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German Pages 57 [54] Year 2023
Claudia Abel
Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1 Ein Ein- und Überblick in die theoretische Umsetzung in der Physiotherapie
essentials
essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form. Die Essenz dessen, worauf es als „State-of-the-Art“ in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Praxis ankommt. essentials informieren schnell, unkompliziert und verständlich • als Einführung in ein aktuelles Thema aus Ihrem Fachgebiet • als Einstieg in ein für Sie noch unbekanntes Themenfeld • als Einblick, um zum Thema mitreden zu können Die Bücher in elektronischer und gedruckter Form bringen das Fachwissen von Springerautor*innen kompakt zur Darstellung. Sie sind besonders für die Nutzung als eBook auf Tablet-PCs, eBook-Readern und Smartphones geeignet. essentials sind Wissensbausteine aus den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aus Technik und Naturwissenschaften sowie aus Medizin, Psychologie und Gesundheitsberufen. Von renommierten Autor*innen aller Springer-Verlagsmarken.
Claudia Abel
Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1 Ein Ein- und Überblick in die theoretische Umsetzung in der Physiotherapie
Claudia Abel Motio Fortbildungsinstitut Feucht, Bayern, Deutschland
ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic) essentials ISBN 978-3-662-68074-2 ISBN 978-3-662-68075-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-68075-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Kathrina Nissle Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.
Was Sie in diesem essential finden können
• Eine Einführung in die intrinsische (und extrinsische) Motivation bei Kindern in der Therapie • Eine Übersicht über die verschiedenen Phasen der emotionalen Entwicklung bei Kindern im Hinblick auf die intrinsische Motivation • Hilfreiche Anregungen, um in den unterschiedlichen Phasen die intrinsische Motivation zu unterstützen • Eine Übersicht über die Therapiemethodik und Grundlagen von Bobath und Vojta aus Sicht der intrinsischen Motivation • Eine Auswertung der erhältlichen Curricula Bobath-Vojta in Hinblick auf intrinsische Motivation
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Geleitwort
Ein Kind, das gerade seine ersten Schritte gemacht hat, wird in den nächsten Wochen täglich mehrere Dutzend Meter zurücklegen. Woher kommt diese Motivation, sich zu bewegen? Wann geht sie verloren und was bedeutet diese Motivation für Kinder, die jahrelang in Therapie sind? Es ist wichtig, dass wir uns als Therapeut*innen diese Fragen stellen. Claudia Abel zeigt in ihrem Buch über intrinsische Motivation in der Kindertherapie, welche Faktoren entscheidend sind, damit Kinder die Motivation nicht verlieren. Sie zeigt, dass Bewegung immer eine Erfahrung mit der Umwelt ist und mit einer Aufgabe verbunden sein kann. Dies machen wir uns in der Therapiesituation zunutze, die individuell auf das Kind abgestimmt und auch in den Alltag integriert werden kann. Das Kind lernt aus einem inneren Antrieb heraus, es lernt sozusagen unbewusst immer wieder Neues und das Tag für Tag. Wenn nun ein Kind eine Hirnschädigung erlitten hat und in seinen Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt ist, kann auch dieser innere Antrieb gedämpft werden. Umso wichtiger erscheint es, Faktoren zu kennen, die die Motivation von Kindern fördern und erhalten können. Herzliche Gratulation, Claudia zu diesem gelungenen essential und allen Leser*innen viel Spaß und eine hohe Motivation in der Umsetzung. Petra Marsico
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Inhaltsverzeichnis
1 Motivation als Therapiekonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Motivation in der Kindertherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Motorisches Lernen und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Motivationsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Intrinsische Motivation – Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Motivationsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Autonomie-Erleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Kompetenzerleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Teilhabe-Bedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 5 10 12 12 13 14 15
3 Emotionale Entwicklung in der Kindertherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Motorisches Lernen und Emotion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Emotionale Entwicklungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Bindungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Transitorische Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Magische Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage in der Kindertherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Neurophysiologische Therapiemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Therapiemethodik und Merkmale KG-ZNS-Kinder Bobath . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Therapiemethodik und Merkmale KG-ZNS-Kinder Vojta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Methodik Literaturreview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Methodik Literaturreview allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
4.2.2 Methodik Literaturreview Bobath . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Methodik Literaturreview Vojta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ergebnisse Literaturreview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Ergebnisse Literaturreview Ausbildungscurriculum Bobath . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Ergebnisse Literaturreview Ausbildungscurriculum Vojta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Theorie und Praxis: Konvergenz und/oder Divergenz . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Literaturreview Curricula intrinsische Motivation: Divergenz . . . . 5.2 Praktische Umsetzung: Konvergenz/Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Was Sie aus diesem essential mitnehmen können Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Über die Autorin
Claudia Abel, MSc Neuroorthopädie – Disability Management • Motio-Fortbildungsinstitut Neumarkt/Opf. • Physiotherapie Abel, Ringstraße 1, 92318 Neumarkt/Opf. [email protected] https://www.motio.org/ https://www.physiotherapieabel.de/
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Motivation als Therapiekonzept
Die modernen Therapiemethoden entwickeln gerade auch im Bereich der Kindertherapie zunehmend mehr variantenreiche Konzepte zur mehr oder weniger effektiven Behandlung von Gesundheitseinschränkungen. Neben den traditionellen Therapiemethoden wie zum Beispiel Vojta, Hippotherapie und Bobath existiert und entsteht eine unüberschaubare Anzahl an Konzepten und Methoden mit unterschiedlichsten Ansätzen, die auf völlig unterschiedlichen mehr oder weniger wissenschaftlichen Grundlagen basieren. All diese Methoden und Konzepte wetteifern miteinander im Ringen darum, welche Methode nun die effektivste und somit „wichtigste“ im Rahmen der Therapie sei. Behandlungsansätze, methodische Vorgehensweisen und die möglichen Effekte der Therapiemethoden werden aus unterschiedlichsten Blickwinkeln verglichen, um das „beste“ Therapiekonzept herauszufiltern. Während Bagatellverletzungen und als geringfügiger betrachtete muskuloskelettale Abweichungen bei Kindern dank frühzeitiger Interventionen mit immer geringerer Behandlungsdauer erfolgreich behandelt werden können, sehen wir uns im Bereich der (schwer/st-) mehrfachbetroffenen Kinder vor große Herausforderungen gestellt. Bei absehbar langfristigem Behandlungsbedarf, insbesondere im Bereich der neuropädiatrischen und neuroorthopädischen Problematiken durchlaufen die betroffenen Kinder häufig eine hohe Zahl verschiedener Therapieformen im Versuch, den Krankheitsverlauf so günstig wie möglich zu beeinflussen. Häufig werden Therapien in unterschiedlichen Fachbereichen notwendig, sodass die jungen Patienten durch eine Kombination von z. B. Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie auf eine Therapiefrequenz von 3–4 Behandlungseinheiten pro Woche kommen können – dauerhaft, über viele Jahre hinweg.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Abel, Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68075-9_1
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Motivation als Therapiekonzept
Die Studienlage zeigt klar und deutlich, dass ein Großteil der nach wie vor zum Einsatz kommenden Therapiemethoden den Nachweis ihrer Evidenz noch erbringen müssen. Obwohl zum Teil die nüchterne Betrachtung der Datenlage nur sehr geringe Effekte der einzelnen Methoden aufzeigt, finden sich im klinischen Alltag nach wie vor überzeugte Anhänger der jeweiligen Methoden – sowohl aufseiten der Therapeut*innen als auch aufseiten der Patient*innen und Angehörigen. Nachdem nach derzeitigem Stand (abgesehen von einzelnen Krankheitsbildern wie z. B. Hemiparese) keine eindeutigen Vorteile für eine der Therapiemethoden ersichtlich sind, stellt sich die Frage, weshalb Patienten Jahre, zum Teil Jahrzehnte nach einer der Methoden behandelt werden. Weshalb „bleiben manche Patient*innen konsequent am Ball“, während andere Patient*innen mit der Zeit „therapiemüde“ werden und die Behandlungsfrequenzen (und Erfolge) deutlich sinken? Worin liegt das Geheimnis der langfristigen Motivation der Patient*innen? Als übergeordnetes, gemeinsames Ziel aller therapeutischen Bemühungen ist neben Funktionserhalt bzw. Funktionsverbesserung insbesondere im Bereich des langfristigen Behandlungsbedarfs die langfristige Motivation des Kindes und der Angehörigen zu betrachten. In diesem Sinne könnte die Motivation oder der Motivationserhalt als eine übergeordnete, essenzielle Therapiemethode betrachtet werden, die den weiteren Therapieverlauf sichert. Wir kombinieren also im Behandlungsverlauf die Therapiemethode „Motivation“ mit den anderen Therapiemethoden, um möglichst effektiv zu arbeiten. Es kann notwendig werden, im Rahmen des Clinical Reasoning Prozesses zugunsten der Motivation des Kindes eine Therapiemethode auszuwählen, die weniger evidenzbasiert scheint als eine andere, wenn dadurch die Motivation erhalten bleibt oder sogar gesteigert werden kann. Wie eben diese Motivation bei Kindern der unterschiedlichen emotionalen Entwicklungsphasen betrachtet und unterstützt werden kann, zeigt dieses essential als Anregung, die eigenen therapeutischen Ansätze entsprechend zu beleuchten, auf. Das vorliegende essential ist als Zusammenfassung der von der Autorin eingereichten Master-Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science im Universitätslehrgang Neuroorthopädie – Disability Management – am Department für Gesundheitswissenschaften, Medizin und Forschung der Donau-Universität Krems (Universität für Weiterbildung Krems) mit dem Titel: „Intrinsische Motivation als Faktor des motorischen Lernens und ihre Beachtung innerhalb ausgewählter neurophysiologischer Therapiemethoden“ zu verstehen. Der vorliegende Band geht auf die Grundlagen der intrinsischen Motivation im Rahmen der Kindertherapie ein und betrachtet die theoretischen Grundlagen der
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Motivation als Therapiekonzept
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Therapierichtungen Vojta und Bobath. Im 2. Band (Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 2) werden die Ergebnisse einer Umfrage in Bezug auf die praktische Umsetzung der intrinsischen Motivation als Therapiemethode innerhalb der beiden Techniken Bobath und Vojta verglichen.
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Motivation in der Kindertherapie
2.1
Motorisches Lernen und Motivation
Motorisches Lernen begleitet den Menschen ab der Zeit im Uterus bis zu seinem Tod, es handelt sich um einen lebenslangen Prozess. Motorisches Lernen ist gleichzusetzen mit den Begriffen Bewegungslernen und motor learning. Jede Aktivität, und sei es Atmung, erfordert Bewegung und somit Motorik, welche erlernt und im Laufe des Lebens adaptiert werden muss. Als Grundvoraussetzungen für motorisches Lernen werden nach Kolster et al. (2016) und Shumway-Cook (2016) folgende Anteile gesehen: • • • •
eine möglichst intakte Sensorik, das verarbeitende ZNS, der muskulo-skelettale Apparat als System zur Bewegungsausführung und eine der Aufgabe entsprechende Kognition.
