Investition: Computergestützte Verfahren und Controlling im Investitionsprozeß [Reprint 2018 ed.] 9783486786125, 9783486228953

Durch die Art der Darstellung des Investitionsprozesses ist das Werk gleichermaßen zur Wissensvermittlung als auch zur u

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German Pages 431 [432] Year 1996

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Klassische Investitionsrechnung
3. Investition als Prozeß
4. Investitions-Controlling
Symbolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Schlagwortverzeichnis
Autorenverzeichnis
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Investition: Computergestützte Verfahren und Controlling im Investitionsprozeß [Reprint 2018 ed.]
 9783486786125, 9783486228953

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Investition Computergestützte Verfahren und Controlling im Investitionsprozeß

Von Professor

Dr. Dr. Thomas Jaspersen

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Jaspersen, Thomas: Investition : computergestützte Verfahren und Controlling im Investitionsprozeß / von Thomas Jaspersen. - München ; Wien : Oldenbourg, 1997 ISBN 3-486-22895-1

© 1997 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldaibourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Grafik + Druck, München ISBN 3-486-22895-1

III

Vorwort Die betriebswirtschaftliche Diskussion der 90er Jahre ist vom Moment des Strukturwandels geprägt. Es werden eine Vielfalt von Strategien zur Unternehmensführung diskutiert, wie Lean Management, Total-Quality-Management oder InnovationsManagement, die alle verdeutlichen, wie groß das Bedürfnis unserer Wirtschaft nach einer strukturellen Veränderung ist. Im Zentrum dieser Diskussion steht die Investition. Dabei darf jedoch die Investition nicht nur als eine physische Aggregation der Betriebsmittel gesehen werden, sondern auch als eine Veränderung der betrieblichen Handlungsstrukturen mit langfristiger Wirkung und einer entsprechend langfristigen Bindung von monetären Mitteln. So gesehen ist es natürlich selbstverständlich, daß bei einer Investition sowohl eine materielle als auch eine soziale Komponente zu definieren, zu planen und umzusetzen ist. Weiterhin ist es bei dieser Sichtweise selbstverständlich, daß eine Investition sich im Rahmen der vorhandenen betrieblichen Handlungsstrukturen additiv oder auch subtraktiv auswirken kann und somit Investition und Desinvestition als zusammengehörendes Begriffspaar zu betrachten sind. In der Regel ist es so, daß eine strukturelle Änderung beide Komponenten enthält, sowohl die Ausbildung von neuem sozialen Verhalten im Kontext eines innovativen Betriebsmittelumfeldes als auch die "Schöpferische Zerstörung" von etablierten Strukturen. Der Erfolg einer Investition ist somit nicht nur abhängig von der erfolgreichen Disposition der korrespondierenden Aus- und Einzahlungen, sondern auch von der gesellschaftlichen Anpassungsfähigkeit des betrieblichen Organismus in bezug auf die neuen angestrebten Handlungsmuster, welche letztendlich die wirtschaftliche Lebensfähigkeit bedingen. Aus diesem Blickwinkel heraus ergeben sich zwei Komponenten der Investitionsentscheidung. Zum einen gilt es, die Richtung zu bestimmen, welche das Unternehmen verfolgen soll. Die strategische Dimension der Investition ist als endogene Innovation darauf ausgerichtet, betriebsinterne Prozesse so zu optimieren, daß sie im Vergleich zu anderen Unternehmen ebenso gut bzw. besser umgesetzt werden können. Die strategische Dimension der Investition ist als exogene Innovation darauf ausgerichtet, das eigene Tätigkeitsfeld so zu erweitern, daß diese zusätzliche betriebliche Leistung das unternehmenseigene Handlungsprofil stärkt und vom sozioökonomischen Kontextakzeptiert wird. Zum anderen gilt es, die investitionsimmanenten Handlungsstrukturen betrieblich umzusetzen. Die operative Dimension der Investition kann nur auf dem vorhandenen Bestand des investierenden Unternehmens aufbauen. Wie etwa jeder Mensch nur über ein beschränktes Handlungsrepertoire verfügt und, sagen wir mal, nicht nach Belieben Wimbledon- oder Nobelpreisgewinner werden kann, genauso kann auch ein Unternehmen nicht nach Belieben investieren und somit sein Handlungsrepertoire verändern. Der strukturelle Wandel, der mit gezielten In- und Desinvestitionen einhergeht, ist ein Prozeß, welcher nur so schnell vorangetrieben werden kann, wie es das spezifische Flexibilitätspotential einer Unternehmung erlaubt. Alle Entscheidungen, also auch die Investitionsentscheidung, determinieren Zustände in der Zukunft, die im zeitlichen Vorfeld evaluiert werden müssen. Es sind daher Informationen aus der Vergangenheit mit prognostischen Informationen zu kombinieren, um modellhaft die intendierte Innovation abzuwägen. Quelle dieser Informationen sind in zunehmendem Maße Datenverarbeitungssysteme, welche die endogene Betriebsrealität und die exogene Marktausprägung registrieren. Mit Hilfe der Datenverarbeitung werden im Unternehmen Verfahren eingeführt, welche im Sinne einer

IV

Vorwort

Controlling-Struktur die betriebliche Handlung planen, bei der Umsetzung begleiten und in ihrer zielgerichteten Wirksamkeit kontrollieren. Ich habe diese Verfahren im Rahmen einer Trillogie dargestellt. Prinzipiell hat ein Unternehmen die folgenden Problemfelder zu bewältigen: Zum einen gilt es, eine betriebliche Leistung konkurrenzfähig zu generieren, alsdann ist eben diese Leistung zu veräußern. Das dritte Problemfeld ergibt sich aus der Veränderung der betriebseigenen Produktions- und Absatzstrukturen, also aus der Investition in neue Produkte und neue Märkte sowie der Ausbildung der dazugehörigen Handlungsmuster. Ich habe die produktionsorientierten computergestützten betriebswirtschaftlichen und technischen Verfahren im Buch Produkt-Controlling (vgl. Jaspersen 1992) abgehandelt. Im zweiten Band, Computergestütztes Marketing (vgl. Jaspersen 1994), wird die Entwicklung und Modellbildung controllingorientierter DV-Verfahren für Absatz und Vertrieb dargestellt. Die vorliegende Abhandlung Investition mündet in der Ausführung der computergestützten Verfahren und des Controllings im Investitionsprozeß. Da aber bei der Investition über die Operation hinaus eine Reflexionsbasis gebildet werden muß, die als Metaebene einem dazu verhilft, richtungsweisende Strukturen gegeneinander abzuwägen, werden in diesem Buch zusätzlich soziale und wirtschaftliche Theorien diskutiert, die bei der Erklärung von Investitionsverhalten sowie der Durchführung von Investitionsprozessen hilfreich sind. Selbstverständlich überschneiden sich Themenkomplexe Produktion, Absatz und Investition. Da ich alle drei Bereiche so konzipiert habe, daß sie unabhängig voneinander verständlich sind, ließen sich geringfügige Wiederholungen nicht vermeiden. Ausgangspunkt bei der Auswahl und Gliederung der inhaltlichen Ausführungen war stets meine über zwanzigjährige unternehmerische Erfahrung. Bei den ausgeführten Theorien, Modellen und Verfahren steht die Praxisrelevanz im Vordergrund. Die Art der Darstellung ist durch meine Tätigkeit als Hochschullehrer bestimmt. Somit kann das Buch gleichermaßen zur Wissensvermittlung als auch zur unmittelbaren Anwendung genutzt werden. Dementsprechend sind die Adressaten des Buches sowohl wirtschaftliche Führungskräfte als auch solche, die es werden wollen, d.h. Studierenden der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftsinformatik. Das Buch ist in drei Hauptteile gegliedert, wobei ich zunächst die Verfahren der klassischen Investitionsrechnung behandele. Die sozialwissenschaftlichen und wirtschaftshistorischen Aspekte des zweiten Hauptteils bilden die Konnotation der formalistischen Investitionsrechnung und des abschließenden Hauptteils InvestitionsControlling. Im einzelnen behandele ich folgende Problemfelder der Investition: • Im erstenTeil stelle ich die wichtigsten Verfahren der Investitionsrechnung vor. Hierbei handele ich die Investitionsmodelle bei sicherer Erwartung ab, indem ich die Einzelentscheidungen, dynamische und statische Partialmodelle, Totalmodelle und Programmentscheidungen thematisiere. Bei der Investitionsentscheidung mit unsicherer Erwartung vertiefe ich die Einzel- sowie die Programmentscheidung. Mir geht es bei der Behandlung der Investitionsrechnung nicht um eine detaillierte und umfassende Darstellung, sondern nur um die Präsentation des gedanklichen Ansatzes im Rahmen einer formalen Übersicht. Als Ergebnis wird deutlich, daß hiermit nur im begrenzten Umfang die relevanten Entscheidungskomponenten in einen Modellzusammenhang gebracht werden bzw. daß die Finanzflüsse auf einem abstraktiven Niveau abgebildet werden, welches eine operative Zuweisung auf alle Prozeßbeteiligten und eine Abgrenzung zu anderen Betriebsangehörigen schwer möglich macht. • Im zweiten Teil beleuchte ich die Investitionsentscheidung als multipersonalen

Vorwort

V

Prozeß, der nicht etwa als beendet angesehen werden kann, wenn die Investitionsumsetzung beginnt, sondern erst dann als abgeschlossen betrachtet werden muß, wenn die neuen Handlungsmuster in den Kanon der Routinetätigkeiten übergehen. Hierbei behandele ich zunächst die betriebswirtschaftliche Modellbildung als einen Akt der Zielformulierung, in dem nicht nur Sach- und Formalziele in Leistungsziele überführt werden, sondern auch Verhaltensstrukturen zu definieren sind, wie diese Zielkonzeption zu operationalisieren ist. Dabei problematisiere ich den kognitiv geprägten rationalen systemtheoretischen Ansatz und stelle ihn einer systemischen Betrachtung gegenüber, in der die individuellen emotionalen Verhaltensaspekte der Entscheidungsträger mit eingehen. Die Investitionsentscheidung ist multipersonal, und die beteiligten Personen verfolgen in der Regel nicht nur gemeinsame Ziele, sondern auch private Interessen wie Macht, Geld und Prestige. Dementsprechend stelle ich die Investitionsentscheidung auch als eine Konfliktbewältigung dar, welche in gleichem Maße von dem spezifischen betriebshistorischen Kontext abhängt wie von der psychischen Struktur der beteiligten Entscheidungsträger und von den formalen Kenndaten des Entscheidungsproblems. Die verwendeten Investitionsmodelle im Unternehmen haben sich, bedingt durch den zeitlichen Wandel, verändert. Ich behandele den Paradigmenwechsel als ein wissenschaftstheoretisches Phänomen, welches sich auf die Praxis insofern auswirkt, als daß dadurch nur eine begrenzte Anzahl von Modellen im betriebswirtschaftlichen Alltag konsensfähig ist. Ich verdeutliche dies durch einen kleinen wirtschaftshistorischen Exkurs, bei dem die ökonomische Entwicklung und die Investitionsentwicklung sowie die korrespondierenden wirtschaftlichen Erklärungs- und Entscheidungsmodelle im Mittelpunkt stehen. Alsdann zeige ich exemplarisch auf, wie sich der Investitionsbegriff und dessen operative Handhabung zu Beginn des Jahrhunderts bei Schmalenbach und Schumpeter entwickelt und wie er sich in der zweiten Jahrhunderthälfte gewandelt hat. Im abschließenden dritten Teil stelle ich mit dem Investitions-Controlling computergestützte Verfahren vor, die einerseits an die operativen informationsverarbeitenden Strukturen des Einkaufs, der Produktion, des Absatzes und des Vertriebes sowie derinsgesamtdamiteinhergehenden Logistik verknüpftsind und andererseits die Kompatibilität zur betrieblichen Buchführung und der angegliederten Kostenund Leistungsrechnung gewährleisten. Mit der objektorientierten Planung greife ich die Controllingstruktur auf, welche ich bereits im Rahmen der Produktion und des Absatzes detailliert habe und welche die physischen inner- sowie überbetrieblichen Allokationen in ihrem Wertezusammenhang abbildet. Dabei werden die Wertestrukturen so organisiert, daß sich sowohl die personellen Implikationen eindeutig abgrenzen lassen als auch die Bezüge zu den jeweiligen innerbetrieblichen Teilleistungen, welche in die spezifischen Investitionsentscheidung einbezogen werden. Damit erschließt sich ein Instrumentarium, welches als Dokument für die innerbetriebliche Konsensbildung im Entscheidungsprozeß bei Investitionen verwendet werden kann und das eine Planung, eine Durchführungsüberwachung und eine Kontrolle gleichermaßen unterstützt. Ich betrachte dabei im einzelnen die Probleme der Investition und Finanzierung, der Planung und Kontrolle, des erfolgsorientierten und des bilanzorientierten Controllings sowie die betriebsinterne Investition in Produkte, Märkte und Personal als auch die betriebsexterne Investition. Auch diesmal wurde meine Arbeit begleitet durch eine Vielzahl von Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen in Hochschule und Praxis. Ich bedanke mich für den stetigen

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Gedankenaustausch insbesondere mit Reinhard Hünerberg und Heinz Dieter Knöll, aber auch für die intensiven Gespräche mit Klaus Kairies und dem so anregenden Diskurs mit meinen Studentinnen und Studenten. Weiterhin bedanke ich mich bei Ulrike Wotschke, Michael Lemke, Thomas Lange und Jörn Gerull für die Anfertigung der Reinschrift, der Abbildungen und der Druckvorlage sowie bei meinen vier Kindern für ihre Geduld im Umgang mit dem etwas angespannten Vater. Thomas Jaspersen

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Inhaltsverzeichnis Vorwort 1. Einleitung 1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition 1.2 Investition und Controlling 1.3 Schrifttum

III 1 2 14 21

2. Klassische Investitionsrechnung 2.1 Statische Investitionsrechnung 2.1.1 Kostenvergleichsrechnung 2.1.2 Gewinnvergleichsrechnung 2.1.3 Rentabilitätsvergleichsrechnung 2.1.4 Amortisationsvergleichsrechnung 2.2 Dynamische Investitionsrechnung 2.2.1 Kapitalwertmethode 2.2.2 Interne-Zinsfuß-Methode 2.2.3 Annuitätenmethode und Dynamische Amortisationsrechnung 2.3 Ungewißheitsbedingte Ergänzungsverfahren 2.3.1 Korrekturverfahren 2.3.2 Sensitivitätsanalysen 2.3.3 Risikoanalysen 2.3.4 Entscheidungsbaumverfahren 2.4 Programmoptimierung 2.5 Nutzwertanalyse 2.6 Kritik der klassischen Investitionsrechnung 2.7 Schrifttum

23 26 28 34 39 43 45 50 54

3. Investition als Prozeß 3.1 Investitionsphasen 3.1.1 Investitionsplanung und -entscheidung 3.1.2 Investitionsumsetzung und -evaluation 3.2 Individualverhalten beim Investitionsprozeß 3.2.1 Kognitives Verhalten 3.2.2 Emotionales Verhalten 3.2.3 Systemisches Denken 3.3 Investition im betrieblichen Kontext 3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung 3.3.1.1 Kostenreduktion, Umsatzsteigerung und Gewinnstreben 3.3.1.2 Fließgleichgewicht und Unternehmenswert 3.3.2 Informale Organisation 3.3.3 Innovation und Macht 3.4 Investition im überbetrieblichen Kontext 3.4.1 Investition in Konkurrenz 3.4.2 Investition im Unternehmensverbund 3.5 Investition im historischen Kontext 3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung

57 62 63 66 68 74 79 83 90 97 100 105 109 115 124 129 135 144 149 159 171 178 191 199 210 220 230 241 246

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.5.2 Betrachtung der wirtschaftshistorischen Entwicklung 3.5.3 Historische Situation des Unternehmens 3.5.4 Exkurs: Theoriebildung und Paradigmenwechsel 3.6 Schrifttum

260 276 288 295

4. Investitions-Controlling 4.1 Endogene Basisdaten des Controllings 4.2 Exogene Informationssysteme im Investitions-Controlling 4.3 Controllingstruktur als Abbild betrieblichen Verhaltens 4.4 Verfahren im Investitions-Controlling 4.4.1 Planung und Kontrolle 4.4.2 Investitions-Controlling als 5-Jahres-Planung 4.4.2.1 Erfolgs-Controlling 4.4.2.2 Bilanz-Controlling 4.4.2.2 Finanz-Controlling 4.5 Betriebsinterne Investition 4.5.1 Produkt-Investition und Markt-Investition 4.5.2 Soziale Investition 4.6 Betriebsexterne Investition 4.7 Schrifttum

303 309 317 322 328 339 345 352 361 368 375 382 388 395 400

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403 405 411 412 420

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1. Einleitung Das Grundmodell der Investitionsrechnung ist einfach, bzw. eine Investitionsentscheidung stellt sich zunächst einmal einfach dar. Aus den problembeschreibenden Daten und den Zielvorstellungen wird eine Modellrechnung erstellt, und diese führt zu der "richtigen" Entscheidung. Dabei sind nur die zu Beginn einer Investitionsperiode zu erwartenden Ausgaben (I0) und die laufenden Ausgaben (a) den laufenden Einnahmen (e t ) gegenüberzustellen. Zum Ende dieser Investitionsperiode ist noch der reale Liquidiationserlös als zusätzliche Einnahme mit einzubeziehen, und es läßt sich ein rechnerischer Endbetrag ermitteln, der sich als Kenngröße für die Güte der anvisierten Investition eignet (vgl. Olfert 1992, S. 24 ff. sowie Altrogge 1991, S. 44ff.; siehe hierzu Abb. 1.1).

Abb. 1.1: Phasenschema

der

Investitionsentscheidung

Errechnet man einen positiven Kapitalwert (C 0 ), indem man von der Summe der jeweils abgezinsten Differenzen zwischen den erwarteten Einnahmen und Ausgaben über die gesamte Betrachtungsperiode den Wert der Anschaffungsinvestition abzieht, so ist die Investitionsrendite in jedem Fall höher als der dabei angesetzte Zinssatz i. Setzt man den Kapitalwert gleich Null, substituiert den Zinssatz i durch die Variable r und löst die Gleichung nach dieser auf, so erhält man den internen Zinssatz einer geplanten Investition.

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1. Einleitung

Altrogge (1991, S. 7) unterscheidet zwischen • Realinvestitionen (Sachinvestitionen) und • Finanzinvestitionen, wobei er Finanzinvestitionen als "Auszahlungen zum Erwerb von Forderungs- und Beteiligungsrechten" definiert und die Sach- oder Realinvestitionen als eigentliche betriebliche Investitionen interpretiert. In meinen weiteren Ausführungen konzentriere ich mich auf die Investitions- und Verhaltensstrukturen bei Realinvestitionen, die in der Regel eine Kapitalbindung in den Produktionskapazitäten für die Generierung und Veräußerung betrieblicher Leistung, einschließlich deren verwaltungstechnischem Umfeld, bedingen. Die folgenden Aussagezusammenhänge beziehen sich dementsprechend auf • Neuinvestitionen, • Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen sowie • Erweiterungsinvestitionen, bei denen nicht nur eine materielle, also sachliche Veränderung eines Unternehmens vorgenommen wird, sondern auch eine Umwandlung der Verhaltensstrukturen zu planen ist. Die materielle Varianz im Unternehmen, welche mit einer Investition einhergeht, bedingt in der Regel das Erfordernis, auch die betrieblichen Handlungsstrukturen zu modifizieren. Altrogge problematisiertden Investitionsbereich wie folgt: "Im allgemeinen lassen sich Realinvestitionen sehr viel schwieriger abschätzen und beurteilen als Finanzinvestitionen" (ebenda S. 8). Die zu verwendenden Zielfunktionen sind ebenso wie die in den Rechnungen benutzten Daten modellabhängig; denn der Bestand an verwendbaren Modellen ist durchaus begrenzt. "Es ist eine Illusion zu glauben, für alle komplexen Planungs- und Entscheidungssituationen jeweils schön passende Modelle bauen zu können. Modellabweichungen mehr oder minder großen Umfangs sind eine Tatsache, mit der man sich abfinden muß" (ebenda S. 44). Die Investitionsrechnung hat ihre Grenzen, und es ist mir ein Anliegen, diese Grenzen abzuschreiten, um alsdann mit Hilfe des Investitions-Controllings Verfahren aufzuzeigen, welche die Unzulänglichkeiten der Investitionsrechnung zwar nicht aufheben, aber Möglichkeiten bereitstellen, damit umzugehen. Hierzu ist der Investitionsprozeß in seinen Indi vidualstrukturen abzubilden, als multipersoneller betrieblicher Prozeß zu interpretieren und im gesellschaftlichen Kontext des Unternehmens zu reflektieren.

1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition Der Investitionsprozeß gliedert sich in drei Phasen: • Zunächst gilt es, im Rahmen der Investitionsentscheidung das Investitionsprojekt zu diskriminieren und in seinem inner- und überbetrieblichen Kontext zu beschreiben, um zu einer Handlungsalternative zu gelangen, welche man durchführen möchte. • Die zweite Phase ist der Zeitraum der Investitionsumsetzung, in dem die für das Unternehmen innovative Struktur realisiert wird und die korrespondierenden Handlungsmuster soweit eingeschliffen werden, daß sie als operative Routinen bezeichnet werden können.

1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition

3

• In der dritten Phase setzt der betriebliche Alltag mit der neuen Investition ein. In der Investitionsevaluation wird die Rentabilität der Investitionsentscheidung verifiziert. Ihre Dauer entspricht dem Planungshorizont unter Einbeziehung der regulären und der außerordentlichen Werteströme, wie etwa eines Liquiditätserlöses. In einer Investitionsstruktur werden zwei Werteströme mit den gegenläufig einhergehenden Sach- oder Warenströmen verfolgt. Zum einen orientieren wir uns an dem regelmäßigen Fluß von der Beschaffung über die Produktion oder Leistungsgenerierung im Unternehmen bis zum Absatz, und zum anderen verfolgen wir eine langsamere, über die drei Phasen dauernde Verwertung der Investitionsaufwendung (vgl. Abb. 1.2).

Abb. 1.2:

Investitionsstruktur

Dabei ergeben sich Probleme der Abgrenzung vom investitionsorientierten Wertestrom sowie dem Sachstrom. Zwar läßt sich das Investitionsobjekt durch seine Beschaffung wertemäßig gut umreißen, aber bereits Störungen bei der operativen Implementierung liefern einen Interpretationsspielraum bei der Wertezuweisung. Beschäftigt man sich nicht mit einer Neu- sondern mit einer Veränderungsinvestition in einer Unternehmung, so treten auch Abgrenzungsprobleme in der Zuweisung des Leistungsanteils für die betrachtete Investition und dem entsprechenden Ausweis der spezifischen Sach- bzw. Werteströme auf. Dies gilt insbesondere dann, wenn innerbetriebliche Teilstrukturen zum Investitionsgegenstand werden, die gar nicht mehr durch reale monetäre Vorgänge an der Peripherie des Unternehmens abgebildet sind, sondern im inneren Verwertungsnetz nur durch eine pseudomonetäre Wertestruktur der Kosten-Leistungsrechnung dargestellt werden können (vgl. Jaspersen 1993, S. 11). Je nach Abgrenzungsansatz ergeben sich unterschiedliche Einnahmen und Ausgaben, die auf die Investition bezogen werden. Da im Unternehmen die individuellen Leistungsträger unterschiedliche Handlungsfelder abdecken, kann es nicht nur zu unterschiedlichen Modellansätzen kommen, sondern es ergeben sich auch innerhalb

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1. Einleitung

einer Modellsicht unterschiedliche Interpretationsspielräume. Das individuelle Handeln im Investitionsprozeß wird nicht von einer Zielsetzung geprägt, sondern durch die Polyvalenz von Handlungen, in der, nach Boesch, beim Handeln mehrere Zielsetzungen gleichzeitig verfolgt, d.h. antizipiert und erlebt werden. Hierdurch verflüchtigt sich das Moment der Eindeutigkeit. "Die sauber getrennten Kategorien unserer kognitiven Weltschau durchdringen sich im konkreten Erleben mehr, als dem Rationalisten lieb ist" (Boesch 1983, S. 165). Die Wahrnehmung des Investitionsobjektes 10 ist abhängig vom individuellen Wahrnehmungsumfeld U (IO) und der Entscheidungssituation E (I) des betrachtenden Individuums I. Jede Wahrnehmung ist selektiv, d.h. das Individuum nimmt nicht alles wahr, was es sieht, sondern nur eine Teilmenge. Die Ausprägung dieser Teilungen ist abhängig von seiner Rezeptionsstruktur R (I), die als Konstrukt von drei sich überschneidenden Mengen definiert werden kann: Der kognitiven (K), der affektiven (A) und der verhaltensdispositiven Struktur (V). Das Wahrnehmungsobjekt wiederum, also in unserem Fall das Investitionsobjekt, läßt sich im sozialen Kommunikationszusammenhang durch Merkmale M (10) charakterisieren, und zwar insbesondere die, welche "wiederauffindbar oder wiederherstellbar" (Boesch 1980, S.63), d.h. im Rahmen eines kommunikativen Konsenses reproduzierbar sind (vgl. Abb. 1.3).

I E(l) R(l) H(l)

Individuum Entscheidungssituation I Rezeptionsstruktur I Handlung von I

10 U(IO) M(IO) W

Investitionsobjekt Umgebung des Investitionsobjektes Merkmale des Investitionsobjektes Untemehmenswandel

K A V

Kognitive Struktur Affektive Struktur Verhaltensstruktur

Abb. 1.3: Individuelle Wahrnehmung eines Investitionsobjektes Durch die Ausbildung einer Rezeptionsstruktur legt das Individuum die Basis fest, aufgrund derer es ein Investitionsobjekt beurteilt. Hierbei gehen nicht nur kognitiv gesteuerte Aspekte beispielsweise der einer Investitionsrechnung ein, sondern auch Handlungsdispositionen des Individuums und vor allem emotionale Aspekte, die mit der späteren Entscheidung und der daraus resultierenden individuellen Handlung in Verbindung stehen. So ist es ganz natürlich, daß in valide mathematische Einzelverfahren gefühlsmäßig geprägte Eingangswerte einfließen. Beispielsweise lassen sich bei den laufenden Einnahmen einer Investitionsrechnung optimistische oder pessimistische Werte begründen. Es sind emotive Variablen (Jaspersen 1992, S. 56), die sich auf die Aussage des Gesamtmodells auswirken und die im Zuge der drei Investitionsphasen je nach Verlauf ganz unterschiedlich gesehen werden. Wir haben es daher mit einer Gesamtstruktur zu tun, die sich in einem ständigen Wandlungsprozeß befindet, der sich nicht nur auf die Realwelt, also auf das Investitionsobjekt und auf das

1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition

5

Individuum auswirkt, sondern auch auf die Konstrukte, d.h. auf die Investitionsmodelle. Es wandelt sich die Auswahl an Merkmalen, welche registriert und thematisiert werden, sowie auch ihre Qualität und ihre quantitative Attribuierung. Es wandeln sich dementsprechend auch die Rezeptionsstrukturen: neue Kognitionen, also nach Miller/ GalanterlPribram (1960, S. 26 ff. und 1973, S. 34 ff.) neue Lern- und Verhaltensdispositionsmuster strukturieren sich. Die Bezugspunkte der Emotionalität verschieben sich, und das Repertoire der Verhaltensweisen auf der kognitiven Ebene erfährt einen Wandel. Da die individuelle Handhabung der Investitionsmodelle sich auf einen längeren Zeitraum bezieht und da nicht nur Eigeninteresse, sondern auch die Handlung der Entscheidungsträger über die Investitionsdauer mit abgebildet wird, läßt sich der Aussagewandel dieser Modelle kaum systemtheoretisch abbilden. Es bedarf einer erweiterten Sichtweise, um die betriebsinternen Pfade des Erklärens einer Investition darzustellen. Die Verquickung von Handeln und das Abbilden dieser Handlung durch die Handelnden ist eine systemische Zirkularität, die Maturana/Varela (1992, S. 32) in dem Aphorismus zusammenfassen "Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun". Wissenschaftliche Erklärungen folgen gemäß Maturana zwei möglichen Pfaden, die sich an der Frage verzweigen, ob der Erklärende ("Biologie des Beobachters") mit einbezogen wird oder nicht. Mit einem Investitionsmodell erklärt man den Ablauf einer Investition, und da es auf zukünftige Ereignisse bezogen ist, bildet es ein Prognosemodell aus. Die beteiligten Personen des Investitionsprozesses wählen ihre Modelle aus, modifizieren sie, definieren die Erfassungskategorien für die prozeßhafte Umsetzung und bestimmen die Abgrenzungen zu anderen betrieblichen Daten bei der Evaluierung. Der Investitionsprozeß wird somit nicht von einer objektiven, universellen Realitätsbeschreibung geprägt, in welcher sich die Investitionsbeschreiber auf eine von ihrem Tun unabhängige Objektwelt beziehen können. ERFAHREN BEOBACHTER

Beschreibung Leben in Sprache

Existenz ist unabhängig von Biologie des Beobachters

EMOTIONEN ERKLÄREN

Existenz ist abhängig von Biologie des Beobachters

OBJEKTIVITÄT

- Kriterien -

(OBJEKTIVITÄT)

Realität UNIVERSUM

"Gusto"

(Realitäten) MULTIVERSA

Bereich transzendentaler Ontologie

Bereiche subjektiver Beliebigkeit

Bereiche konstitutiver Ontologien

I

t

Abb. 1.4: Pfade des Erklärens



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1. Einleitung

In der Abbildung 1.4 stellt Ludewig (1992, S. 77) dem objektiven Erfassen der Realwelt, im Sinne eines konventionellen naturwissenschaftlichen Ansatzes, eine Objektivität gegenüber, die sich nur dann ergibt, wenn der Verfasser dieser Objektivität mit einbezogen wird. Ausgangspunkt hierfür ist, "daß menschliche Kognition keinen Zugang zu einer subjektunabhängigen Objektwelt hat. Hier nimmt der Wissenschaftler an, daß jede Erkenntnis ihre Realität selbst konstituiert. Es gibt also strenggenommen ebensoviele Realitäten wie Beobachtungsmodi, Multiversa statt eines Universums. Entsprechend gibt es auch ebenso viele Seinssphären wie Verfahren und Kriterien, Erkenntnisse hervorzubringen oder zu akzeptieren (Konstitutive Ontologien)" (ebenda, S. 76). Der Beobachter erlebt das Erfahren durch die Beschreibung in einer Sprache. Maturana (1982, S. 15) hebt die Gefahr heraus, daß das Beschriebene mit dem Beschriebenen verwechselt wird. Auf unsere Problemstellung bezogen, daß der Realverlauf der Investition mit den Aussagen der Investitionsmodelle gleichgesetzt wird: "Beim Nachdenken über diese Dinge entdeckte ich, wie oft uns die Sprache dazu verführte, die Beschreibung der Beschreibung eines Phänomens mit der Beschreibung des Phänomens selbst zu verwechseln, und daß dies letztlich der Grund für meine Unzufriedenheit mit den Computermodellen am M.I.T. war." Maturana {1969, S. 33) setzt dementsprechend vor dem Erklären das Emotionieren, als Kristallisationspunkt zur Gewinnung von Kriterien für eine Objektivität, die sich dem Bereich subjektiver Beliebigkeit entzieht." Darunter versteht er körperliche Zustände, die das Verhalten disponieren und den Handlungsbereich eines Organismus festlegen [...]. Leben geschieht im Fließen emotionaler Zustände, die Interaktionen begleiten und ihre Richtung bestimmen. Das Übergehen von einem emotionalen Zustand in den anderen nennt Maturana - Emotionieren" (Ludewig 1992, S. 74). Durch die systemische Analyse des Investitionsprozesses wird deutlich, daß die Investitionsrealität viele individuelle Facetten aufweist, die im unternehmerischen Handeln zu einem weitgehenden Konsens verschmelzen müssen, um die mit der Intervestition verbundenen Handlungen nicht in Einzelaktionen zerfallen zu lassen. Eine solche Kohärenz ergibt sich nur durch hinreichende gemeinsame Interessen der Handlungsbeteiligten. Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie, so Frese (1991, S. 2), sind folgende drei Merkmale: • Betriebe sind Handlungssysteme mit Tätigkeitsfeldern der Informationssammlung, Entscheidung, Realisation und Kontrolle. • Die Handlungen orientieren sich an Zielen. • Es herrscht eine interpersonelle Arbeitsteilung. Je nach der Charakteristik (Wiederholbarkeit und Vorhersehbarkeit) der zu erfüllenden Aufgabe wird der aufgabenbezogene Organisationsgrad festgelegt. Bühner faßt, in Anlehnung an Witte, die Definitionsmerkmale einer Aufgabe zusammen, indem einem Aufgabenträger (Mensch, Sachmittel) Verrichtung, Objekt, Zeit und Raum vorgegeben wird (vgl. Bühner 1991, S. 9; siehe Abb. 1.5). Es zeigt sich, daß in der etablierten betriebswirtschaftlichen Theoriebildung eine geordnete Struktur menschlicher Handlung der Ausgangspunkt aller Betrachtungen ist. Es kommt vor allem darauf an, idealtypische Handlungsmuster bereitzustellen, welche die Aufbauorganisation und die Ablaufplanung der einzelnen Tätigkeiten

1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition

7

determinieren. Es gilt dann in der Praxis, eine spezifische Modifikation zu entwickeln, die der jeweiligen realen Situation gerecht wird.

Abb. 1.5: Merkmale der Aufgabenerfüllung

(nach Bühner)

Küpper und Ortmann zeichnen ein anderes Bild. In ihrem Sammelband "Mikropolitik" beleuchten sie eine Kehrseite des betrieblichen Zusammenlebens, die der Unternehmensrealität sehr nahe kommt. Beide Autoren gehen davon aus, daß sich neben der formalen Organisation Strukturen entwickeln, die von heftigen Kämpfen, Mauschelein, partiellen Interessenkonvergenzen und temporären Koalitionen der Aufgabenträger bestimmt sind. "Die Machiavelli der Organisation sind umringt von Bremsern und Treibern, change agents und Agenten des ewig Gestrigen, Märtyrern und Parasiten, grauen Eminenzen, leidenschaftlichen Spielern und gewieften Taktikern: Mikropolitiker allesamt. Sie zahlen Preise und stellen Weichen, errichten Blockaden oder springen auf Züge, geraten aufs Abstellgleis oder fallen die Treppe hinauf, gehen in Deckung oder seilen sich ab, verteilen schwarze Peter und holen Verstärkung, suchen Rückendeckung und Absicherung, setzten Brückenköpfe und lassen Bomben platzen, schaffen vollendete Tatsachen oder suchen das Gespräch. Daß es ihnen um die Sache nicht ginge, läßt sich nicht behaupten; aber immer läuft mit: der Kampf um Positionen und Besitzstände, Ressourcen und Karrieren, Einfluß und Macht" (Küpper, Ortmann 1988, S. 7). Durch den Investitionsprozeß wird die betriebliche Organisation in zweifacher Weise berührt. Zum einen findet er in einer vorhandenen Organisation statt, so daß die Prozeßausprägung von dem individuellen Bestand der Aufgabenträger sowie deren formeller und informeller Interaktion abhängt. Zum anderen beinhaltet die Investition in der Regel eine Veränderung der vorhandenen Organisationsstruktur, welche durch die Innovationsstruktur des Investitionsprozesses bedingt ist. Sowohl die Neu- als auch die Veränderungsinvestitionen ziehen einen materiellen Wandel nach sich, deren operative Routinehandlungen bei der späteren Generierung betrieblicher Leistung zunächst entwickelt und dann implementiert werden müssen. Bei der Neuentwicklung von organisatorischen Strukturen werden jedoch nicht nur neue Verhaltensmuster etabliert, sondern auch alte zerstört. Aus makroökonomischer Sicht spricht Schumpeter (1993, S. 334 ff.) hier von einer schöpferischen Zerstörung, die sich beispielsweise dann in einer Branche bemerkbar macht, wenn eine innovative Technologie Unternehmen mit althergebrachten Verfahren verdrängt. Selbstverständlich gilt dasselbe Prinzip auch auf der mikroökonomischen Ebene eines Unternehmens, nur daß hier keine Betriebe sondern ggf. Abteilungen aufgelöst werden oder aber andersgeartete Umschichtungen in der Organisation vorzunehmen sind.

8

1. Einleitung

Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens zeigt sich in der Flexibilität, auf neue Situationen zu reagieren. Schumpeter bewertet Innovationen als einen Gradmesser für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Betriebes. Die Innovation besteht aus der Entwicklung neuer Ideen und deren organisatorischerUmsetzung. Es sind zwei Arten der Neuerung zu unterscheiden: • die Produktinnovation mit dem Ziel, verbesserte oder neue Produkte zum Erhalt und zur Erweiterung vorhandener bzw. zur Erschließung neuer Märkte zu generieren und • die Prozeßinnovation, welche sich mit der Gestaltung neuer Verfahrensweisen auseinandersetzt, um die Produkterstellung wirtschaftlicher bzw. die Erbringung von Dienstleistungen rationeller zu bewerkstelligen. Die Integration neuer Technologien über DV-gesteuerte Systeme hat dazu beigetragen, daß der Innovationsprozeß häufig beide Komponenten beinhaltet, auch wenn der Ausgangspunkt unterschiedlich sein kann. Sowohl die Planung neuer Produkte als auch die Entwicklung neuer Fertigungsverfahren beinhalten die Reflexion über die Interdependenz der Neuerung mit den jeweiligen anderen Betriebsgegebenheiten. In jedem Fall gilt es, innovative Information zu entwickeln, die zu einem späteren Zeitpunkt als Routineinformation verwendet werden soll. Es ist daher unumgänglich, den Entwicklungsprozeß organisatorisch vom betrieblichen Alltag abzukoppeln. Bühner schreibt hierzu: "Produkt- und Prozeßinnovationen werden durch sekundäre Organisationsstrukturen begünstigt, die über eine Primärorganisation hinweg neue Produkt- oder Prozeßaktivitäten zusammenfassen. Die Primärorganisation bezeichnet hierbei die Grundstruktur und die Sekundärorganisation die sie überlagernde Struktur. Ein Entscheid über die Bedeutung von beiden Organisationsstrukturen ist dabei noch nicht getroffen. Oftmals spielt sich heute das Unternehmensgeschehen in den als sekundär bezeichneten Strukturen ab. Die Grundstrukturen bleiben hiervon unberührt notwendig und wichtig" (Bühner 1991, S. 185). Dabei läßt sich die Ausprägung der Sekundärorganisation im Vorfeld nicht genau definieren. Der Innovationsprozeß zeichnet sich ja gerade dadurch aus, daß Neuland betreten wird und somit neue Verhaltensmuster gegebenenfalls erforderlich werden. Page schreibt als Mitglied des Vorstandes der Software AG, eines dynamisch wachsenden Unternehmens, dessen Erfolg stark von der Fähigkeit der ständigen Entwicklung neuer Produkte abhängt, hierzu: "Am erfolgreichsten erscheint der Ansatz der permanenten Reorganisation, bei der die Notwendigkeit zu dauernden Veränderungen bewußt akzeptiert wird und man damit in der Lage ist, Verbesserungen in der bestehenden Organisation einzuführen, ohne alles, was bisher funktionierte, aus Prinzip gefährden zu müssen. [...] Wichtig ist die Erkenntnis, daß verschiedene Organisationsformen nebeneinander existieren können, und daß dieselbe Funktionseinheitevtl. gleichzeitig in mehreren unterschiedlichen Organisationsstrukturen eingebettet sein kann" (Page 1990, S. 128 f.). Entsprechend der Ausprägung eines Investitionsprojektes entwickelt sich eine formale und/oder informale Organisationsstruktur, welche die In vestitonsentscheidung vorantreibt. In der zweiten Phase der Investitionsumsetzung bzw. im dritten Abschnitt der Investitionsevaluierung verändert sich in der Regel die Organisationsform.

9

1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition

I. Die Umwelt (Umweltbezogene Determinanten des Kaufverhaltens) Physische Umwelt Technologische Umwelt Lieferanten

Ökonomische Umwelt Politische Umwelt

Kunden Staat Gewerkschaften

Informationen über Anbieter (Marketing-Kommunikation)

Legale Umwelt Kulturelle Umwelt

Andere HandelsBerufsverbände verbände industrielle Anbieter

V Erhältlichkeit von Gütern und Diensten

Allgemeine wirtschaftliche Lage

Abb. 1.6: Das Webster/Wind-Modell (nach Backhaus)

Andere soziale Institutionen

«/_,._„ m-,-,-» ' Normen

w e n e u

10

1. Einleitung

Webster und Wind (1972, S. 78 ff.) haben sich bereits Ende der sechziger Jahre mit dem Phänomen der informellen Kommunikation bei der Investitionsbeschaffung auseinandergesetzt und etablierten den Begriff des Buying Centers als Kerngruppe bei einer Kaufentscheidung. Dabei diskriminieren sie fünf verschiedene Rollen: • Einkäufer, • Benutzer, • Informationsselektierer, • Beeinflusser und • Entscheider. Kennzeichnend für diese Rollen ist nicht nur der unterschiedliche Aktionshintergrund und somit der spezifische Notationsbeitrag für die Etablierung eines Entscheidungsmodells (Einkauf, betroffene Abteilungen des Investitionsobjekts, Stab, Berater, Unternehmensleitung), sondern auch die Attribuierung innerhalb einer Machtstruktur. Dies umfassendste Strukturmodell (Backhaus 1992, S. 96) für den Bereich des organisatorischen Beschaffungsverhaltens unterscheidet vier Gruppen von Einflußfaktoren: • Umweltbedingte, • Organisationsbedingte, • Interpersonale und • Intrapersonale Determinanten. An der Abbildung 1.6 werden die Interdependenzen der Einflußfaktoren nach Webster/ Wind in einer Übersetzung von Backhaus (1992, S. 97) aufgezeigt,(vgl. hierzu auch Scheuch 1989, S. 140 ff.). Trotz des umfassenden Ansatzes mündet das Strukturmodell lediglich in die Kaufentscheidung des Investitionsobjektes und erfaßt damit die Determinanten der ersten Phase des Investitionsprozesses in einer statischen Form. Erst mit der Kopplung an ein Prozeßmodell und der Einbeziehung der Umsetzungsund der Evaluationsphase können die begleitenden Umfeldveränderungen des Investitionsobjektes beschrieben werden. Um die prinzipielle Handlungsintention eines Unternehmens zu beschreiben, die einen Investitionsprozeß begleitet, ist es jedoch notwendig, neben den endogenen betrieblichen Prozessen auch die exogenen Interaktionen mit dem Unternehmensumfeld in die Betrachtung einzubeziehen. Jedes Unternehmen erbringt seine betriebliche Leistung innerhalb eines Leistungsverbundes, in dem eine Reihe von Unternehmen im Rahmen einer physischen und wertemäßigen Struktur vernetzt sind. Innerhalb dieser Struktur hat der einzelne Betrieb sowohl eine Kooperation, also eine Nähe zu anderen Elementen des Systems aufzubauen, als auch eine Abgrenzung vorzunehmen, indem sich die eigene Leistung von der der Mitanbieter unterscheidet. Das bezieht sich nicht nur auf die Leistungen, welche unmittelbar an den Konsumenten abgegeben werden, sondern auch auf Teilleistungen, beispielsweise des Vertriebes oder der Verwaltung, welche innerhalb der betriebseigenen Wertekette (Porter 1992, S. 62 ff.) zu erbringen sind, um die für den Abnehmer bereitzustellende Leistung zu gewährleisten. Eine Uberlebensfähigkeit auf dem Markt ist nur dann gegeben, wenn das jeweilige Unternehmen einen komparativen Konkurrenzvorteil (Backhaus 1992, S. 17 ff.) gegenüber seinen Mitkonkurrenten aufweist. Dementsprechend ist es das primäre Ziel einer Investition, einen solchen zu erlangen, um so Wettbewerbsvorteile zu bekommen. Investitionen

11

1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition

bilden daher einen elementaren Bestandteil einer Wettbewerbsstrategie (vgl. hierzu Porter 1992, S. 13 ff.) Eintrittsbarrieren

Determinanten der Rivalität

Economies of scale Untemehmenseigene Produktunterschiede Markenidentität Umstellungskosten Kapital bedarf Bedrohung Zugang zu Distributionen durch neue Absolute Kostenvorteile Anbieter Untemehmensinteme Lemkurve Zugang zu erforderlichen Inputs Untemehmenseigene kostenkünstige Produktgestaltung Staatliche Politik Zu erwartende Vergeltungsmaßnahmen

Branchenwachstum Fix- (oder Lager-) Kosten/Wertschöpfung Phasen der Uberkapazität Produktunterschiede Markenidentität Umstellungskosten Konzentration und Gleichgewicht Komplexe Informationslage Heterogene Konkurrenten Strategische Untemehmensinteressen Austrittsbameren

Wettbewerber der Branche Verhandlungsstärke der Lieferanten

Verhandlungsstärke der Abnehmer

Intensität der Rivalität

Determinanten der Lieferantenmacht Differenzierung der Inputs Umstellungskosten der Lieferanten und Unternehmen der Branche Ersatz-Inputs Lieferantenkonzentration Bedeutung des Auftragsvolumens für Lieferanten Kosten im Verhältnis z. d. Gesamtumsätzen Einfluß der Inputs auf Kosten oder Differenzierung Gefahr der Vorwärtsintegration im Vergleich zur Gefahr der Rückwärtsintegration durch Unternehmen der Branche Bedrohung durch Ersatzprodukte

Determinanten der Abnehmerstärke Verhandlungsmacht

Preisempfindlichkeit

Abnehmerkonzentration gegen Untemehmenskonzentration Abnehmervolumen Umstellungskosten der Abnehmer im Vergleich zu denen des Unternehmens Informationsstand der Abnehmer Fähigkeit zur Rückwärtsintegration Ersatzprodukte Durchnaltevermögen

Preis/Gesamtumsätze Produktunterschiede Markenidentität Einfluß auf Qualität/ Leistung Abnehme rge winne Anreize der Entscheidungsträger

Determinanten der Substitutionsgefahr Relative Preisleistung der Ersatzprodukte Umstellungskosten Substitutionsneigung der Abnehmer

Abb. 1.7: Elemente der Branchenstruktur (nach Porter) Dementsprechend müssen Investitionsmodelle in ihrer quantitativen und qualitativen Ausprägung Momente der betrieblichen Umfeldstruktur abbilden, um einen der Realität angenäherten Prognosekontext mit einzubeziehen und eine Basis zu gewinnen, welche Anhaltspunkte für die Reflexion der Investitionsrichtung begründet. Porter (1992a, S. 26; vgl. Abb. 1.7) definiert fünf Subsysteme der Branchenstruktur als betriebliches Umfeld. Ausgangspunkt ist bei ihm die Betrachtungsbranche, welche aus mehreren rivalisieren-

12

1. Einleitung

den Wettbewerbern besteht, und die sich den Gesamtmarkt einer komplexen betrieblichen Leistung mit Lieferanten und Abnehmern teilen. Neue Anbieter und Hersteller von Ersatzprodukten bedrohen diesen Gesamtmarkt, in dem jeder Teilnehmer versucht, durch Eintrittsbarrieren sich ein beständiges Tätigkeitsfeld zu verschaffen. Der Eintrittspreis wird beispielsweise durch die Mindestgröße eines Unternehmens in die Höhe geschoben. Zusätzlich weist diese Struktur eine Konsistenz auf, da auch ein Austritt aus einem spezifischen Leistungsverbund für den Betreffenden Kosten verursacht (Umstellungskosten). Dennoch befindet sich das Gesamtsystem in einer stetigen Spannung, da jedes Element versucht ist, sich so zu bewegen, daß in seinem Sinne Vorteile entstehen. Hierbei gelten für die fünf Subsysteme unterschiedliche Determinanten. • Die wichtigsten Determinanten der Rivalität der Wettbewerber sind das Branchenwachstum, der Grad der Wertschöpfung und die Heterogenität der Konkurrenten. • Bei den Lieferanten ergibt sich ihr Bewegungsdrang in eine attraktive Betrachtungsbranche aus dem Grad ihrer Verhandlungsstärke (Vorwärtsintegration). • Dasselbe gilt auch für die Abnehmer, welche bei entsprechender Kraft zur Rückwärtsintegration tendieren. Konsolidierungsfähigkeit und Durchhaltevermögen bestimmen das Gleichgewicht zwischen Lieferanten, Produzenten und Abnehmern. • Weiterhin können die Branchengrenzen durch Ersatzprodukte bedroht werden. Dies ist abhängig von der relativen Preisleistung der Ersatzprodukte, den Umstellkosten und der Substitutionsneigung der Abnehmer. • Das fünfte Subsystem wird durch neue Anbieter gebildet. Die Betrachtungsbranche ist dementsprechend laufend bemüht, Uber absolute Kostenvorteile, Markenidentität und konsistente Lieferanten-Produzenten-Abnehmer-Strukturen ihre Eintrittsbarrieren auszubauen. Die Elemente der Branchenstruktur bilden in ihrerGesamtheitdie Determinanten eines Investitionsprozesses und bestimmen dementsprechend die Ausprägung der Sach- und Werteflüsse einer spezifischen Investition. Ausgaben sind von der strategischen Entwicklung der Lieferanten, Einnahmen von einer Konsolidierung oder einer Desintegrierung der Verhandlungsmacht des Abnehmers abhängig. Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, daß die Einschätzung von Tendenzen empirisch zu ermitteln ist, wenn ein Unternehmen nur sorgfältig genug und methodisch sauber die entsprechenden Informationen erhebt und aufbereitet. Ich möchte in diesem Kontext dagegen zwei Aspekte ausführen: • die zunehmende Umweltdiskontinuität und • den Institutionenwandel. In vielen Bereichen manifestieren sich Entwicklungstendenzen, die weniger kontinuierlich als in der Vergangenheit verlaufen und die Werteströme in einer Unternehmung empfindlich tangieren. Eine Umweltdiskontinuität gilt beispielsweise für die Entwicklung der Rohstoffpreise, die Zinsentwicklung oder die Wechselkursentwicklung (siehe hierzu Schmalenbach-Gesellschaft: Integrierte Unternehmensplanung 1991, S. 823; vgl. Abb. 1.8). Investitionen sind Prozesse mit mittelfristiger Wirkung, deren wesentliches strategisches Moment zu Beginn fixiert wird und die daher nur einen eingeschränkten Wandlungsspielraum haben, wenn sie erst einmal in eine operative Routine überführt worden sind.

1.1 Phasen und Struktur der Realinvestition

13

DM/US-$ A 3,30 3,20 3,10 3.00 2,90 2,80 2,70 2,60 2,50 2,40 2,30 2,20 2,10 2,00 1,90 1,80 1,70 1,60

Prognose

Prognose 9/85 für 12/85 und 9/86

Prognose 9/83 für 12/83 und 9/84

Prognose 12/81 lür 12/82 Prognose 9/80 für, 9/81

12/79

9/80

Zeit

Abb. 1.8: Dollarkursänderungen und Bank-Prognosen des Dollarkurses Erweist sich dann das strategische Moment als falsch, so haben wir in der Regel eine Fehlinvestition. Es ist daher notwendig, eine gesellschaftliche Kontinuität zu schaffen und das tun wir, so North (1992, S. 4), durch die Etablierung von Institutionen, welche die Unsicherheit vermindern, indem sie für eine gewisse Ordnung in unserem täglichen Leben sorgen. Sie schaffen Richtlinien für menschliche Interaktionen. Institutionen prägen das Verhalten von Unternehmen, also "Gruppen von Einzelpersonen, die ein gemeinsamer Zweck, die Erreichung eines Zieles, verbindet" (ebenda S. 5). Nun ist es aber so, daß die Organisationen auf die Institutionen einwirken und sie verändern. Dies Regelwerk verläuft dabei nicht nur nach rationalen Kriterien. "Institutionen werden nicht unbedingt, nicht einmal üblicherweise, geschaffen, um sozial effizient zu sein: Vielmehr werden sie, oder zumindest die formalen Regeln, geschaffen, um den Interessen derjenigen zu dienen, die die Verhandlungsmacht haben, neue Regeln aufzustellen" (ebenda, S. 19). Weiterhin wird auch gegen die Institutionen verstoßen und zwar immer dann, wenn sich daraus für eine Organisation ein Vorteil ergibt, welche das Risiko einer Regelüberschreitung kompensiert (vgl. North 1988, S. 143 ff.). Aus diesen beiden Gründen schlußfolgert North (1992, S. 21): "Die Motivation der Akteure ist komplizierter (und ihre Präferenzen sind weniger stabil) als die traditionelle Theorie annimmt. Umstrittener (und weniger verstanden) ist unter den Verhaltensannahmen für gewöhnlich die stillschweigend gemachte Annahme, daß die Akteure Erkenntnissysteme besitzen, die wirklichkeitsgerechte Modelle der Welt liefern, auf die sich ihre Wahlhandlungen beziehen, oder zumindest, daß die Akteure Informationen erhalten, die eine Konvergenz differierender Ausgangsmodelle bewir-

14

1. Einleitung

ken. Das ist für die meisten der interessanten Probleme, mit denen wir es zu tun haben, ganz offensichtlich falsch." Und sicherlich gilt das für Investitionen, die innerhalb eines Unternehmens stets einzigartige Merkmale aufweisen, die sich, bedingt durch den zeitlichen Wandel, nicht wiederholen. Mit innovativen Verhaltensannahmen der Mitarbeiter wird ein intendierter Erfolg kalkuliert, der nie zuvor evaluiert worden ist. Bei den rechnerischen Ansätzen eines Investitionsprozesses ist es daher notwendig, das individuelle Moment derjenigen mit einzubeziehen, welche die Modelle gestalten. Die Verfahren werden dann nicht nur von einer abstrakten Formalität bestimmt, sondern sind stets von der Person zu verantworten, welche die spätere Handlung auch vollzieht. Um mit North (1992, S. 52) zu sprechen: "Es ist schlechtweg unmöglich, die Geschichte (oder das heutige Wirtschaftsleben) zu begreifen, wenn man nicht erkennt, welche entscheidende Bedeutung subjektive Präferenzen im Zusammenhang formgebundener institutioneller Beschränkungen haben, die es uns ermöglichen, unsere Überzeugungen kostenlos oder mit nur ganz geringfügigen Kosten zu äußern. Ideen, organisierte Weltanschauungen und sogar übertriebener Glaubenseifer spielen eine wesentliche Rolle in der Ausgestaltung von Gesellschaften und Wirtschaften."

1.2 Investition und Controlling Das Controllingkonzept im Unternehmen umfaßt nach Horväth in Anlehnung an Anthony und Dearden • das Planen • die Budgetierung • die Operation und ihre wertmäßige Erfassung sowie • die Berichterstattung und Analyse (vgl. dazu Horväth 1990, S. 26 f. und Anthony/ Dearden 1976, S. 3). Innerhalb des Controlling werden dementsprechend Handlungszusammenhänge des betrieblichen Realsystems so modellhaft abgebildet, daß sie als Planungs- und Erfassungs- und Berichtsstruktur verwendet werden können. Wir haben es mit einem Durchsetzungssystem zu tun, welches kurzfristige Störungen registriert und Anhaltspunkte für Gegenreaktionen liefert. Die Struktur eines etablierten Systems zum Investitions-Controlling kann jedoch nur einen spezifischen Sachstand abbilden, der sich aus dem im Controllingsystem manifestierten Abbild der Ist-Struktur ergibt. Innerhalb dieses Abbildungsrahmens kann das Investitionsprojekt sachgerecht eingesetzt werden. Ändert sich die Unternehmensstruktur durch die Investition bzw. ändert sich die Relation zur Umwelt, so muß auch die Struktur des Controllingsystems geändert werden, damit diese den geänderten Sachstand erfassen kann. Es entsteht so eine zweite Reflektionsebene, ein Durchsetzungssystem, das langfristige Sollwertvorgaben begründet (vgl. dazu Kirsch 1974, S. 14 und Merints 1989, S. 660). Die Investitionsplanung stellt im Rahmen eines Controllingkonzeptes dementsprechend ein plausibles Zwischenelement dar, das einerseits mit der kurzfristigen Planung sowohl strukturell als auch begrifflich qualitativ und in seiner wertmäßigen Quantifizierung gekoppelt ist, andererseits aber mit der langfristigen Planung korrespondiert. Haas (1977, S. 143; vgl. Abb. 1.9) hat diese Interdependenz der Planungen mit verschiedenen Zeithorizonten dargestellt und verdeutlicht dabei, daß die Pläne als Modellebene gesehen werden müssen, welche eine Disposition bedingen und erst durch die Vollzüge zu kontrollierbaren Datenbeständen führen. Das Controllingkonzept ist somit ein Planungssystem, mit dem sich sowohl strategische Entscheidungen abbilden lassen als auch deren Operationalisierung.

15

1.2 Investition und Controlling

Unternehmungspolitik Planungsprozesse langfristige Pläne Ziele

Prozesse Mittel

- Gnind- - Anforde- Neue Produkte struktur rungen neuer und Leist.pot. ProMärkte Mittelzuzesse - Bisteilung herige Produkte alte + + Märkte n e u e Aktivitäten mittelfristige P l ä n e Ziele

Maßnahmen

Budgets

Projektpläne und -budgets zur Entwicklung neuer Prozesse + Leistungspotentiale, Aufrechterhaltung bisheriger Leistungspotentiale Periodenpläne für bisherige Aktivitäten Periodenpläne zur Konsolidieomg alter und neuer Aktivitäten kurzfristige Pläne Funkt, Sparten ber.

Märkte

Ziele

detaillierte Planung aller Aktivitäten

Maßnahmen

Ausnützung vorhandener Leistungspotentiale

Budgets

nach Verantwortlichkeitsbereichen

Disposition i 1

to

bis 1 J a h r

2-5 Jahre

5 Jahre und mehr

t

Vollzüge

X Kontrolle

Abb. 1.9: Beispiel fiir Differenzierung

des Planungssystems

(nach Haas)

Um jedoch die individuellen und gruppendynamischen Komponenten in so einem Planungssystem einzubinden, ist es notwendig, deren Verantwortungsbereiche planerisch abzugrenzen. Damit formalisieren die Verantwortungsträger ihre Vorstellungen der Unternehmensentwicklung und operationalisieren diese Vorstellungen in einem Wertesystem, das den Entscheidungsbeteiligten als konsensuale Kommunikationsbasis dienen kann. Das Controllingsystem gewährleistet eine Überprüfbarkeit, die alle Beteiligten anerkennen. Für die Erstellung von rechnerischen Investitionsüberlegungen müssen jedoch neben der individuellen Vorstellungs- und Verantwortungsabgren-

16

1. Einleitung

zung auch noch die zum Investitionsobjekt korrespondierenden Werteflüsse so abgegrenzt werden, daß sie • in der mittelfristigen Planung für alternative Investitionsüberlegungen zu verwenden sind und • in der operativen Umsetzung nicht in ihrer Abgegrenztheit verloren gehen, sondern über einen längeren Zeitraum exakt nachverfolgt werden können. Eine Abgrenzung ist nur dann zu gewährleisten, wenn das ganze Unternehmensgeschehen erfaßt wird, denn sonst ist es leicht möglich, Ausgabenflüsse unauffällig weg zu definieren oder Einnahmen für eine Investition zu beanspruchen. Ein Einzelmodell, welches zudem nur einer begrenzten Mitarbeiterschaft zugänglich gemacht wird, kann während eines gesamten Investitionsprozesses zu leicht verändert werden. Ist es aber in ein Gesamtmodell eingebunden, so werden definitorische Veränderungen sofort von denen wahrgenommen, deren Einnahmen reduziert oder deren Ausgaben erhöht worden sind. Weiterhin ist es zweckmäßig, das Modell an das Werteerfassungssystem anzubinden, welches die Wertestrukturen des Ist-Zustandes für die "Öffentlichkeit" fixiert, sprich an die betriebliche Buchführung. Damit ergibt sich ein valides Überprüfungskriterium, welches nicht mehr uminterpretiert werden kann, und es kommt nicht zu einer "PlanWahrheit", die mit dem Gesamtergebnis der Buchführung inkommensurabel ist. Um diesem Kriterium zu genügen, habe ich 1986 das System der objektorientierten Planung entwickelt und seitdem in mehreren zumeist mittelständischen Unternehmen implementiert. Es eignet sich sowohl zur operativen Planung als auch für die planerische Evaluierung von Investitionsprojekten und deren Verfolgung, wenn sie umgesetzt werden. Das Prinzip des Modells operiert nach dem Ganzheitsgedanken. Wir haben es im Unternehmen nicht mit einer einzelnen Leistungserstellung zu tun. Betriebe erstellen mehrere Leistungen gleichzeitig, die ähnlich strukturiert sind (horizontaler Aufbau), und/oder eine Leistung ist so komplex, daß sie in Leistungsstufen zerlegt wird, die vertikal gegliedert sind. Jede Leistungseinheit kann uniform Uber ein einheitliches Begriffssystem dargestellt werden. Es sind stets Input- und Outputfaktoren, die bei einheitlicher Begrifflichkeit sowohl die Gesamtleistung des Unternehmens darstellen können als auch eine Leistungseinheit. Jede Leistungseinheit kann in Teilleistungen zergliedert werden, die mit dem gleichen Abbildungsmodell darzustellen sind (vgl. Abb. 1.10). Wir haben es mit einer Hologrammstruktur zu tun, da das einzelne Element dieselbe Struktur aufweist wie das Gesamtsystem. Der Vorteil eines solchen DV-Modells ist die flexible Abbaubarkeit, wie auch die Möglichkeit der horizontalen wie vertikalen Konsolidierung. Ausgangspunkt der objektorientierten Planung ist die Unternehmensbilanz. Diese wird in ein vereinfachtes Begriffssystem so transportiert, daß die Eckwerte aus der Finanzbuchhaltung erkennbar bleiben. Dabei wird die Bilanz dekomponiert, also in Subbilanzen gegliedert, die in ihrer Summe der ganzheitlichen Bilanz entsprechen. Die Subbilanzen können bei Bedarf emeut gegliedert werden, je nach den Ansprüchen der Detaillierung. Die Gliederung in Subsysteme erfolgt nach den Gesichtspunkten der objektiven Struktur, d.h. es werden Umlauf- und Anlagevermögen zusammengefaßt, die einen Produktionskomplex ausbilden, mit dem spezifische Produkte hergestellt werden. Jeder (Sub-)Bilanz wird auf ihrem Niveau eine Gewinn- und Verlustrechnung beigesellt, so daß nicht nur die dekomponierten Bilanzen zu Beginn und zum Ende einer Planungsperiode miteinander verglichen werden können, sondern auch das Ergebnis für diese Planungsperiode auf dem entsprechendem Niveau ermittelt werden kann.

17

1.2 Investition und Controlling

Mit diesem Instrument wird die Relation zwischen dem Objekt "Produkt" und dem Objekt "Betrieb bzw. Betriebsmittel" hergestellt. Können in einem Produktionskomplex verschiedene Produkte hergestellt werden, so läßt sich die GuV-Rechnung aufbrechen und in Subsysteme gliedern, entsprechend der Produktvielfalt, die wertmäßig abgebildet werden soll. Auch hier gilt das Prinzip, daß die Summe aller Sub-Gu VRechnungen gleich der Erfolgsrechnung der Gesamtunternehmung ist. GESAMTLEISTUNG = { L,

L„}

dargestellt durch ein einheitliches Modell Summe aus LEISTUNGSELEMENT L, = { TL,,..., TLm

!i

., L„ Summe aus TEILLEISTUNG

, TL„

Abb. 1.10:

Hologrammstruktur

Durch diese Struktur erlaubt das Planungssystem die Abbildung von langfristigen, mittelfristigen und kurzfristigen Plänen, die aufbauend auf derselben Begriffsstruktur entsprechend der Detaillierung im Investitionsprozeß durch eine größere Hierarchisierungsbreite und/oder -tiefe gekennzeichnet sind. Dabei ist es zweckmäßig, die Struktur des Gesamtsystems und die organisatorische Betriebsstruktur zu synchronisieren, dann kann bei der Generierung der Plandaten eine hierarchisierte Datenherkunft und somit Plandatenverantwortung ausgebildet werden. Laux/Liermann (1993, S. 134; vgl. Abb. 1.11) formulieren diesen Gedankenansatz wie folgt: "Die Organisationsentscheidungen sollen letztlich bewirken, daß von den nachgeordneten Mitarbeitern 'gute' Objektentscheidungen getroffen und außerdem diese Entscheidungen 'gut' realisiert werden (können). Da die Objektentscheidungen der verschiedenen Entscheidungsträger ineinandergreifen, hat dabei der Aspekt der Koordination eine besondere Bedeutung". Das System ist so flexibel, daß im Prinzip jede Betriebseinheit mit eigener Bilanz und jede Arbeitsgruppe mit eigener Gewinn- und Verlustrechnung planen, durchführen und kontrollieren kann. Diese Struktur ermöglicht jedem Betroffenen, seine eigenen investiven Planzahlwerte zu erstellen. Das hat zwei Vorteile. Zum einen identifiziert sich ein Verfasser stets mehr mit selbst definierten Zielkennwerten. Zum anderen kann der Betroffene den Wertefluß der Realinvestition besser nachvollziehen.

18

1. Einleitung

Abb. 1.11: Objekt- und Organisationsentscheidung in einer Hierarchie (nach LauxJ hier mann) Es sind seine Zahlen, und er hat bereits bei ihrer Generierung einen Bezug zu den späteren Realwerten, die ja eine andere Erfassungsstruktur aufweisen als das Investitionsmodell, da sie durch das etablierte Rechnungswesen erhoben werden. Die Nachvollziehbarkeit ist auch dann gegeben, wenn das vom Betroffenen zunächst gestaltete Investitionsprojekt in dem innerbetrieblichen Diskurs mit den anderen Entscheidungsträgern, sei es durch Überzeugung oder durch schlichten Machteinfluß, erheblich verändert wird. Die Ist-Werte werden mit dem Instrument der Finanzbuchhaltung erhoben. Bei der Gegenüberstellung von Plan- und Ist-Werten muß eine Umverteilung der Wertangaben aller Konten der Finanzbuchhaltung entsprechend der Struktur des objektorientierten Planungssystems erfolgen (siehe hierzu Jaspersen 1994, S. 268 f.; vgl. Abb. 1.12). Selbstverständlich ist dieses System nicht immer in der Lage, jede Investition so abzugrenzen, daß nur die Weitbewegungen eben dieser Investition abgebildet werden. Während Neuinvestitionen in der Regel sowohl in ihrer technischen Struktur als auch in der personellen Verantwortlichkeit projektorientiert organisiert werden und es daher klare Trennungskriterien gibt, sind Veränderungsinvestitionen an die etablierten Strukturen verhaftet. Aufgrund der zweifachen Zielsetzung, nämlich sowohl die personelle als auch die Teilleistungskomponenten eines Investitionsobjektes am Modell zu verdeutlichen, kann es zu Abbildungseinheiten kommen, die einen größeren

19

1.2 Investition und Controlling

Handlungskomplex aufzeigen als den, der durch das Investitionsobjekt unmittelbar tangiert wird. Konten der

Buchhaltung

Objektorientierte

ii

T P: Produkt

Planung

PG: Produktgruppen

i n

B: Bilanz

Abb. 1.12: Ist-Wertzuordnung der objektorientierten Planung Das ist jedoch für die Planung und Kontrolle einer Investition nicht so problematisch, da sich doch in jedem Fall ein sauber definiertes Planungsfeld bestimmen läßt, in dem die Investition wirksam wird. Die Betrachtung von größeren Teilleistungseinheiten mit klaren Verantwortlichkeiten zieht die Konsequenz nach sich, daß auch andere Aspekte wie beispielsweise zusätzliche Verwaltungsmomente mitreflektiert werden müssen, welche mit der Investition in Verbindung stehen. Das ist sicherlich ein Vorteil. Natürlich wird mit dem objektorientierten Ansatz nicht die Fülle der Information abgedeckt, welche erhoben und geplant werden muß, um ein Investitionsprojekt im Vorfeld der Durchführung zu überprüfen. Das gilt vor allem für die technischen Aspekte, welche zum großen Teil gar nicht alphanumerisch abgebildet werden können, sondern die auf einer geometrischen Informationsbasis aufbauen müssen (vgl. Jaspersen 1992, S. 24 ff.). Die objektorientierte Planung beschränkt sich auf die wertorientierte Abbildung des Investitionsprozesses und bedarf der Konnotation durch weitere

20

1. Einleitung

Planungsunterlagen, die in der Regel äußerst planungsintensiv sind. Ich halte es aber dennoch für notwendig, daß ständig unterschiedliche Handlungsansätze mit ihrer investiven Komponente vollständig durchgeplant werden. Ein Unternehmen bildet somit ein Repertoire von Handlungskognitionen aus, deren Erfolgsaussichten aus der modelltheoretischen Darstellung sich dann verändern, wenn sich die Umweltdaten für den Planungsansatz verändern. So kann es beispielsweise durchaus lukrativ sein, auf den amerikanischen Markt zu gehen, wenn eine bestimmte Wechselkursrelation gegeben ist. Es ist dann sicherlich nicht opportun, mit der Planung zu beginnen. Das kostet Zeit, und zwar vor allem die Zeit, in der die für die Investition günstigen Voraussetzungen gegeben sind. Investitionsprojekte müssen dementsprechend wie Unternehmenskognitionen als Handlungsdispositionen ständig mit gültigen Umweltparametern bereitgehalten werden, um auf vorteilhafte Umweltkonstellationen reagieren zu können. Das Wertegerüst einer gesamtheitlichen objektorientierten Planung des Unternehmens liefert dabei nicht nur Aussagen über die interne Planung des dann durchgeführten Handlungskanons, sondern ist während des Entscheidungsprozesses auch eine Reflexionsebene für die Ausbildung eines gemeinsamen Gruppenkonsenses. Dabei können jedoch die planerischen Ansätze der kurzfristigen und der mittel- bzw. langfristigen Planung in Konflikt geraten. Ziel der Investitionsplanung ist es, alle drei Phasen abzubilden: die Investitionsentscheidung, die Investitionsumsetzung und die Investitionsevaluierung. Eine Grundvoraussetzung der Evaluierung ist es jedoch, konstante Verhältnisse zu haben, welche es einem ermöglichen, Aussagen, die für den gesamten Investitionszeitraum gemacht worden sind, auf ihre Richtigkeit hin zu Uberprüfen. Ziel der kurzfristigen Planung ist es hingegen, eine möglichst exakte Prognose darüber zu geben, wie die laufende Periode abgeschlossen wird bzw. Hinweise darauf, wann Soll-Ist-Abweichungen vorliegen, die einen verändernden Eingriff notwendig machen. Dementsprechend empfiehlt auch Hahn (1986, S. 55 f.; vgl. Abb. 1.13) eine rollende Planung vorzusehen, in der die mittel- und langfristigen Teilpläne nur global, hingegen die Kurzfristpläne im Detail ausgeführt werden und vor allem zu Beginn einer jeden neuen Periode einer Neuplanung zu unterziehen sind. 1 .Langfristplan 1

2

3

4

2. Langfristplan 5

1

2

3

4

5

Kurzfristpläne

Kurzfristpläne

Rollende Planung : in der 1 2 3 1. Periode in der 2 3 2. Periode in der 3 3. Periode in der 4. Periode

im Detail geplant 4

5

4

5

6

4

5

6

7

4

5

6

7

nur global geplant

8

Abb. 1.13: Planungsformen nach der zeitlichen Aufeinanderfolge (nach Hahn)

1.3 Schrifttum

21

Diese Technik ist plausibel, wenn nicht gar notwendig. Sie führt aber insbesondere bei Fehlinvestitionen zu einer Restrukturierung der Begriffssysteme von Teilleistungen und Verantwortlichkeiten. Investitionsfolgeaufwendungen, die auch anfallen, wenn das Investitionsprojekt abgebrochen worden ist (Austrittskosten der Desinvestition einer Neu- oder Veränderungsinvestition) werden auf andere Leistungseinheiten umverteilt. Für korrespondierende Einnahmen gilt das Gleiche. Es entsteht also eine neue Modellstruktur, die sowohl die Überprüfbarkeit der Fehlinvestition erschwert, als auch den Ansatz von Ausgaben und Einnahmen von anderen, parallel einher laufenden Investitionsprojekten verändern kann. Auf diese Art und Weise können Fehlinvestitionen kaschiert und laufende Projekte geschönt werden. Es zeigt sich die Relativität eines jeden Investitionsplanungsprozesses und der Möglichkeit seiner Evaluierung. Damit werden Überlegungen der Investitionsrechnung im Rahmen einer objektorientierten Planung jedoch nicht obsolet. Bilden doch solche oder vergleichbare Ansätze die Basis für die Artikulierung einer unternehmerischen Vision (Meyer/Mattmüller 1993, S. 18 sowie Brixle 1993, S. 109 ff.) und vor allem die Basis für die Kanalisierung der Handlungsinteressen der Beteiligten in eine bestimmte Richtung. Und dies ist die Grundvoraussetzung, um als betriebliche Leistungseinheit an die Zukunft und an die Richtigkeit einer Investition zu glauben. Ohne diesen Glauben und die damit einhergehende Motivation und Bereitschaft, um jedes Teilziel im Rahmen des gesamten Investitionsprozesses zu kämpfen, wird der Erfolg einer Investition erheblich herabgesetzt.

