Interreligiöses Lernen 3534743253, 9783534743254

Zu den großen Zukunftsthemen der Religionspädagogik gehört - gerade auch angesichts der aktuellen Zuwanderungsbewegungen

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Titel
Widmung
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung: Die Notwendigkeit interreligiösen Lernens
I. Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte
1. Religion und Religionslosigkeit
2. Migration und Säkularisierung
3. Jugend und Religion
4. Religiöse Pluralität und interreligiöses Lernen
II. Von der Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe
1. Religiöses Lernen
2. Interreligiöses Lernen evangelisch
3. Interreligiöses Lernen katholisch
4. Interkulturelles Lernen
5. Interreligiöse Bildung
6. Interreligiöse Kompetenz
7. Interreligiöser Dialog
III. Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen
1. Exklusivismus – kein Heil außerhalb der eigenen Religion
2. Inklusivimus – Elemente des Heils in anderen Religionen
3. Pluralismus – Religionen als gleichberechtigte Heilswege
4. Komparative Theologie – gemeinsam auf der Suche nach derWahrheit
IV. Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen
1. Interreligiöses Lernen als religionskundliches Lernen
2. Interreligiöses Lernen als intrareligiöses Lernen
3. Interreligiöses Lernen als Zeugnislernen
4. Interreligiöses Lernen als kompetenzorientiertes Lernen
5. Interreligiöses Lernen als Dialogisches Lernen
6. Interreligiöses Lernen als Trialogisches Lernen
V. Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven
1. Die fünf Dimensionen des interreligiösen Lernens
2. Das Leitbild einer Didaktik interreligiösen Lernens
3. Die Organisation des interreligiösen Lernens
4. Die Inhalte interreligiösen Lernens
5. Die Methoden interreligiösen Lernens
6. Die Evaluation interreligiöser Lernprozesse
VI. Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder
1. Fest- und Fastenzeiten der abrahamischen Religionen gestalten und feiern
2. Zeugnisse derWeltreligionen entdecken und erschließen
3. Gotteshäuser in Judentum, Christentum und Islam erkunden und deuten
4. Heilige Schriften aus Judentum, Christentum und Islam verstehen und vergleichen
Literaturverzeichnis
Personenregister
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Interreligiöses Lernen
 3534743253, 9783534743254

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THEOLOGIE KOMPAKT Prof. Dr. Clauß Peter Sajak ist Professor für Religionspädagogik an der katholisch-theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

THEOLOGIE KOMPAKT

Clauß Peter Sajak

Interreligiöses Lernen

Für Wolfgang Michalke-Leicht: Kollege, Weggefährte, Freund

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2018 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Einbandabbildung: © Fotolia/bht 2000 [http://www.wassilykandinsky.net/] Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-74325-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-74361-2 eBook (epub): 978-3-534-74362-9

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung: Die Notwendigkeit interreligiösen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Religion und Religionslosigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Migration und Säkularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Jugend und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Religiöse Pluralität und interreligiöses Lernen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Von der Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Religiöses Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interreligiöses Lernen evangelisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interreligiöses Lernen katholisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interkulturelles Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interreligiöse Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Interreligiöse Kompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Interreligiöser Dialog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exklusivismus – kein Heil außerhalb der eigenen Religion. . . . . . . . . . . . . . 2. Inklusivimus – Elemente des Heils in anderen Religionen . . . . . . . . . . . . . . 3. Pluralismus – Religionen als gleichberechtigte Heilswege . . . . . . . . . . . . . . . 4. Komparative Theologie – gemeinsam auf der Suche nach der Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen . . . . . . . . . . . . 1. Interreligiöses Lernen als religionskundliches Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interreligiöses Lernen als intrareligiöses Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interreligiöses Lernen als Zeugnislernen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interreligiöses Lernen als kompetenzorientiertes Lernen. . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interreligiöses Lernen als Dialogisches Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Interreligiöses Lernen als Trialogisches Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die fünf Dimensionen des interreligiösen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Leitbild einer Didaktik interreligiösen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

3. Die Organisation des interreligiösen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4. Die Inhalte interreligiösen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5. Die Methoden interreligiösen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6. Die Evaluation interreligiöser Lernprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 VI. Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fest- und Fastenzeiten der abrahamischen Religionen gestalten und feiern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeugnisse der Weltreligionen entdecken und erschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.Gotteshäuser in Judentum, Christentum und Islam erkunden und deuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Heilige Schriften aus Judentum, Christentum und Islam verstehen und vergleichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Vorwort Das vorliegende Buch ist der Versuch, die verschiedenen Ansätze, Entwicklungen und Konzeptionen im Bereich des interreligiösen Lernens, die in diesem Forschungsfeld der Religionspädagogik in den letzten 40 Jahren erschienen sind, in einer Einführung auf das Wesentliche reduziert vorzustellen und dabei eine bestimmte Ordnung in den fachlichen Diskurs zu bringen. Folglich ist diese Arbeit nur bedingt als ein eigenständiger Entwurf und schon gar nicht als eine umfassende Didaktik des interreligiösen Lernens zu verstehen, dies wäre in diesem knappen Umfang und auch mit Blick auf die verwendeten didaktischen Gestaltungsformen schwerlich möglich. Vielmehr habe ich in diesem Band versucht, für Studierende und andere interessierte Leser das Feld des interreligiösen Lernens anschaulich, verständlich und unter Verwendung einer didaktischen Struktur zu präsentieren. Dabei ist meine Perspektive eine christliche, nämlich eine katholische, auch wenn ich versucht habe, die evangelische Literatur nach bestem Wissen und Gewissen zu integrieren. Dieses Buch wäre nicht möglich gewesen ohne die vielen kollegialen Gespräche und den hilfreichen Austausch mit zahlreichen evangelischen, katholischen und muslimischen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich in Münster und darüber hinaus nun seit zehn Jahren gemeinsam Religionspädagogik treiben darf. An erster Stelle ist hier Rainer Möller vom Comenius-Institut in Münster zu nennen, mit dem ich in den letzten Jahren in verschiedenen Projekten zusammenarbeiten durfte. Gemeinsam mit Mouhanad Khorchide haben wir hier an der Katholischen Akademie Franz-Hitze-Haus das ChristlichIslamische Forum Münster (CIFR) gegründet: In dessen Rahmen habe ich bei vielen spannenden und bereichernden Tagungen und Konferenzen von und mit Rainer und Mouhanad, aber auch von Naciye Kamcili-Yildiz, Thorsten Knauth und Burcu Yilmaz viel und vieles gelernt. Mein Dank gilt aber auch dem kollegialen Austausch mit Stephan Leimgruber und Johannes Lähnemann, die als Vordenker und Wegbereiter für die angemessene Wahrnehmung religiöser Pluralität und das interreligiöse Lernen als notwendige Disziplinweitung im konfessionellen Kontext das Eis gebrochen haben und die bis heute dankenswerter Weise wichtige Impulse zur Diskussion liefern. Karlo Meyer danke ich für Kritik und Anregungen im kollegialen Gespräch. Auch die langjährige Zusammenarbeit mit meiner Wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dorothee Fingerhut hat mich immer wieder inspiriert und bereichert. Ein besonderer Dank gilt unserer Sekretärin Sigrid Dorn, die in treuer und bewährter Manier das Manuskript verschriftlicht hat. Alissa Geisler hat

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Vorwort

als studentische Mitarbeiterin die Entstehung des Manuskripts von Anfang an kritisch und konstruktiv begleitet, außerdem hat sie im sechsten Kapitel auch verschiedene Textvorschläge beigesteuert. Marie-Christin Marcks hat alle Korrekturarbeiten gründlich und sorgfältig verantwortet. Last but not least danke ich Thomas Brockmann und Sophie Dahmen, die von Seiten der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft dieses Projekt angeregt und begleitet haben. Widmen möchte ich dieses Buch meinem Kollegen und Freund Wolfgang Michalke-Leicht, mit dem mich seit meiner Freiburger Zeit nicht nur gemeinsame religionspädagogische Anliegen, sondern auch eine wertvolle Freundschaft verbindet. Münster, den 1. August 2017

Clauß Peter Sajak

Einleitung: Die Notwendigkeit interreligiösen Lernens Interreligiöses Lernen ist ein Trendthema. Das liegt zum einen sicher daran, dass sich der gesellschaftliche, der theologische und auch der religionspädagogische Diskurs im Speziellen zurzeit in besonderer Weise dem Programmwort der Diversität verschreiben und entsprechend mit dem daraus resultierenden Phänomen der Heterogenität in einer didaktisch sinnvollen Weise umgehen müssen (Grümme 2017). Im Bereich von Religion und Glaube heißt Heterogenität religiöse Pluralität. Dies wird im erziehungswissenschaftlichen Diskurs in der Regel völlig ausgeblendet (Bohl et al. 2017), wohl auch, weil Glaube, Religiosität und religiöses Bekenntnis für die meisten Erziehungswissenschaftler Tabus sind. Die erziehungswissenschaftliche Praxis zeigt dagegen, dass nicht nur im Bereich der religiösen Bildung und des Religionsunterrichts die religiöse Perspektive auf die Welt im menschlichen Miteinander durchaus sichtbar wird, und zwar nicht nur bei sog. Gastarbeitern oder Flüchtlingen. Die Frage, an was der Mensch sein Herz hängt, was ihn unbedingt angeht und worauf er seine Hoffnung setzt, hat auch in zunehmend säkularen und scheinbar religionslosen Zusammenhängen Bedeutung. Es wäre eine Selbsttäuschung, dies auszublenden und für pädagogische Kontexte als nicht relevant zu qualifizieren. Wendet man den Blick über Deutschland und über Europas hinaus, so ist offensichtlich, dass Religion inzwischen ein Megathema ist. Seit den furchtbaren Ereignissen des 11. Septembers 2001 ist Religion mit brachialer Gewalt in den örtlichen Diskurs zurückgekehrt, nachdem seit dem Kulturbruch von 1968 der Eindruck gefördert worden war, Religion würde im Zuge von Modernisierung und Wohlstandsvermehrung als Thema obsolet werden. Doch bereits Mitte der 1990er Jahre hatte Samuel Huntington mit seiner Programmschrift vom „Kampf der Kulturen“ auf das Potential und die Dynamik kultureller wie religiöser Konflikte hingewiesen, Martin Riesebrodt prognostizierte zur Jahrtausendwende „Die Rückkehr der Religionen“. Entsprechend sind interreligiöses Lernen, interreligiöse Verständigung und interreligiöser Dialog auf der lokalen, regionalen wie globalen Ebene ein wichtiger Baustein, um an einer besseren Verständigung und einem friedlicheren Miteinander von Menschen heute mitzuwirken. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die kulturellen und religiösen Konflikte, die im Besonderen die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland seit der großen Flüchtlingsbewegung im Spätsommer 2015 beschäftigen, nur bedingt durch interreligiöses Lernen und interreligiösen Dia-

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Einleitung: Die Notwendigkeit interreligiösen Lernens

log gelöst werden können: Zum einen ist die kulturelle Heterogenität, die das Miteinander von geflüchteten Menschen und deutscher Bevölkerung markieren, wahrscheinlich wesentlich wirkmächtiger als allein religiöse Vorstellungen und Praktiken, die von Migranten praktiziert werden. Zum anderen darf nicht übersehen werden, dass neben Religion und Kultur vor allem auch die Traumatisierung durch Krieg und Flucht die eingewanderten Menschen zutiefst prägt. Wer in der Flüchtlingsarbeit aktiv ist, weiß, dass dies oft bereits das Gespräch über Religion und Glaube unmöglich macht, geschweige denn interreligiöse Lernszenarien möglich sind. Bernhard Grümme hat treffend in seiner jüngsten Publikation darauf hingewiesen, dass das interreligiöse Lernen im Kontext der Flüchtlingsintegration vor besonderen Schwierigkeiten steht und hier nicht mit Erwartungen überladen werden sollte, die es nicht einlösen kann (Grümme 2017: 202f.). Wie im Vorwort bereits skizziert, versteht sich diese Arbeit als eine Einleitung in die religionspädagogische Disziplin des interreligiösen Lernens. Sie ist gegliedert in Kontexte, Definitionen, Voraussetzungen, Erfahrungen, Perspektiven und Praxisfelder. Mit diesen sechs Überschriften soll eine Struktur markiert werden, die von den gesellschaftlichen Kontexten in dieser Gesellschaft über die gängigen Definitionen und die damit verbundenen theologischen Einstellungen und Positionen hin zu einer fachgeschichtlichen Darstellung der bisherigen Publikationen fortschreitet. Erträge aus diesen vier Abschnitten fließen dann in eine didaktische Skizze ein, in der versucht wird, eine Didaktik interreligiösen Lernens anfanghaft aus den Beiträgen des Forschungsdiskurses zusammenzustellen. Wie sich eine solche Didaktik in der Praxis dann realisiert und konkretisiert, soll schließlich im sechsten Abschnitt, in den Praxisfeldern beschrieben werden: Hier werden auch unter Rückgriff auf die Ergebnisse des Schulenwettbewerbs der Herbert Quandt-Stiftung „Schulen im Trialog“ vier methodische Großformen des interreligiösen Lernens, nämlich die Auseinandersetzung mit Festen und Feiern, die Erschließung von religiösen Zeugnissen, die Gotteshauspädagogik und die Auseinandersetzung mit heiligen Schriften mit Blick auf drei unterschiedliche Altersgruppen vorgestellt und entfaltet. Besonders an diesem letzten Kapitel wird deutlich, dass interreligiöses Lernen vor allem in der öffentlichen Schule stattfindet. Auch wenn es einzelne Initiativen und Projekte gibt, interreligiöses Lernen auch an anderen Lernorten zu initiierten, z.B. im Bereich der Jugendarbeit (Bertels et al. 2013) oder der Erwachsenenbildung (Dieckmann/Sajak 2014), so beziehen sich die meisten Konzepte und Modelle, aber auch die überwiegende Zahl der Forschungsarbeiten auf den Lernort Schule. Entsprechend ist auch in dieser Einführung in der Regel von Kindern und Jugendlichen bzw. Schülerinnen und Schülern

Einleitung: Die Notwendigkeit interreligiösen Lernens

die Rede, auch wenn die beschriebenen Prozesse sicher auch von Erwachsenen durchschritten werden können. Jedes der sechs Kapitel endet mit einigen Literaturhinweisen, die Standardwerke vorstellen und empfehlen, in denen das Kapitelthema in besonderer Weise abgehandelt worden ist. Alle zitierte Literatur findet sich dagegen im Gesamtverzeichnis aller verwendeten Bücher am Schluss der Arbeit.

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I. Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte Überblick

as interreligiöse Lernen hat in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, weil kulturelle und religiöse Pluralität in doppelter Weise zugenommen hat: Zum einen haben die Massenmedien wie Film und Fernsehen, vor allem aber das Internet und die auf dieser Basis operierenden sog. Sozialen Netzwerke die Welt in ihrer Vielfalt zu dem viel zitierten ‚Global Village‘

D

zusammenrücken lassen, zum anderen hat sich Deutschland zu einer multikulturellen und religiös pluralen Gesellschaft entwickelt. Wie aber zeigt sich dies in der Zusammensetzung der Bevölkerung? Was ist über die Religiosität der nachwachsenden Generation bekannt? Und was bedeutet das für die religiöse Bildung, die heute maßgeblich in der Schule stattfindet?

1. Religion und Religionslosigkeit Heute sind theologische Vorstellungen wie die Reinkarnation der Seele und religiöse Praktiken wie das Fasten im Ramadan oder das Ruhen am Schabbat vielen Menschen in dieser Gesellschaft vertrauter als das freitägliche Fastenopfer oder der Advent als Buß- und Fastenzeit. Es ist offensichtlich, dass sich Deutschland von einem konfessionell zweigeteilten evangelischen und katholischen Land, dessen Territorien, Kulturen und Festkalender über vierhundert Jahre nachhaltig konfessionell-christlich geprägt waren, hin zu einer multikulturellen und religiös pluralen Gesellschaft entwickelt hat, in der inzwischen der Islam die dritte große Religionsgemeinschaft bildet und das Judentum – trotz der von Deutschen geplanten und verantworteten Massenermordung der europäischen Juden – dankenswerterweise inzwischen wieder eine erkennbare Rolle spielt. Hinzu tritt die große Gruppe der Menschen, die keiner religiösen Gemeinschaft angehören und die sich vier Kategorien zuordnen lassen: religiös Individualisierte, religiös Indifferente, überzeugte Atheisten und dezidiert Areligiöse (Pickel 2017: 51). Diese Menschen bilden

Religiöse Bildung in religiöser Pluralität

14

I.

Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte

inzwischen die größte weltanschauliche Gruppe in Deutschland, denn sie stellen mit 36 Prozent der Bevölkerung über ein Drittel aller Einwohner in diesem Land. Religiöse Bildung im öffentlichen Raum, wie sie vor allem im schulischen Religionsunterricht grund-, landes- und schulgesetzlich institutionalisiert ist, muss diese neuen Kontexte bedenken und berücksichtigen, will sie ihrem Auftrag und Anliegen, junge Menschen zur religiösen Selbstbestimmung, also zu verantwortetem Denken, Urteilen und Handeln in Sachen Religion und Glaube zu befähigen (Sajak 2013a: 25–27), nicht verfehlen. Entsprechend wird das interreligiöse Lernen in einem solchen gesellschaftlichen Kontext und in einem solchen schulischen Setting zu einer Schlüsseldisziplin religiöser Bildung.

2. Migration und Säkularisierung

Deutschland als Einwanderungsgesellschaft

Deutschland als säkularisierte Gesellschaft

Die religiöse Landkarte der Bundesrepublik Deutschland hat sich vor allem durch zwei Phänomene entscheidend verändert: Migration und Säkularisierung. Als Migration dürfen die großen Einwanderungswellen bezeichnet werden, die mit den sog. Gastarbeitern aus Südeuropa und der Türkei spätestens Mitte der 1960er Jahren begannen. In den 1990er Jahren folgten Kriegsflüchtlinge aus den Balkanstaaten, Aus- bzw. Übersiedler aus Polen, Rumänien und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Nach der Jahrtausendwende kamen zunehmend Migranten aus dem Maghreb und Afrika nach Europa und damit auch immer nach Deutschland. Und zuletzt haben die über anderthalb Millionen Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, die vor Krieg und Barbarei aus Syrien, Afghanistan und Pakistan geflohen sind, vor allem die Zahl der Muslime anwachsen lassen. Mit dem Begriff Säkularisierung wird dagegen der durch verschiedene Faktoren verursachte Relevanzverlust der beiden großen christlichen Bekenntnisse markiert: War schon durch die deutsche Wiedervereinigung 1990 die Zahl der Menschen ohne religiöses Bekenntnis zu einer erheblichen Größe geworden, so hat in den letzten fünfundzwanzig Jahren ein dramatischer Traditionsabbruch in den kirchlichen Milieus von Katholiken wie Protestanten stattgefunden, der sich vor allem im religiösen Leben und in der Glaubenspraxis von christlichen Familien, Verbänden und Gemeinden zeigt: So sinkt seit der Wiedervereinigung die Zahl der Taufen in der evangelischen wie katholischen Kirche kontinuierlich, wobei dies nicht nur mit dem demographischen Wandel, sondern auch mit der bewussten Entscheidung evangelischer und ka-

2. Migration und Säkularisierung

15

tholischer Eltern zusammenhängt, die eigenen Kinder nicht mehr taufen zu lassen. Die Quote der sonntäglichen Gottesdienstbesucher hat sich inzwischen auf 3,6 (Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland für 2013) bzw. auf gut 10 Prozent (Angaben der Deutschen Bischofskonferenz für 2015) eingependelt. Stichwort

Säkularisierung Säkularisierung (von lat. saeculum = Zeitalter, Jahrhundert, im Mittelalter auch die Welt[zeit]) wird oft mit dem Kunstwort ‚Verweltlichung‘ übersetzt. Unter dieser Rubrik werden in der Regel Prozesse zusammengefasst, die einen nachhaltigen Bedeutungsverlust von Religion im privaten wie öffentlichen Leben bewirken. Der Vorgang der Säkularisierung ist kein Phänomen der letzten Jahrzehnte, sondern ein Grundzug der Ideengeschichte der Neuzeit. So findet sich der Begriff Säkularisation bereits im Zusammenhang mit dem Westfälischen Frieden von 1648, wo er die Überführung von Kirchengütern in weltliches Eigentum bezeichnet. Entsprechend wurde der Begriff auch 1803 im Reichsdeputationshauptschluss verwendet: Hier meinte Säkularisation die Entschädigung der deutschen Fürsten für den Verlust ihrer linksrheinischen Besitztümer mit den enteigneten Kirchengütern. Als im Zuge der europäischen Aufklärung die Sphären von Welt und Religion, von Staat und Kirche sowie von Wissenschaft und Theologie immer deutlicher auseinander traten, hat vor allem Ernst Troeltsch das Fremdwort Säkularisierung aus dem oben erwähnten historischen Kontext abgeleitet und auf die zunehmende Entfremdung von Kirche und Staat im 19. Jahrhundert angewendet.

Auch für den Bereich der Kinder- und Jugendreligiosität muss festgestellt werden: Zwar empfangen die meisten katholisch getauften Kinder später auch die Erstkommunion und das Firmsakrament, doch ist die Wahrnehmung vieler, die sich in Katechese, Religionsunterricht und Jugendarbeit engagieren, ernüchternd. Im evangelischen Bereich ist für die Konfirmandenarbeit Analoges zu beobachten. Bei den Kindern und Jugendlichen beider Konfessionen zeigt sich seit einigen Jahren ein mehr oder weniger vollständiger Traditionsabbruch: Elementare Vollzüge christlicher Glaubenspraxis sind unbekannt oder werden wegen des mangelnden Unterhaltungswertes abgelehnt, fundamentale christliche Glaubensinhalte sind gar nicht bekannt oder werden zumindest rasch wieder vergessen, Sinn- und Wertentscheidungen in der konkreten Alltagswelt werden ohne religiöse Kontextualisierung und Begründung getroffen – mit dem eigentlichen Leben hat Religion nichts zu tun. Mit Charles Glock (1969), einem der Klassiker der Religionssoziologie, gesprochen: Von den fünf Dimensionen, die Religiosität ausmachen, lässt sich bei den meisten katholischen Kindern und Jugendlichen nur die rituelle Dimen-

Religiosität bei Kindern und Jugendlichen

16

I.

Religionssoziologische Entwicklungstheorien

Abb. 1 Religionssoziologische Entwicklungstheorien nach Gerd Pickel (2017: 43)

Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte

sion – und zwar beschränkt auf Lebenswendsakramente und sporadische Gottesdienstbesuche zu Weihnachten – erkennen. Die vier anderen Dimensionen – lebensrelevante religiöse Vorstellungen, konkrete religiöse Erfahrungen, religiöses Wissen und die religiöse Ausstrahlung in das Alltagsleben – scheinen nicht mehr vorhanden zu sein. Auf der Ebene des religionssoziologischen Diskurses wird seit Jahrzehnten nach Ursachen für diese Entwicklungen, die sich nicht nur in Deutschland, sondern in ausnahmslos allen europäischen Ländern mehr oder weniger ausgeprägt finden lassen, gesucht. Inzwischen hat sich doch eine Mehrheit der Forscherinnen und Forscher für die Säkularisierungstheorie als Modell zur Erklärung dieser Phänomene ausgesprochen: „Diese Theorie geht davon aus, dass Prozesse der Modernisierung einen letztlich negativen Einfluss auf die Bedeutung der Religion in der Gesellschaft ausüben und deren Akzeptanz vermindern“ (Pollack 2013: 3). Alternative Theorien wie die Individualisierungstheorie, nach der Religion sich in einer modernen, ausdifferenzierten Gesell-

Säkularisationstheorie

Individualisierungs- Marktmodell these

Vertreter

Bryan Wilson Steve Bruce Detlef Pollack

Thomas Luckmann Grace Davie Hervieu-Léger

Rodney Starke Roger Finke Laurence Iannaccone

Grundannahme

Spannungsverhältnis zwischen Moderne und Religionen

Individuelle religiöse Grundorientierung als anthropologische Konstante

Konstantes Bedürfnis des Individuums nach Religion

Bezugstheorie

Modernisierungstheorie

Individualisierungstheorie

Angebotsorientierte Markttheorie

Haupthypothese

Kontinuierlicher Bedeutungsverlust von Religion als sinnstiftender und sozialer Instanz

Bedeutungsverlust institutionalisierter Religion; Weiterbestehen privater Formen von Religion

Religiöser Markt bestimmt Ausmaß an Religiosität und Kirchlichkeit

Prognose für Deutschland und Europa

Verlust sozialer Bedeutung von Religion und kontinuierlicher Abwärtstrend religiöser Zugehörigkeit, Praktiken (+ Religiosität)

Rückgang traditionaler Kirchlichkeit bei Transformation des Religiösen zu privater und individualisierter Religiösität

Entwicklung Religiösität in Abhängigkeit von religiösem Angebot in der Gesellschaft – in Europa gewisse Zeit noch abnehmend

2. Migration und Säkularisierung

17

schaft hin zu einer privaten, nicht mehr in den traditionellen Religionsgemeinschaften sichtbaren individualisierten Form entwickelt, (Luckmann 1991: „Die unsichtbare Religion“) oder die Markttheorie, nach der es einen Zusammenhang zwischen dem Bedeutungsverlust von Religion und den monopolisierten Staatskirchen in Europa gebe (Stark 2000), sind inzwischen angesichts der fortschreitenden Entwicklungen in Europa, aber auch in Australien, Kanada und inzwischen auch den USA eher in die Defensive geraten (zusammenfassend Pickel 2013). In Zahlen und Daten bildet sich diese Situation wie folgt ab: Das Statistische Jahrbuch des zuständigen Bundesamtes nennt für das Jahr 2015 eine Einwohnerzahl von 82 Millionen. Die Religionszugehörigkeit wird mit 23,7 Millionen Katholiken, 27,1 Millionen Protestanten, 3,6 Millionen Muslimen und 99.692 Juden beziffert. Die Zahl der Menschen ohne Bekenntnis wird mit 29,6 Millionen angegeben (fowid 2016). Damit stellen diese die größte weltanschauliche Gruppe in Deutschland. Die jüngere religionssoziologische Forschung hat allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass diese Menschen eben keine einheitliche Gruppe bilden, sondern – wie eingangs bereits erwähnt – durch maßgeblich vier Haltungen bestimmt sind: religiös Individualisierte, die zwar aus einer Kirche ausgetreten sind, aufgrund ihrer Sozialisation noch religiöse Vorstellungen und Einstellungen haben, religiös Indifferente, die weitgehend areligiös sind, überzeugte Atheisten, die jede Form des Gottesglaubens dezidiert ablehnen und dezidiert Areligiöse, denen Religion und Kirche gleichgültig sind (Pickel 2017: 51). Bekenntnis

Bevölkerungszahl

Prozentual

Katholisch

23,7 Millionen

28,9%

Evangelisch

22,2 Millionen

27,1%

Muslimisch

3,6 Millionen

4,4%

Jüdisch

0,09 Millionen

0,1%

Andere Bekenntnisse

2,8 Millionen

3,5%

Ohne Bekenntnis

29,6 Millionen

36%

Summe

82 Millionen

100%

Tabelle: Religionszugehörigkeit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2015 nach fowid (2016)

18

I.

Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte

3. Jugend und Religion Grundformen von jugendlicher Religiosität

Distanzierte Haltung

Religionslose Haltung

Stark religiöse Haltung

Religion, Religiosität und Glaube von heute jungen Menschen sind mit Blick auf die künftige Entwicklung einer Gesellschaft von besonderer Bedeutung. Deshalb werden diese Themen auch als nicht besonders zentrale, so aber doch dokumentierte Kategorie im Rahmen der empirischen Großstudien der sozialwissenschaftlichen Jugendforschung regelmäßig erhoben. So haben die in den letzten 15 Jahren veröffentlichten Jugendstudien der Shell Deutschland Holding (2006; 2010; 2016) alle versucht, die Bedeutung von religiösen Vorstellungen und den damit verbundenen Wertekonzepten bei Jugendlichen zu erheben und zu analysieren. Legt man diese letzten drei Shell-Studien nebeneinander, so fällt interessanterweise auf, dass über den Zeitraum von nun elf Jahren die Daten zur gelebten Religion Jugendlicher relativ stabil bleiben. In allen drei Studien kann zwischen drei Grundformen von Religiosität unterschieden werden: Zum einen der sogenannten „Religion light“, die von den Jugendlichen in den westlichen Bundesländern praktiziert wird: Diese Form der Religion zeichnet sich durch eine weiterhin relativ stabile Kirchenmitgliedschaft, die mehr oder weniger geschlossene Teilnahme an den Sakramenten der Lebenswendpunkte (Taufe, Kommunion, Firmung, Hochzeit) und durch eine ansonsten eher kritische Distanz gegenüber der Institution der Kirche und ihren Glaubensvorstellungen aus. Man könnte verkürzt sagen, dass in den westlichen Bundesländern für christliche Jugendliche Religion ein zu ihrem familiären Hintergrund gehörender Kontext ist, der aber für das tagtägliche Leben keinerlei Relevanz besitzt. Die zweite Gruppe ist die der Jugendlichen in den ostdeutschen Bundesländern, also in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik: Sie gehören mehr oder weniger geschlossen keinerlei Religionsgemeinschaften an, pflegen überhaupt keine Formen von Religiosität oder Glaube, sondern halten diese Phänomene in der Regel für ein Konstrukt, das Menschen helfen kann, die psychische Probleme haben oder durch eine besondere Labilität gefährdet sind. Religion wird als kulturhermeneutisches Deutungsmuster verstanden, nicht aber als etwas, das irgendeine aktuelle Relevanz heute besitzen kann. Die dritte Gruppe schließlich wird von den vor allem in den westdeutschen Bundesländern lebenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund gebildet. Für sie, ganz unabhängig davon, ob sie katholische Kroaten oder türkischstämmige Muslime sind, hat Religion einen hohen Stellenwert: Der religiöse Glaube wird zum einen praktiziert und kommuniziert, zum anderen bildet er einen wichtigen Kontext für Wertvorstellungen und Handlungsmuster.

3. Jugend und Religion

Dieser Trend, der sich in allen drei Shell-Studien findet und der mehr oder weniger stabil bleibt, zeigt sich im Einzelnen in den verschiedenen Fragen, die den Jugendlichen von den Forschern des Shell-Konsortiums vorgelegt worden sind. So sagen 27 Prozent aller befragten Jugendlichen, dass es einen persönlichen Gott oder eine überirdische Macht nicht gibt (2006 waren es 28 Prozent). Diese Gruppe setzt sich maßgeblich aus Jugendlichen aus den neuen Bundesländern zusammen. Ihnen gegenüber steht die Gruppe derer, die klar bekennt „Es gibt einen persönlichen Gott“, nämlich 26 Prozent (2006 waren es hier allerdings noch 30 Prozent). 24 Prozent (2006 waren es 23 Prozent) der Jugendlichen sind religiös verunsichert und sagen: „Ich weiß nicht richtig, was ich glauben soll“. 21 Prozent der Befragten (2006 waren es 19 Prozent) kann man als „kirchenfern religiös“ bezeichnen in dem Sinne, dass sie an eine überirdische Macht glauben, nicht aber an einen persönlichen Gott. Blickt man auf die Antworten der Jugendlichen, die sie zur Frage nach der Wichtigkeit des Glaubens an Gott für die persönliche Lebensführung formuliert haben, so fällt auf, dass die Zahl der Katholiken im Alter von 12 bis 25 Jahren, die Gott eine große Bedeutung für ihr persönliches Leben zuschreiben, von 45 (2006) auf 39 Prozent (2015) gesunken ist, die der evangelischen Jugendlichen mit einem solchen Bekenntnis von 39 Prozent auf 32 Prozent. Deutlich anders verhält es sich jedoch mit den Jugendlichen anderer Religionen, die in Deutschland ja nun vornehmlich muslimischen Glaubens sind. Für sie hat die Bedeutung des Gottesglaubens für das persönliche Leben von 69 Prozent (2006) auf 70 Prozent (2015) sogar zugenommen! Kumuliert man nun die Wichtigkeit des Glaubens an Gott für die Lebensführung über den Zeitraum der Jahre 2002 bis 2015, so ergeben sich folgende Zahlen: Katholiken räumen dem Gottesglauben zu 45 Prozent eine wichtige Bedeutung für die Lebensführung ein, evangelische Jugendliche zu 37 Prozent. Andere Christen, also vornehmlich orthodoxe Jugendliche und vereinzelte Mitglieder von evangelikalen Gemeinschaften, stimmen sogar zu 64 Prozent einer solchen Bedeutsamkeit des Gottesglaubens zu. Überragt wird dieser hohe Anteil allerdings durch die muslimischen Jugendlichen, bei denen 76 Prozent für die große Bedeutung des Gottesglaubens für die persönliche Lebensführung votieren. Bei den Jugendlichen, die keiner Konfession angehören, sind es entsprechend lediglich 8 Prozent, die dieser These zustimmen. Genau 82 Prozent der Jugendlichen ohne religiöses Bekenntnis halten dagegen folgerichtig in ihrer Perspektive die Gottesfrage mit Blick auf die eigene Lebensführung für irrelevant. Ein weiterer Fragebereich sollte hier noch kurz erwähnt werden: Alle ca. 2.500 Jugendlichen sind in den drei zitierten Studien auch danach gefragt worden, wie sie zur Kirche stehen. Dabei hält sich die Zahl derer, die es gut

19

Bedeutung des Gottesglaubens

Haltung zur Institution Kirche

20

I.

Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte

Religionsferne: »Ich glaube nicht, dass es einen persönlichen Gott oder eine überirdische Macht gibt.«

Keine Angabe 2 27

26

24

Abb. 2 Gottesglaube von Jugendlichen nach Shell Deutsche Holding (2015: 253)

Kirchennah Religiöse: »Es gibt einen persönlichen Gott.«

Religiös Unsichere: »Ich weiß nicht richtig, was ich glauben soll.«

21 Kirchenfern Religiöse: »Es gibt eine überirdische Macht.«

finden, dass es die Kirche gibt, zwischen 2006 und 2015 konstant zwischen 69 und 67 Prozent. Dies bedeutet, dass auch eine ganze Reihe von Jugendlichen, die mit Religion und Glaube nichts zu tun haben wollen, die Institution der Kirche selber positiv bewerten. Allerdings sagen auch 68 bzw. 64 Prozent der Jugendlichen (2006 bzw. 2015), dass die Kirche sich ändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will. Das für die Kirchen allerdings besorgniserregendste Ergebnis ist eine weitere Frage. Hier attestieren nämlich 65 Prozent (2006) bzw. 57 Prozent (2015) der Jugendlichen der Kirche, dass diese auf die Fragen, die sie, die Jugendlichen, wirklich bewegten, keine wirklichen Antworten geben könne. Dies kann ein Beleg dafür sein, dass die im Eingangsabschnitt referierte These von der faktischen Bedeutungslosigkeit der Kirche für die Bewältigung des Alltagslebens zutreffend ist. Übrig bleibt allein die Bewältigung von Leid und Tod, in der eine Funktion von Religion im Sinne der Kontingenzbewältigung auch für junge Menschen erkennbar wäre.

4. Religiöse Pluralität und interreligiöses Lernen

4. Religiöse Pluralität und interreligiöses Lernen Zusammengefasst: Zum einen nimmt die Prägekraft der Religionen auf ihre Anhänger unter Jugendlichen stark ab, zum anderen werden christliche Jugendliche insgesamt weniger. Unter Migranten steigt dagegen die Geburtenrate und mit ihr das Potential für muslimisch- (türkischer Migrationshintergrund) bzw. christlich-orthopraktische (polnisch-kroatischer Hintergrund) Jugendliche. In Ballungsregionen wie dem Ruhrgebiet führt das inzwischen zu einer Umkehrung der Religionsverhältnisse. So kann Elisabeth Hennecke am Beispiel der Grundschulen im Bistum Essen zeigen, dass in großen Städten wie Duisburg (37%) und Gelsenkirchen (32%) bereits jetzt die muslimischen Schülerinnen und Schüler die größte Gruppe in Bezug auf Religion sind (Hennecke 2011). Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend in allen Städten der Industrieregionen fortsetzen wird. Entsprechend ist es hier bereits einfacher, eine Gruppe von muslimischen Schülerinnen und Schülern im Religionsunterricht zusammenzuziehen, als wie bislang konfessionelle Lerngruppen für evangelische und katholische Schülerinnen und Schüler einzurichten. Unabhängig von Fragen der Organisation und der Konzeptionierung gewinnt damit ein religiöses Lernen an Gewicht, das bisher im Rahmen des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts sowie im Ethikunterricht nur eine Nebenrolle spielte, nämlich das interreligiöse Lernen. Religiöses Lernen im Raum von Schule und Gemeinde ist vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund als ein Bildungsgeschehen zu konzipieren, das Kinder und Jugendliche in hinreichender Weise auf die zunehmende Religiosität in unserer Gesellschaft vorbereitet und sie damit befähigt, in Fragen von Religion und Glaube angemessen wahrzunehmen, zu urteilen und zu handeln. Damit sind bereits erste elementare interreligiöse Kompetenzen benannt. n

Auf einen Blick

Religiöse und weltanschauliche Pluralität hat die einst konfessionelle Prägung der bundesdeutschen Gesellschaft in evangelische und katholische Regionen abgelöst. Nicht nur in den urbanen Ballungsräumen leben Menschen unterschiedlichster Konfessionen und Religionen sowie Menschen ohne religiöses Bekenntnis zusammen. Religiöse Bildung – vor allem im Raum der öffentlichen Schule – muss diesen neuen Kontext berücksichtigen und immer auch Formen des interreligiösen Lernens im Rahmen der bisherigen Formate anbieten.

21

22

I.

Von der konfessionellen zur religionspluralen Gesellschaft – Kontexte

Literaturhinweis Glock, Ch. Y.: Über die Dimensionen der Religiosität. In: Matthes, J. (Hrsg.): Kirche und Gesellschaft. Einführung in die Religionssoziologie II. Reinbek bei Hamburg 1969, 150–168. Der Klassiker der modernen Religionssoziologie: Hier werden die fünf Dimensionen von Religiosität beschrieben, auf die heute noch die meisten sozialwissenschaftlichen und religionssoziologischen Studien aufbauen. Luckmann, T.: Die unsichtbare Religion. Frankfurt a.M. 1991. Auch ein Klassiker: Der erste Protagonist der Privatisierungsthese behauptet, dass sich Religion in der Moderne in die individuelle Privatsphäre verflüchtigt und damit lediglich unsichtbar wird. Lange plausibel, heute bestritten. Pickel, G./Hidalgo, O. (Hrsg.): Religion und Politik im vereinigten Deutschland. Was bleibt von der Rückkehr des Religiösen? Wiesbaden 2013. Sammelband mit gut lesbaren Aufsätzen, in dem die demografische Situation in Deutschland verschiedenen religionssoziologischen Analysen unterzogen wird. Shell Deutschland Holding (Hrsg.): Jugend 2015. Eine pragmatische Generation im Aufbruch. Frankfurt (Main) 2015. Jüngster Band aus der Reihe der Shell Jugendstudien, in dem die repräsentative Studie aus dem Jahr 2015 den Status quo der Situation Jugendlicher in Deutschland aufzeigt. Auch die Themenbereiche Werte, Weltanschauungen und Religionen werden ausführlich behandelt.

II. Von der Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe Überblick

as aber heißt interreligiöses Lernen nun genau? Was unterscheidet dieses interreligiöse Lernen vom interreligiösen Dialog, der als Schlagwort den öffentlichen, aber auch den kirchlichen Diskurs beherrscht? Und welche Auswirkungen hat das Kompetenzparadigma, das über den schulpädagogischen Kontext in die religionspädagogische Debatte eingezogen ist? Von interreligiöser Kompetenz war im vorhergehenden Abschnitt schon

W

die Rede: Unterscheidet sich diese von der religiösen Kompetenz oder ist sie ein Teil dieser? Auch werden interreligiöses und interkulturelles Lernen oft in einem Atemzug genannt bzw. als Begriffe sogar synonym verwendet. Was haben sie gemeinsam, inwieweit unterscheiden sie sich? Im folgenden Kapitel sollen diese zentralen Begriffe des Diskursfeldes geklärt und in ein Gesamtkonzept religiöser Bildung gestellt werden1 (Sajak 2013b).

1. Religiöses Lernen Bevor die Diskussion um das interreligiöse Lernen referiert werden kann, muss erst einmal der Lernbegriff geklärt werden. Einigkeit herrscht in der Lernpsychologie inzwischen mehr oder weniger darüber, dass unter dem Begriff des Lernens die „überdauernde Änderung im Verhaltenspotential als Folge von Erfahrungen“ (Hasselhorn/Gold 2009: 65) verstanden wird. Dabei betonen die Vertreter kognitionspsychologischer Modelle immer wieder die Bedeutung von Informationsverarbeitung und Wissensaufbau bei der Gewinnung von Erfahrungen (vgl. ebd.). Überträgt man diese beiden Momente – Verhaltensänderung durch Erfahrung (1.) auf der Grundlage von Wissenskonstruktion und Informationsverarbeitung (2.) – auf den Begriff des interreligiö1 Dieser Abschnitt ist eine erweiterte und aktualisierte Fassung meiner Ausführungen in: Worum es geht. Interreligiöses Lernen, interreligiöse Kompetenz und interreligiöser Dialog. In: RelliS. Zeitschrift für den katholischen Religionsunterricht 2013b, H. 1, 12–15.

Definition „Lernen“

24

II.

Von Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe

sen Lernens, so wird rasch deutlich, dass es im Rahmen eines solchen Lernprozesses von Menschen mit und über Menschen anderer Religionen zum einen um den Aufbau von Wissen über den fremden Glauben und die andere Weltanschauung gehen muss (1.), zum anderen aber eben auch um die Erfahrung der Begegnung mit Andersgläubigen (2.).

