Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht?: Zur Problematik des § 241a BGB [1 ed.] 9783428519798, 9783428119790

Der neue § 241a BGB schafft eine gesetzliche Regelung für das seit langem diskutierte Problem der Zusendung unbestellter

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German Pages 242 Year 2005

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Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht?: Zur Problematik des § 241a BGB [1 ed.]
 9783428519798, 9783428119790

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 169

Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht? Zur Problematik des § 241a BGB

Von

Benjamin Tachau

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

BENJAMIN TACHAU

Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht?

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 169

Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht? Zur Problematik des § 241a BGB

Von

Benjamin Tachau

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Wolfgang Mitsch, Potsdam Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 517 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-11979-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2005 mit dem Titel „§ 241a BGB im Spannungsfeld zwischen Zivil- und Strafrecht“ von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im August 2004 abgeschlossen. Wichtige danach erschienene Aufsätze und Monografien konnten für die Drucklegung noch bis Ende Mai 2005 berücksichtigt werden. Der Verein der Freunde und Förderer der Universität Potsdam hat diese Dissertation mit dem „Wolf-Rüdiger-Bub-Preis“ ausgezeichnet, wofür ich verbindlichst danke. Viele haben an der Entstehung der Arbeit Anteil gehabt. Herzlich danken möchte ich an erster Stelle meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Mitsch. Er hat mich bei meiner Arbeit stets ermutigt und unterstützt. Schon im Studium und auch während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl habe ich viel von ihm gelernt. Seine wissenschaftliche Brillanz und Kreativität werden mir stets ein Vorbild sein. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge“. Für zahlreiche anregende Diskussionen zum Dissertationsthema danke ich meinen Kollegen und Freunden Ingo Sparmann, Dr. Holger Ellers und Thomas Keysers, LL.M. Großer Dank gebührt auch meinen Eltern Dorothea und Dr. Peter Tachau fürs gründliche Korrekturlesen und für die großzügige finanzielle Unterstützung. Bedanken möchte ich mich schließlich bei meiner Freundin Nina Klar für die Geduld und Liebe, mit der sie mich nicht nur während der Promotionszeit begleitet hat. Hamburg, im Sommer 2005

Benjamin Tachau

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Teil Zivilrechtliche Rechtslage A. Rechtslage außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB . . . . . . . . . . . I. Ansprüche des Versenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansprüche aus Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kaufvertragsangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Annahme des Kaufvertragsangebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsnatur und Irrtumsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fallgruppen der Annahme des Kaufvertragsangebotes . . . . (3) Kritik und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ablehnung des Kaufvertragsangebotes, § 146 BGB . . . . . . . . . . dd) Die Dauer der Gebundenheit an das Kaufvertragsangebot . . . . ee) Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß §§ 134, 138 BGB? . . . . . b) Ansprüche aus subsidiärem Verwahrungsvertrag? . . . . . . . . . . . . . . . c) Reichweite des Anwendungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 985 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eigentum des Versenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besitz des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Recht zum Besitz, § 986 I 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis zu aa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 812 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §§ 823 I, 249 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) PVV einer berechtigten GoA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §§ 989, 990 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bösgläubigkeit des Empfängers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 19 19 19 19 23 23 27 31 35 36 37 38 39 39 39 39 39 40 42 45 45 48 49 49 52 52 53

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Inhaltsverzeichnis (2) Haftungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Preisgaberecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) § 859 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Verbotene Eigenmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) durch Zusendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) durch Belassen der Sache beim Empfänger . . (bb) Weitere Voraussetzungen des § 859 I BGB . . . . . (cc) Ergebnis zu (b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) § 227 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Mutmaßliche Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansprüche auf Nutzungsherausgabe bzw. Ersatz nicht gezogener Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ansprüche auf Erlösherausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansprüche des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansprüche auf Unterlassung/Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansprüche auf Verwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 57 58 59 59 59 60 67 69 69 76 76

B. Rechtslage innerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB . . . . . . . . . . . I. Entstehung des § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen des § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmer an Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handlung des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unbestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen des § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruchsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegung des § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ergebnis zu aa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nutzungsherausgabe- und -ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erlösherausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 82 82 84 91 96 96 96 97 97 97 97 101 102 102 105 105 107 108 110

77 78 79 79 79 80

Inhaltsverzeichnis

2.

3.

4. 5.

f) Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 BGB . . . . . . . . . g) Der Ausnahmetatbestand des § 241a II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatische Einordnung der Rechtsfolgen des § 241a I BGB . . . . . . . a) Anspruchsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 241a I BGB als gesetzlicher Eigentumsübergang . . . . . . . . . . . . . . c) Eigentumsaufgabe durch den Versender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übereignungsanspruch analog §§ 886, 1169, 1254 BGB . . . . . . . . . Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 241a I BGB als Recht zum Besitz, Verfügungsbefugnis und Begründung der Einwilligungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 241a I BGB als zivilrechtlicher Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . c) § 241a I BGB und seine Auswirkung auf Schadensfragen . . . . . . . . d) § 241a I BGB und die Zuständigkeit für ein Geschäft i. S. der §§ 677 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) § 241a I BGB und die Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) § 241a I BGB und seine Auswirkungen auf Eigenbesitz und Ersitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkung des § 241a I BGB außerhalb des Verhältnisses Versender– Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz der Position des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 115 115 116 116 117 118 118 119 119 123 127 132 134 135 136 139

2. Teil Strafrechtliche Rechtslage A. Strafbarkeit des Empfängers aus Eigentumsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prima-facie-Folgen der zivilrechtlichen Rechtslage für das Strafrecht . . . . II. Richtigkeit der prima-facie-Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehende Lösungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Straflosigkeit als Verfassungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und Systemgerechtigkeit . c) Adressat des Verfassungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umsetzung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lösungsansätze auf Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die nur scheinbare Rechtsgutsverletzung als Tatbestandselement . . b) Tatobjekt „fremde Sache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verneinung der Sachqualität bei gänzlich fehlendem Eigentümerinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterschreitung der „Bagatellgrenze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der wirtschaftliche Fremdheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140 140 140 141 143 148 148 152 154 154 156 156 159 159 162 163

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Inhaltsverzeichnis c) Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschädigungshandlungen (§ 303 StGB), insbesondere Brauchbarkeitsminderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zueignung (§ 246 StGB) bzw. Zueignungsabsicht (§ 242 StGB) dd) Ergebnis zu c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Beschützergarantenstellung und Veruntreuung (§ 246 II StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsansätze auf Rechtswidrigkeitsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung durch zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe . . . . . . aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Übernahme der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht zur Wahrung der „Einheit der Rechtsordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigene Strafrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die unmittelbare Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe als Folge eines Stufenverhältnisses zwischen Zivilrecht und Strafrecht (Günther) . . (b) Die Strafrechtswidrigkeit als aliud zur Zivilrechtswidrigkeit (Hellmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die unmittelbare Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe als Verfassungserfordernis (Fisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung durch strafrechtliche Rechtfertigungsgründe . . . . . . aa) Notwehr (§ 32 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einwilligungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Nochmals: zivilrechtliche Einwilligungsbefugnis . . . . . (b) Strafrechtliche Einwilligungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Objektive Einwilligungsbeschränkung durch Drittinteressen begünstigende Zivilrechtsnorm . . . . . . . (bb) Verlagerung der Einwilligungsbefugnis auf den Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ergebnis zu bb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung durch § 241a BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 166 168 173 177 177 178 178 179

179 180

181 182

183 183 186 186 187 187 187 190 191 193 198 199

B. Strafbarkeit des Empfängers aus Vermögensdelikten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Pfandkehr (§ 289 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mittelbarer Schutz des Empfängers durch Eigentumsdelikte . . . . . . . . . . . . III. Schutz des Empfängers durch Vermögensdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 203 206 211

Inhaltsverzeichnis

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IV. Strafantragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Geringwertigkeit der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Der Empfänger als Verletzter bei Eigentumsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. AblEG Abs. AcP a. E. a. F. AG AGB AllgHaftR Alt. Anm. Art. AT Aufl. Az BayObLG BayZ BB BGB BGBl. BGHSt BGHZ Bsp. BT BT-Drs. BtMG BR BVerfG BVerfGE bzgl. bzw. ca. c. i.c. DB ders.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Haftungsrecht Alternative Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bayerisches Oberstes Landesgericht Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Der Betriebs-Berater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Beispiel Besonderer Teil Drucksache des Deutschen Bundestages Betäubungsmittelgesetz Bürgerliches Recht Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise circa culpa in contrahendo Der Betrieb derselbe

Abkürzungsverzeichnis d.h. dies. DJZ DStR ebda. Einf. Einl. etc. evtl. f.; ff. FernAbsG Fn. FS GA gem. GEMA GG ggf. GoA GS HbStaatsR Herv. HGB h. M. Hrsg. hrsg. HWiG i. d. R. i. d. S. i. E. i. e. S. insbes. InsO i. R. i. S. i. Ü. i. V. m. JA JR Jura JuS

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das heißt dieselben Deutsche Juristenzeitung Deutsches Steuerrecht ebenda Einführung Einleitung et cetera eventuell folgende; fortfolgende Fernabsatzgesetz Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Geschäftsführung ohne Auftrag Gedächtnisschrift Handbuch des Staatsrechts Hervorhebung Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne insbesondere Insolvenzordnung im Rahmen im Sinne im Übrigen in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Jura – Juristische Ausbildung Juristische Schulung

14 JZ KO LB Lfg. LG MDR m. w. N. n. F. NJW NJW-RR Nr. NStZ NZI o. g. OLG pVV RegE RGRK RGSt RGZ RiLi-E Rn. S. s. SaR SAT SB SBT ScheckG s. o. sog. SR StaatsR StGB StPO StV StVO u. a. UrhG UrhR u. U. UWG

Abkürzungsverzeichnis Juristenzeitung Konkursordnung Lehrbuch Lieferung Landgericht Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung oben genannte(n) Oberlandesgericht positive Vertragsverletzung Regierungsentwurf Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinienentwurf Randnummer Satz; auch: Seite siehe Sachenrecht Schuldrecht Allgemeiner Teil Studienbuch Schuldrecht Besonderer Teil Scheckgesetz siehe oben so genannte Schuldrecht Staatsrecht Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Der Strafverteidiger Straßenverkehrsordnung unter anderem Urheberrechtsgesetz Urheberrecht unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

Abkürzungsverzeichnis v. Verf. vgl. Vorbem. WG WM WRP z. B. ZIP zit. ZSR ZStW z. T. zust.

von; auch: vom Verfasser vergleiche Vorbemerkungen Wechselgesetz Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis zum Beispiel Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert als Zeitschrift für Schweizer Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil zustimmend

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Einleitung Der am 30. 6. 2000 in Kraft getretene § 241a BGB ist als „Störfall für die Zivilrechtsdogmatik“1 bezeichnet worden. Er betrifft u. a. das seit Bestehen des BGB umstrittene Problem der Zusendung unbestellter Waren. Mit seinem umfassenden Ausschluss der Ansprüche des Versenders hat sich der Gesetzgeber zu einer geradezu radikalen Lösung eines Problems entschieden, das trotz seiner dogmatischen Umstrittenheit in der Rechtsanwendung wenig Schwierigkeiten bereitete. Die Neuregelung stellt die Rechtsanwendung und die Wissenschaft vor eine enorme Anzahl dogmatischer Probleme, die einer widerspruchsfreien Lösung kaum zugeführt werden können und das „juristische Handwerkszeug“ teilweise arg strapazieren. Schon die oberflächliche Lektüre der zivilrechtlichen Aufsatzund Kommentarliteratur offenbart dabei ein erstaunlich breites Meinungsspektrum: Nahezu jede spontan vorstellbare Position zu den sich ergebenden Fragestellungen wird vertreten. Dabei steht der Spezialfall der „Lieferung unbestellter Sachen“ ganz deutlich im Vordergrund der Diskussion. Der „Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen“ wird dagegen kaum Beachtung geschenkt. Auch wenn diese Auffangalternative bei weitem nicht zweifelsfrei ist, wirft der Spezialfall doch die größten Probleme auf. Deshalb steht er auch im Mittelpunkt der Betrachtung im Rahmen dieser Arbeit. Der strafrechtlichen Tragweite des § 241a BGB wurde bislang wenig Aufmerksamkeit zuteil. Die Vorschrift hat dabei das Potenzial, längst ausgefochten geglaubte Meinungsstreitigkeiten des Allgemeinen Teils und der Vermögensdelikte neu zu entfachen. Dies ist allerdings abhängig von der zivilrechtlichen Lesart der Vorschrift. Denn es bestehen (nach h. M.) vielfältige unmittelbare Überschneidungen zwischen Zivil- und Strafrecht – genannt sei nur die zivilrechtliche Ausrichtung des Fremdheitsbegriffs der Eigentumsdelikte und die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht. Die zivilrechtlichen Wertungen können aber auch bei vielen anderen Fragen – etwa bei der nach einer Vermögensminderung bei Vermögensdelikten – nicht außer Betracht bleiben. Dies gebietet nicht zuletzt die systematische Auslegung. Angesichts dessen bedarf die zivilrechtliche Wirkungsweise des § 241a BGB einer eingehenden Untersuchung, denn hierbei werden entscheidende Weichen für die strafrechtliche Beurteilung gestellt. 1

Schwarz, NJW 2001, 1449 ff.

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Einleitung

Im Vordergrund des strafrechtlichen Teils der Arbeit steht die Frage nach einer möglichen Strafbarkeit des Empfängers aus Eigentumsdelikten i. R. des Spezialfalles „Lieferung unbestellter Sachen“. In der Strafrechtsliteratur hat sich hierbei die trotz des frühen Diskussionsstadiums als herrschend zu bezeichnende Meinung herausgebildet, § 241a BGB sei als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund zu verstehen.2 Eine qualifizierte Auseinandersetzung mit dieser Meinung bedarf der Klärung der zivilrechtlichen Fragen. Es ist das Anliegen der Arbeit, den § 241a BGB zivilrechtlich und strafrechtlich sinnvoll einzuordnen und zu verhindern, dass die Vorschrift zum „Störfall“ auch für das Strafrecht wird. Dabei soll ein Beitrag zur Klärung des noch mit vielen Zweifelsfragen behafteten Verhältnisses von Zivilrecht und Strafrecht geleistet werden. Die Arbeit versucht, zunächst durch die zivilrechtliche und dann durch die strafrechtliche „Brille“ zu blicken, um so die Verträglichkeit der Resultate überprüfen zu können. Die Arbeit gliedert sich demnach in einen zivilrechtlichen (1. Teil) und einen strafrechtlichen Teil (2. Teil). Zivilrechtlich wird zunächst die Rechtslage vor Einführung und außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB beleuchtet (1. Teil; A.), um dann die mit Einführung der Vorschrift einhergehenden Veränderungen untersuchen zu können (1. Teil; B.). Jeder dieser Unterabschnitte behandelt dabei einerseits Ansprüche, denen der Empfänger ausgesetzt ist, andererseits aber auch ihm zustehende Ansprüche und positive Befugnisse. Der auf den zivilrechtlichen Erkenntnissen aufbauende strafrechtliche Teil untersucht schwerpunktmäßig die mögliche Strafbarkeit eines Empfängers unbestellter Sachen aus Eigentumsdelikten (2. Teil; A.). Ihm folgt ein kurzer zweiter Unterabschnitt, der die Strafbarkeit des Empfängers aus Vermögensdelikten beleuchtet (2. Teil; B.). In einem dritten Unterabschnitt wird sodann auf den strafrechtlichen Schutz der Rechtsposition des Empfängers eingegangen (2. Teil; C.). Der 3. Teil der Arbeit dient der Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse.

2 So Matzky, NStZ 2002, 458 (463); Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (257); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 168 f.; Jäger, AT, Rn. 163; Wessels/Beulke, AT, Rn. 283a; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 22; ähnlich Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 17, 294; Rengier, BT 1, § 5 Rn. 6; Joecks, § 246 Rn. 32; Tröndle/ Fischer, § 246 Rn. 3; aus der zivilrechtlichen Literatur vertreten dies (für das Strafrecht) Berger, JuS 2001, 649 (653 Fn. 51); AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 6; Erman/ Saenger, § 241a Rn. 27 f.; Bamberger/Roth/Grüneberg, § 241a Rn. 10; S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212) Fn. 81.

1. Teil

Zivilrechtliche Rechtslage A. Rechtslage außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB Mit der Einführung des § 241a BGB greift der Gesetzgeber ein klassisches zivilrechtliches Problem auf. Die Zusendung unbestellter Waren ist eine seit Beginn des letzten Jahrhunderts bis in die 80er Jahre hinein vieldiskutierte Fallkonstellation, die bis einschließlich der 40er Jahre Gegenstand zahlreicher Dissertationen war. Die dogmatischen Schwierigkeiten berührten dabei sowohl den Allgemeinen Teil des BGB als auch schuld- und sachenrechtliche Fragestellungen. § 241a BGB stellt durch seinen Anspruchsausschluss eine radikale Lösung der typischen Fallkonstellation dar. Jedoch wäre es ein Irrtum zu glauben, die alten Streitfragen wären damit hinfällig und nur noch rechtsgeschichtlich von Belang. Schon die Tatsache, dass der Anwendungsbereich des § 241a BGB auf Zusendungen von Unternehmern an Verbraucher beschränkt ist, zeigt, dass die von der Wissenschaft angestellten Überlegungen nach wie vor aktuell sind. Wie zu zeigen sein wird, dürfen die im Laufe der Zeit entwickelten dogmatischen Grundsätze jedoch auch innerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB nicht außer Betracht bleiben.

I. Ansprüche des Versenders 1. Vertragliche Ansprüche a) Ansprüche aus Kaufvertrag aa) Kaufvertragsangebot Gemeinhin wird die Zusendung unbestellter Waren als Angebot (§ 145 BGB) zum Abschluss eines Kaufvertrags (§ 433 I BGB) angesehen.1 Dies geschieht teilweise mit Hinweis darauf, dass der Ware im Regelfall ein entsprechendes 1 Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 37; Planck/Flad (4. Aufl.), § 146 Anm. 3; § 151 Anm. 4a.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Schreiben beigefügt sei, welches das ausdrückliche Kaufvertragsangebot enthalte.2 Enthält ein beigefügtes Schreiben sinngemäß die Aussage, bei Gefallen solle der Empfänger einen Geldbetrag zahlen, anderenfalls die Sache zurücksenden, so ist dies als Kaufvertragsangebot auszulegen. Die Auslegung ergibt in der Regel darüber hinaus ein Angebot auf Übereignung gemäß §§ 929, 145 BGB.3 Dieses ist allerdings aufschiebend bedingt (§ 158 I BGB), wenigstens durch die Annahme des Kaufvertragsangebotes.4 Denn der Versender will das Eigentum an der Ware nur für den Fall übertragen, dass er eine Vergütung aus dem Kaufvertrag erhält. Darüber hinaus wird teilweise angenommen, dass das Übereignungsangebot zusätzlich unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises stehe.5 Losgelöst von der Konstellation der Zusendung unbestellter Waren wird dies zum Teil auch generell bei Vorleistung des Verkäufers bejaht.6 Das ergebe die übliche Auslegung von Kaufverträgen.7 Teilweise wird ein solcher Eigentumsvorbehalt (im Handelsverkehr) auch aus einem angeblichen Handelsbrauch hergeleitet.8 Überwiegend wird diese zweite Bedingung der Auslegung des Verhaltens des Versenders nicht entnommen.9 Dementsprechend geht die überwiegende Meinung in der Literatur zwar davon aus, dass bei einem einfachen Kaufvertrag eine konkludente Vereinbarung über einen Eigentumsvorbehalt i. S. des § 449 BGB möglich, in der Regel aber nicht ohne weiteres anzunehmen sei, selbst wenn der Verkäufer vorleiste.10 Auch die Rechtsprechung verlangt positive Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Eigentumsvorbehalts.11

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Etwa Schwung, JuS 1985, 449 (450); Wessel, BB 1966, 432. Lange, JuS 1997, 431 (432); Jauernig/Jauernig, § 145 Rn. 6; Weimar, JR 1967, 417; Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 11. 4 Lange, JuS 1997, 431 (432); Schwung, JuS 1985, 449 (451 Fn. 15); Weimar, JR 1967, 417. 5 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 33; Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (364); AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 19 Fn. 59; Matzky, NStZ 2002, 458 (459); Haft/ Eisele, GS Meurer, S. 245 (251); Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 4, 11. 6 MK-H. P. Westermann, § 455 Rn. 16; Schulte, BB 1977, 269 (270, 273); RGRKMezger, § 455 Rn. 3: „häufig“; i. d. S. auch die strafrechtliche Entscheidung OLG Hamm NStZ 1983, 266 f. für den Fall des Tankens an einer SB-Tankstelle. 7 MK-H. P. Westermann, § 455 Rn. 16; Schulte, BB 1977, 269 (270, 273). 8 IHK Stuttgart, DB 1949, 526 für den Buchhandel; gegen die generelle Herleitung aus einem Handelsbrauch aber MK-H. P. Westermann, § 455 Rn. 16; RGRK-Mezger, § 455 Rn. 3. 9 Weimar, JR 1967, 417; Jauernig/Jauernig, § 145 Rn. 6; Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 12; Hübner, AT, Rn. 1009; Casper, ZIP 2000, 1602 (1603); Schwung, JuS 1985, 449 (451 Fn. 15); Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 33; Planck/ Flad (4. Aufl.), § 151 Anm. 4a. 3

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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In der Tat wird ein wirtschaftlich denkender und rechtlich informierter Versender dem Angebot einen entsprechenden Inhalt geben. Ob dies jedoch jedem Angebot entnommen werden kann, erscheint zweifelhaft. Wie § 449 BGB zeigt, ist der Eigentumsvorbehalt die Ausnahme im BGB. Diese würde, nähme man sie bei jeder Vorleistung an, zur Regel erhoben.12 Wenn ein Eigentumsvorbehalt im Versandhandel die Regel ist, so beruht dies auf Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versenders. Allenfalls besteht daher Anlass für die Annahme eines konkludenten Eigentumsvorbehaltes, wenn es sich um wertvollere Waren handelt, bei welchen ein höheres Sicherungsbedürfnis besteht. Mangels ausdrücklichen Vorbehalts des Eigentums ist daher – vorbehaltlich einzelfallbezogener Auslegung – von einer aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung nicht auszugehen.13 Nach einhelliger Ansicht ist das Kaufvertragsangebot verbunden mit einem Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 S. 1 BGB.14 Zwar wird meist nur pauschal auf die Anwendbarkeit des § 151 S. 1 BGB verwiesen,15 jedoch ist eine Abgrenzung zwischen den Alternativen „Verzicht“ und „nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten“ entbehrlich, da das – meist konkludente – Angebot eben nach der Verkehrssitte ausgelegt wird.16 Ist der Zusendung kein Schreiben beigefügt, so bedarf die Zusendung selbst der Auslegung nach dem verobjektivierten Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB), ob in ihr ein solches (konkludentes) Angebot zu sehen ist. Gegenstand der Auslegung eines Verhaltens ist nämlich nicht nur der Inhalt einer Willenserklärung, sondern auch die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt.17 10 Serick, Eigentumsvorbehalt I, S. 85 f.; Soergel/Mühl, § 455 Rn. 10; Erman/Grunewald, § 449 Rn. 5; Bunte, JA 1982, 321 (325); Herzberg, JA 1980, 385 (386 ff.). 11 OLG Düsseldorf JR 1982, 343 (344) (strafrechtliche Entscheidung) mit zust. Anm. Herzberg, JR 1982, 344 f. 12 Ebenso Herzberg, JA 1980, 385 (386); gegen dieses Argument aber Schulte, BB 1977, 269 (271). 13 Selbst Schulte, BB 1977, 269 (274), nimmt die Einschränkung vor, dass die von ihm angenommene Vermutung für einen Eigentumsvorbehalt nicht für Kaufsachen gelte, welche zum alsbaldigen Verbrauch gedacht seien. Um derartige Sachen dürfte es sich jedoch in einem zumindest beachtlichen Teil der Fälle der Zusendung unbestellter Waren handeln. 14 OLG Köln NJW 1995, 3128 (3129); Lange, JuS 1997, 431 (432); Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 7; Härting, Fern-AbsG, Einl. Rn. 81. 15 OLG Köln NJW 1995, 3128 (3129); Weimar, MDR 1969, 22 (24); Staudinger/ Bork, § 146 Rn. 11; Schwung, JuS 1985, 449 (450); Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; Jauernig/Jauernig (9. Aufl.), § 145 Rn. 6. 16 MK-Kramer, § 151 Rn. 52; Medicus, AT, Rn. 383; dies zeigt die Bemerkung von Lange, JuS 1997, 431 (432): „V. hat auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet, da bei Versandbestellungen dieser Art nicht mit einem weiteren Schreiben oder einem Telefonat des Kunden gerechnet werden kann.“. 17 Palandt/Heinrichs, vor § 116 Rn. 3; § 133 Rn. 3; Soergel/Hefermehl, vor § 116 Rn. 17.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Obwohl dies eine Frage des Einzelfalles ist, wird dies von der h. M. im Regelfall bejaht.18 Inhaltlich wird auch hier überwiegend von einem Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages (§§ 433 I, 145 BGB) ausgegangen, welches einerseits mit dem Verzicht auf Zugang der Erklärung der Annahme (§ 151 S. 1 BGB) und andererseits dem aufschiebend bedingten Antrag auf Übereignung (§§ 929, 145 BGB) verbunden ist.19 Teilweise wird das Vorliegen eines Kaufvertragsangebotes bei Fehlen eines Schreibens allerdings mit dem Argument bestritten, dass es sich um einen Irrläufer handeln könne.20 Dem ist allerdings so nicht zuzustimmen. Ergibt die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, dass es sich um eine für den tatsächlichen Empfänger bestimmte Zusendung handelt, so liegt eine Willenserklärung vor. Nur wenn es sich erkennbar um einen Irrläufer handelt, ist eine an den Empfänger der Zusendung gerichtete Willenserklärung zu verneinen. Fehlt dem Versender das Bewusstsein, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, so wird dennoch wegen des nach h. M. ausreichenden potentiellen Erklärungsbewusstseins eine (ggf. analog § 119 I BGB anfechtbare) Willenserklärung vorliegen.21 Für den Fall, dass der Versender die Willenserklärung einem anderen gegenüber abgeben wollte, die Auslegung aber ergibt, dass sie an den tatsächlichen Empfänger gerichtet war, liegt ebenfalls eine wirksame Willenserklärung vor, die allenfalls wegen Inhaltsirrtums in Form des error in persona gemäß § 119 I 1. Alt. BGB anfechtbar ist.22 Geht der Versender irrtümlich von einer Bestellung durch den Empfänger aus, so ergibt die Auslegung, sofern dieser Irrtum nicht erkennbar ist, dennoch ein wirksames Kaufvertragsangebot durch den Versender. Dieses kann jedoch anfechtbar sein:23 In der Zusendung liegt aus Sicht des Versenders zwar nicht die Annahme des in der Bestellung gesehenen Kaufvertragsangebotes durch den Empfänger. Die Annahme läge, da auch bei der Warenbestellung i. d. R. § 151 S. 1 BGB Anwendung findet, schon in der Absendung der Ware.24 In der Zu18 So stellen eine Reihe von Autoren auch schlicht auf die Zusendung ab: RGRKPiper, § 145 Rn. 17; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 11; Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; Erman/Hefermehl (10. Aufl.), § 145 Rn. 9. 19 RGRK-Piper, § 145 Rn. 17; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 11; Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; Erman/Hefermehl (10. Aufl.), § 145 Rn. 9. 20 Schwung, JuS 1985, 449 (450). 21 Vgl. BGHZ 109, 171 (177); S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 216 ff.; Palandt/Heinrichs, vor § 116 Rn. 17; MK-Kramer, vor § 116 Rn. 17. 22 Larenz/Wolf, AT, § 36 Rn. 32. 23 Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 39.

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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sendung dürfte jedoch aus Sicht des Versenders ein Übereignungsangebot liegen. Daher läge seitens des Versenders ein Irrtum über den Bedeutungsgehalt des von ihm gesetzten Erklärungszeichens und somit ein Inhaltsirrtum gemäß § 119 I 1. Alt. BGB vor. Selbst wenn man davon ausginge, in der Zusendung läge aus Sicht des Versenders überhaupt keine rechtsgeschäftliche Erklärung, so wäre ein wirksames, aber (analog § 119 I BGB) anfechtbares Kaufvertragsangebot zu bejahen. In der Literatur kaum diskutiert ist die Frage, ob in der Zusendung unbestellter Waren nicht ein Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages gesehen werden kann.25 Insbesondere bei geringwertigen Waren scheint dies aber naheliegend. Beispielsweise bei den gelegentlich versendeten Waschmittelproben – einmal angenommen, diesen ist kein Schreiben beigefügt – etwa wäre die Auslegung als Kaufvertragsangebot fernliegend. Ebenso wird man auch bei wertvolleren Waren ein Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages annehmen können, wenn diese Waren eingeschlagen in Geschenkpapier geliefert werden. Dieses Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages dürfte dann ebenfalls den Verzicht auf Zugang der Annahmeerklärung nach § 151 S. 1 BGB enthalten26 und mit dem Angebot auf Übereignung (§§ 145, 929 BGB) verbunden sein. Da Annahme des Schenkungsangebotes und Übereignungsangebotes hier zusammenfielen, handelte es sich um eine (formfreie) Handschenkung i. S. des § 516 BGB.27 Es kann wohl nicht bezweifelt werden, dass die Auslegung der Willenserklärung des Versenders zumindest im Einzelfall ein Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages ergibt. Da der Beschenkte zu einer Gegenleistung jedoch nicht verpflichtet ist, soll im Folgenden dieser Ausnahmefall außer Betracht bleiben. bb) Annahme des Kaufvertragsangebotes (1) Rechtsnatur und Irrtumsfragen Fraglich ist, wie der Empfänger das Kaufvertragsangebot annehmen kann. Grundsätzlich kann in seinem bloßen Schweigen keine Annahme gesehen werden.28 Dies gilt auch dann, wenn der Versender erklärt, er werde das Schweigen – ggf. nach Ablauf einer Frist – als Annahme verstehen, da er einseitig keine vertragliche Bindung herbeiführen kann.29 § 151 S. 1 BGB macht auch nicht 24 25 26 27 28

Medicus, AT, Rn. 382. Vgl. jedoch Hoppe, Unbestellte Zusendungen, S. 14 f. Vgl. Medicus, SBT, Rn. 175. Vgl. MK-Kollhosser, § 516 Rn. 1, 37. Staudinger/Bork, § 146 Rn. 15; BGH NJW-RR 1986, 415.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

etwa die Annahme entbehrlich, sondern lediglich deren Zugang.30 Es bedarf nach ganz h. M. also eines objektiven Verhaltens des Empfängers, das als Annahme interpretiert werden kann. Die von Flume31 vertretene Ansicht, es bedürfe lediglich eines Annahmeentschlusses, kann nicht überzeugen. Denn der nur innerlich gebliebene Wille vermag nichts zu bewirken; seine Äußerung ist notwendige Bedingung für seine Bedeutung im Rechtsverkehr.32 Insbesondere die Rechtsprechung lässt jedoch die bloße Nichtablehnung des Antrages als Annahme genügen, wenn die Annahme für den Antragsempfänger lediglich rechtlich vorteilhaft ist.33 Dies folge aus einer entsprechenden Anwendung des § 516 II BGB.34 Da die Annahme aber gemäß § 151 S. 1 BGB dem Antragenden gegenüber nicht erklärt zu werden braucht, fragt sich, welche Auslegungskriterien hier zu gelten haben. Einigkeit besteht darüber, dass eine Auslegung nicht nach dem objektiven Empfängerhorizont (§ 157 BGB) erfolgen kann. Denn die Annahme nach § 151 BGB ist keine empfangsbedürftige Willenserklärung.35 Maßgeblich ist daher der wirkliche Annahmewille (§ 133 BGB).36 Insbesondere die Rechtsprechung verlangt jedoch lediglich einen Schluss auf den wirklichen Annahmewillen aufgrund äußerer Indizien vom Standpunkt eines unbeteiligten Dritten.37 Im Ergebnis besteht danach also kaum ein Unterschied zur Auslegung des Verhaltens nach dem objektiven Empfängerhorizont.38 Unabhängig von dem Streit, ob die Annahme gemäß § 151 BGB eine bloße „Willensbetätigung“39 oder eine echte – nicht empfangsbedürftige – Willenserklärung40 ist, besteht nahezu Einigkeit darüber, dass das Verhalten auch dann als Annahme gelte, wenn derjenige, der die als Annahme zu deutende Hand29

Schwung, JuS 1985, 449 (450); Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (89). Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 2. 31 Flume, AT 2, § 35 II 3; ebenso – sorgfältig begründet – Schwarze, AcP 202 (2002), 607 (612 ff.); ähnlich Hirsch, AT, Rn. 329, der zwar eine äußere Manifestation des Annahmewillens fordert, diese Manifestation aber schon dem Nicht-Antworten beimisst. 32 Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 27; Repgen, AcP 200 (2000), 533 (546). 33 BGH NJW 2000, 276 (277); BGH WM 1984, 243; zust. Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 2. 34 BGH NJW 2000, 276 (277). 35 Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 15; BGHZ 111, 97 (101); Staudinger/Bork, § 151 Rn. 15. 36 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (197); BGHZ 111, 97 (101). 37 BGHZ 111, 97 (101); BGH NJW 2004, 287 (288); so auch Staudinger/Bork, § 151 Rn. 15; MK-Kramer, § 151 Rn. 51; Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 2; anders aber Brehmer, JuS 1994, 386 (388 f.). 38 Staudinger/Bork, § 151 Rn. 15. 39 Dafür etwa BGH NJW 2000, 276 (277); NJW 2004, 287 (288); Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 2; Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 2; v. Thur, AT 2/1, S. 479; Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 365. 30

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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lung vornimmt, den Willen hat, das Angebot nicht anzunehmen. Dies folgt nach derjenigen Meinung, welche eine „Willensbetätigung“ annimmt, aus einer analogen Anwendung des § 116 BGB.41 Nach der Gegenmeinung beruht dies auf der direkten Anwendbarkeit des § 116 BGB.42 Uneinheitlich wird allerdings die Frage beantwortet, welche Rechtsfolgen sich aus einem Irrtum des Handelnden ergeben. Auffällig ist zunächst, dass überwiegend ein aktuell vorliegendes Erklärungsbewusstsein für erforderlich gehalten wird. Wollte der Handelnde überhaupt keine Erklärung abgeben, fehlt ihm also das Erklärungsbewusstsein (Bsp.: Der Handelnde verwechselt das Buch, in das er seinen Namen schreibt, mit einem eigenen), ist dies nach dieser Meinung kein Anwendungsfall des § 119 I 2. Alt. BGB (analog).43 Vielmehr sei, da die Rücksichtnahme auf das Vertrauen des Erklärungsempfängers entfalle, in diesem Fall gar keine Willenserklärung gegeben.44 Die Gegenauffassung bejaht eine wirksame, aber gemäß § 119 I BGB anfechtbare Annahme.45 Dieser Streit ist unabhängig von der Einordnung der Annahme nach § 151 BGB als „Willensbetätigung“ oder Willenserklärung.46 Denn selbst nach der 40 Dafür etwa Staudinger/Bork, § 151 Rn. 14; Goldmann/Lilienthal, § 46, S. 187; S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (197); Medicus, BR, Rn. 55; Erman/Hefermehl (10. Aufl.), § 151 Rn. 8; Soergel/Wolf, § 151 Rn. 1; vertiefend Repgen, AcP 200 (2000), 533 (564); „Willenserklärung in Form einer Willensbetätigung“, Ennecerus/ Nipperdey, AT, § 162, S. 995; MK-Kramer, § 151 Rn. 49. 41 BGH NJW-RR 1986, 415 (416); Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 2; MK-Kramer, § 151 Rn. 51; Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 21. 42 Medicus, BR, Rn. 55; Staudinger/Bork, § 151 Rn. 16; für analoge Anwendung trotz Annahme einer echten Willenserklärung aber Erman/Hefermehl (10. Aufl.), § 151 Rn. 8. 43 Bei „normalen“ empfangsbedürftigen Willenserklärungen bedeutet das fehlende Erklärungsbewusstsein nach h. M. keinen Irrtum i. S. des § 119 I 2. Alt. BGB. Als für eine wirksame Willenserklärung ausreichend wird „potentielles“ Erklärungsbewußtsein gehalten und eine Anfechtungsmöglichkeit analog § 119 I BGB bejaht, vgl. Medicus, AT, Rn. 607; Köhler, AT, § 7 Rn. 5; einen Erklärungsirrtum nimmt aber Repgen, AcP 200 (2000), 533 (544), an. 44 BGH NJW-RR 1985, 415; Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 22; MK-Kramer, § 151 Rn. 51; Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 1; Ennecerus/Nipperdey, AT, § 162, S. 994 Fn. 6; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 54 f.; Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 380 f. 45 Staudinger/Bork, § 151 Rn. 16; Bork, AT, Rn. 758; Brehmer, JuS 1994, 386 (389 f.); Repgen, AcP 200 (2000), 533 (548); Casper, ZIP 2000, 1602 (1607 Fn. 44); genaugenommen müsste hier § 119 I BGB wegen mangelnden Erklärungsbewusstseins analog angewendet werden. 46 Dies scheint Repgen, AcP 200 (2000), 533 (544) zu verkennen. Dies zeigt auch die Tatsache, dass S. Lorenz (FS W. Lorenz, 193 (197)), der von einer Willenserklärung ausgeht, dennoch der genannten h. M. folgt. Auch Heinrichs, der eine Willensbetätigung annimmt, spricht sich für die Erforderlichkeit des Erklärungsbewusstseins bei nichtempfangsbedürftigen Willenserklärungen aus, Palandt/Heinrichs, vor § 116

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

überwiegenden Meinung (zur generellen Frage der Erforderlichkeit des Erklärungsbewusstseins), welche trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins dem Handelnden eine Willenserklärung zurechnet, wenn dieser bei gehöriger Sorgfalt eine mögliche Deutung seines Verhaltens als Willenserklärung hätte erkennen können,47 reicht dieses „potentielle“ Erklärungsbewusstsein bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht aus. Da sich die Grundsätze des potentiellen Erklärungsbewusstseins aus Erwägungen des Vertrauensschutzes des möglichen Erklärungsempfängers ergeben,48 verlangt auch sie generell bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen ein tatsächlich vorliegendes, aktuelles Erklärungsbewusstsein.49 Sei dieses nicht gegeben, liege keine Willenserklärung vor.50 Fraglich ist jedoch, ob ein tatsächlich vorliegendes Erklärungsbewusstsein auch erforderlich ist, wenn ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, die Annahme also trotz Entbehrlichkeit gegenüber dem Antragenden ausdrücklich oder konkludent erklärt wird. Flume verneint dies.51 Auch Bork will den § 151 BGB nicht anwenden, wenn sich der Angebotsempfänger gegenüber dem Antragenden so verhält, dass dieser daraus schließen darf, der Antrag solle konkludent angenommen werden.52 Folgt man dem, so ergibt sich, dass im Fall ausdrücklichen Verhaltens sowie bei konkludentem Verhalten, das Erklärungswert gegenüber dem Antragenden hat, auch bei nur potentiellem Erklärungsbewusstsein dem Angebotsempfänger dieses als Annahme zugerechnet wird. In den Fällen des Inhalts-, Erklärungs- und Eigenschaftsirrtums und des Irrtums wegen arglistiger Täuschung sowie widerrechtlicher Drohung, wie sie die §§ 119 und 123 BGB regeln, bestehen im Ergebnis ganz überwiegend keine Unterschiede zwischen der „Willensbetätigungstheorie“ und der „Willenserklärungstheorie“. Die Willenserklärungstheorie wendet hier die Vorschriften über die Willenserklärung unmittelbar an, was zur Folge hat, dass der Angebotsempfänger die Möglichkeit der Anfechtung hat.53 Die Willensbetätigungstheorie hingegen nimmt ganz überwiegend eine Anfechtbarkeit wenigstens analog dieser Vorschriften an.54 Lediglich vereinzelt wird innerhalb der Willensbetätigungstheorie auch bei Mängeln im Geschäftswillen vertreten, dass es mangels Rn. 17; Wolf (Soergel/Wolf, § 151), will die Annahme nach § 151 BGB allen Bestimmungen über Willenserklärungen unterwerfen (Rn. 7) und verlangt ein tatsächliches Erklärungsbewusstsein (Rn. 5). 47 BGHZ 91, 324 (329); Köhler, AT, § 7 Rn. 5. 48 Köhler, AT, § 7 Rn. 5; vgl. auch AK-Hart, § 151 Rn. 6. 49 Palandt/Heinrichs, vor § 116 Rn. 17; Giesen, AT, Rn. 66; dies verkennt Repgen, AcP 200 (2000), 533 (553). 50 Palandt/Heinrichs, vor § 116 Rn. 17; Giesen, AT, Rn. 66. 51 Flume, AT 2, § 35 II 3. 52 Staudinger/Bork, § 151 Rn. 2. 53 Soergel/Wolf, § 151 Rn. 7; Medicus, BR, Rn. 55.

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Vertrauenstatbestandes der Anfechtung nicht bedürfe; vielmehr liege wie beim mangelnden Erklärungsbewusstsein dann keine Annahme vor.55 (2) Fallgruppen der Annahme des Kaufvertragsangebotes Die Annahme des Kaufvertragsangebotes ist durch Erklärung gegenüber dem Antragenden möglich, auch wenn dies gemäß § 151 S. 1 BGB entbehrlich ist.56 Erklärt der Angebotsempfänger diese etwa ausdrücklich gegenüber dem Antragenden, so kommt der (Kauf-)vertrag zustande. Ebenso ist eine konkludente Erklärung diesem gegenüber denkbar. Erfolgt eine solche Erklärung dem Antragenden gegenüber, bedarf es der Grundsätze des § 151 BGB nicht; es gelten die allgemeinen Grundsätze über empfangsbedürftige Willenserklärungen und das Zustandekommen eines Vertrages.57 Bei einer Annahme des Angebotes unter den Voraussetzungen des § 151 BGB wird im Anschluss an Wedemeyer58 oftmals differenziert in Erfüllungshandlungen einerseits und Aneignungs- und Gebrauchshandlungen andererseits.59 Erfüllungshandlungen sind alle Handlungen, die offensichtlich dazu bestimmt sind, den angetragenen Vertrag auszuführen und mit der Erfüllung wenigstens zu beginnen.60 Sie werden unter der Voraussetzung als Annahme angesehen, dass die erbrachte Leistung der vom Antragenden begehrten Leistung entspricht.61 Dass der Leistungserfolg eintritt, ist hingegen nicht erforderlich.62 Vielmehr kommt es auf die Auslegung der Handlung an. Daher ist der Vertrag auch schon zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Handlung geschlossen.63 Im Fall der Zusendung unbestellter Waren besteht daher die Annahme in derjenigen Handlung, die die Erfüllung auf den Weg bringt, also etwa der Absendung des Kaufpreises oder der Abgabe des Überweisungsformulars bei der Bank. 54 Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 24; v. Thur, AT 2/1, S. 479; Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 2; Ennecerus/Nipperdey, AT, § 162, S. 994 Fn. 6. 55 MK-Kramer, § 151 Rn. 51. 56 Soergel/Wolf, § 151 Rn. 2; Staudinger/Bork, § 151 Rn. 2; Weimar, JR 1967, 417; Planck (3. Aufl.), § 151 Anm. 4; Planck/Flad (4. Aufl.), § 151 Anm. 4. 57 Soergel/Wolf, § 151 Rn. 2; Staudinger/Bork, § 151 Rn. 2; Planck/Flad (4. Aufl.), § 151 Anm. 4. 58 Wedemeyer, Der Abschluss eines obligatorischen Vertrages durch Erfüllungs- und Aneignungshandlungen (1904). 59 Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 8; MK-Kramer, § 151 Rn. 53; Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 2; Giesen, AT, Rn. 66. 60 Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 9. 61 Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 15; OLG Köln NJW 1995, 3128 (3129). 62 Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 11. 63 Soergel/Wolf, § 151 Rn. 26; Staudinger/Bork, § 151 Rn. 25; Giesen, AT, Rn. 66; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 53.

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Dies gilt auch für den Fall, dass die Erfüllungshandlung in der Folge als Erklärung dem Antragenden gegenüber erscheint. Auf den Zugang kommt es dann nicht mehr an. Hat hingegen die Erfüllungshandlung nicht die Qualität einer Willenserklärung bzw. -betätigung (weil etwa dem Antragsempfänger das Erklärungsbewusstsein fehlt, s. o.), so sind – wenn dem Antragenden etwas zugeht, was er als Annahme verstehen kann – die Grundsätze über das fehlende Erklärungsbewusstsein bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen anwendbar, und der Vertrag kommt in diesem Zeitpunkt zu Stande. Weitaus verbreiteter und diskutierter im Rahmen der Zusendung unbestellter Waren sind die Fälle, welche unter die Fallgruppe der Aneignungs- und Gebrauchshandlungen gefasst werden. Obwohl die Auslegung dieser nichtempfangsbedürftigen Willenserklärung bzw. -betätigung grundsätzlich nicht nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß § 157 BGB erfolgt, sondern nach dem wirklichen Willen (§ 133 BGB), so wird dieser jedoch ganz überwiegend anhand äußerer Indizien ermittelt.64 Meist werden hierunter den Antragenden beeinträchtigende Handlungen verstanden, die der Angebotsempfänger nach dem Willen des Antragenden nur bei Annahme des Angebotes vornehmen darf.65 Ähnlich wird auch darauf abgestellt, dass jede Handlung als Annahme zu werten sei, welche nur der Eigentümer der Sache rechtmäßig ausführen könne.66 Da rechtmäßiges Handeln im Zweifel zu unterstellen sei, ließen sie auf einen (latenten) Annahmewillen schließen.67 Welches Verhalten des Empfängers unbestellter Zusendungen im Einzelnen als Aneignungs- oder Gebrauchshandlung und damit als Annahme anzusehen ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Auch wenn dies eine Frage des Einzelfalles ist,68 so lassen sich jedoch generellere Aussagen zu verschiedenen Fallgruppen feststellen: Einigkeit besteht darin, dass die bloße Entgegennahme der Sendung nicht als Annahme ausgelegt werden kann.69 Denn erst nach der Entgegennahme ist es dem Empfänger möglich, den Inhalt des Angebotes zu erkennen.70 Ebenso wird das Öffnen der verpackten Ware grundsätzlich nicht als Annahme angesehen.71 Auch beim bloßen Ausprobieren der Ware wie dem „Hineinlesen“ in ein Buch wird diesem Verhalten noch kein Annahmewille beige64

BGHZ 111, 97 (101). Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 17; BGHZ 111, 97 (101); Lange, JuS 1997, 431 (432); Pawlowski, AT, Rn. 608. 66 Planck/Flad (4. Aufl.), § 151 Anm. 4a. 67 Larenz, AT (6. Aufl.), S. 519. 68 Planck (3. Aufl.), § 151 Anm. 4; Staudinger/Bork, § 151 Rn. 17; Erman/Hefermehl (10. Aufl.), § 151 Rn. 5. 69 Schwung, JuS 1985, 449 (450); Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (89). 70 Schwung, JuS 1985, 449 (450). 65

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messen.72 Bejaht man mit der h. M. eine Annahme für jede Handlung, die dem Handelnden nur für den Fall der Annahme gestattet ist,73 so bietet sich eine Grenzziehung zu der noch nicht als Annahme zu wertenden Handlung dort an, wo das Ausprobieren deutlich über das hinausgeht, was bei herkömmlichen Verkaufsgesprächen möglich ist.74 Hiernach ist sowohl das Öffnen, als auch das Ausprobieren der Ware im Regelfall nicht als Annahme anzusehen. Das gleiche Ergebnis dürfte zu erzielen sein, wenn man diejenigen Handlungen ausscheidet, die lediglich auf die Kenntnisnahme des Angebotes abzielen.75 Eine andere Beurteilung kann sich ergeben, wenn die Handlung einem Verbrauch nahe kommt, etwa wenn es sich um verderbliche Waren handelt. So wird das Öffnen einer Weinflasche mit einem Verbrauch gleichzusetzen sein. Als Annahme wird daher überwiegend auch das Aufschneiden eines Buches angesehen.76 Denn ein solches Verhalten diente nicht bloß der Kenntnisnahme und ginge über das hinaus, was bei einem Verkaufsgespräch üblich wäre. Nahezu einhellig als Annahme wird der endgültige bzw. ständige Gebrauch oder auch der Verbrauch der Ware angesehen.77 Auch hier wird argumentiert, der Angebotsempfänger dürfe diese Handlung nur bei Annahme des Kaufvertragsangebotes vornehmen.78 Aus dem gleichen Grund wird ganz überwiegend die Weiterveräußerung der zugesandten Ware als Annahme gedeutet.79 Rechtmäßig könne der Angebotsempfänger nur bei Annahme des Kaufvertragsangebotes über die Sache verfügen.80 Auch sonstige Handlungen, wie etwa das Einbindenlassen eines zugesandten Buches oder das Einschreiben des Namens in ein solches, werden von der ganz 71 Schwung, JuS 1985, 449 (450); Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (89); Berger, JuS 2001, 649 (650); Weimar, JR 1967, 417; Lange, JuS 1997, 431 (432); Staudinger/Bork, § 146 Rn. 11; AK-Hart, § 151 Rn. 4. 72 Soergel/Wolf, § 145, Rn. 26; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 11; Giesen, AT, Rn. 66 Fn. 175; Weimar, JR 1967, 417. 73 Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 17; BGHZ 111, 97 (101). 74 Giesen, AT, Rn. 66 Fn. 175. 75 AK-Hart, § 151 Rn. 4. 76 Erman/Hefermehl (10. Aufl.), § 151 Rn. 5; MK-Kramer, § 151 Rn. 55; Ennecerus/Nipperdey, AT, § 162, S. 995; v. Thur, AT 2/1, § 61, S. 405; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 53; a. A. AK-Hart, § 151 Rn. 4; Weimar, JR 1967, 417. 77 Staudinger/Bork, § 151 Rn. 18; § 146 Rn. 11; Jauernig/Jauernig (9. Aufl.), § 145 Rn. 6; Berger, JuS 2001, 649 (650); Weimar, JR 1967, 417; Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 17 ff.; Planck (3. Aufl.), § 151 Anm. 4. 78 Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 17 ff. 79 MK-Kramer, § 151 Rn. 55; Planck (3. Aufl.), § 151 Rn. 4; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 53; Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 18; Hübner, AT, Rn. 1009; Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 359; Pawlowski, AT, Rn. 608, bejaht eine Annahme sogar beim Verleihen der Sache. 80 Planck/Flad (4. Aufl.), § 151 Rn. 4a.

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h. M. als Annahmeerklärung bzw. -betätigung qualifiziert.81 Ebenso wird die Verarbeitung der Sache als Annahmehandlung angesehen.82 Das Hineinstellen eines zugesandten Buches in das Bücherregal wird nicht als Annahme angesehen, da dieses Verhalten nicht eindeutig auf den Annahmewillen schließen lasse.83 Da die unbestellte Zusendung eine Belästigung darstelle, will eine starke Literaturmeinung dem Empfänger das Recht zubilligen, sich einer geringwertigen Ware durch Wegwerfen bzw. Zerstören zu entledigen.84 Aus dieser Überlegung, die oftmals nicht im Zusammenhang der Erörterung des Vertragsschlusses, sondern im Rahmen der gesetzlichen, insbesondere deliktischen, Ansprüche angestellt wird, dürfte aber auch zu schließen sein, dass im Fall der Geringwertigkeit hierin keine Annahme gesehen werden soll. Selten wird jedoch darauf eingegangen, wie es sich verhält, wenn es sich nicht um eine geringwertige Sache handelt.85 Wenn das Wegwerfen allerdings als eine die gesetzliche – insbesondere deliktische – Haftung auslösende Handlung angesehen wird,86 so bedeutet dies, dass die Zerstörung bzw. das Wegwerfen von dieser Meinung nicht als Annahme angesehen wird. Anderenfalls entfiele schließlich eine Eigentumsverletzung bzw. ein Schaden, da eben mit dem Wegwerfen das Eigentum an der Sache rechtsgeschäftlich überginge. Hierin keine Annahme zu sehen, erscheint jedoch nur schwer vereinbar mit dem Argument, dass diejenigen Handlungen als Annahme anzusehen seien, die der Angebotsempfänger dem Willen des Antragenden nach nur bei Annahme des Kaufvertragsangebotes vornehmen dürfe. Das Wegwerfen ist schließlich eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen des Antragenden. Wegen dieses Widerspruchs setzt die genannte Literaturmeinung bei geringwertigen Sachen wohl auch bei der Interpretation des Willens und der Interessen des Antragenden an und argumentiert, der Antragende habe dieses Verlustrisiko von vornherein eingerechnet.87 Dass allerdings gleichfalls bei wertvollen Sachen das Wegwerfen bzw. die Zerstörung keine Annahme darstellen kann, folgt auch daraus, dass es problematisch er-

81 Berger, JuS 2001, 649 (650); Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 53; v. Thur, AT 2/ 1, S. 405; Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 18, 20; Planck/Flad (4. Aufl.), § 151 Anm. 4a; Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 359. 82 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, Einl. Anm. 11. 83 AK-Hart, § 151 Rn. 4; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 54. 84 Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; MK-Kramer, § 145 Rn. 11; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 14; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 91. 85 Generell eine Annahme bei vorsätzlicher Zerstörung verneint ausdrücklich Milster, Unbestellte Ware, S. 21. 86 So Staudinger/Coing (11. Aufl.), § 146 Rn. 8; Fränkel, Die unbestellte Ware, S. 68 f.; Ulitzka, Zusendung unbestellter Ware, S. 30 f.; Aßmann, Unbestellte Zusendungen, S. 130. 87 So Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26.

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scheint, ein solches dereliktionsähnliches Verhalten noch unter die Fallgruppe der Aneignungshandlungen zu fassen. (3) Kritik und Ergebnis Gegen das Abstellen auf die Beeinträchtigung der Interessen des Antragenden bzw. gegen das Argument, eine unberechtigte Verfügung oder Beeinträchtigung der Sache bedeute die Annahme des Kaufvertragsangebotes, wendet sich Schwung.88 Ihm zufolge kommt es nicht darauf an, ob die Handlung dem Angebotsempfänger rechtlich gestattet ist.89 Die Vorschriften über die Verfügung von Nichtberechtigen zeigten, dass die tatsächliche Ausübung von Herrschaftsgewalt nicht notwendig die rechtliche Verfügungsmacht voraussetze.90 Seiner Auffassung nach kommt es ausschließlich auf das Vorliegen der Bestandteile einer Willenserklärung an, weshalb neben der ausdrücklich erklärten Annahme als konkludente Annahme lediglich die Kaufpreiszahlung als Erfüllungshandlung in Frage komme.91 In der Tat leuchtet nicht unmittelbar ein, weshalb die Beeinträchtigung der Interessen des Antragenden bzw. die Ausübung von Herrschaftsgewalt notwendigerweise als Annahme zu deuten sein soll. Das Zugrundelegen der Interessen des Antragenden erscheint auch deswegen problematisch, weil dies dazu verleiten könnte, die subjektiven Interessen des Antragenden in dessen Sinne frei festzulegen und ihn damit die Annahmehandlung beliebig bestimmen zu lassen. Legt man die Interessen des Antragenden zugrunde, kann es daher nur um die Interessen eines objektiven, redlichen Antragenden gehen. Deshalb wird auch argumentiert, der Hinweis auf einer Schutzhülle, bei Öffnung derselben werde der Antrag angenommen, sei wirkungslos.92 Der Antragende könne auf den Zugang der Annahme verzichten, aber es stehe nicht in seiner Macht, das Verhalten des Adressaten einseitig zu deuten.93 Die Orientierung an den Interessen des Antragenden (also des potentiellen Empfängers der Annahme) ist nur schwer vereinbar mit dem von der h. M. aufgestellten Grundsatz, dass bei der Auslegung der nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung des Empfängers nach dem wirklichen Willen die Interessen des Erklärungsempfängers unberücksichtigt bleiben.94 Eben diese als Kriterium für die Bestimmung einer Annahme heranzuziehen, erscheint problematisch. 88 89 90 91 92 93 94

Schwung, JuS 1985, 449 (450). Schwung, JuS 1985, 449 (450). Schwung, JuS 1985, 449 (450). Schwung, JuS 1985, 449 (450). Brehm, AT, Rn. 530; a. A. Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 50. Brehm, AT, Rn. 530. Vgl. Brox, AT, Rn. 130.

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Auch gegen das von der h. M. aufgestellte Kriterium der Auslegung der Handlung des Empfängers aus der Sicht eines objektiven Dritten bestehen Bedenken. Dies bewirkt in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen nahezu eine Gleichsetzung von empfangsbedürftiger und nicht empfangsbedürftiger Willenserklärung (bzw. Willensbetätigung). Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen (bzw. -betätigungen) sind grundsätzlich gemäß § 133 BGB nur nach dem wirklichen Willen des Erklärenden auszulegen.95 Die Auslegung ist nicht an der Verständnismöglichkeit eines Empfängers orientiert, sondern kann alle Umstände des wirklich Gewollten heranziehen.96 Es kann sich dabei insbesondere auch um Umstände handeln, die außerhalb der Erklärung selbst liegen.97 Empfängerschutz ist nicht erforderlich.98 Diese Kriterien müssten auch bei der Annahme nach § 151 BGB zugrunde gelegt werden.99 Durch die Konstruktion der h. M., die Auslegung einer ggf. als Annahme zu deutenden Handlung aus der Perspektive eines objektiven Dritten vorzunehmen, entsteht die erweiterte Möglichkeit, dass Erklärtes und Gewolltes auseinanderfallen.100 Stellte man, den allgemeinen Grundsätzen folgend, auf den wirklichen Willen ab, so entfiele in der Regel auch der Rückgriff auf § 116 S. 1 BGB, da sich dieser Vorbehalt vielfach aus irgendwelchen Umständen ergeben wird. Als Auslegungsergebnis läge dann keine Willenserklärung vor.101 Zwar ist § 116 S. 1 BGB nach dem Gesetzeswortlaut und nach allgemeiner Meinung auch auf nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen anwendbar.102 Stellt man auf den wirklichen Willen ab, der anhand aller (ggf. nicht mit dem Erklärungsverhalten in Zusammenhang stehenden) Umstände ermittelt wird, so erscheint es aber nicht gerechtfertigt, diesen ermittelten Willen durch Anwendung des § 116 S. 1 BGB wieder zu korrigieren.103 Sinnvoll erscheint dies lediglich, soweit bei der Willenserklärung – wie etwa bei der Auslobung – ein gewisser Verkehrsschutz zu gewährleisten ist.104 Bei strikter Befolgung der Grundsätze zur Auslegung nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen ver95 Medicus, AT, Rn. 322; Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 15, 90; § 22 Rn. 12; HK-Dörner, § 133 Rn. 7; Rüthers/Stadler, AT, § 18 Rn. 15. 96 Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 90. 97 Brox, AT, Rn. 126. 98 Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 90. 99 So ausdrücklich HK-Dörner, § 133 Rn. 7; Eckardt, BB 1996, 1945 (1948); ebenso Schwarze, AcP 202 (2002), 607 (609, 618, 623), der aber der Annahme nach § 151 BGB den Charakter einer Willenserklärung abspricht. 100 Gegen diesen Maßstab für die Auslegung auch Eckardt, BB 1996, 1945 (1948). 101 Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 10, verneint daher eine Annahme trotz eigentümerähnlichen Verfahrens mit der Sache, wenn der Handelnde gleichzeitig zu erkennen gibt, ein Kauf- und Übereignungsangebot nicht annehmen zu wollen. 102 MK-Kramer, § 116 Rn. 3; Palandt/Heinrichs, § 116 Rn. 3. 103 Eckardt, BB 1996, 1945 (1949). 104 Eckardt, BB 1996, 1945 (1949).

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bliebe also nur dort Raum für § 116 S. 1 BGB, wo der innere Vorbehalt noch nicht einmal durch die Heranziehung aller sonstigen, außerhalb der Erklärung stehenden, Umstände zu Tage tritt. Legte man strikt nach dem wirklichen Willen aus, so bliebe ebenfalls nur die eher theoretische Möglichkeit eines Irrtums nach bzw. analog § 119 BGB.105 Sachlich daher in der Regel richtig, aber insoweit von der h. M. inkonsequent erscheint es deshalb, bei fehlendem Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung zu verneinen. Stellte man konsequent auch hier auf den objektiven Dritten ab, so läge es nahe, dem Handelnden ebenso wie bei der empfangsbedürftigen Willenserklärung aus Verkehrs- bzw. Empfängerschutzgründen bei potentiellem Erklärungsbewusstsein eine (anfechtbare) Willenserklärung zuzurechnen. Die Auswirkungen dieses Abstellens auf den objektiven Dritten verdeutlicht ein Vergleich mit der Problematik der Rechtsnatur der Eigentumsaufgabe des § 959 BGB.106 Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass hierbei ebenso wie bei der Annahme gemäß § 151 BGB umstritten ist, ob es sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung107 oder um eine „Willensbetätigung“108 handelt. Zweite Gemeinsamkeit ist, dass auch bei der Dereliktionserklärung – anders als etwa bei der Auslobung – kein Kundgabezweck verfolgt wird.109 Es ist also zunächst kein Grund ersichtlich, die Fälle der Annahme nach § 151 BGB und der Willenserklärung bzw. -betätigung der Dereliktion dogmatisch unterschiedlich zu behandeln.110 Dennoch sind einige Unterschiede zwischen der Handhabung der Annahme gemäß § 151 BGB und der Dereliktionserklärung sichtbar. Insbesondere wird bei der Auslegung der Dereliktionserklärung nicht auf einen objektiven Dritten abgestellt. Bei der Dereliktionserklärung, bei welcher der Empfängerschutz ebenfalls keine Rolle spielt, wird vielmehr der wirkliche Wille als maßgeblich angesehen, weshalb eine Dereliktionserklärung auch dann nicht vorliege, wenn der Verzichtwille (also das Erklärungsbewusstsein) fehlt, obwohl ein objektiver Dritter auf einen solchen schließen müsse.111 § 116 BGB wird teilweise für nicht anwendbar erklärt.112 Dasselbe gelte für § 119 I BGB.113

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Eckardt, BB 1996, 1945 (1949). Ein Vergleich mit der Problematik der Auslegung letztwilliger Verfügungen soll hier unterbleiben, da sich bei diesen zusätzlich das Problem der Formbedürftigkeit stellt. 107 So etwa Erman/Ebbing, § 959 Rn. 1. 108 So etwa Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 24; § 22 Rn. 10; Staudinger/Gursky, § 959 Rn. 1. 109 Eckardt, BB 1996, 1945 (1948). 110 Eckardt, BB 1996, 1945 (1948). 111 Staudinger/Gursky, § 959 Rn. 1; Pawlowski, AT, Rn. 609. 112 Staudinger/Gursky, § 959 Rn. 1. 106

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Diese unterschiedliche Behandlung mit ihren Folgen für die Anwendbarkeit der §§ 116, 119 BGB ist nicht einleuchtend. Sie verträgt sich nicht mit den anerkannten Grundsätzen über nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen. Dogmatisch überzeugender erscheint es daher, für die Annahme nach § 151 BGB auf die Perspektive eines objektiven Dritten zu verzichten und konsequent auf den wirklichen Willen abzustellen.114 Die Folge wäre dann die Anwendbarkeit der §§ 116 ff. BGB nur in dem Ausnahmefall, dass sich der wirkliche Wille überhaupt nicht, also auch nicht in Umständen, die außerhalb der Erklärung liegen, niedergeschlagen hat.115 Hinter dem Kriterium des objektiven Dritten stehen offenbar Verkehrsschutzinteressen. Zwar benennt dies die h. M. nicht ausdrücklich. Dass für den Verkehrsschutz ein praktisches Bedürfnis besteht, ist aber (anders als bei § 959 BGB) unverkennbar, da sonst vertragliche Ansprüche, die sich auf § 151 BGB gründen, kaum durchsetzbar wären. Die Annahme durch § 151 BGB würde damit weitgehend bedeutungslos.116 Daher soll die Konzeption der h. M. trotz der dogmatischen Bedenken im Folgenden zugrunde gelegt werden. Hieraus ergibt sich zusammenfassend: – Eine Annahme des Kaufvertragsangebotes kann neben der Annahme durch (ausdrückliche oder konkludente) Erklärung gegenüber dem Versender in Erfüllungshandlungen sowie in Aneignungs- und Gebrauchshandlungen gesehen werden, wenn diese aus der Perspektive eines objektiven Dritten eindeutig auf einen Annahmewillen schließen lassen. Dies ist insbesondere beim ständigen Gebrauch bzw. beim Verbrauch, bei der Weiterveräußerung und der Verarbeitung117 der Sache der Fall. Im Wegwerfen118 bzw. Zerstören der Sache liegt jedoch keine Annahme.

113 Staudinger/Gursky, § 959 Rn. 1; Larenz/Wolf, AT, § 22 Rn. 12 f., die an dieser Stelle die Annahme nach § 151 BGB und die Willensbetätigung bei der Dereliktion ausdrücklich gleich behandeln, in § 30 Rn. 4, 24 im Rahmen der Behandlung des § 151 BGB jedoch von der Anwendbarkeit des § 119 I BGB ausgehen. 114 Eckardt, BB 1996, 1945 (1948). 115 Die Anwendbarkeit der §§ 116 ff. BGB ganz verneinend Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 379; die Anwendbarkeit von § 119 I BGB verneint Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 8. 116 Nach Schwung, JuS 1985, 449 (450), verbleibt daher nur die Möglichkeit einer Annahme durch Erklärung gegenüber dem Versender. 117 Hier kann dahinstehen, ob bei der Verarbeitung das Eigentum rechtsgeschäftlich oder gemäß § 950 I BGB übergeht. 118 Der im Kontext der Zusendung unbestellter Waren oft verwendete Begriff „Wegwerfen“ ist ungenau. Das Wegwerfen einer Sache in den Hausmüll beeinhaltet ein Übereignungsangebot an das Müllabfuhrunternehmen. Wegwerfen ist also regelmäßig eine Weiterveräußerung. Mit „Wegwerfen“ sind hier (und wohl auch in der Literatur) nur solche Handlungen gemeint, in denen keine Weiterveräußerung liegt.

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– Ein innerer Vorbehalt, das Angebot nicht annehmen zu wollen, ist gemäß bzw. entsprechend § 116 S. 1 BGB unbeachtlich. – Bei fehlendem Erklärungsbewusstsein liegt keine Annahme vor; bei Irrtümern ist § 119 BGB (entsprechend) anwendbar. cc) Ablehnung des Kaufvertragsangebotes, § 146 BGB Fraglich ist, ob bzw. wie der Antragsempfänger das Kaufvertragsangebot ablehnen und so einer Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung entgehen kann. Die auch im Anwendungsbereich des § 151 BGB mögliche Ablehnung gemäß § 146 BGB ist trotz Entbehrlichkeit der Annahmeerklärung gegenüber dem Antragenden eine empfangsbedürftige Willenserklärung.119 Als Willensbetätigung ist sie damit nicht zulässig.120 Der Antrag des Versenders erlischt also mit Zugang der Ablehnung und kann daher nicht mehr angenommen werden.121 Problematisch erscheint hieran, dass der Angebotsempfänger somit nach erfolgter Ablehnung die genannten Aneignungs- und Gebrauchshandlungen vornehmen kann, ohne dass diese eine vertragliche Bindung zur Folge haben. Zwar kann der Antragende sein Angebot erneuern. Erforderlich ist hierfür jedoch ein erkennbares Verhalten.122 Allein die Absicht des Versenders, sein Angebot zu erneuern bzw. aufrechtzuerhalten, reicht nicht aus.123 Denkbar erscheint es zwar auch, die spätere Gebrauchs- bzw. Aneignungshandlung als ein Kaufvertragsangebot seitens des Empfängers anzusehen.124 Jedoch wird dieses dem Versender in aller Regel nicht zugehen. Schließlich kommt noch eine Lösung über den aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsatz des venire contra factum proprium125 in Betracht. Dies ist jedoch schon deswegen problematisch, weil das widersprüchliche Verhalten, welches in der Aneignungs- oder Gebrauchshandlung bestünde, dem Versender „eigentlich“ nicht bestehende Rechte geben würde und auch ein Vertrauen des Versenders allenfalls auf das Nichtbestehen eines Vertrages gerichtet wäre. Gerade wenn es um die Herleitung „eigentlich“ nicht bestehender Rechte aus § 242 BGB geht, werden jedoch besonders strenge Maßstäbe angelegt, um nicht beliebige Ergebnisse zu produzieren.126 Eine Lösung über § 242 BGB ist daher abzulehnen. Sie 119 120 121 122 123 124 125 126

MK-Kramer, § 146 Rn. 4; Soergel/Wolf, § 146 Rn. 4. Soergel/Wolf, § 146 Rn. 4. BGHZ 111, 97 (101 f.); Soergel/Wolf, § 151 Rn. 27. Soergel/Wolf, § 146 Rn. 3. Soergel/Wolf, § 146 Rn. 3. Vgl. Jauernig/Jauernig, § 146 Rn. 3. Zu diesem Grundsatz Larenz/Wolf, AT, § 16 Rn. 25, 44 ff. Teichmann, JA 1985, 497 (500); Staudinger/J. Schmidt, § 242 Rn. 682.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

erscheint allerdings auch nicht erforderlich, da das Schadensersatzrecht in einem solchen Fall hinreichenden Ausgleich schaffen kann. dd) Die Dauer der Gebundenheit an das Kaufvertragsangebot Auch im Fall des Angebotes unter Verzicht auf die Annahmeerklärung gegenüber dem Antragenden (§ 151 S. 1 BGB) kann der Antragende dem Angebotsempfänger ausdrücklich eine Frist i. S. von § 148 BGB setzen, nach deren Ablauf der Antrag erlischt, § 146 BGB.127 In Abweichung von § 147 II BGB bestimmt § 151 S. 2 BGB jedoch bei Nichtvorliegen einer Fristsetzung den Zeitpunkt des Erlöschens des Antrags nach dem aus den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. In der Literatur wird vielfach davon ausgegangen, dass sich aus der Interessenlage regelmäßig eine kurze Annahmefrist ergebe.128 Der Antragende wolle die Unsicherheit bezüglich seiner Disposition nur kurzfristig in Kauf nehmen.129 Die Rechtsprechung hingegen lehnt eine solche Vermutung für eine kurze Annahmefrist ab.130 Vielmehr sei auf die Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Interessenlage des Antragenden abzustellen.131 In der Tat erscheint es problematisch, Regelmäßigkeiten für die Interessenlage des Antragenden zu bestimmen. So ist die Dauer des Bindungswillens bei der Zusendung unbestellter Waren nicht ohne weiteres vergleichbar mit der bei Warenbestellung im Versandhandel. In letzterem Fall leuchtet ein kurzer Bindungswille ein, da sich der Besteller ggf. die Ware anderswo beschaffen will. Wenn es sich um ein für den Besteller vorteilhaftes Geschäft handelt, dürfte aber auch hier von einer längeren Bindungswilligkeit des Antragenden auszugehen sein.132 Aber auch bei der Zusendung unbestellter Waren können sehr unterschiedliche Interessenlagen bestehen. Ist eine geringwertige Sache zugesandt, bei welcher dem Antragsempfänger gestattet wird, diese wegzuwerfen, ohne dass dies die Entstehung von Ansprüchen zu Folge hat,133 so liegt eine lange Annahmefrist gerade im Interesse des Antragenden. Abzustellen ist also auf die konkreten Umstände des Einzelfalles.

127

MK-Kramer, § 151 Rn. 57. Palandt/Heinrichs, § 151 Rn. 5; MK-Kramer, § 151 Rn. 57; Erman/Hefermehl (9. Aufl.), § 151 Rn. 7. 129 AK-Hart, § 151 Rn. 8. 130 BGH NJW 1999, 2179 (2180). 131 BGH NJW 1999, 2179 (2180); ebenso nunmehr Erman/Armbrüster, § 151 Rn. 7. 132 Vgl. etwa BGH NJW 2000, 2984 (2985). 133 Vgl. oben bb) (2). 128

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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ee) Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß §§ 134, 138 BGB? Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung stellte die Zusendung unbestellter Waren als typischer Fall des sog. „Anreißens“ grundsätzlich134 einen Verstoß gegen die guten Sitten dar und verstieß somit schon gegen § 1 UWG a. F.135 Hieraus könnte erstens geschlossen werden, dass dieser Verstoß als gesetzliches Verbot i. S. des § 134 BGB die Nichtigkeit des Kaufvertrages zur Folge hätte. Zweitens könnte man den Kaufvertrag wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 I BGB für nichtig halten. Die erste Möglichkeit wird vereinzelt bejaht,136 ganz überwiegend aber zu Recht abgelehnt, da § 1 UWG a. F. bzw. § 3 UWG n. F. nur die unlauteren Wettbewerbshandlungen verbietet, nicht aber die durch sie zustande gekommenen Verträge.137 Solche Verträge sind, da diese Verbote nur die Art des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts, nicht aber dessen Inhalt betreffen, grundsätzlich nicht nach § 134 BGB nichtig.138 Auch die zweite Möglichkeit wurde bejaht, da die zu bejahende Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG a. F. bei § 138 I BGB zu berücksichtigen sei.139 Ein Verstoß gegen § 138 I BGB ist jedoch mit der nahezu einhelligen Meinung abzulehnen: Die Begriffe der Sittenwidrigkeit in § 1 UWG a. F. und § 138 I BGB sind verschiedenartig. Während § 138 BGB Missbräuchen der Privatautonomie entgegenwirkt, betrifft § 1 UWG a. F. die guten Sitten des Wettbewerbs.140 134

Zu den Ausnahmen vgl. Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 73. BGH NJW 1965, 1662; 1976, 1977 (1978); 1992, 3040; Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 72; Emmerich, WbR, § 12 Nr. 5. Auch nach der am 8. 7. 2004 in Kraft getretenen Neufassung des UWG (BGBl. I 2004, S. 1414–1421) liegt bei der Zusendung unbestellter Waren ein Wettbewerbsverstoß i. S. des § 3 UWG (n. F.) vor. Die Gesetzesbegründung will dabei die Zusendung unbestellter Waren als „unzumutbare Belästigung“ i. S. des § 7 II Nr. 1 UWG (n. F.) verstanden wissen, BT-Drs. 15/1487 S. 21. Der „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/7/ EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (KOM(2003) 356 – C5-0288/2003 – 2003/0134(COD)) vom 18. Juni 2003“ behandelt (die Aufforderung zur Bezahlung) unbestellte(r) Waren oder Dienstleistungen als eine Geschäftspraktik, die „unter allen Umständen als unlauter“ i. S. des Art. 5 Nr. 3b RiLi-E (aggressive Geschäftspraktiken) zu gelten habe, Anhang I Punkt 7. Das Europäische Parlament hat am 20. April 2004 in erster Lesung den Entwurf gebilligt, in Bezug auf unbestellte Waren oder Dienstleistungen ergänzt um die Alternative der Aufforderung zur Rücksendung und die Ausnahme des in § 241 III BGB umgesetzten Art. 7 III der Richtlinie 97/7/EG über den Fernabsatz. 136 Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (95). 137 Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 913; Staudinger/Sack, § 134 Rn. 304. 138 MK-Mayer-Maly/Armbrüster, § 134 Rn. 67. 139 AG Trier, NJW 1972, 160 f. 140 BGHZ 110, 156 (174 f.). 135

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Auch bei § 138 I BGB muss der Inhalt, nicht bloß das Zustandekommen, gegen die guten Sitten verstoßen.141 Da aber allenfalls das Zustandekommen des Vertrages bei der Zusendung unbestellter Waren gegen die guten Sitten verstößt, ist Nichtigkeit nach § 138 I BGB zu verneinen.142 Nach In-Kraft-Treten des neuen UWG dürfte diese Meinung wohl nicht mehr vertreten werden, da § 3 UWG n. F. nun nicht mehr an die „guten Sitten“, sondern an die „Unlauterkeit“ anknüpft. b) Ansprüche aus subsidiärem Verwahrungsvertrag? Teilweise wird in der Zusendung ein Angebot auf Abschluss eines Verwahrungsvertrages gesehen.143 Dieses sei dem Verhalten des Zusendenden subsidiär für den Fall zu entnehmen, dass eine Annahme des Kaufvertragsangebotes nicht erfolge.144 Es handele sich um das Angebot auf Abschluss eines unentgeltlichen Verwahrungsvertrages.145 Die Unentgeltlichkeit wird hierbei u. a. mit dem Argument begründet, dass der Versender keinen Aufwendungsersatz leisten wolle.146 Die wohl überwiegende Meinung lehnt die Auslegung des Verhaltens des Versenders als Angebot auf Abschluss eines (unentgeltlichen) Verwahrungsvertrages jedoch ab.147 Hiergegen spreche der vom Versender ins Auge gefasste Geschäftszweck, der ausschließlich auf den Verkauf der Ware ausgerichtet sei.148 Lasse sich dieser nicht erreichen, so bestehe das Interesse des Versenders nur in der sofortigen Wiedererlangung der Ware.149 Schließlich wolle sich der Versender nicht zur Leistung von Aufwendungsersatz gemäß § 693 BGB verpflichten.150 141

BGHZ 110, 156 (174 f.); Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 913. Staudinger/Sack, § 134 Rn. 304. 143 Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 13; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 13; Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 5; Lange, JuS 1997, 431 (433); Weimar, JR 1967, 417; Bunte, FS Gaedertz, S. 87, (90); StudK-Hadding, § 145 Anm. 2c; zu den insbes. in der frühen Literatur diskutierten sonstigen Vertragstypen, wie etwa einem Auftrag, einem „Besichtigungsvertrag“ oder einem „unbenannten Vertrag“, vgl. zusammenfassend Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 39 ff. 144 Lange, JuS 1997, 431 (433); Weimar, JR 1967, 417; StudK-Hadding, § 145 Anm. 2c. 145 Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 13; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 13; Lange, JuS 1997, 431 (433), Weimar, JR 1967, 417. 146 Lange, JuS 1997, 431 (433). 147 So ausdrücklich Schwung, JuS 1985, 449 (450); Wessel, BB 1966, 432; Weist, Unbestellte Zusendung, S. 45; gegen einen Verwahrungsvertrag Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; Jauernig/Jauernig (9. Aufl.), § 145 Rn. 6; Staudinger/Gursky, vor §§ 987–993 Rn. 15; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 43 f. 148 Schwung, JuS 1985, 449 (450). 149 Schwung, JuS 1985, 449 (450). 150 Schwung, JuS 1985, 449 (450). 142

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Insbesondere das letztgenannte Argument überzeugt. Jedenfalls im Fall der kommerziellen Zusendung unbestellter Waren im größeren Stil hat der Versender kein Interesse an der Verpflichtung zum Aufwendungsersatz. Denn diese besteht i. d. R. auch bei der unentgeltlichen Verwahrung,151 weshalb das Argument der erstgenannten Meinung fehlgeht. Von einem Angebot auf Abschluss eines Verwahrungsvertrages ist daher nicht auszugehen. Selbst die Vertreter der erstgenannten Meinung gehen jedoch ganz überwiegend davon aus, dass ein (unentgeltlicher) Verwahrungsvertrag nicht zustande komme, da sich der Wille zur Annahme dieses Angebotes durch den Empfänger der Ware i. d. R. nicht feststellen lasse.152 c) Reichweite des Anwendungsbereiches Die dargestellten Vertragsschlussgrundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich beim Versender oder Empfänger um Privatpersonen oder Kaufleute bzw. Unternehmer handelt.153 Etwas anderes gilt nur im Anwendungsbereich des § 362 HGB, bei welchem unter bestimmten Voraussetzungen auch das Schweigen eines Empfängers mit Kaufmannseigenschaft als Annahme gelten kann.154

2. Gesetzliche Ansprüche155 a) Herausgabeansprüche aa) § 985 BGB (1) Eigentum des Versenders Voraussetzung des Vindikationsanspruches ist zunächst das Eigentum des Versenders. Kommt ein Kaufvertrag über die zugesendete Sache nicht zustande, geht auch das Eigentum jedenfalls rechtsgeschäftlich nicht auf den Empfänger über. Eine Dereliktion scheidet mangels Verzichtswillen aus, da der Wille des 151

Palandt/Sprau, § 693 Rn. 1. Staudinger/Bork, § 146 Rn. 14; Lange, JuS 1997, 431 (433); Bunte, FS Gaedertz, S. 87, (90); einen Verwahrungsvertrag bejahend jedoch Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 13; Beer, DJZ 1901, 431 f.; Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 18 f. 153 Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; OLG Köln NJW 1995, 3128 (3129); Wessel, BB 1966, 432. 154 Weimar, JR 1967, 417; Soergel/Wolf, 145 Rn. 26. 155 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im Folgenden grundsätzlich davon ausgegangen, dass die zugesendete Sache zum Zeitpunkt der Zusendung im Eigentum des Versenders stand. 152

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Versenders darauf gerichtet war, dem Empfänger das Eigentum zu übertragen.156 Eine Ersitzung des Empfängers scheitert i. d. R. am fehlenden Eigenbesitz, § 937 I BGB.157 Das Eigentum kann allerdings durch Verarbeitung der Sache übergehen, § 950 I BGB. Da in der Verarbeitung regelmäßig die Annahme des Kaufvertragsangebotes zu sehen ist, geht das Eigentum i. d. R. zwar bereits158 rechtsgeschäftlich über. Doch selbst wenn in der Verarbeitung keine Annahme gesehen werden kann, etwa wegen Zeitablaufes (§ 151 S. 2 BGB), wegen vorheriger Ablehnung (§ 146 BGB) oder Unwirksamkeit der Annahme, bewirkt die Verarbeitung einen Eigentumsübergang nach § 950 I BGB. (2) Besitz des Empfängers Weitere Voraussetzung ist der Besitz des Empfängers. Vielfach wird dessen Besitz ohne nähere Differenzierung bejaht.159 Ohne konkrete Betrachtung möglicher Fallkonstellationen lässt sich diese Frage jedoch nicht beantworten. In Betracht kommen hier eine persönliche Übergabe an den Empfänger, ein Einwerfen in den Briefkasten und ein sonstiges Einbringen in die Wohnung bzw. den Herrschaftsbereich des Empfängers. Besitzerwerb gemäß § 854 I BGB erfordert die tatsächliche Sachherrschaft und nach heute ganz h. M. einen Besitzwillen,160 wobei dieses Erfordernis relativ weit aufgefasst wird und somit auch ein genereller bzw. antizipierter Besitzwille ausreicht, welcher allerdings nach außen erkennbar hervortreten muss.161 Wird dem Empfänger die Sache übergeben, so wird nach fast einhelliger Meinung zu Recht von Besitzerwerb ausgegangen.162 Dies gilt unabhängig davon, ob die Sache als unbestellt erkannt wurde.163 Denn die tatsächliche Sach156 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); vgl. auch Staudinger/Gursky, § 959 Rn. 4; eine Dereliktion erwägt aber Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (95). 157 Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (364). 158 Ist in der Verarbeitung die Annahme des Kaufvertragsangebotes zu sehen, bedarf es des § 950 I BGB nicht, da die Annahme nach § 151 S. 1 BGB in der Verarbeitungshandlung zu sehen ist, während es bei § 950 I BGB auf einen Verarbeitungserfolg ankommt, vgl. HK-Eckert, § 950 Rn. 3. 159 Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; Wessel, BB 1966, 432; MK-Joost, § 854 Rn. 10; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 854 Rn. 8; zweifelnd Weimar, JR 1967, 417; Josef, DJZ 1901, 383; Lange, Unbestellte Zusendungen, S. 17 ff. 160 Das Erfordernis des Besitzwillens wird u. a. aus den §§ 867 und 872 BGB hergeleitet, vgl. Schreiber, SaR, Rn. 51. 161 BGHZ 101, 186 (187, 190); MK-Joost, § 854 Rn. 10; Wolf, SaR, Rn. 171; Schwab/Prütting, SaR, Rn. 54; a. A. aber z. B. Heck, SaR, § 10, 4a; Westermann/ Gursky, SaR, § 13 I 2. 162 Schwung, JuS 1985, 449 (451); Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 10. 163 Gegen Besitzerwerb, wenn die Sache ohne Kenntnis ihrer Unbestelltheit angenommen wird Ulitzka, Zusendung unbestellter Ware, S. 27. Der auf den Besitzerwerb gerichtete Willensentschluss werde erst bei der Untersuchung gefasst.

