien am südlichen und westlichen Dorfrand mit starken Schützenlinien, welche in die nahestehenden feindlichen
Massen hineinschossen .
Die Österreicher unternahmen nun zunächst
von der Hauptstraſse her gegen die Westseite von Rosberitz vier verschiedene Angriffe nacheinander , je in der Stärke von zwei bis
drei Bataillonen ausgeführt; doch alle scheiterten an dem vereinigten Fener der in und an dem westlichen Dorfrande stehenden preuſsischen Abteilungen. Der österreichische Bericht erwähnt diese vereinzelten Angriffe auf Rosberitz nicht.
Vermutlich sind dieselben nicht von
der Oberleitung angeordnet gewesen , sondern von einzelnen Unter រ
führern aus eigenem Antrieb ausgeführt worden , als preuſsische Abteilungen in und bei Rosberitz bemerkt wurden. In der Voraus setzung, daſs es sich nur um die Zurückwerfung schwacher preuſsischer Spitzen handle, war ein rascher Versuch auch wohl gerechtfertigt. Nachdem aber der erste derartige Angriff zurückgewiesen und die Stärke der Preuſsen augenfällig geworden war, hatten anch die folgenden , von gleichstarken Kräften in gleicher Richtung unter nommenen Stöſse keine bessere Aussicht. Denn gerade dieser Teil des Dorfes war, wie bereits hervorgehoben , einem Angriffe besonders ungünstig , weil letzterer über freies Feld gemacht werden muſste
und durch die feuerspeienden Schenkel des einspringenden Winkels beiderseits in der Flanke gefaſst werden konnte. Bei der damaligen
Stellung der Österreicher südlich der Hauptstraſse und nach der ganzen
Gefechtslage ist übrigens die Wahl der Angriffsrichtung
gegen den Westrand von Rosberitz leicht erklärlich.
Gerade die
Besetzung dieses Randes der Ortschaft durch die Preuſsen war den
Österreichern besonders lästig und gefährlich , weil ihre Rückhalts 1
truppen von hier aus in Flanke und Rücken beschossen wurden und die Hauptrückzugsstraſse unter wirksamstem Gewehrfeuer lag. war daher österreichischerseits
nächsten Kräfte auf dem
mit
Man
Recht darauf bedacht, die
kürzesten Wege zur Vertreibung des 12*
Über den Infanterie -Angrift.
177
Gegners vorzuführen .
Dabei hätten die dicht am Südende von
Rosberitz stehenden österreichischen Jäger die zu ihrer Linken
erfolgenden Vorstöſse durch umfassenden Ansturm gegen die schmale und schwachbesetzte Südspitze des Ortes vorteilhaft unterstützen können .
-
Allein solches unterblieb und durch die zeitliche Trennung der Angriffsstöſse wurde die Angriffskraft zersplittert.
Infolge dessen
sind unter der Voraussetzung , daſs jeder der vier Angriffe durch
frische Kräfte unternommen , beziehungsweise unterstützt wurde, hier im Ganzen ungefähr 4000-6000 Mann von einem viermal schwächeren Gegner zurückgeworfen worden .
Denn
nach
der
Stellung der Preuſsen konnten nur sechs bis sieben und zwar zugleich im heftigsten Artilleriefeuer stehende Compagnien bei der Abwehr mitgewirkt haben. Weit schwieriger hätte sich die Aufgabe der letzteren gestaltet, wenn diese Einzelstöſse der Österreicher zu einem einzigen, die ganze Front der Verteidiger gleichzeitig treffen den Gesamtangriff vereinigt worden wären. Der Verlauf der Kämpfe um Rosberitz bis zu diesem Zeitpunkt Jäſst mithin ein einheitliches Zusammenwirken der zur Stelle be
findlichen Kräfte nach Maſsgabe der Gefechtslage österreichischerseits vermissen .
Nach den ebengeschilderten miſsglückten Versuchen , Rosberitz zu nehmen , richtete sich jetzt das österreichische Geschützfeuer mit verdoppelter Heftigkeit gegen den Ort, sowie die nördlich desselben gelegenen Höhen, so daſs die zunächst auſserhalb des Dorfes frei stehenden preuſsischen Abteilungen hinter demselben und in dem nach Chlum führenden Hohlwege Schutz suchen muſsten. Dieses Feuer war die Einleitung zu einem nunmehr auf Befehl der Ober leitung ins Werk gesetzten gröſseren umfassenden Angriff gegen die Südspitze und die zunächst liegenden Teile der West- und Ostseite von Rosberitz nach 3 Uhr Nachmittags. Das 6. österreichische
Corps, welches seither südwestlich des Dorfes unfern der Haupt straſse gestanden hatte, entwickelte sich nun zum Gefecht, im ersten Treffen rechts an Wsestar angelehnt, ein 1000 Schritt südlich von
Rosberitz an der Hauptstraſse gelegenes Dorf, die Brigade Wald stätten (sieben Bataillone), links davon die Brigade Rosenzweig ( sieben Bataillone), im zweiten Treffen rechts die Brigade Hartweck ,
links von dieser und weiter zurück die Brigade Jonak.
Der Auf
marsch des Corps geschah im heftigen Feuer der preuſsischen Artillerie, von welcher damals im Ganzen acht Batterien bei Chlum
auffuhren . Die Brigade Waldstätten hatte Rosberitz, die Brigade
Über den Infanterie -Angriff.
178
Rosenzweig Chlum anzugreifen .. Mit dem 17. Jäger -Bataillon vor
der Front, dem Regiment Deutschmeister im ersten, Gondrecourt im zweiten Treffen ging die Brigade Rosenzweig entgegen dem erteilten Befehl und wahrscheinlich durch das aus Rosberitz erhaltene Feuer verleitet
-
gegen diesen Ort statt auf Chlum vor.
So kam
es, daſs zwei österreichische Brigaden , jedoch nicht gleichzeitig , zum umfassenden Angriff auf das schmale Ende von Rosberitz vorrückten . Starke Abteilungen , unter anderen wahrscheinlich das 17. Jäger Bataillon , griffen den südlichen Ausgang und den Ostrand an ,
während die übrigen sechs Bataillone der Brigade Rosenzweig längs der Westseite des Dorfes vordrangen .
Die drei auf die Hälfte ihrer
ursprünglichen Stärke verminderten Füsilier - Compagnien des 2. Garde Regiments hatten ihren Taschenschieſsvorrat so vollständig verfeuert ,
daſs sie nur noch mit den – den Toten und Verwundeten abge nommenen Patronen schossen .
Die Verluste in diesem nahen und
mörderischen Feuer waren auf beiden Seiten sehr groſs.
Doch
muſsten die Füsiliere vor so überlegenen Kräften den Dorfrand welcher von den Österreichern im ersten .Anlauf genommen wurde , jetzt endlich räumen . Sie setzten aber den Widerstand im Innern
fort und zogen sich nur Schritt um Schritt zurück . Der Gegner hielt mit groſser Zähigkeit die äuſserste Steigerung des Zündnadel gewehrfeuers aus, ohne zu weichen , und die schwachen preuſsischen Kräfte reichten nicht hin , um sich durch einen Angriff mit der blanken Waffe Luft zu machen . Die im Dorfe weiter rückwärts als Unterstützung stehenden beiden Compagnien hatten kaum weniger
gelitten als die vorderen . Vergeblich versuchten dieselben den von allen Seiten eindringenden Strom der Österreicher zu hemmen . Man
kämpfte hier wenige Schritte von einander entfernt. Die Ordnung hatte sich indessen auf beiden Seiten aufgelöst , je mehr das Ge
dränge in dem engen Dorf durch das Eingreifen der rückwärts stehenden Compagnien zunahm . Nach mehr als dreiviertelstündigem Widerstande war daher das Dorf preuſsischerseits nicht mehr zu halten und wurde geräumt. Siebzig , nach österreichischer Angabe mehrere Hundert Preuſsen waren in Rosberitz in Gefangenschaft geraten . Die Preuſsen zogen sich aus dem Orte auf die Höhe östlich von Chlum zurück und besetzten dort mit dichten Haufen
den obenerwähnten Hohlweg .
Von der Brigade Rosenzweig nahm
das 17. Jäger- Bataillon und das Regiment Deutschmeister das in Brand stehende Rosberitz, während das Regiment Gondrecourt den
Angriff gegen Chlum fortsetzte . Die Brigade Waldstätten , welche den rechten Flügel beim Sturm bilden sollte , war, als Teile der
179
Über den Infanterie - Angriff.
Brigade Rosenzweig bereits gegen Chluin vorgingen , erst in Rosberitz eingetroffen , somit nicht beim Angriff letzterer beteiligt gewesen und bei dem groſsen Abstande auch nicht in der Lage, dieselbe bei ihrem weiteren Vordringen zu unterstützen . Dagegen wurde das Regiment Deutschmeister der Brigade Rosenzweig aus Rosberitz gegen Chlum nachgezogen. An der starken Stellung der Preuſsen bei Chlum zerschellte der vereinzelte Vorstoſs der Brigade Rosen zweig ; ihr Zurückfluten und das Nachdrängen der Preuſsen konnte auch durch das Eingreifen der drei anderen Brigaden des 6. öster reichischen Corps nicht mehr aufgebalten werden . Rosberitz fiel abermals in die Hände der Preuſsen .
Ebenso blieben die weiteren
Bemühungen des ersten österreichischen Corps , welche gleichfalls die Wiedernahme von Rosberitz und Chlum zum Ziele hatten , trotz
ungeheuerer Opfer erfolglos und hiermit war die Entscheidung der Schlacht besiegelt.
Die eben geschilderten gewaltigen Anstrengungen zweier öster reichischer Corps zeigen in groſsem Maſsstabe ganz dasselbe Bild der Kräftezersplitterung wie die früher geschilderten vier Angriffe der österreichischen Bataillone gegen die Westseite von Rosberitz. Wie dort bataillonsweise, so wurden hier die Truppen regimenter und brigaden weise nacheinander ins Gefecht geworfen, obschon die enge Vereinigung ganzer Armee-Corps in unmittelbarer Nähe auf
die gleichzeitige Einsetzung der ganzen Macht geradezu hinwies . Die groſseu verfügbaren Truppenmassen konnten bei richtiger Ver wendung ohne Schwierigkeit Rosberitz umhüllen und die dort stehenden weitschwächeren preuſsischen Kräfte einfach erdrücken. Durch die Gliederung nach der Tiefe wurde aber die in den Massen
liegende ungeheuere Angriffskraft infolge der Zerlegung in einzelne Teile geschwächt und somit auf ihre Entfaltung zn höchster Fülle, welche durch Entwickelung nach der Breite und gleichzeitige Ein setzung zu erreichen gewesen wäre, verzichtet. Wenn auch Niemand
wird behaupten wollen , daſs der Ausgang der Schlacht, nachdem die preuſsische Garde bei Chlum
im Rücken der österreichischen
Mitte einmal festen Fuſs gefaſst hatte, ein anderer werden konnte, so war doch ein mehr oder weniger dauerhafter Rückschlag auf diesem Teil des Schlachtfeldes bei sachgemäſser Verwendung der
beiden österreichischen zur Unterstützung der Schlachtlinie bestimmten Corps wohl möglich . Daſs diese Möglichkeit nicht zur Wirklichkeit wurde, ist aus der ganzen Sachlage leicht zu erklären. Man stelle sich nur die Verhältnisse beim 6. und 1. österreichischen Corps vor Augen . In der breiten Thalmulde von Rosberitz, welche sich
Über den Infanterie - Angriff.
180
auch südwestlich der Hauptstraſse noch weiter gegen Westen fort setzt, standen die Truppen während der ganzen Dauer der Schlacht
mit Front nach Nordwesten, von wo der Lärm des Kampfes herüber tönte. Die vorliegenden Höhen deckten gegen Feuer und Sicht von der Bistritz her, in der rechten Flanke wuſste, beziehungsweise
glaubte man die Höhen von Chlum durch österreichische Batterien 1. S. w. besetzt. Der Aufstellung dieser Truppen und der ganzen Gefechtsentwickelung nach erschien ein Eingreifen in den Kampf
vor der Front zur Abweisung der dort erwarteten entscheidenden Angriffe der Preuſsen wahrscheinlich . Da plötzlich verrät heftiges Gewehr- und Geschützfeuer gegen die rechte Flanke und den Rücken
die unmittelbare, gefahrdrohende Nähe des ganz überraschend nach Chlum und Rosberitz vorgedrungenen Feindes. Die Verluste wachsen
jeden Augenblick und noch stehen die Armee - Corps unbeweglich da.
Lange hält selbst die beste Truppe einen solchen Zustand
nicht aus : es giebt nur die Wahl zwischen Kampf und Auflösung. Unter solchen Umständen ist es wohl verständlich, daſs sofort die Angriffs -Bewegung begonnen wurde, als der Befehl dazu erging. Man nahm sich nicht die Zeit zu richtiger Entwickelung. Wie selbst und wo man den Gegner zunächst traf, da wurde er auch angegriffen. Der Drang des gegebener Weisung entgegen
Augenblicks führte zu Hast und Übereilung. Der Besitz des mit Strömen Blutes errungenen Rosberitz wurde nicht genügend ge
sichert, sondern weiter und unaufhaltsam vorwärts ging der Sturm , bis er sich bei Chlum brach, so daſs auch Rosberitz wieder verloren
Diese Kämpfe kosteten dem 6. österreichischen Corps 138 Offiziere und 4732 Mann, davon entfielen auf die Brigade Rosenzweig allein 61 Offiziere und 1461 Mann. Das erste Corps büſste bei seinen Bemühungen geradezu die Hälfte seines Standes ein. Was die beiden Corps um solchen Preis bätten erreichen können , wurde oben bereits angedeutet, doch hierzu war eine klar blickende, thatkräftige Führung und genaueste Ausführung der getroffenen Anordnungen erforderlich . Wie der Erfolg gezeigt hat, war eine Brigade im Stande, Rosberitz den Preuſsen zu entreiſsen. wurde.
Wenn nun bei der österreichischerseits herrschenden Unbekanntschaft
mit den thatsächlichen Verhältnissen zwei Brigaden des sechsten Corps
gegen Rosberitz, zwei andere gleichzeitig in der Richtung auf Chlum in Bewegung gesetzt worden wären , während das erste Corps als Rückhalt folgte, so konnten nach Wegnahme und Besetzung von Rosberitz die diesen Ort nördlich und östlich umziehenden, etwa 500 Schritt entfernten Hoblwege erreicht, stark besetzt und
.
Über den Infanterie -Angriff.
181
gegen etwaige Angriffsversuche der Preuſsen mindestens so lange gehalten werden , als die Deckung des Rückzuges dies erforderte .
Begünstigte der Erfolg in soweit die Unternehmung der Österreicher, so durfte ein weiterer Versuch gegen die Höhen von Chlum mit den verfügbaren Kräften des ersten Corps, unterstützt durch die zahlreiche österreichische Artillerie ins Werk gesetzt werden. Führte derselbe nach den Erfahrungen, die man beim Angriff auf die mit Zündnadelgewehren ausgerüsteten Gegner bis dahin gemacht hatte, auch nicht zum Ziele, so wurde durch solches Verfahren doch immerhin Zeit gewonnen, und dies war damals allein die Frage. In Wirklichkeit fehlte aber dem Angriff eine feste und einheitliche Leitung und deshalb den Bemühungen der tapferen Truppen der Erfolg. Der Kampf um Rosberitz hat indes mehr als eine lehr
reiche Seite. Die vielgebörte Meinung, als sei ein in Brand ge schossener Ort nicht länger verteidigungsfähig, findet in dem Aus harren der preuſsischen Compagnien in Rosberitz eine glänzende
Widerlegung. Überschüttet von feindlichen Artilleriegeschossen aller Art, beschossen und angegriffen von Infanterie, leisteten die wenig zahlreichen preuſsischen Kräfte mutvoll zähen Widerstand inmitten
des brennenden, einsturzdrohenden Dorfes und wichen erst dem überlegenen Angriff der Brigade Rosenzweig. Ferner zeigt das Ortsgefecht, wie der Verlust einer kräftig verteidigten Stellung auch Verlust an Gefangenen nach sich zieht. Die verschiedenen Angaben -
über die Höhe dieses Verlustes erklären sich wohl daraus, daſs eine
Anzahl der ursprünglich zu Gefangenen gemachten Preuſsen bei der nachfolgenden Wendung des Gefechtes wieder entkam und zu ihren Truppenteilen zurückkehrte. Besonders reich gestaltet sich
die Ausbeute an Gefangenen für den Angreifer dann, wenn es ihm gelingt,, eine Ortschaft nicht nur in der Front, sondern, wie im vorliegenden Fall, zugleich von der Seite zu nehmen. Was von dem Verteidiger in vorderer Linie hart mit dem Gegner zusammen geraten ist, fällt diesem anheim , sobald jenem der Rückzug abge schnitten wird .
-
Besonderer Erwähnung endlich bedarf noch der Patronen Verbrauch und -Ersatz. Daſs die preuſsischen Compagnien in mehr als dreiviertelstündigem heftigem Gefecht ihren Schieſsbedarf er
schöpften , kann nicht Wunder nehmen . Jedenfalls war, dem Erfolg nach, die Wirkung eine entsprechende und der Patronenaufwand
sonach vollständig gerechtfertigt. Die Art des Ersatzes durch Ab nahme der den Toten und Verwandeten gebliebenen Patronen wird
Über den Infanterie -Angriff.
182
auf den Gefechtsfeldern der Zukunft ein allgemeines und regel
mäſsiges Auskunftsmittel bilden, denn dem vermehrten Patronen vorrat in den Taschen steht ein über Verhältnis vermehrter Patronen verbrauch durch die weiter und schneller schieſsenden Gewehre
gegenüber. Ein Nachschub von Schieſsbedarf an diejenigen Punkte, an welchen das Bedürfnis am dringendsten ist, also in die vorderste Schützenlinie, wird, wenigstens beim Angriff, auch dann mit erheb lichen Schwierigkeiten verbunden sein , wenn die Patronenwagen der fechtenden Truppe bis zum Beginn des Gefechtes zu folgen vermögen . (Schluſs folgt.)
XIII.
Die neue Schieſs -Vorschrift für die französische Infanterie. (Schluſs.)
Das angewandte Einzel - Schieſsen. Durch dasselbe sollen
die Leute gewöhnt werden in allen (?) Körperlagen gegen Ziele zu schieſsen , welche annähernd denjenigen des Ervstfalls entsprechen.
Die Vorschrift von 1888 bestimmt hier folgende Übungen : Entfernung Nr. Art der Übung. der Übung Patronen
Zahl der scharten
m
12
250
Stehend, Bajonett aufgepflanzt gegen eine kniende
13
400
Figur-Scheibe . . Kniend gegen zwei kniende Figur -Scheiben mit Zwischenraum von 0,15 m
6
350
Magazin - Feuer kniend während 30 Sekunden gegen
15
200
drei stehende Figuren mit 0,15 m Zwischenraum Magazin-Feuer stehend gegen eine Brustscheibe, die auf einem Punkte eines Schützengrabens erscheint Zusammen
Die Vorschrift von
8
14
gewandten Schieſsen :
6
8 28
1882 kannte nur drei Übungen im an
Je 6 Patronen auf 250 , 325 und 175 m
gegen Figur-Scheiben . Die durch die Indienststellung der Mehrlader Gewehre M /84 und M /85 notwendig gewordenen Änderungen be trafen besonders auch das angewandte Schieſsen , für welches die 1887 notwendig gewordenen Änderungen der Vorschrift von 1882 folgende vier Übungen festsetzten : Zahl der scharfen Entfernung Art der Übung. Patronen m
250
Magazin -Feuer kniend gegen zwei stehende Figuren - Scheiben
250 325
Stehend gegen einzelne kniende Figuren-Scheiben . Kniend gegen einzelne stehende Figuren-Scheiben . Aus einem Graben Feuer mit aufgepflanztem Bajonett gegen stehende Figuren-Scheiben
4
Zusammen
18
nebeneinander
175
6
4
4
Die neue Schiefs -Vorschrift u s. w.
184
Die neue Vorschrift verwendet für das angewandte Schieſsen
demnach 10 Patronen für jeden Mann mehr, trotzdem ist der liegende Anschlag noch nicht vertreten.
Die Figuren-Scheiben, welche bei Übung 12 verwandt werden, sind aus schwarzem Holz gefertigt. Direkte Treffer zählen zwei Punkte. Für Übung 13 zieht man auf dem unteren Teil einer Quadrat-Scheibe von 2 m Seiten-Länge die Umrisse zweier kniender Sehützen mit 0,15 m Zwischenraum . Ein wagrechter Strich, welcher die höchsten Punkte der Figuren verbindet, zeigt die obere Grenze der zu treffenden Fläche , welche aus den Figuren und ihrem Zwischenraum besteht.
Direkte Treffer zählen auf diesem Raume
zwei Punkte , Schüsse in dem andern Teile der Scheibe werden
nicht gerechnet. Für die Übung 14 ist die Trefffäche ähnlich, jedoch aus drei stehenden Figuren mit ihren Zwischenräumen gebildet, direkte Treffer im oberen Rande der Scheibe zählen einen, im unteren Teile zwei Punkte..
Bei Übung 15 kommt eine an einer Stange befestigte Brust scheibe in Anwendung, welche ein im Graben sitzender Mann hand habt.
Direkte Treffer zählen zwei Punkte.
Dem Ernstfalle angemessen ist die Bestimmung, daſs bei dem gauzen angewandten Schieſsen aufschlagende und in die Trefffläche gehende Geschosse einen Punkt zählen .
Eine allen französischen
Schieſsständen eigentümliche Einrichtung verdient hier hervorgehoben zu werden. Bei dem Unterrichts- wie angewandten Schieſsen steben die Scheiben , welche der Zahl der schieſsenden Abteilungen ent
sprechen, mit einem gewissen Zwischenraum nebeneinander und wird
auf dieselben gleichzeitig geschossen. Diese Einrichtung bedingt eine groſse Breite der Schieſsbahn und mag leicht Veranlassung zu Unglücksfällen bieten. Als Vorteil kann indessen bezeichnet werden, daſs der Schütze, sobald er auf den Scheibenstand kommt , sich an
das Feuer seiner Nebenleute gewöhnen muſs. Bei dem angewandten Schieſsen stehen z. B. die Scheiben 4 m von Mitte zu Mitte aus
einander und ist jedem Schützen eine solche zugewiesen .
Bei dem Feuern mit Einzelladung, welchem ein Signal vorher geht, giebt der Soldat seine 6 Schuſs hintereinander ab. Wenn alle Leute abgeschossen und Gewehr abgenommen haben , erfolgt das Signal » Stopfen «.
Bei den Übungen im Magazin-Feuer giebt ein Compagnie Offizier das Kommando » Fen à répétition « (beziehungsweise à genou). Hierauf begiebt sich der Schütze vor seine Scheibe (das Magazin ist gefüllt, die Waffe nicht geladen ) und ladet. Haben alle Schützen
Die neue Schiefs - Vorschrift
185
dieses vollendet, dann wird der Beginn des Feuers befohlen . Während
desselben wird der Haltepunkt » Ziel aufsitzen « genommen und das Feuer entweder bis zum Erschöpfen des Magazins oder bis das Kommando » Stopfen « ertönt fortgesetzt. Das Letztere soll 30 Se kunden nach dem Anordnen des Feuer- Beginns gegeben werden .
Bei der Übung 15 sind die Scheiben je 3 Sekunden lang sicht bar und verdeckt.
Ladehemmungen sollen gröſsten Teils durch Beachtung des
Verbots für den Soldaten, die Stücke der Mehrlade- Vorrichtung aus einanderzunehmen , vermieden werden können. Tritt eine Hemmung
im Gange der Waffe ein , so beginnt der Soldat die Übung von Neuem , wenn nötig mit einem anderen Gewehr. Hat der Mann durch einen Fehler die Hemmung verursacht, so werden ihm die vor dem Unfall erreichten Ergebnisse angerechnet, ohne daſs er jedoch das Schieſsen mit den noch im Magazin befindlichen Patronen beendigen darf. Wenn das Gelände es erlaubt, kann man bei dem angewandten
Schieſsen die gleichmäſsige Feuerstellung aufgeben und den Schützen den Boden u. s. w. zu seiner Deckung und zum Auflegen der Waffe benutzen lassen .
Lieutenants , Unter- Lieutenants, Adjutanten , wie die Sergeant
Majors haben das ganze Einzelschieſsen in derselben Zeit wie ihre Compagnien durchzumachen. Den Hauptleuten ist das Schieſsen freigestellt. Die Bataillons-Commandeure haben dafür zu sorgeu , daſs kein
Soldat ohne gesetzlichen Grund dem Schieſsen entzogen wird . Die Patronen abwesender Leute verfeuern zu lassen ist verboten .
Ein Mann soll möglichst nicht mehr als 18 Patronen an einem Tage des Einzelschieſsens verbrauchen .
Mit dem angewandten Schieſsen beabsichtigte man in Frankreich etwas Ähnliches wie unser Einzel-Gefechts - Schieſsen zu schaffen . Ganz abgesehen davon , daſs das erstere immer mit bekannten Ent
fernungen abgehalten wird , sind die in Frankreich gebräuchlichen Ziele mit ganz geringen Ausnahmen denjenigen des Ernstfalls wenig entsprechend.
Dadurch , daſs die Art des Anschlags genau vor
geschrieben und eine regelmäſsige Benutzung des Geländes nicht stattfindet, wird der Nutzen , den das Einzel -Gefechts -Schieſsen in
Deutschland, Österreich u. s. w. hat, nicht annähernd erreicht. Das Abteilungs - Schieſsen. Nach Beendigung des Einzel Schieſsens läſst man schieſen :
die Leute nachfolgende Übungen durch
für die französische Infanterie.
186
Art des Schieſsens. Nr. der Entfernung m Ubung
1
600
Salvenfeuer. Gruppen -Salven stehend oder kniend, komman
2
800
Halbzugs-Salven stehend oder kniend, komman
diert von den Korporalen
Patronen - Zahl Plate- scharte
2
4
2
4
$12
diert von den Sergeanten 3
1000
Zugs- Salven stehend oder kniend , kommandiert 2
von den Zugführern Einzelfeuer. 4 5
600—500 beim Vorgehen von Stellung zu Stellung geleitet 350
Schnellfeuer mit Visier 400 m
6
20
you
6*) 200—100 Angriffs-Feuer des vorgehenden Zugs, Bajonett 16
aufgepflanzt Zusammen
22
32
Gegenüber der 1882er Vorschrift hat die Durchführung des
Salven -Feners nur die Änderung erfahren , daſs der Munitions Verbrauch um 3 Platz- und 3 scharfe Patronen vermindert wurde.
Gänzlich anders lauteten dagegen die Bestimmungen von 1882 über die Übung des Schützen - Feuers. Dasselbe sollte einmal mit 6 scharfen Patronen auf 300—150 m Entfernung unter Leitung der Zugführer mit dem Visier 300 m stattfinden , andrerseits sollten ebenfalls 6 scharfe Patronen beim Vorgehen der Schützen auf den Ent fernungen 600—400 m verschossen werden.
Als bemerkenswert mag hier noch aufgeführt werden , daſs die 1887 erschienene » Instruction pour le combat« das Feuer in der Bewegung noch nicht kannte , dem die 1888er Schieſs - Vorschrift einen bedeutenden Wert beilegt.
Bei dem Abteilungs-Feuer werden folgende Ziele verwandt : Für das Salven- beziehungsweise Schützen-Feuer der Gruppe : 7 stehende Figuren in einer Linie mit 0,15 m Zwischenraum ;
Für das Salven- beziehungsweise Schützen-Feuer des Halbzugs: 14 stehende Figuren in einer Linie mit 0,15 m Zwischenraum ; Für das Salven- beziehungsweise Schützen - Feuer des Zugs ; 28 stehende Figuren in einer Linie mit 0,15 m Zwischenraum ;
Für das Angriffs-Feuer: Nebeneinanderstehende Scheiben , die ein Ziel von 20 m Breite und 2 m Höhe bilden . Das
Salven - Feuer.
Dasselbe
findet
auf bekannten
Ent
fernungen statt, trotzdem haben die Führer die Visier - Anderungen zu bestimmen , welche durch die Witterung beziehungsweise die *) Dem Verschieſsen der 8 scharfen Patronen der Übung 6 geht die zwei malige Vorübung mit je 8 Platz-Patronen voraus,
Die neue Schiefs - Vorschrift
187
Beschaffenheit der verwandten Munition notwendig werden .
Die
Gruppe darf bei diesen Übungen niemals schwächer als 6, der Halbzug als 12 und der Zug als 24 Mann sein. Der Zielpunkt und das Visier werden von dem Offizier be stimmt, welcher unter seinem Befehl die betreffende Schieſs-Abteilung
hat. Zu diesem Zweck läſst er vor dem eigentlichen Schieſsen durch eine Gruppe auserwählter Schützen einige Versuchs-Salven abgeben , deren Geschoſs-Einschläge er beobachtet. Bei der Ausführung des Schieſsens kann der Offizier das Visier oder den Haltepunkt ändern lassen . Die Art der verwandten Munition sowie der mittlere Wert der
Witterungs- Einflüsse, wie er von jedem Offizier geschätzt wurde, ferner die Lage des Zielpunkts, das angewandte Visier, Zahl der Schützen, der verbrauchten Patronen und erreichten Treffer wird aufgezeichnet.
Geschosse , welche aufgeschlagen und dann noch die Scheiben getroffen haben, werden wie Rundtreffer gerechnet. Verhindert bei dem Salven - Feuer irgend ein Vorkommnis an der Waffe oder Munition das Schieſsen des Mannes, so darf derselbe
unter keiner Bedingung das Glied verlassen noch die Waffe wechseln. Derselbe hat vielmehr, genau wie die Truppe, die Bewegungen blind mit zu machen .
Das Schützen - Feuer. Die Leute müssen bei dieser Feuerart u Selbst bei dem Schnellfeuer dürfen sie die Ge gena zielen .
schwindigkeit im Schieſsen nur durch schnelles Laden und rasches
Anschlagen zu vermehren suchen . Bei der Ausführung des Feuers sollen die Zugführer wie Unter offiziere sehr sparsam mit Bemerkungen sein.
Das Schnellfeuer der Übung 5 hat eine Dauer von 30 Sekunden . Recht kriegsgemäſs ist die Bestimmung der französischen Vorschrift, daſs vor Beginn des Schützen- wie Schnell-Feuers die Truppe einen Marsch oder Bewegungen von einer gewissen Daner gemacht haben muſs, um sich in Verhältnissen zu befinden, welche
ähnlich denjenigen einer ins Gefecht rückenden Truppe sind. Das Abteilungs -Schieſsen, wie es die französische Vorschrift verlangt, soll den Übergang zum gefechtsmäſsigen Schieſsen bilden . 7
Es kann
da es auf bekannten Entfernungen und gegen bekannte
feststehende Ziele stattfindet, gewissermaſsen auch als eine Art
»Belehrungs-Schieſsene angesehen werden , wenn nicht namentlich bei dem Salven -Feuer die Zahl der zur Verwendung kommenden Patronen eine so geringe wäre. Trotzdem scheint dasselbe sach
für die französische Infanterie.
188
gemäſs geleitet eine gute Vorbereitung für das gefechtsmäſsige Schieſsen bilden zu können.
Das gefechtsmäſsige Schieſsen.
Dasselbe findet auf un
bekannten Entfernungen statt und umfaſst nachstehend verzeichnete Übungen : Art des Schieſsens. Nr. der Entfernung m Ubong
Zahl der
scharfen Patronen
1 Unbekannt Einschieſsen geleitet von Unteroffizieren gegen einen Halbzug .
6
.
2 Unbekannt Einschieſsen geleitet von Unteroffizieren gegen einen Zug 3 Unbekannt Salven kommandiert von Zugführ. gegen stehende
Ziele auf verschiedenen Entfernungen oder be wegliche Ziele ... 4 zwischen Schieſsen einer Compagnie in Gefechtsform , die 800 u. 200 angriffsweise vorgeht .
5
zwischen 800 u. 200
Schieſsen eines Bataillons in Gefechtsform , das angriffsweise vorgeht Zusammen
6
12
12
14 50
Die Ziele des Gefechts - Schieſsens sind :
Für das Einschieſsen ebenso wie für das Salven- beziehungs
weise Schützen - Feuer des Abteilungs -Schieſsens.
Für Übung 3 : Drei Reihen von je 28 stehenden Figuren, welche auf verschiedenen Entfernungen und in verschiedenen Richtungen stehen . Ist das Ziel eine bewegliche Scheibe, dann können die Salven abgegeben werden , entweder wenn das Ziel sicht bar wird oder wenn dasselbe an gewissen kenntlich gemachten Punkten angelangt ist. Für das Gefechts - Schieſsen der Compagnie und des Bataillons :
Die Ziele stellen eine Compagnie in Gefechts - Formation dar und bestehen aus Figuren- und sonstigen Scheiben , welche nach den Vorschriften des Exerzier-Reglements angeordnet sind. Wenn
das Schieſsen während der Übung unterbrochen wird, verändert man den Phasen des Gefechts entsprechend die Aufstellung der Scheiben. Wunderbarer Weise erwähnt die französische Vorschrift hier die
Anwendung beweglicher Ziele nicht , durch welche die Verhältnisse des Schieſsens denjenigen des Ernstfalls ziemlich nahe gerückt werden können .
Das Einschieſsen . Das Einschieſsen geschieht mit Halbzugs oder Zugs- Salven. Die Führer dieser Abteilungen kommandieren und richten das Feuer auf Ziele, deren Stärke gleich jener der betreffenden Abteiluny ist.
Die neue Schiefs - Vorschrift
189
Bei diesem Schieſsen ist die Entfernung immer unbekannt. Für die Halbzugs- Salven ist das Ziel zwischen 600-1000 m, für die
Zugs- Salven zwischen 800 und 1200 m aufgestellt.
Bei Ankunft der schieſsenden Abteilung bezeichnet der Ba taillons-Commandeur die Stelle, an welcher die Feuerlinie entwickelt werden soll.
Die Unteroffiziere schätzen die Entfernung mit dem Auge und können auch Karten zu Hilfe nehmen . Die Zugführer bestimmen den Abstand mittelst Entfernungs -Messern. Sobald die Führer annähernd die Entfernung des Ziels kennen , wählen sie das Visier unter Berücksichtigung der Witterungs
Verhältnisse. Die Compagnie- Führer geben den Unteroffizieren Be lehrungen und Ratschläge, um sie bei der letztgenannten Thätigkeit zu unterstützen .
Der Führer der schieſsenden Abteilung stellt sich derart auf, daſs er die Geschoſs-Einschläge beobachten kann .
Wenn er es für
nützlich hält, kann nach jeder Salve Visier und Haltepunkt geändert werden .
Die Schieſsergebnisse werden durch das Signalhorn übermittelt.
Soweit als möglich werden dieselben Regeln bei dem Schieſsen auf unbekannten Entfernungen gegen bewegliche oder feste Ziele beobachtet.
Die französische Vorschrift giebt, wie oben bereits erwähnt, die Bestimmung, daſs die Entfernung unbekannt sein soll. Gleichzeitig ist indessen die höchste und tiefste Zahl gegeben , zwischen welchen das Ziel aufgestellt wird . Hierdurch wird ganz wesentlich das
Bestimmen der Entfernungen erleichtert, da alle Schätzenden die Grenzen vorher schon wissen .
Dadurch , daſs der Bataillons-Commandeur die Stelle der Feuer linie bezeichnet, wird der Führer unwillkürlich an eine Bevor
mundung gewöhnt, abgesehen davon entspricht dies Verfahren nicht dem Ernstfalle und raubt die Gelegenheit den Führer in dem sehr schwierigen Aussuchen von Feuerstellungen zu üben.
Das Gefechts - Schieſsen der Compagnie und des Ba taillons. Diese Übungen stellen die Entwickelung eines Angriffs Gefechts dar. Die ausführende Truppe wird immer als im gröſseren Verbande fechtend angenommen .
Zur Ausführung des Schieſsens bildet man Compagnien in der Stärke von etwa 200 Mann mit Chargen des Kriegsstandes; Offiziere
wie Unteroffiziere, welche nicht eintreten , wohnen den Übungen als Zuschauer bei .
für die französische Infanterie,
190
Der Angriff findet in der von dem Exerzier-Reglement be ziehungsweise der » Anweisung für das Gefecht « festgesetzten Art und Weise statt.
Die Patronen werden so verteilt, daſs diejenigen
Truppen, welche nach dem Beginn des Feuers erst in die Schützen linie treten, eine geringere Zahl erhalten .
Nach Schluſs der Übung werden die Ergebnisse den ver sammelten Offizieren mitgeteilt. Der Truppen - Befehlshaber oder der höchste anwesende Offizier hält dann eine Besprechung ab . Von der Vorliebe der 1882er Vorschrift für den indirekten
Schuſs ist die neue völlig frei.
Das Vervollkommnungs - Schieſsen. Bei den anderen vor geschriebenen Übungen ersparte Patronen werden zum Vervoll kommnungs-Schieſsen verwandt. Jede Schieſsklasse führt eine be
sondere Reihe von Übungen aus : Die Übungen der ersten Klasse geschehen mit Einzel- oder Mehrladung auf bekannter wie unbekannter Entfernung gegen eine
in einer Schieſsscharte erscheinende Figur oder verschwindende Brustscheiben , bewegliche Figuren und dergleichen. Der Schieſs
Hauptmann hat für dieses Schieſsen einen Übungs-Entwurf vor zubereiten , dem Truppen - Befehlshaber ist jedoch volle Selbst
ständigkeit gelassen , um diese Übungen der Bodenbeschaffenheit des Schieſsplatzes, dem vorhandenen Material und der verfügbaren
Patronen - Zahl entsprechend recht wechselreich zu machen . Die Leute der zweiten Klasse führen zunächst auf 200 m
zwei Übungen im Einzel-Schieſsen gegen die Scheibe von 1 m Durchmesser aus, dann beginnen sie das angewandte Schieſsen von Neuem.
Die Leute der dritten Klasse erhalten von Neuem die vor
bereitende Ausbildung, wie sie in der » Soldaten-Schule« des Exerzier
Reglements enthalten ist, hierauf werden die Übungen mit ver ringerten Ladungen , das Vorbereitungs- und Unterrichts - Schieſsen
auf 200 m (4., 5. , 10. und 11. Übung) durchgeschossen. Machen besondere Umstände oder der Mangel an ersparten
Patronen es unmöglich , alle die oben genannten Übungen durch zuschieſsen, dann werden die Leute der dritten Klasse denjenigen
der zweiten vorgezogen. Die Verminderung der Übungen wird von dem Truppen - Befehlshaber befohlen und erstreckt sich zunächst auf die Übungen, welche den Schützen der zweiten Klasse zugeteilt sind . Das Schieſsen der Reservisten und der Leute des Ter
ritorial - Heeres. Die Zahl der diesem Zweck gewidmeten scharfen Patronen hat die neue Vorschrift nicht, wohl aber die Art der Jahrbücher für die Dentsche Armee und Marine, Bd . LXIX ., 2
13
Die neue Schiels - Vorschrift
191
Übungen verändert. Die Reservisten haben jetzt die fünf folgenden Übungen durchzuschieſsen : Übung
m
1
200
Art des Schieſsens. Einzel - Schieſsen . 8 kniend gegen die Scheibe stehend, 3 Patronen
2
300
3 Patronen stehend , 3 liegend gegen die Scheibe
Entfernung
Nr. der
Zahl der scharfen Patronen
6
von 1 m Durchmesser
18
von 1,5 m Durchmesser
30 Sekunden kniend Magazinfeuer gegen 3 stehende
350
3
6
6
Figuren mit Zwischenräumen von 0,15 m
Abteilungs-Schieſsen . 4
600
Halbzugs-Salven stehend oder kniend kommandiert
5
300
30 Sekunden Schnellfeuer mit Visier 400 m ge leitet von den Zugführern .
von Offizieren u. Unteroffizieren der Reserve
3
9 6
Zusammen
frühere Vorschrift hatte für
Die
27
die Reservisten die
Ent
fernungen 100, 200, 400 , 600, 600-250 m gewählt.
Für das Territorial- Heer gilt nachstehender Entwurf: Art des Schieſsens. Nr. der
Obang
Zahl der scharfen Patronen
Entfernung m
1
200
3 Patronen stehend, 3 kniend gegen die Scheibe von
2
300
3 Patronen stehend, 3 liegend gegen die Scheibe von
3
350
40 Sekunden Magazinfeuer gegen 3 stehende Figuren
6
1 m Durchmesser
1,5 m Durchmesser
6
0
mit Zwischenräumen von 0,15 m Zusammen
8 20
Die früheren Übungen fanden auf 100, 200 und 400 m statt. Das Revolver- Schieſsen.
Offiziere, Adjutanten , Sergeant
und Tambour-Majors, Korporal- Tambours, Tambours, Fahrer der Patronen - Wagen und Führer der Handpferde sind im Schieſsen mit dem Revolver auszubilden .
Es finden 6 Übungen zu je 6 Patronen , viermal auf 15 m, zweimal auf 30 m Entfernung statt. Bei den zwei letzten Schieſsen werden je 6 Schüsse hintereinander verfeuert. Die zu treffenden Flächen sind Kreise von 0,2 oder 0,4 m Durch messer, je nachdem die Entfernung 15 oder 30 m ist.
Von der Reserve beziehungsweise dem Territorial-Heere werden
nur zwei Übungen auf 15 m im abgesetzten Feuer mit dem Revolver verschossen .
Schiefs - Klassen und Belohnungen.
Nach dem Einzel- ,
Unterrichts- und dem angewandten Schieſsen schreitet man
für die französische Infanterie.
192
spätestens bis zum 16. August – zu der jährlichen Einteilung der Schützen .
Unteroffiziere, Korporale und Soldaten , welche mindestens 70 Punkte erschossen, bilden die erste Klasse, Leute mit mindestens 35 die zweite und die unter 35 die dritte Klasse. Zum Vergleiche diene, daſs die alte Vorschrift 64 und 36 Punkte verlangte.
Schützen , welche ein oder mehrere Male beim Schieſsen gefehlt, werden nach der Zahl der erschossenen Punkte eingeteilt, als wenn
sie alle Übungen mitgemacht hätten . Leute, welche nicht mindestens viermal geschossen haben, werden nicht eingeteilt.
Belohnungen werden einmal denjenigen Schützen zu Teil, welche beim Einzel-, Unterrichts- und angewandten Schieſsen die höchsten Summen erreicht haben . nach Preisschieſsen erkannt.
Andere Belohnungen werden
Die Belohnungen, welche in ehrenden Abzeichen bestehen, haben den Zweck, die guten Schützen ihren Vorgesetzten und Kameraden kenntlich zu machen . Die jährlichen Preisschieſsen umfassen : 1. Ein Schieſsen mit dem Gewehr zwischen den Unteroffizieren, die Schützen erster Klasse sind ; 2. ein Schieſsen mit dem Gewehr zwischen den besten Schützen
der ersten Klasse ( Korporale und Soldaten ); 3. ein Schieſsen mit dem Revolver zwischen den Adjutanten
und Sergeant-Majors. Zu 1. sei erwähnt, daſs hier zunächst 5 Patronen hintereinander
auf 200 m Entfernung in einer der drei vorschriftsmäſsigen Anschlags arten verfeuert werden .
Der Sitz eines jeden Schusses wird ange
zeigt, die Löcher aber erst nach Beendigung der Serie geschlossen . Eine zweite Reihe von 5 Patronen wird hierauf verfeuert. Als Ziel dient ein 1 m im Durchmesser besitzender Kreis, dessen Inneres
zwei konzentrische Kreise mit gleichem Abstande zeigt. Die auf diese Weise gebildeten drei Treffflächen haben von Innen nach Auſsen einen Wert von 3, 2 und 1 Punkt. Nach der Summe der
erreichten Punkte werden schlieſslich die Preise gewährt. Schieſsen vor dem General - Inspekteur. Ein Schieſsen war bisher in Frankreich unbekannt.
solches
Die Vorschrift von
1888 schreibt vor, daſs jedes Jahr der General- Inspekteur in seiner Gegenwart ein oder mehrere von ihm bestimmte Compagnien kniend
auf 200 m schieſsen läſst. Bei den betreffenden Compagnien haben alle vorhandenen Leute diesem Vorschieſsen beizuwohnen .
Ein
Offizier, welcher einer fremden Compagnie angehört, befindet sich 13*
Die neue Schieſs- Vorschrift
193
vor jeder Scheibe im Deckungsgraben, um die Treffer aufznnehmen . Ein Bericht über die erlangten Ergebnisse eines jeden Trappenteils wird dem Kriegs-Minister zu derselben Zeit überreicht als das Schieſsbuch der General-Inspektion. Man hat offenbar in Frankreich mit diesem Schieſsen die be
währte Einrichtung eines Prüfungs- Schieſsens nachzuahmen versucht, allerdings nur in sehr schüchterner Weise. Mit einem längeren Abschnitt betreffend Führung der Schieſs bücher u. 8. w. haben wir hier nicht nötig uns aufzuhalten ,
gehen vielmehr unverweilt zu dem wichtigsten Teil über, welchen die 1888er Vorschrift enthält, nämlich den Abschnitt » Regeln für die Leitung des Feuers « .
Unser Interesse an dem Inhalt steigert sich noch dadurch , daſs dem Ganzen die Leistungen der neuen kleinkalibrigen Waffe M/ 1886
zu Grunde liegen. An den Stellen, an welchen es möglich ist, werden wir die alte Vorschrift von 1882 zum Vergleich heranziehen , die einen Abschnitt » Allgemeine Betrachtungen über die Anwendung des Gewehrs M/74 « enthielt.
Richtiger Weise beginnt die 1888er Vorschrift mit der Auf führung der » Allgemeinen Grundsätze « . Dieselben lauten : Das Feuer wird Abteilungsweise geleitet. Die Stärke der Abteilung, welche nach den Umständen ver schieden ist, darf die eines Pelotons (= zwei Züge) nicht über schreiten .
Die Führer der verschiedenen Abteilungen müssen Meister über das Feuer ihrer Truppen bleiben und nach ihrem Willen den Beginn, das Ende, das Wiederaufnehmen und die Stärke desselben regeln können .
Nur unter dieser Bedingung erreicht das Feuer seine ganze Wirksamkeit.
In der kürzesten Zeit die gröſste Wirkung zu erreichen, ist der anzustrebende Zweck.
Feuer auf groſsen Entfernungen bringt nur selten Wirkungen
hervor, welche im richtigen Verhältnisse zu dem Munitions- Verbrauche stehen. Dieses Fernfeuer hat nur dann Wirksamkeit, wenn es von einer groſsen Zahl von Schützen ausgeführt wird, die ihr Feuer gegen dasselbe Ziel richten .
Die Anwendung des Feuers ist verschieden, je nachdem die
Truppe in einen Angriffs- oder Verteidigungs- Kampf ver wickelt ist oder den Auftrag hat, einen Angriff rasch zu Ende zu führen .
für die französische Infanterie.
194
Die Compagnie-Schule des französischen Exerzier- Reglements
macht folgende Unterscheidung zwischen Gefecht und Angriff. > Das Gefecht findet auf der ganzen Front statt, auf welcher sich die gegnerischen Truppen befinden, der Angriff auf dieser Gefechtsfront nur auf dem oder den Punkten, welche von der Ober leitung gewählt sind . « In dem Angriffs -Gefecht ist nicht eher das Feuer zu be ginnen , als es wirksam sein kann . Diese Wirksamkeit muſs mit allen Mitteln erstrebt werden , welche dem Schieſsen die gröſste Genauigkeit unter Beschränkung des Munitions- Verbrauchs verleihen können. Der letztere muſs im richtigen Verhältnisse zu dem er strebten Zweck stehen .
In dem Verteidigungs - Gefecht ist das Feuer zu beginnen, sobald der Gegner verwundbar wird .
Nach der Zahl der verfüg
baren Patronen ist das Feuer zu leiten .
Wenn die Munitions
Vorräte es gestatten, soll dem Feuer sofort seine ganze Stärke gegeben werden .
Bei dem Angriffe selbst ist das Feuer so spät als möglich zu eröffnen ; ein Mal begonnen muſs dasselbe mit der gröſsten Kraft unter Benutzung der ganzen Feuer-Geschwindigkeit, welche die Waffe zuläſst, geführt werden.
Die Anwendung der verschiedenen Feuerarten. Der Bataillons - Commandeur giebt seinen Hauptleuten das zu be kämpfende Ziel und wenn möglich denjenigen Teil der feindlichen Linie an , auf welchen sie ihr Feuer zu vereinigen haben. Die Compagnie - Führer regeln die Anwendung des Feuers und den Patronen-Verbrauch . Sie geben die zu beschieſsenden Ziele an, wenn die Bataillons -Commandeure diese nicht bestimmt haben
oder unvorhergesehene Fälle plötzlich die Gefechts - Verhältnisse ändern .
Bei Beginn des Kampfes bestimmen die Führer der in der Schützenlinie befindlichen Züge Haltepunkt und Visier. Sobald die ganze Compagnie sich in der Schützenlinie befindet, hat der Haupt mann immer diese Anordnungen zu treffen .
Zugführer wie Unteroffiziere haben die Anwendung der Visiere und die Richtung des Feuers zu überwachen . Das Salven - Feuer trägt dazu bei, den Einfluſs der Führer
auf ihre Truppe zu erhalten, erleichtert die Vereinigung des Feuers auf das gleiche Ziel, erlaubt durch Beobachtung der Geschoſs Einschläge das Schieſsen zu verbessern und giebt das Mittel in die Hand, den Munitions -Verbrauch zu regeln.
Die neue Schiefs - Vorschrift
195
Die Salven können mit Ein- wie Mehrladung abgegeben werden . Abteilungen, deren Stärke die eines Pelotons ( zwei Züge = einer Halb -Compagnie) übertrifft, sollen diese Feuerart nicht ausführen.
Die Anwendung der Salve ist verhältnismäſsig beschränkt. Sie kann nur wirksam sein, wenn die Leute die zur Aufmerksamkeit
auf die Kommandos notwendige Ruhe bewahren . Muſs das Salven-Feuer fortgesetzt werden, dann ist es vor teilhaft die Truppe je nach der Entfernung vom Feinde in Teile
von der Gruppe bis zum Zuge zu gliedern. Hat diese Feuerart den Zweck, durch Überraschung zu wirken, so ist mit ganzen Pelotons zu feuern .
Man hat immer Gelegenheit von Salven Gebrauch zu machen, wenn dichte Formationen für einen Augenblick günstige Ziele bieten . Salven mit Gebrauch der Mehrlade - Vorrichtung sind auf mittleren und selbst groſsen Entfernungen gegen bewegliche Ziele gerechtfertigt, welche nur kurze Zeit sichtbar sein können. Das Schützen - Feuer ist schwieriger zu leiten und eignet
sich weniger gut für eine Vereinigung des Feuers.
Es
findet
hauptsächlich auf Entfernungen Anwendung, auf welchen die Flug bahnen so genügend gestreckt sind, daſs ein Irrtum beim Schätzen der Abstände von geringem Einfluſs auf das Ergebnis sein kann .
Wenn die Lage der Verhältnisse nicht ein starkes Feuer in der ganzen Schützenlinie erfordert, unterhalten die besten Schützen jeder Gruppe allein das Feuer.
Das Schnellfeuer findet immer in dem entscheidenden Augen blick des Gefechts Anwendung.
Man bedient sich stets dieser
Feuerart ohne Rücksicht auf die Entfernung, wenn der Gegner sich blofsstellt und für Augenblicke sehr verwundbare Ziele zeigt. Das Feuer mit der Mehrlade- Vorrichtung kommt nur auf Anordnung der Offiziere zur Anwendung. Die Waffen werden immer vor dem Einnehmen der Gefechts
form gefüllt. In dem Gefecht benutzt man alle Gelegenheiten, um das Magazin wieder mit Patronen zu versehen.
Das Angriffs - Feuer wird im Marsche ausgeführt und nur im letzten Augenblick eines Angriffs nach dem Schnellfeuer abge geben , sowie jedes Mal, wenn es nötig ist, das Vorgehen zu be schleunigen und einen neuen Halt zu vermeiden .
Die Grenzen der Anwendung des Einzel- und Ab
teilungs -Feuers. Die Schuſs -Entfernungen werden eingeteilt in : kleine von 0–600 m, mittlere von 600—1200 m, groſse über 1200 m.
für die französische Infanterie.
196
Für das groſskalibrige Gras -Gewehr war die Einteilung nach der Vorschrift von 1882 :
kleine von 0-400 m , mittlere von 400–800 m, groſse von 800 - 1500 m. Das Einzeln - Schieſsen.
Die Entfernungen, auf welchen man ohne übermäſsigen Patronen-Aufwand Aussichten zu treffen hat, sind von der neuen Vorschrift folgendermaſsen festgesetzt:
200 m 300 m 450 m 600 m
gegen gegen gegen gegen
einen gedeckten oder liegenden Schützen, einen aufrechten oder knienden Schützen, einen einzelnen Reiter, ein Ziel, bestehend aus einer Gruppe von vier und
mehr Mann.
Für das Gras -Gewehr waren die drei ersten Grenzen ebenso
festgesetzt und auf 500 m die Grenze gegen eine einzelne und liegende Gruppe bestimmt. Das Abteilungs- Schieſsen. Seine Anwendung ist gerecht fertigt auf:
800 m gegen ein Ziel von der Frontbreite einer Gruppe, 1000 m gegen eine Linie von der Frontbreite eines Halbzugs,
1200 m gegen eine Linie von der Frontbreite eines Zugs oder Geschützzugs,
1500 m gegen ausgedehnte Linien, Pelotons- oder Compagnie Kolonnen , gegen Artillerie oder Kavallerie, 2000 m gegen Truppen in Marsch -Kolonne oder Sammel Formationen .