Lernen

Abb. 3 Lernen als Wissenskonstruktion und Verhaltensänderung

Aufnahme und Verarbeitung von Informationen

Analyse und Reflektion von Erfahrungen

Wissenskonstruktion

Verhaltensänderung

Daraus ergibt sich, dass interreligiöses Lernen weder auf Phasen eines sog. religionskundlichen Unterrichts, in dem Sachwissen über andere Glaubensvorstellungen und Religionssysteme vermittelt wird, verzichten kann noch auf die direkte Begegnung mit Menschen aus anderen Religionen, wie sie z.B. durch Besuche, Begegnungen und Exkursionen oder durch fächerverbindende Projektarbeit angeregt wird. Dies ist mit Blick auf die Debatte um den Begriff des interreligiösen Lernens schon eine wichtige Klärung aus lernpsychologischer Perspektive.

2. Interreligiöses Lernen evangelisch Begriffsverwendung im evangelischen Kontext

Der Begriff des interreligiösen Lernens wurde und wird in der religionspädagogischen Debatte recht uneinheitlich verwendet. Welche Begriffsverwendung geschieht, hängt von pädagogischen und theologischen und damit auch von konfessionellen Perspektiven ab. Vor allem in der evangelischen Religionspädagogik ist es inzwischen üblich, den Begriff des interreligiösen Lernens durch eine grundsätzliche Differenz zur traditionellen Weltreligionendidaktik zu definieren. Die Weltreligionendidaktik war in den 1960er Jahren im Kontext des sog. Hermeneutischen Religionsunterrichts entstanden und versuchte

2. Interreligiöses Lernen evangelisch

Lernprozesse über nichtchristliche, fremde Religionen durch Informationen und Instruktion im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichts zu ermöglichen. Heute wird ein solcher Ansatz als Religionskunde bezeichnet. Jüngere evangelischen Ansätze sprechen diesem für das deutsche Schulsystem typischen Lernweg das Prädikat des interreligiösen Lernens allerdings ab, weil ihm das Kriterium der ‚authentischen‘ Begegnung verschiedener Religionen fehle: „Interreligiöses Lernen ist nur möglich, wo sich Mitglieder verschiedener Religionen tatsächlich in der täglichen Lebenspraxis begegnen und wo sie Gelegenheit haben, sich über ihren Glauben auszutauschen […]. Nur auf diese Weise kann die Authentizität des Lernprozesses behauptet werden, die für das interreligiöse Lernen charakteristisch ist“ (Rickers 2001: 875). Diese Definition scheint allerdings nicht unproblematisch: Denkt man die Argumentationsfigur weiter, so kann interreligiöses Lernen – wenn überhaupt – in Schulen der multireligiösen Ballungsräume von Metropolen oder gar nicht stattfinden – und auf jeden Fall nur außerhalb des konfessionellen Religionsunterrichts. Es gibt auf evangelischer Seite aber auch andere Stimmen. So hat Bernhard Dressler die Voraussetzungen für eine solche Konzeption interreligiösen Lernens mit guten Argumenten in Frage gestellt: „Nicht zuletzt ist die Diskussion um interreligiöses Lernen durch einen pädagogischen Mythos belastet, den Mythos der Authentizität […]. Unter den Bedingungen schulischen Unterrichts, der aus prinzipiellen systemischen Gründen ein artifizieller Lernraum ist und mit dem ‚wirklichen‘ Leben selbst nicht identisch sein kann und darf, ist Authentizität immer nur in inszenatorischer Gebrochenheit denkbar“ (Dressler 2003: 117). Jede Begegnung, jeder Dialog und jedes gemeinsame Lernen im Raum Schule findet nämlich in einem formellen Setting, mit dem Charakter der Inszenierung und im Modus des Probehandelns statt: Dies gilt z.B. sowohl für das gemeinsame Erarbeiten von Infopostern zu den abrahamischen Religionen in einem multireligiösen Religionsunterricht als auch für die inszenierte Diskussion mit verteilten Rollen zur Frage der Speisegebote. Entsprechend folgert Dressler, dass ein in dieser Weise „dialogisch“ konzipierter Religionsunterricht auf Seiten der Schülerinnen und Schüler voraussetze, was er eigentlich erst in seinen Lernzielen erreichen wolle, nämlich die „Dialogfähigkeit“ in Sachen Religion. Kollegen wie Rickers akzeptierten laut Dressler „interreligiöses Lernen nur unter Voraussetzungen, die allenfalls ein mögliches Resultat interreligiöser Lernprozesse sein können“ (ebd.). Und Friedrich Schweitzer wendet die Argumentation Rickers genau ins Gegenteil: Im Rahmen des schulischen interreligiösen Lernens könne „auf Begegnungen Bezug genommen werden, wie sie heute im Alltag und in der Schule ohnehin gegeben sind. Insofern kann der Unterricht Begegnungen voraussetzen und muss sie nicht immer erst herbeiführen“ (Schweitzer 2014: 142).

25

26

II.

Von Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe

3. Interreligiöses Lernen katholisch Begriffsverwendung im katholischen Kontext

Interreligiöses Lernen im engeren und weiteren Sinne

Im katholischen Bereich wird interreligiöses Lernen eher als eine religionsdidaktische Dimension des schulischen Religionsunterrichts gesehen: Hier ist interreligiöses Lernen ein im schulischen Unterricht initiierter und arrangierter Prozess, in dem die bewusste Wahrnehmung, die angemessene Begegnung und die differenzierte Auseinandersetzung mit Zeuginnen, Zeugen und Zeugnissen fremder Religionen eingeübt und entwickelt werden soll (Sajak 2005: 264). Dieser Prozess findet sowohl im Rahmen der konfessionellen Lerngruppe als auch in klassen- und schulübergreifenden Lernformaten statt. Stephan Leimgruber hat deshalb in der Neuauflage seines Handbuchs „Interreligiöses Lernen“ (2007) versucht, die beiden vorgestellten gegensätzlichen Definitionen des interreligiösen Lernens miteinander zu verbinden, indem er eine Neuordnung der Begriffe vorgenommen hat. Er spricht jetzt vom interreligiösen Lernen „in einem weiteren Sinne“ und „in einem engeren Sinne“ (Leimgruber 2007: 20f.). Zum interreligiösen Lernen im weiteren Sinne gehören alle „Wahrnehmungen, die eine Religion und deren Angehörige betreffen, die verarbeitet und in das eigene Bewusstsein aufgenommen werden“ (ebd.: 20). In diesem Sinne kann das Lesen eines Kinderbuchs über das Leben eines jüdischen Jungen zur Zeit Jesu genauso als interreligiöses Lernen verstanden werden, wie die Vorführung einer DVD über den Buddhismus in Tibet.

Interreligiöses Lernen

Abb. 4 Interreligiöses Lernen im engeren und weiteren Sinne nach Clauß Peter Sajak (2013b: 14)

Im weiteren Sinne über Religionen

Im engeren Sinne mit Menschen aus Religionen

= religionskundlicher Modus

= interpersonaler Modus

Interreligiöses Lernen im engeren Sinne geschieht dagegen „durch das Gespräch in direkten Begegnungen. Im Zentrum steht der Dialog, in dem sich beide Gesprächspartner gegenseitig respektieren und zu verstehen versuchen“ (Leimgruber 2007: 21) und der zur Konvivenz, also zum Miteinander in respektierter Differenz führen soll. Diese Ausprägung des interreligiösen Lernens findet also da statt, wo in besonderer Weise Menschen verschiedener religiö-

4. Interkulturelles Lernen

27

ser Traditionen in einen Dialog gebracht werden. Beide Dimensionen des interreligiösen Lernens zusammen garantieren einen wirklichen Lernprozess im Sinne der lernpsychologischen Definition: Ohne die Vorbereitung der Begegnung und des Dialogs durch religionskundliche Unterrichtssequenzen über die anderen Religionen kann es z.B. kein gemeinsam erarbeitetes Theaterstück mit Angehörigen verschiedener Religionen über die Begegnung der Religionen und auch kein Kochbuch für die abrahamischen Religionen gegeben. Interreligiöses Lernen muss also immer Zeuginnen, Zeugen und Zeugnisse fremder Religionen mit einbeziehen.

4. Interkulturelles Lernen Interreligiöses Lernen wird oft mit dem interkulturellen Lernen gleichgesetzt, wohl auch, weil sich Sitten und Bräuche oft aus der rituellen Praxis einer religiösen Tradition erklären lassen. Dabei wird aber übersehen, dass in die Riten und Regeln der großen Weltreligionen oft auch Elemente der lokalen Kulturen eingegangen sind. So haben die Trennung der Geschlechter im Gottesdienst, das Ritual der Beschneidung oder auch die Vorschriften zur Ernährung in Judentum und Islam eben nicht nur theologische Gründe (die aus Tora und Mischna bzw. Koran und Hadith abgeleitet werden könnten). Vielmehr lassen sich bei näherem Hinsehen in diesen Vollzügen bestimmte lebensweltlich praktische Zusammenhänge erkennen. In der aktuellen erziehungswissenschaftlichen Diskussion hat sich ein Begriff von interkulturellem Lernen herausgebildet, der sich aus vier Grunddimensionen konstituiert: Interkulturelles Lernen zielt auf eine Kompetenz, in der das Verstehen des Fremden, die Anerkennung des Anderen, der nichtwertende Umgang mit Differenz und eine grenzüberschreitende Kommunikation möglich werden (Holzbrecher 2004: 98). Setzt man dies in Beziehung zu einem Begriff von interreligiösem Lernen, der auf die bewusste Wahrnehmung, die angemessene Begegnung und die differenzierte Auseinandersetzung mit Zeugen und Zeugnissen fremder Religionen zielt, so wird rasch deutlich, dass es ein gemeinsames Anliegen der beiden Ansätze gibt: Interkulturelles wie interreligiöses Lernen zielen auf eine angstfreie, wertschätzende und reflektierte Auseinandersetzung mit dem Fremden, in der die eigene Identität gestärkt und ein wirklicher Dialog mit dem Anderen (im oben genannten Sinne) möglich wird. In diesem Lernzielhorizont richtet das interreligiöse Lernen seinen Fokus auf das Feld der Religion, also auf das, was die Bildungsforschung als den Bereich der konstitutiven Rationalität

Interreligiöses Lernen und interkulturelles Lernen

28

II.

Von Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe

(vgl. unten II. 6. Baumert 2002) bezeichnet, während das interkulturelle Lernen seinen Blick auf das Feld der Kultur mit allen seinen Phänomen richtet (Leimgruber 2007: 20). In diesem Sinne verschränken sich interreligiöses und interkulturelles Lernen, ohne dass das eine dem anderen unter- oder überzuordnen wäre. Stichwort

Lernen – Bildung – Erziehung Drei Begriffe prägen den pädagogischen Diskurs maßgeblich: Lernen, Bildung und Erziehung. In den Medien werden sie oft synonym verwendet, obwohl sie unterschiedliche Facetten des Bildungsgeschehens bezeichnen: So beschreibt der Begriff der Bildung einen lebenslangen Prozess, in dem der Mensch ein eigenständiges und reflektiertes Verhältnis zu sich, den Anderen und der Welt gewinnen soll. Bildung ist im Deutschen reflexiv, d.h. das Subjekt muss sich selber bilden, es kann nicht von anderen „gebildet“ werden (anders im Englischen: Hier wird für beide Seiten des Prozesses das gleiche Wort Education verwendet, nämlich to get educated, aber eben auch to educate). Für die Anstrengung, andere Menschen bei ihrer (Selbst)Bildung zu fördern und zu unterstützen gibt es dagegen im Deutschen den Begriff der Erziehung: Er meint das Bemühen um die Vermittlung von Fähigkeiten, Kenntnissen und Einstellungen an die nachwachsenden Generationen durch Eltern, Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer u.a. Der Begriff des Lernens ist als Unterbegriff zu Bildung zu verstehen: Lernen bezeichnet die individuelle Aneignung und Bearbeitung von Informationen, sodass es zu einem Perspektivwechsel und Verhaltensänderungen kommen kann, die zum Bildungsprozess des Einzelnen beitragen.

5. Interreligiöse Bildung Interreligiöses Lernen als Voraussetzung für Bildung

Von interreligiöser Bildung ist im Gegensatz zum interreligiösen Lernen oder der interreligiösen Kompetenz nur selten die Rede, wohl auch weil der Lernbegriff in der Regel als eine Kategorie oder als Unterbegriff von Bildung verstanden wird und dann z.B. neben Erziehung, Lehren und Unterrichten gestellt wird. Auch im Bereich religiöser Bildung lässt sich der Begriff des interreligiösen Lernens in diesen Kontext stellen. Wird nämlich religiöse Bildung als das Vermögen verstanden, das Ganze von Wirklichkeit in den Blick zu nehmen und sich dann zu diesem Ganzen in ein verantwortetes Verhältnis zu setzen (Sajak 2013a: 17), kann interreligiöses Lernen als eine durchgängige Dimension dieses Prozesses identifiziert werden. Schließlich hat der Bildungswissenschaftler Jürgen Baumert im Kontext der PISA-Studie vier „Modi der

5. Interreligiöse Bildung

29

Bildung = Erschließung eines reflexiven Zugangs zur Welt durch verschiedene Modi der Weltbegegnung kognitiv-instrumentelle Rationalität ästhetisch-expressive Rationalität moralisch-evaluative Rationalität ultimativ-konstitutive Rationalität

Wirklichkeit

Weltbegegnung“ benannt, welche als grundlegende Wirklichkeitszugänge die Bildung des Menschen ermöglichen und die jeweils eigenständig wie unersetzbar sind: die kognitiv-instrumentelle (Mathematik, Naturwissenschaften), die moralisch-evaluative (Geschichte, Wirtschaft, Sozialkunde/Politik, Recht), die ästhetisch-expressive (Sprache, Literatur, Kunst, Musik) und die konstitutive Rationalität (Religion, Philosophie). Konstitutiv ist diese Rationalität, weil sie Grundkategorien (z.B. Gott) sowie Erklärungs- bzw. Deutungsmuster (z.B. Schöpfung) liefert, mit denen der Mensch über die Totalität von Wirklichkeit reflektieren und sich selbst mit dieser produktiv auseinandersetzen – also: sich religiös bilden – kann. Diese Erklärungs- und Deutungsmuster aber existieren nicht nur in der eigenen religiösen Tradition, sondern immer auch in allen anderen Welterklärungssystemen – oft kongruent, manchmal komplementär, selten kontradiktorisch. Weil religiöse Bildungsprozesse auf das Ganze von Wirklichkeit zielen, sind sie immer auch interreligiöse Bildungsprozesse. Friedrich Schweitzer, der die einzige Monografie mit dem Titel „Interreligiöse Bildung“ vorgelegt hat, formuliert dies wie folgt: „Wenn hier von Interreligiosität als einer allgemeinen Dimension aller Lehr-Lernprozesse gesprochen wird, so zielt dies genau darauf: die Aufgabe, den eigenen Glauben konsequent im Horizont verschiedener Glaubensweisen zu erschließen“ (Schweitzer 2014: 143).

Abb. 5 Die vier Modi der Weltbegegnung als Voraussetzung von Bildung nach Jürgen Baumert (2002: 106f.)

Der Begriff der konstitutiven Rationalität

30

II.

Von Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe

6. Interreligiöse Kompetenz Interreligiöses Lernen und Kompetenzentwicklung

Wie aber verhält sich der Begriff des interreligiösen Lernens zum neuen „Paradigma“ eines kompetenzorientierten Religionsunterrichts? In welcher Beziehung stehen interreligiöses Lernen und interreligiöse Kompetenz? Nun, interreligiöses Lernen, das zu einer bewussten Wahrnehmung, einer angemessenen Begegnung und einer differenzierten Auseinandersetzung mit Zeuginnen, Zeugen und Zeugnissen fremder Religionen führen soll, zielt eben auf Kompetenz, nämlich auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, die – lernpsychologisch gesprochen – genau jene Verhaltensänderung des lernenden Subjekts sichtbar markieren. Dabei sind drei Konstituenten zu identifizieren: Es geht zum Ersten immer um eine Person, die in Lernprozessen befähigt wird, in einer bestimmten Weise zu handeln. Es geht zum Zweiten um Fähigkeiten und Fertigkeiten, in der Sprache der Bildungswissenschaften also um „basale Kompetenzen“, die es dieser Person ermöglichen, in bestimmten Situationen zu handeln und bestimmte Entscheidungen treffen zu können. Und es geht zum Dritten um Wissen, das den Fähigkeiten zugrunde liegt und an dem diese Kompetenzen erworben und entwickelt werden können. Zusammengefasst formuliert: Es geht also um Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit denen Schülerinnen und Schüler sich das Wissen um und über den eigenen Glauben, die eigene Religion, aber eben auch die Glaubensvorstellungen und Lebenspraktiken von Menschen anderer Religionen erschließen und aneignen können. Es ist bekannt, dass Schülerinnen und Schüler, sofern sie in entsprechender Weise angeleitet und begleitet werden, engagiert und qualifiziert das Gespräch, die Diskussion und die argumentative Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen anderen Glaubens suchen und gestalten. Voraussetzung ist allerdings, dass sie Arrangements und Formate interreligiösen Ler-

Wissensaufbau

Interreligiöses Lernen

Abb. 6 Vom interreligiösen Lernen zum interreligiösen Dialog nach Clauß Peter Sajak (2013b: 12)

Verhaltensänderung

Interreligiöse Kompetenz

Interreligiöser Dialog

Performanz

Praxis

7. Interreligiöser Dialog

31

nens angeboten bekommen, die zur Entwicklung ihrer interreligiösen Kompetenz beitragen.

7. Interreligiöser Dialog Und der interreligiöse Dialog? Der Begriff des interreligiösen Dialogs wird in der Öffentlichkeit häufig verwendet, wenn es um die Beziehung zwischen den Religionen geht. Aber nicht jede Begegnung und schon gar nicht jedes Mit- oder Nebeneinander von Menschen unterschiedlicher Religionen ist bereits interreligiöser Dialog. So müssen im religionstheologischen Zusammenhang drei Formen des Dialogs unterschieden werden: Auf einer ersten, rein menschlichen Ebene gibt es den Dialog als reziproke Kommunikation (1.), auf einer zweiten, höheren Ebene ist der Dialog eine Haltung des Respekts und der Freundschaft (2.). Interreligiöser Dialog im engeren Sinn muss aber mehr bedeuten: Hier muss es um die ernsthaften und konstruktiven Beziehungen zwischen Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens gehen, mit dem Ziel, sich gegenseitig zu verstehen und einander zu bereichern „und zwar im Gehorsam gegenüber der Wahrheit und im Respekt vor der Freiheit (3.). Diese dritte Ebene beinhaltet sowohl gegenseitige Zeugnisgabe wie auch die Entdeckung der jeweils anderen religiösen Überzeugung“ (Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz 1991: 9). Damit ein solcher Dialog gelingen kann, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Karl Kardinal Lehmann hat solche Bedingungen für einen echten Dialog aus katholischer Perspektive erörtert:

Drei Ebenen des Dialogs

Interreligiöser Dialog

1. … als reziproke Kommunikation auf rein menschlicher Ebene 2. … als eine Haltung des Respekts und der Freundschaft 3. … als konstruktive Beziehung zwischen Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens, mit dem Ziel, sich gegenseitig zu verstehen und einander zu bereichern

Abb. 7 Die drei Ebenen des interreligiösen Dialogs in „Dialog und Verkündigung“ (Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz 1991: 9)

32

II.

Von Religionskunde zum interreligiösen Dialog – Grundbegriffe

„Um ein offenes und auf gemeinsame Perspektiven ausgerichtetes Gespräch führen zu können, müssen die Religionen 0 0 0 0

sich gegenseitig grundsätzlich als Ebenbürtige unter Ebenbürtigen akzeptieren; schlüssig darlegen, warum es Religionen gibt und warum Religionen dem Menschen dienlich sind; sich immer auch im praktischen Handeln zum Wohle der Menschen bewähren; sich selbst auf das Auseinanderfallen von Anspruch und Wirklichkeit hin kritisch überprüfen“ (Lehmann 2002: 3).

Durch die Einhaltung dieser Regeln ist gewährleistet, dass im Rahmen eines solchen Dialogs der Diskursteilnehmerinnen und -teilnehmer „seine eigene Religion besser kennenlernt und entschiedener im Leben bezeugt“ (ebd.). Dies gilt auch für den Lebens- und Lernraum Schule. Nur wenn Unterricht – und hier ist nicht nur der Religionsunterricht gemeint – diese Diskursund Handlungsregeln einübt und nachhaltig sichert, kann es zu einem wirklichen interreligiösen Dialog im Klassenzimmer und auf dem Pausenhof kommen. Das bedeutet mit Blick auf unsere Definitionen des interreligiösen Lernens und des interreligiösen Dialogs: Wenn im Rahmen einer Didaktik der Religionen für den Religionsunterricht interreligiöse Lernprozesse initiiert und fruchtbar gemacht werden können, werden auch die Voraussetzungen für einen wirklichen interreligiösen Dialog geschaffen. Dann trägt das interreligiöse Lernen im weiteren Sinne zu einem interreligiösen Lernen im engeren Sinne bei, damit wirklicher interreligiöser Dialog entstehen kann. n

Auf einen Blick

Interreligiöses Lernen ist in der religionspädagogischen Diskussion ein relativ junger Begriff, der z.T. sehr unterschiedlich verwendet wird. Um den Horizont zu beschreiben, wird oft zwischen interreligiösem Lernen im engeren und im weiteren Sinne unterschieden. Auch sind vom interreligiösen Lernen die Begriffe des interkulturellen Lernens, der interreligiösen Kompetenz und des interreligiösen Dialogs zu unterscheiden.

Literaturhinweis

Literaturhinweis Hasselhorn, M./Gold, A.: Pädagogische Psychologie. Erfolgreiches Lernen und Lehren. 2. Auflage. Stuttgart 2009. Lehrbuch, das alle Felder der Pädagogischen Psychologie abhandelt und sich entsprechend auch den klassischen wie aktuellen Lerntheorien widmet. Leimgruber, S.: Interreligiöses Lernen. Neuausgabe. München 2007. Standardwerk zum interreligiösen Lernen, nicht nur im katholischen Bereich. Völlig überarbeitete Neuauflage des 1995 erstmals erschienenen Werks gleichen Titels. Sajak, C. P.: Das Fremde als Gabe begreifen. Auf dem Weg zu einer Didaktik der Religionen aus katholischer Perspektive. Münster 2005. Qualifikationsschrift, in der die Bedeutung des interreligiösen Lernens für die individuelle Glaubensentwicklung ausführlich – auch aus internationaler Perspektive – entfaltet wird. Schweitzer, F.: Interreligiöse Bildung. Religiöse Vielfalt als Herausforderung und Chance. Gütersloh 2014. Monografie, in der das interreligiöse Lernen in einen größeren Horizont gestellt wird und in dem der Verfasser die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte auf diesem Feld referiert und eingeordnet.

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III. Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen Überblick

nterreligiöses Lernen, das zu interreligiöser Kompetenz führen und damit interreligiösen Dialog ermöglichen soll, verfolgt aber nicht nur ein erziehungswissenschaftliches, sondern immer auch ein theologisches Anliegen, ob dies nun thematisiert wird oder nicht. Denn jede religionspädagogische Idee oder Konzeption einer interreligiösen Didaktik impliziert immer auch eine Auseinandersetzung mit den Heils- und Wahrheitsansprüchen der eigenen wie auch der anderen, fremden Religionen. Wenn die eigene Religion exklusiv verstanden wird, wird sie in der Regel den Wahrheitsanspruch

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anderer Religionen bestreiten. Dann werden Lernprozesse andere Ziele verfolgen, als wenn sie im Kontext eines inklusivistischen Religionsverständnisses oder eines religionstheologischen Pluralismus verortet sind. Was aber kennzeichnet diese religionstheologischen Einstellungen genau? Wo finden sich in den verschiedenen Religionen und Konfessionen exklusivistische, inklusivistische oder pluralistische Modelle? Welche Rück- und Auswirkungen haben sie für das interreligiöse Lernen? Im Folgenden sollen anhand eines Durchgangs durch die Geschichte des Christentums diese Fragen aufgegriffen werden.

1. Exklusivismus – kein Heil außerhalb der eigenen Religion Exklusivismus als religionstheologische Position

Als Exklusivismus wird eine religionstheologische Position beschrieben, die davon ausgeht, dass allein die eigene Religion die Fülle der Wahrheit über Gott und Welt besitzt und sie deshalb das Heil des Menschen, also seinen Weg zu Gott ‚exklusiv‘ festlegen und verwalten kann. Der Exklusivismus ist ein historisches Phänomen, das durch die Entstehung des sog. abrahamischen Monotheismus in die Religionsgeschichte getreten ist: Die polytheistischen Natur- und vor allem Kulturreligionen der frühen Hochkulturen konnten allein durch die Fülle ihrer Götter und Göttinnen schon in sich nicht exklusiv sein, zu groß waren die Überschneidungen und Widersprüche in den Zuständigkeitsbereichen der verschiedenen Gottheiten, zu disparat die Regeln zur An-

1. Exklusivismus – kein Heil außerhalb der eigenen Religion

betung und Verehrung. Außerdem formulierten diese frühen Religionen aufgrund ihres Charakters als Regionalkulte (sie waren nur in Ägypten oder in Assyrien oder in Babylon usw. von Bedeutung) keinen Anspruch auf eine universale Wahrheit. Die Götterwelt der Ägypter z.B. war für die Menschen in Assyrien nicht von Relevanz. Allein das Judentum unterschied sich in dieser polytheistischen Umwelt mit seinem in der Thora formulierten Anspruch „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Ex 20,3) und entwickelte langsam und über viele Jahrhunderte einen monotheistischen Gottesglauben, der entsprechend mit einem exklusiven Verständnis von der Erwählung Israels durch Gott einherging (Bauks 2011). Während der jüdische Monotheismus sich bis heute zwar exklusiv, aber nicht universal und missionarisch versteht – das Judentum vertritt also keinen absoluten Wahrheitsanspruch und missioniert deshalb auch nicht – haben die aus dem Judentum entstandenen monotheistischen Religionen des Christentums und des Islam von Anfang durch ihre Stifter an einen universalen Heilsanspruch formuliert, so z.B. im Neuen Testament bei Mt 28,19 „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ und im Koran in Sure 9,33 „Er ist es, Der Seinen Gesandten mit der Rechtleitung und der Religion der Wahrheit gesandt hat, um ihr die Oberhand über alle Religion zu geben, auch wenn es den Götzendienern zuwider ist.“ Entsprechend kann man den theozentrischen (= auf Gott bezogen) Exklusivismus von Christentum und Islam, also die Vorstellung, dass allein das eigene Verständnis und die eigene Überlieferung von Gott wahr ist und damit zur Erlösung führt, als die Grundfigur dieser monotheistischen Religionen verstanden werden. Denn der in der jüdischen Heilsgeschichte entfaltete Grundgedanke, Israel sei das von Gott auserwählte Volk, von ihm, JHWH, bestimmt zu einem einzigartigen Bund (Gen 15 und 17), floss als Erbe in das Selbstverständnis der ersten Christen und später auch in das der Muslime ein. Diese Vorstellung von Erwählung führte konsequenterweise zu einer Abgrenzung von den Menschen, die nicht zu der Gemeinschaft der „Herausgerufenen“, also der „Ecclesia“ bzw. zur Gemeinschaft der Anhänger Muhammads, der „Umma“ gehörten. Entsprechend wurde ihnen das Heil abgesprochen (zum Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und dem absoluten Wahrheitsanspruch der monotheistischen Religionen: Sloterdijk 2007/Assmann 2016). Vor diesem Hintergrund formulierte Cyprian von Karthago im frühen 3. Jahrhundert das berühmte Diktum „Extra ecclesiam nulla salus“ – „Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil!“. Während in der Kirche der ersten zwei Jahrhunderte aufgrund der gesellschaftlichen Außenseiterstellung der Christen noch eine moderate Praxis gegenüber Nichtgläubigen geübt wurde, veränderte sich diese Haltung grundsätzlich mit der konstantinischen Wende und dem

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Monotheismus und Universalismus

Außerhalb der Kirche kein Heil!

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III.

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen

damit verbundenen Aufstieg des Christentums zur Reichskirche im 4. Jahrhundert. Nun wurde die Mitgliedschaft in der Kirche mehr eine politische als eine soteriologische Notwendigkeit. Diesen Anspruch steigerte die Kirche während des gesamten Mittelalters und dokumentierte ihn abschließend 1442 n. Chr. auf dem Konzil von Florenz mit den deutlichen Worten, dass alle Nichtkatholiken dem ewigen Feuer verfallen seien, falls sie nicht vor ihrem Tod der Kirche angehört hätten (Sajak 2005: 18). Quelle

Konzil von Florenz (1442) In: Heinrich Denzinger: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. = Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Herausgegeben von Peter Hünermann. 44. Auflage. Freiburg im Breisgau u.a. 2014, 1351.

„[Die Kirche] glaubt fest, bekennt und verkündet, dass ‚niemand, der sich außerhalb der katholischen Kirche befindet, nicht nur keine Heiden‘, sondern auch keine Juden oder Häretiker und Schismatiker, des ewigen Lebens teilhaft werden können, sondern dass sie in das ewige Feuer wandern werden, ‚das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist‘ [Mt 25,41], wenn sie sich nicht vor dem Lebensende ihr angeschlossen haben.“

Gott

Abb. 8 Exklusivismus aus Sicht des Christentums – Christus ist der einzige Weg aus der Dunkelheit der Welt hin zur Wahrheit Gottes Impliziter Glaube als Schlüssel

Die Entdeckung und Eroberung der Neuen Welt durch die Conquistadores veränderten aber zwangsläufig den lehramtlichen Blick auf die Voraussetzungen der Heilsnotwendigkeit: Die wachsende Erkenntnis, dass außerhalb der europäischen Ökumene seit Jahrhunderten vor der Conquista unzählige Menschen ohne die Möglichkeit der Mission und Bekehrung existiert hatten, führte 1547 n. Chr. zu einer ersten Neubestimmung des Verhältnisses von Kirche und Nichtchristen auf dem Konzil von Trient. Der neutestamentliche

1. Exklusivismus – kein Heil außerhalb der eigenen Religion

Glaube, dass Gott alle Menschen zum Heil bestimmt habe (Mt 5,45 und Mt 28,16–20), ließ sich mit der Existenz der heidnischen Völker in den neu entdeckten Kontinenten nur dadurch versöhnen, dass man die unbedingte Heilsnotwendigkeit der Kirche relativierte. Zu diesem Zweck nahm das Konzil die bereits in der mittelalterlichen Theologie entwickelte Lehre von der Begierdetaufe und die Vorstellung vom impliziten Glauben auf: Entsprechend dieser Lehre kann eine Mitgliedschaft in der Kirche unter bestimmten Umständen auch ohne offiziellen Ritus (in re) allein durch den Willen des Kandidaten (in voto) erreicht werden, während Menschen, die ihr Leben ohne eigene Schuld in Unwissenheit über die Existenz Jesu Christi und seiner Kirche im guten Sinne gelebt haben, die Erlösung durch ihr so gezeigtes implizites Verlangen nach der göttlichen Gnade erlangen können. So nahm hier eine Entwicklung ihren Anfang, die dann im 20. Jahrhundert von Karl Rahner mit dem Begriff des „anonymen Christen“ weitergeführt und auf dem II. Vatikanischen Konzil im Ökumene-Dekret und in der Erklärung über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen als sog. Inklusivismus entfaltet worden ist. Dennoch hat sich der Exklusivismus in konservativ-katholischen und streng-reformierten Kreisen bis heute gehalten. So vertrat der bedeutende evangelische Theologe Karl Barth noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine theologisch äußerst einflussreiche protestantische Form des Exklusivismus. Quelle

Karl Barth (1886–1968): Die christliche Religion als die einzig wahre Religion In: Karl-Josef Kuschel (Hg.): Christentum und nichtchristliche Religionen. Darmstadt 1994, 39–48.

„Religion ist niemals und nirgends als solche und in sich wahr. Dass sie wahr d.h., dass sie in Wahrheit Erkenntnis und Versöhnung des Menschen mit Gott sei, das wird vielmehr jeder Religion durch Gottes Offenbarung abgesprochen: […] Keine Religion ist wahr. Wahr, d.h. entsprechend dem, als was sie sich gibt und wofür sie gehalten sein will, kann eine Religion nur werden, und zwar genau so, wie der Mensch gerechtfertigt wird, nur von außen, d.h. nicht aus ihrem eigenen Wesen und Sein […]. Die wahre Religion ist wie der gerechtfertigte Mensch ein Geschöpf der Gnade. Die Gnade aber ist Gottes Offenbarung […]. Offenbarung kann Religion annehmen und auszeichnen als wahre Religion. Und sie kann das nicht nur. Wie kämen wir dazu, zu behaupten, dass sie das könne, wenn sie es nicht schon getan hätte? Es gibt eine wahre Religion: genau so, wie es gerechtfertigte Sünder gibt. Indem wir streng und genau in dieser Analogie bleiben – und sie ist mehr als eine Analogie, sie ist in einem umfassenden Sinn die Sache selbst, um die es hier geht – dürfen wir nicht zögern auszusprechen: Die christliche Religion ist die wahre Religion. […]

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III.

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen Dass es eine wahre Religion gibt, das ist Ereignis im Akt der Gnade Gottes in Jesus Christus, genauer: in der Ausgießung des heiligen Geistes, noch genauer: in der Existenz der Kirche und der Kinder Gottes. Sofern die Kirche Gottes und die Kinder Gottes existieren, insofern gibt es mitten in der Welt menschlicher Religion wahre Religion, will sagen: eine Erkenntnis und Verehrung Gottes und ein ihr entsprechendes Handeln des Menschen, von denen nicht nur zu sagen ist, dass sie verkehrt, ein aus Lüge und Unrecht geborener Versuch mit untauglichen Mitteln sind, sondern von denen zu sagen ist: dass sie (in ihrer Verkehrtheit) tatsächlich zu ihrem Ziel kommen, dass hier wirklich Gott erkannt und verehrt wird, wirklich ein Handeln des mit Gott versöhnten Menschen stattfindet.“

Aktualität des Exklusivismus

Inkompatibilität von Exklusivismus und interreligiösem Lernen

Auch leben in rechtskatholischen Kreisen – wie z.B. bei den sog. PiusBrüdern –, in den evangelikalen Freikirchen des Protestantismus wie auch bei der breiten Mehrheit der Muslime bis heute exklusivistische Vorstellungen von der eigenen Erwählung und der Verdammung aller Andersgläubigen mit großer Vitalität weiter. Im Bereich des Islam sind diese auch daran zu erkennen, wie mit liberalen, historisch-kritisch arbeitenden muslimischen Theologen, die inklusivistische Positionen vertreten (Khorchide 2017), umgegangen wird: Sie können oft nicht in muslimisch geprägten Ländern arbeiten, sondern müssen nach Europa ins Exil gehen (Abu Zaid 2015). Interreligiöses Lernen mit der Zielsetzung, Gesprächspartner aus verschiedenen religiösen Traditionen zu Respekt, Verständnis und Konvivenz zu führen (Sajak 2005: 264/Leimgruber 2007: 21) wird im Exklusivimus keinen Raum haben. Hier ist die andere Glaubenstradition prinzipiell ein Irrweg oder eine Häresie, die es eher zu bekämpfen als zu verstehen gilt. Einzig im Judentum geht das Motiv der exklusiven Erwählung mit einem gelassenen interreligiösen Umgang einher: „Zwar erhebt das Judentum Anspruch auf Allgemeingültigkeit der ihm offenbarten Wahrheiten, sieht aber ausschließlich das eigene Volk in der Pflicht, diese exemplarisch gesetzestreu und gerecht zu leben“ (Brum 2010: 48). Auch das macht das interreligiöse Lernen aber nicht einfach, denn „Juden sehen in der Regel keine Notwendigkeit, nach außen über das eigene So- und Da-Sein zu sprechen, da die jüdische Lebenswelt, in die sie hineingeboren wurden, ihnen selbstverständlich ist“ (ebd.). Im exklusiven Christentum galt der Dialog mit anderen Religionen dagegen oft als Mittel zum Zweck der Apologetik – also der Verteidigung der christlichen Glaubenslehre gegen andere Religionen – oder als Vorbereitung für die Mission.

2. Inklusivimus – Elemente des Heils in anderen Religionen

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2. Inklusivimus – Elemente des Heils in anderen Religionen Die zunehmend positive Würdigung nichtchristlicher Religionen setzte sich aber dann im 20. Jahrhundert in der katholischen Kirche mit dem II. Vatikanischen Konzil (1962–1965) durch, auf dem die Konzilsväter die endgültige Abkehr vom Exklusivismus und die Hinwendung zu einem christozentrischen Inklusivismus vollzogen.

Inklusivismus als religionstheologische Position

Stichwort

II. Vatikanisches Konzil (auch: II. Vaticanum) Das Zweite Vatikanische Konzil, das nach katholischer Zählung 21. ökumenische Konzil, ist eines der wichtigsten Konzilien in der katholischen Kirche und wurde von 1962 bis 1965 in Rom abgehalten. Als sein Leitziel gilt das von Papst Johannes XXIII. (geb. 1881, Papst 1958–1963) geforderte Aggiornamento (ital. = Modernisierung, Aktualisierung), also die Öffnung der katholischen Kirche zur modernen Welt. Mit diesem Konzil sind viele wichtige Neuerungen in der Lehre und im Leben der Kirche verbunden. Bedeutende Konzilstexte sind u.a. Unitatis redintegratio: Dekret über den Ökumenismus, Dei verbum: dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung, Lumen gentium: dogmatische Konstitution über die Kirche, Gaudium et spes: Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Sacrosanctum concilium: Konstitution über die heilige Liturgie u.v.m.

Vor allem in der Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, in der Erklärung über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“ sowie in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ finden sich maßgebliche und für den interreligiösen Dialog heute grundlegende Passagen. So wird im Abschnitt Nr. 16 von dieser dogmatischen Konstitution ein Modell entwickelt, das die Wahrheitssuche in allen Religionen in ein erkenntnistheoretisches Verhältnis setzt. Quelle

II. Vatikanisches Konzil (1964) – Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ Peter Hünermann (Hg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweisprachige Studienausgabe. Freiburg im Breisgau 32012, 100. Lumen Gentium 16

„Diejenigen endlich, die das Evangelium noch nicht empfangen haben, werden auf das Gottesvolk in verschiedenster Weise hingeordnet. In erster Linie freilich jenes Volk, dem der Bund und die Verheißung gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren worden ist (vgl. Röm 9,4–5), das seiner Erwählung nach um der Väter willen teuerste Volk [….]. Die Heilsabsicht umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die, indem sie bekennen, dass sie den Glauben Abrahams festhalten, mit uns den

Die Bedeutung des II. Vatikanischen Konzils

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III.

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen einzigen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird. Aber auch den anderen, die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen, auch solchen ist Gott nicht ferne, da er allen Leben und Atem und alles gibt (vgl. Apg 17, 25–28).“

Judentum, Islam und alle weiteren Religionen, die in kultur- oder naturreligiöser Weise Gott verehren, werden als auf das Christentum hingeordnet verstanden, da „er allen Leben und Atem und alles gibt“ (ebd.). Selbst die Menschen, die in keiner Weise an Gott glauben, sind vom Heil nicht ausgeschlossen, sofern sie den Glauben an Gott nicht bewusst ablehnen und ein Leben in Gott gefälliger Weise führen. In einer solchen Lebensführung zeigt sich nämlich laut „Lumen Gentium“ eine auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückzuführende unbewusste und unthematische Christusnachfolge. Quelle

II. Vatikanisches Konzil (1964) – Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ Peter Hünermann (Hg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweisprachige Studienausgabe. Freiburg im Breisgau 32012, 100f. Lumen Gentium 16

„Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen die zum Heil notwendigen Hilfen nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gekommen sind und nicht ohne göttliche Gnade ein rechtes Leben zu führen sich bemühen. Was immer sich nämlich an Gutem und Wahrem bei ihnen findet, wird von der Kirche als Vorbereitung für die Frohbotschaft und als von dem gegeben geschätzt, der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe.“

Im Zentrum des heilsgeschichtlichen Geschehens aber steht die katholische Kirche, das neue Gottesvolk. Auf dieses Zentrum zugeordnet sind laut „Lumen Gentium“ die Gläubigen in den anderen Kirchen und Gemeinschaften, die sich zu Jesus Christus bekennen. Sie bilden einen ersten Raum um die katholische Kirche, in dem andere Gottes- und Wahrheitssucher auf dem Weg sind. Quelle

II. Vatikanisches Konzil (1964) – Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ Peter Hünermann (Hg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweisprachige Studienausgabe. Freiburg im Breisgau 32012, 97. Lumen Gentium 14

„Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes, die den allumfassenden Frieden vorzeichnet und fördert, werden also alle Menschen berufen, und auf vielfältige Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet sowohl die katholischen Gläubigen als auch andere an Christus Glaubenden als auch schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heil berufen sind.“

2. Inklusivimus – Elemente des Heils in anderen Religionen

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Setzt man diese Aussagen nun zueinander in Verbindung, so ergibt sich ein religionstheologisches Modell, das die „für die Konzilstexte charakteristischen […] konzentrischen Kreise“ (Grünschloß 1994: 129) als Grundstruktur aufweist: Im Zentrum befindet sich die katholische Kirche, im weiteren Kreis die christlichen Kirchen, dann die jüdische Religionsgemeinschaft, schließlich folgen „andere Gottessucher“, Menschen die ohne Schuld Gott nicht kennen, außerhalb der Kreise aber jene Menschen, die Gott bewusst und damit schuldhaft ablehnen.