1.3 Schrifttum Altrogge, G.: Investition, 2. Auflage; München, Wien 1991 Antohny, R.N.; Dearden, S.: Management Controll System, 3. Auflage, Homewood, III. 1976 Backhaus, K.: Investionsgütermarketing, 3. Auflage, München 1992 Boesch, E.E.: Das Magische und das Schöne; Stuttgart, Bad Canstatt 1983 Boesch, E.E.: Kultur und Handlung; Bern, Stuttgart, Wien 1980 Brixle, M.: Konversation, in Meyer, P.W.; Mattmüller, R. (Hrsg.): Strategische Marketingoptionen, Stuttgart 1993 Bühner, R.: Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 5. Auflage; München, Wien 1991 Ebert, G. (Hrsg.): Controlling, 4. Auflage - 9. Nachlieferung; Landsberg/Lech 3/1993 Frese, E.: Organisationstheorie - Stand und Aussagen aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Wiesbaden 1991 Haas, M.O.: Planungskonzeptionen schweizerischer Unternehmungen - Versuch einer vergleichen den Darstellung; Bern, Stuttgart 1978 Hahn, D.: Planungs- und Kontrollrechnung - PuK, 3. Auflage, Wiesbaden 1986 Horváth, P.: Controlling, 3. Auflage, München 1990 Jaspersen, T.: Strategische Produktentwicklung - Objektorientierte Planung, in Ebert, G.(Hrsg.): Controlling, 4. Auflage - 9. Nachlieferung; Landsberg/Lech 3/1993 Jaspersen, T.: Produkt - Controlling; München, Wien 1992 Jaspersen, T.: Computergestütztes Marketing, München 1994 Kirsch, W.: Betriebswirtschaftslehre: Systeme, Entscheidungen, Methoden; Wiesbaden 1974 Küpper, W.; Ortmann, G.: Mikropolitik - Das Handeln der Akteure und die Zwänge der Systeme; in Küpper, W.; Ortmann, G. (Hrsg.): Mikropolitik, Opladen 1988 Küpper, W.; Ortmann, G.: Mikropolitik, Opladen 1988 Küpper, H.-U.; Mellwig, W.; Moxter, A.; Ordelheide, D. (Hrsg.): Unternehmensführung und Controlling, Wiesbaden 1990

22

1. Einleitung

Laux, H.; Liermann, F.: Grundlagen der Organisation, 3. Auflage; Berlin, Heidelberg 1993 Ludewig, K.: Systemische Therapie, Stuttgart 1992 Maturana, H.R.: Varela, F.S.: Der Baum der Erkenntnis, 4. Auflage 1992 Maturana, H.R.: Biología de la Cognicion, Santiago de Chile 1969 Maturana, H.R.: Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit; Braunschweig, Wiesbaden 1982 Meins, (Hrsg.): Handbuch der Fertigung und Betriebstechnik; Braunschweig, Wiesbaden 1989 Meyer, P.W.; Mattmüller, R.: Bedeutung und Problematik von Strategien im Marketing, in Meyer, P.W.; Mattmüller, R. (Hrsg.): Strategische Marketingoptionen, Stuttgart 1993 Meyer, P.W.; Mattmüller, R. (Hrsg.): Strategische Marketingoptionen, Stuttgart 1993 Mertins, K.: Rechnergestützte Fertigung; in Meins (Hrsg.): Handbuch der Fertigung und Betriebstechnik; Braunschweig, Wiesbaden 1989 Miller, G.A., Galanter K., Pribram, K.H.: Plans and Structure of Behavior; New York 1960 Müller, K.O.W.: Joseph A. Schumpeter: Ökonom der neunziger Jahre, Berlin 1990 North, D.C.: Theorie des institutionellen Wandels, Tübingen 1988 North, D.C.: Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992 Olfert, K.: Investition, 5. Auflage, Ludwigshafen (Rhein) 1992 Page, R.: Managementprinzipien in einem dynamisch wachsenden Unternehmen; in Küpper, H.-U.; Mellwig, W.; Moxter, A.; Ordelheide, D. (Hrsg.): Unternehmensführung und Controlling, Wiesbaden 1990 Porter, M.E.: Wettbewerbsstrategie, 7. Auflage, Frankfurt 1992 Porter, M.E.: Wettbewerbsvorteile, 3. Auflage, Frankfurt 1992 a Scheuch, F.: Marketing, 3. Auflage, München 1989 Schumpeter, J.A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 8. Auflage, Berlin 1993 Webster, F.E.; Wind, Y.: Organisational Buying Behavior, Englewood Cliffs, W.J. 1972

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2. Klassische Investitionsrechnung Ausgangspunkt der klassischen Investitionsrechnung ist eine Modellbildung, die das Entscheidungsproblem abstrahiert und stark vereinfacht, ja man kann sogar sagen simplifiziert. Es ist jedoch in diesem Kapitel nicht mein Anliegen, jedes einzelne Verfahren kritisch zu beleuchten, sondern ich werde sie zunächst in ihrer Vorgehensstruktur darstellen, um dann zusammenfassend am Ende dieses Abschnittes eine Kritik zu formulieren. Die Grundzüge der Investitionsrechnung lassen sich bis auf Schmalenbach zurückführen (vgl. Schmalenbach 1947 S.60 ff.). Mit seinen Arbeiten zur Finanzierung, zur Bilanzlehre sowie zur Kostenrechnung und Preispolitik legte er nicht nur Grundsteine in den Anfangszeiten der Wirtschaftswissenschaft, sondern führte die Betriebswirtschaftslehre aus der Ausbildungssphäre, der Handelsschule, an die Universität. Aus dieser gesellschaftlichen Leistung heraus sind auch die Einschränkungen der statischen und der dynamischen Investitionsrechnung zu verstehen; sie reduzieren die Problemstellung auf quantifizierbare monetäre Prozesse. Und aus diesem Blickwinkel gesehen verdienen sie auch das Attribut "klassisch" (vgl. dazu Veit/ Walz/Gramlich 1990, S.49). Die Investitionsrechnung orientiert sich an einer Wertzielsetzung oder, wie Hahn (1986, S. 49) es formuliert, an Geldzielen, die er als "Ergebnis und Ergebniskomponenten (Kosten-Erlös, Aufwand-Ertrag), als absolute und relative Größen (z.B. Gewinn, Rentabilität), sowie Liquidität und Liquiditätskomponenten (Ein- und Auszahlungen)" bezeichnet. Hahn grenzt die Geldziele von den Produktzielen (Sachziele) und den Personalzielen (Sozialziele) ab und schlußfolgert für eine wirtschaftliche Betrachtung: "Letztlich lassen sich alle Ziele auf Handlungsziele interpretieren bzw. in solche auflösen - ihre Erfüllung setzt zielorientierte Aktionen unter Mitteleinsatz voraus" (ebenda). Für die Verfolgung ökonomischer Geldziele ist es notwendig, die intendierten betrieblichen Aktivitäten als Handlungskomplexe zu formulieren, um so zu Handlungsalternativen zu gelangen, die man gegeneinander abwägen oder aber in Relation zu der- in dem je weiligen Betrachtungszeitpunkt gültigen - Handlungsstruktur setzen kann. Eine Investition ist ein strukturbindender Komplex im Unternehmen, dessen Intention als monetäres Entscheidungsproblem abgebildet werden kann. Jede Realinvestition hat dabei einen Bezug zum Handlungskontext des Unternehmens, in dem Uber sie entschieden wird. Lediglich die Nähe und damit die Vergleichbarkeit zu den vorhandenen Handlungsstrukturen kann unterschiedlich sein, je nachdem, ob es sich um eine Neu-, Ersatz-, Rationalisierungs- oder Erweiterungsinvestition handelt. Auch die Größe und Komplexität sowie der funktionale Hintergrund einer Investition kann variieren. Diese Differenzierung wird jedoch bei der Investitionsrechnung nicht unmittelbar nachgebildet. Veit/Walz/Gramlich (1990, S. 40; vgl. Abb. 2.1) stellen das Vorgehen bei der Investitionsplanung und der Wirtschaftlichkeitsrechnung als eine Interaktion dar, zwischen der realen betrieblichen Sphäre einerseits und der Modellbildung andererseits. Zunächst wird das Entscheidungsproblem P der realen betrieblichen Sphäre durch Setzen von Prämissen vereinfacht. Man bildet ein abstraktes Entscheidungsmodell P'. Veit/Walz/Gramlich gehen alsdann davon aus, daß der direkte Lösungsweg des realen und hyperkomplexen Entscheidungsproblems versperrt ist. Als Gründe führen sie die "Datenfülle, (Imponderabilien), Unsicherheiten, Interdependenzen, unklare oder widersprüchliche Zielvorstellungen des Entscheidungsträgers" und ähnliches an. Wohl aber ergibt sich ein Lösungsverfahren über die Modellsphäre, wenn ein Algorith-

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2. Klassische Investitionsrechnung

mus vorhanden ist. Die Lösung L(P') basiert auf den gesetzten Prämissen und Restriktionen und erlaubt einen Rückschluß auf das reale Entscheidungsproblem L(P). Diese idealtypische Struktur eines Entscheidungsmodells entspricht genau dem Geist der klassischen Investitionstheorie, die ja davon ausgeht, daß Investitionsentscheidungen errechenbar sind, und daß nur Algorithmen aus dem Gestrüpp der Widersprüchlichkeiten von Problemstellungen einer Betriebsrealität rational herausführen. | reale Sphäre |

Abb. 2.1: Idealtypische Grämlich)

Struktur

| Modellsphäre |

eines Entscheidungsmodells

(nach

Veit/Walz/

Im Mittelpunkt der Kategorisierungskriterien der betrieblichen Investitionsrechnung steht die Investitionsentscheidung. Hierbei wird zunächst unterschieden, ob einzelne Projekte zu beurteilen sind oder Programmentscheidungen herbeigeführt werden müssen. Die Abgrenzung zwischen einem Element und Mengen von Elementen ist definitorischer Natur. Elemente können zu einer Menge zusammengefaßt werden und mit ähnlich strukturierten weiteren Elementen zu einer neuen Menge höheren Grades zusammengezogen werden. Realinvestitionen beziehen sich auf Sub- oder Teilsysteme des betrieblichen Gesamtsystems, welche im Vorfeld einer - wie auch immer gearteten - Investitionsrechnung abgegrenzt werden müssen. Aus der Abgrenzung ergibt sich die Ausprägung der Informationsquellen und damit des Inputs der dann durchgeführten Rechnung. Die Verfahren als solche bleiben davon unberührt, sie beziehen sich auf Einzel- und Programmentscheidungen gleichermaßen. Das gilt cum grano salis auch, wenn eine Mengenbildung über mehrere Perioden (zeitlicher Bezug) und eine Mengenbildung über mehrere Investitionsobjekte (sachlicher Bezug) bzw. eine Kombination von beiden zu Modell Variationen führen können: die Prinzipien der Investitionsrechnung und der ergänzenden Verfahren werden dadurch nicht durchbrochen. Eine weitere prinzipielle Differenzierung ergibt sich aus der Annahme einer sicheren bzw. einer unsicheren Erwartung der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben der betrachteten Investitionsperiode. Die statische und dynamische Investitionsrechnung geht zunächst einmal von sicheren Erwartungen aus. Nun istes aber selbstverständlich, daß in der Zukunft nichts sicher ist. Die sogenannten sicheren Erwartungen werden hypothetisch festgesetzt. Aus diesem Blickwinkel bilden die verrechneten Größen

25

2. Klassische Investitionsrechnung

einer Investitionsrechnung nicht nur Annahmen, die zu einem Ergebnis führen, welches für die Investitionsentscheidung hilfreich sein kann, sondern gleichzeitig Prognosen, die als Festsetzung von Sollwerten und Zielerreichungskriterien zu interpretieren sind; nach der Devise: wenn ich diese Ausgaben nicht überschreite und dabei diese Einnahmen erziele, dann errechnet sich dieser interne Zinsfuß. Aus dem Bewußtsein heraus, daß die Investitionsrechnung eine Schlußfolgerung aus wünschenswerten Zielen ist, deren Einhaltung nicht garantiert werden kann, ergeben sich eine Reihe von ergänzenden Verfahren, mit denen der stets gegebenen unsicheren Erwartung rechnerisch begegnet wird. Korrektur- und Entscheidungsbaum-Verfahren bzw. Sensitivitäts- oder Risikoanalysen können grundsätzlich für jede Methode der Investitionsrechnung angewendet werden, wobei einige Kombinationen sich eher anbieten als andere. Das dritte im Vorfeld zu thematisierende Moment der Entscheidung ist die Art der Formulierung der Investitionskriterien. Die klassische Investitionsrechnung orientiert sich an quantitativen Kriterien, die in monetären Einheiten gemessen werden und somit eine spezifische Qualität aufweisen. Daneben gibt es natürlich noch andere qualitative Kriterien, welche mit einer Realinvestition verfolgt werden können und sich aus den bereits erwähnten Sozial- bzw. Sachzielen ergeben. Die Investitionsrechnung bildet die Produkt- und Personalziele durch ihre Kriterien nicht unmittelbar ab. Unterschiedliche Auffassungen in diesen Bereichen werden bei der Anwendung der Verfahren und Methoden nicht erkennbar. Sie ergeben sich nur mittelbar aus den Quellen des Inputs der Investitionsrechnung. Nutzwertanalyse

Programmoptimierung

Statische Investitionsrechnung — Kostenvergleichsrechnung — Gewinnvergleichsrechnung — Rentabilitätsvergleichsrechnung Amortisationsvergleichsrechnung

Kapitalwertmethode Interne-Zinsfuß-Methode - Annuitätenmethode Amortisationsrechnung

X Abb. 2.2: Investitionsentscheidung

— Korrekturverfahren Sensit ivitätsanalyse Risikoanalyse EntscheidungsbaumVerfahren

T und -rechnung

In diesem Hauptabschnitt handele ich die Verfahren und Methoden der Investitionsrechnung unter folgenden Kapiteln ab: • Statische Investitionsrechnung • Dynamische Investitionsrechnung

26 • • •

2. Klassische Investitionsrechnung

Ungewißheitsbedingte Ergänzungsverfahren Nutzwertanalyse und Kritik der klassischen Investitionsrechnung.

Dabei betrachte ich nicht alle in der Literatur zugänglichen Algorithmen, sondern nur die, welche in der Praxis mit relevanter Frequenz eingesetzt werden. Insbesondere verzichte ich auf die Methoden, welche sich aus der Kreuzmenge der Ergänzungsverfahren und der statischen bzw. dynamischen Investitionsrechnung ergeben, indem man Korrekturvariablen, Wahrscheinlichkeitskoeffizienten, entscheidungsbaumorientierte Alternativrechnungen und ähnliches einführt und so die Rechenmethoden komplexer ausgestaltet. Auch verzichte ich auf praxisfremde programmorientierte Verfahren für Realinvestitionen. Die Nutzwertanalyse erweitert die Menge der Entscheidungskriterien einer Investition und hat nicht die Tradition der monetär geprägten Investitionsrechnung. Sie wurde jedoch bereits in der vierten Auflage des Standardwerkes "Investition" von Blohm/Lüder (1978, S. 163 ff.) aufgenommen und bemüht sich auch um eine rechenbare Quantifizierung. Insofern wird dieses Verfahren als "neuer Klassiker" mit unter dem Abschnitt 2 aufgenommen. In der kritischen Würdigung wird abschließend der heutige Stellenwert der Methoden und Verfahren beleuchtet.

2.1 Statische Investitionsrechnung Das Prinzip der statischen Investitionsrechnung besteht in der Modellbildung einer zukünftigen Periode unter Zuhilfenahme von Größen aus dem Rechnungswesen, d. h. Kosten und Erlöse bzw. Aufwendungen und Erträge, ohne daß Interdependenzen zu anderen Investitionsentscheidungen mitberücksichtigt werden. In der statischen Investitionsrechnung werden somit alternative Zustände einer Modellperiode im Hinblick auf ein spezifisches Vorteilhaftigkeitskriterium miteinander verglichen. Der wesentliche Unterschied zur dynamischen Investitionsrechnung besteht in der Einperiodenhaftigkeit und in der Vernachlässigung des Umstandes, daß zeitlich unterschiedlich anfallende Zahlungen auch wertmäßig unterschiedlich zu berücksichtigen sind. Blohm/Lüder (1991, S. 49 f.) bringen den letztgenannten Aspekt auf den Punkt: "...bei den dynamischen Verfahren werden alle mit einem Investitionsprojekt verbundenen Zahlungen auf einen bestimmten Zeitpunkt aufgezinst (wenn sie vor diesem Zeitpunkt anfallen) bzw. abgezinst (wenn sie nach diesem Zeitpunkt anfallen)." Das bedeutet, Einzahlungen und Auszahlungen werden um so höher bewertet, je früher sie entstehen. Da die Nutzungsdauer einer Investition sich Uber mehrere Perioden erstreckt, läßt sich die Modellbildung der statischen Investitionsrechnung als Näherungsverfahren zu den dynamischen Methoden interpretieren (vgl. hierzu Küpper/ Knoop 1974, S. 60), je nachdem, wie die Wertebildung bei der Einperiodenbetrachtung erfolgt. Die periodenspezifischen Einnahmen und Ausgaben fallen im Verlauf des gesamten Beobachtungszeitraumes unterschiedlich aus. Hierbei wird in der Literatur insbesondere die Ausgabenvarianz hervorgehoben (Materialkosten, Personalkosten, Instandhaltung, usw.), die sich von der Anfangs- bis zur Endperiode teilweise erheblich verändert (vgl. hierzu Olfert 1992, S. 135). Das ergibt sich aus der Herkunftszeit der klassischen Verfahren, die in der Dogmatik des Verkäufermarktes verwurzelt ist. Der Wandel zum Käufermarkt bedingt jedoch große Varianzen auf der Einnahmeseite, etwa durch Steigerungs- oder Sättigungsraten, die sich aus dem Produktlebenszyklus

2.1 Statische Investitionsrechnung

27

ergeben, mit dem das Investitionsobjekt verknüpft ist (vgl. hierzu z.B.: Kotler/Bliemel 1992, S. 539 ff.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1991, S. 170 ff. oder Jaspersen 1994, S. 30 ff.). Dementsprechend wird in der statischen Investitionsrechnung von einer Repräsentationsperiode oder einer Durchschnittsperiode ausgegangen, um die jeweiligen Vorteilhaftigkeitsüberlegungen anzustellen. In der Repräsentationsperiode werden Daten zusammengestellt, welche für ein Investitionsobjekt typisch sind. Es ist natürlich nicht generell zu sagen, was investitionstypische Daten sind. Je nach spezifischer Nutzung des Investitionsobjektes ergeben sich unterschiedliche repräsentative Momente. Das klingt zunächst sehr unpräzise, entspricht aber durchaus einem pragmatischen Vorgehen für die Ermittlung eines Näherungswertes zur Evaluierung eines Investitionsplanes. Mit jeder Investition wird ein veränderter Zustand angestrebt, dessen Merkmale sich zunächst gar nicht aus dem intendiertem Wertegefüge ergeben, sondern aus der materiellen und prozessualen Beschaffenheit der anvisierten Realinvestition. Die verschiedenen Verfahren der statischen Investitionsrechnung liefern als zweiten Schritt Begriffssysteme, mit denen die Angaben der Objektbeschaffenheit in Wertestrukturen überführt werden können. Es ändern sich die Erfassungseinheiten: Tonnen, Kubikmeter und Sekunden werden zu Dollar, Mark oder Yen. Es ist klar, daß man bei Überlegungen zur Objektbeschaffenheit, wie beispielsweise die Produktionskapazität, zunächst einmal überlegen muß, wie sich ein Zustand monetär auswirkt, bevor man dann diesen Zustand in seiner Varianzbreite analysiert und, auf unser Beispiel bezogen, Überlegungen zur zeitlichen Kapazitätsauslastung anstellt. Führt man statische Investitionsrechnungen an Hand des Wertegerüstes einer Durchschnittsperiode durch, so müssen vor der eigentlichen In vestitionsevalutation Vorstellungen entwickelt werden, wie sich die Angaben des jeweiligen Begriffssystems für jede einzelne Nutzungsperiode verändern. Erst eine solche Wertetabelle ermöglicht es einem, pro Position das arithmetische Mittel zu bilden, um den Datensatz für die Investitionsrechnung zu erhalten. Diese Vorabüberlegungen kommen dem System der dynamischen Investitionsrechnung bereits sehr nahe und führen insbesondere dann zu vergleichbaren Ergebnissen, wenn die einzelnen Angaben über den Betrachtungszeitraum konstant sind. Monetäre Vor- und Nachteile von Entwicklungen mit einer schiefen Verteilung der Zahlungsüberschüsse, in denen die Zahlungsrückflüsse verstärkt zum Beginn oder zum Ende der Betrachtungsperioden erfolgen, bleiben bei dieser Investitionsevaluierung unberücksichtigt. Die Verfahren der statischen Investitionsrechnung unterteilen sich entsprechend des Vorteilhaftigkeitskriteriums, nach dem eine Rangreihe zwischen den betrachteten Alternativen gebildet wird. Die in der Praxis gebräuchlichsten Kriterien zur Evaluierung eines Investitionsvorhabens sind die entstehenden Kosten, der erwartete Gewinn, die Gewinnerwartung in Relation zum eingesetzten Kapital und die benötigte Zeitspanne, um das eingesetzte Kapital zu amortisieren. Dementsprechend unterscheidet man zwischen • Kostenvergleichsrechnung • Gewinnvergleichsrechnung • Rentabilitätsvergleichsrechnung • Amortisationsvergleichsrechnung. Jede dieser Vergleichsrechnungen bedingt die Ausbildung einer eigenständigen Begriffsstruktur, die das Vorteilhaftigkeitskriterium spezifiziert und deren Herkunft sich

28

2. Klassische Investitionsrechnung

aus dem Rechnungswesen ableitet. Bei der Anwendung in der Praxis müssen die Begriffsstrukturen auf die jeweiligen Begrifflichkeiten des Rechnungswesens übertragen werden, das für das Unternehmen Gültigkeit hat, in dem die Investition durchgeführt wird. Nur so läßt sich gewährleisten, daß Evaluationsüberlegungen zu einer Investitionsalternative angestellt werden, die bei einer Durchführung der Investition auch noch nachvollziehbar bleiben. 2.1.1 Kostenvergleichsrechnung Bei der Kostenvergleichsrechnung wird ein wesentlicher Indikator für die Bevorzugung einer Investitionsalternative herausgegriffen, der sich aus der investitionsmäßig abgegrenzten Aufwandsstruktur der betrachteten Modellperiode ergibt. Ertragsmomente und gebundenes Umlaufvermögen werden, wenn überhaupt, nur mittelbar berücksichtigt. Damit beschränkt sich dieses Vergleichsverfahren auf Investitionen, in denen es zwei oder mehrere Realsituationen gibt, bei denen die gleiche betriebliche Leistung erstellt werden muß und zu unterschiedlichen Kosten generiert werden kann. Die Kostenvergleichsrechnung gibt der betrieblichen Handlungsstruktur den Vorzug, welche die geringeren bzw. die geringsten Kosten verursacht: K, < oder > K 2

(1)

In der Kostenvergleichsrechnung werden die Kostenarten mit einbezogen, welche die Kostenstruktur des Investitionsobjektes bei seiner Nutzung abbilden. Eine investitionsspezifische Abgrenzung dieser Kostenarten ergibt sich durch die Kostenträgerrechnung (vgl. Ellinger/Haupt 1990.S. 13 f. sowie Eben 1991, S. 86 ff.), wenn hiermit gerade das Leistungsfeld klassifiziert wird. Ist das nicht der Fall, so ergeben sich nach Durchführung der Investition in der Regel Schwierigkeiten bei der Überprüfung, ob die zuvor gerechneten Wertemitderdann vorhandenen Realsituation übereinstimmen. Ich werde diese Problematik im Abschnitt Investitions-Controlling noch einmal aufgreifen. Eine ähnliche Problematik ergibt sich auch aus der Struktur des Kontenplanes der Buchführung, dem Begriffssystem also, mit dem die Basisdaten gesammelt werden, welche für eine spätere Kontrollrechnung zur Verfügung stehen. Beim Gesamtkostenverfahren steht dem Unternehmen ein anderes Begriffsrepertoire zur Verfügung als beim Umsatzkostenverfahren (vgl. hierzu Eisel 1991, S. 390 f.). Die Auswahl der Kostenarten bei der Durchführung einer Kostenvergleichsrechnung sollte von zwei Momenten bestimmt sein: • Zunächst einmal sind alle für die Investition relevanten Kosten zu spezifizieren. Das gilt auch für die Kosten, welche bei den Betrachtungsalternativen konstant bleiben. Ein umfassender, differenzierter Kostenvergleich zwingt dazu, "daß die Entscheidungsträger sich mit allen wichtigen Kostenarten eingehend beschäftigen müssen und weniger zu Globalurteilen gelangen, die auf Erfahrungswerten, nicht aber auf präzisen Erhebungen beruhen" (Olfert 1992, S. 137). • Weiterhin ist darauf zu achten, daß alle in die Vergleichsrechnung eingebrachten Kosten entweder auf einer betriebsspezifischen Basis beruhen oder aber daß bei ihrer Verwendung im Rechnungswesen die Grundlage geschaffen wird, um die Kosten als "zukünftigen" Istwert ermitteln zu können.

2.1.1 Kostenvergleichsrechnung

Abb. 2.3:

Kostenvergleichsrechnung

29

30

2. Klassische Investitionsrechnung

Bei der Kostenvergleichsrechnung gilt es grundsätzlich zu unterscheiden, ob Alternativen betrachtet werden, die den qualitativ und quantitativ gleichen Output erbringen, oder aber solche Alternativen, die sich in der Outputquantität unterscheiden. Im ersten Fall werden die Gesamtkosten miteinander verglichen, im zweiten sind die Stückkosten einander gegenüberzustellen. Je nach Problemstellung werden die investitionsrelevanten Kostenarten unterschiedlich konsolidiert, das benötigte Betriebssystem und die entsprechenden Basisdaten variieren (vgl. Abb. 2.3). Beide Entscheidungssituationen sind praxisrelevant. Gilt es im Unternehmen, eine exakt dimensioniert externe betriebliche Leistung zu erstellen, so bietet sich ein Gesamtkostenvergleich an. Stückkostenüberlegungen sind dann sinnvoll, wenn ein zeitlich befristetes Projekt zu realisieren ist, bei dem die auszubringende Menge an Leistungseinheiten sich eventuell verändern kann; es ist dann abzuklären, ab welcher Ausbringungsmenge eine Investition mit hohem Anschaffungswert und geringen laufenden Kosten den Vorzug erhält gegenüber einer Investition mit einer geringeren Kapitalbindung, aber größeren variablen Kosten. Bei der Gesamtkostenbetrachtung wird die Investitionsalternative vorgezogen, bei der die Summe aus Kapitaldienst (KD) und Betriebskosten (B) am geringsten ausfällt: K = KD + B

(2)

K = Kosten (Werteinheit/Periode) KD = Kapitaldienst (Werteinheit/Periode) B = Betriebskosten (Werteinheit/Periode) Als wesentliche Betriebskosten oder laufende Kosten je Zeitabschnitt nennen Blohm/ Lüder (1991, S. 156) • Löhne und Lohnkosten • Materialkosten • Instandhaltungskosten • Energiekosten • Raumkosten und • Werkzeugkosten. Selbstverständlich sind diese Kostenarten nicht auf jede Investitionsentscheidung zu verallgemeinem. Für die Auswahl einer CNC-Anlage gelten andere Kriterien als beispielsweise für die Anschaffung eines elektronischen Werbedisplays am Hauptbahnhof. Die im Kapitaldienst enthaltenen Kapitalkosten differenzieren sich in die zu kalkulierende Abschreibung (A) und Zinsen (Z), wobei in der Regel eine lineare Abschreibung angenommen und der Restwert (RW) der Investition nach der Nutzungsdauer mit einbezogen wird (vgl. Abb. 2.4). Die Einbeziehung des Restwertes als Liquidationserlös ist üblich (vgl. u. a. Altrogge 1991,S. 154, Olfert 1992 S. 138 oder Blohm/Lüder 1991, S. 157), in der Praxis jedoch nicht selbstverständlich. In der Regel ist ein Unternehmen professionell erfahren in der Erbringung der betriebsspezifischen Leistung, nicht aber in der Veräußerung einer gebrauchten Anlage. Es ist für ein Unternehmen dementsprechend sehr schwer, eine Wertprognose für den Restwert bei dem Planungshorizont zu geben, der einer Nutzungsdauer entspricht.

2.1.1 Kostenvergleichsrechnung

31

Kapitalbindung

Durchschnittliche Abschreibung

Restwert

Projektlaufzeit in Perioden

Abb. 2.4: Kapitalbindung bei linearer Abschreibung und Restwerterlös Häufig wird darauf verzichtet und stattdessen der Desinvestitionserlös mit einbezogen, welcher entsteht, wenn ein altes Aggregat substituiert wird. So empfiehlt der Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI) beispielsweise für die Berechnung der Investitionsausgaben den "Erlös aus dem Verkauf nicht mehr benötigter, alter Anlagen" mit zu verrechnen (VCI 1974, S. 78). Eine andere Situation ergibt sich bei Investitionen, welche im Rahmen von Projekten durchgeführt werden. Für eine angebotene betriebliche Leistung werden spezifische Anlagen benötigt, welche nach Projektbeendigung abzustoßen sind. Erfahrene Projektabwickler kennen die hierfür entsprechenden Restwerte. Die Abschreibung läßt sich wie folgt ermitteln: A lo-RW A=

(3)

A = Abschreibung (Werteinheit/Periode) l0 = Investitionsausgaben (Werteinheit) RW= Restwert (Werteinheit) n = Nutzungsdauer (Periodeneinheit) Bezieht man bei der Kalkulation der Zinsen lediglich das gebundene Anlagevermögen mit ein und geht man von einer linearen Abschreibung aus, so ergeben sich die Zinskosten aus der halbierten Summe von Anschaffungsinvestition und dem gegebenenfalls vorhandenem Restwert multipliziert mit dem Kalkulationszinssatz. L + RW.

Z = -B-Z Z l0 RW i

1

(4)

= Zinskosten (Werteinheit/Periode) = Investitionsausgaben (Werteinheit) = Restwert (Werteinheit) = Kalkulationszinssatz (%)

Eine detaillierte Zinsberechnung ergibt sich erst mit der Einbeziehung des durch die Investition gebundenen Umlaufvermögens; jedoch als Näherungswert zur Kostenver-

32

2. Klassische Investitionsrechnung

gleichsrechnung bei einer Gesamtkostenrechnung können die periodenbezogenen Kosten wie folgt ermittelt werden: „ l - R W I0+RW . _ K = -50 + i+B n 2 K = l0 = RW= n = i = B =

(5)

Kosten (Werteinheit/Periode) Investitionsausgaben (Werteinheit) Restwert (Werteinheit) Nutzungsdauer (Periodeneinheit) Kalkulationszinssatz (%) Betriebskosten (Werteinheit/Periode)

Möchte man zwei Investitionsprojekte vergleichen, welche dieselbe Outputqualität aufweisen, jedoch eine unterschiedliche Quantität pro Periode liefern, so sind die investitionsrelevanten Kostenarten nach fixen Kosten (Kf) und variablen Kosten (Kv) zu konsolidieren: K = K, + K v K K, Kv

(6)

= Kosten (Werteinheit/Periode) = Fixe Kosten (Werteinheit/Periode) = Variable Kosten (Werteinheit/Periode)

Die Aufteilung der investitionsspezifischen Aufwendungen in fixe und variable Kosten ist problematisch (vgl. Chmielewicz 1973, S. 133 ff. und Jaspersen 1992, S. 172 f.). So sind beispielsweise die Lohnkosten nur dann variabel, wenn für eine zusätzliche Produktion auch zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden, die bei einem Produktionsrückgang entlassen werden können, und nicht auf Lohnabhängige zurückgegriffen werden muß, die ohnehin nicht ohne Sozialplan und ähnliches das Unternehmen verlassen. Bei der Investitionsentscheidung ist der Umstand hilfreich, daß eine neue Situation geplant wird und so auf eine sorgfältige Trennung bereits bei der Grunddatenerfassung geachtet werden kann. Dennoch, die Ansprüche des theoretischen Modells können in der Praxis nicht vollständig erbracht werden, und so bedingen die Annahme des stabilen Fixkostensockels und der linearen Entwicklung der variablen Kosten lediglich die Ermittlung von Näherungswerten und entsprechen somit auch dem Charakter der Überschlagsrechnung, den die Kostenvergleichsrechnung ohnehin hat. Vor der Festsetzung der Parameter einer Kosten Vergleichsrechnung ist es notwendig, die Ausgangskapazität der zu investierenden Anlage zu bestimmen. Hierzu eignet sich eine Stückkostenbetrachtung. Nehmen wir einmal an, wir betrachten zwei Anlagen unterschiedlichen Typs. Die erste Alternative ist im Anschaffungspreis niedrig, dafür in den variablen Stückkosten hoch und die zweite Alternative ist in ihren Investitionsausgaben höher, weist aber niedrigere Stückkosten auf. Nach der Funktion K = K, + k v

x

(7)

33

2.1.1 Kostenvergleichsrechnung

K K, x

= = = =

Kosten (Werteinheit/Periode) Fixe Kosten (Werteinheit/Periode) Stückkosten (Werteinheit) Stückzahl (Leistungseinheit/Periode)

lassen sich die Kostenverläufe entsprechend der Auslastung pro Periode der beiden Alternativen berechnen (vgl. Abb. 2.5). Mit dem Schnittpunkt beider Funktionen wird die kritische Auslastung bestimmt, bis zu dem sich die erste Alternative als günstig erweist. Erfordert das Projekt eine höhere Kapazität je Periode, so ist der zweiten Alternative der Vorzug zu geben. Kosten/Periode

Kritische Auslastung

Leistungseinheit/ Periode (x)

Abb. 2.5: Vorteilhaftigkeitsrechnung

bei einer

Stückkostenbetrachtung

Die Kostenvergleichsrechnung ist ein recht unkompliziertes und damit schnelles Verfahren. Es ist praxisgerecht, wenn es darum geht, viele Alternativen zu prüfen, ohne dabei den planerischen Zeitbedarf überzustrapazieren. Ich möchte eine solche Situation exemplarisch belegen. Ein international tätiges Bauunternehmen aus Deutschland erstellt ein Angebot für ein Bauvorhaben in Zentralafrika in der Höhe von 30,2 Mio. DM. Hierbei werden drei Kräne, eine Kontainerversorgung und eine Vielzahl von elektrischen Baugeräten wie Bohrmaschinen, Flex usw. eingesetzt, deren Stromversorgung gewährleistet sein muß. Normalerweise wird ein Generator im Leasing verfahren besorgt. Durch die politische Instabilität des Landes erweist sich die Leasinggebühr als zu teuer, und man entschließt sich, Angebote für einen Kauf einzuholen. Der benötigte Anschlußwert ist die Wirkleistung von 300 kW (Kilowatt), was der Scheinleistung von 400 kVA (Kilovoltampere) entspricht. Das Bauprojekt hat eine Laufdauer von zwei Jahren, und man rechnet wegen der unwirtlichen Arbeitsbedingungen mit einem Restwert von 40 Prozent. Bei normalem Projektverlauf ist eine Stromversorgung von 2000 Stunden pro Periode nötig; ergeben sich Probleme, so muß der Strom 2500 Stunden im Jahr bereitgestellt werden. Es ergeben sich neben den Abschreibungen und den Zinsen noch die fixen Kosten der Wartung und Bereitstellung, Versicherung sowie anteilige Verwaltungskosten, welche unter der Rubrik Sonstiges zusammengezogen werden. Als variabel sind im wesentlichen die Energiekosten zu sehen, aber es entstehen auch sonstige variable Kosten durch Ölwechsel sowie den gebrauchsstundenabhängigen Verbrauch von Öl-, Kraftstoff- und Luftfiltern und Bedienungsaufwendungen. Das Unternehmen holt sich zwei Angebote von Lieferanten ein, deren Zuverlässigkeit erprobt ist und die sich sowohl im Anschaffungspreis als auch im Verbrauch unterscheiden. Das billigere Aggregat kostet 73.800,- DM und verbraucht 84 Liter Diesel pro

34

2. Klassische Investitionsrechnung

Stunde, die zweite Alternative verursacht eine Investitionsaufwendung von 95.400 D M und verbraucht nur 80 Liter pro Stunde, welche zu jeweils 80 Pfennig angesetzt werden. Bei der Gegenüberstellung der beiden Szenarien 'normaler Projektablauf mit 2000 Stunden pro Jahr' und 'Mehrbelastung durch Probleme: 2500 Stunden pro Periode' stellt sich heraus, daß im letzteren Fall gerade die kritische Auslastung erreicht wird: das billigere Aggregat reicht aus (vgl. Tab. 2.1).

Szenario I

Szenario II

Normaler Projektablauf (2000 Stück/h)

Mehrbelastung durch Probleme (2500 Stück/h)

Alternative 1 400 kVA 84 I Diesel/h 73800 DM 29520 DM 2 Jahre 2000 Std./Jahr 10 % Gesk. Stekk. 22140 Abschreibung 11,07 2,58 Zinsen 5166 2900 1,45 Wartungskosten 4,10 Sonst, fixe Kosten 8200 19,20 2 fixe Kosten 38406 Energiekosten 134400 67,20 14700 7,35 Sonstige Kosten 2 var. Kosten 149100 74,55 187506 £ Kosten 93,75

Leistung Verbrauch Anschaffungsk. Restwert (40%) Nutzungsdauer Auslastung Zinssatz

Tab. 2.1: Beispiel A -

Alternative 2 400 kVA 80 I Diesel/h 95400 DM 38160 DM 2 Jahre 2000 Std./Jahr 10 % Stekk. Gesk. 28620 14,31 6678 3,34 1,45 2900 8200 4,10 46398 23,20 128000 64,00 7,35 14700 142700 71,35 189098 94,55

Alternative 1 400 kVA 84 I Diesel/h 73800 DM 29520 DM 2 Jahre 2500 Std./Jahr 10 % Gesk. Stekk. 8,86 22140 5166 2,07 2900 1,16 8200 3,28 38406 15,36 168000 67,20 18375 7,35 74,55 186375 224781 89,91

Alternative 2 400 kVA 80 I Diesel/h 95400 DM 38160 DM 2 Jahre 2500 Std./Jahr 10 % Gesk. Stekk. 28620 11,45 6678 2,67 2900 1,16 8200 3,28 46398 18,56 160000 64,00 18375 7,35 178375 71,35 224773 89,91

Kostenvergleichsrechnung

Nun kann bei der Projektabwicklung viel passieren: der Dieselpreis kann sich erhöhen, der Restwert kann nicht erzielt werden, oder aber die Restwerteinzahlung erfolgt ohne Beleg, da man im Gegenzug andere "Schmierstoffe" ohne Ausgabebeleg ausgleichen muß. Solche Feinheiten werden im Entscheidungsvorfeld in der Regel nicht evaluiert, hat man doch mit der Investitionsrechnung erst 0,7 % des Gesamtangebotes von 30,2 Millionen überprüft. Im Vordergrund steht bei der Kosten Vergleichsrechnung, ob man tatsächlich alle relevanten Kosten antizipiert hat und wenn ja, ob man die richtigen Telefongespräche geführt hat und somit zu einer validen Einschätzung der jeweiligen Kostenposition gekommen ist.

2.1.2 Gewinnvergleichsrechnung Die Gewinnvergleichsrechnung erweitert die Kostenvergleichsrechnung um das Kriterium der Erträge. Ziel ist es, ein positives Ergebnis zu erzielen. Vergleicht man verschiedene Alternativen, so wird die bevorzugt, welche den höheren Gewinn erbringt:

2.1.2 Gewinnvergleichsrechnung

G, < oder > G,

35

(8)

Dabei wird der Gewinn aus der Differenz zwischen den Erträgen und den Kosten ermittelt. (9)

G= E - K G E K

= Gewinn = Erträge = Kosten

(Werteinheit/Periode) (Werteinheit/Periode) (Werteinheit/Periode)

Zur Problematik der Kostenermittlung tritt bei der Gewinnvergleichsrechnung die Schwierigkeit der Ertragsprognose auf. Das Verfahren ist nur dann anwendbar, wenn sich ein direkter Bezug zwischen den investitionsspezifischen Erträgen und den korrespondierenden Kosten erstellen läßt. Dies gilt insbesondere bei kleinen Aggregaten, welche eine zusätzliche Leistung erbringen, die sich unmittelbar absetzen läßt oder aber bei der Betrachtung ganzer Produktionsstraßen bzw. Betriebe oder Betriebsteile, in denen eine spezifische Leistung erstellt wird. Die Erträge ermitteln sich aus dem Produkt von Absatzmenge pro Modellperiode und dem Stückpreis: E =px E p x

= Erträge = Stückpreis = Stückzahl

(10) (Werteinheit/Periode) (Werteinheit) (Leistungseinheit/Periode)

Führt man Erträge (10) und Kosten (7) zur Gewinnberechnung zusammen und klammert dabei die Stückzahl aus, so ergibt sich folgende Funktion: G=( p - k v ) x - K , G p x K,

(11)

= Gewinn (Werteinheit/Periode) = Stückpreis (Werteinheit) = variable Stückkosten (Werteinheit) = Stückzahl (Leistungseinheit/Periode) = Fixe Kosten (Werteinheit/Periode)

Nimmt man einen Gewinn von Null an und errechnet hierfür die entsprechende Stückzahl, so nennt man diesen Wert den Break Even Point. Die Produktion und der Verkauf einer höheren Stückzahl führt zu einem Gewinn. Betrachtet man zwei Alternativen, erstere mit niedrigen Fixkosten und hohen variablen Kosten und die zweite mit höheren fixen und niedrigeren variablen Kosten, so liegt der Break Even Point von Alternative 1 bei einer niedrigeren Stückzahl als der von Alternative 2. Bis zu dem ersten Punkt ist keine Investitionsalternative empfehlenswert, bis zum zweiten Punkt ist die Alternative 1 zu bevorzugen, und Stückzahlen über den Punkt der kritischen Auslastung führen zur Wahl der Alternative 2 (vgl. Abb. 2.6). Selbstver-

36

2. Klassische Investitionsrechnung

ständlich gilt für diese Gewinnvergleichsrechnung die Annahme der qualitativen Outputgleichheit. Nur so läßt sich dieselbe Ertragsfunktion für die unterschiedlichen Betrachtungsalternativen herausziehen.

Abb. 2.6: Gewinnvergleichsrechnung bei zwei Alternativen Vollzieht man die Kostenermittlung in derselben Form, wie sie in der Kostenvergleichsrechnung üblich ist, dann werden die kalkulatorischen Zinsen unter der Voraussetzung errechnet, daß kein Eigenkapital eingesetzt wird, sondern die gesamten Investitionsausgaben fremdfinanziert werden. Dies hat zur Folge, daß entsprechend ein kalkulatorischer Gewinn ermittelt wird, der sich von dem pagatorischen Gewinn, d.h. von dem bilanziellen Gewinn unterscheidet. Für eine spätere Vergleichbarkeit des prognostizierten Wertes mit den Istangaben bei durchgeführter Investition ist es jedoch ratsam, einen pagatorischen Gewinn als Sollwert auszuweisen. Nur so läßt sich der errechnete Soll-Wert einem Ist-Wert gegenüberstellen, der aus den Ergebnissen des Rechnungswesens zu ermitteln ist. Hierzu muß der Zinskostenansatz auf das gebundene Kapital abzüglich des investitionsspezifischen Eigenkapitals bezogen werden (vgl. hierzu VeitAValz/Gramlich 1990 S. 144 ff.).

ZFK=( ZFK = l0 = RW = EK, 0 = i =

. L + RW

x . EK,)-I

(12)

Zinskosten für Fremdkapital (Werteinheit/Periode) (Werteinheit) Restwert (Werteinheit) Eigenkapitalanteil an der Investition (Werteinheit) Kalkulationszinssatz

Die Kostenermittlung in der Investitionsrechnung beruht im wesentlichen auf endogenen Gegebenheiten im Unternehmen oder aber auf geplanten Aktionen, die bei ihrer Durchführung die endogene Sphäre des Betriebes betreffen. Das macht die Kostenplanung zunächst einfach. Wenn bei einer Investitionsmaßnahme ein Mauerdurchbruch notwendig wird und keine Bauvorschriften verletzt werden, dann können die hierbei entstehenden Kosten mit einer hohen Prognosesicherheit berechnet werden. Der Preis einer Anlage kann im Vorfeld ausgehandelt werden, Kapazität und Bedie-

2.1.2 Gewinn Vergleichsrechnung

37

nungsmodalitäten verweisen eindeutig auf die zu erwartenden Material- und Lohnkosten. Selbstverständlich beinhaltet jede Investition auch das Moment der Veränderung und das damit verbundene Moment der Unsicherheit, ob die betroffenen Mitarbeiter auch mit dem einhergehenden sozialen Wandel zurechtkommen. Aber die endogene Sphäre erlaubt es, viele Maßnahmen einzuleiten und entsprechend kostenmäßig zu planen, die zu einer erfolgreichen technischen Umsetzung führen können. Die Fähigkeit zur Kostenprognose der Entscheidungsträger einer Investition korreliert mit der Erfahrung dieser Personen im korrespondierenden Handlungsfeld. Je höher die praktische Erfahrung mit den kostenrelevanten Merkmalen einer Investition ist, um so präziser werden sie eingeschätzt. Vollkommen neue Investitionsfelder können fehlerhaft berechnet werden. Doch stets verbleibt in der endogenen Sphäre, in der die Kosten realisiert werden, die Option der Korrektur, da die Handlungsbetroffenen entweder ihre Aktivitäten selbst bestimmen können oder aber durch Weisungen der Handlungsablauf direkt zu beeinflussen ist. Die Einflußfaktoren der Erträge sind hauptsächlich exogen bestimmt, es sei denn, wir haben es mit der Leistungsgenerierung eines Gutes des Grundbedarfs unter monopolistischen Voraussetzungen zu tun. Bei heterogenen Strukturen des freien Marktes jedoch kann der Kunde weitgehend frei entscheiden, ob er eine spezifische betriebliche Leistung in Anspruch nehmen will oder nicht. Jede Investition schafft im Unternehmen neue Zustände, und eine Evaluierung der Investition nach dem Gewinnvergleichsverfahren erfordert die Bestimmung der Ertragsprognose für eine Modellperiode und somit die planerische Festsetzung von Preis und Menge pro Periode der investitionsspezifischen Leistung. Das Näherungsverfahren des Gewinnvergleichs operiert mit einem einheitlichen Durchschnittspreis und läßt solche Abhängigkeiten außer acht, wie sie etwa mit der Preisabsatzfunktion formuliert sind (vgl. Simon 1992, S. 349 ff. und Meffert 1989, S. 272 ff.). Weiterhin wird auch von einer Durchschnittsmenge ausgegangen, die in der Modellperiode abzusetzen ist. Schwankungen, die sich bei der Produkteinführung ergeben (vgl. z.B. Schenk 1989, S. 330) oder durch Reaktionen der Konkurrenz (siehe Porter 1992a, S. 264 ff. oder derselbe 1992, S. 78 ff.) bleiben unberücksichtigt. Die Definition der Absatzerwartung ist bei der Gewinnvergleichsrechnung verstärkt in seiner Zielsetzungsfunktion zu betrachten. Es geht bei dieser Überschlagsrechnung in der Regel nicht um die Einbringung ausdifferenzierter Marktprognosen, die das exogen bestimmte Verhalten der potentiellen Kunden mit berücksichtigt, sondern um die Festsetzung von Annahmen, unter denen eine Investition überhaupt erst in Erwägung gezogen wird. Um die Sinnfälligkeit eines solchen Vorgehens an einer Praxissituation aufzuzeigen, möchte ich ein Beispiel aus der Produktentwicklung erläutern. Ausgangspunkt bei der Entwicklung eines neuen Produktes ist ein Pflichtenheft, welches neben den technischen Spezifikationen auch eine Bandbreite aufweist, in der sich die Stückkosten bewegen dürfen. Diese sind bedingt durch das Preissegment, welches auf dem Markt bedient werden soll, und hierfür werden im Vorfeld Marktanteile festgelegt, welche man mit der Produktinnovation erreichen möchte (vgl. hierzu Kotler/Bliemel 1992, S. 690 ff.). Die Stückkosten determinieren den Verkaufspreis (siehe Simon 1992, S. 63) und die Verkaufsmenge aus dem Produkt von Marktvolumen mit dem anvisierten Marktanteilkoeffizienten (siehe hierzu Mühlenbacher etal. 1993, S. 27 f.). Damit entspricht der Gesamtertrag einer Modellperiode einem Zielwert. In jeder Produktentwicklung sind Zeitpunkte vorgesehen, an denen darüber entschieden wird, ob eine Alternative nun weiterverfolgt werden soll oder nicht (siehe dazu Sabisch

38

2. Klassische Investitionsrechnung

1991, S. 182). Hierfür werden häufig Gewinnvergleichsrechnungen als ein Entscheidungskriterium herangezogen. In unserem Beispiel plant ein Unternehmen der Büromöbelindustrie, als Markenprodukt einen preiswerten Stuhl (Jargon: Billigstuhl) herauszubringen, der das ökologische Gütezeichen zertifiziert bekommen soll. Dementsprechend sollen keine Verbundstoffe verwendet werden, alle Teile sind recyclingfähig zu gestalten, die Menge aller Teile ist gegenüber den Vormodellen deutlich zu reduzieren, und die Demontagezeit bei Rücknahmen darf 5 Minuten nicht überschreiten. Um diese technischen Ziele zu erreichen, werden tragende Teile nicht mehr verblendet, sondern so geschaffen, daß sie auch sichtbar einen ästhetischen Reiz haben. Dadurch erhöhen sich die Werkzeugkosten für die Spritzgußteile aus Kunststoff, wie Rückenschale, Rückenträger, Sitz und Armlehnen sowie für die aus Aluminium, wie Fußkreuzträger, Unterbau und diverse Kleinteile. Der Stuhl soll in der Grundversion einen Verkaufspreis von 360,DM nicht übersteigen, die Marketingabteilung prognostiziert einen jährlichen Durchschnittsverkauf von 21000 Stück auf fünf Jahre. Ausgangspunkt der Gestaltung und Konstruktion ist die Annahme, daß mit dem vorhandenen Anlagebestand zu produzieren sei. Es entstehen somit nur Werkzeuginvestitionen. Um nun während des Entwicklungsprozesses zu einem gewinnorientierten Endergebnis zu gelangen, wird laufend überprüft, in welcher Relation die Werkzeuginvestitionen und die damit verbundenen fixen Abschreibungs- und Zinskosten zu den entstehenden variablen Material- und Produktionskosten sowie den Aufwendungen für Zukaufteile stehen. Die restlichen im Unternehmen entstehenden Kosten für Produktion, Vertrieb und Verwaltung incl. Finanzen werden über eine fixe Pauschale in das Modell eingerechnet, welche von der Unternehmensleitung im Rahmen einer Gesam tkostenkalkulation für alle Produkte des Betriebes ermittelt und gemäß dem entsprechenden Umsatzanteil von 7,56 Mio. DM (21000 Stück * 360,- DM/Jahr) vorgegeben wird. So wird an den Produktions-, Vertriebs- und Verwaltungsfixkosten von Seiten der Produktentwicklung nicht gerüttelt. Beträgt der Plangesamtumsatz des Unternehmens 94,5 Mio. DM, so bildet der Umsatzanteil des zu entwickelnden Ökostuhls 8 %; bezogen auf die gesamten Produktionsfixkosten des Unternehmens von 7,025 Mio. DM entspricht dies einem Anteil von 562 TDM für das Projekt. Auf diese Weise entsteht ein einfaches Modell, in dem die Werkzeuginvestitionen voll (ohne Restwert) auf fünf Jahre abgeschrieben und gänzlich mit Fremdkapital finanziert werden. Die Entwickler zerlegen ihre gesamte Konstruktion in Einzelteile und kalkulieren, ob die Teile oder Baugruppen in Einzelfertigung oder im Zukauf bereitgestellt werden sollen. Im Falle einer Eigenfertigung wird jeder Arbeitsgang abgewogen: höhere Werkzeuginvestitionen können die variablen Produktionskosten senken; vereinfachte Produktionsverfahren der Materialumlenkung, wie Biegen, behindern gegebenenfalls die ästhetische Intentionen des Designers, der eine Schweißverbindung vorgesehen hat. Werden beispielsweise Alternativen betrachtet, in denen Outsourcing-Überlegungen (vgl. dazu Bullinger 1994, S. 50 ff.) zu evaluieren sind (vgl. Tab. 2.2), bei denen sich die Werkzeugkosten verringern und die Kosten für Zukaufteile sich erhöhen, so erweist sich das Modell der Gewinnvergleichsrechnung als valides, plausibles und einfach zu handhabendes Instrument. Selbstverständlich handelt es sich nur um eine Näherungsrechnung, aber die zu evaluierenden Handlungsalternativen sind sehr komplex. Gilt es doch zunächst gestalterische, produkttechnische und produktionstechnische Lösungen zu generieren, welche umsetzbar sind und sich alle in einem Entwurf vereinen. Die Gewinnkomponente bildet dabei eine zusätzliche Konnotation, welche einen Aspekt der Entwicklungsrichtung angibt. In unserem Beispiel erweist sich das Outsourcing als gewinnre-

39

2.1.3 Rentabilitätsvergleichsrechnung

levant, es wird eine Erhöhung von 36.750,- DM errechnet. Dabei wird völlig vernachlässigt, daß es sich bei der Investitionskalkulation lediglich um die Grundversion des Entwurfes handelt. Wie bei jedem Produkt sind Alternativen mit zusätzlichen Polstern, erhöhter Rückenlehne usw. vorgesehen. Das Preisangebot wird später in einer Bandbreite von 360,- DM bis 500,- DM vorgesehen werden. STUHLENTWURF Alternative 1 Weitgehende Eigenfertigung Verkaufssollzahl VerkaufsstQckpreis Werkzsugsinvestition Rastwert (40%) Nutzungsdauer Auslastung Zinssatz

21000 360 915000 0 5 100 10

% %

Gesamtk. 183000 45750 562000 1011000 392000 2193750 672000 588000 3801000 5061000 7254750 7560000 305250

Abschreibung Zinsen Produktionsfixkosten Vertiebsfixkosten Verwaltungsfixkosten Summe fixe Kosten Materialkosten Zukaufteile Var. Produktionskosten Summe variable Kosten Summe Kosten Ertrage Gewinn I

Tab 2.2: Beispiel B -

StQck/Jahr DM DM DM Jahre

Stückk. 8,71 2,18 26,76 48,14 18,67 104.46 32,00 28,00 181,00 241.00 345.46 360.00 14.54 I

Alternative 2 Eigenfertigung mit Outsourcing 21000 360 852000 0 5 100 10 Gesamtk. 170400 42600 562000 1011000 392000 2178000 567000 714000 3759000 5040000 7218000 7560000 342000

StQck/Jahr DM DM DM Jahre

% %

Stückk. 8,11 2,03 26,76 48,14 18,67 103.71 27,00 34,00 179,00 240.00 343.71 360.00 16.29

Gewinnvergleichsrechnung

2.1.3 Rentabilitätsvergleichsrechnung Die Rentabilitätsvergleichsrechnung relativiert den Periodengewinn in bezug auf das eingesetzte Kapital. Mit der Rentabilität wird somit eine absolute Vorteilhaftigkeit ermittelt. Ein einzelnes Investitionsobjekt ist dann vorteilhaft, wenn die Rentabilität oberhalb einer festgelegten Mindestrentabilität liegt oder ihr entspricht. Bei dem Vergleich zweier Alternativen ist diejenige vorteilhaft, welche die höhere Rentabilität aufweist. Ri < oder > R2

(13)

wobei R1 und R2 > Rmin R = Rentabilität ( i n % ) Die Rentabilität ist eine Prozentangabe, welche sich aus der Division des Periodengewinns durch den Kapitaleinsatz ergibt, welche dann mit hundert multipliziert wird.

40

2. Klassische Investitionsrechnung

Rentabilität ( % )

=

Periodengewinn

Kapitaleinsatz

-100 %

Sowohl der Periodengewinn als auch der Kapitaleinsatz können mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen ermittelt werden, so daß im Vorfeld einer jeden Rentabilitätsvergleichsrechnung die unternehmensspezifischen Bedingungen des Investitionsmodells definitorisch festzulegen sind. Terborgh (1962, S. 68) verdeutlichte dies in den 50er Jahren durch einen Bericht von einer Arbeitstagung, an der sachverständige Mitarbeiter aus 14 Unternehmungen jeweils eine andere Variante der statischen Rentabilitätsberechnung zur Beurteilung von Investitionsprojekten verwendeten. Dies ist heute noch aktuell (vgl. Blohm/Lüder 1991, S. 165), und ich möchte das an Hand von drei Betrachtungen erläutern. Zunächst verfolge ich die Rentabilitätsvergleichsrechnung basierend auf den bisher gemachten Annahmen der Kosten- und Gewinnvergleichsrechnung. Alsdann veranschauliche ich die Rentabilität durch Definitionen von Eigenkapital- und Gesamtkapitalrenditen. Schließlich verdeutliche ich die praktische Anwendung an Beispielen zur Berechnung einer Immobilienrendite. Möchte man die durchschnittliche Verzinsung pro Periode für das eingesetzte Kapital bei einer Investition ermitteln, so wird der durchschnittliche mit hundert multiplizierte Periodengewinn durch das durchschnittlich gebundene Kapital geteilt. Dabei ergibt sich der Gewinn nach (9) aus der Subtraktion von Periodenerträgen und Periodenkosten.

R= R E K D

= = = =

' 100 %

(14)

Rentabilität ( % ) Erträge (Werteinheit/Periode) Kosten (Werteinheit/Periode) Durchschnittlicher Kapitaleinsatz (Werteinheit)

Der durchschnittliche Kapitaleinsatz bei linearer Abschreibung errechnet sich gemäß der bereits bei den Zinskosten (4) gemachten Überlegungen (vgl. Abb. 2.4) aus der halbierten Differenz von Investitionsausgaben und Restwert (siehe hierzu auch Küpper/Knoop 1974, S. 64). n D

=

l0+RW o

(15)

D = Durchschnittlicher Kapitaleinsatz (Werteinheit/Periode) L = Investitionsausgaben (Werteinheit) R W = Restwert (Werteinheit) Bei dieser Betrachtungsweise wird das gesamte zur Investition benötigte Kapital fremdfinanziert und entsprechend verzinst. Ermittelt sich eine Rentabilität von Null, so wird mit der betrachteten Investition der Kalkulationszinssatz des Fremdkapitals erwirtschaftet. Wird nun die Investition mit Eigenkapital getätigt, so fallen keine

41

2.1.3 Rentabilitätsvergleichsrechnung

Zinskosten für das Unternehmen an. In diesem Fall ist die Rentabilität gleich dem Kalkulationszinssatz. Bei einer Mischkalkulation mit Eigen- und Fremdkapital ist eine Substitution von Eigenkapital immer dann rentabel, wenn der Marktzins unter dem Kalkulationszins liegt und eine auf vollkommener Fremdkapitalbasis beruhende Rentabilitätsrechnung den Wert Null ergibt (Leverage-Effekt; vgl. hierzu Moser 1988, S. 310 f.). In der Praxis wird häufig der Bilanzkennwert der Eigenkapital- und der Gesamtkapitalrendite berechnet. Dabei wird in der Regel pragmatisch verfahren, indem der ausgewiesene Bilanzgewinn durch das Eigenkapital bzw. durch das Gesamtkapital geteilt und der jeweils resultierende Wert mit hundert multipliziert wird. eri i j ' , (%) , 0 /n = —pagatorischer Gewinn 100 % Eigenkapitalrendite Eigenkapital Gesamtkapitalrendite (%) = P^atorischer Gewinn Gesamtkapital

1^

%

Der pagatorische Gewinn, d. h. der Bilanzgewinn enthält nur soweit Zinszahlungen, wie sie in dem Betrachtungszeitraum als Aufwand angefallen sind; Schwankungen von Eigen- und Fremdkapital während der Periode werden nicht berücksichtigt, es gelten die Werte des Stichtages zum Finanzjahresende. Mit solchen Betrachtungen charakterisiert man den Unternehmenserfolg in Relation zum eingesetzten Kapital. Man bildet damit keinen Kennwert einer spezifischen Realsituation, sondern beurteilt das Abschneiden und somit die Rentabilität des gesamten Unternehmens. Ganz anders stellen sich die Überlegungen dar, wenn eine Privatperson eine Immobilie als Anlageobjekt über eine Rentabilitätsvergleichsrechnung bewertet. Ich habe hierzu zwei Angebote der HAZ (Hannoversche Allgemeine Zeitung) vom 17.09.1994 herausgegriffen und die darin veröffentlichten Werte durch Annahmen ergänzt, welche zur Beurteilung einer Immobilie unabdingbar sind (vgl. Tab. 2.3). Die Anzeigentexte sind an private Interessenten gerichtet und weisen folgendes Erscheinungsbild auf:

Anlageobjekte Ein Sahnestück, f. d. Kapitalanl. in HilMellendorf desh.-lnnenst., Wohn- u. Geschäftshaus, 8 - F a m . - H a u s mit einem Ladengeschäft, sehr guter Zustand, 4 gewerbl. Mieter, 2 1044 m2 Grdst., 625 m2 Gesamtwohnfl., bis 4 großzüg. Whg., DM 150 000,- ME 155 m2 Gewerbefläche, Ausbau und p. a. möglich, DM 1 990 000,. Modernisierung 1969-1993 Jahreskaltmiete DM 101 856,- + NK

DM 1 490 000,-.

Abb. 2.7: HAZ-Anzeigen Anlageobjekte vom 17.09.1994 Es stehen zwei Anlageobjekte zum Verkauf, das eine kostet 1,99 Mio. DM und hat eine Jahresmiete von 150 TDM, das zweite kostet 1,49 Mio. DM bei einem jährlichen Mieteinkommen von 101.856,- DM. Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, daß wir es mit einer Anlagekategorie zu tun haben, welche mit den Realinvestitionen einer Unternehmung kaum vergleichbar ist. Ohne den Abzug von Kosten ergibt der Quotient

42

2. Klassische Investitionsrechnung

aus Periodenerträgen mal hundert durch die Investitionssumme im ersten Fall 7,5 % und im zweiten 6,8 %. Günstige Hypotheken sind im September des Jahres 1994 zu einem Zinssatz von 6,6 % zu erhalten. Bei einer vollständigen Fremdfinanzierung verbleiben also nur 0,9 % mit einem Äquivalent von 17.910,- D M bzw. 0,2 % oder 2.980,- D M zur Abdeckung der Abschreibungen und der laufenden Kosten, welche nicht als Nebenkosten auf die Miete umgelegt werden können. Versicherungen, Grundsteuer, Straßenreinigung, Strom und Wasser, Müllgebühren, regelmäßige Wartungen, Heizungskosten, Schornsteinfeger und ähnliches werden vom Mieter im Umlageverfahren getragen, nicht aber die Abschreibungen von 2 % auf den Anschaffungspreis und die größeren Reparaturen, welche bei Objekten über 10 Jahre mit 2,5 % des Investitionswertes anzusetzen sind. Der Ersatz einer Heizung oder die Substitution von Fenstern und Türen, ein neues Dach bzw. die Ersatzinvestition von Haustechnik für Strom und Wasser fallen in längeren Zeiträumen an und sind jeweils auf fünf, in der Regel aber auf zehn Jahre abzuschreiben. Es ist ein jährlicher Aufwand von einem Vierzigstel der Anfangsausgabe als Minimum anzusetzen. Schon die erste Überschlagsrechnung ergibt eine negative Rendite bei Fremdfinanzierung. Da aber laufend Immobilienanlagen gehandelt und somit gekauft werden, muß es auch eine Renditenbetrachtung mit positivem Ergebnis geben. Zunächst wird in der Regel vom Käufer angenommen, daß die Immobilie nicht an Wert verliert. Dies bedeutet, daß die wirtschaftliche Abschreibung gleich Null wird und die steuerliche Abschreibung sich nicht auf den Restwert auswirkt, sondern lediglich einen Steuervorteil darstellt. PRIVATE IMMOBILIENANLAGE

Jahrasmiete 1 n vestitionsausgabe Restwert (100%) Nutzungsdauer Auslastung Zinssatz Abschreibung Zinsen Steuert. Abschreibung Sonstige fixe Kosten Summe fixe Kosten Mietnebenkosten Summe variab. Kosten Summe Kosten Rückzahlung Mieteinnahmen Erträge Gewinn Rendite (Fremdfinanz.) Rendite (Eigenfinanz.) ZahlungsQberschuß Steueranrechn. (50%) Saldo Rendite (nach Steuern)

Tab. 2.3: Beispiel 3 -

Alternative 1 150000 DM/Jahr 1.990.000 DM 1.990.000 DM 10 Jahre 100% 6.60% Fremdfinanz Eigenfinanz 0 0 131340 0 39800 39800 49750 49750 220890 89550 60000 60000 60000 60000 280890 149550 60000 60000 150000 150000 210000 210000 -70890 60450 -3,56 3,04 100250 -31090 35445 -30225 4355 70025 0.22 3.52

Renditenvergleichsrechnung

Alternative 2 101856 DM/Jahr 1.490.000 DM 1.490.000 DM 10 Jahre 100% 6.60% Fremdfinanz Eigenfinanz. 0 0 98340 0 29800 29800 37250 37250 165390 67050 40742 40742 40742 40742 206132 107792 40742 40742 101856 101856 142598 142598 -63534 34806 -4,26 2,34 -33734 64606 31767 -17403 -1967 47203 -0,13 3.17

2.1.4 Amortisationsvergleichsrechnung

43

Nimmt man in unserem Beispiel 3 der Tabelle 2.3 einen Steuersatz von 50 % an, das entspricht einem zu versteuernden Einkommen von 110 TDM eines Alleinverdieners, so ergibt das erste Objekt eine Rendite von 0,22 % bei Fremd- und von 3,52 % bei Eigenfinanzierung. Dabei wird das Saldo von Zahlungsüberschuß (Gewinn + steuerliche Abschreibung) und dem Steuerbetrag auf den Immobiliengewinn in Relation zur Investitionsausgabe gesetzt. Die zweite Alternative kann nicht ohne laufende Zuschüsse fremdfinanziert werden; die Rendite nach Steuern ist negativ (-0,15 %), erst bei vollständiger Eigenfinanzierung ergibt sich ein positiver Wert von 3,17 %. Die Ergebnisse liegen durchaus in der Bandbreite des zum Berechnungszeitpunktes üblichen Wertes von 2,5 % bis 4 %, ganz ähnlich den Renditewerten von deutschen Standardaktien. In beiden Fällen werden auch Käufe getätigt, da eine Wertsteigerung der Anlage zu erhoffen ist. Das würde nach unserer Abschreibungsformel (3) zu negativen wirtschaftlichen Abschreibungen und so zu einer Kostenreduktion führen, welche die Rendite erhöht. Solche Überlegungen der Spekulation sind aber kein Thema meiner Ausführungen zur betrieblichen Realinvestition. 2.1.4 Amortisationsvergleichsrechnung Die Amortisationsvergleichsrechnung ermittelt die Zeitspanne, welche notwendig ist, um die ausgezahlte Nettoinvestition in Kassa wieder zurückzubekommen. Ein einzelnes Investitionsobjekt ist dann vorteilhaft, wenn die Amortisationszeit unter einem festgesetzten Erwartungsniveau liegt oder diesem entspricht. Bei der Betrachtung von Alternativen ist diejenige vorzuziehen, welche die geringere bzw. die geringste Wiedergewinnungszeit hat. T A1 < oder > T A2 wobei T A < T A m a x Ta

= Amortisationszeit (Zeiteinheit)

Die Amortisationsvergleichsrechnung wird auch als Kapitalrückfluß-, als Payoff-, oder als Pay-back- Methode bezeichnet. Die Amortisationszeit wird ermittelt, indem die Nettoinvestition, d.h. der Differenzbetrag aus den Investitionsangaben und Restwert durch den durchschnittlichen Rückfluß geteilt wird. Dabei errechnet sich der Rückfluß pro Periode aus der Addition des durchschnittlichen Gewinns plus der Periodenabschreibung (vgl. Kruschwitz 1987, S. 40 und Olfen 1992, S. 174 f.). _I A

0

-RW

G+A

Ta = Amortisationszeit (Zeiteinheit) l0 = Investitionsausgaben (Werteinheit) R W = Restwert (Werteinheit) G = Gewinn (Werteinheit/Periode) A = Abschreibung (Werteinheit/Periode)

44

2. Klassische Investitionsrechnung

Wie bei allen statischen Vergleichsverfahren steht man auch bei der KapitalrückflußMethode vor dem Problem der Durchschnittsbildung, in diesem Fall für die Bestimmung des Periodengewinns. Hierbei muß stets unterschieden werden, ob eine Rechnung unter der Annahme des vollständigen Einsatzes von Fremdkapital gemacht und daher mit dem kalkulatorischen Gewinn operiert wird oder ob von einem Eigenkapitalanteil ausgegangen wird, der zur Durchschnittsermittlung des pagatorischen Gewinns führt. Möchte man mit der Rechnung einen Sollwert fixieren, der später einem Soll-Istvergleich zu unterziehen ist, dann ist das letztgenannte Vorgehen vorzuziehen. So kann der Bilanzgewinn zum Vergleichszeitpunkt herausgezogen werden. Die Amortisationszeit wird in der Praxis häufig ermittelt, wenn eine Investition unter zeitlichem Risiko getätigt wird. Das ist insbesondere bei Auslandsinvestitionen in solchen Ländern der Fall, wo politisch instabile Verhältnisse bestehen. Es gilt aber auch bei jeder Investition, die sich nur dann amortisiert, wenn spezifische Marktbedingungen vorhanden sind, deren Dauer begrenzt ist. So können Rohstoffe auf Grund eines Überangebotes im Preis so weit sinken, daß eine Weiterverarbeitung rentabel wird. Da aber damit zu rechnen ist, daß die Anbieter abnehmen werden und so das Übergangsangebot zeitlich befristet ist (vgl. dazu Woll 1978, S. 139 ff.), bildet die Amortisationszeit ein zusätzliches Entscheidungskriterium neben der Rentabilität einer Investiton. Häufig werden in der Praxis auch Überlegungen angestellt, ob sich ein zusätzliches Aggregat bzw.der Austausch einer vorhandenen Anlage lohnt, um Kosten zu sparen. Wird hier der Wiedergewinnungszeitraum ermittelt, so ist der durchschnittliche Rückfluß aus der Addition von Kostenersparnis und zusätzlichen Abschreibungen zu ermitteln (vgl. Olfert 1992, S. 179). INVESTITON ABPACKANLAGE

Abschreibung Zinsen Verwaltungsumlage Summe fixe Kosten Rohstoffe Verpackungsmaterial Produktionskosten Summe variab. Kosten Summe Kosten Erträqe Gewinn Amortisationszeit

Alternative 1 935 $ 3300 Tonnen/Jahr 81000 $ 0 DM 5 Jahre 1650 Tonnen/Jahr 18 % Gesamtk. StQckk./Tonne 16200 9,81 7290 4,42 36000 21,82 59490 36.05 778800 472,00 199650 121,00 473550 287,00 1452000 880.00 1511490 916.05 1542750 935.00 31260 18.95 1.71

Tab. 2.4: Beispiel 4 -

Amortisationsvergleichsrechnung

Verkaufspreis/Ton ne Kapazität Anschaffungskosten Restwert (40%) Nutzungsdauer Auslastung Zinzsatz

Alternative 2 935 $ 3300 Tonnen/Jahr 81000 $ 0 DM 5 Jahre 1100 Tonnen/Jahr 18 % Gesamtk. StOckk./Tonne 16200 14,72 7290 6,63 36000 32,73 54.08 59490 519200 472,00 133100 121,00 315700 287,00 880,00 968000 934,08 1027490 1028500 935,00 0.92 1010 4.71

In dem Beispiel 4 möchte ich eine Amortisationsvergleichsrechnung anhand einer kleinen Auslandsinvestition erläutern. In einem Mühlenbetrieb wird als Sonderprodukt

2.2 Dynamische Investitionsrechnung

45

Weizenvollmehl für einige Bäckereien produziert. Das Marketing gelangt zu dem Schluß, daß dieses Produkt auch an den Endkonsumenten im Supermarkt veräußert werden kann, wenn es in Einkilopackungen angeboten wird. Hierzu muß eine Abpackanlage angeschafft werden, die 81000 $ kostet und eine Kapazität von 3300 Tonnen im Jahr hat. Kleinere Anlagen stehen in keiner Kosten-Nutzenrelation. Das Marketing hält einen Verkauf von 1650 Tonnen pro Jahr und somit eine Auslastung von 50 % für realistisch und hat bereits feste Abnehmer für einen Jahresabsatz von 1100 Tonnen, also einer Auslastung von einem Drittel der Gesamtkapazität. Die Abschreibung erfolgt über 5 Jahre, ein Restwert wird nicht angenommen; die Anlage wird am Produktionsstandort fremdfinanziert, es wird daher mit einem für Deutschland hohen Zinssatz von 18 % kalkuliert. Neben diesen Kosten vervollständigt eine Verwaltungsumlage von 36000 $ pro Jahr die fixen Kosten. Der Verkaufspreis an den Handel ist mit935 $ die Tonne anzusetzen, wodurch ein Preis für den Endkonsumenten von 1,20 $ pro Kilopaket resultiert. Als variable Kosten entstehen Aufwendungen für Rohstoffe von 472 $/Tonne, für Verpackungsmaterial von 121 $/Tonne und Produktionskosten von 287 $ je produzierter Tonne. Bei einer Produktion von 1650 Tonnen ergibt sich ein Umsatz von 1,54 Millionen $ und ein Gewinn von etwas mehr als 31 Tausend $, daraus ermittelt sich eine recht kurze Amortisationszeit von ca. 1,7 Jahren. Betrachtet man die Rechnung unter der Voraussetzung, daß nur die bereits verhandelte Absatzmenge veräußert wird, so liegt die Wiedergewinnungszeit nur geringfügig unter dem Abschreibungszeitraum, mithin für eine Auslandsinvestition indiskutabel. Selbstverständlich ist die Amortisationszeit ein Kriterium der Investitionsentscheidung. Bei der Alternative 1, mit einer Kapazitätsauslastung von 50 %, ist der Amortisationszeitraum günstig, aber auf Grund des hohen variablen Kostenanteils fällt bei der Investition die Umsatzrendite mit ca. 2 % sehr niedrig aus. Schwankungen beim Rohstoff oder beim Verpackungsmaterial können daher kaum aufgefangen werden. Es zeigt sich so die Schwäche von Durchschnittswerten. Um genauere Überlegungen anzustellen, müssen die Werte für alle Perioden des Betrachtungszeitraumes einbezogen werden - ein wesentliches Charakteristikum der dynamischen Investitionsrechnung.

