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German Pages 346 [348] Year 1997
Integration und langfristige Wirtschaftsentwicklung Von Privatdozent
Dr. Lucas Bretschger
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bretschger, Lucas: Integration und langfristige Wirtschaftsentwicklung / von Lucas Bretschger. - München ; Wien : Oldenbourg, 1997 ISBN 3-486-23688-1
© 1997 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-23688-1
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Variablenverzeichnis Vorwort
XI XII XIII XV
I. Grundlagen 1. Kapitel: Wirtschaftsintegration und außenpolitische Zielsetzungen 1.1 Zielsystem der Integration 1.1.1 Wirtschaftliche Vorteile 1.1.2 Die Bedeutung positiver Externalitäten 1.1.3 Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen 1.2 Dimensionen der langfristigen Entwicklung 1.2.1 Wirtschaftliche Dimensionen 1.2.2 Negative Externalitäten und Verteilung 1.2.3 Internationalisierte Gesellschaft 1.3 Der Beitrag der Neuen Makroökonomischen Theorie 1.4 Aufbau der vorliegenden Arbeit 2. Kapitel: Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration 2.1 Integration in der Außenhandelstheorie 2.1.1 Handelshemmnisse bei vollständiger Konkurrenz 2.1.2 Handelsschaffung und Handelsablenkung 2.2 Faktormärkte und unvollständiger Wettbewerb 2.2.1 Liberalisierung der Faktormärkte 2.2.2 Zunehmende Wettbewerbsintensität 2.2.3 Beurteilung der Erweiterungen 2.3 Berichte zum Europäischen Binnenmarkt 2.3.1 Studien zum gesamten Markt 2.3.2 Studie zur Schweiz 2.4 Beurteilung der "offiziellen" Berechnungen 2.4.1 Kostensenkungseffekte 2.4.2 Wettbewerbseffekte 2.4.3 "Makroökonomische" Auswirkungen 2.4.4 Fehlende Dynamik
1 1 1 3 6 8 8 9 11 12 14 16 16 17 18 19 20 22 23 24 24 28 29 29 30 33 35
VI
Inhaltsverzeichnis
3. Kapitel: Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration 3.1 Integration und Einkommensverlauf 3.2 Ökonomische Beurteilung der Einkommensverläufe 3.2.1 Gegenwartswert des Einkommens 3.2.2 Nutzen der Haushalte 3.3 Integration und Transmission von Wachstumsimpulsen 3.3.1 Direkte und indirekte Einflüsse 3.3.2 Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit 3.4 Empirische Fakten zu Integration und Wachstum 3.5 Erfassung der Integrationsdynamik 3.6 Nachhaltigkeit der langfristigen Entwicklung
36 36 39 39 41 48 48 49 51 59 63
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells 4. Kapitel: Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
65
4.1 Grundlagen der Wachstumstheorie 65 4.1.1 Die dogmenhistorische Perspektive 65 4.1.2 Faktorakkumulation und aggregierte Produktionsrestriktion 68 4.1.3 Ein erster Ansatz für die Modellierung 70 4.2 Das neoklassische Wachstumsmodell 73 4.2.1 Grundlegende Elemente 73 4.2.2 Integrationsgewinne im neoklassischen Wachstumsmodell 78 4.2.3 Beurteilung des neoklassischen Wachstumsmodells 82 4.3 Übergang zum modellendogenen Wachstum 84 4.3.1 Sparen 84 4.3.2 Grenzertrag des Kapitals 86 4.3.3 Skalenerträge in der aggregierten Produktionsfunktion 91 4.4 Produktion unter Einschluß von positiven Externalitäten 93 4.4.1 Spillover als endogene Wachstumsunterstützung 93 a) Der Faktor Wissen 93 b) Weitere Spillover-Mechanismen 95 4.4.2 Modellierung der erweiterten Produktionsrestriktion 96 4.5 Optimale intertemporale Allokation 99 4.5.1 Grundlegende Voraussetzungen 99 4.5.2 Herleitung optimaler Pfade 101 4.6 Endogenes Wachstum mit positiven Externalitäten 109
Inhaltsverzeichnis
4.6.1 Private Investitionstätigkeit 4.6.2 Staatliche Vorleistungen 4.6.3 Humankapital 4.7 Fazit 5. Kapitel: Dynamik durch technische Innovationen 5.1 Eigenschaften von technischen Innovationen 5.2 Arbeitsteilung im Wachstumsprozeß 5.2.1 Differenzierte Güter und unvollständige Konkurrenz 5.2.2 Die CES-Formulierung 5.2.3 Übergang zur Dynamik 5.3 Innovationen im Konsumgütersektor 5.3.1 Kapital- und Arbeitsmarkt 5.3.2 Gleichgewichtiges Wachstum 5.4 Innovationen im Kapitalgütersektor 5.4.1 Änderung in der Modellierung 5.4.2 Heterogene Kapitalleistungen 5.4.3 Gleichgewichtiges Wachstum 5.5 Qualifikationsgrad der Arbeit 5.5.1 Erweiterungen der Modellgleichungen 5.5.2 Wachsende Arbeitsteilung im Konsumgütersektor 5.5.3 Wachsende Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor 5.6 Stabilität in Wachstumsmodellen 5.6.1 Bedeutung der Stabilität 5.6.2 Spartätigkeit und Modellstabilität a) Zinsunabhängiges Sparen b) Zinsabhängiges Sparen 5.6.3 Innovationen mit nichtkonvexer Produktionstechnik a) Das zeitkontinuierliche Modell b) Das zeitdiskrete Modell 5.7 Innovationen und Wohlfahrt Appendix zu Kapitel 5 6. Kapitel: Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten 6.1 Einschluß der Außenhandelstheorie 6.1.1 Erklärungsgegenstand und Methodik 6.1.2 Neoklassische Annahmen zur Produktionstechnik 6.2 Positive Externalitäten und zunehmende Skalenerträge 6.3 Außenhandel unter monopolistischer Konkurrenz
VII
109 111 114 116 118 118 121 121 125 129 131 131 136 141 141 142 146 149 149 153 159 163 163 165 165 166 169 169 175 178 182
184 184 184 186 189 194
VIII
Inhaltsverzeichnis
6.3.1 Die Bedeutung von betriebsinternen Skaleneffekten 6.3.2 Erweiterung des Außenhandelsmodells a) Differenzierte Güter b) Erweitertes Außenhandelsmodell 7. Kapitel: Zyklische Abweichungen vom Wachstumspfad 7.1 Konjunktur und Wachstum 7.1.1 Trend und Zyklen 7.1.2 Die Rolle der Markträumung 7.2 Einteilung in Konjunkturregimes 7.2.1 Modellannahmen 7.2.2 Regimes auf Güter- und Faktormärkten 7.3 Veränderungen im Ausland und Integration 7.4 Dynamische Auswirkungen der Regimes
194 197 197 198 200 200 201 204 206 206 207 212 215
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten 8. Kapitel: Synthese des Integrationsmodells 8.1 Die integrationsrelevanten Modellteile 8.1.1 Eigenschaften des Modells 8.1.2 Relevante Modellgleichungen 8.2 Langfristiger Wachstumspfad 8.3 Transmissionskanäle der Integration 8.4 Die Bedeutung des Faktorpreisausgleichs 8.5 Konvergenz der Einkommen
9. Kapitel: Internationale Wissensdiffusion 9.1 Nationale und internationale Wissensdiffusion 9.1.1 Reine Skaleneffekte 9.1.2 Wissensdiffusion und Ressourcenreallokation 9.2 Wissen als weltweites öffentliches Gut 9.2.1 Autarkes Wachstum als Referenzpunkt 9.2.2 Wachstum mit internationaler Wissensdiffusion 9.3 Wissen als nationales öffentliches Gut 9.3.1 Langfristiges Gleichgewicht 9.3.2 Mittelfristige Dynamik 9.4 Unvollständige internationale Wissensdiffusion
217 217 217 221 223 226 230 234
237 237 237 240 241 241 243 245 245 246 247
Inhaltsverzeichnis
10. Kapitel : Integrierte Gütermärkte 10.1 Skaleneffekte mit internationalen Wissens-Spillovern 10.1.1 Eliminierung von Doppelspurigkeiten 10.1.2 Wettbewerb, Vielfalt und Marktgröße 10.2 Reallokation mit internationalen Wissens-Spillovern 10.2.1 Faktorbox mit drei Sektoren 10.2.2 Arbeitsteilung im Konsumgütersektor 10.2.3 Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor 10.3 Handel ohne internationale Wissens-Spillover 10.3.1 Skaleneffekte 10.3.2 Ressourcenreallokation 10.3.3 Langfristiges Gleichgewicht 10.4 Internationale Technologielücken Appendix zu Kapitel 10 11. Kapitel : Integrierte Arbeitsmärkte 11.1 Arbeitsmärkte und Integrationspolitik 11.2 Migration mit internationaler Wissensdiffusion 11.2.1 Unterschiedliche Faktorpreise 11.2.2 Dynamische Auswirkungen 11.3 Langfristiges Gleichgewicht mit nationaler Wissensdiffusion 11.3.1 Gütermärkte und Arbeitsteilung 11.3.2 Wachsende Arbeitsteilung im Konsumgütersektor 11.3.3 Wachsende Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor 11.4 Mittelfristige Dynamik 11.4.1 Unvollständige Spezialisierung 11.4.2 Resultate der komparativen Dynamik 11.5 Konjunkturabhängige Migration Appendix zu Kapitel 11
IX
249 249 249 252 255 255 259 265 267 267 270 273 274 275 278 278 280 280 282 285 285 287 290 292 292 293 296 298
IV. Schlußfolgerungen 12. Kapitel : Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5
Dynamik in fünf Stufen Internationale Übertragung von Wissen Integration der Gütermärkte Integration der Arbeitsmärkte Abschließende Bemerkungen
300 300 303 305 308 310
X
Literaturverzeichnis Sachverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
XI
Abbildungsverzeichnis 3.1: Verschiedene zeitliche Verläufe des aggregierten Einkommens
38
3.2: Veränderung der Offenheit
52
3.3: Entwicklungsniveau und Wachstum 1960-1992
56
3.4: Entwicklungsniveau und Investitionsquote
58
4.1: Drei Pfeiler der Neuen Wachstumstheorie
67
4.2: Grundelemente von Wachstumsmodellen
68
4.3: Anpassungswachstum im neoklassischen Wachstumsmodell
74
4.4: Langfristiges Wachstum im neoklassischen Wachstumsmodell
76
4.5: Abnehmender Grenzertrag des Kapitals
87
4.6: Konstanter Grenzertrag des Kapitals
88
5.1: Modell für Produktinnovationen
133
5.2: Gleichgewichtiges Wachstum I
137
5.3: Zunehmende Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor
143
5.4: Gleichgewichtiges Wachstum II
147
5.5: Zunahme der Erwerbsbevölkerung
148
5.6: Qualifizierte und unqualifizierte Arbeit
150
5.7: Qualifizierte Arbeit und Wachstum I
155
5.8: Unqualifizierte Arbeit und Wachstum I (o < 1)
157
5.9: Primärfaktoren und Wachstum I
158
5.10:Unqualifizierte Arbeit und Wachstum II
160
5.11 Qualifizierte Arbeit und Wachstum II
161
5.12:Primärfaktoren und Wachstum II
162
5.13:Phasendiagramm im zeitkontinierlichen Innovationsmodell
171
5.14:Phasendiagramm in der w/g-Ebene I
174
5.15:Phasendiagramm in der w/g-Ebene II
177
7.1: Arbeitsmarktgleichgewicht
209
7.2: Gütermarkt
211
7.3: Konjunkturregimes in der offenen Volkswirtschaft
212
8.1: Das Gesamtmodell für eine offene Volkswirtschaft
220
8.2: Wissen und Wachstumsrate
224
8.3: Wachstum und Allokation
225
XII
8.4: Das Integrationsmodell mit Symbolen
227
101: Faktorbox mit drei Sektoren für zwei Länder
256
10.2: Faktorbox der integrierten Weltwirtschaft
258
10.3:Wachstumsraten ohne und mit Freihandel
260
Tabellenverzeichnis 1: 2: 3: 4: 5: 6: 7: 8:
Wohlstandswirkungen des EG-Binnenmarkts gemäß Cecchini-Bericht Wohlfahrtsgewinne der Integration für die Schweiz gemäß Hauser-Studie Wohlfahrtsgewinne in Prozenten des EG-Konsums nach Smith/Venables Bedeutung des Wachstums im Vergleich mit dem Konsumniveau Kosten der zyklischen Schwankungen Konvergenz in verschiedenen Modellen Migration und Wachstum I Migration und Wachstum II
26 28 31 43 45 235 283 284
XIII
Variablenverzeichnis • • • • •
A a B C c
• • • * • • • • • • •
E E F g H I I K k L m
• c
• n • • • • • • • • • • • •
P P q q R r S S s t U u
•
V
• W • w • X •
X
•V • Y • y
Totale Faktorproduktivität, Wissensstand Input-Koeffment Konstante in der Produktionsfunktion Konsum (Lohn)kosten pro Stück Pro-Kopf-Konsum Konsumausgaben Erwartungswert Kombinierter Arbeitsinput Wachstumsrate Humankapital Einkommen Investitionen in das Realkapital Kapitalstock Kapitalintensität Arbeit Anzahl Designs, Anzahl Zwischenprodukte im KapitalgüterSektor Anzahl Designs, Anzahl Zwischenprodukte im Konsumgüter-Sektor Preisniveau Güterpreis relativer Preis des Exportguts staatliche Vorleistung pro Kopf Roboter Zinssatz qualifizierte Arbeit Sparsumme Sparquote Zeitindex Nutzen Zeitanteil des Humankapitals in der Produktion Marktwert eines Designs Vermögen Lohnsatz Ressourceneinsatz im High-Tech-Sektor Differenziertes Zwischenprodukt Output, Einkommen High-Tech-Konsumgut Pro-Kopf-Einkommen
XIV
• • • • •
Z z a ß y
• • • • • • • • • • • • •
8 e (|> K X co n 0 p G % £ t
traditionelles Gut Roboter-Komponente Produktionselastizität des Kapitals Spezialisierungsparameter Kehrwert der Elastizität der intertemporalen Substitution (Koeffizient der relativen Risikoaversion) Abschreibungssatz für Realkapital Preiselastizität der Nachfrage Konsumanteil für High-Tech-Güter Wissenskapital Faktoranteil eines Sektors Effizienz des Bildungssektors Gewinn in der Zwischenprodukt-Herstellung Kostenanteil eines Faktors Diskontrate Substitutionselastizität in der Produktion Produktionselastizität der Arbeit Produktionselastizität des Humankapitals Steuersatz
XV
Vorwort
In verschiedenen Weltregionen war die Integration in letzter Zeit eines der wichtigsten Themen der internationalen politischen Auseinandersetzung. Europa erlebte zu Beginn dieses Jahrzehnts die Schaffung des EUBinnenmarktes und des europäischen Wirtschaftsraums; für die Vertiefung der Zusammenarbeit stehen weiter gehende Pläne in den Bereichen Wirtschaft und Politik zur Debatte. Auf dem nordamerikanischen Kontinent wurde ein Freihandelsabkommen in Kraft gesetzt, das eine breite Integration der Gütermärkte von drei großen, nationalen Wirtschaftssystemen umfaßt. Integrationsschritte wurden auch auf dem südamerikanischen Kontinent und im pazifischen Raum unternommen. Die Staaten des vormaligen Ostblocks suchen heute nach einer Phase der raschen Desintegration Mittel und Wege, sich zu größeren Interesseneinheiten zusammenzuschließen. Teilweise überlagert wurde die gesamte Entwicklung von den weltweiten Freihandelsbestrebungen im Rahmen des WTO-Abkommens. Angesichts der fortgeschrittenen Entscheidungsfindung in der Integrationsproblematik stellt sich die Frage, was ein weiterer Beitrag zu diesem Thema aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht zu leisten vermag. Die Antwort dieser Arbeit liegt in der Feststellung, daß die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Integration bisher nur unvollständig beachtet und berücksichtigt worden sind. Dies hat seinen Grund teilweise in der Schwierigkeit der diesen langfristigen Zusammenhängen zugrunde liegenden Theorie, die überdies in letzter Zeit durch neue Beiträge stark erweitert worden ist. Das wesentliche Ziel dieses Buches besteht deshalb darin, die makroökonomischen Grundlagen für eine solche Analyse zu erarbeiten und auf die Fragestellung der Integration anzuwenden. Aus der Synthese der neuen Beiträge zur Wachstums-, Konjunkturund Außenhandelstheorie werden in diesem Beitrag qualitative Aussagen hergeleitet. Das Schwergewicht der vorliegenden Ausführungen liegt in der dynamischen wirtschaftlichen Analyse der Integrationswirkungen. Ein wichtiger Punkt ist dabei der Faktor Wissen, der für die langfristige Wirtschaftsentwicklung von entscheidender Bedeutung ist und durch verschiedene Integrationsschritte wesentlich beeinflußt wird. Die Resultate können dazu beitragen, die Entscheidungsgrundlagen für zukünftige Integrationsfragen zu erweitern, wobei diese u.a. auch im Rahmen der qualitativen Verbesserungen bestehender Integrationsverträge regelmäßig anfallen.
XVI
Das vorliegende Buch ist in vier Hauptteile gegliedert: Nach den Grundlagen und der Diskussion bestehender Studien zur wirtschaftlichen Integration im ersten Teil folgen im ausführlichen zweiten Teil die zentralen Theoriebeiträge zur Analyse der langfristigen Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration. Im dritten Teil wird ein Integrationsmodell synthetisiert, das für die Berechnung der verschiedenen Auswirkungen der Integration auf die Wachstumsraten der beteiligten Volkswirtschaften verwendet wird. Der abschließende vierte Teil enthält die Schlußfolgerungen, die aus den Ergebnissen des dritten Teils abgeleitet werden können. Die Grundlagen zu dieser Studie konnte ich anläßlich eines einjährigen Aufenthaltes als "Visiting Fellow" an der Universität Princeton erarbeiten. Am Institut für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich fand daran anschließend die Ausarbeitung zur heute vorliegenden Fassung statt. Dank der Lehrtätigkeit an der Universität Zürich in den Fächern MakroÖkonomik und Wachstumstheorie wurde mir die Gelegenheit geboten, den Stoff dauernd auf seine Vollständigeit und Konsistenz hin zu überprüfen. Eine Gastprofessur an der Universität Konstanz erlaubte es, weitere Teile der Studie im Unterricht einzusetzen und dadurch wichtige Rückmeldungen über den Inhalt zu erhalten. Für das große Interesse an dieser Arbeit danke ich Frau Prof. Heidi Schelbert-Syfrig, die meine Tätigkeit am Institut in allen Bereichen unterstützt hat. Ebenso bedanke ich mich bei Hansjörg Schmidt für die vielen Verbesserungsvorschläge bei der abschließenden Durchsicht des Manuskripts.
Lucas Bretschger
1
I. Grundlagen
1. Kapitel Wirtschaftsintegration und außenpolitische Zielsetzungen
1.1 Zielsystem der Integration Politische Entscheidungen und wirtschaftliche Entwicklungen stehen in einer engen Beziehung zueinander. Dies gilt in der Außenhandelspolitik in ganz besonderem Maße, was am Beispiel der verschiedenen Integrationsschritte in Europa anschaulich wird. In diesem ersten Abschnitt wird das Verhältnis von wirtschaftlichen und politischen Zielsetzungen in der Integrationsproblematik mit besonderer Betonung der europäischen Entwicklung beleuchtet. 1.1.1 Wirtschaftliche Vorteile Bei der Realisierung des europäischen Binnenmarktes 1992 standen in Politik und Medien die wirtschaftlichen Erwägungen an vorderster Stelle. Für die mit dem Gemeinsamen Markt erzielbaren Einkommenszuwächse wurden konkrete Zahlen publiziert. Die Europäische Gemeinschaft der ersten Tage verfolgte indessen neben den wirtschaftlichen Zielen noch ausgeprägter eine politische Vision: die Eingliederung von zuvor zerstrittenen Nationalstaaten in ein friedliches Europa. Den Grundstein dazu legten Winston Churchills Zürcher Rede von 1946 und die ersten Bemühungen zur Überwindung der deutsch-französischen Gegensätze im Rahmen der Montanunion. Allerdings ist es nicht ein Gegensatz zwischen Wirtschaft und Politik, der hier zu beobachten ist. Vielmehr stellt sich bei näherer Betrachtung ein vielfältiger Zusammenhang zwischen der politischen und der wirtschaftlichen Zielrichtung heraus. Zu Beginn der europäischen Integrationsentwicklung wurde nämlich der Gedanke formuliert, daß gerade das
2
I. Grundlagen
Ziel, die Wirtschaftskraft der Mitgliedländer zu stärken, ein gutes Mittel sei, das innereuropäische Gleichgewicht herzustellen sowie das politische Gewicht Europas in der Welt zu fördern. Die Integration in einer supranationalen Gemeinschaft verfolgt auch heute noch für viele das Ziel, das Aggressionspotential der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts gegen außen zu vermindern. Dabei ist die Förderung der Wohlfahrt aller Beteiligten zunehmend aus dem Schatten der Rolle als Mittel zum Zweck herausgetreten und wird heute vermehrt als eigenständiges Ziel der Integration betont. Es ist aber nicht nur die politische Seite, die als treibende Kraft hinter den Integrationsbestrebungen wirkt. Ebenso verlangt die wachsende Globalisierung in der Wirtschaft nach einer steten Anpassung der staatlichen Institutionen und Rahmenbedingungen. Ein wesentliches Merkmal der heutigen Entwicklung besteht darin, daß in vielen Branchen und Unternehmungen die Größenvorteile durch internationale Diversifizierung stark genutzt werden. In mancherlei Hinsicht kann es deshalb für wirtschaftliche Tätigkeiten von Vorteil sein, wenn die staatlichen Rahmenbedingungen über die Nationalstaaten hinweg koordiniert werden. Mit der großen Bedeutung der wirtschaftlichen Komponente in Integrationprozessen ist es verständlich, daß das in seiner Breite an Themenkreisen und seiner Tiefe an Veränderungspotential radikale europäische Binnenmarktprojekt auf seine Auswirkungen bezüglich wirtschaftlicher Auswirkungen mit großem Aufwand untersucht worden ist. Vielbeachtetes Resultat dieser Untersuchung ist, daß durch die Realisierung des Gemeinsamen Marktes in Europa ein Anstieg des Einkommens im Rahmen von rund 5 Prozent des gesamten Einkommens erwartet werden darf. 1 Die Berechnung dieser Zahl wird weiter hinten in Kapitel 2 ausführlicher besprochen. Ebenso kommen die wirtschaftlichen Mechanismen, die durch eine wirtschaftliche Integration ausgelöst werden, im Verlauf der Arbeit noch ausgiebig zur Sprache. Einige grundsätzliche Bemerkungen scheinen aber schon an dieser Stelle zweckmäßig. Für die wirtschaftlichen Vorteile eines gemeinsamen Marktes wurden und werden in den Diskussionen verschiedene theoretisch fundierte Ursachen angeführt. Auf der Grundlage der traditionellen Außenhandelstheorie kann die wohlstandsfördernde Wirkung des internationalen Handels hervorgehoben werden, die aufgrund der vermehrten Ausnützung der komparativen Vorteile im internationalen Wettbewerb zustande kommt. Gemäß dieser Argumentation führt die Intensivierung des Freihandels dazu, daß sich jedes Land vermehrt auf diejenigen Tätigkeiten spezialisiert, in denen die im Land reichlich verfügbaren Produktionsfaktoren intensiv verwendet werden. Zur Begründung von Wohlfahrtsgewinnen ist dabei das traditionelle theoretische Gerüst der kon1
Vgl. Cecchini et al. (1988).
1. Wirtschaftsintegration und außenpolitische Zielsetzungen
3
stanten Skalenerträge in der Produktion ausreichend. Die aktuelle Theorie verwendet allerdings weiterführende Annahmen, die besonders im nächsten Unterabschnitt zur Sprache kommen. Ein wichtiges Element der neueren Wirtschaftstheorie ist z.B. die Wohlstandsmehrung durch eine Intensivierung des Wettbewerbs, die in einem integrierten Markt im Vergleich zu national abgeschotteten Märkten normalerweise erwartet wird. Der zunehmende Wettbewerbsdruck stellt nach den offiziellen Berichten zur europäischen Integration eine der wichtigsten Quellen der wirtschaftlichen Vorteile eines Binnenmarktes dar. Zudem bedeutet der Zugriff auf größere Märkte im allgemeinen, daß die Zahl der an einem Standort verfügbaren Produktvarianten zunimmt; ebenso können bei größeren Märkten Spezialisierungsvorteile besser ausgenützt werden, denn ein größerer Markt ermöglicht in der Regel einer größeren Zahl von spezialisierten Anbietern eine profitable Produktion. 2 Ein gemeinsamer Markt hilft auch den Unternehmungen bei der Vermarktung ihrer Produkte Transaktionskosten sparen. In Verbindung mit konjunkturpolitischen Komponenten erhofft man sich schließlich von der Integration einen Abbau der bestehenden Ungleichgewichte, vor allem auf den Arbeitsmärkten, was - wenn das Argument zutrifft - die Wohlfahrt der beteiligten Volkswirtschaften ebenfalls zu steigern vermag. 1.1.2 D i e Bedeutung positiver Externalitäten
Die bisher genannten Vorzüge des freieren Außenhandels im Rahmen eines Binnenmarktprogramms wurden und werden so oder in ähnlicher Form in offiziellen politischen Verlautbarungen genannt. Eine wirtschaftstheoretische Prüfung dieser Vorteile führt allerdings zu verschiedenen Punkten, die eingehender hinterfragt werden sollten. Schon früh hat ein (weniger beachteter) Zweig der Außenhandelstheorie gezeigt, daß die Wohlstandsgewinne aus dem Außenhandel nicht mehr für alle Länder garantiert sind, wenn gewisse Produktionsbereiche Externalitäten aufweisen. Wenden wir uns vorerst den positiven Externalitäten zu; die negativen werden im nächsten Abschnitt behandelt. Positive Externalitäten - z.B. in Form von Lerneffekten - führen zu Größenvorteilen, die zunehmende Skalenerträge in der Produktion bewirken. 3 Damit muß untersucht werden, inwiefern eine wirtschaftliche Integration Größenvorteile beziehungsweise Skaleneffekte fördert oder behindert. Es wird oft argumentiert, daß die Größenvorteile innerhalb von Unternehmungen oder Branchen durch die Intensivierung des Freihandels besser ausgenützt werden können. Damit stellt sich - bei Richtigkeit des Arguments - ein weiterer wichtiger Vorteil der wirtschaftlichen 2
Diese auf Smith (1776) zurückgehende Idee wird in Kapitel 5 ff. formalisiert. Vgl. d e n grundsätzlichen Beitrag von Marshall (1920); die genauere Modellierung im Rahmen der Integrationsproblematik folgt ab Kapitel 4.
3
4
I. Grundlagen
Integration ein. Tatsächlich trifft aber dieser Punkt nicht generell zu. Entscheidend ist nämlich, wer im internationalen Kontext von den Größenvorteilen profitieren kann und wie sich diese Vorteile durch die Intensivierung des Außenhandels verschieben. Es ist möglich, daß sich die Skaleneffekte für ein einzelnes Land ungünstig auswirken, so daß ein Integrationsprogramm - oder einzelne Teile dieses Programms - für das betreffende Land wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt. 4 Das Phänomen der positiven Externalitäten ist keineswegs eine unbedeutende Randerscheinung des wirtschaftlichen Prozesses. Denn aufgrund der neuen Beiträge in der makroökonomischen Theorie ist es genau das Vorhandensein dieser positiven Externalitäten, welche die Gestalt der langfristigen Wirtschaftsentwicklung wesentlich bestimmt. Positive Externalitäten sind gemäß dieser Ansätze ein wichtiger Grund für die langfristig positive Produktivitätsentwicklung der Faktoren im Produktionsprozeß. Die Entwicklung der Faktorproduktivitäten entscheidet dabei über keine geringeren Bereiche als das langfristige Entwicklungspotential von Ländern, die internationale Arbeitsteilung, die regionalen Unterschiede in der Wirtschaftskraft u.a.m. Mit der Betonung der positiven Externalitäten für den Wirtschaftsprozeß verbindet sich in keiner Weise ein vorschneller Breitschuß gegen die Zweckmäßigkeit von Freihandelsabkommen und gemeinsamen Märkten. Was an dieser Stelle zum Ausdruck kommen soll, ist die in diesem Bericht theoretisch zu fundierende Ansicht, daß die Folgen einer wirtschaftlichen Integration vielfältiger sind als gemeinhin angenommen wird. Es soll verdeutlicht werden, daß die Zusammenhänge, vor allem diejenigen langfristiger Natur, um einiges komplexer sind als die Ergebnisse der statischen Modelle mit restriktiven Annahmen zur aggregierten Produktionstechnik. Durch die Tatsache der positiven Externalitäten ergeben sich bei einer Integration zusätzliche Chancen, aber auch zusätzliche Gefahren für die beteiligten Länder. Diese sollen in der folgenden theoretischen Darstellung zum Ausdruck kommen. Das in den letzten Jahren stark verbesserte Verständnis für die Ursachen der langfristigen Wirtschaftsentwicklung auf der Grundlage von positiven Externalitäten schafft die Basis für die vorliegende Arbeit. Bisher wurde vor allem bezüglich des Handels von Gütern argumentiert. Unter der Erweiterung des einfachen statischen Theoriegerüstes um die Annahme von Externalitäten sind die einfachen Folgerungen aber zusätzlich im Bereich der Faktormärkte zu hinterfragen. Auch für die Faktormärkte trifft es nicht zu, daß die Auswirkungen der Integration generell als positiv angenommen werden können, wie dies in neoklassisch geprägten Theorien der Fall ist. Wiederum liegt der Grund in den Der Punkt ist als "Argument von Graham", vgl. Graham (1923), in die Literatur eingegangen und wird unter Kapitel 6 und in Teil 3 weiter diskutiert.
4
1. Wirtschaftsintegration und außenpolitische Zielsetzungen
5
positiven Externalitäten, wenn diese den verschiedenen Ländern ungleich zugute kommen. Ebenfalls in den Bereich der Produktionsfaktoren gehört die internationale Vermittlung des Faktors Wissen beziehungsweise des Know-hows, das zur Produktion benötigt wird. Dieser Transfer ist in der makroökonomischen Integrationsdebatte bisher vergleichsweise wenig thematisiert worden, wird sich aber in dieser Arbeit als zentral f ü r die Dynamik der beteiligten Volkswirtschaften erweisen. Einleuchtend erscheint in diesem Zusammenhang auch die Forderung, daß langfristige Weichenstellungen wie die Verwirklichung eines Binnenmarktprogramms nicht nur kürzerfristig, sondern auch aufgrund ihrer langfristigen Auswirkungen beurteilt werden sollten. Dies unter der Voraussetzung, daß das theoretische Wissen dazu ausreichende Grundlagen bietet. Es wurde bereits auf die neueren Beiträge in der Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung hingewiesen. Die bisherigen Anwendungen dieser Ansätze auf den Außenhandelsbereich 5 ergeben wiederum die Vorlage für diesen Beitrag. Einige der wichtigsten Fragen, die es zu beantworten gilt, sind dabei die folgenden: Was bewirken Integrationsprozesse - wie das Binnenmarktprogramm in Europa oder ähnliche Integrationsschritte - für das Wirtschaftsgeschehen der beteiligten Länder in der längeren Frist? Inwiefern sollten Integrationsbemühungen mit Vorteil spezifisch auf die längere Frist ausgerichtet werden? Stimmt die Vermutung, daß die langfristigen Auswirkungen ebenso gewichtig sind wie die kurz- und mittelfristigen? In welchen Bereichen oder bei welchen Mechanismen ist mit nachteiligen Wirkungen der Integration zu rechnen? Die zunehmende Berücksichtigung der längeren Frist folgt dem gegenwärtigen Trend in der makroökonomischen Theorie, der für die vorliegende Beurteilung der wirtschaftlichen Integration als Leitlinie dienen soll u n d die Meinung von Viner wieder vermehrt zur Geltung bringt:
"No matter h o w refined and elaborate the analysis, if it rests solely on the short view it will still be ... a structure built on shifting sands." Viner (1958), 112-113
In der dynamischen Analyse von Integrationsprozessen ist genau wie in der komparativ-statischen Betrachtung nach dem Inhalt von Integrationsabkommen zu differenzieren. Die Abmachungen über den freien Vgl. insbesondere Grossman/Helpman (1991) zum Zusammenhang zwischen Außenhandel und Wachstum sowie Baldwin (1989) und (1992) und Vosgerau (1991) zur Wirkung der Integration auf die mittlere und längere Frist, sowie allgemein die Ansätze der Neuen Wachstumstheorie, die in Bretschger (1996a) zusammengefaßt und in Bretschger (1991) und (1993b) in kürzeren Überblicken dargestellt sind.
6
I. Grundlagen
Handel von Gütern und Dienstleistungen sind das erste zentrale Element der Integration. Politisch finden solche Vereinbarungen eine mehr oder weniger breite Zustimmung unter den Entscheidungsträgern; immer melden aber bereits bei dieser Frage politisch gewichtige Sektoren ihre Vorbehalte an. Freihandelsziele für den Güterverkehr werden bekanntlich auch von anderen, eine größere Zahl von Ländern umfassenden internationalen Organisationen, so namentlich von der WTO, verfolgt. Generell ist der freie Zugang zu den großen Absatzmärkten zu einem der stärksten Argumente für die Schaffung von Binnenmärkten aufgerückt; die Nennung der Zahl der an einem integrierten Markt beteiligten Konsumierenden gehört mittlerweile zum Standard-Repertoire jedes Integrationspolitikers. Die Integration von Faktormärkten, vor allem der Arbeitsmärkte, ist in gewissen Ländern ein vergleichsweise umstritteneres Thema. Während in Nordamerika die internationale Migration an der südlichen USGrenze weiterhin streng reguliert ist, haben auch europäische Länder wie die Schweiz keine eindeutig positive Haltung gegenüber der Niederlassungsfreiheit innerhalb eines integrierten Wirtschaftsraums. Bezüglich der wirtschaftspolitischen Institutionen und der Gestaltung der staatlichen Rahmenbedingungen innerhalb einer Staatengemeinschaft dürfte der Dissens im internationalen Vergleich noch weiter gehen. Aufgrund dieser Gegebenheiten stellt sich die Frage nach der Möglichkeit von länderspezifischen Teil-Integrationsschritten, die den Wünschen der jeweiligen Länder möglichst gut entgegenkommen. In der öffentlichen Diskussion über die politische Union wirken die Vorschläge, verschiedene Geschwindigkeiten der Integration zuzulassen oder gewisse Teilbereiche möglicherweise auszuklammern, jedoch eher lähmend auf den gesamten Integrationsprozeß. 1.1.3 Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen Die Produktivität der staatlichen Rahmenbedingungen und die Effizienz der öffentlichen Dienstleistungen sind gerade in einer Phase der Integration von besonderer Bedeutung. Bei der Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen in supranationalen Institutionen spielen verschiedene Themen eine wichtige Rolle. Zum einen ist abzuklären, wie homogen beziehungsweise heterogen die Präferenzen der Individuen über die Landesgrenzen hinweg im Hinblick auf die Versorgung mit öffentlichen Gütern und die Errichtung von Institutionen sind. In hochentwickelten Wirtschaften scheint die Hypothese durchaus plausibel, daß die Heterogenität hier größer ist als bei der Nachfrage nach privaten Gütern. Größere regionale Einheiten eignen sich besonders dann zur Bereitstellung öffentlicher Güter, wenn Größenvorteile oder Spillover beziehungsweise positive Externalitäten vorhanden sind, wie beispielsweise in der Sicherheit u n d im Umweltschutz. Eine Harmonisierung der Rechtsprechung
1. Wirtschaftsintegration und außenpolitische Zielsetzungen
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vermindert u.a. die Transaktionskosten international tätiger Unternehmen. Zusätzlich ist die umfassende Sicherstellung der Ansprüche auf geistiges Eigentum ein vor allem im Wachstumskontext wichtiger Punkt. Einheitliche Regelungen können auch die Intensität des wirtschaftlichen Wettbewerbs erhöhen, was den Druck zur stetigen Strukturanpassung und zur Flexibilisierung aufrechterhält. Hingegen werden in großen Wirtschaftsräumen wie dem europäischen für die Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen von vielen Regionen unterschiedliche Bedürfnisse und unterschiedliche wirtschaftliche Voraussetzungen geltend gemacht. Auch ist das Argument nicht von der Hand zu weisen, daß staatliche Regelungen um so umständlicher und unflexibler werden, je weiter sie von der Basis entfernt getroffen werden. Je nach Themengebiet sollten deshalb die Regelungen auf der tiefstmöglichen staatlichen Stufe getroffen werden, was dem Prinzip der Subsidiarität entspricht. Subsidiarität steht in Europa aus zwei Gründen im Mittelpunkt der Diskussion. Zum einen haben die Kleinheit, die Vielfalt und das organisch Gewachsene in der europäischen Entwicklung immer schon eine wichtige Rolle gespielt und im Zusammenspiel mit dem Prinzip der Einheitlichkeit und der Normierung - z.B. im mittelalterlichen oder napoleonischen Kaisertum - die langfristige Entwicklung des Kontinents geprägt. Zum andern besitzt die zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften kompetitiv ausgetragene Gestaltung der Rahmenbedingungen eine wichtige dynamische Komponente, die besonders in Europa Beachtung findet. Wohl ist die politische Gestaltung in einzelnen Regionen bei weitem nicht mit der unternehmerischen Tätigkeit in einem vollständigen Markt zu vergleichen, aber auch auf der Ebene der Institutionen findet ohne Zweifel ein Ideenwettbewerb statt. Allerdings sind die Mechanismen, die zu einer Übernahme von pareto-superioren Vorschlägen zur Wirtschaftspolitik aus anderen staatlichen Körperschaften zwingen würden, relativ schwach ausgebildet. Vorschläge, welche die gesamte Bevölkerung eines Landes oder einer Region besserstellen, werden noch lange nicht politisch durchgesetzt, wenn sich die Besserstellung auf den Durchschnitt der Bürger bezieht. Denn der gesamtwirtschaftlichen Effizienz steht immer die Frage der Verteilung von Nutzen und Kosten auf die Bevölkerungsgruppen entgegen. Diejenigen Gruppen, welche sich durch neue Arrangements benachteiligt fühlen, werden sich im politischen Prozeß besonders pointiert dagegen engagieren. Je größer dabei die staatlichen Institutionen ausgebildet sind, um so größer werden für die Interessengruppen die Anreize, den politischen Prozeß für ihre Partikularinteressen zu beeinflussen. Generell muß deshalb in einer Güterabwägung ermittelt werden, in welchen staatlichen Bereichen eine einheitliche Regelung zur Ausnützung der Größenvorteile zweckmäßig ist und wo eine vielfältige Gestaltung gemäß Subsidiarität mehr Vorteile bringt.
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I. Grundlagen
1.2 Dimensionen der langfristigen Entwicklung 1.2.1 Wirtschaftliche Dimensionen Oft wird die langfristige Wirtschaftsentwicklung mit Hilfe von Einkommenszahlen der nationalen Buchhaltungen verglichen. Es ist naheliegend, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Integration mit denselben Zahlen zu beurteilen. Eine solche Analyse kann unter Umständen durch andere Kennzahlen und Konzepte ergänzt werden. Wie später noch ausgeführt wird, beruhen die weiter zu verfolgenden langfristigen Wirkungen auf die Einkommensentwicklung z.B. auf der Ausnützung von Skaleneffekten, von absoluten und relativen Produktivitätsvorteilen in den dynamischen Sektoren sowie von der dynamischen Markt- und Wettbewerbseffizienz. Ein spezielles Thema ist dabei die Frage, inwiefern diese wirtschaftlichen Mechanismen Konvergenzprozesse im Einkommensstand der Länder auslösen und auf welchem Niveau sich das langfristige Gleichgewicht befindet, zu dem die einzelnen Länder konvergieren. Umgekehrt kann beim Thema Konvergenz gefragt werden, ob die wirtschaftliche Integration eine mindestens partielle Konvergenz im Bereich der Wirtschaftspolitik erzwingen oder wenigstens begünstigen kann. Auch auf der politischen Ebene stellen sich damit aus der dynamischen Sicht der Integration andere Probleme als in der statischen. Darauf wird allerdings in der Folge nicht mehr näher eingegangen. Es wurde den Gestaltern des europäischen Binnenmarktes zum Vorwurf gemacht, daß sie die mit den offiziellen Buchhaltungen berechneten, "materiellen" Vorteile des Binnenmarktes als Maß aller Dinge betrachteten. Dagegen seien vor allem Umwelt- und Verkehrsprobleme sowie die ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungen vergleichsweise wenig bedacht worden. Mit dieser Argumentation wird zum Ausdruck gebracht, daß die wirtschaftliche Integration weite Lebensbereiche tangiert, die neben den ohne Zweifel bedeutenden Argumenten zur gesamtwirtschaftlichen Effizienz in der öffentlichen Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Zusätzlich gehören Themen wie der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, die personelle Verteilung der Einkommen, regionale Ungleichheiten sowie Fragen des persönlichen Umfeldes vor und nach einer Integration zu den Bereichen, die das individuelle Wohlbefinden tangieren und wichtige Dimensionen in der politischen Gestaltung der langfristigen Entwicklung darstellen, was im Rest dieses Abschnitts noch weiter dargelegt wird. Viele dieser weiteren Aspekte gelten im allgemeinen Sprachgebrauch nicht eigentlich als "wirtschaftliche" Themen; sie können jedoch mit dem Instrumentarium der Wirtschaftswissenschaften durchaus und oft sehr zweckmäßig untersucht werden. Mit der persönlichen Wohlfahrt beziehungsweise dem Nutzen existiert in der Ökonomie ein Maß, das die individuelle Lebensqualität wiedergibt, die nicht nur die "materielle" Seite des Lebens umfaßt. Eine erfolgreiche Anwendung
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dieser erweiterten Sicht in den Wirtschaftswissenschaften gelang im Bereich der Umweltökonomie, die im folgenden Unterabschnitt zur Sprache kommt.
1.2.2 Negative Externalitäten und Verteilung Wie im Fall der positiven Externalitäten gilt die generelle Aussage, daß die üblicherweise unterstellten Wohlfahrtsgewinne aus dem Außenhandel nicht garantiert sind, wenn negative Externalitäten vorliegen. Die wichtigsten negativen Externalitäten treten heute im Bereich der Umweltverschmutzung im weitesten Sinne auf. Die negativen Externalitäten der wirtschaftlichen Tätigkeiten für Mensch und Umwelt sind durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt; sie bilden mittlerweile einen festen Bestandteil der ökonomischen Theorie. Aus Sicht der Wohlfahrtstheorie sowie aus Überlegungen zur Gerechtigkeit zwischen den Generationen sollte es deshalb das die Umwelt berücksichtigende nachhaltige Wachstum sein, das im Falle einer Integration oder anderer wirtschaftspolitischer Veränderungen als Richtschnur gilt. 6 Offensichtlich handelt es sich hier zum einen um ein Meßproblem. Gäbe das offiziell berechnete Volkseinkommen einer Volkswirtschaft das reale Einkommen und den Wohlstand korrekt wieder, könnte diese Zahl als Grundlage für die Auswirkung des Binnenmarktes verwendet werden. Da bei Verminderung der Umweltqualität die tatsächlichen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten kleiner wären als die heute ausgewiesenen, ergäbe sich auch beim Wohlstandseffekt der Integration ein anderer Wert. Zum anderen ist zu überlegen, welche staatliche oder übernationale Ebene die zweckmäßigste Umweltpolitik, d.h. eine möglichst vollständige Internalisierung der externen Effekte betreiben kann und unter den gegebenen Voraussetzungen betreiben wird. Für viele NichtÖkonomen ist das volkswirtschaftliche Wachstum auch ein Problem der Werthaltung, indem der Nutzen immer größerer Gütermengen bezweifelt wird. Neben dem Hinweis, daß Produktivitätsfortschritte auch in Form einer größeren Freizeit bezogen werden können, verweist die ökonomische Theorie auf die - einer freien und demokratischen Gesellschaft entsprechenden - Souveränität der Konsumierenden. Voraussetzung für die Behauptung, daß durch individuelles Anreizverhalten ein optimales Resultat in der gesamtwirtschaftlichen Allokation erreicht werde, bleibt allerdings, daß die Preise die wahren Knappheitsrelationen zum Ausdruck bringen, d.h. private und externe Kosten in den Preisen enthalten sind. Dabei gilt die Aussage, daß auch unter den Bedingungen einer intensiven internationalen Konkurrenz eine absichtlich
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Weitere Ausführungen zur Nachhaltigkeit folgen unter Abschnitt 3.6.
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I. Grundlagen
zugelassene zu tiefe Bewertung des inländischen Umweltkapitals längerfristig keine volkswirtschaftlichen Vorteile verspricht. Transitländer haben mit den integrativen Bestrebungen ein besonderes Problem: dasjenige des Verkehrs. Eine Vergrößerung der Märkte verstärkt die intra- und internationale Arbeitsteilung, was eine vergrößerte Nachfrage nach Verkehrsleistungen nach sich zieht. Aus der Außenhandelstheorie ist zudem bekannt, daß auf oligopolistischen Märkten ein Zwei-Weg-Handel mit identischen Gütern stattfindet; daraus beziehen die Konsumierenden einen Vorteil in Form einer größeren Konsumentenrente, 7 die Verkehrsnachfrage wird jedoch gesteigert. Diese Veränderung wäre eine ganz normale Strukturanpassung in einer Marktwirtschaft entsprechend den neuen Marktanreizen, wäre nicht der Verkehr der Bereich von negativen Externalitäten "par excellence".8 Auch hier könnte eine Anlastung von externen Kosten im gesamten Bereich des integrierten Wirtschaftsraums das Marktergebnis in eine wohlfahrtstheoretisch günstige Richtung lenken. Daß solche Maßnahmen nicht bereits eingeführt sind, liegt wiederum an den Verteilungswirkungen und dem asymmetrischen Organisationsgrad von Schädigern und Geschädigten. Entsprechen die Kosten des Verkehrs nicht den richtigen volkswirtschaftlichen Kosten, ergibt sich bei der Integration neben den gesamtwirtschaftlichen Effizienzverlusten eine Umverteilung des relativen Wohlstandes zuungunsten der von den Emissionen übermäßig betroffenen Bevölkerung.9 Von der wirtschaftlichen Integration werden weitere Effekte auf die Verteilung erwartet, die allerdings nicht in allen Szenarien auftreten. Eine Liberalisierung von nationalen Arbeitsmärkten bringt bei denjenigen Qualifikationen und Berufen einen höheren Wettbewerbsdruck, bei denen zuvor ein Grenzschutz bestand. In der Schweiz wären dies vor allem die höheren Qualifikationsstufen; da jedoch die Verfügbarkeit hochqualifizierter Arbeit einen wichtigen Baustein für die internationale Wettbewerbsfähigkeit darstellt, 10 ist der Einfluß integrierter Arbeitsmärkte auf die Lohnsätze der qualifizierten Arbeit und damit die Verteilung nicht eindeutig. In einem dichtbesiedelten Land wird zudem ein Einfluß der Integration auf den relativen Faktorpreis des Bodens im Verhältnis zur Arbeit vermutet. Voraussetzung dazu ist allerdings, daß sich die Nachfrage nach Grund und Boden im Falle der Integration markant verändern würde und daß das nutzbare Land in etwa konstant bliebe. Angesichts der nicht eindeutigen Ballungseffekte im integrierten Binnenmarkt, der Migration von Arbeit und der beträchtlichen Baulandreserven 7
Vgl. Brander/Krugman (1983) und Kapitel 6. Diese Einschätzung stammt aus der Verkehrsökonomik. 9 Für eine Studie zur Umweltwirkung des NAFTA-Vertrages mit Hilfe der in diesem Beitrag verwendeten Theorie vgl. Grossman/Krueger (1991). 10 Vgl. Bretschger (1993a) und Kapitel 11. 8
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sind beide Voraussetzungen sehr fraglich. Umverteilungswirkungen könnten sich unter Umständen auch in der Nutzung staatlich bereitgestellter Dienstleistungen ergeben, wenn die Integration eine Immigration von Arbeitskräften auslöst und die Leistungen unter Überfüllung leiden. Allerdings spricht nichts dagegen, die Kapazitäten jeweils der Bevölkerungszahl anzupassen und somit diese Probleme zu minimieren. 1.2.3 Internationalisierte Gesellschaft Die Präferenzen der Individuen werden im Zusammenhang mit der Integration noch in weiterer Hinsicht beeinflußt. Die Wirtschaftswissenschaft behandelt wie erwähnt nicht nur die Versorgung mit materiellen Gütern, sondern umfaßt alle Tatbestände, die auf die individuelle Wohlfahrt einen Einfluß haben. Allerdings gehören die im Zusammenhang mit der Integration zu nennenden Themen in den Grenzbereich der theoretischen Ökonomie, weshalb an dieser Stelle nur eine kurze Bemerkung erscheint. Der kleine Abstecher wird gemacht, weil anhand der politischen Diskussionen zu ermessen ist, daß in der Öffentlichkeit neben den wirtschaftlichen Themen der Integration auch andere Lebensbereiche für äusserst wichtig erachtet werden. Ökonomisch ausgedrückt, besteht das Problem darin, daß es im täglichen Leben eine Fülle von Externalitäten im persönlichen Umgang mit anderen Menschen gibt, die in den wirtschaftlichen Betrachtungen zur Internalisierung externer Effekte normalerweise nicht behandelt werden. Im persönlichen Leben sind die vielfältigen Interdependenzen mit den anderen Individuen zentral, und die Integration von Nationalstaaten in einen gemeinsamen Binnenmarkt verändert diese persönlichen und sachlichen Kontakte jedes einzelnen ohne Zweifel in mehrfacher Hinsicht. Mit vielen anderen Faktoren zusammen üben diese Kontakte einen Einfluß auf das aus, was in der politischen oder populärwissenschaftlichen Diskussion als persönliche "Identität" bezeichnet wird. Die im Zusammenhang mit der Europa-Frage geführte Diskussion um die sogenannte Identität und die dahinter stehenden "Chancen" und "Gefahren" einer Internationalisierung der Gesellschaft hat sich allerdings in keiner Phase als griffig erwiesen. Festzustellen ist, daß auch ohne Beitritt zu einem gemeinsamen Markt Institutionen wie die elektronischen Massenmedien zu einem international offeneren Austausch von Wertvorstellungen geführt haben und daß auch ohne Beitritt zu einem gemeinsamen Markt bereits unzählige Weltbilder und Identitäten innerhalb eines einzelnen Landes existieren. Wertungsneutral erscheint in diesem Zusammenhang die Bemerkung, daß Wesens- und Wertvorstellungen nie und unter keinen Umständen konstant sind; charakteristisch ist vielmehr, daß sie sich im Wechselspiel mit den realen Gegebenheiten verändern. In allen Staaten,
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I. Grundlagen
die an der Integration teilnehmen, wird sich deshalb durch den langfristig veränderten Erfahrungshintergrund der Bürger auch ein Einfluß auf die Werthaltung ergeben. In der Folge soll in dieser Arbeit die Frage im Vordergrund stehen, worin die langfristigen Veränderungen in den wirtschaftlichen Grundlagen aus makrotheoretischer Sicht bestehen; die übrigen Aspekte werden hier nicht weiter verfolgt.
1.3 Der Beitrag der Neuen Makroökonomischen Theorie In allen gesellschaftlichen Problemlösungsprozessen haben die Wirtschaftswissenschaften zwei wichtige Funktionen: Zum einen können sie bei der allgemeinen gesellschaftlichen Zielformulierung mitwirken. Dies kann z.B. mit dem normativen Maßstab des Pareto-Kriteriums geschehen, das verschiedene mögliche Zustände bezüglich gesellschaftlicher Wohlfahrt miteinander vergleicht. Ebenso sind je nach politischer Maßnahme verschiedene Einkommenswirkungen berechenbar, die als Entscheidungsgrundlage eine wichtige Funktion ausüben. Zum zweiten läßt sich mit Hilfe der Wirtschaftswissenschaften bestimmen, wie vorgegebene gesellschaftliche Ziele mit den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden können. Innerhalb der neueren Theorie haben sich in den letzten Jahren bedeutsame Veränderungen und Erweiterungen durchgesetzt. Makroökonomische Modelle sollten heute trotz der bekannten Aggregationsprobleme den Anforderungen der Mikrofundierung genügen. Darüber hinaus ergab sich in letzter Zeit in der Theorie eine Schwergewichtsverlagerung in Richtung der längerfristigen Analyse und damit der Wachstumstheorie. Das Bedürfnis nach besseren Erklärungen für die Wachstumsschwäche der achtziger Jahre hat diesem Bereich ebenso wie neue Ideen der Theoriebildung und der Modellierung zu einem Aufschwung verholfen, der Lucas, einen der bekanntesten MakroÖkonomen der letzten Jahre, in seinem bekannten Beitrag zur Wachstumstheorie zu der Bemerkung veranlaßte: "The consequences for human welfare involved in questions like these are simply staggering: once one starts to think about them, it is hard to think about anything eise." Lucas (1988), 5
Vor allem die Möglichkeit, den langfristigen Wachstumspfad von Volkswirtschaften endogen zu erklären, hat die Attraktivität der Wachstumstheorie stark erhöht. Zuvor und insbesondere in der neoklassischen Wachstumstheorie bestimmte der exogene technische Fortschritt die
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langfristige Entwicklung; Maßnahmen der Wirtschaftspolitik veränderten wohl das Niveau des gesamtwirtschaftlichen Einkommens, aber nie die Neigung des Wachstumspfades. Die Entwicklung innerhalb des Forschungsprogramms der "Neuen Wachstumstheorie" führt genau in diesem Punkt weiter. Der Wachstumspfad ist durch die Modellparameter, simultan mit anderen Variablen, endogen bestimmt und kann durch Veränderungen in der Wirtschaftspolitik beeinflußt werden. Ebenso sind gemäß der neuen Theorie die internationalen Rahmenbedingungen für die in einem Land erreichte Wachstumsrate entscheidend. Zum einen ist dabei die Faktorproduktivität vom Stand des öffentlichen Wissens in der Produktion abhängig; dieses Wissen kann aber über die internationale Wissensdiffusion erhöht werden, was einen ersten Einflußkanal in diesem Bereich darstellt. Zum andern sind die verschiedenen Wirtschaftssektoren in einem Land unterschiedlich ergiebig in ihrem Beitrag zu einer wachstumsfördernden Entwicklung. Da die internationale Arbeitsteilung direkt auf die Wirtschaftsstruktur in einem Land wirkt, hat sie auch gewichtige Auswirkungen auf den langfristigen Entwicklungspfad des Landes. Diese Punkte führen dazu, daß sich die Integrationsproblematik als besonders interessantes Forschungsobjekt der Neuen Wachstumstheorie anbietet. Dieser Meinung ist auch Solow: "So far as I know, European economists have observed this burst of activity in growth but have not participated in it. That is a pity, for two reasons. Americans sometimes seem committed to a very narrow range of substantive and methodological presuppositions; the subject will prosper if many flowers are encouraged to bloom. But the main reason I hope to interest Europeans in these developments is that the new ideas seem especially well adapted to help understand the medium-to-long-term consequences of the unification of the European economy. As will be seen, the distinguishing characteristic of recent work has been its focus on the implications of increasing returns to scale and investment in human capital, both of which seem to be especially relevant in the context of the single European market and the opening up of Eastern Europe to reform, trade and investment." Solow (1991), 3
In Verbindung mit den neuen Ansätzen zur Wachstumstheorie ist die Außenhandelstheorie ein wichtiger Bestandteil der makroökonomischen Untersuchung zur wirtschaftlichen Integration. Unvollständiger Wettbewerb, Skaleneffekte und Externalitäten wurden auch in diesem Bereich in letzter Zeit immer mehr in die Theorie integriert. Die dadurch ermöglichte Modellierung des intraindustriellen Handels führt dabei zur Erklärung, weshalb Länder mit einer relativ ähnlichen Faktorausstattung
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intensive Handelsbeziehungen pflegen. Schließlich ist die Konjunkturanalyse insofern relevant, als die kurz- und mittelfristigen Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten und deren Veränderung durch die Integration den langfristigen Wachstumspfad beeinflussen. Insbesondere auf den Arbeitsmärkten sind konjunkturabhängige Verbreitungsmechanismen nicht nur für den Konjunkturverlauf, sondern auch für die längerfristige Entwicklung bedeutend. Auch nach den umfassenden, von öffentlicher Seite in Auftrag gegebenen Studien zu den Vorteilen des europäischen Binnenmarktes sind aufgrund der genannten Elemente nicht alle theoretischen Fragen zur Integration beantwortet und die Möglichkeiten der Makrotheorie nicht ausgeschöpft.
1.4 Aufbau der vorliegenden Arbeit In der vorliegenden Arbeit wird ein mikrotheoretisch fundiertes Makromodell entwickelt, das die neuen Erkenntnisse der Außenhandels-, Konjunktur- und Wachstumstheorie für die vorliegende Fragestellung umsetzt. Daraus werden Schlüsse über die Folgen des Integrationsprozesses für den Wachstumspfad der beteiligten Volkswirtschaften gezogen. Die theoretische Bestimmung des langfristigen Entwicklungspfades eines Landes ist ein ausgesprochen komplexes und überaus anspruchsvolles Forschungsgebiet. Dasselbe gilt für die Veränderungen, die durch die Integration verschiedener Volkswirtschaften in einen Binnenmarkt entstehen. Jedes der angesprochenen Theoriegebiete hat seine formalen Eigenheiten, die in einer umfassenden Modellierung zu berücksichtigen sind. Wie bereits im Vorwort argumentiert, bleibt das Thema der wirtschaftlichen Integration aktuell. Vor allem aber ist die Themenstellung von der Theorie her eine Herausforderung, weil sie die Möglichkeit schafft, die Erklärungsmöglichkeiten der neuen makroökonomischen Beiträge in einem einheitlichen Forschungsprogramm im Hinblick auf fruchtbare Anwendungen zum Ausdruck zu bringen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die genannten Theorieansätze zu einem Gesamtmodell zusammenzufügen und für die Untersuchung der langfristigen Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration nutzbar zu machen. Daraus wird nicht wie in den offiziellen Berichten zum europäischen Binnenmarkt eine einzige Meßzahl in den Vordergrund gerückt, welche die Wachstumsveränderung durch wirtschaftliche Integration wiedergibt. Aufgrund der bestehenden Lücken im empirischen Grundlagenwissen erscheint eine solche Angabe als nicht zweckmäßig. Was aus dieser Arbeit resultiert, ist eine theoretische Einschätzung des langfristigen Einflusses der Integration auf die beteiligten Volkswirtschaften sowie qualitative Aussagen für alle betrachteten Fälle. In mehre-
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ren Bereichen lassen sich dabei bereits aus der Theorie sowie unter Einsatz von kalibrierten Daten griffige Ergebnisse ableiten. Durch diese Grundlagenarbeit kann der vorliegende Beitrag auch eine Basis dafür bilden, die empirischen Kenntnisse in diesem Bereich gezielt und effizient zu erweitern und damit verbesserte quantitative Resultate zu den Auswirkungen eines Binnenmarktprogramms zu ermöglichen. Da die wirtschaftliche Integration beziehungsweise der Freihandel, die Migration und der internationale Wissensaustausch wichtige Themen auf allen Ebenen und in vielen geografischen Regionen bleiben werden, erscheint es lohnend, die Forschung in diesem Bereich weiter voranzutreiben. Die Arbeit gliedert sich in vier Teile: • Der Rest von Teil I vermittelt die Grundlagen zur Untersuchung. Zuerst werden die traditionelle statische Analyse und die offiziellen Europa-Studien zum Binnenmarkt dargestellt. Anschließend folgen Erläuterungen zur Methodik und zum Erklärungsgegenstand der dynamischen Sicht der Integration. • Teil II umfaßt den Aufbau des makrotheoretischen Modells, mit dessen Hilfe die langfristigen Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration untersucht werden. Der erste Schwerpunkt liegt dabei auf der Herleitung der Prognosen in der Neuen Wachstumstheorie. Weiter wird dargestellt, wie technische Innovationen in die Makrotheorie eingebaut werden können und wie sich dadurch ein endogenes Wachstum bestimmen läßt. Im Rahmen des weiteren Modellaufbaus folgen die Erläuterungen zu den Außenhandels- und Konjunkturaspekten, die zur Beurteilung der Integrationswirkungen ebenfalls notwendig sind. • In Teil III wird das zuvor aufgebaute Makromodell zur Untersuchung der langfristigen Auswirkungen der Integration verwendet. Nach einer Übersicht folgen die Berechnungen zur Wirkung von Wissenstransfers, zu den Effekten der Liberalisierung der Gütermärkte sowie zu den Wachstumswirkungen freier Arbeitsmärkte. • Teil IV faßt die wichtigsten Ergebnisse zusammen, bespricht deren wirtschaftspolitische Relevanz und evaluiert Möglichkeiten zur empirischen Überprüfung von entscheidenden Punkten. Die Arbeit bezieht sich auf die wirtschaftliche Integration in einem allgemein fundierten makrotheoretischen Modell. Die Inspiration zur Theoriebildung wird aus einer breiten Palette von internationalen Daten gewonnen. In verschiedenen Abschnitten des ersten Teils gelangt zur Veranschaulichung speziell die europäische Integration zur genaueren Darstellung.