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herrschaft ist mit der Entgegennahme gegeben. Zweifeln könnte man hieran lediglich wegen der von der h. M. geforderten gewissen Dauerhaftigkeit der Sachherrschaft.164 Diese darf nicht nur ganz vorübergehend gedacht sein.165 Selbst wenn man das Dauerhaftigkeitskriterium zugrunde legt,166 wird man Sachherrschaft aber zu bejahen haben. Denn auch wenn der Empfänger die Sache letztlich nicht erwerben und dauerhaft behalten will, bedeutet dies noch nicht, dass die Sachherrschaft bloß ganz kurzfristig sein soll. Auch der Besitzwille kann bei einer Entgegennahme nicht verneint werden. Als zusätzliches Argument für einen Besitzwillen – auch wenn dem Empfänger die Sache unlieb sein sollte – wird oftmals angeführt, dass sonst der Besitzschutz der §§ 858 ff. BGB entfalle.167 Wird die unbestellt zugesandte Sache in den Briefkasten eingeworfen, so liegen Sachherrschaft und Besitzwille ebenfalls vor, wobei in diesem Fall vom generellen bzw. antizipierten Besitzwillen gesprochen wird.168 Dieser tritt durch die Anbringung des Briefkastens auch erkennbar hervor. Teilweise wird der Besitzwille bei unbestellt in den Briefkasten eingeworfenen Sachen allerdings bezweifelt. Dieser sei nicht auf alle möglichen unbestellten Zusendungen gerichtet, sondern nur bei Sachen gegeben, für die der Briefkasten bestimmt sei.169 Dieser Auffassung ist jedoch mangels brauchbaren Abgrenzungskriteriums nicht zu folgen.170 Auch in diesem Fall ist der bei Nichtvorliegen des Besitzwillens fehlende Besitzschutz der §§ 858 ff. BGB zu bedenken.171 An in den Briefkasten eingeworfenen, unbestellten Sachen wird also Besitz erworben. Eine Ausnahme von diesem generellen Besitzwillen kann allenfalls gemacht werden, wenn sich dieser eindeutig erkennbar nicht auf die eingeworfene Sache bezieht. Dies wäre zu bejahen bei Sachen, die objektiv nicht in einen Briefkasten gehören.172 In der Literatur wird ferner die Frage diskutiert, ob der Empfänger Besitz an Sachen erlangt, die in seine Wohnung bzw. seinen Herrschaftsbereich eingebracht werden. Teilweise wird hier der allein problematische (generelle) Besitz164

Zu diesem Kriterium vgl. Staudinger/Bund, § 854 Rn. 10. Erman/A. Lorenz, § 854 Rn. 4. 166 Überzeugend gegen das Erfordernis der Dauerhaftigkeit MK-Joost, § 854 Rn. 11 f. 167 Schwung, JuS 1985, 449 (451); Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 11. 168 Schwung, JuS 1985, 449 (451); Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 13 f.; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 10 ff.; MK-Joost, § 854 Rn. 10; Staudinger/Bund, § 854 Rn. 18, 51. 169 Ulitzka, Zusendung unbestellter Ware, S. 28; Weist, Unbestellte Zusendung, S. 42 f.; generell Besitz an in den Briefkasten eingebrachten Sachen verneinend Lange, Unbestellte Zusendungen, S. 18, 35. 170 Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 11. 171 Schwung, JuS 1985, 449 (451); Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 11. 172 Vgl. Soergel/Stadler, § 854 Rn. 22. 165

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wille bejaht, da sich dieser auf alle Sachen beziehe, die sich in der Herrschaftssphäre befinden.173 Überwiegend wird dies in dieser Allgemeinheit jedoch nicht bejaht. Der generelle Besitzwille beziehe sich nicht notwendigerweise auf jede Sache, die ohne Wissen in den Herrschaftsbereich eingebracht werde.174 Dies zeige auch die Existenz des § 867 BGB, da dort trotz des Gelangens auf ein Grundstück noch erforderlich ist, dass die Sache in Besitz genommen wird.175 Zur Abgrenzung bietet sich daher die Frage an, ob die Sache dem erkennbaren Willen des Wohnungsbesitzers entsprechend ordnungsgemäß in die Wohnung gelangt ist.176 Dies wäre z. B. bei einem Briefschlitz in der Wohnungstür in der Regel anzunehmen.177 Auf Sachen, die etwa durch das Fenster geworfen werden, bezieht sich der generelle Besitzwille hiernach nicht. Festzuhalten bleibt also, dass der Empfänger in aller Regel Besitz an der unbestellt zugesandten Sache erlangt. Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen ist Besitzerwerb abzulehnen.178 (3) Kein Recht zum Besitz, § 986 I 1 BGB Im Schrifttum, welches sich mit der Zusendung unbestellter Waren befasst, herrscht die Meinung vor, der Empfänger habe ein Recht zum Besitz i. S. des § 986 I S. 1 BGB. Dieses gelte jedoch nur zeitlich begrenzt. Die Dauer des Rechtes zum Besitz wird hierbei teils in der Dauer des Angebotes gesehen,179 teils wird davon ausgegangen, das Recht zum Besitz währe bis zur Rückforderung180 oder auch bis zur Abholung181 bzw. zum Abholungsversuch182 durch den Versender. Ein Recht zum Besitz wird auch mit Blick auf die „offensichtlich unpassende“ Haftung gemäß §§ 987 ff. BGB angenommen.183 Vereinzelt

173 Frank, Besitzwille, S. 22 ff.; Schwab/Prütting, SaR, Rn. 54; mit Ausnahme der Sachen, die der Raumbesitzer ablehnt Wolf, SaR, Rn. 171. 174 MK-Joost, § 854 Rn. 10; RGZ 101, 135 (136); Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 14; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 12. 175 Staudinger/Bund, § 854 Rn. 18; Eckert, SaR, Rn. 68. 176 Ebenso Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 13. 177 Hier werden dieselben Ausnahmen wie bei Briefkästen zu machen sein. 178 Bei Verneinung des Besitzes des Empfängers kommt jedoch ein Abholungsanspruch des Versenders analog §§ 867, 1005 BGB in Betracht, vgl. Staudinger/Bork, § 146 Rn. 15; Schwung, JuS 1985, 449 (451); Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 22. 179 Fränkel, Die unbestellte Ware, S. 77. 180 V. Müller, Zusendung unbestellter Waren, S. 37 (bis der Versender die Sache abholen wolle); Meyer-Pantin, Ansichtssendungen, S. 56 Fn. 29; Erman/Hefermehl (10. Aufl.), vor § 987 Rn. 5; Köbl, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, S. 109; „vorläufiges Recht zum Besitz“, Westermann/Gursky, SaR, § 32 I. 181 Wessel, BB 1966, 432; Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26. 182 Staudinger/Gursky, vor §§ 987–993 Rn. 15; Palandt/Heinrichs (59. Aufl.), vor § 987, Rn. 6; Wieling, SaR, § 12 I 3 a.

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wird auch der generelle „Vorrang des Vertragsverhältnisses“ angeführt,184 wobei freilich offen bleibt, welches Vertragsverhältnis dies sein soll. Nach der Meinung, die u. U. einen subsidiären Verwahrungsvertrag bejaht,185 ergibt sich aus diesem auch das Recht zum Besitz. In der älteren Literatur wird vielfach ein (auf die Dauer des Angebotes zeitlich begrenztes) Besitzrecht nur in dem Fall bejaht, dass der Empfänger die Sache prüft oder wenigstens bewusst als unbestellte Ware entgegennimmt, wodurch ein vertragsähnliches Verhältnis bzw. ein Verhandlungsverhältnis entstehe.186 Die Gegenmeinung lehnt ein Besitzrecht des Empfängers ab.187 Einerseits könne der bloße Wille des Versenders, der Empfänger solle zunächst einmal Besitz erhalten, kein Recht zum Besitz begründen.188 Andererseits spreche die Tatsache, dass dem Empfänger die Sache aufgedrängt werde, nicht gegen die Anwendbarkeit der §§ 987 ff. BGB, sondern nur für einen milderen Haftungsmaßstab.189 Es ist fraglich, ob diese speziellen, auf die Zusendung unbestellter Waren bezogenen Ausführungen mit den allgemeinen dogmatischen Grundsätzen hinsichtlich der Begründung eines Rechtes zum Besitz vereinbar sind. Für die Begründung eines obligatorischen Rechtes zum Besitz werden von der h. M. zwar auch atypische Verträge, insbesondere Vorverträge, anerkannt.190 Die Belastung des Eigentums mit einem obligatorischen Recht setze jedoch stets ein zweiseitiges Rechtsgeschäft voraus; die bloße Besitzbewilligung durch den Eigentümer bringe kein Recht zustande, da die einfache Gebrauchserlaubnis keine rechtliche Bindung erzeuge.191 Dem Besitzer sei keine materielle Besitzberechtigung eingeräumt; die Störung des Eigentums bestehe auch mit Billigung des Eigentümers und schließe ein Recht zum Besitz aus.192 Diesen Erwägungen dürfte das das BGB prägende Vertragsprinzip zugrunde liegen. Dieser in den §§ 311, 183 Staudinger/Gursky, vor §§ 987–993 Rn. 15; nach Staudinger/Bork, § 146 Rn. 15, ist der Empfänger einem berechtigten Besitzer gleichzustellen. 184 Soergel/Mühl, § 990 Rn. 17. 185 Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 13 f. 186 Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 15; Ulitzka, Zusendung unbestellter Ware, S. 37; Dodt, Die unbestellte Zusendung, S. 23, 26. 187 Schwung, JuS 1985, 449 (451); Roth, JuS 1997, 518 (521); MK-Medicus (3. Aufl.), vor §§ 987–1003 Rn. 16; Lange, JuS 1997, 431 (434); Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593 Fn. 78). 188 Schwung, JuS 1985, 449 (451). 189 MK-Medicus (3. Aufl.), vor §§ 987–1003 Rn. 16. 190 MK-Medicus, § 986 Rn. 15; Diederichsen, Das Recht zum Besitz, S. 151; Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 43; Staudinger/Gursky, § 986 Rn. 18, der allerdings regelmäßig einen Leihvertrag annehmen will. 191 Diederichsen, Das Recht zum Besitz, S. 151; Staudinger/Gursky, § 986 Rn. 20; Müller, SaR, Rn. 437; Wieling, AcP 169 (1969), 137 (159); BGH NJW 1977, 31 (34). 192 Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 46.

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333, 397 und auch § 516 I BGB zum Ausdruck kommende Grundsatz besagt, dass niemand gegen seinen Willen zum Gläubiger einer rechtsgeschäftlichen Leistung werden soll.193 Selbst eine vorteilhafte Rechtsposition soll daher niemandem aufgedrängt werden können.194 Von dem Grundsatz, dass zur Begründung eines Rechtes zum Besitz ein zweiseitiges Rechtsgeschäft erforderlich ist, scheint die h. M. bei der speziellen Konstellation der Zusendung unbestellter Waren abweichen zu wollen. Im Verhalten des Versenders wird ein Angebot auf Abschluss eines ein Besitzrecht begründenden Vertrages (abgesehen vom Kaufvertragsangebot) nicht gesehen werden können: Der Wille des Versenders geht i. d. R. dahin, bei Nichtannahme des Kaufvertragsangebotes die Sache zurückzuerhalten.195 Selbst wenn man ein solches Angebot aber bejahte, kann der bloßen Besitzbegründung, also meist der persönlichen Entgegennahme oder der Besitzbegründung durch Einwurf in den Briefkasten – selbst wenn man einen Verzicht auf den Zugang der Annahme (§ 151 S. 1 BGB) bejahte – eine Annahme dieses Angebotes nicht schon entnommen werden. Denn dann ginge die Besitzbegründung stets mit der notwendigen Willenserklärung des Besitzerwerbers einher; der (generelle) Besitzwille würde mit dieser Willenserklärung gleichgesetzt. Ein abgesehen von der Besitzbegründung passives Verhalten kann für eine Annahme auch bei einer rechtlichen Begünstigung nicht genügen.196 Und auch die Entgegennahme einer als unbestellt erkannten Zusendung, eine Prüfung der Sache oder eine Befassung mit der Sache197 erfüllte die Voraussetzungen einer Annahme gemäß § 151 S. 1 BGB nicht. Denn dies wären noch keine nach außen hervortretenden, eindeutigen Betätigungen des Annahmewillens.198 Es könnte aber Anlass bestehen, die Anforderungen an die rechtsgeschäftliche Mitwirkung des Empfängers unbestellter Waren niedrig anzusetzen, da er als Besitzer der ihm aufgedrängten Sache als besonders schutzwürdig erscheint. Hiergegen ist jedoch einzuwenden, dass diese Tatsache sinnvoller im Rahmen einer Haftungsmilderung berücksichtigt werden kann.199 Entgegen der h. M. ist also bei der Zusendung unbestellter Waren von einem Besitzrecht des Empfängers nicht auszugehen.

193 Vgl. hierzu AK-Dubischar, § 305 Rn. 1; Staudinger/Jagmann, § 333 Rn. 2; Staudinger/Cremer, § 516 Rn. 4; MK-Kollhosser, § 516 Rn. 9. 194 Medicus, SAT, Rn. 59. 195 Schwung, JuS 1985, 449 (451). 196 Vgl. Staudinger/Rieble, § 397 Rn. 124 f. 197 In diesen Fällen wird von Teilen der älteren Literatur ein Besitzrecht bejaht, vgl. Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 15; Ulitzka, Zusendung unbestellter Ware, S. 37; Dodt, Die unbestellte Zusendung, S. 23, 26. 198 Zu diesem Erfordernis vgl. Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 2. 199 MK-Medicus (3. Aufl.), vor §§ 987–1003 Rn. 16.

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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Für den Vindikationsanspruch des Versenders ist die Frage des obligatorischen Rechtes zum Besitz freilich von untergeordneter Bedeutung, da selbst nach der h. M., die ein Besitzrecht bejaht, dieses Besitzrecht nur ein vorübergehendes ist, welches der Versender einseitig wieder zerstören kann. Ein Recht zum Besitz könnte sich aber aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ergeben. Sowohl Rechtsprechung als auch Literatur erkennen ein Recht zum Besitz jedenfalls bei einer berechtigten GoA an.200 Hierfür müsste zunächst eine Geschäftsbesorgung vorliegen. Geht man davon aus, dass der Empfänger die zugesandte Ware, wie dies i. d. R. der Fall sein wird, lediglich beiseite legt, so erscheint schon diese Voraussetzung problematisch. Denn die Geschäftsbesorgung erfordert eine Tätigkeit. Diese muss zwar nicht rechtsgeschäftlichen Charakter haben; vielmehr fallen unter den Begriff der Geschäftsbesorgung neben der Vornahme eines Rechtsgeschäftes auch die Vornahme rechtsähnlicher und tatsächlicher Handlungen.201 Bloßes Unterlassen, Gewährenlassen oder Dulden genügen aber nicht.202 Legt der Empfänger die Sache bloß beiseite, so duldet er lediglich ihr Vorhandensein. Dies ist keine Geschäftsbesorgung.203 Auch aus einer berechtigten GoA hat der Empfänger daher kein Recht zum Besitz. (4) Ergebnis zu aa) Der Anspruch des Versenders aus § 985 BGB entsteht also nach allen Meinungen spätestens mit dem ersten Abholungsversuch. bb) § 812 I BGB Meist wird bei Nichtannahme des Kauf- und Übereignungsangebotes zusätzlich zum Vindikationsanspruch ein bereicherungsrechtlicher Herausgabean200 BGHZ 31, 129 (132); MK-Medicus, vor §§ 987–1003 Rn. 15; Staudinger/ Gursky, vor §§ 987–993 Rn. 14; Erman/Hefermehl (10. Aufl.), vor § 987 Rn. 5; Staudinger/Wittmann, vor §§ 677 ff. Rn. 8; MK-Seiler, vor § 677 Rn. 18; Eckert, SBT, Rn. 1198; Köbl, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, S. 184 ff. 201 Palandt/Sprau, § 677 Rn. 2 i. V. m. § 662 Rn. 6. 202 Palandt/Sprau, § 677 Rn. 2. 203 Sichert er die Sache aber etwa vor einem drohenden Wasserschaden, so wäre ein Recht zum Besitz gegeben, welches allerdings auf die Dauer der Geschäftsführung begrenzt wäre, vgl. Staudinger/Wittmann, vor §§ 677 ff. Rn. 8; MK-Medicus, vor §§ 987–1003 Rn. 15; ein Recht zum Besitz bis zum Herausgabeverlangen nehmen an Erman/Hefermehl (10. Aufl.), vor § 987 Rn. 5. Allerdings wäre bei einer solchen Sicherung genauer zu prüfen, ob es sich nicht um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis handelt, vgl. Brox/Walker, SBT, § 35 Rn. 6; § 29 Rn. 5; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 96.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

spruch erwähnt. Erlangtes „Etwas“ ist hierbei der Besitz an der zugesandten Sache.204 Wird näher auf die konkrete Anspruchsgrundlage eingegangen, so besteht Einigkeit darüber, dass es sich im Fall der bewusst an den tatsächlichen Empfänger gerichteten Zusendung um eine Leistungskondiktion handelt. Denn der Versender hat das Vermögen des Empfängers bewusst und zweckgerichtet vermehrt. Oftmals wird – allerdings meist ohne nähere Begründung – von einer condictio ob rem (§ 812 I 2 2. Alt. BGB) ausgegangen.205 Überwiegend stützt man sich aber auf die condictio indebiti (§ 812 I 1 1. Alt. BGB).206 Für eine condictio ob rem fehle es an der erforderlichen zweiseitigen Zweckvereinbarung.207 Zwar kann der Zweck auch die Begründung eines Rechtsverhältnisses sein.208 Nach dem Erfordernis der Zweckvereinbarung reicht eine bloß einseitige Erwartung des Leistenden aber auch dann nicht aus, wenn sie vom Empfänger der Leistung erkannt worden ist; vielmehr muss eine Willenseinigung vorliegen.209 Diese kann zwar schon darin liegen, dass der Empfänger die Erwartung des Leistenden kennt und durch die vorbehaltlose Annahme zu verstehen gibt, dass er die Zweckbestimmung billigt.210 Bei der Zusendung unbestellter Waren sei dies jedoch nicht gegeben, da der Empfänger der ihn unvorbereitet treffenden Leistung die Zweckbestimmung des Versenders gar nicht kennen könne.211 Das gelte jedenfalls dann, wenn sich der Empfänger passiv verhält.212 Der überwiegenden Meinung ist zuzustimmen. Zwar wird bei der condictio ob rem oftmals von einer „tatsächlichen Einigung“ gesprochen, die „nicht den Charakter einer vertraglichen Bindung haben darf“.213 Dies ist aber nicht als 204 Bei Verneinung des Besitzes kommt nur der Abholungsanspruch analog §§ 867, 1005 BGB in Betracht, vgl. Staudinger/Bork, § 146 Rn. 15; Schwung, JuS 1985, 449 (451); Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 22. 205 Riehm, Jura 2000, 505 (512); Löhnig, JA 2001, 33 (35); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 269; ausführlicher Söllner, AcP 163 (1963), 20 (33 ff.). 206 Erman/H. P. Westermann, § 812 Rn. 51; Schwung, JuS 1985, 449 (451); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 190; S. Lorenz, JuS 2000, 833 (841); ders., FS W. Lorenz, S. 193 (204); Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 22; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 21; Wessel, BB 1966, 432. 207 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (204); ders., JuS 2000, 833 (841 Fn. 66); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 190. 208 Vgl. Medicus, BR, Rn. 691; ders., SBT, Rn. 644. 209 Erman/H. P. Westermann, § 812 Rn. 51; Larenz/Canaris, SR 2/2, S. 151; S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (204); BGHZ 44, 321 (323); MK-Lieb, § 812 Rn. 200 f.; Medicus, BR, Rn. 691; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 190; für eine einseitige Zweckbestimmung aber z. B. Eckert, SBT, Rn. 1271. 210 BGHZ 44, 321 (323); Brox/Walker, SBT, § 37 Rn. 33; Larenz/Canaris, SR 2/2, S. 151; MK-Lieb, § 812 Rn. 201. 211 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (204). 212 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 190. 213 BGHZ 44, 321 (323); Palandt/Sprau, § 812 Rn. 86.

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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Gegensatz zu rechtsgeschäftlicher Einigung zu verstehen, sondern soll nur das Fehlen eines voll ausgebildeten Vertrages hervorheben.214 Deshalb gelten die normalen Vorschriften für rechtgeschäftliche Einigungen. Eine Einigung scheitert aber schon daran, dass dem Versender keine Erklärung des Empfängers zugeht. Zwar könnte man erwägen, auch für die Zweckvereinbarung auf § 151 S. 1 BGB zurückzugreifen und den Zugang der „Annahme der Zweckvereinbarung“ entbehrlich sein zu lassen. Letztlich kann in der bloßen Entgegennahme der Sache eine Billigung aber nicht gesehen werden, unabhängig davon, ob es sich um eine persönliche Entgegennahme oder um die Entgegennahme mittels eines Briefkastens handelt. I. d. R. weiß der Empfänger hier (noch) nichts von der Zwecksetzung des Versenders. Die Entgegennahme lässt daher nicht eindeutig genug auf einen Annahmewillen schließen. Folge der Abgrenzung zwischen der condictio indebiti und der condicito ob rem scheint auf den ersten Blick die Anwendbarkeit des nur für erstere Kondiktionsform geltenden § 814 BGB zu sein, da der Versender wusste, dass er zur unbestellten Warenversendung nicht verpflichtet war. Hiernach wäre die condictio indebiti ausgeschlossen, wohingegen der § 815 BGB im Falle der Bejahung der condictio ob rem nicht einschlägig wäre, da der „Erfolg“ des Kaufvertragsabschlusses regelmäßig nicht unmöglich ist.215 Dennoch wird § 814 BGB meist gar nicht erwähnt bzw. seine Anwendbarkeit nur vereinzelt in Erwägung gezogen216 oder bejaht.217 Überwiegend wird eine Anwendbarkeit des § 814 BGB jedoch verneint, da der § 814 BGB auf die Fälle zu begrenzen sei, in denen der Leistende definitiv wusste, dass die Schuld nicht entstehen würde.218 Ferner greife der § 814 BGB dann nicht ein, wenn der Leistungsempfänger nicht darauf vertrauen dürfe, das Empfangene behalten zu dürfen, bzw. wenn die Leistung unter Vorbehalt erfolgt sei.219 Bei der Zusendung unbestellter Waren sei dem Empfänger entweder aus dem Schreiben oder wenigstens aus den Umständen erkennbar, dass er die Sache nur bei Zustandekommen eines Kaufvertrages behalten dürfe.220 Folgt man dem, hat der Versender einen Herausgabeanspruch aus § 812 I 1 1. Alt. BGB. Handelt es sich um eine fehlgeleitete Sendung, so ist nach Schwung jedoch nicht § 812 I 1 1. Alt. BGB sondern § 812 I 1 2. Alt. BGB einschlägig, da dann keine Leistung des Versenders vorliege.221 Dies dürfte aber nur dann an214

Larenz/Canaris, SR 2/2, S. 151. Vgl. S. Lorenz, JuS 2000, 833 (841). 216 Brehm/Berger, SaR, § 7 Rn. 59. 217 Berger, JuS 2001, 649 (650). 218 S. Lorenz, JuS 2000, 833 (841). 219 Palandt/Sprau, § 814 Rn. 2; Brox/Walker, SBT, § 37 Rn. 26; Staudinger/W. Lorenz, § 814 Rn. 6. 220 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 191. 221 Schwung, JuS 1985, 449 (451 Fn. 16). 215

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

genommen werden können, wenn es sich erkennbar um eine fehlgeleitete Sendung handelt. Denn entscheidet man die Frage, ob eine Leistung vorliegt, richtigerweise mindestens entsprechend §§ 133, 157 BGB aus Sicht des objektivierten Empfängers, so liegt bei fehlender Erkennbarkeit eine Leistung vor, weshalb § 812 I 1 1. Alt. BGB anwendbar ist.222 Ist objektiv erkennbar, dass es sich um eine fehlgeleitete Zusendung handelt, so greift danach § 812 I 1 2. Alt. BGB.223 Unterschiede bestehen hier im Ergebnis nicht: In jedem Fall hat der Versender einen Anspruch aus § 812 I BGB. Dieser steht nach überwiegender Ansicht in Anspruchskonkurrenz zu § 985 BGB.224 cc) §§ 823 I, 249 I BGB Schwung bejaht zusätzlich zu den Herausgabeansprüchen aus §§ 985 und 812 I BGB einen Herausgabeanspruch aus §§ 823 I, 249 I BGB.225 Ob dieser Anspruch jedoch „ohne weiteres“226 einschlägig ist, erscheint sehr zweifelhaft. Zwar kann auch in der Entziehung bzw. der Vorenthaltung der Sache eine Eigentumsverletzung i. S. des § 823 I BGB zu sehen sein.227 So ist bei einem Diebstahl oder bei einer Unterschlagung ein Anspruch aus §§ 823 I, 249 I BGB gegeben.228 Stets bedarf es jedoch eines Verhaltens des Anspruchsgegners, also eines Tuns oder Unterlassens.229 Bleibt der Empfänger passiv, so kann hierin kein Tun erblickt werden. Und für eine Haftung wegen Unterlassens ist keine ihn treffende Handlungspflicht ersichtlich. Liegt allerdings eine Vorenthaltungshandlung vor, so dürfte in dieser – jedenfalls in aller Regel – eine Aneignungsund Gebrauchshandlung i. S. des § 151 S. 1 BGB zu sehen sein, weshalb es dann an einer Eigentumsverletzung fehlte. Ein Anspruch auf Herausgabe der Sache aus §§ 823 I, 249 BGB scheidet daher schon tatbestandlich aus.

222 Zur Bestimmung des Leistungsverhältnisses vgl. Brox/Walker, SBT, § 37 Rn. 21 f.; Medicus, BR, Rn. 687 ff.; Eckert, SBT, Rn. 1265 ff. 223 Keinen Unterschied macht es, ob die Sendung auch für den eigentlichen Empfänger unbestellt war oder nicht, denn sowohl bei Bestellung als auch bei Nichtbestellung liegt eine Leistung vor. 224 Vgl. hierzu etwa MK-Medicus, § 985 Rn. 28 ff.; Soergel/Mühl, vor § 985 Rn. 6 und § 985 Rn. 25. 225 Schwung, JuS 1985, 449 (451). 226 Schwung, JuS 1985, 449 (451). 227 Medicus, SBT, Rn. 794; Staudinger/Hager, § 823, Rn. B 102; RGRK-Steffen, § 823 Rn. 23. 228 Staudinger/Hager, § 823, Rn. B 102; RGRK-Steffen, § 823 Rn. 23. 229 Vgl. hierzu Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 31 ff.; Esser/Weyers, SR 2, § 55 II 1, 2; Esser/Schmidt, SR 1/2, § 25 III.

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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b) Schadensersatzansprüche Als Schadensersatzansprüche des Versenders kommen in Betracht Ansprüche aus culpa in contrahendo (c. i.c.) (§ 311 II i. V. m. §§ 241 II, 280 I BGB), positiver Vertragsverletzung (pVV) einer berechtigten GoA (§§ 677 ff. i. V. m. §§ 241 II, 280 I BGB) und dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Diese Schadensersatzansprüche können jedoch nur bei Handlungen eingreifen, die nicht als Annahme des Kaufvertragsangebotes zu werten sind. Denn mit einer Annahme dieses Angebotes ginge gleichzeitig das Eigentum an der Sache über, weshalb es an einer Eigentumsverletzung des Versenders fehlte. Insbesondere kommt also eine Beschädigung bzw. Zerstörung oder das Wegwerfen der Sache in Betracht. Ferner kann eine schädigende Handlung auch in der Weiterveräußerung gesehen werden, wenn hierin ausnahmsweise nicht zugleich eine Annahme des Kaufvertragsangebotes zu sehen ist.230 aa) Culpa in contrahendo Zunächst ist die selten diskutierte Frage zu untersuchen, ob zwischen Versender und Empfänger das gesetzliche Schuldverhältnis der Vertragsanbahnung entstehen kann, auf dessen Grundlage eine Haftung des Empfängers nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (c. i.c.) denkbar wäre. Ganz überwiegend wird eine Haftung des Empfängers aus c. i. c. nicht in Erwägung gezogen. Wird sie erwähnt, so wird sie i. d. R. abgelehnt.231 Für eine Haftung des Empfängers, insbesondere unter dem Aspekt der Obhuts- und Sorgfaltspflichten, spricht sich Wilhelm für den Fall aus, dass der Empfänger von seinem durch den Versender eingeräumten Besichtigungsrecht Gebrauch mache und die zugesandte Ware prüfe. Grundlage sei das von ihm sog. Verhandlungsrechtsverhältnis, welches aus der tatsächlichen Aufnahme von Vertragsverhandlungen folge.232 Überschreite der Empfänger schuldhaft die Grenzen des ihm vom Versender eingeräumten Prüfungsrechts, ohne dass dies als Annahme des Kaufvertragsangebots zu werten sei, so mache er sich schadensersatzpflichtig.233 Der Haftungsmaßstab sei jedoch wegen der Ähnlichkeit mit einer unentgeltlichen Verwahrung entsprechend § 690 BGB auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten zu beschränken.234 Diese der c. i.c. ähnlichen Haftung will Wilhelm allerdings nur eingreifen lassen, wenn der Empfänger die

230 231 232 233 234

Vgl. dazu im Einzelnen oben 1. a) bb). So, allerdings ohne Begründung, AK-Hart, § 145 Rn. 23; Hübner, AT, Rn. 1009. Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 64, 66. Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 69. Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 65.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Ware prüft. Verhält er sich dagegen von vornherein ablehnend, komme eine Haftung bei Vertragsverhandlungen nicht in Betracht.235 Ulitzka nimmt ein vertragsähnliches Verhältnis zwischen Versender und Empfänger für den Fall an, dass letzterer die als unbestellt erkannte Ware bewusst entgegennimmt.236 Eine bei dieser Annahme naheliegende Haftung aus c. i.c. vertritt er jedoch nicht. Krebs sieht allein durch die Zusendung eines Angebotes – insbesondere durch die Zusendung unbestellter Waren – ein vorvertragliches Vertragsanbahnungsverhältnis (i. S. des § 311 II Nr. 2 BGB) mit der möglichen Folge eines Schadensersatzanspruchs begründet.237 Haftungsgrund der c. i.c. ist nach h. M. die Tatsache, dass jemand durch seine Bereitschaft zu Vertragsverhandlungen einen Vertrauenstatbestand setzt, auf den sich ein anderer berechtigterweise verlässt.238 Das Bedürfnis für die Anwendbarkeit der c. i.c. besteht dann, wenn die Beteiligten zwecks Anbahnung von Vertragsverhandlungen Kontakt miteinander aufgenommen haben.239 Ein einseitiges Drängen zu einem Vertragsschluss hingegen begründet keine Schutzpflichten des Bedrängten.240 Das Setzen eines Vertrauenstatbestandes kann bei einem passiven Empfänger nicht bejaht werden. Er hat dem Versender in keiner Weise Anlass gegeben, ihm berechtigtes Vertrauen entgegen zu bringen. Auch gehören zu Vertragsverhandlungen mindestens zwei Personen, so dass bei einer einseitigen Kontaktaufnahme noch nicht von Vertragsverhandlungen gesprochen werden kann. Selbst wenn man die Begriffe der Vertragsverhandlungen bzw. der Vertragsanbahnung weit verstünde und eine einseitige Kontaktaufnahme ausreichen ließe, so könnte allenfalls derjenige, mit dem Kontakt aufgenommen wird, dem Kontaktaufnehmenden berechtigtes Vertrauen entgegenbringen. Eine Haftung des Empfängers aus c. i.c. ist somit bei dessen Passivität abzulehnen. Aber auch, wenn sich der Empfänger mit der zugesandten Sache beschäftigt und sie prüft, ist eine Haftung aus c. i.c. zumindest bei Zugrundelegung des Vertrauenskriteriums zweifelhaft. In der Regel erlangt der Versender von der Prüfung der Ware keine Kenntnis. Er hat also wiederum keinen Anlass, dem Empfänger berechtigtes Vertrauen entgegenzubringen. Hieran ändert auch nichts, dass sich der Vertragsschluss nach § 151 BGB vollziehen soll, weshalb 235 Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 76, wobei er auch bei ablehnender Haltung des Empfängers eine Haftung aus einer pVV des sog. Bindungsverhältnisses in Verbindung mit dem Gewahrsamsschuldverhältnis des § 867 BGB bejaht, S. 76 ff. 236 Ulitzka, Zusendung unbestellter Ware, S. 36. 237 AnwKomm-Krebs, § 311 Rn. 18 f., 21; ders., § 241a Rn. 17, 31. 238 Musielak, Grundkurs, Rn. 479; MK-Emmerich, vor § 275 Rn. 54. 239 Larenz, SR 1, S. 105. 240 BGH NJW 1995, 717 im Zusammenhang mit einem Unterlassungsvertrag.

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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keine Erklärung gegenüber dem Antragenden erforderlich ist. Zwar könnte man geneigt sein, im Anwendungsbereich des § 151 BGB nicht nur den Zugang der Annahmeerklärung gegenüber dem Antragenden selbst, sondern auch die Kenntnis der tatsächlichen Vertragsanbahnungshandlungen entbehrlich sein zu lassen und den Empfänger so in „Vertragsverhandlungen nach § 151 BGB“ eintreten zu lassen. Dies änderte jedoch nichts daran, dass noch nicht einmal bei der Annahmehandlung selbst Vertrauensschutz zu gewährleisten ist, da der Antragende auf eben diesen verzichtet hat. Ein Verhalten, welches nicht gegenüber einem anderen stattfindet, kann keinen Vertrauenstatbestand ihm gegenüber setzen. Insofern ist von einem vorvertraglichen Verhandlungsverhältnis bzw. Vertragsanbahnungsverhältnis selbst bei Prüfung der Ware nicht auszugehen. Fraglich ist, ob die mit der Schuldrechtsreform erfolgte Normierung der c. i.c. in § 311 II n. F. i. V. m. § 241 II, § 280 I BGB hieran etwas geändert hat. Der Wortlaut des § 311 II Nr. 2 n. F. BGB scheint dies auf den ersten Blick nahe zu legen, da diese Vorschrift erfordert, dass der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut. Krebs bejaht daher ein Vertragsanbahnungsverhältnis bei einseitiger Angebotsübermittlung und insbesondere bei Zusendung unbestellter Waren.241 Schon der Wortlaut des § 311 II Nr. 2 n. F. BGB gibt jedoch Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Auslegung. Denn es ist fraglich, ob die Anbahnung eines Vertrages, wie sie die Vorschrift verlangt, durch einen einzelnen möglich ist. Näher liegt es, die Vertragsanbahnung als Vorstufe zum Vertrag ebenfalls als zweiseitige Beziehung zu verstehen. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfes ergibt sich, dass mit § 311 II Nr. 2 n. F. BGB diejenigen Fälle der c. i.c. erfasst werden sollen, in welchen, wie in dem bekannten Gemüseblatt- und im Linoleumrollenfall keine Vertragsverhandlungen stattfinden.242 In diesen Fällen verhalten sich die potentiellen Vertragspartner jedoch nicht rein passiv, sondern begeben sich aktiv in ein Vertragsanbahnungsverhältnis. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ebenfalls, dass § 311 II n. F. BGB auf einer gefestigten Rechtsprechung aufbaue und über den wirklichen Bestand des deutschen allgemeinen Schuldrechts Auskunft geben solle.243 Eine grundlegende Änderung der Grundsätze und Fallgruppen der c. i.c. war also nicht beabsichtigt.244 Darüber hinaus setzt auch der Gesetzgeber 241 AnwKomm-Krebs, § 311 Rn. 18 f., 21; im Anwendungsbereich des § 241a BGB soll die c. i.c. allerdings durch § 241a BGB verdrängt werden. Diese Annahme bedeutet aber, dass die c. i.c. tatbestandlich gegeben ist. Bei einer Zusendung etwa zwischen Verbrauchern müsste Krebs eine c. i.c. auch im Ergebnis eingreifen lassen. 242 BT-Drs. 14/6040 S. 163. 243 BT-Drs. 14/6040 S. 162.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

generell für die c. i.c. nach wie vor ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis voraus.245 Am Fortbestehen des Erfordernisses des Vertrauenstatbestandes wird auch in der Literatur ganz überwiegend nicht gezweifelt.246 Der rein passive Angebotsempfänger setzt jedoch keinen Vertrauenstatbestand. Auch nach der Einführung des § 311 II n. F. BGB ist daher von einer Haftung des Empfängers aus c. i.c. mangels Vertragsanbahnungsverhältnisses nicht auszugehen. bb) PVV einer berechtigten GoA In Betracht kommt ferner eine positive Vertragsverletzung (pVV) einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. i. V. m. §§ 241 II, 280 I BGB). Verletzt der Geschäftsführer seine Pflichten aus § 677 BGB oder § 681 BGB, so ist er nach den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts zum Schadensersatz verpflichtet.247 Es handelt sich hierbei um das sog. Ausführungsverschulden.248 Bei diesem entspricht die Übernahme der GoA dem Willen, dem mutmaßlichen Willen bzw. dem Interesse des Geschäftsherrn. Bei der Ausführung liegt jedoch eine Pflichtverletzung vor. Erforderlich ist also auch hier, dass zunächst eine berechtigte GoA vorlag. Die Geschäftsführung muss also bereits bestanden haben, wenn die Pflicht verletzt wird. Vor der Zerstörung, Beschädigung, dem Wegwerfen oder der Veräußerung muss demnach schon eine Geschäftsführung vorgelegen haben. Dies ist aber aus den o. g.249 Gründen zu verneinen. Allein im Beiseitelegen kann keine Geschäftsführung gesehen werden. Ein Schadensersatzanspruch des Versenders aus pVV einer GoA scheidet daher aus.250 cc) §§ 989, 990 I BGB Das für eine Schadensersatzhaftung aus §§ 989, 990 I BGB erforderliche Eigentümer-Besitzer-Verhältnis liegt vor, denn der Versender ist Eigentümer, der Empfänger ist – nach richtiger Ansicht – unrechtmäßiger Besitzer.251 244

S. Lorenz/Riehm, SR, Rn. 366; Palandt/Heinrichs, § 311 Rn. 11. BT-Drs. 14/6040 S. 163. 246 Musielak, Grundkurs, Rn. 479. 247 Brox/Walker, SBT, § 35 Rn. 39; Staudinger/Wittmann, § 677 Rn. 8; Medicus, SBT, Rn. 627; Eckert, SBT, Rn. 1198. 248 MK-Seiler, § 677 Rn. 49. 249 s. oben a) aa) (3). 250 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 143 ff. 251 Vgl. oben a) aa) (3). 245

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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(1) Bösgläubigkeit des Empfängers? Erforderlich ist darüber hinaus die Bösgläubigkeit des Empfängers. Diese bestimmt sich aus den §§ 990, 932 II BGB: Bösgläubig ist der Besitzer hiernach, wenn er bei Besitzerwerb Kenntnis von seiner mangelnden Besitzberechtigung hatte oder wenn ihm diese grob fahrlässig nicht bekannt war.252 Liegt bei Besitzerwerb Gutgläubigkeit vor, so schadet später lediglich Kenntnis von der mangelnden Besitzberechtigung, § 990 I 2 BGB. Nach einer Auffassung in der Literatur wird die Bösgläubigkeit des Empfängers unbestellter Waren verneint.253 Vielfach wird auch angeführt, der Empfänger sei weder als gut- noch als bösgläubig anzusehen.254 Der Empfänger dürfe nicht unmittelbar den §§ 987 ff. BGB unterstellt werden.255 Diese Ansicht beruht allerdings eher auf Billigkeitserwägungen zum Schutz des bedrängten Empfängers als auf dem Gesetz. Von der h. M.256 wird sie daher auch nicht geteilt.257 Nach ihr ist der Empfänger unbestellter Waren bösgläubig und der Haftung aus §§ 989, 990 I BGB unterworfen. Die Tatsache, dass dem Empfänger die Sachen aufgedrängt worden seien, könne besser im Rahmen einer Haftungsprivilegierung berücksichtigt werden. Dieser h. M. ist zu folgen. Stellt man mit dem BGH darauf ab, dass es für die Kenntnis genügt, dass der Besitzer die Tatsachen kennt, aufgrund derer ein redlich denkender Dritter sich der Kenntnis vom fehlenden Recht zum Besitz nicht verschließen würde,258 so liegt schon bei Besitzerwerb des Empfängers Kenntnis vor, wenn er erkannte, dass es sich um eine unbestellte Zusendung handelte. Denn aus dieser Tatsache schließt ein redlich denkender Dritter, dass ein Recht zum Besitz nicht besteht. Erkennt er diese Tatsachen nicht, so liegt aber in aller Regel grobe Fahrlässigkeit vor.259 Der Empfänger unbestellter Waren ist also auch bösgläubig i. S. der §§ 989, 990 I BGB. 252 Schreiber, SaR, Rn. 222; Wolf, SaR, Rn. 245; Baur/Stürner, SaR, § 11 Rn. 6; MK-Medicus, § 990 Rn. 3. 253 Staudinger/Coing (11. Aufl.), § 146 Rn. 8; für Gutgläubigkeit bis zu einem Abholungsversuch Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26. 254 Köbl, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, S. 110; Weimar, JR 1967, 417 (418). 255 Köbl, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, S. 110. 256 Der Meinung, die ein Recht zum Besitz bejaht, stellt sich diese Frage freilich allenfalls nach Wegfall desselben. Lässt man dieses mit einem Herausgabeverlangen [vgl. oben a) aa) (3)] enden, so dürfte die Kenntnis (§ 990 I 2 BGB) der mangelnden Besitzberechtigung mit dem Herausgabeverlangen erlangt werden. 257 Schwung, JuS 1985, 449 (451); Roth, JuS 1997, 518 (521); Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593 Fn. 78); MK-Medicus (3. Aufl.), vor §§ 987–1003 Rn. 16; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 149. 258 BGHZ 32, 76 (92); ebenso Wolf, SaR, Rn. 245; Jauernig/Jauernig, § 990 Rn. 2. 259 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 149.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

(2) Haftungsmaßstab Der Empfänger müsste die Verschlechterung, den Untergang oder die sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe verschuldet haben. Grundsätzlich haftet er also für Vorsatz und Fahrlässigkeit, § 276 BGB. In der Literatur besteht jedoch nahezu Einigkeit, dass eine uneingeschränkte Haftung des Empfängers unbestellter Waren unbillig ist, da ihm die Waren aufgedrängt wurden, was einerseits sittenwidrig sei260 und andererseits einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre des Empfängers bedeute.261 Aus diesem Grund wird von der ganz überwiegenden Meinung eine Haftungsmilderung angenommen.262 Über deren Herleitung besteht jedoch Streit. Nach einer Mindermeinung greift unmittelbar die Haftungsprivilegierung des § 300 I BGB, wonach sich die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Teilweise wird innerhalb dieser Meinung schlicht von einem Annahmeverzug des Versenders ausgegangen, da dieser gehalten sei, die Ware abzuholen.263 Teilweise wird als zusätzliche Voraussetzung aber noch die Aufforderung zur Abholung seitens des Empfängers verlangt.264 Vereinzelt wird sogar von Annahmeverzug (nach einer Aufforderung) ausgegangen und darüber hinaus eine Beschränkung der Haftung auf Vorsatz erwogen.265 Die h. M. wendet die Haftungsprivilegierung des § 300 I BGB analog an.266 Kennzeichnend für den Annahmeverzug sei, dass der Besitz gegen den Willen des Besitzers fortbestehe, weshalb er in den Genuss der Haftungsprivilegierung komme. Gleiches müsse erst recht gelten, wenn der Besitz sogar gegen den Willen entstanden ist.267 Teilweise wird zusätzlich zur Haftungsprivilegierung § 254 I BGB herangezogen.268 260

Vgl. nur Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 72 ff. Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 156; Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593); Kloos, JuS 1986, 832; vgl. auch Jahn/Gonzalez, WRP 1991, 1 (2 ff.); BGHZ 106, 229 (232 ff.); vgl. auch unten (3) (c). 262 Für Haftung anhand des Maßstabs des § 276 BGB aber z. B. OLG München BayZ 1931, 63. 263 Weimar, JR 1967, 417 (418). 264 Milster, Unbestellte Ware, S. 32; Meyer-Pantin, Ansichtssendungen, S. 28, 54; wohl auch Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 22. 265 V. Müller, Zusendung unbestellter Waren, S. 48. 266 Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 15; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 16; Staudinger/Gursky, vor §§ 987–993 Rn. 15; Staudinger/Reuter, § 690 Rn. 2; Staudinger/Löwisch, § 300 Rn. 11; RGRK-Piper, § 145 Rn. 17; Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; MK-Medicus (3. Aufl.), vor §§ 987–1003 Rn. 16; MK-Kramer, § 145 Rn. 11; MKHüffer, § 690 Rn. 2; Dodt, Die unbestellte Zusendung, S. 31; Roth, JuS 1997, 518 (521); Giesen, AT, Rn. 66; Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 24; Palandt/Heinrichs (59. Aufl.), § 145 Rn. 11. 267 MK-Medicus (3. Aufl.), vor §§ 987–1003, Rn. 16; ähnlich Dodt, Die unbestellte Zusendung, S. 31; Flume, AT 2, § 35 II 3 aE. 261

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Eine ebenfalls verbreitete Meinung will zur Haftungsmilderung § 690 BGB analog heranziehen.269 Hiernach ist die Haftung beschränkt auf die diligentia quam in suis, wobei auch hier die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bestehen bleibt (§ 277 BGB). Eine analoge Anwendung des § 690 BGB sei deshalb angezeigt, weil dem Empfänger die Haftungsmilderung des § 690 BGB sogar dann zugute kommen würde, wenn ein unentgeltlicher Verwahrungsvertrag bestünde.270 Gegen die privilegierte Haftung des Empfängers mittels der genannten Analogien wendet sich eine dritte Meinung.271 Nach ihr spreche gegen die analoge Anwendung des § 690 BGB, dass hierfür lediglich Billigkeitsargumente angeführt würden.272 Angesichts des problemlosen Eingreifens der Haftungsregeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses fehle es schon an der für eine Analogiebildung erforderlichen Regelungslücke.273 § 300 I BGB könne schon deshalb nicht zur Anwendung gelangen, weil generell, aber auch insbesondere bei einer Adressenverwechslung keine Abholpflicht des Versenders ersichtlich sei.274 Auch fehle es an einem für den Annahmeverzug erforderlichen Abholtermin. Angesichts der vielfältigen Konstellationen hinsichtlich der Vorwerfbarkeit der Verletzung der Privatsphäre des Empfängers biete sich daher die flexiblere Schadensabwägung über § 254 I BGB als Ausdruck des Verbotes des venire contra factum proprium an.275 Folge dessen ist nach dieser Meinung im Regelfall ein vollständiger Wegfall der Ersatzpflicht des Empfängers unabhängig vom Grad der Fahrlässigkeit.276 Bei einer nach der Eigenart der zugesandten Sache besonderen Belastung gilt dieser vollständige Wegfall ebenso bei Vorsatz.277 Eine Schadensverteilung soll sich jedoch jedenfalls bei Vorsatz und grober 268 Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 15; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 16; Staudinger/Löwisch, § 300 Rn. 11; Palandt/Heinrichs (59. Aufl.), § 145 Rn. 11. 269 Wessel, BB 1966, 432 (433); Aßmann, Unbestellte Zusendungen, S. 132; Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 21; Söllner, AcP 163 (1963), 20 (35); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 152 f.; RGRK-Pikart, § 987 Rn. 8, 17, 44; Soergel/Mühl, § 990 Rn. 17; bejaht man einen (unentgeltlichen) Verwahrungsvertrag, s. o. 1 b, so findet § 690 BGB direkte Anwendung, so Vleugels, Unbestellte Zusendung, S. 19; Beer, DJZ 1901, 431 (432); Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), § 146 Rn. 13. 270 Siber, Rechtszwang, S. 132; Soergel/Mühl, § 990 Rn. 17; RGRK-Pikart, § 987 Rn. 44; Wessel, BB 1966, 432 (433). 271 Schwung, JuS 1985, 449 (452 ff.); Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593); zustimmend Soergel/Teichmann, § 690 Rn. 2 Fn. 7. 272 Schwung, JuS 1985, 449 (452). 273 Schwung, JuS 1985, 449 (452). 274 Schwung, JuS 1985, 449 (452). 275 Schwung, JuS 1985, 449 (452); ähnlich Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593); nach Staudinger/Gursky, vor §§ 987–993 Rn. 15, ist das Schadensersatzverlangen des Versenders häufig rechtsmissbräuchlich. 276 Schwung, JuS 1985, 449 (452, 454). 277 Schwung, JuS 1985, 449 (453).

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Fahrlässigkeit ergeben, wenn ein Fall der irrtümlichen Fehlzusendung vorliegt.278 Nach einer Aufbewahrungszeit von in der Regel drei Monaten soll allerdings auch in diesem Fall bei jeder Art des Verschuldens die Ersatzpflicht vollständig entfallen.279 Nach einer vierten Meinung sollen im Fall eines Zustellungsirrtums durch den Briefträger die Vorschriften über den Sachfund entsprechend anwendbar sein.280 Auch diese sehen in § 968 BGB eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vor. Der dritten Meinung ist zuzugeben, dass die beiden verbreiteten Meinungen fundierte dogmatische Erwägungen hinsichtlich einer Analogiebildung vermissen lassen. Es sind kaum Ausführungen zu den anerkannten Voraussetzungen „Regelungslücke“ und „vergleichbare Interessenlage“ aufzufinden. Nicht hinreichend ist freilich das Argument, der Empfänger unbestellter Waren sei weder gut- noch bösgläubig i. S. des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, weshalb eine Regelungslücke bestehe, zu deren Ausfüllung das Rechtsverhältnis entsprechend seiner Eigenart in das System der Haftungsmaßstäbe des BGB eingegliedert werden müsse.281 Ferner erscheint eine Privilegierung des Empfängers anhand des Haftungsmaßstabes auch deswegen problematisch, weil meistens eine bewusste, also vorsätzliche Entledigung der Sache durch den Empfänger in Frage steht. Diesbezüglich erscheint eine Lösung über eine mögliche Rechtfertigung des Verhaltens des Empfängers angebrachter.282 Die Kritik an den beiden überwiegenden Meinungen verkennt jedoch offenbar, dass deren Haftungsprivilegierungen ein zu berücksichtigendes Mitverschulden gemäß § 254 I BGB nicht von vornherein ausschließen. Die Kritik an der h. M. scheint ferner davon auszugehen, dass eine Rechtspflicht zur Abholung für die (analogen) Voraussetzungen des Annahmeverzuges erforderlich ist. Aber nicht einmal für die direkte Anwendung der Vorschriften über den Annahmeverzug bedarf es einer Rechtspflicht, sondern lediglich einer Mitwirkungshandlung.283 Beide verbreiteten Meinungen liefern tragfähige Argumente. Für § 300 I BGB analog und gegen § 690 BGB analog spricht aber letztlich, dass § 690 BGB – wenn auch analog – der Haftung aus §§ 989, 990 BGB insofern fremd ist, als das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis davon ausgeht, dass gerade kein Ver278

Schwung, JuS 1985, 449 (453 f.). Schwung, JuS 1985, 449 (453 f.). 280 Staudinger/Gursky, vor §§ 987–993 Rn. 15. 281 So aber Planck/Siber (4. Aufl.), vor §§ 275–292 Anm. I 4c; Lehmann/Hübner, AT (15. Aufl.), S. 244. 282 Vgl. dazu noch unten (3). 283 Darüber hinaus ist aber auch eine Rechtspflicht des Versenders zur Abholung zu bejahen, vgl. unten II. 1. 279

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wahrungsvertrag besteht, da dieser dem Verwahrer ein Recht zum Besitz gäbe. Weiter ist bei § 690 BGB auch umstritten, ob dieser sich überhaupt auf die deliktische bzw. gesetzliche Haftung erstreckt.284 Bei § 300 I BGB ist dies unstreitig. Zu folgen ist daher der Meinung, welche § 300 I BGB analog anwendet, wobei aber auch § 254 I BGB zu beachten ist. (3) Rechtfertigung Vereinzelt wird auch eine Rechtfertigung des Verhaltens des Empfängers erwogen. Erwogen werden u. a. ein „Preisgaberecht“285, § 859 BGB286, § 227 BGB287 und die rechtfertigende Einwilligung.288 Fraglich erscheint zunächst aber, ob eine Rechtfertigung hier überhaupt denkbar ist. Geht man mit der h. M. davon aus, dass der Empfänger ein zumindest vorläufiges Recht zum Besitz hat,289 so bereitet die systematische Einordnung eines Rechtfertigungsgrundes im Prüfungsaufbau keinerlei Schwierigkeiten, da § 823 I BGB die rechtswidrige Rechtsgutsverletzung verlangt. Legt man jedoch richtigerweise das Nichtbestehen eines Rechtes zum Besitz zugrunde und prüft einen Anspruch gemäß §§ 989, 990 I BGB, so scheint für Rechtfertigungsgründe kein Platz zu sein, da in diesen Normen ein Wort wie „rechtswidrig“ oder „widerrechtlich“ nicht enthalten ist. Weshalb Rechtfertigungsgründe hier (richtigerweise) eingreifen, bedarf daher wenigstens einer kurzen Begründung.290 Auf §§ 989, 990 I BGB bezogen sieht es etwa Dimopoulos-Vosikis als Selbstverständlichkeit an, dass das Verhalten des Besitzers auch rechtswidrig sein müsse.291 Die Nichterwähnung könne mit einer beabsichtigten Beweislastumkehr erklärt werden, die sich allerdings praktisch kaum auswirke, da in der

284 Vgl. hierzu Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 388–391; Schröder, AcP 179 (1979), 567 (592); diskutiert wird freilich nicht, ob sich § 690 BGB auf die Haftung aus §§ 989, 990 BGB erstreckt, da sich diese Frage wegen des aus dem Verwahrungsvertrag folgenden Rechtes zum Besitz nicht stellt. 285 Josef, DJZ 1901, 383 (384); Jauernig/Jauernig (9. Aufl.), § 145 Rn. 6; Soergel/ Wolf, § 145 Rn. 26; MK-Kramer, § 145 Rn. 11; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 14; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 91; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 153 ff. 286 Weist, Unbestellte Zusendung, S. 46; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 27; v. Müller, Zusendung unbestellter Waren, S. 40. 287 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 155 ff.; Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593), „notwehr-analoge Gesichtspunkte“; Kloos, JuS 1986, 832. 288 Bunte FS Gaedertz, S. 87 (95); Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593). 289 Vgl. oben a) aa) (3). 290 Ohne Begründung aber z. B. Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 153 ff.; Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (93, 95). 291 Dimopoulos-Vosikis, §§ 987–1003 BGB, S. 102.

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Praxis die Widerrechtlichkeit auch bei § 823 I BGB als durch die Rechtsgutsverletzung indiziert angesehen werde.292 Die von Dimopoulos-Vosikis angenommene Selbstverständlichkeit ergibt sich daraus, dass die §§ 989, 990 I BGB Verschulden voraussetzen. Und Verschulden setzt Rechtswidrigkeit voraus.293 Vorwerfbar ist nur rechtswidriges Verhalten.294 Insofern müssen im Rahmen der §§ 989, 990 I BGB auch Rechtfertigungsgründe eingreifen können.295 (a) Preisgaberecht? Wie bereits oben296 angedeutet, wird dem Empfänger unbestellter Waren von einer Literaturmeinung ein Preisgaberecht zugebilligt. Vereinzelt wird es generell bejaht,297 oftmals aber nur bei geringwertigen Sachen angenommen.298 Erlaubt ist hiernach das Wegwerfen der Sache. Bedauerlicherweise wird allerdings nicht auf die dogmatische Herleitung des Preisgaberechts eingegangen. Nur vereinzelt finden sich Andeutungen wie der Hinweis auf die Verletzung der Individualsphäre des Empfängers oder die Aussage, bei geringwertigen Sachen habe der Versender das Verlustrisiko von vornherein eingerechnet,299 bzw. es sei vernünftigerweise nicht mit einer Aufbewahrung zu rechnen.300 Die offenbar von Billigkeitserwägungen geleitete Zuerkennung eines solchen Preisgaberechtes kann jedoch nicht überzeugen. Es bedarf vielmehr einer Rechtsgrundlage für ein Eingriffsrecht, die sich aus anerkannten Rechtfertigungsgründen herleiten lassen muss. Ein „isoliertes“ Preisgaberecht ist abzulehnen.301 Schwung leitet ein Preisgaberecht aus einer vollständigen Reduzierung der Schadensersatzpflicht des Empfängers gemäß § 254 I BGB her.302 Dem ist je292

Dimopoulos-Vosikis, §§ 987–1003 BGB, S. 102. MK-Löwisch, § 276 Rn. 10; RGRK-Alff, § 276 Rn. 7; Staudinger/Löwisch, § 276 Rn. 10; zum Ganzen auch Esser/Schmidt, SR 1/2, § 25 IV. 294 Soergel/Wolf, § 276 Rn. 18. 295 Geht man allerdings mit Dimopoulos-Vosikis und entgegen der h. M. davon aus, dass sich die Bösgläubigkeit des § 990 I BGB nicht nur auf das Recht zum Besitz bezieht, sondern das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit ist, Dimopoulos-Vosikis, §§ 987–1003 BGB, S. 119 ff., so dürfte es bei Bejahung eines Rechtfertigungsgrundes, der auch (oder ggf. nur) subjektiv beim Handelnden vorliegt, schon an der Bösgläubigkeit des § 990 I BGB fehlen. 296 1. a) bb) (2). 297 Josef, DJZ 1901, 383 (384); Jauernig/Jauernig (9. Aufl.), § 145 Rn. 6. 298 Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26; MK-Kramer, § 145 Rn. 11; Staudinger/Bork, § 146 Rn. 14; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 91. 299 Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26. 300 MK-Kramer, § 145 Rn. 11. 301 Ebenso Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 155. 302 Schwung, JuS 1985, 449 (453). 293

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doch entgegenzuhalten, dass sich allein aus der fehlenden Schadensersatzpflicht noch kein Eingriffsrecht ergibt.303 Denn das Wegwerfen der Sache wäre trotz eines schadensersatzausschließenden Mitverschuldens (vorbehaltlich des Eingreifens von Rechtfertigungsgründen) eine rechtswidrige Eigentumsverletzung, gegen die z. B. Notwehr (§ 227 BGB) möglich wäre. (b) § 859 I BGB (aa) Verbotene Eigenmacht (a) durch Zusendung Vereinzelt wird in der Literatur ein Selbsthilferecht des Empfängers aus §§ 858 I, 859 I BGB erwogen304 und teilweise – meist allerdings ohne eingehende Begründung – zumindest grundsätzlich auch bejaht.305 Voraussetzung für das Selbsthilferecht aus § 859 I BGB ist zunächst verbotene Eigenmacht i. S. des § 858 I BGB. Verbotene Eigenmacht ist jede gesetzlich nicht gestattete Handlung, die den unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt beeinträchtigt.306 In Betracht kommt hier allein die Alternative der Besitzstörung an den Räumlichkeiten bzw. am Briefkasten des Empfängers. Eine solche liegt vor bei jeder Beeinträchtigung der tatsächlichen Sachherrschaft, die nicht ihre völlige oder teilweise Entziehung bedeutet.307 Schon bei unerwünschten Werbebriefen wird eine solche Besitzstörung zu Recht allgemein bejaht.308 Gleiches wird daher auch bei unbestellten Zusendungen zu gelten haben, da diese aufgrund ihres tendenziell größeren körperlichen Umfangs eine wenigstens ebenso große Beeinträchtigung darstellen. Sie sind insofern noch weniger als Werbebriefe eine lediglich unerhebliche Beeinträchtigung.309 Problematisch ist aber, ob die Besitzbeeinträchtigung durch Einwurf in den Briefkasten auch ohne den Willen des Empfängers erfolgt. Dies ist dann nicht 303

Ebenso Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 155; Kloos, JuS 1986, 832. V. Müller, Zusendung unbestellter Waren, S. 40. 305 Weist, Unbestellte Zusendung, S. 46; Dodt, Die unbestellte Zusendung, S. 25; Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 27 ff. 306 Staudinger/Bund, § 858 Rn. 4. 307 Müller, SaR, Rn. 119. 308 BGHZ 106, 229 (232 f.); Staudinger/Bund, § 858 Rn. 57; MK-Joost, § 858 Rn. 5; Jahn/Gonzalez, WRP 1991, 1 (2). 309 Zu diesem Kriterium vgl. MK-Joost, § 858 Rn. 5; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 13. 304

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der Fall, wenn der Besitzer mit der Besitzbeeinträchtigung einverstanden ist.310 Erforderlich hierfür ist nach h. M. die Bekundung eines natürlichen Willens,311 welche auch konkludent erfolgen kann.312 Die Zustimmung zur Besitzbeeinträchtigung ist jedoch frei widerruflich,313 wobei nach h. M. von einer einmal erteilten Zustimmung vermutet wird, dass sie fortdauert, bis sie widerrufen wird.314 Bei unerwünschten Werbebriefen liegt verbotene Eigenmacht daher nach ganz h. M. nur dann vor, wenn ein Hinweis auf die Unerwünschtheit – entweder am Briefkasten selbst oder durch Mitteilung an den Versender – erfolgt ist.315 Dies ist die Beschränkung bzw. der Widerruf der generell durch Bereitstellung des Briefkastens erteilten Zustimmung. Diese Grundsätze können auch auf die Zusendung unbestellter Waren übertragen werden: In der Bereitstellung des Briefkastens ist die (konkludente) Zustimmung zu sehen. Sie beschränkt sich grundsätzlich auch nicht etwa auf „gewollte“ Zusendungen, denn ein solcher Vorbehalt ist der Bereitstellung nicht zu entnehmen. Verbotene Eigenmacht liegt daher bei der Zusendung unbestellter Waren grundsätzlich nicht vor. Eine Beschränkung bzw. ein Widerruf der generellen Zustimmung dürfte aber auch hier in dem vor der Zusendung angebrachten Hinweisschild „keine Werbung“ zu sehen sein, so dass verbotene Eigenmacht in diesem Fall gegeben wäre. (b) durch Belassen der Sache beim Empfänger Wilhelm bejaht allerdings eine Besitzstörung durch das Belassen der Sache beim Empfänger und folgert hieraus ein diesem zustehendes Selbsthilferecht.316 Diese Sichtweise ist umstritten. Denn teilweise wird vertreten, dass die Besitzstörung als (angeblich) spezielle Form des Angriffs i. S. von § 227 BGB nach Abschluss der Handlung beendet sei. Ein durch menschliche Handlung geschaffener Dauerzustand sei kein solcher Angriff mehr.317 Eine auf § 859 I BGB zu 310

Müller, SaR, Rn. 130. Müller, SaR, Rn. 133; Röthel/Sparmann, Jura 2005, 456 (458); zum Streit zur Rechtsnatur dieser Zustimmung vgl. Staudinger/Bund, § 858 Rn. 18. 312 Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 5; Staudinger/Bund, § 858 Rn. 17. 313 RGZ 146, 182 (186); Müller, SaR, Rn. 134; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 6; Staudinger/Bund, § 858 Rn. 19; Westermann/Gursky, SaR, § 22 II; Röthel/ Sparmann, Jura 2005, 456 (458); generell zur Widerruflichkeit der Einwilligung Kohte, AcP, 185 (1985), 105 (137 ff.). 314 Staudinger/Bund, § 858 Rn. 19; Westermann/Gursky, SaR, § 22 II; Soergel/ Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 6. 315 BGHZ 32, 229 (232); Staudinger/Bund, § 858 Rn. 57. 316 Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 28 f.; auch Köhler/Piper, § 1 Rn. 191, gehen davon aus, dass der Störungszustand bei der Zusendung unbestellter Waren beim Empfänger solange fortbesteht, wie sich die Sache dort befindet (allerdings im Zusammenhang mit Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen). 311

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gründende Selbsthilfe scheide daher aus; jedoch sei § 859 III BGB mit seiner zeitlichen Begrenzung entsprechend anwendbar.318 Die Gegenauffassung legt den Begriff der Besitzstörung und den der Eigentumsstörung des § 1004 BGB gleich aus.319 Bei § 1004 BGB sei aber anerkannt, dass die Störung zwar durch menschliches Verhalten hervorgerufen, aber nicht stets von einem solchen begleitet werden müsse, so dass in beiden Fällen auch ein Dauerzustand eine Störung sei.320 An der erstgenannten Meinung erscheint unstimmig, dass sie sich bei der Bestimmung der Voraussetzungen der Selbsthilfe gemäß § 859 I BGB von ihrer zuvor aufgestellten Definition der verbotenen Eigenmacht löst, obwohl die verbotene Eigenmacht Voraussetzung der Selbsthilfe ist.321 Für verbotene Eigenmacht lässt sie im Einklang mit der h. M. sowohl aktives Tun als auch Unterlassen ausreichen und betont die Vergleichbarkeit mit § 1004 BGB.322 Im Rahmen der Selbsthilfe orientiert sie sich aber am Begriff des Angriffs i. S. des § 227 BGB,323 welcher nach im Zivilrecht h. M. nicht durch Unterlassen verwirklicht werden kann.324 Für die zweite Meinung spricht neben dem richtigen Vergleich mit § 1004 BGB schon der Wortlaut des § 858 I BGB. Eine Beendigung der Besitzstörung schon bei Abschluss der den Besitz beeinträchtigenden Handlung anzunehmen, entspricht nicht dem Wortsinn des Begriffes Störung. Eine Störung besteht, solange der Besitz beeinträchtigt ist. Die Störung sollte also als Erfolg verstanden werden. Dies darf nicht mit der Frage vermengt werden, wie die Störung herbeigeführt, bzw. wie sie jemandem zugerechnet werden kann. Nach dieser Meinung müsste also eine Besitzstörung bejaht werden. Nach den o. g. Grundsätzen erfolgt diese aber wegen der Bereitstellung des Briefkastens grundsätzlich mit dem Willen des Empfängers, so dass verbotene Eigenmacht nicht vorliegt. Eigenständige Bedeutung erlangt das Belassen als Besitzstörung nur dann, wenn nicht schon im Zusenden verbotene Eigenmacht liegt. Denn dann hat der Versender durch aktives Tun eine dauerhafte Besitzstörung herbeigeführt. Insbesondere ist fraglich, ob der Empfänger seine generelle Zustimmung auch noch 317

Wieling, SaR 1, § 5 III 2c; Westermann/Gursky, SaR, § 23 2. Wieling, SaR 1, § 5 III 2c; Westermann/Gursky, SaR, § 23 2. 319 Staudinger/Bund, § 859 Rn. 7; MK-Joost, § 858 Rn. 4 f.; Jauernig/Jauernig, § 858 Rn. 3; auch Westermann/Gursky, SaR, § 22 I 2. 320 Staudinger/Bund, § 859 Rn. 7. 321 Vgl. Röthel/Sparmann, Jura 2005, 456 (458). 322 Westermann/Gursky, SaR, § 22 I 2. 323 Westermann/Gursky, SaR, § 23 2. 324 Vgl. z. B. Staudinger/Werner, § 227 Rn. 6; es ist aber fraglich, ob bei einem Dauerzustand überhaupt Unterlassen oder nicht vielmehr aktives Tun vorliegt, vgl. z. B. MK-Grothe, § 227 Rn. 3; Soergel/Fahse, § 227 Rn. 1; Schönke/Schröder/Lenckner, § 32 Rn. 10 f., vgl. dazu noch unten (c). 318

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nach der Zusendung widerrufen kann. Bejahte man dies, so erfolgte die fortdauernde Besitzstörung ab diesem Zeitpunkt ohne seinen Willen und hätte zur Folge, dass verbotene Eigenmacht vorläge. Es ist unbestritten, dass die Zustimmung frei widerruflich ist.325 Möglich soll dies aber nur bis zur Vornahme der Beeinträchtigung sein.326 Der Widerruf wirkt also bloß ex nunc. Für eine fortdauernde Störung muss dies bedeuten, dass mit dem Zeitpunkt eines wirksamen Widerrufs verbotene Eigenmacht vorliegt. Dieser Sichtweise könnte entgegengehalten werden, dass das Belassen der Sache beim Empfänger als Unterlassen zu qualifizieren sein könnte, aber eine Rechtspflicht zum Handeln nicht bestehe. Insbesondere die nach dieser Betrachtungsweise in Frage kommende Ingerenz könnte mit dem Argument angezweifelt werden, dass das mit Einwilligung vorgenommene Vorverhalten nicht pflichtwidrig gewesen sei.327 In der Literatur zu § 858 I BGB wird regelmäßig knapp angeführt, das die Besitzstörung verursachende Verhalten könne in einem Tun oder Unterlassen bestehen, wobei ein Unterlassen nur dann einem Tun gleichzustellen sei, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestehe.328 Diese könne sich insbesondere aus vorangegangenem Verhalten ergeben.329 Schon bei den Voraussetzungen der Selbsthilfe nach § 859 I BGB wird i. d. R. nicht mehr anhand dieses Begriffspaars argumentiert. Vielmehr wird als Voraussetzung der Selbsthilfe ebenso wie bei der Notwehr (§ 227 BGB) ein Angriff verlangt. Dass dieser nach im Zivilrecht h. M. nicht durch Unterlassen möglich ist, bleibt unerwähnt. Hält man an der Unterscheidung Tun-Unterlassen fest,330 so kommt beim Wegfall der Zustimmung nur ein Unterlassen in Frage.331 Unterlassen ist nicht nur die Nichtverhinderung der Herbeiführung einer Störung, sondern auch die 325 Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 6; Staudinger/Bund, § 858 Rn. 19; MKJoost (3. Aufl.), § 858 Rn. 7; Westermann/Gursky, SaR, § 22 II; RGZ 146, 182 (186). 326 Baur/Stürner, SaR, § 9 Rn. 5; Schreiber, SaR, Rn. 94; Westermann/Gursky, SaR, § 22 II; Müller, SaR, Rn. 134. 327 So – allerdings im Rahmen einer strafrechtlichen Einwilligung – z. B. Göbel, Einwilligung, S. 140 ff. 328 Staudinger/Bund, § 858 Rn. 5; Müller, SaR, Rn. 124 f.; MK-Joost, § 858 Rn. 2; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 13; Wolff/Raiser, SaR, § 17 I 2. 329 Müller, SaR, Rn. 125. 330 Erwägenswert erscheint aber auch, § 858 I BGB und § 1004 BGB nicht nur hinsichtlich des Störungserfolges, sondern auch hinsichtlich der Zurechnung desselben, insbesondere anhand der Störerdogmatik gleichzusetzen (so wie dies auch teilweise bei § 862 BGB getan wird, vgl. z. B. Schreiber, SaR, Rn. 108; Palandt/Bassenge, § 862 Rn. 9 einerseits (für Gleichsetzung) und z. B. Müller, SaR, Rn. 169; Erman/ Werner (10. Aufl.), § 862 Rn. 2 (Verweis nur auf die verbotene Eigenmacht) andererseits). Hiernach würde dem Versender die Störung zugerechnet, vgl. Baur/Stürner, SaR, § 12 Rn. 15; Larenz/Canaris, SR 2/2, § 86; hiergegen aber z. B. Staudinger/ Gursky, § 1004 Rn. 94 ff., der aber eine Zustandsstörereigenschaft des Versenders be-

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Nichtbeseitigung einer bereits eingetretenen Störung.332 Wegen der Zustimmung die Garantenpflicht aus Ingerenz entfallen zu lassen, ist jedoch zweifelhaft. Lässt man richtigerweise einen Dauerzustand als Störungserfolg zu, so drängt sich der Vergleich zur Diskussion über die Schaffung eines Dauerzustandes als Grundlage einer strafrechtlichen Garantenpflicht aus Ingerenz auf. Hier wird aber überwiegend davon ausgegangen, dass eine Ausnahme vom Grundsatz der (nicht unbestritten333) vorausgesetzten Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens zu machen sei. Die Aufrechterhaltung eines rechtsgutsbeeinträchtigenden Zustands ist hiernach nur so lange gestattet, wie die Rechtfertigungslage anhält.334 Sobald diese wegfällt, erwächst dem Urheber des beeinträchtigenden Zustandes die Garantenpflicht, diesen wieder aufzuheben.335 So kann beispielsweise das Einsperren eines schuldunfähigen Angreifers durch Notstand gerechtfertigt sein und ist somit zunächst nicht pflichtwidrig. Jedoch spätestens, wenn dieser keine Gefahr mehr darstellt, ist er wieder freizulassen. Anderenfalls macht sich der Verteidiger bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen (§§ 239, 13 StGB) strafbar. Selbiges muss auch bei anderen Rechtfertigungsgründen, also insbesondere der Einwilligung, gelten.336 Dieser Gedanke lässt sich auf die Zustimmung i. R. des § 858 I BGB übertragen. Dass die Zustimmung hierbei als negatives Tatbestandsmerkmal ausgestaltet ist, ist zwar „interessant“337, dass sich aber in diesem Zusammenhang jahen dürfte, wenn (!) der Versender Eigentümer der störenden Sache ist, vgl. ebda., Rn. 100. 331 Im Rahmen des § 227 BGB wird aber auch vertreten, die Nichtbeseitigung eines Dauerzustandes sei aktives Tun, Soergel/Fahse, § 227 Rn. 1 m. w. N. Dieses weite Verständnis dürfte aber daher rühren, dass dort Unterlassen nach h. M. nicht als Angriff verstanden werden kann. 332 Vgl. Kühl, AT, § 18 Rn. 26. 333 Vgl. z. B. Jakobs, AT, 29/41 f. Im Zivilrecht wird vielfach die Notwendigkeit der Rechtswidrigkeit des Vorverhaltens verneint und ähnlich dieser strafrechtlichen Mindermeinung auf die Zurechenbarkeit der Gefahrenquelle abgestellt, vgl. z. B. Esser/Schmidt, SR 1/2, § 25 III 2a, und (im Rahmen des § 1004 BGB) Larenz/Canaris, SR 2/2, § 86 II 2. 334 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 67; Schönke/Schröder/Stree, § 13 Rn. 36; LK-Jescheck, § 13 Rn. 33; Kühl, AT, § 18 Rn. 97; nach Herzberg, JZ 1986, 986 (987), ist dies nicht die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel und ergibt sich aus den Beschränkungen des Rechtfertigungsgrundes, ebda., 989 f. 335 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 67; Schönke/Schröder/Stree, § 13 Rn. 36; LK-Jescheck, § 13 Rn. 33; Kühl, AT, § 18 Rn. 97; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 13; zu diesem Ergebnis dürfte man aber auch dann gelangen, wenn man auf das Kriterium der Pflichtwidrigkeit verzichtet und für die Ingerenz-Garantenstellung darauf abstellt, ob die Gefahr noch zum Organisationskreis des Handelnden gehört, vgl. z. B. Rengier, JuS 1989, 802 (807); Jakobs, AT, 29/43, allerdings beschränkt auf durch Notstand gerechtfertigtes Verhalten, nicht jedoch bei Notwehr; zu Recht gegen diese Differenzierung Joecks, § 13 Rn. 43. 336 Vgl. den Fall bei Schmidhäuser, SB, § 6 Rn. 59. 337 Baur/Stürner, SaR, § 9 Rn. 3.