(Für das Gras -Gewehr waren die vier ersten Grenzen ebenso
festgesetzt und noch gesagt : » gegen Ziele in geschlossener Auf stellung « . )
Ausdrücklich wird indessen hervorgehoben, daſs die bier gege benen Grenzen nicht schroff inne gehalten werden müssen. Sind die atmosphärischen Verhältnisse günstig und das Einschieſsen leicht, dann kann ein Überschreiten stattfinden , andrerseits wird bei un
sicherem Einschieſsen und gegen teilweise gedeckte Ziele empfohlen, diese Grenz- Entfernungen nicht zu erreichen . Die Leitung des Feuers. Im Gefecht hält man Ziel-auf sitzen. Das zu wählende Visier hängt von dem Schätzen der Ent
fernung ab . Niemals darf man zu dem einzigen Zweck von den Geschoſs -Aufschlägen Nutzen zu ziehen, ein Visier nehmen , welches niedriger als dasjenige der Entfernung ist. Auf groſsen und mittleren Entfernungen beobachten Offiziere
und Unteroffiziere die Geschoſs-Einschläge sobald das Feuer begonnen
Die neue Schiefs - Vorschrift
197
hat. Wenn die Ergebnisse der Beobachtungen es notwendig machen , ändert man das Visier. Auf kleinen Entfernungen ist die Gestreckt heit der Flugbahn eine derartige, daſs die Feuerleitung genügend gesichert ist, vorausgesetzt, daſs man das Visier 400 m nimmt.
Bei der Beobachtung der Geschoſs - Einschläge ist dem Rechnung zu tragen , daſs bei einem gut gerichteten Feuer die Hälfte der Geschosse diesseits des Ziels einschlagen muſs.
Der von den Ge
schossen vor dem Ziel hervorgebrachte Staub ist daher kein Beweis für ein zu kurzes Schieſsen ; dagegen das Nichtvorhandensein von
Staub bei günstigen Boden -Verhältnissen ein sicheres Zeichen, daſs die Schüsse zu hoch gehen. Bei dem Schieſsen über 600 m muſs die gefährdete Strecke 200 m diesseits des Ziels beginnen . In wellenförmigem Gelände kann das Vorhandensein einer zwischen Ziel und Schütze liegenden Bodensenkung, deren Tiefe man nicht bemerkt, die Beobachtung der Geschoſs -Einschläge sehr schwierig machen. Wenn die Geschoſs -Garbe in diese Vertiefung einfällt, so wird nicht immer ein so hoher Staub entwickelt,
den Schützen bemerkt werden kann.
daſs er von
Man kann daher glauben,
daſs die Schüsse zu weit gehen, während in der That doch gerade das Gegenteil der Fall ist .
Wenn die Beobachter sehr auſserhalb der Flügel der feuernden
Truppe stehen, scheint ein zu kurzes, in der Richtung gutes Feuer dem rechts stehenden Beobachter links und dem andern rechts ein
zuschlagen. Umgekehrt scheint ein zu hohes, in der Richtung gutes Feuer dem rechts stehenden Beobachter rechts, dem andern links zu gehen . Notwendig ist es, diesen Ursachen zu Irrtümern bei der
Beurteilung der Geschoſs -Aufschläge Rechnung zu tragen. Die gleichzeitige Anwendung mehrerer Visiere gegen das gleiche Ziel vermehrt die Tiefe der gefährdeten Strecke aller dings zum Schaden der Dichtigkeit der Schüsse. Dieses Verfahren kann ausnahmsweise angewendet werden , wenn die Unsicherheit
über die wirkliche Gröſse der Entfernung 200 m erreicht oder überschreitet.
Der gleichzeitige Gebrauch mehrerer Visiere von Abteilungen, deren Stärke unter die des Zugs herabsinkt, ist verboten .
Der Einfluſs der Gestaltung des Bodens auf die Er gebnisse des Schieſsens.
Bei unebenem Boden wird die Tiefe
des von den Geschoſs- Garben bestrichenen und beherrschten Raumes
vermindert, wenn derjenige Teil des Bodens, auf welchem die Ge schosse einschlagen, zu der Visierlinie nach oben geneigt ist. Andrer seits vermehrt sich die Tiefe, wenn die Garben in eine Stelle, welche
für die französische Infanterie.
198
unterhalb der Visierlinie gelegen ist , einschlagen. Die Hauptleute, Bataillons -Commandeure und Befehlshaber gröſserer Einheiten müssen so viel als möglich folgende Empfehlungen beachten : Gegen eine Stellung des Feindes auf dem Höhenrand ist mit
Vorteil das Schützen - Feuer auf breiter Front anzuwenden, um hinter diesem Höhenrande soviel Gelände als möglich zu bestreichen und zu gefährden . Andrerseits, wenn man selbst eine Stellung dieser Art besetzt, läſst man die Unterstützungs- Trupps und die Reserven schmale Frontbreite einnehmen , ihren Platz hinter leeren Zwischen räumen , falls solche in der Schützenlinie vorhanden sind, oder hinter
natürlichen Deckungen im Gelände wählen.
Die verhältnismäſsige Wirkung des gegnerischen Feuers
auf die
verschiedenen
Formationen .
Alle
For
mationen werden nicht in gleicher Weise von dem Feuer des Feindes erreicht.
Die einen
werden es schon auf 2000 m
vom
Feinde,
andere erst auf geringeren Entfernungen . Man wird gewisse Formationen auf Entfernungen verlassen, auf welchen sie sehr der Wirkung des Feuers ausgesetzt sind, und andere einnehmen , bei welchen dies in minderem Maſse der Fall. Die Kenntnis genauer Angaben über die Wirkung des Feuers auf verschiedene Formationen erlaubt nicht allein die Wirksamkeit des
Feuers zu vermehren, sondern auch , sich zum Teil gegen die Feuer
Wirkung des Gegners zu schützen. Auf Entfernungen über 700 m wird ein einzelner Mann nur ausnahmsweise getroffen. Zwischen 400 und 700 m ist der Munitions Aufwand , um ein solches Ziel zu erreichen , noch beträchtlich. Der
kniende Mann ist ungefähr ebenso leicht zu treffen als der stehende. Die Formationen in Linie sind auf umsoviel gröſseren Ent
fernungen der Feuerwirkung ausgesetzt, je breiter ihre Front ist. Die Gruppe ist auf mindestens 1000 m zu treffen. Die Wirkung beim Halbzug beginnt ungefähr auf 1200 m , diejenige auf den Zug auf etwa 1400 m , auf das Peloton auf etwa 1600 m und auf die
Compagnie auf etwa 1800 m . Von 1300 m an sind Züge im Flankenmarsche erreichbar.
Zwischen 1300 und 1000 m wird dieses Ziel weniger getroffen, als die Linien - Formationen , vorausgesetzt, daſs es nicht zu sehr von der Seite gefaſst wird .
Die Kolonnen - Formationen sind diejenigen, welche den bedeutendsten Verlusten ausgesetzt sind . Die Pelotons - Kolonne ist von 1800 m , die Compagnie-Kolonne von 2000 m an zu fassen. Die hier auseinandergesetzten Regeln zeigen den Wert des
Die neue Schieſs - Vorschrift u. 8. W.
199
Feuers und die Ergebnisse, welche man erwarten kann, wenn das Feuer gut geleitet und mit der gewünschten Geschwindigkeit ab gegeben wird . Es muſs jedenfalls daran erinnert werden, daſs diese Geschwindigkeit nicht auf Kosten der Genauigkeit des Feuers er zielt wird.
Um unsere Bemerkungen gleich mit dem letzten Satze der französischen Vorschrift zu beginnen, heben wir hervor, daſs dies fast die einzige Stelle derselben ist, welche vor einer Übertreibung des Schnellfeuers warnt. Im sonstigen Inhalt läſst die Vorschrift eine bedeutende Vorliebe für das Schnellfeuer erkennen, welche der früheren nicht eigen war. Letztere verlangt Feuerpausen, langsame
Ausführung des Schützen-Feuers u. s. w. , Dinge, welche die neue Vorschrift nicht mehr kennt.
Eine bemerkenswerte Neuerung ist die Einführung des Feuers in der Bewegung , über dessen Nutzen sich streiten läſst.
Die
Neu - Ausgabe des französischen Exerzier-Reglements im Mai 1887 enthielt noch den Satz : » Le feu est toujours exécuté de pied ferme.
Pipin « wurde dem verbaſsten Feinde entrissen .
Freitag, an einem schönen stillen Sommermorgen, kam Ports . mouth in Sicht, und die beiden Flotten trieben in Sehweite von einander vorbei.
Allein während am Bord der einen Kleinmut und
üble Ahnungen rasche Fortschritte machten, gingen bei den anderen die Hoffnungen hoch, und man hegte keinen Zweifel mehr an dem
endlichen Ausgang des Abenteuers. Manche der jungen spanischen Adligen hatten genug davon, und verlieſsen vielleicht in Rücksicht
auf den etwaigen Ausgang die Flotte ; die Enttäuschung der Angreifer trat rasch ein. Der Herzog entsandte Botschaften an den Prinzen von Parma, und forderte ihn auf wenigstens 40 kleine Schiffe zu senden, um es mit den rasch segelnden englischen Fahrzeugen aufzunehmen, da der schwere Bau der spanischen Schiffe und die Leichtigkeit der ihrigen es unmöglich machten, sie zum Nahkampf zu bringen.
Schon seit Tagesanbruch waren Vorbereitungen zu einem groſsen
Unternehmen am Bord des Ark Royal im Gange. Manche der groſsen englischen Edelleute trafen an diesem Morgen auf der Flotte ein, und die höchste Gunst, welche der Lord Admiral verleihen
konnte, war die, denjenigen Offizieren zugeteilt zu werden , die ihn in der letzten Woche so gut unterstützt hatten. Lord Thomas
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
208
Howard, Lord Sheffield und Roger Townsead nebst John Hawkins und Martin Frobisher erhielten die Ehre des Ritterschlages für ihr tapferes Benebmen und ihre ruhmvollen Thaten . Es wurde be
schlossen, den Kampf nicht wieder zu beginnen, bis der Feind in die Straſse von Dover (Pas de Calais) eingelaufen sei, und auf weitere Ergänzungen an Pulver und Geschossen und die Verstärkung durch das Geschwader unter Lord Henry Seymour und Sir William Winter zu warten und dann » ein Ende mit ihm zu machen « .
Nach
dieser Schilderung der Thaten der englischen Seeleute muſs es völlig einleuchten, daſs es ganz ebenso thöricht sein würde, den Seesieg von Trafalgar dem Wetter zuzuschreiben, wie die Siege, welche von den englischen Seehelden von 1588 gewonnen wurden . Die Kämpfe, welche hintereinander stattfanden , können nur dazu dienen diese Ansicht zu bekräftigen.
-
Am Samstag war ebenfalls ein schöner Tag mit leichter Brise, und die Armada ankerte gegen 5 Uhr Nachmittags auf der Rhede von Calais. Am selben Abend lieſs Lord Howard seine Schiffe in
den Downs vor Anker gehen, und bewillkommnete Seymour und Wynter, die mit dem » Geschwader der kleinen Seen « eintrafen . Hierdurch wurde die englische Gefechtsstärke auf nahezu 50 schwere
Schiffe gebracht, während die demoralisierten Spanier höchstens 10 mehr zählten .
Von Parma traf ein Bote bei Sidonia ein , um
zu
verkünden, daſs er froh sei, daſs die Armada endlich ankäme, allein er zeigte keine Aussichten , daſs er im Stande sei, selbst viel zu thun . Anch ist nicht einzusehen , wie das geschehen sollte, während die
Engländer die Herrschaft zur See hielten, und noch keine Anzeichen dafür vorlagen, daſs sie sie verloren hätten. Wie es heute ist, so war es damals; eine Invasion in England ist dank dem » Silberstreifen « eine Unmöglichkeit , so lange England eine
Seemacht im Kanal hält , die stark genug ist , die an greifende Flotte zu schlagen.
Am Sonntag Morgen wurde im Kriegsrat der englischen Flotte beschlossen, Brander zur Vernichtung des Feindes zu verwenden . Es wurden daher mehrere Boote mit Brennstoffen gefüllt und für
ihre Aufgabe bereit gemacht. Bis zu einem gewissen Grade läſst sich die Lage nach den Berichten der Augenzeugen schildern. Es war stark dunkele und trübe Nacht, die Flut lief kanalaufwärts; Verzweifelung war bereits das vorherrschende Gefühl in der spanischen Flotte, die meisten ihrer Soldaten waren nach dem Kampf der letzten Woche erschöpft. Die Matrosen , die in verhältnismäſsig geringer Anzahl vorhanden 14 *
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
209
waren, waren fast alle getötet oder verwundet ; diejenigen , die un verwundet waren, suchten die Ruhe einer guten Nacht vor Anker zu genieſsen, um sich für die harte Arbeit, die wie sie wuſsten
Plötzlich ihnen noch bevorstand , vorzubereiten. Plötzlich
wurde allarmiert
und als sie auf Deck stürzten, um über die Schanzverkleidung nach dem Feinde zu sehen , kamen die flammenden Schiffe mit dem Winde
nabe, mit angebundenen Steuerrudern, mit brennenden Zundern und
feurigen Zungen , die vom Takelwerk leckten und von Segel und Sparren wehten , unter hin und wieder stattfindenden Explosionen ;
dieser Anblick muſs unter den spanischen Soldaten Schrecken ver breitet haben.
Es ist daher nicht zu verwundern , daſs die gröſste
Verwirrung unter den entmutigten Geschwadern herrschte . Einige der Schiffe wurden verbrannt, einige stieſsen zusammen , Sparren und Schanzverkleidung zerbrechend, andere trieben gegen die Bänke von Dünkirchen ab, und die mächtige Capitana der Galleonen, die auf
den Hafen von Calais hielt, trieb auf eine Sandbank. Obgleich die groſse Masse der Schlachtschiffe sich bei Tagesanbruch um das Flaggschiff sammelte, war die Armada nicht wieder in der Ver fassung in Übereinstimmung zu agieren .
Aber jetzt am Montag, den 29. Juli, versammelte der Herzog von Medina Sidonia die Überbleibsel der Armada um sich, und be reitete sich zum Endkampf vor.
Der Wind blies stark aus Nord
westen , gerade hinüber zu den flämischen Bänken und jedes kampf
unfähige Schiff war fast gezwungen auf den Strand zu laufen. Er formierte daher seine Schiffe in einem Halbmond, dessen Spitzen
gegen die Nordsee wiesen, und gegen den Wind ankämpfend, ent
schloſs er sich, wenn er nicht zu siegen vermochte, wie ein tapferer spanischer Edelmann zu sterben . Durch Wind und Flat begünstigt, kamen die Engländer heran , nicht länger sich entfernt haltend, sondern wie eiu Arkebusenschuſs hereinbrechend und ihr Schüsse in
nächster Nähe abgebend, als sie die spanische Linie völlig durch brachen.
Howard und Hawkins, Sheffield und Cumberland liefen ins
Centrum, während Drake und Fobisher das südliche, Seymour und
Wynter das nördliche Horn des Halbmonds umfaſsten . Bis um 3 Uhr Nachmittags tobte die Schlacht. Die Spanier wurden voll ständig geschlagen , Philipps Macht zertrümmert und die britische Seeherrschaft fest begründet. Wie viel spanische Schiffe im Kampf dieses Tages zerstört wurden , ist unbekannt. Der Lord Admiral giebt an, daſs 3 ge
sunken sind, und 4 oder 5 auf den Strand gelaufen.
Die spanischen
Berichte heben hervor, daſs die Schiffe Don Franciscos de Toledos,
Die Niederlage der spanischen Armade 1588.
210
Don Diego Pimentals und Don Diego Enriquez jetzt völlig zu Grunde gerichtet und undienstfähig waren , da der gröſste Teil ihrer Besatzung tot oder verwundet war. Der San Filipe und San Mateo liefen an der niederländischen Küste an Land, und der San
Juan de Sicilia sauk angesichts eines englischen Kriegsschiffs, als er gerade zur Prise gemacht werden sollte. Was die groſse Galleasse auf der Bank bei Calais betrifft, so wurde dieselbe von den kleinen Booten des Ark Royal, der Margaret und des John und anderer
Schiffe genommen : Ihr Kapitän, Don Hugo de Monçada, lieſs sein Leben bei einem vergeblichen Versuch, den Enterern zu widerstehen , die von einem Richard Tomson von Ramsgate geführt wurden . Die Engländer plünderten das Schiff, doch der Rumpf fiel dem Gouverneur von Calais zur Beute.
Am Dienstag, den 30. Juli, waren die Engländer scharf an der Verfolgung und früh am Tage trafen sie auf die zertrümmerten Überbleibsel der Armada. Der San Martin, Sidonias Flaggenschiff, hatte viele Schuſslöcher zwischen Wind und Wasser, und fast alle
Galleonen, die er um sich sammeln konnte, waren in noch schlechterer Verfassung, die Steuerlente machten den Herzog darauf aufmerksam , daſs wenn der Nord- Westwind anhielte, es unmöglich sei zu ver
hindern , daſs die ganze Armada auf die Bänke an die Küste von Zeeland liefe und , sagt ein spanischer Geschichtsschreiber : »da die
Engländer sahen, daſs die Armada auf dem Punkt war, Wrack zu werden, so standen sie vom Angriff ab. « Man kannte jedoch die Thatsache, daſs es Mangel an Pulver und Geschossen war, welcher sie verhinderte, ihren Sieg völlig auszunutzen. Jedoch als die Spanier in einem Fahrwasser von aus 6 '/ Faden Tiefe waren, gefiel es dem Höchsten den Wind Westsüdwestwärts zu wenden, und sie
entkamen ohne ein Schiff zu verlieren . Der Herzog rief darauf seine Offiziere zusammen, um ihren Rat zu hören, was zu thun sei, und
alle Mitglieder des Kriegsrats stimmten darin überein, die Armada müsse wieder in den Kanal zurückkehren , wenn das Wetter das gestattete, wenn nicht, müsse sie durch die Nordsee die Rückfahrt
nach Spanien antreten. Mit dieser Beruhigung ihrer Gewissen segelten sie in nördlicher Richtung und die Engländer überlieſsen sie der Einwirkung der Elemente.
Die unbesiegliche Armada »kam « , wie die Engländer sagten, > sah und floh ,« jedoch keineswegs ohne eine glänzende Reihe helden mütiger Kämpfe unter Entwickelung der hohen spanischen Tapferkeit geliefert zu haben, welche ihr Vaterland Jahrhunderte hindurch zu
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
211
Lande und zur See so berühmt gemacht hatte. Die Fehler dieser
gewaltigen Flotte, wahrscheinlich der gröſsten, welche die Welt je gesehen, lagen in ihrer schwerfälligen Bauart, ihrer Überfüllung mit Mannschaften , und in ihrer dem Gegner unterlegenen Geschütz
ausrüstung, und dadurch den schnellen kleinen englischen Schiffen
gegenüber, die mit rascher feuernden gröſseren Geschützen versehen waren , mangelhafter Seetaktik ; Fehler, die ausschlieſslich den Orga
pisatoren dieses für den protestantischen Norden so verhängnisvollen Unternehmens, also der Regierung König Philipps II. , zur Last gelegt werden müssen .
Wohl im Bewuſstsein der eigenen auf ihm
lastenden Verantwortung mochte daher Philipp II. dem Herzog von Medina Sidonia bei seiner Rückkehr nach Spanien, wenn auch seine
Fehler nicht eingestehend nicht ohne Gröſse, sagen : »Herzog, ich habe Sie ausgeschickt gegen Menschen zu kämpfen, nicht gegen die Elemente !
Der Rest der Geschichte der von Miſsgeschick verfolgten Unter nehmung ist daher nur eine Schilderung der Schwierigkeiten, Ge fahren und Schicksalsschläge, welche ihre Überbleibsel verfolgten , als sie versuchten , die schottischen und irischen Küsten bei ihrer
Rückfahrt nach Spanien zu umsegeln . Thomas Fenner, der ihr bis zum Firthof Forth folgte, und am 4. August die Verfolgung mit einigen Pinassen fortsetzte, um ihre ferneren Bewegungen im Auge zu behalten, berichtet ihre völlige Demoralisation. Als der Sturm wuchs, hielt Niemand an, um einem Gefährten beizustehen ; viele scheiterten in der Nordsee, oder litten an der schottischen Küste
Schiffbruch, mehr noch erlitten an den irischen Felsen Havarie. Von den Schiffen , welche den Tajo verlieſsen, kehrte kaum die Hälfte zurück, von den 30,000 Mann, welche auf der Armada segelten , kam kaum ein Drittel wieder nach Hause. Was die Kugeln der
Engländer nicht erreichten, wurde ein Opfer von Wind und Wellen , der Felsen und Untiefen , von Hunger und Durst, oder der wilden Bewohner Irlands.
Dies war das tragische Ende einer Unternehmung, die seit
12 Monaten England so gefährlich bedroht hatte. Nie vordem war die englische Nation einer anscheinend so drohenden und furchtbaren Gefahr ausgesetzt gewesen. Die Lehren dieses Ereignisses senkten sich tief in die Herzen des Volkes jener Zeit. Ihre Wichtigkeit wird durch die drei Jahrhunderte, die seitdem vergangen sind, nicht ab
geschwächt. Die Niederlage der Armada lehrte Freund und Feind zugleich, daſs die britischen Küsten unantastbar sind, so lange die britische Flotte genügend leistungsfähig ist. Die Gefahr wurde
Die Niederlage der spanischen Armada 1588.
212
zweifellos durch die Zauderer der Unklugheit und schwankeude Politik der englischen Behörden vermehrt. Es ist ein hinreichender Kommentar zum Stande der Dinge an der englischen Küste, daſs die Vorbereitungen zum Schutz der Themse nicht einmal am Tage des Kampfes von Graselines vollendet waren . Zu dem Zeitpunkt wo die Königin Elisabeth über ihre Truppen bei Tilbury Revue abhielt, war
die Armada ein zersprengter und geschlagener Feind. Der britische Historiker Langhton hebt hervor, daſs es zu jener Zeit nicht möglich war, die englischen Schiffe noch handlicher, wetterfester und schwerer armiert zu machen wie sie es waren.
Diese Vorteile verdankte man
der Vorsicht und dem Unternehmungsgeist der englischen Flotten
Befehlshaber, und ihre Schuld war es nicht, daſs jene denkwürdigen Schlachten geschlagen und die Vernichtung des Feindes durch See leute berbeigeführt wurde, deren Sold unbezahlt war, die halb verhungert und kläglich mit Kriegsmunition ausgerüstet waren. Wohl mochte die Königin im Staatsprunk einem öffentlichen Dankgottesdienst in der Paulskirche beiwohnen , wohl mochten Ge
bete und Lobgesang zum Dank für des Höchsten Gnade emporsteigen. England war sich selbst treu geblieben , und keine politischen oder Religionsstreitigkeiten waren im Stande gewesen die nationale Einigkeit zu erschüttern . Dem tüchtigen Verhalten seiner Söhne war der Schutz der Insel anvertraut worden, und unter dem Beistand der Vorsehung hatten sie in edeler Weise der auf ihnen ruhenden Verantwortung entsprochen .
XV.
Betrachtungen
über den Entwickelungsgang der Vorschriften für den Marsch der Infanterie. Angesichts der Einführung eines neuen Exerzier -Reglements für die Infanterie möchte es nicht ohne Interesse sein , einen Rückblick über die allmähliche Entwickelung und Einführung der
jenigen Vorschriften zu gewinnen , die bisher den Marsch der In fanterie — sowohl den Einzelmarsch wie den Marsch der geschlossenen Truppe – regelten. Möge es daher die Aufgabe der nachfolgenden Zeilen sein, dieses an und für sich vielleicht etwas trockene Thema
dem geneigten Leser übersichtlich und anregend vorzuführen , be trifft es doch einen Zweig unserer praktischen Thätigkeit, der nicht allein als die Grundlage, sondern geradezu als einer der taktischen
Grundpfeiler unserer ganzen infanteristischen Ausbildung angesehen werden muſs, und weiſs doch ein Jeder , wie der Marsch stets und 7
überall ein Prüfstein für die gute Ausbildung der Truppe bleiben wird .
Das Element alles Marschierens ist der nach Zeit und Raum
abgemessene Schritt. Aus einem Vergleich der zur Zeit in den verschiedenen Armeen gültigen Vorschriften * ) geht hervor, daſs wir augenblicklich zwar noch das langsamste Marsch - Tempo haben, daſs wir jedoch dafür einen gröſseren Schritt machen. Wenn unser Soldat also in einer Minute auch nur 89,60 m gegen 90 m des Ausländers zurücklegt , so braucht er doch andererseits dur ។
*) Die Schrittlänge und Marschgeschwindigkeit nach den gegenwärtig gültigen Reglements.
Schrittlänge: Schritte in der Minute : Deutschland :
.
0,80 m 0,80 m
112
Schnellschritt Laufschritt
1,00 m
165-170
Schritt
120
Betrachtungen über den Entwickelungsgang u. &, W.
214
125 Schritte , gegen 133 '/3 des Ausländers , zu machen , um eine Strecke von 100 m zurückzulegen. Unser Reglement verfolgt jeden falls hierbei sehr richtig den schon im Reglement v. J. 1812 aus
gesprochenen Grundsatz für den Marsch, mit möglichster Schonung des Soldaten Terrain zu gewinnen , wozu die Vergröſserung des Schrittmaſses entschieden mehr geeignet ist, wie die Beschleunigung des Zeitmaſses. In marschiert und wenn
früheren Zeiten wurde
überall
langsamer
unser Reglement der allgemeinen Marsch Beschleunigung auch schon bis zu 112 Schritten in der Minute gefolgt ist , so genügte dies doch Vielen bei uns noch nicht, sondern
es wurden immer wieder Stimmen laut , die auch bei uns einen schnelleren Schritt für notwendig erachten . Eine gewisse Neigung hierzu muſs in der Praxis schon früher bestanden haben , denn eine
Allerhöchste Kabinetts-Ordre vom 28. April 1863 betont am Schluſs ausdrücklich : » ... Ich wiederhole dabei von Neuem , daſs bei allen sonstigen taktischen Bewegungen die vorschriftsmäſsige Kadence von
112 Schritten in der Minute und die bestimmungsmäſsige Ausdehnung des Schrittes von 2 Fuſs 4 Zoll genau festzuhalten ist und nicht Schrittlänge : Schritte in der Miuute : pas accéléré
Frankreich :
pas de charge
120 0,75 m 140, néanmoins 0,75 m ce pas est employé dans des circonstances
telles, qu'il faudra souvent exiger du soldat toute la vitesse, qu'il peut donner. pas gymnastique 0,80 m
170-180
le pas de route n'est pas cadencé; sa longueur et sa vitesse sont variables. Le kilomètre
peut être parcouru habituellement en douze minutes, et par une troupe bien entraînée, en onze minutes.
pas en arrière 0,35 m Infant .- Schritt ( passo ) 0,75 m
Italien :
120 120
Schritt bei den Bersag lieris (p . di bersaglieri ) 0,86 m Laufschritt (passo di corsa) 0,90 m
beiden bersaglieri 1,00 m corsa veloce unbegrenzt, aus vollen Kräften. Österreich :
Laufschritt
m 0,75 m 0,75 m 0,90 m
Schritt
0,71 m ( 1 Arschine) 116-120
Laufschritt
1,06 m ( 1 ' /2
Schritt
0,75 m
120
Schritt
0,75 m
120.
Schritt Schnellschritt
Russland :
England : . Spanien :
.
.
140 170 180 115--118 125 -- 130 150-160
) 170-180
Betrachtungen über den Entwickelungsgang .
215
überschritten werden darf. Auch der ungenannte Verfasser einer Broschüre v. J. 1869 *) beklagt sich sehr drastisch über » das Gerenue durch die Straſsen mit atemloser Musik und Nachhaspeln der letzten Sektionen , blofs um eine gröſsere Beweglichkeit zu affektieren .«
In einer neueren Reglementsstudie wird sogar die Geschwindig keit von 112 Schritt als »dem ganzen Charakter unserer heutigen
Ausbildung widerstrebend « bezeichnet und eine Geschwindigkeit von 116 Schritt für » dringend wünschenswert« erachtet. Dem gegen über möchten wir die Ansicht aussprechen, daſs es wohl sehr an gebracht wäre, wenn für die Bewegungen der Kompagnie-Kolonnen und für die Parademärsche eine schnellere Schrittfolge reglement mäſsig festgesetzt würde , daſs es im Übrigen aber bei dem ge schlossenen Exerzieren zweckmäſsig sein möchte , an dem jetzt vor geschriebenen Zeitmaſs von 112 Schritt festzuhalten und auf keinen Fall zu einem schnelleren überzugehen . Letzteres vornehmlich aus dem Grunde nicht, um gerade ein wirksames Gegengewicht gegen den » ganzen Charakter unserer heutigen Ausbildung «, die bei ihrer
Vielseitigkeit leicht zur Übereilung verführen kann, zu haben und dem wirklichen Zweck des » Schul « -Exerzierens gründlicher nach kommen zu können , denn dieses ist doch nur Mittel zum Zweck,
und je gründlicher der Mann den langsameren Schulschritt übt, desto leichter wird ihm der schnellere Schritt bei den Gefechts
formationen werden , d. h. umsoweniger wird ihn dieser angreifen. Bei dem »Mittel« darf die Rücksicht auf Schonung zurücktreten, bei dem » Zweck « nicht , und der Satz , mit möglichster Schonung des Soldaten Terrain zu gewinnen , ist sicherlich nicht für den Exerzierplatz, sondern für das Terrain berechnet.
Wollen wir nun mit unserem Rückblick da beginnen , wo die ersten Anfänge einer geregelten Elementar - Taktik zu erkennen sind, so müssen wir uns zuerst wieder einmal an die alten Griechen und
Römer wenden.
Schon bei ihnen kommt die auf diesen Zweig der
militärischen Ausbildung verwendete Sorgfalt zum Ausdruck. Sie Die Hopliten setzten sich beim Angriff, den Spieſs auf der rechten Schulter, in einen Marsch, hatten bereits eine Art Gleichschritt.
der in rhythmischer Bewegung entweder nach dem Takte der Lyra oder dem Klange der Flöte fortgesetzt wurde. Auf etwa 200 Schritt vom Feinde wurde das Kriegsgeschrei diará ŽNÉ EU erhoben und mit gefällten Spieſsen unter Trompetengeschmetter gegen den Feind angelaufen. Die angreifende römische Legion blieb bis auf 240 Schritt *) Über die Ausbildung unserer Infanterie. E. S. Mittler & Sohn. 1869.
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie .
216
gegen einen vorrückenden , bis auf 120 Schritt gegen einen stehenden Feind in ruhigem Gleichschritt : certo gradu , alsdann ging sie in den Sturmschritt, cursus , über. Bezüglich der Ausbildung der Rekruten heiſst es bei den Römern , daſs der Rekrut zuerst den Gleichschritt erlernen müſste, um Reihe und Glied halten zu können .
Es gab einen gewöhnlichen und einen Eilschritt, gradus militaris beziehungsweise plenus, und muſsten bei ersterem 20,000 Schritt, bei letzterem 25,000 Schritt in 5 Stunden zurückgelegt werden. In späterer Zeit wurde die Marschgeschwindigkeit bei Gelegenheit von Übungsmärschen mit Hülfe der Meilensteine an den Landstraſsen geprüft.
In der Regel muſste jeder Truppenteil drei Mal im Monat
gröſsere Übungsmärsche in voller Kriegsausrüstung machen, bei denen auch einzelne Strecken im Laufschritt zurückgelegt wurden. Namentlich in Rücksicht auf die schwere Kriegsausrüstung des römischen Soldaten muſs die Marschleistung eine ganz vorzügliche gewesen sein.
Zwar gehen die Angaben über die Schwere des
Gepäcks sehr auseinander, doch wird als Thatsache angenommen , daſs sie zeitweise 60—65 Pfd. betragen hat. Auſser den Waffen trug nämlich der Soldat Mundvorrat für längere oder kürzere Zeit, zuweilen sogar bis zu einem Monat, ferner Kleidungsstücke , einen Becher, einige Koch geschirre und, was die Hauptsache war, einen oder mehrere Schanz pfähle, valli, für die unerläſsliche tägliche Lagerbefestigung. Ein Teil
der Mannschaft hatte auſserdem noch das notwendige Arbeitszeug, wie
Spaten, Beile u. 8. w. zu tragen, so daſs eine lange Übung erforder lich war, um mit solchem Gepäck marschieren zu können .
Fremde
Hilfsvölker sollen sich hierzu überhaupt als wenig geeignet erwiesen haben und müssen namentlich die Griechen sehr bald entartet sein ,
denn schon Polyb sagt bei Besprechung der Schanzpfähle der Römer von seinen Landsleuten die Griechen , welche beim Marschieren
kaum ihren eigenen Leib fortzuschleppen vermögen, tragen nur mit Mühe jede andere Last. « Marius führte bekanntlich zur Erleichterung eine Stange mit einem Querbrett ein , an welches das Handgepäck bündelförmig geschnürt wurde, so daſs es bequemer getragen werden konnte.
Wie es gewöhnlich heiſst, wurde diese Einrichtung von
den Soldaten scherzweise der marianische Esel genannt, ähnlich wie bei uns der Ausdruck Affe für Tornister gebräuchlich ist, doch sei dahingestellt, ob dies zutreffend ist, wenigstens berichtet Flemming auf Seite 87 § 7 seines Buches » der Vollkommene Teutsche Soldat« V. J. 1726 etwas anderes, denn dort heiſst es : » Wir können kaum begreifen , wie sie so bepackt , so groſse Tagereisen thun können,
daher die Spaniolen des Marii Soldaten Maul-Esel nenneten. «
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
217
Nähere Angaben über die Einzel -Ausbildung lassen sich nicht herausfinden, auch kann von einem geschlossenen Exerzieren im Trupp , in dem Sinne wie heute , nicht die Rede sein , wenngleich verschiedenartige Aufstellungen , geöffnete und geschlossene, sowie Formationen und Bewegungen ähnlich unseren Sektions -Kolonnen , dem Reihenmarsch, Contremarsch u . s. w. gebräuchlich gewesen sind. In der späteren Zeit, besonders in Folge der Völkerwanderung, verwischt sich jede Spur einer geregelten Elementar - Taktik, mithin auch die einer Ausbildung im Marschieren . Bis tief in das Mittel alter hinein lag die Kriegskunst arg danieder. Der Ritter erscheint und beherrscht fast ausschlieſslich das Schlachtfeld , und zwar um
so länger , je mehr die Eigentümlichkeit desselben , sowohl zu Fuſs wie zu Pferde zu kämpfen, allgemein Sitte wird und sich über ganz Europa verbreitet. Das eigentliche Fuſsvolk konnte zu jener Zeit nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Auch von einer groſsen
Revolution « in Folge der Erfindung des Schieſspulvers, wie es häufig heiſst, kann gar keine Rede sein, denn wie alle Erfindungen zeigte sich auch die des Feuergewehrs anfänglich sehr unvollkommen und
mangelhaft. Haben doch die eifrigsten Anhänger der Folard'schen Schule bis in das 18. Jahrhundert hinein den Wert des Artillerie
feners bestritten und für Wiedereinführung der Katapulten gewühlt,
so daſs selbst Scharnhorst hiergegen Stellung zu nehmen für not wendig hielt, wie sein Biograph Max Lehmann berichtet. Beren horst, dessen Betrachtungen zur Kriegskunst soweit sie lediglich die Verhältnisse und nicht die Personen berühren zum Teil als treffend
wohl angesehen werden können , schildert die taktischen Zustände
jener ersten Periode nach Erfindung des Schieſspulvers mit folgenden drastischen Worten : » Gröſsere oder kleinere , ohne viel Menschen verstand ab- und eingeteilte Scharen , mehrenteils zu Roſs, hatten
sich bisher, wenn sie aufeinander stieſsen, herum gehauen , gestochen, mit Morgensternen und Streitäxten die Schädel eingeschlagen : jetzt schossen sie sich auch noch herum , aus Feuerröhren und Donner
büchsen ; wer nicht mehr stehen mochte , riſs aus. Die Partei, welche Herz genug hatte, länger zu beharren, und Leibesstärke genug , der anderen durch Handhabung der Schlachtschwerter und
Tummeln der Steithengste zu viel zu schaffen zu machen , behielt den Platz.
Auf diese Weise rauften sich die Bewohner Europen's
an der Loire, an der Themse, sowie am Rhein .
Auch später, als
die Zahl der Geschütze schon merklich zunahm und diese auch
besser zu wirken begannen , änderte sich nicht viel hieran, was sich
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
218
Berenhorst durch die sonderbare Bemerkung erklärt, das Knallen der Geschütze habe das Denkvermögen betäubt. Bekanntlich bat sich in jenem langen Zeitraume das Waffen handwerk bis zur höchsten Blüte entwickelt, denn nur körperliche
Gewandtheit, Leibesstärke und persönlicher Mut brachten wie in den frühesten Zeiten auf dem Schlachtfelde die Entscheidung. Es bleibt nur zu untersuchen , wie diese Fähigkeiten gelernt und gelehrt wurden , und ob das Marschieren hierbei als Ausbildungs
mittel oder als elementare Form irgend eine wesentliche Rolle ge spielt hat. Letzteres muſs verneint werden . Das Beispiel der Alten , die neuen Soldaten abzurichten und einznüben war überhaupt
in Vergessenheit geraten, wurde wenigstens nicht nachgeahmt; viel leicht aus dem Grunde , weil das Waffenhandwerk gewissermaſsen
zur selbstverständlichen Beschäftigung eines jeden wehrhaften Mannes, namentlich in Deutschland, geworden war und Zusammenübungen in gröſseren vereinigten Verbänden andererseits nicht üblich waren , denn auch die Turniere und Torneamenta jener Zeit können nicht als solche angesehen werden . Zu einer Bedeutung und Geltung gelangt erst nach und nach das Fuſsvolk der Städte , jedoch kann
auch hier mit Rücksicht auf die Aufgaben eines solchen städtischen Fuſsvolks, sowie in Anbetracht der eigentümlichen Ausbildung, die zunftgemäſs oder in Fechtschulen stattfand , von einer Fuſsvolks taktik noch nicht die Rede sein.
Noch bei den Schweizern fielen
Schlachtordnung und Marschordnung in Gestalt groſser Haufen zu sammen .
Sie
kannten
zwar
rottenweises
Abbrechen
und Auf
marschieren , bildeten aber für den Angriff groſse hohle Vierecks, oder in der Defensive das Kreuz.
Ebenso blieb bei den Lands
knechten der groſse Haufen die taktische Einheit , Fähnlein und Regiment waren administrative Begriffe. Von der Marschordnung der Landsknechte heiſst es, daſs der groſse Haufen sich meist regel
los hinwälzte, und von dem Angriff, daſs derselbe in einen fort währenden Einzelkampf der vorderen Glieder ausartete , indem
seitens der hinteren Glieder des groſsen Haufens ein unablässiges Drängen, Schieben und Stampfen nach vorwärts erfolgte. Aus diesen Gründen sind deshalb auch Vorschriften für die Einzelausbildung,
abgesehen von den für die Handhabung der Waffen bestimmten , nirgends zu finden . Bei den Söldnerheeren muſste jeder An geworbene im Gebrauch seiner Waffen unterrichtet sein , sonst
wurde er, wenigstens in den früheren Zeiten des Şöldnertums, über haupt nicht angenommen und erst später, als man froh sein muſste Leute zum Einstellen zu bekommen , entstand das Bedürfnis , die
219
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
Soldaten bei der Truppe abzurichten und auszubilden.
Es geschah
dies jedoch lange Zeit nicht durch die Führer, die Offiziere, sondern durch besonders angestellte Exerzier- oder Exerzitien-Meister, später ein Titel, der auch hohen Offizieren zu Teil wurde.
Noch Monte
cuculi sagt von seiner Zeit: „Bei den Regimentern giebt es Exer citien -Meister, welche die Griechen ehedessen Tacticos nannten , und die Deutschen >> Triller « heiſsen ; allein es wäre besser, wenn die
Offiziere ihren Soldaten die Exercitia theoretice und practice selbst beibringen könnten. « Dabei war um jene Zeit die Ausbildung des einzelnen Mannes schon eine sehr vielseitige geworden , auch das Exerzieren im Trupp überall eingeführt, jedoch umfaſste letzteres nur solche Bewegungen wie : Richten, Wendungen , Schlieſsen , Rückwärtsrichten , Aufschlieſsen u. A. Auch die Schritte wurden hierbei eingeübt, doch waren dies nur jene, die lediglich der Zier lichkeit« halber gemacht wurden .. So erforderte z. B. der Griff »Gewehr auf « 9 Tempos und 3 Schritte, so daſs, wenn man eine Abteilung Soldaten exerzieren sah , dies den Eindruck gemacht haben soll, als ob sie eine Menuet tanzten .
Die Aufstellung war bis zum Anfang vorigen Jahrhunderts je nach dem Zweck eine verschiedene, entweder zu 6 oder 4 Gliedern, nur die Grenadiere, - von denen Flemming ( 1726] sagt, daſs sie >nicht weibisch, sondern furchtbar « aussehen muſsten , von schwarz
braunem Angesicht, schwarzen Haaren, mit einem starken Knebel bart, auch nicht leicht lachen oder freundlich thun durften
-
rangierten zu 3 Gliedern . Zum Marschieren wurde nach rechts, nach links oder nach der Mitte bis an die Ellenbogen angeschlossen,
jedoch mit 4 Schritt Gliederabstand und in Pelotons abgebrochen , oder man stellte die Marschordnung durch einfache Wendung her. Für die komplizierten Wendungen und das Antreten zum Marsch findet man meistens einen bestimmten Fuſs, entweder den rechten oder linken, vorgeschrieben , so daſs ein Gleichschritt innerhall) der
Glieder zweifelsohne gebräuchlich gewesen ist , was auch die aus
jener Zeit stammenden Zeichnungen und Abbildungen zu bestätigen scheinen .. Von einem genauen Tritt Halten der ganzen Abteilung während des Marschierens wird dagegen nirgends gesprochen. Auch Flemming erwähnt dies nur beim Herumschwenken. Auf Seite 146 § 6 sagt er : » Die Gefreyten und Gemeinen müssen vornehmlich sich in Gliedern und Rotten fein regulair und vorwärts schwenken ; das Gewehr hoch und egal tragen ; mit steifen Knien und geraden Schenkeln, Schritt vor Schritt, in einer Distance gleich marschieren ; im Marschieren sich nicht umsehen , Tobak rauchen oder plaudern ;
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
220
sich gehörigen Orts, mit geschlossenen Divisions sowohl als mit defilierenden Gliedern, richtig schwenken, einen gleichen Schritt mit einander antreten und Tact haltend beständig continuiren .« Von den Unteroffizieren sagt er an einer anderen Stelle : » sie haben die Distance genau zu observiren, einen egalen Marsch beständig zu halten, weder durch allzu langsames, noch eilendes marschiren, oder auch durch stille stehen, solchen nieht unanständig zu machen . «
(S. 224.] Bestimmte Vorschriften für das Tritthalten beim Angriff lassen sich ebensowenig auffinden. Flemming erwähnt hierüber : >Einige pflegen im Anmarsch zum Treffen ein groſses Geschrei zu erheben , andere aber marschieren ganz stille fort ; einige gehen
langsam Schritt vor Schritt, andere hingegen laufen zum Treit. Alle
Manieren haben ihre Bedeutung, und sind gegründet auf unter schiedliche Temperamente der Nationen « und Sebastian Gruber ( 1697] : » In denen Feldschlachten machet man mit dem Volke nicht viel Zeremonien, sondern man sagt gemeiniglich : In dreyen Schritten, machet Euch fertig zum Schuls, schlaget an , gebt Feuer !
Im 1 ten
Schritt kommet der Musketier bis zum Lunten aufpassen , in dem anderen bis zum Zündpfannöffnen, und in dem 3ten schlägt er an und giebt Feuer ! « Nichtsdestoweniger ist der Ausdruck » Sturm schritt« schon früh gebräuchlich gewesen , auch ein Markieren des selben durch die Trommel, z. B. bei den Landsknechten , wo je 3 Schritt des Sturmmarsches scharf markiert und von den Lands
knechten mit fünf Scherzworten balblaut begleitet wurden .
Wie
aber dieser Sturmschritt ausgeführt wurde, in welchem Tempo u. s. w. ist nirgends zu erfahren . Die Tempo -Bezeichnungen der Märsche jener Zeit beschränken sich auf Ausdrücke wie : etwas langsamer, etwas geschwinder oder dergleichen, und Flemming erwähnt in
seinem ausführlichen Buche hierzu , » man kann von diesem allen keine gewissen Regeln geben : denn die Marche Exercitien und Gewohnheiten sind nach dem Unterschied der Nationen und der Herrschaften unterschieden . «
Bis zum Anfang vorigen Jahrhunderts beschäftigen sich die vielerlei Lehrbücher und Reglements fast ausschlieſslich mit der Handhabung der Waffen, mit den verschiedenen Arten sich aufzu
stellen , mit Mathematik und Feuerwerkerei, mit Angriff und Ver teidigung von Festungen u. dergl ., jedoch so gut wie garnicht mit der Taktik oder gar mit taktischen Elementarbewegungen, selbst nicht mit den Vorschriften Moritz von Oraniens, des angeblichen Be gründers des Schulexerzierens; anch nicht einmal sein von Walhausen
weiter ausgearbeitetes Reglement, welches gemeiniglich als das älteste
221
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
angesehen wird, trotzdem schon i. J. 1473 der Herzog von Burgund ein ausführliches Militär- Reglement festgestellt hat. Der Grund
hierfür ist, wie mehr oder weniger schon nachgewiesen, darin zu finden, daſs die Taktik jenes ganzen Zeitabschnittes noch zu unent wickelt war. Die wenigen taktischen Formen, die es gab, wurden nicht auf dem Wege der Evolution gebildet, sondern auf dem des persönlichen Eingreifens der Führer an Ort und Stelle. Die ganzen Verhältnisse jener Zeit machten die Durchführung einer systematischen Friedensausbildung und hiermit auch die Anwendung einer sehr künstlichen Taktik unmöglich .
Der durch taktisches Genie und
organisatorisches Talent hierzu berufene Gustav Adolf verstand es zuerst, neue Bahnen einzuschlagen, doch muſsten , bevor sein Beispiel
Nachahmung finden konnte, in Europa erst jene Verhältnisse ein
treten, die in ihrer Folge die Übertragung der militärischen Central gewalt an die politische und absolute Gewalt zulieſsen, so daſs die Errichtung stehender Heere mit langer Dienstzeit und strengen Formen der Verpflichtung zum Kriegsdienst - entgegen dem bis herigen vertragsmäſsigen Charakter — möglich wurde. Erst hiermit wird die Ausbildung in den taktischen Formen , in den Elementar
bewegungen und Evolutionen ein Teil der Friedensausbildung. Der Königlich bayerische Hauptmann Keller bemerkt in einem Aufsatz über die historische Entwickelung der Gefechtsformen *) hierüber
weiter sehr richtig : „ Betrachtet man die Sache so, so wird man wohl vor dem Irrtum mancher Autoren bewahrt bleiben, welche das
Exerzieren nur für eine böswillige Erfindung eines freiheitsmörderischen Absolutismus erklären, denn der letztere hat nur das Verdienst, möglich gemacht zu haben , was in allen Zeiten vorher ebenso er wünscht, aber mehr oder weniger unerreichbar war. « Die Ent wickelung solcher von oben herab bestätigten Reglements behufs
gleichmäſsiger Friedensausbildung hält daher denn auch gleichen Schritt mit derjenigen der stehenden Heere. Die erste preuſsische Dienstvorschrift, die selbstständig und abgeschlossen im Druck er
schienen, ist v. J. 1702, beschäftigt sich jedoch auch noch allein mit den Griffen . Der Titel lautet » Exercice von den Handgriffen mit der Flint, wie es bei der Königlich Preuſsischen Infanterie, auf
allergnädigsten Befehl Ihro Königlichen Majestät, eingericht und geordnet« und ist gezeichnet vom Könige, gegengezeichnet von D. L. v. Danckelmann . Ihr folgte das unter persönlicher Leitung des späteren Königs, teilweise nach spanischem Muster entworfene *) Jahrbücher für Armee und Marine, 1881.
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
222
Reglement v. J. 1726, welches jedoch ebenso wenig wie jenes spätere v. J. 1743 Vorschriften über Raum und Zeit des Schrittes
enthält, wenugleich in jene Zeit die Einführung des Gleichtritts und die Rangierung zu 3 Gliedern fällt. *) Die Erfindung des Gleichtritts wird vielfach dem Fürsten Leopold von Dessau zugeschrieben , doch muſs dem widersprochen werden . Behrenborst berichtet hierüber
in seinen Betrachtungen zur Kriegskunst: > Laut einer sehr glaub haften Tradizion , hätte der Vater des jetzigen Herrn Feldmarschalls v. Kalckstein , als er aus einem Feldzuge des spanischen Sukzessions Krieges nach Hause gekehret, die Wundergeschichte erzählet : ein
hessischer Hauptmann habe seine Compagnie so eingetrillet, daſs jeder Kerl mit allen anderen Tritt halte.
Dieses hätte man nicht
für möglich angesehen, worauf aber Herr v. Kalckstein, mit einer ihm untergebenen Mannschaft, es zu Berlin auch dahin gebracht,
zu groſser Verwunderung der Zuschauer aller Stände. « Reglements mäſsige Festsetzungen des Schrittes an Raum und Zeit erscheinen auch nicht etwa bei uns zuerst, sondern bei den Franzosen . Unser
Reglement v. J. 1743 spricht nur ganz allgemein von » ordinairen « und » geschwinden « Schritten, ohne den Unterschied derselben fest zulegen. Dies geschieht teilweise – im Reglement v . J. 1788 , nämlich
bezüglich der Zeit, und erst jenes v. J. 1812 bestimmt endlich auch die Länge des Schrittes. Nichtsdestoweniger geht schon aus den Vorschriften des Reglements v. J. 1743 zur Genüge hervor, welcher Wert auf gutes Marschieren gelegt werden sollte, denn während in dem v. J. 1726 nur das gute Marschieren der Grenadiere **) betont wird, wird hier bei jeder Gelegenheit das gleichzeitige Antreten und Halten , das Antreten mit dem linken Fuſs, das Halten der
richtigen Distance, der egalen Schritte u. A. zur Bedingung gemacht. Seite 33 des Reglements heiſst es dann im Besonderen : >> Das Erste
im Exerziren muſs seyn, einen Kerl zu dressiren und ihm das Etir von einem Soldaten beyzubringen, daſs der Bauer herauskommit; wozu gehöret, daſs einem Kerl gelernet wird : Wie er den Kopf halten soll, nemlich denselben nicht hangen lasse, die Augen nicht niederschlage, sondern unter dem Gewehr mit geradem Kopf nach der rechten Hand, und im Vorbeymarschiren einem in die Augen sehu . Daſs ein Kerl steif auf den Füſsen, und nicht mit gebogenen *) Das preuſsische Werbe-Reglement v, J. 1732 spricht noch von dem 4. Gliede. **) Es heiſst dort : „Die Grenadier's sollen aus dem 3. Gliede aufsgesuchet
werden , und müssen lauter Kerl's seyn , welche gut marschiren können, nicht über 35 Jahre alt sind, voll aussehen, nemlich nicht kurtze Nasen, magere oder schmale Gesichter haben . “ Jabarbücher für die Deutsche Armee
Marine
1. LXIX . 2
15
223
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
Knien marschire, die Spitzen vom Fuſs auswärts und die Zähen niedersetze u . 8. W. « und Seite 118 und 119 :
> Die Kerls müssen
sich im Marschiren ein gutes Air geben , den Kopf und die Augen nach der rechten Hand haben , wann sie einen Offizier vorbey marschiren, selbigen wohl in die Augen sehen, den Leib gerade halten , nemlich nicht duckenäckigt gehen, allezeit die Füſse mit steifen Knien, zugleich heben, nicht mit den Füſsen stampfen, die Spitzen von den Füſsen auswärts und niedrig setzen , Schulter an
Schulter mit gerader Front geschlossen seyn.
> Wann
ein
Kerl nicht so marschiret, stecket der Bauer darinn, und alle Offiziers
sollen sich Mühe geben, einem jeden Kerl, auch einem jeden Unter offizier das Marschiren recht zu lernen , wie oben erwähnet.
Die
Kommandeurs sollen scharf darauf halten , daſs die Leute wohl marschiren lernen . « Hiermit ist allerdings der Gegenstand auch
erschöpft. Es bleibe jedoch nicht unerwähnt, daſs dieses Reglement ein » Dienst- « Reglement * ) war, denn es brachte auſser den Exerzier
Vorschriften auch den ganzen Dienst im Felde, in der Garnison und wonach die Offiziere sonst sich in allen Stücken zu verhalten
hatten >ordentlich und deutlich « so daſs, wie es Seite 511 wörtlich
heiſst : „ Bei einem Regiment nicht so leicht was vorfallen kann, worüber Se. Königl. Majestät nicht Dero allergnädigste Willens Meynung und ernstlichen Befehl den Regimentern im Reglement bekannt gemacht haben . « Trotzdem es streng geheim zu halten war, ist es dennoch in fremde Hände gelangt und hat die Reglements der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts im In- und Auslande mehr oder weniger beeinfluſst. Während also Zeit und Raum des Schrittes reglementsmäſsig bei uns erst i. J. 1788 beziehungsweise 1812 festgesetzt werden (über die schon vordem vorhandenen besonderen Instruktionen vergleiche weiter unten ) geschieht dies bei den Franzosen in überraschend ein gehender Weise schon im Reglement vom 6. Mai 1755, **) ein Re glement, dessen Überlegenheit über alle gleichzeitigen Reglements *) Der vollständige Titel lautet : „ Reglement vor die Koenigl. Preuſsische Infanterie, worin enthalten : die Evolutions, das Manual und die Chargirung, und wie der Dienst im Felde und in der Garnison geschehen soll, auch wornach die
sämmtliche Officiers sich sonst zu verhalten haben. Desgleichen wie viel an Tractament bezahlet und davon abgezogen wird , auch wie die Mundirung gemachet werden soll. Ordnung halber in XII Theile, ein jeder Theil in gewisse Tituls,
ein jeder Titul in gewisse Articels abgefasset.“ Ein Titel, der gleichzeitig das fehlende Inhaltsverzeichnis ersetzen zu sollen scheint. **) Ordonnance du Roi sur l'exercice de l'infanterie. plusieurs nouveaux Réglemens en faveur des Officiers,
Du 6. Mai 1755.
