Invalidenversicherungsgesetz vom 13. Juli 1899: In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1899. Text-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister [6., völlig umgearb. Aufl. Reprint 2018] 9783111601434, 9783111226347


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German Pages 421 [424] Year 1900

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Table of contents :
Vorwort zur 1. Auflage
Vorwort zur 6. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Kurze vergleichende Uebersicht
Einleitung
Bekanntmachung des Tertes des Invalidenversichernngsgesehes vom 13. Juli 1899
Invalienversichernngsgefes
Anlagen
Sachregister
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Invalidenversicherungsgesetz vom 13. Juli 1899: In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1899. Text-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister [6., völlig umgearb. Aufl. Reprint 2018]
 9783111601434, 9783111226347

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Outterrtag'sche Sammlung JE 30. Deutschem Reichsgesetze. JE 30. Text-Ausgaben mit Anmerkungen.

vom 13. Juli 1899 in iler Fassung (sec LeKannlmacknng vom 19. Susi 1899. Trrt-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister von

Dr. E. v. Woedtke, Direktor im Reichsamt deS Innern.

Sechste völlig umgearbeitete Auflage.

Berlin.

3. Gnttrotag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

1900.

Das Recht der Rebersetzung — auch für Theile — sowie alle anderen Rechte bleiben vorbehalten.

Vorwort jur 1. Auflage. Die Jnvaliditäts- und Altersversicherung tritt, nachdem das dieselbe betreffende Gesetz am 22. Juni 1889 verkündet worden ist, aus dem Stadium der Berathung in das Stadium der Ausführung. Bei derselben sind nicht nur fast alle Behörden, sondern fast alle Deutschen betheiligt, denn nicht viel Erwachsene wird es in Deutsch­ land geben, welche nicht Arbeitgeber oder Arbeitnehmer wären.

Die Ausführung des Gesetzes setzt vor allen

Dingen ein Verständniß desselben voraus. Dieses Verständniß in weiteren Kreisen zu fördern, ist der Zweck des vorliegenden Büchleins.

Verfasser,

welcher ähnliche Arbeiten bereits auf dm Gebieten der Kranken- und der Unfallversicherung veröffentlicht hat, hält sich neben anderen Autoren hierzu um deswillen für befähigt, weil er in amtlicher Eigenschaft die Jnvali­ ditäts- und Altersversicherung eifrig zu studiren hat und als Kommissar an den Verhandlungen des Bundesraths und des Reichstags über das vorliegende Gesetz theilzunehmen berufen war. Um nicht zu verwirren, be­ schränkt sich die vorliegende kleine Arbeit in ihren Er-

lauterungen auf die hauptsächlichsten Gesichtspunkte; in einer Einleitung ist neben einer gedrängten historischen Entwickelung der Hauptgrundsätze des Gesetzes eine kurze systematische Uebersicht über den Inhalt desselben gegeben. Ergänzend soll demnächst neben diese „Text­ ausgabe mit Anmerkungen" ein größerer Kommentar treten, welchen der Direktor im Reichsamt des Innern, Herr vr. Bosse, und der Verfasser gemeinsam zu bearbeiten im Begriff sind*). Auf diese Weise möchte der Verfaffer an seinem Theil dazu beitragen, das von Seiner Majestät dem in Gott ruhenden Kaiser Wilhelm I. dem Deutschen Reich hinterlassene groß­ artige Vermächtniß der Jnvaliditäts- und Alters­ versicherung, an deren Ausgestaltung Se. Majestät der jetzt regierende Kaiser Wilhelm II. ein so überaus lebhaftes Interesse bekundet, zur Durchführung zu bringen. Möchte das Büchlein diesen seinen Zweck, daS Verständniß des Gesetzes vermitteln und dadurch deffen korrekte Ausführung sichern zu helfen, nicht ganz ver­ fehlen! Berlin, im August 1889. Der Verfaffer.

*) Inzwischen erschiene« bei Duricker und Humblot in Leipzig; Nachtrag zur 1. bis 3. Aust. ebendaselbst 1893.

Vorwort zur 6. Justage.

Die Novelle des Jahres 1899 hat die Invaliden­ versicherung, wenn auch nicht von Grund aus um­ gestaltet, so doch in zahlreichen wesentlichen Punkten verändert.

Es war deshalb eine völlige Umarbeitung

dieses Handbuchs erforderlich. Wenn dabei die An­ merkungen etwas eingehender als sonst wohl üblich gehalten worden sind, so war hierfür der Wunsch und die Absicht maßgebend,

die neue Gestaltung des Ge­

setzes insbesondere denjenigen klar und anschaulich zu machen, welche in die bisherige Gestaltung sich ein­ gelebt hatten und nunmehr die Unterschiede des neu geschaffenen Rechtszustandes gegenüber dem bisherigen nicht immer leicht herausfinden werden. Aus gleichen Gründen sind in den einzelnen Paragraphen die Aende­ rungen gegenüber dem jetzigen Rechtszustande durch fetten

Druck hervorgehoben worden.

Zur weiteren

Erleichterung für die Praxis ist diesem Handbuch eine vergleichende Gegenüberstellung der neuen Paragraphen mit den Paragraphenziffern des Gesetzes von 1889 beigegeben und außerdem bei jedem einzelnen Para-

graphen unmittelbar nach dessen Schluß darauf hin­ gewiesen worden, wo die in dem betr. Paragraphen enthaltenen Bestimmungen in dem Gesetz von 1889, in dem Entwurf der Novelle und in der vom Reichstag angenommenen und im Reichsgesetzblatt ohne fort­ laufende Nummerfolge der Paragraphen veröffentlichten Novelle selbst sich finden. Der Verfasser hofft, hier­ durch die Schwierigkeiten zu mindern, welche bei der praktischen Handhabung des Gesetzes aus der gänzlich veränderten Paragraphirung sich vermuthlich ergeben werden. Berlin, im August 1899.

Der Verfasser.

Inhaltsverzeichnis). Seite

Vorwort........................................................ III Jnhaltsverzeichniß................................... VII Vergleichende Uebersicht der Para­ graphen des neuen und des bis­ herigen Gesetzes.............................. XII Einleitung........................................................XVI Bekanntmachung des Textes des In­ valid enversicherungsgesetzes, vom 19. Juli 1899............................................. 1 Jnvalidmversicherungsgesetz.......................................... 1 I. Umfang und Gegenstand der Ver­ sicherung. §§ 1 big 55..................................... 1 §§ 1 bis 7. Versicherungspflicht ... 1 §§ 8 bis 13. Besondere Kasseneinrichtungen 29 § 14. Freiwillige Versicherung .... 39 §§ 15 bis 26. Gegenstand der Versicherung 42 § 27. Aufbringung der Mittel .... 61 § 28. Voraussetzungen des Anspruchs. . 63 § 29. Wartezeit............................................. 63 §§ 30, 31. Beitragsleistung......................... 67 § 32. Höhe der Beiträge.............................. 71 § 33. Gemeinlast. Sonderlast .... 77

Seite

§ 34. Lohnklaffen..................................81 §§ 35 bis 4L Berechnung der Renten . 86 §§ 42 bis 45. Erstattung von Beiträgen 96 § 46. Erlöschen der Anwartschaft ... 102 § 47. Entziehung der Invalidenrente. . 105 § 48. Ruhen der Rente.......................107 §§ 49 bis 54. Verhältniß zu anderen An­ sprüchen ......................................... . .110 § 55. Unpfändbarkeit der Ansprüche . . 118 II. Organisation. §§ 56 bis 111... . 120 A. Mitwirkung der Landesverwaltungs­ behörden. §§ 57 bis 64.................. 121 B. Versicherungsanstalten. §§ 65 bis 102 130 1. Errichtung. §§ 65 bis 69 . . . 130 2. Statut. §§ 70 bis 72.................. 137 3. Vorstand. §§ 73 bis 75 ... . 142 4. Ausschuß. §§ 76 bis 78 ... . 147 5. Rentenstellen. §§ 79 bis 86 . . . 149 6. Allgemeine Bestimmungen. §§ 87 bis 99............................................158 § 92. Ehrenämter......................162 § 93. Haftung der Mitglieder der Organe............................163 §§ 94, 95. Ablehnung der Wahlm 164 § 96 Abstimmung..................... 166 § 97. Unbehinderte Ausübung der Funktionen............................167

Inhaltsverzeichnis

IX Seite

§ 98. Beamtenpersonal . . . § 99. RückversicherungsVerbände 7. Veränderungen. §§ 100 bis 102 . C. Schiedsgerichte. §§ 103 bis 107 . . D. ReichS-Verstcherungsamt und LandesVersicherungsämter. §§ 108 bis 111 . §§ 108 bis 110. Reichs-Versicherungsamt.................................... § 111. Landes - Versicherungsämter

167 168 169 172

UL Verfahren. §§ 112 bis 165..................... §§ 112 bis 122. Feststellung der Renten § 123. Auszahlung der Renten.... § 124. Rechnungsstelle............................... §§ 125, 126. Verkeilung der Renten . § 127. Erstattung der Vorschüsse der Postverwaltungen.................................... § 128. Erstattung von Beiträgen . . . § 129. Entscheidung durch Rentenstellen . § 130. Marken ........ §§ 131 bis 139. Quittungskarten . . . §§ 140 bis 143. Entrichtung der Beiträge durch die Arbeitgeber.......................... §§ 144, 145. Entrichtung der Beiträge durch die Versicherten.......................... §§ 146, 147. Unwirksame Beiträge . . §§ 148 bis 153. Einziehung der Beiträge § 154. Abrundung.....................................

183 183 198 199

177 177

200 204 204 206 208

211 220 228 231 233 241

X

JnhaltSverzelchniß.

Seite

§§ 155 bis 160. Streitigkeiten.... 241 §§ 161 biß 163. Kontrole............. 247 §§ 164, 165. Vermögensverwaltung . . 250 IV. Schluß-, Straf- und Uebergangsbestimmungen. §§ 166 bis 194 ... 255 § 166. Krankenkassen............................ 255 § 167. Besondere Bestimmungen für See­ leute ................................................. 256 § 168. Beitreibung................................ 257 § 169. Zuständige Landesbehörden ... 258 § 170. Zustellungen................................ 259 § 171. Gebühren- und Stempelfreiheit . 260 § 172. Rechtöhülfe................................ 260 § 173. Besondere Kaffeneinrichtungen. . 261 §§ 175 bis 188. Strafbestimmungen . . 264 §§ 189 bis 193. Übergangsbestimmungen 278 § 194. Gesetzeskraft................................ 285 Anlagen. 1. Uebersicht der Versicherungsanstalten . . 287 2. Bekanntmachung, beb. die Erstreckung der Versicherungspflicht auf die Hausgewerbe­ treibenden der Tabackfabrikation. Vom 16. Dezember 1891 (R.G.Bl. S. 395). . 289 3. Bekanntmachung, betr. die Jnvaliditätsund Altersversicherung von Hausgewerbe­ treibenden der Textilindustrie. Vom 1. März 1894 (R.G.M. S. 324)......................... 294

Jnhaltsverzeichniß.

XI Seite

4. Bekanntmachung, betr. die Durchführung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung. Dom 24. Dezember 1891 (R.G.Bl. S. 399) I. Befreiung vorübergehender Beschäfti­ gungen von der Versicherungspflicht (in der Fassung b. Bek. vom 24. Januar 1893, R.G.Bl. S. 5, und d. Bek. vom 31. Dezember 1894, R.G.Bl. S. 543) 301 5. Bekanntmachung, betr. Entwertung und Vernichtung von Marken bei der Invaliden­ versicherung vom 9. November 1899 . . 305 6. Bekanntmachung, betr. die Einziehung der von den Rhedern für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung der Seeleute zu ent­ richtenden Beiträge. Vom 22. November 1890 (Centr.-Bl. S. 361) in der Fassung d. Bek. vom 20. Dezember 1894 . . . . 309 7. Preuß. Anweisungen, betr. das Verfahren bei Berichtigung von Quittungskarten: a) vom 10. Mai 1892 (Min.-Bl. S. 209) b) vom 29. Januar 1894 ..................... 317 8. Bekanntmachung, betr. die Einrichtung der Quittungskarten für die Invaliden­ versicherung vom 10. November 1899 . . 323 9. Bekanntmachung des Reichs-Persicherungs­ amts, betr. die für die Invalidenversicherung zu verwendenden Beitragsmarken. Vom 27. Oktober 1899 .................................. 334 10. Register.............................................. 341

Kurze vergleichende Uebersicht *) der

Paragraphen des „Jnvalidenversicherungsgesetzes" in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1899 mit den

Paragraphen des „Gesetzes, detr. die Jnvaliditäts- und Altersversicherung", vom 22. Juni 1889. Jl-tzl §

1

§

2

§

3 4

§ § § § § §

5 6 7 8 9

§ 10 § 11 § 12

Früher

I etzt

§ 1 § 2

§ 13 § 14

§ 3 Abs. 1, 2 § 3 Abs. 3 § 4 Abs. 1, 2 § 4 Abs. 3

§ 15 § 16 § 17

§ 7 § 5 § 6 § 7

§ 18 § 19 § 20

Früher

§ 8, § 117 ALs.l § 9 § 10 § 11 § 12 Abs. 1 § 12 Abs. 2

§ 21 § 22 § 23 § 24

§ 12 Abs. 3 § 12 Abs. 4 § 13

*) Wegen der Einzelheiten vgl. die genaueren Angaben am Schluß der einzelnen Paragraphen des Testes.

Jetzt § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

§ 49

Früher

Früher

Jetzt § 50

§ 14 § 19 § 15 § 16 § 17 § 18 §§ 20, 96 § § § § § § § § §

22 25 26 Abs. 1 26 Abs. 2 26 Abs. 3 27 28 29 30

§ 31 § § § 18 1

32 33 34 35 Abs. 1, Satz 1

§ 51 § § § § § § § § § § § § § § §

52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

§ § § § § § § §

67 68 69 70 71 72 73 74

18 35 Abs. 1 Satz 2 § 8 § 8

36 38 39 40

8 41 §42 § 43 §44 § 45 §54 § 55 § 56 §46 § 47

Vergleichende Uebersicht.

Früher 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85

§ 48 § 49 § 57

86

87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

§ 50 § 52 § § § § § §

58 59 60 61 53 62

§ 65 § 66

Jetzt § 101 § 102 § 103 § 104 § 105 § 106 § 107 § 108 § 109 § 110 § 111 § 112 § 113 § 114 § 115 § 116 § 117 § 118 § 119 § 120 § 121 § 122 § 123 § 124 § 125 § 126

Früher § 67 § 68 § 70 § 71 § 72 § 74 Abs. 1b. 5 § 74 Abs. 6, 7 § 131 § 132 § 133 § 134 § 75 § 76 §§ 77, 78 § 79 § 80 § 81 § § § § § § § §

82 84 85 86 91 88 89 92

Früher

Jetzt | 8 & §

127 128 129 130

& 131 § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §

132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151

§ 93 § 95 § l§ 1§ § § § § § § § § § §

99 101 102 101 102 103 104 105 106 107 108 100 109

Abs. 1 Abs. 2 Abs. 2, Abs. 1

§ HO § 111 § 117 Abs. 3 § 112 § 113

Jetzt § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §

152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177

Früher § § § § § § §

114 115 116 122 123 124 125

§ § § § § § § § § § § § § § § § §

126 127 128 129 130 135 136 137 138 139 140 141 94 Abs. 1 94 Abs. 2 142 143 144

XVI Jetzt § 178 § 179 § § § § § §

180 181 182 183 184 185

Vergleichende Uebersicht.

Früher § 145 l§ 112 Abs. 1, 1 Ziffer 2 § § § § § §

147 148 149 150 151 152

Jetzt

Früher

§ § § § § § § § §

§ § § § § § §

186 187 188 189 190 191 192 193 194

153 154 155 156 157 158 159

Einleitung. Die Invalidenversicherung gehört zu denjenigen gesetz­ lichen Maßnahmen der Neuzeit, welche zur Förderung deS Wohles der arbeitenden Klassen, insbesondere zur Sicherstellung derselben gegen die Folgen einer Schmäle­ rung ihrer Arbeitskraft bestimmt, und welche um so wichtiger sind, alö diese breiten Schichten der Bevölkerung auf ihre Arbeitskraft für den Erwerb des Lebens­ unterhalts fast ausschließlich angewiesen sind. Die hierauf sich beziehenden Gesetze bilden als „Arbeiter­ versicherungsgesetze" einen wichtigen Theil derjenigen gesetzlichen Maßnahmen, die man unter dem Namen „sozialpolitische Gesetze" zusammenzufassen pflegt. Diese Gesetze sind zuerst in dem neu geeinten Deutsch­ land in Angriff genommen und aus der Initiative des hochseligen Kaisers Wilhelm I. auf Anrathen des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck hervor­ gegangen. Veranlassung und Ziel jener Gesetze sind in der magna Charta dieser Sozialpolitik des Deutschen Reichs, der Kaiserlichen Botschaft vom 17. November v. Woedtke, Jnvalidenversicherungsgesetz.

b

xvm

Einleitung.

1881, mit welcher damals der Reichstag eröffnet wurde, bezeichnet. Dort heißt es: „Schon im Februar dieses JahreS haben Wir Unsere Ueberzeugung aussprechen lassen, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschrei­ tungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Ar­ beiter zu suchen sein werde. Wir halten es für Unsere Kaiserliche Pflicht, dem Reichs­ tage diese Aufgabe von Neuem an's Herz zu legen, und würden Wir mit um so größerer Befriedigung aus alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mit­ zunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hülfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Bei­ standes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen. In Unseren darauf gerich­ teten Bestrebungen sind Wir der Zustim­ mung aller verbündeten Regierungen gewiß und vertrauen auf die Unterstützung des Reichstags ohne Unterschied der Partei­ stellungen.