Da der Schwerpunkt dieses essentials in der Betrachtung der intrinsischen Motivation der Kinder liegt, erfolgt dementsprechend auch die Betrachtung des motorischen Lernens hier nicht aus motorischer, sondern aus lerntheoretischer Sicht. Daher wird auf die weiteren Aspekte des motorischen Lernens an dieser Stelle nicht tiefer eingegangen. Durch motorisches Lernen entsteht motorische Kontrolle. Diese beinhaltet das Planen, Koordinieren und Ausführen von Bewegung. Shumway-Cook und Woolacott (2016) definieren die motorische Kontrolle als die Fähigkeit, die für die Bewegung essenziellen Mechanismen zu regulieren und/oder zu lenken. Diese motorische Kontrolle muss vom Individuum innerhalb der eigenen Lebensbedingungen erlernt werden. Im Rahmen der physiotherapeutischen Behandlung von
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Abel, Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68075-9_2
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Motivation in der Kindertherapie
Kindern mit neurologischen oder neuroorthopädischen Krankheitsbildern kann als eines der therapeutischen Hauptziele das Erlangen oder Wiedererlangen (im Sinne von Habilitation und Rehabilitation) der motorischen Kontrolle über das eigene Bewegungsverhalten angesehen werden. Wiart et al. (2010) eruierten beispielsweise in ihrer qualitativen Studie bezüglich der Therapieziele bei Kindern mit Cerebralparese das Erreichen einer funktionell einsetzbaren Motorik als das meistgenannte Ziel in ihren Interviews mit Angehörigen der betroffenen Patienten. Motorisches Lernen ist somit als Lernprozess einzustufen, der notwendig wird, um die motorische Kontrolle über die eigene Bewegung ausüben zu können. Das motorische Lernen erfordert nach Schmidt und Lee (2013) eine Reihe interner Prozesse, die mit praktischer Ausführung oder Erfahrung verbunden sind und zu relativ dauerhaften Verbesserungen der Fähigkeit zur qualifizierten Leistung führen. Basierend auf den Ausführungen von Shumway-Cook und Woolacott (2016) entsteht Bewegung durch das Zusammenspiel dreier Komponenten: es handelt sich hierbei um das Ergebnis der Interaktion zwischen dem Individuum, dessen (Handlungs-) Aufgaben und seiner Umgebung, wie Abb. 2.1 zu entnehmen ist. Abb. 2.1 Interaktion zwischen Individuum, Aufgaben und Umgebung = Bewegung
Umgebung Individuum
Aufgaben
Bewegung
2.1 Motorisches Lernen und Motivation
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Je nach Situation und Handlungstyp setzen sich die Anteile der verschiedenen Komponenten unterschiedlich zusammen, als Ergebnis dieses mehrkomponentigen Prozesses ist die Bewegung zu sehen. Übertragen auf die Therapiesituation können als Bestandteile deklariert werden: • Individuum = Patient*in • Aufgaben = Bewegungsaufgabe im therapeutischen Kontext • Umgebung = Ort, an welchem die Therapie stattfindet. Je nach Situation, Patient*in und Anforderungen kommt es zu unterschiedlichen Konstrukten, an deren Ende eine erwünschte Bewegung oder ein Bewegungsablauf stehen. Innerhalb der therapeutischen Behandlungssituation könnten diese Bestandteile beispielsweise wie in Tab. 2.1 aufgeschlüsselt werden. Um das Resultat, den Bewegungsablauf, beeinflussen zu können, können im Therapieprozess die drei einzelnen Bestandteile verändert und/oder beeinflusst werden. Obgleich sich bezüglich des Einflusses der Aufgabenstellung und der Umgebungsgestaltung bereits einige Grundprinzipien des motorischen Lernens, wie z. B. Shaping und Prinzipien der Repetition etabliert haben, finden sich bezüglich des Einflusses des Individuums noch wenige therapeutische Grundprinzipien. Während die zugrunde liegenden kognitiven Lernprozesse und die
Tab. 2.1 Fallbeispiele: Komponenten der Bewegung im therapeutischen Kontext. (Quelle: eigene Darstellung) Beispiel 1
Beispiel 2
Individuum
Junge, 3 Jahre alt, Hemiparese rechts
Mädchen, 8 Jahre alt, Rett-Syndrom
Aufgabe
Spielerisches „Verkaufen“ großer Waren (= Spielzeug), die gezielt von dem*der Therapeut*in aus dem oberen Regal „bestellt“ werden; dadurch wird der Einsatz des rechten Armes notwendig
Assistiertes Zähneputzen im Stand am Waschbecken mit aktivem eigenständigem Festhalten an einem am Waschbecken angebrachten Griff
Umgebung
Klassischer Kaufladen in der Kindertageseinrichtung
Heimisches Badezimmer, Waschbecken
Erwünschter Bewegungsablauf
Einsatz des rechten Armes mit repetitiver Ellbogenextension zur Verbesserung des Bewegungsausmaßes
Repetitive Greiffunktion der Hand zum langfristigen Funktionserhalt trotz Fortschritt des Krankheitsverlaufs
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Motivation in der Kindertherapie
Tab. 2.2 Beispiele für implizites vs. explizites Lernen innerhalb des motor learnings Beispiel 1
Beispiel 2
Implizit
Nimm den Becher! (Becher so Schau zu mir! (Therapeut*in steht platziert, dass Ellbogenextension so, dass HWS-Rotation notwendig notwendig ist) ist)
Explizit
Streck den Ellbogen!
Bewegungsablauf Ellbogenextension
Dreh den Kopf nach rechts! HWS-Rotation
Einstellung des Individuums, welche dem Wissenserwerb dienen, im pädagogischen Bereich breitflächiger erforscht sind, sind die Entwicklungen im Bereich der Theorien des motorischen Lernens noch jüngeren Datums und bedürfen weiterer Untersuchung. Konczak (2006) klassifiziert das motor learning als einen prozeduralen oder impliziten, also unbewussten Prozess. Hierbei steht das Bewegungs- oder Handlungsziel im Vordergrund, zum Beispiel bei einer Armbewegung das Ergreifen des Spielzeugs. Im Bereich der Physiotherapie und der sportlichen Ausbildung kann es sich jedoch auch um einen expliziten Prozess handeln, wenn Impulse und verbale Instruktionen von extern gegeben werden. Explizites Lernen erfolgt auf gezielt gegebene Inputs, hier wäre die Anweisung, den Arm zu strecken, ein klassisches Beispiel. Tab. 2.2 veranschaulicht den Unterschied zwischen implizitem und explizitem Lernen. Implizites Lernen verbessert gerade in der Arbeit mit Kindern den Therapieerfolg! Das motorische Lernen kann als multifaktorielles Geschehen betrachtet werden, bei welchem verschiedene Gesichtspunkte aus der Verhaltenspsychologie sich mit neuronalen Prozessen verketten. Wulf und Lewthwaite (2016) entwickelten basierend auf ihrer jahrzehntelangen Forschung innerhalb des Themengebiets des motorischen Lernens die OPTIMAL-Theorie. Das Akronym OPTIMAL steht hierbei für Optimizing Performance Through Intrinsic Motivation and Attention for Learning, also eine Theorie zur Leistungsoptimierung durch intrinsische Motivation und Aufmerksamkeit für das jeweilige Lernen.
2.1 Motorisches Lernen und Motivation
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Die Theorie verbindet aktuelle Forschungsresultate bezüglich des motorischen Lernens aus verhaltenspsychologischer Sicht mit den Erkenntnissen auf neurowissenschaftlicher Ebene. Optimale Lernbedingungen für Bewegungslernen in Sport und Therapie werden aufgezeigt. Innerhalb der Theorie steht das Zusammenspiel dreier Faktoren für das effektive Erlernen motorischer Fertigkeiten: 1. Erhöhte Erwartungen an die eigenen zukünftigen Leistungen, 2. Autonomie der Lernenden, 3. externer Aufmerksamkeitsfokus. Die unter 1) benannten „erhöhten Erwartungen an die eigenen zukünftigen Leistungen“ sind als motivationaler Faktor der Theorie zu verstehen. Durch entsprechende Vorinformationen und positive Rückmeldung kommt es bei den Lernenden zu einer gesteigerten Selbstwirksamkeits- und Leistungserwartung, was sich laut Wulf und Lewthwaite (2016) positiv auf die Lernabläufe auswirkt. Den zweiten motivationalen Faktor stellt die Autonomie der Lernenden (2) dar. Die Lernenden erleben sich als selbständig tätig, beeinflussen die Motorik bzw. einen Teil der Übungsbedingungen selbst und können in gewissem Rahmen freie Entscheidungen treffen. Der zuletzt aufgeführte, extern liegende Aufmerksamkeitsfokus (3), ist als aufmerksamkeitsbezogener Faktor des Lernens zu betrachten. Die aktuelle Studienlage zeigt laut Wulf und Lewthwaite (2016), dass es effektiver ist, den Aufmerksamkeitsfokus beim Bewegungslernen auf einen externen Fokus (bewege die Tasse zum Mund) als auf einen internen Fokus (spanne den Musculus biceps brachii an und beuge dadurch den Arm) zu legen. Dies stimmt mit den Erkenntnissen von Konczak (2006) bezüglich des impliziten Lernprozesses überein und untermauert diesen Therapieansatz. Den Autorinnen zufolge wirken sich die drei Faktoren einzeln und insbesondere in Ihrer Kombination positiv auf die Intensität der intrinsischen Motivation aus. Eine hohe intrinsische Motivation wiederum verbessert das Outcome des motorischen Lernprozesses, wie im folgenden Kapitel detaillierter aufgezeigt wird.
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2.2
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Motivation in der Kindertherapie
Motivationsarten
Der Duden definiert Motivation aus pädagogisch/psychologischer Sicht als die „Gesamtheit der Beweggründe, Einflüsse, die eine Entscheidung, Handlung o. Ä. beeinflussen, zu einer Handlungsweise anregen“ (Dudenredaktion, 2020). Der Begriff der Motivation ist nach Rheinberg (2018) als hypothetisches, also abstraktes Konstrukt zu sehen – es handelt sich um eine aktivierende Ausrichtung der derzeitigen Lebensführung und Lebensweise auf ein von der Person selbst positiv bewertetes Ziel. Unterschiedliche Faktoren bewegen in ihrer Addition eine Person dazu, eine Handlung durchzuführen – oder sie zu vermeiden. Die Motivation kann je nach Betrachtungsweise in verschiedenste Unterformen eingeteilt werden. Die im Kontext dieses essentials relevanteste Unterteilung der Motivationsarten ist die Gliederung in die Anteile intrinsische und extrinsische Motivation. Das hypothetische Konstrukt der extrinsischen Motivation umfasst jegliches motivierte Verhalten, welches durch äußere Faktoren initiiert und unterstützt wird. Es könnte in diesem Fall statt Motivation auch Motivierung genannt werden, da die Motivierung von außen an das Individuum herangetragen wird. Beispiele hierfür sind materielle Anreize wie Spielzeug, Süßwaren oder Lob und Tadel durch Vorgesetzte oder Erziehungsberechtigte. Bezogen auf die Therapiesituation wäre das zum Beispiel die therapeutische Aufforderung, den Bewegungsablauf noch fünfmal zu wiederholen und das zu erwartende Lob nach Erfüllung dieser Aufgabe oder eine eventuelle materielle Belohnung in Form einer Süßigkeit für Kinder, die in der Therapieeinheit konsequent mitgearbeitet haben. Das extrinsisch motivierte Verhalten ist an den jeweiligen extrinsischen Einfluss gebunden und kann nach Hagger und Chatzisarantis (2017) in vier Subtypen (integrierte Regulierung, identifizierte Regulierung, introjizierte Regulierung, externalisierte Regulierung) untergliedert werden. Weiters gliedert sich die Motivation nach Hagger und Chatzisarantis (2017), welche sich an der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan orientieren, in folgende drei Gruppen, welche in Tab. 2.3 aufgelistet sind: Intrinsische Motivation, extrinsische Motivation und Amotivation (oder Demotivation). Die mitaufgeführte Demotivation oder Amotivation stellt hierbei im therapeutischen Setting die größte Herausforderung dar. Ein Mangel oder komplettes Fehlen an Motivation und Motivierung minimieren die Erfolgsaussichten in der Therapie. Bei Amotivation ist es die dringlichste Aufgabe, im therapeutischen Kontext wieder einen Anreiz für das Kind herzustellen, aktiv an der Therapie mitzuwirken. Die intrinsische Motivation beschreibt im Gegensatz zur extrinsischen Motivation jegliches motivierte Verhalten, das durch Beweggründe initiiert wird, welche
2.2 Motivationsarten
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Tab. 2.3 nach Hagger und Chatzisarantis (2017): Untergliederung der Motivationsarten Intrinsische Motivation
Extrinsische Motivation
Amotivation/Demotivation
Intrinsisch, also in sich motiviert Steht für Vergnügen und Spaß, keine erkennbare externe Verstärkung oder Belohnung
Extrinsisch, also von außen motiviert in vier Subtypen: Integrierte Regulierung Identifizierte Regulierung Introjizierte Regulierung Externalisierte Regulierung
Demotivation Mangel an Intention und Beweggründen
in der betroffenen Person selbst liegen. Es sind keine extrinsischen, also von außerhalb der Person kommenden Anreize zu finden. Nach Brandstätter et al. (2018) definiert sich die intrinsische Motivation folgendermaßen: „Intrinsisch motiviert bedeutet, dass eine Tätigkeit um ihrer selbst willen, unabhängig von außerhalb der Person liegenden Faktoren ausgeführt wird.“ (Seite 113). Die intrinsisch motivierte Handlung ist also an keine externen Belohnungsoder Bestrafungssysteme geknüpft, sondern bereitet dem/r Handelnden allein durch ihre Ausführung Freude, sie macht Spaß und führt zu einer gewissen (Bedürfnis-) Befriedigung. Bezüglich der intrinsischen Motivation existieren verschiedene Erklärungsmodelle, wobei die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (2000) als führend angesehen werden kann. Urhahne (2008) beurteilt zum Beispiel in seinem Framework über die unterschiedlichen Arten der Lernmotivation die Selbstbestimmungstheorie als essenzielles Konzept der intrinsischen Motivation. Deci und Ryan (2000) sehen die intrinsische Motivation als den Anteil des motivationalen Prozesses, welcher auf angeborenen Bedürfnissen wie zum Beispiel dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung beruht, nach deren Befriedigung jedes Individuum strebt. Eine der Schlüsselrollen der intrinsischen Motivation in ihrer Signifikanz für die Therapie ist also die Tatsache, dass es sich bei diesem Bedürfnis um ein prinzipiell angeborenes Bedürfnis handelt und es somit auch bei den jüngsten Patienten bereits vorhanden ist. Die intrinsische Motivation per se muss also nicht geweckt werden, vielmehr muss für den gewünschten Therapieerfolg ein Weg gefunden werden, für den jeweiligen Patienten Möglichkeiten zu erarbeiten, wie die aus therapeutischer Sicht zu trainierenden Körperfunktionen oder (Bewegungs-) Abläufe in Einklang mit der intrinsischen Motivation gebracht werden und sie erhöhen können (nach Siebert 2003). Die Erkenntnisse von Schiefele
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2
Motivation in der Kindertherapie
und Köller (2001) zeigen, dass intrinsische Motivation immer dann gegeben ist, wenn eine Handlung als interessant, spannend und herausfordernd erlebt wird. Das Erleben der Handlung kann als eigenständige Belohnung gesehen werden. Den Schwerpunkt beim Erstellen des Therapieplans sollte also das Finden einer entsprechend herausfordernden und spannenden Tätigkeit darstellen. Die für das Kind alltagsrelevante Tätigkeit muss gleichermaßen die intrinsische Motivation ansprechen und einen dem motorischen Therapieziel entsprechenden Bewegungsablauf implizieren. Ein adäquates Mittel zur Umsetzung dieses Anspruchs ist die Auswahl altersentsprechenden Spielzeugs und/oder entsprechender Rollenspiele, um das Kind entsprechend zu fesseln und die motorischen Abläufe sozusagen „nebenbei“ zu trainieren.
