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German Pages 239 Year 1994
WOLFGANG FILC . CLAUS KÖHLER (Hg.)
Integration oder Desintegration der Weltwirtschaft?
Veröffentlichungen des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung Band 31
Integration oder Desintegration der Weltwirtschaft?
Herausgegeben von
Wolfgang File und Claus Köhler
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Integration oder Desintegration der Weltwirtschaft? I Hrsg. von Wolfgang File und Claus Köhler. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Veröffentlichungen des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung ; Bd. 31) ISBN 3-428-07885-3 NE: File, Wolfgang [Hrsg.]; Institut für Empirische Wirtschaftsforschung (Berlin): Veröffentlichungen des Instituts ...
Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Werksatz Marschall, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7239 ISBN 3-428-07885-4
Inhaltsverzeichnis Einführung der Herausgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Subsidiarität in der Zentralbankpolitik: Erfahrungen und Perspektiven Von Hermann Remsperger, FrankfurtlMain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gemeinschaftliche Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion: Konsequenzen für die deutschen Banken Von Manfred Weber, Köln
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Wirkungsanalyse der Geldpolitik in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland vor und nach Gründung des EWS Von Wolfgang File und Adalbert Winkler, Trier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erfordernisse, Möglichkeiten und Hemmnisse institutioneller Reformen einer erweiterten Europäischen Gemeinschaft Von Hartmut Berg und Frank Schmidt, Dortmund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
Reconstruction of the European East: The Roles of Trade and Finance By Alfred Steinherr, Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall üsteuropa Von Hubert Gabrisch, Halle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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The Interstate Bank: An End to Monetary Disintegration in the Former Soviet Union? By Daniel Gros, Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
Wechselkurspolitik in den osteuropäischen Reformstaaten: Erste praktische Erfahrungen Von Hans-Peter Fröhlich, Köln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Wechselkurspolitische Optionen für Osteuropa Von Wolf Schäfer, Harnburg ........................................
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Entwicklungstendenzen der Wirtschaftsintegration in Nordarnerika. Die Nordamerikanische Freihandelszone Von Heiko Körner, Dannstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Auf dem Weg zu einer regulierten Weltwirtschaft? Von Hans-Joachim Heinemann, Hannover. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verzeichnis der Mitarbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung der Herausgeber Das Institut für Empirische Wirtschafts forschung hat vom 18. bis 20. März 1993 sein fünftes Symposium durchgeführt. Es stand unter dem Thema "Aspekte weitergehender weltwirtschaftlicher Integration". Bei Festlegung dieses Themas etwa ein Jahr zuvor bestand die begründete Vermutung, daß mit dem Eintritt in den einheitlichen europäischen Binnenmarkt und nach Abschluß des Vertrages von Maastricht künftig allein Details der weiteren wirtschaftlichen Integration der EG-Länder zu behandeln sein würden. Ferner ließen der Zusammenbruch der zentralen Wirtschaftsplanung in den postkommunistischen Ländern Mittel- und Osteuropas und erste Ansätze zur Eingliederung ihrer Ökonomien in die Weltwirtschaft annehmen, daß eine Phase verstärkter weltwirtschaftlicher Integration angebrochen sei. Deshalb sollte das Schwergewicht auf Fragen gelegt werden, die sich aus dem Herausbilden großer Wirtschafts- und Währungs räume der Welt ergeben. Es kam anders, als es im Frühjahr 1992 abzusehen war. Desintegrative Tendenzen innerhalb der EG, zwischen postkommunistischen Reformländern, aber auch innerhalb der NAFTA sind mittlerweile nicht zu übersehen. Diese Entwicklungen mögen den vom Konferenzthema abweichenden Titel des vorliegenden Tagungsbandes erklären und verdeutlichen, warum vier Beiträge Aspekten der wirtschaftlichen Integration der EG-Länder gewidmet sind. Hermann Remsperger wirft die Frage auf, welche geldpolitischen Funktionen in einem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB), dem Subsidiaritätsprinzip folgend, bei nationalen Zentralbanken verbleiben können. Auf den ersten Blick könnte diese Frage als müßig erscheinen. Denn weil Geldpolitik Makropolitik sein muß, nicht dagegen allokative Strukturpolitik sein darf, kann es in einem einheitlichen Währungs raum nur eine Geldpolitik aus einem Guß geben. Entscheidend für den Stabilisierungserfolg der Geldpolitik sind danach Menge und Preis der Zentralbankgeldversorgung. Auf welche Weise dagegen Zentralbankgeld bereitgestellt wird, könnte bei funktionsfähigen Geldmärkten als vergleichsweise nebensächliche Randfrage abgetan werden. Es wird aber schlüssig gezeigt, daß eine dezentrale, aber zwischen den nationalen Zentralbanken abgestimmte Zentralbankgeldversorgung in einer Währungsunion nicht nur mit dem stabil itätspolitischen Auftrag des ESZB und einer effizienten Steuerung des Geldmarktes, sondern auch mit dem Subsidiaritätsprinzip in einigen Bereichen der Geldpolitik vereinbar ist.
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Manjred Weber thematisiert einige Konsequenzen einer gemeinschaftlichen Geldpolitik in der künftigen Europäischen Währungsunion für die deutschen Geschäftsbanken. Eine wertstabile Einheitswährung dürfte Wachstums impulse auslösen, von denen auch das europaweite Bankgeschäft profitieren wird. Zudem sollte eine Vereinheitlichung des geldpolitischen Instrumentariums und der Bankenaufsicht dazu beitragen, die Euromärkte wieder zu internalisieren. Eine verbesserte Wettbewerbsfahigkeit von Geschäftsbanken im einheitlichen Finanzraum der EG-Länder und in einer Europäischen Währungsunion setze einmal eine konsequente Stabilitätsorientierung der Politik des künftigen ESZB voraus. Hierfür werden die organisatorischen und instrumentellen Voraussetzungen aufgezeigt. Zudem sei es erforderlich, die Geldpolitik in der künftigen Währungsunion so zu instrumentieren, daß Wettbewerbsnachteile gegenüber Währungsräumen mit geringeren Kosten der Regulierung begrenzt bleiben. Für die Übergangsphase zur Währungsunion wird empfohlen, bisher noch bestehende Wettbewerbsrückstände des deutschen Finanzplatzes gegenüber anderen nationalen Finanzmärkten in Europa auszugleichen. Wolfgang File und Adalbert Winkler prüfen, ob seit Gründung des EWS neben der Konvergenz bei Instrumenten und Zielen der Geldpolitik in Frankreich und Deutschland auch ein zunehmender Gleichklang ihrer realwirtschaftlichen Wirkungen festzustellen ist. Dabei stehen die Effekte der Zinspolitik im Mittelpunkt der Analyse, weil zinspolitische Maßnahmen in einem um Sachkapitalrenditen erweiterten Portfolioansatz der Wechselkursbestimmung für Leitkurse in einem Festkurssystem zentral sind und weil die Bestimmung des Tagesgeldsatzes das zentrale Instrument der Geldpolitik darstellt. Die Ergebnisse von Signifikanztests, Vektorautoregressionen und Regressionsanalysen lassen aber keine eindeutigen Schlußfolgerungen zu, ob sich die realwirtschaftlichen Wirkungen der Geldpolitik einander angenähert haben. Zwar sind in beiden Ländern kurzfristige Zinssätze als monetäre Vorlaufsvariablen realwirtschaftlicher Größen zu beachten; der Zusammenhang ist jedoch seit Mitte der achtziger Jahre schwächer geworden. Zu vermuten ist, daß gegensätzliche Wirkungen der Fiskalpolitik dafür verantwortlich sind. Die für die angestrebte Währungsunion wichtige Konvergenz realwirtschaftlicher Wirkungen geldpolitischer Maßnahmen erfordert daher, die Konvergenz in anderen Bereichen der Stabilisierungspolitik voranzutreiben. Hartmut Berg und Frank Sehmidt geben zunächst einen Überblick über Methoden der wirtschaftlichen Integration, die seit der Debatte um den Vertrag von Maastricht neue Aktualität erlangt haben. Offenkundige Mängel der auf Gemeinschaftsebene betriebenen Politik werden auf die Verquickung von Initiativ- und Exekutivfunktionen von Gemeinschaftsorganen ohne funktionierenden Kontrollmechanismus zurückgeführt. Dies führe
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dazu, daß sich bürokratische Institutionen verstärkt an ihrem Eigeninteresse orientieren und weniger an ihrem Auftrag. In der sich auf grundsätzliche Aspekte beschränkenden Studie wird gefordert, auf Gemeinschaftsebene bürokratischen und interventionistischen Zentralismus zugunsten des Wettbewerbsprinzips als Leitbild auch der institutionellen Integration abzubauen. Die Verfasser versprechen sich hiervon eine stärkere Wachstumsdynamik des größer gewordenen einheitlichen Wirtschafts raums der EG.
Alfred Steinherr untersucht, welchen Beitrag Handel und Finanzierung zum Wiederaufbau der Ökonomien postkommunistischer Länder Osteuropas leisten können. Ausgehend von wohlstandsmehrenden Effekten des internationalen Handels wird ein Gravitätsindex berechnet, um das Handeispotential der Reformländer mit unterschiedlichen Regionen auszudrücken. Danach sind von einer Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen zwischen den Republiken der ehemaligen Sowjetunion sowie den Staaten Mittel- und Osteuropas nur geringe, von einem gemeinsamen Markt mit der EG dagegen die mit Abstand größten handelspolitischen Impulse zu erwarten. Steinherr plädiert deshalb für eine Europäische Freihandelszone vom Atlantik bis zum Pazifik. Die Finanzierung des Aufholprozesses wird von drei Seiten beleuchtet. Der Darstellung und Kritik bisher vorgelegter Finanzbedarfsschätzungen folgt eine Abwägung der Möglichkeiten interner Kapitalbildung und externer Kapitaltransfers. Abschließend wird mit Bezug auf die Erfahrungen von Ländern, die erfolgreich Wachstumsprozesse gestalten konnten, geprüft, ob Finanztransfers aus dem Ausland für diesen Erfolg von großer Bedeutung waren. Die Folgerung für die Gegenwart ist, daß Kapitalimporte zur Anschubfinanzierung und zur Abfederung der Outputverluste von Reformländern Osteuropas zu Beginn der Reformen sinnvoll, auf längere Frist in den bisher genannten Größenordnungen aber weder realistisch noch notwendig sind. Hubert Gabrisch analysiert den Kapitalbedarf Osteuropas für ein international wettbewerbsfahiges Produktions potential einiger Reformländer. Eine Prüfung bisheriger Kapitalbedarfsschätzungen, der Aufholbeispiele aus Asien und Südeuropa, mit dem Schwerpunkt Spanien, und eigene Schätzungen führen zu der Schlußfolgerung, daß der Kapitalbedarf - abhängig von Länge und Referenzmaßstab des Aufholprozesses in Ostmitteleuropa Investitionsquoten zwischen 14 und 30vH impliziert. Da angesichts der hohen Auslandsverschuldung der meisten postsozialistischen Länder ein erheblicher Nettokapitalimport zur Finanzierung dieser Investitionen kaum zu erwarten ist, muß die Förderung der internen Kapitalbildung das wichtigste Ziel der Reformpolitik sein. Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht, weil bei nachlassender Nachfrage die Unternehmensgewinne trotz sinkender Reallöhne zurückgingen und damit die Kapitalbildung in den Unternehmen gering blieb. Gleichzeitig wurde versäumt, in den Finanzsystemen Grundla-
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gen zu schaffen, die einen effizienten Transfer in- und ausländischer Ersparnisse in Realkapital erst ermöglichen. Der Beitrag von Daniel Gros beinhaltet die Analyse und sich hieraus ergebende Konsequenzen monetärer Desintegration in der ehemaligen Sowjetunion. Diese Desintegration ist danach das Ergebnis zweier Fehlentwicklungen: dem Verzicht auf eine monetäre Reform beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft sowie der mangelnden Koordination geldpolitischer Entscheidungen nach dem Zerfall der Sowjetunion in die Baltischen Staaten und die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Die Ergebnisse sind Hyperinflation, die nach wie vor bestehende Notwendigkeit, zwischen cash- und non-cash-Rubel unterscheiden zu müssen sowie Kapitalverkehrskontrollen zwischen den Republiken in Form gegenseitiger Verrechnungskonten. Als Konsequenz zeichnet sich ab, daß die aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion hervorgegangenen Staaten zu eigenen Währungen übergehen. Weil diese Währungen für eine absehbare Zeit nicht konvertibel sein können, ist ein multilaterales Zahlungs- und Verrechnungssystem dieses Wirtschafts- und Währungsraums notwendig. Denn bilaterale Verrechnungsabkommen können nach der Einschätzung des Verfassers zu einem Rückgang des Handelsvolumens um 25 vH führen, während ein multilaterales System Vorteile in der Größenordung von 4-6 vH des Bruttoinlandsproduktes der GUS (mit Ausnahme Rußlands) erwarten läßt. Die neu gegründete "Interstate Bank" soll dem System die institutionelle Grundlage geben und in Richtung Zahlungsunion, nach dem Vorbild der Europäischen Zahlungsunion, weiterentwickelt werden. Hans-Peter Fröhlich beleuchtet die Wechselkurspolitik postkommunistischer Reformländer. Zu Beginn des Transformationsprozesses wurden alle Währungen meist drastisch abgewertet, um die zuvor gegebene Überbewertung gegenüber westlichen Währungen zu korrigieren. Danach optierten Polen, Ungarn und die CSFR für im Grundsatz feste Wechselkurse, Bulgarien, Rumänien und Rußland für floatende Wechselkurse. Die Entscheidung für oder gegen ein Fixkursregime reflektierte den Grad der Stabilitätspräferenz und den internen Stabilisierungserfolg in dem betreffenden Land, weil die Interdependenz zwischen interner und externer Währungsstabilität leidlich stabile Preise voraussetzt, um den nominalen Wechselkurs fixieren zu können. So zeigt die Erfahrung in Polen, wo die Fixkursstrategie durch einen crawling peg ersetzt wurde, daß bei ausbleibendem internen Stabilisierungserfolg und daraus folgender realer Währungsaufwertung Handelsbilanzprobleme es auf etwas längere Sicht verwehren, an einer Festkurspolitik festzuhalten. Dies belege erneut, daß feste nominale Wechselkurse nur möglich sind, wenn die internen Rahmenbedingungen stimmen. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, so verliere eine Fixkursstrategie an Glaubwürdigkeit und das Ziel, über fixierte nominale Wechselkurse einen Beitrag zur internen Stabilisierung zu leisten, könne nicht erreicht werden.
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Wolf Schäfer knüpft hieran an und diskutiert, ob der Transformationsprozeß in den Reformländern Mittel- und Osteuropas eher durch feste oder durch flexible Wechselkurse unterstützt werden sollte. Voraussetzung für erfolgversprechende Wirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen seien Glaubwürdigkeit und Reputation von Institutionen. Hieran mangele es aber in den Reformländern. Folglich könne es erforderlich sein, Glaubwürdigkeit und Reputation vom Ausland zu importieren. Bezogen auf das Wechselkurssystem könne dies durch feste nominale Wechselkurse, eine currency boardLösung oder durch andere monetäre Arrangements mit westlichen Ländern erreicht werden. Diese Strategie ziele darauf ab, monetäre Souveränität glaubwürdigen und reputierten Institutionen des Auslands zu überantworten. Andererseits könne eine wirtschaftspolitische Konzeption kaum als glaubwürdig und dauerhaft durchhaltbar bezeichnet werden, wenn sie im Transformationsprozeß zusätzliche hohe Outputverluste impliziere. Diese Gefahr sieht der Verfasser bei fixierten nominalen Wechselkursen, aber zunehmender realer Überbewertung der Währungen von Reformländern gegeben. Deshalb wird anstelle einer Festkursstrategie eine Konzeption präferiert, die bei beweglichen Wechselkursen auf eine schrittweise interne Stabilisierung setzt, wenn dadurch die Anpassungskosten gesenkt und die Politikglaubwürdigkeit gefestigt werden kann. Heiko Körner fragt nach Bestimmungsgründen des "neuen Regionalismus", der sich in einer Welle regionaler Integrationsbestrebungen manifestiert. Zurückgeführt werden diese Entwicklungen auf die Erkenntnis, daß verstärkte wirtschaftliche Integration bei dem Bestreben nach Aufrechterhaltung weitgehender nationaler wirtschaftspolitischer Souveränität mit positiven Wohlfahrtswirkungen einhergeht. Die Änderung der Struktur des internationalen Warenaustauschs von eher homogenen Gütern zu heterogenen Erzeugnissen habe zudem den "neuen Protektionismus" begünstigt, der sich in einer Vielzahl nicht-tarifärer Handelshemmnisse zwischen den großen Integrationsräumen der Welt, ergänzt um industriepolitische Maßnahmen, ausdrückt. Die "new trade theory" wird so dann nutzbar gemacht, um unterschiedliche wirtschaftliche Ziele jener Länder zu verdeutlichen, die sich in der NAFTA zu einem Wirtschafts raum zusammenfinden. Die früher befürchteten Handelsumlenkungs- oder Abschottungseffekte regionaler Integrationsräume werden gegenüber handels schaffenden Effekten als geringfügig eingeschätzt. Andererseits sei festzustellen, daß mit dem Vordringen des "neuen Protektionismus" sich die Welthandelsordnung zunehmend von den Prinzipien eines globalen Freihandels entfernt. Folglich sei weltweite wirtschaftliche Freizügigkeit durch Kooperationsabkommen zwischen regionalen Integrationsräumen in der Weltwirtschaft sicherzustellen. Hans-Joachim Heinemann führt diesen Gedanken mit der provozierenden Frage fort, ob sich der Freihandel verabschiedet habe. Wird nämlich die
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Annahme vollständiger Konkurrenz und steigender Grenzkosten der Produktion, die der traditionellen Außenhandelstheorie zugrundeliegt, ersetzt von der Hypothese unvollständiger Konkurrenz und steigender Skalenerträge, die Grundlage der "neuen Außenhandelstheorie" ist, so ergibt sich für jedes Land ein Anreiz für protektionistische Maßnahmen, Selbstbeschränkungsabkommen, Importkontingentierungen und industriepolitische Maßnahmen, die sich gegen Importkonkurrenz richten. Protektionistische Tendenzen gewinnen regelmäßig, so auch gegenwärtig, in Depressionsphasen an Bedeutung. Handelsbeschränkende und für die Weltwirtschaft wohlstandsmindernde Maßnahmen würden durch nicht-kooperative Lösungen von Handelskonflikten angeregt. Deshalb wird vorgeschlagen, internationale Organisationen als Vermittlungs- und Sanktions instanz einzuschalten, um im Streitfall kooperative Lösungen zu erzwingen. Dies soll verhindern, daß die zunehmende Regionalisierung des internationalen Handels zu regionalen, nach außen abgeschotteten Festungen führt. Wolfgang File und Claus Köhler
Subsidiarität in der Zentralbankpolitik: Erfahrungen und Perspektiven Von Hermann Remsperger, Frankfurt/Main Mit den folgenden Überlegungen soll untersucht werden, ob das Subsidiaritätsprinzip in der Zentralbankpolitik angewendet werden kann. Dabei bildet das geplante Europäische System der Zentralbanken (ESZB) den perspektivischen Bezugspunkt. Auf eine Analyse der Übergangsprobleme von der zweiten zur dritten Stufe der Europäischen Währungsunion wird hier verzichtet. 1 Nach dem Abschluß des Vertrags über die Europäische Union, insbesondere aber nach der Tagung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft im Dezember 1992 in Edinburgh, ist in zahlreichen Veröffentlichungen herausgearbeitet worden, daß das dort so stark betonte Subsidiaritätsprinzip einer Leerformel gleiche. 2 Diese Einschätzung dürfte unter anderem darauf zurückgehen, daß die Vertragspartner bei der Festlegung auf das Subsidiaritätsprinzip offensichtlich noch nicht genau wußten, wie es inhaltlich zu füllen ist. Als Beleg dafür sei darauf hingewiesen, daß die EG-Kommission erst nach dem Vertragsabschluß einen Auftrag zur Konkretisierung dieses Prinzips erhalten hat. So muß die Kommission für das Treffen des Europäischen Rates im Dezember 1993 einen Bericht über die "Ergebnisse der Überprüfung bestimmter Gemeinschaftsvorschriften im Hinblick auf ihre Anpassung an das Subsidiaritätsprinzip"3 vorlegen. Ob dabei auch die Zentralbankpolitik auf den Prüfstand kommt, ist fraglich. Offiziellen Charakter werden die Diskussionen über die geldpolitischen Implikationen des Subsidiaritätsprinzips jedoch spätestens mit der geplanten Einrichtung des Europäischen Währungsinstituts im Jahre 1994 erhal1 Vgl. dazu bspw. D. Gros, Concrete Steps Towards Monetary Union, in: W. Gebauer (Hg), Geld und Währung, Working Papers Nr. 25, Frankfurt, Juli 1992. 2 Vgl. z. B. A. Adonis, A. Tyrie, Subsidiarity: No Panacea, in: European Policy Forum, London o. J; D. Grimm, Subsidiarität ist nur ein Wort, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. September 1992, S. 38; M. Jachtenfuchs, Die EG nach Maastricht, in: EuropaArchiv, Folge 10, 1992, S.279-287; R. Vaubel, Subsidiaritätsprinzip in der EG, in: Handelsblatt, 10. Dezember 1992, S. 8. 3 Europäischer Rat in Edinburgh, Schlußfolgerungen des Vorsitzes Teil A Anlage 2, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 140,28. Dezember 1992, S. 1277-1304, hier S. 1283.
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ten. Denn dieses Institut hat nicht zuletzt die Aufgabe, "die Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die zur Durchführung einer einheitlichen Geldund Währungspolitik erforderlich sind. "4 Um vielleicht schon jetzt einige konkrete Anhaltspunkte über die Praktikabilität des Subsidiaritätsprinzips in der europäischen Geldpolitik zu gewinnen, wurde das vorliegende Referat wie folgt aufgebaut: 1) Den roten Faden bilden die einzelnen Tätigkeitsfelder einer Zentralbank. Sie werden der Reihe nach mit dem Subsidiaritätsprinzip konfrontiert. 2) Das Subsidiaritätsprinzip wird zuvor in einem knappen, einleitenden Abschnitt pragmatisch interpretiert. Es soll in der Europäischen Währungsunion als erfüllt gelten, wenn die nationalen Zentralbanken Befugnisse in den einzelnen monetären Tätigkeitsfeldern erhalten. Das Stichwort dafür könnte "dezentrale Zentralbankpolitik" heißen. 5 3) Es wird bewußt darauf verzichtet, die Erfahrungen mit dezentralen Ansätzen in der Zentralbankpolitik isoliert in einem eigenen Abschnitt zu behandeln. Statt dessen fließen sie in die Erörterungen über die jeweils im Vordergrund stehende Notenbankfunktion mit ein. Der rote Faden der Notenbankfunktionen soll Erfahrungen und Perspektiven miteinander verbinden. Die Präferenz für die funktionelle bzw. aufgabenorientierte Vorgehensweise beruht vor allem darauf, daß die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank viele Fragen zur vertikalen und horizontalen Aufgabenverteilung unbeantwortet läßt. Das erzeugt Klärungsbedarf, zumal geschichtliche Erfahrungen mit Währungsunionen zeigen, wie notwendig eindeutige Kompetenzregelungen sind. "Solche fehlten zum Teil in den historischen völkerrechtlichen Verträgen und wurden immer dann zum Problem, wenn sie unterschiedlich interpretiert wurden und damit Fakten entstanden, deren Bereinigung mit Kosten verbunden war. "6 Als Beispiele dafür können die Lateinische Münzunion und der Deutsch-Österreichische Münzbund genannt werden. 1. Subsidiaritätsprinzip: Pragmatische Interpretation
Bislang ist das Subsidiaritätsprinzip für die Geldtheorie und -politik kaum ein Thema gewesen. Seine Heimat liegt in der Sozialpolitik und in der EG-Vertrag, Art. 109 f. Vgl. dazu die Beiträge des Verfassers in: BHF-BANK, Wirtschaftsdienst, und zwar Nr. 1672 v. 18.4.1992 (Vorschläge für ein geldpolitisches Konzept der Europäischen Zentralbank); Nr. 1680 v. 4.7.1992 (Dezentrale Zentralbankpolitik in der EG? 1. Teil), Nr. 1681 v. 11.7.1992 (Dezentrale Zentralbankpolitik in der EG? 2. Teil). 6 Th. Theurl, Eine gemeinsame Währung für Europa. 12 Lehren aus der Geschichte, Innsbruck 1992, S. 314. 4
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ökonomischen Theorie des Föderalismus. Dabei lassen sich zwei Strömungen identifizieren. Die eine betont den Grundsatz "Selbsthilfe vor Fremdhilfe".7 Die andere bezieht sich auf das Verhältnis zwischen den Gebietskörperschaften, wobei die Aufgabenkompetenz grundsätzlich bei der untersten Ebene vermutet wird. 8 Hier stellt das Subsidiaritätsprinzip also ein staatspolitisches Kriterium dar, mit dessen Hilfe die Aufgaben zwischen den Körperschaften verteilt werden sollen. Unterschieden wird dabei zwischen Aufgabenkompetenz einerseits und Aufgabenerfüllung bzw. -durchführung andererseits. Das eigentliche Problem für die Autonomie der einzelnen Gebietskörperschaften stelle nicht die Zuordnung der Aufgabendurchführung, sondern der Aufgabenkompetenz dar. 9 Überträgt man die Überlegungen zur Aufgabenkompetenz aus der ökonomischen Theorie des Föderalismus auf den monetären Bereich, dann erscheint es zunächst wenig sinnvoll, das Subsidiaritätsprinzip überhaupt auf die Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion anwenden zu wollen. Wie in der Literatur betont wird, zeichne sich die geplante Währungsunion nämlich gerade dadurch aus, daß "die einschlägigen Kompetenzen voll und ganz auf die Gemeinschaft übertragen werden."10 Daran ändere auch die Zweistufigkeit des ESZB nichts. "Die nationalen Zentralbanken werden aus Gründen der Unabhängigkeit des Systems und der Sicherung einer einheitlichen Währungspolitik der Gemeinschaft jeweils aus der Staatsorganisation der Mitgliedstaaten herausgelöst; sie stellen einen integralen Bestandteil des Zentralbanken-Systems dar und üben, soweit sie die währungspolitischen Beschlüsse des Zentralbanken-Systems durchsetzen, Gemeinschaftshoheit aus."ll Nach dieser Interpretation bildet die Zentralbankpolitik eher einen Fall für die Zuweisung von Befugnissen an die Gemeinschaft l2 als einen Fall für die Kompetenz-Vermutung auf der untersten Ebene 13 • So gesehen könnte man den Gedankengang zum Subsidiaritätsprinzip bereits hier abbrechen. Für seine Vertiefung sprechen jedoch zumindest zwei Gründe. Erstens ist der praktische Vollzug einer zentral entschiedenen Geldpolitik nicht nebensäch7 H. Lampert, Sozialpolitik I: staatliche, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 7, Stuttgart u. a. 1980, S. 60-76, hier S. 73. 8 Vgl. R. Peffekoven, Finanzausgleich I: Wirtschaftstheoretische Grundlagen, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 2, Stuttgart u.a. 1980, S. 608-636, hier S.61O. 9 Vgl. ebenda, S. 609 u. 611. 10 M. Seidel, Zur Verfassung der Europäischen Gemeinschaft nach Maastricht, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartike1n, Nr. 24 v. 25. März 1992, S. 4-11, hier S.9. 11 Ebenda. 12 Vgl. EG-Vertrag, Art. 3b, Absatz 1. 13 Vgl. EG-Vertrag, Art. 3b, Absatz 2.
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lich, sondern insbesondere für die Regionalverteilung der Finanzmärkte von großer Bedeutung. Zweitens stellt die Analyse dieser "Vollzugs-Subsidiarität" in der Zentralbankpolitik auch schon deswegen alles andere als eine Nebensache dar, weil im Statut der Europäischen Zentralbank ausdrücklich auf die Umsetzung der Politik durch die nationalen Zentralbanken hingewiesen wird: Die EZB nimmt "die nationalen Zentralbanken zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des ESZB gehören, in Anspruch, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint."14 Was allerdings möglich und sachgerecht ist, muß erst noch herausgefunden werden. Eine Rechtfertigung für diesen Suchprozeß ergibt sich u.a. auch aus der Tatsache, daß die nationalen Zentral banken ihre eigene Rechtspersönlichkeit in der Währungsunion behalten. Die nationalen Zentral banken können unter bestimmten Bedingungen Aufgaben wahrnehmen, die über die Satzung des ESZB hinausgehen. 15 Insofern besteht für die Europäische Währungsunion auch kein alles umfassender Vergemeinschaftungsanspruch von Zentralbankaufgaben. 2. Zentralbankaufgaben und Subsidiarität Wer überprüfen möchte, ob das Subsidiaritätsprinzip auf die verschiedenen Zentralbankaufgaben anwendbar ist, muß zunächst klären, um welche Aufgaben es sich dabei konkret handelt. Als Grundlage für den AufgabenKatalog soll die Satzung über das ESZB herangezogen werden. Obwohl diese Satzung eine gewisse Hierarchie der Ziele und Aufgaben erkennen läßt, mag hier zunächst eine wertfreie Aufzählung der Tätigkeitsfelder genügen. Sie reichen von der Stabilisierung des Finanzsystems und des Preisniveaus über die Bargeldversorgung bis hin zur Fiskalagent-Funktion der Zentralbank. Außerdem sind die Devisengeschäfte und die Verwaltung der Währungsreserven zu beachten.
a) Stabilität des Finanzsystems In der Literatur über das Statut des ESZB rallt auf, wie nachdrücklich einige Autoren die Stabilität des Finanzsystems als Zentralbankziel unterstreichen. 16 Es wird sogar bedauert, daß diesem Ziel in der Satzung nicht 14 ESZB-Satzung, Art. 12.1.
Vgl. ESZB-Satzung, Art. 14.4. Vgl. z. B. D. Folkerts-Landau, P. M. Gerber, The ECB: a bank or a monetary poliey rule?, in: M. B. Canzoneri u. a. (Hg), Establishing a eentral bank: issues in Europe and lessons from the US, Cambridge 1992, S. 2, S. 86-115; P. B. Kenen, EMU After Maastrieht, Washington 1992, S. 22-25; T. Padoa-Sehioppa, Foreword, in: Banea d'Italia, Proeeedings 15
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Subsidiarität in der Zentralbankpolitik
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noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die Satzung könne sich nämlich dann als anachronistisch erweisen, wenn die Instabilität des Finanzsystems in den 90er Jahren zunehmen, die Inflationsproblematik jedoch abnehmen würde. 17 Der Ausgangspunkt für die Hervorhebung der Stabilität des Finanzsystems ist aus geldpolitischer Sicht denkbar einfach: Wenn Maßnahmen der Zentralbank die erwünschten Effekte zeigen sollen, darf es im Finanzsektor keine Empfangsstörungen für expansive oder restriktive Impulse geben. Ein labiles Bankensystem könnte die Effizienz der Geldpolitik ebenso beeinträchtigen wie zum Beispiel eine Krise im Zahlungsverkehrssystem. So wird von einem "System-Risiko" gesprochen, wenn durch das Scheitern eines Kreditinstituts auch andere in Schwierigkeiten geraten, oder wenn durch den Ausfall eines Teilnehmers im Zahlungsverkehr bei weiteren Teilnehmern Liquiditätsprobleme entstehen. Bleibt man bei diesen beiden Beispielen, ergibt sich für die Europäische Währungsunion unmittelbar die Frage, wie die Bankenaufsicht sowie die Stellung der Zentral bank im Zahlungsverkehr zu verankern ist. aa) Bankenaufsicht Viele Autoren treten für die Lokalisierung der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentral bank ein. 18 In diesem Plädoyer stecken zwei Wertungen, nämlich erstens, daß die Aufsicht generell zu den Aufgaben der Zentralbank gehöre, und zweitens, daß sie im Zentralbankgefüge möglichst beim "Spitzeninstitut" ressortieren soll. Da die Hauptzuständigkeit für die Bankenaufsicht in den meisten EG-Ländern bei der Notenbank liegt, entspricht die erste Bewertung im Regelfall auch der Realität. Die Befürworter der Einheit von Geldpolitik und Aufsicht verweisen auf die "Verwandtschaft" dieser beiden Politikbereiche: Da die Notenbanken Geldpolitik "mit Hilfe" der Kreditinstitute betreiben, müßten sie auch die Bonität ihrer Geschäftspartner stets im Auge behalten. Die Gegner l9 der institutionellen Einheit von Geldpolitik und Aufsicht befürchten dagegen, daß ein breites Mandat der Zentralbank zu einer Gefährdung ihrer Unabof the Workshop on Payment System Issues in the Perspective of European Monetary Unification, Perugia, November 1991, S. XIII-XVIII, hier S. XIII. 17 P. B. Kenen, EMU ... , a.a.O., hier S. 25. 18 Vgl. Z. B. D. Folkerts-Landau, P. M. Gerber ... , a.a.O., hier S. 102; P. B. Kenen, The European Central Bank and monetary policy in stage three of EMU, in: International Affairs, Vol. 68, Nr. 3, Juli 1992, S. 457-474, hier S. 463-464. 19 Vgl. Z. B. H. Tietmeyer, Diskussionsbeitrag, in: Währungsreformen, in: Bankhistorisches Archiv, Beiheft 21, Frankfurt 1991, S. 58-59. 2 File/Köhler
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hängigkeit führen könne. Außerdem entstünden möglicherweise Interessenkonflikte, die zu Lasten einer konsequenten Stabilitätspolitik entschieden würden. "The central bank will hardly have the complete freedom of decision when tightening monetary policy is needed, for example, if it meant having to accept additional difficulties at the banks it controls. "20 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß in Ländern mit einem sehr breit angelegten Katalog von Zentralbankaufgaben, z.B. in Großbritannien, bereits über eine Überforderung der Zentralbank und eine "Auslagerung" der Bankenaufsicht in eine eigene Behörde diskutiert wirdY Wer sich generell gegen die Hauptzuständigkeit von Zentralbanken in der Bankenaufsicht wehrt, braucht nicht mehr speziell zu begründen, warum die Europäische Zentral bank diesem Tätigkeitsfeld fernbleiben sollte. Diejenigen aber, die einer Zentralbank primäre Aufsichtsfunktionen zuschreiben, müssen noch zusätzliche Argumente bringen, falls die Aufsicht nicht bei den nationalen Zentralbanken im ESZB, sondern unmittelbar bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt werden soll. Für die Zentralisierung wird u.a. geltend gemacht, daß die Gefahr länderübergreifender Bankenkrisen wachse, wenn es nur noch eine einzige Währung in der EG gäbe. Vor allem aber fußt der Zentralisierungsvorschlag auf der Annahme eines ohnehin umfassenden Mandats für die Europäische Zentral bank - angefangen von der Geldmarktsteuerung bis hin zur lender-of-Iast-resort-Funktion. Wenn man die Aufgaben der Europäischen Zentralbank so umfassend sieht, ist es bis zur Übertragung der Bankenaufsicht auf dieses Institut nur ein kleiner Schritt. 22 Die Kontrolle sollte dann bei jener Stelle liegen, die allein schon durch die Geldmarktsteuerung über zahlreiche Informationen über das Bankgewerbe verfüge und die überdies im Extremfall ein Kreditinstitut zu retten habe. Schließlich wird auch mit Blick auf amerikanische Erfahrungen für eine Zentralisierung der Bankenaufsicht in Europa geworben. 23 Die Dezentralisierung führe zu einer "competition in laxity". "The history suggests that without centralized control the central bank "branch" with the minimal regulatory and supervisory practices will set the standards for the community."24 Im Lichte dieser Argumente scheint für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in der Bankenaufsicht wenig Platz zu sein. Allerdings ändert sich diese Einschätzung, wenn man es in der Europäischen Währungsunion wie noch zu zeigen sein wird - doch für möglich hält, einige andere 20 H. Tietmeyer, The value of monetary stability in the world today, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartike1n v. 1.12.1992, S. 3-8, hier S. 6. 21 Vgl. o. V., Overloaded Bank, in: Financial Times, 13. November 1992, S. 16. 22 Vgl. D. Folkerts-Landau, P. M. Gerber ... , a.a.O., hier S. 101-103. 23 Vgl. E. N. White, Diskussionsbeitrag, in: M. B. Canzoneri u.a. (Hg.), Establishing a central bank ... , a.a.O., hier S. 44-48. 24 Ebenda, S. 46.
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Zentralbankaufgaben dezentral durchzuführen. Denn dann muß auch die Bankenaufsicht nicht mehr unbedingt zentral organisiert sein, um zu einem in sich stimmigen Ansatz für die Zentralbankpolitik zu gelangen. Es kommt hinzu, daß das Hauptrisiko eines dezentralen Ansatzes, nämlich die "competition in laxity" , durch eine Harmonisierung der Aufsichtsregeln vermindert werden kann. Genau das aber ist durch die zweite Bankenrechtskoordinierungsrichtlinie in der EG bereits erfolgt. Der Grundsatz lautet "Minimumharmonisierung bei Heimatlandkontrolle" , wobei die Heimatlandkontrolle dem Subsidiaritätsprinzip die Tür öffnet. Aus den entsprechenden Vorschriften in den Maastrichter Verträgen ist eine Präferenz für einen dezentralen Ansatz der Bankenaufsicht abzuleiten. 25 Um Zu einer zentralisierten Lösung bei der Europäischen Zentralbank zu kommen, müßten nämlich erst zahlreiche Hindernisse überwunden werden. Das ESZB soll aber zur reibungslosen Durchführung der Bankenaufsicht beitragen. Konkret dürfte dies bedeuten, daß die Zuständigkeit für die Bankenaufsicht in den meisten EG-Ländern dort bleibt, wo sie ohnehin angesiedelt ist, nämlich bei den nationalen Zentralbanken. In den anderen Ländern können die Zentralbanken bei der Bankenaufsicht mitwirken. Was die Mitwirkung betrifft, kann insbesondere auch auf Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland verwiesen werden. Hier werden die Kreditinstitute "ortsnah" von den Landeszentralbanken überwacht. Neben dieser "Vollzugs-Subsidiarität" gestaltet die Bundesbank das Regelwerk der Bankenaufsicht mit. Beispielsweise können die Grundsätze über das Eigenkapital und die Liquidität nur im Einvernehmen mit der Bundesbank aufgestellt werden. Mit Blick auf die Erfahrungen in Deutschland darf auf keinen Fall übersehen werden, daß die Bankenaufsicht nach dem Zweiten Weltkrieg hier zunächst dezentral von den zuständigen Länderbehörden ausgeübt wurde. Das änderte sich 1961, als der Gesetzgeber die Zentralisierung der Bankenaufsicht nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die gebotene Zusammenarbeit mit der Bundesbank festschrieb. Berücksichtigt man diese Erfahrung in der Bundesrepublik, kann auch für die Bankenaufsicht in der Europäischen Währungsunion selbst dann eine Sogwirkung in Richtung Zentralisierung nicht ausgeschlossen werden, wenn die Aufsicht - dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend - zunächst dezentral verankert wird. bb) Zahlungsverkehr Während über die Beteiligung von Zentral banken an der Bankenaufsicht nach wie vor Grundsatzdiskussionen geführt werden, wird kaum bestritten, 25
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Vgl. ESZB-Satzung, Art. 25 sowie EG-Vertrag, Art. 105, Abschnitt (5) und (6).
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daß die Teilnahme am Zahlungsverkehr zu den Kernaufgaben von Zentralbanken gehört. 26 Das gilt zumindest für die sogenannten "Großzahlungen" zwischen den Kreditinstituten, die in der Spitze über Zentralbankkonten und damit in Zentralbankgeld abgerechnet werden. Diese Abrechnung bildet die Nahtstelle zwischen dem Zahlungsverkehrssystem eines Landes und der Geldmarktsteuerung der Notenbank. "In all EC countries fiscal settlement of funds transfers which are processed through interbank systems is made using central bank money, via transfers of funds held by participants on accounts at the central banks ... "27 Wenn die Zentralbanken in allen EG-Ländern schon jetzt als Abrechnungsstellen für Geschäftsbanken fungieren, stellt sich die Frage, wo die entsprechenden Probleme in der europäischen Geldpolitik überhaupt liegen könnten. Bei der Beantwortung dieser Frage sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Auf der ersten Ebene werden Vorschläge erörtert, die das Systemrisiko im Zahlungsverkehr innerhalb der Währungsunion begrenzen, wenn nicht gar ausschalten sollen. Hier gilt das Augenmerk also dem "worst case". "Die Problematik wird vor allem darin gesehen, daß ein Abrechnungsteilnehmer seinen Sollsaldo nicht abdecken kann, er folglich aus der Abrechnung ausgeschlossen und diese wiederholt werden muß (Rückabwicklung). Das Risiko der Empfängerbank läge dann darin, daß sie eine erwartete Zahlung, die sie bereits weitergeleitet hat, nicht erhält. "28 Im Gegensatz zu diesem Risikofall beschäftigt sich die zweite Ebene mit den Beziehungen, die sich zwischen dem Zahlungsverkehr und der Durchführung der Geldpolitik im Alltag ergeben. Die zentrale These lautet, daß eine einheitliche europäische Geldpolitik ohne ein EG-weites System für "großvolumige" Zahlungen nicht möglich ist. 29 Von einem derartigen System ist die Realität jedoch weit entfernt. Würde die einheitliche europäische Währung bereits heute eingeführt, stieße sie auf ein Mosaik von Zahlungsverkehrs systemen - "each with their own regulations, standards and infrastructures ... ".30 Die organisatorischen Unterschiede in den Systemen der einzelnen Länder reichen vom Kreis der Banken, die unmittelbaren Zugang zur Zentralbank haben, über die Art 26 Vgl. A. Coleby, Payment Systems: Efficiency, Risk and the Role of the Public Sector, in: Banca d'Italia, Proceedings ... , a.a.O., S. 3-13, hier S. 4; W. Hartmann, Address at the »International Payments" Seminar, in BIS Review Nr. 5 v. 15.1.1993, S.I-l1; ders., Organisation und Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Binnenmarkt, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln v. 2. Februar 1993, S. 7-10. 27 Ad Hoc Working Group on EC Payment Systems, Report to the Committee of Governors of the Central Banks on Issues of Common Concern to EC Central Banks in the Field of Payment Systems, o. O. September 1992, S. 23. 28 Vgl. Landeszentralbank in Hessen, Frankfurter Finanzmarkt-Bericht, Januar 1993, S.5. 29 Vgl. z. B. M. Perdrix, Forces of Change in EEC Countries' Payment Systems, in: Banca d'Italia, Proceedings ... , a.a.O., S. 15-30, hier S. 21-22. 30 Ad Hoc Working Group ... , a.a.O., S. 52.
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der zu erbringenden Sicherheiten und die Form des Nettings bis hin zu den Geschäftszeiten. 3l Zum Teil eng verbunden mit dieser organisatorischen Vielfalt sind die Probleme, die bei grenzüberschreitenden Zahlungen auftreten. Aus geldpolitischer Sicht hat ein System für großvolumige Zahlungen nicht zuletzt die Aufgabe, dem Geldmarkt die Verteiler-Funktion für Zentralbankgeld zu ermöglichen. Das gilt auch für die Europäische Währungsunion. 32 Gäbe es in der Europäischen Währungsunion keine grenzüberschreitende Verknüpfung zwischen den Zahlungsverkehrs systemen der einzelnen Länder, wäre die Verteiler-Funktion der Banken auf dem europäischen Geldmarkt in Frage gestellt. Der Geldmarkt bliebe fragmentiert, so daß sich geldpolitische Maßnahmen nicht in gewünschtem Maße und nicht schnell genug fortpflanzen könnten. Geldpolitisch bedenklich wären aber nicht nur mangelnde Verknüpfungen zwischen den einzelnen nationalen Geldmärkten, sondern auch Geldmarktunterschiede von Land zu Land. Sie könnten nämlich Anlaß für eine "regulatorische Arbitrage" in der Europäischen Währungsunion sein. Da die Höhe des Zentralbankgeldbedarfs in einem Lande z.B. auch von der konkreten Form des Nettings bei der Zentralbank abhängt 33 ,34, würden sich für die Kreditinstitute bei von Land zu Land unterschiedlichen NettingFormen ungleiche Startbedingungen ergeben. Das regulatorische Gefälle hätte dann vermutlich Geschäftsverlagerungen zur Folge. Was für die später zu erörternden - Mindestreserveregelungen in der Währungsunion postuliert wird, sollte auch für die Abrechnungsmodalitäten der Geschäftsbanken mit der Zentral bank gelten: Sie müssen in jedem Land gleich sein, um die regulatorische Arbitrage zu vermeiden und um darüber hinaus eine einheitliche Geldpolitik zu gewährleisten. Von Land zu Land unterschiedliche Regelungen in der ZentralbankAbrechnung der Banken würden gar nicht erst auftreten, wenn die entsprechenden Transaktionen über die Europäische Zentralbank abgewickelt würden. 35 Gegen einen derartigen Zentralismus, der durch den technischen Fortschritt gewiß begünstigt wird, spricht jedoch die Vermutung, daß die Installierung eines zentralisierten "Supra-Gironetzes" zu einem erhöhten 31 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Address on a European perspective of large-value payment systems, in: BIS Review, No. 210, 1992, S. 1-15, hier S. 8. 32 Vgl. C. Borio u. a., Payment System Arrangements and Related Policy Issues, in: Banca d'Italia, Proceedings ... , a.a.O., S. 31-98, hier: S. 84-85. 33 Vgl. H. Lamfalussy, The Report on Netting Schemes, in: Banca d'Italia, Proceedings ... , a.a.O., S. 99-104, hier: S. 102. 34 Vgl. dazu auch E. Baltensperger, U. Graf, Information and the Conduct ofMonetary Policy, in: Außenwirtschaft, 47. Jg., 1992, S. 469-495, hier S. 487. 35 Vgl. dazu auch P. Troberg, "Das Öl im Getriebe des Binnenmarktes". Zahlungsverkehr im EG-Binnenmarkt, in: Geldinstitute, Nr. 7/8,1992, S. 6-13, hier S.IO.
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Systemrisiko im Zahlungsverkehr führt. 36 Gegen eine Zentralisierung kann außerdem der Artikel 22 der ESZB-Satzung 37 angeführt werden. Hier sind die nationalen Zentralbanken - neben der Europäischen Zentralbank ausdrücklich als mögliche Träger von Verrechnungs- und Zahlungs systemen erwähnt. Die Entscheidung für ein dezentrales System erscheint allerdings nur dann sinnvoll, wenn es möglich ist, die nationalen Systeme miteinander zu verknüpfen. Darüber hinaus muß - ähnlich wie bei der Bankenaufsicht - für eine Mindestharmonisierung der Abrechnungssysteme gesorgt werden: "In many respects, EMU will simply reinforce the requirements of the Single Market for payment systems, particularly with regard to the harmonisation of access criteria, legal provisions and technical standards. "38 Insbesondere ist bei der Harmonisierung auf die Minimierung des Systemrisikos zu achten. Das kann am ehesten über ein "real-time gross-settlement system"39 erreicht werden. Dabei wird jede einzelne Zahlung nur aus vorhandenen Zentralbankguthaben geleistet. Als Vorbilder für dezentrale Ansätze im Abrechnungsverkehr der Banken mit der Zentralbank werden in der Literatur vor allem die USA 40 und die Bundesrepublik Deutschland genannt. Allerdings muß man berücksichtigen, daß ein dezentrales Konzept für den großvolumigen Zahlungsverkehr durchaus mit einer räumlichen Konzentration auf der zweiten Ebene eines Zentralbanksystems verbunden sein kann. Dies lehrt jedenfalls die Erfahrung in der Bundesrepublik. Hier gehört es zwar zu den Kompetenzen der einzelnen Landeszentralbanken, die Zentralbankgeld-Abrechnung zwischen jenen Geschäftsbanken herzustellen, die in ihrem jeweiligen Einzugsbereich liegen. Faktisch dominiert aber die Landeszentralbank in Hessen. Mit einem Volumen von 134 Billionen DM entfielen auf sie im Jahre 1992 weit über neun Zehntel des gesamten Abrechnungsverkehrs im Bundesbankbereich. 41 In diesem hohen Konzentrationsgrad kommt vor allem Frankfurts Stellung als Schnittstelle im internationalen Zahlungsverkehr zum AusdruckY Projiziert man die deutschen Erfahrungen mit dem Abrechnungsverkehr zwischen den Kreditinstituten und den Landeszentralbanken auf das geplante Europäische Zentralbanksystem, so ist anzunehmen, daß die einzelnen nationalen Zentralbanken auf diesem Tätigkeitsfeld mit unterschiedlichen Vgl. ebenda. Vgl. ESZB-Satzung, Art. 22. 38 Ad Hoc Working Group ... , a.a.O., hier S. 51. 39 Ebenda, S. 54. 40 Vgl. dazu bspw. D. B. Humphrey (Hg), The D.S. Payment System: Efficiency, Risk and the Role of the Federal Reserve, Boston 1990. 41 Vgl. Landeszentralbank in Hessen, Frankfurter Finanzmarkt-Bericht, Januar 1993, S.1. 42 Vgl. eben da. 36 37
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Gewichten vertreten sein werden. Ein Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip sollte darin freilich nicht gesehen werden. Die Hauptaufgabe der Spitze im ESZB, also der Europäischen Zentralbank, dürfte in der unbedingt erforderlichen Harmonisierung und möglicherweise auch in der Aufsicht der Verrechnungs- und Zahlungs systeme liegen. Darüber hinaus könnte die Europäische Zentralbank subsidiäre Aufgaben im Zahlungsverkehr mit Drittländern und im EG-internen Spitzenausgleich übernehmen. b) Bargeldversorgung
Neben zahlreichen - nicht zu unterschätzenden - technischen Problemen 43 stellt sich im Zusammenhang mit der "Vergemeinschaftung" der Noten und Münzen die Frage, wer das Bargeld emittieren soll. 44 Gemäß dem Vertrag von Maastricht hat der Rat der Europäischen Zentralbank das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. 45 Das Emissionsgenehmigungsrecht ist also zentralisiert. Die eigentliche Emission der Banknoten kann dann jedoch durch die nationalen Zentralbanken und die Europäische Zentralbank erfolgen. Das Recht zur Ausgabe von Münzen verbleibt bei den einzelnen Mitgliedstaaten, "wobei der Umfang dieser Ausgabe der Genehmigung durch die Europäische Zentralbank bedarf. "46 Die Regelungen des Maastrichter Vertrages können so interpretiert werden, daß die einzelnen Zentralbanken der EG im wahrsten Sinne des Wortes - "Noten-Banken" bleiben, indem sie die Bargeldnachfrage auf dezentraler Ebene befriedigen. Das Recht dazu hat zwar auch die Europäische Zentralbank, sie dürfte es aber mit Rücksicht auf das Subsidiaritätsprinzip wohl kaum ausüben. Es gibt aber auch Überlegungen, die Notenemission zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken aufzuteilen. Danach würde die Europäische Zentralbank die großen und mittleren, die nationalen Zentralbanken die kleinen Scheine ausgebenY In einem dezentralen Ansatz muß geklärt werden, ob die Emittenten bei der Bargeldmenge freie Hand haben, oder ob sie an Regeln gebunden sind, die den Noten- und Münzenumlaufbegrenzen. Immerhin liegt der Anteil des Bargeldes an der Geldmenge MI in einer ganzen Reihe von EG-Ländern (Belgien, Deutschland, Niederlande) bei fast einem Drittel, in Irland bei über 43 Vgl. F. Mazzaferro, Unity through Diversity, Bank notes and coins in the European Monetary Union, in: ECU Newsletter, lune 1992, S. 22-36 und October 1992, S. 17-33. 44 Vgl. dazu den Beitrag des Verfassers in: BHF-BANK, Wirtschaftsdienst, Nr. 1698 v. 2.1.1993, Europäisches Bargeld. 4S Vgl. ESZB-Satzung, Art. 16. 46 EG-Vertrag, Art. 105a, Absatz 2. 47 Vgl. F. Mazzaferro, Unity ... , a.a.O., Oktober 1992, hier S. 30-31.
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40 und in Griechenland sogar bei rund 60 Prozent. 48 Um die gesamte europäische Bargeldschaffung bei einem dezentralen Ansatz im volkswirtschaftlich angemessenen Rahmen zu halten, bedarf es keiner BargeldKontingente für die einzelnen Länder. Man muß nämlich bedenken, daß die Gelddisponenten der Geschäftsbanken bei der Ermittlung ihres Zentralbankgeldbedarfs nicht nur die Mindestreservepflicht und die notwendigen "working balances" bei der Notenbank, sondern immer zugleich auch die Bargeldabhebungen der Kunden im Auge haben müssen. Volkswirtschaftlich gesehen können die Kreditinstitute eine Ausweitung des Bargeldumlaufs nur bewerkstelligen, indem sie ihrerseits bei der Zentralbank Noten und Münzen abheben. Dazu benötigen sie Guthaben bei der Zentralbank. Der Bargeldumlauf absorbiert also Zentralbankguthaben. Diese Absorption betrug in der Bundesrepublik im Zeitraum von 1981 bis 1991 fast 90 Mrd DM. Die Mindestreserven absorbierten dagegen im gleichen Zeitraum "lediglich" Zentralbankguthaben in Höhe von etwa 51 Mrd DM. Gelingt es der Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion, das Angebot an Zentralbankguthaben insgesamt knapp zu halten, dann kann man die räumliche Verteilung des Bargeldes der Nachfrage und den nationalen Zentralbanken überlassen. Speziell auf Noten und Münzen ausgerichtete Länder-Kontingente sind nicht notwendig, weil das Bargeld schon konzeptionell einen Teil der Geldmarkt- und, sofern man sich dafür entscheidet, der Geldmengensteuerung darstellt, die in einem einheitlichen Währungsraum nicht regionalisiert werden sollte(n). Soll das Bargeld in der Europäischen Währungsunion dezentral emittiert, aber gleichzeitig eine Vielfalt der Noten und Münzen vermieden werden, kommt man trotz einer Präferenz für das Subsidiaritätsprinzip nicht umhin, zentralistische Aspekte in die Bargeldversorgung einzubringen. Der Zentralismus könnte sich zum Beispiel darin äußern, daß die Noten und Münzen in allen beteiligten Ländern die gleiche Stückelung und Formatierung aufweisen, und daß sie auch im Aussehen vollkommen identisch sind. Diese äußeren Aspekte sollen hier nicht weiter vertieft werden. Es sei lediglich angedeutet, daß gerade auf diesem Gebiet Interessenkonflikte auftreten könnten. Während Politiker dafür eintreten, daß das Bargeld nicht nur ein europäisches, sondern auch ein nationales Symbol tragen soll, votiert z.B. der europäische Bankenverband gegen diese duale Kennung: "regarding the design ofthe new notes and coin the Federation strongly believes that these would have to be of standard design, without any individual national characteristics, in order that reissue of cash paid into the bank could be achieved without any problem of repatriation". 49 48 49
Vgl. Ad Hoc Working Group ... , a.a.O, hier S. 9. Federation Bancaire de la Communaute Europeenne, Federation Commentary on
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c) Preisstabilität und Geldmarktsteuerung
Das vorrangige Ziel des ESZB heißt Preisstabilität. 50 Die Satzung des ESZB nennt auch zahlreiche Instrumente, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Das Statut läßt jedoch die Aufteilung der Instrumente zwischen den nationalen Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank offen. Typisch sind Formulierungen, die sowohl den nationalen Zentralbanken als auch der Europäischen Zentralbank Instrumentenbefugnisse zu geben scheinen. Ein Konzept zur Geldmarktsteuerung ist aus dem Statut nicht zu erkennen. Ebenso unbeantwortet bleibt die Frage, ob das ESZB ein Zwischenziel haben sollte - und wenn ja: welches -, um das Oberziel Preisstabilität zu erreichen. 51 Da zur Klärung dieser "offenen Postionen" im Statut des ESZB häufig auf amerikanische Erfahrungen verwiesen wird, sei zunächst betont, daß sich das heutige Federal Reserve System vom ursprünglichen "design" weit entfernt hat. So erfüllten die einzelnen Reservebanken in den früheren Jahren des Federal Reserve Systems keineswegs nur Durchführungsaufgaben. Vielmehr legten sie für ihren jeweiligen Distrikt auch den geldpolitischen Kurs fest. Da dieses dezentrale System jedoch nicht funktionierte 52 , wurde der Instrumenteneinsatz immer stärker zentralisiert. Heute spielen das Federal Open Market Committee mit der Festlegung und die Federal Reserve Bank in New York mit der Durchführung der Offenmarktpolitik die überragende Rolle. Mit Blick auf die Konkretisierung des ESZB läßt sich somit festhalten, daß die ursprüngliche Verfassung des amerikanischen Notenbanksystems zwar dezentral war, aber keineswegs nachahmenswert ist. Die heutige Ausgestaltung des amerikanischen Systems dürfte in vielen Aspekten zwar nachahmenswert sein, aber in der Durchführung der Geldpolitik ist es nicht dezentral, sondern zentral auf die Federal Reserve Bank in New York ausgerichtet. Insofern sollte große Vorsicht geboten sein, wenn für die Detail-Konstruktion des ESZB Anlehnungen an das amerikanische Notenbankwesen gesucht werden. Mit Vorsicht ist aber auch die deutsche Notenbankverfassung aus den Jahren 1948 bis 1957 zu behandeln: "Faktisch war das zweistufige System the Implications for the Banking Industry of Economic and Monetary Union and a Single Currency, Brüsse124.11.1992, S.I-8, hier S.4. 50 Vgl. ESZB-Satzung, Art. 2. 51 Vgl. W. Gebauer, Geld versus Zins: Überlegungen zu einer Europäischen Zentralbankpolitik, in: Geld und Währung. Working Papers, Nr. 18, Frankfurt 1991, S. 15. 52 Vgl. bspw. B. Eichengreen, Designing a Central Bank for Europe: a cautionary tale from the early years ofthe Federal Reserve System, in: M. B. Canzoneri: u. a. (Hg), a.a.O., S. 13-40; F. A. Lutz. Das Grundproblem der Geldverfassung, in: Geld und Währung, Tübingen 1962, S.28-103, hier S. 59-74.
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eine geschlossene Währungsbank. "53,54 Dennoch kann man das zweistufige System aus der Vorzeit der Bundesbank als ausbaufähige Idee einer zentralbankpolitischen Arbeitsteilung betrachten. So arbeiteten die ehemaligen Landeszentralbanken primär als "banking department" und die Bank deutscher Länder als "issue department" der Notenbank. 55 Nach den Überlegungen in den vorangegangenen Abschnitten gehört die Mitwirkung der nationalen Zentral banken bei der Bankenaufsicht ebenso in die dezentralen departments des ESZB wie der Abrechnungsverkehr mit den Geschäftsbanken und die Durchführung der Notenemission. Das Emissionsgenehmigungsrecht sollte dagegen im zentralen issue department bei der Europäischen Zentral bank liegen. Dieser Grundstock von Zentralbankaufgaben ist nunmehr um die Geldmarktsteuerung, die im Dienst der Preisniveaustabilisierung steht, zu ergänzen. Dabei soll die Betrachtung der FiskalagentFunktion und der Devisengeschäfte in die Analyse der Geldmarktsteuerung mit einbezogen werden. Mit der Geldmarktsteuerung wird das Augenmerk auf jenen Abschnitt innerhalb des mehrstufigen geldpolitischen Transmissionsprozesses gerichtet, der in der Währungsunion vielleicht noch am ehesten dem Subsidiaritätsprinzip zugänglich erscheint. Unterstellt wird dabei, daß die zentral getroffenen Entscheidungen über den monetären Kurs unterschiedslos in allen Teilnehmerländern der Europäischen Währungsunion gelten sollen. Die Verengung des Blickwinkels auf die Geldmarktsteuerung hat allerdings auch zur Folge, daß die Betrachtungen bereits vor der Zwischenziel-Problematik einer europäischen Geldpolitik enden. Dieser Nachteil wird jedoch bewußt in Kauf genommen, weil viele Aussagen über die operative Ebene der Geldpolitik unabhängig davon sind, ob auf der nächst höheren Stufe im Transmissionsprozeß beispielsweise eine Geldmenge oder ein Zins "regiert".56 Im Kern geht es bei der Geldmarktsteuerung im ESZB um die Frage, wie und wo die Banken jene Zentralbankgeldbeträge erhalten, die mit der generellen geldpolitischen Linie im Einklang stehen. Aus Notenbanksicht muß also geklärt werden, auf welchen Wegen die Liquidität zu den einzelnen Banken gelangen soll. Grundsätzlich könnte diese Aufgabe durchaus auch 53 o. Veit, Grundriß der Währungspolitik, 3. durchgängig erneuerte Auflage, Frankfurt 1969, S. 624. 54 Vgl. dazu auch H. Besters, L. Gleske, Zur Diskussion um eine Europäische Währungsunion, in: R. Wildenmann (Hg), Staatswerdung Europas, Baden-Baden 1991, S. 199223, hier S. 214; L. Gleske, The ECB as a new central bank - issued to be tackled, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln v. 30.1.1993, S. 8-10, hier S. 8. 55 Vgl. J. Spindler u.a., Die Deutsche Bundesbank, 3. Auflage, Stuttgart u.a. 1969, S. 13. 56 Vgl. B. Kasman, A Comparison of Monetary Policy Operating Procedures in Six Industrial Countries, in: Federal Reserve Bank of New York, Quarterly Review, Summer 1992, S. 5-24, hier S. 6.
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von der Europäischen Zentralbank allein übernommen werden. Dies würde jedoch dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen. Übertrüge man die Zentralbankgeldbereitstellung einer einzigen nationalen Zentralbank als "operational arm" des ESZB, stieße das mit Sicherheit auf die Kritik der anderen nationalen Zentralbanken. Daher würde es dem Subsidiaritätsprinzip wohl am besten entsprechen, wenn alle Zentral banken in der Währungsunion an der Zentralbankgeldversorgung mitwirken könnten. In einem dezentralen Mitwirkungsmodell ist es jedoch schwer, die Einheitlichkeit der Geldpolitik im Währungsraum zu gewährleisten. Demnach gilt es einen Weg zu finden, der zu einer möglichst großen Zielharmonie von Subsidiarität und Einheitlichkeit in der europäischen Geldpolitik führt. Problematisch wäre dabei eine Quotenregel, die über die Verteilung der Gesamtliquidität auf die einzelnen Zentralbanken entscheidet. Es bestünde nämlich die Gefahr, daß die dezentrale Durchführung der Geldpolitik durch einen Quotenstreit zwischen den Notenbanken in Mißkredit gerät. aa) Mindestreserven Wie schwer es ist, das allgemeine Postulat "Einheitlichkeit der Geldpolitik" mit dem Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Währungsunion zu verknüpfen, zeigt sich bereits beim Thema "Mindestreserven". So wird zwar kontroverslos hervorgehoben, daß sich unterschiedliche Reservesätze mit einer einheitlichen Geldpolitik nicht vertragen würden. Angesichts unterschiedlicher nationaler Erfahrungen bestehen jedoch gravierende Meinungsverschiedenheiten darüber, ob das ESZB überhaupt auf das im Statut vorgesehene Mindestreserveinstrument angewiesen ist. Während die Mindestreserven in Deutschland zum Gesamtkonzept der Geldmarktsteuerung gehören, kommen England und Dänemark praktisch ohne Mindestreserven aus. Allerdings ist zu beachten, daß die Unterschiede in der Geldmarktsteuerung dieser Länder weit über die Mindestreserven hinausgehen. Es handelt sich um drei vollkommen verschiedene Steuerungsansätze. Die Notenbank in Dänemark beschränkt sich weitgehend darauf, dem Geldmarkt über einen Abgabe- und einen Rücknahmesatz einen Zinskorridor vorzugeben. 57 Demgegenüber verfolgt die Bank von England in der Geldmarktsteuerung ein zentral-interventionistisches Konzept, indem sie mehrmals am Tag über einige wenige Diskonthäuser ins Geldmarktgeschehen eingreift. 58 Würde man das dänische Modell auf die europäische Ebene übertragen, wären regionale Unterschiede im Geldmarktzins nicht auszuschließen, so daß die Einheitlichkeit der Geldpolitik gefährdet würde. Bei der Transformation des Vgl. Danmarks Nationalbank, Monetary Review, May 1992, S. 8-9. Vgl. Bank of England, Bank of England Dealings in the Sterling Money Market Operational Arrangements, October 1988. 57 58
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englischen Modells auf das ESZB bliebe das Subsidiaritätsprinzip auf der Strecke. Geldmarktsteuerungskonzepte, die - wie in Deutschland - mit Mindestreserven operieren, haben den Vorteil, daß die Banken stets über ein bestimmtes Volumen an "working balances" verfügen, die im InterbankenZahlungsverkehr als Liquiditätspuffer eingesetzt werden können. Aus der Sicht der Notenbank erleichtert die Mindestreservepflicht die Schätzung des Liquiditätsbedarfs der Banken. 59 "Ohne Mindestreserven ... bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß es zu einer permanenten Über- oder Unterversorgung des Bankensystems käme ... "60 Diese Konsequenzen könnten vermutlich nur vermieden werden, wenn die Europäische Zentral bank als Spitzen institut des ESZB immer wieder diskretionär in das Geldmarktgeschehen eingriffe. In einem System mit Mindestreserven ist diese Eingriffsnotwendigkeit dagegen seltener, weil die Mindestreserve den Selbstregulierungsgrad des Geldmarktes erhöht. So gesehen wirkt die Mindestreserve der Zentralisierung in der Geldpolitik entgegen. "Die von einer Mindestreservepflicht ausgelöste Verstetigung der Geldmarktnachfrage würde es ... erleichtern, zu dezentralen Formen der Refinanzierungstechnik im Europäischen Zentralbanksystem zu kommen ... "61 Transmissionstheoretisch gedeutet könnte die Mindestreserve im ESZB in ein Konzept integriert werden, das über die Steuerung des Tagesgeldsatzes Einfluß auf das Zwischenziel nimmt. In diesem Ansatz hat die Mindestreserve nicht das Ziel, die Giralgeldschöpfung des Bankensystems unmittelbar quantitativ zu begrenzen. Vielmehr soll die Mindestreserve die Nachfrage der Banken nach Zentralbankgeld verstetigen, um die Kontrolle der Notenbank über das Tagesgeld zu erleichtern. 62 In einem derartigen Ansatz können die Mindestreservesätze auch so niedrig angesetzt werden, daß das Mindestreserve-Soll kaum von den "working balances" abweicht. Entschiede man sich in der Europäischen Währungsunion für eine Mindestreservepflicht, die wesentlich über die working balances hinausginge, müßte u.a. geklärt werden, ob dabei die Gast- oder aber die Heimatlandkontrolle anzuwenden wäre. 63 Derzeit gilt für die Mindestreserve die Gastland59 Vgl. W. Friedmann, Die Mindestreserve im deutschen Finanzsystem, in: W. Ehrlicher, D. B. Simmert (Hg), Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank, Berlin 1988, S. 79-91 60 H. J. TreutIer, Vorbereitungen der einheitlichen Geldpolitik in der dritten Stufe der WWU, in: W. Gebauer (Hg), Geld-Währung-Kapitalmarkt. Working Papers Nr. 27, Frankfurt September 1992, S. 14. 61 G. Häusler, Finanzplatz Deutschland aus der Sicht der Bundesbank, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln v. 4. Februar 1993, S. 7-12, hier S. 11. 62 Vgl. S. E. Weiner, The Changing Role of Reserve Requirements in Monetary Policy, in: Federal Reserve Bank ofKansas City, Economic Review, Fourth Quarter 1992, Vol. 77, S. 45-63, hier S. 59. 63 Vgl. P. B. Kenen, EMU After Maastricht, a.a.O., S. 56-57.
