Interessengruppen und Rechnungslegungsregeln: Eine Analyse des Umsetzungsprozesses der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz (German Edition) 9783835002425, 3835002422

Susanne Tietz-Weber analysiert den Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Ein

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English Pages 435 [425] Year 2006

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Interessengruppen und Rechnungslegungsregeln: Eine Analyse des Umsetzungsprozesses der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz (German Edition)
 9783835002425, 3835002422

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Susanne Tletz-Weber Interessengruppen und Rechnungslegungsregein

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Susanne Tietz-Weber

Interessengruppen und Rechnungsiegungsregeln Eine Analyse des Umsetzungsprozesses der4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Giinther Gebhardt

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.

Dissertation Universitat Frankfurt/Main, 2005

1.AuflageMarz2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ute Wrasmann / Stefanie Brich Der Deutsche Universitats-Verlag istein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschijtzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8350-0242-2

Geleitwort

V

Geleitwort Rechnungslegungsregeln nehmen Einfluss auf die Verteilung von Informationen und von Uberschussen bzw. Vermogen. Die Festlegung von Rechnungslegungsregeln greift in Verteilungsprozesse ein und ist damit von eminenter Bedeutung fur die betroffenen Personengruppen und Institutionen, die ihre Interessen in den Prozessen zur Anderung von Rechnungslegungsregeln einbringen werden. Die Untersuchung dieser Prozesse liefert daher wichtige Erkenntnisse zum Verstandnis der Entwicklung von Rechnungslegungsregeln. Hier setzt die Arbeit von Frau Tietz-Weber an, die den Einfluss von Interessengruppen auf ein konkretes wichtiges Regulierungsprojekt - die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in deutsches Bilanzrecht - umfassend analysiert und qualifiziert. Dabei legt die theoretisch fundierte Darstellung von politischen Entscheidungsprozessen im Allgemeinen und im Bereich der Rechnungslegung ein wichtiges Fundament fiir die empirische Analyse. Diese liefert durch die Auswertung von mehr als 1.000 verbalen AuBerungen von vier Interessengruppen in Zeitschriften und Protokollen sowie der unterschiedlichen Gesetzentwurfe zahlreiche interessante Erkenntnisse iiber das Zustandekommen von Rechnungslegungsregeln. Die Auiierungen der Interessengruppen zu einzelnen Problemen wurden verdichtet, inhaltlich analysiert und kodiert, so dass relevante Fragestellungen statistisch untersucht werden konnten. Beispielhaft seien hier nur die Koalitionsanalysen, die unterschiedlichen Erfolgsanalysen und die Analyse des Regulierungsprozesses im Zeitablauf herausgegriffen. Initiiert wurde diese Arbeit noch von meinem leider zu friih verstorbenen Frankfurter KoUegen Dieter Ordelheide, der zu Recht nicht nur im deutschen Sprachraum als ein (wenn nicht der) Pionier auf dem Gebiet der politischen Okonomie der Rechnungslegung gilt. Mit der vorliegenden Arbeit liefert Frau Tietz-Weber einen wichtigen Baustein im Bereich der Forschung zur politischen Okonomie der Rechnungslegung. Der Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie in deutsches Recht wird sehr differenziert ausgewertet und dabei ein methodisches Instrumentarium (weiter-) entwickelt, das sich zur Analyse von Regulierungsprozessen nicht nur im Bereich der Rechnungslegung sehr gut eignet. Ich wunsche dieser gelungenen und in ihren Ergebnissen hochst interessanten Arbeit eine positive Aufnahme in Theorie und Praxis.

Gunther Gebhardt

Vorwort

VII

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Wirtschalftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universitat, Frankfurt am Main, im September 2005 als Dissertation angenommen. Sie entstand wahrend meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur fur Internationales Rechnungswesen und als exteme Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur fur Wirtschaflsprufung. Mein erster und besonderer Dank gilt meinem viel zu fruh verstorbenen akademischen Lehrer und Doktorvater, Herm Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Ordelheide, der mein Promotionsvorhaben untersttitzte und mit anregenden Diskussionen begleitete. Durch sein Interesse und die Neugierde an der Untersuchung des Entwicklungsprozesses von Rechnungslegungsregeln wurde auch in mir die Leidenschaft fur dieses Thema geweckt. Aber nicht nur in fachlicher, auch in menschlicher Hinsicht hat er mich stark gepragt und zwar deutlich iiber die Freude an gutem Rotwein hinaus. Herm Professor Dr. Gunther Gebhardt danke ich, dass er nach dem Tod von Herm Professor Ordelheide ohne Zogem die weitere Betreuung meiner Arbeit ubemommen hat und im weiteren Verlauf die Fertigstellung nicht nur durch zahlreiche Anmerkungen und Diskussionen stets gefordert hat. Mein Dank gih auch Professor Dr. Hans-Joachim Bocking fur die ztigige Erstellung des Zweitgutachtens, Herm Professor Dr. Winfried Mellwig ftir den Vorsitz der Priifungskommission und Herm Professor Dr. Uwe Hassler fiir die Beteiligung als Priifer und Anregungen fur den statistischen Teil der Arbeit. Der Graduiertenfbrdemng des Landes Hessen danke ich fur die groBzugige Unterstiitzung durch die Gewahrung eines Stipendiums und der Deutschen Forschungsgemeinschaft ftir die Finanziemng meiner Stelle wahrend meiner Tatigkeit am Lehrstuhl fiir Intemationales Rechnungswesen. Bei meinen Kollegen von beiden Lehrstiihlen mochte ich ftir die schone gemeinsame Zeit bedanken. Meiner Familie mochte ich an dieser Stelle ftir ihre andauemde Unterstutzung danken: Meine Schwester PD Dr. Christiane Tietz untersttitzte mich durch ihr grofies Engagement bei der Korrektur meiner Arbeit und ihre unermudliche Diskussionsbereitschafl. Mein Vater Professor Dr. Reinhard Tietz war mir durch die zahlreichen wertvoUen Anmerkungen und seine stSndige Gesprachsbereitschaft ein groBe Hilfe. Meine Mutter Ursula Tietz hat ftir ihren Einsatz beim Korrekturlesen und ftir die kulinarische Untersttitzung einen besonderen Dank verdient. Ganz besonders herzlich mochte ich meinem Mann Dr. Christoph Weber danken fur seine andauemde Diskussionsbereitschaft, das Korrekturlesen und die moralische Untersttitzung. Er stellte in dieser Zeit seine Interessen oft zurtick, damit ich mich meinen Interessengmppen widmen konnte. Susanne Tietz-Weber

Inhaltsverzeichnis

IX

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Verzeichnis der verwendeten Symbole Abkiirzungsverzeichnis

Teill:

XV XVII XXI XXIII

Einleitung

1

1

Problemstellung

1

2

Gang der Untersuchung

5

Teil II:

Der Einfluss von Interessengruppen auf den politischen Entscheidungsprozess

9

1

Grundlagen

2

1.1 Terminologische Einordnung des Begriffs „Interessengruppe" 1.2 Der politische Entscheidungsprozess 1.3 Das Verhalten der Akteure aus okonomischer Sicht Die Theorie der Regulienmg

9 10 12 13

2.1 2.2 2.3

13 13 15

3

Grundlagen der Theorie der Regulienmg Die normative Theorie Die positive Theorie der Regulierung

9

Die Akteure im politischen Prozess

18

3.1

18 18 18 19 21 23 23 23 24 27 27

Der Politiker und die Parteien 3.1.1 Der Politiker 3.1.2 Die Parteien 3.2 DerWahler 3.3 Die Burokraten 3.4 Die Interessengruppen 3.4.1 Das Entstehen von Interessengruppen 3.4.1.1 Die Pluralismustheorie 3.4.1.2 Die Logik kollektiven Handelns 3.4.2 Das Einflusspotenzial von Interessengruppen 3.4.2.1 Ursachen des Einflusses von Interessengruppen 3.4.2.2 Die Durchsetzungskraft der Interessengruppe beeinflussende Faktoren 3.4.2.2.1 Gruppeninteme Faktoren des Einflusses 3.4.2.2.2 AuBere Faktoren des Einflusses 3.4.2.3 Adressaten des Einflusses 3.4.2.3.1 Kriterien fiir die Wahl des geeigneten Adressaten

29 29 30 30 30

Inhaltsverzeichnis

3.4.2.3.2 Das Parlament 3.4.2.3.3 DieRegierung 3.4.2.3.4 Die Burokratie 3.4.2.3.5 DieParteien 3.4.2.3.6 Sonstige 3.4.2.4 Methoden der Einflussnahme 3.4.3 Der Einfluss von Interessengruppen unter Wettbewerbsbedingungen 3.4.4 Studien zur Rolle der Interessengruppen im politischen Entscheidungsprozess

31 31 31 32 33 33 34 37

Teil III: Der Einfluss von Interessengruppen auf die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln

41

1

Die Theorie der Regulierung im Bereich der Rechnimgslegung

41

1.1 1.2

Begriff und Zwecke der Rechnungslegung Die Regulierung der Rechnungslegung 1.2.1 Einleitung 1.2.2 Normative Ansatze der Theorie der Regulierung der Rechnungslegung 1.2.3 Positive Ansatze der Theorie der Regulierung der Rechnungslegung 1.2.3.1 Grundidee der Positive-accounting-theory 1.2.3.2 Krisentheorie und Regulierung der Rechnungslegung 1.2.4 Andere Erklarungsansatze Der Einfluss von Interessengruppen auf den Normsetzungsprozess im Bereich der Rechnungslegung

41 41 41 42 45 45 46 47

2.1 2.2

Die handelnden Akteure Theoretische Uberlegungen zur Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess 2.2.1 Der politische Entscheidungsprozess im Bereich der Rechnungslegung 2.2.2 Uberlegungen im Rahmen der Positive-accounting-theory 2.2.2.1 Theoretische Ansatze 2.2.2.2 Kritik 2.2.3 Das okonomisch gepragte Modell von Sutton 2.2.4 Weitere Uberlegungen zur Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess Studien zur Rolle der Interessengruppen bei der Entwicklung von Rechnungslegungsregeln

49

3.1 3.2 3.3

59 60 62 62 64 65

2

3

Grundlagen Beteiligte Interessengruppen Grunde flir die Beteiligung 3.3.1 Beteiligung von Untemehmen 3.3.2 Beteiligung von Wirtschaftspriifem 3.3.3 Beteiligung von Hochschullehrem

49

49 49 51 51 54 56 58 59

Inhaltsverzeichnis

3.4 3.5

Inhaltliche Ausrichtungen und Wege der Einflussnahme Erfolgreiche Einflussnahme der Interessengruppen

Teil IV: Der Einfluss von Interessengruppen auf die Umsetzung der 4. EGRichtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz 1

2

3

4

X\

66 67

71

Grundlagen

71

1.1 1.2 1.3 1.4

71 72 73

Die Regulierung der Rechnungslegung in Deutschland Die Aufgaben der Rechnungslegung Der Gesetzgebungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland Studien zur Rolle der Interessengruppen im politischen Prozess in Deutschland Empirische Auswertung des Einflusses von Interessengruppen auf den Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie 2.1 Der Untersuchungsgegenstand - Die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz 2.2 DieAkteure 2.2.1 Einleitung 2.2.2 Einbezogene Interessengruppen 2.2.2.1 Die Untemehmen 2.2.2.1.1 Die Spitzenverbande der deutschen Wirtschaft 2.2.2.1.2 Der Arbeitskreis „Rechnungslegungsvorschriften in der EGKommission" der Gesellschaft ftir Finanzwirtschaft in der Untemehmensfuhrung e.V 2.2.2.2 Die Wirtschaftsprufer 2.2.2.3 Die Hochschullehrer 2.2.3 Die politischen Akteure 2.3 Zeittafel der Vorstufen des Bilanzrichtlinien-Gesetzes und der verschiedenen offentlichen Stellungnahmen der betrachteten Interessengruppen Untersuchungsaufljau 3.1 DieDatenbank 3.2 Vorgehensweise

77 80 80 83 83 85 85 85

85 86 86 87

87 92 92 99

Statische Analyse

100

4.1

100 100 101 102 107 121 121 123

Beteiligung der Interessengruppen 4.1.1 Aktivitat der untersuchten Interessengruppen 4.1.2 Perioden der Stellungnahmen 4.1.3 Inhaltliche Schwerpunkte der Stellungnahmen 4.1.4 Inhaltliche Zielrichtung der Stellungnahmen 4.2 Statische Erfolgsanalyse der Interessengruppen 4.2.1 Vorgehensweise 4.2.2 Erfolg der Interessengruppen

XII

5

6

Inhaltsverzeichnis

4.2.3 Koalitionsanalyse 4.2.4 Zusammensetzung und Erfolg der unterschiedlichen Koalitionen 4.2.5 Marginalerfolg der Interessengruppen 4.2.6 Ahnlichkeiten zwischen den Interessengruppen 4.2.7 Distanzsummen und Koalitionsstruktur Dynamische Analyse

128 132 135 138 140 142

5.1 5.2

142

Einleitung Der Umsetzungsprozess dargestellt am Beispiel des Geschafts- oder Firmenwerts 5.2.1 Klassifizierung des Geschafts- oder Firmenwertes als Vermogensgegenstand oder Bilanzierungshilfe 5.2.2 Aktivierungswahlrecht oder Aktivierungspflicht 5.2.3 Folgebewertung des Geschafts- oder Firmenwerts 5.3 Beteiligung der Interessengruppen 5.3.1 Vorgehensweise und Datenbasis 5.3.2 AusmaU und Zeitpunkt der Beteiligung der Interessengruppen 5.3.2.1 Intensitat der Aktivitat der Interessengruppen 5.3.2.2 Periode der Stellungnahmen 5.4 Veranderungen durch die Betrachtung des Prozesses 5.4.1 Meinungsanderungen der Interessengruppen im Zeitablauf 5.4.2 Statischer Erfolg der Interessengruppen nach Meinungsanderung 5.4.3 Koalitionen und Konstellationen im Zeitablauf. 5.4.3.1 Koalitionsbildung 5.4.3.2 Veranderung der Koalitionsstruktur im Zeitablauf. 5.4.3.3 Reihenfolge der Koalitionsbildung 5.5 Die Rolle des Regulierers 5.5.1 Einleitung 5.5.2 Anzahl der behandelten Rechnungslegungsprobleme 5.5.3 Interessengruppenkonstellationen - Meinung des Regulierers 5.5.4 Meinungswechsel des Regulierers 5.6 Erfolgsanalyse der Interessengruppen im Zeitablauf. 5.6.1 Vorgehensweise 5.6.2 Erfolg der Interessengruppen im Zeitablauf 5.6.3 Koalitionsanalyse - Vergleich Regierungsentwurf 1982 mit Bilanzrichtlinien-Gesetz 5.6.4 Differenzierte Erfolgsanalyse 5.7 Regressionen zu Einflussfaktoren des Erfolges der Interessengruppen Langfiistige Erfolgsanalyse

Teil V:

Zusammenfassung

142 142 146 147 149 149 150 150 151 152 152 153 154 154 156 157 160 160 161 161 163 167 167 169 174 176 179 182 187

Inhaltsverzeichnis

XIII

Anhang

191

Literaturverzeichnis

375

Verzeichnis der offentlichen Stellungnahmen

400

Verzeichnis der Gesetze, EU-Richtlinien, Gesetzentwiirfe, sonstigen Materialien undUrteile

405

Abbildungsverzeichnis

XV

Abbildungsverzeichnis Adressaten und Methoden der Einflussnahme der Interessengruppen Verteilung der Aktivitaten auf Bereiche Erfolgszuwachs durch Koalitionspartner Marginaler Erfolgsbeitrag durch Koalitionsbeitritt Koalitionsstruktur und Distanzsumme Aktivitat und Erfolg der KRW im Zeitablauf Aktivitat und Erfolg des IDW im Zeitablauf Aktivitat und Erfolg der GEFIU im Zeitablauf Aktivitat und Erfolg der SpVdW im Zeitablauf Abb. 10: Distanz fortwirkender Stellungnahmen zum Regulierer im Zeitablauf

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9

34 102 136 138 141 170 170 171 171 172

Tabellenverzeichnis

XVII

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8:

Tab. 9: Tab. 10: Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.

11: 12: 13: 14: 15: 16: 17:

Tab. Tab. Tab. Tab.

18: 19: 20: 21:

Tab. 22: Tab. 23: Tab. 24: Tab. 25: Tab. 26: Tab. 27:

Beteiligte Interessengruppen am Umsetzungsprozess der 4. EGRichtlinie Stellungnahmen der KRW, IDW, GEFIU und SPVDW zur Umsetzung 4. EG-Richtlinie und zu den Entwurfen eines Bilanzrichtlinien-Gesetzes Gliederung der Rechnungslegimgsprobleme Aufhahme der Stellungnahme, Zerlegung in einzelne Aussagen und Zuordnung einer Gliederungsnummer in der Textdatenbank Bundelung der Stellungnahmen, Definition der Rechnungslegungsprobleme Problemaktivitat der Interessengruppen Perioden der Erststellungnahmen Ubersicht uber die Anzahl der Rechnungslegungsprobleme, der zu ihnen verfassten Stellungnahmen, die Problemaktivitat und den Anteil der Stellungnahmen Haufigkeit der Kriterien der Zielrichtung Haufigste Zielrichtungen der Stellungnahmen flir die BereicheO 1.-04 Auszug aus Anhang A-3: Liste aller Rechnungslegungsprobleme Kodierung der Stellungnahmen Auszug aus Anhang A-5: Datenbasis fur die Statische Analyse Erfolg der Erststellungnahmen der Interessengruppen Erfolge nach Bereichen Erfolge abhangig von der vertretenen Zielrichtung Erfolg der Interessengruppen bei AuBerung von mindestens zwei gesellschaftlichen Gruppen Anzahl und Erfolg der Koalitionen ohne Gegenstimmen Anzahl und Erfolg der Koalitionen mit Gegenstimmen Erfolg der Interessengruppen in den Koalitionen ohne Gegenstimmen Anzahl und Erfolg der Interessengruppen in Koalitionen mit Gegenstimmen Anzahl und Erfolg der Interessengruppen alleine gegen andere Interessengruppen Zusammenfassung der Erfolgsquote der Interessengruppen mit und ohne Gegenstimmen Zusammensetzung, Anzahl und Erfolg der unterschiedlichen Konstellationen Erfolgszuwachs der Interessengruppen Marginaler Erfolgsbeitrag der Interessengruppen Anzahl und Erfolg der mit einer bestimmten Interessengruppe ubereinstimmend vertretenen Meinung und Ubereinstimmungsquote

84 91 94 97 98 100 101

104 107 120 123 123 123 124 125 126 128 129 130 130 131 132 132 133 135 137 139

XVIII

Tabellenverzeichnis

Tab. 28: Aktivitatsverwandschaft und Korrelationskoeffizient fiir die Aktivitaten der Interessengruppen Tab. 29: Ermittlung der Distanzsumme Tab. 30: Distanzsummen der Konstellationen Tab. 31: Anzahl der zu einem Rechnungslegungsproblem verfassten Stellungnahmen Tab. 32: Perioden aller Stellungnahmen Tab. 33: Anzahl der Konstellationen bei den Erststellungnahmen Tab. 34: Anzahl der Konstellationen ohne Verandenmg im Prozess Tab. 35: Verandemngen der Konstellationen im Zeitablauf Tab. 36: Anzahl und Anteil der Koalitionen und Konstellationen im Zeitablauf Tab. 37: Anzahl der Erststellungnahmen Tab. 3 8: Reihenfolge der Zusammenschlusse zwischen den Interessengruppen Tab. 39: Reihenfolge des Eintrittes in die Konstellationen bei gegensatzlichen Meinungen Tab. 40: Anzahl der von Interessengruppen und/oder dem Regulierer thematisiertenRechnungslegungsprobleme Tab. 41: Konstellationen der Interessengruppen in Bezug auf den Regulierer Tab. 42: Meinungsanderung des Regulierers Tab. 43: Meinungswechsel des Regulierers 1981 und 1982 Tab. 44: Meinungswechsel des Regulierers 1985,1* Tab. 45: Meinungswechsel des Regulierers 1985,2 und 1985,3 Tab. 46: Meinungswechsel des Regulierers 1985,4 Tab. 47: Kodierung des Periodenerfolgs der drei ausgewahlten Stellungnahmen der KRW,Vorentwurf 1980 Tab. 48: Kodierung des Periodenerfolgs der drei ausgewahlten Stellungnahmen derKRW, Referentenentwurf 1981 Tab. 49: Kodierung des Periodenerfolgs der drei ausgewahlten Stellungnahmen der KRW,Unterausschuss-Entwurf 1985,2 Tab. 50: Kodierung des Periodenerfolgs der drei ausgewahlten Stellungnahmen der KRW,Unterausschuss-Entwurf 1985,3 Tab. 51: Anzahl und Erfolg der Koalitionen ohne Gegenstimmen im Entwurf 1982 Tab. 52: Anzahl und Erfolg der Koalitionen mit Gegenstimmen im Entwurf 1982 Tab. 53: Anzahl und Erfolg der Interessengruppen in Koalitionen ohne Gegenstimmen imRegierungsentwurf 1982 Tab. 54: Anzahl und Erfolg der Interessengruppen in Koalitionen mit und ohne Gegenstimmen im Entwurf 1982 Tab. 55: Anzahl der AE und BE sowie der AM und BM der KRW im Zeitablauf und deren Anteil am Gesamterfolg und -misserfolg Tab. 56: Anzahl der AE und BE sowie der AM und BM des IDW im Zeitablauf und deren Anteil am Gesamterfolg und -misserfolg

139 140 140 150 151 154 154 154 156 157 158 158 161 162 163 164 165 165 166 168 168 169 169 174 174 175 175 176 177

Tabellenverzeichnis

Tab. 57: Anzahl der AE und BE sowie der AM und BM der GEFIU im Zeitablauf und deren Anteil am Gesamterfolg und -misserfolg Tab. 58: Anteil der AE und BE sowie der AM und BM der SPVDW im Zeitablauf und deren Anteil am Gesamterfolg und -misserfolg Tab. 59: Regressionen zur Vorhersage des Erfolges der Interessengruppen

XIX

177 178 180

Verzeichnis der verwendeten Svmbole

XXI

Verzeichnis der verwendeten Symbole AE AM BE BM C D E EQ G GI I IW K KV M MI MW 01 P R Reg RP SN S U VIZI WA

Anderungserfolg Anderungsmisserfolg Beibehaltungserfolg Beibehaltungsmisserfolg Kosten personliche Befriedigung Eigenmeinung des Regulierers Erfolgsquote Gesellschaft fur Finanzwirtschaft in der Untemehmensfuhning e.V. Meinimgswechsel gegen Interessengruppen Institut der Wirtschaftspriifer Interessengruppenwechsel Kommission Rechnungswesen Keine Veranderung Meinung des Regulierers Meinungswechsel zu Interessengruppen Meinungswechsel des Regulierers Meinungswechsel ohne Interessengruppeneinfluss Wahrscheinlichkeit Nutzen der Beteiligung Regulierer Rechnungslegungsproblem (Anzahl der) Stellungnahme(n) Spitzenverbande der deutschen Wirtschaft Nutzen der Wahlaltemative Meinungswechsel von einer zur anderen Interessengruppe Wiederaufnahme

AbkUrzungsverzeichnis

XXIII

Abkiirzungsverzeichnis Abb. Abl. Abs. ADHGB

ADS AE a.F. AktG

APB Art.

ASB Aufl.

Az. BankBiRiLiG

BB Bd. BDA BDB BDI Bewertungsgrunds.

BFH BFuP BGBl. BilReG BiRiLiG bspw. BStBl.

BT bzw.

CDU Co. CSU D.C. d.h.

DB DBW DIHT DMBiG DRSC DStR

Abbildung Amtsblatt Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Adler/During/Schmaltz Ausschussentwurf alte Fassung Aktiengesetz Accounting Principles Board Artikel Accounting Standards Board Auflage Aktenzeichen Bankbilanzrichtlinie-Gesetz Betriebs-Berater Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbande Bundesverband Deutscher Banken Bundesverband der Deutschen Industrie Bewertungsgrundsatze Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bundesgesetzblatt Bilanzrechtsreformgesetz Bilanzrichtlinien-Gesetz beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestag beziehungsweise Christlich Demokratische Union Compagnie Christlich-Soziale Union District of Columbia das heiBt Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Deutscher Industrie- und Handelstag Gesetz zur Anderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee Deutsches Steuerrecht

XXIV

e.V.

ED EG EGHGB EStG etal.

EU EuGH

f. FASB

FDP ff. FIFO finanz.

FN GAAP GEFIU

ges GeschO BT GeschO BM

GG ggfGmbH GmbHG GmbHR

GoB grunds.

GuV HGB HIFO HRefG Hrsg. hrsg.

IAS lASB lASC

IDW IFRS insb.

Jg. KapAEG

Abkilrzungsverzeichnis

eingetragener Verein Exposure Draft Europaische Gemeinschaften Einfuhrungsgesetz zum HGB Einkommensteuergesetz et alii Europaische Union Europaischer Gerichtshof folgende Financial Accounting Standards Board Freie Demokratische Partei fortfolgende First'in-First-Out finanzielle FuBnote Generally Accepted Accounting Principles Gesellschaft fur Finanzwirtschaft in der Untemehmensfuhrung e.V. gesamt Geschaftsordnung des Deutschen Bundestages Gemeinsame Geschaftsordnung der Bundesministerien Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschrankter Haftung GmbH-Gesetz GmbH-Rundschau Gnmdsatze ordnungsmafiiger Buchftihrung/Bilanzierung grundsatzlich Gewinn- und Verlustrechnung Handelsgesetzbuch Highest-in-First-Out Handelsrechtsreformgesetz Herausgeber herausgegeben International Accounting Standard International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee Institut der Wirtschaftsprufer International Financial Reporting Standards insbesondere Jahrgang Kapitalaufiiahmeerleichterungsgesetz

Abkilrzungsverzeichnis

Kap-CoRiLiG KG KonTraG KoR KRW LIFO m.w.N. No. Nr. n.s. PublG RAP RE RegE Ruckst. Rz. S. SEC SFAS sog. Sp. SPD SpVdW StuW Tab. TransPuG u.a. U.K. US, U.S. USA, U.S.A. US-GAAP VE Verb. Vereinfachungsverf. Verpfl. VersRiLiG vgl. VO-Ermachtigungen Vol. WPg WPK Z.B.

XXV

Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz Kommanditgesellschaft Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich Zeitschrift fiir kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer Last-in-First-Out mit weiteren Nachweisen number Nummer nicht signifikant Publizitatsgesetz Rechnungsabgrenzungsposten Referentenentwurf Regierungsentwurf Ruckstellungen Randziffer Seite Securities and Exchange Commission Statement of Financial Accounting Standards so genannte Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Spitzenverbande der deutschen Wirtschaft Steuer und Wirtschaft Tabelle Transparenz- und Publizitatsgesetz unter anderem United Kingdom United States United States ofAmerica US-Generally Accepted Accounting Principles Vorentwurf Verbindlichkeiten Vereinfachungsverfahren Verpflichtung Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz vergleiche Verordnungsermachtigungen Volume Die Wirtschaftsprufting Wirtschaftspruferkammer zum Beispiel

XXVI

ZfB ZfbF Zf.

Abkilrzungsverzeichnis

Zeitschrift fiir Betriebswirtschaft Zeitschrift fiir betriebswirtschaftliche Forschung Ziffer

1 Problemstellung

Teil I:

Einleitung

1 Problemstellung Rechnungslegungsregeln entstehen als Ergebnis eines wie auch immer ausgestalteten politischen Entscheidungsprozesses. Politische Entscheidungsprozesse sind gekennzeichnet durch ein Gegen- und Miteinander imterschiedlicher Akteure. Wichtige Akteure stellen hierbei Interessengruppen dar, die versuchen, auf solche Prozesse Einfluss zu nehmen. Die Einflussnahme von Interessengruppen wiederum wird durch unterschiedliche Faktoren begunstigt. Ein wichtiger Faktor ist dabei die Unsicherheit, die bei den politischen Akteuren sowohl hinsichtlich der Folgen des Prozesses als auch uber die unterschiedlichen Einstellungen gesellschaftlicher Gruppen zu den zu erwartenden Folgen besteht. Interessengruppen haben aufgrund ihres Spezialwissens die Moglichkeit, den politischen Akteuren entsprechende Informationen zu liefem. Diese Informationen konnen zum einen deren Informationsstand verbessem, aber auch die Einstellungen einer Interessengruppe vermitteln und so die politischen Akteure in die Lage versetzen, die Konsequenzen, die aus ihren Entscheidungen folgen, besser einzuschatzen. Das heiBt fiir Politiker, dass sie daraus auch den Gewinn bzw. Verlust von Wahlerstimmen, der aus ihren Handlungen resultiert, besser abschatzen konnen. Zur Abgrenzung von politischen Entscheidungsprozessen im Allgemeinen wird fur die Entwicklung von Rechnungslegungsvorschriften im Folgenden der Begriff „Normsetzungsprozess" verwendet. Die Rechnungslegung wird in Deutschland bisher vom Gesetzgeber reguliert. Daraus resultierend folgen Veranderungen der Rechnungslegungsregeln nur in groBeren Zeitabstanden. Eine der bedeutendsten Veranderungen war die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie,' die die Rechnungslegung in den Mitgliedslandem harmonisieren sollte, in das Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19. Dezember 1985. Wahrend im anglo-amerikanischen Raum zahlreiche Untersuchungen existieren, die den Entwicklungsprozess von Rechnungslegungsregeln analysieren, sind diese fur Deutschland nur sehr vereinzelt zu fmden. Ein Grund dafur mag die Seltenheit dieser Ereignisse sein, die ihrerseits die Untersuchung eines ganzen Vorschriftenbundels notwendig machen. Einige wenige Studien beschaftigen sich zwar mit dem Endergebnis des Umsetzungsprozesses der 4. EG-Richtlinie, der Prozess selbst in seinen unterschiedlichen Stufen ist bisher jedoch nicht untersucht worden. Eine Untersuchung des Prozesses kann aber zu einem besseren Verstandnis dieser Regeln beitragen.^ Hier setzt diese Untersuchung an. Sie wird gleichzeitig auf eine breitere Datenbasis als friihere Untersuchungen gestellt. Es wird nicht nur das Endergebnis betrachtet, sondem auch der Einfluss der Interessengruppen im Zeitablauf und die RoUe des Regulierers, so dass Erkenntnisse uber den Entwicklungsprozess der Rechnungslegungsregeln gewonnen werden konnen. Dabei wird Einfluss hier in Anlehnung an die eindimensionale Sichtweise der Macht verstan-

'

^

Mit Beginn des europaischen Binnenmarktes am 1. Januar 1994 wurde der Begriff Europaische Gemeinschaften (EG) durch den Begriff Europaische Union (EU) ersetzt. In den folgenden Ausfiihrungen wird beziiglich der Bezeichnung von Richtlinien auf den Zeitpunkt der Verabschiedung abgestellt. Vgl. ORDELHEIDE (2004), S. 282 f

Teil I: Einleitung

den.^ Danach hat ein Individuum oder eine Gruppe Erfolg im politischen Prozess, wenn die von ihr vorgeschlagenen Altemativen am Ende umgesetzt werden/ Zunachst stellt sich die Frage, welche gesellschaftlichen Gruppen am Umsetzungsprozess uberhaupt teilgenommen haben. Nach SUTTON kami die Aktivitat im Normsetzungsprozess anhand von Kosten-ZNutzeniiberlegungen abgeleitet werden.^ KING/WAYMIRE betrachten die Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess als Einflussnahme auf die Verhandlung unvollstandiger Vertrage, die auf Rechnungslegungsvorschriften beruhen.^ Demnach ist eine Beteiligung am Normsetzungsprozess vor allem von Untemehmen und Wirtschaftspriifem zu erwarten. Diese Thesen wurden in einer fruheren Untersuchung von ORDELHEIDE bestatigt.^ Dariiber hinaus wurden auch die Hochschullehrer als sehr aktive Gruppe identifiziert, deren Beteiligung am Normsetzungsprozess nicht allein aus okonomischen Interessen erklart werden kann. Ausgehend von den Akteuren Untemehmen, Wirtschaftspriifer und Hochschullehrer basiert diese Untersuchung auf offentlichen Stellungnahmen von vier Interessengruppen, die diese gesellschaftlichen Gruppen im Umsetzungsprozess vertreten haben. Die Untemehmen sind durch zwei Interessengruppen vertreten, durch welche sie besonders aktiv am Umsetzungsprozess teilgenommen haben. Verwendung fmden in der vorliegenden Studie nur offentliche Stellungnahmen. Auch wenn diese nur einen Teil der Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse darstellen, ist ein Riickschluss auf vertretene Positionen moglich, wahrend informelle Wege, die unter Umstanden einflussreicher sein konnen, nicht beobachtbar sind. Durch letztere ist uberdies keine der offentlich vertretenen Position gegenlaufige Richtung der Einflussnahme zu erwarten. Fur die Analyse der Stellungnahmen wurde eine Datenbank als Gmndlage der weiteren Auswertung erstellt, die alle Stellungnahmen der vier Interessengmppen, die Vorschriften in den unterschiedlichen Entwurfsstadien und die endgiiltigen Vorschriften des BilanzrichtlinienGesetzes umfasst. Neben der Analyse, welche Gmppen im Prozess uberhaupt aktiv werden, ist auch eine Untersuchung des Ausmafies des jeweiligen Engagements von Interesse. Ausgehend vom okonoVgl. DAHL (1957), S. 201-205. Davon abzugrenzen ist die zweidimensionale Sichtweise der Macht, die auch den Einfluss auf die Zulassung von Problemen zum Entscheidungsprozess, das sog. Agenda-Setting, einbezieht; vgl. BACHRACH/BARATZ (1970), S. 947-952; sowie die dreidimensionale Sichtweise der Macht, die Einfluss nicht nur durch Entscheidungen bestimmt sieht, sondem auch durch institutionelle Gegebenheiten und soziale Krafte; vgl. LUKES (1974), S. 21-25. Vgl. DAHL (1961), S. 336. Zur Problematik der Abgrenzung des Einflusses vgl. BAUMGARTNER/LEECH (1998), S. 36-38. Vgl. SUTTON (1984), S. 81-95. Vgl. KlNG/WAYMlRE (1994), S. 579-605. Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 235-259.

1 Problemstellung

misch gepragten Ansatz von SUTTON ist bei solchen Gruppen ein besonders aktives Eingreifen in den Normsetzungsprozess zu erwarten, fur die die Nutzen-ZKostendifferenz der Mitwirkung vergleichsweise groB ist und die tiber genug Ressourcen verfiigen, um am Entwicklungsprozess teilzunehmen. Darauf aufbauend wurden fiir die betrachteten Interessengruppen Thesen entwickelt, die das AusmaB der Einflussnahme erklaren sollen. Durch Auswertung der aufgebauten Datenbank kann die Intensitat der Einflussnahme dann iiberpriift werden. Neben der Messung der Aktivitat der Gruppen anhand der Zahl der Stellungnahmen lasst sich mit Hilfe der Datenbank der Erfolg der Interessengruppen anhand der Meinungsaufierungen zu einzelnen Bilanzierungsproblemen empirisch iiberpriifen. Ausgangspunkt der Analyse bilden dabei die Studien von ORDELHEIDE* sowie MCLEAY ET AL.^, die die Abhangigkeit des politischen Erfolges vom sozialen Konsens, die Bedeutung der politischen Macht bei sozialem Konflikt und den politischen Erfolg bei konzeptionellen Vorschlagen untersuchen. Diese Studien sind jedoch auf 169 Falle (d.h. Rechnungslegungsprobleme) beschrankt. In dieser Arbeit wurde die Datenbasis auf 457 Rechnungslegungsprobleme erweitert. Wahrend in den genannten Studien lediglich die Hohe des Gesamterfolgs untersucht wurde, wird hier z.B. auch die Abhangigkeit des Erfolges von eingegangenen Koalitionen analysiert. Im Rahmen der Arbeit soil aber nicht nur das Ergebnis des Regulierungsprozesses, sondem auch der Prozess der politischen Einflussnahme selbst untersucht werden. Da die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz in mehreren Stufen abgelaufen ist und da die wichtigen Interessengruppen (Industrie, Wirtschaftspriifer, Hochschullehrer) auf alien Oder zumindest auf mehreren Stufen die Gesetzentwiirfe kommentiert haben, kann der Prozess indirekt durch Analyse etwaiger Anderungen in den Vorschlagen der Interessengruppen im Zeitablauf und der Anderungen in den Gesetzentwurfen analysiert werden. Die oben genannten friiheren Untersuchungen beschrankten sich lediglich auf die ersten Stellungnahmen zu dem jeweiligen Bilanzierungsproblem. Durch die erstellte Datenbank, die alle zu dem jeweiligen Bilanzierungsproblem verfassten Stellungnahmen und die Gesetzentwiirfe enthalt, ist sowohl eine Analyse der Meinungsanderungen als auch der Kommunikation und Koalitionsbildung zwischen den Gruppen und der Zwischenerfolge bei den einzelnen Gesetzentwiirfen moglich. Ein besonderes Augenmerk ist auf den Regierungswechsel von einer sozial-liberalen zu einer christlich-liberalen Regierung zu legen, der im Laufe des Umsetzungsprozesses stattgefunden hat. Hier stellt sich die Frage, ob eine an den Adressaten der Rechnungslegung ausgerichtete gesetzliche Regulierung durch unterschiedliche politische Mehrheitsverhaltnisse bestimmt ist. Dass unter der christlich-liberalen Regierung eine starkere Ausrichtung an den Interessen der Untemehmen stattfand, stellt wohl kein Geheimnis dar. Eine genaue Quantifizierung von Erfolgsunterschieden im Zeitablauf ist in bisherigen Untersuchungen nicht erfolgt.

* ^

Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 235-259; ORDELHEIDE (1998), S. 1-16. Vgl. McLEAY ET AL. (2000), S. 79-98.

Teil I: Einleitung

Es stellt sich auch die Frage, welche Faktoren sich begunstigend bzw. negativ auf den Erfolg der Interessengruppen ausgewirkt haben, wie z.B. die Ubereinstimung zwischen den Interessengruppen, die Zeitpunkte der Stellungnahmen oder das Verhalten des Regulierers. Die Untersuchung soil jedoch nicht auf den Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie beschrankt bleiben. Vielmehr stellt sich die Frage, ob Vorschlage von Interessengruppen inzwischen Eingang in die deutsche Rechnungslegung geflinden haben und ob weitere Erfolge der Interessengruppen zukiinftig, bspw. durch Internationale Einflusse, zu erwarten sind. Damit wird zum einen implizit die Frage beantwortet, ob Interessengruppen nur auf einen vom Gesetzgeber vorgegebenen Prozess einwirken konnen oder ob sie auch eine Gesetzgebung initiieren konnen. Und zum anderen wird geklart, ob Interessengruppen ihren Einfluss iiber die politischen Akteure in Deutschland hinaus ausdehnen miissen, um Erfolg zu erzielen.

2 Gang der Untersuchung

2 Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich einschliefilich der Einleitung in fiinf Teile. Teil II beschaftigt sich mit dem Einfluss von Interessengruppen auf den politischen Entscheidimgsprozess. Es beginnt mit einem Grundlagenkapitel. Dieses dient vor allem der Begriffsklarung von im weiteren Verlauf wiederholt verwendeten Bezeichnungen und Sachverhalten. In Abschnitt 2 von Teil II wird die Theorie der Regulierung, welche Eingriffe in die Beziehungen zwischen den Wirtschaftssubjekten und in die Markte untersucht,'^ in ihren Auspragungen normativ und positiv dargestellt. Der dritte Abschnitt betrachtet dann die Akteure, die in politischen Entscheidungsprozessen tatig werden. Der Schw^erpunkt der Betrachtung liegt dabei auf dem Handeln der Interessengruppen. Um dieses noch besser verstehen zu konnen, werden vorab auch die Akteure, auf die Interessengruppen versuchen Einfluss zu nehmen, kurz charakterisiert. Ziel der Ausfiihrungen ist es, Eigenschaften der Akteure zu identifizieren, die fiir Interessengruppen eine Einflussnahme moglich machen. Die Interessengruppen werden dann in Abschnitt II.3.4 ausfuhrlicher betrachtet. Als erstes werden zwei Theorieansatze dargestellt, die die Bildung von Interessengruppen und die dabei entstehenden Schwierigkeiten zu erklaren versuchen. Die Ursachen des Einflusses, die zum Teil schon durch die Ausfiihrungen zu den anderen Akteuren deutlich wurden, werden daran anschliefiend gebiindelt dargestellt. Entscheidend fur den Einfluss von Interessengruppen ist auch die Wahl der richtigen Adressaten im politischen Entscheidungsprozess. Daher werden die Moglichkeiten, die sich Interessengruppen im politischen Entscheidungsprozess bei der Beeinflussung bieten, anhand der bereits geschilderten Akteure aufgezeigt. Die Ausfiihrungen zum Einflusspotential werden mit einer Darstellung zu den Methoden der Einflussnahme abgerundet. Der nachste Abschnitt (II.3.4.3) beschaftigt sich mit dem Einfluss von Interessengruppen unter Wettbewerbsbedingungen. Es soil herausgearbeitet werden, wie sich der Einfluss einer Interessengruppe verandert, wenn andere Gruppen in den Prozess eingreifen. Den Abschluss von Teil II bildet die kurze Darstellung wesentlicher Studien, die den Einfluss von Interessengruppen auf politische Entscheidungsprozesse untersucht haben. Teil III ubertragt dann die gewonnenen Erkenntnisse auf die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln. Ziel dieses Teils ist es, Besonderheiten dieses politischen Entscheidungsprozesses herauszuarbeiten. Zunachst werden Ansatze vorgestellt, die sich mit der Regulierung der Rechnungslegung beschaftigen. Auch im Bereich der Rechnungslegung lassen sich die Ansatze, wie im Rahmen der allgemeinen Theorie der Regulierung vorgestellt, in normative und positive Ansatze differenzieren. Wahrend sich die normativen Ansatze vor allem mit der Begrundung der Regulierung der Rechnungslegung beschaftigen, versuchen die positiven Ansatze das beobachtbare Verhalten des Regulierers zu erklaren. Der Einfluss von Interessengruppen auf den Normsetzungsprozess steht im Mittelpunkt von Abschnitt III.2. Nach der Identifizierung der handelnden Akteure und der Erarbeitung der Besonderheiten des Normsetzungsprozesses werden zwei Ansatze ausfuhrlicher beschrieben. Zunachst werden die Uberlegungen im Rahmen der sog. Positive-accounting-theory vorgestellt, die versucht, Kriterien Vgl. FELDHOFF(1992),S. 1.