In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Ar­ beiter gegen Betriebsunfälle mit Rück­ sicht auf die im Reichstage stattgehabten Verhandlungen über denselben einer Um­ arbeitung unterzogen, um die erneute Betathung desselben vorzubereiten. Ergän­ zend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Or­ ganisation des gewerblichen Kranken­ kassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch Alter und In­ validität erwerbsunfähig werden, haben der Gesammtheit gegenüber einen begrün­ deten Anspruch auf ein höheres Maß staat­ licher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Theil werden können. Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben eines jeden Gemeinwesens, welches aus den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften

XX

Einleitung.

unter staatlichem Schutz und staatlicher Fürsorge werden, wie Wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde. Immerhin aber wird auch auf diesem Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheb­ licher Mittel zu erreichen sein." Wie sehr dem Kais er Wilhelm I. die baldige Lösung der gestellten Aufgabe am Herzen lag, ergiebt sich aus der dem Reichstage am 14. April 1883 zu­ gegangenen weiteren Allerhöchsten Botschaft, in welcher es heißt: ........ „durch vorgängige Berathung des nächstjährigen Etats (würde) wenigstens für die Wintersession diejenige Freiheit von anderen unaufschiebbaren Geschäften ge­ wonnen werden, welche erforderlich ist, um wirksame Reformen auf sozialpolitischem Gebiete zur Reife zu bringen. Die dazu erforderliche Zeit ist eine lange für die Empfindungen, mit welchen Wir in Unserem Lebensalter auf die Größe der Aufgaben blicken, welche zu lösen sind, ehe Unsere in der Botschaft vom 17. November 1881 aus­ gesprochenen Intentionen eine praktische Bethätigung auch nur soweit erhalten, daß sie bei den Betheiligten volles Verstäno-

Einleitung.

XXI

niß und in Folge dessen auch volles Ver­ trauen finden. Unsere Kaiserlichen Pflichten gebieten UnS aber, kein in Unserer Macht stehendes Mittel zu versäumen, um die Besserung der Lage der Arbeiter und den Frieden der Berufsklassen unter einander zu fördern, so lange Gott Uns Frist giebt, zu wirken. Darum wollen Wir dem Reichstage durch diese Unsere Botschaft von Neuem und in vertrauensvoller Anrufung seines bewährten treuen Sinnes für Kaiser und Reich die baldige Erledigung der hierin bezeichneten wichtigen Vorlagen dringend an's Herz legen." Nach dem Hinscheiden des ersten deutschen Kaisers fand diese Sozialpolitik in dem hochsinnigen Kaiser Friedrich III., welcher schon als Kronprinz die Verhandlungen des Preußischen Staatsraths über mehrere zur Fortführung der Unfallversicherung be­ stimmte Gesetzentwürfe geleitet hatte, weitere För­ derung; Kaiser Friedrich war es, welcher im April 1888 die Vorlegung des im Reichsamt des Innern aus­ gearbeiteten „Gesetzentwurfs über die Alters- und In­ validenversicherung der Arbeiter", aus welchem das vorliegende Gesetz hervorgegangen ist, an den Bundes­ rath angeordnet hat. Mit besonderem Nachdruck hat sodann des jetzigen Kaisers Wilhelm II. Majestät

xxn

Einleitung.

Sich auf den Standpunkt Seines in Gott ruhenden Herrn Großvaters gestellt. Kaiser Wilhelm II. be­ kundete dies gleich bei dem Antritt Seiner Regierung bei Eröffnung des Reichstags am 25. Juni 1888, welchen er mit folgenden Worten begrüßte: „Ich habe Sie, geehrte Herren, berufen, um vor Ihnen dem Deutschen Volke zu ver­ künden, daßJch entschlossen bin, als Kaiser und König dieselben Wege zu wandeln, auf denen Mein Hochseliger Herr Großvater das Vertrauen Seiner Bundesgenossen, die Liebe des deutschen Volks und die wohl­ wollende Anerkennung des Auslandes ge­ wonnenhat. DaßauchMirdiesgelinge,steht bei Gott; erstreben will Ich es in ernster Arbeit.... An der Gesetzgebung des Reichs habe Ich nach der Verfassung mehr in meiner Eigen­ schaft als König von Preußen, wie in der des Deutschen Kaisers mitzuwirken; aber in Beiden wird es mein Bestreben sein, das Werk der Reichs-Gesetzgebung in dem gleichen Sinne fortzuführen, wie Mein Hoch­ seliger Herr Großvater es begonnen hat. JnöbesondereeigneJch Mir die von ihm am 17. November 1881 erlasseneBotschaft ihrem vollen Umfange nach an und werde imSinne derselben fortfahren, dahin zu wirken, daß

Einleitung.

XXIII

die Reichs • Gesetzgebung für die arbeitende Bevölkerung auch ferner d en Schutz erstrebe, den sie, im Anschluß an die Grundsätze der christlichen Sittenlehre, den Schwachen und Bedrängten im Kampfe um das Dasein ge­ währen kann. Ich hoffe, daß es gelingen werde, auf diesem Wege der Ausgleichung ungesunder gesellschaftlicher Gegensätze näher zukommen, und hege die Zuv erficht, daß Ich zur Pflege unserer inneren Wohl­ fahrt die einhellige Unterstützung aller treuen Anhänger des Reichs und der ver­ bündeten Regierungen finden werde, ohne Trennung nach gesonderter Parteistellung. Ebenso aber halte ich für geboten, unsere staatliche und gesellschaftliche Entwicke­ lung in den Bahnen der Gesetzlichkeit zu erhalten und allen Bestrebungen, welche denZweck und die Wirkung haben, die staat­ liche Ordnung zu untergraben, mit Festig­ keit entgegenzutreten." .... Bei Eröffnung der „Deutschen Allgemeinen Aus­ stellung für Unfallverhütung" zu Berlin sprachen Seine Majestät im gleichen Sinne am 30. April 1889: .... „Mit Freuden begrüße Ich auch dies en Beweis der Bestrebungen, .... die wirthschaftliche Lage der arbeitenden Bevölke­ rung durch organische Maßnahmen zu heben

XXIV

Einleitung.

und dem Gedanken thatkräftiger Nächsten­ liebe auch in unseren öffentlich-rechtlichen Einrichtungen Ausdruck zu geben. Die Mit- und Nachwelt wird es Meinem in Gottruhenden Herrn Großvater nie ver­ gessen, daß es Sein Verdienst war, die Be­ deutung dieser Bestrebungen für das Ge­ meinwohl zum allgemeinen Bewußtsein gebracht zu haben. Mit voller Ueberzeugung von der Noth­ wendigkeit ihrer Lösung bin Ich an die sozialen Aufgaben herangetreten, deren Erledigungnoch vorunsliegt. Ich rechne dabei auf die verständnißvolle und freudige Mit­ arbeit aller Kreise der Bevölkerung, ins­ besondere der Arbeiter, um deren Wohl­ fahrt es sich bei diesen Aufgaben handelt, und der Arbeitgeber, welche im eigenen Interesse bereit sind, die daraus für sie er­ wachsenden Opfer zu bringen!" In der Thronrede, mit welcher Seine Majestät der Kaiser dem Reichstag bei seinem Zusammentreten am 22. November 1888 den „Gesetzentwurf, betreffend die Jnvaliditäts- und Altersversicherung", ankündigte, haben Allerhöchstdieselben den ganzen Zweck und Charakter der sozialpolitischen Gesetzgebung des Deutschen Reichs zusammenfassend in folgenden, von allen wahren Freunden

Einleitung.

XXV

des Vaterlandes nicht genug zu beherzigenden Sätzen nochmals hervorgehoben: „Als ein theures Vermächtniß Meines in Gott ruhenden Herrn Großvaters habe Ich die Aufgabe übernommen, die von Ihm be­ gonnene sozialpolitische Gesetzgebung fort­ zuführen. Ich gebe Mich der Hoffnung nicht bin, daß durch gesetzgeberische Maßnahmen die Noth der Zeit und das menschliche Elend sich aus der Welt schaffen lassen, aber Ich erachte es doch für eine Aufgabe der Staatsgewalt, auf die Linderung vor­ handener wirthschaftlicher Bedrängnisse nach Kräften hinzuwirken und durch orga­ nische Einrichtungen die Bethätigung der auf dem Boden des Christenth-ums er­ wachsenden Nächstenliebe als eine Pflicht der staatlichen Gesammtheit zur Aner­ kennung zu bringen. Die Schwierigkeiten, welche sich einer auf staatliches Gebot ge­ stützten durchgreifenden Versicherung aller Arbeiter gegen die Gefahren des Alters und der Invalidität entgegenstellen, sind groß, aber mit Gottes Hülfe nicht unüb erwindlich. Als die Frucht umfänglicher Vorarbeiten wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen, welcher einen gangbaren Weg zur Erreichung dieses Zieles in Vorschlag bringt/

XXVI

Einleitung.

Aus dem hier in Aussicht gestellten Gesetzentwurf ist das Reichsgesetz vom 22. Juni 1889, Letr. die Jnvaliditäts- und Altersversicherung (R.G.Bl. S. 97), hervorgegangen. Nach längeren Vorarbeiten waren im Reichsamt des Innern zunächst „Grundzüge" aufgestellt und nachdem dieselben die Genehmigung des Hochseligen Kaisers Wilhelm I. gefunden hatten, mit einer die Hauptfragen kurz erörternden Denkschrift am 17. No­ vember 1887, dem Jahrestage der denkwürdigen Allerhöchsten Botschaft vom 17. November 1881 (vgl. S. XII), veröffentlicht worden. Der demnächst aufgestellte förmliche Gesetzentwurf wurde mit Ge­ nehmigung des Hochseligen Kaisers Friedrich III. im April 1888 dem Bundesrath vorgelegt; diejenige Fassung, welche der Entwurf in Folge der Berathungen der zuständigen Außschüffe des Bundesraths angenommen hatte, wurde im Juli 1888 durch Veröffentlichung wiederum der öffentlichen Kritik unterbreitet, demnächst von den Ausschüssen des Bundesraths abermals einer Ueberarbeitung unterzogen, sodann vom Plenum des Bundesraths angenommen, mit ausführlicher Begrün­ dung sowie einer, die mathematischen und statistischen Grundlagen erörternden „Denkschrift" und zahlreichen Tabellen gegen Ende des Jahres 1888 dem Reichstage vorgelegt und unter Nr. 10 der Drucksachen desselben für 1888/89 veröffentlicht. Die vom Reichstag eingesetzte Kommission hat

unter der geschäftskundigen und schneidigen Leitung des inzwischen Heimgegangenen Abgeordneten Frhrn. von und zu Franckenstein den Entwurf nach 43 langen Sitzungen, während deren der Reichstag, um der Kom­ mission für ihre Arbeiten größere Muße zu gewähren, sich zeitweise vertagte, mit 22 gegen nur 5 Stimmen angenommen. Im Reichstage wurde in letzter Stunde von Seiten einiger Vertreter der Landwirthschaft in den östlichen Provinzen Preußens, im Gegensatz zu der von dem Deutschen Landwirthschaftsrath eingenommenen zustimmenden Haltung, eine lebhafte Gegenströmung hervorgerufen, dennoch aber das Gesetz in nament­ licher Abstimmung, wenn auch nur mit einer Majorität von 20 Stimmen, angenommen. Die Mehrheit setzte sich vornehmlich zusammen aus dem größeren Theil der beiden konservativen Parteien und der nationalliberalen Partei, sowie aus der Minderheit des Centrums. Die Sozialdemokraten stimmten gegen das Gesetz insbesondere um deswillen, weil dasselbe ihrer Meinung nach den Arbeitern nicht genug biete. Eine Ablehnung aus tiefem Grunde wurde von dem Staatsminister Herrn Dr. v. Boetticher treffend mit dem Verhalten eines Hungrigen verglichen, welcher ein unbelegtes Butterbrod zurückweise, weil er das von ihm verlangte belegte Butterbwd nicht erhalte. Es wäre wunderbar gewesen, wenn ein Gesetz,

xxvm

Einleitung.

welches, wie das vorliegende, ein völlig neues Gebiet erschloß und nirgends in der Welt ein Vorbild hatte, bei der Schwierigkeit der Materie und den weit­ tragenden oft einander entgegenstehenden Interessen der verschiedensten Bevölkerungskreise, die es in Mit­ leidenschaft zog, gleich beim ersten Anlauf so gelungen wäre, daß man es als fehlerfrei bezeichnen könnte. Dies war denn auch thatsächlich nicht der Fall. Auch rief die Entwickelung, welche in den ersten Jahren nach dem Erlaß des Gesetzes zu einer be­ sonders erheblichen Verschiebung der Bevölkerung von dem Osten nach dem Westen und von der Land­ wirthschaft in die Industrie führte, finanzielle Schwierig­ keiten bei einzelnen Trägern der Versicherung hervor, denen abgeholfen werden mußte, während andere Ver­ sicherungsträger im Ueberfluß schwammen und für den Durchschnitt des Reichs die Grundlagen der Versiche­ rung sich als zutreffend herausstellten. Eine im Jahre 1897 dem Reichstage vorgelegte Novelle kam nicht zur Verabschiedung. Im Jahre 1899 dagegen wurde vom Reichstage nach rund 50 Sitzungen, bei denen sich insbesondere der Abg. Schmidt-Elberfeld als Vorsitzender der Kom­ mission erhebliche Verdienste erwarb, die Revision des Gesetzes durchgeführt, und sodann das neue Gesetz unter dem Titel „Jnvalidenversicherungsgesetz" am 13. Juli 1899 Allerhöchst vollzogen. Auf Grund der am Schluß dieses Gesetzes ihm ertheilten Ermächtigung

Einleitung.

XXIX

hat sodann der Reichskanzler das Gesetz durch Be­ kanntmachung vom 19. Juli 1899 (RG-Bl. S. 463) in neuer Redaktion unter fortlaufender Reihenfolge der Paragraphen veröffentlicht; diese Be­ kanntmachung enthält daher den fortab geltenden Text des Gesetzes. Wie sehr sich inzwischen die anfangs unfreundliche Stimmung der Bevölkerung gegenüber der Invalidenversicherung geändert hat, ergiebt sich am besten aus der Thatsache, dah, während das Gesetz von 1889 nur eine Mehrheit von 20 Stimmen im Reichstag erzielte, die Novelle fast einstimmig (gegen nur 5 Stimmen), von einem mit mehr als 200 Mit­ gliedern besetzten Hause angenommen worden ist und daß diesmal auch die Vertreter der Sozialdemokratie, und zwar zum ersten Mal für ein sozialpolitisches Gesetz, demselben zugestimmt haben. Die Novelle hat neben einer sehr großen Anzahl von Verbesserungen und Klarstellungen im Kleinen insbesondere folgende größere Veränderungen gebracht: Behufs finanziellen Ausgleiche der in den einzelnen Bezirken verschieden drückenden Last ist a) eine theilweise Gemeinsamkeit der sämmtlichen Versicherungsträger in der Aufbringung der Lasten durchgeführt, insofern ein Theil aller am 1. Januar 1900 laufenden und der später neu ent­ stehenden Renten (als Gemeinlast) von sämmt­ lichen Anstalten gemeinschaftlich getragen und hierzu von jeder Anstalt 4/io der vom 1. Januar

1900 ab ihr zufließenden Beiträge (Gemeinvermögen) verwendet werden sollen, während der Rest von 6/io (Sondervermögen) jeder einzelnen Anstalt zur Deckung der ihr allein obliegenden Aufwendungen (S ond erlast) verbleibt; b) das Verfahren bei Bewilligung und Entziehung von Renten ist im Sinne einer Dezentrali­ sation weiter ausgebaut; die unteren Ver­ waltungsbehörden und die im Fall des Be­ dürfnisses an deren Stelle tretenden örtlichen Rentenstellen sollen die Rentenbewilligungen unter Zuziehung von Vertretern der Arbeitgeber und der Versicherten eingehend vorbereiten; c) an die Stelle des bei Berechnung der Beiträge bisher vorgesehenen Kapitaldeckungsverfahrens nach Perioden ist das Prämiensystem ge­ treten und die Höhe der Beiträge wird für alle Anstalten einheitlich bemessen; d) durch Abstufung des Grundbetrageß ist eine Er­ höhung der Renten erzielt worden. Festgehalten ist an folgenden Grundzügen des bis­ herigen Gesetzes: allgemeineVersicherungspflicht für alle Lohnarbeiter, sowie die Befugniß des Bundesraths, Hausgewerbetreibende und andere kleine Betriebs­ unternehmer der Versicherungspflicht zu unterwerfen; Grundsatz, daß beim Aufhören der versicherungs-

Pflichtigen Beschäftigung die Anwartschaft auf Rente im Prinzip einstweilen erhalten bleibt und durch freiwillige Fortzahlung der Beiträge dauernd erhalten bleiben kann; Gewährung von Renten zweierlei Art, nämlich einer mit der Dauer der Versicherungszeit steigenden Invalidenrente bei Erwerbsunfähig­ keit ohne Rücksicht auf das Lebensalter, und einer Altersrente nach Vollendung des 70. Lebensjahres ohne Rücksicht auf Erwerbsunfähigkeit; einstweilige Ausschließung der Wittwen- und Waisen­ versicherung; Erforderniß einer Wartezeit, die für die Invalidenrente im Allgemeinen auf 200, für die Altersrente unter weitgehender Berücksichtigung der Uebergangszeit auf 1200 Bcitragswochen ermäßigt worden ist; Rückzahlung der Beiträge in gewissen Fällen, in denen Renten auf Grund dieses Gesetzes nicht gewährt werden; Grundsatz, daß die Dauer von Krankheiten und militärischen Dienstleistungen dem Ver­ sicherten angerechnet werden soll, ohne daß er während derselben Beiträge zu entrichten braucht; der hierdurch entstehende Ausfall an Beiträgen ist, soweit er durch Krankheit verursacht wird, durch entsprechende Erhöhung der regelmäßigen Beiträge der Gesunden bereits ge­ deckt und wird, soweit er durch militärische Dienst­ leistungen verursacht wird, durch antheilige Uebernahme der Rente Seitens des Reichs ausgeglichen;

xxxn

Einleitung.

Aufbringung der Mittel durch Beiträge der Arbeitgeber und der Versicherten in gleicher Höhe unter Beihülfe des Reichs (Reichszuschuß); die Beiträge sind nach dem Prämiensystem ein­ heitlich bemessen, decken demgemäß den Kapitalwerth der Renten (opp. Umlageverfahren) und bleiben auf der bisherigen Höhe (§ 32); Erhebung der Beiträge durch ein Markensystem; Durchführung der Versicherung durch selb st vcrwaltete Versicherungsanstalten unter Betheiligung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern; Ucbertragung der Entscheidung über Rentenansprüche an den Vorstand, gegen dessen Entscheidung Anrufung eines Schiedsgerichts und bei Rechtsverletzung Revision durch das Reichs-Versicherungsamt zugelaflen ist; Auszahlung der Renten durch die Post und Vertheilung der Renten, soweit sie nicht von allen Verstcherungsträgern gemeinsam aufgebracht werden, auf diejenigen Versicherungsanstalten, welchen für den Rentenempfänger während der Dauer seines Versicherungsverhältnifses Beiträge zugeflossen waren, durch eine besondere Rechnungsstelle des ReichsVersicherungsamts. Die in diesem Gesetz geregelte Invalidenversicherung schließt sich an die Krankenversicherung und an die Unfallversicherung gleichberechtigt an. Die Kranken-

xxxra

Einleitung.

