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German Pages 134 [168] Year 1928
Sammlung Göschen
Das Tierreich Insekten Von
Dr. I. Groß in Nenpcl
Mit 56 Abbildungen
Berlin und Leipzig G. I . Göschen'sche Verlagshandlung G. m. b. H . 1912
Iruct dei Lpamellchen Nuchbiuckeiei in Leipzig
Inhaltsverzeichnis. Seite
Einleitung 5 I, Stellung im System der Tieie 7 II. Der Körperbau der Inselten, 1. Die äußere Form des Körpers und seiner Anhänge. IN H,, Der Kopf 11 L. Die Brust 19 c. Der Hinterleib 32 2. Das Innenskelett 35 3. Feinerer Bau des Hautpanzers 36 4. Innerer Bau der Inselten. H. Leibeshöhle 40 L, Muskulatur 41 «, Nervensystem 46 v. Sinnesorgane 50 L. Veidauungsorgane 59 ?. Harnorgane 65 e» In«eote». Paris 1904, I . F , I u d e i c h und H , Nitsche, Lehrbuch der Mitteleuropäischen Forst« Insektenkunde, Berlin 1895, ß, I , K o l b e , Einführung in die Kenntnis der Insekten, Nerlin 1893. A, G, Pllckard, lext, koolc o l D n t o i n o l o ^ , London 1898. 2>, H, N , Schlechtendal u. O t t o Wünsche, Nie Insekten, Leipzig 1879. E, Taschenberg, Die Insekten nach ihrem Schaden und Nutzen, Leipzig 1882,
Einleitung. Unter allen heute existierenden Tierklassen sind die I n sekten die vielgestaltigste und artenreichste. Man schätzt die Zahl der bereits beschriebenen Tierarten auf ungefähr 309 (XX), und davon gehören zu der einen Klasse der Inselten gegen 250 (XX), also mehr als vier Fünftel der Gesamtmenge, Die Insekten sind über die ganze Erde verbreitet und fehlen auf dem festen Lande nirgends, wo überhaupt noch tierisches Leben möglich ist. Zwar ist der Reichtum an Arten in den Tropen am größten, aber auch im Schnee und Eis der Polarländer finden sich immerhin noch einige Vertreter der Klasse. Auch in den Hochgebirgen steigen die Insekten höher hinauf als die meisten anderen Tiere, bis über die Schneegrenze, Auch unterirdische Räume, z. B , Tropfsteinhöhlen, sind gewohnlich von verschiedenen Insektenarten bevölkert. Ebenso treten solche ja auch in den Wohnungen von Mensch und Vieh als oft sehr lästiges Ungeziefer auf. Und über alle Ozeane verstreut finden sich Insekten noch auf den kleinsten und abgelegensten Inseln, Bei weitem die Mehrzahl aller Arten ist an das feste Land gebunden. Nicht wenige aber leben, zum Teil allerdings nur als Iugendfurmen, auf und im Wasser von Flüssen, Bächen, Landseen, Teichen, Tümpeln und Pfützen, sowohl ober- als nntcrirdischen, bis herab Zu den kleinen Wasseransammlungen in Blüten nnd Blättern tropischer Gewächse, J a selbst das Meer entbehrt des Insektenlebens nicht ganz. I n einem rings um die Erde reichenden Gürtel, der vom 2l). Grade nördlicher und südlicher Breite begrenzt wird, finden sich auf allen Ozeanen die Halobatidcn
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Ginleitung.