2.2 Dynamische Investitionsrechnung Die dynamische Investitionsrechnung ist durch zwei Kriterien determiniert. • Zum einen wird der Betrachtungszeitraum für eine Investition in Perioden gegliedert, und die investitionsbedingten Finanzbewegungen werden pro Einzelperiode jeweils spezifiziert. • Zum anderen werden alle Bewegungen durch eine Ab- bzw. Aufzinsung auf einen einheitlichen Bezugszeitpunkt miteinander vergleichbar gemacht. Die Grundlage der dynamischen Investitionsrechnung bildet der Zahlungsstrom von kapitalbindenden Auszahlungen und kapitalfreisetzenden Einzahlungen. Diese Basis wird durch zwei Modellannahmen vereinfacht. "Zahlungen, die während einer Periode anfallen, werden so behandelt, als ob sie am Periodenende anfallen würden. Folglich müssen Zinsen stets erst ab dem Ende der Periode berücksichtigt werden, in der die Zahlung aufgetreten ist" (Veit/Walz/Gramlich 1990, S. 49). Wir haben es mit

46

2. Klassische Investitionsrechnung

einer nachschüssigen Verzinsung zu tun, welche nicht nur die Zinsrechnung erleichtert, sondern auch den Wertestrom zu einer Wertereihe reduziert. Einzahlungen bilden positive, Auszahlungen negative Werte. Pro Periode (1,2,..., n) wird jeweils nur ein Zeitpunkt berücksichtigt (t,, t2, ..., tn). Für die Anschaffung der Investition wird angenommen, daß sie bereits vor t, getätigt ist, zum so bezeichneten Zeitpunkt t0 und ihre Verzinsung bereits zu Beginn von t, ausfällt. Die zweite Vereinfachung des dynamischen Investitionsmodells bezieht sich auf die pragmatische Gleichsetzung von Ein- bzw. Auszahlungen mit den investitionsspezifischen Einnahmen bzw. Ausgaben. Natürlich ist der Zeitpunkt zwischen einer Rechnungslegung und der korrespondierenden Zahlung nicht grundsätzlich identisch, sondern im Gegenteil: es besteht in der Regel eine zeitliche Abweichung. Die Zeitdifferenz kann jedoch unberücksichtigt bleiben, da ja ohnehin alle Periodenzahlungen auf das Periodenende hin konsolidiert werden. Dementsprechend werden Ein- und Auszahlungen bzw. Einnahmen und Ausgaben synonym verwendet (vgl. hierzu Blohm/Lüder 1991 S. 55 f.). Die Relativierung der Einnahmen und Ausgaben auf einen Bezugszeitpunkterfolgt mit der Hilfe von finanzmathematischen Methoden. Im wesentlichen werden die Differenzen zwischen den Ein- und Ausgaben aufgezinst, sofern sie vor dem Bezugszeitpunkt anfallen bzw. abgezinst, wenn sie sich nach dem Bezugszeitpunkt realisieren. Bevor ich mich mit dem wichtigsten dynamischen Verfahren der Kapitalwert-, der InterneZinsfuß- und der Annuitäten-Methode sowie der dynamischen Amortisationsrechnung auseinandersetze, möchte ich die finanzmathematischen Grundbegriffe des Endwertes, des Barwertes und des Jahreswertes erläutern. Eine Ab- bzw. Aufzinsung erfolgt über den Kalkulationszinssatz, also der einheitliche Zinssatz, mit dem sämtliche Zahlungen auf den Bezugszeitpunkt hin auf- oder abgezinst werden. Modelle mit einem unterschiedlichen Zinssatz für die Finanzaufnahme bei Ausgabenüberschüssen (Sollzinsen) und für Einnahmenüberschüsse (Habenzinsen) entsprechen zwar einem Aspekt des realen Finanzmarktes, sind aber kompliziert und werden in der Praxis selten verwendet und somit in meinen Ausführungen nicht weiter berücksichtigt. Begrifflich wird zwischen Kalkulationszinssatz (i), Nominalzinssatz (p) und Zinsfaktor (q) unterschieden. Der Kalkulationszinssatz ist gleich der Division des Nominalzinssatzes durch hundert. Der Zinsfaktor ergibt sich aus der Addition von eins und dem Kalkulationszinssatz.

i = Kalkulationszinssatz p = Nominalzinssatz (in %) q = Zinsfaktor Wird zum Zeitpunkt (t0) ein Kapitalbetrag (K0) zu einem Zinssatz (i) angelegt und möchte man wissen, wie hoch der aufgezinste Betrag nach einem Jahr ist, so ergibt sich der Wert aus der Summe des Kapitalbetrages und dem Produkt von dem Kapitalbetrag mit dem Zinssatz. K 1 = K 0 + K 0 - i = K 0 (i + 1) = K 0 • q

47

2.2 Dynamische Investitionsrechnung

Nach zwei Jahren ermittelt sich der Betrag aus der Summe des Vorjahreswertes plus dem Produkt von Vorjahreswert und dem Kalkulationszinssatz. K 2 = K 1 + K 1 - i = K 1 (i + 1) = K 0 (i +1 )2 = K 0 • q 2 Diese Zinsformel bildet die Grundlage der Finanzmathematik (vgl. Nicolas 1976, S. 517). Geht man von einer Anlagedauer von n Jahren aus, so ermittelt sich der Endwert (EW) aus dem Produkt von Zinsfaktor hoch n und des anfänglich eingesetzten Kapitalbetrages. EW n = K 0 • q n = K 0 (i +1 )n = K 0 • (1 +

(19)

E W = Endwert (Werteinheit) n = Laufzeit (Zeiteinheit) K„ = Kapitalbetrag zum Zeitpunkt t0 (Werteinheit) q = Zinsfaktor p = Nominalzinssatz i = Kalkulationszinssatz Bei der Berechnung des Barwertes (BW) wird die umgekehrte Überlegung angestellt. Es gilt die Frage zu beantworten, welchen Wert ein Betrag heute für mich hat, der zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt wird und dementsprechend abgezinst werden muß (vgl. Abb. 2.8).

Kn

Aufzinsung

EW

• t

0

BW

EW = K0 (1+i)n

Abzinsung

K„

BW = Kn (1+i)H

E W : Endwert B W : Barwert n : Laufdauer i : Zinssatz K,, : Kapitalbetrag in t0 Kn : Kapitalbetrag in tn Abb. 2.8: Endwert und Barwert Der Barwert eines Kapitalbetrages (Kn), welcher in der n-ten Periode zur Auszahlung kommt, ermittelt sich aus dem Produkt dieses Kapitalertrages mit dem reziproken Zinsfaktor hoch n.

48

2. Klassische Investitionsrechnung

BW = K

- q - " = K

n

n

. ^

(20)

B W = Barwert (Werteinheit) Kn = Kapitalbetrag zum Zeitpunkt tn (Werteinheit) n = Laufzeit (Zeiteinheit) q = Zinsfaktor i = Kalkulationszinssatz Barwert- und Endwertbetrachtungen kalkulieren die Kapitalentwicklung bei einer einmaligen Zahlung. Möchte man über die Betrachtungsperioden zu gleichmäßigen Zahlungen gelangen, so sind entsprechende Jahreswerte zu ermitteln (vgl. Abb. 2.9).

Annuitätenfaktor 1K

, X)

1

J





0





T



—i—

—i—

—i—

—i—

—i—











2

1

3

4

e = Kq-

i(1+i)n (1+i)n-1

5

J_ Kn

e = Kn•

(1+i)n-1

Restwertverteilungsfaktor e n i KQ Kn

: Einnahme : Laufzeit : Zinssatz : Kapitalbetrag in t0 : Kapitalbetrag in t n

Abb. 2.9:

Jahreswerte

Wird ein zum Zeitpunkt t0 fälliger Betrag über n Perioden so verteilt, daß zu jeder Periode der gleiche Betrag zu zahlen ist, so wird dieser aus dem Produkt des fälligen Betrages mal dem Annuitätenfaktor ermittelt, welcher auch Kapitalwiedergewinnungsfaktor (KWF) oder (Verrentungsfaktor) genannt wird. Der Annuitätenfaktor errechnet sich aus dem Produkt von Zinsfaktor hoch n mal Zinsfaktor minus eins geteilt durch den Zinsfaktor hoch n abzüglich eins. qn - 1

0

(1 + i ) n ^ i

0

2.2 Dynamische Investitionsrechnung

e = K„ = q = i = n = KWF=

49

Einnahme (Werteinheit) Kapitalbetrag zum Zeitpunkt t0 (Werteinheit) Zinsfaktor Kalkulationszinssatz Laufzeit (Zeiteinheit) Kapitalwiedergewinnungsfaktor

Auf der anderen Seite läßt sich auch der einheitliche Einnahmebetrag errechnen, welcher pro Periode zu erhalten ist, um einen Kapitalbetrag auszugleichen, der am Ende des Betrachtungszeitraumes zu zahlen wäre (vgl. hierzu Däumler 1988, S. 15 ff.). Dieses ergibt sich aus der Multiplikation des Kapitalbetrages zum Zeitpunkt tn mit dem Restwertverteilfaktor. Um den zu ermitteln, wird der Zinsfaktor weniger eins geteilt durch die Subtraktion von Zinsfaktor hoch n minus eins.

(22)

e = Kn = q = i = n =

Einnahme (Werteinheit) Kapitalbetrag zum Zeitpunkt tn (Werteinheit) Zinsfaktor Kalkulationszinssatz Laufzeit (Zeiteinheit)

Jahreswertbetrachtungen werden immer dann angestellt, wenn es darum geht, den Zahlungsverkehr zu regulieren und gleichmäßig zu gestalten. Das ist beispielsweise bei Ratenzahlungen einer bereits in Anspruch genommenen betrieblichen Leistung oder zur Berechnung von Renten der Fall. Für die Betrachtung von unternehmerischen Realinvestitionen spielen die Überlegungen zur Regelmäßigkeit und die damit einhergehenden Verfahren in der Praxis keine so große Rolle. Es ist ein Kennzeichen der Realinvestition, daß mit ihr ein Risiko eingegangen wird, das sich durch Schwankungen in der zukünftigen Entwicklung äußert. Die Bezeichnung Investitionsprojekt weist auf eine zeitliche und durch Varianzen charakterisierte Entfaltung eines Vorhabens hin. Spremann (1991, S. 346) hebt zwei Aspekte der Realinvestition heraus: • Unsicherheit und • Irreversibilität. Er schreibt dazu: "Da Investitionen in die Zukunft hineinwirken, ist jedes Investitionsprojekt mehr oder weniger unsicher, was heißen soll: Der spätere Nutzen hängt noch von gewissen Umweltzuständen oder Einflußfaktoren ab, die zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung noch zufällig sind, die der Investor jedenfalls nicht oder nur unzureichend beeinflussen kann. Nachdem die relevanten Umweltzustände eingetreten oder bekannt geworden sind, läßt sich Pech nicht mehr in Glück verwandeln. [...] Ressourcen für einen bestimmten Zweck einzusetzen, heißt, sie zu spezialisieren. Eine Spezialisierung kann oftmals nicht leicht wieder rückgängig gemacht werden. Wenn die Zahlungsmittel einmal verwendet sind, kann es sich der Investor nicht immer ohne Nachteile anders überlegen: Investitionsentscheidungen sind mehr oder weniger irreversibel."

50

2. Klassische Investitionsrechnung

Eine dynamische Investitionsrechnung muß dementsprechend den unterschiedlichen Verlauf der zukünftigen Perioden einzeln jeweils planerisch vorwegnehmen und als Barwert auf den Bezugszeitpunkt vor der Investition zurückrechnen. 2.2.1 Kapital wertmethode Die Kapitalwertmethode ermittelt den Barwert einer Investition. Dabei wird die Investitonsausgabe (I0) zum Zeitpunkt t0 angesetzt und somit nicht abgezinst. Hingegen werden die Einnahmeüberschüsse bzw. die Ausgabenüberschüsse der Folgeperioden jeweils entsprechend ihrer Periode abgegrenzt und aufsummiert. Der Kapitalwert ist somit das Saldo der Barwerte aller Zahlungen eines Investitionsprojektes im Betrachtungszeitraum von t0 bis tn.

0

0

(1 + i)1

(1 + i) 2

(1 + i)n

bei Summenzeichenverwendung n e - a " C o ^ o + X ^ 1-+ ^ - l o + X t e . - a O q - ' t=i l U t=i

C0= l0 = et = at = n = i = q =

(23)

Kapitalwert (Werteinheit) Investitionsausgabe (Werteinheit) Einnahme in t (Werteinheit) Ausgabe in t (Werteinheit) Anzahl der Perioden (Zeiteinheit) Kalkulationszinssatz Zinsfaktor

Bei der Ermittlung des Kapitalwertes wird der Liquiditionserlös zwar mit einbezogen, jedoch nicht getrennt ausgewiesen, sondern lediglich als eine zusätzliche Einnahme in der letzten Periode zum Zeitpunkt tn betrachtet. Eine Investition ist bereits dann vorteilhaft, wenn sich nach der Kapitalwertmethode ein Wert von Null ergibt. Das bedeutet: die Investition hat die erwartete Verzinsung zu tragen und die Investitionsausgabe innerhalb des Betrachtungszeitraumes zu tilgen. Ist der Kapital wert höher, so wird darüber hinaus ein Gewinn erwirtschaftet. Ist der Kapitalwert niedriger, dann decken die Einnahmen die Ausgaben und die erwartete Verzinsung nicht ab. Vergleicht man alternative Investitionsobjekte, so ist dasjenige vorteilhaft, welches den größeren bzw. den größten Kapitalwert aufweist. C 0 1 < oder > C 0 2 wobei C 0 > 0

(24)

C 0 = Kapitalwert Es ist selbstverständlich, daß ein Ergebnis der Kapitalwertberechnung in funktionaler Abhängigkeit zu dem kalkulativen Zinssatz steht. Veit/Walz/Gramlich (1990, S. 58) präzisieren: "Bei der Abzinsung einer Zahlung auf t0 wird diese mit dem Faktor q-1 = (1+i)-" multipliziert bzw. durch den Faktor (l+i)n dividiert. Folglich müssen die Barwerte einer gegebenen Zahlung bei fixem n mit steigendem i abnehmen."

51

2.2.1 Kapitalwertmethode Um das zu veranschaulichen, tabellieren die Autoren die Zahlungsreihe: -250 +100 +100 +100 für die Zinssatzwerte von 0 bis 12,5 % jeweils in Schritten von 2,5 % (ebenda) (ei - at) • q"* t

i:

0

1 2 3 COA:

0% -250,00 100,00 100,00 100.00 50,00

Tab. 2.5: Kapitalwert

2.5% -250,00 97,56 95,18 92.86 35,60

5% -250,00 95,24 90,70 86.38 22.32

bei aufsteigenden

7.5% -250,00 93,02 86,53 80.50 10,05

10% -250,00 90,91 82,65 75.13 -1.31

12.5% -250,00 99,89 79,01 70.23 -11,87

Kalkulationszinssätzen

C„

Abb. 2.10: Verlauf der Kapitalwertfunktion Veit/Walz/Gramlich)

in Abhängigkeit

vom Zinsniveau

(nach

52

2. Klassische Investitionsrechnung

"Die Kapitalwertfunktion eines Investitionsprojektes weist regelmäßig einen fallenden Verlauf auf. Dies läßt sich damit erklären, daß die Anschaffungsauszahlungen zum Zeitpunkt t0 von der Höhe des Zinssatzes unabhängig sind, während die in den Jahren tj bis t anfallenden Einzahlungsüberschüsse mit wachsendem i eine immer stärkere Abzinsung erfahren." Die zweite Frage, welche zur Ermittlung des Kapitalwertes im Vorfeld beantwortet werden muß, ist die Länge des Betrachtungszeitraumes. Je größer die Anzahl von Perioden mit Einnahmenüberschüssen ist, die in die Berechnung des Kapitalwertes mit einfließen, um so höher fällt der Betrag aus. Spremann (1991, S. 346 f.; siehe Abb. 2.11) problematisiert sowohl den Verlauf, als auch die Dauer der einbezogenen Zahlungswerte, indem er als Modell ein Verlaufsparadigma zugrunde legt. Demnach wird in den ersten Jahren nach der Investitionstätigung mit hohen Ausgaben und niedrigen Einnahmen gerechnet. Nach der Anlaufphase erfolgt ein Zeitraum der produktiven Nutzung mit Einnahmenüberschüssen. Sinkt der Absatz, so erfolgt die Phase des Abbruchs.

Beträge b,

r

b,.

b3

A

Zeitpunkte t

i i b,

A,

J Phase der Anschaffung und Ingangsetzung

Phase der produktiven Nutzung

Phase des Abbruchs

Abb. 2.11: Investitionsprojekt als Zahlungsreihe (nach Spremann) Da in der Praxis die Dauer eines Produktlebenszyklusses häufig nicht abgeschätzt werden kann und sich durch Marketingmaßnahmen die Lebensdauer verlängern läßt (vgl. hierzu Kotler/Bliemel 1992, S. 264 und S. 566), verwendet man als Betrachtungszeitraum schlicht die Abschreibungsdauer. Aus diesem Grund bilden sich die sogenannten "CashCows" (vgl. Ehrmann, 1991, S. 171 ff. oder Horväth 1990, S. 248 f.) nach dem Schema des Portfolio-Modells der Boston Consulting Group heraus, in denen sich die späte Wachstums- und Reifephase wider Erwarten verlängert, womit

53

2.2.1 Kapitalwertmethode

die Cash Cows ohne Abschreibungsaufwendungen sehr hohe Finanzüberschüsse erwirtschaften. Bei der Investitionsentscheidung wird aber zunächst konservativ nach der Faustregel gerechnet: Investitionsnutzung gleich Abschreibungszeitraum. Die Höhe des Kalkulationszinssatzes ergibt sich entweder aus der Höhe der Durchschnittsrentabilität des Unternehmens oder aber nach der laufenden Rendite des Kapitalmarktes. Entweder überprüft man so, ob die Investition mindestens das Niveau anderer betriebsinterner Investitionen gewährleistet, oder aber man vergleicht sie zur Alternative der Nichtinvestition, die es einem ermöglicht, Finanzüberschüsse zinsgünstig anzulegen. In dem folgenden Beispiel 5 möchte ich eine Investitionsrechnung aus der Süßwarenherstellung erläutern, mit der evaluiert wird, ob es empfehlenswert ist, eine Anlage zur Produktion von Lutschbonbons mit Weichfüllung und Schokoladenguß zu installieren, die 776.800,- DM als Anfangsausgabe für den Ankauf, die Montage und die technische Inbetriebnahme erfordert. Die Produktionskapazität beträgt 5 Mio. Verkaufseinheiten pro Person, wovon jedoch im ersten Jahr nur 2,24 Mio. von Kunden, die das gesamte betriebliche Sortiment vertreiben, abgesetzt werden können. Man erwartet eine Steigerung in fünf Jahren bis zu 3,34 Mio. VE. INVESTITION SÜSSWARENFERTIGUNG Verkaufsstückpreis Anlageninvestition Nutzungsdauer Nominalzinssatz Zinsfaktor

1,10 776800 5 12 1,12

Verkaufssoll In Vertcein. Abzinsungfaktor

0 1.00 1995 776800

Investitionsausgabe Produktionausgaben Vertiebsausgabe Verwaltungsausgaben Summe fixe Ausgaben Rohstoffe Verpackung Variab.Produktionsaus. Variab. Absatzausgaben Summe variab. Ausgab. Summe Ausgaben Einnahmen Einnahmen-Ausgaben Barwerte

Kapitalwsrt

776800

776800 -776800 -776800

DM DM Jahre %

2240000 0.69 1996

2606000 0.80 1997

2808000 0.71 1998

3026000 0.64 1999

3342000 0.57 2000

309800 85000 89100 483900 1120000 470400 224000 67200 1881600 2365500 2464000 98500 87946

309800 85000 89100 483900 1303000 547260 260600 78180 2189040 2672940 2866600 193660 154385

309800 85000 89100 483900 1404000 589680 280800 84240 2358720 2842620 3088800 246180 175226

309800 85000 89100 483900 1513000 635460 302600 90780 2541840 3025740 3328600 302860 192473

309800 85000 89100 483900 1671000 701820 334200 100260 2807280 3291180 3676200 385020 218471

51701

Tab. 2.6: Beispiel 5 - Kapitalwertmethode Aufgrund der Abnutzung rechnet man mit einer Abschreibungszeit von fünf Jahren. Die fixen Ausgaben für Produktion (309,8 TDM), Vertrieb (85 TDM) beinhalten die kostenanteilige Mitverwendung der betrieblichen Infrastruktur und werden ebenso wie der Verkaufsstückpreis von 1,10 DM V E konstant gehalten in der Annahme, daß Preissteigerungen sich gleichmäßig auf die Ein- und Ausgaben auswirken. Die

54

2. Klassische Investitionsrechnung

variablen Ausgaben entstehen für Rohstoffe, Verpackung, Produktion und Absatz in Höhe von 0,84 DM pro Verkaufseinheit. Bei einem Nominalzinssatz von 12% ergibt sich ein Kapitalwert von 51.701 DM ohne eine - im übrigen auch wahrscheinliche Restwertzahlung miteinzubeziehen (vgl. Tab. 2.6). Der Kapitalwert ist positiv; verändert man jedoch Parameter wie etwa den Verkauf oder die Rohstoffstückkosten, so reagiert dieser Endbetrag sensibel. Variiert man den Nominalzinssatz nach oben, so bleibt der Kapitalwert bei 14,18 % noch positiv, ab 14,19 % beginnen die negativen Ergebnisse. Mit solchen Überlegungen kann die Bandbreite des unternehmerischen Anspruchsniveaus reflektiert werden. Besser als die Kapitalwert- eignet sich hierfür die Inteme-Zinsfuß-Methode. 2.2.2 Interne-Zinsfuß-Methode Der interne Zinsfuß r gibt den Effektivzinssatz oder die Rendite einer Investition an, bei der sich ein Kapitalwert von null ergibt. Er wird ermittelt, indem man den Kalkulationszinssatz i durch die Variable r ersetzt, die Kapitalwertfunktion gleich null setzt und nach r auflöst. Ein einzelnes Investitionsobjekt ist dann rentabel, wenn eine Mindestverzinsung erreicht wird. Vergleicht man mit der Internen-Zinsfuß-Methode mehrere Investitionsobjekte, so ist dasjenige vorzuziehen, welches den größeren bzw. den größten internen Zinsfuß aufweist. r, < oder > r2 wobei r > imin r i

(25)

= Interner Zinsfuß = Kalkulationszinssatz

Nach der Funktion (23) ergibt sich der Kapital wert aus der Summe der jeweiligen Barwerte der Rückflüsse abzüglich der Investitionsausgabe, wobei der Liquidationserlös im Rückfluß bei Anfall mit einberechnet wird. Dementsprechend läßt sich der interne Zinsfuß wie folgt berechnen: (26)

l0 et at n r

= = = = =

Investitionsausgabe (Werteinheit) Einnahme in t (Werteinheit) Ausgabe in t (Werteinheit) Anzahl der Perioden (Zeiteinheit) Interner Zinsfuß

Die Gleichung zur Ermittlung des internen Zinsfußes ist ein Polynom n-ten Grades für die gesuchte Größe r, welche bis zu n reelle Nullstellen aufweist (vgl. Blohm/Lüder 1991, S. 91; Knoop 1975, S. 7 ff.). Durchführbare Investitionen haben die Eigenschaft, daß sie nur eine Nullstelle besitzen, die jedoch bei Polynomen n-ten Grades für n größer 3 nicht bestimmt werden kann. Es ist daher notwendig, ein Näherungsverfahren zur Ermittlung des internen Zinsfußes anzuwenden, indem zwei unterschiedliche Zinssät-

2.2.2 Interne-Zinsfuß-Methode

55

ze so frei gewählt werden, daß beim ersten der Kapitalwert positiv, beim zweiten der Kapitalwert negativ ist und in beiden Fällen die Kapitalwerte möglichst nahe bei Null liegen. Grafisch oder rechnerisch kann ein erster Näherungswert für den internen Zinssatz durch lineare Interpolation bzw. Ertragsextrapolation festgestellt werden (vgl. Blohm/Lüder 1991, S. 92; sowie Abb. 2.12). Bei der Interpolation ist der Näherungswert größer, der der Extrapolation kleiner als der Realwert.

Abb. 2.12: Interpolation Lüder)

und Extrapolation

des internen Zinsfußes (nach

Blohm/

Bei der rechnerischen Prozedur werden ebenfalls zwei Versuchszinssätze (ij und i2) so gewählt, daß sich ein Kapitalwert jeweils knapp über und unter Null ergibt. Alsdann wird vom niedrigeren Versuchszinssatz i, das Produkt abgezogen, welches sich aus dem korrespondierenden Kapitalwert und der Division der Zinssatzdifferenz geteilt durch die Kapitalwertdifferenz ergibt (vgl. Olfert 1992, S. 203). r ^ - C V - i ^ r ^01

(27)

wobei C 0 1 > C 0 2 ; ¡1 < i2 r = Interner Zinsfuß i = Versuchszinssatz, indiziert mit 1 und 2 C 0 = Kapitalwert, korrespondierend zu i indiziert mit 1 und 2 (Werteinheit) Heutzutage werden in der Praxis Investitionsrechnungen nach der Kapitalwertmethode und der Methode des internen Zinsfußes mit Hilfe von Standardprogrammen der Tabellenkalkulation gerechnet. Hierbei werden die einzelnen Zellen der Tabelle funktional miteinander verkoppelt, so daß eine spezifische Variable nach Belieben interaktiv verändert werden kann, bis das Ergebnis erzielt wird, welches dem zuvor definierten Anspruchsniveau genügt (vgl. dazu Jaspersen 1992, S. 50 ff.). Ich möchte dieses Verfahren an Hand der Beispielrechnung 5 verdeutlichen. Da interaktive Prozeduren sich schlecht schriftlich darstellen lassen, habe ich die Arbeitsschritte in konzentrierter Form in eine Abbildung eingefügt (vgl. Abb. 2.13). Bei der Kapitalwertberechnung der Investition in der Süßwarenherstellung wurde ein Nominalzinssatz von 12 % zugrunde gelegt und ein positives Ergebnis von 51.701 DM erzielt.

56

2. Klassische Investitionsrechnung

INTERNE ZINSFUBERMITTLUNG - INVESTITION SOSSWARENFERTIGUNG Verkaufs! tückprais Anlageninvestition Nutzungsdauer Nominalzinssatz Zinsfaktor Verkaufssoll in Verk.ein. Abzinsungsfaktor

1,10 776800 5 12 1,12 0 1,00 1985 776800

DM DM Jahre % 2240000 0,89 1996

2606000 0,80 1997

2808000 0,71 1998

3026000 0,64 1999

3342000 0,57 2000

309800 85000 89100 483900 1120000 470400 224000 67200 1881600 2365500 2464000 98500 87946

309800 85000 89100 483900 1303000 547260 260600 78180 2189040 2672940 2866600 193660 154385

309800 85000 89100 483900 1404000 589680 280800 84240 2358720 2842620 3088800 2461B0 175226

309800 85000 89100 483900 1513000 635460 302600 90780 2541840 3025740 3328600 302860 192473

309800 85000 89100 483900 1671000 701620 334200 100260 2807260 3291180 3676200 365020 218471 61701

Schritt 1: Veränderung des Nominalzinssatzes auf 13 % Abzinsungsfaktor 1,00 0,78 0,88 Barwerte -776800 87168 151664 Kapitalwert

0,69 170615

0,61 185750

0,54 208973 27371

Schritt 2: Veränderung des Nominalzinssatzes auf 14 % Abzinsungsfaktor 1,00 0,68 0,77 -776800 Batwerte 86404 149015 Kapitalwert

0,67 166164

0,59 179317

0,52 199967 4068

Schritt 3: Veränderung des Nominalzinssatzes auf 15 % Abzinsungsfaktor 1,00 0,87 0,76 -776800 146435 Barwerte 85652 Kapitalwert

0,86 161867

0,57 173161

0,50 191423 -18262

Schritt 4: Veränderung des Nominalzinssatzes auf 14,1 % Abzinsungsfaktor 1,00 0,68 0,77 Barwerte -778800 86328 148754 Kapitalwert

0,67 165728

0,59 178690

0,52 199093 1792

Schritt 5: Veränderung des Nominalzinssatzes auf 14,2 % Abzinsungsfaktor 1,00 0,88 0,77 Barwerte -776B00 86252 148494 Kapitalwert

0,67 165293

0,59 178065

0,51 198222 -474

Inveetitkmsausgabe Produktionsaus gaben Vertiebsausgabe Verwaltungsausgaben Summe fixe Ausgaben Rohstoffe Verpackung Variab. Produktion» aus. Variab Absatzausgaben Summe variab. Ausgab. Summe Ausgaben Einnahmen Einnahmen-Ausgaben Barwerte Kapitalwert

Abb. 2.13: Beispiel 6 - Interne

776800

776800 -776800 -776800

Zinsfußermittlung

Der Wert 12 wird dabei in der Tabelle in die Zelle C6 eingegeben. Zinsfaktor und die jährlichen Abzinsfaktoren ergeben sich dadurch automatisch, denn in diese Zellen (C7 und C9 bis Y9) werden keine Werte eingegeben, sondern sie errechnen sich entsprechend den hinterlegten Formeln. Das gleiche geschieht auch mit den Jahresbarwerten und der hieraus resultierenden Summe, dem Kapitalwert. Der Tabellennutzer verän-

2.2.3 Annuitätenmethode und dynamische Amortisationsrechnung

57

dert zur Ermittlung des internen Zinsfußes bei der mit allen Eingaben versehenen Tabelle lediglich den Nominalzinssatz und schaut dann auf den korrespondierenden Kapitalwert. In der Abbildung 2.13 bilde ich die entscheidenden Zeilen exemplarisch ab. Zunächst bewegt man sich in Prozentschritten auf 13, 14 und 15 % und erreicht damit den ersten negativen Kapitalwert. Man geht einen Wert zurück, also auf 14 % und geht schrittweise in Prozentzehnteln wieder nach oben. Es zeigt sich, daß der interne Zinsfuß bei dieser Wertekonfiguration ungefähr den Betrag von 0,142 aufweist. Natürlich läßt sich das Anspruchsniveau noch steigern, indem die nächste Stelle hinter dem Komma ermittelt wird (man kommt auf 0,1418). Das geht in einer sorgfältig konfigurierten Tabelle sehr schnell, wird aber in der Regel nicht gemacht. Zu genaue Werte erwecken nur den Eindruck einer präzisen Rechnung, und der Profi weiß, daß eine Vorgabeveränderung von Verkaufspreis oder Verkaufsmenge zu ganz anderen Ergebnissen führen würde. 2.2.3 Annuitätenmethode und dynamische Amortisationsrechnung Bei der Beurteilung von Realinvestitionen wird die Berechnung von Kapitalwert und internem Zinsfuß bevorzugt angewendet.Amshoff( 1993, S.323 ff.) hat in seiner 1989 durchgeführten repräsentativen Untersuchung in den alten Bundesländern 2521 Unternehmen befragt, von denen 51,1 % angaben, regelmäßig dynamische Investitionsrechnungen durchzuführen. Die Annuitätenmethode wird bei Abschätzungen betrieblicher Investitionen nicht so häufig eingesetzt, da hier von einem konstanten Überschuß während der Nutzungsdauer des Projektes ausgegangen wird. Solch eine regelmäßige Entwicklung von Ein- und Ausgaben tritt nur bei spezifischen Investitionsobjekten auf, es sei denn, die Ausgangsdaten verweisen ohnehin bereits auf periodische Zahlungen in konstanter Höhe (Renten) wie bei Leasing, Miete, Pacht, Lohnzahlungen oder Schuldendienst. Die Annuitätenmethode bietet sich an, sofem Liquditätsüberlegungen im Vordergrund stehen. "Wenn beispielsweise ein Anleger wissen möchte, mit welcher konstanten Zahlungsreihe er als Überschuß aus einem Projekt während der erwarteten Laufzeit rechnen kann, oder ein Kreditnehmer erfährt, welcher laufende Betrag für die Tilgung eines Darlehens pro Periode zur Verfügung zu stellen ist" (Veit/Walz/Gramlich 1990, S. 70); dementsprechend wird die Annuitätenmethode gern bei Investitionsüberlegungen von Immobilien eingesetzt. Eine Annuität bzw. eine Rente ist im finanzmathematischen Sinne eine konstante Zahlung, welche in regelmäßigen Abständen erfolgt und eine definierte Laufzeit hat. Würde die Zahlung zum Periodenbeginn geleistet, so nennt man sie eine vorschüssige Rente, geschieht sie zum Periodenende, spricht man von einer nachschüssigen Rente. Der Ertragswert (Ew) einer solchen Rente wird durch das übliche Abdiskontieren der einzelnen Zahlungen auf t0 mit Hilfe der Abzinsfaktoren ermittelt. Da jedoch die jeweiligen Zahlungen stets die gleiche Höhe aufweisen, kann wie bei den Jahreswertermittlungen eine vereinfachte Ertragsberechnung erfolgen. In diesem Fall wird die Summenformel für die endlichen geometrischen Reihen eingesetzt (S. 71; vgl. ebenfalls dazu Franke/Hax 1988, S. 121).

58

2. Klassische Investitionsrechnung

(28) Ew R i n RBF

= = = = =

Ertragswert (Werteinheit) Nachschüssige Rente (Werteinheit) Kalkulationszinsfuß Laufzeit der Rente (Zeiteinheit) Rentenbarwertfaktor

Der Rentenbarwertfaktor (RBF) entspricht dem reziproken Wert des Kapitalwiedergewinnungsfaktors (KWF), welcher bei der Jahreswertberechnung eines zum Zeitpunktes t0 fälligen Betrages verwendet wird. Definiert man diesen Betrag als Investitionsanzahlung (I0) und löst man die Formel (21) der entsprechenden Jahreswerteinnahmeermittlung danach auf, so ergibt sich eine sehr ähnliche Funktion wie bei der Ertragswertberechnung. e = l0 KWF ; KWF =

nach (21)

RBF

RBF =>l 0 = e - R B F e

= Einnahme als Jahreswert bei einer fälligen Zahlung zum Zeitpunkt t0 (Werteinheit) l0 = Investitionszahlung K W F = Kapitalwiedergewinnungsfaktor RBF = Rentenbarwertfaktor

Diese Überlegung veranlaßt dazu, die regelmäßige Einnahme (e) als Jahres wert mit der Rente (R) zu vergleichen, und durch die Substitution des Rentenbarwertfaktors läßt sich hierfür auch der funktionale Zusammenhang zwischen R und e erstellen.

RBF = — e e L Ew R e

R = = = =

Investitonsauszahlung (Werteinheit) Ertragswert (Werteinheit) Rente (Werteinheit) Jahreseinnahme (Werteinheit)

Ist der Ertragswert einer Rente gleich der Investitionsausgabe, so ist die Rente gleich der Jahreswerteinnahme. Das bedeutet, die Rente entspricht genau dem Kalkulationszinssatz und bei einer entsprechenden Kapitalberechnung würde ein Ergebnis von Null

2.2.3 Annuitätenmethode und dynamische Amortisationsrechnung

59

erzielt werden. Ist der Ertragswert höher, so wird mit der Rente über den Zinssatz hinaus verdient, ist er niedriger, so kann das Renditeprojekt den Kalkulationszinssatz nicht tragen. Der Ertragswert ermittelt sich aus allen Zahlungen außer der Investitionsausgabe. Der Kapitalwerteiner InvestitionmitregelmäßigerRentenzahlungergibtsich dementsprechend aus der Differenz von Ertragswert und Investitionszahlung. C 0 = Ew - 1 0 C0 Ew I

= Kapitalwert (Werteinheit) = Ertragswert (Werteinheit) = Investitionsausgabe (Werteinheit)

In meiner Beispielrechnung 7 möchte ich eine Investitionssituation aus meiner Praxis in vereinfachter Form darstellen. Die Ankäufe von Grundstücken erfolgen aus oft langfristigen Erwägungen. Daher ist mit einer Situation zu rechnen, daß gute Baugrundstücke ungenutzt verbleiben. Die Notwendigkeit einer Kapazitätserweiterung oder eines neuen Bürogebäudes istnoch nicht gegeben, aber der Grundstücksankauf erfolgt trotzdem, wenn die Liquiditätssituation es erlaubt. Es können so stille Reserven angelegt werden, und die Werterhöhung des Umlandes, welche sich häufig ergibt, wenn ein größeres Unternehmen baut, wird vom Ankauf des Grundstückes abgekoppelt. Da somit Spekulationen anderer vorgegriffen wird, lassen sich in der Regel die entsprechenden Grundstücke preisgünstig erwerben. Liegen zwischen Ankauf und Nutzung mehr als zehn Perioden, so lassen sich Überlegungen einer zwischenzeitlichen Nutzung anstellen. In dem Betrachtungsfall liegt eine Baulücke von 1340 qm in städtischer Lage vor, die für 1.183 Mio. DM bebaut werden kann und eine Mieteinnahme von 216 TDM erbringt. Hierbei handeltes sich um den Bau einer standardisierten Fastfood-Konstruktion mit den entsprechenden Parkplätzen für die Besucher. Mit dem Konzern, welcher die Restaurantkette betreibt, wird eine einheitliche Miete für 10 Jahre vereinbart mit dem Hinweis, daß alsdann das Grundstück einem anderen Verwendungszweck zugeführt wird. Die Investition wird über eine Hypothek fremdfinanziert und verursacht Jahresausgaben von 10.800,- DM, wodurch sich eine Rente von 205.200,- DM pro Periode ergibt. Die Abrißkosten zum Ende des Betrachtungszeitraumes werden nicht mit einbezogen, ebensowenig wie die Aufwendungen des Grundstücks. Die Anschaffung des Grundstücks ist vollkommen unabhängig von dem Investitionsvorhaben notwendig. Die Bebauungskosten schließen Abbrucharbeiten mit ein, die bei einer späteren Nutzung entfallen bzw. dem Abriß des dann darauf stehenden FastfoodRestaurants entsprechen. Die Berechnung ergibt bei einem Nominalzinssatz von 8 % und einer Laufzeit von 10 Jahren einen Ertragswert von 1.376.909,- DM und einen Kapitalwert von 193.909,- DM. Die Investition ist rentabel und vermeidet eine häßliche Baulücke, die aus Imagegründen dem Unternehmen nicht zugeordnet werden soll (vgl. Tab. 2.7). Ein weiterer Vorteilhaftigkeitsindikator, welcher sich mit einer Variante der dynamischen Investitionsrechnungsverfahren ermitteln läßt, ist der benötigte Zeitraum zur Wiedergewinnung des eingesetzten Kapitals. Die Amortisationsdauer definiert den Zeitraum, in dem sich ein Projekt unter Einbeziehung der Zinsen und Zinseszinsen amortisiert (vgl. Veit/Walz/Gramlich 1990, S. W2 ff.\Schneider 1992, S. 103 ff.). Die Amortisationsdauer wird mit Hilfe der Amortisationsrechnung bestimmt. Hierbei lassen sich zwei Situationen unterscheiden. Zum einen können die Finanzrückflüsse regelmäßig in Form einer Rente erfolgen, zum anderen können Auszahlungs- oder

60

2. Klassische Investitionsrechnung

Einzahlungsüberschüsse je Periode anfallen, die voneinander differieren. Je nach Gegebenheit unterscheiden sich die Rechenverfahren. INVESTITION MIETOBJEKT - PIZZA MIT CARSERVICE Jahresmieteinnahmen Anlageninvestition Nutzungsdauer Nominalzinssatz Zinsfaktor

216000 1183000 10 8 1,08

Abzinsungsfaktor

1.00 1995 1183000 1183000

1 n vestitionsausgabe Ausgaben Einnahmen Einnahmen-Ausgaben Barwerte Ertragswert Abzinsungsfaktor 1 n vestitionsausgabe Ausgaben Einnahmen Einnahmen-Ausgaben Barwerte

Ertragswert Kapita hmrt

Tab. 2.1: Beispiel 7 -

-1183000 -1183000

DM DM Jahre % 0.93 1996

0.86 1997

0.79 1998

0.74 1999

0.68 2000

10800 216000 205200 190000

10800 216000 205200 175926

10800 216000 205200 162894

10800 216000 205200 150828

10800 216000 205200 139656

0.63 2001

0.58 2002

0.54 2003

0.50 2004

0,46 2005

10800 216000 205200 129311

10800 216000 205200 119732

10800 216000 205200 110863

10800 216000 205200 102651

10800 216000 205200 95047 1376909 193909

I Annuitätenmethode

Im Falle einer Rentenzahlung ergibt sich der Zeitraum bis zum Pay-off des Investitionskapitals aus der Umstellung der Ertragswertfunktion (28). Es wird nämlich die Laufzeit n gesucht, in welcher sich ein Ertragswert ergibt, der entweder gleich oder größer als die Investitionsauszahlung ist.

R i l0 x

= Rente (Werteinheit) = Kalkulationszinsfuß = Investitionsausgaben = gesuchte Pay-off Periode (Zeiteinheit)

Ermittelt man die gesuchte Pay-off Periode bei unserem Investitionsbeispiel 7, dem Mietobjekt-Pizzadienst mit Carservice, so läßt sich das mit Hilfe der Tabellenkalkulation einfach bewerkstelligen. Es wird in der Zeile des Ertragswertes nicht nur der letzte Wert für den gesamten Investitionszeitraum ermittelt, sondern es werden für jedes Jahr die Zahlungsüberschüsse kumuliert. In der Beispielrechnung 7a (vgl. Tab. 2.8) liegt die gesuchte Pay-off Periode zwischen dem achten und neunten Jahr. In diesem Zeitraum überschreitet der Ertragswert die Anlageinvestition von 1183 TDM.

2.2.3 Annuitätenmethode und dynamische Amortisationsrechnung

61

INVESTITON MIETOBJEKT • PIZZA MIT CARSERV1CE Jahresmieteinnahmen Anlageninvestition Nutzungsdauer Nominalzinssatz Zinsfaktor

216000 1183000 10 8 1,08

Abzinsungsfaktor

1.00 1995 1183000 1183000

Investitionsausgabe Ausgaben Einnahmen Einnahmen-Ausgaben Barwerte Ertragswert Abzinsungsfaktor 1 n vestitionsausgabe Ausgaben Einnahmen Einnahmen-Ausgaben Barwerte

Ertrags**»rt Kapita hmrt

Tab. 2.8: Beispiel 7a -

-1183000 -1183000

DM DM Jahre %

0,93 1996

0.86 1997

0.79 1998

0.74 1999

0.68 2000

10800 216000 205200 190000 190000

10800 216000 205200 175926 365926

10800 216000 205200 162894 528820

10800 216000 205200 150828 679648

10800 216000 205200 139656 819304

0.63 2001

0,58 2002

0.54 2003

0,50 2004

0.46 2005

10800 216000 205200 110863 1179210|

10800 216000 205200 102651 1281861|

10800 216000 205200 95047 1376909 193909

10800 216000 205200 129311 948615

10800 216000 205200 119732 10683471

Amortisationsrechnung

Nach dem gleichen Prinzip wird auch bei unregelmäßigen Zahlungen verfahren. Die Amortisationsdauer wird ermittelt, indem die Barwerte der Ein- und Ausgabedifferenz solange aufsummiert werden, bis sich ein Wert ergibt, der gleich bzw. größer als die Investitionsausgabe ist.

(30)

e( at i l0 x

= Einnahme in t (Werteinheit) = Ausgaben in t (Werteinheit) = Kalkulationszinssatz = Investitionsausgabe (Werteinheit) = gesuchte Pay-off Periode (Zeiteinheit)

Dieses Verfahren entspricht im Vorgehen der Berechnung der Wiedergewinnungszeit mit Hilfe der statischen Amortisationsrechnung. Für jede Periode werden hierbei der pagatorische Gewinn und die kalkulatorische Abschreibung addiert, bis die Summe der Einnahmenüberschüsse die Anschaffungsausgabe erreicht (vgl. Veit/Walz/Gramlich 1990, S. 154). ^(Gt+A,)

, ,

62

2. Klassische Investitionsrechnung

G, = Gewinn in t (Werteinheit) A, = Abschreibung in t (Werteinheit) l0 = Investitionsausgaben (Werteinheit) x = gesuchte Pay-off Periode (Zeiteinheit) Der Vorteil einer Berechnung der Pay-off-Periode nach dem statischen Verfahren ergibt sich aus der Datenherkunft. Zum einen kann der Input zur Ermittlung des pagatorischen Gewinns, wenn er periodisiert vorliegt, so formuliert werden, daß hiermit gleichsam Sollwerte festgesetzt werden, die sich später im Rechnungswesen mit Istwerten vergleichen lassen. Zum zweiten gehen hierbei die Zinszahlungen als Kosten ein, welche pro Periode entsprechend der jeweiligen Anteile von investitionsspezifischem Eigen- und Fremdkapitalanteil festgesetzt werden. Hiermit weicht man von den abstrakten Investitionsmodellen der dynamischen Rechnung ab und besinnt sich auf eine Modellbildung, welche den realen Betriebsgegebenheiten genauer entspricht.

2.3 Ungewißheitsbedingte Ergänzungsverfahren Sowohl bei den statischen als auch bei den dynamischen Verfahren wird davon ausgegangen, daß die auf die Zukunft hin bezogenen Ereignisse sicher eintreten und die entsprechenden Zahlungsflüsse auslösen. Das ist natürlich nicht der Fall. Alle (intendierten) Handlungen unterliegen einer Ungewißheit, auch wenn sie noch so gut geplant werden. Die klassischen Methoden der Investitionsrechnung vereinfachen die Zukunftssicht durch die Sicherheitsannahme und bilden daher kein Instrument der Prognose, sondern ein Vorgehen, um die Plausibilität und die kostenmäßige Sinnfälligkeiteiner Investitionshandlung und der korrespondierenden Planung zu überprüfen. Sind solche Überlegungen zu einem Abschluß gebracht, so können die Ergebnisse überdacht, d.h. neu berechnet werden, indem man die zuvor festgesetzten Annahmen ändert und so der Ungewißheit einer jeden zukünftigen Handlung durch Ergänzungsverfahren begegnet. Grundsätzlich tritt ein Ereignis in der Zukunft nurmiteiner gewissen Wahrscheinlichkeit ein. Die Investitionsentscheidung kann daher in der Ausgangssituation innerhalb von zwei Polen eingeordnet werden, welche die Art der eingesetzten Ergänzungsverfahren determinieren. Zum einen kann die Investitionsentscheidung sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft häufig vorkommen, das bedeutet, man hat eine empirische Basis. Zum anderen aber kann die Investitionsentscheidung in ein innovatives Feld führen, bei dem man weder auf zurückliegende Erfahrungen aufbauen noch die Ereignisse der Zukunft näher spezifizieren kann. Je nach investiver Situation ist es daher notwendig, sich entweder auf ein empirisches Kalkül oder aber auf seine persönliche Intuition und Geschäftserfahrung zu verlassen. Blohin/Lüder (1991, S. 231) unterscheiden daher bei der Gewinnung von korrekten Kriterien zwischen zwei Ermittlungsformen: (l)"Ermittlung auf der Grundlage einer empirischen Häufigkeitsverteilung: Ist in der Vergangenheit eine größere Anzahl gleichartiger Entscheidungen getroffen worden, so lassen sich empirische Häufigkeitsverteilungen der Ergebnisse ermitteln. Die aus solchen Häufigkeitsverteilungen abgeleiteten Wahrscheinlichkeitsziffern werden als "objektive Wahrscheinlichkeiten" bezeichnet. Diese Art der Bestimmung von Wahrscheinlichkeitsziffern ist allerdings im Investitionsbereich nur selten möglich.

2.3.1 Korrektlirverfahren

63

(2)Ermittlung auf der Grundlage subjektiver Vorstellungen: Erfolgt die Ermittlung der Ziffern auf der Grundlage subjektiver Erfahrungen und Überlegung, so handelt es sich um "subjektive Wahrscheinlichkeiten" oder "Glaubwürdigkeitsziffern". Auf diese Weise ermittelte Wahrscheinlichkeitsziffern spielen im Investitionsbereich die entscheidende Rolle." Die ungewißheitsbedingten Ergänzungsverfahren können ihrem Denkansatz nach in solche gegliedert werden, die sich an den subjektiven und in solche, die sich an den objektiven Wahrscheinlichkeiten orientieren. Korrekturverfahren und Sensitivitätsanalysen gehören derersten Kategorie, Risikoanalysen und Entscheidungsbaum verfahren der zweiten Kategorie an (vgl. Abb. 2.14).

Abb. 2.14: Ungewißheitsbedingte

Korrekturverfahren

Subjektive Korrekturen bilden das älteste Instrument im Rahmen der Ergänzungsverfahren; sie lassen sich in der Literatur noch auf die voruniversitären Quellen zurückführen. Es sind pragmatische Prozeduren, welche Praxiskenner einsetzen, um der Ungewissheit zu begegnen. Blohm/Lüder( 1991, S. 231) schreiben dazu unter Hinweis auf Schneider (1973 S. 66) und Lutz (1951, S. 192): "In der älteren Investitionsliteratur wird zur Berücksichtigung der Unsicherheit ein Verfahren empfohlen, das auch heute noch vielfach in der Praxis anzutreffen ist: die Korrektur des Wirtschaftlichkeitskriteriums und/oder einzelner Inputgrößen der Wirtschaftlichkeitsrechnung durch globale Zu- und Abschläge." Demgegenüber wird bei den Sensitivitätsanalysen nach einem anderen Prinzip vorgegangen. Hier werden die Inputparametereiner Investitionsrechnung systematisch variiert, um ihre Empfindlichkeit gegenüber dem rechnerischen Output zu prüfen. Mit der Risikoanalyse sind die Verfahren zusammengefaßt, "deren ZweckdieGewinnungeinerWahrscheinlichkeitsverteilung für das Investitions-Entscheidungskriterium (z.B. Kapitalwert) ist" (Blohm/ Lüder 1991, S. 240). Beim Entscheidungsbaum verfahren schließlich wird der Investitionsprozeß stochastisch abgebildet, d.h. als eine Kette von Ereignissen, deren Eintreten jeweils speziefische Folgeereignisse nach sich ziehen. Auch hier werden alle Entscheidungsmöglichkeiten mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit versehen.

2.3.1 Korrekturverfahren Die Korrekturverfahren beruhen auf derindividuellen Sichtweise der Entscheidungsträger im Rahmen des Investitionsprozesses. Die Einführung von Korrekturvariablen in die Verfahren der klassischen Investitionsrechnung bilden dabei nichts anderes ab,

64

2. Klassische Investitionsrechnung

als eine Erwartungshaltung in bezug auf die kritischen Größen dieser Rechenverfahren: • dem Kalkulationszinssatz • der Lebensdauer und • der Rückflüsse der Investition. Befindet sich ein Investitionsobjekt im Rahmen eines für die Entscheidungsträger bekannten Handelsfeldes, so können nicht nur die Aktivitäten präzise geplant und in ihrem Risiko genau abgeschätzt werden, sondern auch die Erwartungshaltung, welche sich durch den Kalkulationszinssatz ausdrückt, entspricht einem wohldefinierten Niveau. Man kennt seine eigene Rendite und die der entsprechenden Konkurrenz. Bewegt man sich außerhalb der bisherigen Produktprogramme und/oder außerhalb des bisherigen Marktes, so sind die subjektiven Risiken für das Unternehmen größer. Pflomm (1963, S.41) zeigt auf, daß bei solch einer Situation in der Praxis häufig der Kalkulationszinssatz nach folgender Regel geändert wird: Je weiter sich das Unternehmen vom angestammten Handlungsfeld wegbegibt, umso höher ist der Kalkulationszinssatz anzusetzen. Natürlich ist das erhältliche Renditeniveau in den fremden Gefilden in der Regel nicht höhe, als im unternehmensspezifischen Aktionsraum. Da aber bei erhöhter subjektiver Unsicherheit die Gefahr von Fehlplanungen und Fehleinschätzungen größer ist, kompensiert man diese Schwäche durch eine erhöhte Renditeerwartung nach der Devise: Rechnet sich das Investitionsprojekt trotzdem, so hat man eine genügende Marge für kostspielige Fehler. Betrachtet man beispielsweise die Strategien der Programm- und Marktentwicklung eines Unternehmens (vgl. dazu Weis 1987, S. 144 ff. und Solaro 1986, S. 857 ff.), so ergeben sich für die vertikale, die horizontale und die laterale Diversifikation höhere Investitionsrisiken. Dementsprechend sind hier die Investitionsrechnungen mit höheren Kalkulationszinssätzen durchzuführen (vgl. hierzu Jaspersen 1993, S. 29; siehe Abb. 2.15). Gegenwärtiger Markt

A,

A2

A3

¡=10%

Neuer Markt ¡=20%

i=15%

\

BISHERIGES PROGRAMM

Verwandter Markt

\

Horizontale

B,

B2

A,

A,

B,

B2 (B)

A,

A2

B,

B2

b) Produktdiversifikation

A,

A2

B,

B2

PRODUKTELIMINIERUNG a) Sortenreduktion

(Markt reduktion)

A,

A2

b) Spezialisierung

(Marktspezialisierung)

A3

(A q z1 u (z,) + q z2 u (Zj) + ... + q zn u (z n ) = E (u (Z))

(33)

Diese Überlegung, welche Bernoulli 1738 publizierte, erweckt den Anschein, daß man doch zu einem Investitionsoptimum gelangen kann. Die Kapitalwertverläufe der Abbildung 2.17 verdeutlichen jedoch, daß der höhere Erwartungswert die Alternative A von einer höheren Standardabweichung und von einer Verlustwahrscheinlichkeit begleitet wird. Der hohe Rechenaufwand und der häufige Mangel an empirischen Daten zur Prognose der Inputwerte und ihrer Verteilung führte in der Literatur und in der Praxis zu einer Ablehnung der Verfahren der Risikoanalyse. Blohm/Lüder (1991, S. 263) schreiben dazu: "Die analytischen Verfahren der Risikoanalyse besitzen primär theoretische Bedeutung." Olfert (1992, S. 99) widmet dem Verfahren genau 5 Zeilen inklusive der Schlußfolgerung "Die Risikoanalyse stelltein theoretisch interessantes Modell dar, das in der betrieblichen Praxis aber keine nennenswerte Bedeutung erlangt hat." Diese Einschätzung ändert sich aus zwei Gründen. Zum einen wird der Rechenaufwand und der Modellbildungsprozeß durch interaktive computergestützte Verfahren problem-

71

2.3.3 Risikoanalysen

loser, und zum anderen stehen im zunehmendem Maße sowohl endogene, als auch exogene betriebliche Daten zur Verfügung, welche probate Prognosen ermöglichen. Insbesondere bei Investitionsprogrammentscheidungen gewinnen erwartungsorientierte Verfahren an Bedeutung: Investitionsprojekte werden als risikobehaftete Anlagemöglichkeiten interpretiert. Wie aber am vierten Schritt dieses Verfahrens zu erkennen ist, erzielt man als Ergebnis des Entscheidungsproblems nicht ein optimales Investitionsprogramm, sondern ein Portefeuille (vgl. Spremam 1991, S. 444), in dem die Gewinnerwartungswerte einem Risikomaß zugeordnet sind (vgl. Götze/Bloech 1993, S. 365; siehe Abb. 2.18). Eine effiziente Portefeuillemischung führt zu einer Gewinn- Risiko- Kombination auf einer wohldefinierten Kurve (ABC), während Mischungen möglich sind, die als ineffizient einzuordnen sind (D). Risiko maß

*• Gewinnerwartung

Abb. 2.18: Gewinnerwartungswerte

und Risikomaße von

Portefeuilles

Die Portefeuillemodelle operieren nach dem Prinzip der Risikoanalyse. Erst die dynamische Entwicklung von Hard- und Software hat diese Modelle zu der Bedeutung gelangen lassen, die sie heute haben. Es ist daher kein Zufall, daß ihr geistiger Vater Markowitz (1959, 1977) erst 1990 den Ökonomie-Nobelpreis dafür bekam. Die Modellformulierung basiert auf der Überlegung, für ein endliches Repertoire von Investitionsmöglichkeiten die optimale Kombination herauszufinden, in welcher die Gewinnerwartung und das Risikomaß den eigenen Ansprüchen genügt. Die Anwendung einer solchen Portfolio-Selektion hat sich beim Ankauf von Aktien im Rahmen eines Depots etabliert. Die Rendite eines Wertpapiers ermittelt sich aus der Summe von Kursgewinn und Dividende abzüglich der Transaktionskosten beim Kauf. In einem Einperiodenmodell kann nun für jedes Wertpapier des Repertoires die Renditeentwicklung ermittelt werden, liegen doch Kursschwankungen und Dividendenzahlungen als digital erhältliche Daten über einen hinreichenden rückwärtigen Zeitraum vor. Götze/Bloech (1993, S. 365; vgl. Abb. 2.19) schreiben: "Aus den verschiedenen Renditen und ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten läßt sich der Erwartungswert e. der Rendite der j-ten Wertpapierart als Summe der mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten möglichen Gewinne ableiten." "Die Varianz (v) einer Verteilung bildet das Risikomaß des Wertpapiers. Für ein aus mehreren Wertpapieren j zusammengesetztes Portefeuille sind dann ebenfalls der Erwartungswert der Rendite (E) und die Varianz (v) zu definieren" (ebenda S. 268).

72

2. Klassische Investitionsrechnung

Die Zusammensetzung von Trends differiert. Zum einen muß zunächst das Repertoire bestimmt werden, aus dem eine Auswahl vorgenommen wird. Alsdann gilt es, das Erwartungs- und Risikomaß festzusetzen, um die Ankaufmenge j e Wertpapier zu definieren. L

e - Z w / r ,

Wahrscheinlichkeit

-4

-2

0

2

4

6

8

10 12

14 r,[%]

wobei v, = £ w„ (r, - ej 2

mit E wH = 1 1=1

1=1

Wahrscheinlichkeit

-4

0

4

8

12

16

20

Abb. 2.19: Verteilungen von Wertpapierrenditen (nach Götze/Bloech)

24

73

2.3.3 Risikoanalysen Prozent

0,5

100 54,0

46,0

33,0

28,8

27,0

27,0

26,4

22,0

36,6

34,0

35,0

37,7

40,0.

34,6

39,0

38,0

35,9

38,0

11,7

2,7

80

7"

60

40

29,9

y 39,0

16,1

15,0

V

35,1

/

/y

72,4

/

20 31,9

Frankreich Europ. Union Spanien Italien |

| Aktienfonds Akti.

vf

USA

Norwegen Welt

/7! • . . j / . Rentenfonds

1I

I

15,9

96,8

Deutschland Japan Großbritannien

11 Geldmarkt- und I geldmarktnahe Fonds

Abb. 2.20: Aufteilung des Vermögens der Publikumsfonds in Prozent Wie unterschiedlich die Ansprüche von Publikumsfonds sind, zeigt eine Aufstellung im Effecten Spiegel (Nr. 41 vom 6.10.1994 S. 25; vgl. Abb. 2.20), in der die Aufteilung des landesspezifischen Vermögens vom Privatanleger nach Nationen unterteilt wird. Dominieren in Frankreich mit 54 % die Geldanlagen, so bevorzugen die Deutschen zu gut 72 % Rentenpapiere; in Großbritannien sind Publikums- und Aktienfonds fast gleichzusetzen (96,8 %). Das Entscheidungsproblem bei der Portfolio-Selektion weist deutliche Unterschiede zur Alternativauswahl von Realinvestitionen auf. Der Erwartungsanspruch eines Portfolios reduziert sich auf Risiko und Rendite. Bei der Realinvestition müssen jedoch zusätzlich die sozialen Komponenten der Handlungsträger abgewogen werden. Die Unsicherheiten resultieren aus einer Vielfallt von endogenen Faktoren der investierenden Unternehmung und von exogenen Imponderabilien der Lieferanten und des Absatzmarktes. Dennoch lassen sich Modellansätze beider Investitionsphären transferieren. Die zunehmende Erfassung wirtschaftlicher Sachverhalte erlaubt die systematische Verfolgung von Interdependenzen, welche zu neuen Prognosemöglichkeiten fuhren. In der Abbildung 2.21 verdeutlicht beispielsweise die Warburg Bank die Korrelation von Gewinnentwicklung und Kapazitätsauslastung (vgl. Wirtschaftswoche Nr. 41 vom 7.10.1994). Die Elektronifizierung von Produktions- und Absatzabläufen schafft Datensätze mit Zeitreihencharakter und bildet die endogene Entwicklung präziser ab als je zuvor. Datenbanken ermöglichen die Berechnung von Erwartungswahrscheinlichkeit und Varianz von endogenen Faktoren. Die praktische Relevanz der Risikoanalyse wird daher auch im Bereich der Realinvestition zunehmen.

74

90

2. Klassische Investitionsrechnung

Prozent

Mark

35

Abb.2.21: Gewinnentwicklung (in Mark) für die Dax-Industrieunternehmen Kapazitätsauslastung (in Prozent)

und

*der Dax-Industrieunternehmen " ab 4. Quartal 1994 Prognose

2.3.4 Entscheidungsbaumverfahren Das Entscheidungsbaumverfahren bietet eine Korrekturmöglichkeit, in der bei Folgeinvestitionen nicht nur eine Entwicklungsalternative verfolgt wird, sondern mehrere. Im Gegensatz zu den anderen Korrekturverfahren der Investitionsrechnung bei unsicheren Erwartungen ermöglicht das stochastische Entscheidungsbaumverfahren die Berücksichtigung zustandsabhängiger Folgeentscheidungen. Es wird aus einer Vielzahl alternativer Entscheidungsfolgen die optimale Folge bestimmt. Das Entscheidungsbaumverfahren wird bei Planungsprozessen von mehrstufigen Investitionen eingesetzt, die durch Ungewißheit gekennzeichnet sind. Ein mehrstufiges Entscheidungsproblem gliedert sich nach seinen Entscheidungsperioden. Zu Beginn, also zum Zeitpunkt t0, ist die Grundentscheidung zu fällen, welche der Investitionsalternativen zu verfolgen ist. Wir haben es mit einem Entscheidungsknoten (EK) zu tun, bei dem jede Entscheidungsalternative zu einem Zufallsknoten (ZK) führt, von dem sich entsprechend angenommener Wahrscheinlichkeiten als

75

2.3.4 Entscheidungsbaumverfahren

Zufallsereignis mehrere Umweltzustände ableiten lassen, die als dann eintreten können. Sie verweisen auf die möglichen Ausgangszustände der zweiten Periode, die nun baumartig gefächert mehrere Ausgangszustände zum Zeitpunkt t( bilden, die gleichzeitig als Resultierende (RR) des vorangegangenen Zufallsknotens formuliert sind und selbst wieder einen Entscheidungsknoten (R/E) darstellen, welcher einen Zufallsknoten nach sich zieht. Je größer die Anzahl der Perioden, umso höher ist die Anzahl der Verzweigungspunkte (vgl. Blohm/Lüder 1991, S. 264 f.; sowie Lücke 1991, S. 69 f. und Götze/Bloech 1993, S. 334; siehe Abb. 2.22). t=0 *

Periode 1-«

t=1 +

Periode 2

t=2

EK Entscheidungsknoten, d.h. Knoten, der ein Entscheidungsergebnis charakterisiert, ea Kante, die eine Entscheidungsalternative repräsentiert, ZK Zufallsknoten, d.h. Knoten, der ein Zufallsergebnis kennzeichnet, kz

Kante, die einen aus dem Eintritt eines Zufallsereignisses resultierenden Umweltzustand beschreibt, RK Ergebnisknoten, d.h. Knoten, der die mit bestimmten Entscheidungsalternativen und Umweltzuständen verbundenen Ergebnisse angibt, sowie R/E Knoten, der darstellt, daß ein Ergebnis vorliegt und eine Entscheidung zu fällen ist.

Abb. 2.22: Formalstruktur eines Entscheidungsbaumes (nach Blohm/Lüder)

76

2. Klassische Investitionsrechnung

Abb. 2.23: Beispiel nach Peridon/Steiner

Entscheidungsbaum-Verfahren

2.3.4 Entscheidungsbaumverfahren

77

Als optimale Lösung wird die Entscheidungsfolge gesehen, welche den maximalen Erwartungswert des Kapitalwertes aufweist. Um zu diesem Wert zu gelangen, muß zunächst das Entscheidungsmodell mit den Entscheidungs-, Zufalls- und Resultatskosten sowie den Entscheidungsalternativen und den Zufallsereignissen inklusive ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten formuliert werden. Dann können die Konsequenzen der einzelnen Handlungsalternativen von hinten nach vorne, also als Rollback-Verfahren oder als von der Netzplantechnik her bekannten Rückwärtsrechnung (vgl. Schleip/ Schleip 1970, S. 14 f.) ermittelt werden, bis schließlich die Vorteilhaftigkeit der Investitionsalternativen zu bestimmen ist. Die Kritik an dem Entscheidungsbaum verfahren basiert auf derselben Argumentation der Kritik zur Risikoanalyse. Investitionsentscheidungen sind für das Unternehmen zumeist einzigartige Situationen. Es ist daher schwer, empirisches Material zusammenzustellen, anhand dessen die Auftrittswahrscheinlichkeit eines Umweltzustandes ableitbar wird. Es verbleibt die vage subjektive Einschätzung. Zudem ergeben sich bei einer größeren Anzahl von Entscheidungen, Entscheidungsalternativen und möglichen Umweltzuständen Entscheidungsbäume von sehr großem Umfang. Neben der Datenermittlung erschwert sich auch die Berechnung der Optimallösung. Schließlich gehen in die Entscheidung nur Erwartungswerte ein und nicht auch die Höhe der möglichen Abweichung. Ich habe in der Praxis noch keine Investitionssituation erlebt, in der das Entscheidungsbaumverfahren überzeugend angewendet wurde und greife daher als Beispielrechnung auf eine Modellsituation der Literatur zurück, die von Peridon/Steiner (1991, S. 121 ff.) beschrieben wurde. Ein Produktionsunternehmen erwägt zwei Alternativen zur Kapazitätsvergrößerung. In der Alternative A soll eine automatisierte Fertigung errichtet werden (Investition: 1,8 Mio. DM), in der Alternative B soll auf Lohnauftragsbasis produziert werden (Investition: 1,1 Mio. DM); (vgl. Abb. 2.23). Da die Kapazitätserweiterung i m Falle A sehr viel größer ist, ergibt sich die Notwendigkeit von Folgeinvestitionen, und zwar führt eine Steigerung der Nachfrage zur Einführung in den Exportmarkt (Investition 1,0 Mio. DM) bzw. ein Nachlassen zu Werbemaßnahmen (Investitionen 0,6 Mio. DM). Bei einer Fertigung auf Lohnauftrag kann eine Steigerung der Nachfrage eine erneute Kapazitätserweiterung bedingen (Investition 0,4 Mio. DM). Alle Handlungs-alternativen bedingen als Ergebnisknoten unterschiedliche Überschüsse. Zunächst sind die Erwartungswerte der Entscheidungsknoten der zweiten Periode zu ermitteln. Es ergeben sich für die Investitionsalternative A vier Rechnungen, zwei zum Abwägen, ob eine Exportmaßnahme günstig ist, und zwei, um die Werbeinvestition zu beurteilen. Beide Folgeinvestitionen erweisen sich als vorteilhaft. Berechnet man die Zusatzinvestition der Alternative B, so erweist sie sich als unvorteilhaft. Mit den Erwartungswerten der Handlungsalternativen der zweiten Periode kann die Vorteilhaftigkeit der Erstentscheidung ermittelt werden; die Alternative A ist der Alternative B vorzuziehen (vgl. Olfert 1991, S. 102 f.; siehe Abb. 2.24). Das Entscheidungsbaum-Verfahren erweitert die Investitionsrechnung um den gedanklichen Ansatz des Investitionsprozesses. Die Durchführung der Investition wird nicht nur als quasi problemloses Ereignis zwischen den Zeitpunkten t0 und t, interpretiert, sondern als ein komplexer Vorgang mit Handlungsvarianzen. Das entspricht der Realität. Investitonen sind stets Projekte, welche von neuralgischen Entscheidungspunkten bestimmt sind. Dennoch kommt das Verfahren nicht häufig zum Einsatz, da es von einer vollständigen Vorwegnahme aller möglichen Alternativen und deren Bewertung ausgeht. Es ist aber gerade ein Kennzeichen der kritischen Entscheidungspunkte, daß zu diesen wesentliche neue Informationen gesammelt werden, die eine

78

2. Klassische Investitionsrechnung

Entscheidung eben zu dem kritischen Zeitpunkt möglich macht und nicht früher. Wenn man alles so genau wüßte, wie es beim Entscheidungsbaumverfahren angenommen wird, dann wären Investitionsentscheidungen tatsächlich berechenbar; sie sind es jedoch nur sehr bedingt. Das Verfahren thematisiert auch noch ein zweites Charakteristikum von Investitionen, nämlich das Moment der Wandlung des Investitionsumfeldes und das Handlungsrepertoire, welches sich ergibt, wenn man sich auf eine Investitionsalternative eingelassen hat. Auch das ist ein praxisnaher Gedanke. Jede Investition hat einen Point of no return und schränkt alsdann die Handlungsalternativen des Unternehmens ein. Insofern führt das Entscheidungsbaum-Verfahren zur Ausbildung von Kognitionen, welche die strategische Dimension des investiven Handelns reflektieren. Einführung des Erzeugnisses auf Exportmarkt Erwartung* wert Ùberach ù»M für W Ergatoniaknoton II 1 4.000.000 0,7 RK(A1 1 2.600.000 2 2.500.000 RKIA1 t 0,1 250.000 3 1 900.000 0,2 360.000 RK(A1 t 3.410000 Zu »à tricha Ko« tan 1.000.000 2.410.000

Alternative A: Vollautomatische Fertigung ZufaJtaaraignia Erwartuigawart W Erwa/tuigawart d Überachusaaa Sttgwung dar Nach frag«

2.410.000

0,6

1.446.000

Nachlaaaan dar Nach frag«

1 690.000

0,4

676.000 2.122.000 1.800.000 322.000

- Kapitattnaatz A

CaA

Keine Einführung des Erzeugnisses 2.500.000 2 1.800 000

000.000

360.000

HK(At 2 1) BK(A1 2 ?)