2.3
Intrinsische Motivation – Komponenten
2.3.1
Motivationsfaktoren
Im Rahmen Ihrer Forschung bezüglich der Selbstbestimmungstheorie entstand auch die Theorie der Basisbedürfnisse (basic psychological need theory) nach Deci und Ryan (2000). Diese Theorie befasst sich mit dem Vorliegen dreier angeborener psychologischer Bedürfnisse, welche für den Aufbau und die Intensivierung der intrinsischen Motivation von Relevanz sind: Autonomie-Erleben, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit (also Teilhabe), wie in Abb. 2.2 dargestellt. Alle drei Bedürfnisse sind Basisbedürfnisse und somit von Geburt an bei jedem Kind vorhanden – jedoch in unterschiedlicher Ausprägung und je nach aktueller Entwicklungsphase mit unterschiedlichem Schwerpunkt. Sie können als die A-K-T-Bedürfnisse, also Autonomie-Kompetenz-Teilhabe-Bedürfnisse, abgekürzt werden. Im Folgenden werden die einzelnen Grundbedürfnisse der Kinder dargestellt, um sie dann in Bezug zu verschiedenen emotionalen Entwicklungsstufen zu betrachten.
2.3 Intrinsische Motivation – Komponenten
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Abb. 2.2 Die drei Komponenten der intrinsischen Motivation. (Quelle: eigene Darstellung)
Teilhabe
Kompetenz
Autonomie
2.3.2
Autonomie-Erleben
Das Bedürfnis nach Autonomie kann gleichgesetzt werden mit dem Bedürfnis der Selbstbestimmung und impliziert eine gewisse Entscheidungsfreiheit des Kindes. Dem Kind werden bis zu einem gewissen Grad Rechte zumindest der Mitbestimmung der Situation ermöglicht. Eine komplette Fremdbestimmung minimiert das Autonomie-Erleben und steht dem Prinzip der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (2000) entgegen. Unter Autonomie-Erleben verstehen die Autoren das unter freier Entscheidung zur Tätigkeit selbständig verursachte Erleben der eigenen Handlungen, welches mit den eigenen Werten und Zielen weitgehend in Einklang steht. Es geht also um eine Form der Souveränität. Umgesetzt in die therapeutische Situation bedeutet das: je mehr Möglichkeiten das Kind hat, die Therapiesituation mitzugestalten und selbst zu entscheiden, desto höher wird die langfristige intrinsische Motivation des Kindes sein, aktiv mitzuarbeiten und die erarbeiteten Möglichkeiten in den Alltag zu übernehmen. Selbst Säuglinge zeigen den Wunsch nach Selbstbestimmtheit. Dies wird beispielsweise bei der Nahrungsaufnahme häufig sehr deutlich, wenn die Kinder gewisse Nahrung ablehnen oder selbstbestimmt nicht nach einem vorgegebenem Zeitschema, sondern nach eigenem Hungerempfinden essen wollen. Das Bedürfnis nach Autonomie besteht von Geburt an, nimmt im Lauf des Lebens aber stetig zu und erstreckt sich dann auf immer mehr Bereiche der Lebensführung, bis sich schließlich der selbständige erwachsene Mensch entwickelt hat. Autonomie bedeutet nicht, dem Kind grenzenlose Freiheit zu geben – vielmehr bedeutet es, dem Kind einen gewissen Spielraum zur Eigenständigkeit zu überlassen.
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Motivation in der Kindertherapie
Übersicht
Auch bei klar vorgegebenen Übungsabläufen kann z. B. mit Spielzeug gearbeitet werden. Das Kind hat dann die Möglichkeit, zu wählen, welches der Spielzeuge es einsetzen will. Sollen zum Beispiel lieber die Zootiere vom Boden aus ins hohe Regal einsortiert werden (Stehtherapie), oder will das Kind lieber im Kaufladen spielen (und hier stehend die Gegenstände aus dem obersten Regal an den/die Therapeut*in verkaufen)? Dem Kind kann z. B. auch die Wahl der Reihenfolge gelassen werden: „willst Du lieber erst balancieren, oder wollen wir erst Ball spielen?“ Sogar Säuglinge streben bereits nach Autonomie. Alles, was sie selbst können, wollen sie auch selbst durchführen. Auch bei diesen sehr jungen Kindern sollte die Autonomie in der Therapie bedacht werden. Bereits nonverbal können Säuglinge durch Blicke mitteilen, welches Spielzeug gerade ihr Interesse weckt – dies kann in der Behandlung aufgenommen und das Spielzeug mit eingesetzt werden.
2.3.3
Kompetenzerleben
Das Kompetenzerleben steht für das Bedürfnis, die eigenen Fähigkeiten und Stärken bei der Zielverfolgung zu erleben, sich also selbst als kompetent und fähig zu einer (für das Kind sinnvollen) Handlung zu erleben. Das Kind will (mit zunehmendem Alter in zunehmendem Maß) selbst bestimmen, welche Aktionen es ausführt und hierbei gewisse Erfolge erleben. Im therapeutischen Setting sollte darauf altersentsprechend Rücksicht genommen werden. Die gestellten Aufgaben und Herausforderungen müssen dementsprechend alters- und/oder entwicklungsgerecht gewählt werden, sodass das Kind einerseits Herausforderungen in der Therapie findet, sich andererseits aber mit den Aufgaben nicht überfordert fühlt. Ein elementarer Baustein des Kompetenzerlebens der Kinder ist es, dem Kind die Möglichkeit zu geben, die eigene Kompetenz und Effektivität der Handlung selbst einschätzen zu können. Eine strukturierte Umgebung sowie ein strukturiertes Verhalten der Bezugspersonen sind hier hilfreich. Bei Ball-Wurf-Spielen kann das Kind zum Beispiel einschätzen lernen: „wo sollen wir den Korb (in welchen geworfen wird) aufstellen? Wie weit willst Du werfen?“ Das Kind kann im Verlauf der Therapie selbst kontrollieren, ob es die Wurfdistanz gut eingeschätzt hat,
2.3 Intrinsische Motivation – Komponenten
15
oder ob der Korb korrigiert werden muss. In der nächsten Einheit wird es seine eigene Kompetenz zu Beginn der Behandlung bereits besser einschätzen können, als beim ersten Mal. Die Übungsauswahl sollte alters- bzw. entwicklungsentsprechend erfolgen und dem Kind ermöglichen, die eigene Kompetenz selbst einzuschätzen, zu beurteilen und die Erfolge wahrzunehmen. Ein Aufteilen von Handlungen in strukturierte einzelne Abschnitte kann hierbei eine Unterstützung darstellen.
2.3.4
Teilhabe-Bedürfnis
Die soziale Eingebundenheit kann mit der Teilhabe verglichen werden: Teil eines sozialen Netzwerkes sein und sich damit verbunden fühlen. Partizipation definiert sich gemäß dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) als die Teilhabe und Anteilnahme behinderter Menschen in einzelnen gesellschaftlichen Bereichen (Diehl 2018). Deckungsgleich mit der OPTIMAL-Theorie von Wulf und Lewthwaite (2016) wird hier also die Autonomie der Lernenden als substanzielle Komponente angesehen. Über die intrinsische Motivation in der Therapiesituation berichtet Söller (2017): „Deshalb versuchen wir, in der Therapie über den Offensten Kanal…des Kindes die intrinsische Motivation zu wecken. Wenn das Kind innerhalb eines Angebotes eine Auswahl treffen darf, kann es Eigeninitiative entwickeln und die Art seiner Tätigkeit mitbestimmen“. Damit umschreibt Söller den Aspekt des Autonomie-Erlebens aus der Selbstbestimmungstheorie in seiner direkten Umsetzung innerhalb des therapeutischen Settings in der Behandlung von Kindern. Jeder Mensch hat ein lebenslanges mehr oder weniger stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Partizipation, nach Teilhabe an der Gemeinschaft und Gesellschaft mit den Mitmenschen. Von Geburt an besteht der Wunsch danach, mitzuerleben, was die restliche Familie erlebt und „dabei zu sein“. Als Teil der Gruppe erfahren Kinder Anerkennung und Sicherheit, sie sind kooperationsbereit und unterstützen die anderen Gruppenmitglieder.