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2. Kapitel Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
Unter der traditionellen Analyse verstehen wir die Gesamtheit der theoretischen und anwendungsorientierten Beiträge bis zu den großen Binnenmarktstudien zum gemeinsamen Europäischen Markt, die Ende der achtziger Jahre entstanden. In diesen Arbeiten wurden überwiegend Elemente der Außenhandels- und der Wettbewerbstheorie verarbeitet. Charakteristisch für die Literatur ist der Vergleich von Gleichgewichtszuständen, demjenigen vor und demjenigen nach der Integration, die vollständig statisch sind. Teilweise fand durch die Annahme von Übergangsfristen eine Ergänzung statt. Die langfristige Dynamik findet jedoch in der - so definierten - traditionellen Analyse keine besondere Beachtung.
2.1 Integration in der Außenhandelstheorie Im Rahmen der Außenhandelstheorie ist die Wirkung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen auf die Gütermärkte ein zentrales Thema. Aus den Erkenntnissen über die Einführung von Handelshemmnissen kann durch Umkehrschluß auf den Effekt eines Abbaus der Hemmnisse geschlossen werden. Darauf aufbauend behandelt die Integrationsanalyse der Außenhandelstheorie den geografisch differenzierten Abbau, genauer gesagt: die Effekte der "Handelsablenkung" und der "Handelsschaffung" 11 durch die Formierung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums unter Partnerländern. Die Handelsablenkung betrifft die Ersetzung der Importe eines Landes von Nichtpartnerländern durch solche von Ländern mit bevorzugtem Marktzutritt. Von Handelsschaffung wird gesprochen, wenn die geschützte landeseigene Produktion durch Importe aus Partnerländern ersetzt wird. Diese spezifischen Effekte werden meist auf die Gütermärkte beschränkt untersucht; in den Beiträgen 11
Die Bezeichnungen stammen von Viner (1950).
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
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wird zudem überwiegend von vollständiger Konkurrenz auf den betrachteten Märkten ausgegangen. Die Ergebnisse der Außenhandelstheorie sind an dieser Stelle kurz zusammengefaßt, wobei zuerst die generelle Wirkung, dann die partielle Aufhebung von Hemmnissen zur Sprache kommt.
2.1.1 Handelshemmnisse bei vollständiger Konkurrenz Wenden wir uns zuerst der Importseite zu und schließen nachher auf die Exportwirkungen. Handelshemmnisse, welche die Kosten von importierten Gütern künstlich erhöhen, verzerren das Preisgefüge zwischen inund ausländischen Gütern. Dies vermindert die allokative Effizienz der freien Märkte. 12 Wird in einem Land mit vollständiger Konkurrenz ein bestimmtes importiertes Gut, zu dem ein vollständiges Substitut im Ausland produziert wird, über Handelshemmnisse verteuert, sind für dieses Gut vier Konsequenzen zu beobachten: • Der Preis des Gutes im Inland steigt (vollständige Konkurrenz). • Die Produktion des Gutes nimmt im Inland zu (positiv geneigte Angebotskurve). • Die Nachfrage nach dem Gut geht zurück (negativ geneigte Nachfragekurve). • Die Importe des Inlandes sinken. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die Wohlfahrt im betrachteten Land. Die Wirkung hängt davon ab, ob die eingeführten Handelshemmnisse Einnahmen in der Form von reinen Renten generieren oder ob sie höhere Kosten in der Produktion nach sich ziehen. 13 Ein typisches Beispiel für den ersten Fall ist die Einführung eines Zolls. Diese Maßnahme hat drei Effekte: Einmal entstehen Zolleinnahmen für den Staat, sodann geht wegen des höheren Preises Konsumentenrente verloren, und schließlich nimmt die Produzentenrente mit steigendem Preis zu. Die Wohlfahrtsgewinne in Form der Zolleinnahmen (Renten des Staates) und der Produzentenrente sind gemäß Außenhandelstheorie kleiner als die Wohlfahrtsverluste für die Konsumierenden; dies ist der Ausdruck der geringeren Allokationseffizienz nach dem Eingriff in den freien Markt. Wird ein Zoll auf demselben Gut im Rahmen eines Freihan12
Ausführlichere Darstellungen zur hier besprochenen Problematik finden sich z.B. in Helpman/Krugman (1989) und Zweifel (1996). 13 Den Unterschied zwischen den beiden Arten von Handelshemmnissen betont z.B. Baldwin (1994), 27 ff.
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I. Grundlagen
delsprogramms reduziert oder abgeschafft, ist symmetrisch dazu ein Wohlfahrtsgewinn zu beobachten. Ebenso wie Zölle erhöhen Mengenrestriktionen wie Kontingente oder freiwillige Exportbeschränkungen des Auslandes die Preise der Güter im Inland. Findet keine Versteigerung der Kontingente statt (was meistens der Fall ist), fallen in diesen Fällen - im Unterschied zu vorher - die Renten im Ausland an. Damit vergrößert sich der inländische Wohlfahrtsverlust, der sich durch die Handelshemmnisse ergibt, denn es entstehen keine Einnahmen (Renten) im Inland. Andere Handelshemmnisse führen nicht zu reinen Renten, sondern verursachen höhere Kosten für den Import von Gütern. Beispiele dazu sind international "unübliche" Industrie- oder Gesundheitsnormen, die - mindestens teilweise - zur Abwehr unliebsamer Konkurrenz aus dem Ausland eingeführt werden. Auch hier sind die Wohlfahrtsverluste größer als bei den Zöllen, denn wiederum fallen keine Zolleinnahmen im Inland an. Von der Wirkung auf der Importseite des Inlandes kann auf die Effekte in den exportierenden Ländern geschlossen werden. Diese erleiden durch die Einführung von Handelshemmnissen von Importändern ebenso einen Wohlfahrtsverlust, der wie folgt begründet werden kann: Die Exporteure bekommen wegen der Hemmnisse für ihre Produkte einen geringeren Preis, denn für sie ist der Verkaufspreis abzüglich des Zollsatzes maßgebend. Wegen der vollständigen Konkurrenz fällt auch der Preis in den Heimmärkten der Exporteure. Damit gehen die Produktion und der Export des Auslandes zurück. Bezüglich Wohlfahrt profitieren die Konsumierenden im Ausland wegen der geringeren Preise, aber sie gewinnen weniger, als die ausländischen Produzenten verlieren, denn auch hier würde der freie Markt zum allokativen Optimum führen.
2.1.2 Handelsschaffung und Handelsablenkung Handelshemmnisse haben in praktisch allen Ländern, die sich für eine überstaatliche Integration entscheiden, eine lange Tradition. Schließen sich Länder zu Wirtschaftsgemeinschaften zusammen, werden die Mitgliedländer begünstigt beziehungsweise von Hemmnissen befreit, Drittländer aber meistens gleich behandelt wie zuvor. Allenfalls kann eine Gemeinschaft uniforme Hemmnisse gegen außen beschließen. Geografisch unterschiedliche Hemmnisse führen - wie bereits in der Einführung erwähnt - zu Handelsschaffung und zu Handelsablenkung. Sind die Handelshemmnisse geografisch unterschiedlich, so gilt generell, daß die Importeure nicht immer aus denjenigen Ländern Güter einführen, in denen die Herstellkosten am tiefsten sind. Das Inland wird Güter aus dem Land importieren, bei dem der Wert "Preis plus Zoll" am tiefsten
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
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ist. Werden in einer Wirtschaftsgemeinschaft Zölle reduziert oder abgeschafft, kann dies zu einer Umleitung der Importströme von TiefkostenProduzenten aus Drittländern zu Hochkosten-Produzenten aus der Wirtschaftsunion führen. Aus der wohlfahrtsökonomischen Analyse ist diese Handelsablenkung ein Verlust, der dem Wohlfahrtsgewinn des Zollabbaus entgegensteht. Ein Zollabbau im Integrationsgebiet hat im einzelnen folgende Auswirkungen: Zum ersten verliert die inländische Regierung Zolleinnahmen. Zum zweiten wird die Situation der inländischen Produzenten durch die sinkenden Preise beeinträchtigt, während die inländischen Konsumierenden vom selben Preisabbau profitieren. Die Umlenkung der Importe auf Hochkosten-Produzenten ist unvorteilhaft, weil das Inland netto mehr für die Güter bezahlen muß. Genauer gesagt: Obwohl die inländischen Konsumierenden weniger bezahlen, werden die Güter wegen der wegfallenden Zolleinnahmen für das Inland insgesamt teurer. Dies ist der negative Effekt der Handelsablenkung. Dagegen steht der positive Effekt der Handelsschaffung in einer Wirtschaftsgemeinschaft. Dieser entsteht dadurch, daß die inländische Produktion teilweise durch billigere Importe aus den Integrations-Partnerländern ersetzt wird. Die in der inländischen Produktion beschäftigten Faktoren werden damit für produktivere Einsatzmöglichkeiten freigestellt.14 Der Wohlfahrtseffekt eines geografisch asymmetrischen Abbaus von Zöllen kann insgesamt positiv oder negativ sein; theoretisch sind beide Fälle denkbar. Falls allerdings das Inland schon vor der Integration einen großen Teil seiner Güter aus den Partnerländern der Gemeinschaft bezogen hat, waren diese Länder schon vor der Integration die TiefkostenProduzenten. Damit reduziert sich die Gefahr der wohlfahrtsmindernden Handelsablenkung durch Integration. Der Wohlfahrtsverlust der Ablenkung tritt sogar überhaupt nicht ein, wenn die Renten der Handelshemmnisse zuvor im Ausland anfielen. Wie bereits ausgeführt, ist dies bei Kontingentierungen (ohne Versteigerung der Kontingente), bei freiwilligen Exportbeschränkungen des Auslandes sowie bei Hemmnissen mit Kostenfolgen anstelle von Einnahmen der Fall. In diesen Fällen entsteht auch bei einem asymmetrischen Abbau der Hemmnisse bei einer Integration immer ein Wohlstandszuwachs für das Inland.
2.2 Faktormärkte und unvollständiger Wettbewerb Die bisher dargestellte Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen der Integration ist auch heute noch ein wichtiger Beitrag der Theorie zum 14
Für die Sicherung dieses Wohlfahrtsgewinns muß allerdings permanente Markträumung unterstellt werden.
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I. Grundlagen
Thema. Sie betrifft jedoch die derzeit brennenden Fragen nur zu einem kleineren Teil. Denn vor allem für Europa trifft zu, daß - auch vor der Vereinigung zum Europäischen Binnenmarkt - die hauptsächlichen Beziehungen im Außenhandel immer schon auf andere europäische Länder gerichtet waren. Dasselbe gilt für die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums, d.h. für die Beziehung zwischen den (ehemaligen) EFTA-Staaten und den EU-Ländern. Zudem waren in Europa die Zollsätze schon vor Schaffung des Binnenmarktes relativ moderat. Damit war und ist die Gefahr einer umfangreichen Handelsablenkung relativ gering, während andererseits der potentielle Wohlstandsgewinn aus dieser Perspektive ebenfalls limitiert ist. In der Folge wird ausgeführt, weshalb die Begrenzung der Integrationsanalyse auf die Gütermärkte und die vollständige Konkurrenz zu eng ist.
2.2.1 Liberalisierung der Faktormärkte Die im Europäischen Binnenmarktprogramm festgelegte Durchsetzung der sogenannten vier Freiheiten zeigt einen weiteren Aspekt der wirtschaftlichen Integration: den freien Verkehr auf den Faktormärkten. Dies betrifft vor allem die Faktoren Kapital und Arbeit, die in die Integrationstheorie aufzunehmen sind. Während in der älteren Außenhandelsliteratur die Güter als international mobil, die Faktoren jedoch international als immobil betrachtet wurden, sind in der neueren Theorie die Migration von Arbeit sowie die grenzüberschreitenden Direktinvestitionen zu einem gleichwertigen Forschungsthema herangewachsen. 1 5 Gegenüber den einfachen Modellen sorgen in der Realität die große Anzahl von Produktions-Inputs, das Vorhandensein von intersektoral immobilen Faktoren und Institutionen, das Auftreten von Marktverzerrungen u.a.m. zu ungleichen Faktorpreisen, so daß Faktorwanderungen nicht durch intensive Gütermarktbeziehungen obsolet werden. Mit anderen Worten ausgedrückt, verkleinert sich dadurch in der Realität der Bereich, in welchem das Faktorpreisausgleichstheorem der traditionellen Theorie seine Gültigkeit hat. In den meisten Ländern ist die Zulassung ausländischer Arbeitkräfte zum inländischen Arbeitsmarkt stark reglementiert. Oft werden strikte Kontingentierungen nach verschiedenen Kriterien vorgegeben. Nach der Bildung des Binnenmarktes bildet die Migration zwischen den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums hier die Ausnahme. Auch die Beschränkung von Kapitalbesitz durch Ausländer kann in vielerlei Hinsicht begrenzt werden. Wird es z.B. ausländischen Investoren erschwert, im Inland Boden zu erwerben oder namhafte Beteiligungen an Firmen zu 15
Vgl. dazu u.a. Ethier/Svensson (1986) und Ruffin (1984).
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
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halten, ergibt sich damit eine Einschränkung der internationalen Kapitalmobilität. Neben Arbeit und Kapital sind weitere Faktoren von Bedeutung. Oftmals wenig Beachtung findet in der gesamten Beurteilung von Binnenmarktprogrammen z.B. der internationale Austausch eines Faktors, der allgemein als zentral für die längerfristigen Wachstumschancen einer Volkswirtschaft angesehen wird: der Austausch von technischem, organisatorischem und kulturellem Wissen. Die Bedeutung des Faktors Wissen und die Bedingungen für seine Akkumulation sind fest in der Neuen Wachstumstheorie verankert. Falls die Vorstellung des direkten Einflusses des allgemeinen Wissensstandes auf die Faktorproduktivität empirisch zutrifft, ist der Einfluß des vermehrten internationalen Austauschs in diesem Bereich offensichtlich. Da das Wissen in der dynamischen Betrachtung zentral ist, wird es in der Folge ab Kapitel 3 zur Sprache kommen. Die weiteren Produktionsfaktoren wie Grund und Boden sowie die wirtschaftspolitischen Institutionen sind dagegen weitgehend immobil. Diese sind aber für den Integrationsprozeß indirekt von Bedeutung, indem sie sich in ihrem Preis und allenfalls in der Qualität anpassen. Die Interdependenzen der Integration mit diesen Faktoren ist bisher nur in einem beschränkten Umfang untersucht worden. Die Faktormobilität ist auch ein wichtiger Einflußfaktor für die wirtschaftliche Geografie. Einerseits häufen sich die Produktionsfaktoren in gewissen Regionen, andererseits finden in den verschiedenen Regionen Spezialisierungen in den Einsätzen der Faktoren statt. Im Zeichen der zunehmenden Konkurrenz der Wirtschaftsstandorte im internationalen Wettbewerb hat die Erklärung der geografischen Zuordnung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu gewissen Regionen massiv an Bedeutung gewonnen. In der älteren Literatur wurden vor allem drei Gründe für die Ballung von Aktivitäten in Agglomerationen genannt: 16 die Bildung von großen Arbeitsmarkt-Pools mit einer differenzierten Auswahl an Qualifikationen für die ansässigen Unternehmungen, die in einem Ballungszentrum anzutreffende Vielfalt der angebotenen Zwischenprodukte sowie die Übertragung von Wissen beziehungsweise wichtigen Informationen zwischen den Unternehmungen. Diese Effekte - vor allem die Wissensdiffusion - sind auch in der neueren Theorie von großer Bedeutung. 17 Zusätzlich werden heute betriebsinterne Größenvorteile der Unternehmungen sowie die Rolle von Transaktions- und Transportkosten ins Feld geführt, welche die Wirkung von Ballungseffekten verstärken. In den entsprechenden Modellen ergibt sich, daß die über Simulationen berechneten geografischen Gleichgewichte typischerweise nicht eindeutig, sondern multipel und relativ labil sind. Die simulierte Entwicklung der wirtschaftlichen Geografie hängt stark vom ursprüngli16 17
Marshall (1920) Zur Wissensdiffusion vgl. insbesondere Abschnitt 4.4 und Kapitel 9.
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I. Grundlagen
chen Zustand und von einer Vielzahl von kleineren Einflüssen ab. Deswegen können auch kleinere wirtschaftspolitische Maßnahmen eine große Wirkung haben, wenn die Wirtschaftsstruktur von einem geografischen Gleichgewicht in ein anderes gelangt. 18
2.2.2 Zunehmende Wettbewerbsintensität Die Zulassung von Freihandel und die Formierung von übernationalen Binnenmärkten erhöhen typischerweise die Wettbewerbsintensität in den beteiligten Volkswirtschaften - ein Phänomen, das bei der generellen Annahme vollständiger Konkurrenz vor und nach der Integration keine Beachtung finden kann. In Abweichung von der vollständigen Konkurrenz können in der theoretischen Analyse verschiedene Marktformen und -konstellationen betrachtet werden. Ein theoretisches Beispiel ist das im Inland vollständig geschützte Monopol, zu dessen Produkt ein perfektes Substitut auf dem Weltmarkt existiert. Das Monopol setzt - gemessen am wohlfahrtstheoretischen Optimum - einen zu hohen Preis und verkauft eine suboptimale Menge. Damit entsteht ein Extragewinn. Wird nun unterstellt, daß das Inland einen unbeschränkten Zugriff auf Importe desselben Gutes aus dem Ausland hat, ändert sich die Situation. Durch Freihandel fällt der Übergewinn weg, denn jegliche Preisdifferenz zwischen den im Inland und den im Ausland hergestellten Gütern wird durch die Marktkräfte eliminiert. In der unvollständigen Konkurrenz gilt, daß bereits der Wegfall von geringen Handelshemmnissen eine relativ große Wirkung auf die Wohlfahrt haben kann. Der Grund dafür liegt darin, daß die sogenannte Segmentierung der Märkte durch die Formierung eines gemeinsamen Markts aufgehoben wird. Vor der Integration gehen die Unternehmungen gemäß Theorie bei unvollständiger Konkurrenz nämlich davon aus, daß die Menge, die sie in einem nationalen Markt verkaufen, keinen Einfluß auf den Preis in den anderen Märkten hat. Dadurch wird es möglich, in den einzelnen Märkten verschiedene Preise zu setzen. Oft nehmen dabei die lokalen Unternehmungen in ihrem Heimmarkt eine dominante Position ein. Mit der Bildung einer Wirtschaftsgemeinschaft verschwinden die Marktabgrenzungen, und die Preise sinken aufgrund von geringeren Renten. Ebenso können betriebsinterne Größenvorteile besser ausgenützt werden, wenn die Produktionsmengen aufgrund der höheren Nachfrage steigen. Die Bedeutung der Skaleneffekte ist gerade in Europa auf keinen Fall zu unterschätzen, denn der größte Teil des innereuropäischen Han1 8 In Abschnitt 3.3.2 wird der Gedanke mit der Diskussion der sog. "Wettbewerbsfähigkeit" wieder aufgenommen.
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
23
dels ist auf die Ausnützung von Skaleneffekten zurückzuführen. Dagegen ist die relative Ausstattung mit Produktionsfaktoren, die andere große Quelle des Außenhandels, in Europa zwischen den verschiedenen Ländern relativ ähnlich. Eine weitere Wirkung der Marktöffnung ist in diesem Zusammenhang, daß informelle Zusammenschlüsse und Kartellabsprachen zwischen in- und ausländischen Firmen schwieriger sind, womit sich die Intensität des Wettbewerbs durch die Integration ebenfalls erhöht.
2.2.3 Beurteilung der Erweiterungen In den neueren Beiträgen theoretischer und anwendungsbezogener Ausrichtung zeigt es sich, daß gegenüber der traditionellen Außenhandelstheorie eine bedeutende Schwerpunktverlagerung stattgefunden hat. Der erste Punkt betrifft dabei die Faktormobilität, die im Zeichen der immer größer werdenden Konkurrenz zwischen den Wirtschaftsstandorten eine viel bedeutendere Rolle spielt als früher. In gewissen Fällen wie z.B. der Schweiz hat die Integration des Arbeitsmarktes ein wesentliches Gewicht innnerhalb der gesamten Analyse. Vor allem aber liegt der Akzent in den neueren Integrationsstudien auf den Marktformen mit unvollständiger Konkurrenz sowie auf einer Produktionstechnik mit abnehmenden Durchschnittskosten auf Unternehmens- und Branchenebene. Ohne diese in der Theorie der letzten Jahre aufgenommenen Erweiterungen würden sich die in den EuropaBerichten und anderen Studien berechneten Integrationsgewinne drastisch reduzieren. 1 9 Der Freihandel ist in den erwähnten Studien die Voraussetzung für eine Öffnung unvollständiger Märkte, die im Prinzip in etlichen Bereichen auch mit anderen Mitteln erreichbar wäre. Die Konsequenzen dieser Öffnung werden modelltheoretisch mit einem Instrumentarium beurteilt, das aus der Industrieökonomik (im angelsächsischen Sprachraum "Industrial Organization") stammt. Durch den Einbezug von spieltheoretischen Elementen sowie allgemeinen und partiellen Gleichgewichten bei monopolistischer und oligopolistischer Konkurrenz hat sich dieser Forschungszweig zu einem bedeutenden und analytisch anspruchsvollen Forschungsgebiet gewandelt. Der Einschluß der unvollständigen Konkurrenz in die Außenhandelstheorie war eine gewisse Zeit lang eines der aktivsten Forschungsgebiete. 20 In den theoretischen Außenhandelsmodellen werden meist Autarkiezustände mit Freihandelszuständen verglichen, während die heute disVgl. dazu den folgenden Abschnitt. In H e l p m a n / K r u g m a n (1985 und 1989) finden sich mehrere dieser Theorien im Uberblick. 19
20
24
I. Grundlagen
kutierten Integrationprozesse eigentlich Übergänge von unvollständigem Freihandel zu einem vollständigeren Freihandel bedeuten. Dieser Unterschied im Ausmaß der Anpassung ist in den in dieser Arbeit behandelten Fällen nur als quantitativer Unterschied bedeutend, ändert aber an den grundsätzlichen qualitativen Aussagen nichts. In den Europa-Studien wird der graduelle Charakter der Veränderungen teilweise explizit berücksichtigt, nämlich dort, wo Transaktionskosten als Teil der allgemeinen Handelskosten im Zuge der Integration wegfallen.
2.3 Berichte zum Europäischen Binnenmarkt 2.3.1 Studien zum gesamten Markt In der Öffentlichkeit fanden die ökonomischen Berechnungen zu den Vorteilen des europäischen Binnenmarktes eine große Resonanz. Die mit starkem Medienaufwand verbreiteten Hauptresultate wurden in der Allgemeinheit als glaubwürdig und recht verläßlich beurteilt. Das herausragende Ergebnis besagt, daß die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes im Jahr 1992 in den beteiligten Volkswirtschaften einen einmaligen Anstieg des Bruttosozialproduktes von rund 5 Prozent, verteilt über sechs bis zehn Jahre, hervorruft. Eher zögernd und mit vergleichsweise wenig Breitenwirkung haben seither verschiedene Wirtschaftswissenschaftler ihre Kritik an Vorgehen und Methodik der betreffenden Integrationsstudien formuliert. Keineswegs sollte damit die große wissenschaftliche Anstrengung oder wirtschaftspolitische Relevanz der geleisteten Arbeit bezweifelt werden. Doch dürfte die Behauptung angemessen erscheinen, daß nur mit dem Aufzeigen der Schwachpunkte und Auslassungen in den ursprünglichen Kalkulationsmethoden ein vollständigeres Bild der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der europäischen Integration entstehen kann. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind für weitere Integrationsentscheidungen innerhalb und außerhalb von Wirtschaftsunionen von Bedeutung. Die zahlreichen Beiträge und Spezialuntersuchungen zu den wirtschaftlichen "Kosten der NichtVerwirklichung" eines europäischen Binnenmarktes finden sich in 16 ausführlichen Bänden der EG-Kommission. 21 Zusammenfassend sind die wichtigsten Analysen und Berechnungen in einem Hauptbericht der Europäischen Gemeinschaft 22 sowie in einer populären Fassung 23 festgehalten. Grundsätzlich wird in der 21 22
EC-Commission (1988a): Research on the "Cost of Non-Europe". EC-Commission (1988b): The Economics of 1992 .
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
25
Analyse zwischen mzTcraökonomischen und ma/croökonomischen Effekten unterschieden. Diese zwar gängige, seit der methodisch weitgehend verwirklichten mikroökonomischen Fundierung der neueren Makrotheorie aber nicht unproblematische Katalogisierung wird in den Berichten auf eine etwas spezielle Art interpretiert. Es zeigt sich, daß das Schwergewicht der offiziellen Berichte eindeutig auf der Ebene liegt, die unter der mikroökonomischen Etikette in den Bericht aufgenommen wurde. Auf der Grundlage von einzelwirtschaftlichen Studien und Branchensimulationen werden hier die Auswirkungen einer erhöhten Markteffizienz analysiert und anschließend in Prozente des gesamten Einkommens hochgerechnet. Die sogenannten makroökonomischen Auswirkungen betreffen wohl einige zusätzliche volkswirtschaftliche Variablen wie Preisniveau und Verschuldung der öffentlichen Haushalte, sind jedoch subsidiär aus den Mikroergebnissen abgeleitet und stammen nicht aus separaten methodischen Grundlagen. Im sogenannten Cecchini-Bericht heißt es:
"Die mikroökonomische Methode untersucht die Auswirkungen des Angebotsschocks der EG-Marktintegration auf Unternehmen und Verbraucher und die öffentliche Hand. Die makroökonomische stellt demgegenüber die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die wirtschaftlichen Grundindikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt, Inflation, Beschäftigung, öffentlichen Finanzen und die außenwirtschaftliche Position in den Mittelpunkt." Cecchini et al. (1988) 100
Der mikroökonomische Gesamteffekt wurde aus den Teilbereichen der Grenzkontroll- und -abgabeneffekte, Markteintritts- und Wettbewerbseffekte sowie Skalen- und Restrukturierungseffekte zusammengerechnet. Selbst ausgewiesene Kenner der Materie bezeichnen die fachmäßige Beurteilung der zusammenfassenden Kalkulation der Forschungsgruppe u m Cecchini als beschwerliche Kleinarbeit, da die Informationen aus über dreißig Einzelsektoren stammen und die Methodik der Hochrechnungen nicht überall klar aufgezeigt wird. 2 4 Als Grundlage der endgültigen Resultate des Cecchini-Berichtes dienten hauptsächlich drei Studien:
23 24
Cecchini et al.(1988), siehe auch Emerson et al. (1988). Unsere Darstellung stützt sich stark auf die gute Analyse in Melchior (1990).
26
I. Grundlagen
Tabelle 1: Wohlstandswirkungen des EG-Binnenmarktes gemäß CecchiniBericht" Zunahme des Bruttosozialproduktes in Mia. ECU zu Preisen von 1985
Zunahme des Bruttosozialproduktes in Prozenten
Wirkungsbereich
Quelle
Direkte Vorteile des Abbaus von Handelsschranken
Cawley/Davenport
8-9
0.2-0.3
Kostendegression aufgrund des Abbaus von Handelsschranken
Cawley/Davenport
57-71
2.0-2.4
65-80
2.2-2.7
Summe: Direkte Effekte
a
Nutzung von Größenvorteilen
Smith/Venables Aujean
16 b 60-61
0.5 2.1
Verstärkter Wettbewerb
Smith/Venables
46
1.6
Summe: Indirekte Effekte
62-107
2.1-3.7
Totaleffekt
127-187
4.3-6.4
Entnommen aus Cecchini et al. (1988), 122, und Melchior (1990), 4 Errechnet aus dem gesamten indirekten Effekt minus Wettbewerbseffekt nach Smith/ Venables
b
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
27
• die Studie von Cawley und Davenport (1988), die sich ihrerseits auf Fachstudien von Beratungsfirmen abstützt. Zu einem kleineren Teil benutzen die Autoren ein Zollunionsmodell, im übrigen simulieren sie Kostensenkungen anhand eines Modells einer integrierten Volkswirtschaft. • die Arbeit von Aujean (1988), die - ebenfalls basierend auf Vorstudien die Effekte fallender Durchschnittskosten in der Produktion analysiert. In der Annahme, daß sich diese Veränderungen voll in den Preisen reflektieren, werden die Auswirkungen auf die Wohlfahrt berechnet. • die Simulationsstudien von Smith und Venables (1988), die Wohlfahrtsgewinne aufgrund von zunehmender Wettbewerbsintensität und von Skaleneffekten in der Produktion berechnen. Entsprechend den neuen Erkenntnissen der Wettbewerbstheorie verwenden die Autoren realitätsnahe Annahmen wie Produktdifferenzierung, zunehmende Skalenerträge und oligopolistische Anbieter.
Die auf der Basis dieser Hauptstudien hochgerechneten Einkommenszuwächse verteilen sich auf die verschiedenen Wirkungsbereiche, die in Tabelle 1 abgebildet sind. Aus der Tabelle wird ersichtlich, daß die sich erst nach einer gewissen Anpassungsphase auswirkenden Effekte der zunehmenden Skalenerträge und der verstärkten Konkurrenz sehr bedeutend sind. Die Berücksichtigung der entsprechenden Tatbestände ist im Vergleich zu früheren Studien mit ähnlicher Themenstellung als origineller Beitrag des Cecchini-Berichts zu werten. Durch die auf dieser ersten Stufe errechnete gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritte kann der aggregierte Output in den beteiligten Ländern ohne Inflationsauswirkung gesteigert werden. Die dem langfristigen Gleichgewichtsdenken verpflichtete Prognose einer dämpfenden Wirkung der wirtschaftlichen Integration auf die Preisentwicklung schafft überdies einen beträchtlichen Spielraum für eine expansive Wirtschaftspolitik. Diese Option wird durch die prognostizierte Entlastung der öffentlichen Haushalte im Integrationprozeß zusätzlich unterstützt. Je nach Einsatz einer ergänzenden Wirtschaftspolitik kann sich die Integrationswirkung nach Meinung der Autoren noch um rund 2-3 Prozentpunkte vergrößern. 25 Trotz der Produktivitätsfortschritte und der sektoralen Reallokationen von Ressourcen gehen die Autoren im Cecchini-Bericht von einem integrationsbedingten Zuwachs von 1.8 Mio. Arbeitsplätzen in der Europäischen Gemeinschaft aus. Diese Zahl soll sich bei einem teilweisen Einsatz der entstehenden öffentlichen Budgetmittel für expansive Programme auf 4-5 Mio. Arbeitsplätze erhöhen.
25
Cecchini et al. (1988), 132 , vgl. auch Dornbusch (1989), 346 ff.
I. Grundlagen
28
2.3.2 Studie zur Schweiz In der Schweiz wurde im Europa-Bericht zuhanden des Bundesrates 26 aufgrund der speziellen institutionellen Gegebenheiten auf den Arbeitsund Gütermärkten eine etwas andere Unterteilung gewählt. 27 Für die eher kleine und in gewissen Bereichen relativ stark kartellierte schweizerische Volkswirtschaft steht der integrationsbedingte Strukturwandel im Vordergrund, von dem signifikante positive Impulse für die Volkswirtschaft erwartet werden. Insbesondere die nachkriegszeitlichen Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt wirkten bisher strukturerhaltend 28 , was sich durch eine größere Freizügigkeit im Bereich der Arbeitskräfte ändern würde. 2 9 Die positive Wirkung eines beschleunigten Wandels schätzen die Autoren für die Schweiz wie folgt ein:
Tabelle 2: Wohlfahrtsgewinne der Integration für die Schweiz gemäss Hauser-Studie®
Wirkungsbereich
Geschätzter Zuwachs des Bruttosozialproduktes in Prozenten
Anpassung der Branchenstrukturen
1.5-2
Grenzkontroll-Effekte, entfallende Zölle, Markteintrittseffekte, verstärkter Wettbewerb
2.5-4
Total
a
4-6
Hauser/Bradke (1991), 78
Hauser/Bradke (1992) Eine Integrationsstudie für Österreich ist Breuss/Schebeck (1989); weitere, verwandte Arbeiten sind Caballero/Lyons (1990), Lundberg (1992) und Haaland (1992). 2 8 Vgl. zu dieser Aussage Hauser/Bradke (1991) sowie die früheren Arbeiten von Schelbert (1975) und Bretschger (1989c). 2 9 Weitere Resultate dazu finden sich in Bürgenmeier/Butare/Favarger (1992). 26
27
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
29
"Der binnenwirtschaftliche Strukturwandel ist eine wichtige Quelle von Integrationsgewinnen, wobei dem Arbeitsmarkt eine bedeutende Rolle zukommt." Hauser/Bradke (1991), 73
Die Schätzung des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts aufgrund des Branchenstrukturwandels wurde im "Hauser-Bericht" auf der Grundlage diverser Vorstudien 30 und unter Zuhilfenahme von Plausibilitätsannahmen für die gesamte Schweiz hochgerechnet. Die im Cecchini-Bericht kalkulierten Kosten- und Wettbewerbseffekte ließen sich für die Schweiz nur konturenhaft und mit Hilfe des EG-Vorbildes nachvollziehen. Die für diesen Bereich ausgewiesenen Zahlen entsprechen demzufolge einer "persönlichen Interpretation" der Verfasser. 31 Die berechneten Integrationsgewinne setzen sich für die Schweiz aus den Bereichen zusammen, die in der vorangegangenen Tabelle wiedergegeben sind. Auch im Falle der Schweiz verteilt sich der Wohlstandseffekt gemäß den Autoren auf eine Anpassungsperiode von bis zu zehn Jahren.
2.4 Beurteilung der "offiziellen" Berechnungen 2.4.1 Kostensenkungseffekte An den Berechnungen fällt vorerst auf, daß - im Gegensatz zu dem, was öffentlich erklärt wird - der direkte Vorteil aus dem Abbau von Grenzformalitäten gesamtwirtschaftlich kaum ins Gewicht fällt. Cawley/Davenport berechnen die entsprechenden Wohlfahrtsgewinne durch einen einfachen partiellen Gleichgewichtsansatz als Summe der Veränderung von Konsumenten- und Produzentenrenten. Neben dem weiter unten angeführten Aggregationsproblem weist ihr Modell eine Inkonsistenz auf: Die Annahme einer gleichzeitigen Erhöhung der Importe aus dem EG-Raum für alle EG-Länder wäre nur in einem Modell mit differenzierten Produkten konsistent. Das verwendete Zollunionsmodell beruht jedoch auf der traditionellen Annahme der vollständigen Konkurrenz. 32 Im Bereich des liberalisierten öffentlichen Auftragswesens wird die Möglichkeit der Auftragsvergabe an Drittländer unrealistischerweise vollGraf/Mettler (1991), Antille/Carlevaro/Schmitt/Bacchetta/Maranon/Müller (1991) und Gaillard /Salzgeber/Schütz (1991) H a u s e r / B r a d k e (1991) 80 3 2 Vgl. dazu Cawley /Davenport (1988), 509 und 540, sowie Melchior (1990), 6. 30
I. Grundlagen
30
ständig ausgeschlossen. Des weitern unterstellen die Autoren für die jeweils billigsten Anbieter ein vollständig preiselastisches Angebot. Quantitativ weit gewichtiger sind die Kostensenkungen bei den Unternehmungen, die als Folge des offenen Binnenmarktes prognostiziert werden. In diesem Teil verwenden Cawley/Davenport ein Modell einer großen integrierten Volkswirtschaft, die eine Rechtsverschiebung ihrer gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve erfährt. Die methodische Verschmelzung der Informationen aus den einzelnen Auftragsstudien bleibt allerdings ziemlich unscharf. Zudem müssen für die durch die Studie nicht abgedeckten Sektoren sogenannte Arbeitshypothesen verwendet werden. Das Schwergewicht bilden hier die Kostensenkungen im Dienstleistungsbereich, die allein eine Wohlfahrtssteigerung im Ausmaß von 1.3 Prozent des Bruttosozialproduktes erbringen sollen. Die Berechnungen beruhen vor allem auf umfangreichen Preisvergleichen. Bei den Finanzdienstleistungen wird beispielsweise angenommen, daß sich als Folge der Integration die Preisdifferenz eines jeden Landes zum Durchschnitt der vier billigsten EG-Länder halbiert. Diese Annahme ist wohl nicht unbedingt unplausibel, bedeutet aber nicht viel mehr als eine grobe Schätzung, was auf englisch mit dem schönen Ausdruck "guesstimate" umschrieben wird. Die Unsicherheiten in den Annahmen hätten zumindest eine ausführliche Sensitivitätsanalyse erfordert. Zudem wurden in vielen Fällen nichthomogene Leistungen direkt miteinander verglichen. Eine PKW-Versicherung in Italien beinhaltet beispielsweise ein anderes Risiko als dieselbe Versicherung in der Republik Irland. Ebenso sind die Preise einzelner Leistungen in Multiproduktunternehmen immer auch gewissen Preisstrategien unterworfen, die eine partielle Quersubventionierung mit einschließen. Die Integrationsgewinne wurden in allen Fällen mit dem reinen Status quo verglichen, obwohl sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit bei verschiedenen Dienstleistungen auch ohne das EG-Binnenmarktprogramm Marktöffnungsprozesse durchgesetzt hätten.
2.4.2 Wettbewerbseffekte Methodisch anspruchsvoller und konsistenter ist der Untersuchungsteil zu den indirekten Effekten des Binnenmarktes und hier vor allem die Studie von Smith/Venables. Diese Autoren führen für zehn verschiedene Sektoren Simulationsstudien mit kalibrierten Daten durch. Dabei werden die neueren Techniken der Oligopoltheorie sowie eine Nachfragestruktur nach der Vorlage der Dixit/Stiglitz-Präferenzen verwendet. 33 Es zeigt sich, daß die Ergebnisse sehr sensibel auf eine Veränderung der zum Teil 33
Siehe dazu den Grundlagenartikel von Dixit/Stiglitz (1977) sowie Abschnitt 5.2.
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
31
recht locker angenommenen Parameterwerte reagieren. Insbesondere den Annahmen zum Ausmaß der Kostendegression bei steigendem Output kommt eine entscheidende Bedeutung zu; die dazu verwendeten empirischen Grundlagendaten werden allerdings von vielen Beobachtern als veraltet angesehen. 34 Neben der auch hier nicht angeführten Sensitivitätsanalyse sticht aber noch eine weit bedeutendere Unterlassung im Hauptbericht der EG-Forschungsgruppe hervor. Smith/Venables haben entsprechend der Oligopoltheorie verschiedene Annahmen zur Marktabschließung sowie zur sogenannt konjekturalen Variation, die das erwartete Verhalten der Konkurrenzanbieter wiedergibt, getroffen. Je nach Unterstellung eines Cournot- oder eines Bertrand-Verhaltens sowie von geschlossenen oder frei zugänglichen Märkten weichen die Ergebnisse weit voneinander ab. In der folgenden Tabelle 3 sind die Wohlfahrtsgewinne angegeben, die sich nach einer unterstellten Reduktion der Handelskosten um 2.5 Prozent des Handelsvolumens ergeben. Dieser Wert, der den Effekt der Gütermarktintegration im Binnenmarkt wiedergeben soll, ist eher bescheiden tief, andererseits aber aus unerfindlichen Gründen uniform gleich hoch für alle untersuchten Branchen. Tabelle 3: Wohlfahrtsgewinne in Prozenten des EG-Konsums nach Smith/Venables* Anzahl Firmen
Cournot
Segmentiert
Integriert
Fixe Anzahl
0.63
2.61
Freier Marktzutritt
0.98
6.15
Fixe Anzahl
0.70
0.70
Freier Marktzutritt
0.69
0.69
Bertrand
Die Tabelle entstammt Melchior (1990), 24, und ist auf der Grundlage von Smith/Venables (1988) berechnet.
a
Die Information über Größenvorteile in der Industrie beruht größtenteils auf Daten aus den sechziger Jahren; vgl. Grossman (1990), 386.
34
32
I. Grundlagen
Die Resultate in Tabelle 3 sind unterschieden nach einem Szenario der segmentierten Märkte, in welchem auch im Binnenmarkt eine Preisdiskriminierung zwischen verschiedenen nationalen Absatzmärkten möglich ist, und einem Szenario der integrierten Märkte, bei dem im Binnenmarkt keinerlei Preisdiskriminierung mehr möglich ist. Sechs von acht Ergebnissen sind sehr ähnlich in der Größenordnung, nur der Cournot-Fall unter Annahme integrierter Märkte sticht hervor. Unter dem Blickwinkel des großen theoretischen Interesses der Wettbewerbstheorie an Modellen, die Preisdiskriminierung erklären können, ist das gänzliche Unterdrücken dieser Möglichkeit ein etwas kurioses Vorgehen. Beispielsweise sind regionale Entfernungen zwischen den Märkten ausreichend für die Möglichkeit der Preisdifferenzierungen, der Schutz von Landesgrenzen ist dazu nicht unbedingt notwendig. Beim aggressiveren Bertrand-Verhalten setzen die Unternehmungen ihre Preise als strategische Variablen unter Annahme eines konstanten Konkurrenzpreises. Dank der damit erzeugten hohen Wettbewerbsintensität sind die Verhältnisse von Preisen zu Durchschnittskosten zwischen den einzelnen Unternehmungen nicht sehr unterschiedlich. Ebenso wird dieses Verhältnis durch eine Abnahme der Handelskosten nicht stark beeinflußt; aus diesem Grund sind auch die Mengenreaktionen im Bertrand-Fall eher bescheiden. Anders sieht es bei der Unterstellung des Cournot-Verhaltens aus, in welchem ein Anbieter seine Produktionsmenge unter Annahme konstanter Output-Mengen der Konkurrenten festlegt. Hier besitzt die Unternehmung mit den tiefsten Produktionskosten - und das ist in den verwendeten Modellen (meist) die im Heimmarkt domizilierte Unternehmung - den größten Marktanteil. Die Gewinnaufschläge zwischen den einzelnen Anbietern variieren stark. Als Resultat der Integration ergibt sich, daß die relativ weit überhöhten Preise der Heimproduzenten reduziert werden müssen. Mit den bei Smith/Venables unterstellten hohen Elastizitäten der Nachfrage führt dies zu einer kräftigen Zunahme der heimischen Produktionsmengen. Durch den Wegfall der Diskriminierungsmöglichkeit werden die auf einem Markt dominierenden Firmen einer wichtigen Möglichkeit beraubt, ihre Marktmacht voll auszunützen. Da die Produkte des Heimmarktes in der Nutzenfunktion der Haushalte überdurchschnittlich gewichtet werden, ist das signifikante Ausmaß des kalkulierten Wohlfahrtszuwachses leicht erklärbar. Interessant ist die Feststellung, daß der Übergang zu einem freien Marktein- und -austritt den Wohlstandseffekt mehr als zu verdoppeln vermag. Dahinter steht das vermehrte Ausnützen von Skaleneffekten in der Produktion, das allerdings in den Simulationen von Smith/Venables nur bei einem recht ansehnlichen Austritt von Unternehmungen aus dem
2. Traditionelle Analyse der wirtschaftlichen Integration
33
Märkten realisiert werden kann. Beispielsweise würde sich die Zahl der Anbieter in der Autoindustrie von vierzehn auf sechs reduzieren. Ein noch extremeres Resultat der Studie ist, daß im integrierten Cournot-Fall aufgrund der reduzierten Anbieterzahl der innergemeinschaftliche Handel drastisch reduziert würde, was Zweifel an der Realitätsnähe gewisser Modellannahmen aufkommen läßt. 35 Aus wissenschaftlicher - nicht aber aus einer politökonomischen Perspektive ist nun erstaunlich, daß sich die EG-Kommission als Standardfall die extremste der vorgestellten Varianten ausgesucht hat: den integrierten Cournot-Fall mit freiem Marktzutritt. In einer aggregierten Rechnungsvariante verwendete die EG-Arbeitsgruppe die Smith/Venables-Resultate zur Bestimmung eines Koeffizienten, der das Verhältnis zwischen direktem und indirektem Effekt der Integration angeben soll. Damit wurden verschiedene Modelle mit unterschiedlichem Modellierungshintergrund miteinander vermengt. In einer anderen Variante fand das Vorgehen einer "künstlichen" Abtrennung des Wettbewerbseffektes vom Skaleneffekt Anwendung, wobei der so ermittelte Wettbewerbseffekt auf die höheren Zahlen für Skaleneffekte aus der Aujean-Studie aufgesetzt wurde. Auch dies vermag aus methodischer Sicht keineswegs zu überzeugen. Schließlich sind für die im EG-Schlußbericht erwähnten Verringerungen der sogenannten X-Ineffizienz von monopolähnlichen Betrieben in der Studie von Smith/Venables keine theoretischen Grundlagen erkennbar.
2.4.3 "Makroökonomische" Auswirkungen Auch zur Bestimmung der makroökonomischen Auswirkungen des Binnenmarktprogramms sind einige kritische Bemerkungen angebracht. Die Problematik der Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen des Binnenmarktes wurde in den Europa-Berichten praktisch vollständig übergangen. Insbesondere die Verwendung von Vollbeschäftigungsmodellen verleitet zur Verdrängung der theoretischen Abbildung von vorerst auftretenden Friktionen. So bringen viele der angestrebten Veränderungen in Tat und Wahrheit zuallererst eine zusätzliche Redundanz des Faktors Arbeit mit sich. 36 Das Vertrauen auf eine kompensierende, nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik ist nur teilweise gerechtfertigt, da sich eine nicht unbedeutende zeitliche Verschiebung ergibt. In der ersten Anpassungsphase setzen sich nämlich der Deflationseffekt und die Entlastung der öffentlichen Haushalte noch nicht durch, während das Arbeitsmarktproblem 35 36
Dies betont Melchior (1990), 26 Vgl. dazu u.a. Dornbusch (1989), 348.
34
I. Grundlagen
ohne große Verzögerung auftreten dürfte. Mit anderen Worten wird die kompensierende Stabilisierungspolitik auch hier mit großer Wahrscheinlichkeit zu spät wirksam. Es kommt hinzu, daß die Auswirkungen des Binnenmarktprogramms auf die realen Zinsen sowie auf die Terms of Trade im Cecchini-Bericht bei weitem nicht mit derselben Akribie verfolgt wurden wie die Preissenkungen in den einzelnen Branchen. Ein letztes, aus der keynesianischen Richtung stammendes Argument wurde vor allem von Dornbusch vorgebracht, nämlich der Einfluß des Binnenmarktprogramms auf den Erwartungswert für zukünftige Gewinne aus Investitionen in das Realkapital. Das Argument sagt ein verbessertes Abschneiden des Binnenmarktprogramms voraus; allerdings zielt es nicht auf die in den späteren Kapiteln ausführlich diskutierte Veränderung des realen Zinssatzes, sondern auf die Absatzerwartungen der Unternehmen unter Unsicherheit. Ein vergrößerter Absatzmarkt setzt für oligopolistische Anbieter einen Anreiz, sich durch den Aufbau von zusätzlichen Kapazitäten Renten zu sichern. 37 Zudem sind die Gewinne in oligopolistischen Märkten strategisch interdependent; der integrierte Binnenmarkt könnte in diesem Sinn als Koordinationsmechanismus wirken. Einige zusätzliche Hinweise sollen diese kritischen Bemerkungen abschließen. Die Resultate des Cecchini-Berichtes sind aus partialanalytischen Studien ohne Berücksichtigung der Simultaneität hochgerechnet. Grobschätzungen von Norman 38 haben ergeben, daß sich die Wohlstandsgewinne bis um 40 Prozent verringern könnten, wenn statt auf den partiellen auf einen allgemeinen Gleichgewichtsansatz zurückgegriffen würde. Die mit der vollen Ausnützung der Skaleneffekte einhergehende drastische Reduktion der Anbieterzahlen bringt überdies zum Bewußtsein, daß gewisse Nationen zu den sicheren Verlierern gehören. Zum Beispiel wurde aufgrund der Smith/Venables-Studie die Zahl der Betriebsschließungen für Großbritannien berechnet, die nicht ohne politischen Widerstand über die Bühne gehen dürften. In diesem Zusammenhang bleibt auch unklar, wie trotz der reduzierten Anzahl von Unternehmungen in einem Markt noch von einer gesteigerten Wettbewerbsintensität gesprochen werden kann. 39 Überdies wurde schematisch immer vom Typ Unternehmung ausgegangen, der im Heimmarkt produziert und von dort aus exportiert. Dadurch fand weder die Unterscheidung von Größenvorteilen auf Firmenebene von denjenigen auf Betriebsebene noch die Existenz von multinationalen Unternehmungen eine angemessene Berücksichtigung. Ebenso erscheint es als methodisch nicht sehr sauber, verschiedene 37 38 39
Siehe dazu Dornbusch (1989), 352. N o r m a n (1989), siehe auch Melchior (1990), 31. Siehe dazu auch die Kritik von Grossman (1990), 387.
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35
Modelle mit beispielsweise unterschiedlichen Annahmen zu den Marktformen für dieselben Sektoren zu verwenden und die so gewonnenen Teilergebnisse gegenseitig aufzuaddieren.
2.4.4 Fehlende Dynamik Wie in den folgenden Kapiteln noch genauer ausgeführt wird, fehlt bei der offiziellen Berechnung der Integrationsgewinne jeder Bezug zur Wirtschaftsdynamik. Dieser Umstand ist einigermaßen erstaunlich, denn schon zur Zeit der Erarbeitung der genannten Berichte verfügte die Wachstumstheorie über ein gutes Fundament für solche Untersuchungen. Offenbar war die ältere, neoklassische Wachstumstheorie Ende der achtziger Jahre etwas in Vergessenheit geraten, und das gerade beginnende Zeitalter der Neuen Wachstumstheorie war noch zu wenig fortgeschritten, um die Berichte in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Vor allem dem Kritikpunkt der fehlenden Dynamik soll im Rest dieses Beitrages Rechnung getragen werden. Gleichzeitig werden dabei gewisse Argumente aus den offiziellen Berechnungen beziehungsweise aus den kritischen Punkten dazu wiederaufgenommen. Doch der Schwerpunkt der nachfolgenden Argumentation wird sich hauptsächlich nach den Bedürfnissen der dynamischen Sichtweise richten. Anschließend an eine Einführung in Kapitel 3 folgen ab Kapitel 4 die wichtigsten Beiträge zur Konstruktion eines makroökonomischen Modells, mit dessen Hilfe die dynamischen Wirkungen der wirtschaftlichen Integration analysiert werden können.
36
3. Kapitel Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
Bei genauer Betrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Integration in Europa fällt die Diskrepanz zwischen der Radikalität der vorgeschlagenen Handelsliberalisierung auf der einen Seite und den doch eher bescheidenen Wohlstandsgewinnen aus dem Binnenmarktprogramm auf der anderen Seite auf. Diese Feststellung wird durch die im vorhergehenden Kapitel begründete Vermutung der Überschätzung des Niveaueffektes in den publizierten EG-Berechnungen erhärtet. Grundsätzlich fragt sich, ob es in der Analyse nicht schwerwiegende Auslassungen gibt. Insbesondere ist abzuklären, ob die Einschränkung der Zieloptik auf reine Niveaueffekte in der Einkommensentwicklung über eine ausreichende wissenschaftstheoretische Begründung verfügt. In der Folge wird argumentiert, daß die dynamische Sicht der Integration mindestens denselben Stellenwert hat wie die komparativ statische.
3.1 Integration und Einkommensverlauf Es deutet nichts darauf hin, daß ein Binnenmarktprogramm wie das europäische nur das Niveau des Wachstumspfades der beteiligten Volkswirtschaften, nicht aber dessen Steigung beeinflußt. Ebenso ist es nicht unbedingt zulässig, davon auszugehen, daß sich bei einer vollständigen Integration der Märkte nichts am Verlauf der zyklischen Abweichungen des gesamtwirtschaftlichen Einkommens vom langfristigen Wachstumspfad verändert. Von der ökonomischen Theorie her gibt es also a priori keinen Grund, Wachstums- und Konjunktureffekte des Binnenmarktprogramms auszuschließen. Die - nicht zu unterschätzende - Schwierigkeit besteht aber darin, die Antworten auf die Frage der solchermaßen erweiterten Problemstellung mit einem ausreichenden theoretischen und empirischen Fundament zu versehen. Im Hinblick auf die Wachstums-
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
37
Wirkungen des Binnenmarktprogramms führen viele zweideutige Textstellen in den Europa-Berichten zu einer Verschleierung der tatsächlichen Berechnungen. 4 0 Tatsache bleibt, daß alle in den EuropaBerichten erwähnten Wirkungen der Integration von einem wirtschaftstheoretisch-analytischen Standpunkt aus betrachtet das Einkommensniveau betreffen, dies auch dann, w e n n sich die W i r k u n g über mehrere Jahre verteilt. Die Vernachlässigung der in der langen Frist weit wichtigeren Wachstumskomponente der Integration wurde bisher nur vereinzelt, dafür recht vehement kritisiert 4 1 u n d w a r mit ein wesentlicher I m p u l s zur vorliegenden Arbeit. In der europapolitischen Diskussion des Binnenmarktprogramms 1992 gerieten auch der konjunkturelle Aspekt der Integration sowie die Einschränkungen einer autonomen Konjunkturpolitik teilweise in den Hintergrund. Dies, weil gemeinschaftliche institutionelle Regelungen der Stabilisierungspolitik erst mit der politischen Union festgeschrieben werden sollen und die kurz- und mittelfristigen Effekte der Integration auf die Konjunkturzyklen in den Europa-Studien nicht z u m Kernbereich der wirtschaftlichen Auswirkungen gezählt wurden. Dieser Abschnitt dient einer Vorabklärung, welche die Wichtigkeit der Wachstumswirkungen zeigen soll. Dazu werden verschiedene mögliche Einkommensverläufe u n d deren Veränderung durch eine Integration dargestellt. Der nächste Abschnitt bringt einen Vergleich der G e g e n wartswerte der Einkommen bei Niveau- und Wachstumseffekten sowie eine wohlfahrtstheoretische A b w ä g u n g von Konjunktur- und W a c h s tumswirkungen der Integration. In den folgenden Abschnitten u n d Kapiteln werden dann die theoretischen Grundlagen der langfristigen Wirkungen der wirtschaftlichen Integration mit Hilfe der Neuen M a k r o theorie analytisch erarbeitet. Als einleitende Illustration enthalten die folgenden zwei Darstellungen in Abbildung 3.1 schematisch verschiedene zeitliche Verläufe des aggregierten Einkommens einer Volkswirtschaft. Im ersten Fall w i r d eine (z.B. durch wirtschaftliche Integration bedingte) Niveauverschiebung des Wachstumspfades einer Erhöhung der Wachstumsrafe gegenübergestellt. Im zweiten Fall ist der Vergleich v o n Pfaden mit verschiedenen W a c h s tumsraten und unterschiedlichen zyklischen Abweichungen v o m langfristigen Pfad wiedergegeben. 4 2
Siehe z.B. Cecchini et al. (1988), 131, w o im Zusammenhang mit Niveaueinflüssen von Wachstumseffekten gesprochen wird. 41 Die Kritik stammt vor allem von Baldwin (1989); ein weiterer Beitrag ist Vosgerau U991). Die Unterscheidung beim Einkommensverlauf zwischen einer Trendkomponente und einer zyklischen Komponente ist nicht unproblematisch; siehe dazu Kapitel 7. 40
38
I. Grundlagen
Abbildung 3.1: Verschiedene zeitliche Verläufe des aggregierten Einkommens In Y
In Y
Im oberen Teil der Abbildung ist ein einmaliger unverzögerter Niveausprung im Einkommen die Bewegung von Punkt a nach b. Eine Verzöge-
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
39
rung, wie in den Europa-Berichten angenommen, führt zu einer geknickten Bewegung von a über c in Richtung d. Dagegen wirkt sich eine unverzögerte Erhöhung der Wachstumsrate in einer geradlinigen Bewegung von a nach d aus. In diesem Beispiel verläuft die Einkommensentwicklung ab Punkt d im Wachstumsfall über derjenigen der Niveauverschiebung. Werden ein Niveausprung und eine Wachstumswirkung kombiniert, würde sich das Einkommen z.B. von Punkt c aus parallel zur Strecke a-d entwickeln. Wie später auszuführen ist, könnte der Wachstumseffekt bei ungünstiger Konstellation der volkswirtschaftlichen Bedingungen allerdings auch gegenläufig zum Niveausprung wirken, so daß ab Punkt c auch ein flacherer Wachstumspfad als c-d denkbar wäre, was mit der flach verlaufenden gestrichelten Linie angedeutet ist. Bezüglich der zyklischen Schwankungen und der Veränderung des Wachstumspfades kann der Trade-off zwischen den beiden hypothetischen Verläufen verglichen werden, die im unteren Bildteil von Abbildung 3.1 dargestellt sind. Verlauf / zeigt kleinere zyklische Abweichungen, dafür eine tiefere durchschnittliche Wachstumsrate; Verlauf e weist bei heftigeren Konjunkturausschlägen eine steilere Entwicklung des Gesamteinkommens auf. Falls eine wirtschaftliche Integration eine Wirkung auf eine der beiden Größen hat, ist - neben der Feststellung der jeweiligen Wirkungsrichtung - die relative Bedeutung der Wachstumswirkung im Vergleich zur Konjunkturwirkung festzustellen.