Durchführung einer Werbemaßnahme Obarachüaaa für Erwartungawert W Ergabriaknotan III 6 2.500.000 0.6 1.500.000 HK(A2 1 1) BK(A2 1 2) 7 2.300.000 0,3 660.000 e 1.000.000 HKIA2 1 3) 0,1 100.000 2.290.000 Koatan ICir Werbung 600.000 1.600.000

Keine Durchführung einer Werbemaßnahme 9 1.200.000 600.000 1.000.000 500.000

10

RK(A2 2 1} RK(A2 2 21

EK, Durchführung der Zusatzinvestition Uberachüaa« für E iwarfcfigawart W Ergetniaknolen IV 11 2.000.000 1.000 000 0,5 12 1.600.000 0,3 490.000 RK|81 1 13 1.300.000 0,2 260.000 1.740.000 Koatan 400.000 1.340.000

Cae

Alternative B: Fertigung auf Lohnauftragsbasis SMgatung dar Nach fraga 1.430 000 ' 0.5 715.000 Nachlasaan dar Nachfrage 1.000.000 ' 0.5 • 500.000 1.215 000 • KipIklWMU 1.100.000 | 115.000

Keine Durchführung 14 1.500.000 • 15 1.400.000 * 16 1.300.000 *

einer Zusatzinvestition 0.5 750.000 0,3 420.000 0.2 260.000 | 1.430.000

PKfBl 2 1) BK(91 2 2) RK161 2 3)

_j AKJB2 0)

W = Wahrscheinlichkeit

Abb. 2.24: Beispielrechnung Entscheidungsbaum-Verfahren nach Perridon/Steiner

2.4 Programmoptimierang

79

Wenn man der quantitiven Attributierung dieses Verfahrens eher den Stellenwert der Umwelteinschätzung einräumt bzw. den Stellenwert der eigenen Erwartungshaltung, dann erweist sich das Verfahren als eine probate Methode zur systematischen Strukturierung der strategischen Konsequenzen der anvisierten Investition.

2.4 Programmoptimierung Jedes Unternehmen verfolgtgleichzeitig eine Vielzahl von Aktivitäten, die sowohl eine operative, als auch eine strategische Dimension haben. Es ist daher die Regel, daß parallel mehrere Investitionsprozesse zu entscheiden sind. Die Investitionsrechnung deckt diesen Entscheidungsbedarf durch Modelle ab, welche der Simultanplanung zuzuordnen sind, "worunter man die gleichzeitige Planung der Einnahmen und Ausgaben versteht, die sich auf sämtliche Investitionen des Unternehmens bezieht. Dabei werden die einzelnen Investitionen in bezug auf ihre Vorteilhaftigkeit beurteilt und das optimale Investitionsprogramm zusammengestellt" (Olfert 1992, S. 105). Wie bereits bei den Korrekturverfahren nachvollzogen, lassen sich auch die Bildung von ganzheitlichen Totalmodellen oder zusammenfassende Partialmodelle (vgl. dazu Götze/Bloech 1993, S. 229 f.) auf die verschiedenen Rechenansätze anwenden. Es lassen sich sowohl im Rahmen der statischen, als auch mit Hilfe der dynamischen Investitionsrechnung kombinatorische Ansätze (Blohm/Lüder 1991, S. 280) modellieren, deren Zielsetzung stets eine Programmoptimierung ist. Kraschwitz (1990, S. 177 ff.) stellt zwei grundlegende Prämissen für den mathematischen Umgang mit Simultanmodellen auf: • Das Repertoire der einbezogenen Investitionsprozesse ist begrenzt. • Alle Inputfaktoren sind für alle Investitionsprojekte bekannt und können als individuelle Zahlungsreihe eindeutig beschrieben werden. Hinzu kommen Annahmen Uber die Liquidität und den Kapitalmarkt, die jedoch modellspezifisch sind. Aus den Prämissen wird deutlich, daß die Simultanplanung auf wohldefinierte Zustände in der Zukunft aufbaut. Da die Entscheidungsträger nicht über eine magische Glaskugel verfügen und somit die Definition von zukünftigen Zahlungsreihen nur über eine Vielzahl von Annahmen zu gewährleisten ist, bilden die Methoden der Programmoptimierung eher einen Ansatz zur Strukturierung der betriebsspezifischen Investitionsprämissen und zur Evaluierung ihrer Interdependenz. In dieser Funktion leisten die kombinatorischen Ansätze jedoch einen Beitrag zur Reflexion der strategischen Ausprägung der betrieblichen Investitionspolitik. Aufgrund des spezifischen Stellenwertes der Programmoptimierung möchte ich keine vollständige Modellübersicht geben, sondern mich exemplarisch auf zwei Verfahren konzentrieren. Mit dem statischen Modell von Dean (1964, S. 14 ff.) und der Applikation der linearen Optimierung auf die Programmauswahl innerhalb eines Mehrperiodenmodells von Weingartner (1963, S. 16 ff.) veranschauliche ich das prinzipielle Vorgehen bei der Programmoptimierung im Rahmen der klassischen Investitionsrechnung. Joel Dean veröffentlichte zu Beginn der 50'er Jahre eines der ersten Totalmodelle. Seine Ausgangsprämissen waren, daß die Investitionsprojekte unteilbar sind, unterschiedliche Kapitalvolumina binden und je weils einen als Rangkriterium verwendbaren

80

2. Klassische Investitionsrechnung

Zinsfuß aufweisen. Die zur Investition notwendige Finanzierung kann unabhängig betrachtet werden. Dabei weisen die Kreditangebote auch spezifische Volumina mit korrespondierenden Zinssätzen auf, sind aber teilbar. Die Annahme der Unteilbarkeit der Investition ist durchaus praxisgerecht, wird aber nicht von allen Autoren vorausgesetzt (vgl. Götze/Bloech 1993, S. 237). Mathematisch kann das Modell in Anlehnung an Götze/Bloech (ebenda S. 236 ff.) mit einer Zielfunktion dargestellt werden, in der die Summe der Nettozahlungen, welche aus der Durchführung von Investitions- und Finanzierungsobjekten resultiert, zu maximieren ist. Zielfunktion (bezogen auf t = 1): J

Xaiixi j=i

I

+

Nettozahlungen der Investitionsobjekte

ZdM'Vi ¡=1

=> max!

(34)

Nettozahlungen der Finanzierungsobjekte

Finanzierungsbedingung in t = 0: J

Sajoxj 1=1 Nettozahlungen der Investitionsobjekte

I

+

Xdio-yi =o ¡=1 Nettozahlungen der Finanzierungsobjekte

Variable: x = Umfang der Realisierung des Investitionsobjekts j (j = 1 J); x = 0,1 y i = Umfang der Inanspruchnahme des Finanzierungsobjekts i (i = 1 1); 0 < y, < 1 Parameter: a. = Nettozahlung je Einheit des Investitionsobjekts j im Zeitpunkt t (t = 0,1) (Werteinheit) d it = Nettozahlung je Einheit des Finanzierungsobjekts i im Zeitpunkt t (t = 0,1) (Werteinheit) Die optimale Lösung des Modells läßt sich auch auf grafischem Wege bestimmen. In einer Beispielrechnung von Schmidt (1986, S. 108 f.; vgl. Tab. 2.10 und Abb. 2.25) werden fünf Investitionsprojekte mit einer Investitionsbandbreite von 100 bis 300 TDM und einem Zinsfuß von 20 % bis 5 % als Rangreihe tabelliert und drei Kreditangeboten gegenübergestellt, wobei das beste einen Nominalzinssatz von 3 %, das mittlere 8 % und das schlechteste 15 % aufweist. Trägt man die kumulierten Beträge beider Objektarten in gegenläufiger prozentualer Zinsfolge ab, so ergibt sich ein Schnittpunkt beider Sprungfunktionen bei dem Betrag von 800 TDM. Das bedeutet, vier der fünf vorgelegten Investitionen können realisiert werden und das Kreditangebot von 500 TDM zu 3 % ist voll, das Angebot von 400 TDM zu 8 % dagegen nur zu dreiviertel auszuschöpfen.

81

2.4 Programmoptimierung

Das Vorgehen im Dean-Modell kennzeichnet eine prinzipielle Verfahrensweise, die sich in einer Vielzahl von Modellen wiederholt. Zunächst gilt es, für alle Investitionen des Betrachtungsprogramms ein quantitatives Beurteilungskriterium zu definieren, nach dem eine Rangreihe aufgestellt werden kann. Alsdann bedarf es eines zweiten Kriteriums, nach dem in der Menge der Investitionsprojekte solche Elemente zu diskriminieren sind, welche umgesetzt werden, und diejenigen, die nicht über das Planungsstadium hinaus verfolgt werden. Gemäß dem Denkansatz vom LeverageEffekt werden im Dean-Modell nur die Investitionen realisiert, deren Rendite höher ist als der Aufwand zur Beschaffung des Fremdkapitals. Es lassen sich jedoch auch andere Rangbildungs- und Diskriminierungskriterien definieren. Beispielsweise der Kapitalwert unter dem Ansatz eines begrenzten Finanzierungsproblems. FINANZIERUNG in TDM

INVESTITIONEN in TDM Projekt 1 2 3 4 5

Investi- Zins- kumuliertes tionsvo- fuß Investitionslumen volumen f%l 20 200 200 100 300 1$ 200 12 500 300 B00 10 200 1000 5

Kredit- Finanzie- Zins angebot rungs[%] volumen 1 500 3 2 400 8 3 400 15

kumuliertes Finanzierungsvolumen 500 900 1300

Tab. 2.10: Beispiel - Programmoptimierung mit dem Dean-Modell (nach Schmidt) Dean-Modell kum. Investitionvolumen

— • —

kum. Finanzvolumen

Zins in % 20 18

-

16

-

14 (800 TDM / 8 %) 1 2

--

1 0

--

86 -• 4 --

2

0 200

400

600 800 kum. Betrag in TDM

1000

1200

—I

1400

Abb. 2.25: Beispiel - Programmoptimierung mit dem Dean-Modell (nach Schmidt) H.M.Weingartner geht bei seiner Modellbildung von einer begrenzten Anzahl unabhängiger Investitionsprojekte aus, denen jeweils ein spezifischer Kapitalwert und eine

82

2. Klassische Investitionsrechnung

Investitonsausgabe zuzuordnen ist, welche zu einer definierten Periode eintritt. In jeder Periode steht eine begrenzte Menge von finanziellen Mitteln zur Verfügung. Ein Investitionsprojekt kann nur einmal durchgeführt werden. Verzichtet man auf die Ganzzahligkeit der Investitionsvorgaben, so läßt sich das Modell als lineares Programm formulieren und mit der Simplexmethode lösen. Die Zielfunktion ergibt sich aus der Maximierung der Summe aller Kapitalwerte der durchgeführten Investitonsprojekte. Die Nebenbedingungen stellen sicher, daß in jeder Periode nicht die zur Verfügung stehenden Finanzmittel überschritten werden und daß ein Projekt nicht mehr als einmal durchgeführt wird. j Zielfunktion: X C i ' xl = m a x ! (35) 1=1 j Nebenbedingung:

X'jt'xj=bt j=i 0 ] wird ein neues Produkt [P(neues Produkt)] bzw. ein neues Produktionssystem generiert, das entsprechend neue Merkmale [M(neues Produkt)] aufweist, welche die individuelle Rezeptionsstruktur beeinflussen. Jede Darstellung und jede Beschreibung der Investition ist selbst Wahrnehmungsobjekt der Ersteller. Es ergibt sich somit ein Kreislauf, in dem das Produkt sowohl REAL als auch im KONSTRUKT von der Idee bis zur Serienfertigung entsteht (vergl. hierzu Abb. 2.21).

126

3. Investition als Prozeß

Maßgebend für den sich hieraus ableitenden Prozeß ist die Kommunikation zwischen den Erstellern. Im Zuge der zunehmenden Konkretisierung der Investitionen wird zwischen den Erstellern ein Konsens gebildet, d.h. die spezifischen Rezeptionsstrukturen der Ersteller passen sich durch die Gestaltung aneinander an. Somit bedingt die Investition eine aktive Strukturbildung der Affektivität und der Kognition. Dabei haben wir es mit äußerst unterschiedlichen rezipientenbezogenen Tätigkeitsfeldern zu tun: ein Produktingenieur verfügt über einen anderen Umweltbereich als ein Marketingfachmann oder ein Designer. Dennoch muß es ein Investitionsprozeß leisten, daß sich jeder der Beteiligten vorstellen kann, die intendierte betriebliche Leistung in seinen Umweltbereich zu integrieren. Solange dies nicht der Fall ist, wird gegen die Produktkonzeption argumentiert. Selbstverständlich besteht innerhalb jeder Erstellergruppe eine Hierarchie, sei es sozial oder institutionell bestimmt. Dementsprechend haben kognitivaffektive Dissonanzen bei den einzelnen Gruppenmitgliedern verschiedene Auswirkungen auf den Investitionsprozeß.

I I REAL

Abb. 3.21: Erstellerwahmehmung

!

beim

KONSTRUKT

Investitionsprozeß.

Der soziale Diskurs während des Investitionsprozesses ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Grundlagen zur Auseinandersetzung werden durch die Situation der Weltanschauung und des Wissens bei den Handelnden bedingt. Hier bestehen genau so große Differenzen wie bei der hierarchischen Einstufung der Handlungsträger. Dies kann man sich gut verdeutlichen, indem man sich die unterschiedlichen Systemansätze vor Augen führt, welche sich wissenschaftlich etabliert haben und somit auch auf die Ideenbildung bei Investitionsproblemen einwirken. Müller-Merbach (1992, S. 855 ff.;

127

3.2 Individualverhalten beim Investitionsprozeß

vgl. Abb. 3.22) differenziert hierbei zwischen der Bildung von Systemen und dem systemischen Ansatz. In seiner Wahrnehmung haben die systematischen Systemansätze eine Kulturanbindung an die westlichen Wissenschaften und lassen sich nach drei Wissenschaftsbereichen gliedern. • Der naturwissenschaftliche Systemansatz der Introspektion hat Wissen als Erkenntnisziel, orientiert sich an der Kausalität, bedient sich der Analytik, istreduktiv und operiert mit einer intellektuellen Distanz als persönliche Einbindung. • Der ingenieurswissenschaftliche Systemansatz der Konstruktion orientiert sich am Funktionsverständnis, ist pragmatisch, reflektiv und gestaltend, wobei für das Ergebnis die Verantwortung übernommen wird. • Der sozial wissenschaftliche Systemansatz der Extraspektion ist zielorientiert und bemüht sich um Einsicht. Die persönliche Einbindung bildet das Interessenverständnis, welches synthetisch und integrativ umgesetzt wird.

Systemansatz

Introspektion

Konstruktion

Extraspektion

Kontemplation

Erkenntnis:

Wissen

Funktionsverständnis

Einsicht

Verstehen

Orientierung:

Kausalität

Pragmatik

Finalität

Verinnerlichung

Methodik:

Analytik

Reflexion

Synthetik

Meditation

Prinzip:

Reduktion

Gestaltung

Integration

Holismus

Persönliche Einbindung:

Intellektuelle Distanz

Gestaltungsverantwortung

Interessenverständnis

Einswerdung

Prototyp für:

Naturwiss.

Ingenieurwiss.

Sozialwiss.

Kulturbindung:

Abb. 3.22: Systemansätze

systematisch: westliche Wissenschaften

(nach

Metaphysik systemisch: fernöstliche Weisheitslehren

Müller-Merbach)

Dagegen ordnet Müller-Merbach den Systemischen Ansatz den fernöstlichen Weisheitslehren zu. Er wird hier als kontemplativ, meditativ und holistisch interpretiert, mit dem Verstehen als Erkenntnisziel, der Verinnerlichung als Orientierung und der Meditation als Methodik, sowie der Einswerdung als persönliche Einbindung. Dementsprechend wird gemeinhin in der Betriebswirtschaftslehre dem systemischen Ansatz, "bei dem man sich selbst in das zu verstehende System hineinversetzen soll, ... weniger Belang" zugeordnet (vgl. Biethahn/Mucksch/Ruf 1994, S. 86).

128

3. Investition als Prozeß

In einem Investitionsprozeß treten jedoch Handlungszusammenhänge auf, bei denen jeder dieser Systemansätze jeweils im Mittelpunkt stehen kann. Sei es, daß ein Ergebnis der Grundlagenforschung vermarktet werden soll und entsprechend in eine Produktgestalt überführt werden muß, oder daß ein Produktionsablauf technisch entworfen und umgesetzt werden muß. Sei es, daß betriebswirtschaftliche Zielsysteme zu operationalisieren sind, oder aber, daß man den Investitionsprozeß als Ganzes systematisch strukturiert, indem die Betroffenen sich selbstregulierend eigene Konstrukte schaffen, die ihr Handeln abbilden: In der Investition treten Situationen mit unterschiedlichen Systembezügen auf. Das Auf und Ab zwischen spezifischen und allgemeinen Problemen in unterschiedlichen Planungsräumen erlaubt zwar eine isolierte wiederspruchsfreie Verwendung des Systemkonstrukts, bindet aber im Gesamtzusammenhang alle Handlungen der Beteiligten ein. Eine erfolgreiche Investition ist gekennzeichnet durch ein neues Produkt und ein neues Produktionssystem. Die Vielfalt der Kognitionen wird auf eine Realität reduziert, von der die Akteure real betroffen sind. Sie müssen ihre dann geschaffene operative Welt mögen, sie schätzen, sie affektiv positiv besetzen, um produktiv eine betriebliche Leistung zu generieren. Während des Prozesses wird auf die zu gestaltende Investition" Druck" ausgeübt; jeder der beteiligten Ersteller versucht, seine Vorstellungen soweit wie möglich zu realisieren. Der Investitionsentwurf muß über so etwas wie eine Gegenkraft verfügen, um diesem "Druck" standzuhalten. Das Moment dieser Gegenkraft ist die "tragende strategische Idee" einer Investition. Diese muß spontan erkennbar, für jeden Ersteller einleuchtend und affektiv positiv besetzt sein. Die "tragende strategische Idee" bildet das Grundmuster, den Rahmen, um den die investitionsspezifischen Kognitionen Uber den Gruppenkonsens für die Beteiligten verobjektiviert werden. Trägt eine "Strategische Idee" nicht, so bricht sie unter der Last der zu erfüllenden kognitiven Anforderungen zusammen. Befinden sich die Ersteller am Anfang des Investitionsprozesses in der Ideenphase, so wird nach neuen strukturbildenden Konzeptionen gesucht. Ist der Gestaltungsprozeß weiter vorangeschritten, so entwickelt der Gruppenkonsens eine Eigendynamik. Die "Strategische Idee" wird im Rahmen der kognitiven Angleichung modifiziert und kann dabei an Prägnanz verlieren. Da aber die mühsame Konsensbildung nicht erneut unter veränderten Voraussetzungen begonnen werden soll, verbleibt man bei der ursprünglichen, inzwischen jedoch verwässerten und ab einer bestimmten Varianz für den außenstehenden Betrachter nicht mehr erkennbaren Strategie: die Investition kann mißlingen. Der Erfolg von Investitionen ist nicht nur im Investitionsobjekt begründet, sondern auch in dem Umgang mit den individuellen Strukturen der Investitionsbeteiligten. Man schafft sich halt seine eigene Zukunft und kann daher nicht nach Belieben eine intellektuelle Distanz aufbauen. Im multipersonalen Investitionsprozeß werden Realitäten und Konstrukte neu geschaffen. Sie müssen vom Konsens getragen werden, und sie müssen wachsen. Die Konstrukte entstehen individuenspezifisch im Spannungsfeld der acht Bereiche des Problemraumes, werden jedoch alsdann über den Diskurs in die Gruppe der Entscheidungsbetroffenen hineingetragen. Es entsteht so ein Lernprozeß bei allen Aktoren, der sich nicht nur auf den kognitiven Bereich erstreckt, sondern die Ausbildung von affektiven Strukturen einbezieht. Solche Lernprozesse brauchen Zeit, schaffen aber die Basis für einen Konsens und damit die Basis für den Aufbau von erfolgreichen, internalisierten operativen Handlungsmustern. Rugg (1963, S. 11) schreibt dazu: "Man must live in two worlds, the external physical world of other men and events and his inner psychophysiological world of sensations, images and ideas, moods and fantasies, wishes and needs". Und Emrich (1993, S. 297) fügt hierzu an:

3.2.1 Kognitives Verhalten

129

"Die Tatsache, daß wir Menschen", wie Rugg sagt, 'in zwei Welten leben müssen', einer Welt der Dinge und einer mentalen Welt, die nebenbei bemerkt, wieder in zwei Unterwelten zerfällt, eine der Gedanken (eine kognitive Welt) und eine der Gefühle (eine affektive Welt) - i.e. der uns aufgezwungenen Phänomenologische Dualismus, wurde in aller Härte von Descartes konstatiert und zum Ausgangspunkt der modernen Philosophie."

3.2.1 Kognitives Verhalten Ohne sich in philosophische Dikussionen zu begeben, ist es offensichtlich, daß jede Investition von kognitiven Prozessen begleitet wird, die sich während der Investitionshandlung in Qualität und Quantität verändern. Bei der Investitionsrechnung werden intendierte Ein- und Auszahlungen bzw. Ein- und Ausgaben oder Aufwendungen und Erträge gegeneinander abgewogen. Während der Umsetzung werden Lieferantenplanungen und bauseitige Aktivitäten synchronisiert, und in der Nutzung müssen schließlich alle Belange der operativen Handlung beherrscht und im Kontext der vorhandenen Operationen eingewoben werden. Selbstverständlich ist das Ausmaß der auszubildenden Kognitionen unterschiedlich. Bei Ersatzinvestitionen mit funktionaler Identität treten bei der Nutzung in der Regel nur geringfügige Modifikationen auf. Jedoch schon Erweiterungsinvestitionen, wie beispielsweise die Installation einer neuen Teigwarenanlage, bergen eine Fülle von Problemen, die sich nicht in den Objekten kristallisieren, sondern in dem Umgang mit den Objekten, d.h. im Wissen und der Erfahrung der betrieblichen Mitarbeiter. So laufen Interaktionen beim Anlageaufbau und bei der späteren vorbeugenden Wartung zunächst nicht reibungslos und binden, bevor sie zur Routinehandlung werden, Zeit, Nerven und damit Kosten. Die Feinabstimmung in der Produktion, wie der angestrebte Wassergehalt des Fertigprodukts, oder der Umgang mit Mehlen verschiedener Weizensorten, erfährt man nicht aus Handbüchern, sondern in der Praxis. Schmerzliche Ausschußproduktionen sind einzukalkulieren; die Investitionsbetroffenen müssen lernen. Die Überraschungen sind bei Innovationen am größten. Investitionen mit gleichzeitiger vertikaler, horizontaler oder lateraler Diversifikation erfordern bei den Beteiligten in erhöhtem Maße den Aufbau von neuen Kognitionen. Die Pioniere in der Definition und Erforschung von Kognitionen Miller, Galanter und Pribram (1960, S. 26 ff.; vgl. Abb. 3.23 und Abb. 3.24) führen den Begriff der kognitiven Struktur auf ein Element zurück, mit dem Handlungsmuster Testen, Operieren, Testen, Einhalt bzw. auf englisch Test-Operate-Test-Exit der sogenannten TOTE-Unit Am Beispiel einer Aktion beim Einschlagen eines Nagels ergibt sich folgende Handlungssequenz: der Proband testet den Nagel, hebt den Hammer, schlägt zu und testet erneut den Nagel nach der vollzogenen Aktivität. Es ergibt sich ein Regelkreis, das Hämmern wird beendet, wenn der Nagel eingeschlagen ist und der erwartete Endzustand mit dem realen Zustand kongruent ist. Die TOTE-Unit bildet ein Grundelement einer Handlungsregelung, welches nach der Methodik der kybernetischen Systemtheorie wiederum entweder erneut zerlegt werden kann oder aber zu einem komplexeren hierarchischen Plan zusammenzuführen ist. Die Autoren verdeutlichen dieses Systemmerkmal weiterhin am Beispiel des Hämmerns. Die Tätigkeit kann als Sequenz aufgesplittet werden, wobei der Hammer sich entweder im angehobenen Zustand oder auf dem Nagel befindet. Das ganze bildet ein Subsystem beim Einschlagen eines Nagels (ebenda S. 29).

130

3. Investition als Prozeß

Abb. 3.23: TOTE-Unit als kognitives Grundmuster (nach

Miller/Galanter/Pribram)

b) Hierarchischer Plan des Hämmerns

Abb. 3.24: Kognition als Subsystem und hierarchischer Plan (nach Pribram)

Miller/Galanter/

Die Definition von Miller, Galanter und Pribram der kognitiven Struktur wurde seit 1960 von vielen Autoren aufgegriffen und inhaltlich ausgebaut. So setzte sich Neisser in Anlehnung an Broadbent mit den Begriffen "Kognition" und "Selektionsfilter" auseinander, Newell und Simon mit dem Problem der Hierarchiebildung und Problemlösung, Bruner, Gagne und Piaget mit der Erkennbarkeit von kognitiven Strukturen (Neisser, 1966, S. 108 ff.; Broadbent, 1958, S. 31 f f . ; Newell/Simon, 1972; Bruner, 1969; Piaget, 1976). Seiler faßt sie Ergebnisse der kognitiven Begrifflichkeitsdiskussion wie folgt zusammen (Seiler, 1973, S. 9 ff.): "Das Konstrukt der kognitiven Struktur wird als Kondensat der Lern Vergangenheit

3.2.1 Kognitives Verhalten

131

verstanden, in dem die Kategorisierungs-, Problemlösungs- und Verhaltensprogramme, über die der Organismus verfügen kann zusammengefaßt sind. Kognitionen sind • Konstrukte, die der dinglich sozialen Umwelt und dem Individuum als Operationssysteme zugeschrieben werden und das Handeln bestimmen, • nicht genetisch angelegt, sondern erlernt, • Handlungssysteme, die einer psychologischen Bedingungsanalyse und einer neurophysiologischen Erklärung bedürfen, • selektiv, bedingt durch die individuelle Wahrnehmung, Ordnungs- und Bedeutungsstufen, d.h. kanalisiert durch Worte und Zeichen, • bei Entscheidungs- und Problemprozessen dienend, • bei der Impulskontrolle steuernd und kanalisierend, • dynamisch, d.h. sie werden beim Handeln ständig überprüft und bei Mißerfolgen modifiziert, • nie von unbeschränkter Generalität und • unvollständige Erklärungstheorien". Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wenn alle Verästelungen der kognitiven Theoriebildung ausgeführt werden. Dennoch halte ich es für lohnenswert, sich im Rahmen der Investition mit zwei Aspekten der Kognition auseinanderzusetzen: • Piagets Betrachtungen zur Äquilibration und kognitiven Strukturen sowie • Simons Annahmen bei der Systembildung innerhalb von Problemlösungsprozessen. Der Entwicklungspsychologe Piaget (1988, S. 32 ff.) definiert bei der Erläuterung von Lernstrukturen die Begriffe der Assimilation und der Akkommodation: "Aus biologischer Sicht ist die Assimilation die Integration extremer Elemente in die sich entwickelnden oder abgeschlossenen Strukturen eines Organismus. [...] Gegenstück ist die Akkommodation. [...] Diese Variationen sind spezifische Antworten auf bestimmte äußere Bedingungen. Entsprechend nennen wir im Verhaltensbereich jede Modifikation eines Assimilationsplans (oder einer Assimilationsstruktur), die durch die von ihr assimilierten Elemente hervorgerufen wird, Akkommodation". Durch die Assimilation wird das ursprüngliche Reiz-Reaktions-Schema nicht mehr als einfache S-R-Kette beschrieben, sondern als eine Sequenz mit drei Grundelementen: S

(AT)

R

wobei AT den Rahmen die Assimilation des Stimulus S in die Struktur T bedeutet (ebenda S.33). Die Akkommodation bedingt die Situations- bzw. die individuumsspezifische Varianz. Während einer Investition müssen hinreichend Assimilationen bei den Betroffenen vollzogen werden, um der intendierten betrieblichen Endsituation operativ gerecht zu werden. Diese Assimilationen werden nur partiell als gezielte Lernprozesse (beispielsweise Schulungen) initiiert Sie ergeben sich während des Investitionsprozesses, der laufend alle semiotischen Funktionen verursacht: esentstehen "Indices" (Wahrnehmungen), "Ikonen" (innere Bilder) und "Symbole", durch Sprache, Texte, Abbildungen usw. (vgl. hierzu Peirce 1970, S. 299 ff.). Sicher, bei den späteren Operationen der betrieblichen Leistung stehen die Notationen im Vordergrund. Sie reichen aber für eine professionelle Routinehandlung nicht aus. Hierzu bedarf es der konnotativen Einbettung der spezifischen Notationen, und diese Attribute entstehen während des gesamten Investitionsprozesses. Die für eine Routine notwendige Stabilität einer Kognition ergibt sich aus der Äquilibration der Struktur. Piaget (1988, S.73) schreibt dazu: "So erscheint es als sehr wahrscheinlich, daß der Aufbau

132

3. Investition als Prozeß

der Strukturen vor allem das Werk einer Äquilibration ist, welche nicht durch das Gleichgewicht zwischen entgegengesetzten Kräften, sondern durch Selbstregulation definiert ist. Äquilibration besteht also in einer Reihe aktiver Reaktionen des Subjekts auf externe Störungen, die in unterschiedlichem Maße wirksam sein oder antizipiert werden können". Mit einer Investition wird das Verhalten der Betroffenen dahingehend gestaltet, daß sie in der Lage sind, Störungen bei der operativen Leistungsgenerierung so zu begegnen, daß diese bereits im Vorfeld ausgeglichen werden können, ohne daß sie sich zu neuen Problemen entwickeln. Nun erhebt sich die Frage, wie die sukzessiv aufgebauten Kognitionen während der jeweiligen Problemlösungen eingebracht werden. Hierzu äußert sich Simon, dessen wissenschaftlicher Beitrag von Wolfgang Müller (1978, S. 35) wie folgt umrissen wird: "Der idealistisch-normativen Denkweise der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslogik hat Simon ein realistisch-deskriptives Modell des Menschen entgegengesetzt. Seine ernüchternde zentrale These lautet: Die geistigen Fähigkeiten des Menschen, seine Denkkapazität, sind so beschränkt, daß er nicht in der Lage ist, sich bei komplexen Entscheidungsaufgaben im entscheidungslogischen Sinne rational zu verhalten. Dementsprechend kann sich der Entscheidende immer nur eine vereinfachte Vorstellung seiner realen Entscheidungssituation aufbauen. Sie ist durch eine relativ kleine Zahl subjektiv wahrgenommener Annahmen über die Einflußfaktoren der Entscheidungsaufgabe geprägt. Der Entscheidende kann sich folglich nur im Rahmen seiner unvollständigen Erkenntnisse beschränkt rational verhalten." Simons Ausgangsmodell der des Menschen als informationsverarbeitendes System orientiert sich an derpiagetschen Struktur. Er differenziertjedoch in die Komponenten des Speichers oder Gedächtnisses, der Sinnesorgane als Eingabe/Ausgabeeinrichtungen und schließlich auch die Prozesse, die auf diesen Systemkomponenten arbeiten. Der Vorgang der menschlichen Informationsverarbeitung ergibt sich durch die Aufnahme von Reizen aus der Umgebung folgendermaßen (vgl. Simon 1978, S. 2; siehe Abb. 3.25)

Reiz

STM ReizWahrnehmung aufnähme

Interpretation

Abb. 3.25: Menschliche Informationsverarbeitung (nach Simon) •

"Der Reiz wird von dem informationsverarbeitenden System erkannt, indem in einem Speicher, dem sog. Langzeitspeicher ("long-term memory", LTM), Information über diesen Reiz aufgesucht wird. Der Langzeitspeicher beinhaltet das

3.2.1 Kognitives Verhalten

133

gesamte Wissen eines Menschen (z.B. über Wörter), das das Erkennen beispielsweise eines Wortes in Abhängigkeit davon ermöglicht, ob zu diesem Wort bereits Informationen gespeichert sind oder nicht. • Die Reizinformation wird, sobald sie im Langzeitspeicher aufgefunden worden ist, in einen weiteren Speicher, den sog. Kurzzeitspeicher ("short-term memory", STM), zur weiteren Verarbeitung übertragen. • Informationen verschiedenster Art werden während dieser weiteren Verarbeitung fortlaufend zwischen Lang- und Kurzzeitspeicher ausgetauscht. • Die verschiedenen Prozesse der Informationsverarbeitung werden von einem eigenen Kontrollsystem, dem sog. Interpreter, gesteuert und geregelt." Die Möglichkeiten des Menschen als informationsverarbeitendes System sind beschränkt. Die Aufnahmekapazität des Kurzzeitgedächtnisses beträgt lediglich 7 plusminus 2 "Chunks",- das sind nach Miller (1956 S. 81 ff.) die größte zusammenhängende Zeichenstruktur, die für einen Menschen ein vertrautes Gebilde, eine "Sinneseinheit" darstellt Selbst für die Lösung einfacher Probleme müssen diese Chunks zu größeren Strukturen zusammengezogen werden. Dies geschieht, so Simon, (1978, S. 5 f. und S. 59 ff.) durch Verknüpfungen, sogenannte Zeiger (pointers) zwischen den Chunks, und damit durch die Ausbildung von Superzeichen und semantischen Netzen (vgl. dazu Quillian 1969, S. 490 ff.). Damit wird es möglich, sehr elementare Problemräume zu verbinden und zu einem "erweiterten Problem" Raum zusammenzufassen (Simon 1978, S. 36). Jetzt braucht der Aktor eine Strategie, also eine Art "Regel", nach der er entscheidet, was er als nächstes tun soll, "denn das Problemlösen ist eine serielle Tätigkeit, bei der man eines nach dem anderen tut. Alles oder wenigstens fast alles, was der Problemloser tut, muß durch den Engpaß seiner Aufmerksamkeit, muß von seinem Kurzzeitspeicher Gebrauch machen - und darum kann er immer nur ein oder einige wenige Dinge gleichzeitig machen" (ebenda). Die Strategie äußert sich in der Planung der Aktivitäten, als eine übergeordnete Heuristik in einen abstrakten Problemraum, der sich in zwei Bereiche teilt und zwar in dem "Raum der Reize (space of inszances)", die auf den Aktor einwirken und den Raum der Muster und Regeln (space of patterns or space of rules), die er zu generieren versucht (ebenda S. 142 f.; vgl. Abb. 3.26). Die Wissenschaft stellt Muster zur Problemlösung bereit (ebenda S. 145 ff.); ihre spezifische Erprobung und vor allem ihre situationsbezogene Varianz erfolgt in der Praxis.

Abb. 3.26: Musterinduktive zur komplexen Problemlösung (nach Simon)

134

3. Investition als Prozeß

Die Systembildung der Kognitivisten erweckt den Eindruck, daß mit dem Fortschritt immer bessere Muster zur Problemlösung bereitstehen und wir somit einer Zukunft mit immer weniger Fehlentscheidungen entgegensehen können. Piaget (1896 - 1980) beendet seinen 1970, also sehr spät verfaßten Text - Meine Theorie der geistigen Entwicklung - mit den Worten: "Die Synthese der Konzepte von Struktur und Genese, die die psychogenetische Forschung bestimmt, findet ihre Rechtfertigung in den biologischen Konzepten von Selbstregulation und Organisation und nähert sich einem erkenntnistheoretischem Konstruktivismus an, der auf der Linie aller gegenwärtigen wissenschaftlichen Forschungen zu liegen scheint - vor allem jener Arbeiten, welche die Übereinstimmung zwischen logisch - mathematischen Konstruktionen und dringlicher Erfahrung betreffen" (Piaget 1988, S. 88). Aber zwei Aspekte scheinen in dieser kontinuierlichen Verbesserung von Entscheidungsverhalten nicht ganz zu passen. Den einen nennt Simon einen "Unterbrechungsmechanismus, der möglicherweise mit dem zusammenhängt, was wir Motivation und Emotion nennen" (Simon 1978, S.19), auf den anderen verweist Boesch: die Polyvalenz von Handlung. Boesch (1983, S.113) begibt sich gleich auf eine, wie er schreibt, unverifizierbare Betrachtungsebene, in der beim Handeln nicht eine, sondern mehrere Zielsetzungen gleichzeitig verfolgt (antizipiert) und erlebt werden. Damit gibt er, wie auch in der Modellannahme dieser Arbeit, das Moment der Eindeutigkeit auf: "Die sauber getrennten Kategorien unserer kognitiven Weltschau durchdringen sich im konkreten Erleben mehr, als dem Rationalisten lieb ist." (Boesch, 1983, S. 165). Jeder Moment, so Boesch, ist seinerseits sowohl Operation wie Effekt (also Tun wie Ergebnis), und beide werden wiederum subjektiv wie objektiv erlebt: "Die Intention wandelt sich gleichsam progressiv immer wieder in eine Situation um, die einerseits rückwirkend neue Intentionen schafft, die sich aber andererseits auch alsbald aus der Situation in eine Erinnerung verwandelt. Diese Progression wird als Veränderung erlebt, erhält so den Charakter einer Erfahrung des Handelnkönnens und geht in die Antizipation zukünftiger Handlungen ein" (Boesch 1980, S. 121). Die Investitionshandlung ist nicht nur multipersonal, sondern auch für die Akteure jeweils situationbezogen polyvalent. Es werden mit der Investition sowohl personenbezogene, als auch sach- und leistungsbezogene Ziele gleichzeitig verfolgt. Es gibt eben nicht für jedes Teilproblem ein eindeutiges ja oder nein, und nicht alle Teilprobleme mit ihren Teillösungen fügen sich zu einem analytischen Ganzen. Watzlawick (1986, S. 16 f.) umschreibt das in einer Geschichte, die er "Vom Schlechten des Guten" nennt und in der sein Held auf der Suche nach dem Guten und Wahren nach wissenschaftlichen Hilfestellungen fahndet: " Also ging er zum Mathematiker. Wäre er bloß nicht hingegangen! Das lange Gespräch kann hier nicht wiedergegeben werden; allein schon deswegen, weil der Mathematiker, wie die meisten Vertreter jener kristallklaren Wissenschaft, in einfachsten, selbstverständlichsten Begriffen zu reden glaubte,ohne zu verstehen, daß der Mann ihn nicht verstand. Mehrmals unterbrach der Mann den Gelehrten höflich: Es sei ihm nicht so sehr daran gelegen, daß es nachweisbar unendlich viele Primzahlen gäbe, als vielmehr daran, ob die Mathematik klare, eindeutige Regeln für richtige Entscheidungen in Lebensfragen biete, oder verläßliche Gesetze zur Voraussage zukünftiger Ereignisse. Und nun glaubte der Fachmann endlich verstanden zu haben, worauf der andere hinauswollte. Aber selbstverständlich, auf diese Fragen gäbe ein Teilgebiet der Mathematik klare Antworten; nämlich die Wahrscheinlichkeitslehre und die sich auf ihr gründende Statistik. So könne man zum Beispiel auf Grund jahrzehntelanger Untersuchungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die

3.2.2 Emotionales Verhalten

135

Benützung von Verkehrsflugzeugen für 99,92 Prozent der Passagiere vollkommen sicher sei, 0,08 Prozent aber bei Abstürzen ums Leben kämen. Als unser Mann nun bloß noch wissen wollte, welchem Prozentsatz er persönlich angehöre, riß dem Mathematiker die Geduld, und er warf ihn hinaus." з.2.2 Emotionales Verhalten Obwohl bei der Investitionshandlung eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Problemfacetten teilweise miteinander verknüpft, teilweise aber auch völlig voneinander getrennt einer Lösung zugeführt werden und obwohl dabei jeweils wiederum eine Vielzahl von persönlichen Interessen bzw. Gruppenansprüchen beteiligt sind, wird die Investition über einen bestimmten Zeitraum im Unternehmen als ein Ganzes wahrgenommen. Ganzheiten, also "wahrgenommene Einheiten, die in der beschriebenen Weise das phänomenale Gegenstück zu den technischen und mathematischen Systemen darstellen" (Betz 1974, S. 108), wurden bereits zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts durch von Ehrenfels (1890, S. 249 ff.) anhand der Wahrnehmung von Melodien festgestellt und von Metzger (1954) praktisch in allen vorfindbaren Gegenständen, Geschehensverläufen und Sachgebieten nachgewiesen. Die Wahrnehmung von Gestalten auch im Bereich von Handlungssequenzen kann nicht durch die kognitive Mustergenerierung hinreichend erklärt werden; es wirken auch emotinale Komponenten, die nach anderen Prinzipien funktionieren. Um hier eine klare analytische Trennung vorzunehmen, werden Denken und Fühlen häufig als zwei unterschiedliche Mechanismen interpretiert. In der Tat bestehen Unterschiede. Fühlen, so Ciompi (1986, S. 380), ist: • phylogenetisch älter (Stamm- und Zwischenhirn, limbisches System) • körpernah, materiell, konkret • vorwiegend ganzheitlich-synthetisch • relativ langsam, relative "Invarianz" ("Grobmodulation") • vorwiegend synchron-simultan, analogisch, bildhaft (="rechtshirnig"?) hingegen Denken (ebenda) ist: • phylogenetisch jünger (Neokortex) • körperfem, immateriell, abstrakt • vorwiegend partikular-analytisch • relativ schnell, relative "Varianz" ("Feinmodulation") • vorwiegend diachron-sequentiell, digital, sprachlich (="linkshirnig"?). Rost (1990, S. 43) arbeitet die Eigenständigkeit der Emotionen in seinem gleichnamigen Standardwerk deutlich heraus: "Emotionen haben eine Reihe ganz erstaunlicher Eigenschaften, die wir mit unserem rationalen Verstand gar nicht so recht glauben und verstehen können. Sie bestehen in Reinform nur kurze Zeit, rufen andere Emotionen hervor. Es können mehrere, sogar sich scheinbar widersprechende Emotionen gleichzeitig empfunden werden (Liebe und Hass, Freude und Traurigkeit, Lust und Wut и.a.m.); Emotionen können sich aber auch gegenseitig verstärken, abschwächen, auslösen und unterdrücken. Generell kann man sagen, daß unsere emotionalen Gefühle nicht den Regeln der Logik folgen, ja ihnen sogar meistens widersprechen - sie haben eine eigene Unlogik." Die anzuerkennende Unterschiedlichkeit hilft uns jedoch insofern nicht weiter, als daß wir es bei der Investition mit einem Tatbestand zu tun haben, der zu einem Ergebnis

136

3. Investition als Prozeß

führt. Daß bei den Handlungs- und Entscheidungsprozessen Kognitionen aufgebaut und wirksam werden, ist evident. Daß aber auch Emotionen den Ablauf prägen, ist offensichtlich, und es gilt, dementsprechend zu klären, welche Interpedendenz besteht, welche Gestalt eine emotional-kognitive Struktur bei einer Investition ausbilden kann. Bevor wir uns dem Zusammenspiel von Denken und Fühlen zuwenden, möchte ich jedoch die Emotionen weiter explizieren. Es erheben sich die Fragen: Wie ist Emotion erfaßbar, ist sie rezipientenspezifisch und unterliegt sie dem sozio-kulturellen Wandel? Plutchik postuliert folgende Thesen zur Affektivität (Plutchik, 1968 und 1980, S.4 ff.): • Es gibt eine kleine Anzahl von primären Emotionen, alle anderen Emotionen sind gemischt, • primäre Emotionen unterscheiden sich sowohl in der physiologischen als auch in der verhaltensmäßigen Reaktion, • primäre Emotionen sind hypothetische Konstrukte, • primäre Emotionen sind konzipiert als Paare mit polarer Gegensätzlichkeit, und • jede Emotion kann in unterschiedlicher Intensität auftreten. Die Definition von Primäremotionen ist so umstritten wie die Definition von Primärbedürfnissen. Descartes spricht von sechs Primäremotionen: Liebe, Hass, Sehnsucht, Glück, Traurigkeit und Bewunderung, Spinoza reduziert sie auf drei Begriffe: Glück, Trauer und Sehnsucht. Plutchik spricht von Angst und Mut, Freude und Trauer, Akzeptanz und Ekel sowie von Überraschung und Erwartung (Plutchik, 1980a, S. 164). Dabei ordnet er seine Begriffe in ein zweidimensionales Raster, das ähnlich von Nuttin, Fraise und Meili (1968, S. 164) verwendet wird und lediglich zwischen gut und schlecht so wie aktiv und passiv unterscheidet bzw. zwischen A (attention) und R (rejection) und P (pleasant) und U (unpleasant). Schmidt-Ätzert (1980) hat in seiner Dissertation insgesamt 60 Emotionsbegriffe faktoren-analytisch untersucht und in 12 Klassen unterteilt: Freude, Lust, Zuneigung, Mitgefühl, Sehnsucht, Unruhe, Abneigung, Agressionslust, Traurigkeit, Neid und Angst. In einem weiteren Schritt bildet er die Emotionen, entsprechend seiner empirischen Befunde, auf dem zweidimensionalen Raster von Nuttin, Fraise und Meili, mit den beiden Achsen unangenehm-angenehm und Erregung-Ruhe ab (siehe hierzu auch Rust S. 39 f.; vgl. Abb. 3.27), die sich als brauchbare Dimensionen und somit als gute Einordnungskriterien erweisen. Für die Wahrnehmung von Entscheidungsproblemen und der zwischenmenschlichen Kommunikation bei der Umsetzung von Entscheidungsprozessen ergibt sich daher die Aussage, daß verschiedene Emotionen wirksam werden, daß aber mindestens zwei Qualitäten zur Kategorisierung genannt werden müssen: nämlich die Intensität und die positive bzw. negative Besetzung der Emotion. Die Intensität, mit der Stimuli negativ oder positiv wahrgenommen werden, ist sowohl lernabhängig als auch durch das Normengefüge einer Gesellschaft geprägt. Krone setzt sich mit der Erregungsintensität bei Gefahrenquellen auseinander. Er weist sowohl anhand von subjektiven Erfahrungsberichten als auch anhand von physiologischen Messungen unterschiedliche Erregungsverläufe bei erfahrenen und unerfahrenen Personen nach (vgl. Abb. 3.28 sowie Krone, 1976, S. 82).

137

3.2.2 Emotionales Verhalten Erregung

-Angst -Erregung

0En,setzen0Z' QVerzweitelung °Haß

-»Hochstimmung 0 Übermut^ _,Lust 9 ^Begeisterung

QVerlangen ^Begehren

—Eifersucht ° ^Unruhe 0

E

% F

p A g g r e s s i o n s l i 5t -Triumphgefühl

pUngedukd

Zärtlichkeit Zuneigung-.

_

^Verlegenheit

unangenehm

:k

^Abneigung ¿»Verachtung pReue Kummer-, ,r

o

o o

Niedergeschlagenheit^

o Trauef Unlu

angenehm

^Erleichterung .Rührung

»Schaderrfrei le

e



|•

1• Ledig

Verheiratet mit Kindern |

| Frauen

^^^Männer Verheiratet

Abb. 3.29: GeschlechterHess)

und rollenspezifische

emotionale

Wahrnehmung

(nach

Emotionale Reaktionen sind abhängig von Stimuli und weiterhin abhängig von dem sozialen Kontext sowie der Lernerfahrung des Aktors. Im Laufe des Investitionsprozesses werden daher nicht nur investitionsspezifische Kognitionen aufgebaut, sondern es wird auch eine Emotionsstruktur etabliert. Um den Prozessverlauf zu erklären, bzw. in der Umkehrfunktion erfolgsorientiert zu gestalten, ist es notwendig, die Interdependenz zwischen Emotion und Kognition zu erhellen. Die Frage, ob kognitives und emotionales Verhalten sinnvollerweise gegenübergestellt werden kann, wird unterschiedlich beantwortet. Erhardt definiert, im Gegensatz zu HillmanJJames, Adler und Sartre, Verhalten als eine Funktion von beiden Prozessen, wobei mit zunehmender Antriebsstärke die Wirkung der kognitiven Verhaltenssteuerung ab-

3.2.2 Emotionales Verhalten

139

nimmt (Erhardt 1975, S. 152, siehe Abb. 3.30; vgl. weiterhin Hillman/James, 1960, S. 185 ff.; Sartre 1948).

„kognitives Verhalten"

.Affekthandlung"

Abb. 3.30: Kognitives Verhalten und Affekthandlung (nach Erhardt) Gray (1973, S.2 ff.) behauptet, daß jede Kognition durch Emotion verschlüsselt werde. Emotionen in Nuancenform sammeln und organisieren folglich kognitive Elemente zu [...] einer emotional-kognitiven Struktur, und es ist die Wiederholung dieses Prozesses, unterstützt durch die Entwicklung hierarchischer Organisationsstufen, die die Entwicklung des Geistes ausmacht. Das Modell ähnelt der Emotionsmischung von Plutchik (1980, S.14 f.) und den Affektmustern hards (1994, S. 65 ff.), eine Kombination von zwei oder mehr fundamentalen Emotionen bzw. Trieben, die unter bestimmten Bedingungen dazu neigen, gemeinsam aufzutreten, sei es simultan oder als Sequenz," und in einer Weise interagieren, daß alle Affekte in dem Muster eine gewisse motivationale Wirkung auf den Organismus und sein Verhalten haben". In bezug auf das Entscheidungsverhalten sind nach Izard zwei Aspekte relevant: • die AfFektinteraktion und • die Affektiv-kognitive Struktur oder Orientierung. "Ein Affekt intensiviert, deintensiviert, blockiert oder verändert die Qualität des wahrgenommenen Gegenstandes (oder eines Wahrnehmungsprozesses), eines Konzeptes (oder eines kognitiven Prozesses) oder einer Handlung (oder Aktivität). Eine affektiv-kognitive Struktur oder Orientierung stellt eine Verbindung oder eine starke Assoziation eines der Affekte (oder eines Affektmusters) mit Vorstellungsbildern, Wörtern, Gedanken oder Ideen dar" (ebenda, S. 86). Ständel (1983, S. 100) schreibt dazu: "Das in der klassischen Entscheidungstheorie enthaltene Postulat: "Lasse deine Emotionen dein Denken nicht beeinflussen" und die hiermit implizierte Annahme, daß rein rationales, von emotionalen Störungen unbeeinflußtes Denken möglich sei, muß als nicht haltbar zurückgewiesen werden." Die umfangreichen und langjährigen Arbeiten zum Entscheidungsverhalten unter der Federführung von Dietrich Dörner, (vgl, dazu Dörner/Kreuzig/Reither/Ständel 1983) werden von ihm unter dem Titel: "Die Logik des Mißlingens - strategisches Denken in komplexen Situationen" 1989 zusammenfassend dargestellt. Dörners Ergebnisse zeigen, daß das Zusammenspiel von Kognitionen und Emotionen bei dem Zustandekommen von Fehlinvestitionen eine große Rolle spielt. "Es geht aber nicht allein um das Denken. Denken ist immer eingebettet in den Gesamtprozeß des psychischen Geschehens. Es gibt kein Denken ohne Gefühle. Man ärgert sich zum Beispiel, wenn

140

3. Investition als Prozeß

man mit einem Problem nicht fertig wird. Ärger wiederum beeinflußt das Denken. Denken ist eingebettet in den Kontext der Gefühle und Affekte, beeinflußt diesen Kontext und wird selbst wieder von ihm beeinflußt." (Dörner 1991, S. 14). Komplexe, über einen längeren Zeitraum verlaufende Entscheidungssituationen, wie man sie bei einer Investition zu bewältigen hat, sind von drei Momenten bestimmt: • Die Aktoren stehen unter Zeitdruck; sie können nicht ewig warten, bis sie sich zu einem Eingriff entschließen, so daß das Informations verhalten und das Planungsverhalten nicht mit einem beliebig "feinen Korn" betrieben werden kann (ebenda S. 62 f.). • Die zu vollziehenden Handlungen sind polyvalent: "Man kann in komplexen Realitäten nicht nur eine Sache machen. Man kann daher auch nicht nur ein Ziel anstreben. Strebt man ein Ziel an, so kann es sein, daß man dadurch unversehens andere Mißstände erzeugt, also neue Probleme schafft" (ebenda S. 78). • Und zusätzlich kann es keinen vollständigen Plan geben. Planen als das Absuchen des Realitätsbereiches, des Problemraumes, nach Transformationswegen (vgl. Klix 1971, S. 644) eröffnet soviel "verschiedenartige Transformationsmöglichkeiten, die Vorwärts- und Rückwärtsplanungen verzweigen sich in so hohem Ausmaß, daß eine vollständige Absuche des gesamten Raumes gänzlich unmöglich ist". Hierzu verdeutlicht Dörner, daß die Aktoren menschliche Schwachstellen aufweisen, welche das Handlungsverhalten determinieren. Wie Simon hebter die Langsamkeit des Denkens heraus. "Die geringe Zahl gleichzeitig zu verarbeitender Informationen, die Tendenz zum Schutz des Kompetenzgefühls, die geringe 'Zuflußkapazität' zum Gedächtnis und die Fixierung der Aufmerksamkeit auf die gerade aktuellen Probleme: das sind sehr einfache Ursachen für die Fehler, die wir beim Umgang mit komplexen Systemen machen". (Dorner 1991, S. 295). Als zweites Merkmal thematisiert er den Hang zu reduktiven Hypothesen: "Wir lieben die Hypothesen, die wir einmal aufgestellt haben, weil sie uns (vermeintlich) Gewalt Uber die Dinge geben. Deshalb vermeiden wir es möglichst, sie der rauhen Luft der realen Erfahrung auszusetzen und sammeln lieber nur Information, die mit den Hypothesen im Einklang ist." (ebenda S. 135). Die Mathematisierung von Entscheidungssachverhalten kann dazu führen, daß solange reduziert und vereinfacht wird, bis die Sachverhalte "in ein bestimmtes formales Gerüst passen. Denn dann paßt der so veränderte Gedanke nicht mehr zum ursprünglichen Sachverhalt" (ebenda S. 250). Als dritten Aspekt ermittelt er in seinen Forschungsarbeiten die Tatsache, daß der Umgang mit Zeitgestalten für uns erheblich schwieriger ist als der mit Raumgestalten: "Wir sind ständig dabei, Zeit in Raum zu übersetzen" (ebenda S. 158). Dieser Sachverhalt ist nicht nur kritisch bei der Planung relevant, sondern insbesondere beim realen Interagieren. Die geringe Fähigkeit zum Umgang mit nichtlinearen Zeitverläufen ist in psychologischen Experimenten als allgemeines Phänomen zu beobachten. Dörner verdeutlicht die Interdependenz von Situationseigenschaften und menschlichen Handlungsvermögens anhand einer exakten Ablaufanalyse des Tschernobyl-Unglücks; seine Schlußfolgerungen sind: Wir finden die Tendenz für Überdosierung von Maßnahmen unter Zeitdruck. Wir finden die Unfähigkeit zum nichtlinearen Denken in Kausalnetzen statt in Kausalketten, also die Unfähigkeit dazu, Neben- und Fernwirkungen des eigenen Verhaltens richtig in Rechnung zu stellen. Wir finden die Unterschätzung exponentieller Abläufe: die Unfähigkeit zu sehen, daß ein exponentiell ablaufender Prozeß, wenn er erst einmal begonnen hat, mit einer sehr großen Beschleunigung abläuft. All das sind "kognitive" Fehler, Fehler in der Erkenntnistätigkeit" (ebenda S. 54). Es sind auch Fehler der Erkenntnistätigkeit, die man beim Ablauf von Investitionsprozessen mit einbeziehen muß.

3.2.2 Emotionales Verhalten

141

Die Auswirkung von menschlichen Verhaltensstereotypen auf den Ablauf von Investitionsentscheidungen expliziert Dörner an dem Umgang mit Handlungszielen. Bei komplexen Prozessen werden stets Personen-, Sach- sowie Leistungsziel gleichzeitig verfolgt und durch Einzelhandlungen auch umgesetzt. Die Handlungen sind verwoben mit Komplexzielen, die es zu dekomponieren gilt, und umgekehrt einzelne Zielsetzungen werden über gemeinsame Handlungen so miteinander verknüpft, daß eine Zielkontradiktion entsteht. Beiden Voraussetzungen kann man nur mit Hilfe von nichtlinearen Kausalnetzen begegnen. Mathematische Methoden eignen sich eher für die Abbildung von linearen Kausalketten. Die Folgen mangelnder Zielkonkretisierung konnten mit den Bamberger Forschungsergebnissen zu idealtypischem Verhalten kondensiert werden (ebenda S. 93 ff., vgl. Abb. 3.31).

Abb. 3.31: Folgen mangelnder Zielkonkretisierung (nach Dörner) Es entsteht Unsicherheit, die sich in drei Formen äußert: • Es werden die falschen Probleme gelöst. • Es entstehtein" Ad-hocismus", ohne die Zukunftsprobleme zu berücksichtigen, und • es entsteht ein "Ad-hocismus", ohne implizite Probleme zu berücksichtigen. Damit vergrößert sich die Unsicherheit, und die Aktoren flüchten ins Irrationale, sie kapseln sich ein, irrelevante Probleme verselbständigen sich. Ähnlich gravierende Folgen entstehen bei mangelnder Einsicht in die Zielkontradiktion. Die Aktoren lösen nur noch die aktuellen Probleme und erleben dann negative Neben- und/oder Fernwirkungen. Es führt zur Aufstellung von" Verschwörertheorien" (meine Mitarbeiter sind nicht gegen die Investition, sondern gegen mich), zur

142

3. Investition als Prozeß

verbalen Verblendung der Widersprüche und schließlich zu einer eventuell vollkommenen inadäquaten Zielinversion (ebenda S. 104 f.; vgl. Abb. 3.32).

Abb. 3.32: Die Folgen mangelnder Einsicht in Zielkontradiktionen

(nach Dörner)

Was tun? Dörner schlägt Denkmechanismen vor, die als Prozeß der Strukturextrapolation beschrieben werden können. "Der Mechanismus ist einfach: Man stellt sich einen neuen, bislang unbekannten und zukünftigen Sachverhalt so vor, wie den entsprechenden, bereits bekannten. Er hat die gleichen Komponenten, die die gleichen Relationen zueinander aufweisen, daher 'Strukturextrapolation' (ebenda S. 190). Man muß jedoch mit der Bildung abstrakter Konzepte strategisch verfahren. "Man muß wissen, wann sie angebracht ist und wann nicht. [...] Wer viele Informationen bekommt, viel denkt und dadurch viele Informationen über einen Sachverhalt anhäuft, der hat es mitunter nicht leichter, sondern schwerer, zu einer klaren Entscheidung zu kommen. Dem Nichtwissenden stellt sich die Welt einfach dar. Wenn man auf die Sammlung von Informationen mehr oder minder verzichtet, hat man es leicht, ein klares Bild von der Realität aufrecht zu erhalten und sich dementsprechend auch klar zu entscheiden" (ebenda S. 144). Dörner verdeutlicht in seinen abschließenden Bemerkungen (S. 301 f.), daß komplexe Problemsequenzen nur mit der Hilfe von vernetzten Denkstrukturen bewältigt werden können. Er empfiehlt ein systemisches Denken. Solche Denkmuster, so Dörner, kann man zwar erlernen, jedoch ihre Handlungsumsetzung ist stets durch eine Varianz gekennzeichnet. "Wahre" Realitäten sind halt anders als Lernsituationen. Bevor ich das systemische Denken weiter ausführe, möchte ich noch einen Schlüsselaspekt der Emotion im Rahmen von strategischen Entscheidungsprozessen im Unternehmen erläutern: die Affektlogik. Mit dem Begriff der Affektlogik schafft Ciompi (1986, S. 373 ff.) ein Konstrukt, welches die Integrationsmechanismen von Fühlen und Denken charakterisiert. Hierbei werden kognitive, intellektuelle und affektive, emotionale Funktionen bei psychischen Vorgängen und Zuständen nicht mehr getrennt, sondern in ihrem dynamischen Zusammenwirken betrachtet. Affektiv-kognitive Bezugssysteme bzw. Funktionsabläufe von angeborenen Anlage, entstehen nicht durch Reifungsprozesse, sondern sie

3.2.2 Emotionales Verhalten

143

entwickeln sich innerhalb der Sozialisation als ganz individuelle Lerngeschichten. Auf die Investition Ubertragen stellen die einzelnen Handlungsabschnitte, die vielen Besprechungen, der Einsatz von abstrakten Modellen und von Computerverfahren nicht nur eine Ausbildung von kognitiven Denkmustern dar, sondern es entstehen affektiv-kognitive Strukturen bei den Investitionsbeteiligten. Der Investitionprozeß bereitet die operative Handlungsfähigkeit der späteren Nutzungssituation vor. Dabei werden sowohl Kennmisse, als auch Stimmungen geprägt. Und insbesondere die positive Emotionalbesetzung von Kognitionen führt zu Verhalten, das die Investitionsbetroffenen in die Lage versetzt, schwierige Abweichungen von den Plan Vorstellungen zu bewältigen. Berücksichtigt man die relative Langsamkeit von Stimmungsschwankungen im Vergleich "zur Mobilität der - nicht an ein (peripheres) körperliches Substrat gebundenen - "immateriellen" Gedanken, so erscheint das Gefühl als eine Art von "Grundschwingung" von relativer Invarianz, auf die sich die schneller wechselnden gedanklichen Inhalte dann gewissermaßen als Varianz modulieren "(ebenda S. 381). Der sogenannte "Wille", also die Basis beim Übergang von Phase 1 mit der Investition als Handlungsentwurf zur Phase 2 der Investitionsumsetzung, ist ein regulierender Gefühlsimpuls, der sich dann ergibt, wenn eine gegebene Situation einer höheren affektiven Werthierarchie untergeordnet wird. Aufgrund der Multipersonalität von Investitionsprozessen, ergeben sich gleichzeitig simultan und sukzessiv ablaufende Handlungssegmente, die "Objekt- und Selbstrepräsentanzen im Laufe der Entwicklung aus kognitiven und affektiven Teilelementen sehr allmählich aufbauen, in dem grundlegende positive und negative Affekte aus dem aktuellen Erleben dauernd in die sich bildenden kognitiven Strukturen mit einfließen und sich schließlich zu stabilen Wertkonnotationen verdichten. [...] Einzelne kognitive Ganze, zuerst was nahe Bezugspersonen und dann ganze Personengruppen, aber auch Tätigkeiten, Orte, Situationen etc. anbetrifft, werden aufgrund tatsächlich gemachter Erfahrungen (bzw. Informationen) mit einer Skala von Affekten belegt, die in der Folge immer wieder aktiviert werden, wenn von diesem Konzept die Rede ist" (ebenda S. 386 f.; vgl. Abb. 3.33). Auf den Investitionsprozeß übertragen entstehen im Zuge der verschiedenen Handlungsabschnitte sowohl individuelle als auch gruppengeprägte Lernprozesse mit der Ausbildung von spezifischen Kognitionen. Es sind Einsatzpläne für die Umsetzung der Investition und alsdann für die Operation bei der Leistungsgenerierung. Ihre betriebliche Wirksamkeit hängtjedoch nicht nur von dem Realitätsbezug der entwickelten und eingesetzten Investitionsmodelle, sondern auch von ihrer emotionalen Einbettung ab. Ein sozialer Konsens setzt eine positive emotionale Besetzung der Inhalte voraus, die Motivation zur Investitionsrealisierung bedarf einer emotionalen Hierarchie, welche die Zielkonflikte überwindet. Ciompi verallgemeinert zusammenfassend: "Sowohl das Gehirn wie die Psyche lassen sich also weitgehend mit einem - anfänglich nur in Rudimenten angelegten - Wegsystem vergleichen, das durch den Gebrauch selber entsteht und sich in der Interaktion mit der Umwelt zu einem immer komplexer hierarchisierten und äquilibrierten Gefüge von Haupt- und Nebenstraßen weiterentwickelt. Es besteht aus lauter "Programmen" mitkognitiven und affektiven Anteilen. Erstere umfassen vor allem abstrakt-mathematische Beziehungsstrukturen, letztere dagegen die emotionale Tönung dieser Strukturen. Jeder Mensch verfügt aufgrund seiner Geschichte über ein ganz persönliches, individuelles Netz von Bezugssystemen; Menschengruppen mit gemeinsamer Vergangenheit zeigen entsprechende Ubereinstimmungen. Auch die allmählichen Wandlun-

144

3. Investition als Prozeß

gen und Entwicklungen, die dieses Gefüge durchmacht, besitzen je einen persönlichen und einen sozialen bzw. soziokulturellen Aspekt" (ebenda S. 389).

Abb. 3.33: Hierarchisiertes affektiv-kognitives Bezugssystem mit Feedbackschlaufen zur Umwelt 3.2.3 Systemisches Denken Was heißt systemisches Denken? Ludewig (1992, S. 57) bildet zunächst einmal eine negative Abgrenzung. Systemisches Denken setzt keinen "analytischen Atomismus" voraus, es fördert keinen "ontologischen Reduktionismus" und stützt sich nicht auf "lineare Kausalität." In der systemischen Theoriebildung werden Kognitionen nicht mehr als Modelle objektiver Sachverhalte interpretiert, sondern als individuenimmanente Konstrukte der menschlichen Erkenntnis, die dementsprechend selbstverständlich gleichzeitig kognitiv wie auch emotional sind. Die Trennung zwischen Denken und Fühlen wird aufgehoben und in eine allgemeinere Musterbildung überführt, die sich in der zirkulären Bewegung von Beobachten und Denken entwickelt. "Statt" objektiver Realität, erforscht der Wissenschaftler jetzt die biologische Struktur dessen, der eine Welt erschafft. Er wendet sich also dem Beobachter zu, das heißt, sich selbst als denjenigen, der sich im Akt des Beobachtens konstituiert" (ebenda S. 60). Der systemische Ansatz läßt sich auf die grundlegenden Schriften von dem Chilenen Maturana (1970) zurückführen, die von Siegfried J. Schmidt (vgl. Maturana 1982) zu Beginn der 80'er Jahre dem deutschen Sprachraum nahegebracht wurden. Die grundlegende Abhandlung "El arbol del conocimiento" (MaturanaNarela 1984) erschien bereits nach drei Jahren in deutscher Übersetzung und hat in verschiedenen Wissenschaftsbereichen für Bewegung gesorgt. Insbesondere die Auseinandersetzungen 1986 von Ciompi (Psychiatrie), 1987 von Luhmann (Soziologie), 1988 von Ortmann/Küpper (Wirtschaftswissenschaften), 1991/92 von Ludewig Psychiatrie/ Psychologie) und 1992/93 von Fischer (Philosophie) haben zu intensiven wissenschaftlichen Diskursen geführt. Der systemische Ansatz gewinnt ein immer breiteres Fundament. Aber was hat das mit der Investition zu tun?

3.2.3 Systemisches Denken

145

Ich meine, daß es keine Theoriebildung gibt, die den Prozeß der betrieblichen Investition deutlicher abbildet. Eine Investition ist eine innovative Handlung, die von den Personen getragen, durchgeführt und verantwortet wird, die sich später der Investitionsauswirkung aussetzen. Die Investitionsbetroffenen bereiten im übertragenen Sinne das Lager vor, auf dem sie sich später betten wollen. Selbstverständlich verwenden sie dabei Modelle zur Entscheidung und zur Problembewältigung, die in anderen theoretischen Zusammenhängen entwickelt worden sind. Aber diese Modelle bilden nicht exakt die Realität ab, welche geformt werden soll. Es sind daher die Investitionsverantwortlichen, welche eine eigenständige Modellvariation und -interpretation vornehmen, um Handlungen zu beurteilen, die sie selbst begehen wollen und von denen sie selbst profitieren. Es geht da nicht um eine metaphysische Einswerdung mit den Inhalten, sondern ganz konkret um zirkuläre Prozesse des Beobachtens, des Denkens und des Handelns, bei denen ein lebendiges System - das Unternehmen repräsentiert durch die Investitionsbetroffenen, sich selbst erschafft und erhält. Um diese Interpretation der Investition weiter auszuführen, möchte ich zunächst auf die Grundlagen des systemischen Ansatzes und die "Selbsterzeugung" der Autopoiese eingehen. Zur Verdeutlichung des Prinzips der Autopoiese führt Maturana (1982, S. 184 f.) das Beispiel einer Zelle an. Jede Zelle erzeugt über den Stoffwechsel Bestandteile zur Aufrechterhaltung des eigenen Fortbestehens wie beispielsweise ihre Zellmembran. Mit ihr wird nicht nur die Grenze zum Umsystem geschaffen, sondern auch die Vorraussetzung, um als Zelle zu funktionieren. Die Zellmembran grenzt nach außen ab und ist nach innen maßgeblich an dem Netzwerk der Transformationsprozesse beteiligt, welches die Zelle als Ganzes, als lebenden Organismus erhält. "Auf dereinen Seite sehen wir ein dynamisches Netzwerk von Transformationen, das seine eigenen Bestandteile erzeugt und das die Bedingung der Möglichkeit eines Randes ist. Auf der anderen Seite sehen wir einen Rand, der die Bedingung der Möglichkeit des Operierens eines Netzwerkes von Transformationen ist, welches das Netzwerk als Einheit erzeugt" (MaturanaMarela 1992, S. 53; vgl. Abb. 3.34).