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kontrolle. Durch die Einführung einer einzigen Währung und einer harmonisierten Reservepflicht könnte jedoch ein Übergang zur Heimatlandkontrolle angezeigt erscheinen. Konkret und beispielhaft formuliert würde das bedeuten, daß die Einlagen von Filialen deutscher Banken in Frankreich nicht zu einer Mindestreserveverpflichtung bei der Bank von Frankreich, sondern bei der Deutschen Bundesbank führten. Nehmen alle wichtigen EGLänder aus der Währungsunion teil, wäre der faktische Unterschied zwischen Gastland- und Heimatlandkontrolle nicht groß. Anders sähe es aus, wenn ein Land ohne Mindestreserven, also beispielsweise Großbritannien, der Währungsunion fernbliebe. Dann fielen die Unterschiede zwischen Gastland- und Heimatlandkontrolle in der Mindestreserve erheblich ins Gewicht. Bei der Heimatlandkontrolle in der Mindestreservepflicht hätten Banken aus anderen Ländern der Währungsunion keinen Anreiz mehr, reserve-induzierte Geschäftsverlagerungen nach London vorzunehmen. Der Londoner off-shore-Markt würde beeinträchtigt. Die britischen Banken hätten ihrerseits einen komparativen Vorteil auf den Märkten der anderen EGLänder. Die Marktanteile, die sie hier gewinnen würden, gingen zu Lasten des geldpolitischen Steuerungspotentials des ESZB. Gravierende Probleme entstünden aber auch im System der Gastlandkontrolle. Hier würde die jetzt schon bestehende Begünstigung des Londoner Finanzplatzes europapolitisch sanktioniert. Die Gastlandkontrolle in der Mindestreservepolitik beschleunigte die Zentralisierung der Finanzplätze. Außerdem würde die geldpolitische Steuerung erschwert: "The ECB's control over the volume ofECU deposits would then be limited by the existence of a large off-shore market in London ... "64 Die geschilderten Probleme, die sich sowohl bei der Heimatland- als auch bei der Gastlandkontrolle ergäben, ließen sich am leichtesten lösen, wenn man in der Europäischen Währungsunion eine verzinsliche Mindestreserve einführte. Nach der Satzung des ESZB ist dies auch möglich. 65
bb) Erweitertes Offenmarktmodell Akzeptiert man die Mindestreservepflicht als dezentralen Anker in der Geldpolitik, könnte für die Geldmarktsteuerung in der Europäischen Währungsunion ein Ansatz in Frage kommen, der auf drei Säulen beruht, nämlich erstens auf einer harmonisierten, aber niedrigen Mindestreserve, zweitens auf breit angelegten Pensionsgeschäften sowie drittens auf einer P. B. Kenen, EMU After Maastricht, a.a.O., S. 57. Vgl. dazu auch: H. Lehment, J. Scheide, Die Europäische Wirtschafts-'und Währungsunion: Probleme des Übergangs, in: Die Weltwirtschaft 1992, H. 1., S.50-67, hier S.57-58. 64
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Refinanzierungskomponente. "Breit angelegte Pensionsgeschäfte" hieße dabei, daß sie nicht nur mit den üblichen Wertpapieren, sondern zum Beispiel auch mit Wechseln und anderen Finanztiteln durchgeführt werden könnten. Auf diese Weise trüge man den immer noch vorhandenen nationalen Finanzmarktbesonderheiten und damit zugleich einem besonders wichtigen Anliegen einer dezentral orientierten Geldmarktsteuerung Rechnung. Nach dem Aufruf zu Pensionsgeschäften würden die Kreditinstitute ihre Gebote bei den nationalen Zentralbanken einreichen, die sie gebündelt an die Europäische Zentralbank weiterleiteten. Dort würde anschließend unter Berücksichtigung von Zinsaspekten über die Menge der bereitzustellenden Liquidität entschieden. Dabei hinge die Primärverteilung von Liquidität im Währungs raum vom Bietungsverhalten der Banken und nicht von problematischen Quotenregeln ab. Die Buchung, Besicherung und Implementierung lägen dann wieder in den dezentralen Händen der einzelnen nationalen Zentralbanken. Über die Pensionsgeschäfte ließe sich also ein "bottom-upapproach" in der Geldpolitik mit einem "top-down-approach" kombinieren. Da es riskant wäre, sich bei der Liquiditätsversorgung nur auf ein einziges Notenbankinstrument zu verlassen, sollte der Zugang der Kreditinstitute zum Notenbankkredit auch in der Währungsunion als Auffang-Linie erhalten bleiben. Neben der breit angelegten Offenmarktkomponente müßte daher im Geldmarktsteuerungskonzept eine dezentral verankerte Refinanzierungskomponente Platz finden. Hier entspräche es der Funktion der Notenbank als "lender oflast resort" am besten, wenn der Refinanzierungssatz nicht unter, sondern über dem Offenmarktzins läge. 66 Insgesamt dürfte kaum zu bestreiten sein, daß selbst dem um eine Refinanzierungskomponente "erweiterten" Offenmarkt-Modell ein Trend zum Zentralismus innewohnt, zumal ein ergänzender Liquiditätsspitzenausgleich ohnehin nur zentral durchzuführen ist. Eine Gratwanderung zwischen dem Subsidiaritätsprinzip und der Einheitlichkeit der Geldpolitik erscheint in der Geldmarktsteuerung mithin unvermeidlich. cc) Fiskalagent-Funktion Auf der Suche nach Lösungsmöglichkeiten für den Liquiditätsspitzenausgleich am Geldmarkt stößt man auch auf die Fiskalagent-Funktion von Zentralbanken. Nach den Maastrichter Verträgen können die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken für öffentliche Stellen als Fiskalagent tätig werden. 67 Mit einer weitgehend autonom bleibenden Fi66 Vgl. o. Issing, Das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank - Argumente für eine Neuorientierung, in: G. Bombach u. a. (Hg), Geldtheorie und Geldpolitik, Tübingen 1988, S. 61-75, hier S. 72. 67 Vgl. ESZB-Satzung, Art. 21.2.
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nanzpolitik dürfte für die nationalen Zentralbanken auch in der Währungsunion ausreichend Spielraum bestehen, die Fiskalagent-Funktion für die öffentlichen Haushalte dezentral zu erfüllen. Dabei handelt es sich bspw. um die Mitwirkung bei der Kreditaufnahme und um die Kurspflege öffentlicher Anleihen. Hier ist Platz für die Realisierung des Subsidiaritätsprinzips. Zur Beurteilung der Fiskalagent-Funktion der Zentral banken ist unter Geldmarktaspekten allerdings auch zu berücksichtigen, daß die Kassenkredite an öffentliche Haushalte im ESZB verboten sind. 68 Bisher gehörte die Gewährung von Kassenkrediten zu den typischen Funktionen der Zentralbank als "Hausbank des Staates". Entscheidend ist nun, daß mit dem Wegfall einer Fiskalagent-Funktion auch die sogenannte "Einlagenpolitik" der Zentral banken auf den Prüfstand kommen muß.69 Wenn der Staat nämlich keine Kassenkredite mehr bei der Notenbank aufnehmen kann, dürften die öffentlichen Stellen auf die Anlage ihrer flüssigen Mittel im Geschäftsbankensystem drängen. Dann könnten die Kassenbestände der öffentlichen Haushalte nicht mehr zur kurzfristigen Steuerung des Geldmarktes herangezogen werden. Folglich ist nach anderen Feinsteuerungsinstrumenten Ausschau zu halten. Neben einem eigenen Emissionsrecht der Europäischen Zentralbank für kurzfristige Wertpapiere kann hier insbesondere an Devisenswap- und Devisenpensionsgeschäfte gedacht werden. dd) Devisengeschäfte und Verwaltung von Währungsreserven Wie die Erfahrung lehrt, entsteht ein Bedarf für Feinsteuerungsmaßnahmen auf dem Geldmarkt häufig durch Devisenmarktveränderungen. Insofern kann es auch nicht überraschen, daß zahlreiche Instrumente, die zur Glättung des Geldmarktes eingesetzt werden, den Bogen zum Devisenmarkt spannen. Nach dem Statut hat das ESZB u.a. die Aufgabe, Devisengeschäfte durchzuführen und die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten. 70 Als Träger solcher Aufgaben kommen dabei sowohl die nationalen Zentralbanken als auch die Europäische Zentralbank in Frage. 71 Es darf aber unterstellt werden, daß Geschäfte am Devisenmarkt, die der kurzfristigen Geldmarktsteuerung dienen, ebenso bei der Europäischen Zentralbank verankert werden wie wechselkurspolitisch orientierte Vgl. EG-Vertrag, Art. 104. Vgl. G. Greitemann, Die Verwaltung der Staatskassenmittel als Rechtsproblem im Schnittpunkt von Finanzrecht, Bankrecht und Recht der Währungspolitik, München 68
69
1968. 70
71
Vgl. ESZB-Satzung, Art. 3.1. Vgl. ESZB-Satzung, Art. 23.
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Interventionen. 72 Hier hat das Subsidiaritätsprinzip keine Chancen. Da den nationalen Zentral banken jedoch ein Teil ihrer Währungsreserven verbleiben dürfte, kann das Subsidiaritätsprinzip zumindest in den engen Grenzen, die der Artikel3! der ESZB-Satzung für die Verwaltung der Währungs res erven vorgibt7 3 , zum Zug kommen. 3. Zusammenfassende und weiterführende Thesen a) Das Statut des Europäischen Systems der Zentralbanken birgt viele "offene Positionen". Insbesondere gilt dies für die Arbeitsteilung zwischen den nationalen Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. b) Für die Konkretisierung der Arbeitsteilung zwischen den nationalen Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank fehlt eine "Theorie des monetären" Föderalismus bisher ebenso wie eine ausgefeilte KostenNutzen-Analyse geldpolitischer Instrumente. c) Das Subsidiaritätsprinzip kann in der Zentralbankpolitik zumindest partiell realisiert werden. Die Begründungen für das Subsidiaritätsprinzip unterscheiden sich aber je nach der konkreten Zentralbankaufgabe. Die Mitwirkung nationaler Zentralbanken in der Bankenaufsicht z. B. ist anders zu rechtfertigen als die Teilnahme der Notenbank am Zahlungsverkehr. d) Im dreistufigen geldpolitischen Transmissionsprozeß erscheint die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips weder für das Oberziel (Preisstabilität) noch für das Zwischenziel (Geldmenge oder Zins) geeignet. Lediglich die operative Ebene (Geldmarktsteuerung) läßt subsidiären Spielraum für die nationalen Zentralbanken. e) In der Geldmarktsteuerung könnte eine auf niedrigem Niveau harmonisierte Mindestreserve gute Dienste für die Realisierung einer dezentral durchzuführenden Geldpolitik im ESZB leisten. f) Beim Entwurf eines in sich stimmigen geldpolitischen Konzepts für die Europäische Währungsunion sollte das Subsidiaritätsprinzip nur eine Nebenrolle spielen. Im Konflikt zwischen diesem ohnehin vagen Prinzip und der Einheitlichkeit der Geldpolitik im Währungsraum gebührt der Einheitlichkeit absoluter Vorrang.
g) Sollte das Europäische System der Zentralbanken tatsächlich dezentral starten, ist im Verlauf der weiteren Entwicklung gleichwohl eine "zentrale 72 Vgl. K. Thomas, Der Finanzplatz Frankfurt und das künftige Europäische Zentralbankensystem, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln v. 20. Mai 1992, S. 7-11, hier S. 10. 73 Vgl. ESZB-Satzung, Art. 31.
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Metamorphose" möglich. Mit Blick auf historische Erfahrungen könnte man von der "Anziehungskraft der zentralen Notenbank" sprechen.
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Gemeinschaftliche Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion: Konsequenzen für die deutschen Banken* Von Manfred Weber, Köln 1. Vorbemerkung
Die konkrete Ausgestaltung der Geldpolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) wird zur Zeit immer noch überwiegend aus dem Blickwinkel der Zentralbanken diskutiert. Das ist naturgemäß eine etwas einseitige Betrachtungsweise. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung nutzt die Zentralbank nämlich die Finanzmärkte als Transmissionsriemen; Angebots- und Nachfragebedingungen an den Geldmärkten sollen so beeinflußt werden, daß die geldpolitischen Ziele erreicht werden. Dies erfordert ein reibungsloses Zusammenwirken von Notenbank und Bankensystem. Eine Notenbank kann also nicht losgelöst von den Gegebenheiten an den Finanzmärkten operieren. Sie muß vielmehr bestrebt sein, diese in ihrem Sinne bestmöglich zu nutzen. Sie muß zugleich darauf achten, daß ihre Aktionen das Marktgeschehen nicht beeinträchtigen und letztlich den Wettbewerb verzerren. Reibungsverluste im technischen Ablauf oder häufige Irritationen der Marktteilnehmer als Folge von Zentralbankmaßnahmen ließen Zweifel an der Fähigkeit einer Notenbank aufkommen, den Geldmarkt angemessen steuern zu können. Das wiederum kann nicht im geldpolitischen Interesse liegen. Über die Gestaltung der Rahmenbedingungen wie durch direktes Engagement übt eine Notenbank aber auch erheblichen Einfluß darauf aus, wie sich ein Finanzmarkt entwickelt und welche Instrumente sich am Markt durchsetzen. So bedeutet zum Beispiel die Entscheidung, den Kreditinstituten einen Rediskontkredit einzuräumen, eine Förderung der Wechselfinanzierung. Umgekehrt kann eine Notenbank darauf hinwirken, daß bestimmte Marktentwicklungen nicht eintreten, weil sie die Wirksamkeit ihres Instrumentariums, beispielsweise der Mindestreserve, beeinträchtigen würden. * Der Autor dankt Kar! Knappe für wertvolle Hilfe bei der Vorbereitung dieses Beitrages.
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Das ist ein wesentlicher Grund dafür, daß in Deutschland auch nach der jüngsten Senkung der Mindestreservesätze und der Ausgabe eigener Geldmarktpapiere durch die Bundesbank (der Bulis) der Markt für kurzfristige Titel noch unterentwickelt ist. Notenbank und Bankensystem befinden sich also in einem Geflecht gegenseitiger Abhängigkeiten. In der Diskussion über die künftige Gestaltung der Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion können die Gegebenheiten an den Märkten schon deshalb nicht unbeachtet bleiben. Die Sicht und die Interessen der Akteure an den Finanzmärkten sollten vielmehr von Anfang an in angemessener Form berücksichtigt werden. Im folgenden soll auf die Auswirkungen der Währungsunion auf das Kreditgewerbe und einige Folgerungen hieraus für die künftige Geldpolitik näher eingegangen werden. Dabei werden vier Fragenbereiche angesprochen: -
die Auswirkungen der Währungsunion auf den Bankenmarkt und den Bankenwettbewerb;
-
die Wirkungen einer gemeinschaftlichen Geldpolitik in der Währungsunion auf die Refinanzierung der Banken beim Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) und die hieraus abzuleitenden Anforderungen an die Geldpolitik;
-
vor dem Hintergrund dieser Anforderungen, die wesentlichen Strukturelemente der Geldpolitik in der Währungsunion;
-
einige Probleme der Übergangsphase zu Währungsunion.
Bei der Erörterung dieser Fragen muß man deutlich unterscheiden zwischen den Konsequenzen der Währungsunion einerseits und den Auswirkungen des Europäischen Binnenmarktes andererseits. Gemeinsam ist beiden die Freizügigkeit des Kapitalverkehrs. Sie ist eine grundlegende Voraussetzung für beide Projekte. Konsequenterweise wurde sie - von einigen Ausnahmen bzw. Übergangsregelungen abgesehen - bereits in der ersten Stufe der Währungsunion (zum 1. Juli 1990) und damit vor dem offiziellen Beginn des Binnenmarktes verwirklicht. Grundlegende Elemente des Binnenmarktes sind für das Bankgewerbe die Niederlassungsfreiheit, die ungehinderte Ausübung der Geschäfte in der gesamten Gemeinschaft sowie weitgehend vereinheitlichte Aufsichtsregeln. Die Grenzen zzwischen den nationalen Finanzmärkten sind damit, wenn auch nicht abgeschafft, so doch durchlässiger geworden. Hiervon geht zweifellos eine Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Kreditinstituten auf europäischer Ebene aus. Wenn die Währungsunion in Kraft tritt, wird es den gemeinsamen Finanzmarkt in Europa also schon einige Jahre geben. Das bedeutet aber nicht, daß
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bis dahin ein EG-weit einheitliches Bankwesen entstanden sein wird. Vielmehr wird sich das ESZB, wenn es -legt man den Zeitraum des Maastrichter Vertrages zugrunde - Ende des Jahrzehnts ins Leben gerufen wird, einer bunten Vielfalt im Bankgewerbe Europas gegenübersehen: Einige Bankengruppen werden europaweit auf nahezu allen Gebieten des Finanzgeschäfts miteinander konkurrieren. Neben ihnen wird eine große Zahl von regional operierenden Instituten oder von Banken mit speziellen Angeboten stehen. Auch die Finanzplätze werden sich in ihrer Angebotspalette und Markttiefe aller Voraussicht nach weiterhin deutlich unterscheiden. Mit der Währungsunion werden allerdings diejenigen Unterschiede zwischen den nationalen Finanzmärkten verschwinden, die ausschließlich auf verschiedenartige geldpolitische Konzepte und Instrumente zurückzuführen sind. Unterschiedliche Wettbewerbssituationen für Banken an verschiedenen Finanzplätzen, die hierauf beruhen, fallen fort. Das ist ein weiterer Schritt zur Herstellung völlig einheitlicher Bedingungen für das Bankgeschäft in Europa. Auch aus dieser Sicht stellt die Währungsunion eine Art Krönung des Binnenmarktes dar. Dabei handelt es sich keineswegs nur um einen kleinen, letzten Schritt. Vielmehr geht dies einher mit erheblichen Wirkungen auf das Bankgeschäft, auf die Finanzmärkte und auf die grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen.
2. Marktwirkungen einer gemeinschaftlichen Geldpolitik in der Währungsunion a) Auswirkungen auf das Bankgeschäft
Unmittelbar einsichtig sind die Konsequenzen für den Devisenhandel. Devisenmarktoperationen im eigentlichen Sinne, d. h. Tauschgeschäfte von Währungen am Kassamarkt oder per Termin, fallen gegenüber den EWWUWährungen fort. Solange die nationalen Währungen nach Beginn der dritten Stufe fortbestehen, finden zwar noch Tauschoperationen statt, allerdings zu einem festgelegten, unveränderlichen Preis. Nach dem Übergang zu einer Einheitswährung entfallen auch diese Geschäfte. Schon mit der endgültigen Fixierung der Kurse gibt es keine Kursunsicherheiten mehr. Hedging-Operationen zwischen den beteiligten Währungen werden somit ebenfalls unnötig. Sowohl im direkten Devisenhandel als auch bei Termingeschäften wird also das Volumen der Transaktionen von daher geringer werden; den Banken entgehen damit bisherige Betätigungsfelder und Einnahmen. Wie hoch die Einnahmeeinbußen im gesamten Devisengeschäft letztlich sein werden, wird allerdings auch davon bestimmt, inwieweit die Währungsunion ihrerseits zu umfangreicheren Kapitalbewegungen mit Drittstaaten
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führt. Das hängt wiederum von der Qualität der gemeinsamen Währung und des "Finanzplatzes Währungsunion" (aus der Sicht der internationalen Anleger) ab. Quantitative Prognosen über den endgültigen Effekt der Währungsunion auf die Devisenmärkte sind seriös heute freilich kaum möglich. Ungeachtet der Beeinträchtigung einzelner Geschäftssparten steht die deutsche Kreditwirtschaft dem Gedanken einer Währungsunion positiv gegenüber, sofern - und diese Bedingung ist fundamental - es eine Stabilitätsgemeinschaft wird. Abgesehen von grundsätzlichen politischen, nicht nur wirtschaftspolitischen Überlegungen, die für eine Währungsunion sprechen, eröffnen sich dann auch zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten, die die negativen primären Folgen für die Banken, namentlich im Devisenhandel, überkompensieren sollten. Speziell die deutschen privaten Banken empfinden sich als gut gerüstet für die neuen Anforderungen. In einer Währungsunion mit stabilen Preisen dürfte sich das Gewicht der EWWU-Währungen bzw. der künftigen Gemeinschaftswährung an den internationalen Finanzmärkten erhöhen. Ein über eine gemeinsame Geldpolitik eng verzahnter europäischer Finanzplatz mit entsprechend höherem Marktvolumen und einer größeren Vielfalt an finanziellen Produkten ist für Investoren und Kreditnehmer aus Drittstaaten gewiß interessanter, noch interessanter als die im internationalen Maßstab vielfach zu engen nationalen Märkte der einzelnen EG-Länder. Währungspolitisch zeichnet sich damit eine tripolare Ordnung mit dem US-Dollar, dem japanischen Yen und der gemeinsamen europäischen Währung ab. Ferner kann man erwarten, daß eine Währungsunion, die strikten Stabilitätserfordernissen gerecht wird, zu einer Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft führen wird, wovon wiederum Wachstumsimpulse ausgehen werden. Inwieweit die in diesem Zusammenhang gemachten Prognosen realistisch sind, mag dahingestellt sein; die grundsätzliche Aussage dürfte jedoch unzweifelhaft sein. Damit bietet sich auch der Kreditwirtschaft ein umfangreicheres Betätigungsfeld als bisher. b) KonsequenzenjUr die Finanzplätze
Intensivierter Wettbewerb zwischen Banken über Grenzen hinweg heißt zugleich weiter verschärfte Konkurrenz zwischen einzelnen Finanzplätzen. Das deutsche Kreditgewerbe muß sich darauf einstellen, daß Bankdienstleistungen im Inland nach Beginn der Währungsunion verstärkt von seiten ausländischer Institute angeboten werden. Dies ist zwar im Prinzip schon heute im Binnenmarkt möglich und auch zunehmend der Fall. In der Währungsunion entfallen dann aber für ausländische Institute aus EWWU-
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Ländern auch noch die Wechselkurs- und Zinsrisiken. Umgekehrt eröffnen sich für die inländischen Institute zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten im Ausland. Sie müssen sich rechtzeitig darauf vorbereiten, ihrerseits verstärkt grenzüberschreitend aktiv zu werden. Viele Banken sind bereits seit geraumer Zeit damit beschäftigt, sich europaweit richtig zu positionieren. Qualitätsmerkmale, die ihren Ursprung in der jeweiligen Geldpolitik haben und heute noch zu einer unterschiedlichen Wertschätzung der Währungen an den internationalen Finanzmärkten führen, gibt es in der Währungsunion nicht mehr. Deutschland kann dann nicht mehr davon profitieren, daß die D-Mark im Zweifel als Hort der Stabilität gilt und international mehr gefragt ist als manch andere Währung der europäischen Nachbarstaaten. Der damit auch verbundene Wettbewerbsvorteil für die deutschen Banken und den Finanzplatz Deutschland wird verloren gehen. Andere Aspekte gewinnen dann an Gewicht. Das sind beispielsweise die Flexibilität des Angebots an Kredit- bzw. Anlageinstrumenten, die Fungibilität von Anlagen, die Funktionsfähigkeit von Börsen einschließlich der technischen Abwicklung, ein umfassendes Absicherungsinstrumentarium in Form von derivaten Finanzprodukten, Markttiefe und -liquidität, aber auch Sicherheitsüberlegungen, angefangen von der Einlagensicherung bis hin zu Insider-Regeln. Die Forcierung des Wettbewerbs dürfte zunächst hauptsächlich den Bereich des Bankgeschäfts treffen, der bereits heute über die Grenzen hinweg heiß umkämpft ist, nämlich die Geschäfte mit größeren, institutionellen Kunden (Whoiesale Banking). In einer etwas längerfristigen Perspektive wird auch das Privatkundengeschäft zunehmend von der Währungsunion tangiert werden. Man kann angesichts wachsender Geldvermögen und künftiger Erbengenerationen immer weniger davon ausgehen, daß Privatkunden nur eine Bankverbindung, und diese quasi zwangsläufig an ihrem Wohnsitz, haben und daß finanzielle Transaktionen nur an einem Finanzplatz getätigt werden. Auch die privaten Bankkunden agieren mehr und mehr über die Landesgrenzen hinweg. Für das deutsche Kreditgewerbe geht es also darum sicherzustellen, daß der Finanzplatz Deutschland in einem durch die Währungsunion noch weiter forcierten Wettbewerb mit den anderen Finanzplätzen bestehen kann. Hier ist nicht zuletzt auch der Gesetzgeber gefordert. Einiges wurde in dieser Hinsicht schon mit Blick auf den Binnenmarkt in die Wege geleitet, wie beispielsweise die Schaffung einer Terminbörse in Deutschland. Manches steht aber noch an, bis der Finanzplatz Deutschland so ausgebaut ist, daß er im internationalen Konzert einen der Wirtschaftskraft der deutschen Volkswirtschaft entsprechenden Rang einnimmt. Die Währungsunion hat zudem erhebliche Auswirkungen auf die Euromärkte. Diese verlieren mit einer "Vergemeinschaftung" der Geldpolitik,
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speziell der Mindestreserveregelungen, einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil. Man kann deshalb annehmen, daß in der Währungsunion ein größerer Teil von Bankgeschäften wieder an den nationalen Finanzplätzen abgewickelt wird, wobei offen bleiben muß, ob es sich dabei immer um den heimischen Markt handelt. Dies ist wiederum eine Frage der jeweiligen Wettbewerbsposition.
c) Veränderungen im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr
Verschiebungen in den Wettbewerbspositionen zwischen den Finanzplätzen in Europa und die Schaffung eines einheitlichen Geld- und Kapitalmarktes ohne Kurs- und Zinsdifferenzen verändern zwangsläufig auch Volumen und Richtung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs. Dies gilt sowohl für den Kapitalverkehr innerhalb der Währungsunion als auch den mit Drittstaaten. Die Auswirkungen auf den Kapitalverkehr mit Ländern außerhalb der Währungsunion hängen wesentlich davon ab, wie attraktiv die Währungsunion sein wird, und dies in zweierlei Hinsicht: als Stabilitätsgemeinschaft, deren Währung dem Anleger Sicherheit verspricht, und als großer, flexibler Finanzmarkt, der allen Kundenbedürfnissen Rechnung trägt. Der verschärfte Wettbewerb zwischen den europäischen Finanzmärkten wird zweifellos (noch) leistungsfähigere Finanzplätze in Europa entstehen lassen, die verstärkt internationales Kapital attrahieren. Zudem werden durch die Währungsunion weitere Barrieren zwischen den einzelnen Finanzplätzen beseitigt; es wird, idealtypisch, ein echter europaweiter Finanzmarkt geschaffen, der in bezug auf Größe, Markttiefe und Angebotsvielfalt neben New York und Tokio bestehen kann. Dies alles läßt vermuten, daß der Kapitalverkehr mit Drittstaaten an Umfang zunehmen wird, und zwar in beide Richtungen. Damit dürfte auch die bereits zuvor erwähnte Reduzierung von Devisenmarktumsätzen zumindest in einem gewissen Umfang wieder korrigiert, wenn nicht kompensiert werden. Innerhalb der Währungsunion selbst ist mit gegensätzlichen Kapitalbewegungen zu rechnen. Auf der einen Seite dürfe, wie schon dargelegt, der Anteil von Euro-Transaktionen an den gesamten Finanzierungsvorgängen, und damit auch der hiermit verbundene grenzüberschreitende Kapitalverkehr, abnehmen. Außerdem fallen Kapitalbewegungen zwischen EG-Staaten fort, die ihre Ursache in Zins differenzen zwischen den künftigen EWWU-Währungen und/oder in der Erwartung von Wechselkursänderungen haben. Auf der anderen Seite wiederum regt der Fortfall von Zinsdifferenzen und Wechselkursunsicherheiten auch Kapitalbewegungen über die Grenzen hinweg an. Denn Kreditnehmer und Anleger werden sich noch stärker, als es
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bereits heute der Fall ist, eines europaweiten Angebots von Kredit- und Anlagealternativen bedienen. 3. Wirkungen einer gemeinschaftlichen Notenbankpolitik auf die Kreditwirtschaft a) Ausgangslage Die Fixierung von Wechselkursen und der Übergang zu einer gemeinschaftlichen Geldpolitik haben, wie aufgezeigt, weitreichende Markteffekte. Wichtig für das Gesamtbild ist nicht zuletzt auch die Frage, wie die gemeinsame Geldpolitik konkret ausgestaltet wird. Derzeit ist in keinem Land der EG die Praxis der Geldpolitik mit der in einem anderen Mitgliedstaat völlig deckungsgleich; zum Teil gibt es gravierende Divergenzen. Zwar hat es seit Anfang der achtziger Jahre Annährungen in der grundlegenden Ausgestaltung der Geldpolitik und in der Verwendung monetärer Techniken gegeben. So wurde beispielsweise die direkte Beeinflussung, die Reglementierung des Kreditgeschäftes der Banken durch die Notenbank, wie sie früher in einigen Ländern üblich war, weitgehend aufgegeben; heute überwiegen indirekte, marktorientierte Methoden, hauptsächlich in Form von Offenmarktgeschäften. Im Detail sind die Unterschiede in der monetären Steuerung jedoch nach wie VOr beachtlich. Es gibt Staaten, wie Großbritannien, in denen die Notenbank nur mit einer kleinen ausgesuchten Gruppe von Instituten Geschäfte abschließt, während in Deutschland die Bundesbank grundsätzlich mit allen Kreditinstituten kontrahiert. Die Mindestreserven haben in der geldpolitischen Steuerung der EG-Staaten, in denen sie verwendet werden, teilweise sehr unterschiedliche Aufgaben. So sind Variationen der Reservesätze in den Niederlanden ein Mittel der kurzfristigen Geldmarktsteuerung. In anderen Ländern dagegen werden die Mindestreserven als "automatisch wirkende Stabilisatoren" gesehen; die Mindestreservesätze werden deshalb allenfalls in größeren zeitlichen Abständen geändert. Wieder andere EG-Mitgliedsländer verzichten völlig hierauf. Der Rediskontkredit mit Handelswechseln, um ein anderes Beispiel anzuführen, ist im wesentlichen eine deutsche Spezialität. Außerhalb der Bundesrepublik werden demgegenüber Schatzwechsel des Staates von der Geldpolitik teilweise in großem Stil zur Liquiditätssteuerung eingesetzt. In Deutschland spielen sie bislang nur eine untergeordnete Rolle. Solch verschiedene Formen der Geldmarktsteuerung sind das Ergebnis historischer Entwicklungen an den nationalen Finanzmärkten. Sie reflektieren ferner unterschiedliche Kredit-, Anlage- und Zahlungsgewohnheiten der
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Nichtbanken. Sie spiegeln somit auch die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der nationalen Finanzmärkte wider. In Europa gibt es Staaten mit einem ausgebauten, international bedeutsamen Finanzwesen, das ein umfassendes, flexibles Angebot an Finanzdienstleistungen bietet, und auf der anderen Seite Länder mit einem Bankwesen, das lediglich den regionalen Bedarf befriedigen kann. Nicht zuletzt resultieren die verschiedenen Techniken auch aus der unterschiedlichen Einbindung der jeweiligen Notenbank in die Staatsfinanzierung. b) Anforderungen an eine gemeinschaftliche Geldpolitik
Mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion geht die Kompetenz für die Geldpolitik über auf das Europäische System der Zentralbanken. Das ESZB wird zuständig für den gesamten Währungsraum, für den es eine einheitliche Geldpolitik betreiben muß. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß eine "Regionalisierung" der Geldpolitik des ESZB von vornherein ausscheidet. Einheitliche bzw. gemeinschaftliche Geldpolitik im Rahmen der Währungsunion heißt, daß das Bankensystem in der gesamten Union durch das Zentralbankensystem zu einheitlichen Bedingungen mit Zentralbankgeid versorgt wird. Die Bedingungen, unter denen die Banken Zentralbankgeld erhalten, gestalten sich dann für sie grundlegend neu: -
Der "Geschäftspartner" wechselt, zumindest aber die Stelle, die darüber befindet, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen die Refinanzierungswünsche der Banken erfüllt werden. Das ESZB kann und wird voraussichtlich andere als die gewohnten Instrumente verwenden oder die einzelnen Instrumente anders gewichten als zuvor die jeweilige nationale Zentral bank. Banken konkurrieren künftig auf europäischer Ebene um Zentralbankgeid; zugleich erhält der Geldmarkt eine europäische Dimension.
Welche Anforderungen sollte nun die gemeinschaftliche Geldpolitik aus der Sicht ihrer "Geschäftspartner" erfüllen? Hierfür lassen sich fünf Kriterien nennen: Erstens: Konsequente Zielorientierung
Das Europäische Zentralbankensystem muß seinen gesetzlichen Auftrag, das Preisniveau stabilzuhalten, konsequent verfolgen. Geldwertstabilität ist die Voraussetzung für dauerhaftes, stetiges Wachstum, für den Bestand der Währungsunion und zugleich auch die Basis für eine solide und erfolgreiche Entwicklung der europäischen Finanzmärkte. Umgekehrt ist Inflation kein
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Heilmittel bei wirtschaftlichen bzw. wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen, und sie ist auch kein Schmiermittel für ein reibungsloseres Funktionieren der Finanzmärkte. Zweitens: Marktwirtschaftliche Orientierung
In einer marktwirtschaftlichen Ordnung haben dirigistische Eingriffe der Notenbank in die Preisbildung an den Finanzmärkten keinen Platz. Dieses Prinzip hat auch Eingang in den Vertrag von Maastricht gefunden. Artikel 2 des ESZB-Statuts gibt dem Notenbankensystem vor, im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb zu handeln. Drittens: Effizienz
Die Geldmarktsteuerung muß technisch und organisatorisch so gestaltet sein, daß das geldpolitische Ziel bestmöglich, reibungslos und ohne Irritationen an den Märkten erreicht wird. Viertens: Verläßlichkeit
Die Finanzmärkte müssen sich darauf verlassen können, daß die Notenbank geordnete Bedingungen am Geldmarkt sicherstellt; denn eine Notenbank bestimmt über ihre Maßnahmen die Verhältnisse am Geldmarkt. Sie steht damit auch in der Verantwortung, für dessen reibungsloses Funktionieren zu sorgen. Fünftens: Wettbewerbsneutralität
Von der Geldpolitik dürfen keine wettbewerbsverzerrenden Wirkungen auf die Finanzmärkte ausgehen. 4. Strukturelemente der künftigen EG-Geldpolitik
Wie müssen nun die grundlegenden Strukturelemente der künftigen Geldpolitik - das monetäre Zwischenziel, die Organisation des ESZB und die geldpolitischen Instrumente - unter Berücksichtigung der genannten Kriterien gestaltet werden? Nicht eingegangen werden soll auf die Probleme, die dadurch entstehen, daß, jedenfalls zu Beginn, nicht alle Länder der Währungsunion angehören werden, und darauf, wie die Geldpolitik der nicht teilnehmenden Länder mit der der Europäischen Zentralbank zu koordinieren ist.
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a) Das monetäre Zwischenziel
Über ein monetäres Zwischenziel ist in den Vertragstexten zur Währungsunion nichts ausgesagt. Es sollte jedoch außer Frage stehen, daß ein solches Zwischen ziel angebracht, ja, notwendig ist - nicht nur aus Sicht der Notenbank, sondern auch der Öffentlichkeit und nicht zuletzt der Finanzmärkte. Diese benötigen Orientierung, Anhaltspunkte über die Zielrichtung der Notenbankpolitik. Ist die Geldpolitik mittelfristig ausgerichtet, so erleichtert das die Dispositionen und vermeidet spekulative Übertreibungen. Ohne auf das Für und Wider verschiedener Größen als Indikatoren für die Geldpolitik einzugehen, sei lediglich festgehalten, daß für die Europäische Zentralbank ein Geldmengenziel die am besten geeignete Form eines monetären Zwischenziels darstellt. Insbesondere unterliegt eine Geldmengenvorgabe erfahrungsgemäß weniger leicht politischem Druck als andere Indikatoren, wie namentlich der Zins bzw. die Zinsstruktur oder der Wechselkurs. Diese Größen lassen sich auch weniger gut als (mittelfristiges) Ziel formulieren, da sie über die geldpolitischen Maßnahmen hinaus auch noch von einer ganzen Reihe anderer Faktoren beeinflußt werden. Die Geldpolitik, und damit die Geldmarktsteuerung, verliefe, würde man solche Zwischenziele zugrunde legen, vermutlich sprunghafter als bei einer potential orientierten Geldpolitik. b) Die Organisation des Zentralbankensystems
Das Europäische System der Zentralbanken soll bekanntlich zweistufig gestaltet werden. Vorgesehen sind eine Zentralinstitution - die Europäische Zentralbank - und die nationalen Notenbanken als regionale Institutionen. Die Vertragstexte lassen zwar eine gewisse Überordnung der Zentrale über die nationalen Notenbanken erkennen, denn sie kann Leitlinien vorgeben. Dennoch bleibt bis zu einern bestimmten Grad offen, inwieweit auch die nationalen Notenbanken eigenständige geldpolitische Entscheidungen treffen können. Die Diskussion hierüber wird vielfach stark aus der politischen Perspektive, speziell mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip, geführt. Derartige politische Überlegungen verstellen aber den Blick auf das Entscheidende, nämlich auf das Erfordernis einer effizienten, marktorientierten und wettbewerbsneutralen Geldpolitik. Stellt man auf diese Grundsätze ab, so scheiden zwei theoretisch denkbare Wege für-die Grundversorgung des Bankensystems in der Währungsunion mit Zentralbankgeld sofort aus: nämlich die Konzentration der Notenbankaktivitäten auf eine nationale Notenbank bzw. einen nationalen Finanzplatz, wie beispielsweise in den
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USA, wo die Federal Reserve Bank of New York die wesentlichen Notenbankgeschäfte mit den dortigen Instituten und an den dortigen Devisenmärkten durchführt l ; und ebenso die Beschränkung der Notenbankgeschäfte auf eine ausgesuchte Gruppe von Instituten, wie beispielsweise den sogenannten "Discount Houses" in Großbritannien. Beide Wege bevorzugen eine bestimmte Gruppe von Banken oder einen bestimmten Finanzplatz. Beide basieren im wesentlichen auf der Existenz eines dominierenden Finanzplatzes. Eben das aber entspricht nicht den europäischen Gegebenheiten. Für die Länder der Europäischen Gemeinschaft ist demgegenüber ein System vorzuziehen, bei dem zumindest die Grundversorgung aller Banken innerhalb der Währungsunion mit Zentralbankgeld durch direkte Operationen mit dem Notenbankensystem sichergestellt wird. Für die Feinsteuerung kann es sich dann durchaus anbieten, bestimmte Operationen nur an einigen Märkten durchzuführen. Das gilt beispielsweise für Devisenmarktgeschäfte. Es macht wenig Sinn zu verlangen, daß Interventionen an den Devisenmärkten, so sie denn erforderlich werden, auch an solchen Plätzen vorgenommen werden müssen, an denen die Umsätze relativ klein sind. Auch hier sollten die Kriterien Effizienz und Marktorientierung zum Tragen kommen. Der Umfang, in dem Zentralbankgeld vom ESZB bereitgestellt werden soll, muß sich nach den im gesamten Währungsraum gegebenen Bedingungen und dem hieraus resultierenden Bedarfbestimmen. Die regionale Verteilung des Zentralbankgeldes muß dabei dem sich am Markt artikulierenden tatsächlichen Bedarf entsprechen. Quotenregelungen etwa derart, daß im Rahmen von Offenmarktoperationen jeder nationalen Notenbank ein bestimmtes Volumen an Liquidität zugeteilt wird, die sie dann in den heimischen Geldmarkt einfließen ließe, liefen dem zuwider; denn solche Quoten entsprechen üblicherweise nicht den Liquiditätsbedürfnissen der Banken vor Ort. Eine solche Regelung würde die Dinge nur komplizieren, erforderte sie doch einen an sich vermeidbaren zusätzlichen Ausgleich über den Geldmarkt oder auf Notenbankebene. Nimmt man alles zusammen, so wird man aus Sicht der Banken ein relativ zentral bestimmtes System der Zentralbankgeldversorgung installieren müssen. Den nationalen Notenbanken könnte allenfalls die Feststellung des Liquiditätsbedarfs im eigenen Bereich und die technische Abwicklung der Zuteilung von Zentralbankgeld übertragen werden. Die Zuteilung auf der 1 So gesehen, wird der Frage des Sitzes der Europäischen Zentralbank bisweilen, insbesondere im Ausland, zuviel Bedeutung beigemessen. Diese Entscheidung sollte vielmehr aus dem Interesse der Notenbank heraus erfolgen, die sich ihr "Standing" an den Märkten ja erst noch erarbeiten muß, was ihr leichter fallen dürfte, wenn sie an bewährte Stabilitätstraditionen anknüpfen könnte.
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Grundlage von Geboten seitens der Banken selbst muß, wie etwa bei den Wertpapierpensionsgeschäften . in Deutschland, der zentralen Institution überlassen bleiben. Eigene Entscheidungsspielräume der nationalen Notenbanken, die sich in einer unterschiedlichen Anwendung der Instrumente oder gar voneinander abweichenden Zinssätzen an einzelnen Finanzplätzen niederschlagen würden, passen nicht zu einen gemeinsamen Währungsraum. c) Die geldpolitischen Instrumente
Einheitlichkeit der Geldpolitik verlangt auch nach einheitlichen Wegen und Konditionen der Bereitstellung von Zentralbankgeld. Notwendig ist also die Harmonisierung des Notenbank-Instrumentariums. Direkte Eingriffe in das Kreditgeschäft der Banken durch das ESZB widersprechen, wie bereits dargelegt und durch das Statut im Grunde auch ausgeschlossen, dem Grundsatz der Marktorientierung. Dann bleiben im wesentlichen folgende Instrumentengruppen: eine Art "Dauerrefinanzierungslinie", eine Fazilität im Sinne eines "lending of last resort" , Offenmarktgeschäfte und schließlich Instrumente zur Begrenzung des Zuwachses an Bankenliquidität. Eine Dauerrejinanzierungslinie könnte beispielsweise in Form eines Rediskontkredits gestaltet sein. Dieses Instrument ist allerdings aufwendig und relativ kompliziert. Zudem wird eine bestimmte Kreditform, nämlich die Wechselfinanzierung, bevorzugt. Außerdem haben Kreditinstitute, die über relativ viel rediskontfähiges Material verfügen, Vorteile gegenüber anderen Instituten. Andererseits ist der Rediskontkredit eines der wenigen Notenbankinstrumente, die nicht an Kredite an die öffentliche Hand anknüpfen. Dennoch ist anzunehmen, daß der Rediskontkredit auf der Basis von Handelswechseln in der Währungsunion eine eher untergeordnete Rolle spielen wird, denn er ist in den Ländern der EG relativ wenig verbreitet. Die Bereitstellung einer Lender-oJ-last-resort-Fazilität gehört zu den grundlegenden Aufgaben einer Notenbank. Auch das ESZB sollte einen Zugang zu Zentralbankgeld offenhalten für die Fälle, in denen Banken, ohne daß dies auf ein Fehlverhalten ihrerseits zurückzuführen ist, ihren diesbezüglichen Bedarf anderweitig nicht decken können. Solche Situationen können beispielsweise auch darauf zurückzuführen sein, daß es keiner Notenbank möglich ist, den Zentralbankgeldbedarf des Bankensystems insgesamt haargenau vorauszuschätzen und die Liquidität auf den Punkt zu steuern. In dieser Frage muß man also deutlich differenzieren: Es ist im Rahmen der Geldpolitik nicht Aufgabe einer Notenbank, Bankkonkurse zu verhindern.
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Worum es hier geht, ist die Überbrückung kurzfristiger Engpässe am Geldmarkt. Ansonsten bestünde die Gefahr von Überreaktionen bei relativ belanglosen Anlässen. Es muß andererseits aber sichergestellt werden, beispielsweise über die Gestaltung der Konditionen für die Inanspruchnahme der "Lender-of-Iast-resort"-Fazilität, daß dieser Kredit tatsächlich nur in Ausnahmesituationen genutzt wird. Der Lombardkredit der Bundesbank hat sich in dieser Hinsicht über die Jahre hinweg als funktionsfahiges Instrument erwiesen. Das Schwergewicht des künftigen geldpolitischen Instrumentariums wird aller Voraussicht nach bei den Offenmarktgeschäften liegen. Hier bieten sich dem ESZB vielfältige Möglichkeiten der Ausgestaltung. Sie erlauben einer Notenbank sowohl eine flexible Grundversorgung der Banken mit Zentralbankgeld über revolvierende Geschäfte als auch die Feinsteuerung unter Berücksichtigung von sich möglicherweise rasch ändernden Marktgegebenheiten. Über Offenmarktgeschäfte wird die Nachfrage nach Zentralbankgeld marktkonform gedeckt. Zugleich ist am ehesten gewährleistet, daß den Instituten aus allen Mitgliedsländern der Währungsunion der gleiche Zugang zum Notenbankkredit in gleicher Weise offensteht. Wünschenswert wäre es, wenn bei der Entscheidung darüber, welche Papiere den Offenmarktoperationen zugrunde liegen sollen, die Notenbankfähigkeit möglichst breit angelegt wird. Zum einen sollte man tunlichst vermeiden, ausschließlich öffentliche Papiere als Basis für die Refinanzierung des Bankensystems zu verwenden. Das könnte nämlich der Einschätzung Vorschub leisten, daß das ESZB auf diesem indirekten Wege doch in die Staatsfinanzierung eingeschaltet ist; denn das Bankensystem wäre schließlich ja gezwungen, in nicht unerheblichem Umfang öffentliche Papiere zu halten, um sich den Zugang zum Notenbankkredit zu sichern. Außerdem sollten Portefeuille-Strategien von Banken möglichst wenig von der Notwendigkeit beeinflußt werden, aus Gründen der Refinanzierung bei der Notenbank bestimmte Papiere im Bestand halten zu müssen. Schließlich würde mit einer breiten Abgrenzung dem Tatbestand Rechnung getragen, daß die Finanzsysteme in der EG auch in der Währungsunion noch unterschiedlich sein werden; regionale Unterschiede würden dann nicht so zu Buche schlagen. Zur Begrenzung des Liquiditätszuwachses wird in der Mehrzahl der EGMitgliedstaaten die Mindestreserve eingesetzt. Ausnahmen hiervon sind namentlich Dänemark und Belgien, aber auch Großbritannien. Schon die Tatsache, daß einige Staaten auf dieses geldpolitische Instrument verzichten, zeigt, daß die Notwendigkeit von Mindestreserven nicht per se gegeben ist. Die entscheidende Frage, die sich mit Blick auf die Währungsunion stellt, ist, ob das ESZB die Mindestreserven benötigt, um eine ausreichende Kontrolle über den Geldmarkt zu haben. Anders ausgedrückt: Wird das Bankensystem 4 File/Köhler
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auch ohne Mindestreserve einen so hohen Zentralbankgeldbedarf haben, daß Änderungen der Konditionen für einen Zentralbankkredit unmittelbar auf den Geldmarkt durchschlagen? Diese Frage läßt sich heute konkret noch nicht beantworten; die Liquiditätslage eines vereinten EWWU-Bankensysterns läßt sich derzeit nicht abschätzen. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen: Die Verwendung von Mindestreserven sollte aus der konkreten Liquiditätssituation heraus begründet, nicht dagegen als von vornherein notwendig angesehen werden. Je umfassender der Instrumentenkasten der Offenmarktpolitik ist und je ausgefeilter die Instrumente, um so weniger besteht die Notwendigkeit, die Zuteilung von Zentralbankgeld aus Gründen der Geldmarktsteuerung an Automatismen zu koppeln. Zudem spielt bei offenen Grenzen das internationale Umfeld eine Rolle. Hohe Mindestreservesätze können im Endergebnis die Wirksamkeit der eigenen Geldpolitik beeinträchtigen und wirken sich zudem negativ auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Finanzplatzes aus. Das zeigt das Beispiel Deutschland. Ein erheblicher Teil der mindestreservepflichtigen DM-Bankeinlagen wird - wenn auch nicht nur aus diesem Grunde - an Plätze verlagert, an denen keine Mindestreserven verlangt werden. Die jüngste Senkung der Reservesätze für Termin- und Spareinlagen durch die Bundesbank unterstreicht, daß sich eine Notenbank solchen Einflüssen vom internationalen Umfeld her auf Dauer nicht entziehen kann, soll der heimische Finanzplatz nicht Schaden nehmen. Selbst wenn man sich entschließen sollte, eine Mindestreservepflicht einzuführen, dürfen die Sätze also nicht so hoch sein, daß es zu nennenswerten Verlagerungen von Einlagen aus der Währungsunion heraus kommt. Sinnvoll wäre es, nicht über die "working balances" der Banken hinauszugehen. Es versteht sich von selbst, daß aus Gründen der Wettbewerbsneutralität für alle Institute in der Währungsunion dann gleiche Mindestreserveregelungen gelten sollten. In gewisser Weise eine Alternative zur Mindestreserve wäre die Ausgabe von Papieren durch das Notenbankensystem in Analogie zu den jüngst eingeführten Liquiditätspapieren der Bundesbank. Dieses Verfahren liegt näher am Markt. Nicht zuletzt muß die Notenbank Zinsen bezahlen, die den Marktkonditionen annähernd entsprechen. Auf der anderen Seite ist aber auch hier Vorsicht angebracht. Eine Notenbank kann mit solchen Papieren die Zinsstruktur über die gesamte Laufzeitenpalette im kurzfristigen Bereich wesentlich beeinflussen. Außerdem tritt sie, soweit sie sich an Nichtbanken wendet, als Wettbewerber der Kreditwirtschaft auf. Das aber geht in der Tendenz über das gängige marktwirtschaftliche Konzept der Geldpolitik hinaus, das darauf abstellt, über die Konditionen für Notenbankgeld zwar den Tagesgeldsatz zu bestimmen, die übrigen Zinssätze jedoch dem Bankenwettbewerb zu überlassen.
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5. Übergangsfragen Die Währungsunion beginnt nach heutigem Ermessen wohl kaum vor 1999. Dennoch ist der Zeitraum bis dahin vergleichsweise kurz, wenn man all das berücksichtigt, was bis dahin noch zu erledigen ist. Erhebliche Vorarbeiten mit einem beträchtlichen Zeitaufwand sind notwendig. Angesichts der trotz aller Konvergenzerfolge immer noch bestehenden Unterschiede in den geldpolitischen Philosophien sowie zwischen den nationalen Finanzmärkten und unter Berücksichtigung der vielfältigen noch zu lösenden organisatorischen und technischen Detailfragen und auch wegen der Belastung der Diskussion mit rein politischen Vorgaben sollte man nicht unbedingt eine rasche Einigung über die "technische" Ausgestaltung der künftigen Geldpolitik erwarten. Die diesbezüglichen Vorarbeiten des Stabes des Ausschusses der EG-Notenbankgouverneure in Basel befinden sich immer noch im Anfangsstadium. Notenbanken und Finanzmärkte brauchen, wenn das künftige geldpolitische Konzept steht, allerdings ausreichend Zeit, um sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen zu können. Für beide wäre es deshalb wenig sinnvoll, erst mit Inkrafttreten der dritten Stufe der Währungsunion grundlegende Neuerungen in der geldpolitischen Steuerung einzuführen. Dem sollte vielmehr eine Art- Trainingsphase vorangehen. Es wäre anzustreben, schon in der zweiten Stufe, die Anfang 1994 beginnen soll, die geldpolitischen Techniken in den einzelnen EG-Staaten sukzessive so weit wie möglich anzunähern. Das Ansehen des ESZB steht und fällt mit seiner Fähigkeit, eine zielgerechte und reibungslose Geldmarktsteuerung zu betreiben. Es wäre ein schlechter Start für die Währungsunion, wenn sein Anfang durch technische Pannen gekennzeichnet wäre. Das Europäische Währungsinstitut (EWI), das zum Jahresanfang 1994 errichtet werden soll, um die Vorarbeiten zu erledigen, muß also möglichst rasch die endgültigen Entscheidungen vorbereiten. Je länger die Diskussionen hierüber andauern, um so mehr wird schon von der technischen Seite her das Datum 1. Januar 1999 für den Eintritt in die Währungsunion in Frage gestellt. Die Einführung einer einheitlichen Währung wird nolens volens erst Jahre nach Beginn der dritten Stufe möglich sein. Mit diesem Schritt ist auch auf seiten der Kreditwirtschaft ein erheblicher Aufwand verbunden. Beispielhaft seien hier nur die Umstellung von Konten und Geldausgabeautomaten sowie der Umtausch des Bargeldes genannt. Tendenziell wäre der Aufwand noch größer, wenn der Übergang von den nationalen Währungen zu einer Einheitswährung schrittweise erfolgte, auf verschiedene Währungen lautende Noten und Münzen also eine Zeitlang nebeneinander umliefen.
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All dies wie auch die Währungsunion allgemein beeinflußt die Erwartungen der Akteure an den Finanzmärkten, und das schon seit einiger Zeit. Eine beachtliche Zahl von bereits abgeschlossenen langfristigen Kredit- und Anlagevereinbarungen gilt über 1998 hinaus. Zudem beeinflußt die Absicht, ab einem bestimmten Zeitpunkt die Wechselkurse zu fixieren, die Erwartungen bezüglich der weiteren Wechselkurs- und Zinsentwicklung bei den beteiligten Währungen. Je näher der Termin für den Beginn der dritten und letzten Stufe rückt und je konkreter die Währungsunion wird, um so mehr dürfte die Zinsentwicklung in den künftigen Teilnehmerländern auf ein gemeinsames Niveau einschwenken. Das bedeutet aber für langfristige Kredit- und Anlageentscheidungen, die heute getroffen werden sollen, ein zusätzliches Risiko für den Fall, daß Anlagen vor Ablauf der Tilgungsfrist veräußert werden müssen. Wertpapiere, die wechselkursbedingt heute in Relation zu dem gemeinsamen bzw. durchschnittlichen Zins niveau niedrig verzinst werden, würden vorübergehend Kursverluste erleiden, solche in relativ hochverzinslichen Währungen dagegen Kursgewinne erzielen. Auch von dieser Seite her sollte die Forderung, daß nur solche Länder an der Währungsunion teilnehmen dürfen, die auch die Konvergenzbedingungen erfüllen, sehr ernstgenommen werden; denn nur dann läßt sich die Unsicherheit an den Kapitalmärkten, die mit dem Übergang zur Währungsunion zwangsläufig verbunden ist, in akzeptablen Grenzen halten. Einen Sonderfall stellt die ECU dar: Der Vertrag von Maastricht legt fest, daß mit Beginn der Währungsunion der Kurs der künftigen gemeinsamen Währungseinheit (ECU) so festgelegt wird, daß ihr Außenwert dem der Korb-ECU entspricht. Damit wird aber lediglich eine numerische, eine rechnerische Identität, nicht jedoch eine inhaltliche Übereinstimmung bzw. rechtliche Gleichstellung festgelegt. Da nicht alle EG-Länder von Beginn an an der Währungsunion teilnehmen werden, gilt auch die rechnerische Gleichheit von Korb-ECU und künftiger gemeinsamer Währung letztlich nur für die erste logische Sekunde zu Beginn der dritten Stufe. Dies macht deutlich, daß die Korb-ECU und die künftige Einheitswährung zwei in jeder Hinsicht unterschiedliche Größen darstellen. Zwar geht dann die Bezeichnung ECU auf die neue gemeinsame Währung über; die Namensgleichheit ist aber ein Anlaß für Verwirrung an den Finanzmärkten. Denn es ist zumindest aus heutiger Sicht nicht klar, ob Verbindlichkeiten in Korb-ECU, die vor Beginn der Währungsunion eingegangen wurden, ab der dritten Stufe stets in der künftigen Einheitswährung bzw. einem entsprechenden Gegenwert in einer nationalen Währung bedient werden. Unklar ist dies vor allem bei Verträgen mit Kontrahenten aus Drittstaaten. Es wäre schon von daher angebracht, einen anderen Namen zu finden. Auch Maßnahmen zur künstlichen Förderung der Korb-ECU lassen sich vor diesem Hintergrund nicht sachlich mit
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der Währungsunion begründen. Das stellt letzten Endes natürlich auch die Aufgabe des EWI in Frage, die Verwendung der ECU zu erleichtern und deren Entwicklung einschließlich des reibungslosen Funktionierens des ECU-Verrechnungssystems zu überwachen.
6. Resümee
Die Fixierung der Wechselkurse und der Übergang zu einer gemeinsamen Geldpolitik in der künftigen Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion werden erhebliche Auswirkungen auf Banken, Finanzplätze und Kapitalverkehr haben. Für die Kreditwirtschaft werden wichtige Rahmenbedingungen neu gestaltet. Dies erfordert strategische Umorientierungen mit zum Teil tiefgreifenden geschäftspolitischen und organisatorischen Konsequenzen für einzelne Kreditinstitute. Darüber hinaus sollten in Deutschland alle Anstrengungen unternommen werden, um den Finanzplatz Bundesrepublik schnellstmöglich zu einem international erstrangigen Finanzmarkt zu machen. Wenn die Währungsunion, mit der - sieht man einmal von steuerlichen Regelungen ab praktisch die letzten Wettbewerbshürden zwischen den einzelnen Finanzmärkten in Europa fallen, in Kraft tritt, ist es unter den dann geltenden noch schärferen Wettbewerbsbedingungen vielleicht zu spät, um den in einigen Bereichen noch gegebenen Rückstand gegenüber Plätzen wie London oder auch Paris aufzuholen. Da die Struktur und der Einsatz des geldpolitischen Instrumentariums des künftigen Europäischen Systems der Zentralbanken erhebliche Auswirkungen auf das Kreditgewerbe haben werden, wäre es wünschenswert, wenn es in der vorbereitenden Phase der zweiten Stufe der Währungsunion zu einem intensiven Meinungsaustausch zwischen den Notenbanken und dem Europäischen Währungsinstitut auf der einen und der europäischen Kreditwirtschaft auf der anderen Seite käme, um die erforderlichen Schritte miteinander zu erörtern. Nur durch ein solches Miteinander wird sich der reibungslose Übergang zum gemeinsamen europäischen Geld erfolgreich bewerkstelligen lassen. Literatur (Auswahl) BHF-Bank. Dezentrale Zentralbankpolitik in der EG?, in: Wirtschaftsdienst, Nr. 1680 vom 4. Juli 1992 und Nr. 1681 vom 11. Juli 1992. BHF-Bank. Vorschläge für ein geldpolitisches Konzept der Europäischen Zentralbank, in: Wirtschaftsdienst, Nr. 1672 vom 18. April 1992.
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Carstensen, M.: Gedanken zur Mindestreservepolitik aus Sicht der Geschäftsbanken, in: Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank, hrsg. von W. Ehrlicher und D.B. Simmert, Beiheft zu "Kredit und Kapital", Nr. 10, 1988, S. 93 ff. Franck, C.: Banken auf dem Weg in die Währungsunion, in: Europa, MailJuni 1992, S.20ff. Issing, 0.: Das geldpolitische Instrumentarium unter dem Aspekt der Wettbewerbsneutralität, in: Wandlungen des geldpolitischen Instrumentariums der Deutschen Bundesbank, hrsg. von W. Ehrlicher und D.B. Simmert, Beiheft zu "Kredit und Kapital", Nr. 10, 1988, S. 219 ff. Issing, 0.: Geldpolitik im Vorfeld der Europäischen Währungsunion. Vortrag vor dem Verband Deutscher Geldhändler, Frankfurt am Main, 4. Mai 1992, abgedruckt in: Auszüge aus Presseartikeln, hrsg. von der Deutschen Bundesbank, Nr. 34/1992, S. 7 ff. Kinsella, R.P.: EMU and the Development of a European Central Banking System, in: Irish Banking Review, September 1991, S. 28 ff. Lomax, D.M.: Monetary Policy in the European Monetary Union, in: National Westminster Quarterly Review, November 1991, S. 39ff. Meys, D.: Heading for the EMU, in: Österreichisches Bankarchiv, 40. Jg., 1992, S.99ff. Quinton, J.: The Preparation of Banks and Industries for the Single Currency. Vortrag anläßlich der Konferenz der Association for the Monetary Union of Europe, Frankfurt am Main, 26. Mai 1992 (Manuskript). Remsperger, H.: Das Ziel einer Europäischen Währungsunion aus Bankensicht, in: Europa auf dem Weg zur Währungsunion, hrsg. von M. Weber, Darmstadt 1991, S.249ff. Schlesinger, H.: Auf dem Weg zur Europäischen Währungsunion - Die Rolle des Europäischen Währungsinstituts. Vortrag anläßlich der Konferenz der Association for the Monetary Union of Europe, Frankfurt am Main, 26. Mai 1992 (Manuskript). Schlesinger, H.: Current Conditions of German Monetary Policy and Steps towards European Monetary Union. Speech at the Institute Royal des Relations Internationales, Brüssel, 28. Januar 1993, abgedruckt in: Auszüge aus Presseartikeln, hrsg. von der Deutschen Bundesbank, Nr. 8/1993, S. 1 ff. Schlesinger, H.: Grundfragen einer europäischen Zentralbankpolitik. Vortrag vor dem Institut für Kapitalmarktforschung der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, 17. Dezember 1992, abgedruckt in: Auszüge aus Presseartikeln, hrsg. von der Deutschen Bundesbank, Nr. 92/1992, S. 4ff. TreutIer, H.-J.: Vorbereitung der einheitlichen Geldpolitik in der dritten Stufe der WWU. Geld-Währung-Kapitalmarkt, Working-Paper Nr. 27, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, September 1992. Weber, M.: Banken im europäischen Wettbewerb. Vortrag im Rahmen des Bankseminars der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Rhein-Neckar, Mannheim, 26. Januar 1993 (Manuskript).