1 - katholische Kirche 2 - christliche Gemeinschaften 3 - Judentum 4 - Muslime 5 - andere Gottessucher 6 - gewissenhafte Menschen, die ohne Schuld Gott nicht kennen 7 - Menschen, die Gott schuldhaft ablehnen

Diese Aussagen aus der dogmatischen Konstitution über die Kirche werden in der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra Aetate“ aufgenommen und ausgeführt. In diesem Dokument ist ein für die katholische Kirche bis dahin unbekannter warmer und anerkennender Ton spürbar, wenn es um die anderen Religionen geht. Dem Kreismodell entsprechend schreitet die Erklärung von außen nach innen, d.h. von den Naturreligionen über den Islam zum Judentum. Quelle

II. Vatikanisches Konzil (1964) – Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra Aetate“ Peter Hünermann (Hg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweisprachige Studienausgabe. Freiburg im Breisgau 32012, 357. Nostra Aetate 2

Abb. 9 Die Hinordnung der anderen Konfessionen und Religionen auf die katholische Kirche hin im Modell der konzentrischen Kreise in Lumen Gentium 14 und 16

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Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen „Die katholische Kirche verwirft nichts von dem, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtiger Hochachtung betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Gebote und Lehren, die, auch wenn sie von dem, was sie selber festhält und vorlegt, in vielem abweichen, nicht selten dennoch einen Strahl jener Wahrheit wiedergeben, die alle Menschen erleuchtet.“

Das Verhältnis zum Islam

Im Weiteren wendet sich das Dokument dem Islam als der dem Christentum nächststehenden Offenbarungsreligion zu. Im Rückblick auf die über ein Jahrtausend währende gewalttätige Konkurrenzbeziehung zwischen Christen und Muslimen sind die Aussagen dieses Abschnittes geradezu revolutionär und werden deshalb auch als religionstheologischer „Paradigmenwechsel“ (Sajak 2005: 21) bezeichnet. Die besondere Wertschätzung für die Muslime kommt in „Nostra Aetate“ auch darin zum Ausdruck, dass hier eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten in Glaubensfragen und Lebensführung aufgeführt werden, die Muslime und Christen miteinander teilen. Quelle

II. Vatikanisches Konzil (1964) – Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra Aetate“ Peter Hünermann (Hg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweisprachige Studienausgabe. Freiburg im Breisgau 32012, 358. Nostra Aetate 3

„Mit Wertschätzung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den einzigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der die Menschen angesprochen hat, dessen auch verborgenen Ratschlüssen mit ganzem Herzen sich zu unterwerfen sie bemüht sind, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den sich der islamische Glaube gern bezieht. Jesus, den sie zwar nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria und rufen sie manchmal auch andächtig an. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, da Gott alle Menschen vergelten wird, nachdem sie auferweckt sind. Daher legen sie auf ein sittliches Leben Wert und verehren Gott besonders in Gebet, Almosen und Fasten.“

Das Verhältnis zum Judentum

Schreitet man den Kreis weiter in Richtung Zentrum ab, folgt schließlich ein ausführlicher Abschnitt über die Neubestimmung des Verhältnisses zum Judentum. Diese Passage gehört wohl zu den rezeptionsgeschichtlich bedeutendsten Textstellen der Erklärung. Zwanzig Jahre nach der Befreiung von Auschwitz würdigt die katholische Kirche mit „Nostra Aetate“ das Leidenszeugnis des jüdischen Volkes, verurteilt scharf alle Formen der Diskriminierung und des Antisemitismus und schätzt das Judentum als eng verwandte Geschwisterreligion des Christentums.

2. Inklusivimus – Elemente des Heils in anderen Religionen

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Quelle

II. Vatikanisches Konzil (1964) – Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra Aetate“ Peter Hünermann (Hg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweisprachige Studienausgabe. Freiburg im Breisgau 32012, 359. Nostra Aetate 4

„Indem sie das Mysterium der Kirche untersucht, gedenkt die Heilige Synode des Bandes, durch das das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamm Abrahams geistlich verbunden ist. Die Kirche Christi anerkennt nämlich, dass sich nach dem Heilsgeheimnis Gottes die Anfänge ihres Glaubens und ihrer Erwählung sich schon bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden. Sie bekennt, dass alle Christgläubigen als Söhne Abrahams dem Glauben nach in der Berufung ebendieses Patriarchen eingeschlossen sind und das Heil der Kirche im Auszug des erwählten Volkes aus dem Lande der Knechtschaft geheimnisvoll vorgebildet ist. Deshalb kann die Kirche nicht vergessen, dass sie durch jenes Volk, mit dem den Alten Bund zu schließen Gott aufgrund seiner unaussprechlichen Barmherzigkeit geruht hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfangen hat und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Zweige des wilden Ölbaums die Heiden eingepfropft sind. Die Kirche glaubt nämlich, dass Christus, unser Friede, durch das Kreuz Juden und Heiden versöhnt und beide in Sich selbst zu Einem gemacht hat.“

Mit der in „Lumen Gentium“ und „Nostra Aetate“ entwickelten Interpretation des Verhältnisses von Christentum und nichtchristlichen Religionen vollzog das II. Vatikanische Konzil die endgültige Abkehr vom Exklusivivmus – „Extra eccelsiam nulla sallus“ – und die Hinwendung zu einem auf Christus bezogenen Inklusivismus: Auch andere Religionen enthalten „Strahlen der Wahrheit“ – Justin: „Samen der Wahrheit“ –, die Menschen in diesen Religio-

Gott

Abb. 10 Inklusivismus aus Sicht des Christentums – Christus ist die Fülle der Wahrheit, aber auch andere Religionen enthalten Strahlen der Wahrheit und führen zu Gott

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III.

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen

nen ‚erleuchten‘ und auf den rechten Weg führen. Die Fülle der Wahrheit liegt aber in Jesus Christus, in ihn münden heilsgeschichtlich die verschiedenen Wege der Religionen ein. Um das soteriologische Dilemma zu lösen, dass zwar Gott das Heil aller Menschen will (1 Tim 2,4), Millionen von Menschen aber in ihren Religionen, in weltanschaulicher Indifferenz oder sogar im Atheismus verharren, griff das Konzil in „Lumen Gentium“ auf das Modell eines ‚impliziten‘ oder ‚anonymen‘ Christen zurück, wie es in der Theologie Karl Rahners (1904–1984) entwickelt worden war. Diese Denkfigur greift die erwähnte unthematische Christusnachfolge auf. Quelle

II. Vatikanisches Konzil (1964) – Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ Peter Hünermann (Hg.): Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweisprachige Studienausgabe. Freiburg im Breisgau 32012, 100. Lumen Gentium 16

„Die nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennen, Gott jedoch aus ehrlichem Herzen suchen und seinen durch den Spruch des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss der Gnade in ihren Werken zu erfüllen versuchen, können das ewige Heil erlangen. Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen die zum Heil notwendigen Hilfen nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gelangt sind und nicht ohne die göttliche Gnade ein rechtes Leben zu führen sich bemühen.“

Inklusivismus im Protestantismus

Auch die protestantischen Kirchen der lutherischen, der reformierten und der anglikanischen Tradition haben im 20. Jahrhundert zu inklusivistischen Vorstellungen gefunden, so z.B. der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖKR) in Jahre 1970 in dem wegweisenden Dokument „Religiöse Pluralität und christliches Selbstverständnis“. Hier heißt es in einer an „Nostra aetate“ erinnernden Passage: „As Christians we seek to build a new relationship with other religious traditions because we believe it to be intrinsic to the Gospel message and inherent to our mission as co-workers with God in healing the world. Therefore the mystery of God’s relationship to all God’s people, and the many ways in which peoples have responded to this mystery, invite us to explore more fully the reality of other religious traditions and our own identity as Christians in a religiously plural world.“ (ÖKR 1979: 3) Damit wendet sich auch der Ökumenische Rat der Kirchen von einem ekklesiozentrischen Exklusivismus ab und greift die Denkfigur eines theozentrischen Inklusivismus auf.

3. Pluralismus – Religionen als gleichberechtigte Heilswege

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Stichwort

Ekklesiozentrik – Christozentrik – Theozentrik Ein theologisches Modell, in dem die Kirche im Mittelpunkt steht und nur durch sie der Weg zu Gott gefunden kann, ist ekklesiozentrisch (lat. ecclesia = die Kirche). Dies ist im Exklusivismus bei Tertullian und Cyprian der Fall (vgl. III. 2.). Steht Christus und das Christentum als Heilsweg im Mittelpunkt – wie in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils –, spricht man von einem christozentrischen Konzept. Ist Gott der Angelpunkt des religionstheologischen Modells, um den alle Religionen kreisen, spricht man von einem theozentrischen Modell (vgl. John Hick und Paul Knitter im folgenden Abschnitt III. 4.).

Interreligiöses Lernen ist als jüngerer Ansatz der Religionspädagogik nicht zufällig in den 1970er und 1980er Jahren entstanden. Die Ablösung des ekklesiozentrischen Exklusivismus durch einen christozentrischen Inklusivismus in der katholischen wie auch in den meisten Kirchen der Reformation bildete einen Kontext und Horizont für das religiöse Lernen, in dem Menschen anderer religiöser Traditionen als „Gottessucher“ (II. Vatikanisches Konzil) und auf Gottes Anrede Antwortende (ÖKR) nun nicht als Gegner, sondern als Dialog- und Lernpartner ernst genommen und entsprechend respektvoll befragt werden konnten. Hier hat das interreligiöse Lernen seinen Ursprung genommen. Seinen Höhepunkt hat es allerdings im Zusammenhang mit dem sogenannten religionstheologischen Pluralismus gefunden.

3. Pluralismus – Religionen als gleichberechtigte Heilswege Seit Mitte der 1980er Jahre wurde der Inklusivismus dann von einer neuen religionstheologischen Strömung in Frage gestellt. Der vor allem im angloamerikanischen Kontext entstandene religionstheologische Pluralismus stellte den Anspruch des Christentums, es allein vertrete die Fülle der Wahrheit, aus theologischen Gründen in Frage. Der Amerikaner Paul Knitter, ein Schüler Karl Rahners, formulierte als einer der ersten Theologen kritische Anfragen an das katholische Modell der Religionstheologie: Zitat

Paul F. Knitter (1964) – Die christliche Religion: eine unter vielen! Knitter, P. F.: Gründe für eine pluralistische Theologie der Religionen. In: Kuschel, K.-J. (Hg.): Christentum und nichtchristliche Religionen. Darmstadt 1994, 87–92, 87.

„Viele Christen bemerken heute das Unzutreffende der traditionellen Sicht, die die anderen Religionen ausschließt, indem sie darauf beharrt, dass es keine Erlösung

Pluralismus als religionstheologische Position

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III.

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen außerhalb der Kirche […] gibt und dass das Christentum der einzige Bauplatz der Offenbarung und der Erlösung ist. Aber viele dieser selben Christen sind keineswegs mit der modernen, liberalen Anschauung, wie sie vor allem auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil und im Weltkirchenrat entwickelt wurde, zufrieden. Die liberale Anschauung erkennt den Wert der anderen Religion darin, dass sie Wege der Gotteserfahrung sind. Sie besteht aber darauf, dass dieser Wert ursprünglich von Christus kommt und in ihm und seiner Kirche eingeschlossen und erfüllt werden muss. Und so empfinden immer mehr Christen und christliche Theologen die Notwendigkeit, einen pluralistischen Zugang zu anderen Glaubensweisen zu eröffnen, eine Methode, die die unabhängige Gültigkeit und – oberflächlich betrachtet – die Gleichheit der anderen religiösen Wege als möglich anerkennt. Diese Christen fühlen sich verpflichtet, die Möglichkeit zu erwägen, dass die christliche Religion eine unter vielen sein kann.“

Neue Theozentrik

Knitter und andere sahen deshalb nun sogar die Religionen der Welt als gleichberechtigte Heilswege nebeneinander. Dabei reicht das Spektrum von einem theozentrischen Pluralismus, der die verschiedenen Religionen in ihrem Glauben an ein göttliches Wesen legitimiert sieht, bis hin zu einem soteriozentrischen Pluralismus, der Erlösungstechniken wie den buddhistischen Weg ebenfalls als Heilsweg anerkennt (Knitter 1988). Im deutschsprachigen Bereich werden religionstheologische Positionen vor allem von Reinhold Bernhardt (1991) und Perry Schmidt-Leukel (1997) vertreten. Als wohl bedeutendster Protagonist des Pluralistischen Theologie der Religionen gilt der presbyterianische Theologe und Philosoph John Hick (1922–2012). In England geboren und aufgewachsen erlebte er im städtischen Großraum von Birmingham die mit dem Zusammenbruch der kolonialen Ordnung im Vereinigten Königreich einhergehende kulturelle und religiöse Verwandlung der britischen Gesellschaft durch die große Zahl eingewanderter Muslime, Sikhs und Hindus. Nach Forschungsaufenthalten in Indien und Sri Lanka entwickelte er eine neue Form der christlichen Theologie, in der nicht mehr das Christentum als „Fülle der Wahrheit“ im Mittelpunkt stand, sondern in der die großen Religionen nun um Gott als Mittelpunkt ausgerichtet waren. Diese Neuausrichtung der Religionstheologie bezeichnete er als Paradigmenwechsel von der Christozentrik hin zu einer neuen Theozentrik. Die verschiedenen religiösen Traditionen sind für ihn unterschiedliche „interpretative Elemente in der religiösen Erfahrung der Welt und unseres Lebens in ihr“ (Hick 2012: 20). Deshalb kann er zu der später berühmten Form greifen, nach der die Gottesvorstellungen unterschiedliche Namen für Gott und die Religionssysteme verschiedene Weg zu Gott sind.

3. Pluralismus – Religionen als gleichberechtigte Heilswege

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Zitat

John Hick (2001) – Gott hat viele Namen Hick, J.: Gott und seine vielen Namen. Frankfurt a.M. 2001 (Aktualisierte und erweiterte PDF-Ausgabe 2012), 24.

„Gott hat viele Namen. In diesem Slogan möchte ich meine Ausführungen zusammenfassen, und ich meine damit, dass der/das Ewig Eine innerhalb unterschiedlicher menschlicher Kulturen in unterschiedlichen, personalen wie auch nicht-personalen, Formen wahrgenommen wird und dass aus diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen die religiösen Lebensweisen, die wir die großen Weltreligionen nennen, entstanden sind. In der Praxis bedeutet diese These, dass die Menschen der verschiedenen religiösen Traditionen sich als Freunde statt als Feinde oder Rivalen betrachten können. Unsere Glaubensheimat ist jeweils verschieden, doch in einer jeden gibt es kostbare und besondere Kontakte zu dem Ewig Einen, von denen wir alle vielleicht wechselseitig lernen können. Wir sollten dem neuen Zeitalter des wachsenden interreligiösen Dialogs mit Hoffnung, positiven Erwartungen und gespannter Freude entgegengehen.“

Paul Knitter argumentiert in seinem Plädoyer für eine Überwindung des christozentrischen Inklusivimus vor allem mit der Größe und dem Geheimnis Gottes, das sich einer bestimmten religiösen Tradition und ihrer Bedingtheit entziehe: „Auf eine Theologie der Religionen angewendet, verlangt die Anerkennung des Geheimnisses Gottes von uns auch die Anerkennung der Tatsache, dass keine Religion und keine Offenbarung das einzige, letzte, exklusive oder inklusive Wort Gottes sein kann. Solch ein letztes Wort würde Gott begrenzen und ihm sein Geheimnis nehmen. […] Diese Anerkennung des Mysteriums Gottes, das von keiner Religion, keiner Offenbarung und keinem Erlöser festgehalten werden kann, wird umso überwältigender und beziehungsreicher, wenn man mit vielen pluralistischen Theologen bedenkt, dass das Mysterium

Das Geheimnis Gottes als Schlüssel

Gott

Abb. 11 Religionstheologischer Pluralismus – Das Christentum ist ein Weg von vielen, der zu der einen Wahrheit Gottes führt.

48

III.

Die Katholische Kirche und der religionstheologische Pluralismus

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen

nicht etwas Ein-, sondern etwas Vielfältiges, etwas Plurales ist! Das ist der tiefere Gehalt der christlichen Erfahrung, wie sie in der Trinitätslehre ihren Ausdruck findet: Die Gottheit ist nicht nur eine, sondern viele. Gott ist plural. Trifft das auf Gott ad intra zu, so ist es auch wahr in Bezug auf Gottes Schöpfung ad extra. Gott bedarf der Vielfalt, um Gott zu sein. Pluralität ist das Wesen aller Realität – von den Atomen bis hin zu den Religionen“ (Knitter 1994: 87–92). Die Katholische Kirche hält bis heute am Modell des christozentrischen Inklusivimus fest und lehnt eine pluralistische Theologie der Religionen ab. Auf dem Höhepunkt der Debatten um Inklusivismus und Pluralismus, in denen auch verschiedene katholische Theologen wie Paul Knitter, Leonard Swidler und Jaques Dupuis pluralistische Positionen vertraten, fühlte sich die Glaubenskongregation genötigt, noch einmal deutlich Stellung zu nehmen. In dem zur Jahrtausendwende erschienenen Schreiben „Dominus Jesus“ lehnte die Katholische Kirche explizit alle Formen eines religionstheologischen Pluralismus, die über das inklusivistische Modell des II. Vatikanischen Modell hinausgehen wollen, kategorisch ab. Quelle

Die Kongregation für die Glaubenslehre (2000) – Erklärung Dominus Jesus. Über die Einzigartigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.) 2000b – Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Dominus Jesus. Über die Einzigartigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, Bonn 2000, 9–11.

„Die immerwährende missionarische Verkündigung der Kirche wird heute durch relativistische Theorien gefährdet, die den religiösen Pluralismus nicht nur de facto, sondern auch de iure (oder prinzipiell) rechtfertigen wollen. In der Folge werden Wahrheiten als überholt betrachtet, wie etwa der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesu Christi, die Natur des christlichen Glaubens im Verhältnis zu der inneren Überzeugung in den anderen Religionen, die Inspiration der Bücher der Heiligen Schrift, die personale Einheit zwischen dem ewigen Wort und Jesus von Nazaret, die Einheit der Heilsordnung des fleischgewordenen Wortes und des Heiligen Geistes, die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi, die universale Heilsmittlerschaft der Kirche, die Untrennbarkeit – wenn auch Unterscheidbarkeit – zwischen dem Reich Gottes, dem Reich Christi und der Kirche, die Subsistenz der einen Kirche Christi in der katholischen Kirche. […] Um dieser relativistischen Mentalität, die sich immer mehr ausbreitet, Abhilfe zu schaffen, muss vor allem der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesu Christi bekräftigt werden. Es ist nämlich fest zu glauben, dass im Mysterium Jesu Christi, des fleischgewordenen Sohnes Gottes, der »der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6) ist, die Fülle der göttlichen Wahrheit geoffenbart ist: »Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will« (Mt 11,27).“

4. Komparative Theologie – gemeinsam auf der Suche nach der Wahrheit

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4. Komparative Theologie – gemeinsam auf der Suche nach der Wahrheit Der Ansatz der Komparativen Theologie ist sicher auch vor dem Hintergrund der innerkatholischen Debatten um den religionstheologischen Pluralismus entstanden, denn er ist maßgeblich von katholischen Theologinnen und Theologen entwickelt worden: Hier sind vor allem James L. Fredericks (1999), Francis X. Clooney (2010) und Catherine Cornillee (2008) zu nennen. In Deutschland hat vor allem Klaus von Stosch mit seinem Grundlagenwerk „Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen“ (2012) zur Verbreitung dieses neuen Ansatzes beigetragen, der sich als Alternative zu den klassischen Modellen von Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralimus sieht. Komparative Theologie bemüht sich um die Wahrheitsfrage und will angesichts der Vielfalt menschlicher Antworten auf die Wirklichkeit in der rechten Weise von Gott sprechen. Von Stosch formuliert wörtlich: „Komparative Theologie sucht also wie jede Theologie nach Gott und ist angesichts der Radikalität ihrer Wahrheitssuche bereit, alle überkommenen Traditionen in Frage zu stellen. Als Quelle ihrer Wahrheitssuche beschränkt sie sich nicht auf eine bestimmte religiöse Tradition, sondern weitet den Blick auf die unterschiedlichen Dimensionen und Aspekte des Geheimnisses des Lebens und der letzten Wirklichkeit“ (von Stosch 2012: 148). Um diese Wahrheitssuche in einer angemessenen wie auch zielführenden Art und Weise betreiben zu können, bedarf es bestimmter Grundhaltungen, die in überzeugender Weise von der amerikanischen Theologin Catherine Cornille beschrieben worden sind. In ihrem Buch „The Impossibility of Interreligious Dialogue“ nennt sie fünf Grundhaltungen (Cornille 2008: 9–205), die es auszubilden und mit Blick auf das Anliegen des Komparativen Theologietreibens zu kultivieren gilt: 0 0 0 0 0

Humility (von Stosch übersetzt das mit epistemischer Demut) Commitment (konfessorische Verbundenheit mit der eigenen Tradition) Interconnection (Kommensurabilitätsunterstellung) Empathy (Empathie) Hospitality (Gastfreundschaft).

Dieser Fächer an Grundhaltungen – Cornille spricht im Original von „Bedingungen“ des interreligiösen Dialogs – erscheint sinnvoll: Wer im Ringen um die Wahrheit den anderen ernst nimmt und ihn als Anregung, Bereicherung und durchaus auch als kritisches Korrektiv zur eigenen Perspektive auf

Komparative Theologie als Wahrheitssuche

Die fünf Grundhaltungen des interreligiösen Dialogs

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III.

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen

die Wirklichkeit wahrnehmen will, der muss zum einen erkenntnistheoretisch abrüsten, zum anderen – sonst macht der Dialog wenig Sinn – muss er in enger Verbundenheit mit der eigenen Tradition und der damit verbundenen Perspektive bleiben. Zentral ist natürlich das Wahrnehmen und Deuten von Unterschieden in den beiden Perspektiven, das dann besonders fruchtbar wird, wenn es eben empathisch, in liebevoller Aufmerksamkeit geschieht, wie von Stosch dies nennt, und dem anderen eben damit eine Gastfreundschaft im Kontext des eigenen Raumes der Reflexion anbietet.

Die fünf Bedingungen der Komparativen Theologie Interconnection (Kommensurabilitätsunterstellung)

Empathy (Empathie)

Commitment (Verbundenheit mit der eigenen Tradition)

Abb. 12 Voraussetzungen der Komparativen Theologie nach Catherine Cornille 2008. Das Potential von Alterität und Freundschaft

Hospitality (Gastfreundschaft)

Humility (Demut)

Die Komparative Theologie ist auf der Suche nach Wahrheit und versucht deshalb, „andere in ihrer Andersheit zu verstehen und sich ihnen deshalb in ihrer Andersheit auszusetzen“ (von Stosch 2012: 149). Das Andere des Anderen, seine Andersheit, kann und muss verstörend sein, aber gerade in dieser produktiven Störung liegt der Gewinn für die gemeinsame Suche nach der einen Wahrheit. Ohne das Sperrige, Verstörende, ohne das Alteritäre des Anderen würden wichtige Perspektiven bei dem Versuch einer Schau des Ganzen fehlen. Für James Fredericks führt diese Überzeugung, dass sich das Verstehen der Andersheit des Gesprächspartners in besonders produktiver Weise entfalten kann, wenn es in Freundschaft geschieht. Bewusst geht er über die Toleranz hinaus und führt in den Diskurs den Begriff der Freundschaftsliebe, der Philia ein, um so deutlich zu machen, dass ein weiteres wichtiges Ziel des interreligiösen Dialogs und der Komparativen Theologie die Freundschaft ist, „die am anderen das Liebenswerte entdeckt und sich mit ihm solidarisch erklärt“ (Ebd.: 150). Damit bekommt das interreligiöse Gespräch, wie es im Kontext der Komparativen Theologie verstanden wird, eine praktisch-theologische Dimension, die über den theoretischen Diskurs und die wissenschaftliche Erkenntnissuche hinausgeht. Es geht vielmehr um Praxis, um Lebens-

4. Komparative Theologie – gemeinsam auf der Suche nach der Wahrheit

führung, die in ihrer höchsten Form des Miteinanders hier die Philia, also die Freundschaft anstrebt. Die Freundschaft aber zielt letztendlich auf Wissenserwerb und Wissensvermittlung, auf Aufklärung und Entmythologisierung. Allein die Freundschaft vermag es, in einer produktiven, heilsamen Weise mit Vorurteilen und Stereotypen umzugehen, um „so neue Sichtweisen auf das Fremde freizusetzen“ (von Stosch 2012: 151). Durch eine solche Dekonstruktion von gewohnten Denktraditionen und Vorannahmen wie Vorurteilen greift Komparative Theologie schließlich danach, den eigenen Glauben im Lichte fremder Traditionen neu zu verstehen und somit ein tieferes Verstehen der eigenen religiösen Tradition zu entwickeln. Komparative Theologie, die sich an der Wahrheitsfrage abarbeitet und die in der Alterität, der Freundschaft, dem Wissen und der Glaubensvergewisserung wichtige Teilziele in den Blick nimmt, braucht einen spezifischen Methodenkanon, mit dem die konkrete theologische Arbeit des Dialogs gestaltet und entwickelt werden kann. Diese Methoden sind maßgeblich von James L. Fredericks und Francis X. Clooney entfaltet und von Klaus von Stosch systematisiert worden. Bei der Betrachtung dieser sechs Methoden wird deutlich, dass sie sich nicht nur auf ein systematisch-theologisches Reflektieren beziehen, sondern auch in der Praxis des interreligiösen Dialogs und damit im Kontext der praktisch-theologischen Reflexion von großer Bedeutung sind.

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Die Methoden der Komparativen Theologie

Komparative Theologie 1. … ist durch die Hinwendung zum Einzelfall gekennzeichnet. 2. … geht von zentralen Fragestellungen des Menschen heute aus. 3. … geht vom Eigenen aus, bemüht sich aber, auf den anderen und seinen Blick zu respondieren. 4. … braucht die Instanz eines Dritten im Sinne einer religionsexternen Kriteriologie. 5. … braucht immer die Rückbesinnung und Vergewisserung durch die eigene religiöse Praxis. 6. … ist sich immer ihrer eigenen Verwundbarkeit und Reversibilität bzw. Fallibilität ihrer Urteile bewusst.

Auch die Religionspädagogik als kritisches Nachdenken über religiöse Lern- und Bildungsprozesse wendet sich dem Einzelfall zu, um so aus der Empirie heraus Regeln und Verfahren zur Gestaltung religiöser Bildungsprozesse

Abb. 13 Methoden der Komparativen Theologie nach Klaus von Stosch 2012 Anknüpfungspunkte für das interreligiöse Lernen

52

III.

Vom Exklusivismus zur komparativen Theologie – Voraussetzungen

gewinnen zu können. Dabei geht es auch der Religionspädagogik darum, an der Lebenswirklichkeit des Menschen und seinen existentiellen Fragen anzuknüpfen, um diese mit der Perspektive des Glaubens in eine fruchtbare Korrelation zu bringen. Religionspädagogische Reflexion lebt vom Blick des Anderen, der nicht nur im religiös Anderen, sondern auch bereits im Anders-Glaubenden der eigenen Konfession und Religion eine zentrale Ergänzung und Perspektivweitung erfährt. In diesem Sinne gibt es für das interreligiöse Lernen viele Anknüpfungspunkte am Ansatz der Komparativen Theologie. n

Auf einen Blick

Interreligiöses Lernen hat immer auch eine theologische Dimension, denn wenn es um die Auseinandersetzungen mit verschiedenen religiösen Traditionen geht, kommt die Wahrheitsfrage ins Spiel. Diese wird in den klassischen religionstheologischen Modellen von Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus unterschiedlich beantwortet. Neben diese Konzepte ist mit dem Ansatz der Komparativen Theologie eine neue Denkrichtung getreten, die viele Schnittstellen mit der interreligiösen Religionspädagogik bietet.

Literaturhinweis Fürlinger, E.: „Der Dialog muss weitergehen“ – Ausgewählte vatikanische Dokumente zum interreligiösen Dialog (1964–2008). Freiburg i. Br. 2009. Umfangreicher Reader, der die wichtigsten Dokumente der Katholischen Kirche seit dem II. Vatikanischen Konzil liefert und eine umfangreiche Kommentierung dazu bietet. Gäde, G.: Christus in den Religionen. Der christliche Glaube in die Wahrheit der Religionen. Paderborn 2003. Eigenständiger Ansatz, der mit der Idee eines sogenannten Interiorismus eine Alternative zu den traditionellen religionstheologischen Klassifikationsmodellen liefern will. Dabei werden diese auch erläutert und diskutiert. Kuschel, K.-J. (Hg.): Christentum und nichtchristliche Religionen. Darmstadt 1994. Anthologie, die Texte bedeutender Theologinnen und Theologen zum Themenfeld Religionsdialog bereithält. Hier finden sich auch Vertreter der drei klassischen Modelle Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus. Von Stosch, K.: Komparative Theologie als Wegweiser. Paderborn 2012. Umfangreiche Einführung in die Komparative Theologie, die auch eine gut lesbare und hilfreiche Einführung in die wichtigsten Standardwerke der Religionstheologie liefert. Dabei werden auch die Modelle Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus vorgestellt.

IV. Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen Überblick

ie Idee des interreligiösen Lernens kommt erstmals in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf. Dies hängt zum einem mit dem Ende der kolonialen Weltordnung, zum anderen mit dem religionstheologischen Paradigmenwechsel zusammen, den die beiden großen christlichen Kirchen in den 1960er Jahren vollzogen: So legten der Ökumenische Rat der Kirchen 1961 auf seiner Vollversammlung in Neu Delhi wie auch die katholische Kirche 1965 auf dem II. Vatikanischen Konzil mit Beschlüssen zur Anerkennung und Wertschätzung nichtchristli-

D

cher Religionen den Grundstein für das interreligiöse Lernen auf der religionspädagogischen Ebene wie auch für den interreligiösen Dialog in religionstheologischen Zusammenhängen. Doch was bewegten diese Beschlüsse im Bereich religiöser Bildung und Erziehung? Was verstanden damals die beiden Kirchen unter interreligiösem Lernen? Und wie entwickelte sich der Diskurs dann weiter? Von welchen Erfahrungen aus fünf Jahrzehnten interreligiösem Lernen können Religionspädagoginnen und -pädagogen heute profitieren?

1. Interreligiöses Lernen als religionskundliches Lernen Auf evangelischer Seite stehen die ersten fachdidaktischen Diskurse zum interreligiösen Lernen im Kontext des sogenannten „Hermeneutischen Religionsunterrichts“, der durch eine intensive Rückbindung an die Erkenntnisse der theologischen Forschung, vor allem im Bereich von Exegese und biblischer Theologie, geprägt war (Sajak/Möller 2015). Vor allem Udo Tworuschka hat aus der Perspektive der vergleichenden Religionswissenschaft eine umfangreiche Sammlung von Materialien für das interreligiöse Lernen im Religionsunterricht zusammengestellt. Unter seinen Publikationen sind neben dem Grundlagenwerk „Methodische Zugänge zu den Weltreligionen“ (1982) vor allem Lesebücher, Materialbände und Unterrichtsmedien zu finden. In seinen „Methodische(n) Zugänge(n)“ erklärt Tworuschka, wie er seine Rolle mit

Weltreligionendidaktik

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IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

Blick auf den Religionsunterricht sieht: Er will der Religionspädagogik einen Zugang zu den Weltreligionen auf einer religionswissenschaftlichen Basis ermöglichen. Deshalb liefert er im Folgenden eine Einführung in die Methodik und Hermeneutik der Religionswissenschaft. Es geht ihm um die Wahrnehmung der religiösen Substanz der verschiedenen Religionen. Diese werden am deutlichsten sichtbar, wenn es gelänge „die Religionen […] selbst zu Wort kommen zu lassen“ (Tworuschka 1982: 218). Folglich präferiert Tworuschka einen narrativen Ansatz, in dem Geschichten Auskunft über das Wesen und die Identität religiöser Gruppen geben sollen. In die Didaktikgeschichte ist dieser Ansatz deshalb als Weltreligionendidaktik eingegangen. Kennzeichen für diese Konzeption ist der sogenannte religionskundliche Modus (vgl. II. 3.), in dem aus einer neutralen Perspektive Informationen über Religionen über leicht zugängliche Medien – in der Regel Texte oder Filme – vermittelt werden sollen. Stichwort

Religionskundliches Lernen/Religionskunde Als Religionskunde wird im deutschen Sprachraum ein konfessionell nicht gebundener Unterricht über Religion im schulischen Kontext verstanden. Dabei soll das Rechtsglied „Kunde“ in diesem Kompositum zum Ausdruck bringen, dass im schulischen Rahmen „gerade nicht hochspezialisiertes Wissen vermittelt werden [soll], sondern die Relevanz von Wissensgebieten für die Orientierung im Leben und in der Welt […] im Vordergrund“ (Kenngott 2017) steht. So wie im Sachkunde-Unterricht über Mensch, Gesellschaft und Natur in elementarer Form gelehrt und gelernt werden soll, hat ein religionskundlicher Unterricht die didaktisch reduzierte und konzentrierte Lehre über die Welt der Religionen aus einer neutralen, sprich: nicht-konfessionellen Perspektiven zum Ziel. Im Gegensatz zum religionskundlichen Unterricht werden Schülerinnen und Schüler im konfessionellen Unterricht in einer bestimmten Religion unterrichtet, was nicht ausschließt, dass natürlich auch über andere Konfessionen und Religionen in diesem Zusammenhang informiert wird, dann natürlich aber in einem konfessionskundlichen bzw. religionskundlichen Modus. Im Englischen wird in analoger Weise seit längerem zwischen „Learning about Religion“ auf der einen und „Learning in Religion“ auf der anderen Seite unterschieden (vgl. diskursprägend Grimmitt 1981). Hinzu getreten ist inzwischen die Definition eines „Learning from Religion“, mit dem das Lernen von einer anderen Religion mit dem Ziel der Entwicklung und Erweiterung der eigenen Religiosität und Spiritualität gemeint ist (Popp 2013).

Auch im katholischen Bereich hatte es seit Mitte der siebziger Jahre verschiedene Ansätze gegeben, welche die interreligiöse Lernperspektive in den katholischen Religionsunterricht eintragen wollten. Vor allem der Bereich der Schulbuchentwicklung ist hier von großer Bedeutung gewesen. Werner Trut-

1. Interreligiöses Lernen als religionskundliches Lernen

Learning …

in Religion

about Religion

from Religion

Inhalte

eine Bekenntnisreligion

Plural der Religionen

Zugänge der Schüler

Perspektive

der Religionsgemeinschaft

des Wissenschaftlers

des Schülers

Bezugswissenschaft

Theologie

Religionswissenschaft

Pädagogik

Zielsetzung

Glaubenseinführung

Information über Religionen

Lebensorientierung

win und Hubertus Halbfas sind an prominenter Stelle zu nennen, denn sie haben sich in ihren Werkreihen die Begegnung mit den nichtchristlichen Religionen besonders profiliert. So hat Werner Trutwin nicht nur in seinem dreiteiligen, vielfach neuaufgelegten Unterrichtswerk für die Sekundarstufe I „Zeit der Freude“ (5./6.), „Wege des Glaubens“ (7./8.) und „Zeichen der Hoffnung“ (9./10.) den nichtchristlichen Religionen einen bis dahin nicht gekannten Platz eingeräumt, er hat auch eine umfangreiche und anschauliche Reihe von Arbeitsheften zu den Weltreligionen für die Sekundarstufe II erstellt. Zudem hat er mit „Wege zum Licht. Die Weltreligionen“ (1998) ein didaktisch aufbereitetes Übersichtswerk zu den Religionen vorgelegt. Ebenso hat Hubertus Halbfas in seinen Religionsbüchern für die Grundschule und die Sekundarstufe I schon früh die Begegnung mit den Weltreligionen gefördert. Mit seinem religionsgeschichtlichen Lesebuch „Das Welthaus“ (1983) legte er erstmals umfangreiches Material für einen narrativ konzipierten Unterricht über die Weltreligionen vor. Zuvor hatte Halbfas sich mit seinem Buch „Das dritte Auge“ (1982) bereits als Protagonist der Symboldidaktik in Deutschland etabliert. Nun ging er in „Wurzelwerk“ (1989) den interreligiösen und interkulturellen Spuren der christlichen Symbolik in Geschichte und Gegenwart nach. Hierfür holt er besonders im ersten Kapitel des Werkes weit aus, wenn er die universale Bild- und Symbolwelt der Weltreligionen als Ausgangspunkt für den jüdisch-christlichen Symbolfundus und dessen Tradition interpretiert: Die Art und Weise, mit der Halbfas hier den christlichen Symbolen nachgeht, macht deutlich, dass es aus seiner Sicht gewisser Grundkenntnisse gerade über die nichtchristlichen Religionen bedarf, um die Bilder und Symbole der eigenen christlichen Religion zu verstehen. In

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Abb. 14 Idealtypische Skizzierung religionsdidaktischer Unterrichtskonzepte nach Daniela Popp (2013: 73)

Weltreligionen in der Schulbuchentwicklung

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IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

diesem Sinne liefert Halbfas auch eine didaktische Begründung und Rechtfertigung interreligiösen Lernens im konfessionellen Religionsunterricht.

Learning about Religion

Abb. 15 Religionskundliches Lernen zielt auf das Informieren von Schülerinnen und Schülern über andere Religionen Interreligiöses Lernen als religionskundliches Lernen

Interreligiöses Lernen ist und bleibt aber bei Tworuschka, Trutwin und Halbfas ein religionskundliches Lernen: Im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichts sollen evangelische oder katholische Lehrerinnen und Lehrer dazu befähigt werden, christlichen Schülerinnen und Schülern Grundwissen über die anderen, nichtchristlichen Religionen zu vermitteln.

2. Interreligiöses Lernen als intrareligiöses Lernen Erste Standardwerke interreligiöser Religionspädagogik

Eine erste Didaktik der Weltreligionen im Sinne einer grundsätzlichen und systematischen religionspädagogischen Reflektion über Ort und Ziel interreligiösen Lernens aus der Perspektive christlicher Theologie hat erst der evangelische Religionspädagoge Johannes Lähnemann vorgelegt. Bereits in den siebziger Jahren hatte sich Lähnemann mit den nichtchristlichen Religionen im Religionsunterricht beschäftigt, wobei er sich vor allem dem Islam zuwandte (Lähnemann 1977). Den Dialog mit dem Islam behielt er auch weiter im Blick, als er 1986 sein zweibändiges Standardwerk zu den Weltreligionen im Unterricht vorstellte, das er selber als „Eine theologische Didaktik für Schule, Hochschule und Gemeinde“ bezeichnete (vgl. Lähemann 1986a/b). Beide Bände – im ersten Band wendet sich Lähnemann den fernöstlichen Religionen zu, während er sich im zweiten ganz dem Islam widmet – sind bis heute ein Standardwerk der interreligiösen Religionspädagogik geblieben. Hier nennt Lähnemann seine Bildungsziele, nämlich „die Schüler für eine Si-

2. Interreligiöses Lernen als intrareligiöses Lernen

tuation der Begegnung auszurüsten, die nicht von Vorurteilsbarrieren belastet ist, in der vielmehr ein Hören aufeinander und ein Lernen voneinander möglich wird, das zur Entgrenzung und Bereicherung der Lebenshorizonte auf beiden Seiten führt“ (Lähnemann 1986a: 163). Mit dem Begriffspaar „Evangelium“ – „Religionen“ markiert Lähneman dann in seinem Grundlagenwerk „Evangelische Religionspädagogik aus interreligiöser Perspektive“ (1998) die Pole, zwischen denen der Horizont christlicher Religionstheologie ausgespannt ist: „Wenn das Evangelium eine universale Botschaft beinhaltet, kann es nicht entfaltet werden ohne expliziten Bezug auf die Begegnung mit den Religionen in einer pluralen Welt. Und wenn die Religionen beitragen sollen zu den Zukunftsausgaben des Lebens und Überlebens von Menschheit und Welt, können sie das nicht über das Konstrukt einer ‚Welteinheitsreligion‘, sondern nur im dialogischen Zusammenwirken, in das jede Glaubensgemeinschaft ihre unverwechselbaren Glaubensgrundlagen einbringt“ (Lähnemann 1998: 14f.). Dieser Maxime folgend entwickelt Lähnemann ein Modell interreligiösen Lernens, in dem die Gestalt Jesu und die „Pädagogik des Evangeliums“ (ebd.: 244) zum didaktischen Schlüssel für eine fruchtbare Begegnung zwischen Christentum und den anderen Religionen wird. Dabei orientiert sich Lähnemann am „entgrenzenden Charakter des Evangeliums“ (ebd.: 244), den er in den Jüngerberufungen, der Mahlgemeinschaft, den Wundern und Gleichnissen Jesu sowie im Ethos der Bergpredigt ausgestaltet sieht. Diesem ur-‚evangelischen‘ Weg Jesu muss auch eine Didaktik der Weltreligionen folgen: „Die Herrlichkeit Gottes in der Niedrigkeit, die Verwandlung des menschlichen Leides durch die radikale Teilnahme an ihm, die Verwandlung der Feindschaft durch eine Liebe, die auch vor dem Gegner nicht haltmacht […] – dies sind die Maßstäbe des Evangeliums, die Christen in die Begegnung mit Menschen anderen Glaubens einzubringen haben“ (ebd.: 278). Entsprechend müssen Christen in der Welt Gottes Sendung – „Mission“ – erfüllen und den geistigen wie geistlichen Austausch – Dialog – mit den anderen Religionen suchen. Auf dieser Grundlage entfaltet Lähnemann eine interreligiöse Didaktik, die auf den Methodenweg der Religionspädagogik und die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie ebenso zurückgreift, wie auf die praktischen Erfahrungen interreligiösen Lernens aus den verschiedenen Lernfeldern der Religionspädagogik. Auf katholischer Seite hat vor allem Stephan Leimgruber in zahlreichen Publikationen das Thema „Interreligiöses Lernen“ aufgegriffen, wobei er den Fokus auf den Dialog mit dem Judentum und den Lernprozess Christentum – Islam legt. Sein Konzept für einen interreligiösen Religionsunterricht stellte er erstmals 1995 in einer Monographie vor: Basis und Grundlage interreligiösen Lernens ist für ihn der Synodenbeschluss zum Religionsunterricht Der Religi-

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Evangelische Religionspädagogik aus interreligiöser Perspektive

Interreligiös Lernen

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IV.