Dynamik

Rand

(Stoffwechsel)

(Membran)

Abb. 3.34: Autopoietische Organisation (nach Maturana/Varela) Fischer (1993, S. 20) führt dazu aus: "Damit scheint der traditionelle Unterschied zwischen Erzeuger und Erzeugnis, zwischen Schöpfer und Erschaffenen aufgehoben. Die uralte Dichotomie zwischen Sein und Werden (Tun) wird zirkulär verschränkt [...] Kurz: Die Membran erzeugt die Zelle und die Zelle die Membran". Zwar ist eine Zelle recht einfach im Vergleich zu einem Unternehmen mit seinen Mitarbeitern, seinen Anlagen und durchlaufenden Materialien, aber dennoch läßt sich die Autopoiese als Prinzip eines lebenden Organismus auf sozialtechnische Gebilde übertragen. Dabei ist

146

3. Investition als Prozeß

die Ausbildung von Einheiten wie ein Betrieb, eine Abteilung oder aber eine Menge von Handlungssequenzen wie bei der Investition abhängig von den Grenzen. Und diese entwickeln sich zunächst bei den Handlungsbetroffenen im kognitiven Bereich: sie sind subjektbezogen. Handlungsrelevanz bekommen sie über die Kommunikation. Hiermit wird die prinzipiell unüberwindliche Differenz zwischen den individuell hervorgebrachten Einheiten in eine neue Gestalt überführt, deren Realität sich im pragmatischen Handlungskonsens manifestiert. "Individuelle wie auch konsensbezogene Einheiten sind für alle Belange des menschlichen Lebens insofern 'real', als es eine andere Realität für Menschen nicht geben kann" (vgl. dazu Ludewig 1992, S. 66). Die Anwendung und Umsetzung von Modellen im Unternehmen ist nur insofern real, wie sie von ihren Nutzern individuell rezipiert werden. Ihre Wirkung für das Unternehmen sowie für das jeweilig individuelle Umsystem ergibt sich aus dem Konsens der Handelnden. Maturana (1982, S. 268) vergleicht das mit der Situation eines Pharmakologen, der biologische aktive Substanzen mit Hilfe der Zustandsveränderung ihrer biologischen Sonden beschreibt. "Es wird jedoch selten eingesehen und noch viel seltener im Bereich der Naturwissenschaften ernstgenommen, daß wir Menschen in unseren kognitiven Bereichen ebenso wie derPharmakologe operieren, und daß wir dahernurso operieren können, daß wir uns selbst als biologische Sonden verwenden und damit jene Realitätsbereiche bestimmen und beschreiben, in denen wir leben. Daß wir dafür lebende Systeme sein müssen, ist offensichtlich keine notwendige Bedingung, für uns aber eine existentielle Voraussetzung, die entscheidet, wie unsere Realitätsbereiche erzeugt werden; alle unsere Operationen sind nämlich wie bei allen lebenden Systemen der Aufrechterhaltung der Invarianz unserer Autopoiese untergeordnet". Eine besondere Rolle spielt hierbei die Sprache, also jede Zeichensetzung, die zur Abbildung und Kommunikation verwendet wird. Sie bildet eine dritte Größe zwischen der durch die Erfahrung gebildeten subjektiven Innenwelt (Bewußtsein) und dem Objekt der Außenwelt. Auch hier entsteht eine rekursive Schleife. "Erkennen ist als aktiver Prozeß selbst ein Handeln." [...] "Das heißt, die Zirkularität besteht nicht nur zwischen Drinnen (Subjekt, Denken, Bewußtsein) und Draußen (Objekt, Sein, Wirklichkeit), sondern auch, wenn jemand "nur spricht", ohne Ansprüche auf die Erkenntnis der "Außenwelt" zu erheben. Auch dabei ("Drinnen") ist der Beobachter, das Subjekt reflexiv am Werk und kann von sich selbst nicht absehen" (vgl. Fischer S. 16 f.; Siehe Abb. 3.35). Jede im Investitionsprozeß eingebrachte Idee, jede Investitionsrechnung, jede Detaillierung einer Layout-Planung, einer Baugruppe eines innovativen Produktions-Prozesses ist ein Akt der Kommunikation und wirkt nicht nur auf die subjektive Bewußtseinsbildung, sondern auch auf die der Beteiligten und somit auf den Investitionskonsens. Dabei verwendet man alle Methoden und Modelle für sich selbst. Ihr endgültiger Erfolg zeigt sich nicht in einem anderen Unternehmen, sondern im eigenen sozialen System, wo die Investition wirksam wird. Und betrachtet man nun den Sachverhalt aus der Sichteines verantwortlichen Entscheidungsträgers, so kann er sich in der innerbetrieblichen Kommunikation dahingehend absichern, daß er durch gezielt geführte Diskurse eine weitgehende Kongruenz erwirkt zwischen dem, was er selber denkt sowie fühlt, und dem, was Andere als Investitionskonsens empfinden. Das hilft bei der Umsetzung, das garantiert eine gewisse auf den Zielhof orientierte Operationalisierung. Der Entscheidungsträger kann auch mit Externen kommunizieren, Hochschulen besuchen, Bücher lesen, Experten und Nobelpreisträger zu Rate ziehen, aber seine Investitionshandlung verantwortet er dennoch selbst. Letzte Entscheidungssi-

147

3.2.3 Systemisches Denken

cherheit gibt es nicht. Maturana (1982, S. 34) sagt lakonisch: "Die letztmögliche Begegnungsgröße für jede Beschreibung ist jedoch der Beobachter selbst".

r—

Innen (Bewußtsein)

Subjekt (Erfahrung)

Außen (Welt)

SaS

* 0bi6kt

Abb. 3.35: Erfahrung, Sprache und Bewußtsein (nach Fischer) Zusammengesetzte Einheiten wie Unternehmen nennt Maturana ganz im klassischen Sinne Systeme. Zu ihrer Beschreibung unterscheidet er zwischen Organisation und Struktur. Die Organisation wird durch die Relation zwischen den Elementen bestimmt, welche vorkommen müssen, damit eine Einheit einer Klasse zugeordnet werden kann, beispielsweise der Klasse einer Abteilung als Aufbauorganisation oder einer Investition als eine spezifische Ablauforganisation. Struktur wiederum bezeichnet einen bestimmten Zustand, eine Ausgestaltung einer Organisation, etwa bei einem Handlungssegment innerhalb der Umsetzungsphase. Ein System bewahrt seine Identität, also seine Erkennbarkeit, solange die Organisation unverändert bleibt; die Struktur jedoch kann im Rahmen einer bestimmten Varianz sehr unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Die Organisation bildet damit den Möglichkeitsraum der Strukturvarianz eines autopoietischen Systems. Eine Desinvestition beispielsweise wird so lange von den Betroffenen als Desinvestition wahrgenommen und dieser Klasse zugeordnet, wie die referenzielle Organisation des Unternehmens noch erkennbar bleibt. Das ist nicht mehr der Fall, wenn es sich um eine Liquidierung oder Teilliquidierung handelt. Systeme sind Einheiten, welche die Beteiligten durch Unterscheidungen als zusammengesetzt und abgegrenzt konstituieren und alsdann wahrnehmen. Bei der Investition erstreckt sich das über einen bestimmten Zeitraum, wobei sowohl der Anfang, als auch das Ende Handlungsunschärfen aufweisen. Als Phänomen stellt die Investition ein System im System dar, aber kein Subsystem. Zunächst haben wir das Unternehmen mit seiner Organisation und der Operationstruktur, bei der ein physischer und kommunikativer Austausch zum Umsystem besteht, dessen Grenzziehungen durch den Besitzstandwechsel gekennzeichnet sind. Nun entstehen Defizienzen in der Organisation, beispielsweise genügt die Output-Qualität einer Produktionsstraße nicht mehr den Ansprüchen des Marktes. Das ist eine Störung, die durch eine Veränderung der Struktur nicht mehr ausgeglichen werden kann. Es wird ein Investitionsprozeß institutionalisiert, dessen höchste Konsistenz sich bei der Umsetzungsphase einstellt. Wird die Organisationsanpassung der Investition als operative Struktur im Unternehmen integriert, so zerfällt ihre Gestalt als abgegrenztes System. Eine Investition ist ein flüchtiges Ereignis, das als sozial konstituierte Einheit das System der Unternehmung prägt. Es ist mehr als eine Ansammlung von Menschen. Es handelt sich bei der Investition um ein soziales System mit zeitlich befristeten Interaktionen, die Inhalt und Ausprägung der Kommunikation begründen (vgl. hierzu Luhmann 1993, S. 346 ff., sowie Ludewig 1992, S. 103). Dabei erhebt sich die Frage nach der Wandlungsfähigkeit von Unternehmen. Maturana (1982, S. 35) bezeichnet ein autopoietisches System als geschlossen und autonom,

148

3. Investition als Prozeß

das heißt, es hat eine Organisation, die sich selbst organisiert; es handelt sich um eine basale Selbstreferenz. "Diese zirkuläre Organisation stellt ein homöostatisches System dar, dessen Funktion darin besteht, eben diese zirkuläre Organisation selbst zu erzeugen und zu erhalten." Das geht nach der Devise: eine Nervenzelle bleibt eine Nervenzelle und kann nicht zu einer Fettzelle werden. Aber gilt das auch für Betriebe? Prinzipiell ist es doch möglich, ein Produktionsunternehmen in ein Handelsunternehmen zu wandeln. MaturanaNarela (1992, S. 56 und S. 216 f.) geben darauf eine differenzierte Antwort. Autonomie verwenden sie ganz wörtlich (Selbst-Gesetz) als die Eigengesetzlichkeit des lebenden Systems. Hierbei tritt gleichzeitig eine operationale Geschlossenheit zur Erhaltung der Systemgrenzen auf und eine metabolische Offenheit des Systems, welches den Stoffwechsel ermöglicht. Als Neurophysiologe konzentriet sich Maturana (1982, S. 242) auf das Moment der operativen Geschlossenheit und somit auf die Begrenztheit beim Vollzug von Wandlung. Operationssysteme sind auch kognitiv geschlossen, weil sie nach systemimmanenten Gesetzen, d.h. autonom interagieren. Sie sind struktur- und zustandsdeterminiert. Maturana/Warela (1992, S. 260) schlußfolgern: autopoietische Systeme haben eine begrenzte Wahrnehmung, und auf den Menschen übertragen heißt das: "Wir sehen nicht, was wir nicht sehen, und was wir nicht sehen, existiert nicht." Sicherlich gilt das nicht in seiner Totalität für soziale Systeme, aber eine Wandlungsbegrenztheit ist existent. Investitionen als Handlungsentwürfe haben bereits eine Gestalt, bevor sie konkretisiert werden. Burckhardt (1981) sagt, Design sei unsichtbar und meint, daß es nichtsichtbare Strukturen gebe, innerhalb derer sich ein Entwurf nur entfalten kann. Es gibt so etwas wie eine Unternehmenskultur. Sie stellt die konnotative Referenz einer Investition dar und ist gleichzeitig ein "Wahrheitssystem" mit Grenzen und blinden Recken. Maturana (1982, S. 308) führt aus: "Kulturelle Verschiedenheit besteht nicht nur darin, dieselbe objektive Realität in verschiedener Weise zu bearbeiten, sondern in völlig gleichberechtigten, aber unterschiedlichen kognitiven Bereichen. Kulturell unterschiedliche Menschen leben in unterschiedlichen kognitiven Wirklichkeiten, die eben dadurch, daß sie in diesen leben, in rekursiver Weise ausgebildet werden". Ich komme auf diesen Aspekt bei meinen Ausführungen zur informalen Organisation noch einmal zu sprechen. Kehren wir abschließend noch einmal auf das systematische Denken zurück, dessen Grundthesen Ludewig (1992, S. 85) wie folgt zusammenfaßt: • Alles Gesagte wird von Beobachtern gesagt. • Ein Beobachter ist ein linguierendes Lebewesen. • Alles Gesagte wird linguierend erzeugt. • Realitäten sind Argumente des Konversierens. • Systeme sind linguierend hervorgebrachte Einheiten. • Systemisch denken heißt, sich auf Systeme zu konzentrieren. Bei Investitionen bilden sich systemische Denkstrukturen aus, ob nun reflektiert oder unreflektiert: das ist kein Aspekt des realen Sachverhaltes, sondern des Bewußtseins der Beteiligten. Jeder Investitionsbetroffene ist ein Beobachter, er konstituiert sich mit seiner Aussage über sich selbst und kann sich nicht außerhalb des sozialen Systems stellen: er ist selbst Betroffener der resultierenden Investitionshandlung. Der Investitionsprozeß moduliert sich durch die Kommunikation, ihr Ergebnis sind gesagte Realitäten. Die so gefundenen "Wahrheiten" sind "durch Erfahrung erworbene und in einem konsensuellen Bereich abgeschliffene, funktionelle und affektlogische Stim-

3.3 Investition im betrieblichen Kontext

149

migkeiten. Sie gewährleisten aufgrund einer "Verrechnung" (Äquilibrierung) aller wichtigen früheren Erfahrungen im gleichen Kontext einen optimal ökonomischen, d.h. spannungsarmen Umgang mit einem bestimmten Problem; die gefundene (Spannungs-) Lösung hängt mindestens so sehr von der inneren Struktur des Beobachters (d.h. dessen internalisierten Denk-, Fühl-, Handlungs- und Wahrnehmungssystemen) wie vom begegnenden Außenweltkontext ab" (Ciompi 1986, S. 397). Bei der Investition entsteht ein soziales System in dem Unternehmen als soziales System mit einer eigenen Grenze und einer eigenen Wahrheitsbildung. Es entsteht eine eigene Taxonomie, eine eigene Interpunktion (vgl. Watzlawick et al. 1980, S. 57 ff.), ein eigenes Raster, das den Realitätsbegriff bestimmt und deformiert. Es entsteht eine Sprache, ein semantisches System mit Koppelungsmechanismen von Verhalten und Bedeutung (vgl. Lévi-Strauss 1979, S. 122 ff.). Das Ergebnis einer Investition läßt sich nicht verobjektivieren. Das soziale System schafft aus der Vielzahl der möglichen Realitäten seine eigene sowie einzige Realität, und die Investitionsbetroffenen müssen mit ihr genauso wie mit sich selbst weiter in Einklang leben.

3.3 Investition im betrieblichen Kontext Das Handlungsfeld der Unternehmen ist weltweit durch vielschichtige strukturelle Veränderungen gekennzeichnet. So werden die Unternehmen gezwungen, Investitionsprozesse einzuleiten, die sich nicht nur als Investitionsvorgänge manifestieren, sondern stets auch von einem organisatorischen Wandel begleitet werden müssen. Investitionen sind somit durch ihre materielle Komponente in Verbindung mit einem multipersonalen Lernprozeß (Jaspersen 1975) gekennzeichnet. Das bringt Unruhe mit sich und erfordert eine doppelte Organisation. Zum einen ist der operative Alltag in Aufbau sowie Verrichtung strukturell zu definieren, und zum anderen ist der Innovations- sowie Investitionsprozeß als Handlungssequenz mit entsprechenden Weisungsbefugnissen zu gliedern. Es ergibt sich die Notwendigkeit einer parallelen Hierarchie. Nun kann man sagen: das ist schon immer bei Investitionen so gewesen. Das ist auch richtig, aber wir haben es doch mit einem Unterschied zu tun. Verschiedene ineinander verwobene Investitionsprozesse überlagern dauerhaft die Organisation der umsatzerbringenden Leistungsgenerierung und sind nicht abgrenzbar, sondern sie beziehen alle quer durch die Hierarchien positionierten Investitionsbetroffenen mit ein. Investitionen begleiten betriebliche Lernprozesse, und die haben neben ihrer individuellen Komponente eine ganzheitliche soziale Gestalt, welche entworfen und systematisch als Organisation ausgebildet werden muß. Hammer/Champy ( 1994, S. 30 ff.) plakatieren die strukturellen Veränderungen durch drei Aussagen: • Die Kunden übernehmen das Kommando. • Der Wettbewerb wird intensiver. • Der permanente Wandel wird zur Konstante. Die exogene Determinierung der Unternehmensaktivitäten ergibt sich nicht nur durch die Dominanz der Leistungsbezieher. Auch Lieferanten von Teilleistungen erfordern die vernetzte Organisation von Leistungsketten, in denen das jeweilige Unternehmen mit seiner Leistungsdomäne seinen komparativen Konkurrenzvorteil (Backhaus 1992, S. 17 ff.) gegenüber Mitarbeitern dahinschmelzen sieht. Es leisten eben alle sehr effiziente und qualitativ gute Arbeit. Der strukturelle Wandel des Umsystems kann

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3. Investition als Prozeß

sich daher nicht auf dem Puffer des erworbenen Konkurrenzvorteils ausruhen, sondern muß laufend beobachtet und in Investitionsprozesse innerbetrieblich kanalisiert werden. Das Consulting Unternehmen Arthur D. Linie (1995, S. 26 f.) dramatisiert (sicherlich etwas eigennützig) diese Situation und spricht von "Krisenhaften Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft und bei den Unternehmen, die aus der Diskrepanz zwischen Umfeld- und Eigenentwicklung resultieren" (vgl. Abb. 3.36). Hierbei spezifizieren sie zwischen Struktur-, Kosten-, Innovations-, Standort-, Ökologie- und Orientierungskrise. Krisenhafte Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft und bei den deutschen Unternehmen, die aus der Diskrepanz zwischen Umfeld» und Eigenentwicklung resultieren Stnjkturkrlse Volkswirtschaftlich: Stagnation und Schrumpfung traditioneller Industriezweige, dadurch Verarmung ganzer Regionen sowie Arbeitslosigkeit bei klassischen Berufen Verlagerung von Produktion in Niedriglohnländer - Rationalisierungseffekte größer als Wirtschaftswachstum, dadurch keine Reintegration freigesetzter Arbeitskräfte Behinderung der Entstehung neuer Wirtschaftszweige durch mangelnde Risikobereitschaft, Bürokratie sowie tradierte Ausbildungsformen und Verhalttens weisen

Kostenkrise Faktorkosten: - Durch Tarif- und Sozialpolitik im internationalen Vergleich zu hohes Lohnkostenniveau bei zu geringer Arbeitsleistung - Durch mangelnde Liberalisierung hohe Telekommunikations-, Strom- und Gaskosten Prozeßkoaten: - Durch Hierarchisierung und funktionale Abgrenzungen in den Unternehmen hohe Übergabe-, Zwischenspeicherungs- und Abstimmungskosten (bis zu 30 % der gesamten Kostenstruklur) - Hohe Durchlaufzeiten verursachen Verzögerungskosten und erhöhte Abwicklungskosten

Innovationskrise Technologiemanagement - Zu hohe Aufwendungen für etablierte Technologien {Basistech notogien), daher unzureichender Mitteleinsatz (ur neue Technologien (Schlüssel- und Schritt machertechnologien) - Unzureichende Kooperation mit externen Technologiepartnern, daher mangelnder Technologietransfer - Mangelnde unternehmensstrategische Nutzung von Technologien - Behinderung von Tech noiog ieent Wicklungen durch Bürokratie

F&E Management - Unzureichende Interdisziplinär it ät der F&E-Steuerung In einzelnen - Mangelnde Qualitäts- - Unzurachende Industriezweigen: orientierung der Konzentration auf Leistungsprozesse strategisch wichtige - Zu starke Fragmenführt zu hohen F&E-Projekle tierung der AnbieterQualitätskosten - Rückständig keit in struktur, daher unzuder Nutzung moderreichendeEconomies ner F&E-Tools (zum Produkt-/Leistung»» of Scale, besonders Beispiel QFD, Portbei F&E und Logistik kosten: foliomanagement, - Trotz relativ kleiner - Unzureichende Simultaneous Unternehmensgrößen Kunden-/MarktorienEngineering) wenig innovative Dytierung der F&E namik, daher kaum bedingt hohe Kosten Wachstumsimpulse des Overengineering P rodu ktVLeistu ngsdurch neue Initiativen - Zu hohe Fertigungs- management: tiefe führt zu hohen - Interne Hindernisse In den Unternehmen: Gestehungskosten bei der Überführung - Beibehalten belasteninfolge unzureichenvon Entwicklungen in der Geschäftsbereider Economies of die Fertigung und in che und OrganisaScale den Vertrieb tionsstrukluren - Unzureichende - Fehlen eines strateSelektivität und - Geringe Flexibilität gischen ProduktportAbstimmung beim inlolge funktionaler foliomanagements Einkauf führt zu und hierarchischer nach Marktkriterien unnötig hohen Barrieren und Timing-Krrterien Beschaffungs- Mangel an markjkosten orientierten GesamtUnternehmenskultur: prozessen - Führungsformen Strukturkosten: verhindern innovative - Hohe FragmentieInitiativen rung führt zu Dupli- Mangelnde Kommuzierung von Entnikation und Motivawicklungskosten tion zu gemeinsamer Leistung - Veraltete Fertigungsund Logistikstrukturen bedingen unrationelle Abläufe

Abb. 3.36: Struktureller

Standortkrise Personal kosten/ Produktivität - Zu hohe Lohn- und Lohnnebenkosten bei eher abnehmender Leistungsbereitschaft und zu geringem Produktivitätsvorsprung gegenüber Billiglohnländern Steuern: - Zu hohe Körperschafts-, Gewerbeund Einkommenssteuern

Ökologiekrise

Orientierungskrise

Verkehr: - Zunehmende Verstopfung und Verpestung der Städte durch Ubersättigung mit Individualverkehr - Unvertretbar hoher CO,-Ausstoß - Zunehmendes Problem der Autoschrottbeseitigung/ -Verwertung

Indlvldualorlentlerung: -Zunehmende Ersatz identifikation über Lebensslilfetischismus -Werteverfall und zunehmende Unsicherheit über Sinn und Pflichten - Anspruchsgewohnheiten gegenüber dem System

Müll: - Zunehmende Ressourcen Verschwendung für Verpackungen trotz Recyclingversuchen (zum BeiGesetzlicher Rahmen: spiel Grüner Punkt) - Z u langwierige einengende Genehmi- Zunehmende Kritik gungsverfahren für an Bedenkenlosigindustrielle Investikeit der Abfall- und tionsvorhaben Müllerzeugung - Zu komplexe und unrealistische Umweltsch utzvorsch ritten und -verfahren

Gesellschaftlicher Kllmaverfi nd er u ng: - Zunehmende AnzeiRahmen chen dafür, daß - Besitzstanddenken Abgase verschie- Technologiedenster Art schwerfeindlichkeit wiegende Auswir- Mangelnde Flexibilität kungen auf klima- Zunehmende polibestimmende tische Instabilität Phänomene haben -Soziales Ungleich(Ozon loch, gewicht durch hohe Treibhauseffekt) Arbeitslosigkeit

Wandel (nach Little)

Politik: - Fehlen von klaren, verachtenswerten Anliegen und Positionen - Agressrvrtät der Scheingefechte - Moralische Fragwürdigkeit vieled politischer Repräsentanten - Unentschiedenheit gegenüber echten Problemen (zum Beispiel Arbeits los ig keit)

Weltbild: -Menschliche Katastrophen (Bosnien, Ruanda, Somalia, Kurden) ohne sichtbare Lösung - Bewußtsein von Wirtschaftskrieg zwischen Regionen

Energieverbrauch: — Rapide Steigerung des Energiebedarfs Rechtsstaat: führt zu beschleu-. - Überlastung des nigtem Raubbau an Rechtssystems fossilen Brennstoffen untergräbt echten und zu dramatischer Schutz von Rechten CO,-Anreicherung in - Komplexität der der Atmosphäre Gesetzesvielfalt und Regelungen führt Rechtmäßigkeit ad absurdum Gemeinwesen; -Materialisierung der Beweggründe führt zu Egoismen und Verfechten von Partikularinteressen

3.3 Investition i m betrieblichen K o n t e x t

151

Volkswirtschaftliche Entwicklungen wie die Veränderungen des Währungsgefüges oder die Verschiebung der Marktdominierung auf dem asiatischen Raum, der Wandel von Prozeß-, Produkt-, Leistungs- und Strukturkosten sowie der Wertewandel, ökologische Probleme in Verkehr, Ver- und Entsorgung, Klimaveränderung und Energieverbrauch führen zu einer Neubewertung des Standortes und erfordern ein Investitionsmanagement für die Veränderung der innerbetrieblichen Technologie, der Forschung und Entwicklung sowie der Produkt- Leistungsorganisation. Hierbei reicht eine Richtlinien- und eine Kompetenzveränderung nicht aus; es bedarf eines kontinuierlichen Wandels der Unternehmensstruktur. Scott-Morgan (1995, S. 156) folgert: "Wir treten in eine Ära ein, in der sich bereits viele Unternehmen um die Fähigkeit zu anhaltend rascher Entwicklung bemühen. Sie werden zu lernenden Unternehmen, die auf externe Veränderungen oder interne Unzulänglichkeiten reagieren und sich entsprechend anpassen". Das hat jedoch Konsequenzen: "Wenn wir Unternehmen so umgestalten wollen, daß sie ihre eigene Entwicklung schneller und klüger auf die laufenden und zu erwartenden Umfeldentwicklungen ausrichten, dann müssen wir Lernfähigkeit einbauen. Diese Lernfähigkeit muß alle Führungsebenen durchdringen, vom Vorstand bis zum Leiter der kleinsten Vertriebsniederlassung" (Little 1995, S. 142). Bühner (1991, S. 185; vgl. Abb. 3.37) operationalisiert den Innovationsbedarf funktional, indem er zwei Formen des innerbetrieblichen Wandels heraushebt. Zum einen gilt es, die betriebliche Leistung zu modifizieren, zum anderen ist der Prozeß zu verändern, wie diese Leistung erbracht werden soll. Auch er spricht von einer parallelen Organisationsstruktur. "Produkt- und Prozeßinnovationen werden durch sekundäre Organisationsstrukturen begünstigt, die über eine Primärorganisation hinweg neue Produkt- oder Prozeßaktivitäten zusammenfassen. Die Primärorganisation bezeichnet hierbei die Grundstruktur und die Sekundärorganisation die sie überlagernde Struktur. Ein Entscheid über die Bedeutung von beiden Organisationsstrukturen ist dabei noch nicht getroffen. Oftmals spielt sich heute das Unternehmensgeschehen in den als sekundär bezeichneten Strukturen ab. Die Grundstrukturen bleiben hiervon unberührt notwendig und wichtig". Innovation

Produktinnovation

Prozeßinnovation

• Kollegienorganisation • Produktmanagement • Strategische Geschäftseinheiten

• Projektmanagement • Teamworkmanagement

Abb. 3.37: Sekundärorganisation der Innovation (nach Bühner) Diese Betrachtungsweise kennzeichnet zwar einen Aspekt der Investition im betrieblichen Kontext, erfaßt jedoch nicht die drei von Hammer/Champy herausgehobenen Momente; es fehlt die Einwirkung und Beteiligung der exogenen Mitspieler Kunde und Konkurrenz. Arthur D. Little (1995, S. 195; vgl. Abb. 3.38) ergänzt die in derProduktund Prozeßinnovation enthaltene "Produkt-/Systemstrategie" durch die von der

152

3. Investition als Prozeß

Technologiedynamik bestimmte F&E Strategie und die Uber die Wettbewerbsdynamik beeinflußte Marktstrategie. Die Ausrichtung des Unternehmens ergibt sich aus den Zielgruppen und dem Bedarf von Marktsegmenten im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen. Es gilt, den Wettbewerbsvorteil zu erhalten und auszubauen. Obwohl das Problembewußtsein der Unternehmen angewachsen ist und die strategischen Parameter erkennbar sind, bedingen die Innovations- und Investitionsprozesse im Unternehmen häufig erhöhte Reibungsverluste und Fehlentwicklungen. Ich möchte im folgenden zwei Problemkomplexe ausführen, die mit Fehlinvestitionen ursächlich in Verbindung stehen. • Die betriebswirtschaftliche Entwicklung in Theorie und Praxis ist wachstumsorientiert. • Betrieblicher Wandel wird hauptsächlich in formalisierten Strukturen konzipiert und vorangetrieben, ist aber verwoben mit individuellen Zielsetzungen und informalen Wirkungsmechanismen. Technologiedynamik

F & E-Strategie

Produkt-/Systemstrategie

Marktstrategie

> > >

Marktsegmente Bedarfsentwicklung Gesetzliche Bestimmungen

Wettbeweibsdynamik Abb. 3.38: Strategische Unternehmensentwicklung (nach Little) Das wirtschaftliche Wachstum der vergangenen Jahrzehnte erforderte funktionale pyramidenförmige Organisationsstrukturen (vgl. Hammer/Champy 1994, S. 28). Hieraus bilden sich die Erfahrungsressourcen der Unternehmen. Für den Umgang mit schwankenden Leistungsanforderungen an das Unternehmen bestehen nur vereinzelt internalisierte Verhaltensstrukturen. Die Betroffenen können daher zwar neue kognitive Konzepte entwickeln, jedoch deren Auswirkung in die Kapillaren der Handlungsgeflechte des Unternehmens intuitiv nicht abschätzen. Die neuen Konzepte haben keine empirische Basis, auf die sie sich beziehen können. Das gilt auch für die Theoriebildung. Noch 1978 unterteilt Grochla (1978, S. 172 ff.), in Anlehnung an Chandler (1962), vier Stufen des strategischen und strukturellen Wandels in wachs-

3.3 Investition im betrieblichen Kontext

153

tumsorientierte Phasen der Expansion und Ressourcen-Akkumulation, der Ressourcen-Rationalisierung, des fortgesetzten Wachstums und schließlich der Rationalisierung der expandierten Ressourcen. Die gesamte klassische quantitative Investitionsrechnung ist wachstumsorientiert. Sie orientiert sich an einem schrittweise vollzogenen Wandel bzw. an einer evolutionären Umstrukturierung (Scott-Morgan 1995, S. 82 f.) mit einem rückwärts gewandten, empirischen Bezug als Basis für Zukuftsprognosen. Stochastische Neugestaltungen revidieren etablierte Sinnzusammenhänge und deren organisatorische Manifestation. Der Umgang mit Qualitäten steht im Vordergrund, und hier bilden die finistischen Modelle die zu gestaltende Realität nur bedingt ab. Das formalisierte Zielkonzept der betriebswirtschaftlichen Theoriebildung unterscheidet zwischen Sach- und Formalzielen (Scheuch 1989, S. 170 ff.; vgl. Abb. 3.39). "Die Kernfunktion des Betriebes ergibt sich aus der Aufgabenstellung als Fixierung des Sachziels: Sie deckt sich mit dem, was gesamtwirtschaftlich als "Bewirkung der Betriebsleistung" bezeichnet wird und was sich aus der konkreten Leistungserstellung ableiten läßt" (Hahn 1994, S. 147). Scheuch unterteilt dementsprechend die Sach- bzw. Produktziele in die Funktionsbereiche Absatz, Produktion und Beschaffung, Leistungsziele also, die sich in wirtschaftlichen Kenngrößen wie Anlagevermögen, Umlaufvermögen, Umsatz, Erlös, Aufwand, Zahlungsmittelbestand, Einnahmen, Ausgaben und Schulden niederschlagen. Wirtschaftlich gesehen stehen den Sachzielen die Formalziele gegenüber, also Erfolgs- und Liquiditätsziele, welche sich aus den Kenngrößen der Leistungsziele ermitteln lassen. Die überschaubare finistische Unternehmenssicht verbindet die Innovationskosten mit der Programmkontinuität (March/Simon 1976, S. 161) und erlaubt somiteine kognitiv widerspruchsfreie Regelkreisbildung zwischen Planung, Anwendung und Wirkung (Wild 1974, S. 28 ff.). Die Anwendung von Methoden, Instrumenten und Prinzipien in spezifischen Situationen sozialer Systeme und ihrer Umwelt führt zu kalkulierten Wirkungen auf das Individual- und Systemverhalten sowie der jeweiligen Umwelt. Planabweichungen werden registriert und bedingen Rückkopplungen; die daraus resultierenden Korrekturen modifizieren die Maßnahmen und erlauben weiterhin die Verfolgung der anvisierten Sach- und Formalziele. Die Umsetzung von Neugestaltungen im Unternehmen sind jedoch nicht so leicht zu kontrollieren, wie die Theorie es glaubhaft macht. Bereits Machiavelli (1978, S. 4) verweist in seinen Ausführungen zur Herrschaft auf die Aspekte der informalen Strukturen und die sich daraus eröffnenden Risiken bei Neuerungen: "Man muß sich nämlich darüber im klaren sein, daß es kein schwierigeres Wagnis, keinen zweifelhafteren Erfolg und keinen gefährlicheren Versuch gibt, als sich zum Leiter eines Staats aufzuwerfen und eine neue Ordnung einzuführen; denn jeder Neuerer hat alle die zu Feinden, die von der alten Ordnung Vorteile hatten, und er hat an denen nur laue Verteidiger, die sich von der neuen Ordnung Vorteile erhoffen." Scott-Morgan (1995, S. 140) umschreibt die informale Komponente als "heimliche Spielregeln" und ordnet ihr eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung von Leistungsverbesserungen zu. "Um die nächste Ebene von Möglichkeiten einer Leistungsverbesserung zu erreichen, muß man sich noch mehr strecken und steht wieder vor dem Dilemma des Wandels: Das höchste Verbesserungspotential liegt in Ansätzen, die auch die größten Risiken mit sich bringen. Die andere Seite des Problems ist der Faktor Mensch. Jede neue Welle im Managementdenken verlangt von den Mitarbeitern eine Veränderung ihres Verhaltens. Und es sollte mittlerweile unmißverständlich klargeworden sein, daß man hier gegen eine Wand rennt, wenn man die heimlichen Spielregeln nicht versteht."

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3. Investition als Prozeß

Abb. 3.39: Zielhierarchien (nach Scheuch) Die Investition im betrieblichen Kontext verursacht einen Wandel der sozialen Handlung im Unternehmen. Investition und sozialer Wandel sind dabei simultane Prozesse, die stets eine individuelle, also auch eine gemeinschaftliche, d.h. organisatorische Komponente aufweisen. Aus der Sicht vom Individuum ergibt sich eine Polyvalenz der Triebfedern des eigenen Handelns. Auf der einen Seite ist das Individuum eingebunden in eine betrieblich definierte organisatorische Rolle (Kieser/ Kubicek 1983, S. 419), auf der anderen Seite verfolgt es jedoch eigene Interessen, also persönliche Ziele, die es motivieren, wie beispielsweise Machtansprüche. Die Organisation wiederum manifestiert sich in der Fortsetzung von formalen Verrichtungsund Aufbaustrukturen. Neben diesen schriftlichen und in Form von Diagrammen und Tabellen fixierten Handlungsregeln und Abhängigkeitsanweisungen existiert auch noch die soziale Gemeinschaft der Betriebsmitglieder mit der Kommunikation, ihren Freundschaften und Feindschaften und den nicht explizit definierten Interdependenzen (vgl. Abb. 3.40). Neben den sogenannten harten Faktoren einer quantitativ ausgerichteten funktionalen und finistischen Sichtweise ergibt sich eine "weiche" Betrachtung der Dinge, mit der die feinen Verästelungen des sozialen Verhaltens aufgespürt werden und die kulturel-

3.3 Investition im betrieblichen Kontext

155

len Anbindungen der individuellen Handlung aufzuspüren sind. Dabei steht die Unternehmenskultur nicht neben der Entwicklung und Ausprägung der formalen Strukturen, die sich in Führungs- und Informationssysteme oder logistische bzw. strategische Systeme manifestieren.

Abb. 3.40: Investition als Veränderung sozialer Handlung Heinen (1987, S. 43) definiert den Begriff der Unternehmenskultur als ein Moment, das bei jeder formalen Systembildung eine zusätzliche Referenz darstellt, welche "ganzheitlich auf die übrigen Subsysteme der Organisation" einwirkt. Aus dieser Sicht ergibt sich neben der traditionellen Rationalität mit ihrer "Objektivität" und ihrer Zweck-Mittel-Analyse eine andere "kommunikative" Rationalität. Neben der Ausdehnung technischer Verfügungsmöglichkeiten und dem Aufbau von strategischen Erfolgspotentialen ist es notwendig, einen Konsens der Sinnzusammenhänge zu erzielen, um so ein kommunikatives Verständigungspotential aufzubauen (siehe hierzu Ulrich 1983, S. 80; Dill/Hügler 1987, S. 192; vgl. Abb. 3.41). Neue Organisationskonzepte berücksichtigen sowohl die Entwicklung der formalen, als auch der informalen Strukturen. Dabei thematisieren sie die organisatorische und die individuelle Komponente gleichermaßen. Senge (1990) stellt ein Modell der lernenden Organisation vor, das von Arthur D. Little (1995, S. 49) in den Ausführungen zum Management der Lernprozesse im Unternehmen herangezogen wird. Demnach sollten die Organisationen eines kontinuierlich wandlungsfähigen Unternehmens folgende Eigenschaften aufweisen: • Ihre Mitarbeiter haben ein gemeinsames Systemverständnis aller für den Erfolg entscheidenden Einflußfaktoren und ihrer Wechselbeziehungen - innerhalb und außerhalb der Organisation. • Ihre Mitarbeiter weisen ein explizites und klares Verständnis ihrer eigenen Ziele, Entwicklung und Wirklichkeit auf, das sie in Beziehung zu der Entwicklung des Unternehmens und ihren Einflußmöglichkeiten setzen können. • Sie sind von einem "mentalen Modell" durchdrungen, das ihnen Überzeugung für ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten und eine visionäre Zielvorstellung gibt; ihre Führungskräfte besitzen individuell auch ein "mentales Modell", das mit dem des Unternehmens insgesamt harmoniert.

156

3. Investition als Prozeß

Sie sind in der Lage, eine gemeinsame Vision als erstrebenswertes Bild der Zukunft zu entwickeln, dem sich ihre Mitarbeiter verpflichtet fühlen und das dauerhaft Energie freisetzt. Sie verfügen über Teams, die fähig und bereit sind, echte "Dialoge" zu führen, das heißt gemeinsam und offen zu denken, anstatt nur taktische Positionen abzugleichen oder durchzusetzen. Dimensionen der Rationalität

traditionelle Rationalität

kommunikative Rationalität

"objektive" Informationen über Wirkungszusammenhänge

"interaktionsorientierter" Konsens über Sinnzusammenhänge

Zweck-Mittel-Analyse

Diskurs

Ausdehnung technischer Verfügungsmöglichkeiten

Ausdehnung argumentativer Verständigungsmöglichkeiten

Aufbau strategischer Erfolgspotentiale

Aufbau kommunikativer Verständigungspotentiale

Abb. 3.41: Die Konzeption einer zweidimensonalen Führungsrationalität Ulrich)

(nach

Der Wandel, welcher mit Investitionen einhergeht, bezieht sich nicht nur auf die physischen und formalen Maßnahmen derRestrukturierung bzw. der Rationalisierung. Die betroffenen Menschen dürfen nicht überwältigt werden, sondern sie müssen eingebettet sein in einen gemeinsamen Lernprozeß und einen Prozeß des Mitdenkens, Mitgestaltens und Mitwollens (ebenda S. 205; vgl. Abb. 3.42). Die individuelle Struktur der Mitarbeiter muß bei der Umsetzung von Investitionen ebenso als Gestaltungsbereich mit einbezogen werden wie die soziale Organisation des Unternehmens als Ganzes. Dabei reicht die Definitive der individuellen organisatorischen Rolle nicht aus. Das Verhalten der Mitarbeiter ist durch eigene Zielsetzungen mitbestimmt, welche bei der Ausbildung eines Konsenses mit einbezogen werden müssen. Die motivierenden Kräfte eines Investitionsbetroffenen sind ebenso zu berücksichtigen wie die machtausübenden und handlungsauslösenden Kräfte, denn alle Mitarbeiter fragen sich in der Regel: Wer im Unternehmen ist wichtig, um meine persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen, bzw. wie kann ich einen Machtausübenden dazu bewegen, sich für meine persönlichen Ziele einzusetzen? Auch die individuellen Handlungen haben, so A.D. Little, eine eigene Logik (ebenda, S. 160, vgl. Abb. 3.43). Eine erfolgreiche Neugestaltung eines Sub- oder Teilsystems im Unternehmen kann bei der zunehmenden Vernetzung aller Aktivitäten nur noch mit und nicht mehr gegen diese Logik erfolgen.

3.3 Investition im betrieblichen Kontext

157

Beteiligte (stakeholders) Markt- und Wettbewerbsdynamik (framework)

Beteiligung an Verantwortung und Umsetzung (Involvement, roles, participation)

Abb. 3.42: Ebenen des Wandels (nach Little) Welches sind meine Ziele und Bedürfnisse?

Wer ist wichtig, um meine Ziele zu erreichen una meine Bedürfnisse zu befriedigen?

Wie kann ich die machtausübenden Kräfte dazu bewegen, mich meinen Zielen näher zu bringen?

Abb. 3.43: Verhalten der Mitarbeiter (nach Little) Ein weiteres Beispiel für die Umsetzung von integrativen und ganzheitlichen Entwicklungsmodellen ist das St. Gallener Management-Konzept (siehe hierzu Bleicher 1992 sowie Gomez 1993, S. 48; vgl. Abb. 3.44). Ausgangspunkt jeder Entwicklung und somit auch jeder Investition ist die physische und soziale Vorstellung dessen, was man erreichen will: die Unternehmensvision. Ihre Umsetzung in die Unternehmensrealität schließt die Beeinflussung und Gestaltung von exogenen und endogenen Betriebsstrukturen gleichermaßen mit ein. Die betriebliche Leistung stellt einen integrativen Bestandteil in einem Leistungsverbund dar. Zur Überführung der innovativen Struktur in den operativen Handlungskontext des Unternehmens bedarf es nach dem St. Gallener Konzept des begründenden normativen Management, des ausrichtenden strategischen Management und des vollziehenden operativen Management. Alle drei Ebenen weisen eine vertikale und horizontale Integration auf. Unternehmensverfassungspolitik und -kultur sind ebenso interdependent wie die Ausbildung von Organisationsstrukturen, Programmen und Problem verhalten oder Dispositionssyste-

158

3. Investition als Prozeß

men, Aufträgen und Leistungs- sowie Kooperationsverhalten. Auf jeder Managementebene gilt es, Strukturen, Aktivitäten und Verhalten in ein Fließgleichgewicht zu bringen, das konsensbildend und mittel- wie kurzfristig handlungskongruent ist. Trotz neuer Konzepte ist ein Wandel nur bedingt programmierbar, und dementsprechende Fehlinvestitionen sind unvermeidlich. Die betriebswirtschaftliche Theoriebildung istkogniti v; sie erlaubt ideal typische Modellbildungen, die im Geiste stimmig sind und sich bei Bedarf schnell ändern lassen. Das gilt aber nicht für Organisationen und für Individuen. Kulturen wachsen langsam und sind in einem weitgefächerten emotionalen Flickwerk verwoben. Das ist bei gesellschaftlichen wie auch bei unternehmensspezifischen Kulturen der Fall. Sie lassen sich nur langsam verändern; sie sind sozusagen erdverbunden. Managementphilosophie

Normatives Management=begründend Unternehmungsverfassung

Unternehmungspolitik

Unternehmungskultur

Missionen Strategisches Management=ausrichtend

•e o> o> © > c

Organisationsstrukturen

Programme

Problemverhalten

Horizontale Integration

Managementsysteme

Operatives Management=vollziehend Organisatorische Prozesse

Aufträge

Leistungs- und Kooperationsverhalten

Dispositionssysteme Strukturen

Verhalten

Ünternehmungsentwicklung Innere UE

Äußere UE

Innere und äußere UE

Abb. 3.44: Das St. Gallener Management-Konzept (nach Bleicher/Gomez) Damit ist der Handlungsraum eines Unternehmens begrenzt. Luhmann (1993, S. 62) führt dazu länger aus: "Für den Gesamtbereich der umweltoffenen (zum Beispiel

3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung

159

psychischen oder sozialen) Systeme verändert sich mit diesem Übergang von "Selbstorganisation" zu "Autopoiesis" das Grundproblem, auf das die Theorie sich bezieht. Solange man vom Problem der Strukturbildung und Strukturänderung ausging und darin die Dynamik der Systeme sah, konnte man lerntheoretischen Ansätzen einen grundlagentheoretischen Rang einräumen. Das Problem lag dann in den besonderen Bedingungen, unter denen die Wiederholung einer ähnlichen Handlung bzw. die Erwartung der Wiederholung eines ähnlichen Erlebens wahrscheinlich ist. Für eine Theorie autopoietischer Systeme stellt sich dagegen vorrangig die Frage, wie man überhaupt von einem Elementarereignis zum nächsten kommt; das Grundproblem liegt hier nicht in der Wiederholung, sondern in der Anschlußfähigkeit. Hierfür erweist sich die Ausdifferenzierung eines selbstreferentiell-geschlossenen Reproduktionszusammenhangs als unerläßlich, und erst in bezug auf ein dadurch gebildetes System lassen sich Probleme der Strukturbildung und Stukturänderung formulieren. Strukturen müssen, anders gesagt, die Anschlußfähigkeit der autopoietischen Reproduktion ermöglichen, wenn sie nicht ihre eigene Existenzgrundlage aufgeben wollen, und das limitiert den Bereich möglicher Änderungen, möglichen Lernens." Was für soziale Systeme gilt, trifft auch auf die in ihr organisierten Individuen zu. Phlegmatiker bleiben in der Regel phlegmatisch und Nervöse nervös. Machiavelli (1978, S. 23), der viel von Macht versteht, empfiehlt dem Innovator: "Zu allem, was ich angeführt habe, kommt noch der Wankelmut der Menge; es ist leicht, sie zu einer Sache zu überreden, aber schwer, sie bei der Stange zu halten. Darum ist es gut, darauf eingerichtet zu sein, daß man sie, wenn sie nicht mehr glauben, dazu zwingen kann." Er schafft damit eine andere Ebene der Verständigung, die der Abhängigkeit. Sicherlich entspricht diese Aussage nicht dem moralischen Konsens der zuvor beschriebenen Modelle, sie veranschaulicht aber ein strukturelles Moment von großer Praxisrelevanz. Um das näher zu veranschaulichen, werde ich in den folgenden Unterpunkten die formale und die informale Organisation detaillieren und dann die Investitionsentscheidung unter dem Aspekt der Macht beleuchten.

3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung Die formale Organisation und die betriebliche Zielsetzung setzen sich mit Abstraktionen auseinander, die das intendierte betriebliche Verhalten lenken sollen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den idealtypischen Organisationsmodellen sowie Zielhierarchien und denen, welche spezifisch für ein bestimmtes Unternehmen formuliert werden. Beide Abstraktionen beschreiben nicht die realen betrieblichen Strukturen, sondern jene, welche von der dispositiven Führung angestrebt werden. Es gibt in der betriebswirtschaftlichen Literatur wenig Aussagen darüber, in wiefern Intention und Realität Ähnlichkeiten aufweisen. Beim betrieblichen Entscheidungsprozeß habe ich ausführlich die Ergebnisse der empirischen Studie von Witte aus dem Jahre 1968 erläutert. Im organisatorischen Zusammenhang möchte ich auf die Arbeit von Eberwein/Tholen zurückgreifen, welche 1990 unter dem Titel "Managermentalität, industrielle Unternehmensleitung als Beruf und Politik" veröffentlicht wurde. Für diese Studie wurden, neben der Auswertung der einschlägigen Literatur und relevanter amtlicher Statistiken, eine Vielzahl von Experteninterviews durchgeführt. Der Schwerpunkt des ausgewerteten empirischen Materials bildet eine eigenständige Erhebung. Hierzu führten die Autoren von Anfang 1988 bis "Anfang 1989 insgesamt 111 qualitative Interviews mit Mitgliedern der beiden obersten Managementebenen in 35

160

3. Investition als Prozeß

Unternehmen. Die Gespräche hatten eine Dauer von 11/2 bis zu 4 Stunden. Sie wurden per Tonband aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Für jedes der einbezogenen Unternehmen erstellten wir ferner eine Analyse der aktuellen Unternehmenssituation und -entwicklung. Zu diesem Zweck wurden neben unternehmens-internen Quellen wie Geschäftsberichte, Organigramme usw. und eigens für uns im Unternehmen aufbereiteten Daten auch externe Quellen, insbesondere einschlägige Zeitschriften und Zeitungen, Firmenhandbücher usw., systematisch ausgewertet" (ebenda S. 21). Die Untersuchung umfaßte 13 verschiedene Wirtschaftsgruppen, wobei eine quantifizierte Streuung der Unternehmen bezüglich Größe, Regionalverteilung und Branchenzugehörigkeit erreicht wurde. Mintzberg (1973, S. 54 ff.) definiert sechs Verpflichtungen, welche die Führungsstruktur in einem Unternehmen zu gewährleisten hat: • Sicherstellung der wirkungsvollen Produktion der Güter und Dienste der Organisation; • Entwerfen und Aufrechterhalten der Stabilität der organisatorischen Unternehmungen; • Anpassung der Organisation auf eine kontrollierte Weise an ihr sich veränderndes Umfeld; • Sicherstellung, daß die Organisation den Zielen jener Personen dient, die die Kontrolle (das Kapital, Kapitaleigner) haben; • Dienen als Schlüssel-Informationsglied der Organiation und ihrem Umfeld; • Umsetzung des System des Organisationsstatus umsetzen (Hierarchie-StatusPrestige). Aus den Interviewergebnissen von Eberwein/Tholeti (1990, S. 84, S. 235) ergibt sich, daß ein wesentlicher Konflikt der Führung sich aus der Spannung ergibt, einerseits das operative Gefüge aufrecht erhalten zu müssen und andererseits für Neuerungen zu sorgen. Auf die Frage, ob ein Unternehmensleiter heute noch als Innovator tätig sein kann oder eher Administrator ist, lauteten die Antworten (Mehrfachnennungen möglich): • 47 Prozent: Der Unternehmensleiter hat eine Fülle von Verwaltungsaufgaben, aber nach wie vor ist Innovation sehr wichtig und in Teilbereichen möglich. • 39 Prozent: Innovation ist nach wie vor primäre Aufgabe der Unternehmensleitung. • 13 Prozent: Der Unternehmensleiter ist in erster Linie Verwalter. • 6 Prozent: Im Marktbezug kann der Unternehmensleiter kein Verwalter sein. • 5 Prozent: Wer von Verwaltung spricht, hat ein Führungsdefizit. "Je größer die Unternehmen werden", so ein Interviewpartner, "desto größer ist die Gefahr, daß sie... bald von einer Behörde nicht zu unterscheiden sind" (Interview Nr. 100, S. 45; ebenda S. 234). In einer standardisierten Befragung von 1493 TopManagern von Müller-Böling/Klautke/Ramme (1989, S. 105; vgl. Tab. 3.1) wurde nach der Arbeitszeitverteilung gefragt. Die Kommunikation steht mit 40% vor der Arbeit am Schreibtisch (38%) und auf Tour (22%). Kommunikation ist die wichtigste Tätigkeitsform im Rahmen von innovativen Entwicklungsprozessen. Institutionalisierte und durch die formale Organisation gestützte Kommunikationsformen wurden von über der Hälfte der Befragten in der Eberwein/ Tholen (1990, S. 190; vgl. Tab. 3.2) -Untersuchung vorgezogen. 17% geben ausdrücklich der informellen Kommunikation den Vorrang; 32% streben eine Mischung beider Formen an.

3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung

161 Prozent 40

1. Kommunikation, davon - offizielle Sitzungen - Besprechungen - Telefonate

8 19 13

2. Am Schreibtisch, davon - Eingangspost - Ausgangspost - Erstellung Schriftstücke - Vorlagen lesen

8 7 11 12

3. Auf Tour, davon - Arbeitsessen - Gremien - Tagungen - Vorträge - Reise- bzw. Fahrtzeiten

5 3 3 1 10

Tab. 3.1: Arbeitszeitverteilung Ramme)

38

22

von Top-Managern (nach

Müller-Böling/Klautke/ Prozent

1. Vorwiegend institutionalisierte Zusammenkünfte (jour-fixe, Vorstands-/Abteilungssitzungen etc.)

38

2. Allgemeine Regeln für eine strukturierte Kommunikation

8

3. Vertikale Kommunikation, institutionalisiert

5

4. Mischung aus institutionalisierter, informeller und strukturierter Kommunikation

32

5. Informelle Kontakte sind die wichtigsten

14

6. Horizontale Kommunikation, informell

3 100

Tab. 3.2: Kommunikationsformen (nach Eberwein/Tholen) Aus dieser Übersicht wird deutlich, daß die eigentliche Entscheidung gar nicht im Vordergrund steht, sondern der Prozeß, welcher eine Innovation voranbringt und dazu führt, daß eine Investition auch eine Form in dem Verhalten der Betroffenen bekommt. Eberwein/Tholen (1990, S. 169) schreiben dazu: "In der Realität ist die Handlung 'Entscheidung treffen' nur ein Glied in einer vielfältigen Kette von Aufgaben, sie hat erhebliche Vorläufe und Vorbedingungen, wie ein Ingenieur-Managereines Automobilunternehmens darstellt: 'Aber es gibt hier bei diesem Geschäft nicht nur Entscheidungen zu treffen, und das halte ich für gar nicht so sehr wichtig, sondern viel wichtiger, als Entscheidungen zu treffen, ist es, Aufgaben und Weichen zu stellen. Denn eine Entscheidung bedingt ja, daß eine Aufgabe vorher gestellt und zur Erledigung vorbereitet worden ist. So ist das andere, nämlich Aufgaben zu stellen, Projekte zu initiieren, auch mal Feuerwehr zu spielen, wichtiger, als Entscheidungen zu treffen' (Interview 47, S. 7)".

162

3. Investition als Prozeß

Dabei stellt die formale Organisation sowie die Ausrichtung nach einem unternehmensspezifischen und abstrakten Zielgerüst ein großes Moment der Handlungssicherheit dar. Solange diese Strukturen nicht in Frage gestellt werden, kann Unsicherheit bewältigt werden. Dementsprechend empfinden fast zwei Drittel der Unternehmensleiter (ebenda S. 184) bei Entscheidungssituationen keine bzw. kaum Unsicherheit, die nicht beherrschbar ist. Die Unternehmensleitung ist jedoch im erheblichen Maße abhängig von der gesamten Struktur, also vom Sachverstand der Fachabteilungen und den Erfahrungen des mittleren Managements. Problematisch wird die Stabilität des Sicherheitsmomentes, wenn sich ein Wandel ausbreitet, bei dem der Erfahrungshintergrund der formalen Struktur nicht mehr greift. Stewart (1983, S. 96) verzeichnet sechs Veränderungen zwischen dem traditionellen Bild und der sich abzeichnenden Betriebsrealität. Das gesellschaftliche Verständnis von Managerarbeit und Führungsverhalten entwickelt sich • von Regelmäßigkeit, Ordentlichkeit zu zerfallenden Bereichen, charakterisiert durch Kürze, Fragmentierung, Mannigfaltigkeit; • von Planung zu Reaktion und Instinkt; • von Zusammenarbeit mit Untergebenen zu Anerkennung von Bedeutung von 'Quer'-Beziehungen, auch informeller, nicht hierarchisch gebundener Art; • von sich Verlassen auf etablierte Beziehungen zu Entwicklung und Aufrechterhaltung von wechselseitigen Beziehungen; • von Gebrauch von formalisierten und gesicherten Informationsquellen zu (auch) Nutzung informeller spekulativer Informationen und • von unpolitisch, nur bezogen auf Unternehmensziele, zu Verständnis für den politischen Charakter der Managementposition, um Außenstehende von den eigenen Zielen zu überzeugen. Ich möchte diese - bereits vor eineinhalb Jahrzehnten festgestellten - Wandlungsvorgaben im folgenden unter drei Fragestellungen beleuchten: • Wie bilden sich Ziele aus? • Welche Organisationsmöglichkeiten ergeben sich? • Wie wird unter diesen Bedingungen der Investitionsprozeß formalisiert? Die Formulierung von Zielen beinhaltet implizit den Rückgriff auf Erfahrungen. Luhmann (1973, S. 29) führt dazu aus: "Der Sinn der Schematisierung möglicher Erfahrung durch die Kausalkategorie besteht also lediglich darin, die im natürlichen Erleben sich zeigenden Erfahrungs- und Verhaltenspotentialitäten zu systematisieren und so zu interpretieren, daß sie für Vergleichszwecke verfügbar, also rationalisierbar werden." Die Ausbildung von Handlungszielen reduziert somit die Umweltkomplexität und schafft damit Sicherheit, die jedoch eine Ordnung als Handlungsreferenz benötigt. "Isolierte Reduktion reiner Kausalzusammenhänge oder reiner Wertverhältnisse auf eindeutige Formen (Erklärungen, Voraussagen, optimale Entscheidungen) muß eine präzise Ordnung voraussetzen - und das heißt nichts anderes, als daß der Mensch insoweit darauf verzichtet, Komplexität selbst zu bewältigen", (ebenda, S. 50). Ein Zielgerüst vereinfacht somit die betriebliche Handlung und rekrutiert sich, so Wild (1974, S. 52 f.; vgl. Abb. 3.45), auf die Verknüpfung von Parametern im Rahmen von Wenn-Dann-Aussagen. Die Ziele bilden als Wenn-Komponente eine Setzung unter der Vorgabe von Aktionsparametern wie Maßnahmen, Ressourcen, Zeit und Träger.

163

3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung

Dabei gelten Randbedingungen, also Datenparameter der Lageprognose. Ihr Zweck ist die Konsequenz, also die Wirkung als Dann-Komponente. Bei der Festsetzung der Ziele sind die Reaktionsparameter nicht real, sondern eine Wirkungsprognose. Die Wirkung eines Zielgerüstes ist begrenzt. Unter der Voraussetzung, daß die formalen Aufbau- und Ablaufstrukturen in einem Unternehmen eine dominante Funktion bei der Handlungsabwicklung haben und unter der Voraussetzung, daß die impliziten Prognosen bei der betrachteten Handlungssituation tatsächlich zutreffen, bildet ein formalisiertes Zielgerüst ein hervorragendes System zur Orientierung. WENN-SATZ

• Maßnahmen

ZIELE

• Ressourcen

DANN-SATZ

Randbedingungen (Prämissen)

^

^ ^

• Zeit

KONSEQUENZEN (Wirkungen)

• Träger

©

Aktionsparameter © © ©

t

Setzung

©

©

Datenparameter © © ©

t

Lageprognose

Reaktionsparameter © © © ©

t

Wirkungsprognose

Abb. 3.45: Ziele und Konsequenzen als Wenn-Dann-Aussage (nach Wild)

Werden bekannte Verhaltensweisen perpetuiert, wie beispielsweise bei Wachstumsprozessen und haben wir es mit homogenen Machtstrukturen bzw. mit einem breit abgesicherten sozialen Handlungskonsens zu tun, so können Investitionen über ein Zielsystem gut geregelt und gesteuert werden. Komplizierter wird der Fall bei einer heterogenen Interessenlage. Janisch (1992: vgl. Abb. 3.46) gibt eine Vielzahl von Indikatoren an, welche von sehr unterschiedlichen Anspruchsgruppen an ein Unternehmen herangetragen werden können. Aktionäre, Aufsichtsrat, Management, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Fremdkapitalgeber, Staat und Öffentlichkeit verfolgen häufig andere, untereinander im Konflikt stehende Zielsetzungen.

164

3. Investition als Prozeß

AMpna*ugn*p«t

ObscMMubwi

Aktion»

Untemehmenawertstaigerung

• Dividende • Kursgewinn •Macht

• Umsatzwachstum • Gewinnmarge • Investitionen • Kapitalkosten • Stauerrata

Verwaltungtrat/ Auf* ¡cht* rat

Funktionierende Unternehmen sfQhnjng

• Übernahme von Verantwortung • Prestige •Tantiemen

•Kontrolle • Delegation • Information

Topmanagement

Berufliche Erfüllung

• Sicherheit • Erfolg • Macht/Sozialer Status • Entlohnung • Seibatverwirklichung • Dividende/ Kursgewinn

•Kontrolle • Einkommen • Umsatzwachstum/ Gewinn • Sicherheit • Job Design

Mitarbeiter

Lebensqualität

• Existenzsicherung • Lebensunterhalt • Selbstverwirklichung

• Einkommen • Arbeitsplatzsicherheit • Arbeitsbedingung • Beteiligung

Kunden

Bedürfnisbefriedigung

• Marktleistung • Preis • Sicherheit • Periphere Leistungen

• Produktqualittt • PreiswQrdigkait • Produktsicherheit • Versorgungsqualität • Image

Lieferanten

Existenzerhaltung/ und - entwicldung

• Eigene Wertsteigerung • Unabhängigkeit • Sicherheit

• Nachfragemacht • Stabile Beziehung • Preisgestaltung • Umsatz/Investitionen

Fremdkapitalgeber

Attraktivität!Steigerung der Investitionen

• Kapitaivarzinsung • Sicherheit •Macht

• FK-Koaten • Amortisation • Umsatz/Investitionen • Kontrolle

Staat

Wohlfahrt

• Wirtschaftswachstum • Vartailungsgerechtigkeit • Konjunkturalle Stabilität • Unabhängigkeit • Machtausgleich • Umwaltquaftflt

• Steuern/Gebühren • Aufgabenentlastung • Einhaltung von Vorschriften/Normen • Prosperität der Privatwirtschaft

Öffentlichkeit/ Gesellschaft

Gerechte Zukunftssicherung

• Offen legung/Kontrolle wirtschaftlicher Tätigkeit • Gerechtigkeit • Forderung dea Gemeinwohls

• Spenden/Stiftungen • Informationssystem • Umweltschutz • Einhaltung von Werten und Moral

WMtpmntien

Abb. 3.46: Ziele, Teilnutzen und Wertgeneratoren der Anspruchsgruppen Janisch)

(nach

3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung

165

Die Definition von Zielen dient daher nicht nur dem Zweck der Erfüllung derselben, sondern als Orientierung der Betroffenen zur Dokumentation dessen, was man erreichen möchte. Es ist ein Charakteristikum der Zielentwicklung im Unternehmen, daß sich die Zielhierarchie eines Unternehmens im Zeitverlauf ändert. (Wilkes 1979, S. 1056 f.; Hahn 1994, S. 43 f.). Hiermit kommen nicht nur inhaltliche Wandlungsaspekte zum Ausdruck, sondern auch Indikatoren der Unsicherheit spezifischer Gruppen und der Manifestation von Machtstrukturen. Rigide Zielsysteme verhindern Wandel und Innovation. Veränderte Zielstrukturen schaffen Unordnung und Diskussion. Die Definition von Zielen und der notwendige Prozeß der Akzeptanz bilden ein probates Vehikel zur Steuerung der Konsensbildung und somit zur Lenkung des Diskurses innerhalb der unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Machtstrukturen verkürzen den Diskussionsprozeß. Es werden Hierarchien ausgebildet, innerhalb derer Subziele von Teilgruppen des Unternehmens auszudifferenzieren sind. Durch die Säkularisierung des Diskussionsprozesses, in dem insbesondere diejenigen miteinander diskutieren, die sich ohnehin schon einig sind, lassen sich die Erwartungshaltungen der Betroffenen homogenisieren. Durch den Mechanismus der Subzielbildung werden andere Ziele aus der Diskussion ausgeklammert und gegebenenfalls auch gar nicht mehr wahrgenommen. Mit der Arbeitsteilung und der Kommunikationsdichte innerhalb der Subgruppe, so March/ Simon (1976, S. 144; vgl. Abb. 3.47), definiert sich der Brennpunkt der Information. Je nach der Unterschiedlichkeit der Subziele und deren Verweildauer (Persistenz) ergibt sich der Brennpunkt der Aufmerksamkeit. Zeitdruck engt dabei den Diskussionsraum ein.

Abb. 3.47: Faktoren der selektiven Wahrnehmung von Subzielen (nach March/ Simon) Die einfachste Kanalisierung der Zieldiskussion ergibt sich durch eine Hierarchiebildung und den Ausschluß von Diskussionsteilnehmern. Hiermit manifestiert sich die Struktur der formalen Aufbauorganisation in der Prozeßgestaltung des Zieldiskurses. Dill/Hügler (1987, S. 160 ff.; vgl. Abb. 3.48) unterscheiden zwischen Zielen der Organisation bezogen auf ihre Umweltrelation, strategischen Zielen der Leistungsdefinition und des Absatzes sowie operativen Zielen der Linienorganisation (siehe hierzu

166

3. Investition als Prozeß

auch Heinen 1985, S. 64). Eine Abstimmung erfolgt jeweils zwischen der oberen und der nächst tieferen Zielebene. "Verfügt eine Unternehmung über ein System genereller, strategischer und operativer Ziele, so kann es als prominente Aufgabe der Führung bzw. des Managements angesehen werden, diese Vorstellungen durchzusetzen. Dazu ist es erforderlich, die Interpretation der generellen Ziele, die Übersetzung genereller Ziele in strategische Ziele und die Adäquanz operativer Maßnahmen sowie deren Realisierung zu steuern und zu kontrollieren" (ebenda). Aufgabenbetreuung und Hierarchisierung von Tätigkeiten bilden die Hauptmerkmale für die Organisation im Unternehmen. Bei der Etablierung von Innovationen geraten diese Strukturmomente zunehmend in die Kritik. Hammer/Champy (1994, S. 43) schreiben in ihren vielbeachteten Ausführungen zum Business Reengineering: "Die wesentliche Botschaft unseres Buches lautet also: Es ist nicht mehr sinnvoll oder wünschenswert, daß Unternehmen ihre Tätigkeit nach Adam Smiths Grundsätzen der Arbeitsteilung organisieren. Einzelaufgabenorientierte Arbeitsplätze sind in der heutigen Welt der Kunden, des Wettbewerbs und des Wandels nicht mehr zeitgemäß. Statt dessen müssen die Firmen die Arbeit prozeßorientiert organisieren".

Ziele der Organisation (Zielentscheidungen)

bezogen auf die Organisation und ihre Umwelt

bezogen auf Produkt/ Markt-Einheiten und sozioökonomische Felder

bezogen auf die Linienorganisation Abb. 3.48: Zusammenhang zwischen strategischen Zielen, operativen Zielen und Oberzielen der Organisation (nach Dill/Hügler) Die Organsationstheorie hat seit ihrer Entstehung zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts verschiedene Phasen durchlaufen. Hahn (1994, S. 392; vgl. Abb. 3.49) spricht von der Bewegung der Rationalisierung mit ihrem Schwerpunkt auf der arbeitsteiligen Abteilungsgliederung der formalen Organisation, alsdann von der Human Relation Bewegung mit der Berücksichtigung des Gruppen- und Vorgesetz-

3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung

167

tenverhaltens im Rahmen der informellen Organisation und schließlich von der interdisziplinären Zusammenarbeit mit ihrer Sichtweise der Organisation als sozioökonomisches System. Die prozeßorientierte Organisationstheorie geht von der Existenz zweier paralleler Organisationen aus, die bei unterschiedlichen Handlungszusammenhängen wirksam werden. Zum einen wird der operative Alltag nach wie vor durch eine funktionalistische Hierarchie bestimmt. Der Wandel durchbricht in einer institutionalisierten Weise diese Ordnung. Je nach Investitionsvorhaben werden Projekte mit befristeter, aber durchaus über Jahre hinweglaufender Dauer organisatorisch etabliert. "Generell wichtig ist die Erkenntnis", so Page (1990, S. 129), "daß verschiedene Organisationsformen nebeneinander existieren können, und daß dieselbe Funktionseinheit evtl. gleichzeitig in mehrere unterschiedlichen Organisationsstrukturen eingebettet sein kann." Die dabei entstehende Doppelunterstellung darf nicht mit einer Matrixorganisation verwechselt werden, in der funktions- und produktorientierte Hierarchien sich durchsetzen. Produktmanager kümmern sich ebenso wie die Leiter von Einkauf, Produktion, Absatz und Verwaltung um primär-operative Belange: das Hauptziel ist es, die betriebliche Leistung zu generieren und zu veräußern; die Organisationsstruktur ist dauerhaft, solange sie störungsfrei operiert. Organisationstheorie

Klassische 0.

Neoklassische 0.

Integrierte O.

Entstehung

1890/1910

1925

1965

Bewegung

Rationalisierung

Human RelationsBewegung

interdisziplinäre Zusammenarbeit

Einstellung zum Menschen

Der Mensch hat sich der Organisation anzupassen (formale O.)

Berü cksichtung des Gruppen- und Vorgesetztenverhaltens (informale 0.)

Die Organisation ist ein sozioökonomisches System

Basis und Vertreter

"wissenschaftliche Betriebsführung" (Frederik M. Taylor, Arbeitsteilung) "administrative Organisationslehre" (Henry Fayol; Erich Kosiol, Abteilungsgliederung; Kontrollspanne Fritz Nordsiek (Aufbau- und Ablauforganisation)

Motivationstheorie (Abraham Maslow); J.F. Roethlisberger, Renate Mayntz

Sozialwissenschaftliche Synthese von Mathematisch- und verhaltenswissenschaftlicher Entscheidungstheorie mit den verschiedenen Ansätzen der Systemtheorie (Norbert Wiener, Herbert A. Simon, Erwin Grochla)

Abb. 4.49: Übersicht über die wichtigsten Organisationstheorien (nach Hahn)

168

3. Investition als Prozeß

Die projektorientierte Organisation institutionalisiert die Veränderung. Eine Projektgruppe hat ihre eigene, nach individueller Fachkompetenz orientierte Struktur. Sie ist dann erfolgreich, wenn sie sich auflöst und den Wandel in die operative Organisation diffundiert hat (vgl. Linie 1995, S. 180; siehe Abb. 3.50). Als Evaluierungskriterien für den persistenten Projekterfolg charakterisiert Arthur D. Little fünf Prizipien (ebenda S. 129): • Die Indikatoren der Innovationsleistung müssen mit der Unternehmensstrategie korreliert werden. • Es sollte ein Spektrum von Indikatoren benutzt werden, um die unterschiedlichen Einflußfaktoren und Komponenten des Innovationsprozesses verfolgen zu können. • Die Evaluierung und Motivation der Beteiligten sollte kontinuierlich durchgeführt werden, um ihr Zusammenwirken ständig zu verbessern. • Die Evaluierung muß zu Lernanstößen bei allen Beteiligten führen. • Die Evaluierung darf nicht nur nach Plan erfolgen, sondern muß auch bei besonderen Ereignissen (wie Projektmeilensteinen, Projektabschlüssen, Markteinführungen) durchgeführt werden.

Abb. 3.50: Projektorganisation (nach Little) Damit spaltet sich die Investitionstätigkeit in zwei unterschiedliche organisatorische Abhängigkeiten. Der Investitionsprozeß wird innerhalb der operativen Organisation formalisiert, wenn es sich um Investitionen handelt, die keine Handlungsinnovation benötigen, die also auf einer unternehmensspezifischen empirischen Basis aufbauen können. Hier wird erprobtes und internalisiertes Verhalten perpetuiert. Dabei kann es sich durchaus um finanziell gewichtige Investitionen handeln. Dementsprechend bezeichnet Herzig (1979, S. 816; vgl. Abb. 3.51) die Ersatzinvestition als Austausch einer

3.3.1 Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung

169

Anlage, als eine Erscheinungsform der Instandhaltung. Die planmäßige Instandhaltung wird in ihrem routinemäßigen Ablauf organisatorisch determiniert. Begriff

Kriterium Ausgangspunkt

Planmäßige Instandhaltung vorbe ugend

Anlaß

ausfallbedingt

vorbeugende Reparatur Arbeitsinhalt

V^ Wartung

Ausfallreparatur

Inspt ktion Reparatur /

technologische Verfahren

Reinigung

Abb. 3.51: Erscheinungsformen

Schmierung

der Instandhaltung

\

Austausch

(nach

Instandsetzung

Herzig)

Sowohl die vorbeugenden Maßnahmen wie Wartung, Inspektion oder der Austausch von Verschleißteilen sind als Handlungssequenz und in ihrer Verantwortlichkeit festzulegen, als auch die ausfallbedingte Reparatur. Die Ersatzinvestition ist somit kein innovativer Entscheidungsprozeß, sondern das Endglied einer zuvor definierten Handlungskette, welche beim Eintritt von spezifischen Ereignissen abgespult wird. Formale Organisation und betriebliche Zielsetzung erlauben durch ihre operative Verhaltensstrukturierung die Durchführung von Routineinvestitioiien. Dagegen sind innovative Investitionen in ihrer Verantwortlichkeit und in ihrem Aufbau anders zu organisieren. Binner (1993, S. 344; vgl. Abb. 3.52) gliedert die Projektaufbau- und Ablauforganisation als einen dynamischen Aktionsbereich, der je nach seiner Phase unterschiedliche Merkmale aufweist. Im Rahmen der Projektplanung wird das Lastenheft erstellt und werden die Aufgaben innerhalb und außerhalb des Unternehmens verteilt. Bei der Projektsteuerung und -ausführung etabliert sich eine eigene Organisation mit Projektplan, Arbeitskreis und Statusverfolgung. Innerhalb der Durchführung ist ein eigenständiges Projektcontrolling notwendig. Mit dem Abschluß werden Maßnahmen, Ergebnisse und weiterzuführende operative Teilaufgaben dokumentiert. Entsprechend der Unterteilung in Routineinvestitionen und innovative Investitionen ergibt sich eine spezifische Zielsetzung. Strukturimmanente Handlungen benötigen einen geringeren Lernaufwand. Die verwendeten Modelle können in ihrem qualitativen Aufbau ebenso unverändert bleiben wie die korrelierenden Strukturen in der Aufbau- und Ablauforganisation. Es bedarf hauptsächlich einer quantitativen Anpassung. Dagegen erfordern Innovationen sowohl quantitative als auch qualitative Veränderungen und somit erhöhte soziale Anstrengungen, deren Erfolg maßgeblich von der Partizipation aller Beteiligten abhängt.

3. Investition als Prozeß

170 Projektplanung (Soll)

o Arbeitskreis 1

0

Arbeitskreis 2

ö Projektstatus Istzustand! • Kosten • Termine • Leistung

Projektcontrolling

Arbeitskreis 3

o

Abgleich:

Soll - IstVergleich Projektdokumentation

Abb.