(s. S, 130) oder Meerläufer, Wasserwanzen, die auf dem Meeresspiegel in ganz ähnlicher Weise umherlaufen, wie die bekannten Schieitwanzen (f. S. 130) auf der Oberfläche unserer Bäche und Teiche. Und auch in unseren Breiten beherbergt das Meer neben gelegentlichen Besuchern ständig wenigstens ein Insekt, einen kleinen Wasserkäfer, O c k t s d i u s m a r i n u z (f. S. 127). Ferner lebt eine beträchtliche Anzahl von Insektenarten schmarotzend auf anderen Tieren, nieist Säugetieren und Vögeln, als sog. Ektoparasiten. Hierher gehören die zahl« reichen Läuse, Flöhe, manche Fliegen u. a. Endlich sind manche Insekten aus sehr verschiedenen Gruppen dazu übergegangen, ihr Leben, oder wenigstens die Iugendzustände, im Innern andererTiere Zu verbringen, als echte Innenschmarotzer oder Endopamsiten, so viele Fliegenmaden, die Larven der Schlupfwespen usw. Dieser Anpassung an die allerverschiedenartigsten Lebens« Verhältnisse entspricht natürlich eine ebenso große Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit im Körperbau der einzelnen Insekten« typen. Trotzdem stimmen sie alle in den wesentlichen Grundzügen des Baues und der Entwicklung überein. Es ist deshalb ganz unzweifelhaft, daß alle echten Insekten eine einzige natürliche, auf gemeinsamer Abstammung von denselben Vorfahren begründete Ticrklasse bilden.
I. Stellung im System der Tiere. Die Insekten bilden eine Klasse im großen Stamm dei Arthropoden oder Gliederfüßler. D i e A r t h r o p o d e n sind b i l a t e r a l symmetrische, heteronom segmentierte T i e r e mit einem aus C h i t i n bestehenden Hautskelett und gegliederten E x t r e m i täten. Die in dieser wissenschaftlichen „Diagnose" des Tieistammes der Nrthropoden vorkommenden Kunstausdrücke sind folgendermaßen zu verstehen: B i l a t e r a l , oder zweiseitig symmetrisch nennen wir solche Tiere, die, wie die meisten höheren Tiere, und z, B, auch der Mensch, sich durch eine einzige von vorn nach hinten durch deu Körper gelegte Hauptebene, die Mediän- oder Mittclebene in nur zwei spiegelbildlich gleiche Hälften, eine rechte und eine linke, zerlegen lassen. Ihnenstehendie radiär symmetrischen Tiere, wie Polypen, Quallen, Stachelhäuter gegenüber, deren Körper sich durch mehrere Hauptebenen in eine größere Zahl gattung. 3) Insel-Insekten. Auf ozeanischen, küstenfeinen Inseln sind fliegende Infekten natürlich sehr der Gefahr ausgesetzt, durch Stürme ins Meer verschlagen zu werden. Wir finden daher auf ihnen anfallend viel flügellose Arten. Schon auf Madeira haben von unge» ähr 600 Käferarten fast 200 verkümmerte oder gar keine Hinter» lügel. Von den einsamen, stmmumbrausten Kerguelen sind sogar nur flugunfähige Inselten bekannt: einige Fliegen und Käfer und ein Schmetterling, K) Hochgebirgs-Insekten. Auf hohen Ge> birgen ist die Sturmgefahr ähnlich wie auf küstenfemen Inseln, Daher sind die Insekten, welche ihre Gipfel bewohnen, ebenfalls ungeflügelt. Flugbewegung der Insekten. Beim Fluge der Insekten wirken alle 4 Flügel gleichzeitig. Ihre Bewegung besteht durchaus nur in einem einfachen Aufund Niederschlagen. Der Vordeirand, in dem die stärksten Längsadern verlaufen, beulen die Fluglich' bietet daher der Luft einen viel kräftigeren tung an. Widerstand als die hinter ihm gelegene zarte, häutige Fläche. Beim Niederschlag des Flügels wird dementsprechend sein Hinterer Rand nach oben gedrückt. Die Oberfläche des Flügels schaut also schräg nach vorn. Er erhält so einen Rückstoß nach vom und oben. Umgekehrt verhält es sich beim Aufschlage. Der Hintere Rand des Flügels wird nach unten gedrückt. Die Oberfläche schaut schräg nach hinten. Der Flügel erhält einen Rückstoß nach unten und vorn. Aus dem Zusammenwirken beider Kräfte entsteht eine Bewegung nach vorn und etwas nach oben. Die Flügelspitze beschreibt dabei eine Achterfigur (Fig. 20). Ände»
Die äußere Form des Körpers und seiner Anhänge.