Teil 1: Einleitung

(vor allem fur Untemehmensvertreter) zu entwickeln, die eine Teilnahme am Normsetzungsprozess und die Zielrichtung dieser Teilnahme erklaren komien. Im Anschluss daran wird das okonomisch gepragte Modell von SUTTON erlautert. Dieses greift auf das in Abschnitt II.3.2 dargestellte Wahlmodell von DOWNS zuriick, indem es die Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess mit der Beteiligung an einer Wahl gleichsetzt. Daraus leitet SUTTON Kriterien ab, die die Einflussnahme von Erstellem von Jahresabschliissen im Vergleich zu Nutzem begunstigen. Darauf aufbauend klart eine Erweiterung des Modells von GAA die Faktoren, die eine Einflussnahme von Wirtschaftspnifem erklaren konnen. Im abschliefienden Abschnitt III.3 werden Studien zur Rolle der Interessengruppen bei der Entwicklung von Rechnungslegungsregeln vorgestellt. Aufgrund der im Untersuchungszeitraum ganzlich anderen Strukturierung des Normsetzungsprozesses in Deutschland und in anglo-amerikanischen Landem ist eine Ubertragbarkeit der Vorgehensweise und der Ergebnisse der zahlreichen anglo-amerikanischen Studien nur eingeschrankt gegeben. Ein Schwerpunkt der Betrachtung liegt daher auf Studien, die Griinde aufzeigen, die eine Beteiligung der im weiteren Verlauf in die Untersuchung einbezogenen Interessengruppen der Untemehmensvertreter, Wirtschaftspriifer und Hochschullehrer erklaren konnen. Der Abschnitt schliefit mit den Ergebnissen der wenigen Untersuchungen, die sich mit der erfolgreichen Interessendurchsetzung von Gruppen im Normsetzungsprozess beschaftigen. Teil IV der Arbeit bildet den Kern der Untersuchung. Abschnitt IV. 1 dient der Erarbeitung von Grundlagen. Nach einer kurzen Darstellung der Regulierung der Rechnungslegung und deren Aufgaben in Deutschland wird der Gesetzgebungsprozess in Deutschland erlautert, um zum einen die Einflussmoglichkeiten der Interessengruppen auf diesen Prozess aufzuzeigen und zum anderen die politischen Akteure zu identifizieren, die als Gegenspieler oder Vertreter der Interessengruppen agieren konnen. Daran anschliefiend werden Studien vorgestellt, die sich mit der personellen Verflechtung zwischen Burokratie bzw. Politik und den Interessengruppen in Deutschland beschaftigen. In Abschnitt IV.2 beginnt dann die Untersuchung des Einflusses von Interessengruppen auf den Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz. Zunachst wird der Prozess selbst dargestellt, um die unterschiedlichen Entwurfsstadien, in denen sich Interessengruppen einschalten konnten, aufzuzeigen. Diese werden auf vier betrachtete Interessengruppen beschrankt. Zwei Interessengruppen von Untemehmensvertretem (die Spitzenverbande der deutschen Wirtschaft [SPVDW] und der Arbeitskreis „Rechnungslegungsvorschriften in der EG-Kommission" der Gesellschaft fiir Finanzwirtschaft in der Untemehmensftihrung [GEFIU]), eine Interessengruppe der Wirtschaftspriifer (das Institut der Wirtschaftspriifer [IDW]) sowie eine der Hochschullehrer (die Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer [KRW]) werden in die Betrachtung einbezogen, da sie in fruheren Untersuchungen des Prozesses als aktivste Gruppen identifiziert werden konnten. Gleichzeitig dient die Darstellung des Umsetzungsprozesses der Identifizierung der politischen Akteure, die maBgeblich an der Umsetzung beteiligt waren und in der Folge unter dem Begriff „Regulierer" zusammengefasst werden. Abschnitt IV.2.3 legt dann konkret den Untersuchungsge-

2 Gang der Untersuchung

genstand fest. Hier werden die Entwurfe des Bilanzrichtlinien-Gesetzes mit den offentlichen Stellungnahmen der in die Untersuchung einbezogenen Interessengruppen zusammengefuhrt. Abschnitt IV.3 widmet sich dem Untersuchungsaufbau. Auf Basis der Stellungnahmen wurde eine Datenbank entwickelt, die die veroffentlichten Vorschlage der betrachteten Interessengruppen erfasst. Die Datenbank enthalt daruber hinaus die entsprechenden Regelungen des Regulierers in den unterschiedlichen Entwurfsstadien sowie im Bilanzrichtlinien-Gesetz. Es entstand eine Datenbank mit 3.788 Datensatzen fiir 457 Rechnungslegungsprobleme, die zur besseren Ubersichtlichkeit in 14 inhaltliche Bereiche untergliedert wurde. Zum Zwecke einer quantitativen Analyse wurden die zunachst in Textform aufgenommenen Datensatze entsprechend ihrer Ubereinstimmung mit dem Bilanzrichtlinien-Gesetz numerisch kodiert. Die empirische Untersuchung gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil betrachtet zunachst das Ergebnis des Prozesses. Der Entwicklungsprozess wird in der sog. statischen Analyse bewusst ausgeklammert. Der zweite Teil bezieht dann diesen Prozess in die Betrachtung ein und ermoglicht es so, sowohl die unterschiedlichen Entwurfsstadien als auch die unterschiedlichen Perioden, in denen Interessengruppen ihre Ansichten geauBert haben, zu beriicksichtigen (dynamische Analyse). In der statischen Analyse werden jeweils die Erststellungnahmen der Interessengruppen zu einem Rechnungslegungsproblem sowie die endgiiltige Regelung im Bilanzrichtlinien-Gesetz betrachtet. Die Aufbereitung der Datenbasis wird dabei exemplarisch an drei Rechnungslegungsproblemen, die die Bilanzierung und Bewertung des Geschafts- oder Firmenwerts betreffen, naher dargestellt. Anhand der Datenbasis wird zunachst die Beteiligung der Interessengruppen untersucht. Die Uberlegungen von SUTTON werden anhand der Untersuchung der Aktivitat der Gruppen uberpruft. Neben der Schwerpunktsetzung in den gebildeten Bereichen wird auch die Zielrichtung der Stellungnahmen analysiert. Dadurch soil ein Vergleich zwischen der inhaltlichen Gesamtposition der Stellungnahmen der Interessengruppen ermoglicht werden. Die daran anschliefiende statische Erfolgsanalyse betrachtet dann den Erfolg, den die Interessengruppen im Prozess insgesamt, in den einzelnen inhaltlichen Bereichen sowie getrennt nach Zielrichtungen erzielen konnten. Aufgrund unterschiedlicher Erfolgsquoten der vier betrachteten Interessengruppen wird die Analyse weiter unterteilt. Dabei werden die unterschiedlichen Koalitionen betrachtet, in denen gleiche bzw. gegensatzliche Meinungen artikuliert wurden. Welche Durchsetzungskraft die Interessengruppen in den jeweiligen Koalitionen haben, steht hier im Vordergrund. Eine Untersuchung des Marginalerfolgs soil zeigen, welchen Beitrag eine Interessengruppe zum Erfolg einer Koalition leistet und welchen Erfolgszuwachs eine Interessengruppe durch Beitritt zu einer Koalition erfahrt. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand ist die Ahnlichkeit zwischen den Interessengruppen. Hier wird anhand verschiedener MaBzahlen das AusmaB der Ubereinstimmung zwischen den Interessengruppen untersucht. Die statische Analyse schlieBt mit einer Betrachtung von so genannten „Distanzen", die zwischen den Gruppen fiir unterschiedliche Koalitionsstrukturen

Teil I: Einleitung

zu beobachten sind; die tatsachlich zu beobachtende Verteilung wird mit einer Zufallsverteilung verglichen. Bei der dynamischen Analyse in Abschnitt IV.5 steht der Prozess der Entwicklung des Bilanzrichtlinien-Gesetzes im Vordergrund. Zunachst wird anhand der drei exemplarischen Rechnungslegungsprobleme zum Geschafts- oder Firmenwert die Entwicklung der Vorschriften dargestellt. Daran anschliefiend wird die Beteiligung der Interessengruppen im Zeitablauf untersucht. Abschnitt IV.5.4 schildert dann die Veranderungen, die sich im Laufe des Prozesses ergeben haben. Es werden die Meinungsanderungen der Interessengruppen betrachtet und der sich daraus ergebende Erfolg analysiert. Weiterhin werden die Veranderungen, die sich im Zeitablauf in den Koalitionen ergaben, naher untersucht. Abschnitt IV.5.5 beleuchtet die Rolle des Regulierers im Umsetzungsprozess. Wie bei der Analyse der Meinungsanderungen deutlich wird, andem Interessengruppen ihre Meinung nur sehr vereinzelt, weshalb Meinungsanderungen im Verlaufe des Prozesses hauptsachlich durch den Regulierer erfolgen. Daher wird untersucht, ob die Meinungsanderungen des Regulierers durch die untersuchten Interessengruppen ausgelost wurden oder ob andere Faktoren auf den Meinungsbildungsprozess des Regulierers eingewirkt haben. Wie sich die Meinungsanderungen des Regulierers auf den Erfolg der Interessengruppen im Zeitablauf auswirken, steht dann im Mittelpunkt der dynamischen Erfolgsanalyse der Interessengruppen. Gleichzeitig wird untersucht, ob der im Rahmen der statischen Analyse ermittelte Erfolg der Interessengruppen durch Stellungnahmen verwassert wurde, die lediglich bestatigenden Charakter batten. Aufbauend auf Daten aus der dynamischen Analyse wird mit einer Regression versucht, den Erfolg von Interessengruppen mit Hilfe verschiedener prozessspezifischer Faktoren zu erklaren. Abschnitt IV.6 betrachtet, ob sich nach Verabschiedung des Bilanzrichtlinien-Gesetzes Veranderungen in den Vorschriften ergeben haben, um so langfristige Erfolge von Interessengruppen sichtbar zu machen. Der abschliefiende Teil V fasst die gewonnenen Erkenntnisse thesenformig zusammen.

1 Grundlagen

Teil II:

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Der Einfluss von Interessengruppen auf den politischen Entscheidungsprozess

1 Grundlagen 1.1 Terminologische Einordnung des Begriffs „ Interessengruppe " Unterschiedliche BegrifFe werden zur Bezeichnung von Gruppen verwendet, die Einfluss auf das politische System ausiiben, um Vorteile fur sich bzw. fiir ihre Mitglieder zu erringen. Gebrauchlich sind die Begriffe ..Lobby, ..Pressure Group'\ „Verband" und „Interessengruppe". Der Begriff ..Lobby'' bezeichnet ursprunglich die Wandelhalle im Parlament, in der die Interessenvertreter die Moglichkeit wahmahmen, Politiker direkt zu beeinflussen." Der stark wertbehaftete Begriff ..Lobby betont folglich die direkte Einflussnahme auf politische Entscheidungstrager und damit auf den Gesetzgebungsprozess.'^ Der Ausdruck ..Pressure Group'' wird in der Literatur sehr unterschiedlich verwendet.'^ Uberwiegend wird aber das zur Erlangung des Gruppenziels eingesetzte Verhalten betont, namlich das Ausuben von Druck auf politische Entscheidungstrager."* Der Begriff „Verband" hebt die organisatorischen Merkmale der Gruppierung, d.h. die Struktur der Gruppe, hervor. Daruber hinaus miissen aber auch Partikularinteressen bestehen, die durch den Zusammenschluss besser verfolgt werden konnen. Ziel ist es, ohne eine Partei zu sein, politische Entscheidungen zu beeinflussen.'^ Allen „Interessengruppen" wiederum ist gemeinsam, dass die Gruppenmitglieder durch das Vorhandensein eines gemeinsamen Interesses zusammengehalten werden und sich entsprechend organisieren. Dieses gemeinsame Interesse wird zum Teil auf okonomische Gesichtspunkte reduziert, kann aber zum Teil auch in einem umfassenden ideellen Sinn verstanden werden.'^ Im Rahmen dieser Arbeit soil der Begriff ,Interessengruppe' verwendet werden, da er die unterschiedlichen hier analysierten Gruppen (Wirtschaftsverbande, Wirtschaftsprufer, Hoch-

Vgl. BAUMGARTNER/LEECH (1998), S. 33 f. Vgl. BEYME(1974), S. 12; BREITLING (1960/61), S. 49-52. Vgl. dazu VERSTEYL (1972), S. 39 f. Vgl. BREITLING (1960/61), S. 53-56; BUCHHOLZ (1970), S. 230-233, der die allgemeine Verwendung des Begriffes ..Pressure Group'' kritisiert, da letztlich nur solche Gruppen als ..Pressure Groups'' bezeichnet werden durften, die iiber die erforderliche Macht verfiigen, wirksamen Druck ausiiben zu kOnnen. Vgl. zum ^Qgnff pressure auch bereits BENTLEY (1908), S. 258 f.: „Pressure [...] is always a group phenomenon. It indicates the push and resistance between groups. The balance of the group pressures is the existing state of society." (Hervorhebung wie im Original) Vgl. DAUMANN (1998), S. 11; SCHOTT-WETSCHKY (1994), S. 39. Vgl. zur Definition des Verbandsbegriffs auch schon WEBER, M . (1922), S. 26: „Verband soil eine nach auBen regulierend beschrankte oder geschlossene soziale Beziehung dann heiBen, wenn die Innehaltung ihrer Ordnung garantiert wird durch das eigens auf deren Durchfiihrung eingestellte Verhalten bestimmter Menschen: eines Leiters und, eventuell, eines Verwaltungsstabes, der gegebenenfalls normalerweise zugleich Vertretungsgewalt hat." Vgl. BROWNE (1998), S. 11 f; BUCHHOLZ (1970), S. 74-79; WEBER, J. (1977), S. 71 f und 75 f; BREITLING (1955), S. 10 f. sowie ausftihrlich zum Begriff des Interesses S. 21-39. Vgl. dazu auch BEYME (1974), S. 31: „'Interesse' wird nicht mehr nur als die vage gemeinsame Haltung verstanden, sondem als der bewusste Wille, Werte und politische Zielvorstellungen durchzusetzen."

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Tell II: Politischer Entscheidungsprozess

schuUehrervereinigung) anhand ihrer gleichen Zielsetzung, namlich der Beeinflussung des politischen Entscheidungsprozesses im Rahmen der Transformation in das BilanzrichtlinienGesetz, am besten subsumieren kann. Wird hingegen im Folgenden von Gruppen gesprochen, sind damit Individuen gemeint, die gleiche Partikularinteressen besitzen, aber nicht zwangslaufig in einer Interessengruppe organisiert sind.'^ 1.2 Der politische Entscheidungsprozess Der politische Entscheidungsprozess lasst sich in drei unterschiedliche Ebenen, Prozess-, Akteurs- und Umweltebene, unterteilen. Innerhalb der Prozessebene lassen sich in Anlehnung an die Entscheidungstheorie unterschiedliche Phasen beobachten: Entstehung des Entscheidungsproblems, Agenda-Setting, Entscheidungsvorbereitung, formeller Entscheidungsvorgang und Umsetzung.'* In der Phase der Problementstehung steht zunachst die Erkennung eines Problems durch einen Einzelnen oder eine Interessengruppe im Vordergrund. Wird daraus ein Handlungsbedarf abgeleitet, kann diese Forderung an die entsprechenden Entscheidungstrager weitergeleitet werden. Zunachst muss entschieden werden, ob das Problem zum Entscheidungsprozess zugelassen wird {Agenda-Setting)}'^ 1st dies der Fall, beginnt daran anschliefiend die Phase der Entscheidungsvorbereitung, die sich zunachst durch Informations- und Diagnosetatigkeiten auszeichnet. Sind die Informationen gesammelt und ist ein Ziel gesetzt worden,^'' erfolgt in dieser Phase auch eine Bewertung der verschiedenen Altemativen und die Ausarbeitung eines Losungsvorschlags. Diese Phase kann sich aufgrund divergierender Meinungen mehrfach wiederholen, so dass der urspriingliche Losungsvorschlag gegebenenfalls verandert wird.^' Im abschliefienden Entscheidungsprozess wird der Losungsvorschlag Gegenstand einer Abstimmung. Nach erfolgreicher Abstimmung wird die Vorschrift verabschiedet und im Anschluss daran umgesetzt.^^ Die Phasen miissen nicht zwangslaufig in der gezeigten Reihenfolge ablaufen, vielmehr konnen sich diese auch gegenseitig uberlagem oder wieder umkehren.^^ Der politische Entscheidungsprozess ist damit vor allem auch ein Prozess kollektiver Willensbildung. Im Rahmen der Arbeit soil sich

Betrachtet man die Gruppe der AktionSre, ist ihnen ein Interesse an Jahresabschlussinformationen gemein. Sie k6nnen nun in einer Interessengruppe, z.B. Schutzvereinigung zusammengeschlossen sein oder als Einzelperson agieren. Vgl. MEYER-KRAHMER (1979), S. 18-23; Shnlich MAYNTZ (1982), S. 75; MEIER/METTLER (1988), S. 74 f; MITNICK (1980), S. 81 f; PAPPI ET AL. (1995), S. 33-35. Zur Einflussnahme auf das Agenda-Setting vgl. BACHRACH/BARATZ (1970), S. 947-952. Vgl. auch die empirische Uberprufting von LIPSHITZ/BAR-ILAN (1996), S. 48-60. Zum Begriff der Entscheidung vgl. ALTMANN (1976), S. 464 f. Vgl. DAUMANN (1999), S. 102; YOUNG, J. J. (1994), S. 83-109, mit einer Fallstudie zum Agenda-Setting des FASB. Eine Problemzulassung ist dann zu erwarten, wenn sich ein politischer Akteur davon eine FOrderung seiner Interessen verspricht. Zur Beeinflussung der Agenda vgl. RIKER (1982), S. 169-181. Zum Begriff des Zieles vgl. ALTMANN (1976), S. 459 f. Zur Phase der Priifung von GesetzesentwQrfen vgl. LACHMAYER (1976), S. 494-501. Vgl. DAUMANN (1999), S. 101-103; MEYER-KRAHMER (1979), S. 18-20. Vgl. DAUMANN (1999), S. 103; MEYER-KRAHMER (1979), S. 23.

1 Grundlagen

1_1

die Analyse nicht auf die tatsachliche Durchsetzung von Vorschriften beziehen,^"* sondem bleibt auf die Phase der Entscheidungsvorbereitung und -durchfiihrung beschrankt. Auf der Akteursebene handeln sowohl Individuen als auch Gruppen von Personen, die auf die eben beschriebenen Phasen des Entscheidungsprozesses einwirken. Individuen konnen Wahler, Mitglieder des Entscheidungsgremiums oder mit der Entscheidungsvorbereitung Betraute sein. Gruppen werden z.B. in Form von Interessengruppen oder Parteien tatig. In der Entstehungsphase versuchen die Akteure, aus einem identifizierten Problem ein politisches Entscheidungsproblem zu machen oder es vom Entscheidungsprozess femzuhalten.^^ Akteur kann letztlich jedes Mitglied der Gesellschaft sein. In der Praxis sind dies vor allem Interessengruppen, Politiker, Angehorige des Verwaltungsapparates des Entscheidungsgremiums sowie sonstige betroffene Burger. In der Phase der Entscheidungsvorbereitung werden insb. Interessengruppen, Wissenschaftler, staatliche Institutionen und Parteien durch gezielte Informationsgewinnung und -bereitstellung versuchen, den Entscheidungsprozess zu ihren Gunsten bzw. in ihrem Sinne zu beeinflussen. Beim formellen Entscheidungsvorgang, der in der Verabschiedung der Vorschrift munden kann, steht dann der Entscheidungstrager im Mittelpunkt des Geschehens, aber auch Interessengruppen und die Offentlichkeit im AUgemeinen versuchen, den Ausgang der Entscheidung weiter zu beeinflussen. Bei der Kontrolle der Umsetzung sind vor allem Telle der (staatlichen) Verwaltung tatig, wahrend unterschiedliche Individuen und Interessengruppen an der Umsetzung als Betroffene beteiligt sind.^^ Neben den einzelnen Akteuren beeinflussen auch verschiedene auBere Umstande den politischen Entscheidungsprozess. Daher werden auf der Umweltebene unterschiedliche Umweltzustande in die Betrachtung einbezogen. Dazu gehoren z.B. das Wahl-, Rechts- und Steuersystem, Abstimmungsregeln oder die Ressourcenausstattung der Akteure.^^ Politische Entscheidungsprozesse fmden in unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft statt und konnen unterschiedliche Auswirkungen haben. Im Rahmen dieser Arbeit werden im Folgenden politische Entscheidungsprozesse betrachtet, die als Eingriffe in die Beziehungen zwischen den Wirtschaftssubjekten und in die Markte betrachtet werden konnen und unter dem Begriff Regulierung subsumiert werden.^*

Vgl. GEBHARDT/HEILMANN (2004a), S. 218-238; GEBHARDT/HEILMANN (2004b), S. 109-118 und GLAUM/ STREET (2003), S. 64-100, die die tatsachliche Anwendung von deutschen bzw. intemationalen Rechnungslegungsstandards in Deutschland untersuchen. Einen Einblick bieten auch die jahrlich von der Wirtschaftspruferkammer verOffentlichten Statistiken uber den VerstoB gegen Rechnungslegungsvorschriften, vgl. z.B. WPK(2004), S. 1-44. Vgl. zum sog. non-decision-making BACHRACH/BARATZ (1962), S. 947-952. Danach ist neben der Einflussnahme auf den politischen Entscheidungsprozess die Einflussnahme auf das (] 0 sinnvoll ist zu wahlen, wahrend bei R < 0 eine Stimmabgabe nicht sinnvoll ist,

P=

Wahrscheinlichkeit, dass die Wahlbeteiligung den Ausgang der Wahl beeinflusst,

UA-UB =

Differenz zwischen dem Nutzen, den die Parteien A und B dem Wahler bieten,

C=

Kosten.

DOWNS (1968), S. 25 (Hervorhebung wie im Original). Zu Merkmalen und Aufgaben von Parteien vgl. BACKES/JESSE(1996), S. 4-7.

Vgl. DOWNS (1968), S. 25. Vgl. dazu auch BEHRENDS (2001), S. 29 f. Vgl. PAPPENHEIM(2001), S. 64.

Daher wird in diesem Zusammenhang von einem „politischen Konjunkturzyklus" gesprochen, so dass das Handeln der Regierung je nachdem, ob eine Wahl ansteht oder nicht, den Praferenzen der Mehrheit der wahler folgt oder nicht folgt; vgl. BERNHOLZ/BREYER (1994), S. 221-226; HEINEMANN (1999), S. 89; MUELLER (1989), S. 285 f. Vgl. dazu auch die empirische Untersuchung von POMMEREHNE/SCHNEIDER, F. (1983), S. 62-82, die am Beispiel Australiens zeigen, dass die Regierung ihren eigenen Zielen folgt und lediglich im Fall einer anstehenden (Wieder-) Wahl mit ihren (fiskal-)politischen MaBnahmen der Mehrheit der wahler folgt. Anders WAGSCHAL (1996), S. 99-107, der einen solchen Zusammenhang in einer intemationalen Untersuchung nicht feststellen konnte. Vgl. DOWNS (1968), S. 35-46 und 202-271. Die formale Darstellung erfolgt in Anlehnung an RJKER/ORDESHOOK (1968), S. 25 f. Zu den Erweiterungen des Modells vgl. auch die Ubersichten in BEHRENDS (2001), S. 45 f; MYERSON (1995), S. 77-89, sowie AUSTEN-SMITH/ BANKS (1988), S. 405-422. Vgl. dazu auch die Untersuchung von Cox (1990), S. 903-935.

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Teil II: Politischer Entscheidungsprozess

Die Teilnahme an der Wahl ist fiir ein rationales Individuum folglich dann lohnenswert, wenn die Nutzendifferenz zwischen den Parteien (UA-UB) gewichtet mit der Wahrscheinlichkeit, den Wahlausgang durch Abgabe einer Stimme zu beeinflussen (P(UA-UB)), die Kosten (C) ubersteigt. Entscheidet sich ein Wahler zur Stimmabgabe, wird er der Partei seine Stimme geben, von der er die groBte Befriedigung seiner Bediirfnisse, also im Sinne einer Maximierung des materiellen Eigeninteresses den hochsten Einkommenszuwachs, erwartet/^ Fur den Wahler ist die Wahl jedoch mit grofien Unsicherheitsfaktoren behaftet,** die sich zusammensetzen aus seiner eigenen Unwissenheit iiber den Nutzen, den der Wahler von der jeweiligen Partei erwarten kann, und aus der Unwissenheit iiber die Wahlpraferenzen und die Wahlabsicht der anderen potenziellen Wahler und somit iiber den Einfluss seiner Stimme auf den Wahlausgang.*^ Daher wird sich der Wahler stark an der Vergangenheit orientieren.^^ Er wird jedoch auch versuchen, die Zukunft in seine Betrachtung einfliefien zu lassen.^' Die fiir diese Betrachtung notwendige Informationsgewinnung wiirde sich fiir den Wahler schwierig und kostenintensiv gestalten. Er wird sich, wenn uberhaupt, selektiv in den Bereichen informieren, die einen Einfluss auf seine Einkommensposition haben^^ und in denen er sich eine Chance der Beeinflussung verspricht,^^ oder lediglich die Informationsquellen zu Rate ziehen, die kostenlos zu erwerben sind.^"* Solches werden Bereiche sein, „auf die er [der Wahler] sich als Produzent spezialisiert hat, da ihm aus ihnen sein Einkommen zuflieBt und er von vomherein schon sehr viel iiber sie weiB".^^ Dies fiihrt dazu, dass eher Produzenten als Konsumenten Einfluss auf den politischen Prozess nehmen. Der Grofiteil der Wahler wird den mit der Informationsgewinnung verbundenen Aufwand nicht erbringen, da die Moglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses eher gering ist, die Kosten der Informationsgewinnung den resultierenden Vgl. DOWNS (1968), S. 35. Vgl. auch die Darstellung bei MUELLER (1976), S. 411 f Zum Verhaltnis des Einflusses von Wahlformularen, WahlbezirksgrOfien und dem Abstimmungsmodus auf das Wahlergebnis und die Anzahl der Parteien vgl. LUPHART (1990), S. 481-496, der dies in 20 Landem zwischen 1945 und 1985 untersucht hat. Vgl. DOWNS (1968), S. 77 f. Vgl. dazu auch MYERSON/WEBER (1993), S. 104-109, die zeigen, dass der Wahlausgang im Mehrheitswahlrecht nur in geringem Umfang von den PrSferenzen der Wahler abhangen kann. Vgl. DAUMANN (1999), S. 112. Die Wahrscheinlichkeit, den Wahlausgang zu beeinflussen, sinkt mit zunehmender Wahlerschaft; vgl. BARRY (1975), S. 23 und 197, FN 2. Vgl. DOWNS (1968), S. 38 f Dazu vergleicht der Wahler die ihm durch die politischen Entscheidungen der regierenden Partei entstandenen NutzenstrOme mit denen, die er nach seiner Auffassung erhalten hatte, wenn die verschiedenen Oppositionsparteien an der Regierung gewesen waren. Die Partei, die dem Wahler den greBten Nutzen gespendet hat oder gespendet hatte, erhalt seine Stimme; vgl. DOWNS (1968), S. 37-39. Eine abweichende Entscheidung kann sich jedoch in Mehrparteien-Systemen durch strategisches Wahlen (vgl. dazu DOWNS [1968], S. 46-48; COX [1994], S. 608 f; MYERSON/WEBER [1993], S. 102-114) und insb. durch die mogliche Entstehung von Koalitionen (vgl. dazu DOWNS [1968], S. 139-153; DE SWAAN [1973], S. 47124)ergeben. Vgl. DOWNS (1968), S. 39-42, der diesem Sachverhalt durch Berucksichtigung eines sog. Trendfaktors Rechnung tragt. Vgl. DOWNS (1968), S. 235 f Zur Informationsbereitschaft der Wahler vgl. KiRSCH (2004), S. 237-246. Vgl. DOWNS (1968), S. 243 f. Vgl. DOWNS (1968), S. 223. D0WNS(1968),S.253.

3 Akteure im politischen Prozess

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Nutzen nicht wettmachen^^ und auBerdem von dem Wahlergebnis zahlreiche Wahler profitieren konnen, so dass das Wahlergebnis den Charakter eines Kollektivguts hat. Ein rationaler Wahler musste sich folglich der Stimme enthalten und die Position des Free-Riders annehmen. Die okonomische Theorie der Demokratie in ihrer von DOWNS entwickelten Grundform kann das Phanomen hoher Wahlbeteiligung bei ausschlieBlicher Ausrichtung an materiellen Interessen letztlich nicht losen.^^ Unterschiedliche Argumente werden daher angefuhrt, um dieses Paradox der Partizipation zu losen,^* wie die Sichening der Demokratie, der private Nutzen in Form von Burgerpflicht, Systemtreue sowie parteipolitische Praferenz,^^ oder auch die Kommunikation der politischen Ansichten, um so zukiinftige Entscheidungen zu beeinflussen.'^' Das von DOWNS entwickelte Modell betrachtet als Akteure fast ausschliefilich die politischen Parteien und die einzelnen Wahler.'^' Jedoch wird der politische Entscheidungsprozess auch entscheidend von den Btirokraten gepragt, die vor allem im Rahmen der Vorbereitung und Durchfuhrung dieser Prozesse mitwirken. Daher werden die Burokraten im Rahmen der okonomischen Theorie ebenfalls betrachtet. 3.3 Die Burokraten Unter „Burokratie" wird hier eine offentliche Verwaltung verstanden, die unmittelbar an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt ist.'^^ Die Burokratie greift in den politischen Prozess in zweifacher Hinsicht ein. Zum einen tut sie dies, indem sie Informationen beschafft, Gesetzesvorlagen entwirft oder vorhandene Gesetzesvorlagen beurteilt; zum anderen unterliegt ihr die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben sowie ihre Kontrolle.'^^ Vgl. DOWNS (1968), S. 266-269. Vgl. BERNHOLZ/BREYER(1994), S. 118 f.; MEYER-KRAHMER(1979), S. 68 f.

Zur Diskussion vgl. HEINEMANN (1999), S. 114-121; KiRSCH (2004), S. 246-249; MEYER-KRAHMER (1979), S. 68 f.; TOLLISON/WILLETT (1973), S. 59-71. Vgl. RIKER/ORDESHOOK (1968), S. 26-28, die DOWNS' Wahlmodell um den Faktor D (pers5nliche Befriedigung) erweitem, so dass sich die Gleichung (1) zu (2) R = P(UA-UB) - C + D verandert. Vgl. dazu auch BERNHOLZ/BREYER (1994), S. 110 f; NARR/NASCHOLD (1973), S. 177 f. Vgl. PIKETTY (2000), S. 169. Dabei unterscheidet PIKETTY zwischen drei moglichen zukUnftigen Einflussen: die Beeinflussung der wichtigen Parteien in Richtung der durch die Wahlentscheidung, z.B. ftir eine Randpartei, ausgedriickten Ansichten, die Beeinflussung von anderen Wahlem sowie die Moglichkeit, die Kandidaten zu beobachten, um die zukiinftige Wahlentscheidung besser tatigen konnen. Zur Rolle der Interessengruppen im Modell von DOWNS vgl. unten Abschnitt II.3.4.2.3.5. Vgl. ROPPEL (1979), S. 1. Die Verwaltung ist dabei nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet und verkauft ihre Leistungen nicht auf Markten, sondem wird durch ein Budget fmanziert. Neben der Betrachtung des Burokraten als monopolistischer Anbieter von Dienstleistungen (vgl. NISKANEN [19751, S. 618) wird teilweise auch der Einfluss von BOrokraten als Wahler in den Vordergrund gestellt; vgl. BUSH/DENZAU (1977), S. 94-98; TULLOCK(1972), S. 121-123. POMMEREHNE/FREY kommen zu dem Ergebnis, dass Burokraten als Wahler keinen besonderen Einfluss auf den politischen Prozess ausiiben konnen. In Demokratien ohne Volksabstimmung ist der Einfluss der Burokratie auf die Regierung in der laufenden Wahlperiode groBer, nimmt aber gegen Ende der Wahlperiode ab, da die Regierung, um ihre Wiederwahl zu sichem, den Ansichten der Wahler wieder folgen muss. In Demokratien mit Volksabstimmung ist dieser Einfluss noch weiter eingeschrankt, da sich die Regierung kontinuierlich starker am Einfluss der Wahler orientieren muss; vgl. POMMEREHNE/FREY (1978), S. 104-107. Vgl. dazu auch FIORINA/NOLL (1978a), S. 256260, und FIORINA/NOLL (1978b), 239-254, die das Zusammenspiel zwischen Wahlem, Gesetzgeber und der

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Teil II: Politischer Entscheidungsprozess

Im Mittelpunkt der nun folgenden Uberlegungen sollen die Angehorigen der Verwaltung stehen, die in den politischen Entscheidungsprozess als Vertreter ihrer Institution eingreifen. Hierbei handelt es sich um sog. Chefburokraten, die in der hierarchischen Struktur hoch angesiedelt sind. Das von WEBER geschaffene idealtypische Bild des Burokraten'^"* wird dabei abgelost durch Individuen, die nach dem Prinzip des methodologischen Individualismus handeln, d.h. auch Burokraten streben nach einer maximalen Befriedigung ihrer Bediirfnisse,'^^ vor allem in Form eines hohen Einkommens.'^^ Diese Nutzenmaximierung erfolgt aber auch hier unter bestimmten Nebenbedingungen.'^^ Eine Aufgabe der Burokraten im politischen Entscheidungsprozess besteht in der Informationsgewinnung und -verarbeitung. Mit der Informationsgewinnung sind vor allem Mitglieder der unteren Hierarchieebene betraut.'^* Fur den Chefburokraten entsteht daraus ein PrincipalAgent'VrohXQm, da er zum einen nur beschrankt die Leistung des einzelnen Burokraten beurteilen kann und zum anderen auch die Gefahr besteht, dass die ihm weitergeleiteten Informationen hinsichtlich der Zielsetzung der Burokraten auf unteren Hierarchieebenen manipuliert sind.'^^ Die Qualitat der Informationen nimmt folglich je nach Anzahl der durchlaufenen Ebenenab.^'' Fur den Chefburokraten bestehen nun Moglichkeiten dieses Principal-Agent-Problem abzuschwachen, indem er konkurrierende Abteilungen einrichtet, sich Informationen von aufien, z.B. von Interessengruppen, beschafft, informelle Beziehungen zu Mitgliedem unterer Hierarchiestufen aufbaut oder bei der Personalauswahl auf homogene Zielvorstellungen achtet.

BUrokratie sowie deren zunehmende Ausdehnung untersuchen. Vgl. dazu auch MOE/CALDWELL (1994), S. 171-195, die den Einfluss unterschiedlicher demokratischer Systeme auf die institutionelle Ausgestaltung der Demokratie betrachten. Danach beruht die BUrokratie auf einem umfassenden Regelwerk. Dieses regelt sowohl das Innen- als auch das AuBenverhaltnis der BUrokraten. Jeder Position innerhalb der Offentlichen Verwaltung werden danach Rechte und Pflichten und eine klare Stellung in der hierarchischen Struktur zugeordnet. Der BUrokrat erlangt seine Position nicht durch einen Wahlerfolg, sondem aufgrund seiner Fahigkeiten und erhalt fiir seine Tatigkeit ein Gehalt; vgl. WEBER, M. (1922), S. 650-655. Zu weiteren Eigenschaften vgl. DOWNS (1964), S. 3 f Vgl. dazu DOWNS (1974), S. 201, der von einem Interessenbiindel ausgeht, welches Einkommen, aber bspw. auch Macht, Prestige und Sicherheit enthalt. Vgl. dazu auch HANUSCH (1983), S. 6 f Steigerungen des Einkommens kann der BUrokrat durch eine Befbrderung erlangen; vgl. DOWNS (1974), S. 200 f NISKANEN subsumiert in seinen Uberlegungen das InteressenbUndel des BUrokraten unter der Zielsetzung der Budgetmaximierung seiner BehOrde; vgl. NiSKANEN (1974), S. 209. Vgl. aber auch die Modifikation des Modells in NISKANEN (1975), S. 618-623. DarUber hinaus sind aber auch administrative Nebenbedingungen, die durch die groBe Zahl von Vorschriften gesetzt werden, und politische Nebenbedingungen, um Konflikte mit der Regierung und Interessengruppen zu vermeiden, zu beachten; vgl. FREY/KIRCHGASSNER (2002), S. 173 f. Vgl. MEYER-KRAHMER(1979), S. 101.

So ist auch der BUrokrat nicht frei von eigenen Interessen; vgl. DOWNS (1974), S. 204 f.; FRANCIS, E. (1993), S. 104; NOLL (1989), S. 1277 f; ROPPEL (1979), S. 24-30, der zwischen Unvollkommenheit des Anweisungssystems und Unvollkommenheiten des Kontroll- bzw. Anreizsystems trennt. Eigeninteresse kann z.B. auch darin bestehen, die zukUnftige Arbeitsbelastung (aus der Umsetzung und insb. Kontrolle) zu reduzieren oder durch Aufrechterhaltung von Regeln die Existenz der BehOrde zu sichem. Vgl. DOWNS (1964), S. 14 f; TULLOCK(I965), S. 137-139.

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Dariiber hinaus kann er auch selbst bei der Informationsgewinnung tatig werden und sich Spezialwissen aneignen.''' Da eine vollstandige Einschrankung des Problems nicht moglich sein wird, ist davon auszugehen, dass Burokraten schlechter informiert sind als Interessengruppen, bei welchen eine Zielhomogenitat bezuglich des gewunschten Kollektivgutes besteht.''^ Das Informationspotenzial der Verwaltung wird aber hoher als das der Politiker angenommen, da diese die Effekte staatlicher MaBnahmen aufgrund ihrer Erfahrung bei der Umsetzung und durch den direkten Kontakt mit Betroffenen auch die Bedurfnisse der Wahler besser abschatzen kann."^ Empirisch wird diese These dadurch bekraftigt, dass der groBte Teil der Gesetzesinitiativen von der Exekutive ausgeht.''"* 3.4 Die Interessengruppen 3.4.1 Das Entstehen von Interessengruppen In der Literatur finden sich unterschiedliche, konkurrierende Theorien zur Erklarung der Entstehung von Interessengruppen."^ Die folgende Darstellung beschrankt sich auf die wichtigsten Formen. 3.4,1.1 Die Pluralismustheorie Im Rahmen der Forschung iiber Interessengruppen nimmt die amerikanische Pluralismustheorie eine wichtige Stellung ein. In ihr lassen sich zwei Erklarungen fur das Entstehen von Interessengruppen finden. Zum einen wird ihr Entstehen als historische Zwangslaufigkeit und zum anderen als Reaktion auf Storungen des politischen Gleichgewichts angesehen. Der erste Ansatz geht davon aus, dass die Bildung von Interessengruppen die Folge der Entwicklung der modemen Industriegesellschaften ist. Wahrend in filiheren Zeiten kleine Gruppen wie die Familie uberwogen, entstand mit der Industrialisierung eine zunehmende Individualisierung der Gesellschaft bzw. entstanden zusatzliche gesellschaftliche Gruppen, was zu einer Zunahme von Partikularinteressen fiihrte. Durch die Bildung von Interessengruppen konnten diese gebundeh werden. Diese zunehmende Bildung von Interessengruppen findet statt, solange die soziale Ausdifferenzierung anhalt."^ Der zweite Ansatz geht davon aus, dass sich Interessengruppen als Reaktion auf Storungen des politischen Gleichgewichts bilden. Wird das politische Gleichgewicht z.B. durch technischen Fortschritt oder Kriege gestort, entstehen bei verschiedenen Gruppen Nachteile. Um diese Nachteile zu beseitigen, bilden sich Interessengruppen. Diese besitzen ein gesteigertes Vgl. DOWNS (1964), S. 15 f; FREY/KIRCHGASSNER (2002), S. 167; MEYER-KRAHMER (1979), S. 103 f; NlSKANEN (1983), S. 114 f; TULLOCK (1965), S. 148. Vgl. dazu unten Abschnitt II.3.4.1.2. Vgl. DAUMANN (1999), S. 130. Vgl. ELLWEIN(1971), S . 5 7 f Ein ausflihrlicher Uberblick mit kritischer WOrdigung findet sich bei DAUMANN (1999), S. 16-25. Dort werden als Begriindung auch die Durchsetzung eines generalisierten Glaubenssystems oder Triebtheorien angefiihrt. Vgl. TRUMAN (1957), S. 35 f Vgl. dazu auch FRANCIS, E. (1993), S. 113.

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Tell II: Politischer Entscheidungsprozess

Einflusspotenzial im Vergleich zu einer unorganisierten Gruppe und fordem einen groBeren Zusammenhalt der Mitglieder. Die Bildung einer Interessengruppe, die sich aktiv am politischen Prozess beteiligt, ftihrt gleichzeitig bei anderen Gruppen zu Nachteilen, die daher gleichfalls mit der Bildung einer Interessengruppe reagieren. Bis zur Entstehung eines neuen Interessengleichgewichts werden nun neue Interessengruppen gebildet.''^ Hauptkritikpunkt an den Ansatzen der Pluralismustheorie ist, dass von einer Organisierbarkeit aller Interessen ausgegangen wird. Damit muss diese Theorie dann versagen, wenn sich trotz des Vorliegens der von den Ansatzen geschilderten Ursachen keine Interessengruppen bilden."« 3.4.1.2 Die Logik kollektiven Handelns Der nun zu schildemde Ansatz geht auf die Uberlegungen von OLSON zur Logik des kollektiven Handelns zurtick."^ Ihm zugrunde liegt das bereits erlauterte Prinzip des methodologischen Individualismus. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen Individuen, die als alleinige Entscheidungstrager innerhalb einer Gesellschaft angesehen werden. Das Verhalten von Gruppen wird folglich durch die Einstellungen und das Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder erklart.'^^ Diese Betrachtungsweise ermoglicht es, die mogliche Irrationalitat im Kollektiwerhalten, z.B. das Gefangenendilemma, durch die Entscheidung des Einzelnen zu erklaren.'^' Die Individuen werden charakterisiert als unterschiedlich hinsichtlich ihrer Fahigkeiten und ihrer Praferenzstruktur.'^^ Daruber hinaus sind sie mit unterschiedlichen Ressourcen ausgestattet. Gemeinsam ist ihnen aber das Streben nach Verbesserung der individuellen Lage und der Lebensbedingungen.'^^ D.h. trotz bestehender Heterogenitat existieren Bereiche, in denen verschiedene Individuen die gleichen Interessen (sog. Partikularinteressen) haben und auch die gleichen Zielsetzungen verfolgen. Diese Individuen bilden dann eine potenzielle Gruppe, aus der eine organisierte Interessengruppe entstehen kann.'^'' Vgl. TRUMAN (1957), S. 31 f. Vgl. auch den ausfiihrlichen Uberblick bei NARR/NASCHOLD (1973), S. 206215. Vgl. BERNHOLZ/BREYER (1994), S. 167 f; WEBER, J. (1977), S. 48. Vgl hierzu auch die Untersuchung von REY, der anhand der Entstehung des Chemikaliengesetzes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Annahmen der Pluralismustheorie Uberprtift. Er kommt zu dem Ergebnis, dass diese in der Realitat nicht haltbar seien und man daher von einer Ideologic statt von einer Theorie sprechen miisse; vgl. REY (1990), S. 145 f. Vgl. OLSON (1968). Vgl. HEINEMANN (1999), S. 34 f; MAISACK (1995), S. 19. Vgl. die ausftihrliche Diskussion des Gefangenendilemmas bei KiRSCH (2004), S. 176-180; MUELLER (1976), S. 396-399. Vgl. PAPPENHEIM (2001), S. 17. Zur Festlegung und Begrenzung des individuellen Handlungsspielraums vgl. BOETTCHER (1974), S. 35 f. Vgl. DAUMANN (1999), S. 27 f.

Vgl. ausfilhrlich BUCHHOLZ (1970), S. 200-215, zu sog. Quasi-Gruppen. Vgl. auch OLSON (1992), S. 7-9, der das Zusammenspiel aus individuellen und gemeinsamen Interessen mit einer Situation auf einem vollst^digen Wettbewerbsmarkt vergleicht, in dem Untemehmen zwar das gemeinsame Interesse eines hOheren Absatzpreises verfolgen, aber hinsichtlich der jeweiligen Absatzmenge gegensatzliche Interessen verfolgen.