Versicherung trifft Fürsorge für Fälle vorübergehender Krankheit; die Unfallversicherung sorgt bei Er­ werbsunfähigkeit, welche aus Anlaß eines „Unfalls bei dem Betriebe" eingetreten ist, und gewährt, sofern ein solcher Unfall den Tod des Versicherten nach sich gezogen hat, auch den Hinterbliebenen desselben mäßige Jahres­ renten.

Die Invalidenversicherung dagegen ist

für solche Fälle bestimmt, in welchen der Versicherte aus anderen Gründen als einem durch Unfallversicherung gedeckten Betriebsunfall, insbesondere in Folge von Ge­ brechlichkeit, Abnutzung der Kräfte, Siechthum, Alter, Unfällen außerhalb des Betriebes 2c., also in Folge von Leiden, welche jedem Menschen drohen, er­ werbsunfähig geworden ist; sie gewährt auch dann eine Rente (Altersrente), wenn der Versicherte ein hohes Lebensalter (das 71. Lebensjahr) erreicht bereits erwerbsunfähig zu sicherung ist nicht, wie

sein. wohl

hat,

ohne

Die Invalidenver­ zuweilen behauptet

wurde, die „Krönung des Gebäudes", zu welchem in der Allerhöchsten Botschaft vom 17. November 1881 der Grund gelegt wurde; es fehlen vielmehr noch weitere Maßnahmen, die in der bezeichneten Richtung zur Förderung des Wohles der arbeitenden Klassen er­ forderlich erscheinen, z. B. die Ausdehnung der Unfall­ versicherung auf mehrere derselben noch entbehrende Berufszweige, und insbesondere die wegen ihrer Kost­ spieligkeit bis auf weiteres zurückgestellte Wittwenpnd Waisenversicherung.

Aber sie bedeutet einen ge-

v. Woedtke, Jnvalidenoersicherungsgesetz.

o

XXXIV

Einleitung.

wältigen Schritt vorwärts auf dem eingeschlagenen Wege; einen Schritt, der wegen der großen Zahl der in Betracht kommenden Personen — es handelt sich um fast 12 Millionen Versicherte — und um deswillen, weil die Maßregel naturgemäß nicht einzelne vorübergehende Momente in dem Leben der Versicherten, sondern fast das ganze Leben derselben erfassen muß, ganz besonders bedeutungsvoll und wegen der zahlreichen oft einander entgegenstehenden Interessen, die dabei zu berücksichtigen waren, mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden war. Das Gesetz hat sich inzwischen eingelebt und segensreich gewirkt; möchte die neue Gestalt, die es durch die Novelle bekommen hat, ihm weitere Freunde zuführen, und weiterer reicher Segen ihm entsprießen! Was nun im Einzelnen den Inhalt des Gesetzes an­ belangt, so enthält dasselbe in 4 Abschnitten 194 Para­ graphen. Es behandeln: Abschnitt I: Umfang und Gegenstand der Versicherung. * II: Organisation. „ HI: Verfahren. g IV: Schluß-, Straf- und Uebergangsbestimmungen. Das Gesetz beruht auf dem Prinzip des Ver­ sicherungszwang e 6; derselbe tritt im Grundsatz ein bei allen Lohnarbeitern über 16 Jahre einschließlich der Dienstboten, sobald sie thatsächlich gegen

Baaren (§3) Lohn beschäftigt sind, Bei Lehrern und Erziehern, niederen BetriebsBeamten und Hand­ lungsgehülfen Bis 2000 Mark Jahresverdienst (§ 1). Es sind dies fast 12 Millionen Personen. Durch den Bundesrath kann die Versicherungspflicht erstreckt werden auf kleine Betriebsunternehmer, einschl. aller Hausindustriellen.*) Ausgenommen sind kraft Gesetzes insbesondere die Lehrer und Erzieher an öffentlichen Schulen oder Anstalten, sowie die Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten, wenn sie eine An­ wartschaft auf Pension im Mindestbetrage der In­ validenrente haben oder nur zur eigenen Ausbildung beschäftigt werden, die Personen des Soldatenstandes, sowie diejenigen Personen, welche (im Sinne des Ge­ setzes) bereits invalid sind (§ 5); durch den Bundes­ rath können ausgenommen werden die mit Pensionsanwartschaft angestellten Beamten anderer öffentlicher Verbände oder Körperschaften, sowie unter Umständen gewiffe Kategorien von Ausländern (§4), auch hat der Bundesrath zu bestimmen, inwieweit vorübergehende Dienstleistungen nicht als versicherungßpflichtige Be­ schäftigung gelten sollen(§ 4).**) Auf ihren Antrag *) Dies ist für Hausindustrielle der Tabakfabrikation und der TextiUndustne inzwischen geschehen, Bekanntmachungen vom 16. De­ zember 1891 (R.G.Bl. S. 396) und vom 1. Mürz 1894 (R.G.Bl. S. 324). S. Anhang. **) Bekanntmachung vom 27. November 1890 (Eentr.Bl. S. 369), wieder abgedruckt m der Bekanntmachung vom 24. Dezember 1891 zu I (R.G.Bl. ©.399); ergänzt durch Bekanntmachungen vom 24. Januar 1893 (R.G.Bl. S. 6) und vom 31. Dezember 1894 (R.G.Bl. S. 643). S. Anhang.

XXXVI

Einleitung.

sind insbesondere diejenigen Personen zu befreien, welche vom Reich, einem Bundesstaat u. A. Pensionen oder Wartegelder beziehen, sowie Empfänger reichs­ gesetzlicher Unfallrenten, sofern die Pension, das Warte­ geld oder die Unfallrente wenigstens den Mindest­ betrag der Invalidenrente erreicht, ferner Personen über 70 Jahre und solche Personen, die im Jahre regel­ mäßig nur 12 Wochen oder 50 Tage Lohnarbeit über­ nehmen (§ 6). Den Betriebsbeamten u. s. w. zwischen 2000 und 3000 Mark Jahresverdienst, Betriebsunternehmern, welche nicht regelmäßig mehr als 2 Lohnarbeiter be­ schäftigen, und den noch nicht als versicherungspflichtig erklärten Meistern der Hausindustrie ist der frei­ willige Eintritt in die Versicherung (Selbst­ versicherung) unter der Voraussetzung gestattet, daß sie das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und nicht bereits invalid sind (§§ 14, 146). Diejenigen Ver­ sicherten, welche aus einem (obligatorischen oder Selbst-) Versicherungsverhältniß zeitweise ausgeschieden sind, behalten einstweilen die durch die bisherigen Bei­ träge begründete Anwartschaft (§ 46), können diese sogar durch freiwillige Weiterversicherung steigern (§ 14); die Anwartschaft erlischt erst, wenn während 2 Jahren insgesammt weniger als 20 Wochen­ beiträge, bei Selbstversicherten weniger als 40 Wochen­ beiträge entrichtet sind. In diesem Falle kann das bis­ herige Nersicherungsverhältniß später durch fortgesetzte

abermalige Beilragsleistung erneuert werden (§ 46 Abs. 4). Die bisherige Erschwerung der freiwilligen Versicherung durch das Erfordcrniß an Zusatzbeiträgen ist fortgefallen. Gegenstand der Versicherung ist ein Anspruch auf Rente in zweifacher Form, nämlich als Invaliden­ rente und als Altersrente (§ 15), sowie der An­ spruch auf Rückerstattung geleisteter Beiträge (§§ 42 bis 44) für heirathende weibliche Versicherte, für Versicherte, die in Folge Unfalls invalid werden und für diesen nur eine Unfallrente erhalten, sowie für Hinterbliebene verstorbener Versicherter, sofern letztere in den Genuß einer Rente nicht getreten sind. Um­ wandlung der Renten in Kapital ist nur bei Ausländern statthaft; Geldrenten können unter Umständen in Naturalbezügen gewährt werden (§ 24). Alle derartigen Ansprüche bestehen aber, abgesehen von den Fällen des § 43, nur dann, wenn eine W a r t e z e i t von einer bestimmten Zahl von Beitrags­ wochen zurückgelegt ist, während welcher Beiträge ent­ richtet sein müssen; eingerechnet wird die Dauer von Krankheiten und militärischen Dienstleistungen, für welche keine Beiträge zu entrichten sind (§ 30). Die Wartezeit dauert (§ 16) für die Altersrente 1200 Beitragswochen, für die Invalidenrente, wenn ein Pflicht­ verhältniß mindestens während 100 Wochen bestanden hat, 200, im Uebrigen 500 Beitragswochen, für den Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen 200 Bei-

XXXVIII

Einleitung.

tragswochen. Während der Uebergangszeit sind jedoch für die Dauer der Wartezeit Erleichterungen vor­ gesehen; insbesondere brauchen für den Anspruch auf Altersrente Personen, die bei Einführung der Ver­ sicherungspflicht für ihren Berufszweig 40 Jahre oder darüber alt waren und während der diesem Zeitpunkt unmittelbar vorangehenden 3 Jahre thatsächlich in berufsmäßiger Lohnarbeit gestanden haben, so viel mal 40 Wochen weniger aufzuweisen, als ihr Lebensalter zu diesem Zeitpunkt die Zahl von 40 Jahren überstieg (§ 190). Leichte häusliche Arbeiten (Spinnen u. s. hx), wie sie landesüblich von alternden Leuten geleistet werden, Krankheiten u.s.w., werden eingerechnet (§ 191). Sclbstversicherte haben auf diese Erleichterungen keinen Anspruch. Invalidenrente soll nach Ablauf der Wartezeit ohne Rücksicht auf das Lebensalter derjenige Versicherte er­ halten, welcher entweder für die Zukunft dauernd erwerbsunfähig ist (§ 15 Abs. 2), oder während eines halben Jahres thatsächlich erwerbsunfähig gewesen war (§ 16). Erwerbsunfähigkeit soll an­ genommen werden, wenn der Versicherte nur noch sehr wenig (V3) verdienen kann; über das Maß des noch zu­ lässigen Erwerbes enthält § 5 Abs. 4 nähere Be­ stimmungen. Invalidität, welche vorsätzlich oder bei Begehung strafbarer Handlungen herbeigeführt ist, giebt keinen Anspruch auf Rente (§ 17). Invalidität durch Betriebsunfall giebt Anspruch nur auf den die Unfall-

rente übersteigenden Betrag der Invalidenrente (§ 15), andernfalls nur auf Beitragserstattung (§ 43), jedoch soll in Fällen dieser Art auch die Unfallrente auf Antrag von der Versicherungsanstalt vorschußweise ge­ währt werden, vorbehaltlich des Regresses an die ver­ pflichtete Berufsgenossenschaft (§ 113). Altersrente soll nach Ablauf der Wartezeit der­ jenige Versicherte erhalten, welcher, ohne bereits erwerbs­ unfähig zu fein, das 71. Lebensjahr erreicht hat (§ 15). Die Altersrente ruht, wenn der Empfänger Invaliden­ rente erhält (§ 48). Jede Rente besteht aus zwei Theilen, nämlich aus einem Zuschuß des Reichs und einem von den Ver­ sicherungsanstalten aufzubringenden Betrage (§ 35). Der Reichszuschuß ist fest und beträgt bei jeder Rente jährlich 50 Mark (§ 35). Der von den Anstalten auf­ zubringende Theil dagegen ist verschieden hoch und wird nach Lohnklassen und den darin entrichteten Wochen­ beiträgen berechnet. Bei der Invalidenrente besteht dieser Theil der Rente wiederum aus zwei Theilen, nämlich einem Grundbetrage und aus Steigerungssätzen für die einzelnen Beitragswochen (§ 36). Der Grund­ betrag (früher allgemein 60 Mark jährlich) ist seit der Novelle nach Lohnklassen abgestuft und beträgt je nach den letzteren jährlich 60, 70, 80, 90, 100 Mark. Bei der Berechnung des Grundbetrages sind immer 500 Wochenbeiträge zu Grunde zu legen und aus

XL

Einleitung.

diesen, wenn sie in verschiedene Lohnklassen fallen, der Durchschnitt zu ziehen; sind mehr als 500 Wochen­ beiträge entrichtet, so werden die 500 höchsten Beiträge in Betracht gezogen; sind weniger als 500 Wochenbeiträge entrichtet, so wird deren Zahl durch fingirte Beiträge der niedrigsten Lohnklasse er­ gänzt. Dem so ermittelten Grundbetrage tritt nun für jeden einzelnen wirklich entrichteten Beitrag ein Steigerungssatz hinzu, der sich wiederum nach der Lohnklasse, für welche die Marke beigebracht ist, richtet und je nach den Lohnklassen 3, 6, 8, 10, 12 Pf. beträgt (§ 36); für die Dauer von Krankheiten und militärischen Dienstleistungen werden die Steigerungssätze der zweiten Lohnklasse angerechnet, ohne daß hierfür Beiträge zu entrichten wären (§§ 30, 40). Bei der Altersrente fallen die Steigerungssätze fort und der neben dem Reichszuschuß von den Ver­ sicherungsanstalten aufzubringende Theil stuft sich, ebenso wie der Grundbetrag der Invalidenrente, nur nach Lohn­ klassen ab. Er beläuft sich je nach den letzteren auf jährlich 60, 90, 120, 150, 180 Mark; kommen ver­ schiedene Lohnklassen in Betracht, so wird aus ihnen der Durchschnitt gezogen; sind mehr als 1200 Bei­ träge entrichtet, so werden nur die 1200 höchsten Beiträge in Rechnung gezogen, während die bei der Invalidenrente vorgesehene Ergänzung bis auf eine allgemein bestimmte Mindestzahl (dort 500) hier fort­ fällt (§37).

Einleitung.

XLI

DieHöhe d erWoch enb eiträge und die davon ab­ hängige Renten st eigerung richtet sich nach der L o h n klaffe, zu welcher der Versicherte gehört. Die Lohnklassen sind nach der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes gebildet; Klaffe I umfaßt einen solchen bis zu 350 Mark, Klaffe II bis zu 550 Mark, Klaffe III bis zu 850 Mark, Klasse IV bis zu 1150 Mark, Klasse V von mehr als 1150 Mark. In diese Lohnklassen werden aber die Versicherten nicht nach der Höhe ihres thatsächlichen Jndividualverdienstes ein­ gereiht — eine solche an sich gerechte Maßregel würde die Durchführbarkeit des Gesetzes ernstlich gefährden —, sondern nach örtlichen Durchschnittslöhnen für große Kategorien von Arbeitern. Maßgebend sind im Allgemeinen diejenigen Durchschnittslöhne, welche für die betr. Versicherten in den durch das Krankenversicherungs­ gesetz geregelten sog. Zwangskaffen die Grundlage für die Berechnung der Kasscnbeiträge und des Kranken­ geldes bilden, im Uebrigen, also auch für Mitglieder von freien HülfSkassen, für welche das Krankengeld in der Regel nicht nach dem Arbeitsverdienst bemessen wird, im Allgemeinen der 300fache Betrag des ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagearbeiter (§ 8 des K.V.G.). Näheres vergl. § 34 Abs. 2. Indeß ist zugelassen, daß Versicherte, deren fixirterBaarlohn höher ist als die Durchschnittssätze der für sie in Betracht kommenden Lohnklaffe, nach diesem höheren Betrage zu versichern sind (§ 34 Abs. 3), und daß der Versicherte auf seine

XLH

Einleitung.

Kosten die Versicherung in einer höheren als der für ihn zuständigen Lohnklaffe beanspruchen darf (§ 34 Abs. 4). Den Versicherungsanstalten ist das Recht ein­ geräumt, vorbeugende Krankenfürsorge eintreten zu lassen (§ 18) und durch ein Heilverfahren die Wieder­ herstellung des Invaliden zu versuchen (§ 47); auch kann auf Antrag statt der Rente Aufnahme in ein Jnvalidenhaus gewährt werden (§ 25). Eine einmal bewilligte Invalidenrente kann ent­ zogen werden, wenn der Empfänger nicht mehr als dauernd erwerbsunfähig anzusehen ist (§ 47). Der Rentcnbezug ruht (§ 48), solange der Berechtigte für länger als einen Monat zur Strafe oder zur Besserung eingesperrt ist oder solange er nicht im Jnlande seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; letztere Vorschrift kann jedoch durch den Bundesrath für Reciprocität gewährende Staaten sowie für be­ stimmte Grenzdistrikte außer Anwendung gesetzt werden.*) Der Rentenbezug ruht ferner, wenn aus Grund der reichsgesetzlichen Bestimmungen über Unfall­ versicherung eine Unfallrente, oder wenn für Beamte oder Militärpersonen eine Pension oder ein Warte­ geld bewilligt ist, insoweit, als diese Bezüge zuzüglich der Invaliden- oder Altersrente den 7^2 fachen Grund*) Letzteres ist geschehen, vgl. Bekanntmachungen vom 16. Mai 1891 (Centr.Bl. S. 97) und 6. Mai 1892 (Centr.Bl. S. 317).

betrag der Invalidenrente übersteigen. Sonstige ans öffentlichen oder vertragsrechtlichen Quellen fließende Bezüge sind den Rentenempfängern unverkürzt weiter zu gewähren (§ 49); nur gesetzliche Entschädigungs­ ansprüche des Rentenempfängers gehen auf die V. A. über (§ 54). Jedoch können bestehende Pensionskassen von Fabriken k. ihre - Leistungen entsprechend herab­ setzen (§ 52); hat ferner für den Rentenempfänger trotz seiner Rentenansprüche die öffentliche Armen­ pflege eintreten müssen, so ist den Armenverbänden die Rente bis zur Höhe der geleisteten Unterstützungen wenigstens zum Theil zu überweisen (§ 49). Die Auszahlung der Renten erfolgt vorschußweise durch die Post (§ 123); die Vertheilung der Renten auf die daran betheiligten Träger der Versicherung und die Erstattung der vorgeschossenen Beträge erfolgt durch Vermittelung der zu diesem Zweck tm ReichsVersicherungsamt errichtetenRechnungsstelle (früher Rechnungsbureau genannt), § 124. Die Invalidenrente kann entzogen werden, wenn deren Empfänger nicht mehr erwerbsunfähig ist (§ 47) ; in gewissen Fällen ist ein Ruhen der Rente und dem­ gemäß die Einstellung der Rentenzahlungen vor­ geschrieben (§ 48). In einigen Fällen, in denen es zur Gewährung einer Rente auf Grund dieses Gesetzes nicht kommt, ist die Hälfte der Beiträge zurückzuzahlen. Dies geschieht bei weiblichen Versicherten, sofern sie in die

XLIV

Einleitung.