3.52:

Projektaufoau

und -ablauforganisation

(nach

Binner)

3.3.1.1 Kostenreduktion, Umsatzsteigemng und Gewinnstreben

171

3.3.1.1 Kostenreduktion, Umsatzsteigerung und Gewinnstreben Bereits 1911 legt Taylor mit seinem Werk "The Principles of Scientific Management" die Grundlagen für die verrichtungsorientierte Organisation und bestimmte damit die Diskussion in der Betriebswirtschaftslehre und in der Praxis für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch heute sind die Prinzipien des Taylorismus wirksam. Taylor (1947) formulierte drei Hauptvorschriften: • Zunächst sind Zeit- und Methodenstudien anzuwenden, um den "einzig besten Weg" für die Ausführung einer Arbeit zu finden, welcher die höchste Produktionsrate pro Tag erlaubt. • Alsdann ist den Arbeitenden ein Anreiz zu geben, damit sie die determinierten Arbeitsgänge in einer guten Grundgeschwindigkeit ausführen, beispielsweise in Form eines Bonus für die Tagesproduktionsrate, welche den zuvor ermittelten Produktionsstandard erfüllt. • Schließlich sind Experten, sogenannte Funktionsmeister einzusetzen, um die Voraussetzungen laufend anzupassen, die mit der Aufgabe des Arbeiters in Verbindung stehen, wie Maschinengeschwindigkeit, Aufgabenpriorität, Methoden usw.. Der Taylorismus lebt vom Diktat. Der beste Weg wird festgestellt und umgesetzt. Hiermit geht auch ein Führungs- und Entscheidungsverhalten einher. Die beste Investition wird errechnet und durchgeführt. "Für den typischen deutschen Manager", so Ogger (1992, S. 168),"ist das Unternehmen kein lebendiger Organismus mit selbstständigen, zu eigenem Denken fähigen Mitarbeitern, sondern eine Maschine, die auf Knopfdruck zu funktionieren hat. Jedes Teil dieser Maschine hat eine klar definierte Aufgabe zu erfüllen, und wenn alle Teile das tun, was ihnen der Konstrukteur aufgetragen hat, dann funktioniert der Motor zufriedenstellend." Nun lebt Ogger als freier Journalist und Schriftsteller auch ein wenig von der Provokation, aber dennoch wird die ausschließliche Wirksamkeit der formalen Organisation partiell überbewertet. Es kommt darauf an, ihren Stellenwert in einer vernetzten, dezentralisierten, dynamischen, flexiblen und durch polyvalente Wertigkeiten gekennzeichneten Struktur der Leistungsgenerierung und -Veräußerung neu zu bestimmen. Die Rahmenbedingungen des Produktionsprogrammes einer Unternehmung sind durch endogene und exogene Faktoren determiniert. Beschaffungsmarkt und Absatzmarkt erlauben eine bedingte Prognose der Beschaffungs- und Absatzmöglichkeiten. Durch die Analyse der Absatzverläufe, des Kunden- und Konkurrenzverhaltens sowie der Auftragseingänge kann im Rahmen gesetzlicher Regelungen und der Lieferrestriktionen eine betriebliche Leistung definiert werden, welche in der Zukunft zu erbringen ist und voraussichtlich vom Umsystem verwertet wird. Die endogenen Gegebenheiten des Produktions-, des Finanz- und des Absatzbereiches erlauben eine Prognose der Produktions- und Finanzierungsmöglichkeiten (Zäpfel 1982, S. 71; vgl. Abb. 3.53). Produktionsfunktionen und vorhandene Kapazitäten sowie Kapitalmittel sind dabei nicht nur exakt festzustellen, sondern auch beeinflußbar. Die betriebliche Leistungsgenerierung und Leistungsveräußerung ist somit in ein Handlungsfeld eingebettet, dessen Struktur im endogenen Bereich prinzipiell eigenständig formal umgestaltet werden kann, das jedoch von einem exogenen Umsystem abhängt, welches spezifische Eigeninteressen verfolgt Das Unternehmen als System sowie sein Umsystem istjeweils gekennzeichnet durch formale Strukturen, im Rahmen

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3. Investition als Prozeß

derer eine Entwicklung prognostizierbar ist. Innerhalb dieser Strukturen kann also das gleiche Produktionsprogramm mit geringeren Aufwendungen generiert werden, und somit ist eine Kostenreduktion zu erzielen. Wenn der Markt es aufnimmt, kann der Leistungsoutput erhöht werden, um somit den Umsatz zu steigern. Oder aber es kann eine Kombination von beidem angestrebt werden, um so den Gewinn zu maximieren. Der Bestand der vorhandenen formalen Organisationsstrukturen gewährleistet die Handlungssicherheit. Ändern sich die exogenen Gegebenheiten oder aber das Produktionsprogramm, so nützen einem die Kenntnisse des formalisierten Umfeldes nur bedingt Es läßt sich einfach nicht sagen, welches der einzig beste Weg ist. Als die Hell AG, Tochtergesellschaft von Siemens, in Zusammenarbeit mit der Universität Hannover das FAX-Patent entwickelte, konnte sie sich eine wirtschaftliche Auswertung nicht vorstellen und verkaufte das Patent an Japan. Heute zahlt sie Lizenzgebühren. Xerox hat IBM das Fotokopierpatent angeboten. IBM ließ den Markt in einer breitangelegten Untersuchung von Arthur D. Little analysieren und hielt sich an die Empfehlung: die Technik ist zu teuer, der Markt zu klein - sie kaufte nicht. Xerox riskierte dann im Alleingang die Investition und etablierte damit die Basis ihres weltweiten Erfolges (vgl. Hammer/Champy 1994, S.115 f.).

Abb. 3.53: Rahmenbedingungen des Produktionsprogramms (nach Zäpfel)

3.3.1.1 Kostenreduktion, Umsatzsteigerung und Gewinnstreben

173

Einer der wesentlichen Parameter für die Effizienz der formalen Strukturen ist Kontinuität. Je optimaler die Generierung einer betrieblichen Leistung organisiert wird, um so kostengünstiger kann das Produkt hergestellt werden, aber um so anfälliger wird das System, wenn es sich an strukturelle Veränderungen anpassen muß. Kontinuität erlaubt Größe und Zentralismus; sie eröffnet den Handlungsraum für die Etablierung des einzig besten Weges. Kosiol (1976) definiert Organisation als die Strukturierung von Potentialgefüge in der Aufbauorganisation und dem Prozeßgefüge in der Ablauforganisation. Zunächst wird die betriebliche Aufgabe analysiert und in Teilaufgaben gesplittet. Jeweilige Querschnitte hiervon bilden die Arbeitselemente, welche einer Arbeitsanalyse zur Gestaltung des Prozeßgefüges unterzogen werden. Die Teilaufgaben werden in der Aufgabensynthese zu Stellen zusammengefaßt, Arbeitsplatzbeschreibungen für Ausführende, die alsdann in Gruppen und Abteilungen in die Hierarchie der Aufbauorganisation zu integrieren sind. Die Arbeitsanalyse wiederum mündet in die Arbeitssynthese, also die Festsetzung des personalen und des räumlichen (inklusive der Werkstoffe und Produktionsmittel) Einsatzes in einer Zeitstruktur. Hieraus bildet sich die Ablauforganisation (vgl. Bleicher 1991, S. 104; siehe Abb. 3.54). Autbauorganlutlon

Teilaufgaben

Arbeitsanalyse

Stellen

Abteilungen

Arbeitssynthese

Abb. 3.54: Entwicklung der Aufbau- und Ablauforganisation aus den betrieblichen Aufgaben (nach Bleicher) Aufbau- und Ablauforganisation entstehen nur in Ausnahmefällen geplant. Es sind Wachstums- und Veränderungsprozesse, welche sich über Jahrzehnte hinwegziehen, in denen jede einzelne Modifikation auf einen "historisch" vorgegebenen Zustand Rücksicht nehmen muß. Kennzeichnend für den Taylorismus ist die Trennung zwischen der Ausführung und der Definition der auszuführenden Arbeit. Noch heute werden die Leistungsstellen (Entscheidungsstellen) von den Ausführungsstellen (Realisierungsstellen) diskriminiert (vgl. Bühner 1991, S. 66); eine Trennung, die bei zunehmender Komplexität und Vernetzung der Arbeitsstellen nur noch bedingt aufrecht zu erhalten ist. Die Möglichkeiten der Gestaltung einer Aufbauorganisation sind begrenzt. Innerhalb der formalen Struktur gilt es, die Dominanz einer Ausrichtung zu etablieren oder aber

174

3. Investition als Prozeß

die etablierte Struktur zu berücksichtigen. Entweder man organisiert nach den Verrichtungen wie Beschaffung, Fertigung, Absatz und Verwaltung oder aber nach der Klassifizierung des Produktionsprogrammes (Produkt A, B, C usw.).Als dritte Dimension kann die Region in Betracht gezogen werden (Deutschland, USA, Japan usw.; vgl. hierzu Bleicher 1991, S. 145; siehe Abb. 3.55). Je nach der Größe eines Unternehmens können alle Kriterien zum Einsatz kommen. Bahlsen beispielsweise trennt seinen Konzern in der ersten Ebene in süß und salzig, nach den Keksprodukten und den Snacks. Es erfolgt dann eine räumliche Trennung, und schließlich wird jedes Unternehmen verrichtungsorientiert geleitet.

Abb. 3.55: Aufgabentensorfiir

Verrichtung, Objekte und Regionen (nach Bleicher)

Entscheidend für die Planung und Durchführung der Investitionen ist die Homogenität der formalen Kompetenz der Handlungsbetroffenen. Bewegt man sich innerhalb einer etablierten Domäne, wie beispielsweise der Fertigung des Produktes A in der Region I, so greifen die Mechanismen der formalen Hierarchie. Haben wir es zusätzlich noch mit einer kontinuierlichen Entwicklung zu tun, so lassen sich die Zielkriterien der Kostenreduktion, der Umsatzsteigerung bzw. der Gewinnoptimierung mit den Mitteln der Investitionsrechnung gut operationalisieren. Bewegt man sich innerhalb des Aufgabentensors über mehrere Quadranten oder Kuben hinweg, so wirkt sich die ansonsten effizienzsteigernde Struktur negativ aus. Es entstehen Kompetenzüberlappungen in der Ablaufstruktur dieser Investitionsprozesse, die vollkommen sachfremde Effekte herbeiführen können. Beispielsweise kann die Sachkompetenz eines Investitionsbetroffenen mit einer Ausführungsstelle von einem hierarchisch höherstehenden Manager eines anderen Bereiches einfach aus Statusgründen übergangen werden. Etablierte und in der Operation bewährte Strukturen fundieren Verhalten, das nicht nach Belieben veränderbar ist. Wild (1974, S. 184 ff.; vgl. Abb. 3.56) zeigt am Beispiel eines Ablaufprogrammes zur Ermittlung eines Marketing-Produkt-Plans auf, wieviele Stellen bei den einzelnen Prozeßphasen beteiligt sind. Im Prinzip hat jeder betriebliche Ablauf solche Übergänge. Der Unterschied zu den Prozessen der Ablauforganisation besteht darin, daß bei

3.3.1.1 Kostenreduktion, Umsatzsteigerung und Gewinnstreben

175

jenen der Prozeß als Routine bekannt ist und alle Übergänge entsprechend formalisiert sind. Die Festlegung von Zielsetzungen, die Lageanalyse, die Prognoseerstellung, Planung und Entscheidung von innovativen Prozessen ist jedoch undeterminiert und bedarf improvisierter, spontaner, informeller Übergänge zwischen den betroffenen Verrichtungen.

A: Abstimmung D: Durchführung E: Entscheidung F: Funktionsverteilung G: Genehmigung

Abb. 3.56: Ablaufdiagramm

zur Erstellung eines

I: Information P: Planung

Marketing-Produkt-Plans

Die formale Organisation zieht ihre Legitimation aus dem operativen Handlungskontext, sie bildet einen Garanten für die effiziente Bewältigung des betrieblichen Alltags. In diesem Zusammenhang werden selbstverständlich Abweichungen von der Norm in die Handlungsabläufe mit integriert. Jede formale Organisation verfügt über eine gewisse Flexibilität, und diese schließt nicht nur die Bearbeitung von Varianzen im Alltag ein, sondern auch die Integration von Veränderungsprozeduren. Um als lebendiger Organismus bestehen zu können, muß das Unternehmen Fluktuation im Aufgabenbestand formalisieren. Das gilt für die Definition von Stellen und von Prozessen, also für die Allokation von Personen und von Produktionsmitteln. Auf Grund der operativen Basis der formalen Organisation orientiert es sich in der Gestaltung der Innovationsprozesse an der Strukturausprägung ihrer Routinen. Das bedeutet, es werden die vorhandenen Hierarchien geachtet, denn keine Hierarchie würde eine Prozedur freiwillig formalisieren, die sie selber in Frage stellt. Es gilt auch das Moment der Sicherheit (vgl. Hahn S. 78 ff.) bzw. das Bemühen um die Reduzierung von Unsicherheit. Sicherheitssysteme reduzieren das Risiko der Einsatzfaktoren, des Betriebsablaufes, der Schadenszufügung an Dritte, des Risikos der Zulieferung, bei der Leistungsabnahme, gegenüber der Konkurrenz und bei der Preisbildung. Schließlich werden auch Bemühungen angestrebt, das Finanzrisiko zu reduzieren. Es ist ein Ziel formaler Strukturen, sich selber zu erhalten und somit das Eigenkapital-Risiko, das Kreditrisiko sowie Risiken der Geldwertschwankungen und der Zinsänderung zu minimieren. Dementsprechend wird die Anlagenwirtschaft als formalisierte Struktur zur Planung und Umsetzung von Realinvestitionen vor allem solche Wege zulassen, die in ihrem Ablauf linear und Uberschaubar sind. Männel (1978, S. 52; vgl. Abb. 3.57) gliedert die

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3. Investition als Prozeß

Entscheidungen der Anlagenwirtschaft, indem er die Einrichtung und Verwertung einer Anlage als Prozeß mit den Phasen der Projektierung, der Bereitstellung und Anordnung, der Nutzung, Instandhaltung und Verbesserung sowie schließlich der Ausmusterung und des Ersatzes definiert. Dieser Prozeß wird begleitet von den Analysen der Anlagenrechnung und der Anlagen Verwaltung, also der Anlagenbeschaffung, der Anlagenstatistik, der Anlagenkostenrechnung und der Investitionsrechnung. Jede Aktivität wird dabei in eine Controllingstruktur eingebettet, also geplant, realisiert und kontrolliert.

K O N T R O L L E (Überwachung) der Aktivitäten

Abb. 3.57: Entscheidungen der Anlagenwirtschaft (nach Männel) Die Komplexität der Innovation und vor allem die Unsicherheit des Resultates wird mit dem Gefüge der formalen Organisation kleingearbeitet. March/Simon (1976, S. 165) formulieren es so: "Wie komplex das Endergebnis dieser Prozesse auch immer sein mag - wie kompliziert auch immer die erfundene Maschine oder wie spitzfindig und kompliziert auch immer die getroffene Entscheidung sein mag - die Prozesse selbst setzen sich aus einer Aggregation sehr vieler Elemente zusammen, wobei jedes Element für sich allein genommen überaus einfach ist." Ausgangspunkt der formalen Strukturen ist die Suche nach einem idealtypischen Verhalten, das sich in Regeln umsetzen läßt und sich vor allem wiederholt. Es wird nach Mechanismen der Innovation gesucht, die im Rahmen eines Handlungskerns die Varianzen des Alltags glätten können und sich selbst auf ein Optimum hinbewegen. Wild (1974, S. 46 f.) spricht von einer Planungsspirale, die sich in Perioden wiederholt. Ausgangsziele führen zur Planung, diese zur Umsetzung, Realisation und Kontrolle. Eine Abweichungsanalyse liefert die Substanz, um die neuen Ausgangsziele in einer optimierten Form zu formulieren. Die Planungsspirale in einer formalen Organisation wird nur die Handlungen perpetuieren, welche den von der Aufbau- und Ablaufstruktur manifestierten Mustern entsprechen. Es wird eben nur das geplant und umgesetzt und einer Abweichungsanalyse unterzogen, was wahrgenommen wird. Aktenkundig registriert wird nur das, was zuvor formalisiert festgelegt worden ist. Das System bewegt sich dementsprechend bevorzugt einem lokalen Optimum zu, auch wenn die Willensbildung und Willensdurchsetzung in der Prozeßphase sich von den generellen Oberzielen zu den strategischen Zielen und einer Strategie bis hin zu den

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3.3.1.1 Kostenreduktion, Umsatzsteigening und Gewinnstreben

operativen Zielen und alsdann zum ausführenden Handeln bewegt (vgl. Heinen 1987, S. 36 f.). Solange sich Willensbildung und Willensdurchsetzung ausschließlich in den etablierten hierachischen Strukturen der formalen Organisation Top-Down bewegen, wird Ogger mit seiner Kritik an den Nieten in Nadelstreifen einen guten Resonanzboden vorfinden. Solange noch ein Entwicklungsraum besteht, lassen sich Kostenreduktionen und Umsatzsteigerungen in ausgetretenen Pfaden realisieren, innovative Investitionen haben es jedoch schwer. Parioda 1

Parioda 2

Periode 3

Abb. 3.58: Planungsspirale (nach Wild) Gomez (1993, S. 173 ff.; vgl. Abb. 3.59) benennt fünf Ansätze von Geschäftsstrategien mit spezifischer Stoßrichtung: die Portfolio-Normstrategie, die Wettbewerbsstrategie, die Produkt-/Marktstrategien, die Synergiestrategien und die Integrationsstrategien. Kennzeichnend für alle diese Ansätze ist das Moment des strukturellen Wandels. Die Änderung des Unternehmens erstreckt sich dabei von der Veräußerung von Teilen bis hin zum Ankauf anderer Unternehmen im Rahmen einer vertikalen Integration. Eine unternehmerische Investitionspolitik muß sowohl Verfahrensstrategien im Kontext der formalen Organisation entwickeln, als auch solche, die strukturverändernde Investitionen vorantreiben. Es sind gerade die Investitionsvorhaben der 90er Jahre wie die Einführung von Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen (PPS), Total Quality Systemen (TQM), die prozeßorientierte Zertifizierung nach ISO 9000 f., die Etablierung von dezentralen Computernetzen, die überbetriebliche DV-Kommunikation (EDI - Elektronik Data Interchange), die Integration von Relationalen Datenbanken mit Systemen wie Oracle oder SAP, die zu strukturverändernden Momenten führen und die sich nicht mit den vorhandenen Strukturen bewältigen lassen. Sie erfordern ebenso neue Formalismen wie die integrierten Systeme der Produktion durch das Computer Integrated Manufacturing. Eine vernetzte Anlage kann nicht mehr getrennt von ihrer Struktur evaluiert werden. Viele Investitionen bestehen nicht mehr in der einfachen Beschaffung eines Produktionsmittels, sondern in der Konzeption und Implementierung eines Systems mit endogener und exogener Verknüpfung in seinem betrieblichen und überbetrieblichen Kontext.

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3. Investition als Prozeß

Teile des Unternehmens veräußern, um Ressourcen für erfolgversprechendere Teile freizumachen Positionen halten und so lange als möglich hohe Cashflows generieren, ohne dabei zusätzliche Mittel zu ' binden • Investitionsstrategie Ausbau der Marktposition durch eine gezielte Investitionspolitik • SegmentationsKonzentration der Kräfte und Investitionen auf attraktive Märkte, um eine Wettbewerbsposition aufzubauen strategie

PortfolioNormstrategien

• Desinvestitionsstrategie • Abschöpfungsstrategie

Wettbewerbsstrategien

• Kostenführerschaft • Differenzierung (Leistungsführerschaft) • Konzentration auf Marktnischen • Neue Regeln im Markt

Produkt-/ Marktstrategien

• Marktdurchdringung

Synergiestrategien

• Technologieorientierung

Intensivierung der Marktbearbeitung, Kosten/Preissenkung und ähnliche Maßnahmen, um den Markt besser in den Griff zu bekommen • Marktentwicklung Erschließung neuer Abnehmerschichten, Bereitstellung neuer Verwendungszwecke, Dienstleistungen, Vertriebswege und Problem-/Systemlösungen • Produktentwicklung Entwicklung neuer Produkte und Produktlinien • Diversifikation Mit neuen Produkten in neue Märkte eindringen, sei es durch gezielten Eigenaufbau oder Akquisitionen

• Abnehmerorientierung • Funktionsorientierung Integrationsstrategien

Produktions- und Gemeinkostenvorteile gegenüber der Konkurrenz erzielen und durch tiefe Preise Marktanteile gewinnen Gezieltes Abheben der eigenen Produkte und Dienstleistungen gegenüber der Konkurrenz durch Innovation und Service Konseqente Ausrichtung auf bestimmte (Teil-) Märkte, Kundengruppen, Technologien, Absatzmärkte, Regionen Ein »neues Spiel« aufziehen, die Markt- und Branchenregeln bewußt verletzen und neu gestalten

• Vorwärtsintegration • Rückwärtsintegration

Konzentration auf Produkte und Leistungen, die auf der gleichen Produktetechnologie basieren oder mit denselben Produktionsmitteln hergestellt werden Anbieten von allen Produkten, die eine bestimmte Bedürfnissituation eines Kundenkreises zu befriedigen vermögen (zum Beispiel alle Produkte für Skifahrer) Bereitstellung einer breiten Produktpalette zur Erfüllung einer bestimmten Funktion (zum Beispiel Beleuchtung) Erschließung eines direkten Zugangs zum Markt, beispielsweise durch Aufbau einer eigenen Absatzorganisation oder die Zusammenlegung von Handelsstufen Stärkung der eigenen Position durch Sicherung der Beschaffungsquellen und Realisation von Kostenvorteilen durch Integration vorgelagerter Stufen

Abb. 3.59: Ansätze von Geschäftsstrategien mit Stoßrichtungen (nach Gomez) 3.3.1.2. Fließgleichgewicht und Unternehmens wert Unsere Wirtschaftsstrukturen befinden sich im Wandel und verursachen Veränderungen am Kapitalmarkt. Aktionäre fühlen sich nicht mehr so an ein spezifisches Unternehmenseigentum gebunden und zeigen ein aktiveres Kauf- und Verkauf- sowie Einflußverhalten. Der soziale Konsens ist nicht mehr gegeben, ehemals wirksame Abwehrinstrumente in bezug auf Übernahmen werden unwirksam. Dabei ist es nicht so, daß wirtschaftli-

3.3.1.2 Fließgleichgewicht und Unternehmenswert

179

ches "Know how" sich in immer größer werdenden Machtkonglomeraten konzentriert. Kauft sich ein Konzern in völlig fremde Branchen und Geschäftsfelder ein, besteht das Risiko eines Fehlschlags. "Für gewöhnlich wird der Käufer nämlich auf seine Stärke und Erfahrung pochen und die Führungskräfte des zugekauften Unternehmens allenfalls als unmündige Juniorpartner betrachten. Bis er begriffen hat, wie das fremde Geschäft wirklich funktioniert, sind ihm meist die besten Kunden und Mitarbeiter abhanden gekommen" (Ogger 1992, S. 159). Investitionen werden dementsprechend unter andersgelagerten Kriterien betrachtet als zu Zeiten eines kontinuierlichen Wachstums. Neben der Kostenreduktion sowie der Umsatzsteigerung und somit einer periodenorientierten Sichtweise der Gewinnsteigerung etabliert sich ein Stichtagsdenken, eine bilanzanalytische Sichtweise. Der erreichbare Unternehmenswert wird zum Entscheidungskriterium für die Einleitung strukturaler Änderungen. Dabei wird sich im unternehmerischen Handeln nicht nach dem Wertmaximum eines spezifischen Unternehmens gerichtet, sondern es wird eine Struktur angestrebt, die flexibel sowie leistungsfähig ist und sich in einem Fließgleichgewicht mit seinem wechselhaften Umsystem ausrichten kann. Copeland/Koller/ Murrin (1993, S. 33) nennen drei Faktoren, welche die maßgebliche Orientierung am Untemehmenswert bedingen - die Wettbewerbsvorteile schrumpfen, die Marktturbulenzen nehmen zu, und Konglomerate neigen zu Desintegration, d.h. sie struktuieren sich nach neuen Gesichtspunkten. Die Autoren führen aus: • "Großunternehmen sind einem starken Wettbewerbsdruck ausgesetzt, und ihre Größe allein gewährt ihnen gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen bestenfalls eingeschränkte Wettbewerbsvorteile. • Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich fortwährend und zwingen die Manager so, die Situation ihrer Unternehmen ständig neu zu bewerten und häufig Entscheidungen zu treffen, die den Unternehmenswert nachhaltig beeinflussen, wie etwa die Aufgabe bestimmter Produktlinien, die Beteiligung an Joint Ventures oder die Änderung der Vertriebsmethoden. • Die Unternehmen tendieren zu einer 'Desintegration', da die Vorteile der vertikalen oder horizontalen Integration und der Konzernbildung immer stärker ausgehöhlt werden." Gomez (1993, S. 24) kennzeichnet diese Entwicklungen als Grund für den Wandel im strategischen Denken bei der Unternehmensgestaltung. Er charakterisiert die Veränderung der Zielsetzungspräferenz durch sechs Tendenzen, welche das strategische Denken der 90er Jahre in folgenden Stichworten beschreiben: • "Vom Wettbewerbsvorteil zur Steigerung des Unternehmenswertes. • Von den strategischen Erfolgspotentialen im Markt zu den unternehmerischen Nutzenpotentialen. • Vom Aktionärsnutzen- oder Shareholder-Value-Konzept zum Anspruchsgruppen- oder Stakeholder-Value-Ansatz. • Von der Strategieentwicklung zur Strategieumsetzung. • Von strategischen Patentrezepten zum vernetzten Denken. • Von starren Strukturen zum organisatorischen Lernen." Nach den Strategiekonzepten der 70er und 80er Jahre erfolgt ein Paradigmenwechsel. Organisationen werden nicht nur nach der Leistungserbringung beurteilt, sondern auch nach dem Potential ihrer Wandlungsfähigkeit. Die lernende Organisation rekrutiert ihre Substanz aus der tradierten Kernkompetenz und erhält sie durch eine systemati-

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3. Investition als Prozeß

sehe Weiterentwicklung unter der Beteiligung aller Mitarbeiter. Im Mittelpunkt der Unternehmensführung steht jedoch nach Gomez (1993, S. 286; vgl. Abb. 3.60) das Wertmanagement. Es ist gekennzeichnet durch vernetztes Denken im Rahmen des St. Gallener Managementkonzeptes und durch die Beteiligung von verschiedenen Anspruchsgruppen. Paradigmenwechsel

Grundlegend neue Sichtweise (zum Beispiel »Die lernende Organisation«) Neues Unternehmensmodell (Vernetztes Denken, St. Gallener Management-Konzept)

Strategiekonzepte der 70er/80er Jahre

Wertmanagement

Neues Strategiemodell (Geschäfts-, Unternehmens-, Eignerstrategie) Neues Informationsmodell (Wertsteigerung, Anspruchsgruppennutzen)

»Back to basics« 70er/80er Jahre

90er Jahre

Weiterentwicklung bestehender Konzepte (zum Beispiel Kernkompetenzen, Nutzenpotentiale)

Abb. 3.60: Wertmanagement als Strategiekonzept (nach Gomez) Binner (1993, S. 42 ff.) operationalisiert die Entwicklung von fachlicher und sozialer Kompetenz durch die Unternehmensziele • der Mitarbeiterorientierung, • der Prozeßorientierung und • der Kundenorientierung. Dabei haben die Unternehmen bei der Spezifizierung einer Vision einen neuartigen Abgleich von Strategie, Prozessen und Kultur anzustreben. Es gilt, Handlungsmuster zu generieren und die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeiter zu gewährleisten, um Produkte zu vermarkten, deren Umsetzung sich in Prozessen manifestieren, die ökologisch verankert und in einer abnehmerorientierten Wertschöpfungskette eingebunden sind. Die Untemehmenskultur bildet den Konsens für die Verhaltensweise im ganzen Unternehmen. Durch die Mitarbeit und die Prozeßorientierung verändert sich die Konnotation der betriebswirtschaftlichen Entscheidung. Auf dieser Grundlage können organisierte Sozialsysteme nach Luhmann (1988, S. 166) begriffen werden als "Systeme, die aus Entscheidungen bestehen und die Entscheidungen, aus denen sie bestehen, durch die Entscheidungen, aus denen sie bestehen, selbst anfertigen. Mit "Entscheidung" ist dabei nicht ein psychischer Vorgang gemeint, sondern eine Kommunikation; nicht ein psychisches Ereignis, eine bewußtseinsinterne Selbstfestlegung, sondern ein soziales Ereignis. Deshalb kann man auch nicht sagen, daß Entscheidungen, nachdem sie getroffen sind, noch kommuniziert werden müssen. Entscheidungen sind Kommunikationen - was natürlich nicht ausschließt, daß man Uber Entscheidungen kommunizieren kann."

3.3.1.2 Rießgleichgewicht und Unternehmenswert

181

Ebenso wie die Entscheidung sich in einen Handlungsfluß integriert, so wird das Prinzip des Gleichgewichtes nicht als statisches Merkmal betrachtet, sondern als eine soziale Komponente in einem dynamischen Gefüge von System und Umsystem. Hierbei ist das Unternehmen ein System von wechselseitig abhängigen sozialen Verhaltensweisen einer Anzahl von Personen, der Organisationsteilnehmer (vgl. hierzu March/Simon 1976, S. 81 f.; sowie Simon 1976, S. 110 ff.). Alle Teilnehmer erhalten von der Organisation Anreize und leisten dafür Beiträge an die Organisation. Das System ist nur dann überlebensfähig, wenn die Beiträge im genügenden Maße ausreichen, genügend große Anreize zu gewähren, um diese Beiträge weiter beziehen zu können. Dazu muß das System jedoch in eine Wertkette des Umsystems eingebunden sein, die sich für einen mittel- oder langfristigen Zeitraum im Gleichgewicht befindet. Das bedeutet, daß die beteiligten Systeme sich zwar verändern und auch das Umsystem einer Dynamik unterworfen ist, aber daß jedes System eine Identität, eine soziale Gestalt aufweist. Wir haben es somit nicht nur mit einem endogenen organisatorischem Gleichgewicht im Sinne von Simon zu tun, sondern auch mit einem exogenen Gleichgewicht, des Leistungsaustausches zwischen den Organisationen. Es wird in einem mitarbeiterorientierten Fließgleichgewicht die Wertigkeit der beteiligten Elemente zwar ständig verändert. Sie wird jedoch nicht im Fluß aufgerieben und unter den verbleibenden Organisationen aufgeteilt, es sei denn, eine endogene Insuffizienz führt zu einer Selbstauflösung, die vom Umsystem unterstützt wird, da es sich so selbst als erkennbare Struktur erhalten kann. In diesem Gefüge bilden sich die Prozesse des Unternehmens aus. Das Unternehmen definiert seine Handlungen im Spannungsfeld der Interessen von Zulieferer und Kunden. Binner (1993, S. 127; vgl. Abb. 3.61) untergliedert die Aktivitäten nach ihrer Zugehörigkeit zu einer spezifischen Logistik. In der Entwicklungslogistik werden die Zulieferer eingebunden, Prototypen entwickelt und die Arbeitsvorbereitung erbracht. In der Beschaffungslogistik erfolgen die Prozesse der Beschaffung und Disposition. In der Produktionslogistik findet die Fertigung sowie Montage statt und in der Vertriebslogistik der Versand. Die Prozeßentwicklung wird nicht durch das endogene Handlungsinteresse geschoben, sondern durch die exogenen Kundenwünsche gezogen. Durch den Umschwung von Verkäufer- zum Käufermarkt bildet ein kundenorientiertes Marketing-Management den Ausgangspunkt zur Interaktion bei der Definition der betrieblichen Innovations-, Logistik-, Qualitäts-, Produktions- und Marktpolitik (ebenda, S. 100 f.; vgl. Abb. 3.62). Service, Anpassung, Garantie, Wartung, Beratung, Projektierung, Problemanalyse, Schulung und Training sind Leistungen, mit denen die Kunden auch über den Kauf hinaus Kontakt zum Unternehmen haben und die bei einer Investition sowohl monetär als auch prozessual mitevaluiert werden müssen. Zur Operationalisierung von Fließgleichgewicht und Unternehmenswert als betriebliche Zielsetzung im Rahmen von Innovationsaktivitäten sind viele Strategien entwikkelt worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei Ansätze näher beschreiben, die sich entsprechend dem Gestaltungskreislauf an der Analyse der Unternehmensprozesse, der Organisationsstruktur, den Wertvorstellungen sowie der Bewertungssystem-Neudefinition orientieren und von einem vernetzten Denken ausgehen: • das Business Reengineering Modell von Hammer/Champy und • das Wertmanagement-Prinzip nach Gomez.

182

3. Investition als Prozeß

Entwicklungslogistik Einbindung Zulieferer Zulieferer

Entwicklung/ Konstruktion

AV

}

Lieferung

anteilige Entwicklungsaufgaben iL n n

Prototyp - Entwicklung n n n

H v ir Arbeitspläne/Betriebsmittel Werkzeuge

Beschaffungslogistik Einkauf/Beschaffung

WE/Lager

Disposition

Produktionslogistik Fertigsteuerung

Vertriebslogistik Vorfertigung/Montage

Markt

Kunde

Auftrag

Unterstützung bei der Entwicklung/Vorgaben Einbindung Kunde

Abb. 3.61: Prozeßorientierte

Struktuierung (nach Binner)

Versand

Kunde

3.3.1.2 Fließgleichgewicht und Unternehmenswert Logistik (Bestands)Management • Lieferservice • Termintreue • Flexibilität • Bedarfssicherheit • Auftragszentrum • Single - Sourcing • JIT-Anbindung • Outsourcing

Innovations-Management • Produkt-Originalität • Modellpolitik (Lebenszyklen) • time to market (Zeitgewinn) • Prozeßinnovation • Simultaneous-Engineering • Zuliefererintegration • Systemlieferanten • Problemlösungen • Target-Costing

• • • • • • • • • • •

Qualitäts-Management • Null-Fehler-Strategie • Prozeßsicherheit • Integrierte QS • Vorbeugende Instandhaltung • Wartung • Ersatzteil Versorgung • Reklamationsabbau • Kulanz

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Absatzzeitfenster Kundenerwartungen Wertvorstellungen Bedarfsabklärung Öffentlichkeitsarbeit Marktkommunikation Werbung Zusatzleistungen Serviceangebot Marktpräsenz Langfristige Kundenbeziehung

Produktions-Management • Kostenwirtschaftlichkeit • Centerkonzept • Selbstorganisation • Prozeßbeherrschung • Kontinuierliche Verbesserung • Automatisierungsgrad • Anpassungsflexibilität • Qualifizierungsstrategien

Abb. 3.62: Kundenorientiertes Management (nach Binner) Wie schon im vorhergehenden Kapitel erwähnt, erachten Hammer/Champy (1994, S. 30 ff.) ein Business Reengineering als notwendig, da "die Kunden das Kommando übernehmen", "der Wettbewerb intensiver wird" und "der permanente Wandel zur Konstante wird". Bei einer Umsetzung des Konzeptes sollen die Mitarbeiter mit mehr Entscheidungskompetenz ausgestattet werden. Dies ist möglich durch die Zusammenfassung von mehreren Positionen in eine Stelle, welche einen dann neugestalteten Prozeß als Ganzes verantwortet. Damit reduziert sich der Kontroll- sowie Abstimmungsbedarf, und es entsteht eine gleichzeitig zentralisierte sowie dezentralisierte Organisationsstruktur (ebenda S. 72 ff.). Die wesentlichen Änderungen im Betrieb

184

3. Investition als Prozeß

ergeben sich durch die Auflösung von Abteilungen und die Bildung von Fachteams. Das Arbeiten wird komplexer und bedarf der stetigen Weiterbildung. Somit lassen sich leistungsorientierte Vergütungssysteme mit entsprechenden Beförderungsmechanismen etablieren. Es entsteht ein Wertewandel: von der Positionsabsicherung zur Produktivität, vom Aufseher zum Coach, von der hierarchischen Weisung zum Miteinander und vom Manager als Punktzähler zum Manager als Führungspersönlichkeit (ebenda S. 90 ff.; vgl. Abb. 3.63). Der Ansatz von Hammer/Champy idealisiert die Wandlungsmöglichkeiten von Unternehmen. Wertstrukturen können sich nur langsam ändern. Außerdem gehen die Autoren von amerikanischen Verhältnissen aus, in denen die betriebliche Leistung weit mehr von Angelernten einerseits und Hochqualifizierten andererseits erbracht wird. Das Rationalisierungspotential in Unternehmen anderer Kulturräume, beispielsweise in Deutschland mit seinem dualen Ausbildungssystem, ist entweder geringer oder anders gelagert. Dem Anspruch nach einem radikalen Redesign, anstatt der Optimierung von alten Prozessen, kann nur dann Folge geleistet werden, wenn die Ausgangsbedingungen durch einen extremen Funktionalismus gekennzeichnet sind. Hammer/Champy (1994, S. 261 ff.) sind sich der Schwachstellen ihres Ansatzes durchaus bewußt, sie zeigen aber einen idealtypischen Zielhof, den es unternehmensspezifisch auszufüllen gilt. Dabei müssen bei der angestrebten Innovation die Unternehmensprozesse im Vordergrund stehen. Das Prozeßdesign ist durch flankierende Maßnahmen zu begleiten und kann nur erfolgreich sein, wenn es von den Mitarbeitern getragen wird. Innovative Änderungen sind in Art und Umfang inhaltlich und zeitlich zu begrenzen, im Kontext der vorhandenen Zielsetzungen einzubetten und entsprechend im Kanon der anderen Unternehmenshandlungen einzugliedern. Dennoch verweisen Hammer/Champy ausdrücklich auf die Einhaltung einer Gestalt der Innovation. Nur wenn der Projektverantwortliche versteht, worum es beim Business Reengineering geht, und alle Handlungsbetroffenen trotz Widerständen eine konsequente Umsetzung anstreben, welche vom Umfeld erkennbar ist, können solche prozeßorientierten Innovationen Erfolg haben. Das Wertmanagement-Prinzip von Gomez (1993, S. 58; vgl. Abb. 3.64) stellt die Unternehmung im Kontext von Markt und Umwelt dar. Ausgangspunkt einer Innovation ist die unternehmerische Vision, deren Umsetzung von der sozialen Organisation getragen werden muß und die sich nur in der Bandbreite einer gewachsenen Kultur entfalten kann. Die Wertsteigerung definiert sich nicht ausschließlich aus der Sicht der Unternehmung, sondern aus der Schnittmenge der Interessenlage von drei Anspruchsgruppen: der Geschäftsführung, den Innovationsbetroffenen und den Eignern. Jede Gruppe entwickelt in bezug auf das Betrachtungsunternehmen eine eigene Werthierarchie. Aber erst der Konsens der gemeinsamen Schnittmenge schafftdie Stabilität zur Gewährleistung eines Fließgleichgewichts.

3.3.1.2 Fließgleichgewicht und Unternehmenswert

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Notwendig, da • die Kunden das Kommando übernehmen • der Wettbewerb intensiver wird • der permanente Wandel zur Konstante wird 1r

Business Ri¡engineering

Durchzuführen, indem • mehrere Positionen zusammengefasst werden • Mitarbeiter Entscheidungen fällen • die einzelnen Prozeßschritte in eine natürliche Reihenfolge gebracht werden • mehrere Prozeßvarianten entwickelt werden • die Arbeit dort erledigt wird, wo es am sinnvollsten ist • Überwachungs- und Kontrollbedarf reduziert wird • Abstimmungsarberten auf ein Minimum reduziert werden • ein Casemanager als einzige Anlaufstelle eingesetzt wird • eine Mischung aus Zentralisierung und Dezentralisierung angewandt wird

Es ändern sich • organisatorische Einheiten - von Fachabteilungen zu Prozeßteams • Arbeitsstellen - einfache Aufgaben werden durch multidimensionale Berufsbilder ersetzt • die Rollen der Mitarbeiter - die Kontrolle weicht dem 'Empowerment' • die Vorbereitungen auf die Aufgaben vom Anlernen zu Aus- und Weiterbildung • die Konzentration auf meßbare Leistungsgrößen und Veränderungen der Vergütungsgrundlage nach Ergebnissen, nicht nach Tätigkeiten • die Beförderungskriterien - statt Leistung zählen Fähigkeiten • Wertvorstellungen - von Positionsabsicherung zu Produktivität • Manager - vom Aufseher zum Coach • Organisationsstrukturen - Hierarchie weicht der flachen Organisation • Verantwortliche Manager - von Punktezählern zu Führungspersönlichkeiten

Abb. 3.63: Business

Reengineering

Mißerfolg durch • Optimierung eines alten Prozesses statt radikalem Redesign • keine Fokussierung auf die Unternehmensprozesse • Prozeßredesign ohne flankierende Maßnahmen • mangelnde Beachtung der Wertvorstellungen und Überzeugungen der Belegschaft • die Bereitschaft, sich mit minimalen Ergebnissen zufrieden zu geben • Einschränkung der Problemdefinition und des Projektumfangs von Anfang an • Business Reengineering von unten nach oben • Übertragung der Projektverantwortung auf einen Mitarbeiter, der nicht versteht, worum es beim Business Reengineering geht • Business Reengineering als eines unter vielen Unternehmenszielen • Energievergeudung bei sehr vielen Reengineering-Projekten • Business Reengineering zwei Jahre vor der Pensionierung des Unternehmensleiters • keine Unterscheidung zwischen Business Reengineering und anderen Verbesserungsprogrammen im Unternehmen • ausschließliche Konzentration auf die Redesignphase • Business Reengineering ohne Opfer • Rückzug bei Widerstand gegen die durch Business Reengineering hervorgerufenen Veränderungen • das in-die-Länge-Ziehen des Projektes

186

3. Investition als Prozeß

Abb. 3.64: Ganzheitliche Sicht der strategischen Führung (Gomez) Die Investition steht im Mittelpunkt der lenkbaren Größen innerhalb des Netzwerkes der Gesamtzusammenhänge des Unternehmens (ebenda S. 45; vgl. Abb. 3.65). Sie beeinflußt unmittelbar die Mitarbeiterförderung sowie die Forschung und Entwicklung und mittelbar die Preis- sowie Kostenbildung. Hieraus und aus der Steuer-, Kapital- sowie Bonuspolitik leiten sich die weiteren Faktoren des Unternehmens ab wie Motivation, Image, Wettbewerbsposition, Kundenzufriedenheit und entsprechend Umsatz und Verkäufe. Aus diesen Parametern ergeben sich dann der BetriebsCash-flow, der freie Cash-flow, die Relation zwischen Fremd- und Eigenkapital und schließlich der Unternehmenswert sowie der Aktionärsnutzen. Die endogenen Ansatzpunkte zur Entwicklung einer Unternehmensstrategie sind in einer exogenen Struktur integriert. Aspekte wie die technologische Entwicklung, Verfahrensentwicklung, die Dynamik des Zielmarktes und des Arbeitsmarktes sind in der Regel ebenso wenig zu lenken wie die Branchenattraktivität, die Wirtschaftslage und die Aktivitäten der Konkurrenz. Jedoch aus der Branchen- und Produktkenntnis heraus ergibt sich ein Einfühlungsvermögen, das bei entsprechender Gestaltung von Produktpalette und Service zu einer Gesamtlösung führt, mit der eine prognostizierbare Leistungsqualität erzielbar ist. Um hiermit eine hohe Kundenzufriedenheit und so ein positives Image zu erwirken, gilt es weiterhin, über Projektmanagement, Termintreue und Qualität eine Leistungskontinuität zu gewährleisten. Erst dadurch stellen sich Aufträge, Umsatz und ein positives Betriebsergebnis ein. Diese Ressourcen ermöglichen Uber die Forderung und Entlohnung der Mitarbeiter eine hohe Motivation und Qualität der endogenen Organisationsteilnehmer innerhalb der Strategischen Geschäftseinheiten (ebenda S. 134; vgl. Abb. 3.66).

3.3.1.2 Fließgleichgewicht und Unternehmenswert

187

Abb. 3.65: Netzwerk der Gesamtzusammenhänge des Unternehmens (nach Gomez) Gomez (1993, S. 110 ff.) faßt die strategischen Grundsätze des Wertmanagements in acht Verhaltensrichtlinien zusammen: • Die Bereiche der Geschäftsstrategie, der Unternehmensstrategie und der Eignerstrategie sind klar voneinander abzugrenzen. Strategiebereiche sind in der Regel nicht identisch mit Organisationseinheiten. • Visionen und Ziele sollen den Interessen aller Anspruchsgruppen des Unternehmens angemessen Rechnung tragen.

188

3. Investition als Prozeß

• Die Ermittlung der Vernetzung der Unternehmens- und Umweltzusammenhänge muß an die Stelle des Abarbeitens in eindimensionalen Checklisten treten. • Die strategischen Geschäftseinheiten sind im Spannungsfeld von Marktattraktivität und relativen Wettbewerbsanteilen zu positionieren. Darauf aufbauend ist eine strategische Stoßrichtung konsequent zu verfolgen. • Bei der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens sind Grenzen zu sprengen: Strategisches und finanzielles Denken sind zu verschmelzen, bestehende Strukturen zu hinterfragen, Kooperationen mit anderen Unternehmen in Betracht zu ziehen. • Die vom Eigner ausschöpfbaren Wertsteigerungspotentiale sind unter Berücksichtigung seiner umfassenden Vermögens- und Risikopolitik konsequent zu nutzen. • Strategien sind sowohl aus qualitativer wie aus quantitativer Sicht zu beurteilen. Die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen sind dabei genau so zu berücksichtigen wie die Nutzung der Eigendynamik des Unternehmens. • Schnelligkeit der Strategieumsetzung muß durch Strategieprojekte und Frühwarnsysteme, Nachhaltigkeit durch die Abstimmung von Strategie, Organisation und Unternehmenskultur sowie durch das strategische Controlling sichergestellt werden. Der Endwert eines Unternehmens bei einem gegebenen Planungshorizont ergibt sich nach Gomez (1993, S. 92 f.) aus der Bilanz. Sie bildet auch den Referenzrahmen für die Beurteilung einer Investitionsstrategie, also der Umsetzung von einem Maßnahmenkatalog für die Implementierung von Innovationen. Der Gesamtwert ergibt sich aus dem Marktwert des Fremdkapitals plus dem Marktwert des Eigenkapitals. Und dieser ist gleich der Summe aus dem Barwert des freien Cash-flows (Betriebs-Cashflow minus Investition und zu zahlende Steuern) sowie dem Barwert des Endwertes (sei es als diskontierter Fortführungs- oder Liquiditionswert) und dem Barwert des abzugrenzenden, nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Der Gegenüberstellung von Einzahlungen und Auszahlungen oder von Einnahmen und Ausgaben bzw. von Aufwendungen und Erträgen der klassischen Investitionsrechnung wird eine andere Betrachtungsweise entgegengehalten: der Gewinnermittlung im Rahmen der Bilanzpolitik. Copeland/Koller/Murrin (1993, S. 417; vgl. Abb. 3.67) verdeutlichen die Interdependenz beider Betrachtungsweisen. Die Gewinnermittlung ist abhängig vom Bilanzierungswahlrecht und vom Bewertungswahlrecht mit den Wahlrechten der Methoden sowie der Wertansätze und den Ermessensspielräumen. Daraus ergeben sich auf der Aktivseite die Möglichkeiten von Aktivierungen und planmäßige wie außerplanmäßige Abschreibungen auf Anlage- wie auf Umlaufvermögen. Die Passivseite eröffnet Rückstellungsmöglichkeiten bei Pensionen und Aufwendungen mit freigewählten Wertansätzen. Es ist offensichtlich, daß mit diesem Instrumentarium die Gewinnermittlung im hohen Maße beeinflußt werden kann. Bezogen auf eine Investitionsrechnung lassen sich je nach Bilanzpolitik äußerst voneinander abweichende Resultate ermitteln. An der Bilanzpolitik manifestieren sich auch die unterschiedlichen Interessenlagen von Geschäftsleitung, Unternehmensmitarbeitern und Unternehmenseigner. Wird das Wertmanagement bei der Investitionspolitik vernachlässigt, so entzieht man der Konsensbildung ihre rechnerische Basis. Ein Investitions-Controlling kann dementsprechend nur auf einem bilanzorientierten Verfahren beruhen. Ich werde im Hauptabschnitt 4 ausführlich auf diesen Punkt zurückkommen.

3.3.1.2 Hießgleichgewicht und Unternehmenswert

Abb. 3.66: Netzwerk der strategischen Geschäftseinheiten (nach Gomez)

189

190

3. Investition als Prozeß

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Abb. 3.67: Einfluß der Gewinnermittlungspolitik auf bestimmte (nach Copeland/Koller/Murrin)

Bilanzpositionen

3.3.2 Informale Organisation

191

3.3.2 Informale Organisation Die Neugestaltung betrieblicher Realität ergibt sich nur bedingt aus der Umsetzung von Planungsüberlegungen. Mit der Handlungskette Planung, Realisierung und Kontrolle werden bevorzugt zweckorientierte und formalisierte Ordnungen geschaffen, welche den sozialen Aspekt der dort handelnden Menschen nur in bezug auf die im Unternehmen zu erbringende Leistung definieren. Damit wird jedoch weder die Gesamtheit der individuellen Merkmale beschrieben, die im Unternehmen aufeinandertreffen, noch werden die Gruppen- oder Organisationsstrukturen vollständig umrissen. Eine Organisation im sozialen Sinne verfügt stets Uber eine formalisierte sowie analytisch zu beschreibende und damit auch zu planende Ordnung. Aber der Terminus bezeichnet nicht nur diesen Aspekt, sondern das reale Gebilde selbst. Organisationen, so Mayntz (1969, S. 1225 ff.), "sind zwar immer zielgerichtet, aber die Ziel Verwirklichung oder Effizienz ist nicht ihr oberstes funktionelles Problem, sondern - wie bei sozialen Systemen allgemein - zunächst einmal die Selbsterhaltung. Damit kommt man zu funktionellen Voraussetzungen wie der Integration, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Innovationfahigkeit.[...] Diese Selbsterhaltungstendenz der Organisation ist natürlich nichts Mystisches, sondern erklärt sich durch die handfest interessenbezogene, traditionelle oder normative Identifikation der beteiligten Menschen (Mitglieder und Nichtmitglieder) mit dem sozialen Gebilde als solchem.[...] Die Organisationswirklichkeit, so hat man heute erkannt, ist nur zum Teil - oft zu einem recht kleinen Teil - Ergebnis planmäßiger, zweckorientierter Gestaltung. Sie wird entscheidend mitgeprägt durch gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen (die z.B. Uber die Verwendung bestimmter Mittel, Sanktionen, Autoritätsformen usw. entscheiden), durch historische Ereignisse und persönliche Vorlieben führender Mitglieder, durch sozialpsychologisch erklärbare Abweichungen der Mitglieder vom formellen Sollschema, durch spontane Anpassungsprozesse an besondere Umstände oder Gefährdungen der Selbsterhaltung und Zielverwirklichung, durch Konflikte in der Organisation, durch die Verselbständigung von Untergruppen und den Konkurrenzkampf um Rang und Einfluß unter ihnen". Die soziale Wirklichkeit, in der sich eine Innovation abspielt, ist sowohl von einer formalen wie von einer informalen Organisation abhängig. Hierbei spielen zwei Aspekte eine Rolle. • Zum einen haben wir es mit einer individuellen Komponente zu tun, die quer zu den Belangen der Organisation gelagert ist. Das Individuum richtet sein Verhalten nach den formalen und informalen Strukturen der Organisation des Unternehmens aus. Es verfolgt jedoch auch Interessen, die nur außerhalb der Organisation auszubilden sind. Das bezieht sich auf soziale Rollen, welche sich neben dem Betriebsfeld entwickeln, wie beispielsweise bei der Erziehung der Kinder oder im Sportverein. Das bezieht sich jedoch auch auf Momente des berufsbedingten Verhaltens. So kann z. B. im Rahmen einer Karriereplanung bewußt ein Unternehmenswechsel spontan oder auch mittelfristig geplant werden. • Zum anderen ergibt sich eine informale Komponente aus dem Mechanismus der sozialen Struktur in einer Organisation. Die Unternehmenskultur entsteht aus dem Zusammenwirken vielfältig internalisierter individueller Verhaltensmuster. Es bildet sich ein überindividuelles Gruppen- oder Organisationsverständnis, das sich wiederum sowohl aus der unternehmenseigenen Komplexität ableitet, als auch aus Merkmalen der ungebundenen Gesellschaft.

192

3. Investition als Prozeß

Formales Verhalten ergibt sich durch die Verfolgung gemeinsamer Ziele, also durch die Anerkennung "öffentlicher Zwecke" des Unternehmens, die nicht mit den persönlichen Lebenszielen der Mitarbeiter identisch zu sein brauchen. Dagegen orientiert sich das informale Verhalten an den persönlichen Wünschen und Erwartungen der Mitglieder einer Organisation. Im formalen Zusammenhang "erscheinen die Individuen als bloße Funktionsträger, während die informale Organisation das Netzwerk sozialer Beziehungen umfaßt, das auf den persönlichen Sympathien und Gemeinsamkeiten der Mitglieder aufbaut, die durch ihre Herkunft und ihre außerbetrieblichen Rollen begründet sind" (Ziegler 1969, S. 1095). Diese Unterscheidung legt die Annahme nahe, daß die informale Organisation auf dem irrationalen Verhalten und den Gefühlen der Mitglieder beruht, während allein die formale Leitung einer Organisation zu rationalem Verhalten befähigt ist. Das ist nicht der Fall. Rationale und irrationale Momente prägen sowohl das formale als auch das informale Verhalten. Es geht in bezug auf die Organisation im Prinzip darum, einen individuellen oder einen gruppenspezifischen Spielraum zu erhalten oder auszudehnen und somit zum eigenen Vorteil, daß Verhalten anderer einzuschränken. Dabei definiert sich der Vorteil jedoch nicht ausschließlich in den Kategorien des formalen Gerüstes. Die Gestaltung von Wandlungsprozessen bei der Umsetzung von Investitionen muß sich an den formalen und informalen Gegebenheiten orientieren. Eine Handlungskompetenz ergibt sich nur unter der Einbeziehung der formalen fachlichen sowie methodischen Kompetenz und einer informal orientierten sozialen Kompetenz (vgl. hierzu Faix 1994, S. 201 ff.). Machiavelli (1978, S. 63) schreibt dazu: "denn zwischen dem Leben, wie es ist, und dem Leben, wie es sein sollte, ist ein so gewaltiger Unterschied, daß derjenige, der nur darauf sieht, was geschehen sollte, und nicht darauf, was in Wirklichkeit geschieht, seine Existenz viel eher ruiniert als erhält". Das individuelle formale Verhalten innerhalb der betrieblichen Organisation wurde von March/Simon bereits Ende der fünfziger Jahre ausführlich untersucht. Ihr Ausgangspunkt war, daß die formalen Programme, mit denen auf Sequenzen von Situationen reagiert wird, durch "Grenzen der Rationalität" gekennzeichnet sind. Zur Auslösung und Ausführung von relativ wohldefinierten Programmen ist der Mensch nur in der Lage, mit einer begrenzten Komplexität zu arbeiten (March/Simon 1976, S. 159). Die Beeinflussungsprozesse in Organisationen entwickeln sich jedoch sowohl im Kontext von vereinfachten formalen Prozeduren, als auch im Rahmen von äußerst komplexen sozialen Mechanismen. An einem konkreten Beispiel erläutern March/Simon (ebenda S. 8) diesen Gegensatz: "Man vergleiche die Verbreitung von Gerüchten mit der Weitergabe eines Kundenauftrages in einem Produktionsbetrieb. Die Verbreitung von Gerüchten erfolgt durch einen Prozeß der Diffusion. Selten verbreitet sich ein Gerücht über einen einzigen Kanal. Ja, in den meisten Fällen würde es schon bald verstummen, wenn es sich nicht von seiner Ursprungsquelle aus, auf weiter Basis, verbreiten könnte. Auf der anderen Seite durchläuft ein Kundenauftrag genau festgelegte Kanäle - gewöhnlich relativ wenige - bis zu einem spezifischen Bestimmungsort. Wir wollen damit aber nicht implizieren, daß es keine Selektivität bei der Verbreitung von Gerüchten oder keine Ungewißheit über den Bestimmungsort bei der formalen Kommunikation in Organisationen gibt. Sicherlich kommt beides häufig vor. Aber die unterschiedliche Ausbildung der Spezifität der Kanäle ist in diesen beiden Fällen überaus auffallend." Ihre Forderung ist eine Theoriebildung, welche anerkennt, daß Mitglieder von Organisationen Wünsche, Motive und Triebe haben und daß ihr Wissen und ihre Fähigkeit, zu lernen und Probleme zu lösen, begrenzt ist (ebenda S.129).

3.3.2 Informale Organisation

193

Der methodische Ansatz von March/Simon setzt sich vornehmlich mit der Diskrepanz, zwischen der betrieblichen Zielsetzung nach Kontrolle und Verläßlichkeit, also der Kontinuität des betrieblichen Handelns, und der Abwehrhaltung im individuellen Handeln auseinander. Die Durchsetzung von Autorität bezieht sich auf das Potential vorhandener spezialisierter Kenntnisse, stößt aber in der realen Realität auf divergente Interessen. Einen zentralen Einfluß auf die Produktivität im Unternehmen hat die Zufriedenheit der Mitarbeiter, und diese ist nach March/Simon abhängig vom erwarteten Wert der Belohnung entsprechend folgendem Modell (ebenda S. 49; vgl. Abb. 3.68). • Je geringer die Zufriedenheit (1) des Organismus ist, desto größer ist das Suchausmaß nach alternativen Möglichkeiten (2), daß er vornehmen wird [2:1]. • Je größer das Suchausmaß ist, desto höher ist der erwartete Wert der Belohnung (3) [3:2], • Je höher der erwartete Wert der Belohnung ist, desto höher ist die Zufriedenheit [1:3]. • Je höher der erwartete Wert der Belohnung ist, desto höher ist das Anspruchsniveau (4) des Organismus [4:3]. • Je höher das Anspruchsniveau ist, desto geringer ist die Zufriedenheit [1:4],

Abb. 3.68: Allgemeines Modell des adaptiv motivierten Verhaltens (nach March/ Simon) Die Identifikation mit der Tätigkeit im Unternehmen ergibt sich jedoch nicht nur aus der individuellen Erwartungshaltung und der Reaktion des Unternehmens, sondern auch aus der Struktur des Subsystems, in dem man im Unternehmen hauptsächlich interagiert. Arbeitet man in einer erkennbaren Gruppe mit hohem Prestige, so steigert das die individuelle Motivation, wobei das monetäre Belohnungssystem nur einen Faktor der subjektiven Wahrnehmung darstellt. Die Nachvollziehbarkeit gemeinsamer Ziele und die Gruppenzufriedenheit beeinflussen ebenso die Stärke der Identifikation mit der Gruppe wie der Grad der Kommunikation und das Ausmaß des Wettbewerbs (ebenda S. 63 ff.). Die Gewährleistung einer motivierten Mitarbeiterschaft bildet die Voraussetzung für die Planung und Umsetzung von Investitionen und den damit verbundenen Wandel. Die Gruppe bildet die Organisationseinheit für die Koordinie-

194

3. Investition als Prozeß

rang des Wandlungsprozesses. Solange die Investitionshandlung innerhalb ihrer drei Phasen als Handlungssystem eine erkennbare Gestalt aufweist, sind die Voraussetzungen für ein positives Arbeitsklima gut. Der Kontakt ist eng und das Prestige hoch, es sei denn, man zerstört die Homogenität der Gruppe und damit auch ihre Erkennbarkeit durch das Einziehen einer Hierarchie. Aber im Kontext der Investitionshandlung spielen zwei Momente eine Rolle, welche von March/Simon thematisiert werden: das individuelle Interesse, die Organisation zu verlassen, und das Entstehen von Konflikten sowie der Umgang damit. Die Investitionsbetroffenen sind in einem Wandlungsprozeß integriert. Der wahrgenommene Wunsch, aus der Organisation auszuscheiden, hängt von der subjektiven Arbeitsbefriedigung und wahrgenommenen Veränderungsmöglichkeiten in der Organisation ab (ebenda S. 94 f.). Gestalten alle Investitionsbetroffenen ihre Zukunft gemeinsam und sind die Perspektiven des angestrebten Fließgleichgewichtes transparent, so ist der Wunsch, die Organisation zu verlassen, gering. Man weiß, wohin man kommt. Baut man jedoch für einige Investitionsbetroffene eine subjektive Unsicherheit auf, die zusätzlich durch eine neue sowie zukünftige, also nicht vergleichbare, Situation begründet ist und eventuell auch nicht akzeptiert wird, so entsteht ein Konflikt. Die Motivation zur Konfliktreduktion ergibt sich aus der Anzahl vorhandener Alternativen, aber auch aus der Kommunikationsbereitschaft und der Suche nach neuen Alternativen, sie ist also zeitkritisch (ebenda S. 111). Damit wird die Konfliktstruktur innerhalb der Gruppe der unmittelbar Investitionsbetroffenen deutlich, und es ergibt sich über die Konsensbildung ein Diskurs, ein probates Mittel, ihr zu begegnen. Der Wandel, welcher durch Investitionen umgesetzt wird, begründet jedoch weitere Konfliktpotentiale, nämlich zwischen Gruppen innerhalb des Unternehmens und Gruppierungen außerhalb, wie beispielsweise Bürgerinitiativen. Der überbetriebliche Kontext wird von mir in Kapitel 3.4 thematisiert. Ich möchte an dieser Stelle den innerbetrieblichen Gruppenkonflikt anhand des Modells von March/Simon (1976, S. 121 f.; vgl. Abb. 3.69) erläutern. Je deutlicher sich die Gestalt der Gruppe abzeichnet, welche die Investitionshandlung vorantreibt, also je konfliktfreier sich diese Gruppe ihrer Aufgabe widmet, desto größer wird der Abstand zu anderen Gruppierungen im Unternehmen. Es entsteht ein Organismus im Organismus mit eigener Umgebung, eigenen Informationsquellen, Zeiteinteilung, formaler Organisation und dementsprechend auch mit eigenen zu operationalisierenden Zielen. Werden andere Gruppen in ihrem Bedarf nach gemeinsamer Entscheidungsbildung unterdrückt und bilden sich Unterschiede aus in der subjektiven Wahrnehmung und in den Zielsetzungen, so entstehen Konflikte zwischen den Gruppen. Wandel und Kontinuität bergen einen Konflikt in sich. Der Wandel erfordert Freiräume, die kontinuierliche Generierung einer betrieblichen Leistung strebt die Regelhaftigkeit an. Hesse/Schräder (1994, S. 180 f.) leiten daran ein Führungsdilemma des mittleren Managements ab, das durch polare, sich widersprechende Anforderungen und Aufträge charakterisiert ist. • Vorgesetzte sollen einerseits unternehmerisch denken sowie handeln und andererseits sich an Vorschriften und Weisungen halten, • Freiräume gewähren und Ruhe und Ordnung garantieren, • auf die individuellen Fähigkeiten und Eigenarten seiner Mitarbeiter eingehen und alle gleich behandeln, • das Bestehende bewahren und Veränderungen in Gang setzen, • die Interessen der Organisation sowie der Mitarbeiter unterstützen und die eigenen Karrierewünsche und Bedürfnisse befriedigen und

3.3.2 Informale Organisation

195

• die Selbständigkeit ihrer Mitarbeiter fördern und die Verantwortung für die ganze Abteilung übernehmen.

Abb. 3.69: Faktoren, welche die Konflikte zwischen Gruppen in einer Organisation beeinflussen (nach March/Simon) Damit wird jedoch nur ein Konfliktpotential beschrieben, das sich aus dem betrieblichen Handlungskontext ergibt und das sich bei der Umsetzung von Investitionen erhöht. Selbstverständlich beinhaltet die informale Organisation noch weitere Potentiale, die sich aus ganz anderen persönlichen Bedürfnissen ergeben, wie beispielsweise die Liebe und Sexualität im Unternehmen (ebenda S. 58). Die Umsetzung von Innovationen hängt von der Integration aller Aspekte der informalen Struktur ab, da sich hieraus die Merkmale der individuellen Zufriedenheit ableiten. Scott-Morgan (1995) thematisiert das informale Moment bei Führungskräften ebenfalls individuumspezifisch unter dem Stichwort die heimlichen Spielregeln. "Unter offizielle Regeln fallen alle formalen Aspekte von Strategie, Prozessen, Ressourcen und Organisationen. Diese senden zusammen mit dem Verhalten der Topmanager Signale an das Unternehmen. Aber Faktoren, die sich jeder unmittelbaren Kontrolle entziehen - nationale und regionale Kultur, ökonomisches Klima, Rechtsprechung, Verwaltungsrichtlinien, Privatinteressen, bestehende heimliche Spielregeln verwandeln die Signale in parallele ungeschriebene Gesetze." (ebenda S. 168). Offizielle formale Strategiepapiere bedeuten dabei häufig wenig. "Sie klingen gut, aber in der Praxis stehen sie wahrscheinlich im krassen Widerspruch zu heimlichen Spielregeln, die motivierende Kräfte wie Macht, Individualismus und Status betonen. Wenn diese hochfliegenden Zukunftsvisionen nicht sehr sorgfältig auf bestehende Kräfte und ungeschriebene Gesetze eingehen, sind sie nur "viel Lärm um nichts" (ebenda S. 62). Die heimlichen Spielregeln beruhen auf dem Zusammenwirken der motivierenden Kräfte, der machtausübenden Kräfte und der handlungsauslösenden Kräfte. Die Führungskraft als handelndes Individuum entwickelt eigene Zielsetzungen. Aufstiegschancen sind motivierend, ein Stellenwechsel wird stets ins Kalkül mit einbezogen. Dazu muß der Vorgesetzte zufriedengestellt werden. Das bedeutet, man muß sich als Person abheben und darf sich keine Fehlschläge erlauben. Operationalisiert wird diese individuelle Strategie, indem man sein Handlungsrevier schützt und stets positive Ergebnisse liefert (ebenda, S. 34 ff.; vgl. Abb. 3.70).

196

3. Investition als Prozeß Motivierende Kräfte Aufstiegschancen w

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Verantwortlichkeit

PROBLEME

HEIMLICHE SPIELREGELN

OFFIZIELLE SPIELREGELN

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1. Zielsetzungen und Prioritäten 2. Der polltische Entscheldungsprozess 3. Die Instrumente a) Finanzpolitik b) Geld-, Kredit- und Währungspolitik c) Aussenwirtschaftspolitik d) Einkommenspolitik e) Direkte Kontrolle f ) Einzelne Politiken (Energie, Verkehr, Bildung. Forschung, Gesundheit, Ver- und Entsorgung, Sozialpolitik usw.) 4. Die Wirkungen wirtschaftspolitischer Interventionen

Abb. 3.102: Unternehmensrelevante rek)

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Verknüpfung mit: - Politische Wissenschaften - Soziologie - Ökologie - Demographie - Technische Wissenschaften - Philosophie • Wirtschafts- und Sozialgesschichte - Mathematik und Statistik - Empirische Wirtschafts- und Sozia Ifor

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Kneschau-

Das Hauptgewicht der folgenden vier Unterpunkte liegt nicht auf einer vollständigen Auflistung der exogenen Kriterien, sondern auf dem Zusammenhang zwischen den vier Betrachtungsrichtungen, in deren Mittelpunkt die makroökonomischen Kategorien der Wirtschaftsordnung, der Entwicklung einer Volkswirtschaft und der außenwirtschaftlichen Verflechtung stehen. Der Verlauf einer jeden Investition ist davon abhängig, welchen Stellenwert das Unternehmen als ein Bestandteil der Wirtschaft in der Gesellschaft hat. Der Stellenwert des Individuums im Staat und des Verhältnisses zwischen Staat und Wirtschaft hängt vom geltenden Wirtschaftssystem ab und wird in der Ordnungspolitik laufend modifiziert. Wird eine Leistung im Rahmen einer

244

3. Investition als Prozeß

internationalen Lieferverflechtung erbracht, so sind bei der vorgelagerten Investitionsevaluation die Interdependenzen mehrerer Wirtschafts- und Steuersysteme mit zu berücksichtigen. Die Entwicklung einer Volkswirtschaft hängt von den Parametern der Konjunktur, des Wachstums und des Strukturwandels ab. Arbeitslosigkeit und Inflation, Wachstumswellen und Anpassungsfähigkeit der Produktionsfaktoren verändern sich im Rhythmus der Weltwirtschaft sowie durch den staatlichen Einsatz der Instrumente der Konjunkturpolitik, der Wachstumspolitik und der Strukturpolitik. Der Erfolg von Investitionen ergibt sich unter anderem auch aus der Veränderung weltwirtschaftlicher Strukturen wie Zahlungsbilanzen, Wechselkurse, internationale Verschuldung, Protektionismus sowie der Bereitstellung von Rohstoffressourcen und somit auch aus der internationalen Wirtschaftspolitik (vgl. Kneschaurek 1994, S. 18; siehe Abb. 3.102). Von zentraler Bedeutung ist dabei die Entwicklung des Wachstums in Korrelation mit der Konjunktur. Investitionen sind strukturverändernde Maßnahmen, die gewährleisten, daß eine spezifische Leistung auf dem Markt mittelfristig bereitgestellt werden kann. Positive Investitionsentscheidungen bewirken auf mikroökonomischer Ebene, daß sich im makroökonomischen Maßstab ein wirtschaftliches Wachstum manifestiert. Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in den letzten 100 Jahren, so zeichnen sich zwei lang anhaltende Wachstumsphasen ab: "von den 1880er Jahren bis in den Ersten Weltkrieg und vom zweiten Weltkrieg bis Anfang der 70er Jahre. Dazwischen lag eine Periode, die durch die Weltkriege und die Wirtschaftskrise gekennzeichnet war" (Ambrosius 1989, S. 11 f.; vgl. Abb. 3.103). 3000 2000 -

1500 1000 800 -

600 -

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Abb. 3.103: Entwicklung des Sozialprodukts in Deutschland (nach Ambrosius) Betrachtet man die Entwicklung jedoch detaillierter, d.h. in investitionsrelevanten Zeitintervallen wie beispielsweise Jahrquintale, so sind Wachstums- und Konjunkturschwankungen zu konstatieren. Selbstverständlich wirken sich diese Schwankungen sowohl regional als auch branchenmäßig unterschiedlich aus. Es ergibt sich somit eine exogene Wertbewegung für das investierende Unternehmen, welche die eigenen Prognosedaten von Aufwendungen und Erträgen verstärken oder abschwächen. Erst eine Analyse des sozioökonomischen Datenkranzes über einen längeren, eben einen historischen Zeitraum, erlaubt eine Korrektur der empirisch ermittelten Prognose werte bzw. der in einer Investitionsrechnung festgesetzten Parameter. Dabei darf eine exogene Trendanalyse nicht kritiklos in die Unternehmensbetrachtung eingebunden werden. Die betriebseigene Entwicklung kann sich deutlich von der des Marktes bzw.,

3.5 Investition im historischen Kontext

245

enger gefaßt, von der der Mitkonkurrenten unterscheiden. Eine unternehmerische Innovation kann für den Markt einen großen oder geringen Neuheitswert haben, ganz unabhängig davon, ob sie für den Betrieb zu großen oder kleinen Strukturveränderungen führt

In einer breit angelegten Untersuchung ermittelte die renommierte Unternehmensberatung in New York Booz, Allen & Hamilton (1982) sechs Neuproduktkategorien, quantifizierte sie für das letzte Jahresquartal in Prozent und ordnete sie in einer Matrix mit den Dimensionen Neuheit für das Unternehmen und Neuheit für den Markt (vgl. Abb. 3.104). Kotler/Bliemel spezifizieren sie wie folgt (vgl. 1992, S. 486): • Weltneuheiten Neue Produkte, für die ein völlig neuer Markt zu schaffen ist. • Neue Produktlinien Neue Produkte, die dem Unternehmen den Zugang zu einem bereits existierenden Markt ermöglichen. • Produktlinienergänzungen Neue Produkte, die etablierte Produktlinien des Unternehmens ergänzen. • Verbesserte/weiterentwickelte Produkte

246

3. Investition als Prozeß

Neue Produkte, die leistungsfähiger sind oder deren vom Kunden wahrgenommenener Nutzen größer ist und die bereits existierende Produkte ersetzen. • Repositionierte Produkte Existierende Produkte, die auf neuen Märkten oder Marktsegmenten angeboten werden. • Kostengünstigere Produkte Neue Produkte, die bei niedrigeren Kosten vergleichbare Leistungen erbringen. Es zeigt sich, daß der Anteil an Weltneuheiten über den Betrachtungszeitraum von fünf Jahren mit 10% recht gering ausfällt; der Anteil neuer Produkte für ein Unternehmen, die auf dem Markt jedoch längst bekannt sind, fällt doppelt so hoch aus. Über 50% der Investitionen führen zu weiterentwickelten Produkten bzw. Produktlinienergänzungen, und 11% sind kostengünstigere Produkte. Immerhin 7% der Neuheiten gehören zu den älteren Entwicklungen: die Leistung wurde zunächst auf dem Markt angeboten und dort nicht akzeptiert; erst zu einem späteren Zeitpunkt, bei der Produktrepositionierung, fand sie ihre Käuferschicht. Die Unternehmens- und die Marktentwicklung sind nicht eindeutig voneinander zu trennen. Eine Beziehung besteht immer. Im Rahmen eines Investitionsprozesses muß jedoch analysiert werden, in welcher Weise sich allgemeine Tendenzen auf die betriebseigenen Aktivitäten auswirken. Befindet man sich in einer etablierten Handlungsstruktur, so wird der "Main Stream" auch das Unternehmen in derselben Form vorantreiben wie die anderen Marktteilnehmer. Werden jedoch neue Wege beschritten, so funktionieren die tradierten Handlungsregeln nicht. Es gilt, neue Prozeduren zu generieren und neue Prognosemodelle zu testen, da die alten Entscheidungsregeln die neuen Vorhaben nicht mehr ausreichend abbilden. Phasen des allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums schaffen in der Regel ein gutes Investitionsklima. Unstimmigkeiten in Planung und Durchführung werden infolge der beschleunigten gesellschaftlichen Vorgänge geglättet, Fehler wirken sich geringfügiger aus. Aufgrund der geringen Richtungsänderung sind empirisch basierte Prognosen valide. Einfache Investitionsrechnungen helfen bei der Entscheidungsfindung. Die von der Wissenschaft angebotenen Modelle der Mikro- und der Makroökonomie richten sich auf diese historische Situation aus. Wirtschaftspolitiker können genauso wie Unternehmer auf ihre Erfolge verweisen. In Zeiten des geringen Wachstums, der Stagnation bzw. sinkender Bruttosozialprodukte ist jede Prognose schwieriger. Richtungsänderungen in der Wirtschaftsentwicklung werden möglich, geographische Abweichungen sowie Branchenvarianzen werden größer, und das Angebot an Modellen zur Prognose und an Instrumenten zur Planung für Wirtschaftspolitiker sowie Investoren wird größer und komplexer. Die Strukturen wandeln sich, Paradigmenwechsel finden statt. 3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung Die wichtigsten Maßstäbe der volkswirtschaftlichen Betrachtung beruhen auf Indikatorensystemen, die auf weltweiter Basis in international standardisierter Form angewendet werden. Hiermit sind quantifizierbare Qualitäten geschaffen, mit deren Hilfe es möglich ist, Aussagen über den Stand und - in Form von Zeitreihen - über die Entwicklung einer geographischen, währungstechnischen und politisch zusammmengehörenden Einheit zu machen. Jedes Unternehmen ist ein Bestandteil einer Volkswirtschaft.