Avec
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
224
in Bezug auf die sorgfältige Einteilung und Behandlung des Stoffes
nicht zu leugnen sein möchte. Die genannte ordonnance du Roi unterscheidet im Kapitel „ De la marche« (S. 110 ] 3 verschiedene Arten : celle que le Soldat fait devant lui en ligne droite, celle qui
se fait en ligne oblique, et la marche de conversion, qui se fait en
ligne circulaire; zur ersten Art gehören le petit pas, le pas ordinaire und le pas redoublé. La longueur du petit pas sera d'un pied , et celle des deux autres, de deux pieds ; le tout mesuré d'un talon à
l'autre. Quant à la durée, celles des deux premiers pas sera d'une seconde, pendant laquelle on fera deux pas redoublés. Die ersten beiden Schrittarten demnach zu 60, die letzte, der Attackenschritt,,
zu 120 in der Minute. Der gewöhnliche Schritt war, wie der Mann andeutet, der pas ordinaire. Der schräge Schritt, höchstens 18 Zoll von Absatz zu Absatz, durfte zu 60 und 120 in der Minute aus
geführt werden, und on le reglera sur le plus ou le moins d'obliquité de la ligne, que l'on aura à parcourir pour arriver sur le lieu vers lequel la marche sera dirigée. Der Schwenkungsschritt muſste sein plus racourci ou plus alongé, selon que celui qui le fait se trouve plus près ou plus éloigné du Soldat, qu'il soutient, lequel ne doit que pivoter sur le talon .
Es soll stets bei allen Arten mit dem
linken Fuſs angetreten werden . Über die Ausführung des Schrittes wird bestimmt: Le pas se fera en un temps; la jambe tendue sera portée en avant sans affectation, le pied rasant de près la surface du terrein sur lequel ou marchera, et posant à terre de maniere que chaque partie y appuye en même temps u. 8. w. , mit einem Wort,
es wird schon das vorgeschrieben, was auch heute noch Gültigkeit behalten hat. Bezüglich des Abstandes und der Füblung heiſst es : beim Marsch mit aufgeschlossenen Gliedern ein Abstand von environ dixhuit pouces de tout sens, und Fühlung que leurs bras se touchent, sans cependant qu'ils soient trop gênés ; bei geöffneten Gliedern 6 pas ordinaires ; beim Bataillon in Kolonne zu 3 Gliedern 4 be ziehungsweise 2 Schritt Abstand. Die Soldatenschule enthielt ferner
die Anordnung, daſs zuerst le pas ordinaire, dann le petit pas und
le pas redoublé, und zuletzt erst les pas obliques eingeübt werden sollten . Auch waren sogar schon 2 Exerzier-Klassen vorgesehen , von denen die erste Klasse parfaitement les pas et le maniement des armes auszuführen verstehen muſste. War ein Soldat der 2. Klasse
zur Versetzung reif, so sollte er dem Regiments -Commandeur hierzu vorgeschlagen werden, doch bestimmte das Reglement ausdrücklich :
les fautes les plus legères suffiront pour le faire refuser, et nul ne pourra être admis à la première classe qu'après cet examen . 15*
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
225
Ein nur wenige Jahre später erscheinendes Reglement *) widmet dem Marsch eine noch gröſsere Sorgfalt, was schon in der Ein leitung des Kapitels vom Marsch Seite 89 zum Ausdruck kommt: On doit regarder la marche comme la partie la plus essentielle de tous les exercices.
En effet, le succès de toutes les guerres dépend
presque toujours du degré de perfection où les différentes Nations
ont su porter la marche de leurs Troupes. Les Officiers supérieurs des Corps, et même les Officiers généraux ne sauroient donc veiller avec trop d'attention à ce que les régimens qui sont sous leurs ordres, s'y exercent continuellement, et tâchent de se perfectionner,
sur-tout à savoir bien marcher de front en ligne de plusieurs bataillons. Sa Majesté se réserve à marquer sa satisfaction à ceux, qui se distingueront à cet égard , ou à punir ceux, qui se négligeront. Beim Lesen dieser Zeilen hat man unwillkürlich das Gefühl, als ob dieselben unter dem moralischen Eindruck der Erfolge der strammen
preuſsischen Exerzier-Disziplin und der traurigen Erfahrungen im siebenjährigen Kriege geschrieben sein muſsten . Auch wohlbekannten Ausdrücken unseres Reglements v. J. 1743 begegnen wir hier, so
z. B. beginnt die Soldatenschule Seite 27 mit den Worten : La première attention que l'on doit avoir en disciplinant des Soldats, est de leur prendre »l'air d'un Soldat « u. s. .W., wie es bei uns dann heiſst : damit der Bauer herauskommt.
Die Vorschriften über
die Ausführung des Marsches sind ungemein eingehend, sie nehmen acht und eine halbe Seite ein . Begnügte sich das Reglement v. J. 1755 mit dem Ausdruck la jambe tendue, so heiſst es jetzt meistens le genou et le jarret tendus, ferner : Tous les Officiers, bas Officiers tiendront en marchant la tête haute, le corps droit et le jarret tendu, la pointe du pied basse est tournée en
et Soldats
.
dehors en rasant sans affectation le terrain sur lequel on marchera ; ils leveront le pied tous ensemble et tous ensemble ils le poseront à terre, de manière que chaque partie y appuye en même tems, le corps restant toujours en équilibre successivement sur chaque jambe, sans frapper pesamment contre terre . .
.. U , S. W.
Auſser den bisher
vorhandenen Schritten sind neu hinzugekommen : 1) Der Feldschritt, pas de route, 2 '/ Fuſs lang und zu 120 in der Minute, soll auf
Märschen zur Anwendung kommen ; 2) der pas en arrière, vicht ein Rückwärtsrichten, sondern ein regelrechtes Marschieren nach rück wärts : en portant successivement chaque pied en arriere au lieu de
le porter en avant, also eine Art Krebsgang, wie er auſserdem nur *) Ordonnance du Roi pour régler l'exercice de l'infanterie. Du 20 Mars 1764.
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
226
noch bei den Österreichern angetroffen wird und dessen Zweck mäſsigkeit hier ähnlich wie bei den letzteren mit folgenden Worten begründet wird : ce pas peut être de la plus grande utilité en pré sence des ennemis, lorsqu'il est question de leur cacher ses mou
vemens ; 3) sei noch erwähnt die promenade militaire, eine Art
Übungsmarsch mit vollem Gepäck. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dieser promenade und den zur Erlernung des pas de route
vorgeschriebenen Übungsmärschen ist nicht zu erkennen.
Von
ersterem heiſst es : L'objet de ce genre d'exercice étant d'apprendre aux Troupes à faire une marche d'armée avec le plus d'ordre et le plus de célérité qu'il est possible, et de les y accoutumer, toutes
les fois que le bataillon ou le régiment sortira pour cette promenade, le Soldat portera son havresac .... , und von letzteren : On exercera pareillement l'Infanterie au pas de route, et à cet effet chaque bataillon sortira de sa garnison ou de son quartier une fois tous les quinze jours, pendant toute l'année, pour aller faire une lieue dans
les environs de sa garnison, chaque Soldat portant ses armes et son havresac .
ou
aura
une attention extrême à ce que le Soldat
conserve bien ses rangs en marchant, et qu'il alonge bien son pas de route .
Bemerkenswert ist in diesem Reglement auch das ausdrückliche Verbot, das Marschieren nach der Trommel erlernen zu lassen, da es bei den verschiedenen Entfernungen im Bataillon nicht möglich
sei, daſs alle Beine sich gleichzeitig erheben oder niedersetzen können : précision cependant nécessaire pour porter la marche d'un bataillon au point de perfection, dont elle est susceptible. Auch bei den Revuen marschierten die Tambours während des
Vorbeimarsches bei ihren Compagnien, sowohl nach dem Reglement von 1755 wie 1764. Übrigens dürften die später allgemein üblichen Truppenmärsche für Musik ebenfalls zuerst in Frankreich eingeführt sein und zwar verdanken sie hier ihre Entstehung einem eigentüm lichen Umstande . Es wurden nämlich , um dem König Ludwig XV. die Zeit besser zu vertreiben, die in Compiegne stattfindenden Truppenmärsche mit Musik ausgeführt, auch fanden dieselben mit Rücksicht auf seine die ganze Woche in Anspruch nehmende Jagd >
liebhaberei des Sonntags Nachmittags, und daher meistens in An wesenheit eines groſsen Zuschauer-Publikums, statt. Trotz der Musik scheinen sie aber dem König nicht viel Spaſs gemacht zu haben, wenigstens soll er stets ein sehr gelangweiltes Gesicht zur Schau getragen haben und einmal bei dem siebenten oder achten Bataillon sogar in die Worte ausgebrochen sein : mais mon Dieu, est ce que
227
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
ce train-là ne finira jamais! was Behrenhorst selbst gehört zu haben angiebt. Schlieſslich sei noch eine zweite Eigentümlichkeit dieses Re
glements von 1764 erwähnt, nämlich die, daſs ausdrücklich befohlen wird, auf das Kommando » Halt« den hinteren Fuſs stramm heran zuziehen : en l'appuyant fortement contre terre, ebenso beim letzten Schritt nach vollendeter Schwenkung. Da das Reglement von 1755
hiervon noch nichts erwähnt, könnte man auf den Gedanken kommen, daſs dies gleichfalls der preuſsischen Exerzier- Schule nachgeabmt sei. Ist diese Möglichkeit auch nicht ausgeschlossen, so muſs sie doch stark bezweifelt werden, weil weder unser Reglement von 1743 noch das von 1788 hiervon etwas erwähnt und unsere späteren Reglements
sogar ausdrücklich das Gegenteil vorschreiben . In unserem Reglement von 1812 steht nämlich :
Auf das Kommando Halt zieht der Mar
schierende den Fuſs, welcher zurück war, ruhig und ohue zu stampfen
an den anderen heran und bleibt stehen. In dem folgenden Reglement von 1847 sind die Worte » und ohne zu stampfen « fortgelassen und heiſst es dort: . ... zieht der Marschierende den Fuſs, welcher
zurück war, ruhig an den anderen heran, und bleibt steben. Im französischen Reglement v. J. 1776 wird die Geschwindigkeit des pas ordinaire auf 70 Schritt in der Minute und in dem von 1791 auf 76 erhöht, eine Geschwindigkeit, die in Frankreich bis zu dem am 16. März 1869 erlassenen Reglement Gültigkeit behalten bat ! Das Reglement von 1791 unterscheidet dann, den petit pas fortlassend nur noch : le pas ordinaire, 2 Fuſs lang und zu 76 Schritt, sowie deu pas accéléré, gleichfalls 2 Fuſs lang, doch zu 100 Schritt in der Minute. Beim Angriff sollte die Geschwindigkeit des letzteren bis auf 120 Schritte erhöht werden und hieſs er dann pas de charge. Das Tempo des pas de route, bei welchem die beiden hinteren
Glieder je 3 Schritte Abstand zu nehmen hatten, betrag bei kleinen Abteilungen 76, bei der Bataillons- Schule dagegen 85-90 Schritt.
Letztere Geschwindigkeit sollte auch bei Märschen beibehalten werden, sofern die Beschaffenheit des Landes und der Straſsen « dies zu
lieſsen . Die gewöhnliche Marsch -Geschwindigkeit bei den Bewegungen der Bataillons- Schule blieb die des pas ordinaire und nur zuweilen durfte in der Kolonne im geschwinden Schritt marschiert werden. Den pas oblique behielt das Reglement bei , doch in einer anderen Weise, mit den Schultern wurde nicht mehr eine entsprechende Wendung nach halb rechts oder links gemacht, sondern die Front
blieb geradeaus und in dieser Haltung wurde durch abwechselndes seitwärts und vorwärts Setzen der Füſse Terrain gewonnen. Seine
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
Geschwindigkeit betrug durchweg 76 Schritte.
228
Die Wichtigkeit
dieser Schrittart für die Bataillons-Schule war besonders betont.
Abgesehen von letzt erwähnter eigentümlichen Schrittart muſs dies Reglement von 1791 bezüglich der Richtigkeit seiner Grundregeln für die Ausbildung des einzelnen Mannes im Marschieren mit Fug und Recht als ebenso mustergiltig angesehen werden wie unser Reglement von 1812, denn es werden in beiden nicht nur dieselben Grundsätze ausgesprochen, sondern die den Marsch behandelnden
Stellen lauten sogar stellenweise wörtlich überein. Ein zum fran zösischen Reglement gehörender 2. Band erläutert durch Figuren und Erklärungen den Text des ersten . Von den so ungemein ein gehend behandelten Regeln interessiert vielleicht die, nach welcher der Ordinär - Schritt in 2 Tempos eingeübt werden sollte, um dem Soldaten die zwei Zeiten, aus denen der Schritt
natürlich
bestehe,
einzuprägen ; ebenso jene über den Unterricht der Offiziere : » Die Stabsoffiziere sollen die Offiziere oft im Marschieren üben ; und
werden sich auch befleiſsen , sie an eine gute Stellung unter dem Gewehr, wie auch zur Bildung eines regelmäſsigen Schrittes, sowohl in der Länge als im Takt, zu gewöhnen .« *) (Schluſs folgt.) *) Dies französische Reglement von 1791 ist auch Deutsch dem Titel: „ Reglement das Exercitium und die Manövers der fanterie betreffend, vom 1. August 1791 . Herausgegeben mit Exc. des Kriegsministers zum Gebrauche der westphälischen borg 1810.“
erschienen unter französischen In
Gutheiſsung Sr. Armee.
Straſs
XVI.
Umschau in der Militär -Litteratur. Mit der ersten Novemberwoche beginnt wieder einmal der Kreislauf eines militärischen Jahres
und dass bei der Infanterie der Winter 88
und der Sommer 89 sein gerüttelt und geschüttelt Maſs an Arbeit habe, dafür sorgen das neue Exerzier-Reglement, die neue Garnisondienst -Ordnung,
dafür sorgen die ökonomischen Musterungen , welche gerade jetzt bei sämtlichen Regimentern, im nächsten Frühjahr abermals bei der Hälfte der Regimenter stattfinden werden. Welche gewaltige Arbeit allein das schnelle Verpassen des neuen Gepäcks auch an die Rekruten, eine Arbeit, die
binnen wenigen Wochen neben tausend anderen Dingen zu leisten ist , zu leisten mit Unteroffizieren und Gefreiten , die selbst noch nicht in die
Geheimnisse der jüngsten Bekleidungs-Erfindungen völlig eingeweiht sind ! Erprobt, weil aus genauester Sachkenntnis heraus und klar ausgedrückt,
sind die „ Praktischen Winke für das Verpassen , die Handhabung und die Abnahme neu gefertigter Stücke der Infanterie- Aus rüstung M/87. Von Krause , Hauptmann und Compagnie - Chef. Berlin 1888 bei Mittler u. Sohn. Preis 20 Pf. Ich habe gefunden, daſs die Beschaffung von einem Dutzend dieser Hefte für eine Compagnie sich belohnt macht; Offiziere wie Unteroffiziere und Mannschaften fanden
sich schnell zurecht an der Hand der Fingerzeige, die nach vielseitiger Erfahrung beim Lehrbataillon der Herr Verfasser zusammengestellt hat. Recht gut ist übrigens, wenn auch nicht in gleicher Weise eingehend, derselbe Gegenstand behandelt in dem Abschnitt: „ Der Korporalschafts führer “, durch Oberstlieutenant Transfeldt , in dessen bekanntem, ge diegenem Handbuche: „ Die Dienstpflichten des Infanterie -Unter offiziers im inneren Dienst der Compagnie". Wiederum kann ich rathen , dringend empfehlen, daſs jeder Compagnie-Chef mehrere Exemplare dieser Schrift für seine Unteroffiziere beschafft, welche ihn in schnellerer, gründlicherer und – einheitlicher Unterweisung und Erziehung seiner Gehülfen im inneren Dienste unterstützt. Bei der vorliegenden neuesten 99
Auflage , der fünften , 1888 bei Mittler und Sohn erschienenen sind
die Felddienstordnung, die Schieſsvorschrift 87 , die Ausrüstung M/87 u. s. w. in Betracht gezogen ; das Reglement vom 1. 9. 88 und die neue Garnison dienst- Vorschrift sind für die Schrift gegenstandlos. ܕ
Umschau in der Militär-Litteratur.
230
In zeitgemäſser Umarbeitung liegt vor : „v. Dossows Anleitung Anfertigung der militärisch - schriftlichen Arbeiten“ . Dreizehnte Auflage. Nach den neuesten Bestimmungen um
zur
gearbeitet von R., Bataillons - Adjutant und W. , Zahlmeister. Berlin 1888, Liebelsche Buchhandlung. Preis 1 Mark . Dieses
ganz vortreffliche Buch erfreut sich , meiner Beobachtung nach, noch bei weitem nicht der verdienten Beachtung und Verbreitung. Es enthält
Meldungen , Rapporte, Liquidationen, Quittungen, Atteste, Berichte, Ver handlungen, Schriften in Briefform , Titulaturen u. s. w. nebst vielen er läuternden Beispielen und einem Anhange : die gebräuchlichsten Fremd wörter nebst Verdeutschung bezw. Erklärung, die Hauptpunkte bei Er kundung des Geländes , Bestimmungen für den Post- und Telegraphen Verkehr u. S. W. Die Anleitung " ist ausreichend klar und übersichtlich, ה
zum Selbststudium der Unteroffiziere zu dienen ; ihren Hauptwert aber, den eines sachverständigen Anbaltes und Leitfadens erkennt der um
Lehrer an der Kapitulantenschule , welcher Unterricht im Verwaltungs dienste, in Anfertigung der Militär- Schreiben , im Deutschen ertheilt und die „Feldwebel-Anwärter“ unterrichtet. Die Kapitulanten - Schule hat,
nach der Allerhöchsten Bestimmung, seit der Mitte des Oktobers überall begonnen : hoffentlich kommt meine, die Förderung der Sache bezweckende Empfehlung der Dossowschen Schrift hie und da noch zur rechten Zeit. Ein alter, lieber Freund vieler Compagnie-Chefs erschien kürzlich in neuem Gewande : „Der Unteroffizier im Terrain “ . Ein Handbuch für die Unterführer der Infanterie und Kavallerie (Unter
offiziere, Einjährig - Freiwillige u. s. w. ). Siebente vollständig umgearbeitete und bedeutend vermehrte Auflage bearbeitet von v. Brunn , Major und Bataillons - Kommandeur. Mit einem Plan und vielen Figuren im Text. Preis 1,50 Mk . Berlin 1888. Liebelsche Buchhandlung .
Die Felddiepst-Ordnung von 1887 , welche Anlaſs und Anhalt zur
vollständigen Umarbeitung und zur bedeutenden Erweiterung der sechsten Auflage (von 1884 ) gegeben hat, sagt : „ Die Heranbildung eines zahl reichen Nachwuchses an Führern ist eine der steten und wichtigsten Auf
gaben der Truppenbefehlshaber“. Das neue Exerzier -Reglement betont die Notwendigkeit, häufig und zu allen Jahreszeiten Übungen im Gelände ab zuhalten , weist auf Ausnutzung von Herbst und Winter für diese Zwecke hin. Schon bei den Rekruten sollen diejenigen , die im Gelände“ sich
besonders ein- und umsichtig erweisen , aus der Masse herausgehoben und
als Gruppenführer in Aussicht genommen werden. Alle drei neuen Vor schriften – die Schiefsvorschrift einbegriffen !
verlangen je mehr und
wehr von den Mannschaften , in höherem Grade naturgemäſs von den Unteroffizieren Umsicht, Thatkraft, Entschluſsfertigkeit, Selbstständigkeit. Wie aber die Ausbildung der Offiziere neben den Übungen der Truppe
noch besondere Übungen erheischt, so ist, wenn auch in engerem Rahmen, dasselbe der Fall bei der Ausbildung der Unteroffiziere
so sagt der
Umschau in der Militär - Litteratur.
231
Herr „ Bearbeiter “ im „Vorwort“ . Die Ausbildung der Unteroffiziere muſs die Anforderungen im Auge haben , welche im Felde an sie herantreten
können und für welche mit angemessener Einschränkung dieselben Grund sätze, wie für die Ausbildung der Offiziere maſsgebend sind. Neben der rein praktischen Schulung und Übung muſs die Ausbildung des Unter offiziers auch auf theoretischem Gebiet stattfinden ; das gilt besonders für die Ausbildung im Felddienst. Die Ausbildung der Unteroffiziere be
darf aber gleichzeitig auch der unausgesetzten Thätigkeit jedes Einzelnen an seiner eigenen Weiterentwicklung. Der Unteroffizier im Terrain “ nun ist ein Hülfsmittel für die Fortbildung des Unteroffiziers im Felddienst ; es soll denselben in erster Linie die durchaus erforderliche Kenntnis des
Terrains, die Orientierung im Terrain , die Fertigkeit von Karten und Plänen, sowie die Zeichnung von Krokis u. dgl. lehren . Die Besprechungen von Rekognoszierungen und Lösungen kleiner Aufträge, besonders auf dem
Gebiete des Marsch- und Vorpostendienstes, der Unterbringung der Truppe und des kleinen Krieges, wie sie dem Unteroffizier im Felde und bei den
Übungen zufallen, sollen den Gesichtskreis der Unteroffiziere, ihr taktisches Verständnis, selbständige Entschluſsfassung und Ausführung, erweitern und für ihre Führerstellungen vorbereiten . Ganz besonderer Wert ist auf die Befehlgebung, auf das Meldewesen und die Berichterstattung gelegt. Sehr praktisch sind im „ Anhange “ die Bestimmungen der Felddienst
Ordnung, welche auch der Unteroffizier im Felde und bei den Übungen im Gelände kennen muſs oder deren Kenntnis auch für ihn von Wert
sind, zusammengestellt. Und so kann ich auch diese Schrift mit gutem 9
Gewissen und dringend empfehlen der Aufmerksamkeit der Hauptleute und Lieutenants, als der Lehrenden ; derjenigen der Unteroffiziere, der Einjährig -Freiwilligen, als der Lernenden. Ich halte diese Brunn'sche Schrift für die auf diesem besonderen Gebiete vortrefflichste.
In der Aufzählung der kleinen Hand- und Hilfsbücher, die ich seit Jahren bewährt gefunden und stets zur Hand habe, komme ich zu einer
Errungenschaft neuester Zeit, will sagen : des letzten Sommers, die mir aber bereits wesentliche Dienste geleistet hat und die ich gerade zur
Rekruten -Einstellung und zum Beginn des Schieſsjabres 1889 empfehle — für Hauptleute, Lieutenants und Unteroffiziere - „Taschenbuch für den Schieſslehrer (Offizier , Unteroffizier , Einj. - Freiw . -Ge
freiten u. s. f.) bei den Zielübungen , im Entfernungsschätzen und in der Verwendung der Waffe. Von v. Brunn , Major and Bataillons - Kommandeur.
Zweite unveränderte Auflage.
Mit
10 Abbildungen im Text. Berlin 1888, Liebel'sche Buchhandlung. Preis 1,20 Mk. “ Major v. Brunn ist, mitten im praktischen Dienst stehend, eingeweiht in dessen Eigentümlichkeiten und Anforderungen ; seine besondere Zuständigkeit für den gesamten Schieſsdienst ist bekannt: be greiflicher Weise ist sein , Taschenbuch für den Schieſslehrer “ sehr brauchbar ! ... Wenn ich den Stofs sonstiger , in letzter Zeit mir in die Hände gekommener „ Leitfäden “ u. dgl. durchsehe: der Rest ist Schweigen !
Umschau in der Militär- Litteratur.
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Das Jahr 1888, welches in seiner ersten Hälfte dem Hohenzollernstamm ,
dem preuſsischen, dem deutschen Volk und Heer die schmerzlichsten Wunden geschlagen hat, wird, ehe es zur Rüste geht, in dem benachbarten Staate eine seltene, für Thron und Reich gleich bedeutsame Feier heraufführen . Am 2. Dezember begeht der Kaiser Franz Joseph zum vierzigsten Male den Jahrestag seines Regierungsantritts: die aufrichtige und herzliche
Anteilnahme der Bevölkerung Deutschlands, insonderheit des Heeres und der Marine an diesem Jubelfeste des erlauchten Herrschers des uns ver
bündeten Reiches , des erhabenen Kriegsherrn , der mit uns in Waffen brüderschaft stehenden österreichisch -ungarischen Land- und Seemacht, SO ist zumal nach den allerjüngsten Ereignissen und Vorgängen selbstverständlich, daſs sie einer ausführlicheren und besonderen Versicherung an dieser Stelle nicht bedarf.
Begreiflicher Weise ging ich mit Spannung an die Lektüre eines Buches, das vor wenigen Tagen in meine Hände gelangte: ,,François
Joseph I. et son règne 1848–1888 à l'occasion du 40. anniver saire de son avènement au trône par A. de Bertha. Paris 1888. Louis Westhausser, éditeur."
Wer oder was Herr v. Bertha ist , weiſs ich nicht; ich begegne dem Namen zum ersten Male. Vermutlich ist er ein in Frankreich ansässiger
Österreicher. Er erwähnt im Vorwort“ der persönlichen Beliebtheit, die Franz Joseph sich bei seinem Pariser Aufenthalt gelegentlich der Welt ausstellung 1867 in Frankreich erworben hat. „ Einundzwanzig Jahre sind seitdem vergangen . . Den Kaiser dem jetzt lebenden französischen Ge schlecht vorzuführen , gleichzeitig aber die ehrerbietigsten Huldigungen, .
die heiſsesten Wünsche seiner treuen in Frankreich als Gäste sich auf
haltenden Unterthanen für sein Wohl auszudrücken, das wird heute zur gebieterischen Pflicht. sagt Herr v. Bertha
Wir erfüllen dieselbe mit um so gröſserer Freude,
als wir da eine neue Gelegenheit entdecken, die
Miſsverständnisse *) zu zerstreuen, welche man zwischen zwei Staaten hat hervorrufen wollen *), die, im Grunde genommen, zu gegenseitigem Ein vernehmen geschaffen sind und deren wirkliche Interessen sich nie und
nirgend kreuzen. “ Mehrere Pferdefüſse gucken aus diesem Bekenntnis heraus. Mich reizte diese Einleitung und ich bedauere nicht, das Buch gelesen zu haben. Vorweg will ich sagen, daſs der bedeutenden und liebenswürdigen Persönlichkeit des gefeierten Herrschers voll und ganz ihr Recht wird ; es
soll nicht die unbedingte und aufrichtige Verehrung des Herrn v. Bertha für seinen Kaiser und Herrn bezweifelt werden .
Aber um so zweifelhafter
ist es bestellt mit des Verfassers politischer und geschichtlicher Ehrlichkeit oder Wissenschaft; ich vermute, nach seinem „ Vorwort “, seiner Ehrlich keit ! Im Lichte seiner Darstellung spiegeln sich die Ereignisse in Mittel Europa seit 1848 anders, als bisher sie in den Augen der Wissenden erschienen .
*) Wie zart !
Umschau in der Militär -Litteratur.
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Ich meine, die Franzosen müſsten Herrn v. Bertha wegen schwerer, ihnen zugefügter Beleidigungen verklagen ; denn nur in der vollendeten
Unwissenheit darf er sich z. B. gestatten, den Verlauf des Feldzuges 1864 folgendermaſsen zu umreiſsen : „ Die österreichisch -preuſsischen Truppen begannen die Feindseligkeiten am 1. Februar durch Überschreitung der Eider.
Es waren die vom 22Divisions-General“ (!) Gablenz geführten öster
reichischen Truppen, denen die gefahrvollere Aufgabe des Feldzuges zufiel. Sie nahmen die starke Danewerk -Stellung mit Gewalt; sie nahmen, unter schweren Opfern, Jagel und Königsberg. Es waren ungarische Husaren,
welche bei Oversee angriffen und Flensburg mit verhängten Zügeln durch jagten . Dank ihrem Mute erreichte man bald die jütische Grenze. Der General Gablenz durchschritt die Königsau am 8. März und schlug den Feind im Gefecht bei Veile so entscheidend, daſs er Friedericia belagern
konnte, während die Preuſsen die Düppeler Schanzen bombardirten. Letztere widerstanden bis zum 18. April ; Friedericia fiel 8 Tage später in die Hände der Österreicher.
Der Zusammenstofs der österreichischen Flotte
mit dem dänischen Geschwader bei Helgoland warf den ersten Glanz auf den Namen Tegetthofs, welcher dort ein sichtbares Zeichen seines kommenden Rubmes aufpflanzte. Am 29. Juni bewerkstelligten die österreichisch
preuſsischen Truppen ihren Übergang nach der Insel Alsen ... " Zu Beginn des Krieges 1859 hatte Graf Gyulay eine Streitmacht von 112 000 Mann unter seinen Befehlen . Dieselbe war ausreichend, um mit Erfolg die Sardinier und die schwache französische Avantgarde anzugreifen. Aber der österreichische Oberbefehlshaber blieb drei Wochen lang unthätig in Folge der Nachlässigkeit der Intendantur und der feindseligen Gesinnung
der Bevölkerung, welcher man nicht die geringste Nachricht über den Gegner entlocken konnte. “ – Glänzender kann Gyulay nicht freigesprochen werden !
Diese zwei Proben werden genügen, anzudeuten die Fülle hervor
ragender geschichtlicher und kriegsgeschichtlicher Enthüllungen , die das Werk bringt. Jedenfalls regt es an ; man muſs nicht nur Hahn und Treitschke lesen , man muſs auch Bertha lesen. Erfolg wird letzterer haben bei den Franzosen, er kennt sein gläubiges Publikum ; ob andre, .
besonders die auf's Korn genommenen Österreicher sich werden belehren lassen und reumütig darauf an den Busen der französischen Brüder zurück flüchten , das steht dahin. Der Versuch des Herrn v. Bertha nach dieser Richtung ist –- jedenfalls nicht strafbar.
Die Artillerie - Truppe des Festungskrieges. Studie eines alten Artilleristen von Wiebe , General der Infanterie z. D. Berlin, Mittler & Sohn .
Wenn wir offen bekennen, daſs wir viel , recht viel von dieser „ Studie “ erwartet hatten , dann dürfen wir wohl auf Nachsicht rechnen,
wenn wir ebenso aufrichtig gestehen, daſs unsere Erwartungen keineswegs so ganz erfüllt worden sind. Der geehrte Verfasser widmet seine Arbeit
Uinschau in der Militär- Litteratur.
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der deutschen“ Fuſsartillerie in so warmen und bedeutungsvollen Worten ,
daſs man sich der Vermutung nicht entschlagen kann : er habe irgend etwas ganz Besonderes auf dem Herzen , was er nun erst Austritte aus dem aktiven Dienste
nach seinem
den Kameraden seiner Waffe an
vertrauen könne. Da sich der „alte Artillerist“ nun ein gutes Dezennium
hindurch in den hervorragendsten und maſsgebendsten Stellungen der preuſsischen Fuſsartillerie befunden hat, so ist die Voraussetzung gewiſs berechtigt, daſs ihn nur schwerwiegende Erwägungen veranlassen konnten , zur Feder zu greifen, um sich an „ sämtliche Kameraden “ seiner einstigen Waffe zu wenden.
Nun, ganz so ernst scheint uns die Sache nicht zu
liegen. Wir haben wenigstens nichts auf den 218 Seiten der Studie ge fanden , was derselben einen besonders bewegenden Charakter beilegen, oder Fragen berühren dürfte, deren Lösung noch wirkliche Studien “ erfordern . Ein kurzer Bericht wird unsere Anschauungen rechtfertigen. Der „ Widmung“ , welche die Stelle des Vorworts vertritt, folgt eine
„Einleitung “, in welcher die Notwendigkeit der Trennung von Feld- und Fuſsartillerie nochmals, durch das Gesetz der „Teilung der Arbeit “, zu begründen gesucht und nur behauptet wird, daſs es richtiger sei „ Festungs-“
statt Fuſsartillerie zu sagen . Als die Trennung noch in Frage stand, haben wir uns allerdings mit möglichstem Nachdrucke dagegen ausgesprochen ;
nun sie seit anderthalb Jahrzehnten zur Thatsache geworden, haben wir sie einfach als solche hingenommen . Wenn aber eine „Studie“ jetzt über die Trennung spricht, dann hätten wir eigentlich Belehrung über die, auch in Leyd hecker's Preisschrift berührte Frage erwartet : welcher Gattung Artillerie denn wohl das, jetzt wieder unter die Kampfmittel des
Feldkrieges aufgenommene Wurfgeschütz zugewiesen werden soll ? So eine mobile 15 cm Mörserbatterie einfach irgend einer Feldartillerie Abteilung zu unterstellen - das dürfte doch nicht als der idealste Erfolg des Trennungsgedankens anzusehen sein ? Indes
das Alles wird sich mit der Zeit schon geben ; denn
nach
Wiebe vollzieht sich derlei – „der Not gehorchend, nicht dem eigenen -
Triebe "
„ immer nur allmählich und stückweise, nicht aber auf Grund
eines von vornherein feststehenden , wohldurchdachten, umfassenden , auf
gründlichster Kenntnis und Würdigung des Bedürfnisses aufgebauten Or
ganisationsplanes.“ Nun, wir haben dieses Bekenntnis etwas überrascht und wiederholt gelesen . Was aber die Titelfrage betrifft, so ist uns „ Fuſsartillerie “ wahrhaftig noch lieber wie „ Festungsartillerie “, bei welcher Bezeichnung doch gar zu Viele wieder an die blofse , Besatzungs -Artillerie “ denken
möchten.
Seitdem die Fuſsartillerie manöverfähig wurde,
stimmt die Bezeichnung „ Festungsartillerie “ auch nicht mehr ganz für sie und würden wir glauben, daſs die Benennung leichte und schwere Artillerie dasjenige vielleicht am richtigsten ausdrücken könnte, was die beiden Truppengattungen vorstellen sollen. – Der „ Einleitung“ folgen ,Allgemeine Betrachtungen“ , in welchen die ,,Festungs- Artillerie “ denn
wieder ganz auf den Angriff und die Vertbeidigung von festen Plätzen
Umschau in der Militär -Litteratur.
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angewiesen wird. An dieses erste Kapitel reiht sich , als zweites , die
„ Organisation “, welche in Formation , Bewaffnung und Bekleidung und Ausrüstung gegliedert wird. Neue Vorschläge finden sich hierbei >
eigentlich nicht; es wird aber gefordert, daſs eine Compagnie die dreifache
Ablösung einer Batterie zu 6 Geschützen hilde und besondere Park kompagnien für den Arbeitsdienst vorhanden seien . Festungsartillerie und Festungspioniere sollen nicht als Truppe vereinigt, wohl aber unter ein und dasselbe Oberkommando gestellt werden.
Der Anschauung zufolge
hätte es wohl ebensoviel Berechtigung, Feld- und Fuſsartillerie unter einem Offiziere sollen zu Fuſs einen Hirschfänger, Kommando zu belassen ? zu Pferde den Säbel der Feldartillerie tragen
uns hat das wahrhaftig
noch keine Sorgen gemacht, auch entbehrten wir jedes Zweifels, daſs be rittene Offiziere der Festungsartillerie eines – Reitzeuges bedürfen . -
Das dritte Kapitel ist der „ Ausbildung und dem Dienstbetrieb “ ge n
widmet. Die „ Ausbildungsvorschrift“ , heiſst es da , soll nicht „ je nach
wechselnden persönlichen Ansichten , oftmaligen Änderungen ausgesetzt - nun, dem lieſse sich wohl abhelfen, sollte man glauben . (Vergl. das neue Infanterie-Reglement !) Im Übrigen giebt das Kapitel, auf vollen
sein “
140 Seiten, eine sehr eingehende Erläuterung des bestehenden Ausbildungs wenigstens unserer Anschauung nach - der
ganges, wobei nur wieder
feld kriegsmäſsigen Verwendung der Fuſsartillerie als solche keine ge nügende Rechnung getragen wird. Verfasser ist eben wirklicher Festungs artillerist und will seine Truppe fast ausschlieſslich für den Dienst vor oder in Festungen heran bilden. Wir sind dagegen der Meinung, daſs jede Truppe, soweit das nur immer möglich erscheint, vor allem Feld truppe, also im Feld kriege zu brauchen und dementsprechend auszubilden sein müsse. Man weiſs ja nicht immer vorher, ob man auch in jedem Kriege Festungen anzugreifen oder zu verteidigen haben werde ; das weiſs man aber ganz bestimmt, daſs man Schlachten zu schlagen hat und gar nie genug Kräfte aufbieten kann, um in diesen sicher überlegen zu bleiben.
Wir haben daher der Scherff'schen Anschauung von einer vierten Waffe, der „ Festungswaffe “, niemals zuzustimmen vermocht. Es fällt ja auch Niemandem ein, eine eigene „ Festungs- Infanterie “ errichten zu wollen. Nach unserer Meinung muſs im Offensivkriege die ganze Armee und jede ihrer Waffen „ offensiv “ , also auch zum Festungsangriff verwendbar sein im Verteidigungskriege tritt dann der entgegengesetzte Fall ein. Wer in die Defensive gerät, der muſs auch seine Festungen zu verteidigen wissen. So ungefähr war's auch bei Plewna. Man mache den Festungskrieg nur >
erst wieder zu einem taktischen und räume ihm einen dementsprechenden Platz in der allgemeinen Ausbildung der Truppen und ibrer Führer ein und man wird weder um Angreifer noch um Vertheidiger fester Plätze jemals verlegen sein , sicher aber auch keiner Waffe bedürfen , die aus >
schlieſslich für den Festungskrieg patentiert werden und denselben als Zuchtgeheimnis betreiben soll. Aber selbst vom Standpunkt des reinen Festungsartilleristen aus hätten wir wenigstens Belebrungen über die
Umschau in der Militär -Litteratur.
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taktische Bedeutung des Wurf- und Flachbahnfeuers, gerade beim Ge schützkampfe, erwartet. Kann doch die schwerste Kanonen batterie durch eine gedeckte Mörserbatterie mittleren Kalibers auſser Gefecht gesetzt, der Mörser, wie die schwere Kanone aber kaum gegen bewegliche Ziele mit Vorteil verwendet werden und jener nicht wohl durch diese bekämpft
werden. Von all diesen wichtigen Fragen finden wir in unserem Buche nichts.
Wie das dritte, ist auch das vierte und letzte Kapitel desselben 4
noch der Ausbildung, d. h. der „taktischen Truppenübungen “ – aber nur derjenigen der Festungsartillerie als solcher – gewidmet. Hier wird gerade ,endlich“ noch der „ Theilnahme der Fufsartillerie an Feldmanövern “ mit dem Beifügen gedacht, daſs sich schon „Gelegenheiten für ihre Ver wendung finden “ werden.
„Man nehme ja auch Brückentrains zum Manöver mit, ohne vorher zu wissen, ob man nicht ebensogut ohne sie fertig werden könne“ . Nun wir waren in den letzten Wochen vielfach Zeuge, mit welcher Freude die diesjährige, erstmalige Abstellung mobiler Batterien schwerer Geschütze in den Kreisen der Fuſsartillerie aufgenommen wurde.
„ Nun geht's wieder vorwärts, nun werden wir wieder Feldtruppe !“ Das waren die Worte, mit welchen man jene Verfügung begrüſste und bejubelte.
„Jetzt ist's an uns, uns wieder feste Position zu schaffen im Kreise
der drei Waffen “, rief man sich gegenseitig zu – Parallelen mit dem Brückentrains aber sind dabei wohl nirgends gezogen worden .
In dieser hoffnungsvollen Stimmung auf eine neue Zukunft durch blätterten wir die Studie eines alten Artilleristen “ über die Artillerie Truppe des Festungskrieges “ wird man uns da verargen wollen, wenn n
wir diese Studie nicht als unser Zukunftsbild betrachten konnten ?
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Oberstlieutenant Georg von Marées. † „sie haben einen guten Mann begraben und uns war er mehr. “
Selten wohl haben diese Worte so ganz den Sinn dessen erschöpft, was man einem teuren Abgeschiedenen nachrufen möchte. Es ist eine bittere Pflicht und uns doch auch ein Herzensbedürfnis, dem
heimgegangenen lieben Freunde, dem treuen Genossen im literarischen Schaffen einen bescheidenen Denkstein zu setzen .
Und wo könnte
dies passender geschehen als in der Zeitschrift, welcher seit fast fünfzehn Jahren sein Wirken und Schaffen , sein Denken und Sinnen, sein Geist und seine Feder gedient haben, in der Arbeit für welche ihn am 1. November d. J. Nachmittags 4 %, Uhr der Tod von dem Felde seines dem Schwerte so eng verwandten Friedensberufes abrief zur groſsen Armee ! Ruhigen, heiter verklärten Antlitzes fanden die
Seinigen den bis zum letzten Hauch Thätigen am Schreibtische ein geschlummert; der kraftlos gewordenen Hand war die Waffe ent sunken, die er seit seiner schweren Verwundung geführt zum Heil nnd Nutzen vieler seiner Berufsgenossen. – Im Kriege herrscht
allein das Schwert, im Frieden wird die Waffe zur Wissenschaft, tritt die Feder in ihr Recht.
Nur wo Schwert und Feder an ihrer
richtigen Stelle sind , wird das Heer eine sichere Stütze des Vater
landes – beide bat der Entschlafene zur richtigen Zeit zu führen gewusst, bestrebt, das Seine beizutragen zu des Landes und Heeres Bestem .
Was die Erziehung im Elternhause uns mitgegeben, ist unser
bleibendes, durchs ganze Leben uns begleitendes Eigen ; der Eltern hervortretendste Charakterzüge übertragen sich oft in glücklicher Vermischung auf die Kinder. Der frohe, heitere Zug, der durch des
Vaters Gemüt ging und sich in Liedern , meist anakreontischen In
halts, wiederspiegelt, welche der Landgerichts - Kammerpräsident Adolf von Marées hinterlassen hat und die im September and Oktober d. J. der von seinen vier Söhnen damals allein noch lebende Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXIX ., S.
16
II
zu sammeln und für die Herausgabe zu ordnen begonnen, paarte sich in Oberstlieutenant von Marées seit früher Jugend mit dem mehr melancholischen , der seiner geistig hochbegabten Mutter Verse durch zieht. Ein glückliches Gemisch von Frohsinn und Ernst gab , im Verein mit tiefem Wissen, dem lebhaftesten Interesse und Verständnis
für alles Gute und Schöne, sowie gröſster Herzensgüte dem Heim gegangenen einen seltenen Grad von nimmer sich abschwächender
Anziehungskraft und eine innere Quelle des Humors, der auch unter den schwersten Sorgen und körperlichen Leiden ihn nie verlassen
hat. Hoher Sinn, scharf ausgeprägtes Pflichtgefühl, eine ungewöhn liche Willenskraft und nie erlahmender Schaffensdrang lieſsen den starken Geist immer über den geschwächten und siechen Körper Herr werden . Schonung für sich selbst hat er nie gekannt; der Soldat in ihm hat sich auch auf dem Weg zu dem sicher voraus gesehenen Tode nicht einen Augenblick verleugnet. Mit dem Helden mut, den er auf blutiger Wahlstatt wiederholt bewiesen, erlaubte er seinen körperlichen Leiden nie, seine Arbeits- und Thatkraft auch nur für eine Stunde zu lähmen Mann im Leben und im Sterben .
ein ganzer Soldat und ein ganzer
Mit einer breiten Grundlage von Allgemeinwissen trat der am 27. September 1834 zu Düsseldorf geborene siebzehnjährige Georg von Marées nach Absolvierung seiner Gymnasialstudien 1851 in das Heer, und zwar in das Infanterie - Regiment No. 25 zu Coblenz Ehrenbreitstein . Dicht vor dem Weihnachtsfeste 1853 erfolgte die Beförderung zum Seconde - Lieutenant. Die Reorganisation des
preussischen Heeres 1859 schuf u. a . die Linien - Infanterie-Regimenter 41–72. Abgaben , hauptsächlich des 25. Regimentes, lieſsen das zunächst kombiniertes Regiment No. 25 « , dann >5. rheinisches
Infanterie -Regiment No. 65 « benannte entstehen. In seiner ersten Rangliste vom 12. Juni 1860 finden wir Georg von Marées als zweit ältesten Sekonde-Lieutenant und Adjutanten des in Jülich unter gebrachten 2. Bataillons verzeichnet . Die kleine Stadt hot wenig Anregung ; diese suchte und fand der in Erweiterung seines mili tärischen und allgemeinen Wissens rastlos thätige junge Offizier durch häufige Ritte nach Aachen und Fahrten nach Düsseldorf. In
dieser Zeit und speziell in Düsseldorf wurde auch durch vielfache Beziehung zu künstlerkreisen , denen auch sein Bruder Hans thätig
angehörte, Grund gelegt für das tiefe Verständnis, wie groſses Inter esse für Malerei und Skulptur, die den Heimgegangenen durch das Leben begleitet haben ; hier knüpfte sich auch das Band, das ihn mit so vielen hervorragenden Künstlern freundschaftlich verbunden
III
und ihm bei seinem, durch Krankheit bedingten längeren Aufenthatt in Rom und Florenz die Pforten manches gastlichen Künstlerheims geöffnet hat. Der 17. Oktober 1860 brachte ihm die Beförderung zum Premier- Lieutenant. Frontdienst folgte, galt es doch, den neuen
Truppenteil, der schon 1861 vor den Augen des späteren groſsen Kaisers an den Manövern des 7. und 8. Korps teilnehmen sollte, baldigst kriegstüchtig zu gestalten. Erst 1866 sollte das Regiment seine Brauchbarkeit im Felde beweisen dürfen, und damals finden wir den Entschlafenen als Führer der 9. Kompagnie des Regiments, für welches der 3. Juli, Königgrätz, ein Ehrentag geworden ist. Errang der wackere Führer dort für sein Verhalten im Gefecht die
unbegrenzte Hochachtung seiner Truppe, so erwarb die furchtlose, aufopferndste persönliche Pflege der vielen, an der Cholera erkrankten Lente dem selbst Erkrankten deren unbegrenzte Zuneigung. Sechs Wochen nach der Heimkehr aus dem kurzen, glorreichen Feldzuge, am 30. Oktober 1866, erfolgte seine Beförderung zum Hauptmann
und Chef der 10. Kompagnie, die er 1870 führte und in deren Mitte er seine schwere Wunde erhalten sollte. Vor Verdun war es, wo nach einer Reihe von Gefechten im Westabschnitt der Einschlieſsung
bei einem Renkontre zwischen Thierville und Villers Hauptmann von
Marées einen Streifschuſs am Halse erhielt, der ihn jedoch seinem Dienste keine Stunde entzog. Der eiserne Ring um die Festung schloſs sich enger ; die 10. und 9. Compagnie des Regimentes 65 standen unter anderen dicht an das Glacis der Festung vach Glorieux vorgeschoben ; von starkem Geschützfeuer des Gegners belästigt, barrten sie dort aus. 11 Belagerungsbatterien, zum Teil aus fran zösischem Material, begannen am 13. Oktober die Beschieſsung der Festung. Eine zu kurz gehende Granate riſs am 14. früh dem Hauptmann von Marées inmitten seiner dabei siebzehn Mann ein böſsenden, als Piket versammelten Compagnie, das rechte Bein über
dem Knie ab . Von seinen Fiisilieren auf die Schulter gehoben und aus dem Bereich der verheerenden Geschofswirkung weggetragen, stimmte Hauptmann von Marées – ein Beweis für Geistesstärke,
Willenskraft, Vaterlands- und Königsliebe, wie er selten gefunden werden dürfte – mit schallender Stimme das » Heil Dir im Sieger kranz « an .
Mochte auch der Gedanke, daſs die militärische Zukunft
im praktischen Dienste vernichtet, sein Leben ernstlich gefährdet sei, auf ihn einstürmen , seine Seelenstärke verlieſs ihn nicht, der innere Quell
des
Humors hörte nicht auf zu flieſsen .
Dem Stabsarzt
Dr. Beigel scholl sein : » Die Säge heraus, Doktor ! hier giebts was Das sind Züge , die besser als alles
zu tranchiren !« entgegen .
16 *
IV
Andere für den echten Soldaten sprechen, Züge, die unvergessen geblieben sind im Regiment, ebenso wie seine trene , keine Opfer
scheuende, in frohen wie bösen Stunden immer gleiche Kameradschaft die bei einem späteren Besuche in Cöln eine spontane Ovation er lebte, indem die Offiziere des Regiments den Scheidenden umringten und das Lied anstimmten : »Ich hatt' einen Kameraden, einen bessern findst Du nit «
.
Die zähe Natur des Hauptmanns von Marées überwand zwar
die Verwundung, der kurze Stumpf des rechten Beines heilte, aber die Anstrengungen des Feldzuges hinterlieſsen doch Spuren , die, namentlich als später in Berlin eine schwere Lungenentzündung den auch noch durch angestrengte geistige Arbeit geschwächten Körper befiel, den Keim zu dem unheilbaren Lungenleiden legten, an welchem
er heimgegangen ist. Das Eiserne Kreuz, das mecklenburgische Militär-Verdienstkreuz und das Ritterkreuz I. Klasse des baierischen Militär - Verdienstordens lohnten als äuſsere Zeichen sein Verhalten
im Kriege , später trat zu diesen der Rote Adlerorden IV. Klasse hinzu .
Dem Dienst mit der Waffe war unserm Helden ein Ziel gesetzt, dem Regiment unter dem 15. Juli 1871 aggregiert, fand er im Nebenetat des Groſsen Generalstabes Verwendung, dem er bis
Herbst 1882 angehören sollte.
Die ausgedehnte und fruchtreiche
Arbeit der Feder begann , sie währte 17 Jahre und wurde nur vor
übergehend durch schwere Krankheit und einen Rekonvalescenten Urlaub in Italien unterbrochen.
Zu der Mitarbeit am 3. - 18. Heft
des Generalstabswerkes gesellte sich als dienstliche Aufgabe bald die des Lehrers an der Kriegsakademie. 1874 übernahm Haupt
v. Marées die Leitung der » Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine« . Es ist ihm gelungen, den Jabrbüchern einen
mann
ehrenvollen Platz in der deutschen Militär - Litteratur zu erhalten
und durch sie ein Scherflein dazu beizutragen , das geistige Leben in der deutschen Armee zu fördern. Freimütiges Eintreten für seine
Überzeugung, streng wissenschaftliche Erörterung der wichtigsten Fragen auf allen militärischen Gebieten mit besonderer Berück sichtigung der Kriegsgeschichte war die Losung. Seiner Feder entstammen eine Reihe von Aufsätzen über den Einfluſs der neuen
Bewaffnung auf die Fechtart der Infanterie, ihm ist die Herausgabe der von einer Anzahl bekannter Militärschriftsteller bearbeiteten » militärischen Klassiker« zu verdanken, welche weiteren Kreisen des strebsamen Offizier- Corps diese sonst schwierigen erreichbaren Quellen
der Belehrung zugänglich machte ; unzählige eingehende Besprechungen
V
der litterarischen Neuerscheinungen auf militärischem Gebiete tragen seine Chiffre, der zweite Teil der »Hauptschlachten der frideri cianischen , napoleonischen und modernen Periode « ist sein Werk, ferner eine Reihe zum Teil belletristischer, zum Teil historisch patriotischer Schriften und Aufsätze. Alles , was er geschrieben,
spricht für tiefes Wissen , groſse Vertrautheit mit den Einrichtungen des eignen wie der fremden Heere , für umfassende Belesenheit, Schärfe des Verstandes und Urteils ie einen seltenen schrift stellerischen Schwung . 1882 als Oberstlieutenant und Bezirks-Commandeur nach Jüter
bog versetzt wurde er dem groſsen Kreise seiner berliner Freunde etwas mehr entrückt.
Als er dann nach seinem
Abschied aus den
Reiben des Heeres 1885 nach Berlin übersiedelte untergrub die unerbittliche Krankheit immer sichtlicher seine Körperkräfte; der Geist aber ruhte nimmer, rastlos schaffte er nach wie vor
.
Pflichttreue war ihm ja im seltensten Maſse eigen. Was der Heimgegangene seinen Freunden gewesen , dies zu
erörtern gehört nicht hierher
ein Mann von so seltenen Gaben , ein Mann mit einer so reichen Natur konnte nur Freundschaft erwerben, die über das Grab hinausdauert. -
Den Tod vor Augen sehend hat er zeitig sein Haus bestellt. Seine letzte Lebenszeit, sein Sterben erinnert an die Worte, die der Verewigte einst in dem dichterischen Nachlaſs seiner von ihm so hochverehrten Mutter gefunden und die eine fromme Bitte an den Höchsten enthalten :
> Laſs mich nicht wie ein Hauch verwehn, Nicht wie der Welle Schaum zerflieſsen !
Gerüstet möcht' ich heimwärts gebn,
Bewuſst mein Tagewerk beschlieſsen .
Und gieb , daſs so mein letzter Hauch Ein Segen noch den Meinen werde.
und Mitarbeiter der Jahrbücher « die ergebenste Bitte , derselben in ihren Bestrebungen, dem Heere und Vaterlande zu nutzen , die
bisherige kamaradschaftliche Unterstützung nicht versagen zu wollen. Die Redaction , Goetze
Schnackenburg
Oberst a . D.
Oberstlieutenant a . D.
Richard Wilhelmi Verlags - Buchhandlung.
Zur Nachricht für die Herren Mitarbeiter.
Einsendungen, welche den Inhalt der Zeitschrift angehen, beliebe man zu richten : „ An die Redaktion der Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine.“
Berlin NW., Unter den Linden 47. (Verlag von Richard Wilhelmi).
XVII.
Der Feldzug von 1809 in Tirol, im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. Mit besonderer Bezugnahme auf den Anteil der bayerischen Truppen bearbeitet von
J. v. Heilmann, Generallieutenant.
( Schluſs .) II .