Ehe treten (§ 42), Beim Tode versicherter, sofern sie eine Wittwe oder in deren Ermangelung Kinder unter 15 Jahren hinterlassen (§ 44), sowie dann, wenn ein Versicherter durch Unfall invalid wird, hierfür eine Unfallrente erhält und dann des Anspruches auf In­ validenrente verlustig geht (§ 43). Im Uebrigen findet eine Beitragserstattung nicht statt. Die M i 11 e l zur Gewährung dieser Leistungen werden vom Reich (durch den Reichszuschuß; ferner durch die antheilige Uebernahme der Renten, soweit sie für die Zeit militärischer Dienstleistungen zu gewähren sind; endlich durch die Mitwirkung der Post und des Reichs-Versiche­ rungsamts). von den Arbeitgebern und von den Versicherten aufgebracht. Arbeitgeber und Versicherte haben laufende, für beide Theile gleich hohe Beiträge für jede Woche zu entrichten (§27), in welcher thatsächlich eine Beschäftigung stattgefunden hat. Die Beiträge sind im vollen Betrage vom Arbeitgeber bei der Lohnzahlung vorzuschießen (Ausnahmen für unständige Arbeiter vgl. §§ 144, 151 Ziffer 2); die auf den Versicherten entfallende Hälfte darf der Arbeit­ geber vom Lohn desselben kürzen (§§ 140, 141). Die Höhe der Beiträge ist unter Beseitigung deS bisherigen Kapitaldeckungsverfahrens nach Perioden nach dem Prämiensystem berechnet (§ 32), deckt deshalb die Kapitalwerthe der Renten und der An­ wartschaften auf Rente und ist (vorbehaltlich gelegent­ licher Revisionen) einer späteren Steigerung nicht

unterworfen. aus

den

Der besondere Reservefonds neben den

Beiträgen

ist fortgefallen.

angesammelten Prämienreserven

Die Beiträge werden für alle An­

stalten einheitlich durch den Bundesrath festgesetzt; bis auf Weiteres bestimmt das Gesetz selbst ihre Höhe und zwar auf dieselben Sätze, die bereits bisher galten; eine Veränderung dieser Sätze bedarf der Zustimmung des

Reichstags.

ferner

Zu

entrichten sind

vom Arbeitgeber und

dem

hiernach

auch

Versicherten zu­

sammen wöchentlich in Lohnklasse I

... 14 Pf.

» ,

II III

... 20 ... 24

, ,

*

IV

... 30



. V ... 36 „ und zwar für alle Versicherten ohne Rücksicht auf Lebensalter, Gesundheitsverhältnisse 2c. in gleicher Höhe. Die Durchführung der Versicherung erfolgt durch besondere, lediglich (§ 68 Abs. 4) für den bezeichneten Zweck bestimmte territoriale Versicherungs­ anstalten, 31 an der Zahl, deren Bezirke im Allge­ meinen an die weiteren Kommunalverbände (Provinzenrc.) oder an das Gebiet einzelner Bundesstaaten angelehnt sind (§ 65 Abs. 1), z. Th. aber auch mehrere Kom­ munalverbände oder Bundesstaaten umfassen (gemein­ same Versicherungsanstalten, § 65 Abs. 2).

Ihre Er­

richtung erfolgt durch die Landes-Zentralbehörde (§ 65

Abs. 1) mit Genehmigung oder auf Anordnung des Bundesraths (§ 66). Neben diesen Versicherungs­ anstalten treten als gleichberechtigte Träger der In­ validenversicherung 9 vom Bundesrath zugelassene besondere Kasseneinrichtungen (§§ 8 fg.) für die großen fiskalischen Eisenbahnverwaltungen und einzelne Knappschaften; auch ist der für die Unfall­ versicherung der Seeleute errichteten See-Berufs­ genossenschaft unter gewissen Voraussetzungen das Recht eingeräumt, mit Genehmigung des Bundes­ raths und bei gleichzeitiger Errichtung einer Wittwenund Waisenfürsorge die Invalidenversicherung für alle oder einzelne zu ihrer Genossenschaft gehörende Be­ triebe ihrerseits durchzuführen und für letztere zu diesem Zweck ebenfalls eine besondere Kaffeneinrichtung zu er­ richten (§ 11). In den einzelnen Versicherungsanstalten sind im Allg. alle Personen versichert, deren Beschäftigungs­ ort im Bezirk der Versicherungsanstalt liegt (§ 65 Abs. 3). Die Versicherungsanstalt hat juristische Persönlichkeit (§68) und Selbstverwaltung nach Maßgabe eines von ihr selbst errichteten, von dem Reichs- (Landes-) Versicherungsamt genehmigten Statuts (§§ 70, 72). Mehrere Versicherungs­ anstalten können miteinander zu einem Rückversicherungs-Verbände zusammentreten (§ 99). Im klebrigen stehen alle Träger der Versicherung unter einander in einem Kartellverhältniß, derart,

xLvn

Einleitung.

daß

sie die Grundbeträge aller am 1. Januar 1900

laufenden und von da ab entstehenden Renten, sowie 3/4 aller Altersrenten aus einem Gemeinvermögen, dem jede Anstalt 40 Prozent der ihr vom 1. Januar 1900 ab zufließenden Beiträge tragen,

während

jeder

zuführt,

Träger die

gemeinsam

Steigerungssätze

der Invalidenrente und die sonstigen Aufwendungen aus den ihm verbleibenden 60 Prozent der Beiträge, die sein Sondervermögen bilden, nach Verhältniß der von den betr. Versicherten ihm zugeflossenen Bei­ träge zu übernehmen hat (§§ 33, 125, 126). Die Organe der Versicherungsanstalt sind der V o r stand, an dessen Spitze mindestens ein Staats- oder Kommunalbeamter steht und dem im Uebrigen Vertreter der Interessenten angehören (§ 47), sowie ein Ausschuß der Interessenten (Generalversammlung). Die Novelle.hat aber für eine erhebliche Dezentrali­ sation der Geschäfte Sorge getragen und zu dem Zwecke in einem besonderen Abschnitt IIA die Mit­ wirkung der unteren Verwaltungsbehörde ge­ regelt. Dieser steht die Vorbereitung und Begutachtung der Anträge auf Renten

oder Beitragserstattungen

sowie der Entziehung von Invalidenrenten und der Einstellung von Rentenzahlungen, ferner die Benach­ richtigung des Vorstandes von Fällen, in denen eine Krankenpflege angezeigt erscheint, sowie die Auskunftsertheilung in allen auf die Invalidenversicherung sich beziehenden Angelegenheiten

zu

(§ 57).

An

ihrer

Stelle können durch die Versicherungsanstalt oder im Fall des geschäftlichen Bedürfnisses durch die LandesZentralbehörde besondere Rentenstellen,als Organe der Versicherungsanstalten unter einem von dem weiteren Kommunalverbande oder der Landesbehörde ernannten Vorsitzenden (§ 81) errichtet werden (§79); diesen Rentenstellen können dann auch die Beitragskontrole sowie andere Obliegenheiten übertragen werden (§ 80), insbesondere auch die selbständige Beschluß­ fassung über Rentenanträge u. s. w. an Stelle des Anstaltsvorstandes (§ 86). Den unteren Verwaltungsbehörden sowie den Rentenstellen müssen Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten beigegeben werden, die in den wichtigeren Fällen vor Abgabe des Gutachtens in mündlicher Verhandlung zugleich mit dem Renten­ bewerber zuzuziehen sind (§§ 59, 84). Diese Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten werden durch die Vorstände der organistrten Krankenkassen und kleiner eingeschriebener Hülfskassen unter Mit­ wirkung der unteren Verwaltungsbehörden oder Ge­ meinde-Krankenversicherungen gewählt (§§ 62, 82) und wählen dann ihrerseits die Mitglieder des Aus­ schusses der Versicherungsanstalt (§ 76); letzterer wählt die nichtbeamteten Mitglieder des Vorstands sowie die Beisitzer der Schiedsgerichte (§ 71 Abs. 1 Ziffer 2, § 104 Abs. 3). Für die Versicherungsanstalt wird mindestens ein

Einleitung.

XLIX

Schiedsgericht (§ 103) errichtet; die Schiedsgerichte sind den für die Durchführung der Unfallversicherung errichteten Schiedsgerichten nachgebildet und wie letztere dazu bestimmt, Berufungen gegen die Ent­ scheidungen der Vorstände über Bewilligung von Renten oder Rückzahlung von Beiträgen zu entscheiden. Den Abschluß der Organisation bildet, wie bei der Unfallversicherung, das Reichs- (bezw. Landes-) Versicherungsamt (§§ 108, 111), das die Auf­ sicht über die Versicherungsanstalten führt; Rechts­ mittel gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte sind jedoch nur bei Rechtsverletzung, bei Verstößen wider den klaren Inhalt der Akten oder bei wesent­ lichen Mängeln des Verfahrens zulässig (Revision, § 116) und gehen ausschließlich an das ReichsVerstcherungSamt (§ 111). ' Der bisher vorgesehene Staatskommissar ist ebenso fortgefallen wie die be­ sonderen Vertrauensmänner der Versicherungsanstalten. Die Beiträge werden in der Art erhoben, daß ein nach der Beschäftigungsdauer und der betr. Lohnklasse (§ 34) zu berechnender Betrag von M a r ke n (§ 130), welche die Versicherungsanstalt des Beschäftigungsorts in verschiedenen vom Reichs-Versicherungsamt fest­ zustellenden Appoints auszugeben hat und welche bei den Postanstalten und besonderen Markenverkaufsstellen käuflich zu haben sind, in eine Ouittungskarte des Versicherten (§ 131) eingeklebt wird. Dabei ist die Entwerthung durch Eintragung des Datums gestattet, v. Woedtke, Jnvalidenversicherungsgesetz.

d

aber im Allgemeinen bisher nicht vorgeschrieben; doch sollen nach der 9toveHe Marken für mehr als 3 Wochen jedenfalls entwerthet werden (§ 141). Die Quittungs­ karte ist jedesmal für diejenige Versicherungsanstalt auszustellen, in welcher der Versicherte seine erste Beschäftigung gehabt hat (§ 133). Die Verwendung der Marken liegt nach der gesetzlichen Regel dem Arbeitgeber ob (§ 141), kann jedoch auch Krankenkassen oder besonderen Hebe stellen über­ tragen werden (Einziehungsverfahren, § 148). Die Quittungskarten werden behördlich (§ 134) oder durch die die Beiträge einziehenden Krankenkassen und Hebe­ stellen (§ 151) ausgestellt und, sobald sie voll sind, auf Antrag des Inhabers aber auch früher, umgetauscht; dabei wird die zum Umtausch gelangende Karte auf­ gerechnet und über die Schlußsumme dem Inhaber eine Bescheinigung ertheilt (§ 134). Die gefüllten Karten werden derjenigen Versicherungsanstalt zugeführt, deren Namen sie tragen (für welche also die erste Karte deS betr. Versicherten ausgestellt war), und hier aufbewahrt; doch darf die Versicherungsanstalt den Inhalt sämmt­ licher Quittungskarten desselben Versicherten in Sammelkarten (Konten) übertragen und diese statt der zu vernichtenden Einzelkarten aufbewahren (§§ 133, 138). Ouittungskarten, welche irgend welche mit den Zwecken dieses Gesetzes nicht vereinbare Ein­ tragungen oder Vermerke, insbesondere Urtheile über die Führung oder die Leistungen deS Inhabers tragen,

werden eingezogen und umgetauscht (§ 139); die Eintragung solcher Vermerke ist straffällig (§ 184); die Ouittungskarte soll kein Arbeitsbuch s ein. Anträge auf Rentenbewilligung sind an die untere Verwaltungsbehörde oder Rentenstelle des Wohnodec Beschäftigungsorts zu richten (§ 112) und hier sorgfältig mit dem Antragsteller sowie unter Umständen unter Mitwirkung der für diesen Zweck gewählten Laienbeisitzer (vgl. oben) zu erörtern (§ 59). Die Ver­ handlungen sind sodann mit gutachtlicher Aeußerung dem Vorstande derjenigen Versicherungsanstalt einzusenden, welche für den Bezirk der betr. unteren Verwaltungs­ behörde oder Rentenstelle zuständig ist (§ 112). Dieser Vorstand befindet über den Antrag vorbehaltlich der Berufung an das Schiedsgericht und der Revision 'an das Reichs-Versicherungsamt (vgl. oben). Bewilligte Renten werden von der Post vorschußweise gezahlt (§ 123), durch die Rechnungsstelle des ReichsVersicherungsamts auf das Reich, das Gemein­ vermögen aller Anstalten und auf das Sondervermögen derjenigen Anstalten, zu denen für den Versicherten im Laufe seines Verstcherungsverhältnisses Beiträge entrichtet sind, vertheilt (§ 125), und der Post nach Ablauf des Rechnungsjahres von den Versicherungs­ anstalten in dem durch die Rechnungsstelle mit­ getheilten Betrage nach näherer Bestimmung der §§ 125, 126 in ganzer Summe erstattet.

LII

Einleitung.

Zürn Schluß dieser Darstellung rnöchte der Verfasser darauf Hinweisen, daß er zur thunlichsten Abhilfe der zumeist unberechtigten Klagen über dasM a rk ensy st em, welches dem Gesetz die Bezeichnung „Klebegesetz" ein­ getragen hat, von jeher gerathen hat, überall da von der Befugniß des § 148 Gebrauch zu machen, also das Klebegeschäft den einzelnen Arbeitgebern abzunehmen und auf Krankenkassen u. s. w. zu übertragen, wo dies den Wünschen der Arbeitgeber entspricht. Für ständige Arbeitsverhältnisse hat sich dies Verfahren, welches zudem die Invalidenversicherung in ihrer Organisation an die Krankenversicherung annähert, durchaus bewährt. Die verhältnißmäßig geringen, durch das Einzugs­ verfahren bedingten Mehrkosten fallen gegenüber der größeren Zufriedenheit, die dann entstehen wird, und gegenüber der Erleichterung der Arbeitgeber von mancher Mühewaltung nicht ins Gewicht. Im Nebrigen gelten die nachstehenden Schlußworte, welche der Verfasser bei der ersten Auflage der Einleitung beigegeben hat, noch jetzt in vollem Umfange: „Möchte bei der Durchführung der Bestimmungen des Gesetzes größere Einheit herrschen, als bei deren Berathung, möchte vor allen Dingen der Wille, trotz mancher Unbequemlichkeiten und Kosten den von dem Gesetz gewiesenen, vor der Hand als besten erkannten Weg mit Ernst und Entschlossenheit zu verfolgen, nicht vermißt werden! Möchte man sich immer gegen­ wärtig halten, daß neue organische Einrichtungen so-

lange, bis sich die Betheiligten in die neuen Ver­ hältnisse und Aufgaben eingelebt haben, Unbequemlich­ keiten mancher Art nothwendig mit sich bringen müssen. Möchte man nicht vergessen, daß Jeder, welcher der Allerhöchsten Botschaft vom 17. November 1881 seiner Zeit zugejubelt und damit die darin bekundete hoch­ sinnige Absicht des in Gott ruhenden Begründers des Deutschen Reichs, dem Arbeiter bei Alter und Invali­ dität ein größeres Maß staatlicher Fürsorge zuzuwenden, zu der eigenen gemacht hat, nun auch bereit sein muß, die mit einer solchen Maßregel unabweisbar verknüpften Kosten und Unbequemlichkeiten zu übernehmen! Möchte man nicht vergessen, daß bei einer Maßregel, bei welcher der Orts- und Berufswechsel der Arbeiter eine so große Rolle spielt wie bei der Invalidenversicherung, die besonderen Verhältnisse des einzelnen Berufszweiges nicht ausschlaggebend sein können, sondern daß ein Weg ßefunben werden mußte, der den verschiedenen Verhältnissen auch der übrigen Berufszweige sich anpaßt! Dann wird auch diesem Gesetz der gute Erfolg, den die vorangegangenen Gesetze über Kranken­ versicherung und über Unfallversicherung aufzuweisen haben, nicht fehlen, und dann erst wird dies Ver­ nt ächtniß des Hochseligen Kaisers Wilhelm I. wahrhaft erfüllt werden. Unserer Aller Pflicht ist es, Jeder an seinem Theil dazu mitzuwirken. Wohlan, versäume Keiner diese Pflicht! Und Cöott nefce das Gelingen!"

Bekanntmachung des Tertes des Invalidenversichernngsgesehes vom 13. Juli 1899.

Vom 19. Juli 1899. (Reichs-Gesetzbl. von 1899, Nr. 34, S. 463 bis 531.) Auf Grund der im §. 163 Abs. 3 des Jnvalidenversicherungsgesetzes vom 13. Juli 1899 ertheilten Er­ mächtigung wird der Text des Jnvalidenversicherungsgesetzes unter fortlaufender Numnierfolge der Para­ graphen nachstehend bekannt gemacht. Berlin, den 19. Juli 1899. Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Graf von Posadowsky.