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2
Motivation in der Kindertherapie
Die therapeutische Arbeit im Rahmen der Gruppentherapie, Arbeit in Kleingruppen oder auch die Einzeltherapie innerhalb einer Institution, die z. B. innerhalb der Kindergartengruppe durchgeführt wird, kommt dem Teilhabe-Bedürfnis und somit dem Bestreben, die intrinsische Motivation zu unterstützen, sehr entgegen. Im Rahmen der Einzeltherapie sind Therapieziele, welche eine Teilhabe ermöglichen und unterstützen, zu bevorzugen
3
Emotionale Entwicklung in der Kindertherapie
3.1
Motorisches Lernen und Emotion
Je nach Entwicklungsalter befindet sich das Kind in einer der im Folgenden aufgelisteten emotionalen Entwicklungsphasen. Diese Entwicklungsphasen finden zum Teil zeitgleich, zum Teil auch chronologisch statt. Die Zeiträume schwanken von Kind zu Kind – wie z. B. auch die motorischen Entwicklungsverläufe sind sie sehr individuell und variabel. Generell können diese unterschiedlichen Phasen als eine Art Antrieb der gesamten Entwicklung gesehen werden. Ohne entsprechende emotionale Entwicklung werden auch die fein- und sogenannte grobmotorische Entwicklung, die Sprachentwicklung, das Sozialverhalten und die geistige Entwicklung nur verlangsamt ablaufen. Motorisches Lernen besteht nicht aus dem reinen Erlernen erwünschter Bewegungsabläufe, es handelt sich nicht um ein wertfreies Bewegen der Gelenke durch die optimale Muskelspannung. Vielmehr handelt es sich um einen vielschichtigen Prozess, bei welchem unbewusst ständig gefiltert, gewertet und mit Emotionen verknüpft wird. Um der intrinsischen Motivation gerecht zu werden, sie zu erhalten und zu unterstützen, muss sich das Kind sicher und wertgeschätzt im Rahmen der Therapie fühlen. Dazu ist es notwendig, die einzelnen emotionalen Entwicklungsphasen innerhalb des Clinical-Reasoning-Prozesses zu beachten und entsprechend dieser Phasen die Therapie zu gestalten.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Abel, Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68075-9_3
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3
Emotionale Entwicklung in der Kindertherapie
3.2
Emotionale Entwicklungsphasen
3.2.1
Bindungsverhalten
Eine sichere Bindung an die Bezugsperson kann als essenzielle Basis für eine erfolgreiche Therapie angesehen werden. Die sichere und stabile Bindung gibt dem Kind wiederum in sich selbst Sicherheit und Stabilität. Kinder mit sicherem Bindungsverhalten erleben in der Beziehung zur Bezugsperson alle ihre Grundbedürfnisse, die basic-needs, als angemessen befriedigt. Sie weinen und jammern, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt, lassen sich jedoch schnell wieder beruhigen, wenn z. B. die Mutter wieder zurück kommt und das Kind auf den Arm nimmt. Das Bindungsverhalten entwickelt sich in den ersten Lebensmonaten und -jahren und bleibt ein Leben lang aktiv (Michaelis und Niemann 2017, S.94). Es deckt sich sehr deutlich mit dem A-K-T-Bedürfnis der Teilhabe, in diesem Fall der Teilhabe an der Gemeinschaft der Kernfamilie beziehungsweise an den Erlebnissen der direkten Bezugspersonen. Tab. 3.1 zeigt die Bedeutung der drei Bedürfnisse in Bezug auf das Bindungsverhalten auf. Nach Marwik und Marhawa (2022) ist die Entwicklung einer Bindung als zentrales Ereignis in der emotionalen Entwicklung eines Menschen anzusehen. Sie legt die Grundlage für die Sicherheit eines Kindes, birgt Selbstwertgefühl und baut emotionale Regulierungs- und Selbstkontrollfähigkeiten auf.
3.2.2
Transitorische Phase
Während unter Transition im Bereich der Medizin die Überleitung von Patienten aus dem Bereich der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin gemeint ist, versteht man unter der transitorischen Phase den Zeitraum im Leben, in welchem die Kinder nach dem Aufbau einer möglichst sicheren, stabilen Bindung an die Bezugspersonen beginnen, sich wieder aus dieser sehr intensiven Bindung zu lösen und mehr Selbständigkeit zu erlangen. Diese Übergangszeit wird als transitorische Phase gesehen. Hilfreich in dieser Phase sind sogenannte Übergangsobjekte (Winnicot 1953) oder Bindungsobjekte (Bolwby 1958). Übergangsobjekte werden von Kindern als ein „Elternersatz auf Zeit“ (Jenni 2021, S. 285) eingesetzt. Sie dienen zum Beispiel nachts im Bett als Elternersatz und können das Schlafen außerhalb des Elternbetts unterstützen. Diese Objekte sollten als Bestandteil der Therapie angesehen werden. Es kann sich hierbei um Plüschtiere, Tücher, Schnuller oder andere Gegenstände handeln. Sie haben einen enorm
3.2 Emotionale Entwicklungsphasen
19
Tab. 3.1 A-K-T-Bedürfnisse Bindungsverhalten Bedürfnis
Bedeutung in Bezug auf Bindungsverhalten
Autonomie Autonomie in Bezug auf Bindung bedeutet, dem Kind die freie Entscheidung zu lassen, ab wann es sich von der Bezugsperson trennt und ab wann es mit der*m Therapeut*in eine Bindung eingeht. Unterstützende Maßnahmen: • Nicht auf die Trennung von der Bezugsperson drängen • Evtl. auf dem Schoß der Mutter/des Vaters behandeln • Zeit in den eigenen Beziehungsaufbau zum Kind investieren Kompetenz Das Kind erlebt sich als kompetent genug, selbst zu entscheiden, ab wann wie viel Trennung von der Bezugsperson möglich wird Teilhabe
In dieser Phase der größte Anteil der A-K-T-Bedürfnisse! Das Kind will teilhaben an allen Erlebnissen der direkten Bindungspersonen. Unterstützende Maßnahmen: • Nähe zu den Bezugspersonen zulassen, die Bezugsperson in die Therapiesituation mit einbinden • Geschwisterkinder spielerisch in die Therapiesituation einbinden. Wenn z. B. das ältere Geschwisterkind an der Sprossenwand klettert, wird über das Bedürfnis, am Erleben des Geschwisters teilhaben zu wollen und die Bindung zu Bruder/Schwester aufrecht zu erhalten, der Wunsch wach, z. B. an der Sprossenwand zu stehen und sich dort festzuhalten, den Blick zum Geschwister gerichtet. Die notwendige Stehtherapie erfolgt dann aus der intrinsischen Motivation der Teilhabe heraus – quasi nebenbei!
hohen Stellenwert im Leben des Kindes und sollten dementsprechend auch innerhalb der Therapie Wertschätzung erfahren. Das Übergangsobjekt kann spielerisch eingebunden werden. Z. B. kann für den Teddybär der Tisch gedeckt werden und das Kind so motiviert werden, im Stehen zu trainieren. Michaelis (2002) betont die Notwendigkeit der Würdigung der transitorischen Objekte, um ein Abspeichern der negativen Erfahrungen durch die limbischen Vermeidungsstrategien zu verhindern. Übergangs- und Bindungsobjekte bieten dem Kind Sicherheit und Stabilität – im Alltag und im Therapiegeschehen! In Bezug auf die Therapiesituation ähneln die Bedürfnisse des Kindes in der transitorischen Zeit denen der Phase, in welcher sich das Bindungsverhalten
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3
Emotionale Entwicklung in der Kindertherapie
Tab. 3.2 A-K-T-Bedürfnisse transitorische Phase Bedürfnis
Bedeutung in Bezug auf transitorische Phase
Autonomie Autonomie in der transitorischen Phase bedeutet weiterhin, dem Kind die freie Entscheidung zu lassen, ab wann es sich von der Bezugsperson trennt und ab wann es mit der*m Therapeut*in eine Bindung eingeht. Unterstützende Maßnahmen: • Nicht auf die Trennung von der Bezugsperson drängen • Evtl. auf dem Schoß der Mutter/des Vaters behandeln • Zeit in den eigenen Beziehungsaufbau zum Kind investieren Kompetenz Das Kind erlebt sich optimalerweise (auch in dieser Phase) als kompetent genug, selbst zu entscheiden, ab wann wie viel Trennung von der Bezugsperson möglich wird Teilhabe
Das Teilhabe-Bedürfnis ist weiterhin sehr hoch! Unterstützende Maßnahmen: • Übergangsobjekte mit in die Therapie nehmen, sie spielerisch mit einbinden • Nähe zu den Bezugspersonen zulassen, die Bezugsperson in die Therapiesituation mit einbinden • Dem Kind in der Therapiesituation Zeit lassen, eine Bindung an die Therapieperson aufzubauen. Die Beziehungsarbeit in den ersten Therapieeinheiten zahlt sich langfristig aus.
entwickelt. Die transitorische Phase ist als Weiterentwicklung des Bindungsverhaltens einzustufen. In Tab. 3.2 finden sich die A-K-T-Bedürfnisse in Bezug auf die transitorische Phase des Kindes. ta
3.2.3
Magische Phase
Das magische Denken kann nach Jenni (2021, S.317) zwischen vier und sechs Jahren oder auch später auftreten. Die Kinder halten Naturphänomene und Geschehnisse für bewusst herbeigeführt und glauben zum Beispiel an den Osterhasen oder das Christkind. Dieses magische Denken birgt Fallstricke in der körperlichen Behandlung der Kinder. In dieser Lebensphase sind den Kindern Ursachen und Wirkungen sowie alle naturwissenschaftlichen Gegebenheiten noch nicht klar, Größenverhältnisse müssen erforscht werden und Gewissen und Moralvorstellung müssen sich in dieser Zeit entwickeln. Auch körperliche Vorgänge können magisch gedeutet und interpretiert werden und dabei irrtümlich in magische Zusammenhänge gestellt werden. Wurde das Kind zum Beispiel am Tag des ersten Schneefalls der Saison krank und lag mit Fieber im Bett, so kann der
3.2 Emotionale Entwicklungsphasen
21
nächste Schneefall große Ängste und Sorgen auslösen, da das Kind die Kausalität falsch eingeschätzt hat und jetzt wieder einen neuerlichen Fieber- und Schmerzschub erwartet. Häufig wird die Haut als „Schutzhülle“ des Körpers interpretiert. Selbst bei geringen Verletzungen, wie z. B. Kratzern, kann die Angst entstehen, „dass alles aus mir herausläuft“. Das Kind hat biomechanische und naturwissenschaftliche Gegebenheiten noch nicht realisiert und ein aus Erwachsenensicht vernünftiges Argumentieren kann hier oft schwierig werden. Tab. 3.3 schlüsselt die unterschiedlichen Bedürfnisse in Bezug auf die magische Phase auf. Hilfreich ist es, sich vor Augen zu halten: In der magischen Phase ist alles möglich! Die von den Kindern selbst erdachten Gesetzmäßigkeiten sollen ernst genommen werden – je besser das gelingt, desto einfacher wird der „Zugang“ zum Kind und desto eher kann es vom therapeutischen Geschehen profitieren.
Tab. 3.3 A-K-T-Bedürfnisse magische Phase Bedürfnis
Bedeutung in Bezug auf die magische Phase
Autonomie Das Kind bestimmt, welche magischen Figuren und Zusammenhänge es gerade favorisiert. Die vom Kind vorgegebenen „Gesetze“ dürfen nicht als „Lüge“ oder „zu viel Fantasie“ angesehen werden. Kompetenz Das Kind erlebt sich selbst als kompetent im Umgang mit den magischen Objekten und Figuren. Unterstützend kann es sein, „magische“ Aufgaben zu stellen: • Fantasiewelten für magische Freunde bauen und das Kind entscheiden lassen, wie groß diese sein müssen • Den magischen Freund fragen, wie oft Übung möglich ist – oder wie viele Äpfel vom magischen Apfelbaum gepflückt werden müssen, bis er satt ist. • Durch Einbindung des magischen Freundes hat das Kind die Möglichkeit, selbst zu entscheiden und FÜR den magischen Freund die eigene Belastbarkeitsgrenze Stück für Stück zu verschieben. Teilhabe
Im Sinne der Teilhabe ist es dem Kind ein Bedürfnis, die magischen Personen und Figuren am Gruppengeschehen teilhaben zu lassen bzw. Teil dieser Gruppe zu sein. Unterstützende Maßnahmen: • Imaginäre Freunde/Tiere dem Kind nicht ausreden • Imaginäre Freunde/Tiere in das Therapiegeschehen mit einbinden • Hinweise auf die Helden des Kindes (Kleidung!) aufgreifen und nutzen
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3
Emotionale Entwicklung in der Kindertherapie
Beim therapeutischen Erstkontakt in der magischen Phase kann es sein, dass es für das Kind sehr großen Stress darstellt, von einer fremden Person, die es noch nicht einschätzen kann, körperlich untersucht zu werden. Hier ist die Fantasie des/der Therapeuten*in gefragt: • Notwendige Untersuchungsschritte können z. B. zuerst an der Bezugsperson des Kindes durchgeführt werden, um zu verdeutlichen: es droht keinerlei Gefahr! Im nächsten Schritt kann ein eventuelles Übergangsobjekt des Kindes eingebunden werden (z. B. die Füße des Teddybären werden untersucht). • Nach Möglichkeit die Untersuchung/Therapiesituation mit Hands-offMethoden beginnen, um allmählich Vertrauen entstehen zu lassen. Es kann zum Beispiel zuerst das Gangbild in verschiedenen Tempi beobachtet werden, indem sich alle Beteiligten gemeinsam spielerisch durch den Raum bewegen – dann, wenn alle „müde“ sind, wird allmählich zur näheren Kontaktaufnahme übergegangen. • Der Einsatz spannender, altersgemäßer Spielwaren ist nicht zu unterschätzen. Häufig sind die derzeit aktuellen Zeichentrick- und/oder Animationsfiguren, die Kinder aus Filmen und Serien kennen, ein guter Einstieg, da sie Sicherheit vermitteln. Es lohnt sich, zu den relevanten Kinderhelden jeweils ein paar Namen und wichtige Eigenschaften zu kennen, um aufbauenden auf diesen Heldenfiguren (die heutzutage in der magischen Phase präsenter sind, als Märchenfiguren) das therapeutische Geschehen zu gestalten. So können z. B. die Hunde der Paw Patrol, welche auf dem T-Shirt des Kindes zu sehen sind, einen Hinweis geben, dass diese Hunde Helden für das Kind – und somit Sicherheit – darstellen. Es liegt nahe, dann genau wie die Hunde der Paw Patrol Aufgaben auf allen Vieren zu erledigen.