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mngen in der Fluglichtung werden nur bei den wenigsten Insekten durch Änderungen in der Flügelstellung bewirkt (wahrscheinlich nur bei den Libellen, vielleicht noch bei den Schmetterlingen). Alle anderen bedienen sich hierzu anderer Körperteile. Die Umbildung der Hinterflügel zu besonderen Richtungsorganen, den Schwingkölbchen, bei den Zweiflüglern haben wir schon kennen gelernt. Bei, den Käfem haben die Flügeldecken die Aufgabe der Richtung übernommen. Beim Fluge werden sie ausgespreizt getragen. Ihre Masse liegt dabei über dem Schwerpunkt des Körpers. Die kleinste Änderung in ihrer Stellung muß daher auch die Lage der Körperachse und damit die Flugrichtung ändern. Entfernt man einem Käfer die Flügeldecken, so ist er nicht mehr imstande, seine Flugrichtung zu ändern, sondern kann seinen Flug nur in einer bestimmten, durch seinen Schwerpunkt gegebenen Richtung fortsetzen. Bei den Hautflüglern M v m ß n o p t s l a , s. S, 120) wirkt der sreibewegliche, oft „gestielte" Hinterleib als richtendes Organ. Er kann sehr verschiedene Lagen einnehmen und dadurch den Schwerpunkt des Körpers und mit ihm die Flugrichtung ändern. Bei vielen Geradflüglern (Ortkoptsra), z. B . Heuschrecken, besorgen die Hinterbeine die Änderungen in der Flugrichtung, Verschieden ist auch die Haltung der beiden Flügelpaare zueinander. Bei allen Vertretern niederer und älterer Formen (Geradflügler, Netzflügler, Eintagsfliegen, Libellen usw,) wirken Vorder- und Hinterflügel unabhängig voneinander. Bei den höherstehenden Insekten dagegen, besonders bei Schmetterlingen und Hautflüglein sind der Hinterland der Vorder- und der Vorderrand der Hinterflügel vermittels feiner Häkchen oder auf andere Weise verbunden und wirken gemeinsam als eine Fläche. Über die Haltung der Vorder» flügel bei den Käfern s. o.
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Der Kürperbau der Insekten.
Kraft und Schnelligkeit des Fluges hängen hauptsächlich von 2 Faktoren ab, der Größe der Flügel und der Schnelligkeit ihres Schlages. Gute Flieger mit kleinen Flügeln, z. V . viele Fliegen, müssen diese daher natürlich in besonders schnellem Tempo bewegen. Durch sinnreiche Versuche hat man die Zahl der Flügelschläge in der Sekunde für eine Anzahl von Insekten festgestellt und dabei folgende Werte gefunden:
Stubenfliege 330 Flügelschläge Hummel 240 Honigbiene 190 Wespe 110 Libelle 28 Kohlweißling 9 Ungefähr schätzen kann man die Schnelligkeit der Flugbewegungen schon an der Höhe des Tones, den manche Insekten beim Fliegen erzeugen. J e mehr Schläge in der Sekunde ausgeführt werden, um so höher muß natürlich der hervorgebrachte Ton sein. Bekannt ist z. B. das ganz „hohe Singen" der Stechmücken. Viel tiefer klingt schon das Summen an Blüten saugender Schwärmer. Die Tagfalter haben dagegen einen ganz „schweigsamen" Flug, weil sie ihre Flügel nl!5eiiüe » «mi der Uouchsciie i b i» eine hohle, röhrenförmige Rute, die Zeilemnistcht i «5 iüstcrtlappen. entweder stets frei vorragt oder durch besondere Muskeln in den Körper zurückgezogen werden kann. Eingehüllt wird sie von zwei Paaren von Klappen, einem G r o ß , Tierreich V .