Lévinas und Buber als Vordenker

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

onsunterricht in der Schule. Neben den Kriterien der Konvergenz, Korrelation und Diakonie verweist Leimgruber auf die Zielsetzung, der Religionsunterricht solle „zu persönlicher Entscheidung und Auseinandersetzung mit Konfessionen und Religionen, mit Weltanschauungen und Ideologien“ befähigen und „Verständnis und Toleranz gegenüber Entscheidungen anderer“ (Synodenbeschluss zitiert bei Leimgruber 1995: 44) fördern. Entsprechend muss der schulische Religionsunterricht bei aller Konfessionalität auch die Weltreligionen als Unterrichtsgegenstand aufnehmen: „Die Begegnung mit den Weltreligionen soll die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf ihren eigenen Glauben motivieren, inspirieren und in Frage stellen. […] Bei diesem Prozess ergeben sich Gelegenheiten, das Ganze des Glaubens im Fragment zu entdecken. In der vorgegebenen Wirklichkeit blitzen tiefere Sinn- und Glaubensdimensionen auf, etwa, wenn christliche Kinder muslimische beim Gebet erleben, wenn jüdische von ihren Glaubensüberzeugungen sprechen oder wenn sich buddhistische Mönche vor einer Buddhastatue niederwerfen. Wie durch Ritzen scheint die Transzendenz in den Alltag hinein“ (ebd.: 45). In Emmanuel Lévinas und Martin Buber findet Leimgruber renommierte philosophische Zeugen für einen fruchtbaren Umgang mit dem Fremden. Aus ihren Ansätzen erhebt er einen Katalog religionspädagogischer Ziele für die Begegnung mit dem Fremden: 0 0 0 0 0 0 0 0

„Eigene Erfahrungen des Fremdseins in Erinnerung rufen; Gefühle des Fremdseins nachvollziehen und verbalisieren; sich der fremden, nicht integrierten Anteile in der eigenen Person bewusst werden; sich von einem ichbezogenen Denken lösen und in die Situation von verschiedenen Fremden einfühlen; das Faszinierende von Fremden wahrnehmen; mögliche Varianten von Reaktionen gegenüber Fremden durchspielen […]; über das Gast-Sein auf dieser Welt in den verschiedenen Religionen nachdenken; eine Grundhaltung der Offenheit gegenüber Fremden einüben“ (ebd.: 52).

Wie diese Begegnung mit dem Fremden im schulischen Religionsunterricht arrangiert und begleitet werden kann, referiert Leimgruber dann durch Zusammenstellung von Elementen einer Didaktik der Religionen. Neben dem interreligiösen Lernen im Klassenverband schlägt er fächerübergreifenden Projektunterricht, Gemeinschafts- und Gruppenunterricht, Expertengespräche oder Exkursionen zu religiösen Zielen vor. Dabei umreißt Leimgruber

2. Interreligiöses Lernen als intrareligiöses Lernen

noch einmal seine Zielsetzung. Interreligiöses Lernen als Begegnung mit dem Fremden zielt auf „ein so weit fortgeschrittenes gegenseitiges Verstehen, dass ein Zusammenleben Angehöriger verschiedener Herkunft, Kultur, Nation und Religion in Gerechtigkeit und Frieden möglich wird“ (ebd.: 67). Zwölf Jahre später hat Stephan Leimgruber sein Hauptwerk vollständig überarbeitet. Dabei hat er in Anlehnung an Karlo Meyer (vgl. III. 4.) eine Didaktik des interreligiösen Lernens in fünf Schritten vorgestellt, die „eine differenzierte Auseinandersetzung mit religiösen Zeugen und Zeugnissen“ (Leimgruber 2007: 110) ermöglichen soll. Entsprechend führen diese Schritte „über eine sensible Wahrnehmung zu anfanghaftem, teilweise gelenktem, aber selbst angeeignetem Verstehen. So können junge Menschen zu ihrer Identität finden“ (ebd.). Diese Schritte sind im Einzelnen: 0

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religiöse Zeugnisse wahrnehmen lernen: Die Schülerinnen und Schüler sollen angeleitet werden, die religiösen Zeugnisse im Unterricht mit allen Sinnen zu erfassen und so ganzheitlich sehen zu lernen; religiöse Phänomene deuten: Unter Anleitung des/der Lehrenden sollen die Schülerinnen und Schüler die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen mit dem religiösen Hintergrund der besprochenen Religion verknüpfen, um die Innenseite einer Religion kennenzulernen; durch Begegnung lernen: Über das konkrete Zeugnis hinaus soll den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben werden, Vertretern der Religionen zu begegnen. „Ein vertieftes Gespräch, ein Besuch nach einer Vorbereitung und mit anschließender Reflexion können nachhaltige Erlebnisse hinterlassen, welche den Eindruck über eine Religion prägen und Vorurteile abbauen helfen“ (ebd.: 109); die bleibende Fremdheit akzeptieren: Ziel der Begegnung mit fremden Religionen ist nicht Übereinstimmung mit dem Anderen oder Integration des Andersartigen in den eigenen Glauben, sondern Respekt und Achtung vor dem Unvertrauten und Fremden. Gelingt dies, ist ein wichtiges Grobziel des interreligiösen Lernens bereits eingelöst; in eine existentielle Auseinandersetzung involvieren: Die Begegnung mit dem Fremden soll schließlich die Auseinandersetzung mit dem Anderen wie mit sich selbst fördern: „Lernen geschieht primär durch das personale Verarbeiten von Erfahrungen und soll auch zu einer Erweiterung des Verhaltensrepertoires führen. Interaktion und Kommunikation sind dazu Schlüssel, um in die eigenen Welten einzudringen und am Ende auch selbst neu zu werden, sich wieder zu erkennen, zu verstehen und anzunehmen“ (ebd.).

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Interreligiöses Lernen in fünf Schritten

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IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

Learning from Religion

Abb. 16 Intrareligiöses Lernen betont die Bedeutung der Begegnung mit anderen Religionen für die eigene christliche Glaubensperspektive Interreligiöses Lernen als intrareligiöser Dialog

Sowohl der Ansatz von Johannes Lähnemann als auch Anliegen und Konzeption von Stephan Leimgruber sind in diesem Abschnitt unter die Überschrift „Intrareligiöses Lernen“ gestellt worden. Das mag auf den ersten Blick überraschen, zeichnet doch diese beiden Autoren aus, dass sie in der fachgeschichtlichen Entwicklung den entscheidenden Schritt vom religionskundlichen Lernen zum interreligiösen Lernen gewagt haben. In anderen Darstellungen werden die beiden deshalb auch unter die Überschriften „Begegnungslernen“ gefasst (Schambeck 2012: 60) oder als „Dialogischer Ansatz“ bezeichnet (Meyer/Tautz 2015). Die Rubrik des intrareligiösen Lernens will die Dynamik dieser Begegnung zwischen Menschen und Motiven verschiedener religiöser Traditionen präzisieren, denn beide Autoren legen ihr Gewicht auf eine Betrachtung und Bewertung der anderen Religionen „aus konfessioneller Perspektive“ (Sajak 2010: 21). Gerade durch dieses Anliegen unterscheiden sie sich vom religionskundlichen Ansatz. Entsprechend hat Hans-Georg Ziebertz für eine solche Konzeption des interreligiösen Lernens den Begriff des intrareligiösen Dialogs gefunden: „Der interreligiöse Dialog ist immer zugleich auch ein intrareligiöser Dialog mit sich selbst. Die innerliche Rekonstruktion von religiösen Erfahrungen kann also als ein Prozess der religiösen Identitätsbildung verstanden werden. Angesichts der säkularen Bedingungen der religiösen Erziehung ist das interreligiöse Lernen nicht utopisch, vielmehr läge in der Interaktionsstruktur der Dialogprozesse die Chance, seine Leistungen hinsichtlich der religiösen Sozialisation herauszuarbeiten“ (Ziebertz 1991: 326).

3. Interreligiöses Lernen als Zeugnislernen

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3. Interreligiöses Lernen als Zeugnislernen Aufbauend auf den Arbeiten von Lähnemann und Leimgruber sind im folgenden Jahrzehnt eine Reihe von Entwürfen zum interreligiösen Lernen entstanden, in denen ihre Verfasser versuchen, die bisherigen Erträge der religionsdidaktischen Diskussion in Konturen einer Didaktik der Religionen zusammenbinden. Sie alle greifen dabei auf die Methode des sog. Zeugnislernens zurück, die damit zum prägenden Element im nächsten Abschnitt der Fachgeschichte geworden ist. Auf die Verbindung des evangelischen Religionspädagogen Karlo Meyer zu Stephan Leimgruber ist im vorigen Abschnitt bereits hingewiesen worden. Dabei ist Meyers Dissertationsschrift ursprünglich im Dialog mit dem Oeuvre von Johannes Lähnemann entstanden. Meyer stört sich an der verkürzten Christologie Lähnemanns, in deren Rahmen Kreuz und Tod Jesu allein als pädagogischer Impetus und Höhepunkt des Weges Jesu verstanden werden könnten. Meyer vermisst eine systematisch-theologische Reflexion des Kreuzes als soteriologische Grundlegung des ethischen Anliegens (Meyer 1999: 78). Auch kritisiert er die unzureichend entfaltete Dialektik von „Entgrenzung“ und „Verwurzelung“, die in der Spannung von Evangelium und Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler liegt und die im Unterrichtsprozess ihre eigene Dynamik entwickeln könnte (ebd.: 79). Meyers eigentliches Anliegen kommt aber in einem dritten, gewichtigeren Punkt zum Ausdruck: „In den Unterrichtsvorschlägen fällt eine gewisse Unbekümmertheit gegenüber der religiös-theologischen Intention der fremden religiösen Zeugnisse im Wechselspiel mit der Unterrichtsmethode auf“ (ebd.: 81). Damit nimmt er die didaktischen Konstituentie auf, die er im weiteren Verlauf seiner Arbeit reflektieren und entfalten wird: das Unterrichtsmedium. Diesem Gegenstand – Lähnemanns Beispiele sind ein Brettspiel, ein Moschee-Bastelbogen oder ein Krishna-Bild – muss nach Meyer eine wesentlich stärkere Wirkung zugetraut werden: „Es wird bei Lähnemann besonders deutlich, was auch für andere Autoren dieser Richtung gilt, das Soziale steht im Vordergrund, religiöse Zeugnisse treten als Sachwissen in Erscheinung, das gelernt werden muss. Eine persönliche Auseinandersetzung mit den religiösen Gegenständen im Unterricht […] ist nur am Rande ausgedrückt“ (ebd.: 81). Folglich entwickelt Meyer im weiteren Verlauf seiner Arbeit ein Konzept interreligiösen Lernens, das vor allem auf der Auseinandersetzung mit dem religiösen Gegenstand, Meyer nennt ihn – allerdings in Abgrenzung zu Heideggers Begriffsverwendung – „Zeug[-]nis“, um den Verweischarakter „auf das Heilige selbst hin“ zu betonen, aufbaut. Er orientiert sich dabei an den Erfahrungen, die in England im Kontext des dortigen Religionsunterrichts gesammelt worden sind.

Meyer und Lähnemann

Das Zeug[-]nis

62

IV. A Gift to the Child

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

In Initiativen wie dem Warwick-Projekt oder der von Michael Grimmitt und John Hull entwickelten Methode „A Gift to the Child“, die auf deskriptiver oder existentieller Auseinandersetzung mit den Zeugnissen fremder Religionen basiert, sieht er eine Option auch für den deutschen Religionsunterricht: „Die Möglichkeit zu einer pädagogischen Umsetzung sehe ich, kurz gesagt, in einer Unterrichtskonzeption, die das Außen, in dem die Schülerinnen und Lehrer ja zunächst stehen, explizit aufnimmt und doch zugleich in den einzelnen Punkten mit dem fremden Bezugssystem in Beziehung setzt und zu einer inneren Auseinandersetzung herausfordert. Grenzen können bewusst gemacht werden und zugleich können z.B. Geschichten erzählt werden, in die sich Schülerinnen und Schüler verwickeln lassen und durch die sie innerlich beteiligt werden“ (Meyer 1999: 272f.). Damit kann im Religionsunterricht ein interreligiöser Lernprozess angeleitet werden, in dem die Schülerinnen und Schüler nicht nur äußerlich der fremden Religion begegnen, sondern in dem sie das Denken und Erleben von Menschen aus anderen religiösen Traditionen wirklich verstehen lernen. Stichwort

„A Gift to the Child“/Die Gabe an das Kind „A Gift to the Child“ – im Deutschen übersetzt als „Die Gabe an das Kind“ – wurde von John Hull und Michael Grimmitt an der School of Education der University of Birmingham entwickelt. Im Rahmen zweier Forschungsprojekte – Religious Education in the Early Years (1987–1992) und Religion in the Service of the Child (1989–1992) – versuchten Grimmitt und Hull gemeinsam mit einem Team von Lehrerinnen und Lehrern eine Konzeption für interreligiöses Lernen im Religionsunterricht zu finden, die sowohl dem inhaltlichen Anspruch der Weltreligionen als auch der Erfahrungswelt gerade jüngerer Schülerinnen und Schüler gerecht werden sollte. Der Grundgedanke dieses neuen Ansatzes ist es, eine Religion mittels eines Items/Kultgegenstandes (die „Gabe“, das „Zeugnis“, das „Artefakt“) den Schülerinnen und Schülern vorzustellen und so einen religiösen Lernprozess zu initiieren (Grimmitt et al. 1992). Der Ansatz ist von Karlo Meyer, Clauß Peter Sajak und Werner Haußmann zu Beginn des neuen Jahrtausends für den deutschen Kontext aufgenommen und weiterentwickelt worden. Ein solches Item, das eine Gabe für die religiöse und spirituelle Entwicklung für das Kind sein soll, kann ein Wort („Halleluja“), ein Klang (der Gebetsruf des Muezzin), eine Geschichte (Jona und der Wal), eine Statue (Ganesha, der Elefantengott), ein Aspekt spiritueller Realität (ein Engel) oder eine Person (ein buddhistischer Mönch) sein. Wichtig ist, dass folgende Kriterien erfüllt sind: 0 Das Item soll exemplarisch für Leben und Glauben der betreffenden Religionsgemeinschaft sein. 0 Das Item soll eine numinose Aura besitzen, die ein Gefühl von Heiligkeit hervorruft. 0 Das Item sollte bedeutsam für die Entwicklung und den Lernprozess des Kindes sein.

3. Interreligiöses Lernen als Zeugnislernen

63

Abb. 17 Die Mesusa, eine Schriftkapsel für den Türpfosten des jüdischen Hauses (aus Sajak 2010a: 122)

Auf katholischer Seite hat Clauß Peter Sajak in seiner Habilitationsschrift „Auf dem Weg zu einer Didaktik der Religionen aus katholischer Perspektive“ (2005) versucht, diese Erträge aus der englischen Diskussion mit Erkenntnissen aus der amerikanischen entwicklungspsychologischen Forschung zu einem eigenen Ansatz zu verbinden. Dabei ging es ihm vor allem darum, die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen anderer Religionen als einen integralen und unverzichtbaren Bestandteil der eigenen religiösen Entwicklung zu verstehen: „Interreligiöses Lernen ist immer auch intrareligiöses Erschließen der eigenen Religion. In diesem Sinne kann auch in unserem gesellschaftlichen Kontext die Begegnung mit fremden Religionen, vor allem mit dem Islam und dem Judentum, aber auch zunehmend mit dem Buddhismus, als Geschenk gesehen werden“ (Sajak 2005: 12f.). So gesehen kann die gesellschaftliche Ausdifferenzierung und Pluralisierung als Chance begriffen werden: „Es ist heute nicht mehr nötig, sich als junger Mensch auf eine lebenslange Bildungsreise um die Welt zu begeben, um fremden Religionen zu begegnen und von ihnen zu lernen. Globalisierung und Migrationen haben fremde Religionen zu einem Teil der deutschen Gesellschaft werden lassen. Die Auseinandersetzung mit ihnen ist für Schüler/innen heute eine schwierige Auf-Gabe und Herausforderung, sie ist aber auch eine die eigene Identitätssuche fördernde Gabe und ein Geschenk für die persönliche Entwicklung“ (ebd.: 13). Meyer/Tautz bezeichnen seinen Ansatz deshalb auch als „Die fremde Religion als Mitkonstituent der religiösen Identität“ (Meyer/Tautz 2015) und stellen diesen in einen Zusammenhang mit dem Anliegen von Monika Tautz, „Interreligiöses Lernen als Durchgang durch das

Fremde Religion als Mitkonstituent religiöser Identität

64

IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

Fremde“ zu verstehen (Tautz 2007). Vor dem Hintergrund ausgewählter Theorien religiöser Entwicklung erstellt Sajak ein Methodencurriculum für die verschiedenen schulischen Jahrgangsstufen, das die verschiedenen innovativen Ansätze und Modelle interreligiösen Lernens aufgreift und altersbezogen zuordnet. In besonderer Weise widmet er sich dabei dem sog. Zeugnislernen, das er später in seinem Werkbuch „Kippa, Kelch, Koran“ (2010) ausführlich entfaltet und an 25 Zeugnissen aus Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus konkretisiert. Mit dieser Methode will er einen integralen ganzheitlichen Zugang zu fremden Religionen eröffnen, an den andere Lernwege anknüpfen können. Learning from Religion

Abb. 18 Zeugnislernen will durch die Präsentation religiöser Kultgegenstände sowohl der inhaltlichen Seite einer Religion als auch der religiösen Entwicklung des Kindes gerecht werden Werkbuch interreligiösen Lernens

Ebenfalls im Jahr 2005 haben Werner Haußmann und Johannes Lähnemann unter dem Titel „Dein Glaube – Mein Glaube“ ein Werkbuch für das interreligiöse Lernen in Schule und Gemeinde vorgelegt. Sie knüpfen dabei an ihre diversen Vorarbeiten zum interreligiösen Lernen an und sehen den Band als eine „Konkretion der Evangelischen Religionspädagogik in interreligiöser Perspektive von Johannes Lähnemann“ (Haußmann/Lähnemann 2005: 6). Als Bausteine für eine Didaktik der Religionen stellen die Verfasser in diesem Buch sieben Projekte vor, an denen exemplarisch die Erarbeitung der verschiedenen Weltreligionen mit Hilfe einer ausgewählten Methode entfaltet wird. Hier finden sich das Zeugnislernen („Lernen mit religiösen Artefakten“, ebd.: 25), Begegnungslernen durch muslimische Gäste im Evangelischen Religionsunterricht, entdeckendes Lernen durch den Besuch einer Synagoge, eine interreligiöse Projektarbeit zum Schöpfungsglauben, biografisches Lernen am Beispiel Ghandis, religionskundliches Lernen im Vergleich von Jesus und Buddha und schließlich das ethische Lernen im Kontext des Projekts ‚Weltethos‘. Dabei entsteht in der Summe der hier vorgestellten Methoden eine Didaktik der Weltreligionen im Sinne eines „Lernen[s] in der Begegnung und durch die Begegnung“ (ebd.: 20).

4. Interreligiöses Lernen als kompetenzorientiertes Lernen

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4. Interreligiöses Lernen als kompetenzorientiertes Lernen Im Anspruch des Zeugnislernens, Themen und Praktiken von Religionen vor allem mit Blick auf die Frage der persönlichen Entwicklung von Religiosität, Spiritualität und Glaube durch die Auswahl entsprechend anregender und bereichernder Zeugnisse aufzubereiten, tritt deutlich eine neue Phase in der Geschichte des interreligiösen Lernens hervor, in der vor allem die lernenden Subjekte in den Bildungsprozessen in den Mittelpunkt rücken. Ging es beim religionskundlichen Lernen um die Vermittlung grundsätzlicher Informationen über die nichtchristlichen Religionen, so verschob sich der Fokus beim intrareligiösen auf die Bedeutung fremder Glaubensvorstellungen für die eigene christliche Perspektive im konfessionellen Religionsunterricht. Nun richtet sich der Blick ganz auf die Kinder und Jugendlichen und ihre religiösen Lern- und Bildungsprozesse. Mirjam Schambeck hat dies wie folgt markiert: „Insgesamt zeichnet sich ab, dass sich die Konzepte des interreligiösen Lernens seit den 1960er Jahren von der Inhalts- bzw. Themenorientierung immer mehr in die Richtung der Subjekte verlagert haben“ (Schambeck 2013: 109). Dadurch entsteht aber die ganz grundsätzliche Frage, „wie eine Verhältnisbestimmung zwischen den Religionen, deren Deutepotenzialen und den Subjekten des Lernenden auszumachen ist“ (ebd.: 109). Auf diese Frage versuchen nun Modelle und Ansätze Antworten zu geben, die sich der interreligiösen Kompetenz widmen. Stichwort

Religiöse Kompetenz/Kompetenzorientierung im Religionsunterricht Als Kompetenzen werden die bei Schülerinnen und Schülern verfügbaren oder erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnet, die notwendig sind, um bestimmte Probleme zu lösen. Seit 2003 sind die Lehr- und Bildungspläne aller schulischen Unterrichtsfächer sukzessive auf Kataloge von Kompetenzbeschreibungen umgestellt worden. Verpflichtende Kompetenzen, zu denen Schülerinnen und Schüler geführt werden sollen, werden in diesen Katalogen Bildungsstandards genannt. Auch für den Evangelischen und Katholischen Religionsunterricht sind von beiden Kirchen entsprechende Kompetenzmodelle und -kataloge vorgelegt worden: So gibt es von Seiten der katholischen Bischöfe Richtlinien zur Gestaltung von Bildungsstandards im Fach katholische Religionslehre, die vom einem spezifischem Modell religiöser Kompetenz ausgehen (Die deutschen Bischöfe 2004/2006). Von evangelischer Seite gibt es ein Modell des Comenius-Instituts zu grundlegenden Kompetenzen religiöser Bildung, in der ein analoges, wenn auch weiterentwickeltes Kompetenzmodell vorgeschlagen wird. Letzteres ist inzwischen von der Bildungskammer der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) aufgegriffen, verdichtet und als Orientierungsrahmen für den Religionsunterricht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht worden (Evangelische Kirche in

Kompetenzorientierung

66

IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen Deutschland 2010). Fast alle Bundesländer, von Niedersachsen bis Baden-Württemberg, haben inzwischen eine auf diesen Modellen beruhende Kompetenzorientierung als Referenzgröße für die Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung in konkreten Lehr- und Bildungsplänen verpflichtend gemacht.

Wahrnehmungskompetenz diese erkennen und benennen Deutungskompetenz diese erschließen und deuten

Abb. 19 Das Kompetenzmodell der Kirchlichen Richtlinien zu Bildungsstandards für den Katholischen Religionsunterricht im Bereich ‚Andere Religionen‘ (Quelle aus Die deutschen Bischöfe 2004/ 2006)

Urteilskompetenz zu diesen einen Standpunkt beziehen und begründen

Zeugen und Zeugnisse anderer Religionen

Ausdruckskompetenz diese strukturieren und darstellen

Kommunikationskompetenz diesen begegnen und in einen Dialog treten

Partizipationskompetenz deren Perspektive einnehmen und nachvollziehen

Perzeption: Wahrnehmen Beschreiben

Kognition: Verstehen Deuten

Performanz: Gestalten Handeln

Interaktion: Partizipation: Kommunizieren Teilhaben Urteilen Entscheiden

die subjektive Religion der Schüler/innen, die sich in einem individuellen Selbstverständnis ausdrückt, als persönliche Überzeugung und Wertorientierung; die Bezugsreligion des Religionsunterrichts, die sich nach der Religion des Lehrers/der Lehrerin richtet und in den grundlegenden Überzeugungen, Traditionen und Grundsätzen der den Religionsunterricht (mit)verantwortenden Religionsgemeinschaft (Art. 7 III GG) begründet ist, d. h. hier konkret das Christentum evangelischer Prägung;

Abb. 20 Das Kompetenzmodell für den Evangelischen Religionsunterricht (Quelle aus EKD 2010)

andere Religionen und Weltanschauungen, die in der religiös pluriformen Gesellschaft relevant sind und in der Lebenswelt der Schüler/innen vorkommen; Religion als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen in Bildender Kunst, Literatur, Musik und als Begründungszusammenhang für ethischmoralisches Verhalten und politisches Handeln.

4. Interreligiöses Lernen als kompetenzorientiertes Lernen

Ein erstes Modell zur Beschreibung interreligiöser Kompetenz ist von Clauß Peter Sajak und Ann-Kathrin Muth im Auftrag der Herbert QuandtStiftung 2011 entwickelt worden. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des interreligiösen Schulenwettbewerbs „Trialog der Kulturen“ war der Wunsch entstanden, präziser zu beschreiben und zu kategorisieren, was Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Projekten der Wettbewerbsschulen gelernt und was sie an Problemlösefähigkeiten im Bereich der abrahamischen Religionen und der mit ihnen verbundenen Kultursysteme hinzugewonnen hatten. Im Gegensatz zu den normativen katholischen, evangelischen, jüdischen und muslimischen Standards religiöser Bildung, die aus Theoriemodellen der entsprechenden Religionspädagogik abgeleitet und verpflichtend gemacht worden waren (vgl. Stichwort: Religiöse Kompetenz/Kompetenzorientierung im Religionsunterricht), konnten sich aus den konkreten Projekten der Wettbewerbsschulen Standards interreligiöser und interkultureller Bildung erheben lassen, die in der schulischen Praxis von Schülerinnen und Schülern auch tatsächlich erreicht und erfüllt worden waren. Dabei konnte folgendes Kompetenzmodell abgeleitet werden:

67 Erhebung von Kompetenzen im Schulenwettbewerb „Trialog der Kulturen“

Kompetenzbereich 1: Die Relevanz erkennen Standard 1.1: Schülerinnen und Schüler stellen die Bedeutung der drei abrahamischen Religionen für die europäische Kulturgeschichte dar. Standard 1.2: Schülerinnen und Schüler nehmen Zeichen, Zeugnisse und Zeugen der abrahamischen Religionen und Traditionen bewusst wahr. Kompetenzbereich 2: Den Dialog fördern Standard 2.1: Schülerinnen und Schüler zeigen die Bedeutung von Religion als grundlegendes kulturelles, gesellschaftliches Phänomen auf. Standard 2.2: Schülerinnen und Schüler nehmen konstruktiv am Dialog teil und leisten einen Beitrag zur zwischenmenschlichen Verständigung. Kompetenzbereich 3: Den Anderen anerkennen Standard 3.1: Schülerinnen und Schüler setzen sich mit Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen anderer Kinder und Jugendlicher auseinander. Standard 3.2: Schülerinnen und Schüler begegnen Kindern und Jugendlichen anderer kultureller und religiöser Kontexte mit Respekt, Interesse und Wertschätzung.

Abb. 21 Das Kompetenzmodell für das Trialogische Lernen der Herbert QuandtStiftung

68

IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen Kompetenzbereich 4: Die eigenen Identität entwickeln Standard 4.1: Schülerinnen und Schüler setzen sich mit ihrem eigenen Glauben auseinander. Standard 4.2: Schülerinnen und Schüler nehmen einen begründeten Standpunkt in ihrer eigenen Konfession, Religion und Weltschauung ein. Kompetenzbereich 5: Über die Schule hinauswirken

Fortsetzung: Abb. 21 Das Kompetenzmodell für das Trialogische Lernen der Herbert QuandtStiftung

Standard 5.1: Schülerinnen und Schüler eröffnen Perspektiven der nachhaltigen Thematisierung und Bearbeitung des abrahamischen Trialogs für Schulcurriculum und -gemeinschaft. Standard 5.2: Schülerinnen und Schüler entwickeln Formen der Verständigung und der Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen und ihrem lokalen Umfeld.

Dabei ist zu beachten, dass die Aufzählung und Beschreibung der verschiedenen Kompetenzen nicht als eine notwendigerweise aufeinander aufbauende Abfolge verstanden werden soll, sondern als ein hermeneutischer Zirkel interkultureller und interreligiöser Kompetenzerweiterung: Die fünf Kompetenzbereiche bilden ein tragendes Gerüst für die Identitätsentwicklung der Schülerinnen und Schüler, so wie die fünf Speichen eines Rades dessen Fortkommen gewährleisten. Wenige Monate nachdem das Kompetenzmodell für das Trialogische Lernen der Herbert Quandt-Stiftung veröffentlicht worden war, erschien die erste von drei Monographien, die sich alle prominent im Titel der Frage interreligiöser Kompetenz widmeten. Den Anfang machte der evangelische Religionspädagoge Joachim Willems, der 2011 seine Habilitationsschrift unter dem Titel „Interreligiöse Kompetenz“ veröffentlichte: Ausgehend von dem sog. Berliner Modell zur religiösen Kompetenz, das in einem DFG-Projekt unter der Leitung von Dietrich Benner und Rolf Schieder entwickelt worden war, gliedert er im Rahmen seines Ansatzes die interreligiöse Kompetenz in die drei dort beschriebenen und modellierten Kompetenzsegmente: Interreligiöse Kompetenz beruht demnach auf 0 0 0 Stufenmodell interreligiöser Kompetenz

interreligiöser Deutungs- und Urteilskompetenz; interreligiöser Partizipation und Handlungskompetenz; interreligiösen relevanten Kenntnisse.

Willems ist sich bewusst, dass vor allem der Bereich der Partizipationsund Handlungskompetenz bisher wenig empirisch erforscht ist und sich – anders als mit Blick auf die Deutungskompetenz, zu der umfangreiche Evalua-

4. Interreligiöses Lernen als kompetenzorientiertes Lernen

tionen im Rahmen des Berliner Projektes vorgenommen sind – auch nicht in empirisch valide Niveaustufen aufgliedern lässt. Um trotzdem eine Taxonomie von Entwicklungszielen mit Blick auf die interreligiöse Kompetenz beschreiben zu können, greift Willems auf das Stufenmodell zur Entwicklung interkultureller Sensibilität von Milton Bennett (1993) zurück. Bennett postuliert hier sechs Entwicklungsstufen, auf denen die Wahrnehmung und der Umgang mit interkulturellen Unterschieden durch immer komplexere Analyse und Reflexion von Erfahrungen erarbeitet und entwickelt werden. Bei Bennett gilt: Je komplexer das konstruierte Weltbild mit Blick auf kulturelle Differenzen ist, desto sensibler ist die Person in der Wahrnehmung und auch im Umgang mit diesen Unterschieden. Da für Willems sich interreligiöse Kompetenz vor allem darin zeigt, mit sog. Überschneidungssituationen, also der Interferenz von religiösen und kulturellen Codes, umgehen zu können (Willems 2011: 13), liegt es nahe, interkulturelle Kompetenz, wie sie bei Milton Bennett verstanden worden ist, auf die Domain des Religiösen zu übertragen. Entsprechend stellt er neben das Intercultural Develepment Inventory Instrument von Bennett ein Stufenmodell interreligiöser Kompetenz, das aus zwei kategorial zu unterscheidenden Stufen und sechs Niveaus innerhalb dieser Stufen besteht. So tritt an die Stelle der bei Milton Bennett ausgewiesenen ersten Stufe der ethnozentrischen Weltsicht bei Willems die sog. konfessiozentrische Stufe, anstelle der ethnorelativen Weltsicht die konfessioreflexive Stufe. Interreligiöse Kompetenzentwicklung zeigt sich entsprechend darin, dass ein lernendes Subjekt vom untersten Niveau der konfessiozentrischen Stufe, also dem „Erkennen von Unterschieden zwischen Religionen ohne andere Weltsichten würdigen zu können“ (ebd.: 203), durch Kompetenzerwerb, Kompetenzeinübung und Kompetenzentwicklung hin zu den höheren Niveaustufen der konfessioreflexiven Stufe gelangt, also zur „Fähigkeit zur Prüfung der Stimmigkeit … [religiöser] Perspektiven“ bzw. zur „Fähigkeit, diese Perspektiven aufeinander zu beziehen“ (ebd.). Der entscheidende Sprung von der Konfessiozentrik zur Konfessioreflexivität vollzieht sich dabei zwischen dem zweiten und dritten Niveau, da hier der entscheidende Wechsel von der Leugnung der Differenzen zwischen verschiedenen religiösen Sinnsystemen hin zur grundsätzlichen Fähigkeit zum Perspektivwechsel vollzogen wird. Willems ergänzt seine theoretischen Überlegungen zu einem solchen Verständnis interreligiöser Kompetenz durch Überlegungen zum schulischen Kontext des Kompetenzerwerbs und zur Bedeutung interkultureller Trainings. Auch wenn Willems Studie zur interreligiösen Kompetenz als nicht empirisch überprüft und theologisch unterkomplex beurteilt worden ist (Schweitzer 2014: 152), so ist doch anzuerkennen, dass Willems einen ersten Versuch unternommen hat, das bis dahin noch wenig bearbeitete Feld einer

69

70

IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

detaillierteren Konzeptualisierung von Kompetenz im Bereich des interreligiösen Lernens zu vermessen. 1.

Konfessiozentrische Stufe

1.1 Erkennen von Unterschieden zwischen Religionen, ohne andere Weltsichten würdigen zu können als in sich stimmige Interpretation der Welt; 1.2 Erkennen von Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen, wobei religiöse Differenzen entweder nicht gesehen oder geleugnet werden. 2.

Konfessioreflexive Stufe

2.1 Grundsätzliche Fähigkeit zum Perspektivwechsel: Erkenntnis, dass jeweils verschiedene religiöse und nichtreligiöse sowie verschiedene religiöse, konfessionelle und weltanschauliche (sowie religionssubkulturelle) Perspektiven auf der Welt und ihre Phänomene möglich sind und Fähigkeiten, diese Unterschiede auszuhalten (Ambiguitätstoleranz);

Abb. 22 Die Entwicklung interreligiöser Kompetenz bei Joachim Willems (2011: 203) Diversifikations- und Relationskompetenz

2.2 Fähigkeit zur (Re/De-)Konstruktion der jeweiligen religionskulturellen proto- und stereotypischen Perspektiven und individueller Perspektiven innerhalb von Religionssubkulturen; 2.3 Fähigkeit zur Überprüfung der Stimmigkeit und Reichweite dieser Perspektiven; 2.4 Fähigkeit, diese Perspektiven aufeinander zu beziehen.

Auf katholischer Seite hat Mirjam Schambeck 2013 einen eigenen Entwurf vorgelegt, der den Titel „Interreligiöse Kompetenz“ trägt. Sie knüpft bei ihren Ausführungen an ihre kritischen Überlegungen zum Kompetenzmodell für den katholischen Religionsunterricht an und setzt sich von diesem durch ein eigenes komplexes Modell zum Ausweis und zur Modellierung religiöser Kompetenz ab. Mit Blick auf interreligiöse Lern- und Bildungszusammenhänge kommt sie zu einem Verständnis interreligiöser Kompetenz, das sie in die beiden Konstituenten Diversifikations- und Relationskompetenz gliedert. Beiden Teilkompetenzen kommt eine zentrale Bedeutung zu, wenn es darum geht, mit religiösem Pluralismus in einer angemessenen Weise umgehen zu können. Analog zu Willems unternimmt auch sie den Versuch, unterschiedliche Niveaustufen zu beschreiben, auf denen sich bestimmte Grade und Komplexitäten von interreligiöser Kompetenz zeigen. Außerdem nennt sie die drei Kompetenzbereiche, nämlich die Ästhetik, die Kognition und die Praxis, in denen sich jeweils Unterscheidungs- und In-Beziehung-Setzungs-Fähigkeit entsprechend zeigen. Ihre Niveaus der Aneignung (Schambeck 2013: 183) reichen von der Fähigkeit, Differenz wahrzunehmen, über den Umbau kognitiver Konfigurationen hin zur vollzogenen Transformation, bei der Einstellung und Haltung

4. Interreligiöses Lernen als kompetenzorientiertes Lernen

71

Interreligiöse Kompetenz als Diversifikations- und Relationskompetenz umfasst drei unterschiedliche Kompetenzbereiche Unterscheidungsfähigkeit

Ästhetischer Kompetenzbereich Hermeneutisch-reflexiver und hermenutisch-kommunikativer Kompetenzbereich

In-Beziehungssetzungsfähigkeit

Praktischer Kompetenzbereich

und Fertigkeiten verändert und durch entsprechende Handlungen manifestiert werden. Schambeck stützt ihr Modell auf ein qualitatives Forschungsprojekt, das sie selber in Indien durchgeführt hat, und kann so, ähnlich wie Willems, zumindest für einen Teil ihrer Modellierung empirische Erkenntnisse anführen. Die dritte Monographie zur interreligiösen Kompetenz stammt ebenfalls von einem katholischen Religionspädagogen: Max Bernlochner hat 2013 seine Dissertationsschrift vorgelegt, in der er interreligiöse und interkulturelle Kompetenz mit Blick auf den Dialog zwischen Christen und Muslimen verschränkt hat. Entsprechend spricht er von einem Modell interreligiöser-interkultureller Kompetenz, das auf drei gleich gewichteten Polen beruht: zum einen der „als offenbart geglaubte(n) religiöse(n) Wahrheit“, zum zweiten der „gelebten Religiosität“ sowie der „interkulturellen und interreligiös ausgerichteten Religionspädagogik“ (Bernlochner 2013: 311). Entsprechend diesem Pyramidenmodell müssen sich in allen drei Bereichen interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen zeigen, damit entsprechende Lernprozesse erfolgreich und zielführend ablaufen können. Bernlochner betont bei seinem Modell die

Abb. 23 Interreligiöse Kompetenz als Diversifikations- und Relationskompetenz bei Mirjam Schambeck (2013: 177)

Interreligiöse und interkulturelle Kompetenz

Deutungskompetenz

Partizipationskompetenz

Abb. 24 Interreligiöser Kompetenzerwerb als Entwicklung von Fähigkeiten, zu verstehen und sich zu verhalten

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IV.

Zusammenspiel hermeneutischer und partizipatorischer Kompetenzen

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

Bedeutung einer konfessionellen Positionierung und einer entsprechenden Reflexion der eigenen Dialogvoraussetzungen. In diesem Punkt zeigt sein Modell verschiedene Elemente des intrareligiösen Lernens und der Kontextualisierung interreligiöser Lernprozesse in einem konfessionellen Setting. Entsprechend widmet sich Bernlochner in den weiteren Kapiteln der Arbeit vor allem den Rahmenbedingungen und Curricula in der Religionslehrerinnenund Religionslehrerbildung. Bei der Zusammenschau aller drei Entwürfe wird deutlich, dass eine Grundstruktur interreligiöser Kompetenz offensichtlich in dem komplementären Zusammenspiel von Deutungs- und Partizipationskompetenz besteht. Zwar werden diese beiden Kompetenzdimensionen in den verschiedenen Entwürfen unterschiedlich bezeichnet – Willems „Deutungs-/Urteilskompetenz und Partizipations-/Handlungskompetenz“, Schambeck „Diversifikationsund Relationskompetenz“, Bernlochner „Glaubenswahrheit“ und „Verantwortungsübernahme“. Entsprechend müssen diese beiden Teilkompetenzen im Blick behalten werden, wenn es um die Entwicklung eines Kompetenzmodells für das interreligiöse Lernen im Abschnitt V. 4. geht.

5. Interreligiöses Lernen als Dialogisches Lernen Hamburgs „Religionsunterricht für alle“

Seit der Mitte der 1990er Jahre hat sich in Hamburg ein Format des interreligiösen Lernens etabliert, das inzwischen unter dem Titel ‚Dialogischer Religionsunterricht‘ bekannt ist: „Als Dialogischer Religionsunterricht wird eine in der Hansestadt Hamburg entwickelte Praxis des Religionsunterrichts verstanden, die angesichts einer religiös, kulturell und sozial heterogenen Schülerschaft religiöses Lernen unter mehrperspektivischer Berücksichtigung verschiedener religiöser Traditionen von der Grundschule bis in die Sekundarstufe II in einem gemeinsamen Schulfach dialogisch und interreligiös gestaltet“ (Knauth 2016). Diese religionspädagogische Konzeption hat ihren Ort im sog. „Religionsunterricht für alle“, der ab 1995 zum offiziellen weltanschaulichen Unterrichtsfach in Hamburgs Schulen wurde. Hintergrund war die historisch gewachsene Monopolstellung des konfessionellen Evangelischen Religionsunterrichts, der in gemeinsamer Verantwortung vom Stadtstaat Hamburg und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Hamburg seit dem II. Weltkrieg erteilt wurde. Während die Katholische Kirche auf einen Religionsunterricht in der öffentlichen Schule verzichtete und stattdessen auf ein dichtes Netz von freien Schulen in der Trägerschaft des Bistums Hildesheim bzw. später des Erzbistums Hamburg setzte, wurde mit zunehmender Religionsplu-

5. Interreligiöses Lernen als Dialogisches Lernen

ralität und Mulitkulturalität der evangelische Religionsunterricht aufgrund seines einladenden Charakters zu einem ‚Religionsunterricht für alle‘. Entsprechend konnten die ‚Väter‘ des Hamburger Weges, Folkert Doedens, Horst Gloy und Wolfram Weiße, im Jahr 2007 schreiben: „Ausgehend von spezifischen Hamburgischen Traditionen im öffentlichen Schulwesen sowie in Wahrnehmung der gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Bedingungen in dieser Stadt, ist der Hamburger RU ein gemeinsamer Lernort für alle Schülerinnen und Schüler. An diesem „RU für alle“ nehmen alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam teil – unabhängig von ihren jeweiligen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen. Dies gilt ungeachtet der rechtlich garantierten Möglichkeit, sich von diesem Unterricht abmelden zu dürfen bzw. ab Klasse 9 zwischen dem RU und dem Alternativfach Ethik bzw. Philosophie wählen zu können“ (Doedens/Weiße 2007). Im Dialogischen Religionsunterricht des Hamburger Religionsunterrichts geht es entsprechend nicht um die Einführung in den christlichen Glauben oder um Information über das Christentum, sondern um die Förderung des Dialoges untereinander mit dem Ziel des besseren Verständnisses des bzw. der Anderen und seiner Religion. Der Fokus liegt auf der konkreten Situation der Kinder in ihrem kulturellen und religiösen Umfeld und nicht auf der religionskundlichen Darstellung der Religionen und Weltanschauungen. Vielmehr sollen in den Gesprächen und Diskussion im Unterricht vor allem Fragen der eigenen Glaubensperspektive und der religiösen Identität angesprochen werden. Zum ‚Religionsunterricht für alle‘ in Hamburg gibt es eine eigene Schriftenreihe, die maßgeblich von Wolfram Weiße (grundlegend Doedens/Weiße 1997, zuletzt Weiße 2008) verantwortet worden ist, sowie eine umfangreiche Begleitforschung (exemplarisch Knauth 2009). In den letzten Jahren ist zudem eine ganze Reihe von Unterrichtsmaterialien für einen Dia-

Learning from Religion

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Ziele des Dialogischen Religionsunterrichts

Abb. 25 Dialogischer Religionsunterricht will das interreligiöse Lernen durch die Begegnung von Kindern und Jugendlichen fördern.