3.2 Ökonomische Beurteilung der Einkommensverläufe 3.2.1 Gegenwartswert des Einkommens Da sich die Berichte zu Europa auf die Einkommensentwicklung konzentrieren, wenden wir uns vorerst dieser Variablen zu; der nächste Unterabschnitt beschäftigt sich dann mit den Variablen Nutzen beziehungsweise Wohlfahrt. Für die ökonomische Beurteilung der Einkommensverläufe in der vorstehenden Abbildung sollen einige einfache Kalkulationen angeführt werden. Zunächst folgt ein Vergleich des Gegenwartswertes des Einkommens, wenn entweder ein Niveausprung oder eine Veränderung der Wachstumsrate eintritt. Aus dieser Darstellung läßt sich von der Größenordnung her ablesen, inwiefern dynamische Wachstumseffekte im Vergleich zu den Niveaueffekten bedeutend sind. Der unterstellte Niveaueffekt soll dabei die Verbesserung der statischen Effizienz durch das Binnenmarktprogramm zeigen. 43 Der erwartete abdiskontierte Gegenwartswert des Einkommens (GWE) ist bei einer Wachstumsrate des Einkommens g und einem Dis43
Der Gedankengang folgt Baldwin (1992).
40
I. Grundlagen
kontfaktor p für einen unendlichen Zeithorizont mit diskreten Zeitperioden gleich: 1 ' GWE(O) = £ ( 0 ) 2 i ( 0 ) ( _ t | ) t=o
P
(3.1)
£"(0) steht dabei für den Erwartungswert zum Zeitpunkt 0 und I für das Einkommen (zum Zeitpunkt 0); t ist der Zeitindex. In der Folge werden modellkonsistente Erwartungen unterstellt. Der Gegegenwartswert läßt sich dann einfacher schreiben als:
GWE (0) =
(3.2)
Aus diesem Ausdruck wird ersichtlich, daß sämtliche Niveauverschiebungen des Einkommens, die sich aus der Realisierung des Binnenmarktprogramms und der damit erhöhten Produktionseffizienz ergeben, im Maßstab eins zu eins in den Gegenwartswert des Einkommens eingehen. Die Veränderungen der Wachstumsrate des Einkommens beeinflussen den Gegenwartswert gemäß: 9(GWE(0))/(GWE(0))
1 =
P _1
(
}
g
Für Aussagen zur konkreten Bedeutung dieses Ausdrucks sind kalibrierte Werte für die Diskont- und die Wachstumsrate einzusetzen. Mit 5 Prozent für die Diskontrate und (gut bemessenen) 3 Prozent für das Wachstum leitet sich die Aussage ab, daß die dargestellte Elastizität den Wert anderthalb erreicht.44 Das heißt, daß eine Veränderung der Wachstumsrate von 10 Prozent (nicht Prozentpunkten) den Gegenwartswert des Einkommens um immerhin rund 15 Prozent verändert.45 Mit anderen Worten würde eine aus A-priori-Überlegungen nicht übermäßig erscheinende Erhöhung des durchschnittlichen Wachstums durch die wirtschaftliche Integration von 3 auf 3.3 Prozent, wenn sie tatsächlich Bei einer Wachstumsrate von 2 Prozent beträgt die Elastizität zwei Drittel; dies ist die Annahme von Baldwin (1992). 45 Für die Ausgangs-Wachstumsrate von 2 Prozent würde eine prozentuale Änderung der Wachstumsrate von 10 Prozent das diskontierte Einkommen um rund 6.7 Prozent verändern. 44
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
41
zustande käme, das auf die Gegenwart diskontierte Einkommen um volle 15 Prozent erhöhen! Eine Vernachlässigung der Wirkungen des Binnenmarktprogramms auf die Steigung des Wachstumspfades ist deshalb aus dem Blickwinkel von numerischen Simulationen alles andere als unbedenklich. Zur numerischen Überlegung kommt hinzu, daß die bereits seit langem fest etablierte neoklassische Wachstumstheorie einen zwingenden Zusammenhang zwischen der statischen Effizienz und der Kapitalbildung beziehungsweise der mittelfristigen Dynamik postuliert. Und daß die Akkumulation von Realkapital und anderen Kapitalformen noch weiter reichende Folgen haben kann, ist - wie weiter hinten ausgeführt wird - ein wichtiges Ergebnis der Neuen Wachstumstheorie. Überdies trifft der Niveaueffekt der Europaberichte gemäß den Forschungsresultaten erst mit einer zeitlichen Verzögerung ein, so daß der Gegenwartswert des Einkommens entsprechend reduziert wird.
3.2.2 Nutzen der Haushalte Die eigentliche Determinante für die Wohlfahrt ist gemäß ökonomischer Theorie nicht das gesamte Einkommen, sondern der Konsum. Das Nutzenniveau der Haushalte ist entsprechend abhängig von den jeweiligen Konsummöglichkeiten. Es stellt sich die Frage, ob eine zu oben analoge Aussage für die relative Bedeutung von Niveau- und Wachstumseffekten eines Binnenmarktprogramms auch für die Nutzen- beziehungsweise die Wohlfahrtsbetrachtung gilt. Auch fragt es sich, inwiefern der (normalerweise unterstellte) abfallende Grenznutzen des Konsums eine Rolle spielt. Zur Beantwortung dieser Fragen wählen wir eine allgemeine Nutzenfunktion der utilitaristischen Form; damit können die Vor- und Nachteile alternativer Einkommensentwicklungen ökonomisch bewertet und beurteilt werden. 46 Diese Aussage gilt vorerst für den individuellen Nutzen. In den achtziger Jahren hat sich (trotz oder gar wegen namhafter Vorbehalte bezüglich der Aggregation von individuellen Präferenzen) das Konstrukt des repräsentativen Wirtschaftssubjekts oder repräsentativen Haushalts etabliert. Durch Multiplikation mit der Anzahl Haushalte insgesamt wird dann die Nutzenfunktion eines einzelnen Haushaltes zu einer sogenannten gesamtwirtschaftlichen Nutzen- oder Wohlfahrtsfunktion umgedeutet. Die wohlfahrtstheoretische Bedeutung von Wachstumssteigerungen und von verminderten Konjunkturschwankungen wurde von Lucas47 Z u m Einsatz verschiedener Nutzenfunktionen vgl. auch Abschnitt 4.5 und Bretschger (1996a), Kapitel 4.
42
I. Grundlagen
erörtert; dasselbe Vorgehen wird hier für die Integrationsanalyse angewendet. Eine allgemeine Formulierung der Wohlfahrtsfunktion, anhand deren alle geforderten Phänomene wie Niveau-verschiebungen, Wachstumsratenveränderungen sowie Konjunkturschwankungen beurteilt werden können, ist durch folgende Formulierung gegeben:
U(0) = F(0) £ e - p , - ( C ( i i ) _ 1 ~ r ~ 1 t=o '
(3.4)
Der Nutzen der Haushalte U zum Zeitpunkt 0 hängt von den erwarteten Konsummöglichkeiten E(C) ab, wobei C den Konsum, p wiederum den Diskontfaktor und y den (konstanten) Kehrwert der Elastizität der intertemporalen Substitution angibt. 48 Die gewählte Form wird auch CIES-Form genannt, da die Substitutionselastizität zwischen allen Perioden konstant ist; die Subtraktion von 1 wird aufgrund der asymptotischen Eigenschaften der Funktion vorgenommen. Die als unendlich angenomme Optimierungsperiode drückt bei beschränkter individueller Lebensdauer aus, daß die Nutzen der Nachkommen mit in der Optimierung berücksichtigt werden, allerdings in diskontierter Form. 4 9 Damit sowohl das Wachstum als auch die Bedeutung der zyklischen Bewegungen erfaßbar wird, sei der Konsum pro Periode gegeben durch: 50
C(t)
*
= (1 + C ( 0 ) ) • (1 + g ) ' • (e)
2
• z (i)
(3.5)
wobei z (t) eine lognormal verteilte Zufallsvariable ist, Zn(z(f)) ~ N ( 0 , ( f ) , und der e-Term in (3.5) nur als vereinfachender Korrekturfaktor auftritt. Der erwartete Konsum in einer bestimmten Periode t ist damit in der logarithmierten Form: ln£(C(t))
~C(t)+t-g
Vgl. Lucas (1987), auf den sich die folgende Darstellung hauptsächlich abstützt. Die Festlegung des Ausgangszeitpunktes in t=0 wurde nur zur Vereinfachung der Notation gewählt; zur Formulierung der Nutzenfunkton vgl. z.B. Blanchard/Fischer (1989), 69 ff. Weiteres zur intertemporalen Optimierung folgt in Abschnitt 4.5. 5 0 Dieser Konsumverlauf ist von Lucas (1987), 22 ff., übernommen.
47 48
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
43
Die Frage der wohlfahrtstheoretischen Gegenüberstellung von Niveauund Wachstumseffekt einer wirtschaftlichen Integration kann nun so gestellt werden: Auf wieviel Konsum würden die Haushalte zum Ausgangszeitpunkt verzichten, wenn sie dafür eine höhere Wachstumsrate des Konsums erwarten könnten, um nutzenmäßig auf demselben Niveau zu bleiben? Wiederum wird dazu für die Diskontrate ein Wert von 5 Prozent angenommen und zusätzlich postuliert, daß die unbeeinflusste Wachstumsrate, wie lange in der Nachkriegszeit, 3 Prozent beträgt. Lucas (1987) gibt die Werte an, die sich aus der verwendeten Nutzenfunktion für die prozentuale Konsumveränderung berechnen lassen; die Zahlen in der zweiten Spalte der folgenden Tabelle zeigen, um wie viele Prozente sich das Konsumniveau verändern muß, damit die Haushalte bei Änderungen der Wachstumsraten auf demselben Nutzenniveau bleiben:
Tabelle 4: Bedeutung des Wachstums 8 im Vergleich mit dem Konsumniveau bc Hypothetische Wachstumsrate (in Prozenten)
Prozentuale Veränderung im Konsumniveau (in Prozenten)
1
45
2
20
3
0
4
-17
5
-31
a Der Status quo wird als ein durchschnittliches Wachstum von 3 Prozent angenommen. b Die Veränderung des Konsumniveaus gibt an, um wieviel die Haushalte bei einer Änderung der Wachstumsrate kompensiert werden müssen, damit das Nutzenniveau insgesamt konstant bleibt. c Berechnung von Lucas (1987), 25
44
I. Grundlagen
Um die Verringerung der durchschnittlichen Wachstumsrate von 3 auf 2 Prozent zu verhindern, wären die Konsumierenden immerhin bereit, auf 20 Prozent des aktuellen Konsums zu verzichten; bei einem Abfall des Wachstums auf 1 Prozent sogar auf volle 45 Prozent! Im gegenteiligen Fall wären die Haushalte ebenso bereit, für eine höhere Wachstumsrate auf einen beträchtlichen Teil des anfänglichen Konsumniveaus zu verzichten. Die vordringliche Interpretation dieser Kalkulation besteht darin, die Wichtigkeit der langfristigen Wirtschaftsentwicklung und der Erforschung der theoretischen Zusammenhänge im Bereich des Wachstums zu betonen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß erst ein vollständig ausspezifiziertes Modell präzisere Informationen über die nach einer Integration zu erwartende Entwicklung zeigen kann. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß die überschlagsmäßig berechneten Zahlen für die Wohlfahrt nur unter einer Bedingung gelten: daß die volkswirtschaftlichen Kosten als konstant angenommen werden können. Insbesondere ist ein volkswirtschaftlicher Aufwand zur Erreichung eines höheren Niveaus oder eines größeren Wachstums in Form geringerer Konsummöglichkeiten bisher nicht berücksichtigt worden. Wie eine kurze Überlegung anhand des Binnenmarktprogramms zeigt, scheint hier ein bedeutender Unterschied zwischen der Niveau- und der Wachstumswirkung zu liegen. Die in den offiziellen Europa-Berichten ausgewiesenen statischen Effizienzgewinne sollten - gemäß den Autoren - den beteiligten Ländern praktisch "umsonst" zufallen und daher die Wohlfahrt im Maßstab eins zu eins erhöhen. Hingegen ist dieses Ergebnis bei den Wachstumswirkungen dann nicht zu erwarten, wenn die höhere Wachstumsrate durch größere Sparanstrengungen, d.h. größeren Konsumverzicht, "erkauft" werden muß. Dies wird teilweise, aber keineswegs generell der Fall sein. Gemäß der Neuen Wachstumstheorie kann auch ein Teil des dynamischen Gewinns praktisch "umsonst", d.h. ohne großen Zusatzaufwand, erreicht werden. Wichtig ist in dieser Frage auch der Verlauf des Anpassungspfads, da Konsumverzichte aus der Sicht der Haushalte um so gewichtiger sind, je näher sie beim Zeitpunkt der Betrachtung liegen. Je nach Wachstumstheorie ergeben sich dabei große Differenzen. 51 Zusätzlich läßt sich mit Hilfe der aufgeführten Nutzenfunktion berechnen, was es dem repräsentativen Haushalt bedeuten würde, wenn sich durch den engeren Zusammenschluß der Länder in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum die Stärke der Konjunkturausschläge verändern würde. Ein größerer Binnenmarkt kann beispielsweise unter günstigen Umständen als größere Stabilitätszone funktionieren. Auf der andern Diese Feststellung ist auch zentral für die Einschätzung der Resultate von Baldwin (1992), der die dynamischen Wohlfahrtswirkungen des Außenhandels berechnet.
51
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
45
Seite könnte die Verminderung der nationalen Möglichkeiten einer kompensierenden Wirtschaftspolitik die Häufigkeit konjunktureller Ausschläge und/oder deren Intensität vergrößern. Ohne vorerst weiter auf die Richtung eines solchen Einflusses der Integration einzugehen, soll wiederum die Wohlfahrtswirkung einer - wie auch immer begründeten Veränderung in den zyklischen Ausschlägen berechnet werden. Da der Konsumpfad gemäß obiger Annahme eine Zufallsvariable enthält, kann die Verkleinerung der Varianz dieser Variablen in Nutzeneinheiten ausgedrückt werden. Wiederum ist dieser Wert in Einheiten des gegenwärtigen Konsumniveaus meßbar. 52 Tabelle 5: Kosten der zyklischen Schwankungen 7 Koeffizient der relativen Risikoaversion
Standardabweichung des realen Konsums
1.3 %
3.9 %
1
0.008 %
0.072 %
5
0.042 %
0.38 %
10
0.084 %
0.76 %
Die Veränderung des Konsumniveaus gibt an, wieviel den Haushalten eine zyklusfreie Konsumentwicklung, gemessen am Konsumniveau zum Ausgangszeitpunkt, wert ist. Die Zahlen sind Lucas (1987), 26, entnommen.
a
Die Überlegung entspricht dem Versicherungsargument in der Mikrotheorie: Was wäre es einem Haushalt wert, die Schwankungen im intertemporalen Konsumpfad vollständig zu unterdrücken? Für die Standardabweichung der logarithmierten Werte des Konsumpfades geht Lucas (1987) von einer Größe in der Nachkriegszeit von 1.3 Prozent aus; gemäß neueren Berechnungen liegen die entsprechenden Werte für die 52
Entnommen aus Lucas (1987).
46
I. Grundlagen
Schweiz und die Europäische Gemeinschaft in einem vergleichbaren Rahmen, genauer ausgedrückt, sie sind nur geringfügig höher. 53 Tabelle 5 zeigt die (über alle Zeitpunkte uniformen) Kosten einer zyklischen Wirtschaftsentwicklung als Prozente des durchschnittlichen Konsumniveaus unter verschiedenen Annahmen zum Koeffizienten der relativen Risikoaversion, der über (3.4) als /festgelegt ist. Dieser Koeffizient ist gleichzeitig der Kehrwert der Elastizität der intertemporalen Substitution. Gemäß der empirischen Literatur variiert der Koeffizient zwischen einem Wert von rund eins und dem maximalen Wert zehn, wobei die Werte nahe bei eins weit wahrscheinlicher sind. Die dreimal höhere Standardabweichung der hinteren Spalte entspricht dabei dem angenommenen Wert der USA in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg und gibt generell die Wohlfahrtswirkung größerer Konjunkturschwankungen wieder. Die Berechnung verdeutlicht, daß der Koeffizient der relativen Risikoaversion einen wichtigen Einfluß ausübt. Vor allem aber ist es erstaunlich, wie gering die volkswirtschaftlichen Kosten der Schwankungen sind, gerade im Vergleich mit den Wachstumswirkungen. Ist der besagte Koeffizient gleich eins, was der logarithmischen Nutzenfunktion entspricht und empirisch ein sehr plausibler Wert ist, würden es sich die Haushalte nur gerade 0.008 % ihres Konsums kosten lassen, die Schwankungen des Konsums vollständig zu eliminieren. Daraus kann gefolgert werden, daß eine durch das Binnenmarktprogramm provozierte Veränderung der Standardabweichung des Konsums - insbesondere im Vergleich zur Wachstumswirkung - von deutlich geringerem Interesse ist. In der Tat wird dieses Indiz auch in dieser Arbeit dahingehend interpretiert, daß namentlich die dynamische Dimension weiter erforscht werden muß. Allerdings ist der Hinweis nötig, daß die Dinge nicht ganz so eindeutig liegen. Auch wenn die von Lucas kalkulierten und hier auf den Integrationsprozeß übertragenen Werte drastische Unterschiede zwischen Wachstum und Konjunktur zeigen, stellt sich immerhin die schwerwiegende Frage, wer konkret die Kosten der zyklischen Bewegungen im Konsum zu tragen hat. Die Annahme identischer Haushalte ist hier eindeutig nicht zweckmäßig. In einer Welt der Vollbeschäftigung wäre die relative Geringschätzung von zyklischen Abweichungen vom langfristigen Trend ein plausibles Ergebnis. Unter Umständen hätte man die Annahme der Vollbeschäftigung für den speziellen Fall der Schweiz in der Nachkriegszeit annäherungsweise gelten lassen können, doch auch in diesem Land ist die Realität der neunziger Jahre eine andere. Heute ist die Vollbeschäftigung beziehungsweise freiwillige Arbeitslosigkeit Etwas anders berechnete Angaben dazu finden sich in D a n t h i n e / D o n a l d s o n (1993), 6.
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
47
gerade nicht die zutreffende Annahme zur Beurteilung von konjunkturellen Zyklen und ihrer Vermeidung durch die Wirtschaftspolitik. Individuen tragen die Kosten der Rezessionen in ganz unterschiedlichem Ausmaß, und die Unsicherheit darüber, wen es trifft, führt bei allen zu merklichen Nutzeneinbußen. Falls ein Individuum eine persönliche Schwankung des Konsums im Ausmaß der hinteren Spalte von Tabelle 5 erwartet, ist die Zahlungsbereitschaft zur Beseitigung des Risikos schon bedeutend höher. Es könnte argumentiert werden, es sei Sache der Sozialversicherung, die konjunkturellen Risiken gleichmäßig auf alle zu verteilen. Tatsächlich meint Lucas in diesem Zusammenhang, daß die Berechnungen Unvollständigkeiten der bestehenden Kapitalmärkte reflektieren sowie die Wichtigkeit eines sozialen Systems aufzeigen. 54 Für den Nutzen einer Wirtschaftspolitik - wie sie die Entscheidung zur Schaffung eines Binnenmarktes ebenfalls darstellt - würde er allerdings bezüglich einer Veränderung der Konsumschwankungen nicht von sehr hohen Wohlfahrtswirkungen ausgehen. Es ist theoretisch nicht unumstritten, daß sich Konjunktur und Wachstum so einfach trennen lassen, wie hier unterstellt wurde, was unter Kapitel 7 noch ausführlicher zur Sprache kommen wird. Ebensowenig ist theoretisch von vornherein auszuschließen, daß eine Volkswirtschaft verschiedene dynamische Gleichgewichte erreichen kann und daß ferner mit einer zweckmäßigen Stabilisierungspolitik ein möglichst günstiges Gleichgewicht angestrebt werden könnte. Man braucht sich in dieser Argumentation nicht vollständig auf die eine oder andere Seite zu stellen, um festzuhalten, daß die Wirkung von wirtschaftspolitischen Entscheiden, wie die Teilnahme an einer Integration, auf die langfristige Wirtschaftsentwicklung so sehr ins Gewicht fällt, daß sie schlicht nicht vernachlässigt werden kann. Zudem erscheinen konjunkturelle Phänomene mindestens dann besonders relevant, wenn sie den langfristigen Wachstumspfad direkt beeinflussen. Dies wird in Kapitel 7 exemplarisch noch weiter erläutert. Was darüber hinaus den Nutzen stabilisierungspolitischer Anstrengungen betrifft, so wird dieses Thema hier nicht weiter ausgeführt. Denn im Rahmen des Binnenmarktprogramms 1992, das den Anknüpfungspunkt für die vorliegende Arbeit bildet, standen strukturelle und nicht stabilisierungspolitische Fragen im Vordergrund. Im Zusammenhang mit den Plänen zur politischen Union in Europa und den damit einhergehenden Beschränkungen in den nationalen Politikmöglichkeiten dürfte die konjunkturelle Frage wieder vermehrt Beachtung finden.
54
Lucas (1987), 29
48
I. Grundlagen
3.3 Integration und Transmission von Wachstumsimpulsen 3.3.1 Direkte und indirekte Einflüsse Die aufgrund der bisherigen Ausführungen postulierte Wichtigkeit der dynamischen Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration wäre für die Theorie nicht allzu ergiebig, wenn es sich herausstellen würde, daß die Transmissionsmechanismen theoretisch nicht faßbar sind. Eine kurze Überlegung zeigt allerdings, daß die Kanäle der Transmission relativ unschwer identifiziert werden können. Als Vorabklärung wird deshalb hier kurz dargelegt, inwiefern die Integration einen theoretisch nachvollziehbaren direkten Einfluß auf die Wachstumsbedingungen einer Volkswirtschaft ausübt. Auch ohne bereits einen detaillierten Abriß der Voraussetzungen für die längerfristige Wirtschaftsentwicklung zu entwerfen, kann zwischen direkten und indirekten Einflüssen der Integration unterschieden werden. Zwei offensichtliche direkte Einflüsse sind die folgenden: Zum ersten wird die Integration über den intensiveren Güterhandel oder die gemeinsame Durchführung von Forschungsprojekten das Niveau und die Wachstumsrate des Wissensbestandes in den beteiligten Ländern erhöhen. Das Wissen kann dabei technischer, organisatorischer oder institutioneller Natur sein. Mit der Wissenszunahme nimmt gemäß der etablierten Wachstumstheorie die Produktivität aller Produktionsfaktoren zu; als Konsequenz steigt das volkswirtschaftliche Wachstum unmittelbar an. 55 Zum zweiten verändern die internationalen Faktorbewegungen, die mit einer Wirtschaftsintegration nach europäischem Vorbild gefördert werden, die in einem Land verfügbaren Faktormengen. Der Begriff Förderung braucht nicht aktiv verstanden zu werden; es reicht, wenn die entsprechenden Transaktionskosten sinken.56 In den Modellen der Neuen Wachstumstheorie sind die volkswirtschaftlichen Wachstumsraten direkt abhängig von den Mengen und dem Mix der einsetzbaren Ressourcen. Deshalb wirken internationale Faktorbewegungen ebenfalls ganz unmittelbar auf den Wachstumspfad. 57 Die wirtschaftliche Integration wirkt aber auch indirekt, über die Veränderung der relativen Preise, auf die langfristige Entwicklung, indem die unter Marktbedingungen stattfindende Akkumulation von Produktionsfaktoren beeinflußt wird. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Akkumulation z.B. von physischem Kapital wie im neoklassischen Wachstumsmodell unter den Bedingungen vollständiger Märkte stattfindet oder ob, 55
Weitere Ausführungen zur internationalen Wissensdiffusion anhand des weiter hinten entwickelten Makromodells folgen in Kapitel 9. Die Wichtigkeit dieses Aspekts der Integration ist auch in Bretschger (1996b) festgehalten. 56 Diese Feststellung trifft für den Faktor Arbeit im NAFTA -Vertrag nicht zu. 57 Für den Faktor Arbeit wird dieses Thema in Kapitel 12 ausführlich behandelt.
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
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wie in der neueren Theorie postuliert, Externalitäten in der Akkumulation anfallen. Je nach Theorierahmen sind die Auswirkungen der Integration unterschiedlich zu beurteilen. Ebenso wird die Wirkung verschieden sein, je nachdem, ob die Analyse auf Einsektoren- oder MehrsektorenModellen basiert, da nur letztere die Beantwortung der interessanten Fragen des Strukturwandels zulassen und - damit einhergehend - die Stellung einer Volkswirtschaft in der internationalen Arbeitsteilung nachzuzeichnen vermögen. Aus diesen Erwägungen läßt sich schließen, daß die Wachstumswirkungen der Integration nicht nur allgemein und potentiell als sehr bedeutend zu bezeichnen sind. Bereits aus Vorüberlegungen zur Theorie lassen sich verschiedene Transmissionskanäle zur Übermittlung von Wachstumsimpulsen nennen, die aus A-priori-Überlegungen als interessant erscheinen. Diese werden im Anschluß an die Darstellung der theoretischen Grundlagen zur langfristigen Wirtschaftsentwicklung der Reihe nach aufgeführt und entsprechend ihrem Einfluß analysiert. 3.3.2 Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit In der politischen Diskussion besteht kaum ein Zweifel darüber, daß eine wirtschaftliche Integration die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Volkswirtschaften hochgradig beeinflußt. Es ist jedoch nicht einfach, den Begriff der Wettbewerbsfähigkeit zu operationalisieren und mit der übrigen Integrationsanalyse in Verbindung zu bringen. Folgende Punkte sind dabei zu bedenken: Erstens enthält die Vorgabe von nur einer einzigen Zielgröße wie Wettbewerbsfähigkeit keinerlei Restriktionen; Restriktionen und die Betonung von Zielkonflikten sind aber zentral in der ökonomischen Theorie. Zweitens ist zu beachten, daß sich die Wettbewerbsfähigkeit auf relative Positionen von Regionen und Unternehmungen bezieht und daß der Begriff auf unterschiedlichen Aggregatsstufen eine unterschiedliche Bedeutung hat. 58 Im Gegensatz zur Unternehmensebene sprechen wir hier von der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder einer Region, die durch die wirtschaftliche Integration verändert wird. Darüber hinaus sollte die Wettbewerbsfähigkeit immer als eine dynamische Fragestellung geshen werden, weshalb nur eine dynamische Theorie Aussagen zur Wettbewerbsfähigkeit generieren kann. Verschiedene Determinanten sind maßgebend für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes beziehungsweise einer Wirtschaftsregion und müssen deshalb im Integrationsprozeß verfolgt werden. Diese Determinanten sind vor allem:
58
Vgl. dazu auch Bretschger (1996a), Kapitel 8, und die anwendungsorientierte Studie zur Wettbewerbsfähigkeit auf der Grundlage der Neuen Wachstumstheorie, Bretschger et al. (1995).
I. Grundlagen
Faktorbedingungen, d.h. Menge, Preis und Qualität der am Standort vorhandenen Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital, Boden und Energie. Besonders die Verfügbarkeit und das Preis-Leistungs-Verhältnis von auf die regionalen Schlüsselbranchen zugeschnittenen Faktoren sind von Bedeutung. Staatliche Tätigkeit, d.h. besonders die regional zur Verfügung stehende Infrastruktur. Staatliche Leistungen wie im Verkehrs- und Kommunikationsbereich beeinflussen die Produktivität der ansässigen Unternehmungen. Aber auch andere staatliche Eingriffe und Auflagen, wie Steuererhebungen, Baubewilligungsverfahren, Arbeitsmarktregulierungen (z.B. Bewilligungen für ausländische Arbeitskräfte), Patentschutz, Handelsbeschränkungen, Regulierungen bei der Gründung neuer Firmen und das rechtliche Umfeld allgemein, haben zum Teil erhebliche Auswirkungen auf den Aktionsraum innovations- und wachstumsstarker Branchen. Verwandte und zuliefernde Unternehmungen und Branchen, d.h. die räumliche Nähe zu zuliefernden, weiterverarbeitenden und verwandten Wirtschaftszweigen. Die ökonomische Theorie unterscheidet verschiedene positive Effekte, die aus einer solchen Ballung hervorgehen können. Zum einen sind die rasche Verfügbarkeit und das Preis-Leistungs-Verhältnis von Investitionsgütern, Zwischenprodukten und Dienstleistungen wichtig. Ebenso können Größenvorteile entstehen und ausgenutzt werden. Informations- und Wissensfluß, d.h. der Fluß von Informationen über Innovationen und der Transfer der technischen Neuerungen zwischen verschiedenen Firmen. Dieser Effekt dürfte für Branchen, die sich durch einen hochtechnologischen Produktionsprozeß auszeichnen oder hochtechnologische Güter produzieren, besonders signifikant sein. Marktbedingungen, d.h. die Nachfrage nach den Produkten der regionalen Schlüsselbranchen. Die Größe und das Wachstum des potentiellen Absatzmarktes sind für gewisse Branchen besonders wichtig. Der Markt muß dabei zu wirtschaftlich attraktiven Bedingungen zugänglich und bedienbar sein. Wettbewerbsbedingungen, d.h. die Art und die Effekte des Wettbewerbs zwischen den Unternehmungen in einem Land oder einer Region. Entscheidend sind dabei die staatlichen Rahmenbedingungen, die Anzahl der miteinander konkurrierenden Unternehmungen, die Kostenstruktur in der jeweiligen Branche und das strategische Verhalten der Firmen in der Konkurrenz zu anderen Unternehmungen und auf dem Absatzmarkt.
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
51
Diese sechs Determinanten bestimmen hauptsächlich die relative Position einer Region oder eines Landes im interregionalen und internationalen Standortwettbewerb. Vor allem beeinflussen sie die Produktivität der an einem Standort eingesetzten Faktoren in großem Ausmaß. Das Niveau, insbesondere aber die Entwicklung dieser Produktivität ist der zentrale Forschungsgegenstand der Wachstumstheorie. Damit ist noch einmal ausgedrückt, daß die nun genauer zu betrachtende Dynamik in der Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit die Hauptrolle spielt. Im nachfolgend aufgebauten Integrationsmodell können nicht alle der oben aufgeführten Determinanten der Produktivität mit gleicher Schärfe berücksichtigt werden. Hauptsächlich wird es in der Folge darum gehen, die Produktivitätsentwicklung in Abhängigkeit weniger, makroökonomisch gut faßbarer Determinanten darzustellen.
3.4 Empirische Fakten zu Integration und Wachstum Die langfristigen Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration von Ländern in eine übernationale Union oder Verbindung können statistisch am einfachsten an der dynamischen Einkommensentwicklung gemessen werden. Im Vergleich mit der Entwicklung ohne Integration ist in den beteiligten Volkswirtschaften dabei der Aspekt der zunehmenden internationalen Wirtschaftsverflechtung ein zentrales Thema. Die Zusammenhänge in den internationalen Beziehungen auf Güter- und Faktormärkten sind äußerst komplex. In diesem Abschnitt kommen einige ausgewählte empirisch beobachtete Entwicklungen zur Sprache, die für die gewählte Themenstellung besonders interessant sind. Aus entsprechenden Statistiken der Außenhandelsströme kann ersehen werden, daß in der Nachkriegszeit weltweit eine massive Zunahme des Außenhandels stattgefunden hat. Dies geschah schon vor der Bildung der heutigen supranationalen Binnenmärkte. Noch auffälliger ist, daß die Zahlen im Außenhandel in vielen Fällen nicht nur absolut gestiegen sind, sondern oft auch relativ zum gesamten Einkommen. Dieser Zusammenhang ist in der folgenden Abbildung 3.2 grafisch dargestellt. Anhand der Variablen Offenheit wird die Veränderung der außenwirtschaftlichen Verflechtung der aufgeführten Länder im Zeitraum zwischen 1960 und 1992 dargestellt. Offenheit ist definiert als Summe der Exporte und Importe geteilt durch das gesamte Einkommen. In der Abbildung ist für jedes Land die Differenz zwischen der Offenheit 1992 und derselben Variablen 1960 abgetragen. Daraus wird ersichtlich, daß im weltweiten Überblick für die Mehrzahl der Länder eine deutlich zunehmende Verflechtung mit der Weltwirtschaft zu verzeichnen ist.
52
I. Grundlagen
A b b i l d u n g 3.2: V e r ä n d e r u n g d e r Offenheit 1 9 6 0 - 1 9 9 2 HONGKONG MOZAMBIQUE MALAYSIA BELGIEN NIGERIA NAMIBIEN SIERRALEONE IRLAND POLEN PHILIPPINEN THAILAND COSTARICA TUERKEI BURKINAFASO GUINEA-BISS INDONESIEN MAURETANIEN OESTERREICH CHILE ZYPERN TUNESIEN ISRAEL AEGYPTEN ECUADOR iVESTDEUSCHLAND CHINA DOMIN IC ANR EP.
1111I 1111111I 1I
TSCHAD LUXEMBURG PARAGUAY HONDURAS SPANIEN FRANKREICH KANADA BURUNDI GUATEMALA PAKISTAN ITALIEN USA. NEUSEELAND MEXICO MADAGASKAR NIEDERLANDE SCHWEIZ URUGUAY INDIEN SCHWEDEN TOGO VENEZUELA FINNLAND PANAMA AUSTRALIEN MAROKKO RUANDA U K. UGANDA BRASILIEN KOLUMBIEN MALAWI DAENEMARK ELFENBEINKUESTE ELSALVADOR JAPAN KENYA IRAN ALGERIEN U.D.S.SR. NORWEGEN Z1MBABWE GHANA BOLIVIEN GABUN KAMERUN SUEDAFRICA KOREA,REP. NEPAL ARGENTINIEN PERU AETHIOPIEN SINGAPUR NIGER SR1LANKA ZAIRE MALI RUMAENIEN GRIECHENLAND SOMALIA ISLAND TAIWAN KONGO HAITI ANGOLA PORTUGAL NICARAGUA
. 1 llllllllllllllll- I I
=
A Of enheit -60
-40
-20
0
20
40
60
80
100
Differenz der Offenheit eines Landes 1992 zum Wert von 1960; Offenheit als Summe der Exporte und Importe geteilt durch das gesamte Einkommen; Quelle: Summers/Heston Penn World Table 5.6
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
53
Die unterschiedliche Öffnung von Volkswirtschaften im Güterhandel ist nicht nur in bezug auf den Außenhandel interessant. Es ist nämlich empirisch zu beobachten, daß Länder mit einem großen Außenhandelsvolumen im internationalen Querschnitt durchschnittlich höhere Wachstumsraten aufweisen. 59 Obwohl dieser Zusammenhang intuitiv einleuchtend erscheint, sind die Faktoren, die dafür verantwortlich sind, sehr vielfältig und zum Teil kontrovers. Sobald z.B. externe Effekte und positive Skalenerträge eine Rolle spielen - und das sind in der Erklärung von langfristigen Wachstumsprozessen zentrale Argumente - können die einfachen Axiome der neoklassischen Allokations- und der Wohlfahrtstheorie nicht mehr direkt angewendet beziehungsweise auf den Außenhandel übertragen werden. Darüber hinaus ist mit der Darstellung einer Korrelation keine Aussage zur Kausalität verbunden. Vielmehr wird sich im Verlauf der Arbeit herausstellen, daß Ursache und Wirkung im Fall von Wachstum und Außenhandel nicht eindeutig zuzuordnen sind. Wachstum sowie Art und Richtung des Außenhandels sollten über ein interdependentes makroökonomisches System der offenen Volkswirtschaft simultan bestimmt werden. Durch die wirtschaftliche Integration werden wiederum beide Größen gleichzeitig verändert. Nicht nur auf den Gütermärkten, auch auf den internationalen Faktormärkten lassen sich weltweit gewisse empirische Regelmäßigkeiten feststellen. Eine erste Feststellung besteht darin, daß sowohl unqualifizierte wie auch qualifizierte Arbeitskräfte zur Wanderung in Hoch-Einkommens-Länder neigen. 60 Dieses latente Bedürfnis wird durch die aktuelle Immigrationspolitik vieler Länder (d.h. hauptsächlich der reichen Länder) stark restringiert. Während in den USA in den sechziger und siebziger Jahren die Immigration von besonders qualifizierten Arbeitskräften gefördert wurde, hat sich das Schwergewicht (auch im Zug der illegalen Einwanderung) auf die eher unterdurchschnittlich qualifizierte Arbeit verschoben. 61 In verschiedenen europäischen Ländern waren es in der Nachkriegszeit vor allem die eher unterdurchschnittlich qualifizierten Arbeitskräfte, die durch die Regelungen in der Migrationspolitik den Vorzug erhielten. In bezug auf die Dynamik sind im Zusammenhang mit der Migration zwei Punkte zu erwähnen: Auf der einen Seite ist das Bevölkerungswachstum im internationalen Querschnitt negativ korreliert mit der Wachstumsrate des Einkommens. Als theoretische Begründungen gelten die Hypothese, daß die Investitionen in den realen Kapitalstock bei großem Bevölkerungswachstum auf mehr Köpfe verteilt werden müssen, und der Umstand, daß die Anreize für arbeitsparende Investitionen mit Vgl. Bretschger (1996a), 153, für eine entsprechende Grafik zu diesem Faktum im internationalen Vergleich. 6 0 Romer (1989), 55 6 1 Vgl. dazu Freeman (1992). 59
54
I. Grundlagen
einer wachsenden Zahl von Arbeitskräften kleiner werden. Auf der anderen Seite gilt mittlerweile als stilisiertes Faktum, was in der vorliegenden Arbeit noch theoretisch ausgearbeitet werden wird, daß große Anteile von qualifizierter und hochqualifizierter Arbeit an der gesamten Arbeit das Wachstum positiv beeinflussen. Offensichtlich ist für die Frage der internationalen Wanderung die Frage der Qualifikation der Arbeit von vordringlicher Bedeutung. Ein Problem bei der Überprüfung dieser These ist die Gewinnung von aussagekräftigen Daten für Bildung beziehungsweise Humankapital. In der Realität existiert Bildung in Form von Schulwissen auf verschiedenen Stufen, betriebsspezifischem Wissen, z.B. durch "On-the-job-Training", organisatorischem und institutionellem Wissen u.a.m. Für den internationalen Querschnitt bieten sich vor allem Daten aus dem Schulbereich an; besser wären Daten über Lohndifferenzen, doch sind diese derzeit für viele Länder nicht verfügbar. Auch ohne besondere Berücksichtigung der Außenbeziehungen wurden für die langfristige Wirtschaftsentwicklung in der Literatur an verschiedenen Stellen Gesetzmäßigkeiten festgehalten. So hat z.B. Kaldor 62 festgestellt, daß (i) die Produktion pro Arbeitsplatz ein kontinuierliches Wachstum zeigt, (ii) die Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz stetig zunimmt und (iii) der Ertrag des Kapitals im Zeitablauf konstant bleibt. Ebenso hielt Kaldor fest, daß es zwischen den einzelnen Ländern große Unterschiede im Produktivitätswachstum gibt. Eine genauere Betrachtung zeigt, daß das langfristig "stetige" Wachstum vor allem die "Industrieländer" betrifft. Diese Länder haben die kritische Phase hin zu einem Wohlstandswachstum für breite Bevölkerungsschichten überwunden; diese Phase wird in der Sprache der Stufentheoretiker 63 auch als "Takeoff" bezeichnet. Für etwa die Hälfte der Länder der Erde ist dies jedoch bisher nicht der Fall gewesen; diese Länder verharren auf einem relativ tiefen wirtschaftlichen Niveau mit meist bescheidenen Wachstumsraten. Für die Gruppe der Industrieländer gilt, daß das Wachstum in keiner vorhergehenden Periode so hoch war wie in den vergangenen zwei Jahrhunderten. Die Phase der "Industrialisierung" brachte ein Anwachsen der Wachstumsraten des Einkommens in den Industrieländern und ein Anwachsen der Varianz in den Einkommensniveaus weltweit mit sich. Das konstante Verhältnis der eingesetzten Kapitalmenge zur gesamten Produktion wird durch die langfristig verfügbaren Datenreihen gestützt, wobei die Messung des Kapitalstocks ein um so beträchtlicheres Problem darstellt, je weiter die Zeit zurückverfolgt wird. Dabei spielt es eine große Rolle, wie die Qualität des Faktors Kapital gemessen wird. Unter Annahme einer konstanten Abschreibungsrate und einer konstanten Investitionsquote kann analog auch der Zusammenhang zwischen 62 63
Kaldor (1965) Ein prominenter Vertreter ist Rostow, vgl. Rostow (1960).
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
55
Investitionen und Wachstum des Realeinkommens pro Kopf analysiert werden, 64 der nicht ausschließlich aufgrund der Kaidorschen Feststellung interessant ist, sondern auch als wegweisend für die neuen Entwicklungen in der Wachstumstheorie gilt. Zusammen mit der industriellen "Revolution" kann vorerst eine Explosion in der Streuung der Wachstumsraten im internationalen Vergleich beobachtet werden. Nachdem vorher in weiten Teilen der Erde trotz manchmal auftretenden Blütezeiten und Katastrophen insgesamt ein recht vergleichbares Einkommensniveau geherrscht hatte, vergrößerte sich anschließend der Abstand der Entwicklungspfade deutlich. Daß einzelne Volkswirtschaften im Entwicklungsstand von anderen Ländern überholt wurden, kam relativ selten vor, ebenso, daß einzelne Länder zurückfielen. Für beide Phänomene gibt es aber prominente Beispiele. Im Verlauf der Geschichte wurden die Niederlande als führende Nation abgelöst von England, das sich wiederum von den Vereinigten Staaten überholt sah. Argentinien ist auf der anderen Seite in diesem Jahrhundert der prägnanteste Fall für einen deutlichen relativen Abstieg im internationalen Vergleich. In der letzten Zeit hat sich in der Literatur ein Schwerpunkt mit dem Thema Konvergenz der Entwicklungsniveaus von Volkswirtschaften und Regionen gebildet. Ausgelöst wurde die Diskussion aufgrund einer Studie mit einer sehr eingeschränkten Länderauswahl. 65 Es wurden vorerst nur diejenigen Volkswirtschaften betrachtet, für die gutes Zahlenmaterial vorhanden ist; zugleich sind dies aber die Länder, die heute das international höchste Entwicklungsniveau aufweisen. Dieses Vorgehen führt deshalb zu einer schwerwiegenden Verzerrung in der Bildung der Stichprobe, einem "sample selection bias", indem sich durch die Ex- postSelektion der auf unterschiedlichen Ausgangsniveaus gestarteten Volkswirtschaften - aufgrund eines rein statistischen Effekts - (zwangsläufig) ein Konvergenzverhalten ergeben muß. Was seit dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich stattgefunden hat, ist ein Aufholprozeß der OECD-Länder gegenüber dem vormaligen Leader USA, was zur Begriffsbildung des "Konvergenzklubs" führte. 66 Über ein größeres Sample, wie in Abbildung 3.3 dargestellt, läßt sich aber kein generelles weltweites Aufholen der ärmeren Länder zum Leader USA ausmachen.
64
Vgl. Romer (1989), 60. Vgl. Baumol (1986), der die Auswahl der 16 Länder studiert, für die Maddison (1982) die Daten bereitgestellt hatte. 66 Baumol (1986) 65
56
I. Grundlagen
Abbildung 3.3: Entwicklungsniveau und Wachstum 1960-1992 Wachstum
+
INDONESIEN +
+
LESOTHO
SPANIEN +
MAROKKO*
IRLAND
TUNESIEN
+
ISRAEL
A E G Y P T E N * TUERKEI PAKISTAN + PANAMA*
KONGO* •f NIGERIA t +
+
INDIEN ^ +
1
+
"
+
HRWANDA
+
o u i W
+
+
J
K A N A D A + WESTDEUTSCHLAND ' LUXEMBURG
DAENEMARK +
U.K.
+
+
AUSTRALIEN
çrnu/mPKi SCHWEDEN
+ SCHWEIZ
SUEDAFRIKA
+
°^temala ELSALVADOR
•
+
NIEDERLANDE
+
NEUSEELAND
URUGUAY IRAN
CUINEA-BISS ' ZIMBABWE BURKINAFASO MAURETANIEN
,
FINNLAND
MAURITIUS
COSTARICA
BANGLADF-SH 4PHILIPPINEN
TOGO
+
M E X I C 0
+
BRASILIEN +
^KOLUMBIEN ECUADOR PARAGUAY SR1LANKA j.
+
NORWEGEN
ISLAND OESTERREICH + BELGIEN FRANKREICH
CHINA +
+
ITALIEN + +
+
VENEZUELA
PERU
ELFENBEINKUESTE
UGANDA BURUNDI
TSCHAD +
MADAGASKAR
Relatives Einkommensniveau 1960 • '
0
1
I
'
0.1
'
1
1
I
'
0.2
'
'
'
I
1
0.3
1
'
1
I
1
0.4
1
'
1
I
'
0.5
'
'
1
I
'
0.6
1
'
1
I
1
1
0.7
'
1
I
1
1
0.8
'
1
I
1
1
0.9
'
1
Wachstum des Einkommens zwischen 1960 und 1992 in Prozenten, real, pro Kopf und pro Jahr; Verhältnis des Pro-Kopf-Einkommens jedes Landes zum Pro-Kopf-Einkommen der USA 1960; Quelle: Summers/Heston Penn World Table 5.6
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
57
Auf den Achsen von Abbildung 3.3 sind für jedes Land die Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens zwischen 1960 und 1992 sowie das Verhältnis des Pro-Kopf-Einkommens des Landes zum Pro-Kopf-Einkommen der USA im Jahr 1960 abgetragen. Gemäß dieser Darstellung kann keine absolute (von weiteren Bedingungen unabhängige) Konvergenz der Einkommensniveaus beziehungsweise ein generelles Aufschließen der einzelnen Länder zum Leader USA festgestellt werden. Wohl ist die obere rechte Hälfte des Charts weitgehend leer, doch ist links die volle Bandbreite der Achse besetzt. Zu Recht wird bei solchen zweidimensionalen Zusammenhängen darauf hingewiesen, daß weitere relevante Variablen nicht konstant gehalten sind. Eine verbesserte Möglichkeit zur Überprüfung von Konvergenzbewegungen - der sogenannten bedingten Konvergenz - ist erst mit Hilfe der multiplen Regressionsanalyse möglich. Dabei spielen andere Einflußfaktoren wie Sparquote, Bevölkerungswachstum und Abschreibungsraten die weiteren Hauptrollen. Welche theoretischen Gründe hinter der bedingten Konvergenz stehen, ist in der heutigen Diskussion nicht eindeutig geklärt. Sowohl aus der neoklassischen wie aus der Neuen Wachstumstheorie lassen sich Gründe für eine bedingte Konvergenz der Einkommensniveaus herleiten. 67 Die Erforschung dieses Teilbereichs der Wachstumstheorie gehört somit zu den interessantesten makroökonomischen Forschungsgebieten. Eine weitere Tatsache ist der u.a. von Romer betonte Umstand, daß das volkswirtschaftliche Wachstum zu keinem Zeitpunkt vollständig durch das Anwachsen der Input-Faktoren zu erklären ist. 68 Mit anderen Worten verbleibt bei den Anwendungen zur sogenannten Wachstumsbuchhaltung 69 immer ein Residual. Es hängt vom Verfahren zur Qualitätsbestimmung dieser Faktoren ab, wie groß dieses sogenannte SolowResidual ausfällt. In der Neuen Wachstumstheorie wird der Versuch unternommen, auch den unerklärten Rest, der gemeinhin dem technischen Fortschritt zugeschrieben wird, zu erklären. Das Wachstum einer Volkwirtschaft hängt z.B. entscheidend davon ab, welche technischen Möglichkeiten im Inland selbst geschaffen oder vom Ausland übernommen werden können. Die technischen Möglichkeiten scheinen für die armen und die reichen Länder nicht gleich groß zu sein, wie folgende Überlegung und Abbildung 3.4 zeigen. Das Wachstum des Kapitalstocks und des Einkommens in einem Land ist neben dem Stand des technischen Wissens vor allem über die jeweilige Investitionsquote bestimmt, die in der Abbildung im Zusammenhang mit dem Einkommensstand 1960 gezeigt wird. 67 68 69
Vgl. dazu auch die Abschnitte 4.2.1 und 8.5. Romer (1989), 55 Z u m Verfahren der Wachstumsbuchhaltung vgl. z.B. Bretschger (1996a), Kapitel 3.
I. Grundlagen
58
Abbildung 3.4: Entwicklungsniveau und Investitionsquote 35Investitionsquote +
SINGAPUR NORWEGEN
30
+
LUXEMBURG
+
SCHWEIZ + ISLAND ITALIEN +
+
25-
ISRAEL
+
SPANIEN +
+
FRANKREICH
ZYPERN +
+
+ AUSTRALIEN WESTDEUTSCHLAND +
ÖSTERREICH
+
DAENEMARK +
IRLAND
NAMIBIA
+
+
NIEDERLANDE
BELGIEN
'
K
T*
NEUSEELAND
N A D A
SCHWEDEN
MALAYSIA +
ECUADOR +
T
TÜRKEI
CHINA
2 0 -
+
THAILAND -r
+
GUINEABISS +
HONGKONG
BRASILIEN
+
j. SUED AFRIKA
T
+
+
+ U.K. VENEZUELA
COSTA
+ TOGO++ KOLUMBIEN * T+ + PHILIPPINEN
15
.
PERU
INDONESIEN BOLIVIEN
f
C H I L E
+ +
^
+
| R A N
TUNESIEN
+
+HONDURAS
INDIEN
PARAGUAY
URUGUAY
LESOTHO
+
f
ELFEN BEINKU ESTE
+
P A K;I ISSTTAAN
10-
+ MAURITIUS
+
.
KONGO + + MAROKKO GUATEMALA
KAMERUN EL SALVADOR BURKINA FASO
5+
-BURUNDI AEGYPTEN BANGLADESH
UGANDA T
MOZAMBIQUE
Relatives Einkommensniveau 1960 0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
Investitionsquote als Durchschnitt der Periode 1960-1992 Kopf-Einkommens jedes Landes zum Pro-Kopf-Einkommen Heston Penn World Table 5.6
0.7
0.8
0.9
in Prozenten; Verhältnis des Proder USA 1960; Quelle: Summers,/
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
59
In Abbildung 3.4 sind für verschiedene Länder die durchschnittlichen Investitionsquoten zwischen 1960 und 1992 im Zusammenhang mit dem einkommensmäßigen Abstand der Länder zu den USA von 1960 abgebildet. Daraus wird ersichtlich, daß zwischen den beiden Größen eine leicht positive Korrelation besteht. Dies erklärt zum Teil, weshalb ärmere Länder nicht unbedingt zu den reicheren Ländern aufholen, da sie im Durchschnitt weniger in Realkapital investieren. Zusätzlich ist zu beachten, daß die Investitionen in Realkapital gemäß konventioneller, neoklassischer Theorie produktiver sind, wenn wenig Kapital vorhanden ist. 70 Das heißt, mit weniger Kapitaleinsatz läßt sich in einem weniger entwickelten Land ein größeres Wachstum erzielen. Werden nun die beiden genannten Effekte in einer Überschlagsrechnung in Relation gesetzt, 71 wird deutlich, daß für die unterschiedlichen Wachstumsraten in armen und reichen Ländern zusätzliche Gründe vorliegen müssen. Ein wichtiger Grund scheint im unterschiedlichen Zugang der Länder zum technischen, organisatorischen und institutionellen Wissen zu bestehen. Dieser Zugang wird durch die internationale Integration entscheidend verändert. Deshalb wird die Fundierung des technischen Fortschritts im weiteren Verlauf der Arbeit einen wichtigen Platz einnehmen.
3.5 Erfassung der Integrationsdynamik Innerhalb der Makrotheorie werden die Erklärungen für die langfristige Wirtschaftsentwicklung meist dann unter dem Begriff "Wachstumstheorie" zusammengefaßt, wenn die Industrieländer im Zentrum der Betrachtung stehen. Für die sogenannten Entwicklungsländer ist demgegenüber die Bezeichnung "Entwicklungstheorie" geläufig. Wachstum ist für viele ein Reizwort: es wird die Frage nach den "Grenzen" des Wachstums provoziert, oft gerät die Diskussion in den Bereich der negativen Externalitäten der wirtschaftlichen Aktivitäten auf Mensch und Umwelt. Deshalb ist der Term "Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung" günstiger; er soll in der Folge alle Entwicklungsstufen von Volkswirtschaften umfassen. Der Erklärungsgegenstand dieser Theorie der langen Frist ist dabei naturgemäß sehr umfassend, und die Anforderungen an die theoretischen Prognosen sind deshalb hoch. Im Anschluß an andere Autoren unterscheidet Oppenländer72 vier methodische Wege zur theoretischen 70 71
Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 4. Vgl. Romer (1994), 5.
60
I. Grundlagen
Erklärung von Wachstum beziehungsweise der langfristigen Wirtschaftsentwicklung: die soziologisch-ökonomische Feldanalyse, die historisch-evolutorische Komponente, die empirisch-statistische Analyse und die exakte Modelltheorie. Alle diese Richtungen zeichnen sich durch spezifische Vor- und Nachteile aus und sollten demnach je nach Fragestellung selektiv Verwendung finden oder einander ergänzen. Die makroökonomische Theorie stützt sich vornehmlich auf die Bildung von theoretischen exakten Modellen. Empirische Arbeiten, die methodisch konsistent sind, beziehen ihre Hypothesen direkt aus der modelltheoretischen Herleitung. Durch die Verwendung von hochabstrakten und hochaggregierten Modellen folgt die makroökonomische Disziplin einer zweifachen Forderung an jede Theorie, nämlich: • nach Einfachheit, nach möglichst radikaler Reduktion der Komplexität, welche die Wirklichkeit kennzeichnet • nach möglichst allgemeiner Verwendbarkeit der hergeleiteten Erklärungen und Prognosen (im Englischen zum Teil als "fruitfulness") bezeichnet Neue Theorien - wie die später zu besprechende Neue Wachstumstheorie — gelten nach diesem Verständnis dann als akzeptiert, wenn sie gegenüber den bestehenden Theorien einen empirischen Gehaltsüberschuß (eine zusätzliche Erklärungskraft) aufweisen und zumindest ein Teil dieses Überschusses den empirischen Überprüfungen standhält. Der gesamte Rest dieser Arbeit wird sich auf die Aufgabe konzentrieren, diese Anforderungen im Bereich von Integration und langfristiger Wirtschaftsentwicklung umzusetzen. Die soziologisch-ökonomische Feldanalyse ist auf die Veränderung von menschlichem Verhalten und der Umweltbedingungen im weitesten Sinn ausgerichtet; sie bezieht sich auf viele Gegebenheiten an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten. 3 Die oft schwierige Operationalität des umfassenden Gedankenguts, der umfassenden "Landkarte" der weltwirtschaftlichen Entwicklung, ergibt einen großen methodischen Abstand zum Vorgehen mit exakten Modellen innerhalb der Makrotheorie. 74 Die historisch-evolutorische Komponente erscheint aus makroökonomischer Sicht in wichtigen Fragestellungen als gute Ergänzung zum VorOppenlander (1988), 27 Vgl. Lewis (1955) 74 "What I have done is to make not a theory but a map", Lewis (1955), 5, zit. nach Oppenlander (1988), 27 72
73
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
61
gehen mit exakten Modellen, da die historischen Abläufe differenzierter dargestellt werden und - ebenso wie in der Makrotheorie - teilweise ziemlich weitgehende Abstraktionen zur Theoriebildung vorgenommen werden. Zu der großen Vielfalt an Theorien und Erklärungen können hier nur wenige Bemerkungen gemacht werden. Bekannt ist in diesem Bereich z.B. Rostows Stufentheorie 75 und dabei vor allem die Darstellung der sogenannten "Take-offs", die den Start zum Ausbruch aus dem Zustand der stationären "Unterentwicklung" kennzeichnen. Zur Erbringung des sogenannten "Big Push", der zur Bezwingung dieser nicht linearen Stelle in der langfristigen Wirtschaftsentwicklung notwendig ist, sind nach Ansicht dieses Zweigs der Wirtschaftshistorik gesellschaftliche, institutionelle sowie intellektuelle Anreize und Wertsysteme von großer Bedeutung, die in ihrer Gesamtheit über den Rahmen der exakten Modelltheorie hinausgehen. Ein weiterer Forschungszweig im Rahmen der historisch-evolutorischen Komponente ist die Feststellung von Regelmäßigkeiten in den Branchenstrukturen im Laufe von Entwicklungsprozessen. Ausgehend von einer volkswirtschaftlichen Input/Output-Tabelle, können Sektorenanordnungen herauskristallisiert werden, die als "Fundamentalstruktur" mit intersektoralen "Fundamentalströmen" bezeichnet wurden. 7 6 Weitere Klassifizierungen der Branchen, die in der anwendungsorientierten Forschung berücksichtigt werden, betreffen den Innovationsrhythmus, die Marktchancen, die "Strukturstärke" u.a.m. In diesen desaggregierten Studien wird teilweise wie in der Neuen Wachstumstheorie nach wichtigen Sektoren und sogenannten Schlüsselbranchen gesucht, die in der langfristigen Entwicklung eine zentrale Stellung einnehmen. Die Vergangenheit hat dabei deutlich gezeigt, daß wirtschaftspolitische Empfehlungen in diesem Bereich nur auf einer soliden Grundlage gefällt werden sollten. Die früher und zum Teil heute noch propagierte öffentliche Unterstützung von Sektoren wie Schwerindustrie, Verkehr und Energie ist aus Sicht der Neuen Wachstumstheorie wirtschaftspolitisch nicht angezeigt. Aus der Perspektive der Neuen Wachstumstheorie sind diejenigen Branchen zentral, welche die sogenannten positiven Spillover produzieren und den Wissensstand intensiv erhöhen. Ein weiteres Gebiet innerhalb desselben methodischen Vorgehens ist die Untersuchung langfristiger Zyklen, z.B. der sogenannten "Kondratieff'-Zyklen; diese Abbildung langfristiger Schwankungen bildet die Grundlage für weitere Theorierichtungen, stößt allerdings bei verschiedenen Autoren auch auf Skepsis. 78 Ohne dazu Stellung nehmen zu müs75 76 77 78
Rostow (1960), der sich auch auf ältere Stufentheorien abstützen kann Vgl. z.B. Timmermann (1982), 24. Ausführliche Erläuterungen dazu folgen ab Kapitel 4. Oppenländer (1988), 38
62
I. Grundlagen
sen, kann festgehalten werden, daß für die empirische Überprüfung der langen Wellen die Datenreihen heute noch sehr kurz sind. Aus Sicht der Neuen Wachstumstheorie ist auch die historische Erforschung des Schutzes von Eigentumsrechten und des sozialen Ansehens der Akkumulation interessant. Baumol belegt beispielsweise mit historischen Beispielen aus verschiedenen Weltregionen und Zeitepochen, daß es hauptsächlich vom Zusammenspiel dieser beiden Faktoren abhängt, ob die in einer Volkswirtschaft vorhandenen Schumpeterschen Unternehmerqualitäten für die Gesellschaft produktiv verwertet werden können. 79 Empirische Überprüfungen von theoretisch generierten Hypothesen gehören fest zum Bestand der makroökonomischen Methodologie. Die erwähnte empirisch-statistische Analyse steht auf einer etwas anderen Stufe, da die Regressionen in diesem Fall nicht durch eine besondere Systematik gekennzeichnet sind. Das "Messen ohne Theorie" ist ein methodisch eher umstrittenes Vorgehen. Andererseits bedient sich auch die Makrotheorie desselben Vorgehens in einer ersten Phase des Forschungsprozesses, nämlich dann, wenn die sogenannten stilisierten Fakten zu einem Thema zusammengesucht werden. Auch in der Wachstumstheorie wird dieses Verfahren angewandt, vor allem dazu, den für die Theorie relevanten Erklärungsgegenstand abzugrenzen; in diesem Sinne wurde es bereits weiter oben in diesem Abschnitt verwendet. Allerdings weist ein Beginn des Forschungsprozesses mit Hilfe von stilisierten Fakten auch Nachteile auf: • Das Vorgehen beinhaltet oft nur eine schwache Systematik. • Das Verfahren führt nicht zu einer unverzerrten Hypothesenbildung, da bereits in dieser Phase Vorstellungen geprägt werden. • Zeitreihen und zweidimensionale Zusammenhänge werden übermäßig betont, weil sie grafisch gut darstellbar sind. • Es besteht die Gefahr, daß für Hypothesenbildung und empirische Überprüfung dieselben Daten verwendet werden. Trotz dieser Vorbehalte und unter bewußter Inkaufnahme der Probleme ist das Bilden von stilisierten Fakten weit verbreitet, da es zu realitätsnahen relevanten Fragestellungen führt. Viele Wissenschaftler erachten diesen Schritt als zweckmäßig für die Inspiration zur Erarbeitung tragfähiger Theorien. Ein starkes Gegengewicht zur empirischen Inspiration in der Theoriebildung wird dabei in der heutigen makroökonomischen Theorie durch das Postulat der Mikrofundierung der Verhaltensannahmen gebildet.