4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage in der Kindertherapie
4.1
Neurophysiologische Therapiemethoden
Um darzustellen, welchen Stellenwert die intrinsische Motivation derzeit im Rahmen der Physiotherapie bei Kindern hat, wurde im Rahmen der Masterarbeit im ersten Schritt auf die Methodik eines Literaturreviews zurückgegriffen. Bei Patient*innen im Bereich der Neuropädiatrie und Neuroorthopädie, welche einen intensiven Therapiebedarf aufweisen, liegen kombinierte Störungsbilder aus den Bereichen Neurologie und Orthopädie vor. Sämtliche Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur führen zu Funktionsstörungen der Bewegungsorgane und bei Persistenz zu orthopädischen Problemen. Strobl (2021) definiert dies wie folgt: „„Neuroorthopädie“ kann als medizinisches Fachgebiet definiert werden, das die systemische Diagnostik, Funktionsanalyse, Prävention, Behandlung und Rehabilitation von Störungen des Bewegungssystems bei Nerven- und Muskelerkrankungen im Kindes- und Erwachsenenalter umfasst.“ (Seite 2).
Die entsprechenden Interventionen, sowohl präventiv als auch rehabilitativ betrachtet, beginnen optimalerweise bereits mit dem Zeitpunkt der Diagnosestellung. Durch die zunehmende Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten und intensives flächendeckendes Screening aller Neugeborenen in Deutschland im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen U1–U9 (Heinen, Berweck 2020) kann die Diagnosestellung teilweise bereits direkt nach der Geburt geschehen.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Abel, Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68075-9_4
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4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
Essenzieller Teil des interdisziplinären Behandlungskonzepts innerhalb der Kindertherapie und Neuroorthopädie ist die präventive und rehabilitative Behandlung mit neurophysiologischen Therapiemethoden aus dem Bereich der Physiotherapie. Die komplexen Krankheitsbilder erfordern im Rahmen der zunehmenden Spezialisierung innerhalb des Gesundheitswesens eine umfassende interdisziplinäre Herangehensweise mit Focus auf den ganzen Menschen mit allen Stärken und Schwächen anstelle des früher vorherrschenden Impairment- Gedankens (Funktionsstörungen). Die neurophysiologischen Therapiemethoden definieren sich nach Abel (2021) folgendermaßen: „Als neurophysiologische Behandlung ist jede Behandlung anzusehen, die komplexe Bewegungsmuster und/oder Bewegungsabläufe, die für das Individuum in einem sinnvollen Kontext stehen, verändert oder zu erlernen hilft und die dabei auf das Zusammenspiel zwischen dem Nervensystem und dem Muskel- und Gelenkapparat des Menschen eingeht.“ (Seite 292).
Das oben genannte Zusammenspiel zwischen dem Nervensystem und dem Muskel- und Skelettapparat der neurophysiologischen Behandlungen korrespondiert mit den beiden Kerngebieten der Neuroorthopädie, der Neurologie, also Erkrankungen des Nervensystems und der Orthopädie, welche sich mit Erkrankungen des Muskel- und Gelenkapparates befasst. Das vorliegende essential beleuchtet die (Physio-)Therapie innerhalb der Neuroorthopädie im pädiatrischen Bereich, also in der Therapie der Kinder im Alter von Geburt bis 18 Lebensjahren. Wer sich als Physiotherapeut*in im Bereich der pädiatrischen Therapie spezialisiert und somit einen Großteil seiner Arbeitszeit Klientel aus ebendiesem Bereich widmet, sieht sich damit konfrontiert, durch geeignete Zusatzausbildungen, die im Rahmen der Basisausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten fachspezifisch erweitern zu müssen, um den hohen Anforderungen der neuroorthopädischen Physiotherapie gerecht zu werden (nach Marsico 2021). Im Bereich der neurophysiologischen Therapiemethoden, welche innerhalb der Neuroorthopädie zur Anwendung kommen, entstand insbesondere während der letzten 20 Jahre eine nahezu unüberschaubare Anzahl erlernbarer Therapiemethoden und Therapiemöglichkeiten. Diese basieren auf unterschiedlichsten Theorien und sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Grundlagen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist es für Physiotherapeut*innen naheliegend und sinnvoll, zumindest eine Zusatzausbildung zu wählen, die bei einer dem Arbeitsgebiet entsprechenden inhaltlichen Ausrichtung gleichzeitig eine Abrechenbarkeit mit den
4.1 Neurophysiologische Therapiemethoden
25
gesetzlichen und privaten Krankenkassen ermöglicht. Diese kann/können dann mit anderen Zusatzausbildungen ohne zusätzliche Abrechenbarkeit kombiniert werden. In diesem essential sollen daher aus Gründen der objektiven Vergleichbarkeit ausschließlich die in den deutschen Heilmittelkatalog aufgenommenen und somit verordnungsfähigen und dadurch gleichzeitig mit den gesetzlichen und privaten Krankenkassen abrechnungsfähigen Therapiemethoden aus dem Bereich der physiotherapeutischen Pädiatrie betrachtet werden. Diese werden im deutschen Heilmittelkatalog (2021) abgekürzt als KG-ZNS-Kinder bezeichnet, also als: „Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage – Kinder“ und umfassen folgende zwei Therapiemethoden: KG-ZNS-Kinder Bobath und KG-ZNS-Kinder Vojta (Heilmittelkatalog 2021). Die weiteren im Heilmittelkatalog erwähnten, innerhalb der neuroorthopädischen Physiotherapie ebenfalls häufig zur Anwendung kommenden Therapiemethoden Hippotherapie, Musik- und Tanztherapie, Fußreflexzonentherapie, Atlas-Therapie nach Arlen, Mototherapie sowie die konduktive Förderung nach Petö werden im deutschen Heilmittelkatalog (2021) explizit als nicht verordnungsfähige Heilmittel benannt, da laut Maßgabe der Verfahrensordnung des gemeinsamen Bundesausschuss der therapeutische Nutzen dieser Therapiemethoden nicht nachgewiesen werden konnte. Somit fallen diese trotz ihrer Erwähnung innerhalb der Heilmittelrichtlinien auch nicht in den Betrachtungsrahmen der für diese Arbeit relevanten Therapiemethoden. Da vom GKV, dem Verband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland, keine verbindlichen Angaben zu Verordnungszahlen im Bereich KG-ZNS-Kinder publiziert werden, stützen sich die Angaben in dieser Arbeit auf die IFK-Abfrage (Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e. V.) beim Abrechnungszentrum opta data im Juni 2020. Opta data verwaltet im Bereich der Abrechnung von Heilmitteln einen über 60.000 Kunden umfassenden Kundenstamm, wodurch die erfassten Werte als repräsentativ für Deutschland betrachtet werden können. Die vorliegenden Zahlen beziehen sich auf die mit opta data abgerechneten Physiotherapie-Verordnungen im Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2020. Insgesamt entfallen auf die physiotherapeutischen Behandlungen im Bereich KG-ZNS-Erwachsene und KG-ZNS-Kinder 15,5 % aller Verordnungen. In Relation zur in Deutschland verordneten Gesamtsumme der physiotherapeutischen Anwendungen innerhalb des Betrachtungszeitraums machen, wie Abb. 4.1 zu entnehmen ist, die Heilmittelverordnungen im Bereich KG-ZNS-Kinder nur den relativ geringen Anteil von 2,5 % aus.
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4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
Physiotherapie-Verordnungen Deutschland Juni 2019 bis Mai 2020
Andere Heilmiel 84,5 %
KG-ZNS-Erwachsene 13 %
KG-ZNS-Kind 2,5 %
Abb. 4.1 Physiotherapie-Verordnungen Deutschland Juni 2019 bis Mai 2020. (Quelle: opta data 2020)
Relevanz für die vorliegende Arbeit haben die beiden Zertifikatspositionen Bobath und Vojta. Die Verordnungen bezüglich dieser beiden Therapierichtungen teilen sich im KG-ZNS-Kinder-Bereich für den betrachteten Zeitraum (wie in Abb. 4.2 dargestellt) ungleichmäßig auf. Deutlich häufiger zur Anwendung kommt innerhalb des Betrachtungszeitraums die Bobath-Therapie mit drei von vier der Verordnungen, während auf Vojta-Behandlungen nur ein Viertel der Verordnungen fällt. In den folgenden Abschnitten werden für beide Therapierichtungen jeweils die prinzipielle Therapiemethodik und die essenziellen Merkmale der Behandlung betrachtet. Um keine Gewichtung der jeweiligen Therapiemethode vor zunehmen erfolgt diese Betrachtung in alphabetischer Reihenfolge. Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird insgesamt weiterhin bei Aufzählungen keine Gewichtung einer der Methoden durch eine Reihenfolge vorgenommen. Während die Literaturquellen Bobath stets als „Bobath-Konzept“ (Viebrock et al. 2008, Söller 2017) bezeichnen, finden sich zu Vojta unterschiedliche Bezeichnungen. Orth nutzt (2017) in ihrem als Praxisbegleiter für Eltern und Therapeuten deklariertem Buch die Bezeichnung „Vojta-Therapie“, während Vojta (Vojta et al. 2007) selbst die Bezeichnung Vojta-Prinzip einsetzt. Aus Gründen des
4.1 Neurophysiologische Therapiemethoden Abb. 4.2 PhysiotherapieVerordnungen KG-ZNS-Kinder Deutschland Juni 2019 bis Mai 2020. (Quelle: opta data 2020)
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KG-ZNS-Kinder-Verordnungen
Bobath 75 %
Vojta 25 %
Leseflusses werden im vorliegenden Text die Bezeichnungen „Bobath“, „BobathKonzept“, „Bobath-Therapie“ sowie „Vojta“, „Vojta-Prinzip“, „Vojta-Methode“ und „Vojta-Technik“ als wertungsfreie Synonyme genutzt.
4.1.1
Therapiemethodik und Merkmale KG-ZNS-Kinder Bobath
Das Bobath-Konzept in der Pädiatrie erscheint im deutschen Heilmittelkatalog unter der Position KG-ZNS-Kinder Bobath und stellt somit eine der beiden verordnungs- und abrechnungsfähigen Methoden der Kinderphysiotherapie in Deutschland dar. Verordnet wird es bei Erkrankungen des ZNS einschließlich des Rückenmarkes sowie bei neuromuskulären Erkrankungen der Verordnungsgruppe 2.1 (HMK 2021). Mit drei von vier der Verordnungen im Betrachtungszeitraum Juni 2019 bis Mai 2020 kann es aktuell als die am häufigsten verordnete Methode innerhalb der Kinderphysiotherapie angesehen werden.Empirisch im Jahr 1943 (Viebrock et al. 2008) begründet, findet sich das Bobath-Konzept in der Diagnostik, Therapie und als eine Art der Alltagsunterstützung für Kinder
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4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
und Erwachsene mit neurologischen und/oder sensomotorischen Erkrankungen beziehungsweise Einschränkungen. Aufgrund der pädiatrischen Fragestellung dieses Buchs werden nur die Aspekte des Bobath-Konzepts betrachtet, welche innerhalb der Ausbildung und Anwendung für den Bereich KG-ZNS-Kinder eine Relevanz zeigen. Das 24h-Konzept enthält Verhaltens- und Bewegungsstrategien, welche in intensiver Patienten- und Angehörigenedukation vermittelt werden. Eine Einbindung der nicht als Übung angesehenen Therapieelemente in die Aufgaben und Aktivitäten des alltäglichen Lebens kennzeichnet das Konzept. Die entsprechende Umfeldgestaltung sowie die Implementierung der Hilfsmittel verstärken den Effekt dieses alltagsnahen und sehr patientenindividuellen Ansatzes und stellen in der Therapielandschaft ein Alleinstellungsmerkmal dar. Während als übergeordnetes (Fern-) Ziel der Therapie die Eigenaktivität des*der Patient*in steht, findet gerade im Bereich der Kinderbehandlung, aber auch bei Vorliegen neurologischer Krankheitsbilder, welche ein eigenaktives Bewegen wesentlich erschweren, die Hands-on-Technik des Handlings, also einer Art „Handhabung“ des Kindes, ihre Anwendung. „Das in den einzelnen Behandlungstechniken sehr individuelle (in Bezug auf die zum Einsatz kommenden Techniken, die der Therapeut selbst innerhalb seines therapeutischen Portfolios zur Verfügung hat, und in Bezug auf die speziell auf den jeweiligen Patienten, seine Tagesform und die aktuellen Behandlungsziele zugeschnittenen Techniken) Konzept basiert auf zehn grundlegenden Prinzipien, die dem Therapeuten als Orientierung innerhalb des Therapieprozesses dienen…“ (Abel 2021, Seite 293).