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IV. Zukunft des Hamburger Modells

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

logischen Unterricht veröffentlicht worden (Braunmühl et al. 2014 und folgende Bände). Das Hamburger Modell eines ‚Religionsunterrichts für alle‘ ist gegenwärtig im Umbruch, da der Stadtstaat Hamburg für die Jahre 2012 bis 2015 einen Organisations- und Qualitätsentwicklungsprozess für den evangelischen Religionsunterricht beschlossen hatte. Zurzeit ist es noch nicht offiziell, welche Form der neue ‚Religionsunterricht für alle‘ annehmen wird, aber es ist davon auszugehen, dass es zu einer stärkeren Beteiligung anderer Religionsgemeinschaften in staatskirchenrechtlicher wie religionspädagogischer Form an einem gemeinsamen ‚Religionsunterricht für alle‘ kommen soll (Bauer 2014). Wie dies funktionieren kann und soll, ist in Hamburg in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert worden. Grundidee ist hier, dass sich verschiedene Religionsgemeinschaften zusammenschließen, um in einer besonders intensiven Form der Kooperation gemeinsam Lehrpläne abzustimmen, Lehrerinnen und Lehrer auszubilden und Schülerinnen und Schülern ihrer Konfession bzw. Religion in einem gemeinsamen Unterricht die Möglichkeit interkonfessioneller und interreligiöser Lernprozesse zu geben. Wie dieser Unterricht in der Praxis aussehen soll, ist geplant und evaluiert, aber noch nicht öffentlich. Klar ist, dass die Schülerinnen und Schüler aus den verschiedenen Bekenntnissen und Religionen wechselweise sowohl zusammen als auch in religionsspezifischen bzw. phasenbezogenen Kleingruppen lernen sollen. Das Hamburger Modell ist in der Religionspädagogik nicht unumstritten, auch weil seine Protagonisten in der Regel das interreligiöse Lernen hier in seiner eigentlichen Form realisiert sehen und anderen Modellen, die mit einem weiteren Begriff des interreligiösen Lernens operieren, die Wirksamkeit absprechen. Diese Debatte ist in II. 2. skizziert worden.

6. Interreligiöses Lernen als Trialogisches Lernen Der Begriff des Trialogs

Während sich das Dialogische Lernen im Titel auf den Dialog, also auf das intendierte Gespräch von Menschen verschiedener Religionen und Kulturen bezieht und damit den Fokus auf die Akteure und Subjekte in den religiösen Lernprozessen legt, ist Trialogisches Lernen weiter zu verstehen: Hier ist mit dem Attribut „trialogisch“ zwar auch der Trialog als Kommunikationsstruktur eines Dreigesprächs von Menschen aus den drei monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum bezeichnet, doch wird damit auch stärker als bei allen anderen Ansätzen das Curriculum des interreligiösen Lernens genau beschrieben: das Judentum, der Islam und das Christentum wer-

6. Interreligiöses Lernen als Trialogisches Lernen

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den hier als historisch wie theologisch eng verwandten Religionen qualifiziert, die aufgrund ihrer gemeinsamen Kultur- wie Gewaltgeschichte in besonderer Weise aufeinander bezogen sind. Stichwort

Monotheismus/Polytheismus Der aus dem 17. Jahrhundert stammende Begriff Monotheismus (griech. monos = einzig und theos = Gott) bezeichnet den Glauben an einen einzigen universalen Gott, der entsprechend die Existenz anderer Götter ausschließt. Polytheismus (polys = viel und theos = Gott) bezeichnet dagegen den Glauben an eine Vielzahl von Gottheiten. Judentum, Christum und Islam gelten als die klassischen monotheistischen Religionen.

Alle drei Religionen beziehen sich auf Abraham als ihren Stammvater und sind verbunden im Glauben an den einen Gott, der Schöpfer, Herrscher und Richter ist. Der Trialog der abrahamischen Religionen setzt sich deshalb das Ziel, Juden, Christen und Muslime in ein konstruktives Gespräch zu bringen, in dem die gemeinsame Verantwortung aller Gläubigen für Gottes Schöpfung und ihre Geschöpfe benannt, erörtert und gestaltet werden kann. Dieses Trialogische Lernen knüpft an diese lange Tradition des Gesprächs der sog. abrahamischen Religionen an: Interreligiöses und interkulturelles Lernen zielt im Kontext dieses Konzeptes darauf ab, Menschen aus Judentum, Christentum und Islam an verschiedenen Lernorten in ein konstruktives Gespräch zu bringen, das zu Verstehen, Respekt und Wertschätzung führen kann (Sajak 2016). Gerade die angesprochene religionsgeschichtliche Verwandtschaft der drei Offenbarungsreligionen und die unbestreitbare religionstheologische Kongruenz im monotheistischen Glauben an den einen Gott verpflichten Juden, Christen und Muslime darauf, zu dem höchst notwendigen Großprojekt einer Zivilisierung von Religion samt ihrem Konflikt- und Gewaltpotential in unserer Gesellschaft beizutragen. Zielt interreligiöses Lernen im Allgemeinen darauf, die bewusste Wahrnehmung, die angemessene Begegnung und die differenzierte Auseinandersetzung mit Zeugnissen und Zeugen anderer Religionen einzuüben (vgl. II. 4.), so gilt dies umso mehr für die „Menschen der Schrift“ (Koran 3: 199), also für Juden, Christen und Muslime, die so viele Gemeinsamkeiten in Glaube, Ethos, Kult und Kultur kennen. Und umgekehrt ist mit Blick auf die gesellschaftsprägende Kraft der drei abrahamischen Religionen zu fragen, wieweit wir unsere heutige europäische Kultur überhaupt angemessen verstehen, würdigen und fortschreiben können, ohne uns das gemeinsame Erbe der drei Religionen zu vergegenwärtigen.

Trialog der abrahamischen Religionen

76

IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

Abb. 26 Der katalanische Scholastiker Ramundus Lullus (1232–1316) gilt als einer der Begründer des Trialogs zwischen Juden, Christen und Muslimen (Abb. im Ramundus-Lullus Museum, Kloster Santuari de Nostra Senyora de Cura, Mallorca)

Abraham als didaktisches Integrativum

Den ersten umfangreichen Beitrag zum Trialogischen Lernen hat vor einigen Jahren die evangelische Religionspädagogin Katja Baur vorgelegt. Unter der Überschrift „Zu Gast bei Abraham“ hat sie religionsdidaktische Erfahrungsberichte und Unterrichtsmodelle aus dem Bereich des interreligiösen Lernens gesammelt und systematisiert (Baur 2007). Dabei verwendet sie die Gestalt Abrahams als theologisches Leitmotiv und didaktisches Integrativum: Abraham – im Hebräischen „Avraham“, im Arabischen „Ibrahim“ –, der in

6. Interreligiöses Lernen als Trialogisches Lernen

77

Judentum, Christentum und Islam als Erzvater und Patriarch verehrt wird, soll auf den verschiedenen Stationen seines Wegs von Haran nach Beerscheba begleitet werden (Gen 12–22). Zu jeder der Stationen (Verheißungen, Hagar und Sarah, Altarerrichtung, Erprobung, Melchisedek etc.) liefert Baur eine umfangreiche Unterrichtseinheit, der jeweils Informationen aus der Perspektive aller drei abrahamischen Religionen vorangestellt werden. Dadurch bekräftigt Baur ihren Anspruch, mit ihrem Kompendium Christen und Muslime befähigen zu wollen, ernsthaft einen Dialog miteinander zu führen und dabei das Judentum als gemeinsame Wurzel in ihren Dialog einzuschließen (Baur 2007: 9).

Abraham – Vater der monotheistischen Religionen Abraham

Hagar

Sara Ismael

Isaak

Judentum

Islam

Christentum

Den wohl wichtigsten Impuls hat der abrahamische Trialog durch die verschiedenen Initiativen der Herbert Quandt-Stiftung in Bad Homburg a.d.H. erhalten. Diese bemühte sich schon seit 1996 um ein besseres Verständnis zwischen Judentum, Christentum und Islam. Das Engagement und die Hinwendung auf den schulischen Sektor resultierten dabei unter anderem aus einer Studie, welche die Stiftung 1999 in Auftrag gegeben hatte. Forscherinnen und Forscher der theologischen Fakultät der Universität Birmingham untersuchten in acht europäischen Ländern Schulcurricula für die Fächer Geschichte, Sprache, Literatur und Religion in Hinblick auf ihr Potenzial, Wissen über die drei abrahamischen Religionen zu vermitteln. Dabei stand nicht nur die Frage nach dem „ob“, sondern auch nach dem „wie“ im Vordergrund. Die Bedeutung der Lehrkraft sollte in besonderer Weise berücksichtigt werden, da die Wissenschaftler neben den Lehrplänen auch das zur Verfügung stehende Un-

Abb. 27 Die Herkunft der Religionen von Abraham und seinen Söhnen gemäß Tora, Bibel und Koran. Die BirminghamStudie und ihre Folgen

78

IV.

Der Schulenwettbewerb der Herbert QuandtStiftung

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

terrichtsmaterial in den Blick nahmen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurden von den Wissenschaftlern Verbesserungsvorschläge entwickelt, die sowohl bildungspolitische Entwicklungen im Blick hatten als auch konkrete Anregungen für Themen und Unterrichtsmaterial. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Thematisierung von Judentum und Islam recht spät erfolgt und dann auch häufig in Zusammenhang mit Konfliktsituationen oder im Rahmen von Migrationsproblemen steht (Kaul-Seidmann et al. 2003: 12). Die konkreten Empfehlungen der Wissenschaftler betrafen im Kern vier Bereiche: Den Schülerinnen und Schülern sollte eine Basis an Grundwissen vermittelt werden, um sich auch kritisch damit auseinanderzusetzen; eine Aufnahme dieser Thematik in den Bereich der Lehrerausbildung und die staatlichen Curricula wurde ebenso empfohlen wie der verstärkte Einsatz von Lehrbüchern, die die Ergebnisse der Studie und das ausgewiesene Material berücksichtigen. Bei diesen Defiziten setzte 2005 der Wettbewerb der Stiftung „Schulen im Trialog. Europäische Identität und kultureller Pluralismus“ an, der 2005 zum ersten Mal ausgeschrieben wurde. Dieser sollte Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Schülerinnen und Schüler aller Schultypen motivieren, sich mit dem Trialog der abrahamischen Kulturen auseinanderzusetzen, um kreative und innovative Beiträge zur Wissensvermittlung über die drei monotheistischen Religionen zu entwickeln. Vom Beginn des Schuljahrs 2005/2006 an bis zum Finale des Wettbewerbs im September 2015 widmeten sich in diesem Förderwettbewerb insgesamt 156 Schulen mit knapp 200 Projekte und ca. 35.000 Schülerinnen und Schüler dem interreligiösen und interkulturellen Lernen von Juden, Christen, Muslimen und Nichtgläubigen. Die Stiftung legte bei der Auswahl der teilnehmenden Schulen und den damit verbundenen Entscheidungsprozessen Kriterien zugrunde, die sich an den Ergebnissen und Hinweisen der Birmingham-Studie orientieren. So waren Faktoren wie Nachhaltigkeit, also eine Verankerung der Trialog-Thematik im schulinternen Curriculum, die Einbindung von Lehramtsanwärtern wie auch ein Engagement von Seiten der Eltern Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme und etwaige Auszeichnung. Die Beiträge der Schulen wurden von Anfang an am Lehrstuhl für Religionspädagogik der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ausgewertet. So sind in den vergangenen Jahren unter anderem ein Methodenhandbuch für das interreligiöse und interkulturelle Lernen (Sajak 2010b), der in III. 4. bereits vorgestellte Qualitätsrahmen mit Standards für das Trialogische Lernen (Sajak/Muth 2011) und eine Reihe mit Unterrichtsmaterialien zu den Themen Gotteshäuser, Feste und Feiern, Heilige Schriften und Schöpfung entstanden (Sajak 2012 u.s.f.) entstanden.

6. Interreligiöses Lernen als Trialogisches Lernen

79

Learning from Religion

Abb. 28 Trialogisches Lernen will Menschen aus Judentum, Christentum und Islam in ein konstruktives Gespräch zu bringen, das zu Verstehen, Respekt und Wertschätzung führt

Den jüngsten Beitrag zum Trialogischen Lernen hat der katholische Religionspädagoge Georg Langenhorst Anfang 2016 vorgelegt, in dem unter der Überschrift „Trialogische Religionspädagogik“ eine Bestandsaufnahme der bisherigen Diskussion vorgenommen und eine eigenständige theologische Konzeption des Trialogs aus christlich-theologischer Perspektive projektiert wird. Langenhorst selbst formuliert das in seiner Einleitung wie folgt: „Was soll das sein, ein trialogisches Lernen? Wie konturiert sich eine trialogische Religionspädagogik als reflexive Begleitwissenschaft von Prozessen des interreligiösen Lernens zwischen Juden, Christen und Muslimen sowie angesichts von Judentum, Christentum und Islam? Was verbindet sie mit anderen Ansätzen interreligiösen Lernens, wo gewinnt sie ihr eigenes Profil – im theoretischen Diskurs in den unterschiedlichen Praxisfeldern vor Ort?“ (Langenhorst 2016: 20). Entsprechend dieser differenzierten Fragestellung gliedert sich der religionspädagogische Entwurf von Georg Langenhorst in vier große Abschnitte: Im ersten großen Kapitel, das mit „Interreligiöses Lernen. Konturen eines etablierten religionspädagogischen Feldes“ überschrieben ist, referiert er die Entwicklung des interreligiösen Lernens im Kontext der religionspädagogischen Diskussion, aber auch vor dem Hintergrund der religionstheologischen Auseinandersetzung um die Frage eines angemessenen theologischen Modells zur Bewertung verschiedener theologischer Wahrheitsansprüche. Im zweiten großen Abschnitt „Trialogisches Lernen. Begriffe, Profile und Konkretionen“ deutet Langenhorst zunächst den Trialog als Zeichen der abrahamischen Ökumene, bevor er sich dann den bisher unternommenen, dokumentierten und reflektierten Initiativen auf dem Feld des Trialogischen Lernens zuwendet – dem Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung „Trialog der Kulturen“, dem „Trialog der Religionspädagogen“ in Heidelberg, der ACK-Initiative „Weißt du, wer ich bin?“ und der Drei-Religionen-Grund-

Trialogische Religionspädagogik

80

IV.

Von der Weltreligionendidaktik zum Trialogischen Lernen – Erfahrungen

schule in Osnabrück – und in einem Schlussabschnitt nach dem Zusammenhang von interreligiöser Kompetenzentwicklung und trialogischen Lernformaten fragt. Der dritte Abschnitt „Trialog im Kontext. Positionierung im interreligiösen Lernfeld“ stellt nun das Projekt einer Trialogischen Religionspädagogik in den Zusammenhang mit anderen theologischen Formaten, die sich um interreligiöse Fragen bemühen, nämlich die Komparative Theologie, das sog. „Projekt Weltethos“ und die literaturtheologische Diskussion, in der ausgehend von der deutsch-jüdischen Literatur nach der Shoah nun auch zunehmend christliche und muslimische Perspektiven erschlossen werden. Hilfreich und innovativ ist in diesem Abschnitt der von Langenhorst entwickelte Vergleich von „heiligen Texten für Kinderhand“, also der religionspädagogischen Untersuchung von Kinderbibel-, Kindertora- und Kinderkoranausgaben. Langenhorst schließt mit einem großen vierten Abschnitt, der den Titel „Trialogische Konkretionen. Lernfelder und Lernwege“ trägt und in dem er nun fortschreitet, seine eigene Idee einer Trialogischen Religionspädagogik zu entfalten. Dies ist der für Kenner der interreligiösen und trialogischen Diskussion spannendste Teil des Buches, da hier nun erstmals eine inhaltliche Bestimmung und Auseinandersetzung um trialogische Themen und Inhalte unternommen wird. So markiert Langenhorst am Konflikt um die Deutung des Koran und des damit verbundenen Offenbarungsverständnisses das Gemeinsame wie Trennende der drei Buchreligionen, widmet sich der Diskussion um die Bedeutung Muhammads im Kontext anderer prophetischer Gestalten in den drei Religionen und zeigt schließlich an der unterschiedlichen Bewertung der Gestalt des Jesus von Nazareth als Gesandter bzw. Gottessohn die entscheidenden Differenzen im Verhältnis von Christentum, Judentum und Islam. Auf diese inhaltlichen Diskussionen im Bereich theologischer Fragen und Wahrheitsansprüche wird im Perspektivenkapitel noch einmal zurückzukommen sein. n Auf einen Blick

Der Blick auf die Geschichte des interreligiösen Lernens als eine junge Disziplin im Rahmen der christlichen Religionspädagogik hat gezeigt, dass es von der Weltreligionendidaktik der 1960er Jahren bis hin zur Entwicklung interreligiöser Kompetenz eine deutliche Verschiebung des religionsdidaktischen Fokus von den Gegenständen bzw. Inhalten hin zu den Subjekten der Bildungsprozesse, in der Regel also zu den Schülerinnen und Schülern gibt. Vor allem die Bemühungen von Joachim Willems (2011) und Mirjam Schambeck (2013) um eine theoretische Grundlegung und Konzeptualisierung des Kompetenzbegriffs haben ergeben, dass es maßgeblich zwei Teilkompetenzen sind, die für das interreligiöse Lernen Bedeutung haben: eine hermeneutische Kompetenz, die hilft zu erkennen und zu verstehen, und eine partizipatorische Kompetenz, die dazu beiträgt, dass sich Lernende zu eigenen wie zu anderen Glaubensvorstellungen und -praxen reflektiert verhalten können.

Literaturhinweis

Die jüngeren Ansätze des Dialogischen und Trialogischen Lernens haben zu dem gezeigt, dass das interreligiöse Lernen im engeren Sinne als Begegnungslernen an Gewicht gewinnt und – aus inhaltlich-theologischen wie auch aus politisch-gesellschaftlichen Gründen – das interreligiöse Lernen zwischen Juden, Christen und Muslimen ein größeres Gewicht bekommen hat als die Auseinandersetzung mit den asiatisch-weisheitlichen Religionen.

Literaturhinweis Gärtner, C.: Vom interreligiösen Lernen zu einer lernort- und altersspezifischen interreligiösen und interkulturellen Kompetenzorientierung Einblicke in aktuelle Entwicklungen im Forschungsfeld „Interreligiöse Bildung“. In: PThI, 35 (2015). H. 1, 281–298. Sammelrezension, in der vor allem die Publikationen seit 2011 unter dem Aspekt der interreligiösen Kompetenz vorgestellt und bewertet werden. Meyer, K./Tautz, M.: Interreligiöses Lernen – Theoretische Ansätze. In: Heindel, Ch./Paintner, A. (Hg.): Katholische Religion. Didaktik für die Grundschule. Berlin 2015b, 31–42. Darstellung der verschiedenen Konzeptionen und Ansätze aus einer systematischen Perspektive, zusammengestellt mit Blick auf das interreligiöse Lernen in der Grundschule. Sajak, C. P.: Von der Religionskunde zum trialogischen Lernen. Konturen einer Didaktik der Religionen. In: Ders.: Kippa, Kelch, Koran. Interreligiöses Lernen mit Zeugnissen der Weltreligionen. Ein Praxisbuch. München 2010a, 32–41. Knappe Einführung in die Geschichte des interreligiösen Lernens, welche die historischen Entwicklungen bis 2010 skizziert. Schambeck, M.: Ansätze interreligiösen Lernens in der Religionsdidaktik. In: Dies.: Interreligiöse Kompetenz. Basiswissen für Studium, Ausbildung und Beruf. Göttingen 2013, 57–110. Ausführliche Darstellung der Geschichte des interreligiösen Lernens mit vielen Schaubildern und Exkursen, die wichtige Gliederungen und Akzentsetzungen vornimmt.

81

V. Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven Überblick

m Folgenden sollen Grundlinien einer Didaktik interreligiösen Lernens gezogen werden, anhand derer die konkrete Planung, Entwicklung und Durchführung von interreligiösen Lernarrangements bedacht und vollzogen werden können. Wie aber können Kontexte, Begriffe, Positionen und Erfahrungen des interreligiösen Lernens in eine solche Didaktik einfließen? Was kann

I

als didaktische Grundstruktur dienen, anhand derer die verschiedenen Konstituenten eines religionspädagogischen Planungs- und Gestaltungsprozesses ausgerichtet sein sollen? Auf welche bewährten Modelle und Schemata kann eine solche Didaktik zurückgreifen? Diese Fragen sollen in den folgenden Abschnitten aufgenommen und beantwortet werden.

1. Die fünf Dimensionen des interreligiösen Lernens Konturen einer Didaktik interreligiösen Lernens lassen sich auf verschiedene Weise und über verschiedene Wege gewinnen. Klassisch ist die Auseinandersetzung mit bestimmten Inhaltsfeldern, die mit Blick auf die Voraussetzungen von lernenden Subjekten, in der Regel Schülerinnen und Schülern, und vor dem Hintergrund bestimmter Bildungs- und Lernziele als Lerngegenstände erschlossen werden sollen (Lähnemann 1998/Leimgruber 2007). Dieser traditionelle Weg kann auch so gestaltet werden, dass eine Didaktik interreligiösen Lernens auf besonders spannungsreiche und dissonante Themen und Inhalte setzt, die aus den verschiedenen religiösen Traditionen entsprechend kontrovers betrachtet werden. Diesen Weg hat z.B. jüngst Georg Langenhorst in seiner trialogischen Religionspädagogik mit Blick auf die drei abrahamischen Religionen Judentum, Christentum und Islam zuletzt beschrieben (Langenhorst 2016). Interreligiöses Lernen lässt sich aber auch über die klassischen Formate und Strukturen ordnen, mit denen in der Regel Lehr-LernProzesse im Bereich von Religion und Glaube geplant, entwickelt und reflektiert werden. Hier bietet sich ohne Frage im Besonderen das Modell der Ele-

1. Die fünf Dimensionen des interreligiösen Lernens

mentarisierung an, das in verschiedenen religionsdidaktischen Entwürfen als Grundstruktur für die Entwicklung religionspädagogischer bzw. religionsdidaktischer Kompetenzen verwendet worden ist (Riegel 2010/Sajak 2013a). In besonderer Weise hat Friedrich Schweitzer, der als Schüler von Karl Ernst Nipkow und Mitbegründer des Tübinger Modells zur Elementarisierung mit diesem Konzept vertraut ist, Inhaltsfelder und Themen interreligiöser Bildung mit Hilfe der fünf elementaren Erscheinungsformen bestimmt und dekliniert (Schweitzer 2014). Andere im vorherigen Kapitel vorgestellte und skizzierte Modelle interreligiösen Lernens beschränken sich auf Hinweise für die praktische Umsetzung bzw. auf eine grundsätzliche Methode oder Verfahrensweise (Willems 2011/Schambeck 2013). Im Folgenden soll ein neuer Weg eingeschlagen werden, der sich an das Modell der fünf Dimensionen zur Entwicklung kompetenzorientierten Unterrichts anlehnt, das von Kees Vreugdenhil für den holländischen Kontext an der Universität Utrecht entwickelt worden war und das Kerstin Tschekan in ihrer Didaktik „Kompetenzorientiert Unterrichten“ (2011) in die deutsche Diskussion eingebracht hat. Vor allem im Bereich des kompetenzorientierten Unterrichtens in der Grundschule hat dieses Modell überzeugt und gehört inzwischen zu den Standardinstrumenten der Unterrichtsplanung und -entwicklung. Weil interreligiöses Lernen – wie im vorherigen Kapitel gezeigt – maßgeblich auf die Entwicklung zweier grundsätzlicher Kompetenzen zielt, die zum einen die Wahrnehmung, Deutung und Reflexion religiöser Traditionen ermöglichen und zum anderen die Beurteilung dieser Phänomene und die eigene Positionierung vor dem Hintergrund der persönlichen Weltanschauung ermöglichen wollen, scheint es angemessen und sinnvoll, dieses

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Fünf didaktische Dimensionen

Leitbilddimension Organisatorische Dimension

Methodische Dimension

Inhaltliche Dimension Bewertende Dimension

Abb. 29 Die fünf didaktischen Dimensionen nach Kees Vreugdenhil (Tschekan 2011: 146)

84

V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

Konzept von Tschekan als eine Grundstruktur für die erste Skizze einer Didaktik interreligiösen Lernens zu verwenden (Tschekan 2011: 145–150). Tschekans Konzept beruht darauf, dass bei der Veränderung oder Entwicklung von Unterricht mit Blick auf die Arbeit an spezifischen fachbezogenen Kompetenzen fünf didaktische Dimensionen zu berücksichtigen sind. Dies sind: 0 0

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die Leitbilddimension, in der Vorannahmen, grundlegende Theorien und Bedingungen sowie die Ziele von Lernprozessen beschrieben werden; die organisatorische Dimension, in der grundsätzliche Strukturen des Arrangements von Lernprozessen vom Individuum bis zur Unterrichtsorganisation skizziert werden sollen; die inhaltliche Dimension, in der die zu entwickelten Kompetenzen bzw. ihre Niveaustufen und die für diesen Zweck verwendeten Lerngegenstände beschrieben werden sollen; die methodische Dimension, in der die konkreten Lernwege beschrieben werden müssen, die verwendet werden sollen, um zu den festgelegten Lern- und Bildungszielen hin Unterricht ausrichten zu können. die bewertende Dimension, in der die Reflexion und Stellungnahme in der Auseinandersetzung mit bestimmten Unterrichtsgegenständen entwickelt werden soll.

2. Das Leitbild einer Didaktik interreligiösen Lernens Ein Leitbild formuliert die wichtigsten Ziele, Linien und Elemente einer Institution oder Unternehmung. Da die Ziele interreligiösen Lernens bisher zwar postuliert, aber noch nicht begründet worden sind, soll dieser Komplex an den Anfang des Leitbilds gestellt werden.

Ziele einer Didaktik interreligiösen Lernens Interreligiöse Lern- und Bildungsprozesse wollen zu einer bewussten Wahrnehmung, einer angemessenen Begegnung und einer differenzierten Auseinandersetzung mit Zeuginnen, Zeugen und Zeugnissen fremder Religionen hinführen (vgl. Sajak 2005: 264). Diese Zielsetzung teilt die Religionspädagogik mit einer interkulturellen Hermeneutik, wie sie einschlägig von Theo Sundermeier (1996) entwickelt worden ist: Eine angemessene Begegnung zwischen A und B, in diesem Zusammenhang also zwischen den Lernenden auf der einen Seite und den Zeugen oder Zeugnissen von Religionen auf der an-

2. Das Leitbild einer Didaktik interreligiösen Lernens

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deren Seite ist nur möglich, wenn die „Wand“, also das kulturell oder religiös Trennende als das Konstitutive zwischen den beiden nicht aufgehoben oder aufgelöst wird, sondern als Distinktivum stehen bleibt.

W

A

B Abb. 30 „Ziehe eine Linie und du erschaffst eine Welt“ (Sundermeier 1996: 134)

Das Andere oder sogar Fremde wird so zum Mitkonstituenten der Identität des lernenden Subjekts. Jede Vereinnahmung oder Instrumentalisierung der anderen Religion führt entsprechend zur Zerstörung ihres Wesens, jede Assimilation zur Aufgabe der eigenen, in diesem Fall christlichen Identität. Folglich gilt es, einen Prozess des Austauschs und des Verstehens zu initiieren, der das Andere, Fremde und Rätselhafte stehen lässt, es aber durch Kommunikation und Austausch zu erschließen versucht. Sundermeier verwendet dafür den Leitbegriff der Konvivenz, also des ‚Miteinander-Leben‘: Wahrnehmung ohne Aneignung, Anerkennung der Differenz, Verstehen des Fremden. In seiner Xenologie schreibt er: „Das macht das Besondere der nachbarschaftlichen Konvivenz aus, dass diese Spannung von Gegebenem und Gewähltem im Zusammenleben mit dem Fremden unausweichlich ist. Darum muss man den Umgang mit dem Fremden üben“ (Sundermeier 1996: 196). Stichwort

Xenologie/Xenosophie Das griechische Wort ne´moy (= xénos) bezeichnet den oder die „Fremden“. Als Xenologie, also als „Fremdheitsforschung“ wird das wissenschaftliche Bemühen bezeichnet, das sich mit Erscheinungsformen und Bewertungen kultureller Fremdheit, der Interdependenz von Fremdem und Eigenem, aber auch mit interkulturellen Verständigungsproblemen, Formen und Funktionen von Stereotypen, Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit beschäftigt. Zu Forschungen auf diesem interdisziplinären Feld tragen die Philosophie und die Psychologie ebenso bei wie die interkulturelle Pädagogik und angewandte Kulturwissenschaften. Im Bereich der Theologie haben vor allem der evangelische Missionswissenschaftler Theo Sundermeier durch seine Studien zur Hermeneutik des Fremden und der evangelische Religionspädagoge Heinz Streib mit dem Ansatz einer Xenosophie, also einer ‚Weisheit im Umgang mit dem Fremden‘ dieses Themenfeld in den Diskurs

Potential des Fremden für das interreligiöse Lernen

86

V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven eingetragen: „Xenosophie […] beschreibt einen Prozess, der sich nicht gegen die Herausforderung des Fremden abschottet, vielmehr die Offenheit für das Unerwartete bewahrt. Xenosophie besteht darin, das Paradox und die offenen Fragen, ja den Stachel des Fremden auszuhalten. Xenosophie profitiert vom Mehrwert des Fremden, Kreativität und Weisheit zu generieren.“ (Streib 2017)

Auseinandersetzung mit dem Fremden als Ziel

Abb. 31 Die Stufen des Verstehens nach Theo Sundermeier (1996: 155) Struktur des interreligiösen Lernprozesses

Höchstes Ziel und damit heuristischer Rahmen allen interreligiösen Lernens ist es folglich, fremde Religionen in ihrer Andersartigkeit zu akzeptieren und in der Begegnung mit diesen durch Auseinandersetzung und Austausch zu einem besseren Verständnis dieser zu gelangen. Dieses neue Verständnis verändert dann auch den Standpunkt und die Perspektive lernender Kinder, Jugendlicher und Erwachsenen, in dem Sinn, dass sie in einem so erweiterten Horizont eigene Unsicherheiten, Ängste und Aggressionen ablegen und zu einem abgeklärten und reflektierten Standpunkt in Sachen Religion gelangen können. Theo Sundermeier beschreibt in seiner Xenologie ausführlich, wie sich die Begegnung mit dem Fremden von einer Phänomenebene der Wahrnehmung über eine Zeichen- und Symbolebene der Deutung bis zur Stufe der Relevanzebene entwickelt, sodass sich die subjektive Haltung des Verstehenden von der epoché über Sympathie und Empathie zum Respekt für das Fremde hin verwandelt. Das fremde Gegenüber

Subjektive Haltung

Objektive Haltung

Handlungsebene

Phänomenebene

epoché

Beschreibende Analyse

Wahrnehmung in Distanz

Zeichenebene

Sympathie

Kontextualisierung

Teilnehmende Beobachtung

Symbolebene

Empathie

Vergleichende Intepretation

(Teil-) Identifikation

Relevanzebene

Respekt

Transfer zu uns hin

Konvivenz

Übertragen auf interreligiöse Lernprozesse bedeutet dies, dass der Lernprozess mit der (1.) angemessenen Wahrnehmung von fremden Zeugnissen beginnt, dann mit einer (2.) Kontextualisierung, welche die Deutung des Phänomens ermöglicht, fortschreitet und sich mit der (3.) vergleichenden Inter-

2. Das Leitbild einer Didaktik interreligiösen Lernens

Religiöse Stile

Stile der interreligiösen Verhandlung

Stile der Fremdbegegnung

Stile der Vertrautheit

Dialogisch

Inter-religiös/ dialogisch Perspektivenwechsel, in dem die fremde Religion als Geschenk gesehen wird, das unbegreiflich ist, nicht objektiviert werden kann und darf, jedoch Anstöße zur Selbstkritik gibt

Fremdheit als Widerstand und Herausforderung Fremdheit der fremden (und der eigenen) Religion als Herausforderung, als Neugierde erweckender Widerstand, der einen ›Mehrwert‹ bietet

Vertrautheit als Selbstheit Vertrautheit als Bewusstsein des ›Selbst als ein Anderer‹ (Ricœur 1996). Befremdungserfahrungen auch gegenüber der eigenen Religion

Individuierend-systemisch

Explizit multi-religiös Entweder »hart« pluralistische Abgrenzung (wegen Inkompatibilität) oder (partielle) reflexive Assimilation der fremden Religion. Die Sorge um die eigene Identität steht im Mittelpunkt

Fremdheit als Andersheit Interpretation der Fremdheit der fremden Religion als Andersheit, als Objekt reflexiver Assimilation oder Abgrenzung

Vertrautheit als Identität Vertrautheit als reflektierte Identifizierung mit der eigenen Religion und selektive Identifizierung der fremden Religion mit der eigenen Religion

Mutuell

Implizit multi-religiös Entweder »weich« pluralistische Suche nach Harmonie (Schönwetter-Kollaboration) mit der anderen Religion oder konventionsgeleitete Abwehr der fremden Religion

Fremdheit als Dissonanz Konventionelles, implizites Gefühl der Fremdheit gegenüber der anderen Religion, worauf mit Abwehr, Harmonisierung oder Exotismus reagiert wird

Vertrautheit als Resonanz Vertrautheit als Resonanz mit der anderen Religion – bei unerschütterlichem Festhalten an der Religion der eigenen Gruppe

Instrumentell-reziprok/ ›Do-ut-des‹

Imperialistisch mono-religiös Inklusive oder exklusive Behauptung der Überlegenheit der eigenen Religion

Fremdheit als xenopolemische Furcht Erfahrung von und Reaktion auf Fremdheit der anderen Religion in xenopolemischer Furcht

Vertrautheit als unreflektierter Egozentrismus und egozentrische Unterdrückung von Alternativen zur eigenen Religion

Subjektiv

Xenophobisch mono-religiös Verbale EinbahnDirektiven (oder gar nonverbale Gewalt), um Zustimmung zur eigenen Religion zu erreichen

Fremdheit als xeno-phobische Angst Die fremde Religion, wie überhaupt alles Fremde, löst xenophobische Angst aus. Folgen: blinde Aggression oder Flucht

Vertrautheit als egozentrische Alternativlosigkeit ›Blinde‹ egozentrische Vertrautheit mit der eigenen Religion

(Streib 2001b)

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Abb. 32 Religiöse Stile als interreligiöses Lernprogramm nach Heinz Streib (2005: 237)

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V. Theorie der religiösen Stile

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

pretation, die den Horizont der eigenen Kultur und Religion mit einbezieht, weiterentwickelt. Der Prozess endet schließlich mit der (4.) Konvivenz in Respekt und Achtung für den Anderen und das Andere. Heinz Streib bezeichnet in seiner Theorie der religiösen Stile, die sich als eine Alternative zu den linearen und aus seiner Sicht allzu statischen Stufenmodellen der religiösen Entwicklungstheorien von James W. Fowler und Fritz Oser (vgl. V. 5.) begreift, vor allem den Dialogischen Stil als eine reife Form des Umgangs mit religiöser Fremdheit, in der die „Fremdheit der fremden (und der eigenen) Religion als Herausforderung, als Neugier erweckender Widerstand, der einen ‚Mehrwert‘ bietet“ (Streib 2005: 237) verstanden wird. Da dieses Modell „über die Deskription hinaus auch eine präskriptive Linie, eine Hierachie des Umgehens mit Fremdheitserfahrungen“ (ebd.: 238) skizziert und „über den deskriptiv-empirischen Bereich hinaus in den Bereich des Lernens, indem sie nächste und übernächste Lernschritte aufzeigt“ (ebd.) weist, kann der Dialogische Stil mit seinen Facetten der interreligiösen Verhandlung, der Fremdbegegnung und der Vertrautheit als eine Zielstufe interreligiöser Kompetenz verstanden werden. Religiöse Lernprozesse können in diesem Modell folglich Lernende von einem Subjektiven Stil, bei dem die „fremde Religion, wie überhaupt alles Fremde […] xenophobische Angst“ (ebd.: 237) auslöst, über den Instrumentell-reziproken Stil, den Mutuellen Stil und den Individuierend-systemischen Stil, in dessen Repertoire die „Fremdheit der fremden Religion als Andersheit, als Objekt reflexiver Assimilation oder Abgrenzung“ (ebd.) interpretiert wird, bis zum Niveau des Dialogischen Stiles führen (siehe Abb. 32).

Konturen einer Didaktik interreligiösen Lernens Ein Leitbild für eine Didaktik interreligiösen Lernens soll aber auch auf die Kontexte, Definitionen, Positionen und Erfahrungen der letzten Jahrzehnte aufbauen und die hier gewonnenen Erkenntnisse integrieren und abbilden. Deshalb werden die Konturen einer Didaktik des interreligiösen Lernens aus christlicher Perspektive in sechs Thesen, welche die Grundideen der vorherigen Kapitel zusammenfassen, umrissen und markiert: 0

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Interreligiöses Lernen zielt auf die bewusste Wahrnehmung, die angemessene Begegnung und eine differenzierte Auseinandersetzung mit Zeuginnen, Zeugen und Zeugnissen fremder Religionen, um Lernende so zur Konvivenz in Respekt und Achtung für den und das Andere hinzuführen. Interreligiöses Lernen muss sich immer an der Lebenswelt von Lernenden, also von Schülerinnen und Schülern bzw. von Erwachsenen orientieren. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Auswahl der Religionen, die in in-

2. Das Leitbild einer Didaktik interreligiösen Lernens

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terreligiösen Lernprozessen bearbeitet werden sollen, wie auch für den Praxisbezug interreligiöser Zeugen und Zeugnisse. Interreligiöses Lernen muss im engen wie im weiteren Sinne angelegt und organisiert sein und der Entwicklung von interreligiösen Kompetenzen dienen. Kenntnisse und Wissenselemente über die relevanten Religionsund Glaubenstraditionen müssen deshalb genauso in interreligiöse Lernprozesse eingespeist werden, wie die Begegnung von Menschen aus unterschiedlichen religiösen Kontexten arrangiert und begleitet werden muss. Interreligiöses Lernen muss im Sinne der Komparativen Theologie ein friedlicher, aber engagierter Streit um die Wahrheit sein. Dieser produktive Streit hat seinen Ausgangspunkt darin, dass Menschen in Verbundenheit und Vertrautheit mit ihrer eigenen religiösen Tradition oder Weltanschauung sich in der Vorannahme einer vorhandenen Kommensurabilität in Demut, Empathie und mit der Haltung der Gastfreundschaft Vertretern anderer Religionen nähern. Interreligiöses Lernen muss in der Entwicklung von religiösen Kompetenzen konkret werden, die dem interreligiösen Lernen mit dem Ziel eines interreligiösen Dialogs dienen. In Anlehnung an die Standards für das trialogische Lernen der Herbert Quandt-Stiftung und die Kompetenzmodelle von Joachim Willems und Mirjam Schambeck müssen die für das interreligiöse Lernen entscheidenden Kompetenzen herausgestellt, modelliert und in ihren Niveaustufen näher beschrieben werden. Interreligiöses Lernen muss vielfältige, lebensweltbezogene Lernwege anbieten. Diese sollen es Kindern und Jugendlichen wie auch Erwachsenen ermöglichen, sich unabhängig von ihren konkreten Verstehensvoraussetzungen die Welt fremder Religionen sowie ihrer Zeuginnen, Zeugen und Zeugnisse zu erschließen.

Zusammengefasst: Interreligiöse Lern- und Bildungsprozesse wollen Menschen befähigen, Religionen in ihrer Fremdheit zu akzeptieren und in der Begegnung mit ihnen zu einem besseren Verständnis dieser zu gelangen. Dabei sollen die Lernenden eigene Unsicherheiten, Ängste und Aggressionen abgelegen und einen reflektierten Standpunkt in Sachen Religion einnehmen können.

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V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

3. Die Organisation des interreligiösen Lernens Über die Frage, welche Organisationsform des interreligiösen Lernens am förderlichsten für die genannte Zielsetzung sein kann, hat es schon früh Diskussionen gegeben. Sie sind in der Religionspädagogik vor allem als Impulse aus ausländischen Kontexten und – oft damit verbunden – als Diskussionsbeiträge zur Debatte um den Hamburger Weg des Dialogischen Religionsunterrichts (vgl. IV. 6.) rezipiert worden. Diskursprägend ist im Zusammenhang mit der Frage nach der Organisationsform die Typologisierung von Lernformen im Kontext religiöser Pluralität durch Hans-Georg Ziebertz (1993, 1994, mit Van der Ven 1994) gewesen. Er unterschied in diesen frühen Publikationen über religiösen Pluralismus und religiöses Lernen drei Modelle, in denen religiöse Bildungsprozesse auf religiöse Pluralität und Diversität reagieren können. Ausführlicher und auch mit Blick auf die Konsequenzen für religiöse Lernzusammenhänge sind die drei Modelle dann von Carl Sterkens (2001: 47–73) entfaltet worden. Die drei Lernformen werden als das monoreligiöse Modell, das multireligiöse Modell und das interreligiöse Modell bezeichnet.

Wie mit religiöser Pluralität umgehen?