79
Baumol (1990)
3. Dynamische Perspektiven der wirtschaftlichen Integration
63
3.6 Nachhaltigkeit der langfristigen Entwicklung Wird der Einfluß der Integration auf das Wachstum untersucht, drängt sich die Frage auf, inwiefern die Nachhaltigkeit dieses Wachstums in diesem Zusammenhang problematisiert werden sollte. Die Analyse der langfristigen Wirtschaftsentwicklung ohne Berücksichtigung der Umweltwirkungen kann als unvollständig betrachtet werden, denn die Natur spielt als Produktionsfaktor und Konsumgut eine wichtige Rolle gerade in der längeren Frist. Die Bewahrung der Umweltqualität und die Förderung der wirtschaftlichen Prosperität, die auch das Ziel der Integration ist, sind beides wichtige Anliegen im Rahmen des nachhaltigen Wachstums. Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt aus der Waldwirtschaft. Die nachhaltige Nutzung eines Waldes bedeutet, daß der Waldbestand in seiner Quantität und in seiner Qualität vollständig erhalten bleibt. Für die gesamte Natur ist das Konzept des konstanten Bestandes jedoch wenig zweckmäßig. Weder ist es z.B. effizient, auf die Nutzung des Erdöls aus Gerechtigkeitsüberlegungen ganz zu verzichten, noch ist es angebracht, eine vollständige Kompensation des Erdöls durch natürliche Ressourcen wie Holznutzung oder Zuckerrohr zu propagieren. Gerade bei der langfristigen Ersetzung des Erdöls spielen nicht erschöpfbare Ressourcen wie die Sonnenenergie eine wichtige Rolle. Dazu braucht es aber in Zukunft zusätzliches Kapital und Know-how. Diese Faktoren tragen mit ihrem Einsatz in der Energieerzeugung ebenso wie eine gesunde Umwelt zum Wohlbefinden der Menschen bei. In einer umfassenden Sicht ist eine Entwicklung dann nachhaltig, wenn der Lebensstandard über die Generationen erhalten oder gesteigert werden kann. Dies ist die Kernaussage des von der UNO und der Weltbank popularisierten Konzepts. Die endliche Verfügbarkeit der natürlichen Ressourcen bedeutet dabei eine wesentliche Restriktion für die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten der Weltwirtschaft. Rohstoffe wie Erdöl und Erze sind erschöpfbare Ressourcen, weil die Zeit für die natürliche Regeneration den menschlichen Planungshorizont um ein Vielfaches übersteigt. Andere natürliche Ressourcen haben zwar eine viel schnellere natürliche Regeneration, weisen aber trotzdem stark rückläufige Bestände auf. Dies ist auf die Übernutzung zurückzuführen, die gegenwärtig namentlich wegen der mangelnden Festlegung von Eigentumsrechten an diesen Ressourcen zu beobachten ist. Außerdem besitzt die Natur als Aufnahmemedium für Emissionen und Abfälle nur sehr beschränkte Regenerationsfähigkeiten, auf die in Zukunft größere Rücksichten zu nehmen sind. Soll die Entwicklung zukünftig Richtung Nachhaltigkeit gehen, muß der Umweltverbrauch deutlich reduziert werden. Die Integration von Nationen zu Staatenverbänden spielt in diesem Prozeß auf verschiedenen Ebenen eine Rolle. Vor allem sind eine wirt-
64
I. Grundlagen
schaftliche und eine politische Ebene zu unterscheiden. Auf wirtschaftlicher Ebene ist im Zusammenhang mit der Integration von Bedeutung, wie sich die Wirtschaftsstruktur und - in Abhängigkeit davon - die Verschmutzung der Umwelt verändern. Sensible Bereiche wie Verkehrswesen, Energiewirtschaft und Landwirtschaft stehen hier im Zentrum des Interesses. Dabei ist es von der Theorie nicht zwingend vorgegeben, wie die wirtschaftliche Integration auf diese Bereiche wirkt. Es kann aber sehr wohl sein, daß die Ausnützung von Größenvorteilen in einem integrierten Markt die Festlegung neuer politischer Rahmenbedingungen für den Umweltschutz erfordert, womit die politische Ebene der Integration angesprochen ist. Generell scheint der effizienteste Weg in Richtung Nachhaltigkeit darin zu bestehen, daß der Staat geeignete Rahmenbedingungen schafft, an die sich die privaten Haushalte und Unternehmungen individuell anpassen. Im Bereich der Umwelt werden Lösungen dieser Art für regionale Umweltprobleme bereits in vielen Fällen auf nationaler Ebene angestrebt. Der Treibhauseffekt, der Verlust an Artenvielfalt und die Schädigung der Ozonhülle sind aber globale Probleme, zu deren Lösung weltweite Anstrengungen nötig sind. Hier besitzt eine supranationale politische Einheit größere Möglichkeiten, Veränderungen zu bewirken. Wenngleich z.B. die Europäische Union nicht die Mehrheit der industrialisierten Welt ausmacht, besitzen EU-weite Umweltmaßnahmen doch ein viel größeres politisches und ökologisches Gewicht als einzelstaatliche Regelungen. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß innerhalb der Union eine politische Einigung auf solche Maßnahmen zustande kommt. In dieser Arbeit wird die Umweltproblematik nicht weiter verfolgt, da der Zusammenhang mit der Frage der Integration nicht sehr eng ist. Unbestritten ist allerdings, daß die Nachhaltigkeit ein zentrales Thema jeder allgemeinen Theorie der langfristigen Entwicklung ist. Für weitere Informationen wird deshalb auf die entsprechende Literatur verwie-
80
vgl. z.B. Bretschger (1996a) Kapitel 10, Bretschger (1996c), Gradus/Smulders (1993) und Pearce et al. (1990).
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
4. Kapitel Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
In diesem Kapitel werden im Anschluß an eine dogmenhistorische Vertiefung die wesentlichen Bausteine zur makroökonomischen Erklärung von Wirtschaftswachstum hergeleitet. Insbesondere findet der Unterschied zwischen dem neoklassischen Wachstumsmodell und der Neuen Wachstumstheorie eine breitere Darstellung. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Bedingung für ein modellendogenes Wachstum, die ausführlich dargelegt wird. Im Hinblick auf die Beurteilung der Integration in einem Binnenmarktprogramm kommen die Wachstumswirkungen der wirtschaftlichen Integration im neoklassischen Modell zur Sprache; zusätzlich werden in diesem und im nächsten Kapitel die Grundlagen für die theoretische Beurteilung der längerfristigen Integrationswirkungen in einem Mehr-Sektoren-Modell mit endogenem Wachstumsantrieb ausführlich entwickelt.
4.1 Grundlagen der Wachstumstheorie 4.1.1 Die dogmenhistorische Perspektive Die Bestimmung der Gründe für ein langanhaltendes volkswirtschaftliches Wachstum war ein zentrales Anliegen von Smith (1776) und weiteren klassischen Ökonomen des 18. und 19. Jahrhunderts. 81 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschob sich der Forschungsschwerpunkt in den Wirtschaftswissenschaften zunehmend in die mikroökonomische Richtung, auf die Analyse von partiellen oder allgemeinen Gleichgewichtssystemen. In der makroökonomischen Theorie stand in den dreissiger und vierziger Jahren Keynes (1936 u.a.) mit seinen Beiträgen zur Arbeitslosig-
66
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
keit und zu den Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik im Vordergrund. Ausgangspunkt des darauf aufbauenden Harrod-Domar-Wachstumsmodells> ist wie in der keynesianischen Multiplikatoranalyse eine konstante Sparquote. Diese wird - explizit bei Harrod - mit einem konstanten Akzelerator für die Kapitalakkumulation verbunden. Obwohl keiner der beiden Autoren eine Produktionsfunktion verwendet hat, kann der Produktionsteil dieses Ansatzes formell durch eine Leontief-Produktionsfunktion mit fixen Koeffizienten ausgedrückt werden. In der neoklassischen wie in der Neuen Wachstumstheorie spielt die Form dieser aggregierten Produktionsfunktion eine wichtige Rolle. Im neoklassischen Wachstumsmodell, das untrennbar mit den Beiträgen von Solow83 verbunden ist, wird ein Anpassungsprozeß der relativen Preise auf den Faktormärkten vorausgesetzt, was unter 4.2 zur Sprache kommt. Wie in Abbildung 4.1 wiedergegeben, beruht die in dieser Arbeit im Zusammenhang mit der Frage der Integration breit verwendete "Neue Wachstumstheorie" auf drei Pfeilern. Der erste dieser Pfeiler besteht aus der neoklassischen Wachstumstheorie (vgl. Abschnitt 4.2). Der zweite und der dritte Pfeiler stützen sich ursprünglich auf Schumpeter, der bereits früh in diesem Jahrhundert Wesentliches zur neueren Theorie der dynamischen Wirtschaftsentwicklung beigetragen hat. 84 Seine Theorie betont die Innovationen als Wachstumsmotor und erweitert damit die bis dahin üblichen Modelle um entscheidende Aspekte. Daraus leitete sich später in der Industrieökonomik ein vornehmlich empirisch ausgerichtetes Forschungsprogramm zum Zusammenhang zwischen Marktformen und der Innovationstätigkeit ab; Beispiele dazu sind in Scherer (1992) enthalten. Der dritte Pfeiler der Neuen Wachstumstheorie stützt sich auf die Beiträge von Arrow (1962a und b). Hier wird der Faktor Wissen nicht mehr ausschließlich als Input für wirtschaftliche Prozesse, sondern ebenso als Output eines Lernprozesses identifiziert. Die ökonomische Theorie des branchenspezifischen "Learning by Döing", wobei sich dieses "Döing" vorerst auf die Investitionstätigkeit bezog, führte das für die neueren Ideen entscheidende Element der Aktivitäten mit sogenannten positiven Spillover in die Theorie ein. Erweiterungen zu diesem Thema im Rahmen der Wachstumstheorie lieferten unter anderem Kennedy (1964), Shell (1967), Sheshinski (1967) und Uzazva (1965). Eine Übersicht über die bedeutendsten Wachstumstheoretiker findet sich in Rostow (1990). Diese breite Darstellung wurde allerdings von Dorfman (1991) aufgrund des generalisierenden und formalisierenden Vorgehens kritisiert. Eine analytische Darstellung der neuen Entwicklungen in der Wachstumstheorie ist z.B. Bretschger (1992a), eine Einführung in die Neue Wachstumstheorie z.B. Bretschger (1993a); vgl. dazu auch Bretschger (1996a), Kapitel 5 ff. 0 2 Harrod (1939) und Domar (1946) 8 3 Solow (1956) und (1957) 8 4 Schumpeter (1911) und (1942)
81
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
67
Abbildung 4.1: Drei Pfeiler der Neuen Wachstumstheorie Neoklassisches Wachstumsmodell Solow u.a.
Industrieökonomik Scherer
"Wissen" als Output und Input in Produktionsprozesse Arrow Shell Sheshinski Uzawa Kennedy
Neue (neoklassische) Wachstumstheorie Romer Lucas Grossman / Helpman Rebelo Barro
Das Forschungsprogramm der Neuen Wachstumstheorie begann in den achtziger Jahren mit den Beiträgen von Romer (1986,1990), der die Bedingungen dafür formulierte, wie die langfristige Wachstumsrate als endogene Variable in ein Wachstumsmodell eingeführt werden kann. Die Idee der Modellierung einer endogenen Wachstumsrate wurde unter anderen von Rebelo (1990) aufgenommen. Lucas (1988) baut seine Theorie der langfristigen Entwicklung auf den Faktor Humankapital, während Barro (1990) die produktive Wirkung staatlicher Vorleistungen integriert. Grossman/Helpman (1991) dehnen die Theorie des endogenen Wachstums auf die offene Volkswirtschaft aus und sind damit ein wichtiger Referenzpunkt für die vorliegende Arbeit.
68
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
4.1.2 Faktorakkumulation und aggregierte Produktionsrestriktion Entsprechend der in der neoklassischen Tradition verhafteten Auffassung von Wissenschaftstheorie sind die langfristige Wirtschaftsentwicklung und deren Bestimmungsgründe auf wenige entscheidende Zusammenhänge zu reduzieren. Die theoretische Abhandlung innerhalb exakter Modelle entspricht dem makroökonomischen Ansatz zur Erklärung der langfristigen Wirtschaftsentwicklung. 85 Grundlegende Bausteine jedes auf solchem Fundament beruhenden Wachstumsmodells sind die aggregierte Produktionsfunktion, die aggregierte Sparfunktion sowie der Finanzierungssektor. Abbildung 4.2: Grundelemente von Wachstumsmodellen
Innerhalb der Wirtschaftstheorie ist die Auffassung verbreitet, daß in der von der Wachstumstheorie analysierten langen Frist die Angebotsseite der Volkswirtschaft die dominante Rolle spielt und deshalb vorrangig modelliert werden muß. Dabei wird davon ausgegangen, daß die aggregierte Produktionsfunktion trotz der immer wieder betonten Aggrega85
Vgl. auch Abschnitt 3.5.
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
69
tionsprobleme ein zweckmäßiges analytisches Konstrukt darstellt. 86 Die aggregierte Produktionsfunktion bedeutet damit die entscheidende Restriktion für die Entwicklung des aggregierten Einkommens. Die dahinter stehende Akkumulation von Produktionsfaktoren ist aber keineswegs unabhängig von Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dies macht das Auseinanderhalten von kürzerfristigen Konjunkturentwicklungen und längerfristigen Wachstumstrends zu einem methodisch heiklen Unterfangen. 87 Denn kurzfristige Schocks, ein von der Nachfrage beziehungsweise den Erwartungen über die Nachfrage geprägtes Investitionsverhalten sowie die Gestalt von Preis- und Lohnanpassungen können den langfristigen Entwicklungspfad mit beeinflussen. Beim Auftreten von technischen Rigiditäten im Faktoreinsatzverhältnis und von Preis- und Lohnrigiditäten spielen die Anpassungsprobleme im Wachstumsprozeß eine Rolle. Deshalb kann es für bestimmte Untersuchungsgegenstände zweckmäßig sein, auch in der längeren Frist Markt-Ungleichgewichte in der Modellierung zu berücksichtigen. Ebenso wird oft die Meinung vertreten, daß Wirtschaftsstruktur und Wachstum besonders eng miteinander verknüpft seien. Deshalb erscheint die Verwendung von Mehrsektorenmodellen als wünschenswert, so wie es im Hauptmodell dieser Arbeit vorgenommen wird. Gewisse einfachere Modelle des endogenen Wachstums verbleiben allerdings aus didaktischen Gründen in der einsektoralen Darstellung. Die Akkumulation der Produktionsfaktoren ist stark von der Sparfunktion determiniert, mit der die Haushalte ihre intertemporale Konsumpräferenz ausdrücken. Die Sparsumme ergibt den Rahmen, der die Grenzen für die Finanzierbarkeit der Akkumulation absteckt. Im SolowModell wird die im Grunde gar nicht neoklassische - da nicht auf der individuellen Optimierung beruhende - Annahme einer konstanten und vor allem zinsunabhängigen Sparquote getroffen beziehungsweise von Harrod/Domar und der keynesianischen Konjunkturtheorie übernommen. In der aktuellen Wachstumstheorie findet demgegenüber zur Ermittlung des Sparverhaltens (fast ausnahmslos) der Rückgriff auf die bereits von Ramsey (1928) eingeführte intertemporale Optimierung statt. Das dritte Element jeder Wachstumstheorie ist ein Finanzierungssektor, der die Zuteilung der Sparmittel zu den verschiedenen Anlageformen abbildet. Dabei lassen sich diese Zusammenhänge wie in der keynesianischen Konjunkturtheorie als Reflex des Gütermarktes oder direkt als eigentlicher Kapitalmarkt modellieren. Die im neoklassischen Wachstumsmodell verwendete Identität von Sparen und Investieren Die Kritik an der aggregierten Produktionsfunktion führte zur sogenannten Cambridge/Cambridge-Debatte; die wesentlichen Argumente sind z.B. in Jones (1975), 123 ff., nachzulesen. 8 7 Vgl. dazu Kapitel 7.1. 86
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II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
resultiert aus derselben Überlegung wie im IS/LM-Modell, doch im Unterschied zum IS/LM-Modell wird sie als echte Ex-ante-Beziehung verwendet. Die Anzahl der Aktiva - bei Solow sind dies Realkapital und Bonds - ist für ein realitätsnahes Wachstumsmodell unter Umständen und je nach Anwendung zu erhöhen. Zum Beispiel sind verschiedene Risikoklassen des Kapitals oder der Einbezug des Geldes als separates Medium für Wertaufbewahrung denkbar. Für eine solche Modellierung rücken die Aspekte eigentlicher Finanzmärkte und der Institutionen im Finanzsektor in den Vordergrund. In der Folge werden alle drei Bausteine der Wachstumstheorie genauer beleuchtet, zur besseren Übersicht nicht alle gleichzeitig, sondern in einer systematischen Abfolge. Zuerst soll die Form der aggregierten Produktionstechnik in den Vordergrund treten, da hier in der letzten Zeit die wesentlichsten theoretischen Neuerungen erarbeitet worden sind. Die Aussagen sind dabei reduziert auf die notwendigen Grundlagen; die Verfeinerungen bezüglich mehrerer Sektoren sowie bezüglich möglicher Ungleichgewichte werden vor allem in späteren Kapiteln vorgenommen. Bis Kapitel 4.4 wird mit den einfachsten Annahmen für das Sparen und die Finanzierung gearbeitet, was die Allgemeinheit der Resultate bis zu diesem Punkt der Argumentation nicht beeinträchtigt. Anschließend folgt in Abschnitt 4.5 der Einbezug der intertemporalen Optimierung zur Herleitung von optimierungsabhängigen Sparentscheiden der Haushalte. Ausführungen zur Finanzierung folgen etwas später unter Abschnitt 4.6 und insbesondere unter Kapitel 5, da die dort behandelte Forschung eine besondere Modellierung des Kapitalmarkts bedingt.
4.1.3 Ein erster Ansatz für die Modellierung Das einfachste Rückgrat einer Wachstumstheorie der neoklassischen Tradition bildet die Verbindung einer allgemein geschriebenen Produktionsfunktion (4.1a) mit einer konstanten Sparquote (4.1b) und der Identität von Sparen und Investieren (4.1c): V(t)
=
S(t)
=
I{t)
F(K(t),L(t)) s-Y(t) =S(t)-S-K(t)
(4.1a) (4.1b) (4.1c)
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
71
In den Ausdrücken von (4.1) bezeichnen S und I die Spar- und die Investitionssummen, s die Sparquote, V den Output beziehungsweise das Einkommen, K und L die Faktoren Kapital und Arbeit, S die fixe Abschreibungsrate für den Kapitalstock und t den Zeitindex.88 Die Gleichheit von Sparen und Investieren ist zu jedem Zeitpunkt erfüllt. Kurz ausgedrückt, wird durch (4.1) festgehalten, daß zu jedem Zeitpunkt ein konstanter Anteil des Einkommens für den Kapitalaufbau verwendet wird, der über die Produktionsfunktion wiederum die Produktionsmöglichkeiten der Wirtschaft bestimmt. Ob sich der Kapitalstock bei einer im Zeitablauf steigenden Sparsumme insgesamt vergrößert, hängt von der Größe der notwendigen Abschreibungen ab; ob sich die Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz erhöht, wird zusätzlich vom Wachstum der Erwerbsbevölkerung beeinflußt. Die Sparsumme selbst erhöht sich hier nur, wenn auch das Einkommen zunimmt. Und damit gelangt man zur letzlich entscheidenden Frage der Theorie: Wie entwickelt sich das über die Produktionsfunktion bestimmte Einkommen, wenn die Menge der einsetzbaren Inputs zunimmt? Offensichtlich besteht in dieser Art der Darstellung ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Inputs. Kapital wird einschließlich der Akkumulationsbedingungen abgebildet und steht für Aussagen zum Wachstum im Vordergrund; die Menge der Arbeit beziehungsweise der Erwerbsbevölkerung ist dagegen in den meisten Ansätzen von außen vorgegeben. Da zudem das erreichte Wachstum pro (arbeitendes) Individuum im Mittelpunkt des Interesses steht, wird in der Darstellung des Modells meist eine Version verwendet, bei der alle Größen pro Kopf angegeben sind. Die Intuition führt an dieser Stelle zum ersten wichtigen Anhaltspunkt: Entscheidend für den auf diese Weise dargestellten Wachstumsverlauf ist, wie sich das durch die Produktionsrestriktion bestimmte Einkommen bei einer Zunahme der eingesetzten Kapitalmengen verändert. Darüber gibt die Art der verwendeten Produktionsfunktion Auskunft. In dieser Funktion sind neben der Art der verwendeten Inputs zwei Eigenschaften festzulegen: • Weisen die einzelnen Produktionsfaktoren bei zunehmendem Einsatz abnehmende, konstante oder zunehmende Grenzerträge auf? • Weist die Produktionsfunktion insgesamt abnehmende, konstante oder zunehmende Skalenerträge auf?
Der Kapitalbegriff kann sehr weit gefaßt sein, weshalb diese Art der Produktionsfunktion trotz der Verwendung von nur zwei Inputs als "allgemein" bezeichnet wird; vgl. dazu die Abschnitte 4.3 ff.
88
72
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Die weitaus am meisten verbreitete Variante war in der Nachkriegszeit die Annahme konstanter Skalenerträge, verbunden mit abnehmenden Grenzerträgen der einzelnen Inputs. Die Elastizität der Substitution zwischen den Faktoren kann dabei als konstant und ungleich eins (CESFunktion), konstant und gleich eins (Cobb-Douglas-Funktion) oder als variabel (VES-Funktion) angenommen werden. Am einfachsten ist die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion, die zur Erläuterung vieler Zusammenhänge in diesem Kapitel sehr zweckmäßig ist. Weiter hinten wird in dieser Studie dann allerdings auf die CES-Funktion gewechselt, da die Beschränkung der Substitutionselastizität auf den Wert Eins wichtige Tatbestände verschleiern kann. In der Cobb-Douglas-Form wird die aggregierte Produktionsrestriktion zu:
V(t) = K(t)
-L(t)'
(4.2)
wobei a die Produktionselastizität des Kapitals und X diejenige der Arbeit ist. Im folgenden steht für die Ableitungen nach der Zeit jeweils ein Punkt auf der betreffenden Variablen, für Wachstumsraten ein g mit entsprechendem Sub skript und das kleine k für die Kapitalintensität, also:
dK dt
K
L L
&L
* k~ k ~ L
Das Zusammenfügen des Modells in eine Differentialgleichung ergibt:89
K = s • K (t)
• L (t) - 8 • K (t)
(4.3)
Im langfristigen Gleichgewicht wachsen alle Variablen mit einer konstanten Rate. Wird die Arbeit in Effizienzeinheiten gemessen, die aus der Multiplikation des Arbeitsinputs mit der Arbeitsproduktivität resultieren, wachsen sogar alle Variablen mit derselben konstanten Rate. Deshalb entwickelt sich das Pro-Kopf-Einkommen im langfristigen Gleichgewicht parallel zum Wachstum der Kapitalintensität, welches mit 89
Für nähere Einzelheiten vgl. Bretschger (1996a), Kapitel 3.
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
73
gk bezeichnet wird. Während der Anpassung an das langfristige Gleichgewicht gilt:
gk(t)
=s-k(t)a-1-L(t)a+x-1-gL-S
(4.4)
In der neoklassischen Tradition erfüllt die aggregierte Produktionsfunktion die Anforderung der konstanten Skalenerträge, d.h., daß sich a und^ zu eins ergänzen. Durch einfache Multiplikation erhöht sich damit der Output um denselben Faktor, mit dem sich die Menge der Inputs vergrößert. Weiter wird in der Neoklassik % > 0 unterstellt, so daß gilt 0 < a < 1. Aus obenstehender Beziehung ist ersichtlich, daß damit ein Anwachsen des Niveaus von k die Wachstumsrate gk negativ beeinflußt; die entsprechende Ableitung ist mit den gegebenen Parameter-Restriktionen negativ. Die Wachstumsrate der Kapitalintensität konvergiert in diesem Fall gegen null. Dies bedeutet, daß eine Produktionsfunktion der Cobb-Douglas-Form mit Kapital und Arbeit als einzigen Inputs und mit konstanten Skalenerträgen nur eine mögliche langfristige Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens erzeugt: nämlich eine Rate von null. Die Neoklassik baut aber neben der Annahme vollständiger Konkurrenz entscheidend auf einer gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion dieser Form auf. Ein Ausweg ist die Annahme eines technischen Fortschritts, der von außen in das Modell eingeführt wird und für langfristiges Wachstum zu sorgen vermag. Dies wird gleich anschließend unter 4.2 ausgeführt. Nachfolgend soll dann diskutiert werden, inwiefern ein Abrücken von der Annahme konstanter Skalenerträge in der aggregierten Produktionsfunktion für die vorliegenden Fragestellungen notwendig, logisch möglich und theoretisch notwendig ist.
4.2 Das neoklassische Wachstumsmodell 4.2.1 Grundlegende Elemente In seiner einfachsten Form besteht das neoklassische Wachstumsmodell von Solow (1956) aus einer durch konstante Skalenerträge, die zwei Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital und einen exogenen technischen Fortschritt beschriebenen Produktionstechnik sowie aus der Annahme einer konstanten Sparquote. Die beiden Produktionselastizitäten der Produktionsfunktion (4.2) ergänzen sich damit gerade auf eins, d.h. a + % = 1-
74
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Anschließend an das vorstehende Modell (sowie vorerst wiederum ohne technischen Fortschritt) ergibt sich die Wachstumsrate für die Kapitalintensität im neoklassischen Modell gemäß Ausdruck (4.4) als Differenz zwischen den Termen s-k(t)a
1
und
S+gL
Die dadurch ermittelte Wachstumsrate ist nicht diejenige des langfristigen Gleichgewichts, sondern jene, die sich während der Anpassung an dieses Gleichgewicht zusätzlich zum autonomen Wachstum des technischen Fortschritts ergibt. Im nachfolgenden Diagramm 4.3 ist der Anpassungsprozeß dargestellt, der sich mit zunehmender Kapitalakkumulation ergibt; y bezeichnet das Pro-Kopf-Einkommen. Dabei wird die zeitliche Veränderung der Kapitalintensität als Differenz zwischen zwei Termen dargestellt, die aus einer Umformung von (4.4) stammen. Der zur Abbildung passende Ausdruck lautet: Abbildung 4.3: Anpassungswachstum im neoklassischen Wachstumsmodell y(t)
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
k = s ka-
(S +gL)
k
75
(4.5)
Ohne (exogenen) technischen Fortschritt wird im Anschluß an die Anpassung der Kapitalintensität ein Nullwachstum des Pro-Kopf-Einkommens erreicht. Wie leicht nachgeprüft werden kann, ist die Anpassung stabil, was unter Abschnitt 5.5 im Zusammenhang mit den neueren Theorien ausführlicher zur Sprache kommt. Diese Aussage zur Stabilität ist direkt mit der Annahme genügend stark abnehmender Grenzerträge des Kapitals verbunden; 90 wird diese Annahme aufgegeben, entstehen verschiedene Möglichkeiten für stabile aber auch instabile Gleichgewichte. Zur Erklärung einer langfristig konstanten Wachstumsrate zog es Solow bekannterweise vor, einen exogenen technischen Fortschritt in das Modell einzufügen. Von einer Produktionsfunktion mit der Gestalt
V(t)
= A(t)
K(t)
a
• L (t)
(4.6)
mit A als Zustandsvariablen für den Stand des technischen Wissens und a + x = 1 wird das Wachstum der Kapitalintensität K/L gleich:
gk(t)
= s-A(t)
.k(t)a-l-gL-S
(4.7)
Bei dieser Herleitung wurde die Formulierung des sogenannten "Hicksneutralen" technischen Fortschritts gewählt, bei dem die Variable für das technische Wissen ein faktorunabhängiger Skalenfaktor ist. Allerdings kann leicht gezeigt werden, daß die gewählte Formulierung bei einer Cobb-Douglas Produktionsfunktion äquivalent zu den anderen Konzepten des "Harrod-neutralen" (oder "labour augmenting") und des "Solow-neutralen" (oder "capital augmenting") technischen Fortschritts ist. In der obenstehenden Abbildung verschiebt sich durch anhaltenden technischen Fortschritt die geneigte Kurve nach rechts, was ein stetiges Anwachsen der Kapitalintensität und damit des Pro-Kopf-Einkommens ermöglicht. 90
Genauer gesagt, mit der 2. Inada-Bedingung, die für y = f(k) lautet: f'(°°) = 0.
76
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Abbildung 4.4: Langfristiges Wachstum im neoklassischen Wachstumsmodell y(t)
In Abbildung 4.4 wird die Unterscheidung zwischen dem Anpassungswachstum von k' bis zum gleichgewichtigen und dem gleichgewichtigen Wachstum zwischen den verschiedenen gleichgewichtigen k* deutlich. In der Darstellung erhöht der technische Fortschritt den Wert Aj auf A 2 , was das Gleichgewicht nach rechts verschiebt. Für den internationalen Vergleich von nationalen Wachstumsraten könnte aufgrund des Anpassungsverhaltens einer Volkswirtschaft unter den neoklassischen Bedingungen vermutet werden, was als einfache beziehungsweise "unbedingte" Konvergenzhypothese bezeichnet wird. Es liegt nämlich die Aussage nahe, daß Länder mit tiefer Kapitalausstattung gemäß Solow-Modell ein höheres Anpassungs- und deshalb Gesamtwachstum aufweisen als reichere Länder mit einer höheren Kapitalausstattung. Das große Caveat in dieser Betrachtungsweise bezieht
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
77
sich darauf, daß die Aussage für ärmere und reichere Länder nur ceteris paribus gilt. 91 Mit anderen Worten müssen zur theoretischen Fundierung einer solchen Konvergenzhypothese alle übrigen Modellparameter wie Sparquote, Abschreibungssatz und Bevölkerungswachstum dieselben sein; andernfalls ist der Zusammenhang von der Modelllogik her fehlspezifiziert. Anders ausgedrückt, trifft die Aussage zu, daß das neoklassische Wachstumsmodell eine bedingte Konvergenz prognostiziert, d.h., daß jedes betrachtete Land zu seinem eigenen Gleichgewicht mit abnehmenden Wachstumsraten konvergiert. Das langfristige Gleichgewicht ist aber durch die erwähnten Modellparameter determiniert. Für die empirische Anwendung bedeutet dies, daß im Solow-Modell ärmere Länder schneller wachsen, wenn der Steady-State durch das Einführen der entsprechenden Variablen konstant gehalten wird. 92 Eine dieser Variablen ist der Input des Humankapitals, dessen Berücksichtigung für ein realistisches Abbild der Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft als notwendig erscheint. 93 Die Ceteris-paribus-Bedingung ist in der Realität in keiner Art und Weise von sich aus gegeben. Es ist beispielsweise sehr plausibel, davon auszugehen, daß reichere Länder eine höhere Sparquote und ein tieferes Bevölkerungswachstum aufweisen als ärmere Länder. Schon diese beiden Veränderungen reichen aus, um die absolute Konvergenz in eine absolute Divergenz zu verkehren. Eine gewisse Schwierigkeit bei der empirischen Messung der Konvergenz besteht dann, wenn das Einkommen eine stochastische Komponente enthält, die mit dem Niveau des Einkommens variiert. Diesem Problem kann mit der Wahl einer geeigneten Untersuchungsmethode begegnet werden. Schwerwiegender ist ein theoretischer Einwand zur bisherigen Argumentation. Die empirisch zu beobachtende Konvergenz der Einkommensniveaus, z.B. in den OECD-Staaten, hat sehr wahrscheinlich entscheidend mit der Öffnung beziehungsweise der Internationalisierung dieser Volkswirtschaften zu tun, die sich z.B. in intensivierten Handelsbeziehungen und einer akzelerierten Wissensdiffusion niederschlägt. Offensichtlich sind Modelle der geschlossenen Volkswirtschaft nicht unumstritten, wenn die Frage der internationalen Angleichung von Produktivität und Einkommen zur Debatte steht. 94 Vgl. dazu auch Abschnitt 3.4. Eine theoretisch und empirisch konsistente Studie dazu ist M a n k i w / R o m e r / W e i l H992). Weitere Resultate zur Konvergenz finden sich in Barro (1991), Barro/Sala-i-Martin (1990), (1992a) und (1995); Ausführungen zur Divergenz auf einem nicht-neoklassischen Theoriehintergrund bringen Dosi/Fabiani (1994). 9 4 Empirische Resultate für die offene Volkswirtschaft sind z.B. in Ben-David (1994) und in Edwards (1992) enthalten. 91
92
78
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Auch internationale Kapitaltransfers und die Migration der Arbeitskräfte haben auf die Pro-Kopf-Einkommen einen bedeutenden Einfluß. Es ist angezeigt, unter den Aspekten der offenen Volkswirtschaft und einer erweiterten Optik bezüglich Wachstumsprozessen noch einmal auf das Konvergenzphänomen zurückzukommen, was unter Kapitel 8 der Fall sein wird. Dabei wird neben dem Grenzprodukt des Kapitals der Faktor Wissen eine entscheidende Rolle spielen. Sobald die Wachstumsraten des aggregierten Einkommens durch die Akkumulation von Wissen bedingt sind und die diesbezüglichen Kanäle ins Ausland zur Verfügung stehen, können Prozesse der internationalen Wissensdiffusion ähnliche Konvergenzbewegungen wie das Solow-Modell prognostizieren.
4.2.2 Integrationsgewinne im neoklassischen Wachstumsmodell Für die Erarbeitung der offiziellen Europa-Studien wurde trotz offizieller Wachstumsrhetorik der Einbezug des fest etablierten Solow-Modells in die Berechnung der Integrationsgewinne nicht in Betracht gezogen oder - nota bene zum eigenen Nachteil - schlicht unterschlagen. Dabei kann mit einfachen Mitteln gezeigt werden, daß bei jedem statischen Effizienzgewinn, wie er durch die Verwirklichung des Binnenmarktes erwartet wird, ein mittelfristiger "Wachstumsbonus" erwartet werden darf. 95 Das Argument baut auf der Tatsache auf, daß statische Effizienzgewinne das Sparen und die Kapitalakkumulation positiv beeinflussen und eine Solow-Ökonomie auf einen höheren parallelen Wachstumspfad bringen. 9 6 Der Vorgang läuft exakt wie bei einer exogenen Erhöhung der totalen Faktorproduktivität im einfachen Wachstumsmodell ab. Während der Anpassungsphase verläuft die Einkommensentwicklung damit steiler als diejenige gemäß offiziellen Europa-Studien, das Einkommen verbleibt anschließend auf einem höheren Niveau. Anhand der bereits benutzten Cobb-Douglas-Produktionsfunktion läßt sich dies wie folgt zeigen. Die Zunahme des hier verwendeten Parameters für die volkswirtschaftliche Effizienz A wirkt im Modell wie der Hicks-neutrale Fortschritt, der aber bei dieser Produktionsfunktion äquivalent zu den anderen Formen des technischen Fortschritts ist. Das Niveau des Outputs bestimmt sich gemäß:
V(t)
95 96
= A (f) •K(t)a-L(t)1~a
(4.8)
Der Ausdruck stammt wie auch die folgende Argumentation von Baldwin (1989). Vgl. auch Vosgerau (1991).
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
79
In Wachstumsraten ausgedrückt, lautet dieselbe Beziehung:
8v = gA
+ a-iK+
(l~
a
)
-iL
(4.9)
Der entscheidende Punkt ist, daß sich das Wachstum des Kapitalstocks modellendogen mit dem Anstieg des Produktivitätsparameters verändert und auf ein neues, höheres Gleichgewichtsniveau einpendelt, gemäß: 97
8K = & / ( * " « )
(4.10)
Der Niveausprung zwischen altem und neuem Gleichgewichtspfad läßt sich durch die mittelfristige Wachstumsrate bis zum Erreichen des neuen Wachstumspfades ausdrücken:
(4.11)
Während die Eins in der Klammer den statischen Niveaueffekt wiedergibt, bedeutet der zweite Term eine Art "Multiplikator", mit dem sich der Niveaueffekt vervielfacht. Mit Hilfe empirischer Angaben zum Kapitalanteil a ist eine Abschätzung des Ausmaßes dieses Multiplikators möglich. Beim üblicherweise angenommenen Wert für a von rund einem Drittel und mit einem geschätzten Niveau-Effizienzeffekt des Binnenmarktprogramms von 5 Prozent des Bruttosozialprodukts in den beteiligten Ländern 98 beläuft sich der gesamte Effekt auf das Einkommen demnach auf: gy = 5% x (1 + 0.5) = 7.5%
womit sich der Gesamteffekt auf das Bruttosozialprodukt in den am Binnenmarkt beteiligten Länder um 50 Prozent erhöhen würde. Wird postuliert, daß von der Kapitalbildung gewisse positive Externalitäten aus97 98
Zur Berechnung vgl. auch Bretschger (1996a), Abschnitt 3.7. Vgl. dazu Abschnitt 2.3.
80
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
gehen," vergrößert sich der "Wachstumsbonus" zusätzlich. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß nicht nur das physische Realkapital, sondern auch das Humankapital als Bestandteil des volkswirtschaftlichen Produktivvermögens interpretiert werden kann. Gehen wir von der vorläufigen Hypothese aus, daß entsprechend der konstanten Sparquote ein mehr oder weniger fester Anteil des Einkommens in die Akkumulation von Humankapital investiert wird, dann läßt sich argumentieren, daß der Effekt einer einmaligen volkswirtschaftlichen Effizienzverbesserung durch die induzierte Erhöhung des Humankapitals eine noch größere Wirkung auf das aggregierte Einkommen hat. Unter der plausiblen Annahme, daß die Hälfte des gesamten Arbeitseinkommens auf die "rohe" Arbeitskraft und die andere Hälfte auf das Entgelt für erworbenes Humankapital entfällt, erhöht sich der Faktor a um 100 Prozent auf zwei Drittel.10 Die Berechnung von oben ergibt für den Einkommenszuwachs entsprechend:
5% x 3 = 15% 1- a Mit verschiedenen Werten für den Kapitalanteil, der je nach Modellart positive Externalitäten der Kapitalbildung oder Humankapital enthält, kann auf diese Weise postuliert werden, daß der Effekt des Binnenmarktprogramms auf das Einkommen der beteiligten Länder um 30-136% unterschätzt wurde. 101 Diese Grobrechnung wird in den folgenden Kapiteln noch in vielerlei Hinsicht relativiert und hinterfragt. Vor allem scheint die Annahme kritisch, die Volkswirtschaft mit nur einem Sektor abzubilden. Die verschiedenen Sektoren einer realen Wirtschaft zeichnen sich nämlich durch unterschiedliche Produktionselastizitäten des Kapitals aus. Die Rechnung zeigt aber bereits mindestens drei Dinge: Erstens ist der mittelfristige "Wachstumsbonus" im Vergleich zu jedem berechneten Niveaueffekt quantitativ bedeutend. Zweitens bleibt die kombinierte Gesamtwirkung entscheidend vom Ausmaß des primären Niveaueffekts abhängig. Drittens zeigt eine kurze Überlegung, in welche Richtung der Gedanke weitergeführt werden muß, um für die Frage der Integration eine noch größere Relevanz zu erlangen. Vollständig vernachlässigt ist nämlich bisher die Perspektive des Außenhandels, deren Einbau für die Beantwortung einer vermehrten Grenzöffnung für Güter und Faktoren unerläßlich ist. Weil dieses einfa99
Vgl. Abschnitt 4.3 ff. Weitere numerische Beispiele finden sich bei Baldwin (1989). 101 Vgl. Baldwin (1992), 170. 100
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
81
che Solow-Modell nur einen einzigen Sektor aufweist, ist der Sektor der Kapitalgüterproduktion in keiner Art und Weise verschieden vom Sektor der Konsumgüterproduktion. Schon aus dem Studium der älteren Mehrsektorenmodelle in der Wachstumstheorie kann aber die Einsicht gewonnen werden, daß strukturelle Effekte, welche die relative Größe der verschiedenen Wirtschaftssektoren verändern, bedeutende Einflußfaktoren sind. Schließlich bleibt die entscheidende Frage der Produktionselastizität des um das Humankapital und weitere Komponenten erweiterten Kapitalaggregats, die über den Anreiz zur Akkumulation entscheidet. Neben der weiter hinten eingehender diskutierten quantitativen Wirkung auf das aggregierte Einkommen, ist die Wirkung der ausgelösten Kapitalakkumulation auf die Wohlfahrt eine wichtige Frage. Hier sind die Annahmen über die zeitliche Anpassung der Sparsumme entscheidend. Wird angenommen, daß die Sparquote positiv auf die statische Effizienzsteigerung reagiert, ist die Auswirkung auf die Wohlfahrt kleiner als die Einkommenswirkung. Denn höheres Sparen ist gleichbedeutend mit vorerst kleineren Konsummöglichkeiten; erst nach einer gewissen Zeit steigt das für die Wohlfahrt maßgebliche Konsumniveau wieder über das Ausgangsniveau hinaus. Aufgrund der üblicherweise unterstellten positiven Rate der Gegenwartspräferenz 102 ist es wenig erstaunlich, daß die so berechneten Wirkungen der Integration auf die Wohlfahrt nicht allzu groß sind. 1 0 3 Baldwin stellt fest, daß ein positiver Wohlfahrtseffekt durch das induzierte Wachstum dann entsteht, wenn der soziale Nutzen der Kapitalbildung über dem privaten liegt und die Integration tatsächlich zu einer verstärkten Kapitalbildung führt. 1 0 4 Würde sich die Sparquote allerdings nicht der neuen Situation anpassen (wie es gemäß Solow-Modell angenommen wird), ergäbe sich durch die Integration eine weit größere Wirkung auf die Wohlfahrt. Zudem kann argumentiert werden, daß in den Modellen des endogenen Wachstums eine statische Effizienzsteigerung auch denjenigen Sektor (oder diejenigen Sektoren) betrifft, der als zentral für das endogene Wachstum angenommen wird. Dies ist z.B. der Sektor der Forschung und Entwicklung oder der Bildungssektor. Eine effizientere Forschung führt auch ohne ein zunehmendes aggregiertes Sparen zu höherem Wachstum; dasselbe gilt für eine effizientere Bildung. Entsprechend sind vor allem in solchen Ansätzen die Wirkungen auf die Wohlfahrt größer. 105
102 103 104 105
Vgl. Kapitel 4.5. Siehe dazu den Beitrag von Baldwin (1992). Baldwin (1992), 169 Die entsprechenden Modelle folgen in Abschnitt 4.6 und in Kapitel 5.
82
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4.2.3 Beurteilung des neoklassischen Wachstumsmodells Ursprünglich war das Solow-Modell von seiner Konzeption her weniger als eigentliche Erklärung des langfristigen Wachstums gedacht, sondern vielmehr als Gegenposition zu der von Harrod/Domar propagierten These, daß das volkswirtschaftliche Wachstum nur in Ausnahmefällen mit einer Vollbeschäftigung von Kapital und Arbeit kompatibel sei. 1 0 6 Die langfristige Wachstumsrate ist im neoklassischen Modell exogen vorgegeben, der technische Fortschritt fällt "wie Manna vom Himmel" und wären dennoch irgendwelche Ressourcen an der Bereitstellung des technischen Fortschritts beteiligt, erhielten sie dafür keinerlei Kompensation. Denn bei konstanten Skalenerträgen wird das Sozialprodukt durch die Entschädigung an die Ressourcen der laufenden Produktion genau ausgeschöpft. Vielmehr sollte deshalb das Solow-Modell als Theorie der endogen bestimmten Kapitalintensität einschließlich des Anpassungspfades an den optimalen Zustand bezeichnet werden. Vor allem ist das neoklassische Modell zu wenig strukturiert, um eine ausreichende Grundlage für empirische Analysen langfristiger Wachstumsprozesse bereitzustellen. In den Worten Arrows: " A view of economic growth that depends so heavily on an exogenous variable, let alone one so difficult to measure as the quantity of knowledge, is hardly intellectually satisfactory. From a quantitative, empirical point of view, w e are left with time as an explanatory variable. N o w trend projections, however necessary they may be in practice, are basically a confession of ignorance, and, what is worse from a practical viewpoint, are not policy variables." Arrow (1962b), 155
Allerdings kann die Auffassung vertreten werden, daß zwar nicht das langfristige Gleichgewicht, jedoch das Anpassungswachstum im neoklassischen Modell theoretisch interessant sei. Bei homogenem Kapitalstock bestimmt die Produktionselastizität des Kapitals über die Länge der Anpassungsperiode. Im Modell ist die theoretische Anpassungszeit um so länger, je mehr die Annahmen des neoklassischen Modells bezüglich Produktionselastizität des Kapitals der Neuen Wachstumstheorie angenähert werden. In empirischen Schätzungen hat sich tatsächlich herausgestellt, daß die Anpassungsperiode mehrere Jahrzehnte dauern kann. Ein Problem ergibt sich bei der Formulierung des Modells für die offene Volkswirtschaft. Zur Erklärung des Güterhandels ist die Beschrän106
Vgl. Nelson (1994).
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kung auf nur einen Sektor ein Hindernis. Würde der international freie Kapitalverkehr zugelassen, flösse das Kapital ohne Verzug von den reichen in die armen Länder, womit sich eine unmittelbare Konvergenz der Einkommensniveaus ergäbe. Um zu einer realistischeren Einschätzung der Konvergenz zu gelangen, sind daher für die offene Volkswirtschaft Kreditrestriktionen und/oder ein zusätzlicher Kapitalfaktor (Humankapital, öffentliches Kapital) in das Modell einzufügen, der international immobil ist. 1 0 7 Für die lange Frist kann aus dem neoklassischen Modell keine Struktur für die empirische Überprüfung der Theorie gewonnen werden. Als Ersatz für die Empirie wurde (und wird immer noch) in vielen Anwendungen die durch den Beitrag von Soloiv (1957) popularisierte Vorgehensweise der Wachstumsbuchhaltung verwendet. Es ist dabei ein Nebenpunkt, darüber zu streiten, ob die Methode der Wachstumsbuchhaltung tatsächlich in entscheidendem Maße von Solow lanciert oder schon früher entwickelt wurde. Tatsächlich scheint die Aufteilung des Wachstums in Komponenten der Produktionsfunktion schon früher in der Literatur aufzutauchen, allerdings mit vorerst wenig Breitenwirkung. Das Vorgehen in der Wachstumsbuchhaltung ist jedoch methodisch stark umstritten: • Im Bereich der Daten stößt die Wachstumsbuchhaltung auf das Problem, daß die Qualität der betrachteten und statistisch erfaßten Produktionsfaktoren über längere Zeiträume alles andere als homogen sind. Der Faktor Arbeit wird z.B. durch Aus- und Weiterbildungsprozesse wesentlich beeinflußt, d.h., die "rohe" Arbeitskraft kann durch gezielte Investitionen wesentlich produktiver gemacht werden. Diesem Umstand muß mit einer besonderen Berechnung des Faktors Humankapital begegnet werden. • Ebenso benötigt die Wachstumsbuchhaltung die Annahmen der vollständigen Konkurrenz sowie der konstanten Skalenerträge in der aggregierten Produktionsfunktion, die nicht unbedingt ein zweckmäßiges Abbild der Realität darstellen; dieser Theorierahmen wird in der Neuen Wachstumstheorie explizit verlassen. • Vor allem aber bietet eine statistische Zerlegung in Wachstumskomponenten keine Einsichten in strukturelle Zusammenhänge. Zum Beispiel ist keineswegs sicher, daß das Residual der Zerlegung (das sogenannte "Solow-Residual") konstant bleibt, wenn sich die Kapitalakkumulation verändert. Im Gegenteil: es ist aufgrund der traditionelleren und der neueren Theorie sogar zu vermuten, daß dies genau nicht der Fall sein wird, da Investitionen in das Realkapital mitunter den Stand des tech107
Vgl. z.B. Barro/Mankiw/Sala-i-Martin (1992).
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nischen Wissens beeinflussen können. Ebenso ist bereits im theoretischen Solow-Modell fest verankert, daß sich die Kapitalakkumulation beschleunigt, wenn der technische Fortschritt zunimmt. Interessant ist die später noch auszuführende Feststellung, daß im neoklassischen Modell selbst ohne exogenen technischen Fortschritt eine langfristig konstante Wachstumsrate erreichbar ist, vorausgesetzt allerdings, die Spezifikation der Produktionsfunktion wird geringfügig verändert. Wohl kann immer noch gefordert werden, daß das Grenzprodukt des Kapitals mit zunehmender Kapitalakkumulation abnehme, aber es muß gelten, daß das Grenzprodukt nicht gegen null, sondern gegen eine genügend große Konstante konvergiert.1
4.3 Übergang zum modellendogenen Wachstum Das Ziel der Neuen (neoklassischen) Wachstumstheorie besteht vor allem darin, die langfristige Wachstumsrate einer Volkswirtschaft durch entscheidungstheoretisch fundierte Modellstrukturen zu erklären. Im neoklassischen Wachstumsmodell ist die Wachstumsrate nur während der Anpassungszeit eine endogene Variable, zudem resultiert das für die langfristige Entwicklung wichtige individuelle Sparen nicht aus einem Optimierungsentscheid. Auf der Suche nach einer endogenen, langfristigen Wachstumsrate ist es deshalb naheliegend, die Grundannahmen des neoklassischen Wachstumsmodells der konstanten Sparquote, der abnehmenden Grenzerträge des Kapitals und der konstanten Skalenerträge in der aggregierten Produktionsfunktion noch einmal auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu untersuchen und durch geeignete Modifikationen entscheidende Veränderungen zu bewirken. 4.3.1 Sparen Schon lange wird in vielen theoretischen Modellen auf die Annahme verzichtet, das optimale Sparen als konstanten Anteil des laufenden Einkommens festzulegen. Vielmehr erscheint es einleuchtend, daß Sparen besonders in Zeiten hoher Zinssätze attraktiv ist, während in Niedrigzinsphasen der laufende Konsum mehr zu locken vermag. Unter diesem Gesichtspunkt wird der Sparentscheid zum Resultat einer individuellen Optimierung über die Zeit hinweg. Nicht der Konsum pro Periode, sondern der gesamte Lebenskonsum wird in diesen Modellen von den 108
Ausführlicher kommt dieser Punkt im folgenden Abschnitt 4.3 zur Sprache.
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Haushalten maximiert. Eine übliche Annahme ist die Existenz einer Gegenwartspräferenz: Es wird postuliert, daß Individuen den heutigen Konsum höher bewerten als denjenigen der Zukunft. Zukünftige Konsummöglichkeiten werden mit einem bestimmten Faktor auf den heutigen Zeitpunkt abdiskontiert. Nur wenn der aktuelle Zinssatz diesen Diskontfaktor übersteigt, lohnt es sich gemäß dieser Theorie, Konsumverzicht zu üben und einen Teil der Kaufkraft in die Zukunft zu verlagern. Von weiteren Sparmotiven wird dabei abstrahiert. Die in der modernen Makrotheorie immer wichtiger werdende intertemporale Optimierung hat aber auch ihre Schwierigkeit. Die unsichere Länge des individuellen Lebens, individuelle Verschiedenheiten in der Stärke des Vererbungsmotivs und die mangelhafte Prognostizierbarkeit der zukünftigen Wirtschaftsentwicklungen sind Probleme, die in den einfachen Ansätzen zum Teil zu wenig berücksichtigt werden. Was bedeutet zinsabhängiges Sparen für den Wachstumsprozeß? Aus der Mikrotheorie ist bekannt, daß sich der Zinssatz bei stabilen Rahmenbedingungen betreffend Abschreibungen, Kapitalgewinnen und Konkurrenzsituation auf den Märkten parallel zum Grenzprodukt des Kapitals entwickelt. In der neoklassischen Theorie sinkt aber, wie oben ausgeführt, die Produktivität des Kapitals, je mehr Kapital bereits zur Verfügung steht. Mit anderen Worten sinkt - ohne den von außen kommenden technischen Fortschritt - das Grenzprodukt des Kapitals im Zeitablauf kontinuierlich. Bei zinsabhängigem Sparen werden die Haushalte daher ab einem gewissen Zeitpunkt beschließen, das Sparen vollständig aufzugeben. Von da an sind keine weiteren Nettoinvestitionen mehr möglich, und der Wachstumsprozeß kommt zu einem Stillstand. Das Ziel, ein anhaltendes Wachstum durch die Theorie zu erklären, ist damit nicht erreicht. Wenn aber in der Folge einige Annahmen der Theorie modifiziert werden müssen, so bleibt die zinsabhängige Sparentscheidung als realistische Annahme ein wichtiger Bestandteil der Neuen Wachstumstheorie. Dabei ist allerdings anzumerken, daß in den gebräuchlichen Wachstumsmodellen gleichgewichtige Wachstumspfade bestimmt werden, die durch eine konstante Sparquote gekennzeichnet sind. Der entscheidende Unterschied zu Solow besteht jedoch darin, daß diese Sparquote über das Modell endogen ermittelt wird, durch wirtschaftspolitische Maßnahmen beeinflußbar ist und - vor allem - für die langfristig erreichte Wachstumsrate eine entscheidende Größe darstellt. 109
109
Die analytische Herleitung folgt im übernächsten Abschnitt 4.5.
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II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
4.3.2 Grenzertrag des Kapitals Als zweites rückt das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags des akkumulierten Kapitals, das als einer der wesentlichsten Beiträge der neoklassischen Theorie gelten kann, ins Zentrum des Interesses. Dieser abnehmende Grenzertrag führt in der üblicherweise verwendeten Form der Produktionsfunktion dazu, daß - ohne exogenen technischen Fortschritt - die Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz mit der Zeit nicht weiter zunimmt und das Pro-Kopf-Einkommen deshalb einen festen Wert approximiert. Dies ist in der folgenden Abbildung 4.5 festgehalten; auf der Abszisse ist dabei die Kapitalintensität aufgeführt. Die abgebildete Produktionsfunktion/; gibt den gekrümmten Verlauf des Pro-Kopf-Einkommens als Funktion der Kapitalintensität wieder. Investitionen in das Realkapital, die zur Ersetzung des abgeschriebenen Kapitalstocks oder der Konstanthaltung der Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz dienen, sind mit der Geraden durch den Ursprung gegeben. Der Schnittpunkt dieser Geraden mit der Produktionsfunktion, die mit der Sparquote multipliziert wurde, ergibt für die Kapitalintensität das übliche neoklassische Gleichgewicht. Die durch den Pfeil angegebene Differenz zwischen der Produktionsfunktion und der Geraden entspricht genau der zeitlichen Veränderung der Kapitalintensität; die Rate des Anpassungswachstums wird offensichtlich beim Erreichen des Gleichgewichts gleich null. Wichtig ist dabei die Feststellung, daß ein abnehmendes Grenzprodukt des Kapitals eine langfristig positive Wachstumsrate noch nicht zwingenderweise verunmöglicht. Nach Inspektion derselben Abbildung erscheint es vorstellbar, daß das Grenzprodukt des Kapitals abnimmt, aber nicht in dem Maß, daß die Produktionsfunktion die Gerade für die Abschreibungen je schneiden würde. Genau um diesen, früher als unangenehm und potentiell unstabil beurteilten Fall auszuschließen, wurden zwei Anforderungen an die neoklassische Produktionsfunktion zwingend vorgegeben; sie werden in der Literatur als Inada-Bedingungen bezeichnet. Mit der Spezifikation des Pro-Kopf-Einkommens als y = f(k) sind diese Bedingungen: f'(0)
= oo; /•(«,) = 0
Die zweite Bedingung legt fest, daß das Grenzprodukt des Kapitals den Wert Null approximiert, wenn mehr und mehr Kapital akkumuliert wird. Offensichtlich verursacht die zweite Inada-Bedingung die entscheidende Krümmung in der Produktionsfunktion. Weicht man allerdings von der zweiten Inada-Bedingung ab, d.h., # 0, ist ein modellendogenes Wachstum möglich, auch wenn sonst keine Änderungen am Modell vorgenommen werden. Entscheidend für
f'(oo)
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
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das neue Resultat ist, daß das Grenzprodukt einen Wert approximiert, der eine kritische Schwelle überschreitet. Zur Festlegung dieser Schwelle muß von der vorher verwendeten Bedingung für das Gleichgewicht in der Cobb-Douglas-Form:
s-ka~1
=
(S+gL)
zur allgemeineren Darstellung einer Produktionsfunktion übergegangen werden: s-f'(k)
= (5 + gL)
Abbildung 4.5: Abnehmender Grenzertrag des Kapitals y
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II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Wenn sich f'(k) im Zeitablauf mit einer zunehmenden Kapitalintensität an eine Konstante B, so daß gilt s B > S + gL, annähert, wird ein nicht abbrechendes Wachstum auch ohne das Einschalten eines exogenen technischen Fortschritts möglich. Damit ist die zweite Inada-Bedingung für Produktionsfunktionen außer Kraft gesetzt. Ein Beispiel ist die Funktion f 2 in Abbildung 4.5. ß ist eine Konstante, welche die Wahl der Maßeinheiten, aber auch die Produktivität des Kapitalaggregats reflektiert. Diese Konstante muß genügend groß sein, um den zusätzlichen Kapitalbedarf durch Abschreibungen und Bevölkerungswachstum mindestens zu kompensieren. Der langfristige Grenzertrag wird dann gleich der Konstanten B, die Kapitalintensität nimmt unabläßig zu, und das Pro-Kopf-Einkommen stößt an keine modellmäßig vorgegebene Grenze. Der Begriff "Kapital" kann dabei je nach Modell verschiedene Kapitalkomponenten umfassen. Eine Vereinfachung dieses Ansatzes liegt in der Annahme, daß eine Wirtschaft ohne Anpassungsprozeß auf den gleichgewichtigen Wachstumspfad mit einem Grenzertrag des Kapitals von B gelangt. Dann ergibt sich ein unbegrenztes lineares Wachstum, wie es in Abbildung 4.6 dargestellt ist. Abbildung 4.6: Konstanter Grenzertrag des Kapitals
y iL
B.k(t)
sBk(t)
(5+gL)k
^
k(t)
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
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Gemessen an der Modelltechnik ist die einfachste Form einer Produktionsfunktion - mit konstanten Skalenerträgen und endogenem Wachstum - genau die in Abbildung 4.6 gezeigte Modellierung einer proportionalen Beziehung zwischen dem gesamten Kapitalstock und dem Einkommen, ohne spezielle Berücksichtigung des Faktors Arbeit. Diese Annahme ist von der mikrotheoretischen Seite her zu rechtfertigen, wenn Arbeit als ein Unterbegriff des Humankapitals verstanden wird, das seinerseits unter dem allgemeinen Kapitalbegriff "K" subsummiert wird. Die genannte Produktionsfunktion hat also die Gestalt:
Y(t)
= B • K(t)1L(t)°
= B K(t)
(4.12)
Von einer solchen Beschreibung der aggregierten Produktionsmöglichkeiten wurde lange Zeit Abstand genommen, da die übliche einzelwirtschaftliche Optimierung in einer walrasianischen Welt von einem abnehmendem Grenzprodukt des Kapitals ausgeht. Vor allem aber scheint störend, daß die Implikation für die Verteilung des Sozialprodukts unrealistisch ist: die Kapitaleigner bekommen offensichtlich das gesamte Einkommen. Dies liegt daran, daß die Produktionsfunktion (4.12) den nicht unter Marktbedingungen vermehrbaren Faktoren wie Arbeit, aber auch Land oder erschöpfbaren Ressourcen, keine gesonderte Rolle zukommen läßt. Deshalb liegt trotz konstantem Akzelerator in (4.12) keine inhaltliche Nähe zum Modell von Harrod/Domar vor. Diese Autoren waren nämlich, wie erwähnt, um das Problem der Vollbeschäftigung der Arbeit besorgt, so daß für ihre Vorstellung eine Leontief-Produktionsfunktion viel besser geeignet ist, auch wenn diese in den Originalbeiträgen nie explizit verwendet wurde. Hingegen läßt sich das Kapitalaggregat auch in dieser simplen Form mit einer sinnvollen ökonomischen Interpretation ausstatten, und man kann sich so eine Variante vorstellen, bei der (4.12) eine vollständige Beschreibung der Produktionstechnik wiedergibt. 110 Die Interpretation besteht in einer geeigneten Art und Weise der Desaggregation des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks. Es erscheint zuläßig oder fast zwingend, das individuell erworbene Humankapital als unter Marktanreizen akkumulierbaren Input zu betrachten. Vereinfachend kann Humankapital als gutes oder gar vollständiges Substitut zur "rohen", von der Natur gegebenen Arbeitskraft aufgefaßt werden, so daß der Faktor Humankapital die rohe Arbeitskraft nach Maßgabe der Ausbildungsinvestitionen multipliziert und diese nicht mehr gesondert in der Produktionsfunktion erscheint. 110
Funktionen der Form (4.12) benützt zum Beispiel Rebelo (1991).