Zu den zehn definierten Prinzipien des Bobath-Konzepts gehören (nach Viebrock et al., 2008): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Komplexe Bewegungsgestaltung Selbstorganisation des Kindes in der Bewegungsmitgestaltung Anpassungsentwicklung des Kindes an die Umwelt und deren Anforderungen Bewegungslernen Individualisierung der Bewegungstherapie Lebensweltorientierung Konzeptuelle Beziehung zwischen Diagnostik und Therapie Integration des Bewegungs- und Handlungsziels Kooperatives Bewegungshandeln Interdisziplinarität und interprofessionelle Zusammenarbeit.
4.1 Neurophysiologische Therapiemethoden
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In Orientierung an den Ausführungen von Ritter et al. (2014) lassen sich die zehn Prinzipien des Bobath-Konzepts wie folgt präzisieren: Komplexe Bewegungsgestaltung: innerhalb des therapeutischen Prozesses orientiert sich die Bewegungsgestaltung immer an den individuellen Möglichkeiten des*der Patient*in. Dies beinhaltet die körperlichen Bewegungsmöglichkeiten (Hebelverhältnisse, Muskelkraft, neurologische Möglichkeiten), den Kontext der Bewegung und das aktuelle Umfeld (räumliche Gegebenheiten). Die Therapiegestaltung orientiert sich „als komplexhafte Aufgabenstellung aus der Perspektive des handelnden Menschen.“ (Ritter et al. 2014, Seite 37). Selbstorganisation des Kindes in der Bewegungsmitgestaltung: das Kind erhält innerhalb der Therapie die Möglichkeit, die Bewegungsabläufe so aktiv wie möglich selbst zu gestalten oder sie mitzugestalten. Die Impulse des Kindes werden aufgenommen und im Falle einer notwendigen Hands-on-Therapie wird in Interaktion mit dem Kind die Bewegung erarbeitet. Anpassungsentwicklung des Kindes an die Umwelt und deren Anforderungen: dieses Prinzip basiert auf der Annahme, dass jedes Kind sich im Rahmen seiner Möglichkeiten an die Umweltbedingungen anpasst. Es wird im Rahmen der Bobath-Therapie also von einem adaptiv-epigenetischem Entwicklungsmodell ausgegangen, die Anpassung erfolgt interaktiv und reaktiv und damit sehr individuell. Insbesondere dieses Prinzip hat seit Entwicklung des Bobath-Konzepts eine deutliche Wandlung erlebt. Ursprünglich basierte die Annahme in Bezug auf die Bewegungsentwicklung auf einem hierarchisch-deterministischem Entwicklungsmodell. Hier wurde der Entwicklungsprozess als invariabel und von reflexartigen Entwicklungsschritten bestimmt betrachtet. Es wurde eher von einer Reifung als von einer tatsächlichen Entwicklung ausgegangen. Nach Michaelis und Niemann (2004) kann das heute zur Anwendung kommende Modell auch als „evolutionär bedingt“ bezeichnet werden. Bewegungslernen: Das Bewegungslernen wird in der theoretischen Betrachtung durch das Bobath-Konzept als ein kognitiv-adaptiver Prozess bewertet. Das ZNS wird als systemisch-aufgabenorientiert, also als eigenaktiv, problemlösend und dynamisch eingestuft. Bewegungsabläufe werden dem Kind eher mit externem Fokus, also einem Bewegungsziel (Beispiel: Greifen des Spielzeugs), als mit internem Fokus (Beispiel: Ellbogenextension mit gleichzeitigem Pinzettengriff) nahegebracht. Individualisierung der Bewegungstherapie: so individuell die Bewegungsabläufe, das Bewegungshandeln und das Bewegungslernen des*der Patient*in erfolgt, in eben diesem Maße erfolgen die therapeutischen Prozesse individuell auf den Patienten, seine Umwelt und die jeweilige Tagesverfassung zugeschnitten.
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4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
Lebensweltorientierung: die Behandlung im Rahmen der Bobath-Therapie erfolgt stets orientiert an der aktuellen Lebenswelt des*der Patienten*in und bezieht sämtliche Facetten ebendieser mit ein. Familie, Hobbies, Schule/ Kindergarten, individuelle Neigungen, Interessen und Freundeskreis finden hier zum Beispiel Berücksichtigung. Dies betont den funktionellen Charakter der Therapie, die Bezug zu allen Aufgaben des täglichen Lebens haben kann und in sämtlichen Positionen und Bewegungsübergängen stattfinden kann. Konzeptuelle Beziehung zwischen Diagnostik und Therapie: innerhalb des Bobath-Konzept besteht eine enge Verbindung zwischen der in jeder Therapieeinheit stattfindenden Diagnostik/Befundung (zusammengefasst bestehend aus einer Bewegungs- und einer Handlungsanalyse) und der Therapie, welche direkt durch die Diagnostik beeinflusst wird. Beide sind als Einheit zu verstehen. Integration des Bewegungs- und Handlungsziels: nach Ritter et al. (2014) ist das Bewegungsziel dem Handlungsziel untergeordnet, die Bewegung wird als „der Handlung dienend“ beschrieben. Die Bewegung und die Handlung bilden demzufolge in der praktischen Ausführung eine Einheit, die lediglich zu diagnostischen und analytischen Zwecken differenziert in beide Einzelteile betrachtet wird. Kooperatives Bewegungshandeln: innerhalb der Therapie werden die Bewegungsziele in einer Kooperation zwischen Patient*in, Angehörigen und Therapeut*in ermittelt, erarbeitet und umgesetzt. Die Behandlung erfolgt im sensiblen Dialog miteinander, was auch nonverbale Aspekte der Interaktion beinhaltet. Interdisziplinarität und interprofessionelle Zusammenarbeit: innerhalb des Einsatzes der Bobath-Therapie bringen sämtliche an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen ihre fachspezifische Expertise mit ein und arbeiten kooperativ im Sinne des*der Patienten*in zusammen. Der Ausführung der Prinzipien ist bereits zu entnehmen, wie komplex und individuell jede einzelne Behandlung und innerhalb der Behandlung jeder einzelne Bewegungsaspekt analysiert und durchgeführt wird. Die in Abschn. 2.2 näher aufgeschlüsselten spezifischen Aspekte der intrinsischen Motivation: Teilhabe (Prinzip fünf, sechs und neun), Kompetenz bzw. Kompetenzerleben (Prinzip drei und vier) und Autonomie bzw. Autonomieerleben (Prinzip zwei, vier und fünf) finden sich bereits in diesen wichtigen konzeptuellen Überlegungen. Die durchzuführenden Interventionen des Bobath-Konzepts bestehen also nicht aus standardisierten Übungen, sondern werden den Prinzipien entsprechen in jeder Therapieeinheit neu an die aktuelle Situation und den/die Patient*in adaptiert. Während Franki et al. (2012) bereits eine Level III-Evidenz für die BobathTherapie im Rahmen der Behandlung der unteren Extremität von Kindern mit
4.1 Neurophysiologische Therapiemethoden
31
Cerebralparese nachweisen, liegen für andere Krankheitsbilder noch nicht ausreichend Studien in der notwendigen hohen Qualität vor, um eine verlässliche Aussage bezüglich der Evidenz des Bobath-Konzeptes treffen zu können.
4.1.2
Therapiemethodik und Merkmale KG-ZNS-Kinder Vojta
Die Vojta-Therapie findet als empirisch entwickelte Therapie-Methode ihre Wurzeln im Jahr 1950 (Orth 2017). Während sie zum einen im Rahmen der kinderärztlichen Diagnostik zum Einsatz kommt, gelangt sie zum anderen als Therapie-Methode im Bereich der neurophysiologischen Physiotherapie zur Anwendung. Es handelt sich dabei ebenso wie bei Bobath um eine der beiden im deutschen Heilmittelkatalog als KG-ZNS-Kinder verankerten und daher verordnungsfähigen Therapiemethoden. Verordnet wird es parallel zu KG-ZNS-Kinder Bobath bei Erkrankungen des ZNS einschließlich des Rückenmarkes sowie bei neuromuskulären Erkrankungen der Verordnungsgruppe 2.1 (Heilmittelkatalog 2021). In diesem Bereich ist die Vojta-Therapie mit 25 % der Verordnungen im Betrachtungszeitraum an zweiter Stelle der ärztlich verordneten Therapien zu nennen. Beide Konzepte sind auf einen empirischen Ursprung aus einem sehr ähnlichen Zeitrahmen zurückzuführen. Die beiden Konzepte konnten somit in ihren Anfangsjahren auf einen ähnlichen Wissensstand und ähnliche Theorien im medizinisch-therapeutischen Forschungsgebiet zugreifen. Die Vojta-Diagnostik, welche als sehr gut strukturierte Diagnostikvariante sehr häufig Anwendung im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorge-Untersuchungen findet, ermöglicht eine frühe Diagnosestellung und eine frühe Prognose über den weiteren Krankheitsverlauf. Durch die frühe Diagnostik erfolgt auch die Behandlung sehr häufig in Form einer Frühtherapie. Die Diagnostik umfasst sieben definierte Lagereaktionen, welche ab der ersten Lebenswoche untersucht werden. Für die vorliegende Arbeit hat diese Diagnostikvariante ebenso wie die Diagnostik bei Bobath jedoch keine Relevanz, da sich die Fragestellung auf die praktische Anwendung der Vojta-Technik innerhalb der Therapie begrenzt. Vojta und Peters (2007) bezeichnen den therapeutischen Prozess des VojtaKonzepts als „Reflexlokomotion“. Das Wort Reflexlokomotion erklärt hier bereits das Behandlungsprinzip: Ein Reflex initiiert die Lokomotion, also die Bewegung oder die Bewegungsabläufe. Mumenthaler und Mattle (2015) bezeichnen Reflexe als „Vorgänge, die unbeeinflussbar durch den Willen des Patienten oder des Untersuchers durch einen bestimmten Reiz in Gang gesetzt werden und immer gleichartig ablaufen.“ (Seite 55).
32
4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
Auch Orth (2017) sieht in den Merkmalen der Vojta-Therapie neben dem möglichen Einsatz in sämtlichen Altersstufen und bei jeglichem Krankheitsbild sowie der Frühtherapie bereits ab Geburt als typisches Kriterium die definierten Ausgangslagen in Kombination mit den definierten Auslösungszonen. Außerdem nennt sie als spezielles Merkmal die Aktivierung genetisch veranlagter Muster mit einer Reproduzierbarkeit der Muster, was als Möglichkeit der verlässlichen Anwendung zu sehen ist. Beide Sichtweisen spiegeln ein hierarchisch-deterministisches Entwicklungsmodell (nach Shumway-Cook und Woolacott 2016) wider, bei welchem die Entwicklung des Kindes als genetisch gesteuert und zum Teil reflexbedingt angesehen wird. Michaelis und Niemann (2004) bezeichnen diese Sichtweise der kindlichen Entwicklung gar als „reduktionistisch“ (da sie auf prinzipielle Faktoren wie Reflexe reduziert wird) und nennen als Konsequenz dieses Denkansatzes: „Lernprozesse spielen in der Entwicklung nur eine untergeordnete Rolle“ (Michaelis, Niemann, 2004, Seite 46). Bei der Vojta-Therapie handelt es sich demzufolge um eine körperliche Aktivierung, bei welcher in definierten und exakt einzustellenden Körperpositionen von extern Reize gesetzt werden. Die zum Einsatz gelangenden Körperpositionen finden sich überwiegend in der Horizontalen. Die Reizsetzung erfolgt in dreidimensionaler Art und aktiviert ein globales motorisches Muster mit deutlicher Fortbewegungstendenz. Ziel dieser Aktivierung ist das Erreichen einer idealen, physiologischen Motorik, welche auch als Idealmotorik bezeichnet wird (nach Vojta und Peters 2007). Die Reflexlokomotion unterteilt sich in die Bereiche des Reflexkriechens (ausgeführt in Bauchlage) und des Reflexumdrehens (welches vorwiegend in Rückenlage oder Seitlage ausgelöst wird). Zu den Prinzipien der Reflexfortbewegung gehören unter anderem (nach Vojta und Peters 2007): 1. 2. 3. 4. 5.