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sachliche Unterschiede zu einer Rechtfertigung ergeben sollten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere wird auch bei der zunächst sozialadäquaten (also nicht tatbestandsmäßigen) Schaffung einer Dauergefahr in gleicher Weise argumentiert.338 Somit entsteht mit dem Widerruf der Zustimmung die Garantenpflicht des Versenders. Fraglich ist aber, wie dieser Widerruf zu erfolgen hat. In der Literatur wird nämlich regelmäßig nur angeführt, die Zustimmung sei frei widerruflich. Wie dies zu geschehen hat, wird hingegen meist nicht erwähnt. Lediglich vereinzelt findet sich der Hinweis, der Widerruf sei auch durch Willensbetätigung möglich.339 Wie bereits erwähnt, ist die Rechtsnatur schon der Zustimmung umstritten. Die h. M. sieht in ihr keine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern vielmehr die Bekundung eines natürlichen Willens.340 Die Zustimmung muss nur irgendwie kundgegeben werden,341 braucht also insbesondere niemandem zuzugehen. Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich.342 Eine Mindermeinung sieht in der Zustimmung dagegen eine rechtsgeschäftliche Erklärung.343 Dieser Streit entspricht weitgehend der – hauptsächlich in der Strafrechtsliteratur – geführten Diskussion um die Rechtsnatur der Einwilligung.344 Auch dort entspricht es der h. M., dass die Einwilligung keine rechtsgeschäftliche Erklärung ist, sondern dass sie lediglich in irgendeiner Weise nach außen hervorgetreten sein muss (sog. vermittelnde Theorie).345 Folgt man der aus Gründen der Rechtssicherheit sowohl bei § 858 I BGB als auch bei der rechtfertigenden Einwilligung richtigen h. M., so wird man auch für den Widerruf als actus contrarius eine irgendwie nach außen getretene Willensbekundung genügen lassen müssen.346 Für den Empfänger unbestellter Waren bedeutet dies, dass jedenfalls in der Mitteilung an den Versender ein solcher Widerruf zu sehen ist. Aber auch, wenn er etwa jemand anderem bekundet, er wolle die Sache nicht mehr haben, oder durch eine sonstige Handlung auf seine Willensänderung zu schließen ist, ist hierin ein Widerruf zu sehen. Dies kann insbesondere auch bei die Beschädi338

Vgl. Rengier, JuS 1989, 802 (809); Schönke/Schröder/Stree, § 13 Rn. 36. Wolff/Raiser, SaR, § 17 I 4; Wilhelm, SaR, Rn. 469. 340 Müller, SaR, Rn. 132 f.; Staudinger/Bund, § 858 Rn. 18; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 4 f. 341 Müller, SaR, Rn. 132; Palandt/Bassenge, § 858 Rn. 5; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 858 Rn. 4. 342 Müller, SaR, Rn. 133. 343 Schwab/Prütting, SaR, Rn. 109; Baur/Stürner, SaR, § 9 Rn. 5. 344 Vgl. z. B. Roxin, AT 1, § 13 Rn. 42 ff. 345 Vgl. Roxin, AT 1, § 13 Rn. 42; für eine bloß innere Zustimmung aber z. B. SKSamson (5. Aufl.), vor § 32 Rn. 66 (sog. Willensrichtungstheorie). 346 Roxin, AT 1, § 13 Rn. 50; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 113; wohl daher auch i. d. S. Wolff/Raiser, SaR, § 17 I 4; Wilhelm, SaR, Rn. 469; dagegen aber Baumann/ Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 106, die eine Kundgabe der Einwilligung verlangen, aber eine bloße Willensänderung zum Wegfall der Einwilligung ausreichen lassen. 339

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gung, Zerstörung, Weiterveräußerung oder das Wegwerfen vorbereitenden Handlungen der Fall sein. Auch wenn man für die Zustimmung eine Kundgabe nach außen verlangt, so könnte auf eine Kundgabe des Widerrufs mit dem in der strafrechtlichen Diskussion vorgebrachten Argument verzichtet werden, dass die Zustimmung von vornherein unter dem Vorbehalt stehe, dass sich die Motivationslage des Zustimmenden nicht geändert hat.347 Dementsprechend wird teilweise auch ein mutmaßlicher Widerruf bzw. Wegfall der Einwilligung als „Gegenstück“ zur mutmaßlichen Einwilligung anerkannt.348 Für die Zustimmung i. R. des § 858 I BGB lässt sich dies ebenso vertreten. Selbst die im Zivilrecht h. M. lässt eine Verknüpfung der Zustimmung mit Bedingungen zu.349 Weshalb dies anders als bei der strafrechtlichen Einwilligung nicht der Fortbestand des zustimmenden Willens sein kann, ist nicht ersichtlich. Hiernach müsste die bloße Willensänderung des Empfängers ausreichen. Da aber regelmäßig einer der in Frage stehenden Handlungen (Beschädigung, Zerstörung, Wegwerfen, Weiterveräußerung) eine auf die Willensänderung schließen lassende Handlung vorausgehen dürfte, soll hier die Entscheidung, ob es einer solchen überhaupt bedarf, dahin stehen. Somit kommt verbotene Eigenmacht durch Unterlassen in Betracht. Problematisch ist daran allerdings, dass Voraussetzung für ein Unterlassen stets die Handlungsmöglichkeit ist.350 Regelmäßig befindet sich der Versender aber nicht am Ort der Besitzstörung, so dass er nicht die Möglichkeit hat, die Sache zu entfernen. Genauerer Betrachtung bedarf hier vor allem die zeitliche Komponente: Die Garantenstellung aus Ingerenz entsteht nach dem Gesagten im Zeitpunkt der Widerrufsbekundung. Sofort danach hätte der Versender aber i. d. R. (noch) nicht die Möglichkeit zur Beseitigung. Entsprechend ist im Strafrecht zu entscheiden: So wäre z. B. vollendete Tötung durch Unterlassen grundsätzlich351 nicht anzunehmen, wenn der Vater sein Kind nicht aus dem Fluss rettet, in den es gefallen und schon eine Minute später gestorben ist, wenn feststeht, dass der Vater zwei Minuten zur Rettung gebraucht hätte.352 Er hatte nämlich dann nicht die Möglichkeit der Erfolgsverhinderung gehabt. Bei der Aufrechterhaltung eines Dauerdelikts kann entsprechend von einem Unterlassen(serfolg) in der Zeit zwischen gefordertem Handlungsbeginn und zu erwartender frühestmöglicher 347

Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 106. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 106; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 113; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 44. 349 MK-Joost, § 858 Rn. 7; Staudinger/Bund, § 858 Rn. 20; Müller, SaR, Rn. 135. 350 Vgl. z. B. Larenz, SR 1, § 27 III c; Esser/Schmidt, SR 1/2, § 25 III 2. 351 Zur Ausnahmekonstellation der omissio libera in causa bzw. in omittendo sogleich. 352 Ein (untauglicher) Versuch wäre natürlich möglich. 348

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Erfolgsverhinderung nicht gesprochen werden: Entsteht etwa die Pflicht zur Befreiung des im Notstand eingesperrten Angreifers um 12:00 Uhr, wobei der Verteidiger einen Weg von fünf Minuten zurückzulegen hat, so kann seine Strafbarkeit wegen vollendeter Freiheitsberaubung durch Unterlassen erst um 12:05 Uhr bejaht werden. Kann sich der Eingesperrte bereits um 12:04 Uhr selbst befreien, so liegt vollendete Freiheitsberaubung durch Unterlassen nicht vor, auch wenn der Verteidiger sich nicht um 12:00 Uhr auf den Weg gemacht hat. Da der Unterlassensvorwurf sich nur darauf beziehen kann, bei Entstehung der Handlungspflicht nicht gehandelt zu haben, kann man dem Verteidiger auch nicht vorwerfen, dass er nicht schon um 11:55 Uhr losgegangen ist. Das gleiche Ergebnis erlangt man mit der Rechtsfigur der sog. omissio libera in omittendo, bei welcher sich der Garant durch Unterlassen der Möglichkeit begibt, die erforderliche Handlung zu vollziehen.353 Dies ist etwa der Fall, wenn es die Mutter unterlässt, das für ihr Kind lebensnotwendige Medikament zu kaufen und es ihm daher bei eintretender Lebensgefahr nicht mehr verabreichen kann.354 Auch mit dieser Rechtsfigur kann man aber erst an Verhalten anknüpfen, welches alle Voraussetzungen der Strafbarkeit erfüllt,355 also erst dann, wenn die „tatbestandliche Situation“356 schon gegeben ist. Insbesondere muss die Garantenstellung schon bestehen. Dies ist bei der Mutter im Beispiel der Fall. Beim Einsperrenden entsteht sie aber erst mit Wegfall der Rechtfertigung. Deshalb ist im Beispiel beim Einsperrenden auch 12:00 Uhr der frühestmögliche Zeitpunkt, an den angeknüpft werden kann. Auch mit dieser Rechtsfigur kann dem Einsperrenden daher nicht vorgeworfen werden, dass er nicht schon um 11:55 Uhr losgegangen ist. Übertragen auf § 858 I BGB bedeutet dies, dass verbotene Eigenmacht durch Unterlassen erst ab dem Zeitpunkt des frühestmöglichen Beseitigungserfolges vorliegt, wenn die Beseitigungshandlung sofort nach Entstehung der Garantenstellung auf den Weg gebracht würde. Es ist also darauf abzustellen, wann die Sache frühestmöglich abgeholt worden wäre, hätte der Versender die Abholung sofort nach dem Widerruf der Zustimmung „in die Wege geleitet“. Unterlassen liegt daher auch dann vom Zeitpunkt dieses frühestmöglichen Beseitigungserfolges an vor, wenn der Versender sich nicht am Ort der Besitzstörung befindet, er sich aber nach Wegfall der Zustimmung der Möglichkeit begeben hat, die Besitzstörung zu beseitigen. Als Beseitigungsmöglichkeiten kommt neben der persönlichen Abholung auch die Beauftragung eines Transportunternehmens in Betracht. Wann dieses die Sache abgeholt hätte, ist eine Frage des Einzelfalles. 353 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 28; Otto, AT, § 9 Rn. 11; Kühl, AT, § 18 Rn. 22; Schönke/Schröder/Stree, vor § 13 Rn. 144; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 137 Fn. 155. 354 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 28. 355 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 28. 356 Struensee, FS Stree/Wessels, S. 133 (151).

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I. d. R. wird aber davon auszugehen sein, dass die so veranlasste Abholung in 1–2 Tagen bewirkt werden kann. Nach Verstreichen dieses Zeitraumes liegt also verbotene Eigenmacht durch Unterlassen vor. Ob der Versender vom Widerruf erfährt und deshalb die Sache tatsächlich abgeholt hätte, wäre strafrechtlich eine Frage des Vorsatzes.357 Da es bei der verbotenen Eigenmacht ausschließlich auf die objektiven Gegebenheiten ankommt,358 ist dies hier unerheblich. (bb) Weitere Voraussetzungen des § 859 I BGB Wenn man nach dem oben Gesagten von einer von Anfang an fehlenden oder weggefallenen Zustimmung und somit von verbotener Eigenmacht ausgeht, wird eine Rechtfertigung durch § 859 I BGB aber auch aus einem anderen Grund nicht bejaht. Die bei der Besitzwehr angewandte Gewalt darf nämlich nach ganz h. M. nur so weit gehen, wie sie zur Abwehr der verbotenen Eigenmacht erforderlich ist.359 Von mehreren zur Abwehr der Störung gleich geeigneten Mitteln muss dasjenige gewählt werden, welches den geringsten Eingriff in die Sphäre des Störers bewirkt.360 Das Wegwerfen der störenden Sache wird hierbei vielfach als nicht erforderlich angesehen. Eine Sache, die den Besitz an Räumlichkeiten stört, müsse mit zumutbarer Vorsicht so entfernt und gelagert werden, dass sie möglichst wenig Schaden nimmt.361 Und ihre Zerstörung sei widerrechtlich, wenn es genüge, sie beiseite zu schaffen.362 Die für den Anspruch aus §§ 989, 990 I BGB in Frage stehenden Handlungen wie Beschädigung, Zerstörung, Wegwerfen und ggf. die Weiterveräußerung der Sache dürften hiernach aus diesem Grund in aller Regel nicht gerechtfertigt sein, da sie nach dieser Meinung nicht das mildeste, die Besitzstörung beendende Verhalten darstellen.363

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Vgl. Kühl, AT, § 18 Rn. 31. Staudinger/Bund, § 858 Rn. 9, § 859 Rn. 12; Palandt/Bassenge, § 858 Rn. 1; MK-Joost, § 858 Rn. 2. 359 Staudinger/Bund, § 859 Rn. 8; Soergel/Mühl (12. Aufl.), § 859 Rn. 4; Wieling SaR 1, § 5 III 1a; MK-Joost, § 859 Rn. 9; Kollhosser, JuS 1992, 567 (568); Schwab/ Prütting, SaR, Rn. 112; Westermann/Gursky, SaR, § 23 2; hiergegen aber Wilhelm, SaR, Rn. 467 Fn. 97, der § 859 I BGB nur durch § 226 BGB begrenzen will. 360 Müller, SaR, Rn. 138. 361 Müller, SaR, Rn. 138; Staudinger/Bund, § 859 Rn. 8; BGH WM 1968, 1356 (1357). 362 Staudinger/Bund, § 859 Rn. 8; RGSt 32, 249 (250); Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593 Fn. 77), hält (im Rahmen einer Notwehr) die Zerstörung zur Verteidigung weder für erforderlich noch für geeignet. 363 Nach Wilhelm, Unbestellte Bücher, S. 29, kommt eine Rechtfertigung des Wegwerfens daher auch nur „äußerstenfalls“ in Betracht. 358

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Es erscheint aber fraglich, ob dem Empfänger tatsächlich ein milderes, gleichgeeignetes Mittel zur Verfügung steht. Im Einzelfall mag dies die Aufforderung an den Versender sein, die Sache zu entfernen. Aufgrund der meist gegebenen Abwesenheit des Versenders und der daraus folgenden Verzögerung sowie der Unsicherheit der Abholbereitschaft kann dies aber nur ausnahmsweise ebenso erfolgversprechend sein wie die eigenmächtige Entfernung der Sache.364 Ein „Beiseiteschaffen“ als milderes, gleichgeeignetes Mittel anzusehen, erscheint ebenfalls verfehlt. Innerhalb der Besitzsphäre des Empfängers bewirkt ein Beiseiteschaffen, also etwa die Lagerung im Keller oder im Garten, keine Beseitigung der Besitzstörung. Diese besteht vielmehr fort. Und ein sonstiges Beiseiteschaffen, etwa die Lagerung auf dem Nachbargrundstück kommt nicht als milderes Mittel in Betracht, da sie ihrerseits eine rechtswidrige Besitzstörung wäre. Die in Frage stehenden Handlungen sind daher regelmäßig auch erforderlich. Die Ausübung des erforderlichen Mittels kann sich aber als rechtsmissbräuchlich darstellen. Eine Güterabwägung findet bei § 859 I BGB zwar nicht statt; auch das Gewaltrecht des § 859 I BGB unterliegt dem jedoch Verbot des Rechtsmissbrauchs.365 Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann aber allenfalls bei einem krassen Missverhältnis zwischen Verteidigungsinteresse des Empfängers und Erhaltungsinteresse des Versenders bejaht werden, etwa bei einer besonders wertvollen Sache und geringer Beeinträchtigung des Empfängers.366 Eine darüber hinausgehende Einschränkung des Gewaltrechtes aus § 242 BGB abzuleiten, wie dies in der Rechtsprechung bejaht wurde,367 ist abzulehnen.368 Zum einen ist das Gewaltrecht hinreichend über die Kriterien der Erforderlichkeit369 und des Rechtsmissbrauchsverbots beschränkt. Zum anderen ist der Herleitung einer Schutzpflicht aus einem die Sache gefährdenden Tun370 durch den BGH zu widersprechen: Die Vornahme der Verteidigungshandlung als Grundlage für die Einschränkung derselben heranzuziehen, ist zirkulär. Aus welchem Grund die Selbsthilfehandlung vorgenommen wird, ist übrigens unerheblich. Eines „Selbsthilfewillens“, also eines subjektiven Rechtfertigungselements, bedarf es nach allgemeiner Meinung bei § 859 I BGB nicht.371 364 A. A. Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 156, die im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung bei § 227 BGB die Aufforderung zur Abholung stets für ein gleich geeignetes Mittel hält; ebenso Matzky, NStZ 2002, 458 (462). 365 Staudinger/Bund, § 859 Rn. 10. 366 Vgl. Müller, SaR, Rn. 139. 367 BGH WM 1968, 1356 (1357); LG Frankfurt/M. NJW 1984, 183. 368 Staudinger/Bund, § 859 Rn. 10; MK-Joost (3. Aufl.), § 859 Rn. 11. 369 Staudinger/Bund, § 859 Rn. 10; MK-Joost, § 859 Rn. 11. 370 BGH WM 1968, 1356 (1357). 371 Vgl. Staudinger/Bund, § 859 Rn. 12; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 149 f.

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(cc) Ergebnis zu (b) Geschieht die Besitzstörung also ohne den Willen des Empfängers, so kann ein Wegwerfen, eine Zerstörung oder Veräußerung der Sache durch § 859 I BGB gerechtfertigt sein. (c) § 227 BGB In Betracht kommt ferner eine Rechtfertigung des Verhaltens des Empfängers durch das Notwehrrecht des § 227 BGB. In der Literatur wird dies nur vereinzelt erwogen, nirgends aber ausdrücklich bejaht.372 Eine Prüfung der Voraussetzungen der Notwehr scheint jedoch nicht abwegig. Erforderlich ist zunächst eine Notwehrlage, also ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff. Notwehrfähige Individualrechtsgüter sind hierbei rechtlich geschützte Güter und Interessen aller Art, gleichgültig, ob es sich um solche materieller oder ideeller Natur handelt.373 Bei der Zusendung unbestellter Waren sind hierbei – ebenso wie bei unbestellten Werbebriefen – als geschützte Rechtsgüter betroffen der unmittelbare Besitz374, das allgemeine Persönlichkeitsrecht375 sowie ggf. das Eigentum376 des Empfängers.377 Rechtswidrig ist der Angriff allerdings nicht, wenn er mit Einwilligung des Angegriffenen erfolgt, wobei deren Anforderungen im einzelnen umstritten sind, aber grundsätzlich Einigkeit darüber besteht, dass die Einwilligung frei widerruflich ist.378 Hier stellen sich also erneut die bereits im Rahmen der verbotenen Eigenmacht erörterten Probleme.379 Auch hier ist daher festzustellen, dass der Angriff grundsätzlich wegen der in der Bereitstellung des Briefkastens zu sehenden Einwilligung nicht rechtswidrig ist. Fraglich ist aber, ob bei Widerruf der Einwilligung380 nach erfolgter Zusendung im Belassen der Sache beim Empfänger ein Angriff gesehen werden kann. 372 Vgl. Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 155 ff.; Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593), „notwehr-analoge Gesichtspunkte“; Kloos, JuS 1986, 832. 373 MK-Grothe, § 227 Rn. 4. 374 Vgl. z. B. Soergel/Fahse, § 227 Rn. 4; a. A. Suppert, Studien, S. 268, der den Besitz als geschützte Rechtsposition bei § 227 BGB wegen der Vorrangigkeit des § 859 BGB verneint. 375 Vgl. z. B. Soergel/Fahse, § 227 Rn. 4; Palandt/Heinrichs, § 227 Rn. 3; Jauernig/Jauernig, § 227 Rn. 3; Staudinger/Werner, § 227 Rn. 3; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 156. 376 Vgl. z. B. MK-Grothe, § 227 Rn. 5; Palandt/Heinrichs, § 227 Rn. 3. 377 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 156; Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593); Kloos, JuS 1986, 832; vgl. auch Jahn/Gonzalez, WRP 1991, 1 (2 ff.); BGHZ 106, 229 (232 ff.); Jauernig/Jauernig (9. Aufl.), § 145 Rn. 6. 378 Vgl. Soergel/Fahse, § 227 Rn. 17 ff. 379 Vgl. (b) (aa) (a).

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Bejaht man diesen Widerruf, so könnte im Belassen der Sache beim Empfänger ein Angriff durch Unterlassen zu sehen sein. Denn auch wenn vielfach behauptet wird, § 227 BGB entspreche § 32 StGB,381 so lässt sich doch ein gravierender Unterschied in der Auslegung dieser Normen feststellen. Während es in der Strafrechtswissenschaft der nahezu einhelligen Meinung entspricht, dass ein Angriff bei Bestehen einer Rechtspflicht zum Handeln auch durch Unterlassen verübt werden kann,382 hält die in der Zivilrechtswissenschaft h. M. aktives Tun für erforderlich.383 Sofern dies begründet wird, verweist man auf eine sonst drohende Ausuferung der eigenmächtigen Durchsetzung von Ansprüchen,384 sowie auf die angeblich nicht mehr mögliche Abgrenzbarkeit zu § 229 BGB und die Umgehung der engen Grenzen der §§ 229, 230 BGB.385 § 227 BGB erfordere ein aktives Eingreifen in einen bestehenden Zustand.386 Ferner setze das Wort „Angriff“ schon begrifflich aktives Tun voraus.387 Die zivilrechtliche Gegenmeinung bejaht grundsätzlich die Möglichkeit eines Angriffs durch Unterlassen.388 Entsprechend der in der Strafrechtswissenschaft h. M. wird dies dann bejaht, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht.389 Gegen das Wortlautargument der h. M. lässt sich vorbringen, dass unter einem Angriff (auf die Fortbewegungsfreiheit) auch das Nichtfreilassen eines Eingesperrten verstanden werden kann. Noch deutlicher wird dies, wenn man nicht auf die Nichtbeseitigung eines Zustandes abstellt, sondern auf die Herbeiführung eines rechtsgutsverletzenden Zustandes durch Unterlassen. Verweigert ein Feuerwehrmann das Eingreifen bei einem kurz vor dem Ausbruch stehenden 380

Vgl. hierzu oben (b) (aa) (b). So etwa Soergel/Fahse, § 227 Rn. 1; AK-Damm, vor § 226 Rn. 4; Wolf, AT, § 15 B III b 1 Fn. 34. 382 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 6; Wessels/Beulke, AT, Rn. 326; Roxin, AT 1, § 15 Rn. 11; Jescheck/Weigend, AT, S. 339; Jakobs, AT, 12/21; NK-Herzog, § 32 Rn. 11; SK-Günther, § 32 Rn. 30; LK-Spendel, § 32 Rn. 46; für analoge Anwendung des § 32 StGB Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 32 Rn. 10. 383 Palandt/Heinrichs, § 227 Rn. 2; Köhler, AT, § 19 Rn. 7; Medicus, AT, Rn. 152; AK-Damm, § 227 Rn. 4; Staudinger/Werner, § 227 Rn. 6; Soergel/Fahse, § 227 Rn. 1; MK-Grothe, § 227 Rn. 3; Derleder, BB 1987, 818 (825); BGH NJW 1967, 46 (47). 384 BGH NJW 1967, 46 (47). 385 BGH NJW 1967, 46 (47); Medicus, AT, Rn. 152; MK-Grothe, § 227 Rn. 3. 386 BGH NJW 1967, 45 (46). 387 MK-v.Feldmann (3. Aufl.), § 227 Rn. 2; Felber, Die Rechtswidrigkeit, S. 193 f. 388 Jauernig/Jauernig, § 227 Rn. 2; Hübner, AT, Rn. 548; Brox, JA 1982, 221 (223 f.); W. Schünemann, Selbsthilfe, S. 40 ff.; Soergel/Siebert/Fahse (10. Aufl.), § 227 Rn. 2; HK-Dörner, § 227 Rn. 2; Lange, AT (15. Aufl.), § 18 I 2 b; Deutsch, AllgHaftR, Rn. 264. 389 HK-Dörner, § 227 Rn. 2; Soergel/Siebert/Fahse (10. Aufl.), § 227 Rn. 2; Jauernig/Jauernig, § 227 Rn. 2; Hübner, AT, Rn. 548. 381

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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Brand und weigert er sich zudem noch, seinen Feuerlöscher hilfsbereiten Personen zur Verfügung zu stellen, so ist hierin ein Angriff zu sehen. In der Strafrechtswissenschaft wird argumentiert, es sei nicht einzusehen, weshalb jemand einen anderen durch Unterlassen töten könne, hierin aber kein Angriff gesehen werden könne.390 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieses Argument im Zivilrecht nicht tragfähig sein sollte. Schließlich sind auch dort „unechte Unterlassungen“ möglich. So kann etwa eine Körperverletzung i. S. von § 823 I BGB durch Unterlassen begangen werden, wenn den Unterlassenden eine Handlungspflicht trifft. Der Auffassung, nur aktives Tun könne als Angriff verstanden werden, liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, § 229 BGB sei dann einschlägig, wenn der Schuldner es unterlasse, seiner Erfüllungspflicht nachzukommen.391 § 229 BGB erlaube also aggressives Einschreiten gegen das Unterlassen des Schuldners. Die Verteidigung bei § 227 BGB sei demgegenüber defensiver Natur, da der Angriff in einem aktiven Tun bestehe. Nach der Unterscheidung von Tun und Unterlassen richte sich also die Anwendbarkeit von § 227 BGB oder § 229 BGB.392 Diese Trennung überzeugt aber nicht, da erstens die Nichterfüllung bei § 229 BGB auch – nämlich bei Bestehen eines Unterlassungsanspruches – in einem aktiven Tun bestehen kann.393 Zweitens ist § 229 BGB nach zumindest teilweise vertretener Meinung auch einschlägig, wenn der Schuldner – durch aktives Tun – Beweismittel vernichten will.394 Darüber hinaus ist die Beschränkung von aggressivem Verhalten auf § 229 BGB auch schon deswegen nicht richtig, weil als Verteidigung bei der Notwehr auch die sog. (aggressive) Trutzwehr anerkannt ist.395 Ferner wird die von der in der Zivilrechtswissenschaft h. M. angenommene vermeintliche Trennschärfe dadurch aufgeweicht, dass sie vielfach Unterlassen in aktives Tun umdeutet.396 So wird beispielsweise das Nichtfreigeben einer Parklücke als aktives Tun verstanden.397 Ebenso sei das Nichtfreilassen eines Gefangenen nach Ablauf der Haftzeit398 sowie das Verlas390

Roxin, AT 1, § 15 Rn. 11. Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 118. 392 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 118; W. Schünemann, Selbsthilfe, S. 38. 393 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 119. 394 Jakobs, AT, 16/21; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 119; Kühl, AT, § 9 Rn. 4. 395 W. Schünemann, Selbsthilfe, S. 40; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 118. 396 Kritisch hierzu, W. Schünemann, Selbsthilfe, S. 43 f.; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 120; Brehm, AT, Rn. 636; Lagodny, GA 1991, 300 (302 f.); Felber, Die Rechtswidrigkeit, S. 195; SK-Günther, § 32 Rn. 30; Kühl, Beendigung, S. 156. 397 Soergel/Fahse, § 227 Rn. 1; BayObLG NJW 1963, 825; NJW 1993, 211. 398 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 32 Rn. 11 (zu § 32 StGB). 391

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

sen eines Touristen durch den Bergführer in einer lebensgefährlichen Situation aktives Verhalten.399 Gegen das von der h. M. aufgestellte Erfordernis einer Zustandsveränderung bei der Notwehrlage,400 welche nur durch aktives Tun herbeigeführt werden könne, spricht schon die Tatsache, dass eine solche Zustandsveränderung unproblematisch auch durch Unterlassen bewirkt werden kann.401 Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Rechtsgutsverletzung noch nicht eingetreten ist. Beispielsweise ruft das Unterlassen der Versorgung eines gesunden Tieres mit Nahrung die Verschlechterung des Zustandes des Tieres erst hervor. Allein deshalb ein Verhalten von vornherein als Angriff auszuschließen, weil es in einem Unterlassen besteht, kann daher nicht überzeugen. Unterlassen kommt somit grundsätzlich neben aktivem Tun als Angriff in Betracht. Unterlassen wird allerdings nur dann als Angriff gesehen, wenn der Unterlassende gegen eine Handlungspflicht verstößt. In der Zivilrechtswissenschaft wird hier nicht näher differenziert. Sofern auf die Qualität der Handlungspflicht eingegangen wird, wird lediglich angeführt, dass die bloße Nichterfüllung von Vertragspflichten nicht ausreiche.402 Während diese Einschränkung auch in der Strafrechtsliteratur vorgenommen wird,403 haben sich dort darüber hinaus mehrere Meinungen über die Qualität der Handlungspflicht herausgebildet, von denen die engste eine strafbewehrte Handlungspflicht verlangt,404 eine weitere eine Handlungspflicht i. S. des § 13 StGB405 und eine dritte eine bloße Rechtspflicht voraussetzt.406 Die engste Meinung kann aber schon deshalb nicht überzeugen, weil nicht jeder Angriff zugleich eine strafbare Handlung darstellt.407 Weshalb dann die Handlungspflicht bei Unterlassen strafbewehrt sein müsste, ist nicht ersichtlich. Eine Entscheidung zwischen den weiteren Meinungen kann jedenfalls bei der Zusendung unbestellter Waren dahinstehen, da eine Garantenhandlungspflicht aus Ingerenz besteht.408

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Soergel/Fahse, § 227 Rn. 1. BGH NJW 1967, 45 (46). 401 Brox, JA 1982, 221 (224). 402 Hübner, AT, Rn. 548. 403 Baumann/Weber/Mitsch, AT § 17 Rn. 6; NK-Herzog, § 32 Rn. 12; SK-Günther, § 32 Rn. 32; Kühl, Jura 1993, 57 (59). 404 Jescheck/Weigend, AT, S. 339. 405 NK-Herzog, § 32 Rn. 11. 406 Jakobs, AT, 12/21; Otto, AT, § 18 Rn. 8; vgl. die Übersicht bei NK-Herzog, § 32 Rn. 11. 407 SK-Günther, § 32 Rn. 31. 408 Vgl. hierzu oben (b) (aa) (b). 400

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Überzeugender als die Differenzierung Tun-Unterlassen für die Anwendbarkeit der § 227 oder § 229 BGB ist das Abstellen darauf, ob eine absolut geschützte Rechtsposition oder lediglich ein relatives Forderungsrecht beeinträchtigt ist.409 Relative Rechte sind nicht als notwehrfähige Rechtsgüter anzusehen.410 Bei ihnen kommt keine Verteidigung einer bestehenden Rechtslage, sondern nur die Rechtsverfolgung zur Sicherung eines herzustellenden Zustandes nach § 229 BGB in Betracht.411 Relative Rechte sind eben wegen der Existenz des § 229 BGB nicht als notwehrfähige Güter anzusehen.412 Ließe man auch relative Rechte im Anwendungsbereich des § 227 BGB zu, so bestünde zudem die Gefahr der Aushöhlung des geordneten zivilprozessualen Verfahrens.413 Wenn ein Forderungsrecht besteht, wird oftmals auf den Vorrang der §§ 229 ff. BGB verwiesen.414 Problematisch ist aber die Situation, dass zugleich eine absolute Rechtsposition und ein relatives Forderungsrecht beeinträchtigt sind. Hier muss ein Notwehrrecht bestehen. Dies ist aber unabhängig vom Bestehen des relativen Forderungsrechtes, sondern beruht schlicht darauf, dass die absolute Rechtsposition beeinträchtigt ist. Hat etwa jemand einen vertraglichen Unterlassungsanspruch im vielzitierten Beispiel des nachbarlichen Klavierspielers, so unterfällt dieser Unterlassungsanspruch allein § 229 BGB. Tritt aber eine körperliche Belästigung hinzu, so ist, da dann eine absolute Rechtsposition beeinträchtigt ist, ein Notwehrrecht gegeben. Schließlich leuchtete es nicht ein, weshalb dieses wegen einer zusätzlichen vertraglichen Vereinbarung entfallen sollte. Die Aussage, dass die § 229 ff. BGB vorrangig (vor den Notwehrbestimmungen) seien, wenn ein Forderungsrecht besteht, ist daher missverständlich. Denn in jeder Notwehrsituation besteht auch ein zivilrechtlicher (ggf. vorbeugender) Unterlassungsanspruch.415 409 So auch Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 33; Jakobs, AT, 12/5, 21; LK-Spendel. § 32 Rn. 48, 191; Thiel, Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen, S. 157 ff. 410 MK-Grothe, § 227 Rn. 5; SK-Günther, § 32 Rn. 48; a. A. (für § 32 StGB) Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 131; Lagodny, GA 1991, 300 (306 ff.); Thiel, Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen, S. 158 ff. 411 LK-Spendel, § 32 Rn. 191, 10; zum Problem des Eingriffs in die Forderungszuständigkeit vgl. Thiel, Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen, S. 155, 159, m. w. N. 412 Kühl, AT, § 7 Rn. 36; Roxin, AT 1, § 15 Rn. 35; dieses Argument, welches für die Abgrenzung zwischen § 229 BGB und § 32 StGB verwendet wird, muss erst recht für § 227 BGB gelten. 413 Thiel, Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen, S. 157 f. 414 SK-Günther, § 32 Rn. 32; NK-Herzog, § 32 Rn. 12. 415 Thiel, Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen, S. 163; Lagodny, GA 1991, 300 (307); ob daraus folgen muss, dass § 229 BGB die generellere Vorschrift ist (so Lagodny) oder § 229 BGB in klassischen Notwehrsituationen von vornherein ausscheidet (so Thiel) und nicht etwa neben § 227 BGB eingreifen kann, soll hier dahinstehen.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Da bei der Zusendung unbestellter Waren die o. g. absoluten Rechtspositionen beeinträchtigt sind, ist hier ein Angriff durch Unterlassen zu bejahen.416 Hinsichtlich der Verteidigungshandlung, insbesondere deren Erforderlichkeit und Gebotenheit, ergeben sich die schon in den Ausführungen zu § 859 I BGB angesprochenen Probleme.417 Die Erforderlichkeit und Gebotenheit der fraglichen Verteidigungshandlungen Beschädigung, Zerstörung, Wegwerfen und ggf. die Weiterveräußerung der Sache sind hier wie dort grundsätzlich zu bejahen. In Betracht käme auch die Erzwingung der Abholung der Sache, jedoch wird dies im Vergleich zur eigenmächtigen Beseitigung kein milderes Mittel sein. Dass die genannten Handlungen zulässige Verteidigungsmittel sind, könnte allerdings wegen Subsidiaritätserwägungen zweifelhaft sein. Zum einen wird nämlich vereinzelt gefordert, die Wertungen der §§ 229 ff. BGB auch in § 227 BGB zu beachten,418 weshalb bei der Zusendung unbestellter Waren der Vorrang gerichtlichen Rechtsschutzes zu beachten sein könnte. Dem liegt allerdings die Vorstellung zugrunde, § 229 BGB sei lex generalis im Verhältnis zu § 227 BGB. Dieser Sichtweise steht aber schon entgegen, dass sich § 229 BGB darauf beschränkt, ausnahmsweise anspruchssichernde Maßnahmen zu gestatten; die eigenmächtige Durchsetzung eines Anspruches, die in Notwehrfällen typischerweise in Frage steht, erlaubt er jedoch nicht.419 Darüber hinaus erlaubt § 227 BGB grundsätzlich auch das Erzwingen von Handlungen des Angreifers, § 229 BGB hingegen beschränkt sich auf bestimmte „Ersatzvornahmen“.420 Häufiger wird gefordert, bei der Notwehr generell den Vorrang staatlicher Zwangsmittel zu beachten. Während dieser der strafrechtlich h. M. entsprechende Subsidiaritätsgedanke421 vielfach nur herangezogen wird, wenn Polizeibeamte am Ort des Angriffs anwesend sind, dehnt diese Meinung ihn auf den gerichtlichen Rechtsschutz aus.422 Der zu befürwortende Subsidiaritätsgedanke muss aber grundsätzlich auf Fälle begrenzt werden, in denen staatlicher Schutz tatsächlich sofort erreichbar ist und ein ebenso geeignetes Mittel wie die eigene Verteidigungshandlung ist.423 Unter dieser Voraussetzung kann auch der gericht416 Nach der h. M. läge es nahe, entsprechend der sonstigen Fälle der Nichtbeseitigung eines beeinträchtigenden Zustandes einen Angriff durch aktives Tun zu bejahen. 417 Vgl. oben (b) (bb). 418 W. Schünemann, Selbsthilfe, S. 53; hiergegen SK-Günther, § 32 Rn. 101. 419 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 122; SK-Günther, § 32 Rn. 32. 420 Renzikowski, Notstand und Notwehr, S. 294; SK-Günther, § 32 Rn. 32. 421 Hierzu ausführlich Seebode, FS Krause, S. 375 ff.; SK-Günther, § 32 Rn. 99 ff. 422 Teils wird dies im Rahmen der Erforderlichkeit betont (so Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 124 f.; Kühl, Jura 1993, 118 (125); ders., AT, § 7 Rn. 122), teils als grundsätzlicher Subsidiaritätsgedanke angeführt (so Lagodny, GA 1991, 300 (309 ff.); gegen die Heranziehung des Subsidiaritätsgedankens in Bezug auf gerichtlichen Rechtsschutz aber z. B. Thiel, Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen, S. 162 f.; SK-Günther, § 32 Rn. 101.

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liche Rechtsschutz einbezogen werden. Ist gerichtlicher Rechtsschutz aber nur mit zeitlicher Verzögerung erreichbar, während schon eine Beeinträchtigung des notwehrfähigen Gutes besteht, so ist die Verteidigung zulässig.424 Bei der dauerhaften, bereits eingetretenen Beeinträchtigung der genannten Rechtsgüter durch die Zusendung unbestellter Waren ist die Verteidigung daher erforderlich, weil gerichtlicher Rechtsschutz nicht sofort erreichbar ist. Problematisch ist allerdings, ob der Empfänger auch mit Verteidigungswillen handeln muss. Veräußert er die Sache ausschließlich aus dem Grund, mit ihr einen Gewinn zu erzielen, müsste der Verteidigungswille verneint werden. Insofern könnte sich hier ein Unterschied zur Rechtfertigung gemäß § 859 I BGB ergeben. Die in der Zivilrechtswissenschaft h. M. hält einen Verteidigungswillen bei der Notwehr als subjektives Rechtfertigungselement für erforderlich.425 Neben dem Verweis auf strafrechtliche Quellen wird angeführt, schon der Begriff „Verteidigung“ deute auf einen Verteidigungswillen hin.426 Folge hiervon ist die Verneinung einer Rechtfertigung bei Fehlen des Verteidigungswillens. Dieses Wortlautargument ist jedoch nicht zwingend; „Verteidigung“ lässt sich auch in einem objektiven Sinn verstehen.427 Zudem ließe sich der Verteidigungswille ebenso aus dem Begriff „erwehren“ in § 859 I BGB entnehmen. Dort wird ein subjektives Rechtfertigungselement jedoch nicht verlangt. Das Erfordernis eines Verteidigungswillens beruht vermutlich auf der kritiklosen Übernahme strafrechtlicher Grundsätze.428 Einen Verteidigungswillen bei § 227 BGB zu fordern wird den unterschiedlichen Konzeptionen von Straf- und Zivilrecht jedoch nicht gerecht. Während er im Strafrecht das Gegenstück zur dort unverzichtbaren Komponente des Handlungsunwertes darstellt, geht es im Zivilrecht um objektiven Interessenausgleich nichtpönaler Natur zwischen Privaten, wobei es auf einen Handlungsunwert nicht ankommt.429 Das Erfordernis eines Verteidigungswillens ist mithin abzulehnen. Auf die Vorstellungen des Empfängers bei der Verteidigungshandlung kommt es also nicht an. Freilich dürfte auch nach der h. M. regelmäßig der Verteidigungswille 423 Kühl, Jura 1993, 118 (125); ders., AT, § 7 Rn. 120; LK-Spendel, § 32 Rn. 233; Otto, AT, § 8 Rn. 48; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 32 Rn. 41. 424 So auch Lagodny, GA 1991, 300 (312), allerdings unter Beschränkung auf sichernde Notwehrmaßnahmen. 425 BGHZ 92, 357 (359); Staudinger/Werner, § 227 Rn. 24; Soergel/Fahse, § 227 Rn. 29; Palandt/Heinrichs, § 227 Rn. 6; Erman/Wagner, § 227 Rn. 10; AK-Damm, § 227 Rn. 12. 426 Soergel/Fahse, § 227 Rn. 29. 427 Braun, NJW 1998, 941; gegen das Wortlautargument auch MK-Grothe, § 227 Rn. 14. 428 Braun, NJW 1998, 941 (942). 429 Braun, NJW 1998, 941 (942); MK-Grothe, § 227 Rn. 14; Jauernig/Jauernig, § 227 Rn. 6; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 52.

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zu bejahen sein, da sie es ausreichen lässt, wenn die Verteidigung bloß mitbestimmendes Motiv des Notwehr Übenden ist.430 Die fraglichen Handlungen des Empfängers sind also regelmäßig durch § 227 BGB gerechtfertigt. (d) Einwilligung Teilweise wird in der Literatur eine rechtfertigende Einwilligung des Versenders unbestellter Waren angenommen.431 Sie wird bejaht bei Beschädigung oder Zerstörung, aber auch bei Benutzung der Sache.432 Teilweise wird die Einwilligung aber auch nur in Bezug auf das Wegwerfen und die Zerstörung, vor allem aber beschränkt auf geringwertige Sachen angenommen.433 Entscheidend für die Annahme einer Einwilligung ist die Auslegung des Verhaltens des Versenders. Die Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen sind hierbei zumindest entsprechend anwendbar.434 Maßgeblich ist daher der Einzelfall: Ergibt sich etwa aus einem Schreiben des Versenders, dass er die Sache bei Nichtgefallen zurückerhalten will, so willigt er nicht in die Zerstörung etc. ein. Ist kein Schreiben beigefügt, kommt eine Einwilligung in Betracht. Grundsätzlich und bei jeder zugesandten Sache davon auszugehen, der Versender wolle diese preisgeben, erscheint aber als zu weitgehend. Eine wertvolle Sache will der Versender nicht schon deswegen preisgeben, weil er sie unbestellt versendet. Bei einer geringwertigen Sache im Wert von bis zu ca. 5 A wird man dies aber annehmen können. Hier ist also von einer Einwilligung in die für die Ansprüche aus §§ 989, 990 I BGB fraglichen Eigentumsverletzungen auszugehen. (e) Mutmaßliche Einwilligung Eine Rechtfertigung durch mutmaßliche Einwilligung scheidet demgegenüber aus. Dies ergibt sich schon aus ihrer Subsidiarität gegenüber der Einwilligung. Die mutmaßliche Einwilligung kommt nur zum Tragen, wenn es an einer Willensentscheidung des Rechtsgutsinhabers fehlt.435 In der Zusendung wird eine solche Willensentscheidung in aller Regel aber zu sehen sein; ihre Auslegung 430

Vgl. Staudinger/Werner, § 227 Rn. 24; Soergel/Fahse, § 227 Rn. 29. Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (95); Schröder, AcP 179 (1979), 567 (593). 432 Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (95). 433 So dürfte Soergel/Wolf, § 145 Rn. 26, zu verstehen sein. 434 HK-Staudinger, § 823 Rn. 79; RGRK-Steffen, 823 Rn. 377; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 225. 435 RGRK-Steffen, § 823 Rn. 383; Deutsch, AllgHaftR, Rn. 283. 431

A. Rechtslage außerhalb des § 241a BGB

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ergibt, ob der Versender in die fraglichen Rechtsgutsverletzungen einwilligt oder nicht. Selbst wenn man aber annähme, eine Willensentscheidung könnte in der Zusendung zumindest nicht in jedem Fall gesehen werden, sind die Rechtsgutsverletzungen nicht durch mutmaßliche Einwilligung gerechtfertigt. Insbesondere ist das in der Strafrechtswissenschaft anerkannte „Prinzip des mangelnden Interesses“ von der zivilrechtlichen mutmaßlichen Einwilligung nicht erfasst. Denn die Meinung in der Zivilrechtswissenschaft, die die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund anerkennt, entnimmt deren Voraussetzungen der berechtigten GoA, welche das „Prinzip des mangelnden Interesses“ nicht kennt.436 Und selbst wenn man die Führung eines fremden Geschäfts noch bejahen wollte, so entspricht jedenfalls die Zerstörung, Beschädigung, das Wegwerfen oder die Weiterveräußerung nicht dem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen oder dem Interesse des Versenders als Geschäftsherrn.437 c) Ansprüche auf Nutzungsherausgabe bzw. Ersatz nicht gezogener Nutzungen Verneint man richtigerweise ein Besitzrecht des Empfängers und bejaht dessen Bösgläubigkeit, so hat der Versender grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen gemäß §§ 987 I, 990 I BGB.438 Die Anwendbarkeit des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses sperrt hierbei den bereicherungsrechtlichen Nutzungsherausgabeanspruch, § 993 I BGB.439 Der Nutzungsherausgabeanspruch dürfte allerdings eher theoretischer Natur sein, da der Empfänger kaum Nutzungen aus nicht benötigten Waren ziehen wird.440 Löhnig hält demgegenüber einen Nutzungsherausgabeanspruch für denklogisch ausgeschlossen, da in jeder Nutzung eine Annahme des Kaufvertragsangebotes zu sehen sei, welche einen Eigentumsübergang der Sache bewirke.441 Dem ist so nicht zuzustimmen, da eben nicht in jeder Nutzung eine Annahme des Kaufvertragsangebotes zu sehen ist. Ist der Antrag erloschen, etwa gemäß

436 Vgl. auch Fisch, GoA, S. 100 ff.; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 175; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (102 ff.). Vielfach wird aber auch von vornherein nicht die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund zugelassen, sondern ausschließlich auf die berechtigte GoA abgestellt, so etwa Esser/Schmidt, SR 1/2, § 25 IV 2 a. 437 Zu Wille und Interesse des Geschäftsherrn vgl. Medicus, SBT, Rn. 624. 438 Schwung, JuS 1985, 449 (453); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 163. 439 Medicus, BR, Rn. 600; verneint man dagegen ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, so kommt dieser Nutzungsherausgabeanspruch zum Tragen. 440 Schwung, JuS 1985, 449 (453); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 163. 441 Löhnig, JA, 2001, 33 (35).

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§ 151 S. 2 BGB442 oder wegen Ablehnung durch den Empfänger,443 kommt durch die Nutzung der Sache kein Kaufvertrag zustande, weshalb auch das Eigentum nicht übergeht. Ebenso liegt in einer Nutzung bei fehlendem Erklärungsbewusstsein keine Kaufvertragsannahme.444 Auch bei Minderjährigen liegt in der Nutzung keine bzw. bloß eine schwebend unwirksame Annahme des Kaufvertragsangebotes, so dass Nutzungsersatzansprüche jedenfalls nicht am Eigentum des Empfängers scheitern.445 Die Nutzung ist nicht an die Voraussetzungen einer Willenserklärung gebunden, so dass bei Fehlen von Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Willenserklärung grundsätzlich keine Annahme vorliegt. Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen (§§ 987 II, 990 I BGB) kann der Versender nach richtiger Ansicht nicht verlangen, da hierfür Verschulden erforderlich ist und es dem Empfänger nicht angelastet werden kann, Nutzungen nicht zu ziehen, wenn er die Sache ohnehin hätte wegwerfen können.446 Dieses Ergebnis ist aber noch aus einem weiteren Grund richtig: § 987 II BGB enthält das Erfordernis der Nutzungsziehung nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft. Die Zusendung unbestellter Waren kann aber wegen des Verstoßes gegen § 1 UWG a. F. bzw. § 3 UWG n. F. sicher nicht als ordnungsgemäße Wirtschaft angesehen werden. Es wäre daher widersprüchlich, vom Empfänger Nutzungsziehung als „ordnungsgemäßes Wirtschaften“ zu verlangen. Die Nichtkooperation mit einem der ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Verhalten kann nicht ihrerseits als der ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechend angesehen werden. d) Ansprüche auf Erlösherausgabe Der Veräußerungserlös ist keine Nutzung, die über die §§ 987 I, 990 I BGB herausverlangt werden kann.447 Insofern entfaltet das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis keine Sperrwirkung. Veräußert der Empfänger die Sache, so hat er den Veräußerungserlös gemäß § 816 I 1 BGB herauszugeben; dies aber auch nur dann, wenn in der Weiterveräußerung (ausnahmsweise) keine Annahme des Kaufvertragsangebotes gesehen werden kann. Denn im Regelfall ist die Weiterveräußerung eine Aneignungshandlung, die bewirkt, dass das Eigentum an der 442

Vgl. oben 1. a) dd). Vgl. oben 1. a) cc). 444 Vgl. oben 1. a) bb). 445 Zur Frage, ob ein Minderjähriger bösgläubig i. S. des § 990 I BGB sein kann und inwiefern hier die §§ 107 ff. BGB berücksichtigt werden müssen, vgl. HK-Eckert, § 990 Rn. 5, und – zum entsprechenden Problem bei § 819 I BGB – Medicus, BR, Rn. 176. 446 Schwung, JuS 1985, 449 (453). 447 HK-Dörner, § 100 Rn. 1. 443

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Sache auf den Empfänger übergeht. Er ist dann nicht mehr Nichtberechtiger i. S. des § 816 I 1 BGB. Ist in der Weiterveräußerung (ausnahmsweise) keine Aneignungshandlung zu sehen, so kommt daneben ein Anspruch des Versenders auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus §§ 667, 681 S. 2, 687 II 1 BGB in Betracht.448 Dieser Anspruch besteht demgegenüber nicht, wenn die Weiterveräußerung eine Aneignungshandlung i. S. des § 151 S. 1 BGB ist. Es fehlt bereits an einem objektiv fremden Geschäft, da mit dieser Aneignungshandlung das Eigentum auf den Empfänger übergeht.

II. Ansprüche des Empfängers 1. Ansprüche auf Unterlassung/Beseitigung Der Empfänger hat bei der drohenden Beeinträchtigung seines Besitzes bzw. Eigentums und allgemeinen Persönlichkeitsrechtes449 durch das unerwünschte450 Hineinbringen einer Sache451 Ansprüche auf Unterlassung der Störung gegen den Versender aus den §§ 862 I 2, 1004 I 2 (analog) BGB.452 Ist der Versender Eigentümer der Sache, so ist er auch unproblematisch sowohl Handlungs- als auch Zustandsstörer. Ist die Rechtsgutsbeeinträchtigung bereits eingetreten und dauert sie noch an, so hat der Empfänger auch entsprechende Beseitigungsansprüche, §§ 862 I 1, 1004 I 1 (analog) BGB. Ein Beseitigungsanspruch aus §§ 823 I, 249 BGB kommt demgegenüber nicht in Betracht, da es hierfür eines bereits abgeschlossenen Schadensereignisses bedarf.453 2. Schadensersatzansprüche § 823 I BGB kommt dagegen zum Tragen, wenn die Beeinträchtigung abgeschlossen ist und hierdurch ein Schaden entstanden ist, oder aber, wenn die Beeinträchtigung noch fortdauert und es nicht um die Beseitigung der Störungsquelle, sondern um die Störungsfolgen geht. Wenn also beispielsweise das Zusenden der Sache (adäquat kausal) die Beschädigung einer anderen Sache des Empfängers bewirkt, so hat dieser einen Anspruch auf Ersatz dieses Schadens 448

Schwung, JuS 1985, 449 (453). Vgl. oben I. 2. b) cc) (3) (c). 450 Eine Beschränkung bzw. ein Widerruf einer Zustimmung zur Störung liegt spätestens in der Geltendmachung der hier genannten Ansprüche. 451 Vgl. Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 23. 452 Vgl. Jahn/Gonzalez, WRP, 1991, 1 (2 ff.); Köhler/Piper, § 1 Rn. 191. 453 HK-Eckert, § 1004 Rn. 4; ungenau daher Berger, JuS 2001, 649 (650). 449

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

gemäß § 823 I BGB. Daneben kommt auch eine Haftung des Versenders aus §§ 823 II i. V. m. § 858 I BGB in Betracht. Grundsätzlich denkbar ist aber auch eine Haftung des Versenders auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo (c. i.c.) (§ 311 II i. V. m. §§ 241 II, 280 I BGB). Anders als der Versender hat der Empfänger ggf. Grund, dem anderen Vertrauen entgegenzubringen.454 Der Versender nimmt geschäftlichen Kontakt zum Empfänger auf, was ein einseitiges Vertrauensverhältnis begründen kann, aus dem dem Versender gewisse Sorgfalts- und Schutzpflichten erwachsen können. Verletzt er schuldhaft diese Pflichten, so kann der Empfänger einen ggf. entstandenen Schaden ersetzt verlangen. 3. Ansprüche auf Verwendungsersatz In Betracht kommt ein Verwendungsersatzanspruch des Empfängers gem. §§ 994 II, 995 i. V. m. 670, 683, 684 BGB, da nach richtiger Ansicht eine Vindikationslage besteht und der Empfänger zudem bösgläubig ist.455 Er kann also die notwendigen Verwendungen nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen.456 In Betracht kommen hier vor allem die Kosten einer entgeltlichen Einlagerung für den Versender.457 Die Verwendungen müssen jedoch dem Willen bzw. dem Interesse des Versenders entsprechen, was besonders bei geringwertigen Sachen nicht der Fall sein wird, weil der Versender den Verlust der Sache entweder ohnehin einkalkuliert hat oder weil die Kosten der Einlagerung den Wert der Sache übersteigen.458 Dies birgt zwar eine gewisse Unsicherheit für den Empfänger. Sie ist aber hinzunehmen, da er zu Verwendungen nicht verpflichtet ist.459

B. Rechtslage innerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB I. Entstehung des § 241a BGB § 241a BGB ist durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro in das BGB eingefügt worden und am 30. 6. 2000 in Kraft getreten.460 Er dient der 454

Vgl. oben I. 2. b) aa). Vgl. oben I. 2. a) aa) (3). Hält man den Empfänger für gutgläubig – vgl. oben I. 2. b) cc) (1) –, greift demgegenüber § 994 I BGB sowie zusätzlich § 996 BGB. 456 Schwung, JuS 1985, 449 (454). 457 Schwung, JuS 1985, 449 (453 f.). 458 Schwung, JuS 1985, 449 (454). 459 Schwung, JuS 1985, 449 (454). 455

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 5. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz.461 Der für § 241a BGB bedeutendste Art. 9 der Richtlinie lautet: „Die Mitgliedsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um – zu untersagen, dass einem Verbraucher ohne vorherige Bestellung Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden, wenn mit der Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung eine Zahlungsaufforderung verbunden ist; – den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt.“ Mit ihm wird der Erwägungsgrund Nr. 16 der Richtlinie umgesetzt: „Die Absatztechnik, die darin besteht, dem Verbraucher ohne vorherige Bestellung oder ohne ausdrückliches Einverständnis gegen Entgelt Waren zu liefern oder Dienstleistungen zu erbringen ist [danach] als nicht zulässig anzusehen, es sei denn, es handele sich um eine Ersatzlieferung.“ Die Richtlinie spricht damit zwei Aspekte an: Der erste Gedankenstrich ordnet die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit dieser Absatztechnik an, während sich der zweite Gedankenstrich auf die zivilrechtlichen Folgen dieser Absatztechnik bezieht.462 Die (nach vielfach vertretener Auffassung überschießende463) Umsetzung des deutschen Gesetzgebers in § 241a BGB trug bei ihrer Einfügung die amtliche Überschrift „Lieferung unbestellter Sachen“. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts wurde diese zum 1. 1. 2002 – ohne inhaltliche Änderung – in „Unbestellte Leistungen“ umbenannt. Der Gesetzgeber hat für § 241a BGB viel „Schelte“ aus der Literatur erhalten.464 Neben den inhaltlichen, mittlerweile lebhaft umstrittenen Problemen, auf die in ihrem konkreten Zusammenhang eingegangen wird, erstreckt sich die zum Teil massive Kritik schon auf die komplizierte Formulierung465 und den Standort der Vorschrift zwischen den beiden Kardinalnormen § 241 und § 242 BGB.466 460

BGBl. I 2000, S. 897 (899). ABlEG Nr. L 144 v. 4. 6. 1997, S. 19. Zum neuen UWG und Verfahrensstand der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vgl. den Fußnotentext in I. 1. a) ee). 462 Vgl. Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 2. 463 Etwa Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 3. Ob die Umsetzung tatsächlich überschießend ist, wird sich weiter unten zeigen; jedenfalls ist eine für den Versender strengere Umsetzung nach Art. 14 der Richtlinie zulässig. 464 Flume, ZIP 2000, 1427 (1429), fordert gar, die Vorschrift als „pro non scripto“ zu behandeln. 465 Hensen, ZIP 2000, 1151, und Flume, ZIP 2000, 1427 (1428), etwa monieren das dreimalige „durch“ in Abs. 1. 461

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Der Gesetzgeber hielt einen zwingenden systematischen Standort für nur schwer auszumachen, hielt aber letztlich die Stellung nach § 241 BGB für am geeignetsten.467 Ein geeigneterer Standort für § 241a BGB in seiner jetzigen Form wäre jedenfalls nicht das UWG.468 Ein sinnvollerer Standort ist in der Tat schwer zu bestimmen. § 241a BGB betrifft vertragliche und gesetzliche Ansprüche. In Betracht gekommen wäre allenfalls eine Einfügung in das Fernabsatzgesetz, da § 241a BGB immerhin aus der Fernabsatzrichtlinie hervorging und nach der Intention des Richtliniengebers Situationen des Fernabsatzes betrifft.469 Jedenfalls nach dem Wortlaut des § 241a BGB muss es sich aber nicht notwendigerweise um Fernabsatz-Situationen handeln.470 Aus heutiger Sicht wäre daher wohl eine Einordnung nach § 312f BGB angemessen. Diese Vorschrift existierte zum Zeitpunkt der Einfügung des § 241a BGB aber noch nicht. Letztlich ist der passendste systematische Standort jedoch von untergeordneter Bedeutung, weshalb diese Frage hier dahinstehen soll.

II. Voraussetzungen des § 241a BGB 1. Unternehmer an Verbraucher Der persönliche Anwendungsbereich des § 241a BGB erstreckt sich ausschließlich auf die Lieferung unbestellter Sachen bzw. die Erbringung sonstiger unbestellter Leistungen von einem Unternehmer an einen Verbraucher. Alle anderen Konstellationen, also Leistungen zwischen Unternehmern, zwischen Verbrauchern sowie die Leistung eines Verbrauchers an einen Unternehmer erfasst die Vorschrift nicht.471 Der deutsche Gesetzgeber nahm die Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG zum Anlass, in den §§ 13 und 14 BGB die Begriffe des Verbrauchers und des Unternehmers allgemeingültig zu bestimmen.472 Verbraucher ist hiernach jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, § 13 BGB. Unternehmer ist 466 Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 1; für „wahrhaft ungeheuerlich“ hält ihn Flume, ZIP 2000, 1427 (1428). 467 BT-Drs.14/2658, S. 46. 468 So aber Casper, ZIP 2000, 1602 (1606). 469 Vgl. Art. 1 der Richtlinie: „Gegenstand dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz zwischen Verbrauchern und Lieferern.“ 470 Vgl. hierzu noch unten 2. 471 Für diese Konstellationen bleibt es daher bei den vor Einfügung des § 241a BGB geltenden Grundsätzen, s. nur Staudinger/Bork (2003), § 146 Rn. 16. 472 Zur berechtigten Kritik an der Formulierung sowie zum Standort unter dem Titel „Natürliche Personen“ wiederum Flume, ZIP 2000, 1427 f.

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, § 14 I BGB. Als Verbraucher fällt somit jede zu privaten Zwecken handelnde natürliche Person in den Anwendungsbereich des § 241a BGB. Aber auch wer zum Zwecke eines abhängig beruflichen Verhältnisses ein Rechtsgeschäft abschließt, wird als Verbraucher von § 241a BGB erfasst.473 Der Arbeitnehmer, der sich Arbeitskleidung kauft, ist somit auch Verbraucher. Ein (selbstständiger) Rechtsanwalt, der sich für seine berufliche Tätigkeit einen Kommentar anschafft, wäre demgegenüber kein Verbraucher; wohl aber dann, wenn er sich einen Roman kauft. Problematisch hinsichtlich dieser Einordnung ist der sog. dual-use, also Rechtsgeschäfte, die sowohl zu gewerblichen bzw. selbständigen beruflichen Tätigkeiten als auch zu privaten Zwecken vorgenommen werden, etwa der Anschaffung eines Pkw, der sowohl privat als auch beruflich genutzt werden soll. Meist wird hierbei auf den überwiegenden Zweck abgestellt.474 Teilweise wird aber auch eine Vermutung für einen privaten Zweck angenommen.475 Vereinzelt wird beim dual-use jedoch wegen (angeblich) fehlender Schutzbedürftigkeit die Verbrauchereigenschaft generell verneint.476 Der Zweck wird hierbei anhand der Auslegung des Rechtsgeschäftes ermittelt; der rein innerlich gebliebene Wille ist nicht entscheidend.477 Der Wortlaut der §§ 13, 14 BGB ist insofern problematisch, als dass die Vorschriften auf den Zweck eines Rechtsgeschäfts abstellen, welches eine natürliche oder juristische Person vornimmt. Entscheidend für die Situation der Zusendung unbestellter Waren und die Wirkung des § 241a BGB ist aber gerade der Fall, dass es an einer rechtsgeschäftlichen Handlung des die Sache bloß entgegennehmenden, weiterveräußernden oder zerstörenden Empfängers fehlt. Gerade Schadensersatz- und auch Herausgabeansprüche des Versenders sollen aber durch § 241a BGB ausgeschlossen werden.478 Es muss daher entgegen dem Wortlaut des § 13 BGB ein fiktives Rechtsgeschäft genügen, nach dessen Zweck der Empfänger als Verbraucher einzustufen wäre.479 Abzustellen ist also 473 Wendehorst, DStR 2000, 1311; Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 3; Bülow/Artz, NJW 2000, 249 (250). 474 HK-Dörner, §§ 13, 14 Rn. 2; Wendehorst, DStR 2000, 1311; AnwKomm-Ring, §§ 13, 14 Rn. 19; Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 4. 475 Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 57; „im Zweifel“ für Verbrauchereigenschaft auch Berger, JuS 2001, 649 (651). 476 Jauernig/Jauernig, § 13 Rn. 3. 477 Jauernig/Jauernig, § 13 Rn. 3; Wendehorst, DStR 2000, 1311; Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 4. 478 Vgl. unten III. 1. a) und b). 479 HK-Schulze, § 241a Rn. 2; AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 7; Berger, JuS 2001, 649 (651); Rüthers/Stadler, AT, § 17 Rn. 32; Hau, NJW 2001, 2863 (2864); Schwarz/

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

darauf, ob der Empfänger, nähme er das Kaufvertragsangebot des Versenders an, dies zu einem Zweck täte, der weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzuordnen wäre.480 Verlangte man dagegen tatsächlich ein Rechtsgeschäft des Empfängers, so liefe § 241a BGB weitgehend leer, da bei einer Annahme des Kaufvertragsangebotes gesetzliche Ansprüche des Versenders ohnehin ausscheiden. Bei Zerstörung, Beschädigung sowie hinsichtlich der Herausgabeansprüche wäre die Vorschrift wirkungslos, da hier eben kein Rechtsgeschäft vorliegt. Gesetzliche Ansprüche, die § 241a BGB ausschließen könnte, wären also kaum denkbar. Schon aus § 241a II BGB ergibt sich aber (im Umkehrschluss), dass grundsätzlich auch gesetzliche Ansprüche ausgeschlossen werden sollen. 2. Handlung des Unternehmers § 241a I BGB setzt die Lieferung unbestellter Sachen oder die Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen voraus. Die Lieferung unbestellter Sachen ist hierbei erkennbar der Spezialfall der Erbringung von unbestellten Leistungen. Die Lieferung einer Sache481 erfasst alle Formen der Übermittlung der Sache, also insbesondere das Zuschicken. Ungemein schwieriger gestaltet sich die Bestimmung des Merkmals der sonstigen Leistung. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass im Gesetzgebungsprozess die Lieferung unbestellter Waren derart in den Vordergrund gestellt wurde, dass man fast von einer Nichtbefassung mit diesem Merkmal sprechen kann. In der Literatur zu § 241a I BGB wird die sonstige Leistung ebenfalls nahezu überhaupt nicht problematisiert. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Alternative neben dem vom Unternehmer angestrebten Kaufvertrag (über eine Sache) auch solche Fälle erfassen, in welchen er dem Verbraucher eine Dienstleistung aufdrängen will. Insbesondere sollten auch Werk- oder Dienstleistungen erfasst werden.482 Auf den konkret

Pohlmann, Jura 2001, 361 (362 Fn. 9); Erman/Saenger, § 241a Rn. 4; ganz ähnlich Riehm, Jura 2000, 505 f., der danach fragt, ob der Empfänger bei Entgegennahme der Sache als rechtlich relevantem Vorgang als Verbraucher handelt. Dasselbe Problem ergibt sich bei § 2 II UWG n. F.; vgl. dazu Lettl, GRUR 2004, 449 (451 f.). 480 Hierbei muss allerdings außer Betracht bleiben, dass nach h. M. die Existenz des § 241a BGB gerade verhindert, dass es zu einem Vertragsschluss kommt, da das Verhalten des Empfängers nur noch ausnahmsweise als Annahme ausgelegt wird, HKSchulze, § 241a Rn. 2; zum Vertragsschluss vgl. unten III. 1. e). 481 Art. 9 der RiLi spricht demgegenüber von Waren. Selbst wenn man hierin eine Abweichung sähe, da man als Waren auch unkörperliche Gegenstände ansehen kann, wäre dies nicht problematisch, da dann eine sonstige Leistung vorliegen dürfte. 482 BT-Drs. 14/2658 S. 46.

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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angestrebten Vertragstyp kommt es hierbei aber nicht an.483 Erfasst werden etwa angestrebte Werk-, Dienst-, Geschäftsbesorgungs-, aber auch Kaufverträge. Vom Gesetzgeber nicht beachtet und auch in der Literatur erst ansatzweise problematisiert ist die Frage des Verhältnisses dieser Alternative zum Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Dem Wortlaut des § 241a BGB zufolge schließt dieser nämlich jeden Anspruch des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn aus, sofern die Geschäftsführung im persönlichen Anwendungsbereich liegt, der Geschäftsführer also Unternehmer und der Geschäftsherr Verbraucher ist. Insbesondere der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers aus § 683 BGB scheint danach ausgeschlossen zu sein. Die Auswirkungen können kaum überschätzt werden. Man denke an den bekannten Flugreisefall,484 in welchem der Anspruch der Fluggesellschaft hinsichtlich der Rückreise ausgeschlossen wäre. Ebenso wäre ein erheblicher Teil der Fälle der bekannten entsprechenden Anwendung des § 1835 III BGB i. R. des § 683 BGB485 hinfällig, sofern es sich beim Geschäftsherrn um einen Verbraucher handelt, da der Geschäftsführer hier wohl stets Unternehmer sein dürfte.486 Diese Folge wird, sofern die Reibungen mit der GoA erkannt werden, nicht hingenommen. Die Begründungen für dieses dem Rechtsgefühl entsprechende Ergebnis differieren jedoch erheblich. Casper will diejenigen Fälle aus dem Anwendungsbereich des § 241a BGB ausgrenzen, denen eine altruistische Motivation zugrunde liegt; ausschließlich bei beabsichtigter Vertragsanbahnung des Geschäftsführers sei § 241a BGB anwendbar.487 Auch Hau hält die nach dem Wortlaut des § 241a BGB gegebene Einschränkung der GoA für nicht hinnehmbar. Für besonders unbillig erachtet er, dass selbst in Fällen, in denen der Geschäftsführer nach § 323c StGB zum Handeln verpflichtet ist, sein Aufwendungsersatzanspruch ausgeschlossen sein soll.488 Als maßgebliches Kriterium zur Abgrenzung führt er die Frage an, ob die Geschäftsführung zum Zwecke der Anbahnung eines Vertrages erfolgte.489 Dieses 483 AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 11; auch sog. Internet-Dialer werden als unbestellte Dienstleistung angesehen, Lienhard, NJW 2003, 3592 ff., und AG Warendorf Az 5 C 637/03 (Urteil vom 22. 1. 2004). 484 BGHZ 55, 128 ff. 485 Vgl. hierzu Medicus, BR, Rn. 430. 486 Es ließe sich allerdings auch vertreten, dass in diesen Fällen stets die Unternehmereigenschaft fehlt, da die GoA-Fälle, in welchen § 1835 III BGB analog herangezogen wird, Situationen betreffen, in denen Berufsträger in alltäglichen Situationen Hilfe leisten. Indes sollen sie Aufwendungsersatz für die Ausübung der beruflichen Fähigkeiten erhalten, nicht aber für Hilfe, die jedermann leisten könnte. 487 Casper, ZIP 2000, 1602 (1605 Fn. 26); ähnlich Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware, S. 175. 488 Hau, NJW 2001, 2863 (2865).

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

will er mittels einer teleologischen Reduktion in § 241a BGB hineinlesen, da es eigentlich als Tatbestandsmerkmal vorgesehen war, „in letzter Minute“ aufgrund der Empfehlung des Rechtsausschusses jedoch in erster Linie aus Gründen der Entbehrlichkeit und allenfalls der Missverständlichkeit gestrichen worden sei.490 Handelt der Geschäftsführer also zum Zwecke der Anbahnung eines Vertrages, sind die §§ 683, 670 BGB ausgeschlossen.491 Insbesondere in Fällen, in denen der Geschäftsführer gemäß § 323c StGB zur Geschäftsführung verpflichtet ist, halten auch Schöne/Fröschle und Schwarz den drohenden Aufwendungsersatzausschluss für nicht akzeptabel.492 Sie halten es für mit der ratio des § 241a BGB, als sittenwidrig eingestufte Vertriebsformen einzuschränken, unvereinbar, dem berechtigten Geschäftsführer ohne Auftrag gesetzliche Ansprüche auf Aufwendungsersatz zu versagen.493 Auch diese Autoren wollen den § 241a BGB teleologisch reduzieren, allerdings nicht mithilfe der Voraussetzung eines angestrebten Vertragsschlusses. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die Sittenwidrigkeit, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 241a BGB vor Augen hatte. Ein objektiver Sittenverstoß sei aber dann nicht gegeben, wenn der Geschäftsführer rechtlich oder auch bloß sittlich zur Geschäftsführung verpflichtet sei.494 Sei diese Verpflichtung gegeben, so sei § 241a BGB nicht anwendbar und dem Geschäftsführer sein Aufwendungsersatzanspruch zu belassen.495 Krebs hingegen geht davon aus, dass das Recht der GoA die spezielleren Wertungen enthalte und daher dem § 241a BGB stets auf dem Konkurrenzwege vorgehe.496 Keiner dieser Abgrenzungsvorschläge vermag vollständig zu überzeugen. Die Differenzierung nach den Motiven des Handelnden erscheint problematisch, weil die Begrenzung der GoA auf altruistische Motivation sich nicht mit den hergebrachten Regeln hinsichtlich der Fremdheit eines Geschäfts, des Fremdgeschäftsführungswillens und insbesondere der Anerkennung des sog. auch-fremden Geschäfts497 verträgt. Offen bleibt hierbei auch, ob dann noch 489

Hau, NJW 2001, 2863 (2865). Hau, NJW 2001, 2863 (2865). 491 Ganz ähnlich Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 2, der das Erfordernis eines Abzielens auf einen Vertragsschluss aber den §§ 13, 14 BGB entnimmt. 492 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 58; Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S. 29. 493 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 16; Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S. 29. 494 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 58; Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S. 29. 495 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 58; Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S. 29. 496 AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 17. 490

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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eine altruistische Motivation vorliegen soll, wenn der Handelnde zwar keinen Vertrag anstrebt, aber etwa aus Profilierungssucht handelt oder um der Bestrafung aus § 323c StGB zu entgehen.498 Auch gegen die Überlegungen, in den Tatbestand des § 241a BGB eine Vertragsanbahnungsabsicht hineinzulesen, sprechen gewichtige Gründe.499 Im Gesetzesentwurf war dieses Erfordernis tatsächlich zunächst vorgesehen.500 Aufgrund der Empfehlung des Rechtsausschusses wurde dieses Tatbestandsmerkmal gestrichen. Dies geschah aber – entgegen Hau501 – nicht etwa aus Gründen der Überflüssigkeit. Der Rechtsausschuss hielt dieses Tatbestandsmerkmal für dazu angetan, die Aussage der Vorschrift zu verwässern.502 Es bedeute zudem die Gefahr von praktischen Anwendungsschwierigkeiten, da sich der Unternehmer fälschlich darauf berufen könne, nicht zur Anbahnung eines Vertrages gehandelt zu haben.503 Zudem wäre zweifelhaft, ob sich die GoA durch dieses Kriterium trennscharf abgrenzen ließe. Zumindest lässt sich nicht von vornherein eindeutig sagen, ob etwa im Flugreise-Fall zur Anbahnung eines Vertrages gehandelt wird. Ebenso unklar ist dies bei dem zufällig am Unfallort vorbeikommenden Arzt. Argumentieren darf man hier jedenfalls nicht, dass in diesen Fällen nicht zur Anbahnung eines Vertrages gehandelt wird, da es um Aufwendungsersatzansprüche gehe, denn dies setzte die erst zu beweisende Tatsache voraus, dass das Recht der GoA Anwendung findet. Auch die Argumentation von Schöne/Fröschle überzeugt nicht. Einerseits wollen sie in sämtlichen GoA-Fällen eine Anwendbarkeit des § 241a BGB ausschließen.504 Andererseits soll § 241a BGB (nur) dann unanwendbar sein, wenn der Handelnde rechtlich oder moralisch zum Handeln verpflichtet sei.505 Man wird aber kaum behaupten können, in sämtlichen GoA-Fällen bestehe auch eine wenigstens moralische Verpflichtung zum Tätigwerden. Der Ansatz der Autoren, durch die moralische bzw. rechtliche Verpflichtung die für § 241a BGB entscheidende Sittenwidrigkeit entfallen zu lassen, ist problematisch. Die mangelnde Sittenwidrigkeit als Tatbestandsmerkmal einzuführen, bedeutete letztlich dieselbe Verwässerungsgefahr, die beim Erfordernis der Vertragsanbahnungsabsicht droht. Konsequenterweise müsste § 241a BGB zudem aber auch in anderen Fällen mangelnder Sittenwidrigkeit ausgeschlossen sein; auch die Zusen-

497 498 499 500 501 502 503 504 505

Vgl. hierzu BGHZ 110, 313 (314 f.) und HK-Schulze, § 677 Rn. 3. Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 57 f. Ebenso Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware, S. 174. BT-Drs. 14/2658 S. 5. Hau, NJW 2001, 2863 (2865). BT-Drs. 14/3195 S. 32. BT-Drs. 14/3195 S. 32. Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 16. Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 58.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

dung unbestellter Sachen müsste bei mangelnder Sittenwidrigkeit von § 241a BGB ausgenommen werden. Schon das Kriterium der moralischen Verpflichtung ist derart unbestimmt, dass es keine brauchbare Abgrenzung liefern kann. So ließe sich beispielsweise nur schwierig abgrenzen, wer moralisch zur Entgegennahme eines Briefes verpflichtet sein soll: Müsste man dies beim Mitbewohner bejahen? Oder schon beim Nachbarn? Oder nur bei einem gut bekannten oder befreundeten Nachbarn? Gegen die Auffassung, bei der GoA handele es sich um einen speziellen Fall der unbestellten Leistung, der § 241a BGB auf dem Konkurrenzwege verdränge, spricht, dass die anerkannten Anforderungen an die Spezialität nicht gegeben sind. Von Spezialität spricht man, wenn der Anwendungsbereich der spezielleren Norm vollständig in dem der allgemeineren Norm aufgeht, wenn also alle Fälle der spezielleren Norm auch solche der allgemeineren Norm sind.506 Dann müsste in jeder Geschäftsführung ohne Auftrag eine unbestellte Leistung i. S. des § 241a BGB zu sehen sein. Dies ist aber schon deswegen nicht der Fall, weil sich der persönliche Anwendungsbereich des § 241a BGB auf das Verhältnis von einem Unternehmer zu einem Verbraucher beschränkt, die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB aber auch zwischen Verbrauchern oder zwischen Unternehmern Anwendung finden. In der Tat kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit Einführung des § 241a I BGB tief in das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag eingreifen wollte. Mit der Alternative der unbestellten Leistung hat sich der Gesetzgeber nahezu nicht auseinandergesetzt; in sämtlichen Gesetzesmaterialien steht stets der Spezialfall der Lieferung unbestellter Sachen im Vordergrund. Dies zeigt sich auch an der amtlichen Überschrift „Lieferung unbestellter Sachen“, die § 241a BGB bis einschließlich 31. 12. 2001 trug. Da der Gesetzgeber bei der Normierung des Anspruchsausschlusses bei unbestellten Leistungen offensichtlich nicht die klassischen Konstellationen des Aufwendungsersatzes bei der GoA vor Augen hatte und diese daher vermutlich auch nicht antasten wollte, fragt sich, wie die Anwendungsbereiche der §§ 677 ff. BGB einerseits und des § 241a BGB andererseits sinnvoll abzugrenzen sind. Das Unbehagen, welches sich bei der Subsumtion typischer GoA-Fälle unter § 241a BGB einstellt, folgt daraus, dass diese Fälle kaum Ähnlichkeit mit der Lieferung unbestellter Sachen haben. Das Kriterium, welches aber beiden Varianten zugrunde liegt, dürfte die räumliche Distanz zwischen Verbraucher und Unternehmer sein. Hierfür lassen sich eine Vielzahl von Hinweisen finden: § 241a BGB hat seine europarechtliche Grundlage in der Fernabsatzrichtlinie. Gegenstand dieser Richtlinie und somit auch des die Materie des § 241a BGB 506

Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88.

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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regelnden Art. 9 ist gemäß Art. 1 die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz zwischen Verbrauchern und Lieferern. Auch die Wortwahl des § 241a BGB deutet auf eine räumliche Distanz zwischen Verbraucher und Unternehmer hin: Die Wörter „Bestellung“, „Empfänger“ sowie „Rücksendung“ lassen auf eine räumliche Entfernung schließen. Ebenso wollte der Gesetzgeber mit Abs. 2 den Fall regeln, dass unbestellte Waren oder sonstige Leistungen irrtümlich beim Verbraucher „landen“.507 Der Begriff „landen“ legt dabei nahe, dass die Leistung „unterwegs“ war, also in irgendeiner Form eine Distanz zurückgelegt hat. Ein weiterer, gewichtiger Grund für die Annahme eines Distanzgeschäfts ist jedoch der Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Beschneidung der Rechte des Versenders bei der Zusendung unbestellter Waren beruht auf der Sitten- und Wettbewerbswidrigkeit dieser Absatztechnik. Unlauter ist sie bei der Zusendung unbestellter Waren deshalb, weil der Empfänger gegen seinen Willen in eine Zwangslage gebracht wird.508 Im Allgemeinen kann er die Entgegennahme der Sendung nicht verweigern, weil er noch nicht weiß, was sich in ihr befindet, er aber nach Öffnung das Paket nicht mehr zurückgeben kann.509 Ist er aber erst einmal im Besitz der Ware, kann er diese nur aufbewahren, zurücksenden oder bezahlen.510 Dem Versender wird hierbei vorgeworfen, dass er die Trägheit des Empfängers ausnutzt, der das Behalten der Ware der Umständlichkeit der Rücksendung vorzieht.511 Eben dieser Gedanke der Bedrängungswirkung liegt aber auch der Alternative der unbestellten Leistung zugrunde. Gegen das Kriterium der räumlichen Distanz könnte jedoch sprechen, dass der deutsche Gesetzgeber den Art. 9 der Richtlinie nicht, wie die Richtlinie eigentlich nahe legt, im Fernabsatzgesetz umgesetzt hat. Man könnte hierin eine Entscheidung gegen das Fernabsatzkriterium sehen. Dies erscheint jedoch mangels Hinweises in den Gesetzgebungsmaterialien als eher fernliegend. Plausibler erscheint die Annahme, dass das Fernabsatzgesetz auf Fälle begrenzt werden sollte, in welchen ein Vertragsschluss vorliegt, was bei unbestellten Leistungen eben nicht der Fall ist. Zur Orientierung bietet sich ein Vergleich mit § 312b I BGB512 an, der bestimmt, dass „Fernabsatzverträge . . . Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen [sind], die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertrags507 508 509 510 511 512

BT-Drs. 14/2658 S. 46. Sosnitza, BB 2000, 2317. Sosnitza, BB 2000, 2317. Sosnitza, BB 2000, 2317. Sosnitza, BB 2000, 2317. Bis 31. 12. 2001: § 1 FernAbsG.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

schluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.“ Dieser Vergleich bietet sich schon deswegen an, weil gemeinsame Grundlage sowohl des § 312b BGB als auch des § 241a BGB die Fernabsatzrichtlinie ist, deren Art. 1 bestimmt: „Gegenstand dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz zwischen Verbrauchern und Lieferern.“ Näher definiert den Vertragsschluss im Fernabsatz der Art. 2 als „jeden zwischen einem Lieferer und einem Verbraucher geschlossenen, eine Ware oder eine Dienstleistung betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Lieferers geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschließlich des Vertragsabschlusses selbst ausschließlich eine oder mehrere Fernkommunikationstechniken verwendet.“ Zu beachten ist jedoch, dass sich eine zu enge Orientierung am Wortlaut dieser Vorschriften verbietet, da sowohl § 312b BGB als auch Art. 1 und 2 der Richtlinie sich generell auf Vertragsschlüsse beziehen, die bei den unbestellten Leistungen aber gerade nicht vorliegen. Auch eine zu enge Anlehnung an die einschränkenden Ausnahmen in den Absätzen 2 und 3 des § 312b BGB ist schon deswegen nicht angebracht, weil sich diese Ausnahmen nach der Richtlinie teilweise nicht auf die unbestellten Leistungen erstrecken sollten.513 Auch das Kriterium des organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erscheint wenig tauglich, die unbestellte Leistung näher zu bestimmen, zumindest aber nicht mit dem Zweck des § 241a BGB vereinbar, da die unbestellte Leistung nicht dadurch weniger sitten- und wettbewerbswidrig wird, dass sie nicht im Rahmen eines organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems erfolgt.514 Maßgeblich kann, bejaht man die Notwendigkeit des Fernabsatzkriteriums in § 241a BGB, nur eine hypothetische Betrachtung sein, nämlich die Frage, ob sich die Lieferung unbestellter Sachen bzw. die unbestellte Leistung typischerweise als Distanzgeschäft darstellt, ob also Geschäfte, die die erbrachte Leistung zum Gegenstand haben, typischerweise und generell unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden. Genau genommen muss es hierbei auf den hypothetischen Vertragsschluss ankommen und nicht etwa auf die Vertragsdurchführung.515 513 So beziehen sich etwa die in § 312b III Nr. 5 und 6 BGB niedergelegten Ausnahmen nach Art. 3 II der RiLi nicht auf den die unbestellten Leistungen regelnden Art. 9. 514 A. A. offenbar Berger, JuS 2001, 649 (652). 515 Zu wenig differenziert daher Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 108. Zum Problemkreis im Anwendungsbereich des § 312b BGB, ob sich der Vertragsschluss oder auch die Erfüllung im Wege der Fernkommunikation vollziehen müssen, vgl. MK-Wendehorst, § 312b Rn. 50 f.

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Mit diesem Kriterium lassen sich sinnvoll Konstellationen aus dem Anwendungsbereich des § 241a BGB heraushalten, die der Gesetzgeber vermutlich bei der Schaffung dieser Vorschrift nicht vor Augen hatte, wie etwa das ohne das Distanzkriterium der Alternative der Lieferung unbestellter Sachen subsumierbare Hinstellen eines unbestellten weiteren Bieres auf den Tisch eines Restaurantgastes. Für die Alternative der unbestellten sonstigen Leistung dürfte entsprechendes gelten z. B. für das unverlangte Waschen eines Autos. Die dem Rechtsgefühl entsprechend von § 241a BGB erfasste postalische Zusendung von Sachen, aber auch deren persönliche Anlieferung bleiben der Alternative der unbestellten Lieferung von Sachen subsumierbar, da einer solchen Lieferung typischerweise eine Bestellung per Fernkommunikationsmittel vorausgeht. Gleiches gilt hinsichtlich der zweiten Alternative beispielsweise für das unbestellte „Zusenden“ eines Softwareprogramms per e-mail.516 Die Auswirkungen auf das Recht der GoA sind damit gering, da sie nur dort bestehen, wo die Geschäftsführung ein Distanzgeschäft ist, also eben nicht in klassischen Konstellationen wie im Flugreisefall oder bei der Mitnahme eines Volltrunkenen durch einen Taxifahrer. Wohl aber wird der Aufwendungsersatzanspruch z. B. des Softwareunternehmers ausgeschlossen, der einem Verbraucher ein Virenschutzprogramm unbestellt per e-mail „zusendet“, was dem Verbraucher sehr gelegen kommt, da sein Computer gerade von einem Virus befallen ist. Dieses Ergebnis harmoniert auch mit der Zielrichtung des § 241a BGB, da es an der Wettbewerbswidrigkeit nichts ändern kann, wenn die „Zusendung“ mit Willen oder im Interesse des Verbrauchers geschieht.517 Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Die Lieferung unbestellter Sachen wie auch die Erbringung sonstiger unbestellter Leistungen müssen als Leistungen erscheinen, die typischerweise im Fernabsatz erbracht werden. Ist dies der Fall, handelt es sich auch bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag um unbestellte Leistungen i. S. des § 241a BGB. 3. Unbestellt Nicht einheitlich wird beurteilt, in welchen Fällen die Lieferung bzw. die sonstige Leistung unbestellt ist. Teilweise wird dies dann bejaht, wenn der Leistung kein Angebot des Verbrauchers auf Abschluss eines obligatorischen Verpflichtungsgeschäfts vorausgeht.518 Unbestellt sei die Leistung dann, wenn mit ihr erst das Angebot verbunden ist.519 516 Zur problematischen Einordnung von typischen Handwerkerverträgen als Fernabsatzverträge vgl. MK-Wendehorst, § 312b Rn. 45 ff. 517 Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 3; LG Stuttgart, WRP 1971, 193. 518 Casper, ZIP 2000, 1602 (1604); Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 55. 519 Casper, ZIP 2000, 1602 (1604).