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II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Wird das Humankapital mit H und das physische Kapital mit K bezeichnet, ist diese Produktionsfunktion mit modellendogenem Wachstum und desaggregiertem Kapitalstock:
V(t)
= B • (K(t))
• H(t)
(4.13)
womit sich die beiden Produktionselastizitäten zu eins ergänzen. Weitere Möglichkeiten zur Desaggregation des Kapitalstocks sind beispielsweise die Unterscheidung zwischen dem staatlich bereitgestellten Kapital wie Infrastruktur und Grundlagenwissen und dem privat investierten Kapital. Ebenso kann - wie später noch ausgeführt wird - das technische Wissen in einer Volkswirtschaft als produktives und produzierbares Aktivum behandelt werden. Bereits ist die Bedingung ersichtlich, die für ein endogenes Wachstum in der aggregierten Produktionsfunktion erfüllt sein muß: Die Produktionsfunktion muß konstante Grenzerträge bezüglich der unter Marktbedingungen akkumulierten Faktoren insgesamt aufweisen. Für Real- oder Humankapital isoliert betrachtet, können die Grenzerträge zwar abnehmend sein, durch die Interaktionen während der Akkumulation wird aber der Grenzertrag des einen Faktors durch die mengenmäßige Ausdehnung des anderen endogen erhöht, so daß sich insgesamt ein unbegrenztes Wachstum ergibt. Eine theoretisch interessante Variante dieser analytischen Ansätze mit einem desaggregierten Kapitalstock besteht darin zu fordern, daß die Produktionsfunktion die konstanten Grenzerträge der akkumulierbaren Faktoren zwar nicht in der kurzen Frist erreicht, in der langen Frist aber approximiert. Dies ist wiederum der Fall, der bereits unter Abbildung 4.5 dargestellt wurde. Technisch kann dies beispielsweise durch eine CESForm mit einer Substitutionselastizität von größer als eins erreicht werden; eine andere Variante ist die additive Verknüpfung einer neoklassischen Produktionsfunktion mit einer Funktion gemäß (4.12).111 Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob es realistisch ist, davon auszugehen, daß das Grenzprodukt des "Kapitals" insgesamt in der langen Frist einen konstanten Wert approximiert, der die geschilderten Eigenschaften erfüllt. Bei der Beantwortung dieser Frage muß vor allem beachtet werden, daß der Kapitalbegriff zweckmäßigerweise breit zu definieren ist. Entscheidend für das Wachstum ist nämlich nicht nur das privat investierte physische Kapital, sondern es sind dies alle Formen von Kapital oder kapitalähnlichen Beständen, die für eine Volkswirt111
Dieses Vorgehen wählen Jones/Manuelli (1989).
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
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Schaft einen produktiven Wert aufweisen und deshalb als Produktionsfaktoren verstanden werden müssen. Neben dem üblicherweise verwendeten physischen Kapitalstock in Form von Maschinen und Ausrüstung sind die wichtigsten dieser weiteren Kapitalformen Humankapital, Wissen oder Wissenskapital und das durch die öffentliche Hand bereitgestellte Kapital, das die staatlichen Vorleistungen umfaßt. Die Akkumulation einer bestimmten Kapitalkomponente im Zeitablauf führt unter sehr allgemeinen Annahmen dazu, daß die anderen Komponenten produktiver werden. Die mit dem Wissen in Verbindung stehenden Komponenten fallen im Sinne des "Learning by Döing" teilweise als Nebenprodukt von laufenden Tätigkeiten an. Falls sich alle Komponenten zusammen im Zeitablauf genügend vermehren, kann das Grenzprodukt des "Kapitals" insgesamt die gewünschten Eigenschaften aufweisen. Dieser Denkansatz wird im nächsten Abschnitt 4.4 ausgeführt.
4.3.3 Skalenerträge in der aggregierten Produktionsfunktion Der Zusammenhang zwischen den Skalenerträgen in der aggregierten Produktionsfunktion und der Möglichkeit, eine konstante Wachstumsrate durch die Theorie zu bestimmen, wurde in der frühen Phase der Neuen Wachstumstheorie nicht immer deutlich dargestellt. Die Aussage, daß sich die neue Theorie bei der Beschreibung der aggregierten Produktionsmöglichkeiten ausschließlich auf die Annahme zunehmender Skalenerträge abstützt, ist eindeutig nicht zutreffend. Es wird sich aber herausstellen, daß in gewissen, wachstumsrelevanten Teilsektoren der Volkswirtschaft mit Vorteil zunehmende Skalenerträge eingeführt werden. Offensichtlich weisen die unter (4.12) und (4.13) aufgeführten Produktionsfunktionen konstante Skalenerträge auf und führen trotzdem zu einem nicht abflachenden Wachstum. Das Ziel, ein modellendogenes Wachstum zu erzeugen, ist damit erreicht; es stellt sich aber die zusätzliche Frage, ob die Mikrofundierung genügend gründlich ist für die Herleitung zweckmäßiger Schlußfolgerungen. In den Abbildungen 4.5 und 4.6 kommt zum Ausdruck, daß die entscheidende Bedingung für ein modellendogenes Wachstum, wie im letzten Abschnitt erwähnt, beim Grenzertrag des Kapitals liegt. Beide abgebildeten Varianten von Produktionsfunktionen implizieren konstante Skalenerträge, wenn der Term B eine Konstante wiedergibt. Enthält B weitere Produktionsfaktoren wie die "rohe" Arbeitskraft oder beispielsweise den Faktor Land, weisen beide Produktionsfunktionen zunehmende Skalenerträge auf. Problematisch ist bei dieser Konstella-
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II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
tion, daß zunehmende Skalenerträge und eine wachsende Bevölkerung zusammen das Auffinden von gleichgewichtigen Wachstumspfaden in gewissen Modellen erschweren können. In der Realität spielen sämtliche kapitalähnlichen Bestände eine wichtige Rolle für die langfristige Wirtschaftsentwicklung. Die in der Wirtschaftstheorie mehrheitlich vertretene Auffassung über die Methodik verlangt jedoch, daß die Wirklichkeit in den Modellen auf ganz wenige entscheidende Zusammenhänge reduziert wird. Deshalb ist es in der Theorie zweckmäßig, je nach Fragestellung die eine oder andere Kapitalkomponente für die Modellierung in den Vordergrund zu stellen. 1 Liegt die Betonung der Wachstumsursache in der Vermehrung von Humankapital oder in den produktiven staatlichen Vorleistungen, können die Annahmen der konstanten Skalenerträge und der vollständigen Konkurrenz auf den Märkten als Vereinfachung aus der Neoklassik übernommen werden. Stehen jedoch die private Forschung und Entwicklung im Mittelpunkt der Theorie, wird der theoretisch anspruchsvolle Übergang zu zunehmenden Skalenerträgen und zur unvollständigen Konkurrenz unvermeidlich sein. 113 Ein wichtiges und lange Zeit ungelöstes Problem bei zunehmenden Skalenerträgen besteht in der Aufgabe, Preise und Löhne zu finden, die ein allgemeines Gleichgewicht unter Konkurrenzbedingungen bilden. Eine erste Lösung wird ursprünglich Marshall114 zugeschrieben, der von konstanten Skalenerträgen auf der Firmenebene und zunehmenden Skalenerträgen auf der aggregierten Ebene ausging; eine solche Situation kann beispielsweise durch positive Externalitäten der Unternehmenstätigkeit bei vollständiger Konkurrenz auf den Gütermärkten entstehen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Annahme der vollständigen Konkurrenz durch die monopolistische Konkurrenz gemäß dem Ansatz von Chamberlin 1 1 5 zu ersetzen. Drittens ist es schließlich aus verschiedenen Perspektiven attraktiv, beide Ansätze miteinander zu verbinden. Genau dies wird im Modell dieser Arbeit ab Kapitel 5, das in Kapitel 8 im Überblick dargestellt ist, vorgenommen.
1 1 2 Salopp formuliert, entspricht das Vorgehen der Tatsache, daß man in der Realität immer nur eine Seite des Elefanten auf einmal sieht, obwohl bestens bekannt ist, daß nur alle Seiten zusammen den ganzen Elefanten ausmachen. 1 1 3 Vgl. Kapitel 5 ff. 1 1 4 Marshall (1920) 1 1 5 Chamberlin (1933)
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
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4.4 Produktion unter Einschluß von positiven Externalitäten Eine Theorie endogener Wachstumsprozesse hat von zwei Tatsachen auszugehen: Auf der einen Seite steht die theoretische Aussage, daß abnehmende Grenzerträge des Kapitals beziehungsweise der akkumulierbaren Faktoren insgesamt ein langfristiges Gleichgewicht mit positiven endogenen Wachstumsraten ausschließen. Auf der anderen Seite steht die Beobachtung, daß der Stand des technischen Wissens in der Realität nicht wie im neoklassischen Wachstumsmodell eine exogene Variable bleiben muß. In der Realität werden von optimierenden Individuen und Firmen viele Ressourcen für die Verbesserung der technischen Möglichkeiten verwendet. Dies geschieht unter Marktbedingungen, wie es bei anderen Wirtschaftsaktivitäten auch der Fall ist. Wissen ist wie das Realkapital ein produktiver Input, der durch verschiedene Aktivitäten akkumuliert werden kann. Diese Akkumulation wird entweder bewußt angestrebt, oder sie geschieht als "Nebenprodukt" von anderen Tätigkeiten. Zwei Seiten des Wissens sind für die Wachstumstheorie zentral: die Art, wie neues Wissen generiert wird, und die Weise, wie Wissen die Produktivität der anderen Faktoren erhöht, vgl. den folgenden Abschnitt a) unter 4.4.1. Daneben gibt es noch weitere Mechanismen, die wie die Wissensvermehrung als positive Verstärker im Wachstumsprozeß auftreten. Diese werden in der Folge unter b) behandelt.
4.4.1 Spillover als endogene Wachstumsunterstützung
a) Der Faktor
Wissen
Jede unternehmerische Tätigkeit greift zwangsläufig auf eine Wissensgrundlage ("knowledge base" 1 1 6 ) zurück. Auch die Produktion von neuem Wissen, z.B. durch Anstrengungen in Forschung und Entwicklung, benötigt bestehendes Wissen als Voraussetzung. Die in dieser Basis zusammengefügten Informationen lassen sich nach dem Grad ihrer Universalität unterscheiden. Gewisse Informationen können leicht beschafft werden, sind frei zugänglich und anwenderfreundlich verfügbar, während im anderen Extremfall gewisse Informationen auf der persönlichen Erfahrung einzelner Personen beruhen und weder publiziert noch in einfachen Termen kodifiziert ausdrückbar sind. Dieses schwer vermittelbare Wissen wird in der Literatur auch als "tacit knowledge" bezeichnet, was 116
Dieser Ausdruck wurde von Nelson/Winter (1982) geprägt.
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den hohen Grad der "Verschlossenheit" dieser Wissensform ausdrückt, die auch in der wörtlichen Übersetzung "stillschweigendes Wissen" deutlich wird. Die einzelnen Unternehmungen erzielen ihre technischen Innovationen einerseits auf der Basis ihres selbsterarbeiteten Wissens, profitieren aber andererseits auch vom Beitrag von anderen Firmen und vom öffentlichen, beispielsweise in der Grundlagenforschung bereitgestellten, Wissen. Viele Informationen von anderen Firmen verbreiten sich im allgemeinen recht schnell. Eine wichtige Funktion üben dabei die Interaktionen auf den Märkten aus. Das absolut Mindeste, was von der Lancierung eines Gutes von Drittunternehmen gelernt werden kann, ist, daß das betreffende Produkt technisch herstellbar ist beziehungsweise die dahinterstehenden technischen Probleme lösbar sind. 117 Den Punkt der unvermeidbaren Wissensübertragung durch Marktprozesse betont auch Arrow: "The very use of the information in any productive way is bound to reveal it, at least in part." Arrow (1962a), 615
Aus dieser Beschreibung wird klar, daß Wissen nicht als normales ökonomisches Gut aufgefaßt werden kann. Der Unterschied wird aus den zwei grundlegenden Eigenschaften deutlich, nach denen Güter klassierbar sind: nach dem Grad, mit dem sie mit anderen Gütern im Konsum rivalisieren, und dem Grad, mit dem Konsumierende vom Genuß ausgeschlossen werden können. Normale "private" Güter sind vollständig rivalisierend und vollständig ausschließbar. Für die sogenannten "öffentlichen" Güter wird meist das genaue Gegenteil postuliert. Oft hängen die beiden Eigenschaften der Rivalität und der Ausschließbarkeit in der einen oder anderen Art zusammen. Sie liegen aber strenggenommen nicht auf derselben Ebene. Rivalität ist ein rein technisches Attribut, während die Ausschließbarkeit zusätzlich vom Rechtssystem und von anderen institutionellen Regelungen abhängt. Für das Wachstum sind nun genau diejenigen Fälle interessant, in denen die beiden Eigenschaften nicht synchron verlaufen. Durch den Umstand der Übertragbarkeit besitzt der Faktor Wissen beziehungsweise die Technologie als eine spezielle Form des Wissens Aspekte eines öffentlichen Gutes. 118 Technologie ist nichtrivalisierend, denn wird sie von einer Unternehmung für die Produktion verwendet, 117 118
Dies war z.B. bei der Entwicklung der Atombombe lange Zeit unklar. Dieser Gedanke wird bei Romer (1990) ausgeführt.
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schließt dies die Verwendung durch eine andere Unternehmung in keiner Art und Weise aus. Bezüglich des Kriteriums der Ausschließbarkeit muß differenziert werden. Durch die rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem in der Patentgesetzgebung, kann der direkte Wissenstransfer für die gesetzmäßig festgelegte Dauer zum Teil unterbunden werden. Die Verwendung der unter Patentschutz stehenden Produkte als Wissensgrundlage für weitere Forschungsanstrengungen läßt sich jedoch nicht verhindern. 119 Zudem liefern Patente, genauer Patentschriften, nicht selten konkurrierenden Unternehmungen wertvolle Detailinformationen. Ebenso lassen sich gewisse Formen des Wissens wie allgemeinere Ideen oder Produktvorstellungen praktisch kaum durch Patentschutz abschirmen. Dies trifft vor allem für den Dienstleistungsbereich zu. Manchmal wird das Kopieren durch Drittfirmen sogar angestrebt, nämlich dann, wenn die gesamten Forschungsanstrengungen in einem technischen Bereich für eine einzelne Firma zu umfangreich sind und deshalb eine komplementäre Forschung wünschbar ist. In der Grundlagenforschung als Extremfall ist es meist unmöglich und in vielen Fällen auch gar nicht erwünscht, daß interessierte Kreise von der erarbeiteten Information ausgeschlossen werden. Allerdings können die Adaptation und die Möglichkeit zur Replikation der Technologie ein langwieriger Prozeß sein. Dabei ist die Qualifikation der Arbeitskräfte eine entscheidende Größe. Menge und Qualität an Humankapital bestimmen nicht nur das volkswirtschaftliche Innovationspotential, sondern auch das Diffusionspotential. "Tacit knowledge" ist unter gewissen Umständen ebenfalls mobil, nämlich dann, wenn hochqualifizierte Arbeitskräfte ihre Stelle wechseln.
b) Weitere
Spillover-Mechanismen
In der neueren Wachstumstheorie werden neben den Wissensübertragungen hauptsächlich die Spillover der staatlichen Tätigkeit sowie diejenigen des Humankapitals betont. Staatliche Vorleistungen - u.a. in den Bereichen Grundlagenforschung und Infrastruktur, in einem weiteren Sinn auch die Rechtssicherheit - haben einen produktiven Wert für die Privatwirtschaft. Die staatliche Finanzierung erfolgt über das Steuermonopol; im Normalfall generiert dabei eine wachsende Wirtschaft steigende Steuereinnahmen. Produktive Tätigkeiten von Privaten produzieren via Steuerleistungen und das staatliche Angebot Spillover, die das Wachstum positiv 119 Zur anwendungsorientierten Forschung im Bereich der Patente vgl. Griliches (1992) und (1994).
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II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
beeinflussen: eine steigende Produktivität des Privatsektors ermöglicht steigende Steuereinnahmen, und dies führt (im Normalfall) zu einer Erhöhung u n d / o d e r Verbesserung des Angebotes an produktiven staatlichen Vorleistungen. Damit ist in der Folge auch das private Kapital wieder leistungsfähiger. Vorausgesetzt wird für diese Art des Wachstums, daß der Staat die Mittel effizient in produktive Leistungen für die Privatwirtschaft umsetzt und daß die Ausgestaltung des Steuersystems die Anreize für die private Gewinnerzielung nicht drastisch vermindert. Weiter vergrößern sich in einer wachsenden Wirtschaft die Möglichkeiten, Bildungsinvestitionen zu tätigen und damit den Bestand des Humankapitals zu erhöhen. Unter neoklassischen Bedingungen nimmt allerdings der Anreiz, Humankapital zu vermehren, ständig ab. Auch hier ist deshalb realistischerweise davon auszugehen, daß vom Bestand an Humankapital positive Spillover für Dritte entstehen, und zwar am sichtbarsten im Ausbildungssektor selbst. Lernen ist für jedes Individuum um so leichter - so die Hypothese - , je mehr Humankapital bereits angehäuft worden ist. Ebenso sind Unterrichtsstunden u m so produktiver, je besser die Lehrkräfte ausgebildet sind. Dies bedeutet, daß die individuelle Weiterbildung nicht nur einen internen Ertrag abwirft, sondern auch Vorteile für Dritte mit sich bringt. Modellmäßig am angenehmsten sind proportionale Spillover, so daß bei einem konstanten Einsatz von Zeit zur Weiterbildung eine konstante Wachstumsrate des Humankapitals resultiert. 120 Dies ist gleichbedeutend mit nicht abnehmenden Skalenerträgen im Bildungssektor, da das bereits erworbene Humankapital als freier Input jederzeit zur Verfügung steht. Eine weitere Art von Spillovern des Humankapitals kann auch in den übrigen Wirtschaftssektoren postuliert werden. Die Hypothese besagt hier, daß eine privatwirtschaftliche Geschäftstätigkeit um so produktiver ist, je gebildeter die Geschäftspartner und -partnerinnen sind. 121
4.4.2 Modellierung der erweiterten Produktionsrestriktion Als nächstes sind die Konsequenzen der Existenz von positiven Spillovern für die Modellierung der Produktionsbedingungen festzulegen. Bereits wurden drei Kanäle für die endogene Erhöhung der Kapitalproduktivität genannt: (i) die Akkumulation von mindestens einem Input, der den Stand des öffentlichen Wissens einer Branche oder der ganzen Volkswirtschaft erhöht, (ii) die öffentlichen Vorleistungen, die den Ertrag der privaten Faktoren vergrößern, und (iii) die Menge des um den Quali120 121
Vgl. Kapitel 4.6. Dieser zusätzliche Spillover-Effekt wird in Lucas (1988) verwendet.
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fikationsaspekt erweiterten Faktors Arbeit, der durch Investitionen in das Humankapital vermehrbar ist. In der Realität treten alle Varianten gleichzeitig auf. Für die modellmäßige Erfassung ist es allerdings zweckmäßig, das Schwergewicht entsprechend der Fragestellung auf einen einzelnen Kanal zu legen. Öffentliche Leistungen sind z.B. gemäß Textbuch-Regeln an den Orten erwünscht, an denen die Nichtausschließbarkeit von sozial erwünschten Leistungen private Investitionen verhindern. Die Spillover-Kanäle funktionieren, da die zugrundeliegenden Güter u n d Faktoren nicht rivalisierend, aber teilweise ausschließbar sind. Eine vollständige Ausschließbarkeit w ü r d e nämlich verhindern, daß Dritten ein Nutzen in Form eines höheren Wissensstandes zugute kommt, während eine fehlende Ausschließbarkeit die privaten Investitionsanreize vernichtet. Wenn beispielsweise Private Forschung u n d Entwicklung betreiben, sollte mit dem Ziel des volkswirtschaftlichen Wachstums nicht der ganze Forschungsertrag, aber ein Teil des Ertrags privat appropriierbar sein. Im Solow-Modell wird der technische Fortschritt von außen bereitgestellt, u n d niemand wird für diese Tätigkeit entschädigt. Dies ist in der neoklassischen Welt auch nur schwer vorstellbar. Die aggregierte Produktionsfunktion ist linear-homogen; das bedeutet, daß das gesamte Produkt an die Faktoren verteilt wird, welche die laufenden Konsum- u n d Investitionsgüter herstellen. Für die Gestalt der Produktionsfunktion in Modellen des endogenen Wachstums ist zwischen der aggregierten Produktion u n d der sektoralen Produktion in d e m Teilbereich der Wirtschaft, der f ü r die Vermehrung des Wissens verantwortlich ist, zu unterscheiden. Wird im gewählten Modell davon ausgegangen, d a ß eine aggregierte Produktionsfunktion nur unter Einschluß des Faktors Arbeit vollständig spezifiziert ist, sind z u m einen die Akkumulation von Wissen in Form des Humankapitals oder z u m andern in Form eines von Personen losgelösten technischen Wissensstandes als Modellansatz möglich. Wie erwähnt, ermöglicht die Ersetzung des Faktors Arbeit durch den Faktor Humankapital in der neoklassischen Produktionsfunktion ein Modell mit endogenem Wachstum, ohne daß auf der aggregierten Ebene die A n n a h m e konstanter Skalenerträge verlassen werden müßte. Die "rohe" Arbeitskraft u n d Humankapital sind in diesem einfachsten Ansatz perfekte Substitute, wodurch für die Menge dieses kombinierten Arbeitsfaktors keine obere Limite gegeben ist. Durch die Akkumulation von Humankapital vergrößert sich das Grenzprodukt des physischen Kapitals endogen, womit die Anreize zur Akkumulation erhalten bleiben. Ein solches Wachstumsmodell ist aber unvollständig, w e n n nicht der Bildungssektor separat dargestellt wird. 1 2 2 Soll hingegen d a s gewählte Modell abbilden, daß das Wissen in Büchern oder wissenschaftli122
Im Abschnitt 4.6 folgt die formale Darstellung zu diesen Ausführungen.
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chen Zeitschriften enthalten und somit von Personen losgelöst verfügbar ist ("disembodied knowledge"), muß auf der Ebene der aggregierten Produktionsfunktion der Ubergang zu zunehmenden Skalenerträgen vorgenommen werden. Zur Begründung betrachten wir den Sektor, in dem das "disembodied knowledge" über positive Spillover generiert und anschließend für die weitere Produktion verwendet wird. Mit den üblicherweise eingesetzten Inputs ginge man am einfachsten von konstanten Skalenerträgen aus: der Output würde sich verdoppeln, wenn sich die Menge der Inputs verdoppelt. Dieses Replikationsargument gilt allerdings genau nicht für den (nichtrivalisierenden) Input Wissen. Eine Unternehmung kann ein bestimmtes Wissen von einer anderen Firma übernehmen, ohne daß dieses Wissen für die andere Firma verlorengeht. Ebenso kann sie das Doppelte des Outputs produzieren, indem sie das Wissen konstant läßt, jedoch alle übrigen Faktoreinsätze verdoppelt. Mit anderen Worten besitzt eine realistische Produktionsfunktion konstante Skalenerträge ohne die Berücksichtigung des Faktors Wissen, unter Einschluß aller Inputs weist sie aber zunehmende Skalenerträge auf. Um die Form der Konkurrenz auf den Märkten zu modellieren, ist es von Bedeutung, welche Form der positiven Spillover unterstellt wird. Wenn die Grundlagenforschung mit dem öffentlichen Sektor als einzigem Anbieter modelliert wird, kann die Annahme vollständiger Konkurrenz auf den Märkten beibehalten werden. Denn aufgrund der Steuerhoheit kann sich der Staat die notwendigen Mittel aneignen, ohne daß er so etwas wie eine Monopolrente zu beanspruchen hätte. Eine interessante Möglichkeit besteht in der Annahme konstanter oder abnehmender Skalenerträge auf Unternehmensebene, aber zunehmender Skalenerträge auf der aggregierten Ebene. Im Anschluß an Marshall ist dies durch die Annahme von positiven Spillovern beziehungsweise positiven Externalitäten zu erklären: die Aktivität jeder einzelnen Unternehmung beeinflußt den Entscheidungsspielraum anderer Unternehmungen, was aber von der Unternehmung selbst nicht in Rechnung gestellt wird. Etwas komplizierter wird die Lage, wenn Private investive Tätigkeiten wie Forschung und Entwicklung ausüben, von denen positive Spillover angenommen werden. Hier ergibt sich die Notwendigkeit, die Annahme vollständiger Konkurrenz fallenzulassen und beschränkte Monopolmacht in die Theorie einzuführen. Damit öffnen sich gleich zwei Türen für eine vielseitige ökonomische Analyse: Zum einen können Monopolrenten als Entgelt für nicht direkt produktive Tätigkeiten beziehungsweise "Sunk Cost" wie z.B. Forschung und Entwicklung ins Modell aufgenommen werden; dies ist die Tradition der monopolistischen Konkurrenz im Anschluß an Chamberlin. Zum anderen kann die Vielfalt der von monopolähnlichen Unternehmungen produzierten Güter zur Modellierung verwendet werden. Wie in der Theorie der diffe-
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renzierten Güter betont wird, kann die Vielfalt der angebotenen Produkte sowohl bei Konsumgütern wie auch bei Produktionsfaktoren als wichtiger Parameter einfließen. Denn die Zunahme an Vielfalt in Konsum und Produktion kann als wichtiger Ausdruck des Wohlstandswachstums interpretiert werden. Dieser Aspekt wird unter Kapitel 5 weiter ausgeführt.
4.5 Optimale intertemporale Allokation 4.5.1 Grundlegende Voraussetzungen Neben der in einem Land verfügbaren Produktionstechnik - dargestellt in der aggregierten Produktionsfunktion, deren Form bisher ausgiebig zur Sprache kam - bestimmt ein zweiter Baustein den theoretischen Pfad der langfristigen Wirtschaftsentwicklung: die Präferenzen der Wirtschaftssubjekte, ausgedrückt in der Nutzenfunktion. Die Haushalte maximieren ihre individuelle Wohlfahrt, die ihnen während des Lebens insgesamt zuteil wird. Zu diesem Zweck wählen sie einen optimalen zeitlichen Konsumpfad nach Maßgabe von drei Größen: der individuellen Rate der Gegenwartspräferenz, der Elastizität der intertemporalen Substitution sowie dem Marktzinssatz auf Spareinlagen und anderen Investitionsformen. Ursache und ethische Rechtfertigung eines Diskonts der zukünftigen Konsummöglichkeiten waren und sind vielbeachtete Themen in der theoretischen Diskussion. 123 Viele Wissenschaftler halten es für empirisch erwiesen, daß die individuellen Zeitpräferenzraten in der Realität existieren beziehungsweise positiv sind. Aus diesem Grund verwenden die meisten der aktuellen Wachstumsmodelle die utilitaristische Nutzenfunktion. In seinem heute wieder stark gefeierten Grundlagenartikel hat allerdings Ramsey124 argumentiert, daß es aus einer übergeordneten gesellschaftlichen Perspektive 125 keine Rechtfertigung für einen positiven Diskont gebe. Das ethische Problem liegt weniger auf der Ebene eines einzelnen Individuums als vielmehr in der zeitlichen Abfolge verschiedener Generationen. Wohl diskontieren Individuen, weil ihre Lebensdauer beschränkt ist, wohl diskontieren Regierungen, weil ihre Amtsdauer Für eine Übersicht vgl. Lind (1982). Ramsey (1928) 1 2 5 In den Modellen vereinfachend repräsentiert durch den wohlmeinenden Diktator oder "Social Plariner". 123 124
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II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
beschränkt ist, in der gesellschaftlichen Entscheidungsfindung aber sollte nach Auffassung vieler die Gleichbehandlung der Generationen sichergestellt werden. Es gilt allgemein als unethisch, die Wünsche zukünftiger Generationen geringer einzuschätzen als diejenigen der jetzt lebenden. 2 6 Im Bereich der Umwelt wird deshalb mit dem Begriff der Nachhaltigkeit operiert, um der anzustrebenden Chancengleichheit zwischen den Generationen Ausdruck zu verleihen. 127 Als eigentliches Problem gelten dabei Prozesse, die den heute lebenden Individuen Nutzen bringen, die Kosten aber den später lebenden aufbürden, sowie vor allem sämtliche Vorgänge, die das Merkmal der Irreversibilität aufweisen. Auf der anderen Seite verändert sich der Möglichkeitsraum im Zeitablauf offensichtlich nicht nur in die negative Richtung, da technische Errungenschaften und der vorhandene Kapitalstock ebenfalls von Generation zu Generation weitergereicht werden. Inwiefern der Begriff der Nachhaltigkeit Substitutionen zwischen den gesellschaftlichen Aktiva - beispielsweise von Umweltkapital durch höheres technisches Wissen oder aktive Veränderungen der Erbgutmassen - zuläßt, ist ein umstrittenes Thema. Die Bestimmung der Elastizität der intertemporalen Substitution als zweiter Parameter für die Optimierung ist eine empirisch zu lösende Frage. Vorhandene Schätzungen deuten darauf hin, daß die Elastizität nicht allzu große Werte annimmt und daß die in der logarithmischen Nutzenfunktion implizierte Elastizität vom Wert Eins zumindest für theoretische Analysen eine zweckmäßige Approximation darstellt. 128 Die dritte Größe, die für die Optimierung der Haushalte eine Bedeutung hat, ist der Marktzinssatz. Die täglich beobachtbaren Marktzinssätze hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab, die zum Teil auch konjunktureller Natur sind. Für die Wachstumstheorie sind die langfristigen realen Hintergründe der Zinssätze entscheidend; diese bestehen zur Hauptsache aus den technischen Möglichkeiten der modellierten Volkswirtschaft unter Berücksichtigung der außenwirtschaftlichen Beziehungen. Die Produktionstechnik wurde im vorhergehenden Abschnitt durch die Entwicklung des Grenzproduktes des Kapitals charakterisiert, die Außenwirtschaft wird in der Folge in Kapitel 6 eingebaut.
Ein anderes, allerdings wenig konkretes Kriterium für die Auswahl von langfristigen Konsumpfaden ist z.B. die Rawlssche Vorstellung der intergenerationellen Gerechtigkeit. 1 2 7 Vgl. dazu auch Abschnitt 3.6. 1 2 8 Dieser Wert hat auch Konsequenzen für die Konjunkturtheorie, vgl. Blanchard/ Fischer (1989) S. 341. Ein tiefer Wert für die intertemporale Substitution ist eine äußerst ungünstige Tatsache für die Erklärung konjunktureller Abläufe in der Realbusiness-cycle-Theorie, vgl. dazu Kapitel 7. 126
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
101
4.5.2 Herleitung optimaler Pfade Die einfachste Bestimmung eines optimalen Konsumpfades findet in einem System mit zwei Variablen statt, dem Kapitalstock K als "Zustandsvariablen" und dem Konsum C als "Kontrollvariablen", wobei die Veränderung des Kapitalstocks, die Investititonen in das Realkapital, als vorerst einziges Bindeglied zwischen gegenwärtigem und zukünftigem Konsum auftreten und die Produktionsfunktion das durch den Einsatz einer zusätzlichen Kapitaleinheit produzierbare Sozialprodukt bestimmt. Ein gängiges Verfahren ist die Lösung der intertemporalen Optimierung - als wohlfahrtstheoretische Referenz - aus der Sicht des "Social Planner", der die einzelnen Konsum- und Produktionspläne zentral aufeinander abstimmt. Anschließend kann die Marktlösung in einer dezentralen Wirtschaft mit der vorstehenden verglichen werden. Unterschiede zwischen den beiden Lösungen sind aufgrund der Wohlfahrtstheorie besonders dann zu erwarten, wenn Monopole oder externe Effekte eine Rolle spielen. Allgemein hängt der Nutzen der Haushalte von den gesamten Konsummöglichkeiten ab; die Bedingungen zur Kapitalakkumulation treten in der Optimierung des "Social Planner" als Restriktionen auf. Die erste Restriktion besagt, daß vom Sozialprodukt nur für die Akkumulation zur Verfügung steht, was nicht für den Konsum oder die Abschreibungen verwendet wird, die zweite Restriktion betrifft den Anfangs- und den Endwert des Kapitalstocks. Daß das Vermögen der Haushalte im Endzeitpunkt der Optimierung gleich null sein sollte, weil es dann keinen Nutzen mehr bringt, wird in der sogenannten Transversalitätsbedingung berücksichtigt. Die Zeitperiode der Optimierung braucht nicht mit dem Lebensalter zusammenzufallen, wenn Vererbungsmotive bestehen. Mit dieser Annahme läßt sich der Nutzen über unendlich viele Perioden als Wohlfahrt einer "Dynastie" mit endlich lebenden, aber mit Vererbungsmotiv ausgestatteten Individuen deuten, was sich im kontinuierlichen Einbezug der Wohlfahrt der Nachkommenschaft in der Nutzenfunktion niederschlägt. 129 Die dynamische Optimierung liefert einen optimalen Zeitpfad - hier für die Variablen K und C - und ist dementsprechend anspruchsvoller als die statische Optimierung, bei der nur einzelne Punkte einer Funktion gesucht sind. Die Strategie zur Bewältigung der analytischen Aufgabe liegt darin, das dynamische Problem in ein statisches Ein-Perioden-Problem umzuformulieren und zu zeigen, daß damit auch das dynamische Problem gelöst ist. Zu diesem Zweck wird ein Parameter ß eingeführt, 130 129 130
Vgl. Barro (1974). Der Parameter wird englisch "costate variable" genannt.
102
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
der d a s Grenzwertprodukt des Kapitals beziehungsweise die Opportunitätskosten der Kapitalbildung in jedem beliebigen Zeitpunkt wiedergibt. Damit lassen sich die laufenden Kosten u n d die zukünftigen Vorteile der Kapitalakkumulation bewerten, wobei diese "Preisvariable" im Gegensatz z u m Kapitalstock binnen kurzer Zeit einen anderen Wert annehmen kann. K u n d C stiften den Haushalten zu jedem Zeitpunkt einen Nutzen, der mit U bezeichnet wird. C ist die eigentliche Entscheidungsvariable, K ist über vergangene Entscheidungen bezüglich Konsum bestimmt, ist also ebenfalls indirekt determiniert durch die Optimierungsprozesse. 1 3 1 Zusätzlich fließt zu jedem Zeitpunkt die Wertänderung des Kapitalstocks - ausgedrückt durch die Kapitalmenge multipliziert mit ß - in die Bestimmung der individuellen Wohlfahrt der Haushalte mit ein. Die Wohlfahrt des repräsentativen Haushaltes läßt sich demnach allgemein schreiben als H = U (K, C, t) +ßK +
fiK
(4.14)
Die Variable f ü r die Wohlfahrt w u r d e aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur "Hamiltonschen" Funktion mit H bezeichnet. 132 Wie ersichtlich, setzt sich die individuelle Wohlfahrt zusammen aus dem Nutzen von Konsum u n d Kapitalstock zu jedem Zeitpunkt sowie aus dem Nutzen der bewerteten Kapitalstockänderung und der Änderung der Bewertung des Kapitalstocks. Die Bedingungen erster O r d n u n g für ein Maximum sind: dH äc
dH dK
=
dU (K, C, t) de
dU(K, C, Q dK
+
dK *-ac
dK
=
n Q
.
(4 15)
-
(4.16)
Die erste Bedingung drückt aus, daß die Nutzenveränderung aus einer K o n s u m v e r ä n d e r u n g d e n Effekt der Konsumveränderung auf die Veränd e r u n g des Kapitalstocks - bewertet mit dem Grenzprodukt - egalisiert. Die zweite Bedingung lautet in Worten, daß Veränderungen im Grenzp r o d u k t des Kapitals durch Veränderungen der Nettoproduktivität des Kapitals entweder bezüglich des Nutzens U oder der Investitionen aufgewogen werden. 131
Auf englisch ist der Kapitalstock die "state variable". In der üblichen Darstellung der Hamilton-Funktion wird der letzte Term unterdrückt, vgl. auch Nicholson (1985), S. 597 ff. 132
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
103
Nun werden diese Optimalbedingungen auf die meist eingesetzte utilitaristische Wohlfahrtsfunktion der Haushalte angewendet, wobei für die Größe der Investitionen die Restriktion verwendet wird, daß die Kapitalstockvermehrung gleich dem Sozialprodukt minus Konsum und Abschreibungen ist:
H(t) +
(4.17)
= U (C (t)) e~pt ( ß ( t )
[ Y ( t ) - C ( t ) - 8 K ( t ) ] + f i K ( t ) )
Für die obenstehenden Bedingungen erster Ordnung ergibt sich dann: U ' ( C ( t ) ) f
= S ~
ß(t)
(4.18)
= fi{t)
p t
(4-19)
dK
Als nächstes wird /i in beiden Ausdrücken durch den Gegenwartswert des Kapitals fi ersetzt: -pt
Durch die Eliminierung von fi errechnet sich dann:
SU
'dt< C )
1
U'(C)
^
dK
(4.20,
Um die linke Seite zu vereinfachen, wird nun die Ableitung des Grenznutzens nach der Zeit dU'(C) dT~
104
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
geschrieben als Ableitung des Grenznutzens nach dem Konsum: Li" (C) multipliziert mit der Ableitung des Konsums nach der Zeit: dC dt Zudem wird der Ausdruck mit C erweitert. Damit kann die Elastizität der intertemporalen Substitution 1/y eingeführt werden, die dem negativen reziproken Wert der Elastizität des Grenznutzens bezüglich Konsum entspricht und im Konsum-Nutzen-Diagamm das Maß für die Krümmung der Nutzenkurve wiedergibt. Es gilt: y = -U(C)/(U"(C)
C)
(4.21)
Daraus resultiert schließlich die bekannte Keynes-Ramsey-Regel (bei konstanter Bevölkerung):
Der Konsum steigt, bleibt konstant oder sinkt je nachdem, ob das Grenzprodukt des Kapitals die Summe aus der Diskontrate und dem Abschreibungssatz übersteigt, egalisiert oder unterschreitet. Wird das Wachstum der Bevölkerung mit einbezogen, so ist der Parameter für die Wachstumsrate der Köpfe analog zum Solow-Modell im Klammerausdruck auf der rechten Seite der Gleichung zu subtrahieren. Am einfachsten erhält man diese Aussage durch das Ausdrücken der Akkumulationsbedingung, d.h. der Investitionsgleichung, in Pro-Kopf-Größen. Dann ist direkt ersichtlich, daß das Bevölkerungswachstum wie eine zusätzliche Abschreibung wirkt, da es einen Verlust an Kapitalausstattung pro Kopf bedeutet, oder mit anderen Worten bei wachsender Bevölkerung der vorhandene Kapitalstock auf eine wachsende Zahl von Arbeitskräften verteilt werden muß. Bei Verwendung einer logarithmischen Nutzenfunktion für die Haushalte ist 7 = 1 , womit sich (4.22) entsprechend vereinfacht. Bei vollständiger Konkurrenz auf den Kapitalmärkten ist überdies das Grenzprodukt des Kapitals gleich dem Zinssatz.
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
105
Durch die Verbindung der intertemporalen Optimierung mit den neoklassischen Technologieannahmen ergibt sich das sogenannte RamseyCass-Koopmans-Modell, das im wesentlichen aus zwei Differentialgleichungen besteht. Zusammen mit der aus Abschnitt 4.2 bekannten Differentialgleichung für die Kapitalakkumulation ergeben sich der optimale Konsumpfad sowie der Wert des Kapitalstocks im langfristigen Gleichgewicht. Beides läßt sich in einem Konsum-Kapitalstock-Phasendiagramm darstellen, womit die Sattelpunkteigenschaften des Modells grafisch dargestellt werden können. 1 3 3 Die Keynes-Ramsey-Regel bestimmt die Bedingungen erster Ordnung für die optimale zeitliche Entwicklung des Kapitalstocks. Zusätzlich ist als Anfangsbedingung zu beachten, daß zum Zeitpunkt des Beginns der Optimierung eine ganz bestimmte Größe des Kapitalstocks von den älteren Generationen vererbt wird. Wichtiger noch ist zudem die Bedingung, daß im Optimum im Endzeitpunkt der Optimierung der Wert des Kapitalstocks gleich Null sein muß, da er dann keinen Nutzen mehr bringt. Diese in der sogenannten Transversalitätsbedingung ausgedrückte Anforderung wird meist in der folgenden Form geschrieben:
lim [i(t) K(t)
= 0
(4.23)
In der bisherigen Herleitung wurden die Güterpreise nicht besonders erwähnt. Dies deshalb, weil normalerweise die Preise der Konsumgüter als Numéraire dienen und die Investitionsgüter bezüglich Technik der Herstellung als identisch mit den Konsumgütern angenommen werden. Für die folgenden Anwendungen ist es aber günstig, den Numéraire anders festzulegen. Da die verwendeten Wachstumsmodelle keine Geldvariable aufweisen, ist die Wahl eines Zeitpfades einer nominellen Variable frei möglich. Die anderen Preise werden dann mit diesem Numéraire verglichen, wobei die Wahl des Numéraires keinen Einfluß auf den Verlauf der realen Modellgrößen hat. Es ist beispielsweise möglich, den Verlauf der Preise so festzulegen, daß der Wert des Konsums C konstant den Wert Eins annimmt. Da dadurch das Konsumwachstum gleich null ist, ergibt die Keynes-Ramsey-Regel (4.22) für den Fall der logarithmischen Nutzenfunktion (y = 1) und der vollständigen Konkurrenz auf den Kapitalmärkten, daß sich der Realzinssatz immer auf die Höhe der Diskontrate stellt. Für die weiteren Berechnungen werden wir Vgl. dazu die Darstellung in Blanchard/Fischer (1989), 46. Zu den Problemen der Stabilität des Wachstumsgleichgewichts siehe Abschnitt 5.5. 1 3 4 Diese Bedingung wird üblicherweise dadurch erfüllt, daß der Preis und nicht die Menge des Kapitals gegen null strebt. 133
106
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
in der Folge die logarithmische Nutzenfunktion verwenden, bei der die Elastizität der intertemporalen Substitution den Wert Eins annimmt. Sämtliche Resultate können aber analog auch mit y ^ 1 berechnet werden. Im Falle einer Wirtschaft mit mehreren Sektoren und dementsprechend mehreren Preisen ist das Wachstum der mit einem Preisindex bewerteten Konsumausgaben zu optimieren. Mit der logarithmischen Nutzenfunktion, der Variablen E für die Ausgaben, d.h. die Konsummenge C, die mit einem geeigneten Preisindex f multipliziert worden ist, ergibt sich aus der Keynes-Ramsey-Regel:
Ê/E
=
=
(4.24)
Die Variable r wurde dabei für den nominellen Zinssatz verwendet, der bei vollständigen Kapitalmärkten dem Wertgrenzprodukt des Kapitals entspricht. In einem Mehrsektorenmodell ist es günstig, die nominellen Konsumausgaben durch die Wahl des Numéraires auf den Wert Eins zu normieren. In der folgenden Darstellung und im Modell ab Kapitel 5 werden deshalb die Preise so normalisiert, daß die nominellen Konsumausgaben E konstant den Wert Eins annehmen. 1 3 5 Daraus folgt, daß in diesen Modellen der nominelle Zinssatz der Diskontrate entspricht. Wenn nun weiter übergegangen wird zu einer dezentralen Wirtschaft, kann gezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen eine dezentrale Wirtschaft das gesamtwirtschaftliche Optimum - dargestellt in derselben Regel für das Optimum - zu erreichen vermag. Die Unternehmungen maximieren gemäß üblichen neoklassischen Annahmen ihren Gewinn zu jedem Zeitpunkt. Die Bedingungen erster Ordnung implizieren bei vollständiger Konkurrenz die Gleichheit des Kapitalwertgrenzprodukts mit dem Marktzinssatz, der mit r bezeichnet wird und mit variablen Güterpreisen der nominelle Zinssatz ist. Dabei ist es oft einfacher, den Term der Abschreibungen nicht ständig aufzuführen und stattdessen von Beginn an mit der Nettoproduktion zu argumentieren. Die Haushalte optimieren den Lebenskonsum unter der Restriktion, daß ihr gesamtes Vermögen zur Deckung sämtlicher Ausgaben genau ausreicht. Es erscheint als einleuchtend, daß für die Einhaltung dieser intertemporalen Budgetrestriktion rationale Erwartungen gefordert werden müssen, andernfalls führen die individuellen Pfade unweigerlich vom Optimum weg. 1 3 6 Unter Verwendung der Ausgaben £ und der Pro1 3 5 Dieses Vorgehen wird von Dixit/Norman (1980) und vor allem von Grossman/ Helpman (1991) angewandt. 1 3 6 Näheres dazu folgt in Abschnitt 5.5.
4. Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung
107
duktionsfaktoren Arbeit und Realkapital ist das Optimierungsproblem für die Haushalte durch die Maximierung des folgenden Ausdrucks gegeben:
je
pt
•
U{E{t)/V(,t)}dt
(4.25)
unter der Restriktion:
je
R(0
E(t)dt
= W(0) + W(0)
(4.26)
o
wobei W (0) den Gegenwartswert des Vermögens aus dem Verkauf zukünftiger Arbeitsleistungen und VV(0) das Vermögen in Form von Realkapital bezeichnet. R ist hier das kumulative Zinseinkommen, was die Berücksichtigung nicht konstanter Zinssätze ermöglicht. Die Ableitung von R nach der Zeit in einem bestimmten Zeitpunkt ist der momentane nominelle Marktzinssatz, d.h. dR/dt = R = r . Die Bedingung erster Ordnung für das Optimum lautet, daß der Grenznutzen des Konsums in jedem Zeitpunkt den Grenzkosten des Konsums entspricht, d.h.:
e ptU'{E ( f ) / f ( 0 } - l / f t f ) =ß-e~RW
(4.27)
Mit der logarithmischen Nutzenfunktion ergibt sich als Folge analog zur Planerlösung:
Ê/E
= R-p
=
r-p
Durch die Normierung der Ausgaben auf einen konstanten Wert leitet sich wieder die Identität von Nominalzins und Diskontrate in jedem beliebigen Zeitpunkt ab. Mit anderen Worten läßt sich die gesamte intertemporale Optimierung der Haushalte auf die einfache Ersetzung des nominellen Zinssatzes durch die Diskontrate in den entsprechenden Modellgleichungen ausdrücken, sofern die logarithmische Nutzenfunktion unterstellt wird. Die getroffene Wahl des Numéraires senkt den
108
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Rechenaufwand; nicht beeinflußt wird hingegen der ökonomische Gehalt der intertemporalen Optimierung. Zum Schluß kann ergänzt werden, daß sich die Keynes-Ramsey-Regel für das optimale Konsum- beziehungsweise Ausgabenwachstum auch aus einer zeitdiskreten Optimierung herleiten läßt. Dieses Verfahren hat, wie unter Abschnitt 5.5 ausgeführt wird, gewisse Vorteile im Hinblick auf die Modellstabilität. Für zwei (zeitdiskrete) Perioden 1 und 2 kann mit der logarithmischen Nutzenfunktion analog die Optimalbedingung für das Konsumwachstum
c2 c,
av =
(1 +
äx)
_3
°°
(5.54)
Deshalb approximiert die endogene Variable des Solow-Modells, die Kapitalintensität, immer die aufgeführte Konstante als Gleichgewichtswert; das Modell ist damit stabil. Nicht gültig ist diese Aussage selbstverständlich dann, wenn die sogenannte zweite Inada-Bedingung zu den abnehmenden Grenzerträgen des Kapitals insgesamt verlassen wird, wie es z.B. schon vor Jahrzehnten zur Erklärung von "Wachstumsfallen" (Low-level traps) der Fall war.
b )
Z i n s a b h ä n g i g e s
S p a r e n
Die Annahme des zinsabhängigen Sparens der (unendlich lang lebenden) Haushalte führt zum Ramsey-Cass-Koopmans-Modell des optimalen Wachstums, das als Kombination des Solow-Modells mit der weiter oben ausgeführten Herleitung der optimalen intertemporalen Allokation der Ressourcen betrachtet werden kann. Letzteres ergab bei logarithmischer Konsumfunktion und einer allgemeinen Produktionsfunktion in der Form Y(t) = K(t)a den Ausdruck für das Konsumwachstum pro Kopf:
C -
=
, r/CC-1 • a - l ( a - K
-
p - g
L
-
cv 5 )
(5.55)
Die Restriktion für die Kapitalakkumulation lautet im neoklassischen Modell - entsprechend der zeitkontinuierlichen Darstellung in Kapitel 4
5. Dynamik durch technische Innovationen
167
- in der Pro-Kopf-Schreibweise mit k für die Kapitalintensität und c für den Pro-Kopf-Konsum:
& = f ( k ) -c-gL
(5.56)
- Sk
Die Stabilität dieses Systems wird untersucht, indem die Gleichungen für den Pro-Kopf-Konsum und die Kapitalintensität um das Gleichgewicht linearisiert werden. Dazu wird das System in Logarithmen geschrieben, anschließend sind die Gleichgewichtsbedingungen einzusetzen. Nach einer Taylor-Expansion findet man: 187
In (c ( t ) )
"0
ln(k(t))
7h
-Ii
~ln(c(t))
(p-gL) In
-ln(c*)
(k(t)) - In (k*)
Der gleichgewichtige Pro-Kopf-Konsum und die gleichgewichtige Kapitalintensität sind mit einem Stern bezeichnet. Weiter gilt: ¡1=
(1-a)
h=
(p+
{p+S) 5 ( 1 - a) -
agL)/a
Die für die Stabilität entscheidende Determinante A der Matrix ist A = -h • n < 0
Die Eigenwerte sind reale Werte; der eine ist positiv, der andere negativ. Daraus ersieht man die Eigenschaft der Sattelpfadstabilität des Modells. 188 Im Ramsey-Cass-Koopmans-Modell existiert demnach ein stabiler Sattelpfad, der zum Gleichgewicht führt. Nur wenn die Haushalte so 187
Nach Sala-i-Martin (1990a), 29. 188 Wären beide Eigenwerte real und negativ, würde das System stabil, bei imaginären Werten entscheidet der reale Teil über das Auftreten von explodierenden, konstanten oder gedämpften Oszillationen.
168
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
viel konsumieren, wie es von der Sattelpfadbedingung her erfordert wird, bleiben sie auf dem direkten Pfad ins Gleichgewicht. Ökonomisch bedeutet derselbe Sachverhalt, daß die Optimierung nur dann vollständig ist, wenn der Wert der akkumulierten Faktoren im Endzeitpunkt der Optimierung gleich null ist. Nach jedem schockartigen Einfluß auf das betrachtete System ergibt sich eine Verschiebung des optimalen Sattelpfades. Zwar ist es den Haushalten auch ohne sofortige Anpassung ihrer Konsummengen nach Schocks möglich, die kurzfristig optimalen Bedingungen für das Sparverhalten beziehungsweise die Kapitalakkumulation weiter zu erfüllen. Hingegen ist es ihnen nur möglich, die Endzeitpunktbedingung einzuhalten, wenn sie unverzüglich und ohne Anpassungszeit auf den neuen Wachstumspfad springen. Geschieht dies nicht, so werden die Wirtschaftssubjekte in einer nicht exakt definierten Zukunft, aber vor Ablauf ihres Optimierungshorizontes, entweder mit einem Kapitalstock oder einer Konsummenge von null konfrontiert werden. 189 Zur Einhaltung der genannten Anforderung sind verschiedene Modellierungsvarianten möglich. Ein naheliegender Ansatz ist die künstliche Einführung eines "Social Planner" oder wohlmeinenden Diktators, der das Sparverhalten der Haushalte in die für die Gesamtwohlfahrt optimalen Bahnen lenkt. Dieses Vorgehen ist zur Fixierung eines Referenzpunktes im Zusammenhang mit wohlfahrtstheoretischen Überlegungen angebracht, als realistisches Abbild tatsächlichen Verhaltens aber ungeeignet. Dem theoretischen Aufbau eines Makromodells aus dem individuellen Optimierungsverhalten entspricht der Einbezug eines individuellen Erwartungsverhaltens. Gemäß den methodischen Errungenschaften der achtziger Jahre drängt sich der Einbau von rationalen beziehungsweise modellkonsistenten Erwartungen auf. In der Tat läßt sich zeigen, daß damit die Endpunktbedingung zu jedem Zeitpunkt erfüllbar wird. Die geschilderten Einwände gegen das Konstrukt der rationalen Erwartungen sind natürlich auch hier gültig. Es stellt sich aber heraus, daß die Erwartungen in Wachstumsmodellen nicht unbedingt streng rational sein müssen. Das Wichtige ist die individuelle Anreizwirkung der zusätzlichen Information: Jeder Haushalt kann durch eine Verbesserung seiner Erwartungen sein eigenes Lebenseinkommen steigern. Damit sorgen die Marktsignale für einen ständigen individuellen Anreiz, auf dem optimalen Pfad zu bleiben oder rasch zu ihm zurückzukehren. Diese Anreizkompatibilität wird in der Neuen Wachstumstheorie nicht mehr unbedingt gegeben sein, wie unter 5.6.3 ausgeführt wird. Eine theoretische Möglichkeit zur Reduktion des Informationsbedarfs der Haushalte ist die 189
Vgl. dazu Blanchard/Fischer (1989), Kapitel 2.
5. Dynamik durch technische Innovationen
169
Verwendung von Zwei-Perioden-Modellen z.B. in Form von Generationenmodellen; auch dann ist aber noch Modellkonsistenz der Erwartungen zu fordern.
5.6.3 Innovationen mit nichtkonvexer Produktionstechnik a) Das zeitkontinuierliche Modell In den Modellen mit endogenen Wachstumsmechanismen existieren beide eingangs genannten Quellen für eine mögliche Instabilität: die notwendige Einhaltung der intertemporalen Budgetrestriktion sowie das Vorhandensein von positiven Spillovern und zunehmenden Skalenerträgen. Im vorhergehenden Modell wurde die Gleichung für das Konsumwachstum verwendet, wie es in den meisten Darstellungen gebräuchlich ist, für die Phasen-Diagrammtechnik wird dazu eine Konsum/Kapitalstock-Ebene aufgespannt. Dagegen wird von verschiedener Seite eingewendet, diese Darstellung des Wachstumsablaufs gebe keine Intuition für die Kapitalakkumulation her, die im Solow-Modell so wichtig ist. Eine andere Darstellung ist deshalb in der Ebene denkbar, die von der Menge des akkumulierten Faktors sowie von dessen Preis aufgespannt wird. 19 Damit ist im Prinzip nichts anderes als eine Illustration des Kapitalmarktes gegeben. Übertragen auf Forschung und Entwicklung - ausgedrückt mit Designs - sind dann die Menge und der Preis eines Designs während der Anpassungsphase und der langen Frist abzubilden und ein entsprechendes Phasendiagramm zu erstellen. Dies soll nun vorgenommen werden. Wie im Ramsey-Cass-Koopmans-Modell ist in diesem Abschnitt ein unendlicher Zeithorizont unterstellt, und es wird weiter angenommen, daß ein Design eine unbeschränkte Lebensdauer hat. Die Analyse wird am Beispiel der wachsenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor durchgeführt, die wachsende Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor kann punkto Stabilität analog behandelt werden. Ein Design des Konsumgütersektors mit unendlich langer Lebensdauer hat in einem zeitkontinuierlichen Modell einen Gegenwartswert v von:
v = j(e
'-n(t))dt
p
(5.58)
wobei n wiederum der Gewinn einer Unternehmung in monopolistischer Konkurrenz ist. Das Differential ergibt das Kapitalmarktgleichgewicht, 190
Diese Art der Darstellung verwendet z.B. Romer (1989).
170
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
das in jedem Augenblick erfüllt sein muß, damit keine reinen Renten entstehen:
(5.59)
n+ v = r • v - p • v
Wie in den bisherigen Formulierungen des Kapitalmarktes entspricht der Gewinn pro Unternehmung plus die Wertänderung des Designs dem Zinsertrag r, der mit demselben Betrag v auf einer festverzinslichen Anlage erzielbar ist; der Nominalzinssatz kann wiederum durch die Diskontrate ersetzt werden, wenn die Nutzenfunktion logarithmisch ist und die Ausgaben auf den Wert Eins normiert werden. Werden der Einfachheit halber auch die Leontiefschen Input-Koeffizienten für das HighTech-Konsumgut sowie für das Forschungslabor gleich eins gesetzt und werden zu einem bestimmten Zeitpunkt n neue Designs produziert, schreibt sich das Arbeitsmarktgleichgewicht gemäß Modell unter Abschnitt 5.2 als:
n+ — = L Py n
ohne Spillover und
(5.60)
mit proportionalen Spillovern
(5.61)
1
- +— = L
Die Wachstumsrate gn ist hier, in der zeitkontinuierlichen Schreibweise: n 8n = n In den Ausdrücken (5.59) und (5.61) werden nun die Werte für den Gewinn und die Wachstumsrate eingesetzt. Die beiden Differentialgleichungen für die Darstellung des Phasendiagramms in der v/n-Ebene mit Spillovern lauten dann:
v = p•v
(Kapitalmarkt)
(5.62)
5. Dynamik durch technische Innovationen
ri - = L
1
^
Vy
~ Sn
171
(Arbeitsmarkt mit Spillovern) (5.63)
Dies ergibt ein System mit zwei Differentialgleichungen für v und n. Das Phasendiagramm für dieses System ist in der folgenden Abbildung wiedergegeben.