Erste Offensive gegen Tirol, im Mai 1809. Hatte bis jetzt, d. h. so lange Wrede unbebindert befehligte, die lebhafteste Offensive stattgefunden, so trat nun ein äuſserst zaghaftes langweiliges Operieren an seine Stelle. Die Stellung Jellacics machte den Marschall sehr zur Unzeit um seine Ver
bindungen mit dem Salzburgischen und um seinen Rücken bange . Überdies muſste Wrede am 17. Abends 6 Uhr mit Major Tenner einen sechsunddreiſsigstündigen Waffenstillstand abschlieſsen, welcher die Österreicher zur Räumung, die Tiroler zu friedlicher Unter werfung bewegen sollte . Auf die von den Tirolern gewünschte Verlängerung wurde jedoch nicht erst eingegangen, sondern am 19., ܕnachdem der Waffenstillstand abgelaufen , nach Innsbruck Die Division Deroy marschierte am rechten , die vorgerückt. Division Wrede am linken Innufer nach Innsbruck , wo letztere Division sich in der Ebene von Milten (Miltau ) lagerte und den
Iselberg besetzte , indes die Division Deroy am linken Innufer südlich Hötting ein Biwak bezog. Alle in der Umgegend noch befindlichen Sturmhaufen stäubten nach ihrer Heimat auseinander.
244
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
Von der Division Deroy war Generalmajor Siebein mit 6 Com pagnien vom 9. Infanterie -Regiment zur Beobachtung der Ziller thaler bei Straſs stehen geblieben. Anfänglich wollte, wie bereits gesagt, Chasteler bei Volders Innsbruck decken , besann sich aber eines andern und konzentrierte seine Truppen auf dem Brenner. Als er durch Hall ritt, wurde er vom Volke gröblich insultiert.
Noch viel schwerer aber traf ihn
die Achtserklärung Napoleons vom 9. Mai, welche ihn mit dem Tode bedrohte.
Seitdem war Geist und Wille gelähmt
er
war eine Bente der Ratlosigkeit, was aus seinen vielfachen wider sprechenden Befehlen hervorgeht, die er seitdem erlassen . In einer Defensivstellung auf dem Brenner wollte Chasteler abwarten bis
Erzherzog Johann in die Stellung bei Villach eingerückt sei. Als letztes Auskunftsmittel wollte er die Höhen bei Schabr ,
Elvar und Springer , zwischen dem Eisack und der Riez, ver teidigen. Am 20. Mai stand Generalmajor Buol auf dem Brenner, Generalmajor Marschall auf den Höhen bei Schabr and General major Schmidt bei Silian ; die Gesamtstärke Chasteler's betrug damals 14 Bataillone uud 14 Compagnien Infanterie und 7 Schwa dronen.
Abends kam Marschall
Lefebvre mit seinem Stab in
Innsbruck an und nahm Quartier in der Burg. Nächsten Tages erfolgte die Ernennung der provisorischen Vorstände für die drei Generalkommissariate des Inn-, Eisack- und Etschkreises. Ruhe und Ordnung kehrten scheinbar in diesem Teile von Tirol zurück .
Abgeordnete gingen nach München und Wien. Die bayerischen Generale hielten Mannszucht und Ordnung, und trachteten , im Sinne des von ihrem Könige an die Tiroler gerichtetep menschen freundlichen Aufrufs, die Gemüter zu beruhigen . Aber alles um sonst, wie sich recht bald zeigen wird. Das Volk war scbon zu sehr verhetzt.
Nicht zufrieden, den Aufstand niedergeschlagen zu haben, be schäftigte sich Wrede eifrigst damit, die Grundursachen der Un zufriedenheit zu erforschen , um an maſsgebender Stelle entsprechende
Anträge zu stellen . Am 22. Mai machte Wrede aus Innsbruck dem König nachstehenden Vorschlag > der für die Zukunft bei Behandlung der Tiroler ganz besondere Rücksicht verdienen dürfte . « Nun folgen acht Punkte. Ein fanatisches Volk, wie die Tiroler, hängt an äuſseren Kirchengebräuchen , nach und nach wird sich Alles mit ihven erzielen lassen, aber nicht auf einmal. Dem Tiroler
geht es nah , wenn auf einmal seine vorigen Beamten von allen Stellen entfernt werden, vielleicht war der Fall, daſs einige junge
245
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
hitzige Köpfe, denen die Leitung der Landgerichte oder sonstige Branchen anvertraut waren, den Charakter der Tiroler nicht studierten ,
und falsche Wege einschlugen, um zum Zweck des Gouvernements zu gereichen . Die Einteilung der Landgerichte war vielleicht nicht mit hinlänglicher Kenntnis der Lokalität entworfen, mancher Unter than hat durch Umwege 20 bis 30 Stunden zu dem Sitze seines
Landgerichtes - vorher gewöhnt, seinen Civil- Richter jeden Tag zu sehen , glaubt er eine gerechte Beschwerde zu finden, sich jetzt
so weit von ihm getrennt zu sehen. Der Adel hat durch letzte
Verfassung viel verloren, und daher gerne den Einstreuungen Öster reichs, in der Hoffnung, seine vorigen Rechte wieder zu gewinnen,
gehuldigt. Der Handelsstand klagt über die Erschwernis des Handels nach Italien.
Die Stadt Bozen bat die Flamme des unzufriedenen
Handelsstandes mehr ausgebreitet .
Dem
Bauernstand
fallen
die
Abgaben etwas schwer, und sollen solche wirklich nicht im Ver hältnis mit den Vorteilen, die der Bauer aus seinen Gütern zieht, stehen .
Die Conscription schien deswegen einen Teil der Be
schwerden des Landes auszumachen, weil sie nicht vor drei Jahren, sondern erst vor drei Monaten eingeführt worden . Jedoch ist dieser
Gegenstand einer derjenigen, zu dem der Tiroler sich am leichtesten verstehen
wird .
Euer Majestät haben Tirol durch ihre Waffen
besiegen lassen , und können dem besiegten Volke neue Gesetze geben . Allein ob aber da zu befehlen ist, daſs manche der bisher angestellt gewesenen Beamte vielleicht dermalen mit dem besten Willen nicht ohne Leidenschaft handeln dürfte, nicht manchem
derselben eine andere Bestimmung gegeben werden wolle, muſs ich der allerweisesten Einsicht Euer Majestät anheim stellen.
Dagegen verlangt Wrede sofort, » um Tirol vor ähnlichen rebellischen Auftritten sicher und kraftlos zu machen, für not
wendig : « daſs alle Waffen und Munition ohne Unterschied ein geliefert, das Scheibenschieſsen auf ewige Tage verboten, die Ver mögens -Konfiskation über jeden Bürger oder Kaufmann verhängt werde, der Pulver oder sonstige Munition ohne Vorwissen der Re gierung verkauft, und daſs das Bürgermilitär aufgehoben und nie wieder in dieser Provinz errichtet werde. «
Die Bayern schoben nun kleine Rekognoszierungs -Patrouillen gegen den Brenner vor. der Marschall nicht.
An ein Zurückwerfen der Feinde dachte
Während Generalmajor Buol, mit 2381 Mann
Infanterie, 130 Pferden und 7 Geschützen , den Brenner besetzt hielt,
zog sich Chasteler nach Lienz , wo er bis zu dem Momente blieb,
in welchen er sich über Villach und Klagenfurt nach Ungarn
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
246
zurückzog. Buol beschränkte sich darauf, die Stellung des Brenner zu verschanzen mit dem festen Entschluſs, von hier nur im äuſsersten
Notfalle oder auf Befehl seiner Vorgesetzten zu weichen. *) Der Abmarsch Chasteler's rief in Tirol momentan Bestürzung hervor, doch fanden die tapferen Bergsöhne bald in sich die Kraft, den Kampf zu beginnen. Andreas Hofer , der am 23. sein Stabsquartier von Sterzing auf den Brenner verlegte, wobin er bereits 6000 Landesverteidiger, meist organisierte Schützencompagnien, geschickt hatte, stellte sich an ihre Spitze und kommandierte zum ersten mal als Oberbefehlshaber in der nun folgenden ersten Schlacht am Berge Isel. Daraus geht hervor, daſs Hofer nicht von Anfang an der Oberkommandant und die Haupttriebfeder des Aufstandes war. Vom Kriegsausbruch bis zu diesem Moment war er Kom mandant seiner Passeyern
des Hauptkerns der Insurrektion .
Auch Jellacic war inzwischen abmarschiert.
15. Mai das 3. Salzburger Landwehr- Bataillon
Nachdem er am eine schlechte
Truppe, die er los haben wollte und die sich auch bald verlief,
-
nach Saalfelden abgeschickt hatte, räumte er am 20. das ganze
salzburgische Gebiet, um sich in Steiermark mit dem Erzherzog
Johann zu vereinigen. Die salzburgische Landesverteidigung löste sich auf und der Paſs Lueg , wurde dadurch den Bayern geöffnet. Als das an der Tuscherbrücke stehende Pikett vom 8. Infanterie
Regiment den gänzlichen Abmarsch der Österreicher gemeldet, lieſs der Commandeur der 1. Divisions-Compagnie, Ludwig , den Pals durch die Schützen und 3 Compagnien vom 8. Regiment besetzen ; die Tuscherbrücke , sowie alle Zugänge wurden wieder hergestellt. Werfen wurde von einer Abteilung des 8. Regiments besetzt. Um Jellacic's Marschrichtung zu ermitteln , schickte der Kronprinz den Generalmajor Rechberg mit dem 1. Bataillon des 1. Regiments und 1 Schwadron des 1. (nun 3. ) Chevaulegers-Regiments durch den Paſs.nach dem oberen Ennsthal ; am 26. Mai hatte Rechberg den Mandlingerpaſs im Ennsthal passiert und Steinach erreicht. Auf die Nachricht von dem Vorrücken der 2. und 3. Division
im Innthal gegen Innsbruck, beschloſs Oberst Arco , da auf der Linie Rosenheim - Füssen nichts zu befürchten war , gegen die
Scharnitz vorzugehen , dieselbe durch Handstreich zu nehmen, dann über Seefeld nach Innsbruck vorzudringen und sich dort mit dem Armee-Corps (2. und 3. Division) zu vereinigen. Nachdem er alle verfügbaren Truppen am 18. Mai bei Benediktbeuern *) Egger , 3, 616.
im salzburgischen und an der bayerischen Stdgrenze.
247
gesammelt hatte, lieſs er Bauernwagen zusammenfahren und setzte sich mit einer Compagnie, Hauptmann Lüneschloſs , zu 120 Mann , nebst 120 Schützen des Münchener Bürgermilitärs und des Gebirges und 80 Mann Kavallerie gegen Mittenwald in Marsch . Da Mittenwald von einem starken Aufständigenschwarm besetzt war, 80 sollte dasselbe umgangen und überfallen werden. Hauptmann Baur ging mit einem Teil der leichten Infanterie und Schützen bei der Husselmühle über die Isar, warf die Aufständigen sowohl aus dem Markt als aus dem Posten an der Isarbrücke. Das Detachement
blieb an der Brücke, südlich von Mittenwald stehen .
Parlamentäre aus der Scharnitz ein.
Es trafen
» Sie verlangten zwei Stunden
Bedenkzeit und schienen zur Unterwerfung geneigt. «
Bis Mittag
sollte Ruhe sein . Die Aufständigen eröffneten gegen die Verabredung das Feuer. Die erste Verteidigungslinie ging verloren . Das Detache ment nahm Stellung hinter dem Markte, an der Straſse nach Benediktbeuern . Zum Rückzug gezwungen, ging Arco mit der Kavallerie nach Benediktbeuern ; Hauptmann Lüneschloſs war genötigt, den höchst beschwerlichen Gebirgsweg über die Oswald bütte , Lauggried und Tölz nach Benediktbeuern einzuschlagen. Die Reserve, 300 Mann Infanterie und 250 Gebirgsschützen , auf die Arco gerechnet, war nicht eingetroffen . Inzwischen hatten 100 Mann leichte Infanterie, 500 Gebirgs schützen und 40 Pferde Partenkirchen besetzt, ihre gegen Mitten
wald ausgeschickten Patrouillen fanden am 21. Mittenwald vom Feinde geräumt und die Scharnitz schwach besetzt. Am 22. war die Scharnitz in Arco's Händen . Auch die Loitasch und See feld wurden besetzt und die Verbindung mit dem Armee-Corps in Innsbruck eröffnet. Statt starker Besatzungen wurden > Sauvegarden «
Frede « nun jener der tiroler Bauern. Kein bayerischer oder französischer General wurde von den Tirolern mehr gefürchtet, als der ungemein energische Wrede. **) Am 25. Mai fand die erste Schlacht am Berge Isel statt. An Linientruppen hatte Generalmajor Buol 1100 Mann mit 7 Ge schützen unter den Oberstlieutenants Ertel und Reiſsenfels den
Landverteidigern unter Hofer beigegeben . Die ursprüngliche Auf gabe dieser Hülfe war, den Landesschützen beobachtend zu folgen und im Falle des Rückzuges dieselben aufzunehmen . ***)
Die Vorpostenstellung, welche bisher die 2. Division besetzt gehabt, und die sich von der Gallwiese über den Isel- und Paschberg gegen Amberes hin erstreckte, wurde bereits am 22. Abends durch das 2. Bataillon vom 5. Regiment mit 1 Schwadron des 2. Dragoner -Regiments abgelöst ; am 23. erhielt das Vorposten *) Gerneth , Geschichte des 5. Infanterie-Regiments, 2. Teil, 1. Hälfte, 236. **) Heilmann , Feldmarschall Fürst Wrede , 154, ***) Egger , 3, 616.
250
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
gros, welches nächst Wiltau stand, eine Verstärkung von 2 Com pagnien und 2 Geschützen . Mit dem Hauptteil seiner Kräfte ging Deroy an das rechte Innufer und bezogam Westausgange der Stadt ein Biwak . 1 Compagnie des 14. Regiments blieb zur Auf rechthaltung der Verbindung mit Ziel jenseit des Flusses zurück , von woher Deroy das Arco’sche Corps erwartete. In Innsbruck stand das 1. Bataillon vom 9. Regiment. Am 25. Nachmittags ordnete Deroy eine Rekognoszierung
gegen Matrey an , um sich nähere Aufklärung über des Feindes Absichten zu verschaffen . Major v. Scherer muſste mit 2 Com
pagnien vom 1. Bataillon des 5. Infanterie-Regiments, 1 Zug Dra goner und 1 Geschütz auf dem linken Sillufer, 1 Compagnie des 14. Infanterie- Regiments mit 12 Dragonern auf dem rechten Ufer über Ambras, Altrand und Patsch vorgehen und sich an der Sill
brücke, nördlich Matrey , mit einander vereinigen . Beide Kolonnen waren indes kaum eine halbe Stunde über die Vorpostenlinie hinaus marschiert, als sie auf den Feind stiefsen , der eben im Vorrücken
begriffen war, es kam zu einem Gefecht, demzufolge die Detachements zurückgingen . Oberstlieutenant Ertel vom Regiment Lusignan, welcher ge
wissermaſsen als Stabschef Hofers fungierte, batte den Plan zum Angriff entworfen, der in drei Kolonnen geschehen sollte. Rechter
Flügel
unter Oberstlieutenant Reissenfeld , 5 Compagnien ,
'/, Schwadron, 2 Geschütze und 2000 Tiroler, vom Dorf Patsch
gegen den Paschberg und gegen Ambras und Ampaſs ; die mittlere Kolonne, 17 Compagnien, '/, Schwadron, 8 Geschütze und
8000 Landesverteidiger, auf der Brennerstraſse gerade auf Innsbruck, die linke Kolonne , 1000 Mann Tiroler, über Mutterns und
Stetters gegen die Gallwiese an den Inn. Die Stellung der Bayern am Berge Isel konnte nicht genommen werden .
Der Kampf, oder, wie Deroy sagt, das Hin- und Herrücken ging wechselweise bis Abends '/, 10 Uhr, wo die Affaire sich endigte.« Die Bayern hatten den Rand des Mittelgebirges behauptet und sich nicht in den Kessel bei Iunsbruck hinabwerfen lassen .
> Der An
griff war also miſslungen – offenbar verfrüht und mit zu schwachen Kräften unternommen. « Der bayerische Verlust bestand in 20 Toten , 94 Verwundeten (darunter 4 Offiziere). *) Die
Tiroler gaben ihren Verlust nur zu 8 Toten, 20 Verwundeten und 6 Gefangenen an . Sie beklagten den Tot des letzten Grafen *) Das 5. Infanterie - Regiment hatte einen Verlust von 1 Offizier und 61 Mann.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
251
v . Stachelburg. In der Nacht gingen die Feinde zurück. Der rechte Flügel nach Voldern und Rinn , das Centrum nach Schön berg und Matrey , der linke Flügel an den Eingang des Stuber thales .
Am 27. erliels Deroy einen vergeblichen Aufruf an die Landes verteidiger, worin er sie zum Niederlegen der Waffen und zur Rückkehr an ihre heimatlichen Herde aufforderte. Inzwischen hatte Hofer mit Hülfe des Oberstlieutenant Ertel
einen neuen Angriff Deroy's entworfen . Ehe er aber zur Aus führung schritt, sollte ihnen zunächst der Rückzug durch die
Scharnitz abgeschnitten werden. Doch kam diese Unternehmung erst am 29. Mai, also am zweiten Schlachttage am Berge Isel, zur Ausführung. Der Schützenmajor Mahrberger bemächtigte sich an diesem Tage mit zahlreichen Bauernhaufen der Scharnitz.
Kaum hatte Arco diese Treulosigkeit der Einwohner erfahren, als er sofort mit einem Teil seines Corps herbeieilte, indes der andere Teil bei Mittenwald stehen blieb. Der Feind wurde geworfen und durch die Kavallerie unter Rittmeister Graf Lerchenfeld zwei
Standen Weges über Scharnitz sowohl gegen Seefeld als in das Isar and Karwendlthal verfolgt.
Zum erstenmal waren die von München
eingetroffenen sechspfündigen Kanonen mit guter Wirkung in An wendung gekommen. Zwei Kanonenschüsse setzten den Gegner in
Verwirrung, die Infanterie drängte ihn über das Gebirge, die Ka vallerie bieb viele Tiroler nieder, und zeichnete sich besonders da
durch aus, daſs ihrer viele vom Pferde stiegen und mit der Infanterie die Berge hinanklimmten. Es wurden wenige Gefangene gemacht, da der erbitterte Soldat keinen Pardon gab . Auch das Kommando in der Loitaschschanze, 1 Offizier, 2 Unteroffiziere und 30 Mann, war aufgehoben worden . Mittenwald war mit einem Angriff bedroht. Am 30. lieſs Arco den Hauptmann Baur mit 300 Mann
Infanterie und Schützen gegen die Leutaschschlucht vorgehen, während 80 Mann unter Hauptmann Jehle zur Bedrohung der linken Flanke der Leutasch bestimmt waren.
Die Kolonnen sollten einen gemein
schaftlichen Angriff auf Leutasch versuchen, jedoch die Mannschaft nicht zu sehr aussetzen und bei beträchtlichem Hindernis, den
Angriff in eine offensive Rekognoszierung verwandeln. Der Rest der Infanterie wurde zur Unterstützung in den Engpässen unter Mit wirkung von Kavallerie und Artillerie so aufgestellt, daſs diese
Reserve » zugleich im Fall eines nicht glücklichen Erfolges die Position von Mittenwald deckte. «
Zurückgeworfen, setzten sich die
Tiroler in der Schanze der Leutasch fest; ein kasemattiertes Block
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
252
haus und Festungsruinen, welche bei der Sprengung stehen geblieben,
dienten ihnen als Schlupfwinkel. Der Sturm unterblieb und die Truppen kehrten in ihre Stellung zurück. Das Detachement hatte 2 Tote, darunter Lieutenant Rieger vom 5. Regiment, 2 Blessierte und 59 Verwundete, darunter 1 Offizier.
Der Feind
Tote zurück und hatte viele Verwundete.
lieſs mehrere
Mittenwald muſste
gehalten werden, da man seit einigen Tagen keine Nachricht vom Generallieutenant Deroy erhalten und derselbe früher auf die Be
hauptung von Mittenwald und Scharnitz zur Erleichterung seines eventuellen Rückzuges auf dieser Linie gedrungen hatte. Das zur Verteidigung von Mittenwald bestimmte Corps bestand aus: 13 Offizieren , 787 Mann Infanterie, 140 Mann Kavallerie, 1 Offizier, 18 Kanonieren und 8 Fuhrsoldaten mit 2 sechspfündigen Kanonen .
Während das Gros des Corps in der Ebene bei Mittenwald bi wakierte, hielten kleine Posten die Höhen des rechten Isarufers, die
Isarbrücke, den Burgberg und die Kapelle besetzt. Der Posten an der Kapelle muſste mehreremale durch den tapferen Oberlieutenant Lantel vom leichten Bataillon Donnersberg genommen werden, in dem die Aufständigen diese Brille auf ihrer Nase durchaus nicht leiden wollten. *)
Vom bevorstehenden Angriff unterrichtet, hatte Generallieutenant Deroy auf dem rechten Innufer eine sehr konzentrierte Stellung
genommen . Der rechte Flügel stand auf dem Klosterberg mit seinen Vorposten vor Netters und Mutterns and im Rücken Gallwied und Husselhof besetzt haltend ; das Centrum auf dem Berg Isel , mit seinen Vorposten am Gerberbach und auf den
Höhen der Münzerhofer ; der linke Flügel hielt das Schloſs Ambras , den Paſsberg , den Concethof und die Sillbrücke
besetzt, nit detachierten Abteilungen in der Richtung gegen Vill , auf den Höhen des Sparwerkhofs und südlich von Ambras ; die Hauptreserve hielt in der Ebene von Wilten auf dem rechten Sill ufer in der Ebene von Pradl und Ambras ; die Innbrücken bei
Hall und Voldres waren besetzt. Die Verbindung mit Graf Arco war unterbrochen.
Am 29. erfolgte die zweite Schlacht am Berge Isel.
Die Stärke der Tiroler soll circa 20,000 Mann betragen haben. **) Auch diesmal hatte wieder Oberstlieutenant Ertel den Angriffsplan entworfen , der sich vom ersten dadurch unterschied , daſs die zweite *) Baur , 37 und 38 und Arco's Berichte vom 29. und 30. Mai , K.-A. **) Rothenburg , Schlachten -Wörterbuch , 1809, 123.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
253
Kolonne vor Patsch in vier Abteilungen zerfiel. Der linke Flügel nahm seine Marschrichtung gegen die Höhen von Natters , das Centrum auf und zu beiden Seiten der Brennerstraſse gegen den
Berg Isel und der rechte Flügel gegen Hall und Volders (1. Ab teilung), Paſsberg und Schloſs Ambras (2. Abteilung ), Juden stein (3. Abteilung) und Lans (4. Abteilung). Den Kern der Kolonnenspitzen bildeten Linien truppen , im Ganzen 2 Bataillone von
Lusignan und Devaux , 1 Bataillon Salzburger Jäger, 6 Geschütze und 1 Schwadron Hohenzollern-Chevaulegers. Zwischen Schönberg nnd Brenner blieb Generalmajor Buol mit einer Reserve von
4 Compagnien Lusignan, 1 Schwadron Hohenzollern -Chevaulegers und 1 sechspfündigen Kanone. Um 7,7 Uhr Vormittags begann der Kampf. Die Innbrücke bei Volders wurde von Speckbacher genommen und zerstört. Major v. Scherer , welcher mit 2 Compagnien des 5. Regiments und 1 Kanone die Zerstörung dieser Brücke verhindern sollte, war trotz aller Bemühungen nicht im
Stande , im Hinblick auf die
groſse feindliche Überlegenheit, diesen Auftrag auszuführen . Mit Verlust von 4 Toten und 8 Blessierten zog er sich auf Hall zurück, wo er sich mit Oberstlieutenant v . Waldschmitt vereinigte, der nach längerem unentschiedenem Kampfe vor der Brücke deren Zer
störung vollzogen hatte. Während die erste Abteilung des rechten Flügels unter Speckbacher sich der Übergänge bei Volders und Hall bemächtigte, erstürmte die zweite Abteilung den Paſsberg
und Schloſs Ambras und warf die Bayern bis an die Sill zurück. Die Sillbrücke fiel in feindliche Hände. Die Bayern sahen sich
zum Rückzug nach Wiltau gezwungen . Auf dem linken Flügel nahmen die Gegner die Höhen von Natters und zwangen auch hier die Bayern zum Rückzug nach Wiltau , nachdem sie Gallwies und Huſslhof genommen . Nach längerem Kampfe waren die Auf ständigen auch in den Besitz des Iselberges gelangt. Deroy's Versuche die entwundenen Vorteile wieder zu erringen , blieben
erfolglos. Nur Oberstlieutenant Reiſsenfeld , welcher die Sillbrücke forcierte, muſste sich auf den Paſsberg zurückziehen . Eine Unter stützung am Ober - Innthale, welche am Nachmittag bei Gallwies angelangt war, hatte hierzu beigetragen . Am Schlusse des Gefechtes
standen in der Ebene von Innsbruck und auf der Höttingerhöhe mit vorgeschobenen Posten in der Ebene zwischen jener Höhe und Krana bitten die Gegner auf den Höhen zu beiden Seiten der Sill, von Gallwies bis Ambras und bei Wiltan ; Temier mit den
Ober - Innthalern, die er während der Schlacht herbeigeführt hatte, Jahrbüchor für die Deutsche Armeo und Marine, Bd . LXIX ., 3 .
17
254
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
bei Krana bitten .
Deroy entsandte eine Abteilung mit einer
Kanone gegen diesen neuen Feind, und behauptete mit groſser Aus dauer seine verwickelte Stellung. Der Verlust der Gegner betrug 87 Tote und 156 Blessierte, jener der Bayern 35 Tote, 203 Ver wundete und 53 Vermiſste. *) Unter den Toten befand sich Lieutenant Pflug vom 10. Infanterie- Regiment. **)
Gegen Ende des Gefechtes hatte sich Oberstlientenant Ertel
erkühnt, den Generallieutenant v. Deroy zur Übergabe aufzufordern . Deroy gab zwar keine Antwort, ***) trat aber, da er durch das An
wachsen der Teimer'schen Haufen im Innthal – seiner Rückzugs linie – in immer gröſsere Gefahr geriet, wozu sich der Mangel an -
Schieſsbedarf, Lebensmittel und Futter gesellte, den Rückmarsch an .
Seine Verwundeten der Menschlichkeit der Innsbrucker über
lassend, sammelte er in der Nacht zum 30. Mai seine sämtlichen
Truppen, mit Ausnahme der Vorposten, die stehen bleiben muſsten , um seinen Abmarsch zu maskieren, und trat den Rückzug auf dem linken Innufer nach Achenrain an , wo er am Abend des 30. Biwak
bezog. Als der Morgen des 30. graute, war auf mehreren Stunden von der Walstatt kein Bayer mehr zu sehen, mit Ausnahme jener *) Herr Egger , 3, 627 giebt den Verlust der Bayern an , zu : 130 Tote, 400 Schwer- und 100 Leichtverwundete und 200 Vermiſste, ohne die Verluste bei Hall und Volders.
Nach der Geschichte des 10. Infanterie-Regiments (Ruith , 155 ) hatte dieses Regiment, welches am 29. Wiltau zu verteidigen hatte, 267 Mann tote und ver wundete Unteroffiziere und Soldaten.
An Offizieren war der Lieutenant Pflug
geblieben und 7 Offiziere verwundet worden.
Die österreichische Militärzeitschrift v. J. 1833, 4, 278 giebt an , daſs die Bayern in der Zeit vom 25. bis 31. Mai einen Gesamtverlust von 2796 Mann nebst
5 Kanonen und 13 Munitionswagen erlitten hätten. Den Verlust der Österreicher giebt sie zu 87 Tote und 156 Verwundete an.
**) Mayr , (Speckbacher, 110, Anmerkung) sagt, daſs sich im Gefecht des 29. ein alter Passeyer Scharfschütze mit 4 Stutzen, 3 Ladeknechten und 96 Kugeln befunden habe. Als ihn Hofer nach dem Gefecht fragte, wie viel er ,bloach
(bleich) gemacht habe, antwortete dieser Aufschneider : „Von meinen Kugeln son noch 3 übrig, und wann i von den andern dreimal g'fehlt hätt, will i wohl kon Theil mit hob'n am himmlischen Reich, die moaste hab' ich mir aber für d' 6
Offizier aufg'spart.“ Der Verlust an Offizieren betrug aber nur 1 Toten und 5 Blessierte. Da diese Auſsergefechtsetzung auf verschiedenen Punkten stattfand,
so wird der Maulheld bei seinen Angaben wohl geträumt haben. Derartige Über treibungen findet man vielfältig. Sie haben entschieden dazu beigetragen , die Wahrheit und Objektivität sehr in den Hintergrund zu drängen. ***) Nach Staffler, 2. Teil, 1 , 503 schlug Deroy die Kapitulation ab, wollte aber auf einen 24 stündigen Waffenstillstand eingehen , welcher aber von Ertel und Hofer verworfeu wurde.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
255
Posten, welche den jetzt verblüfften Tirolern in der Nacht tüchtig zugetrunken hatten . Am 30. erhielt Deroy nachfolgendes, lügen
haftes unverschämtes Schreiben Teimers, es lautete: »dato Krana bitt, 30. Mai 1809. In diesem Augenblicke auf dem Wege zwischen Ziel und Kranabiten erholte einen Courier mit der Nachricht, daſs die französische Armee bei Wien am 22. , 23. , 24. Mai ganz
aufgerieben worden, daſs sich die Preuſsen und Russen mit uns vereinigt haben, daſs Erzherzog Ferdinand bereits in Schwaben
sei, Nürnberg, Augsburg, München, Ulm besetzt haben werde, eine Kolonne Österreicher durch Schwaben nach Vorarlberg und Tirol
rücke, 9 Bataillone Österreicher seien schon in Beregenz einge rückt, 20,000 Vorarlberger in Anmarsch gegen Innsbruck , er selbst stehe mit 50,000 Landesschützen und kaiserlichem Militär da
selbst, sein Kamerad am Berg Isel nicht schwächer als er. Das Corps des Grafen v. Arco bei Scharnitz und Leutasch sei gestern von ihm vernichtet worden ; alle Engpässe Tirols seien
besetzt , zu entkommen keine Möglichkeit. Er offerire dem
bayerischen Truppencorps eine ehren volle Capitulation, aber er müsse in einer halben Stunde eine Antwort haben ,
nach Verlauf derselben beginne allgemeiner Angriff , und
er schwöre , daſs sodann auch dem letzten königlich bayerischen Mann kein Pardon mehr gegeben werde ! « Andreas Hofer hielt am 30. seinen Einzug in Innsbruck , wo gleich das, zum Andenken des Sieges am Berg Isel und der zweiten Be
freiung Tirols, festgesetzte Herz -Jesu -Fest gefeiert wurde. Erst am Nachmittag des 30. übernahm Teimer von Innsbruck aus die Ver folgung Deroy's. Er erreichte ihn nicht mehr, ungeachtet dieser sehr
langsam marschierte. Am 31. um 7 Uhr Vormittags verlieſs Deroy das Biwak bei Achenrain und marschierte nach Kufstein , wo
er Nachmittags 4 Uhr eintraf und unter den Kanonen der Veste Biwak bezog.
Am 1. Juni zeigten sich einige hundert Bauern und
etwas österreichisches Militär bei Kufstein , welche nach einigen Kanonenschüssen wieder verschwanden .
Wenn auch nur schwach
verfolgt, so kostete der Rückzug den Bayern doch 6 Tote, 46 Blessierte und 113 Vermiſste. Unter den Toten befanden sich der Commandeur des 7. leichten Bataillons Günther und der Unterlieutenant Fer
ravi desselben Bataillons, am 30. bei Brixlegg ; letzterer starb an seiner Verwundung am 5. Juli zu München. Ferner der Ober lieutenant Herrmann des 5. leichten Bataillons, welcher am 30. Mai bei Schwaz verwundet wurde und am 22. Juli in München starb .
Der geringe Verlust auf dem Rückzug lieſs sich nur aus dem fast 17*
256
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
unbegreiflichen Eigensinn der Häupter der Tiroler erklären, welche den Rückzug auf der kürzesten Linie vom Inn an die Isar über die Scharnitz yoraussetzten und die östlichen Punkte unbeachtet
lieſsen . Am 2. Juni verlieſs Deroy das Biwak bei Kufstein und marschierte bis Bedenfelden (südlich Rosenheim ), wo er sein
Stabsquartier nabm ; seine Truppenbezogen Quartiere zwischen diesem Orte und Fischbach. *)
Mit dem Rückzug Deroy's war Arco isoliert. Ungehindert konnten sich die Tiroler mit Übermacht auf ihn werfen . Am 31. Mai
verhielten sich die Aufständigen gegenüber dem Grafen Arco zwar ruhig, unterhielten aber einen lebhaften Patrouillengang. Da sie aber die Kühnheit so weit trieben, bis zu den bayerischen Feld wachen vorzurücken und das Lager zu alarmieren , liefs Arco am 31. zwei Detachements, das eine zu 50, das andere zu 30 Mann , 7
den Berg, auf dem die Tiroler ihre Vorposten aufgestellt hatten ,
gleichzeitig von vorne angreifen und im Rücken umgehen, um wo möglich , ein Pikett aufzuheben . Es gelang nicht, da das fragliche Pikett die Flucht ergriff; es verlor einige Mann, die Detachements hatten keinen Verlust.
Am 1. Juni 3 Uhr Morgens liels Arco den
Sergeanten Lang von den Feldjägern mit 30 Mann Infanterie und 10 Kavalleristen gegen die Scharnitz vorgehen » um alle sich im Dorfe befindlichen Tiroler aufzuheben . Sie entflohen bis auf einen, dessen man sich bemächtigte. In der Nacht vom 1. zum 2. Juni lieſs Arco den Burgberg , welcher beide Stellungen trennte, be setzen.
Am 2. Juni fand bei Mittenwald ein lebhaftes Gefecht
statt, welches auch Arco zum Rückzug zwang.
An diesem Tage
6 Uhr Morgens gingen die Aufständigen von Scharnitz her auf und seitlich der Straſse zum Angriffe vor. Hauptmann v. Lüneschloſs rückte ihnen mit 2 Compagnien, 1 Kanone und einem Teil der Kavallerie entgegen. Der übrige Teil des Corps blieb nebst 1 Ka none bei Mittenwald . Die Aufständigen wurden trotz ihrer Über legenheit in die Scharnitz zurückgeworfen. Man hielt die Affaire für beendigt, als die Aufständigen mit Macht aus der Loitasch vor
drangen, den Posten an der Kapelle verdrängten und sich in den Besitz des die Brücke, über welche Lüneschloſs vorgedrungen war, beherrschenden Burgberges setzten . Der Burgberg, der mit 130 Mann besetzt war, wurde mit Sturm genommen, aber wieder verloren . Als hierauf die Tiroler Arco's rechte Flanke bedrohten, *) Wegen der beiden Iselschlachten und wegen des Rückzugs siehe w. u. das Schreiben Deroy's vom 11. Juli 1809 .
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
257
beschloſs er den Rückzug. Die Aufständigen zeigten sich in be trächtlicher Zahl auf den Höhen , welche Mittenwald umgaben, nur die Kavallerie und Artillerie hielten sie ab, in die Ebene herab zusteigen und sich dort auszubreiten . Es kostete viele Mühe, die Isarbrücke für das Detachement Lüneschloſs frei zu halten.
Nach
dem dasselbe über die Brücke zurückgegangen war, trat das Corps
den Rückzug an. Ein Detachement, welches auf die Höhen geschickt worden war, um namentlich die Passage am Grünberg zu sichern , hatte sich verirrt.
An der Seinsbrücke, von einem heftigen Feuer
empfangen, zog Arco unter vielfachen Beschwerden nach Wallgau , wo Halt gemacht wurde, um die Versprengten zu sammeln. Der übrige Rückzug bis Benediktbeuern wurde vom Feinde nicht be
unruhigt. Dieser Tag kostete dem Corps 4 Tote, 12 Verwundete ; darunter Hauptmann Fischheim und 22 Vermiſste, darunter den
braven Münchener Bürgerhauptmann Jehle.*) Die Kavallerie hatte bei den verschiedenen Gelegenheiten bis 2. Juni : 7 Mann und 5 Pferde blessiert, 26 Mann und 27 Pferde vermiſst, 4 Pferde tot.
Die Stärke des Gegners wuchs nach und nach auf 5000—6000 Mann an , ohne 15 Compagnien zu rechnen, welche als Reserve in See feld standen . Die Abteilung, welche sich bisher in Partenkirchen
befand, hatte sich über Murnau, und bei dem Vordringen der Tiroler gegen diesen Punkt auf Weilheim zurückgezogen . Die Auf ständigen folgten nur bis Wallga u ; ihre Vorposten nahmen Stellung bis Walchensee. Die Vorposten Arco's in Kochel und am Kessel
berg und auf dem Wege, welcher über das Gebirge teils in die Jachenau, teils nach Tölz führt.
Die Loisachbrücke, über welche
der Weg, ohne Kochel zu berühren, von Schlehdorf nach Benedikt beuern führt, wurde abgehoben. **)
Generalmajor Buol , der noch immer auf dem Brenner stand , entsandte den Hauptmann d'Esquille zur Wiederaufnahme der Blockade von Kufstein und
den Oberstlieutenant Taxis mit
2 Jäger- Compagnien nach der Scharnitz zur Bewachung der Grenze und Erneuerung der Ausfälle. Unter dem Eindrucke des glorreichen Kampfes bei Aspern hatte Kaiser Franz am 29. Mai aus Volkersdorf ein Handbillet
an die Tiroler erlassen, worin es heiſst: »Im Vertrauen auf Gott *) Ein Munitionswagen, der in Gefahr schwebte in feindliche Hände zu fallen, wurde in die Luft gesprengt und nicht, wie der Herr Dr. Rapp (382) sagt, wohl erhalten in das Zeughaus nach Innsbruck verbracht. **) Arco's Berichte vom 31. Mai. 1., 2. und 6. Juni 1809. K.-A. Feldaktamt von 1809.
258
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
und meine gerechte Sache, erkläre ich hiermit meiner treuen Graf
schaft Tirol mit Einschluſs des Vorarlbergs, daſs sie nie mehr von dem Körper des österreichischen Kaiserstaates soll getrennt werden, und daſs ich keinen andern Frieden unterzeichnen werde, als den,
den dieses Land an meine Monarcbie unauflöslich knüpft. Dieses Handschreiben , welches groſse Begeisterung und Jubel in ganz Tirol hervorrief, hat zur Fortsetzung des Kampfes beigetragen, indem der Friede von Schönbrunn Bayern den Besitz von Tirol bestätigte. Während der ersten Offensive erschien nachfolgende Schrift in Tirol im Druck, in welcher das Betragen der bayerischen Truppen
zu dieser Zeit zum Gegenstand leidenschaftlicher Expektorationen gemacht wird. Sie hat zwei höchst interessante Beantwortungen , welche am Schlusse folgen, von seiten der Divisions -Commandeure, Generallieutenants Freiherr v. Wrede und v. Deroy hervorgerufen. Die fragliche Schrift ist noch i . J. 1809 im 2. Hefte der : » Materialien
zur Geschichte des Österreichischen Revoluzionirungs - Systems« mit ent sprechenden Anmerkungen abgedruckt worden. Sie lautet: » Der Wunsch, die vor der bei Rattenberg gewählten, sehr festen Defensionslinie liegenden Ortschaften vor jenen Greueln zu bewahren, die ein unmenschlicher Feind nach seinem ersten Ein
bruche beim Passe Strub in diesem Orte, in Waidring und St. Johann bereits verübt hatte, bewog den kommandierenden Herrn Feld marschall- Lieutenant Marquis Chasteler aus jener überaus vortheil haften Stellung in die ungünstigere von Wörgl vorzugeben. Mehrere Deputationen der durch jene frühere Position dem raub- und mord süchtigen Feinde blosgegebenen Gemeinden flehten um Schutz gegen die nahe Verwüstungsgefahr.
Die Folge hat es auch wirklich ge
zeigt, daſs die schon hochgespannte Vorstellung von der Tigerwuth des bayerischen Militärs noch lange nicht die durch die That be wiesene Unmenschlichkeit erreicht hatte. Über hundert Unbewaffnete wurden an Bäumen aufgehenkt, Weiber und Kinder zusammen gemetzelt, Vieh und Menschen in Ställen verbrannt, blühende Ort schaften durch Feuer und Schwert in Schutthaufen verwandelt,
schwangeren Weibern der Bauch aufgeschlitzt, und ihr eigenes Eingeweide in die Hand gegeben, gefangenen Bauern, selbst noch bei der Niederlage am Berg Isel , die Zunge ausgerissen . *) Vierzehn blühende Ortschaften liegen in der Asche, ohne mindesten Unter schied , ob ihre Bewohner an der Bewaffnung selbst thätigen Antheil *) Von diesem Vorfalle weiſs kein Mensch etwas.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
259
genommen haben oder nicht. — Einmal in der Hitze des Gefechtes, aber zweimal zu verschiedenen Zeiten, mit vieler Mühe, ja sogar
gegen die Richtung des Windes, wurde die Kreisstadt Schwatz mit Pechkränzen und Fackeln in die Asche gelegt. Türkische Musik im Lager und wildes Hohnjauchzen schmetterte durch das Prasseln der Flammen und durch das Wehegeheul der Verbrennenden , Miſs handelten und Flüchtenden . Den 82jährigen Hauptkassirer v. Mayer hofer ermordeten seine zwei eigenen Sauvegarden . *) Selbst die menschenfreundlichen Bemühungen des Marschalls Lefebvre , Herzog von Danzig, und der wenigen französischen Offiziere **) mochten es nicht hindern, daſs nicht der bayerische Soldat auf diese Weise seinem Herzen Luft machte, und bewies, wie sehr er empfinde was mehrere Druckschriften versicherten , daſs » der Bayer des Tirolers Bruder sei. «
> Heuchlerisch genug, und mit teuflischem Hohn wurden in den dreimal von verschiedenen Seiten angezündeten Ort (Schwatz) Truppen zum Löschen kommandirt, wie nicht mehr zu löschen war.
Ja es
soll bei diesem, die Haare emporsträubenden Anblick sogar manche Crocodills - Thräne geflossen sein . ***) Eine neue Steuer war, um recht im alten Gang zu bleiben , das erste Geschäft, und die veueste
Handlung der neuen Machthaber, eine Steuer für Diejenigen Orte, in denen sie selbst mit einem Streich alles Glück der gegenwärtigen und kommenden Geschlechter zertreten hatten. « >>Und dennoch war nach dreijähriger Unterdrückung und plan
mäſsiger Plünderung nicht eines einzigen Menschen Blut vergossen worden, nicht eines einzigen aus all jenen eisernen oder muthwilligen
Werkzeugen der aufreizendsten Unterdrückung. Ebenso ist offen kundig eine derbe Lüge, was selbst in einem feindlichen Armeebefehl stehet, es wären am 11. -13. April bayerische und frauzösische Gefangene ermordet worden . « t) » Einzelne Excesse finden sich bei solchen Gelegenheiten überall, sowie sich die Hefe des Volkes allenthalben gleich ist. Mit Schonung *) Von diesem Vorfalle weiſs kein Mensch etwas,
**) Es ist ein eigener Kniff der österreichischen Agenten , auch Lobsprüche, welche sie Lefebvre und den französischen Offizieren beilegen , einen desto ge
hässigeren Schein auf die bayerischen Truppen und ihre Anführer zu werfen. Siehe weiter unten Wrede's Schreiben vom 26. Juni 1809.
***) Hiermit ist Generallieutenant Wrede gemeint ; siehe weiter unten dessen Schreiben vom 26. Juni 1809.
t ) Erwiesene Thatsache aber ist, daſs der fanatische Pfaffe Haspinger Ver wundeten mit dem Kruzifis den Schädel eingeschlagen hat. Dit furth , Aus dem Leben des Obersten Ditfurth , 77, 78.
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
260
und Achtung, gröſstentheils auf ihr eigenes Ansuchen , den Tummel
platz vormals ausgeübter Willkühr meiden zu dürfen, wurden mehrere hayrische Beamte angewiesen, ins Innere Österreichs zu reisen , wo sie alle Freiheit jedes andern, sich daselbst aufhaltenden Fremden genieſsen. «
» Der Tiroler hat im April 1809 die Zeit des Bundes im Rüttli, des Tells, Melchthal, Fürst und Stauffacher, das erhabene Schauspiel eines Volkes erneuert, Das fromm die Heerden weidet,
Sich Selbst genug, nicht fremden Guts begehrt, Das Joch abwirft, das es unwürdig leidet, Doch selbst im Zorn die Menschlichkeit noch ehrt !
» Und das ist die Vergeltang, das ist die Aussicht auf bessere Entwaffnung ist das erste Wort der Gnade, *) so wie
Zeiten .
die Wölfe den Lämmern den wohlmeinenden Rat geben , nun zuerst
die Hunde abzuschaffen, wo sodann der ewige Friede und die goldene Zeit von selbst nachfolgen würde ! «
» Der am 13. Mai bei Wörgl erlittene Verlust war lange nicht so bedeutend , als er im ersten Augenblick zu sein schien . Der
gröſste Theil der Vermiſsten war durch die vierfache Übermacht des Feindes, besonders an Reiterei und Geschütz, nur in die nahen
Bergschluchten versprengt, und hat sich gleich darauf, durch das Pinzgau-, Brixen- und Zillerthal, bei den Armee -Corps des Feld marschall- Lieutenants Marquis Chasteler und Baron Jellacic ein
gefunden. – In vielen öffentlichen Blättern prangte, zur lebendigen Rückerinnerung an die spanischen Siege, die lächerliche Nachricht, in Tirol seien 30,000 Mann Linientruppen gefangen, und 6000 Maun Landwehr hätten die Waffen gestreckt , das Land selbst sei auf bloſse Discretion, auf Gnade und Uugnade unterworfen und ent *) Und gern mit Recht.
Entwaffnung muſs und wird immer die erste
Bedingung zur Rückkehr der Ruhe und Ordnung sein, und das einzige Mittel, um Regierung und das leicht verführbare Volk gegen alle Machinationen sicher zu stellen ; dieses hat die zweite Insurrektion bewiesen .
**) Daſs aber alles nach allen Richtungen der Windrose auseinanderlief, so daſs dem Kommandierenden keine Truppen mehr übrig blieben , war doch be deutend genug. Der Verlust von 4 Kanonen, 8 Haubitzen, 150 Pferde, 36 Offizieren
und 2000 Mann, welche gefangen wurden, die Blessierten und Toten ungerechnet, ist doch so unbedeutend nicht. Welche Panik und dieses unbedeutende “ Gefecht
hervorrief möge noch ferner daraus hervorgehen, daſs der Hauptschürer Hameyr aus Innsbruck nach dem Brenner und Chasteler , selbst die Miſshandlungen des
Volkes zu Hall und Matrey nicht scheuend, über die sogenannte Ellenbugerner Straſse eben dahin floh !
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze. waffnet .
261
- Freilich hielt dessenungeachtet das k. k . Militär, in
Verbindung mit den , durch ausharrende Entschlossenheit und Muth
dem Feinde fürchterlich gewordeneu Laudestruppen , den Kern Tirols besetzt, der Feind war nur 14 Tage im Besitz des Unterinnthales und der darin liegenden Hauptstadt. Einzig und allein die Bewohner dieser Strecke Landes gaben stillschweigend dem Drange der Umstände nach , und fügten sich dem eine Amnestie vorspiegelnden bayerischen Aufrufe.
Die arg .
listige Beschränkung auf Verirrte und Verführte lieſsen jeder Täuschung, jeder willkürlichen Auslegung, jedweder neuen Grausam keit freien Raum . «
» Diese sogenannte Kapitulation war, sonderbar genug, mit der in Innsbruck aufgestellten Schutz -Deputation bloſs mündlich verabredet, und diese zur Verteidigung gegen den Feind errichtete Kommission als Behörde vom Feinde selbst anerkannt , obschon
sie weder Auftrag, noch Vollmacht zu solchen Unterhandlungen hatte, noch haben konnte.. Auch das Schauspiel der anbefohlenen spanischen Abbitts- und Unterwerfungs - Deputation zum Teil aus Orten, welche noch immerfort entschlossen waren , an Freiheit und
Selbstständigkeit ihren letzten Blutstropfen zu wagen , wurde in Tirol erneuert, und es wird nicht fehlen , daſs diese von Niemanden
bevollmächtigte Deputation in Zeitungen eine wichtige Rolle spiele, daſs dieser übereilte Schritt das Unglück des Landes oder doch Einzelner vermehre .
» Im Unterionthale zog sich am 23. Mai die bayerische Division des Generallieutenant v. Wrede von Innsbruck nach Salzburg
zurück , und in jener Hauptstadt blieb die 5 bis 6000 Mann starke Division
des General Deroy.
Es
befanden
sich
dabei
über
1000 Mann Kavallerie und 18 Feuerschlünde. « * ) » Indessen wurden fast alle Grenzpässe des nördlichen Tirols von Reute bis Achenthal lebhaft alarmirt durch
feindliche Streif
partheien, zusammengesetzt aus den Depots aller bayerischen Regi menter, aus Förstern, Jägern, Bürgergarden, Schergen und Schindern. Auſser der Zerstörung einiger Fortifikationen fand dieses Corps zwar *) Siehe weiter unten die Niederlage des Generallieutenant Deroy vom 11. Juli 1809.
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
262
wenig Gelegenheit zu militärischeu Thaten, *) aber desto mehr wett eiferte es mit seinen Waffenbrüdern in Grausamkeiten und Ver worfenheiten aller Art. Auch hier wurde in Schwanitz und Luitasch
Mord brennerei verübt, Wehrlose erwürgt, Weiber geschändet, die Heiligthümer entweiht.
Es gab Frevler, welche die Hostien
aus
den Tabernakeln zerrissen, zerbissen und ausgespuckt, die Altäre durch Unrath befleckt, die Crucifixe an den Wegen verstümmelt,
mit den beiligen Ölen die Stiefeln geschmiert haben.**) Das ist die Gottesfurcht der bayerischen Soldaten , das ist seine zarte
Schonung für Hohes und Heiliges, und insbesondere für den frominen ehrwürdigen Glauben des Tirolers !!! – welche Aussichten , wenn
diese Unmensche wieder unsere Zwingherrn werden sollten !! Allenthalben wurden diese Streifcorps zurückgewiesen. Bei Mitten wald warfen sich die Tiroler am 2. Juni wüthend auf diese neue
Art von Feinden, warfen sie, nahmen Gefangene und Munitions karren . ***)
Das Pferd des Commandeurs Grafen Arco wurde ver
wundet und erbeutet, er selbst aber zeigte sich so gut zu Fuſse, daſs alle Anstrengungen, ihn einzuholen , vergeblich waren. «t) » Nachdem die Verschanzungsarbeiten auf dem Brenner, welcher stark mit k. k. Militär besetzt blieb, und wo Herr Generalmajor
Buol sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, vollendet, auch die Massen der Landesvertheidiger unter dem Kommando des braven Sandwirths Andreas Hofer , Oberkommandanten von Passeyer, ge
sammelt und organisirt waren , wurde der Angriff auf den 25. Mai festgesetzt. Zur Unterstützung der unter Anführung des Kom mandanten Andreas Hofer stehenden Landestruppen detachirte der Herr Generalmajor Buol die Bataillone von Devaux, von Lusiguan, und von den Jägern , dann 4 dreipfündige und 2 sechspfündige *) Schutz der Grenze war die Bestimmung dieses Corps, und diese haben
sie gänzlich erfüllt. Die von den Aufständigen und Österreichern vorher gegen Wehrlose und Unbeschützte ausgeübten „militärischen Thaten “ hörten auf, und wenn sich auch hin und wieder eine Horde noch über die Grenze wagte, so floh sie, sobald sie eine, wenn auch an Anzahl weit geringere Abteilung des so ver ächtlich geschilderten Corps erblickt.
**) Diese Beschuldigungen sind boshafte Lügen. ***) Dieser Munitionskarren, an dem die Deichsel abgesprengt war, wurde von einem bayerischen Kanonier in dem Augenblick mit einer brennenden Lunte in die Luft gesprengt, als sich die Aufständigen seiner bemächtigen wollten. +) Es war der Artillerielieutenant Och , welcher an diesem Tage das Pferd Graf Arco war ein so überaus tapferer und kalt blütiger Mann, daſs niemand wagen darf seinen wohlerworbenen Ruf irgendwie zu des Obersten Graf Arco ritt.
schmälern .
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
263
Kanonen. Die Hauptkolonne unter Kommando des Herrn Oberst lieutenant Baron Ertl v. Lusignan Infanterie dirigirte ihren Angriff von Schönberge gegen den Berg Isel ; eine Seitenkolonne, die von Herrn Oberstlieutenant v. Reiſsenfeld von Devaux Infanterie ge führt wurde, operirte über die Ellenbogen gegen Hall. Gegen 9 Uhr rückte die erstere Kolonne vom Schönberg, und über die Höhe von
Natters vor, und zwang den Feind, seine Stellung auf dem Berge Isel in Eile zu verlassen, wobei einige Lebensmittel und Militär Effekten erbeutet wurden .« *) ► Auf der Höhe von Wilten stellte sich der Feind, und machte
ein äuſserst heftiges aber schlecht dirigirtes Musketen- und Kanonen feuer aus 4 Feuerschlünden . Dieses wurde von unserer Seite durch
die vortreffliche Bedienung des Geschützes und durch das fürchter liche Stutzenfeuer der Schützen und Jäger mit solchem Erfolge erwidert.
daſs der Feind mehrere
1000 Tote und Blessirte väblte .
Als gegen Abend ein Detachement gegen seine linke Flanke vor poussirt wurde, zog er sich gegen Inusbruck zurück und die unsrigeu besetzten die Höhen von Wilten .