Wirkungsanalyse der Geldpolitik in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland vor und nach Gründung des EWS Von Wolfgang File und Adalbert Winkler, Trier
1. Fragestellung Bis Mitte 1992 erschien Europa als Insel monetärer und währungs po li tischer Stabilität. Die Mitgliedsländer des EWS konnten in den achtziger Jahren deutliche Konvergenzfortschritte im monetären Bereich, gemessen an der Entwicklung der Inflationsraten und der langfristigen Zinssätze!, bei stabilen Wechselkursen erzielen. In den Wirtschaftswissenschaften, die bis dahin das EWS überwiegend mit Skepsis begleitet hatten, vollzog sich ein Meinungsumschwung. 2 Dies vor allem deshalb, weil die Stabilitäts erfolge der EWS-Länder auf Konvergenzzwänge fester Wechselkurse zurückgeführt werden. 3 Die Turbulenzen an den Devisenmärkten, die im Herbst 1992 begannen, haben jedoch erneut Zweifel an der Funktionstüchtigkeit des EWS ausgelöst. Dabei geriet die Deutsche Bundesbank als Leitwährungszentralbank des EWS in die Kritik. Hierbei wird wie folgt argumentiert: Da die Bundesbank ihre zinspolitischen Maßnahmen allein an der gegenwärtigen oder künftigen Preisentwicklung in Deutschland ausrichtet, gerät die Zinspolitik in Deutschland zunehmend in Widerspruch zu gesamtwirtschaftlichen Anforderungen in EWS-Partnerländern, die über die Preisentwicklung hinausreichen. Danach vernachlässigt die deutsche Geldpolitik ihre internationaI In der Literatur ist umstritten, inwieweit das EWS als Ursache der zu beobachtenden Konvergenz betrachtet werden kann; vgl. z.B. De Grauwe, P. (1989): Disinflation in the EMS and in the Non-EMS Countries, What Have We Learned?, in: Empirica, Vol. 16, No. 2, S. 161-176; Ungerer, H., Evans, 0., Mayer, T. and Young, P. (1986): The European Monetary System: Recent Developments, IMF Occasional Paper. No. 48, Washington. 2 So spricht Goodhart von einem "comparative success ofthe EMS in recent years", vgl. Goodhart, C. (1990): Economists' perspectives on the EMS, in: Journal of Monetary Economics, Vol. 26, S. 471-487; vgl. auch Sievert, o. (1992): Geld, das man selbst nicht herstellen kann, in: FAZ, Nr. 225, 26. September, S. 13. 3 Vgl. z.B. Melitz, J., Comment zu Fratianni, M., von Hagen, J. (1990): Asymmetries and realignments in the EMS, in: De Grauwe, P., Papademos, L. (eds.), The European Monetary System in the 1990s, London, S. 117.
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len Aufgaben und gefährdet so das EWS und die europäische Währungsunion. 4 Die Geldpolitik der Bundesbank verwendet den Tagesgeldsatz als zentrale Instrumentenvariable. Sind Geldmarktsätze, die dem unmittelbaren Einfluß der Zentralbank unterliegen, von Bedeutung für realwirtschaftliche Größen, wie Produktion und Beschäftigung? Für die USA belegen empirische Untersuchungen, daß kurzfristige Zinssätze, insbesondere für Tagesgeld, künftige Veränderungen realwirtschaftlicher Größen recht zuverlässig ankündigen. 5 Im vorliegenden Beitrag wird geprüft, ob sich ähnliche Ergebnisse auch für Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland zeigen, der Zinspolitik also auch in EWS-Ländern erhebliche Bedeutung für realwirtschaftliche Größen zukommt. Zudem wird untersucht, ob sich seit Gründung des EWS Änderungen dieser Zusammenhänge feststellen lassen. Der gesamte Beobachtungszeitraum erstreckt sich von März bzw. April 1973, dem Ende des Bretton Woods-Systems, bis Dezember 1991. Zwei Subperioden werden differenziert betrachtet: Die Vor-EWS-Periode bis zum März 1979, und die anschließende EWS-Periode bis Dezember 1991. 2. Die Rolle der Zinspolitik auf dem Weg zur Währungsunion Die Elemente einer Währungsunion sind im Werner-Bericht aus dem Jahr 1970 spezifiziert worden. Eine Währungsunion erfordert "die vollständige und irreversible Konvertibilität der Währungen, die Beseitigung der Bandbreiten der Wechselkurse, die unwiderrufliche Festsetzung der Paritätsverhältnisse und die völlige Liberalisierung des Kapitalverkehrs. "6
Zudem wird als unerläßlich angesehen, "daß die wichtigsten Entscheidungen auf dem Gebiet der Währungspolitik zentralisiert werden, ob es sich nun um Entscheidungen handelt, welche die Liquidität, die Zinssätze, die Interventionen auf den Devisenmärkten, die Verwaltung der Reserven oder die Festsetzung der Wechselkursparitäten gegenüber der Außenwelt betreffen."7 4 Vgl. hierzu die Beiträge zum Zeitgespräch "Eine stärkere Außenorientierung der deutschen Geldpolitik?", von Pohl, R., Neumann, M.J.M., Duwendag, D., in: Wirtschaftsdienst, 73. Jg., April 1993, S. 171-182. 5 Vgl. z.B. Bernanke, B. S. (1990): On the Predictive Power of Interest Rates and Interest Rate Spreads, in: New England Economic Review, Nov./Dec. 1990, pp. 51-68; Friedman, B.M., Kuttner, K.N. (1992): Money, Income, Prices and Interest Rates, in: American Economic Review, Vol. 82, No. 3, pp. 472-492, sowie Bernanke, B.S., Blinder, A.S. (1992): The Federal Funds Rate and the Channe1s of Monetary Transmission, in: AER, Vol. 82, No. 4, S. 901-922. 6 Hellmann, R. (1972): Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, eine Dokumentation, Baden-Baden, S. 138. 7 Ebenda, S. 139.
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Diese Anforderungen an eine Währungsunion lassen sich auch aus der Gleichung zur Bestimmung des Wechselkurses auf der Grundlage des Portfolioansatzes ableiten. Danach gilt bei Vernachlässigung von Risikoprämien (I)
mit: et i*
(logarithmierter) Wechselkurs der Auslandswährung (Preisnotierung) Zinssatz im Ausland Zinssatz im Inland Erwartungswert des künftigen Wechselkurses Störvariable mit einem Mittelwert von Null und konstanter Varianz
Da der Wechselkurs in einer Währungsunion konstant ist, d.h. E(et+l) = et gilt, müssen Zinssätze für gleichartige Finanztitel in beiden Ländern identisch sein. Folglich erfordert das auch eine einheitliche Geldpolitik. Vor den Turbulenzen auf den Devisenmärkten im Herbst 1992 schienen die Mitgliedsländer des EWS einer Währungsunion nahe zu sein. 8 Die Wechselkurse waren stabil. Das letzte umfassende Realignment lag mehr als fünf Jahre zurück. Mit Eintritt in die erste Stufe der Währungsunion hoben Frankreich und Italien die letzten Kapitalverkehrskontrollen auf, so daß die Anforderung der vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs ebenfalls als erfüllt angesehen werden konnte. Auch die Zentralisierung von Entscheidungen hinsichtlich der Zins politik war de facto verwirklicht: Die Deutsche Bundesbank prägte den Zinstrend in Europa, dem sich die anderen Partnerländer anpaßten. 9 Schließlich kann die stetige Angleichung der Zinssätze zwischen den Kernländern des EWS als Ausdruck nachlassender Wechselkursänderungserwartungen bewertet werden. Die Krise des EWS seit September 1992 hat diese scheinbar kontinuierliche Entwicklung hin zur Währungsunion gestoppt. Der Begriff 'Krise' ist gerechtfertigt, weil erstmals seit Bestehen des EWS Leitkursänderungen nicht ausreichend waren, um Wechselkursänderungserwartungen zu beenden. Dies ist möglicherweise auf die Erwartung der Marktteilnehmer zurückzuführen, daß der in der Bundesrepublik Deutschland verfolgten Zinspolitik von anderen EWS-Ländern auf Dauer nicht gefolgt werden kann. Eine autonome Zinspolitik aber verlangt flexible Wechselkurse. 8 DeGrauwe nennt das EWS als ein Beispiel für eine "incomplete monetary union"; vgl. DeGrauwe, P. (1992): The Economics of Monetary Integration, Oxford, S. 95 ff. 9 Vgl. Giavazzi, F., Giovannini, A. (1989): Limiting Exchange Rate Flexibility: The European Monetary System, Cambridge, insb. S. 63 ff.; Herz, B., Röger, W. (1992): The EMS is a greater Deutschmark area, in: EER, Vol. 36, No. 7, S. 1413-1425; Ergebnisse, die die Dominanz der Bundesbank in Frage stellen, präsentieren Fratianni, M., von Hagen, J. (1990): Asymmetries and realignments in the EMS, in: De Grauwe, P., Papademos, L. (eds.), The European Monetary System in the 1990s, London, S. 86-116.
58
Wolfgang File und Adalbert Winkler
Wird Gleichung (1) um Renditen aus Sachkapital erweitert lO , so ergibt sich: (la) mit: r* r
Ertragsrate aus Sachkapital im Ausland Ertragsrate aus Sachkapital im Inland
Ertragsraten aus Sachkapital sind unmittelbar schwer zu messen. Wird das Realeinkommen als Ertrag des gesamtwirtschaftlichen Sachkapitalbestands interpretiert, so können die Wachstumsraten des Realeinkommens als Schätzwerte realer Sachkapitalrenditen verwendet werden. Ein zunehmender Wachstumsvorsprung Deutschlands gegenüber EWS-Partnerländernwie in den Jahren 1990 - 1992 - würde demnach eine Aufwertung der DMark implizieren, es sei denn, Abwertungserwartungen gegenüber der DMark oder ein Zinsvorteil für Finanzaktiva des Auslands würden für einen Ausgleich sorgen. Folglich müßte bei einem Konjunkturrückschlag im Ausland der sich daraus ergebende Wechselkurs änderungs druck im EWS durch eine Hochzinspolitik abgewehrt werden, solange die Bundesbank ihre Zins politik allein an binnenwirtschaftlichen Entwicklungen orientiert. Dann wirkt die Geldpolitik in potentiellen Schwachwährungsländern des EWS prozyklisch. Zudem bleibt der Erfolg einer Stabilisierung der Wechselkurse durch eine Hochzinspolitik unsicher, weil der Stabilisierungseffekt eines Zins auftriebs an Finanzmärkten auf die Wechselkurse von gegenläufigen Wirkungen einer dadurch verursachten Konjunkturschwäche überkompensiert werden kann. Das ist das Dilemma eines Systems fester Wechselkurse bei unterschiedlichen Konjunkturverläufen in den Teilnehmerländern. Wird versucht, einer Währungsschwäche durch Zinsanhebungen zu begegnen, so mag das kurzfristig erfolgreich sein, solange nämlich Preise und Kurse an Finanz- und Devisenmärkten rascher auf monetäre Impulse reagieren als Preise an Gütermärkten und die realwirtschaftliche Aktivität. Erreichen von der Zentralbank ausgehende Zinsimpulse aber, möglicherweise erst am Ende einer langen Kette von Substitutionsprozessen, den güterwirtschaftlichen Bereich, dämpft eine Hochzinspolitik die wirtschaftliche Entwicklung, senkt sie auf diese Weise die erwartete Ertragsrate aus Sachkapital, so kann es sein, daß eine zur Stabilisierung der Wechselkurse auf kurze Frist erfolgreiche 10 Zur Einbeziehung der Ertragsraten von Sachkapital in die Wechselkursbestimmung vgl. File, W. (1982): Monetäre Wechselkurstheorie, makroökonomische Portfoliotheorie und wechselkursorientierte Geldpolitik, in: Beihefte aus Kredit und Kapital, Heft 7, Geldund Währungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ehrlicher, W., Simmert, D.B., Berlin, S. 449 ff.
Wirkungsanalyse der Geldpolitik vor und nach Gründung des EWS
59
Zinspolitik auf etwas längere Sicht genau das Gegenteil bewirkt, nämlich Währungsschwäche und schließlich Abwertung. Dies macht deutlich: Die Zinspolitik der Zentralbank sollte sich güterwirtschaftlichen Zielsetzungen verantwortlich sehen, nicht aber den kurzfristigen Erfolg suchen, den eine Hochzinspolitik mit dem Ziel der Stabilisierung der Wechselkurse verspricht. 11 Denn stabile Wechselkurse sind auf etwas längere Sicht mit höchst unterschiedlichen Konjunkturverläufen und deshalb kraß divergierenden Ertragsraten aus Sachkapital der Länder nicht vereinbar. Andererseits wäre das Zinsinstrument, eingesetzt mit dem Ziel der Kursstabilisierung, ohne spätere konträre Wirkungen auf die Wechselkurse zu favorisieren, bliebe der Einfluß der Zentralbank durch ihre auf den Geldmarkt abzielende Zinspolitik auf den güterwirtschaftlichen Bereich schwach. Umgekehrt folgt hieraus, daß bei starkem Einfluß der Zinspolitik auf die Gütermärkte stabile Leitkurse nicht aufrechtzuerhalten sind, wenn Zentralbanken der Länder eines Festkurssystems unterschiedliche Richtungen ihrer Zinspolitik für längere Zeit verfolgen. Das Festkurssystem ist gleichfalls gefährdet, wenn sich die Wirkungen der Zinspolitik auf die realwirtschaftliche Entwicklung in den Teilnehmerländern deutlich unterscheiden. Die für die Stabilität der Wechselkurse im EWS wichtige Frage auf dem Weg zur Währungsunion lautet deshalb, wie Effekte zinspolitischer Maßnahmen auf das Wirtschaftswachstum einzuschätzen sind. 3. Analyse realwirtschaftIicher Wirkungen der Geldpolitik in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland
a) Zinspolitische Grundkonzeption der Geldpolitik
Preisniveaustabilität, angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum sowie ein ho her Beschäftigungsstand sind die binnenwirtschaftlichen Ziele gesamtwirtschaftlicher Stabilisierungspolitik. Konzeptionen der Stabilisierungspolitik basieren auf konkurrierenden Paradigmen, der neo klassischmonetaristischen oder der keynesianischen Theorie. Ein für die Geldpolitik relevantes Unterscheidungsmerkmal beider Konzeptionen ist, ob Zentralbanken über die Steuerung von monetären Aggregaten oder durch Zins impulse andere Märkte erreichen. Seit Mitte der achtziger Jahre wird in den westlichen Industrieländern der kurzfristige Zins, i.d. R. der Tagesgeldsatz, als zentrales Instrument der Geldpolitik verwendet. 12 Allerdings ist diese Zinsorientierung der Zentral11 Vgl. Filc, W. (1981): Marktmäßige Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits: Die Fehleinschätzung der Deutschen Bundesbank, in: Wirtschaftsdienst, Nr. 6, S. 285-289. 12 Dies ist das wichtigste Ergebnis vergleichender empirischer Untersuchungen des IWF und der BIZ; vgl. Bauen, D. S., et.al. (1990): The Conduct ofMonetary Policy in the
60
Wolfgang File und Adalbert Winkler
banken nicht mit dem keynesianischen "interest rate pegging" der fünfziger und sechziger Jahre gleichzusetzen. Denn die Zentralbanken haben in den letzten zehn Jahren ihre Geldmarktinstrumente in der Weise verfeinert und erweitert, so daß sie flexibel und schnell mit Zinsimpulsen auf Änderungen ihrer Ziel- bzw. Zwischenzielgröße reagieren können. Seit 1974 bzw. 1977 verfolgen die Deutsche Bundesbank bzw. die Banque de France Geldmengenziele, deren Einhaltung als Bedingung für die Sicherung von Preisniveaustabilität angesehen wird. Zu diesem Zweck ist die Zinspolitik einzusetzen, also eine indirekte Geldmengensteuerung über den Zins zu verfolgen. Allerdings haben sich die Zentralbanken nicht immer an diese Regel gehalten. In Frankreich ist die Zinspolitik seit Inkrafttreten des EWS maßgeblich daran orientiert, den Leitkurs des französischen Franc gegenüber der D-Mark zu stabilisieren. Aber auch in Deutschland waren mehrmals Perioden zu beobachten, in denen die Geldmengensteuerung über den Zins ausgesetzt wurde. Beispielhaft hierfür sind die Jahre 1986/87, in denen das Geldmengenziel deutlich übertroffen wurde. Bei zurückgehenden Inflationsraten - zeitweise sogar bei sinkendem Preisniveau - und einem andauernden Kursverfall des US-Dollars hielt die Bundesbank Zinserhöhungen zur Reduktion des Geldmengenwachstums jedoch für nicht angebracht. Statt dessen wurde das Geldmengenziel gewechselt, die Zentralbankgeldmenge in Abgrenzung der Deutschen Bundesbank durch das weniger zinsreagible Geldmengenaggregat M3 ersetzt. Die monetaristische Kritik an der keynesianischen Zinspolitik der fünfziger und sechziger Jahre beruhte auch auf der Überlegung, daß eine auf das Vollbeschäftigungsziel ausgerichtete Fixierung von Zinssätzen nur zu dem Preis akzelerierender Inflationsraten erzielt werden kann. 13 Künstlich und inflationserzwingend ist diese Zinsfixierung dann, wenn der geldpolitisch bestimmte Zins unterhalb des - aus neoklassischer Sicht allein von güterwirtschaftlichen Faktoren bestimmten - Realzinses liegt. Ohne sich auf die neoklassische Zins theorie zu beziehen 14, kann der reale Tagesgeldsatz, definiert als nominaler Tagesgeldsatz abzüglich der Inflationsrate, Major Industrial Countries: Instruments and Operating Procedures, IMF Occasional Paper No. 70, Washington; Kneeshaw, J.T.; Bergh, P.V. (1989): Changes in Central Bank Money Market Operating Procedures in the 1980s, BIS Economic Papers, No. 23, Basle. Eine Kontrolle der Ge1dbasis wird mit der Begründung abgelehnt, daß diese Steuerungstechnik mit zu starken Zinsschwankungen am Geldmarkt einhergeht bzw. einhergehen würde; vgl. Kneeshaw, J.T.; Bergh, P.V. (1989), S. 20. 1l Vgl. Friedman, M. (1968): The Role of Monetary Policy, in: American Economic Review, Vol. 58, No. I, S. 1-17. 14 So wird die Notwendigkeit, die Zinspolitik mit dem Ziel Preisniveaustabilität einzusetzen, von Keynes im ersten Band seines "Treatise on Money" ausführlich - und im Widerspruch zur Quantitätstheorie - begründet. Vgl. Keynes, J.M. (1971): A Treatise on Money, Vol. I, wiederabgedruckt im Rahmen der Collected Writings, Vol. V, London.
Wirkungsanalyse der Geldpolitik vor und nach Gründung des EWS
61
Abb. 1: Tagesgeldsatz, Inflationsrate und realer Tagesgeldsatz Bundesrepublik Deutschland, 1973.2 - 1991.4
10
7.5
o
5.0 .; Po
-5
2.5
~
0.0 74
76
78
80
82
84
86
88
90
Quelle: OECD, eigene Berechnungen.
Abb. 2: Tagesgeidsatz, Inflationsrate und realer Tagesgeldsatz Frankreich, 1973.2 - 1991.4 r-~--~--~-------------------------------.25
20 15
10 10
5
o
5
o
74
76
78
80
82
Quelle: OECD, eigene Berechnungen.
84
86
88
90
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daher als ein Indikator gesehen werden, der die Entschlossenheit der Geldpolitik ausdrückt, inflationären Tendenzen entgegenzutreten. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Entwicklung des Tagesgeldsatzes, der Inflationsrate und des realen Tagesgeldsatzes in Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland. Auffallend ist, daß in Deutschland seit 1976 und in Frankreich seit 1980 durchweg positive reale Tagesgeldsätze zu beobachten sind. Dies läßt vermuten, daß in Deutschland das Zinsinstrument seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr am Beschäftigungsziel, sondern vornehmlich am Ziel Preisniveaustabilität orientiert ist, in Frankreich am Ziel der Stabilisierung des Wechselkurses des Franc gegenüber der D-Mark. 15 b) Realwirtschaftliche Wirkungen zinspolitischer Maßnahmen
Die monetaristische Interpretation der Neoklassik und der Keynesianismus bieten unterschiedliche Transmissionsmechanismen, um Wirkungen geld politischer Aktionen auf die Realwirtschaft zu erklären. Während Keynesianer das Schwergewicht auf den Zins legen, sehen Monetaristen Erwartungsirrtümer, rigide Preise auf Güter- und Arbeitsmärkten sowie Glaubwürdigkeitsprobleme - jeweils in Verbindung mit Geldmengenänderungen - als Hauptursache temporärer monetärer Einflüsse auf die Realwirtschaft an. Es ist deshalb empirisch zu überprüfen, ob und welche monetäre Variablen die Entwicklung realwirtschaftlicher Größen erklären können. Hierzu wird einem von Bernanke und Blinder verwendeten Ansatz gefolgt. 16 Dabei wird von der in der Theorie effizienter Märkte entwickelten Hypothese ausgegangen, daß sich ökonomische Größen - realwirtschaftliche Variablen wie Preisniveau - mit einem univariaten autoregressiven Ansatz modellieren lassen. In einer zweiten Stufe wird so dann geprüft, ob sich der Erklärungswert des Modells, etwa für realwirtschaftliche Größen, verbessert, wenn von der Zentralbank zu gestaltende monetäre Größen zusätzlich berücksichtigt werden. 15 Wird die Wechselkursorientierung der französischen Zinspolitik als Hilfskonstruktion interpretiert, dem Ziel Preisniveaustabilität oberste Priorität einzuräumen, kann auch in Frankreich von einer am Ziel Preisniveaustabilität orientierten Geldpolitik gesprochen werden. 16 Vgl. Bernanke, B.S., Blinder, A.S. (1992), S. 904 ff. Allerdings schätzen Bernanke und Blinder die Gleichung 2a für alle monetären Variablen und testen anschließend, ob die zu prüfende Variable aus Gleichung 2a entfernt werden kann, ohne die Erklärungskraft der Gleichung signifikant zu schwächen. Die vorliegende Methode wurde gewählt, weil angesichts der sehr kurzen Beobachtungszeiträume die Anzahl der unabhängigen Variablen in der Schätzgleichung zu groß ist, wenn der Vorgehensweise von Bernanke und Blinder gefolgt wird. Aus dem gleichen Grund wurde auf eine separate Analyse des Zeitraums 1973 bis 1979 verzichtet.
Wirkungsanalyse der Geldpolitik vor und nach Gründung des EWS
63
Die Schätzgleichungen für diese bei den Stufen der Prüfprozedur lauten: (2)
(2a)
n
R t = c + ~ aiRt_i i=l n R t = c + ~ aiRt_i i=l
n
+ ~ bi Pt-i + Ut i=l
n
n
i=l
i=l
+ ~ biPt-i + ~ giZt-i + Vt
mit: c R P Z u,v
Konstante real wirtschaftliche Größe Preisindex der Lebenshaltung 17 monetäre Variable Störterme
Als monetäre Gräßen werden herangezogen: Die Geldmenge in den Abgrenzungen MI und M3, der Tagesgeldsatz, der Dreimonats-Geldmarktsatz und ein langfristiger Zins (Kapitalmarktzins ). Gerechnet wird mit Monats- und mit Quartalsdaten. Bei der Verwendung von Monatswerten wird der maximale Vorlauf der erklärenden Variablen auf n = 6 Perioden festgesetzt, bei Quartalswerten auf n = 4 Perioden. Die untersuchten realwirtschaftlichen Gräßen sind die Industrieproduktion, die Arbeitslosenquote und das reale Bruttosozialprodukt, bzw. für Frankreich das Bruttoinlandsprodukt. Getestet wird die Hypothese, ob alle Koeffizienten der jeweiligen monetären Variablen in Gleichung (2a) gleich Null sind. Die Werte in den Tabellen la und I b geben die Irrtumswahrscheinlichkeiten dafür an, daß diese Nullhypothese zu Unrecht abgelehnt wird, also ein Fehler erster Ordnung vorliegt. 18 Je kleiner die in Tabellen Ia und I b aufgeführten Zahlen, desto sicherer kann daher davon ausgegangen werden, daß die jeweilige monetäre Variable einen Beitrag zur Erklärung der realwirtschaftlichen Variablen liefert. Im Gegensatz zu den von Blinder und Bernanke vorgelegten Resultaten, die eindeutig den Tagesgeldsatz als jene monetäre Variable hervorheben, die den stärksten Zusammenhang mit dem gesamtwirtschaftlichen Aktivitätsniveau aufweist, ist für Frankreich und Deutschland eine differenzierte Interpretation notwendig. Hinsichtlich der Zinssätze ergibt sich, daß für beide 17 Das Preisniveau wird als Erklärungsvariable eingefügt, um die Vergleichbarkeit zu anderen empirischen Untersuchungen über die realwirtschaftlichen Wirkungen monetärer Größen zu ermöglichen. 18 Vgl. Pindyck, R.S., Rubinfeld, D.L. (1991): Econometric Models & Economic Forecasts, New York u.a., S. 39.
64
Wolfgang File und Adalbert Winkler
Länder zumindest einer der geprüften kurzfristigen Zinssätze einen ähnlich großen Erklärungsbeitrag für den Verlauf der jeweiligen realwirtschaftlichen Variablen liefert wie der Kapitalmarktzins. Lediglich für Frankreich - bei der Bestimmung der Arbeitslosenquote im Zeitraum 1973 - 1989 und 1979 - 1989 (Monatswerte) führt die Ergänzung von Gleichung (2) durch den Kapitalmarktzins zu einem deutlich besseren Ergebnis. Auffallend ist auch, daß für Deutschland die kurzfristigen Zinssätze einen höheren Erklärungsbeitrag haben als für Frankreich, insbesondere in den Quartalsgleichungen. Ferner ist bemerkenswert, daß bei einer Begrenzung des Beobachtungszeitraums auf die EWS-Periode für Deutschland, von einer Ausnahme abgesehen, die kurzfristigen Zinssätze an Erklärungskraft für die realwirtschaftliche Entwicklung verlieren. Für Frankreich ist das Ergebnis weniger deutlich, allerdings sinkt die Signifikanz der kurzfristigen Zinssätze in der EWS-Periode immer dann, wenn sie für den gesamten Beobachtungszeitraum besonders hoch ist. Im Vergleich zu den für die USA erzielten Ergebnissen ist außerdem auffallend, daß die Geldmenge in den Abgrenzungen MI und M3 eine respektable Informationsqualität aufweist, wobei für Frankreich die Quartalsanalyse in beiden Zeitperioden der Geldmenge M3 eine herausragende Rolle bescheinigt. So bleibt festzuhalten, daß in beiden Ländern, insbesondere aber in Deutschland, kurzfristige Zinssätze als monetäre Vorlaufsvariablen realwirtschaftlicher Entwicklungen zu beachten sind; eine Dominanz kurzfristiger Zinssätze, von Zentralbanken bestimmt, gegenüber anderen monetären Größen ist jedoch nicht zu erkennen. 19 Ein ähnliches Bild ergibt sich, wird - Bernanke und Blinder folgend ein Gleichungssystem mit der zu betrachtenden realwirtschaftlichen Variablen, dem Preisindex und den monetären Variablen mit Hilfe des vektorautoregressiven Verfahrens (VAR) geschätzt. 20 19 Die bei Verwendung der Originaldaten gewonnenen Ergebnisse bestätigen sich weitgehend, werden die ersten Differenzen herangezogen. Hinsichtlich der Wirkungen von Änderungen kurzfristiger Zinssätze auf realwirtschaftliche Größen werden die bei Verwendung von Originaldaten ermittelten länderspezifischen Unterschiede geringer. 20 Eine einfache Einführung in die Grundidee und Interpretation von VAR-Modellen bieten Pindyck, R.S., Rubinfeld, D.L. (1991), S. 353-359 und S. 385-390. Die Vorgehensweise, über Vektorautoregression kausale Zusammenhänge zwischen ökonomischen Variablen abzuleiten, ist aus technischen Gründen - so reagieren die Ergebnisse sensitiv auf die Reihenfolge, in der die Variablen auf der rechten Seite des Gleichungssystems angeordnet werden, und die Wahl des Prognosehorizonts - und wegen methodischer Bedenken - können aus atheoretischen Modellen kausale Aussagen gewonnen werden? - umstritten; vgl. Bernanke, B.S., Blinder, A.S. (1992), S. 906, sowie ausführlich: Cooley, T.F., LeRoy, S.F. (1985): Atheoretical Macroeconometrics - A Critique, in: Journal of Monetary Economics, Vol. 16, S. 283-308. Die hier vorgelegten Ergebnisse sollten daher als ergänzende Information zu den Signifikanztests gewertet werden.
if
cr
0'
~
.."
--
Arbeitslosenquote
- -
73.0389.12
Produktien
79.0489.12
73.0389.12
79.0489.12
Periode
Variable
0,8868
0,2507
0,2384
F
-
0,0529
0,1847
0,9883
0,0386
0,1559
0,7357
F
0,0125
0,0972
0,2888
0,0026
0,1894
G3men
D
0,3184
0,0882
0,0515
0,5534
F
D
0,1424
0,0117
0,0512
0,0546
F
D
0,0144
M3
0,0017
M1
D
Land
Tabelle la: Signifikanztest monetärer Variablen - Monatsdaten -
0,0804 0,8045
0,2333
r:::
VI
0'1
CIl
:E
'"tT1
o
0..
CJQ
::I
r::
::I 0..
Cl ....
0,9898 0,0636
0,0841
g.
::I 0.. ::I po
o .... r::
~
0=
~
)0-
8-
~
t=i
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0Cl
::s
~ ~
0,0251
~
o
0,2013
0,1220
0,0309 0,5767
Gtag 0,0178
Kmzins 0,0581
G3mon
Tabelle Ib: Signifikanztest monetärer Variablen - Quartalsdaten -
0\ 0\
'1:
73.289.4
79.289.4
BSP
BSP
F
D
F
D
Land
-
0,5649
0,0073
0,4656
0,0000
M1
0,2378
0,2196
0,0779
0,0200
M3
- -
0,4837
0,0007
0,3020
0,0001
G3mon
0,4828
0,0584
0,5302
0,0012
Kmzins
0,6140
0,0011
0,3885
0,0000
Gtag
Anmerkung: Produktion, Arbeitslosenquote, Bruttosozialprodukt bzw. Bruttoinlandsprodukt und MI (BR Deutschland) sind saisonbereinigt. Produktion, Bruttosozialprodukt bzw. Bruttoinlandsprodukt und Geldmengenaggregate sind logarithmiert. Quellen: OECD: Main Economic Indicators; Eurostat: General Economic Information; IWF: International Financial Statistics. Der Beobachtungszeitraum endet im Dezember 1989, weil die Zeitreihen der Geldmengenaggregate in der BR Deutschland nach der deutsch-deutschen Währungsunion am I. Juli 1990 einen Bruch aufweisen, der die Ergebnisse verzerren würde. Auch ein aussagekräftiger Vergleich zu Frankreich wäre dann nicht mehr möglich.
BIP
BIP
Periode
Variable
Q..
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CIl
~
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~
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68
Wolfgang Filc und Adalbert Winkler
Vektorautoregression dient dazu, die dynamische Struktur eines Modells im Zeitverlauf, also Zusammenhänge zwischen verschiedenen ökonomischen Variablen, nicht aus der Theorie, sondern aus den Daten heraus zu ermitteln. Dies wird darin deutlich, daß alle Variablen als endogen betrachtet werden, also als Funktion eigener Vergangenheitswerte bzw. der Vergangenheitswerte der anderen endogenen Variablen - wiederum Ausdruck der Theorie effizienter Märkte. Dies gilt für realwirtschaftliche Größen (Gleichung (3», Preisindexgrößen (Gleichung (4» und für monetäre Variablen, etwa für ZI (Gleichung 5» oder für Zk (Gleichung (6». (3)
n n n n R t = c+ ! aiRt_i + ! biPt-i + ! giZ\-i + ... + ! kiZkt_i + Ut i=l i=l i=l i=l
(4)
n n n n Pt = c + ! aiRt_i + ! biPt-i + ! giZ\-i + ... + ! kiZkt_i + Vt i=l i=l i=l i=l
(5)
n n n n Z\ = c+ ! aiRt_i + ! biPt-i + ! giZ\-i + ... + ! kiZkt_i + i=l i=l i=l i=l
(6)
n n n n Zkt = c+ ! aiRt-i + ! biPt-i + ! giZ\-i + ... + ! kiZkt_i + Zt i=l i=l i=l i=l
Wt
Trotzdem lassen sich auf der Grundlage der Vektorautoregression kausale Aussagen machen, weil- unter bestimmten Annahmen - Veränderungen der Störterme in der Höhe einer Standardabweichung als exogener Schock einer Variable interpretiert werden können. So ist die Veränderung von Ut als Schock zu interpretieren, der zunächst die realwirtschaftliche Variable Rund anschließend auch die anderen Variablen trifft, da diese wiederum von R abhängen. Sind die Störterme miteinander nicht korreliert, kann der Störterm jeweils der Variablen zugeordnet werden, die auf der linken Seite der Gleichung steht. Die Veränderung von Ut wird daher als realwirtschaftlicher Schock, die Veränderung von Vt als Preisschock und die Veränderung von Wt bis Zt als monetärer Schock interpretiert. Die Wirkung dieser Schocks auf die Variable selbst und alle anderen Variablen zu quantifizieren, ist das Erkenntnisinteresse des vektorautoregressiven Verfahrens. Schocks führen dazu, daß die Prognosequalität des Gleichungssystems zurückgeht, also die Varianz des Prognosefehlers zunimmt. Die Varianzzerlegung gibt darüber Aufschluß, welche Variablen mit welchem Prozentsatz dazu beitragen, die Varianz des Prognosefehlers zu erhöhen. Dies wird für die realwirtschaftlichen Variablen Industrieproduktion, Arbeitslosenquote
*
und Prognosehorizont
67,66 64,88
F-24
F-24
0-24
55,38
0-24
77,54
55,28
F-24
F-12
55,38
0-24
88,84
55,28
F-12
0-12
82,63
0-12
73.0389.12
Produktion
79.0489.12
77,28
Land*
Periode
realw. Variable
realw. Variable
4,70
6,40
2,48
3,53
18,41
9,59
18,41
9,59
3,62
6,53
CPI
16,54
24,66
6,77
-
1,31
1,25
15,57
-
2,59
6,80 (3) 7,79 (3)
13,20
14,92
6,52
1,50
G3mon
-
7,03
1,02
7,03
1,02
2,04
1,02
M3
2,84
2,26
2,27
2,26
2,27
3,10
2,03
MI
Tabelle 2a: Varianzzerlegung prognostizierter realwirtschaftlicher Größen - Monatsdaten -
4,45
2,62
-
-
3,16
2,18
-
7,31 (1) 7,45 (1)
3,02
6,75
1,81
8,88
Gtag
17,74 (2) 1,67 (2)
0,69
10,16
0,26
2,74
Kmzins
~
0\0
cn
~
'"tTl
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2,
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>
::l P-
c
er
21
CJQ
::l
~ ~ P>
o
Koeffizient (t-Wert)
-0,86 (-5,57)
-0,54 (-2,95)
- 0,54 (-2,97)
- 0,21 (-4,25)
- 0,06 (-0,78)
- 0,05 (-0,63)
Variable/Land (Vorlaut)
Kmzinsd(-6)
Kmzinsd(-6)
D(Kmzinsd(-6»
Kmzinsf(-4)
Kmzinsf(-4)
D(Kmzinsf(-4»
0,90 (14,81)
0,92 (15,78)
AR(l) (t-Wert)
1979.2 -
0,01
0,85
0,60 0,63 0,48/0,47
0,24 0,47/1,18
1,02/1,18
0,96
0,58/0,62
0,15 0,27
0,93
0,19
DurbinWatsonKoeffizient
0,57/1,72
1,36/1,72
SE/SD
0,89
0,39
R2
1991.4
00
(I)
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Wolfgang File und Adalbert Winkler
Prozentpunkte) ist und mit einer längeren Zeitverzögerung wirksam wird. Noch stärker sind die Unterschiede zwischen beiden Subperioden, wenn der Kapitalmarktzins als erklärende Variable herangezogen wird. Für Deutschland weisen Schätzgleichungen mit dem Tagesgeldsatz und dem Kapitalmarktzins in allen drei Beobachtungszeiträumen ähnlich gute Ergebnisse auf, wenngleich der Tagesgeldsatz, gemessen am Bestimmtheitsmaß, in den einfachen OLS-Gleichungen einen Vorsprung hat. Wie für Frankreich ist allerdings auch für Deutschland in der EWS-Periode ein schwächerer Zusammenhang zwischen Tagesgeldsatz bzw. Kapitalmarktzins und Wirtschaftswachstum festzustellen, wenngleich Koeffizienten und statistische Prüfgrößen nicht so stark abfallen wie für Frankreich. Insgesamt zeigt sich, daß in beiden Ländern der Tagesgeldsatz einen zumindest ebenso guten Informationsgehalt für das Wachstum des Realeinkommens aufweist wie der Kapitalmarktzins. Im Vergleich zu den Resultaten der zuvor verwendeten Prüfprozeduren besteht auch für Frankreich ein straffer Zusammenhang zwischen Tagesgeldsatz und Bruttoinlandsprodukt. Dagegen bestätigen sich die Ergebnisse der Signifikanztests und der VARAnalyse, daß die Zinswirkungen in Deutschland deutlicher sind und in der EWS-Periode in beiden Ländern zurückgegangen sind. 4. Schlußfolgerungen
Es war zu untersuchen, ob für Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland ein signifikanter Zusammenhang zwischen kurzfristigen Zinssätzen, insbesondere für Tagesgeld, und realwirtschaftlichem Aktivitätsniveau besteht, bei kausaler Interpretation eine entsprechende reale Wirkung der zinsorientierten Geldpolitik. Zudem war zu prüfen, ob sich seit Gründung des EWS Veränderungen dieser Zusammenhänge ergeben haben, vor allem, ob sich das Festkurssystem in der Weise ausgewirkt hat, daß Annäherungen nicht allein der Grundkonzeption der Geldpolitik festzustellen sind, sondern auch ihrer Wirkungsweise. Zu beiden Fragen legen die Ergebnisse der vorgenommenen empirischen Überprüfungen keine eindeutigen Schlußfolgerungen nahe. Gewiß beinhalten Variationen des von der Bundesbank zu steuernden Tagesgeldsatzes offenbar wichtige Informationen über das künftige Wirtschaftswachstum. Allerdings ist dieser Zusammenhang seit Mitte der achtziger Jahre schwächer geworden - möglicherweise zurückzuführen auf Sonderfaktoren, so auf den von der deutschen Einheit ausgelösten Nachfragesog. Für Frankreich sind die Zusammenhänge zwischen der zentralen Instrumentenvariablen der Geldpolitik, dem Tagesgeldsatz, und der realwirtschaftlichen Aktivität deutlich schwächer, wenngleich signifikant.
Wirkungsanalyse der Geldpolitik vor und nach Gründung des EWS
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Überraschen mag das Ergebnis, wonach seit Gründung des EWS für beide Länder der Zusammenhang zwischen kurzfristigen Zinssätzen und gesamtwirtschaftlichem Aktivitätsniveau geringer ist als zuvor feststellbar. Hat das EWS zu mehr Divergenz geführt, keine Konvergenz bewirkt? Diese mögliche Interpretation erscheint als überzogen. Denn dabei bliebe unbeachtet, daß sich nach einigen Anpassungsproblemen die Geldpolitik in Frankreich maßgeblich an dem Ziel der Wechselkursstabilisierung orientiert, nicht zuerst an binnenwirtschaftlichen Zielsetzungen. Dies ist kein Widerspruch zu einer wirtschaftliche Zielverfehlungen vermeidenden Makropolitik, solange davon ausgegangen werden kann, daß die Geldpolitik im Leitwährungsland eines Festkurssystems an gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen der Verbundländer orientiert ist, nicht allein an binnenwirtschaftlichen Entwicklungen. Zudem ist zu bedenken, daß ein Festkurssystem, wie das EWS, allein den Gleichklang des geldpolitischen Kurses erzwingt, dagegen keinen Konvergenzdruck auf die übrigen Träger der makroökonomischen Stabilisierungspolitik auslöst. Und so gab es in beiden Ländern Phasen diametral entgegengesetzter Wirkungsrichtungen der Geldpolitik und der Fiskalpolitik - in Frankreich von 1981 bis 1984, in Deutschland seit 1990. Dies mag erläutern, warum vor allem in Frankreich die Zusammenhänge zwischen Zinssätzen und realwirtschaftlichen Zielgrößen seit Inkraftsetzen des EWS eher schwächer geworden sind. Divergenz statt Konvergenz in Europa als Folge des EWS? Sicher nicht. Aber die Ergebnisse der vorgenommenen empirischen Untersuchungen zeigen doch, daß das EWS ein unvollendetes Integrationsprojekt darstellt. Der Gleichklang der Geldpolitik der Länder eines Integrationsraums kann nur dann gleiche Wirkungen zeitigen, wenn alle Träger der Stabilisierungspolitik in allen Teilnehmerländern gleichen Zielen folgen und dies von Konvergenzzwängen unterstützt wird. Bei fallweise veränderlichen Wechselkursen, wie im EWS, ist das offensichtlich nicht sichergestellt. Konvergenzzwänge für die Finanz- und Einkommenspolitik werden sich erst in einem tatsächlich einheitlichen Währungsraum der EG-Länder ergeben, also nach Vollzug der Währungsunion. So können die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Untersuchung auch dahingehend ausgelegt werden, daß die EG-Länder weitergehende Schritte auf dem Weg zur Währungsunion benötigen, um die Konvergenz in anderen Bereichen der Stabilisierungspolitik als Voraussetzung für Konvergenz realwirtschaftlicher Wirkungen geldpolitischer Maßnahmen voranzutreiben.
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Erfordernisse, Möglichkeiten und Hemmnisse institutioneller Reformen einer erweiterten Europäischen Gemeinschaft Von Hartrnut Berg und Frank Schmidt, Dortmund 1. Funktionelle und institutionelle Methode als Strategien wirtschaftlicher Integration
Der EWG-Vertrag konzipiert ein wirtschaftspolitisches Programm, das durch die "Errichtung eines Gemeinsamen Marktes" und die "schrittweise Annäherung der Politik der Mitgliedstaaten" Fortschritte bei Wachstum und Stabilität anstrebt - Fortschritte, von denen die Verfasser und die Befürworter dieses Vertrages annahmen, daß sie anderenfalls, also bei Fortbestehen des status quo ante, nicht erreichbar sein würden. Die Strategien, derer man sich dabei vornehmlich zu bedienen gedachte und sich tatsächlich auch vornehmlich bedient hat, werden üblicherweise als funktionelle und als institutionelle Methode wirtschaftlicher Integration bezeichnet. Die funktionelle Methode zielt auf die Bildung einer Zollunion und deren Weiterentwicklung zu einem "Binnenmarkt", also auf die Herstellung eines Wirtschaftsraumes "ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital ... gewährleistet ist" (Art. 8 a EWG-V). Durch den Abbau der Zölle und sonstigen Handelshemmnisse im gegenseitigen Warenverkehr der Mitgliedstaaten und die Beseitigung möglichst auch aller anderen Formen und Praktiken nationaler Marktsegmentierung erhofft man einen Wettbewerb gesteigerter Intensität, verbesserte Möglichkeiten der Nutzung von Skalenerträgen und ein Angebot von größerer Vielfalt (Berg, 1988). Die institutionelle Methode strebt nach zunehmender "Vergemeinsamung" nationaler (Wirtschafts-)Politiken durch die im Zeitablauf immer umfassender vollzogene Übertragung von Befugnissen auf die Organe der Gemeinschaft, insbesondere auf Kommission und Rat. Die "Gemeinschaftsmethode" als das Zusammenwirken von (vor allem) Kommission und Rat gewährleistet, so die zunächst wohl vorherrschende
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Erwartung, Ergebnisse "überlegener Rationalität". Der "hohe Sachverstand einer unabhängigen Kommission" sei Garant "technisch optimaler Lösungen", die "tatsächlich Ausdruck eines europäischen Interesses sind". Im Rat "vollzieht sich der Ausgleich, die Versöhnung der Einzelinteressen der Mitgliedstaaten und des Gemeinschaftsinteresses" . Ergebnis sei eine Politik "hoher Sachgerechtigkeit" - eine Politik, die nationalen Lösungen vielfach überlegen sein werde und die damit ebenso wie die funktionelle Methode Wohlfahrtsgewinne eintrage (Hal/stein, 1968, 1969; Berg, 1972). Die ersten Jahre nach Inkrafttreten des EWG-Vertrages waren durch sehr ansehnliche Raten des Wirtschaftswachstums und durch eine rasche Zunahme des EWG-Intrahandels, also des Austausches der Integrationspartner untereinander, gekennzeichnet. Die Bildung der Zollunion, die gemäß Art. 9 EWG-Vertrag als "Kernstück" der Gemeinschaft anzusehen ist, konnte zügig vorangetrieben werden. Die Kommission vermochte rasch Autorität und Ansehen zu gewinnen. Die hohen Erwartungen, die sich vielfach mit der Gründung der EWG verbunden hatten, schienen sich glänzend zu bestätigen (Haas, 1968; Lindberg, 1963). Nachdem der Prozeß der europäischen Integration über mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte hinweg als Erfahrung vorliegt, ist die Euphorie der ersten Phase eindrucksvoller Erfolge und. rascher Fortschritte einer eher zurückhaltenden Bewertung gewichen (Giersch, 1988). Das Versprechen "mehr Wettbewerb" konnte nur mit Einschränkungen, die Zusage "besserer Politik" nach wohl mittlerweile weit verbreiteter Vermutung gar nicht eingelöst werden.
2. Zur Leistungsfähigkeit der funktionellen Methode wirtschaftlicher Integration
Die funktionelle Methode kann über einen längeren Zeitraum hinweg nur dann für die Verwirklichung der angestrebten Ziele nutzbar gemacht werden, wenn zuvor regulierte Bereiche in die Wettbewerbsordnung überführt werden, wenn die Gemeinschaft um neue Mitglieder mit wettbewerbsfähigen Sortimenten erweitert oder wenn der Außenschutz vermindert und damit Drittlandsangeboten der Zugang zu den Märkten der Integrationspartner erleichtert wird. Zudem muß der Wettbewerb vor Beschränkungen wirksam geschützt werden. Im Sinne dieser Erfordernisse ist das Wachstumspotential, das durch die Anwendung der funktionellen Methode erschlossen werden kann, bislang noch bei weitem nicht ausgeschöpft worden. Die wettbewerbs stimulierende Potenz der funktionellen Methode wird durch die Erfahrung gemindert, daß es bislang nicht gelungen ist, den angestrebten EG-Binnenmarkt tatsächlich zu verwirklichen. Schon in der
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ursprünglichen Fassung des EWG-Vertrages wurden zahlreiche Ausnahmebereiche (zumindest vorerst) akzeptiert. Dort, wo mehr Wettbewerb angestrebt wurde, gelang es vielfach nicht, nationale Regulierungen zu beseitigen. Für das Sonderregime des EGKS-Vertrages gilt, das das in Art. 4 EGKS-V ausgesprochene Verbot staatlicher Beihilfen nicht durchgesetzt werden konnte. Durch die Erweiterung der "EWG der Sechs" zur "EWG der Neun" und so dann zur "EG der Zwölf' dürfte zusätzlicher Wettbewerbsdruck nur sehr begrenzt wirksam geworden sein. Die Produktionsprogramme der neuen Partner verhielten sich zu denen der Gründungsmitglieder zumeist komplementär. Dort, wo Substitute angeboten wurden, mangelte es diesen vielfach an Wettbewerbsfähigkeit. So geriet etwa die britische Industrie nach dem EWG-Beitritt Großbritanniens auf dem heimischen Markt verstärkt unter Wettbewerbsdruck, ohne auf den kontinentalen Märkten der Integrationspartner im erhofften Umfang Marktanteile gewinnen zu können. Fortschritte bei der gegenseitigen Öffnung der Märkte im Innenverhältnis der Integrationspartner haben erfahrungsgemäß nahezu stets Bestrebungen zur Folge, Anbietern aus Drittländern den Zugang zu diesen Märkten zu erschweren. Die wettbewerbsstimulierenden Impulse, die sich durch die Bildung eines EG-Binnenmarktes ergeben (können), sind folglich in dem Maße zu relativieren, wie es partikularen Interessen gelingt, ihr Begehren nach Protektion durchzusetzen. Der EWG-Vertrag bevollmächtigt die Kommission zum Betreiben einer Wettbewerbspolitik, die verhindern soll, daß die gegenseitige Öffnung der Märkte, die durch den Abbau der Zölle und sonstiger Handelshemmnisse im Integrationsraum angestrebt wird, durch wettbewerbsbeschränkende Abreden nicht zustande kommt oder rückgängig gemacht wird. Dazu enthält Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag ein grundSätzliches Verbot von Kartellen und formlos vorgenommener Verhaltensabstimmung, sofern diese Praktiken geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Art. 85 Abs. 3 EWG-Vertrag relativiert diese Bestimmung durch eine Generalklausel, die es gestattet, Vereinbarungen von Unternehmen vom Kartellverbot freizustellen, wenn sie zur Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung beitragen, den Verbraucher an dem dabei entstehenden Gewinn angemessen beteiligen und den Wettbewerb nicht unangemessen beschränken. Die Kommission hat von dieser Ausnahmeklausel zumindest in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit vergleichsweise großzügig Gebrauch gemacht, dies zumeist mit der Begründung, kleine und mittlere Unternehmen seien zum Eintritt in die Märkte der jeweils anderen Partnerstaaten vielfach nur befähigt, wenn ihnen dazu Kooperation zugestanden werde.
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Die in Art. 86 EWG-Vertrag normierte Mißbrauchskontrolle über marktbeherrschende Unternehmen konnte (wie die entsprechende Regelung des § 22 im deutschen "Gesetz gegen Wettbewerbschränkungen") nur in wenigen Fällen erfolgreich angewendet werden. Eine Zusammenschlußkontrolle wurde der europäischen Wettbewerbspolitik erst mit der Fusionskontrollverordnung des Jahres 1989 zugestanden. Wie für die deutsche Wettbewerbspolitik gilt auch für ihr europäisches Gegenstück die Erfahrung, daß die "klassische" Form der Wettbewerbsbeschränkung durch Kartellbildung erheblich an Bedeutung eingebüßt hat. Formlos, also ohne Vereinbarung eines Kartellvertrages erfolgende Verhaltensabstimmung ist erfahrungsgemäß nur selten erfolgreich nachweisbar. Für die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen gilt, daß ihre Anwendung eine Vielzahl von grundsätzlichen und praktischen Schwierigkeiten beinhaltet. Als wichtigstes Instrument der Wettbewerbspolitik ist somit die Zusammenschlußkontrolle anzusehen. Sie wurde der europäischen Wettbewerbspolitik gegen den Widerstand Frankreichs erst nach einer über Jahrzehnte hinweg kontrovers geführten Diskussion zugestanden. Die Ausgestaltung, die dieses Instrument in der Fusionskontrollverordnung 4064/89 vom 21. Dez. 1989 erfahren hat, gestattet es der Kommission, bei der Würdigung eines Zusammenschlußvorhabens auch Aspekte der Industriepolitik zu berücksichtigen. Bei der Anwendung der europäischen Fusionskontrollverordnung wird es folglich immer wieder zu Konflikten zwischen industriepolitischen und wettbewerbspolitischen Zielen kommen. Die Position der Befürworter einer EG-Industriepolitik ist durch die Beschlüsse von Maastricht erheblich gestärkt worden. Sollten sie sich gegen die Verfechter einer konsequent betriebenen Wettbewerbspolitik zunehmend durchsetzen, ist damit zu rechnen, daß von den Möglichkeiten der Fusionskontrollverordnung nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden wird. Es wäre dann durchaus nicht mehr gewährleistet, daß es im Integrationsraum nicht zur Herausbildung marktbeherrschender Positionen kommt (Berg, 1992). Die Leistungsfähigkeit der funktionellen Methode würde durch eine derartige Entwicklung beeinträchtigt werden. Das gilt vor allem dann, wenn die Wettbewerbspolitik nicht durch eine liberale Außenwirtschaftspolitik entlastet wird. Sie muß Anbietern aus Drittländern den Zugang zu den Märkten der Gemeinschaft offen halten. Art. 110 EWG-V verpflichtet die Gemeinschaft zu einer gemeinsamen Handelspolitik, die "zur harmonischen Entwicklung des Welthandels" beiträgt. Tatsächlich ist die Außenhandelspolitik der Gemeinschaft jedoch durch ein erhebliches Maß an Protektionismus gekennzeichnet. Dies gilt nicht nur für den Austausch von Agrarerzeugnissen, sondern sehr wohl auch
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für den Handel mit industriellen Fertigwaren. Selbstbeschränkungsabkommen und andere Importhemmnisse zielen vor allem darauf ab, Einfuhren aus Japan und aus Newly Industrialized Countries (NIC's) wie Korea, Taiwan, Singapur und Malaysia zu begrenzen. Betroffen werden dadurch vornehmlich die Exportmöglichkeiten dieser Länder bei Automobilen, bei Erzeugnissen der Unterhaltungs- und der Mikroelektronik und bei Textilien. Die Vereinigten Staaten sind dagegen vornehmlich vom Protektionismus im Agrarbereich und von den Einfuhrbegrenzungen betroffen, die von der Kommission zur Lösung der Krise der europäischen Stahlindustrie für erforderlich gehalten wurden. Anlaß zur Kritik sind hier auch die massiven Finanzhilfen, mit denen das Projekt "Airbus" gefördert wird - ein Vorhaben "strategischer" Außenhandelspolitik, das darauf abzielt, die dominante Position des US-Herstellers Boeing als Anbieter für Groß flugzeuge des zivilen Luftverkehrs zu brechen (Berg/ Tielke-Hosemann, 1988). Zusammenfassend ergibt sich der Befund, daß die grundsätzlich sehr vielversprechenden Möglichkeiten der funktionellen Methode im Verlauf des Integrationsprozesses nur begrenzt genutzt wurden. Regulierung und Marktsegmentierung durch staatlich geschaffene "nicht-tarifäre" Handelshemmnisse verhinderten, daß das Wettbewerbsprinzip im Integrationsraum weitgehend durchgesetzt werden konnte. Der Wettbewerbspolitik wurde das unverzichtbare Instrument der Zusammenschlußkontrolle lange Zeit hindurch vorenthalten. Das Nutzen der durch die Fusionskontrollverordnung nunmehr verfügbaren Möglichkeiten wird dadurch erschwert, daß die Befürworter einer EG-Industriepolitik darauf drängen, die Bildung marktbeherrschender Unternehmen im Gemeinsamen Markt zuzulassen oder sogar zu fördern, wenn dadurch die Präsenz in wachstumsträchtigen und strategisch bedeutsamen "Zukunftsindustrien" ("high technology") gesichert werden kann. Durch die Erweiterung der Gemeinschaft konnte der Wettbewerb nur begrenzt zusätzlich stimuliert werden. Dort, wo die europäische Industrie durch überlegene Anbieter aus Drittländern unter Druck geriet oder zu geraten droht (Textilien, Automobile, Unterhaltungselektronik, Elektronische Datenverarbeitung) reagiert die Gemeinschaft mit Protektionismus. Dort, wo die Gemeinschaft, wie etwa im Rahmen des Projektes "Airbus", durch massive Subventionierung Exportförderung betreibt, muß sie mit Vergeltungsmaßnahmen und Abwehraktivitäten rechnen.
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3. Institutionelle Integration im Widerstreit von politischer und ökonomischer Rationalität
Die auf Gemeinschaftsebene betriebene Politik hat das Versprechen, ein (im Vergleich mit entsprechenden nationalen Lösungen) "überlegenes Maß an Sachgerechtigkeit" (w. Hallstein) zu erbringen, nicht einlösen können. Sie hat vielmehr eher fragwürdige Lösungen und erhebliche Fehlentwicklungen zu verantworten. Die Gemeinsame Agrarpolitik und der (mittlerweile eingestandene) Irrweg einer sehr umfassenden, sehr detaillierten und strikt verbindlichen "ex-ante-Harmonisierung" belegen diese Bewertung (Willgerodt, 1974; Siebert, 1989). Die Neue Politische Ökonomie liefert eine Erklärung für das Verhalten, durch das Rat und Kommission zu den offenkundigen Mängeln der auf Gemeinschaftsebene betriebenen Politik wesentlich beitragen (Remus, 1969; Vaubel, 1992). a) Kompetenzzuwachs als Handlungsmotiv der EG-Kommission Der EG-Kommission wird durch den EWG-Vertrag eine Initiativfunktion ("Motor der Gemeinschaft") zuerkannt. Zugleich ist sie mit der Ausführung der (zumeist auf der Grundlage ihrer Vorschläge) vom Rat gefaßten Beschlüsse betraut (Art. 155 EWG-V). Macht man sich die Annahmen, Argumente und Ergebnisse der hier relevanten Ökonomischen Theorie der Bürokratie zu eigen, dann muß diese Verbindung von Initiativ- und Exekutivfunktion als verfehlt angesehen werden. Die Kommission pflegt zu behaupten, sie lasse sich als "Hüterin des Vertrages" ausschließlich vom "Gemeinschaftsinteresse" leiten. Tatsächlich erscheint es jedoch sinnvoll, anzunehmen, daß die Mitglieder dieser bürokratischen Institution (auch) ein Eigeninteresse wahrzunehmen versuchen. In ihrer Nutzenfunktion dürfte das Bestreben, Ansehen zu erlangen, ebenso relevant sein wie das Ziel, Einfluß auszuüben und Macht zu gewinnen. Je größer der "Verwaltungsapparat" ist, der der Kommission zur Verfügung steht, je mehr Kompetenzen ihr zuerkannt werden, je größer der von ihr zu verantwortende Haushalt ausfällt, desto günstigere Möglichkeiten bieten sich den Mitgliedern der Kommission, ihre individuellen Interessen durchzusetzen. Die Kommission wird folglich Lösungen bevorzugen, die auf Regulierung zielen. Pendant zu dieser Präferenz ist die Abneigung, Marktlösungen zu akzeptieren, weil diese eine staatliche Regelungs- und Kontrollinstanz entbehrlich machen. Die Relevanz dieser Überlegungen wird durch die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik belegt. Dabei steht dieses Beispiel nicht allein.
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Die Landwirtschaft wird im EWG-Vertrag als wettbewerbspolitischer Ausnahmebereich behandelt, für den in Art. 39 ein gesonderter Zielkatalog formuliert wird, um sodann in Art. 40 zur Verwirklichung dieser Ziele folgende Alternativen zur Wahl zu stellen: a) gemeinsame Wettbewerbsregeln; b) bindende Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen; c) eine europäische Marktordnung. Die EG-Kommission hat von diesen Möglichkeiten von Anfang an die Lösung präferiert, die ihr durch die Ausarbeitung und Verwaltung gemeinsamer Marktordnungen den größtmöglichen Zuwachs an Einfluß, Mitteln und Kompetenzen in Aussicht stellte. Das dazu von ihr geschaffene System umfassender Regulierungen und Interventionen wurde so dann auf eine immer größer werdende Zahl von Erzeugnissen ausgeweitet. Wie mittlerweile wohl kaum noch bestritten wird, läuft die derart konzipierte und exekutierte Politik den Erfordernissen ökonomischer Rationalität im Sinne höchstmöglicher Sachgerechtigkeit grob zuwider (Willgerodt, 1974). Dem Kriterium der politischen Rationalität entsprach sie dagegen (zunächst) sehr wohl, weil sie den hier in der Verantwortung stehenden Akteuren, also vor allem der Kommission, erhebliche Befugnisse und von Jahr zu Jahr steigende Mittel verschaffte. Die schon früh erhobenen Forderungen nach einer Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik fanden bei der EG-Kommission erst Akzeptanz und Unterstützung, als sich zeigte, daß ein immer größerer Teil des EG-Haushalts zur Finanzierung dieser Politik aufgewendet werden mußte und daß die dabei erreichten Ergebnisse die Kommission mehr und mehr diskreditierten. Die Landwirte bemängeln unzureichende Erlöse. Die Verbraucherorganisationen monieren "überhöhte" Preise. Drittländer, die ais Nahrungsmittelexporteure tätig sind, beklagen, daß ihnen der Zugang zum EG-Markt weitgehend versperrt werde und daß die Gemeinschaft durch den massiv subventionierten Absatz der von ihr akkumulierten Überschüsse auf dem Weltmarkt hier für alle anderen Anbieter gleichermaßen die Mengen und die erzielbaren Erlöse schmälere. Die zunehmende Schelte, die die Gemeinsame Agrarpolitik der Kommission eintrug, ließ sie konsequent nach weniger unpopulären Betätigungen suchen. Besonders intensiv waren diese Bemühungen auf dem Gebiet der Industriepolitik. Schon mit der 1986 verabschiedeten Einheitlichen Europäischen Akte gelangte man hier zu ersten Erfolgen. Die Beschlüsse von Maastricht haben die zunächst noch eher vorsichtig angedeuteten neuen Betätigungsmöglichkeiten dann sehr viel extensiver und verbindlicher geregelt.
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Die Attraktivität industriepolitischer Kompetenzen ergibt sich für die Kommission zum einen aus der Verlockung, daß man sich hier gleichermaßen in Bedrängnis geratener, von einer Strukturkrise bedrohter Branchen und wachstumsträchtiger "Zukunftsindustrien" annehmen kann: Dort, wo dauerhaft rückläufige Nachfrage und das Auftreten neuer Anbieter von überlegener Leistungsfahigkeit traditionelle Produktionen unter Anpassungsdruck geraten läßt (Kohle, Stahl, Schiffsbau), zielt Industriepolitik darauf ab, den Abbau bestehender Überkapazitäten sozial verträglich zu gestalten und die Ausrichtung der Sortimente auf ergiebigere Märkte finanziell zu fördern. Dort, wo sich durch Engagements in "high technology" neue Wachstumspotentiale zu eröffnen scheinen, soll Industriepolitik, zumeist in Verbindung mit "Strategischer Handelspolitik", heimische Unternehmen zum erfolgreichen Eintritt in diese Märkte befahigen. Art. 130 EG-V eröffnet somit trotz aller einschränkenden Wendungen, die hier gebraucht werden, sehr weitgehende Möglichkeiten. Sie kommen dem Bestreben der Kommission nach Ausweitung ihres Einflusses vor allem auch deswegen entgegen, weil hier schon mit begrenzten Budgets sehr weitgehend auf das Geschehen einer Branche eingewirkt werden kann. Zugleich lehrt die Erfahrung, daß die politisch verantwortlichen Akteure und ihre leitenden Beamten bei einem Scheitern industriepolitisch geförderter Projekte kaum jemals zur Rechenschaft gezogen werden. Gibt es doch nahezu stets genügend Möglichkeiten, die Ursachen des Mißerfolgs anderen zuzuweisen (Berg/Mammen, 1981; Berg/Tielke-Hosemann, 1988).
b) Die Rolle des Rates im Prozeß der Willensbildung und Entscheidungsfindung
Der Rat ist dem Bestreben der Kommission, ihre Aufgaben extensiv, diskretionär und redistributiv wahrzunehmen, bislang nicht wirksam entgegengetreten. Die Entscheidungspraxis dieses Gremiums kommt dem Expansionsdrang der Kommission sogar eher entgegen. Die im Rat gefaßten Beschlüsse sind vor allem dann, wenn sie einstimmig getroffen werden, vielfach Kompromisse, die bewußt vage gehalten sind und die Zusagen machen, durch die sich der Kommission zusätzliche Handlungsspielräume eröffnen. Zudem tendieren die Regierungen dazu, "unpopuläre" Probleme zur Entscheidung dem Rat zuzuweisen, um dadurch nur noch begrenzt in der Verantwortung zu stehen, um Kritik abzuwenden und Einbußen an Wählerstimmen zu vermeiden. Auch dadurch wachsen der Kommission immer wieder neue Kompetenzen zu.