Invali-enversichernngsgefth. I. Umfang «nd Gegenstand der Versichern«-. §. i.

vrrstchrrungspflicht. Nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes werden vom vollendeten sechzehnten Lebensjahre ab versichert: 1. Personen, welche als Arbeiter, Gehülfen, Gev.Woedtke, Jnvattdenversicherungsgesetz.

l

sollen, Lehrlinge oder Dienstboten gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt werden; 2. Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker, Handlungsgehülfen und -Lehrlinge (ausschließlich der in Apotheken beschäftigten Gehülfen und Lehrlinge), sonstige Angestellte, deren dienstliche Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, sowie Lehrer und Erzieher, sämmtlich sofern sie Lohn oder Gehalt beziehen, ihr regelmäßiger Jahres­ arbeitsverdienst aber zweitausend Mark nicht übersteigt, sowie 3. die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Per­ sonen der Schiffsbesatzung deutscher See­ fahrzeuge (§. 2 des Gesetzes vom 13. Juli 1887, Reichs-Gesetzbl. S. 329) und von Fahr­ zeugen der Binnenschiffahrt, Schifsssührer jedoch nur dann, wenn ihr regelmäßiger Jahresarbeits­ verdienst an Lohn oder Gehalt zweitausend Mark nicht übersteigt. Die Führung der Reichsflagge auf Grund der gemäß Artikel II §. 7 Abs. 1 des Gesetzes vom 15. März 1888 (ReichsGesetzbl. S. 71) ertheilten Ermächtigung macht das Schiff nicht zu einem deutschen Seefahrzeug im Sinne dieses Gesetzes. § 1 Ges. v. 1889; § 1 d. Eutw.; § 1 Ges. v. 1899.

Zu 8 ll. Der Eingang des Gesetzes vom 13. Juli 1899 (R.G.Bl. von 1899 Nr. 33 S. 393 bis 462) lautet:

§ 1.

Versicherungspflicht.

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Jnoalidenversicherungsgesetz. Vom 13. Juli 1899. „Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: An die Stelle des Gesetzes, betreffend die Jnvaliditäts- und Altersversicherung, vom 22. Juni 1889 (R.G.Bl. S. 97) und des Gesetzes, betressend die Abänderung des § 157 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes, vom 8. Juni 1891 (R.G.Bl. S. 337) treten die nachstehenden Bestimmungen." Auf Grund der im § 194 Abs. 3 Satz l dieses Gesetzes ertheilten Ermächtigung: „Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Text des Jnvalidenversicherungsgesetzes unter fortlaufender Nummern­ folge der Paragraphen durch das Reichs-Gesetzblatt bekannt zu machen" hat der Reichskanzler durch die vorstehend am Kopf abgedruckte Be­ kanntmachung vom 19. Juli 1899 (R.G.Bl. S. 463) den jetzigen Wort­ laut des Jnvalidenversicherungsgesetzes, wie er hier abgedruckt wird, bekannt gemacht. 2. Der bisherige Titel: „Gesetz, betreffend die Jnvaliditäts- und Altersversicherung" ist durch bie Novelle in den kürzeren Titel „Jnoalidenversicherungsgesetz" umgewandelt worden, nicht nur um einen kürzeren Ausdruck einzltführen, foubcnt auch um schon durch den Titel zum Ausdruck zu bringen, daß die Invalidenversicherung weitaus das wichtigere im Gesetz bildet und die Altersversicherung, die allerdings während der ersten Jahre der Geltung des Gesetzes (insbesondere wegen der Uebergangsbestimmungen, die für sämmtliche damals noch vertretenen Jahrgänge über 70 Lebensjahre auf einmal und ohne nennenSwerthe Gegenleistung die Altersrente gewähren ließen) eine erhöhte Bedeutung besaß, durchaus zurücktritt. Im Gesammteffekt und Durchschnitt wird die Invalidenversicherung etwa 80 Prozent, die Altersversicherung etwa 8 Prozent der Be­ lastung aus diesem Gesetz beanspruchen. Trotz des gekürzten Titels

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I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

bleibt natürlich auch die Altersversicherung ein wichtiger Gegenstand des Gesetzes, der um so wichtiger ist, als für bte Altersrente nach wie vor besondere Voraussetzungen, eine besondere Berechnung und besondere Uebergangsbestimmungen bestehen. 3. Aenderungen, die die Novelle gebracht hat: a) den Betriebsbeamten sind, entsprechend der Ueberschrift zu Titel VII der Gewerbeordnung, die Werkmeister und Techniker ausdrücklich gleichgestellt worden, 1>) Lehrer und Erzieher, sowie sonstige Angestellte, deren dienstliche Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, sind mit derselben Maßgabe wie die Betriebsbeamten für ver­ sicherungspflichtig erklärt worden, c) die Versicherungspflicht der besoldeten Schiffssührer ist entsprechend der Verstcherungspflicht der Betriebsbeamten auf Personen bis zu 2000 Mark Verdienst beschränkt worden. 4. Was die Lehrer und Erzieher anbelangt, so handelt es sich bei deren Unterstellung unter die Verstcherungspflicht um eine Ausnahme von dem allgemeinen, im Uebrigen auch von der Novelle beibehaltenen Grundsatz, daß „der Versicherungspflrcht im Allgemeinen solche Personen entzogen sind, welche nicht vorwiegend körperlich arbeiten, sondern sich einer ihrer Natur nach höheren, mehr geistigen (wissenschaftlichen, künstlerischen u. s. w.) Thätigkeit widmen" (Mot. Nov. S. 240). Die Ausnahme ist begründet durch das Bedürfniß und den dringend heroorgetretenen Wunsch weiter Kreise der be­ theiligten Lehrer. Sie umfaßt im Grundsatz sämmtliche, sowohl technische wie wissenschaftliche Lehrkräfte, mögen sie an Anstalten oder Schulen angestellt, oder für den Haushalt angenommen sein oder aus dem Geben einzelner Stunden ein Gewerbe machen, sofern sie Lohn oder Gehalt beziehen und ihr Jahresverdienst 2000 Mark nicht übersteigt. ES bestehen jedoch folgende Ausnahmen: l. Versicherungsfrei sind kraft Gesetzes a) Lehrer und Erzieher an öffentlichen Schulen oder Anstalten, sobald ihnen auf Grund der Anstellung die Anwartschaft auf Pension zusteht, oder solange sie vor

8 l.

Versicherung-pflicht.

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ihrer Anstellung erst noch zur Ausbildung beschäftigt werden (s. § 5 Abs. 1), (wie bei Staats- und Kommunalbeanrten), b) Personen, welche Unterricht ertheilen während ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für ihren künftigen Lebens­ beruf (z B. Studenten), (§ 5 Abs. 3). 2. Als versicherungsfrei können durch Beschluß des B und er­ rath s erklärt werden Lehrer und Erzieher an nicht öffent­ lichen Schulen oder Anstalten, sofern sie Anwartschaft auf Pension haben (§ 7). 3. Auf ihren Antrag sind von der Dersicherungspflicht zu befreien Personen, welche als ehemalige Lehrer oder Er­ zieher an öffentlichen Schulen ober Anstalten Pension beziehen (§ 6) ; durch Beschluß des BundeSraths kann diese Ausnahme auch auf ehemalige Lehrer und Erzieher an nicht öffentlichen Schulen oder Anstalten erstreckt werden (§ 7). Zum freiwilligen Eintritt in die Versicherung (§ 34 Abs. 1) sind Lehrer und Erzieher unter 40 Jahren berechtigt, wenn ihr Gehalt zwischen 2000 und 3000 Mark beträgt. Dersicherungspflichtige Lehrer und Erzieher sind mindestens in der 4. Lohnklasse zu versichern (§ 34 Abs. 2 am Schluß); die Beiträge zahlt zur Hälfte (als Arbeitgeber) der Schulvorstand oder Haus­ haltungsvorstand und, wo es sich um einzelne Unterrichtsstunden in verschiedenen Häusern oder in der eigenen Wohnung handelt, der­ jenige, von welchem der Lehrer in der betreffenden Arbeitswoche zuerst beschäftigt wird (§ 140 Abs. 2). Nach § 144 steht auch Lehrern wie anderen, insbesondere unständig beschäftigten Personen die Selbst­ entrichtung der Beiträge unter Vorbehalt des Rückgriffs auf den beitragspflichtigen Arbeitgeber zu. Mitglieder geistlicher Genossenschaften, welche' sich der Lehrthätigkeit widmen, unterliegen der Versicherungspflicht nicht, weil sie für diese Thätigkeit kein Gehalt beziehen (Mot. z. Nov. S. 242). 6. „Sonstige Angestellte", die die Novelle neben den „Betriebsbeamten" für versicherungspflichtig erklärt, umfaßt alle HülfSperfonen eines Arbeitgebers, die im Haushalt oder bei sonstigen Der-

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I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

richtungen, sowie solche nicht pensionsberechtigten Kommunalbeamten, die nicht gerade im Betrieb (z. B. einer städtischen Sparkasse) d. h. in einem Inbegriff fortdauernder wirthschaftlicher Thätigkeiten, sondern bei der regiminellen Thätigkeit (z. B. an der Stadtkasse) beschäftigt werden Ihre Grenze findet deren Verstcherungspflicht in den Be­ stimmungen der §§ 3 bis 7. Insbesondere gehören hierher alle Hausbeamten, Hausdamen, Gesellschafterinnen, Stützen, Privatsekretäre und ähnliche Hülfskräfte des Haushalts in einer über den Stand der Dienstboten hinausragenden Stellung, die nach ihrer Stellung im Haushalt den BetnebSbeamten im gewerblichen Betriebe nahe stehen. Auch die HülfSarbeiter der inneren Mission sind hier­ nach versicherungspflichtig, indem sie keine höhere, mehr wissenschaft­ liche Thätigkeit ausüben (Mot z. Nov. S. 239). Alle diese Personen sind versicherungspflichtig, sofern sie Lohn oder Gehalt, aber nicht mehr als 2000 Mark jährlich beziehen, und sofern ihre dienstliche Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet. Durch letztere Bestimmung sollen Zweifel ausgeschlossen werden, daß Fleischbeschauer, Gemeindeschreiber u. a, bie nur nebensächlich in den Gemeinden beschäftigt werden, die Grundlage ihrer wirthschaftlichen Existenz aber in einer anderen öffentlichen oder privaten Thätigkeit finden, der Versicherungspflicht nicht unterliegen (Mot. z. Nov. S. 240). 6. Das Gesetz ist, wie die Gesetze über Kranken- und Über Unfall­ versicherung, in erster Reihe für die auf ihrer Hände Arbeit an­ gewiesenen Personen der arbeitenden Klassen und die niederen Betriebsbeamten bestimmt. Diese unterliegen, sobald und solange sie gegen Lohn beschäftigt sind, kraft Gesetzes der Versicherungspflicht. Selbständige Betriebsunternehmer unterliegen der Versicherungs­ pflicht nicht; zu diesen gehören auch selbständige Dienstmänner, Fremdenführer u. s. w. Die Wäscherinnen, Schneiderinnen, Näherinnen, Plätterin nen werden nach den hierüber getroffenen Bestimmungen (vgl. v. Woedtke, Nachtrag z. Kommentar Anlage I) dann als selbständige Betriebsunternehmer'mnen behandelt und des­ halb nicht versichert, wenn sie in der eigenen Behausung thätig sind;

§ 1. Versicherungspflicht.

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sie gelten dagegen als versicherungsPflichtige Arbeiterinnen, sofern sie in den Wohnungen ihrer Kunden arbeiten, „von Haus zu Haus gehen". Durch den Bundesrath kann die Dersicherungspflicht auf kleine Be­ triebsunternehmer und Hausgewerbetreibende erstreckt werden. Eine Erstreckung auf selbständige Betriebsunternehmer ist bisher nicht erfolgt; wegen der Hausgewerbetreibenden vgl. Anm. 4 zu § 2; wegen der Lehrer und Erzieher vgl. Anm. 2, 3. Ausnahmen von der Versicherungspflicht enthält bas Gesetz in § 3 Abs. 2, 88 4,5. Ausgenommen sind nämlich traft Gesetzes a) alle mit Pensionsanwartschaft angestellten Beamten des Reichs, der Bundesstaaten und der Kommunalverbände (§ 5 Abs. l), sowie unter gleicher Voraussetzung bte Beamten der Träger der Invalidenversicherung (Versicherungsanstalten, zugelassene besondere Kasseneinrichtungen, § 5 Abs. 2); b) alle dienstlich als Arbeiter verwendeten Personen des Sol­ datenstandes (§ 6 Abs. 3); c) Personen, welchen auf Grund dieses Gesetzes eine Invaliden­ rente bewilligt ist (§ 5 Abs. 3); d) alle Personen, welche bereits als Invaliden anzusehen sind (§ 6 Abs. 4); e) alle Personen, deren Lohn ausschließlich in freiem Unterhalt besteht (§ 3 Abs. 2). Ausnahmen können ferner begründet werden durch den Bundes­ rath, und zwar für f) vorübergehende Dienstleistungen (8 4 Abs. l); g) Dienstleistungen von Ausländern, welchen der Aufenthalt im Inlands nur zeitweise gestattet ist (8 4 Abs. 2); h) mit Penstonsanwartschaft angestellte Beamte von „andern" öffentlichen Verbänden (d. h solchen öffentlichen Verbänden, die nicht Reich, Bundesstaat, Kommunalverband, Versicherungs­ anstalt, zugelassene besondere Kasseneinrichtungen sind, § 6), oder von Körperschaften (8 7). Endlich kennt das Gesetz Befreiungen einzelner nur kurze Zeit im Jahr beschäftigter Personen auf ihren Antrag (§ 6).

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I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

Außer der Versicherungspflicht kennt das Gesetz sodann eine frei­ willige Versicherung (8 14) und zwar in doppelter Form, nämlich: a) als freiwilligen Eintritt in die Versicherung (Selbstversicherung) für Betriebsbeamte re, Lehrer und Erzieher zwischen 2000 und 3000 Mark Jahresarbeitsverdienst, für Betriebsunternehmer, welche nicht regelmäßig mehr als zwei versicherungspflichtige Lohnarbeiter beschäftigen, und für Haus­ gewerbetreibende, d) als freiwillige Fortsetzung der Versicherung (Weiter­ versicherung) für Personen, welche aus einem die Ver­ sicherungspflicht begründenden Verhältniß (wegen Ausgebens einer versicherungspflichtigen Beschäftigung) ausscheid n. Die freiwillige Versicherung ist in einzelnen Beziehungen, ins­ besondere hinsichtlich der Wartezeit (§ 29), erschwert (vgl. auch § 132, wonach für Selbstversicherung eine besondere Quittungskarte vor­ geschrieben werden darf), während höhere Beiträge (Doppelmarken, Zusatzbeiträge) nach dem Inkrafttreten der Novelle nicht mehr er­ fordert werden. Ein nach § 46 bereits erloschenes Dersicherungsverhältniß kann in gleicher Weise erneuert werden (§ 14 Abs. 2, § 46 Abs. 4). 7. „Die Fassung des § l giebt dem in dem allgemeinen Theile der Begründung näher ausgeführten Gedanken Ausdruck, daß der Versicherungszwang auf die arbeitende Bevölkerung sämmtlicher BerufSzweige sich erstrecken soll. Demgemäß werden alle Personen, welche als Arbeiter oder in einer ähnlichen Stellung gegen Lohn thatsächlich beschäftigt sind, während der Dauer dieser Beschäftigung versichert sein. Die Ausdehnung der Versicherungs­ pflicht auf Betriebsbeamte, bereit regelmäßiger Jahresarbeits­ verdienst an Lohn oder Gehalt 2000 Mark nicht übersteigt, kann nach dem Gange der bisherigen Gesetzgebung einem Bedenken nicht begegnen" (Mot. S. 72). Den „Arbeitern" sind im Anschluß an die bisherigen sozialpolitischen Gesetze gleichgestellt: Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, außerdem aber auch die Dienstboten, welche nach dem Unfalloerstcherungdgesetz, so­ weit sie im Betriebe beschäftigt sind, als Arbeiter behandelt werden,

8 l. VerstcherungSpflicht.

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nach dem KrankenverstcherungSgefetz aber nicht; ferner die Besatzungen von See- und Binnenschiffen. Den „Betriebsbeamten" sind gleichgestellt die Handlungs­ geh Ulfen und -Lehrlinge, ausschließlich der ausdrücklich ausgenommenen Gehülsen und Lehrlinge in Apotheken, Werkmeister und Techniker, Lehrer und Erzieher (vgl. Anm 2, 3), Hausdamen, sonstige Angestellte. „Gehülfen" sind alle Hülfspersonen eines Arbeitgebers, deren Thätigkeit in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung derjenigen des Arbeiters, Gesellen oder Dienstboten im Allg. gleichsteht (R D.A.). Nach ähnlichen Gesichtspunkten entscheidet es sich, inwieweit Büreaubeamte, soweit sie nicht als Staatsbeamte rc. gemäß § 4 befreit sind, der Versicherungspflicht unterliegen. Personen im „höheren" Büreaudienst sind versicherungsfrei; Personen im niederen Büreaudienst dagegen sind versicherungspflichrig. Als Personen tut höheren Büreau­ dienst von Behörden gelten nur solche, welche einerseits von der Behörde als solcher angestellt sind, andererseits einer höheren Vor­ bildung bedürfen oder besondere Zuverlässigkeit erfordern oder deren Stellung mit einem gewissen Maß geschäftlicher Selbständigkeit und eigener Verantwortung verbunden ist. Vgl. v. Woedtke, Nachtrag z. Kommentar S. 6. Kindergärtnerinnen gelten als Gehülfen und sind daher versicherungspflichtig. 8. Während in den Gesetzen über Kranken- und Unfallversicherung einzelne Betriebskategorien angegeben werden, in denen die Arbeiter rc., um versicherungspflichtig zu sein, beschäftigt sein müssen, wird hier von der Bezeichnung irgend welcher Betriebe ganz abgesehen. Es sollen eben alle Arbeiter, Gehülfen rc. gegen Invalidität und Alter versichert werden, ohne Rücksicht auf ihre oft wechselnde Beschäftigungsart, und ohne Rücksicht darauf, ob sie in einem bestimmten „Betriebe" (vgl. Anm. 4) oder anderweitig beschäftigt sind. Versichert sind also z. B. auch die Heizer und Scheuerfrauen bei den Behörden. Das­ selbe gilt von den Privatschreiberu der Rechtsanwälte, Notare, Land­ räthe, Vermessungsbeamten u. s. w. wobei dahingestellt bleiben mag, ob diese Personen unter die „Gehülfen" der Ziffer 1 oder unter die „sonstigen Angestellten" der Ziffer 2 fallen.