Die zweite Kolonne setzte sich
in der Gegend von Amras fest. Eine Abteilung bedrohte die Brücken von Hall und Volders, und eine andere blieb in Reserve zwischen Patsch und Lans. Von 11 Uhr Vormittags** ) bis gegen Abend wurde mit dem Kleingewehrfeuer und aus 2 Dreipfündern auf den
Feind geschossen , ohne daſs der eine oder andere Theil die gehabte Position verlieſs . Da nicht nur die Munition augenblicklich aus gegangen war, sondern auch der anhaltende Regen das Abfeuern gänzlich verhinderte, und insbesondere die Schützen dadurch der
gröſsten Gefahr aussetzte , so muſste der errungene Vortheil auf gegeben, und die Stellung vom Schönberg und von Patsch wieder bezogen werden . Der Feind rückte darauf wieder in seine Position auf den Berg Isel und die Höhen von Natters. « » In dieser Stellung blieben die beiderseitigen Truppen bis auf den 29. Mai, an welchem Tage um 7,9 Uhr auch der Angriff erneuert wurde.
Die zwei Hauptkolonnen nahmen ibre Richtung
wie am 25. , und jene, welche über die Ellenbögen debouchirte, löste sich gleichfalls wieder in drei kleinen Abteilungen auf. Die Zahl der bewaffneten Tiroler belief sich gegen 18,000 .«
» Die k. k. Truppen fochten mit der gröſsten Anstrengung, und *) Der Verlust bestand in 9 Tote, 74 Verwundete und 14 Vermiſste. Wegen
der Affaire am 25. und 29. und den Rückzug nach Bayern siehe weiter unten Deroy's Bericht vom 11. Juli 1809. **) Von 3 Uhr Nachmittag an.
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
264
jagten den Feind nach einem mörderischen Feuer bis in die Ebene herab.
Der öfter wiederholte Versuch des Feindes, auf mehreren
Punkten durchzubrechen, wurde jedesmal zu seinem Nachtheil ver eitelt, er muſste sich ganz gegen die Stadt zurückziehen, und so endigte gegen 4 Uhr Abends das Gefecht. Es ist bemerkenswerth und herzerhebend, mit welcher heldenmüthigen Entschlossenheit die tapferen Vertheidiger des Vaterlandes die Gefahr verachteten . Noch im Todeskampfe riefen sie zu ihren Waffenbrüdern : » Was schauet
ihr auf uns ? -. Nur zu, nur vorwärts, es gilt für Gott, den Kaiser und das Vaterland . « «
» In der Nacht vom 29. auf den 30. zog General Deroy in solcher Stille von Innsbruck über Hall und Kufstein gerade nach Rosenheim ab, daſs sogar die Hufe der Pferde umwickelt wurden . *) Er forcirte seinen Marsch mit einer so stürmischen Eile, daſs er
weder Halt machen noch abkochen lieſs. **) Wäre die Besetzung des Feldweges über den Angetberg und Marienthal nicht auſser Acht gelassen worden, so würde der von allen Seiten umzingelte und
verfolgte Feind nicht entkommen sein. Major Teimer , welcher mit der ihm eigenen Entschlossenheit beim Angriff vom 29. mit den Oberinnthalern von Zirl her eingewirkt hatte, setzte dem vor auseilenden Feinde mit gröſster Anstrengung bis Kufstein auf dem Fuſse nach .
Am 1. Juni war das ganze Innthal bis Kufstein von
den Bayern geräumt, und das Land wieder vollkommen frei .« » Der von dem Feinde am 25. und 29. , dann auf seinem Rück
zuge erlittene Verlust beläuft sich an Toten und Blessirten auf 2200-2300 Mann, an Gefangenen auf 269 Mann, worunter 6 Offiziere,
an Vermiſsten , nach Aussage der Gefangenen , bis 300 Maun.
Auf
seinem Rückzuge sind ihm 3 Bagagewagen und 13 Munitionswagen abgenommen worden ; vier Kanonen warf der Feind am Angeterberg ins Wasser, Oberstlieutenant Günther ist geblieben .« ***) *) Unwahr. Siehe weiter unten Deroy's Bericht. **) Wiederum unwahr, wie so vieles andere.
Am 30. wurde in dem Biwak
bei Achemain, und am 31. bei Kufstein abgekocht. An dem letzteren Tage wurde erst um 6 Uhr Morgens aufgebrochen. Es war auch gar kein Grund zur Eile vorhanden , da Deroy lediglich wegen Mangels an Munition und Lebensmitteln den Rückzug angetreten hatte. ***) Der Verlust beim Rückzug bestand in 6 Tote, 46 Verwundete und
113 Vermiſste. Wird zu diesem Verluste jener vom 25. und 29. Mai gezäblt, so ergiebt sich, daſs die Division nicht mehr als 50 Tote, 323 Verwundete und 180 Vermiſste zählte.
Weder ein Munitionswagen, noch ein Offiziergepäckwagen, noch ein Medizin oder Schuhwagen flel in die Hände des groſssprecherischen Feindes. Seine gauze
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
265
» Der Verlust des k. k. Militars besteht an Toten in 2 Offizieren ,
worunter der brave Jägerhauptmann Ammann , 25 Mann
vom
Feldwebel abwärts, und 2 Pferde; an Blessirten in 1 Offizier und 59 Mann . «
» Der Verlust der Landesschützen beläuft sich an Toten bei
läufig auf 50 Mann , an Verwundeten auf 70--80. Unter den ersteren
bedauert man den Grafen von Stachelburg von Meran, der letzte seines Namens und Stammes. « *) ... u . 8. f. > Eine an sich wenig bedeutende Anekdote verdient der Er
wähnung, weil sie so ganz den Charakter des Feindes ausspricht !« » Als Major Teimer den Feind auf den Höhen von Hötting drückte, wurde ihm mit weiſsen Tüchern gewunken, der Tambour
schlug Chamade, und die Feinde legten das Gewehr ab . Der feind liche Offizier näberte sich, und Major Teimer ging ihm mit einem
Trompeter entgegen. Auf einmal ging der feindliche Offizier etwas seitwärts, und nach einem ganz neuen Artikel der bayerischen Gesetze der Ehre und des Krieges, nehmen die Feinde ihre Gewebre
wieder auf, und geben, zugleich mit zwei Schüssen aus grobem
Geschütz, eine heftige Decharge auf den Major Teimer, der jedoch unbeschädigt blieb, während doch zwei Gemeine von den Landes schützen auf diese meuchelmörderische Weise verwundet wurden. « *) Nun mögen die höchst interessanten Widerlegungen folgen ,
welche die beiden Divisions- Commandeure Wrede und Deroy anf königlichen Befehl in Vorlage brachten. **) Wollen wir mit Wrede's Bericht an den König, dato Urfahr Linz, 26. Juni 1809 beginnen . Er lautet : > Inhaltlich allerhöchsten Reskriptes vom 19. geruhen Euer
Majestät mir zu befehlen , über jene Verleumdungen , die in einem zu Innsbruck im Druck erschienenen Aufsatz, über das Betragen
Allerhöchstdero Truppen im Innkreise enthalten sind , die mir allen falls bekannten Notizen zu Widerlegung der obigen Beschuldigungen , alsbald allerunterthänigst zu unterlegen.
Diesem zufolge muſs ich, mit so boshafter Farbe auch jener Beute waren 3 Marketenderwagen , welche wegen schlechter Bespannung und
Überladung auf dem beschwerlichen Wege nicht mehr fortgebracht werden konnten und stehen bleiben muſsten. Daſs 4 Kanonen ins Wasser geworfen wurden , ist eine Lüge .
*) Wird von bayerischer Seite als Lüge bezeichnet. Dagegen wurde das in die Falle locken von den Aufständigen häufig während des Krieges mit Erfolg
angewandt, da der minder schlaue Bayer dem Tyroler zu viel traute. **) Sie befinden sich auf dem Kriegsarchiv bei den Feldakten des Jahres 1809,
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
266
Aufsatz die etwaigen Vorgänge in Tirol entstellt, durch obiges Aller höchstes Rescript aufgefordert, Euer Majestät leider bekennen , daſs cin Theil der in jenem Aufsatz enthaltenen Beschuldigungen be gründet ist.
Ich muſs daher auf den Tag meines Eindringens in Tirol, sowie auf die Hergänge der folgenden Tage in moralischer Hinsicht zurück
gehen. Am 11. Mai wurde bekanntlich von meiner Division der Lofer- und Strubpaſs mit Sturm genommen, und bin ich Abends bis Waidring vorgerückt.
Daſs damals schon alle mit Waffen in
der Hand angetroffen wordene rebellische Bauern von den Soldaten niedergemacht wurden, habe ich Euer Majestät schon in meinem am nämlichen Tage mittelst Kurier erstatteten Bericht gemeldet.*) In Waidring , wo sich die rebellischen Bauern einige Zeit hielten,
geschahen einige, doch nicht sebr bedeutende Plünderungen . Der Marschall , Herzog von Danzig , der Abends sein Haupt quartier dort nahm , schien solche nicht gehemmt wissen zu wollen .
Am 12. Morgens baben die Rebellen mit Tagesanbruch meine Vorposten angegriffen, und es entstand jenes lebhafte entscheidende Gefecht, wo ich die Rebellen auf allen Seiten schlug, und in wenigen Stunden bis St. Johann vordrang.
Gewohnt, meine militärischen Operationen und Dispositionen, nicht von der Arrieregarde zur Avantgarde, sondern von dieser zur ersten zu leiten , befand ich mich bei der Spitze der Avantgarde.
Die Brigade des Generals Graf Beckers hatte an diesem Tage ( 12. Mai) die Arrieregarde, qnartier des Marschalls.
mit solcher marschierte das Haupt
Als ich in St. Johann angekommen war und ein Biwak be zogen hatte, in welchem die Truppen einige Erfrischungen erhalten sollten , sab ich rückwärts gegen Waidring, aus verschiedenen Richtungen Rauch aufsteigen, und bald erfuhr ich, daſs mehrere Hütten und Höfe, theils von der Arrieregarde, theils von dem Dragoner - Picket des Marschalls in Brand gesteckt worden, ebenso daſs mehrere, die Gewehre weggeworfen habende Rebellen und selbst
Weiber, die Steine von den Felsen herabgeworfen , ermordet worden Der General Graf Beckers , der an der Spitze seiner
seien .
Brigade marschirte, versicherte mich, auf die ihm über diese Ereignisse gemachten Vorwürfe, die Soldaten redeten sich damit *) Lefebvre's Befehl dato Reichenhall 10. Mai 1809.
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
267
aus, daſs sie von dem Marschall den Befehl zu diesen Vor
gängen erhalten hätten. Ich suchte den Marschall augenblicklich auf und traf ihn in St. Johann auf dem groſsen Platz, eben, als er 53 gefangen wordene Bauern zum Tode verurtheilte und sein Dragoner-Picket
sich beschäftigte, selbe mit Stricken zusammenzubinden . Ich stellte ihm vor, wie schmerzlich es mir sei, daſs meine
Division, die ich glaubte an Disciplin und Menschlichkeit gewöhnt zu haben, Grausamkeiten auszuüben anfange, und einige Soldaten vorgäben, von ihm selbst den Befehl erhalten zu haben, Häuser und
Höfe anzustecken ; der Marschall widersprach, wie ich erwarten muſste .
Ich bat ihn lebhaft um Gnade für die Gefangenen, und ver sicherte ibm, daſs wir auf solche Art die tiroler Rebellen zur Ver zweiflung, aber nicht zur Ruhe bringen würden ; sein und mein
ganzer Generalstab war zugegen . Er erwiderte mir endlich: »Eh bien monsieur le général puisque vous le voulez absolument, je dois céder « . ., und so wurden obige 53 Gefangene hegnadigt und mit 1
Proklamationen nach Hause geschickt.
Ich marschirte Nachmittags noch bis Ellmau mit der Division, der Marschall folgte
daselbst erliefs ich einen Tagsbefehl an
Er hatte die Wirkung, die ich mir mit Recht versprechen konnte. Alle, Tags vorher geraubt wordenen Sachen, wurden dem Pfarrer von Ellmau gegen Schein zurückgegeben , und
meine Division .
bei meinem Rückmarsch durch St. Johann hatte ich die Be
ruhigung, vom dortigen Dechant zu erfahren , daſs Alles den Eigen thümern zurückgestellt worden sei . Auf dem Marsch am 13. von Ellmau nach Rattenberg und während der heiſsen Affaire, die an diesem Tage stattgehabt hatte, geschah nicht der mindeste Exzeſs ; kein Haus gerieth in Brand ; meine Soldaten waren brav - aber auch Menschen .
Eben, als ich das verschlossene Thor zu Rattenberg forciren liefs, kam der Marschall,
der, obgleich er in seinem an den
Kaiser Napoleon erstatteten Rapport versichert, er habe jene glänzende Affaire dirigirt, weder eine neue Disposition dazu gegeben, noch weniger zugegen war, als der entscheidende Augenblick kam, wo ich dem General Chasteler seine Kanonen abnahm und sein
Corps theils gefangen nahm und den Überrest zerstreute, – und befahl mir , nachdem er die Überschrift auf dem Stadt thore gesehen , ich solle solche in Brand stecken lassen . Ebenso befahl er mir drei , einige Minuten vorher gefangen
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
268
gemachte Rebellenoffiziere erschieſsen zu lassen.
Auf
ersteren Befehl erwiderte ich ihm : ich würde die Sache erst unter
suchen, ich könne nicht so willkürlich über die Städte Euer Majestät Flamme und Schwert verbreiten. Denen gefangenen rebellischen Offizieren (die zwar zwei , drei Tage darauf die
Waffen wieder gegen mich ergriffen ), habe ich Abends Pardon gegeben und sie nach Hall , von woher sie waren, mit einem Paſs in der Hoffnung zurückgeschickt, daſs diese Groſsmuth auf die übrigen Rebellen wirken würde. Nachdem ich untersucht hatte, in wie weit die Stadt Ratten
berg Antheil an obiger Inschrift genommen befahl der Marschall, der bei der indessen angekommenen 3. Division in Wörgl blieb , daſs Rattenberg nicht verbrannt werden solle.
Vor vierzehn Tagen erhielt ich gleichwohl, als die Nachricht kam , daſs der Oberstlieutenant Günther von den Rattenbergern erschossen worden, vom Marschall den Vorwurf , daſs , wenn
ich damals die Stadt Rattenberg in Brand gesteckt hätte , der Vorfall mit dem Oberstlieutenant sich nicht ereignet haben würde .
Als ich am 15. Mai von Rattenberg nach Schwaz vorrückte,
geschah von meiner Division die mindeste Plünderung nicht, ebenso wenig ist mir bekannt, daſs ein Dorf von solchen in Brand gesteckt worden, wohl aber sah ich, als die unglückliche Stadt Schwaz in
Brand war , daſs viele Dörfer rückwärts gegen Brixlegg und in dem Zillerthal in hellen Flammen standen .
Des andern Tages
hörte ich von vielen glaubwürdigen Stimmen bestätigt, daſs auf Befehl des Marschalls einige Dörfer im Zillerthal in Brand gesteckt worden seien : Der Generallieutenant v. Deroy wird hierüber Auskunft geben können.
Daſs der Marschall die vom
Lieutenant Moehl des 7. Infanterie- Regiments gefangen wordene und schon begnadigt getroffene Rebellen tot schieſsen lassen und was dabei vorgegangen , ist aus untenstehender Äuſserung des obengedachten Lieutenants ersichtlich . *)
*) Endes Unterzeichneter ging auf Aufforderung Sr. Excellenz des Herrn
Marschalls Lefebvre am 15. Mai freiwillig mit 3 Mann den auf dem Zillerberg stehenden Bauern entgegen, und machte von selben 3 Gefangene. Da ich aber sogleich den Befehl erhielt, mich zurückzuziehen , nahm ich die 3 benannten Gefangenen mit und stellte selbe dem Herrn Marschall vor mit dem Bemerken , daſs solche von mir Pardon erhalten haben.
Se. Excellenz äuſserten sich darüber, daſs die Bayern viel zu gut wären, und sollte keinem Bauern Pardon gegeben werden , und befahlen sogleich , die 3 mit
269
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
Was die Stadt Schwaz betrifft, so wissen Euer Majestät aus meiner früheren Meldung, daſs diese, weil der Feind den unseligen Gedanken hatte , sich darin zu halten , durch Granaten in Brand gerathen , ebenso wissen Allerhöchstdieselben , daſs, als wenn die Gottheit diese Stadt habe züchtigen wollen, am andern Tag, als der Brand ganz gelöscht war, durch den entstandenen Sturm wieder neue Flammen über die Stadt verbreitet wurden.
Daſs sie mit
Pechkränzen geflissentlich zweimal angesteckt , daſs zum
Hohngelächter über dieses Elend türkische Musik gemacht worden , ist eine infame Lüge
zwei Soldaten sind beim Löschen in den Trümmern verbrannt oder erstickt. Nie hat eine -
Truppe gefühlvolleren Antheil nehmen können, als das 3. und 13. Infanterie-Regiment , die zwei Tage zum Löschen beordert waren, weil die Einwohner abwesend oder die anwesenden sich
selbst mit Plündern beschäftigt haben. Ob es dem kom mandirenden General der Division Ernst war , der unglücklichen Stadt Hülfe leisten lassen zu wollen, davon mag der sicherste Beweis darin liegen , daſs ich den dabei angestellt gewesenen Soldaten öffentlich selbst erklärte und durch ihre Offiziere expediren liels, daſs der , so sich beim Löschen auszeichnen würde , ebenso 9
mit der Medaille belohnt werden solle , wie der , so sich vor dem Feinde auszeichnet.
Die Thatsache davon werden Euer Majestät
demnächst finden , indem bereits mehrere Soldaten , die sich bei diesem Brande durch Thätigkeit ausgezeichnet haben , zur Medaille begutachtet sind. Nach der Erstürmung von Schwaz ist im ersten Augenblick in einigen Häusern geplündert worden. Allein ich babe den andern Tag Tornister und Marketenderwagen visitiren lassen, und alles geplünderte Gut ist dem würdigen Landrichter gegen Quittung zugestellt worden ; aus anderen Quittungen geht hervor, daſs die Soldaten in den brennenden Kirchen mit Gefahr ihres
Lebens die Kelche und Altäre gerettet, sie an ihre Commandeure und diese solche an die Geistlichkeit ausgeliefert haben. Daſs der gebrachten Gefangenen totzuschieſsen, und dann aufzuhängen, welches aber gleich auf dessen Befehl kein Mann, die sich da befanden, that. Da er nun sah, daſs sich diese Leute weigerten , die Bauern totzuschieſsen ,
befahl er mir ein Gewehr zu ergreifen, darauf zu schieſsen, um den Leuten Muth zu machen, welches ich dann auf dessen Befehl des Herrn Marschalls that.
Wie nun diese gefangenen Bauern totgeschossen waren , lieſs er selbe durch
die Chevaulegers auf die gleich da befindlichen Bäume in seiner Gegenwart aufhängen .
Welches gehorsamst anzeigt Moehl , Lieutenant.
Linz, am 25. Juni 1809. Ja
pic !
für die Deutsche Armee und Marine ,
Bd .
XIX .,
18
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
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82 jährige Hauptkassirer Maierhofer ermordet sein soll , ist mir
unbekannt, und mir nie eine Anzeige davon zugegangen . Aus dem Hause des jungen Grafen von Tannenberg ist bei dem Sturme selbst auf mich mehreremale geschossen worden , gleichwohl habe ich mit eigener Hand bei dem Brande, soviel mir möglich war, seine Sachen retten helfen . Es sind mir am 15. und 16. bei jenen Schreckensscenen manche Thränen geflossen , die der
Verfasser jenes Aufsatzes Crocodillstbränen nennt. Indeſs waren es aber jene Thränen und der Anblick jener Greuelscenen , die mich bewogen haben, den 17. Morgens zu dem Marschall Herzog von
Danzig zu reiten, und ihm in Gegenwart des Generallieutenants v. Deroy und dessen Generalstab zu erklären , daſs diese Vorgänge zu sehr auf meine Grundsätze und Empfindungen einwirkten , daher ich dringend um die Erlaubniſs bäte, als Soldat aber auch als
Mensch zu den rebellischen Tirolern sprechen zu dürfen, um dadurch dem Blutvergieſsen und den Brandscenen ein Ende zu machen , um Euer Majestät Städte und Dörfer, nicht aber Brandstätten wieder zu geben. Welchen Erfolg diese Erklärung gegen den Marschall gehabt, wissen Euer Majestät aus meinem früheren Bericht , und ebenso wissen Allerhöchstdieselben, daſs dadurch Hall , Innsbruck und alle Dörfer von Schwaz bis dahin gerettet worden sind . Der Marschall , Herzog von Danzig , suchte hierauf in Innsbruck
seine Grausamkeiten
dadurch
abzuwaschen ,
daſs er die Kirchen besuchte , die Franziskaner und Kapu ziner bei sich speisen lieſs , und diesen sagte : es seien die bayerischen Soldaten , die das Unglück über das Innthal gebracht hätten , - Franzosen würden menschlicher ge wesen sein ; daher wird er auch der menschliche Marschall
Lefebvre im obigen Aufsatz genannt. Indels betheure ich
vor dem Thron Euer Majestät und vor Gott, daſs , wenn eben dieser Marschall Tirol nie betreten hätte , die Sol daten der 2. und 3. Division nie aufgehört haben würden , Menschen zu sein , und daſs die Tiroler vielleicht schon
nach dem Gefechte bei Wörgl , der Stimme der Vernunft gefolgt wären. « -
Des Generallieutenants v. Deroy Widerlegung aus Schwanstadt vom 11. Juli 1809 lautet folgendermaſsen : > Daſs die bayrischen Soldaten bei ihrem Einmarsch in Tirol
gegen die Tiroler sehr aufgebracht waren, war eine natürliche Folge der Mishandlungen, welche die Tiroler bei dem ersten Ausbruch ihrer Revolution , wo ihnen in ihrem stolzen Wahn freilich nicht
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
271
einfiel, daſs je ein Vergeltungsrecht eintreten könnte, gegen das bayrische Militär ausgeübt hatten, wo verwundete Offiziers und Gemeine in den Lazarethen, sowie in Privathäusern, wohin sie einige wohlthätige Menschen aufgenommen hatten, zum Mishandeln auf gesucht wurden, dann der verächtlichen Art, wie die iu Gefangenschaft gerathnen bayrische Offiziers, vom ehrwürdigen Generallieutenant Freiherr v. Kinkel angefangen bis zum letzten Lieutenant, sowie die Soldaten mishandelt, dann erstere vielfältig ihrer Kleider beraubt, und unter der Benennung » bayrischer Sautrieb « in nemlicher Weise wie letztere durch das Land geführt wurden ; wie ehrwürdige Offiziers Frauen, von der Freifrau v. Kinkel angefangen beraubt, dann in der schlechtesten Kleidung auf Bauern - Wagen aus dem Lande geführt wurden, wozu sich noch gesellte, daſs in den ersten Affairen , die sich unbezwinglich glaubende Tiroler keinem in ihre Gewalt ge fallnem bayrischen Soldaten, er mochte verwundet oder unverwundet Pardon gaben, sondern mit dem Gewehrkolben geradehin sein zu Boden schlugen.
Nur dieses kann im allgemeinen auf all dasjenige erwiedert werden, was im Eingang der Tirolerschen Darstellung über die in diesem Lande sich ergeben haben sollende Ereignisse angeführt ist, indem , während die 2. Division den Strub - Paſs forcirte, und über
St. Johann und Wörgel bis Rattenberg vorrückte, durch die 3. Di vision die berannte Festung Kufstein entsetzt, und dabei nach
militärischer Ordnung gefochten worden, ohne daſs jedoch ein Ge fangener in dieſsseitige Hände geraten, also auch kein Tiroler mis handelt, oder sonsten ein Exzeſs begangen worden. —
Das auf dem rechten Innufer nahe am Strom gelegne kleine Dorf Ebs gerieth dadurch in Brand, weil aus selben stark auf die dieſsseits marschirende Kolonne gefeuert wurde, auch dann noch als die kaiserlich österreichischen Truppen mit ihren Kanonen sich zurückgezogen hatten. Dieses veranlaſste, daſs anfangs einige Kanon schüsse auf das Dorf gefeuert wurden, als die Tiroler aber nicht aufhörten, so wurden auch einige Haubitzgranaten hineingeworfen, wodurch Feuer entstand, welches schnell um sich griff und den gröſsten Theil des Orts in Asche legte.
Nach der Entsetzung von Kufstein marschirte die Division , weil zu Kufstein ein Joch der Brücke abgetragen, also der Inn nicht zu passiren war, auf einem ziemlich beschwerlichen Weg am linken Ufer des Inns nach Rattenberg, auf welcher Route nicht mindestes vorgefallen. - Welche Ereignisse aber auf der andern Route von -
Lofer bis Rattenberg sich ergeben und in wie weit die Facta 18*
272
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
tirol'scher Seit's übertrieben dargestellt sind, dies wird die 2. Division anzugeben, und zu widerlegen wissen . Bis an die Zillerbrücke wurde nicht mindestes von einer be
sondern Handlung wahrgenommen, dort aber, nemlich an dem Platz, wo der brave Major Zaiper von der Anhöhe, während alles ruhig war, ganz unerwartet erschossen worden, fand man 4 Tiroler an Bäumen aufgehängt, sie waren aber alle 4 verwundet, und sollen auf Befehl Sr. Exzellenz des kommandirenden Reichs
marschalls Herzog von Danzig , jedoch schon verstorben , aufgehängt worden sein .
Den nemlichen Tag gerieth Schwaz wegen der darin vorge hier kann man nommenen hartnäckigen Vertheidigung in Brand ; zu bemerken nicht unterlassen, daſs den Anführern der Tiroler nicht unbekannt sein konnte, daſs, wenn man sich in einer Stadt hart
näckig vertheidigt, wodurch der Angreifende genöthigt wird, nebst den kleinen Gewehren auch »Haubitze « zu gebrauchen, unvermeidlich Brand entsteht, welchen zu löschen, weder der Angreifende noch
der Vertheidiger sich können angelegen sein lassen ; die Inwohner können aber eben so wenig wegen der Gefahr todtgeschossen zu werden, sich damit abgeben, sondern haben nur ihr Leben zu retten ,
wodurch dann bei derlei Veranlassungen der Brand schnell um sich greift, und ein solcher Ort gemeiniglich nach Maſsgabe der ein tretenden besondern Umstände mehr oder weniger eingeäschert wird . Da nun dieses, wie gesagt, den Anführern der Tiroler, worunter hier das kaiserlich öster. Militär gemeint ist, aus der Kriegskunde und eigenen Erfahrung bei vielen Kampagnen nicht unbekannt sein konnte ; so hätten sie, als sie vor Schwaz geschlagen waren, sich eiligst durch die Stadt zurückziehen , und auch die Tiroler belehren sollen, in Schwaz sich nicht zu vertheidigen ; - die Greuelscene, eine durch ihre Fabriken und Handel blühende Stadt in Flammen
zu sehen, würde dadurch nicht entstanden sein, da aber die Öster reicher und Tiroler darauf keine Rücksicht nahmen, so konnte der
durch seine Tapferkeit sich durch nichts aufhalten lassende bayrische Soldat wohl keine Rücksicht darauf nehmen.
-
Daſs hiebei von den
Soldaten Manches zu ihrem Vortheil den Flammen entrissen worden,
wird nicht widersprochen , wer vermag aber dieses zu verhindern, da der Offizier nicht überall dabei sein kann ?
Was nun die Äuſserung betrifft » Schwaz sei auſser dem durch >>
die Hitze des Gefechts entstandenen Brand noch zweimal zu ver
schiedenen Zeiten mit vieler Mühe, sogar gegen die Richtung des
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
273
Windes mit Pechkränzen und Fackeln in die Asche gelegt worden « so gehört dieses zu den im Eingange angebrachten verschiedenen Greuel -Angaben, und ist hinlänglich, wenn gesagt wird, daſs die bayerische Artillerie bei ihrer Feldausrüstung weder Pechkränze noch Fackeln mit sich führt, und wo hätte man solche in der Wer zu viel sagt, sagt
Geschwindigkeit herbekommen sollen ? nichts.
Über die Ermordung des 82jährigen Hauptcassirers v. Maier hofer kann nichts gesagt werden, weil von einem solchen Vorfalle nicht das mindeste gehört worden.
Ebenso, war vom Ausschreiben einer Steuer gesagt worden. Eine Lüge wird es aber wahrhaft nicht sein, wenn behauptet
wird, daſs von den am 11. und 13. April in Gefangenschaft ge rathenen bayrischen Soldaten mehrere ermordet worden , welche
Wahrheit der gegentheiligen Versicherung, als warum nur einzelne Excesse verübt worden, umsoviel gründlicher widerspricht, als es eine bekannte Sache ist, daſs, nachdem in Innsbruck bereits das
11. Linien - Infanterie -Regiment in Gefangenschaft gerathen war, der von dem Oberstlieutenant Wreden dahin abgeschickte Adjutant, Lieutenant v. Markeuther, so ganz allein geritten kam, ohnweit der Triumphpforte vom Pferde heruntergeschossen worden . Daſs er nicht todt geblieben , war Zufall, wenigstens war der Schütz über seinen schlechten Schuſs, da er auf die Brust gezielt , den Lieutenant v. Markeuther aber in den Unterleib getroffen hatte , sehr miſs
vergnügt, und ohne Gutherzige, so sich seiner angenommen , wäre der Verwundete noch massakrirt worden .
Wie viele haben
aber
keine gutherzigen Leute gefunden , so sich ihrer angenommen , oder
wegen den Umständen nicht annehmen konnten ? Wie denn auch noch notorisch bekannt ist, daſs in der ganzen Stadt Innsbruck , wo bayerisches Militär, oder deren Frauen oder Effekten sich be funden , geplündert worden , freilich an jedem Orte nur einzeln . Die Stärke der nach dem Abmarsch der 2. Division in Innsbrnck
zurückgebliebnen 3. Division ist ziemlich bestimmt angegeben, doch sind die 1000 Mann Kavallerie übertrieben angesetzt, da bekanntlich das 4. Chevauxlégers-Regiment mit der 2. Division abmarschirt, und uns allein das 2. Dragoner -Regiment, so bereits eine Aktive Campagne gemacht, also starken Abgang hatte, mit einer einzigen Chevauxlégers-Reserve- Eskadron bei der 3. Division geblieben ist.
Alles was von dem an den Grenzen aufgestellten Corps gesagt ist, sowohl wegen ihrer Formation, als wegen den begangen haben
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
274
sollenden Excessen wird wohl keine Widerlegung verdienen, da aus der Art des Vortrags der Werth davon sich schon ergiebt. Man beleuchtet daher nur die Angabe der letzten Vorfallen heiten .
Am 25. geschah der Angriff Nachmittags gegen 3 Uhr und nicht Morgens 11 Uhr. Dieser wurde bis gegen 8 Uhr Abends fortgesetzt, und die Anhöhen des Iselberges, nach dem auf selbigem
die Bayern und Tiroler sich wechselweise hin und her gedrückt hatten, muſsten wegen der Übermacht des Feindes verlassen werden, doch konnten die Tiroler nie die Plaine erringen und blieb der Fuſs des Berges, so wie die Vorstadt Wildau und alles auf beiden Seiten des Sill bis an den Inn befindliche freie Terrain stets von
den bayrischen Truppen besetzt. Es ist also ganz irrig angegeben, daſs man sich gegen Abend bis gegen Innsbruck zurückgezogen . Ambras mag von den Tirolern besetzt worden sein, es befand sich
auſser dem diesseitigen Defensions-Bezirke; die Bedrohung der Haller Brück' war ohne Folge, das allda befindliche bayrische Commando vertheidigte und behauptete selbige ; Volters war auſser der Linie .
Was der Feind an diesem Tag an Todten und Verwundeten gehabt hat, ist nicht bekannt, da er solche mit fortgenommen, doch hat man den andern Tag so wohl bei dem Wiederbesetzen der
Anhöhen als auch durch die vorpoussirte Patrouillen in dem Gebüsch
noch einige Todte gefunden, welche vermutlich den Tirolern bei ihrem Rückzug unbemerkt geblieben. Der diesseitige Verlust bestand in 9 Todten – 74 Verwundeten und 14 Vermiſsten .
Den Bewohnern von Innsbruck kann
nicht
entgangen sein , daſs eine so beträchtliche Anzahl Verwundeter, wie gegenseitig angegeben wird, nicht eingebracht worden ; sie mögen also aus der einen Angabe auf alle andern schlieſsen .
Am 29. hatte der Angriff, wie angegeben ist, Morgens gegen 9 Uhr stattgefunden , es wurde wie am 25. mit abwechselndem Glücke
gefochten, doch behaupteten die bayrischen Truppen dieſsmal zum Theil die Anhöhen, und wurden nicht bis an den Fuſs der Berge
gedrückt, obschon das Gefecht nicht bis 4 sondern bis 5 Uhr
Abends andauerte. Es ist also ganz falsch, daſs die Bayern bis in die Ebne herabgedrückt worden . Mit Vergnügen ersieht man aber aus der gegenseitigen Relation, daſs das angreifende Corps nebst den dabei befundnen kaiserlich österreichischen Truppen aus 18/m.
bewaffneten Tirolern bestanden ; ein Beweis, wie tapfer die Bayern
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
275
gefochten, da sie sich gegen diese Anzahl meisterlich behauptet haben. Der Verlust dieses Tages bestand in 35 Todten, 203 Ver wundeten und 53 Vermiſsten, unter erstern befanden sich vor
züglich viele Offiziers, ein Beweis, daſs der bayrische Offizier in allen Gelegenheiten an der Spitze der Soldaten sich befindet und die Gefahr getreulich mit ihnen theilt. Man benuzet zugleich diese Gelegenheit, das theilnehmende Benehmen der Inwohner von Innsbruck gegen die diesseitigen Verwundeten anzurühmen . Personen aus allen Ständen und jeden Alters und Geschlechts haben Verbandzeuge und Erfrischungen aller Art, so wie jeder glaubte, daſs sie den Verwundeten angenehm und erquickend sein könnten, in Menge beigebracht, und wurden von mancher schönen Hand rührend dargereicht
Dank sei
diesen
Edlen dafür erstattet !!
Der in den Affairen vom 25. und 29. sich ergebene beträcht liche Aufwand an Munition, und der Umstand, daſs bei der völligen Insurrektion des Landes ein Ersatz nicht zu hoffen war, dann auch
der fernere Umstand, daſs durch die Insurrektion jede Zufuhr an Lebensmitteln abgeschnitten war, und man es so wenig auf die letzten Patronen als den letzten Bissen Brod konnte ankommen
lassen, aber ganz gewiſs nicht die Übermacht des Feindes ver anlaſsten den Entschluſs zum Rückzuge, welcher dann in der Nacht vom 29. auf den 30. mit militärischer Ordnung und Vorsicht unter nommen, und, da die Brücken zu Hall , Volters und Schwaz
abgetragen waren , auf der linken Seite des Inns, und zwar wegen des auf dieser Seite befindlichen schlechten Weges mit einiger
Beschwerniſs, jedoch ohne mindesten Anstand fortgesetzt wurde. Den 30. wurde nach Achenrain , und den 31. nach Kufstein marschirt. Den 29. hatten die Truppen während der Attaque wechsel 9
weise abgekocht. Den 30. wurde auf dem Bivouak bei Achenrain
und den 31. bei Kufstein gekocht. Woraus sich ergibt, daſs die Division nicht mit stürmischer Eile marschirt ist. Am 31. wurde sogar erst Morgens um 6 Uhr aufgebrochen. Die Angabe, daſs die Hüfe der Pferde, um still abmarschiren
zu können , umwickelt
wurden, mögen jene Inwohner von Innsbruck beantworten, welche am 29. Nachts den Abmarsch der Truppen beobachtet haben , und in dieser schönen, mondhellen Sommernacht kurz vor Mitternacht
ein starkes Kavallerie-Piquet durch Innsbruck haben ziehen sehen . In allen Straſsen haben sich sowohl an den Fenstern, als vor
den Hausthüren Personen befunden , die darüber Zeugnis ablegen
Der Feldzug von 1809 in Tirol,
276
Wäre der Feldweg über den Angelberg und das Maria Stein - Thal besetzt gewesen, so würde man sich wohl Luft zu verschaffen gewuſst haben, doch dem sei , wie es wolle, so muſs die Anstrengung des Major Theimer im Verfolgen der Kolonne nicht sehr bedeutend gewesen sein , weil selbige durch ihn nicht im mindesten aufgehalten worden . Da man jedoch nichts zu verheimlichen Ursache hat so ge
können .
stehet man ohne Rückhalt, daſs der Rückzug nicht ohne einigen Verlust war und solcher in 6 Todten, 46 Verwundeten und 113 Ver miſsten bestand. Dieser Verlust ist aber nicht von dem verfolgenden Feinde entstanden, sondern von Tirolern , welche auf den hohen Bergen im Gebüsch standen und von da herunter schossen, wodurch
obige Zahl Leute todtgeschossen und nebst den Menschen auch Pferde verwundet worden .
Wie kann nun angegeben werden, der diesseitige Verlust an Todten und Verwundeten bestehe in den Tagen vom 25., 29. und beim Rückzug in 2200 bis 2300 Mann ? -- Die Zahl der Gefangenen und Vermiſsten ist ebenso übertrieben angegeben und unter den gefangenen 6 Offiziers befinden sich wahrscheinlich jene 2 des 7. leichten Infanterie- Bataillons, welche, ehe man wuſste, daſs eine
neue Insurrektion ausgebrochen sei, zum Abholen einiger Rekruten nach Augsburg beordert, in Zierl aber überfallen und fortgeschleppt worden .
Die unverschämteste Angabe ist aber jene, daſs 13 Munitions wagen auf dem Rückzug abgenommen worden. Weder Munitions wagen, wovon doch der Park ziemlich stark war, noch Offiziers
Bagage, oder Medicin- oder Schuhwagen, von welch drei letztern jedes Bataillon einen hat, ist auf diesem ziemlich langen in meistevs beschwerlichen Wegen vollzogenem Rückzuge verloren gegangen,
nur drei Markadenterwagen sind durch den gewöhnlichen Umstand, daſs diese Leute schlechte Pferde und schlechte Wagen haben, und solche gewöhnlich überladen sind, dem Feinde in die Hände gefallen. Die Angabe wegen der vier in's Wasser geworfenen Kanons
ist grundfalsch ; man muſs recht nothwendig haben, seinen Anhängern etwas vorzuspiegeln, um zu solch platten und ekelhaften Lügen seine Zuflucht zu nehmen .
In die nemliche Kategorie gehört wahrscheinlich die am Schlusse angeführte Anekdote des Zuwinkens mit den weiſsen Tüchern etc. etc. Die auf zwei verschiedenen Plätzen bei Hötting postirten Offiziers
waren der Hauptmann Hayder und der Hauptmann Seiffertitz –- beide
im salzburgischen und an der bayerischen Südgrenze.
277
sind als Männer von Ehre und militärischen Kenntnissen zu viel
bekannt, als daſs von ihnen etwas dergleichen sollte begangen worden sein .
Doch wie gesagt diese Anekdote gehört in die Kategorie der im Eingange der Tirolschen Darstellung angeführten Greuelszenen , der 2200 Todten und Verwundeten, der 269 Gefangenen, der während
dem Rückzuge abgenommenen 13 Munitionswagen, und der vier in's Wasser versenkten Kanon's. Risum teneatis amici ! «
XVIII.
Über den Infanterie -Angriff. Von
Petermann , Premierlieutenant.
(Schluſs.)
Angriffe der Bayern auf den Nebelberg im Gefecht bei Wiesenthal am 4. Juli 1866.
Nach der Waffenstreckung der Hannoveraner bei Langensalza am 28. Juni 1866 lieſs der Führer der preuſsischen Main -Armee, General der Infanterie v. Falckenstein, den Weitermarsch in süd licher Richtung auf Fulda antreten. Obschon die Bayern (nach Meldungen eine, in Wirklichkeit aber vier Divisionen stark ) in der linken Flanke der Preuſsen standen, setzte der General gleichwohl mit zwei seiner drei Divisionen den Vormarsch fort, lieſs aber zur Deckung desselben die Division Göben einen Vorstoſs gegen die
Bayern, die sich in der Gegend von Roſsdorf befanden, ausführen. Hieraus entspannen sich in der Folge die Gefechte bei Dermbach
(Zella und Wiesenthal). — General v. Göben beabsichtigte vämlich , die ihm gestellte Aufgabe durch einen Angriff auf Zella, welcher in
der linken Flanke durch einen Vorstoſs gegen Wiesenthal gedeckt werden sollte, zu erledigen. Die Brigade Wrangel erhielt den Auftrag, die Sicherung der linken Flanke zu übernehmen. Dem gemäſs ging diese Brigade, drei Schwadronen , fünf Bataillone und
zwei Batterien stark , am Morgen des 4. Juli 1866 von Dermbach auf Wiesenthal vor. Die Straſse nimmt von Dermbach bis Wiesen
thal eine im Allgemeinen südöstliche, von da bis Rofsdorf eine östliche Richtung. Südlich der Straſse in der Nähe von Rofsdorf liegt der Nebelberg, welcher sich mit seinem höchsten Punkte etwa vierhundert Fuſs über die umliegenden Thäler erhebt und dessen höchste Kuppe sehr steil geböscht ist. Derselbe hat im Allgemeinen
Über den Infanterie -Angriff.
279
die Hauptausdehnung von Süden nach Norden , biegt aber hier nach Osten hin ab. Sein felsig abgesetzter Rücken ist auf dieser Strecke und noch vier- bis fünfhundert Schritt über die Biegung hinaus mit dichtem Gehölz besetzt, während er von da an südwärts ganz
offen ist. Die Straſse führt um die Nordhänge des Nebelberges herum auf Roſsdorf, welches, am östlichen Fuſse des Berges gelegen , damals Standort der bayerischen Brigade Cella war. Die beider seitigen Stärkenverhältnisse, soweit sie bei einem
Zusammenstoſs
zunächst in Betracht kamen , waren folgende: General Wrangel ver
fügte über die bereits erwähnten Truppen in einer beiläufigen Stärke von 4--5000 Mann. Die bayerische Brigade Cella zählte sechs Bataillone, eine Schwadron und eine Batterie, ihre Infanterie war
allein ungefähr 5000 Mann stark. Die Streiterzahl der Bataillone betrug auf jeder Seite etwa 800 Mann. Die im Verlauf des Gefechtes
weiter herangezogene , zum Teil eingreifende bayerische Brigade Faust trat mit fünf Bataillonen auf. Die Bayern waren mithin in
der Lage, den Preuſsen nahezu eine doppelte Überlegenheit ent gegenzusetzen ; auf ihrer Seite war ferner der Vorteil der Stellung. Zwei Bataillone der Brigade Cella hatten zunächst Wiesenthal
nebst Vorgelände besetzt, als die Vorhut der Brigade Wrangel auf diesen Ort nach 9 Uhr vormittags vorrückte, zogen sich aber in der Folge nach dem Nebelberg zurück , wo inzwischen nach öster
reichischem Bericht ein weiteres bayerisches Bataillon mit zwei
Geschützen, und später erst die ganze Brigade Cella am nördlichen Hang des Berges an der Straſse Roſsdorf-Dermbach, nach preuſsischer Darstellung jetzt schon das Gros der genannten Brigade von Roſs dorf her eingetroffen war. Gegen diese Stellung der Bayern an und auf dem Nebelberg gingen von der Brigade Wrangel drei Bataillone, durch das Feuer einer Batterie wirksamst unterstützt, zum Angriff vor ; zwei Bataillone und eine Batterie blieben bei Wiesenthal zurück , ohne im weiteren Gefechtsverlauf zur Ent
scheidung herangezogen zu werden . Der Angriff selbst gestaltete sich schon auf Grund der örtlichen Verhältnisse auſserordentlich
schwierig. Denn auf der unteren Hälfte des Berges erschwerte der zähe Lehmboden jeden Schritt, und je höher hinauf desto steiler stieg der Hang an , stellenweise wurde er selbst ganz ungangbar
durch abschüssige Felsstrecken und durch niedrige Mauerabsätze. Nur langsam konnte daher der Abhang erstiegen werden und wiederholt geboten die Führer einen kurzen Halt, um die erschöpften
Leute einen Augenblick ruhen zu lassen und zugleich festere Ord pung herzustellen.
Denn viele konnten ihrer Truppe schon nicht
280
Über den Infanterie - Angriff.
mehr folgen und kletterten ihr nach, so gut sie es vermochten . Aber immer wieder gingen die Schützenlinien , das Feuer des Feindes erwidernd , und gingen , jetzt in gleicher Höhe mit den Schützen , die immer mehr zusammenschmelzenden Unterstützungstrupps mit schlagenden Tambours und die Offiziere vor der Front wetteifernd vorwärts , unbekümmert um die niederstürzenden Toten und Ver
wundeten, bis sie endlich mit jubelndem Hurrah in den Saum des Waldes eindrangen. Die Bayern räumten die angegriffene Hälfte des bewaldeten Rückens , indem sie teils durch das dichte Gehölz zurückgingen, teils vor den steilen Felshöhen nach rechts und links auswichen . Fünf Bataillone der Brigade Cella, welche am Nebel berg gestanden waren , gingen auf Rofsdorf zurück . - Nach dem -
Gefechtsgang bis hierher, bei dessen Schilderung die Angaben des Generals v. Göben zu Grunde gelegt wurden , muſs man annehmen , daſs zur Zeit des Angriffes der Preuſsen ein hartnäckiges Festhalten
der Höhe bayerischerseits nicht ins Auge gefaſst war, denn sonst hätte den Preuſsen der Aufstieg und die Wegnahme der waldigen Berghöhe in weit höherem Maſse streitig gemacht werden müssen.
Die Verhältnisse lagen für die Verteidiger, abgesehen von ihrer Überlegenheit an Zahl , sehr günstig. Von dem überhöhenden Standpunkte aus konnte schon von Weitem der Anmarsch des
Gegners erkannt und jede einzelne Compagnie desselben abgezählt werden.
Je schwieriger und zeitraubender die Ersteigung des
Abhanges sich gestaltete , desto länger blieb der Angreifer unter dem immer wirksamer werdenden Feuer , während der Verteidiger, auch wenn er zur Beherrschung des ganzen Hanges aus dem Wald saum hervortrat, nur wenig litt. Denn auch die preuſsische Batterie muſste ihr Feuer einstellen , sobald die eigene Infanterie sich der
bayerischen Stellung näherte , weil auf die Entfernung von 3000 Schritt Freund und Feind nicht mehr zu unterscheiden war.
Nach
bayerischem Bericht war man aber anfangs über die Bewegungen der Preuſsen im Unklaren und bieraus ergab sich die im Gefecht hervortretende Unsicherheit und Unbestimmtheit.
Die Räumung
des Nebelberges scheint jedoch nicht im Sinne des bayerischen Divisionskommandanten , Generals v. Hartmann , gelegen zu haben . Denn dieser war kaum auf dem Gefechtsfeld eingetroffen , um 11 '/2 Uhr vormittags, als er die zurückgehende Brigade Cella
sammelte und dieselbe persönlich zum Angriff, namentlich gegen den nördlichen Abhang des Nebelberges vorführte , um die Höhe wieder zu gewinnen . Hier steht der preuſsische Bericht mit dem österreichischen insofern im Widerspruch , als nach ersterem das
Über den Infanterie -Angriff.
281
Eintreffen der bayerischen Brigade Faust bei Rofsdorf den General 5. Hartmann zur Anordnung des Angriffs bewogen haben soll,
während der österreichischen beziehungsweise bayerischen Schilderung zufolge erst die Spitze der bayerischen Verstärkung bei Rofsdorf ankam , als der Angriff der Brigade Cella bereits abgewiesen war. 1
Wie dem auch gewesen sein mag , so hatte der bayerische Ober befehlshaber jedenfalls Kenntnis von dem Heranrücken seiner zweiten Brigade und es bleibt auffallend, daſs die Ankunft dieser frischen Kräfte
vier Bataillone – nicht abgewartet, sondern diejenige Truppe allein zum schwierigen Angriff auf ihre siegreichen Gegner Forgeführt wurde, welche soeben in der Verteidigung nicht stand gehalten hatte.
General v. Wrangel, die Vorbereitungen zu diesem Angriff gewahrend , zog seine zweite Batterie vor und obwohl die Spitzen der Bayern bis dicht an den Waldrand gelangten, wurde der Angriff zurückgewiesen. Während hierauf der preuſsische General im Begriff war, den Nebelberg nebst dem seine Kuppe krönenden Wald völlig besetzen zu lassen , stürmte der bayerische General Faust an der
Spitze des zuerst angelangten Bataillons seiner Brigade vom west lichen Ausgang des Ortes Rofsdorf gegen den Nebelberg vor ; doch auch dieser Angriff scheiterte an dem kräftigen Widerstand und dem übermächtigen Feuer der Preuſsen . General v. Faust fand an
der Spitze seiner Truppen den Tod. Unter diesen Umständen sah sich General v. Hartmann gezwungen , sämtliche im Kampfe ge wesenen Truppen hinter Rofsdorf zurückzunehmen – um 12 '/4 Uhr nachmittags. Preuſsischerseits wurde eingetroffenem Befehl gemäſs das Gefecht um dieselbe Zeit abgebrochen. Ein aus dem Rückhalt inzwischen vorgezogenes weiteres preuſsisches Bataillon hatte an Die Verluste der diesen Kämpfen nicht mehr Teil genommen. Preuſsen betrugen 10 Offiziere, 260 Mann , diejenigen der Bayern -
-
27 Offiziere und 376 Mann.
Welches waren nun die Ursachen , welche es den drei preuſsi schen Bataillonen unter Mithilfe einer Batterie ermöglichten , fünf bayerischen Bataillonen den Nebelberg zu entreiſsen , und dann nach Beiziehung einer zweiten Batterie diese Höhe gegen die
Anläufe von im Ganzen sechs bis sieben bayerischen , durch eine glatte zwölfpfünder Batterie unterstützten Bataillonen erfolgreich zu halten ?
Wie bereits angedeutet, scheint anfangs infolge Unkenntnis der gegnerischen Maſsnahmen auf bayerischer Seite nicht die bestimmte Absicht und der feste Wille vorhanden gewesen zu sein , den
Über den Infanterie -Angriff.
282
Nebelberg unter allen Umständen zu behaupten , sondern offenbar
wuſste man bei diesem ersten Zusammenstoſs mit dem Gegner nicht recht, was geschehen sollte und wie es geschehen sollte . Solche Unbestimmtheit auf dieser Seite arbeitete aber dem zielbewuſsten, sicheren Handeln des Gegners vorteilhaft in die Hände; denn die Preuſsen brannten von Kampfbegier , sie wollten die Bayern nicht im Besitze jener beherrschenden Höhe lassen und verfuhren dem
gemäſs mit Kühnheit und Thatkraft. In vollständiger Unkenntnis
über die Stärke des gegenüberstehenden Feindes und dessen , was der Nebelberg ihren Blicken entzog , zögerten sie nicht, mutig zu
zufassen und das Kriegsglück zu versuchen. Mit diesem Geist brachten sie den Erfolg auf ihre Seite. Umgekehrt lähmte die Unklarheit ihrer Gegner diesen die Widerstandskraft. Erst mit dem Eintreffen des Generallieutenants v . Hartmann trat eine be
stimmte Absicht in der bayerischen Gefechtsleitung hervor , jetzt wurde der Nebelberg der Brennpunkt des Kampfes. Aber die
nunmehr gemachten Anstrengungen trugen den Stempel der Über eilung. Anstatt die völlige Versammlung der im Anmarsch be griffenen Brigade Faust abzuwarten und inzwischen die geworfene Brigade Cella zu ordnen und für erneutes Vorgehen vorzubereiten, um hierauf den Angriff mit gesamter Kraft und einheitlich geleitet durchzuführen, wurden in hitziger Hast erst die eine Brigade, dann Teile der anderen Brigade ins Feuer geführt und so den Preuſsen die Festhaltung des Nebelberges thunlichst erleichtert. Diese Kämpfe
zeigen deutlich den lähmenden Einfluſs der Unentschiedenheit und den Nachteil der Kräftezersplitterung. Hatte schon das persönliche Eingreifen und der nachdrückliche Wille des bayerischen Divisions kommandanten die eben geworfenen Bataillone beinahe wieder in
den Besitz der verlorenen Höhe gebracht, so wäre vielleicht das Ziel völlig erreicht worden , wenn auſserdem auch noch die frisch
eingetroffenen Kräfte gleichzeitig bei dem Angriff zur Verwendung gekommen wären . -- So viel zur Erklärung des Miſserfolges der Bayern ! ( Der bayerische Bericht bezeichnet die treffliche Wirkung der preuſsischen Batterie als die Hauptursache des den bayerischen Waffen ungünstigen Gefechtsverlaufes.) Die Fehler, welche der eine Teil im Gefecht begeht, gestalten sich aber nicht von selbst zu Vorteilen für den Gegner, sondern nur dann, wenn dieser durch Umsicht und Thätigkeit aus ihnen
Der Gefechtsverlauf zeigt, wie die Preuſsen die durch ihre Kühnheit errungene Siegesfrucht nachher
Nutzen
zu ziehen
versteht.
durch zweckmäſsiges Verfahren, richtige Besetzung des Nebelberges,
Über den Infanterie -Angriff.
283
Verstärkung ihrer Artillerie und besonders durch sachgemäſse Aus nutzung ihres schnellfeuernden Gewehres in der Verteidigung allen Bemühungen der Bayern gegenüber festzuhalten wuſsten. Der Erfolg der preuſsischen Waffen war sonach ein wohlverdienter. Dank den seitens des Generals v. Göben veröffentlichten Angaben über den Patronenverbrauch der preuſsischen Bataillone im Gefecht um den Nebelberg läſst sich auch noch diese wichtige Seite des
Infanteriekampfes einer genaueren Betrachtung unterziehen.