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Organisiert sich eine Interessengruppe, so besteht deren Hauptzweck darin, die Interessen der Mitglieder zu fordem.'^^ Ziel dieser Fordenmg ist die Erlangung eines Kollektivguts.'^^ Eigenschaft eines Kollektivguts ist es aber, dass nicht nur die Mitglieder, die sich an der Beschaffung desselben beteiligt haben, sondem auch die potenziellen Mitglieder der Interessengruppe, die sich nicht an der Beschaffung beteiligt haben, am KoUektivgut partizipieren (sog. Nicht-Ausschlussprinzip).'^^ Eine weitere Eigenschaft eines Kollektivgutes ist die Nichtrivalitat im Konsum, d.h. die Menge des Gutes kann von mehreren Individuen gleichzeitig verbraucht werden, ohne dadurch die Moglichkeiten der anderen Konsumenten zu verringem.'^^ Ein potenzielles Interessengruppenmitglied hat somit zwei Moglichkeiten: Es kann sich an der Beschaffung des Kollektivgutes durch Bereitstellung von benotigten Ressourcen beteiligen Oder nicht.'^^ Da es fiir den Einzelnen nun aber nicht moglich ist, das Verhalten der restlichen Gruppenmitglieder zu beobachten, kann es fur ihn gunstiger sein, sich nicht an der Beschaffung des Kollektivgutes zu beteiligen, aber im Falle des Erlangens trotzdem am KoUektivgut zu partizipieren. Eine Gruppe muss daher zusatzliche Mechanismen fmden, um dieses Free-rider-Ycrhahen zu verhindem.'^^ Diese zusatzlichen Mechanismen fuhren zwangslaufig zu zusatzlichen Kosten der Gruppe. Betrachtet man zunachst kleine Gruppen,'^' sind bei diesen die Interaktionskosten vergleichsweise niedrig. Die einzelnen Mitglieder konnen die Interdependenzen ihrer Handlungen erfassen. Daruber hinaus sind auch die Kommunikation und die Kontrolle innerhalb einer kleineren Gruppe leichter. Da bei kleinen Gruppen der zu leistende Beitrag zur Beschaffung des Kollektivgutes relativ hoch ist, ist der Beitrag des einzelnen Akteurs fiir die Erstellung des Kollektivgutes hier besonders wichtig. Mitglieder einer kleinen Gruppe werden daher eher zu

Vgl. OLSON (1992), S. 4. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass vor allem politische Vorhaben, die eine begrenzte Gruppe fbrdem, vorangetrieben werden, wahrend politische Vorhaben, die die AUgemeinheit fbrdem (z.B. eine Einkommensteuersatzsenkung), nicht von Interessengruppen vertreten werden; vgl. MARTZ (1990), S. 84. LIEFMANN-KEIL fUhrt als wichtigste Grundlage fiir die Existenz von Interessengruppen Ungewissheit und Informationsmangel an; vgl. LIEFMANN-KEIL(1969), S. 32. Die Realisierung des Partikularinteresses ist somit als Produktion eines ofTentlichen Kollektivgutes anzusehen. Vgl. KiRSCH (1976), S. 23; OLSON (1992), S. 13 f.; WATRIN (1986), S. 8 f. Vgl. BEHRENDS(2001),S.53f. Beteiligt das Individuum sich nicht an der Beschaffling, kann es aus der individuellen Nutzung der Ressourcen einen Ertrag erwirtschaften und dariiber hinaus, wenn der Gruppe die Beschaffung des Kollektivgutes ohne seine Beteiligung gelingt, auch einen Teil des Kollektivguts erhalten. Beteiligt es sich an der Beschaffung, bringt es seine Ressourcen in die Gruppe ein. Gelingt dadurch die Beschaffung des Kollektivgutes, erhalt das Individuum einen Teil des Kollektivgutes. Der einzelne Akteur wird nun die Entscheidung treffen, die ftir ihn den grOBten Nutzen bringt. POMMEREHNE/SCHNEIDER, F. (1980), S. 286-308, zeigen jedoch, dass dieses Problem in der Literatur uberbetont wird. Klein ist hier im Sinne einer geringen Mitgliederzahl zu verstehen; vgl. KiRSCH (2004), S. 171 f So auch WEIZSACKER (2000), S. 47, der erklSrt, dass sich kleine Interessengruppen, die Produzenteninteressen vertreten, leichter bilden k5nnen als groBe Interessengruppen, die unspezialisierte Konsumenten bundeln sollen.

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Teil H: Politischer Entscheidungsprozess

der Produktion des Kollektivgutes beitragen, zumal Zuwiderhandlungen besser aufgedeckt und sanktioniert werden konnen.'^^ Bei groBen Gruppen stellt sich der Prozess hingegen schwieriger dar, da aufgrund der GruppengroBe die oben angesprochenen Mechanismen nur bei wesentlich hoheren Kosten durchzufiihren sind.^^^ Das einzelne Gruppenmitglied muss zwar zur Beschaffung des Kollektivgutes aufgrund der GruppengroBe einen relativ geringen Beitrag leisten, aber gerade dies kann zu der Einschatzung eines Mitgliedes fuhren, dass dieses auch ohne seine Beteiligung beschafft werden konnte.'^"* Daher und da eine Kontrolle aufgrund der geringen Transparenz innerhalb einer groBen Gruppe nur schwer durchfuhrbar ist, werden sich die Mitglieder eher nicht an der Beschaffung des Kollektivgutes beteiligen. In diesem Fall bietet sich fiir den Akteur die Einnahme der Free-rider-?osition an, da er dann den Nutzen aus dem Kollektivgut ohne Einsatz eigener Ressourcen erlangen kann. Dieses Phanomen ist das Dilemma der groBen Gruppe, das dazu fuhrt, dass trotz der Vorteilhaftigkeit der Beschaffung des Kollektivguts fur alle Mitglieder der potenziellen Gruppe das Nutzenkalkiil jedes Einzelnen der Beschaffung entgegensteht.^^^ Es mussen daher andere Mechanismen gefimden werden, um die Freer/V/er-Position unattraktiv zu machen.'^^ Dafiir kommen vor allem selektive Anreize in Betracht.'^^ Diese wirken in dem Sinne selektiv, dass jene, die sich nicht an der Beschaffung des Kollektivgutes beteiligen, anders behandelt werden konnen als diejenigen, die ihren Beitrag dazu leisten.'^* Es werden positive und negative selektive Anreizen unterschieden. Werden positive selektive Anreize gesetzt, werden diejenigen Individuen belohnt, die zur Beschaffung des Kollektivgutes beitragen. Im Falle

Vgl. BARRY (1975), S. 34. Eine besondere Situation ergibt sich innerhalb einer kleinen Gruppe, wenn unterschiedliche Bedtirfiiisintensitaten hinsichtlich der Bereitstellung des Kollektivgutes bestehen. So kann die Erlangung des Kollektivgutes flir einige oder ein einzelnes Gruppenmitglied einen so hohen personlichen Nutzen bringen, dass dieser die gesamten Kosten aus der Bereitstellung des Gutes Ubersteigt. Das Kollektivgut wUrde in solchen Fallen ohne Zwang bereitgestellt werden; vgl. OLSON (1992), S. 32 f. Vgl. auch die Abbildung bei KiRSCH (2004), S. 173, die unterschiedliche Konstellationen hinsichtlich GruppengrOBe und BedUrfhisintensitaten schematisiert. Vgl. OLSON (1992), S. 33 und 45. Vgl. OLSON (1992), S. 43. DAUMANN (1998), S. 38 f., erweitert dieses Szenarium, indem er die Beschaffung des Kollektivgutes als permanenten Prozess betrachtet. Durch eine stSndige Anderung der Rechtsordnung bedarf es auch einer laufenden Aktivitat der Interessengruppe zur Erlangung des Kollektivgutes. Dies fUhrt in einer groBen Gruppe zu einer Zunahme der Transparenz der Auswirkungen des Free-rider-Verhaltem auf die Beschaffung. Das Individuum kann folglich seinen eigenen Beitrag besser und damit auch hoher einschatzen. AuBerdem wird durch die zunehmende Transparenz die Kontrolle und Sanktionierung von Zuwiderhandlungen verbessert. Eine permanente Beschaffungssituation erleichtert folglich ftir die Gruppe die Erlangung. Vgl. OLSON (1992), S. 130-132, der dieses Phanomen als „Nebenprodukt"-Theorie der groBen Interessengruppen bezeichnet. Diese Ansicht wird jedoch als zu eng kritisiert, da gemeinsames Handein auch auf direktem Wege mOglich sei; vgl. LOCKE (1975), S. 217-247; MEYER-KRAHMER (1979), S. 127; SCHNEIDER, F. (1985), S. 14. Daneben ist auch an die Bildung von Untergruppen zu denken (vgl. OLSON [1992], S. 61) sowie an die Korrektur der Erwartungsstruktur; vgl. DAUMANN (1999), S. 41 f, wobei offen bleibt, wie diese Korrektur vonstatten gehen soil. Vgl. OLSON (1992), S. 49 f.

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negativer selektiver Anreize erfolgt eine Bestrafling der Individuen, die sich einer Beteiligung an der Beschaffung des Kollektivgutes verweigem.'^^ Neben dem (wohl wirkungsvollsten) Einsatz von (Beitritts-)Zwang''*^ werden drei Kategorien von selektiven Anreizen unterschieden: materielle, soziale und ideelle Anreize. Diese sind insofem freiwilliger Art, als das Individuum abwagen kann, ob der selektive Anreiz die durch die Mitgliedschaft entstehenden Kosten uberwiegt.'"*' Materielle Anreize konnen z.B. im verbilligten oder ausschliefilich durch die Mitgliedschaft moglichen Bezug von Gutem bestehen.'"*^ Soziale Anreize konnen durch den Kontakt zu anderen Interessengruppenmitgliedem entstehen. Darunter fallen das Entstehen und die Pflege von Freundschaften sowie das Erreichen eines hohen gesellschaftlichen Status bei Exklusivitat der Interessengruppe."*^ Ideelle Anreize bilden sich aus dem zu erlangenden Kollektivgut. Sie sind uberwiegend ideologischer und moralischer Art.'"^"* Sind diese Probleme uberwunden, kaim koUektives Handeln eingeleitet werden. Initiator des Handelns ist der politische Untemehmer, der sowohl die Bildung als auch das Handeln der Interessengruppen leitet."*^ 3.4.2 Das Einflusspotenzial von Interessengruppen 3.4.2.1 Ursachen des Einflusses von Interessengruppen Die obigen Darstellungen iiber Wahler, Politiker und Burokraten haben eine Gemeinsamkeit erkennen lassen. Alle diese Personen miissen ihre Entscheidungen unter Unsicherheit treffen.'"*^ Genau an dieser Stelle konnen Interessengruppen in das politische Geschehen eingreifen, da sie in bestimmten Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft Spezialwissen besitzen, das von anderen politischen Akteuren nur unter groBem Aufsvand beschafft werden kann. Aufgrund dieses Spezialwissens sind die Interessengruppen besser in der Lage, die Auswirkungen staatlicher MaBnahmen auf ihre eigene Situation sowie auf die Situation ihrer Konkurrenten, Arbeitnehmer, Kunden und Lieferanten sowie die darauf zu erwartende Reaktion der Betroffenen zu beurteilen. Die Interessengruppen konnen nun den politischen Akteuren diese Informationen zur Verfugung stellen oder fur entsprechende Gegenleistungen verkau139

Vgl. OLSON (1992), S. 50. Vgl. ausfuhrlich zum Einsatz von Zwang KiRSCH (1976), S. 25 f; KlRSCH (2004), S. 182-184. 141 Vgl. KiRSCH (2004), S. 180f. 142 MAISACK nennt z.B. die Beratung und Betreuung der Mitglieder in rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen oder Angebote zur Weiterbildung als positive selektive Anreize; vgl. MAISACK (1995), S. 23. Vgl. FREY/KIRCHGASSNER (2002), S. 195. Vgl. aber MAISACK (1995), S. 24 f., der von einem aus sozialen Griinden resultierenden Beitrittszwang spricht. Vgl. DAUMANN (1999), S. 41. Vgl. GROSER (1976), S. 98; MARTZ (1990), S. 85; MOE (1980), S. 36-72. Dem politischen Untemehmer werden dabei die gleichen Eigenschaften zugesprochen wie dem wirtschaftlichen Untemehmer. Zum Konzept des politischen Untemehmers vgl. auch schon WAGNER (1966), S. 164-166. So mussen z.B. WShler ihre Wahlentscheidung unter der Unsicherheit treffen, ob Politiker ihr Parteiprogramm nach der Wahl umsetzen; die Politiker treffen ihre Entscheidung unter Unsicherheit bezuglich der Einstellung der Wahler und die Chefburokraten sind unsicher bezuglich der Qualitat der von unteren Hierarchieebenen gelieferten Informationen. 140

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Teil II: Politischer Entscheidungsprozess

fen, so dass diese die Moglichkeit haben, ihren Informationsnachteil zu verkleinem."*^ Neben der Informationsbereitstellung ist aber auch die Kommunikation ihrer Ansichten flir die Interessengruppen wichtig. Derin nur so konnen ihre Interessen im politischen Entscheidungsprozess beriicksichtigt werden."*' Die Interessengruppen konnen durch gezielt bereitgestellte Informationen versuchen die Meinung der politischen Akteure zu beeinflussen.'"*^ Neben dem Informationsvorteil ist auch die Machtstellung als Lieferant und Abnehmer fiir den Einfluss der Interessengruppe mafigebHch. Interessengruppen, die betrachtlichen Einfluss auf einem oder mehreren Markten besitzen, konnen durch ihre Aktionen andere Marktteilnehmer beeinflussen. Dies kann sich auch auf Wahlerkreise auswirken, die als Abnehmer oder Lieferanten Giiter und Dienste von Mitgliedem anbieten oder nachfragen. Mogliche Mittel dazu sind z.B. Streiks oder auch Beschrankungen der Angebotsmenge.'^^ Daraus resultierende Einschrankungen der Bevolkerung werden oft nicht den Interessengruppen, sondem der Regierung zugeschrieben, die fiir die auslosenden Umstande verantwortlich gemacht wird. Gelingt es den Interessengruppen, diese Einschatzung der Bevolkerung zu fordem, kann ein umso groBeres Wahlerpotenzial gegen die Regierung mobilisiert werden. Ist dies moglich, reicht oft schon die Drohung der Ausubung der Marktmacht, um die Regierung zum Einlenkenzubewegen.'^' Ein weiterer Einflussfaktor ist die Finanzierung der Parteien durch die Interessengruppen. Dieser Einflussfaktor ist jedoch bei groBeren Parteien mit hoherem Beitragsauflcommen abgeschwacht. Fiir die Bundesrepublik Deutschland wird davon ausgegangen, dass fiir die CDU Spenden wichtiger sind als fur die SPD, da diese ein hoheres Beitragsaufkommen und ein groBeres Vermogen besitzt. Das hohere Beitragsaufkommen der SPD ist zum einen durch eine grofiere Mitgliedszahl und zum anderen durch die groBere Beitragstreue der Mitglieder bedingt.'" Vgl. BERNHOLZ/BREYER (1994), S. 169 f; BRAUN (1972), S. 52 f; FRANCIS, E. (1993), S. I l l ; KiRSCH (2004), S. 357; NOLL (1989), S. 1264; SCHUTT-WETSCHKY (1994), S. 40 f.; anderer Auffassung WAGNER (1966), S. 166, der lediglich das Tempo der Informationsverbreitung beim Zusammenschluss von Interessengruppen fiir hOher halt. Vgl. dazu die Kritik von BERNHOLZ (1974), S. 46 f. Zur Vorteilhaftigkeit von Informationsbeschaffung durch Interessengruppen vgl. BERNHOLZ (1973), S. 871 f. Informationsbereitstellung ist vom Gesetzgeber auch so gewunscht, da durch die Beteiligung der Interessengruppen am Gesetzgebungsprozess, die Gesetze auf eine breitere Basis gestellt werden kOnnen, was auch deren zukunftige Anwendung unterstUtzt; vgl. SCHUTT-WETSCHKY (1994), S. 41. Vgl. dazu § 47 GeschO BM; § 70 GeschO BT und unten Abschnitt IV. 1.3. Vgl. MiLBRATH (1960), S. 35. Vgl. MARTZ (1990), S. 154 f. Unter Beeinflussung ist hierbei vor allem die gezielte Weitergabe von fiir die Interessengruppe nutzlichen Informationen zu verstehen sowie auf der anderen Seite das gezielte Unterlassen der Weitergabe von negativen Informationen. Die Interessengruppen diirfen aber nicht als alleinige Besitzer dieser Informationen verstanden werden. So verfiigen auch Politiker Uber verwertbare Erfahrungen und auch die BUrokratie und exteme Berater verfiigen uber Fachkenntnisse. Vgl. BERNHOLZ (1969), S. 284 f; BERNHOLZ (1973), S. 865; BERNHOLZ/BREYER (1994), S. 170 f; FREY/ KIRCHGASSNER (2002), S. 201. Vgl. BERNHOLZ/BREYER (1994), S. 170 f Vgl. BEYME (1974), S. 142; BRAUN (1972), S. 55 f Vgl. die Ubersicht Uber die Einnahmen der Parteien in WEBER, J. (1977), S. 309, 311 und 313 f. Vor einer Abhangigkeit von Spendem scheint jedoch keine der Parteien geschUtzt zu sein. Vgl. dazu ausfilhrlich VERSTEYL (1972), S. 81-84. Auch die Finanzierung der

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Neben dem Erreichen direkter Ziele konnen Interessengruppen ihren Einfluss auch zur Ausweitung ihrer Macht benutzen. So konnen sie versuchen Vertrauensleute in das Parlament, Parlamentsausschusse oder Ministerien zu bringen, so dass bei der Vorbereitung von Gesetzesvorlagen und Verordnungen diese schon beeinflussend in den politischen Entscheidungsprozess eingreifen konnen.'" Auch durch Wahlpropaganda konnen Interessengruppen Einfluss nehmen. Dies kann z.B. in Form der Aktivierung des Familien- oder Bekanntenkreises oder aber uber einen direkten Aufruf der Interessengruppe, eine bestimmte Partei zu wahlen, geschehen.'^"* Die geschilderten Einflusstechniken werden in geld- und zeitintensive Formen geteilt, die je nach Ressourcenausstattung von der Interessengruppe gewahh werden.'^^ 3.4.2.2 Die Durchsetzungskraft der Interessengruppe beeinflussende Faktoren 3.4.2.2.1 Gruppeninteme Faktoren des Einflusses Das Einflusspotenzial einer Interessengruppe hangt sowohl von auBeren Umstanden als auch von der Interessengruppe selbst ab.'^^ Neben der Organisationsfahigkeit von Interessengruppen'" ist ihre Konfliktfahigkeit entscheidend, d.h. sie muss in der Lage sein, durch Aktionen den politischen Prozess zu beeinflussen. Dabei ist vor allem wichtig, dass sie jederzeit mit der Durchfuhrung von Aktionen glaubhaft drohen kann.'^* Zu den gruppenintemen Faktoren zahlt auBerdem die Ideologic einer Interessengruppe, die die sozialen und wirtschaftlichen Interessen reprasentiert. Diese hat eine Doppelfunktion zu erftillen. Zum einen dient sie der Integration der Mitglieder, da diese nicht zwangslaufig identische Interessen besitzen. Zum anderen dient die Ideologic der Artikulierung der Gruppeninteressen in der Offentlichkeit. Ziel ist es dabei, das Gruppeninteresse nicht lediglich als (materielles) eigenes Interesse darzustellen, sondem vielmehr als forderlich fur das Gemeinwohl oder auch fur das Interesse anderer Gruppen, um so auch Nichtmitglieder mobilisieren zu konnen.'^^ Auch der representative Charakter der Interessengruppen ist entscheidend.'^ Daneben spielen Finanzkrafl'^' und Qualitat der Fiihrung'^^ eine Rolle.

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Parteien durch Steuergelder wie in Deutschland kann die AbhSngigkeit von Interessengruppen mildem. Dieser Weg der Beeinflussung von Parteien ist aber vor allem fUr individuelle Interessenten wichtig, die im Gegensatz zu Interessengruppen keine anderen MOglichkeiten zur Beeinflussung haben; vgl. BERNHOLZ (1969), S. 285; BEYME (1974), S. 141. Vgl. ALEMANN (1996c), S. 37; WITTMANN (1976), S. 3. Vgl. VERSTEYL (1972), S. 85 f. Diese Einflussmdglichkeit wird umso grOBer sein, je hOher der Anteil der Wechselwahler in der jeweiligen Interessengruppe ist; vgl. BRAUN (1972), S. 58 f. Vgl. MARTZ (1990), S. 80 f. Zur Teilnahme von Interessengruppen am politischen Entscheidungsprozess im Bereich der Rechnungslegung vgl. FEROZ (1987), S. 8 f. Vgl. dazu das Schaubild in WEBER, J. (1977), S. 187. Vgl. Abschnitt II.3.4.1.2 zur Logik kollektiven Handelns.

'^* Vgl. FREY/KIRCHGASSNER(2002), S. 195; GROSER(1976), S. 93 f.;OFFE(1974), S. 276.

'^^ Vgl. BEYME (1974), S. 41,43 f. und 47 f. D.h. das Einflusspotenzial hangt auch davon ab, wie repr^sentativ die Gruppe fur das von ihr vertretene Interesse ist. Dies ist jedoch schwer zu messen, da meistens unbekannt ist, wie groB die Gruppe ist, die von der organisierten Interessengruppe vertreten wird; vgl. BEYME (1974), S. 52-54; STREIT(1988), S. 40. Neben der finanziellen UnterstUtzung von Parteien kann diese zur Beeinflussung anderer wichtiger Personen sowie zur Finanzierung von Aktionen, die z.B. die eigenen Ziele der Offentlichkeit prasentieren, eingesetzt

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Teil II: Politischer Entscheidungsprozess

3.4.2.2.2 AuBere Faktoren des Einflusses Zu den auBeren Faktoren des Einflusses gehort die Stellung der Interessengruppen in der Rechtsordnung. Oft haben diese eine rechtliche Sonderstellung. So wird ihnen bspw. das Recht zugestanden, an Anhorungen im Ministerium oder vor Ausschussen teilzunehmen. AuBerdem wirken sie in Beiraten und Fachausschussen mit.'^^ Ein besonders wichtiger Faktor ist die Stmktur des Regierungssystems, da davon die Wahl der Adressaten des Einflusses sowie die Strategie der Beeinflussung abhangt.'^ Als letzter Faktor ist noch die politische Kultur zu nennen.'^^ VERSTEYL nennt als begiinstigende Faktoren des Einflusses in Deutschland zum einen die groBe Gesetzesflut und die zahlreichen Verpflichtungen der Abgeordneten und zum anderen die Entideologisierung der Parteien. Die groBe Gesetzesflut und die vielen Verpflichtungen der Abgeordneten fiihren dazu, dass sich der einzelne Abgeordnete auf die Meinung der Fraktionsexperten, die haufig auch Interessengruppenvertreter sind, verlassen muss. Eine geringe Zahl von Abgeordneten kann so das Abstimmungsverhalten einer ganzen Fraktion beeinflussen.'^^ Wahrend fruher Parteien eine deutliche Ideologiegebundenheit batten und somit einzelne verbundene Interessengruppen unterstiitzten, ist heute eine solche Festlegung nicht mehr in dieser ausgepragten Form zu beobachten. Vielmehr legen die Parteien Wert auf die Verbindung zu unterschiedlichsten Interessengruppen. Gleichzeitig legen sich auch die Interessengruppen nicht mehr auf einzelne Parteien fest, sondem pflegen zu verschiedenen Parteien guten Kontakt.'^^ 3.4.2.3 Adressaten des Einflusses 3.4.2.3.1 Kriterien fur die Wahl des geeigneten Adressaten Das politische System der Bundesrepublik Deutschland ist gekennzeichnet durch eine ausgepragte Funktionenteilung. Interessengruppen konnen, wenn sie ihre Ziele durchsetzen wollen, nicht alle politischen Entscheidungstrager gleichzeitig beeinflussen; deshalb kanalisieren sie ihre Einflussnahme auf bestimmte Institutionen. Greift eine Interessengruppe in den Gesetzgebungsprozess ein, ist es aufgrund der unterschiedlichen Stadien des Prozesses meist notwendig, mehrere Adressaten zu beeinflussen.'^* Im Folgenden werden die Hauptadressaten des Einflusses der Interessengruppen im Gesetzgebungsprozess herausgearbeitet.

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werden; vgl. BEYME (1974), S. 58 f; STREIT (1988), S. 41. Vgl. dazu auch das Model! von BENZION/EYTAN (1974), S. 1-10, die zeigen, dass erfolgreiche Kandidaten eher finanzielle Unterstutzung erhalten. Vgl. BEYME (1974), S. 59. Vgl. BEYME (1974), S. 62. Vgl. § 70 GeschO BT, danach kOnnen die AusschUsse „6ffentliche Anhorungen von Sachverstandigen, Interessenvertretem und anderen Auskunftspersonen vomehmen". Vgl. BERNHOLZ(1973), S. 877-880; BEYME (1974), S. 67-73; WEBER, J. (1977), S. 190-193. Vgl. BEYME (1974), S. 83, der darunter „die von alien Mitgliedem einer politischen Gesellschaft geteilten Wert- und Glaubenshaltungen" versteht. Vgl. VERSTEYL (1972), S. 172 und 177 f Vgl. VERSTEYL (1972), S. 178-180. Dies erleichtert dann auch im Fall eines Regierungswechsels eine Beeinflussung des politischen Entscheidungsprozesses. Vgl. dazu die Studien zur personellen Verflechtung von Interessengruppen und politischen Akteuren in Abschnitt IV. 1.4. Vgl. zum Gesetzgebungsprozess der Bundesrepublik Deutschland Abschnitt IV. 1.3.

3 Akteure im politischen Prozess

3.4.2.3.2 Das Parlament Ein wichtiger Adressat des Einflusses der Interessengruppen sind die Parlamente. Hier spielt die gezielte Beeinflussung von Abgeordneten, die einen besonderen Einfluss auf die politische Entscheidung haben, eine groBere Rolle.'^^ Doch darf auch der umgekehrte Weg, auf dem sich der Abgeordnete zur Erlangung entscheidungsrelevanter Informationen an eine Interessengruppe wendet, nicht vemachlassigt werden.'^^ Neben den einzelnen Abgeordneten sind in Regierungssystemen, die einen Arbeitsschwerpunkt in der Ausschussarbeit haben, die Ausschussmitglieder hauptsachliche Adressaten. Die direkte Beeinflussung der Ausschussmitglieder sowie die Platzierung von Mitgliedem in den Ausschtissen sind entscheidend fur die Durchsetzungskraft der Interessengruppe. Auch die Arbeitskreise der Fraktionen und insb. die Parteileitung sind wichtige Adressaten fiir den Einfluss der Interessengruppe.'^' 3.4.2.3.3 DieRegierung Aufgrund der Ausweitung der Regierungstatigkeit stellt die Regierung einen der wichtigsten Adressaten dar. Vor allem der Regierungschef, dem eine groBe Durchsetzungskraft unterstellt wird (sog. Richtlinienkompetenz), ist beliebter Ansprechpartner fur die Interessengruppen.'^^ Die Interessengruppen versuchen dariiber hinaus ihre Vertrauensleute in die Regierung zu bringen.'^^ Die Kontaktaufnahme verlauft aber teilweise auch in umgekehrter Richtung. So werden Interessengruppen auch zu Gesprachen mit der Regierung geladen oder zur Mitarbeit in Beiraten gebeten.'^"* Gerade bei der Initiierung von Gesetzen stellt die Regierung den relevantesten Ansprechpartner dar.'^^ 3.4.2.3.4 Die Burokratie Die Burokratie ist ebenfalls ein entscheidender Adressat ftir die Interessengruppen,'^^ da diese sowohl in der Entscheidungs- als auch in der Umsetzungsebene aktiv am politischen Prozess beteiligt ist. Vor allem bei der Vorbereitung von Gesetzen im Referentenstadium ist die EinVgl. BEYME (1974), S. 93-95; MANN (1994), S. 179. So kann eine Beeinflussung bereits bei der Aufstellung der Wahllisten stattfinden; vgl. VERSTEYL(1972), S. 79; kritisch dazu WEBER, J. (1977), S. 319 f. Vgl. BEYME (1974), S. 99; MANN (1994), S. 180. Der Einfluss von Interessengruppen auf Abgeordnete darf dennoch nicht tiberschatzt werden, denn auch Abgeordnete verfolgen ihre eigenen Ziele, also die Wiederwahl, und sind daher vor allem auch abhSngig von den Stimmen ihres eigenen Wahlkreises; vgl. BEYME (1974), S. 102. Vgl. BEYME (1974), S. 105 f. Vgl. BEYME (1974), S. 110 f; WEBER, J. (1977), S. 249. Zur Richtlinienkompetenz vgl. BUSSE (1997), S. 44 und 46 f. Vgl. BEYME (1974), S. 112. Vgl. BEYME (1974), S. 114f. Vgl. dazu die statistische Auswertung von VERSTEYL (1972), S. 60-62, der in einer Umfi-age fiir 34 Verbande die Wahl des Adressaten der Gesetzesinitiative ermittelte. Die Bundesregierung war mit 65 % der haufigst gewahlte Adressat. Die Untersuchung von PAPPI ET AL. (1995), S. 289 f, zeigt, dass von Interessengruppen bestatigte Informationsweitergabe an politische Akteure (Fraktionen und Ministerien) mit Entscheidungsbefugnissen relativ hoch ist. Die Ministerien bestatigten diese Kontakte jedoch wesentlich weniger als die Fraktionsmitglieder; vgl. PAPPI ET AL. (1995), S. 317 f. Vgl. BENZER(1989), S. 155 f; BRAUN(1972), S. 51-54; WEBER, J. (1977), S. 257-259.

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Teil 11: Politischer Entscheidungsprozess

flussnahme auf die Burokratie wichtig. Wie in Abschnitt II.3.3 dargestellt, sind die Burokraten zur Verbesserung ihres Informationsstandes und damit gleichzeitig zur Verkleinerung des iimerhalb der Burokratie herrschenden Principal-agent-ProblQms an der Kontaktaufnahme mit Interessengruppen interessiert.'^^ Auf Bundesebene ist diese Kontaktaufnahme durch § 47 der Gemeinsamen Geschaftsordnung der Bundesministerien (GeschO BM) geregelt. VON BEYME halt die Platzierung von Vertrauensmannem in der Burokratie aufgrund der strengen Laufbahnvorschriften in Deutschland fiir eher schwierig, zumal der Wechsel von der Wirtschaft in Positionen der Verwahung eher ungewohnlich sei.'^* Hingegen zeigt BENZER, dass eine hohe personelle Verflechtung des ministeriellen Fuhrungspersonals mit gesellschaftlichen Interessengruppen zu beobachten ist.'^^ 3.4.2.3.5 DieParteien Interessengruppen nehmen auch Einfluss auf Parteien. Es existieren hierbei unterschiedliche Formen der Beziehung zwischen Parteien und Interessengruppen. Interessengruppen versuchen bspw., die Parteiprogramme oder Entscheidungen der Parteien zu beeinflussen. Dieser Einfluss kann auf alle Parteien ausgeubt werden'^^ oder lediglich auf eine Partei beschrankt sein. In umgekehrter Richtung ist es auch denkbar, dass eine Partei Interessengruppen als Anhangerorganisation bildet, um eine potenzielle Gruppe als Wahler fur ihre Partei zu mobilisieren.'*' Eine andere Form der Einflussnahme auf die Parteien besteht in der Wahlunterstiitzung. Die Interessengruppen konnen, wenn sie als geschlossene Wahlergruppe betrachtet werden, den Parteien ihre Stimmen zusagen.'*^ Dariiber hinaus konnen sie auch versuchen, eigene Kandidaten in der Partei zu lancieren'*^ oder, wenn dies nicht gelingt, „gruppennahe" Kandidaten zu

Vgl. AMMERMULLER (1971), S. 58 f; BEYME (1974), S. 116 f. Vgl. dazu auch WEBER, J. (1977), S. 267, der zeigt, dass fiir 23 % der Ministerialverwaltung Informationen aus VerbSnden die wichtigste Informationsquelle darstellen und fiir weitere 23 % die zweitwichtigste. Vgl. BEYME (1974), S. 119. Hingegen fiihrt WEBER, J. (1977), S. 261, aus, dass immerhin sieben der 19 parlamentarischen Staatssekretare der Regierung Schmidt leitende Positionen in Verbanden innehatten. So auch ALEMANN (1996c), S. 38 f Vgl. die Untersuchung von BENZER (1989), S. 156-158, der zeigt, dass 69,7 % der 804 Untersuchungspersonen Verflechtungsbeziehungen zu Interessengruppen allerdings in sehr unterschiedlicher Starke aufweisen (vgl. dazu ausfiihrlicher Abschnitt IV. 1.4). Zahlreiche Interessengruppen verstehen sich als Uberparteilich und pflegen intensive Kontakte zu verschiedenen Parteien; vgl. BEYME (1974), S. 128 f. Doch ist vor allem bei Arbeitergruppen und bei Wirtschaftsverbanden eine Tendenz zu einer Politikrichtung vorhanden. Diese Tendenz wird durch das fbderalistische System der Bundesrepublik abgemildert, da unterschiedlichste Parteien auf Kommunal-, Lander- und Bundesebene an der Macht sind und die Interessengruppen mit ihnen kooperieren mtlssen, um ihre Ziele zu verwirklichen. Vgl. BEYME (1974), S. 126 f.; WEBER, J. (1977), S. 300 f. Dies ist insb. bei sozialistischen Parteien zu beobachten. Teilweise organisieren sich Interessengruppen auch als Partei mit z.B. religiOser oder agrarwirtschaftlicher Ausrichtung. Vgl. BEYME (1974), S. 147 f; BRAUN (1972), S. 56-58; WEBER, J. (1977), S. 321 f Vgl. BEYME (1974), S. 148 f. Vgl. BEYME (1974), S. 151.

3 Akteure im politischen Prozess

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3.4.2.3.6 Sonstige Interessengruppen versuchen neben der Einflussnahme auf politische Institutionen auch die offentliche Meinung zu beeinflussen, um eine groBere Gruppe fiir ihr Anliegen zu mobilisieren.'*^ Wahler mussen ihre Wahlentscheidung unter verschiedenen Unsicherheitsfaktoren treffen.'*^ Diese „UngewiBheit macht viele Wahler bereit, Fiihrem Folge zu leisten, die den Weg zu jenen sozialen Zielen zu kennen scheinen, welche den Wahlem vorschweben. Daher befolgen die Wahler die Ratschlage der Fuhrenden, welche politischen MaBnahmen und Programme der Regierung sie billigen und gegen welche sie opponieren sollen."'*^ Die Interessengruppen konnen daher die Rolle von politischen Fiihrem ubemehmen. Zunehmend wichtig ist auch der Einfluss auf Internationale Organisationen.'^* AuBerdem besteht fiir Interessengruppen die Moglichkeit, wieder andere Interessengruppen zu beeinflussen (vgl. dazu unten Abschnitt 11.3.4.3).'*^ 3.4.2.4 Methoden der Einflussnahme Den Interessengruppen stehen unterschiedliche Methoden der Einflussnahme zur Verftigung, die sich in uninstitutionalisierte und institutionalisierte unterscheiden lassen. Unter den Ersten versteht man z.B. Korruption und Bestechung,'^" Uberzeugung und freundliche Kontakte, Drohung, Notigung und Gewah oder gewaltlosen Widerstand.'^* Um diese unkontrollierte Einflussnahme einzuschranken, wurden institutionalisierte Wege entwickelt, die die Einflussnahme der Interessengruppen kanalisieren soUen. Dazu gehoren die Anhorung der Interessengruppen im Referentenstadium der Gesetzgebung,'^^ die Anhorung in Parlamentsausschussen'^^ sowie die Mitwirkung in Beiraten und Kommissionen.'^"* Daruber hinaus mussen sich die Interessengruppen registrieren lassen, die ihre Interessen gegeniiber der Bundesregierung oder dem Bundestag vertreten mochten. Auch Abgeordnete sind verpflichtet anzugeben, fiir Vgl. BEYME (1974), S. 155; BROWNE (1998), S. 105-108; FRANCIS, E. (1993), S. 111. Vgl. dazu auch das Modell von DENZAU/MUNGER (1986), S. 92-103, die zeigen, dass der Einfluss von Interessengruppen mit der Informiertheit der Wahler sinkt. Vgl. Abschnitt II.3.2. DOWNS (1968), S. 85. Vgl. ALEMANN (1996d), S. 45. Vgl. BROWNE (1998), S. 166 f. Vgl. BEYME (1974), S. 161 f. Vgl. dazu auch GALEOTTI/MERLO (1994), S. 232-243, die den Einfluss des Wahlsystems auf Regierungsbestechung untersuchen und zu dem Schluss kommen, dass Regierungen in Landem mit relativem Mehrheitswahlrecht im Vergleich zum absoluten Mehrheitswahlrecht verwundbarer fiir Regierungsbestechung sind. Vgl. ALEMANN (1996C), S. 36; BEYME (1974), S. 163-168. LORD fiihrte ftir die USA eine Untersuchung durch, in der er die Einflussstarke fiir unterschiedliche Formen der Einflussnahme auf den politischen Entscheidungsprozess analysierte; vgl. LORD (2000), S. 76-93. Es zeigte sich, dass die Untemehmensvertreter in 95 % direkt durch ihre Fuhrungskrafte in den politischen Prozess eingreifen, gefolgt von dem Versuch, dem Untemehmen nahestehende Personen zur Einflussnahme zu bewegen, und der direkten Kandidatenunterstiitzung durch BUrgerinitiativen; vgl. LORD (2000), S. 79 f Der Einflussnahme durch dem Untemehmen nahestehenden Personen sprachen sowohl die Untemehmensvertreter als auch die befragten Kongressmitarbeiter die hOchste Einflusskraft zu; vgl. LORD (2000), S. 89. Vgl. BEYME (1974), S. 170-172. Vgl. BEYME (1974), S. 173-176. Vgl. § 70 GeschO BT. Vgl. BEYME (1974), S. 176-178; BUHOLZER (1998), S. 59.

Teil II: Politischer Entscheidungsprozess

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welche Interessengruppen sie tatig sind oder waren.'^^ Die Moglichkeiten, die sich Interessengruppen durch die institutionalisierten Wege bieten, fuhren wiederum zu einer veranderten Ausgangsposition der Beeinflussung des politischen Entscheidungsprozesses im Vergleich zum einzelnen Wahler.'^^ Die vorgetragenen Uberlegungen lassen sich in folgender Abb. 1 zusammenfassen, die die Adressaten und Methoden der Interessengruppen darstellt.

Bundestag

Ministerialburokratie

Offentliche Meinung

Politische Parteien

Kontakte Information Eingaben Personelle Durchsetzung

Stimmenpakete Spenden Personelle Durchsetzung

Eingaben Unterstutzung (oder Sabotage) von MaBnahmen

Personelle Durchsetzung Sachverstand

->•

Unmittelbare Einflussnahme der Interessengruppen

-¥-

Mittelbare Einflussnahme der Interessengruppen

Information Stellungnahme Demonstration Eigene Medien

Abb. 1: Adressaten und Methoden der Einflussnahme der Interessengruppen Quelle: RUDZIO (1982), S. 41.

3.4.3 Der Einfluss von Interessengruppen unter Wettbewerbsbedingungen Die ersten Ansatze, die sich mit dem Wettbewerb von Interessengruppen um politischen Einfluss beschaftigen, gehen zuruck auf die positive Theorie der Regulierung.'^^ Danach konkurrieren (potenzielle) Interessengruppen um fiir sie vorteilhafte RegulierungsmaBnahmen, die von der Regierung z.B. in Form von Subventionen oder Marktzutrittsbeschrankungen angeboten werden. Als wegweisend gih hier der Beitrag von STIGLER,'^* der zu klaren Vgl. SCHUTT-WETSCHKY (1994), S. 44 f.

Vgl. Abschnitt II.3.2. Vgl. Abschnitt II.2.3. Vgl. STIGLER( 1971), S. 3-21.

3 Akteure im politischen Prozess

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versucht, warum der Industrie solche Vorteile angeboten werden, obwohl dadurch ein Wohlfahrtsverlust fiir andere Gesellschaftsmitglieder entsteht. STIGLER kommt zu dem Ergebnis, dass die Regierung dem Wunsch der Industrie nach Regulierung nachkommt, wenn sie im Gegenzug dazu Stimmen und fmanzielle Unterstiitzungen erhalt. Die groBere Durchsetzungskraft haben hierbei groBere Branchen, obwohl deren Regulierung zu hoheren Kosten fur die Gesellschaft fuhrt und dies wiederum einen starkeren Widerstand der davon negativ Betroffenen hervorruft. Jedoch steigen die Regulierungskosten unterproportional zur GroBe der zu regulierenden Branche und damit zum Wahlerpotenzial und den anderen freisetzbaren Ressourcen, so dass die Regulierung einer groBeren Branche fiir die Regierung letztlich lohnenswerter ist als die einer kleineren.'^^ Das Modell von BECKER^^^ betrachtet den politischen Entscheidungsprozess als einen wettbewerblichen Markt um das Gut Wohlfahrt in Form von Subventionen und Steuem. Die Regierung ist der Anbieter dieses Gutes, welches von konkurrierenden Interessengruppen nachgefragt wird. Die Interessengruppen, die sich aus homogenen Mitgliedem zusammensetzen, versuchen dabei durch politischen Druck Einfluss zu erlangen.^^' BECKER zeigt fur den Zwei-Gruppen-Fall, dass steigender Einfluss einer Gruppe zu sinkendem Einfluss der anderen Gruppe ftihren muss.^°^ Der Einfluss einer Interessengruppe ist dabei abhangig von dem Ausmafi des politischen Druckes, den diese ausubt.^^^ Der politische Druck ist wiederum abhangig von den Ressourcen, die pro Mitglied aufgewendet werden, und der Anzahl der Mitglieder.^^'' AUerdings steigen mit der GruppengroBe auch die Organisationskosten der Gruppe, da die Interaktionskosten und die Kosten, die zur Verhinderung des Free-rider-VQrhaltQns aufgewendet werden mussen, zunehmen. Entscheidend ist dabei jedoch nicht die absolute Hohe des Druckes, sondem die relative Hohe im Vergleich zu den konkurrierenden Gruppen.^^^ In dem Modell von COUGHLIN ET AL.^°^ werden die Mitglieder der Interessengruppe mit einer gemeinsamen Nutzenfunktion charakterisiert, die aber fiir jedes Mitglied durch einen Term verzerrt wird, der die individuelle Einstellung des Mitgliedes der Interessengruppe widerspie-

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Vgl. STIGLER (1971), S. 12. PELTZMAN (1976), S. 211-240, erweitert das Modell von STIGLER um die Interessen nicht-organisierter Konsumenten. Er kommt zu dem Ergebnis, dass stimmenmaximierende Politiker RegulierungsmaBnahmen genau in dem MaBe einsetzen, in dem der Grenznutzen der Unterstutzung durch die zu regulierenden Produzenten genau dem Stimmenverlust entspricht, der dem Politiker durch den Wegfall der Stimmen von negativ betroffenen Konsumenten entsteht; vgl. PELTZMAN (1976), S. 214-218. Vgl. dazu auch BENTAL/BEN-ZION (1975), S. 5-8. Siehe dazu auch Abschnitt II.3.2, in dem die Uberlegungen von DOWNS zur unterschiedlichen Beteiligung von Konsumenten und Produzenten am politischen Prozess dargestellt sind. Zur Kritik am Ansatz von PELTZMAN vgl. z.B. BECKER (1976), S. 245-248; DAUMANN (1999), S. 169; HIRSHLEIFER (1976), S. 241-244. Vgl. BECKER (1983), S. 371-400. Vgl. auch BECKER (1985), S. 329-347. Vgl. BECKER (1983), S. 373 f. Vgl. BECKER (1983), S. 374-378. Es handelt sich um ein NuUsummenspiel bezOglich des Einflusses der Interessengruppen. Aufgrund der Steuem und Subventionen ergeben sich aber Nettowohlfahrtsverluste. Vgl. BECKER (1983), S. 377 und 380. Vgl. BECKER (1983), S. 377. Vgl. BECKER (1983), S. 380. Vgl. COUGHLIN ET AL. (1990b), S. 682-705. Vgl. auch die Herleitung in COUGHLIN ET AL. (1990a), S. 307311. Vgl. die Kritik der Modelle in DAUMANN (1999), S. 172.