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I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

9. Als Lohn und Gehalt gelten auch Tantiemen und Natural­ bezüge. Bloße Gewährung freien Unterhalts dagegen macht nicht versicherungspflichtig (§ 3). 10. Zur Schiffsbesatzung gehören alle im Dienst des Fahrzeugs beschäftigten Personen, einschl. des Schisfsführers. Ein Seefahr­ zeug ist nach 8 2 des See-Unfallvers.-Ges. v. 13. Juli 1887 (R.G.Bl. S. 329) „jedes ausschließlich oder vorzugsweise zur Seefahrt benutzte Fahrzeug"; als Seefahrt „gilt nicht nur der Verkehr auf See außer­ halb der durch § l der Vorschriften über die Registrirung und die Be­ zeichnung der Kauffahrteischiffe v. 13. Noo. 1873 (R 0.231. S. 367) fest­ gesetzten Grenzen, sondern auch die Fahrt auf Buchten, Haffen und Watten der See, nicht aber auf anderen mit der See in Verbindung stehenden Gewässern, auch wenn sie von Seeschiffen befahren werden" (§ 2 a. a. O.). Gewässer der letzteren Art gelten im Sinne der vor­ liegenden Gesetzgebung als Binnengewässer. Ein deutsches See­ fahrzeug ist im Allg. ein solches, welches unter deutscher Flagge fährt (§ 2 a. a. O). Auf die Größe des Fahrzeugs kommt es für das Gebiet des vorliegenden Gesetzes nicht an. Besondere Vorschriften für Seeleute vgl. in § 167. 11. Ausländer, welche im Inlands beschäftigt sind, unterliegen den Vorschriften dieses Gesetzes im Allg. ebenso wie den Vorschriften der Unfall- und der Krankenversicherungsgesetze. Besondere Bestimmungen für Ausländer siehe in § 26, sowie für gewisse Ausländer in § 4 Abs. 2. 12. Ueber die Versicherung?-(Beitrags-)Pflicht entscheiden während der Dauer der Beschäftigung gemäß § 166 im Einzelfall endgültig die Verwaltungsbehörden, doch sollen nach der Novelle Fragen von gruudsätzlicher Bedeutung dem Neichs-Vers.-Amt zur Entscheidung überwiesen werden, wenn dies von der Versicherungs­ anstalt beantragt wird (§ 156). Tritt bte Frage nach der Versiche­ rungspflicht erst im Rentenfeststellungsverfahren hervor, so wird sie in diesem von den für letzteres zuständigen Behörden entschieden. Für die nachgesetzliche Zeit sind die Entscheidungen der Ver­ waltungsbehörde über Versicherungspflicht maßgebend. Für die vor­ gesetzliche Zeit aber, d. h. für die Frage, ob eine vor dem Jnkraft-

treten des Gesetzes absolvirte Beschäftigung als eine die Versicherung bedingende anzusehen sei — hier handelt es sich insbesondere um Ansprüche in der Uebergangs-eit, §§ 189, 190 — gilt dies nicht; da wird über bie Frage der Versicherungspflicht endgültig von den Rentenfeststellungsbehörden, in letzter Instanz also vom Reichs-Versicher-ungsamt, entschieden. A N. 1891 S. 149, 1893 S. 48. Die bei Revisionsentscheidungen des R.VA. aufgestellten Rechtssätze werden dann bei den Entscheidungen gemäß § 166 zu beachten sein.

§. 2.

Durch Beschluß des Bundesraths kann die Vor- 1. schrift deö §. 1 für bestimmte Berufszweige allgemein oder mit Beschränkung auf gewisse Bezirke auch 1. auf Gewerbetreibende und sonstige Betriebsunter­ nehmer, welche nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter beschäftigen, sowie 2. ohne Rücksicht auf die Zahl der von ihnen be­ schäftigten Lohnarbeiter auf solche selbständige Gewerbetreibende, welche in eigenen Betricbsstätten im Auftrag und für Rechnung anderer Gewerbetreibenden mit der Herstellung oder Bearbeitung gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt werden (Hausgewerbetreibende), erstreckt werden, und zwar auf letztere auch dann, wenn sie die Roh - und Hülfsstoffe selbst beschaffen, und auch für die Zeit, während welcher sie vorübergehend für eigene Rechnung arbeiten. Durch Beschluß des Bundesrathö kann bestimmt 2. werden, 1. daß und inwieweit Gewerbetreibende, in deren

12

I. Umfang und Gegenstand der Verstcherung.

Auftrag und für deren Rechnung von Haus­ gewerbetreibenden (Abs. 1 Ziffer 2) gearbeitet wird, gehalten sein sollen, rückstchtlich der Haus­ gewerbetreibenden und ihrer Gehülfen, Gesellen und Lehrlinge die in diesem Gesetze den Arbeit­ gebern auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen,

2. daß und inwieweit Gewerbetreibende, in deren Austrage Zwischenpersonen (Ausgeber, Faktoren, Zwischenmeister re.) gewerbliche Erzeugnisse her­ stellen oder bearbeiten lassen, gehalten sein sollen, rücksichtlich der von den Zwischenpersonen hierbei beschäftigten Hausgewerbetreibenden (Abs. 1 Ziffer 2) und deren Gehülfen, Gesellen und Lehrlinge die in diesem Gesetze den Arbeitgebern auferlegten Ver­ pflichtungen zu erfüllen. § 2 Ges. v. 1889; tz 2 d. Entw.; §2 Ges. v. 1889. Zu 8 2. 1. Aenderungen durch die Novelle: a) die Beschlusse des Bundesraths über Erstreckung der Ver­ sicherungspflicht brauchen nicht mehr, rote bisher, für den ganzen Umfang des Reich«, sondern lömtett auch für bestimmte kleinere Bezirke ergehen; d) für Hausgewerbetreibende, die nicht direkt sondern nur in­ direkt von dem Großhändler, direkt aber von Zwischenpersonen (Zrotschenmeistern u. s. ro) beschäftigt werden, sowie für die Hülfspersonen dieser Hausgewerbetreibenden kann der Großhändler beitragspflichtig gemacht werden. 2. Solange die in 8 2 bezeichneten (kleinen) Betriebsunternehmer einschl. der Hausgewerbetreibenden (vgl. Anm. 4) der Versicherungd-

8 2. Dersicherungspflicht.

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Pflicht noch nicht unterworfen sind, haben sie das Recht zur freiwilligen Selb st Versicherung, sofern sie das 40. Lebensjahr noch nicht zurück­ gelegt haben und noch nicht invalid sind (§§ 14,146). Die Befugniß zur Selbstversicherung gilt aber nach der Novelle (§ 14 Abs. l Ziffer 2) für selbständige Detnebsunternehmer nicht nur dann, wenn sie nicht regel­ mäßig wenigstens einen, sondern auch dann, wenn sie nicht regel­ mäßig wenigstens zwei versicherungspslrchtige Lohnarbeiter beschäftigen. 3. Sobald Betriebsunternehmer auf Grund der Versicherungspflicht oder freiwillig versichert sind, haben sie auch den Anspruch auf den Reichszuschuß; die Verpflichtung, besondere Zusatzmarken zu entrichten, ist durch die Novelle beseitigt worden. An die Versicherungsanstalt müssen die in 8 2 bezeichneten Personen in der Regel die vollen Versicherungsbeiträge, also nicht nur den Antheil des Arbeitgebers, sondern auch den des Arbeitnehmers leisten, und zwar sowohl dann, wenn sie für versicherungs­ pflichtig erklärt worden sind, wie auch dann, wenn sie freiwillig ver­ sichern. Im ersteren Falle kann jedoch, soweit es sich um Haus­ gewerbetreibende handelt, die auf den Arbeitgeber entfallende Hälfte des Beitrages, sowohl für den Hausgewerbetreibenden selbst wie für dessen Hülfspersonen, dem den Hausgewerbetreibenden beschäftigenden Fabrikanten und zwar auch dann auferlegt werden, wenn letzterer die Hausgewerbetreibenden nur indirekt (durch Zwischenpersonen) be­ schäftigt (cf. Abs. 2 sowie Anm. 4). In den biSher erlasienen Be­ stimmungen ist den die Hausgewerbetreibenden direkt beschäftigenden Arbeitgebern diese Derpflichlmig thatsächlich auferlegt worden. Wegen Erhebung der Beiträge dieser Personen vgl. 8 143. 4. Die Definition der Hausgewerbetreibenden (Hausindustrie) ent­ spricht dem 8 2 Abs. l Ziffer 4 K.V.G. in der Fasiung der Novelle vom 10. April 1892; der Schlußsatz soll zu Gunsten der betr. Hausindustriellen etwaige Zweifel ausschließen (Mot. S. 74). H a u s i nd u st rie l l e bilden eine Zwischenstufe (Uebergang) zwischen unselbständigen Arbeitnehmern und den für eigene Rechnung arbeitenden Gewerbetreibenden. Von letzteren unterscheiden sie sich dadurch, daß Hausindustrielle nicht für sich für eigene Rechnung, sondern für andere Gewerbetreibende (Fabrikanten, Ladengeschäfte u. s. w.), in deren Auftrag und für deren

14

I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

Rechnung arbeiten. Sie arbeiten eben nicht, wie die eigentlichen selb­ ständigen Betriebsunternehmer, für Kunden auf deren direkte Be­ stellung oder zum Verkauf für eigene Rechnung, sondern haben bestellte Waare (meist Massenfabrikat) an andere Gewerbetreibende abzuführen, die sie ihrerseits weiterverarbeiten oder für eigene Rechnung verkaufen. Die Grenze ist oft flüssig und schwer zu finden. Noch schwieriger ist oft die Unterscheidung zwischen Hausgewerbetreibenden und solchen unselbständigen Arbeitern, die aus mehr zufälligen Gründen (Platz­ mangel oder dergl.) außerhalb der Betnebsstätte des Arbeitgebers beschäftigt werden (Heimarbeiter) und die natürlich der allg. Ver­ sicherungspflicht unterliegen müssen. Maßgebend ist die „Selbständig­ keit" des Hausgewerbetreibenden, und diese soll nach wiederholten grundlegenden Entscheidungen des N V.A. nicht in der wirthschaftlichen, sondern in der persönlichen Unabhängigkeit von dem Arbeit­ geber gefunden werden. „Der Hausgewerbetreibende bestimmt Anfang, Ende, Umfang und Reihenfolge der Arbeit selbst; er ist nach Annahme des Auftrags den weiteren Anordnungen und der Leitung des be­ stellenden Unternehmers bei Ausfilhrung der Arbeiten nicht unter­ worfen und kann sich durch Gehülfen vertreten lassen." 6. Die von Hausindustriellen gegen Lohn beschäftigten Gehülfen, Gesellen und Lehrlinge sind schon auf Grund des 8 l versicherungs­ pflichtig ; für sie müssen also von den Hausindustriellen als Arbeitgebern Beiträge entrichtet werden (§ 140). Der Bundesrath ist jedoch er­ mächtigt (Abs. 2), Anordnung zu treffen, daß der Gewerbetreibende (Fabrikant, Fabrikkaufmann, Handelsmann u. s. w.), in dessen Auftrag und für dessen Rechnung der Hausgewerbetreibende arbeitet, als Arbeitgeber nicht nur des letzteren, sondern auch seiner Gesellen rc. angesehen werden und demgemäß gehalten sein soll, für alle diese Per­ sonen den auf den Arbeitgeber entfallenden halben Beitrag zu leisten. Der Grund ist, daß der Gehülfe des Hausgewerbetreibenden indirekt gleichzeitig Hülfsperson des Fabrikanten ist. Von dieser Befugniß hat der Bundesrath bisher regelmäßig Gebrauch gemacht. 6. Bisher hat der Bundesrath nur die Hausgewerbetreibenden der Tabakfabrikation (Bek. v. 16. Dezember 1891, R.G.Bl. S. 396, s. Anhang), und zwar mit Wirkung vom 4. Januar 1892 ab.

8 3. VerficherungSpflicht.

15

sowie einen großen Theil der Hausgewerbetreibenden der Textil­ industrie, insbesondere die Hausweber (Bek. v. 1. März 1894,' R.G.Bl. S. 324, s. Anhang), und zwar mit Wirkung vom 1. Juli 1894 ab, der Versicherungspflicht unterworfen. Die Ausdehnung auf andere Zweige der Hausindustrie wird voraussichtlich erfolgen, sobald auf Grund der bisherigen Vorschriften Erfahrungen gesammelt sind. Auf andere kleine Betriebsunternehmer ist die Versicherungspflicht noch nicht erstreckt worden.

§• 3. Als Lohn oder Gehalt gelten auch Tantiemen und 1. Naturalbezüge. Für dieselben wird der Durchschnitts­ werth in Ansatz gebracht; dieser Werth wird von der unteren Verwaltungsbehörde festgesetzt. Eine Beschäftigung, für welche als Entgelt nur 2. freier Unterhalt gewährt wird, gilt im Sinne dieses Gesetzes nicht als eine die Versicherungspflicht be­ gründende Beschäftigung. § 3 Abs. 1, 2 Ges. v. 1889; § 3 Abs. 1, 2 d. Entw.; § 3 Ges. v. 1899.

Zu 8 3. 1. Aenderungen durch die Novelle: Der bisherige Absatz 3 ist als Absatz 1 in den § 4 übernommen worden. 2. Tantiemen und Naturalbezüge sollen nicht nach Durchschnitts­ preisen (vgl. § 3 Abs. l U.V.G.), sondern nach dem DurchschnittSwerth, den sie für den Versicherten darstellen, in Ansatz gebracht werden. Beides kann, braucht aber nicht zusammenzufallen. ES sollen nicht etwa der Pachtwerth gewisser, dem Arbeiter übungsgemäß als Bestandtheil des Lohnes gewährter Bezüge (Aecker, Viehweide, Gartennutzung rc.) in Anrechnung gebracht werden, sondern die wirk­ lichen Einnahmen, welche der Arbeiter aus der Nutzung derartiger

16

I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

Naturalien im Durchschnitt ziehen wird (Komm.-Der. S. 8, 101). Diese Vorschrift hat ihre Bedeutung sowohl für die Bemessung der Dersicherungspflicht von Betriebsbeamten (§ l), als namentlich auch für die Festsetzung des Durchschnittslohns land- und forstwirthschaftlicher Arbeiter, nach welchem sich, soweit sie nicht OrtsKrankenkassen rc. angehören, ihre Lohnklasie berechnet (§ 34 Abs. 2 Ziffer 2). Für die einzelnen Versicherten dagegen, deren Lohn nach dem für die Krankenversicherung bereits festgesetzten ortsüblichen Tagelohn gewöhnlicher Tagearbeiter oder nach einem bereits fest­ gesetzten Durchfchnittslohn der betr. Arbeiterkategorie in Betracht ge­ zogen wird, ist diese Bestimmumg ohne erhebliche Tragweite. 3. Tantiemen und Naturalbezüge stehen bei der Frage, ob statt des Durchschnittslohns der Jndimduallohn des einzelnen Versicherten für dessen Lohnklasie maßgebend sein soll, dem Baarlohn nicht gleich (§ 34 Abs. 4). 4. Bloße Gewährung freien Unterhalts, wie sie häufig bei Lehr­ lingen oder bei schwächlichen (jungen oder alten) Personen auf dem Lande vorkommt, soll die Beschäftigung um deswillen nicht ver­ sicherungspflichtig machen, weil dann der Arbeitgeber, der den ganzen Beitrag einzahlen muß, die auf den Arbeitnehmer entfallende Hälfte nicht würde wieder einziehen können, also genöthigt sein würde, den ganzen Beitrag allein zu tragen (Mot. S. 74). „Kostgeld", wie eS oft vom Meister dem Lehrlinge gewährt wird, ßilt nicht als freier Unterhalt; solcher Lehrling ist versicherungspflichtig (A.N. 1891 S. 64). Die in dem Betriebe oder in der Wirthschaft der Eltern beschäftigten Hauskinder erhalten ihren freien Unterhalt in der Regel nicht als „Entgelt" für ihre Arbeitsthätigkeit, sondern auf Grund des Famtlienverbandes bezw. auf Grund der elterlichen Alimentationspflicht. Hauskinder fallen hrernach nur dann unter die Versicherungspflicht, wenn sie, was nicht präsumirt werden kann und im einzelnen Fall nachzuweisen ist, für ihre den Eltern geleistete Hülfe von den letzteren wie Arbeiter bezahlt werden, einen „Entgelt für die Beschäftigung" erhalten. „Taschengeld" oder sonstige kleine Baarbeträge, die zur Befriedigung verschiedener kleiner Bedürfnisse neben den Naturalbezügen gewährt werden, können im Allgemeinen

nicht als Bezahlung für Arbeitsdienste angesehen werben. Durch Empfang von Taschengeld u. s. w., z. B. 24 Mark jährlich, wirb daher die Versicherungspflicht nicht begründet (A.N. 1891 S. 156, 1892 S. 120). 5. In den Fällen des Abs. 2 ist Selbstoersicherung gestattet (§ U Abs. l Ziffer 3), und zwar mit der Wirkung, daß der Arbeitgeber die Hälfte des Versicherungsbeitrags erstatten muß (§ 145 Abs. 2).

§. 4. Durch Beschluß des BundeSraths wird bestimmt, 1. inwieweit vorübergehende Dienstleistungen als versicherungs-slichtige Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes nicht anzusehen sind. Der Bundcsrath ist befugt, zu bestimmen, daß Aus- 2. länder, welchen der Aufenthalt im Jnlande nur für eine bestimmte Dauer behördlich gestattet ist und die »ach Ablauf dieser Zeit in das Ausland zurückkehren müssen, der VersicherungsPflicht nicht unterliegen. Sofern eine solche Bestimmung getroffen wird, haben Arbeitgeber, welche solche Ausländer beschäftigen, nach näherer Be­ stimmung des Reichs-Verffcherungsamts denjenigen Betrag an die Versicherungsanstalt zu zahlen, den sie für die Versicherung der Ausländer aus eigenen Mitteln würden entrichten müssen (§. 27 Abs. 3), wenn deren Versiche­ rungspflicht bestände. Abs. 1: §3 Abs. 3 Ges. v. 1889. Abs. 2 ist neu; § 3a Abs. 2, 3 d. Entw.; § 3a Ges. v. 1899.