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Die überwiegende Meinung will diese Beschränkung auf Willenserklärungen nicht vornehmen. Meist wird angeführt, auch nichtige bzw. ex tunc nichtig gewordene Willenserklärungen seien als Bestellungen anzusehen.520 Begründet wird dies damit, dass auch bei nichtigen, auf die Leistungserbringung gerichteten Willenserklärungen das Verhalten des Unternehmers nicht aggressiv sei und daher das Eingreifen der Rechtsfolgen des § 241a BGB nicht sachgerecht sei; bei nichtigen Willenserklärungen müsse vielmehr das Bereicherungsrecht gelten.521 Teilweise wird ganz auf ein rechtsgeschäftliches Element verzichtet und die Bestellung als rein tatsächlicher Vorgang angesehen. Dies wird dann teils als zurechenbare Veranlassung der Leistung,522 teils aber auch als tatsächliches Einverständnis523 bezeichnet. Folge dieser weiteren Sichtweise ist neben der Erfassung von nichtigen Willenserklärungen insbesondere die Einbeziehung der invitatio ad offerendum des Verbrauchers auf Übersendung einer Sache zur Ansicht. Der Begriff der Bestellung beinhaltet richtigerweise kein rechtsgeschäftliches Element. Zum einen lassen sich auch tatsächliche Handlungen ohne weiteres mit dem Wortlaut vereinbaren, wie etwa bei einer als invitatio ad offerendum zu qualifizierenden Bestellung der Leistung zur Ansicht. Auch hätte – wäre wirklich ausschließlich ein Vertragsangebot gemeint gewesen – eine eindeutigere Formulierung unter Verwendung des Begriffes „Antrag“ näher gelegen. Zum anderen muss der Begriff der Bestellung vor dem Hintergrund des Wettbewerbsrechtes und der Schutzrichtung des § 241a BGB gesehen werden.524 An einer die Wettbewerbswidrigkeit ausmachenden Bedrängung des Verbrauchers fehlt es dann, wenn er die Bedrängung selbst initiiert, also zurechenbar veranlasst hat. Diese Veranlassung nur deswegen entfallen zu lassen, weil die Veranlassung nicht die Merkmale einer Willenserklärung aufweist, vermag nicht zu überzeugen. Deswegen aber jedes Einverständnis mit der Leistung ausreichen zu lassen, ist in dieser Pauschalität wenigstens ungenau. Denn erstens kommt eine Bestellung nach dem Wortsinn nur vor und als Ursache der Erbringung einer bestellten Leistung in Betracht. Ein Einverständnis braucht dagegen erst gleichzeitig mit der Leistung gegeben zu sein und muss nicht Ursache für die Leistung sein. 520 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 104 f; Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 8; Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 3; Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1316). 521 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 105; ähnlich Wendehorst, DStR 2000, 1311 (1316), die die weitgehenden Rechtsfolgen des § 241a BGB hierdurch begrenzen will. 522 Löhnig, JA 2001, 33; MK-Kramer, § 241a Rn. 7; S. Lorenz FS, W. Lorenz, S. 193 (208 f.); Erman/Saenger, § 241a Rn. 10. 523 Berger, JuS 2001, 649 (651); Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 3. 524 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (208).

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Zweitens erfordert der Begriff der Bestellung einen Zugang gegenüber dem Leistenden; ein Einverständnis braucht demgegenüber nicht übermittelt zu werden. Insofern bedeutet „unbestellt“, dass die Leistung des Unternehmers nicht in zurechenbarer Weise vom Verbraucher verursacht wurde. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese Verursachung den Charakter einer Willenserklärung hat. Die Verursachung kann sich grundsätzlich als wirksame, nichtige oder anfechtbare Willenserklärung darstellen. Sie kann aber auch eine bloße invitatio ad offerendum sein. Allein die Tatsache, dass es sich bei dem Verhalten des Verbrauchers um eine (anfechtbare) Willenserklärung handelt, bedeutet aber noch nicht, dass eine zurechenbare Verursachung vorliegt. Droht der Unternehmer dem Verbraucher etwa mit Schlägen für den Fall, dass der Verbraucher die Leistung nicht bestellen sollte, so wird das Nachgeben kaum als eine zurechenbare Verursachung der Leistung anzusehen sein, die der Konfrontation des Verbrauchers mit der Leistung ihren bedrängenden Charakter nimmt. Hinsichtlich der Herbeiführung einer Bestellung durch den Unternehmer wird man insofern auf die facettenreiche Rechtsprechung und Literatur zur sog. „provozierten Bestellung“ i. S. des § 312 III Nr. 1 BGB525 verweisen können.526 Denn die Zielrichtungen der Vorschriften über den Widerruf von Haustürgeschäften und von § 241a BGB sind sehr ähnlich: Sie sollen Situationen der Beeinträchtigung der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers Rechnung tragen.527 Zwar beruht beim Haustürgeschäft die Gefahr der Einschränkung der Entscheidungsfreiheit auf der persönlichen Überrumpelung des Verbrauchers,528 während sie bei der unbestellten Leistungserbringung von der Konfrontation mit der Leistung herrührt. Gemeinsamer Gedanke der § 241a BGB und § 312 III Nr. 1 BGB dürfte die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers sein, der diese Situation nicht selbst veranlasst hat. Nach alledem ist die Leistung i. S. des § 241a BGB dann als unbestellt anzusehen, wenn sie nicht zurechenbar vom Verbraucher verursacht wurde, wobei es auf eine Qualifizierung seines Verhaltens als Willenserklärung nicht ankommt. Problematisch ist aber, ob eine erbrachte Leistung auch dann unbestellt ist, wenn nicht diese, sondern eine andere Leistung bestellt wurde, also eine Falschleistung vorliegt. Jedenfalls bei einer extremen Abweichung wird man von einer unbestellten Leistung auszugehen haben, denn in diesem Fall kann von einer zurechenbaren Verursachung nicht gesprochen werden. Die Bestellung ist dann nicht mehr als reine Zufälligkeit. Am Beispiel der Zusendung einer Sache ver-

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Vormals § 1 II Nr. 1 HWiG. S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (209 f.). 527 s. etwa den Vergleich bei Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 6 Rn. 47; sowie Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rn. 82. 528 Vgl. nur Staudinger/Werner, Vorbem. zum HWiG Rn. 2 ff. und § 1 HWiG Rn. 1. 526

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

anschaulicht, bedeutet dies etwa die Unbestelltheit der Lieferung einer Gedenkmünze statt der bestellten Computeranlage. Handelt es sich allerdings bei der Leistung um eine solche, die erkennbar auf die Bestellung zurückgeht, aber dennoch als eine andere als die bestellte Leistung bezeichnet werden muss, ist die Unbestelltheit schwieriger zu beurteilen. Beispiel wäre hier etwa die Lieferung einer Armbanduhr der Marke B statt der bestellten der Marke A. Dass es sich auch hierbei um eine unbestellte Leistung handeln soll, ergibt sich im Umkehrschluss aus § 241a III BGB, der bestimmt, dass eine unbestellte Leistung nur dann nicht vorliegt, wenn dem Verbraucher statt der bestellten eine nach Qualität und Preis gleichwertige Leistung angeboten und er darauf hingewiesen wird, dass er zur Annahme nicht verpflichtet ist und die Kosten der Rücksendung nicht zu tragen hat.529 Liegt also eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist bei einer Falschleistung von einer unbestellten Leistung i. S. des § 241a I BGB auszugehen.530 Bestritten wird dies von S. Lorenz, der davon ausgeht, eine unbestellte Leistung liege dann nicht vor, wenn es sich bei der Leistung um ein unter § 434 III BGB fallendes aliud handelt.531 Dies folge daraus, dass eine unbestellte Leistung i. S. des § 241a BGB nur dann gegeben sei, wenn diese Leistung, wie noch im RegE vorgesehen war, „zur Anbahnung eines Vertrages“ erbracht werde.532 Sämtliche unter § 434 III BGB fallende Falschlieferungen erfolgten jedoch nicht zur Vertragsanbahnung, sondern zur Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtung. Dies sei nur bei einem „Totalaliud“ nicht der Fall, bei dessen Leistung die Auslegung der (konkludenten) Tilgungsbestimmung eine Zuordnung zum Kaufvertrag regelmäßig nicht ergebe.533 Nach dieser Auffassung erlangt also einzig dieses Totalaliud Bedeutung für § 241a BGB. Wie bereits dargelegt, ist die Vertragsanbahnungsabsicht jedoch aus gutem Grund nicht Tatbestandsmerkmal des § 241a BGB geworden.534 Vor diesem 529 Casper, ZIP 2000, 1602 (1608); Berger, JuS 2001, 649 (652); Wrase/MüllerHelle, NJW 2002, 2537 (2538); MK-Kramer, § 241a Rn. 6, 17; P. Frotscher, Verbraucherschutz, S. 144 f.; Palandt/Heinrichs, § 241a Rn. 2b; nach Palandt/Putzo (62. Aufl.), § 434 Rn. 52, handelt es sich bei § 434 III BGB um die gegenüber § 241a BGB speziellere Regelung; zustimmend Erman/Saenger, § 241a Rn. 37. In der 63. Aufl. wird dies von Putzo nicht mehr vertreten. 530 Zur Anwendbarkeit des Abs. 2 sogleich. 531 Die Regelung betrifft nach richtiger wohl h. M. sowohl den Gattungs- als auch den Stückkauf, vgl. S. Lorenz, JuS 2003, 33 (38 f.); Dauner-Lieb/Arnold, JuS 2002, 1175 f.; Jauernig/Berger, § 434 Rn. 20; a. A. z. B. Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 144. 532 S. Lorenz, JuS 2003, 33 (40); ebenso Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 83. 533 S. Lorenz, JuS 2003, 33 (40, 37); ähnlich Däubler, BGB kompakt, Kap. 19 Rn. 113g; für eine Einbeziehung auch des Totalaliuds in § 434 III dagegen, ohne allerdings auf die Auslegung der Tilgungsbestimmung einzugehen, Brors, JR 2002, 133 (134 f.).

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Hintergrund kann § 241a III BGB nur so verstanden werden, als dass in jedem Fall einer aliud-Leistung grundsätzlich der Abs. 1 einschlägig sein soll und lediglich Leistungen, bei denen die Voraussetzungen des Abs. 3 kumulativ vorliegen, nicht erfasst werden sollen. Nach dem Ansatz von S. Lorenz wäre es dem ein Totalaliud leistenden Unternehmer ein Leichtes, die Rechtsfolgen des § 241a BGB dadurch zu umgehen, dass er eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung trifft, und somit nicht zur Anbahnung eines Vertrages, sondern zur Erfüllung des bestehenden Vertrages handelt. Hiergegen könnte zwar evtl. eingewendet werden, in einem solchen Fall handele der Unternehmer zur Anbahnung eines Änderungsvertrages.535 Gerade die wie diese nur mit erheblichem argumentativen Aufwand zu bewältigenden Abgrenzungsschwierigkeiten dürften es jedoch gewesen sein, die der Gesetzgeber vor Augen hatte, als er sich gegen das Tatbestandsmerkmal „zur Anbahnung eines Vertrages“ entschied. Jede Falschleistung ist somit eine unbestellte Leistung, es sei denn, die Voraussetzungen des Abs. 3 sind kumulativ gegeben. Ob im Fall einer aliud-Leistung der Leistende allerdings der drastischen Rechtsfolge des § 241a I BGB ausgesetzt ist, ist ein anderes Problem. Richtigerweise sollten dem Leistenden auch im Fall der irrtümlichen aliud-Leistung durch eine weite Auslegung der Voraussetzungen des § 241a II BGB gesetzliche Ansprüche belassen werden.536 Dies wären insbesondere innerhalb der Nacherfüllungsfrist die Leistungskondiktion gemäß § 812 I 1 1. Alt. BGB,537 nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist § 439 IV.538 Voraussetzung ist hier jeweils ein Anbieten der geschuldeten Leistung.539 534

Vgl. oben 2. Vgl. Jauernig/Berger, § 434 Rn. 23. 536 Casper, ZIP 2000, 1602 (1608 f.); Wrase/Müller-Helle, NJW 2002, 2537 (2538); Berger, JuS 2001, 649 (652); ähnlich auch MK-Kramer, § 241a Rn. 20; zu weit gehend allerdings Köhler/Fritzsche, Fälle zum neuen Schuldrecht, Fall 13 Rn. 21, die Abs. 2 auch bei einem zum Zeitpunkt der Bestellung gegebenen Irrtum über die eigene Leistungsfähigkeit anwenden wollen. 537 Hierbei stellt § 434 III BGB keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des aliud dar, S. Lorenz/Riehm, SR, Rn. 494; S. Lorenz, JuS 2003, 36 (39); Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 110; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 83; a. A. Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, Einf., S. XXII. Auch § 985 BGB dürfte vielfach in Betracht kommen. 538 Vgl. Jauernig/Berger, § 434 Rn. 23; nicht hinreichend ist allerdings das Argument von S. Lorenz, JuS 2003, 36 (40), der Rückerstattungsanspruch aus § 346 I BGB bzw. § 439 IV BGB sei bei einer aliud-Lieferung schon deswegen nicht ausgeschlossen, weil er nicht „durch“ die Lieferung begründet werde, sondern auf dem Kaufvertrag bzw. auf der das Rückgewährschuldverhältnis begründenden Gestaltungserklärung des Käufers beruhe. Nach dem Willen des Gesetzgebers schließt § 241a BGB nicht nur Ansprüche aus, die unmittelbar durch die Lieferung entstehen, sondern, wie sich etwa bei Schadensersatzansprüchen zeigt, auch solche, die auf einer späteren Handlung des Empfängers beruhen, vgl. unten III. 1. b). 539 S. Lorenz, JuS 2003, 36 (39); Jauernig/Berger, § 434 Rn. 23. 535

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

III. Rechtsfolgen des § 241a BGB 1. Anspruchsausschluss § 241a I BGB normiert einen Anspruchsausschluss. Mittlerweile ist in der Literatur heftig umstritten, auf welche Ansprüche sich dieser erstreckt. Angesichts des problematischen Wortlautes, der systematischen Stellung, sowie dogmatischer und prinzipieller Erwägungen wird nahezu jede spontan vorstellbare Position hinsichtlich der auszuschließenden Ansprüche und der dogmatischen Wirkungsweise des § 241a BGB vertreten. a) Herausgabeansprüche Zu den am uneinheitlichsten beantworteten zivilrechtlichen Fragen, die sich zu § 241a I BGB stellen, zählt das Problem des Ausschlusses der Herausgabeansprüche. Wie im ersten Abschnitt gezeigt, stehen dem Versender grundsätzlich die Herausgabeansprüche aus § 985 BGB und § 812 I BGB zu. Dieser Streit entzündet sich insbesondere an § 985 BGB, da gerade der Ausschluss des dinglichen540 Herausgabeanspruchs nach dem Rechtsgefühl besonders merkwürdig anmutet. Vereinzelt wird der Ausschluss der Herausgabeansprüche durch § 241a I BGB daher auch abgelehnt. Hierbei wird oft angeführt, § 241a BGB sei teleologisch zu reduzieren, da ein Ausschluss auch541 der Herausgabeansprüche der Vorschrift einen Sanktionscharakter verleihe, der dem bürgerlichen Recht wesensfremd sei.542 Auch führe ein Ausschluss insbesondere des § 985 BGB zu einem dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz – einer Situation, die wesentlichen Grundgedanken des BGB zuwiderlaufe.543 Ferner werden verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet: So verstoße § 241a I BGB bei Ausschluss des § 985 BGB gegen Art. 14 I 1 GG, da er als Inhalts- und Schrankenbestimmung unverhältnismäßig sei.544 Deshalb sei § 241a I BGB dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass er Herausgabeansprüche nicht erfasse.545

540 Zu Begriff und Einteilung der dinglichen Ansprüche vgl. Medicus, BR, Rn. 436 ff. 541 Zum Ausschluss von Schadensersatz-, Nutzungs-, Erlösherausgabe- sowie vertraglichen Ansprüchen vgl. die folgenden Kapitel. 542 Casper, ZIP 2000, 1602 (1606 f.); Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 90; völlig ohne Begründung für ein Fortbestehen des Anspruchs aus § 985 BGB dagegen Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2056), die meinen, die Vindikation bleibe „natürlich“ unberührt. 543 Casper, ZIP 2000, 1602 (1606 f.); Wieling, SaR, § 12 I 3a. 544 Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 91 f.; Deckers, NJW 2001, 1474; wohl auch Palandt/Heinrichs, § 241a Rn. 4; i. E. ebenso HK-Schulze, § 241a Rn. 7.

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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aa) Auslegung des § 241a BGB Die Frage, ob auch die Herausgabeansprüche durch § 241a I BGB ausgeschlossen werden, muss durch Gesetzesauslegung bestimmt werden.546 (1) Grammatikalische Auslegung Der Wortlaut der Vorschrift spricht eher für einen Ausschluss auch der Herausgabeansprüche. Obwohl dies wohl die drastischste Rechtsfolge wäre, so sind die Herausgabeansprüche genaugenommen die einzigen Ansprüche, die – bei engem Verständnis des Wortlautes – unmittelbar „durch“ die Lieferung von unbestellten Sachen entstehen. Denn weder vertragliche Ansprüche noch gesetzliche Schadensersatz-, Nutzungs- oder Erlösherausgabeansprüche des Versenders können von diesem einseitig durch die Lieferung begründet werden. Sie alle bedürfen eines Verhaltens des Empfängers, das über die bloße Entgegennahme der Sache hinausgeht. Der Wortlaut erfasst daher die Herausgabeansprüche viel unproblematischer als etwa die – nahezu unstreitig erfassten – Schadensersatzansprüche. (2) Systematische Auslegung Systematisch ergibt sich aus § 241a BGB zunächst, dass der Abs. 1 der Vorschrift nicht nur vertragliche Ansprüche zum Gegenstand hat. Dem Abs. 2, der dem Versender in einer Ausnahmesituation seine gesetzlichen Ansprüche belässt, muss im Umkehrschluss die grundsätzliche Erfassung auch gesetzlicher Ansprüche entnommen werden.547 Um solche handelt es sich bei den Herausgabeansprüchen aus den §§ 985 und 812 BGB, was also zumindest nicht gegen einen Ausschluss aus dem Grund spricht, dass gesetzliche Ansprüche von vornherein nicht erfasst wären. (a) Verfassungskonforme Auslegung Im Rahmen der systematischen Auslegung548 könnte die Erfassung der Herausgabeansprüche aber aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung zu ver545 Palandt/Heinrichs, § 241a Rn. 4; Deckers, NJW 2001, 1474; Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 92; P. Frotscher, Verbraucherschutz, S. 148; für Nichtigkeit des § 241a BGB wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG Wieling, SaR, § 12 I 3a. 546 Vgl. den Beitrag von Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 ff. 547 Wieling, SaR, § 12 I 3a; HK-Schulze, § 241a Rn. 6; Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 23; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 193. 548 Die verfassungskonforme Auslegung ist richtigerweise der systematischen Auslegung zuzuordnen, vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 763; Sosnitza, JA 2000, 708 (710).

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

neinen sein. Das Gebot verfassungskonformer Auslegung besagt, dass eine Norm einfachen Gesetzesrechtes – bei mehreren möglichen Bedeutungen – so auszulegen ist, dass sie der Verfassung nicht widerspricht.549 § 241a BGB wird vielfach für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten.550 Fraglich ist ein Verstoß gegen Art. 14 GG. Bei § 241a BGB handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. des Art. 14 I 2 GG.551 Zu untersuchen ist, ob diese – setzt man voraus, die Herausgabeansprüche sind tatsächlich ausgeschlossen – dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Erforderlich ist hierfür, dass der staatlich verfolgte Zweck rechtlich legitim ist und das gewählte Mittel geeignet, erforderlich und angemessen ist. Zweck des § 241a BGB ist ausweislich der Gesetzesmaterialien die Zurückdrängung der aggressiven, wettbewerbswidrigen Verkaufsmethode der unbestellten Zusendung von Waren, durch welche der Verbraucher in die missliche Lage gerät, dass er nicht weiß, welche Rechte und Möglichkeiten er hat.552 § 241a BGB soll hierbei eine Abschreckungs- und Sanktionswirkung zukommen.553 Neben der Verhinderung wettbewerbswidrigen Verhaltens hatte der Gesetzgeber also auch ein individualschützendes Ziel vor Augen. Die in Frage stehende Maßnahme – die Versagung auch der Herausgabeansprüche – müsste zur Erreichung dieses Zieles geeignet sein. Eine Maßnahme ist dann geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der angestrebte Erfolg gefördert werden kann.554 Hierbei steht dem Gesetzgeber eine gewisse Einschätzungsprärogative zu.555 Mit dem Ausschluss von Herausgabeansprüchen für Versender unbestellter Waren kann der erstrebte Erfolg, nämlich die Verhinderung der Belästigung und die hierauf beruhende wettbewerbswidrige Praxis, sicherlich gefördert werden. Unternehmer, die diese Praxis betreiben, sind durch den Ausschluss auch 549 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 160 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 763; Sosnitza, JA 2000, 708 (710). 550 Berger, JuS 2001, 649 (651); Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (365); Haft/ Eisele, GS Meurer, S. 245 (248); Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 91 f.; Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 24; Riehm, Jura 2000, 505 (512). Auch der Bundesrat hatte Bedenken, ob ein Ausschluss auch des § 985 BGB mit dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 I 1 GG vereinbar ist, BT-Drs. 14/2920 S. 5. 551 Riehm, Jura 2000, 505 (512); Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 24; Casper, ZIP 2000, 1602 (1606); Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (248 f.); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 225 ff.; Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (365); S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (199 f. Fn. 31); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 276; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319). 552 BT-Drs. 14/2920 S. 14 (Gegenäußerung der Bundesregierung). 553 BT-Drs. 14/3195 S. 32 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 554 BVerfGE 67, 157 (173); 96, 10 (23). 555 BVerfGE 47, 109 (117); 65, 116 (126).

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der Herausgabeansprüche dem erheblichen Risiko ausgesetzt, dauerhaft vom Besitz der Sache ausgeschlossen zu sein und diese auch nicht mehr wirtschaftlich verwerten zu können. Der Ausschluss auch der Herausgabeansprüche ist daher ein geeignetes Mittel i. S. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn der angestrebte Erfolg nicht durch ein milderes, gleich geeignetes Mittel erreicht werden kann.556 Als milderes Mittel kommt zunächst das Bestehenlassen der Herausgabeansprüche, also die Gestattung der Abholung in Betracht.557 Teilweise wird auch dessen Gleichgeeignetheit bejaht.558 Angeführt wird hierbei, dass bereits der Ausschluss aller Nutzungsherausgabe- und Ersatzansprüche eine derartig hohe Risikobelastung des Versenders bewirke, dass die zusätzliche Versagung von Herausgabeansprüchen kaum noch einen weiteren Steuerungserfolg hinsichtlich des Marktverhaltens versprechen könne.559 Dem ist indes zu widersprechen. Es kann nicht geleugnet werden, dass es für den Versender ein höheres Risiko ist, wenn er nicht nur keine Aussicht auf Nutzungs- oder Schadensersatz oder Erlösherausgabe hat, sondern sogar noch fürchten muss – etwa bei einem sich völlig passiv verhaltenden Empfänger – keinen Herausgabeanspruch zu haben. Die optimale Abschreckungswirkung kommt der Norm erst dann zu, wenn der Versender gar keine Ansprüche hat, da die Erkenntnis, nichts vom Empfängers verlangen zu können, weit abschreckender ist, als das Wissen, unter gewissen Umständen doch Ansprüche gegen den Empfänger zu haben. Die vom Gesetzgeber angestrebte Verhinderung der für den Verbraucher misslichen Situation, dass er nicht weiß, welche Rechte er hat, wird eher durch eine eindeutige, dem Versender jegliche Ansprüche abschneidende Regelung bewirkt. Denn weiß der Empfänger, dass er unter gewissen Umständen die Sache herausgeben muss, so stellt er sich – zumindest als juristischer Laie – dennoch die Frage, wie lange er die Sache denn nun aufheben muss bzw. welche Folge ihm droht, wenn er zur Herausgabe nicht mehr im Stande ist. Genau diese Situation ist es, die der Gesetzgeber verhindern wollte. Aus diesem Grund wurde auch die im Gesetzgebungsverfahren erwogene Alternativfassung, nach welcher der Verbraucher nach seiner Wahl den Besitz an der Sache aufgeben oder dem Versender die Rücknahme der Ware (für diesen kostenpflichtig) anbieten konnte,560 verworfen.561 Ein Belassen der Herausgabeansprüche ist demnach zwar ein milderes, aber kein gleichgeeignetes Mittel.562 556

BVerfGE 67, 157 (176); 92, 262 (273). So Riehm, Jura 2000, 505 (512); HK-Schulze, § 241a Rn. 7. 558 Riehm, Jura 2000, 505 (512); HK-Schulze, § 241a Rn. 7. 559 HK-Schulze, § 241a Rn. 7. 560 BT-Drs. 14/2920 S. 14 (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates). 561 BT-Drs. 14/3195 S. 32 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 557

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Geist erwägt als milderes Mittel statt des Ausschlusses auch der Herausgabeansprüche die Einführung einer Geldstrafe in einem zu erlassenden § 6d UWG.563 Sie hält die Einführung einer Geldstrafe „ohne Zweifel“ für ein milderes Mittel, da bei Ausschluss aller Ansprüche nur noch die „leere Hülle“ des Eigentums übrig bliebe, bei einer Geldstrafe statt des Herausgabeanspruchsausschlusses wenigstens ein Teil des Eigentumsrechtes erhalten bleibe.564 Die Einführung einer Geldstrafe ist ihr zufolge jedoch ein nicht gleich geeignetes Mittel, da § 6d UWG nur auf Antrag verfolgt werden könne und antragsberechtigt wegen § 13 UWG a. F. jedenfalls nicht der Verbraucher sei.565 Eine Strafantragstellung etwa durch Mitbewerber oder Verbände sei nahezu ausgeschlossen, da diese in aller Regel keine Kenntnis von der unbestellten Zusendung erlangten, so dass eine Strafverfolgung faktisch nicht gewährleistet wäre.566 Aus diesem Grund sei eine Geldstrafe, mangels wirksamer Abschreckung, nicht gleichgeeignet.567 Die Einführung einer Geldstrafe ist kein milderes, gleich geeignetes Mittel als der Ausschluss der Herausgabeansprüche. Dies liegt aber schon daran, dass eine Geldstrafe kein milderes Mittel ist. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation Geists, die die Frage, ob eine Geldstrafe ein milderes Mittel ist, ausschließlich am Eigentumsgrundrecht misst. Zu fragen ist vielmehr, ob der Grundrechtsträger generell durch die in Frage stehende Maßnahme weniger belastet wird. Anderenfalls wäre jede Alternativmaßnahme, die überhaupt keinen Eingriff in Art. 14 GG darstellt, schon aus diesem Grund ein milderes Mittel. So müsste dann auch etwa eine Freiheitsstrafe oder ein Berufsverbot von vornherein als milderes Mittel qualifiziert werden. Umgekehrt könnte eine in Art. 14 GG eingreifende Maßnahme, die mit einer Entschädigung verbunden ist, nicht als milderes Mittel, verglichen mit einer solchen Maßnahme ohne Entschädigung, bezeichnet werden. Sie wäre vielmehr gleichbelastend.568

562 Ebenso Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 24; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 231 ff.; i. E. ebenso S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (199 f. Fn. 31), der auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers verweist. 563 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 241 ff. Dieser soll lauten: „Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, einem Verbraucher ohne vorherige Bestellung Waren zu liefern oder sonstige Leistungen zu erbringen, wenn mit der Warenlieferung oder sonstigen Leistungserbringung eine Zahlungsaufforderung verbunden ist, oder gegenüber einem Verbraucher eine Zahlungspflicht zu behaupten, wenn unbestellte Waren oder sonstige Leistungen erbracht wurden, wird mit Geldstrafe bestraft.“. 564 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 242. 565 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 243. 566 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 243 f. 567 Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 244. 568 So aber Bethge/Detterbeck, JuS 1994, 229 (231); zutreffend hiergegen Michael, JuS 2001, 654 (657).

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Die Einführung einer Kriminalstrafe, wenn auch nur in Form einer Geldstrafe, ist kein milderes Mittel als der Verlust auch der Herausgabeansprüche. Insbesondere, wenn es sich, wie dies in aller Regel der Fall sein wird, um geringwertige Waren handelt, wird eine immerhin bis zu 360 Tagessätzen reichende Geldstrafe569 den Versender schon wirtschaftlich wesentlich härter treffen als dies beim Ausschluss der Herausgabeansprüche der Fall wäre, zumal diese ausschließlich bei Vorhandensein der Sache beim Empfänger gegen diesen realisiert werden könnten und somit nicht mehr als die vage Chance der Wiedererlangung bieten.570 Der Ausschluss der Herausgabeansprüche ist daher auch erforderlich. Der Ausschluss der Herausgabeansprüche müsste auch angemessen sein. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist.571 Dies ist hier zu bejahen. Angesichts der Regelungen des Abs. 2 bleibt der Herausgabeanspruchsausschluss des § 241a BGB nahezu ausschließlich572 auf Fälle des bewusst wettbewerbswidrigen Zusendens beschränkt.573 In diesen hat der Versender das Verlustrisiko einkalkuliert.574 Der Ausschluss auch der Herausgabeansprüche ist also verhältnismäßig, weshalb eine verfassungsrechtliche Korrektur nicht angezeigt ist. (b) Richtlinienkonforme Auslegung Auch eine richtlinienkonforme Auslegung575 hat nicht zur Folge, dass die Herausgabeansprüche bestehen bleiben müssten. Zwar verlangt Art. 9 der Richtlinie lediglich eine Freistellung des Verbrauchers von „jedweder Gegenleistung“576. Gemäß Art. 14 RiLi handelt es sich bei Art. 9 RiLi aber um eine 569

§ 40 I StGB. Geist lässt im übrigen außer Acht, dass die Geldstrafe eine wettbewerbswidrig handelnde juristische Person nicht träfe. In diesem Fall ließe sich zwar behaupten, eine (die handelnde natürliche Person treffende) Geldstrafe wäre für die juristische Person weniger belastend. Wird aber hierdurch nur die handelnde natürliche Person betroffen, so ist die Geldstrafe kein gleich geeignetes Mittel. 571 BVerfGE 67, 157 (178). 572 Die Herausgabeansprüche werden aber auch dann ausgeschlossen, wenn der „Irrläufer“ dem Empfänger nicht als solcher erkennbar war. Dies dürfte aber sehr selten der Fall sein. Nicht ganz richtig daher BT-Drs. 14/2920 S. 14. 573 Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319); Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (249); Casper, ZIP 2000, 1602 (1606). 574 Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (249); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 276. 575 Zur gemeinschaftsrechts- und insbesondere richtlinienkonformen Auslegung vgl. Sosnitza, JA 2000, 708 (710 f.); Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (365 f.). 570

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Mindestklausel, so dass es den Mitgliedsstaaten freisteht, strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. (3) Historische Auslegung Das Ergebnis der historischen Auslegung des § 241a BGB ist eindeutig. Der Gesetzgeber wollte durch § 241a BGB auch die Herausgabeansprüche aus den §§ 985 und 812 BGB ausschließen.577 In den Gesetzesmaterialien wurde dies explizit bejaht. Die aufgrund der Bedenken des Bundesrates578 erwogene Alternativfassung,579 welche dem Versender diese Ansprüche belassen hätte, wurde aufgrund der Empfehlung des Rechtsausschusses verworfen.580 (4) Teleologische Auslegung Insbesondere Casper will § 241a BGB dahingehend teleologisch reduzieren, dass sich der Anspruchsausschluss nicht auf die Herausgabeansprüche erstreckt.581 Objektiver Gesetzeszweck der Vorschrift sei der Schutz des Verbrauchers vor der Lästigkeit unbestellt erbrachter Leistungen.582 Dieser objektive Gesetzeszweck erfasse den Ausschluss der Herausgabeansprüche deshalb nicht, weil der Verbraucher durch die Realisierung der Herausgabeansprüche gerade wieder von dieser Lästigkeit befreit werde.583 Zwar erfasse der subjektive Gesetzeszweck ausweislich der Gesetzesmaterialien auch den Ausschluss der Herausgabeansprüche.584 Dieser müsse aber dann hinter den objektiven Gesetzeszweck zurücktreten, wenn er im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Grundsätzen oder anerkannten Rechtsprinzipien stehe.585 Dies sei vorliegend der Fall, da das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz sowie der Sanktionscharakter einer Norm anerkannten Prinzipien des BGB widerspreche.

576 Zur Auslegung dieses Begriffs vgl. Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (365 f.); S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (194 ff.). 577 BT-Drs. 14/2658 S. 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung); BT-Drs. 14/ 3195 S. 32 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 578 BT-Drs. 14/2920 S. 5 (Stellungnahme des Bundesrates). 579 BT-Drs. 14/2920 S. 14 (Gegenäußerung der Bundesregierung). 580 BT-Drs. 14/3195 S. 32 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses). 581 Casper, ZIP 2000, 1602 (1606 f.); ebenso Palandt/Heinrichs, § 241a Rn. 4. 582 Casper, ZIP 2000, 1602 (1606 f.). 583 Casper, ZIP 2000, 1602 (1606 f.). 584 Casper, ZIP 2000, 1602 (1605 f.). 585 Casper, ZIP 2000, 1602 (1607), unter Berufung auf Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 139.

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Auf den methodologischen Streit zwischen „Objektivisten“ und „Subjektivisten“ bei der Ermittlung des Gesetzeszweckes soll hier nicht näher eingegangen werden.586 Selbst wenn man aber einen objektiven Gesetzeszweck – mit der heute h. M. – anerkennt, so ist die Auffassung Caspers aus verschiedenen Gründen zweifelhaft. Zum einen ist eine teleologische Auslegung nur dort angezeigt, wo die übrigen Auslegungsregeln keine zweifelsfreie Antwort zu geben vermögen.587 Die historische Auslegung liefert allerdings, wie gezeigt, ein eindeutiges Ergebnis. Zum anderen bezieht sich der Ausnahmefall, in welchem der subjektive durch den objektiven Gesetzeszweck ersetzt werden kann, auf bereits lange geltende Normen, bei welchen auf zwischenzeitliche Entwicklungen Rücksicht genommen werden soll.588 Ersetzt man aber den dem erklärten Willen des Gesetzgebers entsprechenden Gesetzeszweck einer gerade erst verabschiedeten Norm durch einen vermeintlichen objektiven Gesetzeszweck, so stellt dies eine mit dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht zu vereinbarende Korrektur des parlamentarischen Gesetzgebers dar.589 Aber selbst wenn man mit Casper so weit ginge, einen den subjektiven Willen des Gesetzgebers verdrängenden objektiven Gesetzeszweck anzunehmen, kann ihm nicht gefolgt werden. Sogar wenn man den Gesetzeszweck auf die Belastung eines Verbrauchers mit der Sache beschränkt (und dabei die wettbewerbsrechtliche Komponente ausblendet), kann nicht behauptet werden, dass die Verhinderung der Belastung gerade durch die Zubilligung der Herausgabeansprüche erreicht würde. Vielmehr wird die Abholung – wegen der meist gegebenen Geringwertigkeit – nur selten realisiert werden. Die Belastung bliebe daher wenigstens für eine gewisse Zeit bestehen.590 Der Ausschluss der Herausgabeansprüche verhindert aber präventiv die Zusendung und lässt so die Belastung schon nicht entstehen.591 Auch die Behauptung, die Trennung von Eigentum und Besitz und der Sanktionscharakter widersprächen anerkannten Prinzipen des BGB, erweist sich als unreflektiert. Es mag zwar richtig sein, dass das BGB grundsätzlich die dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz vermeiden will. Nicht zuletzt erfordert dies der sachenrechtliche Publizitätsgrundsatz, der verlangt, dass die rechtliche Zuordnung von Sachen für jedermann ersichtlich ist.592 Für die grundsätz586 Vgl. dazu Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 796 ff., und – zusammenfassend – Sosnitza, JA 2000, 708 f. 587 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 153 f. 588 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 158 f. 589 Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320); S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (200 Fn. 35); Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (366 Fn. 63). 590 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 270 f. Ferner besteht die Belastung nicht nur in einer Besitzbeeinträchtigung sondern in der Schaffung einer für den Verbraucher rechtlich unsicheren Situation. 591 Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320).

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

lich angestrebte Vermeidung des dauerhaften Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz lässt sich aus der jüngsten Gesetzgebungsgeschichte etwa auch die mit der Schuldrechtsreform vorgenommene Entscheidung des Meinungsstreites um die Verjährung der Kaufpreisforderung bei unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren593 im neuen § 216 II 2 BGB anführen. Wenigstens die Verjährung des Anspruchs aus § 985 BGB ist aber ein Beispiel dafür, dass dieser Grundsatz nicht ohne Ausnahme ist. Dies hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 241a BGB auch erkannt.594 Auch der Sanktions- bzw. Präventionsgedanke595 ist dem Zivilrecht nicht völlig fremd.596 Gesetzliche Beispiele, bei denen ein Sanktions- bzw. Präventionscharakter zumindest teilweise vertreten wird, sind § 817 S. 2 BGB,597 § 611a BGB,598 § 288 BGB,599 § 661a BGB,600 § 13a UWG a. F.601 sowie § 10 UWG n. F.602 Als Beispiele aus der Rechtsprechung sind daneben zu nennen aus dem Haftungs- und Schadensrecht etwa der Ausgleich immaterieller Schäden603 und die sog. GEMA-Rechtsprechung604 sowie auch das von der Rechtsprechung im AGB-Recht angenommene Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.605

592

Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 272 f.; zum Publizitätsgrundsatz vgl. Baur/Stürner, SaR, § 4 II Rn. 9 ff.; Erman/Werner (10. Aufl.), Einl. § 854 Rn. 4, 8. 593 Zu diesem Meinungsstreit s. nur Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320). Nach zur alten Rechtslage h. M. wurde hier ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz durch analoge Anwendung des § 223 BGB (a. F.) vermieden. 594 BT-Drs. 14/2658 S. 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 595 Zur genauen Differenzierung der Begriffe und ihrer Beziehung zueinander vgl. Schäfer, AcP 202 (2002), 397 ff. 596 Schäfer, AcP 202 (2002), 397 ff.; S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (200 f.); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 270; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 248 ff.; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320 ff.); Erman/Saenger, § 241a Rn. 27, alle m. w. N. 597 Vgl. hierzu Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (406 ff.); Staudinger/W. Lorenz, § 817 Rn. 5; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320 f.); S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (200 f.); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 249 f. 598 Vgl. hierzu Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (410 ff.) m. w. N. 599 Vgl. hierzu Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (413 f.) m. w. N. 600 Vgl. hierzu Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 270. 601 Vgl. hierzu S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (200); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2321). 602 Engels/Salomon, WRP 2004, 32 (42 f.). 603 Vgl. hierzu Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (419 ff.); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 251; beide m. w. N. 604 Vgl. hierzu Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (418 f.) m. w. N. 605 Vgl. hierzu Sosnitza, BB 2000, 2317 (2321); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 250; beide m. w. N.

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Darauf, ob diese Aspekte tatsächlich anerkannte Prinzipien des Zivilrechts sind, kommt es aber letztlich nicht an, da es dem Gesetzgeber unbenommen wäre, bisherige Prinzipien des BGB – im Rahmen des verfassungsrechtlich Erlaubten – zu verändern.606 bb) Ergebnis zu aa) Als Auslegungsergebnis ist somit festzuhalten: Die Herausgabeansprüche aus §§ 985 und 812 BGB werden durch § 241a I BGB ausgeschlossen. b) Schadensersatzansprüche Nach nahezu unbestrittener Auffassung werden jegliche Schadensersatzansprüche des Versenders durch § 241a I BGB ausgeschlossen.607 Bei unbefangener Lektüre des Wortlautes muss dies verwundern, da diese nicht unmittelbar „durch“ die Zusendung unbestellter Sachen begründet werden. Vielmehr bedarf es eines zusätzlichen Verhaltens des Empfängers.608 Der Wortlaut steht einer Erfassung auch von Schadensersatzansprüchen aber nicht entgegen, da nach einem weiten Verständnis des Wortlautes auch Handlungen einbezogen werden können, die mittelbar mit der Lieferung zusammenhängen.609 Das Wort „durch“ lässt sich auch als Ausdruck der Kausalität im Sinne einer conditio-sine-quanon verstehen,610 also etwa als „Bei Lieferung . . .“, „Im Fall der Lieferung . . .“ oder „Im Zusammenhang mit der Lieferung . . .“611. Dass auch Schadensersatzansprüche gegen den Empfänger ausgeschlossen werden sollen, ergibt sich eindeutig aus den Gesetzesmaterialien. So soll der 606

S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (200). Vgl. nur Berger, JuS 2001, 649 (653); MK-Kramer, § 241a Rn. 13; S. Lorenz, JuS 2000, 833 (841); Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 5; AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 6, 14; Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 12. Als Konsequenz des Ausnehmens der Herausgabeansprüche vom Anspruchsausschluss fordert Deckers, NJW 2001, 1474 Fn. 16, ein Bestehenbleiben von Schadensersatzansprüchen bei vorsätzlicher Beschädigung durch den Empfänger, wenn dem Versender nicht vorher die Möglichkeit zur Abholung eingeräumt wurde. Casper, ZIP 2000, 1602 (1607), spricht sich für ein Belassen der Schadensersatzansprüche (aus §§ 987 ff. BGB und Verzug) für den Fall aus, dass der Empfänger die Herausgabe der Sache grundlos verweigert hat, da nur so die von ihm vertretene Anerkennung des Herausgabeanspruches zu praktikablen Ergebnissen führe. 608 Vgl. oben A. I. 2. b) cc). 609 Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 f.; nach Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 247, ergibt sich der Ausschluss aller gesetzlichen Ansprüche „eindeutig“ aus dem Wortlaut. 610 Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (362 Fn. 7). 611 Vgl. die Formulierung in BT-Drs. 14/2658 S. 23 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 607

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Versender einen Schaden, der auf der Benutzung, der unsorgfältigen Aufbewahrung oder der Vernichtung der Sache beruht, nach dem Willen des Gesetzgebers nicht ersetzt verlangen können.612 Hierbei versteht der deutsche Gesetzgeber unter dem von Art. 9 der RiLi verwendeten Begriff der „jedweden Gegenleistung“ auch Schadensersatzansprüche.613 Art. 9 der RiLi enthält keine Beschränkung auf Ansprüche, die unmittelbar durch die Zusendung entstehen. Vielmehr soll der Verbraucher „für den Fall . . ., dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden“ von jedweder Gegenleistung befreit werden. Als zu weitgehend erscheinen jedoch vielfach anzutreffende Formulierungen, wie der Ausschluss „jedweder (auch Schadensersatz-)Ansprüche gegen den Verbraucher“.614 Denn sie umfasste auch Schadensersatzansprüche, die nichts mit der Lieferung zu tun haben, wie etwa eine spätere, nicht mit der Zusendung zusammenhängende Körperverletzung des Empfängers gegenüber dem Versender. Aber auch das Kriterium der Kausalität i. S. der conditio-sine-qua-non Formel615 ist zu weitgehend. Soll etwa ein Anspruch wegen einer Sachbeschädigung am Wohnhaus des Versenders ausgeschlossen werden, die der Empfänger aus Verärgerung über die unbestellte Zusendung begeht? Oder soll der Empfänger einer Musik-CD von Schadensersatzansprüchen freigestellt werden, die dem Versender als Träger des Urheberrechts bzw. als Inhaber eines Nutzungsrechts i. S. des UrhG616 aus § 97 I 1 UrhG zustehen, wenn er die CD kopiert?617 Beide Fragen sind zu verneinen. Die Erwägungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Schadensersatzansprüche beschränken sich auf die bei der Zusendung unbestellter Sachen typischerweise erörterten Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung und Vernichtung der Sache, bei denen i. R. der alten Rechtslage die Haftungsmilderung diskutiert wurde.618 Daher ließe sich vertreten, dass nach dem Wortlaut des § 241a BGB grundsätzlich nur solche Ansprüche ausgeschlossen werden, die unmittelbar durch die Lieferung entstehen, dass aber wegen des eindeutigen Willens des Gesetzgebers darüber hinaus auch die Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung oder Verschlechterung der Sache erfasst werden sollen.

612

BT-Drs. 14/2658 S. 23 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). BT-Drs. 14/2658 S. 23 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 614 Vgl. etwa AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 6; MK-Kramer, § 241a Rn. 13; Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 5. 615 Schwarz/Pohlmann, Jura 2001, 361 (362 Fn. 7); HK-Schulze, § 241a Rn. 6. 616 Zu den Begriffen des Urheberrechts, der Verwertungs- und Nutzungsrechte vgl. Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, vor §§ 31 ff. UrhG Rn. 17 ff. 617 Zur Tonträgerpiraterie vgl. Wandtke/Bullinger/Schaefer, § 85 UrhG Rn. 38 ff. 618 BT-Drs. 14/2658 S. 23, 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 613

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Naheliegender, und vor allem auch die vom deutschen Gesetzgeber nicht näher erörterten sonstigen Leistungen erfassend, ist jedoch eine Beschränkung des Schadensersatzanspruchsausschlusses auf solche Schadensersatzansprüche, die noch als „jedwede Gegenleistung“ i. S. des Art. 9 der RiLi verstanden werden können. Dies sind Schäden, die sich als wirtschaftliches Äquivalent619 der Sache oder der Leistung darstellen. Mittels dieses Kriteriums lassen sich Fälle wie die obigen sinnvoll ausgrenzen. Denn eine Sachbeschädigung am Wohnhaus ist kein wirtschaftliches Äquivalent der Sache bzw. Leistung. Ebenso wenig ist dies die Verletzung des Urheber- bzw. Nutzungsrechtes bei einer Vervielfältigung der Musik-CD, da dieses mit dem Erwerb des Werkstückes nicht übertragen wird.620 c) Nutzungsherausgabe- und -ersatzansprüche Die anspruchsausschließende Wirkung des § 241a I BGB erstreckt sich nach fast allgemeiner Meinung auch auf Nutzungsherausgabeansprüche.621 Der Ausschluss dieser Ansprüche entspricht dabei, ebenso wie der der Schadensersatzansprüche, dem erklärten Willen des Gesetzgebers,622 auch wenn die in Frage stehenden Nutzungsersatzansprüche nicht unmittelbar „durch“ die Lieferung begründet werden. Berger will dem Versender jedoch Nutzungsherausgabeansprüche belassen.623 Ihm zufolge können diese zwar nicht mehr aus §§ 987 I, 990 I BGB folgen, da es hierfür wegen der Einführung des § 241a BGB an der erforderlichen Vindikationslage fehle, weshalb nunmehr § 812 I 1 2. Alt. BGB eingreife.624 Ein Anspruchsausschluss sei nach der Gesetzesbegründung gewollt.625 Dies habe aber im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden, da dieser nur Ansprüche erfasse, die sich „aus der Lieferung“ ergäben.626 Vielmehr widerspreche es dem Gesetzeszweck des Schutzes vor Belästigung durch die Zusendung, dem Verbraucher auch den Wert des Gegenstandes zuzubilligen.627

619

Vgl. S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (196). Vgl. Schricker/Schricker, UrhR, Einl. Rn. 22; Ulmer, UrhR, § 2 II 3. 621 HK-Schulze, § 241a Rn. 6; Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 6; S. Lorenz, JuS 2000, 833 (841); MK-Kramer, § 241a Rn. 13; Riehm, Jura 2000, 505 (512); Erman/ Saenger, § 241a Rn. 29; Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 12; Casper, ZIP 2000, 1602 (1605), zu den außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a I BGB bestehenden Nutzungsherausgabensprüchen vgl. oben A. I. 2. c). 622 BT-Drs. 14/2658 S. 23 f., 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 623 Berger, JuS 2001, 649 (653). 624 Berger, JuS 2001, 649 (653). 625 Berger, JuS 2001, 649 (653). 626 Berger, JuS 2001, 649 (653). 627 Berger, JuS 2001, 649 (653). 620

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Dieser Auffassung ist, entsprechend den Ausführungen zu den Herausgabeansprüchen, eine unzulässige Korrektur des Gesetzgebers vorzuwerfen.628 Es entspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers, dem Empfänger den Wert des Gegenstandes zuzubilligen; er ging davon aus, dass der vollständige Anspruchsausschluss „im Ergebnis auf eine Schenkung hinausläuft“.629 Der von Berger angenommene Gesetzeszweck des Schutzes vor Belästigungen wird durch den Ausschluss auch der Nutzungsherausgabeansprüche durch Verhinderung der Zusendung besser verwirklicht als bei Belassen dieser Ansprüche.630 § 241a I BGB schließt somit auch Nutzungsherausgabeansprüche des Versenders aus. Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen kann der Versender schon außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a I BGB nicht verlangen.631 Daher kann hier dahinstehen, ob § 241a I BGB diese erfasst oder ob sie mit der Argumentation Bergers schon deswegen ausgeschlossen sind, weil § 241a I BGB den § 985 BGB ausschließt und daher keine Vindikationslage besteht. d) Erlösherausgabeansprüche Im Fall der Weiterveräußerung der Sache durch den Empfänger hat der Versender außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB dann einen Anspruch auf Erlösherausgabe aus § 816 I 1 BGB und ggf. §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB, wenn in dieser Weiterveräußerung keine Annahme des Kaufvertragsangebotes zu sehen ist.632 Ob § 241a I BGB auch diese Ansprüche ausschließt, ist umstritten. Eine mehrfach vertretene Meinung verneint dies.633 Sie argumentiert zum einen, dass die Ansprüche auf Erlösherausgabe nicht „durch“ die Lieferung entstünden.634 Zum anderen wird angeführt, dass § 241a BGB den Verbraucher lediglich vor dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Zusendung schützen, ihm aber nicht die Sache entgegen der Eigentumsordnung zuweisen wolle.635 Ferner beinhalte die Vorschrift keine Weiterveräußerungsbefugnis; vielmehr sei eine Beschränkung der Rechte des Versenders auf die Situation des Eigenverbrauchs anzunehmen.636 628

Vgl. oben 1. a) aa) (4). BT-Drs. 14/2658 S. 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 630 Vgl. oben 1. a) aa) (4). 631 Vgl. oben A. I. 2. c). 632 Vgl. oben A. I. 2. d). 633 Berger, JuS 2001, 649 (653); Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 5; AnwKommKrebs, § 241a Rn. 20; Erman/Saenger, § 241a Rn. 33. 634 Berger, JuS 2001, 649 (653). 635 Berger, JuS 2001, 649 (653). 629

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Mit der wohl überwiegenden Meinung637 ist jedoch von einem Ausschluss auch der Ansprüche auf Erlösherausgabe auszugehen. Das Argument, dass diese Ansprüche nicht unmittelbar aus der Lieferung entstünden, ist, wie bereits dargelegt, wenig überzeugend, da der Gesetzgeber ausdrücklich den Anspruchsausschluss auch auf solche Ansprüche erstrecken wollte, die nicht unmittelbar aus der Lieferung erwachsen.638 Auch ist eine wirtschaftliche Zuweisung der Sache zum Empfänger vom Gesetzgeber durchaus beabsichtigt.639 Das Problem, ob dem § 241a BGB eine Weiterveräußerungsbefugnis zu entnehmen ist, ist nicht notwendigerweise deckungsgleich mit dem der Reichweite des Anspruchsausschlusses. Denn der Anspruchsausschluss muss nicht notwendig auch ein Tatbestandsmerkmal der in Frage stehenden Vorschrift ausschließen. So ist mit der Erstreckung des § 241a BGB auf den § 985 BGB noch nicht die Frage beantwortet, ob der Empfänger ein Recht zum Besitz hat. Ebenso wenig bedeutete die Erstreckung auf die Ansprüche aus § 816 I 1 BGB und §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB schon die Verneinung der Tatbestandsmerkmale „Nichtberechtigter“ bzw. „fremdes Geschäft“. Problematisch ist allerdings, ob sich ein ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers hinsichtlich des Anspruchsausschlusses auch für die Erlösherausgabeansprüche feststellen lässt. Die Gesetzesbegründung erwähnt dies nämlich nicht explizit, sondern bezieht sich auf den Ausschluss von Ansprüchen auf Aufbewahrung, Nutzungsherausgabe, Schadensersatz und Rückgabe.640 Allerdings kann ein Wille bzgl. des Ausschlusses auch der Erlösherausgabeansprüche durchaus „zwischen den Zeilen“ ausgemacht werden. So stellt die Gesetzesbegründung zunächst die alte Rechtslage dar und erwähnt auch die Ansprüche aus § 816 I 1 BGB und §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB. Im Folgenden werden Erlösherausgabeansprüche allerdings nicht mehr aufgeführt. Jedoch versteht der Gesetzgeber den in der RiLi verwendeten Begriff der „jedweden Gegenleistung“ weit i. S. eines Äquivalentes für die Sache oder ihre Nutzungen.641 Als ein solches Äquivalent lässt sich aber auch der Erlös der Sache verstehen.642 Der Gesetzgeber wollte eine Regelung schaffen, „die klarstellt, dass den Verbraucher . . . keinerlei Verbindlichkeiten, weder Schadensersatz- noch Nutzungsherausgabeansprüche, treffen, und es erscheint angebracht, diese Freistellung 636

Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322). s. nur Riehm, Jura 2000, 505 (512); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453); S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (210 f.); ders., JuS, 2000, 833 (841); Link, NJW 2003, 2811. 638 Vgl. die Ausführungen zu a), b) und c). 639 Vgl. die Ausführungen zu c) und S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (211). 640 BT-Drs. 14/2658 S. 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 641 BT-Drs. 14/2658 S. 23 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 642 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453), betont, dass auch die Veräußerung eine Art Nutzung sei. 637

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

auch auf die Rückgabeverpflichtung zu erstrecken.“643 Die Nichterwähnung der Erlösherausgabeansprüche in dieser Aufzählung spricht aber nicht für ein bewusstes Ausnehmen von der Ausschlusswirkung. Vielmehr scheint es sich um eine Ungenauigkeit zu handelt. Angesichts der vorherigen Darstellung der alten Rechtslage liegt es näher, dass der Gesetzgeber alle dargestellten Ansprüche ausschließen und den Empfänger wirklich keinerlei, „gar keinen“644 Verpflichtungen aussetzen wollte. Ferner erscheint der Ausschluss zumindest des § 816 I 1 BGB als Konsequenz des Vindikationsausschlusses stimmig, da ihm eine Vindikationsersatzfunktion zukommt.645 e) Vertragliche Ansprüche Auch nach der Einführung des § 241a BGB besteht in der Literatur weitgehende Einigkeit, dass eine zur Zahlungsverpflichtung führende Annahme des in der Zusendung unbestellter Sachen zu sehenden Kaufvertragsangebotes grundsätzlich möglich ist. Im Wesentlichen haben sich zwei Meinungslinien herausgebildet, unter welchen Voraussetzungen dies zu bejahen ist. Umstritten ist hierbei, inwiefern die Existenz des § 241a BGB bei der Auslegung des Verhaltens des Empfängers Berücksichtigung finden muss. Die wohl als herrschend zu bezeichnende Meinung bejaht die Möglichkeit einer ausdrücklichen Annahme. Vielfach wird allerdings davon ausgegangen, dass jedenfalls die sog. An-eignungs- und Gebrauchshandlungen im Rahmen des § 151 S. 1 BGB nicht mehr als Annahme anzusehen seien, da § 241a I BGB dem Empfänger die Nutzungsmöglichkeit an der Sache gewähre, ohne dass dieser hierdurch (gesetzlichen) Ansprüchen des Versenders ausgesetzt sei, er die Sache also wirtschaftlich „geschenkt bekomme“.646 Eine als Betätigung des Annahmewillens auszulegende Handlung wird vielfach nur durch Zahlung und ausdrückliche Annahmeerklärung für möglich gehalten.647

643

BT-Drs. 14/2658 S. 23 f. (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). BT-Drs. 14/2920 S. 14 (Gegenäußerung der Bundesregierung). 645 Riehm, Jura 2000, 505 (512); S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (210); Schöne/ Fröschle, Unbestellte Waren, S. 44, die allerdings – mit zweifelhafter Begründung – einen Anspruch aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB bejahen wollen. Zur Vindikationsersatzfunktion des § 816 I BGB vgl. Larenz/Canaris, SR 2/2, § 69 II 1 a. 646 S. Lorenz, JuS 2000, 833 (841); ders., FS W. Lorenz, S. 193 (197 f.); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323); Riehm, Jura 2000, 505 (512); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 266 f. (er bezeichnet § 241a BGB insoweit als Auslegungsregel); Matzky, NStZ 2002, 458 (459); HK-Schulze, § 241a Rn. 10; Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (250 f.); Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 5; AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 6; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 24 f.; Erman/Armbrüster, § 147 Rn. 4. 644

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Die Gegenmeinung will an den Auslegungsgrundsätzen zu den Annahmemöglichkeiten des Empfängers festhalten, weshalb insbesondere in der Nutzung der Sache eine Annahmehandlung zu sehen sei.648 Begründet wird dies damit, dass der Gesetzgeber an den Grundsätzen des Vertragsrechts habe festhalten wollen und § 241a I BGB insoweit nur klarstellende Bedeutung zukomme.649 Von einer Änderung des § 151 S. 1 BGB habe der Gesetzgeber abgesehen.650 Auch sei es widersinnig, bei der Zusendung unbestellter Sachen nur noch eine ausdrückliche, nicht aber eine konkludente Annahme zuzulassen.651 Darüber hinaus wird teilweise dann – konsequent – im Gebrauch eine Annahme gesehen, wenn davon ausgegangen wird, dass der § 241a I BGB Nutzungsherausgabeansprüche nicht ausschließt.652 Näher untersucht werden soll die vielfach als Selbstverständlichkeit verneinte Frage, ob sich die anspruchsausschließende Wirkung des § 241a I BGB auf vertragliche Ansprüche erstreckt.653 Ließe sich die Frage bejahen, so hätte das gravierende Folgen: Nähme man an, auch ein Anspruch des Versenders aus § 433 II BGB wäre ausgeschlossen, so bedeutete dies die Beseitigung des dogmatischen Problems des dauerhaften Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz. Käme nämlich der Kaufvertrag zustande, so träte die aufschiebende Bedingung für den Eigentumsübergang ein,654 der Empfänger würde zum Eigentümer der Sache, ohne zur Zahlung verpflichtet zu sein. Dies müsste dann auch bei 647 Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323); Däubler, BGB kompakt, Kap. 11 Rn. 31a; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 267 (der aber „provozierte“ Erfüllungshandlungen ausnehmen will); HK-Schulze, § 241a Rn. 10 („über den Gebrauch oder Verbrauch hinausgehendes Verhalten“); Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (250); Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 5 („nur durch Zahlung oder sonstige eindeutige Handlungen“); AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 6; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Palandt/ Heinrichs, § 241a Rn. 3; Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 13 (sie nehmen in diesen Fällen aber einen Ausschluss des Kaufvertragsanspruches durch § 241a BGB an, Rn. 14); MK-Kramer, § 241a Rn. 8 nimmt in diesen Fällen eine „nachträgliche Bestellung“ an, die § 241a I BGB unanwendbar mache. 648 Berger, JuS 2001, 649 (654); Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 79; Jayme/Schulze, JuS 2001, 878 (881); Bamberger/Roth/Fritzsche, § 987 Rn. 24; Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); Löhnig, JA 2001, 33 (34); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 111. 649 Jayme/Schulze, JuS 2001, 878 (881); Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 111. 650 Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 81. 651 Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 111. 652 So Berger, JuS 2001, 649 (654); im Ergebnis ebenso Casper, ZIP 2000, 1602 (1607). 653 Eine (zur Zahlungspflicht führende) Kaufvertragsannahme ist nach Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 266, „natürlich“, nach Berger, JuS 2001, 649 (654), und Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323), „selbstverständlich“, nach Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451), „freilich“ möglich. Auch nach Casper, ZIP 2000, 1602 (1607 Fn. 43), besteht hieran „kein Zweifel“. 654 Dies ist richtigerweise die einzige Bedingung für die Übereignung, vgl. oben A. I. 1. a) aa).

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

der Auslegung des Verhaltens beachtet werden: Ein Wille zur Kaufvertragsannahme wäre viel eher anzunehmen, da nicht nur keine Zahlungsverpflichtung drohte, sondern auch die für den Empfänger günstige Folge des Eigentumserwerbs einträte. Zudem ergäben sich weitere weitreichende Folgen etwa für den Allgemeinen Teil des BGB: Ein Kaufvertrag ohne Zahlungsverpflichtung müsste dann wohl auch als lediglich rechtlich vorteilhaft etwa i. S. des § 107 BGB bezeichnet werden. Soweit man sich in der Literatur mit dieser Frage beschäftigt, wird vielfach argumentiert, vertragliche Ansprüche entstünden nicht unmittelbar „durch“ die Lieferung.655 Auch habe der Gesetzgeber hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche auf die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts verwiesen und diese Ansprüche daher nicht ausschließen wollen; hinsichtlich dieser habe § 241a I BGB lediglich deklaratorische Bedeutung.656 Ferner bedeute ein Ausschluss von vertraglichen Ansprüchen einen zu weitgehenden Eingriff in die Privatautonomie.657 Für den Ausschluss auch vertraglicher Ansprüche könnte zunächst ein Umkehrschluss aus § 241a II BGB sprechen, der dem Versender im Fall erkannter oder erkennbar irrtümlicher Zusendung gesetzliche Ansprüche belässt.658 Denn hieraus könnte geschlossen werden, dass Abs. 1 als Grundsatz zur Ausnahme des Abs. 2 auch vertragliche Ansprüche ausschließt. Dieser Schluss ist aber nicht zwingend; näher liegt vielmehr, dass die Erwähnung nur der gesetzlichen Ansprüche daher rührt, dass eine erkennbar irrtümliche Zusendung schon nicht als Kaufvertragsangebot verstanden werden kann und daher vertragliche Ansprüche gar nicht denkbar sind. Ein gesetzgeberischer Wille hinsichtlich des Ausschlusses auch von vertraglichen Ansprüchen ist schwer auszumachen. Einerseits verweist die Gesetzesbegründung in der Tat auf die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts: „So stellt (§ 241a BGB) klar, dass nicht nur – was sich nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts ergibt – keinerlei vertragliche Ansprüche entstehen . . .“.659 Außerdem betont die Gesetzesbegründung, dass „vertragliche Ansprüche . . . demnach bei „Ausbleiben einer Reaktion“ (im Sinne von Art. 9 RiLi) nicht (bestehen).“660 Dies scheint für eine bloß klarstellende Regelung zu sprechen, wobei allerdings der Begriff der „Klarstellung“ in der Gesetzesbegründung nicht 655 S. Lorenz, JuS 2000, 833 (841); Riehm, Jura 2000, 505 (511); Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 82; Jayme/Schulze, JuS 2001, 878 (881); Casper, ZIP 2000, 1602 (1607); Erman/Saenger, § 241a Rn. 13. 656 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (196 f.); Riehm, Jura 2000, 505 (511); Jayme/ Schulze, JuS 2001, 878 (881); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 111. 657 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1451); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 112. 658 So Hau, NJW 2001, 2863 (2864). 659 BT-Drs. 14/2658 S. 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 660 BT-Drs. 14/2658 S. 22 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung).

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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ausschließlich als Gegensatz zur konstitutiven Wirkung gebraucht wird. Vielmehr wird die Regelung insgesamt, auch hinsichtlich der auszuschließenden gesetzlichen Ansprüche, als „klarstellend“661 bezeichnet, was aber i. S. von „Rechtsklarheit schaffend“ verstanden werden muss. Daraus, dass vertragliche Ansprüche „bei Ausbleiben einer Reaktion“ nicht bestehen, könnte geschlossen werden, dass sie bei Vorhandensein einer Reaktion sehr wohl bestehen; die Gesetzesbegründung könnte aber auch bloß betonen wollen, dass somit die (vermeintlichen) Vorgaben der RiLi als erfüllt erachtet werden. Andererseits betont die Gesetzesbegründung, dass der Versender „gar keine“662 Ansprüche mehr haben solle. Fraglich ist aber, ob sich ein Ausschluss auch der vertraglichen Ansprüche aus einer Auslegung im Licht des Art. 9 RiLi ergibt. Dieser schreibt vor, „den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt.“ Auch die Auslegung dieser Vorschrift liefert keine zweifelsfreien Ergebnisse. Auf der einen Seite ist gerade der vertragliche Erfüllungsanspruch die einzige Gegenleistung im engeren Sinn. Ferner lässt sich eine eventuelle Beschränkung der Vorschrift auf unmittelbar „durch“ die Lieferung entstehende Ansprüche nicht entnehmen. Sie knüpft vielmehr an die Situation der unbestellten Zusendung an. Wären damit auch die vertraglichen Ansprüche gemeint, so wäre die damit verbundene Einschränkung der Privatautonomie hinzunehmen, zumal der Verbraucher gemäß Art. 12 I RiLi „auf die Rechte, die ihm aufgrund der Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht zustehen, nicht verzichten“ kann. Auf der anderen Seite könnte der Vorschrift auch zu entnehmen sein, dass in einer Reaktion sehr wohl eine Zustimmung zu sehen sein kann, bei deren Vorliegen eine Befreiung von der Gegenleistungspflicht nicht erfolgen soll. Für den Ausschluss auch von vertraglichen Ansprüchen lässt sich ferner der Schutzzweck der Vorschriften anführen. Schließlich ist der Vertragsschluss genau das, was sie verhindern wollen. Mit der Wirksamkeit der vertraglichen Ansprüche würde nämlich derjenige Versender belohnt, der es vollbringt, den Empfänger zur Zahlung zu veranlassen. Ist er also faktisch – etwa durch ein besonderes Bedrängen des Empfängers – erfolgreich, so verhilft ihm das auch noch zur wirksamen Zahlungsverpflichtung. Trotz dieser Bedenken ist aber ein Ausschluss auch der vertraglichen Ansprüche durch § 241a I BGB nicht anzunehmen. Der Wortlaut des § 241a I BGB spricht eher für einen Ausschluss nur der unmittelbar durch die Zusendung entstehenden Ansprüche. Eine Erstreckung auch auf mittelbare Ansprüche sollte 661 662

BT-Drs. 14/2658 S. 22, 23 a. E., 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). BT-Drs. 14/2920 S. 14 (Gegenäußerung der Bundesregierung).

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

daher nur dort angenommen werden, wo dies dem eindeutigen Willen des Gesetz- bzw. Richtliniengebers entspricht. Ein solcher Wille ist aber, wie gezeigt, jedenfalls nicht mit hinreichender Eindeutigkeit feststellbar. Allerdings ist es richtig, dass bei der Auslegung des Verhaltens des Empfängers die Existenz der Vorschrift nicht ausgeblendet werden kann. Wie aber kann der Tatsache, dass der Empfänger die Sache kostenlos behalten kann und eine Annahme unter Umständen nur aufgrund der Bedrängungssituation zustande kommt, Rechnung getragen werden? Wenn hier z. T. ein „bewusstes Bezahlen wollen“663 verlangt wird, so ist hiermit ein richtiger Gedanke angesprochen. Es muss aber anhand der Auslegungsgrundsätze zur Annahme generell und speziell zur Annahme gem. § 151 S. 1 BGB präzisiert werden: Verlangt man für die Annahmehandlungen des § 151 S. 1 BGB die Auslegung nach dem Horizont eines objektiven, mit den Umständen vertrauten Dritten,664 so wird das bei Aneignungs- und Gebrauchshandlungen wie Nutzung, Weiterveräußerung etc. i. d. R. nicht anzunehmen sein, da dann nicht eindeutig auf den Vertragsannahmewillen zu schließen ist. Aber auch bei Erfüllungshandlungen, die auf einer starken Bedrängung bzw. Provokation665 beruhen, wird man dies nicht bejahen können. Darüber hinaus kann die Existenz des § 241a BGB auch nicht ignoriert werden, wenn das Verhalten gegenüber dem Versender Erklärungswert hat. Denn auch bei der Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung gegenüber dem Versender ist auf dessen verobjektivierten Empfängerhorizont abzustellen. Beruht diese Erklärung ihm gegenüber auf einer Provokation – erfolgt sie also nicht „aus freien Stücken“ und im Bewusstsein des Nichtbestehens einer Zahlungsverpflichtung – so kann er hierin nicht die Annahme des Kaufvertragsangebotes erblicken.666 Festzuhalten bleibt also, dass die Existenz des § 241a I BGB bei der Auslegung des Verhaltens des Empfängers berücksichtigt werden muss, unabhängig davon, ob die Annahme gemäß § 151 S. 1 BGB erfolgt oder als Annahmeerklärung gegenüber dem Versender. Diese Einschränkung hat zur Folge, dass, anders als bei Ansprüchen außerhalb des Geltungsbereichs des § 241a BGB, die 663

MK-Kramer, § 241a Rn. 8, 12. Vgl. oben A. I. 1. a) bb). 665 Provozierte Erfüllungshandlungen will daher auch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 266, von der grundsätzlich möglichen Annahme durch Erfüllungshandlungen ausnehmen. 666 Wie noch unten 3. a) zu zeigen sein wird, bewirkt § 241a BGB, dass nicht mehr der Versender, sondern vielmehr der Empfänger verfügungsbefugt über die Sache ist. Grundsätzlich wäre die Erfüllung einer kaufvertraglichen Übereignungspflicht daher dem Versender rechtlich unmöglich i. S. des § 275 I BGB, vgl. MK-H. P. Westermann, § 275 Rn. 6. Auch die privatautonome Beseitigung dieser rechtlichen Unmöglichkeit durch den Empfänger spricht für ein besonderes Maß an Freiwilligkeit. 664

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Ansprüche auf Nutzungs- und Erlösherausgabe nicht schon daran scheitern, dass ein durch die Kaufvertragsannahme bewirkter Eigentumsübergang vorliegt. Diesen Ansprüchen steht aber, wie gezeigt,667 § 241a I BGB entgegen. f) Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 BGB Auch ein eventueller Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch des Versenders gegen den Empfänger wegen Beeinträchtigung des Eigentums wird durch § 241a I BGB ausgeschlossen. Zwar ist dieser Anspruch in den Gesetzgebungsmaterialien nicht eigens erwähnt. Angestrebt war jedoch ein Ausschluss jedweder Ansprüche. Die vom Gesetzgeber gewollte faktische Eigentumsposition des Empfängers würde erheblich entwertet, könnte der Versender eine Unterlassung des Umgangs mit der Sache verlangen. Ob man in § 241a I BGB eine anspruchshindernde Einwendung gegen den Anspruch aus § 1004 I BGB sieht oder den Eigentümer durch § 241a I BGB i. S. des § 1004 II BGB zur Duldung verpflichtet ansieht, dürfte eher zweitrangig sein. g) Der Ausnahmetatbestand des § 241a II BGB Gemäß § 241a II BGB sind gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Bei dieser Ausnahmeregelung ist umstritten, welchem Haftungsmaßstab der Empfänger unterliegt. Während der Wortlaut der Vorschrift hierbei in Bezug auf das Erkennenkönnen eindeutig einfache Fahrlässigkeit genügen lässt, ist fraglich, ob im Rahmen des Verschuldens insbesondere bei Schadensersatzansprüchen eine Haftungsprivilegierung des Empfängers nach den vor der Einfügung des § 241a BGB erarbeiteten Grundsätzen anzunehmen ist. Verneint wird dies mit dem Argument, eine Haftungsmilderung sei nicht angebracht, weil im Fall des Abs. 2 ein bewusstes Aufdrängen der Sache durch den Versender nicht gegeben sei.668 Dagegen will die wohl als herrschend zu bezeichnende Meinung den Empfänger entsprechend der Grundsätze zur alten Rechtslage nur bei grober Fahrlässigkeit haften lassen.669 667

Vgl. oben c) und d). Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 18, die allerdings Raum für die Annahme eines Mitverschuldens des Versenders sehen; Casper, ZIP 2000, 1602 (1608), sieht für eine Haftungsprivilegierung „keinen Anlass“. 669 MK-Kramer, § 241a Rn. 16; AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 25; Jauernig/Vollkommer, § 241a Rn. 6. 668

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Der h. M. ist zu folgen. Zwar mag bei irrtümlicher Zusendung wettbewerbswidriges Verhalten des Versenders nicht vorliegen. Dennoch verbleibt der die Haftungsmilderung rechtfertigende Eingriff in die Sphäre des Empfängers,670 der auch im Rahmen der alten Rechtslage eine Haftungsprivilegierung angezeigt erscheinen ließ.671 Auch der Gesetzgeber scheint von einer Haftungsprivilegierung des Empfängers im Fall des Abs. 2 ausgegangen zu sein: In diesem Falle verbleibe „es bei den allgemeinen Regeln, die zu einer angemessenen Rückabwicklung führen.“672 Geht man davon aus, dass außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB eine Haftungsmilderung bei irrtümlicher ebenso wie bei vorsätzlicher Zusendung angebracht ist,673 so muss dies auch für § 241a II BGB gelten. Anderenfalls führte die Vorschrift insoweit zu einer Schlechterstellung des Empfängers gegenüber der alten Rechtslage, die kaum beabsichtigt sein dürfte. Auch ergäbe sich eine insoweit Schlechterstellung gegenüber Empfängern, die keine Verbraucher, sondern Unternehmer sind, obwohl letztere weniger schutzwürdig sind. 2. Dogmatische Einordnung der Rechtsfolgen des § 241a I BGB a) Anspruchsausschluss § 241a I BGB bestimmt einen Anspruchsausschluss. Die Vorschrift ist hierbei als anspruchs- bzw. rechtshindernde Einwendung anzusehen,674 die von Amts wegen zu berücksichtigen ist. § 241a I BGB ist insofern vergleichbar mit den anspruchsausschließenden bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 814, 815 und 817 S. 2 BGB.675 Die anspruchshindernde Wirkung ist dabei unabhängig von der Erfüllung oder Nichterfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale des in Frage stehenden Anspruchs. Der Anspruchsausschluss etwa des § 985 BGB muss daher nicht notwendigerweise bedeuten, dass § 241a I BGB ein Recht zum Besitz i. S. des § 986 BGB begründet.676 Auch wenn bei jedem der erwähnten ausgeschlossenen Ansprüche einzelne anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale verneint werden könnten, ist dies nicht zwingend. So ließe sich z. B. vertreten, dass § 241a I BGB ein Recht zum Besitz verleiht, dass ein de670

Vgl. oben A. I. 2. b) cc) (2). Soweit ersichtlich befasst sich die Literatur zur alten Rechtslage mit der irrtümlichen Zusendung aber nicht. 672 BT-Drs. 14/2658, S. 46. 673 Zwingend ist dies zugegebenermaßen nicht. 674 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 8; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 987 Rn. 24. 675 Vgl. hierzu S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (201, 203). 676 Offenbar anders z. B. Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 274, der den Versuch unternimmt, § 241a BGB in die Tatbestandsmerkmale der §§ 985, 986 BGB einzuordnen. 671

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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liktischer Eingriff des Empfängers nicht rechtswidrig,677 dass der Empfänger kein „Nichtberechtigter“ i. S. des § 816 I 1 BGB ist oder auch, dass wegen der Existenz des § 241a I BGB der Versender keinen schadensersatzrechtlich relevanten Schaden678 erleidet. Diese Fragen sind für einen Anspruchsausschluss jedoch unerheblich. So schließen auch die §§ 814, 815 und 817 S. 2 BGB nicht einzelne Tatbestandsmerkmale der § 812 ff. BGB aus. Lediglich für Folgeprobleme müssen diese einzelnen Fragen geklärt werden. So kann die Frage nach einem Recht zum Besitz für das Bestehen einer „Besitzrechtsbrücke“ beim Anspruch des Versenders gegen einen Dritten von Belang sein. b) § 241a I BGB als gesetzlicher Eigentumsübergang Vereinzelt wird in der Literatur zur Vermeidung der unerwünschten Folge des dauerhaften Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz vertreten, § 241a I BGB normiere einen gesetzlichen Eigentumsübergang.679 Riehm vertritt dies unter Berufung auf Art. 16 II WG und Art. 21 ScheckG, die ihrem Wortlaut nach lediglich einen Herausgabeanspruch des früheren Wechsel- bzw. Scheckinhabers ausschließen, bei denen die ganz h. M. jedoch einen Eigentumserwerb des gutgläubigen Erwerbers annimmt.680 Müller-Helle bejaht einen Eigentumsübergang aufgrund einer „Verwirkung“ des Eigentums.681 Zu diesem Ergebnis kommt er unter Heranziehung der klassischen Auslegungsregeln, insbesondere der teleologischen Auslegung. Auch wenn diese Folge rechtspolitisch wünschenswert ist und die Rechtsfolgen des § 241a I BGB – wie auch die nächsten Abschnitte zeigen werden – zu einer vollständigen Aushöhlung der Eigentumsposition führen, widerspricht diese Auffassung jedoch dem klaren Willen des Gesetzgebers,682 der das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz bewusst in Kauf genommen hat.683

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So im Ansatz wiederum Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 273. So im Ansatz wiederum Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 273; Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 43 f. 679 Riehm, Jura 2000, 505 (512); Pützhofen, Europäischer Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 153. 680 Riehm, Jura 2000, 505 (512). 681 Müller-Helle, Zusendung unbestellter Ware, S. 231 ff. 682 BT-Drs. 14/2658 S. 14 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung); dies verkennt Müller-Helle, der bezeichnenderweise die historische Auslegung unterschlägt. 683 Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 22; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 275 Fn. 112; S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212), der den Vergleich zu Art. 16 II WG und 21 ScheckG für nicht tragfähig hält. 678

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

c) Eigentumsaufgabe durch den Versender Einen anderen Weg zur Vermeidung des dauerhaften Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz geht Alexander.684 Er will im Anschluss an Bunte, der dies schon vor der Einfügung des § 241a BGB vertrat,685 eine Dereliktion (§ 959 BGB) des Versenders mit eventuellem anschließendem Eigentumserwerb des Empfängers (§ 958 BGB) annehmen. Dies hätte den Vorteil der sachenrechtlichen „Begradigung“ der Rechtslage. In der Tat scheint diese Möglichkeit erwägenswert. Im Rahmen der Darstellung der Rechtslage außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB wurde bereits dargelegt, dass es dem Versender am Verzichtswillen fehlt; vielmehr gibt er ein Übereignungsangebot ab.686 Hieran kann aber nunmehr wegen der Existenz des § 241a BGB gezweifelt werden, da dem Versender hierdurch nahezu alle Ansprüche abgeschnitten werden und er die Sache damit faktisch verloren gibt.687 Dem ist aber entgegenzuhalten, dass auch diese Konstruktion dem Willen des Gesetzgebers widerspricht. Zudem kann ein Eigentumsaufgabewillen in der Zusendung nicht gesehen werden. Die Auslegung des Verhaltens des Versenders ergibt weiterhin ein Übereignungsangebot, da – selbst wenn man die Kenntnis des § 241a BGB unterstellt – die Versendung doch weiterhin in der Hoffnung auf Abschluss eines – wie gezeigt möglichen – eine Zahlungsverpflichtung begründenden Kaufvertrags erfolgt.688 d) Übereignungsanspruch analog §§ 886, 1169, 1254 BGB Löhnig befürwortet einen Übereignungsanspruch des Empfängers gegen den Versender mit einer Analogie zu §§ 886, 1169, 1254.689 Eine solche Analogie wird auch in anderen Situationen des dauerhaften Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz – insbesondere bei der Verjährung der Vindikation – diskutiert.690 Den genannten Normen wird hierbei der allgemeine Rechtsgedanke entnommen, dass der Einredeberechtigte (Sicherungsgeber) vor dem nur formalen Fortbestand eines Rechtes (des Sicherungsnehmers) zu schützen ist, wenn dieser für ihn eine Benachteiligung bedeutet und für den Gläubiger nicht mehr Gegenstand berechtigten Interesses sein kann.691 Folge einer solchen Annahme wäre 684

Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 275 f. Bunte, FS Gaedertz, S. 87 (95). 686 Vgl. oben A. I. 2. a) aa) (1). 687 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 276. 688 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452); Jacobs, JR 2004, 490 (491). 689 Löhnig, JA 2001, 33 (35). 690 Vgl. nur Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 170 ff., 179 ff.; MK-Medicus, § 986 Rn. 7; beide m. w. N. 685

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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u. a. ein durch diesen Übereignungsanspruch begründetes Recht zum Besitz, welches die §§ 985 und 987 ff. BGB bereits tatbestandlich ausschlösse.692 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Situationen der §§ 886, 1169, 1254 BGB mit der Zusendung unbestellter Sachen nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Sie knüpfen an Situationen an, in welchen ein Sicherungsgeber aufgrund eines Rechtes des Sicherungsnehmers, welches wertlos (weil dauerhaft einredebehaftet) ist, in seinen Rechten beschränkt ist. Die genannten Vorschriften bestimmen, dass der Sicherungsgeber sein ursprünglich bestehendes Recht zurückerhält. Bei § 241a BGB hingegen würde mit der angenommenen Analogie eine Rechtsposition, nämlich das Eigentum des Empfängers, aber erst begründet.693 Darüber hinaus stünde dieser Analogie wiederum die Konzeption des Gesetzgebers entgegen. 3. Einzelfragen a) § 241a I BGB als Recht zum Besitz, Verfügungsbefugnis und Begründung der Einwilligungsbefugnis Sehr uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob § 241a I BGB dem Empfänger ein Recht zum Besitz verleiht.694 Bedauerlicherweise wird die Existenz oder Nichtexistenz eines Besitzrechts meist eher behauptet als argumentativ belegt. 691

Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 181. Vgl. Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 179; dies übersieht Löhnig, JA 2001, 31 (35 f.), der es offen lässt, ob im Fall der Zusendung unbestellter Waren ein Besitzrecht des Empfängers besteht. 693 So treffend zur Frage des Übereignungsanspruches des Besitzers gegen den Eigentümer, dessen Vindikation verjährt ist, Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 174, 181. 694 Dafür S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (210 f.); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 274; AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 5; Wilhelm, SaR, Rn. 1103; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323); Otto, Jura 2004, 389 (390); Dornheim, Sanktionen, S. 187 f.; MK-Medicus, § 986 Rn. 24: „dauerhaftes Recht zur Nichtherausgabe, das einem Recht zum Besitz i. S. von § 986 wenigstens ähnelt.“; dagegen Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452); HK-Schulze, § 241a Rn. 8; Löhnig, JA 2001, 33 (35); Jauernig/ Vollkommer, § 241a Rn. 5; Link, NJW 2003, 2811 (2812); Brehm/Berger, SaR, § 7 Rn. 59; Jacobs, JR 2004, 490 (493); Matthies, Studien, S. 119; Berger, JuS 2001, 649 (653), der aber die Bösgläubigkeit des Empfängers i. R. eines Anspruches aus §§ 990, 989 BGB wegen der Existenz des § 241a BGB verneinen will. Dabei verkennt er offenbar, dass sich die Bösgläubigkeit nach fast allgemeiner Meinung auf das Bestehen eines Besitzrechts bezieht. Gegen ein Besitzrecht ebenfalls Erman/Saenger, § 241a Rn. 26, da § 241a BGB „keine dingliche Wirkung“ zukomme. Widersprüchlich erscheint aber, dass ihm zufolge ein „umfassendes Nutzungsrecht“ aber bestehen soll, so Erman/Saenger, § 241a Rn. 18. Ebenso widersprüchlich Matthies, Studien, S. 119. 692

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Schwarz legt demgegenüber ausführlich dar, weshalb in § 241a I BGB kein Besitzrecht gesehen werden könne.695 Ihm zufolge lässt sich daraus, dass der Empfänger die Ware wegen des umfassenden Anspruchsausschlusses tatsächlich nutzen kann, noch kein Recht zum Besitz schließen.696 Vielmehr erfordere jedes Besitzrecht eine Rechtsbeziehung, kraft derer der Besitz dem Besitzer vorübergehend oder auf Dauer zustehe; an dieser Rechtsbeziehung fehle es aber bei der Zusendung unbestellter Waren.697 Denn § 241a I BGB wolle mit seinem umfassenden Anspruchsausschluss gerade eine vertragliche oder gesetzliche Rechtsbeziehung zwischen Unternehmer und Besitzer verhindern.698 Ferner lasse das BGB ein dauerhaftes Besitzrecht ohne die Möglichkeit des Eigentumserwerbs nur ausnahmsweise zu.699 Ein Wille des Gesetzgebers zur Deutung des § 241a I BGB als Besitzrecht hätte ihm zufolge schließlich eindeutiger geäußert werden müssen.700 Auch wenn Schwarz zuzugestehen ist, dass ein umfassender Anspruchsausschluss nicht notwendig mit einem Besitzrecht gleichzusetzen ist und dass im Regelfall eine Rechtsbeziehung Voraussetzung für ein solches ist, da aus der Negation eines Anspruchs noch keine positive Befugnis folgt,701 spricht doch einiges für eine Deutung des § 241a I BGB als (gesetzliches) Recht zum Besitz i. S. des § 986 BGB. Zwar spricht der Wortlaut des Gesetzes eher gegen ein solches Besitzrecht. Angesichts der vom Gesetzgeber als „angemessen“ erachteten Lage, dass die Regelung „im Ergebnis auf eine Schenkung hinausläuft“,702 liegt jedoch eine positive Befugnis, also ein Recht zum Besitz, nahe. Der Gesetzgeber strebte den wirtschaftlichen und faktischen Effekt einer schenkweisen Übereignung an.703 Die Auslegung des § 241a I BGB als gesetzliches Besitzrecht wäre im übrigen keine allzu ungewöhnliche Folge. Es bietet sich nämlich ein Vergleich zur Situation des Besitzers bei Verjährung der Vindikation704 an. Hierbei wird von einer starken Meinung vertreten, dass aus der Verjährung ebenfalls ein dauerhaftes Recht zum Besitz folge.705 695

Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452). Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452); ebenso HK-Schulze, § 241a Rn. 8. 697 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452). 698 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452). 699 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452). 700 Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452). 701 Vgl. hierzu die – zu verneinende – Frage, ob ein Preisgaberecht aus einem den Schadensersatzanspruch vollständig ausschließenden Mitverschulden folgen kann A. I. 2. b) cc) (3) (a). 702 BT-Drs. 14/2658 S. 46 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 703 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (211). 704 Dass der Vindikationsanspruch verjähren kann, kann nach Schaffung des § 197 I Nr. 1 BGB n. F. nicht mehr bezweifelt werden. Dies entsprach aber auch schon zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform der ganz h. M. 696

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Folge der Bejahung eines Rechtes zum Besitz aus § 241a BGB wäre der bereits tatbestandliche Ausschluss des § 985 und der §§ 987 ff. BGB. Für das Verhältnis vom Versender zum Empfänger ergäben sich hieraus keine Unterschiede, da diese Ansprüche, wie gezeigt, ohnehin von § 241a I BGB ausgeschlossen werden. Bedeutung erlangt das Besitzrecht jedoch dann, wenn der Empfänger die Sache einem Dritten – etwa aufgrund einer Leihe oder Miete – überlässt: Bei Vorliegen eines Besitzrechtes zugunsten des Empfängers ergäbe sich i. d. R. eine bis zu dem Dritten reichende „Besitzrechtsbrücke“ (§ 986 I 1 2. Alt. BGB), so dass auch er die Herausgabe verweigern könnte.706 Hierdurch entfiele auch das bei Verneinung eines Besitzrechts entstehende Problem der doppelten Herausgabeverpflichtung des Dritten aus dem Vertragsverhältnis mit dem Empfänger und aus § 985 gegenüber dem Versender.707 Problematisch wäre dies deshalb, weil sich der Empfänger gegenüber dem Dritten schadensersatzpflichtig machte, erfüllte dieser seine Herausgabepflicht gegenüber dem Versender. Durch diese Schadensersatzpflicht würde der umfassende Schutz des Empfängers aus § 241a I BGB gefährdet. Diese Drittwirkung des § 241a I BGB entspräche auch dem Präventionscharakter der Vorschrift. Ein Recht zum Besitz des Empfängers aus § 241a I BGB ist mithin zu bejahen. § 241a I BGB ist darüber hinaus eine (ausschließliche) Verfügungsbefugnis des Empfängers zu entnehmen.708 Die Verfügungsbefugnis ist nicht mit der formalen Rechtsinhaberschaft gleichzusetzen.709 Der Gesetzgeber beabsichtigte 705 Eckert, MDR 1989, 135; Staudinger/Gursky, § 985 Rn. 91; ebenso der BGH zur Verjährung des Wegnahmerechts des Mieters aus § 547a I BGB a. F. (§ 539 II BGB n. F.), BGH NJW 1981, 2564 ff.; BGH NJW 1987, 2861 ff.; a. A. Henckel, AcP 174 (1974), 97 (130); vgl. zum Ganzen auch Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 156 ff., die sich allerdings gegen ein Besitzrecht ausspricht, dies aber im Wesentlichen mit dem Einredecharakter der Verjährung begründet. 706 Hat der Dritte die Sache dem Empfänger entwendet, so kann der Versender ebenfalls (grundsätzlich) keine Herausgabe an sich selbst, sondern nur an den Empfänger, verlangen. Dies ergibt sich aus einem Erst-Recht-Schluss zu § 986 I 2 BGB, MKMedicus, § 986 Rn. 25; Staudinger/Gursky, § 986 Rn. 42 (ganz h. M.). 707 Dieses Problem sieht auch Schwarz, NJW 2001, 1449 (1454). 708 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (210 f.); Riehm, Jura 2000, 505 (512); Dornheim, Sanktionen, S. 179; ausdrücklich dagegen Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322 f.); Erman/Saenger, § 241a Rn. 33; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452); AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 19; Schäfer, AcP 202 (2002) 397 (429 Fn. 125); Link, NJW 2003, 2811; Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (259); beim oben herangezogenen Vergleichsfall der Verjährung der Vindikation wird diese Konsequenz jedoch von Eckert, MDR 1989, 135 (136) nicht gezogen. Auch Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 213, lehnt eine Verfügungsbefugnis ab, allerdings mit Verweis auf das von ihr verneinte Besitzrecht. Der BGH NJW 1981, 2564 (2565); NJW 1987, 2861 (2863), scheint allerdings von einer Verfügungsbefugnis auszugehen.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

den wirtschaftlichen und faktischen Effekt einer schenkweisen Übereignung.710 Dies berechtigt aber nicht nur zur Selbstnutzung, sondern zum beliebigen Umgang mit der Sache (§ 903 BGB).711 Die Anerkennung einer Verfügungsbefugnis wird darüber hinaus auch dem präventiven Charakter der Vorschrift besser gerecht,712 da ihr hierdurch eine erweiterte Drittwirkung zukommt und Umgehungsmöglichkeiten beseitigt werden. Zum einen kommt es für den Eigentumserwerb eines Dritten nicht mehr auf dessen Gutgläubigkeit an.713 Auch ist dieser Dritte bei einem unentgeltlichen Erwerb nicht zur Herausgabe verpflichtet, da § 816 BGB bereits tatbestandlich ausgeschlossen ist.714 Zum anderen böte § 241a BGB bei einem Verbleiben der Verfügungsbefugnis beim Versender diesem eine Umgehungsmöglichkeit des vollständigen Anspruchsausschlusses, dem nur mit einigem argumentativen Aufwand begegnet werden könnte: Der versendende Eigentümer, dessen Herausgabeansprüche ausgeschlossen sind, könnte als Verfügungsberechtigter im nachhinein die Sache gemäß § 931 BGB an einen Dritten übereignen, dessen Anspruch aus § 985 BGB nicht durch § 241a I BGB ausgeschlossen wäre. Denn es entspricht der ganz h. M., dass für eine Übereignung gemäß § 931 BGB die bloße Einigung dann ausreicht, wenn der Eigentümer überhaupt keinen Herausgabeanspruch hat.715 Mit der Anerkennung der Verfügungsbefugnis des Empfängers ist eine solche beim Versender zu verneinen, so dass eine Übereignung durch diesen ausgeschlossen wäre. Der Empfänger hat im Übrigen aufgrund der Verfügungsbefugnis die Möglichkeit, sich im Zusammenspiel mit einem Dritten das Eigentum an der Sache zu verschaffen: Er kann diesem die Sache übereignen und sich zurückübereignen lassen.716 Die Argumente, die gegen einen Rückerwerb vom gutgläubigen 709 Flume, AT 2, § 11 5 c; dies übersieht offenbar Casper, ZIP 2000, 1602 (1607 f.); ebenso offenbar Grunewald, BR, § 2 Rn. 5: „. . . da der Verbraucher als Nichteigentümer und somit als Nichtberechtigter verfügt.“ 710 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (211). 711 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (211). 712 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (211); a. A. Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322), der lediglich von einem kompensativen Charakter der Vorschrift ausgeht, da es bei § 241a BGB um eine Freistellung des Empfängers von Ansprüchen des Versenders als Ausgleich für einen Einbruch in die Privatsphäre des Verbrauchers gehe. 713 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (211). 714 Auch aus § 822 BGB könnte der Versender nicht vorgehen, da die Verpflichtung zur Herausgabe des Empfängers nicht erst durch die unentgeltliche Zuwendung an den Dritten ausgeschlossen ist; ebenso Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers, S. 165. 715 Staudinger/Wiegand, § 931 Rn. 18; Palandt/Bassenge, § 931 Rn. 3; Wolff/Raiser, SaR, § 68 II 2. 716 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212).