Abbildung 5.13: Phasendiagramm im zeitkontinuierlichen Innovationsmodell
v k
v=0
u
172
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Die Pfeilrichtungen für die Anpassung ergeben sich direkt aus der Inspektion der obenstehenden Gleichungen. Daraus ist ersichtlich, daß auch im Fall der Produktinnovationen mit Designs ein Sattelpunktsystem vorliegt. Die Kurve für den v - 0-Lokus muß oberhalb derjenigen für die Anzahl neuer Designs liegen, da sonst der Anreiz für Innovationen nicht gegeben ist. Durch die proportionalen Spillover wird ein nichtabbrechendes Wachstum möglich. Aufgrund der Abbildung scheint es sich mit der Bewertung der Designs vor allem um ein Kapitalmarktphänomen zu handeln. Man ist geneigt, aus dem Argument der rationalen Erwartungen erneut auf ein Anreizsystem zu schließen, das die Kapitalmarktteilnehmer dazu veranlaßt, ihre Erwartungen schnell zu revidieren, um ihren individuellen Nutzen zu erhöhen. Dann hätte das Modell mit der Innovationstätigkeit dieselben Stabilitätseigenschaften wie das Ramsey-Cass-Koopmans-Modell. Zur Demonstration, daß diese Sichtweise nicht zutrifft, muß der Arbeitsmarkt mit seinen Anpassungen sichtbar gemacht werden, wozu mit Vorteil die Abbildungsweise zu ändern ist. Die Anpassungsvariable auf dem Arbeitsmarkt ist der Lohnsatz, der nun anstelle des DesignWerts auf der Ordinate aufgetragen werden soll. Weil im hinteren Teil der Untersuchung ein Drei-Sektoren-Modell verwendet wird, soll die Anzahl der Wirtschaftssektoren um eine Einheit erhöht werden. Denn die wichtige Aussage zur Stabilität soll nach Möglichkeit für das in den Schlußfolgerungen berücksichtigte Wachstumsmodell zutreffen. U m die in der Folge verwendete Spezifikation des Modells mit einzubeziehen, ergänzen wir die Volkswirtschaft vorerst mit einem weiteren Sektor: dem Sektor der traditionellen Güter. Die traditionellen Güter werden unter vollständiger Konkurrenz und konstanten Skalenerträgen hergestellt. Die Beschränkung auf einen einzigen Faktor Arbeit genügt, ebenso können in dieser Anwendung die Leontiefschen Input-Koeffizienten für alle drei Sektoren ohne Einschränkung der Allgemeinheit gleich eins gesetzt werden. Die intratemporale Nutzenfunktion sei vom Cobb-Douglas-Typ mit 1 - 0 und als Ausgabenanteile für das traditionelle beziehungsweise für das High-Tech-Gut; 1/ß ist wie oben der Mark-up-Faktor. Mit der üblichen Normierung der Ausgaben und der Normierung der drei InputKoeffizienten auf den Wert Eins schreibt sich das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt mit der dreisektorigen Arbeitsnachfrage als:
w
w
(5.64)
173
5. Dynamik durch technische Innovationen
Das Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt ist wiederum:
TT V - + - = P V V
(5.65)
Eingesetzt für den Wert eines Designs als v - w/n sowie für den Gewinn pro Design als %-{(1 - ß) Arbeitsangebot
iv 0
falls
(1 - ß ) - < l » w
g< 0
falls
(1-/3) •
(5-71)
Mit den angenommenen Faktorintensitäten ist dieser Ausdruck positiv, weil gilt: 6
Sg>6Sx
'
e
Lx>0Lg
X
Sg/XLg>?iSx/XLx
'
Die Determinante für das Modell mit der wachsenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor (vgl. Abschnitt 5.5.3) ist:
A' =
Sm ¿Z+p
(bnb22-b12b21)
+ (eL -l)
asb12-aLx-b13)b22)
(5.72)
5. Dynamik durch technische Innovationen
183
Der Wert der Determinante ist wieder minimal, wenn alleCTnull sind. Dann gilt:
(5.73)
+
b
13dS^SxdLx
Auch diese Determinante ist positiv, da A gemäß (5.71) positiv ist und Forschung und Entwicklung ökonomisch nur dann sinnvoll ist, wenn h n > g Ut -
184
6. Kapitel Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
6.1 Einschluß der Außenhandelstheorie 6.1.1 Erklärungsgegenstand und Methodik Es ist einleuchtend, daß die Außenhandelstheorie in der volkswirtschaftlichen Beurteilung der Integrationswirkungen eine dominante Rolle spielt. Integration führte und führt in allen aktuellen Beispielen, z.B. in Europa und Nordamerika, zu einer starken Veränderung in den Handelsbeziehungen, die mit Hilfe der Außenhandelstheorie analysiert werden kann. Oft wird in der Wirtschaftstheorie grundsätzlich zum Ausdruck gebracht, daß sich Volkswirtschaften deshalb im internationalen Handel engagieren, weil sie gegenseitig davon profitieren. Dazu sind zwei Punkte unmittelbar anzuführen. Weil es erstens eine Unzahl von Möglichkeiten gibt, die Vorteile des Außenhandels auf Personen, Faktorbesitzer, Branchen usw. zu verteilen, gilt die Aussage bezüglich Vorteile nur auf der obersten Aggregatsebene der gesamten Volkswirtschaft. Eine erwünschte Streuung der Außenhandelsgewinne kann aber (theoretisch) über geeignete Verteilungsschemen sichergestellt werden. Zweitens, und im vorliegenden Fall noch wichtiger, gilt der Hinweis darauf, daß die generalisierende Aussage bezüglich Außenhandel bei gewissen Voraussetzungen nicht gültig ist beziehungsweise sich in gewissen Zeiten mit gewissen Merkmalen ins Gegenteil verkehren kann. Diese Voraussetzungen beziehen sich auf mögliche Unvollständigkeiten der Märkte, die gerade in der hier verfolgten Theorie keineswegs zu vernachlässigen sind. Ein Rückblick auf die bisherigen Ausführungen macht deutlich, daß die als wichtig vermuteten Marktunvollkommenheiten ein maßgeblicher Grund für eingehende Abklärungen der makroökonomischen Wirkungen der Integration sind; andernfalls wäre das gesamte Thema auch im Bereich der Außenhandelstheorie von weit geringerer Bedeutung.
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
185
Anlaß zum grenzüberschreitenden Handel bieten die grundlegenden Unterschiede in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der beteiligten Volkswirtschaften, die auf der Ebene der Präferenzen der Haushalte, der verwendeten Technologien sowie der unterschiedlichen Ausstattung mit primären volkswirtschaftlichen Ressourcen liegen können. Das Schwergewicht der bisherigen Außenhandelstheorie lag dabei bisher eindeutig in der Betonung der international unterschiedlichen Ausstattung mit Produktionsfaktoren, die in vielen theoretischen und empirischen Arbeiten zum Heckscher-Ohlin-Grundmodell in der Literatur zu finden ist. Obwohl die Technologieunterschiede im einflußreichen Beitrag von Ricardo (mit der Entwicklung des Prinzips des komparativen Vorteils) eine wichtige Rolle spielen, sind sie heute in der Theorie aufgrund von Schwierigkeiten in der Konkretisierung nicht mehr gleichermaßen prominent. Ebenso ist die Unterstellung von unterschiedlichen Präferenzen in theoretischen Außenhandelsmodellen nicht sehr beliebt, da sie ein gewisses Maß an Willkür beinhaltet. Die zentralen Fragen in der Theorie betreffen dabei die Struktur der Außenhandelsströme, das Volumen des Handels, die Wahrscheinlichkeit des Ausgleichs bei den Faktorpreisen sowie - im Anschluß an den erstgenannten Punkt - die Wahrscheinlichkeit von Wohlstandsgewinnen durch Außenhandel. Die Untersuchung der Wohlstandsgewinne läßt sich mit Hilfe der neueren Mikrotheorie, insbesondere dank des Envelope-Theorems, elegant durchführen. 196 Die analytische Herleitung verwendet die Eigenschaften der Ausgabenfunktion sowie der sogenannten BSP-Angebotsfunktion 197 . Ebenfalls dank einer konzeptionellen Klärung konnte das Phänomen des Faktorpreisausgleichs genauer gefaßt werden; es erwies sich in dieser Frage als ratsam, die Analyse von einer integrierten Weltwirtschaft aus zu beginnen und anschließend abzuklären, ob der Außenhandel es den beteiligten Volkswirtschaften ermöglicht, das Resultat der integrierten Weltwirtschaft zu replizieren. 198 Die Richtung der Außenhandelsströme wird gemäß der modernen Außenhandelstheorie von den relativen Faktorausstattungen, aber auch von der Ausnützung von Größenvorteilen im weiteren Sinne bestimmt, die je nach Modellrahmen unterschiedlich wichtig sind. 199 Es ist im Rahmen dieser Untersuchung notwendig, ein geeignetes Außenhandelsmodell mit den Mechanismen des endogenen Wachstums von Kapitel 5 zu verknüpfen. Während in gewissen älteren Ansätzen der bekannteste ist Bhagivatis "Immiserizing Growth"- Effekt 2 0 0 - die Vgl. dazu Dixit/Norman (1980), 29 ff. Die bekannteren Ausdrücke auf Englisch sind "expenditure function" beziehungsweise "GNP function" oder "revenue function". 1 9 8 Vgl. dazu z.B. Helpman/Krugman (1985), 15 ff. 199 Die neuste Forschungsrichtung beinhaltet auch das Auffinden von politischen Gleichgewichten; vgl. dazu Grossman/Helpman (1994) und (1995). 196
197
186
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Erklärung vom Wachstum in Richtung Außenhandel und statischer Wohlfahrt verläuft, wird uns in der Folge vor allem die umgekehrte Kausalrichtung beschäftigen. Genauer ausgedrückt, wird es das Ziel sein, in einem interdependenten System die Ursachen für den Außenhandel und das Wachstum einer Volkswirtschaft simultan zu bestimmen. Dies bildet den Inhalt von Kapitel 8 ff. Um die Grundlage dazu zu schaffen, ist es wie in Kapitel 4 im Falle der Neuen Wachstumstheorie zweckmäßig, vorerst von einem Modell mit neoklassischen Eigenschaften auszugehen und die notwendigen Modifikationen und Ergänzungen Schritt für Schritt hinzuzufügen.
6.1.2 Neoklassische Annahmen zur Produktionstechnik Ein in der Nachkriegszeit oft verwendetes Modellgerüst eines Außenhandelsmodells, das sich als gute Grundlage für das weitere Vorgehen erweist, ist durch folgende Annahmen charakterisiert. Betrachtet werden: • zwei Länder A und B • zwei homogene Güter, mit Y und Z bezeichnet • zwei Faktoren, die im Anschluß an die Ausführungen im letzten Kapitel sowie im Hinblick auf die kommenden Anwendungen als unqualifizierte Arbeit L und qualifizierte Arbeit S identifiziert werden. Die Faktoren seien international immobil; sie werden in fixen Mengen angeboten. Angenommen werden weiter: • identische homothetische Präferenzen der Haushalte in beiden Ländern, mit den fixen Ausgabenanteilen für die Y-Güter und 1 - 0 für die Z-Güter • keine Externalitäten • konstante Skalenerträge in der Produktion
2 0 0 Bhagwati (1958), ein schon zuvor bei Edgeworth als "economic damnification" beschriebenes Phänomen. Allerdings kann gezeigt werden, daß - bei Absenz von Marktverzerrungen - ein optimaler Zoll die unerwünschte Wirkung auf die Terms of Trade beseitigen kann.
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
187
In der Folge verwenden wir die ö-Variablen wiederum als Leontiefsche Input-Koeffizienten, c für die Lohnkosten pro Stück, w für die Löhne und p für die Preise, wobei die jeweiligen Subskripte den Gütersektor und/ oder den Faktor anzeigen. Zur Bestimmung der endogenen Variablen werden für beide Länder die Faktormärkte und für beide Güter die integrierten Weltmarktgleichgewichte formuliert. Weiter sind Ausdrücke für das Einkommen sowie für die Preis-Kosten-Relationen in der Produktion beider Güter festzulegen. Mit dem Z-Gut als Numéraire ergibt sich das folgende Set von Gleichungen, wobei der Index i für Relationen verwendet wird, die in beiden Ländern gelten, d.h. i = A,B. Die Gleichgewichte auf den Faktormärkten lauten:
aLZ(w'L,zv's) Z ' + aLY(zv'L,w's) Y = LÏ
asz(TVL,w's) • Zl + aSY(w'L,w's) • Y = S'
(6.1)
(6.2)
Bezeichnet I das Einkommen, sind die Weltmarktgleichgewichte für die Gütermärkte:
Pvi^ + Y») = (IA + f )
(6.3)
BB ZA + .Z = (1 -) (IßA + IB)
(6.4)
Das Einkommen setzt sich wie folgt zusammen:
Ii = w lLT +w sS T
i
i
i
„i
(6.5)
Die Preis-Kosten-Relationen lauten:
A A v , B ( IV L,w s) = cz (w L, w s) = 1
(6.6)
188
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Cy (W
A
A , W g)
L
=
Cy (W
B
L
B , W g ) = Py
(6.7)
Sind die verfügbaren Faktormengen pro Land vorgegeben, so lassen sich mit den Beziehungen (6.1)-(6.7) sämtliche endogenen Variablen berechnen. Werden die beiden Faktoren in der Z- und Y-Produktion unterschiedlich intensiv verwendet und differieren die beiden Länder in ihrer relativen Faktorausstattung, sind die bekannten Resultate des einfachen Heckscher-Ohlin-Modells direkt herzuleiten. Mit Hilfe von Ausgaben- und BSP-Funktion kann analytisch nachvollzogen werden, was in der bekannten grafischen Darstellung der Lehrbücher ausgedrückt wird: daß sich nämlich nach Zulassung des Außenhandels - insbesondere durch die Verschiebung der relativen Preise die Produktion auf der Transformationskurve optimal anpaßt und daß gleichzeitig das Erreichen einer höheren gesellschaftlichen Indifferenzkurve ermöglicht wird. Die Außenhandelsgewinne sind sichergestellt, weil die abgebildeten Volkswirtschaften keine Marktunvoll-kommenheiten oder Verzerrungen aufweisen. Die relative Faktorausstattung bestimmt, welches Gut exportiert, welches importiert wird. 2 0 1 Diese Aussage zur Struktur der Außenhandelsströme im traditionellen Modell unterlag in der Vergangenheit gewissen Mißverständnissen und wurde als Folge des wohlbekannten Leontief-Paradoxes oft zurückgewiesen. Neuere empirische Arbeiten, die sich - theoretisch konsistent vor allem auf den Faktorgehalt von Import- und Exportströmen beziehen, legen allerdings den Schluß nahe, daß die Prognosen des traditionellen Außenhandelsmodells in dieser Hinsicht recht gut abschneiden. 202 Aufgrund der Diskussion des endogenen Wachstums ist aber die genauere Beschäftigung mit zwei Annahmen zum bisherigen Modell vordringlich: Externalitäten und zunehmenden Skalenerträgen; diese spielen in der Erklärung von Wachstumsprozessen eine prominente Rolle. Dasselbe kann aber auch schon für die statische Außenhandelstheorie behauptet werden. Denn obwohl das Leontief-Paradox einigermaßen entkräftet wurde, sind grundlegende Schwächen in der traditionell gestalteten empirischen Erklärung des Außenhandels nicht zu übersehen. Dies hat vor allem mit folgenden drei stark zu gewichtenden Punkten zu tun: 2 0 3 Der einzige Fall ohne Gewinn tritt im traditionellen Modell dann ein, wenn sich trotz Öffnung der Märkte gegen außen die relativen Preise gegenüber der Autarkie überhaupt nicht ändern. 2 0 2 Vgl. dazu z.B. Leamer (1984). 2 0 3 Vgl. dazu auch Helpman/Krugman (1985), 2 ff. 201
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
189
• Gemäß dem unter (6.1)-(6.7) festgehaltenen Modellrahmen resultiert eine inverse Beziehung zwischen dem Unterschied in der relativen Faktorausstattung zwischen A und B sowie dem Volumen des Außenhandels, was durch empirische Beobachtungen nicht gestützt wird. Länder wie Deutschland oder die Schweiz handeln weitaus am meisten mit Volkswirtschaften, die eine ähnliche Faktorausstattung aufweisen. • In vielen Sektoren, die durch Unternehmungen mit einem sehr ähnlichen Faktormix in der Produktion gebildet werden, ergibt sich ein Zwei-Weg-Handel mit Gütern desselben Sektors; präziser gesagt, findet hier der sogenannte intraindustrielle Handel statt, und er gewinnt in der Realität zunehmend an Bedeutung. Diese Art des Außenhandels macht nach neueren Schätzungen mittlerweile über 50 Prozent des gesamten Volumens des Welthandels aus. • Bisherige Liberalisierungen in hochentwickelten Wirtschaften haben zu verhältnismäßig geringen Ressourcenreallokationen in der Produktion geführt; statt dessen waren die Produktivitätseffekte sowie die zunehmende Verfügbarkeit von differenzierten Produkten eine mindestens ebenso wichtige Folge. Es stellt sich heraus, daß eine zweckmäßige theoretische Erfassung dieser empirisch bedeutenden Phänomene zu ganz ähnlichen Modifikationen des neoklassischen Modellrahmens führt wie in der Theorie des endogenen Wachstums und daß dieselben Annahmen wieder im Vordergrund stehen: zunehmende Skalenerträge und positive Externalitäten. Diese erweiterten Annahmen führen nicht zu einer vollständigen Ablösung des traditionellen Außenhandelsmodells, aber sie erscheinen als wichtige Ergänzung für die Beurteilung der anstehenden Probleme der Integration. Die weiterführenden Varianten können deshalb mit einer entsprechenden Notation auf das System (6.1)-(6.7)aufgebaut werden.
6.2 Positive Externalitäten und zunehmende Skalenerträge Die genaue Wirkungsweise von positiven Externalitäten und zunehmenden Skalenerträgen hängt eng mit der postulierten Marktform zusammen. 204 Die technischen Probleme bei der Modellierung von komplexeren Marktformen waren der Grund dafür, daß die neoklassischen Annahmen zur Technologie in der Außenhandelstheorie lange Zeit unangefochten dominieren konnten, obwohl die Bedeutung von Skalen204
Für eine Übersicht vgl. Helpman (1984).
190
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
effekten für den Außenhandel schon früh erkannt wurde. 2 0 5 In der Folge wird die Rolle von positiven Externalitäten und zunehmenden Skalenerträgen für die vollständige Konkurrenz, für den Oligopolfall sowie vor allem für die monopolistische Konkurrenz kurz dargestellt. Die einfachste Variante geht dabei auf Marshall zurück, der die Annahme der vollständigen Konkurrenz beibehielt, aber von positiven Externalitäten der Produktion ausging. 206 Die Motivierung der Externalitäten oder Spillover kann analog zum 5. Kapitel vorgenommen werden. Die Produktion bestimmter Güter führt annahmegemäß zu Lerneffekten, welche die Produktivität in der nachfolgenden Unternehmenstätigkeit positiv beeinflussen. Die zunehmenden Skalenerträge ergeben sich in der Marshallschen Modellierung vollständig außerhalb der einzelnen Unternehmen. Unterstellen wir für diesen Abschnitt, daß die Produktion der Y-Güter positive Externalitäten verursacht und daß die Y-Güter homogen sind. Die Z-Güter werden in der gesamten Arbeit die traditionellen Güter darstellen, die unter konstanten Skalenerträgen gefertigt werden und keine Externalitäten verursachen. Der Output einer einzelnen, der j-ten, Unternehmung im Y-Bereich bestimmt sich dann in beiden Ländern als:
Y. = / ( v ) F ( L Y j , S Y j)
(6.8)
mit Yj als Firmenoutput, Ly; und S Y j den firmenspezifischen Input-Mengen an unqualifizierter una qualifizierter Arbeit sowie v als Parameter der positiven externen Effekte, die von außen auf die Unternehmung wirken. Die Stückkosten in den Preis-Kosten-Relationen (6.6) und (6.7) müssen um die Externalitäten ergänzt werden, so daß die Preis-KostenRelation (6.7) nun wie folgt lautet:
pY = cY(w'L,
w's)/f(v)
(6.9)
und die Input-Koeffizienten in den Faktormärkten (6.1) und (6.2) werden zu: Empirische Ergebnisse dazu sind in Backus/Kehoe/Kehoe (1992) enthalten. Marshall (1920), vgl. dazu auch Helpman/Krugman (1985), 45 ff. 207 Die Annahme der positiven Spillover aus der Y-Produktion gilt nur für diesen Abschnitt; anschließend und vor allem in Teil III werden die Externalitäten aus dem Forschungsbereich stammen. Ebenso ist Y im dritten Teil wieder das High-Tech-Gut wie in Kapitel 5. 205 206
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
a
L Y
( w
aSY(WL'
L
, w
W
s
) / f ( v )
s )
/
191
(6.10)
f (V)
Zur Herleitung der Wirkungen des Außenhandels ist es entscheidend, wie die geografische Abgrenzung bei den positiven Externalitäten vorgenommen wird. Die Folgerungen bezüglich Wohlfahrt hängen stark davon ab, ob unterstellt wird, daß das Ausland von den inländischen Aktivitäten in gleicher Weise profitiert wie das Inland, oder ob gelten soll, daß die Lerneffekte beziehungsweise positiven Spillover rein nationaler Natur sind. Eine extreme Variante baut auf weltweiten Spillovern auf. Es wird postuliert, daß die Produktion von Y-Gütern positive Externalitäten im Maßstab eins zu eins hervorbringt und daß die Unternehmungen im Inund Ausland gleichermaßen davon profitieren. Dann gilt mit Y als Weltproduktion im Y-Sektor:
,B
v = Y W = Y^ + Y1
(6.11)
Je höher die weltweite Produktion an Y-Gütern ist, desto tiefer werden die Durchschnittskosten der Y-Produzenten liegen. Die einfache Bedingung für einen Wohlfahrtsgewinn aus dem Außenhandel lautet deshalb am Beispiel von Land A und der Bezeichnung "aut" für den Autarkiezustand:
Unter Annahme des anderweitig konventionellen Außenhandelsmodells wird diese Bedingung erfüllt sein, da die Weltwirtschaft über mehr Ressourcen verfügt als ein einzelnes Land allein. Dabei wird realistischerweise davon ausgegangen, daß die Externalitäten bei Absenz des Außenhandels auf das Erzeugerland beschränkt bleiben. Historisch gesehen, stand allerdings in der Außenhandelstheorie die andere Annahme zu den Spillovern im Vordergrund, das Postulat nämlich, daß die positiven Externalitäten vornehmlich länderspezifisch sind. Dann läßt es sich leicht nachvollziehen, daß im obigen Modell das Land, das zu Beginn der Betrachtung eine größere Menge an Y-Gütern produ-
192
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
ziert, von mehr positiven Externalitäten profitiert als das andere und deshalb seine Produktionskosten in der Y-Produktion schneller senken kann als das Ausland. Das Modell führt unter diesen Annahmen in der langen Frist zu einer vollständigen Spezialisierung in der Y-Güter-Produktion. Mit anderen Worten wird langfristig nur ein Land mit der Produktion von Y-Gütern beschäftigt sein (sofern es die Nachfrage befriedigen kann). Offen bleibt, ob das betreffende Land auch noch das andere, das Z-Gut produziert oder nicht. Weiter könnte sich ein Land in der Y-Produktion spezialisieren, während das andere beide Güter produziert. Alle Möglichkeiten sind vom Modell her denkbar; es ergibt sich ein Fall multipler Gleichgewichte. Für den Fall der länderspezifischen Externalitäten lautet der Parameter für die Skalenerträge im Land A:
v = Y4
Bezüglich Gewinne aus dem Außenhandel ist zu unterscheiden, ob die Faktorpreise ausgeglichen werden oder nicht. Dies aus einem einfachen Grund: Sind die Löhne für beide Qualitäten der Arbeit weltweit dieselben, spielt es bezüglich Wohlfahrt keine Rolle, welches Land sich auf welche Aktivitäten mit zunehmenden Skalenerträgen spezialisiert. Für die Wohlfahrtsgewinne stehen wiederum die Größenvorteile zur Debatte, und es ergibt sich für Vorteile mit der Bezeichnung / für Freihandel die Bedingung:
Y ^ Y l
mit YfW = Y;
oder
Y » = Y?
je nachdem, welches Land sich auf die Produktion von Z-Gütern spezialisiert. Werden die Faktorpreise bei Freihandel nicht ausgeglichen, besteht die Möglichkeit, daß sich ein Land nach Aufnahme des internationalen Handels auf Sektoren mit konstanten Skalenerträgen spezialisiert und als direkte Folge davon tiefere Löhne aufweist. Dieser Umstand gab Anlaß zum frühen und bekannten Argument Frank Grahams für die Protektion der heimischen Industrie. Der von ihm vorgeschlagene Schutz der heimischen Produktion sollte verhindern helfen, daß sich die Industrien mit Größenvorteilen im Ausland konzentrieren, was dem Inland bei ungleichen Löhnen Nachteile bringen kann. 208 208
Graham (1923) vgl. auch Abschnitt 1.1.2.
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
193
Deutlich zeigt sich dabei erstens, daß die Verzerrung durch positive Externalitäten das Theorem der Wohlfahrtsgewinne durch Außenhandel umstoßen kann, wenngleich einschränkende Annahmen notwendig sind. Zweitens muß betont werden, daß es wichtig ist, wie bezüglich der geografischen Streuung der Spillover argumentiert wird. Eine von Ethier propagierte Forschungsrichtung baut darauf auf, daß die Spillover international verfügbar sind. 209 Nach seiner Auffassung bestehen die zur Debatte stehenden positiven Externalitäten im Vorteil von zusätzlichen Produktvarianten, die unter monopolistischer Konkurrenz gefertigt werden, was in Kapitel 5 ausführlich dargestellt wurde. Diese Vorteile sind über den Außenhandel für alle Länder verfügbar; mit anderen Worten kann sich jedes Land über den Freihandel die Vorteile der Diversifikation sichern, auch wenn gewisse Produkt-Varianten im Ausland hergestellt werden, dafür aber importierbar sind. Die monopolistische Konkurrenz führt in ihrer Anwendung in Außenhandelsmodellen zu weiteren interessanten Aussagen. Und da schon die Wachstumstheorie stark auf dieser Chamberlinschen Vorstellung der Marktstrukturen aufbauen kann, ist es naheliegend, diese Route genauer zu verfolgen, was im nächsten Abschnitt und im Gesamtmodell weiter hinten der Fall sein wird. Vorerst ist ein kurzer Seitenblick auf die dritte Möglichkeit von positiven Externalitäten und zunehmenden Skalenerträgen zweckmäßig: auf den Fall der Oligopole, der in der jüngsten Forschung große Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Zulassung von Außenhandel zwischen zwei Ländern in einem Markt, in dem der Preis des betreffenden Gutes im Autarkiezustand für beide Länder identisch ist, hat im Fall von kompetitiven Märkten keinerlei Auswirkungen. Unter der Annahme hingegen, daß in der betreffenden Branche in den zwei Ländern nur wenige Anbieter auf dem Markt sind und zudem diese Unternehmungen mit oligopolistischem Verhalten miteinander konkurrieren, bewirkt der Freihandel eine Intensivierung des Wettbewerbs. 210 Mit anderen Worten sieht sich die einzelne Unternehmung nach Öffnung der Landesgrenzen für ausländische Produkte einer größeren Nachfrageelastizität gegenüber, womit es optimal wird, den Output zu erhöhen. Bei zuvor segmentierten Märkten kommt es dabei zu einer gegenseitigen Abschöpfung der Monopolrenten, und es entsteht ein Zwei-Weg-Handel mit identischen Gütern. Der Vorteil für die beteiligten Länder besteht im Gewinn an Konsumentenrente, der meist als Nachteil auftretende Effekt ist die gesteigerte Transportnachfrage, die in vielen Fällen negative Externalitäten mit sich zieht.
Vgl. Ethier (1979) und (1982). Dies war eine wichtige Grundlage der umfangreichen Berechnungen im CecchiniBericht, wie in Kapitel 2 ausführlich dargelegt wird. 2 1 1 Vgl. B r a n d e r / K r u g m a n (1983). 209
210
194
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
Warum ist die Zahl der Unternehmungen auf gewissen Märkten unter Umständen sehr klein? Die offensichtliche Antwort besteht im Hinweis auf die Existenz von betriebsinternen Größenvorteilen. Allerdings dürfte die Feststellung zutreffen, daß nur eine beschränkte Zahl von Branchen dermaßen hohe betriebsinterne Größenvorteile aufweisen, daß die Verwendung eines Oligopolmodells notwendig erscheint. In den anderen Fällen ist das Modell der monopolistischen Konkurrenz genauso zweckmäßig.
6.3 Außenhandel unter monopolistischer Konkurrenz 6.3.1 Die Bedeutung von betriebsinternen Skaleneffekten Im Gegensatz zur Marshallschen Modellierung treten bei der monopolistischen Konkurrenz auch innerhalb von Unternehmungen Skaleneffekte auf. In der Tradition Chamberlins wird hier bezüglich Kostenstruktur der Unternehmen von betriebsspezifischen Fixkosten und konstanten Grenzkosten ausgegangen, was fallende Durchschnittskosten bewirkt. Dabei wird der große Sektor von Produkten in Volkswirtschaften abgebildet, die durch gewisse, aber nicht sehr hohe Fixkosten gekennzeichnet sind. Bei sehr hohen Fixkosten verbleiben nur wenige Anbieter auf dem Markt, so daß in vielen Fällen eine oligopolistische Marktform die Realität angemessener abbildet. Trotz einiger recht einprägsamer Beispiele der jüngsten Forschung - darunter der Flugzeugbau - ist aber davon auszugehen, so daß in vielen Märkten die Konkurrenz genügend hoch ist, daß die Vorstellung von begrenzten Monopolen mit nicht allzu hohen Fixkosten eine recht allgemeine Abbildung für viele Sektoren darstellt. Eine Anwendung der monopolistischen Konkurrenz wurde bereits unter Abschnitt 5.3 vorgestellt. Die Details sind in Kapitel 5.3.1 im Zusammenhang mit der Innovationstätigkeit dargelegt worden. Auch im internationalen Kontext gilt, daß es zu einer Spezialisierung einer einzelnen Unternehmung pro Markt kommt, da nur dann die volle Deckung der Fixkosten gewährleistet ist. Im Gleichgewicht können unter bestimmten Bedingungen alle Volkswirtschaften differenzierte Produkte herstellen, aber nur jeweils ein Land wird ein bestimmtes Gut produzieren. Die in einem Land nicht produzierten Varianten können vom Ausland importiert werden, so daß der Vorteil der Diversifikation allen Ländern zugute kommt. Dies war die grundlegende Idee von Ethier in den zitierten Artikeln als Antwort auf die Grahamschen länderspezifischen Skaleneffekte. Sind die differenzierten Produkte Konsumgüter, steigt durch den Außenhandel der Nutzenindex der Individuen, da die größere Vielfalt eine höhere individuelle Wohlfahrt bewirkt. Sind die dif-
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
195
ferenzierten Güter Zwischenprodukte, die zu einem High-Tech-Gut zusammengebaut werden, steigt in allen am Außenhandel beteiligten Volkswirtschaften die Produktivität in der Herstellung der High-TechGüter. Dies, weil eine zunehmende Spezialisierung in der Produktion kostenmäßige Vorteile in der Herstellung der High-Tech-Güter mit sich bringt. Die bisherigen Argumente für den Vorteil aus dem Außenhandel mit differenzierten Produkten beruhen auf der Annahme, daß die in einem Land verfügbare Zahl der Varianten nach Aufnahme des Außenhandels tatsächlich steigt. Dies braucht aber nicht in jedem Fall einzutreffen. Die Anzahl der Unternehmungen, die differenzierte Güter herstellen, ist eine endogene Variable, die sich nach Aufnahme des Außenhandels verändern kann. In der unter Abschnitt 5.2.1 dargelegten CES-Formulierung der monopolistischen Konkurrenz ist die Zunahme der Varianten gewährleistet: Der konstante Mark-up auf die Grenzkosten sorgt dafür, daß bei einer Vergrößerung des gesamten Marktvolumens eine größere Anzahl Unternehmungen existieren beziehungsweise ihre Fixkosten dekken können. Ein anderer extremer Fall der monopolistischen Konkurrenz wäre der, bei dem die Öffnung der Märkte zu so viel zunehmender Konkurrenz im Bereich der differenzierten Güter führt, daß über Marktaustritte die Zahl der in einem Land verfügbaren differenzierten Güter gerade konstant bleibt. Dieses Szenario der Marktaustritte bedingt, daß der Mark-up der einzelnen Unternehmung mit einer zunehmenden Produktionsmenge abnimmt. Die aggregierten Gewinne in der integrierten Weltwirtschaft sollten also trotz höherer Produktionsmengen nicht größer sein als im Autarkiezustand . Trotzdem sind die Wohlfahrtsgewinne aus dem Außenhandel selbst bei konstanter Anzahl Varianten sichergestellt. Da die einzelnen Unternehmungen auf einem höheren Aktivitätsniveau produzieren, sinken aufgrund der sinkenden Durchschnittskosten die Preise der differenzierten Güter und sorgen auf diese Weise für Wohlstandsgewinne. Allgemein läßt sich deshalb zusammenfassen, daß ein Land vom Freihandel profitiert, wenn - bei Freihandel - die Anzahl der zur Verfügung stehenden differenzierten Produkte sowie die Skala der unternehmerischen Produktion mindestens so groß sind wie vor Aufnahme der Handelsbeziehungen. Dies ist genau dann der Fall, wenn des Weltmarktvolumen der differenzierten Güter bei Freihandel größer ist als im Autarkiezustand. Die enge theoretische Parallele zum Fall der weltweiten Externalitäten wird damit unmittelbar einsichtig. Die Einführung der monopolistischen Konkurrenz ist eine sehr direkte Art, den intraindustriellen Handel in die Außenwirtschaftstheorie zu integrieren. Die Richtung des Außenhandels ist innerhalb des Sektors der differenzierten Güter unbestimmt; es entscheiden vielmehr die unternehmensspezifischen Initiativen der Vergangenheit, welches Land
196
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
in welchem Sektor die internen Größenvorteile ausnützen kann. Die Produktion von Sportwagen in Italien, von Webmaschinen in der Schweiz oder von Kugellagern in Schweden sind Beispiele aus dem Industriesektor. Das Volumen im intraindustriellen Handel ist dabei um so größer, je ähnlicher die Größe der beteiligten Volkswirtschaften ist. Berücksichtigt das verwendete Außenhandelsmodell neben den differenzierten Gütern noch einen Sektor mit homogenen Gütern, findet zusätzlich zum miraindustriellen ein interindustrieller Handel statt. Dabei wird das im StolperSamuelson-Theorem zum Ausdruck gebrachte Verteilungsproblem zwischen den Faktoren gemildert, denn vom intraindustriellen Handel profitieren im Modell alle Bewohner eines Landes gleichermaßen. Zwei Umstände machen die Verwendung der monopolistischen Konkurrenz im Außenhandel in gewissen Fällen nicht unproblematisch. Zum einen werden die Transportkosten beziehungsweise die Handelskosten zwischen den Ländern oft vernachlässigt. Diese mindern generell den Vorteil der Diversifikation, im internationalen Rahmen aber viel ausgeprägter als im rein nationalen. Die Einführung von Transportkosten ist etwas aufwendig, bringt aber zusätzliche Erkenntnisse bezüglich Struktur des Außenhandels. Ein Land wird sich vorteilhafterweise auf diejenigen differenzierten Produkte spezialisieren, bei denen es über einen großen Heimmarkt verfügt, da dies bezüglich Transportkosten am kostengünstigsten ist. 2 1 2 Noch gewichtiger ist der Einwand, daß das Modell des intraindustriellen Handels nur funktioniert, wenn die Faktorpreise ausgeglichen sind und der Monopolgrad überall derselbe ist. Sonst entfallen die so stark betonten Vorteile der internationalen Diversifikation. Bei ungleichen Faktorpreisen ist das Land mit den höheren Produktionskosten im Bereich der differenzierten Güter in diesem Sektor unter sonst gleichen Umständen nicht konkurrenzfähig. Offensichtlich ist also im Fall der monopolistischen Konkurrenz der Trade-off zwischen einer einschränkenden Modellierung mit scharfen Aussagen und einer mühseligen theoretischen Analyse mit wenig versprechenden Folgerungen besonders groß. Für die Anwendungen im erweiterten Modell in Teil III mit endogenem Wachstum ist die Existenz des intraindustriellen Handels allerdings nicht zentral, weshalb diese Kritik für unser Modell nicht zutrifft. Bezüglich der Bedeutung der monopolistischen Konkurrenz in der Außenhandelstheorie schließen wir uns der Auffassung Krugmans an: "... the simplicity and clarity of monopolistic competition models of trade ensures that they will remain a valuable part of the toolbox for a long time." Krugman (1990), 83
212
Vgl. Krugman (1990), 82.
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
197
6.3.2 Erweiterung des Außenhandelsmodells a) Differenzierte
Güter
Aufgrund der Eignung der monopolistischen Konkurrenz in Außenhandels- wie in Wachstumsmodellen wird im vorstehenden Außenhandelsmodell von Abschnitt 6.1 der Y-Sektor als High-Tech-Sektor modelliert, während die Z-Güter wie zu Beginn homogen sind und keinerlei Externalitäten verursachen. 213 Y-Güter werden aus verschiedenen Zwischenprodukten Xj ohne direkten Ressourceneinsatz zusammengebaut, wobei wie im Innovationsmodell die CES-Formulierung der monopolistischen Konkurrenz zum Zuge kommt. Auf den Arbeitsmärkten ergibt sich daher bei der Arbeitsnachfrage des Y-Sektors folgende Änderung: Die Arbeitsnachfrage pro Zwischenprodukte-Hersteller ist für die beiden Arten der Arbeit in der bisher verwendeten Notation (/= A,B):2U
L'x = aLx(w'L,ws)
(6.12)
•x
beziehungsweise:
S'X = ASX(WL,
(6.13)
W'S) -X
Die Arbeitsnachfrage des gesamten High-Tech-Sektors ist bei n Produzenten und mit X = n • x:
L'y = n • aLx (wL, w's) • x = aLx (wL, w's) • X'
(6.14)
beziehungsweise:
S ' y = n • aSx(w'L,w's)
x = aSx(w'L,w's)
• X1
(6.15)
Auf den Gütermärkten ist zu berücksichtigen, daß der Ausgabenanteil 213 214
Die Annahme von Abschnitt 6.2 ist damit wieder aufgehoben. Vgl. Abschnitt 5.5.
198
II. Aufbau eines makroökonomischen Integrationsmodells
für die High-Tech-Produkte gleichmäßig über alle symmetrischen Zwischenprodukte verteilt wird. Für den Preis der Y-Güter gilt: 1 P'Y
(6-16)
• Vx
=
Die Menge an High-Tech-Gütern ist entsprechend:
n-1 Y = np • X'
(6.17)
Da der Zusammenbau der Zwischenprodukte zum High-Tech-Konsumgut keine Arbeits-Inputs benötigt, gilt weiterhin:
PY
i
• Y
= Px
X'
(6.18)
Schließlich sollte in den Preis-Kosten-Relationen der Mark-up auf die Grenzkosten der differenzierten Güter beigefügt werden, so daß gilt:
Px
=
c
x
(w'L> W'S)
b) Erweitertes
(6.19)
/ ß
Außenhandelsmodell
Mit den Erweiterungen zu den differenzierten Gütern wird das gesamte Außenhandelsmodell bei monopolistischer Konkurrenz im Y-Sektor durch die folgenden Gleichungen beschrieben. Die Gleichgewichte auf den Faktormärkten lauten:
aLZ{w
a
L,w
s
)
• Z1 + aLx{w
sz ( w 'L' w ' s ) ' z'
+ a
L,w
sx ( w 'L'
s
)
• X' = L'
• X' = S'
(6.20)
(6-21)
6. Außenhandel mit homogenen und differenzierten Produkten
199
Auf den Gütermärkten sind die Gleichgewichte:
Py(XA + X B ) = 0 ( / A + I ß )
(6.22)
ZA + ZB = ( 1 - 0 ) (7^ + J S )
(6.23)
Das Einkommen bestimmt sich noch immer aus den Faktoreinkommen:
Irl 1 t = w LL + WW s)'ß
=P
(8.6)
8. Synthese des Integrationsmodells
c
B . B x{w
L,w
B v ,n s ) / ß =
JB p x
223
(8.7)
Zuletzt müssen die Bedingungen für ein Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt ausgedrückt werden, damit die Anreize für Innovationen festgelegt sind. Dabei ist zu unterscheiden, ob wir die zunehmende Arbeitsteilung im Konsumgütersektor oder diejenige im Kapitalgütersektor betrachten. Die Analyse wird zur besseren Übersichtlichkeit in der Folge für die beiden Fälle getrennt durchgeführt. 234 Für die zunehmende Arbeitsteilung im Konsumgütersektor gilt wie in Kapitel 5:
(1-/3)
P^X'
(8.8)
Die zunehmende Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor ergibt analog:
(8.9)
Im Rest dieses Kapitels werden die grundsätzliche Funktionsweise des Modells sowie die Wirkungen der wirtschaftlichen Integration in diesem Modell anschaulich erläutert. In den nachfolgenden Kapiteln geht es dann darum, die Effekte analytisch exakt zu bestimmen.
8.2 Langfristiger Wachstumspfad Die langfristige Wirtschaftsentwicklung der durch das vorstehende Modell abgebildeten Volkswirtschaften ist direkt durch das akkumulierte Wissen bestimmt. Der Bestand an öffentlichem Wissen erhöht sich einer234
Vgl. die Grundlagen in Abschnitt 5.5.
224
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
seits durch Investitionen in Forschung und Entwicklung in der eigenen Volkswirtschaft; andererseits hat das Wissen aus dem Ausland eine ähnliche Wirkung, wobei die Beschaffenheit der internationalen Wissensdiffusion eine zusätzliche Rolle spielt. Entsprechend der Intensität, mit welcher das ausländische Wissen für die inländische Produktion nutzbar gemacht werden kann, bewirken Zunahmen des ausländischen Bestandes an öffentlichem Wissen eine Erhöhung der inländischen Produktivität in Forschung und Entwicklung und damit eine Steigerung der inländischen Wachstumsrate. Die Übertragbarkeit des Wissens über die Landesgrenzen hängt zum einen von der Art des Wissens und zum anderen von den verfügbaren Kommunikationskanälen ab, was unten noch weiter ausgeführt wird. Die zentrale Wirkung des Wissens wird in Abbildung 8.2 verdeutlicht.
Abbildung 8.2: Wissen und Wachstumsrate
8. Synthese des Integrationsmodells
225
Die zweite wesentliche Charakteristik des verwendeten Makromodells ist die Abhängigkeit der erreichten modellendogenen Wachstumsrate von der Wirtschaftsstruktur. Genauer gesagt, bestimmt der volkswirtschaftliche Mitteleinsatz im Sektor Forschung und Entwicklung über den langfristigen Entwicklungspfad. Die Aufteilung der Ressourcen auf die drei Sektoren ist interdependent bestimmt über alle relevanten Modellparameter, was in Abbildung 8.3 sichtbar wird. Sie hängt von den verfügbaren Mengen an Primärfaktoren, von der Größe der Märkte im Inund Ausland, von der Wettbewerbsintensität u.a.m. ab. Auch wenn die Struktur der abgebildeten Volkswirtschaften relativ hoch aggregiert ist, werden doch wichtige Strukturmerkmale berücksichtigt, die hier noch einmal kurz erläutert werden.
Abbildung 8.3: Wachstum und Allokation
226
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
Märkte, bei denen die internen Größenvorteile von Unternehmungen keine bedeutende Rolle spielen, sind im traditionellen Sektor zusammengefaßt. Benötigen Firmen einen beträchtlichen fixen Aufwand, um in neue Märkte einzutreten, ist der High-Tech-Sektor der entsprechende Bereich im Modell. Nicht berücksichtigt sind in der Modellierung hingegen Branchen, bei denen die Eintrittsschranken übergroß sind, so daß die oligopolistische Marktform zur angemessenen Abbildung zu verwenden wäre. Die Oligopoltheorie hat in den letzten Jahren gerade im Außenhandel einige vielbeachtete Resultate hervorgebracht. Verschiedene Punkte sprechen aber dagegen, diese Marktform in das vorliegende Modell aufzunehmen. Zum ersten ist das Problem der theoretischen Zusammenfassung von oligopolistischen Märkten mit traditionellen Sektoren in einem einzigen Modell bisher nicht gelöst; die Abhandlungen der Oligopoltheorie haben bisher partialanalytischen Charakter. Des weiteren sind die spieltheoretischen Resultate oft sehr sensibel bezüglich der getroffenen Annahmen. Schließlich hat die Verschmelzung von Oligopoltheorie mit der Wachstumstheorie noch nicht stattgefunden und wird auch in diesem Beitrag nicht weiter verfolgt. Als letzter Bereich sind im Modell die innovativen Tätigkeiten einer realen Wirtschaft unter dem Sektor Forschung und Entwicklung abgebildet. Die Forschung erscheint in der öffentlichen Diskussion um die Wachstumschancen und die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld immer wieder an erster Stelle und erhält deshalb für die vorliegende Abhandlung der Integration einen angemessenen Platz.
8.3 Transmissionskanäle der Integration Nachdem schon in den Kapiteln 2 und 3 in einer allgemeinen Form über mögliche Wirkungs- und Übertragungskanäle der Integration gesprochen wurde, können im Anschluß an die Ausführungen des vorhergehenden Abschnitts die abgebildeten Transmissionkanäle der Integration im Modell überblicksmäßig dargestellt werden. Dabei geht es darum, die grundlegenden Bestimmungsgründe für die Größe des in einem Land verfügbaren öffentlichen Wissens sowie vor allem für die erwähnte Aufteilung der Ressourcen auf die drei Wirtschaftssektoren zu identifizieren. Zu diesem Zweck ist es illustrativ, eine Grafik der Struktur des Gesamtmodells zu Hilfe zu nehmen. In der folgenden Abbildung 8.4 ist das den folgenden Berechnungen zur komparativen Dynamik zugrundeliegende Modell für zwei Länder wiedergegeben. Die aufgeführten Symbole entsprechen der analytischen Darstellung des Unterabschnitts 8.1.2. Abgebildet ist die Produktionsseite, da diese für die Resultate entscheidend ist; die Nachfrage ist nicht gesondert abgetragen, damit die Übersicht erleichtert wird.
8. Synthese des Integrationsmodells
Abbildung 8.4: Das Integrationsmodell mit Symbolen
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III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
Gestrichelt sind in der oberen Hälfte der Abbildung die Kanäle sichtbar, die sich durch die Öffnung der Landesgrenzen auf den Gütermärkten ergeben. Als erstes stellt sich wie in der traditionellen Außenhandelstheorie ein interindustrieller Handel ein, d.h. ein Austausch von traditionellen Z-Gütern gegen Y-High-Tech-Güter. Bei verschiedenen relativen Faktorausstattungen wird entsprechend der Tradition der HeckscherOhlin-Modelle ein Land traditionelle Z-Güter exportieren und HighTech-Güter importieren; für das andere Land gilt das Umgekehrte. Im Falle des Ausgleichs der absoluten oder der relativen Faktorpreise zwischen der qualifizierten und der unqualifizierten Arbeit beobachtet man zusätzlich auch den intraindustriellen Handel. 235 Aufgrund der unternehmensspezifischen Größenvorteile wird sich ein Land auf die Produktion gewisser Zwischenproduktvarianten spezialisieren; diese Zwischenprodukte werden international gegen die Zwischenprodukte des anderen Landes gehandelt. Auf der Ebene der Zwischenprodukte wird das eine Land netto zum Exporteur, das andere netto zum Importeur. Da der Zusammenbau der Zwischenprodukte zum High-Tech-Gut annahmegemäß keine Ressourcen verbraucht, ist es beim Ausgleich der Faktorpreise unerheblich, ob zusätzlich zum Handel mit Zwischenprodukten ein Handel mit High-Tech-Gütern stattfindet. Solange in der Produktion von Zwischenprodukten keine reinen Renten erzielt werden und dies ist die grundlegende Annahme der Chamberlinschen monopolistischen Konkurrenz - , spielt die konkrete Zuteilung einzelner Zwischenprodukte auf die beiden Länder ebenfalls keine Rolle. Mit der verwendeten CES-Form bleibt der Mark-up auf die Grenzkosten auch bei Aufnahme der Handelsbeziehungen konstant. Verwenden die beiden Länder in der Autarkie nicht exakt dieselben Zwischenprodukte, verursacht die Aufnahme von Handelsbeziehungen einen Niveausprung in der Anzahl der verfügbaren Zwischenprodukte. In beiden Ländern steigt die Produktivität, denn es kann überall mehr vom Y-Gut hergestellt werden. Durch die zunehmende Menge an produzierbaren High-Tech-Gütern erhöht sich der Nutzen der Haushalte entsprechend den Parametern der Nutzenfunktion. Zu dieser Überlegung kann beigefügt werden, daß auch bei Markups, die nach Öffnung der Grenzen abnehmen, ein einmaliger Wohlfahrtsgewinn durch den Handel mit Zwischenprodukten resultiert. Dies deshalb, weil die Ressourcen in diesem Fall nach Aufnahme der Handelsbeziehungen so neu verteilt werden, daß die Produktionsmengen pro Unternehmung im Bereich der Zwischenprodukte zunehmen; damit sinken die Durchschnittskosten und die Preise wegen der internen Größenvorteile bei der Herstellung der Zwischenprodukte. 236 235 236
Die Annahme zu den Faktorpreisen wird in Abschnitt 8.4 näher erläutert. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 6.3.
8. Synthese des Integrationsmodells
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In dieser komparativ-statischen Betrachtung läßt sich untersuchen, ob die Gewinne aus der Integration des High-Tech-Bereichs ausreichen, um diejenigen Faktorbesitzer zu kompensieren, die aus dem traditionellen interindustriellen Handel gemäß Stolper-Samuelson-Theorem einen Verlust erleiden. Auf jeden Fall ist bei der Integration und beim Auftreten von Sektoren mit monopolistischer Konkurrenz der Konflikt zwischen den Faktorbesitzern nicht mehr so groß, da die Skaleneffekte der Diversifizierung allen zugute kommen. Die Widerstände gegen die Integration werden daher für diesen Bereich eher branchenspezifisch sein, falls gewisse Zwischenproduktvarianten im Autarkiezustand in beiden Ländern produziert und gewisse Produktionsbetriebe durch die Integration redundant werden. Ähnliche Effekte können auftreten, wenn die einzelnen Varianten nicht so gleichmäßig über den Güterraum verteilt sind, wie in der einheitlichen CES-Form angenommen, oder wenn in der Autarkie Renten erzielbar sind, die bei Freihandel verschwinden. 2 3 7 Außer auf den Güterhandel wirkt die Integration auch auf den Austausch des Faktors Wissen zwischen Volkswirtschaften sowie auf die Möglichkeiten der Migration von Arbeitskräften. Die internationalen Wissenstransfers haben den direkten Einfluß, daß sie den Bestand an öffentlichem Wissen in einem Land schneller ansteigen lassen, da nun zwei Volkswirtschaften zu seiner Vermehrung beitragen. Weil so mehr öffentliches Wissen als Gratis-Input in Forschung und Entwicklung verfügbar ist, steigt der Output an Designs und damit das volkswirtschaftliche Wachstum durch die Verbesserung des Wissensaustauschs. Da die internationalen Übertragungen des Wissens nicht dieselbe Gestalt haben wie die nationalen, sind diese Zusammenhänge analytisch noch einmal zu untersuchen, was im folgenden Kapitel 9 getan wird. Die Migration von Arbeitskräften über die Landesgrenzen wirkt sich - analog zu den früheren Aussagen - über die Mengen der verfügbaren Primärfaktoren sowie vor allem über den sektoralen Mix der Aktivitäten der betroffenen Volkswirtschaften auf den Wachstumspfad aus. Bei einer ungünstigen Migrationsstruktur kann es vorkommen, daß sich ein Land nach einer Immigration vermehrt auf wachstumsmäßig unterdurchschnittliche Sektoren spezialisiert und damit in bezug auf das Wachstum nicht unbedingt von der vergrößerten Ausstattung mit Faktoren profitieren kann. Andererseits können günstige Umstände dazu führen, daß eine Immigration verbesserte langfristige Entwicklungschancen bedeutet. Die Zusammenhänge zwischen Migration und Wachstum werden ausführlich in Kapitel 11 dargestellt. Generell kann davon ausgegangen werden, daß Skaleneffekte und Externalitäten die analytisch entscheidenden Determinanten zur BeurteiDas Oligopolbeispiel mit positiven Renten wurde bereits früher unter 6.2 besprochen
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III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
lung der wirtschaftlichen Integration von Volkswirtschaften darstellen. Diese beiden wesentlichen Erweiterungen der allgemeinen Gleichgewichtstheorie sorgen dafür, daß die Analyse keineswegs in allen Punkten eindeutig ausfällt: Ob ein Land von der wirtschaftlichen Integration bezüglich langfristiger Wirtschaftsentwicklung netto gewinnt oder verliert, hängt von der durch die Integration ausgelösten Neuorientierung von Skaleneffekten und Externalitäten ab. Dabei läßt sich analytisch folgende Unterscheidung vornehmen, die auch in der nachfolgenden Analyse beibehalten wird. Wenn reine, alle Sektoren gleichmäßig betreffende Skaleneffekte untersucht werden, genügt im Modell die Beschränkung auf einen einzigen Primärfaktor Arbeit, der in der Folge mit F bezeichnet wird. 2 3 8 In diesem Fall kommt der spezifisch sektorielle Aspekt des Modells nicht zum Tragen, denn die prozentuale Aufteilung der Primär-Ressourcen wird durch die reinen Skaleneffekte nicht tangiert. Am einfachsten läßt sich ein Skaleneffekt untersuchen, indem die Auswirkungen des freien Handels zwischen zwei identischen Volkswirtschaften dargestellt werden. Wenn allerdings Reallokationen der Ressourcen zwischen den Sektoren untersucht werden, ist die Desaggregation des Faktors Arbeit absolut zentral. Im Rest von Teil III wird das Vorgehen aus Kapitel 5 übernommen: die wachsende Arbeitsteilung im Konsumgütersektor und diejenige im Kapitalgütersektor werden separat behandelt. Die Schlußfolgerungen in Teil IV berücksichtigen beide Modellvarianten und zeigen die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Gleich wie in der Außenhandelstheorie wird zur Berechnung der Integrationswirkung der Zustand des Freihandels mit demjenigen der Autarkie verglichen. Dies ist ein gradueller, aber kein prinzipieller Unterschied zur Realität, in der meist Ubergänge von weniger Freihandel zu Zuständen mit mehr oder gar vollständigem Freihandel zur Debatte stehen.
8.4 Die Bedeutung des Faktorpreisausgleichs Der internationale Handel und die wirtschaftliche Integration führen zum Ausgleich der Preise für identische Produkte, die auf den internationalen Märkten gehandelt werden. Ob sich durch diese Angleichung auch die Faktorpreise in den am Handel beteiligten Volkswirtschaften vereinheitlichen, hängt zur Hauptsache von zwei Faktoren ab: 2 3 9 Zum einen ist es ein bekanntes Resultat aus der Außenhandelstheorie, daß sich die FakDie erste Anwendung erfolgt unter Abschnitt 9.2. Eine umfassende Darstellung des für die Außenhandelstheorie zentralen Faktorpreisausgleichstheorems ist in Albert (1994) enthalten.
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8. Synthese des Integrationsmodells
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torpreise kaum ausgleichen, wenn die Anzahl der Faktoren größer ist als die Anzahl der Sektoren beziehungsweise Güter. 240 Wie viele Faktoren und Sektoren sollten in einem Modell zur wirtschaftlichen Integration abgebildet werden? Offensichtlich haben Außenhandelsmodelle - wie alle ökonomischen Theorien - zu abstrahieren und zu reduzieren, damit eine Prognosefähigkeit erreicht werden kann. Es wurde daher argumentiert, es sei ein erlaubter Kunstgriff, die Anzahl der modellierten Sektoren und Faktoren so zu wählen, daß besonders aussagekräftige Ergebnisse zu erwarten sind. In unserem Gesamtmodell sind bisher vor allem zwei Faktoren, qualifizierte und unqualifizierte Arbeit, sowie drei Sektoren verwendet worden. Roboter, als vollständige Substitute zur unqualifizierten Arbeit, sind nicht als eigenständige Faktoren zu behandeln. Bezüglich des zu erwartenden Faktorpreisausgleichs ist dies also eine günstige Konstellation. Die zweite Bedingung für das Auftreten von identischen Faktorpreisen lautet, daß die Ausstattung der am Handel beteiligten Volkswirtschaften nicht allzu unterschiedlich sein darf. 241 Andernfalls tritt bei gewissen Gütern eine vollständige Spezialisierung auf, und der Spielraum für einen Faktorpreisausgleich wird zu klein. Mit Blick auf die europäische Integration kann durchaus davon ausgegangen werden, daß die relativen Faktorausstattungen zwischen den Volkswirtschaften nicht allzu unterschiedlich sind. Trotzdem sind in der Realität Unterschiede in den ländermäßigen Faktorpreisen zu beobachten. Ein Grund dafür sind die lokalen beziehungsweise nationalen öffentlichen Güter, wie das Rechtssystem, die staatlichen Infrastrukturleistungen, die Grundlagenforschung, das Bildungssystem u.a.m.; diese führen zu absoluten Produktivitätsvorteilen oder -nachfeilen im internationalen Wettbewerb. Auch in dieser Konstellation kann unter den oben beschriebenen Bedingungen noch eine Art Ausgleich bei den Faktorpreisen erwartet werden, allerdings "nur" ein relativer und nicht ein absoluter. Mit anderen Worten sind unter diesem Szenario die Relationen der Faktorpreise in den verschiedenen Volkswirtschaften dieselben, das absolute Niveau der Faktorpreise unterscheidet sich aber entsprechend den landesspezifischen Produktivitätsvorteilen. Dieser Ansatz kann als kombinierter "Ricardo-HeckscherOhlin"-Ansatz bezeichnet werden, da die Charakteristika beider Denkrichtungen in einem Modell vereint sind. Der Fall wird für das Thema der Migration interessant, da Arbeitskräfte, die sich für die Migration entscheiden, ceteris paribus vor allem von Ländern mit absoluten Produktivitätsvorteilen angezogen werden. 240 241
Vgl. dazu z.B. Dixit/Norman (1980), 111. Vgl. zu diesem Punkt z.B. Helpman/Krugman (1985), 15.