Z« 8 4. l. Die Dauer der Beschäftigung ist in der Regel auf die Ver­ sicherungspflicht ohne Einfluß; auch vorübergehend beschäftigte Perv. W o e d t k e, Jnvalidenversicherungsgesetz. 2

18

I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

sotten sind im Allgemeinen versicherungspflichtig und ihre Beiträge sollen von demjenigen Arbeitgeber entrichtet und antheilig getragen werden, welcher diese Personen in der Kalenderwoche zuerst be­ schäftigt hat (§ 140 Abs. 2). Eine dem Krankenverstcherungsgesetz ana­ loge Bestimmung, nach welcher „Personen, deren Beschäftigung durch die Natur ihres Gegenstandes oder im voraus durch den Arbeits­ vertrag auf einen Zeitraum von weniger als einer Woche beschränkt ist", nicht dem gesetzlichen Versicherungszwang unterliegen, sondern nur dann versicherungspflichtig sein sollen, wenn die Versicherungs­ pflicht durch statutarische Bestimmung auf sie erstreckt ist (§ l Abs. l, cf. § 2 Abs. 1 Ziffer l K.V.G.), kennt das Jnvalidenversicherungsgesetz nicht. Jedoch ftnben sich Anklänge an diese Vorschrift in § 151 Abs. 1 Ziffer 2, eine Bestimmung, durch welche die Erhebung von Beiträgen bei solchen vorübergehend beschäftigten unständigen Arbeitern erleichtert werden soll. Außerdem ist durch die Novelle (§ 144) eine weitere Erleichterung insofern getroffen worden, als allgemein die Selbst­ entrichtung der Beiträge durch die Versicherten mit der Wirkung zu­ gelassen rst, daß letztere alsdann den Beitragsantheil des Arbeitgebers von letzterem sich erstatten lasten dürfen. Von dieser Ermächtigung werden zweckmäßig insbesondere die unständigen Arbeiter Gebrauch machen. 2. Es läßt sich nicht verkennen, daß ungeachtet dieser Erleichterungen die Durchführung der Versicherung, insbesondere die Erhebung von Bei­ trägen, bei unständigen, vorübergehend beschäftigten Personen vielfach besonders erschwert ist. „Denn hier handelt es sich häufig um nur stundenweise Beschäftigung, bei welcher die Arbeitgeber diese vorüber­ gehenden Hülfskräste nach Zahl und Personen oft nicht einmal kennen. Hierhin gehören -. B. vorübergehende Hülfsleistungen in der Ernte" (Mot. S. 76). Deshalb soll der Bundesrath, „da eine allgemeine gesetz­ liche Regelung solcher Verhältmffe schon wegen ihrer Mannigfaltigkeit und örtlichen Verschiedenheit sich als unausführbar erweist" (Mot. S. 76), für derartige vorübergehende Dienstleistungen Ausnahmen treffen dürfen. Von dieser Befugniß hat der BundeSrath Gebrauch gemacht; die betr. Bestimmungen sind durch die Bek. deS Reichskanzlers v. 27. November 1890 (Centr.Bl. S. 369), von Neuem auf-

8 4. Versicherungspflicht.

19

genommen in die Bek. v. 24. Dezember 1891 (R.G.Bl. S. 390), sowie durch die Bek. v. 24. Januar 1893 (R.G.Bl. S. 6) und v. 31. Dezember 1894 (R.G.Bl. S. 643) veröffentlicht (s. Anhang). In diesen Bestimmungen wird unterschieden zwischen solchen Personen, welche berufsmäßig Lohnarbeit überhaupt nicht verrichten (z. B. gelegentlich mit­ helfende Ehefrauen; kleine Landwirthe, welche in der Ernte gelegentlich Lohnarbeit leisten, ohne berufsmäßig auch sonst Tagelöhnerei zu betreiben) einerseits und eigentlichen Berufsarbeitern andererseits. Bei der ersteren Kategorie sind solche Arbeiten versicherungsfrei, die nur gelegentlich,-oder zwar regelmäßig aber nurnebenher und gegen nur geringfügiges Entgelt (z. B. J/3 des ortsüblichen Tagelohns, A.N. 1891 S. 54) geleistet werden; bei eigentlichen Berufs­ arbeitern sind nur Nebenarbeiten befreit, die sie ohne Unter­ brechung ihrer Hauptthätigkeit bei anderen Arbeitgebern nebenher verrichten. 3. Hierbei kann es sich übrigens immer nur um berufsmäßige Arbeit im fremden Betriebe, die aus mehr zufälligen Gründen, z. B. wegen nur vorübergehenden Bedarfs, auf nur kurze Zeit beschränkt ist, handeln. Dagegen sind solche schnell vorübergehende Verrichtungen, welche sich als Ausfluß eines auf wechselnde Dienstleistungen bei wech­ selnden Arbeitgebern sich erstreckenden selbständigen Gewerbebetriebes darstellen, z. B. die Thätigkeit selbständiger Dienstleute, Führer, Koffer­ träger re., überhaupt keine „Arbeit" im Sinne dieses Gesetzes; derartige Personen sind vielmehr selbständige Gewerbetreibende und deshalb vorbehaltlich der Vorschrift des § 2 der Versicherungspflicht nicht unterworfen. Dgl. Anm. l jit § l. 4. Personen, die auf Grund der nach 8 4 Abs l vom Bundes­ rath erlassenen Bestimmungen nicht versicherungSpflichtig sind, dürfen (ebenso wie in den Fällen des § 3 Abs. 2, vgl. Anm. 5 zu § 3) Selbstversicherung mit der Wirkung eingehen (8 14 Abs. 1 Ziffer 3), daß der Arbeitgeber die Hälfte des von ihm entrichteten Betrages erstatten muß (§ 145 Abs. 2). * 6. Ausländer sind im Grundsatz ebenso versicherungspflichtig wie Inländer; wegen „vorübergehender" Beschäftigung im Jnlande dürfen jedoch, wie im Wege der Ausführung durch den Bundesrath 2*

20

I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

festgesetzt worden ist, im Flößereibetriebe (auf der Weichsel re.) be­ schäftigte Flifsaken befreit werden (Bek. v. 27. 11. 90). Der Absatz 2 ist insbesondere auf solche russisch-polnische Arbeiter anwendbar, die für längere Zeit, für Bestimmte Monate, auf Arbeit nach Deutschland kommen, nach Ablauf dieser Zeit aber, insbesondere für den Winter, in die Heimath zurückkehren müssen. Als „vorüber­ gehend" kann eine solche, Monate hindurch währende Beschäftigung nicht angesehen werden; es bedurfte also, wenn für deren Dauer die Versicherungspflicht beseitigt werden sollte, einer besonderen gesetzlichen Bestimmung, welche nach den Vorschlägen der verbündeten Regierungen durch die Novelle in § 4 Abs. 2 eingeführt worden ist. Es steht zu er­ warten, daß der Bundesrath von der ihm hier beigelegten Befugniß Gebrauch machen wird. Der zweite Satz des Abs. 2 ist durch die Reichstags-Kommission hinzugefügt worden. Man wollte der Verdächtigung von vorn herein die Spitze abbrechen, als würden durch die Vorschrift des ersten Satzes Arbeitgeber, die doch nur unter dem Zwang der Verhältnisse, um dem Mangel an inländischen Arbeitern abzuhelfen, derartige Ausländer beschäftigen, bevorzugt, als würde eine Art von Prämie auf diese Beschäftigung gesetzt, während gleichzeitig inländische Arbeiter durch Erleichterung der Konkurrenz von Ausländern benachtheiligt würden. Strafvorschrift § 176 Abs. 2.

§•

5.

Beamte des Reichs, der Bundesstaaten und der' Kommunalverbände sowie Lehrer und Erzieher an öffent­ lichen Schulen oder Anstalten unterliegen der Versiche­ rungspflicht nicht, solange sie lediglich zur Ausbildung für ihren zukünftigen Beruf beschäftigt werden oder sofern ihnen eine Anwartschaft auf Pension im Mindestbetrage der Invalidenrente nach den Sätzen der ersten Lohnklasse gewährleistet ist.

Beamte der Versicherungsanstalten und zugelassenen 2. besonderen Kasseneinrichtnngen unterliegen der Bersicherungspflicht nicht, sosern ihnen eine Anwartschaft ans Pension in der im Abs. 1 bezeichneten Höhe gewähr­ leistet ist. Der Versicherungspflicht unterliegen ferner nicht Per- 3. sonen, welche Unterricht gegen Entgelt ertheilen, sofern dies während ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für ihren zukünftigen Lebensberuf geschieht, Personen des Soldatenstandes, welche dienstlich als Arbeiter be­ schäftigt werden, sowie Personen, welchen auf Grund der reichsgesehlichen Bestimmungen eine Invalidenrente bewilligt ist. Der Versicherungspflicht unterliegen endlich nicht 4. diejenigen Personen, deren Erwerdssähigkeit in Folge von Alter, Krankheit oder onbcfcn Gebrechen dauernd aus weniger als ein Drittel herabgesetzt ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn sie nicht mehr im Stande sind, durch eine ihren Kräften und Fähigkeiten ent­ sprechende Thätigkeit, die ihnen unter billiger Berück­ sichtigung ihrer Ausbildung und ihres bisherigen Berufs zugemuthet werden kann, ein Drittel desjenigen zu er­ werben, was körperlich und geistig gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen. §§ 4, 9 Abs. 3 Ges. v. 1889; § 4 b. Entw,; § 4 Ges. v. 1899.

22

l. Umfang tittb Gegenstand der Versicherung.

Z« 8 «. 1. Der § 5 führt diejenigen Kategorien auf, welche kraft Gesetzes der Verstcherungspflicht nicht unterliegen, die §§ 6, 7 diejenigen, welche auf Antrag durch den Bundesrath befreit werden können. 2. Aenderungen durch die Novelle: a) während bisher Reichs- und Staatsbeamte immer, Kom­ munalbeamte nur dann von der Versicherungspflicht befreit waren, wenn sie mit Pensionsberechtigung angestellt waren, ist fortan für Reichs-, Staats- und Kommunalbeamte gleich­ mäßig die Versicherungspflicht dann ausgeschlossen, «. solange sie zur Ausbildung für ihren künftigen Beruf beschäftigt werden, ß. wenn sie nach ihrer Anstellung Anwartschaft auf Pension im Mindestbetrage der Invalidenrente haben; b) an Stelle der „Anstellung mit Pensionsberechtigung" ist die „Anwartschaft auf Pension" getreten; c) bei Anstellung mit Pensionsanwartschaft sind auch die Be­ amten der Träger der Invalidenversicherung von der Ver­ sicherungspflicht befreit; d) Lehrer und Erzieher an öffentlichen Schulen oder Anstalten sind hinsichtlich der Versicherungspflicht den Staatsbeamten gleichgestellt; Personen, welche während ihrer wissenschaft­ lichen Ausbildung für ihren künftigen Lebensberuf Unter­ richt ertheilen, sind versicherungsfrei; o) während bisher die Erwerbsunfähigkeit, wenn sie von der Versicherungspflicht befreien sollte (§ 6), anders bemessen war wie die Erwerbsunfähigkeit, welche Anspruch auf Invaliden­ rente gewähren sollte (§ 15), sind durch die Novelle einheitliche Bestimmungen getroffen worden. Maßgebend für beide Fälle sind fortab die Bestimmungen des § 5 Abs. 4, auf welchen der § 15 Abs. 3 lediglich verweist; f) früher war maßgebend für diejenige Erwerbsunfähigkeit, die von der Versicherungspflicht befreien sollte, die Möglichkeit, ein Drittel des ortsüblichen Tagelohnes (§ 8 K.V.G.) zu oer-

8 6. Versicherungspflicht.

23

dienen (§ 6), und für diejenige Erwerbsunfähigkeit, welche zu dem Bezüge der Invalidenrente berechtigen sollte, eine Kom­ bination aus den Lohnsätzen für die Beschäftigung der letzten sünf Jahre einerseits und demortsüblichenTagelohn(§8KV.G.) andererseits (§ 15), wobei im Resultat annähernd ebenfalls ein Drittel deS bisherigen Verdienstes herauskam. Fortab ist in beiden Fällen maßgebend die Möglichkeit, ein Drittel desjenigen zu erwerben, waS gesunde Personen mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend zu verdienen pflegen. 3. Vgl. Anm. 1 zu 8 1. Für pensionsberechtigte Beamte anderer öffentlicher Verbände und Körperschaften kann der Bundesrath die gleiche Befteiung aussprechen, wie sie bereits kraft Gesetzes für pensionsberechtigte Kommunalbeamte besteht (§ 7). Unter den „Kommunalverbänden" sind sowohl engere (Gemeinden), wie weitere (Kreise, Provinzen rc.) zu verstehen. 4. Wegen der Lehrer und Erzieher vgl. Anm. 3 zu 8 l. 6. Unter den „Versicherungsanstalten" sind nach der Ent­ stehungsgeschichte dieser Vorschriften nur die Versicherungsanstalten dieses Gesetzes (88 66 sg.) verstanden. 6. Zu den „Personen des Soldatenstanbes" gehören auch die Militärpersonen der Kais. Marine, vgl. 8 4 b. Militär-Strafgesetzbuchs v. 26. Juni 1872 (R.G.Bl. S. 174) sowie die Anlage zu demselben (R.G.Bl. S. 204). Denjenigen Personen des Soldatenstandes, welche zur Erfüllung ihrer Wehrpflicht dienen oder welche in Mobilmachungs- oder Kriegs­ zeiten fteiwillig eingetreten sind, wird, ohne daß sie während dieser Zeit versicherungspflichtig wären und deshalb Beiträge zu entrichten hätten, dennoch die Dauer ihrer Dienstleistung als Beitragszeit in Anrechnung gebracht (8 30 Abs. 2), sofern sie nur vor ihrem Eintritt als Berufsarbeiter re. schon versicherungspflichtig gewesen sind. Die Dauer solcher militärischen Dienstleistungen dient also nicht bloß zur Erfüllung der Wartezeit (§ 30 Abs. l), sondern eS steigert sich während dieser Dienstzeit auch die Rente (§ 40 Abs. l) nach den für die

24

I.

Umfang und Gegenstand der Versicherung.

II. Lohnklasse festgesetzten SteigerungSsätzen, und diese Steigerung er­ folgt ausschließlich zu Lasten des Reichs (§ 40 Abs. 2, § 126). 7.

Für die in § 6 bezeichneten Personen besteht eine Vesugniß

zur Selbstversicherung nicht 6.

Die Vorschrift des Abs. 4 soll insbesondere verhüten, daß die

Invalidenversicherung Personen,

dazu

die thatsächlich

Beschäftigung

gemißbraucht

wird,

um

solchen

bereits zur Zeit ihres Eintritts in eine

(Versicherungsverhältniß)

erwerbsunfähig

sind,

durch

Leistung geringer Beiträge während der kurzen Wartezeit (§ 29) eine Invalidenrente zu verschaffen.

Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 6

Abs. 4 hindert nicht nur den Eintritt der Versicherungspflicht, sondern hat auch deren Beendigung zur Folge (A.N. 1892 S. 55), und schließt auch die freiwillige Weiterversicherung aus (§ 146). 9.

Die Vorschrift in Abs. 4

nähert tue Invalidität

dieses Ge­

setzes der Berufsinvalidität, deckt sich aber noch keineswegs mit der letzteren.

Eine verständige Praxis wird hier das Richtige leicht finden.

Es soll für jeden Arbeiter, der invalid wird, eine Art Doppelgänger (ein körperlich und geistig gesunder Arbeiter „derselben Art") gesucht werden, der in derselben Gegend arbeitet und

ähnliche Ausbildung

hat, ohne daß er genau dieselbe Stellung einzunehmen und denselben Verdienst zu haben braucht strakten Normalarbeiter,

„Es wird damit nicht von

einem ab­

der sich praktisch kaum finden liehe,

aus­

gegangen, sondern von einem Lohnarbeiter gleicher Art, also von einem Versicherten,

der im Wesentlichen die gleichen Kenntnisse und Fähig­

keiten besitzt, welche der Rentenbewerber nach menschlicher Voraussicht haben würde, wenn er sich im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Gesundheit befände" was sich

ein

Em Drittel von dem,

noch verdient,

muß derjenige,

der

für invalid hält, durch irgendwelche Lohnarbeit „auf dem ge-

sammten also

(Mot z. Nov. S. 247).

solcher Doppelgänger wirthschaftlichen

Erwerbsgebiet"

(Mot.

z

Nov. S. 247),

nicht bloß durch Arbeit in seinem bisherigen Beruf, noch ver­

dienen können.

Allerdings

muß

es

eine Arbeit sein,

„die

seinen

Kräften und Fähigkeiten entspricht" (also insbesondere nicht zu schwer ist)

und

die ihm „unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung

und seines bisherigen Berufs zugemuthet werden kann", also nicht zu

niedrig oder gar entwürdigend für ihn sein würbe. „Auf den Erwerb durch eine für sie völlig fremd e körperlich und geistig ungeeignete Lohnarbeit oder auf eine Erwerbsgelegenheit, die sich möglicherweise an einer von der bisherigen Beschäftigungsart weit entfernten Stelle bieten könnte, werden die Versicherten nicht verwiesen werben dürfen" (Mot. z. Noo. S. 248). Bei Personen, die „schon von vornherein oder doch seit langer Zeit in Folge eines Gebrechens oder einer chronischen Krankheit nur einen Theil der vollen Erwerbsfähigkeit besessen haben, gelangt nicht dieser ihr früherer Zustand, sondern ebenfalls der eines gesunden Lohnarbeiters derselben Art zur Vergleichung mit dem jetzigen Zu­ stand" (a. a. O.).

§.

6.

Auf ihren Antrag sind von der VersicherungspflichL 1. zu befreien Personen, welchen vom Reiche, von einem Bundesstaat, einem Kommunalverband, einer Versiche­ rungsanstalt oder zugelassenen besonderen Kasseneinrichtung, oder welchen auf Grund srüherer Beschäftigung als Lehrer oder Erzieher an öffentlichen Schulen oder Anstalten Pensionen, Wartegelder oder ähnliche Bezüge im Mindest betrage der Invalidenrente nach den Sätzen der ersten Lohnklaffe bewilligt sind, oder welchen auf Grund der reichsgesehlichen Bestimmungen über Unfallversicherung der Bezug einer jährlichen Rente von mindestens dem­ selben Betrage zusteht. Dasselbe gilt von solchen Personen, welche das siebenzigste Lebensjahr vollendet haben. Ueber den Antrag entscheidet die untere Ver­ waltungsbehörde des Beschäftigungsorts. Gegen den Bescheid derselben ist die Beschwerde an die zunächst vorgesetzte Behörde zulässig, welche endgültig entscheidet.