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Teil II: Politischer Entscheidungsprozess

gelt, bspw. seine ideologische Orientierung.^^^ Es wird davon ausgegangen, dass ein Politiker sein Wahlprogramm nicht im Sinne einzelner Wahler definiert, sondem versucht, potenzielle Interessengruppen anzusprechen. Entscheidend fiir den Einfluss einer Interessengruppe ist es, den Politiker zu iiberzeugen, dass in der Gruppe ein homogenes Wahlerpotenzial vorhanden ist, so dass bei der Aufstellung des Wahlprogramms eine hohe Anzahl an Wahlerstimmen durch Berucksichtigung der Interessen dieser Gruppe gewonnen werden kann. Der Einfluss einer Interessengruppe steigt folglich mit abnehmender Unsicherheit des Politikers uber die Einstellungen der Mitglieder der Interessengruppe."^^^ COUGHLIN ET AL. zeigen nun, dass der steigende Einfluss einer Interessengruppe (bei gleichbleibendem Budget der Regierung) zwangslaufig zu einem sinkenden Einfluss fur andere Gruppen fuhren muss.^^^ Ist hingegen die Zielsetzung einer Interessengruppe beschrankt auf ein kollektives Gut, das keine Relevanz fiir andere existierende Gruppen hat, fiihrt die Einflussnahme dieser Gruppe nur zu steigenden Staatsausgaben. Das Gut wird dann zusatzlich bereitgestellt, ohne die anderen Gruppen negativ zu tangieren.^'^ BERNHOLZ untersucht aufl^auend auf dem Modell von DOWNS, wie in einem Zwei-ParteienSystem Interessengruppen ihren Einfluss auf Nichtmitglieder bei Wahlen ausuben konnen.^" Er zeigt, dass die Bildung einer Interessengruppe den Einfluss auf die Regierungspartei erhohen kann, wenn die Interessengruppe Einfluss auf eine Zahl von Wahlem nehmen kann. Der Einfluss der Interessengruppe hangt ab von der Glaubwiirdigkeit der Drohung der Ausubung von Marktmacht, der GroBe der Interessengruppe und der Zahl der Nichtmitglieder, die beeinflusst werden konnen.^'^ BERNHOLZ zeigt dann, dass die Bildung einer zusatzlichen Interessengruppe den Einfluss einer bestehenden Interessengruppe verandem kann. Wenn die Interessengruppen die gleichen Ziele verfolgen, kann sich der Einfluss der Interessengruppe weiter vergroBem. Kooperieren die Interessengruppen hingegen nicht, kann dies dazu fiihren, dass beide keinen groBeren Einfluss haben als bei Nichtexistenz. Der Einfluss ist folglich bei konkurrierenden Interessengruppen eingeschrankt.^'^ Fiir den politischen Untemehmer als Vertreter der Interessengruppe muss daher primares Ziel sein, offene Konkurrenzsituationen mit anderen Interessengruppen zu vermeiden. Er kann seine Aktivitat einschranken, in dem er sich auf die Durchsetzung der Kemziele der Interessengruppe konzentriert. Er wird erst dann tatig, wenn diese negativ tangiert werden. So kann er Konkurrenzsituationen in Bereichen, die fiir die Interessengruppe weniger wichtig sind, aus 207 208 209 210

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Vgl. COUGHLIN ET AL. (1990b), S. 685. Vgl. COUGHLIN ET AL. (1990b), S. 688 f. Vgl. COUGHLFN ET AL. (1990b), S. 690-693. Vgl. COUGHLIN ET AL. (1990b), S. 695-697. Da die Politiker keine Informationen uber die Haitung zu anderen politischen Fragen besitzen, kOnnen sie die Stimmen der Interessengruppe nur Uber die Befriedigung des speziellen Interesses gewinnen. Vgl. BERNHOLZ (1974), S. 45-63. Vgl. BERNHOLZ (1974), S. 51-54. Die Glaubwurdigkeit der Drohung hSngt dabei zum einen von der Hohe der aus der Wahl erwarteten Vorteile bzw. Nachteile und zum anderen von der Haufigkeit einer schon durchgeftihrten erfolgreichen Drohung durch die Interessengruppe ab; vgl. BERNHOLZ (1974), S. 55-58. Vgl. BERNHOLZ (1973), S. 868 f; BERNHOLZ (1974), S. 58-62.

3 Akteure im politischen Prozess

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dem Weg gehen. Dies fuhrt wiederum dazu, dass es fur den politischen Untemehmer sinnvoll ist, die Zielsetzung der Interessengruppe so zu verschleiem, dass die Zielsetzungen anderer Interessengruppen nicht beriihrt scheinen. Zudem kann der politische Untemehmer das offentliche Interesse an einzelnen MaBnahmen in den Vordergrund stellen, um so eine gemeinwohlfbrdemde Zielsetzung vorzugeben. Eine weitere Moglichkeit, Konkurrenzsituationen zu vermeiden, stellt der Versuch dar, staatliche MaBnahmen durchzusetzen, deren negative Folgen ftir die Betroffenen moglichst wenig spurbar sind.^"* Sind die Ziele der Interessengruppen nicht vollkommen gegensatzlich, ist es fur sie von Vorteil, wenn sie Kompromisse aushandeln, da dann ihr Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess gestarkt ist. Offene Konflikte werden daher eher selten auftreten.^'^ 3.4.4 Studien zur Rolle der Interessengruppen im politischen Entscheidungsprozess Ein Bereich, der empirisch bereits untersucht wurde, ist der Einfluss von Gewerkschaften auf Lohnverhandlungen. Dabei wurden die Lohndifferenzen zwischen Arbeitnehmem, die zu einer Gewerkschaft zusammengeschlossen waren, und solchen, die nicht gewerkschaftlich organisiert waren, untersucht.^'^ LA YARD ET AL. konnten einen Einfluss der Gewerkschaften auf die Lohnhohe zumindest fur weniger qualifizierte Arbeiter bestatigen.^'^ Andere Studien untersuchen den Einfluss von Interessengruppen auf die Zollgesetzgebung in den USA oder Kanada. Eine Untersuchung wurde von PiNCUS ftir die USA anhand des Tariff Acts von 1824 durchgefuhrt,^'* auf dessen Umsetzung im Kongress annahmegemafi unterschiedliche Interessengruppen versuchten Einfluss zu nehmen. Den intensivsten Druck auf die Zollgesetze iibten Branchen aus, die ein geringes Einkommen der Eigentumer und insgesamt weniger Eigentiimer aufwiesen. Gleichzeitig wiesen diese Branchen einen hohen Zentralisierungsgrad auf und damit verbunden geringere Informations- und Kommunikationskosten.^'^ Den groBten Einfluss batten aber Untemehmen, die iiber unterschiedliche Bezirke verteilt waren und von einer groBen Anzahl ihrer Mitarbeiter (d.h. gleichzeitig Wahler) unterstiitzt wurden.'^'

214 215 216

Vgl. DAUMANN (1999), S. 178-181. Vgl. BERNHOLZ (1973), S. 869 f.

Wahrend in den meisten Landem LohnabschlUsse, die durch die Gewerkschaft ausgehandelt werden, auch fiir nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer gelten und somit KollektivgOter darstellen, lassen sich ftir die USA und GroBbritannien auch noch Tarifabschlusse untersuchen, die nur fiir Gewerkschaftsmitglieder gelten. Deren LOhne konnen mit den LOhnen nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer verglichen werden. Daraus kann dann der Einfluss der Gewerkschaft abgeschatzt werden. Vgl. LAYARD ET AL. (1978), S. 290-293. 218 Vgl. PiNCUS (1975), S. 757-778. 219 Vgl. PiNCUS (1975), S. 770 f. Die Inft)rmations- und Kommunikationskosten stiegen zu jener Zeit starker mit zunehmender Entfemung; vgl. PiNCUS (1975), S. 759. Vgl. PINCUS (1975), S. 771.

38

Teii II: Politischer Entscheidungsprozess

CAVES kann in seiner Untersuchung der kanadischen Zollstrukturen des Jahres 1963 einen Einfluss von Interessengruppen nachweisen.^^' Er bestatigt auch, dass der Einfluss von Interessengruppen mit deren zunehmender Organisationsfahigkeit steigt.^^^ FRIEDRICH SCHNEIDER kritisiert, dass die meisten Studien zwar einen Einfluss der Interessengruppen nachweisen konnen, dieser aber nicht quantifiziert und im Zeitablauf untersucht wird. Die Untersuchungen beschranken sich meist auf den Einfluss einer Interessengruppe fiir ein Ereignis, so dass auch keine Aussagen iiber den relativen Einfluss der Interessengruppen moglich seien.^^^ In einer Studie fur die Schweiz untersucht SCHNEIDER daher den Einfluss von vier Interessengruppen auf Volksabstimmungen und die Ausgabenpolitik der Regierung fur die Jahre 19601978.^^"* Er kommt zu dem Ergebnis, dass fur zwei der beobachteten vier Interessengruppen, den Bauemverband und den Gewerkschaftsbund, eine Beeinflussung des Abstimmungsverhaltens der Stimmburger durch Empfehlungen dieser Interessengruppen beobachtbar ist und diese daher in knappen Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen konnen.^^^ Im Weiteren untersucht SCHNEIDER fur die Jahre 1951 bis 1978 den Einfluss der vier betrachteten Interessengruppen^^^ auf die Ausgabenpolitik der Regierung. SCHNEIDER gruppiert die Ausgaben der Regierung dabei sachgebietsmaBig^^^ und findet fur jede der vier Interessengruppen signifikanten Einfluss, jedoch in unterschiedliche Richtungen.^^^ Auch fur Deutschland wurde der Einfluss von Interessengruppen auf den politischen Entscheidungsprozess untersucht. Hier handelt es sich jedoch uberwiegend um Fallstudien. Wahrend DAMASCHKE fur die Entstehung des Chemikaliengesetzes den Einfluss von Interessen-

Vgl. CAVES (1976), S. 278-300. CAVES teste! dazu die AbhSngigkeit der Zolltarife von unterschiedlichen GrOBen, wie z.B. der Wachstumsrate, dem Spezialisierungsgrad und den Transportkosten; vgl. CAVES (1976), S. 286. ^^^ Vgl. CAVES (1976), S. 286 f und 293-295. ^" Vgl. SCHNEIDER, F. (1985), S. 19. Vgl. auch die Ubersicht bei BAUMGARTNER/LEECH (1998), S. 130 f, die diese Aussage im Ergebnis bestatigt. ^'^^ Vgl. SCHNEIDER, F. (1985), S. 31-62; ahnlich SCHNEIDER, F./NAUMANN (1982), S. 281-303. Eine weitere Untersuchung, jedoch fiir fiinf Interessengruppen, mit gleichen Ergebnissen findet sich auch bei SCHNEIDER, F.(1982),S. 167-183. ^^^ Vgl. SCHNEIDER, F. (1985), S. 36 f., der dies anhand einer Regression untersucht. Der Einfluss des Bauemverbands wird dabei mit 4,2 %, der des Gewerkschaftsbundes mit 2,8 % quantifiziert. D.h. geben diese Gruppen bei einer Volksabstimmung eine Ja-Parole heraus, so steigt die Zustimmung -ceteris paripus - gemafi den Schatzungen um die oben angegeben Prozentpunkte; vgl. SCHNEIDER, F. (1985), S. 37-43. ^^^ Neben dem Bauemverband und dem Gewerkschaftsbund sind auch der Gewerbeverband (eine Vereinigung kleinerer und mittlerer Untemehmen) und die Vereinigung Vorort (eine Handels- und Industrieorganisation) Gegenstand der Untersuchung; vgl. SCHNEIDER, F. (1985), S. 23-26. ^^^ Die Ausgaben werden unterteilt in Verwaltung, Gerichte und Polizei, AuBenbeziehungen, Verteidigung, Bildung und Forschung, Kultur, Sport, Umwelt, Verkehr und Energie, Wohlfahrt, Landwirtschaft; vgl. SCHNEIDER, F. (1985), S. 52. ^^* Vgl. SCHNEIDER, F. (1985), S. 56-60. Wahrend sich der Gewerbeverband und Vorort fiir eine Beschrankung der Ausgaben einsetzten, pladierten der Bauemverband und der Gewerkschaftsbund ftir eine Ausweitung der Ausgaben.

3 Akteure im poiitischen Prozess

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gruppen zeigen konnte,^^^ zeigte SCHOTT-WETSCHKY anhand der Auseinandersetzung um § 116 Arbeitsfbrderungsgesetz 1986, dass sich der gegenlaufige Einfluss machtiger Interessengruppen (hier Arbeitgeberverbande und Gewerkschaften) aufheben kann und die Regierung sich stattdessen an der Meinung der allgemeinen Offentlichkeit orientiert.^^^ REINELT zeigte sowohl fur den europaischen als auch ftir den deutschen poiitischen Entscheidungsprozess einen deutlichen Einfluss der Bankenverbande auf die Entwicklung und Umsetzung der EG-Bankbilanzrichtlinie auf. ^^'

Vgl. DAMASCHKE (1986), S. 146 f. Vgl. SCHUTT-WETSCHKY (1994), S. 62-71. Das Machtinteresse des Politikers wird vom Gruppeninteresse Uberlagert; vgl. SCHOTT-WETSCHKY (1994), S. 72. Vgl. REINELT (1998), S. 108-198. Zur Einflussnahme von Interessengruppen auf die Europaische Union vgl. BUHOLZER (1998); TRIESCH/OCKENFELS (1996), S. 32.

1 Regulierung der Rechnungsleeung

Teil III:

4i

Der Einfluss von Interessengruppen auf die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln

1 Die Theorie der Regulierung im Bereich der Rechnungslegung 1.1 Begriffund Zwecke der Rechnungslegung Das betriebliche Rechnungswesen stellt ein Informationsinstrument dar, das sich in internes und extemes Rechnungswesen trennen lasst. Unter intemem Rechnungswesen wird ein Informationssystem verstanden, welches sich am Selbstinteresse des Untemehmens orientiert, z.B. das Controlling."^ Der Begriff extemes Rechnungswesen, auch als (exteme) Rechnungslegung bezeichnet, ist bis heute nicht einheitlich definiert."^ Im Rahmen dieser Arbeit wird darunter die gesetzlich vorgeschriebene, vertraglich festgelegte oder freiwillige Rechenschaftslegung des Managements eines Untemehmens gegenuber Dritten verstanden. Rechnungslegung stellt folglich ein Inforaiations- und damit zugleich Kommunikationsinstmment des Untemehmens mit der Umweh dar."^ Rechnungslegungsvorschriften fuhren zu mehr Vergleichbarkeit von Untemehmensinfomiationen sowohl zwischen verschiedenen Untemehmen als auch zwischen verschiedenen Perioden eines Untemehmens und senken so die sozialen und okonomischen Kosten bei der Bewertung von Investitionsaltemativen."* Haufig knupfen sich auch Rechtsfolgen an die gewahrten Informationen, wie z.B. die Ausschuttungsbemessung und die Steuerbemessung."^ Die Informationen, die durch das Untemehmen gewahrt werden, konnen je nach Ausgestaltung Auskunft geben iiber die vergangene, gegenwartige oder kiinftig zu erwartende wirtschaftliche Lage eines Untemehmens. Zahlreiche Adressaten, z.B. das Management, Eigenund Fremdkapitalgeber sowie Arbeitnehmer, mit unterschiedlichen Interessen an den Unternehmensinformationen werden in der Literatur genannt.^"*" Der Umfang, die Form und die Haufigkeit der Informationsgewahmng sowie die Rangfolge der Adressaten hangt vom soziookonomischen Umfeld ab, in dem die Rechnungslegung reguliert wird. Wird im Folgenden von Rechnungslegungsvorschriften gesprochen, bezeichnet dies die Gesamtheit von Vorschriften. Rechnungslegungsstandards bezeichnen eine umfassende Regelung eines Sachverhalts, die durch den Regulierer erlassen wurde. 7.2 Die Regulierung der Rechnungslegung 1.2.1 Einleitung Die theoretischen Ansatze zur Reguliemng wurden in Abschnitt II.2 dargestellt. Deren Anwendung auf die Reguliemng der Rechnungslegung wird im Folgenden behandelt.

235 236

Vgl. R0ST(1991), S. 5. Vgl. z.B. BREIDENBACH (1997), S. 6.

237

Vgl. ACHLEITNER(1995), S. 36; BOCKING (2004), S. 179; HAX (1988), S. 190; ROST (1991), S. 5 f.

238

Vgl. SPR0USE(1987), S. 83.

239

Vgl. FRANKE/HAX (2004), S. 453.

240

Vgl. z.B. BiENER (1983b), S. 31; BREIDENBACH (1997), S. 28-43; DOPUCH/SUNDER (1980), S. 10 f; FEROZ (1987), S. 7 f; HUSSEIN/KETZ (1991), S. 65.

42

Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungslegungsregeln

In Deutschland liegt der Schwerpunkt der Forschung zum Rechnungswesen auf den Inhalten der Rechnungslegungsvorschriften, insbesondere der Gewinnermittlung und Bilanzierung. Die Entwicklung von Rechnungslegungsvorschriften ist bisher eher sehen zum Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten geworden.^"*' Im angelsachsischen Raum - vor allem in den USA, GroBbritannien und Australien - wird die Theorie der ReguUerung der Rechnungslegung seit langerem diskutiert und empirisch untersucht.^"*^ 1.2.2 Normative Ansatze der Theorie der ReguUerung der Rechnungslegung Wie oben dargestellt,^'*^ ftiBt die normative Theorie der ReguUerung auf den Gedanken der Wohlfahrtsokonomie. Als Grunde fur eine ReguUerung wurden unterschiedliche Auspragungen des Marktversagens angefuhrt. Diese Grunde werden auch im Bereich der Theorie der ReguUerung der Rechnungslegung zur Begrundung von Eingriffen herangezogen. Eine ReguUerung ware aus Sicht der normativen Theorie der ReguUerung dann sinnvoll, wenn durch gesetzliche Regelungen im Vergleich zu individuellen Vereinbarungen die Wohlfahrt verbessert werden kann. ,,'Verbesserung' bedeutet auf der Ebene des einzelnen Marktteilnehmers Entscheidungsverbesserung durch Abbau von Ungewifiheit [...] und auf der Ebene der Kapital- und Kreditmarkte Schaffting von graduell mehr Informationseffizienz und Marktvollstandigkeit [...]".^'*'* Dabei wird Rechnungslegung zumeist als Informationssystem betrachtet, uber dessen Ausgestaltung der Regulierer entscheidet.^"*^ Auch unabhangig von der Existenz solcher durch den Regulierer gesetzter Regeln wurde eine Rechnungslegung existieren. Die Regeln wurden dann aber nicht vom Regulierer gesetzt, sondem von den Vertragsparteien (z.B. Untemehmen und Fremdkapitalgeber) individuell ausgehandeh.^"*^ Betrachtet man die ReguUerung der Rechnungslegung aus der Perspektive der AUokationseffizienz, kann eine Forderung nach ReguUerung aus einer Unterversorgung mit Untemehmensinformationen und damit einem Marktversagen begrundet werden.^"*^ Diese Unterversorgung

Zu den wenigen Arbeiten gehOren insbesondere ACHLEITNER (1995); BREIDENBACH (1997); CHMIELEWICZ (1988), S. 53-87; FEDERMANN(1980), S. 425-437; FELDHOFF(1992); FELDHOFF(1994), S. 529-536; HARTL (1986); HAX (1988), S. 187-201; LABMANN (1981), S. 1-6; MCLEAY ET AL. (2000), S. 79-98; ORDELHEIDE (1997), S. 235-259; ORDELHEIDE (1998), S. 1-16; ORDELHEIDE (1999), S. 99-146. Auf wesentliche Untersuchungen wird in Abschnitt III.3 eingegangen. Siehe auBerdem die Ubersicht im Anhang A-1. Vgl. dazu Abschnitt 11.2.2. BRANDL (1987), S. 105. Vgl. auch MAY/SUNDEM (1976), S. 749 f Dabei sollten auch KostenUberlegungen mit in die Betrachtung einbezogen werden; vgl. SC0TT(1997), S. 346. Vgl. BRANDL (1987), S. 105 f. Vgl. DYCKMAN (1988), S. 4; HAX (1988), S. 189; JOHNSON/MESSIER (1982), S. 200; LEFTWICH (1983), S. 23-42; SUNDER (1997), S. 168; vgl. auch die Zusammenfassung in WOLK ET AL. (1992), S. 78-80 und 86 f WALZ wendet dazu ein, dass die Frage „nicht Staat versus Markt [heiUe], sondem zentrale Losung durch den Gesetzgeber gegen dezentrale Uber Privatautonomie und Zivilgerichte", so dass auch der Markt letztlich nicht ohne die Mitwirkung des Staates auskommen wurde; WALZ (1993), S. 90. Individuellvertragliche L6sungen wUrden dabei aber zu sehr hohen Kosten ftihren im Vergleich zu einem allgemeinen Regelwerk, das nur punktuell angepasst und erweitert werden muss; vgl. LEFTWICH (1983), S. 28. LEFTWICH kritisiert, dass RegulierungsmaBnahmen mit einem Marktversagen bei der Produktion von Rechnungslegungsinformationen begrundet werden; vgl. LEFTWICH (1980), S. 193-211. In der Literatur (vgl. z.B.

1 Regulierung der Rechnuneslegung

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kann zum einen durch nicht ausreichende Informationsproduktion und zum anderen durch Informationsasymmetrien bedingt sein. Das Untemehmen agiert dabei als monopolistischer Anbieter von Informationen iiber seine wirtschaftliche Lage.^"** Rechnungslegungs- bzw. Publizitatsvorschriften sollen diese Unterversorgung vermindem. Fur die hier verfolgte Fragestellung ist es daher niitzlich an dieser Stelle kurz Untersuchungen zum gesellschaftlichen Nutzen zusatzlich publizierter Informationen zu betrachten. Im Rahmen der Untersuchungen zum gesellschaftlichen Nutzen zusatzlich publizierter Informationen wird meistens eine reine Tauschwirtschaft unterstellt, in der die risikoscheuen Marktteilnehmer versuchen, optimale Portfolioentscheidungen zu treffen, die zu einem Kapitalmarktgleichgewicht fuhren.^"*^ Dabei konnen Rechnungslegungsinformationen als privates oder kollektives Gut betrachtet werden.^^^ Ein privates Gut kommt nur bestimmten Marktteilnehmem zugute, so dass diese durch die erhaltene Information in der Lage sind, ihr Wohlstandsniveau zu verbessem, wahrend sich die Tauschpartner verschlechtem. Die Information fiihrt nicht zu einer Verbesserung der Gesamtwohlfahrt; es fmdet lediglich eine Umverteilung statt. Dariiber hinaus entstehen bei der Informationsproduktion Kosten, so dass diese aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine Uberproduktion darstellt.^^' Werden Jahresabschlussinformationen die gleichen Eigenschaften wie kollektiven Giitem, d.h. Nicht-AusschlieBbarkeit und Nicht-Rivalitat im Konsum, zugeschrieben,^" fiihrt dies dazu, dass - wenn uberhaupt - nur ein Teil der Nutzer der Informationen diese Leistung verguten wird, wahrend der andere Teil hofft, als Free-rider die Informationen unentgeltlich nutzen zu konnen.^" Da die Informationsverarbeitung fur die Anbieter Kosten verursacht, werden sie die Menge der Informationen entsprechend anpassen bzw. keine Informationen

^^^ ^"^^

^^^ ^^' ^" ^"

GONEDES/DOPUCH [1974], S. 49-129) wird von Marktversagen gesprochen, wenn ein abstrakt bestimmtes Optimum von Rechnungslegungsinformationen von den aktuell gegebenen Infomiationen abweicht. Da dieses Optimum aber losgeldst von den SuBeren Umstanden bestimmt werde, stelle es kein wirkliches Optimum dar; vgl. LEFTWICH (1980), S. 194. Vielmehr musse die bestehende Situation im Lichte des auBeren Umfeldes betrachtet werden, so dass bestimmte als Marktversagen geschilderte Kritikpunkte nicht mit einem solchen gleichgesetzt werden dUrften, sondem sich aus den Gegebenheiten des Marktes herleiten wurden; vgl. LEFTWICH (1980), S. 200-208. So seien bspw. Rechnungslegungsinformationen daher unvollstSndig, weil deren Beschaffung zu kostenintensiv sei. Dies sei kein Marktversagen. Ahnlich auch COOPER/SHERER (1984), S. 207-232, die bei der Rechnungslegungsforschung eine Einbeziehung des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umfeldes anmahnen. Auch TINKER betont, dass MarktefTizienz und soziale Stabilitat nicht losgelOst voneinander betrachtet werden durfen; vgl. TINKER (1980), S. 153-158; TINKER (1984), S. 64-71. Vgl. WOLK ET AL. (1992), S. 81 f Vgl. HIRSHLEIFER (1971), S. 561-574; MARSHALL (1974), S. 373-390; FAMA/LAFFER (1971), S. 289-298; HAKANSSON ET AL. (1982), S. 1169-1181; DEMSKI (1974), S. 221-232. BALLWIESER (1993), S. 122, fiihrt aus, dass diese Theorien gleichzeitig als indirekte Wamung vor vorschnellen Regulierungsaktivitaten verstanden werden k5nnen. Zur Einordnung der Rechnungslegungsinformationen als privates versus kollektives Gut vgl. FELDHOFF (1992), S. 103-108. Vgl. HIRSHLEIFER (1971), S. 563 f Vgl. WOLK ET AL. (1992), S. 83 f.; GONEDES/DOPUCH (1974), S. 65; BRANDL(1987), S. 145-150. Vgl. WOLK ETAL. (1992), S. 83; BEAVER (1989), S. 162.

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Teil III: InteressengruppeneinflussaufRechnungslegungsregeln

anbieten, so dass es insgesamt zu einer Unterproduktion kommt. Eine entsprechende Verpflichtung der Untemehmen zur Informationsproduktion kann dies verhindem.^^'* Auch die Verringerung der Informationsasymmetrien zwischen Marktteilnehmem kann zur Begrundung der Regulierung der Rechnungslegung herangezogen werden.^^^ AKERLOF hat

gezeigt, dass das Bestehen von Informationsasymmetrien zu Marktstorungenfiihrenkann.^^^ Die Marktteilnehmer konnen Informationen bezuglich ihrer Qualitat nicht mehr bewerten bzw. erhalten zu wenig Informationen, da sich fur den Anbieter die Bereitstellung nicht lohnt. Dies kann zur Folge haben, dass Transaktionen durchgefiihrt werden, die einem Marktteilnehmer schaden, bzw. dass Transaktionen ganz unterlassen werden. AuBerdem konnen die Transaktionskosten steigen, wenn der besser informierte Marktteilnehmer Informationen an den schlechter informierten Marktteilnehmer weitergeben muss, um die Transaktion durchfuhren zu konnen.^^^ Rechnungslegungsvorschriften konnen dann die Effizienz der Markte verbessem. Neben diesen Effizienztiberlegungen spielen aber auch Gerechtigkeitsuberlegungen eine Rolle. So kann durch Rechnungslegungsvorschriften die Chancengleichheit aller Investoren ex ante verbessert werden.^^* Sonst waren moglicherweise groBe Marktteilnehmer wie Banken Oder GroBglaubiger leichter in der Lage, fiir sie relevante Jahresabschlussinformationen zu erhalten, als bspw. Lieferanten.^^^ LEV fiihrt an, dass durch Rechnungslegungsvorschriften die Funktionsfahigkeit des Marktes insgesamt verbessert werde, da die schlechter Informierten

Vgl. WALZ (1993), S. 103; HAX (1988), S. 194. Im Extremfali kann die Problematik kollektiver Guter dazu fiihren, dass eine Information fiir die Marktteilnehmer zu keinem zusStzlichen Nutzen fiihrt, so dass kein Marktteilnehmer bereit wSre fiir diese Information zu zahlen (Informationsablehnungshypothese). Es kommt zu einer Unterproduktion von Informationen; vgl. HIRSHLEIFER (1971), S. 564 f, der von homogenen Erwartungen der Nutzer ausgeht. MARSHALL (1974), S. 387, zeigt, dass im Fall heterogener Erwartungen Offentliche Informationen einen positiven gesamtwirtschaftlichen Nutzen haben konnen; so auch HAKANSSON ET AL. (1982), S. 1169-1181. Kritisch zur Informationsablehnungshypothese SCHMIDT (1982), S. 738-743; EWERT(1989), S. 245-263. EWERT zeigt, dass diese fiir Rechnungslegungsinformationen nicht gelten kann, da auch schon vor dem Publikationszeitpunkt (anders als die meisten Modelle annehmen) Handlungsmoglichkeiten bestehen, die eine individuell gUnstigere Ausgangsposition fiir die Ausnutzung der Information schaffen kOnnen (sog. sequenzielles Marktregime); vgl. EWERT(1989), S. 256-259. Vgl. WALZ (1993), S. 98 f; BEAVER (1989), S. 165; SCOTT (1997), S. 328; LEV (1988), S. 3. Vgl. AKERLOF (1970), S. 488-500. Vgl. AKERLOF (1970), S. 488-492. Vgl. dazu auch WALZ (1993), S. 98. So kann es auch zur Nichtweitergabe von negativen Untemehmensinformationen durch das Management kommen {adverse selection), so dass Marktteilnehmer Schwierigkeiten haben, die Situation unterschiedlicher Untemehmen einzuschatzen; vgl. SC0TT(1997),S.338. Vgl. LEV (1988), S. 4 f LEV entwickelt ein fJc-an/e-Konzept, da mit Chancengleichheit nicht die m5gliche Gleichheit der Handlungsergebnisse gemeint ist, sondem der gleiche Zugang zu Informationen. Vgl. WOHE (1997), S. 42, der ausfiihrt, dass „[einzelne] Gruppenmitglieder [...] ggf eine so starke Stellung gegenUber Untemehmen [haben], daB sie dessen Entscheidungen zum Nachteil anderer Gmppenmitglieder beeinflussen k5nnen. [...] Aufgabe des Gesetzgebers ist es, das Bilanzrecht so zu normieren, dafi das Untemehmen [...] keine Entscheidungen treffen kann, durch die die Rechte einzelner Interessengmppen zugunsten anderer beeintrSchtigt werden [...]" (Hervorhebung wie im Original). Vgl. dazu auch WOLK ET AL. (1992), S. 84.

1 Regulierung der Rechnungslegung

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ihre Abwehrhaltung gegeniiber dem Markt aufgeben iind daher mehr Transaktionen getatigt werden. Der Gesamtwohlstand steige.^^^ Die Reguliemng der Rechnungslegung wird auch mit den Vorteilen der Standardisierung und den damit verbundenen geringeren Transaktionskosten begriindet. Denn die vorhandenen gesetzlichen Regelungen schaffen eine Rahmenvereinbarung, in der sich die Marktpartner bewegen mussen, so dass der Verhandlungsspielraum eingeschrankt ist.^^' Neben Kosteniiberlegungen wird als Argument fur die Standardisierung der Rechnungslegung vor allem die bessere Vergleichbarkeit der Jahresabschltisse von Untemehmen angefuhrt. So konnen individualvertragliche Regeln unter Umstanden zwar ein Mehr an Informationen bieten, doch sind diese Informationen mangels einer Vergleichsmoglichkeit nur schwer bzw. eingeschrankt zu beurteilen. 1.2.3 Positive Ansatze der Theorie der Reguliemng der Rechnungslegung 1.2.3.1 Grundidee der Positive-accounting-theory Ende der siebziger Jahre entwickelte sich in den USA eine neue Forschungsrichtung, die versuchte, das Entscheidungsverhalten beziiglich der Entwicklung und Auswahl von Rechnungslegungsmethoden auf Untemehmensebene einerseits und auf Ebene der regulierenden Institutionen {Financial Accounting Standards Board (FASB), Securities and Exchange Commission (SEC)) andererseits zu erklaren. Zwei Aufsatze von WATTS/ZIMMERMAN bildeten den Anfang dieser neuen, als Positive-accounting-theory bezeichneten Forschungsrichtung.^^^ Dieser Ansatz kritisierte den damals im Rechnungswesen vorherrschenden Theorieansatz aufgrund seines normativen Charakters als nicht praxisrelevant, da empirisch nicht uberpriifbar.^^^ Hingegen soUte die propagierte Positive-accounting-theory eine Erklarung fur die eigentliche Praxis des Rechnungswesens liefem konnen und Vorhersagen uber bestimmte von Personen praktizierte Verhaltensweisen erlauben.^^ Der okonomische Ansatz dieser Theorie

Vgl. LEV (1988), S. 9 f. Im Gegensatz zu den Vorstellungen eines Nullsummenspiels ftihrt die verbesserte Informationsausstattung nicht nur zu einer anderen Verteilung des Wohlstandes. Vgl. FELDHOFF (1992), S. 29 m.w.N.; SUNDER (1997), S. 164 f. Vgl. dazu auch LEFTWICH (1981), S. 28 und 31 f., der empirisch nachweist, dass die Marktteilnehmer (hier Kreditnehmer und -geber) eine Standardl5sung zumindest als BasislOsung, die sie eventuell in Einzelf^llen anpassen, bevorzugen, da diese weniger kostenintensiv ist als komplette einzelvertragliche Regelungen. Die Kosten der Gewinnung der StandardlGsung sind dann vom Staat zu tragen. Hierbei kOnnen filr ein Untemehmen auch hOhere Kosten entstehen, wenn die angebotene StandardlOsung ftir das Untemehmen suboptimal ist; vgl. FELDHOFF (1992), S. 13. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 112-134; WATTS/ZIMMERMAN (1979), S. 273-305. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 4 f. und 9. Jedoch sprechen WATTS/ZIMMERMAN in ihrem 1990 erschienenen Aufsatz der normativen Theorie eine gewisse Bedeutung zu: „A positive theory differs from a normative theory, though a positive theory can have normative implications once an objective function is specified."; WATTS/ZIMMERMAN (1990), S. 148. Die Existenz von normativen Theorien erklaren WATTS/ZIMMERMAN mit der Nachfrage nach diesen, da durch den Verweis auf allgemeine Zielvorstellungen die Akzeptanz eher erhOht werden kann, als wenn auf das Eigeninteresse verwiesen wird, das aber mit den geauBerten allgemeinen Zielvorstellungen identisch ist. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1979), S. 275 und 282 f Vgl. dazu auch JONSSON (1988), S. 40 f und die Kritik von SCHNEIDER, D. (1992), S. 12-14. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1979), S. 274-278 und 281 f; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 2 und 157; HOLTHAUSEN/LEFTWICH (1983), S. 77-80; KELLY (1983), S. 111. Vgl. auch die Beispiele in ZIMMERMAN (1980), S. 108.

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungslegungsregeln

liegt in dem Ruckgriff auf Kosten-Nutzen-Uberlegungen. Der handelnde Akteur agiert als homo oeconomicus, der seinen Nutzen maximieren mochte und fur den eine Entscheidung zwischen verschiedenen Rechnungslegungsmethoden eine Abwagung seiner individuellen Nutzenfunktion gegeniiber seinen Kosten darstellt.^^^ Zwei Problemfelder stehen dabei im Mittelpunkt der Betrachtung: Zum einen, welche Rechnungslegungsmethode Untemehmensmanager unter welchen Bedingungen anwenden, und zum anderen, die Einflussnahme der Manager auf die Entstehung von Rechnungslegungsregeln. Diese Uberlegungen zur Entwicklung von Rechnungslegungsregeln werden in Abschnitt III.2.2.2 ausfuhrlich dargestellt. 1.2.3.2 Krisentheorie und Regulierung der Rechnungslegung Wie oben dargestellt,^^^ wurde in der allgemeinen Regulierungstheorie die These aufgestellt, dass in Krisenzeiten verstarkt regulierende Mafinahmen ergriffen werden.^^^ Dies lasst sich auch fur den Bereich der Rechnungslegung beobachten. In Deutschland wurden Rechnungslegungs- und Priifungsvorschriften bspw. verstarkt im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise eingefuhrt.^*** In den USA fuhrte der Zusammenbruch des Aktienmarktes im Jahre 1929 zum Securities Exchange Act im Jahre 1933, der ftir borsennotierte Aktiengesellschaften Bilanzierungs- und Publizitatsvorschriften vorschrieb.^^^ In beiden Fallen wurden fehlende oder falsche Rechnungslegungsinformationen als Ursachen ftir die Krise herangezogen.^^^ Da der einzelne Wahler die Auswirkungen der Krise spiirt, ohne die genauen Ursachen (auch aus Kostengriinden) zu kennen, erwartet er, um solche Situationen kunftig zu verhindem, ein Eingreifen der Politik. Die Politik kommt der offentlichen Erwartung mit zunehmender Regulierung nach und kann so gleichzeitig Wahlerstimmen gewinnen.^^' In der Geschichte lassen sich verschiedene Beispiele fmden, die die Krisentheorie als Erklarung des beobachtbaren Staatsverhaltens im Bereich der Rechnungslegung unterstiitzen.^^^ Es gibt jedoch auch Beispiele dafiir, dass regulatorische Mafinahmen wieder abgebaut wurden^"

266 267 268 269

Vgl. KELLY (1983), S. 112; WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 113; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 3, 222 und 226. Siehe auch BOLAND/GORDON (1992), S. 144. Kritisch dazu STERLING (1990), S. 102-106. Vgl. dazu Abschnitt 11.2.3. Vgl. JOSKOW (1974), S. 291-327. Vgl. FELDHOFF (1992), S. 65; LEFFSON (1995), S. 4 f. Vgl. FELDHOFF (1992), S. 65 f; MORAN/PREVITS (1984), S. 68 f; BENSTON (1973), S. 132-155; BENSTON (1976), S. 483-487. Vgl. kritisch dazu WATTS (1977), S. 65-67, und WATTS (1980), S. 159, der anmerkt, dass Rechnungslegungsinformationen erst nachgelagert erscheinen, d.h. zum groBen Teil vergangenheitsorientiert sind, und daher nicht die Funktionsfthigkeit der Aktienmarkte dominieren. Die EinfUhrung neuer Rechnungslegungsvorschriften sieht WATTS als bequeme „LOsung" der wirtschaftlichen Probleme durch den Regulierer. Vgl. FELDHOFF (1992), S. 65. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 226 f. In der gleichen Tradition stehen Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen den Durchfallquoten beim Wirtschaftspriiferexamen und der wirtschaftlichen Situation analysieren und die zeigen, dass Wirtschaftspriifer in wirtschaftlichen Krisensituationen den Zutritt zu ihrer Berufssparte eher beschranken, um ihre eigene Position nicht zu schwachen; vgl. YOUNG, S. D. (1988), S. 283-291. Vgl. FELDHOFF (1992), S. 63 f, der ein solches Beispiel ftir die Rechnungslegungsvorschriften GroBbritanniens anftihrt.

1 Regulierung der Rechnuneslegung

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Oder dass Regulierung ohne eine auslosende Krise stattfand. Exemplarisch sei hier auf die Harmonisierung der Rechnungslegung durch die 4. EG-Richtlinie verwiesen.^^"* 1.2.4 Andere Erklarungsansatze Im Rahmen der Untersuchung der Regulierung der Rechnungslegung erfolgt in der Literatur teilweise eine Loslosung von der rein okonomischen Analyse der Regulierung. Vielmehr wird versucht, auch soziale Komponenten in die Betrachtung mit einfliefien zu lassen.^^^ LAUGHLIN/PUXTY versuchen bspw. die Regulierung der Rechnungslegung mit einem Weltanschauungskonzept zu erklaren, in dem Individuen aufgrund von ahnlichen Erfahrungen und gegenwartigen Einstellungen gleiche Ansichten vertreten.^^^ Kontrar zu der zum Beispiel von WATTS/ZIMMERMAN betriebenen Einordnung der Individuen in Gruppen anhand ihrer (unveranderlichen) Funktionen^^^ gehen jene von der Vorstellung aus, dass sich veranderliche Gruppen bilden, deren Position sich durch ihre Weltanschauung bestimme.^^^ Ein Individuum konne je nach Sichtweise (z.B. wenn ein Manager gleichzeitig Anteilseigner anderer Unternehmen ist) unterschiedliche Weltanschauungen vertreten.^^^ Der Ansatz von PuxTY ET AL. betrachtet die Form der Regulierung der Rechnungslegung als Folge der organisatorischen Formen des Marktes, des Staates und der Gesellschaft.^*^ Ruckgreifend auf einen Ansatz von STREEK/SCHMITTER^*' gehen PUXTY ET AL. von drei Leitprinzipien aus, die die Koordination von Aktionen und Personen innerhalb des Marktes, des Staates und der Gesellschaft und die AUokation von Ressourcen zwischen den Akteuren und somit die gesellschaftliche Ordnung bestimmen. Unter dispersed competition werden die Beziehungen auf Markten subsumiert, die durch Vertrage zwischen Untemehmen und Konsumenten entstehen, und die durch unterschiedliche Zielfunktionen entstehenden Konflikte. Das Prinzip des hierarchical control bezeichnet Vorgange auf staatlicher Ebene, die Burokraten durch

274 275

Vgl. FELDHOFF(1992),S.67. Vgl. u.a. BURCHELL ET AL. (1980), S. 5-27; COOPER/SHERER (1984), S. 207-232; LAUGHLIN/PUXTY (1983), S. 451-479; LAUGHLIN/PUXTY (1984), S. 593-595; PuXTY ET AL. (1987), S. 273-291; TINKER (1980), S. 147160; TINKER (1984), S. 55-74; WILLMOTT(1984), S. 585-591; WILLMOTT(1990), S. 315-331.

276

Vgl. LAUGHLIN/PUXTY (1983), S. 451-479. 277 Vgl. LAUGHLIN/PUXTY (1983), S. 456 f Den Gruppenmitgliedem (z.B. Management, Anteilseigner) wird dabei eine identische Nutzenftinktion unterstellt, und sie nehmen immer die gleiche Position ein; vgl. z.B. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 180-184. Vgl. LAUGHLIN/PUXTY (1983), S. 458 f. Dabei trennen sie zwischen den Weltanschauungen, die die Nutzer der Informationen einnehmen, und denen, die die Bereitsteller der Informationen vertreten. Welche Weltanschauung ein Individuum einnehme, hSnge ab von vergangenen Erfahrungen und gegenwartigen Interessen. Auch die vom Regulierer meist eingenommene Vertretung der Interessen der Nutzer der Jahresabschlusse leite sich nicht aus dem Selbstinteresse des Regulierers, sondem aus vergangenen Erfahrungen und gegenwartigen Einstellungen, also der vertretenen Weltanschauung, ab; vgl. LAUGHLIN/PUXTY (1983), S. 472 f Siehe auch die Kritik von WlLLMOTT (1984), S. 585-591, der anmahnt, dass die Faktoren, die zur Bildung einer bestimmten Weltanschauung ftihren, nicht naher erlautert werden, und die Erwiderung von 279 280 281

LAUGHLIN/PUXTY (1984), S. 593-596. Kritisch auch BOOTH/COCKS (1990), S. 518. Vgl. LAUGHLIN/PUXTY (1983), S. 459.

Vgl. PUXTY ET AL. (1987), S. 273-291. Vgl. STREECK/SCHMITTER (1985), S. 1-29, hier insbesondere die zusammenfassende Tabelle S. 5.

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungsleeungsregeln

Regulierungsvorschriften auslosen und die zu Konflikten zwischen dem Regulierer und den Regulierten fuhren koiinen. Das Prinzip der spontaneous solidarity umschreibt die Struktur der Gesellschaft, die zu imterschiedlichen Gruppenzugehorigkeiten und Machtkonstellationen fxihrt.^*^ PuxTY ET AL. zeigen, dass diese Prinzipien auch im Rahmen der Regulierung der Rechnungslegung eine Rolle spielen^" und die unterschiedliche Ausgestaltung der Regulierung in verschiedenen Landem durch das unterschiedliche Zusammenwirken der Prinzipien und deren Gewichtung bedingt ist.^^

^*^ Vgl. PUXTY ET AL. (1987), S. 276 f. ^*^ Vgl. PUXTY ET AL. (1987), S. 278 f. ^^ Vgl. PuXTY ET AL. (1987), S. 282-285. So zeigen PuXTY ET AL. fiir die Regulierung der Rechnungslegung in Deutschland zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung, dass diese vor allem durch direkte Eingriffe des Staates gekennzeichnet ist, d.h. das Prinzip des hierarchical control dominiert den Regulierungsprozess.

2 Normsetzungsprozess

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2 Der Einfluss von Interessengruppen auf den Normsetzungsprozess im Bereich der Rechnungslegung 2.1 Die handelnden Akteure Unterschiedliche Akteure nehmen auf den Entwicklungsprozess der Rechnungslegungsregeln Einfluss. Neben dem Regulierer^*^ sind hier vor allem Interessengruppen und einzelne Akteure tatig.^^^ Ihre Interessen werden in den Rechnungslegungsvorschriften je nach Ausgestaltung des Systems unterschiedlich berticksichtigt, so dass die Ausrichtung der Rechnungslegung eine Auswirkung auf die Beteiligung am Normsetzungsprozess hat. Gleichzeitig wirkt sich aber auch die unterschiedliche Ressourcenausstattung auf die Beteiligung aus.^*^ Das FASB nennt in Statement of Financial Accounting Concepts No. 1 zahlreiche Adressaten der Rechnungslegung, die auch potenzielle Beteiligte am Normsetzungsprozess sein konnten: „Among the potential users are owners, lenders, suppliers, potential investors and creditors, employees, management, directors, customers, financial analysts and advisors, brokers, underwriters, stock exchanges, lawyers, economists, taxing authorities, regulatory authorities, legislators, financial press and reporting agencies, labor unions, trade associations, business researchers, teachers, students and the public." Es existieren Gruppen, die in den meisten Systemen - unabhangig von deren Ausgestaltung als Akteure in Erscheinung treten. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden daher drei Gruppen betrachtet, die durch sehr aktive Interessengruppen bei der Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in Erscheinung traten, namlich die Ersteller von Jahresabschlussen, die Wirtschaftsprufer und die Hochschullehrer. Eine Schilderung unterschiedlicher Eigenschaften dieser Gruppen erfolgt in den Abschnitten III.3.3.1 - III.3.3.3. 2.2 Theoretische Uberlegungen zur Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess 2.2.1 Der politische Entscheidungsprozess im Bereich der Rechnungslegung Die in Teil II. fur den politischen Entscheidungsprozess herausgearbeiteten Eigenschaften gelten auch ftir den Bereich der Rechnungslegung. Interessengruppen haben auch hier wahrend ihrer Bildung und bei ihrem Handeln mit der Problematik koUektiver Guter zu kampfen. Unterschiedliche Wege der Einflussnahme existieren, die sich je anders auf die Kosten der Einflussnahme auswirken. Wie in Abschnitt II.3.4.3 dargestellt, ist der Einfluss einer Interessengruppe auch vom Einfluss anderer Interessengruppen abhangig. Demnach miisste auch ftir die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln gelten, dass Unstimmigkeiten zwischen Interessengruppen eine den Einfluss einschrankende Nebenbedingung darstellen. Im Folgenden sollen die ftir die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln bestehenden Besonderheiten herausgearbeitet werden.