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Der Rat tagt nicht öffentlich. Protokolle der Ratssitzungen werden nicht publiziert. Die im Rat zusammenkommenden Minister können sich der Kontrolle durch die nationalen Parlamente somit weitgehend entziehen. Stößt eine Ratsentscheidung auf Kritik, so bleibt immer noch die Exkulpation, man sei überstimmt worden oder man habe zustimmen müssen, um eine anderenfalls drohende "Krise" zu vermeiden. Auch Mitglieder der deutschen Bundesregierung haben sich dieser Argumentation sehr häufig bedient. 4. "Wachstumskonkurrenz der Staaten" und "Wettbewerb der Standorte"
Je mehr man sich dem Ziel eines EG-Binnenmarktes annähert, desto stärker wird die zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten bestehende Reaktionsverbundenheit. Haben hohe Lohn- und Lohnnebenkosten, steigende Energiepreise, verschärfte Umweltauflagen u. a. m. in einem Mitgliedstaat eine Verschlechterung der Standortbedingungen zur Folge, dann droht hier die Abwanderung von Unternehmen und das Ansiedeln neuer Betriebe wird erschwert. Dort, wo die gebotene Standortqualität überdurchschnittlich günstig eingeschätzt wird, kommt es verstärkt zu Investitionen. Wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen werden somit durch Abwandern von Kapital und überdurchschnittlich qualifizierter Arbeit gleichsam bestraft; durch das Gewährleisten günstiger Rahmenbedingungen können neue Investoren gewonnen werden (Siebert, 1992). Zwischen den Integrationspartnern besteht eine "Wachstumskonkurrenz der Staaten" (Stegemann, 1966). Sie werden in ihrer wirtschaftlichen Leistung und ihren wirtschaftspolitischen Erfolgen aneinander gemessen. Sie müssen folglich besorgt sein, bei Wachstum, Beschäftigung, Stabilität und anderen relevanten Kriterien nicht zurückzufallen. Wie im dynamischen Wettbewerb zwischen Unternehmen, so können auch Regierungen darauf hoffen, daß ihnen wirtschaftspolitische "Innovationen" Vorsprungsgewinne eintragen. Als Pioniere im Sinne Schumpeters müssen sie dann damit rechnen, daß ihre Politik von anderen imitiert wird. Zunehmender Wettbewerbsdruck hat Bestrebungen zur Folge, die auf Wettbewerbsbeschränkung abzielen. Diese Erfahrung gilt auch für den institutionellen Wettbewerb. Um sich den Anpassungszwängen einer freien "Konkurrenz der Standorte" nach Möglichkeit zu entziehen, sind die Mitgliedstaaten bestrebt, auf Gemeinschaftsebene kooperative Lösungen ("Kartellösungen") auszuhandeln und sie sodann für alle verbindlich zu machen. Die dazu erforderliche Einigung kann bei erheblichen Unterschieden im Entwicklungsstand der einzelnen Partnerstaaten nur durch Redistribution
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erreicht werden. Der einmal erzielte "redistributive Konsens" ist dabei in dem Sinne instabil, daß Fortschritte im Integrationsprozeß oder ein Wandel der globalen Rahmenbedingungen immer wieder neue Umverteilungsforderungen zur Folge haben. Soweit diesen nachgegeben wird, fließen dem EGHaushalt zusätzliche Mittel zu. Nutznießer dieser Entwicklung ist somit wiederum vor allem die EG-Kommission, der weitere Möglichkeiten der Einflußnahme eröffnet werden. Beleg für diese Entwicklung sind die zahlreichen (Umverteilungs-) Fonds, die in der EG mittlerweile bestehen und die erheblichen Mittel, die ihnen zufließen. In seiner ursprünglichen Fassung vom 25. März 1957 sah der EWG-Vertrag lediglich die Bildung eines "Europäischen Sozialfonds" (Art. 123) und einer "Europäischen Investitionsbank" (Art. 129) vor. Zusätzlich geschaffen wurden mittlerweile der "Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft" sowie der "Europäische Fonds für regionale Entwicklung" . Die Beschlüsse von Maastricht sehen schließlich vor, daß der Rat noch vor dem 31. Dezember 1993 einen "Kohäsionsfonds" einrichtet, "durch den zu Vorhaben in den Bereichen Umwelt und trans europäische Netze auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur finanziell beigetragen wird" (Art. 130e EG-V). Die Umverteilungspolitik, die durch die Tätigkeit dieser Fonds betrieben wird, hat auch eine über die Grenzen der Gemeinschaft hinaus wirksame Dimension. Protektionistische Maßnahmen belasten Drittlandsanbieter zugunsten von Erzeugern, die im Integrationsraum ansässig sind. Die zahlreichen Assoziierungsabkommen, die die EG abgeschlossen hat, haben zudem Umverteilungsprozesse zwischen Drittländern zur Folge. Die der EG assoziierten Mitglieder der Weltwirtschaft werden begünstigt, alle anderen müssen Nachteile hinnehmen. Die zuvor skizzierten "Mechanismen" führen dazu, daß die Europäische Gemeinschaft durch eine starke Tendenz zur Zentralisierung, zur Bevorzugung nicht-marktlicher, bürokratischer, interventionistischer Lösungen und durch das hypertrophe Wachstum eines kaum noch durchschaubaren Umverteilungssystems gekennzeichnet ist. Faktorproduktivität und Wachstumsdynamik werden belastet. Es kommt zu Einbußen an Anpassungsflexibilität. Das Entstehen und Erstarken einer "EG-Umverteilungsbürokratie" fördert die Neigung, sich gegenüber der "übrigen" Weltwirtschaft zunehmend abzuschotten und neuen Mitgliedern den Zugang zur Gemeinschaft zu erschweren (Streit/Voigt, 1991). Vor allem die Beitrittsgesuche "ärmerer" Volkswirtschaften stoßen auf Ablehnung, weil die "reichen" Mitglieder ihre Umverteilungsansprüche fürchten und die weniger entwickelten Integrationspartner eine Schmäle-
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rung der ihnen zufließenden Transfers zu vermeiden suchen (Wi/lgerodt, 1992). Für bereits hochentwickelte Länder werden die Vorteile einer EGMitgliedschaft durch die Aussicht vermindert, nach einem Beitritt als "Nettozahler" in die Pflicht genommen zu werden. 5. Reformmöglichkeiten in einer erweiterten Gemeinschaft
Ein zugleich ökonomisch fundiertes und hinreichend praktikables "föderatives Leitbild", das die skizzierte Zentralisierungstendenz im Prozeß der Europäischen Integration als Fehlentwicklung decouvrieren könnte, ist nicht verfügbar (Straubhaar, 1993). Das "Subsidiaritätsprinzip" trägt weitgehend Leerformelcharakter (Grimm, 1992; Vollmer, 1993). Es dürfte kaum tauglich sein, um einer "Vergemeinsamung" immer weiterer Politikbereiche entgegenzuwirken. Im übrigen droht die Europäische Gemeinschaft funktionsunfähig zu werden, wenn ihr Mitglieder der "Rest-EFTA" und des vormaligen Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) beitreten, ohne daß die Institutionen der Gemeinschaft und ihre Arbeitsweise eine tiefgreifende Reform erfahren. Dabei gilt es, das Wettbewerbsprinzip als die der funktionellen Methode zugrundeliegende Maxime auch für das Konzept der institutionellen Integration fruchtbar zu machen. Dieser Forderung liegt die Erwartung zugrunde, daß der Wettbewerb der Anbieter von öffentlichen Gütern als dynamische Sequenz von Innovation und Imitation ein Angebot hervorbringen wird, welches den Wählerpräferenzen entspricht, und daß zugleich im Verlauf dieses Prozesses auch eine Antwort auf die Frage möglich wird, auf welcher politischen Ebene und mit welchem Grad an Zentralisierung Entscheidungen jeweils sachgerecht zu treffen sind. Das grundlegende Problem bei der Bereitstellung öffentlicher Güter liegt in der fehlenden Bereitschaft der Nachfrager, über ihre Präferenzen und somit auch ihre Zahlungswilligkeiten Auskunft zu geben. Dieses Problem kann nach Tiebout durch den räumlichen Wettbewerb von Anbieternjeweils differenzierter Bündel von Kollektivgütern gelöst werden (Tiebout, 1956). Die annahmegemäß mobilen Nachfrager offenbaren dann durch eine "Abstimmung mit den Füßen" ihre tatsächlichen Präferenzen. Funktionsvoraussetzung eines derartigen Wettbewerbs ist neben der uneingeschränkten Mobilität von Unternehmen und Arbeitskräften das Vorhandensein einer nicht zu geringen Zahl von autonomen Anbietern. Die Methode der institutionellen Integration in ihrer bisher praktizierten Form führt jedoch gerade zu einer Abnahme der Zahl unabhängig handelnder politischer Institutionen. Dem mit der zunehmenden Vollendung des
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EG-Binnenmarktes intensivierten politischen Wettbewerb droht so eme erneute Beschränkung. Politischer, institutioneller Wettbewerb kann nur von den Akteuren organisiert werden, die, wie zuvor zu zeigen versucht wurde, ein starkes Interesse an der Beschränkung dieses Wettbewerbs haben. Daraus folgt, daß es in der Praxis vornehmlich darum gehen wird, den noch bestehenden "Restwettbewerb" zu bewahren und Reservoirs potentieller Konkurrenz zu erschließen. Dabei ist zu beachten, daß bei Kooperationsprojekten nationaler Regierungen nicht zwingend die wettbewerbsbeschränkende Wirkung im Vordergrund stehen muß. Zusammenarbeit, etwa im Bereich der Forschungs- und Technologiepolitik oder bei der Internalisierung externer Effekte im Umweltschutz, kann effizienzsteigernd sein. Wichtig ist jedoch, daß Kooperation freiwillig erfolgt und nicht zwingend alle Mitgliedstaaten umfaßt. Nur so kann das Ausmaß an Redistribution begrenzt werden. Nur so bleibt die Möglichkeit erhalten, die entsprechenden Vereinbarungen aufzukündigen. Zudem muß gesichert sein, daß die Partner weiterhin hinreichendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, der dafür sorgt, daß Ineffizienzen aufgedeckt werden und der für Bürger und Unternehmen die Möglichkeit erhält, bei Leistungsschwächen mit Protest oder Abwanderung zu reagieren. Eine liberale Außenhandelspolitik könnte diese Garantien leisten. Doch auch hier neigt die Gemeinschaft dazu, den Wettbewerbsdruck durch protektionistische Maßnahmen zu begrenzen. Die Wettbewerbstheorie lehrt, daß die Voraussetzungen für das Zustandekommen und für den Bestand von funktionsfahigem Wettbewerb verbessert werden, wenn die räumlich und sachlich relevanten Märkte eine Ausweitung erfahren und wenn die Angebotsvielfalt zunimmt. Diese Einsichten gelten auch für den politischen Wettbewerb. Auch hier wird es zu einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen kommen, wenn der Gemeinschaft neue Mitglieder beitreten und wenn dadurch die miteinander rivalisierenden Konzepte und Lösungen an Zahl und Vielfalt zunehmen. Vermindert wird zudem die Möglichkeit zur Bildung wirksamer Kartelle. Die Schlußfolgerung lautet somit: In ihrer bisher praktizierten Form steht die institutionelle Methode wirtschaftlicher Integration dem Beitritt neuer Mitglieder entgegen. Sie begünstigt zudem Lösungen, die die Faktorproduktivitäten belasten und die Wachstumsdynamik beeinträchtigen. Dagegen kann dynamischer Wettbewerb auch im politischen Bereich den vermutlich vielfach eher kontraproduktiven Tendenzen zur Zentralisierung und Bürokratisierung entgegenwirken. Dadurch können der Gemeinschaft neue Wachstumspotentiale erschlossen werden. Ein Beitritt weiterer Mitglieder würde die Funktionsfähigkeit einer derart reformierten Gemeinschaft nicht etwa beeinträchtigen, er würde sie vielmehr auf mehrfache Weise
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fördern: Er würde als Markteintritt den Wettbewerb sowohl im ökonomischen als auch im politischen Bereich neue Anstöße geben. Er würde zudem die Möglichkeit zu umfassenden Wettbewerbsbeschränkungen vermindern. Die Leistungsfähigkeit der funktionellen und der (in neuer Interpretation zu verstehenden) institutionellen Methode würde gleichermaßen gesteigert werden. Zudem würde sich der häufig beschworene Konflikt zwischen "Erweiterung" und "Vertiefung" als Scheinproblem erweisen (Willgerodt, 1992).
6. Reformgrenzen
Die zuvor skizzierten Reformempfehlungen beruhen in ihrem Grundgedanken auf der bereits genannten Arbeit von Tiebout zur Theorie der Bereitstellung lokaler Kollektivgüter. Die Möglichkeiten der Umsetzung dieses Modells in die politische Praxis sind vielfach in Zweifel gezogen worden. Die Kritik beruft sich im wesentlichen auf die Vermutung, daß wesentliche Modellvoraussetzungen in der Realität nicht anzutreffen seien, es hier folglich zu gravierenden Ineffizienzen kommen werde. Zentrale Bedeutung für die Funktionsfähigkeit institutionellen Wettbewerbs kommt der Mobilität von Produktionsfaktoren zu. Die Wanderung von Arbeitskräften und Unternehmen darf keinen Restriktionen unterliegen. Zudem muß bei den Wirtschaftssubjekten die Bereitschaft vorhanden sein, auf Angebotsschwächen auch tatsächlich mit Abwanderung zu reagieren. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, daß Standortentscheidungen nicht ausschließlich vom verfügbaren Kollektivgüterangebot abhängen, sondern auch von den Verdienstmöglichkeiten und damit von der privaten Arbeitsnachfrage. Auch besitzen hier Faktoren Relevanz, die dem direkten Einfluß der lokalen Administration entzogen sind, so etwa geographische Gegebenheiten, Klima oder das soziale Umfeld. Schließlich dürfte die Mobilität großer Bevölkerungsgruppen gering sein, so daß ein effizienzerzwingender Abwanderungsdruck auf die Anbieter nicht gewährleistet sein muß. Ursachen mangelnder Mobilität sind "sunk costs", also Investitionen im weitesten Sinne, die bei Abwanderung nicht durch entsprechende Verkaufserlöse zurückgewonnen werden können. Beispiele sind am Wohnort aufgebaute soziale Kontakte oder, im Bereich von Unternehmen, produktionsspezifische Gebäude. Wesentliche Teile der europäischen Arbeitsmärkte dürften zudem noch auf absehbare Zeit sprachlich segmentiert bleiben. Eine effiziente Allokation öffentlicher Güter durch räumlichen Anbieterwettbewerb erfordert eine vollständige Internalisierung von Kosten und Nutzen, also die Abwesenheit externer Effekte. Diese Bedingung ist verletzt, wenn sich Regionen durch eine wenig restriktive Umweltpolitik Standortvorteile sichern können, während die Kosten in Form einer schlechteren 7 FilclKöhler
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Hartrnut Berg und Frank Schmidt
Umweltqualität externalisiert werden. Auch müssen Wanderungsentscheidungen mit ihren sozialen Grenzkosten belastet werden. Bei Vorliegen von Externalitäten kann es sonst zu Zuwanderungen kommen, die Kapazitätsengpässe etwa im Infrastrukturbereich verursachen, deren Kosten von den bereits Ortsansässigen mitgetragen werden müssen. Ohne geeignete Internalisierungsstrategien kommt es zu einer räumlichen Allokation, die gravierende Ineffizienzen aufweist. Einen Sonderfall bildet das Problem der "fiskalischen Externalität": Zuwanderungen erlauben den Anbietern eine Senkung des von ihnen geforderten Preises, d.h. des lokalen Steuersatzes, sofern der Konsum der offerierten Güter nicht rivalisiert, also etwa Kapazitätsgrenzen bei der Verkehrsinfrastruktur noch nicht erreicht sind. Abwanderungen zwingen dagegen zu Steuererhöhungen sofern Unteilbarkeiten vorliegen, da dann trotz einer geringeren Zahl von Nachfragern die Kosten des Angebotes gleich bleiben. Liegen fiskalische Externalitäten vor, so befinden sich die Anbieter in einer Dilemmasituation, die unter Umständen zu einer Art "ruinöser Standortkonkurrenz" , etwa in Form einander überbietender Ansiedlungsprämien, führen kann (Dates/ Schwab, 1988). Mangelnde Mobilität und das Vorliegen von Externalitäten begründen zwar Zweifel an der theorieanalogen Funktion des institutionellen Wettbewerbs, reichen aber wohl kaum aus, um ihn als politisches Gestaltungsprinzip zu verwerfen. Denn für das Wirksamwerden von Wettbewerbsdruck ist die vollständige Mobilität aller Produktions faktoren keinesfalls unabdingbar. Ausreichend ist bereits die Mobilität einiger Faktoren, zumal dann, wenn diese komplementär zu den immobilen Faktoren sind. Demokratisch gewählte Regierungen laufen Gefahr, ihre Machtbasis einzubüßen, wenn sie im Wettbewerb um mobile Faktoren, wie Kapital und qualifizierte Arbeit, zurückfallen und in der Folge dann auch die Wohlfahrt der immobilen Bevölkerungsgruppen sinkt. Mobilität wird somit substituiert durch lokale bzw. nationale Parteienkonkurrenz. Das Vorhandensein externer Effekte kann für sich genommen einen Verzicht auf das Koordinationsverfahren Wettbewerb ebenfalls nicht begründen. Es zwingt jedoch zur Suche nach geeigneten Internalisierungstrategien. Die EG kann hier subsidiär mit dem Ziel tätig werden, einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der die Kosten der Internalisierung möglichst gering hält (Siebert/Koop, 1990).
Reformen einer erweiterten Europäischen Gemeinschaft
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7. Droht ohne Politische Union ein Zerfall der Europäischen Gemeinschaft?
Gegen das zuvor skizzierte Konzept wirtschaftlicher Integration wird häufig eingewendet, das Ziel einer Politischen Union werde dadurch preisgegeben; es drohe das Entstehen eines "Europa a la carte", das in seiner "Beliebigkeit" nicht wünschenswert sein könne und das zu wenig verbindlich und gefestigt sei, um vor einem Rückfall in nationalstaatlichen Egoismus wirksam zu schützen. Hier bestehen offensichtlich Mißverständnisse. Betrachtet wurde die Europäische Gemeinschaft als wirtschaftspolitisches Programm, das auf Mehrung des Wohlstandes abzielt. Das wirksamste Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels besteht ohne Zweifel in der möglichst weitgehenden Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips in einem "Gemeinsamen Markt" der Integrationspartner, in dem der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital dauerhaft und glaubwürdig gewährleistet ist und in dem Anbietern aus Drittländern der Marktzugang möglichst wenig erschwert und behindert wird. Ein derartiger Zustand erfordert weder den "Überbau" einer Politischen Union noch zwingt er die Integrationspartner zur Preisgabe ihrer nationalen Währungen zugunsten einer für alle gültigen Einheitswährung. Es konzediert der hier beschriebene und als wünschenswert bezeichnete Zustand dagegen durchaus nicht "Beliebigkeit"; er verpflichtet vielmehr zur strikten Beachtung aller Erfordernisse und Regeln, die erfüllt und beachtet werden müssen, wenn die genannten Freiheitsrechte durchgesetzt und respektiert werden sollen. Unverzichtbar ist somit ohne Zweifel ein "Minimum an Harmonisierung" (Stegemann, 1966) im Sinne einer "europäischen Minimalgemeinschaft" (Möschel, 1993). Sie legt den Mitgliedstaaten erhebliche Verpflichtungen auf, fordert ihnen erhebliche Autonomieeinbußen ab. Sie bleibt allerdings hinter dem zurück, was durch die Beschlüsse von Maastricht verbindlich gemacht werden soll, doch sollte das nach Auffassung der Autoren nicht bedauert werden.
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Hartrnut Berg und Frank Schmidt
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Reformen einer erweiterten Europäischen Gemeinschaft
101
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Reconstruction of the European East: The Roles of Trade and Finance By Alfred Steinherr, Luxemburg 1. Introduction
Various analysts have estimated the cost of reconstructing the economies of Eastern Europe. Independently of the specific assumptions employed this cost invariably turns out to be astronomical. It also appears that these countries cannot catch up to Western standards without a major financial support provided by the West. On the other hand, Western European reconstruction and the success of fast-growing Asian economies suggests that a major source of growth is accepting the international division of labour. In this paper the two options are assessed empirically. Financing is not an alternative to trade, but if the reforming countries choose an inwardlooking approach or if Western countries refuse to open their markets to "sensitive" products, such as agricultural products, steel and textiles, then the external finance requirement will increase. Section 2 looks at the trade potential of Eastern countries. Because free world trade is only an option for a much more distant future, this section investigates the regional regroupings that facilitate trade expansion. Section 3 then reviews the estimates of the cost of reconstruction and of the desired Western contribution. This provides a starting point for Section 4 which examines the availability of net transfers to Eastern Europe. As the answer has a pessimistic tendency, Section 4 ponders on whether external financing of growth really is an essential ingredient of reconstruction. Some lessons in this respect can be learned from the historical experience of countries that achieved rapid reconstruction and development. The conclusions try to point to the crucial contributions of external financing which are closer to "oiling the machine" rather than to buying oil or machines, and suggest a policy designed to exploit optimally the trade potential between Eastern Europe and the rest of the world.
104
Alfred Steinherr
2. The trade potential in a European Free Trade Zone! Until 1989 the Soviet eeonomie spaee eneompassed all of Central and Eastern Europe. German reunifieation and the demise of COMECON eliminated Central and South-Eastern Europe from the Soviet spaee. Events sinee then have shown that for Central Europe there ean be no question where the future lies and the three most advaneed Central European eountries (Czeehoslovakia, Hungary and Poland) have already redireeted a large part of their exports to the West. Proteetion of the old COMECON trade links by ereating a payments union for Central Europe and the (then) Soviet Union was never seriously eonsidered for politieal and eeonomie reasons (Kenen, 1991). Instead, the three Centra1 European eountries have eonduded 'new style' Assoeiation Agreements with the EC whieh ean be regarded as the first step towards full membership. In the ease of Central Europe it is therefore dear that the old 'Soviet' trade links will not be reeonstrueted. Eeonomie integration ean bring large eeonomie benefits. For the European Community eeonomie arguments have been one of the main motors of the integration proeess (see European Eeonomy, 1988 and 1990). Do the same arguments apply to the former Soviet Union (FSU) and justify the attempts to ereate a 'Soviet' eeonomie spaee? Or should the sueeessor states of the FSU seek different trade arrangements? The trade potential of eaeh eountry ean be approximated by the so-ealled periphery (or gravity) index. This index measures the trade potential of a given eountry by taking the sum ofthe eountry's supply potential (its GDP) adjusted for the size of the internal market and the trade demand it ean expeet given its geographieal position. A eountry that is rieh and dose to other rieh eountries will have a high index and eountries that are poor or far from the eentres of eeonomie aetivity will have a low index (will be 'peripheral')2 This periphery index is attraetive for severa1 reasons. International trade struetures were never as amorphous as suggested by standard trade theory. Geographie proximity, size of markets, trade arrangements and eultural affinities are part of the index and matter, as demonstrated by the estimation of gravity mode1s 3 • The time dependent ingredients are relative1y straightforward to foreeast (GDP and population growth) and the unehanging geography is easy to measure 4 • I This section is adapted from D. Gros and A. Steinherr, "Redesigning economic geography after the fall of the Soviet Empire". 2 See Appendix 2 for a formal definition and the data used. 3 See Appendix I for regression resuIts based on the gravity model. 4 Bismarck already emphasised the importance of geography "as the only stable factor in external relations". Of course, measurement is a different matter. Transport costs are not
Reconstruction of the European East
105
Table 11ists the periphery index for various regional groupings for the long run, which we caIl 2000. Population is assumed to be constant; for 10 years GDP growth is projected at an average of 5% p.a. for Japan, the republics of the former Soviet Union and Central Europe to reflect catching up; aIl other count ries are assumed to grow at 3% p.a. Experimentation with different assumptions about GDP growth showed that the general thrust ofthe results reported below is robust. Russia is too large and heterogeneous to be treated as a single region with a weIl defined centre. For this reason Russia is split up into six regions. The fact that these regions represent one state is reflected by a dummy variable. The columns of Table 1 represent different hypothetical trading blocks. The absolute values are meaningless, but a horizontal comparison reveals the trading potential of a given country within different groupings. Comparing, for example, the value for Kazakhstan across Columns 1 and 2 shows that opening trade with Iran, Pakistan and Turkey increases the trading potential by a factor of 15 5• In contrast, comparing Columns 1 and 7 shows that the trading potential of the Central Asian republics is increased by a factor of 'only' about 8 through free trade with the rest of the former Soviet Union. The reason for this result is proximity, which becomes important at a similar level of income. Comparing Columns 7 and 8 shows that free trade with Central Europe increases the trading potential ofthe former republics only marginaIly. The other way round the influence is stronger, as can be seen by comparing Column 5 with Column 8. However, it is apparent that the real jump in trading potential occurs when the formerly socialist countries open to Western Europe. Comparing Column 8 with Column 9 shows that this leads to a 10 to 20-fold jump in the trading potential of aIl members of the former Soviet block. (For Central Europe separately the effect is visible in the difference between Columns 5 and 6.) The former Soviet block did, therefore, not make a lot of sense. FinaIly, Column 10 reveals that adding the rest of the world (mainly the US and Japan) increases the trading potential of Central European countries and most Western former republics only moderately. However, the Vladivostok region (Siberia) would gain greatly through the influence of Japan. always strongly correlated with distances: transport from Tokyo to San Francisco is much cheaper than from one side of the Himalaya to the other. Nevertheless it is preferable to use an imperfeet proxy than to neglect geography. 5 Pakistan, Turkey and Iran have invited Azerbaidzhan, Turkmenistan, Uzbekistan, Tadzhikistan and Kirgizia to consider joining the Economic Cooperation Organisation (ECO), the association of the three countries formed 27 years ago without having produced an echo. Afghanistan could also become an ECO member once peace has been established there.
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Alfred Steinherr Table 1: Periphery Indexes (2000) 1
2
3
4
5
6 6 9 7 6 3 2 9 7 4 4 5 5 4
St.Petersburg Moscow Volgograd Sverdlovsk Novosibirsk Vladivostok Ukraine Belorussia Estonia Latvia Llthuania Moldavia Armenia Azerbaidzhan Georgia Kazakhstan Kirgizia Uzbekistan Tadzhikistan Turkmenistan
0.39 0.40 0.45 0.46 0.45
"" 3
6 6 6 7 10
2 3 3 3
7 21 8 6 5 5
Poland FormerGDR Czechoslovakia Hunaarv Romania Bulaaria
400 408 307 371 496
France Benelux Italv United Kingdom West Germanv Scandinavia Japan USA Iran Pakistan Turkey
7
40 6 8
407 456 355 417 578 209
192 277 231 202 162 168 579 628 544 592 943 205
8
9
10
8 9 8 6 5 3 10 10 8 9 9 8 6 6 6
147 140 127 107 87 68 161 168 167 176 174 163 121 115 123
289 281 270 248 233 308 305 312 310 319 317 308 268 263 268
4 4 5 4 5
85 85 89 88 96
232 232 235 235 245
17 104 18 15 9 10
201 342 240 209 166 172
345 499 387 356 311 319
932 976 931 949 1695 399
1143 1185 1146 1160 1974 564 3703 1359 230 155 185
As for Western Europe, the main trade potential is within the Community. Adding Scandinavia increases the trade potentialless than free trade with the Central European countries or with the former Soviet Union (comparing Column 3 with Columns 6 and 9).
Recons-truction of the European East
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Comparing the values within each column reveals that the gravity centres of the former Soviet Union are Moscow and the Ukraine, whilst any westward expansion brings the Baltic states and Belorussia into more central positions. As seen from Column 9, when the former Soviet Union trades openly with Western Europe, the Baltic states become the gravity centre of the ex-USSR. Most peripheral are the Central Asian republics and Siberia. Clearly the EC is the gravity centre of world trade (Column 10) and within the EC Germany is the epicentre. This is already true of West Germany in isolation and is reinforced by adding the ex-GDR (the indexes are, however, not strictly additive). These results suggest a very pronounced core-periphery pattern. What does this imply for the future development of Central and Eastern Europe? Krugman (1991) argues that there might be a 'U' shaped relationship between transportation costs and the probability of the emergence of a link between a manufacturing co re and its agricultural periphery. At zero transportation costs location does not matter and at very high transportation costs each region will produce its own mix of food and manufacturing products and will thus gain some of the economies of scale in manufacturing. At the extremes of the 'U' no core-periphery pattern should therefore develop. However, there is an intermediate region where transportation costs are positive, but just low enough to make it worthwhile to produce manufacturing goods at the core (which thus gets all the economies of scale) and export them to the periphery, which specialises in agriculture. Liberally interpreted this view would suggest the following: within the EC there is a core around Germany which encompasses France, the UK and the Benelux countries and which may be extending into Southern Europe. The Central European countries which are very dose to the core might benefit from the proximity of the core and may ultimately become part of it. However, the countries further away might fall into the category where transportation costs are just high enough to induce manufacturing firms to locate in the core rather than in the periphery. Only the very far away regions in Russia (not shown on the map) might be sufficiently far away to make it worthwhile to locate some manufacturing activities there because transportation costs are just too high.
3. Financing reconstruction Table 2 summarises some available estimates of the cost of reconstruction and the external financing that could be implied. No study attempts a forecast of future growth. Rather, each study relies on either some convergence argument or on some other references.
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Alfred Steinherr
A further key assumption about capital needs relates to the present efficiency and the potential efficiency gains in socialist countries. An IMF study (1991) pro vi des the main arguments. The starting point for that study on Eastern European countries (other than FSU and Yugoslavia) is estimates ofpurchasing power parity GOP per capita for Eastern European countries in 1992. From these initial positions, annual GOP growth rates are derived to achieve by 2002 defined targets: two thirds ofthe projected EC average GOP per capita for Czechoslovakia and Hungary and one half for Bulgaria, Po land and Romania. These growth rates range from 7.7 percent for Czechoslovakia to 16.8 percent for Romania. The average for the region as a whole is 12.6 percent. The implications for capital needs of these growth rates are estimated using aCES (constant elasticity of substitution) production function. The model is parameterised for the EC in 1992, on the basis of OECO da ta and various assumptions. Essentially, the model is assumed to apply in Eastern Europe in 1992 with two inefficiency factors: g (general efficiency) and h (labour specific efficiency). These two, together with the starting GOP, the assumed labour share, and parameter f (the elasticity of labour services with respect to the capitallabour ratio) determine the starting capital stock. For future years, projections are based on country-specific estimates of the employed labour force based on projections of the active labour force, a uniform unemployment rate in 2002 of 9 percent and a half-percentage point decline a year in the participation rate. The approach of the model emphasizes the importance of movements in efficiency factors over the 1992-2002 period in determining the likely capital needs associated with any growth path.
Thus, for Eastern Europe as a whole, assuming g = hand no efficiency gains from the 1992 starting position6 , an average annual growth rate of 12 1/2 percent would require cumulative investment of over USD 17 trillion. This would imply investment/income ratios in excess of 100 percent and a ratio of capital-to-Iabour by 2002 nearly twice the EC average which is clearly implausible. Alternatively, if all inefficiencies (by comparison with the EC) could be eliminated by 20027 , the cumulative investment needs for the region would be around USO 2 1/2 trillion, or around 30 percent of national income 8 • It is 6 g = h implies higher labour inefficiency than capital inefficiency, as both g (general factor efficiency) and h (labour-specific efficiency) apply to labour. This is plausible as capital has been implicitly adjusted to Western values. The cumulative investment flows are not particularly sensitive to the precise starting configuration of g and h. 7 g =h=1. 8 Income (GDP) measured at PPP, not current exchange rates; it would be a much higher proportion of the laUer.
Reconstruction of the European East
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unlikely that it is an achievable target to move from around three fifths EC average efficiency to equal that efficiency in 10 years. If only half of this improvement is possible, this would imply cumulative investment needs of around USD 6 trillion with investment income ratios averaging about 70 percent. The impact on individual countries varies according to wh ether efficiencies are assumed to improve equally across countries or there is some general catching up by the less efficient countries (Romania, Poland). The dominant effect on the cumulative investment needs is the movement of the efficiency factors over the 10 year projection period, rather than the initial starting position. In part this is a reflection of the small size of the initial capital stock, wh ich is unlikely to exceed USD 1 1/2 trillion for the region, compared to investment needs required to meet the postulated growth targets. The lower the initial capital stock is assumed to be (i.e. the higher the initial general efficiency (g)), the lower, ceteribus paribus, subsequent investment needs consistent with a given growth target. The stylized production function model does not provide definite answers to the capital needs of Eastern Europe. It rather provides a framework for illustrating the importance of factors which determine these needs. Given that the approach assumes the application of an EC production function in Eastern Europe and assumes efficiency parameters applicable to such a function, there is inevitably little economic grounding for either the initial value or the subsequent movement of these parameters. Nonetheless, the approach underscores the importance of improving economic efficiency. If average EC efficiency levels can be achieved in 10 years, growth elose to the targets pos tu la ted is potentially achievable with investment income ratios around 30-40 percent. In the absence of such substantial efficiency improvements, the growth targets would appear unrealistic. The policy message is elear: rapid growth requires the rigorous implementation of reform policies such as liberalizing markets, establishing effective ownership and institution-building in such areas as legal, statistical and accounting systems. Such reform policies are essential both to promote efficiency gains and investment, particularly direct foreign investment which is likely to be an important medium for the transmittal of efficiency gains. The idea that foreign financing will provide aboost to Eastern European catching-up is often inspired by Western European post-war growth assisted by US Marshall aid. We return to that experience in Section 4. Here an actualisation of the Marshall plan, based on Collins and Rodrick (1991), is provided, for nothing more than a possible historic reference. Between 1948 and 1951 the Marshall plan provided USD 12.4 bn to 16 Western European countries in form of grants and concessionary loans. An update of these figures can be achieved by adjusting for inflation (USD 65.4 bn), or by keeping the aid share of recipient countries constant (at roughly 2% of
Alfred Steinherr
110
Table 2: Tentative Assessment of Financing Requirements For Eastern Europe (bn $)
1
3
4
1,350
4,800
700
15,850
Labour productivity approach
Target growth approach MarshalI aid
2
9,153 65 - 544
I Collins and Rodrick: FSU plus Eastern Europe: total capital requirement over next 10 years 2 CEPR: Eastern Europe without FSU, total capital requirement over next 10 years 3 Giustiniani et al: FSU plus Eastern Europe, externalliabilities after 20 years 4 Gros and Steinherr: FSU, Czecho-Slovakia, Hungary, Poland over next.10 years Note: Eastern Europe includes the ex-GDR.
Western Europe's GDP this would amount to USD 192 bn, equivalent to 2% of GDP of Eastern Europe plus FSU), or by keeping the cost constant in relations hip to the donor country's GDP (at 1% of OECD countries' GDP this would amount to USD 544 bn). Another approach takes as starting point labour productivity differentials. This is extremely cmde as the results are very sensitive to the assumed existing labour productivity differential- ofwhich we know only little -, the assumed production function and the implied target to elose that productivity gap. For example, Collins and Rodrick (1991) assurne a Cobb-Douglas production function (1)
with x = 1/3 and A = 7.8 and that labour productivity in the East is halfthat of developed countries. Rewriting (1) as (2)
Y/L
= A(K/L)x
makes labour productivity appear on the LHS of definition (2), or (3)
K/L = [(l/A)(Y/L)]lIx
Denote variables of developed countries by D and of Eastern countries by E to rewrite (3) as: (4)
(K/L)E
= [(l/2)(lIA)(Y/L)D]3
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111
using the assumption that labour-productivity in the East is half of the West's. This, using (2), yields: (5)
(K/L)E
= (1I8)(K/L)D
Notice how sensitive this result iso According to equation (5) the capitallabour ratio in the East is one-eighth that in developed countries. Rad it been assumed that labour productivity in the East is only one third, then equation (5) would imply that the capital-Iabour ratio were only one-twenty-seventh of the Western value. With this approach the investment needs are USD 16 trillion as shown in Column (1) of Table 2. This approach assigns to capital the major explanation for observed in co me differentials and leaves out ofthe picture the value of the human capital stock, and the dis organisation of the economy. The high non-linearity of relation (5) makes this approach rather useless. If the problem lay with inefficiencies putting the economy inside of its production set or with a lower technological achievement that generated a lower value of A, then, to compensate for that, required investment would be still much higher, as illustrated by the IMF simulation discussed above. A third and most frequently used approach is a targets approach. Assuming a 7% p.a. growth would generate investment needs of over USD 9 trillion for aperiod of 10 years, on the assumption of a capital-Iabour ratio equal to the Western value of 2.5 (Column 1 in Table 2). The problems with the targets approach are also numerous. First, estimations of the initial income level and of the ultimate target matter a great deal. The CEPR (1990) estimates of Column (2) are based on smaller initial levels of income and an assumed growth rate of 7% p.a. to double per capita income over ten years. Second, the results depend on the efficiency assumptions made (in the CEPR and Collins and Rodrick studies it is assumed that the existing capital stock is worthless). For example, Giustiniani et al (1992) match each Eastern European country with a Western group of reference countries, considered as a relevant target. Unsurprisingly, the FRG is a reference country for the GDR; Greece and Portugal for Romania and the FSU; Greece, Portugal and Spain for all others except Czechoslovakia, which obtains a high target through inclusion of Austria in its reference set. They assume that these reference countries grow at a certain rate so that catching up does not mean with present income levels but with future income levels of countries below the average income of developed economies. Again assuming Cobb-Douglas technology, an initial labour productivity level one-third of Western countries and an adjustment function for the differen-
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Alfred Steinherr
ces in labour-productivity and of total factor productivity (the constant A), they obtain a dynamic simulation model that gene rates investment needs. According to their resuIts, the capital stock and GDP would grow in the range of9-1O% and the time required to catch up would range from 14 years for the GDR to 23 years for the USSR and Poland. Making now the rather implausible assumption that savings ratios remain at their levels of 1989 thus ranging from 22% in the GDR to 34% in Romania -, they obtain an estimate of foreign financing needs. Inc1usive of debt service, accumulated debt would reach a maximum ofUSD 4800 bn after 20 years before dec1ining thereafter 9 • The results by Gros and Steinherr (1991) generate much smaller foreign financing requirements. Their approach is as follows: How much capital, they ask, would be required to bring the Eastern European economies c10se to, say, the average income of the European Community? Because Eastern European countries aim at becoming members of the EC, this seems to be the most sensible basis for comparison and a useful benchmark. More realistically, and even ta king into account the impatience wide1y feit about achieving a convergence ofliving standards, the countries of Eastern Europe will be doing well if they can achieve in the next ten years the average standard ofliving enjoyed by the EC countries in 1990. In 1990, in co me per capita in the European Community was ab out USD 15,000 at constant 1988 prices, and it is expected to re ach USD 20,000 by the year 2005 (this reflects no growth up to 1995 in view of the current slowdown). Table 3 takes as its starting point the estimates of income per capita in the Soviet Union and Eastern Europe in Column (1).
The computations in Tables 3 and 4 are not forecasts but serve rather to check the resource costs of different growth paths over a time horizon often to fifteen years. It is assumed that reforms will take some time and that by 1995 output will re cover the level of 1990, and regular growth starts off then. In Table 3, a GDP per capita of USD 2,500 is used for the Soviet Union. If growth during the next ten years (from 1995 to 2005) were to average 3 percent per year, income per capita by the year 2005 would be USD 3,350, or only slightly more than 20 percent of the present income of the European Community. To reach the EC's current income by the year 2005, the growth rate would need to increase to an unattainable level of about 20 percent. Hence, impatience needs to be scaled down. Even over a horizon of fifteen years, the 9 Collins and Rodrick do not insist on deriving foreign financing needs from their investment figures but prefer to operate from the availability side. The CEPR (1992) study makes the implausible assumption that all investment needs to be financed externally so that their investment and foreign financing figures are identical.
113
Reconstruction of the European East Table 3: Catching Vp With Western European Standards of 1990 (in V.S. dollars, at 1988-1990 prices and exchange rates) (1) GOP per capita in 1995
(2) GOP per capita in 2005 at 3% growth
USSR
2,500
Czechoslovakia
(3) Required rate of growth to catch up by 2005
(4) Required rate of growth to catch up by 2010
3,350
19.5%
12.5%
24,000
19,500 (15 yrs)
6,000
8,060
9.5%
6.5%
15,600
16,200 (lO yrs)
Hungary
5,000
6,720
11.5%
7.5%
18,000
18,400 (12 yrs)
Poland
3,500
4,700
15.5%
lO.5%
21,600
23,000 (15 yrs)
(5) Net capital needs per capita
(6) Savings at 20% ofGOP
per
capita (accumulated)
required rate of growth required would be 12.5 percent (Column 4). AIthough not impossible in the light of East Asian experience, such a growth rate is very unlikely. Of course, by the year 2010, the per capita income in the European Community will be over USD 23,000 if growth averages 3 percent per year, so the Soviet Union's income would then amount to 60 percent of EC income, even though an "economic miracle" had occurred. The first lesson that emerges from Table 3, therefore, is that catching up will require more than one generation, even for the most advanced Eastern European countries. This lesson has considerable importance for the question of whether and when these countries can be integrated into the European Community. Co lu mn 5 of Table 3 then computes the net capital needs (neglecting depreciation) for the growth paths of Columns 3 and 4. This computation assurnes an incremental capital-output ratio of 2, which corresponds to the average capital-output ratio for productive investment in the EC. It thus neglects depreciation, social investment, and the cost of an environmental clean-up but also neglects the potential efficiency gains from reforms through better use of existing resources. These may offset each other. 8 Filc/Köhler
114
Alfred Steinherr
To accumulate the amounts of capital shown in Column (5), a corresponding amount of domestic savings or foreign investment is required. Because some ofthe countries are already heavily indebted and foreign agents are still reluctant to invest, given the uncertainties, one needs to know how much foreign capital is really required for the investment needs of Column (5). Therefore, one must look at savings. Domestic savings ratios for the period 1985-89 range from 24 percent in Czechoslovakia and Hungary to 30 percent in Po land and the Soviet Union, but they are likely to fall from their forced levels in spite of possibly safer and higher returns. So far, these dedines have not been dramatic, as the precautionary motive for saving plays a more significant role in a market economy. Increased uncertainty and insufficient state provisions for old age, sickness, and unemployment are bound to induce people to save. Taking a savings rate of 20 percent, Czechoslovakia could finance the investment required to catch up in ten years and could even achieve a slight surplus. Hungary would require twelve years, and Poland fifteen years. The Soviet Union would need much more time, or foreign investment of more than USD 1,300 billion accumulated over fifteen years (the savings gap amounts to USD 4,500 per person). These computations suggest that there is a fundamental difference between the Soviet Union and the other countries. Catching up with Western Europe's present income level over the next fifteen years is feasible for Czechoslovakia and Hungary, less so for Poland, but out of re ach for the Soviet Union. Furthermore, the Soviet Union can get dose to this level only if its present in co me is grossly underestimated and if foreign-capital contributions are significant. The size ofthe problem, however, may far exceed the capacity of the West, even if it is willing to support reform for political reasons. The scenarios by Gros and Steinherr do not suggest that foreign capital will not be necessary for the Eastern European countries. They do suggest that even a scenario of high growth will not require much of an increase in foreign debt over the period as a whole if domestic savings can be maintained at a reasonable level. Foreign direct investment will be necessary to effect the transfer of technology and management skills and to assist in reallocating national resources. Foreign funds will also be particularly useful during the initial years to finance the take-off and to offset income losses generated by the shock of restructuring. This is very dearly evidenced by the Polish and Soviet experiences. Unfortunately, it is most difficult to borrow abroad at the beginning of a regime change, and it is therefore of utmost importance to establish credibility and credit-worthiness as rapidly as possible. As long as foreign investors are not confident about a future return to stable growth
115
Reconstruction of the European East
with open borders, they will either not invest or invest only in projects with very short payback periods. Table 4 repeats the exercise in Table 3 under three more pessimistic assumptions. First, income per capita is scaled down at the starting point by as much as 30 percent. These estimates correspond, in my view, to plausible minima. Second, an average growth rate of only 3 percent is assumed for the next decade. And, third, it is assumed that the entire existing capital stock needs to be depreciated during the decade. As a result of the first two assumptions, income levels in the year 2005 will fall short oftoday's average EC income level by more than 50 percent in Czechoslovakia and more than 80 percent in the Soviet Union. In comparison to expected EC income for the year 2005, Soviet income will fall short by 88 percent. It is hard to believe, therefore, that such a scenario could be sustained. It would reflect the continuation of allocative inefficiencies and of disincentives that should give way under the press ure of economic misery. Under the third assumption, moreover, that the existing capital stock needs to be fully depreciated, domestic savings will be insufficient to finance even these dis mal growth paths. The Soviet Union would require over USD 200 billion of net foreign capital over the next ten years just to increase its per capita income from USD 2,000 to USD 2,700.
Table 4: External Constraints Vnder More Pessimistic Assumptions (in V.S. dollars, at 1988-90 prices and exchange rates) (1) GDP per capita in 1995
(2) GDP per capita in 2005 at3% growth
(3) Gross capital needs per capita
(4) Savings at 20% ofGDP accumulated to 2005
(5) External finance needs
Accumu -lated tradeaccount deficit (billions)
USSR
2,000
2,700
5,400
4,600
800
228
Czechosl.
5,000
6,700
13,400
11,400
2,000
31
Hungary
3,500
4,700
9,400
8,000
1,400
15
Poland
2,500
3,400
6,800
5,700
1,100
43
8'
116
Alfred Steinherr
All in all , the analysis suggests that there is a fundamental difference between the prospects of the Soviet Union and Eastern Europe. Starting income is lower in the former, and economic and political reforms still need to be carried out under much more conflicting conditions. Hence, an average Soviet growth rate of 5 percent for the next decade is already quite optimistic. The pessimistic scenarios in Table 4 represent, in fact, a catastrophe. The 3 percent growth scenario for the FSU would require a foreign contribution of USO 230 billion. Changing the growth assumption to 5 percent would increase this amount to USO 390 billion, and adding on the accumulated interest plus the already existing debt of about USO 60 billion would bring the external debt to over USO 700 billion by the year 2000. Because the West would be unlikely to provide credits and financial aid so generously, even such a pessimistic scenario may be infeasible, and all the weight of a slow and painful adjustment would be thrown onto citizens of the FSU. It is hard to believe they would accept prospects of this sort, and we would expect, instead, a strong pressure for exiting. There is a high prob ability that the starting point of these growth scenarios, a GOP per capita between USO 2,000 and USO 2,500 for the FSU is a serious underestimate, as might be the capacity of the Soviet system to respond to generous Western support (conditional on widespread reforms). All this would be necessary to justify a "grand bargain" trading reform for aid, as proposed by so me Western and Soviet experts. The same experts propose a financial package ofUSO 15 to USO 30 billion a year for about ten years. The above scenarios suggest that this will be too little to bring about a drastic turn-round, assuring successful political pluralisation and coherent market reforms. The fundamental force driving the process of economic reform in the previously centrally-planned economies of Eastern Europe is the aspiration of their populations for improved living standards. The achievement of satisfactory rates of economic growth in the not too distant future may thus prove crucial to the sustainability of the reform effort. The behaviour of private investment holds the key to the rate at which these economies can move to a sustainable path of healthy economic growth. And the behaviour of savings determines the feasibility of high growth and fixes the required foreign financing. Unfortunately, the activation of private investment is likely to present a very difficult problem in these economies, at least in the near term. The most serious obstacle to the emergence of strong private investment demand is the extent ofuncertainty that accompanies the reform process itself. The irreversibility of many types of capital investment makes it optimal from the standpoint of individual investors to wait before committing funds to new activities, except in the case of projects with very high yield. This effect is
Reconstruction of the European East
117
likely to prove especially strong in situations such as the present one in Eastern Europe, where it can be expected that much of the uncertainty will be resolved in a span of a few years. The problem is, of course, that the failure of each individual to invest worsens the credibility problem and decreases the attractiveness of investment for all others, so these economies risk getting caught in astagnation equilibrium. The message for policy is that the reform process must proceed quickly, especially with regard to the "rules of the game" that will govern private enterprise. In addition, there may be scope for well-designed measures that seek to stimulate private investment today by offering specific benefits to enterprises that undertake investment early in the reform process. The severity of the savings problem depends on the degree of success that can be achieved in generating investment demand. If sufficient investment demand is forthcoming, then it will be necessary for these economies to produce adequate levels of saving to avoid the emergence of macroeconomic imbalances. In this regard, the main difficulties are likely to emerge from the need to transform the methods of financing the public sector and from the effects of privatisation on household saving. In the short run, the availability offoreign saving - or at least its private component - is likely to depend on factors similar to those affecting private domestic investment, since both in effect represent claims on the domestic economies in these countries. All this being said, however, one can be more optimistic about the medium term prospects for growth in these countries than these considerations might seem to suggest. Although it may indeed prove difficult to sustain high levels of investment in these economies over the next few years, we believe that reasonably high rates of growth will prove to be attainable with more modest investment rates - certainly rates much lower than these economies have generated in the past. The reason for this conclusion is that the reform process will contribute to much greater efficiency in the investment process and hence to a much lower ICOR. Eastern European countries will be in a situation of relative capital scarcity, implying that the marginal product of capital will prove to be relatively high - except when reforms go astray and infrastructure becomes a bottIeneck. This means not only that the investment that does occur may be very productive in terms of economic growth, but also that projects offering a sufficiently high yield so as to warrant undertaking, even in the presence of moderately high levels of uncertainty, may be relatively abundant once reforms are carried out. In short, the potential payofffrom moving quickly and resolutely with the reform process in Eastern Europe may be substantial. We conclude that a reasonable ceiling for foreign financing requirements, even for high growth in Eastern Europe, is at most USD 100 bn per year for the next 10 years, excluding the ex-GDR. Much more likely, however, is a more modest figure.
118
Alfred Steinherr
4. Supply of funds
Can an annual flow of transfers up to USD 100 bn to Eastern Europe, in addition to a transfer of the same magnitude to the ex-GDR, be financed without major strains on world financial markets? A basis for this discussion is again provided by the estimates of Collins and Rodrick. They consider three scenarios: a lower-bound scenario of USD 30 bn transfer per year to Eastern Europe, including the ex-GDR and the FSU; an intermediate scenario of USD 55 bn and a high-level scenario of USD 90 bn per year (in fact the ex-GDR alone already receives that amount of transfers). With unchanged transfers to LDCs, these transfers would raise interest rates by resp. 96 bp, 176 bp and 288 bp. These very sharp increases in interest rates result from the very low interest rate elasticities of savings and investments as estimated by these authors. Alternatively, increased transfers to the East may crowd out transfers to LDCs, at unchanged interest rates. This would decrease investment as a share of GDP of LDCs by up to 2%. Of course, if interest rates were to increase, then LDC borrowing would also decline, so that transfers to Eastern Europe would be funded by adjustment both in developed and less developed countries. It might be informative to approach this question from another angle. The major surplus countries in 1990 were Japan, other smaller Asian countries and Germany. The deficit of developing countries is expected to increase, as Africa still is unable to support itself; as Latin America is returning to positive growth; as the Middle East is suffering from a decline in oil prices in real terms and growth will benefit from better peace prospects; and as Asia without Japan is growing fast. Europe's surplus has already disappeared as a result of the turn-around in the German current account from a large surplus to a deficit. The US current account deficit is likely to decline but not to disappear. At best, this reduction will be sufficient to offset the increases in the Latin American deficit. Therefore financing of larger flows to the European East will need to be reflected in high European and Asian surpluses, engineered by increased exports of these countries to the European East.
One immediate lesson of this survey of regional imbalances is that surplus countries, in particular Japan, should not be induced to adopt policies to reduce their surpluses. But it appears at any rate very unlikely that amounts closer to the upper range of the estimated financing needs can materialise without an increase in world interest rates. Total indebtedness in Eastern Europe, including the FSU and excluding the ex-GDR, has actually declined since 1990 and is estimated by the IMF to remain nearly stationary to the end of 1993, excepting the FSU.
119
Reconstruction of the European East
5. Are large financial transfers to Eastern Europe necessary? From the IMF estimates it is apparent that the official estimates of financing requirements of Eastern Europe for the years to come are rather modest. The question then arises whether this paucity of foreign funding is not an excessively limiting factor of growth prospects. To provide an answer to this question it is useful to recall how other countries have financed periods of rapid growth. Typically, growth is above trend at a low level of income and development and fa ci li ta ted by catching-up. The time period for various count ries is therefore chosen such that this experience is relevant for Eastern European countries. Table 5 provides the external financing of various countries during their period of rapid growth. Perhaps unexpectedly, foreign financing in no case appears to have been an essential contribution to growth. However, Table 5 shows also that du ring the period of rapid growth or take-off, exports in most countries increased very rapidly so that one may call these cases export-Ied growth. Interestingly enough, at the beginning of the period of rapid growth the investment effort is rather unimpressive. This suggests that efficiency improvements are more important than the increase in the capital stock. Although poor at the beginning, all of these countries had rather high savings rates. Except for Singapore and at a later stage for Korea, the current account deficit was only a marginal contribution to financing domestic investment. This shows that savings rates are not correlated with income (at
Table 5: External Financing of Periods of Rapid Growth Average growth
Exports/GDP
GFCF/GDP
Current AccountiGDP
rate
1st vr Germany (1950-60) Japan (1955-70) Korea (1961-75) Singapore (1961-75) Malaysia (1978-89)
*
last vr
1st vr
last vr
1st vr
last vr
8.8 10.6 8.1
11.5 8.5 5.4
20.1 9.0 27.9
19.1 19.8 13.8
24.2 35.5 24.9
- 2.3 - 2.0 - 1.5
3.0 0.2 - 8.9
8.8
138.4*
95.4*
12.8
35.1
-11.8 (max:
- 10.3 - 19.8)
6.0
49.1
73.8
26.3
30.0
0.7 (max:
-0.4 - 13.4)
These data reflect extensive entrepot-transit trade.
Source: IMF, International Financial Statistics
120
Alfred Steinherr
least not positively) and rather that domestic savings is an essential ingredient of growth. Presumab1y the importance of savings is not restricted to making capital available. Rather, it is the organisation capacity to collect taxes, to collect and attract voluntary savings, to intermediate these savings and to channel them to productive investments. To put it provocatively, a country that is not able to organise the collection and allocation of savings is not ready for growth. Trying to shorten the process by leap-frogging this development and calling upon foreign funds may be quite a waste of resources. There are enough examples available in the foreign aid domain. At present it is also not clear whether more funds could really be channelled officially into Eastern Europe. International organisations find it difficult to spot projects of the desired quality for financing. Also industry is not held back by financial constraint in their investments in Eastern Europe, but rather by lack of suitable projects and by overall uncertainty. Such investments as are carried out are modest and resemble more an optiontaking than the realisation of an investment plan. 6. Conclusions The potential needs of Eastern Europe sometimes appear to be boundless. Estimates on the high side reach figures for financing needs of USD 15 trillion for the next ten years. In this paper we argue that such figures are meaningless and, in particular, assurne that all capital needs in these countries will have to be provided by the West. Recent experience shows that the absorption capacity ofEastern Europe is quite limited, and that domestic savings have not disappeared. Net foreign financing has been insignificant so far and is likely to remain modest in the years to come. Particularly important is the low level of foreign direct investments due to the uncertainties still present in the ongoing reform process. Funding surely will accelerate on ce these uncertainties are reduced enough to provide a reliable investment climate. Eastern Europe will then become a major borrower of external funds for which there will be, however, fierce competition. Only solid projects will be able to obtain funding from private capital markets and marginal borrowers everywhere will be crowded out. This means that Eastern European projects will need to offer foreign investors risk-adjusted returns at least comparable to those in developed countries. Is then the solution official financing? Probably not, and as argued by Schulmann (1992), the real crowding out will occur in official financing. As a
Reconstruction of the European East
121
percentage of GOP, the official development assistance of industrial countries (OOA) has stagnated at .35 percent for the last 30 years. There is little reason to expect that this percentage will increase dramatically in the near future. On the contrary, given the increasing domestic pressures of ever high er budget deficits, it seems quite possible that the OOA share will shrink further rather than expand. Since there are more customers for OOA than ever, competition for official funds - in particular grants and soft loans - will increase sharply in the years to come. In less than 24 months, three nation-states have been wiped from the Eurasian map, but 20 have been added. At that rate, management of the world will become increasingly difficult for a variety of reasons. As we move towards 200 nation states in the world (a tripling in 50 years), the distribution of official aid there is will become even more skewed, favouring smaller political units. Paradoxically, this occurs at a time when economic units all over the globe are more integrated and more dependent on one another than ever before. The analysis in Section 2 suggests that in the long run most of Eastern Europe and most of the former Soviet republics will re-orient their trade towards the (enlarged) EC. In the short run, however, they all have great difficulties developing their exports to the West which they need so urgently to satisfy the pent-up demand of their population for Western consumer goods and to pay for the imports of capital goods so necessary for the modernisation of their economies. We therefore suggest that the EC should invite all Central and Eastern European countries, including the former Soviet republics, to establish a European Free Trade Zone (EFTZ), stretching from the Atlantic to the Pacific lO • The EFTZ would encompass over 700 mn consumers (and hopefully as many producers) and would have a number of advantages: (i) In the short run it would open the huge EC market for exports from Central and Eastern Europe. At present EC imports of manufactured goods from that area are negligible (Ecu 5 bn from Central Europe and Ecu 2 bn from the former Soviet Union). The 'cost' to the EC in terms of the displacement of domestic production can thus only be minor. (ii) Another short run advantage is that this free trade zone would help to ensure that trade among Central and Eastern European countries (including trade among former republics) is not cut off abruptly. Given the importance of inter-republican trade at present, it is important that it is not cut off by artificial barriers ll . The offer of participation in the EFTZ would be a 10 The gravity analysis provides support for an EFTZ from the Atlantic to the Urals. Extension to the Pacific would be for political reasons. Central Asian countries might prefer to join other regional arrangements. 11 The natural decline which we predict will happen as a result of market forces is a different matter.
122
Aifred Steinherr
powerful incentive for former republics to refrain from imposing trade barriers against each other as they are doing at present because they would then lose access to the largest market of the world. (iii) Direct investment in Eastern Europe and the CIS will be forthcoming only if Western entrepreneurs can be certain that they will also be able to export from there to the EC. Although the EFTZ alone would not be a sufficient condition to create substantial flows of direct investment, access to markets is certainly a necessary condition without which other efforts at stimulating flows of private capital would be ineffective. (iv) In the long run this proposal makes sense in view ofthe re-orientation of trade flows that we predict will occur at any rate. It should be clear that what is proposed here is just a free trade area which does not imply a common extern al trade policy. The EFTZ would therefore be only a 'building' and not a 'stumbling' block for general free trade (Lawrence, 1991), like the North American Free Trade Area (NAFTA) which, one day, may cover the Americas. Appearing on the horizon is thus a tripolar world in terms of trade and monetary arrangements. N AFTA will be centred on the US dollar, the EFTZ would be tied to the Ecu and in East Asia a yen-zone is rising (Frankei, 1991).
Appendix 1: Estimates of Export Equations Using the Gravity Approach The gravity approach was pioneered by Linnemann (1966)12. The theoretical base (Bergstrand, 1985, 1988) is intuitively appealing and empirically the approach is quite successful (broadly, more than 80% of trade flows can be explained with gravity equations). What makes the approach particularly attractive for the purpose in this essay is that some of the major ingredients (distance and surface) are constants, as are structural features (preferential trading areas, political and cultural relations). The only time-dependent variables to forecast are national income and level of development (GDP/ capita). Table A.1lists some estimation results of gravity models for extern al trade, using data from market economies. The typical regression equation is: In (exports from i to j)= a
+ b * (Adjacency dummy) + c * In (GNP ofi) + d * In (GNP of j)
* In (distance between i and j)
12 Gravity models of international trade take inspiration from physics: gravitational force between two objects depends on their mass and the distance between them.
123
Reconstruction of the European East
+ e * In (per capita GNP of i) + f * In (per capita GNP of j) + g * In (area ofi) + h * In (area ofj) When income and population are used separately their coefficients are recomputed to be comparable to the one of an (income/population)variable. In that case t-tests are not reported as they are no longer applicable. Remarkable are the good fit of the equations and the role played by income and geography. Table A.l:
Explanatory variables
Hamilton & Winters (1991) (2) -12.49 (34.2)
Havrylyshyn & Pritchett, (1991) (1) -9.54 (-5.7)
constant
I -1.56
In(dist iil border
1.15
(-16.4) (4.0)
I
-0.75 (22.3) (3.3) 0.78
Aitken (1973) (3) 1.07
I -0.35 (2.74 0.89 (4.41)
In(GDPi) In(GDP/popi In(areai)
I 1.05 I -0.01
I 0.86 (13.7) (5.5) (-0.2)
I I
I 0.79 0.38
0.72 0.33
In(GDPil II!LGDP/popj) In(areaD
I 0.93 I 0.22 I -0.18
(23.3) (3.3) (-6.5)
I I I
0.54 0.15
Linder effect
I
(0.9)
I
0.08
R2
S.E.
1.67 420
Observations
0.80 0.22
0.7
0.87
4320
0.22 132
Appendix 2: The Gravity Index The gravity or periphery index for country j is defined as (1)
R·J = ~. Y,X·u··/d·· 1 1 IJ IJ + bY·X·/d·· J J JJ = Rl J 1
+ R·2J
where Yi is GDP in US dollars of country i; Xi is GDP/capita deflated by the highest GDP/cap among all countries so that 0< Xi< 1; dij = (Dij)1/2 where Dij is the distance between the capitals of countries i and j (in km); djj = 1/3 (Sjhr)1/2 where Sj is the surface in km 2. Uij is a dummy variable for closeness either in an historieal, cultural sense or due to trade treaties. Uij is
124
Alfred Steinherr
1.21 for trade among the six regions of Russia to reflect the fact that they form an integrated country; 1.1 for various regional groupings and 1.0 for all other bilateral relations. To calibrate the two factors in definition (1) the weight b (identical for allj) is used. Weight b is defined as: b = ~ R/ I ~ R/ j j
(2)
and forces globally the weight of the RP) and Rl2) to be equal. Table A.2: Raw Data Used (1990)
(1990)
(2000)
(2000)
st.Petersburo Moscow Volgograd Sverdlovsk Novosibirsk Vladivostok Ukraine Belorussia Estonia Latvla Lithuania Moldavia Arrnenia Azerbaidzhan Georola
529 1530 589 3097 3564 7767 604 207 45 64 65 34 30 87 70
11128 47339 20810 39489 15886 13289 51700 10200 1570 2680 3690 4340 3280 7030 5450
27820 118348 52025 98723 39715 33233 98489 25169 3937 6720 8552 7400 5568 10475 9796
2500 2500 2500 2500 2500 2500 1905 2468 2508 2508 2318 1705 1698 1490 1798
45316 192776 84743 16089 64692 54116 160427 40997 6413 10946 13930 12053 9069 17062 15957
4072 4072 4072 4072 4072 4072 3103 4019 4084 4084 3775 2777 2765 2427 2928
Kazakhstan Kiroizia Uzbekistan Tadzhiklstan TurKmenistan
2717 198 447 143 488
16540 4290 19900 5110 3530
25844 4805 19900 4612 4518
1563 1120 1000 903 1280
42097 78275 32415 7512 7360
2545 1824 1629 1470 2085
Poland ForrnerGDR Czechoslovakia Hunaarv Romania Bulaaria
313 108 128 93 238 111
38200 16600 15700 10600 23200 9000
89388 149822 46500 32100 35500 22400
2340 9025 2962 3028 1530 2489
145604 244044 75744 52288 57826 36487
3812 14701 4824 4933 2492 4054
France Benelux Italy_ United KIngdom West Gerrnany Scandinavia
547 75 301 245 249 1111
56000 25132 57600 57200 61990 17600
1186180 479679 1086104 986282 1498219 469605
21182 19086 18856 17243 24169 26682
1594127 644648 1459633 1325481 2013481 631110
28467 25651 25341 23173 32481 35859
Japan USA Iran Pakistan TurKey
378 9373 1648 804 781
123200 249970 53900 1104000 55400
2865751 5423400 390502 39731 70598
23261 21696 7245 360 1274
4668006 8834147 636087 64718 114997
37890 35341 11801 586 2076
Reconstruction of the European East
125
The data used are listed in Table A.2 except for bilateral distances to save space. The index Rj is a measure of the trade potential of country j within a given set of countries. The ranking established is specific to this set and can be changed by adding or subtracting countries. For this reason computations for a variety of country groupings were carried out.
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Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa Von Hubert Gabrisch, Halle Einführung
Integrationsprozesse zwischen weniger und höher entwickelten Ländern beruhen in der Weltwirtschaft gemeinhin darauf, daß die weniger entwickelten Länder zu den reicheren aufschließen. Ist nach dem Beginn der Konvergenz der Wirtschaftssysteme auch eine Konvergenz des wirtschaftlichen Niveaus zu erwarten? Die Vorfrage, ob ein catching up für Osteuropa überhaupt notwendig ist (östliches Anspruchsniveau!), ist wohl mit einem "Ja" zu beantworten. Ein Aufholprozess liegt im Interesse sowohl des Ostens wie auch des Westens. Für die EG z.B. ist die unmittelbare Nachbarschaft zu einem Gebiet mit 112 Mio. Einwohnern (Osteuropa ohne GUS und früheres Jugoslawien), in dem das Arbeitskostenniveau nur 10% des eigenen Niveaus beträgt, auf Dauer nicht zu ertragen. Irland und Griechenland als ärmste Mitglieder der Gemeinschaft stellen auf Grund ihrer geringeren Bevölkerungszahl ein erträgliches Problem dar. Die EG muß an einem wirtschaftlichen Aufholprozeß, der auch mit einer Angleichung der osteuropäischen Löhne einhergeht, interessiert sein, unabhängig davon, ob die post-sozialistischen Länder einmal Mitglied werden oder nicht. Die von Manchen in Osteuropa geträumte Kombination niedriger Löhne und modernster Technologie dürfte aus Sicht der EG nicht akzeptabel sein, zumindest nicht langfristig. Die strukturelle Anpassung und damit die Gewinnung des Anschlusses an das durchschnittliche Niveau Westeuropas verlangen Investitionen. Eine der ersten Fragen, die mit der Reform und außenwirtschaftlichen Öffnung der osteuropäischen Länder aufgeworfen wurde, beinhaltete den notwendigen Aufwand an Kapital zur Modernisierung und Entwicklung, seine Finanzierung und die Auswirkungen auf die internationalen Kapitalmärkte und auf die Verteilung der "Weltersparnis" zwischen Entwicklungsländern und postsozialistischen Ländern. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den beiden ersten Problemen "Kapitalbedarf'i und seine Finanzierung auch durch Transfers aus dem Ausland. Er geht der Frage nach, ob die oben erwähnte These einer
128
Hubert Gabrisch
Kombination niedriger Reallöhne und moderner Technologie aus ökonomischer Sicht überhaupt eine realistische Option wäre. Kapitel 1 gibt einen Überblick über verschiedene Schätzungen. Kapitel 2 behandelt einige Beispiele für den Zusammenhang zwischen Aufholprozess und Kapitalbedarf aus der internationalen Wirtschaft. Kapitel 3 diskutiert das Verhältnis von Kapital und Arbeit in den post-sozialistischen Ländern. Kapitel 4 präsentiert eine eigene Schätzung des Kapitalbedarfs für die vier ostmitteleuropäischen Länder Polen, Ungarn, Tschechische und Slowakische Republik. Kapitel 5 befaßt sich mit Ersparnis, Kapitalimporten und Absorptionsfähigkeit. Kapitel 6 schließlich versucht einige wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen zu ziehen, wobei die gegenwärtige Transformationspolitik in den post-sozialistischen Ländern einer kritischen Würdigung unterzogen wird.