26

I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

Bei Zurücknahme des Antrags tritt die Versicherungs­ pflicht wieder in Kraft. 2. In der gleichen Weise sind auf ihren Antrag von der Versichernngspslicht zu befreien Personen, welche Lohnarbeit im Laufe eines Kalenderjahrs nur in be­ stimmten Jahreszeiten siir nicht mehr als zwölf Woche» oder überhaupt für nicht mehr als fünfzig Tage über­ nehme«, im Uebrigen aber ihren Lebensunterhalt als Betriebsunternehmer oder anderweit selbständig erwerben, oder ohne Lohn oder Gehalt thätig sind, solange für dieselbe» nicht bereits einhundert Wochen lang Beiträge entrichtet worden sind. Der Bundesrath ist befugt, hierüber nähere Bestimmungen zu erlassen. Abs. 1: § 4 Abs. 3 Ges. v. 1889. Abs. 2 ist neu; §§ 4a, 3a Abs. 1 b. Entw.; § 4a Ges. v. 1899.

Z« 8 6. 1. Vgl. Anm. 1 und 5 zu 8 4, sowie wegen der Lehrer und Er­ zieher Anm. 3 zu 8 1. 2. Aenderungen durch die Novelle: a) Befreiung auf Antrag wurde früher nur gewährt den pensionirten Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten und den Empfängern von Unfallrente; jetzt außerdem noch pensionirten Beamten eines Trägers der Invalidenversicherung sowie pensionirten Lehrern und Erziehern an öffentlichen Schulen oder Anstalten, ferner Personen, die 70 Jahre alt sind; b) Befreiung auf Antrag darf auch den im Abs. 2 bezeichneten Personen gewährt werden; c) den Pensionen und Wartegeldern sind „ähnliche Bezüge" gleichgestellt.

§ 6. 3.

Man beachte:

Invalidenrente

Personen,

beziehen,

27

Verstcherungspflicht. welche

sind für den

auf Grund dieses Gesetzes Fall fernerer Beschäftigung

kraft Gesetzes versicherungssrei (§ 6 Abs. 3); Personen, die 70 Jahre alt sind und deshalb unter Umständen Anspruch auf Altersrente haben, können auf ihren Antrag befreit werden (§ 6 Abs. l), sind aber, so­ lange sie Befreiung nicht erhalten haben, versicherungspflichtig. 4.

Die im Abs. 2 bezeichneten Personen wollte der Entw. kraft

Gesetzes

freilassen;

entsprechende

nachdem

Vorschrift

die

ganz

Kommission

abgelehnt

deS

hatte,

Reichstags

hat

in 2. Lesung die Befreiung auf Antrag zugelassen. sich

hier

hältnisien sondere

regelmäßig (zu

um

bestimmten

Arbeitsgelegenheit

die bezeichneten,

eine

unter

bestimmten

Jahreszeiten)

sich

Plenum

„Es

handelt

örtlichen

wiederholende

oder Arbeitshäufung,

eine

das

während

Verbe­

welcher

in der übrigen Zeit des Jahres selbständigen Per­

sonen nach Ortsgewohnheit die sich darbietende Gelegenheit zu einem Verdienst als Lohnarbeiter „mitzunehmen" pflegen. zu beim

Dies trifft z. B.

Holzschlag in großen Forstbetrieben im Winter, bei der

Ernte im Sommer und Herbst, während der Badesaison in einzelnen Badeorten u a.; in

den einzelnen Gegenden des Reichs liegen die

Verhältnisse durchaus verschieden" (Mot. z. Rov. S. 244).

Für solche

Personen fehlt ein Bedürfniß zur Versicherung; sie sind auch bei der ganzen

Dauer des Arbeitsverhältnisses

angesichts

der

Vorschriften

über die Wartezeit und das Erlöschen der Anwartschaft (88 29, 46) häufig nicht einmal in der Lage, Vortheil aus der Versicherung zu ziehen und widerstreben deshalb der Versicherung nicht ganz mit Un­ recht. Immerhin werden Vorkehrungen nothwendig fein, die einen Miß­ brauch

dieser Bestimmung verhüten; der Bundesrath wird deshalb

voraussichtlich nicht unterlassen, die ihm freigestellten Ausführungs­ bestimmungen zu treffen. Zu beachten ist, daß im Voraus feststehen muß, ob die in Rede stehenden Personen nach Ortsgewohnheit nur vorübergehende Lohn­ arbeit dieser Art zu übernehmen pflegen.

Dies muß in irgend einer

näher zu bestimmenden Weise amtlich bestätigt werden, ehe die Be­ freiung auf Antrag ausgesprochen werden kann.

28

I. Umfang und Gegenstand der Versicherung.

§• 7. Durch Beschluß des Bundesraths kann auf Antrag bestimmt werden, daß und inwieweit die Bestimmungen des §. 5 Abs. 1 bis 3 und des §. 6 Abs. 1 auf Beamte, welche von anderen öffentlichen Verbänden oder von Körperschaften angestellt sind, sowie auf Lehrer und Erzieher an nicht öffentliche» Schulen oder Anstalten, sofern diesen Personen eine Anwartschaft ans Pension im Mindestbetrage der Invalidenrente nach den Sätzen der ersten Lohnklaffe gewährleistet ist, und ans Personen An­ wendung finden sollen, welchen auf Grund früherer An­ stellung bei solchen Verbänden oder Körperschaften, Schulen oder Anstalten Pensionen, Wartegelder oder ähnliche Bezüge in dem genannten Mindestbetrage der Invalidenrente bewilligt sind. § 7 Ges. ö. 1889; § 4b d. Entw.; § 4b Ges. v. 1899.

Zu 8 7. 1. Vgl. Anm. l und 2 d zu 8 6; wegen der Lehrer und Erzieher vgl. Anm. 3 5u § l. 2. Aenderungen durch die Novelle: a) Die Defugniß des Bundesraths, auf Antrag Beamte anderer öffentlicher Verbände u. s. w. von der Versicherung-pflicht zu befreien, stand früher etwas versteckt in dem bisherigen § 7, jetzigen § 10; sie ist hierher übernommen worden, d) Die gleiche Befreiung ist Lehrern und Erziehern an nicht öffentlichen Schulen oder Anstalten, sowie ehemaligen Beamten solcher Verbände u. s. w. zugesichert. 3. Durch Einschiebung des Wörtchens „von* vor Körperschaften ist klargestellt worden, daß die in Rede stehenden Körperschaften nicht „öffentlich" zu sein brauchen.

8 8. Besondere Kasseneinrichtungen.

29

§. 8. ßesonbm Lasienetnrlchtungerr. Versicherungspflichtige Personen, welche in Betrieben des Reichs, eines Bundesstaats, oder eines Kommunal­ verbandes beschäftigt werden, genügen der gesetzlichen Versicherungspflicht durch Betheiligung an einer für den betreffenden Betrieb bestehenden oder zu errichtenden besonderen Kasseneinrichtung, durch welche ihnen eine den reichsgesetzlich vorgesehenen Leistungen gleichwerihige Fürsorge gesichert ist, sofern bei der betreffenden Kafseneinrichtung folgende Voraussetzungen zutreffen: 1. Die Beiträge der Versicherten dürfen, soweit sie für die Invalidenversicherung in Höhe des reichsgesetzlichen Anspruchs entrichtet werden, die Hälfte des für den letzteren nach §. 32 zu erbebenden Beitrags nicht übersteigen. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, sofern in der betreffenden Kasseneinrichtung die Beiträge nach einem von der Berechnungsweise der §§. 32, 33 abweichenden Verfahren aufgebracht und in Folge dessen höhere Beiträge erforderlich werden, um die der Kaffeneinrichtung aus In­ validen- und Altersrenten in Höhe des reichs­ gesetzlichen Anspruchs obliegenden Leistungen zu decken.

Sofern

erheben sind,

hiernach höhere Beiträge zu

dürfen

die Beiträge der Ver­

sicherten diejenigen der Arbeitgeber nicht über­ steigen.

2. Bei der Verwaltung der Kassen müssen die Ver­ sicherten mindestens nach Maßgabe des Verhältniffes ihrer Beiträge zu den Beiträgen der Arbeit­ geber durch in geheimer Wahl gewählte Vertreter betheiligt sein. 3. Bei Berechnung der Wartezeit und der Rente ist den Lei solchen Kasseneinrichtungen betheiligten Personen, soweit es sich um das Maß deS reichsgesetzlichen Anspruchs handelt, unbeschadet der Bestimmung des §. 46 die Lei Versicherungs­ anstalten (§. 65) zurückgelegte Beitragszeit in Anrechnung zu bringen. 4. Ueber den Anspruch der einzelnen Betheiligten auf Gewährung von Invaliden- und Altersrente muß ein schiedsgerichtliches Verfahren unter Mit­ wirkung von Vertretern der Versicherten zu­ gelassen sein. 5. Wenn für die Gewährung der reichsgesetzlichen Leistungen besondere Beiträge von den Ver­ sicherten erhoben werden oder eine Erhöhung der Beiträge derselben eingetreten ist oder eintritt, so dürfen die reichsgesetzlichen Renten auf die sonstigen Kassenleistungen nur insoweit angerechnet werden, daß der zur Auszahlung gelangende Theil der letzteren für die einzelnen Mitgliederklassen im Durchschnitte mindestens den Reichszuschuß erreicht. Der Bundesrath bestimmt auf Antrag der zu­ ständigen Reichs-, Staats- oder Kommunalbehörde,

§ 8.

Besondere Kasseneinrichtungen.

31

welche Kasseneinrichtungen (Pensums-, Alters-, Jnvalidenkassen) den vorstehenden Anforderungen ent­ sprechen. Den vom Bundesrath anerkannten Kaffeneinrichtungen dieser Art wird zu den von ihnen zu leistenden Invaliden- und Altersrenten der Reichs­ zuschuß (§. 35) gewährt, sofern ein Anspruch auf solche Renten auch nach den reichsgesetzlichen Bestimmungen bestehen würde. § 5 Ges. v. 1889; §5 8. Entw.; § 5 Ges. v. 1899.

Zu 8 8. 1. Aenderungen durch die Novelle: Einfügung der vom Reichstag in der zweiten Lesung beschlossenen neuen Ziffern 2 und 6. Durch Ziffer 2, welche über das Maaß der Mitwirkung Versicherter bei der Verwaltung Vorschriften giebt und die geheime Wahl der Ver­ treter vorsieht, ist der bisher durchgeführte Grundsatz, daß das Reichsgesetz in die innere Organisation und Verwaltung dieser auf Landesrecht beruhenden beso,»deren Kasseneinrichtungen nicht eingreifen solle, durchbrochen worden. Die Ziffer 5, welche die Anrechnung der ReichSrente auf die riach Landesrecht anderweit gewährte Bergrente beschränkt, trägt gewissen Verhältnissen m einer auf Grund deS § 10 zugelassenen Kasseneinrichtung (betn Allgemeinen Knappschaftsverein in Bochum) Rechnung. 2. Die näheren Bestimmungen für die zugelassenen be­ sonderen Kasseneinrichtungen sind jetzt in den Schlußbestimmungen (Abschnitt IV) einheitlich zusammengestellt und in die §§ 173,174 aufgenommen worden. Vgl. aber auch § 14 Abs. 3. 3. Bei den in § 8 bezeichneten „besonderen Kaffeneinrichtungen" für einzelne Betriebe des Reichs, der Bundesstaaten und der Kom­ munalverbände (vgl. Sinnt. 3 ju § B) ist insbesondere an die großen PensionSkasien der Eisenbahtrvertvaltungen gemacht. Andere Kaffen-

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I.

Umfang und Gegenstand der Versicherung.

einrichtungen

,

B. Zweiwochenmarkcn. 8. Die Beitragsmarken für zwei Wochen sind in Form eines Rechtecks auf weißem Papier in den Ab­ messungen der Marken für eine Woche (zu vergleichen Ziffer 4) anzufertigen.

0. Die Marken bestehen aus zwei Abtheilungen. Der linksseitige, in der Farbe der Lohnklaffe (zu vergleichen Ziffer 3) gedruckte Theil zeigt oben links und unten rechts je ein ungleichseitiges Dreieck, von denen das obere in Hellen arabischen Ziffern und Hellen lateinischen Buchstaben auf dunklem Grunde die Be­ zeichnung des Geldwerths, das untere in dunklen römischen Ziffern auf hellerem Grunde die Bezeichnung der Lohnklaffe trägt, während der zwischen beiden Dreiecken befindliche weiße Raum den Namen der aus­ gebenden Versicherungsanstalt mit lateinischen Buch­ staben in schwarzem Druck enthält. Der rechtsseitige, für alle Lohnklaffen in silber­ grauer Farbe gedruckte Theil zeigt in seinem oberen Felde den Reichsadler, im unteren Felde die Worte .Zwei Wochen" in lateinischen Buchstaben. 10. Im Uebrigen ist die Form und Zeichnung der Marke für zwei Wochen aus dem nachstehenden Neuster zu ersehen:

C. Dreizehnwochen marken. 11. Die Beitragsmarken für dreizehn Wochen sind in Form eines hochgestellten Rechtecks von der drei­ fachen Größe der Ernwochenmarken auf weißem Papier herzustellen. Somit beträgt die Breite 23,5 mm, die Höhe 42 mm. 12. Das Mittelfeld der Marken, welche in den unter 3 bezeichneten Farben der betreffenden Lohnklaffe zu drucken sind, besteht aus einem länglichen, durch ein 4 mm breites Band getheilten Sechseck. Der obere größere Theil dieses Mittelfeldes enthält den Reichsv. Woedtke, Jnvalidenversicherlingtzgesetz.

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Anlage IX.

adler, der untere kleinere Theil in dunklen lateinischen Buchstaben die Worte „Dreizehn Wochen". In das Band des Mittelfeldes ist die Bezeichnung des Geldwerthes mit arabischen Ziffern und lateinischen Buch­ staben in violetter Farbe eingedruckt. Um das Mittelfeld sind oben und unten in den Ecken je zwei weiße quadratische Felder angebracht, in welche die Nummer der Lohnklasse mit römischen Ziffern in violetter Farbe eingedruckt ist. Unmittelbar unter der oberen Um» rahmunHslinie durchzieht die Marken in der ganzen Breite ein 3 mm Hohes weißes Feld, das den Namen der ausgebenden Versicherungsanstalt in schwarzer Farbe und lateinischen Buchstaben enthält. 13. Im klebrigen ist die Form und Zeichnung der Marke für dreizehn Wochen aus folgendem Muster ersichtlich:

III. Sonstige Bestimmungen. 14. Die Bezeichnung der ausgebenden Versicherungs­ anstalt erfolgt auf sämmtlichen Marken in der nach­ stehenden abgekürzten Form:

Beitragsmarken.

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Ostpreußen, Westpreußen, Berlin, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen-Anhalt, Schles­ wig - Holstein, Hannover, Westfalen, Hessen - Nassau, Rheinprovinz, Oberbavern. Niederbayern, Pfalz, Ober­ pfalz, Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken, Schwaben, Kgr. Sachsen, Württemberg, Baden, Gr. Hessen, Mecklenburg, Thüringen, Oldenburg, Braun­ schweig, Hansestädte, Elsaß-Lothringen. 15. Zum Druck sämmtlicher Beitragsmarken ist reines Lumpenpapier zu verwenden, welches fein ge­ mahlen, in der Durchsicht gleichmäßig sein und eine Reißlänge von wenigstens 3000 m, eine Dehnung von mindestens 1,9 vom Hundert und einen Aschengehalt von höchstens 12 vom Hundert haben muß. 16. Das Markenpapier ist mit einem unsichtbaren Aufdruck zu versehen, der die Möglichkeit gewährt, die Echtheit der Marken jederzeit zu prüfen. Die Ver­ wendung eines Wasserzeichens an Stelle des Aufdrucks bedarf der besonderen Genehmigung des Reichs-Ver­ sicherungsamts. 17. Die Marken für eine Woche und für zwei Wochen sind in Bogen zu je 100 Stück (je 10 über­ und nebeneinander) herzustellen. Die genaue Größe der bedruckten Fläche eines Markenbogens muß, in den Durchlochungslinien gemessen, 235 X HO mm betragen. Die Marken für dreizehn Wochen sind in Bogen zu je 30 Stück (je 10 Stück neben- und je 3 Stück übereinander) herzustellen. Die genaue Größe eines Markenbogens muß, in den Durchlochungslinien 'ge­ messen, 235 X 125 mm betragen. Die Ränder der Marken sind mit Bohrlöchern zu versehen, sodaß die Lobtrennung der Marken ohne Zu­ hülfenahme eines Schneidewerkzeugs durch bloßes Ab­ reißen bewirkt werden kann. Auf der Rückseite sind die Markenbogen mit bestem Klebstoff zu versehen.

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Anlage IX.

Beitragsmarken.

18. Sofern Beitragsmarken nicht durch die Reichs­ druckerei angefertigt sind, müssen dem Reichs -Verstcherungßamt vor der Ausgabe Probestücke zur Prüfung vorgelegt werden. Berlin, den 27. Oktober 1899. Das Reichs-Versicherungsamt. Abtheilung für Jnvaliditäts- und Altersversicherung. Gaebel.

Sachregister. A Abänderung des Statuts S. 139, 140; bedarf der Genehmigung d. R.V.A. S. 141; des Bestandes d. Versicherungsanstalten S. 169; A. durch die Aufsichtsbehörde S. 286. Abfindung der Ausländer S. 60. Ablehnung der Wahl S. 164; des Anspruchs auf Rente 6.184, A. des Rentenanspruchs unzu­ lässig bei Erwerbsunfähigkeit, welche nach d. U.V.G. zu ent­ schädigen wäre S. 186. Abmeldung S. 234; Unterlassen derselben S. 268. Abrechnung mit den Postverwal­ tungen ist der Rechnungsstelle übertragen 6. 199. Abrundung der Renten S. 93; d. zu erstattenden Beiträge S 94; bei der Abrechnung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer S. 241 (§ 154). Abschlagszahlung S. 226 A. 2. Abftempelnng der Quittungs­ karten S. 217 (§ 136). Abstimmung S. 166. Abzüge bei der Lohnzahlung in Höhe der für die Versicherten vorgeschosienen Beiträge S. 226; widerrechtliche strafbar S. 270. Ackernutzung als Naturalbezug