Eine Stützbasis, welche durch die Lage des Körpers bestimmt wird Reizung der Auslösezonen Kontinuierliche Auslösbarkeit vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter Globale Halteaktivität des gesamten Körpers Bewegen des Körpergewichts nach distal auf eine Extremität über die Schlüsselgelenke 6. Zentrierung von Hüft- oder Schultergelenk in das Acetabulum bzw. in die Cavitas glenoidalis 7. Fixierung der Extremitäten zur Sicherung des Punctum fixum.
4.1 Neurophysiologische Therapiemethoden
33
Durch das Zusammenspiel dieser Prinzipien erfolgt die reproduzierbare Fortbewegung in Form des Kriechens oder Umdrehens. Das Reflexumdrehen wird aus der Rückenlage oder Seitlage heraus ausgelöst und es ähnelt dem aktiven Umdrehen des Kindes im Rahmen der normalen Entwicklung. Das Reflexkriechen stellt eine im therapeutischen Setting in Bauchlage reflektorisch ausgelöste Fortbewegungsart dar, welche im normalen Alltag eines Kindes oder Erwachsenen nicht vorkommt. Es besteht aus vielen einzelnen Teil-Bewegungs-Mustern und erinnert im Ablauf an einen Schrittzyklus im Kreuzgang. Während das Konzept insgesamt auf der Reproduzierbarkeit von Reflexen und reflexähnlichen Bewegungsabläufen basiert, entstehen die Variationen innerhalb der Therapie durch unterschiedliche Reizsetzung bei der Auslösung der Zonen (bezogen auf die Qualität, Intensität, Lokalisation, Kombination von Auslösezonen und Dauer der Auslösung) und Veränderung der Ausgangsposition. Insgesamt ist im Vojta-Konzept eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit der Anatomie und der Muskelfunktion notwendig, um die Therapie korrekt ausführen zu können. Vojta und Peters (2007) betonen als bedeutende Faktoren innerhalb der Anwendung der Reflexfortbewegung: • • • •
Korrekte Wirkrichtung der Muskulatur in Richtung des Stützpunktes. Änderung der Wirkrichtung der Muskulatur bei isometrischer Kontraktion. Aufbau und Ausbreitung der Muskelspannung vom Punktum fixum ausgehend. Fibrillieren und Faszikulationen des Muskels weisen auf eine Muskelaktivität hin, bevor Bewegung sichtbar wird. • Zeitliche und räumliche Summation der gesetzten Reize im Sinne von Auslösezonen und Widerstand verbessern die Isometrie und intensivieren somit das Ergebnis. Ein Bremsen des Fortbewegungsprozesses prägt das Bewegungsmuster im ZNS intensiver ein. Das Alleinstellungsmerkmal dieses therapeutischen Konzepts stellt die engmaschige und intensive Anwendung der Reflexlokomotion dar: Nach ausführlich erfolgter Patienten- und Angehörigenedukation sowie im weiteren Verlauf regelmäßiger Kontrolle der Übungsausführung werden die für den Patienten gewählten Anteile der Reflexlokomotion im heimischen Umfeld dreimal oder viermal täglich für fünf bis 20 min durchgeführt. Diese hohe Intensität ist mit den Grundlagen der medizinischen Trainingstherapie bezüglich Trainingsfrequenzen kompatibel, was ebenso den Grundlagen des motorischen Lernens entspricht. Großer Wert wird bei der Vojta-Therapie auf eine muskuläre Kräftigung in der Horizontalen mit dem Ziel des Erreichens der idealen Motorik auch in Bezug auf Positionen und Bewegungsabläufe in der Vertikalisierung gelegt. Vojta und Peters
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4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
(2007) unterstreichen in diesem Zusammenhang mehrfach die möglichen Gefahren einer Gangschulung in der Vertikalen bei Kindern mit Cerebralparese, lassen die Gefahren einer fehlenden Vertikalisierung der Kinder jedoch unerwähnt. Trotz des Vorliegens zahlreicher Studien über die Wirksamkeit der VojtaTechnik, zum Teil bereits in den frühen Entdeckungsjahren der Technik durch Vojta selbst verfasst, liegen zum jetzigen Zeitpunkt nur wenige den heutigen wissenschaftlichen Grundlagen entsprechende, aussagefähige Studien vor, welche die Wirksamkeit der Therapie solide untermauern. In Bezug auf frühkindliche Haltungsasymmetrien zeigt Jung (2011) im Rahmen seiner randomisiert kontrollierten Studie eine deutliche Wirksamkeit der Therapie auf. Weitere Studien bezüglich des Effekts dieser Therapiemethode sind notwendig, um ihre Wirksamkeit belegen zu können.
4.2
Methodik Literaturreview
4.2.1
Methodik Literaturreview allgemein
Im vorliegenden Teil der Mixed-Methods-Arbeit wird anhand von Literaturreviews der Ausbildungsverordnungen der beiden exemplarisch gewählten Therapiemethoden bezüglich der zu unterrichtenden Lehrinhalte der Konzepte ein Überblick über die Berücksichtigung der intrinsischen Motivation als förderlichem Faktor des motorischen Lernens innerhalb der Lehre dieser Methoden gegeben. Dieser erste Schritt zeigt auf, ob die Therapiemethoden innerhalb ihrer theoretischen Lehre die intrinsische Motivation des Kindes berücksichtigen. Im zweiten Schritt erfolgt unter Zuhilfenahme eines Fragebogens zur Datenerhebung eine quantitative Forschung bezüglich der Berücksichtigung der intrinsischen Motivation innerhalb des therapeutischen Alltags in diesen beiden Therapiemethoden, diese Ergebnisse finden sich in „Intrinsische Motivation in der Kindertherapie II“. In diesem Abschnitt erfolgt ein Literaturreview der Ausbildungscurricula für den „Kurs für angewandte Entwicklungskinesiologie bei bewegungsgestörten Säuglingen, Kindern und Jugendlichen nach Vojta“ und für den „Weiterbildungslehrgang für die berufliche Arbeit mit dem Bobath-Konzept“. Die Auswertung der Ausbildungscurricula erfolgt nach der Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse. Niederberger und Dreiack (2021) unterstreichen mit ihrem systematischen Review die Relevanz der qualitativen Inhaltsanalyse für die Gesundheitswissenschaften und benennen sie innerhalb Deutschlands als die am häufigsten verwendete qualitative Analysestrategie. Trotz des häufigen Einsatzes
4.2 Methodik Literaturreview
35
existiert für diese Analysestrategie kein einheitliches Konzept der Durchführung, wodurch es an Flexibilität gewinnt. Mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse können Texte systematisch auf manifeste Inhalte hin analysiert und die gewonnenen Daten im folgenden Schritt ausgewertet werden (Kuckartz 2018). Zur Analyse gelangt in diesem Fall jeweils der komplette Text der beiden Curricula. Entsprechend der in Kap. 2, „Stand der Wissenschaft“ aufgeschlüsselten Grundlagen in Bezug auf die intrinsische Motivation erfolgt die Auswertung mit folgenden Suchbegriffen/Keywords: • • • • •
Intrinsische Motivation und/oder Motivation Selbstbestimmung und/oder Selbstbestimmt/heit und/oder Selbständigkeit Kompetenz und/oder Handlungskompetenz und/oder Kompetenzerleben Teilhabe/Partizipation Autonomie.
Beide Texte werden auf eine Nennung dieser Keywords hin untersucht, wobei die Nennung sich im Kontext nicht auf den/die Therapeut*in, sondern auf den/ die Patient*in beziehen muss. Die gesuchten Keywords beziehen sich allgemein auf die derzeit gültige Definition und Auslegung der intrinsischen Motivation im Rahmen des motorischen Lernens. Eine Nennung der Keywords im Literaturverzeichnis bleibt unbeachtet. Die Nennung der Keywords wird als Auseinandersetzung mit dem Thema „intrinsische Motivation“ gewertet. Die zu untersuchenden Keywords stehen weder in kausalem Zusammenhang mit der Methodik des Bobath-Konzepts noch mit der Methodik der Vojta-Therapie, sondern finden ihren Ursprung im Gebiet der Lernpsychologie. Beide Therapiemethoden werden durch die Suche nach den oben genannten Keywords aus lernpsychologischer Sicht betrachtet.
4.2.2
Methodik Literaturreview Bobath
Zur Anwendung der Datenerhebung bezüglich der Therapiemethode Bobath kommt das am 05.02.2021 unter https://bobath-kurse.de/wp-content/uploads/ 2016/04/Curriculum-GKB.pdf auf der Homepage der GKB öffentlich einsehbare Ausbildungscurriculum. Er- und überarbeitet wird das Curriculum regelmäßig durch die „Gemeinsame Konferenz der deutschen Bobath-Kurse e. V.“ (GKB). Die der Masterthesis vorliegende Variante wurde am 01.07.2019 freigegeben und behielt ihre Gültigkeit bis zur Revision. Zum Erscheinungszeitpunkt des
36
4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
essentials wird ein neues Curriculum der Therapiemethode gültig. Das damalige Curriculum ist über die Homepage derzeit nicht einsehbar, jedoch bei der GKB weiterhin vorliegend. Das Ausbildungscurriculum, welches in allen 20 deutschen Kurszentren, an welchen Kurse zum Erwerb des Zertifikats „KG-ZNS-Kinder Bobath“ stattfinden (Stand Mai 2021, Anlage 3 der Rahmenempfehlungen nach § 125 Abs. 1 SGB V), verpflichtend seine Anwendung findet, umfasst 49 Seiten und wird komplett zur Datenerhebung ausgewertet. Die Keywords der Datenerhebung entsprechen den in Abschn. 4.2.1 gelisteten Begriffen der intrinsischen Motivation.
4.2.3
Methodik Literaturreview Vojta
Analog zum vorhergehenden Unterkapitel, in welchem ein Literaturreview des Curriculums Bobath erfolgt, behandelt dieses Subkapitel die Auswertung des Weiterbildungscurriculums Vojta, welches in den drei deutschen Kurszentren (Stand Mai 2021, Anlage 4 der Rahmenempfehlungen nach § 125 Abs. 1 SGB V) seine Anwendung findet. Das Weiterbildungscurriculum Vojta wird bis auf Weiteres entsprechend der oben genannten Rahmenempfehlungen durch die Leitlinien und Standards der internationalen Vojta-Gesellschaft e. V. (IVG) gebildet. Trotz intensiver Nachforschung konnte unter keiner öffentlich zugänglichen Quelle ein entsprechendes Curriculum zum Weiterbildungslehrgang „KG-ZNSKinder Vojta“ ausfindig gemacht werden. Auf Anfrage per E-Mail bei der internationalen Vojta-Gesellschaft e. V. vom 07.01.2021 wurde mitgeteilt, dass sich das Curriculum derzeit in der Überarbeitung befindet. Eine Vorgängerversion zur Auswertung war nicht verfügbar, es wurde alternativ auf die Informationsblätter zum Lehrgang verwiesen, welchen sämtliche Kursinhalte zu entnehmen wären und welche als derzeitiges Curriculum zu werten seien. Die beiden Informationsblätter mit den kompletten Kursinhalten umfassen gemeinsam einen Umfang von zwei Seiten und sind einsehbar unter: • https://www.vojta.com/images/images-2019/A4-Info-Flyer-Erwachsene-20201.pdf und • https://www.vojta.com/images/images-2019/A4-Info-Flyer-Kinder-2020-3.pdf. Da sich die vorliegende Arbeit ausschließlich auf die Inhalte aus dem Bereich Pädiatrie bezieht, kommt nur der Info-Flyer-Kinder („Das Vojta-Prinzip – Die Anwendung in der Frühtherapie beim Säugling und in der Rehabilitation bei
4.3 Ergebnisse Literaturreview
37
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“) mit dem Umfang von einer Seite zur Anwendung. Die zur Anwendung gelangenden Suchwörter entsprechen der Liste aus Abschn 4.2.1.