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III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
Wie im vorangehenden Abschnitt erwähnt, spielt die Annahme des Faktorpreisausgleichs eine wichtige Rolle für die Frage des Auftretens des intraindustriellen Handels. Dabei ist es aber unerheblich, ob die absoluten oder die relativen Faktorpreise ausgeglichen werden. Das Erfordernis des Ausgleichs rührt daher, daß bei der monopolistischen Konkurrenz zwei Aktivitäten untrennbar miteinander verknüpft sind: diejenigen, die fixe Kosten verursachen, und diejenigen, die variable Kosten verursachen. Von jeder Unternehmung, die differenzierte Güter anbietet, sind beide Arten von Kosten zu tragen. Dabei wird - wie im Beispiel der Fixkosten als Designs - üblicherweise davon ausgegangen, daß die beiden Aktivitäten nicht durch identische Faktorintensitäten gekennzeichnet sind. Beispielsweise haben wir unterstellt, daß die Entwicklung von neuen Designs intensiver ist in der Verwendung von qualifizierter Arbeit als die Tätigkeiten, welche die variablen Kosten der Produktion ausmachen. Ohne Ausgleich der Faktorpreise ergäbe sich damit bei monopolistischer Konkurrenz ein Unterschied im Preis der differenzierten Produkte, was bei internationalem Handel nicht zuläßig ist. Ebenfalls problematisch wäre eine unterschiedliche Nachfragestruktur in den verschiedenen Ländern, führen doch unterschiedliche Markups zu unterschiedlichen Firmengrößen; wegen der fallenden Durchschnittskosten sind aber identische Firmengrößen erforderlich, da sich sonst wiederum kein Ausgleich bei den Preisen der differenzierten Güter ergibt. Im hier verwendeten Modell sind identische Nachfragestrukturen durch die CES-Annahme mit identischen Mark-up-Parametern in beiden Ländern sichergestellt. Da die differenzierten Güter in unserem Fall Zwischenprodukte sind, ist es zur Ableitung der Resultate bezüglich Wachstum nicht unbedingt notwendig, daß diese Zwischenprodukte auch handelbar sind. Beide Länder könnten also auch ohne Faktorpreisausgleich im Bereich der Zwischenprodukte rentabel produzieren. Für die Analyse des Wachstums ist nur die Aufteilung der ländermäßigen Ressourcen in die drei Sektoren entscheidend, und diese hängt nicht von der Existenz des intraindustriellen Handels ab. Der intraindustrielle Handel hat aber einen beträchtlichen Niveaueffekt und ist deshalb für die Wohlfahrt bedeutend. Diese Aspekte werden in Kapitel 10 zur Gütermarktintegration weitergeführt. Wichtig ist noch ein anderer Punkt bezüglich Forschung und Entwicklung. Wohl produziert der Forschungssektor in unserem Modell die positiven Externalitäten, die das endogene Wachstum ermöglichen, ansonsten ist aber die Entwicklung von neuen Designs im Vergleich zu den anderen Sektoren keine grundsätzlich andere Tätigkeit. Im gewählten Modell fallen in der Forschung keine Renten an. Die Forschungslabors funktionieren bis auf die positiven Spillover wie ein normaler Produktionszweig, unter der Marktform der vollständigen Konkurrenz. Führt nun der internationale Handel zu einem Ausgleich der Faktor-
8. Synthese des Integrationsmodells
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preise, so spielt es im Modell für die Wohlfahrt keine Rolle mehr, ob beide Länder innovativ sind oder ob ein bestimmtes Land keine Forschung betreibt. Die Haushalte in beiden Ländern können sich bei gleichen Faktorpreisen - unabhängig von der geografischen Ansiedlung der Forschungsbetriebe - das identische Güterbündel leisten und genießen damit dieselbe Wohlfahrt. Der Preis der traditionellen Güter steigt im Zeitablauf relativ zum Preis der High-Tech-Produkte, und deshalb ist die partielle oder vollständige Spezialisierung im "stagnierenden" Sektor der traditionellen Güter im Falle der ausgeglichenen Faktorpreise kein Nachteil. 242 Vor allem zwei Gründe sind jedoch dafür maßgebend, daß diese einfache Aussage nicht direkt in ein zweckmäßiges Modell oder gar in die wirtschaftspolitische Beratung übernommen werden sollte. Zum einen besteht die Möglichkeit, daß der Anpassungspfad zu einem Gleichgewicht führt, in dem die Faktorpreise letztlich nicht mehr ausgeglichen sind. 243 Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die internationalen Wissens-Spillover nicht vollständig sind. Auch wenn die Nachteile einer einseitigen Spezialisierung "erst" im langfristigen Gleichgewicht auftreten, ist es in einem solchen Fall für ein Land von Vorteil, sich nicht einseitig in traditionellen Sektoren zu spezialisieren. Zum anderen hat die Innovationstätigkeit dann einen großen Einfluß auf die Wohlfahrt eines Landes, wenn das Ausland einen technologischen Rückstand aufweist. 2 4 4 Hier wirken eigene Innovationen auf die "Terms of Trade" und verändern damit das relative Realeinkommen im In- und Ausland. Solche Effekte können aus der theoretischen Betrachtung nicht ausgeklammert werden. Schließlich ist zu bedenken, daß der absolute Ausgleich der Faktorpreise empirisch nicht beobachtet werden kann. Für die theoretische Beurteilung der Integration in Europa kann es für gewisse Fragen aber zweckmäßig sein, von ausgeglichenen relativen Faktorpreisen, d.h. konstanten Verhältnissen zwischen den Faktorpreisen, auszugehen. Außerdem ist es realistisch, internationale Wissens-Spillover als unvollständig und von der Integration als beeinflußbar anzunehmen. Technologische Lücken können hier als ergänzende Überlegungen zum Grundmodell betrachtet werden, spielen aber in der Realität eher bei den Integrationsprozessen der anderen Kontinente ein wichtige Rolle.
Die Aussage bedingt, daß die Ausgabenanteile konstant sind, wie dies in der Cobb Douglas-Nutzenfunktion der Fall ist. Konstante Ausgabenanteile sind auf dieser hohen Aggregationsstufe eine plausible Annahme. 2 4 3 Vgl. dazu Kapitel 9 und 10. 2 4 4 Vgl. Kapitel 10. 242
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III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
8.5 Konvergenz der Einkommen In der empirischen Literatur der letzten Jahre hat das Phänomen der Konvergenz der wirtschaftlichen Entwicklung in den verschiedenen Ländern einen prominenten Platz eingenommen. 245 Dabei ging es vorerst darum, zu zeigen, daß das neoklassische Wachstumsmodell unter speziellen Annahmen mit internationalen Querschnittsdaten zum Wachstum gut vereinbar ist. Dies läßt die Frage aufkommen, ob die in der Realität (teilweise) beobachtete Konvergenz zu Vorbehalten gegenüber dem hier vorgestellten Wachstumsmodell führe. 246 Wie eine kurze Überlegung zeigt, ist dies nicht der Fall. Auch das hier verwendete Modell der Neuen Wachstumstheorie wird unter gewissen Voraussetzungen Konvergenzresultate produzieren, was in Tabelle 6 überblicksmäßig dargestellt ist. Um die theoretischen Hintergründe der Konvergenz zu analysieren, muß man Alternativhypothesen aus beiden Theorierichtungen einander gegenüberstellen. In der folgenden Tabelle sind die Bestimmungsgründe der Konvergenz aufgeführt. Im neoklassischen Wachstumsmodell sorgt der abnehmende Grenzertrag des Kapitals für die Angleichung der Einkommensniveaus, falls die anderen relevanten Einflußfaktoren wie Sparquote, Bevölkerungswachstum usw. konstant gehalten werden. Das Konstanthalten dieser Größen ist vom Modell her eine Bedingung; es hat zur Folge, daß die Konvergenz nur eine "bedingte" Konvergenz ist. Am absoluten Einkommen gemessen, braucht sich auch bei Unterstellung des neoklassischen Modells keine Konvergenz einzustellen. Diese Aussage gilt für den Fall der geschlossenen Volkswirtschaft. Nach einer Öffnung der Landesgrenzen und bei international verbundenen Kapitalmärkten ändert sich das Bild allerdings. Internationale Direktinvestitionen sollten das Kapital dahin lenken, wo die Rendite am größten ist. Damit würde nach neoklassischem Ansatz das Konvergenztempo gegenüber der geschlossenen Volkswirtschaft viel schneller und neben dem abnehmenden Grenzertrag des Kapitals auch von zusätzlichen (Finanzmarkt-)Parametern diktiert. In Tat und Wahrheit fließt aber gar nicht übermäßig viel Kapital von reichen zu armen Ländern. Soll trotzdem am neoklassischen Modell festgehalten werden, muß daher zuerst die Frage beantwortet werden: "Why doesn't capital flow from rieh to poor countries?" 2 4 7 Zu den zahlreichen realistischen Erklärungsansätzen wie Rechtsunsicherheit und hohe Transaktionskosten in armen Ländern kommt hinzu, Beispiele sind Baumol (1986), Mankiw/Romer/Weil (1992) und Barro (1991). Die zitierten empirischen Arbeiten mit internationalen Datensets wurden von Levine/Renelt (1992) kritisiert; diese Autoren äußern aufgrund von Sensitivitätsanalysen vor allem Zweifel an der Robustheit gewisser Resultate. So der Titel des Aufsatzes von Lucas (1990). 245 246
8. Synthese des Integrationsmodells
235
daß eine wichtige Kapitalkomponente, das Humankapital, nicht durch Direktinvestitionen international versetzbar ist. Weil das empirisch beobachtete Phänomen der Konvergenz in offenen Volkswirtschaften stattfindet und die Offenheit einen beträchtlichen Einfluß auf die Entwicklung ausübt, können die grenzüberschreitenden Einflußfaktoren kaum aus den theoretischen Erklärungen ausgeklammert werden. Wenn einzelne Regionen Europas oder US-Bundesstaaten auf ihre Konvergenz untersucht werden, sind entsprechend die interregionalen Zusammenhänge für die Entwicklung von großer Wichtigkeit.
Tabelle 6: Konvergenz in verschiedenen Modellen Bedingte Konvergenz der Niveaus
Mechanismus
Bedingte Konvergenz der Wachstumsraten
Mechanismus
Neoklassik: Geschlossene Volkswirtschaft
ja
Abnehmender Grenzertrag des Kapitals
ja
Langfristiges Wachstum exogen vorgegeben
Neoklassik: Offene Volkswirtschaft
ja
Direktinvestitionen, Migration
ja
Langfristiges Wachstum exogen vorgegeben
Modell dieser Arbeit: Geschlossene Volkswirtschaft
nein
Konstanter Grenzertrag der akkumulierten Produktionsfaktoren
nein
Unterschiedliche Akkumulationsbedingungen
Modell dieser Arbeit: Offene Volkswirtschaft
möglich
Außenhandel, Migration, internationale Wissens-Spillover
möglich
Internationale Wissens-Spillover
236
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
In der Neuen Wachstumstheorie und speziell im Modell dieser Arbeit ist von der reinen Akkumulation von Kapital beziehungsweise Wissen in der geschlossenen Volkswirtschaft keine Konvergenzaussage abzuleiten. Vielmehr bleiben aufgrund der linearen Beziehung zwischen Einkommen und Kapital die anfänglichen Unterschiede bestehen, bei gleichen Wachstumsraten ergibt sich sogar ein Auseinanderdriften der absoluten Einkommensniveaus in den verschiedenen Ländern. Anstelle der Konvergenz ergibt sich somit eine Divergenz. Dies ändert sich aber beim Übergang zur Modellierung von offenen Volkswirtschaften. Im Außenhandelsteil wurde gezeigt, daß in vielen Fällen durch Güterhandel eine Annäherung der Faktorpreise und damit der Einkommensniveaus zu erwarten ist. Dies kann auch gelten, wenn ein Forschungssektor im Modell integriert wird. Entscheidend ist aber in diesem Modellzusammenhang die internationale Wissensdiffusion. Bezüglich Konvergenz der Niveaus und der Wachstumsraten ist es plausibel, davon auszugehen, daß die Leaders und vor allem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg über den größten Wissensbestand verfügten. Ebenfalls ist realistisch, daß sich dieser Wissensvorsprung in der Folge über Diffusionsprozesse in die aufholenden Länder verteilt hat. In Kapitel 9 wird gezeigt, daß erhöhte internationale Wissens-Spillover höhere Wachstumsraten zur Folge haben. Damit ist die Konvergenz auch in diesem Fall möglich, aber nicht garantiert. Der Binnenmarkt in Europa und die Integrationsprojekte in den anderen Kontinenten haben einerseits Auswirkungen auf die Konvergenzkräfte, da der Austausch von Größenvorteilen begünstigt wird. Andererseits führt ein Abbau der Transaktionskosten im Handel aber auch dazu, daß regionale Ballungen und Entleerungen begünstigt werden. Dieses Wechselspiel zwischen den Konvergenz- und den Divergenzkräften macht die Modelle der Neuen Wachstumstheorie in Verbindung mit der Außenhandelstheorie besonders interessant. In den folgenden Kapiteln steht die Beeinflussung dieser Kräfte durch die Integration im Mittelpunkt der Analyse.
237
9. Kapitel Internationale Wissensdiffusion
9.1 Nationale und internationale Wissensdiffusion Das endogene Wachstum des verwendeten makroökonomischen Modells basiert auf der Akkumulation von Wissen, das über positive Spillover aus dem Forschungsprozeß generiert wird. Der im Zeitablauf zunehmende "Gratis-Input" des öffentlichen Wissens im Forschungsbereich sorgt dafür, daß die Rentabilität in der Entwicklung von neuen Designs konstant ist und die Anreize für die Forschung erhalten bleiben. Die neuen Designs verhelfen zu einer Ausdehnung der Anzahl an Varianten für Zwischenprodukte in der High-Tech-Produktion des Konsumbereichs einerseits und für Kapitalkomponenten, die in ihrer Synthese als Produktionsfaktor verwendet werden, andererseits. In diesem Abschnitt wird die Rolle der Wissensdiffusion in der internationalen Integration nach ihren Funktionen des reinen Skaleneffektes und des Einflusses auf die Reallokation der Ressourcen überblicksmäßig dargestellt. In den folgenden Abschnitten werden die Übertragungseffekte des Faktors Wissen mit Hilfe des Modells berechnet.
9.1.1 Reine Skaleneffekte Hinter der Hypothese der positiven Externalitäten in der Wissensakkumulation steht die Vorstellung, daß unendlich viele Ideen existieren, daß es mit anderen Worten im Bereich des Wissens keinerlei Anzeichen von Überfüllung gibt. Eine bestimmte Erfindung schränkt gemäß der Neuen Wachstumstheorie den Möglichkeitsraum für nachfolgende Erfindungen nicht ein, sondern erhöht im Gegenteil die Chancen für Neuentdeckungen aufgrund der erweiterten Wissensgrundlage. 248 Durch diesen grundlegenden Mechanismus wird der Bestand des öffentlichen Wissens im Zeitablauf beliebig vermehrbar. Neben der Akkumulation von Wissen ist im globalen Kontext vor allem die internationale Übertragbarbeit des Wissens ein bedeutendes
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III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
Thema. Generell ist die Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus der Forschung des einen Betriebes auf die Forschung anderer Betriebe oder auf andere Forschungsgebiete an gewisse Bedingungen geknüpft, die bereits in Kapitel 5 erörtert wurden. Es genügt in der Realität nicht, in den Besitz von fremdem Wissen zu gelangen, das erworbene Wissen muß zusätzlich für die eigenen Tätigkeiten umsetzbar sein, damit es produktiv genutzt werden kann. In diesem Umsetzungsprozeß erweisen sich Faktoren wie gemeinsame Sprache beziehungsweise Fachsprache, ähnliche gesellschaftliche und technische Normen, ein gemeinsamer Erfahrungshorizont, vergleichbare Institutionen u.a.m. als fördernd für die Verbreitung des Wissens. Oft wird die Wissensdiffusion durch persönliche Kontakte unter den verschiedenen Forschenden sowie zwischen Wissenschaft und Wirtschaft entscheidend unterstützt. Ebenso findet besonders dann ein Wissenstransfer statt, wenn Unternehmungen durch Handelsbeziehungen einen Anreiz erhalten, sich mit den Eigenschaften von Produkten anderer Unternehmungen auseinanderzusetzen. In dieser Hinsicht ist es wichtig, wie stark die nationalen im Vergleich zu den internationalen Beziehungen im Handel sind. Damit wird deutlich, daß zwischen den Spillovern im Inland und den Spillovern zwischen In- und Ausland ein Unterschied besteht. Normalerweise ist die Wissensdiffusion im Inland intensiver als über die Landesgrenzen hinweg. Wissen bekommt damit die Charakteristika eines mehrheitlich regionalen beziehungsweise nationalen öffentlichen Gutes. Offensichtlich ist die Landesgrenze der Nationalstaaten nicht immer und in allen Fällen die Hauptbarriere für das Wissen. Aber im Durchschnitt dürfte die Feststellung zutreffend sein, daß inländische Wissensspillover intensiver ausfallen als internationale Spillover.249 Für die Theorie ist allerdings nicht "zwingend" vorgegeben, daß die Differenz in der Intensität so gewichtet wird, daß sie im Modell explizit zum Ausdruck kommt. Jede Theorie muß zwangsläufig von gewissen realen Gegebenheiten abstrahieren. Tatsächlich finden in der bisherigen Theorie des endogenen Wachstums verschiedene Modellversionen 248
In gewissen Fällen werden die positiven Externalitäten von den Verursachern sogar gewünscht, wenn nämlich komplementäre innovative Prozesse von anderen Unternehmungen erforderlich sind, um einen innovativen Durchbruch zu erzielen. Dies dürfte allerdings eher für "radikale" Innovationen der Fall sein, während sich das Modell der sich ausdehnenden Produktvarianten mehr auf den Fall der kontinuierlichen Innovationen in kleinen Schritten stützt. 249 Eine empirische Untersuchung zu diesem Thema ist Coe/Helpman (1995). Die Autoren stellen unter Inkaufnahme einiger einschränkender Annahmen fest, daß zwischen der Intensität der Wissens-Spillover aus dem Inland und derjenigen aus dem Ausland ein Unterschied besteht. Das Ausmaß des Unterschiedes hängt gemäß dieser Arbeit davon ab, wie groß ein Land im internationalen Vergleich ist.
9. Internationale Wissensdiffusion
239
Anwendung. 250 Analytisch können die beiden Grenzfälle am besten behandelt werden, bei denen die Spillover zwischen In- und Ausland entweder vollständig sind oder aber vollständig ausgeschlossen werden. Mit einigen Zusatzüberlegungen läßt sich anschließend ermitteln, was in den Zwischenfällen zu beobachten sein wird. 251 Als nächstes ist festzustellen, daß die internationale Wissensdiffusion nicht eine unabhängige Größe ist. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sie über verschiedene Parameter beeinflußt werden kann. Insbesondere ist die Diffusion des Wissens über die Landesgrenzen mit der überregionalen Integration von Güter- und Faktormärkten verknüpft. Die internationale Intensivierung der Handelsbeziehungen, die durch Integrationsbemühungen verstärkt wird, eröffnet zusätzliche Kommunikationsanreize, -kanäle und -möglichkeiten. Über gemeinsame Forschungsprojekte der an der Integration beteiligten Volkswirtschaften sind ebenso Verstärkungen der internationalen Spillover zu erwarten. Des weiteren kann die Vereinheitlichung in Bereichen wie Normen, Institutionen u.a.m. die internationale Diffusion des Wissens erleichtern. Im hier verwendeten Modell ist die absolute Größe des Wissens entscheidend für die Produktivität einer Wirtschaft. Jedes neue Design trägt über die proportionalen Wissens-Spillover per Annahme gleichmäßig zum allgemeinen Wissensstand bei. Wird die Wissensakkumulation beschleunigt, ergibt sich ein reiner Skaleneffekt, indem sich die Produktivität im Maßstab eins zu eins erhöht. Im Humankapitalmodell des endogenen Wachstums wird dagegen eine andere Variante diskutiert, in der nicht die absolute Größe des Humankapitals, sondern das Humankapital pro Kopf die wichtige Determinante für die Spillover ist. Beim Humankapital kann argumentiert werden, daß sich die Spillover im direkten Kontakt zwischen Personen ergeben. Dabei kommt es vor allem darauf an, wie groß das Humankapital von bestimmten, nämlich den kontaktierten Personen ist. Es kommt nicht darauf an, wieviel Humankapital insgesamt existiert beziehungsweise bei anderen, nichtkontaktierten Personen vorhanden ist, weil mit diesen keine Übertragungseffekte zustande kommen. Im Falle des Wissens, das sich losgelöst vom Menschen in Büchern, in elektronischer Form u.a.m. findet, ist allerdings die bisher verfolgte Version der Spillover als realistischer anzusehen, weil die Form der Spillover nicht an persönliche Kontakte geknüpft ist. Nicht das Wissen pro Kopf, sondern das Wissen insgesamt ist damit entscheidend für die Bemessung der Spillover. Konzeptionell ist es möglich, den reinen Wissenstransfer zwischen den Unternehmungen in verschiedenen Ländern vom Themen250
Vgl. dazu Grossman/Helpman (1991), Kapitel 8 gegenüber Kapitel 9, und insbesondere 240 ff. sowie Rivera-Batiz/Romer (1991). 251 Vgl. Abschnitt 9.4.
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III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
kreis des sich ausdehnenden Außenhandels auf Güter- und Faktormärkten zu trennen. Es ergeben sich aber aufgrund des Außenhandels auch interessante Verknüpfungspunkte im Rahmen der Reallokation von Ressourcen, was im nächsten Unterabschnitt diskutiert werden soll.
9.1.2 Wissensdiffusion und Ressourcenreallokation Wird angenommen, daß sich zwei in ihrer Faktorausstattung ungleiche Volkswirtschaften zu einem integrierten Wirtschaftsraum zusammenschließen, werden sich in jedem Land - wie in der traditionellen Handelstheorie - auch im dynamischen Kontext Umverteilungen der Ressourcen zwischen den Sektoren ergeben. Im Zusammenhang mit der Wissensdiffusion ist dabei von Bedeutung, daß diese Umverteilung beziehungsweise Reallokation davon abhängt, wie intensiv die internationale Wissensdiffusion nach Aufnahme des Außenhandels ist. Fließt im Extremfall trotz Integration kein Wissen über die Landesgrenzen, akkumuliert jedes Land nur seinen eigenen Wissensbestand. Da ein großer Wissensbestand die Forschung verbilligt und damit das Wachstum fördert, ergibt sich ein Divergenzprozeß zwischen den Volkswirtschaften, in dem das Land mit dem Wissensvorsprung den Vorteil ständig auszubauen vermag, während das andere immer weiter zurückfällt. Im Integrationsmodell von Kapitel 8 wird sich bezüglich der Arbeitsteilung der beiden Länder zeigen, daß das Land mit dem anfänglichen Wissensvorsprung einen immer größeren Anteil des integrierten Marktes der High-Tech-Güter erhält, während das andere sich zunehmend auf die Produktion traditioneller Güter spezialisiert. Dies geschieht deshalb, weil die differenzierten Güter in "Kuppelproduktion" mit den Designs gefertigt werden. Mit anderen Worten zieht es die fehlende internationale Wissensübertragung nach sich, daß die Allokation der Ressourcen des führenden Landes im High-Tech-Sektor ständig zunimmt, während im anderen Land dasselbe für den traditionellen Sektor gilt. Ein anderes Ergebnis stellt sich ein, wenn die Wissensdiffusion - im entgegengesetzten Extremfall - nach der Integration vollständig ist. In diesem Fall können beide Länder gleichmäßig von den Größenvorteilen der internationalen Forschung profitieren, während die ländermäßigen Divergenzprozesse entfallen. Wie in der statischen Handelstheorie kann sich bei nicht allzu unterschiedlicher relativer Faktorausstattung ein Gleichgewicht einstellen, in dem sich jedes Land gemäß seinen komparativen Vorteilen zunehmend, aber nicht vollständig spezialisiert. Alle Sektoren sind dann, auch in der langen Frist, in beiden Ländern wettbewerbsfähig.
9. Internationale Wissensdiffusion
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In den beiden folgenden Abschnitten wird der Fall der vollständigen internationalen Wissens-Spillover und derjenige der fehlenden internationalen Wissens-Spillover behandelt. Die Folgerungen für die dazwischen liegenden Fälle in der Wissensdiffusion werden qualitativ analysiert.
9.2 Wissen als weltweites öffentliches Gut Falls im Modell angenommen wird, daß zwischen den Spillovern aus dem Ausland und denjenigen aus dem Inland kein substantieller Unterschied besteht, kann die Aufnahme von Außenbeziehungen im Wissensbereich wie eine allgemeine Verbreiterung der Wissensbasis zu jedem Zeitpunkt aufgefaßt werden. 252 Dies ist ein eindeutiger Skaleneffekt, womit die detaillierte Analyse von Ressourcenreallokationen zwischen den Sektoren mit mehr als einem Produktionsfaktor auf die folgenden beiden Kapitel verschoben werden kann.
9.2.1 Autarkes Wachstum als Referenzpunkt Für die Berechnung des Skaleneffektes der ausländischen Wissens-Spillover genügt ein einziger primärer Produktionsfaktor, den wir als kombinierten Arbeitsfaktor F mit F = dj • h + d2- S einführen, wobei die d fixe Parameter sind und zvF in der Folge der Lohnsatz des kombinierten Faktors ist. Mit anderen Worten weisen in einem solchen Fall alle drei Sektoren identische relative Faktorintensitäten bezüglich L und S auf. Zusätzlich können zur Vereinfachung in diesem Kapitel die Leontiefschen Input-Koeffizienten für traditionelle Güter und für Zwischenprodukte gleich eins gesetzt werden, d.h., es gilt UFZ ~ aFx ~ 1- Dagegen wird die Produktivität der Arbeit in der Forschung entsprechend den bisherigen Herleitungen mit l / a F ? bezeichnet. Betrachten wir eine bestimmte Volkswirtschaft i, dann können - aufgrund der vereinfachenden Annahmen - die Preis-Kosten-Relationen aus Kapitel 8 (vgl. Gleichungen 8.5, 8.6 und 8.7) ohne großen Aufwand in die Gütermärkte 8.2 und 8.3 eingesetzt sowie anschließend die Gütermen252
Vgl. dazu G r o s s m a n / H e l p m a n (1990d).
242
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
gen, d.h. Z und X, im Arbeitsmarkt 8.1 substituiert werden. 253 Die Konsumausgaben werden in dieser Anwendung pro Land erfaßt. Wenden wir uns zuerst der wachsenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor zu und fügen nachher den Kapitalsektor hinzu. In der Modellvariante mit dem technischen Fortschritt im Konsumgütersektor resultiert für den Arbeitsmarkt des Landes i:
(1-0) - ii wF
E'
+
0 • Ö • E' • , + flc i Fg •£„ &n = F wF
,
(9.1)
Werden die Konsumausgaben des Landes i durch die Wahl des Numéraires auf den Wert 1 normiert, kann (9.1) in der Folge vereinfacht werden, gemäß:
wv
wv
Zusätzlich ergibt sich durch die festgelegte Normierung der Ausgaben eine Gleichheit von Nominalzins und Diskontrate; die Bedingung für den Kapitalmarkt lautet dann für den Fortschritt im Konsumgütersektor:
« I- » ap„ • FS
1• r , zv F
(9.3)
Damit existieren zwei Gleichungen für den unbekannten Lohn und die Wachstumsrate von Designs für Zwischenprodukte; durch Elimination von w resultiert folgender Ausdruck für die Wachstumsrate:
=
-fl)-p
(9.4)
aH
Für den Fall der wachsenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor ist die gleichgewichtige Wachstumsrate - wie unter Abschnitt 5.5.3 ausgeführt allein durch den Kapitalmarkt bestimmt. Bei Verwendung des kombi253
F ü r die Vorlagen der entsprechenden Relationen vgl. Abschnitt 8.1.
9. Internationale Wissensdiffusion
243
nierten Input-Faktors F ist die Innovationsrate beziehungsweise die Wachstumsrate der Designs:
8m
'
1
A
(9.5)
9.2.2 Wachstum mit internationaler Wissensdiffusion Mit der Öffnung der Landesgrenzen für ausländisches Wissen verändert sich in jedem Land der Bestand des öffentlichen Wissens, der als GratisInput im Inland für Forschung und Entwicklung zur Verfügung steht. 2 5 4 Dabei ist zu berücksichtigen, daß es ohne Güterhandel zwischen den beiden Ländern keine Gewähr dafür gibt, daß nicht teilweise bestimmte Designs von Land A auch in Land B vorhanden sind. 2 5 5 Solange die nationalen Gütermärkte geschützt sind, entsteht für die Investierenden kein besonderes Problem, wenn ein Design entwickelt wird, das schon im Ausland existiert. Die anfallenden Renten bei der Vermarktung der Zwischenprodukte werden ohne Güterhandel auch in diesem Fall das branchenübliche Ausmaß erreichen. Für die Wissensbasis bedeuten die Doppelspurigkeiten in der Entwicklung von Designs, daß auch bei völlig freiem Fluß der Spillover über die Landesgrenzen die einzelnen Wissensbestände nicht einfach zu einer Weltbasis addiert werden können, sondern geringer sind als die einfache Summe. Betrachten wir die gemeinsame Wissensbasis der beiden Länder A und B. Bezeichnen n beziehungsweise n die Anzahl Designs in Land A und Land B sowie t// den Anteil der Designs in Land B, die ausschließlich in ß existieren, so folgt für die weltweite Wissensbasis K, die in Land A und Land ß zur Verfügung steht:
A K
B
= n + y- n
mit
(9.6)
0 0
In der Beurteilung des Vorzeichens von (10.10) spielt die Elastizität der Substitution zwischen qualifizierter und unqualifizierter Arbeit er, eine entscheidende Rolle. Die Grenze zwischen Wachstumsunterstützung und Wachstumsbehinderung durch den Zuwachs an unqualifizierter Arbeit liegt in dieser Anwendung des Integrationsmodells beim Wert Eins für die Substitutionselastizität. 280 Wenn von einem Wert größer als eins ausgegangen wird, fällt das Verdikt für die Gütermarktintegration bei vollständigen Wissens-Spillovern bezüglich Wachstum eindeutig positiv aus. Wird der Wert geringer als eins, ist der negative Wert nicht eindeutig, aber wahrscheinlich. Dann spielen die relativen Ausstattungen der Handelspartner mit Produktionsfaktoren eine wichtige Rolle in der Beurteilung der dynamischen Auswirkungen des Freihandels. Bei der Bestimmung der Größe der genannten Elastizität ist zu bedenken, daß zwischen denjenigen Qualifikationsstufen der Arbeit, die nicht allzu weit auseinander liegen, relativ hohe Werte plausibel sind. Dagegen ist ein tiefer Wert dann zu erwarten, wenn der Qualifikationsabstand zwischen Hoch- und Tiefqualifizierten groß ist. Im Extremfall sind die beiden Arten der Arbeit gar Komplemente, wenn nämlich die hochqualiDieses Resultat entspricht demjenigen von Grossman/Helpman (1991), Kapitel 9. Anders als bei Grossman/Helpman (1991) wird hier der berechnete Wert in mehrfacher Hinsicht hinterfragt und modifiziert. Ebenso soll gezeigt werden, in welchen Modellvarianten der Wert keine Bedeutung hat. Zu empirisch ermittelten Werten, vgl. Hamermesh (1986) und (1991). 280
264
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
fizierte Arbeit (z.B. Manager oder Unternehmerinnen) Voraussetzung ist zur Schaffung von Arbeitsplätzen für die unqualifizierte Arbeit. Festzuhalten ist hier folgendes Ergebnis: Ein negativer Wachstumsimpuls durch die Integration der Gütermärkte kann aufgrund des analysierten und dokumentierten Ressourcenreallokationseffektes nicht mehr ausgeschlossen werden. Eine solche Voraussage wäre beispielsweise denkbar, wenn sich ein hochentwickeltes Land in eine Wirtschaftsunion mit einer Volkswirtschaft ohne nennenswertes Humankapital begäbe und außerdem die Elastizitäten für die Substitution in der Produktion unter dem Wert Eins lägen. 281 Dabei ist zu beachten, daß der Integrationseffekt insgesamt nur dann negativ ausfällt, wenn die Skaleneffekte der Integration - d.h. vor allem die internationale Wissensdiffusion - zu gering ausfallen, um die negativen Ressourcenreallokationseffekte zu kompensieren. Wenn sich zwei Volkswirtschaften mit identischen Faktorproportionen gegenseitig zum Freihandel verpflichten, hat dies im statischen Heckscher-Ohlin-Basismodell des Außenhandels keine Auswirkungen. Die Skaleneffekte der neueren Makrotheorie prognostizieren aber auch hier einen langfristigen Impuls für das Wachstum, der gemäß (10.8) im Falle des Gütermarktes mit S = L = F über die folgende Relation bestimmt ist:
' W W s i +
(i = x, Z,g
;
W
i' = x,Z)
A >0
Der Ausdruck auf der rechten Seite ist positiv, wenn beide Arbeitsfaktoren voll beschäftigt sind. Wie bereits in Kapitel 5 an der entsprechenden Stelle erwähnt, ist aber selbst bei einer Unterbeschäftigung der Faktoren, die nicht allzu asymmetrisch zwischen den beiden Sektoren ausfällt, das positive Vorzeichen für den Ausdruck garantiert. Dieser Fall ist aufgrund der heutigen Gegebenheiten für die NAFTA-Region relevanter als für den Europäischen Wirtschaftsraum. 281
10. Integrierte Gütermärkte
265
10.2.3 Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor In einem nächsten Schritt werden die Resultate für das Wachstum der Anzahl Designs im Kapitalgütersektor berechnet. Wieder stützen wir uns auf die Vorarbeiten in Kapitel 5 und die Erweiterungen in Kapitel 8. In Gleichung (8.1) ist beim Markt der unqualifizierten Arbeit der Einfluß der Roboter auf das Arbeitsangebot zu berücksichtigen, für den Kapitalmarkt gilt die Version von Abschnitt 5.5.3 beziehungsweise Ausdruck (8.9). Werden die zwei Arbeitsmarktgleichgewichte differenziert und mit dem Kapitalmarkt für differenzierte Kapitalleistungen kombiniert, ergibt sich das folgende System mit drei Gleichungen:
12
C
"21
\
C
g
S*
22
e - i Lg
13
ws Sm
Sg
L 11
-Ii
S 0
(10.12)
mit c33 =
sR(l/Q R L+ R
Die c-Parameter entsprechen den Werten von Gleichung (10.8). Die Determinante ist auch in diesem Fall eindeutig positiv; vgl. den Appendix zu diesem Kapitel. Was geschieht durch die Integration der Gütermärkte mit der Wachstumsrate der Anzahl Designs in dieser Version des Integrationsmodells? Im Falle der Gütermarktintegration mit einer Volkswirtschaft, die nur über unqualifizierte Arbeit verfügt, resultiert der folgende Ausdruck, der dem Anwachsen der Ausstattung mit unqualifizierter Arbeit entspricht:
1 Ä7
(i' =
X M
x, Z)
A' > 0
0
^ -
1
)
• L
(10.13)
266
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
Aufgrund der positiven Determinante und der zwingenden Vorgabe, daß alle Faktoranteile einen Wert zwischen null und eins annehmen, ist die berechnete Relation eindeutig negativ. Das Resultat ist gut nachvollziehbar. Eine Handelsbeziehung mit Ländern, die reich an unqualifizierter Arbeit sind, verändert die Lohnrelation zuungunsten der unqualifizierten Arbeit, da diese im integrierten Wirtschaftsraum relativ reichlicher vorhanden ist. Die Anreize für Innovationen im Kapitalgütersektor, die zur Substitution unqualifizierter Arbeit beitragen, sinken. Damit hat sich die zweideutige Aussage der ersten Modellversion in dieser Version in eine eindeutig negative Auswirkung der Integration der Gütermärkte gewandelt. Um die relative Kraft der Argumente im Bereich der unqualifizierten Arbeit zu eruieren, ist es demnach - zusätzlich zur Bestimmung der Substitutionselastizität - notwendig, herauszufinden, wie wichtig der technische Fortschritt in der Konsumgüterproduktion im Vergleich zu demjenigen in der Kapitalgüterproduktion ist. Mit anderen Worten sollte in künftigen empirischen Untersuchungen das Augenmerk noch vermehrt auf die relative Bedeutung der positiven Spillover aus den beiden Arten des technischen Fortschritts gelenkt werden. Im Anschluß an das bemerkenswerte Ergebnis für die unqualifizierte Arbeit ist zu prüfen, inwiefern dieses Resultat auch für die Integration mit Ländern gilt, die über viel hochqualifizierte Arbeit verfügen. Für die vergrößerte Ausstattung eines Landes mit qualifizierter Arbeit ist die Auswirkung auf das Wachstum der Anzahl Designs:
.
_
1
~ Ä'• lXu% *S
(10.14)
( f = x, Z) A' > 0
Es stellt sich heraus, daß der Freihandel mit Gütern auch im Fall des technischen Fortschritts im Kapitalsektor einen positiven Wachstumsimpuls bewirkt, wenn das Ausland reich an qualifizierter Arbeit ist. Das Resultat zeigt, daß der dynamische Effekt der Handelsaufnahme mit einem "humankapitalreichen" Land in beiden Modellversionen positiv ist. Findet die Integration auf den Gütermärkten mit einem Land statt, das dieselbe Faktorproportion aufweist wie das Inland, resultiert für den technischen Fortschritt im Kapitalgütersektor mit S = L = F :
10. Integrierte Gütermärkte
V S < i'A L f - * S f > 0" =
267
]'p
z)
A' > 0
Diese Relation ist positiv, wenn Vollbeschäftigung oder bezüglich Sektoren eine nicht allzu asymmetrische Unterbeschäftigung unterstellt wird. Die proportionale Erweiterung der Wirtschaft mit Primärressourcen, mit der die Gütermarktintegration im vorliegenden Modell bei vollständigen Wissens-Spillovern abgebildet werden kann, unterstützt damit den technischen Fortschritt sowohl im Konsumgütersektor als auch im Kapitalgütersektor.
10.3 Handel ohne internationale Wissens-Spillover Verschiedene theoretische Gründe und empirische Beobachtungen führen zur Hypothese, daß Spillover über die Landesgrenzen weit weniger intensiv sind als Spillover im Inland. 282 Als ein gegenüberliegender Referenzpunkt zu Abschnitt 10.2 bietet sich in der theoretischen Analyse der Fall an, in dem von internationalen Wissens-Spillovern abstrahiert wird. 283 Der Effekt der Vermeidung von Doppelspurigkeiten in der Design-Entwicklung aus Abschnitt 10.1 bleibt bestehen, falls die differenzierten Zwischenprodukte gehandelt werden. Im übrigen verändert sich der Zu-sammenhang zwischen Handel und Wachstum aber spürbar.
10.3.1 Skaleneffekte Wird in einem Land trotz Außenhandel kein Wissen aus dem Ausland verwendet, entfallen die Skaleneffekte der internationalen Wissensdiffusion aus Abschnitt 9.2. In Abschnitt 9.3 wurde das Konzept der zunehmenden Arbeitsteilung eingeführt, die durch Außenhandel bei Existenz von nationalen Externalitäten und Größenvorteilen zustande kommt und hier für das Zwei-Länder-Modell ausgeführt wird. Dem Land mit dem 282 283
Empirische Resultate dazu sind z.B. in Coe/Helpman (1995) enthalten. Dasselbe Vorgehen wählt z.B. Feenstra (1990).
268
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
vor der Integration größeren Forschungssektor steht mehr vom GratisInput des öffentlichen Wissens zur Verfügung, und es ist deshalb im direkten Vergleich mit dem Ausland in der Entwicklung von Designs bei identischen Löhnen - immer kostengünstiger. Auch bei unterschiedlichen Löhnen nimmt der relative Vorteil dieses Landes in der Design-Produktion im Zeitablauf unaufhörlich zu. Im Bereich der High-Tech-Güter findet aufgrund dieser Größenvorteile in der Forschung und der Verbundproduktion von differenzierten Gütern und Designs eine zunehmende internationale Arbeitsteilung statt. Das Land mit dem ursprünglich größeren Forschungssektor erreicht einen immer größeren Weltmarktanteil bei den differenzierten Zwischenprodukten beziehungsweise bei den High-Tech-Gütern. Das andere Land hingegen muß eine Schrumpfung des High-Tech-Sektors hinnehmen und sich im langfristigen Gleichgewicht auf die Produktion traditioneller Güter spezialisieren. Auf dem Weg in Richtung einer vollständigen Spezialisierung fällt ins Gewicht, daß die Löhne selbst in der Modellversion der zunehmenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor nicht konstant bleiben. Das "führende" Land verzeichnet aufgrund des steigenden Marktanteils bei den High-Tech-Gütern einen Anstieg der Löhne. Dies ist z.B. aus der Arbeitsmarktgleichung (8.1) ersichtlich, wenn angenommen wird, daß die Variable X zunimmt. Für die Untersuchung dieses Skaleneffekts der steigenden Löhne genügt die Beschränkung auf den kombinierten Arbeitsfaktor F. In Anlehnung an Ausdruck (5.21) in Kapitel 5 kann das Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt im Zwei-Perioden-Fall wie folgt geschrieben werden: 2 8 4
(1+P)
(1
-ß)+aFg-wF2
aFg • wn
(10.15)
Auf der linken Seite steht der abdiskontierte Forschungsertrag der zweiten Periode, auf der rechten Seite stehen die Kosten der Design-Entwicklung der ersten Periode. Dabei wurden die Löhne der ersten und der zweiten Periode im Unterschied zum Ausdruck (5.21) speziell gekennzeichnet. Die Auflösung nach der Zuwachsrate der Designs ergibt:
' (1-/3)
284
+
ZVF 2 (1+P) WFl ,
Für die Herleitung und die Bezeichnungen vgl. Kapitel 5 , 1 3 5 .
(10.16)
10. Integrierte Gütermärkte
269
Wie aus (10.16) ersichtlich wird, erhöht eine Zunahme der Löhne in dieser Modellversion ceteris paribus den Anreiz, in die Forschung zu investieren, weil sich der Wert der Designs am Ende der zweiten Periode mit einem steigenden Lohnsatz erhöht. Daraus folgt, daß das führende Land während der Anpassung an das langfristige Gleichgewicht, in der sich sein Marktanteil im Bereich der High-Tech-Güter erhöht, eine höhere Wachstumsrate aufweist als in der Autarkie. Derselbe Sachverhalt kann aus der zeitkontinuierlichen Form des verwendeten Wachstumsmodells ersehen werden. Mit der Normierung der Konsumausgaben konvergiert im verwendeten Wachstumsmodell auch das Vermögen gegen einen konstanten Wert. 285 Werden die weltweiten Ausgaben auf den Wert Eins normiert, ist der Vermögenswert pro Land konstant, wenn die Marktanteile auf dem Weltmarkt und die Lohnsätze konstant sind. Steigt hingegen der Lohnsatz, nehmen Wachstum und Vermögen eines Landes zu. Dies kann wie folgt gezeigt werden: Der Marktwert eines einzelnen Designs v ist bei vollständiger Konkurrenz im Forschungsbereich gleich den Lohnkosten dividiert durch den Gratis-Input des öffentlichen Wissens, d.h. bei proportionalen Spillovern dividiert durch die Anzahl Designs:
v = (aF • w'F) /n
(10.17)
Logarithmieren und Differenzieren nach der Zeit ergibt:
v =
wF-gin
(10.18)
Bei konstanten Lohnsätzen ergibt das Differential unter (10.18), daß der prozentuale Wertverlust eines Designs gleich groß ist wie die Wachstumsrate der Designs. Dies ist der Modellverlauf bei gleichgewichtigem Wachstum in der Autarkie. Im Falle dieses Abschnitts, d.h. bei zunehmenden Lohnsätzen, gilt im "führenden" Land hingegen gemäß (10.18), daß die Wachstumsrate größer ausfällt als in der Autarkie. Eine Folge davon ist, daß sich das führende Land einen zunehmenden Anteil des Weltvermögens aneignen kann. Der Vermögenswert V in Land i ist nämlich im verwendeten Modell gleich: V = ri • v
285
Vgl. z.B. Abschnitt 4.6.
(10.19)
270
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
Solange die Wachstumsrate von n größer ist als die Schrumpfungsrate von v, steigt der gesamte Vermögenswert für das betrachtete Land i. Das zweite Land mit dem ursprünglich kleineren Forschungssektor verliert durch den schwindenden Marktanteil bei den differenzierten Produkten ständig an Anreizen für Innovationen im Konsumgütersektor. Die Löhne sinken, der Wertverlust bei den Designs ist größer als in der Autarkie, und der ländermäßige Anteil am Weltvermögen sinkt. Im Hinblick auf die Wohlfahrt stehen diesen Nachteilen die Vorteile der vielfältigeren, international verfügbaren Varianten an differenzierten Produkten gegenüber. Bei relativ ausgeglichenen Faktorpreisen bringt dies zum einen den bereits erörterten Niveaueffekt im Zeitpunkt der Integration, zum anderen einen gewissen Wachstumseffekt, da die Innovationsrate im Ausland verglichen mit der Autarkie im Inland größer ist. Eine wohlfahrtsmäßige Gleichstellung mit dem Ausland ergibt sich aber nur bei absolut ausgeglichenen Faktorpreisen. In der Modellversion der zunehmenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor erreicht das führende Land einen größeren Zuwachs in der Roboterproduktion. Wird - wie für die Untersuchung des reinen Skaleneffekts üblich - nicht nach qualifizierter und unqualifizierter Arbeit unterschieden, verteilt sich die größere Ausstattung mit Produktionsfaktoren gleichmäßig auf die beiden Sektoren der Konsumgüter. Während beide Länder im Zeitablauf über eine größere Ausstattung mit Faktoren verfügen, vergrößert sich der Vorsprung des führenden Landes laufend. Im Modell gibt es für den Fall der fehlenden internationalen Wissensdiffusion keine Grenze für die so gestaltete Auseinanderentwicklung der beiden Volkswirtschaften.
10.3.2
Ressourcenreallokation
Zusätzlich zu den Skaleneffekten wirken bei der Aufnahme von Güterhandel bezüglich Wachstum Ressourcenreallokationseffekte, zu deren Ermittlung auch bei fehlender internationaler Wissensdiffusion der Faktor Arbeit wieder in qualifizierte und unqualifizierte Arbeit zu desaggregieren ist. Falls die relative Faktorausstattung der Volkswirtschaften mit den beiden Arbeitsarten unterschiedlich ist, ergibt sich nach Aufnahme des Freihandels eine Anpassung bei den relativen Güterpreisen der handelbaren Güter sowie bei den relativen Faktorpreisen. Durch die Integration verändert sich die Zuteilung der beiden Arbeitsressourcen auf die drei Sektoren. Je nach Wirkung auf den Forschungsbereich ergibt sich durch die Reallokation ein dynamischer Vorteil oder ein dynamischer Nachteil.
10. Integrierte Gütermärkte
271
In der Modellversion der wachsenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor ist die Menge der Faktoren konstant. Was sich durch den Freihandel verändert, sind die relativen Löhne zwischen qualifizierter und unqualifizierter Arbeit. Gemäß Stolper-Samuelson-Theorem der Außenwirtschaftstheorie erhöht sich der Lohnsatz desjenigen Faktors, der im Exportsektor relativ intensiv verwendet wird, während der Lohnsatz des anderen Faktors sinkt. Betrachten wir ein Land, das gegenüber dem Ausland über relativ viel qualifizierte Arbeit S verfügt, während das Ausland relativ reich an unqualifizierter Arbeit L ist. Verwenden wir weiter die bisherige Annahme zu den Faktorproportionen, daß nämlich die Forschung intensiv ist in der Verwendung von S, während die traditionelle Produktion relativ am meisten von L nachfragt und die differenzierten Zwischenprodukte in der Faktorintensität dazwischen liegen. Das S-reiche Land exportiert entsprechend seiner Faktorausstattung High-Tech-Produkte und importiert traditionelle Güter. Die Ressourcenreallokation durch Freihandel und die Wirkung auf das Wachstum können in dieser Modellversion wieder mit Hilfe der Arbeitsmarktrelationen (8.1) mit R = 0 und der Kapitalmarktrelation (8.8) untersucht werden. 2 8 6 Die Weltausgaben sind auf eins normiert, so daß die Konsumausgaben für die im betrachteten Land i hergestellten Konsumgüter flexibel sind. Damit stehen drei Gleichungen für die Variablen der Wachstumrate der Designs gn, der Menge der traditionellen Güter Z und der High-Tech-Input-Menge X zur Verfügung. 287 Exogen vorgegeben sind in dieser Anwendung die Löhne, die sich zwischen dem Wachstumspfad der Autarkie und demjenigen bei Freihandel in einem diskreten Schritt verändern. Im betrachteten S-reichen Land erhöht sich gemäß Stolper-Samuelson-Theorem der Lohnsatz w s , während der Lohnsatz der unqualifizierten Arbeit zvL sinkt. Nehmen wir an, die prozentuale Änderung sei für beide Lohnarten gleich groß, d.h. w s = - w L = lü. 288 Durch das Differenzieren der Gleichgewichtsbedingungen für die Arbeitsmärkte (vgl. Ausdruck 8.1) und den Kapitalmarkt (vgl. Ausdruck 8.8) ergibt sich dann unter den genannten Bedingungen das folgende System:
Zur Herleitung von (8.8) wird unterstellt, daß die Löhne auf dem gleichgewichtigen Wachstumspfad konstant sind. Der Effekt der kontinuierlichen Lohnänderung ist bereits unter Abschnitt 10.3.1 mit den Skaleneffekten behandelt worden; hier kommt allein der Ressourcenreallokationseffekt zur Sprache. 287 Sämtliche Gütermengen beziehen sich in diesem Abschnitt auf das betrachtete Land, ohne daß dies mit einem speziellen Länderindex gekennzeichnet ist. 2 8 8 Dasselbe Vorgehen wird in Bretschger (1996b) gewählt. 286
272
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
¿r1 i
Sx
SZ
i
o
Sg
Li
Si
t
Z
k
i
(10.20)
Daraus kann berechnet werden, wie eine Zunahme von w auf das Wachstum gn im S-reichen Land wirkt. Die Kalkulation ergibt: 1 2-Iffi{AtzaSl.eLf.)+Asz(ALl.0s.)} ] • w (10.21)
A>0 Die Determinante A kann als positiv angenommen werden, was im Appendix zu diesem Kapitel erläutert wird. Die erste Zeile des Ausdrucks auf der rechten Seite von (10.21) ist eindeutig negativ, da die Produktion der traditionellen Güter am intensivsten in der Verwendung der unqualifizierten Arbeit ist, während die Forschung relativ am meisten hochqualifizierte Arbeit beschäftigt. Dieser negative Effekt kann als "Preiseffekt" bezeichnet werden. Er drückt aus, daß die Kosten im Forschungssektor und damit die Design-Preise mehr zunehmen als die Preise und damit die Erträge im High-Tech-Sektor, falls der Güter-Output konstant gehalten wird. Der Term in der zweiten Zeile kann als "Marktexpansionseffekt" bezeichnet werden. Er zeigt an, wie die veränderten relativen Preise den für den gesamten Forschungsertrag wichtigen inländischen Weltmarktanteil bei den High-Tech-Gütern verändert. Falls die Substitutionselastizität null ist, kann der inländische Marktanteil nicht gesteigert werden, und der Ressourcenreallokationseffekt ist für diese Volkswirtschaft eindeutig negativ. Ceteris paribus ist damit die Wachstumsrate bei Freihandel tiefer als in der Autarkie. Mit einer hohen Substituierbarkeit zwischen qualifizierter und unqualifizierter Arbeit kann die Produktion
10. Integrierte Gütermärkte
273
so angepaßt werden, daß sich der inländische Marktanteil bei den HighTech-Gütern steigert. In diesem Fall ist das Ergebnis in bezug auf das Wachstum weder eindeutig positiv noch negativ; hier entscheidet die Größe der Parameter. Simulationen zeigen, daß die Substitutionselastizität nicht allzu hohe Werte annehmen muß, damit der beschriebene Effekt positiv wird. Für ein Land, das relativ reichlich mit unqualifizierter Arbeit ausgestattet ist, sinken mit dem Übergang zum Freihandel die relativen Löhne der qualifizierten Arbeit, was den Wachstumsprozeß fördert. Für ein solches Land ist damit der Ressourcenreallokationseffekt bei fehlender internationaler Wissensdiffusion eindeutig positiv. In der Modellversion mit der wachsenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor ist nur die relative Höhe der Lohnsätze, nicht aber der inländische Marktanteil bei den High-Tech-Gütern für die Forschungsanreize verantwortlich. Damit lassen sich die entscheidenden Aussagen schnell herleiten. 289 Steigt aufgrund des Freihandels der relative Lohn der qualifizierten Arbeit, was im S-reichen Land eintrifft, nehmen die Kosten zur Entwicklung von Roboterkomponenten zu, ohne daß sich der Ertrag entsprechend steigert. Steigt aber der relative Lohn der unqualifizierten Arbeit, nehmen die Forschungserträge deutlich zu, während die im Labor wenig nachgefragte unqualifizierte Arbeit nur einen geringen Effekt auf die Kosten ausübt. Im zweiten Fall des L-reichen Landes werden damit durch den Handel auch ohne internationale Wissensdiffusion die Ressourcen wiederum in Richtung Forschung realloziert, was den Wachstumsprozeß fördert.
10.3.3 Langfristiges Gleichgewicht Im langfristigen Gleichgewicht ergibt sich in der Modellversion mit der wachsenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor aufgrund der ländermäßigen Skaleneffekte in der Forschung eine vollständige Arbeitsteilung im High-Tech-Sektor. Dabei sind zwei Fälle denkbar: Einmal ist es möglich, daß die relativen Faktorpreise im langfristigen Gleichgewicht ausgeglichen sind. Dann stellt das langfristig in der Forschung tätige Land neben Designs und High-Tech-Gütern auch traditionelle Produkte her, da diese zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden können. Sind nicht nur die relativen, sondern auch die absoluten Faktorpreise ausgeglichen, ist zudem die individuelle Wohlfahrt in beiden Ländern dieselbe. Sind die relativen Faktorpreise im langfristigen Gleichgewicht aber nicht ausgeglichen, wird das in der Forschung tätige Land keine traditionellen Güter produzieren, sondern sich im Bereich der High-Tech- Güter und der Produkt-Designs spezialisieren. 289
Vgl. dazu auch Gleichung (8.9).
274
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
In den Ländern mit dem anfänglich kleineren Wissensbestand schrumpft der Weltmarktanteil bei den High-Tech-Gütern im Zeitablauf gegen null. Es ist einleuchtend, daß in diesem Fall die Innovationsrate im langfristigen Gleichgewicht tiefer ist als in der Autarkie. 290 Für Länder mit kleinem anfänglichem Forschungssektor kann damit die Integration der Gütermärkte in dynamischer Hinsicht zu einer für sie unerfreulichen internationalen Arbeitsteilung führen. Dies ist eine aktuelle Anwendung des Argumentes von Graham291 im dynamischen Kontext, denn das Resultat entsteht genau dann, wenn die Größenvorteile auf die einzelnen Länder beschränkt sind. Wie groß die dynamischen Nachteile des Handels im Vergleich zu den statischen Vorteilen sind, ist damit allerdings noch nicht bestimmt. Ebenso ist darauf hinzuweisen, daß in der Modellversion mit der wachsenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor eine andere Spezialisierung durch Handel auftritt, da die Größenvorteile der Forschung nicht spezifisch den handelbaren High-Tech-Gütern zugute kommt, sondern einem Input-Faktor. Die genaue Form des langfristigen Gleichgewichts hängt dann von zusätzlichen Modellparametern ab.
10.4 Internationale Technologielücken Bisher wurde unterstellt, daß alle an der Integration beteiligten Volkswirtschaften die Möglichkeit haben, Innovationen hervorzubringen. Für die westlichen Industriestaaten und vor allem im europäischen Kontext ist dies eine zweckmäßige Annahme. Wird der Kreis der beteiligten Länder weiter gezogen, muß aber davon ausgegangen werden, daß gewisse Volkswirtschaften nicht in der Lage sind, selbst innovativ zu sein. Der Grund dafür liegt darin, daß das technische Wissen in diesen Ländern zu gering ist. In diesem Fall kann von einer technologischen Lücke zwischen den innovierenden und den übrigen Ländern gesprochen werden. Die nicht innovierenden Länder können aber die Fähigkeit haben, ausländische Designs unter einem gewissen Ressourceneinsatz zu kopieren beziehungsweise zu imitieren. Ebenso kann es sein, daß die Produktion älterer Produkte von den technisch führenden Ländern an andere Orte ausgelagert wird, weil dort die Produktionskosten tiefer sind. Diese Annahmen entsprechen der Vorstellung von Produkt-Zyklen, die in der neueren Außenhandels- und Wachstumstheorie verschiedentlich thematisiert wurden. 2 9 2 Dabei wird davon ausgegangen, daß der "Norden" der Erde neue Designs erfindet und der "Süden" der Erde bestehende De290 291
Vgl. dazu auch Grossman/Helpman (1991), 249. Vgl. Kapitel 6 und Graham (1923).
10. Integrierte Gütermärkte
275
signs teilweise zu kopieren vermag. Sobald die Imitation geglückt ist, stellt nur noch der Süden das entsprechende differenzierte Gut her, weil die Lohnkosten im Süden annahmegemäß tiefer liegen. In den Modellen der Technologielücken kann ein direkter Zusammenhang zwischen der Rate der Innovation im Norden und den Terms of Trade hergestellt werden: Je größer die Innovationsrate, um so höher ist der Wohlstand im Norden. Wenn die Produktion in den Süden verlagert wird, weil Designs vom Süden kopiert worden sind, verschlechtern sich für den Norden zwar die Terms of Trade, doch sinken auch die Preise der entsprechenden differenzierten Produkte, weil die Herstellungskosten im Süden tiefer liegen. Für den Norden ist der Nettoeffekt der internationalen Verlagerung der Produktion damit nicht eindeutig. Unterschiedliche Folgerungen ergeben sich in den neueren Nord-Süd-Modellen im Gegensatz zu früheren Beiträgen dadurch, daß die Innovationsrate im Norden entsprechend den Ausführungen von Kapitel 5 eine endogene Größe geworden ist.
Appendix zu Kapitel 10 Die Determinante für das Modell mit der wachsenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor ist:
gn
A = g
"
(c„c22-c32c21) + 0
+ P
+ eLg^SgC
(A c 2 I - A s c n )
(10.22)
12~hgC22)
Der Wert der Determinante ist minimal, wenn alle aNull sind. Dann gilt:
Vgl. dazu Krugman (1979), Grossman/Helpman (1989a) und (1991), 281 ff., sowie Segerstrom (1991). 292
276
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
A
= ¿ r
< esAz
p
+
•
Wsz)
d°-23)
Mit den angenommenen Faktorintensitäten ist dieser Ausdruck positiv, weil gilt: Sg
9
°Sx > 0 SZ
>
Sg/XLg
X
•
Sx/XLx
>
0
LZ > °Lx
•
X
>
Sg/XLg
X
°Lg '
>
^s/^L* >
SZ/?iLZ
X
SZ/XLZ
X
Die Determinante für das Modell mit der wachsenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor ist:
8m
A' = — ~ ( c n c 2 2 - c 1 2 c 2 1 ) am
+
Sg
6
r
(
~ C 13) C 2J _
+ (0Lj-D
(10.24)
SgCll)
X
(\X-C23)C22)
Der Wert der Determinante ist wieder minimal, wenn alle 0
Auch in der Modellversion der zunehmenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor erhöht die Migration der qualifizierten Arbeit die weltweite Wachstumsrate. Die Migration unqualifizierter Arbeit führt hingegen in dieser Modellversion eindeutig zu einer Verflachung des Wachstumspfades. Nach einer proportionalen Migration beider Qualifikationen nimmt die Wachstumsrate zu, falls für beide Arbeitsmärkte Vollbeschäftigung unterstellt wird. 299 Da für die unqualifizierte Arbeit in den beiden Modellversionen uneinheitliche Schlußfolgerungen resultieren, wäre es auch für diese Anwendung des Modells aufschlußreich, zu erfahren, wie
11. Integrierte Arbeitsmärkte
285
gewichtig in der Realität der technische Fortschritt in der Konsumgüterproduktion verglichen mit demjenigen in der Kapitalgüterproduktion ist. Bei der Analyse wurde unterstellt, daß hochqualifizierte Arbeitskräfte auch nach der Migration als solche eingesetzt werden. Aufgrund der Lohnanreize zwischen Niedrig- und Hochlohnländern kommt es aber in der Realität häufig vor, daß qualifizierte Arbeitskräfte nach der Migration in ihrem Zielland unqualifizierte Arbeit verrichten. Dann müssten beide Effekte, derjenige der abnehmenden weltweiten qualifizierten Arbeit sowie derjenige der zunehmenden unqualifizierten Arbeit, zueinander aufaddiert werden. Die Kombination der beiden Wirkungen schmälert die Aussichten auf eine positive dynamische Wirkung der Migration hochqualifizierter Arbeitskräfte.