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Erwerber hervorgebracht werden,717 tragen hier jedenfalls nicht, da der Empfänger als Berechtigter verfügt und „Quasi-Eigentümer“ ist.718 Über die Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Verfügung über die Sache hinaus muss auch die Zuständigkeit für eine Einwilligung etwa in deren Beschädigung beim Empfänger verortet werden.719 Dass diese nicht beim Eigentümer verbleiben darf, ergibt sich aus der Natur der Einwilligung: Sie verwirklicht das im BGB zugrundegelegte Prinzip der Privatautonomie, weil derjenige, solange er allein und frei über das geschützte Rechtsgut disponieren kann, nicht weiter geschützt werden soll und kann, als er es verlangt.720 Sie legitimiert also Eingriffe in solche Rechtsgüter, die der individuellen Verfügungsmacht unterliegen.721 Einwilligen könnte der Versender in eine Zerstörung durch Dritte beim Empfänger (allein) zwar schon ohne die Wirkungen des § 241a I BGB regelmäßig deswegen nicht, weil dies zugleich eine Besitzstörung darstellte und die Einwilligungsbefugnis hierfür beim Besitzer liegt. Hat jedoch ein Dritter die Sache erlangt, so könnte der Eigentümer, hätte er die Einwilligungsbefugnis, in eine Beschädigung einwilligen. Der Versender ist wegen der Existenz des § 241a I BGB und der aus ihr folgenden Verfügungsbefugnis des Empfängers aber in seiner Privatautonomie beschränkt. Das Eigentum unterliegt nicht mehr seiner freien Verfügung im o. g. Sinn. Die Einwilligungsbefugnis für Beschädigungen ist dem Empfänger zuzuerkennen. Er kann also in eine Beschädigung oder Zerstörung der Sache einwilligen. Auch diese positive Befugnis folgt aus der vom Gesetzgeber angestrebten vollständigen wirtschaftlichen Zuordnung der Sache zum Empfänger. Das formale Eigentum des Versenders als „leere Hülse“ bzw. „nudum ius“722 ist daher auch nicht geeignet eine „Rest-Einwilligungsbefugnis“ derart zu begründen, dass etwa eine gemeinsame Einwilligung von Versender und Empfänger notwendig wäre. b) § 241a I BGB als zivilrechtlicher Rechtfertigungsgrund Die Frage, ob § 241a BGB einen zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrund darstellt, wird selten aufgeworfen.723 S. Lorenz will dies „fraglos“ bejahen.724 717

Vgl. Baur/Stürner, SaR, § 52 Rn. 34. S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212 f.). 719 Vgl. dazu noch unten 2. Teil A. III. 2. b) bb) (1) (a). 720 Vgl. Kohte, AcP 185 (1985), 105 (110). 721 Esser/Schmidt, SR 1/2, § 25 IV 2a. 722 Vgl. etwa Riehm, Jura 2000, 505 (512); Wieling, SaR, § 12 I 3 a. 723 Meist wird § 241a BGB jedoch als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund angesehen, vgl. dazu unten 2. Teil A. III. 2. c). 724 S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212 Fn. 81). 718

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

Auch Härting725 und Berger726 scheinen § 241a BGB eine rechtfertigende Wirkung beimessen zu wollen, wobei ersterer dies einzig auf die Zerstörung, letzterer einzig auf das Wegwerfen bezieht. Leider belegt keiner der Autoren seine Auffassung mit überzeugenden Argumenten. Lediglich Härting folgert die Befugnis zur Zerstörung aus dem Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Empfänger.727 Hiergegen ist aber schon einzuwenden, dass allein der „negative“ Anspruchsausschluss noch nicht zu einer „positiven“ Eingriffsbefugnis führen muss. Zu untersuchen ist also, ob § 241a I BGB die Voraussetzungen erfüllt, die an einen zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrund zu stellen sind. Der Wortlaut als Ausgangspunkt einer Auslegung des § 241a I BGB spricht prima facie gegen eine rechtfertigende Wirkung, da die Vorschrift lediglich bestimmt, dass ein Anspruch des Unternehmers nicht begründet wird. Ob Ansprüche, die Rechtswidrigkeit voraussetzen, daher deswegen ausgeschlossen sein sollen, weil die Rechtswidrigkeit entfällt, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe erklären grundsätzlich entweder den Ausschluss der Rechtswidrigkeit,728 verleihen ein Eingriffsrecht729 oder statuieren eine Duldungspflicht.730 Eine derartige Rechtsfolge lässt sich dem Wortlaut§ 241a I BGB jedoch nicht notwendigerweise entnehmen, was sich als Argument gegen die Qualität als Rechtfertigungsgrund anführen ließe.731 Allerdings ist dies nicht zwingend: Der Wortlaut einer Norm stellt vielmehr bloß den Ausgangspunkt und zugleich die Grenze der Auslegung dar.732 Aus diesem Grund wird von der h. M. auch eine rechtfertigende Wirkung der Vorschriften über die berechtigte GoA angenommen, obwohl die §§ 677 ff. BGB ihrem Wortlaut nach keinen Rechtswidrigkeitsausschluss, kein Eingriffsrecht und keine Duldungspflicht bestimmen.733 Aus der Systematik des Gesetzes lassen sich Argumente für oder gegen die Qualität als Rechtfertigungsgrund nicht herleiten. Insbesondere der Standort der Vorschrift im allgemeinen Schuldrecht spricht weder dafür noch dagegen.

725

Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 87. Berger, JuS 2001, 649 (653). 727 Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 87. 728 So etwa die §§ 227–229 BGB. 729 So § 859 BGB. 730 So § 904 S. 1 BGB. 731 So argumentieren Planck/André (3. Aufl.), Anm. V vor § 677, und Planck/Lobe (4. Aufl.), Anm. V vor § 677, bezogen auf die rechtfertigende Wirkung einer berechtigten GoA, da auch die §§ 677 ff. BGB eine der o. g. Rechtsfolgen nicht ausdrücklich anordnen. 732 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 163 f. 733 Vgl. dazu zusammenfassend Fisch, GoA, S. 134 ff. 726

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Auch mittels der historischen Auslegung lässt sich nicht belegen, dass es sich bei § 241a I BGB um einen Rechtfertigungsgrund handelte. Die Gesetzesmaterialien beschäftigen sich nicht mit der Frage einer Rechtfertigung, sondern beschränken sich auf Ausführungen zum Anspruchsausschluss. Zwar will der Gesetzgeber, wie bereits erwähnt, die Sache wirtschaftlich dem Empfänger zuweisen. Deswegen eine rechtfertigende Wirkung anzunehmen, ist jedoch nicht zwingend. Einzig die von der Bundesregierung aufgrund der Kritik des Bundesrates vorgeschlagene Formulierung der Alternativfassung, die vorsah, dass der Empfänger „nach seiner Wahl den Besitz an der Ware aufgeben oder dem Unternehmer die Rücknahme anbieten“734 kann, legt die Einordnung als (auf die Besitzaufgabe beschränkten) Rechtfertigungsgrund nahe. Die Gesetzesmaterialien setzen sich aber nicht weiter mit der dogmatischen Einordnung dieser Alternativfassung auseinander. Aus dieser nicht Gesetz gewordenen Fassung kann daher auch kein zweifelsfreier Rückschluss auf die dogmatische Einordnung der endgültigen Fassung geschlossen werden. Aufschluss über die Einordnung des § 241a I BGB könnte die Klärung des Begriffes „Rechtfertigungsgrund“ im Zivilrecht ergeben. Ließen sich generelle Merkmale zivilrechtlicher Rechtfertigungsgründe feststellen, so könnte § 241a I BGB hieran gemessen werden. Das Auffinden allgemeiner Kriterien von Rechtfertigungsgründen in der Literatur bereitet jedoch Schwierigkeiten. Meist beschränken sich die Ausführungen auf die Feststellung, dass Rechtfertigungsgründe die Rechtswidrigkeit entfallen lassen sowie auf eine beispielhafte Aufzählung der Rechtfertigungsgründe.735 Fisch unternimmt demgegenüber den Versuch einer allgemeingültigen Definition. Ausgehend von der Feststellung, dass die Rechtswidrigkeit im Zivilrecht als die im Widerspruch zur Rechtsordnung stehende, durch ein bestimmtes Verhalten hervorgerufene Störung des Verhältnisses zweier oder mehrerer Rechtssubjekte anzusehen sei,736 bestimmt er die Anforderungen an einen Rechtfertigungsgrund folgendermaßen: „Ein solcher muss folglich Regelungen treffen, die die vermeintliche Störung der Rechtsstellung der Beteiligten durch den Eingriff des Handelnden in fremde Rechtsgüter bzw. rechtlich geschützte Interessen beseitigt. Regelmäßig wird eine solche Norm eine Handlungsbefugnis auf Seiten des Eingreifenden, verbunden mit der Duldungspflicht auf Seiten des Beeinträchtigten enthalten. Zwingend ist dies jedoch nicht: Auch verhaltensbewertende Normen, die eine bestimmte Rechtsfolge auslösen, können Unrechtsausschließungsgründe darstellen, wenn der Gesetzgeber das Handeln des Eingrei734

BT-Drs. 14/2920, S. 14 (Gegenäußerung der Bundesregierung). s. etwa Fikentscher, SR, Rn. 494 ff.; MK-Mertens (3. Aufl.), § 823 Rn. 36 ff.; RGRK-Steffen, § 823 Rn. 375; etwas ausführlicher aber Deutsch, AllgHaftR, Rn. 256; ders./Ahrens, DeliktsR, 90 f.; MK-Wagner, § 823 Rn. 304. 736 Fisch, GoA, S. 161, unter Berufung auf Fikentscher, SR, Rn. 491. 735

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

fenden einer abschließenden Bewertung zuführen wollte, welche die Rechte und Pflichten des Handelnden regelt. Bewegt sich dieser innerhalb des von der Rechtsordnung vorgegebenen Rahmens, stellt sich sein Verhalten als rechtmäßig dar; ein Widerspruch zu den Normen des Rechts wird nicht erkennbar.“737 Schließt man sich dem an, so wäre zu fragen, ob das Verhältnis zwischen Versender und Empfänger bei dessen Eingriff in das Eigentum eine Störung aufweist, die durch § 241a I BGB als Rechtfertigungsgrund korrigiert werden müsste.738 Es muss also gefragt werden, ob insbesondere eine Haftung des Empfängers wegen dessen „an sich“ rechtswidrigen Verhaltens der Interessenlage der Beteiligten widerspräche. Wegen der von § 241a I BGB angestrebten wirtschaftlichen Zuweisung der Sache zum Empfänger läge in der Tat bei einer Haftung des Empfängers eine Störung der Interessenlage vor. Die Gefahr einer Haftung des Empfängers aufgrund eines rechtswidrigen Eigentumseingriffes besteht aber eben wegen des durch § 241a I BGB bewirkten umfassenden Anspruchsausschlusses nicht. Auch ohne die Qualifizierung des § 241a I BGB als Rechtfertigungsgrund entspricht die Interessenlage der Beteiligten dem Zustand, der mittels dieser Qualifizierung herbeigeführt würde. Eine Störung der Interessenlage könnte sich aber eventuell aus folgender Überlegung ergeben: In dem Eingriff des Empfängers in das Eigentum des Versenders könnte ein Angriff zu sehen sein, gegen den sich der Versender im Rahmen eines Notwehrrechtes i. S. des § 227 BGB verteidigen dürfte. Der vom Versender im Rahmen der Verteidigung vorgenommene Eingriff in die Rechtsgüter des Empfängers könnte dann als Störung der zwischen den Beteiligten bestehenden Interessenlage anzusehen sein. Insofern bewirkte – jedenfalls nicht auf den ersten Blick – die anspruchsausschließende Wirkung des § 241a I BGB nämlich nicht, dass die Interessenlage gewahrt bliebe, da das Notwehrrecht kein Anspruch ist, der durch § 241a I BGB ausgeschlossen wäre. Aber auch hierdurch drohte keine Störung der Interessenlage der Beteiligten. Denn zum einen lässt sich schon mit gutem Grund das Vorliegen eines Angriffs verneinen, da es für dessen Vorliegen auf einen (drohenden) Eingriff in ein rechtlich geschütztes Interesse ankommt, das wegen der wirtschaftlichen Zuweisung der Sache zum Empfänger nicht gegeben ist. Der Angriff wäre aber jedenfalls – zumindest nach der hier vertretenen Meinung – nicht rechtswidrig, da das schädigende Verhalten des Empfängers seinerseits regelmäßig durch die §§ 227 und 859 BGB und durch Einwilligung des Empfängers gerechtfertigt ist.739 Schließlich kann, selbst wenn man einen rechtswidrigen Angriff bejahen

737

Fisch, GoA, S. 161 f. Unter anderem aus diesem Grund bejaht Fisch, GoA, S. 151, 162 ff., daher auch die rechtfertigende Wirkung der berechtigten GoA, da die durch sie geschaffene Interessenlage durch eine deliktische Haftung des Geschäftsführers gestört würde. 738

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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wollte, die Angemessenheit einer Verteidigungshandlung wegen des umfassenden Anspruchsausschlusses verneint werden. Das Verhältnis zwischen Versender und Empfänger weist daher keine Störung auf, die anhand der Einordnung des § 241a I BGB als Rechtfertigungsgrund korrigiert werden müsste. Für eine Qualifizierung des § 241a I BGB als Rechtfertigungsgrund besteht mithin keine Veranlassung. Der Wortlaut legt eine Beschränkung auf einen „negativen“ Anspruchsausschluss nahe. Für die Ableitung einer „positiven“ Eingriffsbefugnis besteht – anders als hinsichtlich des Rechtes zum Besitz und der Verfügungs- und Einwilligungsbefugnis – kein Bedürfnis. Hätte der Gesetzgeber die Einordnung als Rechtfertigungsgrund beabsichtigt, hätte dies wenigstens in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommen müssen. Auch hätte der Wortlaut der Vorschrift um eine Wendung wie etwa „der Verbraucher darf mit der Sache nach Belieben verfahren“ ergänzt werden können. c) § 241a I BGB und seine Auswirkung auf Schadensfragen Es fragt sich weiter, ob der Unternehmer, in dessen Eigentum die Sache steht, einen auf das Eigentum bezogenen Schaden erleiden kann. Schöne/Fröschle,740 Link741 und Alexander742 wollen dies verneinen. Schöne/Fröschle berufen sich dabei auf die allenfalls noch geringe Chance des Unternehmers, die Sache wieder zu erlangen, weshalb das Eigentum wirtschaftlich wertlos sei und es deshalb an einem Vermögensschaden fehle.743 Alexander will dieses Ergebnis aus einem normativen Schadensbegriff ableiten.744 Bei der Frage nach Schadensersatzansprüchen zwischen Versender und Empfänger kommt es auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Schadens freilich nicht an: Jegliche Schadensersatzansprüche des Versenders gegen den Empfänger sind ohnehin ausgeschlossen.745 Bedeutung erlangt die Frage allerdings jedenfalls bei einem Dritten, der etwa beim Empfänger die Sache beschädigt, sofern ihm die Sache nicht in einer Weise vom Empfänger weitergegeben ist, die 739 Zu §§ 859 und 227 BGB vgl. oben A. I. 2. b) cc) (3) (b) und (c); zur Einwilligung s. oben a) und unten 2. Teil A. III. 2. b) bb). Eine Rechtfertigung durch §§ 227 und 859 BGB kommt innerhalb des Anwendungsbereichs des § 241a BGB in weitem Umfang auch bei solchen Handlungen in Betracht, die außerhalb seines Anwendungsbereiches als Annahme des Kaufvertragsangebotes auszulegen wären, da § 241a BGB dieser Auslegung meist entgegensteht, vgl. oben 1. e). 740 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 44. 741 Link, NJW 2003, 2811 (2812). 742 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 273. 743 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 44. 744 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 273. 745 Vgl. oben 1. b).

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

ein gegen den Versender wirkendes (abgeleitetes) Besitzrecht begründet. Dann fragt sich, ob dem Versender als Eigentümer ein Anspruch aus § 823 I BGB gegen diesen Dritten zusteht. Zunächst soll untersucht werden, ob – worauf sich offenbar die Überlegungen von Schöne/Fröschle beschränken – der Versender einen Vermögensschaden erleidet. Ein solcher besteht in einer in Geld messbaren Einbuße.746 Grundsätzlich ist der Vermögensschaden eines Eigentümers einer Sache, die einen wirtschaftlichen Wert hat, unproblematisch gegeben. Er hat ein Interesse an der Sachwerterhaltung. Meist wird der Vermögensschaden bei vollständiger Zerstörung der Sache ihrem wirtschaftlichen Wert entsprechen.747 Im Rahmen des § 241a BGB ist aber fraglich, ob das Eigentümerinteresse des Versenders in Geld messbar ist. Dies kann sich nur danach bestimmen, ob der Eigentümer die Sache tatsächlich oder wirtschaftlich nutzen oder verwerten kann. Er müsste also insbesondere die Möglichkeit haben, die Sache zu veräußern oder sie wiederzuerlangen. Diese Möglichkeit kommt in Betracht, wenn der Empfänger die Sache rechtsgeschäftlich erwirbt oder sie zurückgibt. Auch wenn ein Dritter die Sache dem Empfänger wegnimmt, kommt ein Anspruch des Versenders auf Herausgabe in Betracht. Die Chance einer Zahlung des Empfängers aufgrund wirksamer rechtsgeschäftlicher Verpflichtung ist äußerst gering. Wie gezeigt, kann von einer Annahme des Kaufvertragsangebotes nur bei einer freiwilligen Handlung bzw. Erklärung des Empfängers ausgegangen werden.748 An dieser freiwilligen Eingehung einer Verpflichtung wird es jedoch regelmäßig fehlen, da dem Empfänger aus ihr keinerlei Vorteile erwachsen. Auch die Chance auf Wiedererlangung der Sache durch Rückgabe des Empfängers ist äußerst gering, da der Empfänger hierzu nicht verpflichtet ist. Diese beiden Möglichkeiten des Versenders, sich die Sache bzw. deren Wert zunutze zu machen, sind also sehr unwahrscheinlich. Sie sind vor allem ohne eine freiwillige Mitwirkung des Empfängers nicht durchsetzbar. Die positive Funktion des Eigentums aus § 903 BGB ist insofern ohne Zutun des Empfängers nicht gegeben. Sie ergäbe sich also nicht aus dem Eigentum, sondern beruhte einzig auf der „Gnade“ des Empfängers.749 Der Eigentümer steht nicht besser als jemand mit einer vagen Hoffnung auf eine schenkungsweise Zuwendung.

746

MK-Oetker, § 249 Rn. 28. Objektiver Wert und Schaden sind aber nicht notwendig gleichzusetzen, vgl. Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 134 ff. 748 Vgl. oben 1. e). 749 Jacobs, JR 2004, 490 (492), begründet demgegenüber einen Schaden des Versenders u. a. mit der Möglichkeit der freiwilligen Rückgabe durch den Empfänger. 747

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Der Versender kann die Sache aber auch in dem denkbar unwahrscheinlichen Fall ihrer Entwendung durch einen Dritten nicht nutzen: Gemäß § 986 I 2 BGB (analog) kann er die Herausgabe nicht an sich selbst, sondern nur an den Empfänger verlangen. Denn § 986 I 2 BGB gilt erst recht, wenn der unmittelbare Besitzer dem Zwischenmann keinen Besitz mittelt.750 Veräußern darf der Versender die Sache an Dritte ohnehin nicht, da ihm wegen § 241a BGB die Verfügungsbefugnis fehlt.751 Der Versender könnte eine Verpflichtung, die Sache dem Käufer frei von Rechtsmängeln zu verschaffen, nicht erfüllen. In der schon oben752 vergleichsweise herangezogenen Konstellation der Verjährung der Vindikation bejaht Plambeck demgegenüber einen Vermögensschaden des Eigentümers.753 Sie sieht zwar eine durch den weitgehenden Anspruchsausschluss gegenüber dem Eigentümer gegebene Wert- und Schadensminderung,754 das grundsätzliche Vorliegen eines Vermögensschadens bezweifelt sie jedoch nicht. Zu diesem Ergebnis kommt sie allerdings nur deshalb, weil sie aufgrund der Ablehnung eines Rechtes zum Besitz und einer Verfügungsbefugnis (des Besitzers) verbleibende Verwertungsmöglichkeiten sieht. Insbesondere bejaht sie eventuelle Herausgabeansprüche des Eigentümers gegen Dritte und einen Anspruch gegen den Besitzer aus § 816 I 1 BGB.755 Die bedeutendste Verwertungsmöglichkeit sieht sie in der Veräußerung an den Besitzer. Diese Erwägungen sind zwar konsequent. Folgte man bei der Verjährung der Vindikation demgegenüber jedoch der ein Besitzrecht und eine Verfügungsbefugnis bejahenden Rechtsprechung, so müsste ein Vermögensschaden verneint werden. Ein Vermögensschaden des Versenders liegt daher nicht vor. Mit der Verneinung eines Vermögensschadens ist aber noch nicht gesagt, dass der Versender bei Beeinträchtigung seines Eigentums keinen Schaden erleidet. Eine Vermögensbeeinträchtigung ist im Zivilrecht nicht Voraussetzung für einen Schaden. Denn grundsätzlich ist ein Schaden anhand der Differenzhypothese festzustellen.756 Nach § 249 S. 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Schaden ergibt sich folglich aus der Differenz zwischen zwei Zuständen,757 die nicht in der Differenz zwischen zwei Vermögenslagen 750 751 752 753 754 755 756 757

Staudinger/Medicus, § 986 Rn. 23; Westermann/Gursky, SaR, § 30 II 3 c. Vgl. oben a). Vgl. oben a). Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 188. Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 189. Plambeck, Die Verjährung der Vindikation, S. 230. Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 4. Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 4.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

bestehen muss.758 Beim Eingriff in ein fremdes Bestimmungsrecht wie das Eigentum kann ein Schaden daher auch ohne Vermögenseinbuße zu bejahen sein. Typisches Beispiel hierfür ist etwa die Lackierung eines fremden Kraftwagens in einer vom Eigentümer nicht gewünschten Farbe.759 Auch wenn der Wert des Wagens hierdurch nicht gemindert wird, so hat der Eigentümer doch einen Schaden erlitten, der durch Naturalrestitution ersetzt werden muss.760 Bejahte man bei Beschädigung, Zerstörung oder Entzug der zugesandten Sache beim Empfänger durch einen Dritten daher einen Schaden beim Versender, so ergäben sich ferner zahlreiche Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen, dass neben dem Eigentum auch der (berechtigte761) Besitz als geschütztes Recht i. S. des § 823 I BGB anerkannt ist und auch der Empfänger durch dieselbe Handlung regelmäßig einen Schaden erlitten haben wird.762 Problematisch ist erstens die Forderungszuständigkeit einer Schadensersatzzahlung.763 Zweitens ist problematisch die rechnerische Schadensverteilung.764 Und drittens fragt sich, wem die Befugnis zur Bestimmung der Art der Schadensersatzleistung zustehen soll.765 Diese Fragen stellen sich aber nicht, wenn schon ein Schaden des Versenders zu verneinen ist. Ein Schaden liegt bei einem anhand der Differenzhypothese ermittelten Zustandsunterschied noch nicht zwangsläufig vor. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der ermittelte Unterschied für den Betroffenen einen 758

Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 6. Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 8. 760 Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 4. 761 Hinsichtlich des – nach der hier vertretenen Meinung hier gegebenen – berechtigten Besitzes ist dies unstrittig, vgl. Medicus, BR, Rn. 607. Medicus vertritt die Auffassung, den Besitz dann als „sonstiges Recht“ anzuerkennen, wenn ihm neben der Ausschlussfunktion auch eine Nutzungsfunktion zukommt. Es erscheint überlegenswert, ob sich diese bei § 241a BGB nicht auch bei Verneinung eines Besitzrechtes bejahen ließe. Link, NJW 2003, 2811 (2812), der § 241a BGB kein Recht zum Besitz entnehmen will und den Empfänger daher als deliktsrechtlich ungeschützt ansieht, geht daher von einem neuen Fall der Drittschadensliquidation aus. Dabei geht er aber über den bei Medicus dargetellten Streit hinweg und bedenkt zudem nicht den regelmäßig gegebenen Schutz des Empfängers durch §§ 823 II, 858 I BGB. Ablehnend auch Jacobs, JR 2004, 490 (493), der allerdings ebenfalls den bei Medicus dargestellten Streit übersieht. 762 Zu den folgenden drei Problemen, die sich auch beim Eigentumsvorbehaltskauf stellen, vgl. Müller-Laube, JuS 1993, 529 (531 ff.). 763 Zu diesem Problem sowohl bei bloßem Besitz einer Sache, als auch beim zusätzlichen Bestehen eines Anwartschaftsrechtes des Eigentumsvorbehaltskäufers vgl. Müller-Laube, JuS 1993, 529 (531 ff.); Medicus, AcP 165 (1965), 115 (140 ff.); ders., BR, Rn. 607; Brox, JuS 1984, 657 (660). 764 Vgl. hierzu beim Bestehen eines Anwartschaftsrechts des Eigentumsvorbehaltskäufers Müller-Laube, JuS 1993, 529 (532) m. w. N. 765 Vgl. zu dieser auch in den oben vergleichsweise herangezogenen Konstellationen kaum behandelten Frage Müller-Laube, JuS 1993, 529 (531 ff.). 759

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Nachteil darstellt.766 Dies kann entweder objektiv (nach der Einschätzung des Verkehrs) oder subjektiv (nach den Plänen des Betroffenen) der Fall sein.767 Ein Schaden liegt also nur dann vor, wenn überhaupt ein (nicht notwendigerweise materielles) Interesse beeinträchtigt ist.768 Neben dem wegen der wirtschaftlichen Zuweisung durch § 241a BGB an den Empfänger zu verneinenden objektiven Nachteil fehlt es auch an einem subjektiven Nachteil: Nicht einmal ein Affektionsinteresse des Versenders lässt sich bejahen. Er kann wegen des durch § 241a I BGB bewirkten vollständigen Entzuges der Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten der Sache keine Pläne im o. g. Sinn mit der Sache machen. Ein Schaden des Versenders muss daher verneint werden. Folge der vollständigen wirtschaftlichen Zuordnung der Sache zum Empfänger ist eine komplette Zuordnung auch des Schadens zu diesem. Während der durch § 823 BGB zu ersetzende Schaden des Besitzers sich grundsätzlich auf das Nutzungsinteresse (sowie auf das Haftungsinteresse) beschränkt und dem Eigentümer das Sachwerterhaltungsinteresse zugeordnet wird, dürfte bei der von § 241a BGB geregelten Konstellation das Nutzungsinteresse wegen der dauerhaften faktischen Nutzungsbefugnis dem Werterhaltungsinteresse gleichzusetzen sein. Ferner stellt sich das Problem der Forderungszuständigkeit für eine Schadensersatzzahlung mangels eines Schadens beim Versender nicht. Schließlich muss dem besitzenden Empfänger auch die Befugnis zur Bestimmung der Art des zu leistenden Schadensersatzes zugebilligt werden. Ein Vergleich mit der bereits erwähnten Fallkonstellation der Schadensverteilung beim Eigentumsvorbehaltskauf zwischen Eigentümer und besitzendem Anwartschaftsrechtsinhaber bestätigt übrigens die vollständige Zuordnung des Schadens zum Empfänger – zumindest, wenn die von der Rechtsprechung vertretene Ansicht zugrunde gelegt wird: Die Rechtsprechung nimmt in diesem Fall eine Schadensverteilung nach der Maßgabe vor, wie viele Raten bereits vom Käufer gezahlt wurden.769 Dem Anwartschaftsberechtigten soll die Differenz zwischen vollem Sachwert und noch geschuldetem Kaufpreis zustehen, dem Vorbehaltseigentümer spiegelbildlich die Höhe des noch ausstehenden Kaufpreises. Hiermit soll offenbar dem sich mit der Ratenzahlung vermindernden Sicherungsinteresse des Eigentümers Rechnung getragen werden. Daraus ergäbe sich bei einem Wert der Sache von 100 Euro und einer noch ausstehen766

Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 7. Staudinger/Medicus (12. Aufl.), § 249 Rn. 7. 768 MK-Oetker, § 249 Rn. 16. 769 BGHZ 55, 20 (32); zu Recht kritisch zu dieser Verteilung aber Müller-Laube, JuS 1993, 529 (532 f.). 767

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

den Rate von einem Euro ein Schaden des Eigentümers von nur noch 1 %. Bei vollständig bewirkter Ratenzahlung müsste daher konsequent ein Schaden des Verkäufers verneint werden, und zwar nicht schon deswegen, weil mit der letzten Rate regelmäßig, aber nicht notwendig das Eigentum an den Anwartschaftsberechtigten übergeht. Der Empfänger unbestellter Sachen kann aber mit demjenigen Eigentumsvorbehaltskäufer gleichgestellt werden, der bereits sämtliche Raten gezahlt hat. Ein Sicherungsbedürfnis des Eigentümers besteht in diesem Fall nicht; die Sache ist ohnehin wirtschaftlich dem Empfänger zugewiesen, ohne dass dem Versender ein Zahlungsanspruch zustünde. Folge wäre also auch danach eine 100%ige Zuordnung des Schadens zum Empfänger. d) § 241a I BGB und die Zuständigkeit für ein Geschäft i. S. der §§ 677 ff. BGB Problematisch ist auch die Zuordnung eines Geschäftes, welches ohne Auftrag in Bezug auf die zugesandte Sache geführt wird. Während Ansprüche des Versenders gegen den Empfänger aus den §§ 677 ff. BGB wiederum ausgeschlossen sind, sind solche im Drei-Personen-Verhältnis aber denkbar. So lassen sich etwa Schadens- oder Aufwendungsersatz-, aber auch Herausgabeansprüche des Versenders gegen einen Dritten konstruieren, die die gemeinsame Voraussetzung der Führung eines fremden Geschäfts haben. Dass es sich etwa bei einer den Erhalt der Sache sichernden Maßnahme um ein Geschäft des Versenders handelt, muss aufgrund der Existenz des § 241a I BGB allerdings bezweifelt werden. In der Literatur ist die Frage der Zuweisung eines Geschäfts im Rahmen einer GoA nicht abschließend geklärt.770 Die Ausführungen beschränken sich meist auf die Abgrenzung eines Eigengeschäftes vom Geschäft einer eindeutig auszumachenden zweiten Person. Die Maßstäbe, anhand derer diese Zuweisung vorgenommen wird, werden etwa als „fremder Rechtskreis“, „Interessenkreis“ oder als die „Angelegenheiten eines anderen“ beschrieben.771 Auch finden sich Formulierungen wie „Zuständigkeit für ein Geschäft“772 oder ein „Geschäft, das der Sorge eines anderen obliegt“.773 Hiernach bestimmt sich auch, wessen Geschäft es ist, das der Dritte führt: das des Versenders oder das des Empfängers.774 770

MK-Seiler, § 677 Rn. 18. Vgl. die Übersicht bei Esser/Weyers, SR 2/2, § 46 II 2b. 772 Medicus, SBT, Rn. 614. 773 Soergel/Beuthien, § 677 Rn. 7. 774 Eine jüngere Meinung verzichtet auf das Erfordernis der Fremdheit des Geschäfts und fragt einzig nach dem Fremdgeschäftsführungswillen, Soergel/Beuthien, § 677 Rn. 3 f. m. w. N. Auf diesen Meinungsstreit braucht hier jedoch nicht eingegangen zu werden, da sich nach dieser Meinung dasselbe Problem auf subjektiver Ebene stellen würde. 771

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Grundsätzlich zählt das Eigentum an einer Sache zu den am eindeutigsten zuzuweisenden Geschäften, da der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, § 903 BGB. Regelmäßig ist daher der Eigentümer einer Sache der Geschäftsherr.775 Dies ist jedoch keineswegs zwingend. Die Zuständigkeit kann nämlich, etwa durch Rechtsgeschäft verändert werden, wodurch eine fremde Zuständigkeit begründet wird.776 Der Eigentümer kann z. B. eine Verfügungsermächtigung (§ 185 I BGB) erteilen.777 Ähnlich verhält es sich bei der Zusendung unbestellter Waren. Der Gesetzgeber wollte die Sache wirtschaftlich dem Empfänger zuweisen. Die Zuweisung der Zuständigkeit für die Veräußerung der Sache ergibt sich bereits aus der zu bejahenden Verfügungsbefugnis des Empfängers.778 Aber auch Maßnahmen etwa zum Erhalt der Sache kommen ausschließlich dem Empfänger zugute, da ihm die Sache wirtschaftlich zugewiesen ist. Einzig bei ihm ist daher auch die weitere Voraussetzung einer GoA, das Handeln in seinem Interesse, denkbar: Ein Interesse des Eigentümers am Erhalt einer Sache, die er in keiner Weise nutzen kann, scheint ausgeschlossen. Umso weniger hat er ein Interesse an einer Verpflichtung zum Aufwendungsersatz gem. §§ 683 S. 1, 670 BGB. Eine anderweitige Lasten- und Nutzenverteilung würde die genannte wirtschaftliche Zuweisung aushöhlen. Geschäfte, bei denen die Zuständigkeit des Geschäftsherrn normalerweise aus dem Eigentum geschlossen wird, sind also aufgrund der von § 241a I BGB bewirkten wirtschaftlichen Zuordnung der Sache zum Empfänger als dessen Geschäfte anzusehen. Zwischen ihm und dem geschäftsführenden Dritten findet der durch die GoA geregelte Interessenausgleich statt. Die vorgenommene Verortung der Zuständigkeit beim Empfänger hat im übrigen zur Folge, dass auch zwischen ihm und dem Versender ein Interessenausgleich nach den Regeln der GoA nicht mehr stattfindet. Dies wirkt sich an dieser Stelle allerdings negativ nur für den Empfänger aus, da Ansprüche des Versenders durch § 241a I BGB ohnehin ausgeschlossen sind. Insbesondere den o. g. Aufwendungsersatz779 für den Erhalt der Sache kann der Empfänger vom Versender nicht verlangen, da er durch erhaltende Maßnahmen ein eigenes Geschäft führt. Dies ist als „Kehrseite“ der wirtschaftlichen Zuweisung der Sache 775

Medicus, SBT, Rn. 614. Medicus, SBT, Rn. 614. 777 Medicus, SBT, Rn. 614. 778 s. oben a). 779 Vgl. oben A. II. 3.; in der durch § 241a I BGB geregelten Konstellation steht allerdings ein Aufwendungsersatzanspruch in Frage, der sich direkt, also ohne „Umweg“, über die §§ 987 ff. BGB ergibt, da § 241a I BGB als Recht zum Besitz eine Vindikationslage ausschließt. 776

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zum Empfänger hinzunehmen, zumal seine Position hinsichtlich eines Aufwendungsersatzanspruches wegen des Erfordernisses des Handelns im Interesse des Geschäftsherrn ohnehin schwach war. Nicht von diesen Überlegungen berührt werden aber Aufwendungsersatzansprüche des Empfängers für die Kosten der Rücksendung an den Versender. Zwar werden diese i. d. R. schon deswegen nicht bestehen, weil die Rücksendung nicht im Interesse des Versenders erfolgt. Grundsätzlich sind sie aber denkbar: Anknüpfungspunkt für die Geschäftsführung ist hierbei nämlich nicht die (faktische oder rechtliche) Eigentumsposition, sondern vielmehr die auf dem Verhalten des Versenders beruhende Besitzstörung des Empfängers und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Beseitigung derselben. e) § 241a I BGB und die Eingriffskondiktion Ein ähnliches Problem ergibt sich im Bereicherungsrecht im Rahmen der Eingriffskondiktion, § 812 I 1 2. Alt. BGB. Hier fragt sich, ob der Versender bei Zugriff auf die Sache einen bereicherungsrechtlichen Anspruch hat. Im Verhältnis Versender– Empfänger verhindert dies schon § 241a I BGB. Greift aber ein Dritter auf die Sache zu, etwa indem er sie an sich nimmt, kommt ein Anspruch des Versenders auf Herausgabe grundsätzlich in Betracht. Nach der ganz herrschenden Lehre muss sich ein für § 812 I 1 2. Alt. BGB tatbestandsmäßiger Eingriff als Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition darstellen. Dies bedeutet, dass nicht einfach aus der Rechtswidrigkeit eines Eingriffs auf das Bestehen einer Eingriffskondiktion geschlossen werden darf.780 Es geht vielmehr um die positive Zuweisung von Befugnissen.781 Es bedarf eines Eingriffs in ein Rechtsgut, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Gläubiger vorbehalten ist.782 Soweit daher die beeinträchtigte Position keinen solchen Zuweisungsgehalt hat oder dieser durch den Eingriff nicht betroffen wird, gibt es keine Eingriffskondiktion.783 Aus diesem Grund ist nicht jeder Eingriff in das Eigentum ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt. So steht etwa dem Vermieter bei unberechtigter Untervermietung keine Eingriffskondiktion gegen den Mieter zu, da der Vermieter hierzu nicht berechtigt gewesen wäre.784 Legt man diese Konzeption zugrunde, so liegt das Ergebnis für die von § 241a I BGB geregelte Konstellation auf der Hand: Der Versender ist zwar 780 781 782 783 784

Vgl. nur Medicus, SBT, Rn. 713; ders., BR, Rn. 704. Medicus, SBT, Rn. 713. BGHZ 107, 117 (120); Esser/Weyers, SR 2/2, § 50 I 1a. Medicus, SBT, Rn. 713. BGHZ 131, 297 (306); Medicus, SBT, Rn. 713.

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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Eigentümer der Sache. Ihm ist wegen der Wirkungsweise des § 241a I BGB die wirtschaftliche Verwertung der Sache aber nicht mehr zugewiesen, sondern vielmehr dem Empfänger. Eine Eingriffskondiktion des Versenders gegen Dritte scheidet daher aus. f) § 241a I BGB und seine Auswirkungen auf Eigenbesitz und Ersitzung Schließlich fragt sich noch, ob der Empfänger unbestellter Sachen Eigenbesitzer i. S. des § 872 BGB sein kann. Dies ist vor allem als Voraussetzung für die Möglichkeit einer Ersitzung gemäß § 937 BGB bedeutsam. Für den Eigenbesitz bedarf es des sog. animus domini: Der Besitzer muss die Sache als eigene besitzen.785 Dies erfordert nach ganz h. M. aber nicht, dass der Besitzer sich für den Eigentümer der Sache halten muss.786 Erforderlich ist bloß, dass er die tatsächliche Sachherrschaft so ausüben will wie ein Eigentümer, d.h. für sich selbst unter Ausschluss anderer Personen, selbst wenn er weiß, dass er hierzu nicht berechtigt ist.787 Dies folgt aus einem Umkehrschluss aus § 937 II BGB: Die nachträgliche Kenntniserlangung hätte dort nicht als Ausschlussgrund für die Ersitzung erwähnt werden müssen, entfiele mit der Kenntniserlangung bereits der Eigenbesitz.788 Jedenfalls bei Kenntnis des Empfängers von § 241a I BGB kann also Eigenbesitz bei ihm vorliegen. Hierbei kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalles an. Der Eigenbesitz scheitert jedenfalls nicht daran, dass der Empfänger nicht glaubt, er erlange durch die Zusendung das Eigentum an der Sache. Problematischer als der Eigenbesitz als Voraussetzung für die Ersitzung ist das Erfordernis des guten Glaubens. Bezugspunkt für den guten Glauben in § 937 BGB ist das eigene Recht.789 Im Zeitpunkt des Besitzerwerbs darf dem Ersitzenden weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sein, dass er das Eigentum nicht erwirbt.790 Die Kenntnis beschränkt sich hierbei nicht auf Tatsachenkenntnis. Der Erwerber muss die Tatsachen i. S. des Fehlens der Eigentümerstellung vielmehr bewerten.791 Anders ausgedrückt: Auch wenn der Ersitzende einem Rechtsirrtum erliegt, kann der gute Glaube zu bejahen sein. Ein Rechtsirrtum kann frei785 786 787 788 789 790 791

MK-Joost, § 872 Rn. 3. MK-Joost, § 872 Rn. 3. MK-Joost, § 872 Rn. 3. Westermann/Gursky, SaR, § 12 II 1; MK-Joost, § 872 Rn. 3. Staudinger/Wiegand, § 937 Rn. 7; MK-Baldus, § 937 Rn. 14. Staudinger/Wiegand, § 937 Rn. 8; MK-Baldus, § 937 Rn. 14. MK-Baldus, § 937 Rn. 25.

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lich auf grober Fahrlässigkeit beruhen und deshalb dem guten Glauben entgegenstehen.792 Sollte der Empfänger bei § 241a I BGB infolge seiner (meist laienhaften) Kenntnis der Vorschrift zu dem Schluss kommen, dass er, da der Versender keinerlei Ansprüche gegen ihn hat, nunmehr Eigentümer der Sache sei, so fragt sich, ob ihm diese nicht zutreffende Bewertung als grob fahrlässig angelastet werden kann. Dies sollte verneint werden: Wenn selbst eine im Schrifttum vertretene Mindermeinung793 zu dem Ergebnis kommt, dass § 241a I BGB einen Eigentumsübergang bewirkt, wird man eine entsprechende Annahme eines juristischen Laien nicht als grob fahrlässig bewerten können.794 Eine Ersitzung ist daher – abhängig von den Umständen des Einzelfalles – möglich. 4. Wirkung des § 241a I BGB außerhalb des Verhältnisses Versender– Empfänger Die mittelbare Wirkung des § 241a I BGB zugunsten anderer potenzieller Anspruchsgegner des Versenders wurde bereits an verschiedenen Stellen erwähnt. Untersucht werden soll aber noch, ob der § 241a I BGB auch auf Anspruchsinhaberseite eine Drittwirkung zugunsten des Empfängers entfaltet. So ist insbesondere zu fragen, wie es sich verhält, wenn der Versender – anders als im obigen Text angenommen – nicht Eigentümer der zugesandten Sache war, sondern diese einem Dritten gehört. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Versender die Sache unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat. Dann fragt sich, ob der Eigentümer der Sache diese herausverlangen bzw. Schadensersatz oder Nutzungs- bzw. Erlösherausgabe fordern kann. Der Wortlaut der Vorschrift „. . . wird ein Anspruch gegen diesen nicht begründet.“ lässt eine ausschließende Wirkung auch für Ansprüche anderer Personen neben dem Versender als möglich erscheinen.795 Eine solche Ausdehnung796 des § 241a I BGB erschiene jedoch als zu weitgehend: Der Eigentums792

MK-Baldus, § 937 Rn. 15; Staudinger/Wiegand, § 937 Rn. 8. So Riehm, Jura 2000, 505 (512), und Pützhofen, Europäischer Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 153. 794 Die Gutgläubigkeit will S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212), demgegenüber aber „regelmäßig“ verneinen. 795 A. A. aber – nicht nachvollziehbar – Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 48, denen zufolge § 241a I BGB nach seinem „klaren Wortlaut“ nur für das Verhältnis zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer gelte. Ebenso Jacobs, JR 2004, 490 (492 Fn. 33). 796 AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 18, will eine solche Wirkung auch gegen den Eigentümer annehmen, vorbehaltlich allerdings der Ausnahme, dass die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen ist; ebenso Erman/Saenger, § 241a Rn. 34; Brehm/ 793

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

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vorbehalt des Eigentümers würde bedenklich ausgehöhlt.797 Zudem bezieht der vollständige Anspruchsausschluss des Versenders seine Berechtigung aus dem ihm zur Last fallenden Wettbewerbsverstoß. Ein solcher liegt beim Eigentümer aber regelmäßig nicht vor.798 Für die Annahme eines derart drastischen Eigentumseingriffs hätte ein dahingehender gesetzgeberischer Wille erkennbar sein müssen. Auch führte die Bejahung des Ausschlusses des Anspruches des Eigentümers aus § 985 BGB zu einem Wertungswiderspruch mit den Normen des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Erwerb einer faktischen Eigentümerposition des Empfängers wäre dann nämlich sogar stärker ausgeprägt als der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb:799 Hatte der Versender die Sache vor der Zusendung beim Eigentümer entwendet, so scheitert ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Empfängers an § 935 BGB. Der Erwerb der nur faktischwirtschaftlichen Eigentumsposition wäre hingegen möglich. Völlig schutzlos steht der Empfänger gegenüber dem Eigentümer aber auch bei Verneinung einer unmittelbaren Wirkung gegenüber dem Eigentümer nicht: Dem Anspruch aus § 985 BGB wird der Empfänger oftmals ein vom Versender abgeleitetes Recht zum Besitz entgegenhalten können.800 Auch das für Ansprüche aus §§ 990 I, 989 BGB, §§ 990 I, 987 BGB und § 823 BGB erforderliche Verschulden wird sich vielfach verneinen lassen: Im Bereich der Fahrlässigkeit darf der Empfänger davon ausgehen, dass es sich bei der zugesandten Sache um eine solche des Versenders handelt, § 1006 BGB, und er mit dieser beliebig verfahren darf.801 Aber auch im wohl noch bedeutenderen Bereich des Vorsatzes802 wird man ein Verschulden verneinen können: Nach der im Zivilrecht ganz herrschenden Vorsatztheorie803 umfasst der Vorsatz auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Glaubt der Empfänger, es handele sich um eine Sache des Versenders, so ist seine das Eigentum beeinträchtigende Handlung – nach seiner Vorstellung – regelmäßig durch die §§ 859 und 227 BGB und durch seine Einwilligung gerechtfertigt.804 Dies lässt seinen Vorsatz entfallen. Bei Ansprüchen Berger, SaR, § 7 Rn. 59, sehen nur Nutzungs- und Schadensersatzansprüche als ausgeschlossen an. 797 Brehm/Berger, SaR, § 7 Rn. 59; Berger, JuS 2001, 649 (653); Link, NJW 2003, 2811 (2812). 798 Berger, JuS 2001, 649 (653 f.); Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers, S. 165. 799 Ebenso Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers, S. 165. 800 Die Besitzrechtsbrücke scheitert entgegen Berger, JuS 2001, 649 (653 Fn. 58), nicht am fehlenden Besitzrecht des Empfängers gegenüber dem Versender, da der § 241a I BGB nach der hier vertretenen Auffassung ein Recht zum Besitz gegenüber dem Versender gewährt. 801 Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 9. 802 Hierauf gehen Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 9, leider nicht ein. 803 Vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 11.

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1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage

des Eigentümers aus den §§ 987 ff. BGB wird es sogar schon an der Bösgläubigkeit fehlen, da der Empfänger, glaubt er an das Eigentum des Versenders, von einem durch § 241a I BGB gewährten Besitzrecht ausgeht.805 Vor einem Anspruch des Eigentümers aus § 816 I 1 BGB ist der Empfänger wenigstens durch § 818 III BGB geschützt. Bei der Annahme des Kaufvertragsangebotes des Versenders schließlich erwirbt der Empfänger regelmäßig das Eigentum an der Sache. Sollte der Versender verschwiegen haben, dass es sich nicht um seine Sache handelt,806 so wird vielfach ein Schadensersatzanspruch des Empfängers gegen den Versender aus c. i.c. (§ 311 II i. V. m. §§ 241 II, 280 I BGB) in Betracht kommen, aus dem er den Versender bei gegen ihn gerichteten Ansprüchen in Regress nehmen kann. Denn hätte er gewusst, dass ihm die Rechtsfolgen des § 241a I BGB nicht zugute kommen, wäre er evtl. anders mit der Sache umgegangen. Gegen die Verneinung der Drittwirkung bestehen allerdings insofern Bedenken, als sich hierdurch eine Missbrauchsmöglichkeit für den Versender ergibt: Dieser kann die Sachen vor der Versendung an einen Dritten übereignen und so die anspruchsausschließende Wirkung des § 241a I BGB umgehen;807 er könnte etwa eine von ihm beherrschte Gesellschaft gründen oder sich eines willigen Strohmannes bedienen. Jedenfalls im Extremfall des kollusiven Zusammenwirkens des Versenders mit dem Dritten, derart, dass die Übereignung zum Zweck der Umgehung des § 241a I BGB vorgenommen wird, müssen auch Ansprüche des Dritten ausgeschlossen sein. In diesem Fall erscheint der Eigentümer als nicht schutzwürdig, da er am Wettbewerbsverstoß partizipiert, welcher der Grund der drastischen Rechtsfolgen des § 241a I BGB ist; die Lieferung des Versenders ist hier dem Eigentümer zuzurechnen, da sie mit dessen Einwilligung erfolgt. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift ist diese Auslegung daher gedeckt. Der Wortlaut steht, wie gezeigt, nicht entgegen. Dass die Beschränkung der Drittwirkung auf „Kollusionsfälle“ mit Beweisschwierigkeiten für den Empfänger verbunden ist, ist angesichts der oben genannten Bedenken hinsichtlich der Entwertung des Eigentumsrechts unbeteiligter Eigentümer hinzunehmen.

804

Vgl. oben A. I. 2. b) cc) (3) (b) und (c); B. III. 3. a). Die Bösgläubigkeit verneint auch Berger, JuS 2001, 649 (654), wobei er allerdings verkennt, dass diese sich auf das – von ihm verneinte – Bestehen eines Besitzrechtes bezieht. 806 Dies dürfte schon deswegen regelmäßig der Fall sein, weil sich Empfänger weniger wahrscheinlich zu der vom Versender angestrebten Zahlung bewegen lassen werden, wenn sie wissen, dass die Sache dem Versender nicht gehört. 807 AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 18; Erman/Saenger, § 241a Rn. 34. 805

B. Rechtslage innerhalb des § 241a BGB

139

5. Schutz der Position des Empfängers Sofern die zugesandte Sache dem Versender gehört, wird die Position des Empfängers durch verschiedene Ansprüche umfassend und auf dem Niveau des Eigentumsschutzes gegen Beeinträchtigungen abgesichert. Dieser Schutz kann sich dabei sowohl gegen Dritte als auch gegen den Versender richten. Zunächst ergibt sich ein weitreichender Schutz bereits aus dem Besitz: Sowohl die Ansprüche und Rechte aus den §§ 859 ff. BGB und aus § 1007 BGB als auch deliktsrechtliche Ansprüche etwa aus § 823 I BGB, §§ 823 II i. V. m. 858 BGB, § 823 II BGB i. V. m. § 289 StGB808 stehen dem Empfänger zu. Der deliktsrechtliche Schutz ist aber deswegen gegenüber sonstigen Besitzern erhöht, weil das Nutzungsinteresse des Empfängers besonders ausgeprägt ist und daher dem Werterhaltungsinteresse eines Eigentümers gleichzusetzen ist.809 Auch bereicherungsrechtlich ist die wirtschaftliche Eigentümerposition des Empfängers vergleichbar der eines Eigentümers geschützt: Da die Sache dem Empfänger wirtschaftlich zugewiesen ist, steht ihm ggf. die Eingriffskondiktion des § 812 I 1 2. Alt. BGB zu.810 Darüber hinaus ist er Verfügungsberechtigter, so dass er bei Verfügungen anderer über die Sache u. U. Ansprüche aus § 816 BGB geltend machen kann. Ferner ist der Empfänger zuständig für Geschäfte mit der Sache, wie es sonst der Eigentümer ist, so dass es sich hierbei um ein Geschäft des Empfängers i. S. der §§ 677 ff. BGB handeln kann.811 Darüber hinaus ließe sich eine analoge Anwendung des § 985 BGB erwägen, ebenso wie dies auch für den Eigentumsvorbehaltskäufer als Anwartschaftsberechtigten diskutiert wird.812 Dies ist indes aus den gleichen Gründen abzulehnen, aus denen dies auch beim Anwartschaftsberechtigten zu Recht verneint wird: Der Empfänger ist als Besitzer einer beweglichen Sache schon umfassend durch § 1007 BGB geschützt, und zwar auch hinsichtlich der Nebenfolgen, § 1007 III 2 BGB.813 Für eine analoge Anwendung des § 985 BGB besteht daher kein Bedarf.

808

Vgl. hierzu noch unten 2. Teil C. I. Vgl. oben III. 3. c). 810 Vgl. oben III. 3. e). 811 Vgl. oben III. 3. d). 812 Vgl. MK-Medicus, § 985 Rn. 4. 813 Vgl. MK-Medicus, § 985 Rn. 4; für das Anwartschaftsrecht a. A. aber etwa Staudinger/Gursky, vor §§ 985–1007 Rn. 6. 809

2. Teil

Strafrechtliche Rechtslage A. Strafbarkeit des Empfängers aus Eigentumsdelikten I. Prima-facie-Folgen der zivilrechtlichen Rechtslage für das Strafrecht Das Verbleiben des Eigentums beim Versender hat auf den ersten Blick zur Folge, dass der Empfänger Gefahr läuft, sich aus Eigentumsdelikten strafbar zu machen. Verbraucht etwa der Empfänger die zugesandte Sache, veräußert er sie, zerstört er sie oder nimmt er sie einem Dritten weg, der sie zwischenzeitlich erlangt hat, so kommt eine Strafbarkeit insbesondere wegen Unterschlagung (§ 246 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und Diebstahl (§ 242 StGB) in Betracht. In der zivilrechtlichen Literatur wird daher auch vielfach, trotz zivilrechtlicher Folgenlosigkeit, von der Strafbarkeit des Empfängers ausgegangen, wobei sich die kurzen Ausführungen auf die §§ 246 und 303 StGB beschränken.1 Die gemeinsame erste Voraussetzung der drei Tatbestände, die fremde Sache, ist jedenfalls nach dem Verständnis der h. M., die sich am formalen Eigentum2 ausrichtet, gegeben, wenn man mit der zu § 241a BGB herrschenden und auch hier vertretenen Meinung einen Eigentumsübergang auf den Empfänger durch § 241a BGB selbst3 oder auf dem Wege der Dereliktion und Aneignung4 ab1 Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 21, gehen von möglicher Strafbarkeit des Empfängers gemäß §§ 246 und 303 StGB aus; ebenso Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453 f.); nach Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 275, sind bei Verfügungen des Empfängers sowie bei Abschluss eines Kaufvertrages (!) über die Sache an sich strafbare Unterschlagungshandlungen zu bejahen. Dies will er durch die Annahme einer Dereliktion des Versenders vermeiden. Auch Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 203 Fn. 706, geht von einer eventuellen Unterschlagungsstrafbarkeit des Empfängers aus, allerdings nur für den Fall, dass man entgegen ihrer Ansicht in der Weitergabe der Sache keine Annahme des Kaufvertragsangebotes des Versenders sieht. Link, NJW 2003, 2811 (2812 Fn. 14), erwähnt lediglich eine seiner Ansicht nach mögliche Strafbarkeit aus § 303 StGB. 2 Vgl. nur Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 18 ff., § 2 Rn. 10, § 5 Rn. 17; a. A. Otto, Struktur, S. 143 ff.; ders., Jura 1989, 137 ff. 3 Vgl. 1. Teil B. III. 2. b). 4 Vgl. 1. Teil B. III. 2. c).

A. Strafbarkeit des Empfängers

141

lehnt und auch in aller Regel eine Annahme des Kaufvertragsangebotes5 durch die für die Straftatbestände fraglichen Handlungen ablehnt, welche einen rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergang zur Folge hätte. Auch die Tathandlungen können, jedenfalls bei oberflächlicher Bertachtung, beim Empfänger problemlos gegeben sein: Vernichtet oder beschädigt er die Sache, lässt sich dies den Tathandlungsvarianten des § 303 StGB subsumieren.6 Die bei Zusendung unbestellter Waren bedeutenden Handlungen des Verbrauchs der Sache oder ihrer Weiterveräußerung sind klassische Fallbeispiele für Unterschlagungshandlungen.7 Und entwendet der Empfänger die Sache bei einem Dritten, der sie nach der Zusendung erlangt hat, so drängen sich Zweifel jedenfalls nicht auf, dass hierdurch das Tatbestandsmerkmal „Wegnahme“ erfüllt sein kann. Auch hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der genannten Handlungen (bzw. der beabsichtigten Zueignung beim Diebstahl) springen Zweifel nicht gerade ins Auge. Eventuelle Rechtfertigungen durch Notwehr, Besitzwehr, Notstand, Einwilligung oder einen fälligen einredefreien Eigentumsverschaffungsanspruch greifen jedenfalls nicht prima facie ein.

II. Richtigkeit der prima-facie-Folgen Der Befund, dass ein Eingriff in ein Individualrechtsgut zivilrechtlich folgenlos bleibt, gleichwohl aber strafrechtlich sanktioniert werden könnte, widerspricht spontan dem Rechtsgefühl. Bei oberflächlicher Betrachtungsweise löst ein strafrechtlich sanktionierter Eingriff in ein solches Rechtsgut nämlich stets auch zivilrechtliche Folgen aus. Strafbewehrte Eingriffe in fremdes Eigentum oder etwa die körperliche Integrität lösen stets auch zivilrechtliche Ansprüche aus. Zwischen Zivilrecht und Strafrecht besteht sogar, so möchte man meinen, ein Stufenverhältnis. „Leichte“ Eingriffe in Individualrechtgüter haben zivilrechtliche Folgen, wird der Eingriff „schwerer“, so tritt das Strafrecht auf den Plan. Sofern ein strafrechtlich relevanter Eingriff vorliegt, stehen dem Eingriffsopfer stets auch zivilrechtliche Mittel zur Seite. Ein individualrechtsgutsbeeinträchtigendes Verhalten kann hiernach zivilrechtliche Folgen haben, zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen, nicht aber ausschließlich strafrechtliche. Im Fall der durch § 241a BGB geregelten Zusendung unbestellter Waren löste eine Strafbarkeit des Empfängers Unbehagen aus, weil die erste – zivilrechtliche – Stufe wegfiele.

5

Vgl. 1. Teil B. III. 1. e). Zu den Handlungsvarianten des § 303 StGB vgl. etwa Rengier, BT 1, § 13 Rn. 3 ff. 7 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 246 Rn. 5. 6

142

2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Die im ersten Teil der Arbeit gefundene zivilrechtliche Folgenlosigkeit des Verhaltens des Empfängers ist Ergebnis der Auslegung des § 241a BGB. Sie hätte, wie die vielfältigen Meinungsstreitigkeiten zu einzelnen Fragen zeigen, an verschiedenen Punkten auch anders ausfallen können. Hätte man etwa in § 241a BGB einen gesetzlichen Eigentumsübergang gesehen, als Folge dessen Existenz eine Dereliktion des Versenders angenommen, großzügiger die Möglichkeit einer konkludenten Annahme des Empfängers anerkannt oder auch einzelne Ansprüche, wie etwa die Vindikation und/oder Nutzungs- bzw. Erlösherausgabeansprüche zugelassen, stellte sich die strafrechtliche Rechtslage grundlegend anders dar: Verfügte der Empfänger über formales Eigentum an der zugesandten Sache, stünde die Frage nach Eigentumsdelikten nicht im Raum. Und wären dem Versender nicht sämtliche Ansprüche abgeschnitten, hätte er also rechtliche Möglichkeiten zur Wiedererlangung der Sache oder ihres Wertes, so drängte sich ein eventueller Wertungswiderspruch zwischen den Rechtsgebieten nicht im erwähnten Maße auf. Bei den zivilrechtlichen Erörterungen wurden die strafrechtlichen Folgefragen bewusst weitgehend unberücksichtigt gelassen, denn es wurde davon ausgegangen, dass die Dogmatik des Strafrechts in der Lage ist, die entstehenden Probleme eigenständig einer interessengerechten Lösung zuzuführen. Wäre dies nicht der Fall, so müssten die Auslegungsergebnisse erneut auf den Prüfstand, denn es bestünde die Gefahr, dass sich die vom Gesetzgeber beabsichtigte rechtliche Begünstigung des Empfängers in ihr Gegenteil verkehrte. Es müsste etwa überprüft werden, ob das Verhalten des Empfängers wirklich im beschriebenen Maße nicht als Annahme des Kaufvertragsangebotes ausgelegt werden kann. Denn tragendes Argument gegen die Auslegung als Annahme war sein fehlendes Interesse an einem Kaufvertrag, da er die Sache ohnehin behalten darf und ihm hieraus keine Nachteile erwachsen. Drohten ihm allerdings sogar strafrechtliche Konsequenzen, so hätte er ein erhebliches Interesse am Zustandekommen des Kaufvertrages und dem mit diesem einhergehenden Eigentumserwerb. Die strafrechtlichen Konsequenzen träfen dabei ausgerechnet denjenigen, den die Regelung des § 241a BGB begünstigen wollte: Den Verbraucher bei Zusendung durch einen Unternehmer. Bei Zusendung an einen, nach der Einschätzung des Gesetzgebers nicht schützenswerten Unternehmer, stellte sich das Problem der Strafbarkeit nicht in diesem Maße, denn wie gezeigt, sind dessen Handlungen, die eine Unterschlagungsstrafbarkeit bewirken könnten, meist als die einen rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergang bewirkende Annahme des Kaufvertragsangebotes auszulegen, so dass es an einer für den Empfänger fremden Sache fehlte. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, können die genannten Probleme aber mit dem dogmatischen Instrumentarium des Straf- und Verfassungsrechts gelöst werden.

A. Strafbarkeit des Empfängers

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1. Bestehende Lösungsmodelle Die Beschäftigung mit der Frage, ob ein Verhalten strafrechtliche Folgen haben kann, obwohl es zivilrechtlich folgenlos ist, führt nicht nur zu der grundsätzlichen Problematik des Verhältnisses vom Strafrecht zum Zivilrecht. Sie berührt die grundlegenden Fragen der Einordnung und Funktion des Strafrechts im Rechtssystem. Ist ein solches Verhalten strafwürdig und strafbedürftig? Verwirklicht der Handelnde materielles Unrecht? Würden strafrechtliche Folgen dem ultima-ratio-Prinzip,8 dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Subsidiaritätsprinzip des Strafrechts gerecht? Wären solche Folgen mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts zu vereinbaren? Wären sie gerecht? Wäre die Einheit der Rechtsordnung9 gewahrt? Die aufgeworfenen Fragen zeigen die verwirrende Vielfalt an Theorien und Begrifflichkeiten, die Lösungsansätze liefern könnten. Zwischen den Theorien und Begriffen finden sich einerseits unterschiedliche Bezeichnungen für denselben Gedanken, andererseits begriffliche, aber nicht inhaltliche Überschneidungen, was die Durchschreitung dieses „Dschungels der Streitfragen“10 mit erheblichen Schwierigkeiten belastet. Diese „eigentümliche Vermischung“11 zu entflechten soll hier nur überblicksartig in Angriff genommen werden:12 Bereits am Begriff des fragmentarischen Charakters des Strafrechts zeigt sich das unterschiedliche Verständnis. Nach dem Verständnis Bindings, der diese Beschreibung erstmalig verwendete, wird hiermit empirisch der Zustand beschrieben, dass es dem Gesetzgeber nur möglich sei, einzelne Handlungen zum Straftatbestand zu erheben, während andere, vom Unrechtsgehalt ebenso schwer wiegende, Handlungen straflos blieben.13 Dies sei ein Mangel des StGB.14 In der aktuellen Literatur wird der fragmentarische Charakter des Strafrechts oftmals auch normativ-programmatisch beschrieben und positiv bewertet. Dieser sei „Kennzeichen des freiheitlichen Rechtsstaats“.15 Teils wird dabei angenom8

Hiermit argumentieren Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (255). Dieses Prinzip sehen Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (254); Matzky, NStZ 2002, 458 (460, 463); Jäger, AT, Rn. 163, und Wessels/Beulke, AT, Rn. 283a, berührt. 10 Roxin, AT 1, § 2 Rn. 1. 11 Appel, Verfassung und Strafe, S. 391. 12 Vgl. aber die umfassenden Darstellungen von Prittwitz, Das deutsche Strafrecht: Fragmentarisch? Subsidiär? Ultima ratio?, in: Institut für Kriminalwissenschaften (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387 ff.; Appel, Verfassung und Strafe, S. 391 ff.; Lagodny, Schranken, S. 19 ff. 13 Binding, BT 1, S. 20; i. d. S. auch Prittwitz, a. a. O., S. 387 (389); Appel, Verfassung und Strafe, S. 411; Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 62. 14 Binding, BT 1, S. 21. 9

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

men, aus diesem Grund müsse der Gesetzgeber „möglichst wenige Taten“ bestrafen,16 teils wird gefordert, der Gesetzgeber dürfe nur solche Handlungen als Straftaten qualifizieren, die „nach ihrer Gefährlichkeit und Verwerflichkeit im Interesse des Gesellschaftsschutzes eindeutig den Tadel der öffentlichen Strafe erfordern und verdienen.“17 Dieser letztgenannte Aspekt dürfte auch gemeint sein, wenn der fragmentarische Charakter des Strafrechts als Synonym für den subsidiären Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht verwendet wird.18 Vielfach wird dem Strafrecht in der aktuellen Literatur eine ultima-ratioFunktion attestiert.19 Zum Mittel des Strafrechts darf hiernach erst dann gegriffen werden, wenn andere Instrumente der sozialen Problemlösung – wie etwa das Zivilrecht, das Verwaltungsrecht oder das Sozialhilferecht – versagen.20 Das scharfe (oft zu scharfe und viel zerstörende) Werkzeug21 des Strafrechts sei die letzte Option des Staates, von dem er nur zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter22 bzw. bei besonders schwerwiegenden Verletzungen23 Gebrauch machen dürfe. Es dürfe nur eingesetzt werden, wo dies „zur Wahrung des öffentlichen Friedens unerlässlich“ sei.24 Ultima ratio bedeute „im äußersten Fall das äußerste Mittel“.25 Daher bedürfe es auch – so wird teilweise gefordert – spezieller rechtlicher Sicherungen.26 Wenn in der strafrechtlichen Literatur von der Subsidiarität des Strafrechts gesprochen wird, so wird dies meist als Synonym des ultima-ratio-Prinzips verstanden.27 Das Strafrecht soll hiernach nur dort eingreifen, wo andere Schutzmechanismen nicht zum Schutz derjenigen Rechtsgüter ausreichen, die für das Leben der Menschen im Mitsein mit den anderen unentbehrlich sind und die 15

Jescheck/Weigend, AT, S. 53. Naucke, § 2 Rn. 13. 17 Jescheck/Weigend, AT, S. 53. 18 So Roxin, JuS 1966, 377 (382 Fn. 17); ders., AT 1, § 2 Rn. 38. 19 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19; Jescheck/Weigend, AT, S. 3; Roxin, AT 1, § 2 Rn. 38, Naucke, § 1 Rn. 166; Maurach/Zipf, AT 1, § 2 Rn. 13; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 14; MKStGB-Radtke, vor § 38 Rn. 3; Günther, JuS 1978, 8 (11); ebenso BVerfGE 39, 1 (47). 20 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 14; Roxin, AT 1, § 2 Rn. 38. 21 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19; ähnlich SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 14. 22 SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 14. 23 Naucke, § 1 Rn. 165. 24 Maurach/Zipf, AT 1, § 2 Rn. 13. 25 Naucke, § 1 Rn. 166. 26 Lüderssen, Vorbemerkungen, in: Lüderssen/Nestler-Tremel/Weigend (Hrsg.), Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 11. 27 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19; MKStGB-Radtke, vor § 38 Rn. 3; Roxin, AT 1, § 2 Rn. 38, der Subsidiarität, ultima-ratio-Prinzip und den fragmentarischen Charakter synonym verwendet. Ausführlich zum Subsidiaritätsprinzip im Verfassungsrecht Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht (1968). 16

A. Strafbarkeit des Empfängers

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auf andere Weise als durch das Strafrecht nicht wirksam geschützt werden können.28 Darüber hinaus wird dem Subsidiaritätsprinzip teilweise eine positive Hilfspflicht des Staates entnommen. Im Kontext der Diskussion um den Schwangerschaftsabbruch betonte Arthur Kaufmann die aus dem Subsidiaritätsprinzip abzuleitende Pflicht des Staates zur Ergreifung von nichtstrafrechtlichen Hilfsmaßnahmen.29 Nach Ansicht vieler Autoren folgt die Subsidiarität bzw. der ultima-ratioCharakter des Strafrechts aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.30 Das Subsidiaritätsprinzip wird auch als „strafrechtliche Variante des Verhältnismäßigkeitsprinzips“ verstanden.31 Auch das BVerfG setzt „ultima ratio“ und Verhältnismäßigkeitsprinzip gleich.32 Die Systematisierung der den Begriffen Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit zugeordneten Inhalte bereitet Schwierigkeiten, da diese (meist in einem Atemzug genannten) Begriffe sehr unterschiedlich verwendet und teilweise mit den oben genannten Prinzipien verwoben werden.33 Aufgezeigt werden sollen hier lediglich diese Verbindungen zu den bereits genannten Prinzipien.34 Teilweise wird die Strafwürdigkeit bzw. -bedürftigkeit35 als Voraussetzung für die Strafbarkeit eines Verhaltens als Verfassungserfordernis beschrieben, aus welchem die Subsidiarität des Strafrechts abzuleiten sei.36 Teilweise wird das Strafwürdigkeitskriterium37 bzw. das Strafbedürftigkeitskriterium38 auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip zurückgeführt. 28

Arthur Kaufmann, FS Henkel, S. 89 (102); ähnlich Jakobs, AT, 2/27. Arthur Kaufmann, FS Henkel, S. 89 (105). 30 Roxin, AT 1, § 2 Rn. 39; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19; MKStGBRadtke, vor § 38 Rn. 4; Schmidhäuser, LB, 5/34, beruft sich direkt auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip. 31 Jakobs, AT, 2/27. 32 BVerfGE 39, 1 (47). 33 Alwart, Strafwürdiges Versuchen, S. 55; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 13 Rn. 13/14; Lagodny, Schranken, S. 465 f.; Appel, Verfassung und Strafe, S. 395 (zum Begriff der Strafwürdigkeit). 34 Umfassend zum Strafwürdigkeitskriterium etwa Alwart, Strafwürdiges Versuchen, S. 21 ff.; Volk, ZStW 97 (1985), 871 ff. 35 Nach h. M. handelt es sich bei der Strafwürdigkeit bzw. -bedürftigkeit um keine Deliktskategorien neben der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld, Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 241; Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 61 f.; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 13 Rn. 13/14; NK-Hassemer, vor § 1 Rn. 190; a. A. B. Schünemann, FS Bockelmann, S. 117 (129); ders., ZSR 97 (1978), 131 (145, 148). 36 Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 3; ähnlich Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19, § 16 Rn. 37 (bezogen auf die Strafrechtswidrigkeit); ähnlich NK-Hassemer, vor § 1 Rn. 206; Günther, JuS 1978, 8 (11, 13). 37 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 237. 29

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Nach der von der überwiegenden Meinung vertretenen These von der „Einheit der Rechtsordnung“ kennt die gesamte rechtliche Ordnung nur einen Begriff der Rechtswidrigkeit.39 Die Ausdrücke Recht und Unrecht sind hiernach Begriffe, die rechtsgebietsübergreifend gelten. Unterschiede in den einzelnen Rechtsgebieten kann es danach nur hinsichtlich des Ob und der Art der Rechtsfolgen geben.40 In strafrechtlichen Abhandlungen erlangt die These von der Einheit der Rechtsordnung hauptsächlich Bedeutung auf Rechtswidrigkeitsebene bei der Frage nach der Geltung von strafrechtsfremden Rechtfertigungsgründen im Strafrecht.41 Die genannten Modelle zur Strafrechtsbegrenzung bzw. zur Stellung des Strafrechts im Rechtssystem haben viel Kritik erfahren: Neben der generell kritisierten mangelnden Trennschärfe der Theorien untereinander42 bezieht sich vielfältige Kritik auch auf einzelne Theorien. Den Kriterien der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit wird etwa vorgehalten, sie seien als vage,43 konturlose,44 unbestimmte45 Leerformeln46 Einfallstor für Gerechtigkeitsgefühle.47 Als eigene Kategorie seien sie untauglich; es bedürfe erstens eines Anknüpfungspunktes in den über die Strafbarkeit entscheidenden Kategorien Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld und zweitens der 38

B. Schünemann, FS Bockelmann, S. 117 (129). Vgl. dazu die Darstellungen von Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung (1978); Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 17 f.; Fisch, GoA, S. 167 f.; vertreten wird die These der Einheit der Rechtsordnung z. B. von Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 55 ff.; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (11 ff.); Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 27; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 10; Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 17; Wessels/Beulke, AT, Rn. 274; Jescheck/Weigend, AT, S. 327; U. Weber, FS Baur, S. 133 (140); MK-v. Feldmann (3. Aufl.), § 228 Rn. 1; Palandt/Heinrichs, § 228 Rn. 2. 40 Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 27; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (11 f.). 41 Dazu Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 89; Roxin, AT 1, § 14 Rn. 30 ff.; Ohly, Einwilligung, S. 110 ff.; Fisch, S. 167 ff.; daneben erlangt die These der Einheit der Rechtsordnung Bedeutung für die Frage der Verwaltungsakzessorietät, vgl. dazu etwa Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 125 ff. 42 Prittwitz, a. a. O., S. 387; Appel, Verfassung und Strafe, S. 391. 43 Appel, Verfassung und Strafe, S. 396; Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 61; Volk, ZStW 97 (1985), 871 (872). 44 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 61; Bloy, Strafaufhebungsgründe, S. 228. 45 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 61. 46 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 35, 61 m. w. N.; Alwart, Strafwürdiges Versuchen, S. 44, Kühl, FS Spendel, S. 75 (97). 47 Appel, Verfassung und Strafe, S. 398; ähnlich Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 62; Volk, ZStW 97 (1985), 871 (873). 39

A. Strafbarkeit des Empfängers

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Bezeichnung der hinter der Strafwürdigkeit/-bedürftigkeit stehenden Gründe.48 Auch seien die Versuche der Konkretisierung, die auf Formeln wie „schweres Unrecht“ oder „schwere Störung des Rechtsfriedens“ hinauslaufen, praktisch nicht handhabbar.49 Sofern der fragmentarische Charakter als normatives Programm der Strafrechtsbegrenzung verstanden wird, sieht sich auch dies dem Vorwurf der Vagheit ausgesetzt.50 Auch die These von der Einheit der Rechtsordnung hat vielfältigen Widerspruch erfahren.51 Ihr wird beispielsweise – etwa bei der Verwaltungsakzessorietät – Inkonsequenz vorgeworfen.52 Auffällig ist aber auch eine recht schlagwortartige und damit pauschale Verwendung der These53 und eine gewisse Verengung der Sichtweise auf die Rechtswidrigkeitsebene, was eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Zivilrecht und Strafrecht erschwert. Die anderen Modelle sprechen, sofern man sich auf die Verfassung beruft, einen richtigen Aspekt an, denn das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist ein handhabbares Instrument, für das das Öffentliche Recht Maßstäbe und Rechtsfolgen bereithält. Denn alle geltenden Strafrechtssätze sind an der Verfassung zu messen.54 Bedauerlicherweise fehlt es in den auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip Bezug nehmenden Ausführungen vielfach an detaillierteren Darlegungen;55 meist beschränkt man sich auf die Schlagworte „Verfassungserfordernis“ oder „Verhältnismäßigkeitsprinzip“. Teilweise beziehen sich ausführlichere Abhandlungen auf die Ebene der Rechtswidrigkeit,56 wobei offen bleibt, ob die Aussagen sich hierauf beschränken sollen.57 48 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 35; Alwart, Strafwürdiges Versuchen, S. 44 f.; auch Bloy, Strafausschließungsgründe, S. 233 ff., hält es – zu Recht – für methodisch unzulässig, kriminalpolitische Anliegen außerhalb der Deliktsmerkmale Unrecht und Schuld zu verfolgen; zustimmend Lampe, FS Schmitt, S. 77 (91). 49 Appel, Verfassung und Strafe, S. 396. 50 Prittwitz, a. a. O., S. 387 (389); Appel, Verfassung und Strafe, S. 410 f. 51 Vgl. den Überblick bei Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 62 ff. m. w. N. 52 Fisch, GoA, S. 171 ff. 53 So – im Zusammenhang mit der Wirkung des § 241a BGB im Strafrecht – Matzky, NStZ 2002, 458 (460). 54 Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 4. 55 Auch Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 217, stellt fest, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Schranke der Verhaltenskriminalisierung zwar weitgehend anerkannt sei, seine strafrechtliche Ausrichtung und Konkretisierung aber noch in den Anfängen stecke. 56 So z. B. die Monografie von Günther, Strafrechtswidrigkeit. 57 Lagodny, Schranken, S. 476 f.; vgl. auch U. Weber, JZ 1984, 276 (277).