Wird die Rechnungslegung durch eine private Kommission reguliert, tritt als weitere Interessengruppe der Staat auf, der vor allem an der bestehenden sozialen Ordnung festhalten will; vgl. BOOTH/COCKS (1990), S. 520. Vgl. dazu auch SHACKLETON (1977), S. 17-21. Vgl. dazu unten Abschnitt 111.3.2. Vgl.FEROZ(1987),S.8f

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Teil 111: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungslegungsregeln

Sie werden in einem politischen Prozess ausgehandelt. Dieser ist nicht nur aufgrund seiner okonomischen Konsequenzen politisch, sondem auch aufgrund der politischen Aktivitaten von Interessengruppen und Einzelpersonen.^** Der Prozess selbst ist in den einzelnen Landem unterschiedlich strukturiert. Im Gegensatz zu anderen regulierten Bereichen kann die Normsetzung nicht nur durch den Gesetzgeber, sondem auch durch eine staatliche oder private Kommission erfolgen. In den meisten Landem existieren beide Formen in unterschiedlichen Abstufimgen nebeneinander bzw. erganzen sich.^*^ In welchem AusmaB der Normsetzungsprozess in einem Land staatlich, quasi-staatlich oder durch eine private Kommission erfolgt, hangt von dem Umfeld ab, in dem das System arbeitet. Neben historischen Gegebenheiten, wie der Anwendung des code law oder des case law, sind auch aktuelle auBere Bedingungen, wie z.B. eine starke Kapitalmarktorientierung, fur die unterschiedliche Ausgestahung verantwortlich.^^^ Unabhangig von der Gestah der Regulierung der Rechnungslegung (als private oder offentlich-rechtliche Kommission bzw. als Gesetzgebung) ist fur die Durchsetzung der entwickelten Rechnungslegungsregeln eine Sanktionierungsmoglichkeit entscheidend, damit die Anwendung der entwickelten Regeln nicht lediglich auf freiwilliger Basis stattfmdet.^^' Wahrend die institutionellen Rahmenbedingungen in den einzelnen Landem sehr verschieden sind, werden bei der Betrachtung der handelnden Personen Gemeinsamkeiten deutlich. Die Entwicklung der Rechnungslegungsregeln ist kein Thema fiir die Allgemeinheit. Vielmehr stellt sie sich als Verhandlung zwischen Experten dar.^^^ Besonders deutlich spiegelt sich dies in den anglo-amerikanischen Landem wider, wo die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln aus dem „normalen" Gesetzgebungsprozess ausgegliedert und an entsprechende Experten-Kommissionen delegiert ist.^" Aber auch in Landem, in denen die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln legalistisch gepragt ist, wirken an der Entwicklung der Rechnungslegungsregeln vor allem Experten mit.^^"* Den Experten auf der Seite des Regulierers stehen Vgl. LARSON/KENNY (1996), S. 4 f.; MAY/SUNDEM (1976), S. 750; POWER (1997), S. 113; SCHROE-

DER/CLARK (1998), S. 13 f.; SIMPSON/WALLACE (1995), S. 2 f; WALKER/ROBINSON (1993), S. 4. Kritisch zur Politisierung des Normsetzungsprozesses SOLOMONS (1978), S. 65 f.; WYATT (1991), S. 110. Ausfuhrlich zu den Okonomischen Konsequenzen ZEFF (1978), S. 56-63, sowie die Failstudie in ZEFF (1997), S. 177-192. Zur politischen Einflussnahme in unterschiedlichen Landem vgl. die Beispiele in ZEFF (2002), S. 43-54. Vgl. ACHLEITNER (1996), S. 266; BLOOM/NACIRI (1989), S. 70-97; BREIDENBACH (1997), S. 97; HORNGREN (1972), S. 37-41; MUELLER/BLOOMER (1998), S. 656-660; SIMPSON/WALLACE (1995), S. 12-18. Vgl. dazu auch SlEBERT (1996), S. 65-68; BERESFORD (1995), S. 31 f, die Vorteile der privaten und gesetzlichen Normsetzung (hier jedoch bezogen auf die USA) auflisten, sowie die Untersuchung von RONEN/SCHIFF (1978), S. 66-73. Zur Konkurrenz zwischen privatem Regulierer und der Regierung vgl. die Failstudie von WALKER/ROBINSON (1994b), S. 119-137. Vgl. ACHLEITNER (1996), S. 267 f.; BROMWICH/HOPWOOD (1983), S. XV. Zur aktuellen Enforcement-Diskussion vgl. z.B. ARBEITSKREIS EXTERNE UNTERNEHMENSRECHNUNG (2002), S. 2173-2176; BOCKEM (2000); BOCKING (2003), S. 683-706; GLAUM/STREET (2002), S. 122-138; HOMMELHOFF (2001), S. S 39-S 50; HULLE (1998), S. 138-153; HULLE (2001), S. S 30-S 34; KOTING/WOHLGEMUTH (2002), S. 265-276; TiELMANN (2001a); TiELMANN ^00lb), S. 1625-1634. Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 238. „Die Fachleute des Rechnungswesens benutzen, wie andere Experten auch, einen Code, der es Nicht-Experten praktisch unmOglich macht, in den Kemfragen des Rechnungswesens mit zu diskutieren." ORDELHEIDE (1997), S. 239. Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 238; SIMPSON/WALLACE (1995), S. 23 f. Vgl. zu den Anforderungen, die an den Regulierer gestellt werden, u.a. ACHLEITNER (1995), S. 55-60;

2 Normsetzungsprozess

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durch Rechnungslegungsvorschriften Betroffene gegenuber. Den betroffenen Gruppen wird die Moglichkeit gegeben, ihre Ansichten an den Regulierer weiterzugeben. Die Betroffenen konnen bei entsprechendem Fachwissen selbst am Entwicklungsprozess der Rechnungslegungsvorschriften teilnehmen oder delegieren die Teilnahme an Interessengruppen. Diese verfugen dann iiber Fachleute, die sie im Prozess vertreten. Fiir den ReguHerer erwachst daraus die Moglichkeit, Vor- und Nachteile der Regelungen fiir die unterschiedlichen Gruppen abzuwagen und so die Vorschriften auf eine moglichst breite Basis zu stellen.^^^ Der Entwicklungsprozess von Rechnungslegungsregeln wird im Rahmen der folgenden Ausfiihrungen unabhangig von seiner Ausgestaltung als Gesetzgebung oder als Entwicklung von Vorschriften durch eine Kommission (Standard-settmg'?TOZQSs^^^) mit dem Begriff Normsetzungsprozess bezeichnet. 2.2.2 Uberlegungen im Rahmen der Positive-accounting-theory 2.2.2.1 Theoretische Ansatze Wie oben beschrieben,^^^ beschaftigt sich die Positive-accounting-theory mit dem Entscheidungsverhalten beziiglich der Entwicklung und Auswahl von Rechnungslegungsmethoden auf Untemehmensebene einerseits und andererseits auf Ebene der regulierenden Institutionen. Untersuchungen werden im Rahmen der Positive-accounting-theory vor allem durch die Contracting-theory^\ die ein Untemehmen als Konglomerat von Vertragen sieht, und durch die Agency-theory, die eine Weiterentwicklung der Contracting-theory darstellt, begrtindet (vertragsorientierte Ansatze).^^^ Daneben werden aber auch die Prozesse untersucht, die in den Institutionen, die die Rechnungslegung regulieren und normieren, bei der Entwicklung eines Rechnungslegungsstandards ablaufen (prozessorientierte Ansatze).^"^ Da die fiir diese Arbeit besonders relevanten prozessorientierten Ansatze auch auf Annahmen der vertragsorientierten Ansatze zuriickgreifen, werden beide Ansatze im Folgenden dargesteUt. Die Positive-accounting-theory ftiBt auf dem Prinzip des methodologischen Individualismus.^^' Das Individuum muss zur Nutzenmaximierung den Nutzen aus der Wahl einer Rech-

COLLETT (1995), S. 18-30; HOMMELHOFF/SCHWAB (1998), S. 47-56; WYATT (1990), S. 83-88; KlRK(1981), S. 83-86, der die Bedeutung des Conceptual frameworks fiir die Entscheidungen des Regulierers betont. Kritisch dazu HORNGREN (1981), S. 86-95. Vgl. HORNGREN (1973), S. 61 f. und 65. Dabei ist, wie JONSSON (1991), S. 543 f, betont, fiir die Akzeptanz der Vorschriften vor allem das Verfahren der breiten MeinungsanhSrung und weniger die inhaltliche Entscheidung verantwortlich. Vgl. zur Problematik unterschiedlicher Zielsetzungen der betroffenen Gruppen DOPUCH/SUNDER (1980), S. 10 f. Der Standard-setting-ProzQss wird auch als due process bezeichnet; vgl. MILLER ET AL. (1998), S. 59 f. Vgl. dazu Abschnitt III. 1.2.3.1. Vgl. KELLY (1983), S. 115; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 179-199. Vgl. KELLY (1983), S. 116; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 185 f. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 118-121; WATTS/ZIMMERMAN (1990), S. 133. Vgl. auch die empirische Uberpriifiing in WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 121-131. Die hier verwendete terminologische Abgrenzung geht zuriick auf HALLER (1994), S. 599-601. Vgl. dazu Abschnitt II.1.3 und WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 113; WATTS/ZIMMERMAN (1979), S. 280 und 283; WATTS (1980), S. 154.

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Teil III: Interessengruppeneinfiuss auf Rechnungslegungsregeln

nungslegungsmethode oder der Einflussnahme auf den politischen Prozess gegen die daraus entstehenden Kosten abwagen.^^^ Rechnungslegung wird dabei als okonomisches Gut betrachtet, das angeboten und nachgefragt wird.^^^ Im Mittelpunkt der vertragsorientierten Ansatze stehen Manager, die durch die Wahl einer bestimmten Rechnungslegungsmethode ihre Wohlfahrt maximieren wollen. Aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung kann es zwischen dem Manager und den Kapitalgebem (Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber) zu Unsicherheiten iiber das Verhalten des Vertragspartners nach Vertragsabschluss kommen (sog. Moral-hazard-?roh\Qm\^^^ d.h. der Manager wiirde als Agent seinen besseren Informationsstand zu seinem Vorteil und zu Ungunsten des Kapitalgebers (Prinzipal) ausnutzen.^^^ Um dieses Problem zu losen bzw. zu mindem, werden von Seiten der Kapitalgeber Kontrollmechanismen und Anreizmechanismen eingerichtet.^^^ Je nachdem, wie diese in den Untemehmen ausgestaltet sind, werden Rechnungslegungsmethoden von den jeweiligen Managem unterschiedlich beurteilt.^^^ Um diese unter-

Vgl. KELLY (1983), S. 112; WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 113; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 3, 222 und 226. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1979), S. 274 f. Vgl. dazu auch JOHNSON/MESSIER (1982), S. 202 und 207, die notwendige Bedingungen ftir die Nachfrage nach Regulierung und deren Angebot beschreiben. Grundlage fiir eine angebotene Regulierung ist zunSchst die Existenz eines Regulierers. Dartiber hinaus ist entscheidend, dass dem Regulierer eine Nachfrage nach Regulierung signalisiert wird. Als dritte Bedingung nennen JOHNSON/MESSIER die geringe Wahrscheinlichkeit einer Intervention durch eine hOhere Instanz. Fur die Nachfrage nach Regulierung ist zunSchst eine (gemeinsame) Position eines Einzelnen oder einer Interessengruppe zu einem Rechnungslegungsproblem notwendig. Um eine Beteiligung mOglich zu machen, miissen die Kosten der Beteiligung am Normsetzungsprozess getragen werden, so dass es nicht zu einem Free-riderVerhalten kommt. Letzte Bedingung ftir eine Nachfrage ist die MOglichkeit der Kommunikation dieser Position an den Regulierer. Vgl. FRANKE/HAX (2004), S. 420; ScOTT (1997), S. 337 f. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 113 f.; WATTS/ZIMMERMAN (1979), S. 276. Unter Kontrollmechanismen werden dabei die Offenlegung der extemen Rechnungslegung sowie deren Priiftmg durch WirtschaftsprOfer verstanden; vgl. JENSEN/MECKLING (1976), S. 338 f; WATTS (1977), S. 57 f. Anreizmechanismen werden von Eigenkapitalgebem in Form von Incentive-contracts geschaffen, die VergUtungen des Managers an bestimmte Daten des Jahresabschlusses koppeln oder den Manager in Form von Aktien oder Optionen entlohnen; vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 181-185; WATTS (1977), S. 57; HALLER (1994), S. 599 f. Hingegen versuchen Fremdkapitalgeber das Moral-hazard-Problem einzuschrSnken, indem sie in Kreditvertragen Vereinbarungen verankem, die meistens auf Rechnungslegungsdaten beruhen und unter bestimmten Bedingungen den Manager zu Handlungen, wie z.B. zu Einschrankungen der Dividendenzahlungen oder zusatzlicher Fremdkapitalaufnahme, zwingen; vgl. WATTS (1992), S. 248-251; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 186-191. Bei VerstoB gegen diese Vereinbarungen drohen dem Untemehmen Sanktionen; vgl. KELLY (1983), S. 112. Dabei ist zu beriicksichtigen, dass diese Eingriffe zu sog. Agency-Kosten ftihren, die sich aus den Monitoring-expenditures (Uberwachungskosten) des Prinzipals, den Bonding-expenditures (Kosten, die dem Agenten durch die Kontrolle entstehen) und dem Residual-loss (der die Abweichung des Verhaltens des Agenten von dem vom Prinzipal erwarteten Verhalten umfasst) zusammensetzen; vgl. JENSEN/MECKLING (1976), S. 308, und WATTS (1977), S. 56. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 196. Vgl. dazu auch HALLER (1994), S. 600. Dabei sind vor allem die vertraglichen Kosten zu beriicksichtigen, d.h. Kosten, die durch die Vertrage und die Vertragsbeziehungen sowie deren Gestaltung und Beeinflussung entstehen. Darunter lassen sich z.B. Informationskosten, Kosten der Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess, Transaktionskosten oder Verhandlungskosten subsumieren; vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1990), S. 134 f. Vgl. dazu auch HALLER (1994), S. 600. Vgl. auch WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 114-116, die als Rahmenbedingungen neben Incentive-contracts und kreditvertraglichen Regelungen auch indirekte Beeinflussungen durch das Steuersystem, die Ausgestaltung des Regulierungsprozesses, politische Kosten und Kosten der Informationsproduktion nennen.

2 Normsetzungsprozess

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schiedliche Beurteilung zu erklaren, wurden von WATTS/ZIMMERMAN zwei grundlegende Hypothesen entwickelt, die zum einen auf der Beziehung zwischen Managem und Eigenkapitalgebem und zum anderen auf der Beziehung zwischen Managem und Fremdkapitalgebem beruhen. Die Bonus-plan-HypothQSQ untersteUt eine Abhangigkeit der Bilanzpolitik von der Ausgestaltung der Managervergutung. 1st die Hohe des Bonus eng an die Hohe des Jahresiiberschusses gekoppelt, wird der Manager dazu neigen, die Rechnungslegungsvorschriften im Sinne einer gewinnsteigemden Bilanzpolitik auszunutzen.^^* Die Debt/equity-HypothQse untersteUt eine Abhangigkeit der Bilanzpolitik vom Verschuldungsgrad. Je hoher der Verschuldungsgrad eines Untemehmens ist, desto eher wird durch das Management eine Gewinnerhohungspolitik betrieben, da mit zunehmendem Verschuldungsgrad die Gefahr einer Intervention durch den Kreditgeber wachst.^^^ Der prozessorientierte Ansatz untersucht hingegen, welche Krafte bei der Entwicklung bestimmter Rechnungslegungsstandards auf den politischen Prozess einwirken und welche Faktoren und Motive die einflussnehmenden Akteure beeinflussen. Auch dieser Prozess wird von Vertretem der Positive-accounting-theory mit dem Ansatz der Nutzenmaximierung der Akteure erklart.^'^ Aufgrund des angenommenen Strebens nach Nutzenmaximierung sollen die beiden oben genannten Hypothesen die Griinde fur die Einflussnahme der Manager auf den politischen Entscheidungsprozess erklaren. D.h. je nachdem, wie vertragliche Vereinbarungen sich auf die Nutzenmaximierung des Managers auswirken, wird dieser versuchen, seinen Einfluss auf vorgeschlagene Rechnungslegungsstandards geltend zu machen. Im Rahmen der prozessorientierten Ansatze wurde die .S/ze-Hypothese entwickeh. Diese besagt, dass das AusmaB der Einflussnahme von der Untemehmensgrolie abhangt, da die politischen Kosten^'^ eines groBen Untemehmens hoher sind^'^ und daher der Anreiz zu handeln hoher ist. Weil die politischen Kosten eines Untemehmens haufig mit der Hohe des Untemehmensergebnisses zunehmen, sind gemafi der ^/ze-Hypothese groBe Untemehmen Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 204-210. Das hOhere variable Einkommen des Managers reduziert dann den Cash-flow des Untemehmens und fUhrt daher zu fallenden Preisen der Untemehmensanteile; vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 116.

Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 213-217. Vgl. WATTS (1977), S. 64 f. und 68 f; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 224-238. Vgl. dazu auch CHAMBERS (1993), S. 15-17. Nicht nur die Manager, auch die anderen handelnden Akteure (Politiker und Regulierer) haben das Ziel der Nutzenmaximierung; vgl. WATTS (1980), S. 154; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 222 und 226. ZU den politischen Kosten zahlt z.B. die Belastung durch Steuem oder die Wahrscheinlichkeit, Gewerkschaften Zugestandnisse machen zu mOssen; vgl. BALLWIESER (1993), S. 126; KELLY (1983), S. 120 und 123-125. Vgl. auch DYCKMAN (1988), S. 4. „The political cost hypothesis predicts that large firms rather than small firms are more likely to use accounting choices that reduce reported profits. Size is a proxy variable for political attention'', WATTS/ZIMMERMAN (1990), S. 139. Zwar sind groBe Untemehmen mit hOheren politischen Kosten konfrontiert, zugleich sind sie aber hSufig NutznieBer hOherer Zuwendungen; vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 239. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 115.

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Teil HI: Interessengruppencinfluss auf Rechnungsleeungsregeln

eher auf eine ergebnisreduzierende Bilanzpolitik bedacht.^'^ Daher ist die Einflussnahme von Managem auf den politischen Prozess abhangig von der GroBe des Untemehmens und davon, ob der vorgeschlagene Rechnungslegungsstandard die Ertrage des Untemehmens erhoht oder vermindert.^''* Die Hypothesen zeigen, dass die Manager im Ergebnis gegensatzliche Ziele zu verfolgen haben. Im Hinblick auf die entstehenden Vertragskosten sowie ihre (gewinnabhangige) Vergutung mochten sie den Untemehmensgewinn erhohen, zur Einschrankung der politischen Kosten miissen sie sich aber fur ertragsreduzierende Rechnungslegungsvorschriften einsetzen. So konnen diese Thesen zusammen eine Begriindung fur das empirisch zu beobachtende Gewinnglattungsverhalten von Untemehmen liefem.^'^ 2.2.2.2 Kritik Trotz der Bestatigung der Hypothesen der Positive-accounting-theory durch zahlreiche empirische Untersuchungen^'^ wurde die Positive-accounting-theory von vielen Seiten angegriffen.^'^ Die Kritik bezieht sich z.B. auf den vermeintlichen Gegensatz von normativer und positiver Theorie.^'* Da sich die Positive-accounting-theory bei der Formulierung ihrer Hypothesen bestimmter Grundannahmen des methodologischen Individualismus bedient, diese aber nicht empirisch uberprufbar sind, sei die Theorie im Grunde ebenfalls normativ.^'^ Weiter wird Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 234-238; WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 118-121. Vgl. LARCKER/REVSINE (1983), S. 716, 722 und 726, die z.B. bei Gewinnsteigerungen von Ol- und Gasunternehmen annehmen, dass in solchen Fallen die Wahrscheinlichkeit steigt, dass z.B. Gewerkschaften gewinnbeschneidende MaBnahmen fordem. Diesen Zusammenhang k5nnen sie aber fiir die Kapitalmarktreaktion auf das Exposure Draft zu FASB Statement No. 19 „Oil and Gas'' empirisch nicht nachweisen. Vgl. dazu auch WATTS (1992), S. 261, der anmerkt, dass die UntemehmensgrOBe neben den politischen Kosten auch ftir andere Variablen stellvertretend sein kann. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 114-116. Neben dem direkten Effekt, den die RegelSnderung auf die ManagervergOtung besitzt, muss der Manager auch indirekte Effekte beriicksichtigen. Dies sind z.B. zukiinftige steuerliche Effekte aus der RegelSnderung auf die Steuergesetzgebung, Implementierungskosten der neuen Regelung und politische Kosten. Auch die Kosten der Teilnahme am politischen Prozess, die sich zum groBen Teil aus den Opportunitatskosten der Zeit des Managers ergeben, muss der Manager in die Betrachtung einbeziehen; vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 120. Vgl. COENENBERG/HALLER (1993), S. 580 f. Vgl. hierzu die Auflistung der empirischen Untersuchungen bei HOLTHAUSEN/LEFTWICH (1983), S. 89-109; KELLY (1983), S. 127-141; WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 257-262. Vgl. hierzu auch unten Abschnitt III.3.3.1. Vgl. die Ubersicht in WATTS/ZIMMERMAN (1990), S. 141 f., und deren Erwiderung S. 144-149. Vgl. kritisch zur von WATTS/ZIMMERMAN vorgenommenen Trennung von positiver und normativer Theorie STERLING (1990), S. 112-114. Vgl. auch WAGENHOFER (1988), S. 89, der gerade im Rechnungswesen keine eindeutige GegensStzlichkeit von normativer und positiver Theorie sieht. Vgl. dazu auch WEIZSACKER (1982), S. 326, der eben gerade die Notwendigkeit beider Theorien ftireinander betont. Vgl. aber auch die Erwiderung der Kritik in WATTS/ZIMMERMAN (1990), S. 148, und die Ausfiihrung von BOLAND/GORDON (1992), S. 157-164, zur unterschiedlichen Verwendung des Wortes „positiv" in den verschiedenen Schulen. Vgl. CHAMBERS (1993), S. 8-11; CHRISTENSON (1983), S. 3-6; WAGENHOFER (1988), S. 89. Siehe auch BALLWIESER (1993), S. 127-128; HALLER (1994), S. 604; WHITTINGTON (1987), S. 329. ROBSON kritisiert, dass das Modell von WATTS/ZIMMERMAN auf Annahmen des methodologischen Individualismus aufbaue, in

2 Normsetzungsprozess

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kritisiert, dass WATTS und ZIMMERMAN davon ausgehen, dass eine Theorie lediglich eine erklarende Funktion besitzen, aber nicht zu normativen Aussagen fiihren sollte.^^^ Deren eigene Theorie betreibe entsprechend nicht die Weiterentwicklung und Verbesserung der Rechnungslegung, sondem beschreibe nur den herrschenden Zustand.^^' Zudem sei die Positive-accounting'theory keine Rechnungslegungstheorie, sondem eine Theorie der Rechnungslegenden, da sie sich auf das beobachtbare Verhahen von Individuen konzentriere.^^^ Ein weiterer Kritikpunkt setzt an der von WATTS/ZIMMERMAN angenommenen Nutzenmaximierung aller handelnden Akteure an. Diese ftihrt zwangslaufig auch zu einer Wohlfahrtsmaximierung der Gesellschaft und damit zu einem Gleichgewichtszustand.^^^ Gleichzeitig wird in der Positive-accounting-theory von vertraglichen und politischen Kosten ausgegangen, die ein Zeichen fur unvollkommene Markte sind. Daher ergabe sich ein logischer Widerspruch innerhalb der Annahmen der Theorie.^^"* Schliefilich wurde auch Kritik am ArgumentationsstiP^^ und der statistischen Auswertung^^^ geaufiert. Fiir den im weiteren Verlauf der Arbeit betrachteten Untersuchungszeitraum ist mit HALLER vor allem die Ubertragbarkeit der Ergebnisse der Positive-accounting-theory auf deutsche Verhaltnisse in Frage zu stellen. Aufgrund des in diesem Zeitraum existierenden geringen Stellenwertes von gewinnabhangigen Vergiitungen und auf Bilanzdaten basierenden Restriktionen in Kreditvertragen sowie der SchwerfalUgkeit des Normsetzungsprozesses in Deutsch-

ihren Beispielen aber wUrden sich die Eigenschaften eines Individuums aus seiner gesellschaftlichen Position z.B. Manager und somit strukturell bestimmen. Dariiber hinaus kritisiert er, dass die Problementstehung nicht in die Betrachtung einbezogen wird, sondem dieses als gegeben betrachtet wird; vgl. ROBSON (1993), S. 4 f Anhand der Entwicklung des SSAP 13 Uber .Recounting for Research and Development zeigt ROBSON, dass die Interessen der Akteure aber auch durch die Problementstehung geformt werden; vgl. ROBSON (1993), S. 6-20 und 22 f. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1986), S. 7. Vgl. STERLING (1990), S. 130; HALLER (1994), S. 604. Vgl. STERLING (1990), S. 130 f Vgl. BOLAND/GORDON (1992), S. 147 f. Vgl. B0LAND/G0RD0N(1992), S. 154. Vgl. auch DEMSKl(1988), S. 625-627; BALLWIESER(1993), S. 127 f. Vgl. BOLAND/GORDON (1992), S. 150-151; WAGENHOFER (1988), S. 93. WATTS/ZIMMERMAN verweisen an mehreren Stellen darauf, dass ihre Theorie nur vorlaufig sei; vgl. WATTS/ ZIMMERMAN (1986), S. 9-11; vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1990), S. 147 f. Dadurch warden sie ihren Ansatz gegen eine mOgliche Kritik immunisieren. Ein weiterer Vorwurf ist, dass die Positive-accounting-theory genau genommen keine neuen Erkenntnisse liefere: Okonomische Grundannahmen wtlrden kurzerhand aus ErklSrungszwecken mit der Rechnungslegung verknOpft. Die gewonnenen Aussagen seien viel zu allgemein anwendbar. Von daher wiirde es auch nicht iiberraschen, dass die aufgestellten Hypothesen empirische Bestatigung erlangen; vgl. CHAMBERS (1993), S. 21-23; HALLER (1994), S. 604; STERLING (1990), S. 103-104 und 127-131; WAGENHOFER (1988), S. 92. HALLER (1994), S. 605, zeigt die Problematik der Auswahl richtiger Stellvertretervariablen und das mOgliche Auftreten von Scheinkorrelationen auf. WAGENHOFER (1988), S. 92, merkt an, dass zum einen die Isolierung der zu messenden Variablen Schwierigkeiten bereitet und zum anderen Probleme mit der Aussagekraft der Daten, wie z.B. auftretende Kollinearitaten, bestehen. CHRISTENSON (1983), S. 18-19, kritisiert, dass WATTS/ZIMMERMAN nach Ablehnung ihrer Hypothesen durch empirische Tests Erklarungen suchen, die die Hypothesen und so ihre Theorie dennoch bestatigen kOnnen. Kritisch dazu HINES (1988), S. 657-662. STERLING auBert sich ablehnend zu der empirischen OberprUfting, da bei der bonus hypothesis lediglich die Existenz, aber nicht die unterschiedliche Ausgestaltung der Plane betrachtet wird; da diese aber so verschieden sein kann, ist die Existenz allein von unklarer Aussagekraft; vgl. STERLING (1990), S. 127.

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungsleeungsregeln

land ist die Anwendung auf die Entwicklung der Rechnungslegungsvorschriften des Bilanzrichtlinien-Gesetzes kaum denkbar/^^ Dariiber hinaus haben sich im Umsetzungsprozess des Bilanzrichtlinien-Gesetzes haufig nicht einzelne Untemehmen engagiert/^* sondem die sie vertretenden Interessengruppen, so dass eine Untersuchung von Eigenschaften von einzelnen Untemehmen nicht sinnvoll ist. 2.2.3 Das okonomisch gepragte Modell von SUTTON SUTTON entwirft ein Modell, in dem er die Ideen von DOWNS uber Wahlen^^^ aufgreift und auf den Normsetzungsprozess anwendet.^^° Die Gemeinsamkeit zwischen der Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess und dem Wahlen sieht SUTTON darin, dass beide die Eigenschaften eines Investitionsgutes haben, d.h. Individuen werden im Normsetzungsprozess aktiv, wenn der erwartete Nutzen aus der „Investition" die Kosten uberwiegt.^^' Trotz dieser Gemeinsamkeiten werden von SUTTON auch deutliche Unterschiede konstatiert. Wahrend die Wahl ein einmaliger Vorgang ist, stellt der Normsetzungsprozess einen langeren Vorgang dar, der es dem Lobbyisten ermoglicht, seine Praferenzen gegebenenfalls mehrmals und auch nach Verabschiedung der Regelung auszudriicken."^ Der langere Prozess kann die Einschatzung des Lobbyisten beziiglich der Beeinflussungswahrscheinlichkeit andem, da der Lobbyist auch die Ansichten und Anstrengungen der anderen Teilnehmer besser beurteilen kann. Er kann abhangig von seinem Budget die Einflussnahme ausweiten oder beenden."^ Dariiber hinaus kann der Lobbyist wahrend des Prozesses seine Meinung andem, wahrend der Wahler die nachste Wahl abwarten muss. Die Einflussnahme des Lobbyisten wird nicht durch das Wahlsystem beschrankt, sondem durch sein zur Verfugung stehendes Budget, d.h. er kann sein Stimmrecht theoretisch in unbegrenztem Umfang ausiiben. Der Lobbyist ist nicht auf vorgegebene Altemativen beschrankt. Er kann vielmehr auch neue Altemativen entwickeln und versuchen, den Regulierer von diesen zu uberzeugen. Der Lobbyist glaubt, dass er eine aktive Rolle im Entscheidungsprozess spielen kann."'*

327

Vgl. HALLER(1994), S. 605. Vgl. dazu auch COENENBERG/HALLER (1993), S. 578. Vgl. aber KESSLER ET AL. (1996), S. 34-49, danach ubemehmen immer mehr Untemehmensleiter und Firmenlobbyisten die Rolle der Interessengruppen. 329 Vgl. DOWNS (1968), S. 35-46 und Abschnitt 11.3.2. 330 Vgl. SUTTON(1984),S. 81-95. 328

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Vgl. SUTTON (1984), S. 83; Voraussetzung dafiir ist, dass die einzelnen Bilanzierungsprobleme voneinander unabhangig sind und dass fiir jedes Bilanzierungsproblem lediglich zwei alternative Behandlungsmoglichkeiten bestehen. Hinter den Variablen in der Gleichung von DOWNS (1) R = P(UA-UB) - C stehen nun die folgenden ErklSrungen: R = Nutzen, den ein Individuum aus der Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess Ziehen wUrde, wobei bei R > 0 eine Beteiligung sinnvoll ist, wahrend bei R < 0 eine Beteiligung nicht sinnvoll ist, P = Wahrscheinlichkeit, dass die Einflussnahme den Ausgang des Normsetzungsprozesses beeinflusst, UA-UB = Nutzendifferenz zwischen der Bilanzierungsaltemative A und B, C = Kosten der Beteiligung am Normsetzungsprozess. 332 Vgl. SUTTON (1984), S. 84. 333 Vgl. SUTTON (1984), S. 89. Zu den Kosten der Beteiligung vgl. ausftihrlich JOHNSON/MESSIER (1982), S. 205. Vgl. SUTTON (1984), S. 84.

2 Normsetzungsprozess

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In seiner Anwendung des Modells auf den Normsetzungsprozess kommt SUTTON ZU dem Schluss, dass die Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess fur die Ersteller von Jahresabschlussen wirtschaftlich relevanter ist als fur die Nutzer von Jahresabschlussen. SUTTON ftihrt an, dass es fur den Ersteller eines Jahresabschlusses einen groBeren potenziellen Nutzen bringt, wenn die von ihm praferierte Alternative gewahlt wird, als fur den Nutzer von Jahresabschlussen. Dies begrundet er damit, dass der Ersteller eines Jahresabschlusses zum einen wohlhabender ist, zum anderen eine geringere Portfoliodiversifikation aufweist, d.h. sein Einkommen nur aus wenigen Quellen bezieht. Dies ftihrt dazu, dass eine Regelung, die sich negativ auf den Ersteller auswirkt, bei diesem einen groBeren wirtschaftlichen Effekt hat als bei den diversifizierteren Nutzem."^ Daruber hinaus kommt auch hier wieder die Problematik kollektiver Guter zum Tragen. Der Nutzen aus der Einflussnahme stellt ein kollektives Gut dar, das auch den Individuen, die sich nicht am Normsetzungsprozess beteiligt haben, zugute kommt. Dies fuhrt dazu, dass sich nur solche Individuen beteiligen, die einen grofien Nutzen (unter Berucksichtigung der entstehenden Kosten) durch die Teilnahme erzielen konnen. GroBe Ersteller haben einen Vorteil gegeniiber kleinen Erstellem und Nutzem, weil ihr Nutzen grofier ist und die Kosten der Einflussnahme geringer sein konnen."^ Daruber hinaus haben die Ersteller einen groBeren Anreiz sich zu einer Interessengruppe zusammenzuschlieBen und damit die Kosten zu teilen, da ihre Interessen homogener sind."^ Diese Thesen werden von SUTTON auch empirisch untermauert,"* jedoch weist er auf die Problematik hin, dass ein GroBteil der Einflussnahme nicht sichtbar ist und sich der Forscher daher auf schriftliche Stellungnahmen beschranken muss, was dazu fuhrt, dass eher die Richtung der Einflussnahme als die Intensitat gemessen werden kann. Das Modell von SUTTON gelangt wie auch das Wahlmodell von DOWNS an seine Grenzen, wenn sich die Beteiligung am Normsetzungsprozess nicht aus okonomischen Griinden erkl^ren lasst, d.h. trotz negativer Kosten-ZNutzendifferenz erfolgt.^^^ GAA greift daher auf das einfache Wahlmodell von DOWNS in seiner Erweiterung von RIKER/ORDESHOOK zuruck,^"*^ d.h. er beriicksichtigt zusatzlich die personliche Befriedigung aus der Teilnahme am Normsetzungsprozess.^"*' Er versucht daraus das Verhalten der Akteure Vgl. SUTTON (1984), S. 85 f. Vgl. dazu Abschnitt III.3.3.1. Vgl. SUTTON (1984), S. 86. Vgl. dazu auch FEROZ (1987), S. 10, sowie zur Logik kollektiven Handelns Abschnitt II.3.4.1.2. SUTTON hat die Einflussnahme verschiedener Interessengruppen auf den Exposure Draft ED 18 des Accounting Standards Board's (ASB) untersucht; vgl. SUTTON (1984), S. 86 f. 47% der Stellungnahmen kamen von Wirtschaftsprilfungsgesellschaften und sonstigen Unternehmen, waren also nicht der Seite der Nutzer zuzurechnen. 35 % der Stellungnahmen waren von Einzelpersonen, doch stellte sich bei einer weiteren Untersuchung heraus, dass diese mehrheitlich von Wirtschaftsprtifem stammten und folglich ebenfalls nicht der Seite der Nutzer zugerechnet werden konnten. Vgl. dazu auch die Kritik von WALKER/ROBINSON (1993), S. 17-19. Wie wir spSter sehen werden, ist die aktive Teilnahme der HochschuUehrer allein aus Okonomischen Griinden nicht zu erklaren; vgl. dazu Abschnitt III.3.3.3. Vgl. GAA (1988), S. 81-84. Danach ergibt sich die Gleichung (2) R = P(UA-UB) - C + D , wobei D die persOnliche Befriedigung aus der

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungslegungsregeln

(Nutzer, Ersteller, Wirtschaftsprufer) im Normsetzungsprozess abzuleiten. Fur die Beteiligung der Ersteller und Nutzer von Jahresabschlussen kommt GAA ZU ahnlichen Ergebnissen wie SuTTON.^'*^ Den Wirtschaftsprufem ordnet GAA die gleichen Eigenschaften wie den Managem zu, d.h. aufgnind ihrer geringeren Diversifizierung ist auch fiir sie eine Teilnahme am Normsetzungsprozess lohnenswerter als fur Nutzer. Weil viele Wirtschaftsprufungsuntemehmen im Rahmen ihrer Tatigkeit Forschungsabteilungen unterhalten, sind allerdings deren Informationskosten wohl eher geringer anzusetzen als die von Managem. Die personliche Befriedigung aus der Teilnahme kann fur Wirtschaftsprufer recht groB sein, da sie einen starken Anreiz haben zu partizipieren, um die institutionellen Strukturen zu erhalten.^'*^ 2.2.4 Weitere Uberlegungen zur Einflussnahme auf den Normsetzungsprozess KING/WAYMIRE ubertragen die Theorie unvoUstandiger Vertrage^"*"* auf die Regulierung der Rechnungslegung. Ein Untemehmen stellt sich danach als Konglomerat von Vertragen dar.^"*^ Diese zwischen den Wirtschaftssubjekten abgeschlossenen Vertrage beruhen zum Teil auf Rechnungslegungsvorschriften. Da es sehr kostenintensiv ware, alle Rechnungslegungsvorschriften, die zukunftig angewendet werden sollen, im Detail festzulegen, wird in der Regel zwischen den Vertragsparteien ein Rechnungslegungssystem (z.B. Rechnungslegungsvorschriften des HOB Oder nach US-GAAP) als Grundlage vereinbart.^"*^ Fuhren Eingriffe des Regulierers zu Anderungen in den Rechnungslegungsvorschriften, werden diese ex ante als vertragsausfiillende Bestandteile anerkannt. Dem Regulierer kommt folglich die Funktion zu, unvollstandige Vertrage durch neue Vorschriften zu erganzen.^"*^ Aufgrund der Regelanderung kann es bei den Vertragsparteien zu unterschiedlichen Auswirkungen kommen, so dass sich die Intention zur Beteiligung im Normsetzungsprozess aus den erwarteten impliziten Vertragsanderungen ergibt.^"** ORDELHEIDE fasst die Uberlegungen von KING/WAYMIRE folgendermaBen zusammen: „Lobbying ist danach eine Art kollektiver Nachverhandlung fiir eine groBe Zahl unvoUstandiger Vertrage, durch die Auswirkungen der Bilanzierungsregeln im Rahmen der Vertragsverhaltnisse konkretisiert werden."^"*^ Interesse, in die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln einzugreifen, sollten nach diesem Ansatz Wirtschaftssubjekte haben, die Vertrage geschlossen haben, in denen solch unvollstandige Regeln eine wesentliche Rolle spielen, z.B. kapitalaufnehmende Untemehmen, Kapitalgeber, Arbeitnehmer und Wirtschaftsprufer.

Teilnahme am Normsetzungsprozess ist; vgl. DOWNS (1968), S. 35-46; RIKER/ORDESHOOK (1968), S. 26-28. Vgl. dazu auch Abschnitt II.3.2. Vgl. GAA(1988),S. 82-84. Vgl.GAA(1988),S.84. Vgl. dazu RiCHTER/FURUBOTN (2003), S. 269-276. Vgl. KING/WAYMIRE (1994), S. 587. Vgl. KING/WAYMIRE (1994), S. 593. Vgl. KING/WAYMIRE (1994), S. 595 f. Vgl. KING/WAYMIRE (1994), S. 597 f. Vgl. dazu ausfiihrlich ORDELHEIDE (1997), S. 240 f. ORDELHEIDE(1998), S. 8.

3 Empirische Studien

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3 Studien zur Rolle der Interessengruppen bei der Entwicklung von Rechnungslegungsregeln 3.1 Grundlagen Die Studien, die sich mit der Rolle der Interessengruppen am Entwicklungsprozess von Rechnungslegungsregeln beschaftigen, sind zumeist (anglo-)amerikanischer Natur. Der institutionelle Rahmen, in dem Rechnungslegung in den USA, aber auch in GroBbritannien und Australien reguliert wird, war im hier untersuchten Zeitraum deutlich abweichend von der Regulierung der Rechnungslegung in Deutschland.^^^ Dieser fuhrte zum Beispiel dazu, dass in den USA Normsetzung ein kontinuierlicher Prozess war und ist,"' wahrend in Deutschland Normsetzung im Bereich der Rechnungslegung selten stattfand und dann eher in umfassenden Gesetzen mundete.^" In den US-amerikanischen Studien erfolgt daher in der Regel die Untersuchung eines einzelnen Rechnungslegungsstandards, wahrend in Deutschland die Untersuchung eines ganzen Vorschriftenbundels notwendig gewesen ware bzw. war. AuBerdem ist der Prozess in anglo-amerikanischen Landem wesentlich transparenter gestaltet. In Deutschland kann fur die Untersuchung des Entwicklungsprozesses von Rechnungslegungsregeln durch den Gesetzgeber lediglich auf Stellungnahmen, die in Zeitschriften oder als Anlagen zu stenographischen ProtokoUen veroffentlicht wurden, zuruckgegriffen werden. Eine daruber hinausgehende Einsichtnahme ist nur bei allgemeinem offentlichen Interessen auf Antrag moglich.^" Neben diesen institutionellen Unterschieden bestehen auch maBgebliche kulturelle Differenzen. In den USA ist im Vergleich zu Deutschland eine hohere Bedeutung des Individualismus zu beobachten.^^"* Dies heiBt zwar nicht, dass sich keine Interessengruppen im Normsetzungsprozess engagieren, doch ist der uberwiegende Anteil der beim FASB eingehenden Stellungnahmen von einzelnen Untemehmen, Wirtschaftsprufem, Hochschullehrem Oder Finanzanalysten. Die Beteiligungsquote der Organisationen, die eine groBe Anzahl von Personen reprasentieren, ist im Vergleich zu Deutschland wesentlich geringer. In Deutschland fmdet hingegen eine sehr breite Vertretung von individuellen Interessen durch Interessengruppen statt (was naturlich nicht heiBt, dass nicht auch Einzelpersonen Stellungnahmen

Zur Regulierung der Rechnungslegung in den USA vgl. bspw. COMMUTE (1990), S. 145-166; GAA (1988), S. 3-21; PELLENS (2001), S. 102-109; in GroBbritannien vgl. GORELIK (1994), S. 109-112; DAVIES ET AL. (1997), S. 16-25. Zur Regulierung der Rechnungslegung in Australien vgl. BROWN/TARCA (2001), S. 268271; WALKER (1987), S. 269-286; SIMS/CULLIS (1995), S. 176 f. Vgl. dazu auch BLOOM/NACIRI (1989), S. 70-97, die die Institutionen und den Prozess der Entwicklung von Rechnungslegungsregeln in 9 Landem (davon 5 anglo-amerikanische Lander und Deutschland) darstellen. Zur Regulierung der Rechnungslegung durch das lASC bzw. lASB vgl. HALLER (1993), S. 1297-1305; PELLENS ET AL. (2004), S. 80-87; SELCHERT/ERHARDT (2003), S. 19-21. Vgl. GAA (1988), S. 20 f. Vgl. GEBHARDT/HEILMANN (2004b), S. 109. Zu den aktuellen Entwicklungen vgl. Abschnitt IV. 1.1 und iV.6. Eine grOBere Transparenz findet sich beim Normsetzungsprozess des DSR. Die Stellungnahmen zu Entwiirfen von Standards sind hier auf der Homepage abrufbar (http://www.drsc.de, Stand 17. Marz 2005). Vgl. HALLER (1989), S. 12-13; LuTTERMAhfN (1998), S. 374; ORDELHEIDE (1997), S. 243; ORDELHEIDE (1999), S. 118. Vgl. dazu auch HOFSTEDE (1980), S. 215 f., danach stehen die USA hinsichtlich der Bedeutsamkeit des Individualismus von 40 untersuchten Landem an erster Stelle.