1. Grundzüge bisheriger Kapitalbedarfs- und Kapitaltransferschätzungen
Ein Überblick über die Breite des Schätzangebots ist in Dauderstädtl DomitralEhrke (1992, S. 111) zu finden. Unter den zitierten neun Schätzungen divergieren die Ergebnisse für Osteuropa (ohne ehemalige Sowjetunion) zwischen 350 Mrd. US$ und 75 Mrd. US$ pro Jahr für die Periode 1989-1999. Beim Transferbedarf variieren die Schätzungen zwischen 21 Mrd. und 134 Mrd. US$ pro Jahr. Die Gefahr eines kolossalen Irrtums ist also genauso groß wie in der früheren Diskussion über den Kapitalbedarf Ostdeutschlands. Die Ergebnisse divergieren offensichtlich in Abhängigkeit von den angewandten empirischen Methoden, der Beurteilung der Ausgangslage und den verschiedenen theoretischen Ansätzen. Unterschiede im Schätzergebnis ergeben sich zunächst durch unterschiedliche Ausgangsgrößen (meistens für das Jahr 1989). Wesentlich sind hierbei die Höhe des Kapitalstocks, des Bruttoinlandsprodukts (BIP), damit auch des Kapitalkoeffizienten, und der Arbeitsproduktivität. In der Regel werden alle Größen implizit geschätzt, da die statistischen Grundlagen fragwürdig sind. Entweder können BIP und damit die anderen Größen über Kaufkraftparitäten oder über Annahmen der relativen Arbeitsproduktivitäten in Osteuropa geschätzt werden. Bereits hier ergeben sich unterschiedliche Kapitalko1 "Kapitalbedarf' erscheint wie jeder Bedarf zunächst als unbegrenzt. Der sinnvolle Zufluß an Mitteln wird durch die Absorptionsfähigkeit einer Wirtschaft bestimmt. Wie die Absorptionsfähigkeit jedoch zu bestimmen ist - dazu gibt es viele Abhandlungen. Die trivialste, aber gleichwohl wichtigste Voraussetzung ist zweifelsohne ein positives reales Wirtschaftswachstum. Die Annahme eines positiven Wachstums in den diversen Kapitalbedarfsschätzungen setzt damit implizit eine ausreichende Absorptionsfähigkeit voraus. Weitere Implikationen wird der Leser in Kapitel 5 finden.
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
129
effizienten. Weitere, eher formale Faktoren, die Unterschiede bewirken, sind die Länge des Schätzzeitraums und das angestrebte Wachstumsziel (und damit die Wachstumsrate des BIP) oder die von der Schätzung erfaßten Länder. Generell kann gesagt werden: Je niedriger das BIP im Vergleich mit westlichen Industrieländern,je höher der Kapitalkoeffizient zum Ausgangszeitpunkt undje höher die angestrebte BIP-Wachstumsrate sind, desto höher ist auch der Kapitalbedarf. Einen entscheidenden Einfluß auf das Schätzergebnis haben aber die der Fortschreibung der Ausgangsgrößen zugrundeliegenden theoretischen Modelle, d.h. die verwendete Produktionsfunktion. In der Regel wird eine CobbDouglas-Produktionsfunktion entweder mit exogenem oder endogenem technischen Fortschritt verwendet. Aber generell gilt, daß zumindest ein Faktor relativ knapp ist, entweder Arbeit oder Sachkapital. Beispielhafte Arbeiten sind die von CollinslRodrik (1991) und BorenszteinlMontiel (1991): Bei CollinslRodrik wirkt sich exogener technischer Fortschritt bei eher konstantem Arbeitskräfteangebot steigernd auf die Arbeitsproduktivität aus. Der Kapitalbedarf wird dadurch sehr hoch. Je nach Szenario werden durchschnittliche Investitionsquoten für Osteuropa (Bulgarien, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien) zwischen 25% und 60% über 10 Jahre hinweg ermittelt. Dagegen arbeiten BorenszteinlMontiel (1991) mit einem Modell endogenen technischen Fortschritts und mit der Annahme, daß in Osteuropa vor allem Sachkapital relativ knapp, während "raw labour" und Humankapital billig und ausreichend vorhanden seien. Unter diesen Umständen könnten mit relativ geringem Investitionsaufwand hohe Zuwachsraten des Sozialprodukts erzielt werden. Es ergeben sich dann Investitionsquoten, die für alle Länder und alle Perioden bei 22% pro Jahr liegen. Bei den Kapitaltransferschätzungen sind zwei Ansätze zu unterscheiden: Der sog. Marshall-Plan-Ansatz nimmt an, daß 2% (oder eine beliebig andere Größe) des Bruttosozialprodukts der Empfängerländer transferiert werden. Dieser Ansatz steht nicht im Zusammenhang mit Kapitalbedarfsschätzungen und ist eher politisch definiert. Kapitalbedarfsschätzungen dagegen verbinden die Absorptionsfähigkeit mit dem Wachstum des BIP oder der Produktivität. Dann ergibt sich der Transferbedarf vor allem aus der Differenz zwischen Investitions- und erwarteter Sparquote oder über die Zahlungsbilanz, d.h. aus den Importüberschüssen und dem Schuldendienst, die zu finanzieren sind. Nimmt man den Ansatz von Col/insIRodrik, so ist bei Investitionsquoten von 25% bis 60% ein hoher Transferbedarf zu vermuten (bzw. eine entsprechend defizitäre Leistungsbilanz). Der Ansatz von BorenszteinlMontiel suggeriert dagegen, daß die Investitionen bei entsprechender Sparförderung durchaus aus der inländischen Ersparnis finanziert werden könnten und der Kapitaltransfer lediglich Träger des technischen Fort9 File/Köhler
l30
Hubert Gabrisch
schritts ist. Kapitaltransfer findet dann nur im Rahmen der Kapitalverkehrsbilanz statt und muß nicht notwendigerweise mit Importüberschüssen und Leistungsbilanzdefiziten einhergehen.
2. Autbolprozeß und Kapitalbedarf: internationale Erfahrungen Wenn die osteuropäischen Länder die Lücke zu den westeuropäischen Ländern schließen wollen, muß ihr Wirtschaftswachstum das der reicheren Länder übersteigen. Barro und Sali-i-Martin (1992)2 kommen aufgrund eines umfassenden Ländersampies zu dem Schluß, daß ärmere Länder dazu tendieren, diese Lücke mit ca. 2% pro Jahr zu schließen, d.h. es ist ein Aufholzeitraum von ca. 35 Jahren zu erwarten. Natürlich gab es Länder, die einen kürzeren Zeitraum benötigten, wie z.B. Österreich oder Korea, Japan und Singapur, wobei zwei Faktoren miteinander kombiniert wurden: das Aujholpotential, das umso größer ist, je größer die technologische Lücke zu den führenden Ländern ist, und die "sozialen Fähigkeiten" eines Landes, die bestmögliche Technologie auszusuchen und erfolgreich einzusetzen (Heitger 1992). Es ist allerdings schwierig, die Startposition der osteuropäischen Länder realistisch zu beschreiben. Selbst die Kalkulation des BIP pro Kopf der Bevölkerung nach Kaufkraftparitäten ergibt unterschiedliche Ergebnisse. Legt man die ICP-Daten der Weltbank zugrunde (Tabelle 1), dann ist für die ostmitteleuropäische Region insgesamt (Polen, Ungarn, Tschechische und Slowakische Republik) zu erwarten, daß realistische Aufholzeiträume wahrscheinlich jenseits von 18 Jahren liegen (siehe Kapitel 4). In den industriell entwickelten Ländern wird das hohe BIP pro Kopf der Bevölkerung nicht mit einer niedrigen, sondern hohen Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz erwirtschaftet. Die Kapitalintensität wächst aber vor allem dann, wenn die Volkswirtschaft bereits ein relativ hohes Niveau erreicht hat, wie ein Vergleich zwischen Phasen schnellen und langsamen Wirtschaftswachstums in sechs Ländern zeigt, die einen Aufholprozeß gestartet haben (Tabelle 2): Korea, Japan, Singapur mit den zeitweise höchsten Wachstumsraten der Welt über einen längeren Zeitraum und in Europa Spanien, Griechenland und Portugal. In allen sechs Ländern lagen in der Phase schnellen Wachstums die Investitionsquoten über 21 % und sie gingen in der nachfolgenden Phase schwächeren Wachstums in Japan, Griechenland und Spanien nur unwesentlich zurück, nahmen in den anderen drei Ländern aber beträchtlich zu.
Was aber besonders auffällt, ist der Anstieg des sog. ICOR (Incremental Capital Output Ratio), d.h. des Verhältnisses zwischen Investitionsquote (i) 2
Zitiert nach CEPR, 1992, S. 62ff.
131
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
TabeUe 1: EG und Ostmitteleuropa: HIP pro Kopf in internationalen US$I 1980 und 1989
EG - Spanien - Griechenland -Portugal Ostmitteleuropa -CSFR3 -CR3 -SR3 - Ungarn -Polen
1980 in 1$2
1980 in%
1989 in 1$2
1989 in %
8.509 6.353 5.097 3.832 n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. n.v.
100,0 74,7 59,6 45,0 n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. n.v.
13.500 10.600 7.090 7.700 5.890 8.058 8.500 7.200 6.200 4.980
100,0 78,6 52,5 57,0 43,6 59,7 63,0 53,3 45,9 36,9
1 Der ,,Internationale Dollar" hat dieselbe Kaufkraft gegenüber dem BIP der Vereinigten Staaten wie der "aktuelle US$". Unterschiedlich ist nur seine Kaufkraft hinsichtlich einzelner Nachfrageaggregate aufgrund der Struktur der internationalen Preise. 2 Internationale US$, laufende Preise 3 Internationale US$, Preise von 1990. Quellen: Polen, Ungarn: World Bank 1991, ICP-Projekt. CR und SR: Föderales Amt für Statistik, Prag, inoffizielle Schätzung nach ICP-Prinzipien. CSFR: gewichtetes Mittel aus CRundSR
TabeUe 2: Investitionsquoten in Phasen schneUen und langsamen Wirtschaftswachstums Land Korea
Schnelles Wachstum r Phase 197~0
1960-70 Singapur 1960-80 Griechenland 1961-74 Japan
Portugal Spanien
1962-74 1961-74
7,2 9,1 6,8 6,8 6,5 7,1
21,8 31,9 23,6 22,6 23,6 22,2
Langsames Wachstum iJr
Phase
r
3,0 3,5 3,5 3,3 3,6 3,1
1980-87 1980-87 1980-87 1975-87 1975-87 1975-87
6,8 3,1 4,2 2,7 2,7 1,7
iJr
28,9 28,8 42,7 21,1 26,7 30,3
4,3 9,3 10,2 7,8 9,9 11,9
Erklärung: i: Bruttoanlageinvestitionen in % des BIP (feste Preise); r: reale Wachstumsrate des BIP durchschnittlich pro Jahr in %. Quelle: UNCTAD (1988), IMF (1989).
132
Hubert Gabrisch
und realer BIP-Wachstumsrate (r), in der Phase schwächeren Wachstumsein Indikator für den marginalen Kapitalkoeffizienten. Eine Erklärung könnte in Veränderungen der Investitionsstruktur liegen: In der frühen Phase des Aufholprozesses könnten Infrastrukturinvestitionen die Investitionsquote hochtreiben, in der zweiten Phase finden vor allem Ausrüstungsinvestitionen statt, weil die Wirtschaft auf eine Arbeitskräftebarriere stößt und weiteres Wirtschaftswachstum vor allem durch eine Steigerung der Arbeitsproduktivität gesichert werden muß. Generell legt das Bild den Schluß nahe, daß vor allem die südeuropäischen Beispiele Investitionsquoten aufweisen, die den Schätzungen (und Modellannahmen) von BorenszteinlMontie/ nahekommen, während die asiatischen Beispiele eher die Schätzungen von CollinslRodrik bestätigen. Allerdings ist gerade Spanien ein Beispiel für einen Aufhol- und Integrationsprozeß bei nur schwachem Beschäftigungs-, aber starkem Arbeitsproduktivitätswachstum. Es scheint überhaupt, daß Spanien unter verschiedenen Aspekten als Referenzmodell für einige post-sozialistische Länder angesehen werden könnte, sowohl was den ökonomischen wie auch politischen Transformationsprozeß betrifft. Das Land verzeichnete zwischen 1951 und 1980 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 4,7% pro Kopf der Bevölkerung. Bei einer Zunahme des Kapitalstocks um 4% jährlich (Laskil Zieba 1989, S. 24) und einem Wachstum der Beschäftigung um durchschnitt1ich nur 0,2% nahm avch hier die Kapitalintensität zu. Denn Spanien konnte einen Teil seiner überschüssigen Arbeitskräfte als Gastarbeiter nach Westeuropa schicken. Das hohe Wirtschaftswachstum, insbesondere in der Periode 1961 bis 1974, wurde daher mit einer erheblichen, durch technischen Fortschritt (Kapitalimporte!) induzierten Steigerung der Arbeitsproduktivität erzielt. Nach Berechnungen von LaskilZieba trug die Arbeitsproduktivität mit 69% zur gesamten Wachstumsrate des BIP bei. 3. Die Rolle von Kapital und Arbeit im Autbolprozeß
Wie bei gegebener Wachstumsrate des BIP die Rolle der Faktoren Arbeit und Kapital, und damit im Prinzip der Arbeitsproduktivität, einzuschätzen ist, ist offenbar das Schlüsselproblem von Kapitalbedarfsschätzungen. Wird die Arbeitsproduktivität in den osteuropäischen Ländern eher fallen (und damit auch das Reallohnniveau), weil ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen oder wird bei beschränktem Arbeitsangebot Wirtschaftswachstum überwiegend über einen Anstieg der Arbeitsproduktivität erfolgen müssen? Die Annahme ausreichend vorhandener Arbeitskräfte, eines niedrigen Lohnniveaus und damit des Einsatzes vor allem arbeitsintensiver Technologien ist in den Kapitalbedarfsschätzungen weit verbreitet. Die logische
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
133
Konsequenz ist ein ziemlich niedriger Kapitalkoeffizient. Oehel (1991) z.B. legt für den Ausgangspunkt des Aufuolprozesses den (durchschnittlichen) Kapitalkoeffizienten für Osteuropa auf nur 70% des bundesdeutschen (vor der Vereinigung) fest (1,5 zu 2,1). Bei Collins/Rodrik liegt der Kapitalkoeffizient sogar bei unter 1, während für die westlichen Industrieländer 2,5 angenommen werden. Das entscheidende Argument für einen niedrigen Kapitalkoeffizienten des Ostens ist in vielen Kapitalbedarfsschätzungen die Annahme, daß ein großer Teil der bestehenden Anlagen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen obsolet sei. Wird der Wert des bestehenden Kapitalstocks oder eines großen Teils auf Null gesetzt, entfallen in der Schätzung natürlich Ersatzinvestitionen, und der Kapitalbedarf sinkt. Diese "Schrotthypothese" (Sinn/Sinn 1991) spielt explizit eine Rolle bei Borensztein/Montiel, die sogar versuchen, die "useless stocks" mit Schätzfunktionen zu ermitteln. Es ist kaum zu bestreiten, daß Anlagen aus anderen als ökonomischen Gründen, z.B. ökologischen oder sicherheitspolitischen, heraus obsolet sind. Die Schrotthypothese ist jedoch für Kapitalbedarfsschätzungen von zweifelhaftem Wert: Erstens wird inkonsistent vorgegangen, weil nicht gleichzeitig das mit diesen "obsoleten" Anlagen erzeugte BIP auf Null gesetzt wird. Dadurch entsteht der Eindruck, daß der Kapitalkoeffizient stark sinkt, und, eine neoklassische Produktionsfunktion angenommen, die Erträge des Faktors Kapital entsprechend steigen. Zweitens können "Überinvestitionen" zwar technisch mit Schätzfunktionen ermittelt werden; aber am ökonomischen Gehalt des Ergebnisses entstehen Zweifel: Als z.B. die Mark der DDR zum Kurs 1:1 in DM umgetauscht wurde, bedeutete dies, daß ein Großteil der industriellen Kapazitäten obsolet wurde. Osteuropa könnte jedoch durch entsprechende Abwertungen seiner Währungen seine Anlagen bis zu einem gewissen Grad konkurrenzfähig halten. Die These eines ausreichenden Angebots an "raw labour" hätte allerdings dann einen realen Kern, wenn in Osteuropa, wie in den Entwicklungsländern, der Aufuolprozeß zugunsten der Industrie und zu Lasten der Landwirtschaft erfolgen könnte. Gibt es ausreichend Arbeitsreserven im Agrarsektor, die über einen längeren Zeitraum niedrige Reallöhne in der Industrie erlauben? Ein empirischer Vergleich gibt keine klare Antwort: Generell liegen die Anteile der im Agrarsektor Beschäftigen an der Gesamtbeschäftigung in den osteuropäischen Staaten zwar höher als in den hoch entwickelten Industrieländern, aber bis auf Polen und Rumänien liegen die Anteile in dem Rahmen, der von Ländern wie Griechenland, Portugal, Spanien und Korea gesteckt wird (Tabelle 3). Es scheint auch nicht, daß die Anteile der Industrie in Osteuropa zu niedrig sind; sie scheinen eher zu hoch zu sein. Die osteuropäischen Länder sind heute stärker industrialisiert als z.B. Korea oder Japan im
l34
Hubert Gabrisch
Tabelle 3: Anteile von Landwirtschaft und verarbeitender Industrie an der Beschäftigung in % Landwirtschaft Forstwirtschaft Fischerei
Industrie
Griechenland
1960 1987
54 27
15 20
Portugal
1960 1987 1960 1986 1960 1987
42 22 41
22 25 24
16 32 8 22
23 21
Spanien Japan Korea
1987
Bulgarien
1960 1987
Polen
1960 1985
Rumänien
1960 1985 1960 1986 1960
Tschechosl. Ungarn
1987
56 21 48 30 66 29 26 14 39 21
24 27 22 35 23 25 15 37 37' 34 28' 31
, einschließlich Bergbau. Quellen: ILO (1991) GUS (1992).
Jahre 1960. Es geht also eher darum, innerhalb der Industrie Strukturen zu verändern, zu modernisieren und den Dienstleistungssektor und die Infrastruktur zu entwickeln. Sind die Entwicklungsländer "late industrializers" (Amsden 1989), so könnte man die osteuropäischen Länder als "late reindustrializers" (Kraft 1991) bezeichnen, deren Arbeitskräfteangebot von Anfang an begrenzt ist und wo niedrige Reallöhne unter Umständen zu einer De-Industrialisierung führen. Strukturverschiebungen in Richtung des tertiären Sektors sind nur insoweit arbeitsintensiv, als sie auf traditionelle Bereiche (wie z.B. Kleinhandel oder persönliche Dienstleistungen) abzielen. Die Entwicklung eines modernen tertiären Sektors (Kommunikationsdienstleistungen, Transport, Verkehr) verlangt jedoch wieder erhebliche
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
135
Investitionen, die dazu beitragen, daß der Kapitalkoeffizient bereits in der frühen Phase des Aufholprozesses steigt statt zu sinken. 3 4. Eine Schätzung des Kapitalbedarfs für Ostmitteleuropa
Die exakte Bestimmung des Kapitalstocks in den osteuropäischen Ländern ist eine knifflige Angelegenheit, denn die offiziellen statistischen Daten sind aufgrund von Bewertungsproblemen nur bedingt verwendbar. Für einen niedrigeren Kapitalkoeffizienten als im Westen spricht die geringe Infrastrukturausstattung der Oststaaten, für einen höheren Koeffizienten dagegen die überproportionalen Anteile von Schwermaschinenbau, Bergbau, Metallurgie und Großchemie an Output und Anlagen. Unsere Schätzung für die vier ostmitteleuropäischen Länder Polen, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn bleibt daher naturgemäß recht grob. Sie basiert einfach auf der Ermittlung der durchschnittlichen Kapitalkoeffizienten in inländischen Preisen nach den statistischen Jahrbüchern. Für 1989 ergab sich für Ostmitteleuropa ein durchschnittlicher Kapitalkoeffizient von 2,5 (CSFR: 4,9, Polen 0,85, Ungarn 2,89), der höher als in anderen Schätzungen liegt. 4 Der Schätzung des Kapitalbedarfs liegt eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion mit exogenem technischen Fortschritt in der Form Y = AKaLl-a zugrunde. Dann ist die Wachstumsrate des Kapitalstocks durch die Gkichung rk = «ry-q)/a)
+ q - (ary)a
bestimmt,5 wobei (ry-q) die Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität und a der Beitrag des technischen Fortschritts zum Wirtschaftswachstum ist. In unserer Schätzung arbeiten wir mit einem konstanten Exponenten des Faktors Kapital (a = 0,4) und einem Restfaktor a = 0,69 entsprechend dem spanischen Vorbild. 6 Vereinfachend wird angenommen, daß die Beschäftigung über den gesamten Schätzzeitraum bei dem 1992 erreichten Niveau von 26 Mio. Personen (= 41 % der Bevölkerung) bleibt; d.h. das ArbeitsproduktiSiehe auch H. Handler, H. Kramer und J. Stankovsky. 1991, S. 71. Der Kapitalstock kann auch implizit über Arbeitsproduktivitätsunterschiede zwischen Osteuropa und den westlichen Industrieländern geschätzt werden, so wie bei Collins/Rodrik. Das Ergebnis hängt dann von den angenommenen Produktivitätsunterschieden ab. I mit ary = ra ! 6 a = 0,69 bedeutet, daß 69% von r y dem technischen Fortschritt zuzuordnen sind (Laski/Zieba). l
4
136
Hubert Gabrisch
vitätswachstum entspricht dann der Höhe des BIP-Wachstums. 7 Mit anderen Worten: Der Reallohn nimmt mit der Arbeitsproduktivität zu. Für die Bestimmung von ry nehmen wir an, daß sich unter den für Ostmitteleuropa recht günstigen Annahmen die Wirtschaft ab 1993 wieder erholt und daß das BIP pro Kopf in der EG langfristig mit 2% durchschnittlich pro Jahr wachsen wird. Aufgrund der in Tabelle I (S. 131) präsentierten Daten lassen sich relativ einfach die Wachstumsraten kalkulieren, mit denen das westeuropäische Niveau entweder vollständig ("full catching-up" Szenario) oder zu etwa 75% ("75% catching-up") erreicht werden können. Je kürzer der Angleichungsprozeß ist, desto höher ist die erforderliche Wachstumsrate. Abbildung 1 zeigt Berechnungen für 8,13,18,23,28 und 33 Jahre. Für den Fall 18 Jahre (Jahr 2010) müßte bei einem vollständigen Aufholprozeß (Abbildung 2) die durchschnittliche Wachstumsrate des BIP pro Kopf in Ostmitteleuropa bei 9 % pro Jahr liegen (ry = 0,09) und das Wachstum des Kapitalstocks bei ca. 7 % (rk = 0,07). Für die einzelnen Länder ergäben sich folgende BIP-Wachstumsraten: CR 6,8%, SR 7,8%, Ungarn 8,4% und Polen 10,1 %. Abbildung 3 demonstriert, daß Ostmitteleuropa bis zum Jahre 2010 75% des EG-Niveaus erreicht, d.h. etwa so viel, wie Spanien zum Zeitpunkt seines Beitritts zur Gemeinschaft im Jahre 1986 aufwies. In diesem Falle wäre r y = 0,07 und rk = 0,06. Für die einzelnen Länder ergäben sich folgende BIP-Wachstumsraten: CR 5,1 %, SR 6,1 %, Ungarn 6,7 % und Polen 8,3 %. Unter diesen Umständen würde das erste Szenario zu einem Nettokapitalbedarf für alle vier Länder zusammen von jährlich 126 Mrd. 1$ (des Jahres 1989) und zu durchschnittlichen Investitionsquoten von 16% führen (Tabelle 4). Nimmt man Ersatzinvestitionen in Höhe von 5% jährlich an (was einer recht hohen Aussonderungsquote bestehender Anlagen entspräche), stiege die Investitionsquote auf 29%. Bei einem 75% catching-up würde der jährliche Nettokapitalbedarf auf90 Mrd. 1$ fallen mit Nettoinvestitionsquoten um 14%. Die Bruttoinvestitionsquote würde noch immer 27% betragen. Eine geringere Aussonderungsquote würde den Kapitalbedarf ebenfalls senken. Umgekehrt hätte bereits eine geringe Senkung des Maßes des technischen Fortschritts unter das "spanische Vorbild" einen erheblichen Anstieg der Investitionsquoten zur Folge. - Eine alternative Berechnung, die ein Wachstum der Beschäftigung um jährlich 0,2% annimmt, senkt die Investitionsquoten nur unwesentlich (zwischen 1,3 und 1,7 Prozentpunkten).
7 Der Leser sei darauf hingewiesen, daß es sich 1992 bei 26 Mio. Beschäftigten zwar einerseits um Unterbeschäftigung handelte, daß aber andererseits längerfristig eine Beschäftigungsquote von 41% international gesehen recht hoch ist.
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Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
Graphik 1: Dauer und Geschwindigkeit des Außtolprozesses
18
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33
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Graphik 2: "Full catching-up" bis 2010; Wachstumsrate: 9 % pro Jahr
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Graphik 3: 75% catching-up bis 2010; Wachstumsrate 7% pro Jahr .........................,....
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Hubert Gabrisch
138
Tabelle 4: Ergebnisse der Schätzung des Kapitalbedarfs Ostmitteleuropas bis zum Jahre 2010; jährliche Durchschnittswerte
Kapitalbedarf ohne Kapitalbedarf mit 2,5 % Abschreibungen Ersatzinvestitionen in % BIP Mrd.I$ in % BIP Mrd.I$ Full catch-up 75% catch-up
126
16,3
225
29,1
90
13,9
170
27,2
5. Ersparnis, Kapitalimporte und Absorptionsfähigkeit Unsere Schätzung impliziert einen jährlichen Nettokapitalimport Ostmitteleuropas von 6,3 Mrd. 1$ des Jahres 1989 für jeden Prozentpunkt, den die Sparquote unterhalb der Investitionsquote liegt, in Form von Krediten und Direktinvestitionen. Bei einer Sparquote von 22% über den gesamten Schätzzeitraum würde der Nettokapitalimport ca 30 Mrd. 1$ pro Jahr betragen. 8 Hohe Investitionsquoten sind gleichbedeutend mit entsprechend hohem Konsumverzicht, wenn ausländische Ersparnisse nicht oder nur begrenzt zur Verfügung stehen. Angesichts der in Polen, Bulgarien, aber auch Ungarn hohen Auslandsverschuldung und der niedrigen Devisenreserven in allen osteuropäischen Staaten bestand deren Bestreben bisher darin, sowohl einen Handelsbilanzliberschuß (bzw. Verringerung des Defizits) wie auch Nettokapitalimporte vor allem in Form von Direktinvestitionen zu erzielen. Soweit das gelang (Polen 1990 und wahrscheinlich auch 1992, Tschechoslowakei 1991, Ungarn vor allem 1991), konnten natürlich nur die Devisenreserven, nicht aber das für den Wachstumsprozeß notwendige Volumen an Ressourcen (Tabelle 5) wachsen. Das Dilemma, einerseits Exportüberschüsse erzielen zu müssen/zu wollen, andererseits über genügend Ressourcen für den Wachstumsprozeß zu verfügen, ist nur dann zu lösen, wenn die inländische Ersparnis (private Haushalte, vor allem Unternehmen, aber auch unter Umständen der Staat) gemessen am Sozialprodukt ein sehr hohes Niveau erreicht. Ein Vergleich (Tabellen 6 und 7) zeigt, daß die Quote der privaten Ersparnis in Ostmitteleuropa bereits gegenwärtig auf einem hohen Niveau ist. Das wird besonders dann deutlich, wenn man zum Vergleich die Periode 8 30 Mrd. 1$ des Jahres 1989 entsprechen etwa 32 Mrd. US$ des Jahres 1991. Zu diesem Wert gelangt man durch Verwendung des BIP-Defaktors der USA (ca. 8 % von 1989 bis
1991).
139
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
Tabelle 5: Zahlungsbilanzdaten für Polen, Tschechoslowakei und Ungarn in Mio. US-Dollar Polen
1989
1990
Tschechoslowakei
1991
240 2214 51 -1843 668 -1831 -3087 -3329 -2863 n.v. 89 -7 -235 81 556 44 2153 -1188
HB LB -Zn DIn
Kn
Rn
=
1989
1990
143 -1422 936 -1277 -87 -251 187 257 -936 -130 563 -1127
1991
Ungarn
1989
1990
1991
-121 537 348 189 908 -50 151 267 21 -1387 -1414 -1331 187 586 311 1459 735 1224 -107 1668 789 -70 -562 2720
=
=
Erklärungen: HB Handelsbilanz, LB Leistungsbilanz, Zn Zinszahlungen netto, DIn Direktinvestitionen netto, Kn anderes Kapital netto (Kredite), Rn Reservenzuwachs (Zentralbank). Quellen: Polen, Ungarn Zentralbankstatistiken; Tschechoslowakei, IMF.
=
=
=
Tabelle 6: Sparen, Investitionen und Nettoexporte in Ostmitteleuropa (Anteile in % am BIP) Tschechoslowakei
1988 1989 1990 1991
24,7 24,6 21,1 24,7
22,4 22,9 25,1 20,3
s
2,6 1,9 -3,1 1,6
20,9 25,5 21,7 19,3
=
Polen
Ungarn
e
s
18,0 18,9 18,2 15,7
e
s
2,2 2,3 2,9 -1,2
29,2 38,9 32,1 23,7
e
26,0 29,7 21,3 20,7
3,5 1,3 8,7 1,0
=
Erklärungen: s Sparquote (private Ersparnis in % vom BIP); i Investitionsquote (alle Bruttoanlageinvestitionen und Lagerinvestitionen in % vom BIP); e = Nettoexporte (Güter und Dienstleistungen in % vom BIP). Alle Zahlen auf Basis laufender Preise. Quelle:VVIIVV-Sch~gen
schnellen Wachstums in Spanien, Portugal, Griechenland, Korea, Japan und Singapur heranzieht. Diese Beispiele zeigen, daß in der Phase schnellen Wachstums die Investitionsquoten dazu tendierten, die Sparquoten zu übersteigen, während in der späteren Phase schwächeren Wachstums die Sparquoten dazu tendierten, die Investitionsquoten zu übersteigen. In der Phase schnellen Wachstums wurde in diesen Ländern offenbar ein Teil der Investitionen über Kapitalimporte (negative Nettoexporte "e") finanziert, der vielleicht in diesem Ausmaß für die osteuropäischen Länder nicht erreichbar ist.
140
Hubert Gabrisch
TabeUe 7: Sparen, Investitionen und Nettoexporte in sechs Catching-up Beispielen (Anteile in % am BIP) s Spanien Portugal Griechenland Korea Japan Singapur
schnelles Wachstum langsames Wachstum schnelles Wachstum
1962-65 1985-88 1970--74
21,0 26,1 21,5
langsames Wachstum schnelles Wachstum langsames Wachstum schnelles Wachstum
1985-88 1962-65 1985-88 1970--74
30,1 16,4 23,1 20,6
langsames Wachstum schnelles Wachstum langsames Wachstum
1985-88 1962-65 1985-88
36,7 35,5
schnelles Wachstum
1962-65 1985-88
langsames Wachstum
n.v. 8,7 23,4
e 21,0 21,1 28,5 25,5 23,8 19,3 26,7 29,5 34,5 28,9
0,1 -4,8 -9,0 -6,3 -9,0 -8,0 -7,8 6,3
18,9
0 3,1 -12,6
33,2
1,4
Erklärungen: Wie Tabelle 6. Quelle: IMF 1992.
In der späteren Phase schwächeren Wachstums ist das Bild uneinheitlich. Lediglich in den drei asiatischen Beispielen wurde eine positive Handelsbilanz erreicht. Hier liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die Absorptionsfahigkeit eines Landes durchaus größer sein kann als die aus inländischen Quellen stammenden Ressourcen. Die Absorptionsfähigkeit eines Landes hängt somit von zwei Faktoren ab: (a) Entscheidend ist zunächst, ob die Rahmenbedingungen der Wirtschaft den Unternehmen Gewinne ermöglichen und damit auch eine hohe gesamtwirtschaftliche Sparquote sichern. Eine hohe oder zumindest steigende Sparquote ist immer auch ein Indiz für eine hohe Absorptionsfähigkeit (prozessuale Absorptionsjähigkeit). (b) Entscheidend ist aber auch die Fähigkeit eines Systems in seiner institutionellen und sozialen Gesamtheit, verfügbare Finanzressourcen in die effizientesten Verwendungen zu lenken (institutionelle Absorptionsjähigkeit). Wirtschaftspolitisch ergeben sich damit für die post-sozialistischen Länder zwei Problemfelder: Erstens geht es darum, die Sparquoten auf einem möglichst hohen Niveau zu halten. Zweitens muß die institutionelle Absorptionsfähigkeit gestärkt werden.
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
141
6. Wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen
Die in den post-sozialistischen Staaten verfolgte Transformationspolitik glaubt nun, durch eine rigide Senkung der Reallöhne, eine Unterbewertung der Währung und den Abbau öffentlicher Aktivitäten in der Wirtschaft dreierlei zu erreichen: eine hohe Sparquote des privaten Sektors durch höhere Gewinne, einen Zufluß an ausländischem Kapital und einen Exportüberschuß. a) Reallöhne und Ersparnisjähigkeit
Akzeptieren kann man den Gedanken, daß sinkende Reallöhne die Gewinnmargen (Stückgewinne) der post-sozialistischen Unternehmen und damit die gesamtwirtschaftliche Sparquote unter Umständen zu erhöhen vermögen. Das gilt dann, wenn vor der Reform das Faktorpreisverhältnis zugunsten des Faktors Arbeit verzerrt war (oder, mit anderen Worten, wenn es zwar Voll-, aber keine effiziente Beschäftigung gab). Die Entzerrung der Faktorpreisverhältnisse wird im Prinzip durch die Liberalisierung der Preise erreicht, indem die damit verbundene Korrekturinflation den Reallohn senkt und pari passu die Profitrate erhöht. Insofern ist der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Sparquote in den osteuropäischen Ländern unmittelbar nach der Preisliberalisierung - in Polen sogar auf 38% des Sozialprodukts - durchaus verständlich. Aber warum tendiert die Sparquote wieder dazu, abzunehmen (Tabelle 6)? Jede Senkung der Reallöhne über das soeben beschriebene Maß hinaus schafft ein Problem der effektiven Nachfrage, wenn die Ausweitung der Beschäftigung beschränkt ist (produktionstheoretisch kann mit dem neuen Faktorpreisverhältnis eine optimale Faktorkombination nur auf einer niedrigeren Isoquante erreicht werden). Wenn die Profitrate dann zumindest konstant bleiben soll, darf der Rückgang der Kapazitätsauslastung keinesfalls den Anstieg der Gewinnmargen übertreffen. 9 Das kann nur dann erwartet werden, wenn das Say'sche Gesetz wirkt: Steigende Gewinnmargen führen zu steigenden Investitionen, die ihrerseits steigende Einkommen und unmittelbar höhere Nachfrage nach sich ziehen. Tatsächlich sind die Gewinne ein Ergebnis der Investitionen und nicht umgekehrt. So ließen in den osteuropäischen Ländern sinkende Reallöhne die Kapazitätsauslastung so stark fallen, daß auch die Profitraten sanken. Da außerdem der niedrigere Auslastungsgrad die Stückkostenbelastung erhöhte, nahmen sogar die Ge9 Der Zusammenhang ist wie folgt: PIK = (P/U) x (U/Q) x (Q/K), wobei P die Profite, K das eingesetzte Kapital, U der Umsatz und Q die potentielle Produktion ist. PIK ist die Profitrate, P/U die Stückgewinne (Gewinnmarge), U/Q die Kapazitätsauslastung und QI K der reziproke Kapitalkoeffizient.
142
Hubert Gabrisch
winnmargen ab -- womit der Rückgang der Sparquoten in Ungarn und Polen in Tabelle 6 verständlich wird. Mit anderen Worten: Eine hohe Sparquote und eine hohe prozessuale Absorptionsfähigkeit setzen eine hohe Kapazitätsauslastung und damit Vollbeschäftigung voraus. b) Zahlungsbilanz und Wechselkurspolitik
In bezug auf die Handelsbilanz wird eine starke Unterbewertung der Währung vorgeschlagen, und zwar nicht nur gegenüber der Kaufkraftparität, sondern auch gegenüber dem relativen Niveau der Arbeitsproduktivität im exponierten Sektor der Wirtschaft. Die Hoffnung ist, daß bei international niedrigen Reallöhnen die ausländische Nachfrage ausreichend kompensierend eintritt (und im übrigen auch ein starker Anreiz für ausländische Investitionen ausgeübt wird). Abgesehen von den saldenmechanischen Problemen (Exportüberschüsse und Nettokapitalimporte dienen nur dem Anstieg der Devisenreserven oder der Finanzierung von Zinszahlungen, aber nicht des Ressourcentransfers), bedeutet eine derart starke Abwertung eine Reallohnsenkung, die zu dem im vorigen Abschnitt beschriebenen Problem der effektiven Nachfrage führen kann. Zudem wird die Idee einer Unterbewertung von einem gewissen Elastizitätsoptimismus beherrscht. Nach den Marshall-Lerner-Bedingungen sind nicht nur das Ausmaß einer Abwertung, sondern auch die Preiselastizitäten von Exporten und Importen für eine Verbesserung der Handelsbilanz ausschlaggebend. Im übrigen sind extreme Unterbewertungen ein von Handelspartnern nicht gern gesehenes Instrument, so daß Retorsionsmaßnahmen die Exportelastizität beschränken können. c) "Capital constraints" und institutionelle Reformen
Verfügbare Ressourcen müssen auch genutzt werden können. Das Problem, das die post-sozialistischen Länder ebenso wie viele Entwicklungsländer haben, besteht darin, daß nur wenig Ressourcen über den kommerziellen Sektor (Privatsektor und kommerzialisierte Staatsunternehmen) mobilisiert werden. Eine der Ursachen ist möglicherweise das Fehlen einer dynamischen Unternehmerklasse, die Profite wieder für Investitionen und nicht für Konsum und/oder Kapitalflucht verwendet. Diese Erfahrung wäre für Osteuropa nicht neu: Die Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung Polens in der Zwischenkriegszeit wird von manchen Autoren auf die Nichtausnutzung und Vergeudung von Wachstumsfaktoren durch eine nur schwach entwickelte Kapitalistenklasse mit Neigung zu "parasitärem Konsum" (Meyer 1980, S. 374ff mit weiteren Literaturhinweisen) zurückgeführt.
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall üsteuropa
143
Eine hohe Sparquote des privaten Sektors muß auch dann nicht mit entsprechender Realkapitalbildung einhergehen, wenn es neben soziologischen auch institutionelle capital constraints gibt, die die Absorptionsfähigkeit beschränken und erst durch institutionelle Reformen überwunden werden können. Dieser Umstand wird von neoklassisch orientierten Ansätzen in der Regel übersehen. In den osteuropäischen Reformländern ist das gesamte Finanzsystem noch weit vom Standard selbst einiger Entwicklungsländer (Tay/or 1991, erwähnt als Beispiel Zimbabwe) entfernt. Das Fehlen von Investitionsbanken, Wertpapiermärkten und anderen Finanzintermediären macht es zu einer sehr schwierigen Aufgabe, private Ersparnisse über Kredite und Beteiligungen in Realkapital zu transferieren. Das gilt auch für die Bereitstellung ausländischen Kapitals. Daher ist die geringe Ausnutzung etwa von Weltbankkrediten in Osteuropa durchaus verständlich. Unter diesen Umständen kommt dem Staat nicht nur eine aktive Rolle bei der Durchführung institutioneller Reformen, sondern auch bei der Mobilisierung von Ressourcen zu. Tay/or listet eine Vielzahl von fortgeschrittenen Entwicklungsländern auf, in denen hohe Investitionsquoten und Exportüberschüsse mit einer beträchtlichen Ersparnis des öffentlichen Sektors 10 und öffentlichen Investitionen verbunden waren (z.B. Brasilien, Korea, Malaysia, Tansania, Türkei). Das reflektiert offenbar die besondere Fähigkeit des öffentlichen Sektors, Ressourcen zu mobilisieren, wenn private und ausländische Ersparnisse nicht ausreichend zur Verfügung gebracht werden können. 7. Zusammenfassung
Wir gingen von der Überlegung aus, daß ein wirtschaftlicher Aufholprozeß Sinn und Ziel der Transformation der Wirtschaftssysteme in Osteuropa ist, und daß dieser Aufholprozeß Investitionen verlangt. Wir kritisierten an den bisherigen Kapitalbedarfsschätzungen vor allem den Trick, durch Senkung des bestehenden Kapitalstocks den Kapitalkoeffizienten künstlich stark zu reduzieren und dann zu behaupten, mit wenig Kapital könne ein hohes Wirtschaftswachstums erzielt werden. Unsere Kritik ergänzten wir durch einige Aufholbeispiele aus Asien und Westeuropa, die hohe Investitionsquoten zeigten. Eine eigene Kapitalbedarfsschätzung für Ostmitteleuropa (Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei) bei konstanter oder nur schwach wachsender Beschäftigung führte uns zu Investitionsquoten, die im oberen Feld bisheriger Kapitalbedarfsschätzungen liegen. Offen blieb dabei die Frage, ob die den neoklassischen Produktionsfunktionen (wie etwa 10 Die öffentliche Ersparnis ist die Differenz zwischen laufenden Einnahmen und Ausgaben, wobei letztere nicht die öffentlichen Investitionen enthalten. Die Ersparnis des Staates ist also nicht mit einem Überschuß im Staatshaushalt zu verwechseln.
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Hubert Gabrisch
die von uns und anderen verwendete Cobb-Douglas-Funktion) zugrunde liegenden Annahmen, z.B. über die Substituierbarkeit von Faktoren ex-post und ex-ante, überhaupt realistisch sind. Unsere weiteren Betrachtungen zeigten, daß erfolgreiche Länder einen erheblichen Nettokapitalimport im Aufholprozeß realisierten. Angesichts der prekären Außenfinanzierungslage kann dies möglicherweise von den meisten post-sozialistischen Ländern nicht imitiert werden. Dann kommt der Wirtschaftspolitik in den postsozialistischen Ländern die Aufgabe zu, für eine möglichst hohe Sparquote zu sorgen. Eine kritische Betrachtung der gegenwärtigen Transformationspolitik in den post-sozialistischen Ländern weckte aber Zweifel, ob mit einer rigiden Senkung der Reallöhne und einer Unterbewertung der Währung dieses Ziel erreicht werden kann. Die Tatsache, daß die unmittelbar nach Beginn der Reform noch recht hohen Sparquoten dazu tendierten, schnell zu sinken, ist ein Symptom für eine sinkende Fähigkeit zur Absorption inländischer wie auch ausländischer Ressourcen. Erfahrungen aus anderen Entwicklungsländern zeigen überdies, daß bei rudimentär entwickelten Finanzsystemen hohe Investitionsquoten nur erreicht werden können, wenn der öffentliche Sektor selbst spart und entsprechende Investitionen vornimmteine Option, die in den post-sozialistischen Ländern jedoch verbreitet auf ideologische Ablehnung stößt. Literatur Amsden, Alice (1989): Asias Next Giant: South Korea and Late Industrialization, New York, Oxford 1989. Borensztein, Eduardo; Montiel, Peter J. (1991): Savings, Investment and Growth in Eastern Europe, IMF Working Paper, Juni 1991. CEPR (1992): Is Bigger Better? The Economics of EC Enlargement, Annual Report 1992. Collins, Susan M.; Rodrik, Dani (1991): Eastern Europe and the Soviet Union in the World Economy, Washington DC 1991. Dauderstädt, Michael; Domitra, Michael und Ehrke, Michael (1992): Solidarität mit Osteuropa. Kooperation statt Katastrophe, Vierteljahresberichte der FES (Sonderheft), Dezember 1992. Handler, Heinz; Kramer, Helmut; Stankovsky, Jan (1991): Debt, Capital Requireme nt and Financing ofthe Eastern Countries, Wifo, Wien 1991. Havlik, Peter(1991): East-West GDPComparisons: Problems, Methods and Results, WIIW-Forschungsbericht Nr. 174, Wien 1991. Heitger, Bernhard (1992): Wirtschaftliche Aufholprozesse in Ostasien, in: Die Weltwirtschaft, Heft 2, IfW, Kiel 1992, S. 212ff. Kraft, Evan (1991): Feasible Capitalisms in Eastern Europe? The State and Late Reindustrialization in Post-Communist Society. Conference paper, New Orleans LA 1991.
Kapitalbedarf und Kapitaltransfer: Der Fall Osteuropa
145
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The Interstate Bank: An End to Monetary Disintegration in the Former Soviet Union? By Daniel Gros*, Brussels 1. Introduction
For the former republics of the USSR the most important aspect of the entire reform process is how to organise monetary relations with the rest of the former Union, i. e. mainly with Russia. As long as the Soviet Union existed trade with other republics accounted for more than 50 % of national income in a number of republics. 1 All these economies were thus tighdy linked under the old system. The old trade links are now breaking down and this contributes to the collapse of production that is anyway occurring. The dec1ine in production (1992 over 1991) is usually estimated at 20-40 %, the dec1ine in intra-state trade at 30-50 % and in some cases at 70 %. 2 Part of this dec1ine in intra-area trade comes from the demise of the old central planning system. This part should be welcomed. However, policymakers and market participants in the CIS concur in saying that the process of monetary disintegration has created considerable additional obstac1es to trade. 3 The purpose of this paper is to describe this process and to oudine the options that remain at this stage. The underlying premise of this paper is that most former Soviet republics will gain on economic grounds if they introduce their own currency and let their trade patterns evolve away from an excessive dependency on Russia. However, this separation should be gende in the sense that one should avoid creating artificial obstac1es to interrepublican trade. Gros (1991), Gros and
* Centre for European Policy Studies (CEPS), Brussels. This paper is based on the work of the Advisory Group on Interstate Economic Relations of the European Expertise Service (EES-AGIR), which is financed by the EC's TACIS programme and managed by Coopers and Lybrand Europe. I wish to thank my colleagues, especially Gerard Duchene, Pedro Martinez-Mendez and Oleg Vyugin for their comments on this paper and the collaboration in the EES-AGIR work. All errors remain my own responsibility. [ See Gros and Bofinger (1992). 2 All figures concerning macroeconomic aggregates have to be taken with extreme caution. 3 Formal customs frontiers which are only now being created have so far played a minor part. 10"
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Daniel Gros
Steinherr (1991) and Gros and Dautrebande (1992) provide some analytical underpinning for this point of view. The long-run considerations based on optimum currency area theory have become secondary relative to what has happened in reality. The first fact of life which made a common monetary policy impossible during 1992 is that in most CIS countries domestic politics was the exclusive determinant of fiscal policy. Since there are no financial markets to finance deficits with nonmonetary means this implies immediately that it was (and still is) impossible for the rouble zone countries to agree on a joint credit policy. The second fact oflife is the continuing slide ofRussia towards hyperinflation. Ifhyperinflation arrives and the economy becomes totally dollarised the fate of the rouble is sealed and it becomes useless to discuss the advantages and disadvantages of a rouble zone. However, for the time being there is 'only' high inflation and the (Russian) rouble continues to be the vehicle currency with the CIS. The remainder ofthis paper is organised as folIows. Section 11 describes in general terms the disintegration that took place in 1992. Section 111 discusses in detail the main innovation that was introduced in that year, namely the bilateral correspondent accounts held by the Central Bank of Russia. Section IV argues that with the separation of cash and non-cash circuits the other national roubles constitute a kind of dual exchange regime with the cash rate fixed at 1 : 1. Section V then analyzes the current efforts to move towards a multilateral system. Section VI provides some estimates ofthe importance of multilateral trade within the CIS. Section VII concludes with a discussion of the options that were available in 1992 (but not taken up) to provide an outlook for the future. 2. The Background: Monetary disintegration and inflation in 1992 It is often said that the rouble zone is breaking up. This is correct in the sense that during 1992 four republics have formally introduced their own currency (the three Baltic countries and Ukraine) and others are certain to follow their lead in 1993. Moreover, as documented below, the rouble does not really constitute a common currency for the countries that still use it officially because there are restrictions on transfers of roubles across borders.
However, the view that there existed a unified currency area that has split up comes about because one looks at events with a superficial 'western' eye. I would like to argue that the rouble zone never really existed. The Soviet rouble was the single currency ofthe Soviet Union. However, as is weIl known, under the old system there were really two roubles, cash and bank accounts, which could not be freely exchanged. Households were paid
The Interstate Bank
149
in cash which they could either spend on consumer goods or deposit into savings accounts. The latter could not be used to make transfers to other bank accounts (this is the still the case) so that these savings accounts are really only safe keeping boxes. Enterprises had bank accounts with the monobank, but movements on these accounts just served an accounting purpose and enterprises could not use a positive balance to get more cash. 4 Around the turn of 1991/92 the former Soviet republics became independent countries (and 11 ofthem decided to form the Community oflndependent States (CIS». This is why it is often said that the rouble then became, by default, the 'common currency' of 15 independent states. This view would be correct if in 1992 there had been radical reforms which would have given money the same role as in market economies, and if it had been possible to use rouble balances freely all over the former Soviet Union. However, this was not the case. The much heralded radical reforms in Russia consisted for most of 1992 mainly of an elimination of price controls. However, even within Russia the distinction between cash and non-cash was (and still is to some extent) maintained. After the reform process had started this separation of the two circuits did not have any legal grounds, but it remained de facto, initially because of the shortage of bank notes. During most of 1992 a substantial difference remained between the cash and non-cash exchange rates for the dollar (e. g. February 1, 620 R/$ for cash and 580 R/$ for non-cash).5 In the other former Soviet republics the situation was even worse from this point of view. The story of what happened to bank notes is instructive: In the course of 1992 Russia began to substitute the old 'Soviet' designs on the bank notes. (All printing presses for the Soviet roubles were located in Russia.) In a first step the translation ofthe face value (1,3,5, etc., roubles) in all 14 officiallanguages was suppressed, the only 'language' used on banknotes was then Russian. But until mid-1992 the banknotes still carried the heading 'State Bank of the USSR' and conserved the old 'Soviet' symbols. The final step came first with the new 5,000 rouble notes (and now also other denominations), officially issued by the Central Bank ofRussia and without 'Soviet' symbols. These banknotes continue to circulate in all former Soviet 4 For a more detailed description of a Soviet type banking system, see Gros and Steinherr (1993) and the references cited therein. 5 The implicit exchange rate cash/non-cash has fluctuated around zero. In Russia the main reason for the continuing difference of cash and non-cash exchange rates is a peculiarity of the tax system: enterprises that want to pay their workforce have to do so in cash. Whenever they convert their balances (on bank accounts) into cash they have to pay taxes between 32 % and 39 %. The discount (on the dollar) is lower because there is so me arbitrage and some enterprises can avoid these taxes.
150
Daniel Gros
republics that have not yet introduced their own national currency despite the fact that they are clearly 'Russian' and not 'Soviet' or 'CIS'. The old Soviet cash is rapidly taken out of circulation (i. e. the old banknotes become useless because of inflation) so that, in terms of cash, a 'Russian' rouble already exists. The 'cash shortage' that was cause and symptom of the continuing separation between the cash and non-cash circuits led a number of republics to introduce their own substitute roubles. Some of them later became national currencies (in Ukraine, Lithuania, Latvia) but in some cases, e. g. Belarus, Azerbaijan, etc., these cash substitutes are really just genuine rouble substitutes in the sense that they are perfect substitutes for the Russian rouble (cash)at a fixed rate (often 10: 1).6 F or cash the rouble thus continued to be a means of payment that could be used in the beginning of 1992 throughout the FSU. This is still the case for the 11 former CIS countries that have not yet introduced their own currency. 7 A 'cash rouble zone' does exist although it is shrinking. Does this imply that the rouble was the common currency of these countries in the full sense of the word? Not really, since the non-cash rouble did not, and does not, circulate freely across the new boundaries. The de facto limitations on the transferability for the bank account rouble arose over the space of about 6 months (January-July 1992) and differed from country to country. They can best be understood if they are seen in the context of the Soviet banking system the newly independent states inherited. Under the Soviet system all bank transfers were routed through the MFO system (Mezhdufilialny oborot) which was in effect a complicated web of bilateral and sometimes multilateral 'correspondent accounts' between the branches of the Soviet mono bank. The national central banks of the former Soviet republics are all based on the main (or 'headquarters') republican branches of Gosbank, the State Bank of the USSR. During 1991 Gosbank lost control over its republican branches which began to grant credit to enterprises located in their republic and their republican governments. It is clear that this situation was not tenable. Each republican 'central' bank had an incentive to give its clientele (state-owned enterprises, republican government) as much credit as possible. The consequences in terms of greater inflationary pressures (not open inflation, just a higher monetary overhang, since at the time prices were still controlled) would be borne by the entire Union. There was thus a clear free rider problem, which was most acute in the case of the smaller republics. This 6
7
See Vyugin, Duchene and Gros (1993). Kyrgyzstan plans to introduce its own currency by AprillMay.
The Interstate Bank
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situation was described as 'the worst monetary constitution one can imagine'.8 The proof that this was indeed a very bad monetary constitution came in 1991 and in 1992. During 1991 the money supply doubled in the FSU. The real explosion, however, took place only in 1992 when all monetary aggregates (in the former Soviet republics) grew at a much greater pace than du ring the previous 40 years of the former Soviet Union. The fact that during 1992 monetary expansion not only continued, but even accelerated in all CIS countries suggest that the 'monetary constitution' of the FSU in 1991 cannot have been the main determinant of inflation. As shown in Figure 1 cash in circulation and sight deposits (MI) in Russia increased almost by a factor of 10 in 1991. The rates of increase in other aggregates are of a similar order of magnitude, but the significance of these aggregates is difficult to gauge because, as mentioned above, during 1992 the Russian financial system was still in a transitional phase, no longer 'Soviet', but still full of distortions. As explained below, Russia was fully in control of its own banking system only after July, but even so these rates ofincrease are staggering. There is no sign of a slow-down after July which suggests that most ofthe inflation was 'horne-made', in Russia.
Figure 1
evolution of cash - MI
1200 r-----------------------------------------~ 1100 1000 900 800
700 600
500 400 300 200
100
o ~--~~--~--~~--~~~~--~~--~--~
Jan92 Mar92 May92 Jul92 Sep92 Nov92 Jan93 Feb92 Apr92 Jun92 Aug92 Oct92 Dec92 ___ Cash index -+-- MI index Source: RET, NIEF, own calculations
8
This dictum is commonly attributed to Stanley Fisher.
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Figura 2
evolution of cash - prices
~oo
,--------------------------------------,
2000
1500 1000
500
o
~
__
~~
__ __ ~
k_~_ _~_ _~~_ _~~_ _~_ _~
Jan92 Mar92 May92 Jul92 Sep92 Nov92 Jan93 Feb92 Apr92 Jun92 Aug92 Oct92 Dec92 ___ Cash in R bn --+- price index (Jan 92 = Cash) Source: RET, own calculations
Given the extreme rates of monetary expansion in Russia during 19929 it is not surprising that prices continued to rise rapidly even after the initia1jump of about 250 % caused by price liberalisation in January. Normalising the price level ofDecember 1991 to 100, the index wentto 352 in January of 1992 and it reached 2994 in December of the same year. Even discounting the 'jump' that occurred with price liberalisation, the total increase was thus about 8.5 fold. Figure 2 normalises the price level to January 1992 = 100 to illustrate that prices increased by the same proportion as money. 3. Tbe correspondent accounts: genesis and rationale At the end of 1991 the Soviet Union ceased to exist. lO However, all the national central banks, that emerged from the republican head offices of the Soviet Gosbank, considered that they could still give credit in roubles (implicitly Soviet roubles). Yet, despite a very serious cash shortage, they did not print additional 'Soviet' rouble notes. (As mentioned above all printing 9 The price index for 1991 is not shown because in 1991 prices were still controlled. However, even the controlled prices doubled, roughly in line with the expansion of the money supply during that year. 10 After the attempted August coup a treaty on an economic and monetary union to be composed of 12 former republics was conc1uded and signed by some at Alma Ata. This treaty was never implemented and became irrelevant when the CIS was created in December of 1991. The economist Gregory Yavlinsky who had been nominated Prime Minister of the Union after the failed putsch was then de facta substituted by a proponent of the 'Russia first' approach, i. e. Egor Gaidar.
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presses were located in Russia). The Baltic republics and Ukraine announced immediately that they would introduce their own currency as quickly as possible. In fact this did not happen right away: Estonia started the process in late June and Ukraine followed only in November. However, these countries did start right away to print substitute roubles. In the meantime all former Soviet republics were thus in the strange situation that they still used the 'Soviet' rouble and their central banks continued to grant credit in roubles. In effect the old free rider problem continued. The main change with respect to 1991 was that after price liberalisation excessive credit expansion could (and did) show up quickly in higher prices. In a sense the free rider problem became even more acute than before since the states that intended to introduce their own currency anyway had no concern at all for a stable purchasing power of the rouble. This was (and is) different for Russia. Since Russia considered itselfto be the successor state to the dissolved USSR it wanted to keep the rouble and the government under Gaidar pledged to stabilise the economy with a tight monetary and fiscal policy in Russia. However, it recognised quickly that it could never succeed ifthe central banks ofthe other countries from the FSU could continue to issue credit in roubles. One solution would have been a monetary reform, i. e. simply to introduce officially a Russian rouble. However, this path was not used for political reasons. It would have, in effect, meant the breakup of the CIS. The problem for Russian policy-makers was therefore how to isolate Russia from the inflationary impact of rouble credit originating from other countries in the CIS. The solution adopted was to impose controls on the movements of bank accounts. 11 The Central Bank of Russia (CBR) decreed that all bank transfers to and from other former Soviet republics would have to pass through special correspondent accounts held by its headquarters in Moscow. The idea underlying this move was simple: if the CBR could ensure that there were no net movements of funds between Russia and the other former Soviet republics, credit emission in these countries could no longer affect the money supply in Russia. In this way Russia would be able to stabilise the rouble. In effect this measure was equivalent to the introduction of a Russian non-cash rouble. 11 Controls on the movements of bank accounts (i. e. non-cash in the Soviet terminology) are in principle not sufficient since emissions of substitute roubles (in the form of coupons, etc.) did mean that more rouble banknotes could co me back to Russia. But this effect had to be li mi ted. Once all rouble notes had concentrated to Russia there could be no further inflationary effect for Russia from the printing of coupons and other rouble substitutes in other countries ofthe FSU. Since the cash that was held outside Russia at the beginning of 1992 accounted probably for about 50 % of the total 'Soviet cash', substitute roubles could at most be responsible for a doubling ofthe cash component ofthe monetary base in Russia. Viewed against the alm ost ten-fold increase of cash (in Russia) during 1992 this effect could never have been the main cause of inflation.
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However, it might be more useful to view the correspondent account as controls on capital movements, especially export of capital from Russia, rather than an instrument to control the money supply in Russia. The move to impose controls on bank ac counts makes sense in the context of a highly distorted capital market where real interest rates are negative (official interest rates of 80-100 % p.a., inflation at 2,000 % p.a.) and where Russian agents would lend to the former Soviet republics in the expectation that the CBR would pay up in the end. This distortion in the capital market operates also in the domestic Russian capital market. As long as both the lender and the borrower are Russian there is no direct transfer to foreigners if capital market transactions take place at a distorted price. There is 'only' a large efficiency loss. However, if Russian lenders extend credit at a nominal interest rate of 100 % while inflation is running at 2,000 % (both per annum) over 90 % of the capital export represent a gift for the foreigners. This was the reasoning behind the slogan used by Russian politicians that foreigners were 'stealing' Russia's goodS. 12 Capital controls make sense only if one expects that in equilibrium there will be (net) capital exports. This assumption seems justified in the case of Russia because it was expected they would run more expansionary credit policies. Moreover, once Russia raised the prices for energy products all the other former Soviet republics were certain to run at least temporarily current-account deficits. 13 The equivalence between correspondent accounts and capital controls is not complete, however, in the sense that most countries that use capital controls also have restrictions on the export of cash. Otherwise foreign residents could just borrow from domestic banks, take the cash across the border and spend it there. This obvious loophole exists in the case of Russia, but it seems that it is not often used. The main impediment must be the lack of enforceability of cross-border loans. 14 While the rationale for the correspondent accounts was to allow Russia to stabilise the rouble, in reality this did not happen, as documented above. The main reason was that the government did not control the central bank which extended massive credit to state-owned enterprises. Moreover, the government deficit, after a promising start, continued to deteriorate. Given all these internal pressures for more credit emission the external contribution was no longer a policy priority at least for a while. This is why the system of 12 In analytical terms the domestic welfare loss is a 'triangle' but the welfare loss for the domestic economy if capital is exported is a 'rectangle'. Il The inter-enterprise arrears discussed below are one way in which these capital controls can be avoided. 14 It is widely known that there exists an informal enforcement system of 'racketeers' who charge a 30 % commission for their services.
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correspondent accounts was not really effective1y used (up to the end of 1992) to limit the surplus of Russia vis-a-vis the rest of the CIS. The correspondent accounts work as follows: Imagine an enterprise in Ukraine wants to pay an enterprise in Russia for a delivery of oil. It sends a 'payment order' to its local bank which in turn transmits the corresponding transfer order to the National Bank of Ukraine. In Kiev all transfer orders towards Russia (i. e. requests to transfer funds to pay for imports from Russia) are collected and sent periodically in large sacks to the 'international computing centre' in Moscow. This organisation, which is part of the CBR, collects also all the payment orders coming from Russian enterprises which want to pay for Russian imports. All payments from Ukraine (i. e. Ukrainian imports from Russia) are inscribed on the liability side ofthe correspondent account of Ukraine and Russian imports from Ukraine are put on the asset side. 15 At the start of the system the Central Bank of Russia gave each former Soviet republic, induding Ukraine, a line of credit. In principle each republic thus knew the maximum amount of debt it could accumulate and should thus have taken measures to reduce its deficit when it came dose to its limit. However, the initial credit lines were used up rather quickly. Ukraine had from the beginning a negative balance (or deficit) each period so that its debt towards Russia was growing all the time. Within two or three months many former Soviet republics had already reached their limit. At that point the CBR started to get tough. For each republic that had exhausted the credit line it processed each day only an amount of payments for imports of that republic equal to the amount ofthe payment order coming from the republic concerned. In principle, the system of correspondent accounts could have limited the surplus of Russia. In reality the situation was quite different for several reasons. First of all, at least for the Central Asian republics, the system started to work only in July 1992 in the sense that before that date the correspondent accounts simply recorded ex post the payments that were going on anyway. Before that date the correspondent accounts could thus not be used to iso1ate Russian monetary policy. Second1y, in the course of 1992 enterprises all over the FSU simply stopped paying each other. Especially in Russia this led three times to a massive accumulation of so-called 'inter-enterprise arrears'. Abrief parenthesis that provides an overall picture of this phenomenon will show why it had important implications for relations among the countries that used the rouble. 15
For a detailed description of the correspondent accounts, see Martinez-Mendez
(1993).