4.3
Ergebnisse Literaturreview
4.3.1
Ergebnisse Literaturreview Ausbildungscurriculum Bobath
Die Auswertung des Literaturreviews Bobath zeigt die in Tab. 4.1 folgenden Ergebnisse. Die Auswertung der Literaturrecherche Bobath ergibt in Summe eine Gesamtnennung der festgelegten Keywords von 62. Nach Abzug der Keywords, welche sich auf den/die Therapeut*in beziehen und/oder welche das Literaturverzeichnis betreffen, beläuft sich die Gesamtsumme der Nennungen auf 35. Die sehr hohe Frequenz von 35 Nennungen auf 49 Seiten lässt auf eine deutliche Auseinandersetzung mit der Thematik der Motivation, speziell der intrinsischen Motivation des*der Patient*in rückschließen. Das Literaturreview bestätigt somit eine intensive Auseinandersetzung mit der intrinsischen Motivation im Rahmen der Grundausbildung zum KG-ZNS-Kinder-Zertifikat Bobath.
Tab. 4.1 Keywords Ausbildungscurriculum Bobath gesamt und patientenbezogen. (Quelle: eigene Datenerhebung 2021) Keywords
Nennungen gesamt
Nennungen patientenbezogen
Intrinsische Motivation/ Motivation
8
6
Selbstbestimmung/ Selbstbestimmtheit/ Selbständigkeit
2
2
Kompetenz/ Handlungskompetenz/ Kompetenzerleben
35
10
Teilhabe/Partizipation
13
13
Autonomie
4
4
38
4
Intrinsische Motivation – theoretisch wichtige Grundlage …
Tab. 4.2 Keywords Ausbildungscurriculum Vojta gesamt und patientenbezogen (Quelle: eigene Datenerhebung 2021) Keywords
Nennungen gesamt
Nennungen patientenbezogen
Intrinsische Motivation/ Motivation
0
0
Selbstbestimmung/ Selbstbestimmtheit/ Selbständigkeit
0
0
Kompetenz/ Handlungskompetenz/ Kompetenzerleben
0
0
Teilhabe/Partizipation
0
0
Autonomie
0
0
4.3.2
Ergebnisse Literaturreview Ausbildungscurriculum Vojta
Die Auswertung des Literaturreviews des derzeit vorliegenden Ausbildungscurriculums Vojta zeigt die in Tab. 4.2 die dargestellten Ergebnisse. Die Auswertung der Literaturrecherche Vojta ergibt in Summe eine Gesamtnennung der Keywords von 0. Eine weitere Differenzierung dahingehend, ob genannte Keywords auf den*die Therapeut*in bezogen sind oder aus dem Literaturverzeichnis stammen, erübrigt sich somit. Es kann somit vorläufig aufgrund der erhobenen Daten bestätigt werden, dass im derzeitigen Curriculum des Weiterbildungslehrganges KG-ZNS-Kinder Vojta die Auseinandersetzung mit der Thematik der intrinsischen Motivation schriftlich nicht belegt werden kann.
5
Theorie und Praxis: Konvergenz und/ oder Divergenz
5.1
Literaturreview Curricula intrinsische Motivation: Divergenz
Die Ausführungen zur Therapiemethodik des Bobath-Konzepts zeigen bereits in der Aufschlüsselung der zur Anwendung gelangenden zehn Prinzipien eine Auseinandersetzung mit den drei einzelnen Faktoren der intrinsischen Motivation: Teilhabe, Kompetenz und Autonomie. Besonders die Teilhabe und das Autonomieerleben werden hier abgebildet. Die grundlegenden Prinzipien implizieren also bereits die Idee der Beachtung der intrinsischen Motivation, was die Erwartungshaltung, bei der Untersuchung dieser Therapiemethode auf weitere Hinweise zu ebendieser Beachtung der motivatorischen Faktoren zu stoßen, erhöht. Helders et al. (2003) belegen mit Ihrer Arbeit über die Veränderungen innerhalb der pädiatrischen Rehabilitation deutlich, dass eine aufgabenorientierte Therapievariante die besten Effekte bringt, was dem Bobath-Konzept in höchster Weise entspricht. Die hochintensive Behandlungsfrequenz innerhalb der Anwendung der VojtaTherapie kann als Umsetzung einer der Grundlagen des motorischen Lernens eingestuft werden. Auch dieser Faktor lässt in der differenzierten Betrachtung der Fachmethodik der Vojta-Technik eine weitere Auseinandersetzung mit dem motorischen Lernen vermuten, die Annahme, hier auch motivatorische Faktoren ablesen zu können, steigt aus diesem Grund auch bei Vojta. Gleichzeitig lässt die Therapietechnik durch ihre sehr strukturierten Vorgaben auf den ersten Blick wenig Freiraum für individuelle Abweichungen, da eine deutliche Betonung der reflexbedingt verlässlichen und gleichbleibenden ständig wiederabrufbaren Qualität der Bewegungen vorgenommen wird. Autonomie – ein Faktor der intrinsischen Motivation – bedeutet jedoch Selbständigkeit und Unabhängigkeit, was
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Abel, Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68075-9_5
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5 Theorie und Praxis: Konvergenz und/oder Divergenz
dem reflexgebundenen Procedere auf den ersten Blick zumindest in der Theorie deutlich widerspricht. Zusätzlich zu diesen Überlegungen erschwert bei der Vojta-Technik die Betonung der Therapieform in der Horizontalen den Gedankengang einer Therapie, die sich an den aktuellen wissenschaftlichen Prinzipien orientiert. Paleg et al. (2013) belegen mit ihrem systematischen Review eindeutig die elementare Notwendigkeit von Stehprogrammen für Kinder mit Cerebralparese. Vor dem Hintergrund des Wissens um eine Verbesserung der Knochendichte, eine Verringerung der Spastik und weiters um eine Verbesserung der Durchblutung, Verbesserung der Organfunktion und die Anregung der Kognition durch Stehen ist ein Konzept, welches keine Vertikalisierung der Kinder ab dem physiologischen Stehalter unterstützt, aus heutiger Sicht infrage zu stellen. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit der theoretischen Methodik der beiden sehr unterschiedlichen therapeutischen Ansätze fällt zuerst die deutliche Umfangsdifferenz der für nicht im Rahmen der Lehrtätigkeit der Therapiemethoden Tätige erhältlichen Ausbildungscurricula auf. Während die GKB für Bobath mit 49 Seiten ausführlich die Ausbildungsinhalte strukturiert und verbindlich für alle 20 Ausbildungszentren festlegt, existiert zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit kein für Außenstehende erhältliches Curriculum für das Vojta-Prinzip. Die hieraus ersichtliche Struktur innerhalb der Ausbildung im Bereich Bobath lässt auf eine intensive Auseinandersetzung der Ausbildungszentren und deren Ausbilder*innen mit den Grundlagen des Konzepts sowie auf eine wissenschaftliche Betrachtung der zugrunde liegenden Theorie schließen. Das Vorliegen eines sorgfältig ausgearbeiteten, auf Lerntheorien basierenden Curriculums dient dem systematischen Kompetenzerwerb und ermöglicht eine Adaptierung der Lehrbereiche anhand aktualisierter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Potenzielle Kursteilnehmer können sich im Vorfeld über die Inhalte und den Umfang der Zusatzausbildung ein umfassendes Bild machen und so auf fundierter Grundlage über eine Sinnhaftigkeit ihrer Teilnahme am Lehrgang entscheiden. Im Bereich der Ausbildung zum/zur Vojta-Therapeuten*in hingegen fällt die Entscheidung für oder gegen den Lehrgang anhand der Grundlage des Flyers in Din-A-4-Größe und/oder über mündliche Informationen durch das Kurszentrum, Dozenten oder Absolventen. Curricula dienen prinzipiell der systematischen Aufbereitung des Unterrichts mit allen Zielen, Methoden und Inhalten. Die Orientierung an verbindlichen Curricula gewährleistet eine gleichbleibende Qualität der Weiterbildungsmaßnahme. Durch die Ausarbeitung der Curricula erfährt die jeweilige Ausbildung eine methodisch-didaktische Struktur. Kaiser-Jovy et al. (2019) arbeiten in ihrem Fachaufsatz zur Rolle der Curricula in der Hochschullandschaft deutlich heraus, dass durch den zu beobachtenden Strukturwandel des
5.2 Praktische Umsetzung: Konvergenz/Divergenz
41
Bildungswesens die Notwendigkeit entsteht, Inhalte und pädagogisch-didaktische Anteile der Lehrgänge systematisch aufzuschlüsseln und deren Qualität durch fortlaufende Kontrolle zu erhalten. Sofern für eine Weiterbildungsmaßnahme kein nachvollziehbares Curriculum vorhanden ist, ist dies aus wissenschaftlicher Sicht kritisch zu beurteilen. Wie bereits durch die in Abschn. 4.1.1 zum Thema der Therapiemethodik aufgelisteten Prinzipien des Bobath-Konzepts (zum Beispiel Punkt 2: „Selbstorganisation des Kindes in der Bewegungsmitgestaltung“; dem Kind wird durch die Festlegung der Grundprinzipien der Behandlung bereits ein Spielraum im Bereich der für die Verbesserung der intrinsischen Motivation wünschenswerten Autonomie und Selbstbestimmung eingeräumt) zu erwarten ist, finden sich im Curriculum Hinweise auf eine Auseinandersetzung mit der intrinsischen Motivation. Während im Ausbildungscurriculum Vojta keinerlei Nennung der gesuchten Keywords erfolgt, finden sich die Keywords im Ausbildungscurriculum Bobath mit 35 Nennungen wieder. Es liegt ein signifikanter Unterschied in der Datenauswertung vor. Das Curriculum der Ausbildung Bobath zeigt also (wie bereits in der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen annehmbar) eine eklatant höhere Nennungsfrequenz der Keywords, die auf eine Auseinandersetzung mit der Thematik der intrinsischen Motivation des Patienten rückschließen lassen.
5.2
Praktische Umsetzung: Konvergenz/Divergenz
Aufgrund der vorliegenden Problematik, in den beiden Ausbildungsgängen zur Zusatzqualifikation KG-ZNS-Kinder Bobath und KG-ZNS-Kinder Vojta zwei Ausbildungscurricula in sehr differierender Ausführlichkeit vorliegen zu haben, wurde es notwendig, eine weitere Möglichkeit der Datenerfassung anzuwenden. Teil 2 dieses essentials (Intrinsische Motivation in der Kindertherapie II) befasst sich daher mit einer quantitativen Online-Befragung von Physiotherapeuten aus dem Bereich der Pädiatrie, um zu erfassen, ob Therapeut*innen innerhalb Ihrer Zusatzausbildung zu den Zertifikatspositionen mit den wichtigsten Aspekten der intrinsischen Motivation in Bezug auf motorisches Lernen konfrontiert werden und diese sicher als Lerninhalte innerhalb der Zusatzausbildung gesehen und im Anschluss im täglichen Arbeiten umgesetzt werden können. In Band 2 finden sich also die Hintergründe zur praktischen Umsetzung des Wissens um die intrinsische Motivation der Kinder in der Therapie. Setzen die Therapeut*innen der beiden unterschiedlichen Therapieansätze die jeweiligen Techniken so um, dass
42
5 Theorie und Praxis: Konvergenz und/oder Divergenz
die intrinsische Motivation des Kindes angesprochen wird? Die Auswertung in Bezug auf Konvergenz oder Divergenz zeigt hier spannende Zusammenhänge auf, die deutlichen Einfluss auf die weitere Gestaltung von Ausbildungsmaßnahmen für Therapeut*innen nehmen müssen.
Was Sie aus diesem essential mitnehmen können
• Relevante Erkenntnisse zur intrinsischen (und extrinsischen) Motivation bei Kindern • Theoretisches Grundwissen über die verschiedenen Phasen der emotionalen Entwicklung bei Kindern und deren Bedeutung innerhalb der Therapie • Hilfreiche Anregungen, um in den unterschiedlichen Phasen die intrinsische Motivation zu unterstützen • Hintergrundwissen zur Betrachtung der intrinsischen Motivation innerhalb der Therapiemethoden Bobath und Vojta
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Abel, Intrinsische Motivation in der Kindertherapie – Band 1, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68075-9
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