Abb. 33 Die drei Modelle zum Umgang mit religiöser Pluralität nach Hans-Georg Ziebertz (1993) Modelle zum Umgang mit religiöser Pluralität

1. Learning in Religion

2. Learning about Religion

3. Learning from Religion

Monoreligiöses Modell

Multireligiöses Modell

Interreligiöses Modell

Dabei wird unter dem monoreligiösen Modell eine konfessionell geschlossene religiöse Bildung und Erziehung verstanden, in der es vor allem um die Einführung in die eigene religiöse Tradition gehen soll – nach Michael Grimmitt (1981) also ein learning in religion (vgl. IV. 2.). Im multireligiösen Modell ist dagegen religiöse Bildung so organisiert, dass in religiös und kulturell gemischten Lerngruppen aus einer religionsphänomenologischen Perspektive mit den verschiedenen religiösen Traditionen vertraut gemacht wird – also nach Grimmitt ein learning about religion. Ziebertz entlehnt diesen Begriff des multireligiösen Modells aus dem sog. „Multi-Faith Religious Education“-Unterricht, der die englische Debatte um einen pluralitätsfähigen Religionsunterricht seit Ende der 1970er Jahre beherrscht. Dort war mit Birming-

3. Die Organisation des interreligiösen Lernens

ham Agreed Syllabus von 1975 erstmals der Schritt von einem konfessionellchristlichen Religionsunterricht – in der englischen Terminologie Religious Instruction (religiöse Unterweisung) oder Christian Nuture (christliche Erziehung) genannt – hin zu einem multireligiösen Religionsunterricht – eben als Multi-Faith Religious Education bezeichnet – vollzogen worden. Nun sollte im Religionsunterricht auf jede Form von Verkündigung und Glaubensunterweisung in der behandelten bzw. von Lehrerinnen oder Lehrern und Schülerinnen wie Schülern repräsentierten Religion bewusst verzichtet werden. Nicht nur konservative Gruppen und Gemeinschaften protestierten bald gegen dieses Modell von Religionsunterricht, auch bedeutende Religionspädagogen wie Michael Grimmitt, John M. Hull und Robert Jackson entwickelten bald mit dem Birmingham Approach „A Gift to the Child“ (vgl. IV. 4.) und dem Warwick Project alternative Modelle, die durch eine Integration der Lebens- und Glaubensperspektive der Kinder bewusst die Bekenntnisdimension wieder aufnahmen und im Sinne eines learning from religion zum eigentlichen Motiv religiöser Bildung machten (vgl. ausführlich Sajak 2005: 90–96). Auch Ziebertz, Van der Veen und später Sterkens beurteilen das multireligiöse Modell in ihrer Typologisierung kritisch und plädierten wie Michael Grimmitt und Robert Jackson für das interreligiöse Modell: Nur ein gemeinsames Lernen von Kindern unterschiedlicher Bekenntnisse und Religionen, in dem diese religiösen Perspektiven auch zur Sprache und in die Diskussion kommen, ist mit Blick auf die Ziele des interreligiösen Lernens ein angemessener und zielführender Ansatz. Nur hier findet die notwendige Verschränkung von learning in, learning about und learning from religion statt. Allerdings ist dieses Postulat einer angemessenen und zielführenden Lernorganisation im interreligiösen Modell nie wirklich belegt worden. Für den holländischen Kontext hat Carl Sterkens in seiner umfangreichen Studie zum interreligiösen Lernen an katholischen Grundschulen gezeigt, dass Lerneffekte im Bereich des interreligiösen Modells nicht allein vom gemeinsamen Lernen abhängen (2001), Erna Zonne hat in einer empirischen Studie gezeigt, dass es gute Gründe für das monoreligiöse wie für das interreligiöse Modell gibt, während das multireligiöse Modell in der Praxis eine Reihe von Schwierigkeiten produziert (Zonne 2006: 330–332). Für den konfessionellen Religionsunterricht in Deutschland konnte dagegen Anton Bucher in seiner repräsentativen Studie „Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe“ (2000) zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler im katholischen Religionsunterricht vor allem das interreligiöse Lernen als prominentestes und nachhaltigstes Thema ihres Unterrichts wahrnahmen (Bucher 2000: 61–63 und zusammenfassend 110). Auch jüngere empirische Arbeiten wie die Berliner DFG-Studie zum Evangelischen Religionsunterricht in Berlin und die Wirk-

91

Das multireligiöse Modell in der Praxis

92

V.

Das monoreligiöse Modell in der Praxis

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

samkeitsstudie zu den katholischen Lernorten des Glaubens konnten nachweisen, dass sowohl im evangelischen wie auch im katholischen Religionsunterricht – also in einem dezidiert monoreligiösen Modell – das interreligiöse Lernen einen breiten Raum einnimmt und von den Schülerinnen und Schülern als wichtiges Thema und Lernziel verstanden wird (Benner/Schieder et al. 2011: 122f.), das im Unterricht stark präsent ist (Könemann/Sajak 2016 et al.: 83–85). Im Vergleich zum in Berlin verpflichtenden religionskundlichen Ethikunterricht – also einem streng multireligösen Modell – führte der Evangelische Religionsunterricht Schülerinnen und Schüler zu einer nachweislich höheren interreligiösen Kompetenz (Benner/Schieder et al. 2011: 135–140). Auf der anderen Seite mussten Vertreter des Religionsunterrichts für alle zur Kenntnis nehmen, dass empirisch überprüfter Religionsunterricht in einer interreligiösen Lerngruppe wesentlich weniger religiöse Kompetenz vermittelt als postuliert: Stattdessen produzierte eine solche Form von Religionsunterricht Stereotypen und Aversionen unter Schülerinnen und Schülern (Asbrand 2000). Dass auf der anderen Seite interreligiöses Lernen in einer homogenen konfessionellen Gruppe nicht automatisch zu interreligiöser Kompetenz und zu Sensibilität für religiöse Pluralität führen will und kann, zeigen jüngere Studien von Andrea Lehner-Hartmann (2014) und Philipp Klutz (2015) aus Österreich. Lehner-Hartmann konnte zumindest mit Blick auf die subjektiven Theorien von katholischen Lehrerinnen und Lehrern zeigen, dass religiöse Pluralität und die Aufgabe des interreligiösen Lernens dort nur eine ganz geringe bzw. keine Rolle spielten – und das in einer extrem multikulturellen und multireligiösen Stadt wie Wien. Klutz kommt in seiner qualitativ-empirischen Studie an zwei Schulen in Wien zu dem Schluss, dass der Religionsunterricht in seiner bisherigen konfessionellen Form an seine Grenzen stößt und gerade Schülerinnen und Schüler neue Formate und Verfahren wünschen, damit interreligiöses Lernen stärker Raum finden kann. Erfahrungen mit dem Dialogischen Religionsunterricht in Hamburg, die seit Jahren umfangreich im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitforschung dokumentiert sind, werden hier durchweg positiv und ermutigend beschrieben (Knauth 2009 und 2016), sodass inzwischen nicht nur in Norddeutschland über eine stärker am interreligiösen Modell ausgerichtete Organisationsform von Unterricht nachgedacht wird – auch wenn die Kritik an diesem Weg nicht abreißt (Schweitzer 2014: 78/Sajak 2017b). Allerdings geht der Senat des Stadtstaats Hamburg inzwischen den Weg, den Dialogischen Religionsunterricht durch eine neue Form des Religionsunterrichts für alle abzulösen, die stärker an einer konfessionellen Rückbindung der verschiedenen Glaubenstraditionen im Sinne einer interreligiösen Kooperation in Phasen orientiert ist (Bauer 2014).

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens

In dieser recht unübersichtlichen Forschungslage zur Organisationsform religiöser Bildung scheint es sinnvoll, auf Erfahrung oder Kenntnisse zurückzugreifen, die zurzeit im Rahmen der konfessionellen Kooperation gemacht worden sind. Dabei versteht man unter konfessioneller Kooperation eine Organisationsform religiöser Bildung in der öffentlichen Schule, in der verschiedene Religionsgemeinschaften gemäß Art. 7 Abs. 3 GG in bestimmten Lernzeiträumen gemeinsam Religionsunterricht konzipieren, durchführen und weiterentwickeln (Sajak 2017a). Auch wenn Sabine Pemsel-Maier zuletzt (2017) zu Recht darauf aufmerksam gemacht hat, dass interreligiöses Lernen nicht mit ökumenischem Lernen im Rahmen der konfessionellen Kooperation gleichzusetzen ist und entsprechend anders angeleitet und organisiert werden muss, so lassen sich doch zunächst Organisationsstrukturen aus dem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht auf interreligiöse Kooperationen übertragen. Erste Erfahrungen in Münster und Osnabrück (Möller/Sajak/ Khorchide 2017) im Rahmen des Heidelberger Projekts „Interreligiöse Kooperation im Religionsunterricht“ (Boehme 2014) sind durchaus vielversprechend. Auch die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem erwähnten Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung zeigen, dass es vor allem ein Wechsel von Organisationsformen ist, der interreligiöses Lernen im weiteren wie im engeren Sinne möglich gemacht hat: „Blickt man auf die Fülle der Beiträge zum Trialog der Kulturen, also auf Projektwochen, Podiumsdiskussionen, Gedenkveranstaltungen, Autorenlesungen, Filmproduktionen, Printdokumentationen und Internetplattformen, so zeigt sich, dass die Schulenwettbewerbsprojekte ein religionsdidaktisches Integrativum geschaffen haben: Vieles was im Fachunterricht, im katholischen, evangelischen und jüdischen Religionsunterricht, in Islamkunde, Ethik, Geschichte, Deutsch, Kunst und Musik eingeführt und vorbereitet worden ist, konnte dann in jahrgangs- und klassenübergreifenden Großprojekten fruchtbar gemacht werden“ (Sajak 2010c: 71). Zusammengefasst: Für die organisatorische Dimension einer Didaktik des interreligiösen Lernens kann festgehalten werden, dass eine Kombination von Unterricht in religiös-homogenen Lerngruppen und Phasen gemeinsamen Unterrichts in gemischt-religiösen Lerngruppen sinnvoll erscheint.

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens Religiöse Bildung entsteht durch das Zusammenspiel von Kompetenzentwicklung, Wissensaufbau und Einstellungsänderungen. Die deutschen Bischöfe bringen dies in ihren Richtlinien für den katholischen Religionsunter-

93 Lernen aus dem konfessionell-kooperativen Unterricht

94

V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

richt auf die Formel: „Die Ziele des katholischen Religionsunterrichts umfassen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten“ (Die Deutschen Bischöfe 2004: 9). Die Expertenkommission des evangelischen Comenius-Instituts spricht analog von „bereichsspezifische(n) Wissensinhalte(n), Fähigkeiten und Fertigkeiten“ sowie „deren Verknüpfungen mit Einstellungen, Werthaltungen und Motivationen“ (Fischer/Elsenbast 2006: 18). Entsprechend muss es auch bei der Beschreibung einer inhaltlichen Dimension interreligiösen Lernens um diese drei Bereiche gehen. Folgend sollen deshalb die Inhaltsfelder eines Kerncurriculums interreligiöser Lerngegenstände (Inhalte), die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Schülerinnen und Schüler entwickeln sollen, um angemessen im Bereich von Religion operieren zu können (Kompetenzen), und die habituellen Einstellungen, die solchen Prozessen zugrunde liegen (Haltungen), zusammengestellt und skizziert werden.

Inhalte interreligiöser Lernprozesse

Interreligiöse Inhalte Über die Frage, an welchen Themen, Inhalten und Gegenständen die vielfältige Welt der Religionen in Lern- und Bildungsprozesse eingebracht und erörtert werden soll, ist über viele Jahre äußerst kontrovers diskutiert worden. So steht auf der einen Seite die – vor allem auch im Kontext des Hamburger Religionsunterrichts für alle (vgl. IV. 6.) – vertretene Position, dass eine zu religionswissenschaftlich ausgerichtete, an der Glaubenslehre und Glaubenspraxis einer Religion orientierte Behandlung von Inhalten einer Weltreligion für religionspädagogische Prozesse kontraproduktiv bzw. unfruchtbar sein könnte, weil durch die Konzentration auf Fragen der Orthodoxie und Orthopraxie, also der rechten Lehre und Lebensführung, ein Bild von Religion entwickelt würde, das den tatsächlichen Praxen dieser Glaubensgemeinschaft in der konkreten Lebensführung und Glaubensvorstellung der Menschen nicht entspricht (Sieg 2005). Hier besteht die Befürchtung, dass Menschen aus diesen Religionen entweder vom Bildungsgeschehen ausgegrenzt würden, weil sie nicht in das Raster bestimmter Glaubensvorstellungen ihrer Gemeinschaft passen könnten bzw. dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht Unterrichtsinhalte und Unterrichtsziele selber in Frage stellen könnten, weil sie von ihrem subjektiven Erfahrungshintergrund her die Rechtmäßigkeit und Korrektheit der im Lernprozess dargestellten Inhalte bestreiten würden. Auf der anderen Seite gibt es die in allen Curricula, also in den staatlichen und kirchlichen Lern- und Bildungsplänen manifestierte normative Auffassung, dass sich Religion und Weltanschauung doch klar durch bestimmte inhaltliche Charakteristika beschreiben und im Unterricht entsprechend darstellen ließen. Ein klassisches Beispiel dafür sind die kirchlichen Richtlinien für den katholischen Religionsunterricht, die die deutschen Bischöfe für die Grundschule und die

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens

Sekundarstufe I herausgegeben haben (Die deutschen Bischöfe 2004 und 2006). Hier wird mit großer Selbstverständlichkeit das Wesentliche des Judentums auf „die Bedeutung von Festen wie Shabbat, Pessach (Seda), Bar (Bad) Mizwah“ (Die deutschen Bischöfe 2004: 28), „die Bedeutung der Synagoge für das jüdische Gemeindeleben“ (ebd.) und „die Bedeutung der Thora für das jüdische Leben“ (ebd.) reduziert. Analog dazu wird in diesen Richtlinien der Islam anhand folgender Themen benannt: „die wichtigsten Stationen im Leben Muhammads und seine Bedeutung für den Islam; (…) die Bedeutung des Korans für Muslime; (…) die fünf Säulen des Islam und ihre Bedeutung für die islamische Gemeinschaft ‚Umma‘; (…) die Bedeutung der Feste Ramazan Bayrami (‚Zuckerfest‘) und Kurban Bayrami (‚Opferfest‘) (…) und die Bedeutung der Moschee für Muslime“ (ebd.). Solche normativen Vorgaben für die Inhalte bzw. Lerngegenstände von Lernprozessen im Kontext des schulischen Religionsunterrichts haben dazu geführt, dass in den verbindlichen Curricula der Bundesländer sich die Inhalte auf einen bestimmten Kanon von Themen beschränken lassen. Eine exemplarische Durchsicht der Curricula des Landes Baden-Württemberg hat z.B. gezeigt, dass die im katholischen Religionsunterricht behandelten sog. Weltreligionen Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus immer analog in den Kategorien 0 0 0 0

Inhaltsbezogene Kategorien

die Religionskunde die Offenbarungsurkunde(n) der Glaube der Religion die Praxis der Religion dargestellt werden (Sajak 2005: 271).

Dass eine solche religionsphänomenologische Kategorisierung tatsächlich nicht unbedingt der Perspektive von Schülerinnen und Schülern aus den Religionen entspricht, haben die Ergebnisse aus dem Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung „Trialog der Kulturen“ gezeigt, in dem über 10 Jahre Projekte von jüdischen, muslimischen und christlichen Schülerinnen und Schülern begleitet, ausgewertet und beurteilt worden sind. In diesem Zusammenhang hat sich sehr deutlich gezeigt, dass für Schülerinnen und Schüler tatsächlich Elemente der Glaubenspraxis wesentlich wichtiger sind als Glaubensinhalte. Entsprechend sind die Schulprojekte in der Auswertung des Wettbewerbs in die folgenden vier Kategorien gegliedert worden (Sajak 2012; 2013c, 2015a und 2015b): 0 0

95

Gotteshäuser der drei abrahamischen Religionen die heiligen Schriften der drei abrahamischen Religionen

Unterrichtliche Relevanz von Glaubensinhalten und Glaubenspraxis

96

V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

0 0

Phänomenologischer und interpretativer Ansatz

die Fest- und Feierzeiten bzw. -zyklen der drei abrahamischen Religionen und der Umgang mit Mensch und Umwelt in den drei abrahamischen Religionen.

Kritiker des Schulenwettbewerbs und der aus diesem abgeleiteten religionspädagogischen Folgerungen haben sich immer wieder darauf kapriziert, dass in einem solchen Setting offensichtlich die zentralen Themen der Glaubenslehre zu kurz kämen. Das ist insofern falsch, als dass Fragen wie die nach dem Gottesbild, des Verhältnisses von vollkommenem Gott und sündhaften Menschen, nach Gericht und Rechtfertigung in diesen Themen, vor allem im Bereich des Verständnisses von Mensch und Natur als Geschöpf und Schöpfung implizit auftauchen. Um solchen Missverständnissen vorzubeugen, soll im Kontext dieser Didaktik des interreligiösen Lernens betont werden, dass die Thematisierung und Darstellung aller Lerngegenstände im Rahmen des interreligiösen Lernens immer auch durch die Perspektive von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus den jeweiligen Religionen erfolgen muss. Dieser Standard interreligiösen Lernens ist maßgeblich durch Robert Jackson an der University of Warwick im Laufe der 1980er Jahre entwickelt und in den Diskurs eingebracht worden. Durch die Fülle von ethnographischen Materialien über die Glaubensvorstellungen und die religiöse Praxis der in England beheimateten Religionsgemeinschaften, die im Rahmen seines Warwick Projects gesammelt wurden, konnte mit Fotos, Berichten und Interviews eine völlig neue Form von Religionsbuch entwickelt werden: In jedem Schuljahr stellte nun ein Kind – in einem fiktiven Rahmen – seine Religion mit all ihren Elementen den Lesern vor. Im Gegensatz zu den phänomenologischen Konzeptionen des multireligiösen Modells (vgl. V. 4.) versucht Jackson in diesem sog. interpretativen Ansatz erst gar nicht, Einstellungen, Vorurteile und Vorwissen der Schüler auszuklammern. Diese bilden vielmehr den Horizont, vor dem Schülerinnen und Schüler sich mit den anderen Religionen auseinandersetzen sollten. Ein so konzipierter Unterricht kann als gelungen betrachtet werden, wenn eine ‚Brücke‘ zwischen der eigenen religiösen Erfahrung, wie sie in Familie und Gemeinde vermittelt wurde, und der fremden religiösen Welt, wie sie von anderen Kindern im Unterricht vorgestellt wird, geschlagen werden kann. In einem solchen Unterricht findet interreligiöses Lernen statt, ohne dass religiöse Grenzen verwischt oder überschritten werden: Jedes Kind kann auf der einen Seite seine religiöse Welt einbringen, auf der anderen Seite finden die gesellschaftlich vertretenen Religionsgemeinschaften Eingang in den Unterricht (Jackson 1997). In der deutschen Diskussion hat diesen Ansatz maßgeblich Karlo Meyer bekannt gemacht, der in den letzten Jahren verschie-

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens

dene Materialien aus Kinder- bzw. Jugendperspektive entwickelt und präsentiert hat (Meyer 2006; 2008b; 2015). Für die Planung und Darstellung der Lerngegenstände in interreligiösen Lernprozessen soll folgende Strukturierung von Lerngegenständen vorgeschlagen werden:

97

Strukturierung von Lerngegenständen

Inhaltskategorien interreligiösen Lernens Gottesbild Menschenbild Offenbarungsschriften Fest-, Fasten- und Feierzeiten Heilige Orte und Räume

Eine solche Kategorisierung von zu behandelnden Themenfeldern im Kontext des interreligiösen Lernens dürfte die Bedenken von beiden Seiten, also der Vertreter einer schülerorientierten dialogischen Religionspädagogik wie auch derer, die sich eher an orthodoxen und damit normativen Inhalten orientieren, bedacht und berücksichtigt worden sein. Eine Bemerkung zum Schluss: Der Schulenwettbewerb der HQS wie auch andere Initiativen im Bereich des sog. Trialogischen Lernens haben gezeigt, dass aufgrund der religionsgeschichtlichen Verwandtschaft, der gesellschaftlichen Relevanz und der theologischen Nähe der drei abrahamischen Religionen das interreligiöse Lernen zwischen Juden, Christen und Muslimen einfacher und naheliegender ist, als das zwischen z.B. Hindus und Christen. Entsprechend sehen die Curricula für den Religionsunterricht in Deutschland Phasen des Trialogischen Lernens für die Grundschule und die frühe Sekundarstufe I, die Auseinandersetzung mit den asiatisch-weisheitlichen Religionen dagegen erst am Ende der Sekundarstufe I oder sogar erst in der Sekundarstufe II vor. Dies ist nicht als Geringschätzung von Religionssystemen wie dem Hinduimus oder Buddhismus zu verstehen, sondern hat seine Gründe in der Eigenlogik der Systeme religiöser Bildung.

Interreligiöse Kompetenzen Auf die Debatte um die Bedeutung von Kompetenzen für die religiöse Bildung ist oben bereits hingewiesen worden (vgl. IV. 5.). Im Rahmen der gemeinsamen Verantwortung der Religionsgemeinschaften mit dem Staat für den Religionsunterricht gemäß Art. 7 Abs. 3 GG sind zwischen 2004 und 2010 von beiden großen Kirchen in Deutschland Kompetenzmodelle für den

Vorzug trialogischen Lernens

Kompetenzmodelle

98

V.

Kompetenzmodelle mit dualer Struktur

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

evangelischen bzw. katholischen Religionsunterricht vorgelegt worden: Auf katholischer Seite hat die für die Erziehung und Schule verantwortliche Kommission VII der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Herbst 2003 Arbeitsgruppen beauftragt, in Anlehnung an die von der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegten Dokumente nun Richtlinien für Standards im Fach Katholische Religion für den Abschluss der Grundschule und für den Mittleren Bildungsabschluss in Klasse 10 zu erarbeiten. Diese Richtlinien sind von den deutschen Bischöfen ein Jahr später diskutiert, beschlossen und in Kraft gesetzt worden (Die deutschen Bischöfe 2004 und 2006). Auf evangelischer Seite hat im Jahr 2006 eine Arbeitsgruppe des Comenius-Instituts Münster „Grundlegende Kompetenzen religiöser Bildung“ zusammengestellt, die „zur Entwicklung des evangelischen Religionsunterricht[s] durch Bildungsstandards“ (Fischer/Elsenbast 2006) dienen sollen. Das Papier beschreibt zwölf grundlegende Kompetenzen religiöser Bildung und liefert zu jeder dieser Kompetenzen ein Aufgabenbeispiel. Eine Arbeitsgruppe der Bildungskammer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat das Kompetenzmodell inzwischen kritisch überarbeitet, insbesondere um die ethisch-moralische Perspektive erweitert und auf insgesamt acht Kompetenzen verdichtet (Kirchenamt der Evangelischen Kirche 2010). In der religionspädagogischen Forschung sind die beiden Modelle trotz ihrer hohen normativen Kraft (in allen Bundesländern, in denen es konfessionellen Religionsunterricht gibt, sind sämtliche Lehr-, Lern- und Bildungspläne für den evangelischen wie katholischen Religionsunterricht an diesen Kompetenzmodellen ausgerichtet worden) durchaus kritisch gesehen worden: Beide Modelle sind theoretische Entwürfe, die nicht empirisch entwickelt, konzeptualisiert und vor allem nicht skaliert worden sind. Die wenigen Forschungsprojekte, die sich in der Folge mit religiösen Kompetenzen und ihrer Konzeptualisierung beschäftigt haben, stellen die sehr komplexen Modelle und Kompetenzkataloge der kirchlichen Papiere in Frage. So schreiben Benner et al. anlässlich der Kritik an ihrem Berliner Kompetenzmodell, auf das noch zurückzukommen ist, zu Recht: „Das Auseinanderklaffen von erhofften und erreichbaren Kompetenzen kann auf Dauer nicht hingenommen werden. […] Dem Berliner Modell ist zuweilen seine ‚Schlichtheit‘ zum Vorwurf gemacht worden. Dabei wurde aber übersehen, dass ohne eine komplexe Schlichtheit bei der Modellierung eine empirische Erforschung nicht möglich ist. Das EKD-Modell ist zweifellos nicht schlicht – es ist aber auch nicht überprüfbar.“ (Benner/Schieder et al. 2011: 154f.) Es ist sicher kein Zufall, dass die beiden Forschungsprojekte, die sich ganz konkret mit sozialwissenschaftlichen Verfahren der Entwicklung eines Kompetenzmodelles aus der empirisch erforschten Praxis befasst haben, zu

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens

99

analogen Strukturen und anschlussfähigen Modellen für die interreligiöse Kompetenz finden. Sowohl das von der Berliner Forschungsgruppe um Dietrich Benner und Rolf Schieder entwickelte KERK-Modell als auch das von Miriam Schambeck anhand ihrer qualitativen Studie in Indien entwickelte Modell interreligiöser Kompetenz haben ihre Grundstruktur in einer dualen Anlage, die aus je zwei allgemeinen religiösen Kompetenzen besteht, nämlich aus einer Kompetenz, die es dem Subjekt erlaubt, im Bereich von Religion und Glaube wahrzunehmen, zu deuten und damit zu differenzieren, und eine komplementäre Kompetenz, die eine Person befähigt, sich zu verhalten, zu kommunizieren und Stellung zu nehmen. Bei Benner et al. werden diese beiden Kompetenzen als Deutungs- und Partizipationskompetenz, bei Schambeck als Diversifiaktions- und Relationskompetenz bezeichnet:

Kompetenzmodelle in der Zusammenschau

Deutungskompetenz

Unterscheidungsfähigkeit

Partizipationskompetenz

In-Beziehungssetzungsfähigkeit

KERK-Modell 2011

Schambeck-Modell 2013

Diese duale Ausrichtung von interreligiösen Kompetenzkonzepten leuchtet sofort ein, wenn man sich an die bildungstheoretischen Überlegungen von Rudolf Englert, Bernd Dressler und anderen erinnert, die eine duale Struktur religiöser Bildung insgesamt konstatiert haben. So hat Rudolf Englert vor einigen Jahren in einem Beitrag zum religiösen Lernen das Begriffspaar Indukation und Edukation eingeführt, um zwei basale Bildungsschritte – Wirklichkeitserschließung und Selbstpositionierung – zu systematisieren: Bildung ist für ihn zum einen immer Indukation, „Hineinführung“, weil sie mit den verschiedenen Modi der Erschließung von Wirklichkeit vertraut macht. Religiöse Bildung ermöglicht eine bestimmte, tradierte Sehweise auf das Ganze von Wirklichkeit: „Sie entfaltet sich wesentlich am Material der Vor-

Abb. 34 Kompetenzmodelle nach Dietrich Benner et al. (2011: 31) und Mirjam Schambeck (2013: 177) Indukation und Eduaktion

100

V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

gaben einer konkreten Religion – an bestimmten Glaubensüberzeugungen, bestimmten Institutionalisierungsformen, bestimmten rituellen Vollzügen, bestimmten Formen alltagsweltlich wirksamer Frömmigkeit usw.“ (Englert 2007: 165). Edukation, „Herausführung“, bezeichnet dagegen jenes Element im Bildungsprozess, das ein Subjekt befähigen soll, einen eigenen Standpunkt einzunehmen, der dann auch in Differenz zu Vorstellungen, Überzeugungen und Erwartungen der religiösen Gemeinschaft stehen kann. Religiöse Bildung kann folglich nur gelingen, „wenn dem einzelnen Subjekt die Freiheit eröffnet wird, sich die in religiösen Traditionen ‚auf-gehobene‘ Sinnsicht auf eine mit seiner jeweiligen biographischen Problemlage korrelierenden Weise anzueignen; dies gilt speziell auch für die Erschließung des christlichen Glaubens“ (ebd.: 166). Für religiöse Bildung im Kontext religiöser Pluralität bedeutet dies, dass das sich bildende Subjekt zum einen über Fähigkeiten verfügen muss, mit dem es sich die Wissensbestände über Theorie und Praxis als Lerngegenstände erschließen kann – also hermeneutische Kompetenz – zum anderen über Fertigkeiten sich in der erschlossenen Tradition zu verhalten, zu dieser zu positionieren und ggf. zu distanzieren – eben partizipatorische Kompetenz.

Die duale Struktur religiöser Bildung Edukation

Teilnahme oder Distanz? Partizipationskompetenz

religiöse Bildung

Abb. 35 Religiöse Bildung und notwendige Kompetenzen nach Rudolf Englert (2007) und Bernhard Dressler (2012) Teilnahme und Beobachtung

Differenzkompetenz Indukation

Beobachtung und Beurteilung! Deutungskompetenz

Der evangelische Religionspädagoge Bernhard Dressler sieht den Schlüssel für religiöse Bildung deshalb in der Differenzfähigkeit: Religiöse Bildung bedarf der „Differenzkompetenz als d[er] Fähigkeit, Religion als eine spezifische Weise der Weltwahrnehmung – nämlich der Weltdeutung – von anderen Modi der Welterschließung unterscheiden zu können“ (Dressler 2007: 178). Diese Differenzkompetenz wiederum beruht auf der Fertigkeit, die Zeichen-

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens

welt religiöser Systeme lesen und deuten zu können sowie in der Fähigkeit „urteilsfähiger Teilnahme“ (Dressler 2012: 21) an der Praxis einer religiösen Gemeinschaft. Dressler bringt das auf die inzwischen klassische Formel „Teilnahme und Beobachtung“ (ebd.). Entsprechend ergibt sich auch aus diesem Bildungsverständnis die Forderung, „allen Kompetenzmodellen einen Dual von Deutungskompetenz und Partizipationskompetenz zu Grunde zu legen“ (ebd.). Anders als die theoretischen Modelle der kirchlichen Dokumente liefern die Berliner Forscher um Dietrich Benner und Rolf Schieder ebenso wie Mirjam Schambeck zu ihren Kompetenzmodellen auch Niveaustufen, mit deren Hilfe Fortschritte in der Ausbildung der einzelnen Kompetenzen bestimmt und beurteilt werden sollen. Dabei beschränkt sich das Berliner Modell auf die Darstellung der Deutungskompetenz: „Aufgrund der zu geringen Zahl an Items, die religiöse Partizipationskompetenz erheben, konnte dieses Ziel [der Konkretisierung von Niveaustufen, C.P.S.] für die Dimension religiöser Partizipationskompetenz nicht erreicht werden“ (Benner/Schieder et al. 2011: 125). Niveau I

Schülerinnen und Schüler können religiöse Texte und Rituale interpretieren, die Bezüge zu lebensweltlich bekannten religiösen Konventionen und Erfahrungen aufweisen.

Niveau II

Schülerinnen und Schüler können das religiöse Konzept erfassen, das religiösen Texten und Sachverhalten zugrunde liegt, auch wenn keine unmittelbaren Bezüge zu lebensweltlichen Erfahrungen gegeben sind.

Niveau III

Schülerinnen und Schüler können religiöse Texte und Sachverhalte aus verschiedenen Religionen erfassen, Perspektivenwechsel zwischen diesen nachvollziehen und Deutungsprobleme interreligiös sowie im öffentlichen Raum diskutieren.

Niveau IV

Schülerinnen und Schüler können religiöse Inhalte und Konzepte in religiösen und außerreligiösen Kontexten erfassen, konkurrierende Auslegungen durch Vollzug eines Perspektivenwechsels reflektieren und problematisieren sowie zu diesem Zwecke eigene Vorerwartungen hinterfragen.

Niveau V

Schülerinnen und Schüler können religiöse Inhalte und Sachverhalte von unterschiedlichen Fachlogiken (Ökonomie, Politik, Moral, Recht) her interpretieren und im Lichte solcher Fachlogiken mehrperspektivisch beurteilen.

Anhand der Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schülern mit religiösen Inhalten, Konzepten und Sachverhalten, die vor allem über Texte, aber auch über Rituale in den Bildungsprozess eingespeist werden sollen, können

101

Niveaustufen religiöser Deutungskompetenz

Abb. 36 Niveaudifferenzierung religiöser Deutungskompetenz nach Dietrich Benner et al. (2011: 126)

102

V. Niveaustufen der Aneignung

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

nun fünf Niveaustufen einer religiösen Deutungsfähigkeit entwickelt werden, die entsprechend auch im Kontext interreligiöser Lernprozesse relevant werden. Mirjam Schambeck, die schon früh die Engführung des Kompetenzdiskurses auf den hermeneutischen Bereich kritisiert hatte, versucht bei der Modellierung der Niveaustufen in ihrem Modell religiöser Kompetenz, Entwicklungen beider Kompetenzbereiche abzubilden. Dabei wählt sie eine Darstellungsform als Modell für interreligiöse Kompetenzentwicklung, in der auf drei zu unterscheidenden Niveaus unterschiedliche Grade der Aneignung, auf dem höchsten Niveau aber auch von Einstellungen und Haltungen beschrieben werden: „Während im Niveau 1 eine erste Wahrnehmung des Anderen und Fremden erfolgt, also Differenz als grundlegender Auslöser von Lernen überhaupt bewusst wird, erfolgt auf Niveau 2 eine Auseinandersetzung mit dem wahrgenommenen Anderen. […] Niveau 3 ist dadurch gekennzeichnet, dass das wahrgenommene Andere und im Sinne des Aufbaus kognitiver Konfigurationen bereits bearbeitete Andere in seinem kritisch-produktiven Transformationspotential zum Tragen kommt“ (Schambeck 2013: 182). Damit bindet Schambeck den wichtigen Bereich der Haltungen und Einstellungen in ihr Niveaumodell ein, allerdings für den Preis der empirischen Überprüfbarkeit. Die wäre in diesem Bereich wohl nur schwer zu operationalisieren und zu überprüfen.

Niveau 1 der Aneignung

Differenz wahrnehmen

Abb. 37 Niveaudifferenzierung interreligiöser Kompetenz von Mirjam Schambeck (2013: 183)

Niveau 2 der Aneignung

Niveau 3 der Aneignung

Kognitive Konfigurationen umbauen

Transformationen vollziehen

Über Fähigkeiten verfügen und sie begründen können

Einstellungen, Haltungen, Fertigkeiten verändern und Handlungen vollziehen

Damit ist der dritte inhaltliche Bereich des interreligiösen Lernens angesprochen, nämlich der von Haltungen und Einstellungen.

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens

Interreligiöse Haltungen und Einstellungen Die kirchlichen Dokumente zu den Standards religiöser Bildung klammern nicht nur die Niveaukonkretionen ihrer zum Standard erklärten religiösen Kompetenzen aus, sie verzichten auch auf eine genauere Bestimmung der Haltungen und Einstellungen, die es im Kontext religiöser Bildungsprozesse zu erwerben und zu entwickeln gilt. Die Richtlinien der deutschen Bischöfe sprechen zwar von „Haltungen und Einstellungen, die alle Unterrichtsfächer fördern wollen“ und solchen, die der Religionsunterricht in besonderer Weise unterstützen will, wie „Wachheit für letzte Fragen, Lebensfreude, Dankbarkeit […] und Wertschätzung für den christlichen Glauben“ (Die deutschen Bischöfe 2004: 9), doch gerade Kompetenzen, die für den Erwerb interreligiöser Kompetenz notwendig sind, werden hier nicht benannt. Dabei sind es gerade Haltungen wie Empathiefähigkeit und die Bereitschaft, sich in andere hineinzuversetzen („Empathie und Perspektivwechsel“ Bucher 2006: 208 u. ö.), aber auch Bescheidenheit, Verbundenheit mit der eigenen Tradition und Offenheit für andere (nach Cornille 2008: 9–135) und vor allem Neugierde und Interesse dem Anderen gegenüber, die zum einen interreligiöse Lernprozesse ermöglichen, zum andern aber auch durch den Lernprozess selbst sich verändern, nämlich dann, wenn die Subjekte durch die Begegnung und die Erfahrungen mit den Anderen „sich verwandeln lassen“ (Schambeck 2013: 182). Wegweisend für die Religionspädagogik sind in diesem Zusammenhang die Überlegungen des New Yorker Religionspädagogen Gabriel Moran gewesen, in dessen Werk der bewussten Auseinandersetzung mit den Essentials und Charakteristika anderer Religionen eine entscheidende Rolle im Prozess der religiösen Identitätsentwicklung zukommt. Sowohl in seiner Entwicklungstheorie „Religious Stages of Human Development“ als auch in seiner aus

103

Relevanz von Haltungen und Einstellungen

Die Bedeutung von Gabriel Moran

Gabriel Morgan: Religious Stages of Development

6. Detachment 5. Parable

Religiously Christian (Jewish, Muslim …)

4. Disbelief 3. Our People’s Belief

Acquiring a Religion

2. The Mythic 1. The Physical

Simply Religious

Abb. 38 Religiöse Entwicklung im Laufe des Lebens nach Gabriel Moran (1983)

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V. Religionspsychologisches Entwicklungsmodell

Interreligiöses Lernen als Lebensaufgabe

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

dieser Theorie resultierenden Handreichung „Stages of Religious Education Development“ integriert Moran die Auseinandersetzung mit fremden Glaubensvorstellungen als unverzichtbaren Bestandteil einer gesunden Glaubensentwicklung und Identitätsfindung (Moran 1983). Besonders auf der zweiten Stufe seines religionspsychologischen Entwicklungsmodells, welche die Ausbildung des eigenen Glaubens im Jugendalter in der Spannung von Dekonstruktion („Disbelief“) und Konstruktion („Belief“) beschreibt, kommt der Begegnung und Auseinandersetzung mit fremden Religionen eine zentrale Rolle zu. Dies beginnt mit der bewussten Positionierung des älter werdenden Kindes im Raum einer bestimmten Religion (z.B. Katholisch sein), die sich eben von anderen religiösen Räumen (Protestantisch sein, Jüdisch sein etc.) unterscheidet (ebd.: 150). Die Dynamik und Dialektik der Adoleszenz birgt aber die unerbittliche Konsequenz, dass diese Position mit der gleichen Schärfe der Unterscheidung, Prüfung und Abweisung wieder in Frage gestellt wird. Eine mögliche Konsequenz dieser erneuten Befragung ist dann natürlich auch die Reflexion der eben gezogenen Grenze zwischen „Christian“ und „religious“, also zwischen ‚meiner‘ Religion und der anderer. Dieser Prozess der Auseinandersetzung ist notwendig, um zur dritten Stufe des ‚bewussten Christ-sein bzw. Jude/Muslim-sein‘ zu gelangen. Um „Religiously Christian/Jewish/Muslim“ zu sein, muss man nun zu einem qualitativ neuen Verständnis von Religion gelangen. Moran nennt dieses neue Verhältnis „in einer bestimmten Form religiös sein“ – im Gegensatz zur kindhaften Vorstellung, „eine bestimmte Konfession bzw. Religion zu besitzen“: „One no longer has a religion; one is religious in a particular way. To be religiously Christian today, one has to live in relationship, especially with an appreciation of Judaism and Islam“ (ebd.: 153). Um „bewusst religiös“ in der einen oder anderen Konfession bzw. Religion zu sein, muss man sich also sowohl eine spezifisch-individuelle Perspektive der eigenen Glaubensgemeinschaft anverwandeln als auch Wertschätzung und Empathie für den Glauben anderer Religionsgemeinschaften entwickeln: „Someone religiously Christian recognizes someone religiously Jewish, for example, as sharing common religious quest. Both quests can be seen as valid because the two groups are on the way even though the particularity of one’s own way is what is most valued“ (ebd.). Ein erwachsener, mündiger Glaube zeichnet sich eben dadurch aus, einen eigenen Standpunkt entwickelt und konturiert zu haben, zugleich aber um Parallelen und Verbindungen in anderen Glaubensvorstellungen zu wissen. Verwendet man Gabriel Morans „Theory of Religious Education Development“ als Hintergrund für eine Didaktik interreligiösen Lernens im Religionsunterricht, so ergibt sich ein biografischer Rahmen, der vom fünften bis zum 30. Lebensjahr reicht. Interreligiöses Lernen kann gemäß dieser Theorie nicht

4. Die Inhalte interreligiösen Lernens

105

auf das Jugendalter (gemäß der traditionellen Vorstellung, dann habe sich der eigene Glaube ‚gefestigt‘) beschränkt werden: Die Begegnung mit fremden Religionen hat vielmehr in der Grundschule ebenso ihren Raum, wie im Seminar der Universität. Allerdings ist die Zielsetzung der interreligiösen Lernprozesse zu differenzieren: Während es in der Grundschule und in der Unterstufe darum gehen muss, Erfahrungen der Kinder mit fremden Religionen aufzugreifen und zu reflektieren, um Ängsten und Vorurteilen entgegenzuwirken

Entwicklungsstufen

2 Abwehr

 Kulturelle Unterschiede werden deutlicher wahrgenommen  Stereotypisierung fremder Kulturen  Eigene Kultur wird als überlegen wahrgenommen

3 Minimalisieren

 „Alle Menschen sind gleich“  Nivellierung von Unterschieden  Elemente der eigenen Kultur werden als universal erfahren

4 Akzeptanz

 Erkenntnis über eigene kulturelle Prägung  Akzeptanz anderer kultureller Kontexte  Neugier auf und Respekt gegenüber anderen Kulturen

5 Anpassung

 Erfahrung fremder Kulturen führt zu einem dieser Kultur angemessenen Verhalten und Erleben  Erleichterung der Kommunikation  Möglichkeit, die Welt aus dem Blickwinkel fremder Kulturen zu betrachten

6 Integration

 Eigene Selbsterfahrung ermöglicht multikulturelle Perspektiven  Die eigene Person wird oft als „zwischen den Kulturen mäandernd“ wahrgenommen  Integration nicht notwendigerweise die bessere Voraussetzung für interkulturelle Kompetenz als Adaption  Typisch bei Langzeit-Expatriates, „globale Nomaden“, „Weltenbürger“

Ethnozentrische Weltsicht: eigene Kultur wird als zentrale Realität erlebt

Ethnorelative Weltsicht: eigene Kultur wird im Kontext anderer Kulturen erlebt

Entwicklung interkultureller Sensitivität, Erfahrung von Unterschiedlichkeit

1 Verleugnung  Kaum Vorstellungen über kulturelle Unterschiede  Eigene Kultur wird als einzig wahre Realität erfahren  Fremde Kulturen werden ignoriert

Orientierung

Abb. 39 Die Entwicklung interkultureller Sensibilität nach Milton J. Bennett (1998)

106

V.