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The emergence of large amounts of inter-enterprise arrears is to some extent common to all post-socialist countries. However, it took a different dimension in the FSU and, in particular, in Russia. For example, in July of 1992 the stock of these inter-enterprise arrears in Russia was close to the GDP ofthe first half ofthe year. Since inter-enterprise arrears correspond to deliveries that were not paid this is equivalent to a situation where at one point of the chain that links production to consumption not hing at all was paid. In reality this was not the case, as most of the non-payments concerned direct deliveries among enterprises and obligations towards the government. During 1992 the accumulated stock of arrears was cleared twice within Russia and there are reports that the main net creditor was the government. This is not surprising given that the arrears arose principally among large, i. e. state-owned enterprises. At any rate the arrears, or net debt, that remained after the clearing process in Russia were covered by credits from the Russian Ministry ofthe Economy. In effect this measurejust recognised reality; i. e. that some enterprises had a debt towards the government (which in principle still owned them). This is just another expression ofthe fact that without effective bankruptcy procedures the Russian government was not able to force managers of state-owned enterprises to obey a 'hard budget constraint'. The Russian and other governments recognised this problem and tried to introduce hard budget constraints by decreeing that deliveries should only be made after payment (system of pre-payment). The same phenomenon occurred also in other former Soviet republics, but apparently on a much smaller scale. To some extent this might have been due to the better control governments in some of the smaller CIS countries had over their state-owned enterprises. But another factor must have been the readiness of the other central banks to extent credit to enterprises so that they could pay. At this point the reasons for the different scale of the interenterprise arrears problem in Russia and most other former Soviet republics are not crucial. But there were important repercussions for the system of correspondent accounts. Many more Russian enterprises did not pay for deliveries from other former Soviet republics than the opposite. This implies that the CBR would record a surplus for Russia even if trade were balanced because some of the imports of Russia would not lead to payment orders from the importing enterprises and would thus not appear on the correspondent accounts. There is an ongoing discussion between Russia and other CIS governments about the nature of this debt. The (reformist part of the) Russian authorities insists that this is just an affair between enterprises, not states. The other governments, assuming that they are net creditors vis-a-vis Russia, would like to treat these inter-enterprise arrears as state debt since most of it comes from Russian state-owned enterprises (which are only now privatised at a slow pace).
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Unfortunately, however, it was never possible to know to what extent the inter-enterprise arrears problem did really increase the surplus of Russia recorded on the correspondent accounts. No consistent data set on interstate arrears has ever been compiled. Oral statements by the leaders hip of the CBR have often implied that if the inter-enterprise arrears were accounted for the surplus of Russia would shrink considerably, far some countries to zero. The third, and most important reason, why the correspondent accounts did not really eliminate Russian capital exports was that the CBR was subject to immense press ure by Russian enterprises to grant the other CIS countries additional credit so that they could be paid for their deliveries (the rule to deliver only against pre-payment was apparently never enforced, at least not in interstate trade). Moreover, even if they had not yet delivered their goods, Russian enterprises were anxious not to lose this market for their products. The pressures from Russian interest groups reflect the fact that, in the short run at least, many markets were characterised by a sort ofbilateral monopoly: a Russian enterprise was the only supplier of certain products and enterprises in other former Soviet republics were the main demanders. U nder these conditions the equilibrium price is difficult to determine but both sides have little choice but to continue trading with each other. These internal pressures were probably the decisive forces that pushed the CBR to give the other CIS countries 600 to 700 billion roubles in 'technical credits' in the course of 1992. While this is only a small part of the overall credit expansion of the CBR during that period (the total is estimated at nearly 5,000 billion roubles) it was nevertheless a non-negligible factor in fostering the slide of Russia towards hyperinflation. 4. National non-cash roubles as a dual exchange rate regime It can now be seen that in the republics other than Russia the separation of the cash and non-cash circuits plays a central roie. If it were possible to exchange unlimited amounts of non-cash into cash, in any given country, enterprises would not wait for their transfers to go (and often not to go) through the correspondent accounts with the CBR. Instead they would just convert part of their bank accounts into cash and send the cash by plane to Moscow (or somewhere else in Russia) to pay far their Russian suppliers. 16 The non-Russian CIS countries would obviously not have been able to supply this (Russian) cash.
The separation of the cash and non-cash circuits outside Russia are thus necessary to safeguard some independence for the national central bank. 16
This is actually done quite often although it is against the law.
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Any national central bank that guaranteed to exchange its liabilities at 1 : 1 into (Russian) roubles (in the form ofbank notes) would defacto become a mere currency board. However, the separation of the two monetary circuits outside Russia is not perfect. Apparently the premium of cash over non-cash has seldom gone beyond 30 %. This implies that with the restrictions on the correspondent accounts with Russia the room for manoeuvre of national central banks is limited. If the Central Bank of Kyrgyzstan issues too much credit (of course only in non-cash form) enterprises in that country will try to import more. More payment orders will then be send to the CBR, which, once a certain limit has been attained will not accept them. Typically there will then be some non-price rationing. This implies that within Kyrgyzstan the premium of cash over non-cash will increase because enterprises could use cash to make payments with Russia. Households and enterprises will then try to convert non-cash into cash (at the official rate of 1 : 1) which they can do only at some cost (bribery, falsifying accounts, etc.). The fact that the premium of cash over non-cash has apparently (seldom) exceeded 30 to 50 % suggests that the national central banks in other former Soviet republics have not really tried to have an independent monetary policyY The official reason for the creation of the system of correspondent accounts was the need to isolate Russian monetary policy from the effect of 'irresponsible' credit policies, i. e. excessive 'rouble' emission, in other former Soviet republics. It was argued above that with an imperfect separation of the cash and non-cash circuits in the other republics the limits on the balance on the correspondent accounts imply constraints on domestic credit policies in the other former Soviet republics. Ex post the rate of credit emission in the other republics cannot therefore have been very different from that of Russia. It is not possible at this stage to verify whether this has been the case because no reliable data concerning credit expansion in the other former Soviet republics have been published. Central banks in a number of former Soviet republics have given repeated oral assurances that their rates of credit expansion have been below that of Russia but the data is usually kept confidential because it is important for negotiations with the IME The large deficits of all former Soviet republics vis-a-vis Russia do not constitute evidence to the contrary because One would expect the others first to TUn large deficits as Russia increases the price for oil and gas deliveries 11 In a certain sense the system of correspondent accounts combined with one cash money can be compared to a dual exchange rate system: a fixed exchange rate, 1 : 1, for one market (cash) and a floating rate (in terms of market access) for another market (non-cash transfers for imports). Gros (1988) shows that a dual exchange rate system cannot make monetary policy independent in the presence of imperfeet market separation.
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towards the world market level. It has been estimated that at the level of oil deliveries of 1988 the deficit in relation to output would be in the order of 2030 % of GDP (see for example Bofinger and Gros (1992) . Althought the quantities delivered by Russia have been much reduced in 1992 one would still expect that most republics have to run abilateral deficit with Russia even if their domestic credit policies are less expansionary than that of Russia. Kazakhstan is a good case in point. This country had a large deficit with Russia, but also a large surplus with the rest of the world, which at current exchange rates would be sufficient to cover its deficit with Russia. However, as long as Kazakhstan can obtain 'technical credits' (at a zero nominal interest rate!) from Russia it has no incentive to use its hard currency proceeds to buy roubles from Russia. This illustrates again that the main purpose of the correspondent accounts is to prevent capital outflows from Russia because credit is so grossly underpriced.
5. Towards a Multilateral Payments System: The Interstate Bank The system of correspondent accounts never worked satisfactorily. First of all, the correspondent accounts were bilateral, i. e. bilateral surplus es could not be offset against bilateral deficits. For Russia this did not matter greatly since it had surpluses with almost all former Soviet republics. As mentioned above the correspondent accounts with Russia became operationallast July. However, the full matrix of correspondent accounts was established only gradually so that interrepublican payments relations that did not involve Russia took for some time place in a sort of no-man's land. However, by the end of 1992 an almost complete matrix of bilateral correspondent accounts had been established. Given the bilateral nature of all these correspondent accounts there was a tendency to achieve bilateral balance, which in turn put further downward pressure on interrepublican trade. Russia has, of course, the most important position in interrepublican trade. But, data from 1988 (this is the latest reliable data) suggest that trade which does not involve Russia is still as important as trade with Russia. This is why a multilateral clearing system remains important. Section VI provides more quantitative evidence concerning the importance of multilateralism for the CIS. Secondly, there were never really any clear rules concerning the 'technical credits' the CBR gave to other countries, all of which (with one or two temporary exceptions) had a deficit vis-a-vis Russia. Some republics were allowed to run up (at times) substantial deficits. When the accumulated debit balance (on the CBR accounts) went above the level allowed for by the technical credit of the CBR the country concerned sent adelegation to
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Moscow to ask that the old account be closed. A new account was then opened (with a zero balance) and the balance on the old account became government debt that was, in effect, forgotten for a while and anyway eaten up rapidly by inflation. All 'rouble zone' countries thus had an incentive to run large deficits while they could and they were supported by the lobby of the Russian exporters which wanted to be paid for deliveries already made (or simply to keep the only markets they had for their products). Russia is now trying to recoup these old debts with interest. The condition for new credits from Russia is now that the other CIS countries sign a treaty in wh ich they pledge to repay the old debt, indexed on the dollar, starting in the late 1990s. It remains to be seen how much debt service will actually be forthcoming. However, towards the end of 1992 the CBR hardened its stance in several instances and refused to process payments in excess ofRussian imports. This led to a large accumulation of payment orders which had been sent to Moscow anyway so that an incredible number of sacks full of payment orders accumulated in the basement of the CBR in Moscow. In the case of Ukraine the accumulated amount seems to have exceeded 300 billion roubles by the end of October 1992; although this was 'only' about one billion dollar at the exchange rate of that period it represents about two months of Ukrainian exports to Russia and thus a non-negligible fraction of the Ukrainian national product. Thirdly, even at the practical level there were severe problems. The processing in Moscow seems to have taken sometimes rather long. And it seems that the results of the accounting done at the international computing centre of the CBR could often not be reconciled with the accounts of the sending national central banks in other CIS states. These drawbacks of the correspondent accounts were the background to the negotiations for the creation of an 'Interstate Bank' that were initiated by the Bishkek CIS summit of October 1992. Although the basis for the negotiations was an agreement on the constitution of areal rouble zone it became rapidly apparent that the only thing that could really be implemented was a multilateral clearing system. 18 Ouring the Minsk CIS summit of 22 January 1993 the heads of state and government signed an agreement on the creation of the 'Interstate Bank' (lB). The main function of this bank will initially be the management of a multilateral clearing and settlement system for the 10 (possibly 11) founding member states. 19 18 Our group, EES-AGIR, argued this point of view at the officiallevel and during the negotiations themselves. 19 The agreement was based on the proposal made by our group of advisors in OC,tober of 1992, see EES-AGIR (1992).
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The agreement also explicitly provides that other states outside the CIS can participate in the clearing system. These countries would simply open a 'correspondent account' with the Interstate Bank through which all payments to the participating countries would be routed. Countries that might be interested to participate in the clearing are the Baltics, Poland, Slovakia, Romania, India. The multilateral clearing system foreseen by the Minsk agreement would use the Russian rouble as the unit of account. 20 The actual clearing would be done daily on the basis of the international payment orders transmitted to the IB by the central bank of the importing country. The IB would then establish (on the basis of a summary document sent by the participating central banks) each day the net deficit or surplus of each country vis-a-vis the system. On the basis of this daily balance (a flow) a 'cumulative position' will be calculated which is defined the following way: at the end of the first day the cumulative position is equal to the deficit or surplus ofthat day (plus the initial or opening balance). For all following days the cumulative position at the end ofthe day is equal to the previous days' cumulative position plus (or minus) the daily surplus or deficit plus or minus the interest on the previous days' cumulative position. An important aspect ofthe system is that there is a limit on the cumulative deficit, or debtor position, a country can accumulate. The limit for the cumulative (debtor) position is equal to one month of export receipts (i. e. the imports from the country concerned that are declared to the IB by the other member countries).21 6. The importance of multilateralism
How important is the multilateral clearing to be provided by the IB? A tentative answer can be given based on the data on interrepublican trade flows in the FSU. BelowI use the (11 by 11) trade matrix ofthe bilateral trade flows between all CIS states and a smaller (10 by 10) matrix of the bilateral trade flows between all CIS states minus Russia. The only data that is available refers to 1987; but since these trade flows have been rather stable over time it is likely that the 1987 data should give a good picture of the 20 Artic1e 1.4 says that 'Settlements through the Bank shall be carried out in roubles emitted by the Central Bank of the Russian Federation.' 21 There remain some unresolved issues: i) How long will it be possible to use the rouble as the unit of account; i. e., at what rate of inflation in Russia is it necessary to index the balance in hard currency? And, ii) What amount of credit and under what conditions should be extended by the CBR to finance the deficits of the other countries? These issues will probably be addressed only once the IB has started to operate. EES-AGIR is advising CIS governments on these issues on a continuing basis.
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situation that prevailed in 1990 and 1991. A major conceptual problem concerns the prices at which to evaluate these trade flows. The original data is in the actual domestic rouble prices of 1987. However, for many commodities the price that was received by the FSU on 'the world market' is also available. I therefore evaluated all trade flows at 'export'22 prices. Russia is the only country with a surplus and all other CIS countries have a deficit with Russia. Information ab out actual trade flows within the FSU for 1992 is not available. However, the data on the Russian correspondent account indicates that Russia has a surplus with all other states. In this sense the 1987 data is not contradicted by the little we know about 1992. 23 One way to assess the impact of bilateralism is to assurne that all countries want to achieve a precise balance in all their bilateral relationships (within the CIS) and that the supply of exports is given in the short run. Under this hypothesis the amount of trade is determined mechanically by the lower value of either exports or imports. A second approach (used for example in Kaplan and Schleiminger (1989» just compares the sum of the (absolute value of the) bilateral balances to the sum of the overall (i. e. multilateral) balances. Both approaches are pursed below: (a) The effects 01 strict bilateral balancing Introducing a strict bilateral balancing requirement leads to the following results: i) IfRussia is included, trade go es down by about 25 % (from 167.7 to 125.9 billion roubles of 1987). This corresponds to a drop of about 7 % of the combined NMP of this group of 11 countries. 24 22 Import prices are also available. But if they are used the Russian surplus is much smaller. Probably because the FSU did not import oil so that the 'world import' price for oil is too low. 23 A further check on the usefulness ofthe 1987 data can be obtained by comparing it on a country by country basis with the partial data for 1993 that is already available from the bilateral correspondent accounts held by the Central Bank of Russia. This cannot be done in absolute numbers, since inflation makes it impossible to compare rouble figures over time. But one can still compare the deficit as a % of 1987 trade to the one that obtained in the first quarter of 1993. If one compares these two sets of numbers the correlation is quite high (the R-2 is above 80 %, in a cross section regression if one uses a dummy for Tajikistan, which is in a civil war). The 1987 data should thus be a reasonable guide. 24 Unfortunate1y it is not possible to evaluate NMP at world market prices. The denominator is thus not stricdy comparable with the nominator. Reevaluating NMP at world prices is likely to increase the NMP ofRussia and reduce that of other CIS countries. The loss for Russia should thus be a somewhat smaller proportion ofNMP than the 8.6 % indicated in the print-out, and the losses of the other former Soviet republics should be a somewhat larger proportion of NMP.
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I will disregard this result because most of the reduction in trade is due to the elimination of the surplus of Russia (about 8 % of Russian NMP) with everybody else.1t is necessary to abstract from the impact ofthis reduction in the deficits of the other countries if one wants to look just at the effect of multilateral versus bilateral clearing since these deficits cannot be sustained under any regime. If one wants to look at the impact of bilateralism one has to eliminate the influence of this Russian 'structural' surplus (while still assuming strict bilateral balancing). There are two ways to do this: ii) One way is just to eliminate Russia from the trade matrix. If Russia is excluded from the trade matrix, strict bilateral balancing implies that trade (among the 10 remaining CIS countries) go es down by ab out 30 % (from 28.9 to 19.8 billion roubles of 1987). This is still about 4 % ofthe combined NMP of this group of 10 states. (The NMP of the CIS without Russia is about 225 billion roubles of 1987.) In this case the benefits for Russia are, by definition, equal to zero. In this case some surpluses and deficits (not involving Russia, of course) still exist. However, they are much more dispersed and a much smaller proportion of trade. They would thus probably be sustainable. This case is thus more likely to give an idea of the potential gain through the IB if Russia were not a member. iii) A second way to eliminate the influence of the Russian structural surplus is to assurne that Russia has an overall balance with the other 10 countries and that this balance is achieved through a reduction in Russian exports that is the same in proportional terms for all countries. Russia would then still have some bilateral deficits and some surpluses. One can then compare the hypothetical strict bilateral balancing to this other hypothetical situation which requires only overall balancing (for Russia). The result of this exercise was that strict bilateral balancing re duces trade by about 20 billion roubles compared to the situation where Russia has to have only an overall balance. This is 3.3 % of the overall NMP of the CIS. However, the gains are very unevenly distributed: for Russia the gain is only 1.5 % ofNMP, for the other 10 CIS countries the gain is, on average, 6.5 % of NMP. Do the 4 to 6.5 % of NMP represent a reasonable range? Of course these numbers just indicate an order of magnitude. Both the nominator (trade) and the denominator (NMP) have already contracted strongly. If some smaller (overall) deficits can be financed temporarily, trade with Russia would also be affected and more trade could be sustained. However, if absolutely no imbalances can be financed the gain would be smaller. (b) Overall imbalances versus bilateral imbalances
The approach just looks at the sum of the (absolute value of the) imbalances in trade. Under bilateralism the bilateral imbalances 'matter' 11'
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while under multilaterism only the overall (or multilateral balance) 'matters'. 'Matters' in this context means that deficits have to financed so that the imbalances determine the need for reserves. If one uses this approach there is no problem anymore with the Russian surplus since one looks only at the difference between the two sums. For the CIS this yields the following result (using the same source as above): the sum of the (absolute value of the) bilateral imbalances was 83.6 billion roubles while the sum ofthe multilateral imbalances (within the CIS) was 65.9 billion roubles. The ratio of these two numbers is about 1.3 and the difference is equivalent to about 3 % of the NMP of the CIS. These two exercises suggest that the IB would make it much easier to sustain a volume of trade that is between 4 and 6.5 % of the NMP of the 'peripheral' IB members and about 3 % on average (including Russia) using the second approach. Russia would gain much less; about 1.5 % of GDP using the first approach. In relative terms this result is not surprising. It was always clear that Russia was not going to be the prime beneficiary of the multilateral clearing. However, the somewhat surprising result comes in the magnitude of the potential gains calculate here. Are these potential 'gains' large? Under ordinary circumstances a gain of several percentage points of GDP would be considered very large. For example, the gains expected from the internal market programme of the EC are of a similar order of magnitude. A more relevant comparison might be with the EPU. While a direct comparison is not possible there are strong indications that the gain from the IB should be much bigger than the gain from the multilateral clearing done by the EPU. One way to gauge the importance of the IB relative to the European experience is to use the data on intra EC12 trade for 1958. Data for 1958 is a good starting point for a comparison between the EPU and the intra-CIS trade since at that time trade was already multilateral (as it was presumably within in the FSU). The intra-EC12 (conveniently also a 11 by 11 matrix because of the UEBELUX) trade matrix shows the following: a pure bilateral constraint (see approach (a) above) implies that trade is reduced about 20 %, equivalent to 0.3 % of GDP. In terms of GDP this is about 10 times less than for the CIS. Using approach (b) the result is similar in one respect, but different in another. The sum of the bilateral (im)balances is 3,670 million of US$ whereas the sum of the overall (im )balances is only 1,606. In relative terms the multilateral clearing is thus more important: it reduces the sum of the (im)balances to one third. This is much more than the reduction of 30 % achieved for intra-CIS trade. However, the difference in the sum of imbalan-
The Interstate Bank
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ces is only 0.4 % ofthe EC12 GDP. Again about 7 to 10 times less than for the CIS. The IB should thus make a substantial contribution to the CIS economies. The overall fall in output caused by the transition process (and policy errors) is often estimated at around 20 %. Eliminating one fourth or one fifth of the overall dec1ine would already be a substantial contribution. Moreover, this positive effect can be had at a very low cost. It does not require a successful stabilisation programme supported by hundreds of millions (in the case of the peripheral CIS countries) ofECUs from the West. The gain for Russia is modest, but still non-negligible. The estimates of the gain from multilateralism presented here are based on past intra-FSU trade data. It is weIl known that in the long run this trade will diminish sharply. Gros and Dautrebande (1992) estimate that in the long run most FSU states will conduct only less than 20 % with each other (as opposed to the 80 % in the past). The results based on 1987 data thus clearly overstate the importance of intra-FSU trade in the long run and some adjustment might already have taken place. The real question is, however, whether this adjustment takes place gradually within an environment in which firms choose to shift their exports in response to market forces, or whether entire markets are suddenly cut off by the lack of a multilateral payment system. Even if one assurnes that the shift away from the old trade patterns would anyway have led 'naturally' to areduction of intra-FSU trade by 50 % (within one year), the potential contribution of the IB would still be much more important in terms ofpercentages of GDP than the EPU.
7. Policy options
What policy options do the CIS states have at this point? Before approaching this question it might be useful to discuss briefly the options that were available at the beginning of 1992, but that were in fact not used. Gros (1991) already argued that from a long run perspective the (then still existing) Soviet Union was not an optimal currency area. From this long run perspective there was no reason to try to preserve the rouble zone in 1992. Most CIS governments had the impression that the IMF preferred this course of action until the summer of that year. IMF representatives have repeatedly denied that this impression corresponded to reality. However, even if one favours the dissolution ofthe (incomplete, as shown above) rouble zone, an orderly divorce would still have been preferable to the mess that was created in 1992. Simple rules for an orderly transition were already proposed during two high-level conferences in January and Febru-
166
Daniel Gros
ary of 1992. 25 However, they were not implemented because there was no trust among CIS states and because they would anyway not have been able to observe even simple rules concerning monetary expansion for domestic political reasons. Under (the perceived) pressure from the IMF most CIS countries signed, as la te as May 1992, an agreement to create ajoint central bank council that would determine credit expansion for the entire area and take decisions on all relevant monetary policy instruments (interest rates, minimum reserves, foreign exchange interventions, etc.). However, that agreement was never implemented. That there was never any intention to do so be comes clear from the fact that one article stipulated that the decisions of the joint central bank council would be binding only on those members that agreed to be bound. The key issue that made (and still makes) an agreement on ajoint central bank impossible is the voting power attributed to each state. Russia insists for obvious reasons on a formula that links voting power to size or economic strength whereas the CIS states ins ist on the principle 'one state, one vote'.26 The realisation that it was not possible to re ach a workable compromise on the decision making mechanism for a common central bank was probably the decisive factor that showed that it was not possible to establish a joint monetary policy authority even for a smaller grouping of states that did want to keep the rouble. The Baltics and Ukraine have already explicitly chosen to introduce their own national currency. The other CIS countries have implicitly (for the long run) also chosen that option. In practice they have already 'quasi' national currencies. This process is likely to continue. In the me anti me the problem of bilateralism will not go away. If all the new currencies and the Russian rouble were convertible the problem would be solved. However, this is not the case now and is unlikely to be the case soon. Hence the need for a multilateral payments and clearing mechanism. The Interstate Bank approved in Minsk should perform the multilateral clearing. However, the question remains of how to settle the resulting (multilateral) balances. Full immediate settlement in hard currencies is impossible for most former Soviet republics. This is why a payments union has been recommended in a number of contributions (see Bofinger and Gros (1992), Dornbusch (1992) and Gros (1992». The most realistic option at this point is thus the creation of a payments union based on partial hard currency settlement of multilateral balances. For a summary see Gros and Pisani-Ferry and Sapir (1992). In the Community it was possible to agree on the principle of 'one state, one vote' for the future European Central Bank because the disparities in size are sm aller as there are four states of comparable size and because the national appointees are supposed to aim at a common problem: to keep the European currency stable. 25
26
The Interstate Bank
167
Such a payments union could arise from the multilateral clearing mechanism in Russian roubles that was agreed in Minsk. All that would be needed is to index the cumulative balances to hard currencies and to introduce partial hard currency settlements. As in the EPU the proportion of overall deficits and credit to be settled in hard currency should then be an increasing function of their size. If imbalances accumulate the payments union would over time lead to full hard currency settlement and would thus be equivalent to full convertibility. Bibliography Bofinger, Peter (1990a): "The Role of Monetary Policy in the Process of Economic Reform in Eastern Europe", CEPR Discussion Paper No. 457, London. Bofinger, Peter (1990b): "A Multilateral Payments Union for Eastern Europe" , CEPR Discussion Paper No. 458, London. Bofinger, Peter and Daniel Gros (1992): "A Soviet Payments Union: Why and How", Centre for European Policy Studies, CE PS Working Papers, No. 60, Brussels, January; also published as CEPR Discussion Paper No. 654. Commission of the European Communities (1990b): "Stabilization, Liberalization and Devolution: Assessment of the economic situation and reform process in the Soviet Union", European Economy, No. 45, December. Dornbusch, Rüdiger (1992): "A Payments Mechanism for the Soviet Union and Eastern Europe" , in Inter-state Economic Relations in the Former Soviet Union, Daniel Gros, Jean Pisani-Ferry and Andre Sapir (eds.), Centre for European Policy Studies, (CEPS) Working Document No. 63, Brussels, May. EES-AGIR (1992): "Towards a Multilateral Payments System for the FSU - A Two Step Approach", Center for European Policy Studies (CEPS), manuscript, October. Green, J oshua and Peter Isard (1991): "Currency Convertibility and the Transformation of Centrally Planned Economies", International Monetary Fund, Occasional Paper No. 81, Washington D.C., June. Gros, Daniel (1988): "Dual Exchange Rates in the Presence of Incomplete Market Separation: Long Run Ineffectiveness and Implications for Monetary Policy", IMF, Staff Papers, Vol. 35, No. 3, pp. 437-460. Gros, Daniel (1991): 'Cost and Benefits of Economic and Monetary Union: an application to the Soviet Union', International Economics Research Discussion Paper 74, Katholieke Universiteit Leuven. Gros, Daniel (1992): "A Multilateral Payments Mechanism for Eastern Europe", Centre for European Policy Studies, CEPS Working Papers, No. 59, Brussels, January. Gros, Daniel and Berenice Dautrebande (1992): "International Trade of the Former Soviet Republics in the Long Run", Centre for European Policy Studies, CEPS Working Document No. 71, Brussels, July.
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Wechselkurspolitik in den osteuropäischen Reformstaaten: Erste praktische Erfahrungen Von Hans-Peter Fröhlich, Köln Der Übergang von der Kommando- zur Marktwirtschaft in den Reformstaaten Osteuropas erfordert unter anderem eine völlige Neuordnung des Geld- und Währungswesens. Mehr noch: Die Währungsreform ist eine Voraussetzung für die Wirtschaftsreform (Filc/Winkler, 1991, 175). Dazu gehört nicht zuletzt eine realistische Wechselkurspolitik. Die Regierungsverantwortlichen in allen Transformationsstaaten haben dieses Erfordernis erkannt und gleichzeitig mit der außenwirtschaftlichen Öffnung ihrer Länder ein marktadäquates Wechselkursregime installiert. Inzwischen ist eine hinreichend große Zeitspanne verstrichen, um erste Erfahrungen mit der neuen Wechselkurspolitik zu sammeln. Diese darzustellen und zu bewerten ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Es handelt sich dabei bewußt um eine im wesentlichen empirische Arbeit, die die währungs- und wechselkurstheoretischen Grundsatzfragen weitgehend ausklammert; diese sind anderenorts ausführlich abgehandelt. 1 Lediglich im ersten Abschnitt wird in kurzen Zügen die theoretische Seite der neuen Wechselkurspolitik angesprochen, um einen Aufhänger und Beurteilungsmaßstab für die nachfolgende empirische Darstellung zu erhalten. Die Arbeit basiert auf dem Datenstand bis Ende 1992 und beschränkt sich auf die fünf kleineren Staaten des ehemaligen Ostblocks (Bulgarien, ExCSFR, Polen, Rumänien, Ungarn) sowie die frühere Sowjetunion bzw. die Republik Rußland als deren Rechtsnachfolger. Nur für diese Länder ist hinreichendes statistisches Material verfügbar und scheint dieses leidlich verläßlich. Für die in jüngster Zeit neu gegründeten Staaten der Region, beispielsweise im Baltikum oder auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, scheitert einstweilen jeder Versuch der empirischen Erfassung der Wechselkurspolitik bereits an der Datenlage. Hinzu kommt, daß in diesen Fällen der Zeitraum seit Reformbeginn durchweg zu kurz ist, um zu sinnvollen Aussagen zu gelangen. 1 Vgl. dazu u.a. beispielsweise Williamson (1991), Fröhlich (1992), Hamacher (1992), Borensztein und Masson (1993).
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1. Ausgangslage zu Reformbeginn
Zu Zeiten der früheren Kommandowirtschaften in Osteuropa waren die nationalen Währungen reine Binnenwährungen. Ihr Gebrauch war auf das Inland begrenzt; im Ausland waren sie wertlos. Der Besitz von Fremdwährung war im Rahmen des öffentlichen Valutamonopols auf staatliche Stellen beschränkt. Es existierte kein - zumindest kein legaler - Devisenmarkt, an dem sich der Außenwert der Inlandswährung nach Marktkriterien bestimmt hätte. Vielmehr legten die Währungsbehörden im Einklang mit der zentralstaatlichen Planungsphilosophie willkürlich den Wechselkurs ihrer Währung gegenüber westlichen Währungen fest. Dabei operierten die einzelnen Länder durchweg mit einer Mehrzahl unterschiedlicher Parallelkurse je nach Verwendungszweck (z. B. offizieller Kurs, Handelskurs, Touristenkurs). Der ökonomisch im besonderen Maße relevante Handelskurs (commercial rate), der für die praktische Abwicklung des Außenhandels benutzt wurde, war seinerseits häufig nicht uniform. 2 Die im Zuge des marktwirtschaftlichen Transformationsprozesses beabsichtigte stärkere Integration der osteuropäischen Volkswirtschaften in die internationale Arbeitsteilung setzt zwingend eine realistischere Wechselkurspolitik voraus. Zum einen stellt nur ein marktgerechter Wechselkurs sicher, daß die sich neu herausbildenden relativen Preise tatsächlich Knappheitspreise sind, d. h. die Opportunitätskosten der Produktion im Inland adäquat reflektieren und auf diese Weise allokative Fehlentwicklungen bei der Neuausrichtung der Produktionsstruktur vermieden werden. Zum anderen ist der Wechselkurs potentiell eine wichtige Politikvariable zur Einflußnahme auf den Verlauf des Transformationsprozesses. Über seine Wirkung auf die Terms of Trade bzw. den relativen Preis von tradeables und nontradeables geht er unmittelbar in die Verhaltensfunktionen der dezentralen Entscheidungsträger ein und bestimmt so die Entwicklung der makro öko nomischen Aggregate mit. Vor diesem Hintergrund sahen sich die Reformstaaten bezüglich der Ausgestaltung ihrer Wechselkurspolitik insbesondere mit vier Weichenstellungen konfrontiert: Zusammenführung der früher existierenden unterschiedlichen Kurse zu einem einheitlichen Wechselkurs, der für alle Fremdwährung involvierenden Transaktionen verbindlich ist. Entscheidung für ein bestimmtes institutionelles Wechselkursregime (vulgo: feste versus flexible Kurse). Hier kommen im Prinzip all die Überlegungen zum Tragen, die aus der Währungstheorie der letzten 25 Jahre bekannt sind. Im speziellen Kontext der Reformstaaten mögen 2 Stattdessen wurde mit einem differenzierten System sogenannter Konversionsfaktoren gearbeitet, die gegenüber einer bestimmten Auslandswährung faktisch unterschiedliche Wechselkurse je nach Warengruppe oder Transaktionsart implizierten.
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einzelne Argumente jedoch durchaus ein anderes Gewicht haben. So ist es etwa für staatliche Behörden angesichts rascher Veränderungen sowohl von Preisniveau als auch -struktur noch schwieriger als sonst, bei einem Festkurssystem ein angemessenes Kursniveau zu bestimmen. Andererseits legt gerade die enorme Unsicherheit in der Anfangsphase des Transformationsprozesses den Gedanken nahe, über ein möglichst starres wechselkurspolitisches Bindeglied gegenüber dem Ausland die binnenwirtschaftliche Entwicklung zu stabilisieren. Festlegung eines bestimmten Wechselkursniveaus, falls die Entscheidung zugunsten eines Regimes fester Kurse gefallen ist. Dabei gilt es unterschiedliche Kriterien zu berücksichtigen. Ein relativ niedriger Außenwert (Unterbewertung) erhöht tendenziell die internationale Wettbewerbsfahigkeit der inländischen Wirtschaft, birgt andererseits jedoch die Gefahr eines beschleunigten Inflationsimports und impliziert ein niedriges Realeinkommensniveau. Sofern die Unterbewertung zu einer Handels- bzw. Leistungsbilanzaktivierung beiträgt, konterkariert sie gleichzeitig das Ziel eines Nettokapitalimports. Ein hoher Außenwert (Überbewertung) der Inlandswährung andererseits ermöglicht inländischen Unternehmen relativ günstigen Zugang zu modernen ausländischen Produktionsmitteln und fördert insoweit die Umstrukturierung der Wirtschaft, allerdings um den Preis einer Dämpfung der Auslandsnachfrage und davon ausgehenden Belastungen für die inländische Konjunktur. Festlegung von Verhaltens regeln für den Fall, daß sich mit fortschreitendem Verlauf des Transformationsprozesses die ursprünglichen wechselkurspolitischen Grundsatzentscheidungen als nicht angemessen erweisen sollten. Jede unnötige Verzögerung der gebotenen Kurskorrektur würde dann - in Analogie zum Europäischen Währungssystem weitere Folgeprobleme produzieren. Zu frühes Abweichen von einem einmal eingeschlagenen Weg könnte umgekehrt leicht als Prinzipienlosigkeit der Währungsverantwortlichen interpretiert werden und gegebenenfalls die Glaubwürdigkeit des Reformprozesses insgesamt untermimeren. Hier jeweils die richtigen Antworten zu finden, ist für die verantwortlichen Entscheidungsträger eine enorme Herausforderung. An wohlmeinenden Ratschlägen aus dem westlichen Ausland hat es nicht gefehlt. Ein externer Beobachter wird jedoch konzedieren müssen, daß es für die meisten wechselkurspolitischen Probleme keine eindeutigen Lösungen gibt. Was sich in dem einen Land als angemessen erweist, mag in dem anderen durchaus unpraktikabel sein - je nachdem, wie sich die wirtschaftliche Ausgangslage und die institutionellen Rahmenbedingungen darstellen und wie der gesamte Reformprozeß in seiner politischen, sozialen und ökonomischen Komplexität abläuft.
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Tatsächlich zeigt sich beim Blick auf die bisher erfolgte Wechselkurskpolitik in den einzelnen Reformökonomien ein stark differenziertes Bild. Jedes Land hat letztlich - teilweise in einem längeren trial-and-error Prozeß seinen eigenen Weg in der Wechselkurspolitik finden müssen. 2. Entwicklung der nominalen Wechselkurse
Eine länderübergreifende Gemeinsamkeit in der Wechselkurspolitik besteht insoweit, als alle Staaten der Region einen einheitlichen Wechselkurs eingeführt haben. In Ungarn geschah dies sogar schon zu Beginn der 80er Jahre, in den meisten übrigen Staaten mit Beginn des ernsthaften marktwirtschaftlichen Transformationsprozesses in den Jahren 1990 und 1991. Als letztes gab Rußland Mitte 1992 den gespaltenen Wechselkurs auf. Eine zweite Gemeinsamkeit ist, daß alle sechs Länder kurz vor Beginn oder zeitgleich mit der außenwirtschaftlichen Liberalisierung eine scharfe Abwertung ihrer Währungen vornahmen (Tabelle 1). In einigen Fällen geschah dies auf einen Schlag, in anderen in mehreren kurz aufeinanderfolgenden Schritten. In Polen und Bulgarien beispielsweise ergab sich auf diese Weise eine Abwertung der Landeswährung von rund 80 Prozent; beim russischen Rubel waren es sogar 98 Prozent. Relativ moderat fiel die Abwertung lediglich in Ungarn aus. Allerdings war der Forint im Zuge der länger zurückreichenden ungarischen Reformbestrebungen schon in den Vorjahren sukzessive auf ein marktnäheres Niveau heruntergeschleust worden. Tabelle 1: Abwertung zu Beginn der Reformen
Land
Zeitpunkt/-raum
Polen CSFR Ungarn Bulgarien Rumänien Frühere SU
Okt. 89/Jan. 90 Okt./Dez.90 Januar 91 Februar 91 Feb./Nov. 90 Januar 92
Abwertungssatz in vH 81
40
15 80
60
98
Quelle: eigene Zusammenstellung.
Ziel war es dabei, die auf der Basis des alten offiziellen Wechselkursniveaus gegebene Überbewertung gegenüber westlichen Währungen zu korrigieren - in der Absicht, die Exporttätigkeit zu stimulieren, die Importnachfrage zu drosseln und so die Handelsbilanz zu stabilisieren. Die damit
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173
verbundenen Inflationsrisiken mußten zwangsläufig in Kauf genommen werden. Das gleiche gilt für den negativen Terms of Trade Effekt. Die Kaufkraft der Masseneinkommen in den Reformländern lagen, gemessen an westlichen Konsumgütern, nach Beginn der wechselkurspolitischen Neuorientierung auf einem extrem niedrigen Niveau. Damit sind die wechselkurspolitischen Parallelen zwischen den einzelnen Ländern weitgehend erschöpft. Spätestens bei der Wahl des Wechselkursregimes trennten sich die Wege. Während die drei mitteleuropäischen Länder Polen, CSFR und Ungarn im Grundsatz für ein Regime fester Kurse optierten, lassen Bulgarien, Rumänien und inzwischen auch Rußland ihre Währungen gegenüber westlichen Devisen floaten. Diese ordnungspolitische Grundentscheidung hat die nominale Entwicklung der Wechselkurse in der Folgezeit starkt präjudiziert. Während der vergangenen drei Jahre weist das mitteleuropäische Trio mit Abstand den stabilsten Wechselkursverlauf auf. Demgegenüber haben die Länder mit prinzipiell flexiblem Wechselkurs sämtlich einen ausgeprägten, teilweise sogar dramatischen Verfall des Außenwerts ihrer Währung registriert (Abbildung 1). Im Vergleich zum 4. Quartall989 - dem letzten Vierteljahr vor Beginn des allgemeinen Reformprozesses - als gemeinsame Referenzbasis stellt sich die Entwicklung für den russischen Rubel mit Abstand am ungünstigsten dar: Er besaß, gemessen am US-Dollar, Ende 1992 gerade noch reichlich ein Promille seines seinerzeitigen Wertes (400 respektive 0,6 RubellUS-Dollar). Die geringste kumulierte Abwertung in dem genannten Dreijahreszeitraum weist der ungarische Forint mit rund einem Viertel auf. Die insgesamt beeindruckendste Stabilitäts-Performance verkörpert jedoch die tschechoslowakische Krone. Seit dem eigentlichen Beginn der Reformen zum Jahresanfang 1991 konnten die Behörden in Prag an dem gewählten nominalen Wechselkurs von ca. 28 Kronen/US-Dollar festhalten. Im Laufe des Jahres 1992 stand die Krone am Devisenmarkt zeitweise sogar unter leichtem Aufwertungsdruck. Die beobachtete Koinzidenz von Festkurssystem und relativ geringer nominaler Abwertung ist theoretisch nicht zwangsläufig. Auch in einem Floatingregime ist prinzipiell im längerfristigen Trend ein relativ stabiler Kursverlauf denkbar, wenngleich womöglich bei stärkeren kurzfristigen Schwankungen. Daß in den osteuropäischen Reformstaaten stattdessen "Floating" und "Kursverfall" beinahe Synonyme sind, macht deutlich, daß die Wechselkurspolitik nicht isoliert gesehen werden kann. Eine Währungsstabilisierung nach außen kommt überhaupt nur bei relativ stabilen monetären Verhältnissen im Inneren in Frage. Die Länder, die für ein Floating votierten, taten dies offenbar vor dem Hintergrund einer hohen heimischen Geldentwertung. Der fortgesetzte Verfall des Außenwerts ihrer Währung war dann die unausweichliche Folge.
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Nominale Wechselkurse Nationale Währungseinheiten je US-Dollar - Index Q4/1989 = 100 100000
.... es .... H
..... PL
"'*" BG -e-RO
10000
-FSU
10
04 01
19891
02 03 04 01 1990
1
02 03 04 01 1991
Ouelle: IMF, Deutsche Bundesbank, PlanEcon.
Abbildung 1
1
02
03
1992
04
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175
Diese These wird gestützt durch die Gegenüberstellung der Wechselkursentwicklung der einzelnen Länder mit ihrer jeweiligen Inflationsrate (Abbildung 2). Der Tendenz nach zeigt sich eine eindeutige Korrelation dergestalt, daß mit steigender kumulierter Abwertungsrate auch der Anstieg des inländischen Preisniveaus zunimmt. Nur Polen und Rumänien scheinen hiervon eine Ausnahme zu bilden. Während beide Länder im Zeitraum Q4/89 bis Q4/92 insgesamt einen annähernd gleich starken Preis anstieg verzeichneten, verlor der polnische Zloty lediglich gut drei Viertel seines Wertes, der rumänische Leu dagegen fast 97 Prozent. 3 Der Befund einer Parallelität von externer und interner Währungsstabilität kann nicht überraschen. Auch die osteuropäischen Transformationsstaaten unterliegen der bekannten engen inneren Wechselwirkung zwischen Binnen- und Außenwert einer Währung, die sich als vicious circle (Abwertungs-Inflations-Spirale) oder als virtuous circle (Aufwertungs-StabilitätsSpirale) manifestieren kann. Für die Wahl des Wechselkursregimes heißt dies: Offenbar waren nur diejenigen Staaten in der Lage, einen festen wenn auch veränderbaren - Wechselkurs nach außen durchzuhalten, die sich klar und nachdrücklich auf eine Politik der Preisstabilität festgelegt hatten. Umgekehrt: Um das gewünschte Maß an Inflationsresistenz im Inneren auch tatsächlich zu etablieren, waren sie auf einen externen Anker in Form des fixierten Wechselkurses angewiesen. Insoweit reflektiert die Entscheidung für oder gegen ein Fixkursregime im Transformationsprozeß letztlich den Grad an Stabilitätspräferenz in dem betreffenden Land. Daran knüpft die Frage an, warum gerade die drei mitteleuropäischen Reformländer Polen, es FR und Ungarn für Währungsstabilität nach innen wie nach außen votiert haben, die übrigen Staaten der Region jedoch nicht? Zunächst fällt auf, daß das mitteleuropäische Trio auf dem Reformweg insgesamt mit Abstand am weitesten vorangeschritten ist. Alle drei Länder hatten zudem von Beginn des Reformprozesses an eine enge Anbindung an die Europäische Gemeinschaft gesucht bis hin zur Perspektive der Vollmitgliedschaft gegen Ende dieses Jahrzehnts, was eine möglichst frühzeitige Konvergenz mit den westlichen Volkswirtschaften voraussetzt. Umgekehrt trafen Polen, die eSFR und Ungarn jeweils aus unterschiedlichen Gründen im Westen auf ein besonderes Maß an good will und Hilfsbereitschaft. 4 Nicht 3 Der Unterschied liegt zum Teil an den hier zugrunde liegenden kumulierten Veränderungsraten. Der Großteil des gesamten Preisanstiegs in Polen fand in der Anfangsphase der Reformen statt; in Rumänien war es genau umgekehrt. Insofern bestätigt sich zumindest am aktuellen Rand auch für diese beiden Länder die hohe Korrelation zwischen interner und externer Währungsstabilität. 4 Speziell in bezug auf die angestrebte Wechselkursfixierung äußerte sich dies beispielsweise darin, daß Polen als Vorreiter der osteuropäischen Entwicklung von den Industriestaaten umfangreiche Kreditfazilitäten zur Stabilisierung des Wechselkurses eingeräumt bekam.
I
~ $-Wechselkurs
Abbildung 2
D Preisniveau
Stand 04/1992. Quelle: IWF, PlanEoon; nationale Quellen.
1000 I
10000
100000
~
- Indizes Q4/1989 = 100-
"-AII
Externe und interne Währungsstabilität
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~ .... (1) .... 'Tl ....
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zuletzt dadurch verfügten die drei Länder über eine leidlich hohe Devisenreserve in der Ausgangssituation. Entscheidend ist letztendlich das Ergebnis. Alle drei mitteleuropäischen Länder: waren in der Lage, zumindest prinzipiell an ihrer Festkursstrategie festzuhalten und mußten in den zurückliegenden drei Jahren allenfalls relativ moderate diskretionäre Abwertungen ihrer Währungen vornehmen. Das gilt jedenfalls im Vergleich zu Bulgarien, Rumänien oder Rußland, wo sich eine interne und/oder externe Währungsstabilisierung derzeit noch nicht andeutet. Diese Länder scheinen noch immer in einer sich rasch drehenden Abwertungs-Inflations-Spirale gefangen. 5 Entsprechend kann von einer gezielten Wechselkurspolitik dort kaum die Rede sein. Von daher beschränken sich die weiteren Ausführungen auf die drei mitteleuropäischen Reformökonomien und die von ihnen verfolgte wechselkurspolitische Strategie. 3. Festkursregime in Polen, Ungarn und der CSFR Während Polen, Ungarn und die CSFR im Vergleich zum Rest der Region wechselkurspolitisch als relativ homogene Gruppe erscheinen, zeigen sich bei genauerer Betrachtung ganz erhebliche länderspezifische Unterschiede. Das gilt sowohl für die inzwischen getätigten praktischen Erfahrungen als auch für den jeweils verfolgten prinzipiellen Ansatz, der wiederum von der Ausgangslage des jeweiligen Landes abhängig ist. In Polen war die Festkursstrategie ein zentraler, von den Politikverantwortlichen gegenüber der Öffentlichkeit bewußt in den Vordergrund gerückter Bestandteil des zum Jahresbeginn 1990 in Kraft getretenen umfassenden Reformprogramms (Balcerowicz-Plan). Der neue Wechselkurs von 9.500 Zloty/Dollar sollte die Erwartungen des Publikums stabilisieren und als nominaler Anker für alle inländischen monetären Größen dienen. Den Hintergrund für diesen Schritt bildete das sich zuspitzende monetäre Ungleichgewicht in den 80er Jahren. Nachdem sich gegen Ende des Jahrzehnts der Preisauftrieb immer stärker beschleunigt hatte, war 1989 fast eine Hyperinflation erreicht. Entsprechend desolat stellte sich die Entwicklung des Zloty-Außenwerts dar. Infolge mehrerer Abwertungen war die polnische Währung 1988, in Dollar gerechnet, nur noch ein Zehntel so viel wert wie 1980. Im Laufe des Jahres 1989 verlor der Zloty dann erneut neun Zehntel seines DollarGegenwerts. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten, durch monetäre 5 Auf Bulgarien trifft diese Aussage nur bedingt zu. Der Kurs des Lew blieb im lahresverlauf 1992 weitgehend stabil. Die Inflationsrate lag nach Angaben der OECD (1992, 123) jedoch bei 90 Prozent und dürfte auch in der näheren Zukunft nicht wesentlich zurückgehen. Von daher scheint sich ein neuerlicher Kursverfall des Lew anzubahnen.
12 FiIcJKöhler
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Restriktion im Inland die Abwertungs-Inflations-Spirale zu durchbrechen, schien der Wechselkursanker die vielversprechendste, vielleicht die einzige Chance zur monetären Stabilisierung. Die CSFR befand sich auf monetärem Gebiet in einer günstigeren Ausgangsposition. Statt durch Instabilität war das Geld- und Währungswesen durch ein hohes Maß an interner Disziplin gekennzeichnet. Andererseits war die CSFR-Wirtschaft stärker als die übrigen osteuropäischen Volkswirtschaften zentral gelenkt. Entsprechend geringes Gewicht hatte der Privatsektor. Daher setzten die tschechoslowakischen Behörden beim Übergang von der Kommando- zur Marktwirtschaft ebenfalls auf einen externen Anker in Form eines fixierten Wechselkurses. Im Gegensatz zu Polen banden sie den Wert der Krone jedoch nicht an eine einzelne ausländische Devise, sondern an einen Korb mit fünf Währungen. Das höchste Gewicht darin hatte die D-Mark mit annähernd der Hälfte, gefolgt vom US-Dollar mit nahezu einem Dritte1. 6 Ungarn ging die Wechselkursfrage weniger dogmatisch an als die beiden vorgenannten Länder. Zum einen gab es keinen "Big Bang" der Wirtschaftsreform, der dringend einen externen Haltepflock erforderlich gemacht hätte. Zum anderen wurde bereits während der 80er Jahre eine Wechselkursorientierung des Forint an einem Korb von elf westlichen Währungen praktiziert. Diese Übung wurde auch nach Einleitung der forcierten marktwirtschaftlichen Reformen im Jahr 1990 fortgeführt. Dabei gab man immer wieder zu erkennen, daß Abwertungen kein Tabu seien, wenn dies die außenwirtschaftliche Lage erfordere und die inländische Preisentwicklung zulasse.
Interessant in der Rückschau ist zunächst ein technischer Aspekt. Alle drei Länder haben im Laufe der Zeit ihre Referenzmarke für die Wechselkursstabilisierung geändert. Polen wechselte im Mai 1991 vom US-Dollar auf einen Korb mit fünf Währungen; der Dollar behielt dabei jedoch das größte Gewicht. 7 Ungarn dagegen verringerte im November 1991 die Zahl seiner Referenzwährungen; seitdem stabilisiert es den Forint nur noch gegenüber US-Dollar und Ecu, wobei beide Währungen gleiches Gewicht haben. Im Währungskorb der CSFR wurde zunächst im Januar 1992 das Pfund Sterling durch den französischen Franc ersetzt und der Gewichtanteil des US-Dollar nachhaltig zu Lasten der D-Mark erhöht. 8 Ab Mai 1993 fungieren nur noch D-Mark und US-Dollar als Referenzwährungen. 9 6 Die Prozentanteile im einzelnen: D-Mark 45,52 vH, US-Dollar 31, 34 vH, österreichischer Schilling 12,35 vH, Schweizer Franken 6,55 vH, Pfund Sterling 4,24 vH. 7 Die Währungsanteile im einzelnen: US-Dollar 45 vH, D-Mark 35 vH, Pfund Sterling 10 vH, französischer Franc 5 vH, Schweizer Franken 5 vH. 8 Die neuen Gewichte: US-Dollar 49,07 vH, D-Mark 36,15 vH, österreichischer Schilling 8,07 vH, Schweizer Franken 3,79 vH, französischer Franc 2,92 vH.
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a) Realer Außenwert
Wesentlich schwieriger als die Wahl der Referenzwährung(en) erwies sich das Problem der realen Aufwertung, der die drei mitteleuropäischen Währungen im Zeitablauf ausgesetzt waren. Bis zu einem gewissen Grad war dies von vornherein absehbar. Denn die scharfe anfängliche Abwertung in Verbindung mit der Preisliberalisierung im Inneren mußte in der Frühphase der Reformen geradezu zwangsläufig einen allgemeinen Preis schub auslösen, was bei fixiertem nominalen Wechselkurs einen Anstieg des realen Außenwerts gegenüber westlichen Währungen implizierte. Nicht zuletzt in Antizipation dessen war der Einstiegskurs in das Festkursregime sehr niedrig gewählt worden. So entstand ein gewisser Spielraum für die unvermeidliche reale Aufwertung, ohne dadurch einen nicht zu verkraftenden Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu programmieren. Mittelfristig setzt ein fixierter nominaler Wechselkurs jedoch zwingend leidlich stabile Preise oder nur mäßige Inflationsraten voraus. In dem Maße, in dem der interne Stabilisierungserfolg in der Praxis ausblieb, mußten sich die reale Aufwertung und die damit verbundenen Schwierigkeiten zwangsläufig akzentuieren. Mit diesem Problem waren die drei mitteleuropäischen Staaten unterschiedlich stark konfrontiert (Abbildung 3): In Polen hat sich das Preisniveau allein im ersten Reformjahr (Q1/90Q1/91) verdoppelt. Bei unverändertem nominalen Wechselkurs von 9.500 Zloty/Dollar ergab sich daraus eine reale Aufwertung um rund 100 Prozent - auf Basis der Verbraucherpreise und gemessen an einem gewogenen Durchschnitt aus Ecu und US-Dollar. lO Vor diesem Hintergrund entschlossen sich die polnischen Behörden im Mai 1991 zur Abkehr von ihrer bisherigen Hartwährungspolitik; es kam zu einer Abwertung um 15 Prozent. Dieser relativ moderate Schritt konnte den realen Aufwertungstrend jedoch nicht nachhaltig bremsen. Mitte Oktober 1991 gab die Regierung dem von der Währungsseite ausgehenden Druck erneut nach. Statt den Zloty wieder um einen bestimmten diskretionären Betrag abzuwerten, änderte sie nun ihre Strategie. Sie gab die Politik eines festen nominalen Wechselkurses auf und ging zu einem "crawling peg" über. Seitdem wertet die polnische Währung gegenüber dem US-Dollar täglich um 9 Zloty (monatlich ca. 1,8 Prozent) ab. Zusätzlich wurde der Zloty Ende Februar 1992 erneut diskretionär um 12 Prozent abgewertet. 9 D-Mark 65 vH, Dollar 35 vH; vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Apri11993, S.11. 10 Die diesen Berechnungen zugrunde liegenden Gewichte betragen 0,7 (Ecu) und 0,3 (Dollar). Diese Spezifierung des Referenzwährungskorbs orientiert sich am Vorgehen der OE CD (1991, 46).
12'
Hans-Peter Fröhlich
180
Realer Außenwert -Index Q4/1989
= 100-
200,-----------------------------------------~
150
100
50
"'*" CSFR
-e- Polen ..... Ungarn
O~--~~--~--~--~~--~--~--~--r--.--~
Q4 01 19891
03 1990
Q2
01
Q4 1
02 Q3 1991
04
01 1
02 Q3 1992
Gewogener Außenwert gg. ECU (Gewicht: 0,7) und US-Dollar (Gewicht: 0,3). Quelle: eigene Berechnungen.
Abbildung 3
04
Wechselkurspolitik in den osteuropäischen Reformstaaten
181
Mit dem Übergang zum "crawling peg" ist die polnische Regierung offiziell von ihrer früher lauthals propagierten Festkurspolitik abgerückt. Insofern hat sie gleichsam den externen nominalen Anker gelichtet. Andererseits ist die Anker-Funktion des Wechselkurses nicht vollständig verlorengegangen, da die Abwertungsrate exogen vorgegeben und nicht vom inländischen Inflationsverlauf abhängig ist. Damit wird praktisch ein fixes Ziel durch ein gleitendes Ziel für den nominalen Wechselkurs ersetzt; aus dem Anker wurde ein Schleppanker. In Ungarn fiel die reale Aufwertung wesentlich moderater aus als in Polen. Der Grund ist, daß Ungarn insgesamt einen gradualistischen Reformansatz wählte und sowohl die außenwirtschaftliche Öffnung als auch die binnen wirtschaftliche Preisliberalisierung über einen längeren Zeitraum gestreckt wurden. So dauerte es immerhin drei Jahre (Q1/89Q1/92), bis sich das Preisniveau verdoppelt hatte. Der Preisanstieg erfolgte während dieser Zeit zudem relativ stetig. Gleichzeitig wurde der Forint wiederholt in kleinen Schritten abgewertet. Allein zwischen November 1991 und November 1992 erfolgten vier diskretionäre Wechselkurskorrekturen mit einer kumulierten Abwertungsrate von knapp 12 Prozent. Infolge dessen erhöhte sich der reale Außenwert des Forint, ausgehend von Q4/89 als Basis, bis Q4/92 nur um reichlich ein Viertel. Wie bei der inländischen Preis- und der nominalen Wechselkursentwicklung ergab sich auch hier ein relativ kontinuierlicher Verlauf. -
In der CSFR folgte die reale Wechselkursentwicklung wieder einem anderen Muster. Ähnlich wie in Polen kam es unmittelbar nach der schlagartigen Öffnung und Liberalisierung der Wirtschaft am Jahresbeginn 1991 zu einem massiven Inflationsschub; in Q2/91 lag das Preisniveau fast 50 Prozent höher als sechs Monate zuvor. Im weiteren Verlauf des Reformprozesses (bis Q4/92) stellte sich dann lediglich noch ein kumulierter Preisanstieg von rund 15 Prozent ein. Vor dem Hintergrund eines seit Anfang 1991 unveränderten nominalen Wechselkurses ergab sich damit auch beim realen Außenwert der Krone eine zweiphasige Entwicklung. In den ersten sechs Monaten nach Reformbeginn stieg der reale Kronen-Außenwert gegenüber dem gewogenen Ecu-Dollar-Korb um rund 20 Prozent. Anschließend kam es nur noch zu einer geringfügigen Erhöhung, so daß sich die kumulierte reale Aufwertung bis Q4/92 auf etwa 35 Prozent belief.
Die Ergebnisse ändern sich teilweise nicht unerheblich, wenn als Inflationsrnaß die Erzeugerpreise und nicht - wie bisher - Verbraucherpreise herangezogen werden. In Polen etwa betrug die reale Aufwertung seit Reformbeginn bis Q2/92, gemessen an den Erzeugerpreisen, gegenüber dem US-Dollar nur 40 Prozent. Das ist weniger als die Hälfte der Aufwertung auf Basis der Verbraucherpreise. Ähnlich verhält es sich in Ungarn. Die Erklä-
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rung liefert der wesentlich raschere Anstieg der Verbraucherpreise in beiden Ländern. Er dürfte in erster Linie zu erklären sein mit der Entwicklung der Dienstleistungspreise (Mieten, Verkehr), die deutlich stärker als die Industriegüterpreise stiegen. Hinzu kommen Umsatzsteuererhöhungen zur Deckung von Budgetlücken.
Um so erstaunlicher ist, daß in der es FR umgekehrt die Erzeugerpreise wesentlich schneller als die Verbraucherpreise stiegen und infolgedessen auch die reale Aufwertung der Krone auf Basis der Erzeugerpreise stärker ausfällt als auf Basis der Verbraucherpreise. Eine Erklärung hierfür ergibt sich aus dem zeitlichen Verlaufsmuster. Die Kluft zwischen Verbraucherund Erzeugerpreisen bzw. zwischen den beiden darauf basierenden realen Aufwertungsraten hat sich bereits unmittelbar nach Reformbeginn herausgebildet; seitdem ist die Differenz praktisch unverändert geblieben. Verantwortlich dafür ist offensichtlich die schlagartig verordnete Streichung der früher üblichen speziellen Verbrauchsteuern zum Jahresbeginn 1991. b) Vermeidung von Zahlungsbilanzproblemen
Unabhängig von allen statistisch-methodischen Fragen ist prinzipiell der reale Aufwertungseffekt unstrittig. Die entscheidende Frage ist, inwieweit es dadurch zu einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit kam. Bei der Antwort gilt es zu berücksichtigen, daß eine reale Aufwertung im Zeitverlauf nicht stillschweigend gleichzusetzen ist mit Überbewertung. Das trifft namentlich bei einem sehr niedrigen Wechselkurs in der Ausgangssituation zu, wie es in den drei mitteleuropäischen Reformstaaten der Fall war. Als ein möglicher Maßstab bietet sich in diesem Zusammenhang die Kaufkraftparität an. Gemessen daran können die drei in Rede stehenden Währungen derzeit kaum als überbewertet bezeichnet werden (Abbildung4). Zwar hat sich in allen drei Fällen die zu Reformbeginn herbeigeführte massive Unterbewertung im Zeitablauf zurückgebildet. Doch lag der Wechselkurs des Forint und Zloty (als Preis notiz) 1992 noch immer fast doppelt so hoch wie die Kaufkraftparität als "theoretisch richtiger" Kurs; im Falle der Krone war es sogar annähernd das Dreifache. Für eine tendenzielle Unterbewertung bis in die jüngste Vergangenheit spricht nicht zuletzt die Entwicklung der Zahlungsbilanz. Allgemein gilt, daß die drei mitteleuropäischen Reformstaaten - entgegen weit verbreiteter Befürchtungen - nicht in ernsthafte außenwirtschaftliche Probleme gerieten. Im Gegenteil: Die rasche Stabilisierung der Zahlungsbilanz ist einer der wenigen makroökonomischen Erfolge im bisherigen Verlauf des Transformationsprozesses. Dies gilt im Grundsatz für alle Teilbilanzen der Zahlungsbilanzstatistik :
Wechselkurspolitik in den osteuropäischen Reformstaaten
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Währungs-Unterbewertung - Wechselkurs als Vielfaches der Kaufkraftparität 3,5 - . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - ,
3
2,5
2
1,5
0,5
*Polen "'CSFR -e-Ungarn 01
02
Q3
1990
Q4
I
01
02
Q3
1991
Basis: nationale Währungseinheiten pro US-Dollar. Quelle: PlanEcon.
Abbildung 4
Q4
I
01
02
03
1992
04
184
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Die Handelsbilanz (in konvertibler Währung) weist für Polen und Ungarn seit 1989 durchgängig einen Aktivsaldo aus. In der CSFR war die Handelsbilanz defizitär, doch nur in geringem Umfang. Die Kapitalbilanz ist einstweilen angesichts der erst im Aufbau befindlichen inländischen Kapitalmärkte noch von relativ untergeordneter Bedeutung. Die dominierende Größe sind ausländische Direktinvestitionen. lI In diesem Bereich zeigt sich namentlich für Ungarn und die CSFR ein massiver Kapitalzustrom aus dem Ausland. Dieser war mehr als ausreichend, um vorübergehende Defizite in der Handels- oder Leistungsbilanz auszugleichen. Die Devisenbilanz war angesichts der günstigen Leistungs- und Kapitalbilanzentwicklung ebenfalls durchweg im Überschuß. Die offizielle Devisenreserve stieg in allen drei Staaten seit Reformbeginn bis zuletzt deutlich an. 12 Die insgesamt positive Zahlungsbilanzentwicklung wurde allem Anschein nach durch den Wechselkurs begünstigt. Da das für den Export in Frage kommende Warensortiment meist nur über den Preis auf den westlichen Märkten wettbewerbsfahig zu machen ist, hätten sich die aktiven Handelsbilanzsaiden kaum eingestellt, wenn vom Wechselkurs Wettbewerbsnachteile ausgegangen wären. Auch die Kapitalimporte dürften zumindest teilweise wechselkursinduziert gewesen sein. Einerseits konnten sich ausländische Investoren auf der Basis der herrschenden Wechselkursrelationen relativ preiswert in die drei mitteleuropäischen Zielländer "einkaufen". Andererseits bot ihnen der günstige Wechselkurs die Aussicht, von den neuen Produktionsstandorten aus ihre Erzeugnisse profitabel in den Westen reexportieren zu können (einschließlich Lohnveredelung). Dies um so mehr, als die auf Stabilität und Konstanz gerichtete Wechselkurspolitik glaubwürdig erschien und damit auch für die Zukunft als berechenbares Element in das Investitionskalkül eingestellt werden konnte. Umgekehrt hat die günstige Zahlungsbilanzentwicklung den Währungsbehörden die Fortführung ihrer Festkurspolitik erleichtert. Im Falle einer defizitären Handelsbilanz und entsprechenden Devisenabflüssen hätten sie vermutlich nicht auf den diskretionären Einsatz des Wechselkurses verzichten können. Gleichzeitig verlieh die stabile Außenwirtschaftslage der verfolgten Wechselkurspolitik auch gegenüber der Öffentlichkeit ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. So kam es letztlich zu einem "virtuous circle" von relativer Währungsstabilität und außenwirtschaftlicher Konsolidierung. Näheres dazu siehe ECE (1992, 95ff.) Lediglich die ehemalige CSFR weist 1992 wieder eine etwas geringere Devisenreserve auf. Verantwortlich dafür ist jedoch nicht eine ungünstige Zahlungsbilanzentwicklung, sondern umfangreiche Devisenverkäufe der Notenbank an das Bankensystem - offenbar in Antizipation der zum 1.1.1993 wirksam gewordenen Teilung des Landes. 11
12
Wechselkurspolitik in den osteuropäischen Reformstaaten
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c) Exkurs: Ein Vergleich mit Ostdeutschland
In diesem Zusammenhang drängt sich ein kurzer Vergleich mit den neuen Bundesländern auf. Dort ist die binnenwirtschaftliche Kontraktion nach dem Übergang zur Marktwirtschaft deutlich stärker ausgefallen als bei den osteuropäischen Nachbarn. Ein wesentlicher Grund dafür ist die ungünstigere Außenhandelsentwicklung als Folge einer dramatisch verschlechterten internationalen Wettbewerbsfahigkeit. Für manche Beobachter wären diese Probleme zumindest teilweise vermeidbar gewesen, wenn die Ex-DDR nicht durch Bildung der innerdeutschen Währungsunion buchstäblich über Nacht mit einem massiven Aufwertungsschock konfrontiert worden wäre. 13 Bei (vorübergehendem) Fortbestand einer eigenständigen ostdeutschen Währung hätte nach dieser Argumentation die Chance bestanden, wie in den drei mitteleuropäischen Staaten über den ge zielten Einsatz des Wechselkursinstruments die Wettbewerbsfähigkeit weitgehend zu erhalten und den internen Produktionseinbruch zu mildern. Diese Parallele ist nur prima facie zutreffend. Sie verkennt, daß der Wechselkurs nicht eine gleichsam rein technische Stellgröße ist. Über den Wechselkurs wird letztlich das inländische Realeinkommensniveau determiniert. Das bedeutet, ein unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit günstigerer "Ostmark"-Kurs hätte der ostdeutschen Bevölkerung einen wesentlich niedrigeren Lebensstandard zugemutet - jedenfalls gemessen an westlichen Konsumgütern. Hier ist daran zu erinnern, daß in den drei mitteleuropäischen Reformstaaten die monatlichen Bruttoverdienste in der Industrie 1992 größenordnungsmäßig nur ein Zehntel des westdeutschen Niveaus ausmachten. 14 Ein derartiges Lohnniveau kam für die neuen Bundesländer nie ernsthaft in Frage. Innerhalb eines Landes mit gemeinsamen Arbeitsmarkt wären regionale Einkommensdiskrepanzen in einer Größenordnung von 1: 10 oder auch nur 1:3 kaum aufrechtzuerhalten. Wäre seinerzeit aus Wettbewerbsgesichtspunkten ein für die Bevölkerung ungünstigerer Umstellungskurs bei der Währungsunion gewählt worden, so wären als Reaktionen explodierende Lohnforderungen programmiert gewesen. Genau dies zeichnete sich im Frühjahr 1990 bereits ab. Umgekehrt bestand auch nach Errichtung der Währungsunion die Option, durch Nominallohnzurückhaltung die Konkurrenzfahigkeit ostdeutscher Unternehmen zu steigern. Hierfür hat bekanntlich die Bereitschaft gefehlt. Statt dessen wurde eine möglichst rasche Angleichung der Ostlöhne an das westliche Niveau angestrebt. Siehe in diesem Sinne beispielsweise Siebert (1990) und Becker (1993). es FR und Polen: ca. 160 - 180 Dollar, Ungarn: knapp 300 Dollar. Vergleiche dazu PlanEcon Report, Val. 8 (1992), No. 47-49, S. 18. 13
14
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Insofern scheint die These von einem nicht zu verkraftenden Aufwertungsschock im Zusammenhang mit der Einführung der D-Mark in der ehemaligen DDR zu vordergründig. In Wahrheit handelte es sich um einen Realeinkommensschock. Er war angesichts der sozialen und politischen Rahmenbedingungen in Deutschland letztlich wohl kaum vollends zu vermeiden gewesen - am wenigsten durch die Wahl einer anderen Austauschrelation bei der Währungsumstellung oder dem temporären Fortbestand einer eigenständigen ostdeutschen Währung. Hätte Ostdeutschland wechselkurspolitisch dem Beispiel der drei mitteleuropäischen Reformstaaten folgen wollen, hätte die innerdeutsche Mauer nicht fallen dürfen. 4. Fazit und Ausblick Resümierend ist festzustellen, daß alle osteuropäischen Reformökonomien mittlerweile ein systemgerechtes Wechselkursregime installiert haben. Von einer wirklichen Wechselkurspolitik - im Sinne des zielgerichteten Umsetzens eines wechselkurspolitischen Konzepts in der wirtschaftlichen Praxis - kann jedoch nur in bezug auf Polen, Ungarn und die frühere es FR die Rede sein. Nicht von ungefähr haben diese Länder intern eine weitgehende monetäre Stabilisierung erreicht und sich gleichzeitig nach außen prinzipiell für ein Festkursregime entschieden. Angesichts noch immer deutlich höherer heimischer Inflationsraten als in den westlichen Industriestaaten ist damit zwangsläufig eine latente Tendenz zur realen Aufwertung ihrer Währungen verbunden. Dies zwingt entweder zu periodischen nominalen Wechselkursanpassungen oder impliziert einen Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Gravierende negative Rückwirkungen auf den Verlauf des Transformationsprozesses sind daraus zumindest bislang nicht entstanden. Vielmehr scheint die Währungs- und Wechselkurspolitik in den drei mitteleuropäischen Ländern den Reformverlauf außenwirtschaftlich abgesichert zu haben. Das wichtigste Indiz in diesem Zusammenhang ist der Markttest: In keinem Land des Trios kam es bislang zur Flucht in ausländische Währungen; überall besitzt die Währungspolitik ein relativ hohes Maß an Glaubwürdigkeit. 15 Selbst in den drei mitteleuropäischen Ländern sind die bisherigen Erfolge bei der Währungsstabilisierung jedoch fragil. Die Tschechoslowakei etwa mit der bisher imponierendsten wechselkurspolitischen Bilanz hat zum Jahreswechsel 1992/93 aufgehört zu existieren. Zumindest die Tschechische 15 Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu vielen Erfahrungen aus der Dritten Welt. Zahlreiche Länder haben dort im Lauf der Jahrzehnte unter dem Eindruck krisenhafter Erscheinungen das Währungsregime zu liberalisieren und stabilisieren versucht. Nur in seltenen Fällen war diesen Bemühungen Erfolg beschieden.