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Unklar bleibt vielfach auch, ob als Adressat des Verfassungserfordernisses nur der Gesetzgeber oder (auch) der Rechtsanwender gemeint ist.58 Unklar ist meist weiter, welche staatliche Maßnahme für die Verfassungsmäßigkeitsprüfung in Frage steht. So wird oft nicht deutlich, ob die Androhung, die Verhängung und/oder die Vollstreckung der Strafe gemeint ist.59 Mit dem letztgenannten Aspekt zusammenhängend ist vielfach schon unklar, um welches Grundrecht welches Adressaten es gehen soll, in das eingegriffen wird.60 2. Straflosigkeit als Verfassungserfordernis a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Die mögliche Strafbarkeit des Empfängers, der eine Sache unbestellt von einem Unternehmer zugesandt bekommt, soll also genauer untersucht und an den verfassungsrechtlichen Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemessen werden. Hierfür ist zunächst erforderlich zu bestimmen, welche Situation überhaupt konkret in Frage steht und analysiert werden soll. Ohne dies ist eine konkrete Prüfung nicht möglich. Ausgangspunkt ist, dass das Strafrecht dem Einzelnen in dreifacher Weise entgegentritt: androhend, verhängend und vollziehend.61 Jeder dieser drei Bereiche staatlicher Tätigkeit betrifft dabei unterschiedliche Grundrechte und unterliegt damit gesonderter Rechtfertigungsbedürftigkeit.62 Hier soll zunächst der parlamentarische Gesetzgeber in den Blick genommen werden. Es soll also gefragt werden, ob dieser die gesetzlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit eines Verhaltens schaffen dürfte, das zivilrechtlich folgenlos gestellt ist. Nach – soweit ersichtlich – unbestrittener und richtiger Ansicht stellt ein strafbewehrtes Verbot, also die Androhung von Strafe einen Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) bzw. in ein spezielles Freiheitsgrundrecht des potentiellen Täters dar.63 Das mit der Verhängung der Strafe einherge58 Maurach/Zipf, AT 1, § 13 Rn. 12, etwa scheinen ausschließlich den Gesetzgeber zu meinen; Prittwitz, a. a. O., S. 387 (393); Fisch, GoA, S. 201 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 217 ff., sehen zu Recht sowohl Gesetzgeber als auch Rechtsanwender als Adressaten an. 59 Appel, Verfassung und Strafe, S. 417. 60 Appel, Verfassung und Strafe, S. 417. 61 Roxin, JuS 1966, 377 (381); Schönke/Schröder/Eser, vor § 1 Rn. 27; NK-Hassemer, vor § 1 Rn. 206. 62 Ähnlich Roxin, JuS 1966, 377 (381).

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hende Unwerturteil wird demgegenüber als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i. V. m. 1 I GG) qualifiziert.64 Die Vollziehung der Freiheitsstrafe ist an Art. 2 II S. 2 GG,65 die der Geldstrafe an Art. 2 I GG66 zu messen. Schon die Androhung einer Strafe bedeutet also einen Eingriff in den Schutzbereich wenigstens der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) des Empfängers als potentiellem Täter. Schon dieser Eingriff muss letztlich auch dem Verhältnismäßigkeitgrundsatz standhalten können.67 Der Gesetzgeber müsste hiermit einen verfassungsrechtlich zulässigen Zweck verfolgen, woran sich hier schon zweifeln ließe. Das Erfordernis der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des vom Gesetzgebers verfolgten Zweckes ist „Eingangstor“68 und Bezugspunkt69 für die Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dem Gesetzgeber steht bei der Bestimmung des Zwecks und der Verhältnismäßigkeitsanforderungen allerdings ein weitgehend nicht justiziabler Beurteilungsspielraum zu.70 Nur ganz offensichtlich dem Grundgesetz widersprechende Zwecksetzungen können auf dieser Ebene zur Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes führen.71 63

Lagodny, Schranken, S. 8, 78, 89 ff.; Appel, Verfassung und Strafe, S. 167, 559, 570 (der zudem noch auf Gleichheitsgrundrechte verweist); Jescheck/Weigend, AT, S. 50; Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 66; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 215; Schönke/Schröder/Eser, vor § 1 Rn. 27 („Entfaltungsfreiheit“); Rönnau, Willensmängel, S. 78; D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 403 f.; zur von Appel angenommenen Differenzierung von „Verhaltensnorm“ und „Sanktionsnorm“ sogleich. 64 Lagodny, Schranken, S. 8, 78, 116 ff. (auch zu weiteren in Frage kommenden Grundrechten); Appel, Verfassung und Strafe, S. 575; D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 404 Fn. 342a. 65 Lagodny, Schranken, S. 130 ff.; Appel, Verfassung und Strafe, S. 168, 590 f. (beide auch zu weiteren in Frage kommenden Grundrechten); D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 404 Fn. 342a. 66 Appel, Verfassung und Strafe, S. 591; Lagodny, Schranken, S. 133; ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG ist abzulehnen, weil es sich um eine bloße Geldzahlungspflicht handelt und Art. 14 GG nicht das Vermögen als solches schützt, Appel, Verfassung und Strafe, S. 590 f.; Lagodny, Schranken, S. 133; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 15 f.; BVerfGE 4, 7 (17); 81, 108 (122); a. A. BK-Kimminich, Art. 14 Rn. 55 ff.; Fisch, GoA, S. 187; D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 404 Fn. 342a. 67 Pieroth/Schlink, StaatsR 2, Rn. 384; zur – hier nachrangigen – Frage, aus welchen Verfassungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herzuleiten ist, vgl. Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 80; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 203. 68 Lagodny, Schranken, S. 138. 69 Appel, Verfassung und Strafe, S. 175. 70 Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 87; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 207 f., der Beurteilungsspielraum bezieht sich auf die Justiziabilität, nicht auf die inhaltlichen Anforderungen; ebenso D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 406; a. A. Fisch, GoA, S. 190.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Die grundsätzliche Unzulässigkeit des Zwecks eines Straftatbestandes, der ein Verhalten trotz zivilrechtlicher Folgenlosigkeit unter Strafe stellt, ist aber zu verneinen. Ausreichend ist, dass die Regelung dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz72 zu dienen bestimmt ist.73 Eine solche Regelung müsste zudem geeignet sein, den Zweck des Rechtsgüterschutzes zu erreichen. Eignung i. S. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist dann zu bejahen, wenn der vom Gesetzgeber beabsichtigte Zweck – der Rechtsgüterschutz – zumindest gefördert werden kann.74 Auch die Eignung wäre vorliegend zu bejahen, da zu erwarten ist, dass sich ein potentieller Täter von den drohenden strafrechtlichen Folgen von seinem gegen den Straftatbestand verstoßenden Verhalten abhalten ließe. Der zivilrechtliche Anspruchsausschluss steht dem nicht entgegen, da dieser keine Handlungsanweisung75 an den Empfänger beinhaltet und sich seine Position durch den Nichtverstoß gegen den Straftatbestand nicht verschlechtert, sondern allenfalls eine Verbesserung76 ausbleibt, welche jedenfalls in ihrer Motivationswirkung im Regelfall weit hinter drohenden strafrechtlichen Folgen zurückbleiben dürfte. Ferner müsste eine solche Regelung dem Erforderlichkeitskriterium gerecht werden. Erforderlich ist eine Regelung dann, wenn kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Zwecks zur Verfügung steht.77 Als milderes, den Empfänger also weniger belastendes Mittel käme hier eine zivilrechtliche Schadensersatzregelung in Betracht, denn sie vermag nicht den gleichen Motivationsdruck hinsichtlich der Unterlassung der Rechtsgutsverletzung auszuüben. Eine drohende Schadensersatzpflicht ist ein geringeres Übel als eine drohende strafrechtliche Verurteilung, die bei ihrem Eintreten einen zusätzlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und ggf. Art. 2 II S. 2 GG (bei Freiheitsstrafe) bzw. Art. 2 I GG (bei Geldstrafe) darstellte. Sie stellt daher einen weniger tiefen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar.78 71

Fisch, GoA, S. 194. Ausführlich zur Frage des verfassungsrechtlich zulässigen Zwecks strafrechtlicher Regelungen Appel, Verfassung und Strafe, S. 65 ff., 73 ff. und 199 ff. 73 Vgl. Fisch, GoA, S. 194. 74 Pieroth/Schlink, StaatsR 2, Rn. 283; Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 84. 75 So aber offenbar – bei Bestehen einer zivilrechtlichen und gleichzeitigem Nichtbestehen einer strafrechtlichen Rechtfertigung – Fisch, GoA, S. 195. 76 Z. B. durch Nutzbarmachung des Wertes der Sache in irgendeiner Form. 77 Pieroth/Schlink, StaatsR 2, Rn. 285; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 152. 78 Appel, Verfassung und Strafe (1998), will demgegenüber zwischen der sog. „Verhaltensnorm“ und der sog. „Sanktionsnorm“ differenzieren (S. 173, 433 f., 490, 559). Erstere stelle einen Eingriff in Art. 2 I GG dar (S. 559). Ob diese Verhaltensnorm strafbewehrt sei, sei für die Intensität des Eingriffs in Art. 2 I GG unerheblich, es sei also bei einer strafbewehrten Verhaltensnorm kein schwererer Eingriff in Art. 2 72

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Eine zivilrechtliche Schadensersatzregelung ist aber kein gleich geeignetes Mittel, da der Empfänger sich durch die Androhung der schwereren strafrechtlichen Folgen eher von der Rechtsgutsverletzung abhalten lassen wird. Zudem hat das Strafrecht die Möglichkeit, auf Verhalten zu reagieren, das sich als untauglicher Versuch darstellt und insofern nicht einmal den Unterlassungsanspruch des § 1004 I S. 2 BGB auslöst. Läge also eine zivilrechtliche Regelung vor, die als Vergleichsmaßstab dienen könnte, bzw. wäre fraglich, ob eine solche geschaffen werden könnte, wäre die Erforderlichkeit des Einsatzes des Strafrechts zu bejahen und es wäre weiter zu prüfen, ob die Verhältnismäßigkeit i. e. S. gegeben ist, ob die strafrechtliche Regelung also angemessen ist. Bei der Zusendung unbestellter Waren steht jedoch das Bestehen bzw. die Schaffung einer weniger belastenden zivilrechtlichen Regelung überhaupt nicht in Frage, denn der Gesetzgeber hat sich mit der Aufstellung des § 241a BGB ja gerade dagegen entschieden, das Verhalten des Empfängers mit zivilrechtlichen Mitteln zu verhindern. Er hat sogar mit der Schaffung dieser Norm zum Ausdruck gebracht, dass zivilrechtliche Folgen nicht gewollt sind. Fraglich ist, ob dies dem Erforderlichkeitskriterium gerecht werden kann. Grundsätzlich muss aus der zivilrechtlichen Folgenlosigkeit eines Verhaltens noch nicht zwingend die strafrechtliche Bedeutungslosigkeit folgen. Denn der Gesetzgeber hat es grundsätzlich in der Hand, auch zivilrechtlich folgenloses Verhalten zwecks eines effektiven Rechtsgüterschutzes zu sanktionieren.79 Das I GG gegeben, als bei einer zivilrechtlichen Verhaltensnorm (S. 473). Die Sanktionsnorm bedeute demgegenüber einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Unwerturteil) und ggf. in Art. 2 II S. 2 GG (Freiheitsstrafe) und Art. 2 I GG (Geldstrafe) und sei an diesen Grundrechten zu messen (S. 559). Dies gilt nach seiner Auffassung auch für bloße Androhung der Sanktion (S. 168). Dem kann nicht gefolgt werden: Ein Eingriff etwa in Art. 2 II S. 2 GG kann bei einer bloßen Androhung der Freiheitsstrafe noch nicht bejaht werden (so aber S. 168). Zudem können die Folgen eines Verstoßes gegen das Verhaltensgebot bei der Intensität des Eingriffes in Art. 2 I GG nicht ausgeblendet werden, denn sie bestimmen das Maß des psychischen Drucks auf den Adressaten der Androhung (dies ist der Grund für den höheren Strafrahmen des § 255 StGB gegenüber § 253 StGB) und damit den Eingriff in Art. 2 I GG. Bei der Erforderlichkeit des Eingriffs kommt es im Übrigen aber auch nicht darauf an, ob das Alternativmittel weniger stark in das in Frage stehende Grundrecht eingreift, sondern, ob dies den Adressaten generell, also auch ggf. in Bezug auf andere Grundrechte weniger belastet, vgl. oben 1. Teil B. III. 1. a) aa) (2) (a). Letztlich dürften sich aber auch nach der Sichtweise Appels hinsichtlich der Erforderlichkeit keine Unterschiede ergeben, da es, vgl. den Text sogleich, vorliegend schließlich nicht um eine alternative (bestehende oder zu schaffende) Verhaltensnorm geht, sondern eine solche vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt ist. Zudem wäre nach seiner Sichtweise mit der Aufstellung einer Verhaltensnorm und einer Sanktionsnorm ein Eingriff in Art. 2 I GG und darüber hinaus in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Unwerturteil), Art. 2 II S. 2 GG (Freiheitsstrafe) und Art. 2 I GG (Geldstrafe) gegeben, was für den Adressaten insgesamt ein schwererer Eingriff wäre als bei einer bloß zivilrechtlichen „Sanktion“.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Zivilrecht reagiert regelmäßig erst auf tatsächlich eingetretene Rechtsgutsverletzungen, während das Strafrecht daneben rechtsgutsgefährdendes Verhalten erfassen kann, wenn dies für den Rechtsgüterschutz durch Verhaltenssteuerung erforderlich ist.80 Stellt der Gesetzgeber jedoch eine zivilrechtliche Regelung auf, die das Verhalten des potentiellen Täters ausdrücklich billigt bzw. folgenlos stellt, so ergibt sich ein anderes Bild: Denn dann hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass nicht etwa der Einsatz des Zivilrechts nicht ausreicht, sondern vielmehr schon nicht notwendig ist. In diesem Fall ist der Einsatz der einschneidenderen Mittel des Strafrechts nicht erforderlich i. S. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.81 Der Gesetzgeber hat mit einer solchen zivilrechtlichen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er das Eingriffsinteresse des potentiellen Täters in der geregelten Situation höher bewertet als das Erhaltungsinteresse des potentiellen Opfers. Diese Bewertung würde durch ein Zulassen des Einsatzes des Strafrechts in ihr Gegenteil verkehrt.82 Diese zutreffende, von Fisch für die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht entwickelte Argumentation kann für die von § 241a BGB geregelte Situation ebenfalls herangezogen werden. Eine „positive Wertung“83 des zivilrechtlichen Gesetzgebers für das fragliche Verhalten muss nicht notwendig in einem Rechtfertigungsgrund bestehen. Sie kann ebenso – wie hier – in einem Anspruchsausschluss liegen oder etwa in einer Haftungsmilderung (z. B. auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz) bestehen. b) Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und Systemgerechtigkeit Zudem führte die Aufstellung eines Straftatbestandes bei einer gleichzeitig vorliegenden positiven Bewertung dieses Verhaltens im Zivilrecht zu einem Verstoß gegen das verfassungsmäßige Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und das verfassungsrechtliche Prinzip der Systemgerechtigkeit.

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Fisch, GoA, S. 193. Fisch, GoA, S. 193. 81 Fisch, GoA, S. 197 f.; ebenso im Ergebnis Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 197: „Unproblematisch entfällt die Erforderlichkeit des Einsatzes des Strafrechts nur dann, wenn das Zivilrecht oder das Öffentliche Recht die Verletzung des straftatbestandlich geschützten Rechtsguts als „rechtmäßig“, das „Opferinteresse“ damit als rechtlich nicht schutzbedürftig ausweist.“ 82 Fisch, GoA, S. 197. 83 Fisch, GoA, S. 193. 80

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Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung wird teils aus dem Rechtsstaatsprinzip,84 teils aus Art. 3 GG85 abgeleitet und ist die Kernaussage des richtig verstandenen Gebots der Einheit der Rechtsordnung.86 Der Staat erfüllt seine Aufgabe der Gewährleistung der Ordnung des Gemeinschaftslebens insbesondere durch die Aufstellung gesetzlicher, behördlicher und richterlicher Ge- und Verbote.87 Diese sollen dem Bürger als Wertmaßstab seines Handelns dienen, was aber nur möglich ist, wenn ihm eine rechtliche Wertung erkennbar ist.88 Dies bedeutet, dass ein rechtliches Ge- oder Verbot sowohl in sich als auch im Kontext der übrigen Rechtsordnung zu klaren, verständlichen und widerspruchsfreien Verhaltensregeln führen muss.89 Dies besagt jedoch nur, dass die Aussagen der Rechtsordnung aufeinander abgestimmt sein müssen,90 was nicht heißt, dass keine Wertungsunterschiede in einzelnen Rechtssätzen bestehen könnten und dürften.91 Erforderlich ist jedoch ein planmäßiger, systematischer Rechtsfindungsprozess, der mit einer einheitlichen Lösung abschließt.92 Es können also durchaus unterschiedliche Wertungen in den verschiedenen Teilrechtsordnungen getroffen werden, wenn sich dies aus deren unterschiedlichen Zielsetzungen erklärt.93 Das Prinzip der Systemgerechtigkeit ist mit dem Gebot der Widerspruchfreiheit der Rechtsordnung eng verwandt.94 Abgeleitet wird es aus Art. 3 I GG und verlangt vom Gesetzgeber ein hinreichendes Maß an Folgerichtigkeit einfachgesetzlicher Wertungen.95 Dies bezieht sich nicht nur auf Widersprüchlichkeiten innerhalb einer Teilrechtsordnung, sondern auch auf die Gesamtrechtsordnung.96 Wie beim Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung reicht aber die bloße Widersprüchlichkeit zweier Normen für einen Verfassungsverstoß noch nicht aus. Es handelt sich dann vielmehr um eine bloße Systemwidrigkeit.97 Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz wird hieraus erst dann, wenn 84 Fisch, GoA, S. 198 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 94; Degenhardt, StaatsR 1, Rn. 356; BVerfG NJW 1998, 2341 (2342); 1998, 2346 (2347). 85 Canaris, Systemdenken, S. 16. 86 Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 8; Fisch, GoA, S. 199; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 93, 104 f.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 (2); Canaris, Systemdenken, S. 16 f.; D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 181 f. 87 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 95. 88 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 95. 89 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 95. 90 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 95. 91 Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 30. 92 Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 30. 93 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 105; Fisch, GoA, S. 201. 94 Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 (2); vgl. auch Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 96. 95 Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 98; BVerfGE 81, 156 (207). 96 Kirchhof, HbSaatsR V, § 124 Rn. 225; BVerfGE 82, 60 (84); 89, 329 (337).

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

der Widerspruch zu Rechtsfolgeunterschieden führt und sich diese nicht auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen lassen.98 Eine solche unterschiedliche Wertung (i. S. des Gebotes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung) bzw. ein vernünftiger Grund für die Widersprüchlichkeit zwischen Zivil- und Strafrecht (i. S. des Prinzips der Systemgerechtigkeit) wäre bei einer Strafbarkeit des Empfängers bei durch § 241a BGB zivilrechtlich folgenlos gestellten Handlungen nicht auffindbar und ließe sich auch nicht aus den unterschiedlichen Funktionen von Zivil- und Strafrecht erklären. Es ergäbe keinen Sinn, das Opferinteresse einerseits für nicht schutzwürdig, andererseits für schutzwürdig zu erklären. Das Verhalten des Empfängers wäre einerseits gebilligt (bzw. wenigstens nicht mit nachteiligen Rechtsfolgen versehen), andererseits verboten. Dies bedeutete einen zu beseitigenden, nicht systemgerechten Widerspruch zwischen den zivilrechtlichen und strafrechtlichen Vorschriften.99 Festzuhalten bleibt also, dass die gesetzliche Regelung einer Strafbarkeit des Empfängers in der von § 241a BGB geregelten Situation gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und das Prinzip der Systemgerechtigkeit verstieße. c) Adressat des Verfassungserfordernisses Die Verfassung bindet sowohl den Gesetzgeber als auch den Rechtsanwender, also die Judikative (Art. 20 III GG). Wenn es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich untersagt ist, ein Verhalten entgegen der positiven zivilrechtlichen Bewertung unter Strafe zu stellen, so gilt dies ebenso für den Rechtsanwender.100 Dieser darf die zivilrechtlichen Wertungen in seiner Gesetzesauslegung nicht unbeachtet lassen und im Ergebnis ein solches Verhalten nicht bestrafen.

III. Umsetzung des Ergebnisses Diesem Erfordernis muss der Rechtsanwender, sofern möglich, durch systematische, teleologische101 und verfassungskonforme102 Auslegung Rechnung tra97

Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 99. Kirchhof, HbStaatsR V, § 124 Rn. 232; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 99; BVerfGE 81, 156 (207). 99 Hinsichtlich der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bzgl. der Anwendbarkeit des Rechtfertigungsgrundes GoA im Strafrecht vgl. Fisch, GoA, S. 198 ff. 100 Fisch, GoA, S. 201 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 217 ff.; BVerfGE 45, 187 (267). 101 Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 31. 102 Schönke/Schröder/Eser, vor § 1 Rn. 30; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 217. 98

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gen. Ist verfassungskonforme Auslegung nicht möglich, kann der Strafrichter der Verfassung nur dadurch Geltung verschaffen, dass er die Entscheidung des BVerfG einholt (Art. 100 I GG).103 Das hier gefundene Verfassungserfordernis bezieht sich auf die Eingriffe in die genannten Grundrechte, insbesondere also schon auf die Androhung der strafrechtlichen Sanktionen. Eine solche wäre als Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) verfassungswidrig. Schon die Androhung der Strafe darf also aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erfolgen. Verfassungsrechtlich erheblich ist dabei einzig, dass die Folge – hier: die Androhung als Eingriff in Art. 2 I GG – nicht eintritt.104 Auf welcher strafrechtssystematischen Prüfungsstufe dabei eine Strafbarkeit zu verneinen ist, ist dagegen verfassungsrechtlich unerheblich.105 Denn verfassungsrechtliche Schranken lassen sich nicht im Wege der Straftatsystematik unterlaufen; der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt also für alle Straftatmerkmale. 106 Es ist nur von rechtstechnischer Bedeutung, ob die Verfassungskonformität etwa durch entsprechende Tatbestandsverengung oder entsprechende Ausweitung eines Rechtfertigungsgrundes hergestellt wird.107 Verfassungsrechtlich zwingend ist auch nicht etwa eine direkte Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschrift im Strafrecht,108 sondern lediglich die Beachtung der Wertung dieser Vorschrift.109 Ebenso wenig bedarf es eines Gleichlaufs des Zivil- und Strafrechts auf Tatbestands- bzw. auf Rechtswidrigkeitsebene.110

103

Schönke/Schröder/Eser, vor § 1 Rn. 30. Lagodny, Schranken, S. 467. 105 Lagodny, Schranken, S. 467; Schönke/Schröder/Eser, vor § 1 Rn. 30. 106 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 241, 245; ähnlich Fisch, GoA, S. 192. 107 Schönke/Schröder/Eser, vor § 1 Rn. 30; auch Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 179, 196 f., will daher sowohl die Tatbestandsebene als auch die Rechtswidrigkeitsebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung unterwerfen. 108 Vom hier vertretenen Standpunkt ist daher eine unmittelbare Geltung des zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes der GoA jedenfalls nicht verfassungsrechtlich zwingend, so aber Fisch, GoA, S. 202. Lediglich deren Wertung muss im Strafrecht beachtet werden, was aber auch etwa durch eine Ausweitung der Grundsätze der mutmaßlichen Einwilligung erfolgen könnte. Eine unmittelbare Übernahme des § 241a BGB bereitete darüber hinaus Schwierigkeiten, da dieser, wie gezeigt, zivilrechtlich kein Rechtfertigungsgrund ist und sich nicht von vornherein in eine Straftatebene einordnen ließe. Vgl. dazu noch unten 2. c). 109 Grundsätzlich ebenso Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 104. 110 Ebenso, bezogen auf die Rechtswidrigkeitsebene bei zivilrechtlich gerechtfertigtem Verhalten, Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 93. 104

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

1. Lösungsansätze auf Tatbestandsebene a) Die nur scheinbare Rechtsgutsverletzung als Tatbestandselement Die Straflosigkeit des Empfängers ließe sich eventuell mit Hilfe der sog. scheinbaren Rechtsgutsverletzung erreichen, wie sie von Schmidhäuser und Sax vertreten wird.111 Für Schmidhäuser, auf den dieser Begriff zurückgeht,112 ist der wesentliche Gegenstand des Unrechtstatbestandes die Rechtsgutsverletzung,113 verstanden als die Verletzung des von einem Rechtsgut ausgehenden Achtungsanspruchs im Willensverhalten des Täters.114 Hieraus folge negativ, dass jedes Handlungsgeschehen für den Unrechtstatbestand und damit als Grundlage einer Strafbarkeit ausscheide, das keinen Achtungsanspruch eines Rechtsguts verletze.115 Nach Schmidhäuser beschreibt der Unrechtstatbestand lediglich ein typisches Bild rechtsgutsverletzenden Verhaltens.116 Dies weise aber nur darauf hin, was wirklich gemeint sei: das rechtsgutsverletzende Verhalten, das sich über den Achtungsanspruch hinwegsetze.117 Ob die Rechtsgutsverletzung vorliege, müsse beim Unrechtstatbestand jeweils noch gesondert geprüft werden.118 Wo diese Prüfung ergebe, dass es am Handlungsunwert trotz äußerlicher Entsprechung des Geschehensvorgangs fehle, da sei die Rechtsgutsverletzung nur scheinbar.119 Dies sei die negative Bedeutung des Unrechtstatbestandes; liege keine Rechtsgutsverletzung vor, so könne ein Verhalten dem Unrechtstatbestand von vornherein nicht entsprechen.120 Einen sehr ähnlichen Ansatz verfolgt Sax. Ihm zufolge ist die Strafdrohung nur bei einer strafwürdigen Rechtsgutsverletzung verfassungsrechtlich legitim.121 Die Rechtsgutsverletzung ist aber nach seinem Verständnis aus dem Grund, dass sie die Strafdrohung sachlich allein trage, mehr als nur ein Gesetzesmotiv, welches gegen ein anderes Motiv austauschbar wäre.122 Vielmehr sei 111 Matthies, Studien, S. 133, begründet die Straflosigkeit des Empfängers wegen Unterschlagung mit einer fehlenden Rechtsgutsverletzung, ohne sich allerdings auf eine deliktssystematische Einordnung festzulegen. 112 Ihm weitgehend folgend (seine Schülerin) Kruse, Scheinbare Rechtsgutsverletzung, S. 225 ff. 113 Schmidhäuser, LB, 8/112. 114 Schmidhäuser, SB, 5/1; ders., FS Geerds, S. 593 (597). 115 Schmidhäuser, SB, 5/95; ders., LB, 8/36. 116 Schmidhäuser, LB, 8/112; ders., SB, 5/96. 117 Schmidhäuser, LB, 8/112; ders., SB, 5/96. 118 Schmidhäuser, LB, 8/112; ders., SB, 5/96. 119 Schmidhäuser, SB, 8/96. 120 Schmidhäuser, LB, 8/112. 121 Sax, JZ 1976, 9 (11). 122 Sax, JZ 1976, 9 (11).

A. Strafbarkeit des Empfängers

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sie deshalb logisch ein den Tatbeständen aller Strafgesetze gemeinsames Gattungsmerkmal und gehöre folglich zum Gattungsbegriff „Tatbestand“.123 Neben dem „Normalfall“ des Tatbestandsausschlusses wegen Fehlens eines Tatbestandsmerkmals gebe es daher auch den nicht formalisierten „Sonderfall“ des Tatbestandsausschlusses bei einem Verhalten, das trotz seiner Tatbestandsmäßigkeit das geschützte Rechtsgut nicht verletze.124 Diesen bezeichnet er als „Tatbestandsausschluss wegen Haftungsbegrenzung durch den Schutzzweck der Norm“, der gemeinsam mit dem ihm gleichgeordneten „Tatbestandsausschluss wegen Fehlens eines Tatbestandmerkmals“ dem „Tatbestandsausschluss wegen Fehlens einer Rechtsgutsverletzung“ unterzuordnen sei.125 Der Unterschied zwischen den Auffassungen der beiden Autoren besteht im Wesentlichen darin, dass Sax das Vorliegen der Rechtsgutsverletzung als eigenes Merkmal im Unrechtstatbestand anerkennt, während Schmidhäuser die Rechtsgutsverletzung lediglich als „negative Bedeutung“ des Unrechtstatbestandes verstehen will.126 Übereinstimmend gehen sie jedoch davon aus, dass der Tatbestand nur dann verwirklicht ist, wenn erstens alle gesetzlich umschriebenen Deliktsmerkmale vorliegen und zweitens eine Rechtsgutsverletzung vorliegt.127 Beide Autoren benennen Fallgruppen, in denen eine Tatbestandsmäßigkeit wegen fehlender Rechtsgutsverletzung ausscheide.128 Übereinstimmend verneinen sie etwa bei einer vorliegenden Einwilligung des Rechtsgutsinhabers eine Rechtsgutsverletzung (durch Tatbestandsausschluss).129 Ebenso sehen beide die Eigentumsanmaßung bei durch den Täter gewahrtem bzw. bei von vornherein fehlendem Eigentumsinteresse als Beispielsfall für eine fehlende Rechtsgutsverletzung an. Zum einen sind dies nach übereinstimmender Auffassung die Fälle des eigenmächtigen Geldwechselns.130 Zum anderen sei dies dort gegeben, wo der Rechtsinhaber (meist der Eigentümer) „weder ein vermögensrechtliches, noch ein Affektionsinteresse irgendwelcher Art“ habe, was insbesondere auch bei wertlosen Sachen zu bejahen sein könne.131

123

Sax, JZ 1976, 9 (11); zustimmend U. Weber, FS Baur, S. 133 (143 f.). Sax, JZ 1975, 137 (144). 125 Sax, JZ 1976, 9; ähnlich ders., JZ 1975, 137 (144). 126 Zur Kritik Saxs an Schmidhäuser vgl. Sax, JZ 1976, 9 (11 Fn. 27). 127 Vitens, Scheinbare Rechtsgutsverletzung, S. 36; zu sich aus der Einordnung in den Tatbestand ergebenden Irrtumsfragen, ders., S. 37 ff. 128 Vgl. die Übersichten bei Schmidhäuser, LB, 8/36 und Sax, JZ 1976, 80. 129 Schmidhäuser, LB, 8/36; 8/123 ff.; ders., SB, 5/106 ff.; ders., FS Geerds, S. 593 (601 f.); Sax, JZ 1976, 80. 130 Sax, JZ 1976, 80; ders., JZ 1975, 137 (144); Schmidhäuser, LB, 8/117; ders., SB, 5/99. 131 Schmidhäuser, LB, 8/117; ebenso Sax, JZ 1975, 137 (144). 124

158

2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Ein derart fehlendes Eigentumsinteresse des Versenders ließe sich in der durch § 241a BGB geregelten Situation bejahen, denn die Sache ist für den Versender wirtschaftlich wertlos.132 Er hat weder eine realistische Chance auf Wiedererlangung,133 noch kann er sich ihren Wert nutzbar machen.134 Die normalerweise aus § 903 BGB folgenden Herrschaftsrechte des Eigentümers sind ihm vollständig durch § 241a BGB abgeschnitten, so dass nicht einmal ein irgendwie realisierbares Affektionsinteresse bestehen kann,135 das einen Achtungsanspruch verdient. Auch wenn Sax und Schmidhäuser inhaltlich insofern zuzustimmen ist, als dass es zur Begründung der Strafbarkeit einer strafwürdigen Rechtsgutsverletzung bedarf, so sind ihre Modelle doch abzulehnen. Sie gehen von einem zu engen Begriff des gesetzlichen Tatbestandes aus136 und verkennen, dass die im gesetzlichen Tatbestand beschriebenen Merkmale nicht wertfrei,137 sondern Kennzeichen für eine strafwürdige Rechtsgutsverletzung sind.138 Jedes von ihnen kann und muss unter strafrechts-teleologischen Gesichtspunkten ausgelegt werden.139 Eine von den gesetzlichen Merkmalen losgelöste Strafwürdigkeitsprüfung verlagert zudem das Telos der Auslegung auf außergesetzliche Elemente und höhlt damit das Weisungsrecht des Gesetzgebers gegenüber dem Rechtsanwender aus.140 Insbesondere am Ansatz Schmidhäusers ist zu kritisieren, dass er ein präzises, übergeordnetes Kriterium nicht benennen kann, anhand dessen das Nichtvorliegen der Rechtsgutsverletzung gemessen werden könnte.141 Neben dem vagen Begriff des fehlenden Achtungsanspruchs will er die fehlende Rechtsgutsverletzung in einem bewusst offenen Fallgruppenkatalog erfassen,142 was dem Vorwurf der Beliebigkeit ausgesetzt ist. So stellt er eine Fallgruppe des „Handelns 132 Er erleidet zivilrechtlich bei Beschädigung oder Veräußerung keinen Schaden, s. o. 1. Teil B. III. 3. c). 133 s. o. 1. Teil B. III. 1. a). 134 s. o. 1. Teil B. III. 1. b)–d). 135 s. o. 1. Teil B. III. 3. c). 136 Schönke/Schröder/Lenckner (25. Aufl.), vor § 13 Rn. 44; Roxin, AT 1, § 10 Rn. 29; Otto, GS Schröder, S. 53 (62). 137 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 272; SK-Günther, vor § 32 Rn. 59. 138 Schönke/Schröder/Lenckner (25. Aufl.), vor § 13 Rn. 44; ähnlich Otto, GS Schröder, S. 53 (61 f.). 139 Schönke/Schröder/Lenckner (25. Aufl.), vor § 13 Rn. 44; Otto, GS Schröder, S. 53 (61 f.); Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 272, der zudem zu Recht kritisiert, dass nach dem Modell Saxs eine trennscharfe Unterscheidung zwischen negativen Strafwürdigkeitsvoraussetzungen und Rechtfertigungsgründen nicht mehr möglich ist. 140 Lampe, FS Schmitt, S. 77 (91); ähnlich Ostendorf, GA 1982, 333 (344). 141 H. D. Weber, Der zivilrechtliche Vertrag, S. 55, kritisiert insofern die „Leerformelhaftigkeit“. 142 Schmidhäuser, LB, 8/115.

A. Strafbarkeit des Empfängers

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bei unerheblicher Beschleunigung des Erfolgseintritts“ auf, nach welcher etwa die Tötung eines todkranken Hundes den Sachbeschädigungstatbestand nicht erfüllen soll.143 Die Tötung eines todkranken Menschen hingegen soll diese Privilegierung nicht erfahren.144 Entscheidend sei bei dieser Differenzierung, dass es „nach der Art des betroffenen Rechtsguts gleichgültig“ sei, ob der Erfolg alsbald oder später eintrete.145 Einen brauchbaren Maßstab zur Einteilung der Rechtsgüter, bei denen diese Gleichgültigkeit zu bejahen und solchen, bei denen sie zu verneinen ist, liefert er jedoch nicht. b) Tatobjekt „fremde Sache“ aa) Verneinung der Sachqualität bei gänzlich fehlendem Eigentümerinteresse Verschiedentlich wird in der Literatur speziell bei Eigentumsdelikten die Tauglichkeit einer Sache als Tatobjekt verneint, bei welcher der Eigentümer weder ein materielles noch ein immaterielles Interesse an der Sache hat bzw. haben kann. Grundsätzlich, so die einhellige Meinung, schützen die sog. Eigentumsdelikte die Position des Eigentümers unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der Sache. Auch eine wirtschaftlich wertlose Sache kann danach taugliches Tatobjekt der Eigentumsdelikte sein. Vielfach wird jedoch eine straftatbestandliche Eigentumsverletzung dann ausgeschlossen, wenn der Eigentümer weder ein materielles noch ein immaterielles schutzwürdiges Interesse an der Sache haben kann. Hierbei wird teils der Sachbegriff verneint,146 teils aber auch losgelöst von den Tatbestandsmerkmalen (meist ohne eingehende Begründung) auf die angeblich fehlende Rechtsgutsverletzung,147 das angeblich fehlende Straf- oder Schutzbedürfnis148 oder schlicht ohne nähere Darlegung auf die fehlende Tatbestandsmäßigkeit149 verwiesen. Als Beispiel dient meist die Tötung eines tollwütigen Hundes, an welchem der Eigentümer weder ein Gebrauchs- noch ein Affektionsinteresse haben könne. Spontan scheint eine Anwendung des Modells des fehlenden Eigentümerinteresses bei der durch § 241a BGB geregelten Situation in Betracht zu kommen: 143

Schmidhäuser, LB, 8/119. Schmidhäuser, LB, 8/119. 145 Schmidhäuser, LB, 8/119. 146 LK-Wolff, § 303 Rn. 3. 147 NK-Zaczyk § 303 Rn. 1; Gössel, BT 2, § 4 Rn. 35 f., der ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit sehen will, welches nicht gegeben sei, wenn jedes Interesse fehlt; dazu noch sogleich unten bb). 148 Schönke/Schröder/Eser, § 242 Rn. 7, § 303 Rn. 3. 149 Rengier, BT 1, § 24 Rn. 1. 144

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Jedenfalls für den Versender ist die Sache wirtschaftlich wertlos, und auch ein Affektionsinteresse kann er nicht haben bzw. realisieren.150 Die fehlende Sachqualität bzw. die anders begründete fehlende Tatbestandsmäßigkeit bei Sachen, an welchen der Eigentümer kein irgendwie geartetes Interesse haben kann, entspricht sogar der wohl als herrschend zu bezeichnenden Meinung im Rahmen des Sachbeschädigungstatbestandes. Im Zusammenhang mit den sonstigen Eigentumsdelikten wird dies erstaunlicherweise aber nahezu nirgends vertreten.151 Dies verwundert deshalb, weil es um dasselbe (zu verneinende) Tatbestandsmerkmal „Sache“ geht bzw. um dasselbe Rechtsgut (das Eigentum), das bei fehlendem Interesse zur Tatbestandslosigkeit führen soll. Begründet wird diese Ungleichbehandlung meist nicht. Eser allerdings will konsequent die Fälle des gänzlich fehlenden Eigentümerinteresses sowohl im Rahmen des § 303 StGB als auch bei § 242 StGB zum Tatbestandsausschluss führen lassen.152 Gössel rechtfertigt entgegen Eser die Ungleichbehandlungen: Zum einen ändere die Wertlosigkeit der Sache nichts an der Beeinträchtigung des mitgeschützten Gewahrsams beim Diebstahl, zum anderen bilde der Entzug der Sache stets einen Eingriff in die inhaltliche Rechtsmacht des Eigentümers, während die verändernde Einwirkung auf den Zustand einer für den Eigentümer bedeutungslosen Sache einen solchen Eingriff nicht notwendig enthalte.153 Hierbei verkennt er allerdings schon, dass Eser die materielle Wertlosigkeit zur Verneinung des Tatbestandes nicht ausreichen lässt. Vielmehr verlangt dieser das Fehlen jeglichen (also auch immateriellen) Eigentümerinteresses. Zudem ist unklar, was Gössel mit dem Begriff der inhaltlichen Rechtsmacht meint, die beim Diebstahlsopfer, nicht aber beim Sachbeschädigungsopfer notwendigerweise verletzt sein soll. Denn die Voraussetzung für die Tatbestandsverneinung sowohl nach Eser als auch nach Gössel ist ja gerade das Nichtbetroffensein der inhaltlichen Rechtsmacht aufgrund des Fehlens eines Eigentümerinteresses.154 Darüber hinaus ist nicht verständlich, weshalb er nicht wenigstens dann eine Sachbeschädigung annehmen will, wenn die Sache komplett zerstört wird, da dann die „inhaltliche Rechtsmacht“ wenigstens ebenso betroffen sein dürfte wie bei einer Wegnahme. Gössel beschränkt seine Rechtfertigung zudem leider auf Erwägungen zum Diebstahl. Den Unterschlagungstatbestand, der unstreitig den Gewahrsam nicht schützt und bei welchem daher ebenso wenig wie bei der Sachbeschädigung die „inhaltliche Rechtsmacht“ notwendigerweise beeinträch150 151

s. o. a); 1. Teil B. III. 3. c). s. aber die konsequente Gleichbehandlung bei Schönke/Schröder/Eser, § 242

Rn. 7. 152 153 154

Schönke/Schröder/Eser, § 242 Rn. 7. Gössel, BT 2, § 7 Rn. 6. Gössel, BT 2, § 4 Rn. 35.

A. Strafbarkeit des Empfängers

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tigt ist, bezieht er in seine Erwägungen nicht ein und zieht auch nicht die Konsequenz, insofern wenigstens Sachbeschädigung und Unterschlagung gleich zu behandeln. Die Verletzung des Gewahrsams kann aber auch die fehlende Eigentumsverletzung nicht kompensieren. Selbst wenn man den Gewahrsam als von § 242 StGB mitgeschützt betrachtet,155 reicht die Gewahrsamsbeeinträchtigung bei fehlender Eigentumsverletzung für eine Diebstahlsstrafbarkeit nicht aus: Willigt z. B. der Eigentümer in einen Diebstahl ein, so entfällt eine Diebstahlsstrafbarkeit selbst dann, wenn der Täter die Sache (z. B. einem Dritten) wegnimmt.156 Nicht nur die Ungleichbehandlung der h. M. spricht gegen das Kriterium des fehlenden Eigentümerinteresses. Es ist vielmehr weitgehend unklar, wie das fehlende Interesse genau bestimmt werden soll. Bei vielen Stellungnahmen wird nicht deutlich, ob die Interessen des Eigentümers objektiv oder subjektiv bestimmt werden sollen. So fragt sich, ob die objektive Wertlosigkeit der Sache notwendige Bedingung für das fehlende Eigentümerinteresse sein soll, oder ob es auch ausreichen kann, wenn die Sache lediglich für den Eigentümer wertlos ist, weil er ihren objektiven Wert nicht realisieren kann (wie dies bei der durch § 241a BGB geregelten Situation der Fall ist), oder er subjektiv kein materielles Interesse an der Sache hat. Ebenso unklar bleibt, ob das (fehlende) immaterielle Interesse sich ausschließlich am Willen des Eigentümers ausrichten soll oder ob dieses subjektive Interesse durch ein objektives Kriterium wie etwa Billigkeit oder Schutzwürdigkeit eingeschränkt werden kann. Das Kriterium des Eigentümerinteresses als ein den Tatbestand eines Eigentumsdeliktes einschränkendes Merkmal ist abzulehnen,157 insbesondere ist das Fehlen eines Erhaltungsinteresses keine Frage der Sachqualität.158 Und sofern bei fehlendem Eigentümerinteresse nicht die Sachqualität, sondern pauschal die Tatbestandsmäßigkeit oder generell die Schutzwürdigkeit verneint wird, so ist dies aus den bei der Erörterung der „scheinbaren Rechtsgutsverletzung“ genannten Gründen – insbesondere wegen der fehlenden Anbindung an ein Tatbestandsmerkmal – abzulehnen.159 Das Fehlen eines (schutzwürdigen) Erhaltungsinteresses ist vielmehr eine Frage der Rechtfertigung,160 insbesondere der Einwilligung bzw. mutmaßlichen Einwilligung.161 155

Dies ist aber abzulehnen, vgl. Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 6. Vgl. Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 6, 149. Das Tatbestandsmerkmal „Wegnahme“ bei einem Dritten entfällt dadurch jedoch nicht. 157 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 16; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 6; MKStGB-Schmitz, § 242 Rn. 9; SK-Hoyer, § 242 Rn. 7. 158 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 16; SK-Hoyer, § 242 Rn. 7; Mitsch, BT 2/1, § 5 Rn. 16. 159 Vgl. oben a). 160 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 16; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 6. 156

162

2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

bb) Unterschreitung der „Bagatellgrenze“ Überlegenswert erscheint die Frage, ob sich die Tathandlungen der §§ 242, 246, 303 StGB nicht aufgrund der Existenz des § 241a BGB als Bagatellen darstellen, die aus diesem Grund aus dem Tatbestand herauszunehmen sein könnten. Verschiedentlich wird in Literatur und Rechtsprechung vertreten, es gebe ein generelles Geringfügigkeitsprinzip, aufgrund dessen ganz geringfügige Verletzungen aus jedem Tatbestand herauszunehmen seien.162 Dies sei Ergebnis der teleologischen163 bzw. der verfassungskonformen Auslegung, welche das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen habe.164 Verwiesen wird u. a. auf den in Tatbeständen wie §§ 142,165 223,166 239,167 303168 StGB auch von der h. M. angenommenen Ausschluss von ganz geringfügigen Verletzungen.169 Ebenso wie dort müsse bei ganz geringen Rechtsgutsbeeinträchtigungen jeder andere Straftatbestand ausgeschlossen sein.170 Eine Geringfügigkeit der Rechtsgutsbeeinträchtigung ließe sich bei der Zerstörung, Wegnahme oder Zueignung der Sache in der durch § 241a BGB geregelten Konstellation durchaus – etwa wie folgt – vertreten: Durch die Regelung des § 241a BGB ist das Eigentumsrecht des Versenders derart ausgehöhlt, dass es nurmehr als nudum ius bezeichnet werden kann. Dadurch, dass dieses formale Recht so „schwach“ ist, muss sich eine Verletzung zwangsläufig als geringfügig darstellen. Diese Argumentation, die sich nach den Modellen der Bagatellgrenze anbietet, überzeugt indes nicht. Denn es ist unklar, an welchen Kriterien sich eine Geringfügigkeit der Rechtsgutsbeeinträchtigung generell, aber auch gerade bei 161

SK-Hoyer, § 242 Rn. 7, § 303 Rn. 3; MKStGB-Schmitz, § 242 Rn. 9. Ostendorf, GA 1982, 333 (344 f.); Maurach/Zipf, AT 1, § 13 Rn. 18; OLG Hamm NJW 1980, 2537. 163 Ostendorf, GA 1982, 333 (344 f.); Maurach/Zipf, AT 1, § 13 Rn. 18. 164 OLG Hamm NJW 1980, 2537. 165 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 142 Rn. 5: „Ein Unfall im Straßenverkehr ist ein plötzliches Ereignis . . . und zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt“. 166 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 223 Rn. 4: „Körperliche Mißhandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird“. 167 Vgl. nur Rengier, BT 2, § 22 Rn. 8: „. . . außerhalb des tatbestandlichen Schutzbereichs liegen lediglich zeitlich unerhebliche Beeinträchtigungen der Fortbewegungsfreiheit“. 168 Vgl. nur Tröndle/Fischer, § 303 Rn. 6: „Beschädigung ist jedenfalls eine nicht ganz unerhebliche Verletzung der Substanz . . .“. 169 Ostendorf, GA 1982, 333 (339 f.); OLG Hamm NJW 1980, 2537. 170 OLG Hamm NJW 1980, 2537; Ostendorf, GA 1982, 333 (344 f.). 162

A. Strafbarkeit des Empfängers

163

Eigentumsdelikten orientieren soll.171 Sollte Maßstab der objektive oder subjektive Wert der Sache sein? Ist die Bagatellgrenze unterschritten bei einem bloß geringfügig ausgeprägten Interesse an der Sache? Oder geht es tatsächlich um die Intensität der Ausprägung des Rechtsguts (also im Fall des Eigentums um die Ausprägung der Eigentümerbefugnisse aus § 903 BGB172), das im Fall einer geringfügigen Ausprägung auch nicht stärker als geringfügig verletzt werden kann? Die Vertreter des Geringfügigkeitsmodells erkennen zwar die Bedeutsamkeit der Rechtsgutsverletzung für die Tatbestandsauslegung. Sie entfernen sich allerdings zu weit von den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen und geraten damit argumentativ in die Nähe derjenigen Autoren, die zusätzlich zur Tatbestandsverwirklichung eine Rechtsgutsverletzung bzw. eine Strafwürdigkeitsprüfung fordern.173 Sie verkennen dabei, dass die h. M. in den genannten Beispielen zwar letztlich auch eine Rechtsgutsverletzung verneint, dies aber nicht abstrakt geschieht, sondern deswegen der Fall ist, weil der tatbestandlich beschriebene Verletzungserfolg bzw. ein sonstiges Tatbestandsmerkmal geringfügig geblieben ist. Dies ist in der Tat ein für einige Tatbestände legitimes Auslegungsergebnis. Pauschal übertragen lässt sich dies auf sämtliche anderen Tatbestände aber nicht, denn wie sollte etwa eine „geringfügige Wegnahme“ (alsbaldige Rückgabe? Relativ unsicherer neuer Gewahrsam?), eine „geringfügige Zueignung“ oder eine „geringfügige Tötung“ aussehen? Ein generelles Geringfügigkeitsprinzip, welches sich direkt auf die Geringfügigkeit der Rechtsgutsverletzung bezieht, ist aufgrund seiner Unbestimmtheit abzulehnen.174 Vielmehr bedarf es der Anknüpfung an ein Tatbestandsmerkmal. Welches dies im Fall der Zerstörung, Zueignung oder Wegnahme bei der Zusendung unbestellter Waren sein sollte, erschließt sich nach den Geringfügigkeitsmodellen nicht. cc) Der wirtschaftliche Fremdheitsbegriff Die Straflosigkeit des Empfängers, der die Sache zerstört, sich zueignet oder bei einem Dritten wegnimmt, ließe sich eventuell durch eine wirtschaftliche Bestimmung des Begriffes „fremd“ in den §§ 242, 246, 303 StGB erreichen.

171 Kritisch auch Lampe, FS Schmitt, S. 77 (91), der dem Geringfügigkeitsprinzip Beliebigkeit vorwirft. 172 Vgl. etwa SK-Hoyer, vor § 242 Rn. 1 ff. 173 Vgl. oben a) und II. 1.; gerade auch Ostendorf, GA 1982, 333 (344), wendet sich aber gegen eine Verselbstständigung des Strafwürdigkeitsaspekts. 174 Nach Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 13 Rn. 70a, belegen dies auch die Existenz der §§ 248a, 263 IV, 266 II StGB.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Nach nahezu einhelliger Meinung bezieht sich der Fremdheitsbegriff der sog. Eigentumsdelikte auf das formalrechtliche Eigentum.175 Fremd ist danach eine Sache für den Täter dann, wenn sie im (Mit-)Eigentum mindestens einer anderen Person steht.176 Zu dieser von der h. M. vorgenommenen Auslegung zwingt jedenfalls der Wortlaut der Vorschriften nicht. Und strafrechtliche Begriffe werden meist, wie auch die Diskussion um den strafrechtlichen Sachbegriff zeigt, autonom ausgelegt,177 so dass der Begriff „fremd“ nicht notwendig fremdes Eigentum bedeuten muss. Die h. M. sieht als Zielrichtung u. a. der §§ 242, 246, 303 StGB aber den Schutz des zivilrechtlichen Eigentums an, weshalb Maßstab der Fremdheit die Eigentumsverhältnisse zu sein hätten.178 Die von der h. M. angenommene Bindung an das zivilrechtliche Eigentum ist in der Literatur allerdings auf Kritik gestoßen. Argumentiert wird hierbei, die sog. Eigentumsdelikte erwähnten das Eigentum nicht.179 Auch wird die starre Bindung an das zivilrechtliche Eigentum oftmals für unbillig gehalten, insbesondere wenn Konstruktionen wie Vorbehaltseigentum oder Sicherungseigentum in Frage stehen, da die Strafbarkeit hier oftmals von zivilrechtlichen Nuancen abhänge.180 Diesen vermeintlichen Unbilligkeiten versucht Otto dadurch gerecht zu werden, dass er eine wirtschaftliche Bestimmung des Fremdheitsbegriffs vornimmt.181 Als gemeinsame Schutzrichtung aller Vermögensdelikte will er die freie Entfaltung der Persönlichkeit, bezogen auf den wirtschaftlichen Bereich, ansehen.182 Schutzgut der von der h. M. sog. Eigentumsdelikte könne nicht das Eigentumsrecht sein, da dieses gerade durch diese Delikte nicht verletzt werde.183 Vielmehr sei deren Schutzrichtung die Gewährleistung der Ausübung der umfassenden Sachherrschaft.184 Diese folge in der Regel – jedoch nicht notwendig – aus dem Eigentum, könne sich aber auch daraus ergeben, dass jemand, ohne Eigentümer zu sein, eine bessere Vermögensposition bzw. ein stärkeres Vermögensrecht an der Sache habe.185 Fremd nach dem wirtschaftlichen

175

Vgl. nur NK-Kindhäuser, § 242 Rn. 13. Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 22. 177 Vgl. hierzu Küper, JZ 1993, 435 (441). 178 Bockelmann, ZStW 69 (1957), 269 (286); Küper, JZ 1993, 435 (441). 179 Otto, Struktur, S. 146. 180 Baumann, ZStW 68 (1956), 522 ff.; ders., JZ 1972, 1 (4); Lampe, Eigentumsschutz im künftigen Strafrecht, in: Müller-Dietz (Hrsg.), Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik, S. 59 (63 ff.). 181 Otto, Struktur, S. 143 ff.; ders., Jura 1989, 137 ff. 182 Otto, BT, § 38 Rn. 3 ff. 183 Otto, BT, § 39 Rn. 3. 184 Otto, Struktur, S. 150; ders., BT, § 39 Rn. 3. 185 Otto, Struktur, S. 149 f.; ders., BT, § 40 Rn. 11. 176

A. Strafbarkeit des Empfängers

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Fremdheitsbegriff ist daher eine Sache, die dem Täter nicht gehört, weil ein anderer ein stärkeres Vermögensrecht an ihr hat.186 Otto benennt eine Reihe von Fallkonstellationen, in denen er ein gegenüber dem Handelnden stärkeres Vermögensrecht an einer Sache gegeben sieht, obwohl die Sache entweder herrenlos ist oder im Eigentum des Handelnden steht: So soll das bei den Angehörigen bestehende Verfügungsrecht über die Leiche des Verstorbenen nach dem wirtschaftlichen Fremdheitsbegriff dazu führen, dass es sich bei der Leiche um eine gegenüber Dritten fremde Sache handelt, obwohl Leichen grundsätzlich nicht eigentumsfähig sind.187 Bei einem durch einen Wilderer gefangenen, herrenlosen Tier soll der Wilderer ein gegenüber Dritten stärkeres Vermögensrecht haben und das Tier insofern für Dritte fremd sein, obwohl der Wilderer kein Eigentum hieran begründet hat (vgl. § 958 II BGB).188 Otto will ferner im Fall des Eigentumsvorbehaltskaufs, bei welchem das Eigentum nach Zahlung der letzten Rate nicht automatisch übergeht (bedingte Übereignung), sondern der Verkäufer lediglich verpflichtet wird, die Sache zu übereignen, die Fremdheit abweichend von der Eigentumslage bestimmen. In einem solchen Fall verbleibt zwar das Eigentum beim Verkäufer, dieses sei aber nach vollständiger Kaufpreiszahlung zum nudum ius geworden, weshalb die Sache aufgrund des stärkeren Vermögensrechts des Käufers als für den Verkäufer fremd zu betrachten sei.189 Gerade das letztgenannte Beispiel verdeutlicht, dass nach dem wirtschaftlichen Fremdheitsbegriff in der Konstellation des § 241a BGB die Fremdheit der Sache für den Empfänger verneint und für den Versender bejaht werden muss.190 Denn hier „(fallen) formale Eigentümerposition und materielle Vermögensposition“191 noch weitaus eindeutiger auseinander als beim beschriebenen Eigentumsvorbehaltskauf. Immerhin ist der Vorbehaltskäufer nicht notwendigerweise verfügungsbefugt,192 während dies beim Empfänger bei § 241a BGB der Fall ist.193 Anders als bei § 241a BGB kann – entgegen der Ansicht Ottos – bei der bloßen Nichterfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtung zur Übereignung auch nach Erfüllung der Vorleistungspflicht durch den Käufer noch nicht von einem nudum ius gesprochen werden.

186 187 188 189 190

Otto, Struktur, S. 149 f. Otto, Jura 1989, 137 (139); ders., BT, § 40 Rn. 14. Otto, Jura 1989, 137 (139). Otto, Struktur, S. 150 f. Dies verkennt Matzky, NStZ 2002, 458 (461). So jetzt aber Otto, Jura 2004, 389

(390). 191

Otto, Struktur, S. 150. Dies ist nur beim verlängerten Eigentumsvorbehalt der Fall, vgl. Medicus, BR, Rn. 532. 193 Vgl. oben 1. Teil B. III. 3. a). 192

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Folge der wirtschaftlichen Bestimmung der Fremdheit wäre nicht nur die Straflosigkeit des Empfängers, sondern zusätzlich dessen Schutz durch die sog. Eigentumsdelikte gegenüber Dritten einschließlich des Versenders.194 Der Ansatz der wirtschaftlichen Bestimmung der Fremdheit in den §§ 242, 246, 303 StGB überzeugt jedoch nicht. Auch wenn zuzugeben ist, dass es eine Vielzahl von Sonderformen des Eigentums, bestimmt durch vertragliche Abreden geben mag, in welchen die wirtschaftliche Zuweisung einer Sache zu einer Person oder mehreren Personen stark von der eigentumsrechtlichen Zuweisung abweicht, ist das Kriterium des stärkeren Vermögensrechtes nicht geeignet, die im Strafrecht erforderliche Bestimmtheit der Tatbestandsmerkmale zu gewährleisten.195 Dagegen kann das Eigentum stets eindeutig bestimmt werden. Wo die Grenze des stärkeren Vermögensrechtes gezogen wird, ist recht beliebig und vom Standpunkt des Betrachters abhängig. So ließe sich beim Eigentumsvorbehaltskauf das Überwiegen des Vermögensrechtes auch schon bejahen, sobald mehr als die Hälfte des Kaufpreises gezahlt ist. c) Tathandlungen Es soll untersucht werden, ob sich aufgrund der Existenz des § 241a BGB an tauglichen Tathandlungen zweifeln lässt. aa) Sozialadäquanz Die Strafbarkeit des Empfängers könnte deswegen zu verneinen sein, weil sich die fraglichen Handlungen als sozialadäquat darstellen könnten. Die von Welzel entwickelte Lehre der Sozialadäquanz beruht auf dem Gedanken, dass Handlungen, die sich „innerhalb der geschichtlich gewordenen sozialethischen Ordnungen des Gemeinschaftslebens bewegen“196 niemals einem Tatbestand unterfallen, auch wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Das Kriterium der Sozialadäquanz wird dabei als strafbarkeitseinschränkendes Instrument mit sehr unterschiedlichen Ansatzpunkten herangezogen:197 Teilweise wird die Sozialadäquanz als Tatbestandskorrektiv,198 teils als Rechtferti194

Otto, Jura, 2004, 389 (390); vgl. dazu noch unten C. I., II. Ebenso Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 69; Matzky, NStZ 2002, 458 (461). 196 Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 35; ders., ZStW 58 (1938), 491 ff. (516 f.). 197 Vgl. die Überblicke über Meinungsstand und Fallgruppen bei Roxin, FS Klug, S. 303 ff.; ders., AT 1, § 10 Rn. 33 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 13 Rn. 69 f., vor § 32 Rn. 107a; Eser, FS Roxin, S. 199 ff. Aktualität hat die Lehre von der Sozialadäquanz durch die unter dem Schlagwort „Beihilfe durch neutrale Verhaltensweisen“ geführte Diskussion erhalten, vgl. hierzu etwa Beckemper, Jura 2001, 163 ff.; Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139; Wessels/Beulke, AT, Rn. 582a. 195

A. Strafbarkeit des Empfängers

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gungsgrund,199 teils als Entschuldigungsgrund200 eingeordnet. Vielfach wird der Gedanke der Sozialadäquanz jedoch nur als Aspekt bei der Auslegung bzw. Reduktion einzelner Tatbestandsmerkmale zugelassen,201 teilweise wird er auch ganz abgelehnt.202 Die Überlegung, ob die fraglichen Handlungen des Empfängers mit der Lehre der Sozialadäquanz erfasst werden können, liegt deswegen nahe, weil eine gewisse Ähnlichkeit mit Fällen festzustellen ist, die regelmäßig als Beispiele für sozialadäquate Verhaltensweisen dienen. Legt man die Einteilung Roxins zugrunde, so existieren zwei Fallgruppen dieser Beispiele: Zum einen sind dies die Fälle der Schaffung eines rechtlich irrelevanten bzw. erlaubten Risikos, wie die Teilnahme am Straßenverkehr oder an Sportwettkämpfen.203 Zum anderen sind es die Fälle der das geschützte Rechtsgut lediglich geringfügig beeinträchtigenden und sozial allgemein tolerierten Handlungen, wobei hier als Beispiele das übliche Trinkgeld an den Postboten oder das Glücksspiel mit Kleinstbeträgen angeführt wurden.204 Die Nähe der Handlungen des Empfängers zur ersten Fallgruppe ließe sich mit der Behauptung herstellen, ein rechtlich relevantes Risiko für die Verletzung des Eigentums des Versenders könne der Empfänger deswegen nicht schaffen, weil dieses Risiko bereits durch die Existenz des § 241a BGB geschaffen ist. Und hinsichtlich der zweiten Fallgruppe ließe sich – entsprechend der im Rahmen der Diskussion des Geringfügigkeitsprinzips angedeuteten Argumentation – vertreten, das Eigentum des Versenders könne durch Handlungen des Empfängers lediglich geringfügig verletzt werden, da es als inhaltsleere Rechtsposition bloß geringfügig ausgeprägt sei.205 Auch wenn die – genau dies ist der Hauptkritikpunkt an der Lehre von der Sozialadäquanz – vagen206 Merkmale der Sozialadäquanz und ihrer Fallbeispiele ihre Anwendung möglich erscheinen lassen, so lassen die Versuche in der Literatur, das weite Kriterium der Sozialadäquanz genauer zu fassen, doch er198 Maurach/Zipf, AT 1, § 17 Rn. 21; Jescheck/Weigend, AT, S. 253; Ebert/Kühl, Jura 1981, 225 (226). Tröndle/Fischer, vor § 32 Rn. 12; Maurach/Zipf und Jescheck/ Weigend wollen allerdings vorrangig auf die anerkannten Auslegungsregeln zurückgreifen. 199 Schmidhäuser, SB, 6/102 ff.; ders., LB, 9/26 ff. 200 Roeder, Sozialadäquates Risiko, S. 74 ff. 201 Roxin, FS Klug, S. 303 (310 ff.); Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 35; Otto, AT, § 6 Rn. 71; Schönke/Schröder/Eser, vor § 13 Rn. 70; Lackner/Kühl, vor § 32 Rn. 29. 202 LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 29. 203 Roxin, FS Klug, S. 303 (310); ders., AT 1, § 10 Rn. 38. 204 Roxin, FS Klug, S. 303 (312). 205 Vgl. oben 1. b) bb). 206 Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 13 Rn. 70; vor § 32 Rn. 107a.; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 35; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 29.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

kennen, dass die für die Strafbarkeit des Empfängers fraglichen Handlungen nicht als sozialadäquat angesehen werden dürften. So heben Maurach/Zipf hervor, sozialadäquate Verhaltensweisen seien generell richtiges, sozial gebotenes und gebräuchliches Verhalten, während demgegenüber konkrete Konfliktsituationen durch Rechtfertigungsgründe geregelt würden.207 Neben einer solchen Gebräuchlichkeit208 scheint gemeinsames Kriterium der von der Lehre von der Sozialadäquanz erfassten Situationen zu sein, dass entweder die Rechtsgutsverletzung an sich (so etwa im Postbotenfall) oder jedenfalls die Situation, aus der typischerweise bzw. zwangsläufig Rechtsgutsverletzungen hervorgehen, einem als nützlich anerkannten Zweck dient (so der Straßenverkehr oder der Sportwettkampf).209 Den in der Fallgruppe des rechtlich irrelevanten bzw. erlaubten Risikos genannten Beispielen ist gemein, dass sie Situationen beschreiben, die – wie Sportwettkämpfe oder der Straßenverkehr – von eigenen Regeln durchsetzt sind. Schon die Gebräuchlichkeit der fraglichen Handlungen des Empfängers dürfte aber zweifelhaft sein. Jedenfalls lässt sich ein sozial nützlicher Zweck weder der konkreten Rechtsgutsverletzung, noch der Situation, aus der diese hervorgeht, ausmachen. Auch handelt es sich bei der Situation des Empfängers unbestellter Waren nicht um eine mit eigenen Regeln durchsetzte Situation im Sinne der zweiten Fallgruppe Roxins. Unter Zuhilfenahme des Gedankens der Sozialadäquanz lässt sich eine Strafbarkeit des Empfängers mithin nicht vermeiden. bb) Beschädigungshandlungen (§ 303 StGB), insbesondere Brauchbarkeitsminderungen Fraglich ist, ob Handlungen, die grundsätzlich dem § 303 StGB subsumiert werden, aus dem Grund als Tathandlungen ausscheiden könnten, dass es sich um unbestellte Sachen i. S. des § 241a BGB handelt. Sofern in der Literatur die 207 Maurach/Zipf, AT 1, § 17 Rn. 17 ff.; weshalb bei einer (ggf. schwerwiegenden und regelwidrigen) Körperverletzung im Rahmen eines Sportwettkampfes keine „konkrete Konfliktsituation“ vorliegen soll, wird indes nicht klar. Ganz ähnlich wie Maurach/Zipf, Jescheck/Weigend, AT, S. 253, die allerdings Sportwettkämpfe den Regeln der Einwilligung unterwerfen wollen. Roxin, FS Klug, S. 303 (305), betont zu Recht, dass sich auch gerechtfertigtes Verhalten „im Rahmen der sozialen Ordnung“ hält. 208 Eser, FS Roxin, S. 199 (211). 209 Das Element der Nützlichkeit betonen auch Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 34; „normativ billigenswert oder jedenfalls tolerabel“, Eser, FS Roxin, S. 199 (211).

A. Strafbarkeit des Empfängers

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Frage der Strafbarkeit eines Empfängers unbestellter Sachen wegen Sachbeschädigung aufgeworfen wird, wird an einer Tathandlung nicht gezweifelt.210 In Betracht kommen sollen drei Handlungsbeispiele: Der Empfänger verbrennt ein zugesandtes Buch im Kamin; der Empfänger reißt eine Seite aus dem zugesandten Buch heraus; der Empfänger bringt eine zugesandte Loseblattsammlung durcheinander. Grundsätzlich wären die Beispiele unproblematische Fälle einer Zerstörung bzw. Beschädigung i. S. des § 303 StGB. Zweifel könnten sich insbesondere im letztgenannten Beispiel (für eine als Beschädigung anzusehende Brauchbarkeitsminderung) aber dann ergeben, wenn man die sog. Zustandsveränderungstheorie zugrundelegt. Der wesentliche Unterschied zwischen dieser und der in Literatur und Rechtsprechung überwiegenden Auffassung besteht in der Person, nach welcher der Zweck der Sache zu bestimmen ist, an wessen Interesse sich die Brauchbarkeitsminderung211 der Sache also misst.212 Die herrschende Literaturmeinung und die Rechtsprechung legen eine objektive Sichtweise zugrunde,213 stellen also auf generelle, sozialübliche Zwecke für derartige Sachen ab. Die Zustandsveränderungstheorie legt demgegenüber bei der Frage nach einer Brauchbarkeitsminderung214 einen subjektiven, am Eigentümerinteresse orientierten Maßstab an.215 Dies folge aus der auf § 903 BGB beruhenden individuellen Zweckbestimmung, die der Eigentümer der Sache verleihen könne.216 Eine objektive Zweckbestimmung lasse sich angesichts der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten einer Sache ohnehin nicht ausmachen.217 Hinzugefügt wird 210 Vgl. Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (246, 253); Matzky, NStZ 2002, 458 (460); Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 22; Wessels/Beulke, AT, Rn. 283a; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 17; Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 7; Wilmer/ Hahn, § 241a Rn. 21; Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453 f.); Link, NJW 2003, 2811 (2812 Fn. 14); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 166 f.; Riehm, Jura 2000, 505 (512); Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 87; Erman/Saenger, § 241a Rn. 27 f.; Bamberger/Roth/Grüneberg, § 241a Rn. 10; Dornheim, Sanktionen, S. 221. 211 Heute unstreitig ist das Erfordernis einer Einwirkung auf die Sache, anders aber etwa Kohlrausch/Lange, § 303 Anm. III. 212 SK-Hoyer, § 303 Rn. 8; Gössel, BT 2, § 4 Rn. 17; Seelmann, JuS 1985, 199. 213 BGHSt 29, 129 (133); Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 20; Rengier, BT 1, § 24 Rn. 14; Krey/Hellmann, BT 2, Rn 240, 253; Seelmann, JuS 1985, 199 (200). 214 Bei einer Substanzverletzung wird auch von den meisten Vertretern der Zustandsveränderungstheorie eine Beschädigung stets bejaht, so Gössel, BT 2, § 4 Rn. 27, 34; Otto, BT, § 47 Rn. 6; Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 8a; Küper, BT, S. 240; anders aber SK-Hoyer, § 303 Rn. 7. 215 Schroeder, JR 1976, 338 (339); ders., JZ 1978, 72 f.; SK-Hoyer, § 303 Rn. 10; Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 8c; Gössel, BT 2, § 4 Rn. 17, 26; Otto, BT, § 47 Rn. 9; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 11. 216 SK-Hoyer, § 303 Rn. 9; Schroeder, JZ 1978, 72 f.; Gössel, BT 2, § 4 Rn. 17.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

teilweise, dass die Zugrundelegung der Interessen des Eigentümers nicht notwendig dessen aktuelle Willensbildung voraussetze, sondern sich auch an der von seinem Standpunkt ermittelten Interessenlage orientieren könne.218 Häufig findet sich der Zusatz, es müsse sich aber um ein „vernünftiges Interesse an der Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes“ handeln.219 Konsequenz der Zustandsveränderungstheorie ist die Einbeziehung etwa auch von Reparaturen an der Sache, die nicht dem Willen des Eigentümers entsprechen.220 In den hier genannten drei Beispielen wirken sich die Meinungsunterschiede unter normalen Umständen nicht aus. Zerstörungen und Substanzverletzungen werden ohnehin meist von beiden Meinungslinien dem Sachbeschädigungstatbestand subsumiert.221 Aber auch beim genannten Umsortieren bzw. auch beim Auseinandernehmen einer Uhr bejahen beide Meinungen eine Beschädigung, da hier objektive und subjektive Zweckbestimmung in aller Regel übereinstimmen werden.222 Bei konsequentem Abstellen auf den Willen bzw. die Interessen des Eigentümers muss in Fällen der Brauchbarkeitsminderung jedoch gefragt werden, ob die Handlung tatsächlich seiner Zweckbestimmung widerspricht. Stimmt die Handlung mit der Zweckbestimmung überein, so muss hiernach eine Beschädigung verneint werden.223 Eine Reparatur ist nicht per se eine Beschädigung, sondern nur bei gegenteiliger Zweckbestimmung durch den Eigentümer.224 Ebenso kommt es etwa beim Nachwürzen von Speisen auf die Gewohnheiten des Eigentümers an.225 Und ferner muss bei einem der (subjektiven!) Bestimmung entsprechenden Verbrauch eine Beschädigung verneint werden.226 Wird 217

Gössel, BT 2, § 4 Rn. 17. Schroeder, JR 1976, 338 (339). 219 Schroeder, JR 1976, 338 (339); ders., JZ 1978, 72 (73); Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 8c.; Küper, BT, S. 240. 220 SK-Hoyer, § 303 Rn. 10; a. A. (auf Grundlage der Zustandsveränderungstheorie) Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 10; Küper, BT, S. 240. 221 Von einigen Vertretern beider Meinungen wird aber auch bei einer Substanzverletzung kumulativ eine (je nach Meinung objektiv oder subjektiv zu bestimmende) Brauchbarkeitsminderung verlangt, so etwa Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 242; BGH NStZ 1982, 508 (509); SK-Hoyer, § 303 Rn. 7. 222 Z. B. Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 243; Rengier, BT 1, § 24 Rn. 5; Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 8b. 223 So konsequent SK-Hoyer, § 303 Rn. 9. 224 SK-Hoyer, § 303 Rn. 10; Gössel, BT 2, Rn. 32; eine Reparatur als Beschädigung anzusehen, lehnen Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 10; Küper, BT, S. 240, aber ab, obwohl sie die Zustandsveränderungstheorie vertreten. 225 SK-Hoyer, § 303 Rn. 9. 226 SK-Hoyer, § 303 Rn. 15; auf eine objektive Bestimmung scheinen demgegenüber Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 10, abzustellen, obwohl die sie Zustandsveränderungstheorie vertreten. 218

A. Strafbarkeit des Empfängers

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ein fremder Laib Brot gegessen, so hängt die Strafbarkeit aus § 303 StGB davon ab, ob der Eigentümer den Laib Brot zum Essen oder aber z. B. zum Verfüttern an Enten gedacht hat. Sofern also im Beispiel der Loseblattsammlung der Eigentümer diese nicht als Nachschlagewerk verwenden will, sondern etwa als Spielzeug, bei welchem sein subjektiver Zweck darin besteht, die Seiten ständig wahllos umzusortieren, müsste eine Brauchbarkeitsminderung und daher eine Beschädigung verneint werden. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob § 241a BGB für die Fallgruppe der Brauchbarkeitsminderung Einfluss auf die Bestimmung der individuellen Interessenlage haben kann. Sofern nämlich auf die aus § 903 BGB folgende Möglichkeit der individuellen Zweckbestimmung abgestellt wird, muss gefragt werden, wie es sich verhält, wenn die in § 903 BGB grundsätzlich gewährten Möglichkeiten ausnahmsweise nicht bestehen bzw. ob etwa auch verbotene Zwecksetzungen erfasst sind. Jedenfalls verbotene Verhaltensweisen dürfte das von der Zustandsveränderungstheorie aufgestellte Kriterium der vernünftigen Zwecksetzung von der Zwecksetzung ausnehmen. § 241a BGB nimmt dem Eigentümer jede Art der grundsätzlich durch § 903 BGB gewährten Nutzungsmöglichkeiten, so dass es keine Nutzungsart gibt, an welcher der Eigentümer ein Interesse hat bzw. vernünftigerweise haben kann. Die Minderung der Brauchbarkeit der Sache zu einem von ihm bestimmten Zweck ist damit ausgeschlossen.227 Bloße Brauchbarkeitsminderungen müssten auf Grundlage der Zustandsveränderungstheorie daher als taugliche Sachbeschädigungshandlungen im Rahmen von § 241a BGB ausscheiden.228 Die von der Zustandsveränderungstheorie vorgenommene Subjektivierung der Brauchbarkeit der Sache ist indes abzulehnen. Sie führt zu einer bedenklichen Entfernung vom Begriff der Beschädigung. Die angestrebte Orientierung am Rechtsgut Eigentum ist zwar grundsätzlich billigenswert. Das bedeutet aber noch nicht, dass die Tathandlung bzw. der Taterfolg für diese Berücksichtigung Spielraum bietet. Beschädigen ist ein deskriptives Tatbestandsmerkmal.229 Für die Beantwortung der Frage, ob eine Sache beschädigt ist, ist es unerheblich, wem die Sache gehört bzw. wer sie beschädigt hat. Auch ein Eigentümer kann

227 Da § 241a BGB nicht nur dem Eigentümer seine Nutzungsbefugnisse aus § 903 BGB nimmt, sondern diese dem Empfänger zuweist, könnte auf Grundlage der Zustandsveränderungstheorie sogar zu fragen sein, ob nunmehr letzterer derjenige ist, auf dessen subjektive Zwecksetzung es ankommt, vgl. hierzu auch unten C. II. 228 Dies gilt dann ebenfalls für Substanzverletzungen, wenn man, wie SK-Hoyer, § 303 Rn. 7, auch bei Substanzverletzungen eine Brauchbarkeitsminderung verlangt. 229 So auch Matzky, NStZ 2002, 458 (460).

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

seine Sache (durch Brauchbarkeitsminderung) beschädigen. Seine Strafbarkeit scheitert nicht etwa am Merkmal „beschädigt“ (weil die Handlung seiner Zwecksetzung entspräche), sondern an der mangelnden Fremdheit der Sache. Sofern mit der Subjektivierung eine Ausweitung der Strafbarkeit bewirkt wird, wie bei der Reparatur von Sachen, entfernt sich dies zu weit vom Wortlaut des § 303 StGB.230 § 303 StGB schützt den Eigentümer eben nicht umfassend gegen Beeinträchtigung seiner Befugnisse aus § 903 BGB, sondern nur gegen die in den Tathandlungsalternativen beschriebenen Angriffsarten.231 In vielen Abhandlungen wird vernachlässigt, dass mit der Subjektivierung aber logisch zwingend auch eine Einschränkung der Strafbarkeit einhergeht, nämlich dann, wenn die Handlung des Täters nicht der objektiven, wohl aber der subjektiven Zwecksetzung des Eigentümers entspricht. Dies aber verlagert nicht nur Fragen der Rechtswidrigkeit, insbesondere der (mutmaßlichen) Einwilligung auf Tatbestandsebene, sondern gerät auch in Konflikt mit der Einwilligungsdogmatik. Kriterien wie die Notwendigkeit der Einwilligungserklärung, der objektiven Schranken, der Freiheit von Willensmängeln oder der Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung laufen Gefahr, vernachlässigt zu werden. Zudem weisen viele eine subjektive Sichtweise befürwortende Abhandlungen Widersprüche auf. So wird nicht hinreichend deutlich, weshalb für Zerstörungen oder Substanzverletzungen die individuelle Zwecksetzung unberücksichtigt bleibt.232 Ebenso wenig leuchtet es ein, auf Grundlage der Zustandsveränderungstheorie Reparaturen mit dem Argument nicht als Beschädigungen anzusehen, dass ein eventuelles Interesse am bisherigen Zustand der Sache zu Beweiszwecken nicht geschützt sei.233 Und schließlich wäre es widersprüchlich, beim „bestimmungsgemäßen Verbrauch“ wieder einen objektiven Maßstab anzulegen.234 § 241a BGB hat folglich keine Auswirkungen auf die Frage, ob ein Verhalten des Empfängers als Zerstörung oder Beschädigung i. S. des § 303 StGB angesehen werden kann.