Die
drei preuſsischen Bataillone, welche den Nebelberg stürmten, die bayerischen Gegenangriffe zurückwiesen u . s.s w. verschossen am 4. Juli etwa 18,000 Patronen , mithin der Mann sieben Stück im
Durchschnitt. Dagegen haben sich auf bayerischer Seite einzelne Truppenteile gänzlich verschossen ; es wurden hier sonach erheblich mehr Patronen verbraucht. Wenn auch infolge der guten Wirkung
der preuſsischen Artillerie ein gewisser Teil der bayerischen Verluste durch Geschützfeuer verursacht wurde , so sind dieselben in der Hauptsache doch auf Gewehrfeuer zurückzuführen. Um etwa
350 Gegner auſser Gefecht zu setzen, haben die Preuſsen 18,000 Pa tronen verfeuert, während die Bayern ungleich mehr Schieſsbedarf
verbrauchten, um ungefähr 250 Preuſsen kampfunfähig zu machen .
Die Ursache dieser geringen Wirkung im Vergleich zum Patronen aufwand ist hauptsächlich der groſsen Entfernung zuzuschreiben, auf welche seitens der Bayern durchweg geschossen wurde.
Der
hohe Wert eines sachgemäſsen Gebrauchs der Gewehre im Gefecht tritt vor solchen Ergebnissen in besonders helles Licht. Man darf füglich behaupten , daſs die Überlegenheit in der Schieſsausbildung und in der Verwendung des Gewehres im Gefecht künftighin den Ausschlag geben und selbst einen erheblichen Unterschied der Zahl ausgleichen wird. Je einsichtiger und fleiſsiger in dieser Beziehung im Frieden vorgearbeitet wurde, desto reichlicher und sicherer fallen dem Besseren die Erfolge zu.
So zeigt auch das Beispiel
des Gefechtes um den Nebelberg, welch'schweres Gewicht die
geistige Übermacht in der Wagschale der Entscheidung bildet und wie nicht die Tapferkeit der Truppen und die Aufopferung der Führer allein zum Siege verhilft. Das Gefecht bei Laufach am 13. Juli 1866.
Den Schauplatz des Gefechtes bei Laufach bildet das ungefähr eine Meile östlich von Aschaffenburg gelegene schmale Thal, welches
den von Osten nach Westen flieſsenden Laufachbach begleitet. Dieses Thal, soweit es für das Gefecht selbst in Betracht kommt,
Über den Infanterie - Angriff.
284
ist von Norden und Süden durch nahe herantretende Höhen be grenzt. Auf der nördlichen Seite desselben erhebt sich der Grissen
berg und östlich von demselben der mit Wald bedeckte Bischlings berg ; im Süden ziehen die westlichen , zum Teil bewaldeten Aus läufer des Spessart sich nahe an die Laufach heran. Das Laufach
thal wird seiner ganzen Länge nach von der Straſse Aschaffenburg Lohr und der Eisenbahnlinie durchzogen. Letztere befindet sich zum gröſsten Teil südlich , auf einer Strecke von ungefähr 1000 m aber nördlich der Hauptstraſse. Eben diese Strecke liegt ziemlich in der Mitte der ganzen Thallänge ; hier flieſst die Laufach südlich der Straſse und der Eisenbahn , sonst überall zwischen den beiden
Verkehrslinien . Für den Gefechtsverlauf sind folgende Örtlichkeiten zu erwähnen : Südlich des Grissenberges an der Straſse liegt ein Eisenhammer, südlich davon , durch die Laufach getrennt , Weiber An der Straſse folgen sich in der Richtung von Westen nach Osten : 1200 m vom Eisenhammer und südlich des Bischlingswaldes
höfe.
der Ort Frohnhofen , 800 m weiter Wendelstein am ersten Schnitt punkt der Straſse und der Bahnlinie , einige hundert Meter davon
entfernt liegt der Bahnhof und 1000 m von diesem das Dorf Laufach, 2000 m von Laufach der Ort Hain, wo die Straſse das Laufachthal verläſst und nach Südosten in den Spessart einbiegt. Von dem obenerwäbnten Eisenhammer führt eine Straſse in südöstlicher Richtung über Unterbessenbach nach dem dreiviertel Meilen ent fernten Waldaschaff und von hier auf Rothenbuch , eine Meile von Waldaschaff. Am Morgen des 13. Juli 1866 hatte der Kommandant der
hessischen Division, Generallieutenant v. Perglas, in Aschaffenburg seine beiden Brigaden Frey und Stockhausen , im Ganzen 9 '/, Ba taillone, vier Schwadronen und zwölf Geschütze, zusammen etwa 10,000 Mann zur Verfügung. Die Division hatte seitens des Corps
kommandos den Auftrag erhalten, sich am 13. in kein ernstliches Gefecht einzulassen , jedoch gegen Lohr hin aufzuklären und zu 1
beobachten , sowie Aschaffenburg gegen Osten durch eine
ange
messene Stellung zu decken . – In diesem Befehl lag ein Wider
spruch ; denn wer einen wichtigen Punkt , wie es Aschaffenburg mit seinen Mainübergängen war , decken soll , kann einem ernsten Gefechte nicht ausweichen , sofern der Gegner kräftig angreift. Vermeidet er gleichwohl befehlgemäſs einen hartnäckigen Kampf, so erfüllt er die Aufgabe der Deckung nicht. Zur Ausführung der befohlenen Aufklärung rückte die Brigade
Über den Infanterie - Angriff.
285
Frey, zwei Infanterie-Regimenter zu je zwei Bataillonen und eine
Compagnie Jäger mit Kavallerie und Artillerie, im Ganzen un gefähr 3500 Mann stark , von Aschaffenburg in der Richtung auf Laufach vor. Die aus dem 2. Infanterie- Regiment, einer Schwa 9
dron und zwei Geschützen bestehende Vorhut traf gegen 12 Uhr mittags in Weiberhöfe ein und erfuhr dort die Anwesenheit der
Preuſsen in Hain und Rothenbuch . Infolge dessen wurde von Weiberhöfe aus das 2. Bataillon des Regiments und ein Zug Kavallerie nach Unterbessenbach abgeschickt , um gegen Walda schaft und Rothenbuch hin aufzuklären .
Diese Abteilung stiefs
wirklich bei Waldaschaff auf die Spitze der preuſsischen Brigade Kummer, welche über Rothenbuch im Vormarsch gegen Aschaffen burg begriffen war. Nach einem kurzen Scharmützel trat das hessische Bataillon den Rückmarsch auf Weiberhöfe an , wo dasselbe,
ohne weiter verfolgt zu werden, um 5 Uhr abends wieder eintraf. Inzwischen hatte das erste Bataillon des 2. hessischen Infanterie
Regiments den Vormarsch längs der Laufach fortgesetzt und um 2 Uhr nachmittags den Ort gleichen Namens erreicht. Hier nahmen
zwei Compagnien, die Schwadron und die beiden Geschütze vor dem östlichen Ausgang , der Rest in dem Dorfe und rückwärts
desselben Aufstellung. Der übrige Teil der Brigade blieb inzwischen bei Weiberhöfe .
Preuſsischerseits war die Division Göben am 13. Juli zeitig aufgebrochen und hatte in starkem Marsche bei ungewöhnlicher Hitze das Spessartgebirge überschritten . Die Brigade Kummer
rückte, wie bereits erwähnt, auf der Straſse über Rothenbuch nach Waldaschaff vor , während die Brigade Wrangel die Hauptstraſse über Hain nach Laufach benutzte.
Hier sollte es zwischen beiden
Gegnern zu ernster Berührung kommen.
Kurz nach dem
Ein
um 2 Uhr nachmittags - wurde von derselben ein Zug Kavallerie zur Aufklärung auf der Straſse gegen Hain vorgeschickt, welcher bald auf die Vorhut treffen der hessischen Vorhut in Laufach
Schwadron der Brigade Wrangel traf und von dieser, kaum erblickt, auch angegriffen und auf Laufach zurückgeworfen wurde. Doch hier von dem Plänklerfeuer der hessischen Infanterie empfangen, kehrte die preuſsische Schwadron um und eilte , verfolgt von der hessischen , durch Hain hinter den Eisenbahndamm zurück. Dieses Kavalleriegefecht konnte für beide Teile von Nutzen sein .
Die
Hessen erfuhren dadurch den unmittelbaren Anmarsch der Preuſsen,
letztere aber die Besetzung Laufachs durch hessische Infanterie.
Es kam nun darauf an , welcher von beiden Gegnern die gewonnene Jahrbüoher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . LXIX., 3.
19
Über den Infanterie -Angriff.
286
Kenntnis über den Feind am besten verwertete .
Hessischerseits
konnte man sich auf einen baldigen Angriff der Preuſsen gefaſst halten und entsprechend vorbereiten ; preuſsischerseits war man nun in der Lage, die Mittel zur Überwindung eines vielleicht kräftigen Widerstandes ins Auge zu fassen . – Es war 3/2 3 /, Uhr, als das an der Spitze der Brigade Wrangel marschierende Füsilier -Bataillon des 55. Regiments bei dem Dorfe Hain in das Laufachthal eintrat
und von dem anwesenden Divisions -Commandeur, Generallieutenant
v. Göben, beauftragt wurde, mit Beschleunigung gegen Laufach Es entspann sich hier ein Gefecht, welches nach
vorzurücken .
kurzer Dauer mit dem Rückzug der hessischen Vorhut auf Weiber höfe endigte , wo sie vom ersten hessischen Infanterie-Regiment aufgenommen und der nachdrängende Gegner durch das Feuer der 1
zwei hinter Laufach an der Kreuzung der Bahn und der Straſse
aufgefahrene Geschütze eine zeitlang aufgehalten wurde. Das preu (sische Bataillon sammelte sich sodann bei Frohnhofen , worauf es Laufach und den Bahnhof besetzte.
Das Füsilier - Bataillon des
55. Regiments und eine Husaren - Schwadron bezogen Vorposten in einem vorteilhaften Geländeabschnitt nächst Frohnhofen , während
die Brigade Wrangel von Generallieutenant v. Göben angewiesen ward , unter dem Schutze dieser Sicherheitsmaſsregeln bei Laufach zu lagern , da dieser Ort das Marschziel der Division für den 13. Juli bildete.
Auf preuſsischer Seite mag wohl der rasche Entschluſs, Laufach den Hessen vor dem Eintreffen ihrer Verstärkungen zu entreiſsen,
die nächste Ursache des günstigen Erfolges gewesen sein . Die Hessen vermieden ein ernstes Gefecht und gaben leichten Kaufes dahin, was sie bald nachher unter vielem Blutvergieſsen wieder zu erringen strebten .
In dem Gefecht standen sich zwei Bataillone
von annähernd gleicher Stärke gegenüber , das preuſsische wie das hessische Bataillon zählte ungefähr 800-850 Mann . Gleichwohl hätte ein kräftiger Widerstand der Hessen bei Laufach unter sach gemäſser Ausnutzung der Vorteile , welche die Verteidigung bot, dem preuſsischen Bataillon bedeutende Schwierigkeiten bereiten können .
Allein ein solcher Widerstand wurde
vielleicht auf
Grund jenes Corpsbefehls - nicht geleistet und dem Gegner vor erst das Feld überlassen .
Auf die Meldung über den ebengeschilderten Zusammenstoſs mit den Preuſsen wurde den Hessen erneut die Beobachtung und Sicherung der von Bessenbach nach Aschaffenburg führenden Straſse anbefohlen .
Der hessische Divisions-Kommandant hatte sich
Über den Infanterie - Angriff.
287
persönlich nach vorn begeben und war um 6 Uhr abends bei der Spitze seiner Vorhut eingetroffen. Dort erhielt derselbe ein Tele gramm, laut welchem sich die Preuſsen in sehr ermatteten Zustande befänden und an Schieſsbedarf Mangel litten.
Dies bewog ihn,
den Generalmajor Frey anzuweisen , zur Wiederwegnahme von Laufach und Hain zu schreiten , wobei denselben die gleichzeitig vorbefohlene Brigade Stockhausen unterstützen sollte. General lieutenant v. Perglas kehrte hierauf nach Aschaffenburg zurück und liefs nur den Souschef seines Generalstabes bei der Brigade Frey.
Auf beiden Seiten griffen die Führer der Divisionen in den Gang der Ereignisse ein. Die erste Anordnung des Generallieutenants v. Göben
war von Erfolg begleitet gewesen.
Generallieutenant
v. Perglas glaubte auf Grund des eingekommenen Telegramms, welches übrigens mit dem kräftigen Vorstoſs der Preuſsen gegen Laufach im Widerspruch stand, sich ohne ernsten Kampf in den
Besitz der eben verloren gegangenen Örtlichkeiten setzen zu können, wollte aber dennoch zur Sicherheit alle seine Truppen zu dem ge
planten Angriff herangezogen haben. Obschon also unter Umständen die Entwickelung seiner ganzen Division zum Gefecht in Aussicht stand , verliefs der General gerade in der Zeit seine Truppen, als der Vormarsch nächstens beginnen sollte. Dies ist ein auffallendes Verhalten, denn nichts kann einem Führer wichtiger sein , als dem von ihm selbst befohlenen Angriff der unterstellten Truppen, für deren Verhalten er doch in erster Linie verantwortlich ist, anzu
wohnen, um nach Erfordernis einzugreifen. Die Abwesenheit des Divisionskommandanten hatte denn auch auf hessischer Seite ver
hängnisvolle Folgen. — Nach den Schilderungen ,, die man über den Feind bekommen hatte, und ihn auch für schwach an Zahl haltend,
wartete Generalmajor Frey entgegen dem Divisionsbefehl – die Annäherung der andern Brigade nicht ab , sondern hoffte, die nächste Ortschaft im ersten Anlauf nehmen zu können. Zum Angriff waren
augenblicklich verfügbar: das erste hessische Infanterieregiment, welches bisher, ohne weiter zur Thätigkeit gelangt zu sein, als Rückhalt bei Weiberhöfe stand ; hier war ferner um 5 Uhr auch
das 2. Bataillon des 2. hessischen Regiments von Waldaschaff her eingetroffen , ebenso das von Laufach zurückgegangene erste Bataillon dieses Regiments. Letztere beiden Bataillone hatten zwar gröſsere Marschleistungen hinter sich und leichte Gefechte mit dem Gegner bestanden, doch ibre Gefechtskraft war hierdurch keineswegs ge schwächt, sie konnten fraglos bei dem bevorstehenden Kampfe ver wendet werden . Der Brigadekommandant verzichtete jedoch auf 19 *
288
Über den Infanterie -Angriff.
ihre Mitwirkung und bestimmte nur das erste Regiment zum Angriff gegen Frohnhofen .
Generalmajor Frey hatte augenscheinlich an
diesem Tage eine sehr geringe Meinung von den Preuſsen, welche Unterschätzung des Gegners sich aber bitter rächen sollte. Das erste hessische Infanterie -Regiment rückte nun in folgender Ordnung gegen Frohnhofen vor ; das erste Bataillon marschierte in Compagnie -
Kolonuen auf und unmittelbar neben der Straſse gegen die westliche
Seite von Frohnhofen . Links von dem ersten gingen drei Compagnien des 2. Bataillons gegen den Bischlingswald vor und eine Compagnie dieses Bataillons auf dem Eisenbahndamm, den rechten Flügel des Augriffs bildend. Die Infanterie-Kolonnen waren durch vorausgehende
dichte Plänklerschwärme gedeckt. Eine hessische gezogene Batterie von vier Geschützen eröffnete vom östlichen Abfall des Geissenbergs
aus ihr Feuer, um den Angriff der Infanterie zu unterstützen. Preuſsischerseits war die Brigade Wrangel, wie erwähnt, eben damit beschäftigt, sich in ihrem Biwak bei Laufach einzurichten und das Füselier - Bataillon des 55. Infanterie -Regiments gerade daran, Vor posten bei Frohnhofen auszustellen, als man das Vorrücken der starken feindlichen Kolonne bemerkte. Der Angriff erfolgte sonach völlig unerwartet und überraschend. Demgemäſs trug auch die Ab wehr ganz das Gepräge unvorhergesehener, den Erfordernissen des
Augenblicks entsprechender Maſsregeln. Der preuſsische Bataillons commandeur warf sofort die 9. und 10. Compagnie in das Gelände nördlich von Frohnhofen , besetzte mit der 11. diesen Ort und stellte von der 12. einen Zug in den Wald südlich des Eisenbahndammes, den anderen als Rückhalt östlich des Dorfes auf. Gleichzeitig hatte
Generalmajor von Wrangel von dem Füsilier -Bataillon -Regiments Nr. 15 die 10. und 11. Compagnie nach Frohnhofen, die 9. in das Gelände nördlich , die 12. südlich der Straſse vorgeschickt und sodann das erste Bataillon Regiments Nr. 15 mit der Weisung, sich nördlich
auf den Höhen längs des Waldsaumes des Bischingsberges auszu dehnen zur Verstärkung des rechten , das 2. Bataillon dieses Regiments zur Verstärkung des linken Flügels mit dem Befehl
folgen lassen , im Wiesengrunde und dem daranstossenden Walde, südlich des Ortes Aufstellung zu nehmen . Alle diese Truppenteile trafen indes erst nach und nach an den ihnen zur Besetzung über
wiesenen Punkten ein , als der Kampf bereits in vollem Gange war . Dem hessischen Anprall konnte im ersten Augenblicke nur das Feuer schwacher Schützenabteilungen entgegengesetzt werden, die
ohne gemeinsamen Oberbefehl sich rasch im Dorfrand eingenistet
hatten, so gut wie es die Örtlichkeit gestattete. - Durch diese sofort
Über den Infanterie -Angriff.
289
ergriffenen Maſsnahmen glich der preuſsische Brigadegeneral den auf bessischer Seite vorhandenen Vorteil der Überraschung aus. Im Gegensatz zu dem Verfahren des Generals Frey beeilte und bemühte sich General Wrangel nach Kräften, alle seine zunächst verfüg baren Truppen zur Entscheidung heranzubringen. Bei der hoch gradigen Ermüdung der letzteren und da zu Anfang nur wenige Compagnien zur Hand waren, beschloſs der preuſsische General, den drohenden Angriff stehenden Fuſses zu empfangen . Die zwei hessischen
Bataillone
rückten
inzwischen
ohne Aufenthalt
mit
klingendem Spiel und trotz der verheerenden Wirkung der Zünd nadelgewehre anfangs in vorzüglicher Ordnung und mit groſser Tapferkeit vor ; aber 150 Schritt vor der preuſsischen Stellung stutzten die Angriffskolonnen infolge des nunmehr eröffneten wahr haft mörderischen Schnellfeuers der Preuſsen, machten Kehrt und
gingen wieder zurück. Kurze Zeit darauf stürmten die geworfenen Bataillone mit Ungestüm ein zweites Mal vor, wobei einzelne Ab teilungen bis dicht an, sogar in die Umfassung des Dorfes ge langten , ohne sich jedoch darin länger als einen Augenblick be haupten zu können . Der zweite Anlauf hatte dasselbe ungünstige Ergebnis wie der erste. Wieder zum Umkehren gezwungen , ging das hessische Regiment diesmal gegen 7 Uhr abends bis hinter Weiberhöfe zurück, wo sich die Bataillone sammelten und,
nachdem sie die vorher abgelegten Tornister wieder aufgenommen hatten, ohne den Kampf zu erneuern , den Rückzug nach Aschaffen burg antraten .
Die Frage nach dem beiderseitigen Stärkenverhältnis läſst sich nicht bestimmt beantworten, da die preuſsischen Compagnien nur nach und nach in den Kampf eingriffen. Es wird jedoch angenommen werden dürfen , daſs während des Gefechtsverlaufes im Ganzen preuſsischerseits zwei Bataillone, mithin 1600-1700 Mann entwickelt
wurden, welchen ebensoviele Hessen gegenüber traten . – Mittler weile war Generalmajor von Stockhausen mit der zweiten hessischen Brigade, aus dem 3. und 4. Infanterie -Regiment je zu zwei Bataillonen
bestehend, von Aschaffenburg auf dem Kampfplatze eingetroffen und führte dieselbe sofort
abends 7 Uhr – zu erneutem
Angriff
gegen Frohnhofen vor während das zweite hessische Infanterie Regiment auch diesmal in Aufnahmestellung bei Eisenbammer und
Weiberhöfe verblieb. Da einige preuſsische Abteilungen am äuſsersten rechten (nördlichen ) Flügel im Walde des Bischlingsberges so weit
vorgedrungen waren , daſs sie die hessische Batterie am Geissenberg in der Flanke auf 400 Schritt beschlieſsen konnten, sah sich dieselbe
Über den Infanterie -Angriff.
290
zum Verlassen ihrer Stellung und zum Zurückgehen bis hinter Weiberhöfe genötigt, wo sie zwar ihr Feuer fortsetzte, aber wegen der groſsen Entfernung den Angriff der Brigade Stockhausen nicht
unterstützen konnte. Hierdurch ging den Hessen ein wesentliches Hilfsmittel zum Erfolg verloren. Gleichzeitig hatte General v. Wrangel das erste und zweite Bataillon Infanterie -Regiments Nr. 55 nebst der 3. zwölfpfündigen Batterie zur Unterstützung der im Gefecht befindlichen Truppen bis nach Wendelstein herangezogen. Die Batterie fuhr auf der Höhe, etwa 900 Schritt nördlich von Frohn hofen auf, griff aber vorerst nicht besonders wirksam ein.. Im
Rückhalt blieb auf preuſsischer Seite östlich des Bahnhofes nur noch das Füsilier- Bataillon Lippe mit der 3. vierpfündigen Batterie ; es konnten somit dem bevorstehenden Angriff der Hessen sechs preuſsische Bataillone mit ungefähr 5000 Mann entgegengesetzt werden . Die Brigade Stockhausen hingegen zählte wie die Brigade Frey nur etwa 3000-3200 Mann. Die Aussichten dieses Angriffes waren daher bei den ungleichen Stärkenverhältnissen für die Hessen
wesentlich ungünstiger als beim ersten Versuch . Um so notwendiger wäre die Mitwirkung des unverwendet bei Weiberhöfe zurück
gelassenen , 1400-1500 Mann starken 2. Infanterie - Regiments gewesen.
Die Brigade Stockhausen ging in zwei Staffeln gegen die preuſsische Aufstellung bei Frohnhofen vor, auf der Straſse das 3., nördlich derselben , etwas zurück , das 4. Regiment. Die beiden
Bataillone des 3. Regiments entwickelten sich etwa 300 Schritt von Frohnhofen , also im wirksamen Ertrage des feindlichen Gewehr
feuers in Compagnie -Kolonnen, nahmen Schützentrupps in die ganz kleinen Zwischenräume und stürzten sich unter dem Schutze starker Plänklerschwärme mit lautem Hurrahrufen auf den Dorfrand. Das
4. hessische Regiment, welches, dem 3. folgend, sich links desselben
entwickelt hatte , griff nach kurzer Zeit gleichfalls in das Gefecht ein . Die Mehrzahl der Angreifer wurde auch diesmal durch das für die nächste Entfernung aufgesparte Schnellfeuer des Ver teidigers zum Umkehren gezwungen ; einem Teil aber gelang es dennoch, die vordersten Gehöfte zu erreichen und sich dort in
stehendem Gefecht zu behaupten . Besonders heftig war der Kampf um einzelne Örtlichkeiten , wobei ganze Reihen der Angreifer hin gestreckt wurden . Inzwischen griffen die bei Wendelstein als Unterstützung bereitgehaltenen preuſsischen Abteilungen in das Gefecht ein . Fünf Compagnien gingen nördlich, eine Compagnie südlich der Straſse vor. Durch einen Angriff mit der blanken
Über den Infanterie - Angriff.
291
Waffe wurden die in das Dorf eingedrungenen Hessen wieder hinaus geworfen. Von der unterdessen weiter vorgerückten preuſsischen zwölfpfündigen Batterie in nächster Nähe beschossen und durch
einen kräftigen Vorstofs des preuſsischen rechten Flügels, der in seinem weiteren Verlauf bis über Weiberhöfe hinaus fortgesetzt
wurde, noch mehr gedrängt, wurden die Hessen , als vollends auch die im Dorf und südlich desselben fechtenden Prenſsen zur Ver
folgung vorbrachen, zum Rückzuge genötigt. Dieser wurde unter dem Schutze des nächst Weiberhöfe aufmarschierten 2. hessischen
Infanterie-Regiments und einer gezogenen Batterie bis zn genanntem Punkte ausgeführt und um 8 Uhr abends von da bis Aschaffenburg fortgesetzt.
Die Brigade Stockbausen liels in der Eile des Rück
marsches fast ihr ganzes, vor Beginn des Gefechtes abgelegtes Gepäck im Stich. Dieses und ein groſser Teil der hessischen Verwundeten fiel in die Hände der Preuſsen .
Letztere wurden durch die herein
brechende Nacht und wohl auch infolge sehr groſser Ermüdung
verhindert, die Verfolgung ihrer geschlagenen Gegner über Weiber höfe und den Eisenhammer hinaus fortzusetzen . - Die Preuſsen
verloren am 13. Juli 1866 einen Offizier und 65 Mann, die Hessen
Dieser sehr auffällige Unterschied zwischen den beiderseitigen Verlusten ist aus dem Verhalten beider Gegner und dem Verlaufe des Gefechtes unschwer zu erklären . 33 Offiziere und 744 Mann .
Die Preuſsen hatten sich , mit Ausnahme des angriffsweisen Vor
gehens zum Schluſs des Gefechtes, in gedeckter Stellung geschlagen ; die geschlossenen Kolonnen der Hessen dagegen waren in offenem Gelände der verheerenden Wirkung des Zündvadelgewehrs ununter
brochen preisgegeben gewesen . Auch hier hatte sich die Leistungs fähigkeit des Hinterladers im Verteidigungsgefecht auf das
un
zweifelhafteste bewährt. Der hessischen Division war es nach ihren unglücklichen Ge
fechten im Laufachthale am 13. Juli 1866 nicht gelungen, den ihr erteilten Befehl, Aschaffenburg zu decken und Aufklärung über den
Gegner zu schaffen, im Sinne der Oberleitung, nämlich ohne ernstes Gefecht durchzuführen . Die Ursachen dieses Miſslingens lagen un zweifelhaft in der Führung, denn die Truppen hatten sich tapfer und mit Hingebung geschlagen . Hätte man damals wie heute den
richtigen Gebrauch von der Reiterei zu machen gewuſst, so wären die vier hessischen Schwadronen auf den nach dem Spessart führen den Straſsen vorgetrieben worden, bis sie sichere Kunde von dem Anmarsch, der Stärke, der Absicht der Preuſsen zurückbrachten . Den einlaufenden Nachrichten entsprechend war dann die hessische
Über den Infanterie -Angriff.
292
Division zu verwenden . Bei Weiberhöfe und am Geissenberg, wo die Straſsen von Osten her zusammenlaufen, war die Stellung zu
nehmen , deren Festhaltung oder Preisgabe über den Besitz der Mainübergänge entschied . Die Versuche, in den Ortschaften Frohn hofen, Laufach oder Hain festen Fuſs zu fassen , sind hiernach zu beurteilen . Denn weiter nach Osten kam man zu nahe an den
Spessart, weiter nach Westen zu nahe an den Main. Mit Einnahme einer Aufstellung an Geissen berg bätte in der That die Aufgabe der hessischen Division für den 13. Juli als gelöst betrachtet werden können . Denn die Preuſsen beabsichtigten nicht an diesem Tage weiter als bis Laufach und Waldaschaff vorzugehen ; ein ernster Zusammenstoſs wäre somit vermieden worden..
Die bestimmte Auf
gabe, einen wichtigen Punkt zu decken , läſst sich aber im Allge meinen mit dem Befehl, ein ernstes Gefecht zu vermeiden , schlechter
dings nicht vereinigen , wie dies bereits oben berührt wurde. Wer will überhaupt entscheiden, wo die Grenze zwischen leichten und ernstem Gefecht liegt ? Wenu ein Gefecht eingegangen wird, weiſs Niemand voraus, welchen Umfang dasselbe annehmen wird. Kein Führer will einen wenn auch noch so kleinen Teil seiner Truppen vom Gegner abklopfen lassen, solange er es bindern kann , und
kommt daher leicht in die Versuchung, weitere Kräfte in den Kampf zu werfen , als er ursprünglich beabsichtigte und als dem gegebenen Gefechtszweck entspricht. So entwickelt sich aus einem Scharmützel
ein Gefecht, ein Kampf, eine Schlacht oft ganz gegen den Wunsch und die Absicht der höheren Führung. Man halte dem Gesagten vicht entgegen, daſs der bestimmt erteilte Befehl eine solche Ent wickelung der Dinge verhindern könne, verhindern müsse. Wohl wird er es thun, so lange der in vorderer Linie stehende Unter führer noch Herr seiner Entschlieſsungen bleibt. Wenn aber die kampflustigen Kräfte der Truppen selbst sich entfesseln und mit innerer Gewalt dem Brennpunkt des Kampfes zustreben, dann wird auch der Führer mitfortgerissen , weil er ein Mensch ist. Und eben weil solches Verfahren menschlich ist, wird es immer wieder vor kommen .
Wenn man nun davon absieht, ob der Angriffsbefehl des hessischen Divisions -Kommandanten auf Grund der über den Gegner einge
laufenen Nachrichten und nach der ganzen Sachlage gerechtfertigt war oder nicht , so ist in der fehlerhaften Ausführung durch die Brigadefübrer die Hauptursache des ganzen Miſserfolges zu suchen . Es unterliegt keinem Zweifel, daſs die Hessen bei richtiger Aus nutzung der ihnen zur Seite stehenden Vorteile wohl einen Erfolg
Über den Infanterie - Angriff.
erringen konnten .
293
Sie verfügten über eine wenn auch nicht
bedeutende Überlegenbeit an Zahl und waren als Angreifer in der Lage, dieselbe an geeigneter Stelle überraschend einzusetzen . Wie der Verlauf ihres ersten Angriffes auf Frohnhofen gezeigt hat, standen ihnen anfangs nur untergeordnete Kräfte der Preuſsen
gegenüber und auch später, wenn behufs Versammlung der ganzen hessischen Division die Angriffsstunde etwas verschoben worden
wäre, hätten sie es nicht sofort mit der gesamten Brigade Wrangel zu thun gehabt.
Allein statt mit allen Kräften zugleich den
Angriff zu unternehmen, holte sich jede Brigade einzeln ihre Schlappe und verabsäumte es auſserdem noch , die ganze jeweils verfügbare Truppenzahl ins Gefecht zu bringen . Wer sich vorstellt, wie beim ersten Ansturm einzelne hessiscbe Abteilungen bis dicht an , ja in die Umfassung des Dorfes gelangten, wie beim zweiten Angriff innerhalb des Ortes um einzelne Gehöfte eine zeitlang in stehendem , also unentschiedenen Gefecht gekämpft wurde , der kann sich des Gedankens nicht verwehren , daſs in diesem Augenblick an dieser
Stelle ein frisches hessisches Bataillon den Ausschlag zu Gunsten der hessischen Waffen gegeben haben würde. Allein das fehlende Bataillon stand mit Gewehr bei Fuſs
nahmestellung.
1200 m
rückwärts in Auf
Die richtige Verwendung der Rückhaltstruppen
besteht aber nicht darin , daſs sie als müſsige Zuschauer zurück und von der Entscheidung fern gehalten , sondern daſs sie im ent scheidenden Augenblick an entscheidender Stelle eingesetzt werden . Die maugelhafte Kenntnis von dem Zustand und der Verfassung der Preuſsen mag wohl beim ersten Angriffe als Erklärung für die Zurücklassung der Hälfte der Brigade Frey hingenommen worden ,
nicht aber beim Angriff der Brigade Stockhausen , nachdem die blutige Abweisung des ersten Sturmes jede Täuschung über die Machtverhältnisse des Feindes beseitigt hatte. Aber es wurde auch noch in anderer Richtung gefehlt. Die der Straſse von Weiberhöfe
nach Frohnhofen folgende Angriffslinie war zwar die kürzeste, aber nicht die beste.
Sie führte ohne jede Deckung gerade in die feipd
liche Feuergarbe hinein . Dagegen hätten die Angriffskolonnen unbemerkt und unbeschossen um den Nordhang des Geissenberges herum in den Bischlingswald , und von hier nahe in Flanke und
Rücken der preuſsischen Stellung bei Frohnhofen gelangen können , wobei es keineswegs ausgeschlossen blieb , daſs hessische Artillerie
und schwächere Infanterie - Abteilungen die Preuſsen auch in der Front beschäftigten . Aus den beiden Angriffen der Hessen gegen Frohnhofen leuchtet
Über den Infanterie- Angriff.
294
es recht klar hervor , welche Bedeutung der Führung zukommt, welche ungeheuere Verantwortung auf ihr lastet, indem von ihren Entschlieſsungen die nutzlose Aufopferung von Hunderten , von Tausenden abhängen kann . Eine richtige Befehlserteilung vor dem Feinde wird aber hauptsächlich durch das Dunkel schwierig , in welches meistens die gegnerischen Maſsnahmen , Bewegungen und Stärkenverhältnisse gehüllt sind. Wie gefährlich es ist, auf un zuverlässige Nachrichten hin Angriffe zu unternehmen, dafür gaben die Kämpfe um Frohnhofen eine sehr eindringliche Lehre . Aus den vier vorbesprochenen Gefechten um den Monte della Croce, Rosberitz, den Nebelberg und Laufach ergeben sich nun folgende Grundsätze für die Gefechtsführung: 1. Vor Beginn des Angriffs soll der Führer sich darüber klar
zu werden suchen , wie viele Truppen im Ganzen heran gezogen werden können und diese alle soll er, wenn nicht ausnahmsweise die Verhältnisse ein Anderes fordern , ab
warten. Auch ermüdete Truppen sind im Gefechte brauch bar , denn das Schwirren der feindlichen Geschosse belebt die sinkenden Kräfte und im Kampfe selbst kommt es heutzutage weniger auf den körperlichen als den seelischen 7
Zustand der Truppe an.
Beim Angriff selbst ist das Zu
sammenwirken aller Waffen anzustreben .
2. Der Weg zum Gegner
die Angriffslinie – bedarf unter
-
den heutigen Verhältnissen der sorgfältigsten Überlegung. Eine unrichtige Wahl , sofern eine Wahl überhaupt ge stattet ist, kommt nutzloser Aufopferung der Truppe gleich. 3. Bei der Gliederung der Angriffstruppe sollte der Führer nicht vergessen, daſs zwei oder mehr nacheinander je mit
einem Teil der Gesamtkraft geführte Angriffe niemals die Wirkung eines einzigen vollkräftigen Stoſses erreichen können, weil der Verteidiger jedem einzelnen schwächeren Stoſse seinerseits die ganze Kraft der Abwehr entgegen zusetzen in der Lage ist. — So einfach und leicht die Aufstellung dieser Lehren ist, ebenso schwierig gestaltet sich ihre Anwengung auf dem Gefechtsfelde. Denn neben ihrer Kenntnis ist hierzu dem Leiter des Kampfes die unter den gewaltigen Eindrücken des Gefechtes und unter der Last der Verantwortung nur schwer zu bewahrende Seelenruhe notwendig, welche allein ein richtiges Handeln gewährleistet. -
XIX.
Betrachtungen über den Entwickelungsgang der Vorschriften für den Marsch der Infanterie. *) ( Schluſs.)
Wenn auch , wie schon erwähnt, das preuſsische Reglement von 1743 nichts über Zeit und Raum des ordinären Schrittes vor
schreibt, so haben doch bei den Truppenteilen eingehende In struktionen hierüber existiert. Nach diesen betrug der Schritt des Fuſsvolks 28 Zoll und sollte er 75 Mal in der Minute gemacht
werden. In dieser Cadence wurde auch durch die Stadt beziehungs
weise das Kantonnement, in dem ein Generalstab lag , marschiert,
im Übrigen aber unterwegs der Feld -Marsch gebraucht. Im Regle ment wird letzterer nur in der Weise berührt, daſs es heiſst: Der
Tambour schlägt den Feld -Marsch (S. 410) . Beim Exerzieren gab es auſserdem den schrägen Schritt, den Seitenschritt, zum An
schlieſsen, und den Chargierschritt, d. h. denjenigen kurzen Schritt, der während des Chargierens im Avancieren oder Retirieren gemacht
wurde und nötig war » weil das starke Avanciren in währendem Chargiren eine Unordnung verursachen würde« (S. 521 ) . Die Länge desselben betrug nur etwa 8 Zoll, vom Absatz bis zum Ballen. Die systematische Ausnutzung des Feuers beim Avancieren bestand bekanntlich darin, daſs, während das Ganze im langsamen Schritt vorrückte, die zum Feuern bestimmten Peletons mit drei groſsen
und raschen Schritten heraustraten , ihre Salve abgaben und sich dann wieder von ihrem Bataillon aufnehmen lieſsen, so daſs ein *) Das inzwischen bereits erschienene neue preuſs. Exerzier-Reglement ist noch unberücksichtigt geblieben. Druckfehler des vorigen Heftes : Seite 224 Zeile 12 von oben lies :
Name statt Mann,
296
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
ununterbrochenes Feuern während des ganzen Avancierens statt fand.
Die reglementarischen Bewegungen des Bataillons nach den
Flanken geschahen in der geöffneten Zug- oder Divisions- Kolonne und in der Regel mit aufgeschlossenen Gliedern.
Der Glieder
abstand betrug 4 Schritte, 2 kleine Tritte oder war aufgeschlossen »bis auf die Säbelspitze « . Passierte man ein Defilee, Thor oder dergleichen so müſsten die Züge »gliederweise doubliren « d. h. in sich abbrechen .
eingeführt, doch
Das Abschwenken mit Sektionen wurde erst 1779 anders ausgeführt wie heute. Schwenken und
Aufmarschieren der Züge war verschieden, entweder ganz langsam
oder » mit geschwinden Tritten « . Die preuſsische Exerzierschule jener Zeit ist über jedes Lob erhaben gewesen , doch welche Schwierigkeiten sie bereitet haben muſs, empfindet man recht beim Lesen der Schilderung Behrenhorst's, der selbst preuſsischer Offizier und kurze Zeit Adjutant des groſsen Königs gewesen, und über den Exerzierschritt
urteilt :
>> Dieser Schritt wird mit steifem
Knie
gemacht, und ist dem natürlichen Schritte eines Menschen ähnlich, der bedächtig und gravitätisch auf einen Gegenstand losgehet. Wenn dieser Mensch jedoch hinter einem anderen , ebenso wie er schreitenden, folgt, so muſs zwischen der Brust dieses und dem Rücken seines Vorgängers, ein Abstand von 2 Fuſs 10 Zoll bleiben, oder er tritt ihm auf die Fersen und stolpert.
Diesem Naturgesetz
auszuweichen, kasteyet sich die preuſsische Taktik mit einem Hülfs mittel, das einer halben Einschachtelung gleicht: der Hintermann hebt nämlich seinen rechten Schenkel unter dem rechten, den linken
unter dem linken seines Vordermannes und mit ihm zugleich auf, und setzt sie zugleich mit ihm, und zwar in dessen verlassene Fuſstapfen , nieder. So lässet man nun freilich in dem Abstand Eines einzigen Fuſses vom Rücken zur Brust, weit und lange
marschiren ; es gehöret aber ganz ebener Boden und die Cadenz des Gleichtritts dazu, und dennoch bleibt die Bewegung athem
benehmend und gezwungen ; sobald aber nur ein Iudividuum an stöſst, strauchelt, oder den Gleichtritt verliert, theilt sich der Unfall der ganzen Rotte , und
schwankt das Individuum rechts oder
links – dem ganzen Gliede durch Progression mit« . Seinen Un willen , und wohl nicht ganz mit Unrecht, erregen aber besonders die überflüssigen und unkriegsgemäſsen Künsteleien der späteren Zeit, denen endlich das preuſsische Reglement von 1812 so energisch mit den Worten entgegentritt : » .... überhaupt müssen alle zu .
sammengesetzte und gekünstelte Bewegungen, die man nie vor dem Feinde anwenden wird, selbst von den Übungsplätzen verbannt seyn .
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
297
Sie erweitern ohne Noth und Nutzen das Gebiet der Elementar
Taktik , führen zu falschen Ansichten , und fesseln die Aufmerk samkeit an Gegenstände , deren sorgfältige Bearbeitung zur Er reichung militärischer Zwecke nutzlos ist« . *) Man fing an zu streiten , ob 75 oder 76 Schritte in der Minute besser seien , und der General v. Saldern, Inspekteur in Magdeburg und bekannt als 1
9
besonders geschickt in der Manövrierkunst, erklärte in einem langen
Befehl v. J. 1782 gar, er sähe 77 Schritte doch noch lieber. Der sogenannte Deploier- oder Dublier - Schritt (in alten Büchern auch Doppelier -Schritt genannt) , der unserem heutigen geschwinden Schritt entspricht, war offiziell noch nicht eingeführt, wenn er auch fast überall gebräuchlich war [in Potsdam nicht). Überhaupt herrschten unter den verschiedenen Inspektionen Ungleichheiten, z. B. betreffs des stärkeren oder geringeren Erhebens der Füſse, des härteren
oder gelinderen Niedersetzens derselben , der Schrittlänge, der Zeit 1. S. W. Als Ideal der Ausbildung galt jedenfalls überall , dem Manne den kadencierten Schritt zur zweiten Natur anzuerziehen .
Deshalb stammen auch aus jener Zeit die vielerlei Hülfen , dem
Soldaten das richtige Zeitmaſs einzuprägen, z. B. deklamierte man in dem vorgeschriebenen Tempo : ein und zwanzig, zwei und zwanzig, oder rechten , linken u. s. w.
Den Sachsen wurde es
besonders nachgerühmt, daſs sie, wenn sie compagnieweise exer zierten , von Zeit zu Zeit den Takt mit der Trommel markieren
lieſsen . Der groſse König legte jedenfalls einen Hauptwert darauf, daſs beim Angriff die Cadence richtig innegehalten wurde. Noch aus seinen letzten Jahren existiert eine Instruktion für die schlesische Infanterie, **) welche folgende Stelle enthält : >> Die Kommandeurs der Musketier -Bataillons müssen beim Avanciren und Retiriren alle
mal zu Fuſs seyn , und die General's müssen sehen , daſs die Ba taillone ihre Distance halten, und daſs sie gerade aus dahin gehen, wohin sie sollen . Die Flügel-Officier's müssen sich beständig allig
niren , und die Major's und Adjutanten , welche nicht attent seyn, sollen in Arrest. Bei dem Avanciren müssen die Fahnen 6 Schritte vor , und ein Officier binter den Fahnen marscbiren , und mit der Uhr in der Hand danach sehen , ob 75 bis 76 Schritt in der Minute
accurat herauskommen. « Beiläufig bemerkt bestimmte übrigens das Reglement von 1743 : >> Vor der Action muſs allemal, wann man *) Seite 69 Anmerkung. In ähnlicher Fassung bis 1870 beibehalten, siehe
Reglement Seite 96 ; hoffentlich auch in dem neuen. **) Nach dem Militär -Wochenblatt von 1833 Seite 5019 soll dieselbe vom 24. August 1785 sein.
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
298
die Zeit hat, den Purschen die Tornisters und alles, was ihnen be
schwerlich fällt, abgenommen werden. « Nachdem das eben genannte Reglement in den Jahren 1750 , 1766, 1773 und 1779 mancherlei Abänderungen und Zusätze er
fahren hatte, wurde es 1788 bedeutend umgeändert in zweierlei Gestalt neu herausgegeben : für die leichte Infanterie unter dem 24. Februar, und für die übrige Infanterie unter dem 13. März . Der Unterschied zwischen beiden Reglements kommt hier nicht in
Frage. Der Charakter als Dienst-Reglement ist in beiden bei behalten.
Die Cadence der Schrittarten wird nunmehr zum ersten
Male reglementsmäſsig begrenzt, jedoch gewissermaſsen auch nur so neben bei, indem es Seite 104 heiſst : » Der Marsch in Zügen ist der nemliche , wie der im Avanciren , nemlich 75 Schritte in einer Minute , welches der Capitaine vom rechten Flügel , der den ersten
Zug führet, besonders wohl zu beobachten hat, damit die hintersten Züge nicht bald laufen, bald stutzen müssen « und Seite 131 beim
Kapitel Vom Deploiren :
» Bey allen Deploiren ist sehr genau
darauf zu sehen, daſs, sowie bei allem übrigen Exerciren alles still sey.
Beym Marschiren mit rechts oder links um muſs alles dicht
aufgeschlossen bleiben, und sowie gegen eine Division Halt! Front ! commandirt wird , müssen die Leute augenblicklich stehen , Front
machen und zum Einrücken geschlossen seyn. Der Deploir -Schritt ist etwas kürzer als der gewöhnliche Avancir - Schritt und werden deren 108 in einer Minute gemacht.« Betreffs des Deploier- Schrittes sei übrigens der Vollständigkeit halber hier gleich erwähnt, daſs
in jenen Jahren die Einführung desselben fast überall stattfindet und die Erfahrungen des nordamerikanischen Freiheitskrieges nicht ohne Einfluſs auf sie gewesen zu sein scheinen , indem die Not wendigkeit, alle Bewegungen in einer schnelleren Gangart aus zuführen, allgemein anerkannt wurde.
Die Vorschriften für den Marsch lauten hier im Reglement etwas anders, die Füſse sollen mit den Spitzen « zuerst nieder gesetzt werden , auch wird der Ausdruck » steif auf den Füſsen vermieden und dafür frei und ungezwungen gesagt: » ... daſs er
frey und ungezwungen marschire, die Spitze des Fuſses auswärts, und die Zehen niederwärts halte , so daſs beym Vorbeymarschiren
man nie die Sohlen zu sehen bekomme [S. 47]. Im Übrigen ent hält das Reglement über die Ausbildung im Marsch keine ein gehenderen Bestimmungen wie das frühere, es kann deshalb, soweit hier eben nur Reglements in Frage kommen , zugegeben werden,
daſs dem gegenüber nicht nur die französischen Reglements, sondern
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
299
auch fast alle übrigen Reglements der zweiten Hälfte vorigen Jahr hunderts in diesem Punkte reichhaltiger sind. Jene von Sachsen
und Österreich nicht. Das sächsische Reglement v. J. 1751 *) be rührt sich in vielen Punkten mit dem unserigen von 1743.
lich der Einzel - Ausbildung heiſst es hier Seite 11 :
Bezüg
» Er muſs
>
wenigstens 4 bis 6 Wochen in nichts anderes geübet, und bloſs dressiret werden , daſs er lebhaft und munter , wohl aufgerichtet, und nicht mit krummen Knien, sondern gestreckt, sowohl in Reyh und Gliedern , als auch alleine auf der Straſse gehen lernet, er muſs nicht mit den Armen schleudern , die Füsse auswärts setzen » Im marchiren muſs wohl darauf Seite 72 dann :
.... « und
gesehen werden , daſs die Leute eine gerade Positur, wie solche oben beschrieben worden , behalten und nicht wieder in einander 1
fallen
•
.
Die Füsse werden mit steifen Knien hoch erhaben
und langsam niedergesetzt , und nicht auf die Erde gestampfet, die Zehen müssen nach der Erde gestrecket, und der Hacken angezogen werden. Die Balance des Leibes muſs nicht hinten zurück, sondern vorwärts, auf den niedersetzenden Fuſs fallen, weil sonst der Bauch hervorstrotzet, auch kein ordentlicher männlicher Tritt und Schritt, welcher weit, doch ohne Affectiren seyn nuſs , gemacht werden kann , sondern zu kurtz wird , daſs der Mann nicht von der Stelle kommt .
> Da das Marschiren eines der wesentlichsten Stücke ist, so von einem guten und wohl dressirten Soldaten erfordert wird, so sollen die Obristen, und alle höhere und niedere Officiers sowohl als auch die Unter -Officiers der Regimenter, Bataillons und Compagnien den
äuſersten Fleiſs anwenden , dasselbe ihren Leuten wohl anzuweisen und zu lehren .
Die Frage ob der sogenannte Balancier - Schritt jemals regelmäſsig vorgeschrieben war, läſst sich schon jetzt dahin beantworten , daſs dies jedenfalls bei uns nicht der Fall gewesen ist, *) sondern nur bei der französischen und hannoverschen Infanterie, indem sowohl
*) Betreffs der regelmäſsigen Berechtigung des langsamen Schrittes [ Ordinär-] vergl . weiter unten.
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
303
nach dem französischen Reglement vom 1. August 1791 wie nach dem Hannoverschen von 1804 der Ordinär - Schritt mit einer Ruhe
pause vorn , vor dem Niedersetzen des Fuſses eingeübt werden sollte. In dem ersteren ist es zwar nicht so deutlich ausgesprochen,
wie in dem letzteren, doch soll augenscheinlich dasselbe gemeint sein. Das Hannoversche Reglement sagt : Bei der ersten Anweisung ist erforderlich , daſs der Recrut den Tritt in 2 Tempo's mache. Wenn der Anweiser eins zählt, so hebt der Recrut den Fuſs in die Höhe, bringt ihn so weit, als es das gestreckte Bein verstattet, vorwärts, und hebt ihn einen halben Fuſs über die Erde. Der Anweiser, der sich vor den Recruten stellt, kann nun nachsehen, ob er den
Leib mit vorgehen läſst, und den Fuſs genau parallel mit dem Erdboden hält.
Auf: zwei ! setzt der Recrut den Fuſs au die Erde,
und erhebt zugleich den Hacken des stehen gebliebenen Fuſses. Man muſs gleich anfangs ihn gewöhnen , die Hacken so dichte an einander vorbei zu ziehen, als es geschehen kann, ohne daſs sie sich
berühren. Ist der Recrut auf diese Weise geüht, seinen Körper in der nöthigen Balance zu erhalten, so lehrt man ihn die Weite und die Cadanze des Tritts. Man kann zu dem Ende einige Minuten abmessen, und die Entfernungen hezeichnen lassen. « In dem erst genannten Reglement lautet der g 27 der Soldaten - Schule : >> Der Instructor wird von Zeit zu Zeit dem Soldaten den Tact des Schrittes
zeigen , und im Augenblicke, wo dieser den Fuſs aufhebt, Eins, und wenn der Fuſs wieder auf den Boden gesetzt werden soll , Zwey , commandiren , und dabey den Tact zu 76 Schritten in einer Minute
beobachten. Diese Methode wird viel beytragen, dem Soldaten die zwo Zeiten, aus denen der Schritt natürlich besteht, einzuprägen. « Das preuſsische Reglement vom
15. Januar 1812 löst sich in
Form und Inhalt gänzlich von seinen Vorgängern. Für seinen hervorragenden Wert spricht besonders der Umstand, daſs es in
formeller wie ' materieller Hinsicht unseren späteren Reglements als Grundlage gedient hat. Es beginnt mit der Ausbildung des einzelnen Mannes und wird bezüglich des Marschierens hier zum ersten
Male der Grundsatz ausgesprochen: » Die Absicht beim Marschiren ist, mit möglichster Schonung des Soldaten Terrain zu gewinnen ; der Marsch erhält nur dann seine Vollkommenheit , wenn beide Zwecke erreicht werden. “
Wie schon bemerkt sind hier für die
Einzelausbildung im Marsch dieselben Grundsätze und Erläuterungen zu finden, wie in dem französischen Reglement vom 1. 8. 1791 . Kann mithin auch nicht geleugnet werden, daſs in beiden Armeen dieselben Grundsätze der soldatischen Erziehung maſsgebend gewesen 20 *
2
304
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
sind, so möchte doch schwer nachzuweisen sein, daſs, wie von einem
neueren französischen Schriftsteller behauptet worden, die in der preuſsischen Armee seit mehr als einem halben Jabrhundert einge bürgerten Grundsätze der soldatischen Erziehung eigentlich franzüsischen Ursprungs seien. Ein wechselseitiges Ausnutzungs-Verfahren bezüglich der bestehenden Vorschriften und der eingebürgerten Gewohnheiten ist zweifelsohne mehr oder weniger überall beobachtet worden . Die hier in Frage kommenden Stellen lauten im franz. Reglt. 1791 : *) im preuſs. Reglt. 1812 : § 22. Auf's 1. Kommando soll § 3 . ... Als Grundregel für die ganze Schwere des Körpers auf den Marsch im Allgemeinen und für dem rechten Fuſs ruhen . jede Cadence gilt folgendes: Auf § 23. Auf das 2. Kommando wird der linke Fuſs lebhaft, doch ohne zu schlenkern, zwey Schuh vorwärts
das Kommando . .
Marsch ! wird
der linke Fuſs lebhaft, doch ohne zu schlenkern , zwei Fuls vier Zoll
vom rechten gebracht, das Knie gespannt , die Fuſsspitze ein wenig gegen die Erde gebogen und etwas auswärts, wie auch das Knie ge-
mit dem Knie zugleich auswärts
dreht.. Zu gleicher Zeit wird der
gedreht ; zu gleicher Zeit wird der
Körper vorwärts geschoben, und der Fuſs ganz flach und sachte in der
ganz flach und sachte in der Ent
Entfernung, wo er sich vom rechten befindet, auf den Boden gesetzt, so
vorwärts vom rechten gebracht, das Knie gespannt, die Fuſsspitze ein wenig gegen die Erde gebogen und
Oberleib vorgenommen, und der Fuſs fernung , wo
er sich vom rechten
daſs die Schwere des Körpers immer
befindet, auf den Boden gesetzt ; die ganze Schwere des Körpers ruht
auf den stehenden Fuſs zu ruhen
jetzt auf dem stehenden Fuſs. So
kommt ; sogleich das rechte Bein
bald der linke Fuſs völlig flach
lebhaft, aber ohne Erschütterung
niedergesetzt ist, verläſst der rechte
hervorgezogen , mit der Fuſsspitze nahe am Boden vorbeygestrichen,
Absatz den Boden, das rechte Bein
doch ohne denselben zu berühren ;
Fufsspitze nahe am Boden , doch
der rechte Fuſs in der nähmlichen
ohne
Entfernung und auf die nähmliche
gestrichen , und der Fuſs in der nämlichen Entfernung und auf die
wird lebhaft hervorgezogen , mit der ihn
zu
berühren ,
vorbei
Weise , wie für den linken Fuſs erklärt worden , niedergesetzt : und so fährt der Soldat fort zu marschiren ,
nämliche Weise wie bei dem linken
ohne die Beine zu kreutzen und die
fährt der Soldat fort zu marschiren ,
erklärt worden , niedergesetzt. So
Schultern zu drehen , indem der Kopf
ohne die Beine zu kreuzen , die
stets in gerader Richtung bleibt . -
Schultern zu drehen , oder den Kopf aus der geraden Richtung zu bringen.