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungslegunesregeln

abgeben).^" Dies ftihrt dazu, dass die anglo-amerikanischen Studien uberwiegend eine nicht in dieser Form auf den Gesetzgebungsprozess in Deutschland ubertragbare Sichtweise haben. Aufgrund des Fehlens groBer, schlagkraftiger Interessengruppen ist der Einfluss, den unterschiedliche Interessengruppen auf den Prozess ausuben, in anglo-amerikanischen Studien kaum untersucht worden. Eine Ausnahme stellen hier Untersuchungen zur Dominanz der groBen Wirtschaftsprufungsgesellschaften dar. Zahlreich sind Studien, die Eigenschaften von Untemehmen, die sich am Normsetzungsprozess beteiligen mit Eigenschaften von nicht beteiligten Untemehmen vergleichen. Eine zusammenfassende Tabelle der Ergebnisse der empirischen Studien findet sich im Anhang A-1. 3.2 Beteiligte Interessengruppen Zahlreiche Untersuchungen beschaftigen sich mit der Teilnahme der Gruppen am Entwicklungsprozess von Rechnungslegungsregeln. Entweder erfolgt eine Konzentration auf die Entwicklung eines bestimmten Rechnungslegungsstandards^^^ oder es werden langere Perioden mit zahlreichen Rechnungslegungsstandards^" bzw. die Entwicklung eines Vorschriftenbundels^^* (Gesetzes) betrachtet. TANDY/WILBURN untersuchten ausgehend von dem Ansatz von KING/WAYMIRE^^^ die Beteiligimg von Individuen und Interessengruppen am Normsetzungsprozess in den USA fur die ersten 100 Rechnungslegungsstandards des FASB anhand von 13.369 eingegangenen Stellungnahmen.^^^ Absolut gesehen war die Industrie die aktivste Gruppe; sie gab 60,7 % der Stellungnahmen der Einzelpersonen und 34,9 % der Stellungnahmen der Interessengruppen ab. Lediglich die Interessengruppen der Wirtschaftsprufer konnten mit 44,9 % eine hohere Aktivitat auf Interessengruppenebene vorweisen. Die Aktivitat von einzelnen Wirtschaftsprufem lag mit 12,1 % deutlich niedriger. Als aktivere Gruppe stellte sich auch der Bankenbereich dar (13,1 % der Einzelstellungnahmen und 9,3 % der Stellungnahmen von Interessengruppen), wahrend Hochschullehrer, die Regierung und Vertreter von Borsen eine wesentlich Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 243. Vgl. dazu aber auch KESSLER ET AL. (1996), S. 34-49, die eine zunehmende AblOsung von Interessengruppen durch Untemehmensleiter und Firmenlobbyisten beschreiben. Vgl. GILFEDDER/6 HOGARTAIGH (1998), S. 287-296; NAKAYAMA ET AL. (1981), S. 49-53; MEZIAS/CHUNG (1989); KENNY/LARSON (1993), S. 531-554; SUTTON (1984), S. 86 f; WEETMAN ET AL. (1996), S. 59-76. Daneben existieren auch zahlreiche Fallstudien, die die Entwicklung eines Standards beschreiben; vgl. z.B. BROWN/TARCA (2001), S. 267-296; DiGGLE/NOBES (1994), S. 319-333; HQPE/BRIGGS (1982), S. 83-96; HOPE/GRAY (1982), S. 531-558; KLUMPES (1994), S. 140-159; LENT (1997), S. 88-114; NOBES (1992), S. 142-167; RAHMAN ET AL. (1994), S. 98-117; WALKER/ROBINSON (1994a), S. 18-43. Vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 47-58; TANDY/WILBURN (1996), S. 92-111; LARSON (1997), S. 175-203; GAVENS ET AL. (1989), S. 47-58. 358 Vgl. McLEAY ET AL. (2000), S. 79-98; ORDELHEIDE (1997), S. 235-259; ORDELHEIDE (1998), S. 1-16. 359 Vgl. dazu Abschnitt III.2.2.4. 360 Vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 47-58. Eine Beteiligung am Normsetzungsprozess wurde defmiert als die Einreichung einer Stellungnahme beim FASB zu einem Exposure Draft (ED), das zu einem Statement of Financial Accounting Standard {^¥ \^) flihrt; vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 50. 11.914 Stellungnahmen wurden von Einzelpersonen und 1.455 Stellungnahmen von Organisationen abgegeben. Die Teilnahme schwankte bei den einzelnen Rechnungslegungsstandards stark, nSmlich zwischen 1.435 Stellungnahmen (zum gemeinsamen ED 90 und 92) und 10 Stellungnahmen (zu ED 75); vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 52.

3 Empirische Studien

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geringere Aktivitat aufwiesen.^^' Die These von KING/WAYMIRE, dass sich am Normsetzungsprozess vor allem Gruppen beteiligen, die durch auf Rechnungslegungsregeln basierende Vertragsanderungen betroffen sind, wurde somit bestatigt. Daruber hinaus untersuchten TANDY/WILBURN auch die relative Aktivitat, indem sie die Zahl der Stellungnahmen auf die Gesamtheit der jeweiligen Gruppe bezogen. Es ergab sich ftir alle Gruppen eine geringe Teilnahmequote. Die groBten Unterschiede waren bei der Industrie zu sehen, die, vorher als aktivste Gruppe identifiziert, nun als eine der inaktivsten Gruppen erschien (0,002 %), und bei den Hochschullehrem, die bezogen auf die Grundgesamtheit nun eine der aktiveren Gruppen mit 0,043 % darstellten.^" Eine spatere Studie von TANDY/WILBURN uber das Verhalten der Hochschullehrer im Normsetzungsprozess ftir die ersten 117 Rechnungslegungsstandards des FASB bestatigt die in der ersten Untersuchung zum AusmaB der Beteiligung der Hochschullehrer festgehaltenen Ergebnisse.^^^ TANDY/WILBURN stellten fest, dass das AusmaB der Teilnahme auch von der Art des Rechnungslegungsstandards abhangt.^^"* Die meisten Zuschriften vmrden durch Rechnungslegungsstandards ausgelost, die vorher nicht existierten oder bestehende ersetzten. Die wenigsten Stellungnahmen wurden zu Rechnungslegungsstandards abgegeben, die sich mit industriespezifischen Fragen beschaftigten.^^^ TANDY/WILBURN konnten dabei einen Zusammenhang zwischen der Aktivitat im Normsetzungsprozess und der Art des Rechnungslegungsstandards fiir die Industrie, die Wirtschaftspnifer und die Hochschullehrer feststellen.^^^ In einer Untersuchung fur Deutschland stellten MCLEAY ET AL., die die Umsetzung der 4. EG-

Richtlinie in das deutsche Recht untersuchten, die groBte Beteiligung durch Interessengruppen der Industrie fest mit 111 AuBerungen zu 169 Rechnungslegungsproblemen (vertreten durch zwei Interessengruppen), gefolgt von jeweils 75 AuBerungen durch die InteressengrupVgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 51 und 53, so waren z.B. lediglich 1,5 % der Stellungnahmen von akademischen Organisationen, 2,6 % von einzelnen Hochschullehrem. Als Stellungnahmen von Hochschullehrem werden dabei Stellungnahmen von sSmtlichen UniversitatsangehOrigen betrachtet. MEZIAS/CHUNG (1989), S. 11, kommen in einer Untersuchung 30 zufHllig ausgewahlter FASB Exposure Drafts zu vergleichbaren Ergebnissen. Die Ersteller von JahresabschlUssen schreiben danach mehr Stellungnahmen als alle anderen Gmppen zusammen. Ahnliche Ergebnisse wurden von GlLFEDDER/6 HOGARTAIGH (1998), S. 290 f, ftir den Normsetzungsprozess des ASB in GroBbritannien beobachtet. GILFEDDER/6 HOGARTAIGH schranken die Aussage jedoch insofem ein, als die Intensitat der Teilnahme auch bei den Erstellem nicht sehr hoch war. Zur geringen Teilnahme der Nutzer von JahresabschlUssen in GroBbritannien vgl. WEETMAN ET AL. (1996), S. 59-76; fiir den Normsetzungsprozess in Australien vgl. die Untersuchung von HARDING/MACKINNON (1997), S. 55-67. Zur Unterreprasentanz von Nutzem in den Entscheidungsgremien vgl. JONAS/YOUNG (1998), S. 154-159. Vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 51 und 53 f. Vgl. TANDY/WILBURN (1996), S. 96-99. TANDY/WILBURN teilten die Standards in drei Kategorien: Substantive Standards beschaftigen sich mit Rechnungslegungsfragen und existieren vorher nicht bzw. ersetzen einen frUheren Standard vollstandig. Amendments verbessem oder ersetzen Telle eines vorhandenen Standards. Industry Standards beschaftigen sich mit industriespezifischen Fragen; vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 50 f Vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 51 f. Vgl. TANDY/WILBURN (1992), S. 53-56. Die Ergebnisse wurden fiir die Hochschullehrer in der Studie von 1996 von TANDY/WILBURN bestatigt, wobei deren Teilnahme Uber die Jahre eher abnehmend war; vgl. TANDY/WILBURN (1996), S. 100-102.

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungsleeungsregeln

pen der Wirtschaftspriifer und die der Hochschullehrer.^^^ Die HochschuUehrer stellten sich also hier im Gegensatz zu der Untersuchung von TANDY/WILBURN auch absolut gesehen nicht als inaktive Gruppe dar. Die hohe Beteiligung der HochschuUehrer hahen MCLEAY ET AL. far historisch bedingt, da diesen traditionell in Deutschland eine groBe Bedeutung bei der Interpretation von Vorschriften zukommt.^^* Dies gilt auch fiir HochschuUehrer als Einzelpersonen, die sich durch Einzelstellungnahmen und vor allem Artikel in Fachzeitschriften aktiv am Prozess beteiligten.^^^ 3.3 Griinde fur die Beteiligung 3.3.1 Beteiligung von Untemehmen Untemehmen werden in der Regel durch das Management im Normsetzungsprozess vertreten. Die Angehorigen des Managements werden in der Regel versuchen, ihren Einfluss so geltend zu machen, dass ihr Wohlstand gefordert wird.^^° Daher werden sie sich vor allem fiir Vorschriften einsetzen, die ihnen einen groBeren Gestaltungsspielraum gewahren, wie z.B. fiir Wahlrechte,^^' die es erlauben, den Gewinn glatten zu konnen,^^^ oder weniger Offenlegungsvorschriften. Aufgrund des im Untemehmen vorhandenen Fachwissens sind die Kosten aus der Teilnahme am Normsetzungsprozess in der Regel geringer als die der Nutzer von Jahresabschlussen.^^^ In verschiedenen Studien, die sich mit der Entwicklung zumeist eines Rechnungslegungsstandards beschaftigten, stand im Vordergrund, mehr uber die Eigenschaften der Untemehmen zu erfahren, die sich am Normsetzungsprozess beteiligen, und diese zu vergleichen mit Eigenschaften von Untemehmen, die sich nicht beteiligen. Ein Schwerpunkt lag hierbei auf der Untersuchung der UntemehmensgroBe. Zum einen konnte dabei die 5/ze-Hypothese von WATTS/ZIMMERMAN, die besagt, dass das AusmaB der Teilnahme am Normsetzimgsprozess mit der UntemehmensgroBe steigt,^^"* zum anderen die Uberlegungen von SUTTON, die eine groBere Beteiligung von groBen Untemehmen aufgrund des groBeren Nutzens aus der Beteiligung, der besseren Ressourcenausstattung und der besseren Bewaltigung des Free-riderVerhaltens erwarten lieBen,^^^ iiberpruft werden.

367

Vgl. McLEAY ET AL. (2000), S. 88 und 92. Vgl. MCLEAY ET AL. (2000), S. 92. Vgl. dazu auch BussE VON COLBE (1992), S. 27 f; POWER (1997), S. 125. 369 Vgl. dazu auch die Aufstellung im Anhang A-2. 370 Vgl. BoOTH/CoCKS (1990), S. 519; WYATT(1991), S. 113. Zur Rolle der Manager im Normsetzungsprozess vgl. auch die Untersuchung von KELLY-NEWTON (1980), S. 311-321. Dabei darf jedoch nicht vemachlassigt werden, dass Untemehmen sowohl Ersteller als auch Nutzer von Jahresabschlussen sind und auch aus diesen beiden Perspektiven handeln; vgl. dazu BROWN (1982), S. 282-290. 368

371

372

Vgl. CHMIELEWICZ (1988), S. 62.

Vgl. zum sog. earnings management z.B. LEUZ ET AL. (2003), S. 505-527 und den Uberblick bei HEALY/ WAHLEN (1999), S. 365-383. 373 Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 245-247. 374 Vgl. dazu Abschnitt III.2.2.2. 375 Vgl. dazu Abschnitt III.2.2.3.

3 Empirische Studien

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Der Zusammenhang zwischen der UntemehmensgroBe und der Beteiligung am Normsetzungsprozess konnte in zahlreichen Untersuchungen belegt werden. Fur den Normsetzungsprozess des FASB wurde dies beispielsweise von FRANCIS anhand der Stellungnahmen zu den Preliminary Views zu SFAS No. 87 ^Employers' Accounting for Pensions' bestatigt. FRANCIS setzte dabei die UntemehmensgroBe mit den Umsatzerlosen gleich.^^^ Auch in Untersuchungen, die die Bilanzsumme als Stellvertretervariable fur die UntemehmensgroBe betrachteten, konnte dieser Zusammenhang empirisch festgesteUt werden.^^^ Daruber hinaus konnten GILFEDDER/6 HOGARTAIGH diesen Zusammenhang fur die Entwicklung von Rechnungslegungsregeln in GroBbritannien^^^ GAVENS fur Australien^^^ und LARSON fur das International

Accounting Standards Committee (lASC) zeigen.^*^ Neben der UntemehmensgroBe wurden auch der Verschuldungsgrad, der Eigenkapitalanteil des Managements, die Anknupfung der Entlohnung des Managements an Rechnungslegungsdaten sowie der Anteil an ergebnisorientierter Entlohnung auf ihren Einfluss auf die BeteiUgung von Untemehmen am Normsetzungsprozess hin untersucht.^*' Teilweise beschaftigten sich die Untersuchungen auch mit der inhaltUchen Ausrichtung der Stellungnahmen.^*^ Ziel der Untersuchungen war es, Zusammenhange zwischen der unterschiedlichen Ausrichtung der Stellungnahmen und Untemehmenscharakteristika festzustellen. So konnten WATTS/ZIMMERMAN, ZMIJEWSKI/HAGERMAN sowie DHALIWAL bestatigen, dass

groBere Untemehmen sich eher fur ertragsreduzierende Rechnungslegungsstandards aussprechen.^*^ KING/0'KEEFE konnten einen Zusammenhang zwischen der eingenommenen Position Vgl. FRANCIS, J.R. (1987), S. 38 f., 45 f, 48 f. und 50. So auch ANG ET AL. (2000), S. 56 und 59 f.; DEAKIN (1989), S. 142 f. und 145-147, kann dies anhand der Stellvertretervariable „Aufwendungen zur Suche und Gewinnung nicht regenerativer Energien" zeigen. Vgl. NDUBIZU ET AL. (1993), S. 278 und 281-284; KELLY (1982), 164 f.; KELLY (1985), S. 621-625; GRIFFIN (1983), S. 134-137, anhand des Marktwertes. Vgl. GlLFEDDER/6 HOGARTAIGH (1998), S. 292-293. Der Median des turnover der Untemehmen, die sich am Normsetzungsprozess beteiligten, betrug 1,6 Milliarden £ verglichen mit 401 Millionen £ der nicht teilnehmenden Untemehmen. Der Median des Rankings auf der Liste von Dun & Bradstreet betmg 144fiirdie teilnehmenden Untemehmen und 538 fiir die nicht teilnehmenden Untemehmen. Vgl. GAVENS ET AL. (1989), S. 50. 48 % dieser Stellungnahmen wurden von den grOBten 50 Untemehmen verfasst. Die Untemehmen, die sich selbst nicht in die Gmppe der grOBten 500 einordneten, beteiligten sich Uberhaupt nicht am Normsetzungsprozess. Vgl. LARSON (1997), S. 189-193. Vgl. z.B. NDUBIZU ET AL. (1993), S. 278 f. und 281-284; FRANCIS, J.R. (1987), S. 39-52; KELLY (1982), S. 160-168; KELLY (1985), S. 621-628; DEAKIN (1989), S. 140-143 und 145-147; GRIFFIN (1983), S. 133137; THORLEY HILL ET AL. (2002), S. 78-90. Zu Einzelheiten vgl. die Aufstellung im Anhang A-1. MORRIS fiihrt aus, dass die Betrachtung der bloBen Teilnahme am Normsetzungsprozess an sich, d.h. ohne die Untersuchung der inhaltlichen Ausrichtung der Stellungnahme, keine RUckschlUsse auf die Qualitat des Untemehmens zulasst: Rationale Investoren und Kreditgeber werden erwarten, dass Untemehmen die in Rechnungslegungsvorschriften gewahrte Flexibilitat ausnutzen, so dass eine Tendenz zur adverse selection bestehen kann. Um dem entgegenzuwirken, werden Untemehmen, die wirtschaftlich gut positioniert sind, versuchen zu signalisieren, dass sie diese Flexibilitat nicht ausnutzen, sondem ihre Zahlen „wirklich" so gut sind. Daher werden sich solche Untemehmen fUr Vorschriften aussprechen, die es ihnen ermOglichen, dies zu zeigen. Andere Untemehmen werden sich ebenfalls am Normsetzungsprozess beteiligen, wenn auch in unterschiedlicher Richtung; vgl. MORRIS (1987), S. 52 f Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1978), S. 124-126 und 129; ZMIJEWSKI/HAGERMAN (1981), S. 141 f und 144;

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungslegunesregeln

des Untemehmens, der erwarteten Einkommensveranderung und Insider-HandQl nachwei-

3.3.2 Beteiligung von Wirtschaftsprufem Ob den Wirtschaftsprufem bei der Beteiligung am Normsetzungsprozess ein Eigeninteresse unterstellt werden kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.^*^ Wie in den Unternehmen ist auch bei den Wirtschaftsprufem das entsprechende Fachwissen vorhanden, so dass die Beteiligung am Normsetzungsprozess nicht zu zusatzlichen Informationskosten fiihrt.^^^ Versucht man die Beteiligung der Wirtschaftsprufer aus okonomischen Gesichtspunkten herzuleiten, lassen sich folgende Grtinde ftir eine Beteiligung der Wirtschaftsprufer am Normsetzungsprozess anftihren: 1. Wirtschaftsprufer haben einen Anreiz, sich ftir Rechnungslegungsstandards einzusetzen, die ihren Wert erhohen, d.h. zum einen eine Ausweitung der Pruftmgstatigkeit in Umfang und Anzahl der Mandanten und zum anderen einen Anstieg des Pruftmgshonorars bewirken.^«^ 2. Wirtschaftsprufer werden sich ftir Rechnungslegungsstandards einsetzen, die ihre potenzielle gesetzliche Haftpflicht reduzieren.^** Die Haftung bei vorsatzlicher oder fahrlassiger Pflichtverletzung ist in den USA deutlich hoher als in Deutschland. 3. Wirtschaftsprufer haben einen Anreiz, einen privaten Regulierer zu unterstutzen, da sie solchen einer Normsetzung durch den Gesetzgeber vorziehen.^*^ 4. Wirtschaftsprufer haben einen Anreiz, sich im Normsetzungsprozess im Sinne ihrer Mandanten zu verhalten. Dabei werden sie sich eher der Meinung ihrer groBen als ihrer kleinen Klienten anschlieBen, wenn die Pruftmgsgebuhren abhangig von der GroBe des gepruften Untemehmens sind.^^ MIAN/SMITH iiberpruften diese Thesen anhand der Stellungnahmen zum Exposure Draft zu SFAS No. 94 ^Consolidation of All-Majority Owned Subsidiaries'. Die ersten drei Grtinde konnten bestatigt werden, d.h. die Wirtschaftsprtifer sprachen sich im Vergleich zu den Un-

DHALIWAL (1982), S. 260 f, diese grOBeren Untemehmen hatten auch einen niedrigeren Verschuldungsgrad. In der gleichen Tradition stehen Studien, die sich mit der Wahl der Rechnungslegungsmethode abhangig von Untemehmenscharakteristika beschaftigen; vgl. z.B. HOLTHAUSEN/LEFTWICH (1983), S. 77-117; LEMKE/ PAGE (1992), S. 87-114. 384 Vgl. KlNG/0'KEEFE (1986), S. 82-89. 385 Vgl. WYATT (1991), S. 113, der bemangelt, dass die Wirtschaftsprufer zunehmend den Interessen ihrer Klienten folgen. Vgl. aber auch die im Folgenden dargestellten empirischen Untersuchungen, allerdings fUr frUhere Zeitpunkte. Kritisch dazu BOOTH/COCKS (1990), S. 519 m.w.N. Danach wird den Wirtschaftsprufem unterstellt, dass diese prazise, akkurate und neutrale Fakten zur Verfligung stellen. Dies fiihren BOOTH/COCKS (1990), S. 523, auch als Grund an, wieso Wirtschaftsprufem im Normsetzungsprozess haufig eine fiihrende RoUe zugeschrieben wird. Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 245-247. Vgl. MIAN/SMITH (1990), S. 256; PURO(1984), S. 625 f

Vgl. MIAN/SMITH (1990), S. 256; MILLER (1998), S. 17. Vgl. dazu auch JOHNSON/MESSIER (1980), S. 204. Vgl. DYCKMAN (1988), S. 6; G A A ( 1 9 8 8 ) , S. 84; MIAN/SMITH (1990), S. 256.

Vgl. MIAN/SMITH (1990), S. 256. Vgl. dazu auch PURO (1984), S. 629.

3 Empirische Studien

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temehmen eher ftir diesen Rechnungslegimgsstandard aus und somit fur einen Anstieg der Pnifungskosten bei gleichzeitiger Senkung der Haftung. Die Unterstutzung des Rechnungslegungsstandards wird gleichzeitig als Unterstutzung des FASB betrachtet.^^' Eine Abhangigkeit der vertretenen Position der Wirtschaftsprufer von ihren Klienten war sowohl groBenunabhangig als auch grofienabhangig nicht nachweisbar.^^^ Die Unabhangigkeit der Wirtschaftsprufer von ihren Mandanten konnte auch in anderen Untersuchungen bestatigt werden.^^^ PURO konnte hingegen bei einer Untersuchung anhand von sieben FASB Exposure Drafts Unterschiede bei der Positionierung der Wirtschaftsprufer in Abhangigkeit von der Art des Rechnungslegungsstandards feststellen. Wahrend bei Standardisierungsfragen die Wirtschaftsprufer haufig die Ansichten ihrer Mandanten vertraten, war dies bei Offenlegungsfragen nicht der Fall.^^"* Die vertretenen Positionen der Wirtschaftsprufer konnen aufgrund ihrer GroBe deutlich voneinander abweichen. Der Mandantenstamm von kleineren Wirtschaftsprufungsgesellschaften besteht haufig aus kleineren Untemehmen, die sich einer fi-eiwilligen Priifting unterziehen. Durch immer komplexer werdende Rechnungslegungsstandards kann es zu einem enormen Anstieg der Priiftingskosten kommen, der seinerseits zu einem Verzicht auf freiwillige Priiftingen ftihren kann. Dies hatte eine Verkleinerung des Mandantenstamms bei kleineren Wirtschaftspriiftingsgesellschaften zur Folge. Bei groBen WirtschaftsprUftingsgesellschaften, deren Mandantenstamm zum groBten Teil aus pruftmgspflichtigen Untemehmen besteht, fiihrt ein Anstieg der Priiftrngskosten zu steigenden Ertragen. Deshalb verhalten sich groBe und kleine Wirtschaftsprufimgsgesellschaftenunterschiedlich.^^^ 3.3.3 Beteiligung von Hochschullehrem Hochschullehrer konnen im Gegensatz zu anderen Beteiligten keine unmittelbaren fmanziellen Vorteile aus der Teilnahme am Normsetzungsprozess erzielen. Ihre Teilnahme kann daher nicht direkt aus okonomischen Griinden hergeleitet werden.^^^ Sie konnen aber aus der Teilnahme Reputation erlangen und in der Folge Honorare durch Gutachtertatigkeiten erhalten. In den Uberlegungen von WATTS/ZIMMERMAN wird den Hochschullehrem daher eine andere RoUe als den bisher behandelten Gmppen zugewiesen. Sie stellen keine Gmppe dar, die direkt Einfluss auf den Normsetzungsprozess nimmt. Ihre Aufgabe sei es vielmehr, normative Theorien anzubieten, mit deren Hilfe andere Gmppen ihre Positionen rechtfertigen und politischen Erfolg erzielen konnen. Die Hochschullehrer agierten danach als Anbieter auf dem sog. Market for excuses?^^ Eine solch passive Rolle ist in der Realitat vor allem in Deutschland,

391 392 393

395 396 397

Vgl. MIAN/SMITH (1990), S. 256. Vgl. MIAN/SMITH (1990), S. 257. Vgl. HARING (1979), S. 509-511 und 513 f.; BROWN (1981), S. 239 f; MACARTHUR (1988b), S. 56-64, ftir GroBbritannien; RAHMAN ET AL. (1994), S. 108 f und 111, ftir Neuseeland. Vgl. PURO (1984), S. 624-646; PURO (1985), S. 174-176. Die Wirtschaftsprufer sprachen sich hierbei in der Regel ftir mehr Offenlegungsvorschriften aus. Vgl. PURO (1985), S. 170 f; HusSEiN (1981), S. 33 und 35. Vgl. ORDELHEIDE (1997), S. 243 f. Vgl. WATTS/ZIMMERMAN (1979), S. 275-280 und 285 f.

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Teil III: Interessengruppeneinfluss auf Rechnungslegungsregeln

wie im Folgenden gezeigt wird, nicht zu beobachten. Zugute kommt den Hochschullehrer bei der Teilnahme ihr (theoretisches) Fachwissen, d.h. wie fiir die Untemehmen und die Wirtschaftspriifer ist auch fur die Hochschullehrer die Beteiligung nicht besonders kostenintensiv, da sie keine Informationskosten aufwenden mussen. Fur den Normsetzungsprozess des FASB stellten TANDY/WILBURN in ihrer Studie von 1992 eine absolut gesehen geringe Teilnahme der Hochschullehrer fest. In einer weiteren Untersuchung beleuchteten TANDY/WILBURN die Einflussfaktoren fur eine Beteiligung naher. Auch hier standen wieder Kosten-ZNutzeniiberlegungen im Mittelpunkt. Es zeigte sich, dass fur nicht teilnehmende Hochschullehrer Schwierigkeiten bei der Erlangung der FASB Dokumente bestanden.^^* Neben den eventuell entstehenden Teilnahmekosten wurde auch die Motivation fur oder gegen eine Teilnahme untersucht. 59 % gaben als Grund fur ihre Teilnahme Interesse an der Frage an und waren der Meinung, dass sie an den Uberlegungen des FASB mitwirken konnten. 37 % arbeiteten vorrangig auf dem Gebiet, zu dem sie Stellungnahmen abgaben. 8 % gaben an, dass sie sich als Hochschullehrer verpflichtet fuhlen, am Normsetzungsprozess des FASB teilzunehmen. Doch gibt es auch zahlreiche Griinde, die eine Teilnahme am Normsetzungsprozess verhindem konnen. So gaben lediglich 24 % der Teilnehmer an, das Geflihl zu haben, dass ihre Stellungnahme einen Einfluss auf die zu treffenden Entscheidungen hat. 71 % waren der Meinung, dass sie als Individuen kein Gegengewicht zu den grofien Wirtschaftsprufungsgesellschaften und Untemehmen darstellen. Neben dieser Einschatzung gaben sowohl Teilnehmer als auch Nicht-Teilnehmer als Griinde, die eine Teilnahme der Hochschullehrer verhindem, an, dass der Normsetzungsprozess zu politisch ist und Hochschullehrer den Prozess nicht verstehen oder sich nicht dafiir interessieren. Auch fehlende Ressourcen, Bequemlichkeit, fehlende Reputation dieser Tatigkeit sowie mangelndes Fachwissen zu bestimmten Themengebieten wurden als behindemde Griinde genannt.^^^ 3.4 Inhaltliche Ausrichtungen und Wege der Einflussnahme MEZIAS/CHUNG untersuchten fur den Normsetzungsprozess des FASB und GAVENS ET AL. fiir den australischen Normsetzungsprozess, welche inhaltliche Ausrichtung die Gmppen bei ihren Stellungnahmen vertraten. Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem die Ablehnung eines Rechnungslegungsstandards zur Teilnahme am Prozess ftihrt/*^^

Vgl. TANDY/WILBURN (1996), S. 105 f. Von den nicht teilnehmenden Hochschullehrem hatte ein Funftel keinen Zugang zu FASB Dokumenten. 49 % mussen eine Fachbereichs- oder Universitatsbibliothek benutzen. Lediglich 19% der Nicht-Teilnehmer hatten ein FASB Abonnement, dagegen 53 % der Teilnehmer. Vgl. zum Verhaltnis von FASB und Hochschullehrem SCHIPPER (1994), S. 61-73; BERESFORD/JOHNSON (1995), S. 112-114. 399 Vgl. TANDY/WILBURN (1996), S. 105-109. 400 Vgl. MEZIAS/CHUNG (1989), S. 12. Diese Tendenz wird auch von KELLY (1982), S. 157 f., ftir 1.981 Stellungnahmen zum Exposure Draft zu SFAS No. 8 „Foreign Currency'' bestatigt. Vgl. GAVENS ET AL. (1989), S. 52. 39,3 % der Stellungnahmen wurden wegen einer teilweisen und 51,8 % der Stellungnahmen wegen einer kompletten Ablehnung der Standards abgegeben.

3 Empirische Studien

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HICKS konnte zeigen, dass die Hochschullehrer sich ftir die Weiterentwicklung von Rechnungslegungsvorschriften einsetzen, wahrend die Wirtschaftsprufer und Untemehmensvertreter an gleich bleibenden Regelungen interessiert sind.'*^' HUSSEIN untersuchte die Relevanz unterschiedlicher Kommunikationswege auf den verschiedenen Stufen des Entwicklungsprozesses neuer Rechnungslegungsstandards, die einen Effekt auf den Inhalt des Jahresabschlusses haben/^^ Zur Gewinnung der erforderlichen Daten fuhrte HUSSEIN eine Umfrage bei Mitgliedem des FASB Advisory Council und bei Mitgliedem von Komitees von Sponsoren des FASB"*^^ durch, die speziaiisiert auf Rechnungslegungsstandards waren. Diese wurden gebeten, unterschiedliche Kommunikationswege hinsichtlich ihrer Relevanz in verschiedenen Stadien des Normsetzungsprozesses einzuordnen.'*^'* Signifikante Unterschiede konnten hierbei festgestellt werden. So sind Massenmedien und der Kontakt zu anderen Organisationen im Stadium der Wissenssammlung und der Unterrichtung der zustandigen Gremien in friihen Stadien von groBerer Wichtigkeit, wahrend in der Phase der Meinungsbildung und in der Verhandlungsphase die zwischenmenschliche Kommunikation vor allem innerhalb der eigenen Organisation im Vordergrund steht/"^ 3.5 Erfolgreiche Einflussnahme der Interessengruppen Wie in den Abschnitten III.3.2-III.3.4 gezeigt, beschaftigen sich zahlreiche Studien mit der Teilnahme der Interessengruppen. Ob die Einflussnahme aber erfolgreich war, d.h. ob sich die Interessengruppen mit ihren Vorschlagen durchsetzten/^ ist bisher nur selten untersucht worden. Derartige Erfolgsanalysen erfolgen durch einen Vergleich der Stellungnahmen der betrachteten Gruppen mit den Entscheidungen des Regulierers. Bei US-amerikanischen Studien liegt der Schwerpunkt auf der Untersuchung einer bestehenden Dominanz der (damals noch) acht groBten Wirtschaftsprufungsgesellschaften, im Folgenden als Big Eighf^^ bezeichnet, und der Sponsorenorganisationen im Entscheidungsprozess des FASB. Ausgangspunkt der Untersuchungen war der sog. Metcalf-Report, der fur die Big Eight indirekt eine Dominanz bei der Besetzung des FASB und somit bei der Normsetzung feststellte (sog. ruling elite).^^^ Diese Aussagen wurden im Folgenden von mehreren Untersuchungen uberpriift. Dazu wurden die Stellungnahmen der Wirtschaftsprufer der Big Eight mit Vgl.HlCKS (1978), S. 385 f. Vgl. HUSSEIN (1981), S. 29 und 33. Unter Komitees von Sponsoren oder Sponsorenorganisationen werden solche Organisationen verstanden, die die Financial Accounting Foundation finanzieren, die wiederum die Mitglieder des FASB emennt und das FASB finanziert und Uberwacht; vgl. MILLER (1998), S. 33-39. Vgl. dazu Abschnitt II. 1.2. Vgl. HUSSEIN (1981), S. 35. 406 Vgl. DAHL (1957), S. 201-205. 407

Vgl. US CONGRESS - SENATE SUBCOMMITTEE ON REPORTS, ACCOUNTING AND MANAGEMENT (1976), S. 4-

9. Inzwischen hat sich die Zahl der groBen WirtschaftsprUftingsgesellschaften vier verringert.

durch ZusammenschlUsse auf

Vgl. US CONGRESS - SENATE SUBCOMMITTEE ON REPORTS, ACCOUNTING AND MANAGEMENT (1976), S. 85-

100 und 153-157. Vgl. ausfilhrlich zum sog. Metcalf-Report LUTTERMANN (1998), S. 430-436. Vgl. zur Ru//wg-e//Yg-Hypothese HUSSEIN/KETZ(1980), S. 358 f

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Teil HI: Interessengruppeneinflussauf Rechnungslegungsregeln

den Entscheidungen des FASB verglichen. Wahrend BROWN, HUSSEIN/KETZ, NEWMAN,

PURO und SELTO/GROVE keine Dominanz der Big Eight fanden,''^^ konnte HARING fur den von ihm betrachteten Zeitraum eine Beeinflussung des FASB durch die Big Eight und die Sponsorenorganisationen der Financial Accounting Foundation nicht widerlegen/'^ Andere Untersuchungen betrachteten das Abstimmungsverhalten der Mitglieder des FASB in Abhangigkeit von ihrer Berufsgruppe. In keiner dieser Untersuchungen konnte ein Zusammenhang zwischen dem Abstimmungsverhalten der Mitglieder des FASB und der Zugehorigkeit zu einer Berufsgruppe festgestellt werden, so dass damit eine maligebliche Dominanz der groBen WirtschaftsprUfungsgesellschaften widerlegt wurde/" MEZIAS/CHUNG untersuchten den Einfluss der Interessengruppen auf die Entscheidungen des FASB anhand von Stellungnahmen zu 30 zufallig ausgewahlten FASB Exposure Drafts. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Stellungnahmen der Wirtschaftspriifer die Entscheidungen des FASB am meisten beeinflusst haben, gefolgt von den Mitgliedem der Regulierungsbehorde und Regierungsangestellten. Trotz deren zahlenmaBiger Uberlegenheit folgten erst dahinter die Ersteller des Jahresabschlusses."*'^ Bei der inhaltlichen Analyse der Stellungnahmen stellten sie fest, dass die Stellungnahmen von Erstellem weniger theoretisch fundiert waren und diese neue Rechnungslegungsstandards ablehnten, da sie einen zu schnellen Wechsel oder ubermaBige Regulierung bedeuteten. MEZIAS/CHUNG schlieBen daraus, dass eine Verbesserung der Einflussnahme der Untemehmensvertreter bei besserer theoretischer Fundierung moglich sei/'^ WEETMAN ET AL. konnten feststellen, dass die Ersteller von Jahresabschlussen den Schutz der Nutzer von Jahresabschlussen (Forderung des Gemeinwohls) bei ihren Stellungnahmen eher bei zustimmenden als bei ablehnenden Stellungnahmen in den Vordergrund stellten/"* Die Interessen der Nutzer wurden folglich nicht zur Verschleierung der eigenen Interessen bei Veranderungswunschen herangezogen. ORDELHEIDE"*'^ leitet in seiner Studie zum Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie in das deutsche Rechnungslegungsrecht aus den Uberlegungen von SUTTON, namlich dass sich die Moglichkeiten der Interessendurchsetzung durch die Ressourcenausstattung bestimmen,"*'^ folgende Hypothesen ab:

412 413 414

Vgl. BROWN (1981), S. 242-245; HUSSEIN/KETZ (1980), S. 362-364; NEWMAN (1981), S. 258-260; SELTO/GROVE (1982), S. 677-686; SELTO/GROVE (1983), S. 620 f. So auch MAC ARTHUR (1988b), S. 56-64, ftir GroBbritannien. Vgl. auch die Kritik von BoOTH/CocKS (1990), S. 512 f; WALKER/ROBINSON (1993), S. 9 f; HUSSEIN/KETZ (1991), S. 60-65, die die fehlende BerUcksichtigung der Einflussnahme auf das Agenda-setting und die fehlende Untersuchung, ob in der gegebenen Struktur des FASB eine solche Dominanz mOglich ware, kritisieren. Vgl. HARING (1979), S. 511 f und 514 f. So auch ROCKNESS/NIKOLAI (1977), S. 154-167, und mit Einschrankungen MEYER (1974), S. 191-194, fiir das Abstimmungsverhalten des Accounting Principles Board's (APB). Vgl. MEZIAS/CHUNG (1989), S. 16-18. Vgl. MEZIAS/CHUNG (1989), S. 21. Vgl. WEETMAN ET AL. (1996), S. 72 f. Vgl. ORDELHEIDE (1998), S. 1-16. Vgl. SUTTON (1984), S. 84: „[...] the lobbyist votes with money. [...] the only upper bound on the number of ,votes' he casts is that imposed by his wealth."

3 Empirische Studien

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„Konsenshypothese: Bilanzierungsregeln, die von einer oder mehreren der Interessengruppen gefordert werden, setzen sich im Gesetzgebungsverfahren durch. Konflikthypothese: Im Fall des Konfliktes zwischen Gruppen setzt sich jene Gruppe oder Koalition von Gruppen durch, die tiber mehr Ressourcen verftigt.""*'' Die Konsenshypothese konnte ORDELHEIDE fur den Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie in dieser Form nicht bestatigen, denn die Interessengruppen konnten sich nicht in alien ihren Vorschlagen durchsetzen. Anders als Wahler konnen Interessengruppen keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung nehmen. Die Entscheidung der Interessengruppe ist nicht zwangslaufig identisch mit der Entscheidung des Gesetzgebers, d.h. auch, dass der Gesetzgeber nicht nur als Durchgangsstation handelt/'* Allerdings wirkt sich in dem Umsetzungsprozess bestehender Konsens zwischen den Gruppen positiv auf den Erfolg der Interessengruppen aus. Der Erfolg der Gruppen ist auch abhangig von ihrer politischen Macht. So war der groBte Erfolg fur die Untemehmen festzustellen, gefolgt von den Wirtschaftsprufem. Den geringsten Erfolg erzielten die Hochschullehrer mit ihren Vorschlagen/'^ Die Konflikthypothese konnte hingegen von ORDELHEIDE bestatigt werden. Im Konfliktfall setzten sich uberwiegend die Gruppen mit hoherer Ressourcenausstattung gegen die anderen Gruppen durch."*^^ Auch in der Untersuchung von MCLEAY ET AL., die auf einer fast identischen Datenbasis beruht, wurde der politische Erfolg der betrachteten Interessengruppen (Hochschullehrer, Wirtschaftspriifer, Untemehmen)"*^' im Umsetzungsprozess des Bilanzrichtlinien-Gesetzes analysiert. Den grolJten Erfolg konnten demnach die Interessengruppen der Untemehmen (66 %) gefolgt von den Wirtschaftsprufem (57 %) und den Hochschullehrem (39 %) erzielen/^^ MCLEAY ET AL. zeigen, dass Konsens zwischen den Gmppen zu steigendem politischen Erfolg fiihrt, wahrend Konflikt zwischen den Interessengmppen den Einfluss der Interessengmppen vermindert."*^^ MCLEAY ET AL. gliederten die betrachteten Rechnungslegungsprobleme in vier Bereiche. Die Interessengmppen der Untemehmen waren dabei besonders erfolgreich in den Bereichen Anhang und Gliedemng nicht aber in den Bereichen Ansatz und Bewertung."*^"*

417 418

419 420 421

ORDELHEIDE (1998), S. 12.

Vgl. ORDELHEIDE (1998), S. 13 f. In 126 von 167 Fallen (d.h. Rechnungslegungsproblemen) vertraten eine oder mehrere Gruppen ihre Meinung ohne Gegenmeinung einer anderen Gruppe. Lediglich in 66 Fallen konnten sie sich mit ihrer Meinung durchsetzen. Eine Liste der Rechnungslegungsprobleme findet sich in ORDELHEIDE (1999), S. 133-143. Vgl. ORDELHEIDE (1998), S. 14 f. Vgl. ORDELHEIDE (1998), S. 15.

Die Hochschullehrer waren zusammengefasst in der Kommission Rechnungswesen, die Wirtschaftspriifer im Institut der WirtschaftsprUfer/Wirtschaftspriiferkammer und die Industrie wurde vertreten durch die Gesellschaft flir Finanzwirtschaft in der Untemehmensftihrung e.V. und die Spitzenverbande der deutschen Wirtschaft; vgl. dazu Abschnitt IV.2.2.2. 422 Vgl. MCLEAY ET AL. (2000), S. 88 und 92 f. 423 Vgl. MCLEAY ET. AL. (2000), S. 87 f. und 92-94. Dieses Ergebnis zeigt sich auch in einer Untersuchung des Entwicklungsprozesses des sog. Rechnungslegungsgesetzes in Osterreich; vgl. MCLEAY/MERKL (2004), S. 336 und 339. Vgl. MCLEAY ET AL. (2000), S. 95 f.

1 Grundlagen

TEILIV:

71

Der Einfluss von Interessengruppen auf die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz

1 Grundlagen 1.1 Die Regulierung der Rechnungslegung in Deutschland Die Rechnungslegung in Deutschland wurde schon fruh gesetzlich reguliert/^^ Diese Regulierung setzt sich aus unterschiedlichen Elementen zusammen. Es existieren gesetzliche Regelungen, die das Rahmengeriist der Regulierung darstellen, und Standards des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC)/^^ Daruber hinaus erfolgt eine Gesetzesauslegung durch (hochstrichterliche) Rechtsprechung und das Schrifttum/^^ Die folgende Untersuchung beschaftigt sich mit der Umsetzung der 4. EG-Richtlinie vom 25. Juli 1978 in deutsches Recht/^* Diese miindete zusammen mit der 7. und 8. EG-Richtlinie im Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG)/^^ welches am 19. Dezember 1985 verabschiedet wurde. Damit wurde zum ersten Mai ein einheitliches Rechnungslegungsgesetz ftir alle Kaufleute mit Sondervorschriften fur Kapitalgesellschaften als Drittes Buch des HGB geschaffen. Die fur die folgende Untersuchung maBgeblichen Vorschriften fiir die Aufstellung des Einzelabschlusses sind bis auf wenige Anderungen unverandert geblieben und zurzeit immer noch verpflichtend anzuwenden."*^^ Eine wichtige Anderung stellte lediglich das Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (Kap-CoRiLiG)''^' dar. Durch dieses Gesetz werden fortan Untemehmen der Rechtsform GmbH & Co. KG als Kapitalgesellschaften behandeh.'*^^ Aufgrund der sog. lAS-Verordnung"*" sowie diverser Richtlinien der Europaischen Union sind weitere Anpassungen des HGB erforderlich bzw. bereits durchgeftihrt worden. Die lASVerordnung verpflichtet kapitalmarktorientierte Mutteruntemehmen dazu, ab 2005"*^"* den Konzemabschluss nach International Financial Reporting Standards (IFRS) zu veroffentlichen. Durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) wurde fur die Aufstellung des Konzemabschlusses von nicht-kapitalmarktorientierten Untemehmen und fur die Aufstellung des Einzelabschlusses ein Wahlrecht fur die Anwendung der IFRS in das HGB eingeftigt (§ 315a

Vgl. ORDELHEIDE (1999), S. 100-104; SCHROER (1993), S. 335-345. Erstmals erfolgte eine Regulierung durch ein Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (ADHGB) im Jahre 1861. Durch die in § 342 Abs. 2 HGB vorgesehene VerOffentlichung der Standards durch das Bundesjustizministerium wird die „Beachtung der die Konzemrechnungslegung betrefFenden GrundsStze ordnungsmaBiger BuchfUhrung [...] vermutet". Vgl. ORDELHEIDE (1999), S. 105-112. 4.EG-RICHTLIN1E(1978). 7. EG-RICHTLFNIE (1983); 8. EG-RICHTLINIE (1984); BiRlLlG (1985). Vgl. dazu Abschnitt IV.6. KAP-CoRlLlG(2000). Die Einordnung dieser typisch deutschen Rechtsform wurde bereits bei Verabschiedung und Umsetzung der 4. EG-Richtlinie diskutiert. Bis zur Verabschiedung des Kap-CoRiLiG stellte die GmbH & Co. KG ihren Jahresabschluss nicht nach den Vorschriften fllr Kapitalgesellschaften auf, sondem nach den Vorschriften ftir alle Kaufleute; vgl. dazu Abschnitt IV.6. EU-IAS-VERORDNUNG (2002). Fttr bestimmte Untemehmen wird eine Ubergangsfrist bis 2007 eingeraumt.