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Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 240. Seelmann, JuS 1985, 199 (200). 232 Auf Grundlage der Auffassung von SK-Hoyer, § 303 Rn. 7, der eine Brauchbarkeitsminderung auch für die Substanzverletzung fordert, müsste auch diese (also beim genannten Beispiel des Herausreißens einer Buchseite) hier ausscheiden. 233 So wohl Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 10. Weshalb sollte die Nutzung einer Sache zu Beweiszwecken nicht von § 903 BGB geschützt sein? Und sofern Küper, BT, S. 240, auf Grundlage der Zustandsveränderungstheorie argumentiert, eine Reparatur sei als Zustandsverbesserung keine Beschädigung, ist dies wiederum eine objektive Sichtweise. 234 So wohl Schönke/Schröder/Stree, § 303 Rn. 10. 231

A. Strafbarkeit des Empfängers

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cc) Zueignung (§ 246 StGB) bzw. Zueignungsabsicht (§ 242 StGB) Keine der Abhandlungen in der Literatur zur Frage der Strafbarkeit des Empfängers unbestellter Sachen aus § 246 StGB lässt ernsthaft Zweifel daran aufkommen, dass beispielsweise mit dem Verbrauch oder der Weiterveräußerung der Sache taugliche Unterschlagungshandlungen vorliegen können.235 Auf den ersten Blick verwundert dies nicht, sind doch der Verbrauch236 und die Veräußerung237 einer fremden Sache geradezu Standardbeispiele für Zueignungshandlungen. Gleiches gilt für die häufig genannten Beispiele des Signierens eines fremden Buches238 oder des endgültigen Einreihens in den eigenen Bücherbestand.239 Bei näherer Betrachtung bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Sichtweise. Bekanntlich ist der Begriff der Zueignung des § 246 StGB umstritten.240 Weitgehende Einigkeit besteht nur darüber, dass sich die Begriffe der Zueignung des § 246 StGB und der Zueignungsabsicht des § 242 StGB inhaltlich gleichen, sich also aus den Elementen „vorübergehende Aneignung“ und „dauerhafte Enteignung“ zusammensetzen.241 Zweifel an einer Zueignungshandlung des Empfängers bestehen zunächst hinsichtlich einer dauerhaften Enteignung, und zwar unabhängig davon, ob objektiv der Taterfolg einer dauerhaften Enteignung verlangt wird,242 ob objektiv ein irgendwie gearteter Gefahrerfolg vorausgesetzt wird243 oder ob das Erfordernis der Dauerhaftigkeit der Enteignung bloß als Element des Zueignungswillens verstanden wird, der sich objektiv manifestieren muss.244 235 Vgl. Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (246, 257); Matzky, NStZ 2002, 458 (460); Rengier, BT 1, § 5 Rn. 6; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 17, 294; Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 202 f.; Jäger, AT, Rn. 163; Wilmer/Hahn, § 241a Rn. 21; Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 43; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S. 274 f.; Riehm, Jura 2000, 505 (512); Schwarz, NJW 2001, 1449 (1454); Joecks, § 246 Rn. 32; Dornheim, Sanktionen, S. 221. 236 s. nur Schönke/Schröder/Eser, § 246 Rn. 14. 237 s. nur Schönke/Schröder/Eser, § 246 Rn. 16. 238 Rengier, BT 1, § 5 Rn. 10a. 239 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 280. 240 Vgl. den Überblick über den Streitstand bei Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 279 f. 241 Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 31 f.; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 279; Rengier, BT 1, § 5 Rn. 7; dies scheint Matthies, Studien, S. 122 ff., für die Manifestationstheorie zu verkennen. 242 So z. B. SK-Hoyer, § 246 Rn. 22. 243 So etwa Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 34 Rn. 27; Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 35; Degener, JZ 2001, 388 (398). 244 So die herrschende Manifestationstheorie, etwa Rengier, BT 1, § 5 Rn. 10a; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 280; Schönke/Schröder/Eser, § 246 Rn. 10 f.; Lackner/Kühl, § 246 Rn. 4; BGHSt 34, 309 (312).

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Der Täter muss die dauerhafte Enteignung bzw. deren Gefahr bewirken (wollen). Dies bedeutet, dass er den Eigentümer aus dessen wirtschaftlicher Position verdrängen (wollen) muss245 bzw. ihm Nutzungsmöglichkeiten entziehen (wollen) muss.246 Zumindest subjektiv muss der Täter die Position des Eigentümers verschlechtern. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Selbstzueignung oder eine Drittzueignung in Frage steht, denn der Enteignungserfolg ist bei beiden derselbe.247 Wie bereits gezeigt, hat der Versender als Eigentümer aber schon aufgrund der gesetzlichen Anordnung des § 241a BGB keine (realistische) „Chance auf Wiedererlangung“248, die verschlechtert werden könnte.249 Er verfügt über keinerlei rechtlich durchsetzbare „Nutzungsmöglichkeiten“250, die ihm noch entzogen werden könnten. Er ist schon vor der Handlung des Empfängers seiner „Macht über die Sache“251 entkleidet und ihm steht nicht mehr die Möglichkeit zu, „mit der ihm gehörenden Sache als (unmittelbarer oder mittelbarer) Besitzer nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903 BGB)“252. Eine eventuelle „Rückkehr der Sache zum Eigentümer“ wäre bereits vor der fraglichen Handlung „zufällig“.253 Die (gewollte) Enteignung würde also nicht durch den Empfänger bewirkt. Auch ein (Selbst-)Aneignungswille des Empfänger lässt sich aus den genannten Gründen bestreiten. Der auf die Errichtung einer faktischen Eigentümerstellung gerichtete Wille liegt deswegen nicht vor, weil eine faktische Eigentümerstellung des Empfängers bereits besteht; dieser hat es also nicht nötig, eine solche errichten zu wollen. Ebenso wenig, wie zivilrechtlich eine als Kaufvertragsannahme auszulegende Aneignungs- und Gebrauchshandlung i. S. des § 151 S. 1 BGB vorliegt,254 kann eine Aneignung im strafrechtlichen Sinn bejaht werden. 245 Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 152a; „de facto Verdrängung des de jure Eigentümers aus der Macht über die Sache (Sachsubstanz) auf Dauer“, Arzt/Weber, BT, § 15 Rn. 22; auf den Verlust der Rechtsposition des Eigentümers kommt es dagegen nicht an, Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 41. 246 SK-Hoyer, § 246 Rn. 25. 247 Dencker/Sruensee/Nelles/Stein, Einführung, S. 19; Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 83; Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 126. Dahinstehen kann daher hier, ob es sich bei einer Weiterveräußerung der Sache durch den Empfänger um eine Selbstzueignung und/oder eine Drittzueignung handelt. Zum Überblick über den Meinungsstreit zum Parallelproblem beim Diebstahl vgl. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 155. 248 Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 32, 35, 39; ähnlich Degener, JZ 2001, 388 (398). 249 s. o. 1. Teil B. III. 1. a). 250 SK-Hoyer, § 246 Rn. 25. 251 Arzt/Weber, BT, § 15 Rn. 22. 252 Kindhäuser, BT 2, § 6 Rn. 14. 253 Vgl. Arzt/Weber, BT, § 15 Rn. 30; s. auch oben 1. Teil B. III. 3. c). 254 Vgl. oben 1. Teil B. III. 1. e).

A. Strafbarkeit des Empfängers

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Zu diesem Ergebnis gelangt man auch dann, wenn man sich wie Kindhäuser an den Wertungen der zivilrechtlichen Besitzverhältnisse orientiert. Er verneint etwa dann eine Manifestation des Zueignungswillens, wenn sich der Täter äußerlich im Rahmen eines ihm zustehenden Besitzrechtes bewegt.255 Für die Bejahung einer Zueignungshandlung sei dagegen erforderlich, dass der Täter die Besitzlage dadurch ändere, dass er den Besitzmittlungswillen gegenüber dem Eigentümer aufgibt und entweder sich Eigenbesitz verschaffen will oder seine Sachherrschaft für einen Dritten als Fremdbesitzer ausübt.256 Wie gezeigt hat der Empfänger ein aus § 241a BGB abzuleitendes dauerhaftes Recht zum Besitz,257 das inhaltlich unbeschränkt ist, in dessen Rahmen sich also jede seiner Handlungen bewegt. Der Versender hat keinen mittelbaren Besitz an der Sache, da ein Besitzmittlungsverhältnis nicht besteht.258 Und Eigenbesitz muss sich der Empfänger nicht erst verschaffen wollen, da er schon aufgrund der Regelung des § 241a BGB Eigenbesitz haben wird.259 Die Verneinung einer Zueignung durch den Empfänger beruht letztlich auf den selben Gründen, aus denen eine Wiederholbarkeit der Zueignung260 richtigerweise ausgeschlossen werden sollte,261 jedenfalls dann, wenn die Handlung keine weitere Verringerung der Chancen des Eigentümers auf Wiedererlangung bewirkt.262 Denn Zueignung bedeutet das Schaffen einer Herrschaftsbeziehung, welches die Merkmale der Aneignung und Enteignung enthalten muss, also nicht bloß eine Konkretisierung263 bzw. ein Aufrechterhalten264 oder das Ausnutzen265 der Verfügungsgewalt.266 Etwas, was man bereits hat, kann man sich nicht zueignen.267 255

Kindhäuser, BT 2, § 6 Rn. 11. Kindhäuser, BT 2, § 6 Rn. 8, 18. 257 s. o. 1. Teil B. III. 3. a). 258 Der Empfänger ist nicht nur auf Zeit zum Besitz berechtigt, vgl. Palandt/Bassenge, § 868 Rn. 6. 259 Vgl. oben 1. Teil B. III. 3. f). 260 Zum Streit vgl. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 301 ff. 261 So die sog. Tatbestandslösung, BGHSt 14, 38 (43); Otto, Struktur, S. 112; Rengier, BT 1, § 5 Rn. 22; Lackner/Kühl, § 246 Rn. 7; Kindhäuser, BT 2, § 6 Rn. 40. 262 Auf die weitere Chancenverringerung stellen ab Bockelmann, JZ 1960, 621 (624); Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 53; vgl. auch BGHSt 14, 38 (44); gegen diesen Ansatz Otto, Struktur, S. 114 f. 263 Kindhäuser, BT 2, § 6 Rn. 40. 264 Otto, Struktur, S. 112 f. 265 BGHSt 14, 38 (43). 266 Auch eine evtl. als Drittzueignung zu qualifizierende zweite Zueignungshandlung muss die Merkmale der vorübergehenden Aneignung und der dauerhaften Enteignung enthalten, vgl. Rengier, BT 1, § 5 Rn. 23a. Jedenfalls dort, wo eine dauerhafte Enteignung nicht gegeben sein kann, weil der Eigentümer restlos enteignet ist, bzw. seine Chancen auf Rückerlangung durch die nachfolgende Drittzueignung nicht weiter verschlechtert werden, sollte eine nachfolgende Drittzueignung verneint werden. Zu 256

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Matzky argumentiert demgegenüber, den Gebrauch/Verbrauch unbestellt zugesandter Sachen aus dem Kreis der tauglichen Zueignungshandlungen herauszunehmen, sei nicht möglich, da dann die Definition der Zueignungshandlung um den Zusatz ergänzt werden müsste „. . . sofern es sich nicht um eine unbestellt zugesandte Sache handelt.“268 Dies offenbare aber, dass es sich nicht um eine Frage der Tathandlung, sondern um eine solche des Tatobjekts handele.269 Dem ist zu widersprechen. Das Herausnehmen der Handlungen des Empfängers aus dem Kreis der tauglichen Zueignungshandlungen beruht nicht auf einer veränderten Zueignungsdefinition, sondern ist das Ergebnis eines Subsumtionsvorganges. Das Ergebnis eines Subsumtionsvorganges setzt Matzky indes schon voraus, wenn er etwa im Verbrauchen eine Zueignungshandlung sehen will. Eine Unterschlagung scheitert daher genau genommen bereits am Fehlen einer Zueignungshandlung des Empfängers. Die Zueignung(-sabsicht) dürfte auch im Rahmen eines Diebstahls durch den Empfänger zu verneinen sein, der zunächst dann in Betracht kommt, wenn ein Dritter die Sache erlangt hat, dem der Empfänger sie wieder wegnimmt.270 Allerdings lässt sich auch hier vertreten, dass eine Enteignung nicht auf dem Täterhandeln sondern auf der gesetzlichen Regelung des § 241a BGB beruht. Eine Enteignung käme lediglich dann in Betracht, wenn sich die Chancen des Eigentümers, die Sache zurückzuerlangen, zwischenzeitlich wieder verbessert hätten. Dies ist aber nicht der Fall: Nimmt der Empfänger die Sache einem Dritten weg, dem er sie zuvor überlassen hat, so waren die Chancen des Eigentümers nicht erhöht, weil seine Herausgabeansprüche aufgrund der dann bestehenden Besitzrechtsbrücke zum Dritten nicht durchsetzbar wären.271 Aber auch bei einer Wegnahme durch den Empfänger in dem Fall, dass der Dritte die Sache dem Empfänger weggenommen hatte, eine Besitzrechtsbrücke also nicht besteht, sowie sogar im Fall einer Wegnahme beim Eigentümer, der die Sache entweder selbst dem Empfänger weggenommen hat oder sie vom Dritten erlangt hat, ist eine zwischenzeitliche Chancenerhöhung des Eigentümers zu verneinen. Im ersten Fall kann er die Herausgabe zwar (grundsätzlich) nur an den dieser – noch weitgehend ungeklärten – Frage vgl. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 303a; Rengier, BT 1, § 5 Rn. 23a; Mitsch, ZStW 111 (1999), 65 (92 f.). 267 Vgl. Otto, Struktur, S. 112. Unstimmig, weil es mit dem Begriff der Begründung einer Herrschaftsbeziehung nichts zu tun hat, ist aber in der Tat das von der „Tatbestandslösung“ meist verlangte Erfordernis der Strafbarkeit der erstmaligen Begründung der Herrschaftsbeziehung, so zutreffend Schönke/Schröder/Eser, § 246 Rn. 19; Arzt/Weber, BT, § 15 Rn. 46; ausführlich Roth, Eigentumsschutz, S. 66 ff., der hierin einen normlogischen Widerspruch sieht. 268 Matzky, NStZ 2002, 458 (460). 269 Matzky, NStZ 2002, 458 (460). 270 An der Tathandlung „Wegnahme“ lässt § 241a BGB nicht zweifeln. 271 s. o. 1. Teil B. III. 3. a).

A. Strafbarkeit des Empfängers

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Empfänger verlangen,272 aber es besteht immerhin die Chance, dass sich der Dritte dennoch zur Herausgabe an den Eigentümer überreden lassen wird. Im zweiten Fall hat er die Sache bereits wiedererlangt. Doch müsste der Eigentümer in beiden Fällen die Sache an den Empfänger herausgeben,273 so dass die durch § 241a BGB bewirkte dauerhafte Enteignung fortbesteht. Eine „Chance auf Wiedererlangung“274 hat nur dann Bedeutung für das Bestehen oder Nichtbestehen einer dauerhaften Enteignung, wenn die Zurückerlangung der Sache unter Zurückerlangung der Eigentümerbefugnisse aus § 903 BGB erfolgt.275 dd) Ergebnis zu c) Anders als eine Sachbeschädigungshandlung lässt sich eine Unterschlagungshandlung des Empfängers verneinen. Angesichts der Tatsache, dass eine Unterschlagungshandlung in der Literatur durchweg für möglich gehalten wird, sollen die folgenden Untersuchungen nicht auf Sachbeschädigungshandlungen beschränkt werden. Wie zu zeigen sein wird, existiert nämlich auch ein Kriterium, welches geeignet ist, die Strafbarkeit aus sämtlichen Eigentumsdelikten auszuschließen. d) Exkurs: Beschützergarantenstellung und Veruntreuung (§ 246 II StGB) Es fragt sich, ob eine Verwirklichung insbesondere der Tatbestände der Unterschlagung und der Sachbeschädigung in Bezug auf die zugesandte Sache durch unechtes Unterlassen (§ 13 I StGB) des Empfängers denkbar ist. Eine hierfür erforderliche Garantenstellung kommt allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer durch freiwillige bzw. faktische Übernahme276 begründeten Beschützergarantenstellung in Betracht. Allein in der Entgegennahme der Sache kann eine freiwillige Übernahme allerdings nicht erblickt werden. Denn hierfür wäre erforderlich, dass der zu schützende Eigentümer auf eine ausdrückliche 272 Dies ergibt sich aus einem Erst-Recht-Schluss zu § 986 I 2 BGB, MK-Medicus, § 986 Rn. 25; Staudinger/Gursky, § 986 Rn. 42 (ganz h. M.); vgl. auch oben 1. Teil B. III. 3. a), c) und unten C. I. 273 s. o. 1. Teil B. III. 5. 274 Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 32, 35, 39. 275 Die Rückerlangung der Sache wäre die Rückerlangung des bloßen Gewahrsams. Dies reicht aber für einen Ausschluss der Enteignung ebenso wenig aus, wie die bloße Erlangung des Gewahrsams Zueignung sein kann, vgl. Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 101. Die Rückerlangung ändert nichts am für die dauerhafte Enteignung maßgeblichen Kriterium, dass „. . . der Eigentümer eine von ihm gewünschte („nach Belieben“) Nutzungsmöglichkeit („mit der Sache . . . zu verfahren“) endgültig nicht mehr zur Verfügung hat.“, SK-Hoyer, § 242 Rn. 25. 276 Vgl. hierzu z. B. Kühl, AT, § 18 Rn. 68 ff.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

oder konkludente Schutzzusage berechtigterweise vertrauen darf.277 Der Empfänger müsste sich also vom Versender „beim Wort nehmen lassen können“.278 Hiervon kann keine Rede sein: Allein in der passiven Annahme der Sache kann das Setzen eines Vertrauenstatbestandes nicht gesehen werden.279 Aus demselben Grund scheidet der Qualifikationstatbestand der Veruntreuung (§ 246 II StGB) zulasten des Versenders aus. Kommentierungen wie „[ein Anvertrauensverhältnis besteht] bereits dann, wenn dem Täter Gewalt über die Sache zugestanden wird im Vertrauen darauf, er werde mit der Sache nur im Sinne des Anvertrauenden verfahren“280 scheinen ein Anvertrauensverhältnis zwar zuzulassen. Für Vertrauen muss der Täter aber einen Anlass gegeben haben; erforderlich ist begründetes Vertrauen.281 Es bedarf daher eines Konsenses zwischen den Beteiligten.282 Einseitige Erwartungen bzw. aufgedrängte Vertrauensstellungen scheiden aus.283 2. Lösungsansätze auf Rechtswidrigkeitsebene Die verfassungsrechtlich notwendige Straflosigkeit des Empfängers könnte sich auf Rechtswidrigkeitsebene erzielen lassen. a) Rechtfertigung durch zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe In Betracht kommt zunächst eine Rechtfertigung durch zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe. Der Blick in den zivilrechtlichen Teil der Arbeit ergibt ein aus verfassungsrechtlicher Sicht erfreuliches Bild: Wie gesehen, kann eine Rechtfertigung zunächst an die Besitzbeeinträchtigung des Empfängers anknüp277 Maiwald, JuS 1981, 473 (481); Roxin, AT 2, § 32 Rn. 55; NK-Seelmann, § 13 Rn. 42; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 58, 62; Wessels/Beulke, AT, Rn. 720; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 9; Kühl, AT, § 18 Rn. 70; Schönke/Schröder/Stree, § 13 Rn. 28. 278 MKStGB-Freund, § 13 Rn. 161. 279 Vgl. hierzu oben 1. Teil A. I. 2. b) aa). Eine andere, hier nicht näher zu vertiefende Frage ist, ob der Empfänger für eine zugesandte Sache, die eine Gefahrenquelle für andere Rechtsgüter darstellt, eine Überwachergarantenstellung aufgrund der Beherrschung einer Gefahrenquelle innehaben kann. Obwohl die Sache ihm vom Versender aufgedrängt wurde, dürfte eine Garantenstellung wohl zu bejahen sein, denn hierbei kommt es auf eine freiwillige Übernahme nicht an, da sich die Gemeinschaft darauf verlassen können muss, dass, wer die Verfügungsgewalt über einen bestimmten Herrschaftsbereich ausübt, aus dem auf andere eingewirkt werden kann, die Gefahren beherrscht, die sich hieraus ergeben können, vgl. Jescheck/Weigend, AT, S. 627. 280 Schönke/Schröder/Eser, § 246 Rn. 29. 281 Arzt/Weber, BT, § 15 Rn. 35. 282 Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 62. 283 Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 63; eine „Verpflichtung, die Sache zu einem bestimmten Zweck zu verwenden . . .“, Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 295, kann einseitig nicht begründet werden.

A. Strafbarkeit des Empfängers

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fen. Sofern die Handlung des Empfängers zur Beseitigung der Beeinträchtigung erforderlich und geboten ist, greifen die Rechtfertigungsgründe der §§ 859 I284 und 227 BGB285 ein. Darüber hinaus wird jede durch den Empfänger bewirkte Eigentumsverletzung, also auch jede von den §§ 242, 246 und 303 StGB tatbestandlich erfasste Handlung, durch Einwilligung des Empfängers gerechtfertigt, da § 241a BGB ihm die Einwilligungsbefugnis verleiht.286 aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht Ob die Übernahme der zivilrechtlich gefundenen Ergebnisse aber zulässig ist, bedarf der Klärung. Die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht ist, wie kurz dargestellt werden soll, umstritten. (1) Die Übernahme der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht zur Wahrung der „Einheit der Rechtsordnung“ Es entspricht der im Strafrecht ganz überwiegenden Meinung, dass die zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe ihre rechtfertigende Wirkung auch im Strafrecht entfalten. Meist beruft man sich auf die These von der „Einheit der Rechtsordnung“.287 Die Begriffe Recht und Unrecht sind hiernach Begriffe, die rechtsgebietsübergreifend gelten; die Rechtsordnung kennt daher hiernach nur einen einzigen Begriff der Rechtswidrigkeit. Unterschiede in den einzelnen Rechtsgebieten kann es danach nur hinsichtlich des Ob und der Art der Rechtsfolgen geben.288 Folge dieser Annahme ist daher die universelle Geltung der Rechtfertigungsgründe, mithin auch die Geltung der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht. 284

s. dazu oben 1. Teil A. I. 2. b) cc) (3) (b). s. dazu oben 1. Teil A. I. 2. b) cc) (3) (c). 286 s. dazu oben 1. Teil B. III. 3. a) und unten b) bb) (1) (a). 287 Vgl. die ausführlichen Darstellungen von Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 9 ff.; Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung (1978); Fisch, GoA, S. 167 f.; vertreten wird die These der Einheit der Rechtsordnung z. B. von Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 55 ff.; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (11 ff.); Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 27; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 10; Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 17; Wessels/Beulke, AT, Rn. 274; Jescheck/Weigend, AT, S. 327; U. Weber, FS Baur, S. 133 (140); MK-v. Feldmann (3. Aufl.), § 228 Rn. 1; Palandt/Heinrichs, § 228 Rn. 2. 288 Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 27; Jescheck/Weigend, AT, S. 327; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (11 f.). 285

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

(2) Eigene Strafrechtswidrigkeit Die auf die These von der Einheit der Rechtsordnung gegründete Annahme einer einheitlichen Rechtswidrigkeit und Geltung der Rechtfertigungsgründe hat gerade in der jüngeren Vergangenheit vielfältige Kritik erfahren. Entgegen der h. M. sei vielmehr von einer eigenständigen Strafrechtswidrigkeit auszugehen.289 In der Literatur wurde eine Vielzahl von Beispielen aufgezeigt, in welchen eine zwischen den Rechtsgebieten divergierende Beurteilung der Rechtswidrigkeit existiert. So wird etwa die von der im Strafrecht h. M. vorgenommene „strafrechtsspezifische“ Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Diensthandlung i. S. des § 113 III StGB290 als Beleg für die Inkonsequenz der Lehre von der Einheit der Rechtsordnung angeführt.291 Ebenso wird auf die Verwerflichkeitsklauseln der §§ 240 II, 253 II StGB verwiesen, welche einen erhöhten Grad sittlicher Missbilligung erfordern,292 weshalb ein etwa gegen § 1 StVO verstoßendes (und somit in Bezug auf die StVO rechtswidriges) Verhalten nicht notwendig auch rechtswidrig i. S. der §§ 240, 253 StGB zu sein braucht.293 Ferner scheine auch § 11 I Nr. 5 StGB von einem eigenständigen, straftatbestandsakzessorischen Rechtswidrigkeitsbegriff auszugehen.294 Vielfach wird auch argumentiert, die Berücksichtigung der unterschiedlichen Funktion der Teilrechtsgebiete lasse einen einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff nicht zu: Während etwa das Zivilrecht im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung ein Urteil über die Rechtsstellung zweier oder mehrerer Personen zueinander treffe, gehe es beim Strafrecht um die Kontrolle eines vom Gesetzgeber generell für strafwürdig erachteten Verhaltens auf seine konkrete Sozialschädlichkeit hin.295 An diesen Funktionen habe sich auch die Beurteilung der Rechtswidrigkeit auszurichten.296 Eine eigenständige Strafrechtswidrigkeit, so wird ferner geltend gemacht, widerspreche im Übrigen nicht dem Postulat der Einheit der Rechtsordnung.297 289 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 248; SK-Günther, vor § 32 Rn. 34; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 91; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 3 ff., 39; Roxin, AT 1, § 14 Rn. 36; D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 184; Fisch, GoA, S. 177 f. m. w. N. in Fn. 493. 290 Vgl. die Darstellung des Streitstandes bei Schönke/Schröder/Eser, § 113 Rn. 21 ff.; Geppert, Jura 1989, 274 (276). 291 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 44, 49 f.; Fisch, GoA, S. 173 f. 292 s. nur Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 41; § 253 Rn. 7; BGHSt 19, 263 (268). 293 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 43 f., 48 f.; Fisch, GoA, 174 f. Beispiele für weitere Durchbrechungen bei Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 40 ff., 46 ff.; Fisch, GoA, 171 ff. 294 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 104; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 37; Fisch, GoA, S. 177 Fn. 490. 295 Fisch, GoA, S. 175, 177, 184; ähnlich Hellmann, S. 90; Baumann/Weber/ Mitsch, AT, § 16 Rn. 39. 296 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 39.

A. Strafbarkeit des Empfängers

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Denn dies sei richtigerweise zu verstehen als Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.298 Ein Verstoß gegen das Gebot der Widerspruchfreiheit der Rechtsordnung sei aber noch nicht notwendig dann anzunehmen, wenn in den Teilrechtsgebieten unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit erfolgen.299 Zur Frage der Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht finden sich auf Grundlage einer eigenständigen Strafrechtswidrigkeit jedoch unterschiedliche Ansätze. (a) Die unmittelbare Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe als Folge eines Stufenverhältnisses zwischen Zivilrecht und Strafrecht (Günther) Nach dem Verständnis Günthers ist die Strafrechtswidrigkeit als gesteigerte Form der allgemeinen, zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtswidrigkeit anzusehen.300 Die allgemeine Rechtswidrigkeit sei Voraussetzung für Strafrechtswidrigkeit; allgemeine Rechtswidrigkeit sei dabei lediglich notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für Strafrechtswidrigkeit.301 Strafrechtswidrige Verhaltensweisen seien daher stets auch allgemein rechtswidrig,302 umgekehrt aber könne ein Verhalten trotz fehlender Strafrechtswidrigkeit rechtswidrig i. S. der allgemeinen Rechtslehre bleiben.303 Die im vorliegenden Zusammenhang wichtigste Folge dieser Konzeption ist die unmittelbare Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht: Da diese bereits die allgemeine Rechtswidrigkeit entfallen lassen, beseitigen sie erst recht das strafwürdige Unrecht.304 Eine Straftatbestandsverwirklichung, die die Rechtsordnung in zivil- oder öffentlichrechtlichen Rechtssätzen billige, könne sie um so weniger zugleich sogar gesteigert, nämlich strafrechtlich, missbilligen.305

297 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 93; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 39. 298 Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 8; Fisch, GoA, S. 199; Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 93, 104 f.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 (2); Canaris, Systemdenken, S. 16 f.; D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 181 f.; zur Herleitung, s. o. II. 2. b). 299 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 93. 300 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 100 f., 177, 247. 301 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 101, 178. 302 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 178. 303 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 101. 304 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 272 – Herv. im Original. 305 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 362 – Herv. im Original.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

(b) Die Strafrechtswidrigkeit als aliud zur Zivilrechtswidrigkeit (Hellmann) Kritik an der Auffassung Günthers hat vor allem Hellmann geübt.306 Wie bereits erwähnt, stimmt er Günther insoweit zu, als dass er ebenfalls von einer eigenständigen Strafrechtswidrigkeit ausgeht. Im Gegensatz zur Ansicht Günthers besteht zwischen Zivil- und Strafrechtswidrigkeit seiner Meinung nach nicht ein Stufenverhältnis, sondern ein Aliud-Verhältnis.307 Hellmann führt eine Reihe von Beispielen dafür an, dass die Strafrechtswidrigkeit nicht stets auf einem bestehenden Rechtswidrigkeitsurteil des Zivilrechts (oder auch des öffentlichen Rechts) aufbaue. Zunächst erwähnt er den untauglichen Versuch (§ 23 III StGB), der nicht als zivilrechtswidrig angesehen werden könne.308 Ebenso seien Fälle denkbar, in denen ein zivilrechtlich rechtmäßiges Verhalten etwa als Beleidigung strafbar sein könne.309 Ferner werde die zivilrechtliche Rechtswidrigkeit teilweise, bei § 823 II BGB, erst über strafrechtliche Vorschriften begründet.310 Und schließlich zeige § 267 StGB, dass Straftatbestände existierten, die ein Verhalten pönalisierten, das zivil- und öffentlich-rechtlich irrelevant sei.311 Diese inhaltlichen Differenzen verdeutlichten die Unmöglichkeit, das Rechtswidrigkeitsurteil eines Rechtsgebietes auf das andere zu übertragen.312 Zwar komme Strafrechtswidrigkeit nur bei besonders sozialschädlichen Verhaltensweisen in Betracht. Was aber besonders sozialschädlich sei, könne durchaus unabhängig von öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Vorschriften bestimmt werden.313 Von einer gegenüber der Zivilrechtswidrigkeit stets gesteigerten Strafrechtswidrigkeit kann nach dem Ansatz Hellmanns also nicht ausgegangen werden.314 Folge des Ansatzes Hellmanns ist die grundsätzliche Verneinung der Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht. Die grundsätzliche Unabhängigkeit des Strafrechtswidrigkeitsurteils schließe es im Übrigen aber nicht aus, zur Beachtung des Grundsatzes der Widerspruchsfrei306 Ablehnend auch U. Weber, JZ 1984, 276 ff.; Lackner/Kühl, vor § 32 Rn. 4; LKHirsch, vor § 32 Rn. 10, 64; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 8. 307 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 7, 91. 308 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 7, 91; ebenso schon U. Weber, JZ 1984, 276; zustimmend Fisch, GoA, S. 184. 309 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 7. 310 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 57 f., 91; zustimmend Fisch, GoA, S. 185. 311 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 91. 312 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 90. 313 Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 91. 314 So schon U. Weber, JZ 1984, 276 – Herv. im Original; zustimmend Fisch, GoA, S. 185.

A. Strafbarkeit des Empfängers

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heit der Rechtsordnung die Wertung der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen, sofern sich der Unterschied nicht aus den unterschiedlichen Zielsetzungen der Rechtsgebiete erklären lässt.315 (c) Die unmittelbare Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe als Verfassungserfordernis (Fisch) Auch Fisch geht aus den genannten Gründen von einer eigenständigen Strafrechtswidrigkeit aus.316 Er folgt Hellmann insoweit, als dass auch er ein Stufenverhältnis zwischen Zivil- und Strafrechtswidrigkeit verneint.317 Aus verfassungsrechtlichen Gründen befürwortet er jedoch die unmittelbare Geltung der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht: Zum einen, so Fisch, verstoße eine Nichtberücksichtigung der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn die gesetzgeberische Aufstellung eines Straftatbestandes bei Bestehen einer zivilrechtlichen Rechtfertigung sei, da der Gesetzgeber mit der Aufstellung des zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes die Billigung des Verhaltens zum Ausdruck gebracht habe, nicht erforderlich i. S. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.318 Denn der Gesetzgeber habe mit der Aufstellung des zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes zum Ausdruck gebracht, dass er schon den Einsatz des milderen, zivilrechtlichen Mittels zum Rechtsgüterschutz für nicht notwendig befunden habe.319 Daher sei er daran gehindert, den ausdrücklich für nicht erforderlich gehaltenen Rechtsgüterschutz mit Hilfe schärferer, strafrechtlicher Maßnahmen doch wieder in Angriff zu nehmen.320 An diese Wertung sei auch der Rechtsanwender bei der Frage nach der Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe gebunden.321 Zum anderen läge in der Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe durch den Rechtsanwender nach Fisch ein Verstoß gegen die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.322 bb) Stellungnahme Die von der h. M. befürwortete Übertragung der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe auf das Strafrecht ist jedenfalls nicht mit dem pauschalen Verweis 315 316 317 318 319 320 321 322

Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 93, 104 f. Fisch, GoA, S. 171 ff., 177. Fisch, GoA, S. 184 f. Fisch, GoA, S. 197 f.; vgl. zu dieser Argumentation auch oben II. 2. a). Fisch, GoA, S. 198. Fisch, GoA, S. 198. Fisch, GoA, S. 201 f. Fisch, GoA, S. 198 ff.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

auf die „Einheit der Rechtsordnung“ zu begründen. Wie die Gegenmeinung überzeugend darlegt, haben die Rechtfertigungsgründe unterschiedliche, auf die Zielsetzung des jeweiligen Rechtsgebietes bezogene Funktionen. Die schlagwortartige Verwendung des Begriffes „Einheit der Rechtsordnung“ vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die vermeintliche Einheitlichkeit auch auf Grundlage der zu Einzelfragen herrschenden Meinungen eine Vielzahl von Durchbrechungen erfährt. Neben den genannten Abweichungen323 etwa bei § 113 III oder den §§ 240 II, 253 II StGB existieren weitere Unterschiede in der konkreten Auslegung der vermeintlich in Zivil- und Strafrecht gleichen Rechtfertigungsgründe. So entspricht es der im Zivilrecht wohl h. M., dass ein Angriff i. S. des § 227 BGB nicht durch Unterlassen verübt werden könne, während dies im Strafrecht weitgehend anerkannt ist, obwohl die zivilrechtlichen Kommentierungen meist zunächst pauschal auf diejenigen zu § 32 StGB verweisen.324 Eine Anwendbarkeit der jeweils rechtsgebietsfremden Notwehrvorschrift würde diese Differenzierung ggf. zunichte machen. Die Auslegung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund im Zivilrecht weist ebenfalls gegenüber der strafrechtlichen Auslegung Unterschiede auf, etwa hinsichtlich Einwilligungsreife325 und Einwilligungsbefugnis.326 Und ferner wird das Erfordernis der subjektiven Rechtfertigungselemente im Zivilrecht anders beantwortet als im Strafrecht.327 Auch von einer gegenüber der zivilrechtlichen Rechtswidrigkeit gesteigerten Strafrechtswidrigkeit i. S. Günthers ist nicht auszugehen. Dies hat Hellmann überzeugend dargelegt. Beachtung verdient die verfassungsrechtliche Argumentation Fischs hinsichtlich der Übertragung der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe.328 Bereits oben329 wurde dargelegt, dass bei Bestehen einer zivilrechtlich positiven Bewertung eines Verhaltens etwa durch einen Rechtfertigungsgrund330 eine Strafbarkeit unverhältnismäßig wäre.

323

s. o. (2). Vgl. oben 1. Teil A. I. 2. b) cc) (3) (c); s. auch Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 116 f. 325 Vgl. den Überblick zum strafrechtlichen Meinungsstand bei Schönke/Schröder/ Lenckner, vor § 32 Rn. 39 ff.; zum Zivilrecht Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 229 ff.; sowie zur unterschiedlichen Handhabung in Zivil- und Strafrecht Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 51 ff., 363 f., der die rechtfertigende Einwilligung aber wohl irrig mit § 183 BGB gleichsetzt. 326 Vgl. dazu unten b) bb) (1). 327 s. dazu, insbesondere hinsichtlich des im Zivilrecht überwiegend bejahten Erfordernisses eines Verteidigungswillens, oben 1. Teil A. 2. b) cc) (3) und Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 51 ff., 116. 328 s. o. II. 2. 329 s. o. II. 2. 324

A. Strafbarkeit des Empfängers

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Die Unverhältnismäßigkeit bezieht sich allerdings auf den durch die strafrechtliche Regelung bewirkten Eingriff in den Schutzbereich des jeweils maßgeblichen Grundrechts.331 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt allerdings nur, dass der Eingriff in diesen Schutzbereich verfassungsrechtlich nicht stattfinden darf. Wie dies straftatsystematisch erreicht wird, ist dagegen aus Sicht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unerheblich.332 Es genügt bei einem Bestehen einer zivilrechtlich positiven Bewertung des Verhaltens daher ebenso dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn nicht die strafrechtliche Rechtswidrigkeit, sondern bereits der Tatbestand verneint wird. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert daher, entgegen Fisch, nicht die Übernahme und direkte Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht, sondern nur die Übernahme deren Wertung,333 was aber nicht notwendig auf Rechtswidrigkeitsebene erfolgen muss. Zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist daher z. B. nicht die direkte Anwendung der Vorschriften der GoA als Rechtfertigungsgrund, sondern nur die Beachtung der Wertung der GoA bei der (verfassungskonformen) Auslegung von Straftatbestand und in Betracht kommendem Rechtfertigungsgrund erforderlich. Sofern eine solche Auslegung an deren Grenzen scheitert, ist allerdings eine Übernahme des zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes zu befürworten. Die Übernahme eines zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes ist aber jedenfalls dann durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gefordert, wenn ein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund eingreift. Denn dann findet der evtl. unverhältnismäßige Eingriff nicht statt. Zudem wird so die Geschlossenheit des strafrechtlichen Rechtfertigungssystems gewahrt.334 Auch die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung erfordert die Übernahme eines zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes nicht uneingeschränkt. Zum einen erfordert auch sie nur ggf. die Übernahme der Wertung des zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes. Denn dieser Grundsatz besagt lediglich, dass ein rechtliches Ge- oder Verbot in sich und im Kontext der übrigen Rechts330 Eine solche positive Bewertung muss aber nicht notwendig als Rechtfertigungsgrund zu qualifizieren sein. Auch bei einem vollständigen Anspruchsausschluss oder etwa in einer Reduzierung des Fahrlässigkeitsmaßstabs ist eine positive Verhaltensbewertung erkennbar, vgl. oben II. 2. a). 331 s. o. II. 2. a). 332 s. o. II. 2. a) a. E.. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt für alle Straftatmerkmale. Verfassungsrechtliche Grenzen lassen sich nicht im Wege der Straftatsystematik umgehen, Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 179, 196 f.; 235, 241, 245; Lagondy, Schranken, S. 467; Schönke/Schröder/Eser, vor § 1 Rn. 30; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 16 Rn. 39; Fisch, GoA, S. 192. 333 Auch Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 104, schließt die Berücksichtigung der Wertungen der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe nicht aus. 334 Vgl. Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 106 ff.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

ordnung zu klaren und widerspruchsfreien Verhaltensanweisungen führen muss.335 Ob eine strafrechtliche Verhaltensanweisung aber deswegen entfällt, weil ebenso wie im Zivilrecht im Strafrecht die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen ist oder schon der Tatbestand ausscheidet, ist für das Bestehen oder Nichtbestehen der Verhaltensanweisung unerheblich. Ein Widerspruch muss nicht schon immer dann vorliegen, wenn in beiden Rechtsgebieten differierende Entscheidungen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit ergehen.336 Ebenso unerheblich für die Widerspruchsfreiheit ist daher auch, aufgrund welchen Rechtfertigungsgrunds die Rechtswidrigkeit entfällt. Zum anderen besteht ein Widerspruch auch dann nicht, wenn sich entstehende Unterschiede aus den Zielsetzungen der Teilrechtsordnung ergeben. Die Erforderlichkeit der subjektiven Rechtfertigungselemente etwa lässt sich durch die Ziele des Strafrechts, nicht aber des Zivilrechts erklären,337 weshalb Divergenzen hier keinen Widerspruch bedeuten. b) Rechtfertigung durch strafrechtliche Rechtfertigungsgründe Vorrangig vor einer eventuellen Rechtfertigung durch zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe ist also zu prüfen, ob strafrechtliche Rechtfertigungsgründe ein i. S. der §§ 242, 246, 303 StGB tatbestandsmäßiges Verhalten des Empfängers rechtfertigen können. Ist dies der Fall, so erübrigt sich eine Rechtfertigung durch zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, da dann den verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Straflosigkeit des Empfängers genügt ist. aa) Notwehr (§ 32 StGB) Zunächst kommt eine Rechtfertigung insbesondere von Entsorgungs- oder Weiterveräußerungshandlungen338 durch Notwehr (§ 32 StGB) in Betracht. Hier kann weitgehend auf die Ausführungen zur zivilrechtlichen Rechtfertigung durch Notwehr (§ 227 BGB) verwiesen werden.339 Dort wurde festgestellt, dass im Verhalten des Versenders in vielen Fällen ein Angriff durch Unterlassen liegen kann. Dass ein Angriff i. S. des § 227 BGB auch in einem Un335

s. o. II. 2. b). Hellmann, Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, S. 93 – Herv. vom Verf. 337 Vgl. oben 1. Teil A. I. 2. b) cc) (3) (c). 338 Insbesondere bei Beschädigungs- und Zueignungshandlungen, die nicht dem Zweck der Beseitigung der Beeinträchtigung dienen, wie dies meist bei bloßen Beschädigungen der Sache oder dem bloßen Gebrauch der Sache der Fall sein wird, scheidet eine Rechtfertigung durch § 32 StGB aus. 339 s. o. 1. Teil A. I. 2. b) cc) (3) (c) und ergänzend, zur erweiterten Rechtfertigungswirkung wegen der beschränkten Kaufvertragsannahmemöglichkeit innerhalb des Anwendungsbereichs des § 241a BGB, oben 1. Teil B. III. 3. b). 336

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terlassen bestehen kann, wurde dargelegt. Aus den selben Gründen ist dies auch für § 32 StGB anzunehmen; es entspricht auch der h. M. im Strafrecht. Nach richtiger Auffassung unterscheiden sich § 227 BGB und § 32 StGB aber hinsichtlich des Erfordernisses eines subjektiven Rechtfertigungselementes.340 Während es dessen im Zivilrecht nicht bedarf, ist es (jedenfalls bei Vorsatzdelikten) für strafrechtliche Rechtfertigungsgründe notwendig. Sofern also der Empfänger ausschließlich aus anderen Gründen als der Beseitigung der Beeinträchtigung – also etwa aus reiner Gewinnabsicht – handelt, muss ein Verteidigungswille verneint werden, so dass (einige wenige) Konstellationen denkbar sind, in welchen ein zivilrechtlich durch § 227 BGB gerechtfertigtes Verhalten nicht durch § 32 StGB gerechtfertigt wird. bb) Einwilligung Eine Rechtfertigung jeglichen eigentumsbeeinträchtigenden Verhaltens des Empfängers erschiene möglich, wenn das von §§ 242, 246 bzw. 303 StGB tatbestandlich erfasste Verhalten des Empfängers durch Einwilligung gerechtfertigt wäre. Problematisch ist hierbei aber die Frage, ob dem Empfänger, obwohl er nicht Eigentümer (also Inhaber des verletzten Rechtguts) ist, die Einwilligungsbefugnis zustehen könnte. (1) Einwilligungsbefugnis (a) Nochmals: zivilrechtliche Einwilligungsbefugnis Bevor auf die Voraussetzungen der strafrechtlichen Einwilligung eingegangen wird, soll noch einmal die zivilrechtliche Rechtslage in den Blick genommen und die Richtigkeit des oben341 gefundenen Ergebnisses der Einwilligungsbefugnis des Empfängers überprüft werden. Dies gestaltet sich deshalb nicht ganz einfach, weil die Einwilligung im Zivilrecht bislang wenig Beachtung erfährt. Umfassende Darstellungen sind rar;342 die Abhandlungen befassen sich oftmals vornehmlich mit Spezialfällen wie der Einwilligung bei der ärztlichen Heilbehandlung.343 Dies belastet ohnehin problematische und daher streitige Fragestellungen wie etwa die nach der Rechtsnatur der Einwilligung.344 340

s. o. 1. Teil A. I. 2. b) cc) (3) (c). s. o. 1. Teil B. III. 3. a). 342 s. aber die jüngeren Darstellungen von Kohte, Die rechtfertigende Einwilligung, AcP 185 (1985), 105 ff., und Ohly, „Volenti non fit iniuria“ – Die Einwilligung im Privatrecht (2002). 343 Vgl. etwa Medicus, AT, Rn. 199 ff. 344 Vgl. hierzu Ohly, Einwilligung, S. 35 ff. und 178 ff. 341

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Zuständig für die Erteilung einer Einwilligung ist grundsätzlich der Rechtsinhaber,345 da die Einwilligung Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes bezogen auf das Rechtsgut ist.346 Grundsätzlich können Rechtsinhaberschaft und Einwilligungsbefugnis aber auseinanderfallen. So wird eine Stellvertretung bei der Einwilligung allgemein zumindest grundsätzlich für möglich gehalten.347 Problematischer ist aber die Frage, ob es im Zivilrecht einen Einwilligungsbefugten statt des Rechtsinhabers geben kann, dem diese Position nicht – wie bei der Stellvertretung – aufgrund der Interessen des Rechtsinhabers zukommt,348 sondern zur Durchsetzung eigener Interessen bzw. der Interessen Dritter. Abwegig erscheint dies nicht, ist es doch im Zivilrecht nichts Ungewöhnliches, dass Rechtsgutsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ausnahmsweise auseinanderfallen.349 Genannt sei nur § 80 I InsO.350 Diese Vorschrift gewährt dem Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis,351 bezogen auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Sachen, die aber weiterhin im Eigentum des Schuldners verbleiben.352 Ob diese Verfügungsbefugnis dem Insolvenzverwalter aber auch die Zuständigkeit für Einwilligungen in Eigentumsverletzungen verleiht, ist jedenfalls nicht ohne weiteres zu bejahen. Denn eine Verfügung auch i. S. des § 80 I InsO ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf ein bestehendes Recht einwirkt,353 also dessen Übertragung, Aufgabe, Belastung oder Inhaltsänderung.354 Die Rechtsnatur der Einwilligung in eine Rechtsgutsverletzung ist aber bekanntlich umstritten. Teilweise wird sie als Rechtsgeschäft bezeichnet355 bzw. ihr rechtsgeschäftlicher Charakter vorausgesetzt, wenn sie als Verfügung eingestuft wird.356 Überwiegend wird der rechtsgeschäftliche 345

Deutsch, AllgHaftR, Rn. 282. s. nur Kohte, AcP 185 (1985), 105 (108 ff.). 347 Umstritten ist allerdings, inwiefern hierbei zu differenzieren ist. So wird teilweise nach dem Rechtsgut unterschieden, ob eine Einwilligung zulässig sein soll, teilweise aber auch danach, ob gesetzliche oder aber gewillkürte Stellvertretung in Frage steht, vgl. Ohly, Einwilligung, S. 452 ff., und Kohte, AcP 185 (1985), 105 (142 f.). 348 Vgl. D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 83 f.; vgl. hierzu aber noch unten (b) (bb). 349 s. nur Medicus, BR, Rn. 27. 350 s. aber auch etwa §§ 1984 I, 2205 BGB. 351 Es ist umstritten, ob die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters durch den Zweck des Insolvenzverfahrens begrenzt ist. Sofern dies angenommen wird, so geschieht dies nur in Fällen offensichtlich zweckwidriger Maßnahmen bzw. offensichtlichen Missbrauchs der Rechtsmacht, vgl. MKInsO-Ott, § 80 Rn. 60 ff. m. w. N. Eine andere Frage ist hierbei die nach der Haftung des Insolvenzverwalters gemäß §§ 60 ff. InsO. 352 MKInsO-Ott, § 80 Rn. 6. 353 Braun/Kroth, § 81 Rn. 3; MKInsO-Ott, § 81 Rn. 4. 354 Medicus, AT, Rn. 208. 355 So Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (48); ebenso Kohte, AcP 185 (1985), 105 (152 ff.), und (mit Einschränkungen) Ohly, Einwilligung, S. 207 ff. 346

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Charakter der Einwilligung aber verneint,357 wobei sie teils als Realakt,358 teils als rechtsgeschäftsähnliche Handlung359 qualifiziert wird. Die Folgen, die sich aus den Meinungen über die Rechtsnatur ergeben müssten, liegen auf der Hand: Sieht man die Einwilligung als Realakt oder geschäftsähnliche Handlung an, bereitet eine Subsumtion unter den Verfügungsbegriff auch des § 80 InsO Schwierigkeiten.360 Bei Einordnung der Einwilligung als Rechtsgeschäft wäre weiter zu fragen, ob sich dieses als Übertragung, Aufgabe, Belastung oder Inhaltsänderung darstellt. Im Fall des § 80 InsO lässt sich jedoch feststellen, dass der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters regelmäßig Befugnisse über die Vornahme von Verfügungen im o. g. Sinn hinaus zugeordnet werden. So wird die Vornahme von geschäftsähnlichen Handlungen als von der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters umfasst angesehen, wobei hierbei entweder der § 80 InsO entsprechend weit ausgelegt361, oder aber analog angewandt362 wird. Sofern auf die Frage nach der Einwilligungsbefugnis eingegangen wird, wird diese ebenso beim Insolvenzverwalter verortet.363 Diese extensive Sichtweise ist sachlich gerechtfertigt, unabhängig davon, ob die Einwilligung generell als Verfügung angesehen wird, ob die Befugnisse, die § 80 InsO verleiht, über den herkömmlichen Verfügungsbegriff hinaus ausgedehnt werden oder ob § 80 InsO analog angewandt wird. Denn es wäre widersinnig, dem Insolvenzverwalter die Befugnis zur Veräußerung eines Unternehmens zuzusprechen, ihm aber nicht zu gestatten, vorher einen verrotteten Geräteschuppen abreißen zu lassen. Ebenso muss es ihm möglich und dem Schuldner verwehrt sein, etwa den Rasen mähen oder ein der Insolvenzmasse 356 So – allerdings beschränkt auf die Einwilligung in die Verletzung von Eigentum bzw. sonstigen vermögenswerten Rechten – RGRK-Krüger-Nieland, § 106 Rn. 10; ebenso wohl auch Staudinger/Schäfer (12. Aufl.), § 823 Rn. 457; ohne diese Beschränkung MK-Schmitt, § 105 Rn. 20, der insbesondere in der Einwilligung in eine Körperverletzung eine Verfügung über den deliktischen Schadensersatzanspruch sieht. 357 So RGRK-Steffen, § 823 Rn. 377 (sofern die Einwilligung nicht im Rahmen eines Vertrages erfolge); bezogen auf den ärztlichen Heileingriff BGHZ 29, 33 (36), und Medicus, AT, Rn. 200. 358 So etwa Staudinger/Dilcher (12. Aufl.), Einl. zu §§ 104–185, Rn. 18, 22. 359 Palandt/Heinrichs, vor § 104 Rn. 6; Soergel/Hefermehl, vor § 104 Rn. 20; beide bezogen auf Eingriffe in höchstpersönliche Rechtsgüter. 360 Geschäftsähnliche Handlungen waren nach § 6 KO demgegenüber unproblematisch erfasst, da dieser von „Rechtshandlungen“ sprach. 361 MKInsO-Ott, § 81 Rn. 5. 362 Braun/Kroth, § 81 Rn. 3. 363 Ohly, Einwilligung, S. 394, unter Berufung auf die strafrechtliche Entscheidung BGH NJW 1992, 250 (251) zu § 6 KO. Der BGH erwähnt aber lediglich, dass wegen § 6 KO der Eigentümer nicht mehr einwilligen kann. Zur Frage, ob mit der Verfügungsbefugnis die Einwilligungsbefugnis auf den Konkursverwalter übergeht, äußert er sich hingegen nicht.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

zuzuordnendes Fahrzeug reparieren zu lassen. Es kann keinen Unterschied machen, ob der Insolvenzverwalter ein zur Insolvenzmasse gehörendes Autowrack, welches sich auf dem von ihm verwalteten Betriebsgelände befindet, von einem Angestellten verschrotten lässt oder es zu diesem Zweck an ein Altmetallverwertungsunternehmen übereignet.364 Es ist also davon auszugehen, dass die Einwilligungsbefugnis als ein Minus in der Verfügungsbefugnis enthalten ist.365 Ist die Verfügungsbefugnis begrenzt, wie dies im Fall des § 80 InsO bei offensichtlichem Missbrauch angenommen wird, müssen diese Grenzen aber auch für die Einwilligungsbefugnis gelten. Widerspricht die Einwilligung offensichtlich dem Insolvenzzweck, so ist sie danach ebenso unwirksam wie eine Verfügung. Im Rahmen der zivilrechtlichen Einwilligung ist es also möglich, dass Rechtsgutsinhaberschaft und Einwilligungsbefugnis auseinanderfallen. Für die Zusendung unbestellter Waren folgt daher die Einwilligungsbefugnis des Empfängers aus seiner ihm durch § 241a BGB verliehenen unbeschränkten Verfügungsbefugnis.366 (b) Strafrechtliche Einwilligungsbefugnis Dass § 241a BGB bewirken könnte, dass nunmehr der Empfänger strafrechtlich in eine Eigentumsverletzung i. S. der §§ 242, 246, 303 StGB einwilligen kann, verträgt sich nach unbefangener Lektüre der Abhandlungen zur Einwilligung kaum mit den dort aufgestellten Kriterien. Denn als einwilligungsbefugt wird meist der Rechtsgutsinhaber, also bei Eigentumsdelikten der Eigentümer, bezeichnet. Lediglich vereinzelt finden sich Bemerkungen, denen man ein grundsätzlich mögliches Auseinanderfallen von Rechtsgutsinhaberschaft und Einwilligungsbefugnis entnehmen könnte.367 So heißt es bei Krey: „Der Einwilligende muss befugt sein, über das betroffene Rechtsgut zu verfügen, sei es als Inhaber des Rechtsguts, sei es als sonst Verfügungsberechtigter.“368 Und Schmidhäuser meint: „Im übrigen kann das Recht zur Freigabe eines Gutes übertragen werden, z. B. bzgl. des Vermögens an den Vermögensverwalter.“369 Vielfach wird aber ein Auseinanderfallen von Rechtsgutsinhaberschaft und Einwilligungsbefugnis kategorisch ausgeschlossen: Es gebe zwar eine Rechts-

364 365 366 367 368 369

Vgl. Staudinger/Schäfer (12. Aufl.), § 823 Rn. 457. Nach Ohly, Einwilligung, S. 185 f., „spricht vieles dafür“. Zur Verfügungsbefugnis des Empfängers s. o. 1. Teil B. III. 3. a). Zur „Stellvertretung bei der Einwilligung“ sogleich. Krey, AT 1, Rn. 624. Schmidhäuser, SB, 5/123.

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gutsinhaberschaft ohne Dispositionsbefugnis, umgekehrt aber keine Dispositionsbefugnis ohne Rechtsgutsinhaberschaft.370 Oftmals wird bereits die Zulässigkeit einer Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Rechtsgutsinhabers aufgrund von Drittinteressen als „Rechtsgutsvertauschung“ grundsätzlich in Abrede gestellt.371 Gedanklich sollte zwischen zwei Fragen unterschieden werden: Zum einen ist zu fragen, ob eine zivilrechtliche Norm die Dispositionsbefugnis des Rechtsgutsinhabers beschränken kann, also als objektive Schranke der Einwilligung in Frage kommt. Bejahendenfalls muss dann geprüft werden, ob diese Norm nicht nur befugnisbeschränkend, sondern auch befugnisbegründend bzw. -verlagernd wirken kann. Ist bereits die erste Frage zu verneinen, so kommt es auf die zweite Frage nicht mehr an. (aa) Objektive Einwilligungsbeschränkung durch Drittinteressen begünstigende Zivilrechtsnorm In der Rechtsprechung und in weiten Teilen der Literatur werden spezialgesetzliche Einwilligungsschranken zugelassen.372 Unter den genannten Normen findet sich oftmals auch der § 80 I InsO bzw. dessen Vorgängervorschrift § 6 KO.373 Zur Begründung heißt es meist, verfassungsrechtlich ergebe sich die Möglichkeit der Begrenzung der Einwilligungsfreiheit zum Schutz fremder Interessen aus den Schrankenbestimmungen der Art. 2 I und ggf. Art. 14 GG.374 Gegen die Heranziehung spezialgesetzlicher Einwilligungsschranken zum Schutz von Drittinteressen wendet sich insbesondere D. Sternberg-Lieben.375 Er sieht hierin eine „Rechtsgutsvertauschung“,376 da hierdurch die Schutzwürdig370 Sowada, Notwendige Teilnahme, S. 95; D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 83. 371 D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 521 ff.; zustimmend Schönke/ Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 37; Rönnau, Willensmängel, S. 162; anders aber ders., Jura 2002, 665 (667). 372 Rönnau, Jura 2002, 665 (667); ders., Willensmängel, S. 98; Schönke/Schröder/ Lenckner (25. Aufl.), vor § 32 Rn. 37; Amelung/Eymann, JuS 2001, 937 (940); BGH NJW 1992, 250 (251); Tröndle/Fischer, vor § 32 Rn. 3b; Lackner/Kühl, vor § 32 Rn. 14; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 116. 373 BGH NJW 1992, 250 (251); auf diese Entscheidung berufen sich ausdrücklich Rönnau, Willensmängel, S. 98; Tröndle/Fischer, vor § 32 Rn. 3b; Lackner/Kühl, vor § 32 Rn. 14; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 116; Schönke/Schröder/Lenckner (25. Aufl.), vor § 32 Rn. 37 (anders aber die 26. Aufl.). 374 Roxin, AT 1, § 13 Rn. 36; Amelung/Eymann, JuS 2001, 937 (940); Rönnau, Jura 2002, 665 (667); ders., Willensmängel, S. 98. 375 D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 512 ff.; zustimmend Schönke/ Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 37; Rönnau, Willensmängel, S. 162. 376 D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 512.

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keit des im fraglichen Straftatbestand vertypten Rechtsguts an Umständen festgemacht werde, die außerhalb des Normzwecks lägen.377 Hiermit werde ein zusätzlicher Schutzgegenstand in den fraglichen Straftatbestand eingeführt.378 Es werde darüber hinaus sogar der eigentliche Schutzgrund – nämlich die Sicherung der individuellen Verfügungsfreiheit über das straftatbestandliche Rechtsgut – wegen der Beschränkung derselben aus außertatbestandlichen Gründen verfehlt.379 In der Einführung dieses Schutzgegenstandes durch den Rechtsanwender mittels der Einwilligung sieht D. Sternberg-Lieben einen Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt.380 Durch die „Aufhebung der Aufhebung“ des strafrechtlichen Schutzes erführen nämlich Rechtsgüter bzw. Interessen strafrechtlichen Schutz, ohne dass das Parlament diesen beschlossen habe.381 Die Bedenken D. Sternberg-Liebens überzeugen indes nicht. Die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit der Einwilligung kann keinen neuen Schutzgegenstand eines Straftatbestandes festlegen, sondern nur etwas über den Schutzgrund besagen.382 Der Schutzgegenstand wird im Tatbestand festgelegt.383 Auf Rechtswidrigkeitsebene ist zu fragen, ob Gründe gegen die Strafbarkeit vorliegen oder nicht vorliegen.384 Wenn der Ausnahmefall der Rechtfertigung aber nicht die Materie des Verbotes verändern kann, sondern nur das Verbotensein der Materie aufhebt,385 hat auch das Nichteingreifen eines Rechtfertigungsgrundes keinen Einfluss auf die Identität des Verbotsgegenstandes, sondern nur auf sein Geschützt-Sein in der konkreten Situation.386 Folgte man der Argumentation D. Sternberg-Liebens, so stellte sich die Frage, ob einschränkende Merkmale der Einwilligung, sofern sie nicht (straf-)gesetzlich normiert sind, wie etwa das Erfordernis der Erklärung der Einwilligung,387 überhaupt möglich wären.

377

D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 522. D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 523. 379 D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 523. 380 D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 523, 525. 381 D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 525 f. 382 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 517. 383 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 517; Welzel, Neues Bild, S. 23; ders., Strafrechtsprobleme, S. 13. 384 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 517. 385 Welzel, Strafrechtsprobleme, S. 13. 386 Mitsch, Rechtfertigung und Opferverhalten, S. 517 Fn. 73; Bergmann, Nötigung, S. 34. 387 Vgl. etwa Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 43; das Erfordernis der Erklärung behandelt D. Sternberg-Lieben in seiner Monografie ausdrücklich nicht, s. dort S. 5. 378

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Spezialgesetzliche Einwilligungsschranken sind also grundsätzlich anzuerkennen. Sofern also eine zivilrechtliche Norm die Verfügungsbefugnis des Eigentümers beschränkt, ist hierin eine strafrechtliche Einwilligungsschranke zu sehen. § 241a BGB beschränkt somit, da er zivilrechtlich die Verfügungsbefugnis auf den Empfänger verlagert, die Einwilligungsbefugnis des Versenders. (bb) Verlagerung der Einwilligungsbefugnis auf den Empfänger Akzeptiert man also mit der wohl h. M. die Möglichkeit einer Einwilligungsbeschränkung durch verfügungsbefugnisverlagernde zivilrechtliche Vorschriften, so drängt sich geradezu die Frage auf, ob mit der Verfügungsbefugnis auch die Einwilligungsbefugnis auf eine eigentümerfremde Person übergeht. Denn dies ist, wie oben gezeigt, für die zivilrechtliche Einwilligung zu bejahen. Erstaunlicherweise wird diese Frage – soweit ersichtlich – nicht aufgeworfen. Dies mag einerseits daran liegen, dass verfügungsbefugnisverlagernde Vorschriften wie der § 80 InsO meist nur als eine von vielen anderen einwilligungsbeschränkenden Vorschriften genannt werden, deren Wirkung sich eben auf eine Eingrenzung der Verfügungsbefugnis beschränkt. Andererseits mag es auf der wenig reflektierten Übernahme388 der Argumentation des BGH389 beruhen, bei welcher es lediglich darauf ankam, dass der Eigentümer wegen § 6 KO in die Verletzung des Eigentums nicht mehr einwilligen durfte. Die Eigentumsdelikte sind an diversen Stellen vom Zivilrecht abhängig: Der Begriff der Fremdheit orientiert sich (nach h. M.) am zivilrechtlichen Eigentum. Diebstahl, Unterschlagung und auch Sachbeschädigung390 scheiden aus, wenn der Täter einen fälligen durchsetzbaren Eigentumsverschaffungsanspruch hat. Und die Einwilligung wird beschränkt durch verfügungsbefugnisverändernde Vorschriften. Weshalb dann die Wirkung dieser Vorschriften nur partiell, also in ihrer beschränkenden, nicht aber in ihrer begründenden Funktion eingreifen soll, erscheint wenig einleuchtend. Eine Verlagerung der Einwilligungsbefugnis erscheint vielmehr fast zwingend. Als Beispiel hierfür soll wiederum der § 80 InsO herangezogen werden: Eine Strafbarkeit des Insolvenzverwalters wegen Unterschlagung anzunehmen, der genau das tut, was er nach dem Zweck des Insolvenzverfahrens tun soll, nämlich zur Insolvenzmasse gehörende Sachen des Schuldners zu veräu388 Rönnau, Willensmängel, S. 98; Tröndle/Fischer, vor § 32 Rn. 3b; Lackner/Kühl, vor § 32 Rn. 14; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 116; Schönke/Schröder/Lenckner (25. Aufl.), vor § 32 Rn. 37. 389 BGH NJW 1992, 250 (251). 390 Gropengießer, JR 1998, 89 (93 ff.); Mitsch, BT 2/1, § 5 Rn. 29; Kindhäuser, BT 2, § 20 Rn. 17.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

ßern,391 erscheint geradezu abwegig.392 Eine Zueignungshandlung dürfte auf Grundlage der gängigen Auslegungen393 allerdings zu bejahen sein: Die Veräußerung einer fremden Sache wird vielfach als typisches Beispiel einer Unterschlagung genannt.394 Ebenso abwegig erscheint die (ggf.: Teilnahme-)Strafbarkeit des Insolvenzverwalters wegen Sachbeschädigung, der einen alten, hässlichen Geräteschuppen abreißt bzw. abreißen lässt, um einen höheren Veräußerungserlös für den von ihm verwalteten Betrieb zu erzielen. Eine Zerstörungshandlung i. S. des § 303 StGB lässt sich indes nicht leugnen. Auch ohne die Bejahung einer Einwilligungsbefugnis des Insolvenzverwalters ließe sich die Strafbarkeit aus sämtlichen Eigentumsdelikten in vielen Konstellationen zugegebenermaßen, wenn auch mit erheblichem Begründungsaufwand, verneinen: Es käme in Betracht, dem Kaufvertrag, den der Insolvenzverwalter mit dem Dritten schließt, einen fälligen einredefreien Eigentumsverschaffungsanspruch zu entnehmen, der nach allgemeiner Meinung die Tatbestandsmäßigkeit395 oder Rechtswidrigkeit396 der Unterschlagungshandlung entfallen lässt.397 Komplizierter wird diese Sichtweise aber schon, wenn der Kaufvertrag dem Käufer eben keinen fälligen einredefreien Anspruch verleiht, etwa weil seitens des Insolvenzverwalters ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 I BGB besteht. Diesem Problem ließe sich noch abhelfen etwa dadurch, dass die Erfüllung ohne Geltendmachung der Einrede dem Erfordernis der Einredefreiheit gleichgestellt wird oder ein Änderungsvertrag angenommen wird. Eine zweite Möglichkeit bestünde darin, dass man es zur Verneinung der Rechtswidrigkeit der Zueignung ausreichen lässt, dass es der Täter in der Hand hat, jederzeit einen fälligen einredefreien Anspruch entstehen zu lassen. Diese Fallgruppe wird regelmä391

Vgl. §§ 1, 156 ff. InsO. Die umfassenden Analysen zu Strafbarkeitsrisiken des Insolvenzverwalters von Richter, NZI 2002, 121 ff., und Wessing, NZI 2003, 1 ff., erwähnen eine mögliche Unterschlagung nicht einmal. 393 Nach dem hier (oben 1. c) cc); vgl. auch noch unten C. II.) vertretenen Verständnis des Zueignungsbegriffs dürfte eine Enteignung des Schuldners durch den Insolvenzverwalter ausscheiden. Angesichts der in der Literatur durchweg pauschalen Bejahung einer Zueignungshandlung durch den Empfänger unbestellter Sachen bei deren Veräußerung wäre eine ebenso pauschale Bejahung bei Veräußerungen durch den Insolvenzverwalter nicht verwunderlich. 394 Lackner/Kühl, § 246 Rn. 5; Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 41; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 280; Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 163. Dahinstehen soll hier, ob es sich bei der entgeltlichen Veräußerung um eine Selbst- oder/und Drittzueignung handelt, vgl. hierzu Schönke/Schröder/Eser, § 242 Rn. 56 ff. und § 246 Rn. 21. 395 Dafür Rengier, BT 1, § 2 Rn. 86, § 5 Rn. 21; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 187, 294. 396 Dafür Mitsch, BT 2/1, § 2 Rn. 57. 397 Bei der Drittzueignung genügt hier ein Anspruch des Dritten, Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 150; Rengier, BT 1, § 2 Rn. 86. 392

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ßig im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Gestaltungsrechten erwähnt, wobei betont wird, dass dem Täter allein diese Rechtsmacht zukommen müsse.398 An dieser alleinigen Rechtsmacht könnte es aber fehlen, wenn man darauf abstellt, dass ein Änderungsvertrag zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Dritten erforderlich ist. Aber darauf kann es nicht ankommen: Entscheidend kann nur sein, dass dem Täter die Rechtsmacht zukommt, ohne Mitwirkung des Eigentümers und nur unter Mitwirkung eines beliebigen Dritten einen solchen Anspruch entstehen zu lassen. Der Insolvenzverwalter hat die Rechtsmacht, ohne Mitwirkung des Eigentümers einen fälligen einredefreien Anspruch zugunsten von Dritten, aber auch zu seinen eigenen Gunsten,399 zu begründen, so dass Drittzueignungen und Selbstzueignungen sowie Sachbeschädigungen400 durch den Insolvenzverwalter straflos sind. Diese Rechtsmacht, jederzeit einen fälligen einredefreien Anspruch begründen zu können, ist nicht grenzenlos. So ist es dem Insolvenzverwalter bei einem offensichtlichen Verstoß gegen den Insolvenzzweck nicht möglich, eine Sache wirksam zu veräußern. Etwa beim Verschenken von Sachen wird eine solche zur Unwirksamkeit führende Offensichtlichkeit bejaht.401 Hier wäre daher eine Unterschlagungsstrafbarkeit zu bejahen. An ihre Grenzen stößt die Konstruktion der Möglichkeit, einen fälligen einredefreien Anspruch begründen zu können, wenn es nicht um Handlungen des Insolvenzverwalters geht, sondern um mit dessen Billigung vorgenommene Handlungen eines Dritten. Besteht hier bereits ein fälliger einredefreier Anspruch, so ist auch der Dritte straflos. Besteht er aber noch nicht, obwohl der 398 Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 160; Schönke/Schröder/Eser, § 242 Rn. 59; NK-Kindhäuser, § 242 Rn. 152. 399 Diese Rechtsmacht hat er trotz der Tatsache, dass einer Veräußerung von zur Insolvenzmasse gehörenden Sachen an sich selbst nach ganz h. M. der § 181 BGB (analog) entgegensteht, vgl. BGHZ 113, 262 (270); MKInsO-Ott, § 80 Rn. 38. Denn er hat die Rechtsmacht inne, mit einem Dritten einen Vertrag auf Übereignung an diesen und anschließender Rückübereignung an den Insolvenzverwalter zu schließen. Dass dies an einer analogen Anwendung des § 181 BGB scheiterte, ist angesichts der diesbezüglich restriktiven Rechtsprechung und Literatur nicht anzunehmen. Denn ein denkbarer Interessenkonflikt allein begründet noch nicht die analoge Anwendung des § 181 BGB. Es dürfte vielmehr darauf ankommen, ob das vorgenommene Geschäft noch im Rahmen der Befugnisse des Insolvenzverwalters liegt, oder ob es sich um einen offenkundigen Missbrauch handelt, vgl. Larenz/Wolf, AT, § 46 Rn. 141. Erzielt der Insolvenzverwalter durch die Veräußerung ein angemessenes Entgelt, so kann von Offenkundigkeit aber keine Rede sein. 400 Auch bei diesen rechtfertigt (Gropengießer, JR 1998, 89 (94) will demgegenüber einen Tatbestandsausschluss annehmen) ein fälliger, einredefreier Eigentumsverschaffungsanspruch bzw. die Möglichkeit, diesen entstehen zu lassen, Mitsch, BT 2/1, § 5 Rn. 29; Kindhäuser, BT 2, § 20 Rn. 17. 401 MKInsO-Ott, § 80 Rn. 62.

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Insolvenzverwalter, also derjenige, in dessen Macht es steht, einen solchen Anspruch jederzeit entstehen zu lassen, das Verhalten billigt, so hilft dem Dritten dies, nimmt man die Ausführungen wörtlich, nicht. Denn dann hat nicht der Täter es in der Hand, den Anspruch entstehen zu lassen. Dennoch muss der Dritte auch in diesem Fall straflos sein, denn die Rechtsmacht, die der Verfügungsberechtigte hat, muss er auch übertragen können. Diese Schwierigkeiten können dadurch gelöst werden, dass man die Einwilligungsbefugnis des zivilrechtlich Verfügungsberechtigten anerkennt. Denn der Verfügungsberechtigte hat die Rechtsmacht, durch die Begründung eines fälligen einredefreien Anspruchs jederzeit die Rechtswidrigkeit von Eigentumsdelikten entfallen zu lassen, ohne dass der Eigentümer dies verhindern könnte. Er kann sogar noch mehr: Er hat die Rechtsmacht, ohne Zutun des Eigentümers schon die Tatbestandsmäßigkeit jedes Eigentumsdelikts entfallen zu lassen, indem er sich die Sache durch einen Dritten (zivilrechtlich wirksam) rückübereignen lässt. Er kann also Eigentumsverschaffungsansprüche nicht nur begründen, sondern ohne Zutun des Eigentümers auch durchsetzen. Er hat kraft seiner Fähigkeit, generell fällige einredefreie Ansprüche entstehen zu lassen, die Macht, die materielle Eigentumsordnung402 zu gestalten, was im Fall seiner ausschließlichen Verfügungsbefugnis dem Rechtsgutsinhaber verwehrt ist. Auch auf Eigentümerseite verlaufen die Einwilligungsbefugnis und die Fähigkeit, einen fälligen einredefreien Anspruch zu begründen, parallel: Dem Eigentümer, der aufgrund einer die zivilrechtliche Verfügungsbefugnis verlagernden Norm nicht mehr in die Eigentumsverletzung einwilligen kann, ist auch die Fähigkeit genommen, mittels Begründung eines fälligen einredefreien Anspruchs die materielle Eigentumsordnung zu gestalten. Einzig legitimer Grund der Verneinung der Einwilligungsbefugnis des Verfügungsberechtigten könnte berechtigter Schutz des Rechtsgutsinhabers vor dessen Zugriff sein. Der Rechtsgutsinhaber ist aber wegen der Fähigkeit des Verfügungsberechtigten, Eigentumsverschaffungsansprüche zu begründen, dem Verfügungsberechtigten (innerhalb der Grenzen von dessen Verfügungsmacht) schutzlos ausgeliefert. Wie ähnlich sich die Fähigkeit, einen fälligen einredefreien Eigentumsverschaffungsanspruch zu begründen, und die Einwilligungsbefugnis sind, zeigt sich übrigens an zwei weiteren Gemeinsamkeiten: Erstens bestehen beide nicht unbegrenzt. Die Möglichkeit, einen Eigentumsverschaffungsanspruch zu begründen ist, regelmäßig begrenzt, wie etwa beim Insolvenzverwalter durch den Insolvenzzweck. Diese Grenze findet sich auch bei der Einwilligungsbefugnis, nur dass man sie dort „objektive Schranke“ nennen würde. 402

Vgl. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 187.

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Zweitens reichen beide für sich genommen noch nicht aus, sondern bedürfen eines subjektiven Elementes: Die Handlung, die durch die Fähigkeit, einen Eigentumsverschaffungsanspruch zu begründen, straflos sein soll, muss begleitet sein vom Willen, diesen Anspruch auch tatsächlich entstehen zu lassen.403 Ebenso reicht die Einwilligungsfähigkeit zur Rechtfertigung nicht aus, sondern es bedarf auch hier eines Willens, einer Billigung der Rechtsgutsverletzung. Die strafrechtliche Einwilligungsbefugnis des zivilrechtlich Verfügungsberechtigten ergibt sich also aus dessen Fähigkeit, fällige einredefreie Ansprüche entstehen zu lassen. Der Verfügungsberechtigte hat also auch die Rechtsmacht, in Eigentumsverletzungen durch Dritte einzuwilligen. Auch hierbei stellen die Grenzen der Verfügungsmacht allerdings die objektiven Schranken der Einwilligung dar.404 Widerspricht im Fall des Insolvenzverwalters die Einwilligung offensichtlich dem Insolvenzzweck, ist sie unwirksam. Anzumerken ist noch, dass die Verlagerung der Einwilligungsbefugnis im Strafrecht merkwürdigerweise in einer anderen Konstellation grundsätzlich – wenn auch mit Unterschieden im Detail – meist anerkannt wird: bei der Stellvertretung bei der Einwilligung.405 Sofern man sich mit dieser Frage beschäftigt, wird die Stellvertretung in irgendeiner Form zugelassen, meist unabhängig davon, ob es sich um gesetzliche oder gewillkürte Stellvertretung handelt.406 Auffällig ist, dass gesetzliche Stellvertretung meist nur dann zugelassen wird, wenn der Rechtsgutsinhaber nicht einsichtsfähig ist.407 Worin aber der gravierende Unterschied zwischen der „Stellvertretung“ und einer sonstigen Verlagerung der Einwilligungsbefugnis bestehen sollte, ist nicht recht nachvollziehbar. Sollte dies daran liegen, dass die Stellvertretung dem Vertretenen zugute kommen soll? Oder daran, dass die Stellvertretung, wenn sie eine gewillkürte ist, noch auf dem Selbstbestimmungsrecht des Rechtsgutsinhabers beruht? Beiden Thesen ließe sich entgegenhalten, dass die Einwilligung des Vertreters zumindest in gewissem Maße auch (um bei der zivilrechtlichen 403

Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 160. Auch die übertragene Einwilligungsfähigkeit kann selbstverständlich begrenzt sein. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass der dem Verfügungsberechtigten nicht übertragene „Rest“ der Verfügungsmacht beim Rechtsgutsinhaber verbleiben muss: So kann auch der Insolvenzschuldner den Insolvenzverwalter nicht durch Genehmigung eines wegen offensichtlichen Verstoßes gegen den Insolvenzzweck unwirksamen Geschäftes befreien, vgl. MKInsO-Ott, § 80 Rn. 37 (zu § 181 BGB). 405 s. nur Joecks, vor § 32 Rn. 20; Wessels/Beulke, AT, Rn. 373; Roxin, AT 1, § 13 Rn. 63 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 41 ff.; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 117; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 102. 406 Diese zivilrechtliche Terminologie ist irreführend, setzt Stellvertretung im zivilrechtlichen Sinn doch eine Willenserklärung voraus. 407 Anders aber Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 42, der bei Minderjährigen trotz Einsichtsfähigkeit bei „offensichtlichen Fehlentscheidungen“ den Eltern das Entscheidungsrecht zugesteht; dagegen Jakobs, AT, 7/114 Fn. 176. 404

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Terminologie zu bleiben: im Außenverhältnis) dann wirksam ist, wenn sie den Interessen408 des Rechtsgutsinhabers zuwiderläuft.409 Auch hier können also Drittinteressen des Vertreters zu einer wirksamen Einwilligung führen. Wie nah im Übrigen die gesetzliche Stellvertretung und die Verfügungs-/Einwilligungsbefugnis beieinander liegen, zeigt sich auch am Beispiel des § 80 InsO: So wird zu § 80 InsO immerhin von einer Meinung410 vertreten, es handele sich (zivilrechtlich) um gesetzliche Stellvertretung.411 § 241a BGB bewirkt also eine Verlagerung der Einwilligungsbefugnis vom Versender auf den Empfänger. Anders als beispielsweise bei § 80 InsO ist die auf der Verfügungsbefugnis beruhende Einwilligungsbefugnis des § 241a BGB allerdings grundsätzlich unbeschränkt.412 (2) Ergebnis zu bb) Der Empfänger unbestellter Sachen i. S. des § 241a BGB kann also in strafrechtlich relevante Eigentumsverletzungen einwilligen. Eine Strafbarkeit aus §§ 242, 246, 303 StGB in Bezug auf die zugesandte Sache scheidet damit aus. Dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Straflosigkeit413 ist damit genüge getan ohne dass es einer besonderen verfassungskonformen Auslegung etwa auf Tatbestands- oder Rechtswidrigkeitsebene bedurft hätte. Denn dieses Ergebnis ist keine Besonderheit des § 241a BGB; in der zivilrechtlichen Verfügungsbefugnis ist stets die strafrechtliche Einwilligungsbefugnis enthalten. Unstimmigkeiten hinsichtlich des durch die §§ 242, 246, 303 StGB geschützten Rechtsguts ergeben sich dabei nicht. Rechtsgut dieser Vorschriften ist das Eigentum selbst, nicht jedoch die Selbstbestimmung in Bezug auf das Eigentum.414

408 Bei der gesetzlichen Stellvertretung müsste man diese, wenn man Einsichtsunfähigkeit des Rechtsgutsinhaber voraussetzt, objektiv verstehen, im Fall der gewillkürten Stellvertretung können sie nur subjektiv vom Rechtsgutsinhaber bestimmt werden. 409 Vgl. auch Rönnau, Willensmängel, S. 72. 410 Zum Theorienstreit s. MKInsO-Ott, § 80 Rn. 26 ff. m. w. N. 411 Roxin, AT 1, § 13 Rn. 16, geht (im Zusammenhang mit der Einordnung der Einwilligung im Deliktsaufbau und als Argument für die These, dass mit dem Rechtsgut auch stets die Verfügungsbefugnis im Tatbestand geschützt sei) davon aus, dass die Verfügungsbefugnis vorübergehend durch andere ausgeübt werden kann. Als Beispiel nennt er die gesetzliche Stellvertretung durch den Sorgeberechtigten und stellt diesem den Konkursverwalter gleich. Dass er diese beiden Personen aber nicht auch hinsichtlich der Einwilligungsbefugnis gleichstellt, erscheint nicht konsequent. 412 Auch die Einwilligungsbefugnis des Empfängers kann aber, ebenso wie die Einwilligungsbefugnis eines jeden Rechtsgutsinhabers, durch objektive Schranken, die nicht auf § 241a BGB beruhen, begrenzt sein. 413 s. o. II. 2. 414 Schönke/Schröder/Lenckner, vor § 32 Rn. 33a; LK-Hirsch, vor § 32 Rn. 98; Amelung, ZStW 109 (1997), 490 (505); Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 95 f.;

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Dieses Ergebnis erscheint aus weiteren Gründen stimmig: Zunächst erfolgt eine Rechtfertigung im Zivil- und Strafrecht aufgrund desselben Rechtfertigungsgrundes, der Einwilligung, was mit der gesetzgeberischen Vorstellung von Auseinanderfallen von Eigentum und wirtschaftlicher Verfügungsmacht harmoniert.415 Zudem „verschont“ es die Auslegung der §§ 242, 246, 303 StGB und der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe vor verfassungsrechtlicher Korrektur. Und schließlich hat das über den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung gefundene Ergebnis der Straflosigkeit gegenüber einer Tatbestandsreduktion oder einer Ausdehnung eines Rechtfertigungsgrundes den Vorteil, dass unproblematisch auch Handlungen Dritter gerechtfertigt werden können, wenn dies dem Willen des Empfängers entspricht.416 c) Rechtfertigung durch § 241a BGB? Es entspricht der ganz überwiegenden Literaturmeinung, dass sich der Empfänger unbestellter Sachen i. S. des § 241a BGB nicht aus Eigentumsdelikten strafbar machen kann. Sofern dieses Ergebnis straftatsystematisch eingeordnet wird, entspricht es der fast einhelligen Meinung sowohl in der zivil- als auch der strafrechtlichen Literatur, dass es sich bei § 241a BGB um einen Rechtfertigungsgrund handele.417 Leider existieren nur wenige Ausführungen, die über eine bloße Behauptung dieser Einordnung hinausgehen: Jescheck/Weigend, AT, S. 375 f.; Kühl, AT, § 9 Rn. 22; a. A. aber Roxin, AT 1, § 13 Rn. 12 ff. 415 s. o. 1. Teil B. III. 3. a). 416 Vgl. hierzu auch noch unten c). 417 Matzky, NStZ 2002, 458 (463); Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (257); Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 168 f.; Jäger, AT, Rn. 163; Wessels/Beulke, AT, Rn. 283a; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 22; Baumann/Weber/Mitsch, AT § 16 Rn. 45; Berger, JuS 2001, 649 (653 Fn. 51); AnwKomm-Krebs, § 241a Rn. 6; Erman/Saenger, § 241a Rn. 27 f.; Bamberger/Roth/Grüneberg, § 241a Rn. 10; S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212 Fn. 81); P. Frotscher, Verbraucherschutz, S. 148 Fn. 1080; Dornheim, Sanktionen, S. 222; offengelassen bei Schöne/Fröschle, Unbestellte Waren, S. 7 Fn. 23; Härting, FernAbsG, Einl. Rn. 57 („nicht rechtswidrig“); Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 17, wollen für § 303 StGB eine „rechtliche Duldungspflicht“ annehmen, „die die Rechtswidrigkeit beseitigt.“; eine Unterschlagung sei „möglicherweise gerechtfertigt“, dies., BT 2, Rn. 294; Rengier, BT 1, § 5 Rn. 6, findet den Vorschlag, in § 241a BGB einen Rechtfertigungsgrund zu sehen „beachtlich“; nach Tröndle/Fischer, § 246 Rn. 3, „spricht vieles dafür“. Im Rahmen des § 246 StGB wird teilweise bereits die als objektives Tatbestandsmerkmal angesehene Rechtswidrigkeit der Zueignung verneint, ohne dass sich hieraus aber inhaltliche Unterschiede ergäben, so etwa Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (257); Jäger, AT, Rn. 163; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 294; Joecks, § 246 Rn. 32, „die Rechtswidrigkeit der Zueignung kann entfallen“. Einen Strafbarkeitsausschluss auf Tatbestandsebene nimmt offenbar MKStGB-Schmitz, § 242 Rn. 14, an, wenn er einen „Ausschluss des strafrechtlichen Eigentumsschutzes“ propagiert. Zu einer „verkehrsunfähigen Sache“ (so die Überschrift zu Rn. 14) wird die Sache durch die Rechtsfolgen des § 241a BGB aber noch nicht.