3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung

247

Die wichtigsten Daten und Datensysteme liefern somit eine Orientierung für die eigene Entwicklung. Es sind • das Sozialprodukt im Rahmen des Systems dernationalen Buchhaltung, einschließlich sozialer und demographischer Indikatoren; • die Wertschöpfung als Differenz von Verkaufswerten abzüglich der Vorleistungen und somit ein wesentlicher Parameter zur Bewertung der Effizienz von Volkswirtschaften, Branchen und Unternehmungen: • die Geldmenge als wichtigster monetärer Indikator; • die Zahlungsbilanz als Maßstab für die Interaktion zwischen Volkswirtschaften und als Indikationssystem zur Bestimmung der Integration innerhalb der internationalen Wirtschaftsstruktur.

Abb. 3.105: Vergleich der Ermittlungsarten des

Bruttosozialprodukts

Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung unterscheidet zwischen dem Bruttosozialprodukt und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). "Das Bruttosozialprodukt (zu Marktpreisen) (Gross National Product: GNP; in Deutsch: BSP) = Marktwert aller im Laufe einer Zeitperiode von den inländischen Produktionsfaktoren im In- und Ausland produzierten Güter und Dienstleistungen. Das Bruttosozialprodukt enthält also auch den < Saldo der Faktoreinkommen > (von eigenen Arbeitnehmern und Firmen im Ausland realisierte Einkommen minus von ausländischen Arbeitnehmern und Firmen im Inland realisierten Einkommen). Das Bruttoinlandsprodukt (zu Marktpreisen) (Gross Domestic Product: GDP; in Deutsch: BIP) = Marktwert aller im Laufe einer Zeitperiode im Inland durch im Inland wohnhafte Erwerbstätige bzw. im Inland domizilierte Firmen erzeugten Güter und Dienstleistungen." (Kneschaurek 1994, S. 91).

248

3. Investition als Prozeß

Für einen gegebenen Zeitraum kann auf drei unterschiedlichen Wegen das Bruttosozialprodukt ermittelt werden. Man unterscheidet (vgl. Woll 1978, S. 246; siehe Abb. 3.105): • die Entstehungsrechnung mit den Beiträgen der inländischen Bereiche Land- und Forstwirtschaft, Waren produzierendes Gewerbe, Handel und Verkehr, dem Dienstleistungsbereich sowie dem Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen von Ausländern im Inland und Inländern im Ausland, • die Verteilungsrechnung als Summe der Einkommen aus unselbständiger Arbeit, der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen, der Steuern und der Abschreibungen sowie • die Verwendungsrechnung mit den Komponenten des privaten Verbrauchs, des Staatsverbrauchs, der Investitionen und des Außenbeitrages als Differenz von Ausund Einfuhr. Nationales Produktionskonto Autwand

Ertrag

Vorleistungen (Material, Energie

Wirtschaftlicher Umsatz

Abschreibungen Indirekte Steuern abzügl. Subventionen Löhne und Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge

Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen

Zinsen, Mieten Gewinn

Bruttoproduktionswert

Bestandsänderungen (Kapitalstock und Lagerhaltung

Selbsterstellte Anlagen

Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten = Wortschöpfung

Abb. 3.106: Nationales Produktionskonto (nach Woll) Selbstverständlich kann die Entstehung des Inlandprodukts auch ermittelt werden, indem man die Herkunft nicht nach den Erträgen der Branchen aufgliedert, sondern nach ihren Aufwendungen. Hierbei summiert man nicht nach Aufwandsträgern sondern nach Aufwandsarten. Der Bruttoproduktionswert ergibt sich aus den Erträgen des wirtschaftlichen Umsatzes und den Werten des Bestandsänderungssaldos der Lagerhaltung sowie der

249

3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung

selbst erstellten Anlagen. Er gliedert sich in die Aufwendungen der Vorleistungen (Material, Energie u.a.), die Abschreibungen, indirekten Steuern und Subventionen, Löhne, Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge sowie Zinsen, Mieten und Gewinne (vgl. Woll 1978, S. 240; siehe Abb. 3.106). Direkte Steuern

Einkommenskonto Unternehmen

«

Einkommenskonto Öffentliche Haushalte

Direkte Steuern

Ersparnis der Haushalte

Einkommenskonto Private Haushalte Löhne, Gehälter.

Transferzahlungen

Indirekte Steuern abz. Subventionen

Zinsen Gewinne

Faktoreinkommen

Ersparnis

Staatlicher Konsum

Unverteilte Gewinne

Nationales Produktionskonto

Abschreibungen Bnjttoinvestitiq

Nationales Vermögensänderungskonto

t

Auslandskonto Exportüberschuß

Abb. 3.107: Der Wirtschaftskreislauf

Ersparnisse des Staates

in der Bundesrepublik

Deutschland

Die Brutto-Wertschöpfung zu Faktorkosten ergibt sich aus der Summe der Abschreibungen, des Zinsaufwandes, der Sozialbeiträge, der Löhne und Gehälter sowie des Betriebsgewinns vor Steuern. Die Netto-Wertschöpfung schließt die Abschreibungen aus.

250

3. Investition als Prozeß

Aus den monetären Strömen zwischen den nationalen Produktionskonten, der Einkommenskonten der privaten Haushalte, der Unternehmen und der öffentlichen Haushalte sowie dem Auslandskonto und dem nationalem Vermögenskonto kann ein Modell des wirtschaftlichen Kreislaufes ausgebildet werden. Für jeden Wirtschaftsbereich wird ein Produktionskonto geführt, das mit der Erfolgsrechnung im einzelnen Unternehmen vergleichbar ist. Scholz/Heinen/Hagemann (1980, S. 318) modellieren den Wirtschaftskreislauf der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Abb. 3.107) entsprechend der Gesamtrechnung, die vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden durchgeführt wird. Sie stellt die Grundlagen für die Ermittlung der volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen in Deutschland dar. Die volkswirtschaftlichen Berechnungen beruhen auf der Messung der monetären Ströme. Dabei ist der Stoffwert des Geldes weitgehend bedeutungslos, da Papier- und Buchgeld das Geldvolumen weitgehend bestimmen; entscheidend ist der Tauschwert. Es besteht nach der klassischen Geldmengentheorie (vgl. Ackley 1968, S. 105 ff.) über einen Betrachtungszeitraum eine Geldwertstabilität, wenn die Relation zwischen bewegter Geld- und Gütermenge konstant ist Ein sinkender Geldwert ist gegeben, wenn mehr Geld zur Bewegung einer bestimmten Gütermenge notwendig ist; ein steigender Geldwert erlaubt bei konstanter Geldmenge Allokation von mehr Gütern. Haben wir in einer Wirtschaft einen Geldüberhang, so kommt es - vereinfacht gesehen - zur Inflation, haben wir einen Güterüberhang, tritt eine Deflation ein. Die Bestimmung der Geldmenge in einer Volkswirtschaft und daraus abgeleitet die Fixierung des Preisniveaus ist daher elementar. Irving Fischer (1894, S. 527 ff.; vgl. hierzu Friedman 1992, S. 49) definiert die Geldumlaufmenge als das Produkt von Preisniveau mal Handelsvolumen. (36) Gl) = HP

G U H P

= = = =

umlaufende Geldmenge Umlaufgeschwindigkeit Handelsvolumen Preisniveau

Damit setzt Fischer voraus, daß die Preise steigen, wenn bei gleichbleibendem Handelsvolumen das Geldvolumen steigt bzw. wenn bei gleichbleibendem Geldvolumen das Handelsvolumen sinkt. Umgekehrt sinken die Preise durch eine Abnahme des Geldvolumens bzw. durch eine Zunahme des Handelsvolumens - je weils bei Konstanz des zweiten Betrachtungsfaktors. Steigende Preise vermindern den Geldwert; erfolgt dieser Prozeß langsam, so so spricht man von einer schleichenden Inflation, erfolgter schnell, so wird er Hyperinflation genannt Ursachen hierfür liegen in dem Nachfrageüberhang, der durch die Nachfrageinflation (Konsumgüter-, Investitiongüter-, Auslandsnachfrage und staatliche Nachfrage) oder durch die Kostendruckinflation (gestiegene Löhne und Gehälter bzw. Preise importierter Rohstoffe) begründet sein kann. Das gesamte System einer Volkswirtschaft kann sich vergrößern. Der Wachstumsprozeß bedingt eine gleichzeitige Steigerung von Geld- und Gütermenge. Nach Kneschaurek (1994, S. 124 f.; vgl. Abb. 3.108) wird das Wachstumspotential durch zwei Schlüsselgrößen bestimmt:

3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung

251

die Entwicklung des verfügbaren Arbeitspotentials, also der Zahl der erwerbsfähigen und -willigen Personen, deren Anzahl sich aus der Veränderung der natürlichen Bevölkerungs- und der grenzüberschreitenden Wanderungsbewegung sowie der jeweiligen Erwerbsquote ergibt und die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität, also dem Quotienten des Bruttoinlandsproduktes pro Erwerbstätigem. Wohnbevölkerung Natürliche Bevölkerungsbewegung

i

-|

^ ^

Grenzüberschreitende Wanderungsbewegung

^

V

Erwerbsquote

V Entwicklung des verfügbaren Arbeitskräftepotentials AA

Wachstumspotential AP (BIP.J

Grad der Ausschöpfung des Wachstumspotentials = Grad der Entwicklungsdynamik

Entwicklung der Arbeitsproduktivität a) A

Intensität der Investitionstätigkeit

A

1

1 BIP (Investitionsquote)

Nachfrage ' Wirtschaftswachstum im In- und Ausland > Grad der Zugänglichkeit zu den Märkten (Protektionismus) > Internationale Konkurrenzfähigkeit auf den In- und Auslandsmärkten

Effektives

Effizienz der getätigten Investitionen 1 K K - + " A BIP

(Kapitalkoeffizient) • Technischer Stand und Umsetzungsfähigkeit • Ausbildungs- und Qualifikationsgrad der Erwerbstätigen • Struktur der Investitionen • Wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen

Wachstum

Konsequenzen • Arbeitslosigkeit • Inflation • Aussenwirtschaftl. Beziehungen • Ressourcen und Umwelt • soziales und politisches Klima

A BIP r - = A Erwerbstätige X A Effektive Arbeitsproduktivität a) BIP je Erwerbstätigen bei voller Ausschöpfung der verfügbaren Produktivkräfte sowie des vorhandenen technischen und ausbildungsmäßigen Standes der Erwerbsbevölkerung.

Abb. 3.108: Schlüsselfaktoren des wirtschaftlichen Wachstums (nach Kneschaurek) Das Wachstumspotential ist gleich dem Produkt des verfügbaren Arbeitskräftepotentials multipliziert mit der Entwicklung der Arbeitsproduktivität. (37) ABIP rea | = AErwerbstätige - AEffektive Arbeitsproduktivität

252

3. Investition als Prozeß

Die Entwicklungsdynamik hängt von der Nachfrage im In- und Ausland und von dem Grad der internationalen Konkurrenzfähigkeit auf den In- und Auslandsmärkten ab. Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität wiederum hängt von der Intensität der Investitionstätigkeit ab, also der Investitionsquote (Investition geteilt durch Bruttoinlandsprodukt) sowie der Effizienz der getätigten Investition, d.h. dem Kapitalkoeffizienten (Investition geteilt durch die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts). Kneschaureks Überlegungen führen zu einem Indikatorensystem zur Messung der Entwicklung einer Volkswirtschaft (ebenda S. 43 ff.; vgl. Abb. 3.109). Hierzu fügt er acht Indikatoren in einen Bewertungskontext: • der Quotient aus Ertragsbilanz und Bruttoinlandsprodukt, • der Quotient aus Staatshaushalt und Bruttoinlandsprodukt, • die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts, • die Investitionsquote, • die Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität, • die Wachstumsrate des Arbeitskräftepotentials, • die Arbeitslosenquote und • die Inflationsrate. Jeder einzelne Betrag wird für einen bestimmten Zeitraum in Prozent gemessen und auf einer Skala abgetragen. Es ergeben sich acht Meßpunkte, die zu einem Achteck verbunden werden. Je größer die Fläche des Achtecks, desto größer die Entwicklungsdynamik der betrachteten Volkswirtschaft In einer vergleichenden Untersuchung für die Zeiträume von 1960-1969, 1970-1979 und 1980-1990 wird deutlich, daß die Entwicklungsdynamik der Europäischen Gemeinschaft abnimmt, die des pazifischen Raums dagegen zunimmt. Kneschaurek (1994, S. 128) führt hierzu aus: "Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität ist somit die Intensität der Investitionstätigkeit (ausgedrückt in der Investitionsquote = Investitionen in Prozent des BIP) und der 'Effizienz' dieser Investitionen, welche durch den Einfluß der anderen im obigen Schema aufgeführten Faktoren bestimmt wird und sich zahlenmässig, im sogenannten 'Kapitalkoeffizienten' widerspiegelt. Dieser gibt an, wieviele Einheiten Kapital investiert werden müssen, um die Produktion (BIP real) um eine Einheit zu erhöhen. Der Kapitalkoeffizient hängt nicht nur von der rein technisch bestimmten Ertragsfähigkeit des investierten Kapitals ab. Er wird auch beeinflußt durch die jeweilige Struktur des investierten Kapitals; nur ein Teil der getätigten Investitionen ist nämlich 'produktiv', d.h. trägt zur Erhöhung des Produktionskapitals bei; daneben gibt es 'nicht-produktive' Investitionen im sozialen oder im Umweltbereich, die zunehmende Bedeutung und Dringlichkeit erlangen, obschon sie die Produktionskapazität nicht erhöhen. Dafür üben sie einen entscheidenden Einfluß auf die Wohlfahrt eines Volkes aus. Schließlich hängt die Wirkung einer bestimmten Investitionstätigkeit auf das Wirtschaftswachstum auch davon ab, ob diese Investitionen lediglich zum Ersatz des laufenden Kapital Verschleißes oder zur Erweiterung der Produktionskapazitäten bestimmt sind. Ersatzinvestitionen - so notwendig sie auch sind - üben keinen nennenswerten Einfluß auf das wirtschaftliche Wachstum aus, sondern dienen primär der Erhaltung und Sicherung der bestehenden Produktionskapazitäten, wobei allerdings zuzugeben ist, daß die Grenze zwischen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen fließend ist, da jede Ersatzinvestition - soweit sie mit der Anschaffung modernerer und leistungsfähigerer Maschinen oder Transportmittel verbunden ist zugleich auch gewisse Kapazitätserweiterungseffekte ausübt".

3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung Total Europäische Gemeinschaft (12) Wachstumsrate des realen BJP

Arbeitslosenquote

Total Pazifischer Raum Wachstumsrat« des realen BIP

Arbeitslosenquote 1960 - 69

1970 - 79 — — -

1980 - 90

Abb. 3.109: Volkswirtschaftliche Entwicklungsdynamik (nach Kneschaurek)

254

3. Investition a l s Prozeß

Trotz der Möglichkeit, den Verlauf der Entwicklung einer Volkswirtschaft durch unternehmensspezifische Investitionsbeiträge zu beeinflussen, unterliegt der Verlauf des Wachstums und des Rückgangs des Bruttosozialprodukts bzw. Bruttoinlandprodukts konjunkturellen Schwankungen mit unterschiedlicher Amplitude. Wirtschaftsveränderungen werden gleichzeitig von langfristigen Strukturwandlungen und von wiederkehrenden Marktschwankungen geprägt Wir haben es mit einander überlagernden Richtungsänderungen zu tun, - von jahreszeitbedingten Saisonschwankungen über mittelfristige Konjunkturzyklen bis hin zu langfristigen Trends (vgl. Siekaup, 1978, S. 169). Die Konjunkturzyklen durchlaufen vier Phasen: den Aufschwung, die Hochkonjunktur, den Abschwung und die Depression, wobei es zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht sicher vorhersagbar ist, wie die weitere Konjunkturbewegung sich präsentieren wird. "Jeder theoretische Erklärungssatz wird von der jeweiligen historischen Situation, in welcher er entwickelt wurde, beeinflußt und geprägt" (Kneschaurek 1994, S. 96). Konjunkturschwankungen ergeben sich aus einem Zusammenspiel von Impulsen und Verstärkern (vgl. Abb. 3.110). Sozialprodukt

Umschlagen der Konjunktur

Abb. 3.110: Konjunkturphasen und ihre Entwicklung Die wichtigsten Konjunkturverstärker sind nach Kneschaurek (ebenda S. 97 ff.): • der Akzelerator, welcher auf das übersensible Verhalten der Anlage- und Lagerinvestitionen im Konjunkturverlauf weist und besagt, daß die Investitionstätigkeit überproportional auf Veränderungen der Endnachfrage (privater Konsum, staatlicher Konsum, Exporte) reagiert, was zu einer Beschleunigung einmal eingetretener Störungen führt;

3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung

255

• der sogenannte Geldschöpfungsmultiplikator: er erklärt sich aus den Uberproportionalen Schwankungen der Kredittätigkeit der Banken im Konjunkturverlauf; • die massenpsychologische Verstärkung der Konjunkturbewegungen: sie gründet in der Erfahrung, daß die wirtschaftliche Entwicklung in maßgeblicher Weise durch die Zukunftserwartungen von Produzenten, Konsumenten und wirtschaftspolitischen Entscheidungsinstanzen mitbestimmt wird. Diese Entscheidungen hängen in erheblichem Maße von der Wirtschaftsstimmung ab, die in den heutigen anonymisierten Massengesellschaften und unter der Einwirkung der modernen Mittel der Massensuggestion und der Massenmedien heftigen und meistens unberechenbaren Schwankungen unterliegt; • das zeitliche Nachhinken der Löhne und der Zinsen: es wirkt sich nicht nur konjunkturverstärkend aus, sondern kann auch wesentlich zum Umkippen der Konjunktur beitragen." Konjunkturprobleme werden in der Wirtschaftspraxis nicht immer gleich stark empfunden. Befindet sich eine Volkswirtschaft in einem länger andauerndem Trend des starken Wachstums, wie etwa in den 50er oder 60er Jahren, "so werden rezessive Störungen durch die dann übermächtigen Wachstumskräfte verhältnismäßig leicht und rasch überwunden" (ebenda S. 100; vgl. Abb. 3.111). Intensität und Stärke der Konjunkturschwankungen hängen vom jeweiligen Wachstumsrhythmus einer Volkswirtschaft ab. Dieser charakterisiert sich durch eine Abfolge von Phasen starken und schwachen (unter Umständen negativen) Wachtums (Wachstumswellen). Starkes Wachstum

Geringe Konjunkturschwankungen Störungen werden rasch überwunden. Der effektive Verlauf der Wirtschaftstätigkeit deckt sich weitgehend mit dem «Trend». Dieser wiederum ist mit dem «Vollbeschäftigungstrend» identisch.

Schwaches Wachstum

Erhöhte Konjunkturreagibilität und Krisenanfälligkeit Der effektive Verlauf der Wirtschaftsentwicklung weicht öfters stark vom Wachstumstrend ab: dieser Trend liegt in der Regel unter dem Vollbeschäftigungstrend (Unausgelastete Produktionskapazitäten = Arbeitslosigkeit).

Abb. 3.111: Beziehung zwischen Wachstum und Konjunktur (nach Kneschaurek)

256

3. Investition als Prozeß

Das ändert sich jedoch in den Phasen des schwachen Wachstums. Konjunkturelle Schwankungen werden aufmerksam beobachtet. Das unternehmensspezifische Handeln wird sehr fein auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung abgestimmt. Die Wachstumskräfte sind nicht stark genug, um regressive Strömungen aufzufangen. Während die Krisenanfälligkeit der betreffenden Volkswirtschaft steigt, nimmt ihre konstitutionelle und strukturelle Abwehrkraft ab. Gesellen sich zur Arbeitslosigkeit auch noch inflationäre Tendenzen, so wirken sich beide Reaktionen in Politik und auf Unternehmensbasis überproportional auf die Wirtschaft aus. Selbstverständlich besteht eine unterschiedliche branchenmäßige Konjunkturempfindlichkeit. Das unterschiedliche Verhalten ist durch die Reagibilität der Nachfrage bedingt, welche nach spezifischen Produkten und Dienstleistungen besteht. Die Nachfrage reagiert konjunkturabhängig, wenn • die Produkte und Dienstleistungen nicht lebensnotwendig sind (Luxusgüter), • die Produkte langlebig sind und ihre Beschaffung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann, • die Produkte konsumfern sind, so wie Investitionsgüter bzw. deren nachgelagerte Halbfabrikate und Rohstoffe, • die Produkte einer starken Konkurrenz ausgesetzt sind, wie das in der Regel für Exportgüter gilt und • die Produkte ausgereift sind und sich in einer späten Phase des Produktlebenszyklus befinden. Kneschaurek (ebenda S. 103) hebt als bemerkenswert hervor, daß die Reagibilität der einzelnen Branchen und Produkte in bezug auf die gesamtwirtschaftliche Konjunktur sehr unterschiedlich ist, daß sie aber als solche sich relativ konstant hält. Innerhalb eines Investitions-Controllings ist es daher empfehlenswert, Konjunkturdaten und die Korrelation zu den betriebseigenen Ist-Werten als Zeitreihe mitzuführen, um sie dann für die mittelfristige Budgetierung mit den Angaben von Trendanalysen in Relation setzen zu können. Ich werde im Abschnitt 4.2 noch einmal darauf zurückkommen. Dieser Umstand verdeutlicht aber auch, daß die Auseinandersetzungen mit Tendenzentwicklungen für die mittel- und langfristige Prognose des Sozialprodukts von großer Bedeutung sind. Einer der wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungstheoretiker ist Joseph Schumpeter (1993). In seiner 1912 veröffentlichten Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung schreibt er: "Unsere Entwicklungstheorie, ist ... eine Theorie des Übergangs der Volkswirtschaft von dem jeweils gegebenen Gravititätszentrum zu einem anderen ('Dynamik') im Gegensatz zur Theorie der steten Anpassung der Wirtschaft an wechselnde Gleichgewichtszentren...('Statik')" (ebenda S. 99). Das Schumpetersche Schema umfaßt drei Zyklusarten: • Die erste Zyklusart befaßt sich mit den Langen Wellen, den Kondratieff-Zyklen, welche eine Periodenlänge von 50 bis 60 Jahren umfassen und in sich durch die Phasen des Aufstieges und der Anpassung gegliedert sind. Müller (1990, S. 45) schreibt dazu: "Ihre Existenz ist an jeweils grundlegende Innovationen gebunden: so die erste an die industrielle Revolution, die zweite Lange Welle an das Zeitalter der Dampfkraft, des Stahls und der Eisenbahn, und die eingeleitete dritte Lange Welle an den Prozeß der Elektrifizierung der Chemisierung und des Automobils." Veränderungen werden durch das Wirken von äußeren Einflüssen, durch die nichtzyklischen Elemente des Wachstums wie Kriege, Revolutionen und Naturkatastrophen (Schumpeter 1993, S. 292) sowie durch Innovationen verursacht.

3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung

257

• Die Langen Wellen werden überlagert durch die Jaglar-Zyklen mit einer Länge von 9 bis 10 Jahren. Sie gliedern sich in die Phasen Aufschwung - Krise - Stockung. • Als kürzesten Wellenschlag definiert Schumpeter (1967, S. 201 f.) den 40-MonateZyklus, eine vage Umschreibung der Existenz von möglichen Zwischenkrisen. Ursächlichster Mittelpunkt des wirtschaftlichen Wachstums ist nach Schumpeter (1993, S. 100 f.) der dynamische Unternehmer. Er integriert technische Neuerungen in den Wirtschaftsprozeß und schafft seinem Unternehmen einen komparativen Konkurrenzvorteil. Mit zeitlichem Abstand ahmen die übrigen Unternehmer die Neuerungen nach, was zu einem erhöhten Güterausstoß führt, so daß es in der Summe zu einem allgemeinen Wirtschaftswachstum kommt. Der Prozeß ist beendet, wenn die Neuerung in der gesamten Wirtschaft angewendet wird. Dieser Erklärungsmechanismus ist plausibel, jedoch einseitig. Ich werde diese Problematik in den folgenden Punkten 3.5.2 und 3.5.3 vertiefen. Die Konkurrenzposition eines Unternehmens ergibt sich nicht nur aus seiner Stellung innerhalb der eigenen Volkswirtschaft, sondern in zunehmenden Maße auch aus der Position der ganzen Branchen im Kontext der Weltwirtschaft. Durch die Globalisierung der Märkte und die Internationalisierung der Produktion wachsen die einzelnen Volkswirtschaften zusammen.

NACHFRAGE Im INLAND

t

WACHSTUM Im INLAND

Abb. 3.112: Faktoren der branchenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit (nach Kneschaurek) Tendenziell gehen immer mehr Unternehmen dazu über, ihre Produktions- und Vertriebstätigkeit in immer zahlreicheren Ländern auszubreiten und damit ihre Investitionen im internationalen Markt zu plazieren. Die Internationalisierung der Produktion wird zur gängigen Alternative zum zuvor praktizierten Export. Zur Bestimmung der Wettbewerbsfähigkeit einer Branche hebt Kneschaurek(1994, S. 181; vgl. Abb. 3.12) insbesondere drei Merkmale heraus:

258

3. Investition als Prozeß

• Stand und Entwicklung der relativen Stückkosten (Kosten je Produkteinheit) im Vergleich zu den bestehenden sowie zu neuen, potentiellen Konkurrenten im In-und Ausland. Die relativen Stückkosten bestimmen in der Tat nicht nur die preisliche Konkurrenzfähigkeit der eigenen Exportwirtschaft auf den Auslandsmärkten, sondern auch die eigene Stellung auf den Inlandsmärkten gegenüber der Konkurrenz der Importe. Maßgebend hierfür sind neben den Lohn- und Lohnnebenkosten die Kapitalkosten, die Rohstoff- und Energiekosten sowie die fiskalischen Belastungen, immer bezogen auf die Einheit der hergestellten Güter und Dienstleistungen. • Stand und Entwicklung des Wechselkurses. • Der Grad der Zugänglichkeit zu den in- und ausländischen Märkten, anders ausgedrückt, der Grad des Protektionismus auf den einzelnen Märkten. Der Preisvorsprung ist dann entscheidend, wenn es gilt, eine bestimmte Qualität billiger zu liefern, und man in der Lage ist, diese Qualität billiger zu liefern. Das gilt besonders für die Produktbereiche, in denen die Entwicklung von Qualitätskriterien abgeschlossen ist und daher viele Unternehmen in der Lage sind, diese Qualität zu liefern. Auf innovativen Märkten ist ein Qualitätsvorsprung entscheidend, also die Fähigkeit, die qualitativen Wünsche der Abnehmer besser und somit einzigartig zu befriedigen. Von entscheidender Bedeutung für die Einwirkung ausländischer Firmen im Inland und - umgekehrt - für die unternehmerischen Voraussetzungen, im Ausland zu agieren, ist der Wechselkurs. Ein stabiles System von Wechselkursen würde die unternehmensspezifische Investitionstätigkeit in einen sichereren Handlungskontext stellen. Kneschaurek (ebenda S. 224 f.; vgl. Abb. 3.13) hebt jedoch hervor, daß ein innerer Widerspruch in einem Währungssystem besteht, das bei prinzipiell festen Wechselkursen gleichzeitig Vollbeschäftigung, Preisstabilität und Zahlungsbilanzausgleich erzielen will. Hierzu führt er folgende Gedankenkette an: Um ein inneres stabilitätspolitisches Ziel zu erreichen, d. h. die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ist es bei einem schwachen Wirtschaftswachstum notwendig, durch einen erhöhten Staatsverbrauch die Wirtschaftstätigkeit anzuregen. Das hat in der Regel inflationäre Tendenzen zur Folge, welche zu einer Verschlechterung der internationalen Konkurrenzfähigkeit und somit zu einer negativen Handelsbilanz führen. Es entsteht ein Abwertungsdruck, dem man zunächst mit einer Stützung der eigenen Währung begegnen kann, womit jedoch die Manövrierfähigkeit der Notenbank eingegrenzt wird. Es bieten sich drei Alternativen an: die Freigabe des Wechselkurses, also die Aufgabe des Systems freier Wechselkurse, oder eine Devisenzwangswirtschaft, d. h. die Preisgabe der Sicherung eines freien internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehrs. Als dritte Möglichkeit bietet sich eine restriktivere Geld- und Finanzpolitik an, durch die zwar eine internationale Konkurrenzfähigkeit wieder hergestellt werden kann, das ursprüngliche interne Stabilitätsziel jedoch aufgegeben wird. Es verbleibt eine unbestimmte Politik und damit ein unkalkulierbares Währungsrisiko bei Investitionen. Das gilt sowohl bei Inlandsinvestitionen durch das potentielle Auftreten von Konkurrenten aus dem Ausland mit Wechselkursvorteilen als auch für Auslandsinvestitionen, die, wenn nicht bereits im Ausland eigenfinanziert, ja stets mit der Wertigkeit der eigenen Währung in Verbindung stehen. Unternehmen kommen deshalb bei strategischen Überlegungen nicht darum herum, Prognosen über die mutmaßliche Wechselkursentwicklung bezüglich der sie interessierenden Länder anzustellen. Hierbei sind zwei realwirtschaftliche Faktoren zu bestimmen:

259

3.5.1 Volkswirtschaftliche Kategorienbildung

• die Inflationsdifferenz, durch die die internationale Konkurrenzlage der einzelnen Länder und somit die Entwicklung ihrer außenwirtschaftlichen Leistungsbilanz determiniert wird und • die Zinsdifferenz als maßgebliche Größe bei der Beeinflussung der internationalen Kapitalbewegungen. Expansive Geldund Finanzpolitik Verstärkung inflationärer Tendenzen

Internes stabilitätspolitisches Ziel: Bekämpfung von Arbeitslosigkeit

Verschlechterung der Internationalen Konkurrenzfähigkeit = Preisgabe des ursprünglichen internen Stabilitätszieles

Tendenz zur Passivierung der außerwirtschaftlichen Ertragsbilanz Abwertungsdruck Intervention der Notenbank zur Stützung der eigenen Währung Abfluß von Währungsreserven oder Notwendigkeit der Verschuldung gegenüber dem Ausland

i

Begrenzte Manövrierfähigkeit der Notenbank

Alternativen Restriktive Geldund Finanzpolitik zur Wiederherstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit

Devisenzwangswirtschaft

Preisgabe des Zieles der Sicherung eines freien internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehrs

Freigabe des Wechselkurses (Abwertung)

Preisgabe des Systems fixer Wechselkurse

Abb. 3.113: Wirtschaftspolitische Widersprüche beim Erhalt eines Systems fixer Wechselkurse (nach Kneschaurek)

260

3. Investition als Prozeß

Dennoch kann man sich bei der endgültigen Beurteilung der zukünftigen Entwicklung als Basis für einen Investitionsprozeß nicht auf rein normative Parameter verlassen. Letztlich entscheidend ist die Veränderung der qualitativen Struktur, also der Wandel der produzierten und ausgetauschten Leistungen und Waren bzw. der Kontext deren Erstellung. Daher ist für die Ortung einer.Investition die Betrachtung der wirtschaftshistorischen Dimensionen unabdingbar. 3.5.2 Betrachtung der wirtschaftshistorischen Entwicklung Analysiert man die Weltwirtschaftsentwicklung seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, so ist der kontinuierliche Wachstumsprozeß unverkennbar. Er wird zwar durch Phasen des Stillstandes unterbrochen, jedoch ist der Gesamtverlauf so aufwärtsstrebend, daß man bei seiner Darstellung in der Regel auf eine logarithmischen Einteilung der xAchse zurückgreift, um ein freundliches Format in der Veröffentlichung zu gewährleisten (vgl. Abb. 3.105 und 3.114). Dieser Verlauf spiegelt sich sowohl für eine summarische Darstellung der Weltwirtschaftsentwicklung als auch, mit spezifischen Modifikationen, bei der Abbildung der Entwicklungsphasen einzelner Volkswirtschaften.

Abb. 3.114: Entwicklungsphasen des schweizerischen Nettosozialprodukts Kneschaurek 1994, S. 152)

(nach

Betrachten wir beispielsweise die schweizerischen Wachstumszahlen, welche nicht unmittelbar durch die Weltkriege in Mitleidenschaft gezogen wurden, so lassen sich deutlich drei Phasen der Expansion erkennen. Der Beginn der Industrialisierung kann

261

3.5.2 Betrachtung der wirtschaftshistorischen Entwicklung

im Alpenstaat auf die 1830er Jahre datiert werden. Es erfolgt ein starkes Wachstum des realen Nettosozialprodukts bis zur schweren Krise zu Beginn der siebziger Jahre, welche sich, ganz im Schumpeterschen Sinne, bis 1897 erstreckt. Dann ist wieder eine Expansion zu verzeichnen, die mit der Weltwirtschaftskrise der 30er und den Kriegswirren der 40er Jahre ein Ende findet. Von 1959 bis 1980 erfolgt eine erneute Expansion, welche in das stark verlangsamte Wachstum der 80er und 90er Jahre mündet. Solche Entwicklungsphasen lassen sich in den meisten industrialisierten Staaten wie beispielsweise USA (vgl. Dernburg/McDrugell 1968, S.18) und England (vgl. Mitchell 1985, S. 532 f.) oder auch Frankreich (vgl. Fohlen 1985, S. 93) nachvollziehen. Um diese Wachstumsphasen ursächlich begründen zu können, reicht es nicht aus, andere Kennwerte monetärer Bewegungen herauszuziehen, sondern es sind die darunterliegenden Schichten freizulegen. Zwei Kenngrößen wurden bereits im vorherigen Kapitel thematisiert: • die zur Verfügung stehende Arbeitskraft, • die unternehmerische Innovation. Betrachtet man die Entwicklung des Bevölkerungswachstums in der obigen Zeitsequenz, so läßt sich für den Zeitraum bis zum ersten Weltkrieg eine hohe Korrelation zwischen der Einwohnerzahl einer Volkswirtschaft und deren Nettosozialproduktion herstellen. Borchardt (1985, S. 135; vgl. Abb. 3.115) hat in Anlehnung an Hoffmann (1965, S. 172 ff. und S. 827 ff.) den Verlauf des deutschen Nettosozialprodukts in konstanten Preisen von 1850 bis 1913 in Relation zur mittleren Bevölkerung gestellt. Die Zahl der Einwohner weist einen ähnlichen Anstieg wie das Nettosozialprodukt auf.

51817

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

95

1900

05

10

15

Abb. 3.115: Nettosozialprodukt und Bevölkerung Deutschlands im 19. Jahrhundert (nach Borchardt) Das ändert sich jedoch, wenn man die letzte Expansionsspanne analysiert. Für den Betrachtungszeitraum von 1950 bis 1985 haben wir in der Bundesrepublik Deutschland einen Anstieg des Bruttosozialprodukts zu Preisen von 1950 von 510 %, hingegen

262

3. Investition als Prozeß

steigt die Zahl der Bevölkerung lediglich von 47,5 Millionen 1950 auf 61,0 Millionen 1985, d. h. auf 129 % (vgl. Ambrosius 1989, S. 13 und SPIEGEL-Dokumentation 1987, S. 22). Der Anstieg der wirtschaftlichen Leistung ist von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte entkoppelt. Ausschlaggebend für das Wirtschaftswachstum ist die Arbeitsproduktivität, mithin ein Kriterium für die Durchschlagskraft einer Innovation. Marchetti (1980; vgl. Abb. 3.116) differenziert den Schumpeterschen Ansatz, indem er die gesellschaftliche Durchdringung von Innovationen nicht einer spezifischen Zeit und nicht einer einzelnen Personengruppe zuordnet. Demnach sind Innovationen Prozesse, denen Erfindungen vorgelagert sind und die erst nach einem Diffusionsprozeß zu Wachstumsschüben führen. Aber auch dieser Erklärungszusammenhang bewegt sich in einer abstrakten Begrifflichkeit. Es wird nicht erklärt, um welche konkreten Veränderungen es sich bei den Innovationen handelt, lediglich, daß sie zu Wachstumsschüben führen. Jedes wirtschaftliche Wachstum hat jedoch eine physische Komponente und geht mit der Veränderung von Handlungsstrukturen einher. Wachstum wird durch Investitionen verursacht, und jede Investition ist mit einem Investitionsobjekt verbunden. Um die wirtschaftshistorische Komponente von Wachstum zu analysieren, muß man die Ausgangsvoraussetzungen der abstrakten und theoretischen Regelhaftigkeit verlassen und den konkreten Wandel der Objekte beschreiben. W—I—H W—;J W

Diffusions- und Wachstumsschübe

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1850

1900

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2000

Die Kreise geben Erfindungen an, die über ihren Innovations- und Diffusionsprozeß einen Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Industrieländer ausübten.

Abb. 3.116: Der bisherige Verlauf der Innovationszyklen (nach Marchetti) In der dreibändigen Darstellung der Produktivkräfte in Deutschland von 1800 bis 1945 (vgl. Müller 1990a, Müller 1985 und Berthold 1987) des Akademie-Verlags in Ost-

3.5.2 Betrachtung der wirtschaftshistorischen Entwicklung

263

Berlin werden insbesondere die statistischen Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Verwendung marxistischer Unterscheidungskategorien (vgl. Müller 1985, S. 41; siehe Abb. 3.117) sehr sorgfältig analysiert.

Abb. 3.117: System der Produktivkräfte (nach Müller)

264

3. Investition als Prozeß

Diese Begrifflichkeit erschließt eine einseitige Betrachtungsweise, die jedoch für die Veränderungsanalyse der physischen Leistungserstellung brauchbare Schlaglichter wirft. Ausgangspunkte sind hierbei die Elemente des unmittelbaren Arbeitsprozesses, die Produktionsmittel (Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstand) und die Arbeitskraft. Sie formieren sich zum Beziehungsgefüge der Produktionsverfahren sowie der Arbeitsbeziehungen, Kooperation und Leistung. Ihre Entwicklung läßt sich auf zweierlei Weise beschreiben, aus der innerbetrieblichen und aus der gesamtgesellschaftlichen Sicht. Die innerbetriebliche Veränderung wird determiniert durch die Technik und ihre Umsetzung in der innerbetrieblichen Arbeitsorganisation, also durch die technologische Betriebsweise, aber auch durch den Wandel des betrieblichen Arbeitsvermögens. Die gesellschaftliche Betriebsweise ergibt sich aus der materiellen technischen Basis und der Uberbetrieblichen Arbeitsorganisation mit ihrer Ausprägung der Spezialisierung, der Kombination, der Konzentration und der Vermögensbildung aller Beteiligten. Ohne der marxistischen Theorie zu folgen, die ja von einer zwangsläufigen Entwicklung einer jeden Gesellschaft zum Kommunismus ausgeht, wird an den Darstellungen des Akademie-Verlages gut deutlich, daß eine historische Situation auf die jeweils vorläufigen Zustände aufbaut. Eine allgemeine Zyklentheorie ist nicht möglich. Jede historische Situation verändert die Produktions- und Arbeitsverfahren, sie schafft eine neue materiell-technische Basis und eine neue überbetriebliche Arbeitsorganisation. Die folgende wirtschaftshistorische Phase baut auf diese veränderten Determinanten auf und weist daher andere, eben einzigartige sowie neue Merkmale auf. Damit entsteht bei jeder Investitionsüberlagerung eine unvergleichbare Situation, welche es dem Unternehmen nur bedingt möglich macht, aus der Vergangenheit eine Datenbasis zu generieren, die eine valide Prolongation von Prognosedaten zuläßt. Ich möchte in diesem Kapitel anhand einer skizzenhaften Darstellung verdeutlichen, in wieweit Kondratieff-Zyklen seit Beginn der Industrialisierung als Interpretation nachvollziehbar sind. Gleichzeitig werde ich dabei aufzeigen, wie jede Entwicklungsstufe alte Strukturen verdrängt und ein eigenes Profil aufbaut. Zusätzlich wurden bei solchen Umstrukturierungen auch Keime gelegt, welche nicht zur Entfaltung kommen, aber eine Basis bilden für die nächste Entwicklungsstufe. Diese Darstellung gliedere ich in drei Teile. Zunächst wende ich mich dem 19. Jahrhundert zu. Dann folgen plakativere Anmerkungen zu dem 20. Jahrhundert, und schließlich werde ich kurz die Ausgangsposition der heutigen Situation thematisieren. Zur Erklärung einer langanhaltenden Phase des Wirtschaftswachstums, wie sie das 19. Jahrhundert kennzeichnet, reicht ein Begründungsstrang nicht aus. Es handelt sich hier nicht nur um eine Schlüsseltechnologie, die verändernd wirkte, sondern um einen Cluster von Technologien mit folgenden Merkmalen: • die Technologien sind neu und substituieren etablierte Verfahren, • die Technologien erfassen nicht einen gesellschaftlichen oder geographischen Bereich, sondern sind flächendeckend, • die Technologien verweisen aufeinander, ergänzen sich und treiben sich in ihrer gegenseitigen Entwicklung voran, • die Technologien tangieren, als ganzheitliches System betrachtet, die wesentlichen Grundlagen der physischen Lebenshaltung einschließlich der Energieversorgung des Transportes und der Kommunikation.

3.5.2 Betrachtung der wirtschaftshistorischen Entwicklung

265

Borchardt (1985, S. 163 ff.) führt die industrielle Revolution in Deutschland dementsprechend auch nicht nur auf eine Ursache, sondern auf mehrere parallel verlaufende "Revolutionen" zurück. - Holz wird als Baumaterial für Anlagen von Eisen und als Heizstoff durch Kohle ersetzt, die standortbestimmte Wasserkraft durch die standortunabhängige Dampfkraft substituiert, d. h. durch eine Antriebsart, die, auf die Schiene und in Schiffe gesetzt, auch den Transport revolutioniert. Diese Änderungen bedingen eine Revolutionierung der Interaktionsmechanismen. Borchardt (ebenda S. 187) führt aus: "Wollte man dem 19. Jahrhundert einen kennzeichnenden Begriff geben und dabei den Ausdruck Industrialisierung vermeiden, so müßte man es als das 'Jahrhundert der Kommunikationsrevolution' feiern. Mehr noch als die Sachgüterproduktion, deren Wachstum gewiß eindrucksvoll war, ist die Verkehrsleistung für Güter, Personen, Nachrichten, Zahlungsmittel, Kapital gestiegen. Die Märkte dehnten sich regional aus, und es traten Personen miteinander in Leistungsbeziehungen, die nie zuvor für einander erreichbar gewesen sind. Dies ist nichteine Nebenwirkung der großen Produktivitätssteigerung des 19. Jahrhunderts; man kann es umgekehrt auch als eine ihrer Voraussetzungen bezeichnen. In Wahrheit hängen sie wechselseitig voneinander ab. Ohne die Fortschritte der Sachgüterproduktion keine Eisenbahn, Dampfschiffe, Telefone etc. - aber ohne diese auch keine Massenproduktion mit Massenabsatz." Seraphim (1966, S. 123 f.) nimmt fünf antreibende Kräfte für die neue Form der industriellen Erzeugung an: • die Vermehrung der Bevölkerung und die einsetzende Verstädterung, • die Vergleichförmigung, Vermassung und Vervielfältigung des Bedarfs, • die Verbilligung der serienmäßigen Erzeugung bei vergrößertem Ausstoß der neuen Industrie, • die technischen Möglichkeiten des Massentransports von Roh- und Heizstoffen von den Gewinnungsstätten zu den industriellen Fertigungsstätten und von den Fertigungsstätten zu den Konsumzentren, • der Aufbau neuer großer Handelsorganisationen und die Ausweitung des Handels über die bisherigen engeren regionalen Bereiche hinaus. Will man ein zentrales Teilspektrum herausheben, welches alle Merkmale der neu geschaffenen materiellen technischen Basis in sich trägt, so läßt sich die Eisenbahn nennen. Mit dieser Technologie wurde nicht nur ein enormer Eigenbedarf nötig, der die entsprechende Rohstoffproduktion nachhaltig stärkte, sondern auch eine neue Transportinfrastruktur geschaffen, welche historisch gewachsene Standortvorteile obsolet werden ließ. Schließlich ist die bewegliche Dampfmaschine eine hochanspruchsvolle mechanische Technik und somit eine Antriebsquelle für angrenzende Bereiche des Maschinenbaus. Verfolgt man die Geschichte des deutschen Eisenbahnbaus von 1885 bis 1955 {Borchardt S. 169; vgl. Abb. 3.118), so sieht man auch, wie eine Wachstumsphase sich selbst ihre Grenzen setzt, indem der flächendeckende Neubedarf erreicht und nur noch ein Ersatzbedarf notwendig wird. Der Verlauf des Wachstums der Streckenläufe ist charakteristisch für das 19. Jahrhundert und spiegelt sich weltweit in anderen Volkswirtschaften wieder (vgl. Woodruff 1985, S. 456; Fohlen S. 111 ff.). Parallel zur Eisen- und Stahlindustrie entwickelte sich die Kohleförderung mit vergleichbaren Wachstumsraten. Tenfelde (1977, S. 67; vgl. Abb. 3.119) zeigt für den Zeitraum von 1792 bis 1870 auf, wie der Anstieg der Kohleförderung im Ruhrgebiet zu einer erhöhten Bindung von Mitarbeitern führte, die sich jedoch in einer begrenzten Anzahl von Werken institutionalisierten.

266

3. Investition als Prozeß

Die Belegschaft je Werk stieg von durchschnittlich 10 auf 260 Arbeiter an. Eine Konzentration erfolgte bei Produzenten und Abnehmern.

Nicht nur der Bergbau formierte sich in Großunternehmen, sondern auch die Eisenproduktion und das Betreiben von Dampfmaschine für Produktionsanlagen, Lokomotiven oder Dampfschiffen. Müller (1985, S. 143; siehe Abb. 3.120) verdeutlicht, wie der Verbrauch an Eisen im Gebiet des Zollvereins zunächst nicht durch die Eigenproduktion abgedeckt werden konnte. Mit dem stetigen Wachstum jedoch wurde der deutsche Bedarf im Inland produziert, und gleichzeitig wurde die Infrastruktur geschaffen, um in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch einen Export gewährleisten zu können; das gilt für den Transport, die Handelsgesellschaften und die Finanzierungseinrichtungen. Die Strukturveränderungen der Industrialisierung äußern sich in den Beiträgen der verschiedenen Berufsgruppen zum Nettoinlandsprodukt. Der flächendeckende Aufbau einer neuen Infrastruktur erhöhte in einzelnen Sektoren die Arbeitsproduktivität

267

3.5.2 Betrachtung der wirtschaftshistorischen Entwicklung

und band die freiwerdenden Arbeitskräfte zur Generierung des Wachstums. Es erfolgt eine Verschiebung der prozentualen Anteile, die von den einzelnen Sektoren an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung erbracht werden. Einheiten

1792

1800

1810

1820

1830

1840

1850

1860

1870

Jahre

Abb. 3.119: Kohleförderung und Belegschaft im Ruhrgebiet des 19. Jahrhunderts (nach Tenfelde) Die Umschichtung der Wirtschaftsbereiche einer Gesellschaft ist die Auswirkung einer strukturellen Veränderung. Sie ist gleichzeitig aber auch der Ausgangspunkt für einen erneuten Wandel. Es bildet sich eine Ursache-Wirkungs-Kette, die in ihrer Funktion über eine längere gesamtwirtschaftliche Wachstumssequenz jeweils für die verschiedenen Sektoren wechselt: manchmal ist ein vergrößerter bzw. verkleinerter Beitrag zur Wertschöpfung eines bestimmten Sektors Ursache vorausgegangener Veränderungen, ein anderes Mal Wirkung für eine neue Wandlungsfacette. Aus einer historischen Distanz betrachtet verliert sich das Ursachen-Wirkungsspiel kleiner Schwankungen in einer kontinuierlichen Entwicklung mit einem deutlichen Unterschied zwischen den Anfangsbedingungen und dem Endzustand des Betrachtungsraumes. So verringert sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Beitrag am Nationalprodukt Deutschlands in der Land- und Forstwirtschaft (einschließlich Fischerei) von knapp 50% auf ca. 25%, der Anteil der Industrie und des Handwerks hingegen erhöht sich von 20% auf mehr als 40%. Alle anderen Sektoren bewegen sich mit ihrem Beitrag unter 10%. Bemerkenswert ist jedoch der Aufstieg aus der Bedeutungslosigkeit von Bergbau und Verkehr (vgl. Hoffmann/Grunbach/Hesse 1965, S. 454 f., siehe Abb. 3.121).

268

3. Investition als Prozeß

in 1000 Tonnen

Abb. 3.120: Produktion und Verbrauch Müller)

vonRoheisenimGebietdesZollvereins(nach

Als Schumpeter (1961, S. 300) 1935 das Drei-Zyklen-Schema entwarf, war er der Auffassung, daß der zum Ende des 19. Jahrhunderts begonnene Wachstumsschub noch nicht abgeschlossen sei. Als grundlegende Innovationen gelten die Elektrifizierung, die Chemisierung und das Automobil. So haben wir auch im 20. Jahrhundert aufeinander bezogene technologische Teilsysteme, die sich gegenseitig stützen und ergänzen. Sie substituieren die Bedeutung der zuvor vervollständigten Infrastruktur. Öl verdrängt die Kohle als ersten Brennstofflieferanten, Kraftfahrzeuge befördern weit mehr Personen und Tonnage als die Eisenbahn, und Kunststoffteile verändern die materielle Zusammensetzung von Industrie und Konsumgütern. Wiederum werden neue flächendeckende Infrastrukturen wie Straßen, Tankstellen, Werkstätten und Stromnetze über das Land gelegt, wovon jeder Haushalt mittelbar oder unmittelbar

269

3.5.2 Betrachtung der wirtschaftshistorischen Entwicklung

betroffen ist. Der Aufbau erfordert neue Qualifikation und bindet Arbeitskapazität, die dann freigesetzt wird, wenn die Grundversorgung abgedeckt ist und nur noch für den Ersatzbedarf produziert werden muß.

11—i 1850

i—i—i

1—i—i

1—i—i

1—i—i

1—i—i

60

70

80

90

1900

1—i—i—

Abb. 3121: Anteile derWirtschaftsbereiche in% amNettoinlandsprodukt ten Preisen 1850 -1913 (nach Hoffmann/Grunbach/Hesse)

10

15

zukonstan-

270

3. Investition als Prozeß

Epoche der Blockstationen und Stadtzentralen

Epoche der Oberi an dwerke

1880 1890 1900 1910 1920 Jahresstromabgabe der deutschen öffentlichen Elektrizitätswerke 100%

"2

90 Ö c

eo

5 —

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Anwendungsbreite

È ÜJ o o

Kompatibilität

X

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LU

O

RESSOURCENSTARKE

Beherrschungs grad

Abb. 4.28: Technologie-Portfolio



Potentiale 1 | (Re)AktionsL-J geschwindigkeit

(nach

Manschwetus)

342

4. Investitions-Controlling

Für eine Transformation der gegenwärtigen Technologieposition in die Zukunft werden zunächst die eigenen Potentiale eingeordnet, und alsdann wird geprüft, ob diese Technologien für die gefertigten Produkte - technologisch gesehen - neu sind. Es werden alle Konkurrenztechnologien in der Matrix plaziert. Daraus wird die Notwendigkeit ersichtlich, ob man in eine - für das Unternehmen neue - Technologie investieren muß oder ob man neue Produkte zu entwickeln hat, in denen die beherrschte Technologie eine höhere Technologieattraktivität besitzt. Das bekannteste Portfolio-Modell ist von der Boston Consulting Group entwickelt worden (vgl. Kotler/Bliemel 1992, S. 59 ff. oder Becker 1992, S. 357 ff.). In dem Marktanteil-Marktwachstums-Portfolio werden die eigenen Produkte, dimensioniert nach ihren Gewinnbeiträgen, in eine Vierfeldermatrix positioniert. Einzuschätzen ist, ob das jeweilige Marktwachstum und der Marktanteil hoch oder niedrig sind. Nach dem Modell des Produktlebenszyklus ist bei der Einführung das Marktwachstum hoch und der Marktanteil niedrig. Man weiß jedoch nicht, wie sich das Produkt entwickeln wird; es ist ein "questionmark". Steigt in der Wachstumsphase auch der Marktanteil, so wird das Produkt zum "star"; bleibt der Marktanteil niedrig, so gerät es zum "poor dog". Die höchsten Renditen bringen die Produkte in der Reifephase: ihr Marktwachstum ist zwar niedrig, ihr Marktanteil jedoch hoch - es sind "cash cows". Das Modell stellt den Mittelrückfluß in den Vordergrund. Bei seiner Anwendung ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, das Marktwachstum und den relativen Marktanteil zu messen, da diese Größen von der Abgrenzung des Marktes abhängen. Eine Positionierung in eines der vier Felder ist nicht frei von Willkür. In dem Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteil-Portfolio (vgl. Homburg 1991, S. 105 ff., sowie Kargl 1993, S. 82 ff. und Manschwetus 1996, S. 5; siehe Abb. 4.29) wird die exogene Attraktivität einer Leistung dem endogenen Moment der Wettbewerbsposition gegenübergestellt. Eine Mittelbindung sollte bei hoher Marktattraktivität und Wettbewerbsstärke erfolgen. Sind beide Faktoren niedrig, so sollte eine Ausschöpfung und Desinvestitionsstrategie verfolgt werden. Organisation und Personal unterliegen einem stetigen Wandel, der Mittel bindet Investitionen in die Leistungsgenerierung und Leistungsveräußerung ziehen Konsequenzen in der Organisationsgestaltung und den Qualitätsansprüchen beim Personal nach sich. Es ergeben sich jedoch auch Wandlungsprozesse, welche durch die Konkurrenz sowie die Entwicklung des gesellschaftlichen Kommunikations- und Führungsverhaltens notwendig werden. Prozeßorientierte Qualitätssicherung und integrierte Informationssysteme der überbetrieblichen Interaktionsmechanismen erfordern Strukturveränderungen bei Organisation und Personal, die teilweise ein Unternehmen erst in die Lage versetzen, sich mit Produkt- und Marktinnovation auseinanderzusetzen. Ist erst einmal der Zielhof des Strategietunnels definiert, so muß das Investitionsvorhaben präzisiert werden. Neben der technischen Planung muß der monetär begleitete Handlungsfluß der intendierten Situation beschrieben werden. Dies geht am besten durch die Verwendung der operativ genutzten Modelle, die jeweils den investitionsspezifischen Bedingungen anzupassen sind. Dabei werden bereits Mittel gebunden und Handlungsvorgaben determiniert. Der Investitionsprozeß gewinnt eine Eigendynamik und befindet sich somit im Umsetzungsprozeß, der für sich als Projekt geplant und in seinen Abiaufschritten kontrolliert werden muß. Die Investitionsumsetzung verbraucht Ressourcen, die als Aufwendungen verbucht werden, und solche, die kumuliert die zu aktivierenden Anschaffungsausgaben bilden.

\

343

4.4.1 Planung und Kontrolle

=CÖ '

S C O w ts (0 s

100

hoch

CO

67



\

X >«x X

]

mittel

33

niedrig



I x

\

niedrig

mittel

Sa 67

hoch

100

Relative Wettbewerbsvorteile (Stärken) Investitions- und Wachstumsstrategien Selektive Strategien

Abschöpfungs- oder Desinvestitionsstrategien Abb. 4.29:

Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteil-Portfolio

Bei der Bindung von Ressourcen ist zu unterscheiden zwischen • Ressourcen, die selbst verwaltet werden (wie Personen und Sachmittel; Nutzung von Produktionseinrichtungen) und • Ressourcen, die zur Vergabe führen (wie der Kauf von Anlagen und der Bau von Gebäuden).

344

4. Investitions-Controlling

Ein deutlicher Unterschied in der Struktur der Planung und Kontrolle ergibt sich bei Projekten, bei denen der Leistungsgegenstand der späteren operativen Struktur definiert wird. Die Produktentwicklung erfolgt häufig parallel zur Investitionsumsetzung. Investitionsprozesse mit gleichzeitiger Innovation des betrieblichen Leistungsobjektes binden mehr eigene Ressourcen als solche, in denen das Produkt wohldefiniert ist und weitgehend Lieferanten für die funktionsfähige Installation des Investitionsgegenstandes herangezogen werden können. Betrachtet man die Investitionsentwicklung aus der Sicht der verfolgten Alternativen, so ergibt sich im Modell eine schrittweise Selektion der verfolgten Ideen nach der Devise "einer kam durch". Die Betriebsrealität ist jedoch nicht so stark von dem Selektionsprinzip geprägt, wie es nach der Theorie vielleicht den Anschein hat, sondern mehr durch die Entscheidung, welche zusätzlichen Attribuierungen bei den weiter verfolgten Produktkonzepten durchgeführt werden sollen. Im Laufe des Entwicklungsprozesses werden also dieselben Fragen zum selben Produkt mehrfach beantwortet, lediglich der Aufwand zur Beantwortung wird höher. Riedl verdeutlicht dieses Vorgehen an der Ermittlung des Personalaufwandes im Projekt-Controlling. Zunächst erlaubt der Wissensstand über das intendierte Produkt nur ein ganzheitliches Vorgehen, indem der Personalaufwand in Analogie zu ähnlichen Objekten geschätzt wird. Mit der zunehmenden Konkretisierung des innovativen Produktes kann eine Mengenschätzung pro Arbeitsergebnis bzw. nach Arbeitsvorgängen erfolgen (vgl. Riedl 1990, S. 84; siehe Abb. 4.30). Kalkulationsstruktur

TE 1

TE 2

TE 3

TE 4

Ziel: Personalaufwand pro Teileinheit

I

Weg 1

i

I

Weg 2 *

1

Weg 3

i

Ganzheitliches Vorgehen

Nach Meilensteinen detailliertes Vorgehen

Sehr tief gegliedertes Vorgehen

Schätzobjekte s i n d die Teileinheiten des G a n z e n

Schätzobiekte sind die einzelnen Arbeitsergebnisse tragender Meilensteine einer Teileinheit

Schätzobjekte sind die einzelnen Arbeitsvorgänge der Objektstruktur einer Teileinheit

Parametrische Verfahren oder Analogieschluß zu ähnlichen Objekten

Mengenschätzung pro Arbeitsergebnis und kennzahlenorientierte Aufwandermittlung

Empirische S c h ä t z u n g o d e r mit Hilfe von Experten

1 Plausibilisierung verschiedener Schätzergebnisse - Freigabe eines Schätzwertes

Abb. 4.30: Wege zur Schätzung des Personalaufwandes beim Projekt-Controlling (nach Riedl) Die Problematik bei diesem Vorgehen ergibt sich aus dem Umstand, daß zu Beginn eines Innovationsprozesses weit mehr Kosten festgeschrieben werden als zum Zeitpunkt der Ideenverwirklichung, und gerade in dieser Phase sind nur grobe Schätzverfahren möglich. Es zeigt sich an diesem Sachverhalt zweierlei: Einerseits wird deutlich, wie wichtig die Rolle von "erfahrenen Mitarbeitern" ist, die auf eine breite Palette von "ähnlichen Objekten" zurückgreifen können und bei der Beurteilung und Schätzung eines spezifischen Sachverhaltes wie Personalaufwand, Mate-

345

4.4.2 Investitions-Controlling als 5-Jahres-Planung

rialeinsatz, Anlagennutzung und ähnlichem immer das Ganze im Auge haben und somit in der Zukunft liegende Probleme adaptieren. Andererseits wird aber auch deutlich, welch ein Interpretationsspielraum sowohl in der zukünftigen Ausprägung der Produktmerkmale als auch in der Produktdarstellung sowie deren Rezeption liegt. Der kaufmännische Leiter des Zentrallaboratoriums im Unternehmensbereich Nachrichtentechnik bei Siemens, Riedl (1990, S. 8; siehe Abb. 4.31), unterscheidet zwischen strategischer Planung und Produkt-Controlling. Operatives Controlling Strategische Planung

Produkt-Controlling

Entwicklung

EntwicklungsProjekte

Produktion

ProduktionsProiekte

Absatz

KundenProjekte

Beschaffung

BeschaffungsProjekte

Organisation und Verwaltung

OrganisationsProjekte

ü

O

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->

Abb. 4.31: Das Produkt-Controlling ist dem Projekt-Controlling übergeordnet (nach Riedl) Der Innovationsprozeß ist demnach einem rollenden Verfahren gleichzusetzen, bei dem die Unternehmensziele ständig zur Überprüfung der unternehmerischen Leistung im Markt, der Produkttechnologie und der Produktion zwingen. Als Ergebnis dieser strategischen Planung ergibt sich das Produkt-Controlling, ein Verfahren, das zu gezielten Innovationen in der Entwicklung, der Produktion, dem Absatz, der Beschaffung und der Organisation auf Projektebene führt. Das Projekt-Controlling im Sinne der Planung und Kontrolle sowie der Gestaltung des hierfür notwendigen Systems der innerbetrieblichen Informationsbesorgung (Honrath 1990, S. 17) ist selbstverständlich dem Produkt-Controlling untergeordnet. Es ergibt sich aber daher die Notwendigkeit, Projekte gegebenenfalls quer zu den Abteilungen einer verrichtungsorientierten Primärorganisation temporär einzubetten. So entstehen zeitgebundene Matrixorganisationen, die aber häufig einer gewissen Fragilität unterworfen sind, bedingt durch den Umstand, daß Innovationen in der Überführung zur Routine zu Betriebsveränderungen beitragen.

4.4.2 Investitions-Controlling als 5-Jahres-Planung Ein Investitions-Controlling, wie es hier näher expliziert wird, beruht auf einem Basissystem, der 5-Jahres-Planung des Gesamtunternehmens. Die verwendete Be-

346

4. Investitions-Controlling

griffsstruktur ist identisch mit der des operativen Controllings, so daß für die Jahresplanung lediglich die entsprechenden Jahreswerte in Monatsangaben aufgegliedert werden müssen. Die Summe aller Monatswerte ergibt für die GuV-Planung das Ergebnis des Planjahres, bei der Bilanz sind die Dezemberangaben gleich den Jahresendwerten. Aufgrund der Kompatibilität der Begriffsstruktur des Planungssystems mit den Konten der Finanzbuchhaltung lassen sich so unmittelbar die Soll-Werte für alle Positionen des Rechnungswesens auswerten; selbstverständlich nur dann, wenn auch hier die Prinzipien des Einsystems eingehalten werden. Jahresplanung und 5-Jahres-Planung erfolgen iterativ. Das bedeutet, man definiert die Investitionsvorgaben, lastet sie in eine 5-Jahres-Planung ein und überprüft somit ihre gesamtbetriebliche Plausibilität sowie ihre Wirtschaftlichkeit. Alsdann detailliert man die Angaben des nächsten Planjahres. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die mittelfristigen Überlegungen, die zu einer Veränderung der Plandaten führen, welche sich wieder auf die Monatswerte niederschlägt. Entsprechen die Planungskennwerte dem Erwartungsniveau der Entscheidungsträger, so ist die Planung stabil, und eine automatisierte Soll-Wert-Berechnung für die Buchführung sowie die Kosten- und Leistungsrechnung kann durchgeführt werden (siehe Abb. 4.32).

IT

Abb. 4.32: Investitions-Controlling

als

5-Jahres-Planung

Als Kommunikationsmedium dient das Berichtssystem, welches entsprechend der Unternehmensgliederung und -organisation hierarchisch strukturiert ist. Als Deckblatt dient ein Inhaltsverzeichnis mit Seitenangaben, so daß man schnell den gewünschten Investitionskomplex auffinden kann. Die Gliederung sollte der verwendeten Hierarchie entsprechen. Die erste Seite enthält die gesamtbetrieblichen Vorgaben, es folgen die Wertetabellen der des ersten Subsystems samt seiner Subsubsysteme und dann die des zweiten Subsystems und so weiter. Jede Betrachtungseinheit besteht aus einer 5Jahres-Planbilanz und einer 5-Jahres-Plan-GuV. Das kleinste Element kennzeichnet eine Produktionseinheit, die sachlich und personalorganisatorisch nicht weiter zergliedert werden kann. Es ergibt sich aber sehr wohl die Möglichkeit, die Gewinnund Verlustrechnung weiter zu unterteilen. Das ist immer dann sinnvoll, wenn mit vorgegebenen Produktionsmitteln mehrere Produkte hergestellt werden können. Die GuV-Planung kann daher eine Hierarchiestufe tiefer detailliert werden als unsere Betrachtungseinheit für das Investitions-Controlling. Für jede Seite der, nach dem Berichtssystem strukturierten, 5-Jahres-Planung kann eine verantwortliche Person nominiert werden, die als Sprecher des jeweiligen Planungsteams in einem Lenkungs-

347

4.4.2 Investitions-Controlling als 5-Jahres-Planung

gremium fungiert bzw., auf höherer Hierarchieebene, mehrere Investitionsprojekte koordiniert (siehe Abb. 4.33). Unter-GuV-Planungen der Subsub-GuV Subsubbllanz Subbllanz

— • —

Erstellungsdatum

FIRMENNAME

5-Jahresplanung

1996-2000 Planungsverantwortlicher

GESAMTUNTERNEHMEN Bilanz Erfolgsrechnung SUBSYSTEM A Bilanz A Erfolgsrechnung A SUBSUBSYSTEM AA Bilanz AA Erfolgsrechnung AA Erfolgsrechnung Produkt AA,

Erfolgsrechnung Produkt AA„

Seite

X X Y Y Z Z

z n+7

SUBSYSTEM N Bilanz N Erfolgsrechnung N

Abb. 4.33: Struktur der

5-Jahres-Planung

AlsRonaldReagan Präsident der Vereinigten Staaten war, soll er einmal gesagt haben, daß ihm jede Entscheidungsvorlage - egal wie wichtig - auf eine Seite zusammengefaßt werden sollte. Als ich die Nachricht zu der Zeit im SPIEGEL las, hat sie mich amüsiert. Nach jahrelanger Erfahrung mit Planungs- und Berichtssystemen kann ich die Ernsthaftigkeit dieses Ansinnens besser nachempfinden. Auch zu den Zeiten voll elektrifizierter Informationssysteme gilt nicht, die papierlose Kommunikation in einer, wie Eversheim (1989, S. 3) es ausdrückt, papierlosen Fabrik. Papierunterlagen haben eine mediale Qualität, die für schwierige und kommunikationsintensive Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse sehr gut geeignet ist. Da im Laufe der verschiedenen Investitionsentscheidungen immer wieder Alternativen simuliert und damit durchgerechnet werden, ist es besonders vorteilhaft, zwei Vorlagen im Vergleich zu betrachten. Das ist möglich, wenn es sich um zwei Seiten handelt, es wird jedoch schwierig, wenn man es mit vier oder mehr Blättern zu tun hat. Die Schreibmaschinenschrift vergangener Zeiten war durch Schriftart und -große gekennzeichnet. Bei der heutigen Verwendung von Laserausdrucken kann man in der Schrifttype und Punktgröße variieren. Das führt teilweise zu Vorlagen, die nur mit der Lupe gelesen werden können und äußerst unpassend sind für Diskussionen, die in der Regel unter Zeitdruck und großer menschlicher Anspannung geführt werden. Das von mir entwickelte Controlling-System habe ich in verschiedenen mittelständischen Firmen implementiert und

348

4 . Investitions-Controlling

entsprechend den spezifischen Gegebenheiten variiert. Es hat sich als diskussionsfördernd und übersichtlich erwiesen, jeweils für die 5-Jahres-Planbilanzen und den korrespondierenden GuV-Planungen eine Seite zu verwenden. Das im vorhergehenden Kapitel umschriebene Begriffssystem des Kontenrahmens verbleibt überschaubar (vgl. Abb. 4.34 und 4.35), auch wenn es durch Erfolgs-, Leistungs- und/oder Bilanzkennzahlen ergänzt wird. Erstellungsdatum

FIRMENNAME

5 Jahres-Planung

1996 - 2000 Erfolgsrechnung

Seitennr.

Verantwortlicher... Spezifizierung (Gesamtbetrieb, Division, Subdivision) 1996

1997

1998

1999

2000

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Aktiva: 16 Monetärer Bestand 17 Forderung an Kunden



18 Bestand Fertigprodukte 19 Bestand unfertige Produkte 20 Bestand Eingangsmaterial 21 Sonstige Bestände 22 Onganverb. Finanzanl./Ford. 23 Finanzanl./Ford. an Dritte 24 Immob. Anlagen-Grundstücke 25 Immob. Anlagen-Gebäude



26 Mobile Anlagen 27 Trans, und sonstige Aktiva SUMME AKTIVA (=100 %)

Wert %

Wert %

Wert%

Wert%

Wert%

GEWINN/VERLUST

Wert%

Wert%

Wert %

Wert%

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Passiva: 28 Verbindl. an Leferanten 29 Kurcfr. Verbindl. an Banken 30 Sonstige kurzfr. Verbindl. 31 Onganverb. langfr. Verbindl. 32 Sonstige langfr. Verbindl. 33 Trans, und sonst. Passiva 34 Kapital 35 Rücklagen 36 Gewinnvortrag SUMME PASSIVA (=100 %)

Abb. 4.34: Darstellung

der

Planbilanz

Die investitionsspezifischen Angaben sind in der 5-Jahres-Planung dann eindeutig abgegrenzt, wenn ein neues Betrachtungselement hierzu definiert wird miteigenstän-

4.4.2 Investitions-Controlling als 5-Jahres-Planung

349

diger Planbilanz und Planerfolgsrechnung. Das ist aber nicht immer der Fall. Bei Erweiterungsinvestitionen kann es dazu kommen, daß lediglich ein neues Produkt hinzugefügt wird. Dann ist zwar in der Erfolgsrechnung eine eindeutige Abgrenzung gewährleistet, jedoch auf Bilanzebene muß eine Differenzanalyse durchgeführt werden. Diese wird auch bei der Erfolgsrechnung notwendig, wenn bei Ersatzinvestitionen sich nicht die betriebsspezifische Leistungsstruktur verändert, sondern nur das Leistungsvolumen. Die hierarchische Gliederung des Planungssystems verbleibt dann identisch. Erstellungsdatum

FIRMENNAME

5 Jahres-Planung

1996 - 2000 Erfolgsrechnung

Seitennr.