72

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

Abs. 3 und § 325 Abs. 2a HGB)/^^ Im Einzelabschluss ist diese aber auf Offenlegungszwecke beschrankt. Fur die steuerliche Gewinnermittlung und die Ausschuttungsbemessung ist nach wie vor der HGB-Einzelabschluss relevant. 1.2 Die Aufgaben der Rechnungslegung Bei der Regulienmg der Rechnungslegung muss der Regulierer die Aufgaben, die diese erfullen soil, berucksichtigen. Rechnungslegung dient - nach der hier verwendeten Definition auch der Information von Untemehmensextemen/^^ Das Aktiengesetz 1965 schrieb dem Jahresabschluss keine genaue Funktion zu. Der Jahresabschluss musste im Rahmen der Bewertungsvorschriften einen moglichst sicheren Einblick in die Vermogens- und Ertragslage der Gesellschaft geben (§ 149 Abs. 1 S. 2 AktG 1965). Die 4. EG-Richtlinie erweiterte diese sog. Generalnorm in Art. 2 Abs. 3 folgendermalien: „Der Jahresabschluss hat ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln." Die gesetzlichen Vorschriften des HGB weisen dem Jahresabschluss keine genaue Funktion zu."*" Laut der Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB soil der Jahresabschluss im Rahmen der Grundsatze ordnungsmaBiger Buchftihrung ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln. Diese Informationsftmktion des Jahresabschlusses ist aber in einem weiten Sinne zu verstehen, d.h., dass darunter Dokumentation, Rechenschaft, Ausschuttungsbemessung, Zahlungsbemessung sowie Information im engeren Sinne zu subsumieren sind."*^* Diese Funktionen konnen miteinander im Zielkonflikt stehen, so dass die Funktionen in unterschiedlichem Ausmafi erfiillt werden konnen."*^^ Dem Einzelabschluss wird dabei vor allem eine Zahlungsbemessungsfunktion z.B. fur die Bemessung von Ausschuttungen und gewinnabhangigen Steuem zugeordnet,'*'*^ wahrend beim Konzemabschluss die Information der Anteilseigner, aber auch anderer Adressaten im Vordergrund steht."^' Diesem Informationsbedurfnis ist der Gesetzgeber auch mit unterschiedlichen Anforderungen an die Informationsgewahrung im Anhang nachgekommen.

436 437 438 439 440 441

Vgl. BILREG (2004). Im Rahmen des BilReG wurden auch die EU-Modemisierungsrichtlinie (2003) und die EU-Fair-Value-Richtlinie (2001) umgesetzt. Weitere Anderungen werden durch das geplante Bilanzrechtsmodemisierungsgesetz und die (damit einhergehende) Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie (2004) erwartet. Vgl. dazu z.B. GABRIEL/ERNST (2004), S. 102-109; HUTTEMANN (2004), S. 203-209; WENDLANDT/ KNORR (2004), S. 45-50. Vgl. hierzu Abschnitt III. 1.1. Vgl. COENENBERG (2003), S. 12. Vgl. BREIDENBACH (1997), S. 13-16; HAX (1988), S. 190 f; LEFFSON (1987), S. 47-49, 63-66, 91-93 und 107-111; WOHE (1997), S. 1. Vgl. BIENER (1983b), S. 24; LABMANN (1981), S. 4. Vgl. BUSSE VON COLBE ET AL. (2003), S. 20 f; CASTAN (1990), S. 14 f. Vgl. BusSE VON COLBE ET AL. (2003), S. 18-20; HARTLE (2001), C 10, Rz. 10.

1 Grundlagen

73

1.3 Der Gesetzgebungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland Rechnungslegung wurde im Untersuchungszeitraum ausschliefilich durch den Gesetzgeber reguliert. Wie der Gesetzgebungsprozess in Deutschland ablauft, soil daher im Folgenden dargestellt werden, um die handelnden politischen Akteure zu identifizieren und die Einflussmoglichkeiten, die sich Interessengruppen in diesem Prozess bieten, aufzuzeigen. Die Gesetzesinitiative steht auch der Bundesregierung zu und wird am haufigsten von ihr ausgeubt/"*^ Die Bundesregierung leitet, wenn sie eine Gesetzesinitiative plant, das Vorhaben an das sachgebietsmafiig zustandige Bundesministerium weiter, dem bei der Vorbereitung des einzubringenden Gesetzentwurfs die Federfiihrung obliegt/"*^ Das zustandige Fachreferat des Ministeriums entwickelt einen Referentenentsvurf, der hausintem veroffentlicht wird. Dazu konnen die Ministerialreferenten interessierte Fachkreise und Interessengruppen, welche von dem Entwurf betroffen sein werden, uber das geplante Vorhaben informieren und sie zu Besprechungen zwecks gegenseitigem Meinungsaustausch einladen (§ 47 GeschO BM)/"*"* Fiir den Ministerialreferenten konnen diese neue, fiir die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs unentbehrliche Informationsquellen darstellen, da die Interessengruppen in der Regel bessere praktische Kenntnisse besitzen als die Ministerien.'*'*^ Femer ist es fur die Ministerialreferenten niitzlich, die Bedenken und Belange der betroffenen Kreise rechtzeitig kennen zu lemen und ggf im Gesetzentwurf zu berucksichtigen, um moglichen Widerstanden bereits im Vorfeld entgegenzuwirken. Fiir die Bundesregierung ist es immer vorteilhaft, wenn sie fiir ein Gesetzesvorhaben die Zustimmung der betroffenen Kreise gewinnt, ohne sich dabei zu sehr der einen oder anderen Meinung einer Interessengruppe anzuschliefien/"*^ Insgesamt gesehen ist es bei der Anhorung von Interessengruppen wesentlich, dass unterschiedliche Organisationen mit gegensatzlichen Interessen ihre Stellungnahmen abgeben konnen/"^^ Die Interessengruppen treten insofem nicht erst dem eigentlichen Gesetzgeber entgegen, indem sie etwa bei Anhorungen vor den Fachausschussen ihre Vorstellungen kundtun. Stattdessen bekommen sie schon in einem sehr fruhen Stadium des Gesetzentwurfs die Moglichkeit, Einfluss auf den Inhalt des Entwurfs zu nehmen/"^* Ist der Referentenentwurf vom Referatsleiter fertig gestellt, wird er dem federfiihrenden Ministerium sowie den anderen am Gesetzesvorhaben politisch beteiligten Ministerien vorge-

Vgl. BADURA(1986), S. 10; ISMAYR (1992), S. 273; VERSTEYL (1972), S. 32 f. Vgl. auch die Aufstellung von SCHINDLER (1995), S. 561, die zeigt, dass 60,3 % der Gesetzesinitiativen in der 9. Wahlperiode (19801983) auf Regierungsvorlagen beruhen (8. Wahlperiode 66,4%). Von den in der 10. Wahlperiode (19831987) verabschiedeten GesetzentwUrfen gehen 74,1 % auf Regierungsvorlagen zuriick. Gesetzesinitiativen konnen aber auch aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden (Art. 76 Abs. 1 GG). Vgl. SCHNEIDER, H. (2002), S. 64. Vgl. ENGELS (1996b), S. 259. Vgl. ISMAYR (1992), S. 286. Vgl. SCHICK/ZEH (1997), S. 89; SCHNEIDER, H. (2002), S. 72. Vgl. HOBNER( 1995), S. 216. Vgl. SCHICK/ZEH(1997), S. 89.

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Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

legt."^' Nachdem der Entwurf mit den betreffenden Ministem abgestimmt wurde, wird er den betroffenen Interessengruppen zur Stellungnahme sowie den obersten Landesbehorden und Fraktionen des Deutschen Bundestages zu einer ersten Information zugesandt. Dadurch kann es schon in einem fnihen Stadium des Gesetzesvorhabens zu einer offentlichen Diskussion kommen, aus der sinnvolle Anregungen und Vorschlage hervorgehen, die bereits im Regierungsentwurf berticksichtigt werden konnen/^^ Hat das federfuhrende Ministerium seine Arbeit am Referentenentwurf abgeschlossen, wird der Entwurf dem Bundeskabinett zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt. Damit wird aus dem Referentenentwurf eine Kabinettsvorlage/^' BeschlieBt das Kabinett, den Entwurf beim Bundestag einzubringen, wird aus der Kabinettsvorlage ein Regierungsentwurf/" dem auch eine Begrundung anzuftigen ist, in dem die einzelnen Paragraphen erlautert werden/" Bevor jedoch der Regierungsentwurf beim Bundestag eingebracht wird, leitet der Bundeskanzler den Gesetzentwurf zur Stellungnahme dem Bundesrat zu (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG)/^"* Der sog. erste Durchgang im Bundesrat ist notwendig, weil der Bundesrat nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag sehr starke Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung hat. Die Bundesregierung kann so schon fhihzeitig die Auffassung des Bundesrates zum Gesetzentwurf erfahren."*^^ Werden aufgrund der Anmerkungen des Bundesrates wesentliche Anderungen an dem Gesetzentwurf durchgefuhrt, muss die geanderte Vorlage emeut dem Bundesrat vorgelegt werden, der dann wiederum innerhalb einer Frist von sechs Wochen Stellung nehmen kann."*^^ Andert die Bundesregierung ihren Entwurf nicht oder nur unwesentlich, so wird der Gesetzentwurf zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates und einer eventuellen GegenauBerung der Bundesregierung in den Bundestag eingereicht."*" Gesetzentwiirfe werden grundsatzlich in drei Beratungen (sog. Lesungen) vom Bundestag behandelt.'*^* Nachdem der Gesetzentwurf an die Abgeordneten verteilt worden ist, beschaftigen sich zimachst die Bundestagsfraktionen mit der Gesetzesvorlage. Sie erortem in Fraktionsarbeitskreisen, welche Haltung sie zu dem Gesetzentwurf einnehmen,"*^^ horen Interessengruppenvertreter an und fiihren Beratungen mit den zustandigen Ministerialbeamten durch."*^^ Die erste Lesung endet regelmaBig mit der Verweisung des Gesetzentwurfs an einen oder

450 451 452 453 454 455 456 457 458 459 460

Vgl. HANDSCHUH (1991), S. 47. Bei alien Entwtirfen wird das Justizministerium herangezogen, da z.B. die Verfassungskonformitat, die Einbettung in das Gesamtsystem des geltenden Rechts sowie der systematische Aufbau gepriift werden mtissen; vgl. HILL (1982), S. 86. Betreffen die GesetzentwOrfe fmanzielle Belange des Bundes, muss auch das Finanzministerium herangezogen werden; vgl. HANDSCHUH (1991), S. 47. Vgl. HANDSCHUH (1991), S. 47. Vgl. HILL (1982), S. 87; ISMAYR (1992), S. 287. Vgl. PILZ/ORTWEIN (1995), S. 174. Vgl. HANDSCHUH (1991), S. 48-49. Vgl. HANDSCHUH (1991), S. 50. Vgl. SCHICK/ZEH(1997), S. 91; BUNDESRAT (2003), S. 20 f. Vgl.VERSTEYL(1972),S.27. Vgl.ROLL(1999),S.328. Vgl. HANDSCHUH (1991), S. 57; SONTHEIMER/BLEEK (2000), S. 280. Vgl. LOEWENBERG (1969), S. 366. Vgl. VERSTEYL (1972), S. 93 f.

1 Grundlagen

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sogar mehrere Bundestagsausschiisse/^' Auch innerhalb der Fraktionen schlieBen sich Gruppen zusammen. Bei diesen handelt es sich um informelle Kreise, wie z.B. den Arbeitnehmerflugel der CDU/CSU oder den Wirtschaftsrat der CDU. Auf diese Gruppen wirkt der Einfluss der Interessengruppen besonders unmittelbar/^^ Den Ausschiissen kommt im Gesetzgebungsverfahren eine sehr wichtige Aufgabe zu. Hier wird die Detailarbeit an den Gesetzentwurfen geleistet/^^ Sie stellen somit vorbereitende Beschlussorgane des Bundestages dar (§ 62 Abs. 1 GeschO BT). Ihre Beschlussempfehlungen werden sehr haufig vom Plenum des Bundestages ubemommen, da sich in den Ausschussen die Mehrheitsverhaltnisse des Bundestages widerspiegeln (§ 57 Abs. 1 i.V.m. § 12 GeschO BT)/^ An den Ausschusssitzungen konnen neben den Ausschussmitgliedem auch andere Abgeordnete, Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie deren Beauftragte teilnehmen/^^ Gerade die Teilnahme der Ministerialreferenten der Bundesregierung an den Ausschusssitzungen ist sinnvoll, weil dadurch die Ausschussmitglieder spezialisierte Fachleute zu einzelnen Regelungen, Zusammenhangen und moglichen Auswirkungen des Gesetzentwurfs befragen konnen/^^ Fiir die Offentlichkeit sind diese Sitzungen nicht zuganglich (§ 69 Abs. 1 GeschO BT).'*^^ Jedoch kann fur Telle der Beratungen beschlossen werden, dass Journalisten und Interessengruppen freier Zugang zu den Sitzungen gewahrt wird"*^* und somit offentliche Anhorungen von Sachverstandigen und Vertretem von Interessengruppen, die in der Lobbyliste des Bundestages eingetragen sind, stattfinden (§ 70 Abs. 1 GeschO BT)."*^^ Den Abgeordneten wird durch die offentlichen Anhorungen die Meinungsbildung in den Ausschussberatungen erleichtert, da ihnen durch sie sowohl zusatzlicher Sachverstand als auch Kenntnisse Uber spezifische Probleme zuflieCen.'*^^ Des Weiteren haben die Interessengruppen, die bereits im Stadium des Referentenentwurfs Einfluss auf die Gesetzesvorlage nehmen konnen, durch die offentlichen Anhorungen die Moglichkeit, ihre Interessen noch einmal zu untermauem, und jene Interessengruppen, deren Interessen noch nicht berucksichtigt wurden, die Gelegenheit, dem Ausschuss ihre Anliegen und Interessen vorzutragen."*^' Bei der Einholung von Informationen sind die Ausschussmitglieder nicht nur auf die offentlichen Anhorungen von Interessengruppenvertretem und Sachverstandigen angewiesen. Den 461 462 463

Vgl. ELLWEIN/HESSE (1987), S. 266.

Vgl. VERSTEYL (1972), S. 101-103. Vgl. BUNDESTAG (2000), S. 68 f.; SCHNEIDER, H. (2002), S. 82. Die AusschUsse bereiten Altemativ- und Kompromissvorschiage vor; vgl. AMMERMOLLER (1971), S. 68; DAMASCHKE (1986), S. 121 f.

Vgl. BEYME (1997), S. 188; ENGELS (1996a), S. 227 f; SCHAFER (1982), S. 110. Vgl. STEFFANI (1988), S. 264; SCHAFER (1982), S. 118.

Vgl. BUSCH(1991), S.45. Vgl. ZEH (1989), S. 1098; SCHNEIDER, H. (2002), S. 82. Vgl. STEFFANI (1988), S. 272; SCHAFER (1982), S. 118. Im Jahre 1995 hat der Bundestag beschlossen, dass die jeweils abschlieBende Beratung des federfiihrenden Ausschusses Offentlich durchzufiihren ist, um den Medien und den BOrgem und BUrgerinnen einen besseren Einblick in die parlamentarische Arbeit zu gewShr e n ( § 6 9 a A b s . 1 GeschO BT); vgl. SCHICK/ZEH( 1997), S. 101. 469 Vgl. ZEH (1979), S. 104. 470 Vgl. BuCKER(1989),S.69f. Vgl. SCHUTTEMEYER(1989), S. 1157.

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Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

Abgeordneten stehen auch die Wissenschaftlichen Dienste der Bundestagsverwaltung und die Arbeitsstabe der Fraktionen fur Beratungen zur Verfiigung/^^ Nach einer allgemeinen Aussprache iiber das Gesetzesvorhaben tritt der Ausschuss in die eingehende Beratung der einzelnen Paragraphen ein/^^ Sind alle Paragraphen und Abschnitte eines Gesetzentwurfs erortert worden, wird uber jede einzelne Vorschrift des Gesetzentwurfs abgestimmt. Am Ende der Ausschussberatung kommt es dann zur Schlussabstimmung iiber den Entwurf als Ganzes/^"* Eine Anderung gilt als beschlossen, wenn die Mehrheit der anwesenden Ausschussmitglieder dieser zustimmt/^^ Das Ergebnis der Ausschussberatungen des federfiihrenden Ausschusses wird dem Plenum in einer Beschlussempfehlung vorgelegt, in der dem Bundestag empfohlen werden kann, entweder die Vorlage unverandert bzw. in der vom Ausschuss geanderten Fassung anzunehmen Oder die Vorlage abzulehnen/^^ Sind die Ausschussberatungen abgeschlossen, beschafitigen sich zunachst die Fraktionen vor der zweiten und dritten Lesung emeut mit dem Gesetzesvorhaben/^' Sie entscheiden durch Mehrheitsbeschluss, ob sie sich fur oder gegen die Fassung des Ausschusses aussprechen und ob sie Anderungsantrage einbringen/'* Gnmdlage der zweiten Beratung ist die Fassung des Gesetzentwurfs durch den Ausschuss.'''^ Nach Abschluss der allgemeinen Aussprache beginnt das Plenum mit der Einzelberatung, in der alle Vorschriften des Gesetzesvorhabens gesondert beraten werden/*^ Bei der Einzelberatung hat jeder Abgeordnete das Recht, zu jeder Vorschrift des Entwurfs Stellung zu nehmen und Anderungsantrage zu stellen/*' Haufig ist dies von Oppositionsseite her der Fall, da diese im Ausschuss ihre Vorstellungen nicht durchsetzen konnte und nun die Moglichkeit hat, die von ihr verfolgten Ziele einer breiteren Offentlichkeit sichtbar zu machen. Nachdem in der zweiten Lesung im Parlament iiber die einzelnen Vorschriften und Anderungsantrage des Entwurfs abgestimmt wurde, kommt es zur dritten Lesung, deren Grundlage die Beschliisse der zweiten Lesung sind/*^ Der Schwerpunkt der dritten Beratung liegt allerdings nicht mehr in der Einreichung von Anderungsantragen und damit in der Einzelberatung, 472 473

475 476

478 479

Vgl. RUDZIO (2003), S. 245 f.; ENGELS (1996b), S. 246. Vgl. SCHICK/ZEH (1997), S. 102 f. Bei den Einzelberatungen kann jedes Ausschussmitglied zu jeder Vorschrift des Gesetzentwurfs Anderungen vorschlagen oder formelle Anderungsantrage stellen, uber die der Ausschuss am Ende der Beratung des betreffenden Paragraphen abstimmt. Die meisten Anderungen der GesetzentwUrfe kommen jedoch nicht durch Anderungsantrage von Abgeordneten zustande, sondem als Ergebnis einer fachlichen Diskussion, in der Uber die unterschiedlichen Vorschlage debattiert und verhandelt wird. Vgl. HANDSCHUH (1991), S. 73 f. Vgl. SCHICK/ZEH (1997), S. 102. Vgl. SCHICK/ZEH (1997), S. 20. Vgl. RUDZIO (2003), S. 276 f. Vgl. SCHICK/ZEH (1997), S. 118. Vgl. BUSCH(1991),S.50. Vgl. ROLL (1999), S. 332. Vgl. RASCHKE (1968), S. 49; ENGELS (1996b), S. 268. Vgl. RUDZiO (2003), S. 268 f.; ISMAYR (2000), S. 316-318.

1 Grundlagen

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sondem in der allgemeinen Aussprache."**^ Nach deren Beendigung findet dann im Plenum die Schlussabstimmung uber den Gesetzentwurf statt."**"* Ein nicht verfassungsandemder Gesetzentwurf gilt vom Bundestag als angenommen, wenn eine relative Mehrheit, also die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten, diesem zustimmt/*^ Danach wird das Gesetz an den Bundesrat gesendet. Bei jedem Gesetz, das der Bundestag beschlossen hat, wirkt der Bundesrat mit, wobei seine Mitwirkungsintensitat davon abhangt, ob es sich bei dem Gesetz um ein Einspruchs- oder ein Zustimmungsgesetz handelt."**^ Handelt es sich um ein Einspruchsgesetz, kann der Bundesrat das Gesetz entweder beschlieBen oder den Vermittlungsausschuss anrufen, um dann ggf. nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens Einspruch einzulegen. Bei einem Zustimmungsgesetz kann der Bundesrat entweder dem Gesetz zustimmen, den Vermittlungsausschuss anrufen oder auch das Gesetz von vomherein ablehnen. Stimmt der Bundesrat dem Gesetz zu, ist es zustande gekommen. Lehnt er dagegen das Gesetz ab, ist es gescheitert, wenn nicht noch die Bundesregierung oder der Bundestag ihrerseits den Vermittlungsausschuss anrufen/^^ Ist ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz nach Durchlauf im Bundesrat zustande gekommen, zeichnen in einem ersten Schritt die Bundesminister, deren Aufgabengebiet von dem Gesetz beriihrt wird, und der Bundeskanzler die Urschrift des Gesetzes gegen, um es anschliefiend dem Bundesprasidenten zur Ausfertigung und Verkundung vorzulegen/** Durch die Ausfertigung beurkundet der Bundesprasident, dass der Gesetzestext sowohl wortlich mit dem Gesetzesbeschluss des Bundestages iibereinstimmt als auch der Werdegang sowie Inhalt des Gesetzes verfassungskonform sind/*^ Hat der Bundesprasident das Gesetz durch seine Unterzeichnung ausgefertigt, kann das Gesetz durch Veroffentlichung im Bundesgesetzblatt verkundet werden und nach MaBgabe seiner diesbeziiglichen Bestimmungen in Kraft treten/^^ 1.4 Studien zur Rolle der Interessengruppen im politischen Prozess in Deutschland Verschiedene Studien untersuchten den Zugang von Interessengruppen zum politischen Entscheidungsprozess in Deutschland. Dabei standen insb. Verbindungen der Interessengruppen zu Parlamentariem und Biirokraten im Vordergrund. 483 484

485 486

487 488 489 490

Vgl. HANDSCHUH (1991), S. 85. Vgl. ENGELS (1996b), S. 268; LEONHARDT (1983), S. 60. PAPPI ET AL. zeigen, dass das parlamentarische System der Bundesrepublik Deutschland dazu fiihrt, dass Regierungsvorlagen in der Regel vom Parlament angenommen werden. Lediglich durch einen anders gewichteten Bundesrat kOnnen Probleme auftreten. Hingegen unterliegen Oppositionsvorlagen in der Regel schon im Bundestag; vgl. PAPPI ET AL. (1995), S.217f. Vgl. HILL (1982), S. 91. Vgl. LAUFER/MUNCH (1997), S. 122; BUNDESRAT (2003), S. 23 f. Zustimmungsgesetze sind solche, die eine Anderung des Grundgesetzes zum Gegenstand haben oder deren Inhalte bestimmte im Grundgesetz als wichtig anerkannte Landerinteressen betreffen, z.B. die Steuerverteilung; vgl. SCHNEIDER, H. (2002), S. 101 f. Vgl. AVENARius (2001), S. 52 und 54; BUSCH (1991), S. 53 und 55 f.; WEIMER (1997), S. 28. Vgl. BusSE(1997),S.57f. Vgl. MULLER (1968), S. 211 f. Vgl. AVENARIUS (2001), S. 54.

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Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

Da Interessengruppen selbst nicht Gesetzesvorlagen in den Bundestag einbringen konnen, besteht fiir sie nur die Moglichkeit, die Bundesregierung, Gruppen des Bundestags oder Bundesrats so zu beeinflussen, dass sie aufgrund der Initiative einer oder mehrerer Interessengruppen tatig werden/^' VERSTEYL fuhrte eine Umfrage unter 82 Interessengruppen durch und kam zum Ergebnis, dass 41,5 % von sich aus Gesetze initiierten/^^ Die Untersuchung der Adressaten fuhrte zu dem Ergebnis, dass die Interessengruppen ihre Einflussnahme auf verschiedene Institutionen verteilen. Die Bundesregierung war in 65 % der Falle einer der Adressaten, gefolgt von Parteien und Fraktionen mit 44 %/^^ PAPPI ET AL. untersuchen in ihrer Arbeit den Zugang der Interessengruppen zum Regierungssystem iiber Politikfeldnetze im Bereich der Arbeitsrechts- und Sozialpolitik. Sie befragten auf der einen Seite 85 Interessengruppen und auf der anderen Seite Personen in 41 Fraktionen, Ministerien und Landesvertretungen. In einem ersten Schritt sollten die Befragten angeben, welche der aufgefuhrten Gruppen und Institutionen sie fur besonders machtig halten. Dabei hatten die politischen Parteien und Fraktionen die hochste durchschnittliche Machtreputation gefolgt von den Ministerien. Die durchschnittliche Machtreputation der Gewerkschaften und Wirtschaftsverbande lag deutlich dahinter. Allerdings lagen die Spitzenorganisationen, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbande (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund, mit ihren totalen Werten deutlich iiber den Durchschnittswerten/^"* MuLLER-RoMMEL untersuchte ftir die Zeit von 1972-1987 die Reprasentanz der Interessengruppen im deutschen Bundestag/^^ MaBgeblich war eine hauptberufliche oder ehrenamtliche Funktion von Abgeordneten in einem Interessenverband/^^ Der Anteil der Abgeordneten mit Verbandsbeziehungen ist in den betrachteten Wahlperioden konstant geblieben. Mehr als die Halfte der Abgeordneten hatte eine Funktion in einem Verband inne. Die meisten Abgeordneten mit Verbandsfunktionen waren CDU/CSU-Abgeordnete, gefolgt von den Sozialdemokraten. Bei den Ausschussmitgliedem von CDU und FDP war der relative Anteil der VerbandsfunktionSre am hochsten. Nach den mit dem Regierungswechsel 1982 verbundenen Neuwahlen 1983 stieg er bei der CDU/CSU von 58 % auf 65 % und bei der FDP von 48 % auf 67 %/^^ Der Anteil der CDU/CSU-Abgeordneten, die Tatigkeiten in mittelstandischen Verbanden und Industrie- bzw. Arbeitgeberverbanden ausiibten, lag bei 39 %. Bei den SPDAbgeordneten lag der Anteil bei 31 %/^* Der Anteil der Verbandsvertreter in alien Ausschiissen lag durchschnittlich bei 5 0 % fur die Wahlperioden 1976-1980 und 1980-1983 und bei 56 % von 1983-1987/^^ Die Mitglieder des Rechtsausschusses, der im Verlauf der Umsetzung 491

Vgl. VERSTEYL (1972), S. 53.

492

Vgl. VERSTEYL (1972), S. 56. Vgl.VERSTEYL(1972),S.60. 494 Vgl. PAPPI ETAL. (1995), S. 179 und 181. 493

495

496

Vgl. MOLLER-ROMMEL(1988), S. 300-323.

Vgl. MULLER-ROMMEL (1988), S. 304, gewertet wurden dabei die Abgeordneten, die bis zu fiinf Jahre vor Beginn der entsprechenden Wahlperioden in InteressenverbSnden tatig waren. Vgl. MULLER-ROMMEL (1988), S. 305 f. Vgl. MULLER-ROMMEL (1988), S. 307. Vgl. MULLER-ROMMEL (1988), S. 309.

1 Grundlagen

79

der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz federfuhrend war, hatten eine vergleichsweise geringe Verbandsaktivitat. Sie lag bei 22 % in der Wahlperiode 1976-1980 und stieg dann auf 44 % in der Wahlperiode 1983-1987. D.h. aber auch, dass sie iiber den Zeitraum betrachtet deutlich anstieg.^^^ Die Industrie- und Arbeitgeberverbande sowie die mittelstandischen Verbande waren im Rechtsausschuss vor allem durch Verbandsvertreter der CDU/CSUreprasentiert.'^' Die Untersuchung von BENZER konzentrierte sich auf die Beziehungen zwischen Ministerialburokratie und Gruppeninteressen in der Bundesrepublik Deutschland fur die Jahre 1949jQg^ 502 YQJ^ gQ4 untersuchten ministerialen Beamten in Fuhrungspositionen hatten 44 % personelle Verflechtungen mit wirtschaftlichen Institutionen.^"^ 84 % der Wirtschaftsverflechtungen bestanden nur mit einzelnen Untemehmen und 3 % mit Wirtschaftsverbanden. 13 % der Ministerialburokraten hatten sowohl zu Untemehmen als auch zu Wirtschaftsverbanden Kontakt.^^"* Im Weiteren untersuchte BENZER dies auch fur die Ministerialburokraten getrennt nach Parteizugehorigkeit (SPD, PDF, CDU). Anders als erwartet, ist auch fiir die sozialdemokratischen Fuhrungsbeamten eine relativ hohe personelle Verflechtung mit dem Wirtschaftsbereich zu beobachten (49 % der 163 befragten Burokraten), vor allem auch im Vergleich zu den Verflechtungen mit den Gewerkschaften (43 %).^°^ Dies ubertrifft die Verflechtungen zwischen CDU/CSU-Ministerialburokraten (43 % der 180 Befragten) mit dem Wirtschaftsbereich.^^^ Die traditionell enge Verflechtimg von FDP und Wirtschaft spiegelt sich im Ergebnis wieder, dass von 53 Befragten 55 % Verflechtungen zum Wirtschaftsbereich hatten.^^^ Betrachtet man die 353 Ministerialbeamten, die Kontakte zum Wirtschaftsbereich unterhielten, waren 35% nicht parteigebunden, 22% Unionsmitglieder und 2 3 % SPD-Mitglieder.^^* BENZER konnte keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Parteimitgliedschaft und Wirtschaftsverflechtung nachweisen.^^^ Dieses Ergebnis erstaunt insofem, als im Gegensatz dazu die ParteienprSferenz der Mitglieder wirtschaftlicher Interessengruppen eindeutig auf Seiten der CDU und FDP gesehen wird.^'^

500 501 502 503

506 507 508 509 510

Vgl. MULLER-ROMMEL (1988), S. 310. Vgl. MULLER-ROMMEL (1988), S. 315. Vgl. BENZER (1989). Vgl. BENZER (1989), S. 157. Unter personellen Verflechtungen werden wechselseitige personelle Verbindungen verstanden, z.B. eine ehemalige hauptberufliche Tatigkeit in einer Interessengruppe oder einem Untemehmen Oder Neben- oder Beratertatigkeiten, die wahrend, vor oder nach der Amtszeit ausgefuhrt wurden; vgl. BENZER (1989), S. 152 f. Vgl. BENZER (1989), S. 205 f. Vgl. BENZER (1989), S. 260. Vgl. BENZER (1989), S. 292. Vgl. BENZER (1989), S. 279. Vgl. BENZER (1989), S. 268. Vgl. BENZER (1989), S. 382. Vgl. dazu die tabellarischen Zusammenfassungen der Studien von WILDENMANN (1968), S. 103, sowie NEUMANN (1979), S. 126-131, in BENZER (1989), S. 384.

80

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

2 Empirische Auswertung des Einflusses von Interessengruppen auf den Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie 2.1 Der Untersuchungsgegenstand - Die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in das Bilanzrichtlinien-Gesetz Die 4. EG-Richtlinie, sog. Bilanzrichtlinie, wurde am 25. M i 1978 von der EG erlassen,^" um die Rechnungslegungsvorschriften ftir den handelsrechtlichen Einzelabschluss von Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Aufstellung, Offenlegung und Prufung innerhalb der Gemeinschaft zu harmonisieren. Sie sollte innerhalb einer vorgegebenen Frist von zwei Jahren in deutsches Recht transformiert werden (Art. 55 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie).^'^ Dabei handelte es sich um ein sog. Zustimmungsgesetz.^'^ Die Umsetzimg in deutsches Recht erfolgte aber erst am 19. Dezember 1985 mit der Verabschiedung des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG).^'^ Verschiedene Grunde ftihrten zu dieser Verzogerung der Umsetzung.^'^ Zum einen wurde die Jahresabschlussrichtlinie nicht isoliert transformiert, sondem vielmehr zusammen mit der 7. (Konzemabschlussrichtlinie)^'^ und 8. EG-Richtlinie (Bilanzpriiferrichtlinie)^'^ umgesetzt. Da diese erst 1983 und 1984 erlassen wurden, war eine gemeinsame Transformation, die von Anfang an von der Bundesregierung geplant war, erst spater moglich.^'* Dariiber hinaus sah das Bundesjustizministerium die Moglichkeit, weitere Reformvorstellungen zur Rechnungslegung zu verwirklichen, wie die Einbeziehung der GmbH & Co. KG in den Anwendungsbereich oder die Zusammenfassung der Rechnungslegungsgrundsatze im HGB.^'^ Dieses Gesetzesvorhaben war erheblich grolJer, erforderte daher mehr Zeit und loste wesentlich grofiere Widerstande aus, als dies bei einer Minimaltransformation der Fall gewesen ware.^^^ AuBerdem sollte die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie steuemeutral erfolgen.^^' Dies wird als weiterer Grund fur den langen Umsetzungsprozess angefuhrt. Daneben wird auch der 1982 erfolgte Wechsel von einer sozial-liberalen zu einer christlich-liberalen Regierung als Grund fur eine Verzogerung genannt."^ 511 512

517 518 519 520 521

Vgl. 4. EG-RJCHTLINIE (1978). Danach hatte die 4. EG-Richtlinie bis zum 1. August 1980 umgesetzt werden und spStestens am 1. Februar 1982 in Kraft treten mUssen (Art. 55 Abs. 2 4. EG-Richtlinie). Allerdings konnte die Richtlinie auch in den anderen Mitgliedslandem nicht fristgerecht umgesetzt werden; vgl. ROST (1991), S. 129 f. Vgl. dazu auch GEBHARDT (1981), S. 224-226, der den Umsetzungsprozess in Deutschland und vier weiteren Landem betrachtet. Vgl. BIENER/BERNEKE (1986), S. 35. Die Bundesregierung hatte zunachst nur die Umsetzung der 4. EGRichtlinie als zustimmungsbedUrftig durch den Bundesrat angesehen. Die Zustimmungsbediirftigkeit wurde aber auf die 7. und 8. Richtlinie aufgrund der Stellungnahme des Bundesrates ausgedehnt. Vgl. BlRlLlG( 1985). Vgl. CHMIELEWICZ (1988), S. 53; FRESL (2000), S. 37-40. Vgl. 7. EG-RICHTLINIE (1983). Vgl. 8. EG-RICHTLINIE (1984). Vgl. BIENER/BERNECKE (1986), S. XIV. Vgl. GLADE (1986), S. 4, Rz. 14; HERMANN/KNISCHEWSKI (1986), S. 1 f, Rz. 2. Vgl. HERBER( 1982), S. 959. Vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1980), BegrUndung, S. 22. Vgl. dazu z.B. CURTIUS-HARTUNG (1982), S. 369-373; MOXTER(1978), S. 1629-1632. Vgl. CHMIELEWICZ (1988), S. 53.

2 Empirische Auswertung

8i

Dies erklart, warum das Bundesjustizministerium erst am 5. Februar 1980 einen Vorentwurf zum Bilanzrichtlinie-Gesetz (spater aufgnmd der gemeinsamen Umsetzung der 4. EGRichtlinie mit der 7. und 8. EG-Richtlinie Bilanzrichtlinien-Gesetz) vorgelegt hat."^ Mit der bewussten Formulierung als Vorentwurf driickte sich der Wunsch des Justizministeriums aus, zu diesem Entwurf kritische Stellungnahmen zu erhalten, um Verbesserungen vomehmen zu konnen.""* Der Vorentwurf war so formuliert, dass die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie hauptsachlich im neu einzufugenden Dritten Buch des HGB erfolgen sollte. FUr bestimmte Rechtsformen existierten dariiber hinaus Ausnahmevorschriften."^ Der Entwurf war dabei an der kleinen GmbH ausgerichtet. Dies sollte im Interesse der mittelstandischen Wirtschaft eine Anpassung an das strengere Recht der groBen Aktiengesellschaft vermeiden."^ Der Vorentwurf fuhrte zu zahlreichen Stellungnahmen und Aufsatzen in Fachzeitschriften, die z.B. kritisierten, dass Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen einen Anhang bzw. Lagebericht aufstellen sollten,"^ und dass, anders als von Art. 1 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie vorgesehen, die Kapitalgesellschaften & Co. in den Anwendungsbereich einbezogen werden sollten."* Eine uberarbeitete Fassung hat man am 18. Mai 1981 als sog. Referentenentwurf zum Bilanzrichtlinie-Gesetz vorgelegt. Dieser wich zwar in zahlreichen Punkten vom Vorentwurf ab, behielt aber die Grundkonzeption bei."^ Am 10. Februar 1982 wurde der Entwurf der sozial-liberalen Regierung zum BilanzrichtlinieGesetz vom Bundeskabinett verabschiedet und dem Bundesrat, in dem eine CDU/CSUL^ndermehrheit herrschte, zugeleitet."^ Der Bundesrat lehnte den Entwurf ab;"' er kritisierte zum einen die Einbeziehung der Kapitalgesellschaften & Co. und mahnte zum anderen eine (Selbst-) Beschrankung bei der (vermeintlichen) GoB-Kodifizierung an, insb. aber wurde die rechtsformneutrale Umsetzung der in § 237 Abs. 2 Satz 2 HGB enthaltenen Generalklausel beanstandet, deren praktische Auswirkungen schwer einzuschatzen seien."^

Vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1980). Diesem Vorentwurf gingen schon zahlreiche Stellungnahmen von Interessengruppen und Einzelpersonen zur 4. EG-Richtlinie voraus. Vgl. FORSTER/GELHAUSEN (1980), S. 7. Die AnhCrung der Verbande zu diesem Vorentwurf fand am 9. und 10. September 1980 statt; vgl. CHMIELEWICZ (1980), S. 658 f Vgl. F R E S L ( 2 0 0 0 ) , S . 4 1 .

Vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1980), Begriindung S. 20 f Vgl. auch BIENER (1985), S. 5. Kritisch dazu SCHULZE-OSTERLOH (1981), S. 4 f Vgl. § 238 Abs. 1 HGB des Vorentwurfs 1980 mit der Ausnahmeregelung ftir nicht bekanntmachungspflichtige Untemehmen in § 274 Abs. 4 HGB des Vorentwurfs 1980; vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1980). Vgl. die Kritik z.B. von S P V D W (1980), S. 5 § 44. Vgl. § 178 ff. HGB des Vorentwurfs 1980; vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1980). Vgl. auch BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1980), BegrUndung, S. 11-14 und 17. Vgl. die Kritik von GEBHARDT(1981), S. 226 f; S P V D W ( 1 9 8 0 ) , S. 2 und 5; GEFIU (1980), S. 3. Vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1981). Auch dieser Entwurf fiihrte zu zahlreichen Stellungnahmen, die eine Ubersollerftillung kritisierten; vgl. z.B. SPVDW (1981), S. 2449 f Vgl. BUNDESREGIERUNG (1982). Vgl. BUNDESRAT (1982a). Vgl. dazu auch STROBEL (1982), S. 82 f Vgl. BUNDESRAT (1982b), S. 134.

82

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

Nach dem Regiemngswechsel legte die neue christlich-liberale Bundesregierung am 1. Juni 1983 (aus verfassungsrechtlichen Grunden"^) einen neuen Gesetzentwurf vor, der dem Bundesrat am 3. Juni 1983 zugeleitet wurde.""* Er unterschied sich kaum vom Entwurf der SPD/FDP-Regierung aus dem Jahre 1982. Lediglich ein paar Anderungen wurden vorgenommen. Die wichtigste war der Verzicht auf die Gleichbehandlung der GmbH & Co. KG mit der GmbH."^ Dieser Regierungsentwurf wurde am 26. August 1983 dem Deutschen Bundestag zugeleitet."^ Der Deutsche Bundestag beschloss am 29. September 1983 den Regierungsentwurf federfuhrend dem Rechtsausschuss und mitberatend dem Finanzausschuss und dem Ausschuss fur Wirtschaft zu iiberlassen."^ Der Rechtsausschuss hat am 12. Oktober 1983 einen Unterausschuss Bilanzrichtlinie-Gesetz (spater aufgrund der gemeinsamen Umsetzung der 4. EG-Richtlinie mit der 7. und 8. EG-Richtlinie Unterausschuss Bilanzrichtlinien-Gesetz) zur Vorbereitung der Beratungen im Rechtsausschuss unter dem Vorsitz von HELMRICH mit weiteren funf Abgeordneten eingesetzt."* Am 11. Juli 1984 fand eine Anhorung von Sachverstandigen im Bundesjustizministerium statt. Der Unterausschuss BiRiLiG veroffentlichte am 29. Marz 1985 einen eigenen Teilentwurf zur Umsetzung der 4. EG-Richtlinie,"^ der Gegenstand einer Anhorung der Spitzenverbande und von Sachverstandigen am 9. Mai 1985 war.^'*^ Dieser war ganzlich anders strukturiert. Er enthielt einen Teil fur alle Kaufleute sowie Sondervorschriften fur Kapitalgesellschaften. Auf Grund dieses Teilentsvurfs erstellte der Unterausschuss einen Gesamtentwurf, der die Entwurfe zur Durchfuhrung der 4., 7. und 8. EG-Richtlinie zu einem einzigen Gesetzentwurf zusammenfasste. Dieser Gesamtentwurf vom 1. August 1985^"*' wurde in einer weiteren Sachverstandigen-Anhorung am 23. und 24. September 1985^"*^ erortert. Unter Einbeziehung der Ergebnisse dieser Anhorung wurde ein weiterer Entwurf vom 18. Oktober 1985 erstellt/"*^ der in den Entwurf vom 18. November 1985^'*'' mundete. Der Rechtsausschuss legte damit ein in das HGB eingebettetes rechtsformunabhangiges Rechnungslegungsgesetz vor, das die Rechnungslegungsvorschriften sowohl fiir den Jahresabschluss als auch fur den Konzemabschluss Vgl. FRESL (2000), S. 48. Dies war nach dem Grundsatz der Diskontinuitat notwendig; vgl. SCHNEIDER, H.

(2002), S. 97-99. Vgl. BUNDESREGIERUNG (1983a). Vgl. dazu auch BIENER/BERNEKE (1986), S. XIII. Vgl. BUNDESREGIERUNG (1983a), Vorblatt und BegrOndung, S. 63 f. Vgl. zu den einzelnen Anderungen Abschnitt IV.5.3.1. Vgl. auch BlENER (1983a), S. 253-259. Vgl. dazu auch das Protokoll der ersten Beratung des Entwurfs BUNDESTAG (1983), S. 752-761. Hier zeigt sich, dass diese Anderung bei der SPD auf Widerstand stieB (S. 756), wahrend sie von der FDP auch schonfrOhergefordert worden war (S. 753). Die fehlende Gleichbehandlung der GmbH & Co. KG mit der GmbH war am Ende auch mit ausschlaggebend fiir die fehlende Zustimmung der SPD zum Bilanzrichtlinien-Gesetz; vgl. BUNDESTAG (1985a), S. 771 f. und 774. Vgl. dazu auch den Anderungsantrag der SPD-FRAKTION (1985), S. 791 f. Vgl. BUNDESREGIERUNG (1983b). Vgl. BUNDESTAG (1983). Vgl. HAEGER/ZUNDORF(1986), S. 3.

Vgl. UNTERAUSSCHUSS BiRiLiG (1985a). Vgl. UNTERAUSSCHUSS BIRILIG (1985C). Vgl. dazu auch BIENER (1985), S. 3. Vgl. UNTERAUSSCHUSS BIRILIG (1985b).