11.3 Langfristiges Gleichgewicht mit nationaler Wissensdiffusion 11.3.1 Gütermärkte und Arbeitsteilung Sind die Wissens-Spillover auf das Gebiet einer einzelnen Volkswirtschaft beschränkt, spielt die Aufteilung der Ressourcen auf die drei Wirtschaftssektoren pro Land die wesentliche Rolle in bezug auf das Wachstum. Erhält z.B. ein Land durch Migration mehr Ressourcen, die für den Forschungssektor wichtig sind, kann es seine Wettbewerbsfähigkeit in der Produktion von Designs verbessern. Andererseits kann Immigration aber auch dazu führen, daß sich ein Land in der Konkurrenzkraft bei den handelbaren Gütern steigert, dabei aber dem Forschungssektor Ressourcen entzieht. Da die Spillover nicht mehr international übertragbar sind, müssen solche Effekte der ländermäßigen Ressourcenreallokation nun genauer untersucht werden. Jedes Land ist unter solchen Voraussetzungen selbst für die Akkumulation des Wissens und damit der inländischen Wachstumsrate verantwortlich. Im Anschluß an die modellmäßige Formulierung der Weltwirtschaft übernehmen wir in der Folge die Perspektive des Ziellandes der Migranten unter Berücksichtigung der gütermäßigen Interdependenzen mit dem Ausland. 300 Auf den Gütermärkten gilt im langfristigen Gleichgewicht gemäß den Ausführungen von Abschnitt 10.3, daß sich im ZweiLänder-Modell das eine Land auf die traditionelle Produktion speziali299 Bei Dolado et al. (1993) wirkt eine Immigration hingegen immer negativ auf das Gastland, weil ein Wachstumsmodell mit abnehmenden Grenzerträgen des Kapitals wie in der Neoklassik unterstellt wird; die höhere Qualifikation der Immigranten hilft aber auch in einem solchen Ansatz, die Wirkung insgesamt zu verbessern. 300 Die Darstellung in diesem Abschnitt folgt Bretschger (1993a).
286
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
siert, wenn die zunehmende Arbeitsteilung im Konsumgütersektor betrachtet wird. Deshalb wird in diesem Teil der Analyse des langfristigen Gleichgewichts unterstellt, daß Land A in allen drei Sektoren der abgebildeten Wirtschaft tätig ist, während sich Land ß auf die Herstellung von traditionellen Gütern beschränkt. Im nächsten Abschnitt wird dann der Fall der mittelfristigen Dynamik behandelt, in dem beide Länder alle drei Aktivitäten ausüben. Auf dem Weltmarkt bietet Land A in diesem Abschnitt die Mengen Y und ZA an, wobei Y wie bisher mit einem Ressourceneinsatz von X hergestellt wird. Die Anteile der auf den Wert Eins normierten weltweiten Ausgaben für die beiden Konsumgüter sind wieder als konstant angenommen und mit 0 für Y-Güter (beziehungsweise für den X-Bereich) und mit 1 - j für Z-Güter bezeichnet, so daß in diesem Abschnitt für das Gütermarktgleichgewicht gilt:
pAx-XA pz-
= ASZ(ZVS,W L) ASX(WA,WAL)
%
LA + MAL A •SN = SA + MAS
(«v
ASG(WA,WAL)
(11.10)
Die Arbeitsmarktgleichgewichte (11.10) können wie in den Kapiteln 5 und 10 unter der Berücksichtigung der Gütermarktgleichgewichte (11.8) und (11.9) sowie der Preis-Kosten-Relationen erweitert werden. Ebenso ist als dritte Relation das Kapitalmarktgleichgewicht (8.8) zu verwenden. Durch Differenzieren erhalten wir das folgende System:
1"
WL
1
ws .
M\ =
M'S 0
-
(11.11)
= -X, N
6C A -X17DC7A7-X,
LX Sx X
LZ
SZ
8C A -A, 6, - ( A , LG SG G
Z
LX LX
V
7
) / S
LZ LZ'
A 7
Z
D12
= KXQSXAX + XLZESZAZ
+
KG%AG-KX6SX-^LZQSZ^/SAZ
D21
= XSXELX°X + XSZDLZAZ +
XS DL A -HXDLX-(XSZDLZ)/SZ S G G
D22
=
-HXELXAX-HZELZAZ-KSXELGAG-XSX6SX-^SZESZ^/SZ
288
III. Integration auf Güter- und Faktormärkten
M ' l s bezeichnet wieder die prozentualen Änderungen der inländischen Arbeitsmengen, die aufgrund der Migration zustande kommen. An der Immigration niedrigqualifizierter Arbeit lassen sich die im Modell abgebildeten Zusammenhänge ausführlich erläutern. Die errechnete Beziehung für die komparative Dynamik ist:
in = l lhAMt-V
+XSZdL
Z(°Z-
1/Sz)
A>0
Mit den üblichen Annahmen zu den Faktorintensitäten der drei Sektoren ist die Determinante eindeutig positiv; siehe den Appendix zu diesem Kapitel. Offensichtlich kann der Ausdruck (11.12) beide Vorzeichen annehmen, wobei die "Null-Grenze" beim ersten und beim dritten Klammerausdruck dann erreicht wird, wenn der Wert der Substitutionselastizität gleich eins ist; beim mittleren Ausdruck in der Klammer liegt die Grenze für die Substitutionselastizität beim Reziprokwert des inländischen Marktanteils auf dem Weltmarkt. Falls die Klammerausdrücke negativ werden, muß ihre Größe mit der Eins am Ende des Multiplikators verglichen werden. Die ökonomische Analyse dieses mathematischen Ergebnisses zeigt, daß die dynamische Wirkung der Immigration in dieser Modellversion von der ausgelösten Kostenänderung im Forschungssektor abhängt. Wenn als Folge der Immigration unqualifizierter Arbeit zusätzliche Ressourcen, d.h. hochqualifizierte Arbeitskräfte, aus dem Forschungsbereich abfließen, erhöhen sich die Löhne der qualifizierten Arbeit und damit die Wahrscheinlichkeit, daß die Forschung teurer und das Wachstum geringer wird. Wenn im Gegenteil als Folge der Immigration zusätzliche hochqualifizierte Arbeitskräfte aus der laufenden Produktion frei werden, sinken die Löhne der qualifizierten Arbeit, die Forschung wird billiger, und die Wachstumsrate steigt. Um herauszufinden, welcher Fall zutrifft, sind die ausgelösten Substitutionseffekte mit den Output-Effekten zu vergleichen. Die Substitutionseffekte zwischen tief- und hochqualifizierter Arbeit werden hier sektorweise mit dem Parameter o gemessen. Der Output-
11. Integrierte Arbeitsmärkte
289
Effekt ist für die beiden Sektoren mit handelbaren Gütern verschieden. Weil die Weltausgaben für High-Tech-Güter beziehungsweise die Entschädigung für differenzierte Zwischenprodukte über die Nutzenfunktion und die Wahl des Numéraires fixiert sind, führt ein einprozentiger Anstieg des Preises für differenzierte Güter zu einer einprozentigen Abnahme der Nachfrage nach Zwischenprodukten, die ausschließlich in Land A hergestellt werden. Damit gelangen wir zur Aussage, daß der Substitutionseffekt in diesem Sektor größer ist als der Output-Effekt, wenn die Elastizität der Substitution den Wert Eins übersteigt, d.h. 1. Für traditionelle Güter ist der Output-Effekt hingegen größer als eins. Falls Land A im Extremfall eine kleine offene Volkswirtschaft ist, verändert sich der Preis des Z-Gutes nach der Immigration nicht, d.h. A kann zu konstantem Preis beliebige zusätzliche Mengen an den Weltmarkt verkaufen. Ist Land A eine sehr große Volkswirtschaft, liegt der OutputEffekt in der Nähe von eins wie im X-Sektor. Für alle Fälle dazwischen gilt, daß der Output-Effekt gleich dem Reziprokwert des inländischen Weltmarktanteils ist. Der Substitutionseffekt ist damit bei den Z-Gütern erst größer als der Output-Effekt, wenn gilt a z > 1 / s z A . Sind die Elastizitäten der Substitution in der Produktion zu klein, verlangt die laufende Produktion mit zusätzlichen niedrigqualifizierten Migranten mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte aus der Forschung. Im Extremfall der limitationalen Produktionsfunktion muß notwendigerweise hochqualifizierte Arbeit in Richtung laufende Produktion umverteilt werden, da die fixen Einsatzverhältnisse keinen anderen Weg offenlassen. Bei einer großen Substitutionselastizität kann hingegen im traditionellen Sektor hochqualifizierte Arbeit zugunsten von niedrigqualifizierter Arbeit eingespart werden; damit ist zusätzliche hochqualifizierte Arbeit für die Forschung freigestellt. Als nächstes soll die Frage beantwortet werden, ob sich bei der Migration der qualifizierten Arbeit in dieser Modellversion ebenfalls eine Abhängigkeit von der Größe der Modellparameter ergibt. Die Relation ist:
L y ALi. .0,. /L /X, Sg Lg Sx Lx
> QrLg ',
Ol 1 LZ
>
, '
Xr /X. > Sg Lg
Lx
Sx
/ArLx ^ X SZ f ry / À, r ^ LZ
A ,/X, SZ r LZ
In der mittelfristigen Dynamik ändert sich das Vorzeichen nicht, da der X-Sektor analog zum Z-Sektor behandelt werden kann. Die Determinante für das Modell mit der wachsenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor ist:
11. Integrierte Arbeitsmärkte
A'
=
om
^
r
r
J
+ {eLg-i)
d
n
d
2
2
(
1
299
1
-
2
4
)
aSgdu-aLrd13)d22)
Der Wert der Determinante ist wieder minimal, wenn alle er Null sind. Dann gilt:
A
' =
A +
+ (¿13- V
(1L25)
a s * 0 s * + *sz 0 sz)
+ d139Sg(XSxeLx + Xsz9LZ) Auch diese Determinante ist positiv, da A gemäß (11.23) positiv ist und Forschung und Entwicklung ökonomisch nur dann sinnvoll ist, wenn di3
> Kz gUt
300
IV. Schlußfolgerungen
12. Kapitel Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
12.1 Dynamik in fünf Stufen Die vorliegende Studie analysiert die langfristigen Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration auf der Basis eines dynamischen makroökonomischen Integrationsmodells. Daraus resultiert, daß eine Integration von verschiedenen Ländern in einem gemeinsamen Binnenmarkt gewichtige ökonomische Auswirkungen auf die beteiligten Volkswirtschaften hat, die in den "offiziellen" Berichten zum europäischen Binnenmarkt nicht aufgeführt wurden. Eine Liberalisierung der Märkte bewirkt nicht nur einen einmaligen Niveaueffekt im gesamtwirtschaftlichen Einkommen, sondern beeinflußt ebenso die langfristigen Entwicklungschancen. Der Weg des Überganges von der statischen Betrachtung der Integration hin zur hier verwendeten Dynamik kann vereinfachend in fünf Stufen eingeteilt werden, die in diesem ersten Abschnitt rekapituliert werden. Der Reihe nach werden dabei die Elemente der induzierten Kapitalbildung, des endogen bestimmten Wachstumspfades, der mehrsektoralen Betrachtung, der Außenhandels- und Konjunkturaspekte sowie der verschiedenen Arten des technischen Fortschritts entwickelt. Eine erste Stufe der dynamischen Betrachtung besteht darin, zusätzlich zur komparativen Statik die durch die Integration induzierte Kapitalbildung zu berücksichtigen, und zwar vorerst nach der Vorlage des neoklassischen Wachstumsmodells. In der traditionellen neoklassischen Wachstumstheorie induziert eine Verbesserung der statischen Effizienz eine zusätzliche Kapitalbildung und bewirkt damit in der mittleren Frist eine gegenüber dem Ursprungseffekt vergrößerte Einkommenssteigerung. Dieser mittelfristige "Wachstumsbonus" ergibt sich in direkter Proportion zum ursprünglichen Niveaueffekt, der in den offiziellen Studien
12. Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
301
zum europäischen Binnenmarkt - wie ausgeführt - eher großzügig veranschlagt wurde. Allerdings hat der neoklassische Ansatz zwei entscheidende Nachteile: Er zeigt sich erstens agnostisch bezüglich des langfristigen Wachstums und insbesondere in bezug auf den technischen Fortschritt, und er beruht zweitens in der Grundausführung auf einer Ein-Sektoren-Wirtschaft. Darüber hinaus werden mit dieser Theorie meist nur geschlossene Volkswirtschaften behandelt, so daß sich keine Aussagen über die internationale Arbeitsteilung und deren Veränderungen ergeben. Schließlich wird von zyklischen Schwankungen in den Akkumulationsbedingungen der Produktionsfaktoren meist abstrahiert. Aus diesen Gründen erscheint es zweckmäßig, die für eine umfassende Integrationsanalyse wichtigen Elemente der neueren Wachstums-, Außenhandels- und Konjunkturtheorie zu ergänzen. Im Hinblick auf das allgemeine Ziel der Untersuchung wird dazu in einer zweiten Stufe die neoklassische Annahme des abnehmenden Grenzertrages des Kapitals aufgegeben. Langfristiges Wachstum ist damit nicht mehr wie in der traditionellen Wachstumstheorie von außen vorgegeben, sondern resultiert aus den vorsätzlichen Handlungen von Wirtschaftssubjekten, die unter Marktbedingungen optimieren und Kapitalbestände akkumulieren. Im Vordergrund steht dabei die Zunahme des Faktors Wissen. Die Tatsache, daß bestimmte Tätigkeiten in einer Volkswirtschaft die aggregierte Wissensbasis erhöhen und daß diese Basis wiederum produktiv ist für nachfolgende wirtschaftliche Aktivitäten, kann als empirisch gesichert gelten. Deshalb ist es aus einer wissenschaftstheoretischen Effizienzüberlegung aufgrund der heutigen theoretischen Grundlagen zweckmäßig, diese Treibkraft der langfristigen Wirtschaftsentwicklung in die Theorie aufzunehmen. Es kann empirisch belegt werden, daß die Lerneffekte, die zur Wissensakkumulation führen, nicht in allen Bereichen der Wirtschaft gleich groß sind. Besonders die innovativen Tätigkeiten gelten zu Recht als sehr lernintensiv. Deshalb ist in einer dritten Stufe der Übergang zur Verwendung von Modellen mit mehreren Sektoren angezeigt. Die Wissensakkumulation ist damit abhängig vom gesamtwirtschaftlichen Ausmaß derjenigen Tätigkeiten, die positive Lerneffekte beziehungsweise Wissens-Spillover hervorbringen. Das modellmäßig abgebildete Wachstum ist über die positiven Externalitäten direkt von der herrschenden Wirtschaftsstruktur abhängig; diese Struktur wird in der nationalen und internationalen Arbeitsteilung bestimmt. Ein dynamisch verstärkendes Element besteht in diesem Bereich in der internationalen Wissensdiffusion. Die Bedeutung von positiven Spillovern wirkt sich nicht nur im Wachstum, sondern auch im Außenhandel aus. In den internationalen
302
IV. Schlußfolgerungen
Beziehungen sticht nämlich die Tatsache hervor, daß Länder besonders mit denjenigen Ländern intensiv Handel treiben, die eine relativ ähnliche Faktorausstattung haben. Handel ergibt sich deshalb nicht nur aus dem traditionellen Motiv der ländermäßig unterschiedlichen Ausstattung mit Produktionsfaktoren, sondern vor allem auch aus dem Motiv der Spezialisierung der einzelnen Länder in gewissen Bereichen aufgrund von Größenvorteilen. Diese Vorteile beziehungsweise Skaleneffekte in der Produktion basieren ebenfalls auf positiven Spillovern. Deshalb spielen die Spillover nicht nur in der neueren Wachstumstheorie, sondern auch in der neueren Außenhandelstheorie eine wichtige Rolle. Des weiteren sind konjunkturelle Schocks und Verstärkermechanismen dafür verantwortlich, daß die Faktorakkumulation nicht geradlinig verläuft, sondern von den Zyklen abhängig ist. Die Ergänzung des mehrsektoralen Wachstumsmodells um die internationalen und zyklischen Aspekte macht deshalb die vierte Stufe der Entwicklung der Dynamik aus. Die fünfte und letzte Stufe handelt von der differenzierten Modellierung der für die Wissensakkumulation maßgebenden Größe: der Rentabilität von Investitionen in den innovativen Bereichen. Im verwendeten Modell ist dieser Bereich die Forschung. In der ersten der hier verwendeten Modellversionen ist der aggregierte Forschungsertrag über die verschiedenen Modellannahmen fixiert, hingegen sind die Kosten in den Forschungslabors endogen bestimmt und für den Wachstumspfad verantwortlich. In der zweiten Modellversion hängt auch der Forschungsertrag von den Modellparametern ab; er ist zusammen mit dem Forschungsaufwand für die langfristige Entwicklung bestimmend. Da die Rentabilität der innovativen Tätigkeiten der Schlüssel für die in dieser Weise abgebildete langfristige Wirtschaftsentwicklung ist, sollten beide Modellversionen für die Schlußfolgerungen angemessen berücksichtigt werden. Zur Analyse der fünf genannten Stufen wurde die Frage der wirtschaftlichen Integration in dieser Arbeit wie folgt behandelt: • In Teil I wird nach Darlegung der Grundzüge der Problemstellung im einzelnen begründet, weshalb die in der Literatur und der politischen Beratung verwendeten Berechnungen zu den erwarteten Niveaueffekten der Integration zwar theoretisch wertvoll sind, aber keinen Anspruch auf große Genauigkeit erheben sollten. Darüber hinaus wird in verschiedener Weise auf die Bedeutung von Wachstumsprozessen und deren Beeinflussung durch die Integration hingewiesen. • Teil II umfaßt die theoretischen Grundlagen zur Bestimmung endogener Wachstumsmechanismen; besonderes Augenmerk wird auf den Einbau von Forschung und Entwicklung in die formale Makrotheorie gerichtet. Anschließend findet die Einbettung der dabei hergeleiteten Struktur in die Außenhandelstheorie statt. Die zyklischen Mengenbe-
12. Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
303
wegungen auf dem Arbeitsmarkt und ihr Einfluß auf die langfristige Entwicklung bilden einen weiteren Schwerpunkt. • In Teil III liegt die Synthese der integrationsrelevanten Modellteile in einem umfassenden Makromodell vor. Mit Hilfe dieses Theorierahmens lassen sich die folgenden Einflußkanäle der wirtschaftlichen Integration auf die langfristige Wirtschaftsentwicklung im folgenden Schema abhandeln: Einfluß der internationalen Wissensdiffusion, der Gütermarktintegration sowie der Arbeitsmarktintegration. Die daraus gewonnenen Ergebnisse werden in der Folge der Reihe nach kommentiert. Detailliertere Ergebnisse finden sich in den betreffenden Kapiteln 9-11. Die Integration der Kapitalmärkte ist im Modell ebenfalls berücksichtigt, allerdings in einer nicht unbedingt üblichen Form. Da im Modell kein physisches Kapital abgebildet wird, verbleiben einerseits die Forschung beziehungsweise die Designs und andererseits die im Hintergrund angenommenen Bonds als Anlageformen. Bonds können annahmegemäß von allen Anlegern erworben werden, ohne Rücksicht auf ländermäßige Restriktionen. Da Bonds kein volkswirtschaftliches Kapital darstellen, sollte allerdings in diesem Fall besser von einer Integration der Finanzmärkte gesprochen werden. Die Investitionen in die zweite Anlageform, die Forschung, führen über die positiven Spillover zum Aufbau des eigentlichen Kapitalbestandes des Modells, des Faktors Wissen. Die Mobilität dieses Faktors bildet den Inhalt von Kapitel 9 und dem folgenden Abschnitt.
12.2 Internationale Übertragung von Wissen In der älteren und in der Neuen Wachstumstheorie ist das volkswirtschaftliche Wachstum entscheidend von der zeitlichen Zunahme des allgemeinen Wissensstandes abhängig. Die positiven Spillover, die gemäß der neueren Theorie zur fortschreitenden Akkumulation von Wissen führen, sind empirisch nachvollziehbar und in der Modellogik konsistent mit einem anhaltenden Wachstum der totalen Faktorproduktivität. Die wirtschaftliche Entwicklung ist damit zu einem guten Teil durch die Funktionsweise der inländischen Märkte und Institutionen bedingt. Wie in jedem ökonomischen Modell wird die kontinuierliche Erhöhung des Wissens in der inländischen Wirtschaft durch eine bestimmte Anzahl von analytischen Relationen mit endogenen und exogenen Variablen determiniert. Mit der Betonung der Wissensbildung für die dynamische Wirtschaftsentwicklung wird es offensichtlich, daß im Rahmen der Integration den internationalen Wissens-Spillovern eine wichtige Rolle zu-
304
IV. Schlußfolgerungen
kommt. Je mehr von den Aktivitäten aus dem Ausland gelernt werden kann, um so größer ist die für das inländische Wachstum relevante Ressourcenbasis beziehungsweise die Produktivität der Ressourcen; im Ausmaß der Lernmöglichkeiten und -fähigkeiten des Inlandes können die ausländischen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie andere innovative und investive Tätigkeiten zur inländischen Wissensbasis beitragen. Im Gegensatz zur Ausstattung mit Primärfaktoren ist die Akkumulation von Wissen ein unbegrenzter Skaleneffekt, der stetig dazu beiträgt, die Kosten für die Produktion zu senken beziehungsweise den Konsumnutzen für die Haushalte zu erhöhen. Entsprechend dieser theoretischen Grundlage hat die Theorie zur wirtschaftlichen Integration im Hinblick auf die langfristigen Entwicklungschancen in der internationalen Wissensdiffusion einen ersten Schwerpunkt. Die genaue Form der Wissensübertragung ist dabei fallweise unterschiedlich. Die Vermittlung tritt beispielsweise in gemeinsamen Forschungsprojekten und im internationalen Austausch von Arbeitskräften auf. Überdies ist sie eng mit dem internationalen Austausch von Gütern und Dienstleistungen verbunden, da dieser die Lerneffekte über die Landesgrenzen fördert. Alle genannten Faktoren tragen dazu bei, Umwege in der Forschung zu vermeiden, die Übersetzbarkeit der Forschungsergebnisse zu erleichtern und die international unterschiedlichen Voraussetzungen von Anfang an in die Forschungsstrategien einfließen zu lassen. Durch den intensiveren Austausch von Erfahrungen kann sich eine Konvergenz der nationalen Entwicklungspfade ergeben. Da jedoch ein Land nicht Wissen verlieren kann, findet für die hochentwickelten Volkswirtschaften bezüglich dieses Wachstumsantriebes keine Nivellierung nach unten statt. Dies unterscheidet die Wissensdiffusion von den Ausführungen der beiden folgenden Abschnitte. Da sich im Falle Europas das Problem der internationalen Technologielücken nicht in gravierendem Ausmaß stellt, sollten auch die mit technischen Imitationen verbundenen Wohlfahrtsverluste durch Terms-of-trade-Effekte in diesem Zusammenhang nicht überbetont werden. Im Gegenteil sind gerade in einem Binnenmarkt die Voraussetzungen für die Festlegung allgemeingültiger gesamtwirtschaftlich produktiver Regelungen des Anrechts an geistigem Eigentum sehr günstig. Im Zusammenhang mit dem Güterhandel gilt in der Integration die Aussage, daß eine möglichst große Durchlässigkeit des Wissens innerhalb eines Binnenmarktes eine für alle beteiligten Länder zweckmäßige Arbeitsteilung fördert. Im Gegenzug verursacht die Isolierung einer Volkswirtschaft bezüglich Wachstum dann die größten Kosten, wenn die internationalen Informationskanäle dünner werden oder teilweise sogar ganz verschwinden. Ein maximaler Informationsfluß ist der beste Garant dafür, daß sich die stetig wandelnde internationale Arbeitsteilung nicht
12. Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
305
zuungunsten einzelner Länder auswirkt. Inwiefern bilaterale Abkommen bezüglich Wissensdiffusion ähnliche Wirkungen zeigen wie ein Binnenmarktprogramm, hängt vor allem von den jeweiligen institutionellen Regelungen ab. Tatsache bleibt, daß Gebietskörperschaften mit den insgesamt kleineren Forschungskapazitäten den größeren Anreiz für eine maximale internationale Wissensübertragung bieten als die übrigen Regionen und Länder, da sie im Falle der Isolierung Gefahr laufen, die notwendige kritische Masse in der Forschung nicht mehr zu erreichen.
12.3 Integration der Gütermärkte Die im vorhergehenden Abschnitt analysierte Wissensdiffusion ist in der Realität oft mit der Gütermarktintegration verbunden, da Handelskontakte meist auch einen Wissensaustausch mit sich bringen. Im Falle von international gemeinsamen Forschungsprojekten und bei ähnlichen Vorhaben ist die Wissensvermittlung aber nicht direkt an den Güteraustausch geknüpft. Im vorliegenden Modell besteht der eigenständige, von den internationalen Spillovern losgelöst operierende Beitrag der Gütermarktintegration zur langfristigen Wirtschaftsentwicklung in der Verhinderung von Redundanz in denjenigen Aktivitäten, die positive Externalitäten hervorbringen. Durch Handel werden damit die Anreize für Gewinne in der Forschung in eine vorteilhafte Richtung gesteuert. Durch diesen positiven Skaleneffekt erhöht sich die Wachstumsrate der an einer wirtschaftlichen Integration beteiligten Volkswirtschaften. Im Rahmen der monopolistischen Konkurrenz auf den Gütermärkten erbringt eine Verpflichtung zum Freihandel beziehungsweise eine Verstärkung des Freihandels eine Fülle von positiven Niveaueffekten. Diese stellen sich allerdings nur ein, wenn die differenzierten Güter international gehandelt werden, was in der Realität oft der Fall ist, im Modell aber zuerst sichergestellt werden muß. Die Wirkung eines verstärkten Wettbewerbs hat in der dynamischen Perspektive des verwendeten Integrationsmodells unterschiedliche Auswirkungen, je nach dem Sektor, in dem sich die Wettbewerbsintensität verändert. Verstärkt sich der Wettbewerb im dynamisch zentralen Forschungsbereich, wird die Forschung effizienter, und die Wachstumsrate der Wirtschaft steigt. Erhöht sich die Intensität der Konkurrenz aber im Sektor der differenzierten Güter, in dem die Gewinne anfallen, sinken die Forschungsanreize, und die Wachstumsrate sinkt. Dieser zweite Effekt ist im Licht empirischer Erfahrungen durchaus plausibel. Zu betonen ist, daß es sich hierbei um die erwarteten Gewinne in innovativen Sektoren handelt und nicht um bestehende Abschottungen und Marktabgrenzungen in standardisierten Märkten.
306
IV. Schlußfolgerungen
Im letzteren, rein statischen Fall prognostiziert jede ökonomischen Theorie Wohlfahrtsgewinne durch einen schärferen Wettbewerb. Den Skaleneffekten der Wissensakkumulation, die sich durch die internationalen Kontakte verstärken, steht bei vermehrtem Freihandel in gewissen Fällen der Effekt der Ressourcenreallokation gegenüber. In diesem Teil führt die Theorie zu einer mikrotheoretisch fundierten Fortführung älterer Ansätze, die beim Vorliegen von positiven Skaleneffekten auf mögliche Wohlfahrtsverluste durch Freihandel hingewiesen haben. Eine negative Wirkung von der sektoralen Neuzuteilung der Ressourcen kann insbesondere dann zum Problem werden, wenn das Inland über viel hochqualifizierte Arbeit verfügt und die Integration mit Ländern stattfindet, die nur sehr wenig qualifizierte Arbeit haben. Offensichtlich ist dieser Reallokationseffekt viel relevanter für die USA und das NAFTA-Abkommen als für den europäischen Wirtschaftsraum, da der Qualifikationsgrad der Arbeit in Europa trotz Vorbehalten als homogener einzustufen ist. Zu unterscheiden sind im Modell die Fälle der vollständigen und der unvollständigen internationalen Wissensdiffusion. Sind die internationalen Wissens-Spillover annähernd so vollständig verbreitet wie die inländischen, ergibt sich eine internationale Arbeitsteilung gemäß dem kompararativen Vorteil in der relativen Faktorausstattung; die Wachstumsraten im Forschungssektor gleichen sich international an. In der Modellversion der wachsenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor ist die Gefahr eines nachteiligen Freihandels mit Gütern gebannt, wenn die Substitutionselastizität zwischen qualifizierter und unqualifizierter Arbeit größer als eins ist. Dann ist die Wachstumsrate im integrierten Wirtschaftsraum mindestens so groß wie in der Autarkie. Der geforderte Wert für die Elastizität ist in der längeren Frist nicht unplausibel, kann aber nicht als empirisch gesichert gelten. In der Modellversion der wachsenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor spielt diese Elastizität nicht mehr dieselbe Rolle. Während die güterwirtschaftliche Integration mit Ländern, die über relativ viel hochqualifizierte Arbeit verfügen, immer noch dynamische Vorteile bringt, ist der vermehrte Freihandel mit Ländern, die relativ viel unqualifizierte Arbeit aufweisen, nicht vorteilhaft. Der Lohndruck bei der unqualifizierten Arbeit senkt hier die Anreize für den arbeitsparenden Fortschritt und damit den Wachstumspfad gegenüber der Autarkie. Falls die internationale Wissensdiffusion unvollständig bleibt, sind für die Ressourcenreallokation und damit für das Wachstum zusätzliche Faktoren von Bedeutung. Nach einer Gütermarktintegration spezialisiert sich ein Land auch in diesem Fall vermehrt auf die handelbaren Aktivitäten mit dem eigenen komparativen Vorteil, die handelbaren Tätigkeiten mit einem komparativen Nachteil werden abgebaut. Der Charakter von Forschung und Entwicklung ändert sich aber unter diesen Umständen,
12. Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
307
weil das Wissen ein rein nationales Gut ist, im Modell also einem nichthandelbaren Gut gleichgesetzt werden kann. Wenn die positiven Externalitäten in ihrem Wirkungsradius weitgehend auf das Inland beschränkt bleiben, ist das im integrierten Gütermarkt etablierte Gleichgewicht abhängig vom inländischen Aktivitätsniveau in den Tätigkeiten, die positive Spillover verursachen. Das inländische Wachstum hängt im verwendeten Modell entscheidend davon ab, wie viele Ressourcen das Inland selbst in die Forschung steckt und - vor allem - wie sich dieser Ressourceneinsatz in der Folge einer Verstärkung des Freihandels verändert. Falls die Wissensdiffusion international markant schwächer ist als im nationalen Umfeld, verändert die Zulassung von Freihandel die internationale Arbeitsteilung dergestalt, daß sich in der langen Frist ausgeprägte Spezialisierungen in der Produktion ergeben. Die in den innovativen Sektoren führenden Länder vermögen ihre relative Position in der Forschung und im High-Tech-Bereich ständig zu verbessern, während die nachfolgenden Länder aufgrund der fehlenden oder zu schwach ausgebildeten Skaleneffekte in denselben Sektoren immer unbedeutender werden. Die Tatsache, daß sich in der internationalen Arbeitsteilung starke Wohlstandsunterschiede zwischen den Ländern herausbilden oder festigen können, wird in der hier verwendete Modellstruktur besonders deutlich, wenn die internationale Wissensdiffusion als schwach ausgebildet angenommen wird. Erweisen sich die Instrumente zugunsten einer besseren Wissensdiffusion als beschränkt, stellt sich für die Wirtschaftspolitik die Frage nach weitergehenden Maßnahmen. Nach wohlfahrtstheoretischem Maßstab sind externe Effekte in einer Wirtschaft generell soweit als möglich zu internalisieren. Das gilt im dynamischen Kontext insbesondere für diejenigen Bereiche, die positive Wissens-Spillover produzieren. Eine allgemeine Verbesserung der Rahmenbedingungen für diese Sektoren stellt sich für die Politik in vielen Fällen als bessere Variante heraus als die Unterstützung konkreter Projekte durch den Staat, da die Informationen über zukünftige Marktentwicklungen um so schwieriger zu beschaffen sind, je weiter die Entscheidungsträger vom Marktgeschehen entfernt sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß gemäß dem verwendeten Modell die Spezialisierung in gewissen innovativen Bereichen nicht unter allen Umständen ein vorrangiges Ziel der Wirtschaftspolitik darstellt. Gewinnen nämlich in der längeren Frist die Kräfte, die auf einen Ausgleich der Faktorpreise wirken, die Oberhand, sind mit einer Spezialisierung in sogenannten weniger zukunftsträchtigen Sektoren keine wirtschaftlichen Nachteile verbunden. Über den internationalen Güteraustausch werden dann nämlich die Vorteile der zunehmenden Wissensakkumulation an alle Länder weitergegeben, und die Kaufkraft konvergiert innerhalb des gemeinsamen Wirtschaftsraums aufgrund der
308
IV. Schlußfolgerungen
Annäherung an den Faktorpreisausgleich. Die Bedingungen für diese Angleichungen sind allerdings fallweise sehr genau zu untersuchen. Gerade auch aufgrund der theoretischen Analyse darf nämlich nicht übersehen werden, daß bei unvollständigen internationalen WissensSpillovern Spezialisierungsmuster entstehen können, die eine Gleichheit der Faktorpreise nicht fördern, sondern ihr entgegenwirken. Darüber hinaus ist es nicht unbedingt realistisch, anzunehmen, daß die internationale Wissensdiffusion bis hin zum langfristigen Gleichgewicht praktisch unwirksam ist. In der mittleren Frist ist es wieder die Elastizität der Substitution zwischen den beiden Arbeitsfaktoren, die eine ungünstige Ressourcenreallokation und damit eine Verschlechterung der Wachstumsbedingungen zu verhindern vermag.
12.4 Integration der Arbeitsmärkte Aus dem vorliegenden makroökonomischen Integrationsmodell ergeben sich auch in bezug auf die Integration der Arbeitsmärkte beziehungsweise für die Migration der Arbeit intuitiv plausible Ergebnisse. Für die Interpretation steht wiederum grundsätzlich die Feststellung im Vordergrund, daß sich die Theorie auf die Existenz von positiven Spillovern stützt. Deshalb führen die freien Marktprozesse und die Annahme optimierender Wirtschaftssubjekte in einem integrierten Wirtschaftsraum im allgemeinen nicht zu einer optimalen Wachstumsrate insgesamt oder in einzelnen Regionen. Ebensowenig ist die Migration für die beteiligten Länder und Regionen automatisch vor- oder nachteilig. Auch eine flexible Technologie mit hohen Substitutionselastizitäten ist nicht generell ausreichend für die Garantie positiver dynamischer Wirkungen der Migration. Die konkreten Aussagen hängen von der verwendeten Modellversion und von bestimmten Parameterwerten ab, die empirisch ermittelt werden können und zur Kalibrierung verwendbar sind. Bei vollständiger internationaler Wissensdiffusion sind die Folgen einer Migration analog zur Integration der Gütermärkte zu analysieren. Stärkere Konsequenzen hat die Integration der Arbeitsmärkte unter der Modellannahme, daß keine internationale Wissensdiffusion beobachtet werden kann. In der ersten Modellversion der zunehmenden Arbeitsteilung im Konsumgütersektor ergibt sich im langfristigen Gleichgewicht für die technologisch führenden Länder ein Problem im traditionellen Sektor. Das führende Land kann nach einer Immigration seine Exporte bei diesen Gütern um so leichter ausbauen, je kleiner sein Marktanteil ist. Die Reallokation der Ressourcen weg vom Forschungssektor ist nach der Immigration unqualifizierter Arbeit zu erwarten, falls die Elastizität der Substitution zwi-
12. Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
309
sehen hoch- und tiefqualifizierter Arbeit kleiner ist als der Reziprokwert des Marktanteils auf dem Weltmarkt. Derselbe Effekt trifft gemäß dem verwendeten Modell in der mittelfristigen Dynamik für den Sektor der High-Tech-Güter zu. Die Elastizitäten der Substitution zwischen hoch- und niedrigqualifizierter Arbeit sind gemäß der empirischen Literatur größer als null, werden im allgemeinen aber nicht als allzu groß angenommen. Für den Produktionsanteil des Inlandes auf den Weltmärkten stellt sich das Abgrenzungsproblem des relevanten Marktes. Die Parameterkonstellation mit einer Substitutionselastizität, die kleiner ist als der Reziprokwert des Produktionsanteils des Inlandes auf den Weltmärkten, dürfte für viele Länder relevant sein. Es ist zu überlegen, inwiefern eine noch weiter desaggregierte, branchenweise Betrachtung zweckmäßig wäre. Eventuell ist auch eine Betrachtung für verschiedene Zeitabschnitte interessant, denn es scheinen hier bestimmte Unterschiede zu bestehen. Schließlich wäre es auch aufschlußreich, eine größere Zahl von Produktionsfaktoren, wie beispielsweise die lokalen öffentlichen Güter, einzubeziehen, was allerdings den technischen Aufwand noch weiter vergrößern würde. In der Modellversion der zunehmenden Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor sind die Aussagen bezüglich Immigration eindeutig und unabhängig von Parameterkonstellationen. Weil die in dieser Version unterstellte Kapitalform perfekt mit der unqualifizierten Arbeit substituierbar ist, bringt die Immigration unqualifizierter Arbeit dynamische Nachteile; das Umgekehrte ist für die hochqualifizierte Arbeit zu sagen. Übereinstimmend mit der ersten Modellversion ist die gleichmäßige Immigration beider Qualifikationsstufen positiv für die inländische Wachstumsrate. Als qualitatives Resultat des Modells ergibt sich generell, daß die Einwanderung qualifizierter oder hochqualifizierter Arbeit bezüglich Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit positiver zu beurteilen ist als die Immigration niedrigqualifizierter Arbeit, daß aber auch die gleichmäßige Einwanderung günstiger abschneidet als die Immigration niedrigqualifizierter Arbeit allein. Sobald die Idee der positiven Spillover für Forschung und Entwicklung akzeptiert wird, scheint dies ein einleuchtendes und robustes Resultat zu sein. Tatsächlich wird die Hypothese der positiven Externalitäten des Humankapitals oder der humankapitalintensiven Tätigkeiten weitherum akzeptiert und durch empirische Befunde in internationalen Querschnittsanalysen gestützt. Was mit diesem Beitrag zur Arbeitsmarktintegration vorliegt, ist zum einen eine Bestätigung der Kritik an den restriktiven Einwanderungsbestimmungen für qualifizierte Arbeit auf der Grundlage der neuen Entwicklungen in der Makrotheorie. Zum andern aber zeigt sich in der vorliegenden Analyse vor allem, daß die Tragweite des Bildungsaspektes
310
IV. Schlußfolgerungen
in der Migrationsfrage bedeutend ist, da direkt der Wachstumspfad der beteiligten Volkswirtschaften beeinflußt wird. Mit den Schlußfolgerungen ist keine Empfehlung zur Diskriminierung bei der Einwanderung verbunden; im Gegenteil wäre es angemessen, heute bestehende Behinderungen bei der Immigration hochqualifizierter Arbeit abzubauen. Zusätzlich sind sogar Anreizschemen für gewisse hohe Qualifikationen aus dem Ausland aus gesamtwirtschaftlicher Sicht durchaus prüfenswert. Dies ist für hochentwickelte Volkswirtschaften noch aus einem anderen Grund interessant: Nach Maßgabe der komparativen Vorteile im internationalen Wettbewerb haben diese nämlich in den Ausbildungsprozessen eine zusätzliche Chance in der internationalen Arbeitsteilung. Da auch Bildungsprozesse mit positiven Spillovern durchsetzt sind, hat dieser komparative Vorteil sogar einen Selbstverstärkereffekt. Auch die kürzerfristige, zyklische Ein- und Auswanderung hat Auswirkungen auf das volkswirtschaftliche Wachstum. Wie bei der permanenten Wanderung gilt auch hier der Qualifikationsaspekt. Im Falle der Auswanderung aus konjunkturellen Gründen ist allerdings das Resultat bezüglich Wachstum nicht unbedingt symmetrisch zur Einwanderung, da in Rezessionen Rationierungen und Unsicherheit die Investitionen in Forschung und Entwicklung stark behindern können. Zudem sind die in der zyklischen Beschäftigung typischen kurzfristigen Planungshorizonte ungünstig für die Anreize zur Bildung von Humankapital; gerade hier scheint eine längerfristige Optik vorteilhaft zu sein. Für die Erhaltung und Verbesserung der inländischen Wettbewerbskraft ist demnach eine langfristige Ausrichtung der Migrationspolitik wünschenswert. Diese erscheint in einem integrierten und liberalisierten Arbeitsmarkt eher gewährleistet zu sein als mit Rationierungen und Gastarbeiter-Systemen, die zwischen in- und ausländischer Arbeit unterscheiden.
12.5 Abschließende Bemerkungen Die vorliegende Arbeit zeigt in einem konsistenten Theorierahmen die ökonomischen Chancen und Risiken einer wirtschaftlichen Integration für den langfristigen Entwicklungspfad der beteiligten Volkswirtschaften. Dabei wird deutlich, daß die dynamische Wirtschaftsentwicklung entscheidend durch Integrationsprozesse und die Art der internationalen Kooperation geprägt wird. Auf der anderen Seite sind gemäß den hier vorliegenden Ausführungen verschiedene vorteilhafte Formen der Zusammenarbeit über die Landesgrenzen auf Güter- und Faktormärkten denkbar. Der Entscheid zum Beitritt in ein umfassendes Binnenmarktprogramm ist immer auch stark politisch geprägt; die ökonomischen Konsequenzen der Entscheidung - besonders im Hinblick auf die längere
12. Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
311
Frist - sollten aber als starke Entscheidungsgrundlage in die Überlegungen mit einfließen. Weil das volkswirtschaftliche Wachstum im vorliegenden Ansatz direkt von der Wirtschaftsstruktur abhängt, sind Fragen wie die Auswirkung der internationalen Arbeitsteilung auf die inländische Wirtschaftsund Beschäftigungsentwicklung besonders effizient zu behandeln. Da ein einzelnes Land in jedem Fall dem internationalen und regionalen Wettbewerb ausgesetzt ist, kann die Komponente der Außenhandelstheorie nicht genug betont werden. Die Analyse liefert dabei im Gegensatz zum Vorgehen in der Wachstumsbuchhaltung mikroökonomisch fundierte Antworten auf strukturelle Fragen. Wissens-Spillover und der Faktor Humankapital beziehungsweise die hochqualifizierte Arbeit erweisen sich in der vorliegenden Arbeit als entscheidende Faktoren für eine durch stetige Produktivitätszunahmen gekennzeichnete langfristige Wirtschaftsentwicklung. Wachstum basiert auf der im Zeitablauf kontinuierlich ansteigenden Ausnützung von Skaleneffekten, die über die Akkumulation von Wissen ermöglicht wird. Die qualifizierte Arbeit hat dabei eine vorgelagerte Funktion. Sie wird in den innovativen Sektoren intensiv verwendet. Ist sie ausreichend und zu günstigen Konditionen verfügbar, sind Innovationen ökonomisch genügend rentabel. In den unterschiedlichsten Anwendungen des Integrationsmodells stellt sich heraus, daß Wissen in der Produktion ein endogen gebildetes Komplement zur hochqualifizierten Arbeit darstellt. Im verwendeten Innovationsmodell ermöglicht diese Art der Arbeit den technischen Fortschritt und nicht umgekehrt. Damit zeigt sich der Unterschied zum Konzept des technischen Fortschritts, der exogen auftritt und bestimmte Auswirkungen auf die Arbeitsnachfrage hat. Dieser Fortschritt wird im allgemeinen Sprachgebrauch entweder arbeitsparend oder - gemessen in Effizienzeinheiten- arbeitsvermehrend genannt. Für die Beschäftigung unqualifizierter Arbeit ist die Beziehung zum Wissen in vielen Anwendungen des Modells negativ. Wissen ist dann ein endogen gebildetes Substitut zur unqualifizierten Arbeit. Falls die Hypothese einer im Prinzip unbegrenzten Anzahl von neuen Ideen und Erfindungen zutrifft, ist das in seiner über positive Spillover der Öffentlichkeit zugängliche Wissen in seiner Skalenwirkung unbegrenzt. Dagegen erweisen sich die Skaleneffekte der qualifizierten Arbeit als insofern begrenzt, als die Übertragbarkeit von Humankapital zwischen Menschen und verschiedenen Generationen an gewisse Grenzen stößt. Das von einzelnen Menschen losgelöste Wissen ist dagegen einfacher zu übermitteln. Die Integration von Güter- und Faktormärkten beeinflußt die langfristige Wirtschaftsentwicklung nach der hier vorliegenden Theorie in der
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IV. Schlußfolgerungen
Art und Weise und in dem Ausmaß, in denen die Bildung von Wissen über die Reallokation von Ressourcen oder die internationale Wissensdiffusion tangiert wird. Die unterschiedliche Wirkungsweise zwischen einem Binnenmarktprogramm und anderen Formen der internationalen Zusammenarbeit wie etwa Freihandelsabkommen oder partielle Freizügigkeiten für die internationalen Faktorbewegungen liegt vordringlich in der Intensität, mit der die Transmission der wachstumsrelevanten Impulse auftritt. Internationalisierung von Volkswirtschaften im Sinne einer Integration der Märkte bedeutet dabei auch Synchronisierung der langfristigen Wirtschaftsentwicklungen. Die unter Integrationsbedingungen maximal mögliche Ausnützung von Skaleneffekten führt dazu, daß bezüglich des Wissensstandes eine Nivellierung der Entwicklung auf einem hohen Niveau stattfindet. Dagegen steht der Effekt der Ressourcenreallokation, der die Entwicklung hochentwickelter Länder unter den genannten, nicht in allen Fällen zutreffenden Voraussetzungen in einem gewissen Maß gegen den Durchschnitt der am Binnenmarkt beteiligten Länder verschieben kann. Daraus resultiert, daß - im Hinblick auf den langfristigen Wirtschaftsverlauf - die relativ unterdurchschnittlich entwickelten Volkswirtschaften ökonomisch ein starkes Interesse an einer wirtschaftlichen Integration besitzen, während die hochentwickelten Länder eine Abwägung vornehmen müssen. Daraus kann aber auch abgelesen werden, daß in den Fällen, in denen der Reallokationseffekt nicht allzu stark ins Gewicht fällt, eine Integration für alle Beteiligten langfristige wirtschaftliche Vorteile bewirkt. Dies ist dann zutreffend, wenn die anteilsmäßige Ausstattung mit Ressourcen und vor allem mit hochqualifizierter Arbeit sowie das Niveau der öffentlichen Vorleistungen nicht allzu unterschiedlich sind. Noch sind die empirischen Grundlagen in verschiedenen relevanten Bereichen zuwenig dicht, um für alle theoretisch erarbeiteten Effekte quantitativ verläßliche Folgerungen zu ermöglichen. Aufgrund der stark verbesserten Datensituation im internationalen Querschnitt ist allerdings in den nächsten Jahren mit zusätzlichen Ergebnissen zu rechnen. Auch in theoretischer Hinsicht sind die Arbeiten in bezug auf die langfristige Wirtschaftsentwicklung noch nicht abgeschlossen. Ein wichtiger Themenkreis betrifft die relative Bedeutung der beiden Modellversionen des technischen Fortschritts und die Intensität, mit der bei diesen Arten des technischen Fortschritts auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert wird. Das Problem der Sprengkraft einer anhaltenden Unterbeschäftigung stellt sich auch in integrierten Wirtschaftsräumen; die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter Wahrung der langfristigen Konkurrenzfähigkeit gehört eng zum hier besprochenen Thema. Um der Gefahr zu begegnen, daß zunehmende positive Spillover im internationalen Handel durch zusätzliche negative Externalitäten im
12. Langfristige Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration
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Umweltbereich erkauft werden, sollten die makroökonomischen und die umweltökonomischen Disziplinen vermehrt zusammengebracht werden. Auf diese Weise ist in der Zukunft nach Wegen zu suchen, die den Bedürfnissen der Individuen noch besser Rechnung tragen. Denn das eigentliche Ziel der ökonomisch geprägten Politikberatung beschränkt sich nicht auf die materiellen Werte, sondern umfaßt alle Aspekte der Lebensqualität. Es erscheint selbstverständlich, daß diese generelle Leitlinie ganz besonders für das wichtige Thema der langfristigen Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration zutrifft.
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325
Sachverzeichnis Außenhandel
Designs
- im Gesamtmodell
228 ff.
- Definition
129
- interindustrieller Außenhandel 218 ff.
- Gegenwartswert eines Designs 169
- intraindustrieller Außenhandel 196,218 ff.
- Marktwert eines Designs
135
- Produktion von Designs
131
- mit differenzierten Produkten 194 ff.
- Wachstum im Kapitalgütersektor 145
- mit homogenen Produkten 184 ff.
- Wachstum im Konsumgütersektor 137
- mit internationalen WissensSpillovern 248 ff.
Differenzierte Güter
- ohne internationale WissensSpillover 267
- im Außenhandel
Außenhandelspolitik
1
Außenhandelstheorie - Methodik
184
- mit neoklassischer Produktionstechnik 186 Arbeit - Qualifikationsgrad der Arbeit 149 - qualifizierte (vgl. dort)
- als Zwischenprodukte
123
197
- und High-Tech-Güter
123
- und unvollständige Konkurrenz 121 Diskontrate
100
Einkommen - Gegenwartswert des Einkommens 39 - im Zwei-Länder-Modell 187
- Substitution zwischen Arbeitsfaktoren 149
Elastizität der intertemporalen Substitution 100
- unqualifizierte (vgl. dort)
Empirische Fakten
Arbeitsmarktgleichgewicht
- zu Integration und Wachstum 51 ff.
- im neokeynesianischen Konjunkturmodell 208
Entwicklung
- mit einem Forschungssektor 134
- Dimensionen der Entwicklung 8 ff.
- mit zwei Arbeitsfaktoren 150
Externalitäten - länderspezifische
Binnenmarkt - Berichte zum europäischen Binnenmarkt 24 ff. - europäischer Binnenmarkt 1 ff., 8
- negative
192
9 ff.
- positive 3 ff. - Produktion mit positiven Externalitäten 93 ff. - weltweite 191
326
Sachverzeichnis
Faktorakkumulation - und Produktionsfunktion - und Sparfunktion 68
68
- und Finanzierungssektor
69
Faktoranteile der Sektoren
Hamiltonsche Funktion
153
Faktorbox - in der dynamischen Außenhandelstheorie 255 ff. - Beschäftigungsvektoren in der Faktorbox 257 Faktorintensitäten - Annahmen im Modell 155 Faktormärkte - Liberalisierung der Faktormärkte 20 f. - und wirtschaftliche Geografie 21 Faktorpreisausgleich - absoluter 230 - relativer 231 Forschung - Eliminierung von Doppelspurigkeiten in der Forschung 249 ff. - Faktornachfrage in der Forschung 140 - im Kapitalgütersektor 141 ff. - im Konsumgütersektor 131 ff. - Lohnkosten in der Forschung mit zwei Arbeitsfaktoren 151 - Monopole im Forschungsbereich 254 Gesellschaft - internationalisierte 11 Grenzertrag - des Kapitals 71,116 - in der Forschung 138 Gütermarktgleichgewicht - im neokeynesianischen Konjunkturmodell 208 - im Zwei-Länder-Modell 187
Handelsablenkung
102
16,18 ff.
Handelshemmnisse
17 f.
Handelsschaffung
16,18 ff.
High-Tech-Güter - CES-Formulierung für HighTech-Güter 125 - Definition 123 ff. - Ressourceneinsatz in der Produktion der High-Tech-Güter 128
Humankapital - Bildung von Humankapital - und endogenes Wachstum 114 ff. Industriepolitik
114
180
Informationsproblem - in der Forschung 118 - in der intertemporalen Optimierung 176 Innovationen - im Kapitalgütersektor 141 ff. - im Konsumgütersektor 131 ff. - und Wohlfahrt 178 Input-Koeffizienten - im Integrationsmodell 221 - im High-Tech-Sektor 125 f. - im Zwei-Länder-Modell 187 - mit positiven Externalitäten 191 - mit zwei Arbeitsfaktoren 150 - prozentuale Änderung der Input-Koeffizienten 153 Integration - auf den Gütermärkten 249 ff., 305 - auf den Arbeitsmärkten 278 ff., 308 - Erfassung der Integrationsdynamik 59 ff. - Gesamtmodell der Integration im Überblick 227
Sachverzeichnis
- im neokeynesianischen Konjunkturmodell 212 - im neoklassischen Wachstumsmodell 78 - im Wissensbereich 237 ff., 303 - in der Außenhandelstheorie 16 ff. - Synthese des Integrationsmodells 217 ff. - und Einkommensverlauf 36 - und Kostensenkungen 29 - und Verkehr 10 - und Wettbewerb 30 - und Wettbewerbsfähigkeit 49 - und Wettbewerbsintensität 252 - Transmissionskanäle der Integration im Gesamtmodell 226 - Zielsystem der Integration 1 ff. Intertemporale Allokation - im Mehrsektorenmodell - optimale 99 ff. - im zeitdiskreten Modell
153
Market Pull - in der Forschung Mark-up-Faktor Markträumung
120
124,127, 253 204
Migration - im neokeynesianischen Konjunkturmodell 214 - konjunkturabhängige Migration und Wachstum 296 - und Wachstum mit internationaler Wissensdiffusion 280 ff. - und Wachstum mit nationaler Wissensdiffusion 285 ff. Monopolistische Konkurrenz - und Außenhandel 194 - und Wohlfahrtsgewinne im Außenhandel 195 - im Zwischenproduktesektor 121
106 108
Kapitalmarktgleichgewicht - mit Kapitalgüter-Designs 145 - mit Konsumgüter-Designs 136 - mit zwei Arbeitsfaktoren, Kapitalgütersektor 152 - mit zwei Arbeitsfaktoren, Konsumgütersektor 151 - und Schumpeter-Linie 137 Kapitalleistungen - Heterogene 142 Keynes-Ramsey-Regel 104 Konjunktur - Konjunkturregimes 205 ff. - Konjunktur und Wachstum 200 ff. Konvergenz 55, 77, 234 ff. Kostenanteile - der Sektoren
327
Nachhaltigkeit
63
Normierung der Ausgaben 133 Nutzen der Haushalte 102 ff.
106,
41 ff.,
Offenheit - von Volkswirtschaften
52
Opportunitätskosten-Modell - zur Verknüpfung von Konjunktur und Wachstum 203 Produktionsfunktion - für Designs 132 - mit Humankapital 114 - mit Realkapital und mit Externalitäten 109 - mit Realkapital und ohne Externalitäten 70 ff. - mit staatlichen Vorleistungen 111
328
Sachverzeichnis
Produktionsfunktion
Spillover
- und Faktorakkumulation Produktvarianten
68
- als endogene Wachstumsunterstützung 93 ff.
122
- bei Kapitalgüter-Designs
Qualifizierte Arbeit
- beim Wissen
- im Land des Handelspartners und Wachstum 262, 266 - in der Migration 292 - und Wachstum
283, 284,289,
204
Reallokation - durch Außenhandel mit internationalen Wissens-Spillovern 255 - durch Außenhandel ohne internationale Wissens-Spillover 267 - durch Migration 280 ff.
207
- dynamische Auswirkungen der Regimes 215 Roboter 142
- im Wachstumsmodell
143 ff.
Schwankungen - Kosten der zyklischen Schwankungen 45 Skalenerträge - betriebsinterne
189
- in der Produktionsfunktion - und endogenes Wachstum Spezialisierung - zunehmende
128
117
- proportionale Spillover
132
- im zeitdiskreten Modell 175 ff. - im zeitkontinuierlichen Modell 169 ff. - in Wachstumsmodellen
163 ff.
- mit nichtkonvexer Produktionstechnik 169 - und Lohnwachstum - und Spartätigkeit
135,173
165
- Finanzierung im Wachstumsmodell 112 - und endogenes Wachstum 111 ff. - und Spillover
95
Stilisierte Fakten
62
Taste for Variety
122
Technologielücken
71 97
274
Technology-Push - in der Forschung
124,194
- im Außenhandel
130
- Intensität der Spillover
- Budgetrestriktion des Staates 112
207
- auf Arbeitsmärkten
- im Bildungssektor 96
Staatliche Vorleistungen
Regimes - auf Gütermärkten
93
Stabilität
- wirtschaftspolitische 6 ff. Real-Business-Cycle-Modell
132
- durch staatliche Vorleistungen 95 - im Forschungssektor
150,154
Rahmenbedingungen
- Definition
144
- bei Konsumgüter-Designs
119
Traditionelle Güter - in der Stabilitätsanalyse
172
- im Integrationsmodell
218, 226
Transmission - von Wachstumsimpulsen 48 ff.
Sachverzeichnis
Trend - in Abhängigkeit von Zyklen 201 Unqualifizierte Arbeit - im Land des Handelspartners und Wachstum 262, 265 - in der Migration 283, 284, 288, 291 - und Wachstum 150,156
Wachstum - Anpassungswachstum 74 - der Anzahl Designs 132 - durch internationalen Güterhandel 249 ff. - mit internationaler Wissensdiffusion 243 - mit nationaler Wissensdiffusion 245 - langfristiges Wachstum, im neoklassischen Modell 76 - langfristiges Wachstum, mit Spillovern 93 ff. - mit Humankapital 114 ff. - mit privaten Investitionen 109 - mit staatlichen Vorleistungen 111 - und Immigration hochqualifizierter Arbeit 283, 284, 289, 292 - und Immigration unqualifizierter Arbeit 283, 284, 288,291 - und Ressourcenallokation im Integrationsmodell 225 - und Wissen im Integrationsmodell 224 Wachstum durch zunehmende Arbeitsteilung im Kapitalgütersektor - und Ausstattung mit Arbeit 157
329
- und qualifizierte Arbeit 154 - und unqualifizierte Arbeit 156 Wachstum durch zunehmende Arbeitsteilung im Konsumgütersektor - und Ausstattung mit Arbeit 157 - und qualifizierte Arbeit 154 - und unqualifizierte Arbeit 156 Wachstumsbonus
80
Wachstumstheorie - dogmenhistorische Perspektive 65 - Grundlagen 65 ff. - neoklassisches Wachstumsmodell 73 ff. - Pfeiler der Neuen Wachstumstheorie 67 Wettbewerbsfähigkeit - Determinanten 50 - und Integration 49 Wettbewerbsintensität - Veränderung der Wettbewerbsintensität durch Integration 252 ff. - zunehmende Wettbewerbsintensität 22 Wissen - Ausschließbarkeit des Wissens 94 - Rivalität des Wissens 94 - Wissensgrundlagen 93 Wissensdiffusion - internationale 237 ff., 241 ff. - internationale Wissensdiffusion und Wachstum 244 - nationale Wissensdiffusion und Wachstum 2245 ff. - und Ressourcenreallokation 240 - unvollständige 247 - Wissensübertragung zwischen Unternehmungen 94
330
Sachverzeichnis
Zwischenprodukte - Gewinn pro ZwischenprodukteUnternehmung 129 - Herstellung der Zwischenprodukte 124 - Substituierbarkeit der Zwischenprodukte 128