Verantwortlicher... Spezifizierung (Gesamtbetrieb, Division, Subdivision, Produkt) 1996

1997

1998

1999

2000

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert%

Viert %

Wert%

Wert %

Wert%

Wert %

Wert %

Wert %

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SUMME VARIABLE KOSTEN

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Wort%

Wert%

Wert %

Wert%

BRUTTO GEWINN

Wert%

Wert%

Wert %

Wert%

Wert%

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Erlöse: 01 Erlöse aus Produkten 02 Andere Produkte SUMME ERLÖSE (=100 %) Produktionskosten 03 Rohstoffe 04 Zukaufteile 05 Eigenfertigung 06 Produktionskosten 07 Marketingkosten 08 Bestandsände rungen

Operationskosten 09 Produktionsaufwendungen 10 Marketingaufwendungen 11 Indirekte Verwaltungsaufwend. 12 Direkte Verwaltungsaufwend. 13 Finanzaufwendungen



14 Bestandsändemngen SUMME FIXE KOSTEN

Wert %

Wert%

Wert%

Wert %

Wert%

15 Steuern

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

NETTO GEWINN/VERLUST

Wert %

Wert %

Wert%

Wert%

Wert%

Abb. 4.35: Darstellung der Planerfolgsrechnung

350

4. Investitions-Controlling

Eine Bewertung, ob sich eine Investition rentieren wird, kann nur im Vergleich beider Alternativen vorgenommen werden, die sich aus einer Investition bzw. einer Nichtinvestition ergeben. Rechnerisch läßt sich auch eine Differenztabelle ermitteln, bzw. in der planerischen Umkehrung kann die Differenztabelle als Investitionsvorgabe bestimmt werden, um sie zur Vorplanung zu addieren (vgl. Abb. 4.36). 5 Jahres Planbilanzdaten mit

5 Jahres Planbilanz -

ohne

Investition

Investition

5 Jahres Planerfolgsrechnung

5 Jahres Planerfolgsrechnung -

mit Investition i

f

ohne

=

5 Jahres Planbilanzkenndaten der Investition

tt

=

5 Jahres Planerfolgskenndaten der Investition

Investition PLANERISCHE UMKEHRUNG

Abb. 4.36: 5-Jahres-Planung

Investitionsdifferenzrechnung

Die Planarbeit kann erleichtert werden, wenn in das Berichtssystem Kennzahlen integriert werden, die alsdann auch im operativen Controlling zur Zieluberprüfung verwendet werden können. Küpper (1995, S. 325; siehe Abb. 4.37) merkt dazu an: "Kennzahlen werden häufig als Instrument des Controlling empfohlen und eingesetzt. Dabei besteht die Gefahr, eine solche Fülle von Kennzahlen zu ermitteln, daß ihre Vielfalt eine klare Analyse und/oder Steuerung eher verhindert. Dieses Problem verstärkt sich bei einer Verwendung als Indikatoren, wenn man keine genauen Vorstellungen über die Einflußgrößen und Zusammenhänge besitzt. Im Zweifel ermittelt man eher mehr Kennzahlen, um auf jeden Fall die relevanten einzubeziehen. Deren Herausfinden und Einschätzung bleibt dem Verwender überlassen. Dann kann es dazu kommen, daß jeder die Kennzahlen und die Interpretationen wählt, die seinen individuellen Zielen und Anschauungen am besten entsprechen".

Abb. 4.37: Anforderungen an Kennzahlen und Zielsysteme (nach Küpper) Die Verwendung von Kennzahlen innerhalb der 5-Jahres-Planung erfüllt im vollen Umfang die von Küpper aufgestellten Anforderungen. Sie sind hierarchisch struktu-

4.4.2 Investitions-Controlling als 5-Jahres-Planung

351

riert und damit einfach und klar, da sie auf jeder Seite des Planungssystems ermittelt werden und sich insofern für jede Organisationsstufe herleiten lassen. Sie haben einen Indikatorencharakter, weil sie das Zahlenwerk der Seiten, auf denen sie stehen, in kondensierter Form wiedergeben, und sie lassen sich aus demselben Grund partizipativ herleiten: der Sprecher für die verantwortliche Gruppe der Planungsträger wird stets erwähnt. Kennzahlen lassen sich in absolute Zahlen und Verhältniszahlen untergliedern; das ist abhängig von ihrer Reduktionsstufe (vgl. hierzu Reichmann 1993, S. 43 sowie Küpper S. 318; siehe Abb. 4.38). In der ersten Reduktionsstufe werden betriebswirtschaftliche quantitative Abbildungen von Sachverhalten, Beständen oder Prozessen wiedergegeben, wie etwa der Kapitalwert oder ein Betriebsergebnis. In der zweiten Stufe wird eine Auswahl getroffen, und hier lassen sich Verrechnungen einführen, die verschiedene Größen ins Verhältnis setzen. Küpper unterscheidet zwischen den Beziehungszahlen wie zum Beispiel der Rentabilität und Gliederungszahlen wie etwa die Materialkosten dividiert durch die Gesamtkosten. Schließlich hebter die Indexzahlen heraus, die zeitlich oder örtlich verschiedene Größen zueinander in Beziehung setzen (z.B. Lohnindex).

Abb. 4.38: Arten von Kennzahlen (nach Küpper) Für das Investitions-Controlling müssen unterschiedliche Indikatoren gefunden werden, die sich teilweise aus den endogenen Plandaten ergeben, die teilweise jedoch exogene Sachstände kennzeichnen oder als Verhältnis mit einbeziehen. Die Denkpfade, welche in der Investitionsplanung verfolgt werden, sind vielschichtig und können nicht simultan beschritten werden. Es gilt, so etwas wie eine sukzessive Ordnung zu finden, deren jeweilige Teilergebnisse in einem iterativen Verfahren miteinander in Beziehung gesetzt werden, um so zu einem befriedigenden Gesamtergebnis zu gelangen. Das Basis-System muß für die Investitionsplanung noch durch Berechnungen mit Hilfe von Erweiterungs- und Detaillierungsmodellen ergänzt werden. Dennoch lassen sich drei Ansätze unterscheiden, die jeweils spezifische Planungsverfahren um sich herum bündeln: • Im Erfolgs-Controlling werden, ganz ähnlich der klassischen Investitionsrechnung, die Aufwendungs- und Ertragsströme für einen Planungszeitraum gegenübergestellt.

352

4. Investitions-Controlling

• Im Bilanz-Controlling überschaut man die Anlagenentwicklung, aber auch das zinswirksame Verhalten von notwendigem Umlaufvermögen und die Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital. • Das Finanz-Controlling ergibt sich aus den Determinanten von Bilanz sowie Gu V, klassifiziert jedoch die Bewegungen mit einer eigenen, auf Einzahlungs- und Auszahlungsströmen ausgerichteten Begrifflichkeit. Jeder dieser drei Bereiche benötigt eigenständige Kennzahlen, die teilweise exogen gespeist werden. Sie ergeben sich aus dem unmittelbaren Berechnungskreis oder aber sie überbrücken Elemente der zeitlichen und/oder der hierarchischen Struktur. Es gibt jedoch Kennwerte, welche sich über drei Betrachtungsansätze hinwegsetzen und Interrelationen ausbilden. Die Kennzahlen dort sind zu positionieren, wo sie für den Planungsprozeß am sachdienlichsten und wo ihre Ausgangsparameter soweit wie möglich erkennbar (selbe Seite) sowie nachvollziehbar sind. 4.4.2.1 Erfolgs-Controlling Das Erfolgs-Controlling kommt der klassischen Investitionsrechnung am nächsten. Die Gedankenfindung ist prozeßorientiert, denn die Gewinn- und Verlustrechnung ist eine Periodenrechnung. Im Investitionsprozeß kann zwischen der Investitionsbeschaffung und der Investitionsbetreibung unterschieden werden. Die Investitionsbeschaffung, also die Umsetzungsphase, behandele ich in Punkt 4.5. Hier wird festgelegt, welcher Wert als Anschaffungsausgaben festgesetzt wird. Das bildet für das ErfolgsControlling eine Eingangs Voraussetzung, da sich hieraus und aus der Abschreibungsdauer derjährliche Abschreibungswert ergibt, mithin eine wesentliche Aufwandsposition. Dabei erhebt sich die Frage nach dem Planungshorizont beim Erfolgs-Controlling. Aus theoretischer Sicht wäre es empfehlenswert, die Planungs- und die Abschreibungsdauer gleichzusetzen. Da wir es aber bei dem hier beschriebenen Verfahren mit einer Struktur zu tun haben, welche simultan alle Investitionsverfahren der Unternehmen zueinander in Beziehung setzt, wähle ich den gebrauchsüblichen Zeitraum der mittelfristigen Planung: 5 Jahre. Selbstverständlich haben wir es bei vielen Investitionen wie Gebäuden oder größeren Produktionsanlagen mit längeren Abschreibungszeiträumen zu tun, da aber die Prognose aller Betrachtungsparameter der Periodenrechnung über fünf Jahre hinaus ausgesprochen problematisch ist, empfiehlt sich der Planungszeitraum von fünf Jahren. Als Konsequenz ergibt sich ein InvestitionsControlling, das in der Regel nicht den gesamten Investitionsprozeß im Vorfelde evaluiert, sondern nur ein zeitliches Teilsegment. Es wird dementsprechend mehr das monetäre Verhalten Investitionsbetreibung analysiert als der intendierte Gesamterfolg. Die geplante Investition wird beim Erfolgs-Controlling unter zwei Gesichtspunkten gesehen, deren Planungsansatz sich auf ein jeweils eigenständiges Basissystem bezieht. • Bei der Planung der Aufwandsstruktur geht es darum, das Endprodukt in seinem herstellerischen Entstehen zu beschreiben und monetär zu bewerten (vgl. hierzu Klenger 1994, S. 92 f.). Die Leistungsschritte orientieren sich zwar auf das betriebliche Verkaufsprodukt hin, beschreiben aber Teil- oder Subsysteme des anvisierten Endprodukts. Die Entstehung industrieller Erzeugnisse ist ein arbeitstei-

4.4.2.1 Erfolgs-Controlling

353

liger Prozeß, in dem vom Beschaffungsmarkt Rohmaterial und/oder Fertigteile sowie Fertigungsgruppen mit eigengefertigten Teilen zu Baugruppen zusammengeführt werden, mit dem Ziel, in der Endmontage das Fertigerzeugnis für den Absatzmarkt zu erstellen (vgl. hierzu Eversheim 1990, S. 75). • Bei der Definition der investitionsspezifischen Ertragsstruktur bildet das Endprodukt nicht ein System aus, in dem es darum geht, die Elemente zu produzieren, sondern es wird selbst zu einem Element, das in dem System der Vertriebsstruktur bis zum Endverbraucher zugelangen hat. Es gilt, die Wertvorgaben für das Distributionsnetz mit seinen Zweigniederlassungen und Verkaufsbüros zu definieren (vgl. Abb. 4.39). Rohmaterial Teil •

Baugruppen

- ¿ ¿ m m 1m H• •bH-i H- H • • •1 • • • • ¥• HH• •H • •

Hauptbaugruppen

Endprodukt Vertrieb Zweigniederlassung Verkaufsbüro

Endverbraucher

/l\

l\ l\

//\\ /l\ /\ /l\

Abb. 4.39: Produktstruktur und Distributionsnetz Produktstruktur und Distributionsnetz erfordern unterschiedliche Planungsansätze, ihre Ergebnisse sind jedoch aufeinander abzustimmen. Lachnit/Ammann/Becker (1995, S. 46 f.; siehe Abb. 4.40) sprechen von einer horizontalen Koordination: "Die in der strategischen Planung vorgenommene Festlegung hinsichtlich der Potentialfaktoren-Bereitstellung sowie der generellen Programmstrukturen führt dazu, daß für die operative Planung bestimmte Handlungsfelder geschlossen sind. In der operativen Bereiche- und Stellenlenkung muß z.B. von fixierten Kapazitäten ausgegangen werden. Dieser Kapazitätszustand wird im Modell über Rahmenparameter festgehalten, die für die einzelnen Betriebsbereiche unterschiedlich sind". Die erste Planung von

354

4. Investitions-Controlling

Absatz-, Produktions- und Beschaffungsbereich führt zu vorläufigen Programmen. Über Engpaßanalysen gelangt man zu den endgültigen Absatz-, Produktions- und Beschaffungsprogramm und somit zu einer Definition der Leistung je Bereich sowie der planerischen Entwicklung im Rohstoff- und Erzeugnislager. Hiermit koppeln Lachnitetal. die Erfolgsplanung an die Bilanzplanung und schaffen die Übergabewerte für die Budgetierung, also der Finanzplanung. Ich greife diesen Ansatz in Punkt 4.4.2.3 noch einmal auf. Bereicheplanung mit Horizontalkoordination

Festlegung des Leistungsprogramms der Bereiche

Bestimmung der Rahmenparameter Kapazitätsdefinition

Absatzbereich

Produktionsbereich

Beschaffungsbereich

Höchstmengen Mindestmengen

Kapazitäten Arbeit Kapazitäten Maschinen Fertigungsstruktur Zeitbedarf Arbeit / Stück Zeitbedarf Maschine / Stück Teilebedarf / Stück

Lagerkapazitäten Rabatte Lagerkosten

Preise Jahres-Pianabsatz Saisonale Verteilung des Absatzes

Rohstoffpreise Löhne

Vorläufiges Produktionsprogramm

Vorlä jfiges Absatzp ogramm

Vorlä Lifiges Beschaffuncjsprogramm

Feststellen von Engpässen Ermittlung engpaßbezogener Deckungsbeiträge Simulationsläufe zur Eliminierung der Engpässe

Endgültiges Absatzprogramm

Endgültiges Produktionsprogramm RohstoffLagerprogramm

Endgültiges Beschaffungsprogramm

ErzeugnisLagerprogramm

Definition der Leistung je Bereich Ubergabe an Budgetierung

Abb. 4.40: Erfolgsplanung Becker)

als Horizontalkoordination

(nach

Lachnit/Ammann/

4.4.2.1 Erfolgs-Controlling

355

Bezogen auf eine Investition werden spezifische Produktionsgegebenheiten fixiert. Kapazität und Personaleinsatz sowie die Beschaffenheit des zu erstellenden Produktes sind technische Determinanten, welche zunächst einmal nicht als monetäre Werte festzusetzen sind. Erst wenn die technische Struktur vorgegeben ist, können die Aufwandspositionen ermittelt werden. Die technische Datengenerierung orientiert sich am Objekt. Es geht hier nicht darum, zunächst aus der Erfahrung heraus einen Kostenrahmen für die Produktion zu definieren, sondern am Objekt selbst jede einzelne Handlung zu analysieren, welche notwendig ist, um das Objekt zu produzieren. Auch die technische Datengenerierung hat ihre empirische Komponente, die sich allerdings reziprok zu dem Ansatz der betriebswirtschaftlichen Planung verhält. In der betriebswirtschaftlichen Planung werden aus der Betrachtung des Ganzen Kennwerte abgeleitet, die das Detail spezifizieren. In der technischen Planung werden zunächst die Details determiniert und alsdann über den Faktor der Wiederholung eines Handlungsdetails hochgerechnet, womit man die Wertbildung des Ganzen erhält (vgl. dazu Jaspersen 1995, S. 190 ff.). In dem vorgestellten Planungssystem werden fixe von variablen Kosten voneinander getrennt. Als Einzelkosten sind die Rohstoffe, die Zukaufteile und die Teile oder Baugruppen der Eigenfertigung relativ einfach abzugrenzen. Es ist dabei unvermeidlich, Gemeinkosten eines Vorproduktes als variable Kosten der nächsthöheren Aggregationsstufe zu klassifizieren (vgl. hierzu Preißler 1994, S. 128 f.). Auch ergibt sich durch den unternehmensinternen Verkauf von Leistung eine Umsatzerhöhung, die als Scheinumsatz zu bewerten ist und gegebenenfalls bei einer Konsolidierung herausgerechnet werden kann. Produktion sowie Marketing enthalten, Personalkosten und Abschreibungen. Diese Proportionalkosten sind nach einer im Unternehmen zu definierenden Norm aufzuteilen in solche, die für eine Break-Even-Analyse als variabel und in solche, die als Fixkosten angesehen werden. Die Konten 08 sowie 14 Bestandsänderungen der Erfolgs-Controllings koppeln die Erfolgsplanung an das Bilanz-Controlling und brauchen dementsprechend in der ersten Planungsphase nicht mit Werten versehen zu werden. Bestandsveränderungen werden notwendig, wenn mehr bzw. weniger produziert als verkauft wird. Das gilt auch für die Finanzaufwendungen, die von der Höhe des Umlaufvermögens und dem Fremdkapital abhängen. Die Verwaltungsaufwendungen ergeben sich aus den Administrationskosten, welche direkt auf die betrachtete Produktionseinheit entfallen und den Overheadkosten der Zentraleinrichtungen. Es ist eine Verteilung zu regulieren, um eine investitionsspezifische Vollkostenrechnung zu gewährleisten. Zur Definition der Erlöse muß zunächst das Produkt, bzw. bei näherem Hinsehen die Produktgruppe, in ihre Einzelteile aufgegliedert werden. So differenzieren sich beispielsweise Produktarten in verschiedene Sorten und diese wiederum in verschiedene Baugruppen oder Einzelteile. Diesen Produktelementen sind Planmengen zuzuordnen, die durch Multiplikation mit einem Verkaufspreis pro Mengeneinheit zu den Erlösen für den jeweiligen Planungszeitraum führen. Je nach Produktausprägung ist es sinnvoll, das Verkaufssoll in seiner geplanten Realisierung zu klassifizieren. So können die Erlöse nach Kundengruppen, Verkaufsregionen oder Verkäufern untergliedert werden. Diese Spezifizierung sollte nur dann erfolgen, wenn bei der Durchführung der Verkaufsaktivitäten ein entsprechendes Erfassungsinstrument in dem Betrieb vorhanden ist, anhand dessen die Planwerte evaluiert werden können. Die Erlöse ergeben sich aus der Multiplikation des Preises mit der Absatzmenge. Hiermit wird nicht nur der mengenmäßige Input für die Produktion definiert, sondern

356

4. Investitions-Controlling

auch der Strom der Mittelrückflüsse für die laufenden Aufwendungen und zur Finanzierung der eigenen Investition. Albers (1989, S. 642; siehe Abb. 4.41) verweist auf die funktionale Abhängigkeit zwischen Absatzpreisen und -mengen. Er trennt Marktanteil sowie Marktvolumen und schafft damiteine endogene Handlungsvariable, die von einer exogenen Einflußgröße abhängt. Preis- und Mengenbestimmung sind daher nur über ein eigenes Erweiterungsmodell mit exogenem Input zu definieren. Albers relativiert den Absatzpreis (p) einer Unternehmung als relativen Preis, (p/B) in bezug auf den Branchenpreis und ebenso die Absatzmenge (x) sowie den Marktanteil (x/U) bezogen auf das Marktvolumen. Das Produkt aus relativem Preis- und Marktanteil ergibt den intern beeinflußbaren wertmäßigen Marktanteil, hingegen das Produkt aus Branchenpreis und Marktvolumen prägt die externe Gegebenheit des wertmäßigen Marktvolumens. Um die Kennwerte zu ermitteln, muß das Unternehmen Zahlenmaterial des exogenen Umsatzes erwerben und in die eigene Planungsstruktur einbringen.

relativer Preis

R-b

r relativer Preis

E x B

Branchenpreis

V

Marktanteil

X

Marktvolumen

Marktanteil

Branchenpreis

B •V

Marktvolumen

wertmäßiges Marktvolumen

intern beeinflußbar

extern beeinflußt

Abb. 4.41: Aufspaltung der Erlöse (nach Albers) Palloks (1991, S. 253; siehe Abb. 4.42) untergliedert entsprechend die wichtigsten Kennzahlen des Marketing-Controllings in • Marketing-Kosten- und Erfolgskennzahlen (intern zu beeinflussen) und • Marktbezogene Kennzahlen (extern zu beeinflussen). Die endogen ausgerichtete Absatzplanung ist zeitlich, räumlich und sachlich zu differenzieren (vgl. hierzu Weis 1987, S. 336 sowie Schröder 1992, S. 374 f.). In einer von mir entwickelten Systematik in der Praxis habe ich diese Kategorisierung verfolgt. Zunächst wurde der Vertrieb der Unternehmung bilanziert und der Vertriebserfolg nach Produktgruppen ausgewiesen. Neben diesem Planungs- und Kontrollsystem ist ein Informationssystem der Absatzplanung eingerichtet worden, in dem der Verkauf nach Auslands-, Direktverkauf und Vertriebsverkauf durch eine Erfolgsrechnung geplant und kontrolliert wird. Der Auslandsverkauf bildet Leistungseinheiten für die vier wichtigsten Länder und für den restlichen Export aus, für die noch mal je Produktgruppe eine Erfolgsrechnung erstellt wird. Beim Direktverkauf bilden ebenfalls Produktgruppen eine Leistungseinheit. Im Vertrieb wird jeder Verkäufer durch eine Erfolgsrechnung in seinem Tätigkeitsprofil abgebildet, die sich in der Begrifflichkeit geringfügig von der Produktionsplanung unterscheidet und Bestandteil eines Absatzplanungssystems ist. Jeder Verkäufer ist ein Leistungsträger. Seine Leistung

4.4.2.1 Erfolgs-Controlling

357

wird in drei Aussagekomplexe auf einer Seite zusammengefaßt: • als Erfolgsrechnung, • in einer Aufgliederung nach Produkten und • in einer Aufgliederung nach Kunden. Die Ergebnisse der Verkäufer werden entsprechend der Vertriebsstruktur nach oben hin konsolidiert. In der Erfolgsrechnung werden die Verkäufer je Monat und für das Jahr kumuliert, d.h. gleich hundert Prozent gesetzt. Zur Ermittlung des Deckungsbeitrages I werden die Einkaufsaufwendungen, die variablen Vertriebskosten und die Verkaufssteuern abgezogen. Bei der Berechnung des Deckungsbeitrages II, also des Erfolgs pro Leistungsträger, werden die fixen verkaufsfördemden Maßnahmen von den Vertriebsaufwendungen abgegrenzt und samt den Verwaltungs- sowie Finanzierungsaufwendungen vom Deckungsbeitrag I abgezogen.

Umsatzrentabilität Marketing-Bereich Marktbezogene Kennzahlen

Abb. 4.42: Struktur eines Marketing-Kennzahlensystems

(nach Palloks)

358

4. Investitions-Controlling

Ebenso wie das Marketing-Kosten- und Erfolgskennzahlensystem als eigenständiges Controlling innerbetrieblich abgekoppelt werden kann und zumindest als Detaillierungsmodell ausgeführt werden muß, so sind die marktbezogenen Kennzahlen durch Erweiterungsmodelle zu detaillieren. Palloks sieht den Marktanteil einer Unternehmung und damit den erzielbaren Umsatz als einen Faktor • des Potential der Branche, • des Marktvolumens, • der Marktanteilsdifferenzierung, • der Marktdurchdringung, • der Kaufkraft, • der marktspezifischen Attribute und • der Konkurrenzzahlen. Einige dieser Faktoren lassen sich durch Marktforschungsinstitute erheben oder über Branchenorganisationen bzw. Statistikämter akquirieren. Die Angaben der Handelskammer über die Konkurrenz reichen zumeist nicht aus, hier ist eine institutionalisierte Marktbeobachtung im Unternehmen zu etablieren. Für alle Daten gilt jedoch, daß sie auf einem unterschiedlichen, in der Regel für den Investitionszeitpunkt veralteten Betrachtungszeitraum basieren. Es gilt daher, mit einer Batterie von Prognoseverfahren den gesammelten Input auf das verwendete Investitionsmodell zu synchronisieren (vgl. hierzu K. Heizelbecker, S. 437). Prognostiziert man die Erlöse aus der durch die Investition bewirkte Leistung sowie andere Erlöse wie beispielsweise der Verkauf der alten Produktionsanlage, so kann man diese den Aufwendungen gegenüberstellen. Zieht man die variablen Kosten ab, erhält man den Deckungsbeitrag I; reduziert man zusätzlich die fixen Kosten, so ergibt das den Deckungsbeitrag II. Dieser abzüglich der Steuern führt zum Nettogewinn bzw. -verlust. Relativiert man diese absoluten Zahlen auf den Umsatz, so werden sie über den Planungszeitraum der 5 Jahre miteinander verglichen. Die variablen Kosten sollten in ihren Prozentpunkten konstant bleiben - es sei denn, man verändert die PreisMengen-Relation von Absatz oder Einkauf. Der fixe Kostenanteil verringert sich mit der Erhöhung der Kapazitätsauslastung. Auf diese Weise läßt sich das Investitionsvorhaben durch die Ausprägung quantitativer Ziele (vgl. hierzu Schröder 1992, S. 251 f.) jahresbezogen und bezogen auf das Jahrquintel in seinen Planwerten evaluieren. Aber die umsatzbezogenen Kennzahlen reichen für die Analyse der Erfolgsplanung nicht aus. Die Aufteilung nach variablen und fixen Aufwendungen führt zu einer Ausbildung von Teilsystemen, die als Sortierkriterium zunächst eine untergeordnete Rolle spielen und daher nicht sichtbar werden, die aber dennoch von investitionsentscheidender Bedeutung sind. Als Konsequenz hieraus ist die Notwendigkeit abzuleiten, diese Teilsysteme getrennt auszuweisen. Es sind dies • die Personalkosten, • die installierte Kapazität sowie die Produktion als Menge und • die daraus ableitbaren Stückkosten sowie der mengen- und wertmäßige BreakEven-Point (vgl. Abb. 4.43). Zur Abrechnung der Löhne und Gehälter werden in der Regel mehrere Erfassungssysteme geführt. Dies ergibt sich aus der Aktivitätsstruktur der Betriebe, bei denen die Mitarbeiter in unterschiedlichen, eigenständigen Einheiten als Lohn- oder Gehaltsempfänger tätig sind. Ziel dieser Lohn- und Gehaltsbuchhaltungen ist es, die Einzelkosten nach Verwendungszweck und Empfänger auszuweisen. Für das Planungssy-

359

4.4.2.1 Erfolgs-Controlling

stem gilt es jedoch, die Personenanzahl und die Personalkosten für den Gesamtbetrieb bzw. für die Leistungseinheiten wie beispielsweise die Divisionen und/oder die bilanzmäßig erfaßten Produkte zu ermitteln. Hierfür erweist sich folgende Unterscheidung als zweckmäßig: • fest angestellte und direkt zuweisbare Personen, • fest angestellte und indirekt zuweisbare Personen, • durch Zeitverträge beschäftigte Personen. Erfolgsorientierte Kennzahlen (zur Vervollständigung der Berichtsseite Erfolgsrechnung) 1996

1997

1998

1999

2000

Anzahl

Anzahl

Anzahl

Anzahl

Anzahl

Personal Fest direkt-zuweisbar Fest indirekt-zuweisbar





Eventual





SUMME PERSONAL

Anzahl

Anzahl

Anzahl

Anzahl

Anzahl

PERSONALKOSTEN

Wert

Wert

Wert

Wert

Wert

PERSONALKVPROD. EINHEIT

Wert

Wert

Wert

Wert

Wert

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %



Volumen (Einheit) Kapazität (100%) Produktion Verkauf Kosten pro Einheit Verkaufspreis Variable Kosten

Wert 100% Wert 100% Wert 100% Wert 100% Wert 100% Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Herstellungspreis

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

GEWINN, VERLUST/EINH.

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

BREAK EVEN POINT (DM)

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

BREAK EVEN POINT (Einheit)

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Wert %

Fixe Kosten

Abb. 4.43: Erfolgsorientierte

Kennzahlen

Die fest angestellten und direkt zuweisbaren Personen sind in ihrem Tätigkeitsfeld unmittelbar einer Leistungseinheit zuzuordnen. Die indirekt zuweisbaren Personen müssen hingegen über einen betriebsintemen Schlüssel auf die anderen Subsysteme verteilt werden. Die Probleme, die sich hieraus ergeben, können nur betriebsspezifisch geklärt werden. Das Tätigkeitsfeld der Personen, die durch Zeitverträge beschäftigt werden, kann bereits im Vertrag nach Leistungseinheiten, z.B. divisions- bzw. gegebenenfalls produktorientiert spezifiziert werden; es ergeben sich somit in der Regel keine Zuweisungsprobleme. Bei der Berechnung der Personenzahl gilt es, nicht

360

4. Investitions-Controlling

die physische Anzahl auszuweisen, sondern die erbrachte Leistung in Mannjahren. Das entspricht dem auf- bzw. abgerundeten Betrag aus der Summe aller Zeitvertragsstunden geteilt durch die jeweiligen Jahresarbeitsstunden. Als Produktionseinheit wird je nach Erzeugnis Stück, Liter, Kilogramm usw. verwendet. Bei der Verwendung unterschiedlicher Produktionseinheiten ergeben sich Konsolidierungsschwierigkeiten. Daher ist die Bezeichnung der Mengeneinheiten nach Konsolidierungskreisen sorgfältig auszuwählen und je Leistungseinheit zu kennzeichnen. Bei der Kapazitätsberechnung können unterschiedliche Verfahren angewendet werden. Arbeit mit Überstunden und zusätzlichen Schichten erhöht die Kapazität. Gegebenenfalls ist sowohl die Grenzkapazität, also die Leistung bei einer vollständigen Ausschöpfung aller Ressourcen, als auch die Normalkapazität (Betriebskalendertage mal Anlagenkapazität pro Stunde mal Normalarbeitsstunden pro Tag) anzugeben. Die Kosten je Einheit ergeben sich in der Fließ- und Serienfertigung aus der Division zwischen den Werten der Gesamtaufwendungen geteilt durch die Produktionsmenge. Die Differenzierung zwischen fixen und variablen Kosten geht nicht aus den Werten einer regulären Gewinn- und Verlustrechnung unmittelbar hervor. Diese prozentuale Aufteilung erfolgt in der betrieblichen Buchhaltung, und zwar auf unterster Kontenebene. Die Werte werden dem Verkaufserlös pro Einheit gegenübergestellt. Hierbei werden die Werte des Verkaufsgesamterlöses durch die Verkaufsmenge geteilt. Die hierin enthaltene zeitliche Verschiebung der beiden Vergleichsmengen (Verkaufs- und Produktionsmenge) wird bei der Ermittlung vernachlässigt. In der Betrachtung der kumulierten Werte wird die Schnittmenge beider mit zunehmender Periodendauer immer größer. Die Differenz zwischen Verkaufserlös pro Einheit und Aufwendungen pro Einheit ergibt den Gewinn pro Einheit. Es wird weiterhin deutlich, welche Bedeutung der Aufteilung zwischen fixen und variablen Kosten zukommt. Um eine genaue Abgrenzung zu erzielen, muß bereits auf unterster Kontenebene zwischen den Kosten unterschieden werden, die sich mit der Menge der generierten betrieblichen Leistung ändern, und denen, die davon unberührt bleiben. Gegebenenfalls ist eine Ausgabe in mehrere Aufwandsbuchungen zu splitten, um einer späteren Verrechnung gerecht zu werden. Die Aufteilung zwischen fixen und variablen Aufwendungen bildet nicht nur die Basis bei der Aktivierung betrieblicher Leistung, sondern sie ermöglicht auch Rentabilitätsüberlegungen einzelner Leistungen bei der Planung. Mit der Break-Even-Point-Analyse ergibt sich eine gute Evaluierungsmöglichkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Investitionen und dem Vergleich zu den betrieblichen Leistungen, die bereits im Repertoire des Unternehmens sind. Ziel der Break-Even-Point-Analyse ist es, die Nutzschwelle zu ermitteln, ab der die Generierung einer betrieblichen Leistung zum Gewinn führt (vgl. Horväth 1990, S. 495; siehe Abb. 4.44). Es wird hierbei eine Kosten-/Leistungsrelation hergestellt in Abhängigkeit zur ausgebrachten Produktmenge oder - was terminologisch gleichgesetzt wird - zur Beschäftigungsmenge. Bei der Prozentangabe der Kosten pro Einheit wird der Verkaufspreis gleich 100% gesetzt, die variablen und fixen Kosten, der Herstellungspreis sowie der Gewinn bzw. Verlust pro Einheit werden prozentual auf den Verkaufspreis hin relativiert. Bei der Angabe des Break-Even-Points in Werteinheiten ist eine prozentuale Relation zu der verkauften Menge von Interesse, die dann über 100% liegt, wenn ein positives Ergebnis in dieser Leistungseinheit erwirtschaftet wurde. Die Angabe des BreakEven-Points in Mengeneinheiten kann in Relation zur installierten Kapazität gesetzt werden. Je geringer der Prozentsatz ist, um so größer ist das Produktionspotential, in dem mit Gewinn produziert werden kann. Die Stückkostenberechnungen werden auf

4.4.2.2 Bilanz-Controlling

361

unterster Leistungseinheitenebene beispielsweise auf Produktebene durchgeführt und dann zu Divisionswerten bzw. gesamtbetrieblichen Werten konsolidiert. Es ist natürlich offensichtlich, daß ihre Aussagekraftmitzunehmender Konsolidierung schwindet, da die Produkte sehr unterschiedlicher Art sein können. Auf gesam tbetrieblicher Ebene ist der Stückkostengewinn/- verlust nur noch als ein Indikator anzusehen, wenn er sich überhaupt berechnen läßt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Betrachtungseinheit pro Division wechselt. DM Kosten bzw.

4.4.2.2 Bilanz-Controlling Im Gegensatz zur Erfolgsrechnung ist die Bilanz keine Perioden-, sondern eine Stichtagsrechnung. Das führt zu einer anderen, in der Investitionsrechnung nicht gebräuchlichen Begrifflichkeit und damit auch zu einem anderen Gedankenansatz. Gabele (1992, S. 39; vgl. Abb. 4.45) verdeutlicht den Aufbau und die Struktur einer Bilanz durch eine exemplarische Darstellung. Auf der einen Seite steht das "Was ?", also die Vermögenswerte der Aktiva in den Klassen des Anlagevermögens, des Umlaufvermögens und der Rechnungsabgrenzungsposten. Auf der anderen Seite steht das "Woher?", also die Vermögensquellen der Passiva mit dem Eigenkapital, den

362

4. Investitions-Controlling

Rückstellungen, den Verbindlichkeiten und wiederum den Rechnungsabgrenzungsposten. Lagerhalle DM 26.000,-

eigene Mittel

Fuhrpark DM 5.000,-

DM45.100,-

Geschäftsausstattung DM 2.500,Vorräte DM 45.000,-

fremde Mittel DM 34.000,-

Kassenbestand DM 600,-

WAS ?

WOHER ?

AKTIVA (= Mittelverwendung)

PASSIVA (= Mittelherkunft)

A. Anlaqevermöqen Immaterielle Vermögensgegenstände Sachanlagen Finanzanlagen B. Umlaufvermögen Vorräte Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- oder Postgiroguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten C. Rechnunasabarenzunqsposten (entweder) Jahresfehlbetraq

A. Eiqenkapital Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Gewinnrücklagen Gewinnvortrag / Verlustvortrag B. Rückstellungen C. Verbindlichkeiten D. Rechnunqsabqrenzunosposten

Summe aller Aktiva

Abb. 4.45: Aufbau und Struktur der Bilanz (nach

(oder) Jahresüberschuß =

Summe aller Passiva

Gabele)

Die Bilanz verhilft bei der Investitionsrechnung zu einer Übersicht, wie sich das Unternehmen in seinem physischen Bestand von Jahr zu Jahr ändert, und weiterhin zu der Analyse, wer als Vermögensgeber dazu beigetragen hat. Dabei stehen Mittelverwendung und Mittelherkunft durchaus miteinander in Verbindung: Eine Verlängerung der Aktivseite zieht eine Vergrößerung der Passivseite nach sich. Wenn man bedenkt, daß eine Erweiterung des Anlagevermögens auch zu einer Umsatzvergrößerung führt und diese wiederum einen Mehrbedarf an Vorräten, eine Erhöhung der Kundenforderungen und damit des Umlaufvermögens nach sich zieht, so wird deutlich, welche Seite der Investition mit der Bilanz fokussiert wird: der Bedarf an Finanzen und damit an Finanzierungsmitteln. Der Aufbau der Planbilanz gliedert sich entsprechend den Bedürfnissen, die bei Investitionsprojekten im Vordergrund stehen. Zunächst einmal bilden die Aktiva, nach anglo-amerikanischen Muster, eine Rangreihe liquidierungsfähiger Positionen.

4.4.2.2 Bilanz-Controlling

363

An oberster Stelle im Umlaufvermögen steht der monetäre Bestand (16), gefolgt von den kurzfristigen Forderungen an Kunden (17). Die nächsten drei Positionen bilden die Lagerbestände aus, gegliedert nach ihrer innerbetrieblichen Verarbeitung. Rohmaterialien (20), Produkte, die sich gerade in der Verarbeitung befinden (unfertige Produkte, 19) und Fertigprodukte (18) weisen einen in der Regel umsatzgebundenen Mindestbestand auf, der eine reibungslose Produktion gewährleistet. Da man über eine innerbetriebliche empirische Erfahrung verfügt, kann man diese Positionen bei einer Investitionsrechnung entsprechend den unternehmerischen Vorkenntnissen und den planerischen Umsätzen wertmäßig besetzen. Sonstige Bestände (21) bilden eine Sammelposition, welche aber die investitionsrelevanten Ersatzteile für die Anlagenwartung mitbeinhaltet. Die Finanzanlagen sind zu Konsolidierungszwecken in Forderungen im Unternehmensverbund (22) und an Dritte (23) aufgeteilt. Jede Investition bindet aktivierungspflichtige Mittel in Anlagen (26), eventuell aber auch in Gebäuden (25) und Grundstücken (24) als Anlagevermögen. Abschreibungen und Bewertungen bei späteren Soll-Ist-Vergleichen sind hierbei sehr unterschiedlich, daher empfiehlt sich eine solche Differenzierung, die gekoppelt mit der hierarchischen Struktur des Planungssystems hinreichend genau ein Investitionsvorhaben abgrenzen kann. Die transitorischen und sonstigen Aktiva (27) sind wiederum eine Sammelposition, welche gegebenenfalls für betriebsspezifische Ansprüche weiter zu untergliedern ist. Insbesondere in Deutschland ist es von Vorteil, den Verlustvortrag auszugrenzen, der aus internationaler Sicht nicht in allen Ländern gebildet werden darf. Die transitorischen Aktiva sind für Investitionen von besonderer Bedeutung. Hier werden alle Beträge aktiviert, die während der Investitionsumsetzung nicht als Ausgaben zu verbuchen sind. Zu Beginn der Produktion erfolgt eine Umbuchung auf die Anlagekonten. Die Passiva sind mit acht Konten knapp gefaßt. Die Diskussionspunkte ergeben sich bei der hierarchischen Differenzierung der einzelnen Positionen. Das Fremdkapital wird in fünf, das Eigenkapital in drei Kategorien gebündelt. Verbindlichkeiten an Lieferanten (28) sind in der Regel zinslos, - wenn nicht, so lassen sich diese Ansprüche über sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten (30) abgrenzen. Die Untergliederung in kurzfristige Bankverbindlichkeiten (29) und langfristige Verbindlichkeiten (32) spielt für die Investitionsplanung je nach den Ansprüchen der Banken eine relevante oder weniger relevante Rolle. Hier werden die Fremdkapitalbeträge positioniert, die nötig sind, um den Ansprüchen der Aktivaseite zu genügen und um die Bilanz auszugleichen. Hieraus ergibt sich der Ausgangswert, um im zweiten iterativen Schritt in der Erfolgsrechnung die Finanzaufwendungen (13) zu ermitteln. Die organverbundenen langfristigen Verbindlichkeiten (31) müssen als Fremdkapital abgegrenzt werden. Zum einen können hierfür andere Zinsbedingungen gelten, zum anderen saldieren sich diese Beträge häufig bei übergreifenden Konsolidierungen. Transitorische und sonstige Passiva bilden eine Sammelposition von eher operativer Bedeutung. Das Eigenkapital gliedert sich in Kapital (34), Rücklagen (35) und Gewinnvortrag (36). Die Aufteilung des gesamtbetrieblichen Eigenkapitals in investitionsspezifische Eigenkapitalbeträge ist von strategischer Bedeutung. Küpper (1995, S. 250) weist bei der unternehmensbezogenen strategischen Finanzrechnung einen Sonderposten für Investitionszuwendungen aus und kategorisiert ihn als schlecht zurechenbar für spezifische Geschäftsfelder. In diesem vorgestellten Modell äußern sich solche Zuwendungen durch die Form, in der das Eigenkapital auf die verschiedenen Leistungsbereiche und damit auf die bevorstehenden Investitionsvorhaben aufgeteilt wird. In Grenzfällen kann ein Investitionsprojekt vollkommen ohne Fremdkapital oder aber ohne jegliches Eigenkapital geplant und umgesetzt werden. Für die Vorabüberlegungen am Pia-

364

4. Investitions-Controlling

nungstisch sind solche isolierten Rechnungen plausibel und mit dem computergestützten Verfahren schnell umzusetzen. Sie kommen den Ansätzen der klasssischen Investitionsrechnung sehr nahe. Wenn jedoch alle Projekte gesamtbetrieblich zusammengefügt werden, so ist der Diskurs über die Verteilung der Eigenmittel unvermeidlich. Hiermit wird eine wesentliche Aufwandsposition - die Finanzaufwendungen determiniert und somit die mehr oder weniger attraktive Ausprägung von Investitionskennzahlen deutlich mitgestaltet. Für die Interpolation einer 5-Jahres-Planbilanz können eine Vielzahl von Kennzahlen ausgewiesen werden, die jedoch bei ihrer Berechnung nicht nur Bilanzwerte mit einbeziehen, sondern auch absolute Zahlen aus der Erfolgsrechnung, insbesondere den Umsatz. Es gilt dabei jedoch, eine gezielte Auswahl zu treffen, da zu viele Analysen eher den Blick für das Wesentliche trüben. In dem vorgestellten Planungssystem werden vier Wertekategorien ausgebildet (vgl. Abb. 4.46): • Liquiditätskennzahlen erster und zweiter Ordnung, Kennzahlen zum Verschuldungsgrad und der daraus resultierenden Zinslast, • Rotationskennwerte des Umlauf- und des Anlagevermögens (Inventare, Kundenforderungen, Anlagen und Aktiva insgesamt) und • Rentabilitätskennzahlen (Anlagenrentabilität und Return on Investment sowie ihre Zinslast). Bilanzorientierte Kennzahlen (zur Vervollständigung der Berichtsseite Bilanz) 1996

1997

1998

1999

2000

Wert

Wert

Wert

Wert

Wert







LIQUIDITÄT Liquidität 1. Ord. Liquidität 2. Old. VERSCHULDUNG



Fremdkapitalanteil

Wert

Wert

Wert

Wert

Wert

% Wert

% Wert

% Wert

% Wert

% Wert

Wert

Wert

Wert

Wert

Wert

Du rchsch nittszinssatz ROTATION (Umsatz = 100%) Kundenforderungen Fertigprodukte Unfertige Produkte Rohstoffe Anlagevermögen Aktiva RENTABILITÄT Umschlagshäufigkeit Umsatz rentabilität Return on Investment I Return on Investment II

Abb. 4.46: Bilanzorientierte

Kennzahlen

365

4.4.2.2 Bilanz-Controlling

Schröder (1992, S. 231) nennt als wichtigste Bilanzkennzahlen den Anlagendeckungsgrad, das Working Capital, den Eigenkapitalanteil, den Fremdkapitalanteil, die Bilanzsumme als Prozentsatz des Umsatzes und die Investitionsquote. In der 5-JahresBilanzplanung werden alle ausgewiesenen absoluten Zahlen auf die Bilanzsumme hin relativiert und mit 100 multipliziert. Damit lassen sich absolute Veränderungen der Einzelpositionen über den Betrachtungszeitraum hin schnell detektieren. Aber zur zweiten Analyse müssen bestimmte Positionen zusammengefaßt und verrechnet werden. Die Liquidität erster Ordnung stellt die liquiden Mittel, die Kundenforderungen und die Forderungen organverbundener Unternehmen in Relation zum Fremdkapital, die Liquidität zweiter Ordnung ergibt sich aus der Division von Umlaufvermögen durch Fremdkapital. •Liquidität • ~ Liquidierbare Mittel = =16 + 17 + 22 1. Ordnung =— Fremdkapital £ 2 8 bis 32 .Liquiditat2. • - . x - x ^ Ordnung ^ = Umlaufvermögen - — = • Y= , 1 6 b i s 2 2 Fremdkapital £ 2 8 bis 3 2 Ein solides Kriterium zur Bilanzbewertung ist der Quotient aus Fremdkapital und Bilanzsumme. Man teilt die gesamten Finanzaufwendungen durch das Fremdkapital. .. , . ., Fremdkapital Y 2 8 bis 32 Fremdkapitalanteil = - — —— Bilanzsumme £ G e w i n n + 2 8 bis 3 6 . . . . . . . Finanzaufwendungen 13 Durchschnittszinssatz = - — = =; Fremdkapital £ 2 8 bis 3 2 Die Rotation gibt den Betrag einer Aktivseitenposition oder einer -positionsgruppe in Relation zum Umsatz multipliziert mit hundert. Es ist für die Investitionsplanung unabdingbar, das Umlaufvermögen zu dimensionieren. Hierzu dienen die %-Kennzahlen von Kundenforderungen, Fertigprodukten unfertigen Produkten und Rohstoffen. Weiterhin ist es für die Planung von Interesse, das Verhältnis des Anlagevermögens bzw. der Bilanzsumme zum Umsatz festzustellen, um einen Vergleich zu anderen Leistungsbereichen des Unternehmens ziehen zu können. Rotation der Kundenforderung = Kundenforderung .1

Umsatz

Rotation Fertigprodukte =

Fertigprodukte

Umsatz

=

17

01

• 1 0 0 = 1® • 1 0 0 % 01

l l- unfertige r -i— _i i ± = unfertige 19 • 1 0 0 % Rotation Produkte - Produkte 100 = — a Umsatz 01 Rotation Rohstoffe =

Rohstoffe

Umsatz

• 100 = — • 100% 01

^

366

4. Investitions-Controlling

_ . .. . . Anlagevermögen . . . £ Rotation Anlagevermögen = - — 100 = — Umsatz Rotation Aktiva =

2 4 b i s 2 6

01

Aktiva V 1 6 bis 2 7 • 100 = Umsatz 01

Als letzte und wichtigste Kategorie zur bilanztechnischen Bewertung der Investition sind die Rentabilitätskennzahlen zu ermitteln. Hierzu zählen die Relation des Jahresgewinns zum eingesetzten Eigenkapital und alsdann der Jahresgewinn im Verhältnis zu dem mit der Investition gebundenen Kapital: dem Return on Investment - Rol (vgl. Küpper 1995, S. 327; Kaminski 1995, S. 93\Heigl 1978, S. 103; siehe Abb. 4.47).

Abb. 4.47: DuPont-System of Financial Control (nach Heigl) Es gibt keine einheitliche Definition der Bestandteile des Rol (Bernstein 1984, S. 199). Überwiegend wird die Investition den gesamten Aktiva gleichgesetzt; dies ergibt die möglicherweise beste Methode, die operative Effizienz (operating efficiency) eines Unternehmens zu messen. In diesem Zusammenhang ist die Frage aufzuwerfen, ob die Abschreibung für die Ermittlung des Gewinns wie auch der Investition außer Betracht

367

4.4.2.2 Bilanz-Controlling

gelassen werden soll. Das Unternehmen E.I. du Pont de Nemours Company, Pionier der Rol Analyse (Weston/Brigham 1981, S. 152), bejaht dieses. Es führt an, daß die für die Produktion eingesetzten Aktiva während ihrer Nutzungsdauer auf dem besten Stand gehalten werden sollten und die Abschreibung nur eine Vorkehrung für deren Überalterung (obsoloscene) sei, und weiterhin würde anderenfalls die Vergleichbarkeit der Perioden beeinträchtigt werden. Bernstein betont den externen Blickwinkel der Analyse und macht daher keine Ausnahme für die Abschreibung, räumt aber ein, daß der Du Pont-Standpunkt für die interne Analyse durchaus seine Berechtigung habe. Die Investition kann auch als das Eigenkapital definiert werden; der Rol gibt dann Aufschluß über den Ertrag des eingesetzten Eigenkapitals. In Zusammenhang mit der Definition des Gewinns (Income) muß die Frage der Einbeziehung der Zinsausgaben geklärt werden. Bernstein macht dies von der Definition der Investition abhängig. Werde die Investition als das Aktivvermögen definiert, so seien die Zinsausgaben mit der Begründung abzuziehen, daß diese die Bezahlung für den Gebrauch des Fremdkapitals darstellen, vergleichbar mit den Dividenden, die die Benutzung des Eigenkapitals abdecken. Dagegen müßten die Zinsen miteinbezogen werden, wenn die Investition über das Eigenkapital definiert würde. 3.75 3.50 «T 3.25 $ 300

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2.25 Investition

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10

11 12

13 14

15 16

Profitability (percent net Income to sales) Umsatzrentabilität

Abb. 4.48: Umschlag des Aktivvermögens und der Rendite (nach Bernstein) Eine interessante Form der gespreizten Rol Analyse wird bei du Pont angewendet (vgl. Bernstein 1984, S. 210; siehe Abb. 4.48), indem die Umsatzrentabilität in Relation zur Umschlagshäufigkeit der Investition gestellt wird: Rol =

Netto Gewinn

Umsatz

Umsatz

Investition

Umschlagshäufigkeit =

Umsatz Geb. Invest, werte

01 17 + 18 + 19 + 20 + 24 + 25 + 26

368

4. Investitions-Controlling

. * UT.-* Gewinn + 13 £ ( 0 1 + 0 2 ) - £ 0 3 b i s Umsatzrentabiiitat = =— — Umsatz 01

14

au des Kennzahlensystems

bei GARDENA (nach Schefold)

Die Zielformulierung und ihre Indikatoren zur Überprüfbarkeit sind damit klar formuliert. Der Leistungsprozeß weist jedoch Merkmale auf, die sich einfachen mathematisch modellierten Optimierungsprozessen entziehen. Diese von unten wirkenden Faktoren müssen im Alltag von den dort Betroffenen bewältigt werden. Schefold, Bereichsleiter von Rechnungswesen und Controlling, bündelt die Spezifika des Leistungsprozesses unter zwei Aspekten: • der Alltag ist dynamisch, es finden häufig Absatz-Planveränderungen statt und dementsprechend ist die Anzahl der Palettenbewegungen unübersichtlich, und • der Leistungsprozeß ist sehr komplex, es sind viele Teile mit vielen Arbeitsgängen und vielen Lagerorten zu bewegen. Was verbleibt, ist das Experiment. Komplexe Produkt-Innovationen sind als Investitionsprojekte nicht in einem Zuge zu planen, umzusetzen und in ihrer Operationsfähigkeit zu überprüfen. Man wird immer wieder zurückgeworfen. Investitionen sehen als Pläne gut aus und erweisen sich in der Realität, in der unmittelbaren Durchführungsebene oft als unplausibel und demotivierend. Kurzfristige Erfolge können konjunktur-

388

4. Investitions-Controlling

bedingt sein und führen zu einer Investitionshektik, die sich in einer Rezession als großes Problem erweist. Die Kriterien für die Investitionsrechnung gelten nicht für die Begründung von Strategien. Hier muß langfristiger gedacht werden, was durchaus bedeuten kann, einige Verlustbringer mitzuschleppen. Wichtig ist nur zu wissen, welches Produkt man mit welchem Betrag subventioniert. In guten Zeiten hat man die Möglichkeit, die strategische Breite auszudifferenzieren. Es ist möglich, sowohl in Produkte als auch in Märkte zu investieren. Aber ein Unternehmen ist ein Organismus, der atmet. Man rationalisiert, kürzt Budgets, entläßt Mitarbeiter und gewinnt dadurch frische Kraft. Man dehnt wieder aus, macht Experimente, denn man weiß ja nicht, ob eine Neuentwicklung Erfolg haben wird. Produktion, Absatz und Personalbestand wachsen, man gewinnt Zeit zur Beobachtung, dann rationalisiert man wieder. Wichtig dabei ist die Einhaltung einer zusammenhaltenden, plausiblen und motivierenden langfristigen Strategie, die im Zeitgeist ihren Resonanzboden hat. 4.5.2 Soziale Investition Der Erfolg einer Investition ist abhängig von der Bereitschaft der Investitionsbetroffenen, allen Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu begegnen und in der betriebsinternen Routine flexibel auf Störungen zu reagieren. Die Mitarbeiter sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Innovation. Daher ist es von Vorteil, die Handlungsbetroffenen in alle Phasen des Investitionsprozesses soweit mit einzubeziehen, wie sich daraus eine motivierende Komponente ergibt. Dadurch läßt sich der Personenkreis situationsspezifisch abgrenzen und auf das Investitionsobjekt bzw. auf die intendierte Investitionsleistung beziehen. Die Bereitschaft zur Kooperation bei der Einführung von Strukturinnovationen, die in Investitionen und Desinvestitionen zum Ausdruck kommen, ergibt sich nicht von selbst. Die Mitarbeiterschaft muß dazu auch in der Lage sein oder aber in die Lage versetzt werden. Es gilt, die Unternehmensangehörigen zu schulen und ein Instrumentarium zu installieren, das die Betriebsdurchlässigkeit und damit die Einzelmotivation stärkt. Solche Maßnahmen sind selbst Investitionen, die sich nicht unmittelbar in der nach außen generierten Leistung zeigen, sondern die sich mittelbar auf das Innovationsverhalten auswirken. Es sind daher Investitionen, die sich nicht in der objektorientierten Planung als Einheit manifestieren. Um diese Investitionen zu planen, umzusetzen und zu kontrollieren, bedarf es der eigenständigen Ausbildung von Teilsystemen. Potthoff/Trescher (1986, S. 240; vgl. Abb. 4.63) klassifizieren die Struktur der Mitarbeiter eines Unternehmens durch vier Kriterien: • Persönliche Angaben wie Bildung, Alter und Geschlecht, • Vertragsbedingungen von Haupt-, Unter- und Strukturgruppen, • Organisationsgegebenheiten wie die Einheit sowie die regionale Gliederung und schließlich • Beschäftigungskriterien wie Tätigkeit, Tätigkeitsgebiet, Funktionsbereich, Dienststellung und Einkommen. Das Personal-Controlling bildet im Unternehmen ein übergreifendes Koordinationsinstrument, mit dessen Hilfe der Personalbedarf, die Personalbeschaffung, der Personaleinsatz, die Personalhaltung, die Personalentwicklung, das betriebliche Vorschlags-

389

4.5.2 Soziale Investition

wesen, die Personalfreisetzung und schließlich die Personalkosten geplant und kontrolliert werden können (vgl. dazu Schulte 1989, S. 51 f.). Damit lassen sich die operativen Handlungsabläufe der Personalwirtschaft optimieren. Es können Investitionen erfolgen, indem Systeme zur funktionalen Gewährleistung der Einzelkompetenzen implementiert werden. Hier müssen Ansatzpunkte gefunden werden, die eine Stärkung des gesamten Personalführungssystems nach sich ziehen.

Abb. 4.63: Kennzahlensystem für die Mitarbeiterstruktur

(nach

Potthoff/Trescher)

Der investitionsentscheidende Zusammenhang zwischen Anreiz, Motivation und Leistung wird von Weber (1994, S. 250; siehe Abb. 4.64) in der Zufriedenheit des Mitarbeiters gebündelt. Im Mittelpunkt steht die erbrachte Leistung des Mitarbeiters für das Unternehmen. Diese hängt von seiner Fähigkeit und Persönlichkeit, von seinen Anstrengungen, ein bestimmtes Leistungsniveau zu erreichen, und von seiner Rollenwahrnehmung ab. Die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters führt zu einem Gerechtigkeitsempfinden bezüglich der Belohnung, die sich für ihn intrinsisch sowie extrinsisch manifestiert. Empfindungen, soziale und monetäre Belohnungen bilden die Zufriedenheit aus, also die Reaktion auf die wahrgenommene neue Wertigkeit aller Anreize. Verfahren, die Anreiz, Motivation und Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen, tragen dazu bei, die spezifische Leistung eines jeden herauszustellen und abzugrenzen. Sie schaffen nicht nur eine Planungsdurchsichtigkeit, sondern erhellen die Verbindung zwischen der persönlichen und der betrieblichen Leistung. Sie schaffen ein Identifikationsmoment zwischen dem eigenen Tun und den Produkten, also den Leistungsbeiträgen des Unternehmens an das gesellschaftliche Umsystem. Solche Teilsysteme sind jedoch genereller Natur. Die Aufwendungen ihrer Implementierung kommen wiederum nicht einem, sondern allen Leistungsobjekten der Unternehmung zu gute. Eine Investitionsrechnung ist problematisch, da den Ausgaben keine direkten Einnahmen gegenüberstehen, lediglich Kostenminderungen können aufgrund von Organanisationsverbesserungen eintreten. Der eigentliche Effekt der sozialen Investitionen ist aber die Stärkung der Leistungsbereitschaft aller, also eine mittelbare und schlecht abgrenzbare Leistungssteigerung des Gesamtunternehmens. Als Anschauung möchte ich zwei Investitionsfelder exemplarisch herausgreifen:

390

4 . Investitions-Controlling

• die Investition in ein integriertes betriebliches Informationssystem (Beispiel SAP) und • die Investition in eine prozeß- und qualitätsorientierte Reorganisation (Beispiel ISO/DIN 9000 ff.).

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Ansatzpunkte zur Gestaltung des Personalführungssystems

Abb. 4.64: Zusammenhang zwischen Anreiz, Motivation und Leistung (nach Weber) Integrierte Informationssysteme haben zum Ziel, eine Widerspruchs- und redundanzfreie Informationsstruktur zu etablieren, mit deren Hilfe alle operativen Aktivitäten erfaßt, geplant und kontrolliert werden können. Sie schaffen eine Integration zwischen der betriebswirtschaftlichen Informationsverarbeitung von Rechnungswesen und Controlling sowie der technischen Informationsverarbeitung der Produktion. In der Regel arbeiten solche Systeme unabhängig von einer spezifischen Hardware-Plattform und können von verschiedenen Betriebssystemen und Datenbanken unterstützt werden. Es ist eine Client-Server-Struktur, in der der Endnutzer interaktiv Uber einen Personalcomputer mit Windows-Oberfläche einen Dialog mit dem betrieblichen

391

4.5.2 Soziale Investition

Datenbestand betreiben kann. Die Datenstruktur unterliegt den syntaktischen und semantischen Kriterien eines Modells, etwa einer spezifischen relationalen Datenbank. Die Organisationsstruktur eines Unternehmens und das Referenzmodell der Datenstruktur müssen zueinander passen. Die Implementierung eines solchen Systems bedeutet eine Investition mit Ausgaben in Soft- und Hardware, aber auch in eine referenzmodellorientierte Reorganisation und eine ausgedehnte Schulung aller Systemnutzer. Personalwirtschaft

Anlagenwirtschalt

Projektsystem OC Ottice & Communication

Qualitätssicherung

Abb. 4.65: Phasenmodell zur Einführung von SAP-Systemen (nach Software AG)

392

4. Investitions-Controlling

Der weltführende deutsche Anbieter solcher Systeme ist die SAP AG. Ihre Basissysteme R/2 und R/3 integrieren die Arbeitsmodelle • Fl Finanzen • CO Controlling • HR Personalwirtschaft • SD Vertrieb • MM Materialwirtschaft • PP Produktionsplanung • QA Qualitätssicherung • PM Instandhaltung • OC Office & Communication • PS Projektsysteme und • AM Anlagenwirtschaft. Die Einführung von SAP ist langwierig und muß als eigenständiges Projekt geplant werden. Viele Anbieter erbringen diese Dienstleistung. Die Software AG (vgl. Abb. 4.65) schlägt ein Vorgehen in fünf Phasen vor. Zunächst einmal sind funktionsneutral das Projekt zu organisieren, das System zu installieren sowie die Planungs- und Organisationsabläufe festzulegen. Alsdann beginnt die Realisierung der Anwendungsfunktionen, die selbstverständlich davon abhängen, welche Module für die Installation ausgewählt worden sind. In der fünften Phase wird die Produktionsvorbereitung bis zur Datenübernahme umgesetzt. Während bei der Einführung von SAP die physische Komponente und somit der Investitionscharakter noch ersichtlich ist, wird in unserem zweiten Beispiel die Investition abstrakter. Hier handelt es sich um die Einführung einer prozeßorientierten Organisationsstruktur mit dem Ziel, ein TQM (Total Quality Management) zu applizieren. Die monetären Implikationen entsprechen denen einer klassischen Investition. Das Vorhaben benötigt einen planerischen Verlauf, es wird als Projekt umgesetzt und verursacht eine erhebliche Ausgabe. Schließlich sind die Auswirkungen langfristig. Als Ergebnis der teuren Consulting-Leistung bekommt das Unternehmen ein Zertifikat, ein Stück Papier, mit dem belegt wird, daß das Unternehmen X oder die Produktionsstätte Y eine prozeßorientierte Leistung generiert und nachweislich spezifische Qualitätsstandards einhält. Dieser Beleg ist nur dann etwas wert, wenn er gesellschaftlich anerkannt ist. Die europäische Einrichtung ISO (International Office of Standardisation) veröffentlichte 1987 den Standard für Qualitätssicherung (QS) ISO 9000. Das Regelwerk ist vom deutschen Institut für Normung (DIN) übernommen worden (vgl. hierzu Glaap 1993, S. 28 und DIN 1992, S. VII). Seither sind die Normen für Qualitätssicherungen von über 40 Ländern übernommen worden. Eine Zertifizierung nach der ISO/DIN 9000 ff. kann nur von Unternehmen erfolgen, die dazu befugt sind und sich selbst einer laufenden Qualitätskontrolle unterziehen. Der Erfolg einer Zertifizierung zeigt sich in der Transparenz des eigenen Tuns gegenüber den Mitarbeitern, aber auch gegenüber Kunden. Eine Reorganisation nach diesem Muster kann für ein Unternehmen dann zum Zwang werden, wenn Kunden nur noch von solchen Unternehmen Ware beziehen, die eine Zertifizierung nachweisen. Die ISO 9000 Normenreihe untergliedert sich in den Leitfaden zu Auswahl und Anwendung (ISO 9000), die Darlegung von Qualität in Entwicklung, Produktion, Montage und Kundendienst (ISO 9001), die Qualitätssicherung von Produktion und Montage (ISO 9002), bei der Endprüfung (ISO 9003) und bei Dienstleistungen (ISO 9004/2; vgl. Jackson/Ashton 1994, S. 39). Der Prozeßablauf der weitgehendsten

4.5.2 Soziale Investition

393

betrieblichen Normung, der ISO 9001, stellt Regelungen auf für die Anfrage- und die Angebotserstellung, für die Auftragsbeschreibung, die Auftragabwicklung und den Abschluß (vgl. SIEMENS 1995, S. 16 ff.; siehe Abb. 4.66).

4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 4.16

Vertragsüberprüfung Designlenkung Lenkung der Dokumente und Daten Beschaffung Lenkung der vom Kunden beigestellten Produkte Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von Produkten Prozeßlenkung Prüfungen Prüfmittelüberwachung Prüfstatus Lenkung fehlerhafter Produkte Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen Handhabung, Lagerung, Verpackung, Konservierung und Versand Lenkung von Qualitätsaufzeichnungen

Abb. 4.66: Prozeßablauf Bezug DIN/ISO 9001 (nach SIEMENS) Eine Zertifizierung ist ein langwieriger Prozeß, der standardmäßig in vier Phasen gegliedert wird (vgl. SIEMENS 1995; siehe Abb. 4.67). Die erste Phase beginnt mit einem Vorgespräch, der Selbstauskunft nach einem Fragenkatalog und einem Voraudit. Es wird derlst-Zustand des betrieblichen Qualitätsmanagements nach 20 Kategorien quantitativ erfaßt. In der zweiten Phase wird mit den Unternehmen ein Qualitätssicherung-Handbuch erstellt. Es werden alle Verfahren in ihrer Prozeßabwicklung dargestellt. Die Prüfung der Dokumentation wird durch autorisierte Auditoren abgenommen. In der dritten Phase wird das Unternehmen erneut nach den 20 Kriterien der Leitung, des Qualitätsmanagements, der Vertragsprüfung, der Designlenkung, der Dokumentation, der Beschaffung, der Produktion, der Kennziffern für die Materialund Einzelteilerückverfolgung, der Prozeßlenkung, der Prüfverfahren, der Prüfmittel, der Prüfstatusdokumentation, der Fehlerfassung, der Korrekturbehandlung, der Lagerhaltung, der Qualitätsaufzeichnung, der Prozeduren für interne Audits, der Schulung von Mitarbeitern, der Wartung und der verwendeten statistischen Methoden überprüft. Diesmal muß das Unternehmen jedoch den in der ISO/DIN 9001 aufgestellten Normen genügen. Die Qualitätssicherung ist ein sich selbst generierendes System der kontinuierlichen Produkt- und Produktionsverbesserung. Daher werden die Audits in regelmäßigen Abständen durch befugte außenstehende Consultings wiederholt.

394

4. Investitions-Controlling

Abb. 4.67: Ablauf der Zertifizierung in vier Phasen (nach SIEMENS) Die Bereitschaft zur kontinuierlichen Veränderung und zu einer internen wie externen Überprüfung aller Vorgänge im Unternehmen bedeutet eine große zusätzliche Leistung, die sich mittelbar auf alle Leistungsbereiche des Unternehmens auswirkt. Sie schafft aber auch die Disposition und die Offenheit, um sich in überbetriebliche Organisationensstrukturen einzubringen, die volkswirtschaftlich effektiver sind.

4.6 Betriebsexterne Investition

395

4.6 Betriebsexterne Investition In der betrieblichen Investitionslehre wird zwischen der Realinvestition und der Finanzinvestition unterschieden. Erstere bezeichnet die betriebsinterne Sachinvestition, letztere die Auszahlung zum Erwerb von Forderungs- und Beteiligungsrechten (Altrogge 1991, S. 7), also betriebsexterne Investitionen. Solange die Rechtseinheit gleich der unternehmerischen Handlungseinheit ist und solange nicht in den Strukturen von unternehmerischen Allianzen gedacht wird, ist diese Unterscheidung trennscharf und pragmatisch. In der modernen Betriebswirtschaftslehre kommt es nicht nur bei der Betrachtung von Transaktionskosten und in der Logistik zu betriebsübergreifenden Ansätzen (vgl. hierzu beispielsweise Picot 1986), sondern auf allen Bereichen setzen sich Überlegungen durch, in denen die betriebliche Handlung aus dem Gestaltungsansatz des Umsystems begründet wird. Das führt zu einem neuen Blickwinkel, der eine neue Begriffsbegrenzung nach sich zieht. Die Investitionstätigkeit eines Unternehmens kann nach innen gerichtet sein, sie kann sich aber auch mit der gleichen betriebswirtschaftlichen Zielsetzung nach außen richten, nämlich das eigene Tätigkeitsfeld innovativ zu verändern und damit zu stärken. Selbstverständlich gewinnt ein Unternehmen auch dann eine breitere Handlungsbasis, wenn es in Aktien oder Anteile von tätigkeitsfremden, aber profitablen Unternehmen investiert und als Finanzanlagen in das Anlagevermögen eingliedert. Diese Art von Finanzinvestitionen werden jedoch nicht weiter thematisiert. Ich werde mich im letzten Kapitel auf die betriebsexternen Investitionen konzentrieren, die dem Unternehmenszweck direkt dienen. Es sind vier Firmen zu unterscheiden: • Einerseits kann sich ein Unternehmen in die Leistungskette einbringen, indem es Minderheitsbeteiligungen von wichtigen Lieferanten oder Kunden erwirbt. • Andererseits kann eine Vorwärts- oder Rückwärtsintegration bzw. eine Verbreiterung der Handlungsbasis in der eigenen Branche betrieben werden, indem ganze Unternehmen aufgekauft werden. • Besteht ein Unternehmensverbund, so ist zu unterscheiden zwischen der investiven Koordinierung von Aktivitäten bei der vollständigen Kontrolle aller beteiligten Rechtseinheiten einerseits und der Kooperationen anderseits. • Der vierte unternehmensübergreifende Investitionsansatz ergibt sich in der Ausbildung von Allianzen. Lieferanten und Kunden sind Partner und Konkurrenten zugleich, Partner in dem Zusammenspiel und der Aufgabenbewältigung einer Leistungskette, Konkurrenten in der Aufteilung des daraus entstehenden Gesamtgewinns (vgl. Porter 1992, S. 90 ff.). Aus der Bewältigung der arbeitsteiligen Aufgaben einer volkswirtschaftlichen Leistungssequenz entsteht eine vielschichtige Relation. Es etabliert sich ein Beziehungsgefüge, das personell hierarchisch aufgefächert ist. Es bildet sich ein wirtschaftliches, aber auch technisches Zusammenwirken mit einer Vertrautheit in der prozessualen Effizienz und gleichzeitig einem Mißtrauen beim Gedanken der gegenseitigen Übervorteilung. Mit der Investition in eine Minderheitsbeteiligung bekommt die Zusammenarbeit eine zusätzliche Qualität. Trägt man zum Eigenkapital einer Unternehmung bei, so gehört man zu einer anderen Anspruchsgruppe als ein Lieferant oder Kunde. Man erwirbt ein Recht auf Informationen wie die Jahresabschlüsse und ein Recht auf Mitsprache bei der Aufsicht der strategischen Ausrichtung. Der Erwerb einer Minderheit schafft zwar einen neuen und zusätzlichen Einblick in das Geschehen eines relevanten Elements des Umsystems, es bedeutet jedoch nicht eine formale Zunahme

396

4. Investitions-Controlling

von Einfluß und Macht Verhalten sich Minderheiten nicht mehrheitskonform, so werden sie überstimmt. Die neue Rolle des "Miteigentümers" schafft daher nur zusätzliche Einsichten, welche gepaart mit der Alltagserfahrung zu einer sicheren Verhaltensbasis führen können. Die Rolle schafft aber auch eine qualitativ andere Relation, die zum Aufbau von informalen Strukturen zu nutzen ist. Bei Aktionärs- und Gesellschafterversammlungen bespricht man sich als Partner, und das schafft die wichtigste Grundlage der überbetriebliucen Kooperation: das Vertrauen. Eine betriebsexterne Investition kann durch den Kauf ganzer Unternehmungen erfolgen. Es läßt sich eine Investitionsrechnung durchführen, indem für das Kaufobjekt ein eigenes Basissystem modelliert wird. Mit dem Erwerb eines Unternehmens verschafft man sich gleichzeitig Zugang zu der Betreibung von Produktionsmitteln wie auch zu der Bedienung eines besetzten Marktes. Während in den 60er und 70er Jahren vornehmlich das Anlagevermögen den Kaufpreis bestimmte, rückt jetzt die Marktkomponente stärker in den Vordergrund. Ausschlaggebend sind hierbei die umsatzorientierten Kennzahlen unter Berücksichtigung der eigenen wirtschaftlichen Aktivität. Abhängig von dem Standort in dem Marktgeflecht ergeben sich andersgelagerte Synergien (vgl. Abb. 4.68). Erwirbt man Marktvolumen in der gleichen Branche, so findet eine Koordinationsmöglichkeit der Unternehmen in derselben Produktionsoder Handelsstufe statt (vgl. hierzu Grimm-Curtis 1992, S. 52 f.). Diese horizontale Kooperation oder horizontale Konzentration - je nachdem ob das zu erwerbende Unternehmen rechtlich selbständig bleibt oder nicht- ermöglicht die Zusammenlegung gemeinsamer Aktivitäten der Verwaltung, der Logistik und der Materialwirtschaft.