Stufenmodell interreligiöser Sensibilität

Abb. 40 Das Stufenmodell interreligiöser Sensibilität nach Joachim Willems (2011: 203)

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

und Verständnis für das Verhalten von andersgläubigen Mitschülerinnen und -schülern zu wecken, beginnt mit der Mittelstufe eine neue Zieldimension: Nun soll die Begegnung mit fremden Religionen und Weltanschauungen die systematische Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der eigenen Religion anregen und fördern. In der Oberstufe und dem jungen Erwachsenenalter tritt eine dritte Zieldimension hinzu, da hier die Begegnung mit fremden Religionen Teil eines Bildungsangebotes ist, in dessen Rahmen die Suche junger Menschen nach einem tragfähigen Sinnkonzept und Lebensmodell unterstützt und gefördert werden soll. Mit den Begriffen Catherine Cornilles gesprochen: Nur wer Demut im eigenen Glauben, Empathie für den Andersgläubigen und eine Verbundenheit im gemeinsamen Weg der Wahrheitssuche entwickelt hat, kann den Dialog und die Freundschaft mit Menschen anderen Glaubens suchen und pflegen – und hat eine erwachsene Religiosität entwickelt. Joachim Willems erweitert den Blick auf Stufentheorien wie die von Gabriel Moran insofern, als dass er an die Modelle von Fowler, Oser/Gmünder und Kohlberg das Entwicklungsmodell interkultureller Sensibilität von Milton J. Bennett anschließt. Mit diesem sogenannten „Developmental Model of Intercultural Sensitivity“ – DMIS – (Bennett 1998) liegt nach seinen Worten ein „empirisch überprüftes Modell vor, das mit der Beschreibung von Stufen der interkulturellen Sensibilität einen wesentlichen Aspekt interkultureller Kompetenz behandelt … Zudem ist Bennetts Modell für eine interreligiös orientierte Religionspädagogik von Interesse, weil Bennett aus seinem Modell Konsequenzen für den Unterricht bzw. Training zieht“ (Willems 2011: 194). Willems macht deutlich, dass die Differenzen zwischen interkulturellem und interreligiösem Lernen nicht negiert werden können und deshalb die Übertragbarkeit des Modells von Kultur auf Religion durchaus Probleme aufwirft. Diese werden von ihm ausführlich reflektiert (ebd.: 196–200). Nichtsdestoweniger kommt am Ende Willems zu einem Stufenmodell, das für ihn als heuristisches Instrument bei der Bewertung von religiöser Kompetenz mit Blick auf religiöse Pluralität verwendet wird. Dieses gliedert sich letztendlich in zwei große Stufen (Willems 2011: 203):

1. Konfessiozentrische Stufe 1.1 Erkennen von Unterschieden zwischen Religionen, ohne andere Weltsichten würdigen zu können als in sich stimmige Interpretation der Welt; 1.2 Erkennen von Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen, wobei religiöse Differenzen entweder nicht gesehen oder geleugnet werden.

5. Die Methoden interreligiösen Lernens

2. Konfessioreflexive Stufe 2.1 Grundsätzliche Fähigkeit zum Perspektivwechsel: Erkenntnis, dass jeweils verschiedene religiöse und nichtreligiöse sowie verschiedene religiöse, konfessionelle und weltanschauliche (sowie religionssubkulturelle) Perspektiven auf die Welt und ihre Phänomene möglich sind und Fähigkeiten, diese Unterschiede auszuhalten (Ambiguitätstoleranz); 2.2 Fähigkeit zur (Re-/De-)Konstruktion der jeweiligen religionskulturellen proto- und stereotypischen Perspektiven und individueller Perspektiven innerhalb von Religionssubkulturen; 2.3 Fähigkeit zur Überprüfung der Stimmigkeit und Reichweite dieser Perspektiven; 2.4 Fähigkeit, diese Perspektiven aufeinander zu beziehen.

Zusammengefasst: Eine für das interreligiöse Lernen zielführende Aufgabe liegt folglich darin, Kinder, Jugendliche wie auch Erwachsene durch eine angeleitete Auseinandersetzung mit Inhalten religiöser Sinnsysteme zur Entwicklung von Deutungs- und Partizipationskompetenz zu befähigen, damit sie sich von ablehnenden konfessiozentrischen Haltungen und Einstellungen hin zu einer konfessioreflexiven Stufe entwickeln, auf der Empathiefähigkeit und Perspektivwechsel möglich sind.

5. Die Methoden interreligiösen Lernens In den verschiedenen Konzeptionen zum interreligiösen Lernen kommt der Methodenwahl eine erhebliche Bedeutung zu. Wenn der Islam mit Blick auf seine gesellschaftliche Bedeutung inzwischen auch in der Grundschule behandelt werden soll, bedarf es anderer Methoden als sie bisher im Bereich der Mittelstufe üblich sind. Überhaupt ist zu überlegen, ob die klassische Methode des deutschen Religionsunterrichts – Sekundärtexte mit Kommentarcharakter kombiniert mit fiktiven Schüler-Geschichten und illustriert mit Fotos und Karten – wie sie exemplarisch in den Unterrichtswerken von Hubertus Halbfas (1989; 1990; 1991 u.ö.) und Werner Trutwin (Trutwin/Breunin/Mensing 1987a; 1987b und 1987c u.ö.) ausgearbeitet worden ist, nicht durch neue Zugänge zu fremden Religionen ergänzt werden muss, wie sie zum Beispiel von der englischen Religionspädagogik entwickelt worden sind und im dortigen Religionsunterricht praktiziert werden (Arbeit mit Fotos, Postern und Gegenständen sowie Exkursionen und Gespräche).

107

Fortsetzung: Abb. 40 Das Stufenmodell interreligiöser Sensibilität nach Joachim Willems (2011: 203)

108

V. Entwicklungsbezogenes Methodenrepertoire

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

Johannes Lähnemann hat im Rahmen seiner vielen Beiträge zur Debatte um das interreligiöse Lernen auch eine Theorie des Aufbauenden Lernens ausgearbeitet, in der durch die verschiedenen (Vor-)Schulstufen hindurch ein alters- und entwicklungsbezogenes Methodenrepertoire vorgeschlagen wird (Lähnemann 2002). So unterscheidet er zwischen 0

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Interreligiöses Lernen in verschiedenen Altersstufen

Schulstufenbezogene Kategorisierung

der 1. und 2. Klasse, in denen interreligiöses Lernen durch bewusste Gestaltung des Schullebens und der Feste mit Blick auf die verschiedenen Religionen und Kulturen initiiert werden kann; der 3. und 4. Klasse, in denen Schülerinnen und Schülern mit Hilfe des Personalisierungsprinzips an einem Kind ihrer Altersstufe „exemplarische Erfahrungen verdeutlicht werden“ (ebd.: 400); der 5. und 6. Klasse, in denen größere Zusammenhänge und erste systematische Aufbereitungen des Fremden in den Blick genommen werden können; der weiteren Sekundarstufe I bis Klasse 10, in der das Begegnungslernen durch Exkursionen und Besuche von Vertretern fremder Religionen in der Schule ermöglicht werden sollte; der gymnasialen Oberstufe, in der die Arbeit an Quellentexten, solche aus den fremden Religionen selbst wie auch solche aus der Theologie der Religionen, angeregt werden kann.

Dabei geht es Lähnemann nicht um einen stufenbezogenen Methodenmonismus, sondern um eine Akzentuierung des interreligiösen Lernens in den verschiedenen Altersstufen, die den lebensweltlichen Erfahrungen und den anthropogenen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden soll. Eine andere Systematisierung der Lernwege unternimmt Hans Mendl in seinem Arbeitsbuch für den Religionsunterricht (Mendl 2008): Er unterscheidet zwischen solchen Methoden, die in performativer Weise auf Sekundärerfahrungen aufbauen (Jugendbücher, Filme, Internetrecherche, Rollenspiele), und solchen, die Primärerfahrungen, also die „[u]nmittelbare Begegnung mit Fremden und Fremdem“ (ebd.: 274) ermöglichen. Hierzu zählt Mendl die Erschließung von Zeugnissen, Räumen, Menschen und gemeinsamen Festen und Feiern. Damit bildet er die Unterscheidung von interreligiösem Lernen im weiteren und engeren Sinne in der Methodenlehre ab. Auch bei Mendl gilt: Wichtig ist die Kombination aller Zugänge, damit Schülerinnen und Schülern eine alters- und erfahrungsbezogene Auseinandersetzung mit der eigenen wie den anderen Religionen ermöglicht werden kann. Blickt man auf die Fülle der Beiträge zu den Methoden interreligiösen Lernens, so fällt auch hier eine klare Kategorisierung nach Schulstufen auf. So

5. Die Methoden interreligiösen Lernens

109

gibt es inzwischen auch für den vorschulischen Bereich der Elementarpädagogik ausgearbeitete Modelle für die Auseinandersetzung mit fremden Religionen, im Besonderen mit dem Islam im Kindergarten (Huber-Rudolf 2002; Hugoth 2001; 2002 und 2003; Biricik/Kamcili-Yildiz 2015). Dabei stehen vor allem die persönliche Begegnung zwischen Schülerinnen und Schülern verschiedener Religionen, die gemeinsame Gestaltung religiöser Feste und die Einführung in die Welt zentraler religiöser Symbole als Methoden im Vordergrund. Für den schulischen Kontext in den ersten Jahren der Primarstufe liefern zum Beispiel die Werkbücher von Gertrud Wagemann und Ursula Sieg eine Fülle von Anregungen und Materialien (Wagemann 2002; Sieg 2003).

Elementar- und Primarstufe (Kindergarten)

Interreligiöses Lernen durch bewusste Gestaltung des Schullebens an Fest-, Feierund Fasttagen

iL im engeren Sinne

Primar- und Orientierungsstufe (Grundschule)

Interreligiöses Lernen durch Fiktion und Narration

iL im weiteren Sinne

Sekundarstufe I (Haupt-, Real-, Gesamtschulen/ Gym.)

Interreligiöses Lernen durch die Begegnung mit Zeugnissen anderer Religionen

iL im weiteren Sinne

Sekundarstufe I (Haupt-, Real-, Gesamtschulen/ Gym.)

Interreligiöses Lernen durch die Begegnung mit Zeugen anderer Religionen

iL im engeren Sinne

Sekundarstufe I (Haupt-, Real-, Gesamtschulen/ Gym.)

Interreligiöses Lernen durch die Exkursionen zu und Besuche in Heiligen Räumen

iL im engeren Sinne

Sekundarstufe II (BBS/Gym.)

Interreligiöses Lernen durch den Vergleich und die Analyse Heiliger Schriften

iL im weiteren Sinne

Zugänge und Methoden, die sich mit exemplarischen Personen der großen religiösen Traditionen auseinandersetzen, werden dann in der 3. und 4. Klasse der Primarstufe wie auch in den ersten Schuljahren der Sekundarstufe vorgeschlagen. Lähnemann spricht hier in Anknüpfung an Werner Haußmann von einem „Personalisierungsprinzip“ (Lähnemann 2002: 400), in dessen Rahmen Symbole, Bräuche und Glaubensvorstellungen fremder Religionsgemeinschaften am Beispiel fiktiver gleichaltriger Kinder eingeführt und

Abb. 41 Altersbezogenes Methodencurriculum für das interreligiöse Lernen Methoden und Zugänge in Primarund früher Sekundarstufe

110

V.

Methoden und Zugänge im Verlauf der Sekundarstufe I

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

erklärt werden. Vor allem Monika und Udo Tworuschka haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe von vorbildlichen Arbeits- und Vorlesebüchern vorgelegt (M. und U. Tworuschka 1988 und 1993). Im katholischen Bereich sind solche Medien vor allem von Hermann-Josef Frisch und Georg Schwikart gestaltet worden (Frisch 1998 und Schwikart 2008). Vor kurzem ist diese Methode von Mirjam Zimmermann neu aufgegriffen und weiterentwickelt worden (Zimmermann 2015). In der Praxis der englischen Religious Education, aus der seit Jahren wichtige Impulse auch die deutsche Diskussion bereichern (Sajak 2005: 90–125), werden in dieser Altersphase Methoden wie „A Gift to the Child“ (Grimmitt et al. 1991) eingesetzt: Hier steht die bereits erwähnte Arbeit mit religiösen Gegenständen – sogenannten „Gifts“, bzw. „Gaben“, oder auch „Items“ und „Zeugnissen“ – im Zentrum eines religionsphänomenologisch erschließenden Unterrichts (vgl. IV. 4.). Hull hat resümiert, dass die Methode der Gabe vor allem in der Grundschule erfolgreich ist, da „dieser Ansatz bisher vor allem bei Sieben- und Achtjährigen eingesetzt worden ist. Ältere Schüler brauchen eine weitere Perspektive im Sinne religionskundlicher oder komparatistischer Methoden“ (Hull 2000: 125). Weil ältere Schülerinnen und Schüler ein Mehr an Informationen und Hintergrundwissen verlangen, kann die Arbeit mit ‚Gaben‘ in höheren Klassen lediglich einen motivierenden Einstieg leisten oder zur Veranschaulichung dienen, sie ersetzt aber nicht die gründliche Auseinandersetzung mit Inhalten anhand von Texten. Vor allem das Werkbuch „Kippa, Kelch, Koran“ hat diese Methode für die Unterrichtspraxis in Deutschland fruchtbar gemacht (Sajak 2010a). Den oben erwähnten Interpretive Approach, der auf die Initiative von Robert Jackson zurückgeht (vgl. V. 5.), hat Karlo Meyer mit seinen Unterrichtsmaterialien im deutschen Kontext fruchtbar gemacht (Meyer 2006; 2008b; 2015). Im weiteren Verlauf der Sekundarstufe I soll gemäß dem Schema von Lähnemann nun eine systematische Einführung in die Glaubenssysteme, die Geschichte und damit auch in die Vorstellungen der Religionsstifter ermöglicht werden. Dabei kann durchaus auch auf Zeugnisse zurückgegriffen werden, allerdings im Rahmen einer Unterrichtsgestaltung, in der nun auch klassische Methoden, wie die Lektüre von Texten und das Studium von Arbeitsbüchern, ihren Platz haben müssen. Nun liegt der Fokus vor allem auf der geschichtlichen Dimension und den politischen Zusammenhängen, die mit der vorgestellten Religion einhergehen. Einladungen an Vertreter nichtchristlicher Religion, den Religionsunterricht zu besuchen und für Fragen und Gespräche zur Verfügung zu stehen, gehören ebenso in das methodische Repertoire dieser Stufe wie fächerverbindende Projektarbeit und Unterrichtsgänge bzw. Exkursionen zu Moscheen, Synagogen, Gedenkstätten, Museen etc. Zu dieser methodischen Großform ist inzwischen eine Reihe von hilfreichen Pu-

5. Die Methoden interreligiösen Lernens

blikationen erschienen (Leggewie et al. 2002; Brüll et al. 2005; Glöckner 2005; Straß/Haußmann 2005; Meyer 2008; Sajak 2012; Gärtner/Bettin 2016). In der Sekundarstufe II werden schließlich auch die bedeutenden religiösen Texte aus den Weltreligionen, jene Urkunden des Glaubens, die sich wegen ihres schwierigen Charakters und wegen ihres Umfangs kaum in der Mittelstufe erschließen lassen, zum Unterrichtsgegenstand gemacht. Udo Tworuschka hat der Lektüre von Heiligen Schriften in seinem Methodenbuch zu den Weltreligionen ein ausführliches Kapitel gewidmet, indem er am Koran und am Pali-Kanon aufzeigt, was es zu beachten gilt, wenn man im Unterricht den Umgang mit Originaltexten aus der Religionsgeschichte einüben will. Dabei hat er vor allem zwei Ziele im Blick: „In erster Linie geht es um die sachgemäße Interpretation religionsgeschichtlicher Texte. Andererseits ist aber auch die Wirkungsmöglichkeit eines Textes mitzubedenken“ (Tworuschka 1982: 154). Dies ist angesichts der verfügbaren Materialien für den Religionsunterricht nicht immer einfach: „Heutige Text- und Materialsammlungen für den Unterricht erhalten oft ‚moderne‘ Texte, die dem heutigen Selbstverständnis einer Religion entsprechen. Gleichwohl besteht für den Unterricht über Religionen die wichtige Aufgabe im Umgang mit ihren jeweiligen Grundlagen: den ‚Heiligen Schriften‘“ (ebd.). Tworuschka zeigt im Folgenden, dass das Studium jeder heiligen Schrift eine gründliche religions- und literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Text und seiner Entstehung erfordert. Erst nach einer solchen gründlichen hermeneutischen Vorbereitungsarbeit, deren Ausmaße und Aufwand an Tworuschkas Beispielen von Koran und Pali-Kanon deutlich werden, ist eine angemessene Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Text im Unterricht möglich. Vor allem für die Lektüre und Diskussion von Tora und Koran liegen inzwischen eine ganze Reihe von hilfreichen Einführungen in eine solche intertextuelle Erschließungsarbeit vor (Gnilka 2004 und 2007; Renz/Leimgruber 2004; Leimgruber/Wimmer 2005; Tröger 2008; Tworuschka 2008). Über die Arbeit mit heiligen Texten hinaus ist in der Sekundarstufe II auch die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Positionen einer Theologie der Religionen vorgesehen. Gerade weil den Schülerinnen und Schülern heute ein Pluralismus als gleichberechtigtes Nebeneinander der Religionen selbstverständlich erscheint, muss die Frage nach dem Wahrheitsanspruch, der revelatorischen Authentizität wie auch nach der soteriologischen Relevanz der verschiedenen Religionsgemeinschaften vergleichend problematisiert und diskutiert werden (Sajak 2005: 287–289). Methodische Großformen wie Erschließung und Gestaltung von Festen und Feiern, die Gotteshauspädagogik, sowie die Arbeit mit Heiligen Schiften sollen im folgenden 6. Kapitel ausführlich dargestellt werden.

111

Methoden und Zugänge in der Sekundarstufe II

112

V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

Das „Opfer Abrahams“, bzw. die „Bindung Isaaks“, die zahlreiche Darstellungen in islamischer und christlicher Kunst erfahren hat, stellt den dramatischen Höhepunkt im Leben Abrahams und wohl auch seines Sohnes dar. Der Psychotherapeut Tilman Moser hat es zum Anlass genommen, um gegen ein vermeintlich grausames Gottesbild zu Felde zu ziehen. Er sah einen unmenschlichen, lebensfeindlichen Gott am Werk, mit dessen Hilfe die Kirche ihre Interessen wahrnehmen würde. Schauen wir zunächst auf die Texte:

Abb. 42 Abrahams Glaubensprüfung durch das Opfer des Sohnes in der Synopse von Tora und Koran bei Stephan J. Wimmer und Stephan Leimgruber (2007: 114)

Zusammengefasst: Interreligiöses Lernen bedarf vielfältiger Lernwege, die eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen in einer altersgemäßen und dem Inhalt angemessenen Art und Weise ermöglichen. Dabei schreiten die methodischen Großformen von der Thematisierung alltäglicher Lebenspraxis über das Begegnungslernen hin zu einer theologischen Diskussion von Glaubensvorstellungen und -positionen im Jugendalter.

6. Die Evaluation interreligiöser Lernprozesse

113

6. Die Evaluation interreligiöser Lernprozesse Unter Evaluation wird in dieser Didaktik des interreligiösen Lernens nicht etwa die Überprüfung von erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, wie es in der kompetenzorientierten Didaktik in der Regel üblich ist. Vielmehr meint Evaluation hier nun eine Bewertung, die sich auf die verschiedenen Glaubensvorstellungen und Praktiken in den unterschiedlichen religiösen Traditionen bezieht. In dieser letzten Dimension verbinden sich also Fragen der organisatorischen Dimension in besonders intensiver Weise mit Inhalten, Kompetenzen und Haltungen, wie sie in der inhaltlichen Dimension dargestellt worden sind. Eine solche Verwendung des Evaluationsbegriffs entstammt der jüngsten Debatte um die Frage der Konfessionalität von Religionsunterricht und ist maßgeblich von Rudolf Englert in den Diskurs eingebracht worden. Er definiert Evaluation wie folgt: „In den Religionsunterricht eingebrachte Aussagen und Statements werden entsprechend dem Konzept der Wahrheitsfähigkeit nicht nur nach ihrer sachlichen Richtigkeit, sondern auch nach ihrer theologischen Qualität unterschieden“ (Englert 2016: 17). Wenn schon im bekenntnisgebundenen Religionsunterricht es ein wesentliches Merkmal der Grundfigur religiöser Bildung ist, dass z.B. aus der evangelischen oder der katholischen Perspektive Fragen nach Gott, Mensch und Welt – z.B. nach den Antwortversuchen auf das Leiden, die Frage nach einer Perspektive der Person über den Tod hinaus oder des ethisch angemessenen Umgangs mit dem Lebensanfang und dem Lebensende – einer bewertenden Perspektive unterzogen werden sollen, so muss dies auch für interreligiöse Lernprozesse gelten, zumindest wenn sie in einem monoreligiösen oder interreligiösen Modell stattfinden (vgl. V. 4.). Schließlich hat das interreligiöse Lernen gemäß dem vorangestellten Leitbild die Aufgabe, sich als engagierter Streit um die Wahrheit zu gestalten. Wenn es darum gehen soll, Schülerinnen und Schüler zu einem produktiven Streit um die Frage nach religiöser Tradition und Weltanschauung anzuleiten, wie dies von der komparativen Theologie in den interreligiösen Diskurs eingebracht worden ist, so hat die Evaluation als Schlussstein dieser didaktischen Skizze ihren logischen Ort. Die Frage, an welchen Themengegenständen eine Diskussion und Debatte um die theologische Qualität und den Wahrheitsgehalt geführt werden kann, ist in verschiedenen Entwürfen unterschiedlich beantwortet worden, auch wenn sich bestimmte Übereinstimmungen und Schnittmengen erkennen lassen. So hat Friedrich Schweitzer in seinem Grundlagenwerk „Interreligiöse Bildung“ Beispiele und didaktische Konkretionen für das interreligiöse Lernen entfaltet, die von ihm mit Hilfe des Elementarisierungsschemas aufgeschlüsselt werden. Dazu gehört die Frage nach Abraham als dem Vater von

Evaluationsbegriff

Lernfelder im Rahmen interreligiöser Bildung

114

V.

Spezifika des christlichen Glaubens

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

drei Religionen, die Frage, ob Christen und Muslime an denselben Gott glauben (Schweitzer 2014: 188–197), die Frage nach Jesus Christus als dem entscheidenden Distinktivum im Streit der Religionen (ebd.: 197–203) sowie zwei Themenfelder, die sich mit christlichen wie muslimischen Kindern und Jugendlichen in Deutschland bzw. mit dem jüdischen Leben in Deutschland heute auseinandersetzen (ebd.: 203–219). Georg Langenhorst hat in seiner „Trialogische(n) Religionspädagogik“ ebenfalls Lernfelder identifiziert, an denen die gemeinsamen Wurzeln wie auch die getrennten Deutungen (Langenhorst 2016: 254) in den drei Religionstraditionen angesprochen und diskutiert werden können. Diese Lernfelder sind hier die drei Buchreligionen und die damit verbundenen Fragen nach Offenbarung (ebd.: 255–276), nach großen Gestalten der Glaubensgeschichte – Mose, David und die Propheten – (ebd.: 276–299), nach dem Gottesbild der drei monotheistischen Religionen mit dem „Konfliktfall“ Jesus Christus (ebd.: 300–323) und schließlich nach den Konvergenzen im Menschenbild der drei abrahamischen Religionen und den daraus resultierenden Konsequenzen (ebd.: 324–331). Schon aus dieser Zusammenschau von nur zwei Autoren wird deutlich, dass offensichtlich die Frage nach dem Gottesbild und hier im Besonderen nach der Bedeutung Jesu Christi als Mensch gewordenem Gottessohn wie auch die Frage nach den gemeinsamen großen Gestalten der Glaubensgeschichte, vor allem Abraham und Mose, wichtige Anknüpfungspunkte für Diskussionen im Kontext des Ringens um Wahrheit sind. Aus christlicher Perspektive lässt sich der Themenkreis um die Spezifika des christlichen Glaubens aber noch etwas weiterziehen. Folgende fünf Fragen können wesentliche Theologumena des Christentums jenseits seiner Aufspaltung in Konfessionen markieren und somit zu einem fruchtbaren Diskussionsprozess mit Juden, Muslimen, Hindus, Buddhisten und Menschen weiterer religiöser Traditionen anregen:

Gott – als Trinität? Für Christen ist Gott nicht transzendent geblieben, sondern in Jesus Christus in die Geschichte hinabgestiegen und nach dessen Tod und Auferstehung durch seinen wirkmächtigen Geist in Schöpfung und Kirche weiter gegenwärtig. Ein solches Konzept, in dem sich Gott in verschiedenen Seinsweisen in der Wirklichkeit von Raum und Zeit zeigt und als wirksam erweist, ist nicht nur für streng monotheistische Religionen wie das Judentum und den Islam lediglich schwer nachvollziehbar, sondern auch im Raum der asiatischweisheitlichen Religionen nicht unproblematisch, soll es hier nicht zu Missverständnissen und Kurzschlüssen bzgl. anthropomorpher Gottesvorstellun-

6. Die Evaluation interreligiöser Lernprozesse

gen und polytheistischer Konzepte kommen. Entsprechend wird das Konzept der Trinität als christliches Gottesverständnis ein wesentliches Element von Evaluationsbemühungen im Rahmen religiöser Lernprozesse sein.

Jesus – als Mensch gewordener Gott? Da sich das Christentum als Nachfolgegemeinschaft des Jesus von Nazareth versteht, in dem Gott in der menschlichen Geschichte an einem bestimmten Ort erfahrbar geworden ist, muss dieses Element der christlichen Gotteskonzeption in besonderer Weise vorgestellt und bearbeitet werden. Auch Juden und Muslime kennen Jesus von Nazareth, weisen ihm aber unterschiedliche Funktionen und Positionen in ihrer Heilsgeschichte zu. Dass Jesus für Christen nicht nur ein Rabbiner oder ein Gesandter Gottes (Rasul) ist, auf der anderen Seite aber kein Gott in Menschengestalt, wie er in kulturreligiösen Zusammenhängen der asiatischen Religionen vorzustellen wäre, ist entsprechend im Kontext von Evaluationsbemühungen zu diskutieren und zu begründen. Offenbarung – als abgeschlossener Prozess? Während die Trinität und die Bedeutung des Jesus von Nazareth spezifische, aber eben auch essentielle christliche Propria sind, die in der theologischen Interpretation zu gemeinsamen Glaubenselementen von Juden, Christen und Muslimen hinzutreten, so verhält es sich bei der Offenbarung nun anders: Hier ist gerade unter den drei abrahamischen Religionen zu diskutieren, inwieweit das aufbauende Nacheinander von jüdischer Bibel, Neuem Testament und Koran zu verstehen ist. Während Muslime ein Schichtmodell vertreten, in dem der Koran die letzte und abschließende Stufe der Offenbarung darstellt, werden Christen im Kontext von Diskussionen um theologische Wahrheit betonen, dass mit der Schrift des Neuen Testaments ein Offenbarungsprozess abgeschlossen worden ist, in den sich der Koran als Offenbarungsschrift nur noch schwer einfügen lässt. Analog werden jüdische Teilnehmerinnen und Teilnehmer interreligiöser Lernprozesse die christlichen Teile der Bibel und den Koran beurteilen. Der Mensch – gerechtfertigt durch den Glauben? Christen unterschiedlichster Konfessionen sind inzwischen wieder darin übereingekommen, dass die Rettung des Menschen allein von der Gnade Gottes abhängig ist und nicht durch seine eigene Leistung bewirkt werden kann. Seit Paulus und in besonderer Weise seit dem Wirken Luthers als wichtigstem Vertreter der frühneuzeitlichen Reformation hat dieses Theologumenon in der christlichen Anthropologie wie auch Gnadenlehre ein ganz besonderes

115

116

V.

Vom Leitbild zu den Methoden – Perspektiven

Gewicht. Während sich in den verschiedenen Frömmigkeitsformen des Hochund Spätmittelalters durchaus Elemente finden, die Referenzen in den kulturreligiösen Traditionen Asiens bis heute zeigen – mechanistisches Gebets- und Ritualverständnis, Opferwesen und Ahnenkult – so hat sich durch das Wirken Martin Luthers und anderer Reformatoren inzwischen die Rechtfertigung allein aus dem Glauben durchgesetzt. Diese wird bei jüdischen Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmern durchaus auf Verständnis stoßen, während im Islam die Situation des Menschen vor Gott wieder eine andere ist, in der in diesem Fall auch Leben und Werk eine ganz besondere Rolle spielen. Entsprechend lädt auch dieses Thema ein zu Diskussion und Evaluation.

Ewigkeit – als Überwindung des Todes? Der wohl deutlichste Unterschied in der Glaubenslehre zwischen den abrahamischen Religionen, die im vorderen Orient entstanden sind, und den asiatisch-weisheitlichen Religionen liegt im Weltbild und der Vorstellung, wie sich Raum und Zeit nach dem Tod des Einzelnen wie nach dem Untergang dieser Welt gestalten. Es geht also um die Frage nach dem individuellen wie kollektiven Weiterleben nach der jetzt erfahrbaren Wirklichkeit. Während Judentum, Christentum und Islam hier ein lineares Schöpfungsverständnis vertreten, in dem sowohl der Einzelne als auch später die ganze Welt durch das Gericht Gottes in eine neue Existenz berufen wird, sind vor allem im Hinduismus und Buddhismus Reinkarnationsvorstellungen, denen ein zyklisches Zeit- und Weltbild zugrunde liegt, von großer Bedeutung. Auch dieses Thema lädt entsprechend ein, über die theologische Qualität von solchen Vorstellungen und Weltbildern zu diskutieren und entsprechend zu Beurteilungen zu kommen. Zusammengefasst: Mit den Themenfeldern Gott, Jesus, Offenbarung, Rechtfertigung und Ewigkeit sind fünf Theologumena angesprochen, die aus christlicher Sicht ganz wesentlich die Propria des Glaubenssystems einspielen. In der kritischen Auseinandersetzung um diese Themen und in der theologischen Diskussion mit Menschen anderer religiöser Traditionen kann es zu einem produktiven und wertschätzenden Ringen um die Wahrheit kommen, n die für interreligiöse Lernprozesse konstitutiv ist.

Literaturhinweise Auf einen Blick

Eine skizzenhafte Didaktik interreligiösen Lernens kann in fünf Dimensionen beschrieben werden: dem Leitbild, der Organisation, den Inhalten, den Methoden und der Evaluation des interreligiösen Lernens. Das hier formulierte Leitbild sieht interreligiöses Lernen als einen Prozess, der auf die bewusste Wahrnehmung, die angemessene Begegnung und die differenzierte Auseinandersetzung mit Zeuginnen, Zeugen und Zeugnissen fremder Religionen zielt und der alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Bildungsgeschehen zur Konvivenz, also zu einem Miteinander in Respekt und Achtung führen will. Dabei ist es wichtig, dass sich interreligiöses Lernen an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen bzw. auch Erwachsenen orientiert und deren religiösen Glauben in seinen Vorstellungen wie auch in der gelebten Praxis aufgreift. So an der Lebenswirklichkeit von Menschen aus verschiedenen religiösen Traditionen orientierte interreligiöse Bildungsprozesse leben vom Wechsel der Organisationsformen: Auch im Kontext der eigenen Religionsgemeinschaft können im Sinne eines „learning from“ oder „learning about religion“ wichtige Lernschritte im Bildungsgeschehen vollzogen werden, die später dann im interreligiösen Lernen im engeren Sinne, also durch das Begegnungslernen von Menschen aus unterschiedlichen Traditionen eine sinnvolle Ergänzung finden kann. Dieses Miteinander von Menschen in einem religiösen Lernprozess soll im Sinne der komparativen Theologie als ein friedlicher und engagierter Streit um Wahrheit gestaltet sein. Dabei ist es wichtig, dass die Menschen in diesem Ringen um die Wahrheit auf der einen Seite mit der eigenen religiösen Tradition verbunden und vertraut sind, auf der anderen Seite aber sich in Demut, Empathie und der Haltung der Gastfreundschaft den Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen annähern.

Literaturhinweise Benner, D./Schieder. R./Schluss, H./Willems, J. (Hg.): Religiöse Kompetenz als Teil öffentlicher Bildung. Paderborn 2011. Ausführliche Darstellung der beiden Berliner DFG-Projekte, in denen religiöse wie interreligiöse Kompetenz zum ersten Mal konzeptualisiert und überprüft worden ist. Der Maßstab für Projekte zur Kompetenzentwicklung im Bereich der Religionspädagogik. Schambeck, M.: Interreligiöse Kompetenz. Basiswissen für Studium, Ausbildung und Beruf. Göttingen 2013. Eigenständiger Entwurf einer Didaktik interreligiösen Lernens. Eine kreative und schlüssige Konzeption, die ein neues Kompetenzmodell präsentiert und eine Vielzahl von hilfreichen Schaubildern, Grafiken und Überblickdarstellungen bereithält. Schreiner, P./Sieg, U./Elsenbast, V. (Hg.): Handbuch Interreligiöses Lernen. Gütersloh 2005. Umfangreiches Lexikon, das zu fast allen Themen und Bereichen des interreligiösen Lernens einschlägige Artikel enthält. Das Handbuch ist inzwischen auch als Open Access unter: https://comenius.de/biblioinfothek/open_ access/Handbuch_interreligioeses_Lernen_2013_open_access.php abrufbar. Von Stosch, K.: Komparative Theologie als Wegweiser. Paderborn 2012. Einführung in Anliegen, Methoden und Literatur der sog. Komparativen Theologie, die einen guten Einblick in die Theologie der Religionen und die wichtigsten Autorinnen und Autoren der in diesem Kontext entstandenen Komparativen Theologie ermöglicht. Willems, J.: Interreligiöse Kompetenz. Theoretische Grundlagen – Konzeptualisierungen – Unterrichtsmethoden. Wiesbaden 2011. Habilitationsschrift, die im Kontext der Berliner DFG-Projekte entstanden ist, und in der Willems das Kompetenzmodell der Studie weiterführt und didaktisch konkretisiert.

117

VI. Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder Überblick

n den vier methodischen Großformen Feste und Feier, Zeugnislernen, Gotteshauspädagogik und Umgang mit Heiligen Schriften sollen im Folgenden wichtige Praxisfelder interreligiösen Lernens vorgestellt und Fragen der praktischen Arbeit erörtert werden: An welche Gemeinsamkeiten in Glaube und Ritual lassen sich Verwandtschaften von Religionen zeigen? Welches Fachwissen aus Judentum, Hinduismus, Christentum und Islam wird zur Gestaltung interreligiöser

A

Projekte benötigt? Was sind theologische und damit verbunden liturgische oder ethische Differenzen zwischen Juden, Christen und Muslimen? Wie lassen sich die Praxisfelder didaktisch und methodisch erschließen? Was ist dabei besonders zu beachten? Die Erfahrungen aus den Good Practice-Projekten des Schulenwettbewerbs „Trialog der Kulturen“ und die Praxisanregungen aus dem Projekt „Kippa, Kelch, Koran“ können erste Antworten auf diese Fragen liefern.

1. Fest- und Fastenzeiten der abrahamischen Religionen gestalten und feiern Zeitordnung: lineare und zyklische Modelle

Religionssysteme nehmen entscheidenden Einfluss auf die Ordnung der individuellen sowie gemeinschaftlichen Zeit (vgl. zu diesem Abschnitt Sajak 2013c: 9–12). Dabei ist dieser Einfluss nicht auf die abendländische Kulturgeschichte und die drei sie prägenden Religionen Judentum, Islam und Christentum beschränkt. Im asiatischen Raum zum Beispiel bewirken zyklische Glaubensvorstellungen eine Deutung der Zeit als endlos bzw. nicht-teleologisch. Die Zeitordnung der abendländischen abrahamischen Religionssysteme entsteht aus einem Zusammenspiel linearer und zyklischer Zeitordnung: Linear ist die individuelle und auch kollektive Biographie in dem Sinne, dass sie sich von Geburt bzw. Anfang und Schöpfung auf das Sterben und den Tod hinbewegt. Die Linearität enthält aber wiederum ein Strukturelement der zyklischen Zeitordnung, die sich in Judentum und Christentum am Sonnen-

1. Fest- und Fastenzeiten der abrahamischen Religionen gestalten und feiern

119

und Mondkalender, im Islam ausschließlich am Mondkalender orientiert. Eine solche Strukturierung ermöglicht die Konstitution individueller und gemeinschaftlicher Geschichte. So kann man Zeit erfahren, deuten und quantifizieren.

Didaktische Reflexion Allen drei abrahamischen Religionen liegt der Gedanke zugrunde, dass Gott nicht jenseits der Zeit steht. Vielmehr ist er zu bestimmten Zeitpunkten in die Geschichte hineingetreten, um die Kommunikation mit den Menschen zu suchen. Im Judentum meint dies die Erschaffung der Welt. Im Christentum lässt sich diese Annahme an die Vorstellung einer Neuschöpfung durch die Menschwerdung Gottes inmitten der Geschichte knüpfen. Eigentlich übernimmt das Christentum die Zeitstruktur aus dem Judentum, modifiziert diese allerdings durch die Überzeugung, dass Gott selbst in der Gestalt des Jesus von Nazareth in die Zeit eingetreten ist. Die Geburt Christi wird schließlich auch Anfangspunkt der neuen, christlichen Zeitrechnung. Analoges lässt sich für den Islam feststellen: Die Ordnung der Zeit ist auf den Propheten Muhammad zurückzuführen. Die islamische Zeitrechnung findet ihren Anfang deshalb in der Hidschra, der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina. Nach und nach hat sich um die prägenden Gestalten der abrahamischen Religionen eine Erinnerungskultur entwickelt, die ein besonderes Gedenken umfasst. So werden beispielsweise besondere Ereignisse im Leben von Abraham, Mose, Jesus von Nazareth und Muhammad erinnert und gefeiert. Eine solche Kultur erwächst aus dem Zusammenspiel von zyklischer und linearer Zeitstruktur. Weil die Erinnerungsmomente zyklisch sind und damit wiederkehren, werden sie in den verschiedenen Religionen regelmäßig feierlich begangen. Mit ihnen sind entsprechende Buß- und Festzeiten verbunden, die wiederum mit Speisegeboten und Mahlvorstellungen korrelieren. Die Ordnung der Zeit hat so auch immer Konsequenzen für eine Ordnung der Schöpfung im Sinne von Speise- und Fastenregeln. Das zyklische Zeitmodell wird für die drei abrahamischen Religionen in Form von Jahresfestkreisen konkret, die eine immer wiederkehrende Reihenfolge von Fasten- und Feiertagen aufweisen. Der jüdische Jahreskreis richtet sich als Lunisolarkalender an den Mondphasen aus, berücksichtigt aber durch das Einfügen von Schaltmonaten auch das Sonnenjahr. Das jüdische Jahr beginnt im Herbst mit dem Tischri. In diesem Monat wird der Schöpfung der Welt und der Erschaffung der Menschheit gedacht. Ihm entspricht ein Fest namens Rosch Haschana, welches später genauer erläutert wird. Der in einen Mondzyklus geteilte Monat weist in der

Die Ordnung der Zeit

Der religiöse Jahreskreis

120

VI.

Religiöse Mahlzeiten

Religiöse Lebenszeiten

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Regel eine Unterteilung in vier bzw. fünf Sieben-Tage-Wochen auf. Der Sabbat gilt dabei als Fest- und Ruhetag und bezieht sich auf das Ruhen Gottes nach der Schöpfung der Welt. Im Christentum findet man dieses Sieben-Tage-Schema wieder. Der Sabbat erfährt jedoch Ersatz durch den Sonntag als Auferstehungstag, an dem man der Auferstehung Jesu Christi von den Toten gedenkt. Das gesamte christliche Kirchenjahr ist an diesem zentralen Heilsereignis ausgerichtet. Im Islam gewinnt das Jahr seine zyklische Struktur vor allem durch die Berufung und den Weg des Propheten Muhammad. Die Woche ist ausschließlich durch den Mondkalender strukturiert. Sie beginnt mit dem Sonntag und endet mit dem Samstag christlicher Zeitrechnung. Der Freitag als der vorletzte Wochentag gilt hier als wöchentlicher Feiertag. Die Kalendarien der drei abrahamischen Religionen bilden die Basis für die Entstehung bestimmter Fasten- und Speiseregeln, die bedeutsamen Einfluss auf das Leben der Religionsgemeinschaften nehmen. Die Dynamik von Fasten und Feiern soll Gläubigen dazu verhelfen, besondere religiöse Ereignisse nachzuvollziehen. Im Judentum wird an mehreren Fasttagen auf Nahrungsaufnahme vollständig verzichtet, beispielsweise am Versöhnungstag Jom Kippur. Das Christentum kennt die Fastenzeit als österliche Vorbereitungszeit oder als Vorbereitungszeit im Advent. Auch das Fasten am Todestag Jesu, dessen an jedem Freitag gedacht wird, gehört zur christlichen Kultur. Im Islam erhält das Fasten eine enorme Bedeutung, macht sogar eine der fünf Säulen der Religionsgemeinschaft (Saum) aus. Vor allem meint Fasten hier die Enthaltsamkeit im Fastenmonat Ramadan. Doch auch außerhalb dieser zentralen Fasten- und damit einhergehenden Feierzeiten kennen die abrahamischen Religionen Speiseregeln als Hervorbringung der kulturellen Tradition. Im Judentum und frühen Christentum sind diese vor allem strenge Speisevorschriften des mosaischen Gesetzes, im Islam Regeln aus Koran und Sunna. Hierbei fällt auf, dass Islam und Judentum Speisevorschriften gemeinsam haben. So teilen sie beispielsweise das traditionelle betäubungslose Schlachten und lehnen Schweinefleisch als unrein ab. Im Christentum wurden viele Vorschriften mit der Zeit bedeutungslos, kulturprägend ist heute besonders der Wechsel von Fisch und Fleisch wie von Bier und Wein als Fasten- bzw. dann als Feierspeise. Die lineare Zeitordnung hat auch eine starke Bedeutung für die Entwicklung des Individuums. Es eint alle abrahamischen Religionen, dass sie durch Riten und Rituale an bestimmten Punkten im Leben einen religiösen Deutungsrahmen zur Verfügung stellen und so der Erfahrung der eigenen Kontingenz helfend begegnen. Die Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft wird als

1. Fest- und Fastenzeiten der abrahamischen Religionen gestalten und feiern

eine Form der zweiten Geburt gefeiert. In diesem Kontext kennen Judentum und Islam die Beschneidung, die großen Konfessionen des Christentums die Säuglingstaufe. Zur Initiation im Jugendalter wird im Judentum die Bat bzw. Bar Mizwa gefeiert, im Christentum Konfirmation bzw. Firmung. Die Eheschließung, verstanden als eine Grundlage von Generativität und Wachstum, wird in allen drei abrahamischen Religionen mit heiligen Handlungen gestaltet. Das Sterben und der Tod erfahren in fast allen Religionen als eine Form des Übergangs besondere religiöse Gestaltung. Fest- und Fastenzeiten strukturieren also das Leben von Individuen sowie Gemeinschaften in den drei abrahamischen Religionen. Dieses enormen Einflusses müssen sich auch die Lernenden bewusst werden. Gerade, weil die drei abrahamischen Religionen trotz dieser großen Gemeinsamkeit auch viele Unterschiede aufweisen, ist es für ein interreligiöses Lernen unabdingbar, die heiligen Zeiten aller Religionen als ein bedeutendes Strukturprinzip wahrzunehmen, zu reflektieren und mitzugestalten. Besonders dem Aspekt der (Mit-)Gestaltung muss dabei jedoch eine große Sensibilität entgegengebracht werden.