*) Nach der schon oben erwähnten , zum Gebrauch für die westphälische Armee bestimmten , deutschen Übersetzung. Straſsburg 1810. Eine wörtliche Übersetzung des Textes von 1791.
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
305
In beiden Reglements folgen dann Erläuterungen zu den ge gebenen Grundsätzen, die in derselben Weise fast wörtlich überein stimmen ; der 8 26 im französischen und die Anmerkung auf Seite 6 im preuſsischen Reglement, doch sei auf einen Punkt aufmerksam
gemacht, da derselbe irrtümlichen Anschauungen vielfach Vorschub
leistet. Der zweite Satz in der Anmerkung auf Seite 6 des letzteren Reglements lautet wie noch heute : > Das Auswärtsdrehen der Fuſs
spitzen ist nöthig, weil das Gegentheil sehr häſslich in's Auge fällt
und es schwieriger macht, den Körper im gehörigen Gleichgewicht zu erhalten. Das Gegenteil vom Auswärtsdrehen der Fuſsspitzen ist nun doch das Einwärtsdrehen derselben, was zwar sehr häſslich aussieht, aber durchaus nicht die Schwierigkeit, den Körper im gehörigen Gleichgewicht zu erhalten, erhöht, sondern umgekehrt das »zu viel < Auswärtsdrehen. Warum dies nicht deutlicher ausgedrückt ist, ist nicht zu erkennen, das französische Reglement von 1791 läſst hierüber jedenfalls gar keinen Zweifel , denn dort heiſst es an der entsprechenden Stelle ausdrücklich : » Die Fuſsspitze etwas aus wärts: Parce que si l'on tournait les pieds trop en dehors, le corps serait sujet à chanceler. «
Die Ausdrücke Avancir - Schritt und Deploir - Schritt kennt das Reglement von 1812 nicht mehr, dafür wird über die Schrittarten
bestimmt: » a) der Ordinair -Schritt, in diesem werden 75 Schritt in der Minute zurückgelegt. b) Der Geschwind - Schritt,, seine Cadence ist 108 in der Minute. «
Der Ordinär -Schritt wurde, wie noch fast
überall, für die ganze Bataillons- Schule und die Parade-Märsche beibehalten , was, da die ganze stramme Exerzierschule mit ange fasstem Gewehr [an der linken Schulter] ausgeführt werden muſste, doppelt anstrengend gewesen sein soll. Für den sogenannten Attacken - Schritt enthält das Reglement noch keine bindende Vor
schrift. Sowohl für den Angriff in Linie, wie in Kolonne wird bestimmt, daſs, nachdem zuvor im Geschwind -Schritt angetreten ist, auf das Commando zur Attacke Gewehr rechts in eine schnellere
Marsch-Cadence, deren Takt durch die Trommel zu markieren ist, übergegangen werden soll. Es wird aber in dem Reglement noch keine solche schnellere Marsch - Cadence erläutert, sondern nur im 3
Seite 7 erwähnt : » Will man den Geschwind-Schritt beschleunigen ohne dabei in den Trab zu fallen, so wird die geschwindere Cadence durch die Trommel angegeben. « Darauf wird eine Erklärung des Trab's gegeben, die der heutigen entspricht, mit der Einschränkung : » jedoch darf man sich desselben nie auf einer gröſseren Entfernung als die eines halben Bataillons bedienen . «
306
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
Zum ersten Mal bringt auch dies Reglement Noten-Beilagen für die Signale, allerdings nur für die Flügelhörner, für Trommel und Pfeife nicht. Von diesen hat das Signal »Marsch « nur die Bezeichnung: » nach der Cadence geschwind oder ordinair ,« keine Tempo -Bezeichnung anderer Art. Mit geringer rhytmischer Ver änderung ist es bis heute beibehalten, alle übrigen Signale sind unverändert geblieben.
Den verschiedenen Angaben nach zu urteilen, scheint es, als ob in der Praxis der Ordinär-Schritt bei uns schon zu Anfang der zwanziger Jahre für alle geschlossenen Exerzier - Bewegungen ab
geschafft worden ist, bestimmungsmäſsig ausgesprochen wird dies jedenfalls erst durch eine Kriegsminist.- Verfügung vom 29. April
1828. Gleichzeitig wird jedoch seine fernere Benutzung als Aus bildungsmittel Allerhöchsten Orts gebilligt und gründet sich hierauf seine Berechtigung, die ihm hoffentlich trotz mancher Anfeindung
noch ein langes Dasein auf unseren Kasernenhöfen in der Gestalt des langsamen Schrittes sichern wird. Die betreffende Kriegs minist.- Verfügung lautet : » In Rücksicht auf die Geschwindigkeit
des Marsches haben des Königs Majestät zu befehlen geruht, daſs der langsame Schritt zu 75 Schritt in der Minute hinfüro ganz wegfallen, und der Marsch zu 108 Schritt in der Minute die einzig
übliche Schrittart sowohl bei Paraden, als bei allen übrigen Ge legenheiten sein soll , ausgenommen bei der Bajonett -Attacke, zu welcher durch die Tambours die schnellere Cadence von 120 Schritt
in der Minute angegeben wird. Wenn jedoch der eine oder andere
der Kommandeurs Behufs der Ausbildung der Rekruten es nöthig erachtet, diese in der Cadence des bisherigen langsamen Schrittes
zu üben , so soll solches einem Jeden nach eigener Beurtheilung freistehen, ohne jedoch diesen Schritt jemals weiter in Anwendung zu bringen. « Im preuſsischen Reglement von 1847 erscheint denn auch der Ordinär- Schritt überhaupt nicht mehr, sondern wird be stimmt, daſs der Marsch bei allen Gelegenheiten eine Geschwindig keit von 108 Schritten in der Minute zu 2 Fuſs 4 Zoll betragen solle und nur beim Bajonett - Angriff der schnellere Marsch zu 120 Schritt durch die Tambours anzugeben sei.
Demgegenüber sei
darauf aufmerksam gemacht, daſs bei den Franzosen erst im Jahre 1869 der bis dahin gültige pas ordinaire zu 76 Schritt in der Minute und 65 cm . Länge im Reglement verschwindet. Die heute so vielfach schriftlich wie mündlich zu Tage tretenden Wünsche über ein » Ersetzen« unseres langsamen Schrittes durch gymnastische
Übungen sind umso überflüssiger, als unser Exerzier- Reglement
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie .
307
schon selbst [S. 36 letzter Absatz :] ausdrücklich auf ein Verbinden
der gymnastischen und Ziel-Übungen mit dem Exerzieren hinweist und auch die neue Turn-Instruktion bezüglich des Zwecks des
Turnens nur von »ausgleichend « und vergänzend « spricht. In diesem Sinne sagt sie auch : » Die Freiübungen werden bei den Rekruten täglich betrieben , bis der Mann einen genügenden Grad von Körper beherrschung und Gewandtheit besitzt, um schwierige Exerzir- und Tunübungen auszuführen « und umgekehrt soll bei den Rekruten mit den Gewehrübungen erst begonnen werden, nachdem dieselben
durch die Frei- und ersten Exerzier -Übungen den nötigen Halt im Körper erlangt haben. Erwähnt sei noch , daſs erst das Reglement von 1847 . die Frei weg Kommandos Kurz getreten Ohne Tritt und das Kommando zum Traben > Marsch ! Marsch ! « einführt.
Durch
eine Kriegsminist.- Verfügung vom 14. November 1854 wurde die Marsch - Cadence für die Parade-Märsche auf 115—116 Schritt in der
Minute erhöht, dagegen erfolgt die Beschleunigung der reglements
mäſsigen Geschwindigkeit des gewöhnlichen Marsches von 108 auf 112 Schritt aber erst durch eine Allerhöchste Kabinetts-Ordre vom 10. Januar 1861 , und zwar mit dem Hinzufügen, daſs sich diese
Bestimmung auch auf die Parade- Vorbeimärsche beziehe. An dieser Bestimmung ist im Reglement bis heute festgehalten, wenngleich in der Praxis fast überall die Parade -Märsche in einer schnelleren
Cadence ausgeführt werden . Für die Bewegungen der Compagnie Kolonne bestimmt das Reglement von 1847 nur, daſs sie sämtlich ob ne Tritt geschehen sollen. Dies gilt auch heute noch. Das Tempo wird in der Regel beschleunigt, ohne daſs dies im Reglement be sonders vorgesehen ist. Die durch Allerhöchste Kabinetts-Ordre vom 21. Oktober 1860
in Kraft gesetzte » Instruktion für den Betrieb der Gymnastik und des Bajonettfechtens bei der Infanterie « enthielt schon wesentliche Berührungspunkte mit dem Exerzieren, u. a. auch die Einführung des Laufschritts, über welchen sich dann später eine Allerhöchste Kabinetts -Ordre vom 28. April 1863 dahin aussprach , daſs er kein
geeignetes Mittel sei , Märsche von längerer Ausdehnuug zu be schleunigen, deshalb nur da angewandt werden solle, wo es darauf an
komme eine kurze Strecke rasch zurückzulegen . Im Exerzier -Reglement erscheint er erst 1870.
In diesem Neu - Abdruck wird auch die
Länge des reglementsmäſsigen Schrittes auf 2 Fuſs 6 %, Zoll erhöht.
Die Grundregeln und Erklärungen für den Marsch sind seit 1847 unverändert geblieben, sie stimmen daher noch fast wörtlich mit
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
308
denen
des Reglements vou 1812 überein , doch sei
auf eine
Änderung, die zu Unklarheiten Veranlassung giebt , bingewiesen . Nach unserem heutigen Reglement bezw. dem von 1847 soll das Knie erst beim Niedersetzen des Fuſses gespannt werden, während nach dem von 1812 das Knie gleich beim Vorbringen des Beines gespannt wurde, denn im letzteren heiſst der Wortlaut : Auf das
Kommando pp Marsch ! wird der linke Fuſs lebhaft, doch ohne zu schlenkern , 2 Fuſs 4 Zoll vorwärts vom rechten gebracht, das Knie
gespannt, die Fuſsspitze ein wenig gegen die Erde gebogen und mit dem Knie zugleich auswärts gedreht ... « , während es im Reglement von 1847 heiſst: » Auf das Kommando pp Marsch ! wird der linke Fuſs, ohne zu schlenkern, 2 Fuſs 4 Zoll vorwärts vom rechten ge
bracht, das Knie spannt sich beim Niedersetzen des Foſses auf die Erde, die Fuſsspitze wird ein wenig nach unten und zugleich aus wärts gebogen. ...
Hiernach soll das Knie also erst beim Nieder
setzen des Fuſses gespannt werden und braucht vorher, vor dem
Niedersetzen desselben nicht durchgedrückt zu sein . Wenn nun in einzelnen Schriften behauptet wird , dieser » richtige« Marsch würde beim Garde -Corps schon seit 50 Jahren gemacht, so müſste dies,
die Richtigkeit vorausgesetzt , sehr befremden, denn reglementsmäſsig
hätte dies doch höchstens seit dem Jahre 1847 geschehen dürfen. Vermutlich
hat aber das Reglement von 1847 eine derartige
Änderung des Marsches garnicht bezweckt, denn sonst hätte auch die zugehörige Erklärung, d . i. der erste Satz der Anmerkung auf Seite 6 unseres Reglements geändert werden müssen , was aber nicht
geschehen ist , sondern lautet derselbe noch heute wie im Jahre 1812 : » Die Fuſsspitze muſs beim Marsch gegen die Erde gebogen werden, weil dies das Knie streckt und dazu beiträgt, daſs der Fuſs flach auf den Boden gesetzt werden könne. «
Hieraus geht doch hervor,
daſs das Knie schon vorher, d. h . vor dem flachen Niedersetzen des
Fuſses, also während des Marsches gleichzeitig mit dem Niederbiegen und Auswärtsdrehen der Fuſsspitze gestreckt werden soll, denn sonst kann der Fuſs nicht flach auf den Boden gesetzt werden, sondern die Fuſsspitze berührt derselben zuerst. Wäbrend nun im Reglement
von 1812 diese Erklärung in der Anmerkung sich vollständig mit dem Sinn der betreffenden Stelle im
Text deckt, ist die letztere in
dem von 1847 geändert, ohne daſs ersichtlich sei , warum , und mit
dem Nachteil, daſs eine verschiedene Auffassung jedenfalls nicht absolut ausgeschlossen ist. Dahingegen läſst weder unser Reglement von 1812 noch das französische von 1791 , die beide hierin völlig
übereinstimmen, irgend einen Zweifel zu .
Vor Allem
ist zu
be
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
309
denken, daſs der Marsch mit gespanntem Knie nicht nur unserein Reglement von 1812 entspricht, sondern gerade auserem altpreuſsischen von 1743 ; indem dieses den Marsch mit gebogenen Knien ausdrück lich verbietet und ganz klar und deutlich befiehlt, daſs die Füſse allezeit mit steifen Knien gehoben werden sollten .*) Auſser den aus dem Reglement von 1812 übernommenen Signalen **) bringt jenes von 1847 auch noch Märsche und sonstige
Stücke für Pfeife und Trommel, hierunter die alten Parade-Märsche. Man begegnet häufig der Behauptung, daſs uns in den hier an
gegebenen Präsentier-Märschen und dem Zapfenstreich [ Nr. 1 ] das Tempo des alten Ordinär-Schrittes erhalten worden sei.
Dies kann
nicht richtig sein. Die betreffenden Märsche haben die Tempo
Bezeichnung : Metron. d = -
80 , was so viel heiſst als, daſs 80 ganze
Takte des betreffenden Marsches auf eine Minute kommen sollen ,
und auf jeden ganzen Takt abwechselnd ein Fuſs, so daſs nach
diesem Trommelschlag und Pfeifenklang 80 Schritte in der Minute herauskommen . Es ist aber bei uns eine Cadence von 80 Schritten niemals reglementsmäſsig gewesen und deshalb auch nicht zu über
sehen, worauf diese Tempo -Bezeichnung zurückzuführen ist.
Aller
dings liegt die Vermutung nahe, daſs in den alten Zeiten abweichend vom Reglement für die Parade- Märsche eine schnellere Cadence
üblich gewesen ist, und dann später bei Sammlung und Aufnahme der vorhandenen Märsche in das Reglement von 1847 diesen die
ehemals gebräuchlich gewesene Tempo -Bezeichnung gegeben worden Beim Marsch Nr. 10 im Reglement von 1847 enthält die Tempo -Bezeichnung offenbar einen Druckfehler, denn es müssen auf jeden ganzen Takt 2 Schritte, nicht nur ein Schritt kommen , so daſs jeder Takt mit dem linken Fuſs begonnen wird und auf ist.
54 bezw. 60 ganze Takte 108 bezw. 120 Schritte in der Minute herauskommen .
Es darf deshalb
die Viertel-Note nicht wie dort
angegeben einen Punkt haben .
Das preuſsische Reglement von 1876 bringt bezüglich der Aus bildung im Marsch dieselben Vorschriften wie jenes von 1870, be ziehungsweise die früheren, nur mit Übertragung des Schrittmaſses in das Metermaſs, so daſs die abändernden Bestimmungen bei uns vorläufig ihren Abschluſs gefunden haben .
Die neueren französischen Reglements fassen sich in den bezüg lichen Vorschriften gegen früher etwas kürzer. Es bleibt zu bemerken, *) Vergl. Seite (12). **) Hornsignale, die Flügelhörner sind inzwischen abgeschafft.
310
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
daſs, wie schon erwähnt, der pas ordinaire zu 76 Schritt in der Minute und 65 cm Länge erst in dem Reglement vom 16. März
1869 verschwindet, während der pas accéléré za 110 Schritt und 65 cm Länge beibehalten wird ; ferner, daſs auch in dem neuesten Reglement vom 29. Juli 1884 das Trittwechseln auf Commando * ),
eine Eigentümlichkeit aus dem vorigen Jahrhundert, beibehalten worden ist und auch der pas en arrière zu 35 cm Länge, mit der
Bedingung » les jarrets tendus « , noch Aufnahme gefunden hat. Von dem heute gültigen pas accéléré heiſst es in der Soldaten - Schule: » Au commandement de » En avant« , le soldat porte le poids du corps en avant et sur la jambe droit.
Au commandement
de
»Marche « il porte le pied gauche en avant, le jarret tendu, la pointe légèrement tournée en dehors, le pose à 75 centimètres du droit, le talon droit levé, tout le poids du corps portant sur le pied qui pose à terre. Au commandement de » Deux « , le soldat porte la jambe droite en avant, le pied passant près de terre, pose ce pied à la même distance et de la même manière, qu'il vient d'être espliqué pour le pied gauche, et continue de marcher ainsi, aux comman dements de » Un, Deux « , sans que les jambes se croisent, sans que les épaules tournent, en laissant aux bras un mouvement d'oscillation naturelle, la tête restant toujours dans la position directe« . Ferner wird noch besonders betont : » Afin de donner au mécanisme du pas
toute la régularité et toute la précision désirables, l'instructeur veille à ce que: 1 ° Le corps porte bien sur le pied qui est en avant ; 2 ° Le talon de l'autre pied se lève à temps pour faciliter se mouve ment; 3 ° La tête reste haute, le corps ne penchant ni à droite, ni à gauche. Von den besonderen Formationen , die Dank der unausgesetzten
Fürsorge unserer Königlichen Kriegsherren bei uns zahlreich ins Leben gerufen sind , sei hier der des Lehr- Infanterie- Bataillons, welches am 30. Dezember 1819 gebildet wurde, gedacht.
Es mag im ersten Augenblick überraschen , daſs die preuſsischen Exerzier-Reglements des vorigen Jahrhunderts in den Bestimmungen für die Ausbildung im Marsch verhältniſsmäſsig kurz gehalten sind,
während doch andererseits die preuſsische Exerzier-Disciplin jener Zeit von Freund und Feind rückhaltlos als unerreichbares Vorbild *) Le soldat étant en marche , l'instructeur commande: „ Changez le pas Marche“. Au commandement de Marche, qui est fait au moment où l'un ou l'autre pied pose à terre, le soldat place le pied, qui est levé à sa distance, rapporte le
pied qui est en arrière à côté de celui qui vient de poser à terre, et repart de ce dernier pied.
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie. anerkannt worden ist.
311
Fast könnte es scheinen, als habe der groſse
König auf diese Sachen einen geringeren Wert gelegt.
Doch im
Gegenteil. Auch hierin übersah er seine Zeitgenossen bei weitem . Er wuſste, daſs die Linear-Taktik, wenn sie sich bewähren sollte,
gerade ganz besonders der gröſsten Sicherheit im geregelten Marsch bedurfte, deshalb legte er auch , unbeirrt durch die Huldigungen, die seinem Feldherrntalente galten , persönlich den peinlichsten Wert darauf, daſs z. B. beim Avancirmarsch 75-76 Schritt accurat « herauskämen * ); deshalb lieſs er mit so viel Opfern an Zeit und Kraft
in der Armee unausgesetzt an der Vollendung des Marsches arbeiten , denn erst hierdurch wurde sie befähigt, mit Hülfe weniger taktischen Formen ein brauchbares Werkzeug in seiner Hand abzugeben . Aber der König vermied es grundsätzlich , in dieser Beziehung viel an den von seinem Vater übernommenen Bestimmungen zu ändern , auch
bewog ihn in späteren Jahren zweifelsohne noch ein anderer Umstand, den bestehenden Reglements möglichst wenig hinzuzufügen, nämlich die Erfahrung, daſs die schon von seinem Vater herrührende Vor
schrift über die Geheimhaltung aller Reglements nicht durchführbar sei.
Deshalb beschränkte er sich sehr bald darauf, alle Abänderungen
und Ergänzungen zum Reglement nur in Form von Instructionen herauszugeben, so daſs spätere Abdrücke der Reglements stets ohne Berücksichtigung der inzwischen erlassenen Spezial-Bestimmungen erscheinen. Aus diesem Grunde mögen z. B. die Reglements auch nichts
von
der schuelleren Marschcadence erwähnen, deren sich
Friedrich der Groſse meistens zum Aufmarsch der Kolonnen vor der
Schlacht bediente, um die Überraschung noch mehr ausnutzen zu können . Überdies ist Manches in der preuſsischen Armee Brauch, was sich nicht auf gedruckte Bestimmungen zurückführen läſst, was jedoch ein beredtes Zeugnis dafür ablegt, daſs bei uns Königliche Worte auf dem Wege der Tradition ebenso heilig gewahrt bleiben , wie auf dem der Gesetzeskraft.
Heute haben wir zwar keine Lineartaktik mehr, doch ist darum
aus triftigen Gründen die exakte Exerzierschule nicht minder wichtig geblieben . Ob wir in dieser noch denselben Vorsprung vor unseren Nachbarn haben , wie ehedem die preuſsische Armee des vorigen Jahrhunderts, sei dahingestellt.. Als sicher kann jedenfalls ange nommen werden, daſs die Grundsätze für Ausbildung und Erziehung 1
überall jetzt ziemlich dieselben sind.
Der Hauptmann Hellmuth
entwickelte in seinem bekannten Vortrage über Geist und Form , daſs * ) Vergl. Seite (21).
312
Betrachtungen über den Entwickelungsgang
von den 4 Hauptfaktoren, welche die Truppenleistung bedingen :
Masse, Form,, Waffe und Geist – Masse und Waffe etwas jedesmal Gegebenes seien , und wie die Verhältnisse bei den gröſseren Armeen
jetzt liegen, allgemein bei zukünftigen Kriegen ziemlich gleich auf beiden Seiten sein würden, daſs dagegen Geist und Form mehr wie früher geeignet sein möchten, den Ausschlag zu geben , weil solche veränderlich seien , die Form auch wählbar sei.
Heute darf man
wohl sagen : auch die Form wird in einem zukünftigen Kriege ziemlich gleich gewählt sein . Doch Gleichheit der taktischen Formen bedingt glücklicherweise noch nicht gleichen taktischen Wert, letzterer geht erst aus der Erziehung des Volkes, besonders aus der militärischen Erziehung hervor und gipfelt in der kriegerischen Tugend, wie schon Boguslawski dies ausdrückt.
Diese kriegerische
Tugend und der Geist -- das sind die moralischen Gröſsen, die zu pflegen und zu erhalten der Offizier als seine Aufgabe erkennen muſs, um
den altpreuſsischen Überlieferungen gerecht zu werden . Die
Grenadiere aus der Schule Friedrichs des Groſsen wiesen mit Ent
rüstung das Ansinnen ,, wie Feiglinge sich gegen die feindlichen Geschosse zu decken , zurück und avancirten im gravitätischen Ordinairschritt zu 75—76 Schritten in der Minute gegen den Feind, >
weil sie militärisch so erzogen waren .
Heute ist diese Richtung
der Erziehung aus taktischen Gründen eine andere geworden, sorgen wir umsomehr, daſs die Grundsätze für die Erziehung zur kriegerischen Tugend dieselben bleiben. Diese müssen aus voller Überzeugung als unerschütterlich weiterverpflanzt werden, mögen die taktischen Formen sich inzwischen ändern wie sie wollen . Bedingt wird der Wechsel der letzteren in hohem Grade durch die Entwickelung und Vervoll
kommnung der Schuſswaffen, indem hierdurch das stetig wachsende
Bestreben, den Erfolg allein auf das Feuergefecht zu basieren, ge nährt und gefördert wird. Man erhält in dieser Beziehung einen interessanten Einblick in die Verhältnisse zur Zeit der sich ent
wickelnden Linear-Taktik und zugleich einen Maſsstab von dem physichen und moralischen Eindruck derselben, wenn man die Worte des Skeptikers Bebrenhorst liest : » Die Absicht, seinen Gegner durch
die Tausende der abgeschickten Kugeln zu Boden zu strecken, ward die allein berrschende ; es schien über die Maſsen anmutig, blos mit
dem Zeigefinger der rechten Hand zu siegen, und jeder einzelne sollte dazu beitragen. Dieses, sowie die eben bemerkte dünnere Stellung gab der Taktik, falls sie auf mechanischen Grundsätzen beruhen soll, vollends den letzten Stofs. Andringen mit dicht auf geschlossenen Rotten, durchbrechen und umwerfen war nun gar nicht
der Vorschriften für den Marsch der Infanterie.
313
mehr der Zweck ; das Fechten bekam etwas ganz Ätherisches zum Princip , und seine Erfolge, seine Entscheidungen gingen auf Wirkungen der Einbildungskraft und psychologische Erscheinungen über : denn durch was sonsten wollen wir das Ereignis erklären , oft nur 5 Minuten länger
wenn 10 000 Deutsche standhafter
dem
in der Luft heulenden Tode, dessen Billette sie mit leidender
Geduld annehmen müssen, trotzen, als ebensoviel Franken, und um
gekehrt ? « Es war dies eben jene Zeit, in der noch das allgemeine Gefühl der Unsicherheit und Hülfslosigkeit gegenüber dieser uner wartet einfluſsreichen, aber doch- unritterlichen Waffe offen zu
Tage trat, wodurch auch die drastischen Worte jenes zwar nicht
groſsen Kriegsbelden , aber doch geistreichen Schriftstellers, Voltaire, erklärlich werden :
Ein Blei, vom dümmsten Schaf mit Zittern eingestopft,
Fliegt und verspritzt des Helden göttlich Hirn ! Wie die groſsen Kriegshelden diese Waffe auszunutzen verstanılen , lehrt die Schnellfeuertaktik Friedrichs des Groſsen nicht minder, wie
Napoleons so oft zitierter Grondsatz : l'arme à feu c'est tout, le reste ce n'est rien .
Heute möchten deshalb mehr wie je die Worte zu
berücksichtigen sein, daſs die richtige Schätzung der moralischen
Kraft uns vor einer Überschätzung der technischen Hülfsmittel be wahren
müsse .
Die moralischen Gröſsen entziehen sich aber vor
allen Dingen nach Clausewitz jeder Bücherweisheit, weil sie sich weder in Zahlen noch in Klassen bringen lassen , sondern gesehen
und empfunden sein wollen, deshalb sei hier mit dem Wunsche ab gebrochen, daſs uns letzteres in treuer Pflichterfüllung auch schon bei dem langsamen Schritt der altpreuſsischen Exerzier-Schule stets gelingen möge, damit die Armee befähigt bleibe, im Kriege nach wie vor ein brauchbares Werkzeug in der Hand ihres Königlichen
Kriegsherrn zu sein.
XX.
Der „ Entwurf“ eines neuen Exerzier 99
Reglements für die preuſsische Feld -Artillerie. Um Mitte Juni d. J. ist der Entwurf eines neuen Exerzier
Reglements für die preuſsische Feld - Artillerie zur Verausgabung
gelangt, welcher bestimmt ist nach erfolgter praktischer Prüfung durch die Truppe das bisherige Exerzier - Reglement der Feld Artillerie vom 23. August 1877 zu ersetzen . Eine so wichtige, unseren in Bezug auf die Erhaltung von
bestehenden Dienstvorschriften nur allzu konservativen Anschauungen wenig entsprechende Neuerung
das bisherige Reglement ist gerade
11 Jahre in Kraft – findet ihre Begründung in den technischen Fortschritten der Geschoſs-Konstruktion und in den durch diese gewonnenen Erfahrungen der Schieſsplätze. Die vernichtende
Wirkung des Feldshrapnels, dem wir in znkünftigen Kriegen auch bei unsern Gegnern begegnen werden, fordert, daſs in den Forma tionen und Bewegungen der Artillerie Alles vermieden werde, was künstlich ist , die Schwierigkeiten der Ausbildung erhöht, und die Artillerie von dem wesentlichsten Teil ihrer Aufgabe im Kriege, dem Manövrieren und Schieſsen abzieht.
Dementsprechend ist das Streben nach Vereinfachung and das Bemühen, die für den Krieg praktischen Gesichtspunkte überall in den Vordergrund zu stellen, das charakteristische Gepräge des neuen Entwurfs. Daſs
die
Artillerie
in
den
Schlachten
und
Gefechten der
Zukunft eine entscheidende Rolle zu spielen berufen sein wird , ist
eine eben so bekannte Thatsache als die, daſs ihre Verwendung im Kriege in der Hand von Generalen liegt , welche der Friedens ausbildung dieser Waffe fernstanden und nur während der Herbst
übungen Gelegenheit hatten über Artillerie zu verfügen. Hierzo kommt, daſs in einem zukünftigen Kriege nur ein verschwindend kleiner Teil solcher Generale unsere Führer sein werden, die schon
Der Entwurf eines neuen Exerzier - Reglements u. s. w.
315
im letzten Kriege Artillerie unter ihrem Kommando hatten . Zu dem sind die Bedingungen der Artillerie-Führung seit 1870 und 71 wesentlich andere geworden , und wir müssen mit der Wahrschein lichkeit rechnen , daſs eine neue, in der Kriegsverwendung der Artillerie wenig geübte Generation von Führern unsere Infanterie Divisionen und gemischten Truppen -Abteilungen in Zukunft be fehligen wird .
Solche Erwägungen werden uns sogleich vor dem Irrtum bewabren, als sei der neue Entwurf nur für die Artillerie allein beziehungsweise deren Offizier -Corps bestimmt, und rechtfertigen den Wunsch , Alles dasjenige aus demselben , was für die taktische Verwendung der Artillerie bestimmt ist , zur Kenntnis und ጊzum Verständnis aller Offiziere zu bringen. Bei Ausführung dieses
Wunsches wird von einer lediglich berichtenden Darstellung der Unterschiede zwischen dem alten Reglement von 1877 und dem
neuen Entwurf abzusehen sein. Eine solche, sich leicht in technische Einzelheiten verlierende Darstellung beeinträchtigt die Wirkung der Hauptgesichtspunkte. Wir werden uns vielmehr über die Frage Rechenschaft abzulegen haben , in wieweit der nene Entwurf den 1
jenigen Anforderungen gerecht wird , welche wir nach den letzten
Kriegserfahrungen und nach den Vervollkomminungen der Technik an die Feld - Artillerie stellen können .
In erster Linie verlangen wir von der Feld - Artillerie, daſs sie treffe. Zu dieser Anforderung gehört in einem Reglement Alles, was sich auf genaue Bedienung, gewandte Beobachtung und Korrektur, mit einem Wort Alles, was sich auf die Schieſsfertigkeit bezieht.
Zweitens soll die Artillerie im Stande sein , rechtzeitig und in
groſser Zahl den Kampfplatz zu erreichen, sie soll also manövrier fähig sein und zwar besonders anch in den gröſseren Verbänden , in der Abteilung und im Regiment. Sie soll Drittens ihre Feuer stellungen so erreichen , daſs sie vom Feinde unbemerkt überraschend in denselben auftritt, so daſs erst der Beginn des Feuers dem Feinde ihre Anwesenheit verrät .
Ins Reglementarische übersetzt bedeutet
diese Anforderung einen hohen Grad von Gewandtheit in richtiger Benutzung des Geländes.
Nach diesen beiden Gesichtspunkten hin soll der neue Entwurf einer kurzen Betrachtung unterzogen werden.
I. Änderungen , welche die Schieſsfertigkeit betreffen . Um jedes Miſsverständnis auszuschlieſsen, sei hier gleich hervor gehoben, daſs es sich nicht um » das Gefecht der Feld -Artillerie «
Der Entwurf eines neuen Exerzier -Reglements
316
und um die » Feuerleitung« handelt. Die bezüglichen , den 4. Teil des alten Reglements, wie des neuen Entwurfs bildenden Vorschriften,
welche eine artilleristische Autorität *) ihrer Fassung, wie ihrem Inhalt nach, mit geringen Ausnahmen als unübertrefflich bezeichnet,
scheinen vor der Hand eine Änderung nicht erleiden zu sollen. Die nachfolgenden Neuerungen beziehen sich nur auf Geschützbedienung, Richten u. dergl. 1. Die Zahl der Bedienungsmannschaften ist bei den Feld -Batterien von 6 auf 5 herabgesetzt und damit ein von der Artillerie längst gehegter Wunsch erfüllt worden. Die bisherige
Reserve - Nummer 6 bildete bei Übungen und Besichtigungen einen steten Stein des Anstoſses, weil sich Niemand recht über ihre Ver wendung klar war. Fast wichtiger als diese Verminderung ist aber
die Bestimmung, daſs jeder Mann in den Verrichtungen jeder einzelnen Nummer und des Geschützführers auszubilden sei.
Auſser den 5 Bedienungs-Nummern noch einen Mann als Geschütz fübrer abzuteilen wird » empfohlen «. (8 52 u. ff.) Die in dieser Neuerung begründete erhöhte Schwierigkeit der Ausbildung wird sich im Felde reichlich belohnt machen, die Feuer
thätigkeit der Artillerie erleichtern und vereinfachen, ihre Gefechts kraft erhöhen. Noch weniger als 1870/71, wo wiederholt Geschütze von 3 und 2 Mann gefübrt und bedient wurden, werden in Zukunft Verluste an Mannschaften die Gefechtsthätigkeit der Artillerie labm legen. Was damals im Gefecht von gewandten Leuten mit Erfolg improvisiert wurde , soll jetzt eine gründliche Friedens - Ausbildung sicher stellen .
Nr. 4, Zuträger der Munition, welcher Geschoſs und Kartusche ins Rohr ' setzt , soll in Zukunft auch den Shrapnelzünder stellen, Nr. 5 das Entnehmen der Geschosse aus der Protze allein besorgen. Unnützer Drill und Strammheit in den Bewegungen sind ab geschafft, tempomäſsige Ausführung derselben geradezu untersagt. Die Genauigkeit der Bedienung kann dadurch nur gewinnen . Bei den reitenden Batterien ist entsprechend den Feld - Batterien Nr. 8 in Fortfall gekommen. Von den 7 Nummern sind 1–5 zur Bedienung wie bei der Feld-Batterie, Nr. 6 und 7 als Pferdehalter bestimmt. Eine besondere Anmerkung zu § 84, 2 läſst es den
Batterien unbenommen zum Exerzieren 8 Bedienungsmannschaften an das Geschütz zu nehmen. Der 8. Mann sei dann Reservenummer.
Für diese Abweichung mögen Rücksichten auf die Friedens- Ausbildung maſsgebend gewesen sein . *) Prinz Hohenlohe. Militärische Briefe. III. Über Artillerie,
317
für die preuſsische Feld - Artillerie.
Folge der Kupfer -Liderung - auf Ausnahmsfälle beschränkt. (8 53 u. 55. ) Der Gebrauch des Wischers beim Scharfschieſsen ist
2. Zu den Bewegungen des abgeprotzten Geschützes , welche früher nur im Vor- und Zurückbringen bestanden , ist neu
hinzugefügt das Rechts- und Links- Bringen des Geschützes« (8 57 c)
für den Fall einer schnellen Front- Veränderung bei plötzlicher Bedrohung von der Flanke her. 3. Das Laden des Geschützes ohne Einzel- Komman
dos , d. h. die im Gefecht zur Anwendung gelangende Bedienung der Geschütze (89 58 u. 95) , also ein sehr wesentlicher Punkt des
neuen Reglements, hat verschiedene wichtige Änderungen erlitten , welche durch die Einführung des Richtbogens und der Richtlatte bedingt waren.
Zunächst ein Wort über diese beiden Hülfsmittel.
Die seit Jahren fortgesetzten Anstrengungen, die Mängel des Aufsatzes für den Feldgebrauch zu ergänzen, haben zur Anfertigung des Richtbogens, *) eines sehr brauchbaren Instruments geführt, welches bestimmt ist in denjenigen Fällen zum Nehmen der Höhen richtung angewendet zu werden , wo die Länge des Aufsatzes nicht ausreicht , also auf Entfernungen über 4200 (schweres Geschütz) beziehungsweise 4000 Metern (leichtes) , oder wo in Folge starker Rauch - Entwicklung das Ziel über Visier und Korn nicht zu sehen ist. Bis zum Einspielen einer auf den betreffenden Bogen befind 1
lichen Libelle wird das Kurbelrad der Richtmaschine höher oder
tiefer gedreht. Der § 60 des Entwurfs, welcher neu ' hinzugetreten ist, giebt die näheren Anweisungen über die Anwendung des Richt bogens nnd die Benutzung von Hülfszielen , letztere zum Nehmen der Seitenrichtung, wo ein feststehendes Ziel über Visier und Korn nicht zu sehen ist.
Wenn natürliche Hülfsziele d . h . scharf her
vortretende , senkrechte Linien oder Punkte im Gelände fehlen , so soll die Richtlatte 50 Meter hinter der Front , in Ausnahmefällen
2. B. bei steilabfallendem Gelände oder verkürzter Entfernung vor dem Geschütz aufgestellt werden .
Das
durch
seine Einfachheit
höchst kriegsbrauchbare am Geschütz befestigte Instrument wird nachdem es losgelöst und hinter dasselbe aufgestellt ist, durch einen vor das Geschütz tretenden Mann in die Visier- Ebene eingerichtet und dann eingesteckt , der Geschützstand durch die Seitengewehre der Bedienung bezeichnet , um nach stattgehabtem Rücklauf das Geschütz wieder an Ort bringen zu können . An Stelle fehlender Richtlatten sind Lanzen als solche zu verwenden. *) Beschreibung und Anwendung des Richtbogens wie die Richtlatte giebt die 1887 erschienene Anleitung zur Ausbildung der Richt-Kanoniere der Feld -Artillerie. Jahrbücher für die Deutsche Armeo una Marino,
Bd. LXIX., 3.
21
318
Der Entwurf eines neuen Exerzier-Reglements
Das Laden ohne Einzeln -Kommandos in der Batterie ist ein
gehender in dem bezüglichen % 95 behandelt als früher , auch ver
dient die sehr übersichtliche und klare Gliederung dieses Paragraphen hervorgehoben zu werden : 1. Eröffnung des Feuers. 2. Feuer Ordnung. 3. Feuer -Verteilung. 4 Wechsel der Schuſsart. 5. Ziel wechsel a ) unter Beibehalt, b) unter Wechsel der Schuſsart. Davon ist ad 3 die Feuer-Verteilung an dieser Stelle neu . Demi Streben nach Einfachheit entspricht es, wenn unter 5b festgesetzt wird » daſs
der Übergang auf ein andres Ziel unter gleichzeitigem Wechsel der Schuſsart nach Möglichkeit zu vermeiden ist. « 4. Abprotzen im Vorgehen (S 124). Es wird gewiſs Jeder mann mit Vergnügen die Verdeutschung von » Avancieren « begrüſsen und sich dabei unwillkürlich fragen , wie es möglich gewesen , daſs man auf diese so naheliegende Änderung nicht früher gekommen ist. In sachlicher Beziebung erhöht dieser Paragraph die Bewegungs freiheit der Batteriechefs bei Auswahl ihrer Stellungen , indem er vorschreibt: » Der Batteriechef sprengt so rechtzeitig vor , daſs er
in der Stellung alle Entschlüsse vor Ankunft der Batterie getroffen haben kann . « Ganz entsprechend ist der das Abprotzen der Abteilung im Vorgehen betreffende § 153 gefaſst , zu welchem auſserdem zu bemerken ist, daſs die früher bestehende Freiheit für den Abteilungs-Commandeur, sich durch die Batteriechefs bei Aus
wahl einer Stellung begleiten zu lassen, jetzt fortgefallen ist, wahr scheinlich deshalb , weil man es für bedenklich hält , dem Feinde
durch das gleichzeitige Auftreten zahlreicher Berittener die gewählte Stellung vorher zu verraten .
Von der richtigen Wahl der Stellung und vom geschickten Hineinführen der Batterien in dieselbe häugt häufig schon allein der Erfolg oder Nichterfolg des nun beginnenden Artillerie- Duells ab .
Eine falsch gewählte Stellung und ein ungeschicktes Vorführen
der Artillerie kann zur Folge haben, dass sie durch Shrapnels des Gegners zusammengeschossen wird, noch bevor sie zum Abprotzen
kommt. Von unseren Batteriechefs muſs daher neben richtigem Blick für das Gelände und Geschick in der Führung auch ein hohes Maſs
persönlicher Reitfertigkeit verlangt werden. Indem nun das veue Reglement den Batteriechef der Einzelsorgen um die Führung der Batterie überhebt, seinen Blick auf die vorne liegende Hauptaufgabe lenkt, ihn der Batterie weit vorauseilen läſst, will es dem wichtigen Gedanken , daſs die Artillerie unversehrt und in richtiger Stellung
zum Abprotzen gelangen muſs, wenn anders sie Erfolge erzielen will , praktischen Ausdruck geben.
für die preuſsische Feld -Artillerie.
319
In der Feuerstellung selbst gestattet das neue Reglement dem Batteriechef beim Exerzieren zur Ausübung der Controlle » vorüber
gehend abzusitzen «, während er bisher zu Pferde blieb. Beim Scharfschieſsen ist ihm Absitzen » nach Bedürfnis « gestattet, bisher blieb er auch hierbei zu Pferde, was bei unruhigen Pferden leicht erschwerend auf die Beobachtung wirken konnte. II. Aenderungen , welche das Manövrieren betreffen . Der in Frage kommende III. Teil des alten Reglements, der
auch im neuen Entwurf diese Stelle behauptet, den Titel » Aus bildung am bespannten Geschütz« führte und nacheinander das einzelne Geschütz, die Batterie, die Abteilung und das Regiment
behandelt , ist durch den Zusatz : »und Übungen im Gelände« erweitert worden .
Wir werden auf diesen wichtigen Abschnitt der
Übungen im Gelände ausführlich zurückkommen müssen. Die Wünsche der Artillerie für diesen Teil des neuen Reglements lassen sich in das eine Wort Einfachheit zusammenfassen .
Fort
lassen aller Bewegungen, welche nicht für den Krieg unbedingt nötig sind , um Zeit zu gewinnen, die notwendigen Formationen mit peinlicher Genauigkeit einzuüben. In wieweit sind diese Wünsche befriedigt worden ? 1. Richtung und Bewegungen in Linie. Nach dem alten Reglement war die Richtung in Linie und Kolonne stets rechts, auſser wo das Reglement es anders bestimmte. Entsprechend war
der Führer des rechten Flügelzuges der Richtungszugführer. Der Entwurf behält diese Richtung nach rechts nur für die ge schlossene Linie der einzelnen Batterie *) bei , verlegt sie für die geöffnete nach der Mitte , bestimmt den von rechts an 2. Stelle
befindlichen Zug (ähnlich wie bisher in der Abteilung die 2. Batterie von rechts) als Richtungszug und fügt neu hinzu, daſs in der ab geprotzten Batterie das 3. Geschütz von rechts » Richtungsgeschütz« sein soll.
Soll die Richtung nach einem Flügel genommen werden, so wird dies durch besondre Commandos befohlen , ebenso die Rückkehr
zur normalen Richtung nach der Mitte. — Das mühsame Einrichten der Abteilung nach » Points vor« ist in Fortfall gekommen .
Das Schlieſsen und Öffnen der Zwischenräume, welches bisher auf ein Geschütz (Flügel oder mittleres) geschah, erfolgt stets auf einen Zugführer , von welchem der Zwischenraum genommen wird. *) D. h. Aufstellung der Geschütze mit 5 Schritt Zwischenraum. In der ge öffneten Linie beträgt derselbe 20 Schritt. 21 *
320
Der Entwurf eines neuen Exerzier-Reglements
Die Genauigkeit dieser Bewegung gewinnt, wenn dieselbe auf die vor der Front befindlichen und allen Geschützen sichtbaren Zugführer erfolgt.
Das Schlieſsen und Öffnen der Zwischenräume in der Abteilung als besondere Bewegung ist in Fortfall gekommen. Es war schon früher auf die Fälle des Durchschreitens von Terrain-Engen , Truppen aufstellungen u. dergl. beschränkt. Überdies reichte der unverändert
in den neuen Entwurf übernommene Schluſssatz des alten § 151 (jetzt 150) vollständig aus, um den Zweck des Schlieſsens oder Öffnens der Zwischenräume innerhalb der einzelnen Batterien zu erreichen.
Ebenso werden Schwenkungen in Linie neuerdings auf die Zug führer ausgeführt, welchen die Verpflichtung auferlegt ist, Weg und Gangart der Geschütze zu regeln, während die Geschützführer vou ihnen Abstand und Zwischenraum halten . Der Zugführer des inneren Zuges ist hierbei Richtungszugführer. Bisher waren die Augen nach dem inneren Flügel , von welchem die Zwischenräume abzunehmen waren .
Die Ähnlichkeit dieser Neuerungen mit den Bestimmungen des Kavallerie -Exerzier-Reglements, nach welchen die Richtung in Linie und Zug -Kolonne stets nach der Mitte, auch alle Bewegungen auf die Zugführer ausgeführt werden, ist unverkennbar. Die Anforderungen an die jüngeren Artillerie -Offiziere in Bezug auf gewandtes Reiten und Genauigkeit der Bewegung sind durch diese Neuerungen gesteigert. 2. Gebrauch der Signale. Den Bestimmungen des 2. Theils, der Felddienstordnung entsprechend, welche die Anwendung gewisser Signale bei den Herbstübungen dem Leitenden vorbehält (Nr. 34), sind die Signale » Das Ganze Halt« , » Das Ganze - Commandeur Ruf« , » Das Ganze - Marsch «, » Das Ganze Sammeln « von der
Anwendung beigemischter Truppen-Übungen ausgeschlossen. Die Kardinalfrage, ob die Signale für die Mannövrierbewegungen der Artillerie gänzlich abzuschaffen seien oder nicht, ist durch den
neuen Entwurf dahin geregelt, daſs die Batterie in der Regel , die Abteilung nur soweit dies angängig , durch Signale befehligt werden soll.
Die Kriegserfahrung zeigt, daſs im Felde pur sehr wenig geblasen wird, denn bei gröſseren Verbänden, schon bei der Abteilung, ver bietet sich die Anwendung der Signale von selbst. Letztere ist in der Kolonne zu Einem etwa 1500 Schritt, in der Zug-Kolonne etwa 900 Schritt lang und ein Signal würde unter dem Gerassel der trabenden Kolonne schon bei der 2. Batterie nicht mehr gehört
für die preuſsische Feld -Artillerie.
321
Miſsverstandene Sigvale können bekanntlich das gröſste Unheil anrichten , und an und für sich beeinträchtigt vieles Blasen werden .
die Ruhe und Ordnung der Marsch- Kolonne.. Kurz man gelangt
dazu an Stelle der Signale und der mit diesen häufig im Zusammen hang stehenden exerziermäſsigen Führung , die Leitung gröſserer Artillerie-Verbände durch Befehl und Instruktion treten zu lassen .
Der neue Entwurf will es dem militärischen Urteil des Abteilungs
Commandeurs überlassen, ob er Signale anwenden will und kann , oder nicht.
Er kennt seine Batterien , den Grad ihrer Ausbildung,
die Schulung seiner Trompeter, und richtet sich nach der jedesmaligen Witterung und dem Gelände. Hiernach wird er leichtlich entscheiden können, ob er seinen Zweck in diesem Falle besser durch Signal, in jenem durch Befehle erreichen kann. Schlieſslich ist sachlich noch zu erwähnen, daſs ebenso wie bei
der Kavallerie in der Abteilung die Teten der Batterien (in Zug Kolonve) auf Signal stets links vorgezogen werden. 3. Abschaffung der Halb - Kolonne. Das Reglement von
1877 hatte die durch gleichzeitiges Achtelschwenken mit Zügen aus der Linie oder der Zug -Kolonne zu gewinnende Formation, – die Halb -Kolonne aus dem Kavallerie - Reglement übernommen . *) Kavallerie leistet diese Formation gute Dienste, um sich auf Bei der gröſsere Strecken halb seitwärts zu bewegen , wo ein einfaches halb rechts oder halblinks Reiten Unordnung erzeugen würde.
Bei der
Artillerie, wo jede Halbseitwärtsbewegung ohnehin durch eine Halb schwenkung jedes Geschützes ausgeführt wird, das nach derselben für sich grade ausgeht, bildet sich eine geschützweise Halb -Kolonne,
welche die Halb -Kolonne in Zügen überflüssig macht. Da diese
letztere Formation auſserdem schwer auszuführen ist und viel Übungs zeit in Anspruch nimmt, so ist ihre Beseitigung aus dem Reglement ein bedeutender Gewinn. Sogar in der Kavallerie beginnt man ihren Werth anzuzweifeln und haben sich gewichtige Stimmen für
ihre Abschaffung erklärt. Mit ihrer Streichung aus der Reihe der Manövrierformationen der Batterie und Abteilung sind gleichzeitig eine Reihe anderer Bewegungen wie Rückbildung der Zug -Kolonne und der Linie aus der Halt- Kolonne in Fortfall gekommen , und ist die Kolonne zu Einem iu ihr Recht als Hauptmanövrierformation der Batterie und unter Umständen auch der Abteilung getreten . ( Schluſs folgt.) *) Geschütz 20 Schritt Geschütz 20 Schritt Geschütz.
auch in der Abteilung.
Geschütz 20 Schritt Geschütz
Geschütz
(Halb-Kolonne einer Batterie von 6 Geschützen.) Entsprechend
XXI.
Umschau in der Militär -Litteratur. Armee - Album .
Zur Erinnerung an das vierzigjährige
Regierungs - Jubiläum Sr. Kaiserl . und Königl. A post. Majestät Unseres Allergnädigsten Herrn des Kaisers und Königs Franz Joseph I. Herausgegeben unter der
Ehrenpräsidentschaft Seiner Durchlaucht Prinz Egon von Thurn und Taxis , k. k. Oberstlieutenant und unter Re daktion von Gustav Amon Ritter von Treuenfest , k . k.
Major. Wien 1888. Herausgeber L. Dinghöfer & Co. Im
Selbstverlage. 1. Heft. Preis der Lieferung 2 Fl . = 4 M. (Prachtausgabe.) Dieses loyale und patriotische Werk bezweckt vor Allem der Ver ehrung, Liebe und Anhänglichkeit an den geliebten und ruhmreichen Träger der österreichischen Krone bei seinem vierzigjährigen Regierungs Jubiläum beredten und warmen Ausdruck zu verleihen , indem es die tapfere, uns verbündete österreichische Armee in Bild und Wort so darstellen will,
wie sie deren erhabener Kriegsherr durch seine unermüdliche und väterliche Pflege all' ihrer Interessen und Bedürfnisse zum Heile, Schutze und Sicher heit des Reiches geschaffen hat. Den nach den neuesten Photograpbien
hergestellten Einzel - Portraits schlieſsen sich im textlichen Teile die Biographien hervorragender Heerführer , den Tableaux der Regimenter, beziehungsweise Bataillone und Truppenkörper aber die
Regiments- beziehungsweise Bataillons - Geschichten in ge -
drängter, alles Wesentliche enthaltender Form an, so daſs das Album auſser den etwa 500 Porträtblättern und Gruppen auch einen hocbinteressanten
und historisch wertvollen Text von mindestens gleichem Umfange umfassen und in seiner Vollendung ein einzig dastehendes Werk bilden wird. Das gesamte Werk wird höchstens 40 Hefte in der Stärke von je 10 Bogen umfassen, von denen monatlich 2 bis 3 erscheinen werden . Das vorliegende erste Heft erscheint als „ Kaiserheft“ und enthält auſser dem Porträt
und der Biographie Seiner Majestät des Kaisers von Österreich noch jene der Mitglieder des österreichischen Herrscherbauses, und zwar diese nicht in der sonst üblichen genealogischen Reihenfolge, sondern nach ibrem
Umschau in der Militär - Litteratur.
323
Armee- Range geordnet, im Ganzen 27. – Den Anfang macht selbstver ständlich eine unseres Erachtens vorzüglich gelungene Biographie des Obersten Kriegsherrn, welcher am 6. Mai dieses Jahres den vierzigjährigen
Gedenktag seiner Feuertaufe begehen durfte. Diese empfing der damals jugendliche Prinz in der Schlacht bei Santa Lucia unter den Augen des berühmten Schlachtenlenkers, des greisen Feldmarschalls Grafen Radetzky, welcher selbst dem damaligen Kriegsminister Kunde von der Unerschrocken
heit und Tapferkeit des jugendlichen Erzherzogs Franz Joseph gab. Bald darauf sollte die Kaiserkrone sein Haupt schmücken , das er so sorglos
der Gefahr preisgab. In lapidarer Kürze und dennoch erschöpfender Weise stellt sich diese Kaiserliche Biographie dem Leser vor ; manch' schöner, wenig gekannter Charakterzug des ritterlichen Fürsten ist geschickt in dieselbe verflochten .
Als sich in der Schlacht bei Solferino derselbe im
heftigsten Kugelregen vor die Front eines zum Angriffe vorrückenden Grenzer- Bataillons begab , feuerte er sie mit den Worten an : Vorwärts, Ihr Braven, auch ich habe Weib und Kind zu verlieren ! “
-
„ Mit unver
wischlichen Lettern “, sagt der Verfasser, ist der Wahlspruch des Monarchen in die Herzen der Armee eingegraben : Viribus unitis “ . Ein nicht minder gelungenes Lebensbild ist das des General-Inspektors des k. k. Heeres, des Erzherzogs Albrecht, welchen Berlin unlängst als Gast Sr. Majestät -
»
des Kaisers in seinen Mauern sah.
Der
rubmgekrönte Sieger
von
Custozza ist bekanntlich der Sohn des Siegers von Aspern, des Erzherzogs Karl. Im 71. Lebensjahre stehend , hat derselbe bereits im vorigen Jahre das seltene Fest des sechzigjährigen Dienstjubiläums bei seltener Frische des Geistes und Körpers begehen dürfen .
Das „ Armee-Album“ verspricht in der That ein in seiner Art einzig dastehendes heeresgeschichtlich ungemein bedeutsames Werk zu werden, dessen Fortführung wir mit voller Anteilnahme entgegen sehen. 2.