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Republik hat die Chance, an die bisherigen Erfolge nahtlos anzuknüpfen. 16 Um so ungünstiger stellen sich gegenwärtig die Perspektiven für die Slowakische Krone dar; sie galt noch vor ihrer eigentlichen Geburt als sicherer Abwertungskandidat. 17 Gänzlich andere Risiken deuten sich für den polnischen Zloty an. Wie lange der gegenwärtig praktizierte "crawling peg" die Wechselkurserwartungen zu stabilisieren vermag, ist offen. Das gilt zumal für eine Währung, die sich von der Größenordnung her im Verhältnis 10000: 1 zu westlichen Währungen tauscht. Sie erweckt rein psychologisch nicht eben einen Eindruck von Stärke. 18 Daneben lauern mittelfristig für den polnischen Zloty, die tschechische Krone und den ungarischen Forint fundamentalere Gefahren. Sie ergeben sich aus möglichen Szenarien zur künftigen wirtschaftlichen Entwicklung: Bei anhaltendem Status Quo könnte sich die latente reale Aufwertung fortsetzen und so die binnenwirtschaftliche Entwicklung von der Außenflanke her unter Druck setzen. Diese Konstellation wäre der Problemlage einiger EWS-Länder (z. B. Portugal, Italien) während der langen Phase nominaler Wechselkurs konstanz vor dem Herbst 1992 vergleichbar. Falls die erhoffte Trendumkehr bei Produktion und Beschäftigung weiter auf sich warten läßt, könnten die wirtschaftspolitischen Prioritäten womöglich neu geordnet werden, zu Lasten der monetären Stabilität und zugunsten der binnenwirtschaftlichen Expansion. Unter diesen Umständen wäre eine Abwertung möglich oder gar wahrscheinlich - sei es als direkte exportstimulierende Maßnahme, oder sei es als zwangsläufige Konsequenz einer zu höherer inländischer Inflation führenden Lockerung der Geldpolitik. Alternativ ist vorstellbar, daß das Jahr 1993 - wie häufig prognostiziert (OECD, 1992) - tatsächlich den unteren Wendepunkt im Transformationsprozeß markiert. Auch dann mag sich neuer Abwertungsdruck für die betreffenden Währungen ergeben. Bei einem binnenwirtschaftlichen Aufschwung mit starker Investitionstätigkeit könnte sich die Zahlungsbilanzlage leicht nachhaltig verschlechtern. Es ist fraglich, ob die Märkte diese Entwicklung im Sinne eines positiven angebotsökonomischen Schocks interpretieren, oder ob sie nicht darin primär ein Zeichen der Destabilisierung und Unsolidität sehen. Im letzteren Fall könnten unVgl. z. B. Handelsblatt vom 11. Januar 1993, S. 10. Tatsächlich kam es bereits im Juli 1993 zu einer ersten Abwertung in Höhe von 10,4 Prozent. 18 Immer wieder ist über eine angeblich bevorstehende Denominierung des Zloty im Verhältnis 1000: I spekuliert worden. Daß die polnischen Behörden sich bisher noch nicht dazu entschließen konnten, mag sich eines Tages als Fehler erweisen. 16 17
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liebsame Spekulationsbewegungen mit gravierenden Devisenverlusten ausgelöst werden. 19 Auch die umgekehrte Situation anhaltender Kapitalzuflüsse in die mitteleuropäischen Reformökonomien ist nicht unproblematisch. Bei hinreichender Intensität können sie die nationale Währung unter Aufwertungsdruck setzen und auf diese Weise das Ziel einer positiven Handelsbilanzentwicklung konterkarieren. Würden die Währungsbehörden zur Vermeidung dieses Effekts den Wechselkurs zu stabilisieren versuchen und mit Interventionen am Devisenmarkt reagieren, würde das Problem lediglich verlagert. Es käme zu einem Anstieg der Devisenreserve mit möglicherweise nur schwer zu kontrollierenden Rückwirkungen auf die binnenwirtschaftliche Geldmengenentwicklung bzw. Liquiditätsausstattung des Bankensystems. 20 Die Liste potentieller Risiken und möglicher Negativszenarien für die künftige Währungs- und Wechselkurspolitik der osteuropäischen Reformstaaten ließe sich noch erweitern. So wichtig das frühzeitige Erkennen von Schwierigkeiten und das rechtzeitige Reagieren darauf ist, so wenig wäre es jedoch zumal für einen externen Beobachter angezeigt, sich in Zukunftspessimismus zu ergehen. Zur wohlverstandenen Bescheidenheit des Prognostikers gehört auch die Erkenntnis, daß sich in der Praxis die Dinge mitunter günstiger entwickeln, als die gängigen Theorien es nahelegen. Gerade die bisherigen Erfahrungen mit der Wechselkurspolitik in den drei mitteleuropäischen Reformstaaten sollten hier eine Dosis Optimismus gebieten. Literatur Becker, Wolf-Dieter, 1993: Lehren der theoretischen Wirtschaftspolitik zur deutschen Währungs konversion von 1990, in: Kredit und Kapital, 26. Jg., S. 39-59. Borensztein, Eduardo und Paul R. Masson, 1993: Exchange Arrangements of Previously Centrally Planned Economies, in: International Monetary Fund (Hrsg.), Occasional Papers, No. 102, Washington, D.C, S. 37-56. Economic Commission for Europe, 1992: Economic Bulletin for Europe, Vol. 44, Genf. File, Wolfgang und Adalbert Winkler, 1991: Monetäre Voraussetzungen marktwirtschaftlicher Reformschritte in den Staaten Osteuropas, in: Kredit und Kapital, 24. Jg., S. 175-197. Siehe im Sinne dieser Argumentation insbesondere King (1992). Im Falle Ungarns hat sich diese Problemkonstellation 1992 offenbar bereits in Ansätzen angedeutet. In diesem Sinne äußerte sich der Vizepräsident der Ungarischen Nationalbank, Frigyes Harshegye, anläßlich einer Vortragsveranstaltung am 4.11.1992 in der Ungarischen Botschaft in Bonn. 19
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Fröhlich, Hans-Peter, 1992: Währungspolitische Reformen in Osteuropa, Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Nr. 197, Köln. Hamacher, Stefanie, 1992: Die geld- und währungspolitischen Probleme osteuropäischer Reformländer, Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung über das Spar- und Girowesen e. V. ( Hrsg.), Stuttgart. Hiss, Dieter, 1991: Monetäre Aspekte beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 70 vom 24. September, S. 4-9. International Monetary Fund: International Financial Statistics, verschiedene Jahrgänge, Washington, D.C. King, Mervyn, 1992: On Policies Toward Saving. In: Donald E. Fair und Christian de Boissieu (Hrsg.), Fiscal Policy, Taxation and the Financial System in an Increasingly Integrated Europe, Dordrecht/Boston/Lancaster, S. 29-44. OECD, 1991: Economic Surveys, Czech and Siovak Federal Republic, Paris. OECD, 1992: Economic Outlook, No. 52, Paris. PlanEcon Inc.: PlanEcon Report, verschiedene Jahrgänge, Washington, D.C. Portes, Richard, 1991: The Transition to Convertibility for Eastern Europe and the USSR, Centre for Economic Policy Research, Discussion Paper No. 500, London. Siebert, Horst, 1990: Kein Umtausch im Verhältnis 1:1 bei einer deutsch-deutschen Währungsunion, in: Handelsblatt vom 28. Februar, S. 6. Williamson, John, 1991: Currency Convertibility in Eastern Europe, Institute for International Economics (Hrsg.), Policy Analyses in International Economics No. 31, Washington, D.C.
Wechselkurspolitische Optionen für Osteuropa Von Wolf Schäfer, Hamburg 1. Stabilität, Glaubwürdigkeit und Reputation
Vertiefung und Erweiterung sind zwei Integrationsstrategien, die in der gegenwärtigen Diskussion um die Entwicklung des europäischen Integrationsraumes eine zentrale Rolle spielen. Der Vertrag von Maastricht ist Ausdruck für die von der Europäischen Gemeinschaft (EG) präferierte auf Westeuropa ausgerichtete Vertiefungsstrategie. Die Frage stellt sich, ob bzw. in welcher Weise die mit Maastricht bekundete Präferenz für die Vertiefung gegenüber der Erweiterung der EG die Unsicherheit über den zukünftigen Erfolg des Transformationsprozesses in den Reformländern Osteuropas berührt. Denn diese Unsicherheit erscheint als eines der Haupthindernisse für eine rasche Etablierung funktionsfähiger marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen in diesen Ländern. Es ist unbestritten, daß technische und finanzielle Hilfe aus dem Westen ebenso vonnöten sind wie die Öffnung der westlichen Marktwirtschaften gegenüber dem Osten. Die transformationsbedingten Unsicherheiten in den Reformländern resultieren großenteils aus der Tatsache, daß die alten Institutionen' zusammenbrechen oder schon nicht mehr existieren, daß aber gleichzeitig keine neue institutionelle Infrastruktur entsteht, die im In- und Ausland stabilitätspolitisches Vertrauen genießt: Es fehlt an Reputation der Institutionen und an Glaubwürdigkeit ihrer Politik. Nun kann man theoretisch zeigen 2 , daß Wirtschaftspolitik in ihren Auswirkungen nicht unabhängig ist von der Glaubwürdigkeit, die ihr beigemessen wird. Fehlende Glaubwürdigkeit kann dazu führen, daß die positiven Wirkungen der Wirtschaftspolitik nicht eintreten oder geringer ausfallen als bei glaubwürdiger Politik. Dabei kann eine Politik als glaubwürdig definiert werden, wenn die Politikerwartungen der Privaten mit der Politikankündigung öffentlicher Stellen übereinstimmen. Mangelnde Glaubwürdigkeit , Unter Institutionen sollen hier nicht allein Administrationen verstanden werden. Der Begriff bezieht sich auch auf das Rechtssystem und dessen Anwendung, auf die Regulierungsdichte, die Ordnungspolitik, die Geldverfassung, das Wissen und Können (Humankapital) der Manager des polit-ökonomischen Systems usw. 2 Vgl. u.a. Kydland, Prescott (1977), S. 473-492; Barro, Gordon (1983), S. 101-121; Dornbusch (1991), S. 837-850.
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kann aus verschiedenen Gründen entstehen 3: Inkonsistenz der wirtschaftspolitischen Konzeption, Unklarheit in der wirtschaftspolitischen Zielsetzung, Zweifel an der Durchführbarkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen (z.B. aufgrund bestehender Budgetbeschränkungen oder Akzeptanzdefizite in der Öffentlichkeit) oder auch negative Politikerfahrungen aus der Vergangenheit. Um die Glaubwürdigkeit ihrer Politik zu erhöhen, muß eine Regierung oder Zentralbank mithin Konsistenz in der Programmkonzeption darlegen, eindeutige Politikziele definieren und Zweifel an der Durchführbarkeit ihres Programms beseitigen. Sie kann dies u.a. dadurch tun, daß sie ihre Politik öffentlich vorankündigt und für verbindlich erklärt (Notifizierungsgebot und Verbindlichkeit der Politikgrundsätze). Um Zweifel am Verbindlichkeitsgrad abzubauen, kann die Regierung ihren eigenen Aktionsradius freiwillig einschränken und ihn zudem einer externen Kontrolle unterwerfen. Es ist diese Idee, die der für die Reformländer vorgeschlagenen Strategie zugrundeliegt, Politikglaubwürdigkeit und institutionelle Reputation vom Ausland zu importieren. Dies setzt voraus, daß Reputation ein international handelbares Gut ist. Trifft dies zu, so kann auf Basis der Theorie des internationalen Handels abgeleitet werden, daß diejenigen Länder Reputation exportieren sollten, die einen komparativen Vorteil in der Ausstattung mit institutioneller Reputation besitzen. Im Verhältnis zu den östlichen Reformländern wären das die westlichen Marktwirtschaften, deren komparativer Reputationsvorteil in der gewachsenen institutionellen Stabilität ihrer Systeme liegt 4 • Die Reformländer könnten versuchen, ihr Reputationsdefizit relativ schnell durch den Import institutioneller Stabilität aus dem Westen zu beseitigen, was ihnen ansonsten - wenn überhaupt - nur aufgrund lang andauernder eigener Stabilitätsanstrengungen gelingen würde. In welchem Ausmaß es möglich ist, Reputation zu importieren, ist nicht unabhängig vom Typ des institutionellen Arrangements, durch das der Import vonstattengehen soll. Auf Basis der Club-Theorie läßt sich allgemein folgendes konstatieren. Der Beitritt zu einem Club bedeutet für den Beitretenden, daß er sich den Clubregeln unterwirft und damit seine eigene Handlungsfahigkeit einschränkt. Ist der Clubaustritt nicht kostenlos 5 , dann Vgl. u.a. Funke (1991), S. 176ff.; Hofmann, Sell (1993), S. 12. f. Wird Reputation international gehandelt, so muß gefragt werden, welchen Preis der Exporteur vom Importeur verlangt. Dieser Preis wird auch eine Risikoprämie enthalten, weil der Exporteur damit rechnen muß, daß ein Mißerfolg im Reputationsexport, der im Ausland entsteht, negative Rückwirkungen auf die heimische Reputation haben kann. Der Preis besteht in aller Regel wohl nicht in direkten Zahlungen oder Warenlieferungen, sondern in erweiterten Möglichkeiten der Einflußnahme und Kontrolle der ausländischen Institutionen durch das Reputationslieferland. 5 Wenn ein Clubmitglied den Club verläßt, so zeigt es damit an, daß es die bisherige Politik aufgibt, ohne daß klar ist, welche neuen Politikregeln gelten. Diese Unsicherheit 3
4
Wechselkurspolitische Optionen für Osteuropa
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bedeutet Clubmitgliedschaft, daß die Glaubwürdigkeit der Mitglieder in bezug auf die Einhaltung der Clubregeln größer ist als die jener Akteure, die als Nichtmitglieder versichern, freiwillig ebenfalls nach den Clubregeln zu verfahren. Je höher dabei die Kosten des Austritts (Austrittsbarrieren) sind, desto glaubwürdiger wird die Clubmitgliedschaft gegenüber der freiwilligen Unterwerfung unter die Clubregeln. Da z.B. die Mitgliedschaft in der EG und im Europäischen Währungssystem (EWS) für ein Land mit hohen Austrittskosten verbunden ist, besitzen die EG-Mitglieder im allgemeinen einen höheren Grad an Politikglaubwürdigkeit und sind vermutlich weniger anfällig gegenüber zeitinkonsistetem Politikverhalten als Länder außerhalb von EG und EWS, die sich an deren Spielregeln freiwillig ankoppeln. Der Höchstgrad an Politikglaubwürdigkeit könnte erreicht werden, wenn ein Land seine Handlungskompetenz an eine Institution abgibt, auf die es überhaupt keinen Einfluß hat. 2. Wechselkursalternativen Fokussiert man das Problem des Imports westlicher institutioneller Stabilität durch die östlichen Reformländer auf die Frage, welches Wechselkursregime dazu besonders geeignet erscheint, so erfährt hier die Debatte um Vor- und Nachteile fester bzw. flexibler Wechselkurse eine um transformationstheoretische Aspekte bereicherte Renaissance. Eine Argumentationskette lautet dabei wie folgt 6 • Das Ziel der Übertragung westlicher Stabilität und Reputation auf die Institutionen der Reformländer impliziert insbesondere die Stabilisierung des Geldwertes in diesen Ländern. Geldwertstabilisierung gelingt am besten, wenn die Reformländer ihren eigenen geldpolitischen Handlungsspielraum dadurch einschränken, daß sie ihre Währungen über einen festen Wechselkurs an eine stabile Währung oder einen stabilen Währungskorb anbinden. Dadurch werden glaubwürdige Ankündigungen einer auf Stabilität ausgerichteten Geldpolitik erzeugt und die Inflationserwartungen gebrochen, was die monetäre, fiskalische und lohnpolitische Stabilisierung befördert. Der feste nominale Wechselkurs soll mithin als Stabilitätsanker fungieren, über den das Fehlen eigener interner Währungsstabilität durch den Import externer Stabilität kompensiert wird. Ein Stabilitätsimport wird damit innerhalb kurzer Zeit möglich und erhöht die interne Reputation der Institutionen relativ schnell, was die Reformländer ansonsten erst nach einer längeren Zeitspanne eigenständig und mühsam eingeübten Stabilitätsverhaltens realisieren könnten. Diese Kurzfristigkeit im Stabilitätsimport ist entscheidend, weil der Mangel an Zeit die größte stabilitätswird sich intern (in Wahlen) wie extern (in den internationalen Beziehungen) kostenmäßig als in irgendeiner Form zu zahlende Risikoprämie niederschlagen. 6 Vgl. hierzu Bofinger (1991); Fröhlich (1992); Lipton, Sachs (1990); Williamson (1991) 13 FilclKöhler
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politische Herausforderung angesichts der Tatsache darstellt, daß bei länger andauernden Stabilitätsdefiziten eine stabilitätsorientierte Erwartungsbildung nicht einsetzt, was den Transformationsprozeß insgesamt destabilisiert. Dieser Argumentation wird oft hinzugefügt, daß feste Wechselkurse für die Reformländer als festes Bindeglied zu den internationalen Märkten die Herausbildung neuer knappheitsgerechter Preisstrukturen erleichtert. Darüber hinaus gewähren feste Wechselkurse mehr Planungssicherheit im Außenhandel sowie vor allem für externe Investoren, auf die die Reformländer wegen ihres hohen Kapitalbedarfs dringend angewiesen sind. Diese Argumente, die festen Wechselkursen eine entscheidende Stabilisierungsfunktion im Transformationsprozeß zuordnen, werden gleichzeitig gegen bewegliche Kurse ins Feld geführt: Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, in denen sich die Reformländer beim Übergang zur Marktwirtschaft ohnehin befinden, werden durch flexible Kurse noch verstärkt, weil Wechselkursänderungen 7 ein zusätzliches Maß an Instabilität in den Transformationsprozeß hineintragen. Ein Stabilitätsimport aus dem Westen kann mit flexiblen Wechselkursen deshalb nicht gelingen. Bewegliche Wechselkurse konterkarieren vielmehr den Versuch der Reformländer, ihrer Politik mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. 3. Stabilitätsimport durch feste Wechselkurse?
In der für die Reformländer vorgeschlagenen Festkursphilosophie können verschiedene Varianten der Ausgestaltung von Fixkurssystemen diskutiert werden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Intensität der mit ihnen verbundenen Beibehaltung währungspolitischer Souveränität und des damit erhofften Grades an stabilitätspolitischer Glaubwürdigkeit. Grundsätzlich lassen sich die Wechselkursarrangements in zwei Kategorien einteilen. Im ersten Fall behalten die Reformländer ihre währungspolitische Souveränität bei, im zweiten geben sie diese mehr oder weniger an Regelmechanismen bzw. externe Institutionen ab. a) Beibehaltung währungspolitischer Souveränität
Hier kann das "Österreich-Modell" als Vorbild dienen, denn Österreich hält seit Ende der 60er Jahre seinen Schilling gegenüber der D-Mark einseitig im konstanten Verhältnis (7: 1), ohne seine währungs politische Souveränität aufzugeben. Theoretisch hat ein solches Modell folgende Implikationen. 7 Kurzfristig muß mit großen »erratischen" Wechselkursschwankungen aufgrund der Enge der sich noch im Aufbau befindlichen östlichen Devisenmärkte gerechnet werden, was - so das Argument - die transformationsbedingten Instabilitäten noch erhöht.
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Unter Beibehaltung seiner währungspolitischen Souveränität kann ein Land seinen Wechselkurs nur dann absolut glaubwürdig fixieren, wenn es erstens über genügend große (im Extremfall unbegrenzte) Währungsreserven verfügt oder zweitens unbegrenzten Zugang zu internationalen Kreditfazilitäten hat oder drittens einen externen "Garantiegeber" besitzt, der die Zahlungsbilanzdefizite in jeder Höhe zu finanzieren bereit und in der Lage ist. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so wäre Glaubwürdigkeit nur unter der vierten Voraussetzung gegeben, daß die aus der Zahlungsbilanzsituation resultierende notwendige interne Anpassung über Preise und Mengen sich bedingungslos vollziehen kann. Das Diktat der Zahlungsbilanz, dem die interne Anpassung unterliegt, muß also vollständig akzeptiert und durchsetzbar sein. Für die Reformländer scheiden die ersten bei den Voraussetzungen quasi unbegrenzter Währungsreserven bzw. Kreditzugangsmöglichkeiten von vornherein aus. Chronische Devisenknappheiten stellen ebenso wie beschränkte Kreditaufnahmefazilitäten im allgemeinen strenge Budgetrestriktionen dar. Zwar ist der länderspezifische Bedarf an Währungs reserven nicht unabhängig von der Höhe des jeweils fixierten Wechselkurses, aber selbst wenn im Einzelfall von einer zunächst marktgerechten oder gar unterbewerteten heimischen Währung ausgegangen wird, muß im Zeitverlauf damit gerechnet werten, daß der fixierte Nominalkurs die heimische Währung aufgrund eines im Transformationsprozeß gesunkenen realen Außenwerts überbewertet8 • Über kurz oder lang wird dann der Bedarf an Währungsreserven die Budgetrestriktion überschreiten, so daß die Währung unter Abwertungsdruck gerät. Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Wechselkurses als stabilem Anker kann sich dann nicht einstellen. Dieselben Überlegungen gelten für die dritte Voraussetzung eines externen Garantiegebers für die Finanzierung quasi unbegrenzter Zahlungsbilanzdefizite der Reformländer. Auch sie ist unrealistisch, weil die Bereitschaft westlicher Staaten innerhalb und außerhalb der EG sowie internationaler Organisationen (z.B. Internationaler Währungsfonds, Osteuropa-Bank) zu finanziellen Transfers in die Reformländer naturgemäß begrenzt ist. Darüber hinaus impliziert das Vorhandensein eines Garantiegebers die Gefahr, daß die Reformländer im Vertrauen auf ihn ihre eigenen stabilitätspolitischen Anstrengungen reduzieren oder ganz unterlassen 9 • Dies ist das Gegenteil von dem, was der Transformationsprozeß erfordert, und würde - trotz bzw. wegen der festen Wechselkurse - zu einem Verlust an stabilitätspolitischer Glaubwürdigkeit führen. Was schließlich die vierte Voraussetzung der 8 Zur Interdependenz zwischen nominalen und realen Wechselkursanpassungen im Strukturwandel, auf die später noch eingegangen wird, vgl. Schäfer (1990), S. 353-370. 9 Die Erfahrungen mit der Franc-Zone in West- und Zentralafrika, in der der CFAFranc von Frankreich im festen Wechselkurs zum französischen Franc gehalten wird, sind ein Beispiel dafür. Vgl. Schweickert, Nunnenkamp, Hiemenz (1992), S. 19 ff.
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Akzeptanz und Durchsetzung interner Anpassung anbetrifft, so wird darauf weiter unten verwiesen (Kap. 4).
b) Verzicht aufwährungspolitische Souveränität Das Glaubwürdigkeitsproblem fester Wechselkurse kann sich entschärfen, wenn die Reformländer auf ihre nationale geld- und währungspolitische Souveränität weitgehend oder vollständig verzichten. Feste Wechselkurse könnten dadurch glaubwürdig werden, daß die währungspolitische Entscheidungskompetenz nicht mehr bei den Institutionen der Reformländer liegt, sondern an bestimmte Regeln gebunden oder an externe Institutionen übertragen wird. Beispiele für eine Regelbindung wären die Einführung eines Goldstandards oder die Etablierung eines "Currency board-Systems". Beim Goldstandard - den es bekanntlich in verschiedenen historischen Ausprägungen gegeben hat - ist im einfachsten Fall die heimische Geldmenge zu 100% durch Gold gedeckt. Die Zentralbank hat im strengsten Fall keinen diskretionären Spielraum und ist in ihrer Geldschöpfung vollständig von der Höhe der heimischen Goldreserven abhängig lO • Da diese je nach der Höhe des Nettogoldzuflusses (plus eventueller eigener Goldproduktion) schwanken, gewährleistet der Goldstandard trotz stabilen Goldkurses der heimischen Währung keineswegs automatisch Stabilität des heimischen Preisniveaus. Glaubwürdigkeit der externen Währungsstabilität (Goldkurs) bedeutet deshalb nicht gleichermaßen Glaubwürdigkeit der internen Währungsstabilität. Beim Currency board-System 11 besteht die Regelbindung darin, daß die Zentralbank den heimischen Geldumlauf an die Verfügbarkeit über Devisen bindet. Die Zentralbank betreibt Geldschöpfung nur auf der Basis von Fremdwährung, die als Ankerwährung fungiert, so daß die Inlandsgeldmenge zu (mindestens) lOO% durch die Ankerwährung gedeckt ist. Es gibt keine multiple Geldschöpfung, weil die Zentralbank weder die üblichen geldpolitischen Instrumente besitzt, noch die heimische Staatsschuld finanzieren darf. Wie beim Goldstandard wird die heimische Geldmenge von der Zahlungsbilanzsituation bestimmt, und für die Inlandswährung besteht die Garantie vollständiger Konvertibilität. Um Preisstabilität über den festen Wechselkurs zu importieren, darf die Ankerwährung nicht inflationieren. Für die Reformländer kämen für eine solche Lösung z.B. die D-Mark, der US10 Vgl. Cooper (1982); Fisher (1993), S. 54-112. Man kann darüber streiten, ob der Goldstandard tatsächlich eine starre Automatik der Geidsteuerung beinhaltet oder ob er einen gewissen Spielraum für diskretionäre Zentralbankentscheidungen zuläßt. Letztendlich läuft er im Kern aber darauf hinaus, daß sich die Geldmenge in einer Volkswirtschaft gleichgerichtet mit dem Goldbestand der Zentralbank entwickelt. 11 Vgl. Havrylyshyn, Williamson (1991), S. 39 ff.; Hauke, Schuler (1992); Walter, Hauke (1992).
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Dollar und, für den Fall einer späteren Eigenständigkeit, auch die Währungseinheit ECU12 in Betracht. Wenn auch der Goldstandard sowie insbesondere das Currency boardSystem für die Reformländer unter Glaubwürdigkeitsaspekten der freiwilligen Bindung an eine Ankerwährung überlegen sein mögen, so scheiden dennoch beide als realistische Optionen für diese Länder aus. Beide Systeme setzen eine in bezug auf das nominale Bruttoinlandsprodukt genügend große Verfügbarkeit über Gold bzw. Auslandswährung voraus, die für keines der Reformländer gegeben ist. Für das Currency board-System ist allerdings diskutiert worden, dieses Problem auf zwei Wegen zu lösen l3 : entweder durch eine Abwertung der heimischen Währung gegenüber der Ankerwährung in einem Umfang, durch den sich eine 100%ige Fremdwährungsdeckung einstellt, oder durch eine Währungsreform, die dasselbe Ergebnis über einen Währungsschnitt erreicht. Beide Optionen erscheinen jedoch als kaum durchsetzbare Lösungen, wobei insbesondere der Währungschnitt als ökonomisch und politisch inakzeptabel gelten muß, weil er aufgrund des geringen Devisenbestandes untragbar drastisch ausfallen müßte. Hinzu kommt, daß ein Währungsschnitt regelmäßig mit einem Glaubwürdigkeitsverlust in bezug auf die Verläßlichkeit zukünftiger Wirtschaftspolitik einhergeht. Den unter Glaubwürdigkeitsaspekten überzeugendsten Souveränitätsverzicht zur internen Stabilisierung würde für die Reformländer des Ostens schließlich die Teilnahme an einem westlichen Währungsverbund oder gar an einer westlichen Währungsunion (im Sinne einer Einheitswährung) bedeuten. Hier gibt ein Land seine währungspolitischen Kompetenzen vollständig an eine supranationale bzw. externe Institution ab. Für die Teilnahme an einem Währungsverbund käme theoretisch das EWS in Betracht. Der Beitritt zu einer Währungsunion könnte dadurch ermöglicht werden, daß ein westliches Land mit stabiler Währung die Geldversorgung in einem östlichen Reformland vollständig übernimmt. Als Beispiel sei hier die Einführung der D-Mark im Gebiet der ehemaligen DDR am 1.7.1990 genannt 14 . Die Währungsunion hätte gegenüber dem EWS einen höheren Glaubwürdigkeitsgrad, weil letzteres noch einen Wechselkursänderungsvorbehalt enthält. Beide Lösungen sind aber ebenfalls unrealistisch. Eine Mitgliedschaft osteuropäischer Reformländer im EWS würde zum gegenwärtigen Zeit12 Dabei ist unterstellt, was nicht selbstverständlich bzw. sogar wenig wahrscheinlich ist, daß die ECU-Währung auch nach Inkrafttreten der Währungsunion gemäß Maastricht-Vertrag stabil bleibt. 13 Vgl. Bofinger (1991), S. 25. 14 Andere Beispiele sind Panama, die Bahamas und Liberia, die mit den USA in einer Währungsunion stehen. Da in Panama das Münzgeld eine eigene Währung darstellt, die mit dem US-Dollar im Verhältnis 1:1 verbunden ist, bildet Panama eine Währungsunion mit den USA sowohl im Sinne einer Einheitswährung als auch einer Wechselkursunion.
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punkt und wohl auch für absehbare Zeit Spannungen ins EWS hineintragen, die das System zu sprengen drohten. Die bereits bei der gegenwärtigen Heterogenität der EWS-Mitglieder hinsichtlich der Struktur ihrer Volkswirtschaften und der wirtschaftspolitischen Konzeptionen auftretenden EWSInstabilitäten würden ohne Zweifel potenziert. Bei der Währungsunionslösung stellt sich die Frage nach dem westlichen Partnerland, das bereit und in der Lage wäre, die Geldversorgung in einem östlichen Reformland vollständig zu übernehmen. Es bedarf keiner ausführlichen Begründung dafür, daß und warum diese Bereitschaft für absehbare Zeit vermutlich nirgends vorhanden sein wird. Einerseits waren die politischen Bedingungen, unter denen die ehemalige DDR in eine Währungsunion mit der Bundesrepublik eintrat, bekanntlich so außergewöhnlich, daß sie mit keinem anderen Reformland vergleichbar sind, und andererseits sind die ökonomischen Folgen dieser Währungsunion so gravierend, daß dieses Beispiel nicht zur Nachahmung herausfordert. 4. Flexible Wechselkurse, Stabilisierung und Glaubwürdigkeit Die Frage stellt sich, ob die Reformländer über flexible Wechselkurse eine gegenüber festen Wechselkursen höhere stabilitätspolitische Glaubwürdigkeit erreichen können. Da Glaubwürdigkeit einer Politik nicht unabhängig ist von ihrer Durchsetzbarkeit und diese wiederum abhängt von den Kosten der Anpassung, die mit ihr verbunden sind, müssen die internen Anpassungsvorgänge, die bei einem Stabilisierungsprogramm mit festen bzw. flexiblen Wechselkursen ablaufen, analytisch dargelegt werden. Dies kann anhand von Schaubild 1 geschehen 15. Wir gehen von einer - für die Reformländer allgemein zutreffenden kleinen offenen Volkswirtschaft aus, für die die Weltmarktpreise für international gehandelte Güter ein Datum sind, so daß Preis änderungen in heimischer Währung nur über Wechselkursänderungen möglich sind. Die Funktion Y(R,A) zeigt alternative Kombinationen von realem Wechselkurs Rund realer Absorption A an, bei denen das Realeinkommen konstant ist (Y), wobei Y hier dem Vollbeschäftigungseinkommen entsprechen soll. Die Funktion H(R,A) bezeichnet alle R,A-Kombinationen, bei denen die Handelsbilanz ausgeglichen ist (H). Für den realen Wechselkurs gilt dabei: R = ePT/PN, wo e den nominalen Wechselkurs und PT (bzw. PN) den Preisindex für international gehandelte (bzw. nicht gehandelte) Güter bezeichnen. Die reale Absorption entspricht der realen Inländernachfrage nach heimischen und importierten Gütern l6 • [5 Vgl. zu der Wahl dieses Analyserahmens Swan (1963), S. 387/88, Corden (1991), S.224-245. [6 Die negative Steigung der Y-Funktion erklärt sich daraus, daß bei steigender
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Rc
I----..""c-------------.
Ac
A
Schaubild 1: Ungleichgewicht, Absorption und realer Wechselkurs in den Reformländern
Punkt B bezeichnet eine Situation, in der Vollbeschäftigung und Handelsbilanzausgleich vorliegen. Der zu B passende reale Wechselkurs kann implizieren, daß die Inflationsraten im In- und Ausland gleich groß sind oder daß bei unterschiedlichen Inflationsraten der nominale Wechselkurs die Inflationsdifferenz ausgleicht. Eine für die Reformländer typische Situation kann durch C charakterisiert werden. Es herrscht Unterbeschäftigung, die Handelsbilanz ist aufgrund zu hoher Absorption im Defizit, die heimische Währuhg ist real überbewertet. Hinzu kommen Preissteigerungen, die vielfach über denen des (westlichen) Auslands liegen. Die wirtschaftspolitische Aufgabe besteht in der Gestaltung des Anpassungspfades von C nach B. Wie sieht diese bei festem bzw. flexiblem Wechselkurs aus? Ist der Wechselkurs fixiert und gehen wir davon aus, daß die Preise für nichtgehandelte Güter temporär starr sind, dann erfordert der Anpassungsprozeß folgenden Verlauf (Schaubild 2): Absorption die gehandelten Güter relativ billiger werden müssen, damit sich die Zusatzabsorption auf die hande1baren Güter richtet und das heimische Gütermarktgleichgewicht bei Vollbeschäftigung nicht gestört wird. Die positive Steigung der H-Funktion bedeutet, daß die handel baren Güter bei steigender Absorption relativ teuer werden müssen, damit sich die Zusatzabsorption nicht auf die handelbaren Güter richtet, so daß die Handelsbilanz ausgeglichen bleibt.
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R
R G 1-------300.---------.".
Rc
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AB
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Ac
A
Schaubild 2: Anpassung bei festem und flexiblem Wechselkurs
Das Handelsbilanzdefizit ist mit einem Reserveverlust verbunden 17, der die reale Geldmenge reduziert. Wird dieser Reserveverlust nicht sterilisiert, so wird das Defizit über eine Absorptionseinschränkung (Mengenkontraktionsprozeß) in Höhe von AC - AE abgebaut. Bei E ist die Handelsbilanz wieder ausgeglichen, allerdings ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Erst die Bewegung von E nach B, die eine Preis senkung der nichtgehandelten Güter und mithin eine reale Geldmengenerhöhung mit entsprechender Absorptionsexpansion beinhaltet, bewirkt Vollbeschäftigung bei ausgeglichener Handelsbilanz und gesunkenem Preisniveau (Inflationsabbau). Ist der Nominalkurs flexibel, so kann die Anpassung auf andere Weise erfolgen. Die erste Möglichkeit besteht darin, den Devisenabfluß in Höhe von ED zu sterilisieren, so daß die Absorptionseinschränkung nur im Ausmaß AC - AB eintritt, und gleichzeitig den nominalen Wechselkurs abzuwerten, so daß der Realwechselkurs auf RB steigt. Eine interne Preissenkung muß dann nicht stattfinden. Denkbar wäre auch, daß zunächst eine Nominalkursabwertung erfolgt, die die Handelsbilanz bei dem Realwechselkurs RG ausgleicht. Die weitere reale Anpassung geschieht dann von G nach B im Ausmaß AC - AB, die mit Preiserhöhungen verbunden ist. 17 Wir unterstellen eine gleichgerichtete Entwicklung von Handels-, Leistungs- und Zahlungsbilanz.
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Deutlich wird, daß eine Inflationsbekämpfung nur im ersten Fall (fester Wechselkurs) gelingt, in den anderen beiden Fällen (flexibler Wechselkurs) bleiben die Preise entweder konstant oder sie steigen sogar 18 • Eine Preissenkung kann aber auch bei flexiblem Wechselkurs erfolgen. Ausgehend von B wird eine monetäre Kontraktion in Höhe von BF vorgenommen, die Handelsbilanz weist dann entsprechend einen Überschuß auf, der zu einer Nominalkurs- und damit Realkursaufwertung in Höhe von RB - RK führt. Die weitere Anpassung erfolgt dann wieder über interne Preissenkungen für nichtgehandelte Güter. Es lassen sich folgende Schlußfolgerungen aus den alternativen Anpassungsstrategien ziehen: 1. Für die Stabilisierung des Preisniveaus ist ein fester Wechselkurs keine notwendige Bedingung. Notwendig ist vielmehr eine reale Geldmengenreduktion, die die Absorption vermindert. Und diese muß in einem bestimmten Umfang (FB bzw. ED) erfolgen unabhängig davon, ob der Wechselkurs starr oder flexibel ist.
2. Bei festem Wechselkurs ist die mit Arbeitslosigkeit verbundene Absorptionseinschränkung (AC - AE) größer als bei flexiblem Wechselkurs (AC - AB). Das Ziel der Vollbeschäftigung wird im Anpassungsprozeß bei flexiblem Wechselkurs weniger stark verfehlt, allerdings geht dies zu Lasten größerer Preisstabilität. Überdies gilt offensichtlich, daß die Absorptionseinschränkung bei festem Wechselkurs um so größer (kleiner) sein muß, je elastischer (unelastischer) die Handelsbilanzfunktion verläuft. Ein beweglicher Wechselkurs vermeidet mithin anpassungsdingte Arbeitslosigkeit um so mehr, je größer die Elastizität der Handelsbilanz ist, die wiederum von den Außenhandelselastizitäten des Landes in bezug auf den Realwechselkurs abhängen. Wie sind nun beide Strategien - Anpassung über feste oder flexible Wechselkurse - unter dem Aspekt der Politikglaubwürdigkeit zu beurteilen? Entscheidend für die Glaubwürdigkeit erscheint hier die Durchsetzbarkeit der Anpassungsstrategien. Dazu ist folgendes zu sagen. Der bei festem Wechselkurs erforderliche Mengenkontraktionsprozeß muß von den wirtschaftspolitischen Instanzen gewollt sein und durchgehalten werden, d.h. die mit ihr verbundene gesamtwirtschaftliche Produktion unterhalb des Vollbeschäftigungsniveaus ist wie die mit ihr einhergehende Stabilisierungsarbeitslosigkeit hinzunehmen. Dies bedeutet, daß Zentralbank und Regierung kein kurzfristiges Beschäftigungsziel verfolgen, das sie in der Kontraktionsphase dazu verleitet, zu einer beschäftigungsorientierten Geld- und Fiskalpolitik zurückzukehren. Damit würde die Politik zeitinkon18 Sinkende (steigende) Preise werden hier als reduzierte (erhöhte) Inflationsdifferenz zum Ausland aufgefaßt.
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sistent, der Stabilisierungserfolg verzögerte sich oder er bliebe ganz aus. Voraussetzung ist aber auch, daß die Öffentlichkeit steigende Arbeitslosigkeit zunächst ebenfalls hinnimmt und bei ungenügend flexiblem Preis system als für den Stabilisierungserfolg notwendig akzeptiert. Diese Akzeptanz ist in den Reformländern, deren Bevölkerung mit offener Arbeitslosigkeit jahrzehntelang nicht konfrontiert worden ist, keineswegs selbstverständlich. Die Erfahrung zeigt im Gegenteil, daß der öffentliche Druck auf die Wirtschaftspolitik zunimmt, steigende Arbeitslosigkeit durch permissive Geldund Fiskalpolitik aufzufangen. Akzeptanzprobleme können sich mit Problemen der Durchführbarkeit eines Stabilisierungsprogramms bei festen Wechselkursen verbinden, wenn die Zeitspanne bis zum Stabilisierungserfolg lang ist. Da das zwischenzeitlich entstehende Handelsbilanzdefizit bewirkt, daß Devisenreserven abfließen, existiert das Problem, daß das Programm einer Budgetrestriktion aufgrund begrenzter Verfügbarkeit über Währungs reserven und begrenztem Zugang zu internationalem Kredit unterliegt, bevor ein Stabilisierungserfolg sichtbar wird. Die Gefahr besteht, daß Regierungen versuchen, entstehende Abwertungserwartungen zu konterkarieren, indem sie Kapitalverkehrskontrollen nicht abbauen, verstärken oder wieder einführen. Damit wird dann allerdings das Gegenteil bewirkt: Über kurz oder lang intensivieren sich die Abwertungserwartungen. Da die stärkste Disziplinierung der nationalen Politik allgemein durch die Abwesenheit von Kapitalverkehrskontrollen zustande kommt, liegt in der Aufrechterhaltung bzw. Wiedereinführung derartiger Kontrollen längerfristig die größte Bedrohung stabilitätspolitischer Glaubwürdigkeit. Die Zuflucht zu Kapitalverkehrsbeschränkungen bzw. die letztendliche Abwertung der Währung wirken auf die Glaubwürdigkeit einer Politikstrategie fester Wechselkurse kontraproduktiv. Die Frage ist, ob flexible Wechselkurse die Politik glaubwürdiger machen. Dabei ist zunächst zu sagen, daß das Problem der Zeitinkonsistenz in der Politik weniger groß ist angesichts weniger scharfer Anforderungen an den notwendigen Mengenkontraktionsprozeß. Die Durchsetzbarkeit dieser Politik bis zur Erreichung von Vollbeschäftigung und Handelsbilanzausgleich erscheint deshalb größer. Zur Inflationsbekämpfung sind dagegen dieselben Stabilisierungsanstrengungen in beiden Strategien vonnöten. Der Unterschied liegt allerdings darin, daß bei flexiblem Wechselkurs die monetäre Kontraktion die primäre Aktion darstellt, auf die sich der Wechselkurs einstellt 19 • Bei festem Wechselkurs ist dagegen die Fixierung des Wechselkurses die primäre Aktion, an die sich die monetäre Kontraktion als notwendige Bedingung für den Strategieerfolg anpassen muß, damit die Politik konsistent bleibt. Daß und ob diese Bedingung erfüllbar ist, hängt u.a. von der Höhe des jeweils fixierten Wechselkurses ab und ist zudem angesichts der 19
Vgl. hierzu auch Schweickert (1992), S. 11.
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realen Entwicklungen in den Reformländern nicht sicher bzw. sehr zweifelhaft. Hinzu kommt folgendes. Sind die Wechselkurse beweglich, so kann bei der Inflationsbekämpfung Schritt für Schritt vorgegangen werden, um in einem kontinuierlichen Lauf den Mengenkontraktionsprozeß periodenmäßig zu begrenzen und die Wirtschaftssubjekte einem kontinuierlichen Preisanpassungsprozeß auszusetzen: Wenn zunächst, von B ausgehend, eine geringe monetäre Kontraktion erfolgt, wird die Einkommenseinschränkung entsprechend gering (und damit eher akzeptabel), die Währungsaufwertung ebenfalls. Auch sind die dann notwendigen Preissenkungen, ebenso wie die Einkommenseinbußen, leichter akzeptierbar und damit durchsetzbar, weil sie im Umfang begrenzt sind. Wenn vom alten Gleichgewicht dann dieser Prozeß kontinuierlich fortgesetzt wird, erscheint das Zeitinkonsistenzproblem der Politik wegen der kleineren Ungleichgewichte weitgehend entschärft, die Politik wird damit glaubwürdiger. Es sind also die beweglichen Wechselkurse, die es ermöglichen, die Politikglaubwürdigkeit durch eine schrittweise Stabilitätsstrategie der zumutbaren Anpassungskosten zu erhöhen. Dieser Aspekt ist durch folgende Überlegungen zu vertiefen. Mit den östlichen Transformationsprozessen und der Integration der Reformländer in die internationale Arbeitsteilung gehen erhebliche reale Wechselkursänderungen einher, wie sie stets - wenn auch nicht notwendigerweise in diesen Dimensionen - als Begleiterscheinung strukturellen Wandels auftreten. Dieser reale Wechselkursänderungsbedarf, der hoch ist, ist unabhängig vom Wechselkursregime, d.h. die Realkursänderungen setzen sich sowohl bei festen als auch bei flexiblen Wechselkursen durch. Die Frage ist dann, über welche Anpassungskanäle der Bedarf an Realkursänderungen befriedigt werden soll. Effizient sind diejenigen Anpassungskanäle, die die Kosten der Anpassung minimieren. Deshalb werden sie auch den höchsten Akzeptanzgrad besitzen, was bedeutet, daß sie in bezug auf die Durchführbarkeit die glaubwürdigsten sind. Theoretische Überlegungen 20 zeigen ebenso wie empirische Erfahrungen 21 , daß die volkswirtschaftlichen Kosten der internen Anpassung über Preise (und Mengen) in einem Land allgemein höher sind als die der externen Anpassung über den nominalen Wechselkurs, bei der über eine implizite Flexibilisierung der Außenhandelsgüterpreise der Realkurs änderungs bedarf befriedigt wird. Zudem gilt, daß Binnengüter in einem Land um so preisstabiler sind, je stärker bei gegebenem Realkursanpassungsbedarf die Außenhandelsgüterpreise durch Nominalkursänderungen beweglich werden. Geht man davon aus, daß es für die interne Akzeptanz und damit die Durchsetzbarkeit einer Stabilisierungspolitik vor allem auf die Vgl. u.a. Schäfer (1990). Für die Reformländer ist es ohne Zweifel sinnvoll, auf Erfahrungen verschiedener Entwicklungsländer zurückzugreifen. Vgl. dazu Schweikert, Nunnenkamp, Hiemenz (1992). 20 21
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Stabilität der Binnengüterpreise ankommt, so ist auch aus diesem Grunde die Hypothese nicht akzeptabel, stabilitätspolitische Glaubwürdigkeit könnten die östlichen Reformländer über feste Wechselkurse importieren. Literatur Barro, Robert J., Gordon, David B. (1993): Rules, Discretion and Reputation in a Model ofMonetary Policy, Journal ofMonetary Economics, Vol. 12, S. 101-121. Bofinger, Peter (1991): Options for the Payments and Exchange Rate Systems in Eastern Europe, Centre for Economic Policy Research, Discussion Paper No. 745, London. Cooper, Richard N. (1982): The Gold Standard: Historical Facts and Future Prospects, Brookings Papers on Economic Activity, No. 1, Washington, D.C. Corden, W. Max (1991): Exchange Rate Policy in Developing Countries, in: Jaime de Kelo, Andre Sapir (Hrsg.): Trade Theory and Economic Reform, Cambridge 1991, S. 224-245. Dornbusch, Rudiger (1991): Credibility and Stabilization, Quarterly Journal of Economics, Vol. 106, S. 837-850. Fisher, Irving (1922): Stabilizing the Dollar, in: Lione! D. Edie (Hrsg.): Stabilization of Business, New York, S. 54-112. Fröhlich, Hans-Peter (1992): Währungspolitische Reformen in Osteuropa, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Nr. 197, Köln. Funke, Norbert (1991): Die Glaubwürdigkeit von Wirtschaftsreformen: Bedeutung, Ursachen und Ansatzpunkte zur Lösung von Glaubwürdigkeitsproblemen, Die Weltwirtschaft, H. 2, S. 175-186. Hauke, Steve H., Schuler, Kurt (1992): Currency Boards for Eastern Europe, Geld und Währung Working Papers, Nr. 23, Frankfurt a.M. Havrylyshyn, Olek, Williamson, John (1991): From Soviet dis Union to Eastern Economic Community?, in: Policy Analyses in International Economics, No. 35, Washington, D.C. Hofmann, Volker, Sell, Friedrich L. (1993): Credibility, Currency Convertibility and the Stabilization ofthe Rouble, Intereconomics, Vol. 28, No. 1, S. 11-16. Kydland, Finn E., Prescott, Edward C. (1977): Rules Rather than Discretion: The Inconsistency of Optimal Plans, Journal of Political Economy, Vol. 85, S. 473492. Lipton, David, Sachs, Jeffrey (1990): Creating a Market Economy in Eastern Europe: The Case of Poland, Brookings Papers on Economic Activity, No. 1, Washington, D.C. Schäfer, Wolf (1990): Binnenmarkt und Wechselkurs, Außenwirtschaft, Jg. 45, S. 353-370. Schmieding, Holger (1991): Lending Stability to Europe's Emerging Market Economies. On the Importance of the EC and the ECU for East-Central Europe, Working Paper No. 481, Kiel.
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Entwicklungstendenzen der Wirtschaftsintegration in Nordamerika Die Nordamerikanische Freihandelszone* Von Heiko Körner, Darmstadt 1.
Am 1. Januar 1989 ist der Vertrag über eine Freihandelszone zwischen den USA und Kanada in Kraft getreten. Fünf Jahre später, zum 1. Januar 1994 soll die Nordamerikanische Freihandelszone (North American Free Trade Agreement - NAFTA) gebildet werden. Diese Ereignisse reihen sich ein in eine Welle von regionalen Integrationsbestrebungen, die seit Mitte der achtziger Jahre die internationale Wirtschaftsordnung verändern: Anfang 1993 ist der Gemeinsame Europäische Binnenmarkt Realität geworden. Zwischen den Ländern der ASEAN-Gruppe werden während einer Übergangsphase Zölle und andere Handelshemmnisse so weit abgebaut, daß eine Freihandelszone noch in diesem Jahrhundert als realistisch erscheint. Und in Südamerika wollen die Länder der MERCOSUR-Gruppe (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) wie auch Mexiko, Venezuela und Kolumbien ihre gegenseitigen Zölle noch in diesem Jahrzehnt weitgehend abschaffen. Manche Beobachter haben diese Entwicklung als "neuen Regionalismus" beschrieben!, wobei die Bezeichnung "neu" nicht nur zeitliche Unterschiede zum "alten" Regionalismus (besonders der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der fünfziger Jahre) meint, sondern eine grundsätzlich andere Bewertung der neuen regionalen Handelsvereinbarungen signalisiert: Wurden die Integrationsansätze der Vergangenheit (entspr. Art. XXIV GATTVertrag) eher als der multilateralen Welthandelsordnung entsprechend, wenn nicht sogar ihr zuträglich, eingestuft, so wird von den gegenwärtigen Vereinbarungen vermutet, daß sie in Geist und Praxis der durch den GATTVertrag geprägten Welthandelsordnung zuwiderlaufen. Wesentliche Indizien hierfür werden in den Tatsachen gesehen, daß
* Für wesentliche Hinweise und Informationen danke ich meinem Doktoranden, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Harald Proff. 1 Vgl. J. de Melo, A. Panagariya: Der neue Regionalismus. In: Finanzierung und Entwicklung, 29. Jahrg. (1992), No. 4, S. 37ff.
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Heiko Körner
die USA als eines der nach wie vor dominierenden Länder des Weltwirtschaftssystems - ähnlich wie die EG - heute immer stärker eine bewußte Politik des aktiven Regionalismus betreiben, und daß die Entwicklungsländer im Sog der Politik der beiden großen Integrationsverbände immer mehr ihr wirtschaftliches und politisches Heil in einer möglichst engen Anlehnung an diese suchen. "Regionalismus ... " so fürchtet der Erzkritiker des "neuen Regionalismus", Jagdish Bhagwati, " ... ist auf der Tagesordnung und andere müssen diesem Trend einfach folgen. "2 Zugleich - und zwar am selben literarischen Ort, an dem auch Bhagwati publiziert - meint aber einer der als Erzväter der neuen Außenhandelsdoktrin angesehenen Ökonomen, Paul Krugman, daß die "neue Handelstheorie" noch längst nicht als "neue Handelspolitik" praktikabel geworden sei. 3 Insofern habe sich die bisherige Welthandelsordnung auch keineswegs so gravierend verändert, wie dies die Kritiker des "neuen Regionalismus" behaupten. Denn die Regionalstrukturveränderung des Welthandels bedeute nicht eine Schwächung, sondern eine Revitalisierung des globalen wirtschaftlichen Austausches. Welche Meinung zutreffend ist, sollte nicht aufgrund von Apriori-Vermutungen beurteilt werden, die gerade der Theorie des internationalen Handels nicht fremd sind, sondern aufgrund der verfügbaren Fakten, soweit sie sich aus der bisherigen Entwicklung der Handels- und Wirtschaftsintegration in Nordamerika ablesen lassen. Dazu werden zunächst die theoretisch begründeten Erwartungen der Gegner und der Befürworter sowie die wirtschaftspolitischen Beweggründe der Handelspolitik in Kanada, Mexiko und den USA skizziert. Danach wird versucht, empirisch zu überprüfen, inwieweit es bereits zur befürchteten Handelsumlenkung oder zur erhofften Handelsexpansion und entsprechenden Wohlfahrtseffekten gekommen ist.
2. Als Maßstab zur handelspolitischen Beurteilung von Integrationszusammenschlüssen gelten nach wie vor die von Viner in seiner Abhandlung "The Customs Union Issue" 1950 entwickelten Begriffe "handelsschaffender Effekt" und "Handelsumlenkungseffekt". 4 2 J. Bhagwati: The Threats to the World Trading System. In: The World Eeonomy, Vol. 15 (1992), S. 443, insbes. S. 454. 3 P. Krugman: Does the New Trade Theory Require a New Trade Poliey? Ebenda, S.423ff. 4 Vgl. hierzu z.B. J. Bhagwati: The World Trading System at Risk. New York, London, Toronto 1991, S. 58 ff.
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Möglicherweise können Exporte aus einem Partnerland eines Integrationszusammenschlusses an die Stelle von Einfuhren aus einem kostengünstigeren Land außerhalb des Integrationsverbandes treten. Dann ist vom "Umlenkungseffekt" die Rede. Wächst aber in den Ländern des Integrationszusammenschlusses die wirksame Nachfrage aufgrund verbesserter Arbeitsteilung derart, daß auch Importe aus Drittländern zunehmen, so ist vom "handelsschaffenden Effekt" die Rede. Per saldo hängt die handelspolitische Bewertung eines Integrationsverbandes dann davon ab, welcher der möglichen Effekte den anderen überwiegt. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die seit 1957 bestehende Europäische Wirtschaftsgemeinschaft überwiegend handelsschaffend wirkte, nicht nur, weil der gemeinsame Zolltarif niedriger lag als der Durchschnittszoll aller einzelnen Mitgliedländer vor dem Zusammenschluß, sondern auch wegen der raschen Expansion des Handels mit Industriegütern im Zollunionsraum. Diese zog Wohlfahrtssteigerungen nach sich, von denen Drittländer, insbesondere auch die USA, über eine zusätzliche Expansion der Exporte profitieren konnten. 5 Heute ist die Lage komplizierter. Denn zum einen geht die innere Ausgestaltung der Integrationsräume weit über die Verwirklichung der klassischen Handelsfreiheit im Zollunionsraum hinaus. Und die - auch in Nordamerika - intendierte Verwirklichung der Freiheit des Austausches von Arbeit, Kapital und Dienstleistungen kann Strukturelemente und Interessen verstärken, die eher eine "inward-Iooking policy" begünstigen. Und zum anderen hat sich die Natur des Welthandels und der Handelspolitik besonders seit Ende der sechziger Jahre gravierend geändert: An die Stelle des Austausches eher homogener Güter auf Wettbewerbsmärkten, der bis dahin (außerhalb des Handels zwischen den EG-Ländern) den Welthandel prägte, ist der Handel mit spezifischen Industriegütern mit hoher Technologiekomponente auf Märkten mit imperfektem Wettbewerb getreten. 6 Zudem hat sich das handelspolitische Instrumentarium nicht nur quantitativ ausdifferenziert, sondern auch qualitativ verändert: Zum Arsenal des "neuen Protektionismus"7 gehören branchenbezogene nicht tarifäre Handelshemmnisse, Selbstbeschränkungsabkommen, Reziprozitäts- und Fairnessregeln, deren Auswirkungen weder für die internationale Gemeinschaft noch für einzelne Länder genau abgeschätzt werden können. Hier muß nicht nur das auf den klassischen Warenhandel bezogene GATT-System versagen. Auch die Außenhandelspolitik trifft, wie das Schicksal der Uruguay-Runde des 5 Vgl. G. Koopmann: Außenwirtschaftsbeziehungen und -politik der Gemeinschaft bei innergemeinschaftlichem Freihandel. In: O.G. Mayer, H.-E. Scharrer, H.-J. Schmahl (Hrsg.): Der Europäische Binnenmarkt. Hamburg 1989, S. 407 ff. 6 Vgl. P. Krugman: Rethinking International Trade. Cambridge (Mass.), London 1990, insbes. S. 187 ff. 7 Vgl. H. Körner: Der neue Protektionismus und die Dritte Welt. In: U.E. Simonis (Hrsg.): Ordnungspolitische Fragen zum Nord-Süd-Konflikt. Berlin 1983, S. 187 ff.
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GATT belegt, angesichts der Vielzahl gegeneinander aufzurechnender Handeisbeschränkungen auf unterschiedlichen Problemfeldern auf ihre Grenzen. Paul Krugman meint deshalb mit den Kritikern des "neuen Regionalismus", daß Wirtschaftsblöcke zwar als inferior gelten mögen, wenn man sie mit dem klassischen System des multilateralen, nicht diskriminierenden Freihandels vergleicht. Er fügt jedoch hinzu, daß unter den heute herrschenden Bedingungen wirtschaftliche Integrationsverbände sicherlich als zweitbeste Lösung zu bevorzugen seien. 8 Denn zunächst gelte: Je kleiner die Zahl der handelspolitischen Akteure, desto wahrscheinlicher sei das Eintreten von kooperativen Problemlösungen. Zudem würden in der Praxis Handelsblöcke stets von solchen Ländern gebildet, die (etwa wegen geographischer oder kultureller Nähe) "natürliche" Partner seien. Sind die Außenbeziehungen aber ohnehin gering, dann überwöge der "handelsschaffende Effekt" sicherlich den "Handelsumlenkungseffekt", und die Weltwohlfahrt nehme in jedem Falle stärker zu als ohne Integration. Dies sind Überlegungen, wie sie - auf Weltniveau bezogen - im allgemeinen von den in der ökonomischen Theorie oft hoch angesehenen "benevolenten Diktatoren" angestellt werden. In der Realität sind es aber nicht solche Überlegungen, sondern es sind die partiellen Interessen einzelner Länder oder Völker, Regionen und Branchen, vertreten durch nationale Regierungen, die die Weltwirtschaftspolitik prägen. Dies trifft zu selbst für das GATT, das dem oberflächlichen Beobachter als ein "leuchtendes Beispiel eines allgemeinen Interessenausgleichs zum Nutzen der Weltwohlfahrt" erscheint. Faktisch stellt es sich aber als eine "Fortsetzung nationaler Interessenpolitik" (Grubel)9 dar, das nur so lange perfekt funktioniert, als es der bestmöglichen Durchsetzung partikularer Interessen der dominierenden Volkswirtschaften entspricht. Die USA sind z.B. stets ein Land gewesen, das seit 1890, als sie sich als industrielle Exportnation etabliert hatten, eine Politik der Öffnung ausländischer Märkte bei gleichzeitigem Schutz der Inlandsproduktion durchzusetzen versuchten. Im Zuge des "New Deal" wurde im Trade Agreements Act von 1934 das Ziel der Exportmarktöffnung explizit an die binnenwirtschaftliche Beschäftigungspolitik gebunden. 10 Als die USA nach dem Zweiten Weltkriege zur politisch, wirtschaftlich und technisch dominierenden Wirtschaft geworden waren, erschien das multilaterale Vertrags system des GATT den Interessen aller beteiligten Länder zuträglich, und zwar so lange, als das atlantische Handelssystem mit Kern 8 P.R. Krugman: Is Bilateralism bad? In: E. Helpman, A. Razin (eds.): International Trade and Trade Poliey. Cambridge (Mass.), London 1991, S. 9 ff. 9 Vgl. H.G. Grubei: Does the World Need a GATI for Services? In: H.-J. Vosgerau (ed.): New Institutional Arrangements for the World Eeonomy. Berlin, Heidelberg, New York 1989, S. 257 ff., insbes. S. 263 ff. 10 Vgl. EV. Meyer: International Trade Poliey. London 1978, S. 62 ff.