121

Didaktisches Potential

Methodische Anregungen: Projektideen Die im Folgenden vorgestellten Projekte aus dem Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung „Trialog der Kulturen“ dienen der Entwicklung und Vertiefung der beiden elementaren Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich von Religion, nämlich der Deutungs- und Partizipationskompetenz:

Religiöse Kenntnisse Zyklische wie biografische Zeitordnungen sowie die damit verbundenen Lebensregeln (Fasten, Essen, Feiern, Trauern) in Judentum, Christentum und Islam

Deutungskompetenz

Partizipationskompetenz

Erkennen und Deuten von religiösen Formen der Lebensführung und Lebensgestaltung

Verhalten im Rahmen religiöser Feste und Feiern unterschiedlicher religiöser Tradition und Beurteilung dieser

Im Kontext einer zunehmenden Multikulturalität und -religiosität der Schulgemeinschaften kann die Rhythmisierung eines Schuljahres sich nicht weiterhin ausschließlich an den christlichen Fest- und Feiertagen orientieren.

Abb. 43 Kompetenzentwicklung im Rahmen der Auseinandersetzung mit Fest-, Fastund Feierzeiten in den drei abrahamischen Religionen Projektidee 1: Einen trialogischen Festkalender erstellen

122

VI.

Projekt Jahresfestkreisuhr

Abb. 44 Trialogischer Jahreskreis in Foyer der Regenbogenschule Berlin-Neukölln (Copyright CPS)

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Vielmehr müssen in abrahamisch geweiteter Perspektive auch die Festkreise des Judentums und Islam in der Schulkultur nicht nur bedacht, sondern verankert werden. Die Schule kann als Erfahrungs- und Berührungsraum mit religiösen Festen und Ritualen, die ohnehin eine besondere Faszination ausüben, vielfältige Lernchancen eröffnen. Schülerinnen und Schülern sind bereits die Ursprünge der eigenen Feste oft unbekannt geworden. Durch das bewusste Wahrnehmen, Reflektieren und Gestalten der Jahresfestkreise abrahamischer Religionen kann ein neuer Zugang zu diesen, aber auch zu den Festen anderer Religionen geschaffen werden. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich intensiv mit den Festkreisen der drei abrahamischen Religionen auseinander und integrieren diese gestalterisch in den Schulalltag. Der produktorientierten Erarbeitung eines trialogischen Festkalenders für die Schulgemeinschaft folgte das Gestalten von Festkreisuhren. Mit diesen kann die multireligiöse Schulgemeinde ein deutlicheres Bewusstsein für die Festzyklen von Judentum, Christentum und Islam mit ihren Gemeinsamkeiten und Differenzen entwickeln. Darüber hinaus kann der Dialog gefördert werden, indem konkreten Elementen religiöser Feste im schulischen Rahmen Raum gegeben und das Gespräch mit Zeuginnen und Zeugen des Glaubens gesucht wird.

1. Fest- und Fastenzeiten der abrahamischen Religionen gestalten und feiern

Religiöse Feste sind oft unmittelbar verbunden mit bestimmten Mahlzeiten und Ritualen, denen ein religiös-symbolischer Gehalt zugesprochen wird. Bedeutsam sind hierbei vor allem die Speisevorschriften, die alle kulturellen Traditionen der abrahamischen Religionen kennen. Sie üben in unterschiedlicher Strenge prägenden Einfluss auf den Lebensalltag von Juden, Christen und Muslimen aus. Fremden Religionen kann man sich deshalb in besonderer Weise annähern, indem man Schülerinnen und Schülern das sinnenhafte Schmecken und Kosten solcher Speisen ermöglicht, die im Zusammenhang mit den Festen dieser Religionen stehen. Am Beispiel des Essens können Schülerinnen und Schüler für die Speisevielfalt in unserer religiös und kulturell pluralen Gesellschaft und deren Einfluss auf das alltägliche Leben von Gläubigen sensibilisiert werden. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten sich in die Speisetraditionen und -gesetze von Judentum, Christentum und Islam ein und erkennen die religiöse Begründung dieser. Lebensmittel werden dann unter der Leitfrage, wie gemeinsames Speisen von Juden, Muslimen und Christen bei einem „Buffet der Begegnung“ ermöglicht werden kann, auf ihre Trialogtauglichkeit untersucht. Die Schülerinnen und Schüler sammeln dabei Rezepte und halten diese in einem Trialogischen Kochbuch fest. Geburt, Heirat, Krankheit und Tod gehören in unterschiedlichen Formen zu den Erfahrungen aller Menschen. In den Religionen können sie durch rituelle Feste eine religiöse sakramentale Deutung erfahren. Auch nichtreligiösen Schülerinnen und Schülern sind besondere Gestaltungsformen für zentrale Lebensereignisse bekannt. Häufig verfährt man bei solchen Ereignissen (oft unbewusst) analog zu religiösen Festen. Die Beschäftigung mit den lebenszeitlichen Feiern in Islam, Christentum und Judentum weist also einen enormen Biographie- und Lebensbezug auf und kann den lebensweltlichen sowie kulturgeschichtlichen Horizont erweitern. Gewiss bietet sich in diesem Kontext auch eine Auseinandersetzung mit Religionen beispielsweise aus dem asiatischen Raum an, um einen von der eigenen Lebenswelt vielleicht deutlicher entfernten Umgang mit Themen wie dem Sterben und dem Tod kennenzulernen. Ziel soll es sein, Schülerinnen und Schüler für die Wahrnehmung verschiedener Todesvorstellungen, Vorschriften im Umgang mit Toten, Bestattungsriten und Trauerzeiten zu sensibilisieren. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten und reflektieren das Thema Tod und Sterben in den abrahamischen Religionen. Unter besonderer Berücksichtigung der kulturellen und religiösen Gesellschaftsrealität suchen sie nach Formen und Angeboten der religionsspezifischen Bestattung in ihrem lokalen Umfeld. Durch die Entwicklung anschaulicher Tabellen kann die Aufmerksamkeit für unterschiedliche Bestattungsbedürfnisse von gläubigen Juden,

123 Projektidee 2: Ein trialogisches Kochbuch entwickeln

Projekt Trialogisches Kochbuch

Projektidee 3: Sich trialogisch mit dem Tod auseinandersetzen

Projekt Am Anfang schon am Ende?

124

VI.

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Christen und Muslimen geschärft und anschließend Hinweise für trialogisch sensible Bestattungsangebote erstellt werden.

Abb. 45 Inhaltsverzeichnis des Trialogischen Kochbuchs, entwickelt von der Emil-Fischer-Schule (Copyright CPS)

2. Zeugnisse der Weltreligionen entdecken und

125

2. Zeugnisse der Weltreligionen entdecken und erschließen Der Ansatz des Zeugnislernens ist Mitte der 1990er Jahre in England aus dem Anliegen entstanden, in interreligiösen Lernprozessen sowohl dem inhaltlichen Anspruch der Weltreligionen als auch der Erfahrungswelt gerade jüngerer Schülerinnen und Schüler im Vorschul- und Primarbereich gerecht zu werden (vgl. IV. 4.). So will die Methode zum einen „eine vertiefte und ausführliche Begegnung mit einem Aspekt oder einem Gegenstand religiösen Glaubens, der wegen seiner Bedeutsamkeit und Heiligkeit ausgewählt wurde“ (Hull 2000: 155). Zum anderen berücksichtigt sie aber auch in spezifischer Form die Erfahrungsdimension von Schülerinnen und Schülern: „Der Ansatz der ‚Gabe‘ regt die Erfahrung des Schülers an, ohne etwas vorauszusetzen. Er geht den Weg von der Religion zur Erfahrung, nicht umgekehrt“ (ebd.: 158). Damit leistet „Die Gabe an das Kind“ einen wichtigen Beitrag zu einer entwicklungspsychologisch reflektierten interreligiösen Didaktik, in der „die Begegnung mit religiösen Items eine Anregung und Bereicherung für die soziale, persönliche, moralische, spirituelle und geistige Entwicklung des Kindes darstellt“ (ebd.: 152).

Didaktische Reflexion Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist es, eine Religion mittels eines Items, das im deutschen Diskurs nach Karlo Meyer (1999) und Stephan Leimgruber (2007) „Zeugnis“ genannt wird, den Schülerinnen und Schülern vorzustellen und so einen Lernprozess zu initiieren. Ein solches Zeugnis, in Anlehnung an Rudolf Otto auch „Numen“ genannt, kann ein Wort („Halleluja“), ein Klang (der Gebetsruf des Muezzin), eine Geschichte (Jona und der Wal), eine Statue (Ganesha, der Elefantengott), ein Aspekt spiritueller Realität (ein Engel) oder eine Person (ein buddhistischer Mönch) sein. Wichtig ist, dass das Item exemplarisch für Leben und Glauben der betreffenden Religionsgemeinschaft ist und dass es bedeutsam für die Entwicklung und den Lernprozess des Kindes ist (Grimmitt et al. 1991). Bei der Auswahl der Zeugnisse kann man systematisch vorgehen, so wie es z.B. Werner Haußmann (2008: 48–50) unternommen hat. Es entstehen dann Kategorienmuster aus religionswissenschaftlicher bzw. religionsphänomenologischer Perspektive wie das Folgende:

Die Idee: A Gift to the Child

Der Grundgedanke: Zeugnislernen

126

VI.

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Religiöse Artefakte

Abb. 46 Kategorisierung von religiösen Zeugnissen aus Judentum, Buddhismus, Christentum und Islam vom Werner Haußmann (2008: 49)

Religiöse Zeugnisse auswählen

Religion und Alltag

Gebet Tefillin Mandala Rosenkranz Gebetsteppich

„Heiliges“ Mesusa Hausaltar Haussegen Kalligrafie

religiöse Symbole Magen David Buddhistische Fahne Kreuz-Anhänger Hand-Anhänger

Fest und Feier

persönliches Fest Mizwa-Karte Mönchsgewand Konfi-Urkunde Zamzam-Wasser

Feiertag (Woche) Menora Blumen, Kerzen Abendmahl Tesbih

Fest im Jahreskreis Chanukkia Halmbündel Osterkerze Eid-Karte

Glaube und Gemeinschaft

„Repräsentanten“ Rabbiner-Ornat Mönchsfächer Priester-Stola Imam-Ornat

soziales Handeln Zedaka-Büchse Bettelgeschirr Sammelbüchse Zakat-Urkunde

Diesseits & Jenseits Tallit Chedi/Stupa Grabmal Pilgergewand

Lehre und Schriften

„Heilige“ Personen Mose-Miniatur Tanka-Rollbild Krippe Sunna

Heilige Schriften Yad (Tora) Palmblatt-Suren Bibel Koranständer

„Hausbücher“ Haggadah Jataka-Karten Gesangbuch Hadith Qudsi

Eine solche Gliederung der Zeugnisse in ein Zwölf-Felder-Schema kommt zwar den religionskundlichen Domänen und ihren religionswissenschaftlichen Reflexionsmodi entgegen, ist aber mit Blick auf die Kriterien des Exemplarischen und des Zugänglichen nicht immer hilfreich. Im Münsteraner Projekt ist im kritischen Wechselspiel von unterrichtlicher Erprobung und religionsdidaktischer Reflexion versucht worden, Zeugnisse für jede der fünf Weltreligionen zu finden, an denen sich die elementaren Glaubensvorstellungen und die gängigen Glaubenspraktiken der jeweiligen Religion gut entwickeln lassen. Viele dieser Zeugnisse sind hier in Deutschland zugänglich und erwerbbar oder sie sind in sogenannten „Medienkoffern“ zu Weltreligionen in vielen Diözesen oder Landeskirchen ausleihbar. Durch großformatige Fotos ist versucht worden, brauchbare Kopier- und Folienvorlagen zu gestalten. Außerdem wird an verschiedenen Stellen durch zusätzliches Fotomaterial gezeigt, wie sich der Gebrauch der Zeugnisse im Alltag der jeweiligen Kultur oder im Kult dieser Religionsgemeinschaft vorzustellen ist.

2. Zeugnisse der Weltreligionen entdecken und

127

Abbildung 2 - Gotisches Kreuz Lebensbaum

Abbildung 3 - Die Osterkerze

Abbildung 4 Eucharistiekelch, St…

Abbildung 5 - Der Rosenkranz

Abbildung 6 Christus-Ikone aus d…

Abbildung 9 - Tallit und Tefillin

Abbildung 10 - Die Mesusa

Abbildung 11 Torafinger Jad

Abbildung 12 Die Kippa

Abbildung 13 Menorah

Abbildung 16 Koranseite 1578 n. Chr.

Abbildung 17 Gebetsteppich…

Abbildung 18 Kopftücher

Abbildung 19 Gebetskette

Abbildung 20 Miswak

Abbildung 23 Mädchen mit Bindi

Abbildung 24 Fenster mit AUM…

Abbildung 25 - Yantra aus Wikipedia

Abbildung 26 Lotusblüte

Abbildung 27 Shivastatue

Abbildung 30 Buddha-Statue

Abbildung 31 Achtfaches Rad

Abbildung 32 Glocke & Vaija

Abbildung 33 Gebetsmühle

Methodische Anregungen: Erschließungsschritte Auch die im Folgenden vorgestellten Erschließungsschritte des Zeugnislernens dienen der Entwicklung und Vertiefung der beiden elementaren Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich von Religion, nämlich der Deutungsund Partizipationskompetenz:

Abbildung 34 Almosenschale

Abb. 47 Kategorisierung von religiösen Zeugnissen aus Judentum, Christentum und Islam, Hinduismus und Buddhismus von Clauß Peter Sajak (2010a)

128

VI.

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Religiöse Kenntnisse Kultgegenstände u. i. Funktion in Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus

Abb. 48 Kompetenzentwicklung im Rahmen des Zeugnislernens

Vier Phasen des Zeugnislernens

Phase der inneren Beteiligung (Engagement Stage)

Phase der Entdeckung (Exploration Stage)

Phase der Kontextualisierung (Contextualization Stage)

Deutungskompetenz

Partizipationskompetenz

Erkennen und Deuten von Gegenständen aus der religiösen Praxis

Verhalten zu / Verwenden von Gegenständen aus der religiösen Praxis und Verbinden mit der eigenen Tradition

John Hull, zusammen mit Michael Grimmitt der Vater der Methode, benennt in seiner Reflexion des Ansatzes vier Phasen, in denen die Begegnung der Schülerinnen und Schüler mit einem religiösen Zeugnis vollzogen wird (Hull 2000: 145–150). In der Phase der inneren Beteiligung wird das Zeugnis so vorgestellt, dass die Aufmerksamkeit und das Interesse der Lerngruppe geweckt werden. Die Wirkung des Zeugnisses soll Schülerinnen und Schüler auch in ihrem Inneren beteiligen und nicht gleichgültig lassen. Hull nennt als Beispiel die Einführung des Elefantengottes Ganesha in einer Grundschulklasse: Die vielgestaltige Statue des Gottes wurde schrittweise enthüllt, während die Kinder aufgefordert waren, ihre Beobachtungen zu nennen. Gefesselt und engagiert wetteiferten die Schülerinnen und Schüler darum, die verschiedenen Skulpturteile – Ratte, Schlange und schließlich der Elefantenkopf – zu benennen, bis sie sich von der Gesamtgestalt überrascht zeigten. „Die ‚innere Beteiligung‘ entstand ganz einfach während der Enthüllung der Statue“ (ebd.: 146). In der Phase der Entdeckung werden die Kinder nun aufgefordert, das Zeugnis genauer zu untersuchen. Die Statue wird in allen Details von allen Seiten gezeigt, eine Geschichte wird nun komplett vorgelesen, ein Musikstück vollständig abgespielt. Hier ereignet sich die konkrete Begegnung mit dem Zeugnis, das, was in der traditionellen Didaktik ‚Aneignung‘ genannt wird. „Die Exploration geht mit der Aufforderung einher, sich ihm zu nähern und kraft der eigenen Fantasie in seine Welt einzutauchen“ (ebd.: 148). Im nächsten Schritt, der Phase der Kontextualisierung, wird den Kindern aufgezeigt, in welchem Zusammenhang das Zeugnis im religiösen Alltag steht: Die Statue des Elefantengottes wird mit Kerzen und Rosenblüten in einen Schrein gestellt, der Muezzin-Ruf wird in seiner Funktion vor dem Gebet ge-

2. Zeugnisse der Weltreligionen entdecken und

129

Abb. 49 Statute der Gottheit Ganesah (aus Sajak 2010a: 46)

zeigt, der Engel wird in eine biblische Geschichte funktional eingebettet. Dadurch wird klar, welche Bedeutung dem Zeugnis in der religiösen Praxis der repräsentierten Gemeinschaft zukommt (ebd.: 148–149). Im letzten Schritt, der Phase der Reflexion, sollen die Kinder nun eine Verbindung zwischen dem Zeugnis und ihrem Leben herstellen. Sie erhalten von der Lehrerin oder dem Lehrer eine Aufgabe zum Zeugnis, z.B. den Auftrag, einen schriftlichen Beitrag zu verfassen. Im Falle der Begegnung mit dem Elefantengott Ganesha wurden die Kinder und Jugendlichen aufgefor-

Phase der Reflexion (Reflection Stage)

130

VI.

Schritte im Unterrichtsprozess

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

dert, zwischen verschiedenen Tiermasken zu wählen und eine dieser Masken aufzusetzen. Dabei sollten sie begründen, warum sie sich gerade für dieses Tier entschieden hatten. Im Rahmen der Begegnung mit dem Gebetsruf des Muezzin wurden die Kinder gebeten, sich vorzustellen, sie durften auf einen hohen Turm steigen und etwas der ganzen Schulgemeinde zurufen (ebd: 149–150). Der methodische Duktus von innerer Beteiligung, Entdeckung, Kontextualisierung und Reflexion soll gewährleisten, dass sich Kinder im Rahmen des Unterrichtsprozesses unbefangen mit einem Zeugnis identifizieren können, dann aber auch wieder – nach näherem Hinschauen – eine gewisse Distanz entwickeln. Identifizierung und Distanz sind von entscheidender Bedeutung, weil zum einen nur dieser Zweischritt sicherstellt, dass das Recht des Kindes eingelöst wird, eine Religion kennen zu lernen wie auch sich von dieser zu distanzieren, zum anderen die Trennung von Information über eine Religion und die Instruktion in einer Religion gewahrt bleibt.

3. Gotteshäuser in Judentum, Christentum und Islam erkunden und deuten Gotteshäuser als Begegnungsräume

Menschen der drei abrahamischen Religionen, also Juden, Christen und Muslime, glauben an die Gegenwart Gottes in sakralen Räumen. Gotteshäuser sind für sie ein Ort, an dem sie ihren anwesenden Gott verehren können. Diesen kann somit in mehrfacher Hinsicht eine herausragende Bedeutung zugemessen werden (vgl. zum Folgenden ausführlich Sajak 2012: 9–11). Sie sind zum einen ein Ort von Verehrung und Anbetung, die hier eine besondere Intensität erreichen. Zum anderen nehmen sie auch in der gesellschaftlichen Landschaft eine außergewöhnliche Stellung ein, insofern sie durch ihre architektonische Gestalt einen Ort markieren, der sich nicht unbeachtet in die profane Welt fügt. Ein heiliger Ort will in gewisser Weise abgegrenzt sein von der Stadt mit ihrer durch Zweckrationalisierung und Funktionalisierung dominierten Gegenwart. Die Andersartigkeit der sowohl räumlichen als auch zeitlichen Dimension wird für Besucherinnen und Besucher eines Gotteshauses schnell spürbar. Auch Schülerinnen und Schüler nehmen dies in einer Unterbrechung des hektischen Alltags durch das Eintreten in die meist stille Moschee, Kirche oder Synagoge deutlich wahr. Im sakralen Raum also können Menschen in einem Moment aufgehobener Zeit Gott begegnen.

3. Gotteshäuser in Judentum, Christentum und Islam erkunden und deuten

Didaktische Reflexion Dieses Grundphänomen des heiligen Raumes ist Teil aller abrahamischen Religionen, die sich auf Mose als ihren Stammvater berufen. Im Kontext sakraler Räume lässt sich die in Exodus überlieferte Begegnung des Mose mit Gott folgendermaßen verstehen: Mose betritt einen heiligen Ort. Das Verlassen der profanen Welt und das Eintreten in einen sakralen Ort werden durch die an Mose gerichtete Forderung markiert, seine Schuhe auszuziehen. Auch heute betreten Muslime die Moschee ohne Schuhe. Die räumliche Dimension zeigt sich in diesem Geschehen bereits deutlich angesprochen. Ebenso ist die zeitliche Dimension betroffen: Ein Dornbusch brennt und verbrennt doch nicht, die Zeit scheint aller Gesetzmäßigkeit enthoben. Mose erfährt die Gottesbegegnung also in aller Intensität an einem sakralen Ort in einem Moment aufgehobener Zeit. Die Möglichkeit der Erfahrung einer solchen Gottesbegegnung ist für Juden seit der endgültigen Zerstörung des Tempels in besonderem Weise in der Synagoge gegeben. Hier rufen sie Gott an und erinnern ihn in der Tora-Lektüre. Für Christen ist der bedeutsamste sakrale Raum die Kirche. In Schrift und Sakrament erfahren sie dort Gottes Gegenwart. Muslime kommen in der Moschee zum Gebet zusammen, wie es ihnen der Prophet vorgeschrieben hat. Gotteshäuser haben für die drei abrahamischen Religionen also eine herausragende Stellung, die es mit Schülerinnen und Schülern zu thematisieren gilt. In didaktischer Perspektive sieht man in Gotteshäusern Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung vereint: Als Begegnungsräume nämlich verweisen sie auf religiöse Tradition, auf heutiges gläubiges Leben und auf die eschatologische Dimension. Man kann aus ihnen also über religiöse Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft „lesen“. Um Kinder und Jugendliche zu einer angemessenen Auseinandersetzung mit Religion(en) zu befähigen, ist es notwendig, dass sie lernen, heilige Räume in ihrer besonderen Bedeutung für diese zu begreifen. Das Ziel sollte dabei sein, Gotteshäuser mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu verstehen. Ein solches Verstehen ist immer auch selbstreflexiv, weil es sich zugleich auf die wahrnehmende Person richtet.

Methodische Anregungen: Projektideen Die im Folgenden vorgestellten Projekte aus dem Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung „Trialog der Kulturen“ dienen der Entwicklung und Vertiefung der beiden elementaren Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich von Religion, nämlich der Deutungs- und Partizipationskompetenz.

131

Mose

Didaktisches Potential

132

VI.

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Religiöse Kenntnisse Aufbau, Einrichtung und Funktion von Gotteshäusern aus Judentum, Christentum und Islam

Abb. 50 Kompetenzentwicklung im Rahmen der Entdeckung und Erkundung von Gotteshäusern in den drei abrahamischen Religionen Projektidee 1: Heilige Räume entdecken

Projekt Kinderkirchenführer

Projektidee 2: Heilige Räume im Gespräch deuten

Deutungskompetenz

Partizipationskompetenz

Erkennen und Deuten von religiösen Gebäuden und Räumen mit entsprechender Einrichtung

Verhalten in religiösen Räumen unterschiedlicher Religionen und Vergleichen mit ihren eigenen Traditionen und Positionen

Die mögliche erste Phase der Erschließung eines Kirchenraums soll vor allem die Wahrnehmungskompetenz schulen. Durch die Wahrnehmung und Erkundung anfangs noch fremder heiliger Räume berührt man einen elementaren Anknüpfungspunkt für interreligiöse Lernprozesse. In Gotteshäusern gewinnt man zentrale Einsichten in Bezug auf den jüdischen, christlichen und islamischen Glauben. Sie machen anschaulich, welche Gemeinsamkeiten und auch Besonderheiten die Räume aufweisen. Außerdem sind sie Begegnungsräume mit Gott und deshalb Orte spirituell-religiöser Erfahrungen. In dem folgenden Projekt soll über das Wahrnehmen hin zu einem Verstehen und dadurch einem reflektierten Umgang mit fremden Perspektiven geleitet werden. In einem etwa 8–10 Wochen andauernden Projekt werden Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 4–6 zu Kinderkirchenführerinnen und -führern ausgebildet. In perspektivischer Erweiterung führen sie auch durch Moscheen und Synagogen. Dabei erschließen sie sich die Traditionen und Rituale von Judentum, Islam und Christentum. Die Schülerinnen und Schüler nähern sich dem Gebäude an, betrachten aufmerksam den Bau, erfassen äußere und innere Raumdimensionen und versuchen Achtsamkeit zu entwickeln. Ziel ist die „Alphabetisierung“ im Hinblick auf Synagoge, Kirche und Moschee durch die bewusste Wahrnehmung, das Entdecken und Verstehen. Über die Darstellung des Erschlossenen wird die Repräsentationskompetenz der Schülerinnen und Schüler eingeübt. Die lebendige Wiedergabe des erworbenen Wissens schließt einen Perspektivwechsel mit ein, der zu einer reflektierten Fremdwahrnehmung führen kann. Interreligiöses und interkulturelles Lernen wird erst dort wirklich nachhaltig, wo Menschen aus verschiedenen Traditionen ins Gespräch kommen. Gotteshäuser ganzheitlich zu erschließen bedeutet die Notwendigkeit, sie auch in ihrer subjektiv-biographischen Dimension zu begreifen. Durch authenti-

3. Gotteshäuser in Judentum, Christentum und Islam erkunden und deuten

sche Erzählungen und Erinnerungen von Zeuginnen und Zeugen der jeweiligen Religionen können Schülerinnen und Schüler Gotteshäuser als Orte der Beheimatung und Identitätsstiftung verstehen. Aus Begegnungen dieser Art können dann auch praktische Impulse für den Lebensalltag in einer multikulturellen und -religiösen Gesellschaft gewonnen werden. Schülerinnen und Schüler richten ein interreligiöses, -kulturelles und -generatives Erzählcafé aus. Erzählcafés bieten in informeller und offener Atmosphäre die Möglichkeit, „Grenzen“ zu überschreiten. Sie sind Orte der Begegnung, des Austausches, der Annäherung. Indem die Schülerinnen und Schüler mit Zeuginnen und Zeugen der drei abrahamischen Religionen in einen Dialog treten, begegnen sie konkreten Formen des gelebten Glaubens. Hier geht es um den Austausch mit Individuen, die ihre je eigene Glaubensund Lebensbiographie besitzen. Die Schülerinnen und Schüler können so eine Sensibilität für die Verschiedenheit religiöser Zugänge entwickeln. Zur aktiven und ganzheitlichen Erschließung von Gotteshäusern und der Reflexion gemachter Beobachtungen und Erfahrungen kann die künstlerische Gestaltung religiöser Räume wesentlich beitragen. Einerseits schafft sie neue Perspektiven im Hinblick auf Gestaltung und Symbolik der drei abrahmischen Religionen, andererseits kann sie Schülerinnen und Schülern verschiedener Religionen zu einem konstruktiven Miteinander und damit zur Anregung eines interkulturellen und interreligiösen Lernprozesses verhelfen.

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Projekt Erzählcafé

Projektidee 3: Heilige Räume gestalten

Abb. 51 Der von Schülerinnen und Schülern gestaltete Trialogische Gebetsraum der Fachschule für Sozialwesen in Speyer (Copyright C. P. Sajak)

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VI. Projekt Lebensräume – Lebensträume

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den abrahamischen Religionen und ihren Gotteshäusern bietet es sich an, Schülerinnen und Schüler in ihrer Schule einen trialogischen Andachtsraum gestalten zu lassen. Ausgangspunkt des Gestaltungsprozesses sollten dabei die Wahrnehmung und Erschließung der Sakralräume sein. Besonders in einer kulturell und religiös zunehmend pluralisierten Gesellschaft gewinnt ein solches Projekt an Relevanz.

4. Heilige Schriften aus Judentum, Christentum und Islam verstehen und vergleichen Definition Heiliger Schriften

Die Schriften der Buchreligionen

Hebräische und christliche Bibel

Es gibt verschiedene Definitionen dessen, was unter Heiligen Schriften verstanden werden kann. Dennoch lässt sich die folgende Aussage zum Wesen dieser wohl als gemeinsamer Kern festhalten: Heilige Schriften sind Bücher, in denen die religiösen Traditionen einer Glaubensgemeinschaft dokumentiert, überliefert und verpflichtend gemacht worden sind. Ihnen wird also normative Autorität zugesprochen. Bestimmte Kategorien sind dabei in den Heiligen Schriften aller Religionen auffindbar, beispielsweise Mythen und Sagen über die Schöpfung der Welt, Legenden über die Gründergestalten der Religionsgemeinschaft, zentrale Texte über die Offenbarung Gottes gegenüber ausgewählten Personen. Auch finden sich in ihnen Formeln und Gebete sowie gesetzliche Vorschriften für Kult und Ritus (vgl. ausführlich Sajak 2015a: 9–12).

Didaktische Reflexion Juden, Christen und Muslime werden auch als Menschen der Schrift bezeichnet, denn sie berufen sich auf die verschriftlichten Offenbarungen des einen Gottes gegenüber ausgewählten Menschen im Laufe der Jahrhunderte. Der Islam ist die jüngste der drei abrahamischen Religionen und greift in der Heiligen Schrift des Korans, dem Offenbarungsdokument der Muslime, auf die jüdische und christliche Bibel zurück. Der Prophet Muhammad wird im Islam dementsprechend als Abschluss einer langen prophetischen Tradition verstanden, sodass sich Geschichten und Personen des Korans auch in der jüdischen wie christlichen Bibel finden lassen. Zwischen der hebräischen und der christlichen Bibel lässt sich ein noch viel engerer Zusammenhang feststellen. Unter die hebräische Bibel fasst man die fünf Bücher Mose, die Prophetenbücher und die Weisheitsschriften im Judentum. Juden selbst nutzen eher die Bezeichung TeNaK, die als Akronym für eine Kombination von Tora (das Gesetz Mose), Nebiim (die Propheten) und

4. Heilige Schriften aus Judentum, Christentum und Islam verstehen und vergleichen

Ketubim (die Weisheitsschriften) steht. Das Christentum hat seinen Ursprung in den Ereignissen durch und um den jüdischen Wanderprediger Jesus von Nazareth. Es bezieht sich auf die jüdische Bibel als ursprüngliche Heilige Schrift und Referenzpunkt. Die Verkündigung Jesu ist also nur verständlich unter Bezugnahme auf die Texte des TeNaK, auf die Jesus selbst immer wieder zurückgreift. Erst etwa 100 Jahre nach dem Tod Jesu wurde das Korpus der jüdischen Bibel um Texte mit für die Christen normativem Charakter erweitert. Zentral sind hier die vier Evangelien, die Jesus von Nazareth als den verheißenen Christus schildern. Neben den Evangelien umfasst die christliche Bibel eine Briefsammlung, die maßgeblich auf Briefe des Apostels Paulus und seine Schüler zurückgeht und dementsprechend als Corpus Paulinum bezeichnet wird, die Apostelgeschichte sowie die sogenannte Offenbarung des Johannes. Geläufig ist die Bezeichnung des ersten, mit der jüdischen Bibel identischen Teils als Altes Testament und des hinzugekommenen Teils als Neues Testament. Diese Begriffe sind jedoch in Diskussion geraten, sodass man mittlerweile auch vom Ersten und Zweiten Testament spricht, um einer abwertenden Deutung des Alten Testaments als überholt entgegenzutreten. Der historische sowie inhaltliche Zusammenhang zwischen TeNaK, Bibel und Koran ist so eng, dass Judentum, Christentum und Islam auch als kontinuierliche auslegende Fortschreibung der hebräischen Bibel gelesen werden. So gesehen kann die Ausdifferenzierung der asiatisch-weisheitlichen Religionen von Buddhismus, Konfuzianismus und Taoismus analog als Entfaltung des buddhistischen Tripitaka verstanden werden. In den weisheitlichen Religionen des Fernen Ostens stehen jedoch weniger die Heiligen Schriften als vielmehr die Lehre selbst im Zentrum des religiösen Traditionsprozesses. Zwischen den drei abrahamischen Religionen gibt es in Bezug auf ihr jeweiliges Offenbarungsmedium einen bedeutsamen Unterschied: Juden und Muslime verstehen ihre Heiligen Schriften, also den TeNaK und Koran als offenbartes Wort Gottes an die Propheten. Das Christentum verschiebt den Akzent: In seinem Heiligen Buch wird von Jesus, dem Christus, berichtet. Als Mensch gewordener Gottessohn ist er die Offenbarung Gottes selbst und ist in seinem offenbarungstheologischen Status deshalb analog zu betrachten zum Wort Gottes im Koran. Besonders der Vergleich mit den fernöstlichen Weisheitsreligionen verdeutlicht den enormen Wert der Heiligen Schriften für die dementsprechend auch sogenannten Buchreligionen. Möchte man Kinder also zur angemessenen Auseinandersetzung mit Judentum, Christentum und Islam befähigen, ist es absolut notwendig, dass sie lernen, die Heiligen Schriften der abrahamischen Religionen in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden wahrzunehmen, aufzunehmen und zu reflektieren.

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Unterschiede im Offenbarungsmedium

Didaktisches Potential

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VI.

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

Dabei darf es nicht bloß um die Rezeption biblischer und koranischer Texte in ihrer überlieferten Gestalt gehen. Vielmehr sollen Schülerinnen und Schüler sich in einer produktiven und kreativen Weise mit den Glaubensurkunden auseinandersetzen.

Methodische Anregungen: Projektideen Die im Folgenden vorgestellten Projekte aus dem Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung „Trialog der Kulturen“ dienen der Entwicklung und Vertiefung der beiden elementaren Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich von Religion, nämlich der Deutungs- und Partizipationskompetenz:

Religiöse Kenntnisse Heilige Schriften in den drei monotheistischen Religionen und ihr spezifischer Offenbarungscharakter

Abb. 52 Kompetenzentwicklung im Rahmen der Erschließung der Heiligen Schriften in den drei abrahamischen Religionen Projektidee 1: Heilige Schriften erschließen

Projekt Wurzeln im Garten der Welt

Projektidee 2: Abraham in TeNaK, Bibel und Koran

Deutungskompetenz

Partizipationskompetenz

Einordnen, Erläutern und Interpretieren von Texten aus den heiligen Büchern einer Religion

Erkennen der besonderen religiösen Bedeutung von Begriffen, Texten oder Büchern und Verhalten zu diesen

Für eine ganzheitliche Erschließung der Schriften aus Judentum, Christentum und Islam ist zunächst ein elementares Basiswissen unabdingbar. So sollen TeNaK, Bibel und Koran anfangs durch die Schülerinnen und Schüler sachorientiert als Geschichts- und Glaubensdokumente erschlossen und als Sprachdokumente analysiert und interpretiert werden. Mit diesem kognitiven Zugang soll aber auch eine persönlich-existenziale Auseinandersetzung mit Textauszügen verbunden werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich an die Wurzeln der abrahamischen Religionen, an ihre Heiligen Schriften also, wagen. Sie entwickeln ein Verständnis dieser als zentrale Offenbarungsurkunden und relevante Überlieferungen religiöser Traditionen. Der Fokus soll hierbei auf der Handhabung der Heiligen Schriften in der Glaubenspraxis und Gemeinsamkeiten und Unterschieden in diesem Kontext liegen. Im Umgang mit den Heiligen Schriften der abrahamischen Religionen bietet sich nicht nur ein sachorientierter Zugang an. Als Zeugnisse des Glaubens erzählen TeNaK, Bibel und Koran von Menschen und ihren Erfahrungen

4. Heilige Schriften aus Judentum, Christentum und Islam verstehen und vergleichen

mit Gott. Indem Schülerinnen und Schülern die zentralen Gestalten des Glaubens nähergebracht werden, wird der häufigen Fremdheit im Umgang mit Heiligen Schriften entgegengewirkt. Gerade über die Personen in den Heiligen Schriften lässt sich eine Brücke in die heutige Lebenswelt schlagen und fragen, was sie aktuell noch zu sagen haben. Schülerinnen und Schüler sollen sich im Rahmen dieses Projekts auf die Begegnung mit zentralen Gestalten in den Heiligen Schriften von Judentum, Christentum und Islam einlassen. Eine besonders wichtige Begegnung muss im Rahmen der drei Religionen jene mit Abraham, ihrem gemeinsamen Stammvater, sein. Die Schülerinnen und Schüler werden zur Beschäftigung mit Erzählsträngen zu den jeweiligen Personen angeleitet. Sie sollen sich in die Person einfühlen und nach der heutigen Relevanz dieser und den sich eröffnenden Lernchancen fragen. Im Wechselspiel von Identifikation und Distanzierung kann so ein neuer Zugang zu den Heiligen Schriften ermöglicht werden. Die jahrtausendlange Rezeptionsgeschichte von Judentum, Christentum und Islam zeigt sich auch in Kunst, Musik und Literatur. In der Weltliteratur tauchen Motive und Figuren der biblischen und koranischen Überlieferung immer wieder auf. So können fiktionale Texte eine Gelegenheit bieten, sich in fremde Personen und unbekannte Glaubenstraditionen einzufühlen und auf dem Wege dieses Perspektivwechsels das bisher Erlernte zu vertiefen. Schülerinnen und Schüler schreiben einen trialogisch relevanten Text der Weltliteratur, beispielsweise Gotthold Ephraim Lessings Ringparabel „Nathan der Weise“, um und entwickeln so eine gegenwartsbezogene Textversion. Auf diese Weise können neue Impulse für die Frage nach dem Miteinander von Juden, Christen und Muslimen gewonnen und kreativ verarbeitet werden. n

Auf einen Blick

Die Feiern, Fest- und Fastenzeiten der abrahamischen Religionen, die Erkundung von Zeugnissen aus der religiösen Praxis, die Entdeckung von Gotteshäusern in Judentum, Christentum und Islam und die Erschließung von Tora, Bibel und Koran als Offenbarungsschriften sind methodische Großformen interreligiösen Lernens, mit deren Hilfe in verschiedenen Altersstufen Kinder und Jugendliche angeleitet werden können, theologische Fragen aus der Perspektive verschiedener Religionen zu diskutieren, religiöse Kompetenzen zu entwickeln und ihre Haltungen gegenüber Menschen anderen Glaubens zu reflektieren und ggf. zu ändern. So können die bewusste Wahrnehmung, die angemessene Begegnung und die differenzierte Auseinandersetzung mit Zeuginnen, Zeugen und Zeugnissen anderer Religionen als wichtigste Bildungsziele interreligiöser Bildungsprozesse eingeübt und eingeholt werden.

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Projekt Abraham begegnen

Projektidee 3: Heilige Schriften und ihre Rezeption

Projekt Lessing in Lamboy

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VI.

Vom Jahreskreis zur Schriftlektüre – Praxisfelder

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Personenregister Asbrand 92 Assmann 35

Barth 37 Bauer 74, 92 Bauks 35 Baumert 28 Baur 76 Benner 68, 92, 98–99, 101, 117 Bennett 69, 106 Bernhardt 46 Bernlochner 71 Bettin 111 Biricik 109 Boehme 93 Braunmühl 74 Brüll 111, 138 Bucher 91, 103

Clooney 49 Cornille 49, 103, 106

Denzinger 36 Doedens 73 Dressler 25, 99–100 Dupuis 48 Elsenbast 94, 98, 117 Englert 99, 113 Fischer 94, 98 Fowler 88, 106 Fredericks 49 Frisch 110 Gärtner 111 Glock 15 Glöckner 111 Gmünder 106 Gnilka 111 Gold 23 Grümme 10 Grünschloß 41 Grimmitt 54, 90, 110, 125, 128 Halbfas 55, 107

Hasselhorn 23 Haußmann 62, 64, 109, 111, 125 Hennecke 21 Hick 46 Holzbrecher 27 Hugoth 109 Hull 62, 91, 110, 125, 128 Hünermann 39 Huntington 9

Ittmann 138 Jackson 91, 96, 110 Kamcili-Yildiz 109 Kaul-Seidmann 78 Khorchide 93 Klutz 92 Knauth 72, 92 Knitter 45 Kohlberg 106 Könemann 92 Kuschel 37

Langenhorst 79, 82, 114 Lähnemann 56, 61, 82, 108–110 Leggewie 111 Lehmann 31 Lehner-Hartmann 92 Leimgruber 26, 82, 111, 125 Luckmann 17 Maschwitz 138 Mendl 108 Meyer 59, 97, 110–111, 125 Moran 103–104, 106 Möller 53, 93 Muth 67 Nipkow 83 Oser 88, 106 Otto 125 Pemsel-Maier 93 Pickel 13, 17

148

Personenregister Pollack 16 Popp 54

Rahner 37 Renz 111 Rickers 25 Rudolf 99, 109, 113, 125

Sajak 14, 83–84, 91–93, 95, 110–111, 118, 130, 134 Schambeck 60, 83, 89, 99, 101–103, 117 Schieder 68, 92, 98–99, 101, 117 Schluss 117 Schmidt-Leukel 46 Schreiner 117 Schweitzer 25, 83, 92, 113 Schwikart 110 Sieg 94, 109, 117 Sloterdijk 35 Stark 17 Sterkens 90–91 Stoppig 138 Straß 111

Streib 85, 88 Sundermeier 84–86 Swidler 48

Tautz 60 Tröger 111 Trutwin 55, 107 Tschekan 83 Tworuschka 53, 110–111, 138

Van der Ven 90 von Stosch 49, 117 Vreugdenhil 83

Wagemann 109 Weiße 73 Willems 68, 83, 89, 106, 117 Wimmer 111 Ziebertz 60, 90–91 Zimmermann 110 Zonne 91