Vgl. UNTERAUSSCHUSS BiRiLiG (1985d). Vgl. HOFBAUER/KUPSCH (1986), S. 28, Rz. 99 Vgl. RECHTSAUSSCHUSS (1985b).

2 Empirische Auswertung

83

fur alle betroffenen Untemehmen regelte.^"*^ Der Bundestag hat am 5. Dezember 1985 das Bilanzrichtlinien-Gesetz verabschiedet.^"*^ Am 19. Dezember 1985 erfolgte die Zustimmung des Bundesrates/"*^ so dass es am 24. Dezember 1985 verkiindet werden und am 1. Januar 1986 in Kraft treten konnte. Dieses Gesetz transformiert die 4. EG-Richtlinie zusammen mit der 7. und 8. EG-Richtlinie in innerstaatliches Recht. 2.2 Die Akteure 2.2.1 Einleitung Interessengruppen und Einzelpersonen wurde im Laufe des Umsetzungsprozesses auf verschiedenen Stufen die Moglichkeit gegeben, Einfluss zu nehmen. Zahlreiche Interessengruppen und Einzelpersonen haben daher die Moglichkeit genutzt, ihre Meinung durch Stellungnahmen dem Regulierer mitzuteilen.^"** Zahlreiche Interessengruppen der Industrie, aber auch Interessengruppen, in denen sich Nutzer von Jahresabschlussen zusammengeschlossen haben, Vereinigungen von priifenden und beratenden Untemehmen sowie Gewerkschaften nahmen durch direkte Stellungnahmen zu den Entwurfen am Umsetzungsprozess teil. Daneben wurden aber auch zahlreiche Einzelpersonen, vor allem Hochschullehrer und Wirtschaftsprufer, durch Artikel in Fachzeitschriften tiber bestimmte Rechnungslegungsprobleme und direkte Schreiben an den Gesetzgeber tatig. Tab. 1 gibt einen Uberblick uber die Interessengruppen, die sich am Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie durch schriftliche Stellungnahmen beteiligt und an Anhorungen teilgenommen haben. Dabei konnten einige Interessengruppen als aktiver als andere identifiziert werden. ORDELHEIDE konnte in einer Untersuchung des Umsetzungsprozesses der 4. EG-Richtlinie vier Interessengruppen als besonders aktiv identifizieren: die Spitzenverbande der deutschen Wirtschaft, der Arbeitskreis „Rechnungslegungsvorschriften in der EG-Kommission" der Gesellschaft fiir Finanzwirtschaft in der Untemehmensfiihrung e.V., das Institut der Wirtschaftsprufer, teilweise gemeinsam mit der Wirtschaftspriiferkammer, sowie die Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer fiir Betriebswirtschaft. Die Vorschlage der anderen Interessengruppen und Einzelpersonen bleiben in dieser Arbeit unberucksichtigt, da sie sich nur partiell zu einzelnen Problembereichen geauiJert haben und nur zeitweise am Transformationsprozess beteiligt waren. Diese Einschatzung bestatigt sich bei Betrachtung der Stellungnahmen der Centrale fur GmbH Dr. Otto Schmidt. Diese nahm zwar mit sieben Stellungnahmen als aktive Interessengruppe am Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie teil, auBerte sich aber nur zu 33 Rech-

Vgl. LEINH0S(1987),S.4. Vgl. BUNDESTAG (1985a). Vgl. BUNDESRAT(1985). Eine Auflistung Offentlicher Stellungnahmen von Interessengruppen und Einzelpersonen fmdet sich im Anhang A-2.

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

84

Llnteressengruppe

UnternehmensverbMnde 1 Arbeitsgemeinschaft ftlr betriebliche Altersversorgung 1 Arbeitsgemeinschaft selbstandiger Untemehmer 1 Bundesverband der deutschen Industrie 1 Bundesverband des deutschen GroB- und Einzelhandels Centrale fiir GmbH 1 Deutscher Arbeitgeberverband 1 Deutscher Industrie- und Handelstag 1 Gesellschaft fiir Finanzwirtschaft in der Untemehmensfiihrung e.V. 1 Gesamtverband gemeinntitziger Wohnungsuntemehmen 1 SpitzenverbSnde der deutschen Wirtschaft 1 Verband kommunaler Untemehmen 1 Vereinigung deutscher Elektrizitatswerke 1 Zentralverband des deutschen Handwerks 1 Banken- und Versicherungsvertreter, Verbraucher 1 Bundesverband deutscher Banken 1 Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken 1 Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband 1 Deutscher Raiffeisenverband 1 Deutscher Sparkassen- und Giro verband 1 Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft 1 Deutsche Schutzvereinigung fiir Wertpapierbesitz 1 Bundesverband gemeinwirtschaftlicher Untemehmen 1 Freier Ausschuss deutscher Genossenschaftsverbande 1 Zentraier Kreditausschuss 1 Anwaite, WirtschaftsprOfer, Steuerberater 1 Bundesrechtsanwaltskammer 1 Deutscher Anwaltsverein 1 Bundesnotarkammer 1 Institut der WirtschaftsprOfer/Wirtschaftpriiferkammer 1 Bundesverband der Bilanzbuchhalter 1 Bundessteuerberaterkammer 1 Bundesverband der Steuerberater 1 Deutscher Steuerberaterverband 1 Gewerkschaften 1 Deutscher Gewerkschaftsbund 1 Deutsche Angestellten-Gewerkschaft 1 Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Gewerkschaften 1 Hochschullehrer 1 Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer fiir 1 Betriebswirtschaft Tab. 1:

Aktive Interessengruppe

X X

X X X X X X

X X X

X X X X X

X X

Beteiligte Interessengruppen am Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie

In AnIehnung an Ordelheide (1997), S. 241 f.

Sehr aktive Interessengruppe

X

2 Empirische Auswertung

85

nungslegungsproblemen, von denen funf GmbH-spezifisch waren.^"*^ Die vier in die Untersuchung einbezogenen Interessengruppen auBerten sich zu mindestens 173 Rechnimgslegungsproblemen. 2.2.2 Einbezogene Interessengruppen 2.2.2.1 Die Untemehmen 2.2.2.1.1 Die Spitzenverbande der deutschen Wirtschaft Bei den Spitzenverbanden der deutschen Wirtschaft ( S P V D W ) handeh es sich um einen Zusammenschluss von Verbanden, die ihrerseits Dachorganisationen darstellen. Dazu gehoren u.a. die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbande (BDA), der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Diese Verbande vertreten ihre (ihnen freiwillig oder verpflichtend angehorenden) Mitglieder auf Bundesebene gegentiber dem Staat und der Gesellschaft.^^^ Obwohl Banken nicht nur, wie die anderen durch die Dachverbande vertretenen Untemehmen, Bilanzersteller sind, sondem in ihrer Eigenschaft als potenzielle Glaubiger auch als Bilanzadressaten auftreten, hat sich der Bundesverband Deutscher Banken (BDB) ebenfalls den S P V D W angeschlossen.^^' 2.2.2.1.2 Der Arbeitskreis „Rechnungslegungsvorschriften in der EG-Kommission" der Gesellschaft fiir Finanzwirtschaft in der Untemehmensfiihrung e.V. Der Arbeitskreis „Rechnungslegungsvorschriften in der EG-Kommission" der Gesellschaft fiir Finanzwirtschaft in der Untemehmensfuhrung e.V. (GEFIU) setzt sich vor allem aus Praktikem zusammen, die an verantwortlicher Stelle im Bereich Finanzwesen tatig sind.^" Weiterhin konnen Untemehmensberater und Hochschullehrer Mitglied der GEFIU werden. Als ihre Hauptaufgabe betrachtet die GEFIU die Erforschung allgemeiner Probleme der finanzwirtschaftlichen Untemehmensfiihrung und das Erarbeiten von Losungen dieser Proble-

Fiir den Komplex der EG-Richtlinien ist der Arbeitskreis „Rechnungslegungsvorschriften in der EG-Kommission" eingerichtet worden. Dieser hatte bereits versucht, auf die Ausarbeitung der 4. EG-Richtlinie Einfluss zu nehmen. Die Stellungnahmen des Arbeitskreises wurden von Vertretem der grofiten deutschen Kapitalgesellschaften erstellt.""*

Vgl. CENTRALE FUR GMBH (1979), S. 49-51; CENTRALE FUR GMBH (1981a), S. 8 f; CENTRALE FUR GMBH

(1981b), S. 225 f; CENTRALE FUR GMBH (1985a), S. 173-176; CENTRALE FUR GMBH (1985b), S. 317-319; CENTRALE FUR GMBH (1985C), S. 48-51.

Vgl. ALEMANN (1996b), S. 22-24; MANN (1993), Sp. 4393; PILZ/ORTWEIN (1995), S. 75-83; SONTHEIMER/ BLEEK (2000), S. 204-206. Vgl. CHMIELEWICZ (1988), S. 63.

Vgl. GEFIU (1979), S. 1. Vgl. FUCHS-WEGNER (1993), Sp. 4491; ORDELHEIDE (1999), S. 119.

Vgl. GEFIU (1979), S. 1. Vgl. dazu auch die Ubersicht der Mitglieder der GEFIU (1980), S. 1.

86

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

2.2.2.2 Die Wirtschaftsprufer Die Stellungnahmen der Wirtschaftsprufer wurden vom Institut der Wirtschaftsprufer in Deutschland (IDW) ersteUt, wobei an den Verlautbarungen zumeist Vertreter der Wirtschaftspruferkammer (WPK) mitgearbeitet hatten. Diese werden daher zusammen betrachtet und unter der Abkurzung IDW zusammengefasst, unabhangig davon, ob es sich um eine gemeinsame Stellungnahme oder eine Stellungnahme des IDW alleine handeh. Uber ihre intemationalen Fachorganisationen waren die Wirtschaftsprufer bereits an der Ausarbeitung der 4. EGRichtlinie beteiligt.^^' Das IDW ist eine Fachorganisation der Wirtschaftsprufer und Wirtschaftspruftingsgesellschaften auf Basis freiwilliger Mitgliedschaft. Vom IDW werden u.a. Ausschusse eingesetzt, die gutachterliche Stellungnahmen zu Fragen des Rechnungswesens erarbeiten.^^^ Die WPK ist eine bundesunmittelbare Korperschaft des offentlichen Rechts, deren (Pflicht-) Mitglieder alle Wirtschaftsprufer, Wirtschaftspriifungsgesellschaften, vereidigte Buchpriifer und Buchpruftmgsgesellschaften sind. Aufgabe der WPK ist es, die Berufsaufsicht (iber ihre Mitglieder wahrzunehmen.^" Neben groBem Fachwissen konnte das IDW auch auf praktische Erfahrungen als Berater fiir den Gesetzgeber zuruckgreifen.^^* 2.2.2.3 Die Hochschullehrer Die Hochschullehrer sind organisiert im Verband der Hochschullehrer fur Betriebswirtschaft e.V.^^^ In der Kommission Rechnungswesen (KRW) sind die Mitglieder des Verbandes der Hochschullehrer fiir Betriebswirtschaft vertreten, die sich schwerpunktmaBig mit dem Fach Rechnungswesen beschaftigen. Fur die Erstellung von Reformvorschlagen und Stellungnahmen zur Neuregelung der handelsrechtlichen Rechnungslegung hat die KRW ihrerseits einen Arbeitskreis gebildet, der sich im betrachteten Zeitverlauf von zehn auf 16 Mitglieder vergroBerte.^^^ Ziel der KRW ist es, die Beratung von Gesetzesreformen unter einer starkeren Beteiligung der Betriebswirtschaftslehre zu begleiten.^^' Neben den schriftlichen Stellungnahmen, die die KRW schon zur Umsetzung der 4. EGRichtlinie in das deutsche Recht und dann zu den weiteren Entwurfen verfasste, gehorten auch viele individuelle Gesprache insb. mit dem Bundesjustizministerium, Vertretem einzelner Untemehmungen, den SPVDW und dem IDW zur Einflussnahme auf den Umsetzungsprozess.^^^ Die KRW verftigt iiber groBes gebiindeltes Fachwissen und verfolgt im Gegensatz zu den anderen Beteiligten keine direkten wirtschaftlichen Interessen. Daher wird den Stellungnahmen von Hochschullehrem eine besondere Glaubwurdigkeit zugeschrieben. Gleichzeitig Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

IDW (1979), S. 1237. BUCHNER(1993), S. 4760 f BUCHNER (1993), S. 4760. CHMIELEWICZ (1988), S. 63.

Vgl. CHMIELEWICZ (198 lb), S. 1.

Vgl. BUSSE VON COLBE (1992), S. 29; CHMIELEWICZ (1988), S. 66. Vgl. KRW (1979), S. 3, Rz. 1. Vgl. dazu auch HARTL (1986), S. 1 f. Vgl. CHMIELEWICZ (1988), S. 55.

2 Empirische Auswertung

87

ist aber von einer wesentlich geringeren Durchsetzungskraft auszugehen, auch bedingt dadurch, dass die KRW iiber keine eigene Ressourcenausstattung verfiigt.^^^ Die KRW woUte neben den Interessen der Bilanzersteller auch die der Bilanzadressaten geltend machen. Da diese im Prozess nur sehr gering vertreten waren, wurde sie so zum aktivsten Gegenspieier der wirtschaftlichen Interessengmppen.^^ Einen Vorteil konnte die KRW dadurch erzielen, dass sie als erste Interessengruppe eine umfassende Stellungnahme zur 4. EG-Richtlinie veroffentlichte.^^^ 2.2.3 Die politischen Akteure Im Umsetzungsprozess der 4. EG-Richtlinie standen den Interessengruppen, wie in den vorangegangenen Schilderungen deutlich wurde, unterschiedliche politische Akteure gegenuber: zunachst die Bundesregierung, die das Gesetzesinitiativrecht ausubte, gefolgt von der MinisterialbUrokratie, die einen ersten Entwurf ausarbeitete. Der Bundestag wiederum verwies die Beratung an Ausschusse, die die Gesetzentwiirfe weiter bearbeiteten. Auch der Bundesrat wirkte durch sein im Vergleich zum Bundestag abweichendes Krafteverhaltnis auf den Prozess ein. SchlieBlich erfolgte die Abstimmung im Bundestag und die Verkundung durch den Bundesprasidenten. Dies macht deutlich, dass im Rahmen der Gesetzentwicklung sowohl Exekutivorgane als auch Legislativorgane in den Umsetzungsprozess eingriffen. Um im Folgenden die Unterscheidung der verschiedenen Organe nicht fallweise treffen zu mussen, werden diese unter dem Oberbegriff „Regulierer" subsumiert.^^ 2.3 Zeittafel der Vorstufen des Bilanzhchtlinien-Gesetzes und der verschiedenen offentlichen Stellungnahmen der betrachteten Interessengruppen 25. Juli 1978: Der Rat der EG verabschiedet die Vierte Richtlinie aufgrund Art. 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrages iiber den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen.^^^ SteUungnahmen zur 4. EG-Richtlinie: KRW'^*; S P V D W ' ; G E F I U " ' ; I D W ' 5. Februar 1980: Der Bundesminister der Justiz legt den Vorentwurf eines Gesetzes zur Durchfuhrung der Vierten Richtlinie des Rates der Europaischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BiRiLiG) vor."^ 563 564

567 568 569 570 571

Vgl. CHMIELEWICZ (1988), S. 57. Vgl. BussE VON COLBE (1992), S. 29 f; CHMIELEWICZ (1988), S. 64. Vgl. aber auch die Untersuchung von FEDERMANN (1980), S. 431, der herausfand, dass die KRW vor allem die Interessen der Adressaten vertrat. Kritisch dazu auch HARTL (1986), S. 154 f. Vgl. CHMIELEWICZ (1988), S. 57. Vgl. aber auch die Kritik von HARTL (1986), S. 149-157, an der wertenden Art vor allem der ersten Stellungnahme. Vgl. dazu auch ALEMANN (1996a), S. 3 f. sowie die Abbildung S. 5. Vgl. 4. EG-RICHTLINIE (1978). Vgl. KRW (1978), S. 453-455; KRW (1979), S. 1-70. Vgl. SPVDW (1979), S. 1093-1097. Vgl. GEFIU (1978a), S. 1464-1466; GEFIU (1978b), S. 1-4; GEFIU (1979), S. 1-8. Vgl. IDW (1979), S. 1237-1242 und S. 1296-1300.

88

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

Stellungnahmen zum Vorentwurf: K R W ^ S P V D W ^ G E F I U " ' ; I D W ' 9. und 10. September 1980: Anhorung der Verbande und Einzelpersonen zum Vorentwurf."^ 18. Mai 1981: Der Bundesminister der Justiz stellt den Entwurf eines Gesetzes zur Durchfuhrung der Vierten Richtlinie des Rates der europaischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vor (Referentenentwurf)."* Stellungnahmen zum Referentenentwurf: S P V D W " ^ IDW^*°

10. Februar 1982: Ein Regierungsentwurf zur Durchfuhrung der Vierten Richtlinie des Rates der Europaischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BiRiLiG) wird vom Bundeskabinett verabschiedet und dem Bundesrat am 19. Marz 1982 zugeleitet.^*' Stellungnahmen zum Regierungsentwurf vom 10. Februar 1982: KRW^*^ 30. April 1982: Die Beratung des Regierungsentwurfs durch den Bundesrat fiihrt zur Ablehnung.^" 27. Juli 1982: Die Bundesregierung legt diesen Gesetzentwurf emeut vor.^*"* 3. Dezember 1982: Der Deutsche Bundestag fuhrt die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Regierungsentwurfs durch,^*' der aber durch die Auflosung des Neunten Bundestages nicht mehr verabschiedet werden kann. 1. Juni 1983: Die neue christlich-liberale Bundesregierung beschlieBt einen weiteren Regierungsentwurf und leitet diesen dem Bundesrat am 3. Juni 1983 zu.^*^ 15. Juli 1983: Beratung des Entwurfs im Bundesrat und Entwicklung einer Stellungnahme.^^^

572

Vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1980).

573

Vgl.KRW (1980), S. 589-597.

574

Vgl. SPVDW (1980), S. 1-12.

575

Vgl. GEFIU (1980), S. 1-12. Vgl. IDW (1980), S. 501-523.

576 577 578

Vgl. CHMIELEWICZ (1980), S. 658 f. Vgl. BUNDESJUSTIZMINISTERIUM (1981).

Vgl. SPVDW (1981), S. 2448-2462. Vgl. IDW (1981), S. 609-621. 581

Vgl. BUNDESREGIERUNG (1982).

582

Vgl.KRW (1983), S. 5-15.

583

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

584 585 586 587

BUNDESRAT (1982a). BUNDESRAT (1982b). BUNDESTAG (1982). BUNDESREGIERUNG (1983a). BUNDESRAT (1983a).

2 Empirische Auswertung

89

26. August 1983: Der Regierungsentwurf wird mit der Stellungnahme des Bundesrates aus der ersten Lesung vom 15. Juli 1983^** dem Deutschen Bundestag zugeleitet/*^ Stellungnahmen zum Regierungsentwurf vom 26. August 1983: SPVDW^^; IDW^^' 29. September 1983: In der ersten Beratung des Entwurfs eines Bilanzrichtlinien-Gesetzes im Deutschen Bundestag beschlieBt der Deutsche Bundestag, den Regierungsentwurf federfuhrend dem Rechtsausschuss und mitberatend dem Finanzausschuss und dem Ausschuss fur Wirtschaft zu iiberlassen.^^^ 12. Oktober 1983: Der Rechtsausschuss setzt einen Unterausschuss zur Vorbereitung der Beratung ein.^^^ 11. Juli 1984: Anhorung der Spitzenverbande und Sachverstandigen zum Regierungsentwurf voml. Juni 1983. 29. Marz 1985: Der Unterausschuss BiRiLiG veroffentlicht einen eigenen Entwurf einer geanderten Konzeption von Vorschriften des BiRiLiG,^^'* der Gegenstand einer Anhorung der Spitzenverbande und von Sachverstandigen am 9. Mai 1985 ist.^^^ Stellungnahmen zum Entwurf des Unterausschusses vom 29. Marz 1985: KRW';

I D W ' ; GEFIU^'^ S P V D W '

1. August 1985: Der Unterausschuss BiRiLiG legt einen Gesamtentwurf eines Gesetzes zur Durchfuhrung der Vierten Richtlinie des Rates der Europaischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BiRiLiG) vom 1. August 1985 vor, der die beiden Regierungsentwiirfe zur Durchfuhrung der 4., 7. und 8. Richtlinie zu einem einzigen Gesetzentwurf zusammenfasst.^^^ Stellungnahmen zum Gesamtentwurf des Unterausschusses vom 1. August 1985: K R W ' , GEFIU''^; I D W '

Vgl. BUNDESRAT (1983b). Vgl. BUNDESREGIERUNG (1983b) Vgl. S P V D W ( 1984), S. 1-12.

Vgl. IDW( 1984), S. 125-140. Vgl. BUNDESTAG (1983). Vgl. HAEGER/ZUNDORF (1986), S. 3.

Vgl. UNTERAUSSCHUSS BiRiLiG (1985a). Vgl. UNTERAUSSCHUSS BIRILIG (1985C).

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

KRW( 1985), S. 136-152. IDW (1985a), S. 349-353. GEFIU (1985a), S. 101-120. SPVDW (1985), S. 57-87.

Vgl. UNTERAUSSCHUSS BIRILIG (1985b).

Vgl. KRW (1986), S. 1-35. Vgl. GEFIU (1985b), S. 134-155. Vgl. IDW (1985b), S. 537-553.

90

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

23. und 24. September 1985: Es erfolgt eine weitere Sachverstandigen-Anhomng.^^'* 18. Oktober 1985: Unter Einbeziehung der Ergebnisse dieser Anhorung wird ein weiterer Entwurf erstellt. 7. November 1985: Der Unterausschuss BiRiLiG schlieBt seine Beratungen ab. 13. November 1985: Der Rechtsausschuss berat das „Bilanzrichtlinien-Gesetz".^^ 18. November 1985: Der Entwurf vom 18. Oktober 1985 mundet in den Gesetzentwurf vom 18. November 1985. Dieser wird vom Rechtsausschuss mit der Beschlussempfehlung und dem Bericht am 18. November 1985 vorgelegt.^ 5. Dezember 1985: In der zweiten und dritten Beratung wird der Entwurf eines Bilanzrichtlinien-Gesetzes im Deutschen Bundestag verabschiedet.^^^ 6. Dezember 1985: Dem Bundesrat werden die Empfehlungen der Ausschusse zum Gesetz zur Durchfiihrung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europaischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BiRiLiG) zugeleitet.^^* 19. Dezember 1985: Der Bundesrat stimmt in seiner zweiten Beratung des BilanzrichtlinienGesetzes der Verabschiedung zu.^^ Der Bundestag beschliefit mit Zustimmung des Bundesrates das Bilanzrichtlinien-Gesetz, so dass es am 24. Dezember 1985 verkundet werden und am 1. Januar 1986 in Kraft treten kann. Dieses als Anderungsgesetz gestaltete Gesetz umfasst 13 Artikel, deren wesentlicher Inhalt in das HGB eingegangen ist, sowie in 39 andere Gesetze, darunter das Aktiengesetz (AktG), das GmbH-Gesetz (GmbHG) und das Publizitatsgesetz (PublG).''' Die folgende Tabelle ftihrt die Stellungnahmen der Interessengruppen mit den verschiedenen Entwiirfen zusammen. Die 1. Spalte gibt an, zu welchem Entwurf die Interessengruppen ihre Stellungnahmen abgaben, bzw. zeigt die 2. Zeile die Stellungnahmen, die die Interessengruppen zur Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in deutsches Recht abgegeben haben.

604 605 606 607 608 609 610

Vgl. UNTERAUSSCHUSS BiRiLiG (I985d). Vgl. RECHTSAUSSCHUSS (1985a). Vgl. RECHTSAUSSCHUSS (1985b). Vgl. BUNDESTAG (1985a). Vgl. BUNDESTAG (1985b). Vgl. BUNDESRAT (1985).

Vgl. BlRlLlG( 1985).

2 Empirische Auswertung

4. EG-RL VE1980 RE 1981 RegE1982 RegE 1983,1 RegE 1983,2 AE 1985,1 AE 1985,2

KRW X X X X X

91

IDW X X X X X X

GEFIU X X X X

SPVDW

X X X X X -

4. EG-RL = 4. EG-Richtlinie, VE = Vorentwurf, RE = Referentenentwurf, RegE = Regierungsentwurf, AE = Ausschussentwurf. Tab. 2:

Stellungnahmen der KRW, IDW, GEFIU und S P V D W zur Umsetzung 4. EG-Richtlinie und zu den EntwQrfen eines Bilanzrichtlinien-Gesetzes

92

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

3 Untersuchungsaufbau 3. J Die Datenbank Zur Behandlimg der zu untersuchenden Fragestellungen wurde zunachst eine umfassende Textdatenbank geschaffen, die die Stellungnahmen der Interessengruppen KRW, IDW, GEFIU und SPVDW zur 4. EG-Richtlinie^" und zu den Entwiirfen des BilanzrichtlinienGesetzes, die in Bezug auf Rechnungslegungsvorschriften des HGB gemacht wurden, in textlicher Form enthalt.^'^ Obwohl schriftliche Stellungnahmen nur einen relativ spaten und nicht signifikanten Teil des gesamten politischen Prozesses darstellen, sind sie doch eine sichtbare Form der Einflussnahme auf den politischen Entscheidungsprozess und konnen so dazu beitragen, eine Vorstellung vom Normsetzungsprozess als Ganzes zu gewinnen.^'^ Anders als in der fruheren Untersuchung von MCLEAY ET AL.^'"* wurde die Industrie nicht als einheitliche Interessengruppe bestehend aus SPVDW und GEFIU betrachtet, sondem beide Interessengruppen wurden getrennt erfasst und analysiert. Eine solche Vorgehensweise legte sich aus folgenden Griinden nahe: Beide Interessengruppen vertraten zum einen in 15 Fallen divergierende Meinungen zu einem Rechnungslegungsproblem, zum anderen vertrat die GEFIU in 71 Fallen ihre Meinung unabhangig von den SPVDW und die SPVDW 104-mal ihre Meinung ohne Beteiligung der GEFIU. Das heifit, dass die GEFIU in 49,7 % und die SPVDW in 57,8 % ihrer Stellungnahmen ihre Meinung unabhangig von der anderen industriellen Interessengruppe vertrat, so dass eine Zusammenfassung als einheitliche Position der Industrie einen zu hohen Informationsverlust bedeutet hatte. Die beiden Interessengruppen vertraten zwar ofter die gleiche Meinung miteinander als mit den anderen Interessengruppen und zwischen den anderen Interessengruppen, doch vermag dies aufgrund der ahnlichen Ausrichtung nicht zu verwundem (siehe dazu unten Abschnitt IV.4.2.6). Neben den Stellungnahmen der Interessengruppen enthalt die Textdatenbank die korrespondieren Vorschriften der Entwurfe und des Bilanzrichtlinien-Gesetzes. Es entstand eine Textdatenbank mit 3.788 Datensatzen.^'^ Um das entwickelte Untersuchungsverfahren auch auf andere Gesetzgebungsprozesse anwendbar zu machen, wird im Folgenden die Vorgehensweise erlautert.

Dabei wurden Stellungnahmen der Interessengruppen, die zustimmend zu Pflichtvorschriften der 4. EGRichtlinie abgegeben wurden, aus der Analyse ausgeschlossen. Rechnungslegungsvorschriften, die in den VorentwOrfen in anderen Gesetzen geregelt waren, nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz aber im Dritten Buch des HGB enthalten sind, und Rechnungslegungsvorschriften, die in den Entwtlrfen ursprUnglich im HGB geregelt werden sollten, dann aber endgUltig in anderen Gesetzen geregelt wurden, sind hierbei auch erfasst worden. WALKER/ROBINSON (1993), S. 10 f, kritisieren bei der Verwendung von schriftlichen Stellungnahmen z.B., dass bei einer Analyse von schriftlichen Stellungnahmen nicht sichtbar ist, ob der Regulierer diese Oberhaupt gelesen und berOcksichtigt hat. Kritisch auch HOLTHAUSEN/LEFTWICH (1983), S. 79. Die Analyse von schriftlichen Stellungnahmen stellt aber die gSngige Methode bei der Analyse des Normsetzungsprozesses dar; vgl. dazu die Aufstellung im Anhang A-1. GEORGIOU (2004), S. 229 f, konnte zeigen, dass effentliche Stellungnahmen einen guten Indikator fiir das Ausmafi der Einflussnahme darstellen. WALKER/ROBINSON (1993), S. 9 f., kritisieren, dass in zahlreichen Untersuchungen der Einfluss der Interessengruppen auf das Agenda-Setting vemachlSssigt wird. In dieser Untersuchung ist jedoch die Agenda durch die 4. EGRichtlinie vorgegeben; vgl. ORDELHEIDE (1999), S. 114. Vgl. McLEAY ET AL. (2000), S. 85 f Die Textdatenbank umfasst 8,65 MB.

3 Untersuchungsaufbau

93

Die Gesamtstellungnahmen wurden zunachst in einzelne Aussagen zerlegt und mit einem Index versehen. Ziel der Zerlegung war, dass den Interessengruppen im weiteren Verlauf eindeutige Erfolge oder Misserfolge zugerechnet werden konnten. Unter Erfolg wird dabei verstanden, dass die von den Interessengruppen geforderte Regelung in dieser Form im Bilanzrichtlinien-Gesetz enthalten ist (siehe unten ausfuhrlicher). Den einzelnen Aussagen (Stellungnahmen) wurden anhand der nachstehend erlauterten Systematik Gliederungsnummem der Form xx.xx.xx zugeteilt. Die erste Nummer steht dabei fur den Bereich und die letzte fur das entsprechende Rechnungslegungsproblem. Die mittlere Nummer steht, falls vorhanden, fur den entsprechenden Abschnitt, der den Bereich untergliedert. Gleiche bzw. ahnliche und gegenteilige Stellungnahmen erhielten die gleichen Gliederungsnummem. Die Stellungnahmen der Interessengruppen wurden dann anhand der vergebenen Gliederungsnummem gebiindelt. Zu den unter einer Nummer gebundelten Stellungnahmen wurde anschlieBend ein Rechnungslegungsproblem definiert. Die Definition des Rechnungslegungsproblems entspricht dabei (falls vorhanden) der Vorschrift im Bilanzrichtlinien-Gesetz. Existiert dagegen eine entsprechende Vorschrift nicht, so bedeutet das, dass entweder von den Interessengruppen die Einftihrung einer solchen gefordert wurde oder sie in den Entwurfen vorhanden war und aufgrund des Druckes der Interessengruppen abgeschafft wurde. Die Definition dieser Rechnungslegungsprobleme entspricht folglich dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift im Bilanzrichtlinien-Gesetz. Insgesamt wurden so 457 Rechnungslegungsprobleme definiert. Von den 169 Rechnungslegungsproblemen, die in der Studie von MCLEAY ET AL. untersucht wurden,^'^ sind in dieser Untersuchung 140 Rechnungslegungsprobleme enthalten. Ausschlussgrunde waren Pflichtvorschriften der 4. EG-Richtlinie, die auch in dieser Form von den Interessengruppen vorgeschlagen wurden oder Rechnungslegungsprobleme, die steuerliche Vorschriften thematisierten. Teilweise wurden auch Rechnungslegungsprobleme zusammengefasst. Die Stichprobe umfasst neben diesen 140 Rechnungslegungsproblemen folglich 317 weitere Rechnungslegungsprobleme. Aufierdem wurden die entsprechenden Vorschriften der Entwurfe und des BilanzrichtlinienGesetzes (falls vorhanden) in die Rechnungslegungsprobleme zerlegt und in der Datenbank in textlicher Form erfasst. Neben 1.064 Stellungnahmen von Interessengruppen wurden 2.724 Datensatze aufgenommen, die die Meinung des Regulierers enthalten. Die 457 Rechnungslegungsprobleme wurden, um die Untersuchungsergebnisse ubersichtlicher und aussagekraftiger zu machen, in die in Tab. 3 aufgefuhrten Bereiche unterteilt:^*'

616 617

Vgl. MCLEAY ET AL. (2000), S. 79-98. Die Gliederung der Rechnungslegungsprobleme ist angelehnt an die Untersuchung von ORDELHEIDE (1999), S. 131-143, die sich jedoch auf die Bereiche Ansatz, Bewertung, Gliederung und Anhang beschrankt und nur 167 Rechnungslegungsprobleme betrachtet.

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

94

Nr. 01. 102. 03. 04. 05.

Bereich Ansatz Bewertimg Gliederung Anhang Lagebericht

06. 07.

Generalnorm/GoB grundsatzliche Regelungen

Tab. 3:

1 1 1

Nr. 08. 09. 10. 11. 12. 13. 14.

Bereich Gliederung des Gesetzes Formulierungsfragen Anwendungsbereich Publizitat Aufstellungs- und Aufbewahrungsfristen Verordnungsermachtigungen Nichtigkeit/Feststellung

Gliederung der Rechnungslegungsprobleme

Da die Stellungnahmen in 75,1 % zu Rechnungslegungsproblemen der Bereiche Ansatz, Bewertung, Gliederung und Anhang erfolgten, die auch 71,8 % der Rechnungslegungsprobleme ausmachen, wurden diese vier Bereiche weiter in Abschnitte untergliedert. Eine Liste mit alien Rechnungslegungsproblemen findet sich im Anhang A-3. Dem ersten Bereich sind die Rechnungslegungsprobleme zugeordnet, die sich mit Bilanzansatzfragen und deren inhaltlicher Ausgestaltung beschaftigen. Der erste Abschnitt (01.01) behandelt Fragen der Bilanzierung des Anlagevermogens. Hier werden Probleme der Fristigkeit, der Definition des Anlagevermogens im Allgemeinen und spezielle Formulierungsfragen der Definition des Anlagevermogens gebundelt. Der nachste Abschnitt (01.02) ist den immateriellen Vermogensgegenstanden gewidmet. Hier stehen Fragen rund um die Aktivierung des Geschafts- und Firmenwertes und die Nichtaktivierung bzw. Aktivierung selbst erstellter und erworbener immaterieller Vermogensgegenstande im Mittelpunkt. In Abschnitt 01.03 sind die Rechnungslegungsprobleme rund um das Thema Beteiligungen zusammengefasst. Neben der Ausgestaltung des Beteiligungsbegriffs im Allgemeinen werden Mitgliedschaften an besonderen Gesellschaftsformen betrachtet. Der nachste Abschnitt (01.04) befasst sich mit den Rechnungsabgrenzungsposten. Neben grundsatzlichen inhaltlichen Fragen, wie der des NichtAnsatzes von antizipativen Posten unter den Rechnungsabgrenzungsposten, werden die Aktivierungswahlrechte fur als Aufsvand benicksichtigte Zolle und Verbrauchsteuer und fur als Aufsvand benicksichtigte Umsatzsteuer auf Anzahlungen erortert. Abschnitt 01.05 hat Fragen des Ansatzes von Bilanzierungshilfen zum Thema, wie z.B. die inhaltliche Ausgestaltung der Vorschrift tiber die Aufwendungen fiir die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebes betrachtet. Im Abschnitt 01.06 werden die diskutierten Rechnungslegungsprobleme der Behandlung des Eigenkapitals zusammengestellt. Im Vordergrund stehen Definitionsfragen des gezeichneten Kapitals oder auch der Gewinnriicklagen. Zentral sind auch Fragen bezuglich der Riicklage fiir eigene Anteile. Im nachsten Abschnitt (01.07) sind drei Rechnungslegungsprobleme, die die Interessengruppen in Bezug auf den Sonderposten mit Riicklageanteil ansprachen, zusammengefasst. Hier geht es zum einen um den Zeitpunkt der Bildung und zum anderen auch um die Erfassung von bestimmten Komponenten. Der Abschnitt 01.08 behandelt Rechnungslegungsprobleme, die Verbindlichkeiten und Ruckstellungen zum Thema haben. Neben der Zugehorigkeit verschiedener Verbindlichkeitsformen zu den bilanziellen Verbindlichkeiten werden vor allem Fragen der Riickstellungsbilanzierung betrachtet.

3 Untersuchungsaufbau

95

Die Passivierungspflicht fur Pensionsruckstellungen oder ftir Gewahrleistungen ohne rechtliche Verpflichtimgen sowie die inhaltliche Ausgestaltung der Aufwandsriickstellungen gehoren zu diesen Fragen genauso wie die Auflosung von Riickstellungen und die Bildung stiller Reserven auf der Passivseite. Der neunte Abschnitt (01.09) fasst die Rechnungslegungsprobleme zusammen, die sich mit dem Problemkreis latente Steuem beschafitigen. Diese haben das Wahlrecht oder die Pflicht zur Bildung und die mogliche Saldierung aktiver und passiver latenter Steuem zum Thema. Der letzte Abschnitt (01.10) widmet sich den unterschiedlichsten Rechnungslegungsproblemen, wie Fragen zu Haftungsverhaltnissen, Leasing oder Forderungen nach Definitionen z.B. des Vermogensgegenstandes. Der zweite Bereich beschaftigt sich mit den Bewertungsfragen. Zunachst geht es um die Anschaffungskosten (02.01). Hier stehen Fragen der genauen inhaltlichen Ausgestaltung des Anschaffungskostenbegriffes, wie z.B. die direkte Zurechenbarkeit von Anschaffungsnebenkosten im Mittelpunkt. Der Abschnitt 02.02 Herstellungskosten betrachtet die Einbeziehung der unterschiedlichen Kostenarten in die Herstellungskosten, z.B. das Aktivierungsverbot ftir Vertriebskosten und das Aktivierungswahlrecht ftir Verwaltungskosten. Im nachsten Abschnitt (02.03) werden die Rechnungslegungsprobleme, die sich mit Abschreibungen beschaftigen, zusammengefasst. Neben Fragen der Abschreibungspflicht versus Abschreibungswahlrecht gehoren dazu die Abschreibung des Geschafts- oder Firmenwertes und der Aufwendungen ftir die Ingangsetzung und Erweiterung. Der Abschnitt 02.04 Zuschreibungen befasst sich mit Ubergangsregelungen, Fragen der Zuschreibungspflicht versus Zuschreibungswahlrecht sowie der Behandlung der Wertaufholungsriicklage. Der folgende Abschnitt (02.05) hat Bewertungsvereinfachungs- und Verbrauchsfolgeverfahren zum Thema. Sechs von 13 Rechnungslegungsproblemen thematisieren die Ausgestaltung des Festwertverfahrens, zwei die Durchschnittswertmethode und zwei das LIFO- bzw. FIFO-Verfahren. Der Abschnitt 02.06 Bewertungsgrundsatze widmet sich grundsatzlicheren Fragen hinsichtlich des Stetigkeitsprinzips, des MaBgeblichkeitsprinzips oder des Hochstwertprinzips. Im letzten Abschnitt (02.07) sind wieder sonstige Probleme zusammengefasst. Dazu gehoren z.B. die Anwendung der Equity-Methode oder Fragen der Wahrungsumrechnung. Dem dritten Bereich sind alle Rechnungslegungsprobleme, die sich mit Gliederungsfragen beschaftigen, zugeordnet. Der erste Abschnitt (03.01) widmet sich der Behandlung des Eigenkapitals, z.B. der Behandlung der ausstehenden Einlagen oder dem Ausweis des Jahresergebnisses. Fragen der Bilanzgliederung sind Inhalt des Abschnittes 03.02. Hier werden zum einen grundsatzliche Fragen wie die Abstufimg der Gliederungsvorschriften ftir unterschiedlich groBe Kapitalgesellschaften und Nicht-Kapitalgesellschaften oder die Anpassung der Vorjahreszahlen gebiindelt, zum anderen geht es um die Einordnung von einzelnen Positionen in das Gliederungsschema und die Zusammenfassung von Gliederungspositionen. In Abschnitt 03.03 werden ahnliche Probleme ftir die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung thematisiert. Grundsatzliche Fragen sind bspw. die Aufstellung der GuV nach dem Umsatzoder Gesamtkostenverfahren oder der Ausweis von Zwischensummen.

96

Teil IV: Umsetzung der 4. EG-Richtlinie

Der vierte Bereich behandelt die Anhangsvorschriften. Der erste Abschnitt 04.01 behandelt Anhangsangaben von Riickstellungen und Verbindlichkeiten. Der Abschnitt 04.02 fasst die Rechnimgslegungsprobleme, die sonstige finanzielle Verpflichtungen zum Thema haben, zusammen. Stellungnahmen der Interessengruppen zu diesem Abschnitt diskutierten, welche Gesellschaftsformen und -groBen in welcher Ausfuhrlichkeit finanzielle Verpflichtungen ausweisen miissen. Im nachsten Abschnitt 04.03 werden unterschiedliche Anhangsangaben zur Gewinn- und Verlustrechnung, wie z.B. die Aufgliederung der Umsatzerlose oder Zusatzangaben bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens, gebundeh. Abschnitt 04.04 beschaftigt sich mit bestimmten Zusatzinformationen, die sich aus der Bilanzierung oder NichtBilanzierung bestimmter Positionen ergeben. Die Rechnungslegungsprobleme haben z.B. die Angabe der selbst erstellten immateriellen Anlagewerte, die Ausgestaltung der Vorschrift zur Angabe der Kapitalanteile und die Angabe nicht bilanzierter aktiver latenter Steuem zum Thema. Zusatzinformationen uber die Bewertung von Vermogensgegenstanden und Schulden, z.B. die Anhangsangabe stiller Reserven und die Angabe von Unterschiedsbetragen aus Bewertungsanderungen, sind Gegenstand des nachsten Abschnittes (04.05). Abschnitt 04.06 gruppiert die Zusatzinstrumente der Rechnungslegung. Bei diesen waren Fragen der Form des Anlagespiegels so wie die Forderung nach weiteren Rechnungen wie z.B. der Kapitalflussrechnung von Interesse. Im letzten Abschnitt (04.07) werden die sonstigen Rechnungslegungsprobleme, die sich mit Anhangsangaben befassen, zusammengefasst. Hier fmden sich z.B. Fragen der Aufstellungspflicht, Angaben beziiglich der Organe des Untemehmens (Bezuge, Kredite, Namen) und freiwillige Anhangsangaben. Der funfte Bereich beschaftigt sich mit dem Lagebericht. Neben der Aufstellungspflicht stehen Fragen der vom Lagebericht zu gebenden Informationen im Vordergrund. Der sechste Bereich betrachtet Fragen der Generalnorm so wie der GoB. Im Bereich der Generalnorm wurde z.B. die Anwendung auf Kapitalgesellschaften und Kaufleute erortert so wie die inhaltliche Ausgestaltung der Vorschrift. Bei den GoB wurden bspw. die genaue Ausgestaltung des Realisationsprinzips und des VoUstandigkeitsgebots thematisiert. Bereich 7. widmet sich grundsatzlichen Regelungen, wie der Aufstellung des Jahresabschlusses in deutscher Sprache, der Schaffung eines Rechnungslegungsgremiums und Vorschriften zur Buchfuhrung. Bereich 8. hat die Gliederung des Gesetzes im Allgemeinen so wie die Zusammenfassung einzelner Vorschriften in einem Paragraphen oder die Trennung zum Thema. Der 9. Bereich widmet sich Formulierungsfragen, wie z.B. der Verwendung des Begriffs Vermogensgegenstand versus Wirtschaftsgut und dem genauen Wortlaut einzelner Vorschlage, die inhaltlich keine mafigebliche Veranderung bewirken. Der 10. Bereich dient der Absteckung des Anwendungsbereichs des gesamten Regelwerks - aber auch von einzelnen Vorschriften - auf Kapitalgesellschaften und Kaufleute. In Bereich 11. stehen Vorschriften uber die Publizitat im Vordergrund. Diskutiert wurden vor allem die unterschiedlichen Anforderungen, die an die Offenlegung abhangig von der bestehenden Gesellschaftsgrofie gestellt werden. Die Aufstellungs- und Aufbewahrungsfiisten sind Thema des nachsten Bereichs (12.). Bereich 13. befasst sich mit Verordnungsermachtigungen zu unterschiedlichen Bereichen und der letzte Bereich

3 Untersuchungsaufbau

97

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Bereiche Abb. 2:

Verteilung der Aktivititen auf Bereiche

Vgl. KRW (1979), S. 1-70; GEFIU (1979), 1-8. Vgl. dazu FEDERMANN (1980), S. 435, der die fehlende BegrUndung in diesen Vorschlagen kritisiert.

4 Statische Analyse

103

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