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USA stabil blieb. Sobald sich aber nach Einebnung des internationalen Technologiegefälles und nach Aufgabe des Dollar-Standards die Interessen der wichtigsten Welthandelsländer auszudifferenzieren begannen, kam es mit dem Beginn der siebziger Jahre auch zur Erosion des GATT-Systemszunächst durch zunehmende Tolerierung von nicht vertragsgemäßen Abweichungen vom Prinzip der Nichtdiskriminierung, z.B. durch bilateral abgeschlossene Selbstbeschränkungsabkommen und allgemeine Präferenzabkommen zwischen einzelnen Gruppen von Industrie- und Entwicklungsländern. 1I Diese Tendenzen haben sich sowohl in der Tokio-Runde als auch in der Uruguay-Runde des GATT akzentuiert. Man mag dies - etwa mit Bhagwati - vom Freihandelsstandpunkt aus als Verwilderung guter Sitten beklagen. Doch hat die geschilderte Entwicklung durchaus ernst zu nehmende Gründe. Wesentlich ist die Tatsache, daß es in der Handelspolitik eben nicht nur, wie dies die oberflächliche Betrachtung suggeriert, um die Kompensation von relativen Verschiebungen der Marktanteile einzelner nationaler Produzenten handelt, sondern um Verschiebungen in der Einkommensverteilung innerhalb der betroffenen Länder, die hierdurch bewirkt werden. Wäre im ersteren Falle eine internationale kooperative Lösung mittels Kompensationen und Risikoverteilung denkbar, so kommen im anderen nur nationale Protektion und Subventionierung in Frage, die durch Mechanismen institutioniert und bemessen werden, die die ökonomische Theorie der Politik beschreibt. 12 Eine andere Ursache dafür, daß das GATT-System immer stärker an Bedeutung verliert, ist das Phänomen, daß heute nicht nur Handelsströme, sondern auch Transfers von Produktionsfaktoren selbst zum Problem der internationalen und der nationalen Politiken geworden sind. Insofern ist nicht mehr ohne weiteres zu prognostizieren, ob und welcher Gewinn den beteiligten Ländern zufällt, und wie er sich verteilt. Handelsumlenkungseffekte können bei Mobilität der Faktoren ohne weiteres durch produktivitätsinduzierte Wachstumseffekte kompensiert werden. Wenn darüber hinaus regionale Zusammenschlüsse zur Harmonisierung der Industrie- und der Steuerpolitik, zur Koordinierung der Umweltpolitik und, vor allem, zur Durchsetzung monetärer Stabilität führen sollten, wird der Datenkranz, mit dem die traditionelle Außenhandelspolitik rechnet, zur Variablen. Eindeutige Prognosen sind unter solchen Bedingungen nicht mehr möglich; doch besteht die Hoffnung, daß die damit verbundenen Synergieeffekte Vorteile begründen, die über die Wohlfahrtseffekte des Freihandelsregimes qualitativ und quantitativ hinausgehen. 13 [[ Vgl. H.R. Grubei, a.a.O., S. 266 f. 12 Vgl: A.L. Hillman: Policy Motives and International Trade Restrictions. In: H.-J. Vosgerau (ed.), a.a.O., S. 284 ff. 13 Vgl. J. de Melo, A. Panagariya, a.a.O., S. 38 f. Zu entspr. dynamischen Effekten 14'
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Das Interesse der USA an der Bildung einer Freihandelszone zuerst mit Kanada wird von manchen Beobachtern überwiegend taktisch begründet: 14 Im Zuge der Vorbereitung der Uruguay-Runde, besonders um die Forderung nach Einschluß des Agrar- und Dienstleistungsaustausches in die Verhandlungen besser durchsetzen zu können, suchten die USA zu Beginn der achtziger Jahre die Partner davon zu überzeugen, daß es durchaus Alternativen zu multilateralen Verhandlungen in Form regionaler Freihandelsabkommen in Nordamerika gibt. Zunächst war nicht deutlich, ob es sich hierbei nur um eine verhandlungstaktische Drohung oder eher um eine reale Option handelte. Jedoch reichen Pläne für eine entsprechende enge Verbindung der USA mit Kanada bereits lange zurück. (Art. XXIV des GATTVertrages, der eine Zollunionsbildung erlaubt, war ursprünglich auf Kanada bezogen), und das US Handelsgesetz von 1974 schloß eine entsprechende Möglichkeit nicht aus. 15 ' Außerdem haben die Bestrebungen, mit Kanada eine Freihandelszone zu bilden, auch eine industriepolitische Komponente. Seit den späten sechziger Jahren ist es in vielen der traditionellen Industriezweige der Vereinigten Staaten zu einem dramatischen Verfall von Produktivitätswachstum und internationaler Wettbewerbsfahigkeit gekommen l6 , insbesondere, weil die Unternehmen den Wandel der internationalen Märkte (durch Globalisierung des Managements und Internationalisierung der Technologiebeschaffung) zu spät erkannt haben. Durch verbesserten Marktzugang in Kanada und durch eine Lockerung der restriktiven kanadischen Investitionsgesetzgebung sollte solchen Tendenzen entgegengewirkt werden, weil man annahm, daß entsprechende Veränderungen der Randbedingungen die unternehmerische Dynamik stärkt. Auch in Kanada, das zunächst einer handelspolitischen Annäherung an die Vereinigten Staaten eher reserviert gegenüber gestanden hatte, gaben schließlich industriepolitische und handelspolitische Erwägungen den Ausschlag, daß 1985 Verhandlungen über die Bildung einer Freihandelszone mit den Vereinigten Staaten begannen. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kanada und den USA waren stets eng gewesen: 17 1970 hatte der Anteil der Lieferungen in die und der Bezüge aus den USA an den Exporten und den Importen Kanadas 65 bzw. 71 v.H. betragen. Handelspolitisch war es zu branchenbezogenen Freihandelsabkommen, vor allem zum sog. Autopakt des Gemeinsamen Binnenmarktes in Europa vgl. T. Padoa-Schioppa: Effizienz, Stabilität und Verteilungsgerechtigkeit. Wiesbaden 1988. 14 Vgl. A. Oxley: The Challenge of Free Trade. New York 1990, S. 64 ff. 15 Vgl. F. V. Meyer, a.a.O., S. 116 f. 16 Vgl. M.E. Porter: The Competitive Advantage ofNations. London and Basingstoke 1990, S. 507 ff. 17 Vgl. F. V. Meyer, a.a.O., S. 115 ff.
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von 1965, trotz mehrerer Versuche jedoch nie zu einem umfassenden Freihandels system gekommen. Entsprechende Anläufe waren zuletzt 1953 gescheitert - wohl hauptsächlich wegen politischer Ängste vor dem Verlust kanadischer Autonomie. Zwar war die handelspolitische "Abrüstung" zu Beginn der achtziger Jahre so weit fortgeschritten, daß rund 80 v.H. des bilateralen Handels zollfrei abgewickelt wurden. Immer wieder aufflackernde handelspolitische Konflikte zwischen beiden Ländern hatten aber dazu geführt, daß faktisch der Handel durch Antidumping-Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse meist zu Lasten von kanadischen Anbietern empfindlich behindert wurde. Es gibt Hinweise, daß sich die kanadische Politik in dieser Lage zunächst von der Domination der Vereinigten Staaten durch Annäherung an die Europäische Gemeinschaft und an Japan zu lösen suchte, daß entsprechende Sondierungen aber nicht erfolgreich waren. Insoweit blieb die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA im Rahmen einer Freihandelszone die einzig realisierbare Alternative der kanadischen Handelspolitik, die in diesem Rahmen vor allem eine Institutionierung fester Regeln und Konfliktlösungsmechanismen für den Wirtschaftsverkehr zwischen beiden Ländern sichern wollte. Zu den industriepolitischen Beweggründen für die Bildung einer Freihandelszone mit den Vereinigten Staaten l8 zählt vor allem ein standortpolitisches Argument: Wegen der zunehmenden Orientierung wichtiger USamerikanischer Abnehmerbranchen nach dem Süden und Westen des Landes und den damit steigenden Transportkosten drohten viele kanadische Zulieferindustrien ins Hintertreffen zu geraten. Man hoffte, dies durch die freihandelszonenbedingte Senkung der übrigen Transaktionskosten des Außenhandels kompensieren zu können. Und auch innerhalb Kanadas erhoffte man sich eine Revitalisierung der alten Industriekerne in Quebec und Ontario durch die Verschärfung des Wettbewerbs und den damit verbundenen Zwang zu Kostensenkungen. Denn auf den bislang geschützten kleinen kanadischen Binnenmärkten hatten verhältnismäßig hohe Kosten für Produktionsfaktoren, Roh- und Hilfsstoffe nicht durch Skalenerträge kompensiert werden können. Ein Mehr an unternehmerischer Flexibilität und ein stärkerer Zustrom von Kapital aus den Vereinigten Staaten sollten den Industriestandort Kanada sichern helfen. Der Anschluß Mexikos an die Nordamerikanische Freihandelszone - im Jahre 1990 kam es zur Ankündigung dieser Intention durch die mexikanische Regierung - bedeutet einen sehr viel stärkeren Bruch mit den bislang ganz auf nationale Eigenständigkeit abzielenden Wirtschafts- und Handels18 Vgl. D.K. Brown, A.Y. Deardorff, R.M. Stern: A North American Free Trade Agreement: Analytical Issues and a Computational Assessrnent. In: The World Econorny, Vol. 15 (1992), S. II f.
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politiken 19 als im Falle Kanadas. Der Versuch Mexikos, einen eigenen Entwicklungsweg zu beschreiten, war jedoch spätestens 1982 mit der zweiten Ölkrise und der in ihrer Folge auftretenden Unmöglichkeit, die Auslandsschulden zu bedienen, gescheitert. Es kam zu einer verstärkten Liberalisierung und Außenorientierung der mexikanischen Wirtschaft, zunächst im Rahmen der Strukturanpassungprogramme des Internationalen Währungsfonds, so dann 1985 zu einem Vertrag zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten über Subventionen und Ausgleichszölle und 1986 zum Beitritt Mexikos zum GATT. Aus diesem Anlaß verpflichtete sich Mexiko zum einseitigen Abbau von diskriminierenden Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen sowie zu einer Liberalisierung der Kapitalimport- und Investitionsregulierungen. Infolgedessen lag der durchschnittliche Zollsatz, den Mexiko auf Waren importe erhob, gegen Ende der achtziger Jahre nur noch unerheblich über dem der USA. Grundsätzlich war auch der Kapitalimport liberalisiert worden. 20 Jedoch gab es erhebliche Ausnahmen und Vorbehalte, z.B. zum Schutze von mexikanischen Schlüsselindustrien, besonders der Ölwirtschaft, aber auch von national als bedeutsam eingestuften Dienstleistungsbereichen wie dem Transportwesen und den Banken. Investitionskontrollen und protektionistische Regeln im Regierungsbeschaffungswesen blieben ferner von der allgemeinen Liberalisierung ausgeschlossen. Ähnlich wie die Regierung Kanadas versuchte auch die Regierung Mexikos nach dem Beitritt des Landes zum GATT zunächst eine multilaterale Absicherung der Liberalisierung durch eine handels- und investitionspolitische Anlehnung an die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums und der pazifischen Region,u Das erwies sich aber angesichts der neuen weltwirtschaftlichen Interessenkonstellation nach dem Zusammenbruch des sog. Ostblocks als fast unmöglich. Zur gleichen Zeit, um 1990, wuchs in Mexiko die Furcht, der Handel Mexikos mit den Vereinigten Staaten - immerhin gingen allein etwa 73 v.H. aller Ausfuhren des Landes an den mächtigen Nachbarn im Norden - könne durch die Gründung der Freihandelszone zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten ernsthaft beeinträchtigt werden. Deshalb ist es vor allem die Angst Mexikos vor einer Abkopplung von den internationalen Absatzmärkten und Kapitalquellen, die letztlich 19 Vgl. L. Waverman: Mini Symposium: Modelling North American Free Trade. Editorial Introduction, ebenda, S. I ff.; H.-J. Lauth: Auf dem Wege zur Nordamerikanischen Freihandelszone. Mexikos Chancen und Gefahren. In: Vierteljahres berichte. Probleme der internationalen Zusammenarbeit, Nr. 129, September 1992, S. 265 ff. 20 Vgl. H.G. Preuße: Ordnungspolitische Probleme der Einbindung Mexikos in die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA). In: Wirtschaftsreformen in Lateinamerika. Symposium der Universität Göttingen, 18. Nov. 1992 (hektogr.), S. 4 f. 21 Vgl. G. V. del Castillo: Mexico and the United States: The Politics ofFree Trade and the Loss ofMexican Options. In: Latin America's Future in World Trade. Regional versus World Market Integr ation. International Conference, Friedrich-Ebert-Foundation, Frankfurt, March 1992 (mimeo), S. II f.
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zum Eintritt in Verhandlungen mit den USA und zum Abschluß eines Vertrages zwischen Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten über eine Nordamerikanische Freihandelszone im Jahre 1992 führte. Auch im Falle Mexikos sind die handelspolitischen Motive nicht allein für die Annäherung an Nordamerika maßgebend gewesen. Industriepolitische Gesichtspunkte spielten sicherlich insoweit eine wesentliche Rolle, als man sich von der freihandelszonenbedingten Deregulierung eine intensivere Teilnahme am Prozeß der industriellen Spezialisierung wenigstens auf den großen nordamerikanischen Märkten und damit auch zunehmende Attraktivität für Direktinvestoren, insbesondere aus den USA und Kanada, erhoffte. Daß in diesem Zusammenhang zugleich auch eine Verbesserung des Zugangs zu moderneren technologischen Optionen erhofft wurde, versteht sich von selbst. 22 Schließlich wurde dem Beitritt zur Nordamerikanischen Freihandelszone auch eine grundsätzliche reformpolitische Bedeutung beigemessen: Zunächst ging man davon aus, daß der Vertrag über die Freihandelszone mit den dort vorgesehenen Konfliktlösungsmöglichkeiten wie eine "Versicherungspolice" gegenüber der Gefahr protektionistischer Rückfälle der beteiligten Länder unter dem Druck ihrer eigenen Interessentenvertreter wirkt. 23 Sodann wurde auch erwartet, daß hierdurch der Liberalisierungs- und Deregulierungsprozeß in Mexiko unumkehrbar gemacht wird. In diesem Sinne erscheint der Vertrag manchen Beobachtern als "letzte Verteidigungslinie" der Reformpolitik. 24 Zusammenfassend lassen sich die durch die drei Länder mit dem Zusammenschluß zur Nordamerikanischen Freihandelszone verfolgten Ziele in drei Punkten referieren: (1) Im Bereich der Außenhandelspolitik soll eine Alternative zur aus mehreren Gründen (Blockbildung bes. in Europa, Unangemessenheit des GATT-Mechanismus zur Lösung von Problemen der Faktor- und Dienstleistungsmobilität) als unbefriedigend empfundenen multilateralen Handelsordnung des GATT verwirklicht werden. (2) Im Bereich der Industriepolitik soll die Entwicklung moderner, technologieorientierter, auf internationalen Märkten konkurrenzfahiger Industrien durch die Bildung eines großen regionalen Marktes, der die Entstehung von Skalenerträgen bei den Produzenten ermöglicht, abgesi22 Vgl. H.G. Preuße, a.a.O., S. 10 ff.; D.J. Brown, A.V. Deardorff, R.M. Stern, a.a.O., S.12. 23 Vgl. J.J. Schott: The North American Free Trade Agreement and the Enterprise of America Initiative: The Regional Dimension of US Trade Policy. In: Latin America's Future in World Trade, Friedrich-Ebert-Foundation, Frankfurt, März 1992 (mimeo) S.IO. 24 Vgl. z. B. G. V. dei Castillo, a.a.O., S. 18, S. 28 f.
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chert werden. Um Spezialisierungsvorteile voll ausnutzen zu können, soll auch - wo immer ohne gravierende soziale Kosten möglich - die Faktor- und Dienstleistungsmobilität hergestellt werden. (3) Im Bereich der allgemeinen Wirtschafts- und Modernisierungspolitik soll- vor allem über die Konfliktlösungsmöglichkeiten, die der Vertrag enthält - den beteiligten Wirtschafts akteuren Gewißheit über die zukünftige Entwicklung und Sicherheit vor unberechenbaren handelspolitischen und industriepolitischen Eingriffen der beteiligten Staaten verschafft werden. Dabei waren die Interessen der drei beteiligten Länder keineswegs in allen Punkten symmetrisch: Kanada wie Mexiko waren eher auf die Erschließung und Offenhaltung der US-Märkte wie auch auf die Institutionierung verläßlicher, langfristiger Kooperationsmechanismen mit den USA konzentriert. Die Vereinigten Staaten hingegen zielten eher auf die Modernisierung ihrer wettbewerbsschwachen Industrien durch Markterweiterung und die Öffnung der Partnerländer für Direktinvestitionen und Dienstleistungen ab. Deshalb zeigen viele Regeln des (aus acht Teilen mit insgesamt 21 Kapiteln bestehenden) umfangreichen Vertragswerks 25 durchaus Kompromißcharakter. Besonders etwa bei der Fassung der Ursprungsregeln, bei den Regeln über Ausnahmen vom Güterhandel etwa im Hinblick auf Arbeits- und Umweltstandards, die eher zu Lasten der kleineren Länder gehen, kommt das zum Ausdruck. Jedoch ist die Frage erlaubt, ob solche Nachteile im Hinblick auf die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, daß die bisherige multilaterale Welthandelsordnung zerfällt, nicht gerade für die kleineren Länder durch den Zuwachs an handelspolitischer Sicherheit aufgewogen werden, den das Vertragswerk besonders im Rahmen seiner institutionellen Regelungen enthält. Sollte dazu, wie erhofft, durch dieses Vertragswerk der Reform- und Modernisierungsprozeß in Mexiko abgesichert und unterstützt werden, wäre hiermit sogar das erste Beispiel für die entwicklungspolitische Relevanz solch regionaler Wirtschaftsvertragssysteme gegeben. Der eingangs erwähnte Paul Krugman war mit seiner Frage nach der in seinen Augen noch fehlenden Praxis der "neuen Handelspolitik" demzufolge sicherlich zu bescheiden: Es gibt diese Politik in der Europäischen Gemeinschaft und - als Reaktion hierauf - nun auch in Nordamerika. Doch geht der so ins Leben gebrachte "neue Regionalismus" weit über Inhalt und Funktionsweisen einer klassischen Freihandelszone hinaus. Wir haben es hier nicht mit einer bloßen Alternative zum klassischen GATT-System zu tun, sondern mit einer neuen, alle wirtschaftlichen Lebensbereiche umfassenden Freizügigkeitsregelung zwischen souveränen Staaten, die bestimmte handels- und wirtschaftspolitische Zuständigkeiten an ein regionales Regime 25 Die wesentlichen Vertragsbedingungen sind im Annex abgedruckt. Vgl. auch J.J. Schott, a.a.O., S. 5 ff., wie auch die kritische Würdigung bei H.G. Preuße, a.a.O., S. 12 ff.
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delegiert haben: 26 Durch die Stabilisierung von Erwartungen und die Verminderung von Informations- und Transaktionskosten mittels gemeinschaftlich gesetzter Prinzipien, Regeln und Verfahren fördern sie Wohlstand und Sicherheit in der betreffenden Region ohne formalen Souveränitätsverlust. In diesem Sinne erscheint es auch verständlich, daß sowohl Kanada als auch Mexiko den Zusammenschluß zur Dreiergemeinschaft im Vergleich zu jeweils bilateralen Beziehungen mit den dominierenden USA als attraktivere Alternative einschätzten: 27 Zwei kleinere Partner können eher auf eine ausgewogene Einhaltung der Kooperationsregeln drängen als einer allein.
3. Die Auswirkungen der Nordamerikanischen Freihandelszone auf die wirtschaftliche Entwicklung der drei Mitgliedsländer sind naturgemäß nicht unumstritten geblieben. Sowohl im Vorfeld der Vertragsverhandlungen als auch nach Abschluß des Vertrages sind aber von verschiedenen Autoren Modellrechnungen (auf der Basis komparativ-statischer allgemeiner Gleichgewichtsansätze unter verschiedenen Annahmen über die Intensität der Marktintegration, interne Marktformen und Anpassungselastizitäten) angestellt worden,28 die im allgemeinen zu positiven Ergebnissen kommen. Zusammenfassend können die Effekte der Freihandelszone (verglichen mit dem Basisjahr 1989) wie folgt beschrieben werden: 29 (1) In allen drei Ländern kommt es zu einer Wohlstandssteigerung, die - je nach Liberalisierungsgrad und Wettbewerbsintensität - für die USA zwischen 13,2 und 0,3 v.H., für Mexiko zwischen 3,7 und 5,0 % und für Kanada zwischen 6,3 und 0,7 des Sozialprodukts liegt. Dies ist eine Folge der verbesserten Arbeitsteilung in den Mitgliedsländern sowie der Tatsache, daß die Intensivierung der Konkurrenz im Freihandelsraum Produzentenrenten minimiert. (2) Die Entlohnung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital dürfte der Produktivitätszunahme entsprechend in allen beteiligten Ländern ansteigen, wobei besonders in Mexiko ein überdurchschnittlicher Anstieg der Löhne und Gewinne eintreten dürfte. Hierfür sind die verbesserte 26 Vgl. R. Axelrod: The Evolution ofCooperation. New York 1984; R. o. Keohane, J.-S. Nye: Power and Interdependence. World Politics in Transition. Boston 1977. 27 Vgl. L. Waverman, a.a.O., S. 9 f. 28 Vgl. die Überblicke bei L. Waverman, a.a.O., S. 1 ff. und R.J. Langhammer: The NAFTA: Another Futile Trade Area (AFTA) or a Serious Approach Towards Regionalism? Kieler Diskussionsbeiträge Nr. 195. Kiel 1992, S. 10 ff. 29 Vgl. L. Waverman, a.a.O., S. 5 ff. und D.K. Brown, A.V. Deardorff, R.M. Stern, a.a.O., S. 20 ff.
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Arbeitsteilung im Freihandelsraum wie auch die Möglichkeit, im größeren Markt Skalenerträge wahrzunehmen, maßgebend. Anpassungskosten dürften hingegen bei den durch den stärkeren Wettbewerb betroffenen Industrien gering sein. Das trifft vor allem für die USA zu, während es sowohl in Kanada als auch in Mexiko zu stärkeren Belastungen von bislang hoch protektionierten Industriezweigen kommen dürfte. (3) Die Früchte der intensiveren Faktormobilität dürften vor allem Kanada und Mexiko zufallen, weil hier im Zuge der Handelsliberalisierung und Deregulierung neue Märkte besonders rasch wachsen dürften. (4) Der Handel zwischen den Mitgliedsländern expandiert beträchtlich, wovon im Falle der Herstellung lediglich des freien Warenhandels in erster Linie die USA, dann Kanada und schließlich Mexiko profitieren. Werden auch die Direktinvestitionen von jeder Schranke befreit, wird Mexiko zum Hauptgewinner, während die USA und Kanada folgen. (5) Die Gefahr der Handelsumlenkung zu Lasten von Drittländern ist durchaus vorhanden, und schlägt schon in dem Falle zu Buche, in dem es nur zur Herstellung der vollständigen Mobilität der Güter kommt. Werden auch die Direktinvestitionen freizügig, kommt es sogar zu einer Abnahme der Warenimporte (hauptsächlich Mexikos) aus Drittländern. Insgesamt sind aber die Umlenkungseffekte geringfügig, einerseits, weil Kanada und Mexiko auch vor der Bildung der Freihandelszone lediglich ein Drittel bzw. ein Viertel ihres Außenhandels mit dem "Rest der Welt" abwickelten. Andererseits war der Zoll schutz der USA, die einen wesentlich größeren Außenhandelsanteil mit Drittländern haben, bereits vor der Bildung der Freihandelszone so gering, daß Umlenkungseffekte kaum zu befürchten sind. Nach den vorliegenden Berechnungen dürfte - insgesamt gesehen Kanada in geringerem Ausmaße von der Freihandelszone profitieren als Mexiko. Dies hängt damit zusammen, daß die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten schon in der Ausgangssituation (nicht nur im Automobilsektor) stark war. Es sieht aber so aus, daß durch das Hinzutreten Mexikos zusätzliche Rationalisierungsvorteile für die Industrie Kanadas entstehen, die vor allem mit dem verstärkten Preiswettbewerb auf den Märkten arbeitsintensiver Produkte zusammenhängen. 30 Denn auch konservative Anbieter, d.h. solche, die zunächst die Vorteile des erweiterten Marktes nicht in vollem Maße wahrnehmen wollen, müssen auf den zunehmenden Wettbewerbsdruck mit Preissenkungen reagieren. Die 30 Vgl. D. Cox, R.G. Harris: North American Free Trade and its Implications for Canada. In: The World Economy, Vol. 15 (1992), S. 31 ff., insbes. S. 43 f.
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Mehrzahl der kanadischen Unternehmungen scheint aber - Umfragen zufolge - ohnehin eher offensiv zu reagieren, indem unternehmensspezifische Wettbewerbsvorteile hauptsächlich im Austausch industrieller Fertigprodukte gesucht werden. Für Mexiko ist wohl der freie Zugang zum nordamerikanischen Kapitalmarkt von ausschlaggebender Bedeutung. 3 ! Erst hierdurch werden die Handeisgewinne, die im Zuge der Verwirklichung der Freihandelszone auftreten, voll genutzt. Denn es versteht sich von selbst, daß hier - im Falle eines kapitalarmen halbindustrialisierten Landes - die Fähigkeit zur erfolgreichen Umstrukturierung der Produktion von der hinreichenden Versorgung mit Risikokapital abhängt. Daß es in Mexiko zu einer solchen Umstrukturierung kommen muß, liegt auf der Hand: 32 Wie anders sollten dort die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit notwendigen Skalenerträge erwirtschaftet werden können, wenn nicht durch eine kleinere Zahl von Unternehmen, die größere Märkte bedient? Für Mexiko wird sich eine stärkere Spezialisierung nicht nur auf klassische arbeitsintensive Industrien (wie die Textil- und Bekleidungsindustrien) ergeben, sondern auch auf kapitalintensive Branchen (wie die Stahl- und die Automobilindustrien), letzteres besonders auf Kosten von Anbietern in Drittländern. 33 Allerdings hängt die Nachhaltigkeit solcher Erfolge davon ab, wieweit die gesamte politische Entwicklung in Mexiko Strukturreformen und die hierzu notwendigen institutionellen Änderungen begünstigt, und ob es gelingt, die Lasten des Strukturwandels sozial erträglich zu halten. 34 Hier könnte das System der Freihandelszone unterstützend wirken: einmal, indem die Liberalisierung der Wirtschaftsbeziehungen im nordamerikanischen Raum auch die Fortführung der Liberalisierung von Politik und Gesellschaft in Mexiko begünstigt, wenn nicht gar erzwingt, und zum anderen, indem die Freihandelsdividende zur Alimentierung der sozialen Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer in Mexiko eingesetzt wird. Abschließend kann somit festgestellt werden, daß - wenn nur die klassischen Freihandelszoneneffekte betrachtet werden - zu Pessimismus kein Anlaß besteht: Wie dies Paul Krugman postuliert hat, sind die "Handelsumlenkungseffekte" der Nordamerikanischen Freihandelszone vernachlässigenswert gering, die mit ihr verbundenen "handelsschaffenden Effekte" für die Beteiligten aber unübersehbar groß. Insoweit findet Bhagwatis Skepsis gegenüber regionalen Wirtschaftszusammenschlüssen hier kaum eine Grundlage.
Vgl. R.J. Langhammer, a.a.O., s. 15 f. Vgl. H.E. Sobarzo: A General Equilibrium Analysis of the Gains from Trade for the Mexican Economy of a North American Free-Trade Agreement. In: The World Economy, Vol. 15 (1992), S. 83 ff., insbes. S. 99. 33 Vgl. L. Waverman, a.a.O., S. 9. 34 Vgl. H.G. Preuße, a.a.O., S. 6 f. 31
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Richtig ist aber Bhagwatis Feststellung, daß (bereits mit dem Übergang zum Europäischen Binnenmarkt, aber erst recht) mit der Bildung des nordamerikanischen Freihandelsraumes die Sphäre der alten, auf Multilateralismus, Nichtdiskriminierung und Meistbegünstigung beruhenden Welthandelsordnung des GATT verlassen worden ist. Im Hinblick auf die Tatsache, daß heute nicht mehr nur Güter, sondern auch Dienstleistungen, Technologie, Kapital und Arbeit mobil sind, hat sich aber auch die gegenwärtige Weltwirtschaft weit von derjenigen der Nachkriegszeit entfernt. Und vermutlich können die mit dieser allgemeinen Freizügigkeit verbundenen Probleme gar nicht anders gelöst werden, als mittels umfassender, dafür aber regional begrenzter Kooperationsregime. Annex
Summary of the North American Free Trade Agreement (NAFTA) concluded on August 11, 1992 between the governments ofCanada, Mexico and the United States. 35 Tariff Elimination: Tariffs to be phased-out on goods that meet North American rules of origin according to three timetables: immediate, over 5 years,over 10 years. There is also a special sensitive tariff category with a 15 year phase-out. Textiles and Apparel: MFA quotas removed and tariffs to be phased-out over 10 years on textiles and apparel that meet specific North American rules of origin ('yarn forward' rules specify all processing from yarn onward must be in one of the three countries). Special tariff quotas apply for nonqualifiying trade, as do phase-out commitments for quotas on non-qualifiying trade. Special safeguard provisions were agreed for importers. Autos and Parts: Tariffs on light trucks to be reduced by 50 per cent immediately and remaining tariffs to be eliminated over 5 years. Tariffs on other vehicles to be phased-out over a 10 year period. Each country committed to eliminate tariffs on certain parts immediately and reduced other tariffs over a 5 or 10 year period. Special rules of origin apply in this sector, requiring eventually 62.5 per cent North American content for passenger automobiles, light trucks, and their transmissions and engines. 60 per cent North American conte nt will apply in other vehicles and auto parts. North American content is to be calculated by tracing import content from outside NAFTA through the production chain. Energy: No differential domestic and export (or import) pricing of energy and petrochemical products. Mexico is exempt from provisions dealing with 35 The World Economy, Vol. 16 (1993), No. 1, ohne Seitenangabe (Highlights ofRecent Agreements).
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import and export restrictions. Specific commitments relating to Canada US energy trade that were laid out in the Canada - US FTA continue to apply to the two countries. Agriculture: 10 year phased elimination of tariffs and quotas, except in dairy, poultry, eggs, and sugar. 15 year phase-out for sensitive products (corn, dry beans in Mexico; orange juice, sugar in the US). US sugar will continue to be protected by global quotas; increases in imports from Mexico will be at the expense of non-NAFTA supp1iers (Philippines, Brazil, Caribbean). Anti-dumping/Countervail: Disputes over the use ofthese instruments in either country are to be resolved by a panel system which reviews wh ether actions are consistent with domestic laws (the same as under the Canada-US Free Trade Agreement). Government Procurement: Increased coverage of open bidding on federal contracts open to competitive bidding from each country. Services: National treatment and most favoured nation treatment enshrined as basic obligations, but most existing service regulation grandfathered in, and exceptions specified to the obligation. Land Transpartation: Timetable for rem oval of barriers to land transportation services included as weIl as far establishment of compatible technical and safety standards. Investment: performance requirements are banned for NAFTA investment transactions, although government procurement, export promotion and foreign aid activities are exempt. Screening procedures only permitted above specified limits ($ 150 million after 10 years for Mexico). Financial Services: National treatment and right-to-establish granted in financial services. Intellectual Property: Commitments set out in a number of categories (copyrights, patents, trademarks, designs, trade secrets, integrated circuits, and others). Based on commitments tentatively agreed multilaterally in the Uruguay Round. Temporary Entry: New rules to facilitate easier cross-border business travel. Environment: No country to lower standards to attract investment; affirms countries' rights to set own environmental standards. Disputes involving environmental agreements can be referred to the NAFTA dispute settlement mechanism. Institutional Arrangements: A trilateral Trade Commission (much as under the Canada-US Free Trade Agreement) is to be established. The
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Heiko Körner
dispute settlement mechanism will also be based on the Canada-US Free Trade Agreement. Entry Into Force: Once ratified by the legislatures of the three countries, the NAFTA will enter into force January 1, 1994. Accession: Other countries may be admitted to the NAFTA subject to approval by the NAFTA countries and subject to terms and conditions. Source: 'Description ofthe Proposed North American Free Trade Agreement.' Prepared by the Governments ofCanada, the United Mexican States and the United States of America, August 12, 1992.
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Auf dem Weg zu einer regulierten Weltwirtschaft? Von Hans-Joachim Heinemann, Hannover 1.
Hat sich der Freihandel verabschiedet? Entsprechende Fragen stellen zwei der bekanntesten Außenhandels theoretiker, nämlich Paul Krugman (1987) und Jagdish Bhagwati (1989a). Schaut man auf Ereignisse der letzten Jahre
wie
den Abschluß zahlreicher Selbstbeschränkungsabkommen seitens der USA, Frankreichs und Deutschlands mit Japan zur Abwehr von japanischen Hifi-Geräten und vor allem Automobilen, den schleppenden Fortgang der Uruguay-Runde, der verursacht wird von der Agrarpolitik der EG und hier u. a. dem Streit um Ölsaaten im letzten Jahr und der Androhung von Strafzöllen seitens der USA, die widersinnigen Beschlüsse der EG-Kommission zu Bananenimporten, die jüngsten amerikanischen Beschlüsse über Maßnahmen gegen Stahlund Autoimporte aus EG-Ländern, die Aufnahme der Industriepolitik in die Verträge von Maastricht, wird man nicht umhin können, die Bereitschaft der wichtigsten Handelspartner zu einer freien Weltwirtschaft in Zweifel zu ziehen. Das ist freilich nichts Neues: das unrühmliche, vom GATT nicht nur geduldete, sondern sogar mit zu verantwortende Multifaserabkommen, hat nicht - wie angeblich beabsichtigt, den Welttextilmarkt "geordnet", sondern den Entwicklungsprozeß der dritten Welt verzögert und die Verbraucher in Industrieländern geschädigt l ; die effektive Produktion der Industrieländer behindert den Industrialisierungsprozeß in Afrika, Asien und Lateinamerika2 ; generell haben nicht1 Anne O. Krueger (1990, S. 74ff.) schätzt den jährlichen Verlust für die USA auf 27 Mrd. Dollar bzw. 280 Dollar pro Haushalt. Protektionistische Maßnahmen gegenüber japanischen Stahlimporten haben paradoxerweise japanischen Produzenten in den 70er Jahren Gewinne von mehr als 70 Millionen Dollars verschafft (ibid S. 77). 2 Vgl. z.B. Glismann u. a. (1992, S. 52 und S. 56), wonach der effektive Zollschutz in Deutschland 1987 7,3 % der Wertschöpfung ausmachte gegenüber einem nominellen Zollschutz von 5,2 % (bei der Zellstoff-, Papier- und Pappeerzeugung beträgt das Gefälle 22,2 % gegenüber 6,9 %; in den Investitionsgüterindustrien liegt die effektive Protektion unter der nominellen).
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Hans-Joachim Heinemann
tarifäre Handelshemmnisse den Zollabbau im Zuge der Integration der EG und der sich anschließenden Kennedy- und Tokio-Runde weitgehend substituiert (nach Meinung mancher sogar übertroffen); der dem GATT entsprechende Gedanke des Multilateralismus - der sich aus dem Prinzip der Meistbegünstigung ergibt - wird immer mehr verdrängt durch Bilateralismen, wobei die USA besonders zu nennen sind3 • Trotz ständiger Sünden wider den Geist des Liberalismus kann man den verstärkten Hang zum neuen Protektionismus wohl seit den 70er Jahren beobachten (so auch Bhagwati 1988). Das mag einhergehen mit zurückgehenden Wachstumsraten in den wichtigen Industrieländern. In einer Analyse der Interdependenz zwischen Protektionismus und Freihandel in der geschichtlichen Entwicklung kommt Wolfgang Fischer (1987) zu dem Ergebnis 4 , daß viele Beobachtungen belegen, daß in Depressionsphasen protektionistische Praktiken an Gewicht gewinnen, während im wirtschaftlichen Aufschwung eher Chancen für eine Liberalisierung internationaler Wirtschaftsbeziehungen zu beobachten sind5• Demokratien favorisieren keineswegs freihändlerische Politiken, da sie zugleich einen Markt für Protektion begünstigen6 • In den Vereinigten Staaten gelten gemeinhin die Republikaner als freihändlerischer als die Demokraten (was bei liberal gesonnenen Ökonomen Wasser in den Wein allgemeiner Clinton-Euphorie gießen könnte); aber es war ED. Roosevelt, der dem Freihandel in seiner Sozialgesetzgebung eine Chance gab (Fischer, S. 29).
2. Obwohl im Gegensatz zur Meinung mancher Wirtschaftswissenschaftler die Idee des Freihandels nie die ökonomische Wirklichkeit beherrschte (vgl. Corden 1987), ist nicht zu bestreiten, daß es auch Entwicklungen in der 3 Vgl. hierzu Keohane (1984), der diese Entwicklung mit dem Verlust der wirtschaftspolitischen Hegemoniestellung der USA begründet. Riedel (1987) sieht dies nicht unbedingt als den ausschlaggebenden Grund an; er weist auf die besondere Gefahr dieser von den USA ausgehenden Entwicklung hin, auch wenn er grundsätzlich die Protektion in den USA geringer einstuft als die der EG. In einem jüngeren Beitrag verteidigt ein so angesehener Ökonom wie R. Dornbusch (1990) ausdrücklich den Bilateralismus der USA (vgl. auch Krugman 1991). 4 Vgl. auch Borchardt (1984). 5 Daß dieser Zusammenhang auch heute eine große Rolle spielt, ist sicher unbestreitbar, gleichwohl zu verwundern, da die Theorie der Wirtschaftspolitik spätestens seit den Analysen von W. Stützel und R. Mundell gezeigt hat, wie externe und interne Stabilität durch den Einsatz binnenwirtschaftlicher Instrumente erreicht werden können. 6 Dieser in der Neuen politischen Ökonomie betonte Gedanke bringt zwar keine neuen Argumente für oder gegen Freihandel, begründet aber die politische Durchsetzbarkeit protektionistischer Ideen (vgl. z. B. Frey 1985 oder die gerade erschienene Studie von Hannelore Weck-Hannemann, 1992).
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Wirtschaftstheorie selbst waren, die bei vielen Ökonomen neue Sympathien für protektionistische Ideen erzeugten. So wird immer wieder die (allerdings nicht unbedingt richtige) Ansicht vertreten, die klassische und v.a. neoklassische Theorie hätte den Vorteil des Freihandels nicht nur für die Weltwirtschaft als Ganzes, sondern langfristig auch für jedes einzelne Land bewiesen, es sei denn, ein Land könnte durch monopolistische Strategien die terms of trade zu seinen Gunsten verändern, ohne Retorsionsmaßnahmen des Auslandes befürchten zu müssen (Gedanke des Optimalzolls). Dieser Gedanke ist allenfalls dann zutreffend, wenn Verluste und Gewinne aus einer Liberalisierung grundsätzlich gleich gewichtet werden; haben dagegen die Besitzer knapper Faktoren in der staatlichen Zielfunktion ein entsprechend hohes Gewicht, so können ihre nach dem Stolper-Samuelson-Theorem beim Verzicht auf Liberalisierung zu erwartenden Gewinne den Abbau von Handelsbeschränkungen verhindern. Gleiches gilt beim Vorhandensein sektorspezifischer Faktoren, die in importkonkurrierenden Sektoren beschäftigte Arbeitnehmer gemeinsam mit dem dort investierten Kapital gegen anderswo eingesetzte Faktoren mobilisieren bzw. in Unterbeschäftigungssituationen, in denen die Liberalisierung Nachfrage von inländischen Anbietern zugunsten des Auslandes abziehen kann. Freilich kann man argumentieren, daß sektorspezifische Faktoren und Unterbeschäftigung in einer der neoklassischen Theorie zugrundeliegenden Welt vollständiger Konkurrenz nichts verloren haben und daß es daher Aufgabe der staatlichen Ordnungspolitik ist, Inflexibilitäten und sonstige Marktunvollkommenheiten zu beseitigen, um dadurch auch den Vorteilen des Freihandels zum Erfolg zu verhelfen. Nicht nur in der makroökonomischen Stabilitätspolitik, sondern auch in der eher mit mikroökonomischen Modellen argumentierenden Handelspolitik ist - spätestens seit den Untersuchungen von Bhagwati und Johnsonbekannt, daß binnenwirtschaftliche Maßnahmen die angestrebten Produktions- und Verteilungsziele zu geringeren volkswirtschaftlichen Kosten realisieren lassen als außenwirtschaftspolitische Instrumente? Daß gleichwohl letztere oftmals Priorität genießen, kann die Neue Politische Ökonomie dadurch begründen, daß sich in einer parlamentarischen Demokratie eher Koalitionen für letztere finden lassen. Die Wähler lehnen steuer- und subventionspolitische Maßnahmen ab und nehmen oftmals an, außenwirtschaftspolitische Eingriffe schadeten zwar gelegentlich dem Ausland, seien aber für das Inland eher von Vorteil; hierbei spielt auch eine Rolle, daß die geschädig7 Dies braucht im ökonomisch großen Land nicht zuzutreffen, falls außenwirtschaftspolitische Eingriffe zu stärkeren Handelseinschränkungen als binnenwirtschaftliche Maßnahmen führen und somit Chancen für terms-of-trade-Gewinne verschaffen. Unter den außenwirtschaftspolitischen Maßnahmen sind Selbstbeschränkungsabkommen und Kontingente letztlich nachteiliger als Zölle, da sie entweder zur Rentenumlenkung in das Ausland führen oder zu geringeren - gegebenenfalls an die Konsumenten zu transferierende - Staatseinnahmen und zudem inflexibler auf Datenänderungen reagieren.
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ten Verbraucher schlechter organisiert sind als die Lobby der importkonkurrierenden Bereiche; die ebenfalls geschädigten Bezieher importierter Vorprodukte durchschauen möglicherweise die Zusatzkosten nicht immer oder sie sind wegen anderer möglicher Vorteile an log-rolling Prozessen interessiert.
3. Trotz der zuletzt genannten Einschränkungen ist kaum zu bestreiten, daß die theoretische Basis für Freihändler in der orthodoxen Außenwirtschaftstheorie günstiger als heute war. Mittlerweile werden die herkömmlichen Ansätze ergänzt und teils ersetzt durch neue Überlegungen, in denen steigende Skalenerträge und aus diesen resultierend unvollständige Konkurrenz dominieren. Diese "neue Theorie" dient einmal zur Erklärung des intraindustriellen Handels, der zunehmend den interindustriellen Handel zu verdrängen scheint 8 , zum anderen aber mehr und mehr der Begründung einer "strategischen Handelspolitik", die auch ökonomisch kleinen Ländern Handeisvorteile (meist allerdings auch hier zu Lasten des Auslandes) durch Abkehr vom Freihandel erlaubt9 • Steigende Skalenerträge verschaffen Produzenten umso größere Gewinne, je größer der zu beliefernde Markt ist, solange sie durchweg zu Preisen liefern können, die über den Stückkosten liegen (die hier bekanntlich die Grenzkosten übersteigen, so daß der Grundsatz Preis = Grenzkosten hier nicht sinnvoll erscheint). Wie Abbildung 1 zeigt, sind hier auch andere Ergebnisse in einer offenen Wirtschaft zu erwarten als bei steigenden Grenzkosten. Abb. la zeigt steigende, 1b fallende Grenzkosten; der Cournotsche Punkt ist durch den Preis Pm und die Menge xm gekennzeichnet. Beim Freihandelspreis Ph produzieren in beiden Fällen inländische Anbieter nicht, die Menge Xh wird importiert. Erhebt der Staat einen Zoll in Höhe von PhPz, so wird bei steigenden Grenzkosten der inländische Anbieter die Menge x; produzieren (die hier 8 Die Abgrenzungen zwischen beiden sind freilich nicht eindeutig und oftmals eher statistisch denn ökonomisch zu begründen. Daß ein Land (im Sommer) Obst exportiert und (im Winter) importiert, läßt sich ebenso durch die gängige Theorie erklären wie die Tatsache, daß die Nordregion die gleichen Güter in den Süden des nördlichen Nachbarlandes exportiert, während die Südregion sie aus dem Norden des südlichen Nachbarn importiert oder der Umstand, daß ein Land Stahlmöbel exportiert und Holzmöbel importiert. 9 Mittlerweile ist die Literatur zur strategischen Handelspolitik Legion. Zu nennen sind vor allem die Veröffentlichungen von Helpman und Krugman; von deutschsprachigen Veröffentlichungen seien der Aufsatz von Siebert und die Monographien von Paulsen und Welzel erwähnt; wegen interessanter Fallbeispiele sei auf die kürzlich erschienene Veröffentlichung von Bletschacher und Klodt verwiesen, eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft im Auftrag der Monopolkommission.
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der Übersicht halber - mit X m zusammenfällt), die Importe reduzieren sich auf x~xz. Bei fallenden Grenzkosten erobert der inländische Anbieter den gesamten Markt 10. Eine weitere Zoll- und Steuererhöhung könnte den Inlandspreis auf p~ erhöhen. Bei steigenden Grenzkosten erhöht sich der Absatz des inländischen Produzenten um x~x7. Bei fallenden Grenzkosten erhöht sich zwar der Stückgewinn des inländischen Anbieters um PzP~, zugleich fällt aber der Absatz um XZXZ . Bei unveränderten Zollsätzen und Welthandelspreisen brächte eine Rechtsverschiebung der Nachfragekurve dem Anbieter bei steigenden Grenzkosten keinen Vorteil, der Absatz bleibt bei x';, während der Anbieter bei fallenden Grenzkosten steigenden Absatz und steigende Stückgewinne zu verzeichnen hätte. Wie ein Blick auf Abbildung 1 zeigt, kann die Position des inländischen Anbieters auch durch eine Subvention verbessert werden, die die Grenzkostenkurven (und was bei Abb. lb wichtig ist auch die Stückkostenkurven) nach unten verschiebt. Bei steigenden Grenzkosten kann der Marktanteil vergrößert werden, bei fallenden Grenz- und Durchschnittskosten kann der heimische Produzent den Gesamtmarkt erobern und Importe somit zum Erliegen bringen. Steigende Skalenerträge können - sofern die Größendegression ein bestimmtes Maß übersteigt - Ergebnisse der traditionellen Außenhandelstheorie in ihr Gegenteil verkehren: Zölle brauchen die Situation des knappen Faktors nicht mehr zu verbessern, Produktivitätssteigerungen im Exportsektor können dessen Produktion verringern usw. 11 • 4.
Der eben skizzierte Gedanke bildet einen Pfeiler der strategischen Handelspolitik (die als das außenwirtschaftliche Kapitel einer immer populärer werdenden Industriepolitik zu verstehen ist), wobei allerdings - zumindest im internationalen Rahmen - nicht von typischen Monopolfällen ausgegangen wird, sondern von monopolistischer Konkurrenz (wo Chamberlin10 Obwohl bei fallenden Stückkosten der Anbieter bald den Gesamtmarkt erobert, bleibt für die Nachfrage ein Vorteil aus der "Iatenten Handelsbeziehung": der Preis bleibt auf den um den Zoll vermehrten Weltmarktpreis begrenzt, der Monopolpreis kann nicht ~~alisiert werden (es sei denn, der Zoll bzw. die Steuer erreiche die Höhe PhPm)' Zu den Uberlegungen vgl. auch Helpman/Krugman (1989, S. 35 ff.). II Zur Wirkung steigender Skalenerträge vgl. auch Kemp (1969, S. 154ff.). Ob es bei steigenden Skalenerträgen zu Ergebnissen kommt, die herkömmlichen Resultaten widersprechen hängt vom Ausmaß der Überlinearität der zugrundeliegenden Produktionsfunktionen ab. Im ökonomisch großen Land können auch bei fallenden oder konstanten Skalenerträgen unerwartete Ergebnisse auftreten: so wird ein Zoll bei Geltung des Metzler-Paradoxes den Inlandspreis des Importgutes verringern, die Produktion im importkonkurrierenden Sektor vermindern und den knappen Faktor schädigen.
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Lösungen erreichbar sind, die den Beteiligten umso größere Gewinne verschaffen, je größer ihre Marktanteile sind) und Oligopolen, die bekanntlich keine Gleichgewichtslösungen garantieren. Der zweite Pfeiler bilden externe Vorteile und insbesondere Leoneffekte bei Vergrößerung der Produktion, die auch bei zunächst ansteigenden Grenz- und Durchschnittskurven diese mehrfach nach unten verlagern können, so daß ähnliche Ergebnisse wie bei fallenden Grenzkosten zustande kommen. Nur der zweite Pfeiler sollte - wenn überhaupt - Raum für wirtschaftspolitische Förderungsmaßnahmen lassen (allerdings werden beide Fälle in der Argumentation nicht immer unterschieden), da intern steigende Skalenerträge es den Unternehmen selbst überlassen sollten, ihren Marktanteil zu vergrößern. Sind die Skalenvorteile nicht betriebs-, sondern branchenspezifisch und mit externen Erträgen verbunden, sind strategische Handelspolitik und das klassische Erziehungszollargument letztlich kaum mehr zu unterscheiden, so daß die traditionellen Argumente für und wider auch für die (angeblich) neue Richtung der Handelspolitik herangezogen werden können. Die strategische Handelspolitik verlangt, durch Förderung heimischer Unternehmen mit (auch nur betriebsspezifischen?) Skalenvorteilen ihre Konkurrenzsituation auf dem Binnenmarkt gegenüber ausländischen Anbietern zu verbessern bzw. ihnen Zugangschancen auf Auslandsmärkten zu verschaffen. Arbeiten ausländische Unternehmen kostengünstiger als inländische, so ist eigentlich nicht einzusehen, warum die Wirtschaftspolitik letztere fördern sollte. Liegen dagegen externe Erträge vor, so ist - wie beim Erziehungszollargument - grundsätzlich Raum für wirtschaftspolitische Maßnahmen gegeben (freilich nicht für zollpolitische), da hier der klassische Fall des Marktversagens vorliegen könnte. Solche externe Erträge werden häufig im Hochtechnologiebereich oder auch in der Halbleiterindustrie vermutet, denn es wird erwartet, daß hier Förderungsmaßnahmen zu niedrigeren Beschaffungspreisen in nachgelagerten Bereichen und somit zu gesamtwirtschaftlichen Vorteilen führen können. Solange nicht begründet werden kann, daß nach einer Eingangsförderung inländische Unternehmen auch ohne Dauersubventionen kostengünstiger als ausländische arbeiten, ist auch hier zu bezweifeln, ob es überhaupt zur staatlichen Förderung kommen sollte - es sei denn in einer Art countervailing power gegen ähnliche Strategien des Auslandes. Ein gewichtiges Argument gegen staatliche Förderung strategisch vorteilhaft wirtschaftender Unternehmen ist, daß die Politik oftmals unter verschiedenen Unternehmen und Branchen mit jeweils steigenden Skalenerträgen diejenigen auswählen müßte, die die meisten externen Vorteile erzeugen. Aufgrund welcher Informationen sollte die Regierung das tun? Außerdem ist nicht auszumachen, ob die zur Finanzierung oder zum Verzicht auf alternati-
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ve staatliche Leistungen Heranzuziehenden von den externen Vorteilen profitieren (was freilich bei Steuerfinanzierung nicht ausschlaggebend ist, solange dieser jeglicher Äquivalenzgedanke fremd ist). Ernster als dieser Gedanke ist daher der Einwand zu nehmen, daß die externen Erträge weniger inländischen Konsumenten und Produzenten zugute kommen als dem Ausland. Im Zweifel werden hierdurch dort gerade Exporteure gefördert, die im Inland wieder Rufe nach neuen Förderungsmaßnahmen nähren 12 • Daß trotz gewichtiger Einwände die strategische Handelspolitik nicht nur in der modernen Außenwirtschaftstheorie (und vor allem bei den akademischen Vertretern der Industriepolitik) Sympathien findet, sondern sich insbesondere auch der Zustimmung in der Wirtschaftspolitik erfreut, wird u. a. dadurch belegt, daß - wie schon eingangs erwähnt - die EG neuerdings neben der Wettbewerbspolitik auch Gefallen an der Industriepolitik findet, selbst wenn dort ihre Anwendung an restriktive Voraussetzungen gebunden scheint. Der den Maastrichter Verträgen ansonsten wohlgesonnene Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem jüngsten Jahresgutachten (1992, Ziff. 443 ff.) eindringlich vor den hiermit verbundenen Gefahren gewarnt.
5. Da die strategische Handelspolitik neben monopolistischer Konkurrenz insbesondere Oligopole berücksichtigt, liegt es nahe, daß hier auch die Spieltheorie zum Zuge kommt. Sowohl bei der Konkurrenz zwischen zwei Unternehmen wie bei der Entscheidung der sie vertretenden Regierungen steht zur Wahl, ob kooperative oder auf Konflikt ausgerichtete Lösungen angestrebt werden. Wie das folgende Beispiel zeigt, sind oftmals konfliktäre Strategien zu erwarten, die für beide Partner letztlich die schlechteste Lösung bringen (Gefangenendilemma). Würden beide auf Freihandel setzen, erzielte jeder einen Gewinn von 10; eine (handelsbeschränkende bzw. eigene Exporteure subventionierende) Konfliktstrategie kann einen Gewinn von 11 brin12 Zu den Argumenten für und wider eine strategische Handelspolitik vgl. die in dem von Krugman herausgegebenen Sammelband (Krugman 1986) enthaltenen Artikel, zu deren Autoren bekannte Vertreter dieser Richtung wie J.A. Brander und B.J. Spencer und Kritiker wie G.M. Grossman zählen; vgl. auch Tyson (1990), die hierzu kritischen Bemerkungen von Dixit (Lawrence/Schultze 1990, S. 185 ff) und die einleitenden Artikel der Herausgeber dieses Bandes. Ein bekanntes Beispiel aus der Debatte über strategische Handelspolitik ist die Konkurrenzsituation zwischen Boeing und Airbus. Wie Krugman (1987; vgl. auch Krugman/Obstfeld 1988, S.262ff) zeigt, hängt die (zunächst plausible) Lösung, ob eine Subvention Airbus nicht nur den Markteintritt oder ggf. sogar die Übernahme des Gesamtmarktes erlaubt, von den - mehr aber weniger willkürlich gewählten - Ausgangsdaten ab (vgl. Anhang).
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Auf dem Weg zu einer regulierten Weltwirtschaft? Kooperation (Freihandel)
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gen, falls der andere bei der kooperativen Lösung bleibt; andernfalls reduziert sich der Gewinn für jeden auf 9. Sofern sich mehrfach ähnliche Entscheidungen ergeben, sind Lerneffekte wahrscheinlich (tit for tat oder andere Strategien), ohne daß jedoch sichergestellt wäre, daß irgendwann kooperative Verhaltensweisen sich durchsetzten bzw. sich gar eine allgemeine Freihandelslösung einstellte. 13 Die Alternative liegt· in einer mit Sanktionsmechanismen versehenen internationalen Organisation. Innerhalb der EG sind das Kommission und Ministerrat (wobei kooperative Lösungen leider oftmals in gegenseitigen Zugeständnissen bei an sich marktkonträren Strategien liegen); allgemein könnte dies in einem Zusammenwirken von GATT und Internationalem Gerichtshof bestehen. Solch weitgehende Eingriffe sieht allerdings noch nicht einmal die Uruguay-Runde vor, auch wenn deren Erfolg sicher zu einer Verbesserung dieses Problems führen würde l4 • Internationale Konferenzen wie die der 7er Gruppe oder Weltwirtschaftsgipfel bestimmen die internationale Wirtschaftspolitik. Ihr hehres Ziel heißt Kooperation, Erfolge der Uruguay-Runde werdenjedesmal beschworen; die Ergebnisse freilich bleiben aus. Die Flut von Veröffentlichungen über kooperative und nicht kooperative Spiele v.a. im makroökonomischen Bereich der Beschäftigungs- und Stabilitätspolitik durch entsprechende Koordina13 Eine ausführliche Darstellung dieser Zusammenhänge findet sich bei Welzel (1991, S. 109 ff.). Natürlich ist dieses Spiel nicht nur in der strategischen Handelspolitik relevant, sondern immer, wenn ein (dann freilich ökonomisch großes) Land durch Zölle oder Kontingente z.B. die terms of trade zu seinen Gunsten zu verbessern sucht. Handelskrieg mit Wohlfahrtsverlusten für beide ist ein wahrscheinliches Ergebnis. Erwarten die Aktoren mögliche Reaktionen der Gegenseite, so mögen z.B. statt 11-8 die Werte 10-8 und statt 9-9 die Werte 8-8 zustandekommen, so daß die Freihandelslösung möglich erscheint. 14 Eine Reihe von Ökonomen (in Deutschland z.B. Roland Vaubel) sehen in einem Machtzuwachs internationaler Organisationen Gefahren zu großer Bürokratie, die letztlich Wohlfahrtsverluste für alle Beteiligten bringen. Obgleich diese Gefahren hier nicht geleugnet werden sollen, dürfen die Kosten alternativen Lösungen nicht vergessen werden. Außerdem sollte man bedenken, daß der personelle Aufwand z.B. bei der EG weit hinter dem unserer - auch nicht immer wohlfahrtsmaximierenden - Ministerialbürokratie zurückbleibt. In obigem Beispiel würde ein Strafe von 2 für Konfliktstrategien die Kooperationslösung erlauben.
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tion der Geld- und Fiskalpolitik hat bisher noch keine entsprechende politische Absichten unterstützende Lösungen vorzuschlagen gewußt. Sicher liegt dies auch in den nicht genügend vorhersehbaren Entwicklungen unserer unsicheren Weltwirtschaft. Aber ebenso sicher wird auch zu wenig getan, um solche Unsicherheiten abzubauen, wozu ein allgemeiner Verzicht auf protektionistische Lösungen beitragen könnte.
6. Kommen wir auf die im Thema gestellte Frage zurück. Befinden wir uns auf dem Weg zu einer regulierten Weltwirtschaft? Leider neigt die Antwort einem "Ja" zu. Dies ist einerseits erstaunlich, da im Zuge der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik im nationalen Rahmen der Ruf nach Deregulierungen vorherrscht (auch wenn er nicht überall gehört wird). Im internationalen Kontext scheint dem "Ja" die Tatsache entgegenzustehen, daß sich außer der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes in Amerika die Nordamerikanische Freihandelszone zu etablieren beginnt und auch in Lateinamerika und Ostasien Integrationsbemühungen verstärkt Gestalt annehmen. Man kann durchaus dem Sachverständigenrat und vor allem dem früheren Council of Economic Advisers (1993, S. 321 ff.) zustimmen, daß diese regionalen Integrationsvorgänge Stufen auf dem Weg zu einem weltweiten Freihandel sein können. Aber es muß eben heißen "sein können". Die beschriebenen Tendenzen zu strategischen Handelspolitiken 15 nähren die Befürchtung, daß solche Integrationsformen sich nicht - wie von ihren Gestaltern betont und den Ausnahmeregelungen des GATT entsprechendDrittländern öffnen, sondern zu regionalen Festungen werden, zwischen denen keine kooperativen, sondern konfliktäre Strategien dominieren, bei denen etwaige Anfangserfolge den Blick für Verhaltensänderungen trüben. 15 Der Council of Economic Advisers (1993, S. 324f.) sieht solche Strategien übrigens sehr kritisch und weist auf die Kosten der Hochtechnologieförderung in den USA, Japan und der EG hin. Die Theorie der Zollunion hat bekanntlich nur unbefriedigend mögliche Vorteile solcher Zusammenschlüsse aufzeigen können, zumindest solange man sich der statischen Analyse der Allokationseffizienz bediente. In ihrer Dissertation wendet Anette Gehrig (1990) die Theorie der strategischen Handelspolitik auf dieses Problem an. Sie zeigt, daß vor allem dann, wenn die Mitglieder der Zollunion ähnlich strukturiert, aber in ihrer Effizienz dem nicht dazugehörenden Drittland unterlegen sind, die Integration nicht nur für die Mitglieder der Freihandelslösung überlegen ist, sondern möglicherweise auch für die Nichtmitglieder (Teile III und IV). Daß Konkurrenz zwischen mehreren Freihandelszonen verglichen mit der Situation einer starken EG innerhalb einer ansonsten nicht organisierten Weltwirtschaft u.U. eine Wohlfahrtsverbesserung bringt, zeigt Krugman (1991); Vgl. auch den Beitrag von H. Körner in diesem Band.
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Äußerungen seitens der EG-Kommission haben in Japan - das ja auch nicht gerade als Musterknabe weltweiten Freihandels gelten kann (vgl. Balassa 1987) - Befürchtungen ausgelöst, daß die EG z.B. bei der Reziprozitätsregelung restriktiv verfahren wird (vgl. Ishikawa 1990, insbes. Kap. 5+6). Der Sachverständigenrat weist daraufhin, daß Japan bis 1999 seine Automobilexporte in die EG zu begrenzen hat I6 • Bereits nach der Bildung der EG waren ähnliche Befürchtungen über restriktive Handelspraktiken gegenüber Drittländern laut geworden, weshalb liberale Ökonomen wie Gottfried Haberler dieser Integration sehr skeptisch gegenüberstanden. Verhandlungen in den beiden folgenden GATT-Runden (Kennedy-Runde und Tokio-Runde) haben jedoch die Befürworter der Integration zunächst bestätigt, denn die EG-Außenzölle wurden ebenso drastisch gesenkt wie die Einfuhrzölle der Drittländer (was allerdings durch nicht-tarifäre Handelshemmnisse in der Folge zumindest teilweise kompensiert wurde). Gleichwohl scheint das Wachstum des Welthandels im Vergleich zu dem des Weltsozialproduktes Optimisten Recht zu geben. Allerdings bedeutet dies nicht unbedingt, daß auch künftig der Europäische Binnenmarkt seine Grenzen entsprechend öffnet: einmal sind durch die Vergrößerung der EG die Absatz- und Beschaffungsmärkte im Inneren wesentlich größer geworden - so daß Lieferungen aus und in Drittländer(n) leichter durch Binnenlieferungen substituiert werden können -, zum anderen sind - wie erwähnt - gerade bei abnehmenden Wachstumsraten zunehmende Handelsabschottungen zu befürchten. Hinzu kommt, daß die Weltoffenheit der USA inzwischen leider auch nicht gerade größer geworden ist I7 • Vor allem dann, wenn die Außenbeziehungen (z.B. aufgrund unsicherer Erwartungen über die Wirtschaftspolitik in Drittländern oder über destabilisierende Wechselkursschwankungen) riskanter als die Binnenbeziehungen eingeschätzt werden, steht zu befürchten, daß selbst bei zu erwartenden Vorteilen einer größer werdenden Arbeitsteilung das Sicherheitsbedürfnis der Bürger Abschottung der Vorrang vor Freizügigkeit eingeräumt wird I8 • Obwohl die strategische Handelspolitik insofern eine wichtige Neuerung in der Theorie internationaler Wirtschaftspolitik bringt, als sie systematisch die Konsequenzen steigender Skalenerträge und unvollständiger Konkurrenz behandelt, ist es ihr keineswegs gelungen, eine Abkehr von der Konzep16 Sachverständigenrat (1992, Ziff. 448). In der gleichen Ziffer werden auch dem GATT zuwiderlaufende local content-Vorschriften und Produktionsstandards für Nicht-EGLänder kritisiert. 17 Vor wenigen Jahren (vgl. Bhagwati 1989b) haben 40 amerikanische Ökonomen die Regierung der USA eindringlich vor den Folgen ihrer unter der Flagge "Fair trade" segelnden Handelspolitik gewarnt. 18 Die verschiedenen Aspekte dieses Problems werden eingehend diskutiert bei Heinemann (1990).
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tion einer Handelsliberalisierung zu begründen (vgl. insbes. Bhagwati 1989a), auch wenn manche ihrer Vertreter und insbesondere Politiker dies zu glauben scheinen. Es ist deshalb angebracht, ein Wort von A. Dixit (1986, S. 302) zu beherzigen "In conc1usion, I would like to make a personal plea to the architects of renewal in trade policy research. Don't be too tempted by radical new designs, and conserve some of the beauty of the old ones". Ähnlich äußert sich P. Krugman (1987, S. 143) "It is possible, then, both to believe that comparative advantage is an incomplete model of trade and to believe that free trade is nevertheless the right policy. In fact, this is the position by most of the new trade theories themselves. So free trade is not passe - but it is not what it once was" .19 Anhang: Der Airbus-Boeing Fall (vgl. Krugman/Obstfeld S. 262 ff.) Beiden Firmen stehen die Alternativen "produzieren" und "nicht produzieren" zur Verfügung, die zu den folgenden Ergebnissen führen: Boeing I Airbus produzieren nicht produzieren
produzieren
nicht produzieren
-5 (-5
-5 20)
100
0
0 (0
100 125)
0
0
Produzieren beide, machen Sie einen Verlust von jeweils 5; produziert nur einer, gewinnt er 100; der andere geht leer aus. Erhält Airbus eine Subvention von 25 (vgl. Zahlen in Klammern), wird Airbus auf jeden Fall produzieren, denn der Gewinn beträgt mindestens 20. Warum sollte jetzt Boeing noch produzieren? Analog wirken Subventionen für Boeing. Die Ergebnisse hängen von den Zahlenbeispielen ab. Gilt nämlich folgende Übersicht, so wird ohne Subventionen Boeing mit Produktion auf jeden Fall besser fahren als andernfalls, Airbus wird verzichten. Erhält Airbus wiederum eine Subvention von 25 (vgl. wieder die Klammerwerte), so beeinflußt dies nicht die Entscheidung von Boeing.
[9
Vgl auch Bhagwati (1992) und Krugman (1992).
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Auf dem Weg zu einer regulierten Weltwirtschaft? Boeing I Airbus produzieren nicht produzieren
produzieren 5 (5
-20
0 (0
100 125)
nicht produzieren 100
0
0
0
5)
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