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Haft/Eisele berufen sich zur Begründung der Annahme eines Rechtfertigungsgrundes auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung418 und das ultima-ratio-Prinzip.419 Aus dem Rechtfertigungsprinzip des überwiegenden Interesses, aber auch aus dem teilweise vertretenen Veranlassungsprinzip leiten sie sodann die Einordnung des § 241a BGB als Rechtfertigungsgrund her,420 um darüber hinaus zu betonen, dass die Geltung zivilrechtlicher Vorschriften – insbesondere von Rechtfertigungsgründen wie etwa §§ 228, 904 BGB – im Strafrecht heute allgemein anerkannt sei.421 Da das Strafrecht keinen numerus clausus der Rechtfertigungsgründe kenne, sei § 241a BGB als Rechtfertigungsgrund einzustufen.422 Matzky stellt zunächst fest, dass der Wortlaut des § 241a BGB eine rechtfertigende Wirkung nicht explizit erwähne, um dann unter Heranziehung grundsätzlicher Rechtfertigungsprinzipien eine rechtfertigende Wirkung des § 241a BGB zu bejahen.423 Zudem erfordert auch nach seiner Auffassung die Einheit der Rechtsordnung eine strafrechtliche Folgenlosigkeit des zivilrechtlich gebilligten Verhaltens des Empfängers,424 weshalb § 241a BGB als Rechtfertigungsgrund anzusehen sei.425 Geist hält eine rechtfertigende Wirkung des § 241a BGB angesichts dessen Wortlauts zwar für problematisch,426 begründet die Qualifizierung als Rechtfertigungsgrund aber mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung,427 welcher die strafrechtliche Folgenlosigkeit erfordere. Daher bejaht auch sie eine rechtfertigende Wirkung des § 241a BGB. Die Geltung zivilrechtlicher Rechtfertigungsgründe wie etwa §§ 227, 228 BGB im Strafrecht sei zudem allgemein anerkannt.428 Jäger beruft sich ohne nähere Begründung auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.429 Auf den ersten Blick kann die Einordnung des § 241a BGB als Rechtfertigungsgrund im Strafrecht Plausibilität für sich in Anspruch nehmen. Die An-

418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429

Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (254). Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (255). Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (256). Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (253 f.). Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (254 ff.). Matzky, NStZ 2002, 458 (462 f.). Matzky, NStZ 2002, 458 (463). Matzky, NStZ 2002, 458 (463). Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 167. Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 166. Geist, Zusendung unbestellter Waren, S. 169. Jäger, AT, Rn. 163.

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wendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht entspricht ganz der h. M. Die Begründungen scheinen aber außer Acht zu lassen, dass dies nur für zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe der Fall ist. Jede zivilrechtliche Vorschrift, die im Strafrecht als Rechtfertigungsgrund wirkt, ist auch zivilrechtlich ein Rechtfertigungsgrund. Dies gilt auch dann, wenn, wie bei der berechtigten GoA, in den Vorschriften nicht ausdrücklich von Rechtfertigung die Rede ist. Sie wäre z. B. im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs aus § 823 BGB auf Rechtfertigungsebene zu berücksichtigen. Dies trifft für § 241a BGB nicht zu. Es handelt sich vielmehr um eine anspruchshindernde Einwendung.430 Die Beantwortung der Frage, ob § 241a BGB daneben zivilrechtlich rechtfertigend wirkt, lassen die Ausführungen vermissen.431 Nach der hier vertretenen Meinung ist sie zu verneinen.432 Die als Begründung der Berücksichtigung des § 241a BGB im Strafrecht angeführte Einheit der Rechtsordnung vermag eine Berücksichtigung als Rechtfertigungsgrund noch nicht zu tragen. Eine zivilrechtliche Wertung kann auch auf andere Weise als durch Einordnung als Rechtfertigungsgrund beachtet werden. So wirken z. B. bei der ärztlichen Heilbehandlung des Kindes die Vorschriften der §§ 1626, 1631 BGB für die Eltern nicht unmittelbar als Rechtfertigungsgrund, sondern bewirken nur deren Einwilligungsbefugnis. Auch die Berufung auf das Prinzip des überwiegenden Interesses433 bzw. auf den Gedanken der sozial richtigen Regulierung kollidierender Interessen434 trägt eine Einstufung als Rechtfertigungsgrund für sich genommen nicht: Es mag sein, dass diese Prinzipien vielen Rechtfertigungsgründen zugrunde liegen. Längst nicht jede Norm aber, die eine Interessenregulierung vornimmt, ist ein Rechtfertigungsgrund. Anderenfalls müsste – um nur ein Beispiel zu nennen – jede zivilrechtliche Haftungsprivilegierung (z. B. §§ 1359, 1664 I BGB)435 als Rechtfertigungsgrund anzusehen sein. 430

s. o. 1. Teil B. III. 2. a). Einzig S. Lorenz, FS W. Lorenz, S. 193 (212 Fn. 81), meint, die Vorschrift müsse „fraglos sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich als Rechtfertigungsgrund angesehen werden.“ Er begründet dies aber nicht weiter. 432 s. o. 1. Teil B. III. 3. b). Auch Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (257), gehen offenbar implizit davon aus, dass § 241a BGB im Zivilrecht nicht rechtfertigend wirkt, wenn sie die Einordnung als strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund damit begründen, dass sonst der vollständige Anspruchsausschluss über § 823 II BGB umgangen werde. Wenn sie aber davon ausgehen, dass der § 823 II BGB zu bejahen wäre, erklären sie damit gleichzeitig, dass dieser Anspruch auch nicht wegen § 241a BGB ausgeschlossen ist, § 241a BGB also auch kein Rechtfertigungsgrund sein kann. Daneben verkennen sie, dass die anspruchsausschließende Wirkung des § 241a BGB natürlich auch § 823 II BGB betrifft. 433 So Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (257). 434 So Matzky, NStZ 2002, 458 (462 f.). 435 Im Falle einer leicht fahrlässigen (unterhalb des Niveaus der eigenüblichen Sorgfalt liegenden) Körperverletzung (§ 229 StGB) des Kindes durch einen Elternteil 431

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Selbst wenn man § 241a BGB als zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrund ansähe, wäre nach der hier vertretenen Meinung eine unmittelbare Anwendung im Strafrecht abzulehnen, da eine Rechtfertigung bereits durch Einwilligung und ggf. § 32 StGB eintritt, es der Übertragung also nicht bedürfte.436 Die genannten Ausführungen in der Literatur lassen zudem eine befriedigende Lösung für Handlungen Dritter vermissen, die im Einverständnis mit dem Empfänger Tathandlungen i. S. der §§ 242, 246, 303 StGB ausführen. Es bleibt offen, ob diese Handlungen als „§ 241a BGB-Hilfe“ ebenfalls gerechtfertigt sein sollen. Die Einordnung des § 241a BGB als Rechtfertigungsgrund im Strafrecht ist mithin abzulehnen.

B. Strafbarkeit des Empfängers aus Vermögensdelikten? Nach der hier vertretenen Lösung scheidet eine Strafbarkeit des Empfängers aus Vermögensdelikten (etwa §§ 253, 263 StGB) aus. In Betracht käme beispielsweise eine Strafbarkeit aus § 263 StGB zulasten des Versenders dadurch, dass der Empfänger den Versender etwa darüber täuscht, dass er die Sache bereits bezahlt habe und ihn so zu einem Verzicht auf ein Herausgabeverlangen veranlasst. Da ein Herausgabeanspruch seitens des Versenders aber nicht besteht, kann er keine vermögensbezogene Verfügung i. S. der §§ 253, 263 StGB vornehmen. Eine Handlung, Duldung oder Unterlassung wirkte sich nicht vermögensmindernd aus. Auch zulasten eines Dritten, dem der Empfänger die Sache ggf. unter Vorspiegelung seines Eigentums veräußert und den er so zur Zahlung eines Kaufpreises veranlasst, scheidet jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Eigentums aus, da der Empfänger dem Dritten aufgrund seiner Verfügungsbefugnis437 vollwertiges Eigentum verschaffen kann, ohne dass es auf einen gutgläubigen Erwerb ankäme. Das bekannte Problem zum Vermögensschaden bei gutgläubigem Erwerb438 stellt sich daher nicht.439

von einer „Rechtfertigung durch § 1664 I BGB“ zu sprechen, vertritt wohl niemand. Denkbar erscheint aber eine strafrechtliche Berücksichtigung im Rahmen der Fahrlässigkeit. 436 s. o. a) bb) und b). 437 s. o. 1. Teil B. III. 3. a). 438 Vgl. hierzu etwa Rengier, BT 1, § 13 Rn. 90 f. 439 Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (259 ff.), bejahen demgegenüber die Möglichkeit eines Betruges zulasten Dritter, da sie eine Verfügungsbefugnis des Empfängers verneinen.

C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers

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C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers440 I. Pfandkehr (§ 289 StGB) Der Empfänger ist strafrechtlich weitreichend durch § 289 StGB geschützt. Ein „Gebrauchsrecht“ i. S. des § 289 StGB wird übereinstimmend „im weitesten Sinne“441 verstanden. Es kann sich hierbei um dingliche oder persönliche Rechte, um privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche, um gesetzliche oder vertragsmäßige Rechte handeln.442 Ein Gebrauchsrecht des Empfängers unbestellter Sachen dürfte sich nicht leugnen lassen,443 denn gesetzgeberische Absicht bei der Schaffung des § 241a BGB war die Erzielung des wirtschaftlichen Effekts einer schenkweisen Übereignung.444 Holt sich der Versender die Sache eigenmächtig vom Empfänger zurück, macht er sich, auch wenn dies als Wegnahme zu qualifizieren ist, nicht aus § 242 StGB strafbar, da die Sache für ihn nicht fremd ist.445 Eine eigennützige Pfandkehr (§ 289 StGB) ist dagegen zu bejahen. Ebenso unproblematisch kommt eine fremdnützige Pfandkehr eines Dritten in Betracht, der dem Empfänger die Sache zugunsten des Versenders wegnimmt. Fraglich ist aber, wie es sich verhält, wenn sich die Sache mittlerweile bei einem Dritten befindet, der sie entweder vom Empfänger (z. B. leih- oder mietweise) überlassen bekommen oder sie ihm weggenommen hat. Problematisch ist hierbei, ob der strafrechtliche Schutz des Empfängers auch dann noch besteht, wenn der Eigentümer die Sache dem Dritten wegnimmt oder ein Vierter diese zugunsten des Eigentümers dem Dritten wegnimmt. Die Frage führt zur umstrittenen Problematik der Bestimmung des Wegnahmebegriffs bei 440 Die nachstehenden Erwägungen beziehen sich auf den strafrechtlichen Schutz in Bezug auf Handlungen nach erfolgter Zusendung. In der Zusendung selbst kann, abhängig vom Einzelfall, eine Täuschungshandlung (i. S. des § 263 StGB) des Versenders liegen, insbesondere bei einer Täuschung über eine angebliche Zahlungsverpflichtung, vgl. hierzu die aktuelle Diskussion bei rechnungsähnlich gestalteten Vertragsofferten, etwa bei Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 499; Rengier, BT 1, § 13 Rn. 5a; beide m. w. N. 441 s. nur LK-B. Schünemann, § 289 Rn. 7. 442 Schönke/Schröder/Eser/Heine, § 289 Rn. 5. 443 Haft/Eisele, GS Meurer, S. 245 (261). 444 Vgl. oben 1. Teil B. III. 3. a); 1. Teil B. III. 1. e). Der Empfänger ist berechtigter Besitzer. U.a. auf den berechtigten unmittelbaren Besitz stellen Arzt/Weber, BT, § 16 Rn. 29, ab. 445 Etwas anderes wäre anzunehmen, wenn man als Folge des § 241a BGB einen Eigentumsübergang auf den Empfänger annähme, vgl. oben 1. Teil B. III. 2. b), c). Ebenso ließe sich die Fremdheit der Sache für den Versender mit Hilfe des wirtschaftlichen Fremdheitsbegriffs, wie er von Otto vertreten wird, bejahen, da der Empfänger ein stärkeres Vermögensrecht an der Sache hat als der Versender, vgl. oben III 1. b) cc). Zum „mittelbaren Schutz durch Eigentumsdelikte“ vgl. aber unten II.

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der Pfandkehr.446 Jedenfalls für den ersten Fall ließe sich eine Wegnahme mit der Definition der (wohl) h. M. bejahen. Sie bestimmt die Wegnahme i. S. des § 289 StGB als jede räumliche Entfernung der Sache aus dem tatsächlichen Machtbereich des Berechtigten, wobei für die Annahme eines Machtbereiches ein besitzähnliches Herrschaftsverhältnis genüge.447 Zweck dieses weiten, vom Wegnahmebegriff des § 242 StGB abweichenden Verständnisses ist, dies wird meist offen eingeräumt,448 die Einbeziehung auch der zivilrechtlichen besitzlosen Pfandrechte aus §§ 562, 592, 704 BGB. Diese werden unstreitig als Pfandrechte i. S. des § 289 StGB erfasst. Da bei ihnen meist aber kein Gewahrsam des Pfandgläubigers besteht, scheiterte bei engem Verständnis eine Strafbarkeit aus § 289 StGB an der fehlenden Wegnahme. Ein „besitzähnliches Herrschaftsverhältnis“ des Empfängers lässt sich bejahen, wenn er die Sache verliehen oder vermietet hat. Er ist dann mittelbarer Besitzer i. S. des § 868 BGB. Und bei einer räumlichen Entfernung der Sache durch den Versender oder den Vierten würde es dem Empfänger unmöglich gemacht, sein Nutzungsrecht auszuüben. Dem wird man kaum entgegengehalten können, dass diese Sichtweise zu eng am zivilrechtlichen Besitzbegriff, der den mittelbaren Besitz eben einschließt, hafte, und dass der mittelbare Besitz für die geforderte faktische Herrschaftsbeziehung nicht ausreiche. Denn die faktische Herrschaftsbeziehung beim mittelbaren Besitz ist nicht schwächer ausgeprägt als diejenige des über ein Vermieterpfandrecht verfügenden Vermieters an eingebrachten Sachen des Mieters449 – jene Fallgruppe, die die h. M. mit dem weiten Verständnis des Wegnahmebegriffs zu erfassen beabsichtigt. Auch die vorstehenden Überlegungen zeigen die in der Literatur mittlerweile stark kritisierte „Verschwommenheit“450 des Begriffs des „besitzähnlichen Herrschaftsverhältnisses“.451 Zu Recht kritisiert die Gegenmeinung, dass die herrschende Interpretation letztlich nicht faktische, sondern rechtliche452 Herrschaftsmacht meint, was auf den Schutz der bloßen Rechtsposition hinausläuft.453 446 Vgl. z. B. die Darstellung der Kontroverse bei Demko, Relativität der Rechtsbegriffe, S. 214 ff. 447 s. nur Rengier, BT 1, § 28 Rn. 7; BayObLG NJW 1981, 1745 (1746); Lackner/ Kühl, § 289 Rn. 3. 448 Z. B. Gössel, BT 2, § 18 Rn. 113; Rengier, BT 1, § 28 Rn. 7; Mitsch, BT 2/2, § 5 Rn. 126; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 442; kritisch zu dieser ergebnisorientierten Auslegung NK-Wohlers, § 289 Rn. 22. 449 Eine einen tatsächlichen Machtbereich begründende Herrschaftsposition bei den besitzlosen Pfandrechten bestreitet Laubenthal, JA 1990, 38 (40). 450 So etwa Joecks, § 289 Rn. 3; LK-B. Schünemann, § 289 Rn. 14. 451 Zu weiteren Gegenargumenten, insbesondere dem Strafrahmenvergleich mit §§ 136, 288 StGB, s. Schönke/Schröder/Eser/Heine, § 289 Rn. 8; Joerden, JuS 1985, 20 (23); SK-Hoyer, § 289 Rn. 10. 452 LK-Schäfer (10. Aufl.), § 289 Rn. 10.

C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers

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Zwar bedarf es nicht zwingend einer identischen Auslegung der Wegnahmebegriffe der §§ 242 und 289 StGB.454 Jedenfalls das Kriterium des „besitzähnlichen Herrschaftsverhältnisses“ entfernt sich aber zu weit vom Wortlaut des Begriffes „Wegnahme“.455 Durch Gewahrsamsbruch und eine Gewahrsamsneubegründung mag dem Dritten die Sache weggenommen werden können, aber eben nicht – wie dies § 289 StGB erfordert – „dem Nutznießer etc.“ Im Fall der Überlassung der Sache durch den Empfänger an einen Dritten, welchem diese sodann vom Versender oder einem Vierten zugunsten des Versenders weggenommen wird, fragt sich, ob der Dritte über ein eigenes Nutzungsrecht an der Sache verfügt, welches durch § 289 StGB geschützt ist. Er ist immerhin Inhaber eines vom Empfänger abgeleiteten Besitzrechts i. S. des § 986 I S. 1 2. Alt. BGB.456 Auch wenn dieses eigene457 Besitzrecht von demjenigen des Empfängers abgeleitet wird, schützt es doch (zumindest: auch) den Dritten. Jedenfalls bei einer befugten Weitergabe des Empfängers dürfte ein eigenes, durch § 289 StGB geschütztes Gebrauchsrecht des Dritten daher zu bejahen sein, wobei sich die Befugnis zur Weitergabe aus der umfassenden Verfügungsbefugnis458 des Empfängers ergibt. Auch der Dritte ist daher der Inhaber eines Gebrauchsrechts, dem die Sache vom Versender oder einem Vierten zugunsten des Versenders i. S. des § 289 StGB weggenommen werden kann. Er ist dann auch der Verletzte i. S. des § 77 StGB, der gemäß § 289 III StGB strafantragsberechtigt ist.459 Eine Pfandkehr-Strafbarkeit des Versenders oder des Vierten auf Grundlage der hier vertretenen Meinung scheidet aber aus, wenn der Dritte die Sache dem Empfänger zuvor entwendet hat. In diesem Fall hat nämlich der Dritte kein (abgeleitetes) Recht zum Besitz. Vielmehr kann der Eigentümer die Herausgabe der Sache an den Empfänger verlangen.460 453 NK-Wohlers, § 289 Rn. 21; Joerden, JuS 1985, 20 (23); Otto, Jura 1992, 666 (667); Laubenthal, JA 1990, 38 (40). 454 Die Rechtsbegriffe sind „relativ“, vgl. Demko, Relativität der Rechtsbegriffe (2002). Zur Relativität des Wegnahmebegriffs, ebda., S. 233. 455 NK-Wohlers, § 289 Rn. 19; Joerden, JuS 1985, 20 (23). 456 s. o. 1. Teil B. III. 4. 457 Vgl. Staudinger/Gursky, § 986 Rn. 37; Palandt/Bassenge, § 986 Rn. 6. 458 s. o. 1. Teil B. III. 3. a). 459 Auf Grundlage der h. M., die konsequenterweise auch im Gewahrsamsbruch und -neubegründung beim Dritten eine Wegnahme beim Empfänger annehmen müsste, gäbe es daher zwei Verletzte i. S. des § 77 I StGB. 460 Dies ergibt sich aus einem Erst-Recht-Schluss zu § 986 I 2 BGB, MK-Medicus, § 986 Rn. 25; Staudinger/Gursky, § 986 Rn. 42 (ganz h. M.). Dass aufgrund der zu § 289 StGB h. M. eine Wegnahme beim Empfänger noch bejaht werden könnte, erscheint sehr zweifelhaft, denn in diesem Fall ist der Empfänger kein mittelbarer Besitzer i. S. des § 868 BGB. Vielmehr stehen ihm lediglich deliktische und sachenrechtliche Herausgabeansprüche gegen den Dritten zu, die allein zu einer Begründung eines „besitzähnlichen Herrschaftsverhältnisses“ nicht ausreichen dürften.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

II. Mittelbarer Schutz des Empfängers durch Eigentumsdelikte Die Verlagerung der Einwilligungsbefugnis vom Versender auf den Empfänger bewirkt, dass letzterer in gewissem Maße „mittelbar“ durch Eigentumsdelikte geschützt wird. Eigentumsdelikte des Versenders scheitern zwar an der fehlenden Fremdheit der Sache. Da die Einwilligungsbefugnis dem Versender entzogen ist, vermag dieser in Eigentumsverletzungen aber nicht mehr einzuwilligen. Dies bedeutet zum einen, dass Fälle der Pfandkehr bei Wegnahme der Sache beim Empfänger durch Dritte zugunsten des Versenders gleichzeitig als Diebstahl strafbar sind, obwohl dies unter normalen Umständen vielfach ausscheiden wird, da bei fremdnütziger Pfandkehr oftmals eine (mutmaßliche) Einwilligung des Eigentümers vorliegen wird. Zum anderen bewirkt die Verlagerung der Einwilligungsbefugnis eine Ergänzung des (durch § 289 StGB gewährten) strafrechtlichen Schutzes des Empfängers in Konstellationen, in denen mit Einverständnis des Versenders gehandelt wird, eine Wegnahme beim Empfänger aber nicht bejaht werden kann: Zunächst ist die Wegnahme beim Mieter/Entleiher der Sache durch einen Dritten, der im Einverständnis mit dem Versender handelt, (neben der Strafbarkeit aus Pfandkehr zulasten des Mieters/Entleihers461) auch als Diebstahl strafbar. Eine Zueignungshandlung des Mieters/Entleihers zugunsten des Versenders ist nach der hier vertretenen Meinung nicht als Pfandkehr strafbar.462 Trotz Billigung der Zueignungshandlung durch den Versender lässt sich eine Unterschlagung aber bejahen. Die Entwendung bei einem Dritten, der die Sache dem Empfänger entwendet hat, kann, mangels Wegnahme, auch wenn sie zugunsten des Versenders erfolgt, nicht als fremdnützige Pfandkehr bestraft werden.463 Ein Diebstahl lässt sich aber bejahen, auch wenn der Versender diese Entwendung billigt. Entsprechendes gilt für Zueignungshandlungen – auch diejenigen des Dritten selbst. Die vorstehenden Erwägungen lassen allerdings noch einen Aspekt unberücksichtigt, der zu einem schwierigen Problem führt. Oben464 wurde dargelegt, dass eine (beabsichtigte) Zueignung des Empfängers genau genommen nicht bejaht werden kann, da die (gewollte) Enteignung und Aneignung bereits durch die gesetzliche Regelung des § 241a BGB bewirkt werden. 461 462 463 464

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

oben oben oben oben

I. I. Nach der h. M. ließe sich dies ggf. bejahen. I. a. E. A. III. 1. c) cc).

C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers

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Auf Grundlage dieser Erkenntnis ergibt sich hinsichtlich der Enteignungsseite aber dasselbe für Zueignungen bzw. die Zueignungsabsicht Dritter: Die Enteignung ist bereits durch die gesetzliche Anordnung des § 241a BGB bewirkt, so dass der Eigentümer nicht mehr aus seiner in § 903 BGB beschriebenen Herrschaftsposition verdrängt werden kann. Es fragt sich aber, ob dies die Straflosigkeit Dritter bedeuten muss. Denn zu überlegen ist, ob es wirklich die Herrschaftsstellung des Eigentümers ist, auf die es vorliegend ankommt, oder ob evtl. die Herrschaftsmacht des Empfängers maßgeblich sein könnte. Für die Beschreibung der Elemente der Zueignung(sabsicht) wird vielfach auf die in § 903 BGB beschriebenen Befugnisse Bezug genommen.465 Diese müssen dem Eigentümer faktisch entzogen werden (wollen). Entsprechend466 komme es für die Aneignungsseite auf die Einordnung der Sache in den eigenen Herrschaftsbereich, d.h. die Errichtung einer Quasi-Eigentümerstellung i. S. des § 903 BGB, an.467 Sowohl Enteignung als auch Aneignung könnten dabei nur in einem faktischen Sinn verstanden werden.468 Eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes bzw. die Schaffung einer formalen Eigentumsposition ist hingegen unerheblich. Vielfach bedient man sich zur genaueren Bestimmung der Elemente der Zueignung daneben noch einer weiteren Anleihe aus dem Zivilrecht: Bei der als Aneignung zu qualifizierenden Herrschaftsposition handele es sich um Eigenbesitz i. S. des § 872 BGB.469 Wenn für die Elemente der Zueignung die in § 903 BGB beschriebenen Befugnisse, also positiv in Bezug auf die Sache „frei zu schalten und zu walten“470 und negativ „das Recht, Einwirkungen Dritter zu verbieten“,471 maßgeblich sein sollen, so ist die Frage berechtigt, wie es sich verhält, wenn diese aus dem Eigentumsrecht fließenden Befugnisse – was zivilrechtlich möglich ist – ausnahmsweise eben nicht dem Eigentümer, sondern einem Dritten zustehen. Und wenn die Position, die die bei der Aneignung maßgebliche Herrschaftsmacht näher kennzeichnet, diejenige des Eigenbesitzes sein soll, ist zu fragen, 465 Wessels, NJW 1965, 1153 (1154); ders., JZ 1965, 631 (634); Ulsenheimer, Jura 1979, 169 (171); SK-Hoyer, 242 Rn. 79; Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 103. 466 LK-Ruß, § 242 Rn. 51; Schönke/Schröder/Eser, 242 Rn. 47; Ulsenheimer, Jura 1979, 169 (172). 467 Maurach/Schröder/Maiwald, BT 1, § 33 Rn. 38; Arzt/Weber, BT, § 13 Rn. 75. 468 SK-Hoyer, § 242 Rn. 71; NK-Kindhäuser, § 242 Rn. 100; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 142. 469 Kindhäuser, BT 2, § 6 Rn. 8, 18; Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 101; Wessels, NJW 1965, 1153 (1154); Seelmann, JuS 1985, 288; BGHSt 14, 38 (43); 16, 280 (281 f.). 470 Ulsenheimer, Jura 1979, 169 (171). 471 Ulsenheimer, Jura 1979, 169 (171).

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

worauf abgestellt werden muss, wenn es auf Enteignungsseite – anerkanntermaßen die Kehrseite der Aneignung472 – nicht (wie regelmäßig) der Eigentümer, sondern – auch dies ist zivilrechtlich möglich473 – ein Dritter ist, der berechtigterweise den Eigenbesitz ausüben darf. Auf Aneignungsseite ist nicht erforderlich, dass der Täter sich wie ein Eigentümer aufspielt.474 Es bedarf vielmehr nur der Anmaßung eines umfassenden, selbstherrlichen,475 willkürlichen476 Gebrauches. Einer eigentümerähnlichen Verfügungsgewalt477 auf Aneignungsseite dürfte daher theoretisch auch die Anmaßung einer Position der umfassenden Verfügungsbefugnis genügen.478 Dasselbe müsste aber auch für die Enteignungsseite gelten, so dass es auf den faktischen Entzug der umfassenden Verfügungsbefugnis ankommt, welche auch einem Dritten zustehen kann. Ließe man das Abstellen auf eine andere Person nicht zu, ergäben sich, machte man mit dem Abstellen auf die Befugnisse aus § 903 BGB Ernst, erhebliche Begründungsschwierigkeiten, wenn (sämtliche oder einige) Befugnisse aus § 903 BGB zivilrechtlich vorübergehend oder dauerhaft ausgeschlossen oder verlagert sind. Genannt sei erneut die Verlagerung der Verfügungsbefugnis beim Insolvenzverwalter, aber auch die Ausübung des Sorgerechts der Eltern für ihre Kinder.479 Aber auch beschränkte dingliche Rechte wie das Pfandrecht beschränken die Rechtsmacht des Eigentümers, indem sie den Rechtsinhabern Teilberechtigungen an der Sache gewähren.480 Zu einfach machte man es sich 472 LK-Ruß, § 242 Rn. 51; Schönke/Schröder/Eser, 242 Rn. 47; Ulsenheimer, Jura 1979, 169 (172). 473 s. o. 1. Teil B. III. 3. f). 474 Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 103. 475 Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 103. 476 Kindhäuser, FS Geerds, S. 655 (659). 477 Wessels, NJW 1965, 1153 (1154). 478 Wäre etwa die Position des Insolvenzverwalters nicht durch den Zweck des Insolvenzverfahrens begrenzt, so würde die Anmaßung einer solchen Position ausreichen. Für die Aneignungsseite reichte es jedenfalls aus, dass der Täter etwa wie ein mit umfassender Verfügungsbefugnis, Recht zum Besitz etc. ausgestatteter Empfänger unbestellter Sachen i. S. des § 241a BGB aufträte. 479 Vgl. hierzu das sehr ähnliche Problem im Rahmen der Diskussion um den straftatsystematischen Standort der Einwilligung. Die neuere Meinung, welche die Einwilligung als Tatbestandsausschluss ansieht, beruft sich auf die angeblich untrennbare Verbindung zwischen Rechtsgut und Dispositionsbefugnis hierüber, so dass bei einer der Dispositionsbefugnis entsprechenden Handlung keine tatbestandliche Rechtsgutsverletzung vorliegen könne, so etwa Roxin, AT 1, § 13 Rn. 12 ff. Diese Auffassung muss sich aber zu Recht fragen lassen, wie es sich verhält, wenn die Dispositionsbefugnis aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht bzw. nicht beim Rechtsgutsinhaber vorhanden ist, so Rönnau, Willensmängel, S. 70 ff. Jene Kontroverse dreht sich aber um das Rechtsgut und um die Einwilligung. Hier problematisiert ist lediglich die Tathandlung bzw. die überschießende Innentendenz. 480 Staudinger/Seiler, § 903 Rn. 25.

C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers

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jedenfalls, wollte man in diesen Fällen argumentieren, es sei lediglich die Ausübung der Herrschaftsmacht, die bei einem anderen liege, wobei die Substanz der Verfügungsmacht auch bei Fremdausübung (beim Eigentümer) verletzt sein könne.481 Mit dieser Sichtweise ließe sich zwar eine Enteignung ohne Probleme auch dann bejahen, wenn die in § 903 BGB beschriebenen Befugnisse beschränkt oder verlagert sind. Es lässt sich indes nicht leugnen, dass es nicht nur die Ausübung ist, die ggf. dauerhaft beschränkt oder verlagert ist. Dass aus dem Nichtbestehen von Eigentümerbefugnissen jedenfalls nicht das Ergebnis der Straflosigkeit folgen kann, zeigt ein Seitenblick auf das verwandte, unter dem Begriff „Makellosigkeit des Eigentums“ diskutierte Problem. Der Diebstahl etwa von § 29 BtMG erfasster Drogen wird in Literatur und Rechtsprechung fast einhellig für möglich gehalten.482 Unstreitig ist der Hersteller der Drogen zunächst Eigentümer.483 Eine wirksame Übereignung scheitert bei der Veräußerung aber an § 134 BGB i. V. m. § 29 I 1 Nr. 1 StGB,484 so dass das Eigentum beim Hersteller verbleibt. Dieses Eigentum ist aber ausgehöhlt:485 Selbst eine Vindikation scheitert nach richtiger Ansicht schon an § 817 S. 2 BGB.486 Dennoch wird die Möglichkeit eines eventuellen Ausschlusses der Enteignung des Herstellers bei einer Wegnahme beim Erwerber nicht einmal diskutiert.487 Wenn es aber zur Verneinung einer Enteignung noch nicht einmal ausreicht, dass die Rechtsmacht des Eigentümers beschränkt ist,488 kann eine Enteignung

481 So Roxin, AT 1, § 13 Rn. 16, im erwähnten Kontext der Einordnung der Einwilligung; zustimmend D. Sternberg-Lieben, Objektive Schranken, S. 64 Fn. 36. 482 Marcelli, NStZ 1992, 220 f.; Vitt, NStZ 1992, 221 f.; Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 34; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 32 Rn. 25; BGH NJW 1995, 2997; NStZ 1991, 537; Körner, BtMG, § 29 Rn. 996; a. A. aber Engel, NStZ 1991, 520 (521); MKStGB-Schmitz, § 242 Rn. 14, der i. Ü. auch den Fall des § 241a BGB hiermit gleichstellt. 483 Engel, NStZ 1991, 520 (521); Marcelli, NStZ 1992, 220; Vitt, NStZ 1992, 221. 484 Staudinger/Sack, § 134 Rn. 223; MK-Mayer-Maly/Armbrüster, § 134 Rn. 10. 485 Engel, NStZ 1991, 520 (521); Marcelli, NStZ 1992, 220 f.; Vitt, NStZ 1992, 221 (222); MKStGB-Schmitz, § 242 Rn. 14. 486 MK-Mayer-Maly/Armbrüster, § 134 Rn. 113 f.; zum Streit, ob § 817 S. 2 BGB auch die Vindikation ausschließt, vgl. Medicus, BR, Rn. 697; MK-Lieb, § 817 Rn. 26 ff. Dem Herausgabeverlangen steht aber auch § 275 I BGB entgegen, der auf § 985 BGB anwendbar ist, vgl. MK-Medicus, § 985 Rn. 35. Die Herausgabe wäre ein Verstoß gegen § 29 I 1 Nr. 1 7. Alt. BtMG, also rechtlich unmöglich, vgl. MK-H. P. Westermann, § 275 Rn. 6. 487 Der Streit zwischen Engel, NStZ 1991, 520 (521); Marcelli, NStZ 1992, 220 f.; Vitt, NStZ 1992, 221 f., behandelt die Frage nach der Fremdheit, welche richtigerweise bejaht werden muss. 488 Auch der Besitz des Erwerbers ist illegal, § 29 I 1 Nr. 3 BtMG.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

erst recht nicht verneint werden, wenn die Rechtsmacht nur auf eine andere Person verlagert ist. Ob angesichts dieser Aufweichungen an der These festgehalten werden kann, dass es die umfassenden, in § 903 BGB beschriebenen Befugnisse sind, die dem Eigentümer entzogen werden müssen,489 soll für den Bereich der bloßen Beschränkungen hier dahinstehen. Für den Bereich der Verlagerung von Befugnissen, wie sie im täglichen Leben allgegenwärtig sind, bietet sich aber eine Gesamtschau der Befugnisse an, die sich in § 903 BGB vereinen, auch wenn diese Befugnisse teilweise oder (wie vorliegend) vollständig auf eigentümerfremde Personen verlagert sind. Es ist zuzugeben, dass das ausnahmsweise Abstellen auf die Herrschaftsgewalt eines Dritten auf den ersten Blick in eine gewisse Nähe zu der auf das umfassendere Verfügungsrecht Bezug nehmenden wirtschaftlichen Bestimmung des Fremdheitsbegriffs gerät.490 Indes lässt die hier vertretene Sichtweise den zu Recht am Eigentum auszurichtenden Fremdheitsbegriff unberührt und nimmt den §§ 242, 246 StGB nicht den Charakter von Eigentumsdelikten. Vielmehr bestimmt sie nur die Tathandlung (bzw. die überschießende Absicht) näher.491 Für die Zueignungselemente ist zu Recht eine umfassende Machtstellung erforderlich. Dass diese stets beim Eigentümer liegen muss, erscheint nach dem Zueignungsbegriff jedenfalls nicht zwingend.492 Für die Enteignung als Entzug der tatsächlichen Herrschaftsstellung kann daher auf die Herrschaftsstellung des Empfängers abgestellt werden.493 489 Meister, Zueignungsabsicht, S. 166 f., etwa sieht die zivilrechtlichen Beschränkungen als inhaltliche Ausgestaltung der in § 903 BGB beschriebenen Rechtsposition an. Nicht die grundsätzlich durch § 903 BGB geschützten umfassenden Befugnisse sind es daher, deren faktischer Entzug maßgeblich sein soll, sondern die im konkreten Fall nach Berücksichtigung von Beschränkungen noch vorhandenen Befugnisse. Stellte man hierauf ab, so ergäbe sich bei einer Reduzierung dieser Befugnisse auf Null als logische Folge in der Tat die Verneinung einer Enteignung. MKStGB-Hohmann, § 246 Rn. 1, will auf die „Verletzung der nach § 903 BGB grundsätzlich uneingeschränkten Verfügungsmöglichkeit des Eigentümers“ abstellen. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Verletzung einer Rechtsposition doch auch nur so weit eintreten kann, wie die Rechtsposition besteht. 490 Vgl. hierzu oben A. III. 1. b) cc). 491 Vgl. aber auch oben A. III. 1. c) bb) zur Frage, ob für die subjektivierte Bestimmung der Brauchbarkeit(sminderung) auf die Sichtweise des Empfängers abgestellt werden kann. 492 Die hier vertretene Meinung ist, da sie das Rechtsgut unberührt lässt, auch nicht der von Rönnau, Willensmängel, S. 71, am Einwilligungsmodell der genannten neueren Meinung geübten Kritik ausgesetzt, welche die Verlagerung der Dispositionsbefugnis über das Rechtsgut, insbesondere die körperliche Unversehrtheit, auf andere Personen als den Rechtsgutsträger als mit dem Wert des Menschen unvereinbar verurteilt. 493 Jedenfalls im Fall der vollständigen Verlagerung der in § 903 BGB beschriebenen Befugnisse kommt es daher für eine(n) den Enteignungswillen (i. S. des § 242

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III. Schutz des Empfängers durch Vermögensdelikte Weitreichenden strafrechtlichen Schutz erfährt der Empfänger darüber hinaus durch Vermögensdelikte. Wird der Empfänger durch einen Dritten oder durch den Versender mittels Nötigung oder Täuschung zur Herausgabe der Sache veranlasst, kann hierin unproblematisch eine Vermögensminderung liegen. Unstreitig kann grundsätzlich auch schon der Verlust des bloßen Besitzes an einer Sache eine Vermögensminderung bewirken.494 Problematisch ist indes die Bezifferung der Höhe der Wertminderung des Vermögens des Empfängers.495 Dies ist erstens bedeutsam für die Frage, ob ein lediglich geringfügiger Vermögensschaden i. S. des § 263 IV StGB vorliegt.496 Zweitens ist die Schadenshöhe von Bedeutung für die Frage, wie hoch eine Gegenleistung sein muss, um einen Vermögensnachteil bzw. einen Vermögensschaden auszuschließen: Bliebe die vom Empfänger erlittene Wertminderung z. B. um 10 Euro hinter dem Wert der Sache von 100 Euro zurück, so genügte es zur Verneinung eines Vermögensnachteils bzw. -schadens, wenn er im Gegenzug vom Täter 90 Euro erhielte. Die Rechtsposition, die der Empfänger in Bezug auf die Sache innehat, ist aber nicht weniger wert als diejenige eines in seinen Rechten unbeschränkten Eigentümers. Der Empfänger kann Erwerbern kraft seiner umfassenden Verfügungsbefugnis vollwertiges Eigentum verschaffen, ohne dass es auf einen gutgläubigen Erwerb ankäme.497 Ein Erwerber erhält daher vom Empfänger nicht weniger als von einem vollberechtigten Eigentümer der Sache und wird daher denselben Betrag hierfür zahlen. Spiegelbildlich ist die Position des Versenders vollständig entwertet: Er kann, da ihm die Verfügungsbefugnis über die Sache fehlt, niemandem mehr rechtsgeschäftlich das Eigentum an der Sache verschaffen. Niemand wird ihm daher auch nur einen Euro für die (nicht mögliche) Übertragung seines Eigentums zahlen.498 StGB) bzw. die Enteignung (i. S. des § 246 StGB) ausschließende(n) Rückführung(swillen) auf die Rückführung bzw. den Rückführungswillen zur eigentümerfremden Person an. Insofern schließt eine (gewollte) Rückführung in den eingangs genannten Fällen an den Versender nicht die Enteignung/den Enteignungswillen aus. 494 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 535; Schönke/Schröder/Cramer, § 263 Rn. 94; Lackner/Kühl, § 263 Rn. 34; Meinungsdifferenzen bestehen bloß beim illegal erlangten Besitz, vgl. zum Streitstand Küper, BT, S. 347 f.; Schönke/Schröder/Cramer, § 263 Rn. 94 f. 495 Zur zivilrechtlichen Schadenshöhe s. o. 1. Teil B. III. 3. c). 496 Vgl. dazu noch unten IV. 497 Vgl. oben 1. Teil B. III. 3. a). 498 Zum Wert des inhaltsleeren Eigentums vgl. auch Mitsch, BT 2/1, § 6 Rn. 56 ff., im Kontext der Diskussion des Vermögensnachteils bei Lösegelderpressungen für entwendete Sachen. Die Wertlosigkeit der Rechtsposition des Versenders ließe sich, an-

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Der Empfänger steht daher unter demselben Schutz aus Vermögensdelikten wie ein in seinem Eigentumsrecht unbeschränkter Eigentümer.

IV. Strafantragsrecht Probleme ergeben sich bei Eigentumsdelikten im Bereich des Strafantragsrechts. Für Diebstahl und Unterschlagung gewinnt zunächst die für § 248a StGB relevante Geringwertigkeit der Sache Bedeutung. Zweifelhaft ist zudem, wer gem. §§ 247, 248a, 303c StGB strafantragsbefugt ist. 1. Geringwertigkeit der Sache Zu erwägen ist, ob bei einer zugesandten Sache schon aufgrund der Wirkungsweise des § 241a BGB die Geringwertigkeit bejaht werden muss. Bei § 248a StGB ist, so die einhellige Meinung, wenigstens grundsätzlich auf den objektiven Verkehrswert abzustellen.499 Unterschreitet dieser eine in einem Geldbetrag500 ausgedrückte Grenze, so ist von Geringwertigkeit auszugehen. Für den Versender hat die Sache keinen Wert mehr, er kann die Sache nicht mehr erlösbringend verkaufen,501 weshalb der Verkehrswert aus seiner Sicht stets unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen müsste. Dies wäre allerdings eine nach dem oben Gesagten nicht zu berücksichtigende subjektive Sichtweise, denn der zugesandten Sache ist nicht generell die Verkehrsfähigkeit genommen. Die Geringwertigkeit der Sache lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Versender rechtlich gehindert ist, die Sache zu verwerten. Zwar soll es nach einer Literaturmeinung für die Ermittlung des Wertes lediglich auf die legalen Verwertungsmöglichkeiten ankommen.502 Diese Meinung legt indes – Beispiel sind meist illegale Geschäfte mit Betäubungsmitteln – auch für die Verbotenheit einen objektiven Maßstab an, meint also Verwertungsmöglichkeiten, die niemand vornehmen dürfte. ders als beim Opfer der Lösegelderpressung, auch nicht mittels eines juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs verneinen, vgl. etwa Graul, JuS 1999, 562 (566). Denn dort beruht eine Wertlosigkeit auf der faktischen Unmöglichkeit der Wiedererlangung, hier hingegen auf der rechtlichen. 499 BGH NJW 1977, 1460; Schönke/Schröder/Eser, § 248a Rn. 7; Lackner/Kühl, § 248a Rn. 3; Tröndle/Fischer, § 248a Rn. 3; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 311; MKStGB-Hohmann, § 248a Rn. 4; Arzt/Weber, BT, § 13 Rn. 27; SK-Hoyer, 248a Rn. 7; NK-Kindhäuser, § 248a Rn. 7. 500 Zur Höhe dieses Betrages vgl. Schönke/Schröder/Eser, § 248a Rn. 9 f. 501 Vgl. oben III. 502 NK-Kindhäuser, § 248a Rn. 7; Mitsch, BT 2/1, § 1 Rn. 215; für eine rein wirtschaftliche Betrachtung dagegen MKStGB-Schmitz, § 243 Rn. 64; SK-Hoyer, § 243 Rn. 43.

C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers

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Für einen objektiven Maßstab, also die Vernachlässigung der Tatsache, dass die Sache für den Eigentümer wertlos ist, spricht zunächst der Wortlaut des § 248a StGB, der einen objektiven Marktwert der Sache sehr nahe legt. Ferner wäre es kaum praktikabel, stets den subjektiv erzielbaren Veräußerungsgewinn des Eigentümers zu ermitteln.503 Und schließlich wird der Diebstahl oder die Unterschlagung nicht deswegen zur Bagatelle, weil es letztlich ein anderer – nämlich vorliegend der Empfänger – ist, den der finanzielle Schaden der Eigentumsverletzung trifft.504 Eine zugesandte Sache ist daher nicht schon aufgrund der Existenz des § 241a BGB als geringwertig anzusehen. Es kommt für die Beurteilung der Geringwertigkeit vielmehr auch hier auf den objektiven Verkehrswert an. 2. Der Empfänger als Verletzter bei Eigentumsdelikten Strafantragsberechtigt ist gemäß § 77 I StGB der Verletzte. Wer aber verletzt ist, darüber bestehen i. R. der Eigentumsdelikte Meinungsverschiedenheiten. Ausgangspunkt ist meist das durch den in Frage stehenden Straftatbestand geschützte Rechtsgut.505 Sind mehrere verletzt, so hat jeder ein eigenständiges Antragsrecht.506 Dementsprechend wird bei §§ 246 und 303 StGB stets der Eigentümer als strafantragsberechtigt angesehen. Bei § 242 StGB ist dies – sofern auch der Gewahrsam als geschütztes Rechtsgut angesehen wird507 – daneben der Gewahrsamsinhaber.508 Dieser Grundsatz erfährt allerdings gerade im Bereich der Eigentumsdelikte zwei entscheidende Ausweitungen. Zum einen wird in weitem – über den Wortlaut des § 77 III StGB hinausgehendem – Maß Stellvertretung beim Strafantragsrecht zugelassen, wozu etwa die „gesetzliche Stellvertretung“ bzw. die „Vertretung kraft Amtes“ u. a. von Zwangs- oder Insolvenzverwaltern zähle.509 Hierbei wird oft betont, dass diesen 503 Dann müsste etwa auch berücksichtigt werden, ob der Eigentümer besonders wenig vertrauenswürdig ist, was sich auf den Veräußerungserlös auswirken könnte. 504 Anderenfalls müsste es sich auch bei einem unter Eigentumsvorbehalt verkauften Pkw, bei welchem der Käufer die letzte Rate bereits gezahlt hat, aber die geschuldete rechtsgeschäftliche Übereignung noch nicht erfolgt ist, um eine geringwertige Sache handeln. In einem solchen Fall hat der Eigentümer zwar bei einem Diebstahl zivilrechtlich keinen Schaden, vgl. oben 1. Teil B. III. 3. c). Weniger wert ist der Pkw deshalb aber nicht. 505 LK-Jähnke, § 77 Rn. 23; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 74 Rn. 9. 506 Schönke/Schröder/Stree/D. Sternberg-Lieben, § 77 Rn. 11. 507 Dies ist bekanntlich umstritten, vgl. Schönke/Schröder/Eser, § 242 Rn. 1 f. 508 So etwa Lackner/Kühl, § 247 Rn. 2; MKStGB-Hohmann, § 247 Rn. 11, § 248a Rn. 8; LK-Ruß, § 247 Rn. 3, § 248a Rn. 10.

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

Personen ein eigenes Antragsrecht neben dem des Rechtsgutsinhabers zustehe.510 Ferner wird hervorgehoben, dass die Grenzen der gesetzlichen Stellvertretung zu beachten seien.511 Zum anderen gesteht die h. M. i. R. der Eigentumsdelikte neben dem Eigentümer auch anderen Personen eine Strafantragsberechtigung zu. Antragsberechtigt seien auch Personen, die ein dingliches oder persönliches unmittelbares Recht an der Sache haben,512 bzw. Personen, denen eine besondere Verantwortung für die Erhaltung des Gegenstands obliege,513 oder auch schlicht jeder, „der an dem bestehenden Zustand der Sache ein berechtigtes Interesse hat“.514 Geschützt seien daher z. B. auch nutzungsberechtigte Pächter, Eigenbesitzer und Entleiher,515 sowie etwa der Käufer beim Versendungskauf vor Eigentums- und nach Preisgefahrübergang.516 Diese Ausweitungen werden damit begründet, dass die formale Inhaberstellung nicht stets die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse widerspiegele.517 Die starke Gegenmeinung in der Literatur kritisiert daran insbesondere, dass es – der Streit wird meist im Kontext der Sachbeschädigung ausgefochten518 – eben nicht die eigentümerfremden Nutzungsrechte seien, die § 303 StGB schütze, sondern ausschließlich das Eigentum.519 Auf Grundlage der h. M. dürfte sich die Strafantragsbefugnis des Empfängers als nutzungsberechtigter Inhaber eines Rechtes zum Besitz und berechtigter Eigenbesitzer i. R. der Eigentumsdelikte neben der des Eigentümers zwanglos 509 Lackner/Kühl, § 77 Rn. 1; Schönke/Schröder/Stree/D. Sternberg-Lieben, § 77 Rn. 18, 24, wollen § 77 III StGB analog anwenden. Teilweise wird aber auch die Einbeziehung dieser Personen nicht auf eine Stellvertretung gegründet, sondern ihnen ein eigenes Antragsrecht zugesprochen. So dürften die Entscheidungen RGSt 33, 433 (434); 35, 139 (150) zu verstehen sein; ebenso LK-Jähnke, § 77 Rn. 42; Tröndle/Fischer, § 77 Rn. 22; nicht eindeutig SK-Rudolphi, § 77 Rn. 4. 510 SK-Rudolphi, § 77 Rn. 4; Tröndle/Fischer, § 77 Rn. 22. 511 Schönke/Schröder/Stree/D. Sternberg-Lieben, § 77 Rn. 18. 512 So schon RGSt 1, 306; ebenso BayObLG JR 1982, 25 (26); Maurach/Gössel/ Zipf, AT 2, § 74 Rn. 9; NK-Lemke, § 77 Rn. 5; Gössel, BT 2, § 4 Rn. 44; Arzt/Weber, BT, § 12 Rn. 9 Fn. 10; anders aber dies. zum Diebstahl, § 13 Rn. 29: „nur der Eigentümer“. 513 NK-Lemke, § 77 Rn. 3; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 74 Rn. 9. 514 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 25. 515 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 36 Rn. 25; RGSt 63, 76 (77). 516 LK-Jähnke, § 77 Rn. 23, 32; BayObLG NJW 1963, 1464. 517 LK-Jähnke, § 77 Rn. 23. 518 Kritisch zur Beschränkung der Diskussion auf den Sachbeschädigungstatbestand Stree, JuS 1988, 187 (191). 519 Rudolphi, JR 1982, 27 (28); Eifert, JuS 1993, 1032 (1038); Stree, JuS 1988, 187 (191 f.); gegen die Ausweitung auch NK-Zaczyk, § 303c Rn. 2; Tröndle/Fischer, § 303c Rn. 3; Kindhäuser, BT 2, § 20 Rn. 34; Mitsch, BT 2/1, § 5 Rn. 40; Schönke/ Schröder/Stree, § 303c Rn. 2; Otto, BT, § 47 Rn. 45.

C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers

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bejahen lassen.520 Im Falle eines Diebstahls durch Wegnahme beim Empfänger durch einen Dritten521 ergibt sich die Strafantragsbefugnis schon aufgrund der Gewahrsamsverletzung, sofern man den Gewahrsam als durch § 242 StGB geschütztes Rechtsgut ansieht. Zu betonen ist aber nochmals, dass die so begründete Strafantragsbefugnis nur neben der des Eigentümers bestünde. Einen eigenständigen – aber dennoch sehr beachtenswerten – Ansatz zur Bestimmung des Verletzten i. S. des § 77 I StGB verfolgt Schröter. Sie gesteht demjenigen die Verletzteneigenschaft und damit die Strafantragsbefugnis zu, der dispositionsbefugt über das Rechtsgut ist.522 Einwilligung und Rechtsgutsverletzung seien aufeinander bezogen.523 Entfalle infolge der Einwilligung die Rechtsgutsverletzung, könne von einem Verletzten nicht mehr die Rede sein.524 Zwar schließt sich Schröter der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen an,525 betont aber, dass sich ihr Ansatz auch mit dem dreistufigen Deliktsaufbau vertrage, da allein die dispositionsbefugte Person es in der Hand habe, darüber zu entscheiden, ob der Tatbestand erfüllt ist bzw. die Rechtswidrigkeit einer Handlung gegeben ist.526 Folge ihres Ansatzes ist etwa die Verneinung der Verletzteneigenschaft desjenigen Miteigentümers, der – anders als ein weiterer Miteigentümer – in eine Sachbeschädigung eingewilligt habe.527 Schröter ist grundsätzlich – jedenfalls für den hier behandelten Bereich der Eigentumsdelikte – zuzustimmen, unabhängig von Fragen des Deliktsaufbaus. Der Inhaber der Dispositionsbefugnis hat hier die Rechtsmacht, die materielle Eigentumsordnung zu gestalten und eine Rechtsgutsverletzung (jedenfalls: eine rechtswidrige Rechtsgutsbeeinträchtigung) auszuschließen. Er hat die Macht, den in Einwilligungssituationen regelmäßig bestehenden Interessenkonflikt durch Aufopferung des Rechtgutes Eigentum zu lösen.528 Er allein übt die

520 Die Strafantragsbefugnis bei Delikten zulasten des Empfängers gem. §§ 263 IV i. V. m. 247, 248a StGB und gemäß § 289 III StGB ist unproblematisch zu bejahen. 521 Eine Wegnahme durch den Eigentümer ist mangels Fremdheit der Sache nicht als Diebstahl strafbar. 522 Schröter, Der Begriff des Verletzten, S. 72 ff., 81, 138; auch Maurach/Gössel/ Zipf, AT 2, § 74 Rn. 9, betonen, dass die im Rahmen der Einwilligungslehre herausgearbeiteten Grundsätze Anhaltspunkte liefern könnten. 523 Schröter, Der Begriff des Verletzten, S. 72. 524 Schröter, Der Begriff des Verletzten, S. 72. 525 Schröter, Der Begriff des Verletzten, S. 79. 526 Schröter, Der Begriff des Verletzten, S. 75. 527 Schröter, Der Begriff des Verletzten, S. 81. 528 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 97; Amelung/Eymann, JuS 2001, 937 (939).

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2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage

rechtliche Macht über das Rechtsgut aus. Damit kommt ihm wenigstens die Macht zu, die Verletzteneigenschaft des Rechtsgutsinhabers aufzuheben. Es ist auch nicht fernliegend, dem Dispositionsbefugten die Verletzteneigenschaft zuzusprechen. Die Dispositionsbefugnis ist wenigstens sehr eng mit dem Rechtsgut verbunden, auch wenn man sie nicht als dessen Bestandteil ansehen möchte.529 Da bei einer rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichung die Ausübung der Dispositionsbefugnis beeinträchtigt sein wird, spricht nichts dagegen, deren Inhaber schon aus diesem Grund als Verletzten i. S. des § 77 I StGB anzusehen. Der Wortlaut der Vorschrift steht dem nicht entgegen, denn dort ist nicht vom „Rechtsgutsinhaber“ oder „verletzten Rechtsgutsinhaber“ die Rede. Die Verletzteneigenschaft des Dispositionsbefugten ist daher zu bejahen. Dies ist auch der Grund, weshalb etwa der Insolvenzverwalter – wie zwar allgemein angenommen, aber kaum überzeugend begründet wird – strafantragsberechtigt ist. Das liegt nicht an einer etwaigen – zivilrechtlich unzutreffenden530 – gesetzlichen Stellvertretung, sondern an der aus seiner zivilrechtlichen Verfügungsbefugnis fließenden Einwilligungsbefugnis. Legt man dies zugrunde, ist der Empfänger i. S. des § 241a BGB, der allein verfügungs- und einwilligungsbefugt ist,531 auch alleiniger Inhaber der Strafantragsbefugnis. Anders als beim Schuldner im Insolvenzverfahren, bei welchem einerseits Interessen an der Erhaltung des Eigentums bestehen können und andererseits die Verfügungsbefugnis, wie wenigstens teilweise vertreten wird, durch den Zweck des Insolvenzverfahrens gewissen Grenzen unterliegt, ist ein irgendwie geartetes Interesse des Eigentümers an der Strafverfolgung beim Versender als Eigentümer auch nicht auszumachen.532 Es sprechen aber noch weitere Gründe für eine alleinige Verletzteneigenschaft des Empfängers im Bereich der Eigentumsdelikte: Verletzt ist derjenige, in dessen Rechtsbereich die Tat eingreift.533 Dies ist i. d. R. der Rechtsgutsinhaber, bei Eigentumsdelikten also der Eigentümer. Daneben können es aber auch 529 Die Berücksichtigung der Dispositionsbefugnis zwingt nicht zu einer Verortung der Einwilligung im Tatbestand. Denn der Tatbestand besteht aus konkreten Merkmalen, ein Tatbestandsmerkmal „Rechtsgutsverletzung“ existiert nicht, vgl. D. SternbergLieben, Objektive Schranken, S. 62 f.; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 95; Kühl, AT, § 9 Rn. 22; a. A. aber z. B. Sax, JZ 1975, 137 (144). 530 Der Insolvenzverwalter ist nach ganz h. M. kein gesetzlicher Vertreter, s. o. A. III. 2. b) bb (1) (b) (bb). 531 s. o. A. III. 2. b) bb) (1). 532 Auf Grundlage der anderen Meinungen müsste man sich daher – was hier nicht geschehen kann, aber auch nicht erforderlich ist – mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Strafantrag des Versenders nicht rechtsmissbräuchlich wäre. Vgl. generell zum Rechtsmissbrauch im Strafverfahren Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß (2004); Kröpil, JuS 1999, 681 ff.; speziell zum Rechtsmissbrauch beim Strafantrag Naucke, FS Mayer, S. 565 ff., und den Überblick zum Meinungsstand hierzu bei Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, S. 37 ff.

C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers

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noch andere Personen sein, was die h. M. im Zusammenhang mit den Nutzungsrechten etc. auch anerkennt. Diese Sichtweise ist richtig, nicht, weil sie die wirtschaftliche Interessenlage berücksichtigte,534 sondern weil die Nutzungsrechte etc. Bestandteile der durch das Eigentumsrecht gewährten Befugnisse sind, die auf die eigentümerfremden Personen verlagert sind. Dass der Eigentümer daneben weiterhin als Verletzter i. S. des § 77 I StGB anzusehen ist, ist dann gerechtfertigt, wenn, wie in den Fällen des Bestehens eines Nutzungsrechts etc., noch aus dem Eigentum fließende Befugnisse bei ihm verbleiben. Ist von dem Rechtsbereich aber nichts mehr übrig als eine leere, wertlose Hülle, sind dem Eigentümer also sämtliche in § 903 BGB beschriebenen Befugnisse entzogen bzw. auf andere Personen verlagert, ist nicht ersichtlich, worin ein Eingriff in den Rechtsbereich noch bestehen sollte. Die Verletzteneigenschaft des Eigentümers scheidet dann aus.535

533 BGHSt 31, 207 (210); Schönke/Schröder/Stree/D. Sternberg-Lieben, § 77 Rn. 11; Lackner/Kühl, § 77 Rn. 6. 534 So LK-Jähnke, § 77 Rn. 23. 535 Nicht näher behandelt werden soll im Rahmen dieser materiell-rechtlichen Arbeit die Frage, ob der Empfänger i. R. von Eigentumsdelikten Verletzter i. S. von in der StPO geregelten Bestimmungen wie z. B. der §§ 22 Nr. 1, 61 Nr. 2, 111g, 111h, 111i, 111k, 172, 374 I Nr. 6, 403, 406d ff. ist. Nur soviel sei angemerkt: Ein einheitlicher Verletztenbegriff in der StPO existiert nicht, Jung, ZStW 93 (1981), 1147 (1148 f.); KK-Schmid, § 172 Rn. 18. Obwohl selbst zu einzelnen Vorschriften (insbesondere zu § 172 StPO, vgl. nur etwa LR-Gralmann-Scheerer, § 172 Rn. 48 ff.; Peglau, JA 1999, 55 ff.) ein sehr breites Meinungsspektrum besteht, dürfte die Feststellung zutreffend sein, dass der Verletztenbegriff in der StPO jedenfalls nicht enger, meist aber sehr viel weiter, verstanden wird als der des § 77 I StGB, vgl. Jung, ZStW 93 (1981), 1147 (1149). Insofern dürfte es regelmäßig keine Schwierigkeiten bereiten, den Empfänger als Verletzten anzusehen. Ob die Verletzteneigenschaft des Versenders zu verneinen ist (was dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Rechtsgefühl entspräche), kann aber wohl nur unter Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand zu den einzelnen Vorschriften bestimmt werden. Allerdings wäre auch hier zu bedenken, ob nicht jede Wahrnehmung eines prozessualen Rechtes durch den Versender einem generellen Rechtsmissbrauchsverbot widerspräche.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die am Ende dieser Arbeit stehende Lösung des anvisierten Kernproblems, der möglichen Strafbarkeit des Empfängers unbestellter Sachen aus Eigentumsdelikten, dürfte nicht überraschen. Die Straflosigkeit entspricht dem Rechtsgefühl wohl nicht nur des Verfassers. Zur Begründung dieses Ergebnisses war jedoch ein weiter zivilrechtlicher und strafrechtlicher Weg zurückzulegen. Hierbei wurde eine Vielzahl an Problemen berührt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kernproblem stehen. Teils ergaben sich aber auch Probleme, die Bedeutung für Folgefragen und Sonderkonstellationen erlangen können. Auch diese Probleme wurden zum großen Teil eingehend behandelt, so dass sich ein umfassendes Bild zur zivilrechtlichen und strafrechtlichen Situation des Empfängers ergibt. Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst die zivilrechtliche Rechtslage bei Zusendung unbestellter Sachen vor Einführung des § 241a BGB untersucht, da sie einerseits die Grundlage für die Analyse der Wirkungsweise der Vorschrift bildet und andererseits außerhalb des persönlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift fortgilt und auch Argumente für die zivilrechtliche und strafrechtliche Anwendung innerhalb des Anwendungsbereichs des § 241a BGB liefern kann. Die Zusendung einer unbestellten Sache ist i. d. R. als Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages auszulegen. Damit verbunden ist ein Angebot auf Übereignung, welches unter der aufschiebenden Bedingung der Annahme des Kaufvertragsangebots steht. Keine Bedingung für den Eigentumsübergang ist allerdings die Zahlung des Kaufpreises. Ferner verzichtet der Versender auf den Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 S. 1 BGB. Angenommen werden kann das Angebot durch Erklärung gegenüber dem Versender, aber auch durch sog. Aneignungs- und Gebrauchshandlungen, welche insbesondere im ständigen Gebrauch bzw. im Verbrauchen und in der Weiterveräußerung zu sehen sind. Beschädigungs- und Zerstörungshandlungen sind demgegenüber nicht als Annahme auszulegen. Die (gem. § 1 UWG a. F. und § 3 i. V. m. § 7 II Nr. 1 UWG n. F.) unproblematisch zu bejahende Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens des Versenders steht einer Wirksamkeit des Kaufvertrages und der Übereignung dabei nicht entgegen. Nach h. M. ist der Empfänger bei fehlender Annahme Ansprüchen des Versenders auf Herausgabe und ggf. Schadens- und Nutzungsersatz sowie auf Erlösherausgabe ausgesetzt. Bei den Schadensersatzansprüchen wird in Literatur

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und Rechtsprechung jedoch – mit unterschiedlichen Begründungen – eine Reduzierung des Haftungsmaßstabes befürwortet. Nach hier vertretener Auffassung wird zudem die Möglichkeit der Rechtfertigung einer Vielzahl der Handlungen, die Schadensersatzansprüche begründen könnten, durch die §§ 859 I und 227 BGB bejaht. Denn in der Nichtabholung der Sache lässt sich eine Besitzstörung bzw. ein Angriff auf die Herrschaftssphäre des Empfängers (durch Unterlassen) sehen. Handlungen, die diese Störung beseitigen – wie das Wegwerfen und (sofern hierin ausnahmsweise keine Annahme des Kaufvertragsangebotes zu sehen ist) auch die Weiterveräußerung – sind regelmäßig auch erforderlich. Am 30. 6. 2000 wurde § 241a BGB in Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie in das BGB eingefügt. Die Vorschrift betrifft unbestellte Leistungen eines Unternehmers an einen Verbraucher, wobei sie die Lieferung unbestellter Sachen als Spezialfall benennt. Dieser Spezialfall steht weit im Vordergrund der Diskussion um die Auslegung der Norm. Der von § 241a BGB bestimmte Anspruchsausschluss hat zu einer erstaunlichen Vielfalt an Streitfragen geführt, die die Art der ausgeschlossenen Ansprüche aber auch etliche Folgefragen zum Gegenstand haben. Nach wohl herrschender und richtiger Ansicht schließt § 241a BGB – als rechtshindernde Einwendung – sämtliche Ansprüche des Versenders aus: Ansprüche auf Schadensersatz, Nutzungsersatz, Erlösherausgabe und Herausgabe, insbesondere auch den § 985 BGB. Darüber hinaus kann aufgrund dieses umfassenden Anspruchsausschlusses das Verhalten des Empfängers in aller Regel nicht mehr als Annahme des Kaufvertragsangebotes ausgelegt werden. Folge dieses umfassenden Anspruchsausschlusses ist, da der Versender Eigentümer der Sache bleibt, das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz. Zwar ergibt sich dieser weitgehende Anspruchsausschluss nicht zwingend aus dem Wortlaut des § 241a BGB, er entspricht jedoch dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. § 241a BGB wirft daneben eine Vielzahl von Folgefragen auf, deren Klärung es ebenfalls bedarf: Es ist etwa zu fragen, ob § 241a BGB dem Empfänger ein Besitzrecht verleiht, ob der Eigentümer angesichts des Anspruchsausschlusses einen Schaden erleiden kann, wenn die Sache z. B. von einem Dritten zerstört wird und ob die Vorschrift dem Empfänger die Verfügungsbefugnis verleiht. Ferner ist problematisch, ob § 241a BGB einen Anspruchsausschluss auch für oder gegen Dritte bewirkt. Der Verfasser vertritt eine weite, empfängerfreundliche Ansicht, die dem Anliegen des Gesetzgebers, der Empfänger solle die Sache „wie geschenkt“ erhalten, gleichzeitig aber nicht formales Eigentum erlangen, Rechnung tragen soll. Zur Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten und Unstimmigkeiten wird daher etwa ein Besitzrecht des Empfängers bejaht. Ebenso wird eine Verfügungsbefugnis angenommen. Aufgrund dieser Annahmen erlangt § 241a BGB, der in

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seiner anspruchsausschließenden Wirkung auf das Verhältnis von Versender und Empfänger beschränkt ist, eine gewisse Drittwirkung, so dass zugunsten Dritter eine Besitzrechtsbrücke bestehen kann oder es bei Veräußerung durch den Empfänger auf einen gutgläubigen Erwerb nicht ankommt. Einer Einordnung als Rechtfertigungsgrund bedarf es demgegenüber nicht, denn durch diese, dem Wortlaut der Vorschrift eher fernliegende Auslegung, würde für den Empfänger nichts gewonnen, was nicht schon durch den Anspruchsausschluss erreicht wäre. Auf der Basis dieser zivilrechtlichen Auslegung erscheinen die Wirkungen für das Strafrecht kaum akzeptabel: Obwohl das Verhalten des Empfängers zivilrechtlich folgenlos ist, scheint er Gefahr zu laufen, sich aus Eigentumsdelikten wie den §§ 246, 303 und ggf. § 242 StGB strafbar machen zu können. Gründe, weshalb diese Delikte ausscheiden sollen, sind auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Dem strafrechtlichen Teil der Arbeit wird daher die Frage vorangestellt, ob dieses Ergebnis richtig sein kann. Dabei stellt sich heraus, dass eine Strafbarkeit des Empfängers aus Eigentumsdelikten den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und dem Prinzip der Systemgerechtigkeit widerspräche, so dass ggf. eine verfassungskonforme Auslegung zu erfolgen hätte. Dieser verfassungsrechtlichen Korrektur bedarf es, wie sich im Folgenden zeigt, allerdings nicht. Zunächst wird geprüft, ob sich die Strafbarkeit des Empfängers auf Tatbestandsebene verneinen lässt. Hierbei findet eine Auseinandersetzung mit in der Strafrechtswissenschaft bestehenden Modellen statt. So wird etwa untersucht, ob aufgrund einer fehlenden Rechtsgutsverletzung eine Strafbarkeit ausgeschlossen oder ob sich das Verhalten des Empfängers notwendigerweise als sozialadäquates Verhalten darstellen könnte. Ferner wird geprüft, ob auf Grundlage eines wirtschaftlichen Verständnisses des Fremdheitsbegriffs der Eigentumsdelikte die Strafbarkeit zu verneinen sein könnte. Die genannten Modelle werden jedoch mit der h. M. abgelehnt. Untersucht wird sodann, ob das Verhalten des Empfängers angesichts der Geltung des § 241a BGB den Tathandlungen der §§ 303, 246, 242 StGB subsumiert werden kann. Während die Tathandlungen des § 303 StGB als weitgehend deskriptive Merkmale für eine Berücksichtigung der Wertung des § 241a BGB keinen Raum lassen, ergibt sich für Zueignungshandlungen bzw. für die Zueignungsabsicht ein anderes Bild: Während in der Literatur an der Tauglichkeit von Handlungen wie der Weiterveräußerung oder dem dauernden Gebrauch nicht einmal gezweifelt wird, ist nach hier vertretener Auffassung schon eine Enteignung als negative Seite der Zueignung zu verneinen. Denn hierfür müsste der Empfänger den Versender aus dessen wirtschaftlicher Position, wie sie in § 903 BGB beschrieben ist, verdrängen (wollen). Dies ist indes nicht mehr

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möglich, da dem Versender sämtliche in § 903 BGB beschriebenen Befugnisse durch die gesetzliche Anordnung des § 241a BGB genommen sind. Spiegelbildlich braucht sich der Empfänger eine faktische Eigentümerposition nicht mehr anzumaßen: Diese verleiht ihm schon § 241a BGB. Wie sich in den weiteren Ausführungen herausgestellt hat, existiert aber nicht nur ein tathandlungs-, sondern auch ein rechtsgutsbezogenes Kriterium, welches die Strafbarkeit aus sämtlichen Eigentumsdelikten auszuschließen geeignet ist. Auf Rechtswidrigkeitsebene ist zunächst festzustellen, dass eine Vielzahl von Tathandlungen durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt sein kann. Dies ist auch ohne die Existenz des § 241a BGB der Fall und entspricht weitgehend dem zivilrechtlichen Befund. Die Rechtfertigung kann sich hierbei aber auch auf Handlungen erstrecken, die im Rahmen der vor Einführung des § 241a BGB bestehenden Rechtslage als Annahme des Kaufvertragsangebotes des Versenders auszulegen waren, da diese Auslegung nach Einführung der Vorschrift nicht mehr erfolgen kann. Nicht durch Notwehr gerechtfertigt werden allerdings Handlungen, bei welchen die Störung nicht mehr besteht oder die nicht wenigstens auch auf die Beseitigung der Störung abzielen, wie dies bei Veräußerungen aus reiner Gewinnabsicht oder bloßen Beschädigungshandlungen der Fall sein kann. Nach hier vertretener Auffassung scheidet eine Strafbarkeit des Empfängers aus sämtlichen Eigentumsdelikten aber wegen rechtfertigender Einwilligung des Empfängers aus. Denn es wird davon ausgegangen, dass mit der Verlagerung der zivilrechtlichen Verfügungsbefugnis auch die zivilrechtliche und strafrechtliche Einwilligungsbefugnis auf den Empfänger übergeht. Nicht mehr der Versender als Rechtsgutsinhaber, sondern der Empfänger kann somit in Eigentumsverletzungen einwilligen, was die Rechtswidrigkeit sowohl von Eigentumseingriffen Dritter als auch solchen des Empfängers selbst beseitigt. Dies folgt aus der dem Empfänger aufgrund seiner Verfügungsbefugnis zustehenden alleinigen Rechtsmacht, die materielle Eigentumsordnung zu gestalten, indem er fällige einredefreie Ansprüche ohne bzw. auch gegen den Willen des Versenders begründen und auch durchsetzen kann. Am Ende der Erörterung der möglichen Strafbarkeit des Empfängers setzt sich die Arbeit mit der mittlerweile als ganz herrschend zu bezeichnenden Meinung auseinander, welche in § 241a BGB einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund erblicken will. Sofern diese Ansicht begründet wird, wird angeführt, dies beruhe auf dem Prinzip des überwiegenden Interesses, dem ultimaratio-Prinzip und dem Postulat der Einheit der Rechtsordnung. Im Übrigen sei die Anwendbarkeit zivilrechtlicher Rechtfertigungsgründe, so wird die Ansicht ferner begründet, im Strafrecht ganz überwiegend anerkannt. Diesen Erwägungen kann nach hier vertretener Auffassung nicht gefolgt werden: § 241a BGB ist zivilrechtlich kein Rechtfertigungsgrund, sondern eine

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rechtshindernde Einwendung. Zivilrechtliche Vorschriften, die im Strafrecht als Rechtfertigungsgründe herangezogen werden, sind aber stets auch zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe. Die – nach hier vertretener Ansicht zu verneinende – Frage, ob § 241a BGB ein zivilrechtlicher Rechtfertigungsgrund ist, lassen die Ausführungen der Vertreter der h. M. dabei unbehandelt. Die Berufung auf das Prinzip des überwiegenden Interesses vermag eine Einordnung des § 241a BGB als Rechtfertigungsgrund nicht zu tragen. Zwar mag dieses Prinzip vielen Rechtfertigungsgründen zugrunde liegen. Hinreichende Bedingung ist die Statuierung eines überwiegenden Interesses aber nicht, da eine Vielzahl von Vorschriften existiert, die ebenfalls ein überwiegendes Interesse bestimmen, die aber unstrittig keine Rechtfertigungsgründe sind. Auch das ultima-ratio-Prinzip trägt eine Qualifikation als Rechtfertigungsgrund nicht. Es besagt nur, dass die Rechtsfolge „Strafe“ bzw. „Strafandrohung“ nicht eintreten darf, nicht aber, wie dies straftatsystematisch erreicht werden muss. Darüber hinaus lässt die h. M. die Frage unbeantwortet, ob Handlungen Dritter, die für den Empfänger tätig werden, ebenfalls in den Genuss einer Rechtfertigung durch § 241a BGB kommen sollen. Nach der hier vertretenen Einwilligungslösung ist dies unproblematisch. Der letzte Abschnitt der Arbeit befasst sich mit dem strafrechtlichen Schutz der Rechtsposition des Empfängers. Zum einen wird dieser durch § 289 StGB gewährleistet. Daneben ist der Empfänger umfassend und auf dem Niveau eines Eigentümers durch Vermögensdelikte i. e. S. geschützt. § 241a BGB bewirkt aber auch einen mittelbaren Schutz des Empfängers durch Eigentumsdelikte, da ihm und nicht mehr dem Versender die Rechtsmacht zukommt, die Strafbarkeit durch Einwilligung entfallen zu lassen. Ferner ist der Empfänger aufgrund der Wirkungen des § 241a BGB als der strafantragsberechtigte „Verletzte“ i. S. des § 77 I StGB anzusehen, da hierfür nach für den Bereich der Eigentumsdelikte richtiger Ansicht die Dispositionsbefugnis ausschlaggebend ist.

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Sachwortverzeichnis Aliud-Lieferung 93 ff. Anreissen 37 f. Anspruchsausschluss 96 ff., 116 f. Bagatellgrenze 162 f. Besitz 40 ff., 135 f. Besitzrecht 42 ff., 109, 116, 119 ff., 129, 175, 214 Besitzstörung 60 ff., 79 f., 126, 134 Besitzwehr 59 ff., 126, 178 f. Bestellung 91 ff. Bösgläubigkeit 53 Culpa in contrahendo 49 ff., 80, 138 Dereliktion 33 f., 118 Diebstahl 173 ff. Dritte 121 ff., 136 ff. Dual-use 83 Eigentumsaufgabe s. Dereliktion Eigentumsdelikte 140 f. Eigentumsübergang 117 Eigentumsverschaffungsanspruch 194 ff. Eigentumsvorbehalt 20 f., 131 f., 163 ff. Eingriffskondiktion 134 f., 139 Einheit der Rechtsordnung 143, 146 ff., 179, 200 f. Einwilligung 59 f., 61 ff., 123, 179, 187 ff., 206, 215 f. – mutmaßliche 76 f. – Stellvertretung 188, 197 f., 216 – Widerruf 61 ff. Erklärungsbewusstsein 25 f., 33 ff., 77 f. Erlösherausgabeansprüche 78 f., 108 ff. Ersitzung 135 f.

Falschlieferung s. Aliud-Lieferung Fernabsatzrichtlinie 80 ff. Fragmentarischer Charakter 143, 147 Fremde Sache 140 f., 159 ff., 210 Geringwertigkeit 30, 76 Geschäftsführung ohne Auftrag 45, 79, 85 ff., 108 ff., 124, 132 ff., 139, 185 Haftungsmaßstab 54 ff. Haftungsmilderung 54 ff. Herausgabeansprüche 39 ff., 96 ff. Ingerenz 62 ff., 72 Kaufvertrag 19 ff., 110 ff. – Ablehnung 35 f. – Aneignungs- und Gebrauchshandlungen 28 ff., 31 ff., 114, 174 – Angebot 19 ff., 110 – Annahme 23 ff., 77 ff., 110 ff. – Erfüllungshandlungen 27 f. – Irrläufer 22 – Irrtümer 23 ff., 31 ff. Kondiktion 45 ff., 96 Leistungen, sonstige 84 ff. Makellosigkeit des Eigentums 209 f. Mitverschulden 54 ff. Notwehr 69 ff., 126 f., 179, 184, 186 f. Nutzungsherausgabeansprüche 77 f., 107 f. Pfandkehr 139, 203 ff. Preisgaberecht 58 f.

Sachwortverzeichnis Recht zum Besitz s. Besitzrecht Rechtfertigungsgründe 57 ff., 123 ff., 152, 166 f., 199 ff. – zivilrechtliche 152, 178 ff. Rechtsgutsverletzung 156 ff. Sachbeschädigung 140 f., 168 ff. Sanktionscharakter 96, 98, 103 f. Schaden 127 ff. Schadensersatzansprüche 49 ff., 79 f., 105 ff., 139 Schenkung 23, 108, 110, 128 Selbsthilfe 70 ff. Sittenwidrigkeit 37 f., 86 ff. Sozialadäquanz 166 ff. Strafantrag 212 ff. Strafbedürftigkeit 143, 145 f. Strafwürdigkeit 143, 145 f. Subsidiarität 143, 144 f.

Ultima-ratio-Prinzip 143 f., 200 Unlauterkeit 37 f. Unternehmer 82 Unterschlagung 140 f., 159 ff., 173 ff., 206 ff. Verbotene Eigenmacht 59 ff., 126 Verbraucher 82 ff. Verfügungsbefugnis 109, 121 ff., 129, 133, 139, 187 ff., 211 f., 216 Verhältnismäßigkeit 98 ff., 143 ff., 147 ff., 183 ff. Verwahrung 38 f. Verwendungsersatzansprüche 80 Vindikation 39 ff., 96 ff. Wettbewerbswidrigkeit 37 f., 78, 89, 92, 98 f. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 152 ff., 183 Willensbetätigung 24 f., 32 ff.

Systemgerechtigkeit 152 ff. Tilgungsbestimmung 94 f.

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Zueignung(-sabsicht) 173 ff., 206 ff. Zuweisungsgehalt 134 f., 139