Urkundliche Beiträge zur Geschichte Hanaus im dreiſsig jährigen Kriege aus dem Nachlaſs Herzog Bernhards von Weimar . Von R. Wille , Oberst. Eine Ergänzung zu des Verfassers gröſserem Werk : > Hanau im dreiſsigjährigen Kriege. « Hanau. G. M. Alberti's Hofbuchhandlung 1888. Die Materialien zu der vorliegenden gediegenen Forscherarbeit entnabm der Verfasser der Herzoglichen Bibliothek zu Gotha, es sind 34 Schrift stücke, gröſstenteils Briefe, welche die Schicksale Hanau's und des gräf Jichen Hauses in den Jahren 1635—1637 betreffen ; sie fallen sonach gerade in den, für die Geschichte der Stadt und Grafschaft bedeutsamsten Abschnitt
des dreiſsigjährigen Krieges. Von allgemeinerem , d. b . kriegsgeschichtlichen Interesse für die noch vielfach in Dunkel gehüllte militärische Geschichte jenes unheilvollen Krieges ist besonders der Schrift wechsel verschiedener Offiziere und Beamten mit dem Herzog, welcher in dem dritten Abschnitt enthalten ist. Nachrichten über die Verteidigung Hanau's, militär- ökonomische
Umschau in der Militär-Litteratur.
324
Angelegenheiten , politische und militärische Stimmungs- Berichte bilden den Inhalt dieser 25 Schriftstücke, auf welche wir die Aufmerksamkeit aller
derjenigen lenken wollen, welche sich mit der Geschichte jener Zeit ein gehend zu beschäftigen gedenken.
4.
Die Herrmannschlacht. Vortrag gehalten im Februar 1886 im Geschichtsverein zu Hanau von Otto Dahm , Major in der Artillerie. Hanau. G. M. Alberti's Buchhandlung. Die Litteratur über die Herrmansschlacht ist bereits eine recht um
fangreiche. Geschichtsforscher ersten Ranges wir nennen nur den Namen Mommsen nicht minder viele geschichtsforschende Dilettanten haben sich seit längerer Zeit eifrig mit der Frage beschäftigt, wo die Wahlstatt der Herrmannsschlacht zu suchen sei . Längst schon ist die landläufige Ansicht gründlich widerlegt worden , daſs der Teutoburger Wald, im Besonderen die Gegend von Detmold oder Bielefeld der gesuchte Ort sei. Eine im Jahre 1875 erschienene, uns zu Händen seiende Schrift : „ Aliso und die Gegend der Herrmannsschlacht“, von Sondermühlen , führt bereits den -
hochwichtigen Nachweis, daſs Varus von dem Sommerlager an der Weser nur die Marschrichtung nach Osnabrück habe einschlagen können. Ver fasser vorliegender Schrift schlieſst sich, auch auf Grund persönlicher Re kognoszierungen und gründlichster Quellenstudien dieser Ansicht ab. betont ferner
Er
und dies ist der springende Punkt bei diesen Unter
suchungen – daſs nur wenig Forscher bei Aufstellung ihrer Hypothesen
die Beschaffenheit des in Frage kommenden Terrains genügend zu Rate gezogen hätten. Es ist von nicht zu unterschätzendem Werte, daſs nun mehr ein gelehrter Offizier mit kritisch geschultem Verstande der Frage
vom militärischen Gesichtspunkte näher tritt, darauf hinweiset, daſs die Züge der römischen Heere fast ausschlieſslich in den dortigen Fluſs thälern stattfanden und
den konnten ; eine ,militärische Unge
heuerlichkeit “ sei es, das Sommerlager des Varus auf einem Hochplateau zu suchen, auf dem weder Wasser noch die wichtigsten Kommunikationen vorhanden waren. Auf die vom Verfasser als die wahrscheinliche Stätte der Vernichtungsschlacht des dritten Kampftages erkannte Gegend von
Barenau bei Bramsche verweisen übrigens auch die groſsartigen dort ge machten Münzfunde, auf welche bereits Mommsen aufmerksam gemacht
Wir vermögen den geistvollen und gründlichen Untersuchungen des Verfassers an dieser Stelle nicht im Einzelnen näher zu treten und können
uns nur seinem Wunsche anschlieſsen , daſs die Lokalforschungen fort gesetzt und die Mittel und Wege gefunden werden möchten , um die Ge schichte jener ruhmreichen Kämpfe unserer Vorfahren nach Möglichkeit 3. zu ergründen.
Kriegsgeschichtliche Übersicht der wichtigsten Feldzüge der letzten 100 Jahre.
Von Adolf v. Horsetzky , k. k. >
Umschau in der Militär-Litteratur.
325
Oberst des Generalstabs-Corps. Mit einem Atlas von 33 Tafeln .
Als Manuskript gedruckt. Wien, L. W. Seidel & Sohn, k. k . Hofbuchbändler.
1888 .
„ Die vorliegende Arbeit verfolgt den Zweck “ , sagt der Verfasser im Vorwort, „ Zunächst Jenen, die noch keine Kriegsgeschichte gelernt haben , den Weg zu weisen, um rasch einen Überblick über die wichtigsten Feld züge der letzten 100 Jahre zu gewinnen , weiteres Jenen, die beim Studium der Strategie auf kriegsgeschichtliche Beispiele zurückzugreifen haben, eine hierfür bereits vorbereitete Grundlage zu bieten . Sie ist der erste Teil der vom Verfasser an der k. k. Kriegsschule gehaltenen Vorträge über Strategie.“ Derselbe äuſsert ferner, es fehle zwar nicht an Büchern, welche die Feldzüge der letzten 100 Jahre mehr oder weniger gründlich
behandelten , wie Rüstow's „ Feldherrnkunst “ und Hardegg's „Anleitung zum Studium der Kriegsgeschichte “, aber teils seien sie zu umfangreich , teils fehlten ihnen übersichtliche kartographische Beilagen, ohne welche das Studium der Kriegsgeschichte stets eine Sysiphus-Arbeit bleiben werde. Das Schwergewicht seiner Arbeit liege deshalb auch in den Tafeln , welche
die verschiedenen Operationen in ihren Hauptzügen darstellen, der Text sei gewissermaſsen nur eine Erläuterung der Skizzen. “ Letztere (beiläufig von vorzüglicher Ausführung) sind in dem gleichen Maſse von 1 : 1 000 000 dargestellt zu dem Zwecke, die Vergleichung der
räumlichen Verhältnisse zu erleichtern ; einzelne wichtigere Feldzugs Episoden wurden überdies durch gröſsere Skizzen im Maſse der General karte, 1 : 300 000 verdeutlicht. Nur dann könne der vorliegende Studien
behelf seinem Zwecke voll entsprechen, wenn er genau Satz für Satz, auf den Kartenskizzen mit Zirkel und Farbstift durchgearbeitet werde , denn diese Art zu studieren sei die einzige, kriegsgeschichtliche Studien mit Erfolg und Nutzen zu betreiben.
Die 31 Feldzugs-Darstellungen sind in drei Abteilungen gegliedert: Die erste umfaſst die vier Feldzüge der Jahre 1792-1795, die Krieg
führung der Revolutionszeit ; die zweite 13 Darstellungen aus der Zeit der napoleonischen Kriege vom Jahre 1796–1815, die dritte 14 Darstellungen der neuesten Zeit 1828—1878. Auf Vollständigkeit erhebt diese kriegs
geschichtliche Übersicht keinen Anspruch. Es fehlt z. B. , vielleicht aus gewissen politischen Rücksichten, der Feldzug in Ungarn 1848/49, ferner der nordamerikanische Krieg von 1861-65 ; letzteren besonders vermissen wir ungern, da in Folge der ganz auſsergewöhnlichen Raumverhältnisse die Land- und Wasseroperationen dieses Krieges ein ganz eigenartiges Gepräge tragen, welches freilich mit europäischem Maſsstabe nicht gemessen werden kann, denn der dortige Kriegsschauplatz besaſs in seinem ganzen Umfange eine noch in keinem anderen Kriege dagewesene Ausdehnung und Mannigfaltigkeit. Verfasser wird, in Rücksicht auf die Eigenschaft seines Buches als Studienbehelf für Kadettenschulen und Akademien, Grund ge
habt haben, die Zahl der Darstellungen nicht über die Gebühr zu vergröſsern.
326
Umschau in der Militär -Litteratur,
Doch wollten wir, im Sinne des gröſseren Lesepublikums, diesen Umstand nicht unerwähnt lassen. — Es ist gewissermaſsen das Gerippe der hier dargestellten Feldzüge, welches dem Leser geboten wird, zu schneller Orientierung vortrefflich geeignet, darum für kriegsgeschichtliche Studien jeglicher Art von hohem Werte. Nur hätten wir gewünscht, daſs bei den einzelnen Feldzugs-Darstellungen der Hinweis auf besonders empfehlens werte Bücher für das Studium dieser Feldzüge etwas gröſsere Ausdehnung erfahren hätte. Bei einigen Darstellungen (z. B. Krieg vom Jahre 1813) fehlt ein solcher völlig, an anderer Stelle wäre auſser Erwähnung eines
österreichischen Quellwerkes auch die eines anderen am Platze gewesen. Zum Studium des Feldzuges 1859 wird nur „das österreichische General n
stabswerk über den Feldzug 1859" empfohlen, während beispielsweise das vom preuſsischen Generalstab verfaſste, mit seltener Unparteilichkeit und mustergültiger Klarheit verfaſste Werk ,der italienische Feldzug des Jahres 1859 “ fehlt. Wenn schon der Wert des vorliegenden Werkes als Studien behelf für den vorgesehenen Leserkreis, durch diese Ausstellungen kaum
gemindert wird, so konnten wir sie doch nicht, lediglich wiederum vom
Standpunkte des gröſseren Lesepublikums, völlig unterdrücken . Wir wünschen dem Werke verdienter Maſsen weiteste Verbreitung ; schon die beigegebenen 33 Tafeln, welche schnelle Übersicht der gesamten Kriegstheater der letzten 100 Jahre gestatten, lassen die Beschaffung des selben als eine lohnende erscheinen.
4.
XXII.
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften. Mittellungen aus dem Gebiete des Seewesens. Über die Fundamental Von F. Attlmayr. Vor einigen
Organisation einer modernen Flotte.
Monaten hatte der englische Commander Campbell in der United Service
Institution einen Vortrag über obigen Gegenstand gehalten , der in den Marine- Fachschriften fast aller Länder auszüglich und kritisch besprochen ist . Der Verfasser vorliegenden Aufsatzes ist auch durch diesen Vortrag veranlaſst, seine und die in der österreichischen Marine hierüber herrschenden
Ansichten in umfassender Weise zusammenzustellen , wobei er die vom Commandere Campbell ausgesprochenen Grundsätze , soweit sie von den in Österreich geltenden abweichen , kritisch beleuchtet. Daſs die Ansichten
über die zweckmäſsigste Zusammensetzung einer Kriegsflotte sonst in allen Ländern eine verschiedene ist , erklärt sich daraus , daſs es bis jetzt an jeglicher Erfahrung fehlt, wie sich die Seeschlachten der Gegenwart ge stalten und wie sich groſse Schlachtschiffe, Kreuzer und Torpedoboote im Kampf gegen einander verhalten werden. In den Seeschlachten der Ver
gangenheit bildete das Schlachtschiff die höchste Stufe militärischer Kraft, die den Geschwadern beigegebenen kleineren Fahrzeuge hatten nur eine
ganz untergeordnete Bedeutung als Ausluger, Vorratsschiffe und dergl. Seitdem aber das Torpedoboot dem Panzerkolosse gegenüber aufgetreten, hat sich dieses Verhältnis gelindert. Bei der raschen Bewegung der ersteren und der Kleinheit der Zielfäche, die dasselbe bietet , bedarf das
groſse Schlachtschiff einer Schutzwehr , der eine bewegende Kraft inne wohnt, mit anderen Worten der Torpedojäger und der Torpedoboote. Letztere besonders aus dem Grunde, weil in der Offensive gleichzeitig auch die beste Defensive liegt. Es ist somit ein Schlachtschiff als Grund
einheit einer Flotte nur in Verbindung mit Torpedojägern und Torpedo booten zu denken.
Selbst Kreuzer werden diese nur dann entbehren
können, wenn sie eine ganz besondere Schnelligkeit besitzen , oder sich in Gewässern weit ab von einer Küste befinden .
Was die Zahl der einem
Schlachtschiffe zuzuteilenden Torpedoboote betrifft, so ist dabei der Grund satz maſsgebend, daſs diese Zahl nicht zu groſs sein darf , um nicht die Bewegungsfreiheit des Schlachtschiffes zu hindern , anderseits aber nicht
zu gering, um im Kampf auch den Angriff desselben mit Erfolg vor
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften .
328
bereiten und einleiten zu können .
Als höchste Zahl rechnet die öster
reichische Marine 4, als geringste 2 Torpedoboote auf ein Panzerschiff.
Diese Zahlen ändern sich jedoch , wenn die Flotte die eigene Küste un mittelbar im Rücken hat, wo die Kohlenfrage also nicht in Betracht kommt. Von den Torpedojägern rechnet man im Allgemeinen je einen auf 2 Torpedoboote, es wird diesen Fahrzeugen auch vorzugsweise der Kundschaftsdienst zufallen .
So lange das Operationsfeld der Flotte ein beschränktes ist, genügt die Grundeinheit des Schlachtschiffes sich selbst, wo aber weiter greifende selbstständige Aufträge zu erfüllen sind, bedarf dasselbe der Beischiffe als
Vorratsschiffe. Hierzu gehören Schiffe für Kohlen , Reserve- Munition und andere Ersatzgegenstände, Material zur Sicherung der Schiffe vor Anker,
ferner Fahrzeuge zur Beseitigung oder Zerstörung von Minen , Werk
stättenschiffe zur Vornahme von Reparaturen und schlieſslich Hospital schiffe. Wenn , wie schon erwähnt , die Torpedojäger den Kundschafts dienst versehen können, so kann sich das nur auf Operationen in kleinerem
Maſsstabe beziehen, bei gröſseren Unternehmungen müssen hierzu schnelle Kreuzer , die einen bedeutenden Kohlenvorrat aufnehmen können , mit geführt werden .
Was nun die Zusammenstellung der Flotten -Division betrifft, so müſste diese , das Schlachtschiff als Einheit betrachtet , aus wenigstens zwei und höchstens vier Einheiten bestehen . Vereinigungen von mehr als vier Ein heiten müssen ausgeschlossen bleiben, da die einheitliche Leitung und Manövrierfähigkeit zu sehr beeinträchtigt werden würde. Die Österreicher nennen deshalb Zusammenstellungen bis zu vier Einheiten Division , and ?
darüber hinaus Geschwader. Nach diesen Grundsätzen entwickelt der Verfasser für die öster
reichische Marine folgende Zusammenstellung :
1. Als Grundeinheit : ein Schlachtschiff, zwei bis vier Torpedoboote , ein bis zwei Torpedojäger. 2. Für eine Division : Zwei bis vier Grundeinheiten , auſserdem : a) Zwei bis drei Kohlentransportschiffe, b ) ein Schiff mit Reservemunition,
c) ein Torpedodepôtschiff,
d ) ein Schiff mit Barrikaden und Minenmaterial, e) zwei Fahrzeuge zur Beseitigung und Zerstörung unterseeischer Hindernisse und Minen, f) ein Schleppfahrzeug, g) zwei Kreuzer als Eclaireurs.
3. Für ein Geschwader : Fünf bis sechs Grundeinheiten. Auſserdem
von den unter a und d bis g aufgeführten Schiffen und Fahr zeugen die doppelte Zahl, ferner drei Schiffe mit Reservemunition und drei Torpedodepôtschiffe, und schlieſslich ein Schiff mit allem
Material und mit Apparaten zum Legen und Heben von Telegraphen kabeln , ein Werkstättenschiff und ein Hospitalschiff.
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften.
329
Diese Zusammenstellung kann naturgemäſs nur eine allgemeine Richt
schnur geben , denn der Bedarf an Beischiffen muſs sich nach dem jedes maligen Zweck und dem Wirkungskreise richten , der der Flotte zuge wiesen ist. Am geringsten wird der Bedarf sein , wenn es sich nur um Küstenverteidigung handelt. Die vom Commander Campbell aufgestellten Grundsätze weichen in
mancher Beziehung von denen des österreichischen Verfassers ab. Nach des Ersteren Idee soll die Grundeinheit bestehen aus :
1. Einem Schlachtschiffe als Basis , und zwar für die englischen Ge wässer und das Mittelmeer ein Turm- oder Batterie -Rammschiff
erster Klasse, mit Masten nur für Signalzwecke und für die erhöhte Planierung von Maschinengeschützen versehen . Dasselbe sollte zwei
Torpedoboote zweiter Klasse und zwei oder mehrere unterseeische Boote führen , wenn dieselben erst genügend vervollkommnet sein werden ;
2. aus wenigstens zwei Hochsee-Torpedobooten erster Klasse ; 3. aus einem schnelllaufenden , ramm bewehrten Kanonenboote mit Turbinenmotor , ausgerüstet mit elektrischen Projecttoren und mit Apparaten zur Beseitigung von Minen ;
4. aus einem Torpedojäger von wenigstens 200 Tons zugleich als Auslugschiff dienend .
Alle diese Fahrzeuge sollen mit dem Schlachtschiffe ein untrennbares Ganze bilden und durch Offiziere und Mannschaften besetzt werden , die zum Stande des Mutterschiffes gehören und sich für gewöhnlich an Bord desselben auf balten .
Der Kommandant des Schlachtschiffes ist für Alles
verantwortlich, was mit den zugeteilten Fahrzeugen in Verbindung steht. Auſserdem soll ein Handelsschiff als allgemeines Vorratsschiff die Einheit begleiten. Je drei dieser Einheiten bilden eine Division, zu der dann noch folgende Beischiffe treten :
1. Zwei besonders für diesen Dienst eingerichtete Kohlenschiffe zu 3000 Tons, von denen eines sich stets im Gefolge der Division zu befinden hat, während das andere den Kohlenbedarf an der Kohlen station ergänzt.
2. Ein groſser schnelllaufender Handelsdampfer als allgemeines Vorrats
und Reservemunitionsschiff. Derselbe bätte alle Verrichtungen zur Konstruktion von Annäherungshindernissen auszuführen . 3. Ein Torpedodepôtschiff, das gleichzeitig elektrische Kabel an Bord mitführt.
4. Ein starkes Schleppschiff mit groſser Pumpkraft und Hydranten und armiert mit Maschinengeschützen. 5. Ein Hospitalschiff. Je zwei Divisionen vereint bilden ein Geschwader , das dann noch
auſser den schon oben erwähnten Beischiffen, auch noch einige Depeschen boote und Vorratsschiffe zugeteilt erhält, und auſserdem noch eine Torpedo
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften,
330
flotille zum Schutze der Beischiffe und für Offensivzwecke , da die bereits angeführten Torpedoboote nur zu Defensivzwecken bestimmt sind.
Schlieſslich sei noch die Ansicht Campbells über die Einteilung der gesamten Flotte Englands erwähnt, die sich folgendermaſsen gestaltet: Eine Flotte (zwei Geschwader ) ausgerüstet in Reserve, ein Geschwader und eine Division im Mittelmeere, ein Geschwader im Kanal, ein Ge
schwader in Westindien, eine Division im groſsen Ocean, eine Division in Australien , eine Division in Ostindien , ein Geschwader und eine Division in China , eine Einheit an der Südostküste Amerikas, eine Division >
am Kap.
Armee -Blatt Nr. 45. Das neue Wehrgesetz. Bekanntlich liegt dasselbe den Vertretungskörpern beider Reichshälften zur Beratung vor. Die .
wesentlichen Neuerungen gipfeln in der Verlegung des stellungs pflichtigen Alters auf das 21. Lebensjahr und in einer Änderung der Einrichtung der Einjährig - Freiwilligen. Die wichtige Neuerung der allgemeinen Verlegung des stellungspflichtigen Alters auf das 21. Lebens jahr wird mit dem Rückgange der körperlicben Entwickelung der männlichen Jugend begründet, für welche wiederum die ungenügende
Ernährung breiter Volksschichten und gewisser Nationalitäten verant wortlich gemacht wird .
Leider finde die Letztere beim Eintritt in das
Heer ihre Fortsetzung und gebe es vorerst in den Kreisen des Heeres nur
einen Schmerzensschrei: Aufbesserung der Mannschaftskost.
Die geplante Änderung der Einrichtung der Einjährig-Freiwilligen bezweckt, die Vergünstigung der einjährigen Dienstzeit nur denjenigen zu teil werden zu lassen , welche binnen Jahr und Tag die zu verlangende Vorbildung zum Reserve- Offizier erwerben ; die übrigen Freiwilligen sollen noch ein ferneres Jahr weiter dienen , um wenigstens die Eigenschaften
Welches Recht,“ fragt die Militär-Zeitung, „ hat denn ein solcher Nicht-Intelligenzler auf Bevor eines brauchbaren Unteroffiziers zu erwerben .
zugung vor dem braven Bauernsohn oder Handwerker, dem nur die Mittel fehlten , um gleich dem ersteren humaniora oder andere Studien zu be
treiben“ ? --- Wir können uns diesen Ausführungen nur in jeder Beziehung -
anschlieſsen, und geben der Hoffnung Ausdruck, daſs diese Vorschläge in den beteiligten Kreisen günstige Aufnahme finden mögen.
Mit demselben Thema beschäftigt sich die (österreichische) Militär Zeitung (Nr. 79). Sie meint, „ Die Institution der Einjährig -Freiwilligen habe den bisherigen Erwartungen nicht entsprochen und zu Miſsbräuchen
den Anlaſs gegeben , welche sowohl im militärischen Interesse, als auch mit Rücksicht auf die gerechte Verteilung der Wehrlast auf die Wehr pflichtigen dringendst Abhilfe erheische.“ Das neue Wehrgesetz bezweckt ferner noch eine anderweitige Stärkung der Wehrkraft durch Erhöhung
der alljährlichen Rekrutenzahl. Bisher wurden für die Linie 95,474 Mann ausgehoben , für die Landwehr zu abgekürzter, acht wöchentlicher Dienstzeit fernere 20,000 Mann.
Jetzt soll, bei Fest
haltung an dem Kriegsstande der Feld - Armee von 800,000 Mann ,
die
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften.
331
künftige Rekrutenzahl, unter Wegfall jener 20,000 Mann Landwehr Rekruten “, auf 125,000 Mann erhöht werden, so daſs die Feld -Armee im Kriege über 800,000 Mann nicht bloſs auf dem Papiere , sondern auch 77
thatsächlich verfügen könne.
Die Ziffer des Rekruten-Kontingents soll
für die nächsten zehn Jahre festgestellt werden , das parlamentarische Recht der Legislation, das jährliche Rekruten-Kontingent zu bewilligen oder zu verweigern, aber unberührt bleiben .
Ferner zielt das neue Wehrgesetz dahin ab , die Ersatz - Reserve in ein „ Kraftreservoir “ zu verwandeln, aus welchem Linie und Landwehr im Kriege ihren Bedarf decken können. Die gegenwärtige Stärke der Ersatz - Reserve in der Höhe von nicht mekr als einen Jahres- Rekruten
Kontingent ist , bei dem erstaunend groſsen Ausfall, welchen die operie renden Truppen alsbald in den ersten Wochen nach vollzogener Mobil
machung erfahrungsmäſsig zu erleiden haben, gänzlich unzulänglich. Das neue Wehrgesetz giebt deshalb dem Heere wie den Landwehren beider Reichshälften je eine Ersatz -Reserve und reiht in dieselbe alle zeitlich Befreiten , alle Überzähligen , die Kandidaten des geistlichen Standes , die Lehrer der Volksschulen und die Besitzer ererbter Landwirtschaften . Die
Ersatz- Reserve soll fortan zu denselben periodischen Waffenübungen heran gezogen werden, zu welchen die Reservisten überhaupt verpflichtet sind. Die erste militärische Ausbildung der Ersatz-Reserve wird wie bisher 8 Wochen betragen. Bezüglich der einjährig - freiwilligen Mediziner bestimmt der
Entwurf des neuen Wehrgesetzes, daſs dieselben ein halbes Jahr mit der Waffe dienen sollen , und dann erst ein zweites Halbjahr zum militär
ärztlichen Dienste heranzuziehen sind. (Also genau den preuſsischen Be stimmungen entsprechend .)
Das Militärmaſs ist von 155,4 cm
auf 155
herabgesetzt worden (die deutsche Wehr-Ordnung hat die Minimalgröſse für den Dienst mit der Waffe auf 157 cm festgesetzt). Eine wichtige Neuerung enthält der Entwurf hinsichtlich der Kriegs Marine. Es soll eine Art zweiter Reserve, die „ Seewehr“ geschaffen werden. Fortan wird also die Dienstpflicht bei der Kriegs-Marine um
fassen : 4 Jahre in der Linie, 5 in der Reserve, 3 in der Seewehr, zusammen 12 Jahre, ist also in Übereinstimmung mit jener des Heeres gebracht worden .
In der folgenden Nummer (30 ) begründet das genannte Blatt in
einem Artikel: „Kriegsheer und Kriegslasten “ seine Ausführungen in ein gehenderer Weise : Das neue Gesetz begründet eine geänderte Gliederung
der bewaffneten Macht. Während das bisherige Wehrgesetz zu der bewaffneten Macht zählte : das „stehende Heer" , die Kriegs-Marine, Land wehr und Ersatz-Reserve, wird die Wehrmacht dem neuen Gesetze zu
Folge in das „ Heer“ , die Kriegs -Marine, Landwehr und Landsturm ge gliedert werden ; auſserdem wird (siehe oben ) eine Ersatz- Reserve bestimmt.
Fortan wird das Heer im Kriege lediglich den Kern des Operationsheeres bilden , an welchen sich die Landwehren als integrierende Bestandteile an
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften .
332
Für das operative Heer aber werden drei Ersatz Reserven bereit stehen, nämlich die des Heeres und die beiden Ersatz
schlieſsen werden.
Reserven der Landwehren .
Der Landsturm aber wird aus seinen ersten
Aufgebote die Landsturm-Formationen bilden, welchen der gesamte feld mäſsige Dienst im Rücken der Armee zufallen wird .
Das zweite Aufgebot
desselben wird die eigentliche Defensivkraft des Reiches repräsentieren, (?) es wird der letzte riesenhafte Wall sein , welchen ein Feind zu über steigen hätte. “ Die Stärke-Berechnung der gesamten Wehrkräfte ergiebt, demselben Blatte zu Folge, folgende Zahlen : 1 ) Feld - Armee 800 000, 2) Österreichische
und ungarische Landwehr 440 000 ; beide für den Feldgebrauch sofort ver fügbar, so daſs schon bei Beginn des Krieges 1 240 000 Mann im Aufmarschraume versammelt werden können. An Ersatz -Reserven zur Ausfüllung der Abgänge stehen mindestens 180 000 Mann zur Ver
fügung. Der Landsturm zählt in Österreich im ersten Aufgebote etwa 350 000 in Ungarn 240 000 militärisch Ausgebildete, in Summa etwa 600 000 geschulte Soldaten .
Tirol wird für seine Landes - Verteidigung
etwa 113 000 Mann aufbringen können. Das zweite Landsturm - Aufgebot
wird aber in beiden Reichshälften etwa 350 000 Mann aufbringen können. Es ergiebt sich demnach eine Gesamtzahl von etwa 2 233 000 wohl ausgebildeten , gut bewaffneten Streitern , mit welcher die Wehr
macht des Reiches eine derartige sein wird, daſs sie jedem Kampfe, auch wenn er allein und gegen einen numerisch noch stärkeren Gegner ausge fochten werden müſste, mit Aussicht auf Erfolg wird entgegen sehen können.
1.
United service gazette. Der Nordenfeld'sche elektrische Torpedo. Vor einigen Wochen fand auf der Themse bei Erith die Vorführung des neuen Nordenfeld’schen , durch Elektrizität geleiteten Torpedo vor einer groſsen Zahl englischer Marine-Offiziere und im Beisein sämtlicher Militär
Attachées der fremden Gesandtschaften durch den Erfinder selbst statt. Die Zuschauer wurden an Bord eines Dampfers in die Mitte der Themse geführt, von wo sie die Versuche übersehen konnten . Der mit allen Ver
besserungen der Neuzeit ausgerüstete Torpedo hat die stattliche Länge von 35 Fuſs, und besitzt an seiner stärksten Stelle einen Durchmesser
von 29 Zoll. Sein Gesamtgewicht beträgt 6200 Pfund, die Sprengladung besteht aus 300 Pfund Sprengstoft, die aber, wenn nötig, auf 500 Pfund erhöht werden
können
Der Torpedo enthält Alles, was zu seiner be
wegenden Kraft (der Elektrizität) der Steuervorrichtung, der Manövrier fähigkeit, der Sprengladung und des Kabels , das sich abrollt, sobald es sich bewegt, in sich. Er hat die Form einer Cigarre, bewegt sich 6 Fuſs unter der Oberfläche des Wassers und ist nur durch einige Wellen zu bemerken, er kann jedoch auch bedeckte elektrische Lichter führen, die
den Ablassenden die Bewegungsrichtung andeuten. Der Torpedo besitzt 18 Pferdekräfte, der Motor wiegt 780 Pfund und macht 1100 Umdrehungen in einer Minute. Das Kalel besteht aus 3 Dräthen von 3000 Ellen Länge,
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
333
die jedoch, wenn nötig, auf 4000 Ellen verlängert werden können . Die Schnelligkeit beträgt 14 '/, Knoten. Der Vorteil , den dieser Torpedo gegenüber den gewöhnlichen besitzt, ist der, daſs er keiner Vorrichtung bedarf, von der er losgelassen wird. Er kann vom Ufer oder von irgend einem kleinen Boote aus in Thätigkeit
gegen jedes Schiff in seinem Bereiche gesetzt werden, der letztere ist nur durch die Länge des elektrischen Kabels begrenzt. Sobald er in das Wasser gesetzt ist, bleibt er für lange Zeit verwendbar, ohne daſs es einer
Neufüllung bedürfte. Er ist für Hafen- und Küsten-Verteidigung bestimmt. Bei dem erwähnten Versuche wurde der Torpedo vom Deck eines alten Schiffes aus ins Wasser gelassen, und begann seinen Lauf mit 14 Knoten Schnelligkeit mitten zwischen zwei roten Flagen, die mit 50 Schritt Abstand
aufgestellt waren, hindurch. Dann fuhr er zwischen zwei ferneren Flaggen hindurch, die 1 '/, Meilen weiter stromabwärts aufgestellt waren, hier liefs
man ihn halten , umkehren und bis zu der Stelle, von wo er losgelassen , wieder zurückkommen . Derselbe Versuch wurde dreimal mit gleichem Erfolg wiederholt. Von weiteren Versuchen muſste in Rücksicht auf den lebhaften Schiffsverkehr, der gerade dort auf der Themse stattfand, Abstand genommen werden.
Es war aber zur Genüge erwiesen, welche Manövrier
fähigkeit und Schnelligkeit der Torpedo besaſs, und daſs er sich voll
ständig in der Hand des Operierenden befand. Der Erfinder Nordenfeld ist noch in Besitz eines zweiten Modells dieses Torpedos, der 34 Pferde D.
kräfte und 16 Knoten Schnelligkeit besitzt. La France militaire. - Ein Werk des General Annenkoft.
Schon seit
einigen Jahren hat Russland das Schwarze Meer mit dem Kaspischen durch eine Eisenbahn verbunden , die an den südlichen Abhängen des Kaukasus von Batum über Tiflis nach Baku führt.
Von dem östlichen Ufer des
Kaspischen Meeres aber boten die nach dem inneren Asiens führenden Straſsen die gröſsten Schwierigkeiten dar. Noch im Jahre 1873 , als die Russen sich Chiwas bemächtigten, lag für sie die Verführung nahe , ihren
siegreichen Marsch gegen den Indus fortzusetzen , allein bei der gänzlichen Unmöglichkeit, die Truppen in den Wüstengegenden zu verpflegen, muſste von dem Vorhaben Abstand genommen werden. Hätten sie damals eine Eisenbahn gehabt, so hätte die Sache einen anderen Ausgang genommen . Im Jahre 1877 wurden die russischen Truppen unter General Louvakine in Folge Mangels an Lebensmitteln von den Turkmenen geschlagen, und General Skobeleff erlitt aus denselben Gründen von denselben Turkmenen
bei Geok-Tepe , 225 k vom Kaspischen Meere entfernt, eine Niederlage. Da kam der General Skobeleff zuerst auf den Gedanken, eine schmal
spurige Eisenbahn im Rücken seiner Armee anzulegen, um hierdurch seine Verbindung und die Verpflegung sicher zu stellen, diese Eisenbahn begann bei Krasnovodzk , am Ufer des Kaspischen Meeres , und that die vortreff lichsten Dienste, so daſs General Skobeleff am 24. Januar 1881 die
russische Waffenebre wiederherstellen konnte, indem er die Festung Geok Tepe einnahm , und die ganze Oase von Akkal unterwarf. Jahrbüchor für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LXIX . , 3.
Drei Monat 22
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften.
334
später fiel auch Merw , ein Erfolg, der nicht allein dem schneidigen Ein greifen des General Annenkoff, sondern vorzugsweise dem Einflusse der,
auf Betreiben desselben Generals zu einer Normalbahn erweiterten, Eisen bahn von Geok-Tepe zu verdanken ist. Der damalige Oberst Annenkoff war 46 Jahre alt , und hatte eine rasche Beförderung durch den Generalstab gemacht.. Durch die Er bauung der strategischen Eisenbahn Litthauens von Jalina nach Pinski
hatte er zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Dem nächst hatte er den Mobilmachungsplan im Kriegsministerium auszu arbeiten. Dann wurde er, bei der Einnahne von Geok-Tepe, an der Seite des General Skobeleff, verwundet. >
Im folgenden Jahre wurde er
zum
General ernannt und mit dem Bau der transkaspischen Bahn beauftragt Im April des Jahres 1885 setzte er aus 1000 Eisenbahn-Arbeitern ein Bataillon zusammen , mit dem er im Juli desselben Jahres bei Kizil-Arvat
eintraf. Die Arbeiten begannen bei Michailowsk, am Ufer des Kaspischen Meeres, wo die Kopfstation der Eisenbahn liegen sollte. Es war kein ge ringes Werk, eine Eisenbahn in einer Wüste anzulegen, wo auſser einigen Oasen auf hunderte von Werste kein Baum und kein Wassertropfen anzu treffen war. Alles muſste aus Ruſsland herangeschafft werden, Eisen , Holz, alles Material u. 8. W.
Die Kaukasus-Bahn brachte diese Sachen bis Baku,
von wo sie in Schiffen auf das andere Ufer des Kaspischen Meeres befördert wurden .
Da man nun bei dem allmählichen Entfernen von der Küste
keine Zwischen -Stationen anlegen konnte, so kam der General Annenkoff auf den Gedanken, einen besonderen Zug einzuführen , den er Dienst- Zug nannte, und der Alles enthielt, was für die Verpflegung und Verteidigung des Elite-Bataillons, das er führte, nötig war. Dieser Dienst -Zug, der in
Russland nach den Angaben Annenkoffs erbaut war , hatte zweistöckige Wagen , die durch Brücken miteinander in Verbindung standen . Zuerst kam ein zur Verteidigung eingerichteter Wagen für die Wache, dann die Wagen für den Generalstab, die Bureaus, Speise- und Schlafwagen, Küchen
wagen u. S. W. Ausgehend von Michailowsk erreichte der Zug gegen Ende 1885 Kisil-Aryat und die Wüste von Karakorum unterhalb Khiwa, dann Geok-Tepe, dann Ashabad, dann Merw, dessen Bahnhof 1887 eröffnet wurde,
dann Douchak , von wo sich eine Linie nach Bombay abzweigt, dann Bokhara und schlieſslich das märchenhafte Samarkand.
Der Bau dieser transkaspischen Bahn, der bei dem gänzlichen Mangel
an Hülfsmitteln in eigenem Lande in kürzester Zeit beendet wurde, ist ein wahres Wunderwerk, und gereicht dem General Annenkoff zu besonderer Ehre.
Selbstverständlich ist die Arbeit nicht mit den aus Russland mit
gebrachten 1000 Arbeitern allein ausgeführt, es haben stellenweise gegen 2000 Mann daran gearbeitet, die aus dem Lande ausgehoben wurden und für einen Lohn von monatlich nur wenigen Rubeln das Riesenwerk beenden helfen muſsten .
Die politische und kommerzielle Tragweite dieses Werkes des Generals Annenkoff läſst sich noch gar nicht absehen, sie wird groſsartige Folgen
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften.
335
haben, ähnlich denen der Erbauung des Suez-Kanals und des Kanals von Panama, und Russland kann mit Stolz auf dieses Friedenswerk blicken.
Le progrès militaire. Die Verwundung der Mitrailleusen . Die fran zösischen Militair -Fachblätter haben in letzter Zeit die Frage der Verwendung von Mitrailleusen im Feldkriege vielfach bearbeitet, ohne daſs es jedoch zu einer Einigung unter den verschiedensten Ansichten gekommen wäre. Der Verfasser vorstehenden Aufsatzes ist auch kein begeisterter Anhänger der
Mitrailleusen, wenngleich er die geringen Leistungen derselben im Kriege
1870 nicht auf das Material, sondern auf die unglückliche Idee zurückführt, die Mitrailleusen geheim zu halten , so daſs beim Ausbruch des Krieges die Mannschaft nicht im allergeringsten mit dem Material bekannt war. Seit dem Jahre 1870 sind die Mitrailleusen wesentlich vervollkommnet, die
im letzten Kriege geführten waren schwerer wie die Feldgeschütze und konnten böchstens 150 Schuſs in der Minute abgeben, während man
jetzt solche hat, die ein einziges Pferd , im Notfall sogar Menschenhand bewegen kann, und die dabei 1200 bis 1600 Schuſs in der Minute leisten. Trotzdem glaubt der Verfasser nicht, daſs die derart verbesserten Mitrailleusen für den Feldkrieg das leisten werden, was man im Allgemeinen von ihnen erwartet, er hält deren Einführung nur als Zugabe für die Kavallerie be rechtigt, wo sie aber nicht die Artillerie, sondern die Infanterie ersetzen
sollen, denn er nennt sie eine „ infanterie condensée“ , der eine groſse Beweg lichkeit innewohnt.
Man soll die Mitrailleuse als einen Wagen mit einer
gewissen Zahl von Infanteristen besetzt, auffassen , nur von diesem Gesichts punkte aus könne man die Verwendung derselben richtig leiten. Ist die Mitrailleuse an der richtigen Stelle aufgestellt und auf das Ziel eingerichtet, so ist deren Leistung, bei dem gänzlichen Mangel des Rückstofses, eine bedeutende.
Allein gerade hierin zeigt sich der schwache Punkt, denn das
Einschieſsen ist auſserordentlich schwierig, dauert lange Zeit und ist viel unsicherer, wie das mit einem Geschütz.
Diesem Umstande muſs aber bei
der Verwendung gegen Kavallerie Rechnung getragen werden . Reitet Kavallerie gegeneinander an, so kann das Feuer auf die Entfernung über 1500 Meter überhaupt nicht eröffnet werden, sondern erst dann, wenn beide sich auf diese Entfernung genähert haben.
Dann sind aber nur noch un
gefähr 4 Minuten Zeit zum Feuern vorhanden, von denen noch die Zeit zum Einrichten abgerechnet werden muſs.
Die Artillerie kann unter
gleichen Verhältnissen das Feuer auf weit gröſsere Entfernungen eröffnen , und da jedes Geschoſs der Feldgeschütze 250—300 Geschosse und Spreng stücke enthält, und bequem 2 Schuſs in der Minute abgeben kann, so ist deren Leistung viel bedeutender wie die der Mitrailleuse mit 500–600 Schuſs in der Minute.
Man sieht, daſs selbst in den Fällen, wo die Mi
trailleuse den besten Nutzen verspricht, ein Wetteifern mit der Feld artillerie ausgeschlossen sein muſs. Es liegt somit kein Grund vor, das Armee-Material noch zu vermehren und neue Maschinen einzuführen , deren
Verwendung nur in Ausnahmefällen Nutzen verspricht.
La France militaire schreibt über denselben Gegenstand in ganz anderer 22*
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften ,
336
Weise. Sie behauptet, daſs Deutschland im Begriff stehe , die von dem Amerikaner Hiram Maxim erfundene Mitrailleuse einzuführen , und daſs
die Schweiz und Österreich dieselbe bereits angenommen habe. Nach ein gehender Beschreibung des neuen Geschützes kommt der Verfasser auf den
Feldzug 1870 zurück und behauptet, daſs die 40 Batterien Mitrailleusen zwar nicht das geleistet hätten, was man von ihnen erwartete, daſs sie aber dennoch in einzelnen Fällen geradezu entscheidenden Einfluſs gehabt hätten. So z. B. schreibt er die Verluste der 38. Brigade bei Mars la Tour aus
schlieſslich der Wirkung der Mitrailleusen zu, dann fährt er fort : „ Bei Sedan fügten 6 Mitrailleusen - Batterien auf eine Entfernung von 900 Metern den Deutschen empfindliche Verluste bei. Die Waffe war damals noch auſserordentlich schwerfällig , die Geschofsgarbe war eine zu dichte, ihre
Bedienung war der Mannschaft zu wenig bekannt und erforderte zu viel Pferde und Menschen. Wo sie sich jemals auf weite Entfernung in den Kampf mit Artillerie einliefs, wurde sie in kurzer Zeit zum Schweigen gebracht. Alles das wird in Zukunft bei der Verwendung der Maxim Mitrailleuse anders werden, denn diese schiefst bis auf 1000 Meter 600
bis 660 Geschosse mit der gröſsten Präcision in einer Minute. Sie bedarf nur zweier Pferde und zweier Leute, ist äuſserst beweglich und bietet nur eine geringe Zielfäche dar. Würde man in Frankreich die Patronen M. 1886 aus derselben verfeuern, so würde auch kein Pulverdampf zu sehen
sein. Es könnte somit eine Batterie von 6 derartigen Geschützen, die nur
20 Mann und 30 Pferde zu ihrer Bedienung gebrauchte, dieselbe Wirkung erzielen wie 3 Kompagnien Infanterie mit 18 Patronen in einer Minute, bei noch bedeutenderer Treffsicherbeit. Ein Kavallerie-Regiment mit ein oder zwei dieser Geschütze könnte sich vorwärts bewegen , ohne des Schutzes
der Infanterie zu bedürfen , ebenso auch die reitende Artillerie. Besondere Dienste würden die Mitrailleusen noch bei der Verteidigung von Ver schanzungen auf dem Schlachtfelde, von Defileen, Brückenköpfen u. dergl. leisten, sowie gegen Kavallerie-Angriffe und bei Deckung eines Rückzuges. In allen diesen Fällen werden die Mitrailleusen Verwendung finden müssen und auf den Gegner einen gewaltigen moralischen Eindruck ausüben.
Jedenfalls müssen wir darauf gefaſst sein, bei einem zukünftigen Kriege die Maxin-Mitrailleuse in den Reihen unserer Gegner zu treffen .“ K
Le Spectateur militaire. ( 1. November ). Einführung von Schilden für die Infanterie. Selbige wird in einem längeren Artikel warm befürwortet. Diese aus Aluminium zu fertigenden Schilde sollen bei einem Gewicht von 38 k und einer Wandstärke von 6 mm gegen Infanteriefeuer vollkommenen
Schutz gewähren. Es sollen mit denselben die 3 oder 4 Bataillone des ersten Treffens der angreifenden Division versehen werden . An Schild trägern würden etwa 750 Mann (also etwa die Kopfstärke eines Bataillons) benötigt werden.
Über das neue deutsche Exerzier -Reglement wird das denkbar günstigste Urteil gefällt. Die bervorstechendsten Eigenschaften dieses neuesten Werkes des preuſsischen Generalstabes “, sagt der Spectateur,
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften .
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„ sind Kürze und Klarheit. Wie bei allen früheren Reglements hat man nur eine kriegsgemäſse Ausbildung im Auge gehabt, die Taktik nur in groſsen Umrissen vorgezeichnet, man hat sich kurz gefaſst, ohne jedoch der Bestimmtheit der Vorschriften Abbruch zu thun. Man unterscheidet scharf zwischen der Ausbildung der Truppe und den Vorschriften für den Kampf. Übrigens sind diese Vorschriften von einer Dehnbarkeit, welche
Jedem für deren Anwendung den weitesten Spielraum läſst u. s. Ww:: Ausbildung und Taktik, Alles in Allem 160 Seiten ! “ - Freilich etwas weniger als das 729 Druckseiten füllende französische Reglement vom 8. Mai 1888.
Dasselbe, bekanntlich ein tot geborenes Kind , soll abermals
(zum fünften Male !) seit dem Jabre 1870 durch ein verbessertes Reglement ersetzt werden. Spectateur glaubt der mit der Bearbeitung betrauten Kommission das neue deutsche Reglement als Vorbild empfehlen zu sollen .
Le Progrès militaire. ( 10. November ). „ Die Fremden -Legion und die Elsaſs-Lothringer. Seit einigen Jahren ist die Zahl der aus Elsaſs-Lothringen Kommenden, in die Fremden -Legion eingereiheten jungen Leute bedeutend gestiegen. Der von vielen Seiten in der Presse gemachte Vorschlag, aus
ihnen ein besonderes „ Regiment Elsaſs -Lothringen “ zu bilden, sei zwar auf >
den ersten Blick „ hochherzig und verführerisch “ , aber nicht praktisch . Es sei doch bedenklich , sämtliche Mannschaften einer und derselben
Nationalität in einem Spezial-Corps zu vereinigen ; besser sei es an dem bisherigen seit 1836 bestehenden Brauche, demgemäſs die in der Fremden
Legion vertretenen Nationalitäten gleichmäſsig auf alle Compagnien ver teilt werden, nichts zu ändern. Aus den Elsaſs-Lothringern ein besonderes französisches Regiment zu bilden, wäre in Rücksicht auf die „ Nachbarn im Osten “ nicht thunlich. Es würde dies eine Art von Herausforderung sein und als eine solche sowohl von der deutschen Presse als auch von den
regierenden Kreisen daselbst betrachtet werden. Es sei besser, daſs Alles beim „status quo “ verbleibe. (Sicherlich bei den bestehenden, gespannten Verhältnissen das Beste !) L'Avenir militaire (9. November) äuſsert sich in ähnlich anerkennender
Weise, wie Spectateur, über das neue deutsche Exerzier - Reglement: Möge man uns doch nicht mehr von deutschem Formalismus und deutscher Weitschweifigkeit reden ! Die Deutschen haben begriffen, daſs eine Ver
kürzung der Dienstzeit auch eine Vereinfachung der Übungs- und Kampfes vorschriften zur Folge haben muſs. Sie haben folglich Alles nicht unbe dingt Unentbehrliche, alles überflüssige Detail, alle Bewegungen, deren Anwendung auf dem Schlachtfelde mindestens fragwürdig ist, aus ihrem Reglement entfernt.
L'Avenir stellt dann das neueste französische Reglement in Vergleich mit dem Deutschen und nennt das erstere, welches kaum erprobt,
schon wieder verworfen worden ist, ein tot geborenes Kind. Er schlieſst seine Betrachtungen mit dem melancholischen Bekenntnis : „ Man kann
sagen, daſs gegenwärtig unsere Infanterie überhaupt kein Reglement besitzt
Aus ausländischen Militär -Zeitschriften .
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und muſs sich fragen , wie diejenigen , welche demnächst Rekruten ausbilden sollen, sich mit dieser Thatsache abfinden werden. Man möge kurz und bündig an die Arbeit gehen, ein neues Reglement zu schaffen . Es wäre für unser Infanterie -Komité ein trauriges Zugeständnis seiner Unfähigkeit , wenn es nicht, wie die deutsche Kommission, in 80 Tagen mit seiner Arbeit fertig werden und deren Ergebnisse in einem Bändchen von 200 Seiten höchstens zusammen faſsen könnte !
1.
Dem ,,Moniteur de l'Armée " zu Folge hat der Kriegsminister den An kauf von 300 neuen Maschinen zur Herstellung des kleinkaliberigen Gewehrs befohlen, so daſs vom 1. November ab im Ganzen deren 8200 in 1
Thätigkeit sind ; die drei Waffenfabriken in St. Etienne, Châtellerault und Tulle werden täglich 1600 Gewehre herstellen können ; 580 000 Magazin Gewehre (8 Millimeter-Kaliber) befinden sich bereits im Gebrauch oder in
den Zeughäusern; bis zum 1. April hofft man diese Zahl bis auf 1 200 000 zu bringen. 30 Monate werden demnach genügt haben, um die bedeutende Aufgabe, welche sich an die Namen der Generale Gras, Tramond, Luzeux und Oberst Lebel knüpft, zu lösen.
Die Zahl der Einjährig - Freiwilligen (Engagés Conditionnels) beträgt in diesem Jahre, dem „ l'Avenir militaire “ zu Folge 3289, d. h. 304 weniger als im Vorjahre; die Erklärung dieser für die Ergänzung der Reserve- Offiziere bedeutsamen Thatsache ist zu suchen in den strengeren
Anforderungen , welche bei den Offizier - Prüfungen neuerdings gestellt worden, dann aber demselben Blatte zu Folge, in der fortschreitenden
Verarmung gewisser Schichten der Bevölkerung, welche die für den ein jährigen Dienst erforderlichen Mittel nicht mehr aufzubringen im Stande sind. Welche bedeutenden Summen dem Staatsschatze durch die Einjährigen zuflieſsen, erbellt aus der Thatsache, daſs im Jahre 1878 14 Millionen Francs auf diese Weise den Kassen zugeführt worden sind. „L'Avenir militaire“ meint, wenn man diese Summen seit jener Zeit für Aufbesserung der Lage der Unteroffiziere verwendet hätte, so wurde die Lösung der
„Militär-Frage “ gegenwärtig vielleicht geringere Schwierigkeiten machen . La Belgique militaire.
Die Frage der Panzertürme in Frankreich..
Die gezogenen Mörser besitzen eine derartige Treffsicherheit in Verbindung mit groſser Sprengwirkung, daſs Artilleristen und Ingenieure sich darüber einig sind , daſs eine Verteidigung der Forts durch freistehende Geschütze gänzlich ausgeschlossen ist. Die Haupt-Verteidigung der Forts muſs demnach in den Panzertürmen liegen, über deren Konstruktion die Ansichten noch in mancher Beziehung auseinander gehen.
Zur Lösung der Frage
haben in Deutschland, in Rumänien, in Italien und in Frankreich kost spielige Versuche stattgefunden.
Deutschland und Rumänien haben ihre
Entschlüsse gefaſst und lassen eine groſse Zahl von Panzertürmen in Buckau bei Magdeburg anfertigen .
Man erwartete, daſs die Franzosen, die in dieser Beziehung hinter ihren Nachbarn zurückgeblieben sind, sich beeilen würden, nach ihren so fangreichen Versuchen bei Chalons, einen endgültigen Entschluſs zu 17 m
A us ausländischen Militär-Zeitschriften .
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fassen . Man brauchte nur das Urteil der mit den Versuchen beauftragten Kommission anzunehmen.
Da aber der Kriegsminister ein Civil-Ingenieur
ist, und vom Angriff und Verteidigung fester Plätze nur wenig versteht, so wollte er noch das Urteil einer höheren Kommission, bestehend aus drei
Artillerie- und drei Ingenieur -Generälen hören. Diese Kommission gab ein gånzlich unerwartetes Urteil ab. Bei der Abstimmung über die Zweckmäſsigkeit der Panzertürme waren die Stimmen in zwei gleiche Hälften geteilt.. Die drei Artilleristen erklärten, daſs sie überhaupt keiner Panzer bedürften , während die drei Ingenieure darauf bestanden , daſs
Frankreich , wie es Deutschland schon vor zwei Jahren gethan, unbedingt die Caporieren verstärken, die Schutzräume wölben und die Geschütze durch Panzer schützen müsse. Die von den Artilleristen vorgebrachten Gründe waren folgende:
„ Der Aufenthalt in den Türmen ist unmöglich, man sieht nichts und ist der Gefahr des Erstickens ausgesetzt. “ Diese Behauptung widerspricht vollständig den in Deutschland , Österreich, Holland und Belgien gemachten Erfahrungen, wo viele Panzer türme vorhanden sind, aus denen hunderte von Schüssen abgegeben wurden .
Ebenso widerspricht es auch den mit den 25 Panzertürmen, die vor 10 Jahren in den Sperrforts der Nordostgrenze Frankreichs erbaut wurden,
gemachten Erfahrungen , sowie den Versuchen , die in Saint -Chamond, Fives Lille und kürzlich in Chalons angestellt wurden. Einer der drei Artilleristen soll in seinem Berichte wörtlich geliuſsert haben : „Der französische Volkscharakter paſst nicht für Panzertürme, er liebt den Kampf ohne Deckung. Wenn ich ein mit Panzertürmen ver
sehenes Fort zu verteidigen hätte, so würde ich die Geschütze aus den Türmen herausnebmen und im Freien feuern lassen. «“
Dieser General ist
offenbar aus der Schule des Lykurg und Plato hervorgegangen, die be haupteten, daſs eine mit Menschen eingefaſste Stadt stärker wäre wie eine solche mit steinernen Mauern, oder aus der Schule des Machiavell, der die
Arme und die Brust der Bürger für den besten Schutzwall des Staates erklärte.
Es ist wohl nicht anzunehmen, daſs M. de Freycinet der Ansicht dieser drei Artilleristen beitreten wird, einer Ansicht, die den Grundsätzen der Artilleristen und Ingenieure aller Länder widerspricht, und die Frankreich veranlassen müſste, seine soeben mit einem Aufwande von einer Milliarde
beendeten Festungen zu schleifen, um die offene Mannesbrust und frei stehende Geschütze dem Angreifer entgegen zu stellen. Jedenfalls würde
diese Verteidigungsart jenseits des Rheins allgemeine Befriedigung hervor rufen .
In Belgien besitzen wir glücklicher Weise in den Grenzforts der Maas
Panzertürme, in Liège und Namur stehen die Geschütze der niederen Grabenbestreichung in Betondeckungen, während die nach auſsen feuernden Geschütze in Panzertürmen untergebracht sind.
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