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Der Körperbau der Insekten. äußeren und einem inneren (Fig. 23), die zum 8. und 9. Segment gehören. Sehr eigentümlich ist der Begattungsapparat der Libellen. Am 9. Segment haben sie nur ein Paar von kleinen Klappen. Diese nehmen den reifen Samen aus der Geschlechtsöfsnung auf und übertragen ihn unter starker Krümmung des Hinterleibes zu dem eigentlichen Begattungsapparat am 3. Segment. Dieser, der sich mit den F>g, 23, inneren Geschlechtsorganen in keiner Verbindung befindet, besteht aus einer wn' i er" Mappen"^Rutel dreigliedeiigen Rute und einer Samenblase zur Aufspeicherung des S a mens. I m weiblichen Geschlecht finden wir bei sehr vielen Insekten einen sog. Legestachel oder Legebohrer zum Ablegen der Eier, besonders zum Versenken in die Erde, in pflanzliche oder tierische Stoffe. Gestalt und Zusammensetzung eines solchen Legebohrers kann sehr verschieden sein. Bei den Laubheuschrecken (^ocustiFss Legestcichel einer Heuschrecke: 6as) z, B . besteht er aus drei ll innere; b und o innere Paaren von langen säbelförmigen Scheiden, Scheiden, 4 äußeren (2 oberen und 2 unteren) und einer inneren (Fig. 24 ^ u. L), Die oberen äußeren und die inneren Scheiden gehören zum 9., die unteren äußeren zum LeiselbenondeiSeitegeschn, 8. SegMtNt.
Innenskelett.
2. Innenstelett. I n allerdings nur geringer Ausbildung besitzen die I n sekten auch ein inneres Skelett. Es besteht in der Hauptsache aus nach innen gerichteten Fortsätzen des Hautpanzers in Form von Stäben, Balken und Platten. Es ist hauptsächlich in Kopf und Brust ausgebildet und dient hier sowohl zur Anheftung von Muskeln als auch zur Stütze für die Weichteile. Im Kopf befindet sich vor allem das sog, Tentoiium, ein brückenföimiges Chitingebilde, das sich auf der unteren Kopfplatte
3'g. 25, Innenskelett des Kopfes im Querschnitt, a Tentorium i b Schenkel des T,', » Schlund ; n Nerven,
ssig, 2«, Inneoskelctt der Brust im Querschnitta obere, d seitliche, e untere Fortsätze,
erhebt (Fig, 25), Von ihm aus können 2 Chitinbalken an die Kopf» decke gehen, die Schenkel des Tentoriums, Zwischen ihnen verläuft dei Schlund. Die Nervenstränge ziehen unter der Brücke des Ten° toriums hindurch. I n den Biustsegmenten (Fig, 26) finden sich: 1, obere Fortsätze, plattenförmige nach unten gelichtete Vorspränge der Rückenschilder: 2, seitliche Fortsätze, zapfenförmige Vorsprünge der Seitenschilder; 3, untere Fortsätze, gabelförmige Vorsprünge der Bauchschilder, Bei niederen Insekten ist das Innenskelctt nur schwach entwickelt oder fehlt ganz, 3*
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Der Körperbau der Inselten.
3. Feinerer Vau des Hautpanzers. Fig. 27. Der Hautpanzer der Insekten besteht wie bei allen Gliederfüßlern aus Chitin, einer kompliziertenchemischenVerbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff in wechselnder Zusammensetzung. Wahrscheinlich sind in ihm immer ein Eiweißkörper und ein Kohlehydrat enthalten. Es ist unlöslich in Laugen und Essigsäure, selbst beim Kochen. Von starken Mineralsäuren wird es schon in der Kälte gelöst. Es umkleidet den ganzen Körper und alle seine Anhänge als harte, sehr widerstandsfähige Haut. Seiner Entstehung nach ist der chitinöse Hautpanzer eine sogenannte Cuticula, d. h. er wird Fiz, 27, von einer darunterliegenSchnitt durch die Haut emes Iüsctts s Epidermis; o Cuticuln; /i Haar. den Iellenhaut, der Epidermis tel; < Qucrinuötcln.
unten an den Hinterland des Flügels heran, Tie direkten Flugmuskeln bewirken nur eine einfache Auf- und Abwärtsbewegung der Flügel, Bei den Libellen kommen hierzu noch zahlreiche kleinere Muskeln, die Änderungen in der Flügelstellung ermöglichen